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German Pages 667 [688] Year 1959
ERNRNGRER, PR
velbelbay SCHOOL OE THEOLOGY ; SAT-CLAREMONT.
;
WEST FOOTHILL AT COLLEGE AVENUE
CLAREMONT, CALIFORNIA
Ir
z
Dietrich Bonhoeffer, Gesammelte Schriften. Zweiter Band
CS
Te) 28) DIETRICH
BONHOEFFER
GESAMMELTE
SCHRIFTEN
Herausgegeben von Eberhard Bethge
Zweiter
Band
— CHR.
KAISER
VERLAG 1197529
MÜNCHEN
DIETRICH
BONHOEFFER
KIRCHENKAMPF
UND
FINKENWALDE Resolutionen
- Aufsätze
1933
- Rundbriefe
bis 1943
Ei
n CHR.KAISER VERLAG MÜNCHEN Im9E5u9
Mit elf Bildtafeln und einer Zeittafel ©
1959 Chr. Kaiser Verlag München.
—
Alle Rechte, auch die des auszugs-
weisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung vorbehalten. —
Printed in Germany. —
Umschlag- und Einbandentwurf
von
Rudolf Nieß. Satz und Druck: Buchdruckerei Albert Sighart, Fürstenfeldbruck.
VORWORT
Beim
Durchblättern
des zweiten
Bandes
der Gesammel-
ten Schriften wird man bestätigt finden, daß er mit dem ersten unlöslich zusammengehört, historisch und sachlich. Die gleichen Grundereignisse bestimmen Bonhoeffer: Machtergreifung, Arierparagraph, Barmer und Dahlemer Synode, die Notorgane der Bekennenden Kirche, Herbeiführung des Krieges durch Deutschland und die kommende Katastrophe. Die gleichen Grundentscheidungen sind vollzogen: eine energische
Konzentration auf die schon früher angelegte Entdeckung der Kirche, auf die in der Nachfolge und nicht in Ämtern Vollmacht gewinnende Verkündigung, und die Bereitschaft, Schuld und Gericht des eigenen Landes auf sich zu nehmen. Angesichts der Beobachtung, daß der Bonhoeffer der letzten Monate an manche Ansätze von 1932 wieder anknüpft,
nimmt sich diese Konzentration im und durch den Kirchenkampf wie ein Zwischenspiel aus, kaum noch nachvollzieh-
bar ohne eine volle Kenntnis der Situation von damals. Die - Bände III und IV werden das noch deutlicher bestätigen. Dennoch hat diese Zeit ihn geprägt und ihr gehörten seine besten Jahre. Dieser Band verstärkt die Frage: Was
war
das, was
„da-
zwischen“ lag? Eine Episode? Die Unterbrechung einer Linie, welche an der richtigen Stelle, aber leider zu spät wieder
aufgenommen wurde? Im politischen Feld meinen wir, daß die Ansicht der Hitlerzeit als eines mehr oder weniger zu
übergehenden Zwischenspiels verderblich und zerstörerisch sei. Wie aber im kirchlichen Feld mit dem Kirchenkampf? War er nur eine unvermeidliche, aber im Grunde rückschritt-
liche Verorthodoxierung der Kirche und ihrer Theologie? Sah nicht Bonhoeffer selbst, daß es darauf hinauskam („konservative Restauration“ WE 220)? Hätte er zugegeben, daß
8
Vorwort
auch er seinen Beitrag dazu leistete? Je mehr Dokumente der Kirchenkampfzeit ans Tageslicht gezogen werden — in einer gespenstischen Wiederbelebung der streitenden Fronten auf dem literarischen Schlachtfeld! —, um so rätselhafter wird dieses „Zwischenstück“ unserer theologischen und kirchlichen Geschichte. Was für eine Sprache, was für eine Art des Argumentierens sieht uns jetzt darin an! Welches sind die Maßstäbe, diese Zeit zu beurteilen? Die wir damals für selbstverständlich hielten? Die sich heute aufdrängen? Wir werden jedenfalls zu gültigen Perspektiven nur kommen, wenn das Material der Hauptbeteiligten sorgfältig zugänglich gemacht ist. Damit mag die Reichhaltigkeit dieses Bandes gerechtfertigt werden. Man wird in ihm gleich zweimal hintereinander durch die Jahre des Streites geführt. Das zweite Mal einsetzend mit der Eröffnung des Finkenwalder Seminars 1935. Damit wird jener Teil von Bonhoeffers Arbeit sichtbar, in dem er nach seinen eigenen Worten
„die beruflich
und
menschlich
ausgefüllteste Zeit“ seines Lebens gesehen hat (Seite 458). Die an neuen Kommunitäten Interessierten können sich nun einen Einblick in das damals so umstrittene Bruderhaus verschaffen, das Meditieren, den Geist der „radikalen“ Finken-
walder. Aber noch etwas anderes gab Anlaß, diesem Teil weiten Raum zu geben: meines Wissens ist der besonderen Last, welche die illegalen „Jungen Brüder“ und durch sie die Notorgane der Bekennenden Kirche zu tragen hatten, bisher kaum eine überzeugende Dokumentation gewidmet worden. Und doch kann man die Schärfe der Kämpfe nicht verstehen, ohne die Hunderte junger Theologen zu sehen, deren persönliche und berufliche Existenz ganz an der Existenz der Bruderräte der Altpreußischen Union hing. Vor
allem kann man ohne sie die Schärfe der nach Dahlem immer tiefer gehenden Risse gegenüber
den sogenannten
„in-
takten Landeskirchen“ nicht verstehen, welche kein Notregi-
Vorwort
9
ment und keine finanzielle und geistliche Last mit den „Ille-
galen“ kannten. Schon in den zerstörten, aber erst recht in den intakten Kirchen hatte jeder ältere Bekenntnispfarrer noch seine Pfarre, seine Kanzel und den Vorsitz in den Gremien — nur die „Jungen Brüder“ mußten ohne Stempel, Gehaltssicherung und manchmal ohne Kirchgebäude um neue Formen ihres Pfarrdienstes täglich kämpfen — unter dem versuchlichen Angebot der Konsistorien, der Not durch die Unterstellung ein Ende zu machen. Davon wird hier auf der unteren
Ebene
etwas
sichtbar,
in seiner ermüden-
den Länge und auch Gebrochenheit. Dazu noch ein anderes. Die Illegalen wanderten — gemeinsam mit vielen ihrer wohlbestallten älteren Amtsbrüder — von 1936 an wieder und wieder in die Gefängnisse. Und dann fielen sie in der Katastrophe des Krieges. Für sie gab es keine Möglichkeit, reklamiert oder Heerespfarrer zu werden. Wenn es sonst zu nichts nütze sein sollte, Finkenwalde hier so ausführlich wieder zum Leben zu erwecken,
so
doch
dazu,
diesen
Brüdern
ein
Denkmal
zu
setzen, die ihr Leben in einem tragischen Konflikt hergegeben haben. Heute fehlen sie im Dienst ihrer Kirchen. Vielleicht daß sie mit dieser Dokumentation ihren Kirchen und ihrem Land von Neuem dienen. Bis an die Front verstand Bonhoeffer, Mut zu machen, im Verzicht auf die geordnete
Legalität zu verharren und die Vollmacht des Zeugnisses nicht zu verkaufen. zu ihm.
Bonhoeffer
Fraglich ist, ob die Quellen am Tätigkeit Bonhoeffers
gehört zu ihnen, wie sie
Anfang und Ende der
im nationalsozialistischen
Staat ein
zutreffendes Bild seiner tatsächlichen Beteiligung zeichnen. Seine Aktivität 1933, die ihm fast unheimlich wurde (siehe Seite 132), ist eher zu schwach belegt. Während z. B. um
den fatalen 1. April, dem Judenboykott, offensichtlich in williger Befolgung höherer Weisung, von Kapler bis zu den
10
Vorwort
Methodisten Briefe an befreundete Kirchen des Auslandes geschrieben
wurden,
des Inhaltes,
man
möchte
doch den
Hetzberichten über Judenverfolgungen nicht glauben, saß Bonhoeffer mit P. Lehmann in Berlin zusammen und schmiedete Pläne, u. a. dem New Yorker Chief-Rabbi Wise Botschaft zukommen zu lassen, was in jenen Tagen abrollte und welches Gesetz (das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ 7. 4. 33!) in wenigen Tagen unterschrieben würde. In den gleichen Tagen saß er an dem Aufsatz über die Judenfrage, in welchem er außer dem innerkirchlichen Problem, was mit getauften Juden zu geschehen habe, dem generellen Eintreten für die Geschändeten einen
Hauptteil widmete — was in der Kirche später immer stärker zurücktrat, Bonhoeffer aber wachsend belastete. Als am 16. Oktober 1941 in Berlin die Massendeportationen der Juden einsetzten, versuchte er tagsdarauf bei der Generalität mit Berichten etwas zu erreichen, siehe Anhang S. 640 ff. Zweifellos bleibt gegen Ende des Bandes die Belegung der Untergrundtätigkeit unbefriedigend. Huppenkothen berichtete in seinem Prozeß, er habe das in jenem Panzerschrank von Zossen (Abwehr) durch Sonderegger entdeckte Beweismaterial gegen die Gruppe, zu der Bonhoeffer gehörte, vor Ankunft der Alliierten verbrannt und die Asche in einen Gebirgsbach gestreut. Mir wurde aber in eigenen
Verhören ein dicker Stoß von Papieren Bonhoeffers vorgelegt. Es gab also für die verschiedenen Gestapo-Verhörsabteilungen mehrere Kopien. Sollten sie alle so sorgfältig vernichtet sein? Jedenfalls ist es erstaunlich, daß die hier
abgedruckten kleinen Entwürfe aus jener Tätigkeit überhaupt erhalten sind. Daneben existieren noch ganz klein be-
schriebene Zettel, die Bonhoeffer vor und nach den Verhören benutzte; sie warten auf eine spätere Verwendung. Hier und da werden im Band II Korrespondenzen erwähnt, denen mit freundlicher Hilfe der betreffenden Lan-
Vorwort
11
deskirchenämter nachgespürt wurde, die aber bisher nicht gefunden werden konnten. Dazu gehört ein Briefwechsel, der wahrscheinlich im September 1933 mit Landesbischof Meiser geführt wurde; und ein anderer mit Bischof Wurm aus den Jahren 1941 und 1942. Wie schon in Band I vermutet, fand sich aber noch Material, das eigentlich in den Okumene-Band gehört hätte: Korrespondenz zwischen Lehmann und Bonhoeffer — bewegliche Zeichen, welche zusammen mit Funden aus dem ökumenischen Archiv des Union Theological Seminary die Überlegungen und Entscheidungen im USA-Tagebuch (G. S. I S.291 ff.) von der anderen Seite her beleuchten; John Baillies Schreiben für die Croal Lectures; die restliche Korrespondenz mit Dr. G.K. A. Bell, Bischof von Chichester, aus der Londoner Zeit. Zur Unterscheidung der verschiedenen Stücke ist die gleiche Drucktechnik angewendet worden wie in BandI (siehe G.S.I S.9). Einige gravierende Druckfehler in Band I mögen hier für interessierte Bearbeiter des Materials gleich
berichtigt werden: auf dem Foto hinter Seite 32 muß es heißen:
„.....
Weihnachten
1930
in Cuba“;
Seite 37 muß
statt 14. Februar 1933 stehen „14. April 1933“; Seite 133 statt Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche „Dreifaltigkeitskirche“. Außerdem sind zwei irreführende Anmerkungen zu berichtigen. Seite 211: Bonhoeffer führte nicht den Vorsitz; Seite 389: der Brief kann nicht aus der Schweiz geschrieben, son-
dern muß brieflich durch E. Sutz vermittelt worden sein. Auf Seite 105 dieses Bandes II ist Hebr. 12 „Hebr. 1, 3“ zu lesen. Zum der G. S. liegt dem Band am Schluß Zu Dank bin ich wieder Wilhelm
an Stelle des originalen Gebrauch für alle Bände eine Zeittafel bei. Niemöller verpflichtet,
welcher unermüdlich in seinem Archiv nach fehlenden Gliedern der Entwicklungskette gesucht hat. Kurz bevor Bischof G. K. A. Bell die Feder aus der Hand legen mußte —
wie
12
Vorwort
gespannt warteten wir auf die Arbeit an seinen Memoiren —, erlaubte er noch die Verwendung seiner Quellen. Dank schulde ich 4. L. Henriod, P. Lehmann und J. Baillie; Dank den Finkenwalder Brüdern, die mich bereitwillig unterstützt haben: G. Ebeling, H. Fleischhack, R. Grunow, W. Jensen, W. Koch, W. Maechler. Endlich ist der Band wieder nicht
zu denken ohne die Findigkeit und brüderliche Beratung J. Glenthajs. Entscheidende Förderung hat die Arbeit an den Gesammelten Schriften dadurch erfahren, daß die Danforth-Foundation im Verein mit der Harvard Divinity School dem Herausgeber großzügig ein Jahr zu freier Arbeit als Visiting Lecturer an der Harvard Divinity School ermöglicht hat. Das Erscheinen dieses Bandes gibt willkommenen Anlaß, Dr. Kenneth Brown und Dean Douglas Horton besonders herzlich zu danken. Januar 1959 Eberhard Bethge
INHALT
NOIR
OR
en a
TEIL I: KIRCHENKAMPF I. Die AnrÄnge.
1933
Wandlungen
des Führerbegriffes in der jungen Generation
19
Der Führer und der einzelne in der jungen Generation Erster Briefwechsel mit Karl Bastth
.
2»:
.
Die Kirchenwahl
2a.
vom 23. Juli 133.2
Der Arierparagraph
7 u
22
.
44
2...
Die Kirche vor der Judenfrage. Vortrag April 1933 Kirchenkampßin.der Universität.
.
39
.
0 2a. 2.0.0
54
2%
58
in der Kirche. Flugblatt August 1933
General- und Nationalsynode
September 1933
.
62
.
.
70
II. Das BETHELER BEKENNTNIS BireanndieGroßmutter Vorbemerkung
mn
ErstfounedesuBekenntnussese III. Engrann.
ea
des Herausgebess
Ru .
.
u
.
2.2.
80
ee,
9%
1933—1935
Werbentschlinß Briefen...
2
0 0 Kasse
Zweiter Briefwechsel mit Karl Barth. Erster Briefwechsel
Londoner
77
.
.
120 .
274126
mit G.K. A. Bell, Bischof von Chichester
Auswirkungen
madeProtestetn
en .
des Sportpalast-Skandals.
we
ea
ee.
Aus dem Jahresbericht 1933/34 der Gemeinde
ze. Sydenham
Zehn Thesen für die Freikirche von Lic. Hildebrandt. Zweiter Briefwechsel mit CHIcHESeT ir
G.
K. 2
A.
138
Briefe
Bell, Bischof von ee ran) ar.
. .
164 167 169
NeuesPlanes Die
Briefe
Londoner
De
Loslösung
nach Dahlem.
von
Se
en
der Reichskirchenregierung
Protokolle und Briefe
Dritter Briefwechsel mit Chichesterun WE
G.
K.
A. et
.
.
Bell, Dr
.
....
Bischof A
Rückblick auf London. Jahresbericht und Brief
IV. KRITISCHER VERTEIDIGER
179
DER BEKENNENDEN
.
18
von 05 .
.
200
.
205
KIRCHE.
1935-1939 Die Geltung von
Barmen
und Dahlem.
Briefe
.
.
Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft. Aufsatz und DisIkusston Pag BEER a} NE RE ME Irrlehre in der Bekennenden Olympiade, und. Chamby.,
Kirche? Gutahten
1930
.
.
.
264
0.776
Dritter Briefwechsel mit Rarl Barth
,
v0.
Erstes Behinderungen
EN
Da
a.
An die jungen Brüder in Pommern. Grüßertur Martin Niemöller
27.
2283 297
Januar 1938.
.
1
.
29
307
Der Eid und die Essener Verhandlungen. Proteste. 1938
.
308
Unser Weg nach dem Zeugnis der Schrift. Vortrag 1938
.
320
Das amerikanische
Experiment.
Briefe
.
2.
.0.20.0.347
V. Krızc. 1940-1943 NeuerBehinderungen@.
u.
ee.
N
63
An Stelle eines Tagebuches. Aus Briefen 1940—1942
.
Eingabe anıdie Wehrmacht
E49
1941.
Beendigung des Kirchenkampfes. einem Umsturz pa
Kan I
sn.
Sofortmaßnahmen sen.
.
nach rer;
Entwurf zu einer Kanzel-Abkündigung nach einem Umsturz Der Blidssvon unten llestament
us
Sr.
Brief aus: Tegel, 1943er.
373
0
438
TEIL
II: FINKENWALDE
I. DIE ERSTEN FÜNF KURSE IN FINKENWALDE. Dankbrief an die Dahlemer
1935-1937
Gemeinde
447
Antrag zur Einrichtung eines Bruderhauses
448
Ein Gruß aus dem Finkenwalder Predigerseminar. 1935
453
Protest gegen die Münchener
456
Feier des 9. November
1935
Aus dem ersten bis fünften Rundbrief Protest gegen Oeynhausen. Eine
Studienreise
Aus dem Aus
Februar 1936 .
und ihr Nachspiel.
sechsten Rundbrief
dem
458
achten
und
Rundbrief
Gruß
und
467 470
1936 aus Finkenwalde
Anleitung
zur
478
Meditation Wollt Ihr's im Fleisch vollenden? Aus dem neunten
Rundbrief
Aufruf
484 487
Brief
Aus dem zehnten bis fünfzehnten Rundbrief
dem
489
.
506
1936
Weihnachtsgruß Aus
483
1936
.
Arbeit in einer toten Gemeinde.
Jahresbericht
ins Polizeipräsidium
siebzehnten
513
.
bis dreiundzwanzigsten
Rundbrief. 514
Verhaftungswelle
II. Die SAMMELVIKARIATE SCHLAWE. Briefe
475
täglichen
IN KÖSLIN
UND
IM KIRCHENKREIS
1937-1940 zum
neuen
Die Rundbriefe
523
Anfang
531
des Jahres 1938 .
Brief bei einer Entlassung
aus dem KZ
.
545
Weggang und Heimkehr. Briefe 1939 .
546
Erste Rundbriefe
353
im Krieg
Ende in Sigurdshof
562
III. Nach DEr AurLösunc.
1940-1942 564
Brief ins Feld. Mai 1940 .
570
Weihnachtsbrief 1940 . Gefallen...
Rundbriefe
Briefwechsel
mit einzelnen
Ratschlag
1941
zur Legalisierung
Adventsbrief
und
1942
573
.
586 durch
die Konsistorien.
1942
594 596
1942
ANHANG
Übersetzungen Nachweise Dokumente
der Judendeportationen.
1941
Register
Die
BıLDEr D. Bonhoeifer im Jahre 1935 (vor S. 17) — Kirchensiegel des Reichsbischofs (nach S. 32) — Bonhoeffer mit Schniewind und Asmussen.
Mit Hans-Henning
Zippel.
1936
(vor S. 33) —
Mit
E. Bethge in Groß-Schlönwitz 1938 (nach S. 384) — Mit Frau Ruth und Konstantin von Kleist-Retzow in Kieckow. Mit Pater Johannes in Ettal. 1940 (vor S. 385) — Hans von Dohnanyı (nach S. 400) — Aus dem Entwurf zu einer KanzelAbkündigung (vor S. 401) — Bonhoeffer in Zingst 1935 (nach S. 512) —
Notkirche
S. 513) —
Im Sammelvikariat
der Bekenntnisgemeinde Groß-Schlönwitz
Sigurdshof 1939 (nach S. 528) — von Flossenbürg (vor S. 529).
Finkenwalde
(vor
1938. Forsthaus
Erinnerungstafel in der Kirche
Br
KIRC HENKAMPF
I. DIE
ANFÄNGE 1933
Wandlungen des Führerbegriffes in der jungen Generation [Vorschau-Artikel in der „Funkstunde“ zur Sendung
am 1. Februar 1933]
Wozu dies unermüdliche Fragen nach der jungen Generation, nach ihren Gedanken, ihren Hoffnungen und ihren Kräften?
Wozu dies Fragen gerade in einer Zeit, in der es wie nie zuvor auf sachliches Können, auf gelernte Arbeit, auf qualifiziertes Wissen ankommt, d. h. in der es auf den Erfahrenen,
auf den Mann ankommt und gerade nicht auf den Jungen? Ist es die angstvolle Neugier der unsicher gewordenen Älteren, die wissen wollen, wie es einmal ohne sie weitergehen soll, die sich hier anmeldet? Ist es die Sensationslüsternheit unserer Zeit, die das „Neue“, das die junge Generation mit sich führt, ebensowenig abwarten kann wie den dernier cri der neuen Sommermode? Ist es die widernatürliche Selbstbespieglung der um ihrer Eigenart und Schönheit willen von
alten Narren eitel gemachten Jugend selbst? Es ist oft und meist alles dieses zusammen, und darum sollte man dort, wo man dies wittert, von diesen Fragen besser gänzlich schweigen. Sie reizen auf, ohne zu fördern. Die bloße Schaustellung
wird von der Jugend selbst als Entwürdigung empfunden. Nur wo sie die ernste Bereitschaft des anderen voraussetzt,
ihr zu helfen in der Klärung der ihr eigentümlichen Situation, Aufgaben, Kraft, Grenze, spricht sie von ihrem Anliegen, nicht um einer Kuriosität willen, sondern um ihrer Verant-
wortung willen.
20
{
Die Anfänge.
1933
Es ist gewiß schon ein Zeichen der Gesundung, vosität, mit der man noch vor ein paar Jahren Fragen her war, einer größeren Gelassenheit Dies hat seinen bedeutsamen Hintergrund: Das
daß die Nerhinter diesen gewichen ist. Problem der
jungen Generation ist jedenfalls in seiner für das Gros aufreizenden Gestalt als „Väter- und Söhne“-Problem heute überwunden, einerseits dadurch, daß dieser Kampf wirklich ausgetragen ist. Sodann aber auch, weil sich eine bedeutsame Umschichtung der gesamten Lebensinteressen vollzogen hat. Es geht der jungen Generation heute — im Gegensatz zu der Zeit vor etwa 10 Jahren — nicht mehr wesentlich um ihr Jungsein und ihr Recht auf Jugendlichkeit, sondern man sieht sich ganz einbezogen in den von Alten und Jungen gemeinsam, wenn auch von jedem in seiner Weise, getragenen Dienst an derselben Zukunft. Damals aber wie heute steht gleichsam
als der Bürge für Recht, Sinn und Erfolg des Kampfes der „Führer“ da. Das Bild des „Führers“, wie es einst in der Jugendbewegung entstand, ist zwar in den letzten Jahren wesentlichen Wandlungen unterworfen gewesen, aber es ist als das für den Jugendlichen in seinem ganzen Wollen letztlich allein Verbindliche zum Wahrzeichen der jungen Generation geworden. Im Bild des „Führers“ symbolisiert sich das politische, weltanschauliche, religiöse Denken der jungen Generation, an seinen Wandlungen läßt sich ihre seelische und die politische Geschichte ablesen. Woher kommt dieses eigentüm-
liche Feuer, dieser Glanz und dieses Pathos, das der Begriff des Führers heute bei den Jungen in sich trägt? Vierziger
unter uns können uns berichten, daß noch in ihrer Jugend solches Reden vom Führer völlig unbekannt war. Entspringt der Ruf nach dem Führer der Erkenntnis, daß die Macht der Dinge über den Menschen so groß und so vernichtend und
so chaotisch geworden ist, daß allein die große Persönlichkeit hier wieder die rechte Ordnung und Einheit hineinzubringen
vermöchte? Oder muß vielleicht immer dort vom Führer so
Wandlungen
des
Führerbegriffes
21
geredet werden, wo man sich zwar der politischen Notwendigkeit der Preisgabe des Persönlichkeitsideals und des Einsatzes der Menschen als Masse, als Kollektive, bewußt ist, wo man aber nun all das, was man selbst hat aufgeben müssen, auf das Ideal des Führers überträgt und in ihm unendlich intensiviert wiederfindet? Woher käme sonst die seltsame Spannung zwischen Persönlichkeitsverehrung und Kollektivismus? Oder ist der Ruf nach dem Führer ein notwendiger Ausdruck sowohl unserer gegenwärtigen politischen Lage wie eines bestimmten jugendlichen Lebensgefühls überhaupt? D.h. hat er geschichtliche und psychologische Notwendigkeit? Und wenn so, welche Grenzen sind seiner Bedeutung gezogen? Wieweit ist Führen und Geführtwerden gesund, echt, und wo wird es krankhaft, maßlos? Nur wer sich über diese Fragen klar Rechenschaft gibt, hat etwas vom Wesen des „Führertums“ und etwas von der Art der jungen Generation begriffen. Es hängt heute in der Jugendführung so gut wie alles davon ab, daß hier klare Linien gezeigt werden, daß man über alles Verschwommene und Phantastische hinaus ins Reine kommt. Die Gesundheit und Geradheit der Jugend
steht hier auf dem Spiel. Ideal und Illusion liegen hier in nächster Nähe.
22
Die Anfänge.
1933
Der Führer und der einzelne in der jungen Generation. [Vortrag in der deutschen Hochschule für Politik Berlin, März 19331]
Drei Brüder, von denen der älteste im Jahre 1900, der zweite 1905, der dritte 1910 geboren wurde, die also jetzt 33, 28 und 23 Jahre alt sind, verkörpern heute den Unterschied dreier Generationen. Sie alle aber gehören zu dem, was man „junge Generation“ zu nennen pflegt, der älteste, der die Zeit seiner geistigen Reife noch im Krieg, der zweite, der sie unter dem Eindruck der Jahre nach dem Zusammenbruch, der dritte, der sie in den Jahren der noch unbenennbaren Epoche
— sagen wir seit 1926 — durchlebte. Die Hast der geschichtlichen Ereignisse hat die Geschwindigkeit des Generationswechsels fast um das Zehnfache beschleunigt. Ein Zeitraum von drei bis fünf Jahren trennt heute die Generationen. Von
einer Generationsfolge müssen wir dort sprechen, wo sich einerseits die Reihe der gleichaltrigen Jüngeren auf ein für
ihre gesamte geistige Haltung eigentümliches Erlebnis beruft und sich damit im Gegensatz zu den Älteren als selbständige, durch besondere Erlebniseinheit begründete Gruppe empfindet und wo andrerseits bei den Älteren schon der eigentümliche Prozeß der Abklärung des eignen Erlebnisgehaltes und
der geistigen Haltung eingesetzt hat. Die großen Schwierigkeiten der gegenwärtigen geistigen Auseinandersetzung mit und innerhalb der jungen Generation haben in dieser inneren 1. Erweiterte Form des Rundfunkvortrags vom 1. Februar 1933, dessen Schluß von der Sendeleitung abgeschaltet worden war. — Erweiterun-
gen gegenüber der Sendung durch ( ) bezeichnet.
Der Führer und der einzelne
23
Uneinheitlichkeit derselben ihren Grund. (Die ersten: Menschen, die den Tod gesehen haben, die sozusagen täglich neu aus dem Tode ins Leben geschritten sind, die das Leben als Einsatz und als Gewinn kennen lernten und die daher heute noch über eine ganz eigentümliche Spannweite im Denken und Wollen verfügen, einerseits eine fast verletzende Härte gegenüber dem eignen und anderen Leben und Lebenseinsatz, andrerseits eine starke Lebensbejahung und Verantwortlichkeit gegenüber fremdem Leben. Diese Generation der jungen
Kriegsteilnehmer steht als geschlossene Reihe ihren jüngeren Brüdern gegenüber. Ob bewußt oder nicht, ihre gesamte Hal-
tung ist der Ausdruck der unerreichbaren Überlegenheit über die Jüngeren, es liegt etwas wie Spott auf den Gesichtern dieser durch Tod und Leben Gezeichneten, ein Spott über die völlig Unerfahrenen, die leben ohne zu wissen, was das
eigentlich heißt. Es geht eine unsichtbare, aber unüberschreitbare Grenzlinie zwischen denen, die im Krieg waren, und den nur ein wenig Jüngeren, die in der Zeit des Zusammen-
bruchs wach und reif wurden. Dies wird von den Jüngeren eben noch stärker gespürt als von den Älteren. Es gibt für die erste Nachkriegsgeneration nichts Eindrücklicheres als dies, daß da mitten unter ihnen und neben ihnen diese Männer, die der Welt des T'odes entronnen sind, leben. Es ist etwas Beängstigendes, Beunruhigendes, Erschreckendes in diesem Wis-
sen. Und die seltsame Stummheit, die in den ersten Nachkriegs-
jahren über dieser Welt lag und die erst viel später einer schon nicht mehr ganz ursprünglichen Gesprächigkeit gewichen ist, verstärkt das Bewußtsein der Unnahbarkeit dieser Welt für jeden anderen. Unter dem Druck dieser Generation der Kriegsteilnehmer wuchsen die Jüngeren heran. Sie sind charakterisiert durch zweierlei: einmal haben sie das Wissen, das ihre älteren Brüder am eignen Leib gelernt haben, in der Sphäre der Idee übermittelt bekommen, und damit wurde ihnen das ganze Le-
24
Die Anfänge.
1933
ben in seiner Fraglichkeit und Fragwürdigkeit problematisch. Und doch unterschied sich diese Problematik von der der Alteren darin, daß sie für jene von selbst mitten in einer verantwortlichen Situation erfahren wurde, d. h. daß sie lebensmäßig immer wieder überwunden wurde, während
die Pro-
blematik der Jüngeren verantwortlich nicht gebunden und eben darum radikal war, und zugleich darauf hindrängte, nun selbst die verantwortliche Situation zu schaffen, in der diese Problematik durchgekostet werden konnte. So wurden die Jüngeren eben aus diesem Gegenüber mit den älteren Brüdern dahin geführt, selbst schöpferisch zu gestalten, nicht so sehr das Gegebene verantwortlich zu tragen und auszuhalten, als
frei eine eigne Form des Lebens aus radikaler Kritik heraus zu schaffen. Mit dem Ende der Jugendbewegungszeit — im umfassendsten Sinne dieses Wortes — d.h. mit dem Augenblick der
Übernahme der Verantwortlichkeit des Berufslebens durch die zweite Jugendreihe entsteht die heute jüngste Generation. Ohne sich dessen bewußt zu werden, weiß sie es, daß aus
der radikalen Problematik heraus Leben sich nicht gestalten läßt. Sie wird deswegen nicht unproblematisch, wie man oft gesagt hat, dazu steckt das Erbe ihrer älteren Brüder ihr viel zu tief im Blut, aber der Ort ihrer Probleme verlagerte sich, ja man möchte sagen, die Problematik spaltete sich. Die letzten Lebensfragen werden — im bewußsten Gegensatz zu der Gesprächigkeit der vorangegangenen Generation gerade in diesen Dingen — mit Schweigen beantwortet — eine stumme Verbundenheit mit der Wirklichkeit in Sport, Reise, Arbeit,
Politik läßt keine Neugier und Sensation in dieser Richtung aufkommen, ohne daß man sagen könnte, daß diese Stumm-
heit eine Grabesstille sei. Andrerseits konkretisiert sich das Lebensproblem aus der allgemeinen Fraglichkeit heraus unter den Umständen der Zeit zur politischen Aktion. Und es ist hierbei
nun
festzustellen,
daß
der Wirklichkeitssinn
der
Der Führer und der einzelne
25
Jüngsten zu einer Wirklichkeitsmetaphysik geworden ist und wird. Man nimmt die Wirklichkeit nicht in dem, was sie ist, man reflektiert auch nicht darauf, was sie sein kann und was
nicht, sondern man nimmt sie als das, was sie sein sollte, man hält sie unskeptisch für beliebig entwicklungs- und gestaltungsfähig, man sieht in ihr die Elemente eines sich jetzt verwirklichenden Reiches Gottes auf Erden. Dort wo diese Wirklichkeitsmetaphysik sich mit der Erkenntnis der konkreten politischen Not verbindet, dort entsteht ein politischchiliastisches Denken, wie es die heute jüngste Generation weithin charakterisiert.
Es ist nunmehr begreiflich, daß auf einem geistigen Kampffeld, auf dem neben diesen drei jungen noch eine alte Generation steht, auf dem also vier Generationen miteinander rin-
gen, die Lage so unübersichtlich ist, wie sie sich eben heute darstellt. Es ist aber doch für das Verständnis der entscheidenden gegenwärtigen Fragen kulturpolitischer und sonstiger Art notwendig, diese unverschuldete, durch den Geschichts-
verlauf bedingte Gespaltenheit im Auge zu behalten.) Und doch läßt sich nun auch über die junge Generation als Ganzes einiges Zusammenfassendes sagen. Sie ist herangereift in einem Geschichtsraum, in dem die bisher festgegründete Welt des Abendlandes aus den Fugen ging, Krieg, Nachkrieg,
Krise. So konnte die ihr zugefallene innere Aufgabe nichts anderes sein als der Versuch, sich nicht in einen völligen Zusammenbruch mit hineinreißen zu lassen, sondern irgendeinen Halt zu finden, der ihr das Weiterexistieren ermöglichte. Unter einem dreifachen Eindruck vollzog sich der Griff nach diesem Halt: erstens erkannte man in dem erlebten Zusammenbruch den Triumph der Dinge über den Menschen,
der Maschine über ihren Erzeuger. (Die zur Beherrschung der Natur dienende Technik wurde nun gegen den ihr gegenüber wehrlosen Menschen gewandt und damit um ihren wesentlichen Sinn gebracht!) Zweitens schien die Machtlosigkeit der
26
Die Anfänge.
1933
gesamten bisherigen politischen, weltanschaulichen, religiösen Ideologie deutlich erwiesen, drittens aber mußten die Millio-
nen Gefallenen im Weltkrieg, die revolutionären Massen des Nachkriegs, das Millionenheer der Arbeitslosen in der Krise dem jungen Menschen einen überzeugenden Eindruck von der
Bedeutungslosigkeit und völligen Vereinsamung des einzelnen und von der dumpfen Macht der Masse vermitteln. Die Masse und die toten Dinge schienen als Sieger aus diesem Zusammenbruch hervorgehen zu sollen. In beiden aber vermochte der junge Mensch nicht den Halt zu finden, der sein Leben in diesem Chaos zu tragen im Stande gewesen wäre.
(Der Sinn des einzelnen und der Sinn echter Gemeinschaft schien gänzlich zerstört zu sein.) Die individualistisch gebildete autonome Persönlichkeit und die von der Wirklichkeit gelöste Idee hatten Bankrott gemacht. Und aus dieser Not wuchs nun der leidenschaftliche Ruf nach neuer Autorität, nach Bin-
dung, nach Gemeinschaft. (Man kann das gemeinsame Anliegen der jungen Generation als ganzer gegenüber den Alten
in der Opposition gegen einen unwirklichen Individualismus und dem Versuch eines neuen, sinnvollen Gemeinschaftslebens sehen. Wie weit hier nun dem unwirklichen Individualismus ein ebenso unwirklicher Kollektivismus gegenübergestellt
wird, wird nachher noch zu betrachten sein. Eine ganz einfache Erfahrungstatsache führte zunächst zu dieser Opposition, nämlich, daß der Gebildete der Jahrhundertwende und
später nicht in der Lage war, mit entscheidenden Problemen des Lebens, des öffentlichen —
aber auch des persönlichen
Lebens fertig zu werden. Der verlorene Krieg machte eine latente Krisis offenbar. Deutschland brach innerlich auseinander. Und die junge Generation fand sich einigermaßen alleingelassen und auf sich selbst gestellt vor. Das Problem
der geistesgeschichtlichen Bedeutung des verlorenen Krieges wurde nun hier aufgegriffen, diskutiert und damit beantwor-
tet, daß es im Grunde um die Überwindung der Gemein-
Der Führer und der einzelne
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schaftslosigkeit des deutschen Menschens gehe, daß der verlorene Krieg zu einer neuen Gemeinschaftsordnung, zu einer neuen Bindungs-Autorität führen müsse. Das wurde mit viel Recht und viel Ungerechtigkeit gegen die alte Generation vorgebracht. Die Begriffe erfuhren naturgemäß eine schlimme Schematisierung; Individualismus, Liberalismus, Persönlichkeit wurden zu Ketzernamen für eine vielfach ganz mißverstandene Sache, die man nur unter anderem Namen selbst wei-
tertrieb. Aber dies sind natürliche Verläufe und nicht zu ernst zu nehmen. Denn hinter diesen Worten verbarg sich ein ernsthafter Wille, der aus der Vereinzelung zur Gemeinschaft, aus der Ungebundenheit zur Bindung, aus der Autoritätslosigkeit zu neuer Autorität führen sollte.) Nicht anders
aber konnte diese neue Autorität verwirklicht gedacht werden als in dem von der Wirklichkeit des Lebens nicht gelösten, von einer neuen Idee des Lebens getragenen, die Vereinsamung des Menschen überwindenden neuen Menschen. Das
Ideal des Führers war hiermit umrissen. Autorität in Gestalt des Führers, in diesem Ruf befreite sich die junge Generation von der ihr aufgezwungenen Last. Mit der Nachkriegsjugendbewegung ist der Führergedanke
in seiner neuen Gestalt zum ersten Mal durch ganz Deutschland getragen worden. (Das war ihre erste schöpferische Tat, mit der sie auch ihre älteren Brüder in Bewegung brachte; die Jüngeren wurden schöpferisch für die Älteren.) Natürlich hat
es immer Führer gegeben. Wo Gemeinschaft ist, gibt es Führung. Aber uns beschäftigt hier nur die eigentümliche Gestalt, die der Führergedanke in der jungen Generation angenommen hat, und hier ist zuerst eines charakteristisch: während früher Führertum
zum
Ausdruck
kam
beim Lehrer, beim
Staatsmann, beim Vater, d.h. in den gegebenen Ordnungen und Ämtern, ist jetzt der Führer zu einer selbständigen Ge-
stalt geworden. Der Führer ist vom Amt völlig gelöst, er ist wesentlich und nur Führer. (Was hat das zu bedeuten? Wäh-
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Die Anfänge.
1933
rend Führung früher auf Bindung beruhte, ruhte sie jetzt auf Wahl. Das ist verständlich, denn eben die Bindungen, aus denen früher gegebenenfalls Führung entspringen konnte, waren hinfällig geworden. Damit wurde das Problem der Führung, das so alt ist wie irgendein Gemeinschaftsproblem überhaupt, spezifiziert zum Problem des Führers. Führung blieb bei beiden Beteiligten etwas Neutrisches, Sächliches — um nicht geradezu zu sagen Sachliches; Führertum ist auf die
Person beider Beteiligten bezogen. Führung geschieht durch Überlegenheit in etwas Sächlichem, durch Amt, Sachkenntnis, Können; beim Führer geht es wesentlich um die Überlegenheit der Person. Bei beiden geht es um ein Machtverhältnis, in der Führung um die Übermacht von etwas Sächlich-Sachlichem, beim Führer um die Übermacht seiner Person. Dadurch ergibt sich von selbst, daß Führung eher rationaler Begründung fähig ist als Führertum. Führertum ist geradezu seinem Wesen nach rational unbegründbar. Das ist Stärke und Grenze zugleich. Bei der Führung geht es wesentlich um das „Was“, beim Führertum wesentlich um das „Wer“, das Ziel der Führung ist der Geführte, die Blickrichtung geht von oben nach unten, das Ziel des Führertums ist der Führer selbst, die Blickrichtung geht von unten nach oben. Damit ist nun aber ein soziologisch interessantes, neuartiges Phänomen in den Aufbau der Autoritäten hineingetreten. Der Führer als selb-
ständige Gestalt hat seinen ihm eigentümlichen soziologischen Ort. Und es wird den Schluß unserer Gedanken bilden, den soziologischen Ort des Führers — im modernen Verstande des Wortes — systematisch zu bestimmen. Zunächst ist in der
historischen Entwicklung des letzten Jahrzehntes der Begriff des Führers wesentlichen Wandlungen unterworfen gewesen, und wir werden diese zu betrachten haben.) Der Führer im Sinne der Jugendbewegung wuchs aus einer kleinen Gruppe hervor, er war nicht Vor-gesetzter, sondern
von der Gruppe Erkorener. Es war der Gute, der innerlich
Der Führer und der einzelne
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Adlige, der so von der Gruppe emporgetragen und betraut werden sollte. Die Gruppe ist der Mutterschoß des Führers. Sie gibt ihm alles, auch seine Autorität. Es ist seine Person, auf die sich alle Autorität, alle Ehre, alle Glorie der Gruppe überträgt. Führerschaft ist kein Amt, das von der Person unabhängig wäre. Von dem so aus der Gruppe stammenden Führer erwartet die Gruppe, daß er ihr Ideal leibhaftig verkörpert. Diese an sich unmögliche Aufgabe wird dem Führer dadurch erleichtert, daß die Gruppe ihn, den sie hervorbrachte, nun auch schon ganz in das Licht ihrer Ideale getaucht sieht. Sie sieht ihn nicht in seiner Wirklichkeit, sondern in seiner Bestimmung. Es ist für das Bild des Führers wesentlich, daß die Gruppe nicht das Gesicht des Vorangehenden sieht, sondern sie sieht ihn nur von hinten als die Gestalt des Voranschreitenden, seine Menschlichkeit ist verhüllt in seiner Führergestalt. Dieser Führer in der Jugendbewegung aber sollte nun gerade wesentlich Mensch sein; an seiner idealen Menschlichkeit suchte man den Halt und die Erfüllung für das zusammen-
brechende persönliche Leben. Der Führer sollte zugleich der Freund sein, den man verehrte, liebte, für den man alles zum Opfer brachte. Er sollte sein, was der einzelne bei Vater und
Lehrer vergeblich gesucht hatte. (Damit sind bereits die beiden Größen genannt, mit denen jeder Führerbegriff sich auseinandersetzen muß: der einzelne und der Vater, d.h. hier das
gegebene, vorgefundene Amt. Das symptomatische Problem der Jugendbewegung war das Väter- und Söhne-Problem. Hier explodierte immer wurde durch den Führer wurde geleugnet um der Führer wird dem Vater
wieder der Zündstoff. Der Vater ersetzt, die Autorität des Vaters Autorität des Führers willen; der übergeordnet; Autorität kann der
Vater nur sein, wenn er selbst dem Jungen zum Führer wird. Damit ist der einzelne befreit aus seiner Gebundenheit an die gegebene Ordnung, er wird frei zur eigenen Wahl, frei für
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sich, der Führer wird ihm nun — und wurde ihm in der Jugendbewegung in ganz besonderer Weise — zum Führer zu seinem eigenen, bisher unentdeckt gebliebenen, besseren Selbst. In der Wahl des Führers befreite sich der einzelne zu sich selbst. Im Führer sah der Geführte nun sein eignes, ideales menschliches Ich. Die Gruppe und der Führer sind in der Jugendbewegung im Grund doch nur Ausweitungen des eig-
nen Ich, es geht bei allem Suchen nach Gemeinschaft und Autorität doch wesentlich um die eigene Seele, die sich nun in das vermeintliche Du hineintaucht und überall doch nur
sich selbst im Spiegel wiederfindet. Die soziologische Kategorie des einzelnen in seiner unüberwindlichen, unüberschreit-
baren ewigen Einzelheit ebenso wie die soziologische Kategorie des Vaters, d. h. der gegebenen Ordnung ist durch die Entdeckung des Führergedankens verschlungen in einen weitgespannten, ausgeweiteten neuen Individualismus. Damit sind die Begriffe der Verantwortlichkeit und der Ordnung aufgelöst in den des freien, selbstgesetzlichen Individuums.) Es ist in der gesamten Jugendbewegung — das darf heute gesagt werden — im Grund doch nur um neues, individuelles Seelentum gegangen; der Führer der Jugendbewegung war der Führer zu seelisch-menschlicher Erfüllung der einzelnen. Und eben durch diese Bestimmung wurde das Schicksal des Führers immer wieder zur Tragödie. Man wollte den Führer
in seiner ganzen idealen Menschlichkeit immer wieder zu Gesichte bekommen, man wollte ihm nicht nur als dem Voranschreitenden nachblicken dürfen. Hier aber, wo der Führer so im totalen menschlichen Sinne Führer sein sollte und wo er
selbst seine Aufgabe so rein persönlich und nicht sachlich verstand, konnte der Augenblick nicht ausbleiben, da der Geführte wie der Führer die Illusion solchen grenzenlosen Führertums durchschauen mußte. Das Geheimnis seiner Autorität war enthüllt und vernichtet und in nackter Menschlichkeit
trennten sich Führer und Geführte. Die Autorität zerbrach
Der Führer und der einzelne
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und mit ihr die Treue und Gefolgschaft. Sie bleibt als romantische Erinnerung. Die von Kriegs- und Nachkriegsgeneration getragene Jugendbewegung wurde zur selben Zeit, als ihre Träger in die
bürgerlichen Berufe hinein mußten, abgelöst von jener dritten, heute jüngsten Generation. Diese ursprünglich mit stärkerem Wirklichkeitssinn als ihre älteren Brüder begabten und zielbewußter eingestellten jungen Menschen sahen die Aussichts- und Sinnlosigkeit ihrer eignen Lebenszukunft und der ihrer Volksgenossen ganz wesentlich in der politischen Not. Damit war das Ziel dieser neuen Jugend zunächst wesentlich konkreter und schärfer umrissen als das der Älteren; und es wird nun in noch viel stärkerem Maße als früher die Autoritätslosigkeit im politischen Denken und Handeln als letzte
Ursache alles Unheils empfunden. Der Ruf nach der politischen Autorität mußte aber auch hier angesichts des scheinbar völligen Versagens aller bisherigen Ordnungen und Gegebenheiten zum Ruf nach dem großen Mann, nach dem politischen Führer werden; und in diesem Ruf — das ist das Große und
Eigentümliche — schwanden auf einmal weithin die Generationsunterschiede innerhalb der Jugend, ja das „Väter- und
Söhne-Problem“, das für die Jugendbewegung im Mittelpunkt stand, trat völlig in den Hintergrund; man pocht nicht mehr auf den Gegensatz, sondern auf die gemeinsame Ver-
pflichtung. Die Gestalt des politischen Führers wurde der Vertraulichkeit entkleidet, an die Stelle der Freundschaft trat die Kameradschaft, an die Stelle der Hingabe der Gehorsam. Die individualistischen Reste der Jugendbewegung sind über-
wunden. (Oder es muß eigentlich heißen: es findet eine merkwürdige Übertragung statt. Der einzelne weiß sich in unbedingtem Gehorsam dem Führer verpflichtet. Er löscht sich selbst wirklich aus, er ist Werkzeug in der Hand des Führers, nicht er ist verantwortlich, sondern der Führer ist verant-
wortlich, in seinem Glauben an den Führer übergibt er die-
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sem die letzte Verantwortung, wie für den Katholiken im Glauben an seine Kirche der Glaube an das Recht ihrer Gebote und an ihr Haften für meinen Gehorsam gegen sie eingeschlossen ist. In dieser Unterwerfung, Ausschaltung des ein-
zelnen ist zwar der Individualismus wirklich überwunden, und doch bricht er nun in der Form der Übertragung aufs neue durch. Worauf der einzelne verzichten mußte, das wird nun von allen einzelnen zusammen auf die Gestalt des einen übertragen, der der Führer ist. Der einzelne entsagt um des Führers willen. Der Führer ist, was kein anderer sein darf, Individuum,
Persönlichkeit.
Das
Verhältnis
des Geführten
zum Führer ist das der Übertragung des eigenen Rechtes auf ihn. Es ist dies eine Form des Kollektivismus, die in potenzierten Individualismus umschlägt. Darum findet hier der echte Begriff der Gemeinschaft, der auf der Verantwortlichkeit, dem einander verantwortlich gehören der einzelnen beruht, nicht seine Erfüllung. Aber bleiben wir noch kurz bei der Schilderung dieses Führerbegriffes.) Der Führer rückt in ungeheure Distanz zum Geführten, aber — und das ist eben das Entscheidende — er ist Führer nur als der von den Geführten Erkorene, aus ihnen Herausgewachsene, er empfängt seine Autorität allein von seiner Gefolgschaft, von unten, vom Volk. Der Volksgeist — so denkt man es sich — bringt aus seinen metaphysischen Tiefen den Führer hervor und trägt ihn in alle Höhen. Dieser der gesammelten Kraft des Volkes entstammende Führer erscheint nun in dem Lichte des
vom Volke sehnsüchtig erwarteten Erfüllers seines Lebenssinnes und seiner Lebenskraft, und damit ist die ursprünglich
nüchterne Idee der politischen Autorität zum politisch-messianischen Führergedanken geworden, wie wir sie heute kennen. In ihr strömt nun auch das ganze religiöse Denken ihrer Anhänger zusammen. Wo der Volksgeist eine göttlich-meta-
physische Größe ist, da hat der Führer, der diesen Geist verkörpert, im eigentlichsten Sinn religiöse Funktion, da ist er
Schniewind,
Bonhoeffer
und
Asmussen
auf der
Stecklenberger Freizeit 1936 (Provinz Sachsen)
Bonhoeffer
mit Hans-Henning Zippel, dem Leiter der Bru-
derschaft der Hilfsprediger und Vikare, Stecklenberg 1936
Der Führer und der einzelne
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der Messias, und da ist mit seiner Erscheinung die Erfüllung
der letzten Hoffnung angebrochen, da ist mit dem Reich, das er mit sich heraufführen muß, schon das ewige Reich nahe
herbeigekommen.
Könnte man
die religiöse Haltung der
Gruppe zu ihrem Führer in der Jugendbewegung eher dem
pietistischen Gemeinschaftsideal zuordnen, so liegt die politisch-messianische Führeridee in der Richtung des im Schwärmertum und der französischen Revolution erstrebten und dann später immer wieder aufgenommenen Ideals eines uni-
versalen Reiches Gottes auf Erden. Gerade diese Idee aber begegnet in der jungen Generation weithin entschiedener Ablehnung. Bei aller Einstimmigkeit in dem Ruf nach politischer Autorität klafft der tiefste Gegensatz auf bei der näheren Bestimmung dieser Autorität. Er besteht im Grund in der Frage: Autorität des Führers oder Autorität des Amtes? Und damit sind wir bei der brennendten Frage der Gegenwart. Der Führer hat Autorität von unten, von den Geführten her, das Amt hat Autorität von
oben her; die Autorität des Führers hängt an seiner Person, die Autorität des Amtes ist überpersönlich; Autorität von unten her ist Selbstrechtfertigung des Volkes, Autorität des Amtes ist Anerkennung der gegebenen Grenze; Autorität von unten ist geliehene Autorität, Autorität des Amtes ist ursprüngliche Autorität. Das Stichwort der Autorität des Führers ist das Reich, das Stichwort der Autorität des Amtes ist der Staat. (Für das Problem des einzelnen bedeutet dies: In der Autorität des Amtes vernimmt der einzelne seine allem Eigenwillen gegenüber bestehende Gebundenheit, sein vor allem Wissen und Wollen Hineingeordnetsein in die Welt, sein Nichtverfügenkönnen, sondern über ihn Verfügtsein, seine Grenze und zugleich seine Verantwortlichkeit an die-
sem ihm jetzt und hier so zugefallenen Ort. Autorität des Amtes bedeutet Beschränkung des einzelnen in seiner individuellen Freiheit, Hemmung, Aufmerksammachen auf den
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anderen, auf die Wirklichkeit. Autorität des Führers bedeutet für den einzelnen: die freie Wahl des Gehorsams, radi-
kaler Verzicht auf sein Recht als Individuum und doch maßlose, grenzenlose Freiheit des Individuums nach dem Gesetz der Übertragung. Aber freilich weder das begrenzte noch das grenzenlose Individuum ist als solches der einzelne in seiner unzerstörbaren Einheit und Verantwortlichkeit und weder der Gehorsam gegen den Vater noch die Unterwerfung vor dem Führer vermögen die Gemeinschaft zu begründen, in der Du und Ich wirklich aufeinander bezogen sind. Weder das
Amt, noch der Führer sind als solche letzte Gegebenheit.) Und doch ist zunächst folgendes zu diesem Streit zu sagen:
Im Begriff „Autorität“ ist seiner Herkunft nach der Begriff Urheberschaft enthalten. Autorität ist ursprünglicher als der, für den sie Autorität ist. Autorität kann ich darum nur anerkennen als mir gesetzte Autorität. Die Autorität, die ich einem anderen über mich einräume, ist im Grund nur meine eigene Autorität. Darum ist jene echte und begrenzte Autorität, diese geliehene und in der Gefahr, maßlose Autorität zu werden, darum bin ich in jener Autorität gebändigt, in dieser
befreie ich mich nur wiederum selbst, bringe ich mich selbst zur Geltung. Es besteht ein entscheidender Unterschied zwischen der Autorität des Vaters, des Lehrers, des Richters, des
Staatsmannes einerseits und der Autorität des Führers andrerseits. Jene haben Autorität durch ihr Amt und allein in ihm; der Führer hat Autorität durch seine Person. Die Autorität jener kann angetastet, verletzt werden, aber sie bleibt
bestehen; die Autorität des Führers steht jeden Augenblick gänzlich auf dem Spiel, sie ist in der Hand seiner Gefolgschaft. Den Führer wähle ich mir, Vater und Lehrer kann ich nicht wählen, der Autorität des Führers der Autorität des Vaters und Lehrers Vater, der Lehrer, der Staatsmann sind nicht Führer, sondern Verwalter ihres
unterstelle ich mich, unterstehe ich. Der ihrem Wesen nach Amtes. Wer etwas
Der Führer und der einzelne
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anderes erwartet, sieht nicht die Wirklichkeit, ist Phantast. Es ist nun aber unzweifelhaft mit dem Führergedanken auf eine geschichtliche wie auch auf eine im bestimmten jugendlichen Lebensgefühl gegebene Notwendigkeit hingewiesen, und es bleibt nur noch die letzte grundsätzliche Frage nach dem Ort, den der „Führer“ — im prägnanten Sinn des Wortes — in dem Aufbau der Autoritäten einnimmt, (und nach dem Ort,
der von hier aus dem einzelnen zukommt.) Der Mensch und insbesondere der Jugendliche wird so lange das Bedürfnis haben, einem Führer Autorität über sich zu geben, als er sich selbst nicht reif, stark, verantwortlich genug fühlt, den in
‚diese Autorität verlegten Anspruch selbst zu verwirklichen. Der Führer wird sich dieser klaren Begrenzung seiner Autorität verantwortlich bewußt sein müssen. Versteht er seine Funktion anders, als sie so in der Sache begründet ist, gibt er nicht dem Geführten immer wieder klar Auskunft über die
Begrenztheit seiner Aufgabe und über dessen eigenste Verantwortung, läßt er sich von dem Geführten dazu hinreißen, dessen Idol darstellen zu wollen — und der Geführte wird das immer von ihm erhoffen — dann gleitet das Bild des Führers über in das des Verführers, (dann handelt er verbre-
cherisch am Geführten wie an sich selbst!.) Der echte Führer muß jederzeit enttäuschen können. Das gerade gehört zu sei-
ner Verantwortung und Sachlichkeit. Er muß die Geführten von der Autorität seiner Person weg zur Anerkennung der
echten Autorität der Ordnungen und des Amtes führen. Der Führer muß den Geführten hineinführen in die Verantwortlichkeit gegenüber den Ordnungen des Lebens, gegenüber Vater, Lehrer, Richter, Staat. Er muß sich dem Reize, der Abgott, d.h. die letzte Autorität des Geführten zu werden, ra1. Dieser Satz stand schon im Funkvortrag. änderte
im Manuskript
und
sagte
statt
Der Rundfunkredakteur
„verbrecherisch“:
„unsachlich“.
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dikal versagen. In aller Nüchternheit muß er sich auf seine Aufgabe beschränken. Er dient der Ordnung des Staates, der Gemeinschaft, und sein Dienst kann von unvergleichlichem Wert, ja er kann unentbehrlich sein. (Aber eben nur so lange
er sich streng an seinen Ort stellt. Der Führer nimmt dem einzelnen vorübergehend die Entscheidung ab, muß aber die-
sen Zustand immer wieder als einen notwendig vorübergehenden verstehen und muß den Geführten immer wieder darauf hinweisen. Er darf diese Selbstentrechtung, Selbstentmündigung der einzelnen nur im Hinblick darauf hinnehmen, daß er den einzelnen erst in die eigentliche Mündigkeit
zu führen habe. Zur Mündigkeit des Menschen aber gehört eben die Verantwortlichkeit gegenüber dem anderen, gegenüber den gegebenen Ordnungen, das sich einfügen, einordnen, sich begrenzen lassen. Es ist also eigentlich so, daß der Führer die Verantwortlichkeit, die seine Gefolgschaft den Ordnungen und Ämtern des Lebens gegenüber nicht aufzubringen
fähig sind, an ihrer Stelle übernimmt und ihr für sie nachkommt. Während die Geführten meinen und wünschen, daß ihr Führer der autonome Mensch schlechthin, der Herrenmensch, der ganz freie sei, muß der Führer wissen, daß er durch seine Geführten der gebundenste, der am schwersten mit Verantwortung gegen die Ordnungen des Lebens belastete, der Diener schlechthin ist. Es ist klar ersichtlich, daß hier weder die Idee des einzelnen noch die Idee der Gemeinschaft zu ihrem Recht kommt, sondern daß sie hier in einem historisch und psychologisch notwendigen, aber noch vorletzten Stadium ihrer Entwicklung stehen. Der Führer dient dem Amt. Aber dieser Dienst am Amt ist selbst nur ein vorletzter. Der einzelne erfährt in der Autorität des Amtes seine Gebundenheit, seine Begrenztheit, aber doch auch seine Verant-
wortlichkeit. Aber auch hier ist der Mensch noch nicht als das gesehen, was er ist. Denn es kann sein, daß der einzelne recht
Der Führer und der einzelne
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hat gegen das Amt, das Amt ist nicht letzte Autorität. Nirgends als dort, wo er sieht, daß das Amt vorletzte Autorität
ist gegenüber einer letzten, unsagbaren Autorität, gegenüber der Autorität Gottes. Und vor dieser Autorität weiß sich der einzelne erst ganz als einzelner. Vor Gott ist der einzelne verantwortlich. Und diese Einzelheit des Stehens des Menschen vor Gott, des Sichunterwerfens unter eine letzte Autorität, ist dort vernichtet, wo die Autorität des Führers oder des Amtes
als letzte Autorität gesehen werden.
Der unwiderlegliche
Hinweis auf diese Unvermeidlichkeit des Einzelnerseins des Menschen ist dies, daß er allein sterben muß, daß er seinen Leib für sich, daß er sein Leid und seine Schuld als einzelner tragen muß. Allein vor Gott wird der Mensch das, was er ist,
frei und verantwortlich gebunden zugleich, er wird ein einzelner. Und dieser einzelne nun weiß sich selbst hineingestellt unter andere einzelne, er weiß sich gebunden an sie, er weiß sich in Gemeinschaft. Gemeinschaft zwischen einzelnen, kein Ineinanderfließen der Grenzen von Ich und Du, strengste Sonderung und darum strengste Verantwortlichkeit für einander und darum allein hier, wo der Mensch vor Gott ein einzelner wird, Gemeinschaft, Gemeinschaft des Leides, der Schuld, des Sterbens und des Lebens. Es ist die furchtbare Gefahr der Gegenwart, daß wir über dem Schreien nach Autorität, des Führers oder des Amtes, vergessen, daß der Mensch einzelner ist vor der letzten Autorität und daß jeder, der sich hier am Menschen vergreift, ewige Gesetze verletzt, übermenschliche Verantwortung auf sich lädt, die ihn zuletzt erdrückt. Das ewige Gesetz des Einzelnerwerdens vor Gott rächt sich furchtbar, wo es angetastet und gebeugt wird. So weist der Führer auf das Amt, Führer und Amt aber auf die letzte Autorität selbst, vor der Reich und Staat vorletzte Autoritäten sind. Führer und Amt, die sich selbst vergotten,
spotten Gottes und des vor ihm einsam werdenden einzelnen
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Die Anfänge.
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und müssen zerbrechen.) Nur der Führer, der selbst im Dienst der vorletzten und der letzten Autorität steht, kann Treue finden!. 1. Bonhoeffer teilte nach dem Funkvortrag seinen Freunden am 2. Februar 1933 mit, daß der Vortrag „plötzlich an einer völlig ungeeigneten, zu Mißdeutungen Anlaß gebenden Stelle abgebrochen wurde, so daß die mir wesentlichsten wenigen Schlußsätze, in denen die theologische Abgrenzung vollzogen werden sollte, ganz zum Wegfall kamen und das Gesamtbild dadurch entstellt erscheinen mußte. Der Vortrag wird nunmehr in einer Tageszeitung veröffentlicht werden“. Die Kreuzzeitung vom 25. Februar 1933 brachte den Funkvortrag mit geringen Kürzungen.
Erster Briefwechsel
mit Karl Barth
39
Berlin-Grunewald, den 24. Dezember 1932
Lieber Herr Professor! [Karl Barth] Zum Ausgang des Jahres möchte ich Ihnen noch einmal danken für alles, was ich im Laufe dieses Jahres von Ihnen emp-
fangen habe. Der Abend hier in Berlin und dann die unvergleichlich schönen Stunden mit Ihnen auf dem Bergli gehören zu den Augenblicken in diesem Jahr, die bleiben. Wenn ich Ihnen im August damals durch mein vielleicht zu hartnäckiges und — wie Sie einmal sagten: —
„gottloses“ Fragen zur Last
gewesen bin, so bitte ich Sie das zu verzeihen. Aber, bitte, wissen Sie dann auch, daß ich niemanden weiß, der mich von diesem zählebigen Fragen zu befreien vermöchte, als eben Sie und daß ich darum gerade zu Ihnen so reden muß, weil ich, es ist schwer zu sagen, warum, bei Ihnen das ganz eigentümlich sichere Gefühl habe, daß, so wie Sie die Dinge sehen, es
irgendwie richtig ist; ich werde einfach im Augenblick des Gesprächs mit Ihnen in die unmittelbare Nähe der Sache selbst gebracht, um die ich immer nur in der Ferne herum-
kreiste, und das ist für mich das ganz untrügliche Zeichen dafür, daß hier die Mitte irgendwie getroffen ist. Und weil nirgends sonst das Bewußtsein in auch nur ähnlicher Intensität aufkommt, darum werde ich Sie immer wieder bitten müssen, mir hin und wieder.etwas von Ihrer Zeit zu schenken; und, bitte, verzeihen Sie das dann. Die kurzen Stunden
des Zusammenseins in diesem Jahr haben es fertig gebracht, meine immer wieder ıns „gottlose“ Fragen absinken wollenden Gedanken zu dirigieren und bei der Sache zu halten. Da-
für möchte ich Ihnen danken. Das Semester hier war schön. Es sind viele Studenten da, und darunter doch auch einige, die wirklich mittun. Fürs neue Jahr wünsche ich Ihnen, daß der Fortgang Ihrer
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Die Anfänge.
1933
Arbeit an der Dogmatik, die uns durch Sie unsere Kirche
schenkt und an deren Gelingen so sehr viel liegt, „Deo invante et nostris orationibus“ ein guter sei.
In großer Dankbarkeit und Verehrung bin ich Ihr Dietrich Bonhoeffer
Bonn, 4. Februar 1933 Lieber Herr Kollege! [Bonhoeffer] Ihr freundlicher Weihnachtsbrief soll nicht länger unbeantwortet bleiben. Ich bin ja meinerseits so froh, um Ihre Existenz zu wissen, und freue mich immer wieder, wenn ich auf dem Umweg über Frau Staewen oder auch durch Studenten von der Art höre, wie Sie dort ihren schwierigen Posten versehen. Haben Sie auch herzlichen Dank für die Zusendung Ihres Heimartikels! und nicht zum wenigsten dafür, daß Sie sich darin meiner so tapfer und geschickt angenommen haben. Ich stehe seit Monaten immer intensiver unter dem Eindruck, daß sehr vieles von dem, was man in den letzten Jahren an theologischen Zusammengehörig-
keiten auf dem deutschen Felde zu sehen meinte, Täuschung gewesen ist; und habe mich Althaus, Brunner und Gogarten gegenüber auch in diesem Sinne ausgesprochen. Ich kann mich in das, was ich gerade diese meine „Nächsten“ gerade in den entscheidenden Punkten treiben sehe, weder formal noch sachlich finden, sondern es kommt mir vor, ich sei wieder so ziemlich in dieselbe Einsamkeit zurückgeworfen, aus der und in der ich vor 12 Jahren in diese merkwürdige Arena eingeritten bin. Und es kommt mir jetzt unwahrscheinlicher vor als damals, daß dies jemals wieder anders werden könnte. Mit grimmigem Vergnügen hörte ich eben dieser
Tage aus einem Brief von Frau Staewen einige Andeutungen über die Vorgänge in der Berliner Fakultät. Ich nehme an, daß es sich um „Fakultätsgeheimnisse“ handelt, und werde also niemandem, am wenigsten meinem für dergleichen brennend interessierten neutestamentlichen Nachbarn etwas davon erzählen, sondern mich nur 1. „Zu Karl Heims Glaube und Denken“, in Christentum schaft 8. Jg. 1932, Nr. 24, Sp. 563—565; siehe G. S. III.
und Wissen-
Erster Briefwechsel
mit Karl Barth
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im Stillen daran freuen. Genau so müssen ja die Dinge laufen und es wäre fast ein Wunder, wenn sie anders liefen. Ich bin eben an der Lektüre von Lietzmanns Kirchengeschichte und weiß also aus frischester Quelle, was man dort immer noch für Theologie halt. In der Aera des Reichskanzlers Hitler wird sich ja gewiß Wobbermin auf dem Lehrstuhl Schleiermachers stilechter ausnehmen, als
ich dies getan hätte. Ich höre, daß Sie sich meinetwegen exponiert haben dort. Auch dafür möchte ich Ihnen dankbar die Hand drücken, weil ich weiß, was Sie dabei gewollt und gemeint haben. Ich würde ohne Zweifel angenommen haben, aber wie sollte ich einem so großen und verdienten Forscher wie Wobbermin nicht gerne den Vortritt lassen und wie sollte ich nicht auch von Herzen gern hier in Bonn bleiben? Übrigens bin ich seit eineinhalb Wochen außer Gefecht gesetzt durch die Grippe und ihre bzw. des
genossenen Chinins üble Nachwirkungen.
In der ersten Hälfte
März fahre ich zu einem Vortrag nach Kopenhagen. Vielleicht, daß ich auf dem Rückweg auch kurz in Berlin Einkehr halte, zum Glück diesmal nicht zu einem Vortrag und also ohne Aussicht auf darauffolgende Beschimpfung durch das Protestantenblatt. Doch, wenn auch! Die Welt liegt im Argen, aber nicht wahr, wir wollen uns die Pfeife auf keinen Fall ausgehen lassen.
Grüßen Sie Frau Staewen, Herrn Fricke und wer immer von guten Menschen Ihnen dort in den Edelhoff noch dort sein? Er cher von mir. Wenn er noch Sie ihn vielleicht gelegentlich
Weg kommen mag! (Sollte der Knabe hat seit drei Jahren irgendwelche Büdort und Ihnen bekannt ist, erinnern sanftmütig an diese Tatsache.)
Karl Barth
Berlin-Grunewald, den 14. April 1933 Lieber Herr Professor! Es geht hier die Rede um, Sie würden vielleicht im nächsten Semester nicht mehr nach Bonn zurückkehren können. Dies
Gerücht versetzt hier viele in nicht geringe Bestürzung. Georg Merz, der vor ein paar Tagen hier war, hat mir persönlich
Näheres erzählt.
Nun haben einige theologische Freunde mit
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Die Anfänge.
1933
mir vor, in einem solchen Fall eine Eingabe einzuleiten, um
hier einen verhängnisvollen Fehler zu verhüten. Ein solches Unternehmen hat freilich nur Sinn, wenn man schon etwas
Genaues über den Ausgang Ihrer Sache weiß, d. h. darf ich Sie zugleich im Namen derer, die z. Zt. aufs höchste durch diese Nachrichten beunruhigt sind, bitten, mir kurz Bescheid
zu geben, wie die Dinge stehen? Es dürfte gegebenenfalls ja kein Augenblick verloren werden. Die Stellung der Deutschen Christen zu Ihnen scheint übrigens doch noch nicht geklärt zu sein. Wenn doch diese fortwährende Beunruhigung es wenigstens
nicht fertig brächte, die Stille Ihrer Ferienwochen und Arbeit gänzlich zu stören. Wir denken viel an Sie. Sehr danken möchte ich Ihnen auch noch einmal für den Abend in Berlin. Wenn so etwas nur alle Jahre einmal vorkäme, dann ließe es sich in Berlin noch eine Zeitlang trotz allem aushalten. Ich bin begierig auf den Semesterbeginn.
In treuer Dankbarkeit und Verehrung bin ich Ihr Dietrich Bonhoeffer
Bern-Wabern, 18. April 1933 Lieber Herr Kollege Bonhoeffer! Ich danke Ihnen herzlich für Ihren Brief vom
14. und für Ihre
ganze Teilnahme. Nach dem, was man bis jetzt wissen kann, scheint es eigentlich wahrscheinlicher, daß meine Arbeit in Bonn wie gewohnt weitergehen kann und wird. Ich habe dem Minister Rust einen Brief geschrieben und ihn (unter Mitteilung, daß ich aus der SPD nicht austreten werde) um Auskunft über meine
Zukunft gebeten. Eine Antwort darauf erhielt ich bis jetzt nicht, doch vernahm ich auf Umwegen, daß diese meine Demarche Unter den Linden nicht einmal schlechten Eindruck gemacht habe und auf der ersten neulich veröffentlichten Proskriptionsliste ist mein Name denn auch wirklich nicht erschienen, obwohl es doch gewiß nicht vergessen ist, daß ich mich kaum vor Jahres-
Erster Briefwechsel
mit Karl Barth
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frist mit Günther Dehn „persönlich und sachlich solidarisch“ erklärt habe. Es scheint auch, daß längst alle möglichen Instanzen
zugunsten meines Verbleibens am Werk sind. Für den Augenblick steht also alles so „gut“, wie nach den Umständen möglich ıst.
Eine ganz andere Frage wird ja die sein, ob und wie ich mich in dem so anders gewordenen Deutschland innerlich werde zurechtfinden können. Auch und gerade in der Zoellnerschen „Evan-
gelischen Kirche deutscher Nation“. Schon der Name dieses verheißenen Kindleins...! Aber ich will auch in dieser Hinsicht so ruhig, als es eben geht, abwarten. Ich bin ja wirklich froh, so viele Zeichen wahrzunehmen, daß die Kirche diesmal doch ein wenig anders auf ihrem Posten ist als 1914.
Seien Sie mit allen Freunden herzlichst gegrüßt von Ihrem Karl Barth
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Die Kirche vor der Judenfrage! [Vortrag April 1933] Luther 1546: „Noch wollen wir die christliche Lehre an ihnen üben und vor sie bitten, daß sie sich bekehren den Herrn an-
nehmen, den sie vor uns billig ehren sollten.“...„Wo sie sich aber bekehren, ihren Wucher lassen und Christus annehmen, so wollen wir sie gern als unsere Brüder halten.“ Luther 1523: „Wenn die Apostel, die auch Juden waren, also hetten mit uns heyden gehandelt, wie wir heyden mit den Juden,
es were nie keyn Christen unter den heyden worden. Haben sie denn mit uns heyden so bruderlich gehandelt, so sollen wyr widderumb bruderlich mit den Juden handeln, ob wyr etlich bekehren mochten, denn wyr sind auch selb noch nicht all hynan, schweyg denn hyn uber.“... „Aber nu wyr sie nur mit Gewallt treyben... was sollten wyr guttis an yhn schaffen? Item das man yhn verbeutt, untter uns tzu erbeytten, hantieren und andere menschliche gemeynschafft tzu haben, da mit man sie tzu wuchern treybt, wie sollt sie das bessern?“
Die in der Geschichte einzigartige Tatsache, daß der Jude
unabhängig von seiner Religionszugehörigkeit allein um seiner Rassenzugehörigkeit willen vom Staat unter Sonderrecht gestellt wird, gibt dem Theologen zwei neue, getrennt zu behandelnde Probleme auf. Wie beurteilt die Kirche dies staatliche Handeln und welche Aufgabe erwächst ihr daraus? Was ergibt sich für die Stellung der Kirche zu den getauften Juden in den Gemeinden? Beide Fragen können allein von einem rechten Kirchenbegriff her beantwortet werden. 1. 1. April 1933 Boykott jüdischer Geschäfte. — 7. April 1933 Arierparagraph für den staatlichen Bereich durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“. Teil II zunächst als 6 Thesen zu einer Diskussion entstanden, dann zu diesem Aufsatz erweitert, Manuskript fertiggestellt am 15. April 1933.
Die Kirche
vor der Judenfrage
45
1
Zweifellos
ist die reformatorische
Kirche
nicht dazu
an-
gehalten, dem Staat in sein spezifisch politisches Handeln
direkt hineinzureden. Sie hat staatliche Gesetze weder zu loben noch zu tadeln, sie hat vielmehr den Staat als Erhal-
tungsordnung Gottes in der gottlosen Welt zu bejahen, sie hat sein — vom humanitären Gesichtspunkt aus geschen: gutes oder schlechtes — Ordnungschaffen anzuerkennen und zu verstehen als begründet in dem erhaltenden Willen Gottes
mitten in der chaotischen Gottlosigkeit der Welt. Diese Beurteilung des staatlichen Handelns durch die Kirche steht jenseits jedes Moralismus und unterscheidet sich vom Humanitarismus jederlei Schattierung durch die Radikalität der Trennung des Ortes der frohen Botschaft und des Ortes des Gesetzes. Das staatliche Handeln bleibt frei vom kirchlichen Eingriff. Es gibt hier keine schulmeisterliche oder gekränkte Einrede der Kirche. Die Geschichte wird nicht von der Kirche gemacht, sondern vom Staat; aber freilich nur die Kirche, die vom Kommen Gottes in die Geschichte zeugt, weiß, was Geschichte und daher auch, was der Staat ist. Und eben aus diesem Wissen heraus gibt sie allein Zeugnis von der Durchbrechung der Geschichte durch Gott in Christus und läßt den Staat weiter Geschichte machen. Ohne Zweifel ist eines der geschichtlichen Probleme, mit denen unser Staat fertig werden muß, die Judenfrage, und ohne Zweifel ist der Staat berechtigt, hier neue Wege zu gehen. Es bleibt die Sache der humanitären Verbände und einzelner sich dazu aufgerufen wissender christlicher Männer, dem Staat die moralische Seite seiner jeweiligen Maßnahmen zu Gesicht zu bringen, d. h. gegebenenfalls den Staat des Verstoßes gegen die Moral zu verklagen. Und jeder starke Staat braucht solche Verbände und solche einzelnen Persönlichkeiten und wird ihnen eine ge-
wisse reservierte Pflege angedeihen lassen. Es ist eine Einsicht in die feinere Staatskunst, die sich diese Einrede in ihrer rela-
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Die Anfänge.
1933
tiven Bedeutung zunutze zu machen weiß. Ebenso aber wird eine Kirche, die wesentlich als eine Kulturfunktion des Staates betrachtet wird, jeweils dem Staat mit derartigen Einreden ins Handwerk fahren und das um so mehr, je fester der Staat sich die Kirche eingliedert, d.h. ihr wesentlich moralisch-pädagogische Aufgaben zuschreibt. Die wahre Kirche Christi aber, die allein vom Evangelium
lebt und um das Wesen des staatlichen Handelns weiß, wird dem Staat nie in der Weise ins Handwerk greifen, daß sie dessen geschichtsschaffendes Handeln vom Standpunkt eines irgendwie gearteten, sagen wir: humanitären Ideals her kritisiert. Sie weiß um die wesenhafte Notwendigkeit der Gewalt-
anwendung in dieser Welt und um das mit der Gewalt notwendig verbundene „moralische“ Unrecht bestimmter konkreter Akte des Staates. Die Kirche kann primär nicht unmittelbar politisch handeln; denn die Kirche maßt sich keine Kenntnis des notwendigen Geschichtsverlaufes an. Sie kann also auch in der Judenfrage heute nicht dem Staat unmittelbar ins Wort fallen, und von ihm ein bestimmtes andersartiges Handeln fordern. Aber das bedeutet nicht, daß sie
teilnahmslos das politische Handeln an sich vorüberziehen läßt; sondern sie kann und soll, gerade weil sie nicht im einzelnen Fall moralisiert, den Staat immer wieder danach fragen, ob sein Handeln von ihm als legitim staatliches Handeln verantwortet werden könne, d. h. als Handeln, in dem Recht und Ordnung, nicht Rechtlosigkeit und Unordnung,
geschaffen werden. Sie wird diese Frage mit allem Nachdruck dort zu stellen aufgerufen sein, wo der Staat gerade in seiner
Staatlichkeit, d. h. in seiner mit Gewalt Recht und Ordnung schaffenden Funktion bedroht erscheint. Sie wird diese Frage
heute in müssen. keit des teil dem
bezug auf die Judenfrage in aller Deutlichkeit stellen Sie greift damit gerade nicht in die Verantwortlichstaatlichen Handelns ein, sondern schiebt im GegenStaat selbst die ganze Schwere der Verantwortung
Die Kirche
vor der Judenfrage
47
für das ihm eigentümliche Handeln zu. Sie befreit den Staat so von jedem moralisierenden Vorwurf und weist ihn eben hierdurch in seine ihm vom Erhalter der Welt angeordnete
Funktion. Solange der Staat Recht und Ordnung schaffend handelt — und sei es auch neues Recht und neue Ordnung —, kann sich die Kirche des Schöpfers, Versöhners und Erlösers nicht unmittelbar politisch handelnd gegen ihn wenden. Sie
vermag freilich den einzelnen sich dazu aufgerufen wissenden Christen nicht daran zu verhindern, den Staat gegebenenfalls als „unhuman“ anzuklagen, aber sie wird als Kirche nur
danach fragen, ob der Staat Ordnung und Recht schafft oder nicht. Hierbei sieht sie den Staat nun freilich in doppelter Begrenzung. Sowohl ein Zuwenig an Ordnung und Recht als auch ein Zuviel an Ordnung und Recht zwingt die Kirche zum Reden. Ein Zuwenig ist jedesmal dort vorhanden, wo eine Gruppe von Menschen rechtlos wird, wobei es in con-
creto jeweils außerordentlich schwierig sein wird, wirkliche Rechtlosigkeit von einem wenigstens formaliter zugebilligten
Minimum von Recht zu unterscheiden. Auch in der Leibeigenschaft war ein Minimum von Recht und Ordnung ge-
wahrt und doch würde eine Wiedereinführung der Leibeigenschaft Rechtlosigkeit bedeuten. Es ist immerhin beachtlich, daß christliche Kirchen achtzehnhundert Jahre lang die
Leibeigenschaft ertragen haben und erst in einer Zeit, bei der die christliche Substanz der Kirche mindestens in Frage gezogen werden könnte, mit Hilfe der Kirchen (aber doch nicht
wesentlich oder gar allein durch sie) neues Recht geschaffen wurde.
Dennoch
wäre
ein Rückschritt
in dieser Richtung
heute für die Kirche der Ausdruck eines rechtlosen Staates. Daraus folgt, daß der Begriff des Rechtes geschichtlichen Wandlungen unterworfen ist, was aber seinerseits gerade den
Staat wieder in seinem eigentümlichen geschichteschaffenden Recht bestätigt. Nicht die Kirche, sondern der Staat schafft
48
Die
Anfänge.
1933
und wandelt das Recht. Dem Zuwenig an Ordnung und Recht steht das Zuviel an Ordnung und Recht gegenüber. Es besagt, daß der Staat seine Gewalt so ausbaut, daß er der
christlihen
Verkündigung
und dem
christlichen Glauben
(nicht dem freien Gewissen — das wäre die humanitäre Version, die darum illusorisch ist, weil jedes staatliche Leben das sogenannte „freie Gewissen“ zwingt) sein eigenes Recht raubt — eine groteske Situation, da ja der Staat erst von dieser Verkündigung und von diesem Glauben her sein eigentüm-
liches Recht erhält und sich somit selbst entthront. Diesen Übergriff der staatlichen Ordnung muß die Kirche zurückweisen, eben aus ihrem besseren Wissen um den Staat und die Grenzen
seines Handelns.
Der Staat, der die christliche
Verkündigung gefährdet, verneint sich selbst. Das bedeutet eine dreifache Möglichkeit kirchlichen Handelns dem Staat gegenüber: erstens (wie gesagt) die an den Staat gerichtete Frage nach dem legitim staatlichen Charakter seines Handelns, d. h. die Verantwortlichmachung des Staates. Zweitens der Dienst an den Opfern des Staatshandelns. Die Kirche ist den ‚Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören. „Tut Gutes an jedermann.“ In beiden Verhaltungsweisen dient die Kirche dem freien Staat in ihrer freien Weise, und in Zeiten der Rechtswandlung darf die Kirche sich diesen beiden Aufgaben keinesfalls entziehen. Die dritte Möglichkeit besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. Sol‚ches Handeln wäre mittelbar politisches Handeln der Kirche und ist nur dann möglich und gefordert, wenn die Kirche den Staat in seiner Recht und Ordnung schaffenden Funktion
versagen sieht, d. h. wenn sie den Staat hemmungslos ein
Zuviel oder ein Zuwenig an Ordnung und Recht verwirk-
lichen sieht. In beiden muß sie dann die Existenz des Staates
und damit auch ihre eigene Existenz bedroht sehen. Ein Zu-
Die Kirche
vor der Judenfrage
49
wenig läge vor bei der Rechtlosmachung irgendeiner Gruppe von Staatsuntertanen, ein Zuviel läge dort vor, wo vom Staate her in das Wesen der Kirche und ihre Verkündigung
eingegriffen werden sollte, d. h. etwa in dem zwangsmäßigen Ausschluß der getauften Juden aus unseren christlichen Gemeinden, in dem Verbot der Judenmission. Hier befände sich
die christliche Kirche in statu confessionis und hier befände sich der Staat im Akt der Selbstverneinung. Ein Staat, der
sich eine vergewaltigte Kirche eingliedert, hat seinen treuesten Diener verloren. Aber auch dieses dritte Handeln der Kirche, das gegebenenfalls in den Konflikt mit dem bestehenden Staat führt, ist nur der paradoxe Ausdruck ihrer letzten Anerkennung des Staates, ja die Kirche selbst weiß sich hier aufgerufen, den Staat als Staat vor sich selbst zu schützen und zu erhalten. In der Judenfrage werden für die Kirche heute die beiden ersten Möglichkeiten verpflichtende Forderungen der
Stunde. Die Notwendigkeit des unmittelbar politischen Handelns der Kirche hingegen ist jeweils von einem „evangeli-
schen Konzil“ zu entscheiden und kann mithin nie vorher kasuistisch konstruiert werden. Die staatlichen Maßnahmen gegen das Judentum stehen für die Kirche aber noch in einem ganz besonderen Zusammenhang. Niemals ist in der Kirche Christi der Gedanke verlorengegangen, daß das „auserwählte Volk“, das den Erlöser der Welt ans Kreuz schlug, in langer Leidensgeschichte den Fluch seines Tuns tragen. muß. „Juden sind die ärmsten
Leute unter allen Völkern auf Erden, werden hie und da geplaget, sind hin und her in Landen zerstreut, haben keinen gewissen Ort, da sie gewiß könnten bleiben und müssen immer besorgen, man treibe sie aus... ..“ (Luther, Tischreden). Aber die Leidensgeschichte dieses von Gott geliebten und ge-
straften Volkes steht unter dem Zeichen der letzten Heimkehr des Volkes Israel zu seinem Gott. Und diese Heimkehr geschieht in der Bekehrung Israels zu Christus. „Wenn die
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Die Anfänge.
1933
Stunde kommt, daß sich dieses Volk demüthigt und bußfertig abläßt von der Sünde seiner Väter, an der es bis diesen Tag
mit furchtbarer Halsstarrigkeit festhängt und das Blut des Gekreuzigten zur Versöhnung über sich herabflehet, dann wird die Welt staunen ob der Wunder, die Gott thut! die er
an diesem Volke thut! Und die hohnsprechenden Philister werden dann sein wie Koth auf der Gasse und wie das ver-
dorrte Heu auf den Dächern. Dann wird er dieses Volk sammeln aus allen Nationen und es zurückbringen nach Kanaan. O Israel, wer ist dir gleich? Wohl dem Volke, dem
der Herr sein Gott ist!“ (S. Menken, 1795). Die Bekehrung Israels, das soll das Ende der Leidenszeit des Volkes sein.
Von hier aus sieht die christliche Kirche die Geschichte des Volkes Israel mit Schaudern als Gottes eignen, freien, furchtbaren Weg mit seinem Volk. Sie weiß, daß kein Staat der Welt mit diesem rätselhaften Volk fertig werden kann, weil Gott noch nicht mit ihm fertig ist. Jeder neue Versuch, die „Judenfrage“ zu „lösen“, scheitert an der heilsgeschichtlichen Bedeutung dieses Volkes; dennoch müssen immer wieder solche Versuche unternommen werden. Dieses Wissen der Kirche um den Fluch, der auf diesem Volk lastet, hebt sie weit hinaus über jedes billige Moralisieren, vielmehr weiß sie sich selbst als immer wieder ihrem Herrn untreue Kirche mit gedemütigt beim Anblick jenes verstoßenen Volkes, und sie
sieht voll Hoffnung
auf die Heimgekehrten
vom
Volke
Israel, auf die zum Glauben an den einen wahrhaftigen Gott in Christus Gekommenen, und weiß sich diesen als Brüdern verbunden. Damit sind wir bei der zweiten Frage angelangt. TI.
Die Kirche kann sich ihr Handeln an ihren Gliedern nicht vom Staate vorschreiben lassen. Der getaufte Jude ist Glied unserer Kirche. Damit stellt sich die Judenfrage für die Kirche anders als für den Staat.
Die Kirche
vor der Judenfrage
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Judentum ist von der Kirche Christi her gesehen niemals ein rassischer, sondern ein religiöser Begriff. Nicht die biologisch fragwürdige Größe der jüdischen Rasse, sondern das „Volk
Israel“ ist gemeint. Das „Volk“ Israel aber ist konstituiert durch das Gesetz Gottes; man kann also Jude werden durch Annahme des Gesetzes. Rassejude aber kann man nicht werden. Es gab in der Zeit der großen jüdischen Mission in der Heidenwelt verschiedene Stufen der Zugehörigkeit zum Ju-
dentum (Schürer III3.2 1909, Seite 150 ff). Ebenso aber ist auch der Begriff des Judenchristentums religiös, nicht biolo-
gisch bestimmt. Die judenchristliche Mission erstreckte sich auch auf heidnische Gebiete (Gegner des Paulus im Galaterbrief). Es gab heidnische Judenchristen und jüdische Heidenchristen. Zum Judenchristentum gehören also von der Kirche Christi her gesehen nicht die christlich getauften Menschen jüdischer Rasse, sondern Judenchrist im Sinne der Kirche ist der, der
die Zugehörigkeit zum Volk Gottes, zur Kirche Christi bedingt sein läßt durch die Beobachtung eines göttlichen Gesetzes. Demgegenüber kennt das Heidenchristentum keine
Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Volk Gottes, zur Kirche Christi, als den Ruf Gottes durch sein Wort in Chri-
stus. Allein dieser Unterschied im Verständnis
der Erscheinung
Christi, des Evangeliums, hat zu der ersten Spaltung in der Kirche Christi in Heidenchristentum und Judenchristentum
geführt (Apostelkonzil). Diese Spaltung ist gegenseitig teilweise als unerträgliche Häresie, teilweise als erträgliches Schisma verstanden worden. Ein analoger Vorgang läge heute dort vor, wo eine kirchliche Gruppe innerhalb der Reformationskirche die Zugehörigkeit zur Kirche bedingt sein ließe durch Beobachtung eines göttlichen Gesetzes, also z. B. der rassischen Einheit der Gemein-
deglieder. Dann ist der judenchristliche Typus dort reali-
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Die Anfänge.
1933
siert, wo diese Forderung gestellt wird, gleichgültig, ob ihre Vertreter zur jüdischen Rasse gehören oder nicht. Dann ist ferner die Möglichkeit gegeben, daß der modern judenchristliche Typus sich von der heidenchristlichen Gemeinde zurückzieht und eine eigene gesetzlich gebundene Kirchengemeinschaft begründet. Kirchlich unmöglich aber ist es dann, den Teil der Gemeinde, der der jüdischen Rasse zugehört, weil er den gesetzlich-judenchristlichen Anspruch stört, aus der Ge-
meinde auszuschließen. Denn damit würde beansprucht, die heidenchristliche Gemeinde judenchristlich zu machen, welchem Anspruch sich diese mit Recht versagen muß.
Die Ausschließung der rassischen Juden aus unserer deutschstämmigen Kirche würde diese letztere dem judenchristlichen Typus zuführen. Ein solcher Ausschluß bleibt also eine kirchliche Unmöglichkeit. Aus dem Vorhandensein fremdstämmiger französischer, eng-
lischer usw. Gemeinden in Deutschland ist allein der Schluß zulässig, daß einem freiwilligen Zusammenscluß der juden-
stämmigen Christen zu einer Gemeinde kirchlich nichts im Wege steht (wie es etwa in der judenchristlichen Allianz 1925
in London geschah). Es ist aber in keinem Fall die erzwungene Ausweisung der der heidenchristlichen deutschstämmigen Gemeinde bereits zugehörenden heidenchristlichen Juden zulässig, ganz abgesehen von der Schwierigkeit des Nach-
weises, daß diese Juden keine Deutschen seien (vgl. Stöckers These, daß der Jude durch seine Taufe Deutscher werde).
Eine solche erzwungene Ausweisung würde — auch wenn sie rein korporativ-organisatorischen Charakter haben sollte — doch immer eine wirkliche Kirchenspaltung bedeuten, eben
weil sie die rassische Einheit der Kirche zum Gesetz erheben würde, das als Voraussetzung für die Kirchengemeinschaft
erfüllt sein müßte. Mit ihr würde sich also die ausschließende Kirchengemeinschaft als judenchristlich konstituieren.
Es geht auch keinesfalls um die Frage, ob unsere deutsch-
Die Kirche
vor der Judenfrage
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stämmigen Gemeindeglieder heute die kirchliche Gemeinschaft mit den Juden noch tragen können. Vielmehr ist es Aufgabe christlicher Verkündigung zu sagen: hier, wo Jude und Deutscher zusammen unter dem Wort Gottes stehen, ist Kirche, hier bewährt es sich, ob Kirche noch Kirche ist oder nicht. Es kann keinem, der sich nicht in der Lage fühlt, die kirchliche Gemeinschaft des judenstämmigen Christen zu tragen, verwehrt werden, selbst aus dieser kirchlichen Gemeinschaft auszuscheiden. Es muß ihm aber dann mit letztem Ernst dies klargemacht werden, daß er sich damit von dem Ort lossagt, an dem die Kirche Christi steht, und daß er damit selbst den judenchristlichen Gedanken einer Gesetzesreligion verwirklicht, d. h. modernem Judenchristentum verfällt. Es bleibt dann noch immer eine offene Frage, ob eine solche Trennung als erträgliches Schisma angesehen werden kann oder nicht. Im übrigen müßte man einen außerordentlich befangenen Blick haben, um nicht zu sehen, daß ein anderes als das eben gekennzeichnete Verhalten unserer Kirche gegenüber den getauften Juden bei unserem Kirchenvolk auf
weitgehende Verständnislosigkeit stoßen würde. Luther zu Psalm 110, 3: Wer Gottes Volk oder die Kirche Christi sei, ist keine andere Regel noch Probe ohne dies allein, wo ein Häuflein ist derer, so dieses Herrn Wort annehmen, rein lehren und bekennen wider die, so es verfolgen, und darob leiden, was sie sollen.
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Die Anfänge.
1933
Kirchenkampf in der Universität [Bericht aus der Jungen Kirche!]
„Niederlage der Deutschen Christen an der Universität Berlin: Am Montag? mittag um 1 Uhr fand im Auditorium Maximum der Universität Berlin die von der Deutschen Studentenschaft einberufene Versammlung statt, die den Beitritt der Studentenschaft zur Glaubensbewegung Deutsche Christen beschließen sollte. Die Versammlung verlief ruhig. Bei der Verlesung der Entschließung für die Bischofskandidatur des Wehrkreispfarrers Müller verlie-
ßen neun Zehntel der Teilnehmer das Auditorium
und unter-
stellten sich anschließend in einer Kundgebung der politischen Führung Adolf Hitlers“ (Tägliche Rundschau 20. Juni 1933). Am Donnerstag, dem 22. Juni 1933, fand in der Berliner Universität eine von 2000 Studenten besuchte Versammlung statt, veranstaltet vom „Arbeitsausschuß evangelischer Studenten‘, Thema „Der Kampf um die Kirche“. Das Erstaunlichste war, daß in der
heutigen Zeit Jungreformatorische und Deutsche Christen gleichmäßig zu Worte kamen und in sachlicher Art miteinander diskutierten. Professoren aus Berlin, Göttingen, Gießen, Greifswald,
Studenten verschiedener Fakultäten und SA-Leute sprachen... Zweierlei war das wesentliche Anliegen der Deutschen Christen,
wie es vor allem von Prof. Hirsch und Privatdozent Vogelsang, den Mitarbeitern Wehrkreispfarrer Müllers, und Prof. Fabricius vorgebracht wurde: 1. Das Evangelium muß unter das Volk gebracht werden, 2. die Kirche darf sich nicht vom Staat distanzieren... 1. Junge Kirche Nr. 2 vom 30. Juni 1933, Seite 22 £. 2. 19. Juni 1933. 3, Im Sommer 1930 gegründet, Korporationen und Freistudenten einschließend, um die seit einigen Jahren bestehende Studentenseelsorge auf eine breitere Grundlage zu stellen.
Kirchenkampf
in der Universität
55
..„. Den tiefsten Eindruck auf die Versammlung machten aber die Worte von Privatdozent Bonhoeffer, als er die Möglichkeiten und Grenzen eines Kampfes innerhalb der Kirche aufzeigte. Dieser „Kampf“ dürfte nur im gemeinsamen Wissen der Sündenvergebung und im Geiste des „Richtet nicht“ geführt werden. Die Schwachen im Glauben, die vor dem Eingang der Kirche ein Ge-
setz aufrichten wollten, wie etwa das des Arier-Paragraphen, müßten gemäß Röm 14 von den Starken im Glauben brüderlich getragen werden. Würde aber das Gesetz der Schwachen wirklich zum Gesetz der Kirche erhoben, so könnte nur noch ein Evange-
lisches Konzil entscheiden, das — abgesehen von der prophetischen und reformatorischen Möglichkeit der Offenbarung Gottes an den einzelnen — die maßgebende Instanz zur Entscheidung aller Fragen sei, die an die Substanz der Kirche gingen. Dies Evangelische Konzil hätte dann über Einheit oder Schisma der Kirche zu entscheiden. Die Kirche solle Gott danken für die Stunde ihres Bekenntnisses, sie sollte aber stets wissen, daß das höchste Geschenk Gottes an seine Kirche der Friede sei.
Ostseebad Niendorf, 26. Juni 1933 Lieber Herr Bonhoeffer,
mir wird gerade in mein Familienlager hier berichtet, daß Sie in einer Rede
vorgeschlagen
haben,
ein Konzil
einzuberufen.
Ein
Gedanke, der einem ja wirklich notwendig zu sein scheint bei der babylonischen Sprachverwirrung der Christen. Wie entsetzlich blamabel nun wieder dies Ende eines Reichsbischofst, (Aber vielleicht sehe ich das zu „reformiert“!). Aber warum begaben wir uns auf diese politische „Führer“ -Ebene? Herzliche
Grüße von
Ihrer Gertrud Staewen
1. Dr. Jäger,
24. Juni 1933.
Staatskommissar;
Rüctritt
F. von
Bodelschwinghs
am
56
Die Anfänge.
1933
Berlin, 4. Juli 1933 Die gegenwärtige kirchliche Lage erfordert die Besinnung auf den rechten Glauben, weil die sichtbare Kirche ihre Struktur allein durch den Glauben an die Vergebung der Sünden erhalten darf. 1. These: Wir sehen in dem reformatorisch verstandenen Evangelium die einzige Grundlage jeder kirchlichen Neugestaltung. Die Kirche des reinen Evangeliums lebt allein vom Glauben an die Vergebung der Sünden und weiß, daß allein Christus sie durch den Heiligen Geist erneuern kann. Zeichen für die Erneuerung der Kirche ist die Umkehr zur reinen Verkündigung und die Erweckung der Gemeinde zu Glaube und Gebet. Die Stimme der Kirche wird desto vernehmlicher, je entschiedener sie sich zu Christus als ihrem Herrn bekennt. Dies Bekenntnis schließt in sich:
daß jeder ohne Unterschied des Standes und der Rasse Glied der Kirche sein kann; daß jede Verkürzung des Evangeliums in ein bürgerliches Gottvertrauen oder liberalen Moralismus verworfen wird;
daß die Amter der Kirche nicht nach politischen Gesichtspunkten, sondern allein nach geistlichen besetzt werden. 2. These: Wir wollen keiner kirchenpolitischen Partei, sondern allein der ganzen Kirche verantwortlich sein. Jedes rechte Glied der Gemeinde ist für die ganze Kirche verant-
wortlich. Verantwortlich sein heißt, vor Gott die Schuld der ganzen Kirche tragen. Nur der ist der Parteilichkeit enthoben, der bereit ist, nicht anzuklagen, sondern die Schuld der anderen auf sich zu nehmen.
3. These: Wir glauben, daß allein aus der gemeinsamen Besinnung auf das Kreuz Christi der kirchliche Friede wiederkehren kann. Daß unsere Kirche friedlos geworden ist, ist Ausdruck von unvergebener Schuld. Am Kreuz Christi ist die Sündenvergebung
gewirkt und der Friede der Kirche geschlossen. Darum steht nur
die Gemeinde im Frieden, die in der Erkenntnis der gemeinsamen
Schuld wieder zum Kreuz zurückfindet.
Kirchenkampf
in der Universität
57.
Aus dieser theologischen Erkenntnis ergibt sich folgende Stellungnahme zur augenblicklichen Lage:
Wir lehnen ab jeden Eingriff des Staates in die Kirche, der die Kirche von ihrem Wesen entfernt; den maßgebenden Einfluß kirchenfremder Persönlichkeiten auf die kirchliche Neugestaltung; die geistliche Leitung Hossenfelders!, Hoffs und derer, die das Evangelium nicht in seiner Reinheit verkünden.
Wir fordern Zurückziehung
der Staatskommissare
und die Wiedereinsetzung
der Generalsuperintendenten in ihr geistliches Amt; die Beteiligung des designierten Reichsbischofs D. v. Bodelschwingh an der Einigungsarbeit der Kirche; eine neue gottesdienstliche Verkündigung in Predigt und Feier des heiligen Abendmahls, in deren Mittelpunkt die Vergebung der Sünden steht.
Wir erbitten von Gott die wahre Gemeinschaft der Heiligen. Die jungreformatorischen Studenten?.
1. Seit 24. Juni geistlicher Vizepräsident des EOK; Generalsuperintendenten abgesetzt. 2. Außer diesem Aufruf gibt es noch einen zweiten aus denselben Tagen, der sich gegen Thesen Pf. Peters richtet (siehe K. D. Schmidt, Die Bekenntnisse des Jahres 1933, Seite 40) und mit dem in jungreformator. Kußerungen dieser Tage seltenen Satz schließt: „Wir fordern eine kirchliche Verkündigung, welche den Staat nicht verbrämt, sondern in jeder Beziehung ... das Gericht und die Gnade Gottes zu sagen wagt.“
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Die Anfänge. 1933
Die Kirchenwahl vom 23. Juli 1933 An die Mitglieder und Freunde der Jungreformatorischen Bewegung! [Rundschreiben] Es ist von entscheidender Wichtigkeit, daß uns genaue Nachrichten darüber zugehen, wieweit die Freiheit der Wahlvorbereitungen und der Wahl selbst beeinträchtigt worden sind. Wir bitten daher alle unsere Mitglieder und Freunde, uns sofort zu benachrichtigen, wenn Übergriffe irgendwelcher Art bei ihren oder ihnen bekannten Gemeinden vorgekommen sind. Hierher gehören besonders Dro-
hungen von Gruppen der NSDAP und Weisungen, in denen diese oder ihre Organe sich mit der Liste „Deutsche Christen“ identifizieren. Vollständigkeit und Genauigkeit der Angaben sind drin-
gend notwendig. Auf Grund des kirchlichen Gesetzes für die Gemeindewahl,
welches auch für diese Wahl gilt, ist eine Anfech-
tung der Wahl möglich. Wir bitten neben einer genauen Darstellung der Vorgänge und Zeitungsausschnitten eine ausdrückliche Anfechtungserklärung
gegenüber
der Wahl
hinzuzufügen.
Die
Proteste müssen spätestens bis Mittwoch, den 26. Juli 33 bei der Geschäftsstelle der Jungreformatorischen Bewegung, Berlin-Dahlem, Ladenbergstraße 20, in mehreren Durchschlägen eingegangen sein. Wir bitten ferner von folgender Vereinbarung Kenntnis zu nehmen und den Inhalt derselben auf jeden Fall zu befolgen: An sämtliche Pfarrer, die für die Liste ‚eintreten!
Evangelium und Kirche
Heute nachmittag hat zwischen dem Sachbearbeiter der Geheimen Staatspolizei und den Unterzeichneten
eine Besprechung stattge-
funden. In Verfolg dieser Besprechung fordern wir alle Amtsbrüder dringend auf, jegliches private Flugblatt zu unterdrücken und lediglich die Flugblätter der Reichsleitung zu verbreiten, um
Flugblatt zur Kirchenwahl
59
sich selber und die Reichsleitung vor Unannehmlichkeiten zu bewahren und die ordnungsgemäße Wahl zu gewährleisten. Auf keinen Fall darf noch ein Flugblatt ausgegeben werden, das die Bezeichnung „Liste Evangelische Kirche“ trägt!. 18. Juli 1933 Jacobi Lic. Bonhoeffer
[Flugblatt zur Kirchenwahl2] Jede Glaubensbewegung, die keine Schwärmerei sein will, muß sich vor dem Wort Gottes verantworten! Die Deutschen
Christen sagen: Des Volkes Stimme ist Gottes
Stimme. (Erklärung Müller 14. 7. 33) Die Bibel sagt: Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme.
— Da schrieen sie wieder allesamt und sprachen: Nicht diesen, sondern Barrabas! — Barrabas aber war ein Mörder.
(Joh. 18, 37. 40)
Die Deutschen Christen sagen: Das Erscheinen Jesu Christi in der Weltgeschichte ist in seinem letzten Gehalt ein Aufflammen nordischer Art. (Jaeger 15. 7.)
Die Bibel sagt: Dies ist das Buch von der Geburt Jesu Christi, der da ist ein Sohn Davids, des Sohns Abrahams. (Matth.1, 1) Die Deutschen Christen sagen: Ein gottloser Volksgenosse steht
uns näher als ein volksfremder, auch wenn er das gleiche Lied singt oder das gleiche Gebet betet. (Hossenfelder, Hamburg 1. 7.) Die Bibel sagt: Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. (Mark. 3, 35) 1. Die Deutschen Christen hatten am 17. Juli eine einstweilige Verfügung erwirkt, nach welcher der Name „Evangelische Kirche“ nicht
mehr für den Wahlvorschlag der Jungreformatoren geführt werden durfte. Abends erschien die Geh. Staatspolizei und beschlagnahmte fast das ganze Material im Büro der Jungreformatoren. Jacobi und Bonhoeffer gingen daraufhin am 18. Juli zur Geh. Staatspolizei und erreichten teilweise Freigabe und jene Vereinbarung.
2. Verfasser Franz Hildebrandt.
Die Anfänge.
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1933
Die Deutschen Christen sagen: Nur das Bestehen der Nation er-
möglicht das Bestehen einer geordneten und dadurch arbeitsfähigen Kirche. (Jaeger, Ev. Dtschld. 2. 7.) Die Bibel sagt: Du bist Petrus, und auf diesen Fels will ich bauen meine Gemeinde und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. (Matth. 16, 18) Deutschen Christen sagen: Wir haben das Recht und die Pflicht, in der Kirche des neuen Volkes den entscheidenden Einfluß zu gewinnen. (Müller in Karlshorst 17. 6.) Bibel sagt: Und da Jesus daheim war, fragte er sie: was handeltet ihr miteinander auf dem Wege? Sie aber schwiegen, denn sie hatten miteinander auf dem Wege gehandelt,
welcher der Größte unter ihnen sei.
(Markus 9, 33—34)
Die Deutschen
Christen sagen: Die Kirchenbehörde sind wir! (Eckert-Erlaß vom 2. 7.) Die Bibel sagt: Wer sich läßt dünken, er stehe, mag wohl zu-
sehen, daß er nicht falle.
(1. Kor. 10, 12)
Die Deutschen Christen sagen: Damit unsere Versammlungen restlos gelingen, ist überall in engster Fühlung mit den Parteidienststellen zu arbeiten. In allen Orten muß mindestens ein öffentlicher Umzug stattfinden unter geschlossener Mitwir-
kung der NSDAP.
(Erlaß Hossenfelder 2. 7.)
Die Bibel sagt: Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth. (Sach. 4, 6) Die Deutschen Christen sagen: Die Parteigenossenschaft wird dem-
nächst geschlossen die Gottesdienste besuchen, um zu beweisen, daß man mit ihr zu rechnen hat. Wir haben Religion im Leibe, aber ihr versteht es nur nicht, sie aus uns herauszu-
holen. (Lötzener Zeitung 13. 6.) Die Bibel sagt: Mein Haus soll ein Bethaus sein. — Und wenn du betest, sollst du nicht sein wie Heuchler, die da gern stehen und beten an den Ecken, auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gesehen werden. (Matth. 21, 13; 6, 5) Deutschen Christen sagen: Auf der Liste der kirchlichen Kör-
perschaften dürfen nur Deutsche Christen oder Nationalsozialisten stehen. —
Der Kommissar
selber kann keine Anwei-
Flugblatt zur Kirchenwahl
61
sung geben, in der das Wort „Deutsche Christen“ vorkommt (aus Gründen der Überparteilichkeit). (Eckert-Erlaß Gauleitung Ostmark 30. 6.) Die Bibel sagt: Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist,
das ist vom Übel.
(Matth. 5, 37)
Die Deutschen Christen sagen: Der Worte sind nun genug gewechselt — vier Jahrhunderte hindurch —, ohne daß durch die Bemühungen der Theologie auch nur ein einziges Dorf Deutschlands für den evangelischen Glauben erobert worden wäre. (Landrat Krummacher, 8. 7.)
Die Bibel sagt: Hören sie Moses und die Propheten nicht, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Toten auferstünde. (Luk. 16, 31) Die Deutschen Christen sagen: Es ist Großes erreicht worden. Das Volk wird froh der Tatsache, daß der Knoten mit einem Schwertschlag gelöst wurde, mit Dank an Gott anerkennend, daß alles bisherige Tun dem Ziel gedient hat, Volk und Kirche, die in großer Entfremdung gegeneinander standen, wieder zueinander zu führen. (Müller in Jena 12. 7.) Bibel sagt: Sie sagen: Friede, Friede. — Und ist doch kein Friede. (Jer. 6, 14) Darum vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern. (Matth. 6, 12) Die Deutschen Christen sagen: Mehr verlangt der Herrgott nicht, als daß man seine Fehler einsieht und es das nächste Mal besser macht. Gott wird im Gericht den einzelnen fragen, ob
er sich bemüht habe, ein anständiger Kerl zu sein und seine Pflichten gegen die Volksgenossen zu erfüllen.
(Müller in Karlshorst, 17. 6.) Bibel sagt: Ich weiß deine Werke, daß du weder kalt noch
warm bist. Du sprichst: Ich bin reich und habe gar satt und bedarf nichts, und du weißt nicht, daß du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. (Offenb. Joh. 3, 15. 17)
So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. (Römer 3, 28) Wer sich vor der Bibel verantwortet,
wählt Liste Evangelium und Kirche!
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Die Anfänge.
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Der Arierparagraph in der Kirche! [Flugblatt August 1933]
1. Radikale Form des Arierparagraphen Nichtarier gehören nicht zur deutschen Reichskirche und sind durch Bildung eigener juden-christlicher Gemeinden auszuschließen. 2. Form des Arierparagraphen Das staatliche Beamtengesetz soll auf die Kirchenbeamten Anwendung finden. Weiterbeschäftigung und Neueinstellung juden-christlicher Pfarrer soll abgelehnt werden. 3. Form des Arierparagraphen
Die Reichskirchenverfassung? hat den Arierparagraphen zwar nicht aufgenommen, aber durch Stillschweigen bekundet, daß sie das Studentenrecht, das den juden-christlichen theologischen Nachwuchs verhütet, als für die Kirche bindend anerkennt, d. h. sie anerkennt den Ausschluß der Juden-Christen
vom kirchlichen Amt in Zukunft. ad. 1. Der Ausschluß der Juden-Christen aus der kirchlichen Ge-
meinschaft zerstört die Substanz der Kirche Christi: denn erstens wird damit die Tat des Paulus rückgängig gemacht, der davon ausging, daß durch das Kreuz Christi der Zaun zwischen Juden und Heiden abgebrochen sei, daß Christus aus zweien eins gemacht hat (Eph. 2), daß hier (nämlich in 1. Entworfen Anfang August (?) vor der braunen Generalsynode, 5. bis 6. September 1933, und der Wittenberger Nationalsynode vom 27. September 1933, 2. Durch Reichsgesetrz vom 14. Juli 1933 in Kraft gesetzte Verfassung des Loccumer Dreimännerkollegiums (Kapler, Marahrens, Hesse, dazu Ludwig Müller).
Der
Arier-Paragraph
ın der Kirche
63
der Kirche Christi) nicht Jude noch Heide... . sondern allzumal einer sei; zweitens richtet die Kirche, wenn sie die Juden-Christen ausschließt, ein Gesetz auf, das erfüllt sein muß, bevor man zur kirchlichen Gemeinschaft gehören darf, nämlich das Rassegesetz. Am Eingang zur Kirche Christi in Deutschland steht mithin für die Juden die Frage: bist du Arier? Erst wenn er dies Gesetz erfüllt hat, kann ich mit ihm in die Kirche gehen, beten, hören, Abendmahl halten. Durch Aufrichtung des
Rassengesetzes
am Eingang zur kirchlichen Gemeinschaft
aber tut die Kirche genau das, was die juden-christliche Kirche vor und gegen Paulus tat, nämlich, daß sie das Jude-sein forderte, bevor kirchliche Gemeinschaft möglich wurde. Eine Kirche, die heute die Juden-Christen ausschließt, ist selbst
zur juden-christlichen Kirche geworden
und damit vom
Evangelium zum Gesetz abgefallen. Die D. C.3 sagen: Die Kirche darf die Ordnungen Gottes nicht auflösen oder mißachten. Solche Ordnung aber ist die Rasse, darum muß die Kirche rassisch bestimmt sein. Wir antworten: Die gegebene Ordnung der Rasse wird ebensowenig verkannt wie die der Geschlechter, der Stände etc... . In der Kirche bleibt Jude Jude, Heide Heide, Mann Mann, Kapitalist Kapitalist etc... Aber der Ruf Gottes beruft und sammelt alle zu einem Volk, zum Volk Gottes, zur Kirche, zu der sie alle
in gleicher Weise und miteinander gehören. Kirche ist nicht die Gemeinschaft von Gleichartigen, sondern eben gerade von Fremden, die durch das Wort berufen sind. Das Volk Got-
tes ist eine Ordnung über alle Ordnungen hinaus. „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mein Bruder, Schwester 1. Die gebräuchliche Abkürzung für „Deutsche Christen“.
'
64
Die Anfänge.
1933
und Mutter.“ Die Rasse, das Blut ist eine unter den Ordnungen, in die die Kirche eintritt, aber sie darf nie Kriterium
für die Zugehörigkeit zur Kirche sein, dies ist allein das Wort Gottes und der Glaube. Die D.C. sagen: Wir wollen den Juden-Christen ihr Christentum nicht neh-
men, sie sollen nur ihre eigene kirchliche Organisation haben. Es geht doch nur um die Frage der äußeren Gestalt der Kirche. Wir antworten: Erstens: ist die Frage nach der Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinschaft nie eine Frage der äußeren Organisation, sondern der Substanz der Kirche. Denn Kirche ist die Gemeinde, die vom Wort berufen wird. Die Gliedschaft an der Gemeinde ist nicht eine Organisationsfrage, sondern gehört zum Wesen der Kirche. Zweitens: ist die grundsätzliche Unterscheidung von Christentum und Kirche bzw. von Christus und Kirche falsch. Es
gibt nicht so etwas wie eine Idee der Kirche, eine Erscheinung der Kirche, sondern die empirische Kirche ist die Kirche Christi selbst, und darum bedeutet der zwangsweise Aus-
schluß aus der empirischen kirchlichen Gemeinschaft den Ausschluß aus der Kirche Christi selbst. Daß dann hier freilich der aus der Kirche ausschließende Teil in Wahrheit der aus-
geschlossene ist, ist die besondere Gefahr des deutsch-christlichen Vorhabens. Drittens: bedeutet der organisatorische Ausschluß einen Eingriff in die Gewalt der Sakramente. Hier in unsere Kirche ist der Juden-Christ durch Gottes Willen im Sakrament der Taufe aufgenommen worden. Durch diese Taufe ist er dieser Kirche und diese Kirche ihm unauflöslich verbunden. Schließt nun die Kirche, die den Juden-Christen taufte, ihn wieder aus, so macht sie das Sakrament zu einer Zeremonie, die sie selbst nicht verpflichtet.
Der
Arier-Paragraph
in der
Kirche
Die D.C. sagen: Wir haben nicht die tausend Juden-Christen,
Millionen
gottentfremdeter
Volksgenossen
65
sondern die
im Auge. Um
ihretwillen müssen gegebenenfalls die anderen geopfert werden. Wir antworten: Auch wir haben sie im Auge, aber in der Kirche wird kein einziger geopfert, und es kann sein, daß die Kirche, um der
tausend gläubigen Juden-Christen willen, die sie nicht opfern darf, Millionen nicht gewinnt. Aber was wäre auch ein Gewinn von Millionen, wenn er auf Kosten der Wahrheit und der Liebe gegen einen einzigen erkauft werden müßte? Es könnte kein Gewinn, sondern nur Schade sein, denn Kirche wäre nicht mehr Kirche. Die D.C. sagen:
Das deutsche Kirchenvolk kann die Gemeinschaft mit den Juden, die ihm politisch soviel Schaden getan haben, nicht mehr ertragen. Wir antworten:
Gerade hier muß dann in aller Deutlichkeit gesagt werden, daß hier der Ort ist, an dem es sich bewährt, ob man weiß, was Kirche ist. Hier, wo der mir unsympathische Juden-
Christ neben mir als Glaubender sitzt, hier gerade ist Kirche. Wird das nicht begriffen, dann sollen die, die das nicht ertragen zu können glauben, sich selbst zu einer eigenen Kirche zusammenschließen, aber nie und nimmer können sie die anderen ausschließen. Die Kontinuität der Kirche liegt bei der Kirche, in der die Juden-Christen bleiben. Zusammengefaßt: Kirche ist die Gemeinde der Berufenen, in der das Evange-
lium recht gepredigt und die Sakramente recht verwaltet werden, die kein Gesetz für die Zugehörigkeit zu ihr aufrichtet. Darum
ist der Arierparagraph
eine Irrlehre von
der
Kirche und zerstört ihre Substanz. Darum gibt es einer Kirche
66
Die Anfänge.
1933
gegenüber, die den Arierparagraphen in dieser radikalen Form durchführt, nur noch einen Dienst der Wahrheit, näm-
lich den Austritt. Dies ist der letzte Akt der Solidarität mit meiner Kirche, der ich nie anders als allein mit der ganzen . Wahrheit und allen ihren Konsequenzen dienen kann. adın2. Die Entfernung der Juden-Christen aus den Pfarrämtern steht mit dem Wesen des Pfarramts in Widerspruch. Nach Luthers Lehre sind alle Christen durch die Taufe zu Priestern geweiht. Sie sind gleichen Rechts und haben jeder das Recht und die Pflicht der Lehre, und des Hörens des Wortes Gottes. Das Pfarramt wird dem durch die Taufe zum Priester geweihten Christen von der Gemeinde übertragen und erfordert von ihm rechte Lehre, christlichen Wandel und geistliche Ga-
ben. Der Pfarrer übernimmt sein Amt als Auftrag Christi und nur ein Verstoß gegen eines von jenen Erfordernissen
kann Grund für die Zurückziehung des Auftrages der Gemeinde sein. Bleibt der Juden-Christ grundsätzlich vom Pfarramt ausgeschlossen, so ist er ein Bruder minderen Rech-
tes geworden. Beruft man sich aber auf die biblische Weisung: „Das Weib schweige in der Gemeinde“, so ist daraus eben gerade nichts für den Juden-Christen zu schließen, denn entweder man bindet sich gesetzlich an die biblische Weisung,
dann ist jedenfalls nichts über das Schweigen der JudenChristen gesagt; oder man bindet sich nicht gesetzlich, d. h. man gesteht auch der Frau das Reden in der Gemeinde zu, dann aber besteht keine Möglichkeit, den Juden-Christen das
Reden grundsätzlich zu untersagen. Zugleich aber ist mit dem Ausschluß der Juden-Christen vom Amt der Sinn des Pfarramts überhaupt zerstört, indem es der Willkür der Gemeinde unterworfen ist. Die Ordination ist aufgehoben, ungültig gemacht; die ordinatio ist dem ungeordneten Willen der Gemeinde preisgegeben.
Der
Arier-Paragraph
in der Kirche
67
Die D.C. sagen:
Die kirchlichen Führer müssen um des völkischen Empfindens des deutschen Kirchenvolkes willen arisch sein. Wir Das rers, nur
antworten: Kirchenvolk soll lernen, nicht auf die Person des Pfarsondern auf seine Verkündigung aufzumerken. „... wenn Christus verkündet wird...“ Hätte der Jude Paulus
nicht in der Heidenwelt Christus verkündet, unbekümmert um völkisches Empfinden, so gäbe es keine deutsche Kirche. Das Verlangen nach arischen Verkündigern des Evangeliums ist das typische Verlangen der Schwachen im Glauben, die gesetzliche Schranken aufrichten wollen, wo in Wahrheit
allein der Glaube und das Wort Gottes entscheidet. Auf dieses Verlangen der Schwachen in den Gemeinden kann zwar aus seelsorgerlichen Gründen in ganz besonderen einzelnen Fällen, um schweres Ärgernis zu verhüten, Rücksicht genommen werden, doch wird in jedem einzelnen Fall aufs ernsthafteste zu bedenken sein, ob nicht gerade um der Sache der Kirche willen der Gemeinde ein solcher Anstoß zugemutet
werden muß. Völlig unmöglich aber ist es, daß das Verlangen der Schwachen zum herrschenden Gesetz der Kirche ge-
macht wird, weil hier die Freiheit des Evangeliums verkehrt wird zum Gesetz. Die D.C. sagen: Das staatliche Beamtengesetz sei auf die Kirchenbeamten anzuwenden, sonst setze sich die Kirche in Widerspruch zum
Willen des Staates. Wir antworten:
Eben hieran enthüllt sich der gänzlich politische Charakter der gesamten deutsch-christlichen Argumentation im Arierparagraphen. Sie kann uns im Zusammenhang mit dem poli-
tischen Geschehen nur als kirchliche Nachahmung des staatlichen Handelns erscheinen. Demgegenüber liegt der wahre Dienst und die Loyalität der Kirche gegenüber dem Staat nie-
68
Die Anfänge.
1933
mals in blinder Nachahmung seiner Methoden, sondern allein in der Freiheit der eigenen Verkündigung und der Entfaltung
der eigentümlichen: kirchlichen Gestalt. Zusammengefaßt:
Die Forderung der Deutschen Christen zerstört das Wesen des Pfarramtes, indem sie Glieder der Gemeinde zu Brüdern minderen Rechtes, Christen zweiter Klasse macht. Die anderen, die von dieser Forderung unbetroffen, also privilegiert bleiben, werden sich selbst lieber den Brüdern minderen Rechts zur Seite stellen wollen als in der Kirche von Privilegien Gebrauch machen. Sie werden daher, ihren einzigen Dienst, den sie ihrer Kirche in Wahrheit
noch tun können,
darin sehen müssen, daß sie das Pfarramt, Privileg geworden ist, niederlegen.
das zu einem
ad. 3. Wenn es durch ein Studentenrecht den Juden-Christen un-
möglich gemacht wird, Pfarrer zu werden, so wird die Kirche ihrerseits dem Juden-Christen neue Türen zum Pfarramt auftun müssen, und hierdurch, wie durch ihre Verkündigung
gegen solche Maßnahme, die in das Wesen des Pfarramts eingreift, protestieren müssen. Tut sie das nicht, dann macht sie
sich der Verantwortung für den ganzen Arierparagraphen schuldig. Die D.C. sagen:
Der Arierparagraph sei ein Adiaphoron, er berühre nicht das Bekenntnis der Kirche. Wir antworten: Erstens: ist in allem Vorhergesagten bewiesen, daß die Substanz der Kirche und des Pfarramtes, d. h. das Bekenntnis, angegriffen ist. Zweitens: selbst wenn das nicht der Fall wäre, so würde hier
folgendes Urteil der Bekenntnisschrift gelten: „Also weichet
Paulus,
und gibt den Schwachen
nach in
Der
Arier-Paragraph
in der Kirche
69
Speise und Zeit oder Tage“ (Röm. 14, 6). „Aber den falschen Aposteln, die solchs als nötig Ding aufs Gewissen legen wollten, will er auch in solchen an ihnen selbst freien Mitteldingen nicht weichen“ (Kol. 2). „Lasset Euch niemand Gewissen
machen über Speise, Trank oder über bestimmte Feiertage“ (Kol. 2, 16). „Und da Petrus und Barnabas in solchem Fall etwas nachgeben, strafet sie Paulus öffentlich, als die in dem
‚nicht richtig nach der Wahrheit des Evangelii Wandelnden‘“
Ga 2 1121).
„Dann hie ist es nicht mehr um die äußerlichen Mitteldinge zu tun, welche ihrer Natur und Wesen nach für sich selbst frei sein und bleiben und demnach kein Gebot oder Verbot leiden mögen, dieselbigen zu gebrauchen oder zu unterlassen, sondern es ist erstlich zu tun um den hohen Artikel unseres christlichen Glaubens, wie der Apostel zeuget „auf daß die
Wahrheit des Evangelii bestehe“ (Gal. 2, 5), welche durch solchen Zwang oder Gebot verdunkelt und verkehrt wird, weil solche Mitteldinge alsdann zu Bestätigung falscher Lehr, Aberglauben und Abgötterei und zu Unterdrückung reiner Lehre und christlicher Freiheit, entweder öffentlich erfordert oder doch dazu von den Widersachern mißbrauchet und also
aufgenommen werden. Se werden auch durch solch Nachgeben und Vergleichen in äußerlichen Dingen, da man zuvor in der Lehr nicht christ-
lich vereinigt, die Abgöttischen in ihrer Abgötterei gestärket, dagegen die Rechtgläubigen betrübet, geärgert und in ihrem Glauben geschwächer“.
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Die Anfänge.
1933
General- und Nationalsynode September 1933 [Telegramm Bonhoeffer an H. L. Henriod-Genf, Datum un-
sicher: 6. oder 7. September 1933] General Assembly finished, all Generalsuperintendents dismissed, only teutonic Christians admitted to National Synod, Aryan paragraph now in action, please work out memorandum against this and inform press at once, seperation at hand, further information in Sofia.
Erklärung? Nach dem Bekenntnis unserer Kirche ist das kirchliche Lehramt lediglich an die ordnungsmäßige Berufung gebunden. Durch den „Arierparagraphen“ des neuen kirchlichen Beamtengesetzes wird ein Recht geschaffen, das zu diesem grundlegenden Bekenntnissatz im Widerspruch steht. Damit ist ein Zustand, der nach dem
Bekenntnis als Unrecht gelten muß, als kirchliches Recht proklamiert und das Bekenntnis verletzt.
Es kann kein Zweifel daran sein, daß die durch das Beamtengesetz betroffenen ordinierten Geistlichen, solange ihnen nicht durch ein förmliches Verfahren die Rechte des geistlichen Standes aberkannt sind, auch weiterhin in vollem Umfange das Recht der freien Wortverkündigung und der freien Sakramentsverwaltung in der 1. Übersetzung siehe Seite 601.
2. Am Tag nach der Braunen Synode an Bodelschwingh zur Verbreitung geschickt und anderen zur Unterschrift vorgelegt. Bodelschwingh äußerte Bedenken gegen den ersten Satz von Abschnitt 3, schrieb aber einen ähnlich lautenden Protest am 11. September an L. Müller. Diese Erklärung wurde die Vorform des Aufrufes zum Pfarrernotbund und der Eingabe der Zweitausend „An die Nationalsynode ... .“, siehe Seite 74 ff. und 126.
Zwischen
den
September-Synoden
7
Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, die auf den Bekenntnissen der Reformation steht, innehaben. Wer einem solchen Bruch des Bekenntnisses seine Zustimmung gibt, schließt sich damit selbst aus der Gemeinschaft der Kirche aus. Wir fordern deshalb, daß dies Gesetz, das die Evangelische Kirche der altpreußischen Union von der christlichen Kirche trennt, unverzüglich aufgehoben wird.
7. September 1933
Martin Niemöller Dietrich Bonhoeffer
Erlangen, den 12. September 1933 Henkestraße 12 Sehr verehrter, lieber Herr Bonhoeffer! Ihre Anfrage vom 9.d.M. hat mich tief bewegt!. Meine Meinung ist die, daß man einen Schritt wie den, an den Sie denken, nicht vor dem Abschluß der Nationalsynode tun soll. Wenn eine Separation kommen soll, dann muß eine große Anzahl von Pfarrern
und Gemeindegliedern den Schritt tun, und zwar wird das dann nicht nur in der Altpreußischen Kirche der Fall sein, sondern auch in den sog. lutherischen Kirchen. Ich nehme an, daß die öffentliche Verletzung des Bekenntnisses von Ihnen in der Aufrichtung des Arierparagraphen gesehen wird, der ja bedeutet, daß auch die Apostel Jesu Christi, ja der Herr selbst, der ein Sohn Davids
nach dem Fleisch war, aus dem Predigtamt der preußischen Kirche weichen müßten. Das neue Gesetz scheidet die preußische Kirche ja von der Christenheit. Es bedeutet eine Lästerung des hl. Geistes, für die es keine Vergebung gibt, weder in dieser Welt noch in der zukünftigen. Nun nehme ich an, daß dieses Gesetz auch
auf andere Landeskirchen ausgedehnt wird, vielleicht auf die gesamte Deutsche Evangelische Kirche. Die Nationalsynode wird das zeigen. Dann wäre der Augenblick für eine große gemeinsame Aktion gekommen. 1. Bonhoeffers nicht mehr vorhandener Brief war durch Beratungen in einem Berliner Pfarrerkreis über ein Schisma nach der Braunen Synode veranlaßt; aus diesem jungreformatorischen Kreis entstand der Pfarrernotbund. Siehe auch Brief an K. Barth vom 9. September, Seite 126.
72:
Die Anfänge.
1933
Ich möchte Ihnen folgenden Vorschlag machen. Senden Sie eine Darstellung der Lage und eine Bitte um Beratung und um Schutz
des lutherischen Bekenntnisses an Landesbischof D. Meiser, München, Arcisstraße 13. Meiser ist der Vorsitzende der Vereinigung
der lutherischen Kirchen. Es müßte ein dringender letzter Appell der preußischen Lutheraner an das Luthertum in den Landeskirchen sein. Schieben Sie Meiser die Pflicht ins Gewissen, als lutherischer Bischof für das lutherische Bekenntnis bis zum Letzten
einzustehen, und zwar innerhalb der ganzen Deutschen Evangelischen Kirche. Abschriften vielleicht an Marahrens und Schoeffel. Hier in Bayern kann noch gekämpft werden. Vielleicht könnte auch eine Abschrift dieses Appells an die lutherischen Fakultäten
Erlangen! und Rostock gesandt werden, damit diese reden und handeln. Ich habe schon dafür gesorgt, daß wir in unserer nächsten Sitzung das kirchliche Ariergesetz auf die Tägesordnung bekommen. Der Appell müßte möglichst viele Unterschriften tragen, bzw. Zustimmungserklärungen müßten nachgesandt werden.
Sie müßten es damit begründen: wir haben in Preußen keine kirchliche Obrigkeit mehr, die für uns eintritt, also müßt ihr lutherischen Bischöfe es tun. Die Unterzeichner
müßten
sich auf die
Augustana bzw. die Bekenntnisse des Luthertums berufen, nicht bloß allgemein auf das Bekenntnis. Mit diesem Dokument
könn-
_ ten dann die Bischöfe — bzw. Meiser — auf der Nationalsynode auftreten und die Entscheidung herbeiführen, ob die Kirche Augs-
burgischen Bekenntnisses noch in der DEK geduldet wird. Das ist mein Rat, der den großen Vorteil hat, daß er eine Entscheidung herausfordert, und zwar für ganz Deutschland. Sie haben dann auch die Genugtuung, das Letzte versucht zu haben.
Der Erfolg hängt davon ab, daß wirklich ganz ernst an die Amtspflicht der lutherischen Bischöfe appelliert wird. Unser
Betheler
Bekenntnis
könnte
dabei
auch
Dienste
tun.
Es
müßte allerdings ganz klar in dem Abschnitt über die Reformation vom lutherischen Bekenntnis reden, was leider nicht der Fall
ist. Ich spreche darüber morgen noch mit Merz. 1. Siehe Erlanger Gutachten zum Arierparagraphen (Althaus-Elert) vom 29. September 1933 in Die Evang. Kirche in Deutschland und die Judenfrage, Seite 55—62.
Zwischen
den
September-Synoden
73
Anbei mein Aufsatz aus den Theologischen Blättern. Er ist als
Notruf an die lutherischen Bischöfe des In- und Auslands gesandt worden. Ich erwarte in diesen Tagen Nachricht von D. Nagel-Breslau, mit dem ich in Korrespondenz stehe. Hinweisen möchte ich Sie noch auf die eben erschienene Schrift von Elert, Ecclesia militans (Dörffling u. Franke, Leipzig), vor
allem den 3. Abschnitt, einer m. E. viel zu günstigen Besprechung der neuen Verfassung. Elert kennt die Deutschen Christen nicht, wie ja überhaupt die Leute hier z.T. in einer rührenden Ahnungslosigkeit leben. Mir mißfällt auch der Ton seiner Antwort
Barth. Aber Sie können aus der Schrift stisch noch führende Lutheraner die Lage Grüßen Sie bitte die Berliner Amtsbrüder diesen modus procedendi vor. Mit herzlichem Gruß
an
erkennen, wie optimiansehen. und schlagen Sie ihnen Ihr getr. H. Sasse
Tagebuchnotiz Henriod’s in Sofia:! D. Bonhoeffer berichtet einem kleinen Kreis (Bischof Ammundsen, W. A. Brown, Atkinson, Bouvier, Toureille, Hen„sur la situation reelle en Allemagne et Partitude brutale et intransigeante des Deutsche
Christen.
Nous
le chargeons de dire
2 ses amis 1. qu’ils peuvent compter sur de serieuses sympathies et appuis
a Petranger, i 2.) qu’en principe il faudra envoyer (d’Allemagne) un delegue pour d£clarer si les Eglises peuvent reconnaitre la nouvelle Eglise d’Allemagne. Terminons en priant ensemble. Bonhoef-
fer tr&s &mu“ 1. Weltbundkonferenz vom 15.—20..September 1933, welche, wie die von
Life and Work in Novi Sad vom Arierparagraphen beschloß, setzung siehe Seite 601.
siehe
9.—12. September, ein Wort zum
Eiche
1933,
Seite
368—381.
Über-
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Die Anfänge.
1933
An die Nationalsynode
der Deutschen Evangelischen Kirche zu Wittenberg! Die Nationalsynode von Wittenberg soll einen neuen Abschnitt in der Geschichte unserer evangelischen Kirche einleiten. In dieser Stunde erheben wir im Namen von 2000 evangelischen Pfarrern unsere Stimme?. Die Nationalsynode darf nicht durch ihr feierliches Gepräge den
Anschein einer geeinten Kirche erwecken, solange die Gemeinden von tiefsten Gegensätzen zerrissen sind. Die Aufreißung der Gegensätze sehen wir als ein Gericht Gottes über unsere Kirche an. Wir wissen uns mit hineingestellt in dieses Gericht und wollen es mit allen tragen, die sich mit uns unter den Spruch Gottes beugen,
damit der Herr Christus sich uns wieder zuwenden möge. Die Nationalsynode tagt an der Stätte, an der Luther in seinen Invocavit-Predigten gegen die Verkehrung der Kirche Christi in falsches Wesen vom Evangelium her Einspruch erhoben hat. So dürfen wir erwarten, daß nicht alle Synodalen zu den heute umkämpften Fragen mutlos schweigen, zumal wir wissen, daß manche unter ihnen, genau wie wir, in ihrem Gewissen beschwert sind. Und wenn keiner von ihnen den Mut aufbringt, so fordern wir von
den lutherischen Bischöfen, besonders von dem künftigen Reichsbischof, daß sie um der Wahrheit willen ein klares Wort sagen. Die Kirche darf auf ihrer ersten Nationalsynode sich nicht nur mit Worten zum Evangelium bekennen, sondern muß mit der Tat die ihr auferlegten Fragen evangeliumsgemäß entscheiden.
Damit die Kirche nicht mit einer verborgenen Schuld ihren Weg beginnt, erklären wir um der Wahrheit und der Liebe willen folgendes: 1. Die Art und Weise, in der neue Ordnungen in der Kirche eingeführt wurden und angewandt werden, hat schwere innere Not über ungezählte ernste Christen gebracht. Auf entscheidend wich-
tigen Synoden hat die jetzige Mehrheit den Vertretern der Min1. Eingabe, die mangels anderer Mittel, sie der Nationalsynode zur Kenntnis zu bringen, Bonhoeffer, Hildebrandt und Frau Staewen u. a. in Wittenberg am 27. September an die Bäume nagelten. 2. Die erste große Liste des Pfarrernotbundes.
Zwischen
den
September-Synoden
75
derheit die gründliche Beratung und freie Aussprache versagt, auch bei Fragen, die das innerste Wesen der Kirche und ihren
Auftrag berühren. Das kirchliche Leben steht seit einigen Monaten unter dem Druck der Gewalt einer kirchlichen Gruppe. Es darf aber nicht sein, daß die Kirche Jesu Christi unter
Verleugnung
der brüderlichen Liebe durch Herrschaft der Gewalt zu einem Reich dieser Welt wird. 2. Unter stillschweigender Billigung des neuen Kirchenregiments sind auf landeskirchlichen Synoden Gesetze beschlossen und in Kraft gesetzt, die mit der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche im Widerspruch stehen. Hier ist insbesondere der Arierparagraph zu nennen. Wir stellen fest, daß mit der landeskirchlichen Einführung solcher Gesetze der Reichsgesetzgebung der deutschen Kirche vorgegriffen ist, und fordern von der Nationalsynode, daß sie ihre Vollmachten nicht anderen Instanzen abgibt, sondern selber derartige bekenntniswidrige landeskirchliche Gesetze aufhebt. Es darf nicht sein, daß das Evangelium durch menschliche Gesetze begrenzt oder gar außer Kraft gesetzt wird. 3. Das kirchliche Amt ist in höchstem Maße dadurch gefährdet, daß Pfarrer und Kirchenbeamte deswegen verfolgt werden, weil
sie der in der Kirche zur Zeit herrschenden Gruppe nicht zu folgen vermögen. Hierdurch wird das Amt in einem Maße menschlichem Druck unterworfen, daß die Diener des Wortes in Gefahr stehen, das Gebot: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!“
zu verletzen und Menschenknechte zu werden. Wir fordern von der Nationalsynode, daß sie durch klare Beschlüsse die volle Frei-
heit der evangelischen Verkündigung
und ihrer Träger sicher-
stellt. Es darf nicht sein, daß sich die kirchliche Verkündigung
menschlichen Ansprüchen beugt. In dieser ernsten Stunde, da wir aus schwerer Gewissensnot diesen
Protest aussprechen müssen, geloben wir vor Gott, alle unsere Kräfte daran zu setzen, daß die Heilsbotschaft
rein und lauter
unter uns verkündet werde als die Offenbarung des lebendigen Gottes in Christus. Wir geloben, diesen unseren Auftrag als Diener des Wortes allein in der Bindung an die Heilige Schrift nach dem in den Bekenntnisschriften gewiesenen Verständnis auszurichten.
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Die Anfänge.
1933
Wir geloben, in unserer Kirche dem Geist der Wahrheit und der
Liebe nach bestem Vermögen Raum zu schaffen, aller Unwahrheit und Lieblosigkeit offen zu begegnen und durch unsern Dienst als Seelsorger für uns und unsere Gemeinden die Bruderschaft derer zu verwirklichen, die Christus angehören. Wir werden also nicht aufhören, all das zu bekämpfen, was die Kirche in ihrem Wesen zerstört. Wir werden nicht aufhören, gegen jede Verletzung des Bekenntnisses laut und weithin vernehmlich Einspruch zu erheben. Wir werden nicht aufhören, in treuem Gehorsam gegen unser Ordinationsgelübde unbeirrt am Aufbau der Deutschen Evangelischen Kirche zu arbeiten. Wir vertrauen dem Herrn der Kirche und bitten ihn, er möchte unserer Kirche neues Leben aus seinem Geist und seinen Frieden schenken! Berlin, den 27. September 1933. Bonhoeffer, Burckhardt, Figur, Fricke, Grüneisen, Hildebrand, Hildebrandt, Hitzigrath, Jacobi, Eduard Lindemeyer, Friedrich Lindemeyer, Link, Messow, Moldaenke, Müller-Dahlem, Niemöller, Petersen, Prätorius, Puttkammer, Schwebel, Stupperich, Wendland-Steglitz.
II. DAS
BETHELER
BEKENNTNIS
1933
Bethel, 20. August 1933 Liebe Großmamal!
Nun muß ich Dir zu Deinem Geburtstag doch wieder schreiben, und ich hatte diesmal so sicher gedacht, daß ich wenigstens für diesen Tag herüber kommen könnte. Nun ist aber
unsere Arbeit noch nicht fertig und sie wird wohl auch vor Mittwoch abend nicht fertig sein. Dann hoffe ich allerdings am Donnerstag noch für zwei Tage heraufkommen zu kön-
nen!. Am Sonntag muß ich wieder in Berlin sein. — Ihr feiert nun hoffentlich am Montag bei schönem Wetter Geburtstag. Mit den Urenkeln zusammen wird das sicher sehr vergnügt. Hoffentlich hast Du Dich in den letzten Wochen so gut erholt, daß Du über die Unruhe der letzten Zeit etwas hinweggekommen bist und auch bald wieder gern nach Berlin kommst. Dann haben wir ja jedenfalls noch einen Teil des Septembers zusammen in Berlin, bevor ich nach London gehe, was ich versucht habe, auf den 15. X. hinauszuschieben?. Angenommen habe ich, ohne mich auf bestimmte Zeit zu binden. — Die Zeit hier in Bethel ist für mich sehr eindrucksvoll gewesen. Es ist hier einfach noch ein Stück Kirche, die weiß,
worum es einer Kirche gehen kann und worum nicht. Ich komme eben aus dem Gottesdienst. Es ist ein eigentümliches Bild, die Scharen von Epileptikern und Kranken die ganze Kirche füllen zu sehen, dazwischen die Diakonissen und Diakone, die helfen müssen, wenn irgendeiner fällt; dann wieder alte Vagabunden von der Landstraße, die Theologiestudenten, die Kinder aus der Aufbauschule für Gesunde, Ärzte und 1. Nach Friedrichsbrunn. 2. Wegen der Weltbundkonferenz in Sofia vom 15.—20. September 1933.
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Das Betheler
Bekenntnis.
1933
Pfarrer mit ihren Familien; aber eben doch das ganze Bild beherrscht von den Kranken, die mit einer starken Teilnahme zuhören. Es muß ja in diesen Menschen auch ein ganz eigen-
tümliches Lebensgefühl sein, die so gar nicht Herr über sich sein können, die jeden Augenblick darauf gefaßt sein müssen, daß es sie packt. Das ging mir heute in der Kirche in solchen
Augenblicken erst eigentlich auf. Und diese Situation der wirklichen Wehrlosigkeit öffnet diesen Menschen vielleicht
viel deutlicher einen Einblick in gewisse Wirklichkeiten der menschlichen Existenz, die eben doch im Grund wehrlos ist, als das uns Gesunden je gegeben sein kann. Und gerade dieser jähe Wechsel von Gesundsein und Fallen ist für solche
Einsicht wohl noch verheißungsvoller als ein stetiges Kranksein. Ich mußte heute in der Kirche immer wieder an das
Hundertguldenblatt von Rembrandt und die dazu gehörigen Berichte aus den Evangelien denken.
Etwas Sentimentales
hat das alles gar nicht, sondern etwas ungeheuer Reales, Ursprüngliches. Es fällt eben hier etwas von den Schranken, mit denen wir uns gewöhnlich von dieser Welt absperren. Sie gehört hier einfach ins eigene Leben mit hinein, wie es in Wirk-
lichkeit ist. Von Buddha heißt es, daß er durch die Begegnung mit einem Schwerkranken bekehrt worden sei. Es ist ja ein glatter Wahnsinn, wenn man heute meint, das Kranke einfach durch Gesetze beseitigen zu können oder zu sollen. Das
ist schon fast ein Turmban zu Babel, der sich rächen muß. Es ist eben doch der Begriff von Krank und Gesund sehr zwei-
deutig und daß das, was hier an „Krankem“ ist, an wesentlichen Punkten des Lebens und der Einsicht gesünder ist als das Gesunde und daß sie beide einander einfach bedürfen, das ist wohl doch eine wesentliche Gestalt und Ordnung dieses Lebens, die nicht einfach frech und einsichtslos verändert
werden kann. — Unsere Arbeit hier macht uns viel Freude und viel Mühe. Wir wollen versuchen, die Deutschen Christen zu stellen auf das,
Brief an die Großmutter
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was sie wollen. Ob es uns gelingt, ist mir allerdings sehr zweifelhaft. Denn selbst wenn sie jetzt in den Formulierungen offiziell nachgeben, so ist der Druck, der hinter ihnen steht, doch so stark, daß er früher oder später alle Versprechungen sprengen muß. Es wird mir immer klarer, daß wir eine große völkische Nationalkirche bekommen werden, die
das Christentum in seinem Wesen nicht mehr erträgt, und daß wir uns auf völlig neue Wege, die wir dann zu gehen haben werden, gefaßt machen müssen. Die Frage ist wirklich Germanismus oder Christentum und je bälder der Konflikt offen zutage tritt, desto besser. Die Verschleierung ist am
allergefährlichsten. — Das ist nun ein sehr langer Brief geworden und ich muß fort zum Mittagessen. Ich wünsche Dir ein gutes neues Jahr, liebe Großmama, und freue mich sehr auf das Wiedersehen. Viele Grüße an Karl Friedrich und
Grete. Dich grüßt herzlich Dein dankbarer Dietrich
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Das Betheler
Bekenntnis.
1933
Vorbemerkung des Herausgebers Das sogenannte Betheler Bekenntnis, dessen erster Entwurf auf Dietrich Bonhoeffer und Hermann Sasse zurückgeht, ist unter dem Titel „Das Bekenntnis der Väter und die bekennende Gemeinde“ als Sonderheft im Chr. Kaiser Verlag im November 1933 herausgegeben worden. Im Untertitel heißt es „Zur Besinnung dargeboten von einem Kreise von evangelischen Theologen und in ihrem Namen herausgegeben von Martin Niemöller“ und das Vorwort ist unterschrieben „Die Mitarbeiter“. Es hat mehrere Auflagen in das Jahr 1934 hinein erlebt und wurde abgedruckt in K. D. Schmidt „Die Bekenntnisse und grundsätzlichen Äußerungen zur Kirchenfrage des Jahres 1933“, Vandenhoek und Ruprecht 1934, S. 105 bis 131. Jene Form ist hier nicht abgedruckt, sondern die Erstform, welche am 31. August 1933 mit einem Einleitungsschreiben von F. von Bodelschwingh an etwa zwanzig angesehene Theologen zur Begutachtung, Korrektur bzw. Mitarbeit versandt wurde, 24 Seiten vervielfältigt, weitzeilig, mit
Schreibblättern durchschossen und gebunden. Der daraufhin abgeänderten und gedruckten Letztform hat Bonhoeffer seine Zustimmung versagt. Die Erstform aber ist zweifellos unter seiner Mitverantwortung und Zustimmung herausgegangen, ohne freilich die Gutachterauswahl zu billigen. Es gibt davon noch einige Exemplare in Bethel, eines mit handschriftlichen Anmerkungen von bisher Unbekannt. Mir liegt das Exemplar Hans Fischers vor, in dem sich handschriftliche Anmerkungen und Vorschläge von Hans Ehrenberg befinden, dazu Abänderungen und Eintragungen Hans Fischers, die zu einem kleinen Teil in der später gedruckten Form auftauchen, außerdem zwei Bemerkungen, die Karl Barths Stellungnahme zeigen, der offenbar befragt worden war (siehe S. 127, 130). Von dieser Erstform sind noch andere Vervielfältigungen verbreitet worden — wohl kaum von Bethel aus. Mir liegt ein Exemplar aus dem Besitz von Wolf Dieter Zimmermann vor, engzeilig vervielfältigt und geheftet, 15 Seiten. Zimmermann war Hörer Bonhoeffers im SommerSemester 1933 und mit ihm befreundet. Es ist zu vermuten, daß solch eine Verbreitung aus Bonhoeffers Kreis vorgenommen wurde im Gegensatz zu ‚der abgeänderten gedruckten Letztform. Es wird einmal einer besonderen Unternehmung bedürfen, die Geschichte des Betheler Bekenntnisses aufzuklären. Sie wird in nuce die Kräfte, Strömungen und Gegenströmungen zeigen, welche später die tragisch divergierenden Gruppen in der Bekennenden Kirche und neben ihr aus‚machten. Ich gebe hier als einen Beitrag, was die mir zugänglichen Quellen und Äußerungen noch lebender Beteiligter und meine Kombinationen ergaben; natürlich vom Gesichtspunkt, speziell Bonhoeffers Rolle herauszufinden.
Vorbemerkung
des
Herausgebers
81
1. Zur Situation, aus der heraus das Unternehmen entstand, vgl. Junge Kirche 1933 Nr.9 S.99—101. Nachdem die Deutschen Christen mit großer Mehrheit die Wahl am 23. 7. gewonnen hatten, beschloß die Jungreformatorische Bewegung, sich aus der unmittelbaren Kirchenpolitik zurückzuziehen. M. Niemöller legte der Vertrauensmänner-Versammlung am 2. 8. 33 in Berlin 16 Thesen vor (abgeschlossen unter dem 30. 7. 1933), in denen es heißt: „... . Es muß jetzt darum gehen, daß . in der Kirche, die nun maßgebend von den Deutschen Christen gestaltet wird. Gemeinde Jesu Christi werde, die bereit ist zu bekennen, wenn wirklich ein Bekenntnis von ihr gefordert wird... Die... Aufgabe, die uns hier erwächst, ist für uns ... . nach innen gerichtet: Es gilt, die gläubigen Glieder der Gemeinde zu sammeln ... . insbesendere unter dem Gesichtspunkt, was Bekenntnisgrundlage der Kirche ist und
bleiben
muß
...
. nach
außen
gewandt:
Es gilt, die neue
Lei-
tung der Kirche und die für sie maßgebende Bewegung der Deutschen Christen vor die Bekenntnisfrage zu stellen. Ist theologisch ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der reformatorischen Lehre und dem, was die Deutschen Christen verkündigen? Wir fürchten: Ja! Sie sagen: Nein! Diese Unklarheit muß bereinigt werden durch ein zeitgemäßes Bekenntnis. Wenn es nicht von der anderen Seite kommt — und es hat nicht
den
Anschein,
daß
es bald
kommen
wird
—,
so muß
es von
uns
kommen; und es muß so kommen, daß die anderen dazu Ja oder Nein sagen müssen. Entscheidend wird dabei das Verhältnis der drei Glaubensartikel zueinander sein.“ In einer Anweisung der Jungreformatoren, in den Gemeinden die Bekenntnisse zu besprechen, heißt es nach Junge Kirche Nr. 10 vom 31. 8. 33, Seite 122: „Dabei sind nicht nur die reformatorischen Bekenntnisschriften gemeint, sondern auch und gerade die neuzeitlichen Bekenntnisse, wie etwa das ‚Bekenntnis der Altonaer Pastoren‘ oder der ‚Versuch eines lutherischen Katechismus‘ von Lic. Bonhoeffer und Lic. Hildebrandt. In nicht allzu langer Zeit wird auch aus unserem Kreise heraus ein Bekenntnis gegeben werden, das dann die geeignetste Grundlage für solche Schulung der Gemeinde bieten wird.“ Das Betheler Bekenntnis hatte eine ganze Reihe von Vorgängern, aber es war zum ersten Mal ein umfassend geplantes Unternehmen, das nicht mehr nur eine lokale Gruppe hinter
sich
hatte,
sondern
eine
Gesamtrepräsentation
in der
DEK
an-
strebte. 2. Bonhoeffer hat am 23. Juli, dem Kirchenwahlsonntag in Berlin gepredigt. Er reiste nach Beendigung des Semesters an der Universität nach London, wo er sich mit einer Predigt am 30. Juli, und in einer Gemeindevorstandssitzung am Montag, dem 31., vorstellte. Bald danach ist er vermutlich nach Bethel gereist, was einen Aufenthalt von ungefähr drei Wochen dort ergeben würde. Am 20. August (siehe Brief an die Großmutter, Seite 77 ff.) schreibt er, daß sich die Arbeit hinausziehe, aber hofft, am Donnerstag in den Harz kommen zu können, um am Sonntag, dem 27. August, wieder pflichtgemäß in Berlin zu sein (wahrscheinlich, weil er zu predigen hatte). Tatsächlich ist Bodelschwinghs
82
Das Betheler
Bekenntnis.
1933
am 31. 8. herausgegangener Begleitbrief zur Erstform (entworfen von G. Stratenwerth) mit dem 26. 8. 1933 datiert. Bonhoeffer ist dann in Berlin gewesen, wo er zur Zeit der Generalsynode der APU (Braune Synode am 5.9.) u. a. mit den Vorbereitungen der Proteste zur Nationalsynode (27.9. in Wittenberg) beschäftigt gewesen ist. Die von den Angeschriebenen korrigierten Exemplare der Erstform sind zum 15. September in Bethel zurückerbeten worden und werden kaum früher eingegangen sein. Bonhoeffer aber fuhr zur Tagung des Exekutiv-Komitees des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen, die in Sofia vom 15. bis 20. September 1933 abgehalten wurde. Anschließend kehrte Bonhoeffer wahrscheinlich direkt nach Berlin zurück, um seine Abreise nach London vorzubereiten. (Jedenfalls richtete er am 30. September einen Brief nach London zur Einleitung des Umzuges, der aus Berlin geschrieben ist.) Er reiste am 16. Oktober aus Berlin ab. Es ist unwahrscheinlich, daß Bonhoeffer noch an weiteren Sitzungen zur Abänderung des Betheler Bekenntnisses in Bethel teilgenommen hat. Aber es ist belegt, daß er sein Mißfallen zu verschiedenen Abänderungen deutlich zum Ausdruck brachte. 3. Zum Bild der Erarbeitung des Bekenntnisses sind folgende Belege aufschlußreich. Bodelschwingh schreibt, daß einige „jüngere Theologen“ zur Arbeit eingeladen worden sind. Zum Strategen und Redaktor der Arbeit war Ende Juli G. Stratenwerth gebeten. Dieser hielt engen Kontakt mit M. Niemöller während der Arbeit. Plan, Anlage und erste Texte sind von Bonhoeffer und Hermann Sasse entworfen worden. Stratenwerth an A. Schlatter am 14. September 1933: „Die Arbeit ist in 14tägigem Zusammensein von Merz, Bonhoeffer und mir — in der ersten Woche audı von Sasse — entstanden. Der Tenor des Ganzen und der Plan stammen von Sasse und Bonhoeffer .. .“ Am 18. August 1933 schrieb G. Stratenwerth schon an M. Niemöller: „Ich glaube, aus dem, was Bonhoeffer und Sasse hier zur Zeit erarbeiten, kann etwas werden... Am Montag beginnt die Provinzialsynode (i. e. Westfalen)... . Die Tecklenburger haben ein umfassendes Bekenntnis ausgearbeitet. Dazu wird wahrscheinlich die von Bonhoeffer und Sasse geleistete Arbeit treten. Dann können die D.C. zeigen, ob sie auf dem Boden der Bekenntnisse stehen.“ Dazu
siehe Passus im Brief aus Bethel an die Großmutter vom 20. August Seite 79. Hermann Sasse schreibt dazu am 28. September 1956: „Eine der Quellen... sind die ‚Riederauer Thesen zur Volksmission‘ [erschienen als Heft 1 der Schriftenreihe „Bekennende Kirche“, herausgegeben von Th. Ellwein und Chr. Stoll im Chr. Kaiser Verlag; der Herausgeber], erarbeitet unter meiner Leitung bei einer Tagung von Mitgliedern der werdenden BK... Das Ganze stand unter der Leitung von Bodelschwingh, dessen rechte
Hand G. Merz war...
Wir waren nicht immer der gleiche Kreis. So
haben manche Brüder aus Bethel mitgearbeitet, auch Wilhelm Vischer ..... Den Anteil Bonhoeffers an dem fertigen Dokument kann auch er (G. Merz; der Herausgeber) nicht ausscheiden. Es war wirklich das Werk einer beglückenden Zusammenarbeit . . .“ Zu dem Stadium des Ur-Entwurfes (Anfang August) und dem folgenden gemeinschaftlichen Erstentwurf (Mitte August) macht G, Stratenwerth
Vorbemerkung
des
Herausgebers
83
am 25. September 1956 folgende Angaben: „Nachdem ich Ende Juli 1933 . nach Bethel zurückkehrte, setzte die Arbeit am Betheler Bekenntnis ein, derart, daß Bodelschwingh zunächst Sasse und Bonhoeffer um einen Entwurf bat... Von diesem Entwurf werden nur dann noch Reste vorhanden sein, wenn sich im Betheler Archiv der gesamte Komplex wieder auffinden würde. Jedenfalls ist dieser Entwurf nie vervielfältigt worden, weil die gearbeiteten Stücke alsbald einem größeren Kreis vorgelegt wurden, aus dem Einzelne noch wieder zu Autoren wurden. Das gilt z. B. für den Abschnitt über die Juden, der von Vischer entworfen wurde, das gilt ebenso für den Abschnitt ‚Kirche und Volk‘ und ‚Kirche und Staat‘, die von mir gearbeitet worden sind... . Der größere Kreis... . setzte sich mit Sicherheit zusammen aus: Bonhoeffer, Sasse, G. Merz, Vischer und Stratenwerth. Doch meine ich, daß noch ein oder zwei andere in den etwa 8—10 Tagen, in denen das Bekenntnis in seiner ersten vervielfältigten Fassung gearbeitet wurde, versammelt waren... Ih habe... als Redaktor gearbeitet und jeweils die Ergebnisse der Sitzungen in die endgültige textliche Form gebracht. Nachdem dann die erste Fassung fertiggestellt war, die also... in wesentlichen Teilen in einer Auffassung von Bonhoeffer und Sasse gearbeitet war, wurde diese erste Fassung, die bereits das Ergebnis einer gemeinschaftlichen Arbeit ist, in der durchschossenen Form... an einen Kreis von etwa zwanzig Leuten versandt.“ In dieser Zeit sind also diese und jene Mitarbeiter in Bethel dabei gewesen. Vor allem Wilhelm Vischer, der das Kapitel zur Judenfrage in diesem Stadium formulierte. Er erinnert sich deutlich an das Zusammensein mit Bonhoeffer (Angaben vom 5. November 1956). Merz erwähnt, daß auch F. Hildebrandt mitmachte. Hans Fischer, der bei H. Ehrenberg in Bochum arbeitete, fuhr im Auftrag des Bochumer Kreises um Ehrenberg und Ludwig Steil nach Bethel, und sprach, daß er vor allem den Ab-
schnitt „Die Ordnungen“
und flüchtig „Kirche und Staat“
mit Bon-
hoeffer durchgesprochen habe. Er schreibt am 18. Dezember 1956: „Dietrich Bonhoeffer und ich lebten einige Tage in Bethel in Klausur... Ich erinnere mich wohl, daß die Souveränität, mit der er die Kritik der Gutachten aufnahm und verarbeitete, mich vermuten ließ, daß D. Bonhoeffer entscheidenden Anteil, wenn nicht gar den entscheidenden Anteil an der Formulierung der ersten Fassung hatte...“ In dem Fischerexemplar stehen einige Neuformulierungen von Fischers Hand nach dem Treffen eingetragen, die in der endgültig gedruckten Form erscheinen, gerade in den
für Bonhoeffer wichtigsten Abschnitten „Ordnung“ und „Gesetz“; aber sie erreichen nicht das Ausmaß der Abänderungen und Erweiterungen, um deren willen Bonhoeffer später nicht mehr mitmachte. Fischer: „Wenn meine Erinnerung recht ist, hat er selbst meine Außerungen und unsere gemeinsamen Erkenntnisse in seinem Exemplar der Betheler Sätze aufgeschrieben... DasResultat gemeinsamer Formulierung (wurde)... dann noch einem größeren Redaktionsstab unter der Leitung von Stratenwerth... vorgelegt.“
4. Es folgt dann das Stadium der Gutachten und einschneidenden Abänderungen. Bonhoeffer ist an der Verteilung der Erstform noch aktiv
84
Das Betheler
Bekenntnis.
1933
beteiligt. Am 30. August 1933 schrieb Stratenwerth aus Bethel an M. Niemöller:
„Das Bekenntnis
ist soweit fertig, daß es morgen
an etwa
zwan-
zig von Bodelschwingh bestimmte Leute abgehen kann. Bonhoeffer erhält außer dem für ihn bestimmten Exemplar noch zwei zur Besprechung mit Jacobi und Künneth — I. B. Da Künneth auf Urlaub ist, werden Lilje oder Du wahrscheinlich gebeten werden. Zur Verwendung auf der Generalsynode [Braune Synode am 5. September. Der Herausgeber] ist die Ausarbeitung durchaus nicht bestimmt. Dafür ist sie noch gar nicht reif, sie muß vielmehr jetzt erst von dem eben genannten Kreise durchgearbeitet und bearbeitet werden, damit wir in der Schlußredaktion wirklich etwas abschließen, von dem man erwarten kann, daß eine größere Anzahl sich zu ihm bekennt. Ich glaube das Ziel muß sein, auf der Nationalsynode [27. September in Wittenberg; der Herausgeber] mit der wirklichen Bekenntnisfront aufzutreten. Voraussetzung dafür ist eine sorgfältige und gründliche Arbeit, die vor allen Dingen nachgeprüft ist unter dem Gesichtspunkt, ob der Gegner an allen Stellen getroffen wird, ohne treffen zu können...“ (Der Beginn dieses Briefes von 1933 läßt fast vermuten, daß Bonhoeffer doch über den 27. hinaus in Bethel geblieben bzw. bis zum 31. August dorthin zurückgekehrt wäre. Jedenfalls schrieb er am 1. September nach London aus Berlin und nicht aus Bethel): Bei Wilhelm Niemöller liegt ein Exemplar der Erstform mit der Aufschrift: „Herrn Pfarrer Niemöller mit der Bitte um Rückgabe bis Donnerstag, den 7. September [1933; der Herausgeber] mit der Kritik an Bonhoeffer.“ Bonhoeffer selbst schrieb noch aus Berlin am 9. September an Karl Barth und erwähnt auch die Arbeit am Betheler Bekenntnis: „Ich bin ausdrücklich gebeten worden, Sie um Ihr Urteil und Ihre Korrektur sehr herzlich zu bitten“ (siehe $S. 127). Ebenso hat Bonhoeffer an diesem 9. September an Sasse geschrieben (siehe Sasses Brief Seite 71 ff.); auch Sasses Urteil über die mangelnde Bekenntnisklarkeit der Betheler Arbeit). i Wer sind die Zwanzig gewesen? Stratenwerth am 25. September 1956: „Diese zwanzig Leute kann ich nicht mehr zusammenbekommen. Mit Sicherheit befanden sich darunter: Asmussen, Barth, Heim und Adolf Schlatter. Asmussen hat seine Bemerkungen . ... in schwarzer und roter Maschinenschrift gegeben, die übrigen haben von Hand die Exemplare durchgearbeitet ..... Nachdem dann diese Prüfung auf verbreiterter Grundlage vor sich gegangen war, sind wir erneut zusammengetreten und ist der endgültige Text entstanden, wie er im Druck veröffentlicht wurde.“ Es ging nur langsam vorwärts.
1. Martin Niemöller an Fritz von Bodelschwingh Berlin-Dahlem, 19. September 1933: . . . Ich bitte Dich herzlich, daß das Betheler Bekenntnis nicht im Schrank bleibt. — Es wird ja nicht gehen, daß — wie hier einige Amtsbrüder aus der Mark es gern möchten — in Wittenberg eine Protestation in Bekenntnisform verlesen wird. Warum nicht? Wenn es
Vorbemerkung Mit den Voten
des
Herausgebers
„aus der älteren Professorenecke
von
Männern,
85 die Auto-
rität hatten und sie nicht vergeudeten“ (G. Merz) begann die Verzögerung und der Rückzug einiger Mitarbeiter. Einerseits kam heftige Kritik von Schlatter, an die sich Merz erinnert (Brief vom 11. Oktober 1956), nach der Schlatter „in keiner Weise eine neue Augustana wollte [vgl. Hinweis in Vorbemerkung der Letztform ‚Das Bekenntnis der Väter und die bekennenden Gemeinden‘; der Herausgeber] und für die Verdammung der ‚Bonner Irrlehre‘ [sc. K. Barth; der Herausgeber] votierte, wenn schon ein damnamus gesprochen werden sollte... Bodelschwingh war vor allem dadurch die Sache leid geworden. Er war auch nicht dafür, daß
geschähe, in aller Unvollkommenheit und Schwachheit geschähe, so würden Hunderttausende wieder Mut fassen und im Glauben gestärkt werden durch die brüderliche Gemeinschaft, die ja doch noch — wenn auch unsichtbar — da ist! — Was aber nicht aufgeschoben werden darf, ist dies, daß die vielen einsam gewordenen und von ihren Führern im Stich gelassenen Brüder etwas in die Hand bekommen, woraus sie sehen, daß gearbeitet wird, und was ihnen auch Mut macht, ihrerseits in ihren Gemeindekreisen im Blick auf das Bekenntnis der Kirche hinzuarbeiten. Ich bitte also — und das hatte ich mit Stratenwerth auch bereits besprochen, und er wollte sich dafür einsetzen —, daß das Betheler Bekenntnis als Entwurf und als Handschrift gedruckt wird, und daß es denen zugeht, die in die neuen Bruderschaften hineingegangen sind! — Vielleicht besprechen wir das noch einmal, wenn Du, was ich hoffe, nun in der übernächsten Woche nach hier kommst! . Fritz von Bodelschwingh an Martin Niemöller Bad Essen, 21. September 1933: . . Die Fertigsteilung des „Betheler Bekenntnisses“ will ich so sehr wie möglich beschleunigen. Leider haben die Urlaubszeiten mancher Brüder den Fortgang gehemmt... . Martin Niemöller an die Pfarrer-Notbund-Glieder (Rundschreiben) Berlin-Dahlem, 29. September 1933 oo...
2. Das sogenannte Betheler Bekenntnis soll nach Abrede mit D. v. Bodelschwingh als Manuskript gedruckt werden, um den Pfarrern der Bruderschaften Material für die Arbeit in den Bruderschaften selbst und den zu sammelnden Laienkreisen an die Hand zu geben. Der Preis wird voraussichtlich nicht mehr als 1.— M. betragen. Ich bitte schon jetzt möglichst bald Bestellungen an mich zu richten. Martin
Niemöller
an Fritz von
Bodelschwingh
Berlin-Dahlem, 7. November 1933: ... Kommt das Betheler Bekenntnis wohl jetzt heraus? Ich werde täglich und stündlich darum angegangen. Merz hatte es für vergangene Woche bereits in Aussicht gestellt... .
86
Das Betheler
Bekenntnis.
1933
M. Niemöller als Herausgeber zeichnete, und wollte, daß Sasse und ich unterschrieben. Dafür war ich nun gar nicht und erreichte schließlich, daß Martin [Niemöller] verantwortlich zeichnete... So geschah es denn auch, zumal unterdessen die Krause-Versammlung im Sportpalast [13. November 1933; der Herausgeber] eine neue Lage schuf und in den Wochen um die Jahreswende die Lage geschaffen wurde, die Barmen vorbereitete“. Auf der anderen Seite zog sich Wilhelm Vischer zurück. Das Wort zur Judenfrage „wurde mir schließlich so verwässert, daß es mich nicht mehr freute“ (Brief vom 5. November 1956). Sasse erhob Bedenken mit der Unterstützung von Merz, mit den Reformierten zusammen seinen Namen unter das Bekenntnis zu setzen. Und schließlich schied Bonhoeffer aus. Nicht nur dadurch, daß er nach London ging. Schon am 24. Oktober schrieb er in seinem Brief an Karl Barth aus London (siehe S. 132): „Ein Symptom [für die Entscheidung, in ein Pfarramt nach London zu gehen; Der Herausgeber] war mir außerdem noch, daß für das Betheler Bekenntnis, an dem ich wirklich leidenschaftlich mitgearbeitet hatte, so fast gar kein Verständnis aufgebracht wurde.“ Am 24. November 1933 teilte G. Merz an Bodelschwingh mit: „Bonhoeffer lehnt die Abänderungen des ersten Entwurfes ab... , daher könnte ich jetzt nicht mehr mit gutem Gewissen schreiben ‚Im Namen eines Arbeitskreises‘, wie Sasse vorschlug, denn der Hauptmitarbeiter des Arbeitskreises gibt uns ja offenkundig kein Mandat,“ 1956 fügt Merz seiner Rekapitulation noch bei, daß Bonhoeffer „die zweite Fassung nicht billigte, wo ihm vor allem die Darstellung des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium gar nicht einleuchtete. Er war ganz für die ‚lutherische Weise‘“. So kommt es denn zum Druck nach folgendem abschließenden Brief von G. Merz an M. Niemöller aus Bethel am 5. Dezember 1933: „Bruder Lücking und Bruder Stratenwerth haben mit Entschiedenheit das ‚Bekenntnis‘ angefordert. Ich konnte es nicht eher schicken, weil noch
Antwort von Bonhoeffer und Sasse ausstand. Bonhoeffer hat sich mit ganzer Entschiedenheit [von London aus; der Herausgeber] gegen die Überarbeitung erklärt und ist gegen die Veröffentlichung im vorliegenden Zustande. Das ist mir sehr leid, aber er selbst ist nicht ohne Schuld, weil er nach seinem ersten Aufenthalt in Bethel, wofür er wohl Gründe hat, nicht mehr zur Mitarbeit zur Verfügung stand [also ist er danach nicht noch einmal in Bethel gewesen? Der Herausgeber]. Sasse hat noch einige Änderungen vorgeschlagen, die erst heute eintreffen. Auch er könnte sich nur
zur Unterschrift bereit erklären, wenn die Arbeit nur als Manuskript gedruckt
würde.
Infolgedessen
scheint
es mir
die beste
Lösung,
wenn
Sie
allein unterschreiben. Dann sind Sie gleichsam der stellvertretende Bischof, der eine Reihe von Theologen aufforderte, ein Gutachten abzu-
geben. Wenn dagegen wir unterschreiben und unmittelbar daraufhin angesprochen werden, gibt es schwierige Debatten. Da ja auch die Gutachter nicht mit Namen genannt werden, ist es nicht nötig, die Bearbeiter mit Namen zu nennen .. .“ Bodelschwingh stimmte zu, daß Niemöller ohne Namensnennung der Mitarbeiter das Bekenntnis herausgab.
Vorbemerkung
des
Herausgebers
87
5. In einem Lagebericht, den Dietrich Bonhoeffer auf der Bradforder Pfarrkonferenz (Yorkshire, England) am 28. November 1933 gab, führte er nach einer Nachschrift J. Riegers aus: „... Anfang September haben Merz, Sasse und ich ein Bekenntnis fertiggestellt... Durch einen merkwürdigen Kurs Bodelschwinghs wurde die Sache vereitelt. Es kommt jetzt heraus, nachdem ein paar Pastoren die ursprüngliche Absicht vereitelt haben... Das Bekenntnis ist von der Trinitätslehre bis zur Eschatologie durchgeführt. Wo ist Irrlehre? Drei Beispiele: a) Rechtfertigung: In einer Rede, die L. Müller hielt, steht der Satz: Gott wird den Menschen am Jüngsten Tag nur danach fragen, ob er ein anständiger Kerl war und seinem Volk recht gedient hat. Aufgeklärtes, abgeblaßtes, christusfremdes Gottvertrauen. b) Kreuz: Wienecke nennt das Kreuz das höchste Symbol für ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz‘. Dagegen das Bekenntnis: Das Kreuz ist überhaupt kein Symbol für irgendetwas, sondern Tat Gottes. c) Geistlehre: Geist des Nationalismus, als Ethos, aus dem heraus die Kirche erneuert werden soll. Stapels Idee des Volksnomos ... Das Entscheidende ist das fehlende filioque... Die Deutschen Christen wollen einen Volksgeist in die Kirche hineinbringen, der nicht von Christus gerichtet wird, sondern sich selbst rechtfertigt... Gibt es eine Offenbarung Gottes unabhängig von der Offenbarung des Christus in der Schrift und in der Verkündigung der Kirche? ... Natur, Blut, Rasse, völkische Eigenart rechtfertigen nicht, sie sind gültig, aber nicht endgültig. Althaus, Hirsch, Schlatter, Fezer kennen Offenbarung neben dem Christus in der Kirche in der Fülle der Schöpfung...“ Diese Nachschrift von Bonhoeffers Darstellung im November 1933 legt nahe,
daß
er von
vornherein
nicht mit der Auswahl
der Gutachter
ein-
verstanden gewesen ist, sondern zu denen gehörte, die wie Niemöller für Wittenberg ein fertiges Dokument erstrebten. Er sah bei einigen der Gutachter gleich voraus, daß sie sich mit dem Erstentwurf theologisch nie einverstanden erklären würden. 6. Leider ist das archivalische Material des ganzen Unternehmens noch nicht aufgefunden worden. Stratenwerth gibt an: „Ich habe sowohl die ersten, nach meiner Erinnerung auf dünnem Schreibmaschinenpapier durchgeschlagenen Exemplare von Bonnhoeffer und Sasse mit unseren Korrekturen und Bemerkungen ablegen lassen. als auch — und erst recht — nach Fertigstellung der ersten Fassung die durchgeschossenen Exemplare, nachdem sie... . zurückgekehrt waren .... Es handelt sich um einen Aktenberg von etwa 1 m Höhe“ (25. September 1956). Wer findet ihn auf? Wer vervollständigt das Bild und korrigiert es? 7.Ein Vergleich des hier vorliegenden Textes (Erstform) mit dem unter M. Niemöllers Namen herausgegebenen (Letztform) zeigt einige grundlegende Umstellungen, die kaum Bonhoeffers Ablehnung verursacht haben können. Größere Partien sind hinzugefügt, wie der Abschnitt über den reformierten Zweig der Reformation (I, letzter Abschnitt); über die Heiligung in
VI, 2; die Rassenlehre mit einem „Wahrheitsgehalt“ in VI, 3; Artikel 7
88
Das Betheler
Bekenntnis.
1933
der CA mit 11 Verwerfungen von „Ismen“ über die Kirche VII, 1 (wie gut, daß Barmen diesen Trieb zur Vollständigkeit nicht aufgenommen hat); lange Zusätze zu Amt und Bekenntnis VII, 2, einschließlich: der Bischof
sei „den
Führenden
ein Führer“;
zur
Geschichte
in VII,
3 und
VII; zu Kirche und Obrigkeit (Staat) VII, 4; und schließlich zum Abschnitt Kirche und Juden VII, 5. Größere Abschnitte der Erstform fielen weg: im Abschnitt „Die Ordnungen“ IV, 2 die scharfe Konfrontierung des Rassegedankens mit dem Zeugnis der Einheit des Menschengeschlechtes im AT
und
NT;
im Absatz
„Amt
und Bekenntnis“
VI, 3b
die Ein-
leitung über das Predigtamt; die Einleitung zu Kirche und Staat VI, 5; der kurze Absatz im gleichen Abschnitt VI, 5, in dem die Kirche als sittlich religiöses Fundament und Gewissen des Staates abgelehnt und dies als Irrlehre bezeichnet wird; vier große, sehr konkrete Absätze aus „Die Kirche und die Juden“, vor allem der Schlußabsatz; Anfangs- und Schlußabschnitte im letzten Teil VI, 7. Man wird bei näherer Prüfung erkennen können, daß manche Umstellung gen und Textänderungen Verbesserungen darstellen, und daß Verdeutlichungen, z. B. Subjektumstellungen in VI, 5 bzw. VII, 4, angebracht sind. Es gibt kaum Meinungsverschiedenheiten und daher kaum Abänderungen in den trinitarischen Stücken. Sie sind fast wörtlich übernommen. Aber Bonhoeffer wird mit W. Vischer kaum die Änderungen im Absatz über die Juden haben mitmachen können. Das nun übergewichtig stehengebliebene Festhalten an der Judenmission mit dem Terminus, alle Rechte dem getauften Juden zu „gewähren“, klang jedenfalls in der damaligen Situation sehr viel weniger aufreizend wie der weggefallene Satz: „Die aus der Heidenwelt stammenden Christen müssen eher sich selbst der Verfolgung aussetzen als die durch Wort und Sakrament gestiftete kirchliche Bruderschaft mit den Juden-Christen freiwillig oder gezwungen auch nur in einer einzigen Beziehung preiszugeben.“ Bonhoeffer litt schon damals viel zu sehr an dem Schweigen nicht nur für die Juden-Christen, sondern für die Juden insgesamt. Am meisten verraten sein Denken der damaligen Periode die Abschnitte über „Die Ordnungen“ und das „Gesetz“ IV 2 und 3 (z.B. siehe die „Erhaltungsordnungen“). Und hier hat es offenbar die stärksten Eingriffe in den ersten Text gegeben. Als Beispiel vgl. IV 2 auf Seite 99 f., der Erstform (die zwei obersten Abschnitte) mit der Fassung, die diese Stelle dann in VI 3 bekam (Seite 24, unterster Abschnitt in der Kaiser-Ausgabe). Bonhoeffer (unter der Voraussetzung, daß dies von ihm stammt) sagt: „Lösung der Konflikte durch den Staat, dem er sich gehorsam beugt.“ Die Änderung: „Lösung der Konflikte durch den Staat, an der er freudig mitwirkt.“ Solche Ausdrucksweise hielt Bonhoeffer eben für betrügerischen Selbstbetrug und es war für ihn kaum möglich, solche Sätze zu unterschreiben. Bonhoeffer redet in diesem ganzen Abschnitt eschatologisch und die Abänderung redet vom „reichen Inhalt“, „Arbeit und Kampf“, die zu „fröhlichem Gehorsam des Glaubens“ werden und von „wirklichem Leben“. Es ist in die Abänderung des Ganzen ein gutes und schönes Stück der Barthschen Unbekümmertheit des Glaubens hineingekommen entgegen der Bonhoefferschen grimmigen Pro-
Vorbemerkung
des
Herausgebers
89
teste des Glaubens — aber eben auch ein Stück der damals verständlichen, aber ihm unvollziehbaren, ihm peinlichen „Bejahungen“. Wenn Bonhoeffer-Sasse im August 1933 sagen: „Sie (i. e. die Menschen, die Glieder beider Größen, des Volkes und der Kirche, sind) tragen mit an der Schuld ihres Volkes“ (siehe Ende von VI, 4), so sagt der geänderte Text im September, Oktober 1933: „Sie haben teil an Ruhm und Schuld ihres Volkes.“ Wer Bonhoeffer kennt, weiß, daß er solche Verschiebungen damals nicht mitmachen konnte.
90
Das
Betheler
Bekenntnis:
1933
Erstform des Bekenntnisses
Pastor F. v. Bodelschwingh Bethel bei Bielefeld, den 26. August 1933 Sehr verehrte Herren und Brüder!
Gefährlicher als jeder von außen kommende
Druck ist für die
Kirche die Bedrohung ihres inneren Lebens. Um der Verkündigung willen, die ihr anvertraut ist, hat sie in der heutigen Zeit die heilige Pflicht, für die Reinheit und Klarheit ihrer Lehre zu sorgen. Deutlich muß sie sagen, was sie lehrt und was sie verwirft. Wenn zunächst einzelne sprechen und ihrem Wort der
consensus der Glaubenden geschenkt wird, dann kann daraus ein gemeinsames Zeugnis entstehen. Immer wieder wurde diese Notwendigkeit uns ans Herz gelegt. Viele Brüder im Amt begehrten Handreichung für ihren oft einsamen und schweren Kampf. Man wünschte eine Gesprächsgrundlage mit den Deutschen Christen zu finden, und gegebenenfalls auch eine Klärung mit der Kirchenleitung darüber herbeizuführen, wie weit es noch möglich ist, sich auf dem Grunde der Heiligen Schrift und der Bekenntnisse zu gemeinsamer Arbeit
zusammenzufinden.
Auf meine Bitte haben
einige hierher ein-
geladene jüngere Theologen die beifolgenden Sätze formuliert. Ihren Entwurf lasse ich nunmehr einem erweiterten Kreis von
etwa 20 Brüdern zugehen mit der herzlichen Bitte um Prüfung und Mitarbeit. Die technische Anordnung ist so getroffen, daß Abänderungsvorschläge und Ergänzungen jeweils neben den Text gesetzt werden können. Die vorgehefteten weißen Blätter sollen etwaigen grundsätzlichen Bemerkungen dienen. Dagegen ist es um der
nachfolgenden Redaktionsarbeit willen erwünscht, daß alle zur Sache gehörenden Bemerkungen sich beim Text befinden. Dringend bitte ich, die korrigierten oder ergänzten Texte bis zum
15. September an mich zurückgeben zu wollen. Alsdann soll hier
Erstform
des Betheler
Bekenntnisses
91
die Arbeit an der endgültigen Fassung beginnen, so daß diese im Oktober vorliegen kann. Gewiß darf ich darauf rechnen, daß
dieser Entwurf vertraulich behandelt und noch nicht in andere Hände gegeben wird. Für alle Mithilfe bei diesem wichtigen Dienst
schon im voraus
dankbar und in herzlicher Verbundenheit Ihr F. v. Bodelschwingh
Inhalt I. Von der Heiligen Schrift — II. Was ist Reformation? — III. Von der Dreieinigkeit Gottes — IV. Von Schöpfung und Sünde. 1. Schöpferglaube und natürliche Erkenntnis. 2. Die Ordnungen, 3. Das Gesetz, 4. Die Sünde. — V. Von Christus — VI. Vom Heiligen Geist und von der Kirche. 1. Vom Heiligen Geist. 2. Von
Rechtfertigung und Glaube. 3. a) Von der Kirche. b) Amt und Bekenntnis. 4. Kirche und Volk, 5. Kirche und Staat. 6. Kirche und die Juden. 7. Vom Ende aller Dinge.
I. Von der Heiligen Schrift Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments ist allein
Quelle und Maßstab der Lehre der Kirche. Sie bezeugt, gültig in ihrer Einheit, daß der unter Pontius Pilatus gekreuzigte Jesus von Nazareth der Christus sei, d. h. der verheißene Messias Israels, der König der Kirche, der Sohn des lebendigen Gottes.
Alle Lehre der Kirche muß an der Heiligen Schrift gemessen werden und sich an ihr allein als reine Lehre ausweisen. Die
Heilige Schrift allein ist das Zeugnis der göttlichen Offenbarung. Diese hat sich in einer einmaligen, unwiederholbaren und abgeschlossenen Geschichte ereignet, die mit der dem ge-
92
Das Betheler
Bekenntnis.
1933
fallenen Adam gegebenen Verheißung anhebt und in der Stiftung der Kirche vollendet ward. Diese Geschichte verkündigt die Kirche als für uns gültige Offenbarungstat Gottes. Indem die Schrift diese Taten bezeugt, ist sie Wort Gottes an uns. Nur in der Auslegung der Schrift vermag die Kirche die Offenbarung Gottes zu verkündigen. Die in der Heiligen Schrift bezeugte Geschichte ist Heilsgeschichte, d. h. sie ist Geschichte des Heils, das Gott über die Welt bringt. Nicht die Heiligkeit der biblischen Menschen, sondern das ihnen von Gott ihrer Unwürdigkeit zum Trotz
in der Berufung zur Kirche bereitete Heil ist hier allein ins Auge gefaßt. Vollgültiges Verstehen dieser Geschichte gibt
es erst vom Neuen Testament her, in dem die Vollendung des göttlichen Heilsplans in der Menschwerdung, in Worten, Wer-
ken und Wundern, Tod und Auferstehung Jesu Christi und in der Stiftung der Kirche bezeugt wird. Das Alte Testament ist Gottes Wort, weil es der Eine Gott ist, der Israel zur Kirche beruft, der von Israel verworfen wird und der die
Kirche des neuen Bundes stiftet. Die Heilige Schrift ist ein Ganzes. Ihre Einheit ist Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, der durch die ganze Schrift redet. Nicht wir sind Richter über Gottes Wort in der Bibel, sondern die Bibel ist uns dazu gegeben, daß wir
uns von ihr durch Christus richten lassen. Allein durch den Heiligen Geist hören wir das Wort Gottes aus der Bibel; aber dieser Geist kommt allein durch das Wort der ganzen Heiligen Schrift zu uns und kann deshalb ohne Schwärmerei nie von diesem Worte getrennt werden.
In Übereinstimmung mit den Bekenntnissen der evangelischen Kirche der Reformationszeit verwerfen wir die Irrlehre, in welcher Gestalt sie auch auftreten möge, daß Christus sich
auch ohne die Schrift und außerhalb derselben bezeuge und daß der Heilige Geist auch ohne das „äußerliche Wort“ der auf die Schrift gegründeten Predigt und ohne das Sakrament
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gegeben werde (C.A. 5: „Damnant Anabaptistas et alios, qui sentiunt spiritum sanctum contingere hominibus sine verbo externo per ipsorum praeparationes et opera.“ Schmalk. Art. III. 8: „Summa: Der Enthusiasmus stecket in Adam und seinen Kindern vom Anfang bis zum Ende der Welt, von dem
alten Drachen gestiftet und ist aller Ketzerei, auch des Papsttums und Mahomets Ursprung, Kraft und Macht. Darum sollen und müssen wir darauf beharren, daß Gott nicht will
mit uns Menschen handeln denn durch sein äußerlich Wort und Sakrament. Alles aber, was ohn’ solch Wort und Sakrament vom Geist gerühmt wird, das ist der Teufel.“ „Et in his, quae vocale et externum verbum concernunt, constanter
tenendum est Deum nemini spiritum vel gratiam suam largiri, nisi per verbum et cum verbo externe et praecedente, ut ita Ppraemuniamus nos adversum enthusiastas, id est spiritus, qui, jactitant se ante verbum et sine verbo spiritum habere et ideo scripturam sive vocale verbum judicant, flectunt et reflectunt .. .*) Wir verwerfen die Irrlehre, daß die Heilige Schrift nur eine
geschichtliche Urkunde sei und daß in ihr nur allgemeine religiöse Wahrheiten ausgesprochen und religiös-sittliche Werte enthalten seien, die durch die berichteten Tatsachen beispiel-
haft veranschaulicht werden. Wir verwerfen die Irrlehre, durch die die Heilsgeschichte gleichnishaft übertragen wird, also z. B. die Erwählung Israels auch auf ein anderes Volk oder gar auf alle Völker bezogen wird. Das ist eine Verleugnung der Einmaligkeit und
Geschichtlichkeit der Offenbarung Gottes. Wir verwerfen aus dem gleichen Grunde die Irrlehre, die aus der Gottgegebenheit des mosaischen Gesetzes auf die Gottgegebenheit aller völkischen Gesetze überhaupt schließt (Lehre von den nomoi). Die biblischen Heilstaten Gottes sind nicht
Beispiele oder Symbole, die gedeutet werden könnten, sondern Offenbarung, die verkündigt werden soll.
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Wir verwerfen die Irrlehre, die die Einheit der Heiligen Schrift zerreißt, indem sie das Alte Testament verwirft oder gar durch nicht christliche Urkunden aus der heidnischen Frühzeit eines anderen Volkes ersetzt. Denn die Einheit der ganzen Heiligen Schrift und ihre Einheit allein ist Christus. Wir verwerfen aus dem gleichen Grunde die Irrlehre, die das Alte Testament nur als Bibel Jesu bzw. der urchristlichen Gemeinde und nur soweit anerkennt, als es dort benutzt wird (religiöser Antisemitismus). Wir verwerfen jeden Versuch, nach lan Gründen
der eigenen Vernunft oder des eigenen frommen Erlebens Gottes Wort und Menschenwort in der Heiligen Schrift zu sondern. Luthers Satz, daß die Heilige Schrift Gottes Wort sei, wo sie Christum treibet, gibt keineswegs einem willkürlichen Wählen in der Schrift Raum. Die ganze Schrift, wie sie im Kanon zusammengefaßt ist, „treibt Christum“. Aber der Heilige Geist offenbart uns Christus in der Schrift, wo und wann er will. Der Heilige Geist, der durch ein Wort der Heiligen Schrift zu uns spricht ist immer der Geist der ganzen Heiligen Schrift und kann niemals mit dem frommen Erleben, das aus der Schrift nach eigenem Gefallen auswählt, verwechselt werden. Vielmehr geht es darum, den Herrn der Schrift, Christus, dort gegen die Schrift zu treiben, wo die Schrift in der Gefahr ist, gegen Christus getrieben zu werden. Aber diese Freiheit gegen die Heilige Schrift entsteht allein durch die Beugung unter das ganze Schriftwort. Diese demütige Beugung ist der Ausdruck der Erkenntnis, daß Gottes Wort nie in meiner Gewalt steht, sondern von Gott her Gewalt über mich bekommt, daß Gottes Wort immer wieder
für mich das fremde Wort ist (vgl. Vorrede zum JakobusBrief 1522).
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II. Was ist Reformation?
Unsere Väter haben um der Hoheit der Heiligen Schrift und um der Predigt der freien Gnade willen die äußere Einheit der christlichen Kirche geopfert. Kirche der Reformation ist
darum wesentlich protestantische Kirche. Sie scheidet sich von jeder Kirche, die den immer neu zu erhebenden Einspruch des in der Schrift bezeugten Wortes Gottes zugunsten einer geschichtlichen Entfaltung preisgibt. Als Gemeinde Jesu Chri-
sti ist sie und bleibt sie ebenso wesentlich Kirche und scheidet sich darum von jedem Protestantismus, der die Kirche gleich-
setzt mit einer nationalen, kulturellen, religiösen Bewegung. Die Reformation ist in ihrem Wesen Besinnung auf die Heilige Schrift, Beugung unter die Heilige Schrift. Martin Luther ist ihr der dem Worte gehorsame Lehrer der Heiligen Schrift. Seine Tat als Durchbruch des germanischen Geistes oder als Ursprung des modernen Freiheitsgefühls oder als Stiftung
einer neuen Religion zu verstehen, verstößt gegen sein eigenes Wort. Er kämpfte gegen die verblendete Überschätzung der menschlichen Vernunft und verwarf den Wahn des Menschen, ohne das göttliche Wort aus eigenem Geiste zu Gott zu kommen, als teuflische Verführung. Wie er sich aber gesandt wußte, der deutschen Nation zur Besserung ihres christlichen Standes zu helfen, so diente er zugleich und dient noch
heute allen Völkern im Amte eines Evangelisten.
III. Von der Dreieinigkeit Gottes Die Kirche lehrt, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist, in einem göttlichen Wesen und Natur drei unterschiedliche Personen, ein einiger Gott ist, der Himmel und Erde geschaffen hat, daß der Vater von niemandem, der Sohn vom Vater geboren, der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn ausgehe
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(Schmalk. Art. I, 1f.), welches das größte Geheimnis im Himmel und auf Erden sei (F. C. II, VIII, 34). Dieser dreieinige
Gott hat sich uns Menschen offenbart in Jesus Christus, daher die ganze heilige Dreifaltigkeit auf Christus weist als auf das Buch des Lebens (F.C. II, XI, 66). So bezeugt die Schrift: Niemand kommt zum Vater denn durch Christus (Joh. 14, 6); niemand kommt zum Sohn, es ziehe ihn denn der Vater (Joh. 6, 44); niemand kann Christus einen Herrn heißen außer durch den Heiligen Geist (1. Kor. 12, 3); der Heilige Geist geht aus vom Vater und vom Sohn (Joh. 15, 26; 14, 26). So wird der dreieinige Gott vom Glauben erkannt als Vater durch den Sohn, als Sohn durch den Vater, als Vater und Sohn durch den Heiligen Geist, als Heiliger Geist durch Va-
ter und Sohn. Keine menschliche Vernunft vermag dies Geheimnis der Offenbarung des dreieinigen Gottes aufzulösen.
Wir verwerfen jeden Versuch, die Offenbarung des dreieinigen Gottes auseinanderzureißen und so entweder die Schöpfung oder die Versöhnung oder die Erlösung aus sich heraus
begreifen zu wollen. Vielmehr erschließt sich uns allein in Christus der ganze dreieinige Gott als Schöpfer, Versöhner und Erlöser.
IV. Von Schöpfung und Sünde 1. Schöpferglaube und natürliche Erkenntnis
Die Kirche lehrt, daß Gott am Anfang die Welt aus dem
Nichts geschaffen hat und ihr Herr ist. Wir empfangen diesen Glauben allein aus der Verkündigung der Offenbarung des dreieinigen Gottes, wie sie uns die Kirche auf Grund der Heiligen Schrift bezeugt. In diesem durch dies Zeugnis gegebenen Sinn vermag die fromme natürliche Erkenntnis Gott
nicht als Schöpfer und die Welt nicht als Schöpfung zu erfas-
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sen. Denn sie schließt von der Schöpfung auf den Schöpfer, von der Wirkung auf die Ursache. Gott wird ihr zum Welt-
grund. Darum bleibt sie in den ungelösten Widersprüchen der Welt stecken. Für sie bleibt Gott der Erhabene, Rätselhafte, Dunkle oder Schreckliche. Sie wird darum bei ihrem Weiterfragen an Gott zuschanden oder verliert sich in Spekulationen über die Geheimnisse der göttlichen Majestät, die das Geschöpf nicht wissen und nicht erforschen soll und kann. Die natürliche, fromme Erkenntnis erkennt Gott niemals als den lebendigen Herrn, der den Menschen in seinem Denken, Wollen und Tun anruft und fordert. Der Glaube geht aus von Gott und seinem Wort. Er kann angesichts des Todes und des Bösen in der Welt allein an dem von Gott selbst ge-
offenbarten Worte und nicht an der Welt entspringen. Der von Gott gewirkte Glaube weiß, daß eine Lösung der Wider-
sprüche und Rätsel nur in der Erlösung durch eine neue Schöpfung, d. h. vom Schöpfer her geschieht. Glaube und natürliche Erkenntnis sind darum nicht mehr eins, weil wir in einer gefallenen Welt leben, d. h. weil die Welt nicht mehr das eindeutig sichtbare Wort Gottes ist. Zwischen uns und dem Anfang liegt der Sündenfall. Gottes Segen
ist jetzt verborgen unter dem Fluch, Gottes Gnade verborgen unter dem Zorn. In der gefallenen Schöpfung wirken an jedem Geschehen Gott und der Teufel: Segen und Gnade sind nie mehr eindeutig sichtbar an dieser gefallenen Welt abzu-
lesen. Darum sind wir zur Erkenntnis Gottes allein auf seine Selbstoffenbarung, bezeugt durch die Heilige Schrift, verkündigt durch die Predigt der Kirche, angewiesen. Allein aus dem Gehorsam gegen das Wort Gottes aus der Schrift erkennen wir den Schöpfer, nicht aus irgendeiner Deutung des Ge-
schehens in der Welt. Wir verwerfen die Irrlehre, daß wir ohne Christus Gott den Schöpfer und Vater erkennen können; denn außer Christus
muß der Schöpfer zum zornigen Despoten werden. Alles Ver-
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trauen auf den Allwaltenden und Allgütigen ist Hoffnung
ohne Gewißheit. Wir verwerfen die Irrlehre, daß diese Welt, wie sie ist, dem ursprünglichen Schöpfungswillen Gottes entspricht und darum ungebrochen bejaht werden müsse. Denn das bedeutet, im
Widerspruch zur Bibel, daß die Sünde nicht tödlich ist und die Welt von ihr unversehrt geblieben sei. Wir verwerfen die Irrlehre, daß der Kampf das Grundgesetz der ursprünglichen Schöpfung sei und kämpferische Haltung darum ein von der ursprünglichen Schöpfung her gesetztes Gebot Gottes. Kampf setzt das Freund-Feind-Verhältnis voraus. Dieses Verhältnis entsteht erst mit der Tat-
sache des Guten und Bösen. Das in ihn gesetzte Ziel der gegenseitigen Vernichtung ist Folge des Falles, nach dem Gutes und Böses nicht mehr unvermischt in einem Menschen ge-
geben sind. Darum darf aller Kampf mit dem Bösen, d. h. mit der Sünde, niemals auf den Träger des Bösen gerichtet sein, weil das Böse auf beiden Seiten wirksam ist. Er ist gerichtet auf das Böse als solches. Dieser Kampf ist, vom Menschen aus gesehen, ohne Verheißung des Sieges. Der Sieg über das Böse ist das Ende der Dinge, da Gott ist alles in allem. Dieses Ende wird nicht von Menschen herbeigeführt, sondern von Gott aus souveräner Entscheidung gesetzt. Dann beginnt
der Friede Gottes in seinem Reich. Er ist nicht die Ruhe der Unbewegtheit, sondern Gottes ungestörtes Walten jenseits der menschlichen Geschichte, und unserm menschlichen Begreifen von Kampf und Frieden enthoben.
Wir verwerfen die Irrlehre, daß Gott aus einer bestimmten „geschichtlichen Stunde“ unmittelbar zu uns rede und sich in
einem unmittelbaren Handeln in der Schöpfung offenbare, denn es ist Schwärmerei, den Willen Gottes ohne das „äußer-
liche Wort“ der Heiligen Schrift, an das Gott sich gebunden hat, vernehmen zu wollen. („Gott sprach: Es werde Volk!
Und es ward Volk.“ Hossenfelder.)
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Wir verwerfen die Irrlehre, daß des Volkes Stimme Gottes
Stimme sei, als schwärmerische Geschichtsdeutung. Des Vol-
kes Stimme schreit „Hosianna“ und „Kreuzige!“ — „Da schrien sie aber alle und sprachen: Nicht diesen, sondern
Barabbam!“ 2. Die Ordnungen Die Kirche lehrt, daß Gott in seiner Geduld den Menschen in der gefallenen Welt leben läßt und erhält. Um die Menschen
vor der Zügellosigkeit ihrer Selbstsucht und vor ihrer eigenen Selbstvernichtung zu bewahren, zwingt Gott das menschliche Leben in feste Ordnungen. Diese Ordnungen sind nicht die Ordnungen der ursprünglichen Schöpfung, sondern Ordnungen, in denen Gott die Menschen am Leben erhält um der
Zukunft Christi und der Neuschöpfung willen. Diese Ordnungen der Erhaltung haben also keinen eigenen Wert, sondern sie sind bezogen allein auf das Ende, das Gott über die
Menschen bringen wird, auf die Neuschöpfung in Christus. Daß der Mensch in ihnen leben darf und soll bis zur Erlösung, das ist ihr einziger Sinn. Sie sind gültige, aber nicht endgültige Ordnungen Gottes. Sie sind vom Ende her schon zerbrochen und überwunden. Die Ordnungen bleiben, aber ihre Ge-
stalt wandelt sich mit der Geschichte. Als solche Ordnungen sind uns gegeben die Ordnungen der Geschlechter, der Ehe, der Familie, des Volkes, des Eigen-
tums (Arbeit und Wirtschaft), des Berufes, der Obrigkeit. Keiner dieser Ordnungen kann sich der Mensch entziehen,
auch läßt sich keine in die andere überführen oder verwandeln. Ehe bleibt Ehe, Volk bleibt Volk. Obrigkeit bleibt Obrigkeit. Bibel und Bekenntnisschriften wissen ferner um die Einheit des Menschengeschlechtes in seinem Ursprung und in seinem Ziel (Adam — Christus. Vgl. Act. 17, 26). Mensch ist Mensch, und diese Einheit des Menschengeschlechtes fordert unseren Gehorsam. Aber diese Einheit entfaltet sich in
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der Geschichte in einer Mehrzahl von Stämmen und Völkern. Von dem modernen Begriff der Rasse reden allerdings
weder die Bibel noch die Bekenntnisschriften. Die Stammbäume von Sem, Ham und Japhet, welche Söhne desselben Vaters sind, sind nicht Grenzen der Blutsgemeinschaft, sondern gehen ganz durcheinander. Damit im Zusammenhang steht die bedeutsame Stellung, die im Alten Testament „der Fremdling, der in deinen Toren ist“, erhält. Er ist, ob willkommen oder nicht, einfach da. Der Hinweis auf den Schöpfer Gott, der das ganze Menschengeschlecht gemacht hat, ist Hinweis auf die Menschheit jenseits der Völker. Von ihm gilt: „Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und sollt ihn liebhaben wie du selbst... , denn ich bin der Herr“ (3. Mose 19, 34). Durch den Anspruch der verschiedenen Ordnungen ist der Mensch in eine dauernde Spannung gestellt. Diese Spannung
ist ihm sichtbarster Hinweis auf die Unerlöstheit der Welt. Die innerweltliche Lösung der Spannung liegt der weltlichen
Obrigkeit ob, die allein ihre Rechtsordnung mit dem Schwerte schützt. Der Christ empfängt diese Ordnungen, in denen der Mensch
am Leben erhalten und für die Zukunft Christi bewahrt wird, im Glauben aus der Hand seines Schöpfers. Sie rufen ihn auf zu Dank und Buße; aber er weiß, daß neben der
Lösung der Konflikte durch den Staat, dem er sich gehorsam beugt, die Verkündigung der Kirche steht von der endgülti-
gen Lösung aller Konflikte durch die Erlösung in Christus. Wir verwerfen die Irrlehre, daß es in der gefallenen Welt irgendwelche endgültigen Ordnungen gäbe, die nicht durch den Fall unter den Fluch Gottes gestellt sind und die als un-
gebrochene Schöpfungsordnungen in ihrer Ursprünglichkeit
erkannt und bejaht werden können. Denn hier wäre dem
Menschen der Rückzug in eine sündlose Welt ermöglicht und damit der Kreuzestod Christi überflüssig gemacht.
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Wir verwerfen die Irrlehre, daß die genannten Ordnungen der gefallenen Welt, weil nicht endgültig, darum für die Chri-
sten gleichgültig oder gar ungültig seien. Wir verwerfen daher jeden Versuch, aus dem Evangelium der Liebe ein Gesetz
für den Aufbau einer neuen harmonischen Gesellschaftsordnung zu machen. „Solange aber dies Leben währt, läßt er uns nichtsdestoweniger brauchen der Gesetze, der Ordnung und Stände so in der Welt gehen ..... Das Evangelium zerreisset nicht weltlich Regiment, Haushaltung, Kaufen, Verkaufen und ander weltliche Polizei, sondern bestätiget Oberkeit und Regiment und befiehlt, denselben gehorsam zu sein als Gottes
Ordnung... Dies haben wir darum erzählt, daß auch die fremden Feinde und Freunde verstehen mögen, daß durch diese Lehre die Oberkeit, das Land, Regiment, kaiserlich Recht u. a. nicht niedergestoßen, sondern vielmehr hochge-
hoben und geschützt werden“ (A. C. 16). Wir verwerfen die Irrlehre, daß eine bestimmte ständische Ordnung als Gottes Schöpfungsordnung bezeichnet werden
könne. Die menschliche Gesellschaft ist nach Luthers Lehre zwar geordnet, doch so, daß derselbe Mensch den verschiedenen Ordnungen oder Ständen (ordo oeconomicus, politicus, ecclesiasticus) zugleich angehört. Es wäre ein Rückfall in die katholische Soziallehre, eine geschichtliche Gestalt der gesellschaftlichen Ordnung als im Naturrecht begründet und darum endgültig auszugeben.
Wir verwerfen die Irrlehre, daß der Gehorsam gegen die Ordnungen abhängig zu machen sei von der Christlichkeit der Person, die diese Ordnungen verkörpert. Nicht daß die Obrigkeit christlich oder heidnisch ist, sondern daß sie ihr
weltliches Amt recht sieht, verpflichtet uns zum Gehorsam gegen sie als Gottes Ordnung. „Er gebeut und will haben, daß wir den Gesetzen sollen gehorsam sein und der Obrigkeit, darunter wir wohnen, es seien Heiden oder Christen“
(A. C. 16). „Derhalben sind wir Christen schuldig, der Ober-
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keit untertan und ihren Geboten gehorsam zu sein in allem, so ohne Sünde geschehen mag. Denn so der Oberkeit Gebot ohne Sünde nicht geschehen mag, soll man Gott mehr gehor-
sam sein denn den Menschen“ (Act. 5, 29. C. A. 16). Wir verwerfen die Irrlehre, daß wir selbst es vermögen, die von der Sünde zerstörte Schöpfungsordnung in ihrer Reinheit wiederherzustellen. Allein in Christus ist die Welt wiederhergestellt; erst die neue Schöpfung wird in sichtbarer Reinheit vor ihrem Schöpfer stehen, „daß die Natur und solche Verderbung niemand voneinander scheiden könne
denn allein Gott“ (F.C. 1, 1.3). 3. Das Gesetz
In den Ordnungen wird nach Gottes Willen die Welt auf das Ende hin erhalten. Diese Ordnungen sind Heiden und Christen gleichermaßen bekannt. Von ihnen zu unterscheiden ist das Gesetz Gottes. Dieses ist die persönliche Anrede des Menschen durch Gott in seiner Offenbarung. Es ist der Herrschaftsanspruch Gottes unter den Menschen in der Forde-
rung der ganzen Hingabe an ihn und der Gottes- und Nächstenliebe. Das Gesetz ist in der Bibel offenbart in vielen einzelnen Forderungen, die für uns nicht den Sinn von Anwendung eines Prinzips, sondern die Autorität des echten Zeug-
nisses für den frei gebietenden Herrn haben. (Dekalog und Bergpredigt kommen hierin überein.) Die Kirche verkündigt das Gesetz der Schrift daher nicht als Prinzip, das jeweils verschieden anzuwenden wäre, sondern als den konkreten Herrschaftsanspruch Gottes, der uns immer wieder allein an den einen in der Bibel offenbarten Herrn bindet. Der Christ
vernimmt das Gesetz allein in der schriftgemäßen Verkündigung der Kirche. Er versteht daher auch die Ordnungen, in denen er lebt, als Gesetz Gottes nur von der Heiligen Schrift her. Das alttestamentliche Gesetz unterscheidet sich von den
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Lebensgesetzen und -Ordnungen anderer Völker dadurch, daß es Israel als dem Volke Gottes, als dem zur Kirche erwählten Volke gegeben ist. Es ist aus diesem Grunde nicht Gegenstand des Vergleichens, sondern allein Gegenstand der Verkündigung. Wir verwerfen die Irrlehre, daß die Ordnungen Gottes im Nomos der Völker mit dem Gesetz Gottes eins seien. Es gilt allein für das alttestamentliche Gesetz des Volkes Israel. Denn Israel ist Volk und Kirche zugleich. Es ist allein erwählt. Dieser Sachverhalt drückt sich in dem Unterschied des Dekalogs von allen anderen Volksgesetzen aus. Seine Einzigartigkeit besteht darin, daß im 1. Gebot jedem Versuch, sich auf irgendwelche Ordnungen als auf Gesetze Gottes zu berufen, widersprochen wird. Allein vom 1. Gebot her gilt das gesamte
israelitische Gesetz des Volkes Gottes. Die 1. und die 2. Tafel sind eine unauflösliche Einheit und allein als solche zu verkündigen. Der Christ, der gehorsam in den Ordnungen als nach Gottes Gesetz leben will, kann das nur von der Verkündigung des biblischen Gesetzes aus. 4. Die Sünde
Die Kirche lehrt, daß der Mensch durch freie Übertretung des
Gesetzes Gottes von Gott abgefallen, im Elend der Sünde und dem Verderben des Todes sei mit seiner ganzen Natur und seinem ganzen Tun, daß er auch seine Gott-Ebenbildlich-
keit verloren habe. Wie die Bekenntnisschriften sagen: „daß nichts Gesundes oder Unverderbtes an Leib und Seele des Menschen, seinen innerlichen und äußerlichen Kräften, geblieben, sondern wie die Kirche singt: Durch Adams Fall ist ganz verderbt menschlich Natur und Wesen. Welcher Schaden unaussprechlich nicht mit der Vernunft, sondern allein aus
Gottes Wort erkannt werden mag. Und daß die Natur und solche Verderbung niemand voneinander scheiden könne denn
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allein Gott“ (F. C. I, I, 3). Auch lehren wir mit den Bekenntnisschriften, daß der Mensch nicht nur krank, sondern tot sei für alles Gute und daß er von Geburt an ohne Glaube,
ohne Gottesfurcht, voll böser Begierde sei und unter dem gerechten Zorn Gottes stehe. Wir verwerfen die Irrlehre, daß Sünde nur Sonderung aus dem organischen Lebenszusammenhang sei. Damit wäre gesagt, daß alles Handeln innerhalb des organischen Lebens-
zusammenhangs ohne Sünde und gut sei. Das bedeutet aber eine Verleugnung des biblischen Gedankens, daß auch die Welt des Organischen durch den Sündenfall verderbt sei. Es gibt ein Handeln, „das den organischen Lebenszusammen-
hang nicht zerreißt“ und dennoch Sünde ist, weil es ohne Liebe geschieht. Sünde ist Auflehnung gegen Gottes absoluten Herrschaftsanspruch im Gesetz der Liebe. Wir verwerfen die Irrlehre, in der Schöpfung und Sünde in spekulativer Weise auf ein gemeinsames Prinzip zurückgeführt werden, so daß Sünde nur eine andere Seite der Schöpfung wäre. Schöpfung und Sünde sind letzte Gegensätze, die nicht mehr aufeinander zurückgeführt werden können. Sie verhalten sich wie Gottes Welt und Teufels Welt, wobei freilich gewiß ist, daß Gott der „Überwinder“ auch des Teu-
fels ist. Der gnostische Versuch, Sünde als notwendig zu begreifen, entschuldigt die Sünde, macht aus schwarz
weiß,
macht es dem Menschen möglich, sich selbst zu rechtfertigen, hebt so die Versöhnung durch den Kreuzestod auf, nimmt ferner dem Gegensatz von Gut und Böse den letzten Ernst
und führt so zur Zuchtlosigkeit. Wir verwerfen die Irrlehre, daß Sünde moralische oder bio-
logische Verfehlung oder Unvollkommenheit oder Unwissenheit sei, die man dadurch beseitigt, daß man es das nächste
Mal besser macht. Unsere Sünde hat Christus ans Kreuz gebracht, und allein durch Christi Tod ist die Sünde vergeben
BON, 1,1625).
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Wir verwerfen die Irrlehre, daß durch die Sünde der Mensch nicht mehr Geschöpf Gottes sei, denn Christus ist für den Menschen ans Kreuz gegangen und bezeugt damit die Liebe Gottes zu seinem gefallenen Geschöpf (F.C. II, I, 34).
V. Von Christus Die Kirche lehrt, daß Jesus Christus, Sohn Gottes und Sohn Davids, wahrhaftiger Gott und wahrhaftiger Mensch, der Sündlose im Fleisch der Sünde, alleiniges Heil der Menschen sei, daß die Welt ohne Christus verloren sei unter dem Zorne Gottes. Daß Christus das Ende und die Erfüllung des Gesetzes, die Vergebung aller Sünde, der Sieg über den Tod, die
Lösung aller Fragen und daß er allein die Wende der Zeiten sei. Jesus ist durch den Unglauben und um der Schuld aller Menschen willen gekreuzigt worden, und um unserer Ge-
rechtigkeit willen auferstanden. Mit der Heiligen Schrift und den Bekenntnissen nennen wir ihn darum unseren Herrn, weil
er „mich verlorenen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschul-
digen Leiden und Sterben, auf daß ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, gleichwie er ist auferstanden,
lebet und regieret in Ewigkeit“ (kl. Katech. 2. Art.). Wir verwerfen die Irrlehre, daß das Erscheinen Jesu ein Aufflammen nordischer Art mitten in einer von Zersetzungserscheinungen gequälten Welt sei. Christus ist der Glanz der
Herrlichkeit Gottes (Hebr. 12) in der Welt und der Sohn Davids, gesandt zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel. Wir verwerfen die Irrlehre, daß wir uns um seiner heldischen
Frömmigkeit willen zu Jesus als zu unserem Herrn bekennen.
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Allein als der vom Vater gesandte, für uns gekreuzigte und auferstandene Sohn und Heiland ist er unser Herr. Mit den Bekenntnisschriften verwerfen wir hiermit den Irrtum der neuen Arianer, „daß Christus nicht ein wahrhaftiger, wesent-
licher, natürlicher Gott, eines ewigen göttlichen Wesens mit Gott dem Vater und dem Heiligen Geist, sondern allein mit göttlicher Majestät, unter und neben Gott dem Vater, gezieret
sei“ (F.C. 1, XII, 28).
Wir verwerfen die Irrlehre, daß das Kreuz Jesu Christi ein Symbol für eine allgemeine religiöse oder menschliche Wahrheit sei, etwa für den Satz: Gemeinnutz geht vor Eigennutz (Wienecke). Das Kreuz Jesu Christi ist überhaupt kein Symbol für irgend etwas, sondern die einmalige Offenbarungstat Gottes, in der so für alle die Erfüllung des Gesetzes, des Todes Gericht über alles Fleisch, die Versöhnung der Welt mit Gott vollzogen ist. Es geht darum nicht an, den Kreuzestod Christi mit irgendeinem anderen Opfertod, die Passion Jesu Christi mit der Passion eines anderen Menschen oder eines Volkes zu vergleichen. Christi Passion und Kreuz können
allein als Gericht und Gnade Gottes über die ganze Welt verkündigt werden.
Wir verwerfen die Irrlehre, als wäre die Kreuzigung Christi die alleinige Schuld des jüdischen Volkes, als hätten andere Völker und Rassen ihn nicht gekreuzigt. Alle Völker und Rassen, auch die höchststehenden, sind mit schuld an seinem ‘Tode und machen sich täglich aufs neue mit schuldig, wenn ‚sie den Geist der Gnade
schmähen
(Hebr.
10, 29). „Denn
‘was du, Herr, erduldet, ist alles meine Last, ich hab? es selbst verschuldet, was du getragen hast.“ „Der Herr warf unser aller Sünde auf ihn“ (Jes. 53, 6. A. C. XIII, 8. XXIV, 56).
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VI. Vom Heiligen Geist und der Kirche 1. Vom Heiligen Geist Die Kirche lehrt, daß der Heilige Geist wahrhaftiger Gott in Ewigkeit, nicht geschaffen oder gemacht, vom Vater und vom Sohn ausgehe; daß er dem Menschen gegeben werde, allein durch das äußere Wort und das Sakrament in der Kirche; daß durch ihn aus allen Völkern nach der Wahl Gottes ausgesondert werde, wer zur Kirche Christi berufen ist; daß er lehre, strafe, richte und den Glauben, die Bekehrung und die Erneuerung im Menschen schaffe.
Wir verwerfen die Irrlehre, daß der Heilige Geist ohne Christus in der Schöpfung und ihren Ordnungen erkennbar sei; denn der Heilige Geist ist immer von dem Sohne her, in dem diese gefallene Welt gerichtet ist, in dem über den Völkern
die neue Ordnung der Kirche als des Volkes Gottes aufgerichtet ist. Nur weil der Heilige Geist vom Vater und vom Sohne ausgeht, ist die Mission an allen Völkern Auftrag der Kirche. Die Auflehnung gegen diese Lehre vom Heiligen Geist ist
völkische Auflehnung gegen die Kirche Jesu Christi. C. A. I: Derhalben werden verworfen alle Ketzereien, die sagen, der Heilige Geist sei erschaffene Regung in Kreaturen. A.C.XXIV 70. Denn durch die zwei, durchs Wort und Äußerliche Zeichen Wirket der Heilige Geist, Art. Sm. III, VIII 3... ist feste darauf zu bleiben, daß Gott niemand sein Geist oder Gnade
gibt, ohne durch oder mit dem vorhergehenden äußerlichen Wort, damit wir uns bewahren für den Enthusiasten, das ist
Geister, so sich rühmen ohn’ und vor dem Wort den Geist zu haben. 2. Von Rechtfertigung und Glaube Die Kirche lehrt, daß der gottlose Mensch allein durch den Glauben an Jesus Christus, der als Mittler für ihn gekreuzigt
und auferstanden ist, einen gnädigen Gott findet. Diesen
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Glauben gibt der Heilige Geist durch das Wort von Christus. Gegen die Vernunft, gegen den Stolz des Fleisches, gegen das
Gewissen hält sich der Glaube allein an das biblische Wort der Verheißung der Gnade Gottes. Allein dieser Glaube ist es, der rechtfertigt (C. A. IV). Wir verwerfen die Verwechslung
von
Gottvertrauen
und
Glaube. Es gibt auch ein Gottvertrauen der Heiden, das sich im Vorsehungsgedanken erschöpft, das in undemütiger Vertraulichkeit die Gnade Gottes ohne Furcht als etwas Selbst-
verständliches für sich in Anspruch nimmt, das sich durch Gott vor der Welt rechtfertigen lassen will, das den Blick starr auf das Geschehen in dieser Welt gerichtet hält, ohne im
Glauben um das Ende aller Dinge in Christus und um die Zukunft zu wissen. Christlicher Glaube ist demgegenüber ganz an Christus als das Wort Gottes gebunden, der mit uns ins Gericht geht, der uns vor Gott sterben läßt und uns aus unsichtbarer Gnade und Kraft wieder ins Leben ruft. Christlicher Glaube weiß um den Zorn Gottes, steht in der Buße,
fürchtet Gott und nimmt seine Gnade als das Wunder schlechthin, das die Welt nicht fassen kann. Christlicher Glaube ist
darum immer auf das Ende der Welt hin gerichtet. Heidnisches Gottvertrauen versteht Gott als namenlose Macht, der man sich fügen muß, als Schicksal. Christlicher Glaube erkennt Gott als den allein in Christus sich offenbarenden,
lebendigen, heiligen, gerechten und barmherzigen Vater und Herrn. Christliches Gottvertrauen heißt, diese Welt aus der
Hand des in Christus geoffenbarten Gottes gehorsam hinnehmen, sein Kreuz auf sich nehmen und es tragen in der Kraft der Verheißung, daß Gott am Ende aller Dinge einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird. Heidnisches „Gottvertrauen“ traut den schicksalhaften Gesetzen der Welt, christliches Gottvertrauen lebt von der Gewißheit, daß der Herr, der die Welt an seinem Tage richtet, der Gott gnädiger Verheißung ist.
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Wir verwerfen die Lehre, daß Gott im letzten Gericht den Menschen allein nach seiner „Anständigkeit“ fragen werde,
als israelitisches Denken. Hier ist Sinn des Evangeliums und des Glaubens Luthers im Grunde verkannt. Gott wird in seinem Gericht über den Menschen ihn allein nach seinem Glauben an Christus fragen, und in diesem Glauben soll der Mensch vor Gott gerecht sein. Dieser Glaube ist Sein Werk, und seine Frucht die Werke, zu denen Er uns zuvor bereitet hat. (Vgl. Eph. 2, 10.) Zu den Früchten des Glaubens gehört auch Gottvertrauen und Pflichtbewußtsein. Aber keinesfalls darf dies mit dem Glauben selbst verwechselt werden. Auch darf man vom Gottvertrauen und Pflichtbewußtsein eines Menschen nicht auf seinen Glauben zurückschließen. Denn beides können Trugbilder, Versuchungen und also Werke des Teufels am Menschen sein. Der Glaube, der ganz Gottes Werk ist, sieht nicht auf seine Früchte, sondern allein auf seinen Herrn. Er beruft sich nicht auf sich selbst, sondern auf Christus. Der Sinn des Evangeliums ist nicht fröhliches Gottvertrauen, Pflichtbewußtsein und Siegeswille, sondern Buße (Umkehr) und wagender Glaube an das Himmelreich in Christus. 3a. Von der Kirche Die Kirche ist der Leib Jesu Christi. Der Gekreuzigte und Auferstandene ist der Herr, der sich sein Volk schuf und schafft. Sein Volk ist die Kirche. Sie ist überall da, wo Men-
schen durch Ihn im Worte des Evangeliums und im Sakrament zur Umkehr und zum Glauben herausgerufen werden. Damit wird die Kirche zur Gemeinschaft der „Heiligen“. Heilig sind ihre Glieder nicht, weil sie ohne Sünde wären. Ihre Heiligkeit ist nicht eine Frucht menschlichen Leistens; sie ruht allein in Gottes handelndem Ruf. Darum ist die Kirche eine Gemeinschaft der Sünder, das ist eine Gemeinschaft der Gottlosen, das ist eine Gemeinschaft der Menschen, die ver-
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loren sind. Durch Gottes Handeln in vergebender Rechtfertigung, d. h. nur von Gott her, werden aus den Gottlosen Kinder Gottes. Für die Kirche besteht, wenn sie auf den Menschen sieht,
keine Möglichkeit des eigenen Ruhmes; sie ist nur ihrer völligen Schwachheit und Unzulänglichkeit gewiß. Darum bekennt die Kirche, daß sie fehlt und sündigt. Zum anderen aber, wenn die Kirche auf Christus sieht, den sie verkündigt, kann sie nur voll Rühmens sein in der Gewißheit Seiner Unüberwindlichkeit. Sie bekennt, daß sie die Gemeinschaft der Heiligen ist. Darum ist sie jedem Urteil der Welt entzogen. Sie steht unter dem tötenden und lebendig machenden Wort Gottes, — unter Seinem Gericht, das zugleich immer Gnade ist. Was Kirche ist, kann nur in ihr, niemals außer ihr verstanden werden. Die Lehre von ihr ist für die natürliche Vernunft eine Anmaßung oder eine Torheit. Keine Wissenschaft, auch kein Staatsmann oder Obrigkeit vermag zu begreifen, was Kirche ist, es sei denn im Glauben an und durch Christus den Herrn. Vor den Augen der Menschen ist die Kirche als Volk Gottes und Leib Christi verborgen. Dennoch ist sie eine Wirklichkeit in der Welt. Nur der Glaube erkennt durch die sichtbaren Einrichtungen und Formen hindurch, in denen die Kirche in die Geschichte eingeht, die wahre Kirche. Ihre ein-
zigen Merkmale sind die Reinheit der Lehre des Evangeliums und die richtige Verwaltung der Sakramente, nicht der
religiöse oder sittliche Stand ihrer Glieder. ‘Wo immer auf Erden das Evangelium lauter und rein verkündigt wird und die Sakramente stiftungsgemäß verwaltet werden, da gibt Gott durch den Heiligen Geist den Glauben; da ist die eine heilige, katholische Kirche eine Wirklichkeit in der Welt. Wo eines der beiden verfälscht oder verkürzt wird, ist keine Kirche mehr, sondern eine unter den vielen
Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen.
Erstform
des Betheler
Bekenntnisses
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3b. Amt und Bekenntnis
Die christliche Kirche steht allein unter dem Worte Gottes, wie es im Evangelium von Christus bezeugt und in den Sa-
kramenten sichtbar dargestellt wird. Dies Wort zu verkündigen und die von Christus eingesetzten Sakramente zu verwalten, ist das Predigtamt gegeben. Es ist Dienst am Worte und durch das Wort. Es hat seinen Grund nicht vor dem Worte und nicht außer dem Worte, sondern steht allein unter
dem Worte. Als solches ist es nicht Besitz eines Einzelnen oder einer Gemeinschaft, sondern ist Lehen des göttlichen Wortes,
geordnet durch den Auftrag der christlichen Gemeinde. Die christliche Gemeinde hat je und je Pflicht und Recht, gegenüber drohender Entstellung des göttlichen Wortes bekennend das Wort zu Ehren zu bringen und die für gültig erkannte Lehre gegenüber Irrtümern festzustellen. Diese Bekenntnisse, in ihrer Richtigkeit immer am Wort zu prüfen, sind die Norm für den Dienst des Amtes an der Gemeinde. Wir verwerfen die Irrlehre, als sei das Amt eine Ordnung, die dem Wort und Sakrament vorangehe und es erzeuge. Wir verwerfen sie in der Gestalt der römischen und romanisierenden Hierarchie und in der Gestalt der Schwärmerei. Die
Kraft des Amtes ruht weder in einer geschichtlich gewordenen Institution noch in den seelischen Kräften menschlicher Begabung. Wir wenden uns darum auch gegen den Versuch, den modernen Führungsgedanken auf das Predigtamt zu übertragen. Predigtamt ist Dienst am Worte der Versöhnung und steht darum im Gegensatz zu jeder Führungsmagie. (Vgl. 1. Kor. 3, 5; 2. Kor. 5, 11 ff.) Als Dienst am Worte der Versöhnung lebt das Amt nur vom Worte der Heiligen
Schrift und kann nur von daher gerichtet werden. Es empfängt seinen Auftrag weder von der Nation, noch vom Staate, noch von einer politischen und geistigen Bewegung. Das Amt
des Bischofs ist nicht dem Wesen nach dem Predigtamt über-
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geordnet. Seine Ueberordnung ist die der Obrigkeit in der
Gemeinde. Es steht unter dem Gesetz der Schrift und des Bekenntnisses und darf darum durch keine Anordnung die Bindung an das Bekenntnis lockern oder herabsetzen. 4. Kirche und Volk Weil der Grund der Kirche allein die Gegenwart des in die Geschichte eingegangenen Jesus Christus in Wort und Sakra-
ment ist, gehören die äußeren Formen ihrer Gebräuche und ihrer Verfassung nicht zum Wesen der Kirche. Dadurch wird sie fähig zur Erfüllung ihrer Pflicht, das Evangelium zu allen
Völkern zu bringen. Sie geht mit ihrer Verkündigung und in ihren äußeren Formen in die verschiedenen Völker und Zeitalter ein. Sie kann, nach dem Vorbild des Apostels, „den Juden ein Jude, den Griechen ein Grieche“, den Deutschen ein
Deutscher, den Chinesen ein Chinese werden, „um ja etliche zu gewinnen“.
Diese Volksgemäßheit findet ihre Grenzen in dem Inhalt der Verkündigung. Von hier aus allein, nur von der Kirche selbst darf Art und Form des Eingangs in die Zeit bestimmt werden. Die Botschaft des Evangeliums ist allen Völkern gleich zugänglich oder gleich unzugänglich. Denn Gottes Heiliger Geist allein kann in Menschen den Glauben wirken und den consensus des rechten Bekennens wecken. Die Gemeinschaft der bekennenden Kirche geht über die Volksgrenzen hinaus. Nie-
mals decken sich die Grenzen des Volkes und die der Kirche. Die Kirche Christi schwebt niemals über den Völkern. Sie lebt in den Völkern, und zwar seit der Auferstehung Jesu Christi niemals in einem allein.
In jedem Volk, zu dem die Botschaft der Kirche gekommen ist, lebt die Kirche. Das Volk ist nicht die Kirche; aber die Menschen, die zu beiden gehören, sind in unlösbarer Solidarität mit beiden verbunden. Sie tragen mit an der Schuld ihres
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Bekenntnisses
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Volkes. Sie sind zugleich Glieder des Gottesvolkes, dessen Bürgerschaft im Himmel ist. 5. Kirche und Staat
Die Kirche lehrt, daß die weltliche Obrigkeit von Gott geordnet und daß jedermann ihr Gehorsam schuldig sei. Die weltliche Obrigkeit trägt das Schwert, um der Unordnung zu wehren, die der Widersacher Christi anstiftet, um sein Werk auszurichten. Sie ist von der Geduld Gottes dem Volke als väterliche Obrigkeit gesetzt, die unser Leben schützt, die Zucht und Ehre wahrt (A. C. XXIII, 55). Sie hat ihre Würde und ihre Grenze in diesem ihrem Amt. Heiden und Christen haben gleichermaßen solche weltliche Obrigkeit. Insofern steht alle weltliche Obrigkeit, gute oder schlechte, nicht im Raume des Heils, sondern im Raume des Todes. In diesen Raum des Todes kommt die Kirche mit ihrer Verkündigung
von der Auferstehung und dem alleinigen Heil in Christus. Nur in Christus hat der Mensch Heil und Leben vor Gott. Darum nimmt das Wort der Kirche vom ganzen Menschen Besitz. Weltliche Obrigkeit und Kirche sind beide von Gott. Sie sind
durch unüberschreitbare Grenzen voneinander getrennt und doch ganz aufeinander angewiesen. Kirche kann nie in der weltlichen Obrigkeit aufgehen, d. h. sie kann nie in einen Staat „eingebaut“ werden. Sie bleibt
jeder weltlichen Obrigkeit immer gegenüber durch den Inhalt ihrer Verkündigung. Die Verbundenheit der Kirche mit der weltlichen Obrigkeit aber ist eine dreifache:
1. Ihr Wort ist an denselben Menschen gerichtet, der durch das Amt des Schwertes am Leben erhalten wird. 2. Ihr Wort weist diesen Menschen wieder hinein in die Ordnung der Obrigkeit als Gottesordnung.
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3. Die Kirche weiß sich selbst in ihrer sichtbaren Gestalt der Ordnung der Obrigkeit untertan. Die Verbundenheit der weltlichen Obrigkeit mit der Kirche besteht allein darin, daß diese durch die rechte Verkündigung
der Kirche in die Schranken ihrer eigenen Ordnung gewiesen und somit nicht ein Werkzeug des Teufels wird, der zuletzt nur die Unordnung sucht, um darin alles Leben zu zerstören.
Weltliche Obrigkeit soll von der Kirche nur diesen Dienst erwarten. Mit diesem Dienst bewahrt die Kirche den Menschen unter der Obrigkeit vor dem Betrug des Teufels, der ihn eine schrankenlose Obrigkeit als Lebensspender und Heiland anbeten lassen will. Kirche und Obrigkeit geraten in Konflikt erstens, wo die Kirche ihren Dienst dahin mißversteht, daß sie Staat im Staat und damit politischer Machtfaktor sein will, daß sie vom Staat begehrt, die Zugehörigkeit zu ihr (Taufe) zur Vorbedingung der Staatszugehörigkeit zu machen; mit anderen Worten: Kirche und Obrigkeit geraten in Konflikt, wo die Kirche aus Scheu oder Unvermögen es versäumt, dem Staat allein durch schriftgemäße Verkündigung und Bekenntnis zu dienen.
Kirche und Staat geraten in Konflikt zweitens, wo eine Obrigkeit die Kirche als ihr Werkzeug verwenden will, wo eine
Obrigkeit das Zeugnis von der Alleinherrschaft Christi nicht mehr erträgt, wo sie nicht mehr hören kann, daß auch ihre
Würde mit der Welt der Sünde dem Tode verfallen ist. Wir verwerfen die Irrlehre vom christlichen Staat in jeder
Form. Obrigkeit unter Heiden oder Christen versieht ihr Amt allein darin recht, daß sie ihr Schwert recht führt und in ihren Grenzen bleibt. „Dem Worte mag kein Kaiser noch Richter als auch kein Schutzherr gegeben werden denn Gott selber“ (W. A. 17, 2, S. 108). Sie kann sich darum nicht anmaßen, dem Menschen das Heil zu schaffen. Sie kann die Kirche nicht als ihr sittlich religiöses Fundament mißbrau-
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Bekennitnisses
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chen. Es ist Irrlehre, daß die Kirche nur Seele oder Gewissen des Staates sei. Wir verwerfen jeden Versuch der Aufrichtung einer sichtbaren
Gottesherrschaft auf Erden durch die Kirche als Eingriff in die Ordnung der Obrigkeit. Hier ist das Evangelium zum
Gesetz gemacht. Die Kirche kann irdisches Leben nicht schützen noch erhalten. Das bleibt das Amt der weltlichen Obrigkeit. 6. Die Kirche und die Juden Die Kirche lehrt, daß Gott unter allen Völkern der Erde Israel erwählt hat zu seinem Volke. Allein in der Kraft seines Wortes und um seiner Barmherzigkeit willen, keinesfalls auf Grund seines natürlichen Vorzugs (2. Mose 19, 5—6; 5. Mose 7,7—11). Der Hohe Rat und das Volk der Juden haben den durch das Gesetz und die Propheten verheißenen Christus Jesus verworfen nach der Schrift. Sie wollten einen nationalen
Messias, der sie politisch befreien und ihnen die Weltherrschaft bringen sollte. Das war und tat der Christus Jesus nicht, er starb durch sie und für sie. Durch die Kreuzigung und Auferweckung des Christus Jesus ist der Zaun zwischen
den Juden und den Heiden abgebrochen (Eph. 2). An die Stelle des alttestamentlichen Bundesvolkes tritt nicht eine andere Nation, sondern die christliche Kirche aus und in allen Völkern.
Gott preist seine Treue dadurch überschwenglich, daß er Israel nach dem Fleisch, aus welchem Christus nach dem Fleisch geboren ist, trotz aller Untreue auch nach der Kreu-
zigung des Christus noch die Treue hält. Er will die Erlösung der Welt, die er mit dem Herausruf Israels angefangen hat, mit den Juden auch vollenden (Röm. 9—11). Darum bewahrt er von Israel nach dem Fleisch einen „heiligen Rest“, der weder durch Emanzipation und Assimilation in einer anderen Nation aufgehen noch durch zionistische oder ähnliche Be-
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strebungen eine Nation unter anderen werden, noch durch
pharaonische Maßnahmen ausgerottet werden kann. Dieser „heilige Rest“ trägt den character indelebilis des auserwählten
Volkes. Die Kirche hat von ihrem Herrn den Auftrag empfangen, die Juden zur Umkehr zu rufen und die Glaubenden auf den Namen Jesu Christi zu taufen zur Vergebung der Sünden (Matth. 10, 5 f.; Act. 2, 38 ff.; 3, 19—26). Eine Judenmission, die aus kulturellen oder politischen Erwägungen sich weigert, überhaupt noch Judentaufen zu vollziehen, verweigert ihrem Herrn den Gehorsam. Der gekreuzigte Chri-
stus ist den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit (1. Kor. 1, 22 ff.). „Der Gekreuzigte“ entspricht dem religiösen Ideal der jüdischen Seele ebensowenig wie dem reli-
giösen Ideal der Seele irgendeines anderen Volkes. Auch einem Juden kann nicht Fleisch und Blut den Glauben an ihn geben, sondern allein der Vater im Himmel durch seinen Geist (Matth. 16, 17). Die Gemeinschaft der zur Kirche Gehörigen wird nicht durch das Blut und also auch nicht durch die Rasse, sondern durch den Heiligen Geist und die Taufe bestimmt. Wir verwerfen jeden Versuch, die geschichtliche Sendung ir-
gendeines Volkes mit dem heilsgeschichtlichen Auftrag Israels zu vergleichen oder zu verwechseln. Es kann nie und nimmer Auftrag eines Volkes sein, an den Juden den Mord von Golgatha zu rächen. „Mein ist die Rache, spricht der Herr“ (5. Mose 32, 35. Hebr. 10, 30). Wir verwerfen jeden Versuch, das Wunder der besonderen Treue
Gottes gegenüber Israel nach dem Fleisch als einen Beweis für die religiöse Bedeutung
des jüdischen oder eines anderen
Volkstums zu mißbrauchen. Wir wenden uns gegen die Behauptung, der Glaube des Ju-
denchristen sei im Unterschied von dem des Heidenchristen blutgebunden als judaistische Schwärmerei. Wir wenden uns gegen das Unternehmen, die deutsche evan-
Erstform
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Bekenntnisses
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gelische Kirche durch den Versuch, sie umzuwandeln in eine
Reichskirche der Christen arischer Rasse ihrer Verheißung zu berauben. Denn damit würde ein Rassengesetz vor dem Eingang zur Kirche aufgerichtet und wäre eine solche Kirche selbst zur judenchristlich gesetzlichen Gemeinde geworden. Wir lehnen darum die Bildung judenchristlicher Gemeinden ab; denn die falsche Voraussetzung dafür ist, daß das Besondere der Judenchristen auf der gleichen Ebene liegt wie z. B.
die geschichtlich bedingte Besonderheit der französischen Refugiantengemeinden in Deutschland oder daß die Christen aus dem Judentum ein ihrer Art gemäßes Christentum entwickeln müßten. Das Besondere des Judenchristen ist nicht in seiner Rasse oder Art oder Geschichte begründet, sondern allein in der besonderen Treue Gottes gegenüber Israel nach dem Fleisch. Dadurch, daß der Judenchrist gerade nicht in irgendeiner gesetzlichen Weise besonders gestellt wird in der Kirche, ist er in ihr ein lebendiges Denkmal der Treue Gottes
und ein Zeichen dafür, daß der Zaun zwischen Juden und Heiden niedergelegt ist und der Christusglaube nicht in der
Richtung auf eine Nationalreligion oder auf ein artgemäßes Christentum verfälscht werden darf. Die aus der Heidenwelt stammenden Christen müssen eher sich selbst der Verfolgung aussetzen als die durch Wort und Sakrament gestiftete kirchliche Bruderschaft mit dem Judenchristen freiwillig oder gezwungen auch nur in einer einzigen Beziehung preiszugeben.
7. Vom Ende aller Dinge Die Kirche lehrt, daß Jesus Christus das Ende der Geschichte und der Welt sei. Er, der in der Geschichte Geborene, Gekreu-
zigte und Auferstandene, wird wiederkommen zum Gericht über Lebendige und Tote. Weil der geschichtliche, der gegenwärtige und der zukünftige Christus ein und derselbe ist, darum ist auch Ende und Gericht in ihm sowohl gegenwärtig
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Das
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als zukünftig. (Es kommt die Stunde und ist schon jetzt... Joh. 5, 25.) Darum gehören Glaube und Hoffnung uniöslich zusammen. Der Glaube sagt „jetzt“, „nun aber“, die Hoffnung sagt „noch nicht“. (Wir sind nun Gottes Kinder und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. 1. Joh. 3, 2.) Die
Einheit beider ist Christus, der uns im Gebot der Liebe gegenwärtig ist und so darin das Ende nahe herbeibringt. Wie Christus durch den Tod gegangen ist, so muß die ganze Welt und der ganze Mensch in den Tod. Es gibt keinen stufenweisen Übergang oder Fortschritt von dieser Welt zur neuen Welt. Es geht alles durch den Tod. Aber wie Christus auferweckt ist von den Toten, so wird Gott am Ende die Toten auferwecken und vor seinen Richterstuhl rufen. In diesem Gericht wird allein der Glaubende bestehen. Wer aber
ist es, der glaubt, und wer ist es, der nicht glaubt? Diese Frage, an uns selbst gerichtet, ist das Letzte, was hier gesagt werden kann. Die neue Welt der Auferstehung wird eine neue Erde und ein neuer Himmel sein. Es ist unsere Erde, die erneuert wird, die Erde, auf der das Kreuz Christi gestanden hat. Aber es ist
eine neue Erde, „daß man der vorigen nicht mehr gedenken wird“ (Jes. 65, 1). „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste
ist vergangen“ (Offenb. 21, 4). Dem Ende zuvor kommt der Antichrist, der sich in falschem Schein selbst als der Gesandte Gottes, der Messias, der Chri-
stus ausgibt und die Kirchen verführen will. Gefährlich in der Welt, gefährlicher in der Kirche, bringt er über die Gemeinde Christi den Kampf, scheiden sich an ihm die Geister. Das
Ende der Geschichte ist die Entzweiung, der Kampf der Gemeinde Christi gegen die Herrschaft des Antichrist. Dies Ende der Geschichte aber „kommt“ und ist schon „jetzt“. - Wir verwerfen die Irrlehre, die die Welt der Hoffnung und
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unsere Welt so auseinanderreißt,
Bekenntnisses
119%
daß jene mit dieser nichts
zu tun hat. Wir erblicken hierin die Flucht vor der Erkenntnis, daß die gegenwärtige Welt schon „jetzt“ durch das Ende
bedroht und gerichtet ist und daß das Ende der Welt, Jesus Christus, schon jetzt sein Wort über die Welt horsam fordert. Es gibt ein Pochen auf das ebenso von einer ungebrochenen Weltlichkeit einer frommen Weltflucht her. Beides liegt hier
sagt und Ge„noch nicht“, her wie von auf derselben
Ebene. Beides vermag den Gedanken des Endes in Christus nicht zu denken, denkt also grundsätzlich weltlich. Wir verwerfen die Irrlehre, daß es eine allmähliche innerweltliche Entwicklung zur neuen Welt gebe. Auch das Edelste
in dieser Welt muß in den Tod. Christus mußte an das Kreuz. Auch der Frömmste muß ins Gericht. Christus ist für uns von Gott am Kreuz verflucht. Vom Ausgang dieses Gerichtes kann keine Lehre gegeben werden, weder die eine Lehre von der Wiederherstellung der ganzen Welt noch die andere Lehre von der ewigen Verwerfung. Vom Ausgang dieses Gerichtes kann nur betend gesprochen werden. Wir verwerfen eine Auffassung der Lehre vom tausendjähri-
gen Reich, die in bestimmten geschichtlichen Ereignissen den Beginn der sichtbaren Herrschaft Christi auf Erden eindeutig
erkennen will.
III.
ENGLAND 1933—1935
Der Entschluß An Rev. Singer London S.E. 23, 23, Manor Mount, Forest Hill Berlin, 19. Juli 1933 Sehr verehrter Herr Amtsbruder! Darf ich mich mit einer Anfrage und Bitte an Sie wenden: ich
hätte auf die Anfrage von Herrn Oberkonsistorialrat Heckel große Lust, nach Sydenham zu kommen, wenn Sie mich dort
haben wollen. Mit der gleichen Post werden Sie einen Brief von Oberkonsistorialrat Heckel bekommen, der Ihnen über mich berichtet. Er hat mich gebeten, wenn irgendmöglich, recht bald einmal kurz zu Ihnen hinüberzufahren, um Sie zu besuchen. Da ich Ende nächster Woche in Luxemburg! bin, würde ich anschließend gern, wenn es bei Ihnen paßt, auf einen Sprung zu Ihnen hinüberfahren. Darf ich Sie wohl bitten, mich freundlichst durch Luftpost wissen zu lassen, ob
Ihnen mein Besuch am Montag und Dienstag (den 31. und 1.) recht sein würde und ob ich dann einmal all die Fragen, die mit dem Pfarramt in Sydenham zusammenhängen,
bespre-
chen dürfte? Ich würde in London bei einem englischen Freund wohnen. Ich wäre Ihnen für eine direkte Antwort darum besonders dankbar, weil ich am Sonntagmittag abreise und schlecht zu erreichen bin... In der Hoffnung, Sie bald kennen lernen zu dürfen, bin ich mit herzlichen Grüßen Ihr sehr ergebener Dietrich Bonhoeffer 1. Deutsch-französische Jugendkonferenz. Vier Tage vor Beginn jedoch von deutscher Seite abgesagt.
Der Entschluß
121
Oberkonsistorialrat D. Heckel Berlin-Charlottenburg 2, den 19. Juli 1933 Marchstraße 2 Sehr geehrter Herr Kollege! [Pfarrer Singer, London]
...Es steht für Ihre Nachfolge ein ganz ausgezeichneter jüngerer Geistlicher zur Verfügung. Er ist Studentenpfarrer, war als Austauschstudent bereits in Amerika, dann als Hilfsprediger in Spanien, spricht verschiedene Sprachen und erfüllt außerdem noch, wenn nicht ganz so doch zur Hälfte, den einen Wunsch, den Sie haben, nämlich, daß er zu 50 Prozent Württemberger ist; sein Vater stammt aus Württemberg. Der Herr Kollege kommt in der
nächsten Woche —
er wird an Sie noch persönlich schreiben —
nach drüben und würde sehr gern einmal mit Ihnen Fühlung nehmen. Wenn Sie ihm die Möglichkeit eröffnen könnten, daß er auch mit den Herren des Kirchenvorstandes ins Benehmen kommt, dann würde ich das sehr begrüßen; sie könnten dann einen Eindruck gewinnen von dem Geistlichen, der mir persönlich ganz ausgezeichnet gefällt, und der sich hier auch in den verschiedensten Lagen gut bewährt hat. Daß er unverheiratet ist, kommt außerdem noch als ein besonderer paulinischer Vorzug hinzu. .. Ihr sehr ergebener Heckel
The Palace, Ripon 21st July, 1933. My dear Bonhoeffert, You give no address and I hope the one we have filed from last
year still serves. Your enclosure Committee
just formed
I am sending on at once to a
in connection
with
Leeds
University,
which is making an appeal, a copy of which I enclose. As you will see, the Archbishop of York is President? and I am on the Committee. No doubt there will be many cases before us, but I hope your friend may at least be favourably considered. 1. Übersetzung siehe Seite 601. 2. William Temple.
122
England.
1933 — 1935
Yes, I am hoping to be at Glandl, though it is not quite certain, and I most particularly hope that you will be there, with a Delegation from Germany. If this falls through, the Conference will be robbed of a great part of its value at the present time.
As to the move suggested to yon, it is only you who knows how far yon leaving yourself you say
would be accepting a narrower sphere of influence by the Student World of Berlin, or on the contrary giving freer scope for development and wider experience. What about the disinclination in Germany at present for the
goods the World Alliance seeks to supply is perhaps a sufficient reason for coming to England, where you might be available as an interpreter of Germany at a time when such interpreters are
badly needed. Anyhow, I personally should be delighted to think we might meet more often, and I shall be anxious to hear your final decision. I have exchanged letters occasionally with Ludwig Simon, and wish we might have him at Gland again. With best wishes, I am Yours very sincerely, Arthur Ripon2
Herrn Dietrich Bonhoeffer Weltbund, 44 Georgenstraße, Berlin, N.W.7.
Generalsuperintendent von Berlin T.Nr.
1142 33
Charlottenburg, den 26. Juli 1933 Marchstraße 4-5 Lieber Herr Bruder! [Bonhoeffer] Für die Reise, die Sie vorhaben,
sage ich Ihnen
meine
besten
Wünsche. Ich gönne Ihnen eine Erholungspause. Wir alle haben in den letzten Wochen mehr als unter körperlicher Anstrengung unter der inneren Spannung gelitten. Sollte Sie dieser Brief er-
1. 2. Internationale Jugendkonferenz in Gland, 29. August bis 4. Septem-
ber 1933 (siehe G. $. I S. 162 ff.). 2. Bischof von Ripon, siehe G. S. I, S. 118.
Der Entschluß
reichen, bevor Sie nach Bethel kommen, D. v. Bodelschwingh herzlich zu grüßen. Hause vorübergehe, in dem er vor kurzem schmerzlicher Gedanken nicht erwehren.
123
so bitte ich Sie, Herrn Wenn ich jetzt an dem wohnte, kann ich mich Daß er nicht Reichs-
bischof geworden ist, und so wie die Dinge liegen, auch nicht werden wird, gehört zu den Erfahrungen, hinter die die bange Frage
nach dem Warum gestellt wird. Auf uns lastet die Gegenwart. Gott allein weiß, wo der Weg ist, der ins Licht führt. Mit herzlicbem Gruß
Generalsuperintendent NT.
Ihr Karow
von Berlin
1223 33
Charlottenburg, den 21. August 1934 Marchstraße 4-5 Lieber Herr Bruder! Unter der Hand hatte ich schon gehört, daß Sie die Absicht hätten,
in ein deutsches Pfarramt nach London zu gehen. Es betrübt mich tief, daß Theologen Ihrer Art glauben, in der deutschen Kirche keinen Raum zu haben. Ihre Entscheidung wird ja aber positiv dadurch mitbeeinflußt, daß Ihre ökumenische Arbeit eine Verbindung mit dem Ausland schon hergestellt hat. So bleibt bei Ihnen
wenigstens die Linie der Entwicklung sichtbar. Ich kann Ihnen nur von Herzen wünschen, daß Ihnen die Auslandstätigkeit im Dienst an deutschen Evangelischen eine reiche Befriedigung schenkt. Sie
wird Ihnen die Möglichkeit bieten, für die evangelische Kirche und für das Deutschtum vielleicht wertvollere Dienste zu leisten, als es hier möglich wäre. Eine besondere Freude würde es mir sein, wenn ich Sie nach einigen Jahren in einem heimischen Pfarramt wieder-
sähe. Gott sei mit Ihnen, er segne Sie! Mit treuen Grüßen
Ihr Karow
124
England.
Ev. Theologische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Der Dekan
1933 — 19335
Berlin C 2, den 20. August 1933
Sehr verehrter Herr Kollege, [Bonhoeffer] Ihrer Bitte um Urlaub entspreche ich; und ich möchte Ihnen meine
aufrichtigen Wünsche für Ihre Tätigkeit in London aussprechen und damit den Ausdruck meines Bedauerns verbinden, daß wir Sie in Berlin werden vermissen müssen. Ich hoffe, daß es sich um etwas Vorläufiges handelt. Wie sehr die Fakultät Sie schätzt,
mögen Sie daraus entnehmen, daß bei der letzten Beratung der Vorschläge für die systematische Professur! Ihrer Person von verschiedenen Seiten mit großer Anerkennung gedacht worden ist. Es
ist mir ein Bedürfnis, Ihnen das bei dieser Gelegenheit auszusprechen. In vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener
E. Seeberg
Preußisches Ministerium
für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Ministerialdirektor Dr. Gerullis Berlin, den 4. September 1933 W8 Unter den Linden 4
Sehr verehrter Herr Professor! [D. Wilhelm Lütgert] Eine Beurlaubung von Herrn Privatdozenten
Lic. Dietrich Bon-
hoeffer nach England kann uns aus außenpolitischen Gründen in der heutigen Zeit nur erwünscht sein. Selbstverständlich wird das Ministerium es begrüßen, daß Herr Lic. Bonhoeffer, wenn er ans England kommt, wieder an die Universität zurückkehrt, denn wir haben leider Gottes nicht allzuviel akademische Lehrer, die auch
das Ausland kennen. In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener Gerullis 1. Titius’ Lehrstuhl; Stolzenberg wurde berufen.
Der Entschluß
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Lic. Dietrich Bonhoeffer Privatdozent an der Universität Berlin
Berlin-Grunewald
Hochverehrter Herr Oberkonsistorialrat! [D. Heckel]! Ich habe soeben mit dem Herrn Reichsbischof über meine Ent-
sendung nach London gesprochen. Er hat die Absicht, mit Ihnen die endgültige Entscheidung zu regeln. Darum darf ich noch einmal meinen Standpunkt, wie ich ihn auch heute früh vorgetragen habe, zusammenfassen: Ich bin nicht Deutscher Christ und kann die Sache der Deutschen Christen auch draußen ehrlicherweise nicht vertreten. Ich würde selbstverständlich in erster Linie Pfarrer der deutschen Gemeinde sein, aber meine Beziehungen zu führenden Kreisen der englischen Kirchen von der ökumenischen Arbeit her, sowie mein persönliches Interesse an der ökumenischen
Aufgabe der Kirche, machen eine Stellungnahme zu den Fragen der deutschen Kirche und der Deutschen Christen m. E. schon darum unvermeidlich, weil man an mich mit entsprechenden Fragen herantreten wird. Es bedarf keines Wortes, daß ich in voller politischer Loyali-
1ät gegenüber Deutschland reden und handeln werde... Ich würde lieber darauf verzichten müssen nach London zu gehen, als irgendwelche Unklarheiten über meine Stellungnahme zu erwecken. Ich halte das für einen selbstverständ-
lichen Akt der Loyalität gegenüber unserer Kirche. Darf ich Sie bitten, diesen Brief zu den Akten zu nehmen? Ich grüße Sie herzlichst als ihr stets ergebener Dietrich Bonhoeffer
1. Brief ohne Datum, Anfang Oktober 1933. Heckel hatte in Novi Sad (Life and Work) eine Resolution des Weltrates zu verhindern, Bonhoeffer in Sofia eine solche des Weltbundes zu forcieren gesucht.
126
England.
1933 — 1935
Berlin, den 9. September 1933 Lieber Herr Professor! [Karl Barth]
In Ihrer Schrift! haben Sie gesagt, daß dort, wo eine Kirche den Arierparagraphen einführen würde, sie aufhört, christ-
liche Kirche zu sein. In dieser Meinung ist sich ein großer Teil hiesiger Pfarrer mit Ihnen einig. Nun ist das zu Erwartende
eingetreten, und ich bitte Sie im Namen vieler Freunde, Pfarrer und Studenten darum, uns wissen zu lassen, ob Sie es für eine Möglichkeit halten, in einer Kirche, die aufgehört hat, christliche Kirche zu sein, zu bleiben, beziehungsweise ein Pfarramt, das zu einem Privileg für Arier geworden ist, weiter zu verwalten. Wir haben zunächst eine Erklärung? aufgesetzt, in der wir der Kirchenregierung mitteilen wollen, daß mit dem Arierparagraphen sich die Evangelische Kirche der
altpreußischen Union von der Kirche Christi getrennt hat, und wollen die Antwort darauf abwarten, d. h. ob die unterzeichneten Pfarrer entlassen werden oder ob man sich etwas Derartiges unbekümmert sagen läßt. Mehreren unter uns liegt jetzt der Gedanke der Freikirche sehr nahe. Der Unterschied
zwischen unserer heutigen Situation und der Luthers liegt doch wohl darin, daß die katholische Kirche Luther unter Be-
zeichnung der häretischen Sätze ausstieß, daß aber unser Kirchenregiment das nicht kann, weil ihm der Begriff des Häretischen überhaupt gänzlich fehlt. Darum läßt sich auch nicht einfach von Luthers Haltung her argumentieren. Ich weiß,
daß jetzt viele auf Ihr Urteil warten, weiß auch, daß die meisten der Ansicht sind, Sie würden dazu raten zu bleiben, bis man herausgetan wird. Nun sind aber schon welche her-
ausgetan, nämlich die Juden-Christen, und anderen wird sehr 1. Theologische Existenz heute (Heft 1). 2. Niemöller-Bonhoeffer vom 7. September, siehe Seite 70.
Zweiter
Briefwechsel
mit Karl Barth
127
bald unter Angabe völlig unkirchlicher Gründe dasselbe geschehen. Was folgt daraus für uns, wenn die Kirche wirklich nicht nur jeweils einzelne Gemeinde ist, wie steht es mit der Solidarität der Pfarrer untereinander, wann gibt es überhaupt
eine Möglichkeit des Austritts aus der Kirche? Daß der status confessionis da ist, daran kann ja nicht gezweifelt werden, aber worin sich die confessio heute am sachgemäßesten ausdrückt, darüber sind wir uns nicht im klaren. Gleichzeitig erlaube ich mir, Ihnen einen Durchschlag eines Entwurfes einer Bekenntnisarbeit! zu schicken, der in Bethel gemacht worden ist und demnächst im Druck erscheinen soll.
Ich bin in Bethel ausdrücklich gebeten worden, Sie um Ihr Urteil und Ihre Korrektur sehr herzlich zu bitten. Verzeihen Sie bitte diese beiden Fragen, die in Ihre Zeit einigermaßen eingreifen. Aber das sind Dinge, die gegenwärtig
bei uns
Tausenden von Theologen nahegehen und denen sie und wir alle hier nicht gewachsen sind. Haben Sie vielen Dank für alle Hilfe. In großer Dankbarkeit und aufrichtiger Verehrung bin ich, lieber Herr Professor, Ihr Ihnen stets ergebener Dietrich Bonhoeffer
Bergli, Oberrieden (Kt. Zürich), 11. September 1933 Lieber Herr Kollege! [Bonhoeffer]
Auf Ihren freundlichen Brief möchte ich Ihnen wenigstens gleich einen Gruß schicken. Der Bekenntnisentwurf, von dem Sie schreiben, lag Ihrem Briefe nicht bei. Aber auch die Fragen, die Sie
sonst stellen, sind ernst genug. Ich habe auch von hier aus alles verfolgt, was draußen geschehen ist. Soll man nicht fast dankbar
sein dafür, daß alles so energisch einer Krisis entgegenzutreiben scheint? Aber freilich, bei der Frage: Was dann? kann es einem wohl heiß und kalt werden. Natürlich ist mit dem Beschluß der 1. Erstform des Betheler Bekenntnisses, siehe Seite 90.
128
Generalsynode
England.
jene von
mir
1933 — 1935
erwogene
Möglichkeit
wenigstens
z.T. Wirklichkeit geworden. Bis zum Ausschluß der Nicht-Arier von der Kirchenmitgliedschaft scheint man ja nicht oder noch nicht gehen zu wollen. Aber auch die Verfügung hinsichtlich der Beamten und Pfarrer ist untragbar, und auch ich bin der Meinung, daß der status confessionis gegeben sei. Das wird aber in der Tat zunächst dies bedeuten, daß man es der Kirchenregierung
bzw. der durch sie vertretenen angeblichen oder wirklichen Mehrheit der Kirchenmitglieder in direkter Eingabe, aber auch öffent-
lich sagt: „Ihr seid in diesem Stück nicht mehr Kirche Christi!“ Und es ist klar, daß dieser Protest nicht nur ein einmaliger sein kann, sondern weiter und weitergehen muß, bis das Ärgernis beseitigt ist — oder bis die Kirche mit einem Ausschluß oder mit einer Mundtotmachung der Protestierenden antwortet. Der von Ihnen beabsichtigte Schritt scheint mir also zunächst das Richtige
zu sein. Er wird aber, was auch sein Erfolg sein möge, von weiteren entsprechenden Schritten gefolgt sein müssen. Im übrigen bin ich in der Tat für Abwarten. Das Schisma muß, wenn es kommt, von der anderen Seite kommen. Vielleicht kommt es sofort in Form der Antwort auf den Protest wegen der judenchristlichen Pfarrer. Vielleicht muß sich die heillose Lehre, die nun in der Kirche regiert, zuerst noch in anderen und schlimmeren Abweichungen und Verfälschungen Luft machen; ich habe hier im Zusammenhang eine Menge deutsch-christlicher Literatur zu mir genommen und kann nur sagen, daß ich nach allen Seiten
auf das Schlimmste gefaßt bin. Es könnte dann wohl sein, daß der Zusammenstoß
an einer noch zentraleren
Stelle erfolgt. Je-
denfalls muß man auch den jetzt gefaßten üblen Beschluß sich erst auswirken, das geschaffene Faktum sozusagen sprechend werden lassen. Wenn die Leute so fortfahren, wird die Freikirche eines Tages einfach da sein. Vorher sollte man wohl mit der Möglichkeit noch nicht einmal spielen. Die Sache ist zu verantwortlich, als daß man irgendwie damit umgehen dürfte, sie „starten“ zu wollen. Ich vermute ja, daß man schon an tausend Ecken heimlich damit umgeht! Aber wir werden nur unter den Letzten sein dürfen, die das sinkende Schiff wirklich verlassen, wenn es
so weit kommen sollte, daß wir es noch als sinkendes Schiff betrachten können. Vielleicht darf man dann nicht unter allen Um-
Zweiter
Briefwechsel
mit Karl Barth
129
ständen darauf warten wollen, daß man ausgeschlossen oder abgesetzt wird. Vielleicht muß man dann wirklich „austreten“. Aber das dürfte doch nur eine ultima ratio sein für uns. Wir haben uns durch viel, sehr viel andersartiges Ärgernis auch aus der Dibeliuskirche der Vergangenheit mit Recht nicht gleich hinausdrängen lassen, sondern haben in ihr selbst unseren Protest angemeldet. Dazu sind wir nun auch in der Hossenfelder-Kirche jedenfalls fürs Erste aufgerufen. Ein höchst aktives polemisches Warten wird uns auch hier später auf keinen Fall zu reuen brauchen. Ich denke natürlich daran, daß uns allerlei Unberufene mit dieser oder jener wilden Neugründung zuvorkommen können. Aber es wird sich lohnen, wenn wir uns vornehmen, jetzt auf keinen Fall taktisch, sondern so gut wir können und verstehen, geistlichb zu denken. Ich bekomme immer wieder — und fast lauter zustimmende — Briefe zu meiner Broschüre, meist von mir gänzlich unbekannten Leuten, in der Regel Nicht-Theologen, die sehr oft im Namen „vieler anderer“ reden. Daraus entnehme ich, daß von einer Einmütigkeit des „Kirchenvolkes“ hinsichtlich der jetzt herrschenden Strömung doch gar keine Rede sein kann. Aber zum Kuckuck: nun nur janicht auf Rumor mit Rumor antworten! So gewiß es nicht aussichtslos wäre, schon jetzt einen solchen zu entfesseln. In die-
ser Schlacht werden es diejenigen gewinnen, die mit ihrer Munition zuerst am sparsamsten umgehen, dann aber auch am genauesten zu zielen und am rücksichtslosesten zu schießen wissen. Einmal, einmal, verlassen Sie sich darauf, wird sich die ganze Hos-
senfelderei unter Hinterlassung eines beträchtlichen Gestankes in ihre Atome auflösen... Auch die „Junge Kirche“ habe ich jetzt einmal im Zusammenhang gelesen, dankbar für allerhand Mitteilungen, aber sachlich einfach entsetzt über die Leisetreterei und Leimsiederei, die da das Feld beherrscht. Sieht denn niemand, daß die D. C. über
den so redenden und auftretenden Gegner nur lachen können? Gnad Gott der deutschen Kirche, wenn die jetzt so bitter nötige innerkirchliche Opposition nicht über andere Gesichtspunkte und
Grundsätze und vor allem über eine ganz andere Sprache verfügt, als sie in diesem braven und doch so furchtsamen Durcheinanderreden vernehmbar werden. Ich bin ja neugierig auf das,
130
was
England.
1933 —1935
Herr Lilje gegen mich vorzubringen
verheißen hat!.
Vor-
läufig reut mich kein scharfes Wort, das ich nach dieser Seite geschrieben habe. — Ich schreibe Ihnen dies, um Ihnen deutlich zu machen, daß ich allerdings nur die schärfste prinzipielle Haltung für gut genug halte, um jenes Abwarten zu rechtfertigen.
Und nun erwarte ich also Ihren Bekenntnisentwurf mit Spannung. Der Name „Bethel“ versetzt mich ja, wie ich Ihnen nicht verhehlen will, in leise Unruhe. Die mittlere Linie, die Georg Merz in der letzten Nummer von Zwischen den Zeiten innehalten wollte, war unerträglich. Ich könnte auch bei einer Freikirche der „mittleren Linie“, wie ich sie von dorther im besten Fall erwarte, sicher nicht dabei sein.
Vielleicht werde
ich über kurz oder lang wieder etwas zu
schreiben versuchen?. Aber noch bin ich für mich selbst nicht so weit, deutlich zu sehen, was jetzt eigentlich passiert und passieren müßte. Sie würden mich zu großem Dank verpflichten, wenn Sie mich von Zeit zu Zeit über das, was Sie wissen und denken, unterrichten würden.
Inzwischen lassen Sie sich herzlichst grüßen von Ihrem Karl Barth
London, den 24. Oktober 1933 Lieber Herr Professor! Nun schreibe ich Ihnen den Brief, den ich schon vor 6 Wochen schreiben wollte und der vielleicht damals einen völlig anderen Lauf meines persönlichen Lebens zur Folge gehabt hätte. Warum ich ihn damals nicht schrieb, ist mir jetzt fast unver-
ständlich. Ich weiß nur noch, daß zwei Dinge mitspielten. Ich
wußte, daß sie mit 1000 anderen Sachen beschäftigt waren
und es schien mir in jenen erregten Wochen ein persönliches äußeres Schicksal so ungeheuer belanglos zu sein, daß ich es einfach nicht für wichtig genug halten konnte, um an Sie zu schreiben. Zweitens aber glaube ich zu wissen, daß ein Stück 1. Siehe Junge Kirche Nr. 12, 1933, Seite 137 ff. 2. Siehe Theol. problem.
Existenz
heute,
Heft
3, Seite
3f.
zum
Freikirchen-
Zweiter
Briefwechsel
mit Karl Barth
131
Angst mit im Spiel war; ich wußte, daß ich doch hätte tun müssen, was Sie mir gesagt hätten und ich wollte frei bleiben;
darum entzog ich mich wohl einfach. Ich weiß heute, daß das falsch war und daß ich Sie um Verzeihung bitten muß. Denn ich habe mich nun „frei“ entschieden, ohne im Blick auf Sie frei sein zu können. Ich wollte Sie fragen, ob ich als Pfarrer nach London gehen sollte oder nicht. Ich hätte Ihnen einfach geglaubt, daß Sie mir das Richtige sagen würden, Ihnen allein,
bis auf einen Menschen, der aber an meinem persönlichen Schicksal so fortwährend Anteil nimmt, daß er in meine Unsicherheit mit hineingerissen wurde. Ich wollte immer gern Pfarrer werden, das hatte ich Ihnen ja schon ein paarmal gesagt. Im Juli kam die Londoner Sache an mich heran. Ich sagte mit Vorbehalt zu, reiste für 2 Tage hierher, fand ziemlich verwahrloste Gemeindeverhältnisse
und blieb unsicher. Als im September? die Sache entschieden werden mußte, sagte ich zu. Die formelle Bindung ist leicht. Halbjährige Kündigung. Von der Universität nahm ich nur
Urlaub. Wieweit die Bindung an die Gemeinde fester wird, ist heute noch nicht abzusehen. Es war mir gleichzeitig in Ber-
lin ein Pfarramt im Osten? angeboten worden, die Wahl war sicher. Da kam der Arierparagraph in Preußen und ich wußte, daß ich das Pfarramt, nach dem ich mich gesehnt hätte, gerade in dieser Gegend nicht annehmen durfte, wenn ich nicht die Haltung unbedingter Opposition gegen diese Kirche auf-
geben wollte, wenn ich mich nicht von vornherein meiner Gemeinde unglaubwürdig machen wollte, wenn ich nicht aus der Solidarität mit den judenchristlichen Pfarrern — mein nächster Freund gehört zu ihnen und steht gegenwärtig vor dem
nichts, er kommt jetzt zu mir nach England! — heraustreten wollte. So blieb die Alternative Privatdozent oder Pfarrer, 1. Franz Hildebrandt.
2. Tatsächlich war es August. 3, Lazaruskirche.
132
England.
1933 —1935
und Pfarrer jedenfalls nicht in Preußen. Ich kann Ihnen nun die Fülle der Für und Wider gar nicht aufzählen, obwohl ich sie noch längst nicht überwunden habe, vielleicht nie überwinden werde. Ich hoffe, daß ich nicht nur aus Verdruß über un-
sere kirchlichen Zustände und auch über die Haltung gerade unserer Gruppe gegangen bin. Es hätte allerdings wahrscheinlich nicht lange gedauert, bis ich mich von meinen Freunden förmlich hätte lossagen müssen —
aber ich glaube wirklich,
daß das alles viel stärker gegen London sprach als dafür. Wenn man überhaupt in solchen Entscheidungen nachher ganz bestimmte Gründe ausfindig machen will, so war, glaub ich, einer der stärksten, daß ich mich den Fragen und Ansprüchen,
die an mich herantraten, einfach äußerlich nicht mehr gewachsen fühlte. Ich fühlte, daß ich mich unbegreiflicherweise gegen alle meine Freunde in einer radikalen Opposition befände, ich geriet mit meinen Ansichten über die Sache immer mehr in die Isolierung, obwohl ich persönlich in nächster Beziehung
mit diesen Menschen stand und blieb — und das alles machte mir Angst, machte mich unsicher, ich fürchtete, daß ich mich
aus Rechthaberei verrennen würde — und dabei sah ich gar keinen Grund dafür, daß ich jetzt gerade diese Dinge rich-
tiger und besser sehen sollte, als so manche ganz tüchtige und gute Pfarrer, zu denen ich einfach aufsehe — und so dachte
ich, es wäre wohl Zeit, für eine Weile in die Wüste zu gehen und einfach Pfarrarbeit zu tun, so anspruchslos wie irgendmöglich. Die Gefahr, in der gegenwärtigen Stunde eine Geste zu machen, schien mir größer als die, sich in die Stille zu begeben. So ist es dann gekommen. Ein Symptom war mir außerdem noch, daß für das Betheler Bekenntnis, an dem ich wirklich leidenschaftlich mitgearbeitet hatte, so fast gar kein
Verständnis aufgebracht wurde. Daß mich das nicht persönlich verstimmt hat, glaube ich bestimmt zu wissen; dazu war auch wirklich nicht der geringste Anlaß. Ich wurde einfach seelisch unsicher.
Zweiter
Briefwechsel
mit Karl
Barth
133
Dann kam noch 10 Tage vor meiner Abreise ein Anruf von der Kirchenkanzlei, meine Entsendung mache Schwierigkeiten wegen meiner oppositionellen Haltung den D.C. gegenüber. Ich kam zum Glück zu einer Unterredung mit Müller, dem ich sagte, ich könne selbstverständlich davon nicht zurück und ich bliebe viel lieber hier als unter falscher Flagge zu segeln, könne auch draußen die D.C. nicht vertreten. Das alles wurde auf meine Bitte zu den Akten genommen. M. machte einen
unsäglich dürftigen Eindruck, sagte mir zur Beruhigung: „im übrigen habe ich bereits angeordnet, daß die bestehenden Gegensätze ausgeräumt werden.“ Er blieb aber in meiner Sache unsicher und ich hoffte, die Entscheidung komme nun einfach von außen und war sehr froh. Am nächsten Tag kam die Nachricht, ich solle ausreisen. Angst vor der Ökumene — widerwärtig!. — Jetzt bin ich seit 8 Tagen hier, muß jeden
Sonntag predigen und bekomme fast täglich Nachrichten aus Berlin über den Stand der Dinge. Das zerreißt einen innerlich fast. Und nun sind Sie bald in Berlin? und ich kann nicht da sein. Es kommt mir auch so vor, als sei ich Ihnen durch mein
Weggehen persönlich untreun geworden. Sie werden das vielleicht nicht einmal verstehen. Mir ist das aber eine sehr große Realität. Und bei alledem freue ich mich unendlich, in einer Gemeinde zu sein, auch so ganz abseits. Und dann hoffe ich
ja auch, daß sich mir hier nun die Fragen der Ökumene wirklich klären werden. Denn diese Arbeit will ich hier weitertrei-
ben. Vielleicht kann man auf diesem Wege der deutschen Kirche noch einmal wirklich in etwas beistehen.
Noch weiß ich nicht, wie lange es mich hier halt. Wenn ich wüßte, daß ich drüben wirklich gebraucht würde — es ist so unendlich schwer zu wissen, was wir tun sollen. „Wir wissen nicht, was wir tun [sic] sollen, aber... .“ 1. Siehe S. 125 Brief an Heckel. 2. Vortrag in der Singakademie über „Was ist Reformation?“
134
England.
1933— 1935
So, nun ist dieser Brief geschrieben. Es sind nur persönliche Dinge; aber solche, von denen ich gern wissen wollte, daß Sie sie wüßten. Wenn. ich je wieder ein Wort von Ihnen hören würde, wäre es sehr schön. Ich denke sehr viel an Sie und Ihre Arbeit und wo wir wären, wenn die nicht wäre. Würden Sie mir einmal ganz offen Ihre Meinung zu alldem schreiben? Ich wäre auch für ein scharfes Wort offen und dankbar,
glaube ich. —
Zur Sache möchte ich Ihmen ein andermal
schreiben, wenn meine Maschine da ist. So ist’s zu mühsam für Sie.
In alter Dankbarkeit bin ich Ihr treu ergebener Dietrich Bonhoeffer
(Bonn,) 20. November 1933 Lieber Herr Kollege!
Sie können schon aus dieser Anrede entnehmen, daß ich gar nicht daran denke, Ihren Abmarsch nach England anders denn als ein vielleicht persönlich notwendiges Zwischenspiel zu betrachten. Sie hatten, da Sie diese Sache nun einmal im Sinn hatten, sehr recht, meinen weisen Rat dazu nicht erst einzuholen. Denn ich
würde Ihnen bedingungslos und wahrscheinlich unter Aufführung schwersten Geschützes davon abgeraten haben. Und da Sie mich nun nachträglich wegen dieser Sache anreden, kann ich Ihnen
wahrlich
nichts anderes
zurufen
als: „Schleunigst
zurück
auf
Ihren Berliner Posten!“ Was heißt „Abseitsgehen“, „Stille des Pfarramtes“ usw. in einem Augenblick, wo Sie in Deutschland einfach gefordert sind? Sie, der Sie so genau wissen wie ich, daß
die Berliner Opposition und die kirchliche Opposition in Deutschland überhaupt innerlich auf so schwachen Füßen steht! Daß jeder ehrliche Mann alle Hände voll damit zu tun haben müßte, sie scharf und klar und fest zu machen! Daß jetzt vielleicht alles
kaputt geht nicht an der wahrlich nicht allzu großen Macht und List der D.C., wohl aber an der Sturheit und Dämlichkeit, an der heillosen Ungrundsätzlichkeit gerade der Anti-D.C.! Daß
Zweiter
Briefwechsel
mit Karl Barth
135
man jetzt unter keinen Umständen weder Elia unter dem Wacholder noch Jona unter dem Kürbis spielen darf, sondern aus allen Rohren schießen muß! Was soll das Lob, das Sie mir spenden — von der anderen Seite des Kanals her! Was sollte die Bot-
schaft, die mir Ihr Schüler ausrichtete, als ich gerade mitten im Gemenge mit dem famosen „Brüderrat“ des Notbundes war — statt daß Sie dagewesen und mir diesen Brüdern gegenüber beigestanden hätten? Sehen Sie, ich bin ja nun in den letzten Wochen zweimal in Berlin gewesen und glaube nun ziemlich genau zu wissen, was dort gespielt wird, habe mich auch redlich bemüht, das Steuer herumzureißen, habe wohl auch einige Teilerfolge gehabt, hätte aber, wenn die Dinge sich zum Guten wenden sollten, ganz, ganz andere Erfolge haben müssen und bin darum speziell das zweite Mal sehr deprimiert von jener Stätte weggegangen. Warum waren Sie nicht da, um mit am Seil zu ziehen, das ich fast allein ja wirklich kaum vom Fleck kriegen konnte? Warum sind Sie nicht dauernd dort, wo nun so viel darauf ankäme, daß ein paar beherzte Leute bei jedem großen oder kleinen Anlaß auf der Wache wären und versuchten, zu retten, was zu retten ist? Warum, warum? Sehen Sie, ich unter-
stelle ja, wie schon gesagt, gerne, daß dieser Ihr Abmarsch für Sie persönlich notwendig war! Aber ich muß schon hinzufügen dürfen: Was heißt im gegenwärtigen Augenblick sogar „persönliche Notwendigkeit“! Ich meine aus Ihrem Brief zu sehen, daß Sie, wie wir alle — jawohl, wie wir alle! — leiden unter der ganz ungemeinen Schwierigkeit, in dem gegenwärtigen Chaos „gewisse Tritte“ zu tun. Aber sollte es Ihnen nicht einleuchten, daß das kein Grund ist, sich diesem Chaos zu entziehen, daß wir
vielmehr in und mit unserer Ungewißheit, und wenn wir zehnmal und hundertmal straucheln und irren sollten, gefordert sind, unseren Mann zu stellen, wie gut oder schlecht wir dann unsere Sache machen mögen. Mir will es einfach so gar nicht ge-
fallen, daß Sie angesichts dessen, worum
es für die deutsche
Kirche heute geht, jetzt noch eine solche Privattragödie auf die Bühne stellen mögen, als ob nicht nachher, wenn wir so Gott
will aus dem Schlamassel wieder ein wenig herans sind, zur Abreagierung der verschiedenen Komplexe und Hemmungen, an denen Sie leiden wie andere auch darunter zu leiden haben, Zeit
136
England.
1933 — 1935
genug wäre. Nein, ich kann und ich werde Ihnen auf alle Begründungen oder Entschuldigungen, die Sie mir vielleicht noch vortragen könnten, immer nur anworten: Und die deutsche Kirche? Und die deutschen Kirchen? — bis Sie wieder in Berlin sind, um treu und brav Ihr dort verlassenes Maschinengewehr zu bedienen. Merken Sie noch nicht, daß jetzt eine Zeit gänzlich un-
dialektischer Theologie angebrochen ist, in der es auf keinen Fall angeht, sich mit „Vielleicht — vielleicht auch nicht!“ in Reserve zu halten, sondern daß jetzt jeder beliebige Bibelspruch uns förmlich zuschreit, wir verlorenen und verdammten Sünder sollten jetzt einfach glauben, glauben, glauben?! Sollten Sie mit Ihrem
schönen theologischen Rüstzeug, und dazu noch eine solche Germanengestalt wie Sie, sich nicht fast ein wenig genieren etwa vor einem Mann wie Heinrich Vogel, der verhutzelt und aufgeregt wie er ist, einfach immer wieder da ist, seine Arme kreisen läßt wie eine Windmühle und „Bekenntnis, Bekenntnis!“ schreit und in seiner Weise — in Kraft oder Schwachheit, darauf kommt
jetzt nicht so viel an —
tatsächlich ablegt? Ich kann Ihnen ja
wirklich nicht die Beteiligung an einem Triumph in Aussicht stellen, wenn ich Sie bitte, wieder nach Deutschland zurückzukommen. Es ist hier alles so mühselig und unerfreulich wie nur
möglich, und so wie man sich auf ein taktisches oder geschichtsphilosophisches Denken
auch nur ein bißchen einläßt, kann man
sich jeden Augenblick klar machen, daß — will sein Opfer haben —
es rast der See und
alle Mühe doch umsonst, die deutsche
Kirche doch verloren ist. Sie werden
aus der Fortsetzung der
neuen Schriftenreihe! — sie bringt auch in Heft 3 und 4 mehr oder weniger aktulle Dinge von mir — sehen, wieviel Mühe ich selber habe, mich der Müdigkeit zu erwehren. Aber nicht wahr, man darf ja jetzt nicht müde werden. Und so darf man jetzt noch weniger nach England gehen! Was in aller Welt sollen und
wollen Sie dort drüben? Seien Sie froh, daß ich Sie nicht persönlich hier habe, denn ich würde sonst noch ganz anders eindringlich auf Sie losgehen mit der Forderung, Sie müßten jetzt alle noch so interessanten denkerischen Schnörkel und Sondererwägungen fallen lassen und nur das eine bedenken, daß Sie 1. Theologische Existenz heute.
Zweiter
Briefwechsel
mit Karl Barth
137
ein Deutscher sind, daß das Haus Ihrer Kirche brennt, daß Sie genug wissen und was Sie wissen gut genug zu sagen wissen, um zur Hilfe befähigt zu sein, und daß Sie im Grunde mit dem nächsten Schiff auf Ihren Posten zurückkehren müßten! Nun,
sagen wir: mit dem übernächsten! Aber ich kann Ihnen schon nicht ausdrücklich und eindringlich genug aussprechen, daß Sie nach Berlin und nicht nach London gehören. Da auch Sie mir im Grunde nur dies geschrieben haben, daß Sie nun eben dort seien, will ich Ihnen für diesmal auch nichts anderes schreiben als dies, daß Sie in Berlin sein sollten. Leider muß ich mir Ihre Adresse erst durch G. Staewen schicken lassen, so daß Sie dieser Brief erst mit einiger Verspätung erreichen
kann. Sie werden ihn so freundschaftlich verstehen wie er gemeint ist. Wenn mir nicht so an Ihnen gelegen wäre, würde ich Ihnen nicht so ans Portepee greifen. Mit herzlichem Gruß! Ihr Karl Barth
138
England.
1933 —1935
London, 16. 23, Manor
November 1933 Mount, S.E.23
My Lord, [G.K. A. Bell, Bischof von Chichester]! I thank you very much for your kind invitation to come to Chichester on November 21st. It is indeed a great pleasure for
me to come. May I ask you what time would be convenient for you for my arrival? You certainly know of the recent events? within the German church, and I think that there is a great likelihood for a separation of the minority from the Reichskirche, and in this case an action of ecumenic support would certainly be of immense
value in this tense situation. T'here is no doubt that any sort of separation would become at once a strong political issue, and for this reason would probably be dealt with by the government in an exclusively political way. It seems to me
that the responsibility of the ecumenic work has perhaps never been so far-reaching as in the present moment. If the ecumenic churches would keep silent during those days, I am afraid that all trust put into it by the minority would be
destroyed. Undoubtedly — Müller is now in a very precarious situation, and a strong demand from the side of the ecu-
menic churches could be the last hope for the Christian Churches in Germany. We must not leave alone those men
who fight — humanly spoken — I get news with every mail and I will forward to you the recent In the enclosed paper you will
an almost hopeless struggle. also by telephone. If I may, information. find some very typical for-
mulations of the Teutonic Christians. 1. Übersetzungen siehe Seite 602—608. Hier folgt der in G. S. I S. 529 angekündigte Briefwechsel, von dem dort nur ein Teil hat gedruckt werden können. G. S. I S. 182 ff. 222, 2. 13. November 33 Sportpalastkundgebung der D.C. mitRede Dr. Krause.
Erster
Briefwechsel
mit
dem
Bischof
von
Chichester
139
I think one ought to try to drive a wedge between Müller and the radicals. On the other hand one cannot rely by any means on Müller’s personal theological insight and it is
dangerous to put too much trust into such a break. With many thanks, I remain, My Lord, Yours very sincerely, Dietrich Bonhoeffer
17th November, 1933 Dear Dr. Bonhoeffer, I am delighted that you can come to Chichester on Tuesday, November 2l1st... I appreciate what you say about the ecumenical movement and its task just now. Have you seen my letter to Bishop Müller? I enclose the English original text and a German translation!. It was printed in full in “The Manchester Guardian” on Monday, and the main portions appeared in “The Times” and other papers.
Bishop Müller knew it was to be published and I received no objection. Dr. Schönfeld tells me that he has seen Bishop Müller and Bishop Schöffel, and that my letter had made an impression. I understood from Schönfeld that Bisbop Müller was going to send me a preliminary reply and that he might possibly ask for a delegation from the oecumenical movement to visit Berlin and see Church leaders. But I have heard nothing more. Yours sincerely, George Cicestr
London, 25. My Lord
November 1933
Bishop,
The two days which I spent in your home meant so much to me that I beg to thank yon once more for this opportunity which yon so kindly gave to me. I have received your letter,
and I shall certainly keep all you told me to myself. Things 1. Brief vom 23. Oktober 1933, siehe Anmerkung G. S.T S. 183.
140
England.
1933—1935
in Germany are getting on — as it seems — more slowly than one could expect, and I am almost afraid that the influence of the radical German Christians becomes once more very strong, and that Müller will yield under this heavy pressurel. I shall give you new information as soon as so-
mething important will occur. I remain, My Lord, yours very sincerely, Dietrich Bonhoeffer
November 27th, 1933? My Lord Bishop, May I draw your attention to the enclosed leaflets. Three
pastors have been dismissed only because of their sincere confession to Christ as the only Lord of the Church?. Ohne of them Pastor Wilde is father of seven children. The case is not decided yet definitely, but perhaps the moment has come when the ecumenical movement ought to provide for subsidies and financial support for those who will lose their positions for the only reason of their being confessors of their
faith. Things are becoming very acute. Schöffel has resigned, Prof. Fezer has left the German Christian Movement. Yours, My Lord, very sincerely, Dietrich Bonhoeffer
1. 23. und 24. November: Tagung der DC in Weimar, Hossenfelder gehalten, anschließend Huldigungs-Delegation nach Berlin zum Reichsbischof. 2. Zwischen diesen und den nächsten Brief gehört der vom 27. Dezember 1933. Siehe G. S. IS. 182/83. 3. Suspendierung vom Amt wegen Verlesung der Kanzelabkündigung des Pfarrernotbundes vom 19. November 1933 gegen die Sportpalastereignisse.
Erster
Briefwechsel
mit
dem
Bischof
von
Chichester
141
2nd January, 1934 Chichester an den Editor „Ihe Round Table“ Dear Sır, ...] am delighted that you propose to secure an article on the crisis in the German Protestant Church, for the March “Round Table”. I wish I could write it, but I simply have not got the time bevore March. I should however like to suggest a man who would do the article with great ability and first-hand knowledge. He is Dr. Dietrich Bonhoeffer, 23 Manor Mount, Forest Hill, S.E.23. For the last three months about, he has been German Pastor in London. I know him well and he was introduced to me by Professor Adolf Deissmann of Berlin as “one of our best young theologians”. He speaks English perfectly. He is under 30. He spent a year in U.S.A. for theological purposes. He knows the personnel of the German Church at Berlin extremely well and is a follower of Karl Barth. He is also in almost daily touch with the situation in Berlin. Further he is one of the earliest members of the Pastors Emergency League, now swollen to 6,000 members, and his name is actually the first of the twenty or so signatures to the famous manifesto which the pioneers of the Pastors Emergency League presented to the Prussian Synod in September. I do not think you could get anyone to write an
article of the kind you want with more authority, and yon can be very certain of his ability. I would gladly help him in any way that was useful. If you liked I would write to him myself and make the proposal. But that is just as you please. He would quite understand the points which you set out in your letter to me, and I could send on your letter as it stands to him if you
liked. He and I would probably discuss the article together, as he is coming to stay with me again shortly,
Yours faithfully,
1. Gemeint’ ist die Eingabe an die Nationalsynode Seite 74 f.
George Cicestr
in Wittenberg, siehe
142
England.
1933—1935
4th January, 1934 My dear Bonhoeffer, Very many thanks for your letter!. I am very anxious to see you at an early date, for I have an important proposal with regard to a long article in a very important periodical to put before you. As
it turns ont, I shall be away myself to-night and probably to-
morrow
night, for personal reasons.
Could
yon send me
your
telephone address on a postcard, so that I may talk to you? When are you most likely to be in? I want you to reserve yourself for a luncheon engagement which has been suggested, if you will, on Tuesday, January 23rd, at 1. 15. p. m. Let me know about this2. Yours sincerely, George Cicestr
London, January 17th, 1934 My Lord Bishop,
It is my strong desire to thank you most heartily for your letter which I have just read in The Times?. I am sure, it will be of very great importance for the decisive meeting of to-
day*. We German pastors in London have sent a telegram to Hindenburg, Hitler, Neurath, Frick, Müller, saying that only
the removal of Muller could pacify the highly excited German congregations here in England’. You have certainly seen
the new order of Rust forbidding all professors of theology 1. Siehe G. S.I S. 182 f. 2. Die Verabredung war von Lord Lothian gewünscht. Den Artikel zu schreiben lehnte Bonhoeffer ab. 3. Brief an den Editor vom 7. Januar 1934. — Vorausgegangen waren der „Maulkorberlaß“ des Reichsbischofs mit Wiedereinführung des Arierparagraphen und die Kanzelabkündigung des Notbundes, Versammlungsverbote und Rust’s Verordnung vom 13. Januar, daß keine Universitätsprofessoren sich gegen die Kirchenregierung wenden dürften. 4. Der Empfang der Kirchenführer bei Hitler (25. Januar 1934) war ursprünglich auf den 17. Januar angesetzt. 5. Siehe Seite 159.
Erster
Briefwechsel
mit
dem
Bischof
von
Chichester
143
to take part in the opposition against Muller and to be members of the Pastors’ Emerg. League. If this order is the beginning of a state action against the opposition, then, I think,
your letter should be enforced by a most drastic disapproval of Muller’s policy and approval and support for the opposition, directed to President von Hindenburg as a “membrum praecipuum of the protestant Church”. Any delay of time
would then probably be of great danger. A definite disqualification of Muller by the ecumenical movement would perhaps be the last hope — humanly spoken — for a recovery of the German Church. It may be, of course, that Rust’s order is one of the many attempts from the side of the Prussian goverment to anticipate the decision of the Reich and
to overrule the Reich government. T’he first prints of your book in German have just arrived!. I thank you once more for your help. Yours very respectfully,
Dietrich Bonhoeffer
18th January, 1934
My dear Bonhoeffer, Ever so many thanks for your most kind letter. I have to-day written a letter to the Reichsbischof, a copy of which I enclose2.
It has gone by air mail — two copies, one to Jebenstrasse 3, the other to Marchstrasse 2, under direction to Wahl.
I am considering the question whether it would be a wise and legitimate action on my part to send a copy of this letter to President Hindenburg. If so, I wonder whether it would be embarras-
sing you if I asked you to translate the letter into German — both the covering letter to the President and the letter to Bishop Müller. I particularly do not want
you
to do anything injudicious.
1. „A brief sketch of the Church of England“, 1929 und später in mehrere Sprachen übersetzt. 2. Siehe Anmerkung G. S. IS. 183.
SCM-Press,
1
geschrieben
144
England.
1933 — 1935
shall probably in any case send copies of my letter to Bishop Müller in English to Deissmann and Dibelius, but one is anxious not to embarrass one’s friends, and even that may be unwise. Will yon, if you think there is anything in it, translate both the covering letter and the letter to Bishop Müller into German, and let me have the copies by return of post? But use your own indgement, and if yon would rather have nothing to do with it, I shall understand. Yours ever, George Cicestr
My Lord Bishopt, Thank you very much for your wonderful letter to Reichsbischof Müller. One feels that it comes out of such a warm
and strong desire to stand for the Christian cause and to “open the mouth for the dumb in the cause of all such as are appointed to destruction” (Proverbs 31:8), that it must undoubtedly be convincing for everybody. I am sending you the translations of the letters and I am absolutely convinced that it would be of immense value, if
Hindenburg would learn to know this point of view. It has always been the great difficulty to have a free discussion with
him about that matter, because there were many people who wanted to prevent it. So it is all the more important, that he gets your letter. Once more many thanks. I am always yours very respectfully, Dietrich Bonhoeffer
An seine Exzellenz den Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg Berlin, Wilhelmstraße
[handschriftliche Hinzufügung als Anweisung, zu adressieren] 1. Brief ohne Datum,
geschrieben
am
19. Januar
1934,
Erster Briefwechsel
mit dem Bischof von Chichester
145
10th February, 1934 M» dear Bonhoeffer, I enclose a copy of a letter to Schonfeld for your information, I
should very much like to see yon, for I want your help with regard to the Round Table article which is now in manuscript. Would it be at all possible for you to spend Wednesday, February 14th, here, arriving at 11 a.m.? The article has to be in the printer’s hands by Thursday, and if you could stay Wednesday night as well, we could get on I think. I rang you up last night but yon were out. Yours ever, George Cicestr
My Lord Bishop!, Thank you very much for your very interesting letter. I should like to come to Chichester on Wednesday very much,
but last night, I received a telephone call from Germany and I was asked most urgently to come to Germany for a meeting which shall take place tomorrow afternoon at Hannover?. The Emergency League will take this decision about its future, separation, etc. So I will leave to-night and shall unfortunately not be able to come to see you on Wednesday. I
shall be back probably on Saturday. If yon want some information from a German I should propose to telephone to Pastor Rieger, my colleague, Greenwich 2613. I will try to read the paper still before I leave and to make some notes?. I am very sorry not to be able to help yon as much as I should
like to. Yours very respectfully,
Dietrich Bonhoeffer
1. Brief ohne Kopf und Datum, geschrieben am 12. Februar 1934. 2. Sitzung des Bruderrates des Notbundes am 13. Februar 1934. Besprechung der Fragen, die in Barmen resultierten. 3, Bell’s Round-Table-Artikel, siehe „The Round Table, a Quarterly Review of the Politics of the British Commonwealth“ Volume XXIV, March 1934, No 94, Seite 319—333.
146
England.
1933 — 1935
24th February, 1934 M» dear Bonhoeffer, I am very anxious to see yon. I wonder whether you have re-
turned from your wanderings? I hope very much yon are better, for I was very sorry to learn from Pastor Rieger that you had fallen a victim to a chill or influenzal. I am in London on
Wednesday evening and Thursday morning. What would suit me best of all would be if yon could come and have breakfast with me at the Athenaeum at 9 o’clock on Thursday morning. Is that too outrageous? Yours ever, George Cicestr?
1. Bonhoeffer war auf der Reise in Berlin krank geworden und dort länger als geplant geblieben. 2. Zu dieser Periode gehört noch Bonhoeffers Brief vom 14. März 1934
siehe G. S. 15.184 f.
|
Die
Bradforder
Pfarrkonferenz
147
Londoner Auswirkungen des Sportpalast-Skandals
An die Reichskirchenregierung in Berlin. Bradford, 29. November 1933 Die heute zur Pfarrerkonferenz in Bradford versammelten deut-
schen evangelischen Pfarrer! stellen mit freudiger Genugtuung fest, daß der Herr Reichsbischof in seiner Erklärung vom 14. November 1933 mit starken Worten für die Reinheit der Lehre eingetreten ist. Trotz dieser Erklärung? geben uns die letzten kirchlichen Entscheidungen, die letzten Vorkommnisse innerhalb der „Glaubensbewegung Deutsche Christen“, sowie öffentliche und private Erklärungen anläßlich des Besuches hoher Kirchenführer in England Veranlassung zu einer Erklärung, zu der uns eine große Sorge für die Zukunft der Kirche und unserer Gemeinden getrieben hat. 1. Wir hoffen und erwarten von allen, die in Kirche und Kirchenleitung ein Amt tragen, daß sie — dem Versprechen des Herrn Reichsbischofs gemäß — die Lehre von dem Glauben an die allein rechtfertigende Gnade in Jesus Christus — den alleinigen Grund-
satz reformatorischen Denkens — als die Lehre der Kirche in Wort und Tat anerkennen, und daß mit allen Mitteln dafür Sorge ge1. Bonhoeffer hielt ein Referat über die Ereignisse des Jahres 1933. 2. Im Entwurf steht in Bonhoeffers Handschrift noch folgender Absatz, den die Versammlung nicht aufnahm: „.... doch begreifen wir nicht, daß der Herr Reichsbischof gleichzeitig Schirmherr der Glaubensbewegung Deutsche Christen bleibt, deren Reichsleitung einen unerträglichen Angriff auf
das Bekenntnis der Kirche in der Form einer Verspottung der Bibel und des Kreuzes Christi schweigend mitangesehen hat, und es für richtig gehalten hat, ausgerechnet einen Mann, der durch sein Verhalten auf dieser Versammlung nur Billigung zum Ausdruck gebracht hat, zum Amtsnachfolger Dr. Krauses innerhalb der Bewegung zu machen.“ Müller legte die Schirmherrschaft erst Mitte Dezember nieder; der Amtsnachfolger Krauses war Pfarrer Tausch, Berlin.
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England.
1933 —1935
tragen werde, daß solche grundsätzliche Stellung aller Amtsträger auch für jeden Außen- und Fernstehenden gegenwärtig und in
Zukunft über jeden Zweifel erhaben bleibt. 2. Wir hoffen und erwarten, daß das Formalprinzip der deutschen Reformation — die Normierung des Glaubens allein durch die
Heilige Schrift Neuen und Alten Testamentes — nach jeder Richtung hin völlig unangetastet bleibe. Das Vertrauen zur Kirchen-
führung droht in ganz schwerer Weise gestört zu werden, wenn Mitglieder von Kirchenregierungen
die Gültigkeit dieses reforma-
torischen Grundsatzes durch ihr uns unverständliches Verhalten in der Öffentlichkeit ernstlich in Frage stellen oder solchen Bestrebungen
ihre Unterstützung
leihen,
die das unveräußerliche
Erbgut der deutschen Reformation zu zerstören suchen. Wir weisen darauf hin, daß jeder Zweifel an der Unantastbarkeit von Material- und Formalprinzip der Reformation im kirchlichen Leben der deutschen evangelischen Gemeinden in Großbritannien schwere Störungen zur Folge haben und zweifellos die enge Ver-
bindung der deutschen evangelischen Diaspora Englands mit der Heimatkirche lösen muß. Empört und beschämt über die Angriffe auf die Substanz evan-
gelischen Glaubens geben wir im Lutherjahr 1933 und anläßlich der Inthronisierung des Herrn Reichsbischofst um der Einheit und
Reinheit der Kirche willen der Hoffnung und Erwartung Ausdruck, daß die Deutsche Evangelische
Kirche auch in aller Zu-
kunft die Kirche der Reformation bleibe. G. Schönberger, London Julius Rieger, London W. Hansen, Bradford
K.H. Schreiner, Liverpool M. Böckheler, Hull Dietrich Bonhoeffer, London.
1. Die Einführung des Reichsbischofs im Berliner Dom war zum 3. Dezember 1933 geplant, kam nicht zustande und wurde erst am 23. September 1934 vollzogen. Eine geplante Abordnung der englischen Auslandspfarrer zum 3. Dezember verursachte diesen Brief, welcher an die Stelle der Abordnung trat.
Die
Bradforder
Pfarrkonferenz
London, S.E. 23, 30.
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November 1933
Lieber Bruder Niemöller,
wir hätten am liebsten den Hörer gleich wieder aufgenommen!, um nun unsererseits Ihnen brüderlichst mit dem gan-
zen Gewicht unserer Jugend in die Arme zu fallen und Sie zu beschwören, daß Sie nicht jetzt im entscheidenden Augenblick die Leitung des Schiffes denen überlassen, die es bestimmt wieder ins Ungewisse lenken und das Steuer erst dann
zurückgeben, wenn es zu spät ist. Nur die Admiräle können es jetzt machen. Ihr Kurs des vergangenen Sommers schien uns die einzige Hoffnung dafür, daß der Brüderrat zum radikalen Angriff vorgehen werde, statt in der Taktik zu ver-
sarden. Vielleicht ist heute der letzte Augenblick, die Kirche zu retten, und wir alle stehen, wenn wir ihn vorbeilassen, in zwei Jahren als die Schuldigen da (wer kann heute überhaupt auch nur 14 Tage weit rechnen?). Falsche Scham und Scheu war schon einmal, im Juni, unser Verhängnis. Wenn jetzt nicht Sie oder Jacobi zugreifen, wird binnen kurzem das alte
Schlamassel unwiderruflich zurückgekehrt sein. Unerläßlich ist doch nun die sofortige Auflösung der Synoden
und die Reinigung der ganzen Kirche von der ganzen Pest — nach dem alleinigen Gesichtspunkt eines strengen Lehrzuchtverfahrens (Kollegium Sasse als Lutheraner, Barth als Reformierter) — und die strikteste Mitgliedersperre gegen alle al-
ten und neuen Halben in unserm Kreis. Eben weil es um die Lehre und nicht um die Stellen geht, ist es jetzt wirklich egal, ob einige Ignoranten von Postenjägerei reden. Wer glaubt denn das! Es hilft heute nur die Sprache Luthers und nicht die Melanchthons — gerade in den Behörden. Jetzt erwarten alle von den ernsthaften Leuten, daß sie die Verantwortung
zu tragen und die Führung zu übernehmen wissen; was die 1. 30. November 1933 Rücktritt des Geistlichen Ministeriums.
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England.
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Bayern und die Greise können, haben sie uns in der kritischen Zeit zur Genüge bewiesen. Bitte hören Sie auch die Stimmen aus dem wilden und nicht nur aus dem zahmen Westen und nehmen Sie in aller Herzlichkeit und in großer Sorge viele Grüße von Dietrich Bonhoeffer und Franz Hildebrandt
Telegramm vom 4. Dezember 1933 aus London an Niemöller: hoeren mit bestuerzung von entzweiung im bruederrat stop ausschluss jacobis von verhandlungen zwaenge uns zum sofortigen austritt und vereitelte unmittelbar bevorstehenden beitritt der deutschen pfarrer englands jacobi als besonnenster muss herausgestellt werden stop weg von der blamablen mittellinie warum flucht vor der verantwortung mit bruederlichen gruessen die londoner
An die deutschen Pfarrer in Großbritannien z. H. Herrn Pfarrer Wehrhan London S.W, 13 19, Beverley Road Berlin-Dahlem, den 9. Dezember 1933 Cecilienallee 61 Liebe Brüder!
Ihr freundliches Schreiben vom 5. d. M. und die Abschrift der Erklärung an die Reichskirchenregierung haben wir mit Dank gelesen. Was Ihre Befürchtung anbetrifft, der Notbund würde sich mit seinen Gliedern der auferlegten Verantwortung entziehen!, so dürfen Sie da ganz ohne Sorge sein. Die Brüder des Notbundes hier sind aber darin einig, daß in das Kirchenregiment nicht Einzel-
persönlichkeiten — auch nicht von unserer Seite — gehen sollen, sondern Leute, hinter denen eine Kirche steht. In diesem Sinne 1. Siehe Seite 149.
Besorgnisse
um
den Pfarrernotbund
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ist es unmöglich, daß ein Einzelner von uns in ein Kabinett eintritt, das im übrigen eine völlig anders geartete Zusammensetzung aufweist; wir haben energisch alle derartigen Kompromißvorschläge abgewiesen.
Sie dürfen versichert sein, daß ohne Rücksicht auf persönliche Fragen von uns gehandelt wird, und daß der Notbund, die lutherischen Bischöfe als Vertreter intakter Kirchen und Westfalen einheitlich vorgehen. Ihren Beitritt zum Notbund könnten wir nur mit Freude begrüßen.
In brüderlicher
Verbundenheit
grüßt Sie im Namen
des Not-
bundes Niemöller, Pfarrer
London, 15. Dezember 1933 Lieber Bruder Niemöller, fortgesetzt bewegen sich unsere Gedanken bei jedem Brief und jeder Zeitung in der Richtung auf Berlin und besonders auf Dahlem. Vielleicht sagen Sie, wir verstünden in unserm Alter und an unserm Ort die Lage nicht zu übersehen. Sie mögen recht haben. Das eine können wir jedenfalls nicht verstehen, daß es in dieser kritischen Zeit irgendeine persönliche oder sachliche Spannung zwischen Ihnen und Jacobi geben sollte, bei der die Müller, Meiser, Beyer den tertins gandens und wir die betrübten Zuschauer spielen müßten — wo doch alle menschliche Hoffnung für die Kirche auf dem einmütigen Handeln gerade von Ihnen beiden als den bewährten Führern vom Sommer ruht. Wenn wir an unserm Teil mithelfen könnten, die Wolken etwas zu vertreiben, wären
wir sehr glücklich — gerade weil wir uns im Entscheidenden, in der Sorge um die neue Kirche, mit ihnen beiden einig wissen.
Herzlichst und brüderlichst Ihr Hildebrandt
1. Das Geistliche Ministerium mit Hossenfelder war am 30. November 1933 zurückgetreten. Nach mehreren Tagen Verhandlungen entstand ein neues Ministerium mit Lauerer, Beyer, Weber, Werner.
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Lieber Bruder Niemöller!! Nur schnell sagen möchte ich Ihnen, daß ich viel an Sie denke und im Stillen mir immer wieder die ungeheure Verantwortung vor Augen halte, die auf Ihnen liegt. Die Klarheit, mit
der Sie im Sommer den Kurs angegeben haben, macht uns beide immer wieder hoffnungsvoll, daß nicht doch noch jetzt
im letzten Augenblick „wir nicht verstehen, zu siegen“, und uns von der rein theologischen Linie abdrängen lassen. — Wir müssen jetzt grade in allen Punkten, also auch beim Arierparagraphen, radikal sein und vor keiner Konsequenz, die uns Unannehmlichkeiten bringen könnte, zurückscheuen. Wenn wir jetzt hier irgendwie untreu werden, diskreditieren wir unseren ganzen Kampf im Sommer. Bitte, bitte, sorgen Sie dafür, daß hier alles klar, mutig und sauber bleibt.
In herzlicher Verbundenheit mit vielen Adventsgrüßen Ihr D. Bonhoeffer
Berlin-Dahlem, den 27. Dezember 1933
Cecilienallee 61 Lieber Bruder Hildebrandt! Ihnen und Bonhoeffer möchte ich doch vor Jahres Schluß noch einen Gruß schicken, wenn Sie mir mit Ihren verschiedenen Zu-
schriften auch das Leben an einigen sehr belasteten Tagen noch mehr belastet haben! — Aber ich weiß ja, daß das in der besten Absicht, wenn auch offenbar auf Grund falscher Informationen geschehen ist.
Die Lage ist die, daß zwischen mir und Jacobi keine persönlichen Differenzen irgendwelcher Art bestanden haben. Es war lediglich insofern ein Auseinandergehen, als ]J. eine Möglichkeit zu sehen glaubte, die ich als eine Falle ansehen mußte: Die Bischöfe hatten zusammen mit den anderen Kirchenführern, soweit sie nicht D.C. 1. Mit Hildebrandts Zeilen zusammen
ein Brief.
Besorgnisse
um
den
Pfarrernotbund
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sind, dem Reibi ein vollständiges Kabinett vorgeschlagen, was dem Reibi naturgemäß sehr peinlich war, zumal sich herausstellte, daß hinter diesem Kabinettsvorschlag eine geschlossene Front der Kirchenführer, der Provinz Westfalen und des Pfarrernotbundes stand. — Der Schreck war groß, und nun versuchte die Kamarilla um Müller diese Front zu sprengen, indem sie mit den einzelnen Teilen für sich verhandelte. Bei der Gelegenheit sagte mir Oberheid: Wie wäre es, wenn Sie selber das unierte Ministerium über-
nähmen? — Ich habe diese Frage nicht ernst genommen, und ich konnte auch gar nicht anders als sofort Nein sagen, da wir uns ja an die übrigen Mitbeteiligten und an die Vorschläge der Bischöfe gebunden hatten. Hier setzte Jacobis Widerspruch ein und er behauptete, ich hätte Ja sagen müssen, — Daraus ist die Legende von meiner Scheu vor der Verantwortung geworden! — Weiter habe ich mit ]. eine kleine Differenz gehabt wegen der Frage der Beteiligung an dem „Schiedsgericht“, in das Jacobi eintreten sollte und auch anfänglich wollte. Die Sache hat sich rund eine Woche bingezogen und endete damit, daß Jacobi einsah, daß wir unmöglich einen Teil der Verantwortung für den Reibi und sein neues Kabinett übernehmen dürften. Auch die Sache ist also erledigt. Inzwischen ist das neue Kabinett wieder auseinandergebrochen, insofern als kein lutherischer Minister zu finden war und vor einigen Tagen auch Weber zurückgetreten ist, sodaß nun das Kabi-
nett nur noch aus Beyer und Werner besteht. Der Reibi hat sich noch einmal durch die Preisgabe des Evang. Jugendwerkes zu retten versucht. Aber das wird auch nicht glücken, und das wird zu einer neuen Attacke auf ihn führen. Die Reichsbischofskrise ist kaum noch zu verhüllen. — Was die Neuordnung angeht, so bin ich nicht dafür, daß jetzt exponierte Leute des Notbundes eingesetzt werden, damit wir die wankende Front der D.C, nicht aufs Neue verhärten, und damit wir erst einmal für Ruhe und Ord-
nung in der Kirche sorgen, damit in absehbarer Zeit wieder eine wirklich kirchliche Synode gewählt werden kann. Dann ist m. E. erst der Zeitpunkt für eine Erneuerung gekommen. Eine Rückkehr zum alten System ist nicht geplant, sondern eine ausgesprochene Übergangslösung
mit
einer
beschränkten
Vollmacht
und
Aufgabe. Sonst kriegen wir die Kirchenspaltung auf Grund noch immer nicht richtiger Fronten von der anderen Seite. Natürlich
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müssen alle preußischen Bischöfe weg und mit ihnen das Gesetz! Aber das will ich nicht noch weiter ausführen! — Ich habe auch die Hoffnung, daß wir diesem Ziel mit voller Einmütigkeit in den
Reihen des Notbundes zusteuern! Daß der Reibi unmöglich ist, scheint jetzt Allgemeingut zu sein; aber wie wir ihn fortbekommen, das ist noch durchaus eine Frage, Die Weihnachtstage haben leider die ganze Sache zum Stoppen gebracht, und ich sehe im
Augenblick noch nicht, wie sie wieder in Gang kommen wird! Jedenfalls haben wir nicht vor, Kompromisse zu schließen oder uns mit Halbheiten zu begnügen, was ja der Kirche auch nichts mehr helfen kann! Und ich hoffe, Sie beiden sind nach wie vor
derselben Ansicht! Wegen des Notbundes bin ich sehr im Druck, da Kapitän Schulze zum 1.1. geht und noch kein Nachfolger für ihn da ist!! — Nun Schluß für heute; es ist wieder einmal Mitternacht. Herzliche Grüße aus der Heimat! In alter Treue
Ihr Niemöller
Herrn Kirchenminister Professor D. Beyer Berlin-Charlottenburg, Marchstraße 2. London, 6. Januar 1934 Sehr geehrter Herr Professor!
Von sehr zuverlässiger Seite bekomme ich die Mitteilung, daß in der Kirchenleitung empörende Gerüchte umgehen, die sich auf Verbindungen meinerseits mit der Times-Berichterstat-
tung über die kirchlichen Verhältnisse in Deutschland erstrecken. Ich muß mich wundern, daß es möglich ist, daß ir‚gendwelche obskuren, ebenso gewissenlose wie unwissende Gestalten ihre durch nichts zu substanziierende Verleumdun‚gen bei den höchsten Stellen anbringen dürfen. Ich erkläre 1. Dies war der erste Hinweis für Hildebrandt, daß er zurückkehren müsse I in Berlin in der Geschäftsführung des Notbundes Niemöller helfen ‚sollte.
Besorgnisse
um
den
Pfarrernotbund
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Ihnen hiermit, mit keiner englischen Zeitungsberichterstattung irgendetwas zu tun zu haben noch zu tun gehabt zu haben, und ich weiß nicht einmal, wer der allerdings ausgezeichnete Reporter der Times ist. Außerdem habe ich es wirklich nicht nötig, mich mit meiner Gegnerschaft gegen die „Deutschen Christen“ in ausländische Blätter zu flüchten — das sollte die
Wittenberger Erklärung deutlich genug gezeigt haben. Aber ich werde mich allerdings, wenn diese Anwürfe nicht alsbald aufhören, gezwungen sehen, mich innerhalb Deutschlands in
ausreichend wirksamer Weise zur Wehr zu setzen. Ich richte dieses Schreiben an Sie, weil ich sicher bin, daß Ihnen daran gelegen ist, Ihren Einfluß für Klarheit, Offen-
heit und Anstand im kirchlichen Kampf geltend zu machen und solchen Verleumdungen entgegenzutreten. In ausgezeichneter Hochachtung Ihr ergebenster Bonhoeffer
Lieber Bruder Niemöller,
diese Abschrijt! zu Ihrer Kenntnis und Erbauung — als Zeichen wie gewisse Leute daheim gegen Bonhoeffer arbeiten! Im übrigen vielen Dank für Ihren Brief, mit dem wir uns sehr gefreut haben und ganz einverstanden sind. Wenn der Kurs so bleibt wie in
der Berliner Notbund-Erklärung vom 29. Dezember, kann ja der Erfolg nicht zweifelhaft sein — die Bischöfe werden doch hoffentlich nicht etwa wieder von ihrem Ultimatum zurückgehen und
umfallen? (So sieht es nach der Times heute aus.) Vielleicht hören wir bald mal wieder Näheres von Ihnen. Herzliche Grüße von
Bonhoeffer und Ihrem getreuen Hildebrandt
1. Des obigen Briefes.
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England.
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D. Dr. Hermann Wolfgang Beyer
Professor der Kirchengeschichte und christlichen Archäologie
Greifswald, den 30. Juli 1934
b
Am Graben 3
Sehr verehrter Herr Pfarrer! [Bonhoeffer] Bei der Aufarbeitung meiner Akten aus der Zeit meiner Mitglied-
schaft im Geistlichen Ministerium der Deutschen Evangelischen Kirche finde ich auch den Brief, den Sie mir damals geschrieben haben und sehe, daß ich ihn seinerzeit nicht beantwortet
habe,
weil er erst unmittelbar nach meinem Rücktritt bei mir eingegangen ist. Es drängt mich aber doch, Ihnen ganz persönlich jetzt noch ein Wort dazu zu sagen. Ich kann Ihnen versichern, daß in der Zeit, in welcher ich der Kirchenregierung angehörte, mir niemals Ihr Name in irgendeinem Zusammenhang mit ausländischer Bericht-
erstattung über die kirchlichen Vorgänge in Deutschland genannt worden ist. Ich habe mich auch etwas umgehört und nichts der-
gleichen zu Ohren bekommen. Ich weiß also nicht, in welchen Kreisen die gegen Sie gerichteten Verleumdungen umgegangen sind. Ich fühle mich doch verpflichtet, Ihnen das noch zu sagen. Daß ich ihnen mit aller Schärfe entgegengetreten wäre, wenn sie an mich herangekommen wären, brauche ich Ihnen nicht zu versichern. Ging doch mein ganzer Kampf damals um eine Linie der
Sauberkeit und wirklich kirchliche Haltung. Mit sehr ergebenem Gruße
Ihr Beyer
London, den 21. Dezember 1933 Liebe Großmamal Hab vielen Dank für Deinen Brief. Es ist furchtbar nett von
Dir, daß Du Dir soviel Mühe mit einem so langen Brief machst. Ich freue mich immer so sehr, wenn ich von Dir einen Brief kriege, weil ich daraus doch schließen kann, daß es Dir
gut geht. Dies Weihnachten wird ja für Euch sehr still und ruhig werden. Und das ist nach einem solchen Jahr ja auch gut. Man
Besorgnisse
um
den Pfarrernotbund
muß diesmal so furchtbar viel hinter sich bringen, um verstimmt oder bitter zu sein. Aber ich habe es in der ten Zeit manchmal gedacht, wenn man so alt ist wie Du soviel Dinge hat kommen und gehen sehen, dann ‚wird
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nicht letzund man
klug‘, wie die Bibel sagt, und sieht in langen Zeiträumen. Ich fühle mich in diesen letzten Wochen des Zusammenbruchs des kirchlichen Gewaltregiments eigentlich ziemlich beschämt. Nicht daß ich glaube, daß die Linie, die wir verfolgt haben, falsch gewesen wäre — im Gegenteil, die bestätigt sich nur —, aber daß man so unglaublich kurzsichtig war und Dinge für fest und sicher hielt, die wie Nichts in sich zusammenkrachen,
wenn der Augenblick kommt. Daraus lernt man sicher viel. Ich hoffe ja sehr, daß mit dem Ende des Jahres noch die Kirche ‚gereinigt‘ ist. Dann fängt die Arbeit allerdings erst an und die neuen Schwierigkeiten und Konflikte werden nicht
ausbleiben. Aber man kann doch einigermaßen getrost ins nächste Jahr gehen. Wann ich das nächste Mal komme, weiß ich noch nicht. Es kann ja jeden Augenblick kirchlich etwas Plötzliches geschehen, das mein Kommen nötig macht. Aber hoffen tue ich es eigentlich nicht. Um so mehr hoffe ich, Euch
alle bald wiederzusehen. Ruhe Dich in diesen Tagen nur gut aus.
Mit allen guten Wünschen grüßt Dich Dein dankbarer Dietrich
[London, Mitte Jannar 1934]
Lieber Karl-Friedrich! .. . Eigentlich ist ja England jetzt ein ungünstiger Platz, man ist zu nah, um nicht an allem teilnehmen zu wollen,
und zu weit, um wirklich aktiv mitzumachen. Und das ist mir in den letzten Wochen sehr schwer gefallen. Eben lese ich in der Times von Barths Entlassung. Noch glaube ich es kaum.
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England.
1933 — 1935
Sollte es aber stimmen, so müßte ich vielleicht doch wieder zurück, damit wenigstens noch einer auf den Universitäten solche Dinge sagt. Irgendwie empfinde ich diesen Aufenthalt in England — obwohl mir die Arbeit sehr viel Freude macht, in ihrem beschränkten Ausmaß — doch mehr als Intermezzo. Nur dachte ich eigentlich, daß mich der nächste Schritt doch endlich nach Indien und in den Osten führt. Der scheint einem von hier aus doch viel näher. Und da ich täglich mehr der Überzeugung werde, daß es im Westen mit dem Christentum sein Ende nimmt, — jedenfalls in seiner bisherigen Gestalt und seiner bisherigen Interpretation — möchte ich, bevor ich nach Deutschland zurückgehe, gern noch mal in den Osten. —
Außer meiner Gemeindearbeit habe ich mit den englischen Kirchenleuten, auch einigen sehr interessanten Politikern, Gespräche und allerlei Pläne; außerdem eine Unzahl von Besuchen von Deutschen, meist Juden, die mich irgendwoher kennen und irgendwas wollen. Daß ein Dr. S. von Dir bei mir war, schrieb ich Dir wohl schon. — Sonst ist Hildebrandt bei mir, was für mich sehr nett ist, ferner seit 2 Wochen ein Berliner Student. So vereinsame ich kaum. Das würden auch die zahlreichen Telephongespräche verhindern, die von hier nach Berlin und von Berlin hierher kommen ... Dietrich
Telegramm vom 7. Januar 1934 an die Reichskirchenregierung, Kirchenkanzlei, Berlin: Um des Evangeliums und unseres Gewissens willen anschließen uns der Erklärung des Notbundest und versagen Reichsbischof Müller unser Vertrauen. Deutschen Pfarrer Londons Wehrhan 1. Kanzelabkündigung des Notbundes am 7. Januar, Protest gegen Maulkorberlaß und Aufsage des Vertrauens.
Proteste
der Londoner
Pfarrer
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Sr. Exzellenz dem Herrn Reichspräsidenten in Berlin London, den 15. Januar 1934
Hochverehrter Herr Reichspräsident! Als Pfarrer der Deutschen Evangelischen Gemeinden in England, die sich ihrer Verantwortung für die Deutsche Evangelische Kirche und das Deutsche Reich bewußt sind, fühlen wir uns verpflichtet, Ew. Exzellenz unseren Standpunkt in der Frage des Kirchenstreites in Deutschland zu unterbreiten. Mit den „Deutschen Christen“ ist im Lutherjahr 1933 in die Kirche und das Kirchenregiment ein Geist eingezogen, der die Grundlagen der Kirche erschüttert hat; Heilige Schrift und Bekenntnis sind trotz allen Widerrufs angetastet und von der Kirchenregierung nicht geschützt worden. Auf diesem Grunde des biblischen Evangeliums sind aber unsere Gemeinden von den Vätern gegründet und mit Zähigkeit und Treue gegenüber dem Erbgut der Reformation bis auf diesen Tag erhalten worden. Durch die jüngsten Vorgänge sind unsere Gemeinden in schwerste Beunruhigung gebracht worden; denn sie können es nicht ertragen, wenn an diesen Grundlagen gerüttelt wird. Freiherr Bruno von Schröder hat als Vorsitzender des Gemeindevwerbandes für die Deutschen Evangelischen Gemeinden in Großbritannien und Irland bereits in einem Telegramm! an den Herrn Reichsbischof seine Sorge über die Geschehnisse in der Heimatkirche zum Ausdruck gebracht, indem er darauf hinwies, daß ein
Verbleiben bei der Reichskirche durch die letzten kirchenpolitischen Maßnahmen aufs ernsteste in Frage gestellt sei. Als Pfarrer haben wir um des Evangeliums und um unseres Gewissens willen nach ernstester Prüfung uns dazu entschließen müssen, durch ein
Telegramm sagen. Unsere
dem Herrn Reichsbischof
evangelischen
Gemeinden
unser Vertrauen
sind durch
zu ver-
Jahrhunderte
hin-
durch die stärksten Träger des Deutschtums in England gewesen. Durch eine Loslösung der hiesigen evangelischen Kirche von der
Heimatkirche würde aber nach unserer festen Überzeugung auch der Zusammenhang der Deutschen Kolonie mit der Heimat schwer 1. Am
9. Januar 1934.
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England.
1933—1935
erschüttert werden,
ganz abgesehen davon,
daß von englischen
Kreisen der Kirchenstreit als die bisher stärkste Schädigung des deutschen Ansehens betrachtet wird.
Wir beschwören Sie, Herr Reichspräsident, die furchtbar drohende Gefahr um der Einheit der Kirche und des Dritten Reiches willen, das wir mit unseren Gemeinden freudig begrüßt haben, und für das wir mit allen Kräften eintreten, in letzter Stunde zu bannen. Solange Reichsbischof Müller im Amt bleibt, besteht stündlich die Gefahr der Loslösung. Abschrift des Briefes, den wir uns in der nächsten Nummer des Gemeindeblattes für die Deutschen Evangelischen Gemeinden zu veröffentlichen gestattenl, gehen an den Herrn Reichskanzler, die Herren Reichsminister Freiherrn von Neurath, Dr. Frick, Graf Schwerin von Krosigk, sowie an den Herrn Reichsbischof. Gehorsamst und ehrerbietigst Die deutschen evangelischen Pfarrer Londons
Pastor
Lic. Dietrich Bonhoeffer London, den 18. März 1934 Herrn Bischof Heckel, Kirchliches Außenamt Hochgeehrter Herr Bischof! Auf Ihre Anfrage erlaube ich mir folgendes zu antworten:
In der Ihnen von Herrn Pfarrer Niemöller gemachten Mitteilung verbindet sich zweierlei: Es ist von Ihnen in der Sitzung mit den deutschen Pfarrern Englands am 8. Februar 1934? bei Ihrem ausführlichen Bericht über die kirchliche Ent1. Siehe Nachweise, Seite 633. 2. Nach den Telegrammen und des Kirchlichen Außenamts die nach London ein und versuchte, das Kirchenregiment in Berlin
Briefen aus London lud eine Delegation Pfarrer in England zu einer Konferenz vergeblich, eine Loyalitätserklärung für zu erwirken,
Briefwechsel
mit Bischof
Heckel
161
wicklung in Deutschland in den letzten Monaten gesagt worden, es sei seinerzeit Herrn Pfarrer Niemöller angeboten worden, in das Geistliche Ministerium einzutreten. Auf meine Zwischenbemerkung, daß nach meiner persönlichen Information ein solches Angebot nur beiläufig in einem privaten Ge-
spräch von Herrn Dr. Oberheid gemacht worden sei, entgegneten Sie, Dr. Oberheid sei zu diesem Angebot offiziell autorisiert gewesen, wonach ich nochmals bemerkte, daß ich anders unterrichtet sei. Ferner weiß ich, daß von Ihnen auch dem Lord Bischof von Chichester! noch nach der genannten Sitzung mit den deutschen Pfarrern von eben diesem Angebot an Pf. Niemöller und von den Gründen seiner Ablehnung berichtet
worden ist. Den genauen Wortlaut könnte ich erst nach Anfrage bei dem Herrn Lord Bischof mitteilen, wenn es erwünscht ist. Bei der Bedeutung der Tatsache eines derartigen Angebotes für die Beurteilung und für den Verlauf der gesamten Kirchenpolitik in den letzten Monaten mußte ich — auch im In-
teresse der hiesigen Brüder — einfach auf Klärung der Wahrheitsfrage dringen und habe Pf. Niemöller Ihre Darstellung zur Beantwortung vorgelegt. Seine Antwort bestätigt meine frühere Information. Es ist zu begreifen, daß Niemöller an diesem Punkt auf äußerste Klärung Wert legen muß und jede Gerüchtbildung zerstreuen muß, wo er kann. Es läge auch hier viel daran, wenn an der Darstellung dieses Punktes nicht
länger Unklarheit bleiben würde. Um verabredungsgemäß noch. einmal auf unsere Aussprache
in Berlin? zurückzukommen, möchte ich Ihnen sagen, daß ich nach wie vor glaube, mit meinem
Ordinationsgelübde und
meiner Erklärung dem Herrn Reichsbischof und Ihnen gegenüber vor meiner Ausreise? alles gesagt zu haben, was ich sagen 1. Die Delegation dessen Briefen an 2. Siehe G. S. I S. und 10. März 1934 3. Siehe Seite 125.
traf sich auch mit Chichester im Athenäum wegen den Reichsbischof. 184. Bonhoeffer war zum Außenamt zwischen dem 5. nach Berlin zitiert worden.
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England.
1933— 1935
kann, und daß ich daher einen Revers, wie Sie ihn von mir wünschten, nicht unterschreiben kann, weil ich auch keinen
zwingenden Grund einsehen kann, der mich von dieser rein kirchlich-theologischen ökumenischen Arbeit, der ich mich seit
Jahren verpflichtet fühle, entbinden könnte. Rein faktisch ist es Ihnen aber vielleicht erwünscht zu wissen, daß meine Teilnahme an der Pariser Konferenz! aus Gemeindegründen unsicher geworden ist und daß ich über den Empfang beim Erz-
bischof von Canterbury? bisher nichts mehr gehört habe und daraus schließe, daß er in nächster Zeit jedenfalls nicht stattfinden wird. Mit den ergebensten Empfehlungen bin ich
Dietrich Bonhoeffer
Deutsche Evangelische Kirche Kirchliches Außenamt
Berlin-Carlottenburg 2 Jebensstraße 3, den 17. April 1934
Sehr geehrter Herr Pfarrer! [Bonhoeffer] Im Auftrage von Bischof D. Heckel erwidere ich Ihnen auf Ihr Schreiben vom 18. März Folgendes:
Wie festgestellt wurde, hat Bischof Dr. Oberheid3 seinerzeit Pfarrer Niemöller bei einer Besprechung mitgeteilt, daß der Reichsbischof
überlege, ihm, Pfarrer Niemöller, das Amt eines geistlichen Ministers zu übertragen. Bischof Dr. Oberheid hat Pfarrer Niemöller gefragt, ob er bereit sei, ein solches Amt anzunehmen. Diese Frage 1. Okumenische Studienkonferenz über „Staat und Kirche“ Mitte April, siehe G.S. I S. 193. 2. Dem Außenamt war zu Ohren gekommen, daß man im LambethPalace plante, Bonhoeffer zu empfangen. 3. Innerhalb eines Jahres machte Oberheid Examen, wurde Pfarrer, Gauobmann der DC, Bischof der Rheinischen Kirche und Chef des Stabes beim Reichsbischof mit Weisungsrecht, z. B. Präses Koch am 21. März aus seiner Superintendentur zu entfernen.
Briefwechsel
mit Bischof
Heckel
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wurde verneint. Es handelte sich um eine unverbindliche Anfrage, wie sie bei solchen Gelegenheiten allgemein üblich ist, berechtigt aber durchaus zu der Feststellung, daß Pfarrer Niemöller
seinerzeit der Eintritt in das Geistliche Ministerium worden sei. Von einem Angebot „in aller
angeboten
Form“ ist in London nicht
gesprochen worden. Durch diese Formulierung erhält daher die Sache ein ganz anderes Gesicht. Ich stelle Ihnen anheim, Herrn Pfarrer Niemöller über Vorstehen-
des zu unterrichten. Eine Korrespondenz mit ihm ist nicht beabsichtigt. Mit freundlichen Grüßen ergebenst
Wahl
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England.
1933 —1935
Jahresbericht 1933/34 Gemeinde Sydenham, London Phil. 1,18: „... daß nur Christus verkündigt werde.“ Was spielen alle Veränderungen, die das Leben einer Gemeinde mit sich bringt, für eine Rolle gegenüber dem einen schlechthin Unveränderlichen „...daß nur Christus verkündigt werde“? Ein Pfarrer ist gegangen, ein anderer ist gekommen — was liegt daran angesichts dessen, daß sie ja beide nichts für sich sind, sondern Botschafter desselben einen Herren und Reiches, daß es ja so oder so nur darum geht, daß der ewige Auftrag ausgerichtet werde, „daß nur Christus
verkündigt werde“. Individualität, Sympathie, Antipathie hin und her — hier in der Gemeinde Jesu Christi geht es wirklich um Wichtigeres, Größeres, Dringlicheres — nicht um den Pfarrer, sondern um Christus, „daß nur Christus verkün-
digt werde“ — hier gibt es nicht mehr Neigung und Abneigung, sondern Glaube und Unglaube — das ist die bange Wahl. Wir leben in einer Zeit, die sich von Illusionen verschiedenster Art befreit. Auch die Kirche darf sich nicht länger Illusionen hingeben. Es geht auch in ihr um wissen, mit wem sie zu rechnen hat und ser eine kleine einsatzbereite Truppe als mit Deserteuren durchsetzt ist. Das gilt Es geht um Glauben und Unglauben, um
das Ganze. Sie muß mit wem nicht. Besein großes Heer, das auch für die Kirche. Gehorsam oder Un-
gehorsam, um Nachfolgen oder Desertieren, um Christus oder die Götzen unseres Lebens. Die Tage sind vorüber, in denen man Zeit zu haben glaubte,
Jahresbericht der Gemeinde
Sydenham
1933/34
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auf der Kanzel ein erbauliches Allerlei von Literatur, Weltanschauung, Lebensweisheit, Politik bringen zu können. Die Zeit der Kirche ist knapp bemessen. Wer weiß, ob das, was heute nicht gesagt und gehört wird, morgen nicht schon zu spät kommt. Es ist Entscheidungszeit. Die 30 Minuten, die der Pfarrer in der Woche hat, um zur Gemeinde zu reden,
lassen wahrhaftig keine Zeit zu schöngeistigen Dingen oder zur Politik — wozu auch? Wer das will, findet es jederzeit viel besser woanders. Es hat immer Pfarrer gegeben, denen es zwar gelang, ein interessiertes Publikum um sich zu versam-
meln, aber eine Gemeinde haben sie dann gerade nicht aufgebaut. Wir aber wollen nicht Publikum, sondern Gemeinde
sein. Und wer es einmal begriffen hat, was es heißt, irgendwo nicht Publikum, sondern Glied einer glaubenden Gemein-
schaft zu sein — der weiß, welche Erlösung das für ihn bedeutet. Wer sich nur so allgemein anregen lassen will, der suche das nicht in der Kirche. Wer nichts in die Kirche mit hineinbringt, wird auch nichts herausbringen. Aber wem daran gelegen ist, zu wissen, daß es einen Ort gibt, an dem nicht
von Gesellschaft, nicht von dem täglichen Allerlei, nicht von Wirtschaft und Politik, sondern allein und ausschließlich von Christus und seinem Willen und seinem Trost geredet wird — und ob es nur zwei oder drei wären, die sich da versammelten —, der komme zur Kirche. Und er möge dann nicht
einmal im Jahr kommen — es liegt kein Segen und keine Verheißung auf solchem Kirchgang, sondern er komme wieder und wieder und helfe dazu, daß wir eine Gemeinde werden — „daß nur Christus verkündigt werde“.
Es kommt zwar sachlich wenig darauf an, ob ein Gottesdienst zahlreich oder wenig besucht ist. Der sogenannte Erfolg eines Pfarrers liegt wahrhaftig zuletzt in der Zahl. Nur fragen möchte ich darum: entspricht die durchschnittliche Zahl von 40 Kirchenbesuchern in den letzten Monaten wirklich den 140 im Adressenbuch eingetragenen Namen, d. h. den etwa
166
England.
1933 — 19335
280 Menschen, die kommen könnten? Entspricht ein Kindergottesdienst von etwa 6 Kindern, ein Konfirmandenunterricht von 2 Kindern aus einer Familie, entspricht die Zahl
von 42 beitragenden Mitgliedern bei der Möglichkeit eines Mindestbeitrages von 10/61 wirklich den Gemeindeverhältnissen? Oder sind da irgendwelche andere Hemmungen und
Hindernisse im Weg, die mit einigem guten Willen beseitigt werden könnten? Wollen wir es wirklich verantworten, unseren heranwachsenden Kindern das vorzuenthalten, was einem Menschen im Leben mehr bedeuten kann, als wir selbst vielleicht ahnen? Sind wir unserer Sache und unserer Situation so sicher, daß wir darauf verzichten zu können glauben? Ich
glaube als Pfarrer die Pflicht zu haben, diese Frage noch einmal mit vollem Ernst zu stellen. Es wird bei uns keiner gezwungen, aber darum trägt auch jeder die Verantwortung für sich allein vor Gott... Im Namen des Vorstandes:
Pfarrer Lic. Dietrich Bonhoeffer
1. Zehn Schilling und sechs Pence waren die in der Gemeindeordnung
aus dem 19. Jahrhundert festgelegten Jahres-Mitgliedsbeiträge, heute nicht geändert sind (eine halbe Guinea).
die bis
Zehn
Thesen
167
10 Thesen für die Freikirche! Lic. Hildebrandt
Der eine fragt: Was kommt danach? Der andre: Was ist recht? Und also unterscheidet sich
Der Freie von dem Knecht. (Storm) 1. Der Schritt zur Freikirche ist nur gerechtfertigt als ein Schritt des Glaubens; darum hat die Frage nach dem Erfolg hier grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. 2. Die Furcht, nichts zu „machen“, was nicht „wird“, ist kein Grund für den Glauben, bei dem zu bleiben, was nicht bestehen kann. 3. Das Warten auf den „Augenblick“ ist entweder Schwärmerei oder Taktik und war die Schuld aller Versäumnisse des Kirchenkampfes; der Augenblick ist reif, wenn der Glaube da ist — nicht umgekehrt. 4. Der Rückzug auf die Gemeinde ist der Verzicht auf die Kirche
— die Patentlösung aller kirchenpolitischen Verlegenheiten. 5. Mit dem Faktum Ulm? ist das Schisma erklärt; die rechtmäßige
Kirche existiert aber nur in der Erklärung, solange sie praktisch der Müllerkirche, Regiment und Ordnung Raum gibt.
der Jägerschen Irrlehre
6. Die sogenannte „Volkskirche“ hat in der Bibel keine Verhei-
ßung, in der Geschichte keine Erfüllung, in der Gegenwart keine Bedeutung. 1. Diskussionsthesen Ende April 1934. Gegenthesen für die Volkskirche von Lic. Grüneisen. 2. 22. April 1934.
168
England.
1933 —1935
7. Aus der Wahl zwischen Staats- und Freikirche — ein Drittes gibt es heute nicht mehr — wird diese ohne Mittel und Aussichten und jene ohne Evangelium und Bekenntnis hervorgehen. 8. Nach der Augustana ist uns wohl das Predigtamt, aber nicht das Pfarramt befohlen; um jeden Preis die Kirche des Evangeliums, aber nicht um jeden Preis die DEK, die Pfarrhäuser und die Kirchengebäude. (Luther hat eines Tages auf das Priester-
gewand und die schottische Freikirche auf das Kirchenvermögen Verzicht leisten müssen und können.) 9. Der Dienst der Bekennenden Kirche gilt heute nicht zuerst den Siegern, sondern den Opfern des Kirchenkampfes, die schon längst außerhalb der Kirche darauf warten. 10. Zu diesem Dienst ist nur eine Freikirche im Stande, die ihre Kräfte nicht mehr für die Kirchenpolitik, sondern wirklich und ausschließlich für die Seelsorge braucht.
Zweiter
Briefwechsel
mit dem
Bischof von
Chichester
169
16th April 19341 My Lord Bishop, [G. K. A. Bell]? May I just add a few words to my letter of yesterday — with regard to the recent decree of Müller. The only reason by
which it can be explained is this: the church government has become aware of the fact, that the secession of the Westphaliant church could no longer be detained, and it was a clever move to delay once more this decision by issuing this new decree. T'hat this offer of peace can not be taken seriously at all, can be proved by a comparison with the Good Friday message’. There Müller refuses an “amnesty”, to-day
he has changed once more his mind. The new amnesty is not even complete, Niemöller and other important pastors do not come under the decree. It is undoubtedly the only intention of this decree to split up the opposition and then to go on freely. The Aryan clause is still in force, since the law of Nov. 16th is expressly once more cancelled. So we can watch this move only with the greatest mistrust. I remain, My Lord Bishop, yours very respectfully, Dietrich Bonhoeffer
1. Übersetzungen siehe Seite 609—615. 2. Dieser Brief gehört zu dem vom 15. April 1934, abgedruckt G. S. I S. 187—189.
3. 13. April. Müller erläßt eine Botschaft zum Frieden mit einer Teilamnestie. Am Tag zuvor war Jäger zum Rechtswahrer der DEK eingesetzt und beginnt die „Eingliederung“ der Provinzial- und Landeskirchen. 4. Am 16. März war die Westfälische Provinzial-Synode polizeilich auf-
gelöst worden und hatte sich neu als Bekenntnis-Synode in einem anderen Saal konstituiert. Gemeinden begannen, sich ihr zu unterstellen und keine
Umlagen und Kollekten mehr an das Konsistorium zu schicken. 5, Müller erließ eine von Engelke, dem Reichsvikar, verfaßte Botschaft: es geht nicht um Bekenntnis, sondern Ordnung, macht Krankenbesuche!
170
England.
1933 — 1935
My Lord Bishop,! Thank you very much for your kind letter and invitation to Chichester. Unfortunately I could not change another arrange-
ment made for Tuesday? and so I could not come. In the meantime things are going on rapidly in Germany and the information I get is more optimistic than ever before, at least with regard to the stand of the opposition?. The last number of our Church paper „Junge Kirche“ brings your letter to the Times and in addition to that a few voices from Sweden and Switzerland®. Today I have received the answer’ of the Emergency League in Berlin to the Peace-offer of the Reichsbishop and I have dared to translate it for yon as well as I could, because I thought it very important. I think the moment has come, that yon should and could speak a final word on this conflict. There are thousands who are anxious
to hear that word soon. May I come to the Athenaeum on Friday at 6 o’clock. If I do not hear anything else, I shall be there. I remain, My Lord Bishop, yours very respectfully, Dietrich Bonhoeffer
1. Brief ohne Datum, wahrscheinlich geschrieben am 25. April 1934. 2. Bonhoeffer hielt im Deutschen YMCA in London einen Vortrag über „Kirche und Jugend“ (siehe G. S. III). 3. Tag von Ulm, 22. April 1934, und Vorbereitungen auf Barmen. 4. Brief des Bischofs vom 19. März 1934 an die Times gegen die Miß-
deutung seines Gespräches mit der deutschen Delegation (Bischof Heckel) am
8. Februar
1934 im Athenäum;
trübten Verhältnis
gemildert
erheblich
es sei keine Rede von
des Okum. Rates zur DEK,
vermehrt,
schreibt
Chichester.
2. Jhg. Heft 8 v. 21. April 1934, S. 346 £.
5. Vom 13. April 1934,
einem unge-
die Gravamina
Siehe
seien statt
Junge
Kirche
Zweiter Briefwechsel mit dem Bischof von Chichester
171
May 1st 1934 My Lord Bishop, Referring to our conversation last Friday!, I thought it might be of interest to you and perhaps even for the circular letter
that you see the new seal of our German Church. It needs no comment. Secondly, I have just received the message from my Berlin student friends that they have to prove their Aryan ancestry and descent in order to be admitted to the theological examinations. Thirdly, two letters of leading oppositionals foretelling a very dark near future. The government seems to be willing to maintain Müller at any cost, even with force. In Saxony situation seems to be most critical?. There is an idea going about in Berlin concerning the organisation of a Council of all parties and to bring about the split on such an occasion. I hope very much that your letter will contain a word of sympathy for the suppressed opposition over there. It would help them much. Sometimes they seem to be rather exhausted. I remain, My Lord
Bishop, yours very respectfully,
Dietrich Bonhoeffer
1. Gespräch im Athenäum über den ökum. botschaft), siehe G.S. I S. 189—194.
2 Eingliederungsbeschluß
Hirtenbrief
der sächs. Landessynode
Protest der Bekenntnisgemeinschaft. Sachsen ein.
Am
7. Mai
(Himmelfahrts-
in die Reichskirche.
1934 gliedert Dr. Jäger
172
England.
1933 —1935
3rd May, 1934 My dear Bonhoeffert, I got your letter with the seal of the German Church this morn-
ing. It was posted to Winchester, Chichester having been misread for Winchester, so it reached me after I had sent my draft letter to you. Comment is indeed unnecessary on the character of that seal. Thank you too for the other information you give me in your letter of May Ist. My trouble with my draft letter is that it is too long — amongst other things. But I am waiting for your comments. Yours
ever,
George Cicestr
16th May, 1934
My dear Bonhoeffer?, I am very glad indeed to get your letter and to know that my Message appeals to you so strongly, and I hope it may help to do the good you say. I hear to-day from Keller?, on his way back from Berlin, that he
had two hours’ conversation with Müller, Heckel and Jäger on May 11, on behalf of the Federal Council of U.S.A., resulting in the promise of Jäger to suspend disciplinary measures of a non-
political character, and a statement by Müller that they would try to do something for the victims of the Aryan paragraph. That was before my Message was known, or the letter from the Presbyterian Alliance. Yours sincerely, George Cicestr
1. Diesem Brief ging einer von Chichester an Bonhoeffer am 2. Mai voraus $..G.S.I siehe S. 189. Bonhoeffer schrieb am 3. Mai seinen Kommentar zum Entwurf der Himmelfahrtsbotschaft. G. S. I, S. 189—191. 2. Antwort auf Bonhoeffers Brief vom 15. Mai 1934 G. S. I, S. 194.
3. “Report of Dr. Adolf Keller’s visit to the Reichsbishop on request of
the Federal Council and the Universal Christian Council May 1934” Kopien dieses Protokolls beim Herausgeber und Archiv W. Niemöller.
Zweiter
Briefwechsel
mit dem
Bischof von
Chichester
173
29th June, 19341 (Private) M» dear Bonhoeffer, I enclose a letter from Professor Fabricius to the Archbishop of Canterbury which speaks for itself. The Archbishop has sent it to me, asking me to make any comments which occur to me for his consideration. I send this by express in the hope that it will reach you while Dr. Winterhager is staying with yon. I should be glad if you could tell me something about Professor Fabricius, but more important if you would indicate what sort of comments you would think would be most likely to pierce Professor Fabricins’ armour. The Aryan paragraph, unreserved homage demanded for the State, the use of force and prohibition of free elections, and the introduction of the leadership principle with the antocratic powers given to Bishop Müller, seem clear points to be made, But is Professor Fabricius likely to be influenced thereby? I also enclose, so that if he likes Dr. Winterhager could take it with him to Berlin, a copy of a pampbhlet just issued, with a report of the two speeches in Convocation?. Beyond giving my consent to the reproduction of the debate in Convocation I have had nothing to do with the preparation of the pamphlet, which is just out today. Yours sincerely, George Cicestr
(Private)
June 29th, 1934
My Lord Bishop, I am very grateful indeed for your letter and the excellent booklet which have both reached me before Dr. Winterhager’s departure. We find that this publication of the „Friends of Europe“ will be very helpful to all Protestants in our country. 1. Diesem Brief ging einer von Bonhoeffer an Chichester voraus vom 28. Juni 1934. G.S.I S. 196—197. 2. Reden von Dr. Headlam, Bischof von Gloucester und Dr. Bell auf der anglikanischen Synode der Kirchenprovinz Canterbury.
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England.
1933 — 1935
We have sent it to our friends of the Emergency League at
once and have ordered several more copies. I have then dealt with the enclosed letter thoroughly. Dr. Fabricius is an Assistant Professor in the University of Ber-
lin. He is considered to be ill and much embittered. His inflnence among the younger generation and his theological significance have always been limited. There may be certainly some connection between his recent activities and Bishop
Heckel’s foreign church office, but there does actually not exist any ecumenic basis of his new “Zentralstelle”. If there were not a tendency of the present Church government pos-
sibly acting as an to be taken very Fabricius himself cal arguments or
influence behind it, the letter itself had not seriously. It is doubtful, at least, that Dr. will be much influenced either by theologieven facts.
I heartily disapprove of the whole tone and tenor of Dr. Fa-
bricius’s letter. Yet I have dealt with all the strange arguments contained therein, and after a long talk with Dr. Winterhager, I should like to submit to you the following points as possibly forming an ontline to the answer, however shortly any answer should be stated in replyingDr.Fabricius letter. Dr. Fabricius maintains that there is a large difference between the official German Christians and the “German Faith Movement”. In fact, this difference is extremely small! We may prove this by three statements: 1. Dr. Krause’s party, affıliated to the German Faith Movement (“sport palace”) is still officially within the Church
“communion” and is entitled to send its representatives to both parish councils and governing bodies. 2. An “ecclesiastic
member of the German Faith Movement
(a curate) has recently (at an open meeting attended by Dr. Coch-Dresden, the Bishop of Sachsen) read the following “passage” from the Gospel according to St. John: “In
the beginning was the Nation, and the Nation was with
Zweiter
Briefwechsel
mit dem
Bischof
von
Chichester
175
God, and the Nation was God, and the same was in the
beginning with God, etc.” — Bishop Coch has not expressed one word of disagreement with this new version of the New Testament. But several ministers of the opposition who witnessed this event have written to Bishop Müller
and have asked him to correct the reading curate afterwards. But no such measure has been taken by Bishop Müller. In this way has a “version” of Scripture reading been authorized which could not be surpassed by anything else in heresy. 3. The High President of Brandenburg, Herr Kube, Member of the General Synod of the Church in Prussia and at the same time one of the responsible leaders of the German Christians, has concluded his latest Midsummer-Night speech in saying: * Adolf Hitler yesterday, to-day and for evermorel” We believe these three points to be sufficient proofs against Dr. Fabricius’s ignorant statement. — We would also point out that his description of Karl Barth’s theology is very superficial and inadequate and does not require much consideration. Moreover, Dr. Fabricius’s reproach of the Barmen
synod is drastic in extravagance as he wishes the Protestant Opposition to be responsible for introducing the leadership principle and for imitating the political methods of National Sozialism. One should rather keep in one’s mind that the initiative to the election of a Reichsbischof was never taken on our side and that it was not the opposition which elected
Dr. v. Bodelschwingh. It was the old (conservative) Church government which did that when still in power (early in 1933). Neither Dr. v. Bodelschwingh himself nor the Free Synods have ever dreamt of securing leadership of any political bearing in the Church. Dr. Fabricius himself expresses a desire for information “in what behalf (which probably means ‘to what extent’) the
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England.
1933— 1935
German Evangelical Church is in danger to cease to be fully
Christian”. Now we should like to make Dr. Fabricius conceive that the points which yon, My Lord Bishop, stated in your letter to-day, are all based upon facts which make it
doubtful whether the German Church has not already ceased to be a Christian Church at all — the Aryan paragrap», unreserved homage demanded for the State, the use of force and prohibition of free elections, and the introduction o} the leadership principle with the autocratic powers given to Bishop Müller. — Dr. Fabricius finally accuses the Protestant opposition of the same thing on account of which Bishop Müller has felt entitled officially to issue the High Treason Threat! We openly declare and emphasize that the Opposition Movement has never caused the foreign press to interfere in any question of political bearing. On the other hand the Protestant opposition particularly enjoys and highly appreciates the inter-
cession and the active assistance given by the world-wide fellowship of Christ. The Protestants who wish to be loyal to Jesus Christ believe in a universal Church, and they will always remain grateful to the Church of England and other Churches because they have helped to keep that ecumenic faith strong. When I was in Germany last weck, I saw Praeses Koch!. He asked me to offer you his kindest regards and the expression
of his sincere gratitude and appreciation of all the help you have already given to our Protestant Movement, again and again. With thanks and with kindest regards also from Dr. Winterhager, Respectfully yours, Dietrich Bonhoeffer 1. Besprechung der Fanö-Einladungs-Kalamität am 18. oder 19. Juni 1934, siehe
G.S, I S. 197—206.
Zweiter
Briefwechsel
mit dem Bischof von
My Lord Bishop,
Chichester
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July 12th 1934
Herewith I send you a copy of my answer to Henriod!.
What do you think about the Frick decree?? I hope that the pastors will this time dare to come up against the State. T his treatment is unbearable. The decree itself seems to have come
out of a very nervous and tense situation. May I hear what your decision is with regard to the Fanö conference and the German Opposition®.
Yours sincerely, Dietrich Bonhoeffer
24th October, 1934 M»y Lord Bishop, Thank you very much indeed for your introductions to the various religious Communitiest. I am making a plan now and will answer the kind invitations myself. I hope to see them all before Christmas.
With regard to the recent and long expected events in the German Church’, I am afraid that Hitler will try to postpone a decision as long as possible — perhaps even till after the
Saar election®. I could imagine him saying that he would not interfere in the Church conflict, not even in the situation 1. Siehe G.S.I S. 200—202. 2. Am 9. Juli verbietet Innenminister Frick jede Auseinandersetzung über den Kirchenstreit in öffentl. Versammlungen und in der Presse, ausgenommen amtliche Äußerungen des Reichsbischofs. 3, Siehe G.S.I 5. 203—204. 4. Siehe Seite 184 f.
5. Dahlemer Synode 19.—20. Oktober 1934. Erklärung des kirchlichen Notrechtes. Wurm und Meiser seit6. bzw. 26. Oktober frei, Jäger tritt zurück.
12. Oktober
in Hausarrest,
6. Plebiszit am 13. Januar 1935; Übergabe des Saargebietes an Deutschland 1. März 1935.
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England.
1933 — 1935
of a schism. He would leave it all to the Church and, of course, in fact leave it to some S. A. etc. groups to interfere on their own initiative and so to terrorise the true Evangeli-
cal Church in Germany. I have been thinking much about your question, what Hitler could do in case he was willing to settle the conflict.
From his point of view I can only see
the one way of dismissing Jäger and Müller and nominating a representative of the Opposition — possibly a lawyer, not a theologian, Dr. Flor of the Reichsgericht, — with the special task to restitute legal and confessional conditions in the Church. After a certain period of vacancy a new Reichs-
bishop could be elected by a legal National Synod. This Interim however should last for at least one year, so that the greatest excitement may have passed. There is a certain difficulty of Hitler nominating a theologian, who would become Reichsbishop afterwards. We have always disapproved of the nomination of Müller, not only personally but also fundamentally. He may nominate a lawyer, but he has just to confirm a theologian. The fact that Hitler has consulted
the Reichsminister Gürtner (of Justice) last Saturday! perhaps indicates a move in this direction. I thank yon very much for your great kindness and remain
yours very respectfully and sincerely Dietrich Bonhoeffer
1. 20. Oktober. Darüber wußte Bonhoeffer durch seinen Schwager Hans von Dohnanyi, Mitarbeiter von Gürtner.
Neue
Neue
Pläne
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Pläne
Ev. Theologische Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität Der Dekan Berlin C 2, 9. Mai 1934 Sehr verehrter Herr Kollege! [Bonhoeffer]
Den Urlaub für das Sommersemester erteile ich Ihnen gern; ich darf hinzufügen, daß der Urlaub im Wintersemester, falls er nötig werden sollte, durch den Herrn Minister eingeholt werden muß. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß die kirchlichen Verhaltnisse sich allmählich so konsolidieren, daß Ihre Rückkehr Ihnen auch innerlich möglich sein wird. Mit den besten Grüßen und Wünschen Ihr sehr ergebener E. Seeberg Dekan
Lieber Freund! [Winterhager]! Kurz Antwort auf den Brief. Daß ich gegenwärtig von mir aus die R.K. R.?2 um einen Vikar angehe, kommt leider aus einem doppelten Grund nicht in Frage: 1. würde man mir das Gesuch ablehnen, wie es Schönberger vor 14 Tagen abge-
lehnt worden ist. 2. stelle ich gegenwärtig keine Anträge irgendwelcher Art an ein K.R. [Kirchenregiment], das ich nicht anerkenne und das mich nicht anerkennt — ich bin ja (zum Glück!) noch nicht bestätigt! — Schönberger will daher anf eigene Faust einen Vikar kommen lassen, dem die Zeit natürlich nicht angerechnet wird; aber die Gemeinde braucht einfach eine Hilfskraft und steht dafür ein. Das ist bei mir anders — wo ich erst 6 Monate da bin und mein Vorgänger 12 Jahre 1. Brief ohne Datum, Mitte Mai geschrieben. 2. Reichskirchenregierung.
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England.
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allein gewirtschaftet hat und 40 Jahre älter war. Die von Ihnen rot bezeichnete Frage werden Sie nicht für meine eigene Frage gehalten haben. Sie ist aber Schönbergers. Daran ist nichts zu machen: Er will einen, der „nicht abseits steht“. Seine Gemeinde ist eine eigene Zelle!. Darum eben war ich im Zweifel, ob es für Konstantin? etwas wäre. — Was mich
angeht, so könnte ich Sie nur persönlich einladen und würde das natürlich gern tun. Offiziell wird sich da gegenwärtig nichts ergeben. — Soeben erhalte ich außerdem einen Brief von E. Seeberg?, in dem er mir mitteilt, daß für den Fall einer Verlänge-
rung des Urlaubs von der Universität über den Winter der Minister angefragt werden müsse. Es scheint mir nun unzweifelhaft, daß ich dort eine abschlägige Antwort erhalten
würde, so daß ich vor die definitive Frage gestellt wäre: hier oder Universität oder ganz was anderes —
Indien, Kloster.
Damit wird es für mich geradezu unmöglich, die Vikarssache jetzt meiner Gemeinde vorzulegen, die ich vielleicht schon in ein paar Wochen von meinem Fortgang informieren muß. — Es scheint mir auch ungleich wichtiger, daß sich unsere Sied-
lungspläne konkretisieren. — Haben Sie auch am Sonnabend vor Exandi die Times gelesen?4 Chichester läßt sich da vernehmen. —
Über Ihren Arbeitsbericht habe ich mich sehr gefreut. Ich bin begierig auf die Protokolle. — Soeben Anruf von Schönberger: am besten gleich für 1 Jahr, oder doch ein halbes Jahr kommen! Reisegeld 3 £ Zuschuß
— das ist fast die ganze Reise. Baldige Antwort! Stets Ihr D>B: 1. Der NSDAP. 2. Deckname für Winterhager selbst. 3. Siehe Seite 179.
4. Hinweis auf den Abdruck der Himmelfahrtsbotschaft in der Times vom 12. Mai 1934.
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22. Mai 1934
Liebe Großmamal! .... Ich hatte gehofft, es würde nach Ostern etwas ruhiger werden. Aber bis jetzt ist davon noch nicht sehr viel zu merken gewesen. Nun ist Pfingsten auch vorüber und ich hoffe noch einmal auf Ruhe. Eigentlich ist es gar nicht zu verstehen, daß in einer so kleinen Gemeinde so viel los sein soll. Aber es macht wohl, daß am Anfang so sehr viel Ansprüche von den verschiedensten Seiten an einen herankommen, was sich dann später gibt. Unangenehm ist mir daran eigentlich nur, daß ich nicht so zur eigenen Arbeit komme, wie ich gern
wollte. Das wöchentliche Predigen macht mir doch noch sehr viel Arbeit und ich würde sehr gern einmal wieder aussetzen; aber das ist es nun grade, daß man das nicht kann, daß es
also auf Stimmung oder nicht gar nicht ankommen kann. Ich finde überhaupt, es ist im Sommer viel schwerer zu predigen
als im Winter. Man vergißt über der neuen Natur so leicht all das andere, was noch gar nicht neu ist. Es ist z. Zt. wirklich sehr schön hier. Gestern waren wir von der Gemeinde aus den ganzen Tag draußen, in einer Gegend, die dafür berühmt ist, daß um diese Zeit der ganze Waldboden einfach lückenlos blau ist auf Hunderte von Metern von einer Art
Glockenblume. Außerdem gibt es hier zu meiner großen Überraschung im Wald wildwachsende Rhododendron, und zwar in großer Zahl, Hunderte von Büschen nebeneinander. Das fängt grade an zu blühen und wird wahrscheinlich in 2 Wochen einfach märchenhaft schön sein. Es ist eben doch ein ganz anderes Klima hier. Im Winter ja sehr unangenehm,
aber im Frühjahr um so schöner. — Wie lange ich noch hier bleiben werde, ist sehr unsicher. Neulich bekam ich einen Brief von E. Seeberg als Dekan, indem er mir meinen gegen-
wärtigen Urlaub bestätigt und mitteilt, daß ich für den Fall einer Verlängerung des Urlaubes die Genehmigung des Ministeriums einholen müsse. Und das ist ja sehr schwierig, so daß
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ich damit rechne, daß ich mich dann endgültig werde entscheiden müssen, ob ich noch einmal zur akademischen Laufbahn zurückkehre oder nicht. Übermäßig groß ist die Lust
dazu nicht mehr. Und ich glaube nicht, daß sie bis zum Winter erheblich wachsen wird. Es ist mir nur um die Studenten
zu tun. Aber vielleicht gibt es da noch andere Wege, die sich auftun. Bevor ich mich irgendwo endgültig binde, möchte ich aber
noch einmal nach Indien. Ich habe mich in der letzten Zeit sehr intensiv mit den dortigen Fragen befaßt und glaube, daß
man vielleicht sehr Wichtiges lernen kann. Jedenfalls scheint es mir manchmal, als ob in dem dortigen „Heidentum“ viel-
leicht mehr Christliches steckt als in unserer ganzen Reichskirche. Tatsächlich ist ja auch das Christentum orientalischer Herkunft und wir haben es dermaßen verwestlicht und mit rein zivilisatorischen Erwägungen durchsetzt, daß es uns so weit verloren gegangen ist, wie wir jetzt erleben. Leider
habe ich auch gar kein rechtes Zutrauen mehr zu der kirchlichen Opposition. Mir gefällt diese Art des Vorgehens gar
nicht und ich habe wirklich Angst vor dem Augenblick, wo die Verantwortung dieser zufällt und wir vielleicht noch einmal eine furchtbare Kompromittierung des Christentums mit ansehen müssen. Rein praktisch ist es noch nicht klar, wie sich der Indienplan entwickelt. Vielleicht — aber bitte nichts darüber sagen, an Studenten etc. — kann ich an die Universität
von Rabindranath Tagore. Viel lieber würde ich allerdings gleich zu Gandhi gehen, an den ich sehr gute Empfehlungen von seinen besten Freunden bereits habe. Vielleicht kann ich dort mal ein halbes Jahr oder länger als Gast hin. Wenn es
soweit kommt, und ich die Sache finanziell irgendwie ermöglichen kann, würde ich im Winter gehen. — Vorher komme ich ja noch in den Ferien nach Berlin... Anfang August ist eine Studentenkonferenz, die ich wohl zu leiten haben werde. Dann ist am 23. August Konferenz in Dänemark, zu der ich
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sicher gehen will. Ich muß da auch reden und habe das schon vor einem Jahr zugesagt... Es grüßt Dich, liebe Großmama, herzlich
Dein dankbarer Dietrich
[Wahrscheinlich: Fanö, den 19. August 1934] Liebe Großmama! Nun ist es durch unerwartete
Umstände
so gekommen,
daß
ich in diesem Jahr wieder nicht zum Geburtstag bei Dir sein kann... ..... Ich sitze zur Zeit (seit gestern) in Fanö und warte auf die Konferenz. Franz! ist auch hier und hat viel erzählt. Auch von Mama und wie sie unserer Sache überall hilft. Ich bin der Mama überhaupt so sehr dankbar für all das, und daß sie auch meiner Studenten sich so fabelhaft annimmt ... Franz brachte mir die Nachricht, daß es im Interesse von Köhn?
sei, wenn
ich im nächsten Semester noch in London
wäre. Das müßte eine Absage an das Seminar sein — wie mir scheint — und das ist mir doch etwas schmerzlich. Aber
ich verstehe Köhn natürlich völlig. Ich muß noch an Gerhard? deswegen schreiben. Zunächst bin ich begierig, wie die Dinge hier laufen. Ich bin der einzige von uns, was ich für einen
großen Fehler halte. — Nun will ich schließen, der Sandsturm im Strandkorb macht das Schreiben fast unmöglich. Dein dankbarer Dietrich 1. F. Hildebrandt, welcher von einer Sitzung des Bruderrats in Hamburg kam, wo endgültig beschlossen war, daß die Bekenntnis-Synode nicht in Fanö erscheinen solle. G. S. I, S. 207—208. 2. Deckname für Präses Koch, Oeynhausen, dem Bonhoeffers Verbindung zu Chichester nach der Konsolidierung der Bekennenden Kirche wichtig war. 3. Gerhard Jacobi, der in Berlin vornehmlich Bonhoeffers Ruf an ein zu errichtendes Predigerseminar der Bekennenden Kirche betrieb.
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England.
1933— 1935
16th October 1934 Dear Fatherl, A friend of mine, who is German Pastor in London, a young man, Pastor Bonhoeffer, has been asked to undertake the training of
theological students’on behalf of the Confessional Synod in Germany. He is an excellent theologian who was introduced to me by Professor Adolf Deissmann as one of his best men of recent years. He is very anxious to have some acquaintance with our methods in England, both with regard to training for the ministry and with regard to community life. He expects to leave England at the end of December. I have promised to give him one or two introductions, and I venture to ask you whether it would be possible for you to let him come and stay, some time in the middle of the week, at a convenient date to yourself, between now and the end of the year. He cannot get away during the weekends but two or three nights in the middle of the week would be very possible and a very great kindness to him, and incidentally to our friends in Germany. He speaks English perfectly, Yours sincerely, George Cicestr
Rev. Father E. K. Talbot, Community of the Resurrection, Mirfield. Sent also to: Father O’Brien, Society of St. John’s the Evangelist, Cowley / Father Tribe, Society of the Sacred Mis-
sion, Kelham | Rev. Eric Graham, Principal of Wycliffe Hall Canon Tomlin of St. Augustine’s, Canterbury
1. Übersetzungen siehe Seite 616—620.
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22nd, October 1934 Dear Mr. Gandhi,
A friend of mine, a young man, at present German Pastor in London, Pastor Bonhoeffer, 23 Manor Mount, London, S.E. 23,
is most anxious that I should give him an introduction to yon. I can most heartily commend him. He expects to be in India for the first two or three months of 1935. He is intimately identified with the Church Opposition Movement in Germany. He is a very good theologian, a most earnest man, and is probably to have charge of the training of Ordination candidates for the Ministry in the future Confessional Church of Germany. He wants to study community life as well as methods of training. It would be a very great kindness if you could let him come to you!. Yours sincerely, George Cicestr
1. Bonhoeffer hat von Gandhi eine persönliche Einladung erhalten. H. Jehle hat diesen (verlorengegangenen) Brief gelesen. Bonhoeffer erwähnt die Einladung und eine solche von R. Tagore in einem Brief an H. v. Dohnanyi vom 4. November 1940.
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Die Londoner Loslösung von der Reichskirchenregierung Protokoll
Die in der Christuskirche heute versammelten Kirchenvorsteher erklären, daß sie innerlich auf dem Boden der Bekenntniskirche stehen und werden sofort alle notwendigen daraus folgenden Ver-
handlungen mit den Kirchenbehörden (Außenamt der Reichskirche und Bekenntniskirche) aufnehmen!. London, den 5. November 1934. Die Kirchenvorstände: Der Reformierten St. PaulskircheLondon, 12 Unterschriften [darunter D. Bonhoefler] — Der Deutschen Evangel. Kirche in Sydenham, London, 8
Unterschriften [darunter D. Bonhoeffer] — Der Deutschen Ev.-Luth. St. Marienkirche, London, 4 Unterschriften — Der Deutschen Luth. St. Georgskirche, London, 4 Unterschriften — Der Hamburger Lutherischen Kirche, London, 1 Unterschrift — Der Deutschen Lutherischen Kirche in Hull, 8 Unterschriften — Der Deutschen Evangelischen Kirche, Liverpool, 1 Unterschrift — Der Deutschen Evangel. Gemeinde in South Shields, 5 Unterschriften — Der Deutschen Evangel. Kirche in Newcastle, 3 Unterschriften
An das Kirchliche Außenamt z. Hdn. Herrn Bischof D. Heckel Berlin-Charlottenburg
10. November 1934 Die deutschen evangelischen Gemeinden in Großbritannien haben mit großer Freude davon Kenntnis genommen, daß auf Grund der Erklärungen des Führers das bewußte Bekenntnis zum Dritten Reich und seinem Führer nicht mit der Zugehörigkeit zu einer 1. Bonhoeffer hielt ein Referat über die kirchliche Lage in Deutschland; Rieger über die Wirkungen des Kirchenstreites im Ausland.
Londoner
Loslösung
von
der Reichskirchenregierung
187
bestimmten kirchlichen Gruppe identisch ist. Die Gemeinden stehen, 2.T, seit Jahrhunderten, auf dem Fundament von Bibel und Bekenntnis und sehen infolgedessen die Bekenntniskirche als die
rechtmäßige Nachfolgekirche
des Deutschen
Evangelischen Kir-
chenbundes an, dem sie sich im Jahre 1928 angeschlossen haben, um den Zusammenhang mit der Heimatkirche zu wahren. Die am 5. November 1934 in der Deutschen Evangelischen Christuskirche versammelten Vertreter der deutschen evangelischen Gemeinden haben infolgedessen einstimmig beschlossen, das Vorstehende dem Kirchlichen Außenamt in Berlin mitzuteilen und zugleich die Verhandlungen mit der Bekenntniskirche in Oeynhausen aufzunehmen. Freiherr Bruno von Schröder Fr. Wehrhan, Pfarrer
An Präses Koch, Oeynhausen 13. November
1934
Sehr geehrter Herr Präses!
Anliegend übersende ich Ihnen ganz ergebenst die Abschrift eines Briefes, den wir haben, zur gefl. nehmen und uns Schönberger und den, die nötigen
an das Kirchliche Außenamt in Berlin gesandt Kenntnisnahme mit der Bitte, dazu Stellung zu sobald wie möglich zu antworten. Herr Pastor Herr Pastor Bonhoeffer sind abgeordnet worVerhandlungen über einen Anschluß der hiesigen
Gemeinden an die Bekenntniskirche evtl. persönlich einzuleiten, Ich bitte, sich mit mir wegen eines geeigneten Zeitpunktes dafür freundlichst in Verbindung setzen zu wollen. Da nunmehr der Anschluß der Auslandsgemeinden an die Be-
kenntniskirche in die Wege geleitet ist, wird es sich empfehlen, möglichst umgehend eine Stelle zu schaffen, die dem Kirchlichen
Außenamt in Berlin entspricht. Ich füge auch das Protokoll der Versammlung der Kirchenvorsteher hier bei, auf Grund dessen wir unser Schreiben nach Berlin
gerichtet haben. Mit freundlichem
Gruß und bherzlichem
ich Ihr sehr ergebener
Segenswunsch
verbleibe
F. Wehrhan, Pfarrer
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England.
1933 — 1935
Der dtsch.-evgl. Pfarrerverein in Gr.-Britannien an alle Auslandspfarrer November 1934 Liebe Brüder! Das vertrauliche Rundschreiben D. Heckels vom 14. 11, 34 gibt uns Veranlassung, von uns aus sämtlichen Deutschen Auslandsgemeinden folgendes zu unterbreiten: Wir gehen auf den in dem Schreiben gemachten Entmündigungsversuch D. Heckels nicht näher ein, sind aber mit ihm der Meinung, daß es heute „auf ein geschlossenes, einmütiges und gemeinsames Handeln der Deutschen Evangelischen Auslandsdiaspora ankommt“. Wenn er aber davon redet, daß die Verbundenheit mit
dem kirchlichen Außenamt nicht etwa eine kirchliche Stellungnahme für oder wider ein kirchliches System bedeute, dann können wir nicht umhin zu betonen, daß wir in D. Heckel’s Auftreten, der in einer Verhandlung im Februar d. ]s.! uns eine unbedingte
Vertrauenserklärung für Reichsbischof Müller und die Reichskirche abnötigen wollte, und der außerdem mit den deutsch-christlichen Bischöfen, und nur mit ihnen, den Reichsbischof feierlich einführte2, sehr wohl eine starke kirchenpolitische Stellungnahme für das deutsch-christliche System erblicken müssen. Wir sind der Meinung, daß wir Auslandsgeistlichen, die wir zuerst und zuletzt unseren Gemeinden gegenüber die Verantwor-
tung zu tragen haben, „über die Notwendigkeit einer echt kirchlichen Entscheidung“ allein das letzte Wort sprechen müssen, und zwar „aus der Verantwortung unseres Amtes heraus und in der
ernsten Verpflichtung für die Deutschen Evangelischen Auslandsgemeinden“.
Wir haben infolgedessen unter dem 12. ds. Mts, eine Entscheidung getroffen und nachfolgenden Brief an das Kirchliche Außenamt in
Berlin und in Abschrift an die Bekenntnissynode in Bad Oeynhausen gesandt:
[folgt Brief vom 10. November, siehe Seite 186] Gebunden
an das biblische Evangelium und an die reformatori-
1. 8. und 9. Februar 1934, siehe Seite 160 f. 2. 23. September 1934 im Berliner Dom.
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189
schen Bekenntnisse haben wir in Verantwortung für Kirche und Volk handeln müssen. Wir konnten der Entscheidung nicht mehr entfliehen.
Keine Entscheidung wäre eine Entscheidung für das
deutsch-christliche Regiment gewesen. Wir haben uns daher von diesem Kirchenregiment losgesagt und werden demnächst mit der Bekenntnissynode die Verhandlungen aufnehmen. Bei diesem Entschluß stand uns die Verantwortung für die gesamten evangelischen Auslandsgemeinden klar vor Augen. Sie sind
gewachsen auf dem Boden des reinen Evangeliums und haben nur dadurch die Jahrhunderte trotz Krieg und Bedrängung überdauern können. Sie waren das stärkste Bindeglied zwischen dem Auslandsdeutschtum und der Heimat. Aber nur dadurch, daß sie den Auslandsdeutschen nach dem Vorbild des Herrn Jesus Christus in dienender Liebe und nicht mit diktatorischen Befehlen nachgingen.
Diesen Dienst möchten sie heute, wo durch den zähen Kampf des Führers die Einheit im Deutschen Volk geschaffen ist, mit um so größerem Eifer tun. Wir bitten, daß nun auch das Erwachen durch die Auslandsgemeinden gehe und daß diese ihre Pflicht erkennen, die Kirche Martin Luthers und das Volk der Reformation von widerchristlicher Gewalttat in der Kirche und krasser Irrlehre zu befreien und sie so in den Augen unseres Volkes und der Welt wieder zu Ehren zu bringen. Brüder im Ausland, das Evangelium gebietet Wahrhaftigkeit und Einheit, der Führer unseres Volkes wünscht beides. Laßt uns zusammenstehen in diesem Kampf, den wir nicht um unseretwillen, sondern um der Kirche und des deutschen Volkes willen aufnehmen. Wir wollen in Verhandlungen mit der Bekenntnis-Kirche als der rechtmäßigen Nachfolgerin des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes eintreten,
dem wir uns s. Zt. um der Einheit willen angeschlossen haben. Wir bitten um Ihre umgehende Stellungnahme, um möglichst umgehend auf breiter Basis die Verhandlungen beginnen zu können. Wir bitten Sie um Ihre Fürbitte, daß Gott, der Herr, unserer ge-
liebten Deutschen Kirche Seinen Segen und unserem schwachen Wollen Sein Vollbringen geben möchte. | Mit brüderlichem Gruß
Der Deutsche Evangelische Pfarrerverein in Großbritannien
190
England.
1933 —1935
Deutsche Evangelische Kirche Kirchliches Außenamt A 8550
den 28. November 1934
Auf mein Schreiben vom 16. November 1934 — A 8438 — bin ich bisher ohne Antwort gelassen worden!. Ich war bei meiner Ant-
wort auf die Mitteilung des Gemeindeverbandes von der selbstverständlichen Voraussetzung ausgegangen, daß der Gemeindeverband nicht ohne Benehmen mit mir weitere Schritte einleiten würde. Wie ich jedoch der im Rheinland erscheinenden Wochenschrift „Unter dem Wort“ Nr, 47 vom 25. November entnehme, hat der Gemeindeverband seine von einer irrigen Rechtsauffassung ausgehenden Mitteilungen bereits dem Bruderrat der Evangelischen
Kirche der altpreußischen Union oder anderen Stellen der Bekenntnisbewegung bekannt gegeben. Ich mache deshalb noch einmal darauf aufmerksam,
daß der Gemeindeverband
seinerseits recht-
lich nicht in der Lage ist, verbindliche Erklärungen für die einzelnen der Deutschen
Evangelischen
Kirche angeschlossenen
Ge-
meinden und Geistlichen hinsichtlich des Anschlußverhältnisses abzugeben. Ich sehe mich deshalb genötigt, sofern mir nicht der Gemeindeverband umgehend weitere Nachricht zukommen läßt, meinerseits die einzelnen der Deutschen Evangelischen Kirche angeschlossenen Gemeinden und Geistlichen in England von dem bisher geführten Schriftwechsel in Kenntnis zu setzen. D. Heckel An den Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Evgl. Gemeinden in Großbritannien [Baron B. von Schröder]
und Irland
1. Das Schreiben besagte, es sei ein Irrtum, zwei evgl. Kirchen anzunehmen. Bekennende Kirche sei nicht Kirche im Rechtssinn, sondern Bewegung, die sich kirchenregimentliche Befugnisse zuspricht, es fehlen Form,
Verfassung u. staatliche Anerkennung. Gemeindeverband sei nicht berech-
tigt, über Anschlußverhältnis Erklärungen abzugeben. Darüber müßte von den Organen jeder einzelnen Gemeinde ein ordentlicher Beschluß vorliegen.
Londoner
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der Reichskirchenregierung
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Berlin-Charlottenburg 2, den 10. Dezember 1934 Auf meine Schreiben vom 16. bzw. 28. November — A 8438 bzw. 8550 — bin ich bisher ohne Antwort geblieben. Inzwischen ist mir aus sicheren Quellen bekannt geworden, daß entgegen den dorti-
gen Mitteilungen vom 10, November an das Kirchliche Außenamt der Beschluß der am 5. November 1934 in der Christuskirche versammelten Vertreter der deutschen evangelischen Gemeinden in Großbritannien lediglich dahin ging, daß die Kirchenvorsteher innerlich auf dem Boden der Bekenntniskirche stehen und sofort alle notwendigen daraus folgenden Verhandlungen mit den Kirchenbehörden (Außenamt der Reichskirche und Bekenntniskirche) aufnehmen werden. Der Ton bei diesem Beschluß liegt auf dem Wort innerlich. Von der im Schreiben vom 10. November dargelegten Rechtskonstruktion ist dabei nicht die Rede. Weiterhin ist deutlich, daß die Vertreter der Gemeinden Verhandlungen auch mit dem Außenamt der Deutschen Evangelischen Kirche wünschten. Inwiefern der Vorsitzende des Verbandes ermächtigt war, abweichend von diesem Beschluß vorzugehen, ist mir nicht bekannt. Meine. Vermutung, daß der Beschluß der Vertreter auf ungenügenden Informationen und irrtümlichen Voraussetzungen beruhe, hat sich durchaus bestätigt. Ich wiederhole nur noch einmal, daß sich neben der Deutschen Evangelischen Kirche eine Bekenntniskirche als Kirche im Rechtssinne nicht gebildet hat und daß eine Anerkennung der Bekenntnissynode seitens des Staates nicht vorliegt. Leider muß ich feststellen, daß zwei Vertreter der Londoner Gemeinden, die Herren Pastor Schönberger und Pastor Bonhoeffer; in Berlin weilten, ohne es für nötig gehalten zu haben, auch nur
den Versuch zu machen, mit dem Kirchlichen Außenamt zu einer Aussprache zu kommen. Die von den beiden Genannten bei amt-
lichen Stellen in Berlin gemachten, mir bekannten Vorschläge hinsichtlich einer Neugestaltung der kirchlichen Außenarbeit, zu de-
nen übrigens den Genannten jede Legitimation fehlt, stellen einen sowohl aus kirchlichen wie aus nationalen Gründen unmöglichen Plan dar. Ich kann nur davor warnen, diese Gedanken weiter zu verfolgen.
192
England.
1933 — 1935
Unter den obwaltenden Umständen sehe ich mich jetzt genötigt, meine Korrespondenz mit dem Gemeindeverband sämtlichen Ge-
meinden zur Kenntnis zu bringen. »
D. Heckel
An den Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Evgl. Gemeinden in Großbritannien und Irland.
Entwurf!
13. Dezember 1934 An das Kirchliche Außenamt
Auf das Schreiben vom 10. Dezember 1934 gestatte ich mir zu erwidern, daß die unter dem 10. November erfolgte Mitteilung des Verbandes der Deutsch-evangelischen Gemeinden in Großbritannien und Irland nicht den Charakter einer Loslösung von der unter dem Gesetz vom 15. Juli 1933 geschaffenen Deutsch-evangeli-
schen Kirche trug, sondern vielmehr bezweckte, dem gegenwärtigen Kirchen-Regiment unter dem Reichsbischof Müller, sowie den
nachgeordneten Stellen, die Anerkennung zu versagen. [Hier folgt Mitteilung des Protokolls über den Beschluß des Kirchenvorstandes]
Protokoll
Freitag, den 4. Januar
Außerordentliche Sitzung der Kirchenvorstände von St. Paul und Sydenham gemeinsam in der Sakristei der Paulskirche, um 7 Uhr. Anwesend die beschlußfähigen Kirchenvorstände v. St. Paul u. Sydenham u. Pfarrer Bonhoeffer. Die Sitzung wird mit Gebet eröffnet. Der Pfarrer erklärt, warum 1. Entstanden aus der Beratung der Londoner für das weitere Vorgehen jeder Einzelgemeinde.
Londoner
Loslösung
er die Kirchenvorstände
von
der Reichskirchenregierung
zu gemeinsamer
193
Beratung gebeten hat.
Die Lage des Kirchenstreites in Deutschland macht eine endgültige Beschlußfassung notwendig. Die deutsch-evangelischen Pfarrer Londons haben in mehrfacher ernster Beratung mit dem Vorsitzenden des Gemeindeverbandes den Augenblick für gekommen gehalten, die Kirchenvorsteher um eine freie und eindeutige Stellungnahme zu bitten. Direkter Anlaß war ein Brief des Bischofs D. Heckel-Berlin, der unter Umgehung der Pfarrer direkt an die Kirchenvorstände gerichtet worden war, ein Vorgehen, in dem man den Versuch erblicken mußte, zwischen Kirchenvorstände und Pfarrer einen Keil zu treiben. Es wird sodann von einem Briefwechsel zwischen Bischof D. Heckel und Baron Schröder berich-
tet, der dem Brief des Bischofs an die Kirchenvorstände voranging. Nach dem ausführlichen Referat des Pfarrers über die Lage und nach längerer freier ernster Diskussion zwischen den Herren der
beiden versammelten Kirchenvorstände wird folgender Beschluß gefaßt: „Die hier versammelten Kirchenvorstände von St. Paul und Sydenham erklären einstimmig, daß sie der gegenwärtigen z. Zt. von Reichsbischof L. Müller geleiteten Reichskirchenregierung die Anerkennung versagen. Für die Gemeinden St. Paul und Sydenham ist eine Kirchenregierung, die in ihren Zielen und Methoden die elementarsten Grundsätze des evangelischen Glaubens verleugnet, nicht länger erträglich. Die Kirchenvorstände stellen ferner fest, daß das unevangelische Vorgehen der Reichskirchenregierung im Verlauf der letzten 18 Monate dem Ansehen des Deutschen Rei-
ches im Ausland schwersten Schaden getan hat. Die Kirchenvorstände beteuern, daß sie bereit sind, die durch Reichsgesetz vom 15. Juli 1933 geschaffene Reichskirchenverfassung als Rechts-
grundlage für ein Anschlußverhältnis anzuerkennen und fühlen sich an eine auf dieser Grundlage stehende D.E.K. (Deutsche Evgl. Kirche) nach wie vor gebunden.“ Dieser Beschluß wird einstimmig gefaßt. Seine Mitteilung nach Berlin soll mit Rücksicht auf die politische Lage nicht vor der Saarabstimmung! stattfinden und wird dem schluß der vier Londoner Pfarrer überlassen. 1. 13. Januar
1935.
gemeinsamen
Be-
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England.
1933—1935
Der Pfarrer betont nochmals, daß mit dem heutigen Beschluß nur der Schlußstrich unter das bisherige Vorgehen der Kirchenvorstände gezogen werde. Er dankt allen Anwesenden für ihr Kommen
und
schließt die Sitzung-mit einem Gebet. Schluß der Sitzung um 9.15 Uhr. 16 Unterschriften . .
An das Kirchliche Außenamt der
Deutschen Evangelischen Kirche Berlin-Charlottenburg 2, Jebenstraße 3 London, den 21. Januar 1935 Die unterzeichneten
Pfarrer verwahren
sich unter
Bezugnahme
auf das dortige Schreiben vom 10. Dezember 1934 gegen jeden von vornherein erfolglosen Versuch der Reichskirchenregierung, wie er nicht nur von ihnen, sondern auch von den Kirchenvorstehern
empfunden worden ist, zwischen Gemeinde und Pfarrer und den von ihnen verehrten Vorsitzenden des Gemeindeverbandes
einen
Keil zu treiben. Sie sehen sich nicht veranlaßt, in ein Gespräch über einzelne in dem Schreiben erwähnte Punkte einzutreten, die von nicht ver-
antwortlicher privater Seite —
teils richtig, teils unrichtig, teils
mißverständlichb — einer Stelle der Reichskirchenregierung zugetragen worden sind. Sie verwahren sich ein für allemal und warnen das Außenamt
der Reichskirchenregierung, in irgendwelchen Andeutungen die politische und vaterländische Gesinnung der Pfarrer anzutasten. Sie weisen darauf hin, daß nochmalige ernsthafte Folgen zeitigen werden.
derartige Anspielungen
Dritter
Briefwechsel
mit dem
Bischof
von
Chichester
195
January 7th, 1935
My Lord Bishop, [G. K. A. Bell] I must apologize for answering so late. The foggy weather
last week kept me in bed and made me absolutely unable to work. Thank you very much for your kind letter. Yon had given me the address of the young German girl before and I had forwarded it to my friend Pastor Jacobi. — I have not had any important news from home. I think they do not want to go on with their fight before the Saar plebiscite!. T'he
thing which occupies me most at the present moment is the question what could be done for the refugees from the Saar
who will number about 30—50 thousand?. I am thinking of taking a few children and giving them into the homes of my people in the congregation. But how is the whole problem
going to be solved, not individually but fundamentally? I enclose a copy of a “memorandum” by one of the refugees who is here with his family and is trying to find some sort of work in the office of a lawyer, he himself having been a
well known and very serious lawyer in Nürnberg. With regard to the idea of sending some British clergymen over to Germany for the time after the Saar plebiscite, I believe, it could be very helpful indeed. I do not think Rev.
Cragg? could be offended. Pastor Forell from Sweden, who is devoting most of his time to the Church, himself asked for such a But it might be, of course, that this be sufficient for the time being. —
cause of the Confessional delegation from Sweden. Swedish delegation would Do you still think of the
plan of an official British delegation to the Confessional Church on behalf of world-peace? The more 1 think of this 1. 13. Januar 1935. 2. Wohl Schreibfehler und gemeint 3—5000.
3. Englischer Gesandtschaftspfarrer in Berlin.
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England.
1933—1935
idea, the more it strikes me as most important and helpful. At the beginning of a new year I wish to thank you most sin-
cerely and heartily for all yon have done for us in the last year. May God bless all your work and all the fellowship He is establishing trongh your work between our churches. Your work will never be forgotten in the history of the German Church. I remain yours gratefully,
Dietrich Bonhoeffer
8th January, 1935 My dear Bonhoeffer, Very many thanks for your letter and the enclosure, I am very sorry you have been poorly, and do hope you are better now. I wrote to Praeses Koch and asked him if the sending of a group of five or six English Churchmen to talk with German Churchmen about peace and friendship between our two countries would be embarrassing or welcome. I sent the letter through Mr. Cragg. I also said that I did not think it would do for the Universal Council to be mixed up in it, as that had concerned itself with
the Church question. After some delay I had a short letter back. He says that he would like five or six English Churchmen to come out to Germany but he wants them to be connected with the Universal Council, and he wants them to discuss the grave German Church questions. He does not say a word about peace and AngloGerman friendship. I am rather perplexed, for that was not at all what my lay friend was proposing to finance. I have written to
Mr. Cragg to that effect. In the meantime I am in touch with Dr. Cross on the bare possibility of my being able to send him out to Berlin for a few days after seeing me, and to come back with a report; but I do not really know whether this will be feasible. I heard from Archbishop Eidem yesterday and I gather that Eh-
renström is going to Berlin almost at oncel. I have not heard 1. Vorbereitung eines Besuches von Eidem bei Hitler, bei dem der Erzbischof sich von diesem hat „anbrüllen“ lassen müssen.
Dritter Briefwechsel mit dem Bischof von Chichester
197
from Henriod about the proposed office of the Youth Committee at Berlin!, but I do not know why he is so long in answering,
except that the Christmas holidays were rather long at Geneva. Praeses Koch suggested that the party should go out to Berlin, if it went, about January 20th. I am going away to the Isle of Wight for a week on Saturday, and shall be in London on January 21st for most of that week. Thank you for what you have done about the young German girl. I do understand your principal occupation at the present moment with the question of what can be done for refugees from the Saar, Do you really think that they will numer 30,000 to 50,000? I wish one could think of some method of dealing with the problem fundamentally. Thank you so very much for all your kind words about my poor efforts. I appreci-
ate them greatly, Yours ever,
George Cicestr
17th April, 1935 My dear Koechlin, Very many thanks for your two letters. The first letter about the article inthe Berliner Tageblatt was most useful, and I have acted upon it. The article is a religious article and if I get a spare copy sent me I will send it along to yon. I saw Bonhoeffer on Monday in London. He was on his way to Berlin. He is now, I think, giving up his Pastorate in London and
will certainly be away for six months at least, possibly for good. He told me that the situation in the German Evangelical Church was critical but at the same time he did not think that very
drastic measures were going to be taken immediately. He thought rather that the Government policy was to let things drift a little, 1. Die deutsche ökumenische Jugendkommission, deren Arbeit jetzt vor allem von Winterhager getan wurde, etablierte eine Art Büro beim schwed. Gesandtschaftspfarrer Forell in Berlin und benutzte seine Kommunikationsmöglichkeiten über Schweden für unbeobachtete Mitteilungen ins Ausland.
198
England.
1933 —1935
and especially to see how far the lay people supported the Pastors
when such oppression and persecution as you described in your letter of April 12th was attempted!. In other words they wandted, without committing themselves too far, to see how much the people would stand. He is to keep me in touch with what is hap-
pening, and Pastor Rieger in Blackheath will be a very useful link. I sent a line to Praeses Koch through Bonhoeffer assuring
him of my sympathy and my desire to help in case of need. I think that Bonhoeffer believes that a need may arise in the not distant future when an appeal might have to be made to the Oecumenical Church?. I have talked the matter over, and keep talking the matter over, with the Archbishop of Upsala who is spending Holy Week, with his wife and daughter, in my house. I have showed him your letter. Before I got your letter, having
seen similar news in “The Times”, I wrote a personal strong protest to Herr von Ribbentrop3, telling him that if it really was desired to maintain Evangelical Christianity it must be recognized that a Confessional Synod, from the point of view of the Churches outside, was the only instrument, and that an attack on that, or the suppression of that, would be interpreted as an attack upon Evangelical Christianity. I took as my starting point the attacks on the Pastors and their imprisonment, and sent him a cutting from the “Christian World”, to show how strongly Church people from different Churches in this country felt on the matter. Yours
ever,
George Cicestr
1. Nach Verlesung eines „Wortes an die Gemeinden“ der Synode der Bekennenden Kirche der APU wider d. Abgötterei mit Blut und Rasse am 17. März wurden 715 Pfarrer vorübergehend verhaftet. Am 28. März kamen die Pfarrer Peter Brunner, Ruhland und Wolf ins Kz Dachau. 2. Die Augsburger Synode war zunächst auf den 3. u. 4. April geplant, fand aber erst am 4.—6. Juni statt. 3. Ribbentrop besuchte am 6. November 1934 Dr. Bell in Chichester
und versicherte, daß alles zur Beruhigung
sich wiederum
im Athenäum
im Juni 1935,
getan würde.
Beide trafen
Dritter
Briefwechsel
mit dem
Bischof
von
Chichester
199
22nd May, 1935 My dear Dr. Koechlin,
We had a Meeting of the Administrative Committee of Life and Work in Paris last week at which Dr. Oldham gave a full report on his visits only a few days before to Berlin and Hanover. I had been ready before the Meeting, as I had let some friends know,
to go with Bishop Ammundsen to Düsseldorf in order to see some of the leaders of the Confessional Synod privately if that were considered useful. Oldham however, after talking it over with Praeses Koch and others, reported at Paris that it was not desirable in the interests of the Confessional Synod leaders who might be exposed to danger. Nevertheless on Saturday night!, just after my return from Paris, Bonhoeffer rang up, having flown over from Berlin to see me, at the special request of Koch. Praeses Koch said that he was sorry that I had not come to Düsseldorf and he had advised against my coming, for it would have been useful, but he realized what had happened. He wanted me to write a letter for the Meeting of the Confessional Synod today and tomorrow2. He also wanted me to be ready to come at the shortest possible notice if there were a very grave necessity. I am of course ready to go if such a grave necessity arose. The reason I am writing to yon is this. I should be of little use by myself owing to my ignorance of German. Supposing — which Heaven forbid — that such
a necessity arose, would it be possible for yon to meet me in Berlin? I could telephone to you from here to ask whether yon could come if the day were to arrive. This letter however can
state the situation more easily than a telephone call. I expect what it would mean would be that I should, if the necessity arose, fly to Berlin and ask you to meet me at some convenient place in Berlin, say at the Grand Hotel am Knie. With all best wishes, Yours ever, George Cicestr
1. 18. Mai 1935, siehe G. S. I S. 224, vor allem Punkt 2! 2. Koch wünscte eine Botschaft für die Konferenz der zerstörten Landeskirchen in Gohlfeld am 22. u. 23. Mai 1935. Die „Synode“ war dann erst Augsburg.
200
England.
1933 —1935
Jahresbericht 1934/35 der Gemeinde Sydenham-London „Wir können nichts wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit.“ 2. Kor. 13, 8
Ein Jahr lang ist wieder die Predigt von Christus als der Wahrheit, die uns frei macht, an unsere Gemeinde ergangen,
und sind die Sakramente der Gemeinschaft mit diesem Christus empfangen worden. Ob sie Glauben gefunden, Menschen zu Gott hingeführt, ob sie Schwache gestärkt und Traurige
getröstet, Lügner und Heuchler überführt, Stolze gedemütigt und Demütige aufgerichtet haben, weiß Gott allein. Und wenn es nur ein oder zwei waren, denen geholfen wurde, dann war die Arbeit nicht vergeblich. Das Himmelreich rechnet nicht mit Massen, sondern mit den Wenigen.
Das vergangene Jahr stand für uns unter dem besonderen Zeichen der Vorgänge in unserer Heimatkirche. Sie war der Schauplatz eines beispiellosen Kampfes zwischen Mächten der Irrlehre, der Verkehrung des reinen Evangeliums von
Jesus Christus als unserem alleinigen Herrn, der brutalen Gewaltanwendung gegen Pfarrer und Bischöfe der Kirche Christi und der Schar derer, die keine anderen Waffen hat-
ten und haben wollten als das Bekenntnis zu Christus als dem Herrn aller Herren. Aus Not und Glauben wuchs die Schar der bekennenden Pfarrer und Gemeinden zusammen zur Bekennenden Kirche, die aller Drohung zum Trotz ihr eignes Kirchenregiment aufstellte und dem wider-christlichen Kirchenregiment unter dem gegenwärtigen Reichsbischof den Gehorsam aufkündigte. Dieser Aufruf ist in unsere Gemeinde
herübergedrungen. Und wir alle wußten, daß wir nicht mehr
Rückblick
auf London
201
schweigen durften. Geschlossen haben die Londoner mit der
Mehrzahl der übrigen deutschen Gemeinden in England sich auf den Boden der Bekennenden Kirche gestellt und davon
den zuständigen Stellen Kenntnis gegeben. Wir mußten unserer Solidarität mit unseren kämpfenden und leidenden Brüdern in der Heimat Ausdruck geben um des Evangeliums und unseres Gewissens willen. Eine Gemeindeversammlung unserer Gemeinde hat die Schritte unseres Kirchenvorstandes einmütig gutgeheißen. Welche Tragweite diese Entscheidung für uns haben wird, kann bis heute noch niemand übersehen. Aber nicht danach haben wir zu fragen, sondern nach unsrer
evangelischen Verantwortung als Christen und als Deutsche.
Daß Kirchenvorstand, Gemeinde und Pfarrer diesen Weg gemeinsam gingen, muß uns mit tiefer Dankbarkeit erfüllen. Wir können
nichts wider
die Wahrheit,
sondern
für die
Wahrheit. Besondere Kollekten sind erbeten worden einmal für Bethel,
einmal für die Opfer der Bergwerkskatastrophe in Wales und der Erdbebenkatastrophe in Japan. Herzliche Dankesbriefe sind an uns gekommen. Mehrfach habe ich um Hilfe für in Not befindliche deutsche christliche Flüchtlinge in London gebeten, und ich bin immer wieder dankbar gewesen, mit wieviel Liebe mir und diesen geholfen worden ist.
Ich schreibe diese Zeilen in Deutschland als Leiter eines Predigerseminars, zu dessen Einrichtung die Leitung der Bekenntniskirche sich entschließen mußte und mich gerufen hat. Die Ausbildung des jungen theologischen Nachwuchses ist für die Bekennende Kirche eine Lebensfrage. Als die Frage an mich herantrat, waren Kirchenvorstand und ich einer Meinung, daß eine solche Bitte in solcher Zeit nicht einfach ausgeschlagen werden dürfe. So bin ich denn vorerst auf sechs Monate von unserer Gemeinde für diese Arbeit beurlaubt worden, die
wir unter ungewöhnlichen Verhältnissen nunmehr begonnen haben. Am 10. März habe ich mich vorläufig von der Ge-
202
England.
1933 — 1935
meinde verabschiedet. Pfarrer Böckheler aus Hull ist um die
Vertretung gebeten worden. Schneller als geahnt ist dieser Abschied gekommen. ... „Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich aufschürzen und wird sie zu Tisch setzen und vor ihnen gehen und ihnen dienen. s(buk..12, 37.) Möge es in unserer Gemeinde dabei bleiben. —
„Wir können
nichts wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit.“ In Dankbarkeit Euer getreuer Im Namen des Vorstandes: Dietrich Bonhoeffer, Pfarrer
Finkenwalde, 23. September 1936 Liebe Gemeinde, Brüder und Schwestern! Aus der Ferne grüße ich Euch alle zu diesem frohen Tag unserer Gemeinde!. Wie gern wäre ich heute unter Euch,
hätte ich gestern auf der alten Kanzel gestanden! Ich denke heute im Dank gegen Gott Eures Glaubens, Eurer Treue und Eurer Liebe, die ich bei Euch gefunden habe. Ihr wart meine erste Gemeinde, meine Liebe und viele meiner Gebete gehören Euch allezeit. Ich wurde zu schnell von Euch fortgerufen, als daß ich jedem von Euch ein rechter Pastor hätte sein können. Ich beklage heute vieles, was ich an Euch versäumt habe. Aber Ihr habt es alles mit viel Geduld und Verständnis getragen. Und es wird doch für jeden unter uns so manchen gemeinsamen Gottesdienst gegeben haben, den wir nie ver-
gessen. Daran denke ich heute gern und dankbar. 1. 50jähriges Kirchbau-Jubiläum Gemeinde in London.
der Deutschen
Reformierten
St. Pauls-
Rückblick
auf London
203
Ihr wißt, daß über unsere Kirche ein großer, aber verheißungs-
voller Kampf gekommen ist. Christus und Antichrist liegen im Streit. Es kann keiner unentschieden bleiben, und Gottes Wort trennt und schafft neue Gemeinschaft. Es ist die tägliche
Frage des Versuchers an uns: wollt Ihr immer noch Christus den Herrn aller Herren nennen, oder wollt Ihr ein klein wenig nachgeben? Dann könntet Ihr Ruhe und Frieden haben. Wir alle möchten wohl gern Ruhe und Frieden haben, aber wir dürfen noch nicht. Christus steht noch im Kampf, da können wir nicht ruhen. So stehen im ganzen Land Gemeinden und Pfarrer für dieselbe Sache, und immer mehr werden aufwachen. Wir wollen wieder Bekennende Gemeinde sein. Es ist wunderbar zu sehen,
wieviel Opferbereitschaft und Liebe unsere Bekennenden Gemeinden für die Sache Jesu Christi haben. Unser Seminar, dessen Leiter ich sein darf, in dem etwa 30 junge Theologen der Bekennenden Kirche zusammenleben, die ihre eigene Zukunft allein auf die Sache Christi gesetzt haben, — dieses Seminar wird allein durch freie Gaben der Gemeinden, die hinter uns stehen, noch erhalten. Sonst könnten wir die Arbeit nicht tun!. Es ist eine unvergleichliche Freude, hier in der
Arbeit zu stehen. Aber von Tag zu Tag lernen wir mehr und mehr: Verlassen dürfen wir uns allein auf eines, das Wort und die Hilfe Gottes, und unsere stärkste Waffe bleibt das tägliche Gebet. Diesen Kampf kann nur eine betende Kirche bestehen. So will ich schließen mit dem Gebet, daß auch Ihr, meine Brüder und Schwestern — und ich denke mit großer
Liebe auch gerade der Jugend der Gemeinde — eine Bekennende Gemeinde unseres Herrn sein und bleiben möget, daß auch Ihr den Kampf, der jedem Christen und jeder Gemeinde verordnet ist, ritterlich kämpft; daß wir eins bleiben in der
Sache Jesu Christi, auch wenn unsere Wege sich getrennt 1. Die Gemeinde sandte später eine Kollekte für das Predigerseminar.
204
England. 1933—1935
haben; und so bitte ich Euch, daß Ihr fürbittend unser aller, unserer jungen Brüder hier und meiner gedenkt, wie ich es allezeit für Euch tun will. Der Friede, den Christus gibt und nicht die Welt, sei mit uns allen.
Euer getreuer und dankbarer Dietrich Bonhoeffer
IV. KRITISCHER DER
VERTEIDIGER
BEKENNENDEN
KIRCHE
1935—1939 Finkenwalde [ohne Datum] bei Stettin Waldstr. 5 Lieber Bruder Niemöller! Vielen Dank für Brief und Einladung!. Ich bin sehr froh, daß Sie wieder einmal zum Aufbruch blasen. Diesmal müssen wir aber ein großes Stück vorankommen. Ich glaube, es wäre an der Zeit, einen Notbund im Notbund zu schaffen, und zwar wird Mt. 22, 21? eine wesentlich andere Auslegung finden müssen als bisher. Ich hoffe, daß wir an diesem Punkt
zu Wort und Entscheidung kommen, und ich bitte für den Fall, daß nicht schon andere hierzu sprechen wollen, schon heute dazu ums Wort. Ich glaube, Sie haben wirklich wieder den richtigen Zeitpunkt gefunden, und bin Ihnen dafür sehr dankbar. Das ganze Seminar grüßt Sie aufs herzlichste mit mir. Mit brüderlichen Grüßen Ihr Bonhoeffer
‚Berlin-Dahlem, den 30. Juli 1935 An unsere Brüder im Amt! Gottes Gnade hat die Kirche Jesu Christi in Deutschland unter Druck und Not zu einem neuen Horchen allein auf sein Wort und einem neuen Gehorsam gegen den allein gültigen Willen unseres 1. Zu dem folgenden Aufruf „An unsere Brüder im Amt“ v. 30. Juli 1935. 2. „Gebt dem Kaiser, was
des Kaisers
ist, und Gott, was
Gottes ist!“
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himmlischen Herrn gerufen. Wir dürfen ihn bitten, daß er das Werk seiner Hände nicht fahren lasse. So grüßen wir denn die Brüder mit dem Dank gegen Gott den Herrn, daß er uns in Barmen ein gemeinsames Wort in den Mund gelegt, daß er uns geleitet, sodaß seit der Dahlemer Synode 1934
mitten im Chaos Ordnungszentren in den Bruderräten erstanden, daß er Kirchenleitungen, Pfarrer, Gemeinden und Älteste willig gemacht hat, viel auf sich zu nehmen und vieles zu opfern. Zu unserer
eigenen
Verwunderung
und
Beschämung
hat der Herr
der Kirche in vorderster Linie die Diener am Wort in den Stand gesetzt, am bösen Tage Widerstand zu tun. Aber wir Gaben zu zu prüfen, müssen in
sind in Gefahr, uns durch eigene Untreue um Gottes bringen. Darum müssen wir die Brüder bitten, mit uns ob wir für den kommenden Kampf gerüstet sind. Wir aller Nüchternheit und Offenheit sagen, wie wir die Lage
sehen. Wir sind der Überzeugung, daß der Gemeinde ein neuer, vielleicht der schwerste Kampf bevorsteht. Wir können die Maß-
nahmen
der letzten Zeit (Finanzabteilung, Beschlußstelle, Um-
lageordnung, Einsetzung des Ministeriums für kirchliche Angelegenheiten, bei dem gleichzeitigen Weiterbestehen von Beschränkungen und Ausweisungen) nicht anders sehen, als daß die Kirchenfrage im Widerspruch zu Barmen und Dahlem gelöst werden soll.
Wir müssen die Brüder ernstlich bitten, jede harmlose Auffassung von der Lage der Kirche fahren zu lassen und sich mit ihren Gemeinden zu rüsten auf die nahende Entscheidung. Wir sind in den letzten Monaten
in unserem
Warten
auf einen
durchschlagenden Erfolg unserer Kirchenleitung und auf die Anerkennung der Bekennenden Kirche durch den Staat von einer Enttäuschung zur anderen gegangen. Manche von uns sind darüber müde und verzagt geworden. Wir müssen bekennen, daß es
unser Unglaube war, der uns dazu verführt hat, unsere Hoffnung auf Menschen zu setzen; und haben wir nicht solche Hoffnungen bei uns und anderen gefördert und genährt?
Gottes Wort aber sagt uns: „Darum so begürtet die Lenden eures
Gemüts, seid nüchtern, und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi.“ (1. Petri 1, 13.) Weil es an diesem Punkt bei uns fehlt,
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von
Barmen
und
Dahlem
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darum liegt es wie ein Bann auf unserer Bekennenden Kirche; darum nistet sich der Geist des Zweifels und der Angst in unseren Reihen ein; darum fehlt es an klaren Weisungen; darum weiß auch weithin unsere theologische Jugend nicht mehr, ob sie ein
Recht hat, sich ohne Rücksicht auf ihre Zukunft in Ausbildung, Prüfung und Dienst der Bekennenden Kirche zur Verfügung zu stellen. Diesen Bann haben wir selbst verschuldet, denn wir hatten verleugnet, was Gott uns in Barmen und Dahlem anvertraut hat. Beide Synoden haben die Kirche unter die Alleinherrschaft des Herrn Jesus Christus gerufen; Barmen so, daß ihre Verkündigung und Lehre, Dahlem so, daß ihre Gestalt und Ordnung sich allein auf das eine Wort der Offenbarung Gottes gründen. Damit hätte
uns jeder Gedanke an Kompromisse verwehrt sein müssen. — Wir wollen umkehren und uns von diesen Beschlüssen auf’s Neue binden lassen. Dann werden uns auch wieder klare Weisungen gegeben werden. Es soll uns nicht bedrücken, daß die Zukunft der Kirche für unsere Augen in einem undurchdringlichen Dunkel liegt; es soll uns genügen, zu wissen, was uns geboten ist. Geboten ist uns das klare, kompromißlose Nein gegenüber jedem
Versuch, die Kirchenfrage im Widerspruch zu den Entscheidungen von Barmen und Dahlem zu lösen. Gott helfe uns, daß wir — wenn es zum Treffen kommt — dieses Nein einmütig und freudig bekennen!
Geboten ist uns, die Sammlung und Gestaltung der Bekennenden Kirche weiterzuführen, unabhängig von den jeweiligen Schwankungen der Kirchenpolitik, getreu den Weisungen von Barmen, Dahlem und Augsburg. Wir haben nicht das Recht, den Anfang,
der uns geschenkt ist, preiszugeben oder stecken zu lassen. Wir freuen uns der Gemeinschaft,
die uns in der Bekennenden
Kirche und in ihrem Dienst über alle Grenzen hinweg miteinander verbindet. Wir danken Gott, daß er uns auf den drei deutschen Bekenntnissynoden ein gemeinsames Wort für die ganze deutsche Evangelische Kirche gegeben hat. — Aber wir vergessen nicht, daß
mit dieser Einigkeit die Verpflichtung gegenüber unseren — verschiedenen— Bekenntnissen nicht aufgehoben ist. Vielmehr ist uns gerade durch das gemeinsame Bekennen
die Frage nach den
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verschiedenen Bekenntnissen in neuem Ernst gestellt. Diese Frage
kann nur im brüderlichen Ringen zwischen denen ausgetragen werden, die gemeinsam haben bekennen müssen. Für dieses Gespräch gliedert sich die Bruderschaft der Prediger der Bekennen-
den Kirche nach der Bekenntniszugehörigkeit in einen lutherischen, reformierten und unierten Konvent. Geboten ist uns vor dem allen und über dem allen, in Amt und in unserer Gemeinde Ernst zu machen damit, Bekennende Kirche allein aus dem Wort, allein aus der allein aus dem Glauben lebt. Das Schwergewicht aller
unserem daß die Gnade, unserer
Arbeit, vorab der theologischen Besinnung und der damit verbundenen Reinigung der Kirche, liegt in unserer Gemeinde und unseren Synoden als dem uns gewiesenen Ort unserer Arbeit. Die Entscheidung fällt da, wo durch Wort und Geist Gottes Buße und
Glaube gewirkt wird. — Das Wort schließt uns zusammen; es bewahrt uns davor, einander je im Stich zu lassen, es treibt uns, unseren Dienst miteinander und füreinander zu tun; denn es stellt
uns in die Bruderschaft Christi. Das ist die Erneuerung, die unseren Pfarrerbruderschaften und Gemeinden bitten, und die wir dem Wort zutrauen.
nottut, die wir er-
Christus ist der eine Trost, der uns bleiben wird! Albertz-Spandau Asmussen-Oeynhausen Bartelt-Glowitz Baumann-Stettin
Becker-Schwelm Berger-Breslau Bonhoeffer-Finkenwalde Brunner-Ranstadt Denkhaus-Bremen Dipper-Stuttgart
Dühring-Leuthen Fahrenheim-Kastorf Fausel-Heimsheim Figur-Berlin
Funke-Betsche
Fricke-Frankfurt a.M. Gloege-Naumburg/Queis Goltzen-Kohlo Harnisch-Berlin Hellbardt-W. Elberfeld Heppe-Cölbe Hesse-Elberfeld Hildebrandt-Dahlem Immer-Gemarke Jannasch-Lübeck Jacob-Noßdorf Kloppenburg-Wilhelmshaven Kruse-Waldbröl
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Kunkel-Oeynhausen Krause-Bobenneukirchen Linz-Düsseldorf Müller-Dahlem Niemöller-Dahlem Niemöller-Bielefeld Niesel-Berlin Osterloh-Rüstringen v. Rabenau-Berlin Rendtorff-Stettin Rosenboom-Neuenhaus
von
Barmen
und
Dahlem
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Schlingensiepen-Ilsenburg Traub-Honnef Tzschucke-Netzschkau Urban-Bremen Vetter-Duisburg
Voget-Heiligenkirchen Vogel-Dobbrikow Weber-Oeynhausen Wilkens-Rüstringen Zippel-Berlin.
Finkenwalde, den 25. Januar 1936
Lieber Bruder S.. .! Ich danke Ihnen sehr für Ihren Brief! Erlauben Sie, daß ich Ihre Offenheit mit einer ebenso großen Offenheit erwidere. Die Wahrheit bleibt eben doch der größte Dienst der Liebe,
den man sich in der Gemeinde Christi erweisen kann. Ich möchte Punkt für Punkt Ihren Brief beantworten und erst zum Schluß anf das Gesamtanliegen zu sprechen kommen. Zu der Bredower Zusammenkunft?: Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß so verantwortliche Aussprachen nur unter Wahrung einer großen äußeren und inneren Zucht möglich sind. Darum habe ich die Bitte des Bruderrates, von Beifallsbezeugungen abzusehen, begrüßt. Sie machen den Brüdern des Seminars den Vorwurf, daß sie sich an diese Bitte nicht
gehalten haben. Dazu möchte ich feststellen: An den Schlußrufen bei der Rede P. Helbigs haben sich unsere Brüder bis 1. Siehe auch 4. Brief aus Finkenwalde, Seite 465. 2. Konvent der Bekenntnispfarrer Pommerns am 10. Januar 1936 in Stettin-Bredow, nachdem am 27. Dezember 1935 die Bildung des Pommerschen Kirchen-Ausschusses bekanntgegeben war.
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auf einen, den das gleich danach sehr bedrückte, in keiner
Weise beteiligt. Im Gegenteil wurden diese Methoden von
unseren Brüdern aufs schärfste verurteilt. In unserer Nähe
saßen junge und ältere Theologen, die sich daran beteiligt haben. Ich lege größten Wert darauf, daß wir hier nicht verwechselt werden. Ebenso weiß ich, daß unsere Brüder immer wieder versucht haben, zu beruhigen. Beifall, so sagen sie, hätten sie bekundet, nachdem ich gesprochen hatte, und nur
zurückhaltend, nachdem Br. Krause gesprochen hatte. Von „zügellosem Beifall“ und „dämonisierendem Fanatismus“ zu
reden, ist hier gewiß nicht angemessen. Ich schreibe das so ausführlich, weil ich es als schlimm und als wirklich gegen die brüderliche Liebe verstoßend empfinde, daß um der „radi-
kalen“ Haltung des Finkenwalder Seminars willen diesem nun allerlei derartige Dinge nachgesagt werden, — also nicht um persönlicher Ehre willen, sondern um der uns gemeinsam bewegenden Sorge um Lauterkeit, Brüderlichkeit und Sauberkeit im kirchlichen Kampf. Nun will ich gewiß damit nicht den Eindruck erwecken, als träfen uns Ihre Worte überhaupt nicht. Sie treffen uns natürlich auch, und wie weit, das wis-
sen wir besser als irgendeiner. Wir haben gerade am letzten Montagabend wieder ein ernstes Gespräch darüber gehabt. Sie kennen unser Seminar etwas, und ich bitte Sie herzlichst, uns brüderlich zu helfen und uns in unseren Versuchen zur Seite zu stehen. Nun möchte ich Sie aber auch bitten, sich die Situation, wie sie auch gerade den jüngeren Brüdern sich darstellen mußte, zu vergegenwärtigen! Was für heillose und
unverantwortliche, unchristliche, verletzende Dinge sind dort geredet worden! Wenn es dann einmal in einer Stunde, in der es um den rechten oder unrechten Weg der Kirche, um Wahrheit oder Unwahrheit geht, einer Stunde, in der jeden Augenblick die Gefahr besteht, daß die Kirche auf einen furcht-
baren Irrweg geführt wird, wenn es in einer solchen Stunde dann
auch einmal
zu leichten
„psychischen“
Explosionen
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kommt, so kann ich mich darüber nicht so sehr ereifern. Es
geht da wirklich um noch Wichtigeres. Nämlich darum, daß die Wahrheit des Wortes Gottes allein zur Geltung kommt. Verfehlungen im Ton der Rede und im zuchtvollen Verhalten
sind reparabel. Das weiß ich von jedem meiner hiesigen Brüder, daß sie bereit sind, bei einer solchen erkannten Verfeh-
lung um Verzeihung zu bitten, und das ist mir in diesem Falle die Hauptsache. Sehr viel schwerer reparabel aber ist es,
wenn die Kirche in ihrem Zeugnis von Christus den Weg der Treue und der Wahrheit verläßt. Eine Zucht, die nicht mehr
dem leidenschaftlichen Protest gegen die Verfälschung der Wahrheit Raum läßt, kommt nicht mehr aus der Ganzheit des Gehorsams gegen Jesus Christus, den Herrn, sondern wird zu einem willkürlichen christlichen Ideal, einem selbsterwähl-
ten Werk. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß ich mit Ihnen darin einig bin, daß jede Zuchtlosigkeit die von uns verkündigte Wahrheit unglaubwürdig macht. Aber VerheiRung hat allein das rechte Zeugnis von Christus und nicht das Werk der Zucht. Die Rede von Br. Krause hat mir auch nicht sehr gefallen,
besonders, weil ich sie nicht recht als klares Zeugnis empfinden konnte. Aber, nachdem Br. Krause mir am Abend gesagt hat, Sie hätten zu ihm gesagt, aus ihm habe der Satan gesprochen, stelle ich mich zu ihm. Ich kann Ihr Urteil nur als unbarmherzig empfinden und höre aus ihm einen Richtgeist
heraus, der mich viel mehr beunruhigt als der von Ihnen in unserer theologischen Haltung verurteilte Richtgeist. Aber dazu nachher noch ein paar Worte. Br. Krause hat übrigens nicht gesagt, Marahrens sei ein „Verräter“, sondern daß er
die Kirche verraten habe. Das ist ein charakteristischer Unterschied. Es ist das Urteil über eine objektive Entscheidung und Handlung und nicht über eine Person. Über das theolo-
gische Recht aber dieser Äußerung läßt sich streiten. Und mein einziger sachlicher Einwand dagegen würde sein, daß
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Marahrens die Bekennende Kirche gar nicht verraten konnte, weil er ihr nie angehört hat. Sie bringen das Ausscheiden von Br. W. aus unserem Semi-
nar in diesen Zusammenhang. Zunächst einiges Faktische:
Br. W. hat während der Ferien mit Sup. von Scheven! Fühlung aufgenommen, hat von ihm bereits hören müssen, daß ein Verbleiben im Seminar bei einer Entscheidung für die Ausschüsse wohl ausgeschlossen sei, und bereits eine andersartige Arbeit in Aussicht gestellt bekommen. Ich stelle damit nur fest, daß das eine Stellungnahme des Ausschusses gegen das Seminar der Bekennenden Kirche einschließt, was ja auch aus der anderen Tatsache hervorgeht, daß man Br. Besch gebeten hat, die Leitung des Kückenmühler Seminars zu übernehmen, offenbar um damit unser Seminar zu torpedieren.
Das wundert mich gar nicht weiter. Es ist nur wichtig, daß man es weiß. Br. W. hat mir danach von alldem Mitteilung gemacht und auf meine Frage, was seine Entscheidung seines Erachtens für ihn für Folgen haben müsse, geantwortet, daß
ein Verbleiben im Seminar wohl nicht möglich sei. Ich habe ihm dies sodann bestätigt. Der Entscheidung von Br. W. sind vorden Ferien stundenlange gemeinsame und Einzel-Gespräche vorausgegangen. Br. W. wußte, was er tat, und hat mir das auch klar zum Ausdruck gebracht. Mit der Unterstellung unter die Kirchenleitung der Ausschüsse hat Br. W. sich einer
fremden Kirche unterstellt, mit allen Konsequenzen: Prüfung, Ordination, Amtseinführung. Er hat diesen Schritt von
sich aus vollzogen und sich damit der rechten Kirchenleitung entzogen. Es war nur eine selbstverständliche Konsequenz, wenn er und ich in klarem Einverständnis die Konsequenz zogen, die Sie kennen. Wir sind ein Seminar der Bekennen-
den Kirche und unterstehen der Kirchenleitung der Bruderräte. Versagt einer grundsätzlich dieser Leitung das Vertrauen 1. Vorsitzender des pommerschen Provinzial-Kirchenausschusses.
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und den Gehorsam, so kann er nicht in unserem Seminar stehen. Ob das einer Exkommunikation gleichkommt, weiß ich nicht. Darüber werden die Bruderräte zu entscheiden haben. Ich bin allerdings der Meinung, daß der, der sich den Ausschüssen in irgendeiner Form unterstellt, nicht mit uns in einer Kirche sei. Aber hier gilt nicht das Wort eines Einzelnen, sondern das Wort der Synode oder der Bruderräte, auf
das viele warten. Die bisherige Unklarheit an diesem Punkte scheint mir verhängnisvollund symptomatisch zugleich. Br.W. war einer der innerlichsten und verantwortlichsten unserer Brüder. Ich habe Br. W. sehr geschätzt und ihn sehr gern ge-
habt. Was sein Ausscheiden in dieser Richtung für uns bedeutet, wissen wir besser als irgendein anderer. Wir haben ihm das auch persönlich gesagt. Ich glaube, wenn Sie die letzten zwei Stunden, die Br. W. im Seminar zugebracht hat, miterlebt hätten, würden Sie wissen, daß davon, daß auch nur einer Br. W. „Ireulosigkeit, Feigheit und Verrat“ vorgeworfen hätte, keine Rede sein konnte. Wir sind nach ernstester
persönlicher seelsorgerlicher Aussprache, nach einer Zusammenkunft, auf der ich noch einmal zu allen Brüdern ein Wort
über den Ernst dieser Stunde gesagt habe, nach gemeinsamem, aufrichtigem Gebet auseinandergegangen. Von der inneren Bewegung, die uns alle erfaßt hat, etwas zu sagen, scheint mir nicht erlaubt.
Sie nennen
das alles Richtgeist. Ich nenne das dkndeösıw
&v aydsım. Und ich glaube, an diesem Punkt sind wir nicht eins. Es geht mir in allem kirchlichen Reden und Handeln um den Primat, die alleinige Ehre und Wahrheit des Wortes
Gottes. Es gibt keinen größeren Dienst der Liebe, als den Menschen in das Licht der Wahrheit dieses Wortes zu stellen, auch wo es wehtut. Das Wort Gottes scheidet die Geister. Darin liegt kein Richtgeist, sondern nur die demütige und wahrhaftig erschrockene Erkenntnis der Wege, die Gott selbst mit seinem Wort in seiner Kirche gehen will. Die Grenzen
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dieses Wortes sind auch unsere Grenzen. Wir können nicht vereinen, wo Gott scheidet. Wir können nur die Wahrheit bezeugen, in der Demut bleiben und füreinander beten. Ich bin nun des Glaubens, daß der Heilige Geist der Bekennenden
Kirche auf den Synoden von Barmen und Dahlem, die sich an Schrift und Bekenntnis allein gebunden haben, ein Wort gesagt hat, das für uns verbindlich ist, das damit zugleich Grenzen zieht, die wir nicht mehr übersehen dürfen, ohne ungehorsam zu sein, und von dem wir nicht mehr willkürlich zurückkönnen. In solchem Zurückweichen vor dem gegebenen Wort Gottes würde ich die furchtbarste Zuchtlosigkeit er-
kennen müssen, der gegenüber jede äußere Zuchtlosigkeit äußerst harmlos wäre. Wir können uns nicht mehr selbst von der Weisung des Heiligen Geistes entbinden. Dies ist nun auch meine Haltung, wenn ich in eine Beratung wie die in Bredow komme. Ich komme in der Gewißheit und in der Dankbarkeit, daß Gott mich den Weg seiner Kirche durch sein Wort und das Bekenntnis der Kirche hat wissen lassen.
Ich trete nicht in solche Versammlungen wie in eine Quäkerversammlung, in der ich die jeweilige nene Weisung des Heiligen Geistes grundsätzlich erst erwarten müßte, sondern vielmehr wie auf einen Kampfplatz, in dem das Wort Gottes mit
allerlei menschlichen Meinungen im Streite liegt und als das scharfe Schwert gebraucht werden will. Nicht Darstellung eines Stückes verwirklichten christlichen Lebens, sondern Kampf um die Wahrheit findet hier statt. Ich warte nicht irgendwie auf eine „Einschaltung des Geistes Gottes“, wie Sie schreiben. Gottes Geist kämpft allein durch das Wort der
Schrift und der Bekenntnisse, und erst, wo eine Überwindung meiner Erkenntnis durch Schrift und Bekenntnis erfolgt, kann ich mich von dem Geiste Gottes überwunden erkennen. Dann allerdings gehört dazu das offene Bekenntnis des eigenen Irrtums, des falschen Weges und die Bitte um Vergebung. Unser Blick in solchen Stunden der verantwortlichen Ent-
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und
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scheidung muß allein gerichtet bleiben auf die Wahrheit des Wortes Gottes und darf sich niemals davon ablenken lassen auf irgendeine menschliche Haltung, die ihm gegenüber einzunehmen wäre. Gerade in den Fragen der Zucht, die uns beiden am Herzen liegen, scheint mir alles darauf anzukommen, daß die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, daß wir erst recht nicht beim anderen immer wieder auf seine zuchtvolle oder zuchtlose Haltung achten, sondern auf die
Wahrheit seines Zeugnisses. Der Blick auf die von uns erkannte Wahrheit des Heiligen Geistes ist die beste Gewähr für christliche Zucht und macht uns frei von dem Blick auf unsere eigene, in jedem Falle dieser Wahrheit gegenüber unangemessene Haltung. Sonst werden wir, die wir Prediger der Liebe sein wollen, gerade dadurch zu den lieblosesten Richtern. Das Wort Gottes wird uns richten. Das ist uns genug. Und nun zum Schluß noch ein ganz ernstes Wort. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Ihr Verständnis vom Heiligen Geist, Wort und kirchlicher Entscheidung von unverantwortlichen Theologen dazu benutzt werden muß, jeder
willkürlichen subjektiven Meinung in der Kirche Raum zu geben, sofern sie sich nur in ihrer äußeren Form als christlich darzustellen vermag. Ich finde, daß bei Ihnen der Heilige
Geist nicht allein die an das wahre, einhellige Wort der Schrift gebundene Wirklichkeit ist, die uns in Erkenntnis und Leben unentrinnbar
bindet, sondern ein Gestaltungsprinzip
eines
christlichen Lebensideals. Der Heilige Geist bleibt irgendwie neutral. Es lauert hinter Ihren Ausführungen ein Begriff des „Christlichen“, der nicht von der Wahrheit der Schrift, sondern von unserem Urteil über einen menschlichen Befund gewonnen ist. Wäre das so, dann wäre die Gefahr für die Bekennende Kirche allerdings unermeßlich groß. Die Be-
kennende Kirche würde die ihr gegebene Verheißung preisgeben, wenn man neben dem Gehorsam gegen die durch den Heiligen Geist gewirkte Wahrheit noch irgendeine andere
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Größe einführte, um der Kirche neues Leben zu geben. Und schließlich: Es ist mir einfach unbegreiflich, wie Sie als Mit-
glied des Bruderrates an Ihrer „vocatio“ zu diesem Amt solche grundsätzlichen Zweifel haben können. In welcher Autorität haben Sie denn bisher gehandelt? Woher konnten Sie denn Gehorsam und Zucht gegenüber den Weisungen des Bruderrates begründen? Was nicht aus vocatio geschieht, ist Schwarm-
geisterei, Rotterei. Das ist der Bruderrat nicht. Ich gebe Ihnen also als dem Berufeneren, hier zu reden, die Frage nach Ihrer vocatio zurück. Ich würde meinen Gehorsam gegen den Bruderrat sofort aufkündigen müssen, wenn er nicht rite vocatus wäre. Aber das rite ist eben keine rechtliche, sondern eine geistliche Wirklichkeit. Wollen Sie diese Wirklichkeit bezweifeln? Ich schicke eine Abschrift dieses Briefes nach Ihrem Vorschlage an Herrn D. Baumann. Mit brüderlichen Grüßen in der Hoffnung, daß dieser brieflichen Begegnung bald eine persönliche folgen möge, Ihr Dietrich Bonhoeffer
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
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Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft! E: Die Reformation hat die Frage, was die Kirche sei, gelöst von der Frage, wer zur Kirche gehöre. Das war eine entscheidende Tat. Der römische Katholizismus und die Vorreformatoren hatten gemeint, die Frage nach dem Wesen der
Kirche durch die Bestimmung ihres Umfanges beantworten zu können. Der reformatorische und insbesondere der lutherische Begriff sagt zuerst, was die Kirche sei, und läßt die
Frage nach den Grenzen der Kirche offen. Es geht ihm nicht zuerst um die Aufdeckung des göttlichen Geheimnisses, wer zur Kirche gehöre und wer nicht, um die Frage nach Erwählung und Verwerfung, ihr Blick fiel nicht zuerst richtend und unterscheidend auf die Menschen, sondern vor allem sollte die
offenbare Heilstat Gottes, der gegenwärtige Christus, sein Wort und sein Sakrament angeschaut und angebetet werden. Nicht theoretische Sätze über Gerettete und Verlorene, nicht das betrachtende Urteil: dieser gehört zur Kirche, jener nicht, vielmehr der Freudenruf derer, denen ein großes überraschendes Geschenk zuteil geworden ist: hier ist das Evangelium! hier sind die reinen Sakramente! hier ist die Kirche! kommt hierher! Was sich daraus für das Verhältnis zu anderen Kirchen, für
die Grenze der Kirche ergibt, war durchaus eine zweite Frage. Das Wesen der Kirche wird nicht durch die bestimmt, die zu
ihr gehören, sondern durch Wort und Sakrament Jesu Christi, die, wo sie auch wirksam werden, sich nach der Verheißung eine Gemeinde sammeln. Daß immer solche da sein werden, 1. Referat am 22. April 1936, dann Aufsatz für die Evangelische Theologie Juni 1936.
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die zur Kirche gehören, wenn nur Wort und Sakrament lauter verwaltet werden, war der feste, auf die Verheißung gegründete Glaube. Wer diejenigen seien, das weiß der Herr,
der ruft und sammelt. Das war genug. Es konnte gar nicht das erste Anliegen sein, diese nun bei Namen nennen und abzählen zu können, sie von denen zu unterscheiden, die nicht dazu gehörten oder sich nur den Schein der Zugehörigkeit gaben; die sind ja schon gerichtet. Der Jüngste Tag wird es überdies ans Licht bringen. Was eifert der Glaube darum, hierin heute schon zu wissen, abzugrenzen, auszuscheiden? Weiß er nicht genug, wenn er die
gnädige Heilstat Gottes wissen darf? Was liegt dem Glauben daran, Heuchler und Ketzer zu entlarven? Wie kann er danach begehren, das furchtbare Geheimnis der Verwerfung vorzeitig zu enthüllen, bevor ihm noch die Freude des ewi-
gen Lebens bei Christus den Schrecken und den Schmerz über den letzten Richterspruch Gottes überwinden hilft? Der Glaube weiß ja, was für Schrecken dieser sich so harmlos gebende Begriff des „Umfanges der Kirche“ in sich birgt. Und er dankt es Gott täglich, wenn er hier noch blind ist, wenn er noch in der Fürbitte stehen darf, wenn er in der vollen Freude der Erkenntnis des Heils sich zu der Kirche des Heils halten darf mit der glaubenden Gemeinde. Der Glaube dankt Gott, daß er sein Wort und Sakrament wieder rein und lauter geschenkt bekommen hat, und daß er weiß, wo
die Kirche Gottes ist. Warum soll er danach fragen, wo sie nicht ist, wenn er doch ganz von dieser Freude hingenommen ist? So tut das Urchristentum, so tut die Reformation nichts an-
deres, als hier ein um das andere Mal hochgemut zu rufen: Hier ist die Kirche!, die wahre Kirche Jesu Christi! Demut und Dank ist dieser Ruf. Nicht Eigenlob, sondern Lob Got-
tes. Wer denkt auch daran, wenn er das wirklich gehört und geglaubt hat, noch zu fragen, ob nicht vielleicht anderswo
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
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auch noch die Kirche zu finden sei? Wem liegt denn an solcher Frage noch etwas, als eben dem, der hier nicht hören und
glauben will? Hörten und glaubten wir, es sei eine unermeßliche Goldquelle gefunden worden, die für alle Zeiten und für alle Menschen genug abwürfe, dann würde uns wohl die
Frage wenig interessieren, ob nicht vielleicht auch anderswo noch hier oder da etwas Gold gefunden werden könnte. Es mag sein, oder es mag nicht so sein — was liegt daran angesichts der Tatsache, daß hier reichlich genug ist? Würden wir dann nicht auch all denen, die sich schwer abmühen, an-
dere Quellen zu erschließen, diese Freudenbotschaft sagen, sie aufrufen, mitzukommen, all ihre Versuche fahren zu lassen und einfach zu laufen und zu holen, wo alles in reichstem Maße zu finden ist? Wir müßten an der Ernsthaftigkeit ihres Suchens zweifeln, wenn sie dann nicht kämen, wenn sie darauf bestünden, zu sagen: ich suche mein Gold selbst. Hier ist der Eigensinn stärker als der Wunsch, Gold zu finden. Wir müßten sie mit großem Schmerz im Stiche lassen; denn wer
weiß, ob sie nicht zuletzt doch leer ausgehen. Wir müßten dorthin laufen, wo das große Angebot gemacht ist. So ist es mit der reformatorischen Botschaft von der Kirche. Hier ist die wahre Kirche. Ob sie nicht auch noch wo anders zu finden ist? Das ist ja gar nicht die Frage. Hier hat sie Gott uns geschenkt. Willst du abseits stehen und eigensinnig suchen, ob Gott sie dir nicht auch wo anders schenken könnte? mag sein, — aber es mag wahrhaftig auch nicht sein. Wollen wir das aufs Spiel setzen? Wer dieses Spiel wagt, der hat
im Grunde schon verloren, denn er hat nicht gehört und geglaubt, daß die wahre Kirche schon da ist. Sonst spielte er in solchen Augenblicken nicht mehr. Hat er aber nicht gehört, so weiß er auch gar nicht, was die wahre Kirche sei, so weiß er auch nicht, was er eigentlich sucht, und dann wird er sie auch niemals finden. Dann ist das Suchen Selbstzweck und damit kein echtes Suchen mehr.
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Also immer ausgehend von der erkannten Wahrheit, was und wo die Kirche sei, ruft die Kirche nun in die Welt hinaus: Kommt hierher, hier ist die Kirche! Sie läßt sich darum gar nicht auf eine Diskussion ein, wo sonst noch Kirche sein
könnte. Der Gewißheit gegenüber, daß hier die Kirche sei, ist alles andere Ungewißheit, Nicht-Kirche. Natürlich NichtKirche! Denn sonst wären jene anderen ja eben auch hier, wo Kirche ist. Weil sie aber nicht hier sind, noch auch herkommen wollen, müssen sie Nicht-Kirche sein. Aber was liegt daran, dies zu sagen? Nichts anderes als nun um so gewisser und jubelnder zu rufen: Gott hat uns die wahre Kirche wieder geschenkt. Hier ist die Kirche!
Niemals kann also die wahre Kirche von sich aus feststellen wollen, wo die sind, die nicht zu ihr gehören, niemals ist ihr
Anspruch, die Kirche zu sein, so derung der Gerechten von den Vielmehr ist dieser Anspruch: selbst der Heilsruf, der an alle
gemeint, daß nun die AbsonUngerechten stattfinden soll. Hier ist die Kirche, gerade Welt geht. Er ist das Evan-
gelium selbst. So und nicht anders muß es verkündigt werden.
Wer ihn freilich nicht als Evangelium zu hören vermag, der hört ihn als Gesetz. Und als Gesetz verstanden schließt er nun die ganze Härte der Frage nach dem Umfang der Kirche in sich. Wer diesen Heilsruf der Kirche als Gesetz hört, der weiß
sich von diesem Gesetz betroffen, begehrt dagegen auf und
muß sich als einen solchen, dem dieser Ruf nicht gilt, erken-
nen. Hier entspringt die Frage nach dem Umfang der Kirche, nach den Grenzen, nach der Unterscheidung von Erwählten und Verworfenen. Wo der Heilsruf nicht vernommen wird, wird der Anspruch der Kirche zum Gericht, zur Scheidung derer, die dazu gehören, und derer, die nicht dazu
gehören. Während diese Unterscheidung durch die Verkündigung des Evangeliums immer wieder aufgehoben wird, indem allen das Heil der Kirche angeboten und zugesprochen wird, wird sie in gesetzlichem Verständnis der Kirche ver-
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
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härtet. Die Frage nach dem Umfang der Kirche muß nun konsequent ihr Wesen bestimmen. Dieses gesetzliche Verständnis ist aber der Kirche in ihrem Wesen fremd. Es ist nicht ihr Ziel und Auftrag, das Evangelium zählend zu be-
greifen. Das alttestamentliche Verbot der Volkszählung ist hier Warnung. Es ist genug zu wissen, daß das Heil da sei, und daß Gott sich seine Gemeinde immer schaffen werde. Der
Umfang der Gemeinde bleibt dem Wissen Gottes vorbehalten. So ist unser bisheriges Ergebnis: Die Frage nach dem Umfang der Kirche, d. h. nach ihren Grenzen, kommt vom gesetz-
lichen Verständnis des evangelischen Kirchenbegriffs her. Diese Frage wird also niemals aus dem Wesen der Kirche selbst heraus gestellt werden, sondern sie wird immer als ein fremdes Fragen der Kirche dort aufbrechen, wo der Anspruch der Kirche gesetzlich verstanden wird. Sie wird immer von außen an die Kirche gestellt werden, und nur im Wissen darum darf und muß dann die Kirche selbst diese Frage aufnehmen. Die Frage nach dem Umfang der Kirche ist die Frage nach der Kirchengemeinschaft. Wer gehört zur Kirche? Wer gehört nicht mehr zu ihr? Das ist die Frage. Die Kirche besinnt sich auf ihre Grenzen. Warum? Weil ihr Heilsruf nicht gehört und geglaubt wird, sondern auf Grenzen stößt. Die
Kirche erfährt es, daß sich Menschen ihrem Ruf versagen. Nicht sie setzt also die Grenzen, sondern sie stößt auf ihre Grenzen, die ihr von außen gesetzt werden. Nun erfährt die Kirche ihren Heilsruf als das richtende Gesetz über die Welt, als die unüberschreitbare Grenze. Nun muß sie sich darüber Rechenschaft geben. Da es nun aber nicht die Kirche ist, die die Grenzen setzt, die ausschließt, sondern da die Welt diese Grenzen willkürlich setzt, sich aus der Kirche ausschließt, indem sie nicht hört und glaubt, kann die Kirche nicht a priori darüber bestimmen, wo ihre Grenzen laufen müssen, sondern sie wird immer nur
die jeweils vorhandene Grenze, die von außen gegen sie auf-
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gerichtet ist, zur Kenntnis nehmen und bestätigen können.
Nicht die Kirche verfügt darüber, in welcher Weise sich der Unglaube gegen sie abgrenzt. Die Kirche verfügt nicht über ihre Grenzen und ihren Umfang. Darum wird die Konstatierung der Grenze jeweils eine verschiedene sein. Weil das Wissen um den Umfang nicht theoretisch zur Verfügung steht, sondern jeweils gewonnen werden muß, darum gibt es keine
theoretischen Maßstäbe, nach denen sie die Zugehörigkeit zur Kirche bestimmen könnte. Gäbe es solche, so hätte sich die
Kirche selbst in ihrem Anspruch schon gesetzlich mißverstanden, wie im Katholizismus, in der Orthodoxie, im Pietismus. Das bringt in die Bestimmung der Grenzen der Kirche für den reformatorischen Kirchenbegriff das Moment der lebendigen Entscheidung. Wo die Grenzen der Kirche liegen, entscheidet sich immer nur in der Begegnung zwischen Kirche und Unglaube, ist also ein Akt der Entscheidung der Kirche; wüßte sie es von vornherein, dann hätte sie sich selbst von der Welt geschieden und wäre dem Auftrag ihres Heilsrufes nicht getreu. Es muß ihre eigenste Entscheidung sein, eine von der Welt gezogene Grenze als solche zu erkennen und zu bestätigen. Sie muß entscheiden, ob und wo ihr Heilsruf
auf eine letzte Grenze stößt. Darum kann die Frage nach der Kirchengemeinschaft nur in der autoritativen Entscheidung der Kirche konkret beantwortet werden. Dieser Entscheidungscharakter ist das schlechthin Objektive. Subjektivität und Willkür wäre es, wollte die Kirche von vorn-
herein die Grenzen setzen und damit von sich aus die Scheidung vollziehen. Die scheinbare Objektivität eines theoreti-
schen Wissens um die Grenzen der Kirche ist gerade die Auflösung der wahren Objektivität, die sich in der Entscheidung vollzieht.
Allerdings ist die Kirche nicht ohne Maßstäbe gelassen, auf Grund deren sie die Entscheidung allein treffen kann. Aber
die Betrachtung derselben lehrt gerade die Unmöglichkeit,
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
223
sie als gesetzlich eindeutige Kriterien für die Entscheidung anzuerkennen. In dem fortgesetzten Prozeß der Entscheidungen hat die Kirche gelernt, die Taufe als eine Bestimmung ihrer Grenzen zu verstehen. Aber zugleich bereitet diese Umfangsbestimmung die größten Schwierigkeiten. Sie ist einerseits nicht weit genug (daher alsbald die Lehre von
der Begierdetaufe, Bluttaufe usw.). Sie ist andererseits nicht eng genug, denn unter den Getauften sind Irrlehrer und tote Glieder, die nicht zur Kirche gehören können. Wiederum ist die Taufe als das allen christlichen Kirchen gemeinsame Sakrament anerkannt, dessen Wiederholung beim Übertritt in
eine andere christliche Kirche unerlaubt ist. Sie ist also das einende Band aller christlichen Kirchen und kann demnach nicht konstitutiv für die Kirchengemeinschaft sein. Zwar kann die wahre Kirche niemals den Anspruch aufgeben, daß
alle Getauften in Wahrheit zu ihr gehören, aber sie muß zugleich zugeben, daß solche da sind, die nicht in ihrer Ge-
meinschaft stehen. So weiß die Kirche einerseits um eine relative äußere Grenze, die mit der Taufe gegeben ist, und zugleich um eine innere Grenze, die nur einen Teil der Ge-
tauften umschließt. Die Kirche hat gelernt, diese innere Grenze durch den Be-
griff der Lehre und des Bekenntnisses zu bestimmen. Das Bekenntnis der Kirche ist konstitutiv für die Kirchengemeinschaft. Aber welches Bekenntnis? Die altkirchlichen Symbole? Die Einigungsformel von Lausanne? Welches Recht
haben dann noch die Unterscheidungslehren der einzelnen Kirchen? Die lutherischen Bekenntnisschriften waren der Meinung, es gebe ein gemeinsames Bekenntnisgut zwischen der lutheri-
schen und der römischen Kirche. Luther hat in den Schmalkaldischen Artikeln zu der gemeinsamen Basis die Gottes-
lehre, Trinitätslehre, Christologie gezählt, und dennoch war es nicht möglich, auf Grund dieser Artikel zur Einigung zu
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
kommen, weil ein Dissensus in der Rechtfertigungslehre vorlag. Könnte dieser Dissensus behoben werden, so wäre die Einigung möglich. Entsprechend war es in der Stellung zu den Reformierten 'die Abendmahlslehre, die die Kirchengemeinschaft aufhob. Sollten nun die Dogmatiker der Be-
kenntnisschriften nicht gewußt haben, daß ein Dissensus in diesen Artikeln einen totalen Dissensus an jedem Artikel zur Folge haben mußte, daß eine falsche Rechtfertigungs-
lehre notwendig
eine falsche Christologie, Trinitätslehre,
Gotteslehre einschließt? Umgekehrt mußte ja ein echter Konsensus in der Christologie etwa auch einen Konsensus in der Rechtfertigungslehre einschließen und gerade die Kirchengemeinschaft wiederherstellen. Unsere Frage ist nun: was bedeutet es, wenn dennoch diese Konsequenz nicht gezogen wird, wenn einerseits an einem gemeinsamen Bekenntnisgut festgehalten wird, andererseits
über einen bestimmten Artikel die Kirchengemeinschaft auseinanderbricht? Es bedeutet erstens, daß der Anspruch, der schon in bezug auf die Getauften der anderen Kirchen erhoben wird, nun-
mehr auf die Bekennenden der andern Kirchen ausgedehnt wird. Sie haben das rechte Bekenntnis, aber sie sind davon abgefallen. In Wahrheit ist das Eine Bekenntnis da, wenn
es auch von der andern Kirche entscheidend falsch verstanden wird. In dieser Bestätigung des Bekenntnisses ist der evangelische Heilsruf aufrechterhalten: es ist nur Ein Bekenntnis, hier ist das wahre Bekenntnis, kommt hierher! Es
liegt also nichts an der Abgrenzung als solcher, d. h. als eines Gesetzes, sondern die durch die andern Kirchen gezogene Grenze wird zwar ernst genommen, aber doch nur, um nun den Heilsruf: ihr gehört ja in Wahrheit zu uns, hier ist das
rechte Bekenntnis! um so vernehmlicher zu machen. Es bedeutet zweitens, daß die Kirchengemeinschaft
immer
etwas qualitativ Totales ist. Sie ist nicht durch Aufzählung
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
225
sämtlicher Gemeinsamkeiten, die offenbar die Differenzen überwiegen, zu erreichen; solange an einem Punkt ein Dis-
sensus bleibt, ist kein Konsensus möglich. Sie ist geschenkte totale Einheit. Diese Einheit ist das Apriori der Kirchengemeinschaft. Sie kann nicht durch Vergleich hergestellt werden, sie muß gegebene Einheit sein. Auf Grund dieser Einheit aber sind wieder alle möglichen Differenzen tragbar, die notwendig entstehen müssen, und denen die lutherischen
Bekenntnisschriften weithin Rechnung tragen. Sie sind dann durch die vorhergegebene
Einheit nicht mehr kirchenspal-
tende Gegensätze. Ob diese Einheit aber vorhanden ist, ist zwar durch den vollen Konsensus in den Bekenntnissen ausgedrückt, aber die Bereitwilligkeit, bei der Schaffung des Bekenntnisses die theologischen Differenzen nicht zu kirchenspaltenden Gegensätzen werden zu lassen, sondern es zu einer einigenden Bekenntnisformulierung kommen zu lassen, d. h. die Tatsache des Zustandekommens eines Konsensus in bezug auf ein formuliertes Bekenntnis, ist selbst
schon ein Akt der Entscheidung der Kirche und niemals logisch oder theologisch erzwingbar; d. h. die Bekenntniseinheit einer Kirche ist ein Akt der kirchlichen Entscheidung als Glaubensentscheidung, nicht der theologischen Formulierung. Es bedeutet drittens, daß die Feststellung des Punktes, an
dem der Dissensus zum kirchenspaltenden Gegensatz wird, selbst ein Akt der kirchlichen Entscheidung ist. Warum ist von der Reformation nicht die Gotteslehre zum kirchenspaltenden Gegensatz herausgearbeitet worden? Die Entscheidung entsteht dadurch, daß die Kirche an einem bestimm-
ten Ort den Einbruch des Feindes in besonderer Weise konstatiert und ihm daher an dieser Stelle Widerstand entgegensetzt. Ein Krieg entscheidet sich an einer begrenzten
Schlacht. Wo diese Schlacht geschlagen wird, hängt davon ab, wo der Gegner steht. Hier muß eine Entscheidung ge-
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
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troffen werden. Es ist daher durchaus nicht so, als müsse ein
und derselbe Ort immer der Ort der Entscheidung bleiben.
Es kann durchaus sein, daß eine Situation, die heute ge-
fährlich ist, morgen gar nicht mehr entscheidend die Kriegslage bestimmt. Es mag derselbe Artikel, der heute zur Kirchenspaltung führt, morgen nicht mehr kirchenspaltende Bedeutung haben. Das folgt gerade aus der freien Entscheidung
der Reformation, ihren Gegensatz gegen Rom an einem einzigen Artikel
auszutragen
und
alle anderen
Gegensätze
ruhen zu lassen. Nur wo die Kirche selbst ihre Grenzen von vornherein gesetzlich festlegt und sich damit selbst von ihrem Auftrag zum Heilsruf lossagt, verhärtet sich der Gegensatz und bleibt auf einen Punkt festgelegt. Das führt
zum letzten. Es bedeutet viertens, daß ein klarer Unterschied
gesehen
wird zwischen der Aufgabe der Dogmatik und der des Bekenntnisses. Das Bekenntnis ist nicht eine Zusammenstellung dogmatischer Sätze, aus denen nun sämtliche Konsequenzen
zu ziehen sind. Sonst wären die CA und die Schmalkaldischen Artikel die schlechtesten aller Bekenntnisse. Denn die dogmatische Inkonsequenz einer Isolierung der Rechtfertigungslehre ist offenbar. Sonst müßte ferner jede Differenz
an irgendeinem Lehrpunkt notwendig kirchenspaltend werden. Jede theologische Schule müßte zu einer eigenen Kirche werden. Daß dies nicht so ist, einfach die Tatsache als solche, ist ein Beweis für die Einsicht, daß die Frage der Kirchen-
gemeinschaft nicht von der Theologie allein, sondern durch eine kirchliche Entscheidung beantwortet werden muß. Nicht um die Theologie scharen sich die Gläubigen, sondern um
das Bekenntnis. Jede Verwechslung ist hier gefährlich. Die Theologie liefert der ganzen Armee die Waffen, damit sie jederzeit und an jedem etwaigen Ort schlagbereit ist. Der
Kampf nach außen aber wird nicht mit der Theologie, sondern mit dem Bekenntnis geführt. Sonst verfiele man der
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
227
Orthodoxie, man würde gesetzlich, man wüßte von vorn-
herein um die Grenzen der Kirche und beraubte sich der Freiheit der kirchlichen Entscheidung. Das Bekenntnis ist die auf Grund der Theologie von der Kirche vollzogene Ent-
scheidung über ihre Grenzen. Es ist nicht Darstellung des Lehrganzen, sondern auf Grund des Lehrganzen getroffene Entscheidung
der
Kirche,
Kampf aufzunehmen.
an
einem
bestimmten
Ort
den
Im Bekenntnis wird die Theologie
durch kirchliche Entscheidung aktuell. In der Beschränkung,
die das Bekenntnis von dem Lehrganzen unterscheidet, liegt immer zugleich der Anspruch der Kirche auf die Bekenntniseinheit mit den Dissentierenden, zu der diese zurückgeworfen werden sollen, liegt die Bestätigung dessen, daß nicht die Kirche selbst die Grenzen zieht, sondern daß sie nur die ihr von außen gezogenen Grenzen anerkennt, liegt damit die
Möglichkeit, den unbegrenzten Heilsruf der Kirche weiter zu verkündigen. Es ergibt sich also, daß auch das vorhandene Bekenntnis nicht geeignet ist, den Umfang der Kirche definitiv zu be-
stimmen. Die Grenze zwischen schulspaltenden und kirchenspaltenden Gegensätzen ist grundsätzlich nicht festzulegen. So können die Tatsachen der Taufe, des gemeinsamen Bekenntnisgutes in den Symbolen, können die Artikel der Dif-
ferenz immer Entscheidung Grenze selbst sondern muß
nur als Material der jeweiligen kirchlichen über den Umfang der Kirche dienen. Die aber liegt nicht in der Verfügung der Kirche, in der Entscheidung bestätigt werden. In die-
ser letzten Offenheit der Entscheidung ist allein die Mög-
lichkeit gewahrt, daß aus kirchenspaltenden
Gegensätzen
Schulgegensätze werden und umgekehrt.
Da die Grenze der Kirche von außen gezogene Grenze ist, kann sie so vielgestaltig sein, wie es die Feindschaft gegen das Evangelium ist. Es ist etwas anderes, ob die Welt oder ob eine antichristliche Kirche oder ob eine „andere Kirche“
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Kritischer
Verteidiger
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diese Grenze bildet. Nur theologischer Doktrinarismus kann diese Unterschiede leugnen. Die Reformation hat sie sehr deutlich anerkannt; man bedenke nur die verschiedene Stellung der Lutheraner zur römischen und zur griechisch-orthodoxen Kirche. Die Unterscheidung zwischen antichristlicher Kirche und „anderer Kirche“ ist aber wiederum nicht ein-
deutig theologisch feststellbar, sondern Sache der kirchlichen Entscheidung. Es kann wohl sein, daß sich theologisch dieselben Irrlehren hier wie dort nachweisen lassen, und daß dennoch die eine Kirche antichristlich und die andere eben nur „andere Kirche“ ist. Dann muß mit der ersten jegliche Gemeinschaft abgebrochen werden, während mit der anderen das Gespräch noch fortgesetzt und eine Gemeinschaft
auf Hoffnung erhalten bleibt. Daran wird deutlich, daß außer der Irrlehre noch ein anderer Faktor vorhanden ist, der die Entscheidung bestimmt. Ganz deutlich wird es dort, wo eine Kirche erklärt, das Bekenntnis anzuerkennen, sich keiner Irrlehre schuldig macht, um auf diesem unverdächtigen Wege den Kampf gegen die wahre Kirche nur um so zielbewußter zu betreiben. Die rechte Lehre wird in dem
Augenblick Irrlehre, als sie im Kampf gegen die wahre Kirche gebraucht wird. Um noch einmal im Bild zu reden: in solchem Falle desertieren die Offiziere mit ihren Waffen
und Mannschaften und gehen ins feindliche Lager über. Sie haben nun dieselben Waffen wie die von ihnen verratene
Armee, aber sie richten sie jetzt gegen ihre einstmaligen
Freunde. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob die Irrlehre der
wahren Kirche mit offenem Vernichtungswillen gegenüber
tritt, oder ob sie kampflos neben ihr steht. Im ersten Falle
stehen sich wahre und falsche Kirche gegenüber mit dem
beiderseitigen Willen, der Tod der andern zu sein. Hier ist
Kampf um Leben und Tod. Hier gibt es keine Gemeinschaft.
Hier erkennt die wahre Kirche den Antichristen. Im anderen
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
229
Falle weiß die wahre Kirche um irrende Kirchen, die keineswegs den Vernichtungswillen gegen die wahre Kirche haben, die selbst mittragen an dem Geheimnis der Zerrissen-
heit der Kirche, mit denen die wahre Kirche also in gemeinsamem Schuldbekenntnis steht. Hier kann in Anknüpfung an das gemeinsame Bekenntnisgut die Einheit wieder gesucht werden. Dies etwa ist die Lage in der ökumenischen Arbeit. Wir lernen daraus, daß auch die Kirchengemeinschaft, entsprechend den Grenzen der Kirche, verschiedene Formen hat. Von der vollen Gemeinschaft an Wort und Sakrament,
die im Bekenntnis-Konsensus Ausdruck findet zu einer Gemeinschaft,
die auf Grund
des gemeinsamen
Besitzes
im
Glauben gesucht wird. Es wäre ebenso falsch, diese Gemeinschaft a limine abzulehnen und zu leugnen, wie sie der vollen Kirchengemeinschaft gleichzustellen. Sie ist einerseits kirchliches Faktum,
andererseits Notstand, Übergang,
der entweder zur vollen Gemeinschaft oder zur Trennung führen muß. Weil aber die Kirche nicht a priori zu erklären vermag, wo solche Gemeinschaft oder definitive Trennung
besteht, darum muß sie die jeweilige Situation ernst nehmen und es Gott anheim stellen, aus ihr zu machen, was ihm
gefällt, und auf die Stunde der Entscheidung warten. Ist es klar, daß die Frage nach der Kirchengemeinschaft allein durch kirchliche Entscheidung beantwortet werden kann, so muß nun gesagt werden, daß diese kirchliche Entscheidung in keinem Fall ausbleiben darf. Sie wird Schritt
für Schritt immer das muß getan mehr getan ist zuletzt
den Kampf der Kirche begleiten. Sie wird zwar „fremde Werk“ der Kirche bleiben. Aber es werden, weil sonst ihr eigentliches Werk nicht werden kann. Die Entscheidung über ihre Grenze ein barmherziger Akt der Kirche, sowohl an
ihren Gliedern, wie an denen draußen. Es ist die letzte, die „fremde“ Möglichkeit, den Heilsruf vernehmlich zu machen.
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Kritischer
Verteidiger
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II.
Die Barmer Bekenntnissynode hat die Lehre der Deutschen Christen in ihren entscheidenden Punkten als Irrlehre verworfen. Diese Verwerfung bedeutet, daß diese Irrlehre in der Kirche Jesu Christi keinen Raum hat. Die Dahlemer Bekenntnissynode hat es auf ihre Verantwortung genom-
men, zu erklären, daß sich die Reichskirchenregierung durch Lehre und Tat selbst von der christlichen Kirche geschieden habe. Sie hat also nicht aus der Kirche ausgeschlossen, son-
dern eine vollzogene Tatsache festgestellt. Zugleich hat sie eine eigene Kirchenleitung gebildet und den Anspruch erhoben, die rechte Kirche Jesu Christi in Deutschland zu vertreten. Seitdem erkennt sich die Bekennende Kirche in der Verantwortung
Jesu Christi
und
dem
Auftrag,
in Deutschland
zu
die eine, wahre
sein. Das
Kirche
ist kirchenge-
schichtliches Faktum. Was bedeutet es? Was hat man damit gesagt? Um diese Frage dreht sich heute alles in der Bekennenden Kirche. Es genügt zur Beantwortung keinesfalls, den ohnehin vergeblichen und niemals zur Gewißheit führenden Versuch zu machen, nach der Meinung derjenigen zu fragen, die für diesen synodalen Beschluß verantwortlich waren. Nehmen wir diesen Spruch der Synode überhaupt ernst, so bekennen wir, daß Gott der Herr selbst dafür veranwortlich sein
will. Dann aber muß der Spruch genommen
werden, wie
er ergangen ist, und es muß nach dem Willen Gottes in ihm gefragt werden. Unter der Voraussetzung also, es sei hier
in aller menschlichen Schwachheit und Meinungsverschiedenheit, durch allerlei menschliche Stimmungen, Angstlichkeiten
und Verwegenheiten hindurch das Wort des Herrn der Kirche laut geworden, als die Synode erklärte, die Reichskirchenregierung habe sich von der Kirche Jesu Christi geschieden, müssen wir fragen, was dies Wort bedeutet. Wer diese Voraussetzung nicht teilt, redet nicht von Barmen und Dah-
Zur
Frage
lem als von
nach
der Kirchengemeinschaft
christlichen Synoden,
setzungen der Bekennenden schlimm, wenn
Kirche.
231
teilt nicht die Voraus-
Es steht wahrhaftig
heute in weiten Kreisen der Bekennenden
Kirche, mehr noch bei Pfarrern als bei Laien, hier eigenwillig und zuchtlos geredet wird. Hinter Barmen und Dahlem können wir nicht darum nicht mehr zurück, weil sie geschichtliche Tatsachen unserer Kirche sind, denen wir Pietät zu erweisen hätten, sondern weil wir hinter Gottes Wort nicht mehr zurückkönnen. Die Frage ist also: Was hat Gott über seine Kirche und ihren Weg gesagt, wenn er durch Barmen und Dahlem gesprochen hat? Die Reichskirchenregierung hat sich von der
christlichen Kirche geschieden. Die Bekennende Kirche ist die wahre Kirche Jesu Christi in Deutschland. Was heißt das? Es heißt unzweifelhaft, daß eine definitive Grenze zwischen der Reichskirchenregierung und der wahren Kirche Christi erkannt und bestätigt worden ist. Die Reichskirchenregierung ist häretisch. Heißt das aber, daß damit der Amtsträger, der diesem verworfenen Kirchenregiment weiterhin Gehorsam leistet, demselben Urteil verfällt? Hat sich jeder
deutsch-christliche Pfarrer von der Kirche Jesu geschieden? Weiter: Müssen wir auch die Deutschen Christen unter den Gemeindemitgliedern, müssen wir jede Gemeinde, die ihren
deutsch-christlichen Pfarrer ohne Widerspruch trägt, als von der christlichen Kirche geschieden ansehen? Kann der Pfarrer
der Bekenntniskirche die deutsch-christlichen Glieder der Gemeinde als seine Gemeindemitglieder ansprechen? Wird er Amtshandlungen ohne Unterschied an Gliedern der Bekennt-
niskirche und an Deutschen Christen ausüben dürfen? Wo laufen die Grenzen der Gemeinde für den Bekenntnispfarrer? Gibt es hier einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Kirchenleitung und Gemeinde? Und weiter: Wie steht es mit den sogenannten Neutralen? Schließlich: Macht sich jetzt
jeder, der in gemeinsamer kirchlicher oder gar kirchenregi-
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Kritischer
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der BK.
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mentlicher Arbeit mit den Deutschen Christen steht, an der
kirchenzerstörenden Sünde derselben mitschuldig? Gilt das Dahlemer Urteil auch den Kirchenausschüssen? Gilt es all denen, die diesen ‘gehorchen? Zusammenfassend: Muß die Scheidung, die zwischen Reichskirchenregierung und der Kir-
che eingetreten ist, sich nun konsequent auf all die genann-
ten anderen ebenso erstrecken? Eine Antwort muß gegeben werden. Die Gemeinde muß wissen, wohin sie hören darf und wohin nicht. Der Pfarrer muß wissen, wie er sein Amt
recht versehen soll. Pfarrer und Gemeinden wissen das heute weithin nicht und können es nicht wissen, weil es ihnen nicht gesagt wird.
Es wäre gewiß der einfachste Weg, entweder in Bausch und Bogen all die genannten Konsequenzen zu ziehen, oder aber bei Dahlem stehen zu bleiben und keinerlei Konsequenzen daraus zu ziehen. Beide Wege sind nach allem Vorhergesagten gleich unkirchlich. Mit Konsequenzenmachen ist nichts geholfen, weil das Wort Gottes nicht Konsequenzen, sondern Gehorsam will. Keinerlei Konsequenzen ziehen aber kann bewußter Ungehorsam gegen das Wort sein. Es muß also jede einzelne Frage geprüft und Schritt für Schritt
die Entscheidung gesucht werden. So ist z. B. eine gewisse Klärung erreicht hinsichtlich der deutsch-christlichen Amtsträger. Die Bekenntniskirche hat in Gemeinden, in denen
nur solche Amtsträger sind, dafür Sorge getragen, daß durch Vikare oder Pfarrer die rechte Verkündigung und das rechte Amt gewahrt bleibe. Sie hat Notpfarrämter eingerichtet und damit zum
Ausdruck
gebracht, daß der deutsch-christliche
Amtsträger seines Amtes verlustig gegangen ist. Nicht ist etwas Derartiges geschehen gegenüber den Neutralen. Ganz anders ist auch die Stellung gegenüber den Gemeinden. Gerade mit der Einrichtung von Notpfarrämtern ist ja der volle Anspruch auf die Gemeinde durch die Bekennende
Kirche ausgesprochen. Völlig unklar ist noch die Stellung zu
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
233
den Ausschüssen und den der Bekenntniskirche zugehörenden Mitgliedern derselben, zu Pfarrern, die den Ausschüssen
Gehorsam leisten. Diese Unklarheit ist verderblich. Bevor hierzu einiges gesagt werden soll, müssen wir die Lage noch von einer anderen Seite her betrachten. Während sich also auf der einen Seite ein fortgesetzter Trennungsprozeß vollzieht, ereignet sich auf der anderen Seite eine höchst bedeutsame Annäherung der Kirchen lutherischen und reformierten Bekenntnisses. Seit Barmen sprechen Lutheraner und Reformierte gemeinsam in synodalen Erklärungen. Einstmals kirchenspaltende Bekenntnisgegensätze machen es nicht mehr unmöglich, eine Bekenntnissyno-
de zu bilden, freilich Synoden ohne gemeinsamen Abendmahlsgang. Das ist zunächst als Faktum zur Kenntnis zu nehmen. Natürlich erhebt sich Widerspruch von konfessioneller Seite. Aber das Faktum steht da, und es bleibt Gott anheimgestellt, was er daraus machen will. Es kann ja mit keinem Mittel des Bekenntnisses bestritten werden, daß mit diesem Faktum, mit der Anerkennung „gleichberechtigter Bekenntniskirchen“ die Augustana be-
reits in entscheidender Weise verlassen ist. Vor dem Buchstaben der lutherischen Bekenntnisschriften kann die Bekenntnissynode nicht bestehen. Wie ist es zu begreifen, daß trotz fortgesetzter Belehrung hierüber die Bekenntnissynoden zustande kamen, daß sich bewußt lutherische Theologen daran beteiligten? Es muß zunächst bei der Feststellung des Tatsächlichen bleiben, daß die Bekenntnissynode existiert, und es gibt angesichts derselben nur eine doppelte Haltung,
entweder man verwirft a limine diese Synoden von der Augustana her oder man nimmt sie staunend und demütig
hinundstelltesGottanheim,darauszumachen,was ihmgefällt. Jedenfalls bleibt die gegenwärtige Situation für die Frage nach der Kirchengemeinschaft bedeutsam und lehrreich ge-
nug. Auf der einen Seite führt die unerbittlich konsequente
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
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Anwendung des Lehrbegriffs zur Kirchenspaltung, auf der andern Seite findet eine offenkundige Vernachlässigung des Lehrbegriffs statt, und eine Kirchengemeinschaft, die von entscheidenden bisher kirchenspaltenden Lehrgegensätzen absehen zu dürfen meint, hat sich bereits angebahnt. Dächten
wir uns einmal die unerbittlich konsequente Anwendung des Lehrbegriffs, wie sie gegen die Deutschen Christen geübt wird, etwa gegen die Reformierten gerichtet, so wäre theoretisch wohl denkbar, daß an der Abendmahlslehre oder der Christologie auch hier die alten kirchenspaltenden Gegen-
sätze wieder aufbrächen. Analog könnte ein Nachlaß Konsequenzen eine gemeinsame Basis Christen schaffen. So jedenfalls muß Orthodoxie die Lage erscheinen. Was Möglichkeit zugrunde? Wird hier mit
mit der liegt der
an
den Deutschen konfessionellen dieser absurden Kirchengemein-
schaft unlauteres Spiel getrieben? Hierzu kommt eine weitere Verwicklung. Die Bekenntniskirche ist der Okumene begegnet. Diese Begegnung hat bisher zwei charakteristische Ergebnisse gezeitigt. Die Oku-
mene hat in Anwesenheit von Vertretern der Bekennenden Kirche in Fanö 1934 die „Prinzipien und Methoden“ des deutsch-christlichen Kirchenregiments als „mit dem Wesen
der Kirche Christi unvereinbar“ erklärt. Sie hat durch Wahl eines Vertreters der Bekennenden
Kirche in den ökumeni-
schen Rat die Mitarbeit derselben erbeten und hat deren Zusicherung
bekommen.
Jedoch
hat bisher
die Bekennende
Kirche noch auf keine ökumenische Konferenz
offizielle
Vertretungen entsandt. Der Grund hierfür muß in der An-
wesenheit von Vertretern der Reichskirchenregierung liegen, mit denen für die Bekennende Kirche ein Gespräch auch auf neutralem Boden nicht mehr möglich ist. Während
also ein
Gespräch mit anderen, irrenden „Kirchen“ möglich wäre, ist solche Möglichkeit zwischen Reichskirche und Bekenntniskirche nicht mehr gegeben. Es wäre unzweifelhaft unschwer,
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
235
die Irrlehren der Deutschen Christen in vielen anderen Kirchen ebenso nachzuweisen. Dennoch erkennt die Bekenntniskirche einen qualitativen Unterschied. Dies alles muß dem Orthodoxen wie dem grundsätzlich Bekenntnislosen gleich unbegreiflich und widerspruchsvoll er-
scheinen. Der Orthodoxe begreift nicht, wie es möglich sein soll, die Sätze des Bekenntnisses in verschiedener Weise zu handhaben. Er begreift nicht die Offenheit der Lutheraner
der Bekenntniskirche gegen die Reformierten oder die Okumene. Der Bekenntnislose, unter ihnen die große Zahl der vom Pietismus und der liberalen Theologie bestimmten
Pfarrer, begreift umgekehrt nicht die Sturheit der Anwendung des Lehrbegriffs gegen die Deutschen Christen. Zwischen der Szylla der Orthodoxie und der Charybdis der
Bekenntnislosigkeit hindurch geht die Bekennende Kirche ihren sicheren Weg. Sie trägt die Last der Verantwortung, die wahre Kirche Jesu zu sein. Sie ruft: Hier ist die Kirche! kommt hierher! Indem sie das ruft, stößt sie auf Feinde und auf Freunde. Wo sie Feinde erkennt, dort bestätigt sie die ihr gezogenen Grenzen konsequent und kompromißlos.
Wo sie Freunde erkennt, findet sie gemeinsamen Boden und wird bereit zum Gespräch in der Hoffnung auf Gemeinschaft. Ob Freund oder Feind wird die Kirche am Bekenntnis erkennen, aber das Bekenntnis ist nicht letzter, eindeutig zu handhabender Maßstab. Die Kirche muß entscheiden, an welchem Ort der Feind steht. Weil er einmal bei der Abendmahlslehre, ein anderes Mal bei der Rechtfertigungslehre, ein drittes Mal bei der Lehre von der Kirche stehen kann, darum muß die Kirche entscheiden. Und indem sie
entscheidet, bekennt sie. Die Orthodoxie verwechselt theologisches System und Bekenntnis. Die Bekenntnislosen verwechseln das Bekenntnis der Kirche mit dem Zeugnis der Frömmigkeit. Es wäre sehr viel leichter, wenn die Bekenntniskirche hier einlinig denken könnte. Sie würde aber damit
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Kritischer
Verteidiger
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ihrem Auftrag untreu, den Heilsruf auszurichten, indem sie
offen und begrenzt zugleich ist. Ist es damit klar, daß die Entscheidungen über die Gren-
zen der Kirche nur von Fall zu Fall getroffen werden können, so bedarf es noch einer kurzen Erwägung der vorher
konkret gestellten Fragen. 1. Daß der deutschchristliche Amtsträger sich von der Kirche geschieden habe, ist eine Erkenntnis, die nur noch der syno-
dalen Bestätigung bedurfte. Nur wenn
eindeutig erklärt
wird, daß er des Amtes tatsächlich verlustig gegangen ist,
ist nach lutherischer Lehre die Möglichkeit gegeben, ein Notpfarramt einzurichten, das anderenfalls ein unerlaubter Eingriff in ein fremdes Amt wäre, wovor Luther nicht ernst genug warnen konnte. Hand in Hand damit müßte
die Weisung an die Gemeinden gehen, sich um des Wortes Gottes und handlungen Predigt und Irrlehrer zu
ihrer Seelen Seligkeit willen von allen Amtseines Irrlehrers fernzuhalten und lieber ohne Sakrament zu leben und zu sterben als zum gehen.
2. Es muß in dieser Sache ein Unterschied gemacht werden zwischen
Amtsträgern
und
Gemeindegliedern,
Verführern
und Verführten. Es ist unmöglich, mit dem Ausschluß des Amtsträgers schon den Ausschluß der Gemeinde zu konsta-
tieren. Die lutherischen Bekenntnisschriften haben nicht den einzelnen Katholiken, sondern den Papst, d. h. das Kirchen-
regiment für den Antichristen erklärt. Dementsprechend hat die Dahlemer Synode gesprochen. Das Kirchenregiment ist
häretisch geworden. Damit ist aber der Anspruch auf die Gemeinden keineswegs aufgegeben. Vielmehr muß den Gemeinden zu rechten Amtsträgern verholfen werden. Freilich ist auch die Gemeinde selbst dazu berufen, über falsche Lehre zu urteilen. Tut sie das nicht, beharrt sie trotz Warnung und Mahnung beim Irrlehrer, so wird auch hier nach
einiger Zeit der Geduld eine Grenze konstatiert und die
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
237
Kirchengemeinschaft als aufgehoben betrachtet werden, und dies mit allen Konsequenzen von Verweigerung von Amts-
handlungen usw. Dies ist der letzte Akt der Barmherzigkeit der Kirche an der Gemeinde, der letzte Ruf zur Gemeinschaft, das „fremde Werk“, durch das der Heilsruf ausgerichtet wird. Es ist aber auch eine Verpflichtung der Kirche
gegenüber dem Amt, das durch die Verschleuderung des Sakraments sonst täglich schuldig wird. 3. Einer klaren Entscheidung kann sich die Bekennende Kirche auch nicht länger entziehen gegenüber den Kirchenausschüssen. Das Wort der Synode von Oeynhausen genügt nicht. Es ist nicht einzusehen, worin sich die Kirchenleitung der Ausschüsse von der Reichskirchenregierung unterscheidet.
Es ist unzweifelhaft, daß sie der wahren Kirchenleitung gefährlicher ist als die Reichskirchenregierung. Es ist von der Bekenntnissynode ausgesprochen worden, daß diese Kirchenleitung nicht anerkannt werden kann, aber es ist bisher das eindeutige Verbot, sich an ihr zu beteiligen, nicht ausgesprochen worden. Das schafft Verwirrung. Wo die Grenzen
erkannt sind, müssen die praktischen Folgen gezogen werden. Wie sich ein Glied der Bekenntniskirche, das der Reichskirchenregierung beitreten würde, von der Kirche Jesu ausschlösse, so tut nach der in der Oeynhausener Synode ausgesprochenen grundsätzlichen Erkenntnis derjenige dasselbe,
der an der kirchenleitenden Arbeit der Ausschüsse teilnimmt. Daraus folgt aber notwendig das Verbot solcher Teilnahme. Nichts anderes gilt für die Amtsträger, die sich den Aus-
schüssen unterstellen. Es ist auch nicht gut, an Kandidaten zu praktizieren, was man den Pfarrern durchgehen läßt. Je länger die Kirchenleitung sich den ihr aufgelegten Entschei-
dungen entzieht, je mehr verwirrt sie die Gemeinden, je unbarmherziger ist sie gegen die Pfarrer und je weniger kann
sie ihren eigenen Ruf ausrichten. 4. Ein besonderes Problem sind die Neutralen. Zunächst ist
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Kritischer
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zu sagen, daß es in Wirklichkeit keine Neutralen gibt. Sie
gehören eben auf die andere Seite. Aber subjektiv wollen sie neutral sein. Eine eindeutige Stellung zu ihnen ist darum nicht möglich, weil ihre eigene Stellung nicht eindeutig ist, weil die von ihnen gegen die wahre Kirche gezogene Grenze undeutlich ist. Jesus Christus hat über die Neutralen das doppelte Wort gesprochen: Wer nicht mit mir ist, der ist wider
mich (Matth. 12, 30) und: Wer nicht wider uns ist, der ist für uns (Mark. 9, 40). Weder können die Neutralen das zweite Wort allein für sich in Anspruch nehmen, noch kann die Kirche das erste allein gegen sie wenden. Aber es wird immer wieder bezeugt werden müssen, daß die Neutralen in eben dieser durch die beiden Worte bezeichneten fragwürdigen Situation sind. Wird freilich die Neutralität zum
Prinzip erhoben, dann wird die Möglichkeit in Sicht kommen, das erste Wort allein zu sagen. Denn dort ist bereits eine eindeutige Stellung außerhalb der Kirche bezogen und die Grenze gegen den Anspruch der wahren Kirche deutlich aufgerichtet.
Es kann nicht der Sinn dieser kurzen Bemerkungen sein, die Entscheidung der Kirche vorwegzunehmen. Aber es muß der Sinn sein, die Kirchenleitung daran zu erinnern, daß sie diese Entscheidung treffen muß. Indem sie es Schritt für Schritt
tut, wird sie das fremde Werk tun, um das eigentliche Werk recht treiben zu können. Die Aufhebung der Gemeinschaft ist das letzte Angebot der Gemeinschaft. III.
Extra ecclesiam nulla salus. Die Frage nach der Kirchengemeinschaft ist die Frage nach der Heilsgemeinschaft. Die Grenzen der Kirche sind die Grenzen des Heils. Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, trennt sich vom Heil. Das ist die Erkentnis, die sich
der wahren Kirche von jeher aufgezwungen hat. Das ist ihr
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
239
demütiges Bekenntnis. Wer die Frage nach der Bekenntnis-
kirche von der Frage nach seinem Seelenheil trennt, begreift nicht, daß der Kampf der Bekennenden Kirche der Kampf um sein Seelenheil ist. Ist das nicht die römische Irrlehre von der Kirche? Sofern die römische Lehre das Heil nicht ohne die Kirche und die Kirche nicht ohne das Heil denken kann, ist sie im Recht. Sofern für sie aber der Satz, daß es Heil nur in der Kirche gebe, etwas anderes bedeutet, als den Ruf zur sichtbaren Kirche, sofern also dieser Satz nicht eine existenzielle Aussage des Glaubens der wahren Kirche, sondern eine theoretische Wahrheit über Gerettete und Verlorene sein soll, sofern er etwas anderes ist als Gnadenangebot, Heilsgut, ist er verwerflich. Dann ist er aus einem Glaubenssatz zu einem spekulativen Satz geworden. Extra ecclesiam nulla salus ist im strengen Sinne eine Glaubensaussage. Der Glaube ist an die Heils-
offenbarung Gottes gebunden. Von hier aus weiß er von keinem anderen Heil in der sichtbaren Kirche. Von hier aus ist er nicht frei, das Heil Gottes anderswo zu suchen als dort, wo die Verheißung gegeben ist. Heil jenseits der Kirche ist für ihn grundsätzlich nicht erkennbar und kann darum auch ziemals ein Lehrpunkt werden. Das Heil wird allein an der
Verheißung erkannt. Die Verheißung aber hat die Verkündigung des lauteren Evangeliums. Wie aber, wenn nun in einer einzelnen Gemeinde der römischen Kirche oder Reichskirche das Evangelium lauter verkündigt würde? Ist dann nicht auch dort wahre Kirche? Es gibt keine lautere Verkündigung des Evangeliums unabhängig
von der Gesamtkirche. Und wenn einer das Evangelium so lauter verkündigte wie der Apostel Paulus und er wäre dem Papst oder der Reichskirchenregierung gehorsam, so wäre er ein Irrlehrer und ein Verführer der Gemeinde. Wie aber, wenn in der anderen Kirche Menschen sind, deren
Frömmigkeit und Christlichkeit unter Beweis gestellt worden
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Kritischer
Verteidiger der BK. 1935—1939
ist? Wie steht es mit den guten Christen auf der anderen Seite? Ist es nicht unbarmherzig und unchristlich, über sie
das Urteil zu sprechen? Ist es nicht unerträglich pharisäisch, ihnen gegenüber den Anspruch zu vertreten, allein die Kirche
zu sein? Das ist Richtgeist, hören wir sagen. Es liegt etwas
von Empörung gegen den Anspruch der Kirche in dieser
Frage, und sie ist mitten in der Bekennenden Kirche zu Haus. Sie ist es, die sie zur Zeit von innen her zersetzt. Die Antwort beginnt mit der Gegenfrage. 1. Warum sind diese christ-
lichen Menschen bei den Deutschen Christen und nicht bei der wahren Versammlung der Gläubigen? Warum kommen sie nicht dorthin, wo der Ruf der wahren Kirche ergeht? Warum? Weil es nicht wichtig genug ist, zu welcher Kirche sie gehören? Weil sie an ihrer Frömmigkeit und Heiligkeit genug haben? Heißt das ein guter Christ sein? 2. Woher wissen wir denn, wer ein guter Christ sei und wer nicht? Bin ich Richter
über die Christlichkeit der anderen? Ist nicht dies ein viel unerträglicherer Richtgeist, der sich anmaßt, dem anderen ins Herz zu sehen? Ist nicht diese angebliche Christenliebe, die keinen Frommen vom Heil ausschließen will, unerhörteste
Hybris und tiefster Menschenhaß, weil sie die verborgenen Gerichte Gottes über die Seele des Einzelnen vorwegnimmt? 3. Wer beruft eigentlich die Kirche? Der Heilige Geist durch sein Wort und Sakrament? Oder ich mit meinem Urteil über gute und schlechte Christen? Das ist die furchtbare Lästerung, die in der Frage dieser liebevollen Christen liegt, daß sie die Kirche Gottes selbst gründen, sammeln und begrenzen wollen, und damit die wahre Kirche des Wortes zerstören und verleugnen. Es muß immer wieder gesagt werden, daß es kein Werk der Barmherzigkeit der Kirche ist, ihre Grenze zu verleugnen. Die wahre Kirche stößt auf Grenzen. Indem sie sie anerkennt, tut sie das Werk der Liebe zu den Menschen, indem sie der Wahrheit die Ehre gibt. Extra ecclesiam nulla salus. Ist die-
Zur
Frage
nach
der Kirchengemeinschaft
241
ser Satz gewiß, dann muß der andere hinzugefügt werden, der in der Gotteslehre seine Analogie hat. Gott ist zwar über-
all, aber „er will nicht, daß du ihn überall tappest“. Es ist ein Unterschied zwischen der Gegenwart Gottes und seiner Erkennbarkeit. So gewiß allein der erkannte Gott unser Gott ist, und der nicht erkannte Gott niemals unser Gott sein kann, so gewiß muß doch diese Unterscheidung erhalten bleiben, gerade als Aussage des Glaubens, der sich an den offenbarten Gott hält und darin die Einzigartigkeit und Wunderbarkeit der Offenbarung preist. So kann nun auch von der Kirche gesagt werden: Sie wird nirgends erkannt als dort, wo die Verheißung Gottes ruht, in der- sichtbaren Kirche. Nicht dort ist sie unsere Kirche. Aber der Glaube, der
seines Heils in der sichtbaren Kirche allein gewiß geworden ist, preist die Wunderbarkeit dieses Heils gerade darin, daß er nun auch noch von einem Sein der Kirche jenseits der offenbaren Heilskirche zu reden wagt. Niemals kann er das
tun, um das alleinige Heil durch die sichtbare Kirche aufzuheben, niemals auch um dieses oder jenes frommen Menschen willen, der abseits steht, niemals um nun selbst zu urteilen und zu erkennen, wo die „Kirche jenseits“ ist. Sie bleibt unerkannt, geglaubt von der Heilskirche, um die Herrlichkeit
der erkannten Heilsoffenbarung um so höher zu preisen. Wehe denen, die aus dieser letzten Glaubensmöglichkeit der Kirche, die aus dem Glauben lebt: Extra ecclesiam nulla salus, eine Voraussetzung ihrer frommen Spekulation über Gerettete und Verlorene machen. Nicht dies ist unser Auftrag. Vielmehr gilt es, von der Anfechtung solcher Fragen zu fliehen zum offenbaren Heil Gottes in der wahren Kirche. Die Frage nach den Grenzen der Kirche kann dem Glauben zur Anfechtung werden. Sie soll ihm aber allein dienen zur Gewißheit. Es ist Sache der Kirche, dies immer deutlich zu machen und in jeder Entscheidung über ihre Grenze die Gemeinde ihres Heils gewisser werden zu lassen.
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935—1939
„Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, trennt sich vom Heil!“ Nein, dieser Satz ist nicht etwa eine böswillige Erfindung oder Unterstellung, mit der die ‚Feinde Christi‘ der Sache der Beken-
nenden Kirche Schaden zuzufügen versuchten! Sondern dieser Satz ist schwarz auf weiß von einem Mann der Bekennenden Kirche, Lic. Bonhoeffer, niedergeschrieben worden. So zu lesen im neue-
sten Heft der ‚Evangelischen Theologie‘, S. 231. Und der Satz steht nicht etwa hypothetisch da, sondern mit schöner apodiktischer Be-
stimmtheit.
Mit derselben apodiktischen Bestimmtheit,
mit der
Herr Immer weiß, daß die Zusammenarbeit mit den Kirchenausschüssen ein beharrliches Fortschreiten ‚auf dem Wege der Sünde‘ bedeutet. Was wollen wir dazu sagen? Gar nichts. Wir lassen
diese theologischen Gipfelleistungen, in deren eisige Höhe die Botschaft des Evangeliums anscheinend nicht mehr heraufdringen konnte, für sich stehen. Arme evangelische Kirche, in der man sich mit solchen Fündlein wichtig machen darf: ‚Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, trennt sich vom Heil!“
[Aus „Nachrichtendienst für die Evangelische Kirche der AltpreuBischen Union“, herausgegeben vom Nachrichtendienst des Landeskirchenausschusses für die Ev. Kirche der APU, Bln-Charlotten-
burg 2, Jebenstraße 3. Ausgabe vom 1. Juli 1936, Seite 5, 2. Spalte]
Lieber Eberhard! Sonnabend [11. Juli 1936] ... Dann rief Frau von Mackensen! an, mein Aufsatz in der Evangelischen Theologie schlüge in Pommern wieder starke
Wellen; ob ich zu einem theologischen Streitgespräch mit mehreren lutherischen Pfarrern der Provinz bereit sei? Manche wollen daraufhin keine Kollekten mehr abführen. Ich
habe mich natürlich bereiterklärt .. . Ferner muß ich Mitt1. Mitglied des Pommerschen Bruderrates und Leiterin seines Büros.
Diskussionen
243
woch, den 5. 8., zum Olympia-Vortrag (Das innere Leben
der D.E.K., geschichtlich, außer mir in derselben Woche
Jacobi, Asmussen, Rendtorff, Dibelius, Niemöller). Lust habe
ich nicht viel... Dein treuer Dietrich
[ohne Datum] Lieber Bruder Gerhard! [Vibrans] ...medias in res! Es geht um die Frage der Kirchengemeinschaft und dementsprechend um die Reinheit der Kirche.
1. Von jeher ist es in der Kirche so gewesen, daß durch die Verkündigung der reinen Lehre des Evangeliums Irrlehre und Irrlehrer aus der Kirche ausgeschlossen wurden, nicht aber die Gemeinden. So war es auch bei Luther, so auch in Dahlem. Nur von dem D.C. Kirchenregiment sagte man, es habe sich von der Kirche Christi geschieden. Die Gemeinde, nur sofern sie sich wissend zu den Irrlehrern hält, ist davon mitbetroffen. Solange noch die berechtigte Möglichkeit besteht, sie eines Besseren zu belehren, rechnen wir sie zu Gliedern der rechtmäßigen Kirche, sprechen sie als zu uns gehörig an. Dieses Ansprechen aber selbst muß scheidende Kraft haben. Sie müssen wissen, was es heißt, zu uns zu gehören. Niemals aber kann die Scheidung der Geister selbst Ziel unsrer Arbeit sein, sondern die Verkündigung allein, die, wenn sie recht ist, die
Scheidung selbst hervorbringt. Die Bedeutung der tatsächlichen Scheidung wird relativiert durch dies Wissen um Gottes Gericht und Scheidung am Ende. Dennoch bleibt sie eine
mit der Verkündigung selbst gegebene Notwendigkeit der lebendigen Gemeinde. 2. Natürlich sind auch bei uns allerlei hypocritae, nicht subjektiv, aber objektiv — in Gestalt von Liberalen etc. Aber durch die Unterschrift bei der roten Karte haben sie doch zunächst ‚bekannt‘ und wir mußten sie nie erst entlarven. Es ist
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Verteidiger
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etwas anderes, willkürlich einen D. C., der seine Irrlehre öffentlich vertritt, in der Kirche zu behalten, als einem Bekenntnispfarrer, den man nicht als Irrlehrer eindeutig festnageln kann, die Kirchengemeinschaft nicht zu versagen. Bis zum Erweis des Gegenteils gilt immer das gegebene Wort.
Beim D.C. ist a limine das Gegenteil erwiesen. — Es geht eben in allem nicht um die Herstellung einer ‚reinen‘ Kirche, sondern um die ungehinderte freie Verkündigung. Also nicht Sichtung ist grundsätzlich das Ziel, sondern nur jeweils nötig, wenn der Weizen erstickt wird. Andererseits scheint mir die bewußte Bildung einer Quasikirche nun auch wieder — ja, ich möchte fast sagen — gottversucherisch. Wer weiß denn, wie schnell das Unkraut um sich greift und den ganzen Acker zerstört. Weder Sichtung, also ‚reine‘, ‚freie‘ Gemeinde, noch Quasikirche, also z.B. Volkskirche, ist ein legitimes Programm. Sondern Kirche, in der das Wort frei verkündigt wird zur Entscheidung und Scheidung der Geister. Was sich scheidet, können wir nicht verbinden. Was bleibt, können wir
nicht herausstoßen — solange es nicht der Antichrist selbsı ist. Die Bekennende Kirche hat ja auch die Scheidung wirklich nie zum Prinzip gemacht und das ist bei aller theoreti-
schen Inkonsequenz das Gesunde. In der Frage der Kirchengemeinschaft gibt es keine Konsequenzmacherei, sondern Gehorsam von Fall zu Fall. Gott selbst scheidet. Nicht wir. Aber wir dürfen ihm auch nicht widerstreben. Wir predigen
das Wort zur Entscheidung. So, nun Schluß. Es ist nur sehr andeutungsweise, was ich Dir
geschrieben habe. Aber ich bin etwas abgekämpft heute. — Den Tag neulich bei Euch habe ich wieder sehr genossen und ich hoffe, er wiederholt sich immer wieder einmal. Nun grüße ich beide Brüder Vibrans sehr herzlich und brüderlich! Eberhard und die andern grüßen mit mir. Alles Gute für die Arbeit! Dein Dietrich Bonhoeffer
Hinweise
und
Bedenken
von
H.Gollwitzer
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Zu der Arierfrage kurz folgendes: Die Ausstellungen sind doch staatliche Dinge. Ich glaube, es ist nicht erlaubt, hier etwas von uns aus dazu zu tun. Jedenfalls muß man sich das sehr genau überlegen und mit jemandem besprechen, der da genau Bescheid weiß. Ich jand den Plan zunächst ganz ausgezeichnet und wollte ihn sofort durchführen, da sagte mir jemand diese Schwierigkeit. Was meinst Du nun? Frag Deinen Vater doch nochmal, bitte? Ich werde mal Rendtorff befragen. Der hat für sowas viel übrig. Also vergessen wird es
gewiß nicht. Darauf kannst Du Dich verlassen. D.
Zur Frage der Kirchengemeinschaft Hinweise und Bedenken Von Helmut Gollwitzer Die heftige Diskussion, die der Aufsatz von Dietrich Bonhoeffer im Juniheft der „Evang. Theologie“ hervorgerufen hat, weist auf
die Dringlichkeit der Frage hin, von der die ganze heutige Kirche bewegt ist — und noch mehr bewegt werden wird, wenn der Druck von außen die einzelnen Teile der christlichen Kirche noch mehr aneinander drängt. Nachdem das Gesetz zur Sicherung der Deut-
schen Evangelischen Kirche vom 24. September 1935 noch einmal die ganze Frage durch Vereinigung der streitenden „Gruppen“ aus der Welt schaffen wollte, hat selbst der Reichskirchenausschuß in einem Punkt auf diese Einigung verzichten müssen und zwischen Kirche und Thüringer Deutschen Christen den Trennungstrich
gezogen, — eine Trennung freilich, deren Ernst und Wahrhaftigkeit z. Zt. von den Thüringer DC. mit beachtlichen Einwänden bestritten wird!. So sind auch die Ausschüsse in die Problematik 1. Siehe Wolf Meyer-Erlach, „Kirchenpolitischer Leichtsinn oder christliche Verantwortung“ in: „Briefe an Deutsche Christen“, 1. 9. 1936.
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der Frage, die sie umgehen wollten, hereingezogen.
Gerade die
Dringlichkeit der Frage aber läßt es nötig erscheinen, einige Miß-
verständnisse, die gegenüber den Bonhoefferschen Ausführungen entstanden sind, zu klären und andererseits einige Bedenken nicht zu unterdrücken. Die Entscheidungen des Aufsatzes von B. fallen in seinem ersten
Teil. Was dort gesagt wird, führt — auch für das konfessionelle Problem — wirklich weiter und kann nicht genug beachtet werden. Leider ist es zu wenig beachtet worden. Die Kritik an einzelnen Sätzen B.s rechte Lesen und ser scheint, als er den ersten schon
hat gezeigt, eine wie seltene Kunst das geVerstehen im Zusammenhang ist. Mancher Lebei dem dritten Teil des Aufsatzes angelangt war, vergessen gehabt zu haben und wußte nicht mehr,
daß dieser letzte Teil nur in dem vom ersten abgesteckten Rahmen verstanden werden
darf. Es wurden
Isolierungen vorgenommen,
die um so unerwarteter sind, als B. selbst sofort nach dem besonders inkriminierten Satz sein Verständnis zu sichern sucht. Dieser Satz ist B.’s Auslegung von extra ecclesiam nulla salus: „Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche in Deutschland trennt, trennt sich vom Heil“ ($. 231)1. Zu unterstreichen ist „wissentlich“,
— d.h. in klarer Entscheidung gegen das Bekenntnis der Bekennenden Kirche. B. betont, das sei nicht seine Erfindung, sondern „von jeher“ habe die Kirche das so gemeint, Er hat Recht damit. Die Frage nach der wahren Kirche ist von der Frage nach dem Seelenheil nicht zu trennen. Um articuli fundamentales, um heilsnotwendige Sätze des christlichen Glaubens geht es, oder der Kir-
chenkampf war ein Pfaffengezänk. B.’s Satz ist nicht „gesetzlich“ zu verstehen: Nicht umsonst wurde
zu Anfang von B. festgestellt, daß die Frage nach dem Umfang der Kirche aus einem gesetzlichen Kirchenbegriff stamme ($. 217). Die Kirche schaut nicht auf ihre Grenze, sondern auf ihren Herrn; ihre eigene Grenze ist ihr verborgen und kann ihr darum immer nur begegnen. Dieses nicht verfügende ($. 218) Sich-BegegnenLassen geschieht gerade darin, daß sie keinen „letzten eindeutig zu handhabenden Maßstab“ (S. 229) bereitliegen hat, wo sie trotz 1. Diese und die folgenden Seitenangaben gelische Theologie Juni Nr. 1936.
beziehen
sich auf die Evan-
Hinweise
und
Bedenken
von
H.Gollwitzer
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Differenz noch oder angesichts einer Differenz nicht mehr Glaubens- und Verkündigungsgemeinschaft anerkennen kann. Der angefochtene Satz B.’s kann also nicht zur empirischen Feststellung dienen; er ist nicht Leitfaden für eine Statistik der Heilszugehörigkeit an Hand roter, grüner oder grauer Karten. — Das wird noch klarer durch den folgenden Abschnitt ($. 231): es handle sich da-
bei nicht um einen spekulativen Satz zur betrachtenden Abzählung von Geretteten und Verlorenen, sondern der Satz habe nur Sinn als Anrede, Angebot, Mahnung, als der Aufruf der Predigt zum Ernstnehmen des Kampfgegenstandes und der „kirchenpolitischen“ Entscheidung. Gemeint ist also: Wenn du dich wissentlich vom Bekenntnis der Bekennenden Kirche trennst, trennst du dich vom Heil (womit übrigens die Freiheit Gottes über seine Heilsgabe nicht eingeschränkt wird; davon aber hat, wie B. richtig sagt, die Verkündigung nicht zu reden). So verstanden meint dann der Satz nichts anderes als was Luther von der Confessio Augustana sagte: „reddidistis Deo sacrificium electum confessionis, ..... ut, qui non crediderint, sint inexcusabiles“1. Anders verstanden, wäre er blan-
ker Unsinn. Und es wird sich wohl mancher fragen lassen müssen, ob er nicht B. so bereitwillig diesen Unsinn zugemutet hat, weil er etwa den ersten Satz der Barmer Erklärung nicht so ernst nehmen wollte, wie Luther die Augsburgische Erklärung genommen hat. Dieser Hinweis kann nicht geschehen, ohne daß gegen die Formulierung B.’s Bedenken erhoben werden. Unter dem Begriff „Bekennende Kirche“ kann der sichtbare Personenkreis — oder das die congregatio sammelnde Bekenntnis gemeint sein. Nur im zweiten Sinne kann gesagt werden, daß die Bekennende Kirche „die eine wahre Kirche Jesu Christi in Deutschland“ ist (S. 224). Das soll dann, genauer und unmißverständlicher formuliert, heißen:
Ihr Bekenntnis ist das der wahren Kirche. Das muß sie sagen, wenn ihr Bekenntnis überhaupt ernsthaft und verbindlich sein soll. Im ersten Sinne aber ist auch die Bekennende Kirche ecclesia mixta. Das muß weniger gegen B. selbst betont werden
als
gegen manche andere, denen nicht klar ist, daß unter ecclesia vera die Kirche der wahren Verkündigung und nicht die ecclesia 1. An Melanchthon, 15. Juli 1530, bei Enders, Bd. 8, S. 112.
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proprie dicta (der coetus vere credentium) gemeint ist. Die Kirche Jesu Christi aber „ist“ weder die lutherische noch die „Bekennende“ noch die römisch-katholische Kirche, sondern das ist ein-
fach die eine christliche Kirche, in die uns der Herr durch die Taufe aufgenommen hat; jede Bekenntniskirche ist nichts anderes als der Teil der einen christlichen Kirche, der sich in Bestätigung seiner Taufe — und heute weiterhin: in Wiederholung sei-
nes Konfirmationsgelübdes (das und nichts anderes bedeutet die rote Karte!) — um die rechte Stimme der christlichen Kirche unter Absage an ihre falschen Stimmen gesammelt hat. Unsere heutigen Auseinandersetzungen kranken sehr daran, daß diese Unterscheidungen nicht klar sind.
Daß hier besonnen gesprochen werden muß, zeigt gerade das Problem der Neutralen. B. nennt es selbst „ein besonderes Problem“ (S. 230). Er schneidet alle Fragen an, die sich hier stellen; aber man kann nicht sagen, daß seine Antworten, so wie er sie hier gibt, schon befriedigen; daß er ihre Bedeutung selbst einschränkt mit der Erklärung, er wolle damit die Entscheidung der Kirche nicht vorwegnehmen, sondern nur an ihre Notwendigkeit erinnern (S. 231), war wohlgetan. Mehr als das, was B. zunächst sagt, daß die Neutralen in einer durch Matth. 12, 30 und durch Mark. 9, 40 bestimmten „fragwürdigen Situation“ seien (S. 230), kann wohl auch nicht allgemein gesagt werden. Es dürfte auch für eine ernste Anrede an diese Schicht, die gegenüber dem Streit der wahren und der falschen Stimme der Kirche glaubt unentschieden bleiben oder irgendwelche Spezialanliegen wahren zu dürfen, genügen. Wenn B. darüber hinaus erklärt, wer bei lauterer Evangeliumsverkündigung dennoch dem Papst oder der Reichskirchenregierung gehorsam sei, sei „ein Irrlehrer und Verführer der Gemeinde“ ($.232), so hat das besonderen Widerspruch erregt. Man wird B. fragen
müssen, ob er hier nicht nun doch im Gehorsam gegen das falsche Kirchenregiment einen eindeutigen Maßstab für die Grenze der Kirche zu haben meint. Es ist schwer zu erkennen, wie er hier ein „gesetzliches“ Verständnis des Kirchenbegriffs vermeiden kann,
Dazu ist Gehorsam
gegenüber einer Kirchenregierung ein sehr
vielfältiger Begriff; er reicht von der Anerkennung als Verwaltungszentralstelle bis zur Unterstellung unter bischöfliche Leitung.
Hinweise
und
Bedenken
von
H.Gollwitzer
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Gerade den Neutralen gegenüber wird ernstgenommen werden müssen, daß die Kirche ihre Grenze nicht zieht, sondern auf sie
stößt. Allgemeine Urteile sind hier nicht am Platze, so ernst die allgemeine Gefahr ist, in der ein Neutraler sich mit seiner Predigt befindet, wenn er ihr mit seinem kirchlichen Handeln eine solche Auslegung und einen solchen Rahmen gibt, wie es das Eingegliedertsein in den Verband der falschen Kirchenleitung ist. Den Neutralen und ebenso den sog. „besseren Deutschen Christen“ wird gesagt werden müssen, daß sie sich der Hehlerei schuldig machen. Als in den Jahren vor dem Weltkrieg die bayerische Landeskirche von der Auseinandersetzung mit den gemäßigten Liberalen (Geyer und Rittelmeyer) bewegt wurde, war dies der Vorwurf, den einer der positiven Rufer im Streit, Kirchenrat Nägelsbach, erhob; gleichzeitig aber wies er die Konsequenz einer kirchlichen Grenzziehung ab: „Solange die Abweichung vom Bekenntnis nicht von der stilischweigenden Zurückstellung zu der offenen Leugnung der Heilstatsachen fortschreitet, ist stets Duldung gutgeheißen worden, aber freilich nur eine solche Duldung, die das noch zu
duldende Übel als Übel deutlich bezeichnet und dadurch den Gedanken der völligen Gleichberechtigung entschieden ferne hält“!. Analog dieser Haltung wird man auch heute urteilen müssen und so in der Linie der besonnenen Worte bleiben, mit denen die Vorrede zum Konkordienbuch von den Christen in anderslehrenden Kirchengebieten spricht2.
Den Anspruch, daß in ihr die Stimme der wahren Kirche zu Worte gekommen sei, hat die Bekennende Kirche erhoben. Die Auslegung
aber, die B. dafür S. 225 gibt, ist unmöglich. Das Bekenntnis der Kirche ist nicht Gottes Wort, sondern Zeugnis der Kirche von Got-
tes Wort. Nicht Gott, sondern die Kirche hat in Barmen und Dahlem gesprochen, wie hoch auch vom Beistand Gottes dabei gedacht werden darf. Es ist nicht einzusehen, warum das nicht genügen soll. Was darüber hinausgeht, würde den Sätzen von Barmen selbst widersprechen (vgl. den 1. Barmer Artikel und den Aufruf an die Gemeinden). B. kann es, solange er gerade Barmen ernst nimmt,
nicht so meinen, wie man aus seiner Formulierung vermuten muß 1. Jahrbuch für die evang.-luth. Landeskirche Bayerns, 1912, S. 42. 2. Die Bekenntnisschriften der evang.-luth. Kirche, 1930, S. 11 f.
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und vermutet hat. Es gibt keine deutlichere und festere Schranke gegen
jedes Schwärmertum,
als sie von
der Barmer
Erklärung
selbst in ihrem Satz aufgerichtet ist. Es ist bedauerlich, daß B. mit seinen Sätzen ein von konfessionalistischer Seite aufgebrach-
tes künstliches Mißverständnis jenes Barmer Ausdrucks von dem gemeinsamen Wort, das der Synode „in den Mund gelegt worden ist“, gefördert hat. Beflissene Leute, die damit entgegen dem klarsten Sachverhalt die Barmer Erklärung selbst zu einer schwärmerischen machen wollen, haben das eifrig aufgegriffen. Ihnen gegenüber wird in dem Wahrheitsmoment der Bonhoefferschen Formulierungen nicht
nachgegeben werden können. Die Kirche darf von der Barmer Synode in gleichem Sinne, wie sie es von dem Augsburgischen Bekenntnisakt tut, glauben, daß hier Gottes Werk geschehen ist, gerade weil sie in Barmen nicht, wie Ad. Schlatter mißversteht!, das
Handeln und die Führung Gottes in unserem Leben geleugnet "hat. Wer in diesem Glauben nur schwärmerische Willkür sehen kann, der übersieht, daß er sich nicht in der Begeisterung der Stunde gründet, sondern darin, daß sich die Kirche in Barmen durch Gottes Werk zu Gottes Wort geführt sah. Er möge es dann auch
‘Schwärmerei nennen, wenn Luther im Blick auf das Augsburgische Bekenntnis unter das Bild seines Kurfürsten die Verse schreibt: „Umb Gottes Wordtes willn ich leid, / Frey b’kannt ich es aus Hertzensgrund /....Solchs gabe mir mein Gott besonder, / Unndt
für die Weldt wahr es ein Wunder“2, oder wenn Georg Major die Augustana nennt: doctrinae normam tunc Spiritu Sancto dictante a Melanthone perscriptam®, oder wenn die Konkordienfor-mel sagt, daß die Lehre von den fürnehmsten Artikeln unserer
christlichen Lehre immensa Dei Optimi Maximi bonitate atque miseratione in der Reformation ans Licht gebracht worden seit, ‚oder wenn lutherischeDogmatiker dieSymbolischen Bücher Heöwvev-
0ToL nennen und betonen, daß es hinsichtlich ihrer himmlischen 1. In: „Müssen wir heute lutherisch oder reformiert sein?“, 1936. 2. WA.
35, 589.
3. Nach Johs. Ficker, „Die Eigenart des Augsburgischen Bekenntnisses“, Halle
1930,
S. 42.
4. Die Bekenntnisschriften der evang.-luth. Kirche, S. 829.
Hinweise
und
Bedenken
von
H.Gollwitzer
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und göttlichen Materie periculosum est, sine adjecta declaratione libros symbolicos humana scripta appellarei. Er kann bestreiten, daß es im Falle Barmen angebracht ist, so zu sprechen, und kann
dafür den Beweis führen, aber er wird nicht von vorneherein dieses Reden als ein schwärmerisches verwerfen können. Er mag dabei sich daran erinnern, daß gerade Karl Barth das bessere Wissen um die Vorläufigkeit des kirchlichen Bekenntnisses und um seinen Abstand vom Worte Gottes als einen Vorzug reformierten Denkens gegenüber dem lutherischen „Gottes Wort und Luthers Lehr’“ bezeichnet hat?2, — derselbe K. Barth, der nun auf einmal ein Schwär-
mer geworden sein soll. Nicht weniger eifrig ist Bonhoeffers Behauptung, daß mit der Barmer Synode der Buchstabe der Augustana „in entscheidender Weise verlassen“ worden sei (S. 227), aufgegriffen worden. Sollte B. damit gemeint haben, daß durch die Gemeinsamkeit der Barmer Synode die Damnation von C. A., art. 10 aufgehoben und der Zwinglianismus als gleichberechtigte Lehre anerkannt worden sei, so kann ihm darin nicht zugestimmt werden. In der Bekennenden Kirche ist die Auflösung des Herrenmahls zu einem Teil des kirchlichen Brauchtums als Gedächtnismahl hoffentlich nicht weniger verboten als bisher. Die Barmer Erklärung widerspricht dieser Damnation
nicht, sondern schließt sie mit ein. Vor dem Buchstaben der Augustana kann sie bestehen. — Sollte aber diese Damnation von C. A. art. 10 so ausgedehnt werden, daß mit ihr nicht nur der Zwinglianismus, sondern auch die heute geltende Form der reformierten
Abendmahlslehre verworfen ist, — und diese Ausdehnung haben einzelne Teile des Luthertums ja von jeher vollzogen und be-
1. Hollaz, Examen theol., ed. Teller, 1750, p. 58 £.: Das gilt 1. ratione objecti, quoniam continent et exponunt verbum Dei prophetis et apostolis olim immediate inspiratum et quidquid ex verbo Dei per manifestam consequentiam elicitur; 2. ratione mediatae illuminationis, neque enim dubitamus, quin Deus speciali concursu influxerit in mentes fidelium doctorum, qui symbola conscripserunt, mentes eorum illustraverit et voluntates ipsorum flexerit, ut verissima saluberrimaque dogmata mente conceperint et calamo expresserint. — Die Übernahme und Wiederholung dieser orthodoxen Aussage soll mit diesem Hinweis nicht empfohlen werden! 2. „Die Theologie und die Kirche“, S. 79 f.
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stehen auch heute noch auf ihr, — dann möge man sich klar machen, daß nicht nur die Gemeinsamkeit von Barmen, sondern schon das Faktum des Kirchenbundes der Deutschen Evangelischen Kirche dem so verstandenen Buchstaben der Augustana widerspricht. Gerade ein solcher Bund war es ja, den Philipp von Hessen plante und der mit dieser Damnation verhindert werden sollte. „Utinam
illa coniunctio impediatur. Nam mori malim quam societate Cinglianae causae nostros contaminari“, schrieb Melanchthon damals. Es bleibt hier keine Wahl: Entweder die heutigen reformier-
ten Gemeinden in Deutschland fallen unter die Damnation von Augsburg, dann ist der Kirchenbund
oder sie fallen nicht darunter,
der DEK
bekenntniswidrig;
dann spricht der Buchstabe der
Augustana so wenig gegen diesen Kirchenbund mit seiner bekenntnismäßig gegliederten gemeinsamen Kirchenleitung wie gegen eine
gemeinsame Synode und, wenn nicht Willkür, sondern Gehorsam es verlangt, ein gemeinsames Bekenntnis. Der Begriff einer Bekennenden Kirche ebenso wie der Begriff einer Deutschen Evan-
gelischen Kirche kann dann gebraucht werden,
ohne schon eine
unerlaubte Verwischung noch bestehender Differenzen zu bedeuten. So wenig diese Differenzen die völlige Vereinigung schon er-
möglichen, so wenig verhindern sie doch eine so auffallende Demonstration von Gemeinsamkeit, wie sie ein Kirchenbund mit dem wenn auch noch so „uneigentlich“ gebrauchten Titel „Kirche“ darstellt. Nur eine falsche Interpretation von C. A. art. 7 — im Sinne
einer Schuleinheit — (die aber dann auch den heute gebrauchten Begriff der „lutherischen
Kirche“ völlig sprengen
würde), kann
gegenüber dieser Möglichkeit ins Feld geführt werden. Die Behauptung, daß die Abendmahlslehre vieler heutiger reformierter Gemeinden und Theologen nicht ebenso kirchentrennend ist wie der Zwinglianismus, ist ein theologisches Urteil, für das
der einzelne vorerst noch selbst die Verantwortung übernehmen muß. Es nimmt die kirchliche Bestätigung, durch die allein die beiden Kirchen wieder in einer aufgehen könnten, nicht vorweg, son-
dern fragt nach ihr. Weder von Barth noch von Asmussen noch von
1. Am
einem
Manne
der
gegenwärtigen Vorläufigen Leitung
20. Juni 1529 an Hieron. Baumgarten,
CR.
1, 1077.
der
Hinweise
und
Bedenken
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H.Gollwitzer
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DEK wird der Satz Breits bestritten: „Die faktische Annäherung zwischen der lutherischen und der reformierten Kirche in Lehre
und Ordnung kann nur durch ein bekenntnisgebundenes Kirchenregiment zu kirchlicher Gültigkeit erhoben werden. Der in theo-
logischen Gesprächen erreichte Konsensus hat diese Gültigkeit nicht“1. Gegen die Notwendigkeit der theologischen Gespräche und die Bedeutsamkeit ihres Konsensus ist damit freilich nichts ge-
sagt. Was kann aber von hier auch noch die „Bekennende Kirche“ sein? Das Wort schon erregt heute bei manchen, die sich gleichwohl zu ihr zählen, höchstes Mißtrauen. Liegt hier aber nicht eine künst-
liche Verkomplizierung vor? Die Bekennende Kirche ist der bekennende Rest der DEK. Daß dieser Rest ebenso wie das ursprüngliche Ganze aus lutherischen, reformierten, unierten Gemeinden, Pfarrern, Landeskirchen usw. besteht, daß diese Unterschiede durch die neu geschenkte Gemeinsamkeit des Bekennens noch nicht beseitigt sind, — das ist in Barmen selbst festgestellt und seither von keinem der wesentlichen Männer bestritten worden. Dadurch wird aber andererseits nicht aufgehoben, daß das in „Barmen“ abgelegte gute Bekenntnis das gehorsame Wort der wahren Kirche Jesu Christi war, und daß es für Lutheraner wie Reformierte bedeutsam sein muß, wenn sie sich ohne Willkür im Gleichklang des Bekenntnisses der wahren Kirche Christi begegnen, wenn sich also eine „partielle Bekenntnisunion“ (Barth) ereignet, die ohne ihren Plan eingetreten ist und die sie nur unter Gefahr des Ungehorsams gegen die Heilige Schrift hätten vermeiden können. Mehr als diese faktische Einmütigkeit in dem heute von der einen Kirche Christi geforderten Bekenntnis hat aber
Bonh., soviel ich sehe, nicht behaupten wollen. Denn weder er noch sonst jemand, der Beachtung verdient, hat von dem theologischen Kuriosum einer „neuen“, in Barmen „gegründeten“ Kirche gesprochen, außerhalb der kein Heil sei, sondern man sprach von der wahren, dauernden Kirche Christi, die „von jeher“ ihren Glauben für heilsnotwendig hielt und in deren Kontinuität sich zu wissen man von der Schrift dankbar, jawohl, „demütig und stau1. Th. Breit, „Bekenntnisgebundenes Tat, August 1936.
Kirchenregiment“,
in: Wort
und
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nend“ das Recht erhielt, wo immer nur Pfarrer und Gemeinden in diesen drei Jahren ihren einen Herrn bekannt haben. Wir könnten umgekehrt fragen, ob eigentlich jene Kritiker Bonh.s glauben, daß einer, der ‚sich wissentlich vom Bekenntnis der lutherischen Kirche trenne, sich vom Heil nicht trenne, und was eigentlich eine lutherische Konfessionskirche noch soll, wenn sie das glauben.
Es vollzieht sich heute so etwas wie ein Gericht über die Vertreter des
lutherischen Konfessionalismus: Sie
vergessen, daß
die Theo-
logie in erster Linie nicht die Verteidigung einer Konfession, sondern die Selbstkritik der Konfession vor dem Worte Gottes zu leisten hat, — und verlieren damit auch die wirksamste Möglichkeit der Verteidigung: das vollkräftige positive Zeugnis von der Herr-
lichkeit ihres Bekenntnisses. Sie rufen uns nicht mit Macht zum gleichen Bekenntnis
(wie es gerade die von ihnen angegriffenen
Theologen getan haben!), es gelingt ihnen kein, aber auch kein geistliches Wort, das geeignet wäre, auch nur einen einzigen ar-
men Heiden (oder einen armen Reformierten) anzulocken und zu überführen und einen im Kampf stehenden Christen im Jahre 1936 zu stärken, zu binden und auszurichten. Sie verteidigen, statt siegesgewiß zu bezeugen und zu entfalten, —
und so tragen ihre
Aufsätze und Schriften eine tiefreichende Langeweile an sich, daß man gern die Lektüre beendet und abwartet, mal verstehen, daß man dem lutherischen dient, solange man zu seiner Verteidigung die Meinungen und Bekenntnisse nötig hat. Wer
bis sie endlich einBekenntnis schlecht Entstellung anderer einzelne Theologen
oder ganze Konfessionen verketzert wegen etwas, was sie nicht meinen und sagen, beweist damit nichts anderes als die bedenk-
liche Nähe des Konfessionalismus zu einer Konfessionspolitik, in der das achte Gebot so wenig mehr vorkommt wie in der übrigen Politik.
Wir sollen dankbar sein, daß die lutherischen Kirchen — aus lan-
ger Lähmung aufgerüttelt — sich in Barmen zu einem hörbaren,
in die Zeit treffenden Bekenntnis ihres Glaubens haben führen lassen und daß sie sich hierin mit dem bekennenden Rest der anderen Konfession trafen. Wir sollen uns angesichts eines solchen Geschenkes nicht verführen lassen durch Leute, die vor uns im
Fragen
255
Tone der Juden von Joh, 5, 10 wieder das Gesetz aufrichten: „Es ziemt nicht, daß ihr mit den Reformierten zusammen eine Syn-
ode haltet und das gleiche Bekenntnis sprecht!“ Dieses Bekenntnis hat uns das von Martin Luther gepredigte Evangelium wieder besser als früher verstehen lassen. Des sind wir fröhlich. Der Herr der Kirche stellt uns unter kein „Es ziemt nicht“, er weicht von den Juden und spricht zu dem geheilten Lahmen: „Siehe zu, du bist gesund geworden; sündige hinfort nicht mehr, daß dir nicht etwas Ärgeres widerfahre!“ (Joh. 5, 14).
Fragen Statt jetzt schon in eine Auseinandersetzung einzutreten mit
all den Äußerungen und Angriffen, die mein Aufsatz über die Frage nach der Kirchengemeinschaft hervorgerufen hat,
will ich vorerst nur einige weitere ganz einfache Fragen stellen. Soweit man sich bisher mit willkürlichen Verkürzungen und Entstellungen begnügt hat, kann ich dem nur die Bitte entgegensetzen, meinen Aufsatz einmal ganz zu lesen, und darf bis dahin alle derartigen Äußerungen von den grünen Briefen des Herrn D. Eger an bis zu der reinen DC.-
Presse einfach übergehen. Soweit ernsthafte theologische Fragen und Bedenken ausgesprochen wurden, so von Gollwitzer, Künneth, Sasse u. a., sind sie in den folgenden Fragen vor-
läufig mit aufgenommen. Ich bin allerdings der Meinung, daß diese Fragen zwischen uns nicht unausgesprochen bleiben dürfen und auch ihre ganz klare Antwort fordern, wenn nicht Zweideutigkeit alle echte Gemeinschaft auflösen soll. Sie sind so einfach, daß jeder Laie sie versteht. Sie sind so dringlich, daß sie ohne schweren Schaden für die Kirche nicht län-
ger verschwiegen werden dürfen. Sie werden zuerst Gegenstand theologischer Arbeit werden, dann ihre Antwort durch
eine Synode erhalten müssen.
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935—1939
Erstens: Was ist die Bekennende Kirche? Ist sie die Kirche Jesu Christi, in der das Wort Gottes lauter gepredigt und die Sakramente stiftungsgemäß verwaltet werden? In der brüderliche Liebe geübt wird, mit Verheißung gebetet wird, Sünden vergeben werden und um Christi willen gelitten wird?
Ist sie die Stadt auf dem Berge, die nicht verborgen bleiben kann, deren gute Werke die Leute schen und darüber den Vater im Himmel preisen? Ist die Bekennende Kirche im neutestamentlichen Sinne Kirche, der der Geist Gottes verheißen und geschenkt ist? Kirche, die die Gabe des Heils austeilt in der Kraft des Heiligen Geistes? Kirche, deren wahre Gemeinschaft uns des Heils teilhaftig und gewiß macht, sichtbare Kirche in der Welt, aber nicht von der Welt, sichtbarer Leib, dessen Glieder wir sind, solange wir an ihm bleiben, von dem wir uns nicht trennen dürfen um des Heiles unserer Seelen willen? Ist die Bekennende Kirche daher Leib Christi mit eigener Gliederung, mit rechtmäßiger Ordnung, rechtmäßigen Ämtern, rechtmäßiger Kirchenleitung? Steht die Leitung dieser Kirche im Auftrage Jesu Christi? Ist ihr die
Sorge für das Heil der Seelen anbefohlen? Ist diese Kirchenleitung daher befugt zur Vornahme von theologischen Prüfungen, Ordinationen, Pfarreinführungen usw.? Ist sie um Christi willen verpflichtet, Pfarrer und Gemeinden an sich zu binden? Darf und muß sie erwarten, daß Pfarrer und Ge-
meinden für diese Bindung an die rechte Kirchenleitung Leiden und Verfolgung auf sich nehmen? Ist die Bekennende Kirche daher verpflichtet zur Lehrzucht und zur Kirchenzucht? An der Antwort auf diese Fragen liegt alles. Werden sie bejaht, dann ist der Weg der Bekennenden Kirche von
Barmen bis Oeynhausen folgerichtig und innerlich notwendig, dann ist ihr Kampf um die Leitung der Kirche ein Kampf um die wahre Kirche selbst, d. h. um das Heil der Seelen der Gläubigen, dann bedeutet ein Nachgeben an diesem Punkt als Adiaphoron die Verleugnung des status confessionis und
Fragen
257
damit die Preisgabe der Kirche und der Gemeinden an ihre Feinde; dann wird die Bekennende Kirche freilich bei der
freien Ausrichtung der frohen Botschaft des Evangeliums immer wieder auf Feinde stoßen, die sich von ihr trennen, um deren Gemeinschaft sie werben wird mit der Predigt des Evangeliums, mit Fürbitte und Hoffnung bis zu ihrem letz-
ten Angebot der Gemeinschaft, das nur noch in der furchtlosen Aufdeckung der vollen Wahrheit bestehen kann, daß jene sich von der wahren Kirche Jesu Christi getrennt haben und ohne Verheißung sind. Werden jene Fragen aber verneint, dann ist der Kampf um das Kirchenregiment frevel-
hafter Eigensinn; dann wäre es allerdings nicht einzusehen, warum junge Theologen ihre Existenz aufs Spiel setzen sollen, um von der Bekennenden Kirche geprüft, ordiniert und
ins Pfarramt gewiesen zu werden; dann wäre das Leiden der gefangenen und ausgewiesenen Brüder um dieser Sache willen nicht mehr Leiden um Christi und seiner Sache willen, dann wäre unsere Fürbitte für sie ohne Verheißung; dann wäre
auch Zucht der Lehre und des Lebens nicht möglich, dann existierte in der Tat für die Bekennende Kirche die Frage der Kirchengemeinschaft als kirchliche Verantwortung und Entscheidung überhaupt nicht; dann kann die Bekennende Kirche
keine Lehrentscheidung fällen; dann ist sie der Irrlehre ausgeliefert, dann ist sie ihren Feinden verfallen; der Heilige Geist müßte von ihr weichen.
Oder ist die Bekennende Kirche ein Bund von bekenntnisbestimmten Bekenntniskirchen? Ist sie selbst also nicht Kirche, sondern organisatorischer Zusammenschluß, ein solcher Bund, in dem möglicherweise einander in Lehre und Verkündigung
ausschließende Kirchen miteinander verbunden sind? Oder schließt ein solcher Bund die Gleichberechtigung der in ihm zusammengeschlossenen
Kirchen
ein? Wie
ist dann
diese
Gleichberechtigung bekenntnismäßig legitimiert? Wo liegt das Kriterium dafür, welche Kirchen gleichberechtigt sind
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Verteidiger
der BK.
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und welche nicht? Ist ein gemeinsames Handeln und Sprechen dieser Kirche möglich, und mit welcher bekenntnismäßigen Legitimation?
Welchen
Sinn hat eine gemeinsame Leitung
eines solchen Bundes, die jedenfalls keinen kirchenregimentlichen Charakter haben kann? ‚Oder ist die Bekennende Kirche eine Kampfgemeinschaft, die
zu gemeinsamem Bekennen und Handeln zusammengeschlossen ist? Soll darunter verstanden werden, daß angesichts des gemeinsamen Feindes eine gemeinsame Front entstanden ist, eine „Bekenntnisfront“? Oder ist in diesem Ausdruck nur angedeutet, daß die Existenz der Bekennenden Kirche noch in vieler Hinsicht so fragwürdig ist, daß einfach noch nicht mehr gesagt werden kann oder darf?
Oder ist die Bekennende Kirche in Wahrheit Bekenntnisbewegung, analog den mancherlei Glaubensbewegungen unserer Tage? Bekennende Kirche als die „Bekenntnisgemeinschaft“ aller derer, die das „Bekenntnisanliegen“ in einer „Bekenntnisbewegung“ zur Geltung bringen wollen? Sie
wäre also innerhalb oder neben der Kirche eine mehr oder weniger private Angelegenheit, die jedenfalls keine kirchliche Autorität hat, also auch niemals das Recht, Ausschließlichkeit zu beanspruchen. Sie würde als Bewegung, als Richtung neben
anderen Richtungen bestehen und sich damit begnügen müssen; sie wäre eine kirchenpolitische Gruppe. Sie würde zwar die D.C. bekämpfen, aber ihnen niemals die Kirchengemein-
schaft aufsagen können. Sie würde sich mit der Stärke ihres Einflusses begnügen und sich damit trösten, daß man mit den paar D.C. schon fertig werde im freien Spiel der Kräfte; sie würde aber keinesfalls dieses begreifen, daß durch den einen ‚einzigen, vielleicht ganz ehrlichen, ganz innerlichen, frommen D.C., dem diese Kirche ein Amt einräumt, die Kirche ihrer Verheißung verlustig ginge, genau wie durch den einen ein-
zigen nichtarischen Christen oder Pfarrer, den die Kirche wissend fallen ließe. Eine Bekenntnisbewegung würde nie-
Fragen
259
mals begreifen, daß die Kirche wahrhaftig nun und nimmer auf den neunundneunzig Bekenntnispfarrern ruht, die sich schon gegen den einen D.C. durchsetzen werden, sondern auf der Verheißung Gottes, die auch den neunundneunzig
Bekenntnispfarrern genommen werden kann, wenn sie wissend dem einen Irrlehrer in der Kirche Raum geben. Auch eine Bekenntnisbewegung ist im Grunde deutsch-christlich. Zweitens: Was ist das Bekenntnis der Bekennenden Kirche? Ist die Barmer theologische Erklärung ein für sämtliche Glieder der Bekennenden Kirche verbindliches Bekenntnis, weil sie eine rechtmäßige, in der Heiligen Schrift begründete Aus-
legung der reformatorischen Bekenntnisse ist, so wie die Konkordienformel rechtmäßige Auslegung der Augustana ist? Steht die Barmer Erklärung in gleicher Würde
neben
den reformatorischen Bekenntnissen? Ist eine Verpflichtung auf die Barmer Erklärung für die Mitglieder der Prüfungskommission, für die Lehrer der Theologischen Schulen der Bekennenden Kirche oder gar bei der Ordination — wie cs
in der Rheinprovinz geübt wird — gerechtfertigt und notwendig? Kann ein Lutheraner der Barmer Erklärung deshalb
ihren Bekenntnischarakter
absprechen, weil sie sich selbst
nur als „Erklärung“ ausgibt, obwohl ja auch die Solida Declaratio der Konkordienformel, die „Erklärung etlicher Artikel Augsburgischer Confession . . .“ zu den lutherischen
Bekenntnisschriften zählt? Sind die Synoden der Bekennenden Kirche echte Synoden der Kirche Jesu Christi, sofern sie an Schrift und Bekenntnis in der rechten Ordnung bleiben? Ist ihr Bekenntnis immer unter dieser Voraussetzung
Zeugnis der wahren Kirche? Ist es dann nicht auch Zeugnis Gottes, des Heiligen Geistes selbst, das Gehorsam fordert?
Entweder ist die Barmer Erklärung ein wahres Bekenntnis zu dem Herrn Jesus, das durch den Heiligen Geist gewirkt ist —
dann hat es kirchenbildenden und kirchenspaltenden Charakter; oder es ist eine unverbindliche
Meinungsäußerung
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etlicher Theologen, dann ist die Bekennende Kirche seitdem
auf einem verhängnisvollen Irrweg. Ist nicht der relativen Autorität der Synoden gegenüber dem Wort der Schrift und ihrer Irrtumsfähigkeit damit voll Ausdruck verliehen, daß ihr Wort jedenfalls immer „unter dem Worte“ bleibt, wenn es rechtes Wort sein soll? Oder ist es wahr, daß „natürlich Gott weder durch Barmen noch durch die Dahlemer Bot-
schaft anders geredet hat, als er durch alle Ereignisse der Geschichte redet“? (Sasse). Soll hier wirklich Gottes Wort in seiner Kirche und in der Welt — allzu deutsch-christlich! — gleichgesetzt werden? In welchem Sinne beruft sich die Bekennende Kirche auf die Bekenntnisschriften, berufen sich die Lutheraner der Bekennenden Kirche auf die lutherischen Bekenntnisschriften? Der Buchstabe der Bekenntnisschriften verwirft nicht nur die zwinglische, sondern auch die calvinistische Abendmahlslehre (F. C. sol. decl. VII, 2), ebenso die calvinistische Prädestina-
tionslehre (F.C. s.d. XI), wie sie beide noch heute von den reformierten Brüdern gelehrt werden. Vor den lutherischen Bekenntnisschriften sind lutherische und reformierte Kirche niemals gleichberechtigte Bekenntniskirchen. Die Frage ist: Ist die Bekennende Kirche bereit, einzelne Urteile der luthe-
rischen Bekenntnisse durch neue Erforschung und Erkenntnis der Heiligen Schrift zu revidieren? Ist sie bereit, die Heilige
Schrift daraufhin überhaupt zu befragen? Ist sie ferner bereit, auf Grund neuer Belehrung durch die Heilige Schrift über Gegensätze von einstmals kirchenspaltender Bedeutung anders zu entscheiden als die Bekenntnisschriften? Ist sie willens, anzuerkennen, daß über Kirchengemeinschaft nicht ein für allemal, sondern auf Grund der Schrift und der Zeugnisse der Kirche jeweils neu entschieden werden muß? Oder aber gilt das Wort der Bekenntnisschriften als die unveränderliche Grundlage der Kirche? Ist entgegen der Meinung der Be-
kenntnisschriften selbst der Buchstabe derselben die einzige
Fragen
261
Regel und Norm der Auslegung der Schrift? Oder nimmt die Bekennende Kirche die lutherischen Bekenntnisse gerade dadurch ernst, daß sie sich von ihnen zurückweisen läßt auf die
Schrift als einzige Regel und Norm?
Ist die Bekennende
Kirche bereit, von einer falschen lutherischen Orthodoxie den Vorwurf des Schwärmertums zu ertragen, wie ihn jeder von dort her zu hören bekam, der die Schrift über die Bekenntnisschriften stellte? Ist sie dann auch willens, die konfessionellen Differenzen in neuer Prüfung der Schrift konkret aufzurollen, statt im Grundsätzlichen zu bleiben? Will sie bekennen, was sie vom Abendmahl, von der Prädestination, von der Person Christi lehrt? Ist die Bekenntnisunion mit den Reformierten für den Lu-
theraner ein definitiv verbotener Weg? Verbietet es das Wort Gottes ein für allemal, die nicht wegzuleugnenden Lehrdifferenzen zwischen Reformierten und Lutheranern ın
der Einen Bekennenden Kirche zu ertragen? Oder bleibt gerade für ein rechtes Verständnis der lutherischen Bekenntnisse auch diese Möglichkeit offen für das Wort Gottes selbst? Bleibt sie aber endgültig verschlossen, dann ist die Bekennende Kirche wirklich nicht Kirche, sondern eben eine der vielen genannten Größen, die der Unwahrheit und Verfälschung des Evangeliums Raum gibt. Drittens: Was ist Kirchengemeinschaft? Ist Kirchengemein-
schaft vom Heiligen Geist geschaffene Einheit und Gemeinschaft am Wort und Sakrament, oder ist sie die Gemein"schaft aller gutgesinnten, ehrlichen, frommen Christen deutsch-
christlicher, kirchenausschußmäßiger und bekenntnismäßiger Observanz? Ist die Kirchengemeinschaft begründet allein durch die Wahrheit des Evangeliums oder durch eine von der Wahrheitsfrage unkontrollierten Liebe? Doctrina est coe-
lum, vita est terra (Luther). Ist die Kirchengemeinschaft eine Frage der Verkündigung
und Sakramentsverwaltung
oder
eine Frage der persönlichen Heiligung? Hat die Gemeinschaft
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des Gebetes, der Fürbitte, der Vergebung, der Beichte und der
Zucht noch Verheißung, wenn die Gemeinschaft des rechten Glaubens nicht geschenkt ist? Ist solche Gemeinschaft ohne
dies letzte etwas anderes als frommes Menschenwerk? Ist die Bezeichnung „Irrlehrer“ ein moralisches oder ein religiöses Werturteil, oder ist es das Urteil des Wortes Gottes über Wahrheit und Unwahrheit, Heil und Unheil, das wir nur mit Furcht und Zittern nachsprechen können? Ist der Irrlehrer noch unser christlicher Bruder? Besagt die neutestament-
liche Unterscheidung zwischen dem irrenden Bruder und dem Irrlehrer etwas anderes, als daß der letztere trotz brüderlicher
Warnung und Mahnung auf seinem Irrtum verharrt und sich damit selbst aus der Bruderschaft am Leibe Christi ausschließt? Gibt es echte christliche Gemeinschaft und Bruderschaft im neutestamentlichen Sinne ohne Zucht der Wahrheit und des Lebens? Gibt es Gemeinschaft im Heiligen Geist ohne daß der Heilige Geist zugleich die Kraft der Trennung
und Scheidung hat? Ist man bereit zu hören, was im vorangegangenen Aufsatz ausführlich begründet wurde, daß Aufhebung der Gemeinschaft das „fremde“ Werk der Kirche ist, das sie tut, um ihr eigentliches tun zu können, daß Aufhebung der Kirchengemeinschaft letztes Angebot derGemeinschaft ist? Aber umgekehrt: was bedeutet eine Gemeinschaft am Wort, die nicht Gemeinschaft am Sakrament werden will? Was kann das Ziel der Gemeinschaft am Wort sein, wenn nicht die Sakramentsgemeinschaft? Was bedeutet eine Zucht, die
nach außen geübt, aber nach innen vernachlässigt wird? Wie kann das Evangelium zur Scheidung stark genug sein, wenn es zur Gemeinschaft, zur consolatio fratrum, zur Vergebung, zur Buße und zur Beichte so schwach ist? Welcher bekenntnismäßige Unterschied besteht zwischen dem bekenntniswidrigen Kirchenregiment der D. C.-Reichskirche und den Kirchenausschüssen? War nach dem Wort der Dahlemer Synode der Gehorsam gegen das bekenntniswidrige
Fragen
263
D. C.-Kirchenregiment Ungehorsam gegen den Herrn Jesus,
so ist zu fragen, inwiefern der Gehorsam gegen ein bekenntniswidriges Kirchenregiment der Ausschüsse auf einmal ein »Wagnis des Glaubens“ sein soll; eine christliche Freiheit, eine freie Gewissensentscheidung? War die geforderte Scheidung von der D. C.-Reichskirche nicht ein unerlaubtes Gesetz, das den einzelnen auferlegt wurde, warum soll dieselbe Forderung gegenüber den Ausschüssen auf einmal „unevangelische Gesetzlichkeit“ sein? Zugegeben, daß wir uns einer ver-
änderten Lage gegenüber sehen, was Personen, Sachkenntnis, guten Willen angeht, so ist die Lage im entscheidenden durchaus unverändert, nämlich in dem Tatbestand der Schriftund Bekenntniswidrigkeit des kirchenregimentlichen Anspruches. Machte sich jeder, der trotz der Dahlemer Botschaft im Gehorsam der D. C.-Reichskirche blieb, durch eben diesen Gehorsam gegen ein falsches Kirchenregiment der Zerstörung der wahren Kirche Christi schuldig, so ist nicht einzusehen, wie nicht auch der den Kirchenausschüssen Gehorsame demselben Urteil verfällt. Jede Unterscheidung, die hier aus begreiflichen persönlichen oder kirchenpolitischen Rücksichten vorgenommen wird ohne Begründung aus Schrift und Bekenntnis, gibt zuletzt der Irrlehre in der Kirche Christi Raum. Es ist ein schwer begreiflicher Wille Gottes, der uns in einer Stunde,
in der gemeinsame
Abwehr
gegen
den Feind
von
außen nötig wäre, im Innern so zerreißt. Wir können gegen diesen Willen nicht an. Es soll uns wohl nur eines bleiben, sein Wort, sein Sakrament, seine Verheißung. Wir fragen
nach nichts anderem. Denn aus dieser Gabe entspringt das unvergleichliche Geschenk echter Gemeinschaft im Glauben, im Beten, in der Fürbitte, im brüderlichen Dienst, in der Vergebung, in der Beichte, in der Zucht und in der Erkenntnis
der Sünden und der Barmherzigkeit Jesu Christi. Hier liegt unsere eigentliche Arbeit, das eigentliche Werk der Kirche.
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Irrlehre in der Bekennenden Kirche?! [Gutachten] Stettin, im Juni 1936
Das ist die neue Parole der Ausschußfreunde in der B. K., mit
der die bekennende Pfarrerschaft und die christliche Öffentlichkeit beunruhigt werden soll. Die B.K. soll mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden. Es geht dabei um die Oeynhausener Synode und ihre Erklärung über die Kirchenleitung. Die Ablehnung der Ausschüsse als rechtmäßige Kirchenleitung und deren Begründung soll Irrlehre sein. So wird
jetzt im Namen eines „Luthertums“ proklamiert, das dem rechten Luthertum damit einen schlechten Dienst leistet. Begleitet sind diese Vorwürfe von der popularwissenschaftlichen Behauptung, die B.K. sei seit langem überfremdet durch „reformierte“ Lehre. Für die lutherischen Pfarrer und Ge-
meinden gehe es heute um die Befreiung aus der Knechtung durch reformierte „Gesetzlichkeit“ und damit zuletzt um die Unterstellung unter die Ausschüsse, bzw. unter den lutherischen Rat. Pastor Helbig, Privatdozent Schott-Greifswald und eine anonyme Druckschrift: „Oeynhausen so und so“ ha-
ben in dieser Richtung geschrieben. Im folgenden soll die Widerlegung ihrer Thesen vom lutherischen Bekenntnis her unternommen werden.
Nachdem in Barmen die Irrlehre der D.C. aus der Kirche Christi gewiesen wurde, nachdem in Dahlem die B.K. sich eine eigene Kirchenleitung gesetzt hat, nachdem in Augsburg
die Organisation der B.K. ausgebaut wurde, ist in Oeyn1. Ausgesandt vom Bruderrat der Bekenntnis-Synode Pommern, außerdem im 9. Brief aus Finkenwalde vom 24. Juni 1936 mitverschict.
Irrlebre
in der BK
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hausen zur Frage der rechten Kirchenleitung Stellung genommen worden. Den K. A. mußte das Recht auf Kirchenleitung nach Schrift und Bekenntnis abgesprochen werden. Die B.K. ist damit den in Barmen beschrittenen Weg konsequent weitergegangen. Es gab für sie keine Möglichkeit mehr, aus kirchenpolitisch-taktischen Erwägungen der Irrlehre Raum
zu geben. Wer zu der grundsätzlichen Erklärung von Barmen ja gesagt hatte, mußte zu der grundsätzlichen Erklärung von Oeynhausen ebenso ja sagen. Es muß gleich zu Beginn zugestanden werden, daß in Oeynhausen eine Tür offengelassen worden ist, die von allen benutzt werden konnte, die hinausschlüpfen wollten: im praktischen Teil wird die vom grundsätzlichen Teil her gebotene Konsequenz, den Gliedern der B.K. die Mitarbeit an den Ausschüssen zu verbieten, nicht gezogen. Die Entscheidung wird vielmehr der brüderlichen Beratung durch die Organe der Kirchenleitung überlassen. Damit bleibt den Bruderräten die Freiheit, die praktischen Folgen des Synodalbeschlusses so oder anders zu ziehen, sofern sie nur mit der Vorausset-
zung der grundsätzlichen Erklärung, daß die K. A. nicht Kirchenleitung sein können, vereinbar sind. Es ist damit aber
auch z. B. dem Bruderrat Berlin das Recht gelassen, die in dem Brief „Oeynhausen so und so“ angegriffene Stellung zu beziehen. Die weiteren Fragen dieser Schrift: Hat Oeynhau-
sen wirklich eine einhellige Lehrmeinung erarbeitet? Wie sind die Oeynhausener Beschlüsse zustande gekommen? etc... machen, bei manchem Richtigen, was sie enthalten, den nur allzu deutlichen Versuch, vom eigentlichen Gleis abzulenken. Die in der Synode eindeutig beantwortete Frage bestand darin, daß die K. A. als Kirchenleitung nicht anerkannt werden können. Zu dieser Frage wird aber inhaltlich in dem Brief nicht Stellung genommen. Es wird kein Versuch gemacht, die Erklärung der Synode von Schrift und Bekenntnis her zu widerlegen.
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Das Amt der Kirchenleitung Die Oeynhausener Synode hat erklärt: „Die Kirchenleitung ist Amt der Kirche. Sie kann darum nur von der Kirche berufen und gesetzt werden.“ Sie hat damit jede Kirchenleitung,
die der Kirche von außen her gesetzt wird, also die Ausschüsse, als unrechtmäßig verworfen, denn „die Ausübung der Kirchenleitung durch den Staat oder auf Grund staatlicher Berufung widerspricht der Lehre der Reformation und den reformatorischen Bekenntnisschriften“.
Dieser Satz wird, wenn auch nur zaghaft und ohne Begründung, bestritten, wohl in der Meinung, es komme allein darauf an, welcher Art ein Kirchenregiment sei, nicht aber, von wem es berufen sei.
Dem gegenüber steht 1. der Schriftbeweis: Das N. T.. bezeugt die Einsetzung der kirchlichen Ämter durch Gott (1. Kor. 12, 28), durch Christus (Eph. 4, 11), durch den Heiligen Geist (Apg. 20, 28), durch die Gemeinde (Apg. 6, 5; 13, 2), durch die Apostel und die Amtsträger (Tit. 1, 5 und 1. Tim. 5, 22), nach sorgfältiger Prüfung. Die Einsetzung eines kirchlichen Amtes durch eine außerkirchliche Autorität ist für das N. T. eine völlige Un-
möglichkeit. 2. Bekenntnisschriften: Es ist ein Unterschied zwischen weltlichem und geistlichem Regiment (C. A. 28, 4), beide sind von
Gott gesetzt; „darum soll man die 2 Regiment nicht durcheinander werfen“ (28, 12). Die Einsetzung der Amtsträger ist nicht Sache der weltlichen Obrigkeit, sondern der Kirche (Tract. 67); „darum folgt, wo eine rechte Kirche ist, daß da auch die Macht sei, Kirchendiener zu wählen und zu ordinieren“. „Die rechte Kirche, weil sie allein das Priestertum hat, muß sie auch Macht haben, Kirchendiener zu wählen“
(69). Wo die weltliche Obrigkeit in Anspruch genommen wird, da sind es die „Könige und Fürsten“ als praecipua
Irrlehre
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267
membra ecclesiae* (54), nicht als Politiker. Zwischen dem Staatsmann und der Kirche steht die Bindung an das Be-
kenntnis. 3. Kundgebung des lutherischen Rats vom 9. 4. 1935: Hier heißt es unter V: „Das Kirchenregiment steht nach den luth.
Bekenntnissen allein der Kirche als Ganzes zu und wird von dem kirchlichen Amt unter Mitwirkung der Gemeinde in der
Verantwortung vor der Gesamtkirche ausgeübt. Zu den Aufgaben des Kirchenregiments rechnet C. A. 28 ausdrücklich nicht nur die Verkündigung des Wortes und die Verwaltung der Sakramente, sondern auch die äußere Regierung der Kirche durch Erlaß von Kirchengesetzen usw. Ein Anteil des Staates am Kirchenregiment oder gar die Regierung der Kirche durch den Staat würde nach der Anschauung des Bekenntnisses nicht nur dem Wesen der Kirche, sondern auch
dem des Staates widersprechen. Denn die Ausübung kirchenregimentlicher Funktionen durch den Staat, z. B. die Berufung und Abberufung von Bischöfen, Pfarrern und kirchlichen Beamten durch die Staatsregierung, würde zur Folge haben,
daß der Staat über die Lehre der Kirche verfügt. Da aber der Staat als solcher nicht wissen kann, was reine Lehre ist und was nicht, würde die Unterstellung der Kirche unter ein
staatliches oder ein halbstaatliches Kirchenregiment nicht nur das Ende der lutherischen Kirche als Kirche der reinen Lehre bedeuten, sondern auch dem Staat eine Verantwortung
auferlegen, die er seinem Wesen nach niemals tragen kann.“ Die Autorität der Kirchenleitung
Oeynhausen: „Die Träger der Kirchenleitung müssen durch die Kirche zum Gehorsam gegen Gottes Wort unter Bindung
an das Bekenntnis der Kirche verpflichtet werden .... Nach der Verheißung: Wer Euch hört, der hört mich (Luk. 10, 16) hat die Leitung der Kirche Pfarrer und Gemeinden in die
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Pflicht des Herrn zu nehmen. Die Glieder der Kirche haben die Verantwortung, den Trägern dieses Amtes Gehorsam zu leisten als dem Herrn und nicht den Menschen. Eine Kirchen-
leitung, die den Gehorsam gegen die Heilige Schrift und die Bindung an die Bekenntnisse der Kirche verleugnet, verwirkt ihren Anspruch auf Leitung und zwingt die Kirche, an ihrer statt eine andere Leitung zu setzen.“ Erste Gegenbehauptung: Das sei Aufrichtung päpstlicher Gewaltherrschaft. Dagegen: Die Kirchenleitung ist nach der ausdrücklichen Er-
klärung der Synode gebunden an Schrift und Bekenntnis. Sie hat ihre Autorität allein, sofern sie aus dieser Bindung handelt. Sie verliert ihr Amt, sobald sie sich davon löst. Der Papst aber verfügt selbst über den endgültigen Auslegungsmaßstab der Schrift. Er steht also nicht unter, sondern über der Schrift. Die Unfehlbarkeit des Papstes ist nur die letzte Konsequenz des römischen Traditionsprinzips. Es gibt hier noch eine eigene Autorität neben der Schrift. Der Gehorsam gegen den Papst begründet sich nicht auf die Schrift, der
Gehorsam gegen die Kirchenleitung der B. K. begründet sich allein auf die Autorität ihres schrift- und bekenntnismäßigen
Handelns. Zweite Gegenbehauptung: Die Kirchenleitung kann das Wort: „Wer euch hört, der hört mich“ nur in Anspruch nehmen bei der von ihr ausgerichteten Predigt des Evangeliums,
zu der die Weisungen in Sachen der kirchlichen Ordnung nicht gehören. Dagegen: C. A. 28, 21: „Derhalben ist das bischöfliche Amt nach göttlichen Rechten das Evangelium predigen, Sünden vergeben, Lehr urteilen und die Lehre, so dem Evangelio ent-
gegen, verwerfen und die Gottlosen, deren gottlos Wesen
offenbar ist, aus christlicher Gemeinde ausschließen, ohne menschliche Gewalt, allein durch das Wort Gottes; und des-
falls sind die Pfarrleut und Kirchen schuldig, den Bischöfen
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gehorsam zu sein laut dieses Spruchs Christi: Wer euch hört, der höret mich.“ Zur Ausrichtung der Predigt des Evangeliums gehört die Abwehr der Irrlehren und die Aufhebung
der Kirchengemeinschaft mit den Gottlosen, d. h. Lehrzucht und Kirchenzucht. In all diesen Stücken steht der Kirchen- . leitung die Autorität im Sinne von Luk. 10, 16 zu. Verkün-
digung des Evangeliums ist also nicht nur die Predigt von der Rechtfertigung am Sonntagvormittag, sondern zur Ver-
kündigung gehört auch der Ruf in die sichtbare Gemeinschaft der Kirche und die Warnung, die Irrlehre zu verlassen. Die
Ablehnung
der Ausschüsse
als Kirchenleitung
ist solches
Lehrurteil, der Gehorsam gegen die Ausschüsse als Kirchen-
regiment schließt Irrlehre ein. Daher hat die wahre Kirchenleitung die Autorität von Luk. 10, 16 für sich in Anspruch zu nehmen in ihrer Ablehnung der falschen Kirchenleitung. Diese Ablehnung und alles, was daraus folgt, gehört selbst zur Verkündigung des Evangeliums. Es ist bezeichnenderweise auch nirgends der Versuch unternommen worden, die
Ausschüsse als rechtmäßige Kirchenleitung aus den Bekenntnisschriften zu begründen. Vielmehr ist das Vorgehen rein destruktiv, indem auch den Bruderräten und der V.K.L. die
Rechtmäßigkeit bestritten werden soll. Das bedeutet aber, daß man die Frage der Kirchenleitung zu einer vom Evangelium zu lösenden „Ordnungsfrage“, zu einer Frage „kir-
chenpolitischer Zweckmäßigkeit“ machen will, was nach oben Gesagtem wiederum den Bekenntnisschriften widerspricht.
| Bekenntnis und Ordnung der Kirche
Oeynhausen hat die Dahlemer Beschlüsse aufgenommen, indem es sagt: „Die an Gottes Wort gebundene Kirche ist berufen, in Sachen ihrer Lehre und Ordnung allein zu urteilen und zu entscheiden.“ Hier setzt der „lutherische* Widerspruch ein. Es sei refor-
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miert, der Ordnung solch gesetzliches Gewicht zu geben. Es sei dagegen lutherisch, die Ordnungen frei zu geben, sofern
sie nicht dem Wort Gottes widersprechen. Kirchenleitung, Verfassung etc. seien Dinge der Ordnung, die um der Liebe
und des Friedens willen bzw. „um der Zweckmäßigkeit“ willen, so oder auch anders gestaltet werden dürften, niemals
aber seien sie gewissensverbindlich. Niemals sei für sie unbedingter Gehorsam in Anspruch zu nehmen. Dagegen:
1. Es ist lutherische Lehre, daß alle Ordnung der Kirche im Dienst der Verkündigung
steht. Sie ist nicht Selbstzweck,
sondern Mittel zum Zweck. Sie kann daher verschiedene Gestalt annehmen. Sie ist ein Adiaphoron. Es besteht also ein
entscheidender Unterschied zwischen Bekenntnis und Ordnung der Kirche. Es ist lutherische Lehre, daß alle Ämter und Ordnungen der Kirche allein am Bekenntnis der Kirche ausgerichtet sein müssen. An ihrer Bekenntnisgemäßheit entscheidet sich ihr
kirchliches Recht. Bekenntnis und Ordnung der Kirche können daher nicht getrennt werden. Es ist lutherische Lehre, daß die Gemeinde frei ist, ihre Ordnung iın Dienst der Verkündigung zu gestalten, daß aber in
statu confessionis, d. h. beim Angriff auf die Kirche von außen her, auch die Ordnungen der Kirche zum Bekenntnis-
stande der Kirche gehören, von denen nicht gewichen werden darf, um des Evangeliums willen. Was also innerhalb der Kirche Adiaphoron ist, ist nach außen hin nicht Adiaphoron, sondern gehört zum Bekenntnis. Bekenntnis und Ordnung
der Kirche sind in statu confessionis eins. Schriftbeweis: 1. Mannigfaltigkeit kirchlicher Amter in den verschiedenen Gemeinden, etwa paulinischen Gemeinden
und Jerusalem. 2. Freiheit der gottesdienstlichen Ordnung, aber „daß alles geschehe zur Besserung“ (1. Kor. 14, 26). 3. Status confessionis: Gal. 2, 11.
Irrlehre
in der BK
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Bekenntnisschriften: 1. „Kirchenordnungen sollen zum Frie-
den und guter Ordnung der Kirche dienen“ (C. A. 15 und 28, 53), durch sie wird das Heil erworben. 2. „...daß die Gemeinde Gottes jedes Orts und jeder Zeit nach derselben Gelegenheit Macht habe, solche Zeremonien zu ändern, wie es
der Gemeinde Gottes am nützlichsten und erbaulichsten sein mag“ (F. C. ep. 10, 4 sol. decl. 10, 9). Die Ordnung steht also ausschließlich im Dienste der Gemeinde, kennt keine anderen Rücksichten! „Zweckmäßigkeit“ einer Kirchenord-
nung wird also allein an ihrer Bekenntnisgemäßheit zu bemessen sein. Allein die Bekenntnisgemäßheit ist für die Gemeinde zweckmäßig. Die Freiheit der Ordnung hat ihre definitive Begrenzung am Bekenntnis. 3. F. C. sol. decl. 10, 14. 16. 17 und 5. Es ist bezeichnend, daß von dem Lutheraner
Flacius hier der „volksmissionarische“ Gesichtspunkt besonders geltend gemacht wird: „Das sten auf die Zeremonien, denn sie die Lehr aber ist so wohl nicht zu falschen Mitteldingen.) Das Volk
arme Volk sieht am meikönnen die Augen füllen, sehen.“ (Von wahren und erkennt den Einbruch der
Irrlehre an der Preisgabe der Ordnung! Vergl. die „mitteldingische Hurenfarb“ (Flacius). Bekenntnis des heutigen Luthertums: Kundgebung der ev.lutherischen Kirche in Bayern 23. August 1934 VII. Die Kirche ist nach Lehre und Handeln ein Ganzes und wird deshalb im ganzen Umfang ihres Lebens durch ihr Bekenntnis bestimmt. Die Unversehrtheit einer Bekenntniskirche ist nur gewährleistet durch die Kirchengewalt der Bekennt-
niskirche selbst. Kirchengewalt und Bekenntnis sind nicht zu trennen.
Wir verwerfen
ein Pseudoluthertum,
das be-
hauptet, „sichtbare“ und „unsichtbare“ Kirche könnten geschieden werden, und das sich vermißt, Kirchenregiment und Kirchenverfassung ohne Beziehung zur eigentlichen Aufgabe und zum Wesensgesetz der Kirche auszugestalten ... . Es ist eine verhängnisvolle Täuschung, wenn man glaubt erklären
DZ
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zu dürfen, Bekenntnis und Kultus blieben unangetastet, wenn
auf die Kirchengewalt Verzicht geleistet würde. Die Grenze zwischen dem Gebiet der kirchlichen Verwaltung und dem Gebiet der Obsorge für Bekenntnis und Kultus ist fließend.... „Wo ist in der Kirche überhaupt ein Gegenstand,
der nicht in irgend einer inneren Verbundenheit zum Bekenntnis steht?!“ (Landesbischof Meiser).
Offener Brief des Landesbischofs
Meiser an den Reichs-
bischof 2.10.34: „Die D. C. machen sich einer unevangelischen Trennung von Bekenntnis und Kirchengewalt schuldig. Die Kirche ist ein Ganzes nach Bekenntnis, Kultus, Kirchenordnung und Gesetzgebung ..... , es ist ein schädlicher Irrtum, Verfassung und alle äußere Ordnung der Kirche nach welt-
lichen Grundsätzen zu gestalten.“ Hannoversche Erklärung zur Eingliederung 15. Mai 1934: ne. . es verstößt nicht nur gegen das reformierte, sondern auch gegen das lutherische Bekenntnis, kirchliche Ordnung
und Kirchenregiment anzusehen als eine Frage der äußeren Organisation, die unabhängig vom gelöst werden könnte.“
Bekenntnis und Kultus
Bekenntnis- und Verfassungs-Erklärung von 35 Professoren 23.5.34: „... es geht somit nicht an, eine bekenntnismäßige Bindung der Kirchenordnung nur für ‚gewisse reformierte Gruppen‘ zuzugestehen, und es ist in der gegenwärtigen Lage ohne praktische Bedeutung, wenn lutherische und reformierte Lehre über die Maßgeblichkeit der urchristlichen Verfassungsbildung . ... verschieden urteilen. Und deshalb muß nach allgemein reformatorischen Grundsätzen die Kirche
zu jeder Zeit allein nach den Gesichtspunkten geordnet und verfaßt werden, die sich aus den Gedanken des Schutzes und der Förderung des kirchlichen Handelns ergeben.“ 2. In der Bestimmung der Aufgaben der Kirchenleitung ist die Sorge für die reine Lehre und die Abwehr der Irrlehre
eingeschlossen. Das hat notwendig zur Folge, daß die Kir-
Irrlehre
in der BK
273
chenleitung Sorge tragen muß für die Vorbildung der Theo-
logen, für Prüfung und Ordination (Tract. 65. 76; Schmalk. Artikel III, 10). So schließt das Amt der Lehrzucht an dieser Stelle die Ordnung ein. Damit ist aber nur der Anfang bezeichnet für das gesamte kirchliche Ordnungshandeln.
Es folgt, daß nach lutherischer Lehre Pfarrer und Gemeinden einer Kirchenleitung, die sich in statu confessionis befindet, auch in Fragen der Ordnung Gehorsam schuldig sind, um des Evangeliums willen. Aber auch eine Kirchenleitung, die
sich nicht in statu confessionis befindet, hat den Anspruch auf Gehorsam, solange ihre Ordnungen dem Worte Gottes nicht widersprechen (C. A. 28, 55). Auch dieser Gehorsam geschieht wie jeder schuldige Gehorsam um Gottes willen.
Es ist dieser Gehorsam aber ein solcher gegen das 4. Gebot (Gr. Kat. 158 ff.), der also eine Grenze hat am Evangelium: Es ist beidemal Gehorsam gegen den Herrn. Während aber in statu confessionis der Gehorsam gegen die Kirchenleitung identisch ist mit dem Gehorsam gegen das Evangelium, ist
im andern Fall der Gehorsam gegen die Ordnung begrenzt durch den Gehorsam gegen das Evangelium.
Die Kirchenausschüsse Sie können nach lutherischer Lehre nicht als Kirchenleitung anerkannt werden, weil sie bekenntniswidrig sind 1. in ihrer Einsetzung, 2. in ihrer Zusammensetzung, 3. in ihren Grundsätzen.
1. Es ist lutherische Lehre, daß niemand in der Kirche öffent-
lich lehren darf, er sei denn rechtmäßig berufen (C. A. 14). Die Berufung der Ausschüsse aber ist nicht rechtmäßig, weil
nicht durch die Kirche vollzogen (s. o.). 2. Es ist lutherische Lehre, daß die Irrlehrer in der Kirchen-
leitung nicht gehört und geduldet werden dürfen. „Man soll
274
Kritischer
Verteidiger der BK. 1935—1939
auch den Bischöfen, so ordentlich gewählet, nicht folgen, wo
sie irren“ (C. A. 28,28 und öfter). Wenn die Bischöfe die wahre Lehre verfolgen, „müssen wir die Bischöfe fahren las-
sen und Gott mehr gehorsam sein und wissen, daß die christliche Kirche da ist, da Gottes Wort gelehrt wird“ (C. A. 14). Es ist aber nicht nur nachweislich, daß Irrlehrer in den K. A. sind, sondern auch, daß die rechte Lehre verfolgt wird.
Die Ausweisungen der Bekenntnispfarrer in Hessen-Nassau! sind vom dortigen K. A. veranlaßt, ebenso die Einsetzung eines D. C.-Predigers in Lippstadt. 3. Es ist lutherische Lehre, daß eine Kirchenleitung, die Irr-
lehre verbreitet, nicht gehört und geduldet werden darf (s. o.). Neben der Tatsache, daß die K. A. selbst nur auf einer Irr-
lehre über das Wesen der Kirche und Kirchenleitung beruhen, beachte man als eklatantestes Beispiel der Irrlehre aus
jüngster Zeit Zöllners Aufruf zur Wahl vom 29. 3. 36 und Egers Brief an Zänker (30. 6. 36), worin folgende Formu-
lierung bezeichnend ist: „Zum Inhalt der Verkündigung gehören Evangelium und Gesetz, Gnade und Natur“ (Seite 12). Wo Gesetz und Natur gleichgesetzt werden, wo die Natur
neben der Gnade zum Inhalt der christlichen Verkündigung gehört, dort steht man genau bei den D.C. Es ist eine zwangsläufige Entwicklung, die den K.A. zu dieser Lehre führt. Es ist hier im Keim alles enthalten, was an Irrlehre
über das Wesen der Kirche und des Staates bei den D. C. vorhanden ist. Es ist ebenso zwangsläufig, daß die für die Ausschüsse jüngst verfaßte Schrift von Bachmann? bereits Barmen angreifen muß. Der Versuch einer Vermittlungstheologie zwischen B.K. und D.C. ist selbst schon D. C.-Theologie. Auch die Lehrentscheidung des L.K. A. gegen Ludwig Müller darf hier nicht irre führen. Nicht Ludwig Müller als Ein1. Pfarrer Romberg und Hechler. 2. Wilhelm Bachmann: Die Kirchenausschüsse Schwelm 1936.
und
die junge Kirche.
Irrlehre
in der BK
275
zelner, als Autor eines Buchest, kann uns interessieren. Eine echte Lehrentscheidung in Sachen der D.C. müßte sich auf ihr gesamtes theologisches Programm richten. Eine solche aber muß bei der Zusammensetzung der K. A. ausbleiben. Donatismus?
Die häufig gehörte Rede, die B.K. lehre donatistisch, dürfte
auf einem dogmengescichtlichen Irrtum beruhen. Dem Donatismus ging es um die Frage, ob todsündige Amtsträger die Sakramente gültig spenden könnten. Der B.K. geht es darum, ob Irrlehrer die reine Lehre verkündigen, bzw. rechte Kirchenleitung ausüben können. Darin aber denkt die B.K. nicht „donatistischer“ als die ganze Reformation. Reformiert und lutherisch Der
dilettantische und propagandistische
Gebrauch dieser
Worte ist von den D. C. in den Kirchenkampf eingeführt worden. Die Ausschußfreunde haben ihn aufgenommen. Es ist bedauerlich, daß die ernste konfessionelle Frage auf diese
Weise weithin zum Schlagwort herabgewürdigt wird. In der zur Debatte stehenden Frage dürfte die entscheidende Lehrdifferenz darin bestehen, daß nach reformierter Lehre die Ordnung der Kirche auch innerhalb der Kirche kein Adiaphoron ist, wenngleich bekanntlich etwa die Lehre von den
4 Ämtern durchaus nicht verbindlich ist. Daß aber die Ordnungen bekenntnisgebunden sein müssen, daß in statu confessionis in der Frage der Ordnungen um keinen Schritt ge-
wichen werden darf, das ist lutherischer und reformierter Lehre gemeinsam, und darum geht es heute. 1. Ludwig Müller: Deutsche Gottesworte. Die Bergpredigt, übertragen in unsere heutige Art deutschen Denkens und deutschen Sprechens. Weimar 1936.
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
[Finkenwalde] 21. Juli 1936 Lieber Eberhard! ... . heute Aufforderung zum Olympiagottesdienst am 1.8. im Olympischen Dorf. Am 5. Vortrag. Ich möchte am liebsten alles absagen. Besonders hat es mich geärgert, daß man eine Photographie hinschicken soll, weil sie ein Heft zur Propaganda mit unseren Bildern herausbringen wollen. Ich finde das lächerlich und unwürdig und werde jedenfalls nichts hinschicken. Das ist mir zu sehr vergangene Zeit. Ich werde es
ihnen schreiben...
23. Juli 1936 ... Heute Ordre derV.K.L., nach Genf mit Koch und Dibelius zu fahren, vom 20.—25., Ökumenischer Rat!. Wichtig. Ich werde also am 18. hier schließen müssen, vielleicht lasse ich noch Dehn oder Vischer für die letzte Woche kommen. ...
Eigentlich sollte ich am 8. 9. auch wieder in Genf sein, aber das werde ich wohl absagen?. .... Gehen wir nach Genf, dann müssen wir außerordentlich sparsam sein drüben und uns
einladen lassen. Ich habe ein paar Freunde .... Im Großen scheinen die Dinge sich ja zuzuspitzen?. Wir müssen sehr ruhig bleiben und viel mehr beten .... Gott behüte uns!
1. In Chamby sur Montreux. 2. Internationale Konferenz der Jugendkommission des Weltrates und Weltbundes in la Borcarderie bei Neuchätel vom 8.—15. September 1936. Thema: „Christian Youth and the way to Peace.“ 3. 17. Juli: Francos Militär-Erhebung in Spanisch-Marokko.
Olympiade
und
Chamby
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28. Juli 1936
.... Humburg ist nicht verhaftet, sondern weil er trotz Rede-
verbotes in Stuttgart! geredet hat (was ganz richtig war!), nach Baden polizeilich abgeschoben. . . . Ich bin auch noch in Überlegung, ob ich zum 8. 9.—14. 9. zur Jugendkonferenz gehe. — ...Es geht gegen Semesterende viel durcheinander. . . . Dazu die kirchenpolitische Unruhe?. ‚Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding.‘ — Trotz und Verzagtheit — das
geht alles nur zugrunde im Gebet. Laß uns nur darin treu bleiben und darin auch einander treu bleiben. Sonnabend mittag bis Mittwoch, wo ich nun doch nach Ber-
lin zum Vortrag muß, bin ich nicht hier!
Freitag [31. Juli 1936] ..... Memorandum? soll wahrscheinlich in den nächsten Wochen an alle kommen. Mal sehen. Ich finde es jetzt nicht glücklich. Ich sitze an dem Vortrag für die Olympiade am Mittwoch, dem 5. abends: Das innere Leben der D. E.K.
seit der Reformation. In einer halben Stunde! Ich pfusche Dir ins Handwerk und mache es an Hand von Kirchenliedern, Luther, Gerhardt, Zinzendorf, Gellert; weiter weiß ich noch nicht. Es ist nicht leicht. Du könntest es vielleicht besser. Außer mir reden noch Jacobi, Asmussen, Dibelius, Niemöl-
ler. Auf meinen Versuch, noch abzusagen, reagierte man so sauer, daß ich nun doch mit ran muß. ..... Anläßlich meines
Vortrages muß ich etwas Kirchengeschichte treiben. Gestern 1. Letzte Gesamtdeutsche „Evangelische Woche* vom 24.—29. Juli in Stuttgart. 2. Vor allem anläßlich der Mai-Denkschrift der VKL an Hitler, ihrer vorzeitigen Veröffentlichung in der Auslandspresse (23. Juli ganz in den Basler Nachrichten abgedruckt), Abrücken der lutherischen Bischöfe von der VKL.
3. Mai-Denkscrift an Hitler, am 23. August in abgeänderter Form als Kanzelabkündigung
veröffentlicht.
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
Zinzendorf. Am Ende war ich schwer niedergeschlagen. Was für ein modriger Untergrund dieser Frömmigkeit. Ich sage
Dir, ich habe da Dinge gefunden, die ich mich fast genieren würde, Dir wiederzusagen. Das alles in Geistlichen Liedern! Ja, das ist der Mensch! Der fromme Mensch! Es graut einem vor den Folgen des finitum capax infinitil Es muß die reine
und wahrhaftige Luft des Wortes um uns sein. Und doch, wir können nicht über uns hinwegspringen. Aber bloß weg
mit den Augen vom Menschen! Es ist widerlich! .... Nun Schluß. Ich muß noch eine Vorlesung über Christologie für morgen vorbereiten, außerdem meinen Vortrag...
Dein Dietrich
Die evangelische Kirche während der Olympia-Festwochen [Die christliche Welt Nr. 16] ... Waren so die Vorträge in der Dreifaltigkeitskirchel wissenschaftlich sehr befriedigend, aber wenig gut besucht, so lagen die
Dinge in der Apostel-Paulus-Kirche2 fast umgekehrt. Das riesige Gotteshaus war Abend für Abend nicht nur überfüllt, sondern es mußten auch Parallelveranstaltungen mit denselben Red-
nern in der ebenfalls recht großen Zwölf-Apostel-Kirche stattfinden, um die Menge der Besucher zu fassen... Denselben Ton (wie Jacobi) schlug Lic Bonhoeffer (Stettin) an, und zwar illustrierte er seine Darlegungen an einigen Kirchenliedern. Schon mit Paul Gerhardt beginnt nach ihm der Abstieg; Pietismus, Aufklärung und 19. Jahrhundert führen immer weiter nach unten, und erst in der Gegenwart, z. B. in den Liedern Heinrich Vogels (!), beginne
man sich wieder auf die reformatorische Höhe zu erheben. Der Redner suchte diese seine Meinung an der Hand der gewählten 1. Vortragsreihe des Reichskirchenausschusses der Berliner Universität. 2. Vortragsreihe der Bekennenden Kirche.
mit
Theologieprofessoren
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und
Chamby
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Kirchenlieder zu beweisen, was ihm insoferne auch gelang, als er in Auswahl und Zitierung die denkbar größte Willkür walten ließ,
sich z.B. nicht scheute, aus der ersten Hälfte einer Strophe irgend etwas nachzuweisen, während er die das Gegenteil besagende zweite Hälfte wegließ usw. Wenn man bedachte, daß es sich hier um einen Schüler Harnacks handelte, so konnte man angesichts solcher „Geschichtsbetrachtung“ sehr traurig werden. Im Grunde ging auch der dritte Redner, Professor Iwand (Königsberg) in der-
selben Linie... ... Alles in allen: In der Dreifaltigkeitskirche wertvolle, wissenschaftlich aufgeschlossene Theolgie, aber nur eine kleine Zuhörerschaft; in der Apostel-Paulus-Kirche enge und sehr anfechtbare Theologie, aber starke religiöse Kraft und eine mit größter Andacht lauschende riesige Gemeinde. Dieser Tatbestand muß im Hinblick auf die Zukunft der evangelischen Kirche die schwersten Bedenken erregen. Hans Schlemmer
Im Zug nach Stettin Donnerstag [6. 8. 1936]
Lieber Eberhard! ... Wenn wir uns hätten treffen können, dann wäre auch so
sehr viel anderes sehr Wichtiges zu besprechen gewesen, was ich dem Brief nicht anvertrauen kann .. . Es sind kirchliche Dinge von großer Wichtigkeit! .... Ich darf wohl heute nur dies sagen, daß wir über die Zeit der Konferenz hinaus versuchen sollten, in der Schweiz zu bleiben. Es kann außer-
ordentlich wichtig sein. Ich habe Geld beantragt, das für uns beide reichen muß. Es kann sein, daß wir noch 10 Tage da bleiben müssen. Ich möchte Dich bitten, Dich darauf einzurichten; und zwar werden wir in der Nähe des Konferenzortes bleiben müssen. Bitte, sprich zu niemandem darüber ... Es handelt sich kurz einfach darum, daß in dieser Zeit einer 1. Entscheidung über die Kanzelabkündigung für den 23. August, d. h. genau während der Chamby-Konferenz.
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935—1939
dort ist. Es hängt mit dem Memorandum zusammen ... Im übrigen bin ich voller Nachrichten. Die Meinungen und Ge-
rüchte gehen sehr auseinander. Ich meinerseits glaube nicht, daß etwas Gewaltsames geschehen wird!. Du weißt doch von meinem englischen Freund?. Er hat vorgestern etwas sehr Gutes und Nützliches geschrieben?.— Der Abend gestern war ganz gut. Die Kirche überfüllt, Leute saßen auf den Altar-
stufen und standen überall herum. Ich hätte lieber gepredigt, als meinen Vortrag gehalten, vor 1500 bis 2000 Menschen.
Dann Parallelgottesdienst wegen Überfüllung. Mit dem Auto von einer Kirche zur anderen — nach großen Mustern. — In der einen Gemeinde, in der ich sprach, hängt jetzt ein Schild an einem Buchladen: „Nach der Olympiade haun wir die B. K. zu Marmelade, dann schmeißen wir die Juden raus, 1. Im Zusammenhang mit der Auslandsveröffentlichung der Denkschrift wilde Propaganda in der N.S.-Parteipresse gegen die „Landesverräter“ und Forderung von Maßnahmen nach der Olympiade. 2. Bischof von
Chichester,
Dr. G. K. A. Bell.
3. London Times, Tuesday August 4, 1936, Seite 11, außer einem Leitartikel „German Pastors difficulties“, unter der Überschrift „Nazis and Christianity*: To the Editor of the Times. Sir, — What is happening at this moment in the German Evangelical Church? The successive reports which your Correspondent sent last week are most disturbing. Till the other day, notwithstanding hesitations and in spite of occasional incidents in different districts, there was the appearance of calm. But now a fresh attack would seem to be launched against the Confessional Movement. Its offices have been raided by the Secret Police. Orders have gone forth that its Councils of Brethren must be dissolved, that all Reich and State authorities must break off relations with the Provisional Church Administration which acts in its name, and that very title must be abandoned.
At the same
time, the old champions of the extremer
forms of „German Christian“ racial doctrine step forward again. The Churches outside Germany, as I interpret their attitude, have no wish to intervene in domestic debates on secondary matters. But this issue is far graver. It is because they are convinced that fundamental Christian values are at stake that their interest is so keen and their concern for the Confessional Movement so deep. A blow struck at the
Confessional Movement would be a blow struck at Christianity. The Palace, Chichester. Yours, etc., George Cicestr Übersetzung siehe Seite 621.
Olympiade
und
Chamby
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dann ist die B. K. aus.“ Schöne Poesie, nicht wahr? Ein Amerikaner hat es photographiert und nach seiner Heimat geschickt, schrieb er an Niemöller ..... Übrigens: seit kurzem (auch Stuttgart!) steht Koch wieder gerade! Der Tiefpunkt scheint überwunden. — Gestern in Berlin traf ich viele Brüder... Bei Rabenan hatte sich ein Kreis Berliner Freunde,
Pfarrer etc. zusammengefunden. Ich kam erst um 2 Uhr nach Hause... 10. August 1936 ... heute die Nachricht: Schauer und Faißt aus dem Bruder-
rat ausgetreten. Bisher vertraulich zu behandeln. B.K. (sei) pharisäisch-gesetzlich! Das ist ein Schlag. Aber Pommern hinkt immer etwas nach. Im Reich scheint die Krisis überwunden zu sein. Der Präses ist wieder klarer. Es gibt viel zu erzählen. Im ganzen bin ich nicht bedrückt, sondern ganz zuversichtlich. Je tiefer wir hineingeraten, desto schneller kommen wir heraus... 13. August 1936 ... Schön, daß alles klappt. Nun fange ich an, mich auf Mon-
tag zu freuen. Devisen habe ich nicht gekriegt! Ganz scheußlich!! Nun muß ich auf Einladung reisen. Das geht für uns zwei sehr gut, aber nicht für mehr .... In der anderen Sache sind wir um nichts klarer geworden. Es wird sich erst dort entscheiden. Es ist hinter den Kulissen mehr los als Du denkst. ... Du mußt Dir von Deiner Mutter 10 RM auf ihren Paß für Dich, poste restante nach Basel/Schweiz, überweisen las-
sen. Nur Eltern können das. Ich lasse auch 2X 10 RM schicken. Heute hier Seelsorgevorlesung abgeschlossen. Es war wirklich ganz schön. Gestern abend war Müller-Dahlem
hier '.:.: Herzlichst Dein getrener Dietrich
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
Aus dem 12. Brief aus Finkenwalde [22. September 1936] ...Der Direktor versucht von neuem, an sein Buch! zu kommen
..„.aber seine „Kirchengemeinschaft“ hat ihm alle seine Pläne vereitelt. Er muß widerstrebend für die nächste Nummer der Evangelischen Theologie eine Antwort... verfassen... In Chamby er-
lebten wir das nicht ganz angenehme Zusammentreffen von Reichskirchen-Ausschuß und Vorläufiger Kirchenleitung ... Wir waren ja grade in den Tagen der Kanzelabkündigung dort und konnten an dem betreffenden Montag beobachten, wie stark der Eindruck auf die Delegierten hinter ihren Zeitungen war. Man
beglückwünschte die Vorläufige Kirchenleitung ...
1. Nachfolge.
Dritter
Briefwechsel
mit Karl Barth
283
Finkenwalde, den 19. September 1936 Hochverehrter, lieber Herr Professor! [K. Barth]
Als ich neulich in der Schweiz war, wollte ich sehr gern nach langer Zeit Ihnen einen Besuch machen. Mein Freund Sutz
hatte mich wohl auch schon angemeldet, leider zu einem Zeitpunkt, von dem ich ihm gar nichts geschrieben hatte. Ich habe nun gehört, daß Sie eines Sonntagnachmittags Sutz und
mich vergeblich erwartet haben. Das tut mir furchtbar leid. Denn es ist mir schon immer eine Überwindung, zu denken, daß ich Ihnen durch einen Besuch viel von Ihrer Zeit nehme,
die Ihnen schon von allen Seiten geraubt wird. Und wenn ich nichts unbedingt Wichtiges hätte, würde ich es auch gewiß nicht tun. Diesmal hätte ich es nun aber wirklich gern getan und da war es zu spät. Das war mir sehr schmerzlich. Nun muß ich Ihnen aber wenigstens schreiben; denn ich habe
wirklich lange genug geschwiegen. Unsere letzte Begegnung war ein Telephongespräch, in dem ich Sie für Jacobi nach Berlin bitten sollte. — Seit Sie mir damals nach England schrieben, ich solle mit dem nächsten oder doch mit dem übernächsten Schiff zurückkommen, haben Sie wohl persönlich von mir nichts gehört. Ich muß dafür um Verzeihung bitten.
Der Stachel hat übrigens damals gesessen. Ich glaube, es war wirklich das übernächste Schiff, mit dem ich kam. Nun bin ich seit anderthalb Jahren wieder hier und bin doch in vieler Hinsicht froh, daß ich drüben war, aber noch froher, daß ich wieder hier bin. Daß ich seitdem nicht schrieb, hat wohl allerlei Gründe gehabt. Ich dachte immer, wenn ich Ihnen schreibe, muß ich auch was Vernünftiges zu schreiben haben; und so etwas Vernünftiges hatte ich eben tatsächlich nie, jedenfalls
nie so, daß ich meinte, ich dürfte Sie nun dafür schon in Anspruch nehmen. Und ich habe es nun auch heute noch nicht.
284
Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935—1939
Und dann war es wirklich so, daß ich mit den Fragen, die mir aus der Schrift erwachsen waren und die mich fortwährend beschäftigten, erst einmal zu einem gewissen Ziel kommen wollte, wobei ‘ich dann freilich auch immer wieder erkannte, daß ich mich in manchem wohl von dem, was Sie selbst dazu sagen, entfernte. Im Grunde war die ganze Zeit
eine andauernde, stillschweigende Auseinandersetzung
mit
Ihnen und darum mußte ich eine Weile schweigen. Es sind
hauptsächlich die Fragen der Auslegung der Bergpredigt und der paulinischen Lehre von Rechtfertigung und Heiligung. Ich bin an einer Arbeit darüber! und hätte jetzt allerdings sehr, sehr vieles von Ihnen erfragt und erfahren. Es geht ja wohl den meisten von uns immer wieder so, die meinen, sie müßten sich eine Weile lang aus irgendwelchen theologischen Gründen von Ihnen entfernen, daß sie nachher bei einer persönlichen Besprechung erfahren, daß man wieder einmal alles viel zu primitiv gesehen hat. Nun hoffe ich jetzt ernstlich auf eine andere Gelegenheit, Sie einmal ausführlich sehen und sprechen zu dürfen. Schließlich muß ich wohl der Klarheit
wegen sagen — ich habe es sonst zu keinem gesagt —, daß ich mich aus Ihrem Kreis dadurch etwas ausgeschlossen fühlte,
daß ich an Ihrer Festschrift nicht beteiligt wurde. Ich hätte Ihnen sehr gern einen Beitrag geschrieben; bitte mißverstehen Sie das nicht. Ich habe es einfach für ein objektives Urteil genommen, daß ich nicht zu den Ihnen verbundenen T’heo-
logen gerechnet werde. Das tat mir leid, weil ich weiß, daß es nicht zutrifft. So, das waren wohl etwa die Gründe meines längeren Schweigens. Die Arbeit im Seminar macht mir Freude. Wissenschaftliche
und praktische Arbeit sind schön miteinander verbunden. Ich finde, daß anf der ganzen Linie von den jungen Theologen, die ins Seminar kommen, dieselben Fragen gestellt werden, 1. Nachfolge.
Dritter
Briefwechsel
mit Karl
Barth
285
die mich in der letzten Zeit beschäftigt haben, und von dorther ist das gemeinsame Leben natürlich stark mitbestimmt. Ich bin fest davon überzeugt, daß die jungen Theologen sowohl im Blick auf das, was sie von der Universität her mit-
bringen, wie auch im Blick auf das, was in den Gemeinden — besonders hier im Osten — so an selbständiger Arbeit von ihnen gefordert wird, eine ganz andere Vorbildung bran-
chen, in die ein solches gemeinsames Seminarleben unbedingt hineingehört. Man macht sich ja gar kein Bild davon, wie leer, wie völlig ausgebrannt die meisten der Brüder ins Se-
minar kommen. Leer sowohl in bezug auf theologische Erkenntnisse und erst recht biblisches Wissen, wie auch in bezug auf ihr persönliches Leben. Sie haben einmal, lieber Herr Professor, in einem offenen Abend — dem einzigen, den ich mitgemacht habe — sehr ernst zu den Studenten gesprochen, daß es Ihnen manchmal so zumute sei, als sollten Sie lieber einmal alle Vorlesungen lassen und statt dessen dem einzelnen auf die Bude rücken und ihn stellen, wie der alte Tholuck:
wie steht es mit Deiner Seele? Die Not ist seitdem nicht behoben, auch durch die Bekennende Kirche nicht. Aber es sind sehr wenige da, die diese Aufgabe an den jungen Theologen als kirchliche Aufgabe erkennen und ausführen. Im Grunde aber wartet jeder darauf. Ich kann es leider auch nicht richtig, aber ich weise die Brüder aneinander, und das scheint mir
das Allerwichtigste. Daß aber sowohl theologische Arbeit wie auch wirkliche seelsorgerliche Gemeinschaft nur erwach-
sen kann in einem Leben, das durch morgenliche und abendliche Sammlung um das Wort, durch feste Gebetszeit bestimmt ist, ist gewiß, und ist wohl auch nur eine Folge von dem, was Sie an Anselm von Canterbury sehr klar gemacht haben. Der Vorwurf, das sei gesetzlich, trifft mich wirklich
gar nicht. Was soll daran wirklich gesetzlich sein, daß ein Christ sich anschickt zu lernen, was beten ist, und an dieses Lernen einen guten Teil seiner Zeit setzt? Wenn mir neulich
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Kritischer
Verteidiger
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1935 —1939
ein führender Mann der B.K. gesagt hat: „Für Meditation haben wir jetzt keine Zeit, die Kandidaten sollen lernen zu
predigen und zu katechesieren“, so ist das entweder totale Unkenntnis dessen, was ein junger Theologe heute ist, oder es ist frevelhafte Unwissenheit darüber, wie eine Predigt und Katechese entsteht. Die Fragen, die heute im Ernst von jun-
gen Theologen an uns gestellt werden, heißen: Wie lerne ich beten? Wie lerne ich die Schrift lesen? Entweder wir können ihnen da helfen oder wir helfen ihnen überhaupt nicht. Selbstverständlich ist da wirklich gar nichts. Und zu sagen: Wenn einer das noch nicht weiß, soll er eben nicht T'heologe sein!, schlösse die allermeisten von uns aus diesem Beruf aus. Daß alle diese Dinge nur ihr Recht haben, wenn daneben und dabei — ganz gleichzeitig! — wirklich ernsthafteste saubere
theologische, exegetische und dogmatische Arbeit getan wird, ist mir ganz klar. Sonst bekommen alle diese Fragen einen falschen Akzent. Aber überhören will ich diese Fragen um alles in der Welt nicht, darum geht es mir! Und gerade diese
Dinge wären es, über die ich am allerliebsten mit Ihnen einmal gesprochen hätte. Leider bin ich zur Zeit in einen heftigen Streit über meinen Artikel über die Kirchengemeinschaft hineingezogen. Man
regt sich furchtbar darüber auf. Und ich hatte gemeint, eigentlich etwas Selbstverständliches zu schreiben. Sehr gern hätte ich ja einmal von Ihnen ein Wort dazu gehört. Aber ich will Sie damit wirklich nicht belasten. Wir müssen uns da eben jetzt allein durchbeißen. Das ist wohl auch ganz gesund. Aber ich möchte Ihnen doch eine große Bitte vortragen. Ich glaube, es käme für die gegenwärtige Situation sehr viel darauf an, die inhaltlichen Fragen, die zwischen Luthertum und Refor-
mierten stehen, aufzurollen und zu diskutieren. Es gibt aber in Deutschland m. E. keinen einzigen, der das könnte, denn die Argumente von Sasse sind ja immer gänzlich formal und alle unsere Gegenäußerungen ebenso. Es weiß einfach keiner
Dritter
Briefwechsel
mit Karl Barth
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genug Bescheid. Es fehlt der Überblick und es fehlt erst recht die Zeit, ihn sich zu verschaffen. Das Schneckenburgersche Buch! bedürfte eines würdigen Nachfolgers. Müßten Sie nicht hier das Gespräch wieder einmal in Gang bringen? Es ist in
der gegenwärtigen Form wirklich Leerlauf. Das ist eine große Bitte. Aber ich glaube, es wäre auch ein großer Dienst. Ich
will die Bedeutung der Theologischen Existenz heute ganz gewiß nicht unterschätzen. Aber Sie kennen selbst die Gefahr,
daß viele Theologen nun eben ihr ein und alles daraus beziehen. Da täte es dringend not, daß sie einmal vor eine
wirklich harte, schwere Kost gesetzt würden in Gestalt einer solchen Schrift.
Nun will ich schließen. Vieles kann man eben nur persönlich besprechen. Darauf freue ich mich sehr. Mit vielen Grüßen und guten Wünschen bin ich in großer
Dankbarkeit und Verehrung Ihr Dietrich Bonhoeffer
Bergli, Oberrieden (Kt. Zürich), 14. Oktober 1936 Lieber Herr Kollege Bonhoeffer! Nach der kurzen Empfangsbestätigung aus Ungarn sollen Sie nun
doch auch noch eine etwas richtigere Antwort auf Ihren Brief vom 19. September von mir bekommen. Es war an jenem Sonntagnachmittag in der Tat so, daß ich Sie hier schon von einer Minute auf die andere erwartet hatte, bis
dann ein Telephon mit Sutz die Sache aufklärte. Um so mehr hat es mich gefreut, nun brieflich so ausführlich von Ihnen zu hören. Sie hätten mir ruhig längst wieder schreiben können, auch wenn Sie inzwischen einige theologische Kurven beschrieben haben soll-
ten, die mit den meinigen nicht ganz parallel liefen. Welchen An1. „Vergleichende
Darstellung
des lutherischen
und
reformierten
begriffs“ von Prof. Dr. M. Schneckenburger, Stuttgart 1855.
Lehr-
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Kritischer
Verteidiger
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1935—1939
spruch sollte ich darauf haben, daß Sie mir irgend eine feierliche Rechenschaft schuldig wären? Wissen Sie, was damals nach jener Sache mit dem „übernächsten Schiff“ lange Zeit das Einzige war, was ich von Ihnen wußte? Die seltsame Nachricht, Sie beabsichtigten nach Indien zu gehen, um sich dort bei Gandhi oder einem anderen dortigen Gottesfreund irgend eine geistliche Technik anzueignen, von deren Anwendung im Westen Sie sich große Dinge versprächen! Aber dann war ja vor einem Jahr Ihr Inspektor
Rott! hier bei mir und sorgte dafür, daß das Bild etwas plastischer wurde. Gelt, Sie unterlassen es doch lieber, aus der Tatsache, daß man Sie nicht zur Beteiligung an der Festschrift aufgefordert hat, irgendwelche tragischen Schlüsse zu ziehen! Ich bin ganz sicher, daß es Wolf völlig fern gelegen hat, bei den Anfragen, die er damals ausgeben ließ, irgend so etwas wie eine Zensur ausüben zu wol-
len. Sie befanden sich aus irgendeinem Grunde gerade nicht in seinem Gesichtskreis; noch konkreter ausgedrückt: er hatte Sie wohl eben vergessen; ein „objektives Urteil“ dagegen hat sicher in keiner Weise in der Luft gelegen. Ich glaubte ja überhaupt nicht, daß man mit viel Grund von einem „Kreis“ besonders mit mir verbundener Theologen sprechen kann. Denn wenn ich auf der einen Seite
nur sehr undentlich zu sagen wüßte, wo der (innerhalb der überhaupt in Betracht kommenden
Möglichkeiten, also abgesehen von
D.C., Papisten etc.) aufhören sollte, so wüßte ich auch nicht recht, wo er nun etwa in einem bestimmteren Sinn anfınge. Von mir aus gesehen, stehen Sie mir gewiß dann am nächsten, wenn Sie die Frage nach Ihrem „drinnen“ oder „draußen“ gar nicht zum Gegenstand von besonderen Reflexionen machen, sondern von Tag
zu Tag fröhlich offen lassen. Und nun höre ich also auch von Ihnen selbst, daß Sie theoretisch und praktisch in besonderer Weise mit dem unerschöpflichen Thema
Rechtfertigung
und Heiligung beschäftigt sind. Ich bin sehr
gespannt auf Ihre Ergebnisse, sowohl hinsichtlich des beabsichtig-
ten Buches wie auch hinsichtlich dessen, was Ihr Seminar an neuen Möglichkeiten zutage fördern wird. Sie werden es nicht an1. Studieninspektor des Predigerseminars
in Finkenwalde.
Dritter
Briefwechsel
mit Karl
Barth
289
ders von mir erwarten, als daß ich der Sache offen, aber auch nicht ohne Sorge entgegensehe. Offen, weil es mir klar genug ist, daß hier in Lehre und Leben immer neue Fragen gestellt und Versuche gemacht werden müssen, weil wir wirklich nicht meinen
können, in der kirchlichen Verkündigung und Lebensgestalt auch nur von ferne schon zu der Wahrheit vorgestoßen zu sein, die sich uns von Schrift und Bekenntnis her in einer fast ungreifbaren Fülle aufdrängt. Nicht ohne Sorge: weil ich nun seit 15 Jahren unter einem fast ununterbrochenen Trommelfeuer von Einwänden, „Anliegen“, Ergänzungs- und Überbietungsvorschlägen ge-
rade hinsichtlich dieses Themas stehe, deren grundsätzliche Berechtigung ich niemals abstreiten konnte oder wollte, in deren konkreter Ausführung ich dann aber alsbald irgend eine Rückkehr zu den Fleischtöpfen Ägyptens erblicken mußte. Ich denke an die Religiös-Sozialen, an die Wuppertaler Pietisten im Jahrzehnt vor dem Kirchenkampf, zuletzt an die Oxforder samt Emil Brunner. Sie verstehen, daß sich mir hier allmählich die Anschauung eines gemeinsamen Nenners herausgebildet hat: Resignation gegenüber dem ursprünglichen christologisch-eschatologischen Ansatz zugunsten irgendwelcher (faktisch immer abstrakter!) Ver-
wirklichungen in einem dem Menschen eigenen Raum. Sie verstehen auch, daß ich nach dieser Richtung — ohne die prinzipielle Berechtigung der Frage leugnen zu können — immer kritischer geworden bin, immer genauer hinsehe, ob es sich bei den immer erneuten Ankündigungen besserer Lösungen nicht doch aufs Neue darum handle, den Spatzen in der Hand zugunsten einer Taube auf
dem Dach preiszugeben. Und nun sehe ich schon, daß wohl speziell unter der heutigen Jugend gerade der Bekenntniskirche eine wei-
tere Welle dieser Art im Anzug ist, in der dann auch alles Frühere neue Aktualität gewinnen wird, und es kann auch wohl sein, daß
gerade Sie berufen und befähigt sind, hier Sprecher und Führer zu sein. Ist es diesmal kein blinder Lärm, so hoffe ich noch nicht zu alt zu sein, um diesmal zu lernen, was zu lernen ist, und nötigenfalls meine Hefte zu korrigieren, wie ich es ja in anderer
Hinsicht auch schon getan habe. Sie müssen aber ebenfalls verstehen, wenn
ich zunächst
abwarte.
Es hat eben seine Gründe,
wenn ich wohl gelegentlich nicht ohne Nachdruck auf die Tho-
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Verteidiger
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1935 —1939
lucksche Möglichkeit hinweisen konnte — die Sache hat damals für einen bestimmten Kreis meiner Studenten, auf den ich zielte,
ziemlich viel bedeutet — wenn ich aber nun doch kein zweiter Tholuck geworden bin. Sie stehen nun, wenn
ich recht sehe, im
Begriff, sozusagen jene Äußerung in ein theoretisch-praktisches System zu bringen. Ich habe alle Teilnahme dafür. Ich kann nicht zum vornherein sagen, daß das unmöglich ist. Ich werde aber sehr genau sehen müssen, wie der Hase läuft, um Ihnen eventuell sagen zu können, daß es auch nach meiner Meinung so, wie Sie es sich denken, möglich ist. Wenn ich nicht irre, war es Rott, der mir diesen Sommer die in Ihrem Seminar eingeführte Anweisung zur
Schriftmeditation! zugänglich gemacht hat. Ich habe sie aufmerksam gelesen, aber ich könnte Ihnen allerdings nicht sagen, daß ich
bei dieser Sache sehr glücklich war. Ich kann eben schon die grundsätzliche Unterscheidung zwischen theologischer Arbeit und erbau-
licher Betrachtung, wie sie in diesem Schriftstück sichtbar wird und wie ich sie auch in Ihrem Briefe wahrnehme, so nicht mitmachen. Und wiederum stört mich in jenem Schriftstück ein schwer zu definierender Geruch eines klösterlichen Eros und Pathos, das allerdings
eine gegenüber
den bisherigen Erfahrungen
auf die-
sem Feld neue Möglichkeit darstellen würde, für das ich aber vorläufig noch nicht das positive Sensorium und auch noch keine Verwendung habe. Fassen Sıe das noch nicht als eine Kritik Ihrer Bestrebungen auf, schon darum nicht, weil meine Unterlagen zu deren Erkenntnis und Verständnis bis jetzt viel zu schmal sind. Sie
werden aber daraus wenigstens die Richtung verstehen, in der ich bei aller Teilnahme auch Ihnen fragend gegenüberstehe. Zu jener verbesserten
Auflage des Schneckenburgerschen
Unter-
nehmens werde ich wohl in absehbarer Zeit schwerlich kommen. Würde es wohl überhaupt möglich sein, aus jenem von Ihnen mit Recht beklagten Formalismus der bisherigen Behandlung des konfessionellen
Problems
herauszukommen,
wenn
man
sich dieses
Problem als solches zum Thema machen wollte? Ich erwarte mehr davon, wenn von lutherischer wie von reformierter Seite auf Grund der „neuen“, bzw. ganz alten Einsichten die Herausarbei1. Verfaßt von E. Bethge, Siehe Seite 478 ff.
Dritter
Briefwechsel
mit Karl Barth
291
tung des je Eigenen mit ganz neuem Ernst in Angriff genommen, die Entscheidung in der Konfessionsfrage aber nach der Barmer Formel Gott befohlen bzw. dem eigenen Gewicht dessen, was dabei herauskommt, überlassen wird. Daneben könnten schlichte historische Studien über die Aporieen des 16. und 17. Jahrhunderts
gute hermeneutische
Dienste
tun. Für weitere
„harte, schwere
Kost“ wird übrigens nach der langen Zeit der Theologischen Existenz heute der zweite Band meiner Dogmatik, der Ende des Winters D. b. v. herauskommen soll, einigermaßen sorgen.
Genug für heute. Seien Sie meiner freundschaftlichen Gesinnung und meiner ernsten Anteilnahme an Ihrer Arbeit versichert und empfangen Sie die besten Grüße von Ihrem Karl Barth
292
Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935—1939
Das Lob Judas im Dritten Reich „Durchbruch“, 26. März 1936, Stuttgart
Die „Junge Kirche“ (Bekenntnisfront) Heft 4, 15. Februar 1936, bringt einen längeren Artikel, dessen Überschrift lautet: „König David. Die zweite Stunde Bibelarbeit. Der messianische König. Die
zweite Salbung Davids“ (als Kapitelüberschrift)1. Die Fußnote sagt uns: Fortsetzung der drei Stunden Bibelarbeit, gehalten mit der Bruderschaft pommerscher Vikare. Der Aufsatz beginnt: „Der göttlichen Salbung durch Samuel folgt eine zweimalige Salbung durch die Männer von Juda (2. Sam. 2, 4), dann durch die Ältesten in Israel (2. Sam. 5, 3)...“ usw. Unser Papier ist uns zu lieb, das widerwärtige Geseire um den König David (dessen Handlungsweise übrigens zweifellos gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse ver-
stößt), hier abzudrucken. Der Schlußabsatz aber ist mehr als bezeichnend: [in Fettdruck] „V 23 ff: Das Volk Israel wird das Volk Gottes bleiben in Ewigkeit, das einzige Volk, das nicht vergehen wird, denn Gott ist sein Herr geworden, Gott hat in ihm Wohnung genommen und sein Haus gebaut. Die Kirche, das wahre Israel, ist
verheißen. Wie sollte David das Bekenntnis seiner Demut und des Dankes anders enden als mit der Bitte, Gott wolle sein Wort bekräftigen in Ewigkeit, Er wolle tun, wie Er geredet hat. Er wolle
seinem Volke, seiner Kirche treu bleiben. Finkenwalde (Pom.) Lic. Dietrich Bonhoeffer.“ Der Anfang des Schlußabsatzes (V 23 ff) tritt für den Leser nicht
genügend hervor, so daß man den Eindruck leicht bekommen kann, die Worte seien Worte des Verfassers. Und wenn man auch diesen Eindruck nicht bekommt, so ist der zusammenfassende Schlußgedanke die Verherrlichung des Ehebrechers S. Majestät David, Kö-
nig von Jahwes Gnaden! Aus diesem Artikel ist wohl klar zu er1. Siehe G.S.IV.
Erste Behinderungen
kennen,
was
dieser
Bekenntnispfarrer
293
Bonhoeffer
vom
Grund-
gedanken des nationalsozialistischen Aufbruchs hält: nämlich vom
Rassegedanken. Ob es nicht angebracht ist, daß man sich mit der „Bibelarbeit“ einer solchen „Bruderschaft“ von Vikaren befaßt? Es gibt vieles, was harmlos zu nennen ist gegenüber solchen Vertretern einer orientalischen Glaubenslehre, welche den Weltfeind Juda noch im Jahre 1936 als das „ewige Volk“, das „wahre Adelsvolk“, das „Gottesvolk“ hinzustellen sich erdreistet. Friedrich Imholz
Der Reichs- und Preuß. Minister für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung 29. Nov. 1935
Zu Nr. 25/9135 vom 23. Oktober 1935 Im Einvernehmen mit dem Herrn Reichs- und Preuß. Minister für die kirchlichen Angelegenheiten teile ich mit, daß ich aus grundsätzlichen Bedenken nicht in der Lage bin, dem Dozenten Lic. Bonhoeffer zu gestatten, neben seiner Tätigkeit in der dorti-
gen Evangelisch-Theolog. Fakultät noch die Leitung des Predigerseminars Finkenwalde zu übernehmen. Ich ersuche, ihn auf seinen Antrag —
ohne Datum
—
zu be-
scheiden. 1 Durchschlag für die Fakultät liegt bei.
In Vertretung:
An Rektor der Univ.
gez. Kunisch
Der Reichs- und Preußische Minister für Wissenschaft,
Erziehung und Volksbildung Berlin
W I p Bonhoeffer 1h, W III b Auf die Eingabe vom 18. April 1936.
W 5, den 5. Aug. 1936
Unter den Linden 4
Ihr Gesuch um Beurlaubung aus Ihrer Stellung als Dozent der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Berlin, ist mir
zur Entscheidung nicht zugeleitet worden.
294
Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
Diesem Antrag hätte auch nicht entsprochen werden können, da ich kurz zuvor bereits entschieden hatte, daß aus grundsätzlichen Bedenken Ihnen nicht gestattet werden kann, neben Ihrer Tätigheit in der Evangelisch-Theologischen Fakultät noch die Leitung des Predigerseminars in Finkenwalde zu übernehmen. Nach Ihren eigenen Angaben sind Sie nicht in der Lage, Ihre Tätgkeit als Leiter dieses Seminars, das zudem im Widerspruch zu den Bestim-
mungen der Fünften Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der Deutschen Evangelischen Kirche vom 2. Dezember 1935 (RGBl. I S/370) noch immer als eigene Einrichtung der „Bekennenden Kirche“ besteht, aufzugeben. Außerdem haben Sie im März d. ]s. eine Studienreise nach Schweden! unternommen. Wenn diese Einladung auch auf Einladung
des Ökumenischen Ausschusses in Schweden erfolgt ist, so hätten Sie als Dozent der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Berlin auf Grund meines Erlasses vom 22. Juni 1935 —
LIII C 471 M.W. — hierzu meine Genehmigung einholen müssen. Über diese Anordnung haben Sie sich ohne weiteres hinweggesetzt. Aus diesen Gründen sehe ich mich gezwungen, Ihnen die Lehrbefugnis zu entziehen. Unterschrift An den Dozenten Herrn Lic. Dietrich Bonhoeffer in Berlin-Charlottenburg 9, Marienburger Allee 43
Abschrift übersende ich auf den Bericht vom
8. Mai 1936 zur
Kenntnis
(Unterschrift) an die Ev. Theol. Fakultät der Univ. in Berlin Abschrift z. Kenntnis, Im Auftrag gez. Vahlen (unleserlich)
Vf. 1) Zum Amtsblatt 15/36 2) zdA Berlin, 17. Aug. 1936
der Rektor: Krüger (?)
1. Siehe Seite 470—474.
Erste Behinderungen
295
29. November 1937 Lieber Karl Friedrich! Vielen Dank für Deinen Brief. Es tut mir immer leid, wenn Mama so beunruhigt ist und andere noch in diese Unruhe mit hineinzieht. Es liegt aber tatsächlich gar kein Grund dafür vor. Daß es mir durch den Erlaß von Himmler! einmal ebenso gehen kann, wie es bereits Hunderten ergangen ist, darf uns wirklich nicht mehr beunruhigen. Die Sache der Kirche können wir nicht durchhalten ohne Opfer. Ihr habt ja im Krieg wesentlich mehr eingesetzt. Warum sollten wir es für die Kirche nicht auch tun? Und warum will man uns davon abbringen? Es reißt sich bestimmt keiner von uns ums Gefängnis. Aber wenn es kommt, dann ist es doch — hoffentlich jedenfalls — eine Freude, weil die Sache sich lohnt. — Anfang nächster Woche fangen wir wieder an?. — Es grüßt Euch alle Ener Dietrich
[Eingabe an die Geheime Staatspolizei]
Pastor Lic. Dietrich Bonhoeffer
SchlawelPom., Koppelstr. 9 [ohne Datum]
Mitte Jannar 19383 wurde ich zu einer Besprechung kirchlicher Fragen nach Berlin eingeladen. Da ich ohnedies aus persönlichen Gründen in diesen Tagen zu meinem Vater nach 1. Verbot der Ausbildungsstätten, das zur Schließung von Finkenwalde führte, siehe Seite 521 Anm. 2. 2. Sammelvikariate in den Kreisen Köslin und Schlawe. 3. Sitzung der Ausbildungsleiter und Referenten der Bek. Kirche der APU am 11. Januar 1938, 9.30 vorm.
296
Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
Berlin fahren mußte, sagte ich zu. Ich fand im Dahlemer Gemeindehaus, wo die Sitzung stattfinden sollte, einen Kreis von etwa 30 führenden Bekenntnispfarrern aus der ganzen Altpreuß. Union vor. Es sollte unter dem Vorsitz von Herrn
Pf. Lic. Niesel über einige wichtige kirchliche Fragen gesprochen werden, besonders über die Möglichkeit der Unterstellung der Bekenntnisvikare und -Hilfsprediger unter die Konsistorien. Bereits nach einer halben Stunde erschienen Beamte der Geheimen Staatspolizei, brachten uns alle in großen PoIızeiwagen auf den Alexanderplatz;
wir wurden
vernom-
men; die nicht in Berlin und Brandenburg ansässigen Pfarrer wurden aus Berlin und Brandenburg ausgewiesen, die anderen erhielten Ausreiseverbot aus Berlin und Brandenburg. EinGrund für diese Maßnahme wurde nicht angegeben. Die Sitzung war weder verboten noch, wie der Ort deutlich
macht, besonders geheim gehalten, noch konnte ihr Gegenstand den Grund für besondere Maßnahmen bieten. Wir haben nachträglich erfahren, daß man bei unserer Zusam-
menkunft irrtümlicherweise einen theologischen Vorlesungskurs für Studenten der Bekennenden Kirche vermutete und
überrascht gewesen sei, keinen einzigen Studenten vorzufinden. Ich bin seitdem aus Berlin und Brandenburg ausgewiesen, wenngleich mir durch meinen Vater, Geheimrat Prof. K. Bonhoeffer, eine Aufenthaltserlaubnis für persönliche Besuche in Berlin bei der Geheimen Staatspolizei erwirkt worden ist. Jedoch bin ich nicht in der Lage, in meiner großen in
Berlin wohnenden Familie und in meinem Bekanntenkreis irgendwelche kirchlichen Handlungen vorzunehmen. Außer-
dem belastet mich natürlich die mir nach wie vor unverständliche staatspolizeiliche Maßnahme, die mich meinem Empfinden nach nur ganz zufällig getroffen hat und deren Ausmaß
mir in keinem Verhältnis zu ihrem Anlaß zu stehen scheint. Dietrich Bonhoeffer
An
die jungen
Brüder
in Pommern.
1938
297,
An die jungen Brüder in Pommern! Ende Jannar 1938 Lieber Bruder! Es sind in den letzten Wochen Briefe und persönliche Stimmen zu mir gedrungen, die es deutlich machen, daß unsere Kirche und in Pommern besonders unsere junge Theologenschaft in eine Stunde schwerer Anfechtung geraten ist. Weil es sich hier nicht mehr um die Not eines Einzelnen handelt, sondern weil ein und dieselbe Versuchung viele bedroht, werden Sie, lieber Bruder, es erlauben, daß ich versuche, eine gemeinsame Antwort zu geben. Der Brief gilt dennoch Ihnen ganz persönlich. Was Sie mir schrieben oder sagten, soll ganz darin aufgenommen sein. Wir müssen weit ausholen. Wir werden darin einig sein, daß
es damals ein Schritt gewissesten Glaubens und ebendarum ein menschlich unbegreifliches Wagnis war, als wir uns zu der Sache der Bekennenden Kirche bekannten. Es war eine Fröhlichkeit, eine Siegesgewißheit, eine Opferbereitschaft da, die
unserem ganzen persönlichen und amtlichen Leben eine neue Wendung gab. Ich meine gar nicht, daß nicht auch allerlei
menschliche Nebentöne hier mitschwangen — wer kennt auch sein eigenes Herz? —, aber was uns so fröhlich und kampfbereit und wohl auch leidensbereit machte, war doch das
Eine, daß wir wieder wußten, daß ein Leben mit Jesus Christus und seiner Kirche den ganzen Einsatz wert ist. Wir glaubten, in der Bekennenden Kirche die Kirche Jesu Christi 1. Die vom Bruderrat geprüften und ordinierten Pfarrer, welche nun das Konsistorium zur Unterstellung und Legalisierung ihrer Prüfungen
aufforderte, nachdem mit dem vergangenen Jahresende die Verhaftungs-
zahlen dreistellig geworden waren.
298
Kritischer
Verteidiger der BK. 1935—1939
nicht nur gefunden, sondern durch Gottes große Güte wohl auch wirklich erfahren zu haben. Ein neues Leben unter Gottes frohmachendem Wort begann für einzelne, für Pfarrer und Gemeinden. Wenn nur Gottes Wort bei uns war, so wollten wir uns nicht mehr fürchten und um die Zukunft sorgen. Mit diesem Wort wollten wir durch Kampf, durch Leiden, durch Armut, durch Sünde und durch Sterben endlich in
Gottes ewiges Reich gelangen. Junge Leute und Väter großer Familien haben hier Seite an Seite gestanden. Was war es, das
uns damals einte und mit so großer Frendigkeit ausrüstete? Es war die eine, uralte und uns von Gott selbst wieder geschenkte Erkenntnis, daß Jesus Christus unter uns seine Kirche bauen will, die ganz allein von der Predigt des lauteren, unverfälschten Evangeliums und von der Gnade seiner
Sakramente lebte und die in ihrem Handeln ganz allein ihm gehorsam ist. Zu einer solchen Kirche will Christus sich halten, eine solche Kirche will er schützen und leiten. Eine solche Kirche allein durfte frei sein von aller Furcht. Dieses und nichts anderes haben die Bekenntnissynoden von Barmen und Dahlem bekannt. War es eine Illusion? War es etwa unter dem Eindruck äußerer Umstände gesprochen, die einer „Verwirklichung“ dieses Glaubens günstig schienen? Nein, es war
gewissester Glaube, es war die biblische Wahrheit selbst, was damals vor aller Welt laut bekannt wurde. Es war Christus-
zeugnis, das Herzen überwand, froh machte und zur gehorsamen Tat aufrief. Lieber Bruder, sind wir nicht soweit wenigstens noch einig, daß dies so war? Oder wollen wir
heute Gottes Gnade schmähen, die er uns so reichlich geschenkt hat?
Damals also entbrannte der Kampf um Christuskirche. Oder meinen Sie etwa, daß es sich solche Mühe kosten ließe, ein Häuflein Idealisten zu vernichten? Nein, weil Christus im
die rechte der Teufel verrannter Schiff war,
erhob sich der Sturm. Von Anfang an forderte der Kampf
An die jungen
Opfer. Vielleicht ist wieviel persönlicher ten der Gemeinden der Bruderräte ihren ten. Aber es war ein
Brüder
in Pommern.
1938
299
es nicht allen immer bewußt geworden, Verzicht, wieviel Verzicht auch auf seierforderlich war, damit die Mitglieder Auftrag an der Kiche vollführen konnfreudig geleisteter Verzicht um der Sache
Jesu Christi willen. Wer durfte denn zurücktreten, solange der Ruf Jesu, Kirche zu sein, Kirche, die ihm allein dient, zu sein, noch erging? Wer durfte sich denn selbst entbinden, solange
ihm die Sorge um die lautere Verkündigung des Evangeliums und um einen der Schrift und den Bekenntnissen unserer Kirche gemäßen Aufban der Gemeinden von niemandem abgenommen war? Sind wir auch hier noch einig, dann lassen Sie uns in aller Offenheit fragen, was zwischen jenen Anfängen und unserer
heutigen Lage, oder wie man wohl auch sagen darf, was zwischen die Kirchenprovinzen, in denen noch heute ganz aus
diesen Anfängen heraus gelebt und gehandelt und gekämpft wird, und unsere Kirchenprovinz getreten ist? Warum verstummen seit mehreren Monaten in Pommern die Klagen nicht, daß eine Lähmung, ein Bann über unserer Kirche liege, daß eine innere Engigkeit und Sturheit uns um die fruchtbare Arbeit bringe? Wie ist es dahin gekommen, daß Brüder, die mit aller Gewißheit bei der Bek. Kirche waren, heute sagen, daß ihnen die Frendigkeit verloren gegangen sei, daß sie es nicht mehr wüßten, warum sie ihre Arbeit nicht ebenso-
gut unter dem Konsistorium wie unter dem Bruderrat tun könnten? Und können wir es denn leugnen, daß das Zeugnis unserer pommerschen Kirche in der letzten Zeit immer schwä-
cher geworden ist? Daß das Wort der Bekennenden Kirche die glaubenerweckende und damit scheidende Kraft weithin verloren hat? Daß die echten theologisch-kirchlichen Entscheidungen immer mehr verdunkelt werden hinter taktischen Erwägungen? Und hat sich das alles nicht auch auf unsere eigene Predigt ausgewirkt? Wir fragen nach dem Grund von
300
Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935—1939
dem allen. Ich glaube, die Antwort ist nicht so schwer, wie
man sie sich gern macht. Die sogenannte Lähmung in der B. K., der Mangel an Freudigkeit, die Schwachheit des Zeugnisses kommt aus unserem eigensten Ungehorsam. Nicht an andere wollen wir jetzt denken, sondern an uns selbst und unsere Arbeit. Was ist in unseren Gemeinden aus den ersten,
klaren Erkenntnissen der B. K. geworden? Haben unsere Gemeinden daran wirklich lebendigen Anteil genommen? Haben wir den G.-K.-Rat! oder den Ortsbruderrat, der in unerschütterlicher Gemeinschaft zu der Sache der B. K. und
zu uns als Bekenntnispastoren steht? Der uns trägt und uns neue Wege in der Gemeinde zu gehen hilft? Oder warum haben wir ihn nicht? Sollen wieder einmal die Gemeinden allein daran schuld sein? Es gibt Gemeindeglieder, die da umgekehrter Meinung sind. Sind die Gemeinden zu „unreif“?, als ob eine Gemeinde dafür zu unreif sein könnte, Gottes Wort zu hören und gehorsam danach zu handeln, aber für ein unkirchliches Handeln sind sie gerade „reif“ genug! Wer hat uns gelehrt, so verächtlich von unseren Gemeinden zu den-
ken? Wer hat denn die Sache der B. K. zu einer Angelegenheit der „Reifen“ gemacht? Als ob nicht die Reife einer Gemeinde gerade in ihrer Notiage vor Gott bestündel Wo sind
die aus den Gemeindebruderräten gebildeten Kreisbruderräte, die den Kreispfarrern ihre große Verantwortung tragen helfen? Wo ist die pommersche Bekenntnissynode, die allein auf
dem Wege in echter Weise entstehen konnte, und die den Weg der pommerschen Kirche hätte weisen sollen? M. a. W.: Warum haben wir in Pommern mit den Erkenntnissen der Dahlemer Synode nicht ernstgemacht? Und wenn wir es nicht taten, haben wir dann überhaupt Barmen jemals ganz ernst genommen? Andere, viel unkirchlichere Provinzen kämpften den verheißungsvollen Kampf der Kirche des 1. Gemeinde-Kirchenrat.
An die jungen
Brüder
in Pommern.
1938
301
Evangeliums aus klaren kirchlich-theologischen Entscheidungen heraus und wurden in allem Leiden dessen von Herzen froh. Warum standen wir so oft daneben? Warum steht bei uns das theologische Gespräch so seltsam still? Es geht ja in dieser Stunde wirklich nicht darum, daß einer den andern anklage, sondern daß ein jeder für sich selbst bekenne, daß wir die Gnade
Gottes, die wir in den Anfängen der B. K.
empfingen, oft leichtfertig verschmäht haben im Ungehorsam. Unser Wort und unsere Tat brachen oft auseinander. Jetzt aber, da wir die gerechten
Früchte
ernten,
beginnen
wir einander zu beschuldigen, ja wir murren gegen den Weg, der durch unseren eigenen Ungehorsam verdorben wurde und uns ebendarum keine Freudigkeit mehr bereitet. Lassen Sie es mich noch einmal versuchen anders zu sagen: Es gibt Kirchenkampf als Gesetz und Kirchenkampf als Evangelium. Uns ist zur Zeit der Kirchenkampf weithin zu einem Gesetz geworden, gegen das wir uns auflehnen, zu einem drohenden,
zornigen
Gesetz,
das
uns
niederschlägt.
Kein
Mensch kann den Kirchenkampf als Gesetz tragen und führen, ohne daran zugrunde zu gehen und gänzlich zu scheitern. Kirchenkampf als Gesetz heißt Kirchenkampf ohne Freudigkeit, ohne Gewißheit, ohne Vollmacht, heißt Kirchenkampf
ohne Verheißung. Wie kommt es dahin? Es geht hier nicht anders zu als im persönlichen Leben. Das gnädige Wort Gottes, dem wir uns im Ungehorsam entziehen, wird uns zum
harten Gesetz. Was im Gehorsam getan ein sanftes und leichtes Joch ist, wird dem Ungehorsam eine unerträgliche Last. Je mehr wir uns im Ungehorsam gegen das gnädige Wort verstockt haben, um so schwerer wird die
Umkehr, um so wider-
spenstiger lehnen wir uns gegen Gottes Anspruch auf. Aber wie es im persönlichen Leben nur den einen Weg gibt, den der Umkehr, der Buße unter Gottes Wort, in der uns Gott
die verlorene Gemeinschaft wieder schenkt, so geht es auch im Kampf der Kirche. Ohne Buße, d. h. ohne daß uns der
302
Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935— 1939
Kirchenkampf selbst zur Buße wird, empfangen wir das verlorene Geschenk eines Kirchenkampfes als Evangelium nicht zurück. Auch wenn der Gehorsam der Buße heute wohl
schwerer ist als damals, da wir ihn schuldig blieben — Gott will uns nur so wieder auf den rechten Weg helfen. Lieber Bruder, wenn ich zu Ihnen, der Sie noch kein festes Amt in der Kirche haben, so spreche, so weiß ich, daß Sie vielleicht die geringste Schuld an all dem tragen. Ja, es wurde manches an Ihnen exerziert, dem der Amtsträger sich entziehen konnte. Aber muß Sie nicht dies gerade mit besonderer Freude und Dankbarkeit erfüllen, daß die Kirche von
Ihnen erwartet, den ganz klaren Weg zu gehen? Daß gerade auf Sie heute eine Verantwortung fällt, wie sie vielleicht noch
nie auf einer jungen Theologengeneration in unserer Kirche gelegen hat? Die B. K. in Pommern muß erst entstehen. Es wird, menschlich geredet, auch von Ihnen abhängen, ob Sie
entstehen kann oder nicht. Wir sind inder vergangenen Woche verbunden gewesen durch unseren Meditationstext aus Haggai 1; dort heißt es: „Dies Volk spricht: Die Zeit ist noch nicht da, daß man des Herrn Haus baue. Und des Herrn
Wort geschah durch den Propheten Haggai: Aber eure Zeit ist da, daß ihr in getäfelten Häusern wohnt und dies Haus muß wüste stehen?“ Haggai 1, 2—4. Es kann mir ja gar nichts daran gelegen sein, Sie, wie man so sagt, „wieder ge-
rade zu stellen“, Sie zu überreden. Aber mit Gottes Wort Ihnen den Mut, die Freudigkeit, den Glauben an Jesus Christus, der mit seiner Bekennenden Kirche ist und bleiben wird,
ob Sie mitgehen oder nicht, wieder zu erwecken, daran lieg: freilich alles. Wissen sollen Sie, daß der Glaube, der bei Ihnen zu erlöschen droht, in vielen Gemeinden und Pfarrhäusern noch lebt wie am Anfang, daß einsame Brüder in Pommern und außerhalb auf verlorenem Posten diesen Glauben bezeugen mit größter Freudigkeit. Die Kirche Jesu Christi, die von
seinem Wort allein lebt und ihm allein gehorsam sein will in
An die jungen
Brüder
in Pommern.
1938
303
allen Dingen, lebt noch und wird leben und ruft Sie zurück aus der Versuchung und Anfechtung. Sie ruft Sie zur Buße und warnt Sie vor der Untreue, an deren Ende die Verzweif-
lung stehen muß. Sie bittet für Sie, daß Ihr Glaube nicht wanke.
Aber nun noch einmal zurück zu Ihren eignen Fragen: Sie sagen, die Lage sei heute eine andere als damals in den Anfängen; darum müßten wir anders handeln. Ich könnte mir nur eine einzige Veränderung der Lage denken, die auch unser Handeln verändern könnte, nämlich die, daß die Konsistorien, der E.O.K.! etc. uns die Verantwortung einer bekenntnismäßigen Leitung der Kirche abnähmen. Daß davon bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der Kirchenbehörden keine Rede ist, kann nur der bezweifeln, der sich selbst Sand in die Augen streut. Daß aber die Lage von außen her
bedrohlicher aussieht als vorher, daß die Inanspruchnahme der Kirche durch nichtkirchliche Gewalten fortschreitet, könnte uns doch nur veranlassen, uns stärker dort zusammenzuschließen, wo der Einbruch noch nicht erfolgen konnte, nämlich in der B. K. Sie sagen, die B. K. gebe die Möglichkeiten, in die Gemeinden
hineinzukommen, d. h. Möglichkeiten der Evangeliumsverkündigung preis. Erinnern Sie sich, daß ebenso die D.C. argumentierten und daß böse Früchte daraus erwuchsen?
Sehen Sie denn nicht, daß Sie mit einer Unterstellung unter das Konsistorium sich selbst gerade zum Handlanger der säkularen Gewalten machen, die die Gemeinden wahrhaftig nicht dem Evangelium, sondern einer ganz anderen Lehre erschließen wollen? Sie sagen, Sie würden sich unter dem Konsistorium nur an Schrift und Bekenntnis halten. Erinnern Sie sich, wer das alles schon vor Ihnen beteuert hat? Und gesetzt der Fall, es 1. Evangelischer Oberkirchenrat.
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
sei möglich — was nicht möglich ist —, vergessen Sie, daß die Kirche größer ist als Ihre Gemeinde? Vergessen Sie Ihre Brüder und deren Gemeinden? Wissen Sie, daß Sie mit Ihrem Schritt zum Konsistorium den Kampf gegen die B. K. auf das allerwirksamste unterstützen? Ist es Ihnen klar, daß ein Bruderrat, der, wie Sie es wünschten, nur eine sogenannte geistliche Leitung ausübte, ein Scheindasein führen würde, das in
einem Augenblick hinweggefegt werden kann? Sie selbst werden dafür verantwortlich gemacht werden, wenn die B. K. so zerschlagen wird. Ihr Schritt zum Konsistorium ist die denk-
bar stärkste Bestätigung des Urteils der Widerchristen gegen die B.K.
Sie beklagen sich über den Bruderrat. Tun Sie das, wenn es sein muß, auch bei ihm selbst! Aber fragen Sie sich bitte auch, ob Sie denn um eines guten oder armseligen Bruderrates willen zur B. K. kamen, fragen Sie sich, ob Sie bereit wären, die Sache der B. K. zu vertreten, auch wenn einmal überhaupt kein Bruderrat mehr da wäre; ja, ob Sie gewillt sind, abge-
schnitten von aller Kirchenleitung und brüderlicher Gemeinschaft, ganz allein vor Gott und den Menschen die Bekennende Kirche zu bezeugen und für sie zu leiden? Nein, Sie haben nicht einfach die Wahl zwischen zwei Kirchenregimen-
ten. Sie können doch nicht das, wovon Sie sich im Glauben schieden, nun um irgendwelcher ganz anderer Gründe willen auf einmal wieder bejahen, ohne mit sich selbst und mit ihrem Glauben zu zerfallen. Gottes Wort ruft Sie zu treuerer Mitarbeit in der B. K. unter der Leitung des Bruderrates,
wie schwach beides auch sei. Sie erhoffen für die B. K. keinen Erfolg mehr, Sie sehen keinen Ausweg mehr. Ja, wer von uns sähe denn einen Aus-
weg? Gott allein sieht ihn und wird ihn denen zeigen, die demütig darauf warten. Vielleicht haben wir einmal gehofft, die B. K. würde öffentliche Anerkennung in Deutschland erringen. Aber war diese Hoffnung verheißungsvoll? Gewiß
An die jungen
Brüder
in Pommern.
1938
305
nicht. Nun haben wir eine Kirche glauben gelernt, die unter dem Kreuz ihrem Herrn nachfolgt. Das hat mehr Verhei RBung. Sie sagen schließlich, Sie seien zu allen Opfern persönlicher und beruflicher Art bereit, wenn Sie nur wüßten, warum sie nötig sind. Warum, lieber Bruder? Um keines menschlich sichtbaren Grundes willen, nicht um einer blühenden Kirche noch um einer überzeugenden Kirchenleitung willen, sondern ein-
fach weil der Weg der B. K. auch durch öde Strecken der Dürre und Wüste weitergegangen werden muß und weil Sie nicht in der Wüste zurückbleiben sollen; also um der armen
Kirche willen, die freilich auch ohne Sie weitergehen wird unter der Leitung ihres Herrn, also um Ihres Glaubens willen, um Ihrer Gewißheit willen sollen Sie bei der B. K. bleiben. Was soll nun werden? Es gibt so viele Gründe, und Theologen können alles beweisen. Es wird alles darauf ankommen, ob
uns Gott sein Zeugnis neu ins Herz gibt. Jesus Christus allein kann den Bann brechen. Wir aber wollen einige Aufgaben klar ins Auge fassen. Wir werden nicht zu einer Erneuerung unserer B. K. kommen, wenn wir nicht mit heißem Gebet für sie vor Gott treten. Eine Gebetsstunde für unsere Kirche
und für ihre Leitung sollte uns vereinigen und unsere Gedanken reinigen und klären. Gott wird uns dann wieder auf den rechten Weg führen. Sodann aber wollen wir an das
Versäumte gehen. Um volle theologische Klarheit über die Erkenntnisse der B. K. wollen wir ringen. Nicht ablassen wollen wir, ehe wir festen Fuß gefaßt haben. Allzuleicht gehen wir über Fragen der Wahrheit zur Tagesordnung über.
Wie aber soll eine klare Leitung einer Gemeinde oder einer Kirche möglich sein, ohne eine klare Theologie? Die falschen Fronten des Kirchenkampfes
entstehen immer dann, wenn
die Wahrheitsfrage übergangen wird. Laßt uns das Gespräch auch wieder mit denen aufnehmen, die uns fragend gegenüberstehen! Aber daß es ein Gespräch in letzter Wahrheit sei!
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
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Die Zucht, in die die Pfarrer anderer Landeskirchen in theo-
logischer Arbeit, in Predigt und Katechese genommen werden, macht diesen Kirchen und ihren Pfarrern wahrlich keine
Unehre. Sollte solche Zucht zur gegenseitigen Hilfe und Stärkung nicht wenigstens unter den jungen Brüdern unserer Kirche möglich sein? Das alles geschieht ja nur zu besserem Dienst an unseren Gemeinden. Hier gilt es nun endlich,
den Aufbau einer pommerschen
Bekenntnissynode vorzu-
bereiten. Dazu brauchen wir Ortsbruderräte, Kreisbruderräte. Und wenn wir einmal soweit sein werden, dann beginnt erst das unerschöpfliche Arbeitsgebiet, das der Beken-
nenden Kirche eigenste Aufgabe ist, die Ordnung des kirchlichen Lebens in Taufpraxis, Patenamt, Unterricht, Konfırmation, Beichte und Abendmahl, Visitationsamt usw. Schon
gibt es Kirchenkreise in der B. K., die diese Fragen ernsthaft in Angriff nehmen.. Aber es gibt auch keine Instanz, die
diese Arbeit unter der alleinigen Anleitung des Wortes Gottes tun könnte, es seien denn die Organe der B. K. Arbeit gibt es genug. Wir müssen sie nur endlich anfassen.
Bevor ich schließe, noch ein Wort zu der Broschüre von P. Schütz: Warum ich noch Christ bin? Sie ist hervorragend in dem Versuch, die Dinge und in großer Offenheit sehen. Aber sie hat dennoch tung eingetragen. Warum?
immer wieder mit neuen Worten für die Fragen von draußen zu manchem statt Hilfe nur AnfechWeil sie zuletzt doch von einer
unmöglichen Voraussetzung ausgeht. Schütz sucht die Kirche in der Haltung, in dem Antlitz der Christen. Wir aber suchen die Kirche allein in Gottes Wort. Schütz’ Buch macht unheimlich weich; denn es läßt den Menschen beim Menschen. Aber „es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches
geschieht durch Gnade“. Fest wird unser Herz allein durch Gottes Wort und Sakrament. Lassen Sie wieder von sich hören. Es grüßt Sie Ihr getrener Dietrich Bonhoeffer
Grüße für Martin
Niemöller
307
Handschriftliche Eintragung in „Nachfolge“ als Widmung für Martin Niemöllert:
Herrn Pfarrer Martin Niemöller zum Advent 1937 als brüderlicher Dank. Ein Buch, das er selbst besser schreiben könnte als der Verfasser.
Friedrichsbrunn, 18. April 1938 Liebe Frau Niemöller!
In dieser Karwoche gehen die Gedanken vieler Menschen, auch vieler junger Theologen, die an Ihrem Mann hängen und täglich für ihn beten, zu Ihnen und zu Ihren Kindern.
Gott hat es so gefügt, daß nun von Ihrem Haus ein besonderer Segen ausgehen soll auf die Gemeinde und die ganze Kirche; und es dient ja wirklich allein zur Ehre Gottes und seiner Kirche, wenn wir Draußenstehenden hören, daß Sie
in aller Traurigkeit fest und zuversichtlich und geduldig bleiben können. Das ist eine große Gnade Gottes, für die wir dankbar sind. Es ist doch auch eine große Freude, daß immer noch Menschen nach Ihrem Mann fragen, wo man auch hinkommt, und daß bei den Besuchen auf den Behörden ein-
fache Gemeindeglieder mit großer Festigkeit dasselbe Zeugnis ablegen, für das Ihr Mann leidet. Das wirkt auf die Gemeinde mächtig zurück. — Gott schenke Ihnen und Ihren Kindern in alledem die große Freude des Osterfestes.
In der Verbundenheit täglicher Fürbitte grüßt Sie in großer Verehrung und Dankbarkeit®. Ihr Dietrich Bonhoeffer 1. Seit 1. Juli 1937 in Haft.
j
2. Bonhoeffer sandte bis zu seiner eigenen Verhaftung zu jedem Weihmachten ein Geschenk an Frau Else Niemöller.
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Verteidiger
der BK.
1935 —1939
Der Eid und die Essener Verhandlungen An den Altpreußischen Bruderrat Berlin. Den 11. August 1938
Es bedeutet für einen Bekenntnispastor einen schweren Entschluß, der Entscheidung einer altpreußischen Bekenntnissynode! widersprechen zu müssen, gerade wenn er auf den bisherigen Dienst dieser Synoden nur mit großer Dankbar-
keit und Ehrerbietung zurückblicken kann, wenn er von dem Segen und der Verheißung Gottes weiß, die auf den bisherigen Synoden gelegen haben. Aber eine Synode, die es gewagt
hat, eine Majoritätsentscheidung herbeizuführen und damit von dem urchristlichen Grundsatz der Einmütigkeit synodaler Entscheidungen (jedenfalls wo christlicher Glaube und christliches Leben betroffen sind) abzuweichen, eine Synode, die die geistliche Vergewaltigung einer starken Minorität verantworten zu können glaubt (gewiß in der Meinung, mit einer „Weisung“ gerade einen entscheidenden brüderlichen Dienst in einer so schweren Sache zu leisten), muß ja damit rechnen, daß der Dissensus der Synode weit über diese hinaus
in Pfarrerschaft und Gemeinden hineinreicht. Dennoch bleibt es für einen, dem die synodale Verantwortung nicht obgelegen hat und der sich daher in seinem Urteil nur an das Er1. 6. Bekenntnissynode der APU 11.—13. Juni 1938 in Nikolassee; zweite Sitzung Steglitz 31. Juli 1938, siehe W. Niesel „Um Verkündigung und Ordnung der Kirche“, Bechauf-Verlag, S. 62—64 und 67—69. Der Oberkirchenrat (Dr. Werner) forderte unter Entlassungsandrohung den im staatlichen Beamtenrecht vorgesehenen Treueid auch von den Pfarrern seit April 1938 (Geburtstagsgabe an Hitler!). Nach langem Widerstand
gab die Synode die Eidesleistung unter Empfehlung einer persönlich abzugebenden Eideserklärung frei, in der Annahme, der Staat habe den Eid
gefordert, was der Reichsleiter Bormann erklärte,
nach dem Desaster für irrig
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gebnis selbst halten kann, schwer genug, sich einer Synode,
die unter dem Gebet um die Leitung durch den Heiligen Geist
gestanden hat, als einzelner entgegenzustellen. Die Gefahr der superbia muß ihm bewußt sein, und er muß bereit sein,
sich zu besserer Erkenntnis und zum Gehorsam rufen zu lassen. Auf Grund der Synodalbeschlüsse der 2. Sitzung der sechsten Bekenntnissynode kann ich nicht anders als gegen diese Beschlüsse den Vorwurf zu erheben, daß sie gegen die christliche Brüderlichkeit verstoßen und sich mit schuldig machen an der Verwirrung und Versündigung der Gewissen. 1. Von der mir auferlegten Verantwortung habe ich als erstes zu sagen, daß der Synodalbeschluß die jungen Prediger unserer Kirche in schwere Bedrängnis bringen muß. Angenommen, daß (Punkt 1) die Frage der staatlichen Forderung des Eides wirklich nicht weiter zu klären gewesen wäre, so bleibt es doch höchst beunruhigend, daß nicht einmal dort, wo es um unmittelbare Forderungen an Dr. Werner geht (Punkt 2—4), die Synode auf der völligen Klärung ihrer not-
wendigen Forderungen bestanden hat. Zu Punkt 2: Inwiefern hat Dr. Werner
die Eideserklärung
„angenommen“,
wenn das weder im Eidesprotokoll selbst noch etwa im Amtsblatt der DEK öffentlich festgelegt wird? Daß die Erklärung zu den Personalakten gegeben werden kann, macht gerade deutlich, daß hier nicht kirchlich, sondern persönlich entschieden wird. Solange nicht die Eideserklärung als kirchliche Erklärung allgemein und öffentlich angenommen wird,
ist auch keine verantwortliche kirchliche Regelung getroffen. Es wird an diesem Punkt bereits deutlich, daß die gesamte
Frage nicht unter dem Gesichtspunkt verhandelt und gelöst worden ist, was die Kirche Jesu Christi um der Heiligkeit des Eides willen in einer und dieser Eidessache zu sagen und
zu fordern hat, ganz ungeachtet, was für Folgen das haben kann, sondern daß gefragt wurde, wie der einzelne Pfarrer persönlich ohne allzu schwere Gewissensbelastung diesen Eid
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Kritischer
Verteidiger
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leisten könne. Das aber ist eine andere Frage, und so ist bis-
her jedenfalls in der BK nicht gefragt worden. Es wird wohl auch hier der Grund dafür zu suchen sein, daß es der Synode so wenig gelungen ist, auch diese Eidessache zu einem vernehmlichen Bekenntnis zu dem Herrn Jesus Christus werden zu lassen. Warum hat die Synode sich mit privaten Versiche-
rungen für den Einzelfall begnügt und nicht darauf bestanden, daß Dr. Werner die Annahme der Eideserklärung
öffentlich auch vor den Augen des Staates als des eigentlichen Eidespartners ausspricht? Warum hat man sich hier mit einer Unklarheit zufrieden gegeben und damit allen jungen Brü-
dern die gefährliche Frage nahe gelegt, warum eigentlich sie allein immer wieder auf letzter Klarheit in ihrem Verhältnis zum Konsistorium bestehen sollen, wenn
zwischen den
beamteten Pfarrern und Dr. Werner so unklare Verhältnisse obwalten dürfen, ja von der Synode gebilligt werden? Entsprechend steht es mit Punkt 3 und 4. Die öffentliche Anerkennung der Bindung an das Ordinationsgelübde ist, so weit ich sehen kann, eben gerade nicht klar öffentlich und jedermann verständlich ausgesprochen worden. Punkt 4 bringt für den unbefangenen Leser zum Ausdruck, daß die Eidesansprache des EOK eben grundsätzlich nicht gefallen ist, sonst hätte man sich wohl nicht mit irgendwelchen mündlichen und schriftlichen Erklärungen begnügt, als käme solchen auf ein-
nal irgendwelcher kirchlicher Wert zu. Wäre hier gesamtkirchlich und nicht privat gedacht worden, so hätte man sich wohl auch gerade in dieser Sache der jungen Brüder erinnert und schon um ihretwillen auf voller Klarheit, Offentlichkeit, Wahrhaftigkeit bestanden, statt daß man ihnen ein mindestens sehr fragwürdiges Vorbild für kirchliche Entscheidungen gab und ihr Gewissen beschwerte. Es wäre gerade von
hier aus dringend erwünscht gewesen, es nicht für überflüssig zu halten, das Urteil der von der BK Ordinierten und nicht öffentlich anerkannten Brüder in dieser Sache, die ja wahr-
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haftig auch sie angeht, zu hören. Das ist meines Wissens auch in den verschiedentlichen Vorbesprechungen — und ich stelle
dies ausdrücklich und mit tiefem Bedauern fest — nicht der
Fall gewesen. Noch nie hat die Bekenntnissynode ihre jungen Prediger so allein gelassen, wie in dieser nicht revozier-
baren Entscheidung. 2. Persönlich habe ich folgendes hinzuzufügen: Wenn ich recht sehe, hatte die zweite Sitzung zu ihrem Gegenstand nicht mehr die theologische Frage nach der Möglichkeit eines und dieses Eides überhaupt gemacht, sondern sie hatte sich geschäftsordnungsmäßig gebunden, nur zu prüfen, ob die er-
hobenen Forderungen der ersten Sitzung inzwischen erfüllt seien; d. h. sie
hatte nicht eine Bekenntnisfrage zu beant-
worten, sondern ein Urteil über vorliegende Tatsachen abzugeben. Dieses Urteil fiel innerhalb der Synode verschieden
aus. Selbst dort, wo gemeinsame bekenntnismäßige Voraussetzungen bestanden, war keine Einmütigkeit in der Beurteilung der gegebenen Tatsachen zu erzielen. (Ich sehe hier davon ab, daß man berechtigte bekenntnismäßige Bedenken schon gegen die Beschlüsse der ersten Sitzung erheben konnte und daß es daher tief bedauerlich war, daß die zweite Sitzung
tagesordnungsmäßig darüber hinwegging oder gehen mußte.) Die Lage auf der zweiten Sitzung war jedenfalls die, daß
Deutung gegebener Tatsachen gegen Deutung stand. Man darf also wohl sagen: Die Frage war hier aus der bekennt-
nismäßigen zu einer persönlichen Gewissensfrage geworden. Die einen glaubten — mit weitem Gewissen — in den vorliegenden Tatsachen gerade noch die notwendigsten Voraus-
setzungen für die persönliche Eidesleistung gegeben zu sehen; die mit dem weniger weiten Gewissen fürchteten, es sei hier
doch noch nicht alles ganz wahrhaftig, ganz klar und lauter, und es sei darum ernstlich zu widerraten, den Eid unter diesen Bedingungen schon zu leisten. Unter diese Notlage hat
sich die Synode nicht gebeugt, sie hat nicht in geistlicher
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Kritischer
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Ruhe und Geduld das Gespräch noch einmal ganz von vorn aufgenommen
in der Gewißheit,
der Heilige Geist könne
auch eine entzweite Synode wieder zur Einmütigkeit zurückführen, sie hat es nicht gewagt, die Sitzung abzubrechen, die Sache Gott zu befehlen, die Fürbitte der Pfarrer und Ge-
meinden anzurufen, um dann nach einiger Zeit noch einmal in derselben Sache zusammenzutreten und um Einmütigkeit
zu ringen. Die Synode hat vielmehr kurzerhand zu einer eigenmächtigen Gewaltlösung gegriffen. Sie hat die Brüder angewiesen, den Eid zu leisten und hat damit (gewiß in der Meinung, gerade einen brüderlichen Dienst zu tun) gegen
die Regel der brüderlichen Liebe, wie sie im Neuen Testament gegeben ist, verstoßen und sich an der Verwirrung der Gewissen und an ihrer Schuld mitschuldig gemacht. Römer 14, 1 Den Schwachen im Glauben nehmet auf und verwirret die Gewissen nicht. Römer 14, 15 So aber dein Bruder über deiner Speise betrübt wird, so wandelst du schon nicht nach der Liebe. Verderbe den nicht mit deiner Speise, um welches willen Christus gestorben ist. Römer 14, 21 Es ist besser, du essest kein Fleisch und trinkest keinen Wein und tuest nichts, daran sich dein Bruder stößt oder ärgert oder schwach wird. Römer 14, 23 Wer aber darüber zweifelt und ißt doch, der ist verdammt; denn es geht nicht aus dem Glauben. 1. Kor. 8, 9 ff. Sehet aber zu, daß diese Eure Freiheit nicht gerate zu einem Anstoß der Schwachen! Denn so dich, der du die Erkenntnis hast, jemand sähe zu Tisch sitzen im Götzenhause, wird nicht sein Gewissen, dieweil er schwach ist, verursacht, das Götzenopfer zu essen? Und wird also über deiner Erkenntnis der schwache Bruder umkommen, um welches willen doch Christus gestorben ist. Wenn ihr aber also sündiget an den Brüdern und schlaget ihr schwaches Gewissen, so
sündiget ihr an Christo.
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Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder es handelt sich um eine Bekenntnisfrage und die Majorität sieht ihre Entschei-
dung als die Entscheidung des Heiligen Geistes an; dann muß
nach Belehrung der Irrenden gegen diese Lehrzucht geübt werden und schließlich im Falle des Versagens die Gemeinschaft mit ihnen aufgehoben werden. Dann wird also die Anwendung von $ 4 (Dienstentlassung) nach der Meinung der Synode für diese irrende Majorität mit vollem Recht in Kraft treten. Die dissentierenden Brüder sind damit aus der Gemeinschaft der Bekennenden Kirche ausgestoßen. Oder es handelte sich um ein verschiedenes Gewissensurteil; dann
aber verstieß man mit der Weisung zu schwören („Fleisch zu essen“, „Götzenopfer zu essen“) gegen die schwachen Brüder, denn in der Gemeinde gilt die Regel, daß der Starke lieber auf seine Freiheit verzichten soll, als daß er den Schwachen verwirrt und zum Sündigen zwingt. Jeder Zwang gegen schwache Gewissen macht sich schuldig an Christus, der um der Schwachen willen gestorben ist. Die „Weisung“ der Synode bedeutet die unbrüderliche und schuldhafte Preisgabe der Schwachen und die Aufrichtung eines unerträglichen Gesetzes in der Gemeinde. Eben weil es der Majorität nicht
möglich ist, auf Grund von Schrift und Bekenntnis die Dissentierenden zur Zustimmung zu den Beschlüssen der 2. Sitzung zu überführen, sondern weil es sich hier um eine ver-
schiedene Auffassung von Tatbeständen handelt, darum muß die Freiheit des einzelnen Gewissens, das nach voller Wahrhaftigkeit verlangt, geachtet werden. Es wäre wahrhaftig eine gefährliche Rede, wollte man diesen dissentierenden Brüdern einreden, ihr Verlangen sei schwärmerisch, wir seien
nun einmal Sünder, darum pecca fortiter. Das wäre schwerster Mißbrauch des Hauptartikels unserer evangelischen Kirche. Ich kann mich dem Eindruck schwer entziehen, als sei in dieser Weisung der Synode das Urteil der Welt über
die brüderliche Liebe zu den Schwachen und über die Gemein-
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schaft der Kirche gegangen. Die Synode schiebt die Unklarheit in der Eidessache den anderen zu und betrachtet die Gewissen der Dissentierenden nur noch als „zu lösende*“. Wo hat dieser letzte Begriff eigentlich im Neuen Testament Raum? (An Mt. 16, 19 dürfte hier wohl ernstlich nicht gedacht sein!?) 3. Was ist zu tun? Die Eidesleistungen werden auf die Verantwortung der Synode hin in den nächsten Tagen unwider-
ruflich stattgefunden haben, manche Gewissen werden dadurch belastet sein. Die Zertrennung, die damit in der BK angerichtet ist, ist — menschlich — nicht wieder gutzumachen.
Das ist der besondere Ernst dieser Eidessache. Ich kann die Schuld, die die BK durch die „Weisung“ zur Eidesleistung auf sich geladen hat, nur als die Folge eines Weges ansehen, auf dem der Mangel an Vollmacht, an Bekenntnisfreudigkeit, Glaubensmut und Leidensbereitschaft schon längere Zeit mitten unter uns spürbar geworden ist. Es wird keinem verborgen sein, daß das vielen Gemeindegliedern und Pfarrern
eine schwere Anfechtung bedeutet. Werden wir daraus lernen? Wird die BK willig sein, ihre Schuld und Entzweiung offen zu bekennen? Wird sie dem Gebet um Vergebung und um einen neuen Anfang den Raum geben, der ihm in dieser
Stunde gebührt? Wird sie so der Wahrheit die Ehre geben und die nach Wahrheit allein verlangenden Gewissen der abgesplitterten Brüder wieder trösten und an Gottes Wort
binden können? Werden die Bekenntnissynoden lernen, daß es nötig ist, allen Gefahren und Schwierigkeiten zum Trotz in der von der Sache gebotenen Ruhe und Geduld zu beraten
und zu entscheiden? Werden sie ein für allemal gelernt haben, daß Majoritätsbeschlüsse in Gewissensdingen den Geist töten? Wird die Bekenntnissynode die Vollmacht haben, wieder zu den jungen Brüdern zu sprechen? Sieht sie die Gefahr,
in die sie ihr Wort durch die letzte Sitzung gebracht hat? Das sind heute offene Fragen.
Neuordnung
der DEK?
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Ich lege noch einige Zitate von Vilmar! bei, die für meine
Auffassung vom Eid bestimmend geworden sind.
Ich bitte den Bruderrat zu verzeihen, was falsch gesehen und
geurteilt ist und mir entsprechende Belehrung zuteil werden zu lassen. Dietrich Bonhoeffer
[Essener Verhandlungen zur Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche] z. Z. Göttingen, den 10. September 1938 Herzbergerlandstr. 55
Herrn Präses D. Koch-Oeynhausen Herrn Präses Müller-Dahlem Ihr Brief und der „Entwurf einer Ordnung zur Bestellung
einer Kirchenleitung“? ist mir zugegangen. Ich muß den Entwurf um der Sache der Bekennenden Kirche willen ablehnen.
Die Verleugnung der uns von Gott geschenkten Erkenntnisse der Barmer und Dahlemer Synode ist hier offenbar geworden. Auf diesem Wege liegt keine Verheißung, weil er mit Un1. Siehe Finkenwalder Brief vom 23. August 1938. Seite 539—541. 2. Essener Verhandlungen eingeleitet durch Iwand und Held, um Bruderräte und Landeskirchliche Konferenz an einen Tisch zu bringen. 12. April 1938 Vorbesprechung in München zwischen Meiser, Wurm, Iwand, Held u. Koch. 27.—30. April 1938 „Essen I“, gemeinsames Gutachten über die Bedeutung von Barmen; 8. Juli „Essen II“, Entwurf einer Übergangsordnung zur Befriedung der DEK, von Koch unterzeichnet;
23. August
„Essen
III“,
Entwurf
einer
Ordnung
zur
Bestel-
lung einer Kirchenleitung in Altpreußen, 24 Unterschriften; Begleitschreiben von Präs. Koch und Müller-Dahlem, das u. a. besagt, der Entwurf werde dem EOK und staatlichen Stellen zugeleitet. (Siehe G. Niemöller, „Die erste Bekenntnissynode der DEK und ihre theologische Erklärung“, Manuskriptdruck Bielefeld 1954, Seite 231 ff.)
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dankbarkeit gegen Gottes Gaben an seine Kirche und mit Unklarheit begonnen wird. Ich sehe es als meine Pflicht an, diesem Entwurf entgegenzuwirken. Sie bitten um eine „umgehende“ Zustimmungserklärung zu Ihren Plänen. Sie haben darüber hinaus bereits den EOK und die staatlichen Stellen von dem Entwurf in Kenntnis gesetzt. Damit üben Sie einen verhängnisvollen Druck auf uns aus in einer Sache, für die Sie gründlichste Beratung und Prüfung erbitten sollten. Da ich nun keine Zeit verstreichen lassen darf, erhebe ich, vor-
behaltlich einer ausführlichen Begründung und der Korrektur, vorerst folgende Einwendungen: 1. Das Verschweigen der Barmer und Dahlemer Synode bei
der Neubildung einer Kirchenleitung ist nicht nur ein taktisches Manöver, das sich in kürzester Zeit rächen muß, sondern es bedeutet zugleich eine theologische Entscheidung, die die BK aufspalten muß. Jeder Bekenntnispfarrer muß daranf bestehen, zu erfahren: Gilt Barmen (mit sämtlichen Punk-
ten) oder gilt es nicht? Wird die neue Kirchenleitung auf Barmen stehen und verpflichtet sein oder nicht? Davon wird unsere Entscheidung abhängen. Warum wird im Entwurf nicht gesagt, was es konkret bedeutet, „die Bekenntnisse... in Verkündigung, Ordnung und Handeln ernst zu nehmen“, warum läßt man hier eine Unklarheit obwalten® Warum spricht man nicht aus, was heute „alles abgewehrt“ werden muß um des Zeugnisses Jesu Christi willen? Eben dies hat Barmen und Dahlem getan. Warum wird der Anschein erweckt, als verstünde sich hente von selbst, was sich seit fünf Jahren nicht von selbst verstanden hat? Durch Ihren Entwurf
wird Barmen und Dahlem zur kirchlichen Episode gemacht. Damit wird die Kontinuität der BK, die von Barmen über
die reformatorischen Bekenntnisse, die Symbole etc. bis zur Heiligen Schrift zurückgeht, preisgegeben. Damit aber ist Barmen kein verbindliches Bekenntnis der Kirche mehr. 2. Wer ist wahlberechtigt? Werden die jungen, von der BK
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der DEK?
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ordinierten und allein um des falschen Kirchenregimentes willen nicht ins Amt gekommenen Pastoren wahlberechtigt sein? Wenn nicht, wie will man es kirchlich verantworten,
daß man gerade diesen Brüdern, die den Weg der BK am deutlichsten gegangen sind, die Stimme versagt? Es ist in der Tat kirchlich nicht zu verantworten, höchstens aus falscher Rücksichtnahme auf solche, die von der BK nichts wissen und nichts wissen wollen.
3. Wer wird den Wahlvorschlag vorlegen? Ein privater Kreis von Männern der Kirche, die hierfür keinen kirchlichen Auf-
trag haben? Auf Grund welcher Richtlinien wird der Wahlvorschlag zustande kommen? Die Unterschriften des Entwurfs, die nach Ihrer Meinung ersichtlich machen, „wie umfassend bereits der Kreis derer ist“, der hinter Ihrem Vorhaben steht, lassen mich gerade solche Namen vermissen, die das Vertrauen besonders der jungen Pastoren der BK in besonderer Weise genießen (z. B. Albertz, Niesel, Scharf, Vogel, Staemmler, Anz, de Boor u. a.), statt dessen finden sich zahlreiche Namen, die nicht gerade geeignet erscheinen, um kirch-
liches Vertrauen zu erwecken. 4. In welchen Konsistorien der APU sind nach Ihrer Meinung noch solche Theologen und Juristen zu finden, denen man es zutrauen darf, daß sie die geforderte Erklärung ohne ver-
derbliche innere Vorbehalte abgeben können? 5. In das Ordinationsformular der BK ist die Verpflichtung auf Barmen aufgenommen worden. Soll das künftig wegfallen? Dürfen Sie es wagen, angesichts derselben Brüder, die Sie öffentlich vor Gott und der Gemeinde auf Barmen ver-
pflichtet haben, jetzt Barmen totzuschweigen? Wer noch in Barmen und Dahlem Gottes Weisung für seine Kirche erkennt und dankbar bis zur Stunde dazu steht, wer in der gegenwärtigen Not der BK nur die Stunde der Prüfung und Bewährung erkennt, der darf Ihrem Entwurf nicht zustim-
men.
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6. Sagen Sie bitte nicht, es sei aus mannigfachen Gründen
höchst unklug, gerade jetzt Opposition zu treiben. Was klug oder unklug ist, wissen wir in dieser Lage alle nicht. Aber daß es nicht geraten ist, gegen Gottes klare Weisung, gegen die erkannte Wahrheit und gegen das Gewissen zu handeln, das ist gewiß. Sie wissen selbst, welche Verwirrung die 6. Synode! in der BK angerichtet hat. Wir hatten nach dieser Niederlage in der Tat ein anderes, ein geistlicheres Wort unserer Kirchenleitung erwartet. Was uns nun angeraten wird, ist die
Selbstaufgabe der Bekennenden nicht mehr folgen.
Kirche.
Hier werden
wir
Dietrich Bonhoeffer
[Frau Ruth von Kleist-Retzow an den Herausgeber:] Stettin, 14. Dez. 1938
... Heute war ich in der 172 und was erfuhr ich!! Den Rat der A.P.U., den Eid vorläufig nicht abzulegen! Ich erstarrte innerlich vor Entsetzen. Jetzt, nachdem sie ihn bis auf 3, die auf Urlaub waren, geleistet haben ....! Ich finde es so gräßlich, daß mir das
Blut in den Adern stockt. Frau von Mackensen gab mir das Schreiben mit auf meine Bitte. Sie werden es ja auch haben. Wie gibt es zu denken, daß man sich auf die „Indizienbeweise“ verließ und danach handelte. Nun wird eine Anfrage an den Präsidenten des
Oberkirchenrates
losgelassen! Ich fühle nur eins: Dietrich muß
erreichen, daß der B. R.3 der A. P.U. in einem deutlichen Wort um Verzeihung bittet, daß er seine Herde in Irrtum geführt habe, — Wenn ich an die Gewissensnöte der einzelnen Pastoren denke, bis
sie dann mit verletztem Gewissen doch geschworen haben, will 1. 6. Bekenntnis-Synode der APU; erste Tagung 11.—13. Juni 1938 in Nikolassee; zweite Tagung 31. Juli 1938 in Steglitz; gemeint hier deren Beschlüsse zur Eidesfrage. 2. Büro des Pommerschen Bruderrates, Stettin, Pölitzerstr. 17. 3. Bruderrat.
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mir das Herz stillstehen. Und nun teilen sie nur den Sachverhalt mit und setzen hinzu, daß sie eine „Anfrage“ an die unzuständige
„zuständige“ Stelle gerichtet haben. Sie müßten doch völlig zer brochen sein durch die Erkenntnis, daß sie falsch geführt haben, weil sie sichleichtfertig auf „Indizienbeweise“ verließen, die sich nun als irrig erwiesen. Ach, es bleibt dabei: „Hier irren wir und fehlen, gehüllt in tiefe Nacht...“ Aber es muß bekannt werden, weil die Größe der Schuld unermeßlich ist. Rei-
mer soll seinen Austritt angemeldet haben und sehr grob geschrieben haben... Aber ohne von dieser Tatsache noch zu wissen. Wie wird sie ihn entsetzen und vollends verhärten! Ich hatte den Eindruck, daß der Pom.B.R. sie nur den drei Ungeschworenen
weiter gegeben hat. (Vielleicht dennoch den Konventsleitern.) Aber Frau v. M. war auch sehr geknickt. Von Anbeginn hat mich Kochs Begründung nicht überzeugt; sie war eben doch eine Eselsbrücke. Und wer hatte Recht? D. B.!1 Ich sollte das wohl alles gar nicht schreiben, aber es brodelt noch in mir.
Und als Ergänzung nahm ich das Schreiben über Essen mit und las es eben. Ich verstehe ja nichts von rechtlichen Fragen, aber es kommt mir vor, als solle da nun eine „Landwirtschaftliche Einund Verkaufsgenossenschaft“ nen gegründet werden!! Verstehe ich es denn falsch, wenn bei diesem Wahlsystem auch Deutsche Christen genommen werden können? Wann predigten sie nicht „Chri-
stus“? Die „einmalige und vollkommene Offenbarung“ werden sie um den Preis des Hineinkommens schlucken. Ach, wie muß Ihnen dabei zu Mut sein, wenn es mich schon so tief trifft. Ich freue
mich, daß Brandt sich zu Sonnabend-Sonntag angesagt hat (falls er noch losgelassen wird aus seiner Kaserne), und daß ich dann
mit ihm über alle diese Fragen reden kann. Ich kann am allerwenigsten eigentlich die Juristen begreifen, die den „Indizienbeweis“ feststellten. — Der Essener Entwurf kommt mir wie lauter glatter, ungeschminkter Unglaube vor, wenn ich schon allein den Salat
von Unterschriften betrachte...
1. Dietrich Bonhoeffer
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Kritischer
Verteidiger der BK.
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Unser Weg nach dem Zeugnis der Schrift! Liebe Brüder! Zu ernster Besinnung und zu neuer Freudigkeit am Wege der Kirche Jesu Christi möchten wir Euch durch dieses Wort
rufen. Allein die Heilige Schrift vermag unsere Besinnung recht zu leiten und uns volle Freudigkeit und Zuversicht zu geben. Darum bitten wir Euch, den Weg unserer Kirche mit
uns am Zeugnis der Schrift zu prüfen und Euch dadurch auf den festen Grund des göttlichen Wortes stellen zu lassen. Die Frage, um die es heute noch einmal gehen muß, heißt2:
Haben die Synoden von Barmen und Dahlem schriftgemäß gelehrt? Die Tatsache, daß diese Frage? nach vier Jahren erneut verhandelt werden muß, muß uns in erster Linie zu denken geben. Es könnte ja sein, daß wirklich weithin vier
Jahre lang gearbeitet und gehandelt worden ist, ohne daß diese Frage vor Gott entschieden war, daß Ihr Euch also vom Bruderrat habt ausbilden, prüfen und ordinieren lassen, ohne von Gottes Wort dazu gezwungen worden zu sein.
Dann stünden wir heute tatsächlich in der Situation des Jahres 1934. Das wäre jedenfalls eine klare Lage, und die Frage nach der Schriftgemäßheit von Barmen und Dahlem käme zwar verspätet, aber doch als echte Frage zu uns. Es könnte
auch sein, daß wir uns einst von der Schrift auf den Weg von Barmen und Dahlem haben führen lassen, und daß wir 1. Konferenz
der illegalen
„jungen Brüder“
derrat (anwesend: von Thadden,
Pommerns
mit dem Bru-
de Boor, Bartelt, Baumann, Reimer u. an):
Dieser Vortrag wurde wahrscheinlich am 26. Oktober 1938 gehalten, dann als Rundbrief verschickt, dabei „Sie“*-Anrede in „Ihr“ verändert, 2. Vortrag statt dieser Einleitung lautet: „Die unter Ihnen zur Diskussion gestellte Frage, in die dieser Vortrag einführen soll, lautet: .. .“ 3. Vortrag: „. . . in unserer Provinz... =
Unser Weg nach dem Zeugnis der Schrift
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heute wiederum allein von der Schrift her Einspruch gegen unsere damalige Erkenntnis zu erheben gezwungen sind, daß wir also eine bessere Schrifterkenntnis gegen Barmen und Dahlem ins Feld zu führen hätten. Wir hätten also _ von einem schriftwidrigen Weg zu einem schriftgemäßen Wege zu rufen. Es war also nicht unbedacht, sondern es war
dann sogar falsch, daß Ihr den Weg zum Bruderrat gegangen seid. Auch diese Situation wäre klar und unsere heutige Frage an die Schrift wäre echt. Es könnte aber auch sein, daß wir
zwar einst von der Schriftgemäßheit der Bekenntnissynoden überwunden wurden, daß wir aber heute angesichts vieler
Umstände, etwa Versagen der Kirchenleitung, Abgang geschätzter Brüder, Behinderung und Bedrükung von allen Seiten in einen allgemeinen Zweifel gefallen sind, und nun, um allen weiteren theologischen, kirchlichen und menschlichen Schwierigkeiten zu entgehen, aus Resignation! nach dem einzig Positiven greifen, was noch sicher zu haben ist, was noch irgendwie Halt, Arbeit, Sicherheit zu bedeuten
scheint, nämlich nach dem Pfarramt unter dem Konsistorium. Jedenfalls aber haben wir uns heute darüber klar zu werden, wogegen sich eigentlich unser Zweifel richtet. Sind wir
zweifelhaft daran geworden, daß wir schwachen Menschen das durchführen könnten, was auferlegt ist? Oder sind wir zwefelhaft geworden an der Schriftgemäßheit der Bekenntnissynoden? Oder sind wir schon so weit, daß wir daran zweifeln, daß die Heilige Schrift uns heute noch Klarheit über Gottes Willen zu geben vermag, wenn wir danach suchen? Ihr werdet versteben, daß je nachdem unsere Frage an die Schrift geartet ist, auch die Antwort eine sehr verschiedene
sein muß. Zweifeln wir an der Durchführbarkeit des uns aufgetragenen Weges durch uns, so werden wir die Schrift nach 1. Vortzag: „. . - aus resigniertem Belatirismus .. .“
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ihrer Verheißung zu fragen haben, die sie den Ungewissen
und Verzagten zu geben hat, so fragen wir nach der Stärkung und dem Trost für die müde gewordenen Herzen und Hände und wir hören, daß bei Gott alle Dinge möglich sind.
Zweifeln wir daran, daß Gott uns heute überhaupt noch klare Erkenntnis seines Willens durch die Schrift schenkt und sagen wir also, daß wir uns darum heute nur noch von unse-
rer ganz persönlichen Beurteilung der gegebenen Verhältnisse leiten zu lassen hätten, so wäre die Schrift daraufhin zu befragen, ob Gott jemals sein Volk so verlassen hat, ob er nicht vielmehr gerade diese Klage immer wieder hart gestraft hat und auf seinen ewigen Bund verwies. Hier stünde dann allerdings die ganze Frage unserer persönlichen Stellung zur Bibel
und zum Heil auf dem Spiel. Richtet sich aber der Zweifel im gegenwärtigen Augenblick tatsächlich nicht gegen Menschen und nicht gegen Gottes Wort im allgemeinen, sondern gegen die Schriftgemäßheit von Barmen und Dahlem, so
wäre eben hier das noch einmal mit der Schrift zu bezeugen, was seit vier Jahren in der Bekennenden Kirche unermüdlich bezeugt wird, und was zu bezeugen allerdings immer wieder
nottut. Echt! können alle die genannten Fragen sein, aber sie werden in dem Augenblick unecht, indem sie miteinander vermischt werden. Wer aus Kummer über den Bruderrat oder
aus dem begreiflichen Verlangen nach einem ruhigen Pfarramt die Schriftgemäßheit der Bekenntnissynoden bezweifelt, der wird von der Schrift auch keine Antwort bekommen können, denn er sucht sie ja im Grunde gar nicht. Wer im Zustande einer allgemeinen Anfechtung seines Glaubens an Gottes Offenbarung im Zeugnis der Schrift die Erkenntnisse der Bekennenden Kirche mit über den Haufen wirft, der be1. Vortrag: „Es ist nicht meine Sache zu entscheiden, ob nun in der Tat die Frage, die mir zu behandeln aufgetragen worden ist, Ihre Frage ist. Echt können .. .“
Unser Weg nach dem Zeugnis der Schrift
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darf wahrhaftig allen Trostes und aller Geduld der Schrift,
aber ein Schriftbeweis für Barmen und Dahlem vermag einem solchen nicht zu helfen. Vielleicht wäre es heute auf der ganzen Linie der Bekennenden Kirche nötig, auch zu diesen Din-
gen zu sprechen!. Wir wollen uns jetzt der Frage der Schriftgemäßheit der Bekenntnissynoden von Barmen und Dahlem zuwenden.
Was ist ein Schriftbeweis?
1. Ein Schriftbeweis kann nur erbracht werden Wahrheit einer Lehre.
für die
2. Ein Schriftbeweis ist dort geführt, wo eine Lehre zugleich in einzelnen Texten und im Schriftganzen begründet ist,
wo sie also dem sogenannten Formal- und Materialprinzip unserer Kirche entspricht.
Der erste Schriftbeweis, der der Christenheit aufgetragen war, mußte für den Satz: „Jesus ist der Christus“ erbracht
werden. Schrift war damals allein das Alte Testament. Dem folgten dann die Schriftbeweise für die Dogmen der Alten Kirche. Unser heutiger Schriftbeweis kann sich allein auf die Wahrheit der Lehre der Synoden von Barmen und insbesondere von Dahlem erstrecken. Schriftbeweis gibt es nur für
die Wahrheit einer Lehre, niemals für die Richtigkeit eines Weges. Damit weisen wir zwei gefährliche Mißverständnisse ab: 1. Niemals kann ein Schriftbeweis zur Selbstrechtfertigung des eigenen Weges geführt werden. Ob unsere Wege recht sind, weiß allein Gott, der unseren Glauben ansieht. Was
aber nicht aus dem Glauben gehet, das ist Sinde (Röm. 14, 23), und sei es der konsequenteste Dahlemer Weg. Unsere Wege 1. Vortrag: „Sie werden das untereinander tun müssen.“
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werden nie anders als durch den Glauben gerechtfertigt. Also nicht unser Dahlemer Weg, sondern die in Dahlem ausgesprochene und bezeugte Wahrheit ist durch die Schrift gerechtfertigt. Unser Weg verdient ja gar kein gesondertes Interesse, nur sofern er in der Wahrheit ist, kommt er in Betracht, also eben allein um der in ihm bezeugten Wahrheit
willen. Die Bibel kennt das Pathos und die Problematik der Frage nach „unserem Weg“ überhaupt nicht. Unser Weg folgt ganz selbstverständlich, einfältig, notwendig aus der bezeugten Wahrheit. Er hat gar kein eigenes Gewicht, keine eigene Problematik und erst recht keine besondere Tragik. Er ist einfach „das Tun der Wahrheit“ (Joh. 3, 21), wobei der Ton ganz auf der Wahrheit liegt. Weil wir wissen, daß unser Weg so oder so ganz der Vergebung bedürftig ist, darum soll uns gar nicht soviel an der Frage nach unserem Weg
liegen, sondern allein an der Frage nach der Wahrheit. Bleiben wir in der Wahrheit und nur in ihr, so wird unser Weg
recht sein. Die Frage nach „unserem Weg“ darf also nichts anderes bedenken als die Frage nach der Wahrheit der Bekenntnissynoden von Barmen und Dahlem nach dem Zeugnis der
Schrift. Allein in dieser Wahrheit ist unser Weg gerechtfertigt. Christus ist der Weg. Er ist auch unser Weg. Es gibt
streng genommen
wirklich keinen anderen Weg. An der
Mannigfaltigkeit menschlicher Wege und Ziele hat die Schrift kein Interesse. In diesem Weg Jesus Christus uns finden lassen, das ist unser
Weg. Christus ist die Wahrheit. In dieser Wahrheit uns finden lassen, macht allein die Wahrheit unseres Weges aus.
Wer die Schrift nach der Rechtfertigung des eigenen Weges fragt, der fragt nach der Rechtfertigung aus seinen eigenen Werken.
2. Das andere Mißverständnis des Schriftbeweises entspringt aus derselben Wurzel: Man sucht die Rechtfertigung unseres
Unser
Weg nach
dem
Zeugnis
der Schrift
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Weges zwar nicht für die Vergangenheit, aber für die Zukunft. Man erwartet von der Schrift, daß sie uns so handgreifliche Weisungen gibt, daß sie uns das Handeln aus dem Glauben abnimmt und man will den Weg sehen, bevor man ihn geht. Man verlangt Sicherheit, daß der Weg auch ganz
gewiß Gott gefällt, bevor man ihn zu gehen anfängt. Man sagt: Wären wir von der Schrift her ganz sicher, daß der
Weg des Bruderrates gottgefällig ist, dann würden wir ihn gehen. Zeigt uns das aus der Schrift, und wir wollen folgen. Ich will also den Schriftbeweis als Garantieschein für meinen Weg in der Tasche haben. Aber auch dieses Verlangen wird die Bibel niemals erfüllen, weil sie nicht ein Versicherungsinstitut für unsere Wege sein will, die möglicherweise gefährlich werden können, sondern weil sie nur eins tut: zum
Glauben und Gehorsam gegen die einmal erkannte Wahrheit in Jesus Christus zu rufen. Die Schrift beweist keine Wege,
sondern sie beweist die Wahrheit Gottes!. Der Schriftbeweis erspart uns nicht den Glauben, sondern er führt uns in das Wagnis des Glaubens und Gehorchens auf Gottes Wort hin erst hinein, und er stärkt uns in ihm. Es ist nun einmal nach der Schrift nicht so, daß man erst den rechten Weg weiß und übersieht und sich dann entscheidet, ihn auch zu gehen; sondern es ist so, daß erst der Gehende weiß, daß er auf dem
rechten Weg ist. Nur im Tun, in der Entscheidung kommt die Erkenntnis. Nur wer in der Wahrheit ist, erkennt die Wahrheit. Jesus sagt: „Wer da will des Willen tun, der wird
erkennen, ob diese Lehre aus Gott sei“ (Joh. 7, 17). Darum kann der Schriftbeweis im Grunde nur auf dem Wege, d.h. für den Glaubenden geführt werden.
Wer vom Schriftbeweis die Rechtfertigung eines vergangenen 1. Vortrag: „Wer also von Ihnen meinen sollte, er könne von dieser Zusammenkunft heute mit einem ‚Schriftbeweis bewaffnet nach Hause fahren und damit sei seine Entscheidung für den Bruderrat gerechtfertigt, der verkennt die Schrift und das Wesen des Glaubens.“
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oder eines zukünftigen Weges erwartet, der will aus seinen
Werken vor Gott selig werden und nicht im Glauben leben. Der Schriftbeweis richtete sich an Glaubende. Es gibt also eine Haltung, für die ein Schriftbeweis von vornherein zwecklos ist. Es ist dies jene Haltung, die etwa durch folgende Sätze charakterisiert ist: „Aus der Schrift kann man
alles beweisen“ oder: „Die Schrift gibt uns für unsere Lage keine Auskunft“ oder „Ja, das ist in der Theorie ganz richtig, aber in der Praxis... , die Gemeinde, die Finanzen, der
Staat usw.‘ Wer so spricht!, steht tief im Unglauben gegen Gottes Offenbarung in der Schrift, vielleicht ohne es zu wissen. Er unterminiert den Grund, auf dem allein er stehen kann, er setzt die Schrift außer Kraft. Wie sollte ihm ein
Schriftbeweis helfen? Wer aber glaubend die Schrift um Weisung angeht, dem bleibt sie niemals stumm. Wir wenden uns nun besonders den Beschlüssen der Dahlemer Synode zu. Es ist üblich geworden, an Dahlem Kritik zu
üben, während man zugleich seine Zustimmung zu Barmen beteuert. Das ist ein Widerspruch, der großenteils einfach auf Unkenntnis der Barmer und Dahlemer Beschlüsse beruht, und es ist bisher auch nirgends versucht worden, den theologischen Unterschied oder Gegensatz von Barmen und Dahlem nachzuweisen. Dahlem ist nichts als die Ausführung des dritten und vierten Barmer Satzes. Wer Dahlem angreift,
greift damit Barmen an, das ist außer Zweifel. Dahlem hat sich mit Recht auf Barmen berufen, Barmen selbst aber hat den Schriftgrund für den entscheidenden Satz von Dahlem klar angegeben: Eph. 4, 15 „Laßt uns aber rechtschaffen sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist“. Von hier aus hat Barmen bezeugt, daß 1. Vortrag: „. . . der braucht erst eine Lektion über die Stellung der Reformatoren gegenüber der Schrift überhaupt, ehe er das Wesen eines Schriftbeweises erfassen kann .. .“
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die Kirche in ihrer Ordnung allein an Jesus Christus gebunden ist, und von hier aus hat sie die Irrlehre verworfen, daß
„die Ordnung der Kirche ihrem Belieben oder dem Wechsel
der politischen oder weltanschaulichen Überzeugungen“ überlassen werden könne. Mit Recht hat sich Barmen an den zentralen neutestamentlichen Begriff der Kirche als des Lei-
bes Christi gehalten. Kirche ist nicht eine Gemeinschaft von Seelen, wie man heute will, Kirche ist auch nicht nur Verkündigung des Evangeliums, d. h. Kirche ist nicht nur Kanzel, sondern Kirche ist realer Leib Christi auf Erden. Sie ist ein geordnetes und gegliedertes Gemeinwesen, das von Gott auf dieser Erde gestiftet und begründet ist. Wie Jesus Christus nicht eine Wahrheit oder eine Idee, sondern wie er Fleisch, d. h. leibhaftiger Mensch war, so ist die Kirche der irdische Leib des himmlischen Hauptes. Der ganze Leib mit allen seinen Gliedern gehorcht dem einen Haupte. Er wächst in allen Stücken an dem, der das Haupt ist. Es gibt also
keinen Bereich der Kirche, der nicht ganz und allein Christus unterworfen wäre. Es bedeutet eine ungeheure Verkümmerung gegenüber dem Neuen Testament, wenn heute die
Kirche vielfach nur in Verkündigung und Sakramentsverwaltung gesehen wird. Die Kirche ist wesentlich Versammlung um Wort und Sakrament, sie ist darüber hinaus die ganze Fülle der Gaben, Ämter und Kräfte, die in der Gemeinde
wirksam werden. Sie bedeutet schließlich das Leben der Gemeinde nach den Geboten Gottes. Die Kirche ist also Raum der Verkündigung,
Raum
der Ordnung,
Raum
des christ-
lichen Lebens. Dies alles ist sie als Leib Christi. Wird die Verkündigung verfälscht, so hat die Kirche Sorge zu tragen für rechte Verkündigung; wird ihre Ordnung gewaltsam zerstört, so hat die Kirche für rechte Ordnung zu sorgen; wird ihr die Ausübung des christlichen Lebens oder der christlichen Liebe verwehrt, so hat die Kirche dennoch allein Gottes Geboten nachzugehen.
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Die Dahlemer Synode stand vor der Situation einer zerstör-
ten kirchlichen Verkündigung und Ordnung durch die deutschchristliche Gewaltherrschaft. So nahm sie aus Gottes Wort den Auftrag, zur. rechten Verkündigung
und zur rechten
kirchlichen Ordnung aufzurufen. Das konnte nicht nur theoretisch geschehen, sondern mußte praktiziert werden. Nichts anderes tat Dahlem. Unter Berufung auf Barmen vollzog die
Synode die Wiederherstellung der rechten kirchlichen Ordnung in der Herausstellung der bruderrätlichen Kirchenleitung, um in allen Stücken an dem zu wachsen, der das
Haupt ist, Christus. Das ist der sehr einfache Tatbestand. Alle die sorgenvollen Fragen, die Ihr jetzt gewiß schon längst einwenden wollt, wie sich der Staat, wie sich das Konsistorium, wie sich die Pastoren und Gemeinden dazu stellen werden, welche Folgen das haben wird für die Unterbringung des Nachwuchses, für die Finanzierung, für die Auseinandersetzung mit den Neutralen usw., alle diese Fragen hat
die Dahlemer Synode bewußt nicht gestellt, weil sie nichts wollte als den ihr gewordenen klaren und höchst einfachen
Auftrag ihres Herrn gehorsam zu bejahen. War hier wirklich Gottes Auftrag, so durfte man alle weitere Sorge getrost ihm überlassen. Will man nun die einfache Grunderkenntnis von Dahlem zur Klärung theologisch weiter entfalten, so könnte man etwa in folgenden Sätzen tun:
das
Dahlem hat mit seiner Erklärung zum Ausdruck gebracht: 1. Wir sind eine Kirche. 2. Die Kirche braucht eine Kirchenleitung. 3. Die Kirchenleitung kann nur von der Kirche selbst berufen werden; sie dient allein der Verkündigung des Evangeliums und dem rechten Gemeindeleben. 4. Die Verkündigung in der Kirche ist an den kirchlichen
Auftrag gebunden.
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5. Der Gehorsam gegen das häretische Kirchenregiment ist Ungehorsam gegen Christus.
6. Die Sorge für die Zukunft überläßt die Kirche ihrem Herrn. 1. Wir sind eine Kirche
Dahlem hat stellvertretend für die Gesamtkirche gehandelt. Es hat „in Sachen der Kirche“ gesprochen und damit bekundet, daß die Gesamtkirche nicht aus der Addition der einzel-
nen Gemeinden besteht, sondern als solche Kirche ist. Jede einzelne Gemeinde ist nur ein Stück oder ein Glied der Gesamtkirche, wie die Bekennende Kirche ein Stück der Einen Christlichen Kirche ist. Dahlem hat damit in Verantwortung vor der Schrift nicht kongregationalistisch, d. h. von der einzelnen Gemeinde her, sondern von der Gesamtkirche her gedacht. Die Kirche ist ursprünglich und wesentlich Eine. Die Glieder sind nicht vor dem Leib, sondern sie sind nur Glieder als Glieder des einen Leibes. Paulus schreibt an die „Kirche Gottes, die in Korinth ist“ (2. Kor. 1, 1). Er faßt die Gemeinde, an die er schreibt, zusammen mit seiner eigenen: „Den Heiligen samt allen denen, die anrufen den Namen
Jesu Christi an allen ihren und unseren Orten“ (1. Kor. 1, 2). Um
der Einheit der Kirche willen hat Dahlem
den Kampf
gegen die Zerstörung nicht den einzelnen Gemeinden überlassen, sondern in gesamtkirchlicher Verantwortung gehandelt. Die Gesamtkirche war bedroht, für sie mußte gehandelt
werden. Merken wir uns dieses: Um der Einheit der Kirche willen sind wir angetreten, um der Zertrennung und Spal-
tung zu wehren.
Wer aber richtet Spaltungen an:
der die
Lehre und die Ordnung der Kirche auflöst und zerstört, oder der an ihr festhält und sie aufrichtet? Laßt uns die verkehrten Selbstanschuldigungen, die Bekennende Kirche richte Zertrennung an, abtun. Wir wollen Buße tun, wo wir gesündigt
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haben. Aber das ist ein falscher Bußruf, er kommt aus dem Munde der Deutschen Christen. „Ein Leib und Ein Geist“,
darum ging es; aber wie sollte das anders möglich sein als dadurch, daß da auch „Ein Herr, Ein Glaube“ war (Eph.4,5)? Echte Einheit der Kirche Jesu Christi konnte
nur sein, wo
dem Einen Herrn der Eine Glaube entsprach, und nur dort war sie und ist sie bis zur Stunde. Alle selbstgemachte Ein-
heit aber, ob sie nun organisatorisch oder gefühlsmäßig! oder taktisch begründet werden sollte, war als Schwärmerei enthüllt. Einheit gibt es nur in Einheit des Glaubens, der sich im Bekenntnis ausspricht. Auf dem Grunde des Wortes: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater“, hat Dahlem zur wahren Einheit der Kirche gerufen. Von hier aus mußte Dahlem für die neu gesetzte Kirchenleitung den Anspruch auf die Gesamtkirche erheben und sich eben dadurch von vornherein allen kongregationalistischfreikirchlichen Tendenzen widersetzen; weil die Bekennende
Kirche die Eine und wahre Kirche des Evangeliums sein wollte, darum konnte und kann sie nie zur Sekte werden, die den Anspruch auf die Gesamtkirche preisgibt und nur ihr Eigenleben sucht und pflegt. Solange die Kirche an den Erkenntnissen von Dahlem festhält, kann sie zwar eine verfolgte, leidende Kirche werden, aber niemals den Weg der
Selbstgenügsamkeit, in die Absonderung von der Gesamtkirche gehen. Sie wird sich durch keine Verlockung oder Bedrohung dazu drängen lassen. Sobald aber die Kirche die Erkenntnisse von Dahlem preisgibt, muß sie zur Sekte werden; denn sie trennt sich damit von der Einen wahren Gesamtkirche und muß froh sein, wenn man ihr nur noch das nackte? Leben läßt. Unter Berufung auf die in der Kirchen1.0yortragıs...2.. pietistischt. ..“ 2. Hier im Vortrag: „das Sektenleben.“
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verfassung anerkannten Bekenntnisse der Kirche muß die rechte Kirchenleitung den Anspruch auf die Gesamtkirche erheben, so wie einst das Apostelkonzil für die Gesamtkirche entschieden hat. Weil es um die rechte Einheit der Kirche im Sinne von
Joh. 17 ging, weil hier das Wort für die Gesamtkirche gefunden und gesprochen war, darum mußte dem auch die Gemeinschaft im Tun und im Leiden entsprechen. Gott hat die Kirche zu einem Leibe gemacht, „damit nicht Spaltung im Leibe sei, sondern die Glieder füreinander in gleicher Weise
sorgen“ (1. Kor. 12, 25). Diesem Handeln füreinander entspricht das Leiden miteinander
und die Mitfreude.
„Wenn
ein Glied leidet, da leiden sie alle mit... .“ Es gehört zum Wesen eines Leibes, daß hier gar keine Frage, kein Problem, keine Reflektion darüber eintreten kann, ob ein Glied für das andere sorgen soll, ob es mit dem anderen leiden soll; solche Frage löst bereits die Gliedschaft am Leibe auf. Als Glieder
eines Leibes sorgt einer ganz von selbst für den anderen und leidet und freut sich mit dem anderen. Das Füreinander und Miteinander ist einfach da. Wer sich daraus lösen will, löst
sich aus dem Leibe. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob in der Kirche immer gemeinsam gehandelt werden müsse. Das Neue Testament kennt diese Frage nicht. Es weiß, daß Glieder jedenfalls immer nur füreinander handeln können, solange sie Glieder sind. Isoliertes Handeln, das nicht ein Füreinander ist, trennt von der Kirche als dem Leibe Christi. Das Füreinander aber bedeutet für das Neue Testament, daß die Glieder auch in voög und yvaum einig sein sollen (1. Kor. 1, 10). Dasselbe sollen sie sagen, dasselbe sollen sie denken (2. Kor. 13, 11; Röm. 15, 5; Röm. 12, 16). Aus dem Für-
einander von Juden und Heidenchristen entsprang die gemeinsame Entscheidung auf dem Apostelkonzil. Daß dieses Füreinander verschiedene Formen haben kann und wird, ist selbstverständlich. Schwache handeln anders als Starke. Aber
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die Grenze der Verschiedenheit ist klar: alle handeln gehorsam dem einen Herrn. Ungehorsames Handeln trennt von der Gemeinschaft des Leibes. Worin der Ungehorsam be-
steht, darüber später. Es soll hier auch ein Wort gesagt werden über das oft mißverstandene! Wort von der „brüderlichen Solidarität“.
Am
Wort liegt hier gar nichts. Wir sprechen von der tätigen und brüderlichen Liebe. Es ist so merkwürdig, daß wir Theologen immer wieder vergessen, daß unser Gehorsam gegen Jesus Christus auch die schlichte brüderliche Liebe zu den Amtsbrüdern, zu den leidenden und zu den in vorderster Kampflinie stehenden fordert. Daß wir einen Bruder nicht in Not lassen, daß wir uns zu einem um des Evangeliums
willen angegriffenen Bruder stellen, auch wenn wir zufällig nicht angegriffen sind, daß wir füreinander eintreten in Gefahr, Kampf und Leiden, das ist eigentlich eine so selbstverständliche Sache, daß sie kaum erwähnt zu werden brauchte. Alles Fragen, ob das auch unbedingt gefordert sei, bringt bereits eine Problematik in diese Sache hinein, die nur zur
Ausflucht dienen kann. Es ist wieder die Frage nach dem guten Werk, die wir stellen, statt daß wir dieses Werk so von selbst tun, daß die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut.
Erinnern wir uns doch an jenes schöne Zeugnis des Alten Testamentes über die ostjordanischen Stämme, wohlgemerkt als Exempel, nicht als Schriftbeweis. Es geht um die Eroberung des gelobten Landes. Die Kinder Ruben und Gad wollen im Ostjordanlande bleiben und sich ansiedeln. Sie kommen zu Mose und bitten um Erlaubnis dafür. Moses aber stellt ihnen die Bedingungen, daß sie zuerst ihren Brüdern
helfen, in ihr Land zu kommen und ihnen dabei im Kampfe voranziehen, dann sollen auch sie ihr Land einnehmen. Wir
1. Hier im Vortrag: „verlästerte“ statt „mißverstandene“.
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wollen hierzu wieder einmal Num. 32, 5—6.16—23 und Josua 22, 3. 4 gründlich lesen. Wir wollen auch gedenken des Rufes des gefangenen Paulus nach Timotheus, zu ihm nach Rom ins Leiden zu kommen, sich seiner Fesseln nicht zu schämen, sondern mit ihm zu leiden. „Leide mit“, das ist im Grunde der ganze Inhalt des 2. Tim.-Briefes, und es ist der letzte Aufruf, den wir über-
haupt vom Apostel Paulus kennen. Soviel zur Frage der sog. Solidarität. Wir sprachen von der rechten Einheit und der rechten Gemeinschaft der Kirche und kommen nun zum 2=Satz.
2. Die Kirche braucht eine Kirchenleitung
Um der Einheit der Kirche willen hat Dahlem an die Stelle einer häretisch gewordenen Kirchenleitung eine rechte Kir-
chenleitung gestellt. Es hat dies getan um der Verantwortung für die Gesamtkirche willen. Warum und in welchem Sinne braucht die Kirche eine Kirchenleitung? Wie jede einzelne Gemeinde eine Leitung braucht, so braucht auch die Gesamt-
kirche eine solche. Schon die neutestamentliche Gemeinde kennt in den Anfängen eine solche gemeinsame Kirchenleitung. Alles, was zur Jerusalemer Gemeinde gehörte, und auch dies waren mehrere Gemeinden (Acta 21, 20 „Myriaden von Gläubigen“, Samaria, Galiläa, Damaskus gehörten dazu!), unterstand der Leitung des Jacobus. Ebenso wird die
Leitung der Gemeinde von Ephesus weite Gebiete umfaßt haben. Paulus regiert sehr deutlich seine Gemeinden (1. Kor. 11; 1. Kor. 14, 34 und 6, 1; 1. Tim. 3, 2 ff.; 2. Kor. 10, 6 und 13, 10 u. a.). Das deutlichste Beispiel einer umfassenden Kirchenleitung ist das Apostelkonzil, in dem die Nichtver-
bindlichkeit des jüdischen Zeremonialgesetzes amtlich für sämtliche christlichen Gemeinden erklärt wird. Die Kirche
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braucht eine Kirchenleitung, damit sie einheitlich nach dem Worte Gottes geleitet wird und Spaltungen verhindert werden. Für die Dahlemer Synode war die Lage insofern besonders deutlich und einfach, als die einzelnen Gemeinden
ja bestimmte Rechte (Ausbildung, Prüfung, Ordination der Prediger) der Gesamtkirche abgetreten hatten und hier nun eigenste Rechte der Gemeinden selbst wahrgenommen werden mußten. Hätte die Kirche das häretische Kirchenregiment der Deutschen Christen ertragen müssen als die „wunderlichen Herren?“ (1. Petr. 2, 18). Es ist ein böser Mangel an Unterscheidungsvermögen,
wenn
man
die „wunderlichen
Herren“
und die Zerstörer der Kirche verwechselt, d. h. wenn man den schuldigen Gehorsam auch gegen eine „wunderliche“ weltliche Obrigkeit und das Wächteramt der Kirche nicht mehr zu unterscheiden vermag. Nach der Lehre der Schrift müssen
die Irrlehrer hart gestraft und von der Gemeinde getrennt werden. Das ist notwendig um der Gemeinde willen. Lest
doch auch heute wieder jene Sätze, die am Anfang des Kirchenkampfes in aller Munde waren und die wir heute allzu leicht überhören wollen (Hes. 33, 2 ff.!).
In welchem Sinne braucht die Kirche eine Kirchenleitung? Kann sie ohne Leitung nicht existieren? Die Kirche lebt nicht
von der Kirchenleitung, sondern vom Evangelium, aber die Kirchenleitung trägt Sorge für die rechte Verkündigung des Evangeliums. Ohne Kirchenleitung laufen die Gemeinden heute größte Gefahr, keine rechten Prediger der christlichen
Wahrheit zu bekommen. Ohne rechte Kirchenleitung wird das heilige Predigtamt in den Dienst fremder Mächte gestellt. Ohne rechte Kirchenleitung wird das Heil der Gemeinden,
das bis ans Ende der Zeiten in der unverkürzten und unverfälschten Verkündigung des Evangeliums begründet liegt, leichtfertig gefährdet. Also um des Predigtamtes und um der Gemeinden willen muß rechte Kirchenleitung da sein.
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3. Kirchenleitung kann nur von der Kirche selbst berufen werden; denn sie dient allein dem Evangelium Die Ämter der Gemeinde sind nach dem Zeugnis der Schrift vom dreieinigen Gott geordnet und gesetzt (1. Kor. 12, 38
Gott hat gesetzt... , Eph. 4, 11 Christus hat gesetzt... , Acta 20, 28 der Heilige Geist hat gesetzt...). Die Apostel oder Gemeinden vollstrecken diesen Willen Gottes (Acta 1, 23; 6, 5; 13, 3). Zwar kann die Gestaltung der Ämter verschieden sein (Jerusalem, Ephesus), gemeinsam ist ihnen allen
ihre Einsetzung durch die Gemeinde und ihre ausschließliche Bindung an die Ausrichtung des Evangeliums. Es ist daher das Wesen der rechten Kirchenleitung, daß sie die Gemeinde und die Ämter allein an Jesus Christus bindet, es ist das Wesen einer häretischen Kirchenleitung, daß sie Ge-
meinde und die Ämter an sich selbst bindet. Dahlem hat das Kirchenregiment der Deutschen Christen darum verworfen, weil es die Amtsträger der Kirche an das Kirchenregiment statt an Christus gebunden hat (Dahlem 1, 5). Die Kirchenleitung der Bekennenden Kirche ist nicht Selbstzweck, sondern ausschließlich Mittel zum Zweck, Dienst an der seligmachenden Verkündigung. Angriff auf das Mittel zum Zweck
aber ist Angriff auf den Zweck selbst. Der Angriff auf die rechte Kirchenleitung ist Angriff auf die Verkündigung. Die Kirchenleitung ist der Schutzwall für die rechte Verkündi-
gung in der Gemeinde. Wird er durchbrochen, so ist die Verkündigung und die Gemeinde selbst gefährdet. Wo die Sorge für die rechte Verkündigung gehindert wird, dort wird die Verkündigung selbst schon verhindert. Um der Verkündi-
gung willen müssen die Amter der Bekennenden Kirche ihren Dienst am Leibe Christi weiter tun.
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4. Die Verkündigung in der Kirche ist an den kirchlichen Auftrag gebunden Verkündigung des Evangeliums ist nicht eine Sache der eigenen Wahl und des inneren Dranges, sondern eine Sache des Auftrages. Es kommt alles darauf an, in wessen Namen, d.h. in wessen Autorisierung ich predige. Die brennendste Liebe zum Volk, zur Gemeinde, zum Predigtamt kann den Auftrag niemals ersetzen: Weil Predigt nicht mein noch so ernstes, noch so ehrliches, noch so gläubiges Wort über Gott, sondern Gottes eigenes Wort sein soll, darum gibt es Predigt nur, wo göttliche Beauftragung, d. h. wo Amt ist im eigentlichen Sinne. Die vocatio interna kann die vocatio externa nicht ersetzen, sonst geraten wir in Schwärmerei und Sektiererei.
Eben dieser Gefahr erliegen alle diejenigen, die ohne rechte vocatio externa ins Amt gehen, die das legale Pfarramt, aber
nicht das legitime geistliche Predigtamt suchen. Hierzu ist die große Bedeutung des Begriffes „Senden“ im Alten und Neuen
Testament nachzuprüfen. Wer ohne Sendung predigt, verführt die Gemeinde. Von den falschen Propheten heißt es „ich sandte sie nicht, doch predigen sie; ich redete nicht zu
ihnen, doch weissagen sie“ (Jer. 23, 21) und „Ich will an die, die mein Volk verführen mit ihren Lügen und losen Reden, so ich sie doch nicht gesandt und ihnen nichts befohlen habe
und sie auch diesem Volk nichts nütze sind“ (Vers 32) und „Wie sollen sie aber predigen, da sie nicht gesandt werden“
(Röm. 10, 15). Als Jesus das Volk ansieht und es ihn jammert, weil sie verschmachtet und zerstreut sind wie die Schafe, die keinen Hirten haben, da erweckt er nicht in seinen Jün-
gern das eigene Angebot zur Verkündigung, da appelliert er nicht an ihre Liebe zu Volk und Gemeinde, sondern er sagt: „Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende“ (Mt. 9, 38). Nicht zu eigenmächtigem Handeln, son-
dern zum Gebet um Sendung von Predigern durch Gott ruft
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Jesus auf in einer Lage, die der unseren
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sehr ähnlich sieht,
und das darum, weil wir nicht wissen, was der Gemeinde
gut ist, sondern weil Gott allein in seinem Ratschluß mit der Gemeinde handeln soll. Was der Gemeinde wirklich dient, weiß Gott allein. Nicht das Feuer, das in uns brennt, soll in der Gemeinde brennen. Gott will das Feuer auf dem Altar selbst anzünden. Das Feuer, das die Söhne Aarons von sich aus auf dem Altar Gottes anzünden wollen, muß sie selbst verzehren, denn es ist „fremdes Feuer, das der Herr ihnen nicht geboten hatte“ (Lev. 10 ff.). Die Auflehnung der Mir-
Jam gegen den Gesandten Gottes, Moses: „Redet denn der Herr allein durch Mose? Redet er nicht auch durch uns?“
(Num. 12, 2) wird mit Aussatz bestraft. Das Verlangen der Leviten, Korah, Dathan und Abiram nach dem Priestertum, „weil die ganze Gemeinde heilig ist“, wird ein Aufruhr wider den Herrn genannt und führt zum Untergang (Num.
16, 11). Gott setzt Propheten und Priester. „Es unterwanden sich aber etliche der umherziehenden Juden, den Namen Jesus
zu nennen über die, die böse Geister haben (Acta 19, 13), und sie werden bloßgestellt und gestraft. Ohne Auftrag darf das Wort nicht gesagt werden, denn das Wort ist Gottes Eigentum. Paulus wird beim Durchzug durch
Phrygien und Galatien vom Heiligen Geist verhindert, das Wort zu sagen (Acta 16, 6). Jesus verbietet seinen Jüngern, in die Städte der Samariter zu gehen, die nach Meinung der
Jünger das Evangelium gewiß auch gebraucht hätten (Mat. 10, 6). Aber Jesus weiß, warum es so sein muß, und erst viel
später erkennen es auch die Jünger. Mat. 28, 21 wird von Gott selbst in Seiner Weise erfüllt werden, selbst wenn ten kommen sollten, in denen Amos 8, 11 wahr wird, lich, daß ein Hunger und Durst nach Gottes Wort übers kommt, der nicht gestillt wird, daß ein Suchen kommen dem kein Finden folgt. Gott baut sein Reich, nicht wir. gends in der ganzen Schrift kommt einer zum Amt, der
ZeinämLand muß, Nirnicht
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berufen wäre, und das, weil es sich hier nicht um ein frommes Tun, sondern um Gottes eigenes Werk handelt. Warum
hat wohl Jeremia gezögert, warum hat sich Jona geweigert, die Sendung Gottes anzunehmen? Warum muß Jacobus ermahnen: „Unterwinde sich nicht jedermann, Lehrer zu sein, und wißt, daß wir desto mehr Urteil empfangen“ (Jac. 3, 1)? Wir wollen Prediger des Evangeliums aus eigener Ermächtigung werden? Wissen wir, was das heißt? Wollen wir es wagen, dieses Amt an uns zu reißen? Wollen wir tun, was kein Mann der Bibel tat, eigenmächtig die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß hier wirklich Gottes Werk getrieben wird? Und wollen wir auch, wenn es Gott nicht gefallen sollte, was wir taten, die Schuld dafür tragen? Wollen wir uns selbst senden, weil wir nicht beten und Gottes Sendung abwarten wollen? Weil im geistlichen Amt alles an der Sendung, am Auftrag hängt, darum wollen wir es nur dort auf uns nehmen, wo wir es ganz gewiß aus Gottes Hand, nämlich im Auftrag Seiner rechten Kirche empfangen, wo man uns recht unterwiesen hat im reinen Evangelium, wo man uns recht geprüft und erprobt hat auf unsere Verkün-
digung (vgl. 1. Tim. 3, 10; 3, 2; 2. Tim. 2, 2); beides dient ja nicht nur dem Urteil der Kirche, „die keinem voreilig die
Hände auflegen soll“ (1. Tim. 5, 22), sondern auch unserer Gewißheit. Ohne die rechte Erkenntnis der Wahrheit und Erprobung unseres Dienstes sollen wir gar nicht Prediger werden wollen! Das Amt der Evangeliums-Verkündigung aus der Hand eines häretischen Kirchenregiments zu nehmen, ist eine gefährliche Sache, ist Eigenmächtigkeit, ist Verach-
tung der Sendung Gottes. Aber wenn wir sonst gar nicht ins Amt kommen? Müssen wir nicht um der Gemeinde willen das Opfer bringen, uns dem Konsistorium wieder zu unterstellen? Die Schrift sagt: „Gehorsam ist besser denn Opfer“ (1. Sam. 15, 16); denn im Gehorsam läßt du Gott allein wal-
ten. Er spricht: „Ich will euch Hirten geben nach meinem
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Herzen“ (Jer. 3, 15). Er weiß, was Er will. Was sollen wir also tun? „Bittet den Herrn der Ernte“... das ist das erste. Und Gott hat viele Wege, euch zu senden. Es ist um des Evangeliums und um der Gemeinde willen gewisser, ein ge-
ringes Amt aus der Hand und im Auftrag der Kirche Gottes zu empfangen, als ein gesichertes Amt aus den Händen der Feinde der Kirche; denn in der ganzen Verantwortung und
Schwere unseres Amtes heute wollen wir doch dessen ganz gewiß sein dürfen: Christus hat mich gesandt.
5. Der Gehorsam gegen das häretische Kirchenregiment ist Ungehorsam gegen Christus
Aus dieser Erkenntnis hat Dahlem dazu aufgerufen, sich von dem Kirchenregiment der Deutschen Christen und von der Zusammenarbeit mit denen, die diesem Kirchenregiment weiterhin gehorsam sein wollten, zurückzuziehen. Häretisch muß ein Kirchenregiment werden, wenn es für seine Amtstätigkeit andere Bindungen anerkennt als die Bindung an
das Evangelium allein. Es wird damit notwendig zum Unterdrücker derer, die allein aus ihrer Bindung handeln, und es
wird zum Förderer der Irrlehre und der Lüge. Ob einzelne Personen des Kirchenregiments einen verzweifelten, aussichtslosen Kampf gegen diese ihnen auferlegten Bindungen, gegen ihren Auftrag führen, berührt das Amt des Kirchenregiments als solches nicht. Nicht die Personen interessieren uns, sondern der falsche Auf-
trag, der Mißbrauch des Amtes. Als Träger eines unkirchlichen Amtes müssen sie Feinde der Kirche sein, ob sie es wollen und einsehen oder nicht; ja, sie müssen selbst Irrlehrer
werden, indem sie Wahrheit und Lüge nicht mehr unterscheiden dürfen; sie müssen die Irrlehre rechtfertigen. Aus der getarnten Sünde Jerobeams folgt aber notwendig die
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offene Sünde Ahabs. Man lese doch einmal wieder schr aufmerksam 1. Kön. 12, 25—33 und weiter. Saul, der nicht mehr Gott in allen Dingen um Weisheit fragt, sondern aus den
Gedanken seines eigenen Herzens handelt, muß zuletzt zur Hexe gehen und sich seinen Untergang voraussagen lassen.
Die Gemeinde Christi aber soll mit Irrlehrern und mit denen, die sie einführen und entschuldigen, unverworren bleiben um Gottes Willen und des Heils der Gemeinden willen, um der Seele Seligkeit willen. „Einen häretischen Menschen meide“ (Tit. 3, 10); denn er verführt die Gemeinde (2. Tim. 3, 6 f.). „Wer nicht in der Lehre Christi bleibt, der hat keinen Gott“
(2. Joh. 10). Eine Kirche, die die Trennung von der Irrlehre nicht mehr ernst nimmt, nimmt es auch mit der Wahrheit,
d. h. mit ihrer Seligkeit nicht mehr ernst und d. h. schließlich auch nicht mehr mit der Gemeinde selbst, sie mag so fromm und gut organisiert sein wie sie will. Wer den Irrlehrern gehorcht, ja, wer sie nur unterstützt und fördert, der gehorcht Christus nicht mehr. Hier heißt es: „Ihr könnt nicht zweien Herrn dienen, ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Math. 6, 24), und der Mammon ist von jeher in den Händen der Welt gewesen. „Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen; denn was hat die Gerechtigkeit zu schaffen mit der Ungerechtigkeit? Wie stimmt Christus mit
Belial“ (2. Kor.6,14 ff.)? Gehorsam gegen ein häretisches Kirchenregiment
ist Ungehorsam
gegen
Christus. Um
Christi
willen müssen wir dem häretischen Kirchenregiment ungehorsam sein, auch wenn es staatlich eingesetzt ist. Dem Ungehorsam gegen das falsche Kirchenregiment muß dann aber auch
der rechte Gehorsam gegen die rechte Kirchenleitung entsprechen, der sich im Einsatz für sie um des Evangeliums willen äußert. Zwar ist die Kirchenleitung nicht das Evangelium, sie ist in ihrer jeweiligen Gestalt ein Adiaphoron. Wo sie aber von außen her unter ein kirchenfremdes Gesetz gestellt werden soll, dort darf sie nicht weichen, sondern muß sie ihre
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Freiheit von fremdem Gesetz und ihre alleinige Gebundenheit an Jesus Christus mit Wort und Tat bezeugen. In statu confessionis nihil est adiaphoron (vgl. Paulus und Titus
Gal. 2, 3 ff.). Wer nun aber meint, er könne mit freiem Gewissen und im Gehorsam gegen Christus einem häretischen Kirchenregiment gehorsam sein, der wisse, in welche Not er seine Brüder führt. Er nehme das Wort Jesu zu Herzen, das so furchtbar ernst davor warnt, einen der Geringsten zu ärgern.
Nun wo diese Voraussetzung ein für allemal klar ist, daß der
Weg zum häretischen Kirchenregiment uns von Gottes Wort verwehrt ist, können wir fruchtbar über die neuen Wege nachdenken, die uns nun aufgetan werden. Spielen wir im Herzen immer noch mit dem Gedanken, wir könnten schließlich doch noch zurück, dann kann uns die Zukunft nur bange machen, denn wir haben sie in eigene Regie genommen.
6. Die Kirche überläßt die Sorge für die Zukunft ihrem Herrn, der sie allein führt
Es mag sein, daß wir erst hier an dem Punkt angekommen sind, um den es heute allermeist geht. Was soll werden? fragen wir. Die Sorge geht um und ist eine furchtbare Macht geworden. Dahlem konnte die Sorge um die Zukunft Gott
allein überlassen, weil es ihm allein gehorsam sein wollte. Frei von Sorge werden wir nur, wenn wir fest in der erkannten
Wahrheit bleiben und uns von ihr allein leiten lassen. Starren wir aber auf die Wellen, statt daß wir auf den Herrn
sehen, so sind wir verloren. Es ist eine große Anfechtung — wir müssen das aussprechen — für uns und für viele, wenn
uns Brüder immer wieder eindringlich dazu auffordern: Seht doch die Wellen an, seht den Sturm, es kann nicht gut gehen. Das ist Anfechtung zum Unglauben. Wir wollen und kön-
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1935 —1939
nen ja nicht leugnen, daß Wellen da sind, aber wir wollen nicht sie sehen, sondern Christus, der stärker ist als sie. Möchte
man das doch endlich verstehen! In der Welt ist das anders, in der Kirche aber kann das nur so sein.
Man erinnert von der anderen Seite seit Anfang des Kirchenkampfes an das Wort Jesu (Luk. 14, 28 ff.) vom Überschlagen der Kosten, bevor man eine Sache anfängt. Aber man weiß nicht mehr, was man damit sagt. Jesus spricht hier nicht von der Entscheidung über einen bestimmten Weg, sondern vom Ganzen der Nachfolge. Jesus zwingt keinen in die Nachfolge, er fordert jeden auf, zu bedenken, was er tut, wenn er
nachfolgen will. Kommt aber dieses Bedenken zu einem negativen Ergebnis, so bleibt dann nicht mehr die Möglichkeit eines anderen, leichteren, also etwa eines konsistorialen Weges, sondern es geht aufs Ganze. Es heißt dann ganz nüchtern: „Der kann nicht mein Jünger sein“ (Vers 33). Jesus rät hier nicht zur Erwägung mehrerer Möglichkeiten, sondern er
fordert die Entscheidung: ganz mit Ihm oder ganz ohne Ihn. Vor dieser Frage stehen wir auch heute. Man fragt: Habt Ihr uns heute wirklich nichts anderes zu sagen über Barmen und Dahlem hinaus? Wir müssen heute
weiter! Wir brauchen heute etwas Neues! So darf nur der sprechen, der ganz in den Erkenntnissen der Bekenntnissyno-
den darin steht, und eines ist sicher: wir! stehen jedenfalls weithin nicht darin. Was ist denn die wirkliche Lage? Nicht, daß wir Barmen und Dahlem zu wichtig genommen haben, sondern daß wir es seit 1935 nicht mehr ernst genug genommen haben! Wir sehen und bekennen eine große Schuld der Bekennenden Kirche: Wir haben Gottes Gnade und Ruf weithin ausgeschlagen. Wir meinten, wir kämen auch ohne
sie durch. Was heißt Barmen und Dahlem? Sorge für die
rechte Verkündigung und für den rechten Gemeindeaufbau. 1. Vortrag: „Wir an unserem Ort“ (i. e. Pommern, d. Hrsgb.).
Unser
Weg nach
dem
Zeugnis
der Schrift
343
Wo ist das geblieben? Wir haben Gottes gnädiges Angebot zu gering geachtet, und es ist unsagbar schwer, noch einmal
anzufangen. Nur Gott selbst kann uns in seiner vergebenden Gnade noch einmal auf den rechten Weg zurückführen. In
zwei Dingen ist unsere Schuld besonders offenbar geworden: Wir sind den Weg von Dahlem strenggenommen nur mit den jungen Theologen gegangen. Wir haben es nicht gewagt, ganz zu Dahlem zu stehen. Damit haben wir Euch jungen Brüdern
eine zu schwere Last aufgeladen! Aber der rechte Weg war es doch, und dafür wollen wir in dieser Stunde mit Euch Gott, dem
Herrn,
von
Herzen
danken.
Und
das
andere:
Wir
haben seit 1935 oft mehr danach gefragt, wie wir die Schwankenden gewinnen, wie wir die Weggehenden halten, wie wir eine breitere Front schaffen können, als wie wir den Weg von Barmen und Dahlem ganz treu und mit der Tat weitergehen können. Dadurch trat die so überaus dringliche Sorge für die
Verkündigung der BK und für den Aufbau der Gemeinden oft zu sehr in den Hintergrund, und immer mehr wurde so die Frage nach dem Kirchenregiment zum Mittelpunkt der Gedanken und Gespräche. Das war nicht nur eine ungesunde
Entwicklung, sondern es war Schuld!. Es wurde allmählich für alle diejenigen, die den Weg von Barmen und Dahlem im Glauben weitergehen wollten, zu einer fast unerträglichen Last, daß die Frage: Bruderrat oder Konsistorium immer
wieder die Diskussionen und Sitzungen beherrschte. Wir ließen uns aufhalten auf einem Wege, den wir weitergehen mußten. Schuld an all dem war nicht die Durchführung von Dahlem, sondern die Nichtdurchführung. Das haben uns einige Provinzen, Kreise und Gemeinden gezeigt. Sie sind teils längst bei den Sachfragen der Verkündigung und des Gemeindeaufbaus
angekommen
und
tun
darin fruchtbare
1. Vortrag: „Seit drei Jahren fast wird nun hier von fast nichts anderem mehr gesprochen als von der Frage Bruderrat oder Konsistorium.“
344
Kritischer
Verteidiger
der BK.
1935 —1939
Arbeit. Wäre es nicht auch Euch willkommener, wir könnten heute, statt immer wieder von der alten Frage zu reden, end-
lich einmal von dem sprechen, was uns eigentlich bedrängt: von dem, was die BK zu den Fragen: Evangelium und Recht,
Verkündigung und Jugend, Kirche und Synagoge, Taufe und Patenamt, Beichte und Abendmahl, Volksmission und Ge-
meindezucht zu sagen hätte? Warum können wir das nicht? Weil wir uns immer wieder von dem Zweifel an der einmal erkannten Wahrheit aufhalten lassen, weil wir die „Wahrheit“ von Barmen und Dahlem nicht längst „getan“ haben! Reden wir uns doch nicht ein, dort drüben in den Reihen des Konsistoriums würden wir frei sein für all die Sachfragen!
Dort haben wir alle innere Vollmacht preisgegeben, weil wir nicht in der Wahrheit geblieben sind. Es geht um den ganzen Weg, auch heute, wie es in Barmen und Dahlem darum ging.
Wer aber mitgeht, der wird frei von aller Sorge für die Zukunft, der erfährt, daß der Weg der Kirche ein fröhlicher Weg ist, der lernt, daß das Joch Jesu sanft und leicht ist dem, der sich nicht dagegen auflehnt. „Hört ihrs, ihr Knechte des Herrn, ihr könnt suspendiert werden, removiert, Einnahmen verlieren, um Amter kommen, Haus und Hof einbüßen, aber ihr werdet wie-
der Prediger: das ist das Wort der Verheißung! Und wenn man auf 12 Orten abgesetzt wird und kriegt wieder eine neue Stelle, so ist man in 13 Gemeinden Prediger; denn in allen vorhergehenden predigt unsere Un-
schuld, unser Kreuz, unser Glaube kräftiger, als ob wir da wären.“
(Zinzendorff zu Jeremia 15.)
Unser Weg nach dem Zeugnis der Schrift
345
Liebe Brüder, seid der Verheißung Gottes gewiß! Gott läßt uns nicht ohne Weisung (Deut. 30, 11 ff.). Gott wird der Gemeinde Hirten geben nach seinem Herzen!
(Jer. 3, 15).
Gott hat Mittel und Wege, die Seinen zu erhalten
(Matth. 6, 32). Gott macht uns freudig und gewiß (Jos. 1, 8). Gott schenkt uns Beständigkeit und Geduld (Jak. 1, 12).
Gott schenkt uns den Sieg? (Luk. 12, 32).
28. Januar 1939 Lieber Karl Friedrich! Daß ich nicht rechtzeitig schrieb, lag daran, daß bei uns z. Zt.
viel los ist. Es ist teilweise recht deprimierend in den letzten Wochen gewesen, wenn man sehen mußte, wie viele mit allerlei Vorwänden und Gründen unter allen Umständen die Ruhe und die Sicherheit suchen. In solchen Zeiten, die immer wieder mal kommen, ist auch immer sehr viel zu tun mit Besuchen, Vorträgen etc. Es ist mir ganz gewiß, daß für die Kirche alles daran liegt, ob wir jetzt durchhalten, selbst unter großen Opfern. Die größten Opfer sind jetzt gering ge-
gen das, was wir durch ein falsches Nachgeben verlieren würden. Ich wüßte auch nicht, wofür sich heute ein voller Einsatz lohnt, wenn nicht für diese Sache. Es kommt auch sicher nicht darauf an, wieviele es sind, sondern daß nur noch einige
da sind. Natürlich ist manches für die verheirateten Leute 1. Dieser Satz heißt im Vortrag: „Gott gibt uns Arbeit genug (Acta 18,
40, Offb. 3,7 £.).“ 2. Vortrag hat nach Schlußsatz angefügt: „Als ich diesen Vortrag übernahm, fragte ich einen Bruder, der selbst heute in schwerer Entscheidung steht, was ich eigentlich sagen sollte, er antwortete: Sie brauchen eigentlich nur eines zu sagen: ‚Nimm Dein Kreuz auf Dich und folge mir nach.‘ Das ist alles. Ich glaube, dieser Bruder hat Recht gehabt.“
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Kritischer
Verteidiger
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schwerer, aber ich denke manchmal, daß vieles auch leichter ist. Ich bewundere sehr oft die Tapferkeit von Pfarrfrauen, die eher alles auf sich nehmen, als daß sie ihrem Mann zum
Nachgeben rieten. Auch sind oft die Gemeindeglieder viel klarer und entschlossener als ihre Pfarrer. Es werden grade
in diesen Tagen bei uns sehr wichtige Entscheidungen fallent. — Mir geht es gut. Ich möchte gern im März Sabine besuchen, wenn es noch geht?. Alles Gute wünscht Euch allen Dein Dietrich
1. APU-Synode in Nikolassee 29.—31. Januar 1939, Seite 546 f. und 550 f. und Anmerkung Seite 547.
2. England G.S.I S. 279—286. Kriegsbefürchtungen.
siehe Rundbriefe
Das amerikanische
Experiment
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Das amerikanische Experiment [Groß-Schlönwitz bei Schlawe, Pommern] 14. Dezember 1938
Lieber Paul! [Dr. Lehmann!] Sie schrieben mir voriges Jahr zu Weihnachten, und ich habe mich sehr über den Gruß gefreut! Aber ich konnte ja ohne Adresse nicht antworten. Nunbitte ich einfach R. Niebuhr um
Beförderung dieser Karte. Hoffentlich klappt es nun. Es wäre ja soviel zu erzählen, daß man damit gar nicht anfangen kann. Am besten wäre es schon, Sie kämen mal wieder zu uns? oder aber Sie lüden mich mal auf ein Semester ein.
Das wäre gar nicht übel! Ich sähe nach so langer Zeit Land und Menschen und besonders die Freunde gern wieder. Was mögen Sie nun machen? Sind Sie schon Professor? / Was macht die theologia sacra? Wahrscheinlich haben Sie längst
die dicksten und umwälzendsten Bücher geschrieben und unsereiner weiß nichts davon. Übrigens macht mir das Bücherschreiben auch Spaß, trotz Prediger Salomo 12, 12. Wenn Sie wollen, schicke ich Ihnen meine „Nachfolge“ vom vorigen Jahr. Aber ich ahne ja nicht, was Sie jetzt interessiert. Schrei-
ben Sie mir mal wieder! Wie geht es persönlich? Was macht Joe Moor, Franklin Fisher, Klein, Dombrowski? Baillie habe ich mal in Edinburgh besucht. Wie macht sich Brunner
in Princeton? Ich hörte von Widerspruch gegen Bibelkritik! Was gibt es für bedeutende Bücher z. Zt. bei Ihnen drüben? Also Sie sehen, ich möchte sehr viel von Ihnen wissen! — Ich 1. Damals Professor in Elmhurst College, Freund aus der New Zeit am Union‘ 1930/31. 2. Lehmann besuchte Bonhoeffer in Berlin im April 1933.
Yorker
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denke gern an unsere gemeinsame Zeit. Mit Sutz stehe ich noch in Verbindung. Jean Lasserre hat sich verheiratet. Unsereiner kann sich das noch nicht erlauben. Dazu ist das Leben zu nomadenhaft. Dafür gibt es viel Freude in der Arbeit. Es grüßt Sie und Ihre Frau sehr herzlich mit allen guten Wün-
schen für das neue Jahr Ihr getreuer Dietrich B. Berlin-Charlottenburg, Marienburger Allee 43.
London, 13. April 1939 Liebe Eltern! ...Es ist eigentlich hauptsächlich die Frage, ob ich Onkel Rudi! hier noch erwarten soll, die meine Abreise noch etwas verzögert hat. Wenn ich aber nichts mehr von ihm höre, fahre ich Sonnabend oder spätestens Montag hier ab. ... Vielleicht muß ich schon im Juni zu Niebuhr. Wenn es nur geht?!
Sigurdshof, 5. Mai 1939
Die Einladung habe ich bekommen.
Ich erwarte eigentlich
noch eine andere für einen früheren Termin, obwohl mir das Datum an sich nicht unangenehm ist. Aber der Urlaub? ist
noch nicht da... So ist alles noch im Ungewissen. Ich bin heute in dem neuen Haus?. Es ist alles sehr klein und pri-
mitiv, aber wunderbar ruhig, bis jetzt, und die Lage ist sehr schön. Es grüßt Euch herzlich Euer dankbarer Dietrich 1. Stichwort für Kriegsausbruch (Krise nach dem Einmarsh in die Tschechei). 2. Urlaub vom Wehrmeldeamt Schlawe. 3. Das Schlawer Sammelvikariat war aus dem Schlönwitzer Pfarrhaus in das Forsthaus Sigurdshof umgezogen.
Das amerikanische
Radiogramm!
Experiment
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May 10, 1939
Dietrich Bonhoeffer, Marienburger Allee 43, Berlin Central Bureau Interchurch Aid urgently requests your coming New York immediatly at latest by midjune to accept important combination Post theological Lectureship and Church Work at Summer Conferences and Universities. Leiper
Edinburgh, May 11, 1939
Dear Paul: [Lehmann]? I have finished eight of my ten lectures here and have done as well as could be expected I suppose. Had a good audience all
through but dont know much about how my stuff has been received. I will not bother you with personal news however. My concern is in regard to Bonhoeffer. He came to see me shortly3 upon our arrival and is anxious to come to America to evade for the time being a call to the colors. I secured an invitation for him for the Union Seminary summer school and also asked the Federal Council to arrange for meetings in church champs etc.4. He would like to stay through the fall and lecture in colleges and seminaries. As I will not be back until November I am wondering whether you would be willing to constitute a committee with me, call me the chairman and yourself the secretary and send out a mimeographed letter offering B’s services to colleges and universities. Ask them for a nominal fee of $ 25 to $ 50 for his services. Yon could have him give you topics and a description of his activities in behalf of the confessional synod.
I dont like to through [sic] this work on you but Ithink you could 1. Übersetzungen zum ganzen Abschnitt siehe Seite 621—630. 2. R. Niebuhr hielt 1939 die Gifford-Lectures in Edinburgh. 3, Bei dem Frühjahrsbesuch in England sah Bonhoeffer Niebuhr in Sussex. Sussex. 4. Siehe G. S. I S. 287—290.
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Kritischer
Verteidiger
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do it best. Be sure and hire stenographers for the job and let me have the bill. Bonhoeffers present address is Marienburger Allee 43 Berlin-Charlottenburg 9. Don’t write him too much but if yon are willing to do this just tell him that you will get in touch with him as soon as he arrives at Union to work out plans which I have
suggested. There will be some difficulty in getting him out and if he fails he will land in prison. He has done a great work for the
church. Edinburgh has been very kind to us and wie have little time to ourselves. I am staying till May 23d and then will go to Oxford. After June 13 you can reach me at The Moat House, Wivelsfield, Sussex. Love from all of us.
Yours Reinhold (Niebuhr)
May 22, 1939
Dear Reinie [Reinhold Niebuhr] I acted at once upon receipt of your letter! about Dietrich Bonhoeffer, and was able to cable him a genuine offer of a job with the American Committee for Christian German Refugees in the City of New York, where we hope very much to be able to finance a pastoral service for Germans living here which Bonhoeffer could
render superbly. I know him well and am keen about him. I shall certainly be glad to do anything I can to help him. I hope you are having a good time and that I shall see you soon, Yours fraternally Henry Smith Leiper
Copy to Van Dusen and Cavert.
1. Siehe G. S.1I S. 237 £.
Das amerikanische
Experiment
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To: Dr. Cavert From: Dr. Leiper June 15, 1939 I am attaching hereto a copy of my letter to Bonhoeffer under
date of May 11thl, which was the basis of his coming here. I have not yet had any opportunity for a real conference with him, and when I tried to introduce him to you, I found you were out of town. He is visiting Henry Coffin at the moment, but will be back next week when we must sit down with this matter and work it out. Pit Van Dusen who has had one talk with him seems to discover that he does not feel he can work with the refugees and safely go back
to Germany, as he now expects to do. Of course, I thought he was coming to stay. He, apparently, is coming only on a visitor’s visa and will be so hampered in his movements on that account that
I seriously question whether he can do the thing we had hoped to have him do.
We must talk it over at the earliest possible date which I suppose would be Tuesday, when I get back, if you are here then.
New York, June 17th 1939 My dear Paul,
nun also bin ich wieder hier! Niebuhr will have written to you about it. There has been some misunderstanding about my trip. I am not a refugee, but I must go back to Germany to take up my work over there. They are in need of teachers.
Ich will bis Spätherbst oder spätestens Frühjahr bleiben. Erste Woche August halte ich eine Woche Vorlesungen in der Summer School of Union. Werde ich Sie überhaupt sehen? Hoffentlich! Glauben Sie, daß sich bis Oktober noch einige Vorlesungen (mit salary, denn ich habe ja kein Geld hier!) an
anderen Universitäten einrichten lassen? Niebuhr war viel1. Siehe G. 5. I S. 288.
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Kritischer
Verteidiger der BK. 1935—1939
leicht zu optimistisch. | Ich war ein paar Tage mit Coffin in Lakeville. Heute traf ich Roberts, der mir sehr gut gefiel. Lassen Sie bald von sich hören! Ich wohne im Union, Pro-
phets Chamber!
_
Grüßen Sie Ihre Frau sehr und nehmen Sie selber herzliche Grüße von Ihrem alten Dietrich Bonhoeffer
Elmhurst College:
Elmhurst, Illinois
Department of Religion
June 27, 1939. Dear Sir: A committe of which Dr. Reinhold Niebuhr, Professor of Applied Christianity at the Union Theological Seminary, New York, is the chairman, is venturing to bring to your attention, the Reverend Dietrich Bonhoeffer, Licentiate in Theology. Reverend Mr. Bonhoeffer is one of the ablest of the younger
theologians and one of the most conrageous of the younger pastors who have undertaken the task of the faithful exposition and perpetuation of the Christian faith in the present critical time in Ger-
many. He comes from a distingnished line of forbears both in the pulpit and ın the university. He himself holds a graduate theological degree from the University at Berlin and from the Union Theological Seminary at New York. Among the more notable of
Mr. Bonhoeffer’s contributions to theological learning are three brilliant and profound volumes on „The Communion of Saints“, „Act and Being“, and one published only recently ander the title, „Community Life“. During the academic year, 1930—1931, Mr. Bonhoeffer was a fellow in theology at Union Seminary and after his return to Germany he began a promising theological career as Privatdozent in the theological faculty at Berlin, Political circumstances have in-
1. Rundschreiben
an ungefähr 40 Colleges und Seminare.
Das amerikanische
Experiment
terrupted these hopes. After a pastorate London, Mr Bonhoeffer returned to his diffieult responsibility of teaching the Confessional Church. Some time ago his
353
in the German Church in country and assumed the future ministers of the little seminary was closed
by the government and he has been continuing his work since then ina private capacity in the parsonages of Pommern. Since Mr. Bonhoeffer will be lecturing in theology at the summer session of the Union Theological Seminary, New York, we are
anxious to provide for him a wider hearing in American academic and theological circles. Accordingly, we are arranging a schedule of lectures at colleges and seminaries during the academic year, 1939—1940. If your institution has a lecture foundation or lecture series on a variety of problems, will yon give favorable consideration to an invitation to Mr. Bonhoeffer to appear? He is in full command of the English language and prepared to discuss in a reliable and challenging manner problems of theology,
philosophy, and the contemporary situation of Christianity in Germany. The committee is venturing to suggest an honorarium of not less than twentyfive dollars and, wherever possible, of fifty dollars. I hope very urgently that we may have some word from you at the earliest possible moment. Correspondence either for Mr. Bonhoeffer or for the committee may be addressed to me at the address below, Your active cooperation in this venture will be a real expression of the spirit of ecumenical Christianity and deeply ap-
preciated. Respectfully,
Paul L. Lehmann, Th.D. Elmhurst
College,
Elmhurst, Illinois.
Elmhurst, Illinois. Elmhurst College, June 28, 1939
Dear Reinie [R. Niebuhr] Immediately upon receipt of your letter of May 11, I got started. T wrote at once to Dr. Press and contacted Pauck and Paul Scherer.
The enclosed letter which I am sending ont today to some thirty
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Kritischer
Verteidiger
der BK.
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or forty places will speak for itselft. 1hope replies will not come in too slowly.
Meanwhile a letter has come from Bonhoeffer who is already at Union. I don’t quite know what to make of it for he speaks already of going back. He says that he is not a refugee and must go back to Germany to take up his work over there, for Germany needs teachers. „Ich will“, he writes, „bis Spätherbst oder spätestens Frühjahr bleiben“. What occurred to me at once was the Eden Theological lectures at Convocation. I ventured to ask Dr. Press to invite Bonhoeffer. ... We are inviting Bonhoeffer forthe four Lenten sermons which come just about Eden convocation time. The two would fit beautifully together. As soon as I get replies to the general letter, I shall make
up a schedule. Richter? will be teaching with us next Fall. The Board seems to have been surprisingly cooperative, the faculty mildly impressed. But it will be like a cultural tornado which is exactly what this place needs...
...if there is any way at any time that I can do something like this, please never hesitate to write. I’m never too busy or tired for
your requests. Affectionately,
Paul
Elmhurst College, June 28, 1939 My dear Dietrich, You cannot know with what joy and relief your letter was re-
ceived. It came to me just when I had to be away for some days
and to take part in a conference here for some days, so that I
have had to wait until now to reply. Evidently my letter of May 27th, sent to Berlin? will not have reached you. Since that time,
Marion and I have been eagerly awaiting word of your arrival in
1. Siehe oben Seite 352 f. 2. Werner Richter, Germanist, jetzt Präs. des Akad. Auslandsdienstes in Bonn.
3, Siehe G. $. I S. 289,
Das amerikanische
Experiment
355
Union. Now that yon are there, we can scarcely wait until you are
here with us.
Whether or not Dr. Niebuhr has been too optimistic, I do not know. But I do know that it is unthinkable that you should return before America shall have had the fullest opportunity to be
enriched by your contribution to its theological hour of destiny.
At least, I like to think of it in this way. The tragic political occasion for these disturbed times may have one great and positive overtone in the widening of the American theological understanding by the present cross fertilization with the continental
tradition. So that yon must see this also as a responsibility as well as the German need for teachers. And besides, Marion and I need very badly to see yon again. Surely yon would not deprive us of the hope that we have carried with us since the day when we left the cafe on Unter den Linden. With your anticipated permission, I have already taken steps to bring this about. The enclosed letter! will speak for itself. But meanwbhile, there is more definite word for you. I am authorized to invite you to deliver the annual series of Lenten sermons which is a part of our campus religious life program. These occur on four succeeding Wednesdays during Lent and seek to interpret the Cross to the contemporary student mind. There will be one hundred dollars at your disposal for these sermons and you will live
with us. At about the same time, Eden Seminary has a theological lectureship at its annnal convocation. This is usually about midFebruary. I have written asking that yon be invited for these. I hope it will work out. But whatever happens, Marion and I want you to know that our home is yours in every respect for as long a time as you are able and willing to have it so. There is no limit. And you cannot afford us any greater happiness than by acting with complete freedom on this premise. Whether or not I shall get to New York this summer, I do not yet know. I am trying very hard to arrange some kind of a brief excursion there, specially io see you. We are leaving here on Satur-
1. Siehe oben Seite 352 f.
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Kritischer
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day for Columbus, Ohio, where we are likely to be until the first of September. The address there is 931 Oakwood Avenue, It should be just about that time that yon will be ready to come west and we shall await you here. You will let me hear from you in Columbus, won’t you? Sometime between July 9 and 12th, a very good friend of mine and former student, George Kalbfleisch by name, will try to visit you in Union, He is en route to Amsterdam! and expects to visit Germany. It was through him that I hoped to send yon some word of reply to your earlier letter at Christmas time. Since he expects to visit Germany, there may be some word that you might like to send. I simply mention this in order that you may know that you can have complete confidence in him. I have told him so much of you and am anxious that you meet.
As soon as replies to the letter which I am mailing today to some thirty or forty places come to me, you will hear more. Meanwhile do keep in touch with me and remember how anxious we are to have you with us again?.
Marion joins me in kindest greetings and highest regard, Paul
New York, June 28, 1939 Dear Paul,
I wonder if you have received my letter last week. T’hings have changed for me entirely. I am going back to Germany on August 2nd or even July 25th. The political situation is so terrible. you before but on the es“ (I mean
But, of course, I should like to have a word from I leave. I am enjoying a few weeks in freedom, other hand, I feel, I must go back to the „trenchof the Church-struggle). Yours ever Dietrich Bonhoeffer
1. Oekumenische Weltjugendkonferenz, 2. Siehe G.S.I S. 310.
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Union T’heolog. Seminary New York, June 30, 1939 My dear Paul,
thank you so much for your good letter which is so full of friendship and hope for the future. Ich bringe es nur schwer über das Herz, Ihnen zu sagen, daß ich mich inzwischen habe entschließen müssen, schon in den nächsten Wochen nach Deutschland zurückzufahren. Es lag meiner Einladung hierher das Mißverständnis zugrunde, als beabsichtigte ich, ganz
in Amerika zu bleiben. So hat man mir hier die Fürsorge für die christlichen Refugees übertragen wollen, eine Arbeit, die mich an jeder Rückkehr nach Deutschland gehindert hätte, so nötig wie sie an sich ist. Sie muß aber von einem Refugee
getan werden. Nun ist inzwischen alles entschieden und auch mit der Bekennenden Kirche geregelt; ich fahre im Juli oder August zurück. Zwar tut es mir aus verschiedenen Gründen leid, aber ich bin andrerseits auch froh, sehr bald wieder drüben mithelfen zu dürfen. Es zieht mich zu den kämpfenden Brüdern. Sie werden das verstehen! Nun habe ich eine dringende Bitte: in Ihrem so freundlichen Schreiben an die
Colleges haben Sie meine Arbeit in Pommern erwähnt. Sollte ein solches Blatt in die Hände einer deutschen Behörde kommen, so wäre die Arbeit, die inzwischen weitergeht, zu Ende. Werden Sie es verstehen, wenn ich Sie herzlich und dringend bitte, sofort an denselben Kreis zu schreiben, daß ich bereits
zurückgekehrt sei und die ganze Sache hinfällig geworden sei, vielleicht auch (was mir wichtig wäre), daß in der An-
gelegenheit ein Mißverständnis obgewaltet hätte! Ich hoffe, daß der Kreis zuverlässig genug ist, um den Brief nicht wei-
tergehen zu lassen. Nun haben Sie viel Arbeit gehabt und ich danke Ihnen aufs allerherzlichste dafür! Es tut mir unendlich leid, daß wir uns nicht sehen. Ich hatte mir gerade von einer Begegnung mit Ihnen soviel versprochen zum Verständnis der hiesigen Lage und vieler anderer Dinge. Nun wird daraus
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nichts. Es ist sehr schade! Aber es geht nicht mehr anders! Man erwartet mich nun drüben bald zurück. — Die politische Lage ist furchtbar, und ich muß bei meinen Brüdern sein, wenn es ernst wird. Wir werden dann oft im Gebet aneinander denken und beieinander sein, und wir werden es Gott anheimstellen, ob und wann er uns noch einmal sichtbar zusammenführt. In solcher „letzten“ Zeit soll jeder auf seinem
Platz, an den er gehört, gefunden werden. Gott schenke uns, daß wir dort feststehen.
Verzeihen Sie die Mühe, die ich Ihnen gemacht habe! Sorgen Sie dafür, daß die Leute die Sache stillschweigend für erledigt halten. Bitte erwähnen Sie in Ihrem Schreiben jetzt gar nichts mehr von Pommern etc., auch nicht, daß die Sache
nicht zu einer deutschen Behörde gelangen soll, sondern am besten nur ein Wort darüber, daß „sich die Anfrage betreffend Herrn D. B. inzwischen durch seine Rückkehr nach
Deutschland erledigt habe und daß in der Angelegenheit ein Mißverständnis obgewaltet hätte“. Das wäre mir das Liebste
und für meine Arbeit drüben, die so dringend nötig ist, das Beste. Mehr zu sagen, könnte unnötiges Interesse erwecken. Und bitte, tun Sie es unverzüglich! Glauben Sie nicht, daß ich die Reise hierher bereute. Ich bin sehr froh, daß ich hier war und habe in dem Monat doch viel gesehen und gelernt. Mein größter Schmerz ist, daß ich
Sie und Ihre Frau nicht gesehen habe. Nun leben Sie wohl, lieber Paul! Gott behüte Sie beide und
gebe Kraft und Freude zur Arbeit, er erhalte auch unsere Gemeinschaft, wie er sie bisher erhalten hat.
Es grüßt Sie in alter Treue und Dankbarkeit immer Ihr Dietrich Bonhoeffer P.S.: Ich fahre vermutlich schon am 8. Juli!
Das amerikanische
Experiment
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1. Juli 1939
Liebe Eltern!
... Nachdem ich sowieso im Herbst gekommen wäre, ist mir
nach den letzten Nachrichten doch der Gedanke ganz unmög-
lich geworden, möglicherweise nicht mehr rechtzeitig fahren zu können. Ich werde noch, solange es geht, Sabine! besuchen... Würdet Ihr mir bitte rechtzeitig zu Sabine Onkel Rudis Geburtstag schreiben, damit ich eventuell noch persön-
lich gratulieren kann?? Die Freunde hier möchten mich gern noch hier behalten. Aber ich kann mich nicht dazu entschließen... Euer dankbarer Dietrich
Columbus, Ohio
July 2, 1939
M» dear Dietrich; Your letter was awaiting me when I arrived here this morning. It was of great help in explaining your card which I received in Elmhurst on last Thursday. But I cannot tell yon how deeply it troubles both Marion and me. I write now, believe me, with great heaviness of spirit. I shall, of course, comply immediately with your request. Please know that I do so with great reluctance and out of a full understanding of your situation. On such a basis yon are not entitled to speak of effort expended and kindnesses shown. The principal
matter of concern is you and the cause to which you are devoted.
Now, I have the return. I simply back without it. know by return
following could not Therefore, mail which
to propose: we must meet before you think of your being here and going yon must be good enough to let me time will be best for my coming to
1. d. h. in England Station machen. 2. d. i.: den Termin des Kriegsbeginns mitteilen.
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New York. Since the friend about whom I wrote you is planning to come to New York next Saturday, July 8, arriving Sunday morning, July 9th, I wonder whether or not yon could wait long
enough to make possible my coming with him. Then I could also be with him when he sails on July 12th. On the other hand, if you must sail on the 8th, as you suggest, I shall come at once. We must have some opportunity to talk together.
Will you let me have word by return mail? Do you think also that you could explain my coming to Emmanuell and ask him whether I might have a bed at the Seminary for the few days, I shall be there? Please go to no trouble over this. If it cannot be, I shall
arrange when I come2. Meanwhile, I shall look forward to seeing yon and Marion joins me in the prayerful commitment of our ways to Him who bringeth all things to pass and in continuing, affectionate regard, Paul
Elmhurst College3 Elmhurst, Illinois
Department of Religion
July 3, 1939 Dear Sir: — Under date of June 27th, a communication was addressed to you in behalf of the Reverend Dietrich Bonhoeffer, Licentiate in Theo-
logy. It concerned the desire of a committee of which Dr. Reinhold
Niebuhr is the chairman, to make Mr, Bonhoeffer’s visit to America available to colleges and seminaries interested in his lec-
tures.
Word has just come that the circumstances of Mr. Bonhoeffer’s visit
to the United States have been entirely misunderstood and that the contemplated opportunity of inviting him cannot materialize owing to his return to Germany. 1. Hausverwalter
2. Siehe G.S.I York
an.
im Union
Seminary.
S. 313. 314. P. Lehmann
kam am
6. Juli in New
3. Zweites Rundschreiben an die oben erwähnten Colleges und Seminare.
Das amerikanische
Experiment
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The committee appreciates the courtesy of your interest in its effort and regrets very much the error of its earlier communication. Respectfully, Paul L. Lehmann, Th. D., Secretary
New York, 3. Juli 1939 Mein lieber Paul! Vielen, vielen Dank für Ihren Brief! Natürlich würde ich mich sehr freuen, Sie noch zu sehen, und Ihr Angebot zu kommen, ist mehr als ich zu denken wagte. Ich kann natürlich auch über meine Zeit frei verfügen. Aber ich muß am 8. Juli abends abfahren. Können Sie wirklich die weite Reise für so kurze Zeit unternehmen? Oder ist es nicht doch zuviel? Bitte übernehmen Sie sich nicht! Ich höre wohl noch von Ihnen. —
Der beigelegte Brief war ganz wie ich es dachte. Herzlichen Dank! In Treue stets Ihr
Dietrich Bonhoeffer
9 Whitehouse Terrace
Edinburgh Telephone 42647 15 June 1939
My dear Dr. Bonhoeffer. I am one of the trustees of the Croall Lectureship Trust, and I
am wirting to you to ask you whether you would be prepared to accept nomination as a lecturer during next Winter. The duties of the lecturer are simply to deliver about six lectures on a theo-
logical subject of his own choosing, but the lectures must be published afterwards in book form. ... Some suitable dates, perhaps some time between October of this
362
Kritischer Verteidiger der BK.
1935 —1939
year and March of next might be arranged between the lecturer and the trustees. ...
I shall write no more at present, but shall await an answer from you. I was most interested in all Professor Niebuhr had to tell me about yon. My wife and Jan send yon their warmest greetings, and so do I Yours most sincerely
John Baillie
London, July 22nd, 1939 Dear Professor Baillie, I have just returned from America and received a letter from Germany with some indication of an invitation from you to Edinburgh for the purpose of lectures there next spring. Thank you very much indeed for this invitation. I will come with the greatest pleasure, if I get ont of Germany by that
time...
Berlin, August 24th 1939 ...I must tell you that it will be very difficult for me to get out in October and I should like to ask you if any time after December Ist or 15th would be acceptable for the committee. I am thinking of the following topic: “the death in the christian message”...
Yours ever Dietrich Bonhoeffer
V.
KRIEG
1940—1943
15, 9. 19409
Pastor Lic. Dietrich Bonhoeffer Schlawe/Pommern, Koppelstr. 9, z. Zt. Berlin-Charlottenburg 9, Marienburger Allee 43
An das Reichssicherheitshauptamt Berlin
SW 11
Prinz-Albrecht-Straße 8 Am 9. 9. 1940 ist mir von der Staatspolizeileitstelle Köslin
die Verfügung des Reichssicherheitsamtes IV A 4b 776/40 eröffnet worden,
durch
die mir ein Redeverbot
für das
Reichsgebiet erteilt wird!. Als Grund wird „volkszersetzende Tätigkeit“ angegeben. Diesen Vorwurf weise ich zurück. Es kommt für mich nach meiner gesamten Einstellung, meiner Arbeit wie auch meiner Herkunft nicht in Betracht, mich mit Kreisen identifizieren zu lassen, die den Makel eines solchen
Vorwurfs mit Recht tragen. Ich gehöre mit Stolz einer Familie an, die sich um das Wohl des deutschen Volkes und Staates seit Generationen verdient gemacht hat. Zu meinen Voreltern gehört der Generalfeldmarschall Graf Kalckreuth und die beiden großen deutschen Maler gleichen Namens; gehört der in der gesamten wissenschaftlichen Welt des vorigen Jahrhunderts bekannte Jenenser Kirchenhistoriker Karl v. Hase; die Bildhauerfamilie Cauer; mein Onkel ist der Generalleutnant Graf v. d. Goltz, der das Baltikum befreite; sein
Sohn, der Staatsrat Rüdiger Graf v. d. Goltz ist mein Vetter 1. Außerdem
wurde
polizeiliche Meldepflicht verhängt,
nach der sich
Bonhoeffer in regelmäßigen Intervallen bei der Polizei des sitzes (Schlawe), Staatspolizeileitstelle Köslin, zu melden hatte.
Wohn-
364
Krieg.
1940—1943
ersten Grades; der im aktiven Heeresdienst stehende Generalleutnant v. Hase ist mein Onkel; mein Vater ist seit fast 30 Jahren ordentlicher Universitätsprofessor der Medizin in Berlin und steht bis heute in ehrenvollen Staatsämtern; seine
Vorväter haben jahrhundertelang als hochangesehene Handwerker
und
Ratsherren
der damaligen
freien Reichsstadt
Schwäbisch-Hall gelebt und noch heute zeigt man dort ihre Bilder mit Stolz in der Stadtkirche; meine Brüder und Schwäger stehen in hohen staatlichen Stellungen, einer meiner
Brüder fiel im Weltkrieg. Es ist das Streben aller dieser Männer und ihrer Familien gewesen, dem deutschen Staat und Volk zu jeder Stunde zu dienen und ihr Leben für diesen Dienst einzusetzen. In bewußter Bejahung dieses geistigen
Erbes und dieser inneren Haltung meiner Familie kann ich den Vorwurf „volkszersetzender Tätigkeit“ nicht hinnehmen. Ein diesem Vorwurf entsprechendes Verhalten ist mir wesensfremd und kommt für mich niemals in Frage.
Meine persönliche Arbeit besteht vorwiegend in wissenschaftlicher Forschung. In der kirchlichen Öffentlichkeit bin ich sel-
ten und Vorträge Seite an den. Ich
dann fast nur durch theologisch-wissenschaftliche hervorgetreten. Es ist bisher noch nie von staatlicher irgendeiner meiner Äußerungen Kritik geübt worbetrachte es als meine Aufgabe in der Deutschen
Evangelischen Kirche für ruhige wissenschaftliche Arbeit und Qualität der Forschung Sorge zu tragen, um so auch an mei-
nem Teil daran mitzuarbeiten, das Ansehen deutscher Wissenschaft hochzuhalten. Es ist mir mitgeteilt worden, daß „Vorträge“, die ich anf einer „theologischen Studentenfreizeit“ gehalten haben soll, zu dem Redeverbot geführt hätten. Hierzu habe ich folgen-
des zu erklären: Bei Gelegenheit eines Aufenthaltes in Ostpreußen wurde ich aufgefordert, auf einer kleinen Zusammenkunft Königsberger Studenten verschiedener Fakultäten eine Bibelarbeit und
Neue
Behinderungen
365
einen Vortrag zu übernehmen. Am 13.7. 1940 fanden sich in Blöstau bei Königsberg 3 oder 4 Studenten ein, dazu etwa ebensoviele Gemeindeglieder. Ich hielt am Nachmittag eine Bibelarbeit mit anschließender kurzer Aussprache über das Evangelium vom reichen Jüngling. Die Skizze dieser Bibelarbeit füge ich dieser Eingabe bei. Am Sonntagmorgen hielt ich den Gottesdienst für die Ortsgemeinde Blöstau und predigte über das Sonntagsevangelium!. Nach dem Gottesdienst saß ich mit den 3 oder 4 Studenten kurze Zeit persönlich zu-
sammen,
als eine größere
Zahl
Beamter
der Geheimen
Staatspolizei erschien und uns erklärte, daß wir auseinandergehen müßten. Wir wurden auf einen Erlaß vom Ende Juni 1940 aufmerksam gemacht, den keiner von uns kannte, da er nirgends veröffentlicht war, und der uns auch trotz wiederholten Bittens nicht vorgelegt wurde, demgemäß das Verbot von christlichen Jugendfreizeiten sich auch auf „konfessionelle Veranstaltungen“ Erwachsener beziehen soll. Einer der
Beamten sagte mir von sich aus, ich hätte nichts Weiteres zu befürchten, es gehe nur um die Durchführung des Erlasses. Ein anderer Beamter sagte, sie wären gar nicht gekommen, wenn sie gewußt hätten, daß hier nur 4 oder 5 Leute beieinander wären. Damit war das Zusammensein beendet. Was mir aus meinen Ausführungen zur Last gelegt werden könnte, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich ausschließlich religiöse und seelsorgerliche Fragen behandelt habe, die mit „volkszer-
setzender Tätigkeit“ auch nicht das Geringste zu tun haben. Selbstverständlich stehe ich zu jeder weiteren Auskunft und Besprechung zur Verfügung. Ichbin auch überzeugt, daß schon eine kurze Aussprache ergeben würde, daß hier irgendwelche
Mißverständnisse vorliegen und daß der Vorwurf eines politisch nicht einwandfreien
Verhaltens meinerseits nicht auf-
rechterhalten werden kann. Ich würde bei dieser Gelegen1. Mat. 7, 13—23.
366
Krieg.
1940—1943
heit auch auf die Gründe meiner Tätigkeit in Ostpreußen hinweisen können. Als ich nämlich dort in einigen Gemeinden predigte, tat ich es als einen Dienst an den im Felde stehen-
den Pfarrern, die die Gewißheit und Beruhigung haben sollten, daß in ihrer Abwesenheit ihre Gemeinden nicht unversorgt seien; ich tat es auch als einen Dienst an den Heimatgemeinden, die sich während der Abwesenheit ihrer Pfarrer nicht allein gelassen fühlen sollten. Es ist mir von der Staats-
polizei auch nicht der geringste Vorwurf wegen einer einzigen dieser Predigten gemacht worden. Darf ich nun bitten, mich zu einer solchen Besprechung aufzufordern oder doch mir mitzuteilen, ob ich durch das Redeverbot auch daran gehindert sein soll, die Ergebnisse meiner gänzlich unpolitischen wissenschaftlichen Tätigkeit in kleinen Kreisen vorzutragen, also, um ein Beispiel zu nennen, vor: etwa 20—30 interessierten Zuhörern über die Auffassung Luthers zu dieser oder jener Frage des christlichen Glaubens
zu sprechen? Ich kann mir nicht denken, daß das Redeverbot in diesem Sinne ausgelegt werden soll. Ich bitte darum, mir wenigstens diese Tätigkeit zu gestatten.
Heil Hitler! Dietrich Bonhoeffert
1. Bonhoeffer erhielt keine Antwort.
Neue
Behinderungen
367
Der Präsident der Reichsschrifttumskammer IID
1 —
026055
mi
Berlin-Charlottenburg, den 17. März 1941 Hardenbergstraße 6
Einschreiben! Herrn
Pastor Dietrich Bonhoeffer Schlawe/Pom.
Koppelstr.9 Hiermit setze ich gegen Sie gemäß $ 28, Ziffer 1, der Ersten Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1. 11. 1933 (RGBl. I. S. 797) eine Ordnungsstrafe im Betrage von RM 30. —(Dreißig) fest. Sie haben folgende Veröffentlichungen vorgenommen: „Nachfolge“ 1937 erschienen im Chr. Kaiser-Verlag, München, „Gemeinsames Jahr“ 1938 erschienen im Chr. Kaiser-Verlag, München „Einführung in die Psalmen“ 1940 erschienen im MBK-Verlag, Bad Salzuflen, Mitarbeit im Sammelwerk: „Predigtbriefe“ 1940 erschienen im G. Müller-Verlag, Wuppertal, Damit sind Sie im Zuständigkeitsbereich meiner Kammer tätig ge-
worden. Nach $ 4 a. a. O. in Verbindung mit meiner Amtlichen Bekanntmachung Nr. 88 vom 1. 4. 1937 in der Neufassung vom 21. 11. 38 über die Erfassung .der schriftstellerisch Tätigen durch die Reichsschrifttumskammer (abgedruckt im „Völkischen Beobachter“ vom
1.7.37, „Börsenblatt“ Nr. 148/1937, 2735/1938, „Der
deutsche Schriftsteller“, Jahrg. 2, S. 157, Jahrg. 3, $S. 277) waren
Sie verpflichtet, die Mitgliedschaft meiner Kammer zu erwerben bzw, die Befreiung von der Mitgliedschaft zu beantragen.
Erst auf meine Aufforderung vom 21. November 1940 haben Sie bei meiner Kammer
die Mitgliedschaft bzw. die Erteilung eines
Befreiungsscheines nachgesucht.
368
Krieg.
1940—1943
Die Ordnungsstrafe ist zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen innerhalb einer Woche nach Zustellung dieses Bescheides auf das Postscheckkonto der Reichsschrifttumskammer, Berlin Nr. 80915,
zu überweisen. Im Auftrage: Unterschrift
Der Präsident der Reichsschrifttumskammer IID 1 —
026055 mi
Berlin-Charlottenburg 2, den 19. März 1941 Hardenbergstraße 6 Mit Postzustellungsurkunde! Herrn Pastor Dietrich Bonhoeffer Schlawe/Pom. Koppelstr. 9 Ihren Antrag anf Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer, Gruppe Schriftsteller, bzw. auf Erteilung eines Befreiungsscheines lehne ich hiermit gemäß $ 10 der Ersten Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz vom 1. 11. 1933 (RGBl. 1.
$.797) mangels der erforderlichen politischen Zuverlässigkeit ab. Nach meinen Feststellungen hat die Staatspolizei gegen Sie am 22.8.1940 wegen Ihrer volkszersetzenden Tätigkeit ein Redeverbot verhängt.
Diese Tatsache stellt den Mangel an Zuverlässigkeit im Sinne des $ 10 a.a. ©. hinreichend unter Beweis. Auf Grund vorstehender Entscheidung ist Ihnen jede Betätigung
als Schriftsteller untersagt. Im Übertretungsfalle müßte die Strafbestimmung des $ 28 der genannten Durchführungsverordnung ge‚gen Sie in Anwendung gebracht werden.
Im Auftrage: Unterschrift
Neue
Behinderungen
369
22. April 1941 An den Präsidenten der Reichsschrifttumskammer
Berlin-Charlottenburg Am 27.3.1941 habe ich durch Einschreiben von der Reichsschrifttumskammer eine Verfügung über eine Ordnungsstrafe von 30.— RM erhalten und gleichzeitig ist mir jede Betätigung als Schriftsteller untersagt worden. Ich habe die Ordnungsstrafe bezahlt, ohne damit ihre Berechtigung anerkennen zu können. Ich erhebe sowohl gegen die Ordnungsstrafe wie gegen das Verbot aus folgenden Gründen Einspruch: 1. Die Amtliche Bekanntmachung Nr. 88 Abs. 2 lautet: „Wer als Wissenschaftler auf seinem Fachgebiet rein wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, gehört nicht in den Zuständigkeitsbereich der Reichsschrifttumskammer.“ In einer Feststellung des Reichsministers des Inneren vom 4. 11. 34 heißt es: „Beamte, Wissenschaftler, Geistliche, Ärzte und Rechtsanwälte werden daher von der Reichsschrifttumskammer nicht erfaßt, wenn sie sich auf ihrem Berufsgebiet wissenschaftlich betätigen.“ In meinen sämtlichen Veröffentlichun-
gen handelt es sich um Zusammenfassungen der Ergebnisse meiner
wissenschaftlichen
—
dogmatischen,
ethischen
und
exegetischen — Forschung, sie fallen daher nicht in den Zuständigkeitsbereich der Reichsschrifttumskammer und ich habe daher gar kein Recht darauf, mich bei der Reichsschrifttumskammer anzumelden. Es wäre mir sonst auch unverständlich, daß ich auf meine Anmeldepflicht für eine
Veröffentlichung aus dem Jahre 1937 erst im Jahre 1941 aufmerksam gemacht würde. 2. Im einzelnen ist zu den in Ihrem Schreiben anfgezählten Arbeiten festzustellen: Das Buch „Nachfolge“ 1937 ist als
rein wissenschaftliche Arbeit in theologischen Kreisen allgemein anerkannt (vergl. die Besprechung in der Theologischen
370
Krieg.
1940— 1943
Literaturzeitung u. a.). Das Heft „Gemeinsames Leben“ 1938 ist in der wissenschaftlichen Reihe „Theologische Existenz“
erschienen und richtet sich an Theologen. Die Schrift „Gebetbuch der Bibel. Einführung in die Psalmen“
1940 umfaßt
nur 16 Seiten und fällt daher genau unter Abs. 3 der Amtlichen Bekanntmachung Nr. 88 über Schrifttum mit „geringfügigem Umfang“, das nicht anmeldepflichtig ist. Die Schrift enthält Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit. Der Sammelband „Predigthilfe“ liefert für Laien gar nicht verwert-
bare wissenschaftliche Textauslegungen für Predigten. Keine einzige meiner Veröffentlichungen rechtfertigt daher die erhobene Ordnungsstrafe. 3. Die Aufzählung meiner Schriften anläßlich der mir auferlegten Ordnungsstrafe ist derart ungenau, daß ich annehmen muß, daß die Schriften selbst überhaupt nicht vorgelegen haben. Eine Schrift „Gemeinsames Jahr“ habe ich nie verfaßt, sondern „Gemeinsames Leben“. Bei der „Einführung in die Psalmen“ fehlt der Titel „Gebetbuch der Bibel“. Ein Sammelwerk „Predigtbriefe“ existiert nicht; ich habe bei dem Werk: „Eine Predigthilfe“ mitgearbeitet, das nicht im G. Müller-Verlag, sondern im E. Müller-Verlag erschien. 4. Die Begründung des Verbotes weiterer Veröffentlichungen
mit dem mir erteilten Redeverbot kann ich nicht anerkennen. Ich habe mich bei der Erteilung des Redeverbotes gegen die erhobenen allgemeinen Vorwürfe mit ausführlicher schriftlicher Begründung verwahrt und habe bisher weder eine Er-
widerung noch eine Entkräftung meiner Gründe erfahren.
Außerdem muß es jedem, der meine wissenschaftlichen Veröffentlichungen kennt, deutlich werden, daß es sich dabei um rein innertheologische Auseinandersetzungen handelt, die mit
der Begründung des Redeverbotes nicht das Geringste zu tun haben.
Während eines Aufenthaltes in Ostpreußen im Sommer 1940 wurde ich in Königsberg von einem dortigen Pfarrer ge-
Neue
Behinderungen
N
beten, auf einer kleinen Studentenzusammenkunft außerhalb
Königsbergs eine Bibelauslegung und einen Vortrag zu hal-
ten. Ich erklärte mich bereit und traf am 13.7. 1940 in Blöstau etwa 6 Personen, darunter 3 Studenten und 3 Gemeindeglieder. Ich hielt eine Bibelauslegung über die Geschichte vom reichen Jüngling. Am nächsten Morgen hielt ich den Gemeindegottesdienst. Für den Nachmittag war ein Vortrag über „Das Problem des Todes“ in Aussicht genommen. Als ich nach dem Gottesdienst mit den Studenten in zwangloser Unterhaltung zusammensaß, kamen mehrere Beamte der Geheimen Staatspolizei, lösten die Zusammenkunft auf und vernahmen die Anwesenden. Dabei wurden wir auf einen
Erlaß vom 26. IV. 40 aufmerksam gemacht, demgemäß das Verbot konfessioneller Veranstaltungen von Jugendlichen auch auf solche Veranstaltungen mit Erwachsenen ausgedehnt werden kann. Keinem von uns konnte dieser Erlaß, der nirgends veröffentlicht war, bekannt sein. Die Beamten der Gestapo äußerten auch ihr Erstaunen über die geringe Zahl der Anwesenden, und einer sagte, sie wären gar nicht ge-
kommen, wenn sie das gewußt hätten. Mir persönlich wurde gesagt, daß mir aus dieser Angelegenheit keine weiteren Unannehmlichkeiten erwachsen würden, da ich ja nur als Gast
zufällig an dieser Veranstaltung teilnahm. Eine Woche später wurde mir ein Reichsredeverbot wegen volkszersetzender Tätigkeit erteilt und in der Eröffnung erfuhr ich, daß diese
Zusammenkunft den Grund dafür abgegeben habe. Einzelne Vorwürfe wurden mir nicht gemacht. Persönlich bin ich der Überzeugung, daß das Redeverbot überhaupt nicht auf bestimmte Äußerungen zurückging, sondern auf die Tatsache,
daß ich während meines Aufenthaltes in Ostpreußen an mehreren Orten in stark besuchten Kirchen gepredigt habe!.
1. Dieser Brief ist nur im Kladde-Entwurf vorhanden und bricht hier ab.
372
Krieg.
1940—1943
Der Präsident der Reichsschrifttumskammer IC 026055 — vz —
Berlin-Charlottenburg 2, den 22. Mai 1941
Hardenbergstraße 6 Herrn Pastor lic. Dietrich Bonhoeffer, Schlawe/Pom. Koppelstr. 9
Ihre Gegenvorstellungen vom 22.4.1941 zu meiner Entscheidung vom 17. März 1941 berücksichtigend, hebe ich die Ordnungsstrafe
von RM 30.— in Anerkennung mangelnden Verschuldens wieder auf und ordne an, daß Ihnen diese zurückgezahlt werden. Ihre Ausführungen sind aber nicht geeignet mich zu veranlassen,
meine Entscheidung vom 19. März 1941 aufzuheben oder abzuändern. Es verbleibt damit bei der Ablehnung Ihrer Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer (Gruppe Schriftsteller — bzw. Erteilung eines Befreiungsscheines). Diese Ablehnung hat die Wirkung einer
behördlichen Berufsuntersagung für eine schriftstellerische Tätigkeit. — Wenn ich in Ziffer 2 meiner Bekanntmachung über die Erfassung der schriftstellerisch Tatigen durch die Reichschrifttumskammer vom 1. April 1937 i.d. F, vom 21. November 1938 verfügt
habe, daß nicht in den Zuständigkeitsbereich der Reichsschrifttumskammer gehört, wer als Wissenschaftler auf seinem Fachgebiet rein wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, so gedachte ich damit der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und dem meiner Kammer vorgeordneten Reichsministerium für Volks-
aufklärung und Propaganda.
Von der Mitgliedschaft in meiner
Kammer — Gruppe Schriftsteller — sind hiernach also nur solche Theologen freigestellt, welche Inhaber von Lehrstühlen an staat-
lichen Hochschulen sind. Im übrigen kann ich Geistliche wegen überwiegender dogmatischer Bindung nicht ohne weiteres als Wissenschaftler in diesem Sinne anerkennen. Im Auftrage: Unterschrift
An Stelle eines Tagebuches
373
An Stelle eines Tagebuches
Sigurdshof, 27. Febr. 40
Liebe Eltern! Der Brief von der Heeresseelsorge enthielt die Mitteilung, daß nach einer neuen Verordnung des O.K.H. nur solche
Leute Kriegspfarrer werden können,
„die sich bereits als
Soldaten in der Front bewährt haben“, und daß alle anderen demnach gestrichen werden müssen, also auch ich!. (Die andre Seite der Sache ist, daß alle Pfarrer, die schon gedient haben oder Kriegsoffiziere sind, natürlich mit der Waffe eingezogen werden und daß also für die Kriegspfarrer niemand
mehr übrig bleibt!) Im übrigen führen Einziehungen der BKPastoren und die Reklamierung von Konsistoriumsleuten, ferner die Besetzung von BK-Stellen in Abwesenheit der BK-Pfarrer durch Konsistorien heute immer deutlicher zu einer Zerstörung der noch vorhandenen kirchlichen Gemeinden... Von der Auflösung der pommerschen Irrenanstalten wird Papa sicher ausführlich gehört haben... Wir haben
wieder für eine Woche Fenerung.... Königsberg, 21. Juni 1940 ... Königsberg finde ich eine Stadt, in der man gut leben kann, im Unterschied zu Stettin. Aber hinter allem, was man sieht, stehen ja jetzt andre Erlebnisse?, mit denen man sich
fortgesetzt auseinandersetzt, bis in die Träume ... 1. Bonhoeffer
hatte bei Kriegsausbruch
u. a. versucht,
sich für die
Heeresseelsorge vormerken zu lassen. 2. 14. Juni: Paris in deutscher Hand; 17. Juni P£tain bittet um Waffenstillstand; 22. Juni Kapitulation im Wald von Compiegne.
374
Krieg.
1940—1943
23. Juli 40 ... Ich fahre heute schon nach Danzig, dann zu Fran v. Kleist und bin Montag oder Dienstag in Berlin, da ich mit Hans
etwas besprechen muß! ...
[Königsberg] 26. August 1940 Lieber Eberhard! Gestern abend kam ich mit 2 Stunden Verspätung an. Wir mußten in Dirschau aus dem Zug?, zur Fähre laufen, übersetzen, dann zur nächsten Station, wo dann die Hälfte der notwendigen Wagen zur Verfügung stand, so daß ich den
Rest der Fahrt hätte stehen müssen, wenn ich nicht gefordert hätte, daß aus den 6 Plätzen der 2. Klasse 8 gemacht würden. Ich tat das, weil eine große Zahl ganz junger Leute durch die Fenster in die Abteile gestiegen waren und so fast alle älteren Leute, alte Frauen, Offiziere etc. draußen stehen mußten. Die guten Manieren geraten rapide außer Kurs... Heute früh war ich auf meiner Dienststelle. Leider bestehen z. Zt. die Voraussetzungen für meine geplante und hier durchaus gutgeheißene Tätigkeit nicht. Vielleicht ergibt sich in
einigen Wochen eine Veränderung, so daß ich die Tätigkeit dann aufnehmen kann. Ich erwarte heute noch einen Anruf von dort. Sonst werde ich wohl bald zurückfahren . . . Ich denke dankbar an die vergangenen Jahre und zuversichtlich an die kommenden. Auf der Reise und hier habe ich Zeit, an 1. Am 13. Juli war der Zusammenstoß mit der Gestapo in Blöstau. Von jetzt an wurde die Übernahme Bonhoeffers in die Abwehr als V-Mann durch Hans von Dohnanyi betrieben. 2. Weichselbrücke im Polenfeldzug gesprengt. 3. Bruderrat, für dessen Visitationsdienst wie im Juni zu arbeiten — oder (bzw. und) Abwehrleitstelle, durch die Berichte aus Grenzgebieten an v. Dohnanyi-Oster gehen sollten?
An
Stelle
eines Tagebuches
375
Deine zukünftige Arbeit! und all das Neue, das Dir bevorsteht, zu denken. Es ist merkwürdig und eigentlich beschämend, der Aufenthalt in Berlin verschlägt mir immer wie-
der sozusagen die geistliche Lebensluft. Dir geht es wohl
ähnlich. Darum hätte ich das Verlangen, noch ein paar Tage mit Dir in Sigurdshof?2
oder sonstwo
zu sein, einfach um
auch etwas mehr zu den geistlichen Dingen des Tageslaufes zu kommen; denn man hat das nötig. Bibel, Gesangbuch, Psalmen rücken einem so ferne. Und dabei liegt es natürlich nur an einem selbst, aber wohl auch etwas an dem ungeregelten Leben und Arbeiten. Also, es wäre schön, wenn wir noch ein paar Tage hätten. PS. Ich fahre morgen nach Eydtkuhnen.
[Klein-Krössin®, 9. Oktober 1940?] Mittwoch Morgen, wenn Du von der Sitzung nach Hause kommst, mußt Du wenigstens einen Gruß von mir haben. Du führst jetzt jedenfalls ein sehr viel bewegteres und für das Ganze ergiebigeres Leben als ich; nur mußt Du Dich nicht auffressen lassen und Deine Selbständigkeit so weit wie möglich wahren. Ich glaube, daß ein großer Teil der Zermürbung und
der Sterilität in unseren Reihen in dem Mangel an „selbstloser Selbstliebe“ ihren Grund hat. Da dieser locus in der offiziellen evangelischen Ethik keinen Platz hat, geht man hochmütig und arbeitswütig über ihn hinweg, zum Schaden
des Einzelnen und des Ganzen. Er gehört aber zum humanum, 1. Inspektorats- und Volksmissionsarbeit bei der Gossnerschen
Missions-
gesellschaft in Berlin unter Pf. Dr. Lokies. 2. Haus des im März zu Ende gegangenen Sammelvikariates im Kreis Schlawe. 3. Gutshaus der Frau Ruth von Kleist-Retzow, wo Bonhoeffer seit Finkenwalde oft zu Gast war und jetzt an der Ethik arbeitete.
376
Krieg.
1940—1943
zu dem wir erlöst sind. Also, laß Dir das rechtzeitig sagen! Ich freue mich hier an der täglichen Morgenandacht, die mich
zur Auslegung nötigt und in der ich, ebenso wie beim Lesen der Bibel auch sehr an Dich und Deine Arbeit denke. Der fest
eingeteilte Tag macht mir Arbeit und Gebet, ebenso wie den Umgang mit den Menschen leicht, und erspart mir die Beschwerden, die seelisch, leiblich und geistlich aus der Unord-
nung kommen. Neulich allerdings hat mich ein schwerer Herbssturm ganz schwermütig gemacht und es war gar nicht so leicht, das Gleichgewicht wieder zu finden. Die Arbeit geht voran; ich schreibe die Disposition des Ganzen; das ist ja für mich immer eine der Hauptfreuden und -schwierigkeiten. Es wird wohl die Woche noch darüber hingehen. — Sonntag waren wir in Kiekow!. Wir sprachen auch über die kirchliche Lage. Dabei wurde mir wieder ganz klar, daß der Kampf um das Kirchenregiment in der Tat die aus der Ge-
schichte der Kirche notwendig hervorgegangene Frage nach der Möglichkeit evangelischer Kirche für uns ist. Es ist die
Frage, ob nach der Trennung von der päpstlichen und der weltlichen Autorität in der Kirche eine Autorität in der Kirche aufgerichtet werden kann, die allein vom Wort und Bekenntnis her begründet ist. Ist eine solche Autorität nicht
möglich, dann ist die letzte Möglichkeit evangelischer Kirche vorbei; dann gibt es wirklich nur Rückkehr nach Rom oder
unter die Staatskirche oder den Weg in die Vereinzelung, in den „Protest“ des echten Protestantismus gegen falsche Autoritäten. Es ist kein Zufall, sondern göttliche Notwendigkeit, daß es heute um die Autorität des echten Kirchenregimentes geht. — Meine Gedanken gehen jetzt oft zu Sabine? ... Wo man das Gefühl hat, daß andere etwas von einem erwarte1. Gut von Hans Jürgen von Kleist-Retzow. 2. Schwester in England; gemeint ist die auf dem Höhepunkt befindliche Luftschlacht über dem Kanal und Südengland zur Vorbereitung einer Invasion.
An Stelle eines Tagebuches
377
ten und daß man das Erwartete so wenig erfüllt hat, da stellt sich in der Erinnerung ein Schuldbewußtsein mit ein und zugleich das Verlangen nach Vergebung und danach wieder helfen zu können ... Wie geht es wirtschaftlich und im Luftschutzkeller? In Köslin war auch wieder Alarm. Alles Gute! Auf Wiedersehen nächste Woche!
Kloster Ettal, 31. Oktober 1940
Gestern mit 4stündiger Verspätung in München! angekommen; der Tag über sehr lebhaft mit vielen Menschen ... . Heute ein kurzer Besuch hier oben, wo ich für später ein-
geladen bin. Heute abend noch für ein paar Tage nach München, um auch noch einige Leute zu treffen. Es ist schönster Winter hier oben. Ich hoffe, Du kommst her! Bald mehr. In Eile herzliche Grüße...
Parkhotel, München 4. November 1940
„..„ Nun bist Du wohl ganz in Vorbereitungen für die Bibelwoche. Schade, daß wir nicht wieder zusammen vorbereiten
können. — Ich versuche hier so etwas Fuß zu fassen in den Kreisen, die mich interessieren; und ich glaube, daß das bei der anderen Konfession leichter sein wird als bei den eigenen Leuten; mal sehen. Jedenfalls ist schon jetzt deutlich, daß es 1. Bonhoeffer hatte die Auflage, sich bei der für Schlawe zuständigen Gestapo in Köslin regelmäßig zu melden; außerdem bestand noch die
Ausweisung aus Berlin. Deshalb wollten Oster und Dohnanyi Bonhoeffer durch die Münchener Abwehr als V-Mann verpflichten lassen, wohin er seinen offiziellen Wohnsitz dann zu sih um vorbereitende Fühlungnahme Dr. Josef Müller.
verlegen hatte. Hier handelt es mit Herren der Abwehr, u. a.
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Krieg.
1940— 1943
bier an den nötigen Verbindungen bisher gänzlich mangelt. Ich besuche jetzt viele Leute und bespreche diese Dinge. Heute war hier im Ordinariat große Aufregung: Verbot der Bücher-
kästen in den Kirchen; Festsetzung der vormilitärischen Ausbildung für Sonntag 8-11 Uhr; nach Luftalarmen kein Gottesdienst vor 10, kein Glockenläuten vor 1 Uhr. Diese drei Dinge kamen auf einmal und lösten ein sehr vernehmliches Echo aus, nebenbei auch hier viel offene Kritik an den Bischöfen. — Meine Pläne sind jetzt folgende: Bekomme ich morgen (Dienstag) keine Nachricht über meine Rückkehr nach Berlin, so rufe ich abends zu Haus an (bitte teile das mit!), damit ich hier weiter über meine Zeit disponieren kann. Aus meinen heutigen und morgigen Besuchen wird sich hoffentlich etwas Klarheit ergeben. — Abends bin ich oft im Theater, ich sah Ariadne, Othello und gehe heute in ein Bachkonzert. — Denke Dir, ich habe in einer Seitentasche
meiner Brieftasche noch 200 M gefunden. Wollen wir die nicht für die Weihnachtsreise gebrauchen? Oder soll ich Dir irgendetwas sehr Schönes schicken? Die Hälfte gehört Dir ja
sowieso. Bald mehr! Jetzt will ich mal zu meinem Verleger, danach ist der Tag besetzt. Ich denke an Dich und Deine Arbeit.
[Berlin, 13. 11. 1940] Mittwoch
In Eile vor der Abreise noch einen herzlichen Gruß. Ich fahre morgen noch über Jena, um Staemmler! zu sprechen... . Schreib bald! nach München, „Europäischer Hof“. Gott be-
hüte Dich! 1. St. war jetzt Vorsitzender des Bruderrates der APU, welcher nah der Seminarauflösung und dem Scheitern des ostpreuß. Versuches Bonhoeffers Anstellungs- und Beschäftigungsverhältnis neu zu ordnen hatte — eine schwierige Aufgabe angesichts der delikat zu behandelnden Ab-wehr- und Widerstandsinteressen.
An Stelle
eines Tagebuches
16.
379.
November 1940
Ich sitze im Zug nach München und habe eben die große Enttäuschung erlebt, daß der Zug nicht, wie ich dachte, um 1/39, sondern um !/a11 Uhr ankommt. Lesen kann ich nicht mehr. So schreibe ich Dir einen unleserlichen Brief. Der Besuch bei Staemmler war ganz gut. Er ging aus von seinem Gespräch mit Dir, indem Du offenbar rührend und freundschaftlich meine Sache vorgetragen hast, mit dem Erfolg, daß sie jetzt
alle ein schlechtes Gewissen gegen mich haben. Das hatte ich zwar nicht beabsichtigt, aber es war jedenfalls sehr nett von
Dir, daß Du die Sache so ins Rollen gebracht hast! Man hat also beschlossen, daß ich weiterhin der Leiter der BK-Ausbil-
dungsstätte bleibe und mich zur Verfügung halte, bis dahin aber wissenschaftlich arbeite, da man daran großes Interesse habe. In Bezug auf eine Pfarrstelle war er sehr skeptisch. Für Bismarck! war er nicht sehr. So bin ich für’s erste frei, aller-
dings ın dem beruhigten Bewußtsein, daß man das so will. Was soll ich nun tun? Wenn ich wirklich auf mindestens 5 Monate frei bin, ist es nicht schön, im Hotel zu wohnen.
Aber was dann? Eine kleine Wohnung im Gebirge mieten? Und die Bücher zum Teil kommen lassen? Rads? haben ein kleines Haus (mit Heizung) zu vermieten in der Nähe des Chiemsees, 30—40 M monatlich, möbliert, mehrere Zimmer. Verlockend wäre es schon. Wenn auch auf die Dauer sehr einsam. Ich muß ja noch die militärische Sache abwarten?. Schließlich muß es ja auch nicht Bayern sein. Wie schön wäre es, wenn wir irgendetwas Gemeinsames machen könnten.
Könntest Du Dir da eine Lösung denken? (Rad will mich im Dez. in Ettal besuchen.) Wann kommst Du? Du könntest doch mal Neuendettelsau besuchen und anschließend einen Ein1. freie Pfarrstelle in Bismarck in der Altmark. 2. Prof. Gerhard von Rad, damals in Jena.
3. An die Eltern fügt DB an einen fast gleichlautenden Satz noch an:
„Vorher kann
ich nichts entscheiden,“
'
380
blick in katholische
Krieg. 1940—1943
Volksmission
nehmen,
eventuell
auch
nach Österreich fahren. Besprich das doch mal mit Lokies! Oder soll ich an ihn schreiben? Wie Du willst! — Staemmler war persönlich sehr nett. Wir sprachen auch über Catholica, sehr vernünftig! Asmussen soll in einem Una Sancta-Gottesdienst gepredigt haben! Das geht mir zu weit. Er hat keine Festigkeit... Mit von Rad tauschte ich Erinnerungen aus. Er ist sehr einsam und er gefiel mir — nach 18 Jahren! — wieder sehr gut. Kirchlich scheint er mir ganz klar zu sein. — Staemmler fragte, ob Du kämst!. Als ich bejahte, sagte er ganz beruhigt: „Ach, das ist sehr schön!“ Er braucht auch
Stärkung und Hilfe. Andrerseits hast Du selbst genug anderes zu tun! Denke an meine Ermahnung über die Selbstliebel Noch ein Wort zur katholischen Frage: Wie sind wir Luthe-
raner mit den Reformierten zusammengekommen? Eigentlich ganz untheologisch (die theologische
Formulierung von Halle
ist ja doch auch mehr eine Feststellung von Tatsachen als eine theologische Lösung, das ist sie wirklich nicht!!); nämlich durch zweierlei: durch „Führung“ Gottes (Union, BK) und durch die Anerkennung des im Sakrament objektiv Gegebenen: Christus wichtiger als unsere Gedanken über ihn und seine Gegenwart. Beides theologisch fragwürdige Grundlagen, und doch entschied die Kirche im Glauben sich für Abendmahls- d. h. Kirchen-Gemeinschaft. Sie entschied sich für
Anerkennung der Union als einer Führung Gottes, sie entschied sich dafür, ihre Gedanken bzw. Lehre über Christus
hinter die Objektivität der Gegenwart Christi (auch im reformierten Abendmahl) zurückzustellen. Sie einigte sich aber theologisch (abgesehen von Halle) nicht! Wäre dieses beides nicht auch möglich im Verhältnis zur katholischen Kirche: Anerkennung der „Führung“ Gottes in den letzten
1. Tagung der Bruderschaft der Hilfsprediger und Vikare der ProvinzSächsischen BK.
An Stelle eines Tagebuches
381
Jahren, Anerkennung der Objektivität der Gegenwart Christi (für die alten Lutheraner bei den Katholiken leichter als bei den Calvinisten!)? Es scheint mir als einigten sich Kirchen
nicht primär theologisch, sondern durch glaubende Entscheidung im genannten Sinne! Das ist ein sehr gefährlicher Satz, gewiß! Man kann alles damit machen! Aber haben wir nicht
praktisch danach gehandelt in der BK? Natürlich ist die Führung damals noch sichtbarer gewesen. Ich meine ja auch nicht, daß das morgen oder übermorgen geschehen könnte, aber ich möchte mir die Augen in dieser Richtung offen
halten! So jetzt wackelt der Zug zu sehr! Verzeih das Gekrackel! ... Grüße in Jena alle alten Freunde! Schreib mir nach Ettal über Oberau (Bayern), Hotel Ludwig der Bayer.
Ettal, 18.
November 1940
Seit gestern bin ich hier, aufs freundlichste aufgenommen, esse im Refektorium, schlafe im Hotel, kann die Bibliothek
benutzen, habe eigene Schlüssel zur Klausur, hatte gestern ein langes, gutes Gespräch mit dem Abt, kurz alles, was man sich wünschen kann. Nur fehlt der Schreibtisch, und der seit
bald 6 Jahren selbstverständlich gewordene Austausch meiner Eindrücke ... Ich wollte Dir noch in Ergänzung zu der Einladung zu der Mission geladen
hierher sagen, daß ich beste persönliche Beziehungen größten katholischen Missionsgesellschaft (Steylerin Wien) habe und daß ich dorthin herzlichst einbin. Ob das nicht eine Reise von Dir rechtfertigen
würde? Ich finde, die Leute sind offen und bereitwillig, daß ich mir ein fruchtbares Gespräch zwischen Euch denken könnte. Ich könnte Dich ohne weiteres mitbringen, auch zur
katholischen Volksmission kann ich leicht Beziehungen haben.
382
Krieg.
1940—1943
Also ich finde, es ist doch interessant für Euch und vielleicht sachlich angebracht, daß man so etwas ausnützt; wie lange
ich hier bin und das möglich ist, ist unbestimmt; also komm noch im Dezember! Sag Lokies, daß ich es für wichtig halte, diese Beziehungen jetzt anzuknüpfen! Hier wäre es für Dich natürlich auch interessant! Also ich hoffe, Du kommst! Laß
bald hören! ... .
Kloster Ettal, 21. November 1940
Liebe Eltern ... Ich bin eingeladen (was ja anf die Dauer nicht gut geht), wohne im Hotel, esse im Konvent, habe Zugang zur Bibliothek und kriege, was ich brauche. Fremd ist mir die Form dieses Lebens ja nicht und ich empfinde die Gleichmäßigkeit und Stille als sehr wohltuend für die Arbeit. Es wäre schon ein Verlust (und es war wohl ein Verlust in der Refor-
mation!), wenn die durch 1500 Jahre bewährte Form des Zusammenlebens zerstört würde, was man bier für durchaus möglich halt. Ich glaube, daß unendlich viele Reibungen, die es sonst notwendig bei so engem und dauerndem Miteinanderleben geben müßte, durch die strenge Ordnung verhindert werden, und daß die Arbeit dadurch eine sehr gesunde Grundlage bekommt. Manches ist ja wirklich eigentümlich, so wenn
beim Mittagessen und Abendbrot irgendwelche geschichtlichen Werke in dem singenden Ton der Liturgie vorgelesen werden; zumal wenn der Inhalt humoristisch wird, kann man
sich manchmal ein Lächeln nicht verkneifen. Sonst finde ich ja das Vorlesen in einem so großen Kreis gar nicht schlecht. Ich hatte es im Seminar auch eingeführt. Im Laufe der Zeit lernt
man da allerlei kennen. Übrigens ist das Essen ausgezeichnet. Nun erwarte ich Christel und die Kinder... Hier wird zur Zeit sehr viel eingezogen. Wofür wohl jetzt im Winter? ....
An
Stelle
eines Tagebuches
383
21. November 1940 Lieber Eberhard! ... Hier schicke ich Dir ein paar Marken!, die übrigen spare
ich für unsere Weihnachtsferien. Ich bin zur Zeit ganz Gast des Klosters...
[Ettal] Sonntag, den 23. November 1949 ... Ich freue mich, trotz allem, daß du nun so ganz zum Einsatz kommst und wirklich etwas tun kannst, was nötig ist und Dich ganz in Anspruch nimmt. Meine Zurückgezogenheit kommt mir demgegenüber so überflüssig vor; aber das schadet ja auch nichts, sich eine Zeitlang sehr entbehrlich zu fühlen. Du bist zweifellos z. Zt. nicht entbehrlich und das gibt doch eine — „vorletzte“ — Befriedigung für Dich... Ich denke manchmal, daß die ganze Sache (wenn sie schon unvermeidlich ist) doch auch eine Form der Bewahrung für die Zukunft sein kann. Aber freilich, wie unvergleichlich leicht und freundlich ist unser Weg in den ganzen letzten Jahren gewesen im Vergleich zu all dem, was seit Jahren auf den anderen liegt! Und welches Recht hätte ich, auch nur einen
Augenblick mit meinem Zustand zu hadern, der für andere der Vorgeschmack des Paradieses wäre! Also bitte denke nicht, daß ich mich hemmungslos der Resignation hingebe; ich weiß schon und sage was ich zu danken habe. wunderbaren Messe. Mit doch vieles mitbeten und
es mir täglich morgens und abends, — Eben komme ich aus einer ganz dem Schott in der Hand kann man ganz bejahen. Es ist doch nicht ein-
fach Götzendienst, wenn auch der Weg vom eigenen Opfer für Gott zum Opfer Gottes für uns, wie ihn die Messe geht,
mir schwer fällt und ein verkehrter Weg zu sein scheint. Aber 1. Lebensmittelmarken.
384
Krieg.
1940—1943
ich muß es noch besser verstehen. Ich bin noch immer drüben
Gast. Das geordnete Leben tut mir wieder sehr wohl, und ich wundere mich, wieviel wir im Seminar ganz von selbst ähnlich gemacht haben. Übrigens wird hier gerade vom Abt und mehreren patres das „Gemeinsame Leben“ gelesen. Demnächst werden wir eine Aussprache haben. Die selbstverständliche Gastfreundschaft, die offenbar etwas spezifisch Benediktinisches ist, die wirklich christliche Ehrerbietung, die dem Fremden um Christi willen erzeigt wird, beschämt einen fast. Du solltest doch auch nochmal herkommen! Es ist eine Bereicherung ....
Sonst geht es mir geistlich und leiblich gut. Ich habe Verlangen nach einem Abendmahlsgottesdienst. Neulich geriet ich versehentlich in eine lutherische Beichtfeier in München. Die Beichtfragen waren aber so schrecklich gesetzlich, daß ich ganz froh war, nicht zum Abendmahl eingeladen zu sein. Das war auch nicht viel besser als das Meßopfer! Und dabei in Meisers Kirche... ! — Nun leb wohl, lieber Eberhard.
Ich denke in der Ruhe des hiesigen Aufenthaltes viel an die Brüder, an die BK, an Dich und Deine Arbeit... Heute ıst vom Papst ein Gebet für den Frieden in der ganzen
Kirche angeordnet. Hätten wir da nicht mitbeten können? Ich habe es getan.
[Ettal] 27. November 1940 ... . Heute ist mir ein möglicher Titel für mein Buch eingefallen: „Wegbereitung und Einzug“ — entsprechend der Zweiteilung des Buches (die vorletzten und die letzten Dinge). Was meinst Du dazu? Aber laß Dich jetzt durch so
etwas nicht beschäftigen. Du hast anderes genug ...
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Mit Frau Ruth von Kleist-Retzow und Konstantin
von
Kleist-Retzow
in Kieckow
Mit Pater Johannes (links) in Ettal Weihnachten 1940
1940
An Stelle
eines Tagebuches
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[Ettal] 28. November 1940 Da ich noch immer aufs Warten gestellt bin, will ich Dir we-
nigstens täglich einen Gruß schicken. Wenn es sich inzwischen so entschieden haben sollte, daß Du am Montag fort mußt! (und aus Deinem Schweigen glaube ich das fast fürchten zu müssen), so möchte ich doch wenigstens brieflich bei Dir sein. Es kommt mir ganz unnatürlich vor, Dir jetzt gar nicht helfen zu können. Im Augenblick gehen mir noch allerlei äußere Dinge durch den Kopf. Du darfst nicht vergessen, die Kleiderkarte noch für wollenes Zeug auszunutzen. Ich glaube, Du hast nicht viel Wollenes und würdest es bestimmt brauchen. Natürlich kann ich Dir von mir allerlei geben, wenn Du in Berlin nichts mehr kriegst. In München gibt es noch allerlei. Auf den Rest würde ich mir an Deiner Stelle
noch einen Anzug kaufen. Geld kannst Du noch von mir haben. Ich habe in diesem Monat viel gespart. Nimm auch Zigaretten etc. mit. Ich fahre jetzt nach München, wo ich auch für die Brüder was zu Weihnachten besorgen will; dann treffe ich Hans?. — Die Arbeit geht einigermaßen voran. Heute ist hier großes Fest gewesen, Jahresfeier der Abtsweihe, mit Aufführungen und Festessen. Es war sehr nett. Ich müßte Dir bald mal mündlich erzählen können. Spätestens Weihnachten. Nun muß ich packen.
[Ettal] 28. 11. 40 Eben kommt im Augenblick, als ich das Hotel verlasse, Deine Karte mit der Freudennachricht®. Warum hast Du nicht telegraphiert? Aus Geiz? Ich werde Dir meine Telephonrechnungen schicken! Also, ich freue mich sehr und bin
nur begierig, Näheres zu hören. 1. Kurzfristiger Gestellungsbefehl. 2. Hans von Dohnanyi, der u. a. zur Besprechung der kommenden Reise Bonhoeffers in die Schweiz nach München fuhr. 3. Neue UK-Stellung.
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Krieg.
1940—1943
[München] 29. November 1940 Seit gestern abend bin. ich in München, u. a. habe ich Weihnachtseinkäufe gemacht . ... für die Patenkinder das umstehende Bild größer und gerahmt [Lochner, Geburt Chri-
sti.]. Dasselbe
dachte ich für Blocks! und Fran Martin?,
der ich ja immer etwas schicke, was Du vielleicht diesmal für mich übernimmst ..... Außerdem kaufte ich 100 Postkarten mit dem Altdorfer auf der anderen Karte [Albrecht Alt-
dorfer, Die Heilige Nacht.]. Ich finde dieses Bild sehr zeitgemäß: Weihnachten unter Trümmern.
Schicken möchte ich
aus Furche: Calvins Briefe an die Hugenotten! Sehr eindrucksvoll. — Ich werde möglicherweise bald reisen müssen?; wie lange, weiß ich noch nicht; eine interessante und eigenartige Aufgabe. Heute sah ich den hiesigen Mann für Volksmission, hoch interessant und wirklich objektiv lohnend
für Dich! Z. T. wie in Finkenwalde, aber auch ganz neue Anregungen. Ich finde, Ihr müßt das wissen! Es wird hier praktiziert, und zwar in Städten. Ich weiß nicht, ob Ihr sonst Verbindungen dahin habt. Wir müssen, sobald meine Reise feststeht, etwas vereinbaren. Du mußt das Lokies sagen! Noch weiß ich nicht, auf wie lange Du nun frei bist. Aber
ein großes Geschenk ist das zweifellos; ich empfinde es jedenfalls ganz stark so, eine wirkliche Gnadenfrist. Es kommt darauf an, daß wir sie richtig nutzen, damit man nach ihrem Ablauf weiß, wozu sie gut war... Nun kannst Du noch Advents- und Weihnachtszeit haben und arbeiten. Ich werde die Lieder sehr vermissen, ganz abgesehen von der Verkündigung; denn auf dem Seminar hatten wir dies doch. Um so mehr freue ich mich für Dich, auch daß Du gerade in Finkenwalde sein kannst. Da wird man besonders dankbar 1. in 2. 3.
Sup. Block in Schlawe, der Schutzherr des ehemaligen Sammelvikariats Sigurdshof, bei dem Bonhoeffer polizeilich bis dahin gemeldet war. Frau Niemöller. In die Schweiz.
An Stelle eines Tagebuches
387
sein. Ich wünsche Dir naoomola vereint mit oopoooown und
werde täglich in Gedanken bei Dir sein. [Freimut und Verständigkeit] — Die Gebirgslandschaft finde ich physisch nicht leicht zu ver-
dauen. Das Unübersteigliche legt sich manchmal wie eine Last auch auf die Arbeit. Hängt eigentlich „Gebirge“ mit „bergen“ zusammen? Manchmal denke ich es und empfinde es auch so, aber seltener. —.. . .
Ettal, 29.
November 1940
Liebe Eltern! ... Ich habe mit dem Verleger! gesprochen; er denkt wir Ihr.
Ich werde entsprechend schreiben. Einen Ahnenpaß besitze ich leider nicht. Wie kriegt man den eigentlich? An Block schreibe ich heute wegen NSV... — Heute habe ich Weihnachtsbesorgungen gemacht. Ich muß diesmal hauptsächlich die Frauen der im Felde stehenden Brüder bedenken. Da
kommen die Geschwister etwas zu kurz...
1. Advent [Ettal, 1. Dezember 1940]
Lieber Eberhard! Ich wünsche Dir eine frohe Adventszeit! Viel Freude an der
Arbeit und an den Adventsliedern! Hans kam gestern. Ich habe nun von ihm alles über Dich gehört. Wir finden, daß die Lehre von der Geschichte darin besteht, daß wir zu wenige Leute kennen und daß der Kreis zu eng wird. Ich hatte gerade vor Wolfgangs Erkrankung? noch ganz ausführlich mit 1. A. Lempp
(Chr. Kaiser);
offensichtlich
Befürchtung
von
Maßnahmen
gegen nicht organisierte Schriftsteller. Siehe Seite 367. 2. Wolfgang — Staemmler; Erkrankung — Verhaftung, verhaftet 16. November 1940, weil trotz Redeverbot Vortrag gehalten.
am
388
Krieg.
1940—1943
ihm über diesen Punkt gesprochen, und er wollte etwas Dies-
bezügliches in die Wege leiten. Nun kam er wohl nicht mehr dazu. Um so mehr muß das jetzt angegriffen werden. Wir sind es auch Hans schuldig, da etwas auf ihn zu hören. Nun könnte ich Dir vor Weihnachten in dieser Richtung manchen Dienst tun. Nachher reise ich selbst auf längere Zeit. Ich schlage also vor, daß Du unmittelbar nach Ostpreußen hierher kommst (vom 20.an kommt vermutlich Sperre!), Dich ein paar Tage, die Du sowieso brauchst, ausruhst, dann einige Leute mit mir besuchst, nicht nur im engeren Sinn beruflich, sondern mit weiterem Horizont... wir können uns nicht immer auf 2 Augen verlassen. Ich würde Dich also nach dem 15.12. erwarten... Ich fahre dann wohl zu Sutz! und anderswohin. Alles Gute
[Ettal] 5. Dezember 1940 Du wirst inzwischen auch gelesen haben, daß vom 20. an das Reisen erschwert ist. So müssen wir uns nun bald entschließen. Eben höre ich, daß gegen Weihnachten die Sonne
nicht mehr nach Ettal, das im Gebirgstal liegt, hineinscheint. Da müßten wir uns vielleicht anderswohin setzen. Falls Du aber für Friedrichsbrunn bist, laß es mich rechtzeitig wissen! Ich habe an sich nichts dagegen, besonders wenn nicht zuviel Kinder oben sind. Ich fahre gerade nach München, um allerlei zu regeln. Ich soll mich ja dienstlich dort anmelden. Es
gibt allmählich soviel zu erzählen und zu besprechen, daß es höchste Zeit wird, daß wir uns treffen. —
Justus? schrieb
eben ganz beglückt über Dein Dortbleiben; das wäre ein „fruchtbarer und lebendiger Austausch“ ...
1. Erwin Sutz, damals Rapperswil bei Zürich. 2. Friedrich Justus Perels, Justitiar der Bekennenden Kirche der APU.
An Stelle
eines Tagebuches
389
Ettal, 2. Advent [8. 12. 40] ... Ich hoffe nun also auf Dein Kommen ... Der katholische Advent ist einem doch etwas fremd. Ich freue mich auf Weihnachten mit Dir. Also halte mich auf dem Laufenden! Hier schneit es wie toll. Ich habe meinen Schneeschal noch nicht angehabt! Also dann zusammen wie einst. Gott behüte Dich
in Deiner vielen Arbeit...
|
P. S.: Das Gespräch Gü-Ke! scheint günstig verlaufen!
[Ettal] 10. Dezember 1940
... Ich hole Dich natürlich in München ab. Vielleicht bleiben wir noch etwas dort, um gleich einiges zu erledigen. Möglicherweise kommt etwa gleichzeitig mit Dir Gürtner, um seinen Sohn abzuholen. Es wäre ja ganz nett, Du lerntest ihn
dabei auch kennen... . Hier war Nachfrage nach mir, was ich hier täte und warum
ich so oft drüben sei?. Man hat dort gut und klar geantwortet. Man gewöhnt sich allmählich an alles . . . Ich beginne jetzt mit dem Teil über das „Natürliche Leben“; Du hast recht, es ist gefährliche Materie, aber gerade darum so reizvoll. Leb wohl. Gott behüte Dich!
[Ettal] 11. Dezember 1940
...Fährst Du doch lieber 2. Klasse den Tag über? Es sind 11 Stunden .... wenn Du Dir was Schönes zu lesen mitnimmst (ich las gerade wieder mit großer Spannung Ibsen: Wildente, Nora, Gespenster, für die Bahn sehr geeignet!), dann ist es vielleicht sogar ganz ausruhsam. . . . Ich bin 1. Gürtner-Kerrl. Es ging um den Versuch, die Möglichkeit Stellungen für Bekenntnispfarrer durchzusetzen. 2. Polizeiliche Nachfrage.
von
UK-
390
Krieg.
1940—1943
sehr mit Feldpostbriefen für Weihnachten beschäftigt. Es sind 901. — Heute schneit es wieder ununterbrochen. Wie mag es bei Euch oben aussehen? Heute war hier !/a Stunde
Fliegerarlarm!! Sehr aufregend für die Unerfahrenen. Dir alles Gute und viel Kraft für die letzten Tage! [Ettal] 13. Dezember 1940 ... Hier schneit es nun seit 48 Stunden ohne Unterbrechung und es türmen sich Schneemassen auf, wie wir sie selbst im vorigen Jahr nicht sahen, übrigens auch für hier außergewöhnlich ... Am 16. treffe ich Hans in München ...
Ettal, 22. Dezember 1940 Liebe Eltern! ... Gerade hörte ich, daß der Papst bei den Regierungen um Waffenruhe während Weihnachten gebeten habe. Ob eine solche Stimme überhaupt noch gehört werden kann, werden wir ja sehen. Ich bezweifle es. Wir werden ja diesmal wieder hauptsächlich an Sabine? denken ... Natürlich fehlt es einem, daß man so gar nichts tun kann. Aber ich glaube immer, daß dort, wo uns die Hände wirklich völlig gebunden sind, etwas Besseres am Werke ist, und daß das von uns anerkannt sein
will. Die drüben werden es wohl ebenso empfinden und hinnehmen, und so darf doch eine gewisse Ruhe über uns kom-
men ..... Gürtner kam gestern mittag. Wir waren den Tag über zusammen und haben manches besprochen. Er ist in der Sache K. ganz optimistisch; es ist nur fraglich, was K. selbst noch vermag. Die Sache eilt nun einigermaßen; denn die
Nachrichten über Arbeitseinziehungen häufen sich ... 1. Finkenwalder Rundbrief, siehe Seite 570 und 573 Anm. 2. 2. Geschwister in England.
An Stelle eines Tagebuches
391
Ettal, 28. Dezember 1940 ... Als wir im vorigen Jahr... an das Jahresende kamen, glaubten wir wohl alle, daß wir in diesem Jahre um ein entscheidendes Stück weiter sein und klarer sehen würden. Nun ist es doch mindestens fraglich, ob sich diese Hoffnung schon erfüllt hat. Hans ist ja der Meinung!. Mir scheint es fast, daß wir uns für lange Zeit damit abfinden müssen, stärker von der Vergangenheit und von der Gegenwart, und das heißt ja
wohl von der Dankbarkeit, zu leben als von der Sicht in die Zukunft. Andrerseits spürt man, wie sehr das menschliche Leben von der Zukunft leben will, mehr als von allem anderen. Es gehört immer ein ganz bewußter Akt, eine bewußte Einschränkung, Selbstbescheidung dazu, sich diese Gedanken zu verbieten und für das dankbar und froh zu sein, was gewesen ist und noch ist. Es ist aber wohl doch ein Segen dieser Zeit, daß wir das lernen können, und daß wir dann auch wieder etwas zuversichtlicher, mutiger, vertrauensvoller in die Zukunft sehen lernen. Es ist eben doch so, daß die Dinge vorher immer noch dunkler und schlimmer aussehen als sie in Wirklichkeit sind, wenn sie herankommen, und daß die Sorge unsern Blick nicht klarer macht...
[Ettal], 15. Jannar 1941
Lieber Eberhard! ... Die Sache? muß nun mit allem Nachdruck betrieben werden. So war die Aktion im Dezember doch sicher nicht ge-
meint! Und wenn der E.O. erfährt, daß man sich von militärischer Seite für die Angelegenheit bereits interessiert hat, 1. Bezieht sich auf die Hoffnungen einer Beseitigung Hitlers. 2. Wieder neuer Einberufungsbefehl an den Herausgeber.
3. Der Evangelische Oberkirchenrat sollte für die Aufrechterhaltung der Heimatarbeit der Gossner Mission einen Freistellungsantrag stellen.
392
Krieg.
1940—1943
wird er sicher zugänglicher. Ich würde das aber bestimmt durchblicken lassen. Hauptsächlich verbummelt die ganze Sache nicht. Ihr seid das auch Hans usw. schuldig. Zunächst setze ich also noch soviel Vertrauen in Eure Aktivität, daß ich beschließe, mich vorläufig nicht zu beunruhigen. Ich sitze wieder an der Arbeit. Die Gesellschaft von Kochst ist sehr nett... Bitte schicke die Wörterbücher, auch die kleinen Me-
toula’s? ...
Erwartet eigentlich Christiane in nächster Zeit
unseren Besuch®? Ich hatte so den Eindruck oder täusche ich mich? Wie nett, daß Ihr gestern mit Johannes: zusammen wart... Lies mal Ex. 23, 7. So, ich will für heute Schluß
machen und noch an Frau Martin? zum Geburtstag schreiben. Hab vielen Dank für alles und leb wohl!
Hotel Europäischer Hof München, 17. Jannar 1941? Dieser Briefkopf ist Dir nun nicht mehr unbekannt. Ich bin wieder für ein paar Tage hier und werde heute auf 2 Tage nach Metten® fahren. Montag werde ich wieder in Ettal
sein... Wie ist die Lokies-Sache gelaufen? Du bist nun längere Zeit von Berlin weg. Sorge nur, daß da alles Nötige geschieht! Hans reist dann auch”. Gut, daß Du für den Fall sei-
ner Abwesenheit auch O8 kennst. Das Datum meiner Reise 1. Dr. Hans Koch, Niemöller-Verteidiger, 24. April 1945 ermordet. Kochs und Dohnanyis Kinder waren mit anderen nach Ettal evakuiert (u. a. Gürtners und Diems Kinder). 2. Französisch für Genf, italienisch für eine Rom-Reise. 3. „Christiane“ steht für England. Bonhoeffer fragt, ob Invasionsvorbereitungen stattfinden. 4. Mitglied der Ettaler Abtei. 5. Niemöller.
6. Kloster Metten, dessen Abt in Münchner Widerstandskreisen aktiv war. 7. v. Dohnanyi reiste nach Rom. 8. General Oster in der Abwehr.
An Stelle
eines Tagebuches
393
wird sich nun doch wieder verschieben, bis Hans hier war. Ich will jetzt gerade gehen, um nach dem Visum zu fragen. Gestern abend war ich wieder bei Müller!. Es war in jeder Hinsicht befriedigend. So, nun muß ich fort.
[München] 19. Januar 1941 ... Gestern spät abends kamen wir mit dem Auto von Metten nach München ..... Leider habe ich im Ordinariat eben niemanden erreichen können. Ich schicke jetzt einen Brief an Neuhäusler? mit der Bitte, Dir die Aufstellung sofort zu schicken... Ich fahre nun erst am 27. oder 28., komme also Ende Februar nach Berlin... Wie gefällt Dir „Der letzte Puritaner“®. Der Reinhold Schneidert ist sehr gut ...
[Ettal] 20. Jannar 1941 Da unser Briefwechsel in den kommenden Wochen sowieso sehr beschränkt sein wird, schadet es nichts, daß wir uns in der letzten Woche vor meiner Abreise noch etwas mehr schreiben. Heute kam Dein kurzer Brief mit der erfreulichen Nachricht über die Erlangung des erwünschten Scheins’. Wie seltsam waren die Stadien bis dahin! Seit November vor
einem Jahr! Es mag dies eine wichtigere Entscheidung für das ganze Leben sein, als man im Augenblick zu übersehen vermag. Wie mannigfach auch die Motive bei allen solchen Din. Dr. Josef Müller. . Prälat, jetzt Weihbischof. . Von
G. Santayana.
, Macht und Gnade, Gestalten, Bilder und Werte der Geschichte. . UK-Stellung durch einen sog. „roten Schein“. ze
1940.
394
Krieg.
1940—1943
gen sein mögen, es ist doch sicher, daß man diesen Weg gehen
mußte, wenn man ihn gehen konnte, und zwar aus ganz klaren sachlichen Gründen. Und das ist das Entscheidende. Ich glaube, ich schreibe das, weil ich mich selbst an dieser Entscheidung mit beteiligt weiß und weil ja jede Entscheidung weitreichender Art den Wunsch nach einer Rechtfertigung
hervorruft. In diesem Sinne bin ich also ganz ruhig und nun auch wirklich sehr froh. — Eben kam Johannes nach Haus und erzählte ganz beglückt vom Besuch in der Marienburger Allee, wo er Euch alle traf. Besonders begeistert war er von Mama. Er sagte, daß er so sehr gern noch zu Dir zum Tee
gekommen wäre, auch noch 2mal bei Dir angerufen hätte, aber Dich leider nicht mehr erreichen konnte. Er hätte so gern bei
Dir noch einige Leute getroffen, beabsichtigt aber bald wieder heraufzufahren. Dann mußt Du ein paar ordentliche Leute dazuladen, vielleicht Böhm, Willit, Walter?, Lokies, jedenfalls Leute, die nicht nur theologisch-dogmatisch reden können (evtl. Otto??); bring ihn doch auch zu Frau Martin! — Eben meldet sich Justus® für Freitag hier an. Das ist mir sehr lieb vor meiner Reise. — In meiner Arbeit bin ich jetzt
gerade bei der Frage der Euthanasie angekommen. Je mehr ich zum Schreiben komme, desto mehr reizt mich der Stoff. Ich finde die katholischen Ethiken in vieler Hinsicht sehr lehrreich und praktischer als die unseren. Bisher hat man
ihnen das immer als „Kasuistik“ angekreidet, heute ist man dankbar
für vieles; gerade auch
zu meinem
augenblick-
lichen Thema. Ich freue mich nun schon auf die Gespräche der nächsten Wochen und werde Dir, wenn ich nach Berlin
komme, doch vielleicht einiges vorlesen können. Allerdings 1. 2. 3, 4. 5.
Pf. W. Rott. Prof. W. Dress. Dibelius. Niemöller. F. J. Perels.
An Stelle eines Tagebuches
395
wird die Sache lang! — Zwischendurch mußte ich für Wecker-
ling einen kürzeren Aufsatz für die „Bädermission“ (!) über Ex. 15, 26 schreiben, in einem Heft, an dem sich auch W.Kramp, Vogel etc. beteiligen!. — Z. Zt. taut es hier. So
darf ich getrost im Zimmer bleiben und arbeiten. Du hast wirklich die besten Wochen mitgekriegt. Diese schöne Zeit begleitet mich noch täglich; und da es nun einmal banausisch ist, es immer so schön haben zu wollen, bin ich froh, daß es so war, wie es war.
Nun leb wohl, ich denke täglich an alle Brüder, die in der Gemeinde stehen ...
[Ettal] 25. Januar 1941 ... Ich werde erst am 3. 2. fahren. Halte Dich doch Anfang und Mitte März möglichst in Berlin. Ich kann mich ja auch etwas nach Dir richten. Die Meldesache ist ja dann wohl erledigt?. — Mit Justus sprach ich lange über Catholica. Er wird Dir erzählen. Nichts Neues. Ich möchte dann im März doch auch etwas weiter kommen .... — Es freut mich, daß Dich der Santayana interessiert. Kein sensationelles Problem,
aber sehr klug und echt. Wir müssen uns mal darüber unterhalten. Ich habe mich manchmal durch den Oliver getroffen gefühlt. Verstehst Du das? — Gestern war ich mit Justus ın der Oper: „Geschöpf des Prometheus“ Beethoven, als Pan-
tomime. Ich war nicht sehr begeistert. Ganz schlimm war der Schillerfilm®, den ich mir neulich ansah; pathetisch, phrasen-
haft, unecht, unwirklich, ungeschichtlich, schlecht gespielt, Kitsch! Also sieh ihn Dir an! So habe ich mir Schiller in Quarta vorgestellt... 1. Siehe G. S. III, „Der beste Arzt“. 2. Die polizeiliche Meldepflicht von Köslin nach München durch die Abwehr bei der Gestapo aufgehoben. 3. Mit Horst Caspar und George.
verlegt und
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Krieg. 1940—1943
[Ettal] 27. Januar 1941 ... Ich hoffe Dich Anfang März in Berlin... zu sehen...
dann könnten wir auch die Kunst der Fuge wieder mal spielen! [München] 31. Jannar 1941 Ich benutze wieder einmal die Gelegenheit eines Münchener Aufenthaltes, Dir ein Wort zu schreiben. Inzwischen wirst Du durch Koch von mir gehört haben . . . Gürtners Tod schlug bei uns durch die Anwesenheit der Jungen, die sich hervorragend tapfer hielten, besonders ein. Ich freue mich doch, daß wir noch so mit ihm zusammen waren. Hoffentlich hat ihm der eiskalte Spaziergang nicht bei seiner Grippe ge-
schadet. Was nun aus den von ihm übernommenen Gesprächen! wird, ist natürlich ganz ungewiß. Vielleicht kann Hans die Sache in die Hand nehmen? Hoffentlich sehe ich ihn hier noch. — Mein Visum ist noch nicht da; das ist eine ärgerliche Verzögerung. Vorgestern besuchte mich der Wachtmeister und teilte mir mit, daß die Meldepflicht nun auf München verlegt worden sei, nachdem mir bereits von anderer Stelle ihre Aufhebung zugesagt war. Nun war ich heute dort und man wird mir Montag antworten. Offenbar lief zweierlei nebeneinander her. — Mit großer Freude lese ich den
R. Schneider. Es lohnt sich, ihn zu besitzen. Ich möchte ihn Dir gern schenken ... Ich glaube auch nicht, daß der Schneider noch lange zu haben sein wird. Er wird sehr stark gekauft. Gestern abend war ich bei Kalckreuths? mit mehreren netten Leuten zusammen. Es hätte Dir auch gut gefallen. Besonders unterhielt ich mich mit dem Schwager Franz Königs, der viel durchgemacht hat und bei dem ich heute auch noch
zum Frühstück war. — 1. Siehe Seite 389 f.
2. Graf Johannes von Kalckreuth, Musikkritiker, Vetter Bonhoeffers.
An Stelle eines Tagebuches
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Noch etwas ganz anderes: Es gibt manchmal Wochen, in denen ich sehr wenig in der Bibel lese. Irgendetwas hindert mich daran. Dann greife ich eines Tages wieder dazu und auf einmal ist alles so viel stärker und man kommt gar nicht davon los. Ich habe kein ganz gutes Gewissen dabei; es hat so menschliche Analogien. Aber dann frage ich mich, ob nicht
vielleicht auch diese Menschlichkeit mitgetragen ist und wird vom Wort Gottes. Oder meinst Du — eigentlich meine ich es ja auch! — man müßte sich zwingen? Oder ist es doch nicht immer gut? Wir müssen mal darüber sprechen... Was macht das Clavichord® — Vergiß nicht Tante Ruths Ge-
burtstag!! Bitte auch meinen nicht! Alles Gute!
[Ettal] 1. Februar 1941 Diesmal muß
ich Dir
wohl
auch
einen Geburtstagsbrief
schreiben ... Was für schöne Tage haben wir an den verschiedenen 4. 2. doch gehabt, in Finkenwalde, in Schlönwitz und Sigurdshof! In dieser Hinsicht ist es mir wirklich unverdient gut gegangen in den letzten Jahren. Immer hatte ich den tragenden Kreis der Brüder um mich, der diesem Tag auch ein gewisses geistliches Gepräge gab... Du hast auch die Belastungsproben einer solchen Freundschaft, die besonders durch meine gewisse Gewalttätigkeit
(die ich selbst verabscheue und an die Du mich glücklicherweise immer wieder einmal offen erinnert hast) mit aller Geduld
ausgehalten und Dich dadurch nicht verbittern lassen... .
1. Frau von Kleist-Retzow hatte ebenfalls am 4. Februar Geburtstag.
398
Krieg.
1940—1943
[Ettal] 4. Februar 1941 Der Tag ist vorüber und ich möchte mich gern vor dem Schlafengehen noch ein Stündchen mit Dir anf diese Weise unterhalten, nachdem wir uns eben am Telephon mit ein
paar Minuten begnügen mußten. Es war aber schön, wenigstens ein Wort miteinander wechseln zu können. Die Erin-
nerung an andere Geburtstage wurde dadurch wieder besonders lebendig und auch das Bewußtsein, daß ohne einen Morgenchoral vor der Tür, wie Du ihn Jahre hindurch für mich vorbereitet
hast, und ohne gemeinsame
Morgen-
und
Abendandacht mit der persönlichen Fürbitte ein solcher Tag eigentlich ohne Bedeutung und Gewicht ist. Alles andere, alle äußeren Zeichen der Liebe wollen in dieses Licht treten oder sie verlieren an Glanz. Es ist auch nicht ganz leicht, sich diesen Hintergrund allein zu schaffen, besonders wenn man
es anders gewohnt ist. Ich vermisse Finkenwalde, Schlönwitz, Sigurdshof doch mehr und mehr. Das „Gemeinsame Leben“! war so ungefähr mein Schwanengesang. Sehr nett und rührend war Johannes?, der ganz überraschend mit zwei Torten, einem Schnaps und einer wunderschönen Azalee gra-
tnlieren kam. Die Eltern hatten mir Geburtstagsbriefe geschrieben, über die ich mich sehr gefreut habe, und mir mit viel Liebe schöne Dinge geschickt. Du hast mir einen sehr freundschaftlichen Brief geschrieben, für den ich Dir besonders danke. Wenn gelegentlich einmal so etwas ausgesprochen wird, empfindet man es doch dankbar und als wohltnend, besonders wenn man so sicher sein kann wie bei Dir, daß jedes Wort so gemeint ist, wie es dasteht. Unsere Briefe zum heutigen Tag gleichen sich übrigens merkwürdig in ihrem Inhalt. Es wird kein Zufall sein und bestätigt, daß es so ist, wie es in den Briefen steht. Du wünschst mir u. a. gute, anregende Freunde. Das kann man sich wohl wün1. Erschienen als Heft 61 v. „Theol. Existenz heute“ b. Chr. Kaiser 1939. 2. Aus der Abtei in Ettal.
An
Stelle eines Tagebuches
399
schen, und es ist heute ein großes Geschenk. Und doch ist das menschliche Herz so beschaffen, daß es nicht die Mehrzahl,
sondern die Einzahl sucht und darin ruht. Das ist der Anspruch, die Grenze und der Reichtum echter menschlicher Beziehung, soweit sie das Gebiet der Individualität berührt und soweit sie zugleich wesentlich auf Treue beruht. Es gibt individuelle Beziehungen ohne Treue und Treue ohne indi-
viduelle Beziehungen. Beides gibt es in der Mehrzahl. Zusammen aber (was selten genug ist!) sucht es die Einzahl und
wohl dem, dem „dieser große Wurf gelungen“ ist. — Du hast mir so ein hübsches Buch! geschickt. Ich habe es mit Interesse angefangen zu lesen. H. Schütz verdanke ich Dir
und mit ihm eine ganze reiche Welt. Gern würde ich Dich zu dem „Eile mich, Gott, zu erretten“ begleiten, das ich anhand
der Notenbeilage wieder vor mich hinsummte. Und es ist, glaube ich, kein Zufall, daß Schütz gerade durch Dich an mich herankam. Für mich jedenfalls ist da eine wesentliche
Verbindung erkennbar. Wie weit bist Du mit Oliver gekommen? Die Sinnlosigkeit seines Lebens besteht ja darin, daß er sich für alles mögliche einsetzt, ohne daß er von dem inneren Sinn dieses Einsatzes überzeugt ist, und daß er dadurch zu dem wirklichen, ganz eigenen Einsatz seines Lebens nicht frei wird. Er weiß, kennt, kann, will alles Gute, Schöne, Wahre, aber es ist alles ohne Leben, darum überflüssig. Was Menschen und was Gott an-
geht, wagt er nie das Ganze und wird darüber schließlich einsam, ja lächerlich. Es ist in seiner Herbheit ein Buch, das einem nachgeht. Ob es fördert, ist eine andere Frage. Wir
müssen uns doch nochmal darüber unterhalten. Gestern war
Gürtners Begräbnis, Meiser hielt die Predigt
(die Katholiken hatten es verweigert! Hier im Kloster große Empörung. Abt und Johannes gingen auf unseren Wunsch 1. Heinrich Schütz von Moser.
400
Krieg.
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und auch aus eigener Überzeugung zur Beerdigung! Bitte aber nicht Unberufenen weitererzählen, ich meine das von der Verweigerung. Abt ging nachher noch zu Faulhaber, der sehr alt geworden zu sein scheint! Leider!). Ich freue mich doch, daß Du Gürtner hier noch trafst. — ... Noch habe ich das Visum nicht. Jetzt muß es aber bald kommen. Doch werden wir noch einmal voneinander hören können. Ich freue mich auf den 10.3. etc. So, hier will ich für heute Schluß machen. Es ist späte Nacht und ich bin müde. Hab nochmal vielen Dank für alles.
[Ettal] 8. Februar 1941 ... Die musikalischen Aufsätze haben mich sehr interessiert. Wollen wir nicht doch eine Gambe .. kaufen? Ich wäre sehr dafür. Übe doch auch die Müllerliedervariationen!, die würde ich gern mit Dir spielen. Das Buch über Schütz-Bach habe ich gern gelesen, gerade die Einzel-Ausführungen fand
ich gut und überzeugend, obwohl mir manches noch unklar geblieben ist. Die Grenze zwischen der Darstellung des geistigen Gehaltes etwa der Tränen (Petrus) und einer realisti-
schen Wiedergabe, Übersetzung des Physischen ins Musikalische, ist mir doch noch nicht recht deutlich; ich verstehe den wesentlichen Unterschied, aber ich weiß nicht, ob er sich
praktisch so durchführen läßt. — Am Mittwoch wurde N. in München plötzlich krank, kam ins Krankenhaus, die Dia-
gnose ist noch unklar (vielleicht hat er vom Missionsfeld eine Krankheit mitgebracht?) und möglicherweise kommt er noch in Spezialbehandlung. Mir tut das sehr leid. Aber es 1. Für Flöte und Klavier von Franz Schubert. 2. Prälat Neuhäusler, jetzt Weihbischof in München. Krankenhaus ‚Gefänignis; Spezialbehandlung — Konzentrationslager; Missionsfeld Beziehungen
zum
feindlichen
Ausland
über Rom.
— —
Hans von Dohnanyi
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An
Stelle eines Tagebuches
401
geschieht natürlich alles Erdenkliche. Wie geht es Wolfgang?
Was ist mit Gabriel! los?... Meine Reise wird sich wegen technischer Schwierigkeiten nochmals um einige Zeit verschieben. Der Bescheid war zunächst negativ. Es wird aber noch einmal versucht?. So wird es vor Mitte März mit Berlin und unserem Treffen nichts werden. ... Meine Meldesache ist für die Dauer meiner Münchener Anstellung erledigt. Hier taut es wieder ...
[Ettal] 10. Februar 1941 ..„. Heute fahre ich mit Christel nach München für einen Tag. Ich will den Konsul? nochmal vor seiner Reise sprechen. Die Meldesache wurde von Köslin nach München verlegt und dort aufgehoben, so geht es Köslin nichts mehr an. Seit ein
paar Tagen ist hier Frühling. Es ist wunderschön, aber aus mit Schilaufen.... Ich bin jetzt bei der Frage der Ehe (Recht auf freie Wahl des Gatten, Ehegesetze nach konfessionellen oder rassischen Gesichtspunkten Rom, Nürnberg, Sterilisation, Empfängnisverhütung). In all diesen Dingen ist die katholische Moral
tatsächlich fast unerträglich gesetzlich. Ich sprach lange mit dem Abt und Johannes darüber. Sie meinten, die Stellung der Kirche zur Empfängnisverhütung sei der Hauptgrund
für die meisten Männer, nicht mehr zur Beichte zu kommen. Mir scheint die Beichtpraxis an diesem Punkt auch wirklich
höchst gefährlich zu sein. Ohne Reue wird natürlich nicht absolviert, was soll aber eine Reue, deren Unwahrheit sich
alle drei Tage aufs neue beweist? Das schafft Heuchelei. Fak1. Staemmler.
Pf. Gabriel Halle war
worden. 2. Dahinter standen der Schweiz.
3. Dr.
geordnet
Schmidhuber, war.
Unstimmigkeiten
dem Bonhoeffer
nach Dachau zwischen
ins KZ
gebracht
Abwehrbeauftragten
in der Münchner
Abwehr
in
zu-
402
Krieg.
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tisch ist die Erkenntnis der Sündhaftigkeit dieses Tuns nicht vorhanden, und dann hat alles keinen Sinn. Ich glaube, man muß hier viel Freiheit geben. Was meinst Du eigentlich dazu? — Deine Gedanken über Oliver finde ich gut. Simplizissimus? Vielleicht, ich weiß noch nicht recht. Es ist doch eine wirkliche Tragödie. Wie gern hörte ich Dich Sonntag predigen! Laß Dir in Ostpreußen nicht lauter Vertretungen etc. aufhängen! Von vornherein ablehnen. Es lohnt sich nicht, daß Du dafür Deine Arbeit schädigst. Man muß dort rigoroser
und eigenwilliger sein, als ich damals war und als Du zu sein pflegst. Um der Arbeit willen ist das nötig
[Ettal] 14. Februar 1941 ..„. Auch Du wirst jetzt in so unruhigem Leben eine feste morgendliche Gebetszeit brauchen und halten. So klärt sich auch das, was man am Tag tun und sagen soll, und man wird „selbständig“
in den täglichen Entscheidungen...
Die Zeit
des Wartens hier ist nicht verloren. Ich habe in den letzten
Tagen gerade wieder ganz gut schreiben können. Aber ich hätte die Reise natürlich ganz gern hinter mir. Heute fährt
Schmidhuber dorthin und versucht die Sache persönlich zu beheben. Dann kriege ich telegraphischen Bescheid. Ich hoffe nur, daß Du dann eine Weile frei bist. Aber ich kann mich
ja gut nach Dir richten. Doch mußt Du ja mal wieder etwas in Berlin sein. Auf Musik mit Dir freue ich mich besonders. ...Ich glaube, Du wirst doch derjenige sein, der auch noch die Gambe lernt! Ich bin zu alt dazu, da lohnt es sich nicht mehr recht! ...Sorg auch dafür, daß nicht wieder so überflüssige Zettel! gedruckt werden. — Hast Du das Heft „Ver-
1. Verteil-Zettel bei Bonhoeffers zu seinem Redeverbot führte.
erster ostpreußischer
Predigtreise,
die
An Stelle eines Tagebuches
403
kündigung und Forschung“ gelesen? Es ist ganz interessant. Asmussen wird ziemlich herangenommen, was ganz gut ist!. Du wirst doch wohl auch der Gesellschaft für evgl. T’heologie beitreten?? Jedenfalls, wenn Du etwas auf Dich hältst! Ich habe es noch nicht getan, werde es aber auch tun müssen. Wenn wir sowas nicht tun, wer soll es sonst? Da kriegt man
dann die Hefte frei geliefert. Etwas ganz Erstaunliches sind die jetzt erschienenen Gedichte von Adolf Schlatter über Johannes den Täufer u. a. Bisher las ich sie mit großer Freude. — Heute ist wundervolles Wetter. Frost, Sonne, aber kein Schnee. ... Nun leb wohl, grüße alle Bekannten: Koschorke, Jänicke, Kramp, ... Beckmann etc. Gott behüte Dich
Ettal 15. Februar 1941 Das war ja eine freudige Überraschung, Dich heute bei den Eltern zu erreichen! ... Habe ich Mama heute abend grade noch bei der Arbeit? gestört? Das täte mir leid. Meine Hauptarbeitszeit liegt jetzt eigentlich am Nachmittag. Da ist viel
Ruhe und wenig Störung. — Sonst geht es in den letzten Tagen ganz gut voran. Mit den schwierigen Sterilisations-, Verhütungs- etc. fragen bin ich jetzt fertig geworden. Jetzt
geht es zum natürlichen Recht auf Arbeit, Freiheit, Denken. Manchmal erschrecke ich und fürchte, daß neben dem Geist auch die odo& kräftig mitarbeitet. — Nun leb wohl. Mach Dir wegen des Clavichords keine Gedanken. Wenn es am Ton nichts ausmacht, schadet es ja nicht so viel. Fällt eine Bombe darauf, ist es sowieso hin, fällt keine drauf, dann 1. Lieferung 1/2, 1940; darin besprochen von Asmussen „Die Kirche und das Amt“, Seite 19, und „Die Bergpredigt“, Seite 75. 2. Gegründet Februar 1940 in Berlin; Vorstand: Beckmann, M. Fischer, von Soden, E. Wolf (W. Niemöller, Handbuch 37 £.). 3. Arbeit — Abhören des BBC abends 10 Uhr.
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Krieg.
1940—1943
können wir es später nochmal reparieren. Vielleicht macht auch Neupert durch seine Berliner Firma etwas? Alles erdenkliche Gute für die Reise! Gott bleibe bei Dir.
Auf der Rückseite dieses Kartengrußes ein Spruch von Angelus Silesius: „Mensch gib Du Gott dein Herz, er gibt dir seines wieder. Ach welch ein werter Tausch, du steigest auf, er nieder..“ [Dazu Bleistiftnotiz:] Eigentlich wundert mich dieser Spruch
wirklich! Es geht doch (abgesehen von aller Dogmatik) auch ganz praktisch niemals so herum, sondern immer genau umgekehrt. Wenn sich Gottes Herz mir nicht auftut in seinem Wort, dann kann ich einfach mein Herz auch nicht zu ihm
erheben! Oder findest Du es doch anders auch richtig?
[Ettal] 17. Februar 1941 ... Wurm schrieb heute ausführlich und sehr persönlich und nett auf meinen Brief von neulich. Ich schicke Dir den Brief, sobald ich ihn Johannes gezeigt habe. — Was mögen die nächsten Wochen an Entscheidungen bringen? Leb wohl! Hab nochmals Dank für alles... Soll ich Dir die Geburtstagsbriefe der Brüder schicken?
[Ettal] 19. Februar 1941 Nun scheint die Sache so weit zu sein, daß ich reisen kann,
voraussichtlich am 23. od. 24. ab München auf genau 4 Wochen. Am 21. fahre ich nach München und wohne wie gewöhnlich im Europäischen Hof... . Ich werde Erwin! und wenn möglich auch Lang? sehr von Dir grüßen. — Gestern tr. Erwin Sutz.
2. Pfarrer Lang in Montreux, bei dem der Herausgeber während der Chamby-Konferenz
1936
gewohnt
hatte.
An Stelle eines Tagebuches
405
teilte M. mir mit, daß Tante H. Leberkrebs hat, der nicht mehr operabel ist, und daß der Arzt ihr noch 4—6 Monate
gibt. Das wird M. sehr mitnehmen. Es gibt ja überhaupt zu
denken. Was würde ich tun, wenn ich wüßte, in 4—6 Monaten wäre es zu Ende? Das geht mir durch den Kopf. Ich glaube, ich würde noch versuchen, Theologie zu unterrichten wie einst und oft zu predigen. — Wurm schickte mir auch seinen Vortrag mit der Bitte um Stellungnahme. Das muß nun auch noch geschehen vor der Reise. — Wenn ich jetzt auch in der Arbeit sehr unterbrochen werde, so hoffe ich doch auch dafür viel Gewinn zurück-
zubringen. — Nun leb wohl... Nun wird es doch erst Ende März, bis wir uns wiedersehen, 10 Wochen! Es kommt mir oft so unsinnig vor. Um so besser werden die Müllerliedervariationen klappen! ...
[Ettal] 22. Februar 1941
Heute habe ich die nötigen Erledigungen gemacht. Übermorgen fahre ich. Ich werde Dir dann kaum schreiben . . Wundere Dich dann also nicht ..... Schön, daß Du mit NN
ein Gespräch über das bewußte Thema hattest. Ich glaube, moralisch läßt sich eigentlich gar nichts gegen den Selbstmord sagen; er ist eine Sünde des Unglaubens, das ist aber
keine moralische Disqualifikation. — Ich schrieb Dir, glaube
ich, noch nicht, daß bei Gürtners Beerdigung die Regensburger Domspatzen, zu denen er selbst gehört hatte, sangen, und
zwar zuerst „Ach Herr, laß Dein lieb Engelein ..... in Abrahams Schoß tragen... .“, dann: „O Haupt voll Blut... .* wo-
bei das: „jetzt aber höchst schimpfieret, gegrüßet seist Du mir“ ganz ergreifend herauskam; zum Schluß ein mir unbe-
kannter Satz von Hiob 19. Die Familie hatte die Lieder ansgesucht. Es war das Beste der ganzen Feier. Übrigens nehmen
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Krieg.
1940—1943
mich Begräbnisse immer besonders mit. Die Frage, was angesichts des Todes Bestand hat, läßt mich dann nicht los. Die Reue über Unnützes und Verkehrtes überwältigt einen dann besonders, auch die Hoffnung, ein todesbeständigeres Leben zu führen. Aber auf Anläufe folgt der Fall und ein unanfhörliches Auf und Ab. Ob das je anders wird? — Gestern sah ich den Bismarckfilm; gar nicht schlecht, Bismarck erinnerte mich lächerlich an Lasbeck. An Frau von Kleist schreibe ich noch. — Die Becher! werden beim Abschied von Ettal eingeweiht. Man bewunderte sie allgemein und vermutete ein Hochzeitsgeschenk und erwartete von mir große Offenbarungen. Leider mußte ich enttäuschen ..... Ich muß am 24. 3. wieder in München sein. Leb wohl! Ich schreibe vor der Ab-
reise noch mal kurz. Gott behüte Dich. Immer Dein getreuer Dietrich
[München] 23. Februar 1941 Ich sitze im Schottenhamel und warte auf mein Abendessen. Da die Minuten jetzt kostbar sind, will ich Dir kurz schrei-
ben. Zunächst liegt mir die Frage am nächsten, wie Du eigentlich mit den Marken dran bist. Kommst Du zurecht? Sonst kann ich Dir wieder etwas schicken, bzw. mitbringen nach meiner Rückkehr. — Meine Post geht von nun an nach der Marienburger, wo Du sie dann bitte öffnen sollst .....
Der Vorschlag mit Friedrichsbrunn und der eventuellen gemeinsamen Besuchsreise ist doch gut? Eventuell könnte man
das bei Tante Ruth wiederholen? ... Sorg doch ja dafür, daß
bei Ablauf Deiner UK-Stellung das Nötige veranlaßt wird!
[Zweiter Teil dieses Briefes verloren gegangen] 1. Geburtstagsgeschenk.
An Stelle
eines Tagebuches
407
Friedrichsbrunn, 22. April 1941 Liebe Eltern! ... Es war sehr schön, mit Euch ein paar Tage ruhig hier oben zu sein.... In den letzten Tagen bin ich nun gut zur Arbeit
gekommen. Zwischendurch hacke ich immer wieder ein bißchen Holz... Ich werde es aufschichten und mir ein Zeichen an der Wand machen ....
Kl.-Krössin, Ende Juni 1941 ... Seit ein paar Tagen genieße ich nun wieder die Ruhe des ländlichen Lebens. Ich komme gut zur Arbeit und gehe zwischendurch im Garten spazieren...
Kl.-Krössin, 5. Juli 1941 ...Ich wollte etwa gegen Ende nächster Woche nach Berlin, um noch ein paar Tage dort zu sein, bevor ich nach München muß ... Von den Söhnen und Enkeln der hiesigen Häuser ist bisher noch keine Nachricht da! ... Natürlich werden die Heeresberichte mit größtem Interesse verfolgt und manche fangen schon an, ungeduldig zu werden, daß noch nicht alles
fertig ist. Das ist natürlich sehr kindisch. Immerhin haben die Leute hier nach allem, was sie hören, den Eindruck, daß
der Widerstand besonders zäh ist. Das beunruhigt sie natürlich...
1. Seit dem 22. Juni 1941 lief der Feldzug in Rußland.
408
Krieg.
1940—1943
[Frau Ruth von Kleist-Retzow an den Herausgeber]
Klein Krössin, 24. August 1941
... Dietrich hat so schön und treffend an die Brüder geschriebenl. Es ist wohl sehr, sehr wichtig, daß er das immer wieder tut... Vielleicht ist das jetzt D’s einzige Aufgabe. Ich sorge mich manchmal etwas um ihn, denn es kann ja nicht gut sein, so berufslos zu sein. Sie haben es darin besser, daß Sie gebunden sind. ... Ich lebe eigentlich wie in einer Traumwelt. Die Größe dieser
letzterlebten Wirklichkeit ist noch immer nicht ganz faßbar. Man lebt zwischen Himmel und Erde. Und fast täglich hört man von neuen Gefallenen. Jede Nachricht reißt die Wunde von neuem auf und stellt einen wieder vor die von Dietrich in besagtem Brief umrissenen Fragen: Krieg, Tod, Zukunft, Eine neue Zugehörigkeit zu dem furchtbaren Geschehen ist in mir wach geworden. Ich verstehe, daß mein Sohn auf die Nachricht von der Zurückziehung von Konstantin, durch meinen Neffen Tresckow2 veranlaßt, an Tresckow telegraphierte, daß er nicht damit einverstanden sei. Man will irgendwie nicht ausgeschlossen sein von dem, was als
unerbittliches Schicksal und Schuld über uns gekommen ist. Und das ist es auch, wenn
ich es sagen darf, was mich jetzt zum
er-
sten Mal unsicher werden läßt an Ihrem und Dietrichs Weg in dieser Zeit. Gehören wir nicht mit hinein in diese Verflochtenheit und müßten wir nicht eben auch dort, wo sie ausgefochten wird — ohne abzuwägen — unsere geistlichen Kräfte einsetzen?
Würden
wir nicht zielsicherer
unseren
Weg fortsetzen,
wenn
wir dieser letzten Berührung nicht ausweichen? Ich weiß nicht, ob Sie verstehen können, was ich empfinde. D. würde diesen Gedanken wahrscheinlich ganz abweisen. Wahrscheinlich ist er in mir erwachsen durch die zahllosen Beileidschreiben der Freunde 1. Finkenwalder Rundbrief vom 15. August 1941, siehe Seite 573 und 575, in welchem Bonhoeffer neben dem Tod von Finkenwalder Brüdern auch den von zwei Enkeln Frau von Kleists mitteilt. 2. Henning von Tresckow.
An Stelle eines Tagebuches
und Vorgesetzten
unserer
409
Jungen und vor allem durch ihren
Tod, mit dem ich mich auseinandersetzen muß. Wenn ich höre, wie tapfer unsere Kinder gestorben sind, so sage ich mir, daß es nicht nur die geistliche Kraft war, die sie dazu befähigte, sondern auch ein Instinkt, der sie zum ganzen Einsatz zwang. Ach, daraus darf man nun auch nicht wieder ein Gesetz folgern, daß es so sein muß, wie es mir eben erscheint. In Ihrem Fall rechne ich mit Ihrem Vertrauen zu mir, daß Sie meine Worte nicht überbewerten. Etwas in mir ist noch sehr zerrissen. Wenn unsere Nachrichten von den „unvorstellbaren Verlusten“, die wir den Feinden zufügen, sprechen, geht es mir wie ein Stich durch die Seele.
Wir haben noch keinerlei Nachricht von Konstantin. Am 1. August telegraphierten wir ihm den Tod und das Grab von Hans-Friedrich. Am 7. das gleiche von Jürgen-Christoph. Dazwischen hat die
Zurückziehungsaktion
gespielt. Am
17. schrieb Fabian!, meines
Sohnes telegraph. Einspruch (der an die Heeresgruppe auch 5 Tage gebraucht hat) sei zu spät gekommen. Konstantin befinde sich bereits auf dem Rückmarsch. Seitdem warten wir täglich auf
ein Lebenszeichen von ihm. Ach, das ganze Leben besteht fast nur noch aus „warten“, Ich denke mir jast, daß er nicht fortgewollt hat, ohne die Gräber seiner Brüder zu suchen, Dann könnte es noch lange dauern, bis er kommt. ...
Klein Krössin, 26. August 1941 Ich habe ein schlechtes Gewissen darüber, daß ich Zweifel an Ih-
rem Weg geäußert habe. Wie kann ich denn wissen, was für Sie bindend ist! Verzeihen Sie, wenn ich voreilig eine Meinung äußer-
te, die im Grunde keine Meinung, sondern nur eine Empfindung war. Sie ist mir selbst schon wieder anfechtbar geworden. Ach, „ein jeglicher sei seiner Meinung gewiß“. Es ist wohl die besondere Anfechtung unserer Zeit, daß wir uns von einem Tag zum anderen und von einer Erwägung zur anderen hindurchtasten müssen.
Vorhin kam Konstantin... Drei Tage auf dem Wege nach Rostock und dann hoffentlich noch einmal für etwas länger. Es ist sehr 1. Fabian von Schlabrendorff.
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beweglich, ihn zu sehen. Einen halben Tag, nachdem
er heraus-
gezogen und noch beim „Troß“ war, kam seine Batterie in schweres Feuer mit großen Verlusten, nachdem sie vorher fast noch nicht bedroht war. Sein Leutnant fiel, mit dem er dauernd zusammen war, So wollte ihn Gott wohl wirklich erhalten, „Ich war erst sehr unglücklich, daß ich nicht dabei war“, sagte er. Von wem die Reklamation ausgegangen war, konnte man dort nicht erfahren. „Von meinem Vater keinesfalls“, hatte er gesagt. Aber als er die Nachricht bekam, daß auch Jürgen-Christoph gefallen sei, weigerte er sich nicht, „Ich muß erst mal zu Hause nachsehen.“. Man hat ihn ‚besonders freundlich entlassen und in besonderer Weise nach Rostock empfohlen. Es kommt mir vor, als sei der Frontsoldat aus andrem Holz als daheim. Zuversichtlicher, harmloser, begrenzter.
An Stelle eines Tagebuches
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[München], 26. August 1941
Lieber Eberhard! Nun wird es wohl so werden, daß ich an Deinem Geburtstag von hier weiterfahre!. ... Ich werde an so viele schöne gemeinsame Reisen denken, besonders 1936? und 19393, an gemeinsam gewonnene Horizonte, die mit diesen Reisen in Zusammenhang stehen, an europäische Hoffnungen und Aufgaben, an den Auftrag der Kirche in der Zukunft — und das alles in der Hoffnung, daß Du und ich und viele, viele andere, die eines Sinnes sind, daß wir alle einmal an dieser Zukunft mitarbeiten dürfen. Was könnte ich Dir im neuen Jahr anderes wünschen, als daß Du das erleben kannst, daß Du so arbeiten kannst, wie es Dir gegeben ist, und daß Du auch Deinem persönlichen Leben eine Zukunftsplanung geben kannst, die uns jetzt noch versagt ist. Und ich sehe, wie diese Wünsche für Dich gleich eigene Wünsche sind. Es ist nicht auszudenken, wie es über’s Jahr sein wird. Aber ich bin sehr zuversichtlich. Vielleicht sind wir manchmal in Gefahr, über diesen Hoffnungen den zu vergessen, der es allein dahin bringen kann und der auch ganz andere Wege gehen kann. Vielleicht haben wir in der letzten Zeit zu wenig gebetet. Dann möge uns Gott das verzeihen und uns wieder mehr ins Gebet führen. Mit M.4, der Dich herzlich grüßen läßt, . ... hatte ich lange,
gute Gespräche, n. a. die Frage evangelischer Klöster und Orden. Auch Johannes fragte sehr nach Dir und läßt Dich
grüßen. Es war ein sehr schönes Wiedersehen. Nach Metten konnte ich wegen des Koffers nicht mehr. Ich tue es auf dem Rückweg. Laß Dir doch von Reimer’ den Honig geben, den 1. 2. 3. 4.
Zweite Reise in die Schweiz (siehe G.S.I Schweiz und Italien. : März—April 1939 England. Dr. Josef Müller.
S. 355 ff.).
5, Pfarrer K. H. Reimer, Mitglied des letzten pommerschen Bruderrates.
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er mir versprach und behalte ihn ganz für Dich... . Hans hatte mir übrigens noch gesagt, er würde für den Fall der Wiederholung
der. Probleme
vom
Januar d. J. und vom
April vorigen Jahres mit einem Herrn Olbricht Deine Sache besprechen. Das nur für den Fall, daß es wieder akut wird. Ich hoffe es nicht. Ich werde vor der Reise nochmal schrei-
ben. Feiere einen schönen Geburtstag! Ich wäre gern dabei! Grüße Deine Mutter. Gott behüte Dich im neuen Jahr.
[München] 28. August 1941
Der Abend Deines Geburtstages gibt mir Ruhe, Dir vor der Weiterreise noch einmal zu schreiben. Fast wäre ich Dir zu Ehren eben noch ins Kino gegangen; aber — wie zumeist — ziehe ich eine ruhige Unterhaltung mit Dir wieder einmal
dem
zweifelhaften
Filmvergnügen
(„Mordsache
Holm“
klingt allerdings sehr vielversprechend!) vor. Ihr werdet jetzt also, wenn das Wetter bei Euch ebenso schön war wie hier,
miteinander an der Havel irgendwo Geburtstag feiern. Das freut mich sehr. Ich habe heute viel zu Dir hingedacht. Am Morgen freute ich mich sehr über die schöne Losung!. Sie lenkt den Blick auf die Zukunft der Kirche, auf das, was
Christus für uns getan hat und schließlich auf unser Amt. Wenn wir „Hirten“ der Gemeinde sein sollen wie Christus
es war, dann ist damit eben doch wesentlich mehr gesagt als, daß wir Prediger sein sollen. Sämtliche Amtsbezeichnungen im Neuen Testament (GröoroAos, Öuödoxadlog nieopneng, noLumv)
sind ja ursprüngliche Bezeichnungen des Christusamtes, sie 1. Losungen 28. August: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Hesekiel 34, 11.
Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte läßt sein Leben für die Schafe. Johannes
10, 12.
An Stelle eines Tagebuches
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werden von Christus selbst gebraucht. Auch das Amt setzt eine Gleichgestalt mit Christus voraus. Das ist die hohe Würde des Amtes. Wie gut, daran wieder einmal erinnert zu werden. Die Menschen brauchen Hirten, Christus war der Hirte, wir sollen durch ihn und wie er Hirten der Menschen
sein. Ich bin selbst dankbar, diesen Spruch heute wiedergeJunden zu haben. Wenn nur der Bann, der uns jetzt noch an der freien Ausübung dieses Amtes hindert, bald wiche; wenn nur unsere Gedanken wieder ungeteilt dieser Aufgabe gehören könnten! Übrigens, wie schön war auch die Losung vom 27.11 So hoffe ich, Du wirst das Jahr hindurch an Deiner Losung genug haben. — Vormittags hatte ich noch Reisevorbereitungen zu treffen. Mittags aß ich zu Deinen Ehren ein Festmahl. Es ist mir übrigens bei dieser jämmerlichen Gasthausesserei, die auch
hier kolossal herabgekommen ist, wieder bewußt geworden, wie scheußlich Du in Berlin dran bist. Du mußt jetzt Reimer ordentlich ausnutzen, Du kannst ihm Kaffee zusagen, evtl.
bringe ihm doch welchen mit! Er freut sich sehr darüber! ... Wie langweilig wird mir das gute Essen in der Schweiz werden, so allein. Heute mittag rief Perels aus Salzburg an, nur so zur Verabschiedung, er wollte noch eine Kleinigkeit an seinen Onkel? bestellen lassen. — Ich finde übrigens, daß Du doch wieder mehr Englisch lernen solltest?. Wer weiß, wie Du es noch brauchst... Die Nachricht von Stande“ beunruhigt mich sehr. Es ist wirklich ganz schrecklich. Schreib doch, wenn
Du der Mutter schreibst, einen Gruß von mir und ich sei auf 1. Losungen 27. August: Also sollt ihr einer mit dem anderen reden: was antwortet der Herr, und was sagt der Herr? Jeremia 23, 35. Haltet an am Gebet und wacher in demselben mit Danksagung. Kolosser 4, 2. 2. Im Lager Gurs, im Vichy-Frankreich, befindlich, in das die Oekumene in Genf Beziehungen unterhielt. 3, Gemeint
für die Zeit nach einem Umsturz.
4. Finkenwalder,
der in Rußland vermißt gemeldet war.
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Reisen und könnte jetzt nicht schreiben ..... Ich werde mir nun Mühe geben, mich nicht zu beunruhigen, wenn ich von Angriffen auf Berlin höre. Sei wenigstens vernünftig! Nun leb wohl, lieber E., am 25. oder 26. 9. bin ich spätestens zu-
rück. Ich werde allerseits von Dir grüßen. Gott behüte Dich! Übe und finde etwas schönes Neues auf der Flöte! Grüße Deine Mutter!
17.
November 1941
Lieber C.! [Chr. Bethge] Das war wirklich eine große Überraschung, die Du mir durch Dein Paket... bereitet hast... Gern sähe ich Dich einmal
wieder und hörte Dich erzählen. Du machst nun Deine eigenen Erfahrungen, und sie sind so ganz anders als die, die ich in Deinem Alter gemacht habe. Dabei glaube ich, daß sehr
viel davon abhängt, was man so um die Zwanziger herum erlebt und vor allem, wie man es erlebt. Bei mir waren das
die Jahre um 1926. Das Studium ging dem Ende zu; man konnte in aller Freiheit lernen und arbeiten; man reiste und
sah etwas von Europa. Damals erholte sich Europa gerade so allmählich wieder von der Armut, der Zerrissenheit, dem
Haß, den der Weltkrieg gebracht hatte. Deutschland begann sich in der Welt wieder eine Stellung zu schaffen durch Arbeit, Wissenschaft, Geist. Alte Vorurteile der Völker gegen-
einander wichen einer in den abendländischen Völkern auflebenden Hoffnung auf ein besseres, fruchtbareres Zusam-
menleben in friedlichem Geist. Die besten Kräfte der Völker rangen darum, den Frieden zu gewinnen — der freilich von
vornherein schwer belastet war. Man spürte so etwas wie eine abendländische Aufgabe, ja Sendung in der Welt. Man arbeitete und glaubte zu wissen, wofür. Man schuf tragende,
sich geistig verantwortlich wissende Kreise. Man diskutierte leidenschaftlich gegen- und letztlich doch miteinander. Ich
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könnte lange fortfahren, und Du wirst verstehen, daß das Herz bei solchen Erinnerungen nicht unbeteiligt ist. Aber ich verstehe auch, daß für Dich diese Welt versunken ist. Du
wirst sagen: Illusionen, Romantik, Träume. Du siehst andere Dinge und meinst vielleicht, was Du jetzt siehst und erfährst, sei nun die wirkliche Welt — so, wie wir das damals meinten. Eins wird so richtig und so falsch sein wie das andere. Vielleicht kann man es so sagen: Ihr werdet heute so völlig von der Gegenwart in Anspruch genommen, daß Ihr wenig Neigung, aber vielleicht auch wenig Kraft habt, an die Zukunft zu denken, zu planen, wir waren so stark von der
Zukunft hingenommen, daß wir die Gegenwart in Vielem entscheidend falsch beurteilt haben. Nun glaube ich, daß — in nicht allzulanger Zeit — beides in gleicher Weise nötig sein wird: Männer, die die Gegenwart nüchtern sehen und die
doch die Zukunft — die auch zur Wirklichkeit gehört! — nicht fahren lassen. Die Unverantwortlichkeit der Zukunft
gegenüber ist Nihilismus, die Unverantwortlichkeit der Gegenwart gegenüber ist Schwärmerei. Beides müssen wir überwinden und in dieser Aufgabe — die auch eine höchst persön-
liche ist — werden wir uns einmal vereinigen müssen und können, so verschieden auch der Hintergrund unserer Erfahrungen ist. Daß heute kein Mensch der Gegenwart offen ins Auge sehen kann und zugleich Kraft für zukünftige Auf-
gaben haben kann, der nicht an den Schöpfer — und den Erlöser — glaubt, das ist meine feste Überzeugung und auch meine Erfahrung im wäre schön, darüber wir dabei entdecken, von derselben Sache
Gespräch mit vielen Menschen... Es einmal zu sprechen. Vielleicht würden daß wir mit sehr verschiedenen Worten sprechen und dasselbe Ziel im Auge
haben. Vielleicht auch nicht. Nun genug davon. Leb wohl, C. Gott behüte Dich, wo Du auch bist. Es grüßt Dich mit allen guten Wünschen herzlich Dein Dietrich Bonhoeffer
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Krieg.
1940—1943
[Kiekow], 14. Dezember 1941
Lieber Eberhard! Vom dritten Adventssonntag
einen herzlichen Gruß. Am
vierten hoffe ich wieder da zu sein. ... Wir müssen die Kan-
tate auch noch üben. Wie mag es den Brüdern gehen!? Es wird manches zu erzählen geben. Herr von Kleist liegt noch immer mit seiner Gallensache. Morgen fahre ich zu Reimer. Am 17.
kommt Frau von Kleist... Alles Gute!
Im Zug 18. Juni 1942 [nach München] Ich versuche mir über Johannes [Evangelist] Gedanken zu machen? ... Hoffentlich habe ich Dir mit diesen Bemerkungen etwas geholfen. Du hast eine schwere Arbeit vor Dir und ich würde Dir gern etwas dabei helfen.
Übrigens noch ein paar Worte zu Deiner Predigt neulich. Ich habe den Eindruck, nachträglich, Du hast etwas Angst vor
der „Gegenwartsbezogenheit“ der Predigt. Ich verstehe diese Angst gut, aber ich glaube, Du wärest soweit, daß Du sıe
nicht mehr nötig hättest. Entgleisungen in dieser Richtung werden Dir kaum passieren. Du liest doch viel und Gutes und weißt mehr von der Welt als viele andere. Warum sollte das
nicht in voller Freiheit in den Dienst der Sache gestellt werden? Warum sollte die Kenntnis menschlicher und allgemeiner Probleme nicht von Zeit zu Zeit hindurchklingen? Für den Hörer bedeutet das insofern eine Bereicherung, als er sieht,
daß seine Fragen nicht einfach übersehen, mißachtet sind. Es 1. Prüfungsprozeß in Berlin-Moabit gegen Albertz, Dehn, Asmussen, Harder, Vogel, Niesel, Lokies, Böhm, Hitzigrath, Moldaenke, Grauer, Thiele, Arnheim, Michels, Violet, F. Vogel, Schröder, Blank, der mit
Verurteilungen am 22. 12. 41 endete. W. Niemöller a. a. ©. Seite 247 f£. 2. Für Evangelisations-Ansprachen über biblische Gestalten.
An Stelle eines Tagebuches
war mir nach Deiner Predigt fungspunkt für das Gespräch digtreihe vor 30 Jahren über Dich ja. Also, ich glaube, Du
417
interessant, daß der Anknüpdanach die Stelle über die Prediesen Text war; Du erinnerst darfst darin etwas freier sein.
—— Dasselbe gilt vom Gebiet des Persönlichen; auch da soll man nicht überängstlich vor pietistischen Gefahren sein. Wenn man sich seiner Sache gewiß ist, braucht man diese Ängste nicht zu haben. Also versteh mich richtig, ich will Deine Predigt nicht moderner oder pietistischer haben, aber ich möchte Dich von unnötigen Hemmungen in dieser Richtung
befreien. Du hast sie wirklich nicht nötig. — Die Fahrt ist angenehm und schön. Ich bin lange nicht bei
Tag durch die vielen schönen Städte, deren Dome man kennt, gefahren. Es war eine Freude; ich habe an viele gemeinsame Erlebnisse gedacht und die Zukunft Deutschlands ist mir erneut wichtig geworden. Leb wohl. Gott sei mit Dir und Deiner Arbeit. In Treue grüßt Dich
Dein Dietrich
P. S. Bitte schicke den Brief an C. Es ist übrigens ein toller Eindruck, wenn man durch den Zug geht und kaum zwei, drei Menschen ein Buch lesen sieht — ist das die große Müdigkeit, der große Stumpfsinn, das Bild der Zukunft — es sitzen fast nur junge Leute im Zug?
Im Zug nach München,
18. Juni 1942
Lieber C.! [Chr. Bethge] E. sagte mir vor ein paar Tagen, daß Du heute Geburtstag
hast. Ich wollte Dir dazu schreiben. Nun verschafft mir erst diese Reise die nötige Ruhe dafür. Während ich bei schönem Sonnenschein durch alte Städte und sommerliches Land fahre,
418
Krieg.
1940—1943
denke ich nun an Dich, an Dein gegenwärtiges Leben und an Deine Zukunft. Was soll ich Dir eigentlich schreiben: Was für Gedanken und Wünsche kann ich für Dich haben? Du bist den Jahren nach ein halbes Menschenalter, den raschen Zeitläuften nach mindestens eine Generation jünger als ich. Du
erlebst und tust und denkst Dinge, die ich nie erlebt, getan und gedacht habe, Du stehst in Gefahren, die ich nicht kenne.
Ich lebe ein Leben, das dem Deinigen kaum in irgend etwas ähnelt und Dir fremd sein muß. Und doch, gerade diese lange Fahrt durch unser schönes Land, die Blicke auf die Dome von Naumburg, Bamberg, Nürnberg, auf die bestellten und teils so kärglichen Felder, der Gedanke, daß dies alles Arbeitsfeld und Freude für viele, viele Generationen gewesen ist, geben mir die Zuversicht, daß hier doch ein gemeinsamer Boden, eine gemeinsame Aufgabe, eine gemeinsame Hoffnung da ist, also etwas, was die Kluft der Generationen überwindet. Wenn man das bedenkt, so wird einem das eigene kurze persönliche Leben relativ unwichtig, man beginnt in größeren Zeiträumen und Aufgaben zu denken. Du stehst zur Zeit eingereiht in eine Gemeinschaft, die jedenfalls eine der großen Wendungen der Geschichte tätig mit-
erlebt. Du selbst kannst kaum etwas für den Gesamtgang der Dinge tun, Du fühlst Dich wahrscheinlich oft ganz überflüssig, fehl am Platz, hast allerlei persönlichen Kummer
und
Kampf. Was soll ich da heute andere Wünsche für Dich haben, als daß Du lernst, diese kleinen persönlichen Dinge, Wünsche und Beschwerden nicht allzu wichtig zu nehmen, sondern Dich an Deiner Stelle und in den Dir gegebenen Möglichkeiten als ein Glied in der langen Folge dieser Geschlechter zu verstehen, die für ein schönes, echtes und —
frommes Deutschland gearbeitet und gelebt haben und es noch tun? Es ist ja doch nicht so, daß Du dazu gar nichts tun könntest — und wenn es auch weniger Dein Tun als Dein Sein ist, auf das es hier ankommt. Wie ungeheuer werden die
An Stelle eines Tagebuches
419
Aufgaben sein, wenn sich einmal der Kampf nicht mehr nach außen wenden muß, sondern wenn alle Kraft an den inneren
Aufban gesetzt werden kann. Dazu werden wir eines Tages nicht nur Leistungen, Fähigkeiten, sondern vor allem echte
Menschen brauchen. Und wenn Du die jetzige Zeit Deines Lebens nur so verstehst, daß Gott jetzt aus Dir den Menschen machen will, den er später einmal brauchen und mit allen seinen Fähigkeiten, Gaben an die Arbeit stellen will, dann ist schon viel gewonnen! Und nun kommt es wohl darauf an, daß wir, die wir gegenwärtig uns nicht voll ausgenutzt, voll eingesetzt fühlen — und auch darin, haben wir ja eine gemeinsame Erfahrung —, uns durch diese Zeit bereitmachen lassen für eine künftige. Es mag uns ganz gut bekommen,
eine Zeit lang beiseite gestellt, nicht wichtig ge-
nommen zu sein. Wir können Bescheidenheit und Geduld, aber auch Treue dadurch lernen. Und wenn Gott in dieser Zeit fromme Männer aus uns machen wollte, die er einmal brauchen kann, dann wollen wir ihm für diese Zeit sehr dankbar sein. — Nun behüte Dich Gott an Leib und Seele.
Es grüßt Dich in trenem Gedenken Dein Dietrich Bonhoeffer
Im Zug nach München, 25. Juni 1942
Lieber Eberhard! Wieder mal aus diesem Zug einen Gruß. Ich denke täglich an Deine Arbeit und wüßte so gern, wie alles gegangen ist. ...Ich fliege nun schon morgen und komme mit Hans am
10. (nicht am 9.1) zurück. Wo bist Du dann? Frau von Kleist habe ich geschrieben und mich etwa für den 20.7. angemel1. Italien und Rom mit Hans von Dohnanyi, um u. a. Kommunikationen der Alliierten in Verfolg der Stodkholm-Reise (G. S.I S. 372 ff.) im Vatikan vorzubereiten.
420
Krieg.
1940—1943
det. ... Übrigens hoffe ich doch, daß sich Thndes Schwager
mit seiner Massagebehandlung genug Zeit läßt!. So etwas dauert doch sicher bis September. Christel soll es ihm nur auch nochmal sagen; denn daß Thude selbst es tut, finde ich nicht so gut und wirksam. — Meine in der letzten Zeit doch stark auf dem weltlichen Sek-
tor liegende Tätigkeit gibt immer wieder zu denken. Ich wundere mich, daß ich tagelang ohne die Bibel lebe und leben kann — ich würde es dann nicht als Gehorsam, sondern als Autosuggestion empfinden, wenn ich mich dazu zwingen
würde. Ich verstehe, daß solche Antosuggestion eine große Hilfe sein könnte und ist, aber ich fürchte auf diese Weise eine echte Erfahrung zu verfälschen und letzten Endes doch nicht die echte Hilfe zu erfahren. Wenn ich dann wieder die Bibel aufschlage, ist sie mir neu und beglückend wie nie, und ich möchte nur einmal predigen. Ich weiß, daß ich nur meine eigenen Bücher aufzuschlagen brauche, um zu hören, was sich gegen dies alles sagen läßt. Ich will mich auch nicht rechtfertigen, sondern ich erkenne, daß ich „geistlich“ viel reichere
Zeiten gehabt habe. Aber ich spüre, wie in mir der Widerstand gegen alles „Religiöse“ wächst. Oft bis zu einem in-
stinktiven Abscheu — was sicher auch nicht gut ist. Ich bin keine religiöse Natur. Aber an Gott, an Christus muß ich immerfort denken, an Echtheit, an Leben, an Freiheit und Barmherzigkeit liegt mir sehr viel. Nur sind mir die religiösen Einkleidungen so unbehaglich. Verstehst Du? Das sind
alles gar keine neuen Gedanken und Einsichten, aber da ich glaube, daß mir hier jetzt ein Knoten platzen soll, lasse ich
den Dingen ihren Lauf und setze mich nicht zur Wehr. In diesem Sinne verstehe ich eben auch meine jetzige Tätigkeit anf dem weltlichen Sektor. Verzeih bitte diese Konfessionen, 1. Gemeint ist Lokies, der wahrscheinlich Freistellung etwas einleiten sollte.
wieder
für eine militärische
An Stelle eines Tagebuches
421
die lange Eisenbahnfahrt ist schuld daran. Wir müßten mal wieder in Ruhe über diese Dinge sprechen können. An Maria! habe ich nicht geschrieben. ... — Leb wohl ... Alles Gute wünscht Dir von Herzen Dein Dietrich P.S. Es ist übrigens heute wie vor 8 Tagen, als ich im selben Zug fuhr: in jedem Wagen durchschnittlich einer, der ein
Buch liest. Die meisten dösen halbwach vor sich hin. Sicher fast alles Leute, die aus gehetzter Tätigkeit kommen. Da bleibt für ein paar Mußestunden nur ein dumpfes Vor-sich-
hin-Brüten, weder glücklich noch unglücklich — es ist wie ein mehr oder weniger apathisches Erwarten
von irgendetwas
Zukünftigem, nachdem man selbst alles in den eigenen Kräften stehende getan hat; aber auch weder Ergebenheit noch Auflehnung oder Trotz, sondern eher eine müde Gleichgültig-
keit liegt auf den Gesichtern. Das persönliche, innere Leben hat kein Schwergewicht mehr. Die Sammlung auf ein Buch scheint einer vergangenen Zeit anzugehören.
1%
Berlin, 18. 9. 1942
Liebe Eltern! ... Ich erhielt inzwischen aus München die Bestätigung, daß ich „Schlafraum und Arbeitsraum“, d.h. wohl 2 Räume brauche ..... Ich werde Ende der kommenden Woche nach München fahren und von dort aus meine beiden Reisen machen, also etwa 6 Wochen fort sein?. Wenn bis über den näch-
sten Vollmond keine Angriffe auf Berlin kommen, so branchen wir wohl nicht mehr damit zu rechnen...
1. Maria von Wedemeyer, später Bonhoeffers Braut.
Enkelin
der Frau Ruth von
Kleist-Retzow, x h
2. Auf den Balkan (Griechenland und Italien) und in die Schweiz. Beide
Reisen kamen nicht mehr zustande, da die Schwierigkeiten in der Abwehr jetzt einsetzten, die dann zur Verhaftung v. Dohnanyis, Joseph
Müllers und Bonhoeffers führten (5. April 1943).
422
Krieg.
1940—1943
Berlin, 24. 9. 1942 ... Stalingrad scheint ein furchtbarer Kampf zu sein. Das ist
für alle doch sehr deprimierend und geht an die Nerven. Da müssen wohl an Mannschaft und Führung immer neue Kräfte heran...
Ener dankbarer Dietrich
[München], 10. Oktober 1942 Lieber Hans-Walter!! Eben höre ich, daß Dein Einbernfungsbefehl zum nächsten Donnerstag da ist. Leider werde ich Dich vorher nicht mehr sehen können. Darum möchte ich Dir wenigstens kurz schreiben. Wir haben ja in der letzten Zeit immer wieder — manchmal im Spaß, aber auch im Ernst — von Deinem Soldatwerden gesprochen. Nun, da es soweit ist, da es sich also nicht mehr um Mösglichkeiten, Überlegungen, freie Entscheidungen, sondern um eine
gegebene Tatsache handelt, der gegenüber es keine Überlegungen und Möglichkeiten mehr gibt, sieht ja auf einmal vieles ganz anders aus und da möchte ich Dir als Erstes sagen, daß ich mich wirklich für Dich freue, daß die Zeit der
Ungewißheit und des Wartens jetzt vorbei ist und daß Du nun innere Ruhe darüber haben kannst, dort zu sein, wo Deine gleichaltrigen Kameraden auch sind; das war es ja wohl, was Dich hauptsächlich umtrieb und das wird es wohl
auch sein, was Dir innerlich auch in schwierigen Sitnationen helfen wird. Sich vom Geschick und von der Not der anderen Menschen nicht trennen wollen, mit ihnen Gemeinschaft haben wollen, das ist ja etwas ganz anderes als einfach mitmachen, mitlaufen wollen; auch vor dem „Miterleben-wollen“ 1. Neffe Dietrich Bonhoeffers.
An Stelle eines Tagebuches
423
des Krieges und seiner Schrecken soll man sich wohl hüten, denn wer, der sich das leichten Herzens wünscht, weiß denn, wie er in der Stunde der Entscheidung besteht? Aber Gerufensein, ander Gemeinschaft teilzunehmen und sein Teilmitzubringen und mitzutragen, was es denn auch sei, das ist, glaube ich, ein ziemlich fester Grund, um darauf zu stehen und um auch Schweres durchzumachen. Und wenn man sich von Zeit zu Zeit dessen bewußt wird und schließlich ganz aus dem Bewußtsein leben kann, daß dieses Gerufensein ja letztlich kein zufälliges, sondern daß es der Weg Gottes mit unserem Leben ist, dann kann man, glaube ich, sehr zuversichtlich ins
Unbekannte gehen. Allerdings sind dann dem Leben in der neuen Gemeinschaft auch ganz bestimmte, unüberschreitbare
Grenzen gesetzt, und es bricht einem innerlich alles zusammen, wenn man diese Grenzen aus einer falschen Solidarität heraus verletzt. Du gehst ja anders in Deine Soldatenzeit hinein, als die meisten Deiner Altersgenossen. Du hast einen Bestand von Werten, Du hast bestimmte Grundbegriffe vom Leben mitbekommen, Du weißt — vielleicht zum Teil noch unbewußt, aber
das macht hier nichts aus —, was ein gutes Familienleben, was gute Eltern, was Recht und Wahrheit, was Menschlichkeit und Bildung, was Tradition für höhere Güter sind. Du hast selbst jahrelang Musik getrieben und in den letzten Jahren
viele Bücher gelesen, das alles ist nicht spurlos an Dir vorübergegangen — und schließlich, Du weißt auch irgendwie, was die Bibel, was das Vaterunser und was Kirchenmusik ist;
aus dem allen aber hast Du ein Bild von Deutschland mitbekommen, das Dir nie mehr ganz verlorengehen kann, das Dich begleiten wird in den Krieg hinein, und für das Du eintreten wirst, wo Du auch bist und wer Dir auch gegenüberträte. Du bist als Soldat vielleicht freier dafür als wir ande-
ren. Aber es ist klar und Du weißt es auch selbst, daß Dir dadurch Konflikte bevorstehen, nicht nur mit dem von Natur
424
Krieg.
1940—1943
aus Gemeinen, über dessen Macht Du in den nächsten Wochen erschrecken wirst,.sondern einfach schon dadurch, daß Du, gerade weil Du aus einer solchen Familie kommst, anders bist als die meisten anderen Menschen, anders bis in kleinste Äußerlichkeiten hinein. Wichtig ist darum nur, daß man das, was man anderen voraushat — und Du hast etwas voraus! — nicht als Verdienst, sondern als Geschenk auffaßt und daß man sich mit allem, was man hat, ganz den anderen zur Verfügung stellt und sie trotz ihres Andersseins gerne hat. Wir werden Dich sehr vermissen, wenn wir Dich ja auch hoffentlicht recht oft und lange hierhaben. ... Ihr werdet sicherlich am Mittwoch noch einen schönen Abend zusammen haben. Sehr gerne wäre ich dabei. Nun leb wohl,
möchte es Dir gut gehen und Dir eine erfreuliche Zeit bevorstehen! Und wenn ich auch sonst sparsam bin, mit solchen Worten, so laß mich Dir heute sagen: Gott behüte Dich!
[Klein-Krössin] 7. November 1942 Heute nur diesen kurzen Gruß mit den Heftchen, die Du vielleicht in ruhigen 5 Minuten mal lesen kannst. — Kommst Du schon etwas zum französisch lernen und sprechen? Das wäre doch ein großer Gewinn. — Das häßliche November-
wetter macht Dir wahrscheinlich das Eingewöhnen nicht gerade leichter. Aber ich glaube, Du bist in diesen Dingen schon härter als wir es in Deinem Alter waren. Übrigens, wenn Du wirklich einmal regelrechtes Heimweh haben solltest —
ich
kenne es sehr genan, es ist keine Blamage —, dann mußt Du
Dir sagen, daß das einfach eine richtige Krankheit ist, die den
einen befällt, den andern nicht, die ihren Höhepunkt und ihr Ende hat und höchstens 2—3 Wochen dauert; vielleicht kennst Du es auch gar nicht, es ist jedenfalls etwas ganz anderes als so ein bißchen Verlangen nach Hause, es ist wirklich eine
An Stelle eines Tagebuches
425
schmerzhafte Krankheit, etwas sehr Merkwürdiges — aber man kann sich darauf verlassen, daß sie vorbeigeht wie ein Fieber. Nun laß es Dir gut gehen, nutze die Zeit aus so gut wie möglich und schreibe, wenn Du etwas brauchst. Es grüßt Dich mit allen guten Wünschen Dein Onkel Dietrich
[Berlin], 27. November 1942 Lieber Eberhard!
In den letzten Tagen habe ich die Möglichkeit der Aussprache mit Dir sehr vermißt. Die Tage waren so ausgefüllt und die Gedanken so ungeklärt, daß ich nicht zum Schreiben
kam ... Dienstag-Mittwoch mittag war ich bei Frau v. W. ..... Sinn der Aussprache: ein Jahr völlige Trennung ... Meine Antwort: ein Jahr könne heute ebensogut zu 5 oder 10 Jahren werden, bedeute eine Verschiebung ins Unübersehbare; ich verstünde und anerkennte das Recht der Mutter über
die Tochter;
die Zeitverhältnisse
selbst aber würden
lehren, ob ein solches Gesetz durchführbar sei; ich glaube es nicht und würde mich zu gegebener Zeit noch darüber äußern... Ich bin mir noch nicht klar über mein künftiges Verhalten, schweige mich zunächst aus, es hat jetzt keine Eile; der Sturm muß sich erst etwas gelegt haben. Ich glaube, daß ich, wenn ich wollte, mich durchsetzen könnte... Sonst geht alles normal, d. h. Winfried M.! geht es eben doch sehr schlecht und es scheint, als könnte er sich gar nicht mehr
erholen. Hans Chr. und Frau? geht es doch allmählich immer 1. Winfried Maechler (an der Ostfront) = Front.
Kriegslage an der russischen .
2. Hans-Christoph (von Hase, Wehrmachtspfarrer — Umsturzvorbereitungen
im Heer.
426
Krieg.
1940—1943
besser. Deine Mutter wollte sich neulich in familiären Sachen mit John besprechen, der hat sich aber etwas brüsk benommen, so ist es nicht dazu gekommen!. Ich habe übrigens den Eindruck, daß es Deiner Mutter
noch gar nicht wieder gut
geht; sie ist wohl mit den Nerven ziemlich am Ende. Übrigens fuhr ich auf der Rückreise über Stettin und hatte einen netten
Nachmittag bei Fritz und Margret. Sie fährt gegen Ende der Woche auf 14 Tage nach Kade. So, das war so das Neueste aus dem Hause. Hoffentlich höre ich bald von Dir. Ich denke sehr an Deine Arbeit.
[Berlin, 29. November 1942] 1. Advent 1942 Es ist 1. Advent 12 Uhr nachts. Es war ein schöner Tag. Morgens Andacht bei S.? über das Magnificat, später schöne Lieder. Ich denke an Dich und Deine Arbeit. Wir haben in den letzten Jahren Advent meist gemeinsam gefeiert. Wie schön waren die Adventsmusiken in Sigurdshof noch! — ... Was sagst Du zu dem Jahr? ... Von der Familie nichts Neues. Hans ist zurück; es hat sich nichts Wesentliches geändert?. Sepp ist wieder sehr vergnügt und munter und hofft in längstens 4 Wochen mit seiner Arbeit fertig zu sein‘. Winfried geht es eben leider gar nicht recht gut. Renate arbeitet viel. Klaus kommt öfter mal vorbei. Die Idee bei Magret vorbeizufahren hat keinen Sinn,
weil sie in Kade ist. So wirst Du wohl am 7. hier wieder
1. Decknamen
„Mutter“
und
„John“
z. Zt. nicht mehr
erinnerlich,
es
handelt sich vielleicht um Goerdelers Versuch, Göring für die Pläne zu
interessieren?
2. Verwandte im Nebenhaus in der Marienburger Allee. 3. Reise von Dohnanyis nach Rom und in die Schweiz ohne positive Antwort der Alliierten.
4. Josef Müller — Umsturzvorbereitungen.
An Stelle eines Tagebuches
427
heimkehren. Es wird wohl manches zu besprechen geben, wenn nicht mein Schweigenmüssen über die persönlichen Dinge mir inzwischen zur zweiten Natur geworden ist.... So, nun genug für heute. Morgen hoffe ich endlich mal wieder zum Schreiben zu kommen. Von Herzen wünscht Dir alles Gute und Schöne
Dein getreuer Dietrich
428
Krieg.
1940— 1943
[Eingabe an die Wehrmacht Oktober/November 1941 Entwurf für Admiral Canaris und Goerdeler zur Verwertung bei den Generalen Keitel bzw. von Falkenhausen]
Die Hoffnung der evangelischen Christen, daß wenigstens für die Dauer des Krieges die kirchenfeindlichen Maßnahmen eingestellt würden, ist schwer enttäuscht worden. Während viele tausend evangelische Geistliche dem Vaterland mit der Waffe dienen, hohe Auszeichnungen erhielten, im Frontbericht namentlich erwähnt wurden, ein großer Prozentsatz von ihnen verwundet oder gefallen ist, Millionen treuer evangelischer Gemeindeglieder an allen Fronten stehen, neh-
men die kirchenfeindlichen Maßnahmen in der Heimat immer schärfere Formen an, und es entsteht allmählich in den
Gemeinden der Eindruck, daß hier die Notlage des Krieges und die Abwesenheit der Geistlichen von Partei und Gestapo
bewußt dazu mißbraucht werden, die evangelische Kirche noch während des Krieges zu zerstören. Das muß früher oder
später den notwendigen
Einsatz aller Kräfte im Kriege
ernstlich beeinträchtigen.
Einige Beispiele für die Eingriffe in das kirchliche Leben während des Krieges:
1. Im Warthegau wird der Versuch gemacht, das im Braunen Haus für die Nachkriegszeit ausgearbeitete Kirchenprogramm der sogenannten Dreizehn Punkte! durchzuführen. Dabei handelt es sich hauptsächlich um die völlige Ausschaltung der Kirche aus der Öffentlichkeit, durch das Verbot jeglicher kirchlicher Kollekten, jeglicher Gemeindejugendarbeit, 1. Verordnung von Gauleiter Greiser vom 14. März 1940.
Eingabe
an die Wehrmacht
429
jeder Männer- und Frauenarbeit außerhalb des Gottesdienstes, wie um die Verhinderung jeder Verbindung mit den deutschen Heimatkirchen. Die evangelischen Gemeinden des
befreiten Warthegaus stehen in schwerem Kampf. 2. Verboten wurden im ganzen Reich der Druck sämtlicher Gemeinde- und Sonntagsblätter!, christlicher Kalender, Monatssprüche etc., die vielen Pastoren und Millionen von evangelischen Gemeindegliedern heimisch sind. Die amtlich gegebene Begründung der Papierknappheit kann keinen Glauben finden, wenn gleichzeitig, wie im Warthegau, Partei-
sonntagsblätter neu herausgegeben werden. Durch die Einziehung der Geistlichen waren die Gemeindeblätter für viele Landgemeinden, die vom Pfarrer nicht mehr erreicht werden (Benzin wird Pfarrern nicht zur Verfügung gestellt), die einzige noch verbleibende Möglichkeit kirchlicher Betreuung.
Dieser Ausfall wird besonders in der bevorstehenden Weihnachtszeit stark empfunden werden. 3. Staatspolizeiliche Eingriffe, Verbote und Verhaftungen erfolgten gegen evangelische Laien, die sich im Verfolg von Einziehungen in pfarrerlosen Gemeinden zur Abhaltung von Lese- und Kindergottesdiensten und Konfirmandenunterricht etc. zur Verfügung gestellt haben. Die Abhaltung von Gottesdiensten in Schulen und Privaträumen auf dem Lande, wo die Kirche oft weitab liegt, ist verboten. 4. Verboten wurde die evangelische Seelsorge nun auch in den kircheneigenen Krankenhäusern, es sei denn, daß ein
einzelner Kranker den Pfarrer rufen will. 5. Beschlagnahmt wurde ohne Begründung das Haus des C.V.J.M. in Berlin und das Jugendheim für „Entschiede-
nes Christentum“ in Woltersdorf. 6. Einem Kreis von Gymnasiasten, der in Köslin infolge der Einziehung des Pfarrers seine Bibelstunden für sich weiter1. 12. June 194%
430
Krieg.
1940—1943
hielt, wurde diese Betätigung von der Schulbehörde verboten, die zwei leitenden Primaner wurden aus der Schule entfernt,
die teilnehmenden Schüler in der Hitlerjugend degradiert und bestraft. 7. Ausweisung und Redeverbot wurde gegen den hochangesehenen Superintendent in Köslin! verhängt, weil er im Auftrage der Gemeindevertretung gegen die Berufung eines na-
tionalkirchlichen D. C. als Pfarrer an seine Kirche protestiert hatte. Gleichzeitig ergingen ohne Angabe besonderer Gründe mehrere Redeverbote gegen führende Geistliche der Evangelischen Bekennenden Kirche. 8. In Haft befinden sich seit Mai 1941 fast alle leitenden Pfarrer der Bekennenden Kirche in den Provinzen Berlin und Brandenburg, weil sie sich an theologischen Prüfungen? der jungen Theologen der Bekennenden Kirche beteiligt hatten. Die Abhaltung dieser Prüfungen war der Gestapo seit langem bekannt. Von den über 2000 jungen Theologen, die sich derartigen Prüfungen in allen Provinzen unterzogen haben, stehen z. Zt. mehr als 1500 im Feld. Für sie und ihre
Gemeinden bedeutet die Verhaftung ihrer theologischen Lehrer, die sich sonst keines Vergehens schuldig gemacht haben, eine schwere Beunruhigung. In einem Einzelfall wurde der
Frau eines der verhafteten Pfarrer gesagt, eine Enthaftung wäre nur möglich, wenn der Pfarrer seinen Beruf wechsele,
wie dieses Ansinnen überhaupt immer häufiger durch die Gestapo an Geistliche gestellt wird. Ein anderer verhafteter Pfarrer, der während seiner Haft zum Militärdienst einberufen und zu diesem Zweck vom Gericht entlassen wurde, ist
vor der Tür des Gerichtes von der Gestapo erneut verhaftet worden. Fast alle nicht eingezogenen jungen Geistlichen der Bekennenden Kirche wurden auf Befehl des Reichsführers SS 1. Sup. F. Onnasch, ausgewiesen am 12. September 1940, 2. Prüfungsprozeß vom 10.—22. Dzember 1941, siehe Seite 416 (Brief vom 14. 12. 41).
Anmerkung
1
Eingabe
an die Wehrmacht
431
durch die Arbeitsämter dienstverpflichtet, „um sie so einer nutzbringenden Tätigkeit zuzuführen“. Im Frühjahr ist Pfarrer Grüber, Weltkriegsoffizier und Freikorpskämpfer, der in kirchlichem Auftrag mit Einverständnis der Gestapo für die Versorgung der nichtarischen evangelischen Christen tätig war und sich in der ganzen evangelischen Kirche großen Ansehens erfreut, ohne Angabe von Gründen verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht worden.
Die Behandlung von Pfarrern durch die Gestapo bei Vernehmungen etc. ist jetzt allgemein die von Verbrechern. Die Verhaftung der Mitglieder der sogenannten Christengemeinschaft, die man als stille und völlig unpolitische Menschen kennt, wird auch in der Evangelischen Kirche aufs tiefste bedauert. 9. Grobe Beschimpfung durch anonyme Zuschrift mußte ein hervorragender Laie der evangelischen Kirche, dessen Sohn im Osten gefallen war, über sich ergehen lassen. Er hatte den Tod seines Sohnes mit den Worten angezeigt: „Im Glauben
an seinen Herrn und Heiland fiel... .“ In der Zuschrift heißt es „Schande über die blutentartete, frömmelnde Sippe“, die dem Sohn den Glauben an einen „obskuren Wanderprediger“ nachgesagt hat. 10. In Württemberg wurden die staatlichen Zuschüsse für die
evangelische Kirche nicht voll ausgezahlt!, so daß die Pfarrgehälter herabgesetzt werden mußten, während die Pfarrer im Felde stehen. 11. Das in dem für die weltanschauliche Schulung der Partei verantwortlichen Nordlandverlag in 700 000 Exemplaren erschienene Buch von Fr. Schmidt: „Das Reich als Aufgabe“
fordert den Bruch mit allen Traditionen, im besonderen die endgültige Zerstörung der Kirchen noch während des Krie-
ges, da nur so die inneren Voraussetzungen für den Sieg ge1. Kürzungen zum 1. Mai 1941.
432
Krieg.
1940—1943
schaffen werden könnten. Der württembergische Landesbischof hat gegen diese Schrift öffentlich protestiert.
12. Die Tötung des sogenannten unwerten Lebens, die nun breiter in den Gemeinden bekannt geworden ist und ihre Opfer gefordert hat, wird von den Christen aller Konfessionen im Zusammenhang mit der allgemeinen Auflösung der
10 Gebote und jeder Rechtssicherheit gesehen und damit als Zeichen der antichristlihen Haltung leitender Stellen im Reich mit tiefster Beunruhigung und mit Abscheu aufgenommen. Die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen. Alle diese Tatsachen bleiben aber den Gemeinden in der Heimat und den Pfarrern und Gemeindegliedern an der Front nicht verborgen. Im Blick auf die hier liegenden ernsten Gefahren wünscht die
Evangelische Kirche, die Wehrmacht möge bewirken, daß 1. für die Dauer des Krieges alle kirchenfeindlichen Maßnahmen eingestellt werden, 2. Verhaftungen, Ausweisungen, Redeverbote, die aus kirchlichen bzw. kirchenpolitischen Gründen erfolgt sind, zurückgenommen werden,
3. der Kirche für ihre verantwortliche Aufgabe während des Krieges in der Heimat Hilfe und Schutz zuteil wird.
Sofortmaßnahmen
nach
einem
Umsturz
433
Beendigung des Kirchenkampfes! 1. Wiedergutmachung des der Evangelischen Kirche getanen Unrechtes, 2. Selbständigkeit der Kirche.
Eine Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche und eine Bereinigung des Verhältnisses von Staat und Kirche ist nur möglich, wenn es gelingt, den Kirchenkampf beizulegen. Dafür sind folgende Gesichtspunkte zu beachten.
1. Der Kirchenkampf entstand, als der NS-Staat versuchte, die Evangelische Kirche gleichzuschalten. Der Kirchenkampf war also nicht wesentlich gegen den N. S. gerichtet, sondern gegen jeden der staatlichen Eingriffe in das kirchliche Leben.
Er wird solange dauern, bis diese Eingriffe endgültig aufhören. 2. Die Bekennende Kirche hat im Verlauf des Kirchenkampfes, seit 1934, als „Notrecht“ eigene bekenntnisgebundene Organe der Kirchenleitung gebildet, die von der bekenntnismäßigen Synode als kirchlich legitim anerkannt worden sind. Bruderräte und Bekenntnissynoden sind die einzigen kirch-
lichen Organe, die trotz Verfolgung, Verhaftung, Behinderung in jeder denkbaren Form die Jahre überdauert haben, während
Kirche
die Organe
sich
der
offiziellen
deutsch-christlichen
in raschem Verfall ablösten.
Reichsbischof,
deutsch-christliche Bischöfe, Geistliches Ministerium, Staatskommissare, Kirchenausschüsse, Konsistorien etc. wurden
durch den Widerstand der Bekennenden Kirche nacheinander zu Fall gebracht. Durch ihre kirchliche Legitimation und 1. Generaloberst Beck ließ sich durch H. v. Dohnanyi
Sofortmaßnah-
men nach einem Umsturz ausarbeiten und laufend vervollständigen. Dies
ist ein Vorentwurf Bonhoeffers für das kirchliche Gebiet von Ende 1942.
434
Krieg. 1940—1943
durch den unerschrockenen Kampf für das Bekenntnis der Kirche haben die.Organe der Bekennenden Kirche sich eine Autorität geschaffen, die so nicht ohne weiteres zu erschüt-
tern ist. Sie werden ihr Amt solange führen, bis wieder eine bekenntnisgebundene Kirchenleitung existiert. Der größere Teil der jungen Theologen steht entschlossen hinter der bekenntnismäßigen Kirchenleitung. 3. Die offiziellen kirchlichen Organe (Konsistorium, E. O.K., Finanzabteilung) haben sich mit ihren bekenntniswidrigen Handlungen nur durch den Mißbrauch staatlicher Gewalt in ihren Amtern halten können. Sie brechen zwangsläufig in demselben Augenblick zusammen, in dem die staatliche Gewalt ihnen nicht mehr zur Verfügung gestellt wird. Geistliche
Kräfte irgendwelcher Art stehen nicht hinter ihnen. 4. Eine Beendigung des Kirchenkampfes ist nur möglich im vollen Einvernehmen mit den Organen der Bekennenden Kirche; hinter diesen steht die ganze Einsatzbereitschaft und Opferwilligkeit der noch bekenntnistreuen Gemeinden und Pastoren. Es hat sich erwiesen, daß es nicht möglich ist, diesen Widerstand durch Gewalt zu brechen. Er wird aber in demselben Augenblick eingestellt werden, in dem wieder eine
bekenntnistreue Leitung der Kirche gesichert ist. Eine solche Kirchenleitung kann nur mit dem Einverständnis der B.K.Organe gebildet werden. 5. Ein Widerstand von der deutsch-christlichen Seite (Nationalkirchliche Einung) ist nur in ganz geringem Maße zu er-
warten. Er würde zu beheben sein, wenn den Thüringer Deutschen Christen die Möglichkeit eines frei-religiösen Zusammenschlusses geboten würde, unter der Verpflichtung, sich nicht politisch zu betätigen und die Einheit der Kirche nicht
zu stören. Es wäre eine verschwindend kleine Gruppe, die sich hier abspalten würde. Wird keine staatliche Gewalt gegen sie angewendet, so ist diese Gruppe binnen kurzem zu
endgültiger Auflösung verurteilt.
Sofortmaßnahmen
nach
einem
Umsturz
435
6. Die unter der Führung durch die Deutschen Christen zer-
brochene Einheit der D.E.K.
läßt sich bei Anerkennung
einer bekenntnismäßigen Leitung wieder herstellen. Die landeskirchlichen Sonderinteressen, denen noch gewisse traditio-
nell-geschichtliche und konfessionelle Hemmungen zugrunde
liegen, wären durch eine starke kirchliche Führung gewiß binnen Kurzem zu überwinden. 7. Bei der Neuordnung der Kirche muß unter allen Umständen vermieden werden, daß die reaktionären Kreise der einstigen Generalsuperintendenten und der kirchenbehördlichen Bürokratie wieder die Leitung in die Hand bekommen. Das wäre staatlich und kirchlich eine rückschrittliche Lösung der
Kirchenfrage. Eine Lösung, die das Verhältnis von Kirche und Staat wirklich auf einen neuen Boden stellen soll, muß auf die junge, im Kirchenkampf erprobte Generation von
Pfarrern und Laien zurückgreifen!. Im einzelnen wären folgende Maßnahmen sofort zu ergreifen: 1. Eine Erklärung des Staates, daß er gewillt sei, die seit 1933
bestehende Unfreiheit der Kirche aufzuheben und ihr in Verkündigung und Ordnung eine ihrem Wesen entsprechende Selbständigkeit zu gewähren. 2. Die Entlassung der um ihres Bekenntnisses willen im KZ
und Gefängnis befindlichen Pastoren, Aufhebung der polizeilichen Verbannungen, Redeverbote, Ausweisungen, Aufenthaltsverbote. Aufhebung der Verbote für die kirchliche Presse.
3. Die von bekenntnismäßigen Kirchenleitungen bisher vor1. Ein Ergänzungsblatt mit 2 weiteren Punkten, die zwischen 3 und 4 eingeschoben werden sollten, ist nicht vorhanden. So sind auf diesem
vorhandenen Entwurf die Zahlen 4—7 durchgestrichen und durch „6—9“ ersetzt. Bonhoeffer hat bis kurz vor der Verhaftung daran verbessert.
Ein Exemplar der Endform fiel bei der Haussuchung am 5. April 1943 in die Hände des Untersuchungsrichters Roeder. Die vorsichtigen Sätze
am Anfang erleichterten Bonhoeffers Verteidigung in den Verhören (siehe Bonhoeffers Zettel mit Verhörsnotizen aus der Zelle).
436
Krieg.
1940—1943
genommenen kirchenregimentlicken Maßnahmen (Ausbildung, Prüfungen, -Ordination, Pfarreinweisungen etc.) wer-
den förmlich anerkannt. 4. Der Kirche wird im Interesse der christlichen Unterweisung wieder die Möglichkeit freier Arbeit unter der Jugend gewährt. Behinderungen der karitativen Arbeit der Kirche werden aufgehoben.
5. Alle durch den NS ins Amt gekommenen Kirchenleitungen werden ihres Amtes entsetzt. Hierzu gehören ...!. 6. Für die D.E.K. wird eine kommissarische Kirchenleitung (Rat der D.E.K.) bestellt. Der Vorsitzende der bisherigen vorläufigen Leitung der D.E.K. beruft zugleich als Vorsit-
zender des Altpreußischen Rates die Leiter der Landeskirchen, um sie über die Zustimmung zu der kommissarischen Kirchenleitung beschließen zu lassen. Fur.dierA- PU... .r, a) Für die Kirchenprovinz der A.P. U. b) Pommern c) Westfalen. Die Kirchenleitungen der Landeskirchen werden im Einvernehmen mit den dortigen Landesorganen der Bekennenden Kirche gebildet. 7. Die Finanzabteilungen für die D.E.K. und für die Lan-
deskirchen werden aufgehoben. Ihre Befugnisse gehen auf die Kirchenleitungen über. 8. Sämtliche Kirchenleitungen werden ermächtigt, Gesetze, Verordnungen und Verfügungen, die nach dem 23. 7. 33 (der unter staatlichem Druck vollzogenen Kirchenwahl) erlassen
sind, unter alleiniger Berücksichtigung der kirchlichen Bekenntnisse rückgängig zu machen. 9. Die Kirchenleitungen der D.E.K. und der Landeskirchen haben innerhalb von 6 Monaten zusammen mit den Synoden 1. Im Entwurf nicht aufgeführt.
Sofortmaßnahmen
eine Neuwahl
nach
einem
Umsturz
437
der kirchlichen Körperschaften (Gemeinde-
kirchenräte, Provinzialsynode, Landessynode und einer Reichssynode) vorzubereiten und eine neue Kirchenverfas-
sung auszuarbeiten. 10. Die reichskirchlichen Gremien sind: Der Rat der D.E.K. als Leitung und Vertretung der D.E.K., die Reichssynode als oberste Vertretung der evangelischen Gemeinden, der Kirchenbundesrat (als Vertretung der Landeskirchenleitungen). 11. Das Kirchliche Außenamt, das bei den ausländischen Kirchen und bei großen Teilen des Auslandsdeutschtums jedes Vertrauen verloren hat, wird im Einvernehmen mit dem Rat der D.E.K. personell umgebildet. 12. Den D.C., Angehörigen der nationalkirchlichen Einung, wird der Zusammenschluß zu einer freikirchlich religiösen Gemeinschaft gestattet mit der Verpflichtung, sich nicht politisch zu betätigen noch die Einheit der Kirche aufs neue zu gefährden.
13. Das Reichskirchenministerium wird aufgelöst. Die Aufgaben des Reichskirchenministeriums werden auf das Reichsinnenministerium
übertragen.
14. Der Staat muß im Interesse einer grundsätzlichen Klärung des Verhältnisses von Kirche und Staat eine Auseinandersetzung über die Vermögensverhältnisse anstreben, da diese das Verhältnis von Staat und Kirche zueinander immer wieder belasten. 15. Die Theologischen Fakultäten, die seit 1933 weithin zer-
stört und ihres wissenschaftlichen Ansehens beraubt worden sind, sind als Ausbildungsstätten für den Pfarrernachwuchs
unter Mitwirkung der Kirchenleitungen neu zu ordnen.
438
Krieg.
1940—1943
[Entwurf zu einer Kanzel-Abkündigung nach einem Umsturz!]
Gott hat seine Kirche nicht vergessen. In seiner unergründ-
lichen Barmherzigkeit ruft er seine ungetreuen und geplagten Knechte zur Umkehr, zur Erneuerung des Lebens nach
seinem heiligen Willen. Er stellt uns zugleich vor eine Aufgabe sondergleichen.
Mitten in einer über die Maßen schuldverstrickten Christenheit soll das Wort von der Vergebung aller Sünde durch Jesus Christus und der Ruf zu einem neuen Leben im Gehorsam gegen Gottes heilige Gebote noch einmal ergehen dürfen. Darum rufen wir alle Amtsträger und alle Glieder der Gemeinde Jesu Christi unter dieses Wort, wie es uns in seiner
ganzen Fülle geschenkt wird. Wir rufen zur Predigt. Verkündigt und hört an allen Orten den Trost der sündevergebenden Liebe Gottes in Jesus Christus. Verkündigt und hört an allen Orten die heilsamen Gebote Gottes zu einem neuen Leben. Kommt zu Gottesdiensten zusammen, so oft es möglich ist.
Wir rufen zur persönlichen Beichte. Drückende Schuld langer Jahre hat unsere Herzen verstockt und stumpf gemacht. Christus hat seiner Gemeinde die Gewalt gegeben, Sünde zu vergeben in seinem Namen. In der persönlichen Beichte dürfen wir in besonderer Weise der Befreiung von der Sünde und der Versöhnung mit Gott gewiß werden. Ihr Pfarrer, sagtEurenGemeinden von diesem weithin nicht mehr gekannten Gnadenweg und Angebot Gottes, sucht selbst die brüder-
liche Beichte und Lossprechung und gebt Euren Gemeindeglie1. Wahrscheinlich
skizziert Ende
1942.
Kanzel-Abkündigung
dern Gelegenheit,
nach
einem
Umsturz
439
die Gnade der persönlichen Beichte und
Sündenvergebung zu empfangen. Wir rufen zum Sakrament des Heiligen Abendmahles. Empfangt in ihm leibhaftige Gemeinschaft mit Jesus Christus, dem Versöhner und Herrn. Empfangt auch leibhaftig ewige Gemeinschaft untereinander als Glieder des Leibes Christi, als Brüder und Schwestern vor unserem Bruder und Herrn Jesus
Christus. Wir rufen zur Gemeinschaft der brüderlichen Liebe und der brüderlichen Zucht. Helft einander zurecht und zurück zum Glauben und Gehorsam, zeigt den Irrenden und Gefallenen den Weg zur Buße und zur Vergebung und geht ihnen auf
diesem Wege voran. Nur in Buße und Umkehr kann uns geholfen werden. Wir rufen Euch zum Gebet... Offnet Eure Kirchen dem stillen Gebet. Laßt die Glocken läu-
ten zu Morgen- und Abendgebet.
An die Pfarrer und Amtsträger Wir rufen Euch zu einer neuen Ordnung Eures Lebens. Lange genug haben wir daran gelitten, daß jeder seinen eigenen Weg gehen wollte und sich vom Bruder schied. Das war nicht der Geist Jesu Christi, sondern der des Eigenwillens, der Bequem-
lichkeit und des Trotzes. Er hat weithin unserer Verkündigung schweren Schaden getan. Kein Pfarrer kann heute sein
Amt allein ausrichten. Er braucht die Brüder. Wir rufen Euch zur treuen täglichen Innehaltung fester Zeiten für das Gebet, fester Zeiten für die Schriftbetrachtung und für das Schriftstudium. Wir bitten Euch,
die Hilfe der brüderlichen Aus-
sprache und der persönlichen Beichte in Anspruch zu nehmen, und wir legen es einem jeglichen als heilige Amtspflicht auf, dem Bruder zu diesem Dienst zur Verfügung zu stehen. Wir
440
Krieg.
1940—1943
bitten Euch, zur Vorbereitung einer Predigt unter Gebet zusammenzukommen und einander zu helfen, das rechte Wort zu finden. Sammelt Euch im Vertrauen und brüderlicher Ehrerbietung um Eure kirchlichen Oberen, betet für sie und helft ihnen in jeder Weise, ihr schweres Amt treu zu tun. Alle, die der Gemeinde Jesu Christi in irgendeinem Amte dienen, mögen zu Gebet, Beratung und Aussprache zusammenkommen in neuem Vertrauen. Seid Hüter des reinen und unverfälschten Evangeliums und hütet Euch vor Irrlehre und Spaltung.
An
die Gemeinde
Hört das Wort der Predigt, gebraucht die Beichte, empfangt das Sakrament. Gebt der Liebe Jesu Christi weiten Raum, wehrt dem Haß und der Vergeltung und bezeugt durch Wort und Leben die Herrschaft Jesu Christi. Laßt Eure Häuser durch Christi Geist regieren. Sammelt Euch um Eure Pfarrer, betet für sie und helft ihnen, wo Ihr könnt. Die Bekennenden Gemeinden rufen wir auf, ihren Dienst an der ganzen Gemeinde weiter zu tun wie bisher.
[unvollendet]
Der Blick von
unten
441
Der Blick von unten!
Es bleibt ein Erlebnis von unvergleichlichem Wert, daß wir
die großen Ereignisse der Weltgeschichte einmal von unten, aus der Perspektive der Ausgeschalteten, Beargwöhnten, Schlechtbehandelten, Machtlosen, Unterdrückten und Verhöhnten,
kurz der Leidenden sehen gelernt haben. Wenn nur in dieser Zeit nicht Bitterkeit oder Neid das Herz zerfressen hat, daß wir Großes und Kleines, Glück und Unglück, Stärke und
Schwäche mit neuen Augen ansehen, daß unser Blick für Größe, Menschlichkeit, Recht und Barmherzigkeit klarer, freier, unbestechlicher geworden ist, ja, daß das persönliche Leiden
ein tauglicherer Schlüssel, ein fruchtbareres Prinzip zur betrachtenden und tätigen Erschließung der Welt ist als persönliches Glück. Es kommt nur darauf an, daß diese Perspektive
von unten nicht zur Parteinahme für die ewig Unzufriedenen wird, sondern daß wir aus einer höheren Zufriedenheit, die eigentlich jenseits von unten und oben begründet ist, dem Le-
ben in allen seinen Dimensionen gerecht werden, und es so bejahen.
Im Falle meines Todes... Den Eltern kann ich nichts schenken, nur danken. Ich schreibe diese Zeilen in dem dankbaren Bewußtsein, ein reiches und erfülltes Leben gelebt zu haben, in der Gewißheit der Ver-
gebung und in der Fürbitte für alle hier Genannten. Mit meinem Begräbnis soll E. sich nicht quälen. Es ist mir 1. Skizze, wahrscheinlich Ende 1942 (oder Herbst 1943?). Evtl. als Teil von „Nach zehn Jahren“ WE S, 9—31, geplant, unvollendet.
442
Krieg.
1940—1943
ganz recht, wenn Ebeling, Rott, Kanitz, Schönherr, Dudzus, Fritzi, Wolfgang?,' Asmussen, Dibelius, Böhm, Jannasch oder Lokies es machen. Berlin, den 20. September 1943
Dietrich Bonhoeffer
[Militärgefängnis] Tegel, 22. Oktober 1943
Liebe Eltern! Eben hat, wie mir mitgeteilt wurde, S. mit dem kleinen M. Euer Paket hier abgegeben. Ich danke ihr und Euch sehr dafür. Hoffentlich ist dem kleinen Jungen der Eindruck eines Gefängnisses nicht zu stark gewesen. So ein Kind hat eben doch noch gar keine Maßstäbe für das Mögliche und malt sich meinen Zustand vielleicht doch in zu dunklen Farben aus. Es war mir richtig schmerzlich, daß ich ihn nicht vergnügt begrüßen und mich mit ihm unterhalten konnte; das hätte ihn sicher beruhigt. S. steht ja wohl auf dem Standpunkt, das, was das Leben nun einmal mit sich bringt, den
Kindern nicht absichtlich fernzuhalten, und im Grunde glaube ich, daß das richtig ist; denn es wird eben für diese Generation nicht zufällig und ohne Sinn sein, daß sie sich frühzeitig mit harten Eindrücken abfinden lernt. Aber wie anders werden sie mit 18 Jahren sein als wir, hoffentlich nicht zu desillusioniert und bitter, sondern wirklich nur widerstandsfähiger und kräftiger durch alles, was sie erlebt haben. Sagt doch M.,daß ich ihm für seinen Strauß sehr schön danken lasse! — Es scheint, daß nun meine Dinge doch in Gang kommen und ich bin sehr froh darüber?. Um so unnatürlicher ist es, 1. F. Onnasch, gestorben 1945 in Köslin, 2. Staemnler. 3. Hoffnung auf den Prozeß, die sich aber als vergeblich erwies.
Brief aus Tegel
443
das, was einen bewegt, nun nicht, wie sonst alles, mit Euch
besprechen zu können. Aber ich denke, sehr lange kann es nun nicht mehr dauern. Ihr müßt übrigens nicht denken, daß ich nun den ganzen Tag mich mit meiner Angelegenheit befasse. Das ist durchaus nicht so u. m. E. auch nicht nötig. Ich benutze die letzten ruhigen Tage und Wochen, nun noch möglichst viel zu arbeiten und zu lesen, und ich werde mit meinem Tagespensum leider fast nie ganz fertig. Daß ich in der
letzten Zeit in aller Ruhe die großen deutschen Erziehungsund Bildungsromane, den Wilhelm Meister, den Nachsommer, den Grünen Heinrich, den Hungerpastor — z. Zt. bin ich bei den ‚Flegeljahren‘ — lesen und miteinander vergleichen konnte, ist für mich ein großer Gewinn gewesen und ich werde lange davon zehren. Auch die Lektüre der ‚Weltgeschichte‘ war mir sehr nützlich. Die Hartmannsche ‚Systemat. Philosophie‘ gefällt mir nach wie vor sehr gut. Sie ist ein sehr brauchbarer Überblick. So komme ich mir wie nach einem geschenkten Semester mit einer Reihe guter publica vor. Für die eigene Produktion ist sicher auch allerlei dabei abgefallen. Aber nun freue ich mich doch schon unendlich auf den
Tag, an dem ich nicht nur mit Gedanken und erdachten Gestalten, sondern mit wirklichen Menschen und mit all den verschiedenen täglichen Aufgaben zu tun haben werde. Es wird eine große Umstellung sein. — Was wißt Ihr von Hans
Christoph aus Calabrien?! Mir geht es gut und ich genieße, soweit das möglich ist, die letzten warmen Tage des Jahres. Habt vielen Dank für alles! Hoffentlich hat Eure Sorge nun bald ein Ende! Es wäre an der Zeit! — In guter Zuversicht
grüßt Euch und die ganze Familie Euer dankbarer Dietrich
1. Nachfrage nach den italienischen Kriegs-Ereignissen.
5
X
II. Teil
FINKENWALDE
I-DIEZERSTEN
FÜNF
KURSE
1935 —1937
Dankbrief an die Dahlemer Gemeinde
Finkenwalde, am 5. Juli 1935 Hochverehrter Herr Pastor! [Martin Niemöller]! Ihnen und Ihrer Gemeinde danken wir recht herzlich für Ihre Geldspende an unser Seminar. Wir freuen uns und sind dankbar dafür, daß die Bekennenden Gemeinden unser Predigerseminar aufbauen helfen und unsre Arbeit fördern. Wir wissen, daß die Opferfreudigkeit der Gemeinden und Gemeindeglieder einer der wichtigsten Bausteine für unser Predigerseminar ist. Mit dankbarem und herzlichem Gruß an Sie und Ihre Ge-
meinde die Bruderschaft des Finkenwalder Predigerseminars Konrad Bojack Bonhoeffer
1. Betten, Schreibtische, Bücher kamen aus vielen Gemeinden. licher Brief existiert an G. Harder-Fehrbellin.
Ein ähn-
448
Die ersten fünf Kurse.
1935 —1937
Finkenwalde b. Stettin, den 6. September 1935
An den Rat der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union, Berlin-Dahlem
Betrifft: Einrichtung eines Bruderhauses im Predigerseminar Finkenwalde.
I. Grundsätzliche Erwägungen — II. Praktische Aufgaben —
III. Konkrete Bitten I. Mit einigen jungen Brüdern, deren Namen unten genannt werden, habe ich den schon seit mehreren Jahren erwogenen Plan gefaßt, ein evangelisches Bruderhaus zu gründen, in dem wir zuerst für einige Jahre versuchen wollen, als Pastoren ein gemeinsames christliches Leben zu führen.
Zu diesem Entschluß haben uns folgende Erwägungen und Erfahrungen geführt: 1. Der Pfarrer, insbesondere der junge Pfarrer, leidet an seiner Vereinzelung. Die Last der Verkündigung ist heute für den einzelnen Pfarrer, der nicht Prophet, sondern Amtsträger der Kirche ist, besonders groß. Sowohl in der Frage nach dem Inhalt der Verkündigung wie in der tatsächlichen Ausrich-
tung der Verkündigung bedarf es der brüderlichen Hilfe und Gemeinschaft. Die Jahre des Kirchenkampfes haben daher überall, wo die Verantwortung für das Amt ernst genommen wurde, Pfarrerbruderschaften entstehen sehen. Die hier gegebenen Ansätze zu bruderschaftlichem Zusammenschluß drängen auf festere Formung. Nicht nur theologische Arbeitskollegien und gelegentliche gottesdienstliche Gemeinschaft,
son-
dern eine festgeordnete und geregelte Gemeinschaft des Lebens tritt als neue Aufgabe auf. Eine Verkündigung, die
Antrag
zur Einrichtung
eines Bruderhauses
449
aus praktischer, gelebter und erfahrener Bruderschaft kommt, wird sachlicher und unerschrockener sein können und
weniger in der Gefahr der Versandung stehen. 2. Die Frage nach dem christlichen Leben ist unter der jungen
Theologenschaft neu erwacht. Ihr ist heute nicht mehr glaubwürdig zu begegnen mitSchlagworten wie „Schwarmgeisterei“ oder „Unlutherische Haltung“. Das wird nur noch als Ausflucht empfunden. Die Antwort auf diese Frage aber wird nicht abstrakt, sondern nur durch ein konkretes, nüchternes Zusammenleben und gemeinsames Sich-Besinnen auf die Gebote gegeben werden können. Der vagen Empfindung, als sei im Leben des Pfarrerstandes etwas nicht in Ordnung, wird zur Klarheit verholfen allein durch den praktischen Versuch einer gemeinsamen Übung im Gehorsam gegen die Gebote. Daß die Glaubwürdigkeit unserer Verkündigung Schaden leidet durch unser Leben und durch die Unklarheit über das, was christliches Leben sei, verpflichtet den Pfarrer zu neuer Besinnung und neuem praktischem Versuch. 3. Um in den gegenwärtigen und kommenden kirchlichen Kämpfen das Wort Gottes zur Entscheidung und zur Scheidung der Geister zu predigen, um in jeder neu erwachsenen Notlage sofort zum Dienst der Verkündigung bereit zu sein, bedarf es einer Gruppe völlig freier, einsatzbereiter Pastoren. Sie müssen bereit sein, unter allen äußeren Umständen, unter
Verzicht auf alle finanziellen und sonstigen Privilegien des Pfarrerstandes zur Stelle zu sein, wo der Dienst gefordert wird. Indem sie aus einer Bruderschaft herkommen und immer wieder in sie zurückkehren, finden sie dort die Heimat und die Gemeinschaft, die sie für ihren Dienst brauchen.
Nicht klösterliche Abgeschiedenheit,
sondern innerste Kon-
zentration für den Dienst nach außen ist das Ziel. 4. Der vereinzelt im Amt stehende Pfarrer braucht immer wieder ein geistliches Refugium, in dem er sich in strenger,
christlicher Lebensführung in Gebet, Meditation, Schriftstu-
450
Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
dium und brüderlicher Aussprache für sein Amt stärkt. Solche Zufluchtstätten sollen geschaffen werden, wobei zugleich
die Frage der Vertretung im Amt von der Bruderschaft aus leicht zu regeln ist. Auch Laien muß solche Zufluchtstätte geboten werden. 5. In der Erkenntnis, daß jeder junge Pfarrer heute im Dienst der Gemeinde gebraucht wird, und bei aller Schwere des Entschlusses, sich diesem Dienst zeitweilig zu versagen, istes den-
noch unsere gewissenhaft geprüfte Meinung, daß der Dienst von einigen jungen Pfarrern an dieser über die einzelne Gemeinde hinausgehenden Arbeit unerläßlich ist. Die Entschei-
dung muß in jedem Einzelfall im Einverständnis mit dem Provinzialbruderrat gesucht werden. Aus dem Gesagten hat sich uns der Plan und das Bild eines
evangelischen Bruderhauses folgendergestalt ergeben: Die Brüder des Bruderhauses leben zusammen in strenger, gottesdienstlicher Ordnung des Tages. Nicht kultische Formen, sondern das Wort der Bibel und das Gebet führen sie
durch den Tag. Durch brüderliche Vermahnung und Zucht und durch freie Beichte sollen sie verbunden sein.
Gemeinsame
theologische und kirchliche Besinnung auf die Verkündigung und das biblische Wort soll sie nüchtern und sachlich werden lassen. Unter Verzicht auf alles, was die einfachsten Lebensansprüche übersteigt, verpflichten sie sich, ihr Leben gemein-
schaftlich zu führen. Der Leiter des Bruderhauses weist die Brüder in ihre besondere Arbeit. Es ist dabei an die Verhältnisse eines Diakonissenmutterhauses gedacht. Die Brüder, die in dieser festen Lebensgemeinschaft stehen und von ihr getragen werden, verpflichten sich zum Dienst an der Kirche,
jedem an sie ergehenden Ruf zu folgen. Die Brüder verpflichten sich auf längere Zeit zur Arbeit im Bruderhaus, sind jedoch jederzeit frei zum Austritt. Über Zulassung zum Bruderhaus entscheidet die Bruderschaft. Die Zahl soll nicht zu groß werden.
Antrag
zur Einrichtung
eines Bruderhauses
451
II. Die praktische Arbeit der Brüder würde sich etwa folgendermaßen gestalten: Das Predigerseminar Finkenwalde bedarf eines Stammes von Brüdern, der die innere Kontinuität
der gefundenen Bruderschaft wahrt. Es ist unmöglich, daß der Leiter allein bei so kurzfristigem Wechsel die Gemein-
schaft schaffen und zusammenhalten kann. Die begonnene Bruderschaft wird nur durch die Bruderschaft selbst weitergetragen. Neben der Arbeit an den neu eintretenden Brüdern muß der bruderschaftliche Zusammenhalt mit den aus dem Seminar wieder ausgetretenen Brüdern durch regelmäßige Rundbriefe, Berichte, Predigtmeditationen und Freizeiten ge-
wahrt werden. Der Seminarleiter wird also durch das Bruderhaus nicht überlastet, sondern im Gegenteil entlastet.
Darüber hinaus gewinnt das Predigerseminar allmählich eine natürliche Zentralstellung für die Provinzialbruderschaften der Pfarrer, Kandidaten und Studenten Pommerns. Unser Dienst an den Amtsträgern der Pommerschen Kirche hat sich
bereits auf Freizeiten angebahnt und soll energisch gefördert werden. Besonders wichtig ist uns die Arbeit an den Greifswalder Studenten, die durch eine missionarische Woche unseres Seminars im Juni dort und durch eine kurze Freizeit bei uns Anfang August begonnen hat. Im Einvernehmen mit, aber auch in Ergänzung der Arbeit der Professoren, die ja als kirchliche Lehrer die Hauptträger dieser Arbeit zu sein haben, soll
die Bruderschaft, die durch den geringen Altersunterschied und größere Erfahrung dazu besonders geeignet ist, durch regelmäßige Arbeit an den jungen Greifswalder Theologen
verhindern, daß der Nachwuchs im unklaren über die kirchlichen Entscheidungen bleibt und wieder zum Konsistorium abwandert. Sie soll schließlich versuchen, den verheißungsvollen Anfang einer studentischen Bruderschaft in Greifswald
fördern zu helfen. Auch mit der Kandidatenbruderschaft sind wir bereits in Fühlung und werden eine Freizeit mit ihr Anfang Oktober halten.
452
Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
Weiterhin sollen die Glieder des Bruderhauses zu längerer oder kürzerer Arbeit in kirchlichen Notstandsgebieten einge-
setzt werden und auch jüngere Amtsbrüder in ihren Gemeinden vertreten, die das Bedürfnis nach theologischer Gemeinschaft haben oder zum Examen arbeiten wollen und dazu bei uns eine Weile aufgenommen werden möchten. Über die Betreuung der Bekenntnisgemeinden Finkenwalde und Podejuch wird bereits mit dem Pommerschen Bruderrat und Herrn Superintendent Wick-Podejuch verhandelt. Für die theologische Arbeit, die die Brüder leisten sollen, liegt
ein ausführlicher Plan bereits fest. III. Wir bitten den Rat der Ev. Kirche der Altpreußischen
Union um grundsätzliche Anerkennung unseres Plans und um die Erlaubnis, den etwa 6 Brüdern des Bruderhauses die Räume im Seminar kostenlos zur Verfügung zu stellen, die dazu
reichlich vorhanden sind. Ich beschränke mich dafür auf anderthalb Zimmer. Für den Lebensunterhalt der Brüder sind aus privaten Mitteln bescheidene Gelder zur Verfügung, auch hoffen wir, durch den Pommerschen Bruderrat in Podejuch und Finkenwalde eine feste Tätigkeit für einen der Brüder zu übernehmen, usf.
(Folgen Namen der Brüder, die ins Bruderhaus aufgenommen zu werden wünschen)
Ein Gruß
aus Finkenwalde
1935
453
Ein Gruß aus dem Finkenwalder Predigerseminar
Ende Oktober 1935 Als wir im Juni hier in Finkenwalde unsere neue Heimstättel aufschlugen, wußten wir nicht, womit wir anfangen sollten. Das große Haus stand bis auf einige noch dazu schlechte Möbel leer, und die Räume waren verwahrlost. Darum baten wir die Gemeinden und Pfarrer der Bekennenden Kirche uns zu helfen. Diese Bitte ist in einem Maß gehört worden, wie wir es nicht erwartet hatten. Wir sind dankbar für alles, was uns im Laufe der Wochen und Monate gespendet worden ist, und auch für die guten Wünsche, die uns die Verbundenheit des Glaubens und der Fürbitte empfinden ließen. Unser Dankwart und unser Bücherwart haben bisher über hundert Dankbriefe abschicken dürfen. Von Gemeinden und Einzelgliedern der Bekennenden Kirche sind uns, kaum
daß wir unsere Bitte ausgesprochen hatten, viele zum Teil recht große Geldgaben zugegangen. Aber auch sonst ist uns vieles, vieles gestiftet worden: Möbel aller Art, Bücher wurden uns in so großer Zahl geschickt, daß wir jetzt eine ganz ansehnliche Bibliothek haben. ... Auch für unsere Küche wurde reichlich gesorgt. Zum Erntedankfest bekamen wir einen großen Korb mit Birnen und von einer unbekannten Spenderin einen Zehnmarkschein für den Festbraten. — Eines Sonntags besuchte uns ein Glied der Bekenntnisgemeinde in Frankfurt/Oder und brachte einen großen Reisekorb voller Wirtschaftsgeräte mit. .... Nun wollen wir allen denen, die uns nicht besuchen können,
einen kurzen Einblick in unser Haus geben: Zuerst mußten die drei großen Gemeinschaftsräume im untern Stockwerk eingerichtet werden: das Vorlesungszimmer, das Eßzimmer und der gemeinsame Aufenthaltsraum. — Die Tische...
von der Bekenntnisgemeinde Stolp geschenkt, die Stühle — von der Bekenntnisgemeinde Köslin gestiftet. An der Wand hängen 1. Das Seminar hatte Ende April 1935 auf dem Zingsthof als Notunterkunft angefangen.
454
Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
die beiden großen Apostelbilder von Dürer. Eine schöne einfache Holzkrone spendet am Abend das Licht. Und an den Fenstern hängen sogar schon die Gardinen — die es in den meisten Zimmern noch nicht gibt. Das Eßzimmer ist gleichzeitig auch das An-
dachtszimmer, in dem die den Tag beginnenden und abschließenden Andachten gehalten werden. Das dritte der großen Zimmer
haben wir am schönsten eingerichtet. Zwei Flügel sind die Prachtstücke dieses Zimmers. Sie gehören zweien unsrer Brüder. Bequeme Ledersessel und Stühle— die uns natürlich auch geschenkt
worden sind — machen den Raum zum beliebtesten Aufenthaltsraum im Hause. Hier haben wir unsre regelmäßigen Ausspracheabende, und hier verbringen wir auch die gemeinsamen Stunden am Sonntag mit Singen, Vorlesen, Musizieren und Spielen. . Wenn wir für all das danken, so wollen wir zugleich auch etwas davon erzählen, was der Sinn unseres Zusammenseins und unsrer Arbeit ist. Das Besondere eines Predigerseminars der B.K. ist durch die Not gekennzeichnet, in die wir durch den.Kirchenkampf geführt worden sind. Die Bibel steht im Mittelpunkt unsrer Arbeit. Sie ist für uns wieder zum Ausgangspunkt und zur Mitte unseres theologischen Arbeitens und alles unseres christlichen Handelns geworden. Wir haben hier gelernt, die Bibel wieder betend zu lesen. Das ist der Sinn unsrer Morgen- und Abendandachten,
in denen wir fortlaufend das Wort der Bibel hören: Nach einem gemeinsam gelesenen Psalm liest je einer der Brüder einen Abschnitt aus dem Alten und einen aus dem Neuen Testament, un-
terbrochen von Liederversen und beschlossen von einem freien Gebet und gemeinsamen Vater-unser. In der täglichen Meditationszeit überdenken wir einen für die ganze Woche feststehenden kürzeren Bibeltext. — Am Vormittag hören wir die Vorlesun-
gen; ...
mit einer Aussprache abgeschlossen. Den Abschluß der
Vormittagsarbeit bildet das halbstündige Choralsingen ... . Besonders aber haben uns die gemeinsam gefeierten Abendmahls-
gottesdienste zusammengeführt. Beichte und brüderliche Aussprache sind für uns zur notwendigen und wichtigsten Vorbereitung für das heilige Abendmahl geworden. Aber nicht nur darin bestand der Dienst unsers Seminars, daß wir hier für unser praktisches Amt vorbereitet wurden, sondern
Ein Gruß aus Finkenwalde
1935
455
wir begannen auch hier sofort die praktische Arbeit, die in der folgenden Zeit noch wesentlich mehr ausgebaut werden soll. Allsonntäglich versammelte sich in unserm kleinen Kirchlein die Finkenwalder Bekenntnisgemeinde. Unsre Kapelle war früher die Turnhalle des Pädagogiums, das in unserm Haus untergebracht war. Herr Bildhauer Groß aus Oranienburg half uns beim Ausbau... Vor allem aber soll unser Haus immer mehr ein Sammelpunkt für die Pommerschen Kandidaten und jungen Pfarrer werden. Mehrere Freizeiten haben schon bei uns stattgefunden. Gemeinsame ruhige Besinnung soll bei uns allen Brüdern gewährt werden, die aus der Gemeindearbeit kommen. Wenn das Seminar all diese Zwecke erfüllen soll, dann muß ein kleiner Stamm von Brüdern hier sein, der nicht alle halben Jahre wechselt, sondern der die Arbeit hier ständig trägt und auch die Verbindung zwischen den einzelnen Seminarkursen aufrecht erhält. Darum haben einige Brüder beschlossen, für längere Zeit hier zu bleiben. Dem
Seminar wird ein Bruderhaus angegliedert. Die Brüder des Bruderhauses werden ein gemeinsames christliches Leben führen und
für den Dienst an der Kirche jederzeit bereit sein. Es soll wissenschaftlich gearbeitet werden, es soll hier der Kirche eine Anzahl von jungen Pfarrern zur Verfügung stehen, die sie einsetzen kann, wo es not ist... Hier soll ein notwendiger Anfang gemacht werden. Ihnen allen, die Sie uns so opferfreudig geholfen haben, sagen wir noch einmal herzlichen Dank. Es grüßt Sie die Bruderschaft des Finkenwalder Predigerseminars.
456
Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
Das Predigerseminar Finkenwalde An den Bruderrat der Altpreußischen Union 10. November 1935 Am 9. November ist das Deutsche Volk Zeuge einer „Totenauferstehungsfeier“ der im Jahre 1923 in München Gefallenen geworden.
Wir stellen fest, daß hiermit eine staatliche Feier in ausgesprochen kultischen Formen, und zwar unter Benutzung spezifisch biblischer Terminologie vor sich gegangen ist. Durch eine ausdrückliche Flaggenverordnung des Innenministers sind die christlichen Kirchen gezwungen worden, an dieser Feier teilzunehmen. Hier-
mit ist die Evangelische Kirche zu einer offenkundigen Bekenntnisverletzung verleitet worden. Ein klares Bekenntnis anläßlich dieses Tages hätte in der deutlichen Abgrenzung der christlichen Auferstehungshoffnung von dieser völkisch-idealistischen Aufer-
stehungsidee bestehen müssen. Das Mindeste wäre gewesen, daß dies Bekenntnis sichtbaren Ausdruck im Unterlassen dieser Beflaggung gefunden hätte. Der Staat scheint dafür durchaus ein Empfinden gehabt zu haben: Bei der Radioübertragung wurden mehrfach diejenigen aufgefordert, die sich zu dieser „Andacht“ (sic!) nicht verstehen konnten, sich auszuschalten. Wir wissen, daß viele Pfarrer darunter gelitten haben, bei dieser
ernsten Gelegenheit ohne ein weisendes Wort geblieben zu sein. Sie sind in ihrer Not allein gelassen worden. Sie müssen jetzt den Eindruck haben, daß sie auch ohne Schutz bleiben werden, wenn
aus
ihrer
klaren,
bekenntnismäßigen
Entscheidung
straf-
rechtliche Folgen entstehen. Wir wissen, daß diesbezügliche Nachforschungen durch die Polizei in Pommern bereits angestellt worden sind. Die Gemeinden aber sind in höchste Gefährdung ihres Glaubens getrieben worden, weil sie im unklaren darüber geblieben sind, daß dieses „positive Christentum“ des Staates mit der
Botschaft Jesu Christi nichts zu tun hat. 1. Wir bitten die Kirchenleitung dringlichst, ihres Wächteramtes
Protest
gegen
9. November-Feier
457
angesichts eines immer bedrohlicher werdenden pseudochristlichen Staatskultes eingedenk zu sein und in Fortführung der Dahlemer Botschaft vom März d. J.! unverzüglich ein klares Wort hierzu zu
sagen. 2. Wir bitten die Kirchenleitung, eine Regelung der Flaggenfrage in der Form vorzunehmen, daß die Anlässe einer kirchlichen Be-
flaggung jeweils geprüft werden. Wir bitten die Kirchenleitung um der Pfarrer und der Gemeinden willen zum 9. November dieses Jahres nachträglich Stellung zu nehmen. [Folgen 26 Unterschriften]
1. Die zweite Bekenntnis-Synode der Evgl. Kirche der APU vom 4.—5. März 1935 in Berlin-Dahlem erließ: „Wort an die Gemeinden wider
die tödliche Gefahr einer neuen Religion“ (Glaube an das ewige Deutschland . . .). Siehe W.Niesel „Um Verkündigung u. Ordnung der Kirche ... .“ Seite 12f.
458
Die ersten fünf Kurse.
1935—1937
Aus dem ersten bis fünften Rundbrief
[Zusatz zum 1. Rundbrief]! 15. November 1935 Liebe Brüder! Da ich bei Eurem Weggang um eine Abschiedsrede herumgekommen bin, was Euch sicher ebenso erwünscht war wie mir,
will ich jetzt aus größerer Distanz etwas von dem nachholen, was ich damals hätte sagen können. Der Sommer 1935 ist für mich, glaube ich, die beruflich und menschlich ausgefüllteste Zeit bisher gewesen. Ich habe im Zusammenleben mit Euch, auch wenn ich trotz Br. Maechlers Mahnung nicht immer soviel gearbeitet habe, wie er sich wohl von seinem Chef gewünscht hätte, in beiderlei Hinsicht mehr gelernt als je zuvor. Daß wir alle zusammen noch ganz andere Dinge und wichtigere nen gelernt haben, davon hat Euch Br. Schönherr geschrieben. So danke ich Euch heute für das vergangene Semester. Ihr habt mir meine Arbeit leicht gemacht. Inzwischen hat sich das Bild hier verändert, aber der übriggebliebene „Rest“ erinnert mich täglich an Euch alle und ich habe mich in den ersten Tagen immer gewundert, daß neben den bekannten Gesichtern nun neue und nicht mehr die Euren zu sehen waren. Nach und nach aber werden uns nun auch die neuen bekannt und vertraut und gute Brüder. Der alte Stamm
hilft mir bei der Arbeit sehr und während ich im vorigen 1. Nach dem Auseinandergehen des ersten Seminarkurses schrieben Mitglieder des Bruderhauses (zunächst monatliche) Rundbriefe an die in die Gemeinden Zurückgekehrten. Bonhoeffer fügte gelegentlich ein eigenes Wort hinzu, bis er nach Auflösung des Bruderhauses ab Herbst 1937 (Schließung Finkenwaldes durch Himmler-Erlaß) die Rundbriefe allein verfaßte.
Zweiter
Rundbrief
459
Semester allein anfangen mußte, helfen mir diesmal sechs Brüder. Wir denken in diesen Wochen sehr zu Euch hin und haben das feste Vertrauen, daß Ihr bei unsrer Sache und dem von uns als recht erkannten Weg bleiben werdet. Natürlich ist das für Euch schwerer als für uns. Aber mit den Kräften, die uns gegeben sind, wollen wir Euch helfen, wo Ihr uns braucht. Gern käme ich den einen oder anderen von Euch besuchen. Schreibt nur, wenn Ihr das wollt. In allen Fällen aber wißt Ihr ja, daß Euch unser Haus hier weit offen steht, wann immer Ihr kommt. Und hier findet Ihr Eure alten und treuen Brüder wieder. Es grüßt Euch Bruder Rott und Euer getreuer Dietrich Bonhoeffer
29. November 1935 Liebe Brüder! Wir schreiben Euch, damit Ihr wißt, daß Ihr in den nächsten Tagen nicht allein gelassen seid. Nach den Vorgängen der letzten Tage! müssen wir ja nunmehr allen Ernstes mit einem Verbot der B.K. — bezw. vielleicht in der getarnten Form eines Verbots unserer
Kirchenleitung — rechnen. Unsere Kirchenleitung steht nach wie vor fest zu Barmen und Dahlem. Wir wollen Euch dazu Folgen-
des sagen: 1. 3. Oktober 1935: Erste Verordnung von Reichsminister Kerrl zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der DEK vom 24. September 1935. Bildung der Ausschüsse und Finanzabteilung. 5. November 1935: Zweite, 21. November 1935: Dritte, 29. November 1935: Vierte Verordnung. Weitere Landeskirchenausschüsse. 2. Dezember 1935: Fünfte Verordnung. Verbot der Ausübung von kirchenregimentlichen und anderen Befugnissen durch „Gruppen“ oder kirchl. Vereinigungen betr. Pfarrstellenbesetzung, Prüfungen, Ordination, Abkündigungen, Kollektenausschreibungen und Synoden zu berufen. 1.November 1935: Kirchliche Hochschule Berlin bei Eröffnung verboten. 21. November 1935: Ergebnisloser Empfang des Preuß. Bruderrates bei Kerrl, von Pf. Müller abge-
brochen. Siehe W. Niemöller, Handbuc S. 168 £., 357 f.
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Die ersten fünf Kurse.
1935 —1937
1. Laßt Euch unter keinen Umständen irre machen durch die Rede, wir seien eine „Bewegung“, aber keine Kirche. Damit ist alles in Barmen und Dahlem Gesagte aufgegeben, wir stehen da-
mit in der Linie der Glaubensbewegung D.C. Wir sind eben keine Bewegung, sondern die Kirche Jesu Christi.
2. Mit dem Verbot unserer Kirchenleitung wäre die Bekennende Kirche verboten.
3. Auch eine verbotene Kirchenleitung bleibt unwiderruflich unsere Kirchenleitung, auf die wir uns jederzeit allein berufen müssen und deren Weisung für uns allein verbindlich bleibt. 4. Die Unterzeichnung irgendwelcher Reverse ist ausgeschlossen. 5. Keine Anordnung, die eine solche unserer Kirchenleitung durchkreuzt oder aufhebt, darf ohne ausdrückliche Weisung der Kirchenleitung befolgt werden. 6. Ihr tragt in diesem Sinne Verantwortung für Eure benachbarten Brüder. Schließt Euch mit ihnen zusammen! 7. Wir brauchen Euch nicht zu sagen, daß wir uns über jeden freuen, der zu uns kommt. Liebe Brüder! Wir können uns auf Stunden, wie sie uns wohl bevorstehen, nicht anders rüsten, als durch starkes und anhaltendes Gebet und Wachsamkeit in allen Stücken. Es wird sich nun zeigen, ob unser Gebet und Leben immer schon eine Zurüstung auf diese Stunden des Bekennens gewesen ist. Wenn wir anhalten im Gebet, dann werden wir zuversichtlich daranf vertrauen dürfen, daß
uns der Heilige Geist zur rechten Stunde die rechten Worte geben wird und daß wir treu erfunden werden. Es ist eine große Gnade, wenn wir mit anderen Brüdern zusammenstehen dürfen, aber, ob nah oder fern, uns verbindet jeden Tag das Gebet füreinander, daß wir am Tage Jesu Christi vereint in Freudigkeit vor ihm stehen sollen. Hier steht oder fällt dann jeder seinem Herrn. Christus sucht uns heim, das ist Advent — „Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet“. Es grüßen Euch herzlich Eure getrenen Brüder in Finkenwalde
Dritter
Rundbrief
461
Finkenwalde, den 4. Dezember 1935 Lieber Bruder Niemöller! Für die Gabe aus Ihrer Gemeinde sagen wir Ihnen wie allen Gebern unseren allerherzlichsten Dank! Noch sind wir trotz des großen Ernstes sehr vergnügt und getrost. Im übrigen halten wir es aber doch mit dem schönen Lied von Matthias Claudius „Ich danke Gott und freue mich... “: Und all das Geld und all das Gut gewährt zwar viele Sachen; Gesundheit, Schlaf und guten Muth Kann’s aber doch nicht machen. Gott gebe mir nur jeden Tag, Soviel ich darf zum Leben. Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt er’s mir nicht geben. Herzlichen Dank und viele Grüße
K. F. Müller Ihr Dietrich Bonhoeffer
14. Dezember 1935 Liebe Brüder! Wir sind nun sehr froh, daß wir Euch inzwischen noch unseren 2. Brief geschickt haben, Vielen wird sein Inhalt eine Selbstverständlichkeit gewesen sein, und doch wird jeder von uns dankbar dafür sein, wenn er das, was er von sich aus zwar schon weiß aber doch auch als sehr gefahrvoll weiß, noch einmal als ein Wort von außen hören darf. Die Lage, wie wir sie jetzt sehen müssen,
rechtfertigt den Brief ja mit allen ausgesprochenen und unausgesprochenen Konsequenzen. Die Anfechtung der nächsten Zeit wird aller Voraussicht nach die des Alleinseins sein. Schon rein
äußerlich dadurch, daß durch Verbot der Bruderratsrundbriefe nur wenig Nachrichten zu dem Einzelnen kommen und dann auch
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Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
noch mit der ganzen Zweifelhaftigkeit der mündlichen Weitergabe. Aber noch viel ernster ist diese Anfechtung für uns alle geworden durch die Haltung der Lutheraner, angefangen mit dem Brief von Küssner! bis zum Marahrensbrief? an den Ausschuß. Für sie, die auf die Intaktheit ihres Bekenntnisses so stolz sind, ist die Sache der Bekennenden Kirche plötzlich nur ein „Anliegen“, die VKL will — und das ist einfach unwahr — nie kirchenregimentliche
Funktionen übernommen haben und stärkt dem unmittelbar vor dem Rücktritt stehenden Zöllner den Rücken, so daß der sich anders besinnt. Nun ist die VKL endlich auch gegangen und stattdessen eine bekenntnistrenere Leitung gebildet worden, — heute liegt ein Rundschreiben von Niemöller u. G. vor3. Die zerstörten Kirchengebiete sind also isoliert, — und es könnte ja angesichts Art. XXVIIIICA gerade sein, daß wir die bekenntnismäßig intakten sind... Die notwendige Folge macht sich ja nun selbstverständlich bemerkbar: Der ganze Apparat der Presse und der öffentlichen Meinungsbildung wird nun gegen die noch bleibenden „Friedensstörer“, die Bekennende Kirche in der Altpreußischen Union, eingesetzt. Das hat gegen Jakobi ja bereits angefangen. Wer
weiß, wie da unsere Gemeinden stehen werden. Aber es geht um Bekennen und Verleugnen, um der Seelen Seligkeit, und da müssen wir eben stehen, wenn auch ganz allein. Es ist status confessionis, und zwar des Bekenntnisses zur Freiheit der Kirche, und
da gibt es weder dauernde noch vorübergehende Lösungen, nicht der vollen Wahrheit entsprechen...
die
Wir haben uns lange genug auf die Zeit des Alleinseins und des Kampfes gerüstet. Nur mit besonders freudigem Dienst ist die 1. An seine ostpreußischen Amtsbrüder am 25. November 1935: „Die ostpreuß. Bek.-Synode rüstet sich, ihre kirchenregimentl. Befugnisse an den ostpreußischen Prov.-Kirchenausschuß abzugeben ... Die ostpr. Bek.-Synode löst sich danach auf.“ W. Niemöller, a. a. ©. 181. 2. Erklärung der ersten VKL vom 12. Dezember 1935 unter Zustimmung von Bayern, Hannover, Württemberg: „...Die VKL ist entschlossen, mit dem Reichskirchenausschuß zusammenzuarbeiten . . .“ W.Niemöller, a. a. ©. 161. 3. Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der Kirchen mit staatl. nicht anerkannter Kirchenregierung an Pfarrer, Älteste u. Gemeinden, die Aus-
schüsse nicht als rechtmäßige Leitung anzuerkennen. u. Zeugnis $. 306.
W. Niem. Kampf
Vierter
Rundbrief
463
lange Ruhezeit zu verantworten. Und wir haben auch die Mittel dazu, in diesem Kampf stehen zu können. Laßt Euch noch einmal an die Meditationszeit erinnern, für die wir einfach Zeit haben müssen, wenn wir soviel Zeit für die „Arier“, die „andere Aufgabe der Kirche“ (so recht euphemistisch Zenke) aufbringen!. Nur in Gebet und Meditation können wir unser Alleinsein überwinden durch die Nähe unsres Herrn, der uns in Gebet und Wort seine Nähe verheißen hat. Wir müssen das glauben und wirklich von daher zu leben versuchen, indem wir uns auf seine Verheißungen verlassen. Und weil wir nun von dieser Gemeinsamkeit in Christus wissen und aus ihr leben wollen, darum laßt uns auch in diesen Zeiten der Not unser Versprechen ganz ernst nehmen, die Brüder zu besuchen. Es ist heute alle Verantwortung bei den Einzelnen. Laßt Euch vor allem auch sagen, daß wir jeden Abend mit unserm Gebet bei Euch sind... Albrecht Schönherr
Liebe Brüder!
15. Januar 1936
Laßt uns noch ein paar Worte zur Lage sagen. Wir haben Euch ja bereits im zweiten Brief das Grundsätzliche mitgeteilt, wie wir es sehen, und haben eigentlich keinen Grund, daran etwas zu ändern. Nur möchten wir Euch heute ein paar Gedanken mehr praktischer Natur sagen, mit denen man vielleicht auch einem Nichttheologen unsere Lage klar sagen kann, Das ist doch wohl unsere Aufgabe jetzt, daß wir uns nicht mittreiben lassen, sondern uns entgegenstellen und die anderen zurückzuhalten versuchen. — Im Grunde ist unsere Situation jetzt ähnlich wie die des Sommers 1933. Da sind viele Leute zu den Deutschen Christen gegangen des
guten Glaubens, sie könnten durch Einsatz ihrer Persönlichkeit das Stener herumwerfen und die Sache zum Guten lenken. Aber 1. Gemeint
sind die arischen Nachweise,
die die Pfarrer
damals
müh-
sam aus den Kirchenbüchern für die Fülle der Antragsteller auszuziehen hatten.
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Die ersten fünf Kurse, 1935—1937
sie sind gescheitert, weil der Kurs, den eine Kirche verfolgt, ja nicht vom Einsatz wenn auch noch so kirchlich hervorragender Persönlichkeiten abhängt, sondern von der Währbeit der Sache, Wenn die Wurzel’ faul ist, wird auch der aufgepropfte, gesunde Zweig nichts helfen. Die Sache hat deshalb keine Wahrheit, weil die rechte vocatio fehlt. Nur die rite vocatio hat Verheißung, und das ist entscheidend, denn das Wirken der Kirche kann sich nie
auf eigenmächtige Anstrengungen, sondern nur auf die Verheiheißung des Herrn gründen. Weil die vocatio fehlt, deshalb kann man von vornherein nichts Gutes erwarten, und selbst, wenn „Er-
folge“ erzielt werden sollten, dann könnten es ja auch die Erfolge des Satans sein. Rite vocati sind allein dieBraderräte von denSynoden der Bekennenden Kirche. Wenn sie auch durch Notrecht eingesetzt sind, so besagt das Wort „Not“ nur etwas über den Ur-
sprung, nicht aber über die Würde dieses Rechtes. Auch ein aus der Not geborenes Recht ist gültiges Recht, Wir haben uns also unseren Bruderräten als unserer rechtmäßigen, kirchlichen Obrigkeit unterstellt. Wir sind keine Vagabunden, die heute diesem, morgen
jenem Regiment gehorchen. Wir baben keinen Grund, ihm jetzt plötzlich, da uns von außen ein anderes Kirchenregiment angeboten wird, die Treue zu brechen. Der einzige Grund dazu wäre Verletzung des Bekenninisses und die werden wir unserem Kir-
chenregiment kaum nachweisen können, Warum also das Kirchenregiment wechseln? Zumal man allen Grund hat, die Aufrichtung eines neuen Staatskirchentums zu befürchten. Denn was der Staat in Händen hat, und er hat die Finanzverwaltung und mit
den Ausschüssen auch die geistliche Leitung in Händen, pflegt er nicht wieder herauszugeben, — zumal dieser Staat, der sich als
totaler versteht, und bei dessen Aktionen mit der Kirche man von vornherein den Verdacht der Ausweitung der Totalität haben muß. Das Staatskirchentum bringt ja dann auch das Gebot des Schweigens zur Irrlehre um des politischen Friedens willen mit sich, — wenn die Kirche das „recte docere“ (CA 7) aufgibt, ist sie nicht mehr wahre Kirche. Man muß sich ja wohl überhaupt büten, die Kirche wie ein anderes geschichtliches Gebilde anzusehen, das eben darin seine Wirklichkeit hat, daß es da ist, Die Kirche hat ihre Wirklichkeit darin, daß sie in der Wahrheit bleibt. Wenn sie
Vierter
Rundbrief
465
auch nur einen Augenblick aus der Wahrheit fällt, ist sie keine Kirche mehr, sondern irgend ein religiöser Verein, der aber keine Verheißung hat. Wenn wir auch nur für ein Interim die Wahrheit aufgeben oder zurückstellen, haben wir damit die Verheißungen Gottes aufgegeben. Noch ein Wort zur „Rechtshilfe“: Die VKL hat im Januar 1935 vom Staat gefordert, daß er einen von der Kirche zu benennenden Ausschuß zur Sänberung der Kirche anerkennen mögel, Also vom Eingreifen in die Kirche war nie die Rede. Gerufen haben wir nie, bloß Anerkennung gefordert. Vielleicht konnten wir Euch mit diesen Sätzen noch einen kleinen Dienst tun, den Ihr dann wieder anderen Brüdern tun könnt. Bei uns in Pommern hat man sich am letzten Freitag in Stettin? über diese Fragen ausgesprochen, es waren etwa 200 Pfarrer und Vikare dort, von denen etwa ®Ja den Bruderrat weiterhin als Kirchenregiment anerkennen wollen. Unter dem abtrünnigen Viertel befand sich auch Greifswald. Br. Bonhoeffer und Onnasch haben geredet, beide, wie ich glaube, recht eindringlich, Auch unter den anderen Brüdern waren einige erfreuliche Stimmen. Am letzten Sonntag hatten wir hier bei uns den ersten Bekenntnisgottesdienst mit 46 Leuten. Br. Bonhoeffer predigte über den Mauerbau (Nehemia), anschließend Verlesung der Kanzelabkündigung3, Die Leute waren doch sehr dabei, und es haben sich sogar einige neue Leute der B.K. angeschlossen. Danach war Bekenntnisversamm-
lung mit Bildung eines Bruderrates, Noch etwas Trauriges müssen wir Euch berichten; Br. W. hat sich von uns getrennt und den Ausschüssen unterstellt... ... Das Bruderhaus hat übrigens Heiligabend hier verlebt, es soll sehr schön gewesen sein, nicht zum mindesten auch durch rührende Freßpakete. Das ist ja der Tod aller Bettelorden.... Euer Albrecht Schönherr
1. Denkscrift an die Reichsregierung mit der Bitte, „die... . Maßnahmen zur Wiederherstellung geordneter Zustände in der DEK anzuerkennen und ihre Durchführung zu fördern und zu sichern“. Die Anerkennung blieb aus. (W. Niemöller, Handbuch 160.) 2. Siehe Seite 209 ff. Bredower Konvent.
3. Kanzelabkündigung schüsse zum
des Bruderrates der APU gegen die Kirchenaus-
12. Januar 1936.
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Die ersten
fünf Kurse.
1935 —19537
Liebe Brüder!
17. Februar 1936
Dann haben wir noch ein andres begonnen, nämlich eine intensive Gemeindearbeit. Schon seit dem Anfang des Semesters sind wir in Stettin ja regelmäßig in den einzelnen Bekenntnisgemeinden tätig. Die Arbeit macht viel Freude, weil man immer staunen muß, welche sichere Erfühlung der kirchlichen Situation gerade bei Nichttheologen vorhanden ist. Wenn man manchmal von Pfarrerzusammenkünften kommt, ist man erschüttert, wie wenig die Theologen es oft wahrhaben wollen, um was es eigentlich geht. Doch diese Arbeit ist noch weiter vertieft worden zu einer regelrechten Freundschaft unseres Seminars mit den Stettiner Gemeinden. Sie hat sich in Aussprachen mit den Leitern der Bekenntnisgemeinden angebahnt und am letzten Sonntag in einem Besuch von 120—130 Mitgliedern der Bekennenden Kirche aus Stettin offen kundgetan. Zu 1/25 Uhr waren die Gäste geladen, aber schon zum Kaffee strömten die Scharen... Dann — nicht ohne Nebenabsichten — Führung durchs Haus in kleinen Grüppchen, bis zum Gottesdienst geläutet wurde. Bruder Rott hielt die Predigt und die Brüder sangen... die Hausfrauenaugen vieler unserer Gäste haben eben doch so allerlei gesehen, was wir
nicht gesehen haben und nicht mehr sehen... Ein schönes Erlebnis war für alle, die es mitgemacht haben, . eine Reise nach Greifswald von Br. Bonhoeffer mit 4 anderen Brüdern. Die Studenten (sic!) hatten ihn zum Vortrag und zu einer Predigt eingeladen. Alles verlief sehr befriedigend, zum Nachmittagsgottesdienst in der Marienkirche waren 500 Leute gekommen! Br. Lekszas ... hat jetzt auch schon in anderen Fakultäten
einen Kreis von Mitgliedern der Bekennenden Kirche gesammelt. Er hat es doch immerhin erreicht, daß die Studenten nicht so ohne weiteres den Greifswalder Ausschußkurs mitmachen ... Euer Albrecht Schönherr
1
Protest gegen Oeynhausen
467
An die Vorläufige Leitung der Deutschen Evangelischen Kirche, z. Hd. von Herrn Superintendent Lic. Albertz, Berlin-
Spandau. Finkenwalde, den 23. Februar 1936 1. Die Bekennende Kirche ist auf dem Wege, der ihr in Barmen
und Dahlem gewiesen wurde, seit fast einem Jahre stehen geblieben. Das ist verhängnisvoll Denn trotz Barmen (reine Lehre) und Dahlem (rechte Leitung) sind noch schwerwiegende Irrtümer in der Bekennenden Kirche weit verbreitet. So wird selbst innerhalb der Bekennenden Kirche ihr Ansprucd, die wahre Kirche Christi in Deutschland zu sein, von weitesten Kreisen nicht ernst genommen oder gar bestritten. Daraus ergeben sich vielerlei praktische Konsequenzen, die zu immer größerer Verwirrung geführt haben. Diese Verwirrung hat sich der Staat bei der Einserzung der Kirchenausschüsse
zunutze
gemacht, indem
er den Anschein zu
erwecken sucht, es handle sich bei dem Kampf zwischen Kirche "und Unkirche nur um Personalfragen. Weite Kreise unserer Kirche sind dieser Tarnung zum Opfer gefallen. Das Wort, auf das wir gewartet haben, hätte daher die Frage der Kircdhengemeinschaft grundsätzlich regeln und Anfänge von Lehr- und Kirchenzucht schaffen müssen. 2. Von der Oeynhausener Synode! haben wir ein klärendes Wort dieser Art erwartet. Aber es ist nichts gesagt worden, was praktisch über Dahlem hinausführt, vielmehr muß an einigen Stellen sogar ein Zurück hinter Dahlem konstatiert werden. Wenn die Bereitschaft zur Mitarbeit an einer neuen Ordnung ausgedrükt wird (vgl. B 4), dann kann man nur fragen: Auf welche Ordnung warten wir eigentlich nadı Dahlem nodı? Der Begriff des Notredstes sagt doch nichts über seine Gültigkeit oder Endgültigkeit, nur über seinen Ursprung etwas aus.
3. Wir haben aber auf ein weisendes Wort für die gewartet, die Vierte Bekenntnis-Synode der DEK in Bad Oeynhausen 17.—22. Februar 1936.
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Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
es mit der Zugehörigkeit zur Bekennenden Kirche vereinigen zu können glauben, irgendwie mit den Ausschüssen zusammenzuarbeiten. Selbst darüber ist nichts gesagt worden, geschweige denn über die Frage der Kirchengemeinschaft mit solchen Brüdern. Ein
derartiges Wort ist nur vom
reformierten Konvent
gesprochen
worden, — die Synode hat es sich aber ausdrücklich nicht zu eigen gemacht. Hier ist u. E. die einzig mögliche Folgerung aus dem Dahlemer Notrecht gezogen worden, nämlich das Verbot an die Brüder, sich in irgendeiner Weise an dem Werk der Ausschüsse zu beteiligen. 4. Stattdessen heißt es aber im praktischen Teil des Synodalbeschlusses „Von der Kirchenleitung“ (B 2): „Es gehört zu dem Amt der von der Bekennenden Kirche berufenen Organe der Kirchenleitung, daß sie bis dahin die Maßnahmen der Kirchenausschüsse am Bekenntnis prüfen und die Gemeinden und Pfarrer brüderlich beraten, wie sie sich dazu verhalten sollen.“ Wir vermögen nicht einzusehen, daß unsere Kirchenleitung auch „das Amt“ hat, über die Anordnungen einer anderen „Kirchenleitung“, die keine Berufung und keine Wahrheit hat, überhaupt Erwägungen anzustellen bzw. ihren Pfarrern und Gemeinden zuzumuten. Sie gibt damit ihre bekennende Haltung auf, denn die mit dem
Synodalbeschluß bezeichneten
Ausschüsse
sind
faktisch,
ob sie
wollen oder nicht, in ihrer Eigenschaft als Kirchenleitung festgelegt. 5. Zum Amt der Kirchenleitung der Bekennenden Kirche hätte nach unserer Überzeugung nicht „brüderliche Beratung“, sondern
ein festes, bindendes Wort wirklicher Leitung gehört. Praktisch überläßt die Synode vielmehr
die Entscheidung
für oder gegen
die Ausschüsse jedem einzelnen. Wenn der Weg der Bekennenden Kirche, durch Notrecht selbst die Leitung der Kirche auszuüben, durch Barmen und Dahlem und auch durch die theologische Erklärung (A) der Oeynhauser Synode bereits gewiesen ist, dann ist nicht einzusehen, warum die Synode noch einmal jedem einzelnen das Suchen dieses Weges zumutet. Das ist angesichts der Verwirrung, ja Zerstörung, in der sich die Bekennende Kirche befindet,
nicht nur einfach als Verzicht auf die Leitung, sondern als im höchsten Maße unbrüderliche und unbarmherzige Handlungs-
Protest
gegen
Oeynhausen
469
weise zu werten. Nach der theologischen Erklärung (A) bedeutet
irgendein Paktieren mit den Ausschüssen
Zerstörung der Kir-
che. Dieser Zerstörung macht sich sowohl der Pfarrer der den Ausschüssen in irgendeinem Punkt gehorcht, als Kirchenleitung, die den ihr unterstellten Pfarrern und den nicht klare Weisungen gibt. Sollte es nicht im Amt
schuldig, auch eine Gemeinder Kir-
chenleitung liegen, der Zerstörung der Kirche mit aller Entschiedenheit zu wehren? 6. Es ist uns — und wie uns bekannt geworden ist, auch anderen Brüdern — zweifelhaft, ob unseren Gemeinden und Brüdern im
Amt mit dem Wort der Synode von Oeynhausen wirklich gedient ist. Die Feststellung der Einigkeit der Bekennenden Kirche ist zwar erfreulich, aber doch wohl sehr teuer erkauft, verleitet außerdem dazu, auf den „Arm des Fleisches“ anstatt auf Gottes Verheißung allein zu vertrauen. Nach der Oeynhauser Synode hat auch der, der mit den Ausschüssen zusammenarbeitet, oder ihnen
gehorcht, obwohl die Bruderräte bisher dringend davon abgeraten haben, in der Bekennenden Kirche Heimatrecht. In welcher Lage sind wir jungen Brüder gegenüber denen, die sich von den Ausschüssen prüfen oder ins Amt einweisen lassen? Trennt uns von ihnen nur eine Gewissensentscheidung oder das Wort Gottes? Das Predigerseminar Finkenwalde, i. A. gez. Wolfgang Büsing
Christoph Harhausen Gerhard Lohmann Alexander v. d. Marwitz Albrecht Schönherr
Da es sich in diesem Schreiben um eine grundsätzliche Stellungnahme handelt, glauben wir es auch anderen kennenden Kirche zusenden zu dürfen.
Brüdern
der Be-
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Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
Bericht! über die Studienreise des Predigerseminars der Bekennenden Kirche zu Finkenwalde (Pommern) nach Däne-
mark und Schweden.
Das Evangelische Predigerseminar zu Finkenwalde, bestehend aus
24 Vikaren, dem Studieninspektor Pastor Wilhelm Rott und dem Studiendirektor Pastor Lic. Dietrich Bonhoeffer, unternahm in der
Zeit vom 29. Februar—10. März 1936 eine Studienreise nach Dänemark und Schweden. Es folgte dabei einer offiziellen Einladung seitens des „Svenska Ekumeniska Nämden“ (des schwedischen ‚Oekumenischen Rates‘), die ihm durch den Privatsekretär? Erzbischof D. Erling Eidem’s in dessen Einverständnis zugegangen war. Da die schwedischen Gastgeber in großzügigster Weise alle Kosten auf schwedischem Boden übernahmen, bot die Finanzierung dieser Reise keinerlei Schwierigkeiten.
Ziele der Studienreise waren insbesondere: Kopenhagen—Lund— Upsala—Sigtuna und Stockholm. Überall
wurde
das
Predigerseminar
von
den
Vertretern
der
kirchlichen Behörden und Einrichtungen auf das wärmste begrüßt und so gründlich wie möglich mit den jeweiligen kirchlichen Verhältnissen vertraut gemacht. Von deutscher Seite wurden vor ge-
ladenen Gästen mehrere Vorträge über grundlegende theologische und kirchliche Fragen gehalten. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die deutschen Theo-
logen auch vom Erzbischof Eidem im erzbischöflichen Palais zu Upsala zu einem offiziellen Empfang
geladen waren.
bischof bekundete seine Anteilnahme
an dem deutschen Besuch
Der Erz-
1. Einen ausführlichen Bericht, verfaßt von G. Lohmann, veröffentlichte die „Junge Kirche“; siehe 4. Jhg. Heft 9 vom 2. 5. 1936, Seite 420—426 (außerdem Sonderdruck). Dort die Begegnungen berichtet u.a. mit Bischof Ammundsen, Nygren, Brillioth, Runestam, Björquist. 2. Nils Karlström. 3. Bonhoeffer trug über „Sichtbare und unsichtbare Kirche“ vor; kein Manuskript erhalten.
Eine Studienreise
und ihr Nachspiel
471
auch dadurch, daß er drei der jungen Theologen als Gäste in seinem Hause aufnahm!. — Außerdem hielt das Seminar in Anwesenheit der Witwe eine Gedenkfeier am Grabe Erzbischof Söderbloms ab, der im Dom zu Upsala begraben liegt. — Glieder der königlichen Familie ließen dem Seminar ihre Grüße übermitteln. Prinz Oskar Bernadotte, der Bruder des jetzigen Königs, traf mit den deutschen Theologen auf einem Empfangsabend des KFUM (Christlicher Verein Junger Männer) zusammen, während ein zweiter Bruder des Königs, Prinz Eugen, die Gäste durch die private Gemäldegalerie in seinem Schloß führen ließ. Verständlicherweise schenkte darum auch die Tagespresse dem deutschen Besuch starke Beachtung, indem sie fast täglich Bilder und spaltenlange Berichte über den Verlauf der Reise veröffentlichte. In Kopenhagen sowohl wie in Stockholm blieben die deutschen Theologen in enger Verbindung mit den dortigen deutschen Pfarrern und Gemeinden?. Auch mit der deutschen Gesandtschaft in
Stockholm wurde die Verbindung aufgenommen. Im ganzen kann der Verlauf der Reise als überaus befriedigend bezeichnet werden. Hat sie doch den deutschen Theologen eine Fülle wertvoller Anregungen für ihre eigene kirchliche Arbeit geboten, den schwedischen Gastgebern aber einen sachlichen Einblick in die deutschen kirchlichen Probleme ermöglicht und die freundschaftlichen Bande zwischen den Kirchen der beiden Länder neu und stark gefestigt.
1. Der Bericht in der „Jungen Kirche“ hier: „Er versicherte sie dessen, daß die schwedische Kirche täglich in treuer Fürbitte der kämpfenden und leidenden deutschen Schwesterkirche gedächte und weiterhin gedenken werde“ (a. a.O. Seite 423). 2. Sup. Görnandt, Kopenhagen.
472
Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
An das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Berlin
Wuppertal-Oberbarmen, den 7. April 36 Im Auftrage von Herrn Studiendirektor Pastor Lic. Bonhoeffer gestatten wir uns, Ihnen ergebenst beifolgenden Bericht über eine Studienreise des Evangelischen Predigerseminars zu Finkenwalde nach Dänemark und Schweden einzureichen. Heil Hitler! Werner Koch, Eugen Rose.
Der Reichs- und Preußische Minister für die kirchl. Angelegenheiten G I 2099 Berlin W 8, den 22. Juni 1936 An den Reichskirchenausschuß, Berlin-Charlottenburg 2
Dem
Auswärtigen Amt ist der abschriftlich beigefügte Bericht
über die Studienreise des Lic. Bonhoeffer und einer Anzahl von Kandidaten der Theologie, die im März 1936 nach Schweden unternommen worden ist, eingereicht worden. Aus dem Bericht ergibt sich, daß die Einladung zu der Reise von
amtlichen Vertretern der Schwedischen Kirche ausgegangen ist. Ich bitte, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen und mich darüber zu unterrichten, ob und mit welchem Erfolg der Reichskirchen-
ausschuß bei der Leitung der Schwedischen Kirche Vorstellungen gegen die Einladung erhoben hat. Im Auftrage H.V. Detten
Eine Studienreise
und ihr Nachspiel
473
Deutsche Evangelische Kirche Kirchliches Außenamt Berlin-Charlottenburg 2, den 21. Juli 1936 An den Reichskirchenausschuß, hier An den Herrn Reichs- und Preußischen Minister für die kirchlichen Angelegenheiten, Berlin W 8, Leipzigerstr. 3 Auf das Schreiben vom 22. Juni 1936 — G I 2099 — Schwedenreise des Finkenwalder Predigerseminars.
betr.
Wie dem Herrn Reichs- und Preußischen Minister für die kirchlichen Angelegenheiten bekannt, hat das Kirchliche Außenamt das Auswärtige Amt s. Zt. darauf hingewiesen, daß diese erst im letzten Augenblick bekannt gewordene Reise mit größten kirchenpolitischen Bedenken zu betrachten sei. Die Deutsche Gesandtschaft in Stockholm wurde entsprechend von dem Auswärtigen Amt informiert. Sodann hat der Vorsitzende des Reichskirchenausschusses im Zusammenwirken mit dem Kirchlichen Außenamt
Schritte eingeleitet, um über die Studienreise nach Schweden weitere Klarheit zu erlangen. Der Erzbischof von Schweden ist um
eine persönliche Auskunft über den Charakter der Reise gebeten worden, insbesondere darüber, ob die schwedische Kirche durch diese Einladung beabsichtigt habe, zu den innerdeutschen kirchenpolitischen Vorgängen einseitig Stellung zu nehmen. Es stellte sich dabei zunächst heraus, daß das Seminar nicht von schwedischen offiziellen Stellen eingeladen worden war, vielmehr seinerseits bei dem Sekretär des schwedischen ökumenischen Ausschusses ange-
fragt hatte, ob es willkommen wäre und Gastfreundschaft bekommen könne. Diese Frage ist seitens des schwedischen ökumenischen Ausschusses bejaht worden. Der Erzbischof von Schweden hat sich, was ich vertraulich bemerken darf, in mehreren persön-
lichen Briefen dahin erklärt, daß eine kirchenpolitische Stellungnahme
seitens der schwedischen Kirche oder ihres ökumenischen
Ausschusses damit nicht beabsichtigt gewesen sei. Die Sache sei rein persönlich und freundschaftlich von schwedischer Seite aus aufgefaßt worden. Der Erzbischof hat hinzugefügt, daß er selbst
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Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
von vornherein, als der Reiseplan auftauchte, mit Bestimmtheit
erklärt habe, daß er eine Einmischung in den deutschen Kirchen‚streit nicht wünsche und daß seine Person dabei nicht ausgenützt werden dürfe, daß er aber den jungen Menschen wohl eine Erquickungsreise nach Schweden gönnen wolle. Er habe auch den "Wunsch gehabt, daß sich der schwedische ökumenische Ausschuß zwar mit einer Gabe an der Bestreitung der Reisekosten beteiligen, aber sich nicht offiziell hinter die Sache stellen solle. Um ‚die Ausreiseerlaubnis zu erlangen, hätten aber die Finkenwalder Theologen ihrerseits eine direkte Einladung aus Schweden er-
beten. Dieser Bitte sei entsprochen worden (tatsächlich haben die Finkenwalder sich, wie gesagt, selbst eingeladen). Der Erzbischof ‚habe aber auch dann konsequent und bestimmt darauf bestanden, daß die Sache nicht offiziell behandelt werden dürfe. Er habe dann mit einem gewissen Unbehagen bemerkt, daß diese Einladung des schwedischen ökumenischen Ausschusses, die nur erJolgt sei, um die Reise der Studenten überhaupt zu ermöglichen, nachträglich in den Berichten der Studenten als offiziell unterstrichen worden sei. Eine kirchenpolitische Absicht habe der ‚schwedischen Kirche ganz fern gelegen. Der Vorsitzende des Reichskirchenausschusses hat in Verfolg dieses Briefwechsels dann Gelegenheit genommen, dem Erzbischof von Schweden ein ausführliches Bild der tatsächlichen gegenwärtigen ‚deutschen kirchlichen Lage zu geben. Es dürfte aus diesem Verlauf der Dinge hervorgehen, daß die Verantwortung für den kirchenpolitischen Auftrieb, den die Schwe-
denreise des unter Leitung des bekannten Lic. Bonhoeffer stehen‚den Bekenntnisseminars in Finkenwalde öffentlich genommen hat,
nicht der schwedischen Kirche, sondern den deutschen Teilnehmern zuzuschreiben ist.
Abschrift übersende ich dem Reichskirchenausschuß ergebenst zur geneigten Kenntnisnahmetl.
D. Heckel.
‘1. Weiteres Nachspiel siehe Seite 294.
Sechster
Rundbrief
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Aus dem sechsten Rundbrief
[15. März 1936] Liebe Brüder! Am Ende des zweiten Kurses sind unsre Gedanken wieder viel bei Euch gewesen. Es war in diesem Semester alles sehr anders als im vergangenen und doch so wieder sehr schön.
Albrecht hat gestern bei seiner Abschiedsrede etwas sehr Schönes über den „objektiven Geist“ des Seminars gesagt, der
in dem 5. Vers des Liedes „Der Mond ist aufgegangen“! ausgedrückt sei und in dem der vorige und dieser Kurs einander trotz allem ähnlich gewesen sei. Wir haben auch diesmal wieder dieselbe Vereinbarung getroffen wie bei unserem ersten Auseinandergehen, und dabei treibt es mich, Euch einmal nun wieder zu fragen: Wie haltet Ihr es durch mit der Meditation, der Fürbitte, dem Bibellesen und dem Besuchen? Laßt Euch doch bitten und ermahnen, hierin nicht matt zu werden! Wir bitten täglich darum, daß wir in einer Gemeinschaft des Glaubens bleiben, und daß Ihr stark sein möchtet in aller Arbeit, bei dem zu bleiben, was wir hier miteinander gelernt haben und täglich wieder lernen. Es wäre doch gefährlich und bedenklich, wenn wir in so kleinen Dingen nicht gehorchen wollten und in großen Dingen allzu sicher reden. Vielleicht
sind doch vor Gott gerade die kleinen Dinge die großen. Wir frenen uns nun hier schon sehr auf die Freizeit nach Ostern und bitten Euch herzlich, kommt alle und kommt gern! Das Haus steht für Euch bereit. Dietrich Bonhoeffer Immer Euer getreuer 1. Gott! Laß dein Heil uns schauen, / auf nichts Vergänglichs trauen /
nicht Eitelkeit uns freun. / Laß uns einfältig werden / und vor dir hier auf Erden / wie Kinder fromm und fröhlich sein.
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fünf Kurse.
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Ein Gruß aus Finkenwaldel 23. März
1936
Es ist ein halbes Jahr vergangen, seitdem wir unsern letzten Brief in das Land hinausgehen ließen. Da wir solange nichts von uns haben hören lassen, mag vielleicht bei diesem oder jenem der Gedanke gekommen sein, daß die Existenz unseres Predigerseminars unsicher geworden sei. Demgegenüber aber können wir mit großer Freude und Dankbarkeit sagen, daß wir trotz einer Krisenstimmung im allgemeinen in Ruhe und Frieden ein zweites Semester
haben arbeiten dürfen und nun einem dritten Semester hier in Finkenwalde entgegensehen. Darum grüßen wir hiermit aufs Neue alle Freunde und Helfer unseres Predigerseminars. Über die vergangene Arbeit wollen wir in Kürze berichten, Zum 1. November hatten sich 18 neue Brüder eingefunden, und zwar 5 Brüder aus Pommern, 7 Brüder aus Brandenburg, 2 Brüder aus Westfalen, 2 Brüder aus dem Rheinland, 1 Bruder aus Oldenburg und 1 Bruder aus Sachsen. Alle Brüder kamen aus dem Dienst der Bekennenden Gemeinden, wo jeder eigene Amtserfahrung bereits gesammelt hatte, so daß schon eine Einmütigkeit in der Sache vorhanden war. Der Arbeits- und Tagesplan war im großen ganzen wieder derselbe wie im vorigen Semester. ....
Jedoch nicht ohne Sorge verlief die Zeit des Semesters, So sahen und glaubten wir in den ersten Dezemberwochen auf Grund der Verordnung des Reichskirchenministers vom 2, Dez.2 unseren Aufenthalt hier in Finkenwalde gefährdet und mußten sogar mit der Schließung des Seminars rechnen. Aber mit dem Gefühl der Freude und des Dankes dürfen wir sagen, daß wir noch einmal dieser
bangen Sorge enthoben wurden. Mit besonderer Freude gedenken wir unseres reichen Besuches. Fast regelmäßig sahen wir sonntags einige Brüder bei uns, die ge-
genwärtig im Militärdienst stehen. Alle vier Wochen war eine Zusammenkunft
der Bekenntnispfarrer
von
Stettin-Land
bei uns.
1. Bericht an die Gönner des Seminars, Einzelpersonen und Gemeinden, 2. Fünfte Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Sicherung der DEK (Verbot der Ausübung kirchenregimentl. Befugnisse, Prüfungen, Ordination usw. durch „Gruppen“).
Ein Gruß
aus Finkenwalde
1936
477
Am 2. Advent hatten wir die eigene Gemeinde zu einer Adventsmusik zusammen, und schließlich besuchten uns am 16. Febr. etwa 120 Glieder aus den Bekenntnisgemeinden Stettins. Daneben ereignete es sich immer häufiger, daß unser Seminar durchreisenden Amtsbrüdern Gastfreundschaft gewährte, so daß unser Haus
im Begriff ist, ein Mittelpunkt kirchlichen Lebens in der Provinz zu werden. Gegen Ende des Semesters machten wir auf Grund einer Einladung als Gäste der schwedischen Kirche eine Studienreise nach Schweden. Diese Reise war für uns eine besondere Stärkung, weil sie uns von der Glaubensverbundenheit der christlichen Brüder jenseits der Grenzen mit uns erfahren ließ. Wir wer-
den die Freude haben, im kommenden
Semester, wahrscheinlich
im Juni, den Herrn Erzbischof D. Eidem, bei dem wir empfangen wurden, bei uns im Seminar als Gast zu haben!. Nun sind für das kommende Semester, das am 15. April beginnen wird, 24 neue Brüder vom Rat der Bekennenden Kirche der Altpreußischen Union überwiesen, und damit stehen wir vor einer neuen Arbeit, zugleich auch neuen Schwierigkeiten. Wie Sie wissen,
muß ja das Geld zur Ausbildung der Pfarrer der Bekennenden Kirche ausschließlich von den Bekennenden Gemeinden aufgebracht werden. Damit die reibungslose Arbeit weiter gewährleistet ist, treten wir nun wiederum mit der sehr großen Bitte an Sie heran, uns, soweit es Ihnen möglich ist, zu helfen. Durch den grö-
ßeren Zuwachs an Brüdern, — wir werden dann insgesamt mit den Brüdern vom Bruderhaus, dem Direktor und Inspektor, 30 Brüder sein — sind wir in große Verlegenheit an Geld, Lebensmitteln und Möbeln geraten. Aber auch in unserer Bibliothek feh-
len begreiflicherweise noch wichtige Bücher und Werke. So konnten wir auf ein antiquarisches Angebot der Erlanger Lutherausgabe (150 RM) bisher noch nicht eingehen. .... Ein ganzes Jahr ist mit dem Beginn des neuen Semesters vergan-
gen. Manches Zeichen der Liebe und der Opferbereitschaft haben wir erfahren. Das Wichtigste aber ist die Fürbitte aller derer, die uns helfen und mit an unserer Arbeit tragen. Dazu möchten wir Sie aufrufen und von Herzen bitten.
Das Predigerseminar Finkenwalde 1. Der Besuch kam nicht zustande, siehe Seite 473 f.
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Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
Aus dem achten Rundbrief 22, Mai 1936
... Wie oben ersichtlich, sind wir jetzt sehr viel unterwegs. Am wichtigsten war uns am letzten Sonntag der Besuch in Seelow und Frankfurt/Oder. Wir hörten am Sonnabend, daß auch Br. Brandenburg verhaftet sei, und beschlossen darum, sofort herüberzu-
fahren, um unseren Bruder Preuß! zu besuchen und, wenn möglich zu helfen. Wir freuten uns, ihn doch guten Mutes anzutreffen, außerdem hat er schon wieder Beistand in Br. Johannes Müller!, bisher Friedland. Ins Polizeigefängnis in Frankfurt hineinzukom-
men mißlang uns leider, aber einen Zettel mit unseren Grüßen wollte man abgeben, Am nächsten Tag sollten die Beiden das erste Mal Besuch bekommen dürfen. Vor allem Frau Pastor Pecina sollte vorgelassen werden. Laßt doch nicht ab, täglich an sie zu denken. In der Woche vorher hielt Br. Bonhoeffer in Köslin vor 500 bis 600 Menschen einen Vortrag und predigte... Eberhard Bethge
Anleitung zur täglichen Meditation 1.) Warum meditiere ich?
Weil ich Christ bin und weil darum jeder Tag für mich verloren ist, an dem ich nicht tiefer in die Erkenntnis des Wortes Gottes in der heiligen Schrift eingedrungen bin. Nur auf dem festen Grund des Wortes Gottes kann ich gewisse Tritte tun. Ich lerne aber als Christ die heilige Schrift nicht anders kennen als durch das Hören der Predigt und die betende Meditation. Weil ich Prediger des Wortes bin. Ich kann die Schrift nicht anders auslegen, wenn ich sie nicht täglich zu mir selbst reden lasse. Ich
1. Zur Vertretung für die verhafteten Pfarrer Seelows Pecina und Bran-
denburg entsandt.
Anleitung
zur
täglichen
Meditation
479
werde das Wort in meinem Amt mißbrauchen, wenn ich nicht anhalte, es betend zu meditieren. Wenn mir im täglichen Amt das Wort oft leer wird, wenn ich es nicht mehr erfahre, dann soll mir
das ein untrüglicher Hinweis darauf sein, daß ich das Wort lange
nicht mehr habe zu mir selbst reden lassen. Ich versündige mich an meinem Amt, wenn ich nicht selbst täglich betend das Wort su-
che, das mein Herr mir heute sagen will. Den Wortverkündigern wird Apostelgesch. 6, 4 besonders das Amt des Gebetes auferlegt. Der Pfarrer muß beten.
mehr
beten als andere
und er hat mehr zu
Weil ich eine feste Gebeteszucht nötig habe. Wir beten gern nach Stimmungen, kurz, lang oder gar nicht. Das ist Willkür. Das Gebet ist nicht freies Opfer an Gott, sondern schuldiger Dienst, den er fordert. Wir sind nicht frei, damit nach eigenem Wunsch umzugehen. Gebet ist der erste Gottesdienst am Tage. Gott beansprucht für diesen Dienst unsere Zeit. (Ps. 119, v. 147 f. 164). Gott hat Zeit gebraucht, ehe er in Christus zum Heil zu uns kam. Er braucht Zeit, ehe er mir zum Heil in mein Herz kommt.
Weil ich Hilfe brauche gegen die unfromme Hast und Unruhe, die auch gerade meine Arbeit als Pfarrer gefährdet. Nur aus der Ruhe des Wortes Gottes kommt der rechte hingebende Dienst des Tages.
2.) Was will ich mit der Meditation? Wir wollen jedenfalls anders von der Meditation aufstehen als wir uns hinsetzten. Wir wollen ja Christus begegnen in seinem Wort. In der Begierde zu hören, was er uns heute durch sein
Wort wissen lassen und schenken will, gehen wir an den Text. Begegne am Tage erst ihm, ehe du anderen Menschen begegnest.
Lege jeden Morgen alles, was dich bewegt, beschäftigt und bedrückt auf ihn, ehe neue Last auf dich gelegt wird. Frage dich, was dich noch hindert, ihm ganz zu folgen, und laß ihn Herr darüber werden, ehe neue Hindernisse sich in den Weg stellen.
Seine Gemeinschaft, seine Hilfe und seine Weisung für den Tag durch sein Wort, das ist das Ziel. So wirst du aufs neue gestärkt im Glauben den Tag beginnen.
3.) Wie meditiere ich? Es gibt freie und schriftgebundene Meditation. Um der Gewißheit
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Die ersten
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1935 —1937
unseres Gebetes willen raten wir zur schriftgebundenen Medita-
tion. Aber auch um der Zucht unserer Gedanken willen. Schließlich wird auch das Wissen um die Gemeinschaft mit anderen, die
den gleichen Text meditieren, uns die Schriftmeditation lieb machen. Wie das Wort
eines lieben Menschen dir den ganzen
Tag lang
nachgeht, so soll das Wort der Schrift unaufhörlich in dir nachklingen und an dir arbeiten. Wie du das Wort eines lieben Menschen nicht zergliederst, sondern es hinnimmst, wie es dir gesagt ist, so nımm das Wort der Schrift hin und bewege es in deinem Herzen wie Maria tat. Das ist alles. Das ist Meditation, Suche nicht
neue Gedanken und Zusammenhänge im Text wie zur Predigt! Frage nicht: wie sage ich es weiter, sondern: was sagt es mir! Dann bewege dieses Wort lange in deinem Herzen, bis es ganz in dich eingeht und Besitz von dir genommen hat. Es kommt nicht darauf an, jeden Tag den ganzen vorgenommenen Text durchzugehen. Oft werden wir tagelang an einem Wort hängen bleiben. Unverständliche Stellen laß ruhig aus und fliehe nicht in die Philologie. Das griechische Neue Testament hat hier nicht seinen Platz, sondern der vertraute Luthertext. Wenn die Gedanken beim Meditieren zu nahestehenden Menschen oder zu solchen, um die wir in Sorge sind, gehen, dann verweile dort. Da ist der rechte Ort für die Fürbitte. Bete dann nicht Allgemeines, sondern ganz Besonderes für die dir befohlenen Menschen. Vom Schriftwort laß dir sagen, was du erbitten darfst. Wir dürfen uns auch zur Hilfe ruhig die Namen der Menschen aufschreiben, derer wir täglich gedenken wollen. Auch die Fürbitte fordert ihre Zeit, wenn sie ernst sein soll. Zu gegebener Zeit achte aber darauf,
daß die Fürbitte nicht wieder zur Flucht vor dem Wichtigsten wird: Der Bitte um das eigene Seelenheil. Wir beginnen die Meditation
mit dem
Gebet um
den Heiligen
Geist. Mit der Bitte um rechte Sammlung für uns und für alle, von denen wir wissen, daß sie auch meditieren. Dann wenden wir uns zum Text. Am Schluß der Meditation wollen wir soweit sein,
daß wir aus vollem Herzen ein Dankgebet sagen können. Welchen
Text
und wie lange denselben
Text?
Es hat sich be-
währt, einen Text von ungefähr 10 bis 15 Versen eine Woche lang
Anleitung
zur
täglichen
Meditation
481
zu meditieren, Es ist nicht gut, jeden Tag einen anderen Text zu meditieren, da wir nicht immer in gleicher Aufnahmebereitschaft sind und die Texte meistens viel zu groß sind. Keinesfalls aber nimm deinen Predigttext vom nächsten Sonntag. Der gehört in die Predigtmeditation. Es ist eine große Hilfe, wenn eine Bruderschaft sich allwöchentlich um denselben Text gesammelt weiß. Die Zeit der Meditation liegt morgens vor dem Beginn der Arbeit. Eine halbe Stunde wird die geringste Forderung sein, die eine rechte Meditation an uns stellt. Völlige äußere Ruhe und der Vorsatz, sich durch keinerlei noch so wichtige Dinge ablenken zu lassen, sind selbstverständliche Voraussetzungen. Eine leider sehr seltene, aber durchaus mögliche Betätigung christlicher Bruderschaft ist die gelegentliche Meditation zu zweien oder mehreren. Zwischen falscher frommer Redseligkeit und unverbindlicher theologischer Diskussion geht hier ein schmaler Weg. 4.) Wie überwinden wir die Nöte der Meditation? Wer sich mit großem Ernst der täglichen Übung der Meditation unterzieht, der wird bald in große Schwierigkeiten geraten. Meditieren und beten will lange und mit Ernst geübt sein. Dabei gilt zuerst: Werde nicht ungeduldig mit dir selbst. Verkrampfe dich nicht in Verzweiflung über deine Zerstreutheit. Setz dich aber jeden Tag wieder hin und warte sehr geduldig. Wenn die Gedanken immer wieder fortlaufen, so suche sie nicht krampfhaft zu halten. Es ist kein Schade, sie dann einmal dorthin laufen zu lassen, wohin sie zielen; dann aber nimm den Ort oder den Menschen, zu dem sie gehen, in dein Gebet hinein. So findest du zurück zu deinem Text, und die Minuten solchen Abschweifens sind nicht verloren und quälen nicht mehr:
Mannigfaltig sind die Hilfen, die sich jeder für seine besonderen Schwierigkeiten suchen wird: Immer wieder dasselbe Wort lesen, sich die Gedanken niederschreiben, zeitweilig die Verse auswendig lernen (man wird zwar jeden wirklich durchmeditierten Text sowieso auswendig können). Dabei lernen wir aber auch bald die Gefahr kennen, daß wir wieder von der Meditation in die Bibel-
wissenschaft oder sonstwohin fliehen. Hinter allen Nöten und Ratlosigkeiten steht ja im Grunde unsere große Gebetsnot; allzulange sind da viele von uns ohne jede Hilfe und Anleitung geblieben.
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—1937
Dagegen hilft nichts, als die allerersten Übungen des Gebets und
der Meditation treu und geduldig wieder anfangen. Wir wollen uns
weiterhin
dadurch
helfen
lassen, daß
andere
Brüder
auch
meditieren, daß allezeit die ganze heilige Kirche im Himmel und auf Erden mitbetet. Das ist ein Trost in der Schwachheit des Gebets. Wenn wir wirklich einmal nicht wissen, was wir beten sollen, und darüber ganz verzagen, so wissen wir doch, daß uns der Heilige Geist vertritt mit unaussprechlichem Seufzen. Wir dürfen von diesem täglichen Umgehen mit der Schrift nicht lassen und müssen gleich damit beginnen, wenn wir es noch nicht taten. Denn wir haben das ewige Leben darin.
Aus dem Finkenwalder Predigerseminart
1. Verfaßt von E. Bethge auf Bitten von Sup. Staemmler für den Rundbrief der Prov. Sächsischen Bruderschaft der Hilfsprediger und Vikare, sodann dem 8. Brief aus Finkenwalde vom 22. Mai 1936 beigelegt.
Wollt
ihr’s
im
Fleisch
vollenden?
483
Wollt Ihr’s im Fleisch vollenden?! [Aufruf]
Ernste Nachrichten aus der Bekennenden Kirche haben sich in letzter Zeit so gemehrt, daß wir nicht länger schweigen dürfen. Es ist erschreckend, wie viele unserer Brüder, die zu Barmen und Dahlem Ja gesagt haben, in aller Stille den Bruderräten und der Vorläufigen Kirchenleitung den Gehorsam verweigern und sich den staatlichen Ausschüssen zuwenden. Mit Schrift und Bekenntnis kann man das nicht begründen. Man will es vielleicht auch gar nicht mehr. Das ist nichts anderes als zuchtloser Abfall. Die Bindungen an die Bekennende Kirche werden einfach zerrissen. Für uns alle ist eine Stunde großer Versuchung da. „Im Geiste habt ihr angefangen, wollt ihr’s denn nun im Fleische vollenden?“ (Gal.
3,3).
Allein in Glauben und Gehorsam hatte die Kirche den ihr verord-
neten Kampf aufgenommen. Allein vom Wort ließ sie sich leiten. Gern gab sie für ihren Herrn alles Sorgen, alle Sicherheit, alle Freundschaft der Welt hin. Unser Weg ging auch durch Not. Aber der Herr band uns, daß wir nicht wichen. Und heute wollen wir weichen um der Freundschaft der Welt willen, wollen die Verheißung verkaufen um das Linsengericht einer gesicherten Zukunft?!
Wir machen ja die Botschaft unserer Kirche durch unser eigenes Handeln unglaubwürdig! Das aber ist die größte Gefahr, die uns
droht, daß der Herr seinen Leüchter wegstößt, daß er die Predigt 1. Anmerkung aus 9. Brief aus Finkenwalde vom 24. Juni 1936: „Wir legen Euch ein Wort bei, das wir neulich verfaßt und den anderen
Seminaren denken,
zur
Unterschrift
ob wir die Vollmacht
vorgelegt
haben.
zu solchem
Wort
Bielefeld hätten
äußerte
Be-
und Elberfeld
findet das Wort zu schwach und allgemein. Da aber die Zeit uns so dringend erscheint, haben wir es als die drei östlichen Seminare nun herausgebracht. Liebe Brüder, werdet nicht müde, in den Konventen an die eingegangenen Verpflichtungen und an die gegebenen Unterschriften zu erinnern. Laßt nicht zu, daß man heimlich davonläuft.“
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in unserm Munde kraftlos macht. „Im Geiste habt ihr angefangen, wollt ihr’s denn nun im Fleische vollenden?“ „Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten.“ Laßt uns doch nicht müde werden! Wir bezeugen unseren Brüdern, daß wir durch die Gnade des
Herrn Jesu auf dem Wege bleiben wollen, der in Barmen und Dahlem seinen Anfang nahm. Wir kennen kein rechtmäßiges Kirchenregiment außer der Vorläufigen Kirchenleitung und den Bruderräten. Wir denken an die Brüder Pecina und Brandenburg. Bis zur Stunde sitzen sie im Gefängnis. Andere sind aus ihren Gemeinden ausgewiesen. Soll das alles umsonst sein?! Wir stehen neben ihnen. Laßt uns füreinander einstehen und miteinander beten: Herr, was
wir im Geiste begannen, gib, daß wir’s im Geiste vollenden! Die Bruderschaft des Predigerseminars Bloestau/Ostpr. Die Bruderschaft des Predigerseminars Finkenwalde
Die Bruderschaft des Predigerseminars Naumburg/Queiß
Aus dem neunten Rundbrief
24, Juni 1936 Liebe Brüder! Vor Jahresfrist hielten wir hierorts unseren
denkwürdigen
Ein-
zug... Grade haben wir den Jahrestag bei Kaffee und Kuchen mit einer Festrede und einer 2. Tellersammlung . ... gefeiert — da kommt heute die Mitteilung des Rates, daß ihm dies Haus zu teuer würde. Entweder rollen also in wenigen Monaten wieder einmal die Möbelwagen oder es rollen die Taler der Freunde des Seminars zur Anfrechterhaltung unseres Hauses ein. Denn was wäre Finkenwalde in Hökendorf? Wir gehen mit allen Kräften daran ..
das Seminar mit Hilfe der Provinz unabhängig zu machen. Bitte helft sogleich alle dabei mit...
Neunter
Rundbrief
485
Zwei Anlagen zum neunten Rundbrief
Frankfurt/O., Polizeigefängnis, den 1. Juni 1936 Mein lieber R. [Rudolf Kühn] Dir, Bruder Bonhoeffer und allen Brüdern herzlichen Dank für alles, das Sichtbare und Unsichtbare. Wir fühlen es, daß Ihr an uns denkt und für uns betet. Wir vertrauen mit ganzem Herzen und fester Zuversicht auf die Gnade unseres Herrn Christus, Das ist oftmals so schwer, wenn man Tag und Nacht nur die trostlosen Ge-
fängniswände sieht und den Eindruck hat, von Mensch und Gott verlassen zu sein, Aber dennoch! Psalm 73 ist mir eine große Stärkung. Du glaubst nicht, was so eine Zeit für ein Segen für uns ist! Man lebt als armseliges, zerbrochenes Menschlein so ganz in und aus Gott und wird so stark in aller Schwachheit. Man hat so viel Zeit, über vieles nachzudenken. Es ist erstaunlich, mit wie wenig Dingen der Mensch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Ich bitte und bete darum, daß meine jetzigen Erkenntnisse nachher nicht wieder verloren gehen möchten. Aber ich darf nicht daran denken, daß jetzt draußen alles in Blüte steht. Die Liebe zu allem Geschaffenen und Lebendigen wird einem erst so stark, wenn man davon abgeschlossen ist. Aber wir sehen doch ein Stück blauen Himmels, ein bißchen Sonne und ein
paar Sterne und der Herr, der das bereitet hat, wird uns auch seinen Weg gehen lassen ....
Epheser 6, 10—20.
Sei gegrüßt von deinem Willi Brandenburg Gesehen, Unterschrift des Beamten 1. 6. 36
Liebe Brüder! Leider bringe ich es immer nur zu einem kurzen Gruß. Je
länger wir hier sind, desto breiter wird das Arbeitsfeld. Ich danke allen, die geschrieben haben, herzlich für ihre Briefe.
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Es ist mir die größte Freude, von Euch zu hören und an Euch zu denken. Die morgendliche halbe Stunde bleibt ja immer noch. Ich meine, wir sollten uns alle bereit machen, durch leibliche und geistliche Zucht für den Tag, an dem wir einmal auf. die Probe gestellt werden. Meine Gedanken sind jetzt fast ununterbrochen bei den gefangenen Brüdern. Sie haben uns viel zu sagen. Es kommt bei uns jetzt alles auf die täg-
liche Treue an. Werden wir jetzt lässig und leichtsinnig, wie können wir dann auch nur vor unseren gefangenen Brüdern bestehen, wie aber sollten wir erst dann bestehen vor dem Sohne Gottes, der um unsertwillen litt bis in den Tod? Beharren heißt es jetzt. Das ist mühselig. Aber es hat eine große Verheißung, auch für unsere Gemeinschaft. In der Gemeinschaft des Glaubens und Betens grüßt Euch Euer Dietrich Bonhoeffer
Arbeit
in einer
toten
Gemeinde
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27. Juni 1936 Lieber Gerhard!! .„. Das ist ein unverdient hartes Stück Arbeit, das Du da zu leisten hast. Wir sollten mal zu Dir kommen, um Dir zu helfen, oder jedenfalls um mal wieder zusammen zu sein. Dann geht die Arbeit wieder besser und zuversichtlicher von der Hand. Wir werden uns ja wohl am 19.7. in Magdeburg sehen? Eigentlich wollte ich Dich mit Eberhard vorher besuchen. Aber Du weißt, daß Eberhard vermutlich weg muß. Nun, ich brauche Dir nicht zu sagen, was das für mich und für uns hier bedeutet. — Dein Bericht über Schweinitz, wo übrigens ein entfernter Verwandter von mir DC und Pg und Arzt ist,
macht mich nicht weniger ratlos als Dich. Ich habe heute grade in einem Brief an Staemmler geschrieben, daß ich der Meinung bin, daß eine Neuordnung des Kräfteeinsatzes stattfinden muß. Wenn ein Dorf nicht hören will, dann gehen wir ins andere. Es gibt da Grenzen. Nun mußt Du natürlich zunächst durchhalten. Aber Du mußt eben jeden Tag so arbeiten, daß Du eines Tages mit gutem Gewissen sagen kannst: es ist hier gepredigt worden und sie haben nicht gewollt. Oder es geschieht das Wunder und sie hören wieder. Es mit Schwarzer Peter-Spielen zu versuchen, halte ich nicht für verheiBungsvoll. Deine trene Beobachtung unserer Ratschläge hier
beschämt mich fast. Nimm sie nicht falsch gesetzlich, daß Du Dich nicht eines Tages daran ärgerst. Es bleibt Dir ja in keinem Fall die Entscheidung abgenommen, ob und wie Du das Wort Gottes sagen darfst. Aber ich meine allerdings, daß Du auf dem richtigen Wege damit bist. Ich glaube ja auch noch, daß bei treuer Besuchsarbeit die Leute auch wieder mehr zur Kirche kommen werden. Bei zwei oder drei Leuten würde ich 1. Pf. G. Vibrans-Rosian / Prov. Sachsen. Mitglied des ersten Finkenwalder Kurses.
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Die ersten
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nicht auf die Kanzel gehen, sondern es mehr wie eine Bibelstunde halten. Du kannst da ganz ruhig frei sein in der Gestaltung. — Könntest Du nicht mal als Ortspastor einen Brief an die ganze Gemeinde schreiben, den Du durch Kinder verteilen läßt, in dem Du ihnen Deine Not sagst, sie ernsthaft ermahnst, einen neuen Anfang zu machen um des Wortes Gottes willen (nicht um Deinetwillen!) und sie aufforderst, Dir in einer Gemeindeversammlung klar und offen zu sagen, warum es mit ihrer Stellung zur Kirche so bestellt ist? Kriegst Du die Leute nicht in der Kirche, so erreichst Du sie sicher durch solche Hirtenbriefe. Die lesen sie bestimmt. Ebenso einmal an alle Jugendlichen ein Brief mit Einladung zum Jugendgottesdienst, an dem sie aktiv teilnehmen. Wie ist denn der HJ-Führer dort? Du mußt Dir auch Jugendschriften anschaffen zum Verteilen. Wir haben so allerlei hier. Das Geld muß der Gemeinde-Kirchen-Rat eben herausrücken. — Der Weg über die Gemeinschaften ist immer mit großen Gefahren verbunden; aber es kommt darauf an. — Ja, viel sagen kann ich Dir wirklich nicht. Nur dies, daß ich jeden Schritt von Dir mit innerster Teilnahme begleite und Dir gern jederzeit helfen will, wenn Du mich irgendwie brauchst. Nun zum Schluß. Es ist noch viel zu tun. An die Eltern habe ich schon geschrieben! Laß Dir Dein freud- weil franenloses Dasein nicht zu schwer werden. Daß ich mit meiner Wette
recht behalte, glaube ich noch heute. Aber ob solche Kriegstrauungen, wie sie unsre Brüder jetzt schließen, das richtige sind, wollen wir auch dahingestellt sein lassen. In trenem Gedenken grüßt Dich, lieber Gerhard, Dein treuer Dietrich Eberhard unterschreibt nicht, weil er mit 7 Brüdern an der Ostsee ist. Ich hatte zuviel zu tun, war aber gestern noch mit
ihm im Auto an der See. Und Du sollst den Brief noch Sonntag haben.
Zehnter
Rundbrief
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Aus dem zehnten bis fünfzehnten Rundbrief
[22. Juli 1936] Liebe Brüder! Laßt mich damit anfangen, daß ich Euch für alle Briefe und Berichte herzlich danke. Es wird immer deutlicher, daß diese Briefe weit über die persönliche große Freude, die sie uns allen hier bereiten hinaus, einen großen sachlichen Wert für uns haben. Es ergibt sich so in einigermaßen regelmäßigen Abständen immer wieder ein ziemlich umfassendes Bild über die Lage der Bekennenden Kirche, über Auf und Ab, Not und Hoffnung. Da sind einige, die die ersten mühsamen und oft entsagungsvollen Schritte zum Aufbau einer Bekennenden Kirche tun müssen. Andere Brüder dürfen in festen und bewährten Bek. Gemeinden arbeiten. Der eine sät, der andere begießt. Es ist aber überall die eine Arbeit, und einer weiß vom anderen und denkt an ihn. Das ist eine große Hilfe und Freude. Eine harte Arbeit haben die meisten unserer Brüder aus der Provinz Sachsen zu tun. Br. Beckmann berichtet sehr ausführlich über erste Zusammenstöße örtlicher Art, Br. Dell ebenso. Bei Br. Vibrans habe ich vorgestern, als ich zu einer Trauung nach Magdeburg fahren mußte, gepredigt. Es ist unsereinem in Finkenwalde sehr gut, daß er dieses Pflaster einmal aus eigener Anschauung kennen lernt. In der besten Gemeinde zwölf Leute, in den anderen noch weniger. Geistiges Leben
gibt es in diesen Gemeinden nicht, sofern man das sagen darf. Und dann ganz allein. Gott gebe allen Brüdern, denen es ähnlich geht, die Kraft der Geduld und des Wartens, aber auch die Freudigkeit der Missionare. Wir denken hier all-
abendlich in der Andacht gerade der Brüder ganz besonders. Es ist eine große Stärkung und Freude für uns hier, daß wir
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Die ersten fünf Kurse.
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Brüder haben, die an einem — menschlich gesehen — so verlorenen Posten stehen müssen und dürfen. Und doch sollen wir Mtth. 10, 13 f.nicht ganz vergessen. Ich habe Br. Vibrans geraten, nach einiger Zeit einen Brief an seine ganze Gemeinde zu schreiben, in dem er ihr sagt, daß dies möglicher Weise das letzte Angebot des Evangeliums an sie ist, und daß
andere Gemeinden da sind, deren Hunger nach dem Wort nicht gestillt werden kann, weil zu wenig Arbeiter da sind. Sehr verschieden und doch nicht weniger schwierig ist die Arbeit Br. Schönherrs in Greifswald. Es ist ein schwerer Kampf, in dem die ganze Fakultät gegen ihn steht, schwerer aber noch für die kleine Schar Studenten, die es auf sich nehmen, den Bruch mit einer Fakultät zu vollziehen, deren Glieder einmal sehr viel bedeutet haben. Sie sind heute tatsächlich wie ausgestoßen, allein weil sie sich fest hinter den Bruderrat stellen, und man hört sagen, daß niemals die DC so allein ge-
lassen seien wie sie. Das ist nun für Albrecht eine große und sehr schöne Aufgabe, aber leider scheinen sich die Fronten ein wenig zu verhärten, daß auf ein Gehörtwerden nicht mehr gerechnet werden kann. Im Namen der Bek. Kirche wird hier tatsächlich die Bek. Kirche zerrissen. Das ist ein Zustand, der in Wahrheit nicht lange ertragen werden kann. Es drängt alles auf eine Klärung. Ich bin mehrfach in Greifswald gewesen, um Albrecht zu helfen. Wir haben dann im Auftrag
des Lehramts hier in Emmaus! eine Studentenfreizeit gehalten mit allerlei Ersatzvorlesungen. Bei dieser Gelegenheit war auch Professor Wolf-Halle einmal mit den Studenten bei uns zu einer Vorlesung. Leider ist die Greifswalder Situation
ziemlich symptomatisch für die Provinz. Es scheint übrigens vielfach so zu sein, daß die Laien klarer sind als die Theolo-
gen. In ganz anderer Arbeit stehen z. B. die rheinischen Brüder, Koch und Rose; Br. Krüger, Lohmann, Maechler, Har1. Gemeindehaus Stettin.
der
Gemeinde
Pfarrer
D.
Heinrich
Rendtorffs
in
Zehnter
Rundbrief
491
hausen, Grunow, Schlagowsky. Sie können den an sie gestellten Anforderungen kaum gerecht werden. Br. Grunow hat in seiner Gemeinde eine Notkirche eingerichtet. Auch Br. Harhausen predigt in einer Notkirche. Ein erfreuliches Zei-
chen ist in vielen dieser Gemeinden die Gebefrendigkeit bei den Kollekten. Mehrere dieser Brüder stecken zugleich im Examen. Das erfordert eine sehr disziplinierte Tageseintei-
lung und eine große Arbeitskraft. Br. Koch erfreut uns Finkenwalder und wohl nicht nur uns mit gelegentlich kurzen Grüßen, für die wir ihm sehr danken. Er hat gerade einen schweren Konflikt hinter sich. Die Bekenntnispfarrer seiner Gemeinde haben mit den DC auf eigene Faust Frieden geschlossen. Es ist Br. Koch gelungen, daß die Vereinbarung zurückgezogen wurde. Von manchen Brüdern hört man immer wieder nur, daß sie soviel zu tun hätten, daß sie nicht zum Schreiben kämen. Eigentlich sollte man ja einem Pfarrer nie anmerken, daß er viel zu tun hat. Aber das ist leichter gesagt... Immerhin geben wir die Hoffnung nicht auf, allmählich wieder von allen regelmäßig zu hören. Die Samm-
lung der Briefe ist schon ein ganz ansehnlicher Band. Er wird einmal ein Dokument für sich sein. Wenn Brüder zu uns zu Besuch kommen, dann bekommen sie immer als erstes diesen
Band zu lesen und es ist für alle eine große Freude. Ordiniert wurden Br. Krüger, und vor 14 Tagen Br. Preuß und Keusch.
Br. Preuß ist in Arnswalde/N.M. bei Sup. Gramlow; Br. Keusch in Schönfeld, Krs. Kalau. Es scheint sich dem Vernehmen nach bei dieser Ordination das mir nicht ganz Begreifliche ereignet zu haben, daß jeder der Ordinanden selbst vor der Gemeinde angab, worauf er sich ordinieren lasse, der
eine die luth. Bekenntnisschriften, der andere die Bibel, ein dritter die Bekenntnisschriften, die in der Union in Geltung stehen. Leider ist dieser Bericht bisher ohne Erklärung ge-
blieben. In dieser Form aber scheint die Lösung der konfessionellen Frage nun doch nicht möglich zu sein.
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Die erstem fünf Kurse. 1935—1937
Außer den Briefen erfreut uns hin und wieder der Besuch eines der ehemaligen Brüder. Als ich vorgestern von einer Reise zurückkam, traf ich zu meiner Überraschung und großen Freude gleich 3 Brüder, die zufällig hier zusammengetroffen waren, an, Br. Harhausen, v. d. Marwitz und Grunow, der sein Auto abholte, das uns nun ein *la Jahr treu ge-
dient hat und wohl auch manche Spuren dieses ehrenvollen Dienstes aufweist. Wir alle, die wir die Vorzüge des Autos genossen haben, danken Br. Grunow noch einmal sehr herzlich.
Er hat auch damit dem Seminar wirklich einen großen Dienst getan. Immer wenn ein ehemaliger Bruder zu uns kommt, ist hier große Freude, und irgendeiner hat gesagt, es sei ihm nie so gut gegangen hier in Finkenwalde, wie in den Zeiten seines Besuches hier. Schön ist es auch, daß sich in Berlin ein fester Kreis von Brüdern zusammengefunden hat, der sich regel-
mäßig trifft und wo einer dem andern hilft. Br. Rott hat neulich auf einer Reise nach Berlin alle die dortigen Brüder
gesehen. Br. Krüger ist im Büro von Jacobi, verfaßt Rundbriefe, schlägt sich mit den Ausschüssen herum. Br. Zenke, bisher auch in Berlin, unternimmt jetzt nach Abschluß seiner Arbeiten eine Besuchsreise in die Prov. Sachsen zu den dortigen Brüdern. Br. Kanitz und Br. Schrader sind im selben Kreis und kommen viel und gern zusammen. Zu Br.Berg geht Ende dieser Woche eine Vierergruppe zur Volksmission. Es sind in dieser Richtung noch einige Pläne im Gang. Und nun ein paar Worte über uns. Wir sind in der kirchlichen
Stellung einig, wie Euch ja auch unser Wort mit den anderen Seminaren zusammen gezeigt haben wird. Das ist ein beson-
derer Grund zum Danken. Die Arbeit an der Heiligen Schrift und die ganz praktischen Fragen und Entscheidungen stehen diesmal schönes seinem herigen
noch mehr im Vordergrund als bisher. Es ist wieder ein Semester, das aber auch schon mit großen Schritten Abschluß enigegengeht und ganz anders als alle bisKurse. Das fällt auch wieder den alten Brüdern, die
Zehnter
Rundbrief
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zu Besuch kommen, auf. Ich kann wieder nur sagen, daß ich sehr dankbar bin für jeden der bisherigen Kurse und auch gerade für diesen. Das Durcharbeiten im Sommer ist doch ziemlich anstrengend und wir sind z. Zt. alle etwas luft- und
meerbedürftig. Daher werden wir in 8 Tagen drei Tage an die Ostsee gehen, um den Rest des Semesters noch fest arbeiten zu können. Wir schließen Ende August. Bei dieser Ge-
legenheit gleich einWort an die Examensbrüder. Es sind deren wohl 12. Wollt Ihr vom Sonnabend, den 29.8., bis Montag Mittag, 31. 8. hier zu einer Freizeit zusammenkommen, auf der ich Euch gern zur Verfügung stehen will? Später oder länger geht es leider nicht, da Frau Struwe unbedingt reisen muß und der Betrieb hier auf das äußerste beschränkt werden muß. Ich weiß auch noch nicht, wo ich selbst dann sein werde. Danach haben wir daran gedacht, je vier Brüder zusammen für ein paar Wochen auf uns befreundeten Gutssitzen zur Arbeit unterzubringen, wenn Ihr das wollt. Wer an diesem Unternehmen Interesse hat, schreibe mir bitte so bald wie mög-
lich, da wir entsprechende Vorbereitungen treffen müssen. (Eben wird die ganze Sache wieder unsicher. Ich muß möglicherweise in diesen Tagen dienstlich verreisen!. Ihr be-
kommt also noch Nachricht, wenn Ihr geschrieben habt.) Ihr werdet Euch wundern, daß ich diesmal den Rundbrief
schreibe. Das Bruderhaus ist aber z. Zt. ausgeflogen. Fritz Onnasch ist sehr vernünftigerweise auf 2 Wochen ins Riesengebirge gefahren. Er hat sich diese Ferien auch als majordomus redlich verdient. Der Garten würde alle Brüder des ersten Kursus in großes Erstaunen setzen, und die Arbeit hat auch diesmal nicht nur ihre moralische, sondern auch ihre
nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung gehabt. Br. K. F. Müller ist seit der schweren Krankheit seiner Mutter in Stettin, kommt aber in diesen Tagen wieder ins Haus zurück, 1. Sitzung des ökumenischen Rates in Chamby.
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Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
da seine Mutter auf dem Wege der Besserung ist. Eberhard Bethge ist sehr dringlich zu einer Gwöchigen Vertretung nach Helbra gerufen worden, mit dem ausdrücklichen Vermerk, daß
er danach wieder freigegeben wird. Die meisten von Euch werden ja den Fall Helbra aus den Rundbriefen kennen. Es sind in der Tat ganz ungewöhnliche Verhältnisse dort. Es ist schwer zu beurteilen, ob es sich um eine echte Erweckung handelt. Jedenfalls ist aus einer völlig unkirchlichen Gemeinde im Laufe der letzten drei Jahre eine Gemeinde geworden, die fest zur BK steht, einen ungewöhnlichen Aufstieg des Gottesdienstbesuches erlebt hat und bereits für die Sache der BK große Opfer gebracht hat. Jetzt soll ihr Pfarrer, an dem sie mit einer vielleicht allzugroßen Liebe hängen, durch den PKA aus der Gemeinde entfernt werden!. Daher hat man ihm die Kirche verboten, in der nun vor 30 Leuten ein zur Ver-
tretung geschickter DC predigt, während am vorigen Sonntag etwa 400 Leute zum Vater von Br. Vibrans in die Kirche gingen, der 8 km von Helbra entfernt predigt. Eberhard hat nun in der Abwesenheit von Br. Seeler die sehr erregte Gemeinde zu versorgen und zu leiten. Das ist eine sehr verantwortliche Sache; die Gefahr einer Explosion ist so ungeheuer
groß. Wir wollen seiner und der Gemeinde treu gedenken. Eine ganz große Freude ist uns geschenkt worden durch einen Brief von Br. Brandenburg und Br. Pecina. Außerdem sind wir von großer Dankbarkeit erfüllt, daß es 2 Brüdern gelang,
Br. Brandenburg zu besuchen.
Es geht ihm gesundheitlich
nicht schlecht. Nur fehlt die frische Luft. Sie hoffen noch sehr
auf Freilassung vor August. Wir wollen doch keinen Tag vergessen, ihrer im Gebet zu gedenken. (Beiliegend der Brief). Es ist eigentümlich, wie jedes Wort, das aus solcher Lage kommt, wiegt. Schreibt auch Ihr, die Ihr sie nicht kennt, an beide Brüder! 1. Pfarrer Seeler. PKA
— Provinzial-Kirchen-Ausschuß.
Zehnter
Rundbrief
495
Liebe Brüder, wir spüren alle, daß die Dinge unserer Kirche wieder in Bewegung geraten. Wir wissen nicht, was das Ziel ist. Die allerschwerste Sorge ist mir der Lutherische Rat!. Wir stehen vor der Proklamation einer lutherischen Reichskirche. Dann haben wir die Bekenntniskirche, die sich viele ersehnen. Und das Unbegreifliche wird sein, daß wir nicht mitgehen dürfen. Dann wird die Not und die Angst unseres Gewissens groß werden. Die Nacht wird tiefer als je zuvor. Wir werden fragen: Hüter ist die Nacht schier hin? Und es mag sein, daß der Hüter antwortet: Wenn schon der Morgen kommt, so wird es doch Nacht sein. Wenn ihr schon fragt, so werdet ihr doch wiederkommen und wiederfragen. (Jes. 21, 11 f.) Werden wir dann durchhalten? Oder wird uns der Herr helfen, indem ER den Nebel zerstreut? Indem ER den Männern die Augen öffnet für das, was sie tun? Wir dürfen nicht aufhören, darum zu beten. Wir müssen jetzt viel mehr beten. Gott möge uns nicht auf eine zu harte Probe stellen. Gott möge eine Mauer um uns bauen, daß wir zusammenbleiben. In solchen Zeiten meine keiner, daß er noch allein stehen kann. Wir stehen alle miteinander durch das Gebet, das wir füreinander tun dürfen. Ob nun alles noch viel dunkler und undurchsich-
tiger wird, es ist ja nur eine kurze Zeit, bis alles ganz klar sein wird. Wir wollen aber um so mehr treu sein im täglichen Dienst, wir wollen nüchtern sein und unsere Hoffnung ganz auf die Gnade setzen. Je tiefer wir jetzt hineinmüssen, desto schneller kommen wir hindurch. Laßt uns anhalten an der täglichen Meditation des Wortes, an der Fürbitte, an der Erforschung der Schrift. Laßt uns fest sein im brüderlichen Dienst, in dem einer den andern stärkt. Keiner soll sich schä-
men, wenn ihn die Anfechtung einmal tief hinunterdrückt. 1. 18. März 1936 „Rat der Evangel. Lutherischen Kirche Deutschlands“
bestellt. Mitglieder: Marahrens, Wurm, Meiser, Breit, Hahn, Lilje, Beste. 30. Juli 1936 Beratung der Denkschrift an Hitler ohne Lutheraner im Reichsbruderrat.
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Die ersten
fünf Kurse.
1935 — 1937
Aber einer helfe dem andern wieder auf den Weg. Wenn wir uns doch täglich sagen ließen, daß auf uns ja garnichts an-
kommt, daß wir frei würden von uns selbst. Gott sei mit Euch allen, liebe Brüder, die Ihr jetzt allein in einer Gemeinde steht. Wir andern denken an Euch zuerst. Und Ihr andern seid alle herzlich gegrüßt in der Gemeinschaft unseres Glaubens und unserer Hoffnung. „Ich wandle fröhlich, denn ich suche deine Befehle“, Ps. 119, 45.
Euer getreuer Dietrich Bonhoeffer Br. Rott schickt Euch sein volksmissionarisches Heft. Ich wollte jedem von Euch ein Separat der „Kirchengemeinschaft“ schicken!. Aber es war nicht mehr zu bekommen.
Drei Anlagen zum zehnten Rundbrief 1. [An Bonhoeffer aus dem Polizeigefängnis Frankfurt/Oder! Wir bekommen
täglich viel Post aus dem Reich mit treuem Ge-
denken und fürbittendem Gebet. Aber ganz besonders hilfreich und trostreich ist uns immer ein Brief von Ihnen oder den Brüdern des Seminars. So gehen unsere Blicke immer wieder nach Finkenwalde wie zu einer geistlichen Heimat, Wie froh bin ich und dankbar gerade hier dem Herrn dafür, daß er uns Finkenwalde
geschenkt hat. Ich will nicht menschlich loben, Sie werden mich verstehen. Darum freue ich mich sehr auf das nächste Semester, denn ich hoffe dann mit Ihnen zu sein. Meine Gedanken und Ge-
bete sind hei Ihnen auf der Evangelisation gewesen. Daß so etwas
in einem Seminar möglich ist! Das scheint mir ein Grund zu un-
abläßigem Danken zu sein. Aber ich will davon schweigen, weil
1. Siehe Seite 217 ff.
Brief aus dem Gefängnis
497
es mich brennt, hier so untätig und still sitzen zu müssen. Aber
auch das soll keine Klage sein, denn ich habe es hier lernen dürfen, daß Gottes Wege und seine Barmherzigkeit wunderbar sind. Auch wenn er alle unsere Pläne und Ziele zunichte macht und
uns in das Gegenteil dessen führt, das wir heiß erstrebt haben. So dürfen wir hier stille sein und hoffen und es ist im ganzen Hause offenbar geworden, daß wir für den Herrn Christus stehen. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen über die Zukunft, wenn wir uns nur allein und fest an ihn halten, nein von ihm halten lassen, dann steht er mit seiner Dynamis auch zu uns, ob wir ihn mit dem Wort, mit der Tat oder dem Stillesein bekennen. Durch die
morgendliche Meditation des Hebräerbriefes weiß ich mich Ihnen ganz besonders nahe und es gibt ja keine andere Gemeinschaft, die inniger und näher machte als die des Wortes. Durch Hebr. 13, 12—14 habe ich zum ersten Male ganz erfaßt, was Karfreitag heißt. Seine Schmach, die unsere Schmach ist. Was darf uns noch davon abhalten — gerade in dieser Zeit —, zu Ihm hinauszutreten aus
dem Lager und seine Schmach zu tragen. Und das heißt doch nichts anderes als verhöhnt, gedemütigt, geschlagen zu werden und ausgestoßen zu sein aus aller menschlichen Achtung wie Er, das heißt ausgestoßen zu werden aus der Glaubensgemeinschaft durch die verblendeten und falschen Hüter und Hirten wie Er, d.h. doch ausgestoßen zu werden aus der staatlichen oder volklichen Gemeinschaft wie Er durch Herodes und Pilatus, d. h. doch dem Tode zugedacht sein wie Er durch seine geflohenen Jünger und die weinenden Frauen. Denn wir haben hier keine bleibende Statt. Das heißt ausgestoßen sein von dieser Welt, das heißt aber angenommen sein von Gott. Da fällt so vieles von einem ab, das man für unentbehrlich hielt
und über alles liebte. Es ist alles so nichtig und sinnlos und trostlos dem Letzten gegenüber. Aber der Herr Christus! Das ist Leben, das ist Seligkeit, denn das ist Vergebung der Sünden, das weiß man als guter Theologe, aber das erlebt man in solcher Situation. Sie sehen, man hat sehr viel Ursache zum Danken. Das soll uns
—
ich habe es mir gelobt —
nur noch demütiger, gehorsamer,
treuer und eifriger im Amt machen. Kein anderes Ziel und kein anderer Gedanke neben dem einen, Seine Gnade zu verkündigen
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Die ersten fünf Kurse.
1935—1937
und die Gemeinschaft der einen heiligen Kirche, die sein Leib ist .. Nun seien Sie lieber Br. Bonhoeffer mit allen Brüdern herzlich gegrüßt. Wir gedenken Ihrer aller täglich und Ihrer Arbeit. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit uns allen.
... W. Brandenburg
2. Dankamt des Predigerseminars
Liebe Brüder! Ihr habt im vorigen Monat von der bedrohten Existenz unseres Hauses und damit zugleich unserer Arbeit gehört. Wir sind nun dabei, die Freunde unseres Hauses zusammenzurufen und sie um eine regelmäßige Unterstützung für unsere Arbeit zu bitten, Schon haben sich eine Anzahl verpflichtet, uns monatlich mit einer Spende zu helfen; auch von Euch hat mancher unseren Ruf gehört, so daß wir eigentlich nur danken können. Aber Ihr versteht uns, wenn wir meinen, rechtes Danken fordere rechtes Bitten, damit die alten Geber nicht müde werden und nene Geber gerufen werden. Wir haben nun an Euch alle eine große Bitte, die mir selbst doch recht klein erscheinen will, für solche, die wissen um Wert und Aufgabe von Finkenwalde: Könnte sich nicht jeder von Euch bereit erklären, uns monatlich mit einer festen Gabe beizuspringen, ich denke an 1,— oder 2,— RM, natürlich wird ein Mehr nicht abgewiesen. Es würde für uns schon etwas bedeuten, wenn wir auf diese Weise monatlich 50,— bis 60,— RM erhielten. Neben dieser Bitte, die uns das Wichtigste ist, einige Anregungen: Habt Ihr schon in Eurer Bekennenden Gemeinde von Finken-
walde erzählt, könnte Eure BK Gemeinde oder auch einzelne Glieder derselben nicht mit einer regelmäßigen Gabe dem Freundeskreis beitreten? Und Eure Frauenhilfe —
ich denke besonders
an die Brüder auf dem Lande — wird gewiß gern allerlei Naturalien für Finkenwalde zusammenschicken. Letzthin schickte uns die Frauenhilfe Stemnitz zweihundertfünfundzwanzig Eier als Dank gegen Gott vom 10jährigen Stiftungsfest, eine andere Frauenhilfe schickte uns Wurst, Speck, Eier, Butter und Mehl und als wir sie baten, sie möchten uns auch weiterhin nicht vergessen und un-
Finanzielle
Basis
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ser Seminar in ihre Frauenhilfsarbeit mit hineinnehmen, schrieb uns die Vorsitzende: „Es ist auch wirklich schön, daß unsere Frauen nun eine bestimmte Frauenhilfsarbeit haben, für die sie sich ganz einsetzen können.“ Und nun rufen wir Euch: Stellt Euch selbst in die Front — wir sind gewiß, Hände, die für Finkenwalde beten, öffnen sich auch zum Opfer. Helft uns unseren Freundeskreis vergrößern. Mit brüderlichem Gruß! Beiliegend unser Aufruf. Lerche
3. Aufruf Das Predigerseminar Finkenwalde ist eines der fünf Seminare der Bekennenden Kirche in der Altpreußischen Union. Es wurde im April 1935 eingerichtet. Da die Mehrzahl der früheren Predigerseminare in die Hand der Deutsch-Christlichen Kirche geriet, mußte die Bekennende Kirche für ordnungsmäßige Ausbildung junger Theologen selbst Sorge tragen. Neben die alten Seminare Elberfeld und Naumburg am Queiß, die durch ihre Leiter der
Bekennenden Kirche zugeführt wurden, traten im Laufe des Kirchenkampfes die Seminare in Bielefeld, Finkenwalde und Blöstau/ Ostpreußen. Die Aufgabe des Seminars ist es, die jungen Theologen, die nach Beendigung des Studiums und Ablegung des ersten Examens bei der Bekennenden Kirche als Vikare ein Jahr oder länger in der
Gemeinde tätig gewesen sind, für ein halbes Jahr zusammenzuführen. Hier sollen in gemeinsamer Arbeit mit den Leitern des Seminars die Grundfragen der Heiligen Schrift, des praktischen Amtes und der wahren evangelischen Lehre noch einmal durch-
dacht und durchgearbeitet werden. Dabei sollen die jungen Brüder in einer christlichen Lebensgemeinschaft stehen in täglichen gemeinsamen
Andachten, stillen Gebetszeiten und im gegenseitigen
Dienst. Ihr Leben wird entsprechend der Lage der Bekennenden Kirche in äußerster Einfachheit geführt, allein im Blick auf das große Amt, das die Brüder kurze Zeit danach mit der Ordination
500
Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
übernehmen sollen. Über die eigentliche Seminararbeit hinaus erwächst einem Predigerseminar der Bekennenden
Kirche aber die
wichtige Aufgabe, sich praktisch in den kirchlichen Dienst der Provinz zu stellen. Unser Seminar hat vor kurzem erst eine 6tägige
Volksmission
in einem
pommerschen Kirchenkreis
veranstaltet,
neben regelmäßiger anderer Außenarbeit, die von einem kleinen Kreis von teils ordinierten Brüdern geleistet wird, die für längere Zeit hier im Seminar bleiben und sich für jeden dringenden kirch-
lichen Dienst frei halten. Die staatlichen theologischen Fakultäten fördern zur Zeit fast aus-
nahmslos die deutsch-christliche Irrlehre oder die Unentschiedenheit. So steht der theologische Nachwuchs
in der großen Gefahr,
überhaupt nicht mehr mit einer entschieden bekenntnismäßigen Theologie in Berührung zu kommen. Die Predigerseminare der Bekennenden Kirche sind zur Zeit fast die einzigen Stätten, in
denen die Bekennende Kirche in völliger Unabhängigkeit zu einer klaren bekenntnismäßigen Haltung in Lehre und Leben anleiten kann. Die Bekennende Kirche trägt bisher die großen Lasten der Seminare ganz allein. Es muß aber unser Ziel sein, daß die freien
Kräfte der Bekennenden Gemeinden sich mehr und mehr bereitfinden, die Seminare als eigenste Verantwortung zu verstehen und dazu beizutragen, daß die Seminare auf Grund freier Spenden weiter arbeiten können. Wir gehen jetzt daran, unser Seminar ganz
auf die freie Hilfe eines großen Kreises von Gemeindegliedern aufzubauen. Wir sind für jede Hilfe dankbar.
An E.Bethge
aus Misdroy
501
Misdroy, 2. August 1936 Lieber E. Eine halbe Stunde habe ich mir gestohlen. Also gleich ad rem . . . Gestern kamen wir bei Regen an. Unterbringung ziemlich schauderhaft. Villa, völlig heruntergekommen. In jedem Zimmer 5—10 uralte Feldbetten. Mief. Dazu mitten im Badebetrieb. Ganz ungeeignet. Ich war enttäuscht über X-s unzulängliche Kenntnis unserer Bedürfnisse... Zunächst alles normal. Abendbrot 7 Uhr. Danach bis ?la 10 freie Zeit. Und nun geschah etwas, was ich so nie für möglich gehalten hätte. Ich stehe noch ganz unter dem Eindruck. Die Nachtruhe hat es gekostet. Ich war von 8—?ls 10 mit Br. Y unterwegs. Bei der Andacht sprach ich davon, daß wo wir auch seien, wir nicht davon loskommen, daß wir Christen und Theologen sind — Psalm 119 ‚Dein Gebot währet ewiglich — wohl nicht anders als sonst auch oft. Da brach es nach der Andacht los. Z. kam zunächst: er könne es nun nicht mehr aushalten. Der Widerspruch zwischen demWort und seiner gegenwärtigen Existenz sei unerträglich. Zwischen Abend und Andacht waren 5 Brüder miteinander fortgewesen. Da überkam sie beim Anblick der ‚Welt‘ die Anfechtung, ja die unerträgliche Sucht zur Lust, Tanz, Mädchen etc. Zwei gingen dann mit Mädchen, die sie ansprachen. Es geschah sonst nichts. Aber ein furchtbarer Ansturm der Natur gegen das Wort war aufgezogen. Da kam die Andacht. Das ging über die Kraft. Bis 11 Uhr ging
ich mit Z, dann hatten mich die vier anderen eingeholt. Fast bedrohlich: wir müssen Sie jetzt noch sprechen. Am Strand. Kein Mensch sonst. Wir saßen einander gegenüber. Ich ließ sie nacheinander reden und schwieg. Es waren wilde Ausbrüche des Geschlechtes gegen das Wort Gottes. Es wurde eine unver-
hüllte
Sprache geredet. Wenn einer geredet hatte, dann schien
es als sei er am Ende seiner Kraft. Die fünf standen gegen
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‚
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mich und gegen sich selbst. Ich hörte immer nur zu, es war
klar, wie ernst es geworden war. Ich war wie überrannt. Ich konnte nur noch unablässig in mich hinein dagegen anbeten und den Herrn Christus auf den Plan rufen. Was ich dann gesagt habe, weiß ich selbst kaum mehr, vom Christenstand, von der Lust, die vergeht, von Beichte und Bekehrung habe ich geredet, von der Freude an Christus und vom sanften Joch. Am Schluß beteten wir zusammen. Jesus war der Stärkere gewesen. Wir wußten am Ende alle kaum, was geschehen war. Ich mußte an den Abend, als Du einmal bei mir auf dem Zimmer warst und ich Dich nicht hören wollte und an die Hilfe damals denken. Bete mit mir für die Brüder weiter. Es kommt viel darauf an. Und bete auch für mich, ich brauche es so sehr. Mehr will ich jetzt davon nicht schreiben. Sagen kann ich Dir es besser. Heute
vormittag
Kirche.
Pastor
N.
aus
G. BDM1,
aber
keine D.C. Predigt. Älterer Mann. Ich ging in die Sakristei. Ziemlich erschütternde Szene. Erst meine Frage: warum predigen Sie nicht Christus? Warum lassen Sie uns hungrig gehen? Zuerst Gegenwehr. Frage: wollen Sie überhaupt noch hören? — Umschlag. Dann glatte Kapitulation. ‚Ich kann doch nicht predigen, was ich nicht habe‘ und ‚Ja, Sie haben Recht...“ Das war der Schluß. Ein zerbrochener Pfarrer. Es
ist sehr traurig... Mit brüderlichem Gruß Dein Dietrich
1. Eigentlich „Bund Deutscher Mädchen“, als Abkürzung „Bund der Mitte“ für die Neutralen zwischen Bek.-Kirche und Deutschen Christen innerhalb von BK-Kreisen gebraucht.
Elfter
Rundbrief
503
22, August 1936 ... Die größte Freude, die wir in diesen letzten Tagen hatten, war die Freilassung von Bruder Pecina und Brandenburg am Don-
nerstag dieser Woche, deren erster Weg nach Finkenwalde ging. Ich brauche nicht zu sagen, mit welch großer Dankbarkeit wir diesen Besuch als Geschenk empfangen haben. Ist es nun doch endlich Wirklichkeit geworden, worum wir über ein Vierteljahr lang jeden Morgen und jeden Abend gebetet haben. Denn es war ja so, wie Bruder Bonhoeffer es am Abschiedsabend gesagt hatte, daß die-
ses Semester
dadurch
seinen besonderen
Charakter
bekommen
hatte, daß diese beiden Brüder uns die ganze Zeit hindurch wie
ein Schatten begleitet hatten. Im Augenblick sind sie zunächst für ein paar Tage an der Rückkehr der Brüder nen, da er bereits am menischen Rates nach
Ostsee. Leider hat Bruder Bonhoeffer diese aus dem Gefängnis nicht miterleben könMontag dieser Woche zur Sitzung des ÖkuChamby fahren mußte... K. F. Müller
Finkenwalde, den 4, September 1936
Lieber Bruder Hesse! [D. Hermann Hesse-Elberfeld] ... Ich suche, noch ein Semester im Seminar zu bleiben. Die theologische Arbeitsmöglichkeit ist groß, aus zeitlichen wie bibliotheka-
rischen Gründen. Auch kann man im Seminar manche Arbeit übernehmen. Zudem bedarf manche theologische Äußerung der Korrektur sowie eine bestimmte Entwicklung Bonhoeffers der „Beaufsichtigung“. Auch da darf vielleicht eine Handreichung geschehen.
Es grüßt mit brüderlichem Gruß Ihr Horst Thurmann
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Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
[Zusatz zum zwölften Rundbrief]
An die Brüder des zweiten Kurses [28. September 36] Liebe Brüder! Die Zeit Eures Einzuges hier jährt sich und damit nähert sich unser Wiedersehen.Wir haben zwar manches von Euch gehört, aber ein Zusammensein wird uns wohl allen in verschiedener Hinsicht erfreulich und gut sein. Eure Freizeit soll am 19.Oktober anfangen, offizieller Beginn beim Abendbrot um7 Uhr; bis Freitag einschließlich soll es dauern. Das genaue Programm steht leider noch nicht fest, sicher soll ein Tag katechetischen Fragen gehören (Konfirmandenunterrichtsplan!). Je einmal Dogmatik, Neues Testament, Austausch von Gemeindeerfah-
rungen. Ich brauche Euch wohl nicht daran zu erinnern, daß wir uns beim Auseinandergehen zu dieser Zusammenkunft verpflichtet haben. Auch die rheinischen Brüder dürfen wir bestimmt erwarten. Wer glaubt, nicht kommen zu können, schreibe mir bitte sofort, damit ich ihn noch brieflich davon überzeugen kann, daß er kommen muß. Und nun noch eine besondere Bitte: Ihr trefft hier die Brüder des 4. Kurses in ihren ersten Finkenwalder Tagen an. Da möchte ich Euch herzlich bitten, die Ordnung des Tages doch ganz so wie diese oder möglichst
noch vorbildlicher einzuhalten. Das mag für manche eine gewisse Beschränkung sein, aber ich bin sicher, daß es auch für das Gelingen unserer Freizeit wichtig ist, daß wir daran festhalten und ich weiß, daß sich manche grade darauf schon wieder besonders freuen. Wir sind ja auch darum zusammen, daß wir manches, was uns im Laufe der letzten Zeit vielleicht verloren ging, wieder stärken und aufbauen. So wird unser Zu1. Siehe G. S. III.
Zwölfter
bis fünfzehnter
Rundbrief
505
sammensein auch manchem unter Euch wieder neue Kraft und Freudigkeit für die Arbeit in der Einsamkeit geben. Laßt uns unsere Freizeit schon jetzt immer wieder in unsere Für-
bitte einschließen, erst recht aber laßt uns mit Treue der Brüder gedenken, mit denen wir wieder zusammensein werden. In aufrichtiger Vorfreude grüßt Euer getreuer Dietrich Bonhoeffer
30. November 1936 ... Unser Bruder Koch (2. Kurs, Rheinland) ist zwei Tage vor seiner Ordination verhaftet worden und augenblicklich wohl in Berlın in Untersuchungshaft, wie unsere unsicheren Informationen lauten...
18. Dezember 1936 ... Bischof Ammundsen ist vor kurzem gestorben. Das ist für die Bek. Kirche ein großer Verlust. Br. Bonhoeffer hat zu Beginn der Andacht, als wir das erfuhren, seiner gedacht, besonders seines Eintretens für die B. K. in Fanö, Er war einer der wenigen, die in der Ökumene ganz den Kampf der Kirche Christi sahen, wie er ist, und der umsichtlich und sichtlich für uns eintrat. Zum letzten
Mal sahen ihn Br. Bonhoeffer und ich ja in Chamby, Die Brüder des 2. Kurses werden sich noch des Wortes Bischof Ammundsens in Kopenhagen erinnern: „Es gibt immer aus jeder Not und in jedem Kampf einen Weg, den Gott allein weiß. Und diesen Weg läßt Gott
uns dann wissen, wenn wir demütig genug sind.“ ... Von Br. Koch wissen wir, daß er immer noch in Berlin ist. Zum Gerichts-
verfahren wird es kaum kommen. Er darf Post empfangen...
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Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
. Jahresbericht 1936
Markus 7, 37: „Er hat alles wohlgemacht.“ Finkenwalde, den 21. Dezember 1936 Liebe Brüder und Freunde! „Er hat alles wohlgemacht.“ So wollen wir am Ende dieses Jahres sprechen über jede Woche, über jede Stunde, die vergangen ist. Solange wollen wir mit diesem Wort ins Gebet gehen, bis keine Stunde mehr ist, von der wir nicht sagen wollten, „Er hat alles wohlgemacht“. Gerade die Tage, die uns schwer waren, die uns gequält und geängstigt haben, Tage, die in uns eine Spur von Bitterkeit zurückgelassen haben, wollen wir heute nicht hinter uns lassen, bevor wir nicht auch von ihnen dankbar und demütig bekennen: „Er hat alles wohlgemacht.“ Nicht vergessen sollen wir, sondern überwinden. Das geschieht
durch Dankbarkeit. Nicht die ungelösten Rätsel der Vergangenheit lösen und in quälende Grübelei fallen sollen wir, sondern auch das Unbegreifliche stehen lassen und friedlich in Gottes Hand zurückgeben. Das geschieht durch Demut. „Er hat alles wohlgemacht.“ Aber noch bleibt der furchtbarste Stachel zurück: ‚Meine Schuld, meine Schuld! Meine Versäumnisse im Amt, meine Untreue im Dienst an der Gemeinde, meine Undankbarkeit, mein Zorn, meine Trägheit zum Gebet, mein ganzes wider-
spenstiges verzagtes unfrohes Herz — was wird daraus? Die böse Frucht meiner Sünde wirkt ja ohne Ende fort.Wie soll ich dem ein Ende setzen? Und doch bist du kein Christ, sondern verhärtest dich nur in deiner Sünde, wenn du nicht auch über deiner Schuld sprechen kannst, ER hat alles wohlgemacht! Es
heißt eben nicht, wir haben alles wohlgemacht.
Glaubst du
Jahresbericht
1936
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das? Das ist die letzte und erstaunlichste Erkenntnis des Christen, daß er zuletzt auch über seiner Sünde sagen darf: Er hat
alles wohlgemacht. Er hat mir auch durch die Sünde hindurchgeholfen, Ihn zu finden. Er hat schließlich alle meine Sünde zugedeckt. Jetzt erst wissen wir recht, was das heißt, Er hat alles wohlgemacht. Er hat uns geheilt. Er war allezeit da und am Werk. Jetzt erst können wir auch wahrhaftig für all das viele Gute danken, das wir empfangen haben, danken für die Herrlichkeit unseres Amtes, für unsere Arbeit, für das tägliche Wort, für die brüderliche Gemeinschaft, für allerlei persönliche Hilfe und Führung, für Bewahrung vor allerlei großem Übel und Gefahr Leibes und der Seele. Jetzt ist alles Vergangene umschlossen in der einen Freude, Er hat alles wohl gemacht. Gott der Herr hat unsere Bekennende Kirche im vergangenen Jahr großer Fragen, Aufgaben und Leiden gewürdigt. Seit dem Eingreifen der staatlichen Kirchenausschüsse in das Leben unserer Kirche sind schwere Erschütterungen durch die Bekennende Kirche gegangen. Für Euch, liebe Brüder in den
Gemeinden, hat es schwere Entscheidungen gegeben. Ihr habt den Kampf führen müssen und seid dabei durch viel Fragen, Zweifel und Anfechtungen gegangen. Unser Dienst hier im Hause konnte hauptsächlich darin bestehen, unsere Arbeit ru-
hig und selbstverständlich fortzuführen. Der Weg war uns klar gewiesen. Wir haben uns täglich in alter Weise am Morgen zum Gebet, zur Schriftlesung und zum Lobpreis unseres Gottes versammelt und dabei Ener gedacht. So stand auch am Tagesschluß die Andacht und die Fürbitte für all die Anliegen unserer
Kirche, für Eure Arbeit und Euren Kampf. Ihr wißt, daß wir uns auch in der täglichen Meditationszeit mit Euch allen zusammengeschlossen haben und für einander vor Gott einge-
treten sind. Es war uns eine große Freude, daß über den Kreis unserer Bruderschaft hinaus sich manche nahe und ferne Ge-
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Die ersten
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1935 — 1937
meindeglieder unserer Meditation angeschlossen haben, und
wir wollen auch ihrer treu gedenken. Auch wollen wir uns heute dazu ermahnen lassen, an der morgendlichen halben Stunde der täglichen Schriftbetrachtung und Fürbitte treu festzuhalten. Jeder von uns kennt die Nöte, den inneren Widerspruch, die Trägheit, die uns immer wieder aufhalten wollen, dem nachzujagen, was wir als heilsam erkannt haben. Noch ist uns Zeit und Ermahnung geschenkt. Weicht einer, so ist das eine sichtbare oder unsichtbare Schwächung für alle anderen in der Gemeinschaft des Gebets. Laßt uns Gottes Geschenk nicht verachten, Neben der Meditation muß aber auch das tägliche und reichliche Lesen der Schrift seinen Platz behalten. Es darf in der
Tat kein Tag unseres Lebens im Amt vergehen, an dem wir nicht die Schrift gelesen haben. Gerade die Auseinandersetzungen der letzten Monate haben wieder beschämend deutlich gezeigt, wie unmündig wir noch in der heiligen Schrift sind. Wie gern war man bereit, die Entscheidung für oder wider die Kirchenausschüsse von allerlei Vorkommanissen dieser oder jener Art abhängig zu machen, statt allein nach dem Schriftbeweis zu fragen und zu forschen. Ja, wie wenig hörte man oft hin, wenn von der Schrift zu uns geredet wurde und wie bereitwillig verschlang man alle Neuigkeiten. Das muß anders werden. Wir müssen es uns zur Regel machen, für jede Entscheidung, vor die wir gestellt werden, den Schriftbeweis zu suchen und nicht zu ruhen, ehe wir gefunden haben. Unsere Selbständigkeit im Umgang mit der Schrift muß von Jahr zu Jahr wachsen. Und noch etwas anderes. Wir wissen, daß einigen verhafteten Brüdern erst nach längerer Zeit Bibeln aus-
gehändigt worden sind. In solchen Wochen mag es sich bewähren, ob wir im Lesen der Schrift treu gewesen sind und über einen großen Schatz in der Schrifterkenntnis verfügen. Kollegs und Übungen stehen nach wie vor im Zeichen der biblischen Arbeit. Nachdem uns im Neuen Testament im ersten
Jahresbericht
1936
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Kurs die „Nachfolge Christi“ beschäftigt hat, folgten die Themata „Die sichtbare Kirche“ im zweiten Kurs, „Das nene Leben bei Paulus“ im dritten Kurs, „Konkrete Ethik bei Paulus“ im gegenwärtigen Semester. Von der Alttestamentlichen, homiletischen und katechetischen Arbeit zu erzählen, würde zu weit führen. Es ist vom ersten Kurs an viel theologisch gearbeitet worden. Ich glaube aber, daß mit dem gegenwärtigen Kurs hierin ein gewisser Höhepunkt erreicht ist. Während ich diesen Bericht schreibe, ist zweieinhalb Tage lang von morgens bis abends eine Disputation über die „Predigt des Gesetzes“ im Gange. Seit Wochen hat ein beauftragter Kreis von Brüdern! an der Vorbereitung dieser Disputation in allen Freistunden gearbeitet. Wir dürfen dankbar sein für die Klärung
und Förderung desWissens und der Erkenntnis in vielen wichtigen Stücken. Aber auch unsere Gemeinschaft findet durch diese gemeinsame Arbeit an einer Frage, die für unsere Kirche heute so bedeutungsvoll ist, festeren Zusammenschluß. Musiziert wird bei uns nach wie vor viel und mit großer
Freude. Der erste Kurs war mangels jeglicher Instrumente in Zingst vorwiegend sängerisch tätig. Der zweite verfügte über zwei Flügel und große Solisten. Der dritte und vierte singt und musiziert gemeinschaftlich.Wir haben am dritten Advent eine Hausmusik für die Gemeinde und Freunde des Hauses gehalten, die in der Kirche in Podejuch wiederholt wurde und bei der wir ein ganz respektables Orchester zusammenstellen konnten. Das war uns allen eine große Freude, wie ich mir
überhaupt unser Zusammenleben bier nicht ohne tägliches gemeinsames Musizieren denken kann.
Manche bösen Geister
sind gewiß dadurch schon vertrieben worden. Obwohl die Stille des häuslichen Lebens und Arbeitens der eigentliche Sinn der kurzen Seminarzeit sein muß, hat doch jeder Kurs auch einen Blick über die Mauern des Hau1. Unter Leitung von Gerhard Ebeling, jetzt Systematiker in Zürich.
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ses hinausgetan. Im Frühjahr dieses Jahres folgten wir einer Einladung nach Schweden. Für die meisten war diese Reise die erste Begegnung mit der Kirche Christi jenseits der deutschen Grenzen, mit der Ökumene. Der herzlichste Empfang wurde uns bereitet und zehnTage waren fast übervoll mit Sehen, Hören, Begegnungen. Die Gemeinschaft und Liebe, die wir dort fanden, hatte uns reich gemacht, als wir zurückkehrten. Die Dankbarkeit für diese Zeit wird in uns allen gleich
lebendig sein. Der Sommerkurs ging mit einem anderen Ziel für fast die gleiche Zeit aus dem Hause zu einer gemeinsamen
Volksmission in die Synode Belgard. In sechs Dörfern waren je vier Brüder einquartiert, die an vier Abenden der Woche und am Sonntag predigten. An den Abenden legten diese vier je zehn Minuten einen Text aus. Diese gemeinsame Verkündigung, die aus einer Gemeinschaft der Tagesarbeit in der Gemeinde und des Gebetes kommt, hat sich an allen beteiligten Brüdern bewährt und wir hoffen auch in der Gemeinde. Nach längeren Wochen der Stille ist es eine besondere Freude, das Evangelium wieder hinaustragen zu dürfen. So hat diese volksmissionarische Woche das ganze Semester stark bestimmt. Ein besonderes Geschenk dieser Woche war es, daß wir seitdem mit mehreren Gemeinden und Menschen in enge Beziehung getreten sind und daß wir immer wieder Beweise christlicher Liebe und Hilfsbereitschaft erfahren dürfen. Wir haben viel Grund zum Danken. Für dieses Wintersemester sind mehrere volksmissionarische Wochen erbeten, die die Brüder des Bruderhauses halten werden und zum Teil schon gehalten haben. Ende Januar hoffen wir wieder mit dem ganzen Seminar in einige hiesige Synoden zur Volksmission fahren zu können. Eine besondere Freude war es, als zu Beginn der beiden letzten Semester die älteren Brüder zu ihren jährlichen Frei-
zeiten wieder bei uns einzogen. Trotz mancher UnregelmäRigkeit und Unruhe, die dies für den Anfang des Semesters
Jahresbericht
1936
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mit sich bringt, ist es gut, daß sich so die älteren und jüngeren Brüder kennenlernen, und es schafft manche Erleichterung des Einlebens für den neuen Kursus. Es waren immer bewegte und fröhliche Tage des Wiedersehens. Die Seminarzeit ist so kurz und die Kluft zwischen dem Seminarleben und der Einsamkeit auf dem Dorf im Amt ist so groß, bringt so viele wichtige Fragen mit sich, daß dieses jährliche Zusammentreffen eine dringende Notwendigkeit und eine wirkliche Hilfe ist. Zwar gehen in der Zwischenzeit einzelne Briefe und Besuche hin und her. Die Berichte der Brüder aus ihrer Arbeit sind bereits zu einem ganz umfänglichen Bande angewachsen . und werden von Brüdern, die uns zuweilen besuchen, gründlich studiert. Auch durch den vom Haus ausgehenden monatlichen Rundbrief versuchen wir, durch die kurze Berichterstattung über das Haus, über das Ergehen der älteren Brüder, durch Mitteilung der Meditationstexte und durch Predigthilfen den Brüdern in den Gemeinden zu dienen. Doch gewinnt dies alles erst vollen Wert durch die jährlichen Freizeiten. Laßt uns an ihnen festhalten. Im Laufe dieses Jahres sind fast alle Brüder des ersten und zweiten Kurses ordiniert worden. Wir haben an diesen Tagen Euer besonders gedacht. Gott wolle Euch große Liebe zu Eurer Gemeinde schenken und die Kraft, ihr alle Zeit das unverkürzte Evangelium zu predigen. Wir wollen diesen Überblick nicht schließen, ohne der drei Brüder zu gedenken, die sich im Laufe dieses Jahres von unserem kirchlichen Wege getrennt und sich den Kirchenausschüssen zur Verfügung gestellt haben. Es war uns ein großer Schmerz. Unsere Worte haben hier nichts mehr vermocht.
Und wir befehlen sie in ihrem Leben und in ihrem Amt fürbittend der Gnade Gottes. Der Kreis der Gemeinden und Freunde, die unserem Haus regelmäßige Hilfe zuteil werden lassen, ist gewachsen. Wir erkennen hier die gnädige Führung Gottes, der uns dadurch
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Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
erst recht in die Erkenntnis unseres eigenen Versagens und ın die Dankbarkeit führt. Viele Gaben haben uns beschämt. Große Dienste sind uns geleistet worden. Sie rufen uns dazu auf, unsere Arbeit noch treuer zu tun als bisher. So ist der Bericht gegeben. Es ist vieles geschehen, und wir erkennen doch, daß wir nichts getan haben, das vor Gott wert wäre, genannt zu werden. Wir bekennen, daß wir in allen Stücken weit hinter dem zurückgeblieben sind, was hätte sein sollen. Wir sind unserem Amt und wir sind einander viel schuldig geblieben. So schließen wir uns aufs neue ein in Seine vergebende Liebe und bekennen dankbar: Nicht wir, aber ER hat alles wohl gemacht. Und im Blick aufs neue Jahr hören wir: „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, ER wirds wohlmachen.“ In brüderlicher und treuer Verbundenheit grüßt Euch Euer Dietrich Bonhoeffer
NY
In Zingst 1935
j
Notkirche der Bekenntnisgemeinde Finkenwalde (Entwurf Wilhelm Gross) Siehe Seite 455
im Predigerseminar 1935
Weihnachtsgruß
ins
Polizeipräsidium
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An Pastor Werner Koch, Polizeipräsidium, Bln-Alexander-
platz Weihnachten 1936 Mein lieber Bruder Koch, zu Weihnachten denken wir mit besonders herzlichen und treuen Wünschen zu Ihnen hin. Wir beten darum, daß Sie in aller Einsamkeit doch von der Freude etwas finden, die uns sucht. Ja, im Stillen denke ich, Sie finden vielleicht mehr davon, als wir es ahnen können. Alle Brüder denken mit mir täglich an Sie. Sie gehören in diesen Tagen noch mehr zu uns als zuvor. — Hier geht alles gut und seinen normalen Gang. Alle Brüder grüßen Sie, besonders auch unser Bruder Glocket, der einer der treuesten ist. Ich werde ihn demnächst wieder-
sehen und freue mich darauf. — Finden Sie Zeit und Ruhe zum Arbeiten? Ich hoffe sehr. — Lassen Sie sich doch Kittels Wörterbuch zum Neuen Testament schicken. Da hat man viel dran! Nach Neujahr bin ich wohl in Kieckow*. In treuer Verbundenheit Ihr Dietrich Bonhoeffer
1. Dr. G.K. A. Bell, Bischof von Chichester. Bonhoeffer bezieht sich auf die bevorstehende Reise im Februar zu ökum. Sitzungen in London, siehe G.S.1I
S. 271—275.
2. Bei H. J. von Kleist-Retzow
bzw. Frau Ruth von Kleist-Retzow.
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Aus dem siebzehnten bis dreiundzwanzigsten Rundbrief 3. März
... Ein... Ereignis war. . . Bonhoeffers
Geburtstag,
1937
gefeiert
am Kamin, Das Wünschen wurde umgedreht und der 4. Kurs hatte auf seinen Wunschzettel unter anderem... gesetzt: 1. Die Nachfolge möchte doch noch vor unserer Emeritierung erscheinen. 2. Eine Fahrt nach England; man verspreche, das Sprachhindernis... zu beseitigen, man wolle auf den Fluren nur noch englisch miteinander reden, ... Als ... Nachtrag zum Geburtstag ereignete sich folgendes: Telefonanruf „Wohnt dort ein Pastor Bonhoeffer? ... Hier ist die Güterabfertigung, für Herrn P. B. ist eben ein lebendes Schwein angekommen.“ Viele Tage lebten wir... ohne Krach mit unserer Jolanthe, bis sie die Schlachterlaubnis ereilte. In der Invokavitwoche war Bruder Bonhoeffer drüben in England zu ökumenischen Sitzungen und Besprechungen, grade in den Tagen, in denen wir einmal wieder auf Grund der kirchenpolitischen Großereignisse! für unser Haus einiges erwarteLens
Von Br. Koch müssen wir Euch... mitteilen, daß er nicht mehr in Berlin, sondern im „Umschulungslager“ Sachsenhausen ist. Es ist jetzt schwerer, an ihn heranzukommen ...2
1. 1. Februar 1937 Rücktritt des Reichskirchenausschusses; 15. Februar Hitler-Erlaß betr. Wahlausschreibung zu einer General-Synode. 2. 13. November 1936 in Wuppertal-Barmen verhaftet. Bis 13. Februar 1937 im Polizeipräsidium Berlin, Alexanderplatz, 13. Februar 1937 bis 2. Dezember 1938 im KZ Sachsenhausen.
Pfingstbrief
1937
515
[Zusatz zum neunzehnten Rundbrief]
[15. Mai 1937] Liebe Brüder! In diesen Pfingsttagen hören wir es wieder, daß das Zeugnis von Jesus Christus kein Ende nimmt bis zu dem Tag, an dem er wiederkommt. Sein Tag wird da sein, wenn das Zeugnis von ihm bis an das Ende der Erde gedrungen ist. Je kräftiger das Wort ausgeht, desto bälder kommt der Tag. Laßt uns anunserm Ort tun, was uns vergönnt ist, daß das Reich komme. Das Zeugnis, die martyria, und das Gebet, wenn es kräftig ist, wird die letzte Zeit schnell herbeibringen. Je tiefer unsere Kirche durch ihr Zeugnis in die Not hinein muß, desto schneller wird sie befreit werden. Wir aber sollen nicht Miet-
linge, nicht träge und widerwillige Knechte sein, wir sollen nicht wie Elia ermüdet den Schatten des Wacholder in der Wüste suchen und nicht verbittert wie Jona ausruhen wollen unter der Kürbisstaude von Ninive. „Ihr sollt meine Zeugen sein“ — das ist ein Versprechen des Herrn an uns. Er will uns in allen Dingen unseres Dienstes Fröhlichkeit und Einsatzbereitschaft ohne Menschenfurcht, ohne Todesfurcht, und ohne Ermüden schenken. So wollen wir es uns schenken lassen. Das tägliche reichliche Lesen der Schrift, das tägliche anhaltende Gebet um das rechte Zeugnis, um das Kommen des Reiches, für unsere Gemeinden und für unsere Brüder ist
der Weg dazu. Das wollen wir nicht verlernen. Und wer in Gefahr steht, es zu verlernen, der rufe sich alsbald einen Bru-
der zu Hilfe, und es wird ihm wiedergeschenkt werden. Wenn wir dann aufstehen von diesem täglichen Dienst und an die Arbeit in der Gemeinde gehen, dann sollen wir solche sein, die die Wiederkunft Jesu „erwarten und beschleunigen“ (2.
Petr. 3,12), ja, beschleunigen! Laßt uns so leben, beten und unsere Arbeit tun, das Zeugnis auszurichten, daß wir den Tag
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Die ersten fünf Kurse.
1935—1937
Jesu beschleunigen. Keiner weiß, wieviel Zeit uns noch gegeben ist. Gott mache uns durch den Heiligen Geist zu Kronzeugen.
„Wir aber. warten
eines neuen
Himmels
und einer
neuen Erde nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit
wohnt“ (2. Petr. 3,13). Den Brüdern des ersten Kurses sage ich herzlich Dank für die gemeinsamen Tage hier. Wir erbitten von Gott, daß die Kraft und Freudigkeit des Zeugnisses durch solche brüderliche Gemeinschaft gestärkt werde. Die Brüder des zweiten Kurses werden gewiß mit uns täglich unseres Bruders Werner Koch gedenken. Wir dürfen mit Gewißheit bitten, daß er in diesen Tagen nicht am Glauben irre werde, sondern ihn in seinem Glauben erst recht finde, und daß die Zeit seiner Gefangenschaft bald ein Ende nehme. Auf alle Brüder des dritten Kurses freuen wir uns hier schon sehr und hoffen, daß die Freizeit von Gott gesegnet werden möge. Nehmt diese Tage schon jetzt in euer Gebet, und alle Brüder wollen vom 31. 5. — 5. 6. der Freizeit gedenken. Den Brüdern des vierten Kurses habe ich für so viele gute Briefe sehr zu danken. Sie waren mir eine große Hilfe und Freude. Für Euch alle, eure Häuser, eure Familien, eure Gemeinden
erbitten wir die Gnade und die Freude des Heiligen Geistes. Euer getreuer Dietrich Bonhoeffer
24. Juni 1937 Liebe Brüder! In diesen Tagen der Heimsuchung unserer Bek. Kirche! denken wir öfter und mit stärkerem Gebet Euer aller, besonders derer, die sehr allein stehen und vielleicht selbst durch all diese Vorgänge angefochten sind. Wir wollen uns gerade jetzt unserer Gemeinschaft freuen und treu in täglicher Fürbitte miteinander bleiben. Nehmt Euch bitte alle die Namen der Brü-
Verhaftungswelle
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der, mit denen Ihr hier zusammen wart, vor in der Meditationszeit, damit keiner aus dem gemeinsamen Gebet der Brü-
der ausgeschlossen bleibe. Laßt uns dabei auch besonders derer gedenken, die sich von uns getrennt haben. Dazu lernen wir in diesen Zeiten wohl auch wieder die ersten Bitten des Vater-Unsers beten: Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. An ihnen lernen wir uns selbst und unser persönliches Ergehen vergessen und für gering achten. Wie sollen wir auch fest bleiben, solange wir uns selbst noch so wichtig sind? Auch sind wir selbst ja nirgends besser aufgehoben als bei der Sache unserer Kirche, um die es geht.
Am letzten Dienstag sind die Brüder Kühn, Lent und Matiwe in Berlin ordiniert worden. Das ist für uns alle eine große Freude. Es zeigt uns, daß unsere Kirche weiter Arbeiter in die Ernte schickt, gerade jetzt, da es am meisten nottut. Wir Ordinierten lassen uns dadurch aufs neue an unser Ordinationsversprechen erinnern und zu treuerer Erfüllung anhalten. Die der Ordination noch entgegengehen, werden nun erst recht gelockt durch die Größe des Amtes, das wir empfangen. „Das ist gewißlich wahr: wer ein Bischofsamt begehrt, der begehrt ein köstlich Werk“. Unser Herr Jesus Christus, der unsere Brüder neu in den Dienst seiner Kirche ge-
rufen hat, gebe ihnen allen Freudigkeit und Gewißheit für ihre Arbeit und zum Wollen das Vollbringen. Wie wir hören, kommt Bruder Lent sogleich in eine sehr schwierige Kampf-
gemeinde, der bereits in den letzten Wochen drei Brüder genommen sind?. Bruder Kühn kommt anstelle von Bruder Sey1. 9. Juni Verbot der Kollekten der Bekennenden
Kirche. Lehrverbot für
die Dozenten der Kirchl. Hochschule Berlin. 14. Juni Gestapo in APUKanzlei, Niesel, Referent f. d. Ausbildungsstätten
23. Juni Aufhebung
und
Verhaftung
von
bruderratssitzung in der Friedr.-Werderschen
möller verhaftet, Büro der VKL versiegelt). 2. Striche in der Grenzmark; sein Vertreter Pfr. Benkert,
der APU,
8 Mitgliedern
verhaftet.
der Reichs-
Kirche Berlin (1. Juli Nie-
15. Mai 1937 Pfr. Selke verhaftet, danach danach der nächste Vertreter Prädikant
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Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
del nach Tempelhof, Bruder Matiwe in eine Aufbaugemeinde in einen Vorort Berlins. Eine besondere Freude war uns allen die Freizeit des dritten Kurses!. Die Berichte der Brüder aus allen Gegenden unserer Kirche machten uns allen den Ernst, die Not und die Ver-
heißungen der Sache, an der wir stehen, sehr deutlich. Unser
Arbeitsplan war: Bibelarbeit. Fragen der Gemeindezucht. Aufbau der Liturgie. Die konfessionelle Frage anhand der
Beschlüsse von Halle?. (So sehr ich dem Ergebnis zustimme, so sehr bekümmert mich bier die theologische Begründung. Es ist hier m.E. einfach die reformierte These, daß es in der konfessionellen Auseinandersetzung beim Abendmahl nur um den modus praesentiae, aber nicht um das Das der Gegenwart gehe, übernommen worden, ohne das weiter zu begründen. Damit begibt man sich in Widerspruch zur FC, ohne ihr Anliegen überhaupt aufzunehmen. Das ist mir im Blick auf einen Synodalbeschluß eine große Anfechtung.) Unsere gemeinsame Abendmahlsfeier am Schluß der Freizeit stand unter dem Wort: „So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind“, aus dem Meditationstext der Woche. War es übrigens nicht wunderbar, daß unser Text gerade in der
Hopf. Das „Schwarze Korps“ brachte am 22. Juli (Folge 29, Seite 13) einen Artikel: „Die Bekenner von Striche“, welcher begann: „Wer im Ausland die Heeresberichte der sogenannten ‚Bekenntnisfront‘ in den jüdischen Hetzblättern liest, stellt sich unter dieser Front gewiß ein besonders glaubenseifriges ‚Kirchenvolk‘ vor, das gewissermaßen die Auslese der deutschen Protestanten darstellt, sozusagen geistige Nachfahren Luthers ... .“ und welcher endete: „... . Zahlen wir Kirchensteuern, damit Verbrecher und Huren einen organisatorischen Unterschlupf finden?“ Gründe für die Verhaftungswelle 1937 waren vornehmlich: Namentliche Bekanntgabe von Kirchenaustritten und namentliche Fürbitte für die Verhafteten im öffentlichen Gottesdienst, Kollekten nach
den
Empfehlungen
Sammlungsgesetz
der
Bruderräte,
welche
als Verstoß
gegen
das
deklariert wurden.
1. 31. Mai bis 4. Juni 1937.
2. 11.—13. Mai 1937 zweite Tagung der vierten Bek.-Synode der APU in Halle.
Verhaftungswelle
519
vergangenen Woche der Schluß von Römer 8 war? Inzwischen
sind von den Brüdern der Freizeit schon wieder einige Briefe gekommen, für die wir danken. Von den anderen Brüdern ist wenig Neues zu berichten. Ich hoffe, der nächste Rundbrief kann wieder ausführlicher sein. Bruder Bethge ist auf einer Volksmission, Bruder Lekszas in Ostpreußen. So fiel das Briefschreiben diesmal auf mich, was ich sehr gern, aber leider in diesen Tagen nicht mit der nötigen Muße tun kann. Die Volksmissionen des Bruderhauses gehen regelmäßig wei-
ter zu unserer großen Freude. In der nächsten Woche! wollen wir wieder mit dem Seminar hinaus. Ob es wirklich dazu kommt, weiß niemand. Der Brief muß fort. Laßt Euch grüßen im Geiste der Auslegung des Bergpredigttextes, die wir Euch beilegen?. Gott behüte Euch und segne Eure Arbeit wie Euer Gebet. Euer getrener Dietrich Bonhoeffer
29. Juli 1937 ... Br. Christ hat wieder ein mehrstündiges polizeiliches Verhör mit Haussuchung hinter sich. Er gebe „Ärgernis durch Abhalten von Bibelstunden in Privathäusern“ ... Br. Kanitz wird wohl wieder räumen müssen... Ihnen und allen anderen Brüdern im Kirchenkreis Dahme sind die Kollekten vom 18, 7. beschlagnahmt worden. Br. Seydel ist nun in Neuruppin, in der Gemeinde von Bruder Klapproth. Er hat uns Nachricht gegeben während der
Inhaftierung von Br. Klapprotb, der im Untersuchungsgefängnis
von Neuruppin war. Inzwischen ist er wieder freigelassen. Br. H of1. 4. bis 10. Juli Kreis Anklam. 2. Matth. 5, 5.
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Die ersten
fünf Kurse.
1935—1937
mann wurde von einer Jugendfreizeit fortgeholt und nach Kolberg ins Gefängnis gebracht. Grund: Worte einer früher gehaltenen Predigt. Auch Br. Hofmann befindet sich jetzt wieder in Freiheit... Br. Carras-Berlin befindet sich noch in Haft. Br. Koch im Konzentrationslager ...
26. August 1937 Liebe Brüder! Das erste Wort gelte unseren Brüdern im Gefängnis. Nach Br. Danicke und Br. Schrader ist nun auch Br. Mickley und zum zweiten Mal Br. Giese verhaftet worden. Br. Mickley befindet sich im Gefängnis Potsdam, Lindenstraße 54, Br. Schrader und Br. Danicke desgleichen; Br, Giese unbekannt. Sprechstunde ist Mon-
tag und Mittwoch von 13—15 Uhr je zehn Minuten, einige Brüder sind bereits bei ihnen gewesen. An dem bekannten Dahlemer Sonntag war auch Br. Grosch inhaftiert worden. Aus den Zeilen dieser Brüder klingt hindurch „Es ist gewiß nicht alles leicht zu tragen“, aber .... „Schweige, beuge Dich ein wenig, unser König wird behende machen, daß die Angst sich wende“. Dazu noch ein Wort aus einem anderen Briefe: „Ihr sollt wissen, daß wir uns hier ganz geborgen wissen. Man begreift manchmal selber nicht, woher die Geduld kommt. Bleibt Ihr nur treu in der Fürbitte, so wollen wir uns im Kampf nicht fürchten, Ex 17. 11!“... Horst Lekszas
1. 8. August 1937 Fürbittegottesdienst für Niemöller in der JesusChristus-Kirche in Dahlem polizeilich verboten. Es kam zu Demonstrationen in den anliegenden Straßen, dabei etwa 250 Gottesdienst-
besucher vorübergehend verhaftet.
Auflösungsmitteilung
nach
London
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[An die St.-Georgs-Kirche in London zum 175jähr. Jubiläum am 24. Oktober 1937:] „Lieber Bruder Rieger, lieber Franz!! Bis zuletzt war ein ganz kleiner Funke von Hoffnung, die Reise doch noch möglich zu machen. Nun sind aber unsere
Verhältnisse noch garnicht geklärt?. Es ist viel zu besprechen, zu reisen und — zu warten. Das ist das Unangenehmste. Entweder wir bleiben in Stettin selbst in anderer Form oder aber wir gehen ganz aus Pommern weg, was mir nicht unlieb wäre wegen des schlechten Bruderrates. — Sehr gern wäre ich gekommen. Nun haben Sie aber einen würdigeren Vertreter. Hoffentlich wird alles sehr schön. Ich gedenke der Georgsgemeinde, ihres Pastors und aller derer, die an diesem Tage auch aus meinen ehemaligen Gemeinden zusammen sind mit trenen Wünschen. (Jesus Sirach 4,333 war mir bisher verborgen geblieben und geht mir in diesen Tagen nach.) — Dir, Franz, bin ich längst mehrere Briefe schuldig. Es war noch zu unruhig. Hoffentlich bald. Schreibe doch mal was über Deine Pläne. Mit brüderlichen Grüßen Euer Dietrich Bonhoeffer
1. Fr. Hildebrandt. 2. 30. September 1937 Bekanntgabe des Himmler-Erlasses vom 29. 8. 37 in der Presse: „Auf Grund des $ 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 werden die von den Organen der sogen. Bek. Kirche errichteten Ersatzhochschulen, Arbeitsgemeinschaften und die Lehr-, Studenten- und Prüfungsämter aufgelöst und sämtliche von ihnen veranstalteten theologischen Kurse und Freizeiten verboten.“ Danach Auflösung Finkenwaldes durch Gestapo. Einspruchsversuche u. a. durch Generalfeldmarschall von Mackensen. F: „Bruderhaus“ kam damit zu seinem Ende. Siehe auch Seite 523 f. „Verteidige die Wahrheit bis in den Tod, so wird Gott der Herr für dich streiten.“
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Die ersten
fünf Kurse.
1935 —1937
Berlin-Charlottbg., 31. Oktober 1937 Liebe Frau Beckmann, lieber Herr Beckmann, Ihnen als den Eltern unsers lieben Bruders! möchte ich am heutigen Reformationstag einen Gruß senden. Wir denken gemeinsam zu Gottfried hin, und es wird uns oft schwer, Gottes Wege mit Seiner Kirche zu begreifen. Aber wir dürfen zum Frieden kommen in der Gewißheit, daß Ihr Sohn um des Herrn willen leidet und daß die Kirche Jesu im Gebet für ihn eintritt. Es ist eine große Würde, die der Herr seinen Dienern gibt, wenn er sie in Leiden stellt. Gottfried weiß, worum es geht, er weiß auch, an wen er sich in Stunden der Not zu halten hat. Er wird aus dieser Zeit für sein Amt großen Gewinn ziehen. Sein Gebet aber wird sein, daß auch Sie alles in Gottes Hand legen und dankbar werden für alles, was Gott an Ihnen und an Seiner Kirche tut. —
In der Verbundenheit des Glaubens grüßt Sie Ihr ergebener Dietrich Bonhoeffer?
1. G. Beckmann mit vielen anderen Pfarrern im Magdeburger Polizei-
präsidium
inhaftiert.
2. Siehe auch Brief an K. F. Bonhoeffer vom 29. Nov. 1937 Seite 295!
II. DIE UND
SAMMELVIKARIATE
IN KOSLIN
IM
SCHLAWE
KIRCHENKREIS 1937—1940
Briefe zum neuen Anfang 3. November 1937 Liebe Brüder! Noch können wir Euch leider nichts Gewisses über unsere Zukunft sagen. Aber in den nächsten Tagen werden die Entscheidungen fallen müssen!. Inzwischen soll doch unsere Gemeinschaft des Gebetes und des Schriftlesens nicht abbrechen. Wir denken Euer aller, besonders der Gefangenen, täglich.
Denkt auch Ihr des neuen Arbeitsanfanges bei uns. Für alle Fälle wollen wir die Meditationstexte schon bis Jannar festlegen. Ein Brief folgt hoffentlich bald wieder. Wir grüßen Euch heute mit der Losung Mk 6, 56. Euer Dietrich Bonhoeffer
1. Die Arbeit des Seminars wurde seit Anfang Dezember 1937 in der Form von 2 Sammelvikariaten weitergeführt. 8—10 Vikare wurden in den Kirchenkreis Schlawe eingewiesen und wohnten unter Leitung von P. E. Bethge in einem alten Pfarrhaus zusammen, waren aber nominell einzelnen Pfarrern zugewiesen. Eine zweite Gruppe entsprechend in den Kirchenkreis Köslin unter P. F. Onnasch.
D. Bonhoeffer wurde nominell zum Hilfsprediger von Sup. Block in Schlawe gemacht und dort polizeilich angemeldet;
er verbrachte je eine
halbe Woche unterrichtend in Köslin und in Groß-Schlönwitz bei Schlawe (bzw. ab 1939 Sigurdshof-Großtychow bei Schlawe). Nach dem Versiegen der Kandidaten durch Einziehungen kam auch diese
getarnte Ausbildung im März 1940 zu Ende. Wenige Tage nach Semesterschluß März 1940 erschien wiederum die Gestapo, um aufzulösen.
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Sammelvikariate
Köslin
und
Schlawe.
1937—1940
20. Dezember 1937 Liebe Brüder! In diesen Tagen gehen meine Gedanken in besonderer Weise
zu Euch allen. Wenigstens ein Weihnachtsbrief soll das Zeichen unserer Gemeinschaft sein. Er wird Euch mitten in der ganzen Fülle und Freude Eurer Arbeit antreffen. Die meisten von Euch stehen in der Gemeindearbeit, und es ist mir eine große Freude, daß Briefe aus den verschiedenen Gebieten unserer Kirche, in denen Ihr arbeitet, weiterhin zu uns gedrungen sind. Andere stehen in der letzten Zeit ruhiger wissenschaftlicher Arbeit, die sie gewiß bis zum letzten auskosten. Vier Brüder sind im Gefängnis. Wir denken Ihrer täglich. Die Jahresbilanz ist diesmal ziemlich klar und eindeutig. 27
aus Eurem Kreise haben im Gefängnis gesessen, bei manchen waren es mehrere Monate, einige sitzen bis zur Stunde haben den ganzen Advent im Gefängnis zugebracht. Von übrigen wird nicht ein einziger sein, der nicht von dem mer ungeduldiger werdenden Angriff der antichristlichen
und den imGe-
walten etwas in seiner Arbeit und in seinem persönlichen Leben erfahren hätte. Nun ist uns ja auch die Stätte, in der wir zu ruhiger Arbeit und zu brüderlicher Hilfe und Stärkung zusammenkommen durften, genommen worden. Damit
ist die Bewahrung unserer Gemeinschaft erschwert worden und mancher Dienst kann nicht mehr getan werden. Wir sol-
len wohl daraus lernen, unsere Gemeinschaft noch stärker auf das gemeinsame Hören aufs Wort und auf das Gebet zu begründen. Es ist eine Probezeit für uns alle. Grade jetzt wird die Aufgabe groß, daß die Einsamen unter uns nicht
allein bleiben. Die Verantwortung dafür fällt mehr denn je auf jeden von Euch. Bitte achtet sie nicht gering. In großer Dankbarkeit für alles, was Gott in zweieinhalb Jahren Seminararbeit uns geschenkt hat, haben wir von Finkenwalde Ab-
schied genommen, bereit, die neuen Aufgaben, die uns gestellt sind, zu erfüllen. Was wir gelernt haben, bleibt uns, was un-
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neuen
Anfang
525
tauglich war, fällt hin. Und schon heute dürfen wir sagen, daß auch die neuen Wege, die wir geführt werden, uns Grund zu großer Dankbarkeit geben. Bittet darum, daß der Dienst an unseren jungen Brüdern recht getan werde, helft selbst mit, wo Ihr könnt. Gern hätte ich jedem von Euch zu Weihnachten ein Exemplar meines Buches! geschenkt. Ich habe es beim Erscheinen Euch allen oft im Geist zugeeignet. Daß ich es nicht auf dem Titelblatt tat, hatte seinen Grund darin, daß ich Euch nicht für meine Gedanken und meine Theologie in Anspruch nehmen wollte —. Unsere Gemeinschaft ist durch etwas anderes begründet. Der Gedanke, das Buch jedem auf den Weihnachts-
tisch zu legen, mußte leider an den Finanzen scheitern. Außerdem wißt Ihr ja, was drin steht. Was wir uns nun zum Weihnachtsfest selbst und zum Jahresschluß sagen wollen, möchte ich für uns alle kurz zu sagen versuchen im Anschluß an die Losungen der letzten Jahres-
woche: Heilig Abend: Ps 41, 5 „Herr, sei mir gnädig, heile meine
Seele; denn ich habe an dir gesündigt.“ Das ist ein Beichttext. Die Krippe des ins Fleisch gekommenen Sohnes Gottes ist der rechte Ort für unsere Beichte. Der unser Fleisch und Blut trug, kennt unser Herz. Wir sind alle verwundet und zerrissen von unserer vielfachen Sünde. Wo anders sollen wir die Gnade suchen für alle Untreue, allen Kleinglauben, alles Versagen als in der Niedrigkeit Gottes
inder Krippe? Wo anders wollten wir Heilung für unsere Seele, für unser Leben suchen als bei dem, der uns zum Heil erschie-
nen ist? Möchte doch keiner in die Weihnachtstage gehen ohne trotz aller Arbeit und Unruhe die Zeit gesucht zu haben, unserm Herrn Jesus die Beichte abzulegen. So wird er uns seiner 1. Nachfolge.
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Sammelvikariate
Köslin
und
Schlawe.
1937—1940
Niedrigkeit und seiner Unschuld zugleich teilhaftig machen. Wer allein ist und die Gnade der brüderlichen Gemeinschaft und Stärkung entbehren muß, dem wolle Gott um so herrlicher die wahrhaftige Bruderschaft offenbaren. Wo wir auch seien, wir sprechen in einem Geist, wie wir es oft am selben
Abendmahlstisch getan haben: Heile meine Seele; denn ich habe an Dir gesündigt. So werden wir am Heiligen Abend aufs neue für die große Gnade Gottes, unseres Heilandes, dankbar werden. 1. Christtag: Mal 3, 1 „Siehe, ich will meinen Engel senden, der vor mir her den Weg bereiten soll und bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den Ihr sucht; Und der Engel des Bundes, des Ihr begehret“. Daß uns heute dieser Advents-
text begegnet, lehrt uns, daß auch die Erfüllung aller Verheißung und aller rechten Erwartung erst ihren Anfang genommen hat. Auch die Erfüllungszeit ist eine lange Wartezeit. Gott sei Dank dafür — sagen wir im Blick auf unsere Sünde. Möchte das Warten bald ein Ende nehmen und die Zeit verkürzt werden — bitten wir im Blick auf das Kreuz, das auf
der Christenheit in aller Welt liegt. Möchte das Werk des Boten bald getan sein, der kommt, um uns bereit zu machen, vor Christus zu stehen. Möchte Christus kommen zu seinem
Tempel, zu seiner Kirche in der Stunde, da sie bereit ist und auf ihn wartet wie die geschmückte Braut auf den Bräutigam.
Das göttliche „bald“ wolle sich zur Stunde der Barmbherzigkeit erfüllen. 2. Christtag: Ps 104, 13 u. 14 „Du feuchtest die Berge von oben her; du machst das Land voll Früchte, die du schaffest; du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen.“ Der uns den Heiland geschenkt hat, will auch für unser leibliches Leben sorgen, solange wir auf dieser Erde sind. Es ist ja seine Erde. Seinen Zwecken muß sie dienen.
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Der Vater wird seinen lieben Kindern in Christo geben, was sie bedürfen. Wer seinen Glauben auf Christus gesetzt hat, der darf nicht sorgen für den kommenden Tag. Mitten im kalten Winter sollen wir Gottes Erde schon voller Früchte, Gras und Saat sehen. Sollte uns das zu schwer sein, die wir in der tie-
fen Nacht das ewige Licht herein gehen sahen; die wir von dem Blümlein wissen, das mitten in der Winternacht entsproß? „Es ist ein Ros entsprungen“. Durch Gottes Macht und Liebe ist der himmlische Frühling schon angebrochen — „Mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht“. 27.12.1937: Hes 16, 6 „Ich ging vor Dir vorüber und sah
dich in deinem Blute liegen und sprach zu dir, da du so in deinem Blute lagst: Du sollst leben!“ Haben wir die Größe des Wunders, das an uns geschah, auch recht verstanden? Es geschah Totenanferweckung. Wir lagen in unsermBlute,getroffen und niedergestreckt von unserer eignen Sünde. Wir konnten uns nicht wieder erheben. Da erbarmte sich Gott und sprach das Machtwort seiner Liebe: Du sollst leben! Da standen wir auf, von Gottes Gnade gehalten und gestärkt. Du sollst leben! — Gott hat ein neues Leben in uns angefangen, er befiehlt uns nun, daß wir dieses Leben auch wirklich leben, das Leben aus Seiner Gnade und Hilfe. Laßt uns diesem Befehl Gottes nicht ungehorsam sein. Gott will nicht tote Christen, sondern Christen, die ihrem Herrn leben. Hörenwir dieses Wort nicht, so ist Weihnachten an uns vorüberge-
gangen. 28.12.1937: Sach 2, 12 „So spricht der Herr: Wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an“. Wie die unschuldigen Kinder zu Bethlehem, deren die Kirche hente gedenkt, die ersten waren, die um Jesu willen ihr Leben lassen mußten,
so hat zu allen Zeiten die Gemeinde Jesu um ihres Herrn willen Verfolgung und Tod gelitten. Aber derselbe Herr, um
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Sammelvikariate
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dessentwillen wir Schande, Haß und Gefängnis erleiden, hat verheißen uns zu behüten wie seinen Augapfel. Nicht wir schützen ihn mit unserem Opfer, sondern er schützt uns. Er tritt für uns ein — das ist die Weihnachtsbotschaft. Wer uns antastet um Christi willen, mit dem wird unser Herr selbst handeln. Nichts kann uns widerfahren, wenn wir um Christi willen Unrecht leiden. So wollen wir die, die uns Unrecht tun, seiner Hand allein — seiner richtenden und seiner barmbherzigen Hand — überlassen. Das lehrt der Mord der Kinder von Bethlehem, daß Christus nicht in der Hand seiner Feinde, sondern daß der Feind in der Hand Gottes ist. 29.12.37: Ps 25, 10 „Die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit denen, die seinen Bund und seine Zeugnisse halten.“ Könnt Ihr, die Ihr in diesem Jahre Hartes erfahren habt, heute aus ganzem Herzen sprechen, die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit? Wißt Ihr, daß Gott Euch gut war, als er Euch Not und Gefangenschaft schickte? Hat Gott sich Euch als der Wahre und Treue zu erkennen gegeben, als
er Euch soviel nahm? Es kann keiner zu Gottes Wegen Ja sagen, der zu seinen Verheißungen und Geboten Nein sagt. Die
Einigung mit dem Willen Gottes geschieht in der täglichen Unterwerfung unter sein Wort. Es mag uns etwas als ein geringer Ungehorsam erscheinen, und doch nimmt er uns den Dank und den Lobpreis für Gottes Wege aus dem Herzen. Unter dem Joch Christi zu gehen, ist schmerzhaft und schwer, wenn ‚wir es widerwillig tun, es ist leicht und sanft, wenn Gott uns zu Weihnachten das Herz dafür bezwungen und abgewonnen hat. 30. 12.37: Ps 20, 6 „Wir rühmen, daß du uns hilfst, und im Namen unseres Gottes werfen wir Panier auf.“ Es sind uns
in der vergangenen Notzeit der Kirche manche Angebote ‚menschlicher Hilfe gemacht worden.
Sie haben uns,
grade
Sammelvikariat Groß-Schlönwitz 1938 Obere Reihe von links: Gerhard Schulze (gefallen), Rudolf Lynker (gefallen), E. Bethge, D. Bonhoeffer, Ulrich Nithack (gefallen), Adolf Buchmann. Unten: Walter Schultz, Erwin Sander (gefallen)
Forsthaus Sigurdshof 1939
Erinnerungstafel
in der Kirche von
Flossenbürg
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neuen
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wenn sie gut gemeint waren, nur in Versuchung gebracht. Wie soll denn auch der beste menschliche Wille der Kirche im Kampf mit dem Teufel helfen? Wir haben Weihnachten gefeiert. Jesus ist geboren. Er ist unser Helfer. Er allein. Hier ist Gottes Hilfe für Menschen in Versuchung und Not. Ist uns diese Hilfe nicht genug? Wollen wir ungeduldig werden? Laßt uns allen Versuchungen mit dem freudigen Bekenntnis begegnen: Wir rühmen, daß Du uns hilfst. Wir entfalten unsere Fahne zum Kampf. Auf ihr steht: Jesus, der Helfer. 31.12.37 Silvester: Ps 71, 18 „Verlaß mich nicht, Gott, im Alter, wenn ich grau werde, bisich deinen Arm verkündige Kindeskindern und deine Kraft allen, die noch kommen sollen.“ Mit Verwunderung stehen wir am Ende des Jahres. Seit langem haben wir uns daran gewöhnt, nicht mit langen Zeitabschnitten zu rechnen. Wir können und sollen es auch nicht. Gehorsam zu lernen an jedem neuen Tag ist uns genug. Aber die Zeit schreitet voran, und unser Text spricht heute zu uns
vom Altwerden. Es ist also trotz allem gut, auch dies einmal ins Auge zu fassen, daß vielleicht noch eine lange Lebenszeit vor uns liegt, daß der jüngste Tag vielleicht nicht morgen oder übermorgen kommt. „Noch sollman Häuser, Äcker und Weinberge kaufen in diesem Lande“ (Jer 32, 15). Vielleicht werden wir also über dieser Kampfzeit der Kirche noch grau werden
und neue Geschlechter werden nene Lasten auf ihren Schultern tragen, darum bitten wir Gott, vor dem tausend Jahre sind wie ein Tag, um die Gnade, er wolle uns durch die Jahre hindurch Verkündiger seiner Kraft bleiben lassen. Jahre und Geschlechter vergehen, aber Gottes Wort vergeht nicht. Wir sind doch nur ein Glied in der Kette. Doch die bange und freudige Frage bleibt, welches Geschlecht wird den letzten
Tag erleben? Amen, ja komme bald, Herr Jesu!
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Sammelvikariate
Köslin
und
Schlawe.
1937 —1940
Eberhards Anschrift ist Groß-Schlönwitz über Schlawe/Ostpommern. Laßt bei irgendwelchen Veränderungen bitte auch Eure Anschriften wissen. Albrecht Schönherr ist in Brüssow beim Generalfeldmarschall von Mackensen als Pastor. Wir sehen jetzt öfter Bruder Maechler. Halten die Berliner Brüder das monatliche Treffen noch aufrecht? Gott segne Eure Arbeit in den Gemeinden und mit Freunde. Euch und Eure Häuser grüßen Brüder, Fritz! aus dem Gefängnis, Eberhard beit und Euer getreuer Dietrich
erfülle Euch herzlich alle aus der ArBonhoeffer?
[Poststempel: Stolp (Pommern)] 21. Dez. 37 ‚Liebe Mama! ... Fritz Onnasch ist gestern frei geworden. Das ist eine ganz
große Freude. Weihnachten wäre sonst doch schwer geworden... Es geht uns hier ausgezeichnet. Von Iwand® hören wir leider anderes. Bis zum Neuen Jahr wird das gute Wetter sicher anhalten ..
1. Fritz Onnasch. 2. Von jetzt an mußte jeder Rundbrief handschriftlich gezeichnet sein, da seit 30. Juni 1937 der Propagandaminister Goebbels alle Rundschreiben und Vervielfältigungen als unter das Schriftleitergesetz fallend deklariert hatte. Von jetzt an gab es keinen „Brief aus Finkenwalde“ mehr, sondern nur persönliche Briefe D. Bonhoeffers. 3. Mitte Dezember 1937 wurden Sup. Heuner-Dortmund, der das aus Ostpreußen ausgewiesene Predigerseminar aufgenommen hatte, Iwand und die ostpreußischen Vikare verhaftet; entlassen am 24. Dezember 1937.
Rundbriefe
des Jahres
1938
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Die Rundbriefe des Jahres 1938 14. März
1938
Liebe Brüder! Seit 2 Wochen seid Ihr nun schon ohne Meditationstexte. Das tut mir besonders leid, und ich bitte Euch um Entschuldigung. Die beiliegende Predigt ist längst fertig, aber zu dem Brief an Euch konnte ich nicht kommen. Ich war viel unterwegs, und ich hätte Euch gern etwas in Ruhe geschrieben. Zuerst möchte ich all den Brüdern danken, die so freundlich an meinen Geburtstag gedacht haben. Es war eine große Zahl von Briefen, von denen jeder einzelne eine große Freude gemacht hat. Dieses Zeichen Eures treuen Gedenkens und Gebetes hat mich sehr ermutigt und gestärkt für die Arbeit. Habt vielen Dank dafür. — Es haben sich in letzter Zeit die Anfragen gemehrt nach den Zusammenkünften der einzelnen Kurse. Es ist uns allen schmerzlich, daß auch hier so große Hindernisse eingetreten sind. Aber irgendwie müssen wir damit fertig werden. Ich habe daran gedacht, im Sommer auf einem Gut zu einer gemeinsamen Zusammenkunft aller ehemaligen Jahrgänge einzuladen und je nach der Zahl der vorliegenden Anmeldungen dies. dann nochmal zu wiederholen. Daß wir jede Gruppe nach der Reihe für sich einladen können, wird nicht möglich sein; aber wir müssen uns auch mit der anderen Lösung begnügen, denke ich. Genaueres werde ich wohl erst im Mai schreiben können. Es wäre schon schön,
wenn man sich einmal wieder sehen und sprechen könnte! — Damit in der langen Zwischenzeit nicht soviel zerfällt, sollten wir uns wohl Mühe geben, mit den ehemaligen Brüdern so oft es geht zusammenzutreffen. Wir sind da oft träge und vergessen dabei, daß es nicht nur für uns, sondern auch für
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Sammelvikariate
Köslin
und
Schlawe.
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den anderen eine Hilfe sein könnte, wenn wir ihn einmal besuchen könnten. Wir wollen doch versuchen, das irgendwie zu ermöglichen. — Daß dann ein solches Zusammensein nicht nur
ein gegenseitiges Erzählen sein soll, sondern mehr als das, ist wohl selbstverständlich. Wir brauchen es, daß man uns gelegentlich danach fragt, wie es jetzt eigentlich mit unserem Schriftlesen, mit unserer Meditationszeit, mit unserem Gebet und mit unserer Predigtarbeit steht. Wir wollen hier nicht wieder in falsche Rücksichten verfallen, wir haben es einmal besser gewußt! Helft einander auch in der Fürbitte. Denkt dabei auch weiter an uns. Wir brauchen heute diese Hilfe alle. Dazu schickt uns Gott doch wohl all die Schwierigkeiten des äußeren Zusammenkommens, damit das geistliche Leben darunter stärker und lebendiger werde. Ich weiß nicht, ob wir dies immer bedenken; darüber wird aber die Not einzelner Brüder fast untragbar schwer. Wir sehen alle noch zuviel auf das, was Fleisch ist und zu wenig auf das, was Geist ist. Die Schwierigkeiten sehen und den Blick von ihnen bannen lassen, das können wir alle. Aber auf die Hilfe weisen, die der Geist Gottes uns täglich und stündlich anbietet, das müssen wir mehr und mehr lernen. Diese Hilfe werden wir aber erst erfahren, wenn wir den Schritt der Verheißung und des Gehorsams tun, wie die Wellen des Roten Meeres sich erst teilten, als Israel seinen Fuß ins Wasser setzte. So soll alles auf dem Glauben und dem Gehorsam stehen. — Nun noch eines: Ich habe gedacht, es könnte dem einen oder anderen von Euch eine Hilfe sein, gelegentlich einmal eine gehaltene Predigt hierher zu schicken. Besonders wer ganz allein ist, tut das vielleicht ganz gern. Es ist auch eine ganz gute Zucht, das wenigstens
alle Jahre einmal zu tun. Ich will die Predigten dann gern lesen und so gut ich kann mit einer Besprechung versehen zu-
rückschicken. Das ist vielleicht auch eine Hilfe, die wir einander leisten können. Wir denken viel an Euch alle und wüßten oft gern mehr von
Rundbriefe
des Jahres
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Euch. Fritz und Eb.! haben viel zu tun und haben viel Freude an ihrer Arbeit. Es ist manches anders und schwieriger, manches auch schöner. Bald sind wieder Ferien. Gott helfe uns
alle Zeit. Er mache uns treu in unserem Amt. Es grüßt Euch
Euer getreuer Dietrich Bonhoeffer
Rowe bei Stolp, 29. Juni 1938 ‚Liebe Eltern! Die Tage in Zingst, wo ich mit allen ehemaligen Finkenwalder Brüdern zusammen war, waren ungestört schön. Nun machen wir ein paar Tage Ferien hier, ehe die Arbeit weitergeht. Ich höre, daß in der nächsten Zeit keine Veränderung in unserer Arbeit zu erwarten ist. Ob das mit Onkel Rudi? zusammenhängt? — ..
(Persönlicher Brief)? Liebe Brüder! 18. Juli 1938 Die gemeinsamen Ferientage* leben noch in uns weiter. Es war eine so reiche Zeit, wie ich sie nur ganz selten erlebt habe. Wenn in den beiden Johannesbriefen, die wir zuletzt meditierten, Johannes nicht nur „durch Tinte und Feder“ mit sei-
nen Brüdern umgehen möchte, sondern Verlangen hat „von Mund zu Mund“ mit ihnen zu reden, „damit unsere Freude 1. F. Onnasch in Köslin, E. Bethge in Groß-Schlönwitz fungierten als Studieninspektoren der beiden Sammelvikariate. 2. Kriegsvorbereitungen (Tschechenkrise!). 3, Außer der handschriftlichen Unterschrift half man sich bei vervielfältigten Rundbriefen gegen das Rundbriefverbot (siehe Anm. 2 Seite 530) eine Zeitlang durch diesen Vermerk. 4. 20.—25. Juni Freizeit aller Finkenwalder auf dem Zingsthof, Bericht siehe
unten.
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Sammelvikariate
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vollkommen werde“ (2. Joh 12), so verstehen wir das gewiß nach diesen gemeinsamen Tagen besser denn je. Das mündliche Wort ist es, das uns mehr trifft, mehr in die Verantwortung zieht, mehr stärkt als alles andere. In den Gesprä-
chen, die vom Morgen bis zum späten Abend nicht abbrachen, war der Herr Jesus Christus mitten unter uns und hat uns aufs Neue fest zusammengeschlossen. Wir durften einander hören, wir durften in Entscheidungen der Brüder mitdenken und mittragen helfen und wir haben einander wieder den allein hilfreichen Ruf Jesu zum Glauben und zum Gehorchen nen sagen dürfen. So wissen wir auch wieder etwas davon, wie unsere Freude erfüllt wird durch solche brüderliche Begegnungen. Es ist wohl auch vielen erst wieder in diesen Tagen aufgegangen, wie arm wir geworden waren, wie oft unser Gebet für einander leer und gedankenlos geworden war in der Zeit, in der wir uns nicht sahen. Es ist eins der
vielen Geschenke dieser Tage, daß wir wieder in einer ganz anderen Wirklichkeit mit der Fürbitte füreinander das tun
können, und hoffentlich wird nun auch nach diesen Gesprächen „von Mund zu Mund“ das Gespräch durch „Tinte und Feder“ neu aufleben. Denen, die da waren, danke ich noch einmal von ganzem Herzen, daß sie kamen. Manche haben große Opfer an Zeit und Geld gebracht um der Brüder willen. Vom Rhein und vom östlichsten Ostpreußen zu kommen, war keine geringe Sache. Aber ich bin gewiß, daß jeder von Euch ebenso beschenkt nach Hause fuhr wie wir anderen. Denen, die nicht da waren, darf ich sagen: Ihr habt uns wirklich gefehlt. Viele haben uns treue brüderliche Grüße geschickt. Ihnen danken wir besonders. Sie haben so doch durch „Tinte und Feder“ in unse-
rer Gemeinschaft gestanden. Wir haben von ihnen gewußt, daß auch sie ein Opfer zu bringen hatten, indem sie nicht kamen. Nach manchem wurde gefragt, von dem wir leider
nicht viel wußten. Doch haben die vielen Kartengrüße, die
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des Jahres
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an die abwesenden Brüder gingen, gewiß allein ein Zeichen der bestehenden Gemeinschaft gegeben. 45 Brüder waren gekommen. Die Photographien, auf die wir noch warten, werden uns eine Erinnerung bewahren. Daß wir alles tun werden, um auch im nächsten Jahr wieder beisammen zu sein, ist gewiß. Daß es in diesem Jahr trotz allem möglich war, dafür sind wir dankbar. Ich grüße Euch alle in der Gemeinschaft der Fürbitte für Eure
Gesundheit an Leib, Seele und Geist (3. Joh 2), für Eure
Häuser, für Euer Amt und für Eure Gemeinden. Laßt Euch nicht verwirren durch das Vielerlei von Verhandlungen und Plänen, in denen wir wieder einmal stehen!. „Sehet Euch vor, daß wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern
vollen Lohn empfangen“ 2. Joh. 8. Euer getreuer Dietrich Bonhoeffer
[Anlage zum Brief vom 18. Juli 1938] Bericht eines Bruders Freizeit in Zingst
Die ältesten Brüder können sich wenigstens den äußeren Rahmen vorstellen, das Baden, die Spiele am Strand, die Rundgespräche hinter der Düne und alles, was uns eben sonst noch diesen Ort so vertraut gemacht hat?... Der Tag begann selbstverständlich mit der Andacht in gewohnter Form und der Medi-
tation nach dem Frühstück, an die sich gleich das Singen anschloß. Auch vor dem Abendbrot
wurde noch eine halbe Stunde gesun-
gen. Die Bibelarbeit hielt Br. Bonh. vormittags über den Begriff 1. Essener Verhandlungen und Eidfrage (Treueid auf Hitler). Siehe Seite 308—319. 2. Das Seminar hatte im April 1935 auf dem Zingsthof (Darss) begonnen, ehe es nach 2 Monaten Finkenwalde beziehen konnte.
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der Versuchung, Auslegung der sechsten Bitte. Es steht zu hoffen, daß diese Arbeit später einmal allen Brüdern zugänglich gemacht
wirdt... Nach dem Kaffee wurden gemeinsame Besprechungen abgehalten, eingeleitet durch kurze Erfahrungsberichte einzelner Brüder über Predigt, Seelsorge, Konfirmandenunterricht. Bei der Predigt ging es hauptsächlich um die Frage, eines zu sagen
und doch den Text ganz abzuschreiten, ferner um die Notwendigkeit der konkreten
Anrede
und um
die rechte Weise, parä-
netische Texte als Evangelium zu predigen. Im Seelsorgegespräch kam die Not wohl aller von uns zur Sprache, wie nämlich den Gemeindegliedern, die Christen sein wollen, aber aus Mißtrauen oder aus Furcht den Weg der BK nicht einsehen wollen, zu helfen ist; sowohl das Befreiende der frohen Botschaft soll ganz stark den vielen geknechteten Gewissen gesagt werden als auch das Gebot des „ersten Schrittes“, wobei zu bedenken ist, daß rote
Karte und Teilnahme am Fürbittegottesdienst schon „feste Speise“ ist, die nicht alle verdauen können, daß dagegen persönliche Verantwortung des Einzelnen für Haus und Gemeinde „die Milch“ ist, die solchen Menschen zuerst gereicht werden muß. ... An den
Abenden haben wir zunächst die Berichte der Brüder aus ihren Gemeinden entgegengenommen und dann die Lage unserer BK im allgemeinen und der jungen Brüder im besonderen besprochen.
Eine Freude war uns der Bericht eines sächsischen Bruders über die Arbeit in seiner Provinz. Dort sind in letzter Zeit mehrere Brüder solange in ihren Gemeinden gehalten worden unter ausdrücklicher Weisung, bis sie durch physische Gewalt hinausgedrängt wurden. Es sind dort auch die ersten Ansätze zu geregeltem volksmissionarischen Dienst der hierfür freien Brüder ge-
macht worden, zum beweglichen Amt der Wortverkündigung, Wir waren uns darüber klar, daß unter uns, auch wenn uns weithin der Weg ins Pfarramt versperrt ist, niemals das Gerede von Ar-
beitslosigkeit aufkommen darf, und daß wir, auch wenn irgendwo ein Bruderrat seine Aufgaben der geistlichen Leitung vernachlässigt, alles versuchen müssen, um in den Gemeinden zu bleiben, in die wir eingewiesen sind, und so durch unseren Gehorsam ge-
gen den Bruderrat diesen dahin führen müssen, uns auch ent1. Posthum bei Chr. Kaiser 1953 erschienen.
Versperrtes
Pfarramt
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sprechende Weisungen zu geben. Die Tatsache, daß in einigen Kirchenleitungen eine Stagnation eingetreten zu sein scheint, daß hier
und dort der einfältige Gehorsam und die Freudigkeit verloren zu gehen droht und daß statt dessen der Blick auf die Zahl, auf die Gewinnung der Beiseite-Stehenden, der Bischöfe, der Neutralen etc. soviel gute Kraft verzehrt, hat uns veranlaßt, einen Brief an die leitenden Männer unserer Kirche zu schreiben, der
persönlich von einigen unserer Brüder überreicht werden sollt. Wir wissen, daß manche von solche Stimmen aus dem gabe und Verpflichtung gerliche Dienst, den wir
den leitenden Brüdern dankbar sind für Kreis der Brüder. Noch eine andere Aufwar uns brennend, nämlich der seelsorden Brüdern schuldig sind, die von uns
zum Konsistorium gegangen sind. Es wollen in der nächsten Zeit immer je 2 Brüder diese besuchen. Es ist uns hier auch erneut die unbedingte Notwendigkeit deutlich geworden, unseren Besuchs-
dienst untereinander und mit allen Brüdern des jeweiligen Kirchenkreises ganz ernst zu nehmen. Die Entscheidungen, vor die wir alle jetzt und in der nächsten Zukunft gestellt werden, sind
allein schwer zu tragen. Noch eins haben wir miteinander ausgemacht: Uns in der nächsten Zeit zu Volksmissionen zu helfen, immer 4 Brüder, die sich am nächsten wohnen. Das Anschriftenverzeichnis zeigt uns, wer uns benachbart ist und wen wir zu einer VM in der Weise, die sich bei uns herausgearbeitet hat, bitten können... Daß wir Euer aller täglich in unserer Fürbitte gedacht haben, besonders auch der beiden kranken Brüder Lohmann und Wicmann, möchten wir Euch gern sagen. Ebenso unsers Bruders Koch und aller Gefangenen. Für Eure Briefe und Grüße hierher danken
wir Euch. Alle Brüder grüßen Euch.
(Persönlicher Brief) Liebe Brüder!
23. August 1938
Der Lehrtext des heutigen Tages, an dem ich Euch wieder einen Gruß schicken möchte, heißt: „Lasset euch niemand das 1. Bisher nicht wiedergefunden.
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Ziel verrücken“ (Kol. 2, 18). Das ist das rechte Wort, das wir einander heute zu sagen haben. Paulus spricht hier von einem Preisrichter im Wettkampf, der uns durch falsche Anweisungen und Ratschläge um das Siegeszeichen betrügt. Paulus sagt: Laßt euch von solchen nicht einfangen, nicht verlocken. Der Siegespreis gehört euch gewiß, sofern ihr euch nicht im ent‚scheidenden Augenblick irre machen laßt und zu anderen Mitteln und Wegen greift, um zum Ziel zu kommen. Dann seid
ihr betrogen und verloren. Warum wolltet ihr aber so töricht sein, euch den gewissen Sieg aus der Hand nehmen zu lassen? Bleibt auf dem rechten Weg, bleibt auf der rechten Bahn, die euch zum Ziel führt, haltet fest an der einmal gewonnenen Erkenntnis der Wahrheit. In drei Dingen bedeutet dieses Wort für uns heute eine klare Weisung: erstens, wer uns sagen will, “wir sollten heute wenigstens für uns persönlich eine Einzel-
lösung der Schwierigkeiten suchen, der ist ein betrügerischer Preisrichter. Es ist uns zur festen Gewißheit geworden, daß -wir nur in der Gemeinschaft der Brüder oder überhaupt nicht den Sieg erringen. Wer für sich allein sorgt, der ist um die Gemeinschaft der Kirche betrogen. Zweitens, wer uns damit bedrängt, wir müßten jetzt unter allen Umständen zu einer Lösung aller Schwierigkeiten gelangen, der gibt uns bösen Rat.
Er macht uns vergessen, daß nicht Kampflosigkeit und Bequemlichkeit, sondern der Siegespreis nach vollbrachtem Lauf unser Ziel ist. Suchen wir Lösungen in dieser Welt oder warten wir auf die Erlösung, die uns Jesus Christus durch den Tod erworben hat? Drittens, wer uns furchtsam und bedenklich machen will mit der Rede, wir sollten doch wenigstens
den jetzigen Bestand noch hindurchretten, genug sei uns doch schon zerschlagen, genommen und verschlossen, dem müssen
wir entgegnen, daß wir uns von diesem Bestand an sich aber garnichts versprechen. Was Gott zerschlagen will, das wollen wir uns gern zerschlagen lassen. Wir haben nichts hindurchzu‚retten. Wir haben unser Herz nicht an Einrichtungen und In-
Einzellösungen
zur Rettung
des Bestandes?
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stitutionen gehängt, auch nicht an unsere eignen. Die Werkerei, die sich an den sogen. kirchlichen Bestand hängt, ist ebenso gottlos wie jede andere und muß uns um den Siegespreis bringen. Wir vertrauen aber fest darauf, daß Gott sein Wort und uns mit ihm hindurchretten wird auf seine wunderbare Weise. Das ist der einzige Bestand, auf dem wir zu bestehen gedenken. Liebe Brüder, laßt Euch diese kurze Auslegung gefallen. Wir müssen alle an diesen Dingen täglich lernen. Mit großem Dank sehe ich auf die vergangenen Wochen zurück. Die Arbeit geht weiter. Auch von Euch habe ich brieflich und persönlich manche gute Nachricht bekommen,leider auch schmerz-
liche. In den letzten Wochen haben uns die Brüder H. und K. verlassen. — Ich möchte Euch noch einmal das Angebot der Predigtbesprechung machen. Ich tue es gern und es ist für manchen, der allein ist, vielleicht doch eine Hilfe. Ich lese grade das neue Buch von Althaus: Paulus und Luther über den Menschen (Rö.7 u. 8) mit Interesse und Gewinn. Bruder Hofmann empfiehlt: Ergötzliche Predigten des Jobst Sackmann (Inselbücher 476). Liebe Brüder, verzeiht, wenn ich nochmals herzlich bitte, die Bücherschränke durchzusehen. Es
fehlt noch manches, z. B. Harnack, Dogm-gesch. II. Bitte, seid so gut und schickt die Bücher bald zurück. Wir brauchen sie. Beiliegend findet Ihr die versprochenen Themenreihen. Ich denke an Euch alle in den.kommenden Wochen um all der schwebenden Dinge! willen ganz besonders. „Lasset euch nie-
mand das Ziel verrücken“. In treuer brüderlicher Gemeinschaft Euer Bonhoeffer
1. Eidesberatung (siehe Seite 308 ff. Brief vom 11. August 1938); Vilmarzitat wurde diesem Brief beigefügt.
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[Anlage zum Brief vom 23. August 1938] Vilmar, „Theologische Moral“, Zum Eid: S. 182: Der Eid kann aber nicht als ein Act der freien Willkür, des eigenen Antriebes betrachtet werden, sondern er erfordert eine Auctorität, welche ihn abverlangt... S. 183 .... eine auf berechtigtes Erfordern der betreffenden Auctorität derselben gegebene Versicherung, für welche der Schwö-
rende mit seinem ganzen Gottesleben, mit seiner Seligkeit einsteht... 5.184... In der Eidesleistung des Christen muß nun dessen Seele
mit dem klarsten und objektiv vollständigsten Bewußtsein zu gleicher Zeit auf Gott den Vater und auf Christus, mithin zu gleicher Zeit auf die in Christo allein festzuhaltende Seligkeit und auf den Gegenstand der Versicherung gerichtet sein, so daß er beides in einem und demselben Gedanken, mit gleicher Bestimmtheit und Sicherheit, zusammenzufassen vermag; wie er an Gott, an Christus, an seiner Seligkeit nicht das Geringste zu ändern im Stande ist und ändern will, so soll, kann und will auch an dem Gegenstande der Versicherung nicht das Mindeste geändert werden. Wem das Eine oder andere nicht vollkommen klar ist, der schwört leichtsinnig; wer den Gegenstand der Versicherung anders
weiß als er darstellt, der schwört falsch, wer den Gegenstand der Versicherung, insofern derselbe ein Versprechen enthält, aus den
Augen läßt, (nicht erfüllt), der bricht den Eid... so ist der Meineid und Eidesbruch eine qualificierte (unter erschwerenden ständen eingetretene) Gotteslästerung....
Um-
$.185...auch derjenige Eid... Gotteslästerung ... ., dessen Objekt
irgendetwas mit dem Gottesleben des Schwörenden, mit Gottes Gesetz, mit der Seligkeit Unverträgliches enthielte.... Es gehört also
zur Eidesleistung, daß dem Schwörenden der Gegenstand seines Eides mit der vollkommensten und keinen Zweifel, auch nicht den leisesten, an der Realität (Wahrheit, Erfüllbarkeit) desselben gestattenden Deutlichkeit vor Augen gelegt werden und liegen muß, Der Natur der Sache nach kann die Eidesleistung sich mithin nur auf sehr einfache Gegenstände beziehen... Auf der anderen Seite
ist jede Eidesleistung mit Vorbehalt, zumal wenn dieselben von
Zum
Eid
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dem Eidesleister ausgehen, unbedingt verwerflih — eine Eidesleistung mit Mentalreservationen aber ist unbedingt ein Meineid... Für die klare und einen Zweifel nicht übrig lassende Stel-
lung des Eides (der Formel) ist der Eidauflegende, nicht der Eid-
leistende, verantwortlich.
(Persönlicher Brief!)1 Liebe Brüder!
20. November 1938
Zum Ende des alten und zum Beginn des neuen Kirchenjah-
res grüße ich Euch mit dem Wort aus dem Meditationstext der vorigen Woche: „Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, daß ihr einerlei gesinnet seid untereinander nach
Jesu Christo“ (R. 15, 5). Wir haben hier in der letzten Zeit über den neutestamentlichen Begriff der Geduld viel gearbeitet und gemeinsamnachgedacht. Dabei ist mir ganzdeutlichgeworden, daß wir heute auf der ganzen Linie dort angekommen sind, wo es im Grunde nur darum geht, ob wir aus dem Evan-
gelium lernen wollen, was Geduld heißt. Die mancherlei Fragen, unter denen sich heute die Ungeduld einschleicht, brauchen wir, meine ich, garnicht so ernst zu nehmen, wie sie genommen sein wollen. Sehr ernst ist es nur, daß uns unsere Ungeduld immer wieder so böse Streiche spielen will, indem sie sich als eine ganz besondere Art Gehorsam ausgibt und uns zur Untreue verleitet. Wir sind, ich weiß nicht recht wodurch, weithin in ein Denken hineingeraten, das geradezu gefährlich wird. Wir meinen besonders verantwortlich zu handeln, wenn wir alle paar Wochen aufs neue die Frage prüfen, ob auch der angefangeneWeg der rechte gewesen sei. Dabei ist es besonders auffallend, daß solche „verantwortliche Prüfung“ immer gerade dann einsetzt, wenn sich ernste Schwierigkeiten 1. Der pommersche Bruderrat übernahm und schickte diesen Brief als Adventsgruß an alle pommerschen Pfarrer unter v. Thaddens Verant-
wortung (als pommerschen Rundbrief Nr. 67).
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zeigen. Wir reden uns dann ein, wir hätten nicht mehr „die rechte Frendigkeit und Gewißheit zu diesemWege“ oder, was noch schlimmer ist, Gott sei nicht mehr mit seinem Wort in der alten Klarheit bei uns, und im Grunde versuchen wir mit alldem doch nur um das herumzukommen, was das Neue Testament „Geduld“ und „Bewährung“ nennt. Paulus hat jedenfalls nicht angefangen, über die Richtigkeit seines Weges zu reflektieren, wenn Widerstände und Leiden drohten, Luther auch nicht, sondern sie sind wohl grade darin ganz gewiß und froh geworden, in der Nachfolge und Gemeinschaft ihres Herrn zu stehen. Liebe Brüder, unsre wirkliche Not ist garnicht der Zweifel an unserem angefangenen Weg, sondern unser Versagen in der Geduld, im Drunter-bleiben.Wir können es uns immer noch nicht denken, daß Gott heute wirklich von uns nichts Neues will, sondern ganz allein die Bewährung in dem Alten. Das ist uns zu wenig, zu monoton, zu anspruchslos. Wir können uns auch einfach noch nicht damit abfinden, daß die Sache Gottes nicht immer die Sache des Erfolges ist und daß wir wirklich auch mit unserem rechtenWege „erfolglos“ sein könnten. Aber eben hier entscheidet es sich, ob wir im Glauben oder in der Begeisterung angefangen haben. Es ist auffallend, welche Bedeutung der Geduld im Neuen
Testament zukommt. Nur der Geduldige empfängt die Verheißung (Mat 24, 13), nur der Geduldige bringt rechte Frucht
(Luk 8, 15). Ein Glaube, der nicht zur Geduld wird, ist unecht, unbrauchbar. Der Glaube muß bewährt sein. Bewährung
gibt es nur im Leiden. Nur aus dem Erleiden, aus dem Drunterbleiben wird das „vollkommene Werk“ hervorgehen (Jak 1,3 f). Wenn wir uns daran erinnern, daß dasWort Glaube —
pistis schon das Moment der Treue enthält, so wird uns der enge Zusammenhang von Glaube und Geduld nicht verwundern. Geduld gibt es nur „In Jesus“ (Ofb 1, 9); denn Jesus übte Geduld als er das Kreuz trug. Hebr 12, 2 beschreibt den Kreuzweg Jesu als ein Drunterbleiben, als Geduld. Drunter-
Brief von
der Geduld
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bleiben heißt für uns in derGemeinschaft der Leiden des Christus stehen (1. Kor 1, 6 ff) und dadurch Zuversicht gewinnen. Haben wir an der Geduld Jesu Anteil, so werden wir selbst geduldig, und zuletzt werden wir an seinem Königtum teilhaben (2. Tim 2, 12). Der Weg zur Geduld geht über die Zucht (2. Petr 1, 6). Je freier wir von der Bequemlichkeit und Trägheit, von persönlichen Ansprüchen werden, desto williger werden wir zur Geduld. Unser Text sagt uns, daß wir einig bleiben können, nur wenn wir in der Geduld bleiben. Die Ungeduld richtet Spaltung an. Und es ist ja leider nicht zu leugnen, daß alle die, die aus Ungeduld eigene Wege gehen oder schon gegangen sind, man-
chem Bruder den Kampf der Bewährung und Geduld noch viel schwerer gemacht haben. Ungeduld zerbricht die Gemeinschaft. Sie ist im Sinne des Evangeliums nicht nur eine kleine, verzeihliche Unart, sondern sie ist das Versagen in der Bewährung des Glaubens. „Der Gott aber der Geduld“ — der Gott, der in Jesus Christus selbst drunter blieb und uns drunter bleiben hilft, der gebe Euch „einerlei Sinn“ — daß ihr in diesen Stunden der Bewährung beieinander steht, ja fester aneinanderrückt, einander stärkt und helft. Schlimm, wenn in solchen Zeiten einer sich entzieht. Aber unsere Geduld hängt ja nicht an Menschen, sondern an Jesus Christus und seiner Geduld am Kreuz. Er hat auch die Ungeduld aller Menschen getragen und kann sie darum vergeben. „Einerlei Sinn“ — d. h. ja: nicht heute so und morgen anders, sondern beim einmal Erkannten festbleiben, beständig sein, sich tren erweisen. Wie gering steht die Festigkeit, Beständigkeit und Treue bei uns im Kurs. In der Schrift steht sie ganz obenan.
Gott schenke sie uns, indem er uns geduldig mache und uns im Drunterbleiben seinen Trost zuspreche. Einig in der Geduld, einig im Trost. Wir gehören zusammen im Drunterbleiben, wir gehören zusammen auch in der Tröstung und der endlichen Überwindung. Keiner kämpft den Kampf der
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Bewährung allein. In der Stunde, in der unsere Geduld erprobt wird, sind die bei uns, mit denen wir einerlei Sinnes sind. Vor allem aber wissen wir, wir sind eins in Jesu Geduld und Trost. Er ist unsere Geduld und unser Trost. So wird es auch im neuen Kirchenjahr bleiben. Wenn ich Euch raten darf, so macht euch die Mühe und arbeitet die Begriffe, um die wir uns grade bemühen, mit uns durch: Versuchung, Geduld,Bewährung, Demut, Danksagung, Freude,
Friede, Zucht. In diesen Stücken haben wir das Evangelium ganz neu hören zu lernen. Wir werden auf wenig begangenen Wegen durch die Schrift geführt, aber die Ausblicke sind unbeschreiblich weit und schön. Die Meditationstexte in den nächsten Wochen sollen uns auch dazu helfen. In den letzten Tagen habe ich viel über Psalm 74 Sach 2, 12, Rö 9, 4f und 11, 11—15 nachgedacht. Das führt sehr ins Gebet. Ich habe mich sehr gefreut, von vielen von euch zu hören und auch Predigten von euch lesen zu dürfen. Darf ich die Brüder, denen ich die Predigten zurückschicke, bitten, mir wenigstens auf einer Karte mitzuteilen, ob sie ankamen und ob sie mit der Beurteilung einverstanden sind oder nicht. Bitte meint doch überhaupt nicht, ich sei brieflich nicht zu erreichen, son-
dern schreibt und erzählt wieder etwas mehr. Ich glaube, ich habe mich in den letzten Monaten auch mit Antworten gebessert, habe mir jedenfalls Mühe in dieser Richtung gegeben; denn man soll heute wirklich solche Gemeinschaft nicht durch Trägheit abreißen lassen. Vor allem aber haltet doch untereinander die Verbindung aufrecht, schreibt Euch und be-
sucht Euch. Das wäre das wichtigste. Ich wünsche Euch von Herzen eine gute Adventszeit. Gott
segne Eure Predigt und alle Eure Arbeit. Er behüte Euch und Eure Häuser. Wir denken Euer täglich. In brüderlicher Gemeinschaft grüßt Euch Euer getrener Dietrich Bonhoeffer
Brief bei einer Entlassung
aus dem
KZ
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9. Dezember 1938 Lieber Bruder Koch! Die Freude ist unbeschreiblich. Was wir von Tag zu Tag erhofft und erbeten haben, ist wahr geworden. Es ist mir noch wie ein Traum. Und nun haben Sie Ihre gute, von uns allen bewunderte Braut wieder. Es muß sein, als sei Ihnen das Le-
ben neu geschenkt. Nun freue ich mich nur noch auf das Eine, Sie so bald wie möglich zu sehen, damit es mir auch ganz gewiß wird, daß Sie wieder unter uns sind. Ich war in Hannover, auch in Berlin; vom 9. bis 11. in Stettin bei Frau von Kleist-Retzow (mit Gollwitzer, Fischer, Schönherr, Traub
etc...) zur theolog. Sozietät. Ob Sie da nicht dazu kommen könnten? Oder ist das jetzt zuviel? Wollen Sie erst noch gar niemand sehen? Ich weiß es nicht, Sie müssen es schreiben. Nur müssen Sie sich vor allem erst ausruhen und wieder ausruhen. — Hier geht es gut, wie lange, wissen wir nicht. Es gäbe viel zu erzählen, aber das ist alles jetzt garnicht wichtig gegenüber der Freude, daß Sie frei sind! Mehr weiß ich im Augenblick Ihnen wirklich nicht zu sagen. Das Wichtigste wissen Sie selbst besser als ich. Sagen Sie Ihrer Braut herzliche Grüße. In alter brüderlicher Gemeinschaft grüßt Sie Ihr Dietrich Bonhoeffer
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Weggang und Heimkehr (Persönlicher Brief!) 14. Februar 1939 Liebe Brüder! Vor allem muß ich Euch danken, daß Ihr meinen kurzen Weihnachtsgruß so freundlich mit ausführlichen Briefen beantwortet habt. So freue ich mich, wieder von Euch zu wissen, von Eurem Ergehen, Eurer Arbeit und von Eurer Zuversicht zur Sache. Eure Briefe brachten mir zugleich eine so große Zahl von Predigten, daß ich noch garnicht ganz durchgekommen bin. Ich danke Euch auch dafür sehr und habe daraus gelernt, wie gut und wertvoll diese Art der Verbindung ist. Ich möchte Euch eigentlich gleich den Vorschlag machen, doch auch den Briefen, die Ihr aneinander schreibt, Predigten beizulegen. Das ist für beide Teile ein wirklicher Gewinn, persönlich und sachlich. Schließlich habe ich Euch noch zu danken für die Geburtstagsgrüße, die ich in der letzten Woche bekam. Solche Zeichen geben einem viel neue Kraft und Freude zur Arbeit. In meinem letzten Brief schrieb ich Euch von der Geduld im Neuen Testament, so wie wir die Gedanken hier erarbeitet hatten. Ich war sehr froh in vielen Eurer Briefe zu lesen, daß diese Ermahnung der Schrift gerade auch Euch in dieser Zeit
wichtig erschien. So laßt mich Euch heute aus derselben Arbeit und wiederum als Aufforderung zur Mitarbeit von einem andern der großen Worte des Neuen Testaments zu schreiben versuchen, in das wir wieder lernen müssen einzudringen, um darin zu leben: von der Freude. Der neue Anfang, der uns durch Gottes Güte wider alles Erwarten in der letzten Zeit geschenkt worden ist, hat uns von
Brief von
der Freude
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einem dumpfen Druck befreit!. Wir sind noch einmal zu der vollen Freude an Jesus Christus, unserm Herrn, gerufen worden. Es ist wirklich lauter Gnade Gottes, daß er uns noch einmal das Zeugnis der Christusherrschaft so rein und unverfälscht hat vernehmen lassen; denn mit unserm unfrohen, resignierten undwiderspenstigenWesen hatten wir es nicht mehr verdient. Nun aber gilt es, dieses Geschenk Gottes wirklich neu zu erfassen und uns zur vollen Christusfreude führen zu
lassen. Das erste, was uns die Schrift über die Freude sagt, läßt sich zusammenfassen in demLiedanfang: „Jesu, meineFreude ...“. Das ist der Grundton der biblischen Verkündigung von der Geburt Christi, vom Anbruch des Reiches Gottes in der Gemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern, von seiner Auferstehung und Himmelfahrt. (Lk 2, 10; Mk 2, 19; Lk 24, 41.52; Joh 20, 20). Gott will uns durch Jesus Christus froh machen. Er will uns nicht bedrücken, uns nicht Probleme aufgeben, er will uns nicht vor unlösbare Aufgaben stellen, sondern er will, daß wir uns an Jesus Christus und an seiner Herrschaft freuen... Das gehört wieder zu den einfachsten Dingen, die wir
über den schwierigen gern vergessen, daß wir uns an Jesus Christus freuen lernen wie die Kinder. Ist es nicht schlimmste
Undankbarkeit und Verstocktheit unseres Herzens, wenn uns der, der uns zum Heil,zur Errettung kam, nun zur Last wird? Mit der Freude an Christus geht uns auch die Liebe zu ihm und der Glaube an ihn verloren. Ohne die Freude an dem menschgewordenen und auferstandenen Sohn Gottes geraten wir ins Murren, in den Widerspruch, in die Traurigkeit. Wie
finden wir aber solche Freude? Allein durch den festen Glau1. 29.—31.
Januar
1939
Siebente Synode
der Bekennenden
Kirche
der
APU in Nikolassee; Wort über die Kirche, ihre Einheit und ihr Regi-
ment. Treueid nicht mehr leisten! Wort an Gemeinden und Angehörige der jungen „illegalen“ Brüder, Aufforderung an die „legalen“ BK-
Pfarrer,
Solidaritätserklärungen
802..0°8. 70276)
für die Illegalen
abzugeben.
(Niesel,
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ben: Jesus lebt! Wenn es wirklich wahr ist, daß Jesus lebt, daß
er sich uns bezeugt, uns führt und hilft, wie sollten wir dann nicht ebenso froh werden wie die Jünger als sie ihn am Ostermorgen sahen? (Joh 20, 20). Zweitens: Wer Jesus Christus gefunden hat, der geht mit Freuden seinen Weg, der geht mit Freuden hin und verkauft alles,
was er hat und kauft die köstliche Perle (Mt 13, 44). Wer den Weg Jesu nicht mitgeht, der wird tranrig wie der reiche Jüngling (Mt 19,22).Wer sich dem Wege Jesu ganz anvertraut, der wird daran froh. Diese Freude bewährt sich auch im Leiden, das dieser Weg über uns bringen kann (Mt 5,12; 1.Ptr4,13 ff; 2. Kor 6, 10; Phil 2, 17; Kol 1, 24; Hebr 10, 24 u. ö.) Der Grund aller solcher Freude ist die Nähe Jesu (Phil4,4). „Ach, mein Herr Jesu, dein Nabesein ...“ Zugleich aber ist hier die Gewißheit, daß sich gerade so das Werk Jesu Christi auf Erden erfüllt und vollendet (2. Tim 2, 10). So muß das, was uns Trübsal und Vernichtung bringen soll, durch Gottes wunderbare Gnade unsere Freude nur stärken. Stehen wir in der rechten Freude, dann ist es wirklich so: „Keiner nimmt eure Freunde von euch“ (Joh 16, 22), denn sie bleibt in Ewigkeit
(1. Petr 1,8).
Drittens: Die Gemeinde ist eine Gemeinschaft der Freude. An der besonderen Gnade, die dem einen widerfährt, nehmen alle mit Freuden teil (1. Kor 12, 26). Johannes kennt keine
größere Freude, als wenn er seine Kinder in der Wahrheit wandeln sieht (2. Joh 4; 3. Joh4 cf 1. Kor 13,6). Ander Freude seines Leidens um Jesu Christi willen teilzunehmen, bittet Paulus seine Gemeinde (Phil 2, 17). Jesus aber ruft zur Mitfreude dort, wo ein Verlorener wiedergefunden wird, wo ein Sünder Buße tut. Das ganze Kapitel Luk 15 steht unter diesem Ruf (15, 6.9. 23.32 cf 2. Kor 7, 9 f). Die Christen sind einander täglich unaufhörlicher Grund der Freude (1.Thess 2, 19. Phil 4, 1). Wer seine Augen offen hat für seine Mitchristen, dem kann es an Grund zur Freude niemals fehlen. Es ist doch
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der Freude
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erstaunlich zu wissen, daß nicht nur „Jesus unsere Freude“ ist, sondern auch unser christlicher Bruder. Haben wir nicht heute Grund genug, von dieser Freude erfüllt zu sein? Viertens: Der Ursprung aller wahren Freude ist Gottes Freude an uns. Bei Gott im Himmel ist Freude, wenn sein Werk auf Erden zur Erfüllung kommt, wenn der Sünder umkehrt zum
Vaterhaus (Luk 15). Jesus ist erfüllt von Freude und es ist seine Freude, die in uns ist und die uns vollkommene, bleibende Freude schenkt (Joh 15, 11; 17, 13). An der Freude Gottes über sein Werk, an der Freude Jesu über die Liebe Gottes teilzunehmen, sind wir berufen. Daß unsere Gebete nunmehr erhört werden, das ist unsere vollkommene Freude (Joh
16, 24). Nicht betrüben sollen wir den Heiligen Geist (Eph 4, 30), sondern das ist unser Ziel, einzugehen in die Freude unseres Herrn — Mt 25, 11.
Zur Auslegung dieser Stelle hören wir Augustin: Intra in gaudium sempiternum, in domum domini Dei tui, ubi sunt magna et inscrutabilia et mirabilia, quorum non est numerus: intra in gaudium sine tristitia, quod continet aeternam laetitiam, ubi erit omne bonum et non erit aliguod malum; ubi erit, quicquid voles, et non erit quicquid noles, ubi vita vita-
lis, dulcis et amabilis, semperque memorialis; ubi non erit hostis impugnans, nec ulla illecebra, sed summa et certa securitas, et secura tranquillitas et tranquilla secunditas, et incunda felicitas, et felix aeternitas et aeterna beatitudo, et beata trinitas et trinitatis unitas, et unitatis deitas, et deita-
tis beata visio, quae est gandium domini mei. O gaudium super gaudium, vivens omne gandium, extra quod non est gandium.
O regnum
beatitudinis sempiternae,
nbi tu domini spes
sanctorum et diadema gloriae facie ad faciam videris a sanctis, laetificans eos undique in pace tua, quae exsuperat omnem sensum. Ibi gaudium infinitum, laetitia sine tristitia, salus sine dolore, vita sine labore, lux sine tenebris, vita sine
morte, omne bonum sine omni malo. Ibi juventus nunquam
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senescit,ibi vita terminum nescit,ubi decor nunquam palescit, ubi amor nunguam tepescit, nbi sanitas nunguam marcescit, ubi gandium nunquam secrescit, ubi dolor, nunguam sentito, ubi genitus, nunguam andito, ubi malum, nullum timetur, queniam ibi summum bonum possidetur, quod est semper videre faciem domini virtutum (in den soliloquiis Kap 35.
Könnte nicht einer von Euch versuchen, diesen Hymnus einmal schön zu übersetzen?) Ich grüße Euch mit dem Wort des 100. Psalms: „Dienet dem Herrn mit Freuden!“ Gott segne Euch, Eure Häuser und Eure Gemeinden zu solchem Dienst. In der Gemeinschaft brüderlicher Fürbitte Ener getreuer Dietrich Bonhoeffer
(Persönlicher Brief) [Ende Mai 1939] Liebe Brüder! Seit ich das letzte Mal schrieb, ist vieles besser und klarer geworden. Zu dem Schmerz, daß mehrere Brüder unsere Sache verlassen haben, hat uns Gott doch auch die Freude geschenkt, nach langer Zeit wieder in klarer und fester Gemeinschaft mit denen zu stehen, die die gleiche Sache meinen. Die vergangenen Monate sind uns allen heilsam gewesen. Wann hätten wir gewisser sein dürfen als heute, daß wir durch Gottes Gnade in seiner Kirche gehalten worden sind? Dafür wollen wir Gott danken. Es hat sich in den entscheidenden Wochen wieder gezeigt, daß die Gesprächsmöglichkeit an einem bestimmten
Punkte ein Ende hat. Wir wären auch in dem Hin und Her der Argumente fast aufgerieben worden. Davor sind wir bewahrt worden. Nun steht und fällt jeder seinem Herrn. Aber
nun können wir auch endlich wieder mit vollem Einsatz an die Arbeit, und das ist das Wichtigste. Die Aufgaben sind unermeßlich groß und das Feld ist wirklich reif. Sammelt mit
Weggang
und
Heimkehr
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neuem Mut die Christen um das Wort und das Sakrament! Nutzt die Zeit, die uns noch gegeben ist! Hört nicht auf, Wort und Gebet in die Häuser zu tragen! Christus ist wieder auf dem Plan mit allen seinen Verheißungen. Laßt sie durch IHN in Euren Gemeinden in Erfüllung gehen. Laßt uns weiter füreinander beten, daß unsere Arbeit behütet und gesegnet sei, daß wir selbst wachsen in allen Stücken an Jesus Christus, unserm Herrn.
Unsere Arbeit geht weiter. Ich werde jetzt auf mehrere Monate in das Seminar fahren, in dem ich früher einmal ein Jahr studiert habe!. Danach kehre ich in dieselbe Arbeit zurück. Aber für Meditationstexte und das Nötige sorgen Eberhard und Fritz. Gott segne Euch, Eure Arbeit und Eure Häuser Euer getreuer D. B.
An meinen Nachfolger?
28. Mai 1939
Er findet vor: 1. eine der schönsten Arbeiten in der B.K. 2. zwei Mitarbeiter, die seit mehr als 4 Jahren in der Arbeit stehen und die die volle Verantwortung für die Leitung der Häuser seit I1/g Jahren getragen haben, denen er also die Lei-
tung des gemeinsamen Lebens anvertrauen kann, wenn er nicht selbst dasein kann. 3. eine angefangene Arbeit: NT: Begriff der äuaotla, folgen sollten soteriologische Begriffe. Dogm.: Form.Conc. bis de libero arbitrio. Es wird nötig sein, die dogm. Arbeit fortzusetzen. Im NT ist mehr Freiheit. Predigtbesprechungen in Köslin, einige Vorlesungen über Homil. in beiden Stellen. 1. Union Theological Seminary, New York. 2. Bei Abreise nach USA. Nachfolge bzw. Vertretung nahm P. Helmut Traub wahr. Das stand freilich bei der Abreise noch nicht endgültig fest.
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Es wird gebeten: 1. außer NT u. Dogm. Besprechungen über Seelsorge, in Sigurdshof über Katechetik mit Katechesen, in Köslin Predigt-
besprechungen zu halten. 2. im übrigen möglichst viel mit den Brüdern spazierengehend
oder sonstwie zusammen zu sein. Mit aufrichtigem brüderlichem Dank und in trenem Gedenken Dietrich Bonhoeffer
[London, Mitte Juli 1939] Lieber Eberhard: ... Also ich komme gerne mit zur Ostsee!! Ich freue mich sogar schon darauf. Sieh nur zu, daß wir etwas Nettes als Unterkunft finden. Ist es wieder wie voriges Jahr? Oder woanders? Ich bin sehr gespannt. Es ist ganz schön; am Strand kann man dann viel erzählen. Ja, wo willst Du mich dann abholen? Ich wollte vielleicht noch ein paar Tage im Rheinland sein, um ein paar Freunde zu besuchen... Wie soll es nach der Ostsee werden? Wollt Ihr mich oder nicht? Ich wüßte es gern... [London] 21. Juli 1939
... Jetzt nachdem die Rückkehr so dicht bevorsteht, ist die Freude auf das Wiedersehen schon sehr groß. Also spätestens am 29.; ich freue mich auf das Meer... Ich bin nun auch begierig, ob Ihr mich noch brauchen wollt oder nur den Besuch wünscht ... Bald werden wir wieder zusammen meditieren. Das ist mir auch sehr wichtig. Ich habe mich in den letzten
Wochen sehr viel mehr an die Losungen gehalten? ... Herzlichst Dein getreuer Dietrich 1. Das Sammelvikariat (Predigerseminar) bereitete eine Freizeit Jershöft an der Ostsee in Hinterpommern für den 4. August vor. 2. GSI, Seite 292 ff.
in
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Rundbrief
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Erste Rundbriefe im Krieg 20. September 1939 Liebe Brüder Als Antwort auf eine Feldpostkarte bekam ich die Nachricht, die ich Euch heute weitergeben muß, daß unser lieber Bruder Theodor Maass am 3. 9. in Polen gefallen ist. Es wird Euch wie mir diese Nachricht unfaßlich sein. Aber ich bitte Euch, laßt uns Gott danken in der Erinnerung an ihn.Wir hatten in ihm einen guten Bruder, einen stillen, treuen Pastor der Bekennenden Kirche, der selbst vom Wort und Sakrament lebte, den Gott auch gewürdigt hat, für das Evangelium leidend einzustehen!. Ich bin gewiß, er war bereit zu gehen. Wo Gott Lücken reißt, da sollen wir sie nicht mit Menschenworten zu füllen versuchen. Sie sollen offen bleiben. Unser einziger
Trost ist der Gott der Auferstehung, der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der auch sein Gott war und ist. Bei ihm wissen wir unsern Bruder und in ihm ist die bleibende Gemeinschaft derer, die vollendet haben und die noch ihrer Stunde entgegengehen. Gott sei gelobt über unserm gefallenen Bruder
und sei uns allen barmherzig an unserm Ende. Die Eltern von Bruder Maass wohnen in Stralsund, Pastor Maass, Ketelhotstr. 8. Von folgenden Brüdern weiß ich, daß sie jetzt bei den Soldaten sind: Maechler, Dobrick, v. d. Marwitz, Mickley, Wolfgang Schmidt, Gerhard Krause, Block, Martin Schaaff, Berg, Buchmann, Schrader, Pompe, Lynker, August, Winkelmann, Sander. Noch keine Feldpostnummern habe ich trotz Anfrage von den Brüdern Corbach, Seydel, Haarhausen, Giese, Nimz, Hofmann, Büchsel, Schröter, Winfried Krause. An1. Maass
gehörte
gewesen waren.
zu
den
ersten
der pommerschen
BK,
die inhaftiert
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dere stehen vor einer baldigen Einziehung. Ich bitte Euch herzlich, mir mitzuteilen, sobald einer eingezogen wird oder wenn einer auf der Liste fehlt, von dem ich nicht weiß. Laßt mich bitte jede Feldpostnummer, die Ihr erfahrt, wissen. Nehmt Euch jetzt auch die Zeit, sooft wie möglich an die Brüder draußen zu schreiben. Vor allem wollen wir nicht den größten Dienst versäumen, der uns bleibt, den Dienst der täglich treuen Fürbitte. Wir haben sovieles für unsere Brüder bei den Soldaten zu erbitten, zuerst und zuletzt immer wieder dies, daß sie sich zu allen Zeiten als Christen erweisen können, daß sie vielen ihrer Kameraden einen wirklichen Dienst tun können, und daß Jesus Christus ihr einiger Trost im Leben und Sterben sei. Es mag über die meisten von uns in den letzten Wochen eine
innere Unruhe gekommen sein. Wir wissen unsere Brüder draußen in allerlei Kämpfen und Gefahr, wir hören vom Tode eines Bruders und es legt sich auf uns wie ein Zwang: ich muß auch dort sein, wo meine Brüder sind, ich will jetzt nichts anderes und nichts besseres haben als sie. Das drückt uns oft ganz nieder, und dann scheint uns alles, was wir tun, so überflüssig, ja es wollen uns sogar manchmal die Lebensfragen unserer Kirche, für die wir bisher gekämpft haben,
nebensächlich erscheinen angesichts der Ereignisse in der großen Welt. Wir meinen, es müßte nun auf einmal alles ganz anders werden, wir müßten alles Vergangene hinter uns lassen und wieder ganz nen anfangen. Wer wollte das nicht verste-
hen? Und doch, liebe Brüder, die Ihr noch nicht eingezogen seid, es kommt nun alles darauf an, daß wir die Gnade, die uns Gott bisher geschenkt hat, nicht in den Wind schlagen, daß wir unser Amt jetzt nicht verachten, sondern es grade in
diesen Tagen hoch ehren und lieben lernen. Wir sind berufene Prediger des Evangeliums und Hirten der Gemeinde, und so-
lange wir es sind, wird Gott uns nur nach einem fragen, ob der treue Dienst an seiner Gemeinde durch unsere Schuld auch
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nur einen Augenblick Schaden gelitten hat, ob wir seine Gemeinde und die Brüder, die er uns gegeben hat, auch nur einen Augenblick gering geachtet haben. Noch dürfen wir predigen, und so wollen wir auch wie bisher mit gutem, freiem Gewissen predigen und treue Pastoren sein, die ihre Kirche auch in Notzeiten nicht verleugnen. Wir wissen, daß Gott diesen Dienst heute von uns verlangt, und daß wir den Menschen so den größten Dienst tun, der ihnen getan werden kann. Wir fragen nicht, wonach unser Sinn viel-
leicht heute oder morgen steht, sondern nach unserm Auftrag. Laßt uns darum nicht hadern und uns Versimdigen; sondern froh daran werden und dienen. Losung und Lehrtext des ersten September! waren überraschend und verheißungsvoll genug: „Suchet den Herrn, solange Er zu finden ist; rufet Ihn an, so lange Er nahe ist“ (Jes 55), „Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils“ (2. Kor 6). Was ist damit anderes gesagt als dies: Die Stunde Gottes hat geschlagen, es wird hohe Zeit zu Bekehrung und Gebet, der Tag der frohen Botschaft ist angebrochen, die Ernte des Wortes Gottes wird größer sein als die Ernte des Todes, der Sieg gehört nicht der Welt sondern Gott. Glauben wir das wirklich, so ist uns und unsern Gemeinden geholfen. Wir sind Prediger der Rechtfertigung aus Gnaden allein. Was
hat das heute zu bedeuten?Es bedeutet ganz einfach, daß wir keine menschlichen Wege und Ziele mehr mit göttlichen Wegen und Zielen gleichsetzen. Gott ist jenseits aller mensch-
lichen Pläne und Taten. Es muß alles von Ihm gerichtet werden. Wer diesem Gericht Gottes ausweicht, der muß sterben, wer sich ihm aber unterwirft, der wird leben; denn von Gott
gerichtet zu werden, ist Gnade zum Leben. Er richtet um der Barmherzigkeit willen, er demütigt um zu erhöhen. Nur den 1. Beginn des Krieges.
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Demütigen wird es gelingen. Gott bestätigt nicht menschliches Tun, sondern er durchkreuzt es und reißt damit unseren Blick nach oben zu seiner Gnade. Indem Gott unsere Wege durchkreuzt, kommt er zu uns und sagt sein gnädiges Ja zu uns, aber eben nur durch das Kreuz Jesu Christi. Er hat dieses Kreuz auf die Erde gestellt. Gibt er uns unter dem Kreuz der Erde und ihrer Arbeit und Mühe zurück, so verpflichtet er uns aufs Neue der Erde und den Menschen, die darauf wohnen, handeln, kämpfen und leiden. „So sei nun stark, mein Sohn, durch die Gnade in Christus Jesus“ (2. Tım 2, 1) „Sei getrost und sei ein Mann, und warte des Dienstes des Herrn, deines Gottes“ (1. Kön 2, 2). Ich weiß nicht, ob wir auch diesmal wieder das Aufbrechen der Theodizeefrage so quälend erleben werden wie im vorigen Krieg. Es scheint mir fast, als habe sich hier etwas verändert. Die Christen wissen wohl heute mehr von dem biblischen Urteil über Welt und Geschichte, so werden sie durch die gegenwärtigen Ereignisse vielleicht weniger angefochten als vielmehr bestätigt in ihrem Glauben. Die Nicht-Christen haben mit der Frage nach der Gerechtigkeit eines persönlichen Gottes bereits zu sehr abgeschlossen, als daß sie von ihr überwältigt werden könnten. Dennoch wird die Frage unter der Gewalt der Ereignisse weder hier noch dort ganz ausbleiben, und wir werden wie der Dichter des 42. Psalms noch oft hören müssen: „Wo ist nun dein Gott?“. Ist es wahr, daß Gott schweigt? Es ist nur für den wahr, dessen Gott der Gott sei-
ner eigenen Ideale und Gedanken ist. Ihm wird die biblische Botschaft von der Macht und Furchtbarkeit des Schöpfers und Herrn aller Welt gesagt werden müssen. „Wer darf denn sagen, daß solches geschähe ohne des Herrn Befehl und daß nicht Böses und Gutes aus dem Munde des Allerhöchsten
komme?“ (Klagelieder 3, 37 ff). „Ich bin der Herr und keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel“ (Jes 45, 7). „Ist
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auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tue?“ (Amos 3, 6). Dieser Gott, der die Völker trinken läßt aus seinem Zornesbecher und sie durcheinander wirft (Jer 25, 15 ff), ist der Vater unseres Herrn Jesu Christi, dessen Rat wunderbar ist und der es zuletzt herrlich hinausführt (Jes 28,
29). Schweigt Gott? Nein, er redet die stumme Sprache seiner furchtbaren Macht und Herrlichkeit, damit wir klein und demütig werden und ihn allein anbeten. Er redet aus lauter Gnade auch die klare vernehmliche Sprache seiner Barmherzigkeit und seiner Wohltaten an den Menschenkindern durch
den Mund Jesu Christi, in welchem wir den allmächtigen Gott zum lieben Vater haben. „Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll“ (Jes 6, 3). Darum läßt sich unser Herz und unser Blick nicht fangen und bannen von den täglichen Ereignissen, so aufmerksam wir sie verfolgen. Wir suchen und finden darüber Gott den Herrn und sehen in Ehrfurcht seine Werke. Wir suchen und finden unsern Herrn Jesus Christus und glauben fest an seinen Sieg und an die Herrlichkeit seiner Gemeinde. Wir suchen und finden Gott, den Heiligen Geist, der sein Wort über uns Macht gewinnen läßt, größere Macht, als die Welt je über uns gewinnen kann. Und wir beten darum, daß das Werk des dreieini-
gen Gottes sich bald vollende. Der Tod ist wieder mitten unter uns getreten, und wir müssen uns, ob wir wollen oder nicht, Gedanken über ihn machen.
Zweierlei ist mir in der letzten Zeit dabei wichtig geworden: der Tod ist außerhalb unser selbst und er ist in uns. Der Tod von außen ist der schreckliche Feind, der an uns herantritt, wann er will. Er ist der Sensenmann, unter dessen Schlag die
Blume abfällt. Er lenkt die Kugel, daß sie trifft. Wir können nichts wider ihn, „hat Gewalt vom höchsten Gott“. Er ist der Tod des ganzen Menschengeschlechts, Gottes Zorn und Ende alles Lebens. Aber das andere ist der Tod in uns, er ist unser eigener Tod. Auch er liegt in uns seit Adams Fall.
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Aber er gehört uns selbst zu.Wir sterben ihn in Jesus Christus
täglich oder wir verweigern ihn. Dieser Tod in uns hat mit der Liebe zu Christus und den Menschen etwas zu tun. Wir sterben ihn, wenn wir Christus und die Brüder von Herzen lieben; denn Lieben heißt sich dem ganz hingeben, den man liebt. DieserTod ist Gnade und ist Vollendung des Lebens.Daß wir diesen Tod sterben, daß es uns geschenkt wird, daß uns der Tod von außen erst antrifft, wenn wir durch diesen eigenen Tod für ihn bereit gemacht sind, das darf unser Gebet
sein; dann ist unser Tod wirklich nur der Durchgang zur vollendeten Liebe Gottes. Wenn um uns herumStreit und Tod ihre wilde Herrschaft üben, dann sind wir aufgerufen, nicht nur durch Worte und Gedanken, sondern auch durch die Tat Gottes Liebe und Gottes Frieden zu bezeugen. Lest Jakobus 4, 1 ff! Täglich wollen wir uns fragen, wo wir durch die Tat Zeugnis geben können für das Reich, in dem Liebe und Friede herrscht. Nur aus dem Frieden zwischen zweien und dreien kann der große Friede einmal erwachsen, auf den wir hoffen. Laßt uns allem Haß, Mißtranen, Neid, Unfrieden, wo wir nur können, ein Ende machen. „Selig sind die Friedfertigen, denn sie sollen Gottes Söhne heißen.“ Seit mehreren Wochen bin ich von meiner Reise zurück!. Fritz
hat vorgestern Hochzeit gehalten. Die Sommerarbeit war sehr erfreulich. Einen Bericht über die Reise würde ich Euch gerne schicken, aber er ist zu lang geraten und ich weiß nicht, wie ich ihn Euch zugänglich machen kann?. Es liegt ja auch alles schon wieder weit zurück.
Ich denke an Euch und Eure Arbeit in der Fürbitte. Gott behüte und segne Euch, Eure Häuser und Eure Gemeinden. Er schenke uns allen seinen Frieden.
Es grüßt Euch Euer getreuer
Dietrich Bonhoeffer
1. Rückkehr aus USA in das Seminar am 4. August 1939.
2. „Protestantismus ohne Reformation“, siehe G. S. I S. 323 ff.
Weihnachtsbrief
(Persönlicher Brief!)
1939
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Schlawe, Koppelstr. 9, Adventszeit 1939
Liebe Brüder!
Am Anfang dieses Weihnachtsbriefes muß eine traurige Nachricht stehen. Unser Bruder Emanuel Kahn ist am 2. Dez. 1939 während seiner Militärdienstzeit in der Heimat tödlich verunglückt. Er wurde am 6. Dez. in Sternberg, wo er zuletzt gearbeitet hatte, beerdigt. Bruder Kahn hatte den ganzen Polenfeldzug mitgemacht, er hatte draußen den Auftrag, Verwundete von der Front zu holen und zum Verbandplatz zu bringen. Während eines kurzen Urlaubs besuchte er mich noch knapp zwei Wochen vor seinem Tod. Er sprach mit großer
Klarheit und Festigkeit über denWeg unserer Kirche und über die letzten Entscheidungen des Glaubens. Er fragte nach vielen Brüdern, und wir gingen nach mehrstündigem Gespräch mit einer Andacht auseinander. Ich bin sehr dankbar, daß ich dieses Zusammensein mit Bruder Kahn noch haben durfte. Es ist mir gewiß, daß der Ruf Gottes ihn nicht unvorbereitet getroffen hat. Er war in diesem Leben mit dem Wort, so dürfen wir glauben, daß das Wort ihn in Ewigkeit festhält. Im Meditationstext der Woche seines Todes hieß es: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist
vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.“ (Joh. 5, 24) Daß ein Weihnachtsbrief heute so anfangen muß, macht uns unsere Lage ganz deutlich. DerTod und Weihnachten sind einander sehr nahe gerückt, und wir wollen uns dem auch garnicht entziehen. Hören wir nicht die Todesnachricht eines christlichen Bruders heute schon mit ganz andern Ohren als noch vor wenigen Monaten? Ist uns nicht das Licht der Weihnachtsbotschaft schon so hell geworden, daß wir uns wirklich freuen können, wenn wir wissen dürfen, daß einer der Un-
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sern es nun in Ewigkeit sehen darf? ja, daß wir uns selbst
darauf zu freuen anfangen? Freilich ergreift uns wohl angesichts dieses Lichtes auch eine unbeschreibliche Angst, wenn wir an die Vielen denken, die der Tod nicht im Glauben trifft, und vielleicht auch, wenn wir an uns selbst, unser Leben, unsre Amtsführung denken. Dann möchten wir manchmal in einem Augenblick zu erzwingen versuchen, bei uns und bei andern, das Gott doch oft nur in langen Jahren des Betens, ‚Suchens und Wartens schenken will, und vielleicht ist dann der Trost auch manchmal etwas eilig und schnell, und es gibt darum keinen bleibenden Frieden. So danken wir dann Gott, daß er uns heute noch nicht wegruft, daß er uns noch Zeit ‚gibt, hier seinWort zu lernen und nach ihm zu leben und unser Amt so zu führen, daß es Frucht bringt, vielleicht nach langen unfruchtbaren Jahren. So bleibt die Weihnachtsbotschaft von der großen Freude, vom Heiland, vom Frieden bei aller Erfüllung, die sie bringt, doch auch für uns persönlich und
für unseren Dienst an den Menschen eine Verheißung, der -wir nachjagen. Viele von Euch wird dieser Brief in großer Überlastung der Arbeit antreffen. Gott weiß allen Euren Dienst und kennt Eure Kraft, er wird Euch solange aufrechtstehen lassen, wie er Euch brauchen will. Die meisten von Euch werden in Ungewißheit sein, wie lange sie noch in der Gemeinde arbeiten dürfen. Dazu schrieb neulich ein Bruder aus dem Feld: Wenn Gott uns aus der Gemeinde gehen heißt, dann will er wohl
selbst den Acker bestellen. Viele von Euch sind von ihren Ge-
meinden, von Frau und Kindern getrennt und sehnen sich nach der Arbeit, die die anderen zu erdrücken droht. An Euch, liebe Brüder draußen, denken wir ganz besonders in dieser Zeit. Keiner ist da vergessen, bei uns nicht, aber erst
recht bei Gott nicht. Wir befehlen Euch täglich der Gnade
Gottes und bitten, daß Ihr wieder zurückgeführt werdet in „Eure heimatliche Gemeinde.Wir wissen aber freilich auch, daß
Weihnachtsbrief
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durch Euch jetzt draußen ein großer Dienst ausgerichtet wird, und daß Euer Auftrag Euch begleitet, wo Ihr auch seid. Viele Feldpostbriefe haben wir in den vergangenen Monaten bekommen, und jeder von ihnen hat uns wirklich beglückt. Es ist ein und dasselbe Zeugnis, in dem wir uns gegenseitig stärken; und daß Ihr draußen fest dabei bleiben könnt, das ist für uns hier eine große Hilfe und Bekräftigung. Wir wollen weiter für einander beten, daß jeder an seiner Stelle das Bekenntnis ablegen kann, das Gott von ihm fordert, auch wenn es einmal sehr schwer wird. Daß nur ja in dieser Zeit keiner allein gelassen bleibt und daß Gott uns doch zum Glauben an die Gemeinschaft der Heiligen auch immer wieder etwas von ihr erfahren und sehen lasse! Das aber will und kann er nur, indem wir uns ihm zur Verfügung stellen und den Bruder suchen und ihm zur Seite stehen. Liebe Brüder, wann hätten wir zuversichtlicher, fröhlicher die Weihnachtsbotschaft predigen können als in diesem Jahr? Wann wäre unser Amt nötiger und herrlicher gewesen? Wann hätten wir Gott dringender anrufen müssen, unserm Dienst endlich, endlich die Frucht zu schenken, die er verheißen hat, uns zu reinigen und abzutun von uns, was den rechten Dienst hindert und uns dann zu brauchen, wie wir sind, als seine Diener?
Unsere Arbeit hier geht in begrenztem Umfang weiter wie bisher. Laßt bitte auch wieder von Euch, Eurer Arbeit und Eurem Ergehen hören. Ich danke allen, die in den letzten Wochen geschrieben haben, sehr herzlich. Gott segne Euch die Weihnachtszeit, Euch persönlich, Eure Häuser und Eure Gemeinden. Er lasse Euch im Glauben gestärkt, in der Liebe reicher geworden, in der Ho ffnung gefestigt ins neue Jahr gehen. Es grüßt Euch alle Euer getrener Dietrich Bonhoeffer
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Als Beilage schicke ich Euch einen für einen andren Zweck verfaßten theologischen Brief für eine ruhige Stunde in den Weihnachtstagen!.
Sigurdshof, 15. Januar 1940
Lieber Karl-Friedrich! ... Die Zeit der Ungewißheit wird ja nun nicht mehr lange dauern?. Hier sitzen wir in Kohlensorgen und ohne Petroleum, so daß wir Kerzen anzünden müssen, solange es welche gibt. Dazu sind wir jetzt von der Stadt fast ganz abgeschlossen. Das alles wäre an sich ja auch ganz schön, wenn nicht die allgemeinen Sorgen auch hierher mitgehen würden. Aber es geht uns noch sehr gut...
Sigurdshof, 14. Februar 1940
Liebe Eltern! ... Wir sind seit Sonnabend nun gänzlich eingeschneit und
abgeschnitten. Es kommt auch kein Postauto mehr durch. Nur durch gelegentliche Schlitten können wir etwas heranbekommen ... 28° — und doch hatte man kaum gefroren. Die Arbeit geht unter diesen Umständen gut weiter.Wir haben vom
Förster
2 m Holz und auch 2 Ztr. Kohlen bekommen. So
geht es wieder für ein paar Tage. Die Verpflegung ist natür-
lich auch etwas erschwert, aber noch wird man satt... Wenn es nach mir geht, so würde ich, glaube ich, nie mehr für im-
mer in der Stadt leben wollen... Wie geht es Wilhelm? ... 1. Theologische Meditation
über Weihnachten
und Epiphanias,
geschrie-
ben für den pommerschen Bruderrat (siehe G. S. III). 2. Gemeint
ist, daß Hitler mit eventuellen
Kriegsausweitungen
scheitern
muß, bzw. beseitigt wird. 3. Niesel, am 3. Februar mit Andler und Prätorius verhaftet (bis 8. 3.);
am 3. Mai mit Reichsredeverbot aus Berlin ausgewiesen.
Ende
in Sigurdshof
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Sigurdshof, 23. Februar 1940 ... seit heute taut es nun. Da ist alles noch unpassierbarer als es schon war. Kein Auto kann fahren. Und bald werden wir schlimmes Hochwasser haben. Der Boden ist noch so hart. Wie mag das sonst im Land aussehen? Wir wissen fast nichts. — Daß Diestel vielleicht bleibt, freut mich sehr. Dagegen bin ich wegen Wilhelm doch ziemlich beunruhigt. Hoffentlich geht alles gut. — Jetzt bin ich bald zwei Wochen hintereinander hier. So komme ich auch wieder etwas zu einer Arbeit, an der ich schon länger sitzel. Es ist ganz wunderbar, so ruhig arbeiten zu können und man kann gar nicht dankbar genug dafür sein, wirklich für jeden Tag... Hoffentlich hören wir bald von Sabine...
6. März 1940
... Seit 2 Tagen sind wir wieder in tiefem Schnee und fast un-
unterbrochenem Schneegestöber ... Hier geht die Arbeit bis zum 15. und ich weiß noch nicht ganz, ob ich es zur Konfırmation schaffe...
Es grüßt Euch Euer dankbarer Dietrich
1. Theologische Auslegung von Psalm 119, siehe G. S. IV.
II. NACH
DER
AUFLÖSUNG
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(Persönlicher Brief) Mai 19401
Liebe Brüder! Heute muß ich Euch einmal allen zusammen für Eure Grüße und Briefe danken, die ich in der letzten Zeit von Euch bekommen habe. Ich komme sonst mit dem Schreiben nicht mehr durch, und ich möchte auch nicht, daß Ihr noch länger auf meinen Dank wartet. Jeder Gruß und jeder ausführliche Brief hat mich sehr gefreut und mir ermöglicht, mich wieder besser auf den Einzelnen einzustellen. Ihr müßt aber nicht denken, daß ich an die wenige freie Zeit, die Ihr habt und die Ihr für Eure Familien und für Euch selbst braucht, auch noch
Ansprüche machen will. Ich kann mir auch so gut vorstellen, daß man bei allem, was man erlebt, manchmal den Wunsch hat, nun nicht mehr darüber sprechen und schreiben zu müssen, besonders wenn man schon nach Hause schreibt. Ich möchte Euch dann wirklich keine Briefe abpressen. Es ist mir oft beschämend, wenn ich einen langen Brief aus dem Feld bekomme. Ich denke dann manchmal, daß der, der ihn schrieb, seinen Schlaf und seine Ruhe gewiß auch brauchen könnte. Daß ich mich über jeden Gruß aus einer wirklich freien Stunde sehr freue, brauche ich wohl nicht zu sagen. Ich danke Euch für alle Opfer an Zeit und Ruhe, die Ihr für Eure Briefe gebracht habt. Viele von Euch wollen mehr hören von dem, wie es bei uns 1. Inzwischen war im März 1940 das als Sammelvikariat aufgezogene Seminar endgültig zu Ende gegangen, fast alle Kandidaten eingezogen. Zwei Tage, nachdem der letzte abgereist war, erschien wiederum die Gestapo, um das Unternehmen zu schließen.
Brief ins Feld, von
der Freiheit
des Amtes
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geht, damit die Verbindung nicht abreißt. Ich begreife das gut.
Ihr müßt aber bedenken, die Zeit bringt es mit sich, daß jeder froh ist, an seiner Stelle das Seine tun zu dürfen und daß der Überblick einem oft weithin verloren geht. So schmerzlich das ist, hat es ja auch sein Gutes; es ist eine Probezeit für jeden Einzelnen, ob er seine Arbeit eine Zeit lang allein in Trene tun kann. Noch wissen wir nicht, wie sich das auswirken wird, aber so weit ich sehen kann, habe ich nicht den Eindruck, daß dadurch das Ganze Schaden leidet. Wer bisher gelernt hat, worum es geht, der bleibt fest, auch wenn er eine Weile allein stehen muß, wenn es nur nicht zu lang ist. Die größte Schwierigkeit bereitet zur Zeit, wie Ihr Euch denken werdet, die Vertretungsfrage. Es werden hier wirklich alle erdenklichen Wege beschritten. An manchen Stellen geht es fast über die Kraft der Brüder. Wo wir dann aber so deutlich an die Grenze unseres Dienstes stoßen, sollen wir uns auch nicht durch Skrupel aufreiben lassen. Hier tritt Gebet und Glaube in die Lücke und die Dankbarkeit für das, was wir noch tun können. Es schiene mir nicht recht, jetzt den Einzelnen drin-
nen und draußen noch mit besonderen Sorgen zu belasten. Auf den meisten liegt genug. Ein jeder muß wissen, wie er sich mit Gottes Wort durch seine Aufgaben durchschlägt, und
er sei dabei der Fürbitte der Brüder und der Kraft Jesu Christi gewiß. Es ist, glaube ich, überhaupt wieder einmal an der Zeit, etwas von der Freiheit unseres christlichen Lebens und der Gnade Gottes zu sagen. Manche von Euch, die Ihr im Feld seid,
schreiben etwas bedrückt über die Schwierigkeit, eine Ordnung christlichen Lebens mit dem Euch ganz in Anspruch nehmenden täglichen Dienst zu vereinen. Zeit und Ruhe für
das Lesen der Schrift, für Gebet und Fürbitte sind für viele einfach nicht zu finden. Aber darüber hinaus scheint es auch
sehr verschieden mit der Möglichkeit zu stehen, solche Ge-
spräche zu führen, wie wir sie uns als Christen ersehnen, und
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Nach
der Auflösung.
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einen gewissen Einfluß auf die allgemeinen Gesprächsgegenstände zu gewinnen. Die einen schreiben sehr beglückt darüber, die anderen ebenso betrübt. Ich weiß nun nicht, ob es ganz richtig ist, wenn man Euch immer wieder schreibt, daß Ihr auch da draußen „im Amte“ seid und sein müßt. Gewiß wird keiner von uns jemals von der Verantwortung seines Christenstandes entbunden, und keiner darf es verleugnen, daß er Pastor ist. Aber ist das nicht doch etwas anderes, als wenn man so selbstverständlich sagt, daß man auch draußen „im Amte“ sei? Das seid Ihr meiner Meinung nach doch eigentlich nicht und könnt es auch nicht sein. Ich befürchte hier eine Illusion, die gerade dem Ernsthaften zum harten Gesetz wird, an dem er sich wund reibt und schließlich scheitern muß. Vielleicht sagt Ihr, daß Euch Eure Ordination selbst dieses Gesetz auferlegt. Ich will hier nicht die theologischen Fragen der Ordination und ihrer Bedeutung für den, der aus irgend wel-
chen Gründen sein Amt nicht ausüben kann (also etwa im Falle eines Berufswechsels) erörtern. Hier gehen die Urteile auseinander. Eines aber ist sicher: Die Ordination ist uns zum Trost und als Gnade eingesetzt, um uns in unserm Amt gewiß zu machen. Sie will uns aber nicht quälen, daß wir an ihr verzweifeln, und sie will das an Euch jetzt jedenfalls gewiß nicht tun. Es scheint mir nötig, das einmal auszusprechen. Wir müssen uns in dieser Sache sehr vor enthusiastischen Ge-
danken hüten, die vielleicht eine Weile lang sehr schön sind, die uns aber eines Tages sehr gefährlich werden können und unsern ganzen Glauben irre machen können. Wenn einer von Euch etwas bekümmert schreibt, daß er eben nur Soldat unter Soldaten sein könne und daß er dabei versuche, ein Christ zu bleiben, daß aber seine Kraft darüber hinaus nicht reiche,
so möchte ich den und alle, denen es ebenso geht, trösten. Ich kann darin keine Untrene gegen das Amt erblicken. Man kann eben als Soldat nicht einfach die Existenz eines Pastors weiter führen, und man soll sich daran nicht innerlich auf-
Brief ins Feld,
von
der Freiheit
des Amtes
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reiben. Natürlich ist es herrlich, wenn einem der Dienst so viel Zeit läßt, wie man sie für das Wort Gottes braucht. Aber ob das so ist oder nicht, dafür seid Ihr meist doch selbst nicht
mehr verantwortlich. Natürlich ist es beglückend, in Gesprächen etwas wirken und helfen zu können. Aber die Grenzen, die uns hier gezogen sind, sind gewiß nicht nur durch unsere Schuld gesetzt. Natürlich wäre es schön, wenn wir etwas Einfluß auf gewisseWorte und Unterhaltungen unserer Umgebung gewönnen. Aber ich glaube auch wieder nicht, daß es gut und geboten ist, nun in sich selbst eine allzu große Empfindsamkeit zu kultivieren, die uns vielleicht doch nur schwach und zu kräftiger Hil/e unfähig macht. Wer die Macht und Art der Welt und sein eigenstes Böses im Kreuze Jesu Christi er-
kennen gelernt hat, und wer hier zugleich die unendliche Liebe Gottes zu dieser Welt ernstlich glaubt, der sollte doch wohl durch gewisse Äußerungen dieser Weltlichkeit nicht mehr allzu überrascht und erschüttert werden. Also, ich hoffe, Ihr versteht, was ich meine: wir freuen uns mit jedem, dem sich
Türen auftun, und sind mit ihm dankbar dafür, aber wir ste-
hen auch neben jedem, dem es anders ergeht und wollen nicht, daß er darum an seinem Rufe zum Amt irre wird. Der große Unterschied zwischen Eurer Existenz, liebe Brüder
im Feld, und der unsern, die wir noch in der Freiheit des Amtes stehen, liegt wohl darin, daß wir uns an einer Stelle einsetzen dürfen, die wir durch unsern Beruf in gewissem Sinne selbst und frei bestimmt haben, während Ihr nun das Leben von Millionen von Menschen teilt, denen ihr Arbeitsund Lebenseinsatz niemals in diesem Sinne freigestanden hat.
Die damit verbundene innere Umstellung ist für uns wahrscheinlich das Allerschwierigste und macht es uns sogar manchmal nicht mehr ganz leicht, einander zu verstehen. Abgesehen
von aller christlichen Problematik bringt nun diese tiefe Veränderung unseres Lebens gewiß auch die Nötigung einer Neuordnung unseres Lebens mit dem Worte Gottes mit sich. Es ist
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ein verschiedenes Maß von Bewußtheit des Christseins, das Eure bisherige und Eure jetzige Existenz bestimmt. Während wir im Amte von Stunde zu Stunde an unser Christsein erinnert werden, vergehen für Euch Stunden und ganze Tage, ohne daß Euch ein Augenblick für solche Erinnerungen gelassen ist, so wie es auch sonst der Mehrzahl der arbeitenden
Menschen geht. Wenn dann morgens oder abends oder zu einer unerwarteten Stunde der Augenblick der Erinnerung kommt, was ja nicht ausbleiben kann, dann ist er wohl oft so übermächtig, daß wir ihm kaum gewachsen sind, und daß wir uns umsomehr nach jener dauernden Gemeinschaft mit dem Wort Gottes sehnen, die wir im Amte hatten. Und dann kann es wohl auch geschehen, daß man sich falsche Vorwürfe macht, daß man eine feste Ordnung christlichen Lebens sucht, die man eben zuzeiten nicht haben kann. Wir wissen es ja wirklich, daß Ordnung und Bewußtsein christlicher Existenz eine gute und überaus hilfreiche Sache ist, aber es ist nun doch nicht alles. Der plötzliche und harte Zusammenstoß von täglicher Arbeit und Wort Gottes, wie Ihr ihn jetzt gewiß oft erfahrt, muß doch wohl zuzeiten auch an die Stelle einer gleichmäRigen Ordnung treten. Wir sollen uns nicht knechten lassen. Gott kennt Euer jetziges Leben und findet seinen Weg zu Euch auch in den angespanntesten und ausgefülltesten Tagen, wenn Ihr den Weg zu ihm nicht mehr findet. Nun aber wollen wir alle einmal nicht mehr auf unsere verschiedene Lage und Arbeit sehen und uns darüber Gedanken machen, sondern wir wollen gemeinsam auf die Arbeit Gottes sehen, die nicht stille steht, ob wir nun so oder anders dabei sind, anf seine Arbeit an uns, an seiner Kirche, an der ganzen Welt. Wir wollen auf seine Gnade sehen, die uns alle durch viele dunkle Stunden, vor deren Ausgang wir bangten, bis hierher bewahrt hat. Wir wollen auf seine Treue sehen, die noch immer Wort gehalten hat. Gott hat es mit uns und unserer Kirche angefangen, so wird er es auch zu Ende führen,
Brief ins Feld, von
der Freiheit
des Amtes
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wie es für einen jeden gut ist. Der Herr Jesus Christus bewahre uns in seiner Gnade bis zum Ende. Die Meditationstexte sind diesmal besonders wegen der Brüder im Felde im Zusammenhang mit den Wochensprüchen gewählt und für eine längere Zeit im voraus. Sollte aus irgendwelchen Gründen eine weitere Angabe von Texten ausfallen, so wollen wir uns immer an die Umgebung der Wochensprüche halten. Ich möchte Euch auch noch einmal auf die kleine Ausgabe der Stuttgarter Jubiläumsbibel aufmerksam machen, die einem durch ihre Text und Sache betreffenden Anmerkungen gelegentlich doch das Lesen besonders des A.T. sehr erleichtert, gerade wenn man sonst keine anderen Hilfsmittel zur Hand haben kann. Liebe Brüder zu Haus! Vielleicht findet Ihr, daß dieser Brief zu wenig zu Euch geredet hat. Aber wir können ja unsere Arbeit doch nicht tun, ohne unaufhörlich an unsere Brüder
draußen zu denken und sie mit unseren Gedanken zu suchen, und nicht anders geht es denen draußen. Wie bald kann sich auch für uns alles ändern. Bis dahin seid fröhlich in Eurer
Arbeit und dankbar für jeden neuen Tag, an dem Euch Gott noch den Gemeinden dienen läßt. Laßt uns für einander beten, daß wir die Verantwortung, die auf uns gelegt ist, in rechter Weise tragen und trene Hirten der Gemeinden sind. Durch den Heiligen Geist wurde unsere Kirche zu Pfingsten gegründet. Der Heilige Geist wird sie auch erhalten. Gott, der Heilige Geist, erfülle unsere Herzen mit nener Liebe zu seinem Wort, zu seiner Gemeinde, zu allen Menschen.
Gott behüte Euch, Eure Häuser und Eure Gemeinden.
Es grüßt Euch Euer Dietrich Bonhoeffer
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Adventszeit 1940 Liebe Brüder! Als 1914 der Krieg in die „Vorkriegszeit‘‘ hineinbrach, da wurde er als eine Zeitwende ohnegleichen empfunden. Eine ganze Art zu denken und zu leben war umgestürzt, etwas
völlig Neues an ihre Stelle getreten. Dieses Neue aber, das der Weltkrieg brachte, ist auch nach dem „Friedensschluß“ nicht wieder dem Alten, dem Vorkriegsmäßigen gewichen. Der Umbruch der Zeit ist geblieben, ja er hat sich in immer nenen Phasen verschärft und verdeutlicht. Eben daher kommt es wohl, daß wir den gegenwärtigen Krieg nicht wieder wie 1914 als eine radikale Veränderung unseres Lebens empfinden, sondern nur als eine erneute schärfere Klärung unserer Existenz in der Welt, deren Art wir grundsätzlich seit Jahren schon gekostet haben. Wie beim Film der Zeitraffer Bewegungen in eindringlicherer Konzentration sichtbar macht, die sonst von unserm Blick so nicht erfaßt werden, so läßt der Krieg in besonders drastischer und unverhüllter Form anschaulich werden, was uns seit Jahren als Wesen der „Welt“ immer un-
heimlicher deutlich wurde. Nicht erst der Krieg bringt den Tod, nicht erst der Krieg erfindet die Schmerzen und Qualen menschlicher Leiber und Seelen, nicht erst der Krieg entfesselt Lüge, Unrecht und Gewalt. Nicht erst der Krieg macht unser Dasein so völlig ungesichert und den Menschen zu dem Ohnmächtigen, der seine Wünsche und Pläne durchkreuzt und zer-
rissen sehen muß von „höherer Gewalt“. Aber der Krieg macht dieses alles, was schon ohne ihn und vor ihm da ist, uns allen unübersehbar, die wir doch so gern dieses alles übersehen möchten. Eben damit schenkt uns der Krieg in besonderer Weise die Möglichkeit echter Weihnachtsfeier. „Welt ging verloren“, das ist die Erkenntnis, von der aus erst erfaßt werden kann, was es heißt „Christ ward geboren“. Aber jener Erkenntnis weichen wir alle mit jedem Mittel aus. Es ist ja auch eine uner-
Weihnachtsbrief
1940
Dal
trägliche Erkenntnis. Wir möchten vor ihr den Kopf in den Sand stecken: So schlimm ist es doch nicht! Wir möchten uns auf irgendeine Insel der Seligen flüchten: Mein Leben ist doch wenigstens schön und froh und harmonisch! Wie oft ist gerade das Pfarrhaus und Pastorenleben eine solche Insel der Seligen. Und wie sehr haben wir Deutschen gerade aus dem Weihnachtsfest eine solche Insel gemacht, auf die man sich aus der eigentlichen Wirklichkeit des Lebens für ein paar Tage oder doch wenigstens Stunden retten könnte. Wie ist unsre ganze übliche Feier des Festes mit all dem Tranlichen und Lieblichen und Süßen und Bunten, womit wir sie geschmückt haben, abgestellt auf diesen „Zauber“, der uns einmal ins Märchenland entführen soll. Weihnachten — einmal „Ferien vom Ich“, „Ferien vom Leben“. Darum wurden aus der echten Weihnachtsfeier, wie sie in jenem Gang der Hirten zur Krippe vor uns steht, die Tage äußeren und inneren Behagens, zu dessen Sicherung dann auch die Botschaft von Gottes Liebe im Hintergrund ganz brauchbar sein mochte. Diese Art der Weihnachtsfeier — wir wollen nur ruhig eingestehen, wie sehr es auch unsre Art in den Pfarrhäusern ge-
worden war — ist uns schon in den letzten Jahren schwer gemacht worden. Der „Zauber“ hat vollends heute seine Kraft verloren, er bannt nicht mehr die Wirklichkeit. Die Flucht ist uns verstellt. Die bunten Schleier, die uns sonst noch wirklich für Tage und Stunden täuschen mochten, sind uns heute als Täuschung und Lüge dentlich geworden. Das Wesen der Welt hat sich enthüllt. „Welt ging verloren“ — das ist nicht mehr ein Lehrsatz der Dogmatik, das ist anschaulich die Wirklichkeit, in der unser tatsächliches Leben sich vollzieht. Darum aber hören wir nun auch mit neuen Sinnen und neuem Verlangen die alte Botschaft „Siehe ich verkündige euch — denen, die da sind in Finsternis und Schatten des Todes — große
Freude! Denn euch ist heute der Heiland geboren, Christus
der Herr!“ Nun sind wir beim Weihnachtsfest in neuer Weise
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gerade auf das gerichtet, was auch in der Bibel im Mittelpunkt steht: auf die einfache Wirklichkeit des gnädigen und erbarmenden Tuns, das von Gott her in diese verlorene Welt kommt. Nicht mehr feine, bunte Bilder und Sinnbilder sind
es, an denen uns liegt, wir dürsten aus der so realen Wirklichkeit und Not heraus nach der Wirklichkeit der großen göttlichen Hilfe. Ob Gott wirklich den gesandt hat, der Recht und Vollmacht hat zur ganzen, umfassenden, endgültigen Erlösung, das ist es, wonach wir fragen. Und das volle, herrliche Ja der Antwort auf diese Frage ist die Weihnachtsbotschaft. Sie zu hören in aller Einfalt und sie zu sagen in aller Sachlichkeit, das ist unsere Aufgabe, unsre selige Aufgabe am Christfest. Die Welt ist von jeher voll von tausend Forderungen, Plänen, Aufrufen und Anweisungen, mit denen man die Nöte der Welt zu überwinden sucht, die jedem früher oder später schmerzlich genug fühlbar werden. Wir haben Gott sei Dank nicht wieder zu fordern, zu planen und aufzurufen, wir haben einfach zu hören und zu sagen, was ohne all unser Tun und Machen als die wirkliche und die ganze Hilfe von Gott geschenkt ist. Freilich, dadurch bekommen wir keine andere Weihnachtsfeier als wie sie die Hirten von Bethlehem gehabt haben, auch wenn wir in unser Christfest den ganzen Reichtum des Kreuzes, der Auferstehung, der Himmelfahrt Jesu mit hineinnehmen dürfen. Wir bleiben wie die Hirten Glaubende. Wie sie sehen wir das Kind in der Krippe, das sich von anderen Kindern nicht unterscheiden will, und hören die Botschaft, „wie denn zu ihnen von diesem Kinde gesagt ward“. Die Nacht der Welt ist uns so dunkel, wie sie nur damals den Hirten sein konnte. Daß die Herrschaft der Welt auf der Schulter dieses Kindes liegt, daß ihm alle Gewalt gegeben ist im Himmel und
auf Erden, das ist — trotz aller reichen und seligen Erfahrungen der ganzen Christenheit auf Erden — heute so wenig wie damals zu sehen, heute so wie damals nur zu hören und
Gefallen
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zu glauben. Auch unsere Weihnachtsfeier führt uns nicht hinaus aus den Nöten und Lasten unsres Lebens in der Welt, führt uns nicht ins Paradies. Auch wir müssen wie die Hirten wieder umkehren, zurück in die alien Verhältnisse mit all ihrem Druck, der uns wund macht. Aber — wenn uns nur die Weihnachtsfeier der Hirten geschenkt wird, wenn wir nur so zu hören und zu glauben vermögen. Der Retter ist da! Gottes Hand ruht wieder auf der Welt und läßt die Welt nicht mehr los! das Heil ist im Schwange! die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbei gekommen! die Herrschaft der Welt ist dem Fürsten dieser Welt schon abgesprochen und ist schon auf die Schultern dieses Kindes gelegt! Dann darf es auch von uns heißen wie von jenen Hirten: nicht nur „sie kehrten wieder um“ in all die alte bittere Not hinein, sondern auch „sie priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war“, mitten in allen persönlichen Nöten, mitten in der Nacht der Welt, mitten im Krieg.
15. August 1941 Lieber Bruder .. .? Heute muß ich Euch mitteilen, daß unsere Brüder Konrad Bojack, F. A. Preuß, Ulrich Nithack und Gerhard Schulze im Osten gefallen sind. Konrad Bojack war im Sommer 1935
bei uns. Er wurde Pfarrer in Lyck (Ostpr.), dort hinterläßt er seine Frau und zwei kleine Kinder. Mit dem Ernst und
der Freude seines Christseins, mit seiner ganz aus Gottes Wort
1. Brief nur unvollständig erhalten. 2. Es war schon länger gefährlich, einen Vervielfältigungsapparat zu benutzen. Bonhoeffer schrieb die Rundbriefe deshalb nun mit Durchschlägen auf der Schreibmaschine und setzte an den Anfang den persönlichen Namen jedes Adressaten mit der Hand. Die Briefe gingen zeitweise an fast 100 Empfänger. Siehe Seite 390.
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herkommenden Predigt, mit seiner Liebe zur Kirche, zum Amt und zur Gemeinde ist er uns allen ein guter Zeuge Jesu Christi gewesen. Als gebürtiger Schlesier, der in Ostpreußen seine Wahlheimat fand, waren die Fragen und Aufgaben des deutschen Grenzlandes ihm besonders ans Herz gewachsen. Er bewährte seine Heimatliebe als treuer Pfarrer seiner Gemeinde. In der unverfälschten Predigt von Christus erkannte er seinen Auftrag und das Heil seiner Gemeinde. Er fiel am 22.
Juni dicht an der ostpreußischen Grenze. Wir betrauern den Verlust dieses stillen, aufrichtigen Bruders. Er vertraute in diesem Leben auf Wort und Sakrament. Nun darf er schauen, was er geglaubt hat. F. A. Preuß war zusammen mit Konrad Bojack bei uns. Er wurde Pfarrer in Landsberger Holländer in der Neumark, wo er seine Frau und zwei kleine Kinder hinterläßt. Wir hatten in ihm einen immer freundlichen und fröhlichen Bruder, der fest im Glauben an Jesus Christus stand, der auch unter schwierigen Verhältnissen das ihm aufgetragene Amt treu versah, und der seiner Gemeinde mit großer Liebe und Hingabe gedient hat. Nun hat Christus ihn zu seiner himmlichen Gemeinde gerufen. Ulrich Nithack war im Sommer 1938 unter uns. Keinem, der ihm begegnete, konnte die strahlende Fröhlichkeit und die in-
nere Zuversicht, die ihm sein Glaube an Christus geschenkt hatte, verborgen bleiben. Seine nie versagende Bereitschaft zum brüderlichen Dienst und seine Dankbarkeit für das Geringste haben ihm die Liebe aller Brüder eingetragen. Aus
einem im besten Sinne kindlichen Glauben Arbeit an einem persönlichen Leben in der Jesus Christus. Das Gebet stand für ihn im einer uns alle stärkenden Gewißheit sah er
erwuchs ihm die Heiligung durch Mittelpunkt. In seinen Weg und
seinen Auftrag ganz in der Bekennenden Kirche, die er von Herzen geliebt hat. In jeder ihm aufgetragenen Arbeit ging er ganz anf. Mit seinem Tode erlischt für uns etwas von dem
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Lichte Jesu Christi, das wir hier und da durch Menschen hindurch erblicken dürfen, aber doch nur, um umso heller in der ewigen Sonne Jesu Christi zu leuchten. Gerhard Schulze war wie Ulrich Nithack im Sommer 1938 bei uns. Er kam aus einer kampferfüllten Gemeindearbeit, in der er die Sache der Kirche tapfer und klar vertreten hatte. In seiner lebensvollen, heiteren, gewinnenden Art fand er, wo
er auch war, rasch Freunde und Gemeinschaft. Er wollte sein Leben ganz für den Kampf der Bekennenden Kirche einsetzen. Gott hat ihn in besonderer Weise durch Tiefen und Höhen geführt, er durfte die Macht der Gnade Gottes in seinem Leben stärker erfahren als andere. Aus dieser Erfahrung heraus wollte er sein künftiges Amt führen. Sein Tod trifft viele Freunde, die mit ihm durch sein Leben gegangen sind. Ein an Gnade so reiches Leben aber erfüllt uns aufs Nene mit der Gewißheit, daß Gottes Barmherzigkeit kein Ende hat. Außer diesen Brüdern, die uns durch unsere gemeinsame Arbeit besonders nahe standen, fielen die Brüder Hans-Otto Georgii, der Bruder von Wolf Georgii, der im Winter 1937/38 unter uns war und an den wir besonders denken wollen; Martin Franke aus Pommern,
Engelke aus Brandenburg,
Heise
aus Sachsen, Nicolaus aus dem Rheinland. Manche von Euch werden sich noch an meinen Konfirmanden Hans Friedrich v. Kleist-Retzow und seinen Bruder Jürgen Christoph aus
Stettin erinnern. Sie sind beide im Osten gefallen. Bei Hans Friedrich fand man das aufgeschlagene Neue Testament. Sie sind uns vorangegangen auf dem Wege, den wir alle ein-
mal gehen müssen. Euch, die Ihr draußen im Felde seid, erinnert Gott in besonders gnädiger Weise daran, Euch bereit zu halten. Wir aber werden durch das unaufhörliche Denken an Euch wach gehalten. Von Gott gerufen freilich werdet Ihr und werden wir allein zu der Stunde, die Gott ersehen hat. Bis zu dieser Stunde, die allein in Gottes Hand liegt, werden wir alle auch in höchster Gefahr bewahrt werden, und
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aus der Dankbarkeit für solche Bewahrung entspringt wohl immer neues Sichbereiten für den letzten Ruf. Wer begreift die Auswahl derer, die Gott früh zu sich nimmt? Scheint es uns nicht bei dem frühen Tod junger Christen immer wieder, als beraube sich Gott selbst seiner besten Werkzeuge in einer Zeit, in der er sie am nötigsten brauchte? Aber Gott macht keine Fehler. Braucht Gott etwa unsere Brüder zu irgend einem verborgenen Dienst für uns in der himmlischen Welt? Wir sollen unseren menschlichen Gedanken, die immer mehr wissen wollen, als sie wissen können, Einhalt gebieten und uns an das halten, was gewiß ist. Wen Gott zu sich ruft, den hat er geliebt. „Seine Seele gefällt Gott wohl, darum eilt er mit ihm aus diesem bösen Leben“ (Weisheit 4,14). Wir wissen wohl, daß Gott und Teufel in der Welt miteinander in Streit liegen, und daß der Teufel auch beim Tod ein Wort mitredet. Wir können angesichts des Todes nicht in fatalistischer Weise sprechen: „Gott will es“, wir müssen das andere hinzusetzen: „Gott will es nicht.“ Der Tod zeigt an, daß die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte, sondern daß sie der Er-
lösung bedarf. Christus allein ist die Überwindung des Todes. Hier kommt das „Gott will es“ und „Gott will es nicht“ zur schärfsten Zuspitzung und zum Austrag. Gott willigt ein in das, was Gott nicht will, und von nun an muß der Tod
dennoch Gott dienen. Von nun an umfaßt das „Gott will es“ auch das „Gott will es nicht“. Gott will die Überwindung des Todes durch den Tod Jesu Christi. Allein in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi ist der Tod in Gottes Gewalt gekommen, muß er den Zielen Gottes dienen. Nicht eine fatalistische Ergebung, sondern der lebendige Glaube an den für uns gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus vermag ernstlich mit dem Tode fertig zu werden. Im Leben mit Jesus Christus tritt dem Tod als allgemein von
außen an uns herantretendem Geschick der Tod von innen, der eigene Tod, der freie Tod des täglichen Sterbens mit Jesus
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Christus gegenüber. Wer mit Christus lebt, stirbt täglich seinem eigenen Willen ab. Christus in uns gibt uns in den Tod, damit er in uns leben könne. So wächst unser inneres Sterben dem Tod von außen entgegen. So empfängt der Christ seinen
eigenen Tod, so wird der leibliche Tod im echten Sinne nicht zum Ende, aber zur Vollendung des Lebens mit Jesus Christus. Hier treten wir in die Gemeinschaft dessen, der bei seinem Tode sprechen konnte „Es ist vollbracht“. Liebe Brüder, es mag sein, daß Ihr jetzt für solche Gedanken wenig Zeit und Sinn habt. Es gibt Zeiten, in denen uns alles Wirkliche so rätselhaft ist und so bedrängt, daß uns jedes direkte Wort das Geheimnis Gottes zu zerstören scheint, daß wir nur noch andeutend von letzten Dingen sprechen und sprechen hören wollen. Alles, was wir über unseren Glauben zu sagen vermögen, scheint dann so matt und leer gegenüber dem Wirklichen, das wir erleben und hinter dem wir ein unaussprechliches Geheimnis glauben. Das geht Euch draußen kaum anders als uns zu Hause, alles Ausgesprochene ist wie im Nu verweht, alles Formulierte trifft das Wirkliche nicht mehr. Darin kann etwas sehr Echtes liegen, wenn nur in uns ein Wort, nämlich der Name Jesus Christus, nicht erlischt. Dieser Name bleibt ein Wort, das Wort, um dasall unsere Worte kreisen. In diesem Wort allein liegt Klarheit und Kraft. „In meines Herzens Grunde dein Nam’ und Kreuz allein funkelt all Zeit und Stunde, drauf will ich fröhlich sein.“ Laßt mich mit einer Bitte schließen. Ich weiß, daß manchen unter Euch draußen und drinnen die Gedanken über seine
berufliche Zukunft bedrängen!. Laßt diese Gedanken noch eine Weile ruhen. Ihr habt bisher ein gutes Zeugnis geben dürfen für unsere Kirche, für die unsere Brüder auch leiden. Laßt uns jetzt nichts verdunkeln. Wir brauchen dieses bißchen 1. Bedingte oder bedingungslose Legalisierungserwartungen bei den Konsistorien.
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irdische Licht und wir werden es noch mehr brauchen. Wer könnte es übersehen, daß uns mit diesem Kriege ein Einschnitt geschenkt ist, den wir mit unseren Gedanken wahrhaftig nicht zu überbrücken vermögen. Darum wollen wir ge-
trost warten. Jeder Brief, jedes Lebenszeichen von Euch freut mich und viele andere mit mir natürlich von Herzen. Von Bruder Bojack und Nithack hatte ich noch unmittelbar vor dem Einsatz Grüße, für die ich heute ganz besonders dankbar bin. Laßt mich bitte Veränderungen der Anschrift recht bald wissen. Es kommt so oft etwas — ein Buch oder ein Brief — unbestellbar zurück. Das tut mir immer leid, weil damit ein Faden abreißt. Es ist dann meist sehr schwierig, wieder die richtige Adresse zu bekommen. Ich befehle Euch dem, der Euch bei Tag und Nacht behüten kann, der Euch Kraft geben kann in Eurem Dienst, der Euch und uns alle zu seinem Reich führen will. Es grüßt Euch Ener getrener DB.
22. November 1941 Lieber Bruder... Ich muß Euch heute wissen lassen, daß nun auch unsere lieben Brüder Christoph Harhausen, Günther Christ, Wolfgang Krause (Anhalt) und Johannes Staedler in Rußland gefallen sind und daß Joachim Stande seit August vermißt ist. Verwundet sind die Brüder F. E. Schröter, H. D. Pompe, Winfried Krause, G. Seydel, G. Biesental. Es wird mir schwer, Euch das zu schreiben. Gott will wohl in die Reihen der jungen Pastoren besonders große Lücken reißen und uns damit eine besondere Last auferlegen. Wir verlieren mit unseren gefallenen Brüdern Mitstreiter im Kampf für eine Kirche, die allein dem Herrn Jesus Christus gehören soll. Jeder einzelne
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von ihnen mußte in seiner Gemeinde durch besonders schwere Zeiten und hat alle Beschwernisse und allen Segen einer treuen Amtsführung erfahren. In wenigen Jahren hat Gott ihnen gezeigt, was es heißt, Hirte einer Gemeinde zu sein, und heute glauben wir, daß Gott sie so bereit machen wollte für einen frühen Tod. Die Ungewißheit über Joachim Stande ist beson-
ders schwer. Wir wollen Gottes Gegenwart und rechtzeitige Hilfe für diesen stillen, immer freundlichen und geduldigen,
in seinem Glauben festen Bruder erbitten. Christoph Harhausen hat uns durch seine fröhliche Zuversicht für die Sache unserer Kirche, durch die Gradlinigkeit seines Sprechens und Handelns immer wieder gestärkt und froh gemacht. Günther Christ hat sich in vielen schwierigen Gemeindeverhältnissen treu erwiesen und ist uns in seiner festen, heiteren Art ein guter Bru-
der gewesen. Wolfgang Krause war aus kirchlichen Gründen aus seiner Heimatprovinz zu uns gekommen. Es ging ihm in seinem durch und durch aufrichtigen und offenen Wesen ganz um die Klarheit der kirchlichen Sache und der Botschaft von Jesus Christus. Mit Johannes Staedler konnte man nicht zusammen sein, ohne von seiner großen Liebe zu Jesus Christus und seiner Gemeinde berührt zu werden. Sein letzter
Gruß an seine Frau war: Gloria und Halleluja unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Günther Christ hinterläßt seine Braut. W. Krause und ]. Staedler waren jung verheiratet. Unsere Gedanken gehen zu ihnen, denen nun durch den
Tod das höchste Glück ihres irdischen Lebens genommen ist, und wir vergessen auch nicht die Angehörigen unserer gefallenen Brüder Bojak, Preuß, Nithack, G. Schulze, Kahn und Maaß. Es ist ja doch so, daß die verfließende Zeit, zunächst jedenfalls, den Weggang eines geliebten Menschen immer schmerz-
licher macht. Zu der Trauer kommt das tägliche Entbehren.
Je stiller es um uns herum um die Namen unserer Gefallenen wird, desto lauter nennt eine innere Stimme sie uns von Tag
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zu Tag. Wer kennte nicht den heimlichen Wunsch, mit ihnen zu
tauschen, an ihrer Stelle gestanden zu haben? Wie oft durchfährt uns der Schrecken, wenn wir an die Einsamkeit ihres Sterbens denken. Warum konnten wir ihnen nicht den letzten brüderlichen Dienst tun? Bruder Heise, W. Schraders Schwager, durfte in der Gegenwart eines Bruders sterben mit den Worten: Ich bin getröstet. Aber hat nicht Christus alle Macht, einem der Seinen die Ferne aller menschlichen Hilfe reichlich zu ersetzen durch seine heilige und gnädige Gegenwart? Hat er nicht gehört, was kein menschliches Ohr mehr hören könnte, jenes: „Ich bin getröstet“ auch in den Herzen derer, die einsam, aber mit Ihm starben? Eine große Zahl von jungen Predigern des Evangeliums ist nun schon hingegangen. Aber das Wort, das sie hier als Gottes Wort verkündigt haben, ist ja lebendig, es lebt in der glaubenden Gemeinde, es zeugt sich fort, es schafft Glauben und bringt Frucht für den jüngsten Tag. Der für diese Erde verschlossene Mund unserer Brüder aber lobt und preist jetzt und in Ewigkeit den Namen dessen, der das Reich behält, Jesus Christus. „Gloria sei dir gesungen mit Menschen- und mit Engelszungen .. .“ Jeder von uns ist in das Kriegsgeschehen an verschiedener Stelle hineingezogen. Die Dimensionen dieses Krieges sind ja so unermeßlich. Es ist etwas anderes, ob man den Krieg in vorderster Front kämpfend miterlebt, als Offizier oder als einfacher Soldat oder als Sanitäter oder als Kriegspfarrer, ob man zu irgendeinem Dienst hinter der Front befohlen ist ohne die Möglich-
keit besonderer Bewährung, Erfahrung, Auszeichnung, ob man in der Heimat seinen stillen Dienst tut, ob man in irgendeinem fernen Land seinen Platz angewiesen bekam. Keinem bleiben freilich die Stunden erspart, in denen ihm sein Leben sinnlos und seine Zeit vergeudet erscheint, in denen er nicht die ungeheure Erfahrung des Krieges in vorderster Front teilen kann. Auch durch manche Briefe von Brüdern, die hinter
der Front in irgendeinem belanglos scheinenden Dienst ste-
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hen, klingt das hindurch. Hier steckt aber eine ernste Gefahr, der wir uns bewußt werden müssen. Gefahr, Erfahrung und Bewährung gibt es für den Christen, der weiß, worum es in seinem Glauben geht, in jedem Augenblick, wo er auch sei, reichlich genug. Wenn Gott es in seiner reinen Gnade unseren
kämpfenden, verwundeten und sterbenden Brüdern an der vordersten Front schenkt, daß ihnen auch diese ihre besonderen unheimlichen Erfahrungen zum Segen gereichen, so wäre
es unehrfürchtig gegenüber diesemWunder, solche Erfahrungen ungefordert und auch für sich selbst zu begehren. Wer weiß es denn, wie er bestünde? Wer will das Wunder Gottes herausfordern? Gott aber weiß, was er von uns fordern kann und er wird es zu seiner Zeit gewiß auch fordern. Für diese Stunde wollen wir bereit werden, indem wir das uns zugefallene Maß
von Gefahr und Bewährung täglich bescheiden und treu hinnehmen. Grade unseren Brüdern an der Front gegenüber empfinde ich es fast wie einen Raub, wenn man das Unbeschreibliche, was ihnen zuteil wurde, nun auch für sich selbst verlangt. Auch sollen wir bedenken, daß es im Menschsein letztlich nicht um diese und jene Erlebnisse, sondern darum geht: „Gottes Wort halten, Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.“ Wir dürfen uns unsere täglich von Gott kommende
Aufgabe nicht durch Wünsche und Fantasien gering machen lassen. Wenn es einem oder dem anderen von Euch heute noch geschenkt ist, mitten in dem Unfrieden der Welt „ein stilles und ruhiges Leben zu führen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit“, also im Dienst Jesu Christi, so ist auch das ein Wun-
der Gottes, das ebenso zu den ungeahnten Dimensionen dieses Kriegsgeschehens gehört und das für die Welt, für den
Krieg und für die Brüder draußen voll Wichtigkeit und Verheißung ist. Grade die Briefe von der Front bestätigen das immer wieder. Wem es gegeben ist, dem sei es eine der ernste-
sten Pflichten, für den Tag der Heimkehr der Brüder jenes
„stille und ruhige Leben“ mit Gottes Wort aufzubewahren als
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das Herdfeuer, das nicht verlöschen darf. Es geht hier wie dort um die ganze Treue zum göttlichen Auftrag, und doch leben wir drin oder draußen nicht von unserer Treue, son-
dern immer wieder allein von der Vergebung unserer Sünden. Es hat mich angefaßt, in so vielen Briefen von der Front zu lesen, wie Bibel und selbst Meditation Euch bis in die Granattrichter begleiten. Wir danken Euch dafür. Es ist für uns Ansporn, Trost, Beschämung und Hilfe. Habt Dank für jedes Wort, das wir von Euch hören, für jedes Gebet, das uns gilt. Laßt uns mit offenen Herzen in die letzten Tage des Kırchenjahres hineingehen und auch wieder der Zukunft unserer Kirche gewiß und froh werden. Der Brief blieb liegen, da ich mehrere Wochen mit einer Lungenentzündung zu tun hatte. Nun sind auch noch Edgar Engler und Robert Zenke gefallen. Es ist sehr, sehr traurig. Diese beiden Pommern bedeuteten in ihrer festen kirchlichen Haltung besonders viel für die Provinz. Man spürte es bei jedem Zusammensein, wie ihr Herz ganz dem Dienst an Jesus Christus und an seiner Kirche gehörte. Sie wußten sich auch besonders mitverantwortlich für die Bruderschaft und haben ihr treu gedient. Unbefangene Fröhlichkeit und großer Ernst war beiden eigen. Sie kamen aus derselben Quelle, aus dem Glauben an Jesus Christus. Nun wissen wir unsere Brüder beidem, dem sie hier nach Seiner Berufung gedient haben. Bei aller
Traurigkeit wollen wir uns darüber freuen. Gott behüte Euch! Euer getreuer D. Bonhoeffer
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1. März 1942 Lieber Bruder... Unsere lieben Brüder Bruno Kerlin, Gerhard Vibrans und Gerhard Lehne sind gefallen. Sie schlafen nun mit allen Brüdern, die ihnen vorangingen, dem großen Ostertag der Auferstehung entgegen. Wir sehen das Kreuz, und wir glauben an die Auferstehung; wir sehen den Tod, und wir glauben an das ewige Leben; wir spüren die Traurigkeit und die Trennung, aber wir glauben an eine ewige Freude und Gemeinschaft. Bruno Kerlin ist uns in der Fröhlichkeit seines Glaubens, in der Klarheit seines Wesens, in der brüderlichen Dienstbereitschaft ein Zeuge dieses Osterglaubens gewesen, für den wir Gott danken. Gerhard Vibrans wurde von einer Fliegerbombe getroffen, als er gerade mit Kameraden aus dem Neuen Lied singen wollte. Wer diesen lauteren, selbstlosen Bruder gekannt hat, in dem sich Einfalt und Reife so verbanden, daß er das Vertrauen der verschiedenartigsten Menschen fand, der weiß, was wir mit ihm verloren haben. Der Lehrtext seines Todestages — 3. Febr. —, Offenbarung 1, 14, hat mich besonders bewegt. Das Leben dieses Bruders hat unter den ‚„Fenerflammen“ der Augen Christi gestanden, es war ein Widerschein dieses läuternden Feuers. Ich werde nie vergessen, daß er mich das Claudiuslied: „Ich danke Gott und freue mich...“ gelehrt hat und mit seinem Leben eine überzeugende Auslegung dieses Liedes gegeben hat. Gerhard Lehne war ein Mann des Fragens, Suchens, Wanderns, der Unruhe, der vielseitigen Interessen und Erfahrungen, dabei von großem Freimnt und schlichter Ehrlichkeit. Das Ziel, von dem er ergriffen war,
leuchtete durch alles hindurch. Er hat in hingebender Treue seinen kirchlichen Dienst getan. Nun hat Gott ihn früh zur Ruhe und zum Frieden gebracht. Wir loben und danken Gott über dem Leben und Sterben unserer Brüder. Ihr Tod erinnert uns an den Segen, den Gott uns durch die Gemeinschaft
an seinem Wort und Tisch einst geschenkt hat; wir hören auch
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die Mahnung, einander Treue zu erweisen, solange wir es noch können. Die Zeichen solcher Treue habe ich in den letzten Wochen in überwältigender Weise erfahren. Ich kann meine Dankbarkeit dafür in Worten nie aussprechen. Den ganzen Monat hindurch kamen Briefe zu meinem Geburtstag von solchen, die in der Heimat schweren Dienst tun, und auch aus der bittersten Kälte Rußlands, teils in kurzen Gefechtspausen geschrieben. Wie soll ich solche Treue erwidern? Ich danke Euch von Herzen. Laßt uns am Gebet füreinander festhalten. Wer weiß, wieviel Bewahrung er durch Gottes Gnade der Fürbitte eines Bruders verdankt? Es war für mich eine überraschende Erfahrung, daß gerade in letzter Zeit die Stimmen von der Front und aus der Heimat sich mehrten, die um eine neue Hilfe zur Meditation baten. Ich gestehe, daß ich es von mir aus nicht gewagt hätte, Euch jetzt daraufhin anzureden. Ich wollte keinem zu den täglichen Lasten noch eine weitere auferlegen. So will ich auch heute nichts tun als wieder einmal von dem kostbaren Geschenk, das uns mit der Meditation gegeben ist, ein paar Worte sagen, und zwar in einer Hinsicht, die uns heute besonders wichtig wird. Die tägliche stille Besinnung auf das mir geltende Wort Gottes — und seien es nur wenige Minuten — will für mich zum Kristallisationspunkt alles dessen werden,
was innere und äußere Ordnung in mein Leben bringt. Bei der Unterbrechung und Auflösung unseres bisherigen geordneten Lebens, wie diese Zeit sie mit sich bringt, bei der Gefahr, die innere Ordnung über der Fülle des Geschehens, über der restlosen Inanspruchnahme durch Arbeit und Dienst, über Zweifel und Anfechtungen, Kampf und Unruhe aller Art, zu verlieren, gibt die Meditation unserm Leben so etwas wie
Stetigkeit, sie halt die Verbindung mit unserm bisherigen Leben, von der Taufe zur Konfirmation, zur Ordination, sie bewahrt uns in der heilsamen Gemeinschaft der Gemeinde,
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der Brüder, der geistlichen Heimat, sie ist ein Funke von jenem Herdfeuer, das die Gemeinden daheim für Euch hüten wollen, sie ist eine Quelle des Friedens, der Geduld und der Freude, sie ist wie ein Magnet, der alle vorhandenen Ordnungsmächte unsres Lebens auf ihren Pol richtet, sie ist wie ein reines tiefes Wasser, in dem sich der Himmel mit seinen Wolken und mit seiner Sonne in Klarheit spiegelt; sie dient aber auch dem Höchsten, indem sie ihm einen Ort der Zucht und der Stille, der heilenden Ordnung und Zufriedenheit zeigt. Haben wir nicht alle ein vielleicht uneingestandenes, aber tiefes Verlangen nach solcher Gabe? Könnte sie nicht für uns wieder eine heilende, der Genesung zuführende Macht werden? Aus mehreren Gründen halte ich es für das Beste, wenn wir uns für die Meditation bis auf weiteres an die alten Episteln halten. Gott segne uns diese Stunden. Heute am 1. März scheint zum ersten Mal eine warme Frühjahrssonne; der Schnee tropft von den Dächern, die Luft ist klar, und die Erde kommt wieder zum Vorschein. Unsere Gedanken sind bei Euch, die Ihr in den vergangenen Monaten
Unvorstellbares an Front und Winter durchgemacht habt, mit dem Wunsch, daß auch Euch die Sonne und die Wärme und die Erde bald wieder erfreut. „Er gibt Schnee, Er streut Reif, Er wirft Schlossen, wer kann bleiben vor seinem Frost? Er spricht, so zerschmilzt es, Er läßt seinen Wind wehen, so tant es auf“ (Ps. 147). Er wird eines Tages auch den Winter und die Nacht des Bösen zerbrechen und einen Frühling der Gnade und Freude heraufziehen lassen. „Der Sommer ist hart vor der
Tür, der Winter ist vergangen, die zarten Blümlein gehn herfür, der das hat angefangen, der wird es auch vollenden“
(Luther). In der Zuversicht und Gemeinschaft dieses Glaubens befehle ich Euch Gott und unserm Herr Herrn Jesus Christus. Euer getreuer
Dietrich Bonhoeffer
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17. August 1940 Lieber Bruder Jensen! Ich habe Ihnen sehr zu danken für Ihre Briefe, Ihr Buch und für die letzte Nachricht von der Geburt Ihres ersten Jungen. Über alles habe ich mich sehr gefreut, wie mir überhaupt jedes Wort von Ihnen eine große Freunde ist. Wieviel Grund zu danken haben wir in der letzten Zeit im Gedanken an Sie gehabt! Gewiß hat es auch manche Härte und manchen Verzicht gegeben, aber es ist seltsam, bei Ihnen hört und weiß man von dieser Seite des Lebens weniger, es wird alles zu Lob und Dank, und darüber bin ich sehr froh. — In Ihr Buch! habe ich erst kurz hineingesehen; ich werde es aber demnächst im Zusammenhang einer eigenen Arbeit? genauer lesen können. Das wird mich dann besonders an Sie denken lassen. Neulich las ich die anerkennende Kritik von Knak darüber. Daß Sie sich nach dem Amt sehnen, verstehe ich gut. Aber auch wir ersehnen die Heimkehr der Brüder im Feld und bitten Gott herzlich darum. „Die Ernte ist groß .. .“. Die Tätigkeit von Gemeindegliedern und Pfarrfrauen insbesondere ist oft ganz wunderbar. Es ist wohl eine Vorbereitungszeit für kommende Zeiten. Z.Zt. sind wieder allerlei Verhandlungen über die künftige Gestalt der Kirche im Gange®. Es scheint auch als wäre doch eine größere Einmütigkeit da als bisher. Aber wenn es zum Treffen kommt...? Es ist ein Wunder, daß noch B. K.-Gemeinden da sind. Dafür muß man täglich dankbar sein. Eben komme ich aus dem Gottesdienst von G. Dehn in der Friedenauer B. K.-Gemeinde: „Das Scherflein der Witwe.“ Solange noch solche Gottesdienste da sind, braucht man an der Zukunft der Kirche in Deutschland nicht zu ver1. „Christliche und nichtchristliche Eheauffassung, dargestellt am Konfuzianismus“, Bertelsmann 1940. 2. Arbeit an der Ethik. 3. In der 1. Junihälfte Gespräche der Bruderräte (APU) mit den luther. Bischöfen im EOK-Stuttgart. Einsetzung eines Ausschusses: Meiser, Wurm, Dibelius, Held (siehe W. Niemöller, Handbuch S. 152).
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zagen. — Ich war visitatorisch in Ostpreußen, hatte dann den üblichen Zusammenstoß, werde aber hoffentlich in dieser Woche zurückkehren können. Br. Bethge wird das volksmissionarische Amt der Goßner-Mission übernehmen. Gott behüte Ihre Frau und Ihr Kind. Er behüte Sie und segne jedes Wort und jede Tat, die Sie zu seiner Ehre tun kön-
nen. In herzlicher brüderlicher Verbundenheit ...
Kloster Ettal, 26. Dezember 1940 Endlich ist der Brief da, auf den ich solange gehofft hatte, und vor allem: Endlich ist die Feldpostadresse da, ohne die ich Ihnen nicht schreiben konnte, da seit Monaten meine Sen-
dungen an Sie zurückkommen. Besonders schmerzlich war mir das, als ich allen Brüdern einen Weihnachtsgruß schrieb und ein kleines Buch schickte. Da war bei Ihrem Namen immer noch ein Fragezeichen. Nun bin ich sehr froh, wieder von Ihnen zu wissen, wenn auch das, was Sie zu berichten haben,
wenig schön ist. Wie leid tut es mir nun, daß ich in der ganzen Zeit nichts von Ihrem Unglücksfall gewußt habe und nur so allgemein an Sie denken konnte. Ist eigentlich Ihre Frau jetzt in Aalen? und Ihr Junge — Nun muß ich Ihnen etwas von uns erzählen. Im Sommer war ich zu Visitationen in Ostpreußen, z. T. mit Br. Bethge zusammen. Im September bekam ich Redeverbot und polizeiliche Meldepflicht mit 5 anderen Brüdern in der APU zusammen (Superintendent Onnasch, Gollwitzer, Linz, Kreck,...!) alle mit skandalösem Vorwurf „volkszersetzender Tätigkeit“. Eine Möglichkeit der Verantwortung gab es nicht, konkrete Anschuldigungen wurden nicht erhoben, immer dasselbe Lied! Nun ja, in dieser 1. Unleserlich.
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Sache können wir ein sehr gutes Gewissen haben; denn wir
haben eben nichts getan, als das Evangelium von Jesus Christus, dem Herrn, verkündigt. Immerhin bedeutete diese Sache äußerlich einen starken Einschnitt. Ich bin seit Oktober mit in der wissenschaftlichen Arbeit und habe mich zu diesem Zweck nach Ettal, wo ich die Klosterbibliothek benutzen kann, zurückgezogen. Hier wurde das „Gemeinsame Leben“
gelesen und, wie ich höre, gestern bei der klösterlichen Weihnachtsfeier einiges aus der „Nachfolge“ vorgelesen. Das ist doch ganz erfreulich, nicht? Es geht mir gut, und ich habe Grund, für alles dankbar zu sein, hoffe aber wirklich sehr, doch bald wieder in die praktische Arbeit der B. K. zu kommen. Br. Bethge ist sehr in der Arbeit, was mich sehr für ihn freut. Wie schön und wichtig wäre es, Sie auch bald wieder in der Gemeinde zu wissen. Ich kann es mir vorstellen, was für ein Verzicht das für Sie ist. — Nun lassen Sie uns zuversichtlich und dankbar in das Neue Jahr gehen und uns unserem Herrn Jesus Christus aufs Neue ganz anvertrauen und anhalten im Gebet füreinander, daß unsere Seele heil bleibe und Heil finde alle kommenden Tage
nen. Gott behüte Sie.
München, 14. Mai 1941 Ihr Brief vom 24. 4. war mir eine große Freude, da ich daraus ersehe, daß Sie wieder gesund sind und zu Hause eine
schöne Zeit gehabt haben. Ihren Geburtstagsbrief, nach dem Sie fragen, habe ich nicht erhalten; das kann allerdings den Grund haben, daß Post für mich in der Zeit, in der ich ver-
reist war, (Februar — März) (ich war bei Karl Barth u. a.) aufgehoben und mir aus Versehen nicht ausgeliefert worden ist. Jedenfalls kam mir erst jetzt ein Brief, den man für mich
Briefwechsel
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aufgehoben hatte, vom Januar in die Hand. — Ich würde mich sehr für Sie freuen, wenn Sie Heerespfarrer werden könnten. Aber es wird ja nicht einfach sein. In Berlin ist es kürzlich wieder ganz unruhig. Man hat plötzlich u. a. Albertz, Dehn, Asmussen, Böhm, Vogel, Harder und einige Franen verhaftet wegen Prüfungen!. Es ist wirklich kaum begreiflich, warum man ausgerechnet jetzt die Gemeinden so aufbringt und beunruhigt. Aber es kann der Sache ja nur dienlich sein. „Ein Kind sovieler Tränen kann nicht verloren gehen“, heißt es von Augustin, und so ist es wohl auch mit der B.K. Trotz vieler Fehler und Schwächen hält Gott seine Hand über seine Kirche. Es ist täglich wieder zum Erstaunen und zum Danken. Die persönliche und die kirchliche und die allgemeine Zukunft legen wir wieder ganz in Gottes Hände, wollen fröhlich das Unsere tun und Gott das Regiment lassen. Leben Sie wohl, Gott behüte Sie! In trenem Gedenken Ihr Dietrich Bonhoeffer
4. Juni 1941 Lieber Richard!? Mehr als 3 Monate hat es gedauert, bis mich Dein Buch „Wir fragen ...“? erreicht hat. Es blieb während meiner Reisen x-mal liegen und wurde falsch nachgeschickt. Nimm nun bitte heute meinen herzlichen Dank für dieses Zeichen des Gedenkens und der Arbeitsgemeinschaft. Es macht mich wirklich immer fast etwas stolz, zu sehen, daß solche, die auch 1. Prüfungsprozeß mit Urteilen am 22. Dezember und 430.
1941. Siehe Seite 416
2. R. Grunow.
3. „Wir fragen die Bibel, Die Bibellese in Frage und Antwort“, FurcheVerlag.
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bei mir „gelernt“ haben, so tüchtige Sachen schreiben; aber
mehr als das, man freut sich eben über jeden, der selbständig in derselben Richtung arbeitet wie man selbst. Du hast ja reichlich schwere Texte gehabt und ich glaube, daß es Dir gelungen ist, die Dinge einfach zu sagen. Es ist wirklich Christusverkündigung. Einzuwenden habe ich eigentlich nur etwas gegen die Frage 2 vom 1. Dez.t. Auf diese Frage gibt es keine Antwort! Also kann sie nicht Ziel des Textes sein. Dieses ist vielmehr die Verkündigung der Schwachheit und der Kraft des Wortes Gottes, d. h. des Kreuzes und der Auferstehung. Deine Frage ist gesetzlich-pietistisch. — Mt. 21, 28 ff ist mir etwas zu kurz. Diese Geschichte, die ich besonders liebe, ist in Augsburg 1934 von Schlink in seiner Predigt sehr schön ausgelegt worden. Aber das spielt keine Rolle. Ich freue mich sehr über das, was Du geschrieben hast. — Wie geht es Dir sonst? Mit allen guten Wünschen für Deine Arbeit grüßt Dich in brüderlicher Verbundenheit Dein Dietrich
4. März 1942
Hochverehrter, lieber Bruder Vibrans! In der Zeit, in der sich unsere Gedanken auf die Passion unseres Herrn Jesu Christi richten, in der wir versuchen, all das allgemeine Leid, das uns nicht losläßt, unter das Kreuz Jesu zu bringen, hat Gott Ihnen und uns ein großes persönliches
Leid geschickt. Der Tod Ihres lieben Sohnes Gerhard hat auch mich getroffen, wie noch keine Trauernachricht während dieses Krieges. Ich glaube, der Schmerz und jenes Gefühl der 1. Gleichnis vom Säemann, Frage 2, lautete bei Grunow: Hörern gehörst Du wohl?“ Mt 13, 1—9, 18—23,
„Zu welchen
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Leere, die sein Tod in mir zurückläßt, könnte kaum anders sein, wenn er mein leiblicher Bruder gewesen wäre. Gerhard hat meinem Herzen besonders nahe gestanden. Ich bin ärmer geworden durch seinen Tod. Wie viel mehr muß das bei Ihnen so sein, die Sie ihn soviel besser kannten, die Sie darum noch unendlich viel tiefer wissen, was Sie mit ihm verloren haben. Wie unfaßbar schwer ist Gerhards Tod für seine junge Fran, wie hart für seine Geschwister und für Eberhard. Seit ich Gerhard kennen lernte — und ich danke Gott dafür, daß ich ihn kennengelernt habe — wußte ich, daß er ein Mensch war, wie es nur ganz wenige gibt, und je näher wir uns gekommen sind, desto mehr habe ich mich vor ihm gebeugt. Er hat mit seiner Aufrichtigkeit, seiner Wahrheitsliebe, seiner Selbstlosigkeit, seiner Reinheit für mich persönlich mehr bedeutet als ich sagen kann und als er es wußte. Die Verbindung von Einfalt und Reife hat ihm jenes Vertrauen eingetragen, das er wie ganz wenige überall gefunden hat, wo er hinkam. Er war streng in seinen Ansprüchen sich selbst gegenüber und doch niemals pharisäisch, er hatte ein fröhliches Herz und wußte doch von allen Nöten und Anfechtungen, von aller Zerrissenheit des menschlichen Herzens. Für zwei Dinge werde ich ihm mein Leben lang dankbar bleiben, für die Art seiner Sonntagsheiligung und dafür, daß und wie er mich das Claudius’sche Lied: „Ich danke Gott und freue mich...“ gelehrt hat. Diese beiden Dinge sind mir durch ihn zu einem lebendigen Besitz geworden. Im Seminar war Gerhard seinen Mitbrüdern ein guter Bruder. Nicht nur sein Herz, sondern auch seine Hand gehörte dem, der ihn brauchte. Dabei zog es ihn immer zu denen, die in besonderer Weise hilfsbedürftig waren. In ritterlicher Liebe hat er gerade zu den Schwachen und Schwierigen gestanden. Gerhard war immer bereit, zu lernen und doch blieb er in allem er selbst. Darum war, was er sagte und tat, immer echt. Als ich nach der Nachricht von seinem Tode die Losung des
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3. Febr.! aufschlug, erschrak ich zuerst über den furchtbaren Ernst. Aber dann begriff ich, daß Losung und Lehrtext gerade ihm besonders gelten durften. Es war ihm immer ganz ernst, daß der Glaube Frucht bringen müsse, daß der Glaube nicht ohne Werk sein könne. Er hatte den Heiligen Richter immer vor Augen. Man mußte es seinemWesen abspüren, daß auf ihm die Augen dessen ruhten, dessen Blick wie Fenerflammen ist. Es ist jenes reinigende, verzehrende, läuternde Feuer gewesen,
das in seiner Wahrheitsliebe und in seiner Selbstlosigkeit einen Widerschein fand. So kann ich gerade diese Worte an seinem Todestage in großer Dankbarkeit und Zuversicht lesen. Nun müssen wir all das, was wir mit ihm hatten, hingeben. Daß wir es unter dem Kreuz, unter dem er gelebt hat und Gnade gefunden hat, aus ganzem Herzen, in großer Dankbarkeit, in ungeteilter Gottesliebe täten. Daß wir uns doch
um ihn keine Sorgen mehr machten. An ihm hat Gott alles Gute getan, er ist im Frieden. Daß wir unter dem Kreuz doch auch den Frieden fänden. Gott schenke es uns allen und lasse uns nach dieser Passionszeit ein fröhliches Ostern feiern. Den Dank, den ich Gerhard für das, das er mir und unserer größeren Bruderschaft gewesen ist, nicht mehr sagen kann, möchte ich in aufrichtiger Ehrerbietung Ihnen und Ihrer Gat-
tin als Gerhards Vater und Mutter aussprechen in bewegter Erinnerung an mit Gerhard gemeinsam verlebte schöne Stunden in Ihrem Hause. Es grüßt Sie in herzlicher Gemeinschaft Ihr brüderlich er‚gebener Dietrich Bonhoeffer
1. Jeremia 17, 10: Ich, der Herr, kann das Herz ergründen und die Nieren prüfen und gebe einem jeglichen nach seinem Tun, nach den Früchten seiner Werke. Offb. 1, 14: Seine Augen waren wie eine Feuerflamme.
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München, 20. Juni 1942 Lieber Winfried!! Kürzlich bekam ich Deine Karte, die mich sehr erfreut hat...
Daß Du nicht mehr Sanitäter bist, betrübt mich sehr. Ich werde nun ganz besonders an Dich denken. Es ist schwer, wenn einem so jegliche eigene Wahl genommen wird. Man kann sich nur an die Wahl Gottes halten. Daß Willi Brandenburg gefallen ist, wird Dich auch sehr treffen. Seine letzten Worte im Lazarett, wo er einen Tag mit Bauchschuß lag, waren: „Nun gehe ich ein in die Welt der Gerechtigkeit Gottes.“ Er ist im Glauben gestorben. Wenige Wochen vor ihm war Br. Wälde gefallen, mit dem er befreundet war. Du wirst ihn kaum noch kennen. Bruder Lohmann ist zu Haus an Lungentuberkulose gestorben. Was für eine große Schar von Brüdern
ist uns nun schon vorangegangen. ... Dein getrener Dietrich
1. W. Maechler.
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Nach
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Lieber Bruder .. .! Erlaubt mir, daß ich die Briefe, die denselben Gegenstand haben, nämlich die Legalisierungsfrage!, gemeinsam beantworte. Der eine schreibt als eben Legalisierter, der andere als einer,der eben die Legalisierung abgelehnt hat, der dritte mitten in den Überlegungen. Die Fragen sind überall dieselben. Ich möchte versuchen, grundsätzlich einiges zu klären.
1.) In Zeiten der Unsicherheit über den kirchlichen Weg gilt für uns folgende Regel: a) Niemals soll ich aus Unsicherheit eine Entscheidung treffen; das Bestehende hat ein Vorrecht gegenüber der Veränderung, es sei denn daß ich die Notwendigkeit der Veränderung mit Gewißheit erkenne.
b) Niemals soll ich allein handeln, erstens weil ich den Rat der Brüder brauche, zweitens weil die Brüder mich brauchen, drittens weil es eine kirchliche Ordnung gibt, die ich nicht leichtfertig mißachten darf.
c) Niemals soll ich eine Entscheidung übereilen oder mich drängen lassen. Verschließt sich mir heute eine Tür, so wird Gott, wann er es will, eine andere auftun.
Aus dieser Regel ergibt sich, daß unsere heutige Kriegssitua-
tion besonders ungeeignet ist, eine weittragende Änderung des kirchlichen Weges vorzunehmen. Mehr denn je muß ich auf das Wort meiner Kirchenleitung warten und Geduld ha1. Zur Erlangung der vollen Rechte auf eine oder in einer Pfarrstelle boten die Konsistorien im Krieg immer wieder eine mehr oder weniger bedingungslose „Legalisierung“ der im Feld stehenden „illegalen jungen Brüder“ an. Im April 1942 erließ der Bruderrat der APU nochmals ein Schreiben, in keine Prüfung beim Konsistorium einzuwilligen und diesem keine kirchenregimentlichen Funktionen zuzuerkennen. In der Prov. Sachsen führte der Bruderrat mit dem Konsistorium vom Juli bis September Legalisierungsverhandlungen.
Ratschlag
zur
Legalisierung
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ben. Jede Entscheidung, die der Stellung der Brüder in der Heimat gegenüber derjenigen der Brüder an der Front einen Vorteil bringt, ist erst recht fragwürdig. 2.) Die Sache der rechten Ausbildung der Prediger des Evangeliums ist des letzten Einsatzes würdig. Die Bereitschaft, auf ein geordnetes Amt bzw. sogar auf jede Ausübung des geistlichen Amtes zu verzichten und eher in einem anderen Beruf Christus zu dienen als sich einer falschen geistlichen Leitung zu unterwerfen (denn darum geht es ja im Blick auf den Nachwuchs), bleibt eine legitime evangelische Haltung. Ob der letzte Einsatz, ob ein solcher Verzicht von jedem einzelnen gefordert werden muß, wird dort fraglich, wo jeder Versuch
einer rechten Ausbildung praktisch und durch das Gesetz unmöglich gemacht wird, wo also das Martyrium notwendige Folge jedes solchen Versuches ist. Noch steht das allerdings z.Zt. nicht fest, da auch die Urteilsbegründung über den Prozeß noch nicht vorliegt!. Die Bereitschaft, unter Verzicht anf jedes Kirchenregiment (denn eine Anerkennung des falschen Kirchenregimentes ist unmöglich!) bei „Wahrung der persönlichen theologischen Überzeugung“ ins Amt zu kommen, um als Pfarrer Christus zu dienen, kann zwar unter den gegenwärtigen Umständen grundsätzlich als christliche Möglichkeit nicht mehr bestritten werden, aber sie ist mit schweren kirchlichen und persönlichen Gefahren und Verantwortungen belastet. Das muß gesehen werden. 3.) Was bedeutet Geradlinigkeit eines kirchlichen Weges? Kann, was in der Synode Dahlem wahr war, heute falsch sein? Ist
unser Gewissen an Dahlem III, 3 gebunden? Geradlinig macht allein das Wort Gottes unseren Weg, auch wenn er für unser Auge krumm ist. Wahr ist allein Gottes Wort. Unser Gewissen ist allein an Gottes Wort gebunden? .. 1. Prüfungsprozeß vom 10.—22. Dezember 1941 vor dem Sondergericht Berlin-Moabit (W. Niemöller, Handbuch 247). 2. Brief nur in unvollständigem Entwurf vorhanden.
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[29. November 1942] 1. Advent 1942 Lieber Bruder ...! Am Beginn eines Briefes, der Euch in ernster Stunde zu rechter Freude rufen soll, müssen die Namen der Brüder stehen, die gefallen sind, seit ich Euch zuletzt schrieb: P. Wälde, W. Brandenburg, Hermann Schröder, R. Lynker, Erwin Schutz, K. Rhode, Alfred Viol, Kurt Onnasch, Fritz’ zweiter Bruder, außer ihnen — vielen von Euch wohl bekannt — Major von Wedemeyer und sein ältester Sohn Max, mein ehemaliger Konfirmand!. „Ewige Freude wird über ihrem Haupte sein...“ (Jes 35, 10). Wir gönnen es ihnen, ja sollen wir sagen, daß wir sie im Stillen manchmal beneiden? Seit alten Zeiten gilt in der christ-. lichen Kirche die acedia — die Traurigkeit des Herzens, die ‚Resignation‘ — für eine der Todsünden. „Dient ihm mit Freuden“ (Psalm 100, 2) — ruft uns die Schrift zu. Dazu ist uns unser Leben gegeben und dazu ist es uns bis zur Stunde erhalten. Nicht nur den Heimgerufenen, sondern auch uns Lebenden gehört die Freude, die uns keiner rauben soll. In dieser Freude sind wir mit ihnen eins, niemals aber in der Traurigkeit. Wie sollen wir den freudlos und mutlos Gewordenen helfen können, wenn wir nicht selbst von Mut und Freude getragen sind? Nichts Gemachtes, Erzwungenes, sondern etwas Geschenktes, Freies ist da gemeint. Bei Gott wohnt
die Freude und von ihm kommt sie herab und ergreift Geist, Seele und Leib, hat, dort greift sie verschlossene Not und Angst
und wo diese Freude einen Menschen gefaßt sie um sich, dort reißt sie mit, dort sprengt Türen. Es gibt eine Freude, die von Schmerz, des Herzens garnichts weiß; sie hat keinen
1. Vater und Bruder von Bonhoeffers Braut.
Adventsbrief
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Bestand, sie kann nur für Augenblicke betäuben. Die Freude Gottes ist durch die Armut der Krippe und die Not des Kreuzes gegangen; darum ist sie unüberwindlich, unwiderleglich. Sie leugnet nicht die Not, wo sie da ist, aber sie findet mitten in, gerade in ihr, Gott; sie bestreitet nicht die ernste Sünde,
aber sie findet gerade so die Vergebung; sie sieht dem Tod ins Auge, aber sie findet gerade in ihm das Leben. Um diese Freude, die überwunden hat, geht es. Sie allein ist glaubwürdig, sie allein hilft und heilt. Auch die Freude unserer Heimgerufenen ist die Freude der Überwinder — der Auferstandene trägt die Zeichen des Kreuzes an seinem Leibe —; wir stehen noch im täglichen Überwinden, sie haben für alle Zeit überwunden. Gott allein weiß, wie fern oder wie nahe schon wir der letzten Überwindung stehen, in der uns der eigene Tod zur Freude werden darf. ‚Mit Fried und Freud fahr ich dahin...
Manche von uns leiden sehr darunter, daß sie gegen so viel Leiden, wie es diese Kriegsjahre mit sich bringen, innerlich
abstumpfen. Neulich sagte einer zu mir: Ich bete täglich darum, daß ich nicht stumpf werde. Das ist gewiß ein gutes Gebet. Und doch, wir müssen uns davor hüten, uns selbst mit
Christus zu verwechseln. Christus erlitt alles Leiden und alle Schuld der Menschen selbst in vollem Maße, ja darin war er Christus, daß er und er allein alles ertrug. Aber Christus konnte mitleiden, weil er zugleich aus dem Leiden erlösen konnte. Aus der Liebe und der Kraft, die Menschen zu erlösen, kam ihm die Kraft mitzuleiden. Wir sind nicht berufen, uns die Leiden der ganzen Welt aufzubürden, wir können im Grunde von uns aus garnicht mitleiden, weil wir nicht erlösen
können. Das Mitleiden-wollen aus eigener Kraft aber muß zu Boden gedrückt zur Resignation werden. Wir sind nur berufen, voller Freude auf den zu sehen, der in Wirklichkeit mitlitt und der Erlöser wurde. Voller Freude dürfen wir es glauben, daß einer da war, da ist, dem kein menschliches Leid
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und keine menschliche Sünde fremd ist und in tiefster Liebe
unsere Erlösung vollbracht hat. Nur in solcher Freude an Christus, den Erlöser, werden wir allein davor bewahrt, nicht abzustumpfen, wo uns menschliches Leid begegnet, oder auch
unter der Erfahrung des Leides zu resignieren. Nur soviel wir an Christus glauben, soviel wir uns an Christus! . . .
1. Brief nur in unvollständigem Entwurf vorhanden.
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ÜBERSETZUNGEN
Telegramm Bonhoeffer an H.L. Henriod, Genf: Generalsynode
beendet,
alle Generalsuperintendenten
Zu S. 70
entlassen,
nur Deutsche Christen zur Nationalsynode zugelassen, Arierparagraph jetzt in Kraft, bitte bereiten Sie eine Erklärung dagegen vor und unterrichten Sie die Presse sofort, Schisma nahe bevorstehend, weitere Informationen in Sofia.
Tagebuchnotiz Henriods in Sofa:
Zu $. 73
Bonhoeffer berichtet über die tatsächliche Lage in Deutschland und über die brutale und unversöhnliche Haltung der Deutschen Christen. Er erwartet von uns, daß wir seinen Freunden sagen: 1. daß sie auf die ernsthaften Sympathien und die Unterstützung des Auslandes zählen könnten; 2. daß man im Prinzip einen Delegierten nach Deutschland schicken würde, um zu klären, ob man die neue Deutsche Kirche würde anerkennen können. Wir schlossen mit gemeinsamem Gebet. Bonhoeffer war sehr be-
wegt. The Palace
Ripon, 21. Juli 1933
Mein lieber Bonhoeffer! Sie haben keine Anschrift angegeben, aber ich hoffe, die in unseren Akten aus dem vergangenen Jahr gilt noch. Ihre Anlage schicke ich sofort an ein Komittee, welches eben in Verbindung mit der Universität Leeds gebildet worden ist und einen Aufruf verfaßt hat, den ich beilege. Wie Sie daraus sehen, ist der Erzbischof von York Präsident und ich Mitglied des Komittees. Kein Zweifel,
viele Fälle werden
uns vorgelegt werden; aber ich hoffe, Ihr
Freund wird wenigstens wohlwollend in Betracht gezogen werden.
Zu S. 121
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Anhang
Ja, ich hoffe in Gland zu sein, obwohl es nicht ganz sicher ist; besonders hoffe ich, daß Sie da sein werden, mit einer Delegation aus Deutschland. Wenn diese ausfällt, wird die Konferenz eines
großen Teiles ihres Wertes in der gegenwärtigen Zeit beraubt sein. Im Blick auf den Wechsel, den man Ihnen vorgeschlagen hat, wissen nur Sie selbst, wieweit Sie in eine engere Einflußsphäre einwilligen würden dadurch, daß Sie die studentische Welt Berlins verlassen; oder ob Sie sich im Gegenteil einen freieren Gesichtskreis verschaffen für Entwicklung und breitere Erfahrung. Was Sie über die gegenwärtige Abneigung in Deutschland sagen gegenüber den Gütern, die der Weltbund zu stützen sucht, ist vielleicht ein ausreichender Grund, nach England zu kommen, wo Sie als ein Interpret Deutschlands zur Verfügung stehen können zu einer Zeit, wo solche Interpreten schrecklich nötig sind. Ich persönlich wäre jedenfalls glücklich in dem Gedanken, daß wir uns öfter sehen und ich bin gespannt, Ihre endgültige Entscheidung zu hören. Ich habe gelegentlich mit Ludwig Simon Briefe gewechselt und wünschte, wir hätten ihn wieder in Gland. Mit den besten Wünschen bin ich Ihr sehr ergebener
Arthur Ripon
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London, 16. November 1933 Mein Lord! Haben Sie vielen Dank für Ihre freundliche Einladung, am 21. November nach Chichester zu kommen. Es macht mir große Freude, zu kommen. Darf ich Sie fragen, welche Zeit Ihnen für meine Ankunft am besten paßt? Sie wissen sicherlich von den neuesten Ereignissen in der Deutschen Kirche. Ich glaube, daß eine Abspaltung der Minorität von der Reichskirche sehr wahrscheinlich ist; und in diesem Fall wäre
eine Aktion oekumenischer Unterstützung gewiß von ungeheuerem Wert bei der gespannten Situation. Kein Zweifel, daß jede Art von Separation sofort eine hochpolitische Angelegenheit und daß
sie deshalb von der Regierung wahrscheinlich ausschließlich auf politische Weise behandelt werden würde. Mir scheint, daß die
Verantwortung der oekumenischen Arbeit vielleicht nie so weitreichend gewesen ist wie im gegenwärtigen Augenblick. Wenn die oekumenischen Kirchen während dieser Tage sich still verhalten, wäre, wie ich fürchte, alles Vertrauen zerstört, das die Minorität in sie setzt. Ohne Zweifel — Müller befindet sich jetzt in einer
Übersetzungen
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sehr prekären Lage und eine starke Forderung von seiten der oekumenischen Kirchen könnte die letzte Hoffnung für die christlichen Kirchen in Deutschland sein. Wir dürfen die Männer, die — menschlich gesprochen — einen beinah hoffnungslosen Kampf kämpfen, nicht allein lassen. Ich erhalte Neuigkeiten mit jeder Post und auch über das Telefon. Wenn ich darf, werde ich Ihnen die neuesten Informationen weiterleiten. Auf dem angefügten Blatt finden Sie einige sehr typische Formulierungen der Deutschen Christen. : Ich denke, daß man versuchen sollte, einen Keil zwischen Müller und die Radikalen zu treiben. Andererseits kann man auf keinen Fall Müllers persönlicher theologischer Einsicht trauen und so ist es gefährlich, zuviel auf solch einen Bruch zu bauen. Mit vielem Dank verbleibe ich, mein Lord, Ihr aufrichtig ergebener Dietrich Bonhoeffer
Lieber Dr. Bonhoeffer! Ich freue mich, daß Sie am
Dienstag,
17. November
1933
den 21. November,
nach
Chichester kommen können. ... Ich würdige, was Sie über die oekumenische Bewegung und über ihre Aufgabe in diesem Augenblick sagen. Haben Sie meinen Brief an Bischof Müller gesehen? Ich füge das englische Original und eine deutsche Übersetzung bei. Montag war er ganz im „Manchester Guardian“ abgedruckt und seine Hauptpartien erschienen in der „Times“ und anderen Zeitungen. Bischof Müller wußte, daß er veröffentlicht würde und ich habe keine Einwendungen gehört. Dr. Schönfeld berichtet mir, daß er Bischof Müller und Bischof Schöffel gesehen und daß mein Brief Eindruck gemacht hat. Ich hörte von Schönfeld, daß Bischof Müller mir eine vorläufige Antwort geben und daß er möglicherweise eine Delegation
der oekumenischen Bewegung erbitten würde, um Berlin zu besuchen und Kirchenführer zu sehen. Aber ich habe nichts weiter mehr gehört. | Ihr ergebener George Cicestr
Zu $. 139
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Anhang
London, den 25. November 1933 Sehr verehrter Herr Bischof! Die zwei Tage in Ihrem Hause haben mir so viel bedeutet, daß
ich Ihnen gern noch einmal dafür danken möchte, daß Sie mir so freundlich diese Gelegenheit gegeben haben. Ihren Brief habe
ich erhalten und werde gewiß alles bei mir behalten, was Sie mir berichteten. Die Dinge in Deutschland gehen, scheint’s, langsamer vorwärts als man erwarten konnte, und ich fürchte beinahe, daß der Einfluß der radikalen Deutschen Christen wieder einmal sehr stark und daß Müller unter diesem schweren Druck weich werden wird. Ich werde Ihnen neue Informationen geben, sobald irgendetwas Wichtiges passiert. Ich verbleibe, mein Lord, Ihr aufrichtig ergebener
Dietrich Bonhoeffer
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London, den 27. November 1933 Sehr verehrter Herr Bischof! Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf das beiliegende Blatt lenken. Drei Pastoren sind entlassen worden, nur um ihres ernsthaften Bekenntnisses zu Christus als dem alleinigen Herren der Kirche willen. Einer von ihnen, Pastor Wilde, ist Vater von sieben Kindern. Der Fall ist noch nicht endgültig entschieden, aber vielleicht ist der Moment gekommen, daß die oekumenische Bewegung Unterstützungen und finanzielle Hilfe bereitstellen sollte für solche, die ihre Stellung verlieren, nur weil sie Bekenner ihres Glaubens sind. Die Dinge spitzen sich sehr zu. Schöffel hat niedergelegt,
Prof. Fezer die Deutsch-Christliche Bewegung verlassen. Ihr aufrichtig ergebener
Dietrich Bonhoeffer
Zu S. 141
An den Herausgeber der Zeitschrift „Round Table“: 2. Januar 1934
.. Ich freue mich, daß Sie vorhaben, für die Märznummer des Round Table einen Artikel über die Krisis in der Deutschen Protestantischen Kirche fest zu machen. Ich wünschte, ich könnte ihn schreiben; aber ich habe einfach nicht die Zeit vor März. Ich möchte jedoch einen Mann vorschlagen, der den Artikel mit gro-
Übersetzungen
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fer Fähigkeit und Kenntnis aus erster Hand schreiben könnte. Das ist Dr. Dietrich Bonhoeffer, 23 Manor Mount, Forest Hill, $S.E.23. Seit ungefähr drei Monaten ist er deutscher Pastor in London. Ich kenne ihn gut, und er war bei mir durch Prof. Adolf DeissmannlBerlin „als einer unserer besten jungen Theologen“ eingeführt worden. Er spricht perfekt englisch. Er ist noch nicht 30. Er war ein Jahr in USA zu theologischen Studien. Er kennt die Männer der Deutschen Kirche in Berlin ausgezeichnet und ist ein Anhänger von Karl Barth. Er hat beinah täglich Kontakt mit der Lage in Berlin. Ferner ist er eines der ersten Mitglieder des Pfarrernotbundes, der jetzt auf 6000 Mitglieder angeschwollen ist, und sein Name ist tatsächlich der erste unter den etwa 20 Unterzeichnern des berühmten Manifestes, das die Pioniere des Pfarrernotbundes im September der Preußischen Synode vorlegten. Ich glaube, Sie könnten niemand mit besserer Autorität bekommen, den Artikel zu schreiben, welchen Sie wünschen; Sie können sich auf seine Fähigkeiten völlig verlassen. Ich würde ihm gern auf jede nützliche Weise behilflich sein. Wenn Sie möchten, könnte ich ihm selbst schreiben und den Vorschlag machen; aber ganz wie Sie möchten. Er würde die Punkte gut verstehen, die Sie in Ihrem Brief an mich ausführten; wenn Sie wollen, könnte ich Ihren Brief ihm übersenden, wie er ist. Wir würden den Artikel wahrscheinlich gemeinsam besprechen, da er in Kürze mich wieder besuchen kommt. Ihr ergebener George Cicestr
4. Jannar 1934 Mein lieber Bonhoeffer! Sehr vielen Dank für Ihren Brief. Es liegt mir sehr viel daran, Sie recht bald zu sehen. Denn ich habe Ihnen einen wichtigen Vorschlag zu unterbreiten, der sich auf einen längeren Artikel in einer sehr wichtigen Zeitschrift bezieht. Es ergibt sich, daß ich ans
persönlichen Gründen
heute abend und wahrscheinlich
morgen
abend auswärts sein werde. Schicken Sie mir doch auf einer Postkarte Ihre Telefonnummer, damit ich mit Ihnen sprechen kann. Wann sind Sie am wahrscheinlichsten zu Hans? Ich möchte, daß Sie sich freihalten für eine Lunch-Verabredung, wenn Sie können,
am Dienstag, den 23. Januar, um 1.15 Uhr, wie mir vorgeschlagen wird. Lassen Sie mich’s wissen. Ihr sehr ergebener
George Cicestr
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606 Zu $. 142
Anhang
17. Januar 1934 Sehr verehrter Herr Bischof! Ich habe den Wunsch, Ihnen sehr sehr herzlich für Ihren Brief zu danken, den ich eben in der Times gelesen habe. Ich bin sicher,
daß er für die heutige entscheidende Begegnung höchst wichtig sein wird. Wir deutschen Pastoren in London haben ein Telegramm an Hindenburg, Hitler, Neurath, Frick, Müller gesandt und gesagt, daß nur eine Beseitigung Müllers die höchst erregten Gemeinden hier in England beruhigen könnte. Sie haben sicherlich die neue Verordnung von Rust gesehen, die allen T'heologieprofessoren verbietet, sich an der Opposition gegen Müller zu beteiligen und Mitglieder des Pfarrernotbundes zu sein. Wenn diese Verordnung den Beginn einer staatlichen Aktion gegen die Opposition bedeutet, dann, glaube ich, sollte Ihr Brief durch eine höchst drastische Mißbilligung der Linie Müllers und durch eine Zustimmung und Unterstützung der Opposition verstärkt werden, an die Adresse des Präsidenten von Hindenburg als des membrum praecipuum der protestantischen Kirche. Jeder Verzug an Zeit würde dann wahrscheinlich gefährlich sein. Eine endgültige
Untanglichkeitserklärung Müllers durch die oekumenische Bewegung würde — menschlich gesprochen — vielleicht die letzte Hoffnung für eine Wiederherstellung der Deutschen Kirche sein. Es kann natürlich auch sein, daß Rust’s Verordnung einer der
vielen Versuche von seiten der Preußischen Regierung ist, die Entscheidung des Reiches vorwegzunehmen
und die Reichsregierung
zu überspielen. Die ersien Drucke Ihres Buches in Deutsch sind grade angekommen. Nochmals vielen Dank für Ihre Hilfe. Ihr aufrichtig ergebener Dietrich Bonhoeffer
Zu $, 143
18. Januar 1934 Mein lieber Bonhoeffer! Haben Sie vielen Dank für Ihren so freundlichen Brief. Heute habe ich an den Reichsbischof geschrieben, ich füge eine Abschrift bei. Der Brief ist mit Luftpost gegangen in zwei Kopien, eine
an die Jebenstraße 3, die andere an die Marchstraße 2, unter der Anschrift von Wahl. Ich überlege, ob es von meiner Seite aus klug und legitim wäre, an Präsident Hindenburg eine Abschrift des Briefes zu schicken.
Übersetzungen
607
Wenn das so ist, möchte ich gern wissen, ob es Sie in Verlegenheit bringt, wenn ich Sie um die Übersetzung des Briefes ins Deutsche bäte — sowohl des Begleitbriefes an den Präsidenten wie des Briefes an Bischof Müller. Insbesondere möchte ich nicht gern, daß Sie etwas Unkluges tun. Ich werde wahrscheinlich auf jeden Fall Abschriften meines Müller-Briefes in englisch an Deissmann und Dibelius schicken; aber man überlegt sich, ob man seine Freunde nicht in Verlegenheit bringt, und erst recht, ob es auch klug ist. Würden Sie, wenn Sie meinen, daß daran nichts ist, beides ins Deutsche übersetzen, den Begleitbrief und den Brief an Bischof Müller, und mir die Abschriften zurückschicken? Jedoch verfahren Sie nach Ihrem Urteil, und wenn Sie vorziehen, lieber nichts damit zu tun zu haben, so verstehe ich das. Immer Ihr George Cicestr
Sehr verehrter Herr Bischof! Haben Sie vielen Dank für Ihren ausgezeichneten Brief an den
Zu S. 144
Reichsbischof Müller. Man spürt, daß er aus einem so warmen und starken Wunsch entspringt, für die christliche Sache einzutreten gemäß Sprüche 31, 8 „Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind“, daß er ohne Zweifel jeden überzeugt. Ich schicke Ihnen die Übersetzungen der Briefe und bin völlig überzeugt, daß es von unschätzbarem Wert wäre, wenn Hindenburg diese Ansicht kennenlernte. Es war immer die große Schwierigkeit, mit ihm über diese Sache eine freie Aussprache zu haben, weil da viele Leute sind, die das zu verhindern suchen. So ist es um so wichtiger, daß er Ihren Brief erhält. Noch einmal vielen Dank. Ich verbleibe immer Ihr anfrichtig ergebener Dietrich Bonhoeffer P.S. Anschrift: An Seine Exzellenz den Herrn Reichspräsidenten von Hindenburg Berlin, Wilhelmstraße.
10. Februar 1934
Mein lieber Bonhoeffer! Ich füge die Abschrift eines Briefes an Schönfeld zu Ihrer Infor-
mation bei. Ich würde Sie sehr gerne sehen, denn ich brauche Ihre
Zu S. 145
608
Anhang
Hilfe im Blick auf den „Round-Table*-Artikel, der nun im Manuskript steht. Würde es Ihnen möglich sein, Mittwoch, den 14. Februar, hier zu sein, Ankunft 11 Uhr? Der Artikel muß Donnerstag in der Hand des Druckers sein; wir würden es aber schaffen, wenn Sie auch noch Mittwoch nacht hierbleiben könnten. Ich rief Sie gestern abend an, aber Sie waren nicht zu Hans. Immer Ihr George Cicestr
März
Zu $. 145
1934
Sehr verehrter Herr Bischof! Haben Sie vielen Dank für Ihren höchst interessanten Brief. Ich würde sehr gern am Mittwoch nach Chichester kommen. Aber ich wurde gestern abend aus Deutschland angerufen und dringend gebeten, zu einer Sitzung zu kommen, die morgen nachmittag in Hannover stattfindet. Der Notbund will die Entscheidung über seine Zukunft treffen, die Spaltung etc. So werde ich heute abend abreisen und leider nicht in der Lage sein, Sie am Mittwoch zu
besuchen. Ich will möglichst am Sonnabend wieder zurück sein. Wenn Sie Informationen von einem Deutschen haben möchten, schlage ich vor, Pastor Rieger anzurufen, meinen Kollegen, Greenwich 2613. Ich werde versuchen, den Aufsatz noch zu lesen, ehe ich abreise, und einige Bemerkungen machen. Es tut mir außerordentlich leid, daß ich nicht in der Lage bin, Ihnen so zu helfen, wie ich es gern täte. Ihr aufrichtig ergebener Dietrich Bonhoeffer
Zu $. 146
24. Februar 1934 Mein lieber Bonhoeffer! Mir liegt sehr viel daran, Sie zu sehen. Ich möchte gern wissen, ob Sie von Ihren Wanderungen zurückgekehrt sind? Ich hoffe sehr, Sie sind wieder wohler; es tat mir leid, von Pastor Rieger zu hören, daß Sie einer Erkältung oder Grippe zum Opfer fielen.
Ich bin Mittwoch abend und Donnerstag morgen in London. Am besten würde es mir passen, wenn Sie ins Athenäum kommen könnten und Donnerstag früh um 9 Uhr mit mir frühstückten;
oder ist das zu abscheulich? Immer Ihr
George Cicestr
Übersetzungen
609
16. April 1934 Sehr verehrter Herr Bischof! Darf ich meinem Brief von gestern noch ein paar Worte hinzufügen im Blick auf den kürzlichen Erlaß von Müller. Der einzige Grund, der ihn erklären kann, ist folgender: Die Kirchenregierung hat gemerkt, daß die Spaltung der Westfälischen Kirche nicht länger aufgehalten werden kann; und es war ein kluger Schachzug, diese Entscheidung nochmal zu verzögern, indem dieser neue Erlaß herausgegeben wurde. Daß dieses Friedensangebot überhaupt nicht ernst genommen werden kann, wird durch einen Vergleich mit der Karfreitags-Botschaft bewiesen. Dort verweigert Müller eine „Amnestie“, heute hat er seine Meinung wieder einmal geändert. Die neue Amnestie ist dabei nicht einmal vollständig, Niemöller und andere wichtige Pastoren fallen nicht unter den Erlaß. Die einzige Absicht des Erlasses ist ohne Zweifel, die Opposition zu spalten, um dann ungehindert weiterzumachen. Die Arierklausel ist noch in Kraft, seit das Gesetz vom 16. November wieder einmal ausdrücklich aufgehoben wurde. So können wir diese Wendung nur mit dem größten Mißtrauen beobachten. Ich verbleibe, sehr verehrter Herr Bischof, Ihr aufrichtig ergebener Dietrich Bonhoeffer
Sehr verehrter Herr Bischof! Haben Sie vielen Dank für Ihren freundlichen Brief und die Einladung nach Chichester. Unglücklicherweise konnte ich eine andere Verabredung nicht abändern, die für Dienstag getroffen war, und so nicht kommen. Inzwischen entwickeln sich die Dinge in Deutschland rapide, und die Informationen, die ich erhalte, klingen optimistischer als je zuvor, wenigstens was die Haltung der Opposition anbetrifft. Die letzte Nummer unserer Kirchlichen Zeitschrift „Junge Kirche“ bringt Ihren Brief an die Times und dazu noch einige Stimmen aus Schweden und der Schweiz.
Heute habe ich die Antwort des Notbundes in Berlin auf das Friedensangebot des Reichsbischofs bekommen und gewagt, sie für Sie zu übersetzen, so gut ich es vermochte; denn ich glaubte, daß sie wichtig ist. Ich denke, der Moment ist gekommen, daß Sie ein endgültiges Wort zu dem Konflikt sagen sollten und könnten. Es gibt Tausende, die begierig sind, solch ein Wort bald zu ver-
Zu S. 169
Zu S. 170
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Anhang
nehmen. Darf ich am Freitag um 6 Uhr zum Athenäum kommen? Wenn ich nichts weiter höre, werde ich dort sein.
Ich verbleibe, sehr verehrter Herr Bischof, Ihr aufrichtig ergebener Dietrich Bonhoeffer
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1. Mai 1934
Sehr verehrter Herr Bischof! Ich nehme Bezug auf unser Gespräch am letzten Freitag und denke, daß es für Sie von Interesse ist, vielleicht sogar für den
Zirkular-Brief, das neue Siegel unserer Deutschen Kirche zu sehen. Es bedarf keines Kommentars. Zum anderen habe ich gerade eine Mitteilung von meinen Ber-
liner Studenten bekommen, daß sie ihre arische Abstammung nachweisen müssen, um zu den theologischen Prüfungen zugelassen zu werden. Drittens bekam ich zwei Briefe von leitenden Oppositionsmitgliedern, die die nahe Zukunft sehr dunkel ansehen. Die Regierung scheint willens, Müller unter allen Umständen zu hal-
ten, sogar mit Gewalt. In Sachsen muß die Lage höchst kritisch sein. In Berlin geht der Gedanke um, einen Rat aller Parteien zu organisieren und die Spaltung bei solch einer Gelegenheit herbeizuführen. Ich hoffe sehr, daß Ihr Brief ein Wort für die unterdrückte
Opposition drüben enthält. Es würde ihnen sehr helfen. Manchmal scheinen sie ziemlich erschöpft zu sein.
Ich verbleibe, verehrter Herr Bischof, Ihr aufrichtig ergebener Dietrich Bonhoeffer
Zu S. 172
Mein lieber Bonhoeffer!
3. Mai 1934
Heute morgen bekam ich Ihren Brief mit dem Siegel der Deutschen Kirche. Er war nach Winchester gegangen, man las Winchester statt Chichester; so kam er erst an, nachdem ich meinen Ent-
wurf an Sie abgesandt hatte. — Ein Kommentar über den Charakter dieses Siegels ist in der Tat nicht nötig. Vielen Dank außer-
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611
dem für die weiteren Informationen, die Sie mir in Ihrem Brief vom 1. Mai geben. Mein Kummer ist, daß mein Entwurf zu lang ist — neben ande-
ren Dingen. Aber ich warte auf Ihre Kommentare.
Immer Ihr
George Cicestr
16. Mai 1934
Zu $. 172
Mein lieber Bonhoeffer!
Ich habe mich wirklich sehr gefreut, Ihren Brief zu erhalten und zu wissen, daß meine Botschaft Ihnen so stark zusagt. Ich hoffe, daß sie helfen möchte, das Gute auszurichten, was Sie sagen. Heute höre ich von Keller auf seinem Weg zurück von Berlin, daß er am 11. Mai ein zweistündiges Gespräch mit Müller, Heckel
und Jäger gehabt hat im Namen des Federal Council’s von Amerika. Im Resultat versprach Jäger, Disziplinarmaßnahmen auszusetzen, soweit es sich um nichtpolitische handelt; und Müller stellte fest, sie würden versuchen, einiges für die Opfer des Arierparagraphen zu tun. Dies geschah, ehe meine Botschaft bekannt war bzw. der Brief der Presbyterianer-Allianz. Ihr ergebener George Cicestr
Privat 29. Juni 1934 Mein lieber Bonhoeffer! Ich füge einen Brief von Professor Fabricius an den Erzbischof
von Canterbury bei, der für sich selbst spricht. Der Erzbischof hat ihn an mich geschickt und mich für seine Überlegungen um meinen Kommentar gebeten. Ich schicke den Brief per Expreß in der Hoffnung, daß er ankommt, während Dr. Winterhager noch bei Ihnen ist. Ich wäre froh, wenn Sie mir einiges über Professor Fabricius erzählen könnten; aber noch wichtiger wäre, wenn Sie andeuten, was für eine Art von Anmerkungen Sie für geeignet halten, um Professor Fabricius’ Panzer zu durchbohren. Der Arierparagraph, uneingeschränkte Huldigung vor dem Staat, der Ge-
brauch von Gewalt und Verhinderung freier Wahlen und die Einführung des Führerprinzips mit antokratischen Machtbefugnissen für Bischof Müller, das scheinen mir klare Punkte zu sein. Ist aber Professor Fabricius durch sie mit Wahrscheinlichkeit zu beeinflussen?
Zu S. 173
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Anhang
Ich füge außerdem ein Exemplar eines Schriftchens bei, so daß Dr. Winterhager es mit nach Berlin nehmen kann, wenn er möchte; es wurde gerade herausgegeben mit einem Bericht der beiden Reden in der anglikanischen Synode (Convocation). Außer daß
ich meine Zustimmung zur Wiedergabe der Debatte in der Versammlung gab, hatte ich nichts mit der Vorbereitung des Heftes zu tun, welches eben heute erschien. Ihr ergebener George Cicestr
284173
Privat 29. Juni 1934 Sehr verehrter Herr Bischof! Ich bin wirklich sehr dankbar für Ihren Brief und das ausgezeichnete Heft, welche mich gerade noch erreichten, ehe Dr. Winterhager abfuhr. Wir finden, daß diese Veröffentlichung der „Freunde Europas“ für alle Protestanten zu Hanse sehr hilfreich sein wird. Wir haben das Heft gleich an unsere Freunde im Not-
bund gesandt und einige Exemplare mehr bestellt. Dann habe ich mich mit dem beigeschlossenen Brief eingehend beschäftigt. Dr. Fabricius ist Außerordentlicher Professor [Assistant Professor] an der Universität Berlin. Man hält ihn für krank und sehr verbittert. Sein Einfluß in der jüngeren Generation und seine theologische Bedeutung sind immer begrenzt gewesen. Sicherlich besteht einige Verbindung zwischen seiner jüngsten Aktivität und Bischof Heckels Kirchlichem Außenamt, aber tatsächlich existiert keine oekumenische Basis seiner neuen „Zentralstelle“. Wenn es keine Tendenz der gegenwärtigen Kirchenregierung gäbe, die mög-
licherweise beeinflussend dahinter steckt, wäre der Brief selbst nicht sehr ernst zu nehmen. Es ist zum mindesten zweifelhaft, ob Dr. Fabricius selber sehr beeindruckt werden wird, sei es durch theologische Argumente oder sei es gar durch Fakten. Ich lehne den ganzen Ton und Tenor des Briefes von Dr. Fabri-
cius gänzlich ab. Dennoch habe ich mich mit all den merkwürdigen Argumenten befaßt, die er enthält, und nach einem langen Gespräch mit Dr. Winterhager möchte ich Ihnen die folgenden Punkte vorschlagen, die den Entwurf zu einer Antwort bilden könnten, wenngleich jede Antwort, die Dr. Fabricius’ Brief bekommt, kurz sein sollte. Dr. Fabricius behauptet, daß es einen großen Unterschied zwischen der offiziellen Deutsch-Christlicben Bewegung und der Deutschen Glanbensbewegung gäbe. Tatsächlich ist dieser Unter-
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schied außerordentlich klein. Wir könnten dies mit drei Außerungen belegen: 1. Dr. Krauses Partei, verbunden mit der Deutschen Glaubensbewegung (Sportpalast) ist offiziell noch innerhalb der Kirchengemeinschaft und ist berechtigt, ihre Vertreter in Gemeindekirchenräte und in leitende Körperschaften zu entsenden. 2. Ein „kirchliches“ Mitglied der Deutschen Glaubensbewegung (ein Vikar [curate]) hat kürzlich (in einer offenen Versammlung, der der Bischof von Sachsen, Dr. Coch-Dresden, beiwohnte) folgenden Abschnitt aus dem Johannesevangelium gelesen: „Im Anfang war die Nation, und die Nation war mit Gott, und die Nation war Gott; und dieselbe war im Anfang mit Gott usw.“ Bischof Coch hat kein einziges Wort der Mißbilligung dieser neuen Version des Neuen Testamentes hören lassen. Aber einige Pfarrer der Opposition, die Zeugen des Ereignisses gewesen sind, schrieben an Bischof Müller und baten, den lesenden Vikar nachträglich zu korrigieren. Bischof Müller hat aber keine derartige Maßregelung ergriffen. Auf diese Weise ist eine Version der Schriftlesung autorisiert worden, deren Häresie durch nichts mehr übertroffen werden kann. 3. Der Oberpräsident von Brandenburg, Kube, Mitglied der General-Synode der Altpreußischen Kirche und gleichzeitig einer der verantwortlichen Führer der Deutschen Christen, hat seine letzte
Sonnenwend-Rede geschlossen: „Adolf Hitler gestern, heute und immerdar!“ Wir denken, daß diese drei Punkte hinreichende Belege gegen Dr. Fabricius’ ignorante Feststellung sind. Wir möchten auch darauf verweisen, daß seine Beschreibung von Karl Barth’s Theologie
sehr oberflächlich und inadäquat ist und keiner weiteren Betrachtung wert. Freilich, die Bezugnahme Dr. Fabricius’ auf die Barmer Synode ist von einer drastischen Verstiegenheit; er möchte, daß die Protestantische Opposition für die Einführung des Führer-
prinzips und für die Nachahmung der politischen Methoden des Nationalsozialismus verantwortlich ist. Man sollte sich besser daran erinnern, daß die Initiative zur Wahl eines Reichsbischofs
niemals von unserer Seite ausging und daß es nicht die Opposition gewesen ist, die Dr. von Bodelschwingh wählte. Es war die
alte (konservative) Kirchenregierung, die es tat, als sie noch an der Macht war (früh im Jahr 1933). Weder Dr. von Bodelschwingh noch die Freie Synode haben auch nur davon geträumt, sich eine Führung irgendwelcher politischen Art in der Kirche zu sichern.
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‚ Anhang
Dr. Fabricius äußert den Wunsch, informiert zu werden, „um wessen willen [on what behalf] (welches wahrscheinlich heißen
soll: in welchem Ausmaß [to what extent]) die Deutsche Evangelische Kirche in Gefahr ist, noch im Vollsinn eine christliche Kirche zu sein“. Nun, wir würden Dr. Fabricins gern begreiflich machen, daß die Punkte, welche Sie, verehrter Herr Bischof, in Ihrem Brief heute aufzählen, alle auf Tatsachen basieren, die es zweifelhaft machen, ob die Deutsche Kirche nicht überhaupt schon aufgehört hat, eine christliche Kirche zu sein — der Arierparagraph, uneingeschränkte Huldigung vom Staat gefordert, der Gebrauch von Gewalt, die Verhinderung freier Wahlen und die Einführung des Führerprinzips mit autokratischen Machtbefugnissen für den Bischof Müller. Am Ende klagt Dr. Fabricius die Protestantische Opposition derselben Sache an, auf Grund deren der Bischof Müller sich berechtigt fühlte, die Hochverratsdrohung herauszugeben! Wir erklären öffentlich und betonen, daß die Oppositionsbewegung niemals die ausländische Presse veranlaßt hat, sich in irgendeine Frage von politischer Bedeutung einzumischen. Andrerseits freut sich die Protestantische Opposition und würdigt es aufs höchste, daß die weltweite Gemeinschaft Christi für sie einsteht und aktiven Beistand gewährt. Die Protestanten, die Jesus Christus tren sein möchten, glauben an die universale Kirche und sie werden der anglikanischen Kirche
immer dankbar bleiben wie anderen Kirchen, weil sie geholfen haben, diesen oekumenischen Glauben stark zu erhalten.
Als ich vergangene
Woche in Deutschland war, sah ich Präses
Koch. Er bat mich, Ihnen seine besten Empfehlungen zu übermitteln und den Ausdruck seiner großen Dankbarkeit und Würdigung aller Hilfe, welche Sie unserer Protestantischen Bewegung wieder und wieder gewährt haben. Mit Dank und besten Empfehlungen auch von Dr. Winterhager bin ich Ihr aufrichtig ergebener
Dietrich Bonhoeffer Zu S. 177
12. Juli 1934 Sehr verehrter Herr Bischof! Hiermit sende ich Ihnen eine Abschrift meiner Antwort an Henriod. Was halten Sie von dem Frick-Erlaß? Ich hoffe, daß es die Pastoren diesmal wagen, sich gegen den Staat zu stellen. Diese Behandlung ist untragbar. Der Erlaß selber scheint aus einer sehr
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nervösen und gespannien Lage gekommen zu sein. Darf ich hören,
wie Ihre Entscheidung in Bezug auf die Fanö-Konferenz und die Deutsche Opposition ausgefallen ist? Ihr sehr ergebener
Dietrich Bonhoeffer
24. Oktober 1934 Sehr verehrter Herr Bischof! Haben Sie sehr herzlichen Dank für Ihre Einführung bei den verschiedenen anglikanischen Lebensgemeinschaften. Ich mache jetzt einen Plan und werde die freundlichen Einladungen selbst beantworten. Ich hoffe, sie alle vor Weihnachten zu besuchen. Im Blick auf die kürzlichen und so lang erwarteten Ereignisse in der Deutschen Kirche bin ich besorgt, daß Hitler versuchen wird, eine Entscheidung so lange wie möglich hinauszuschieben — vielleicht sogar bis nach der Saar-Abstimmung. Ich kann mir vorstellen, daß er sagt, er würde nicht in den Kirchenkonflikt eingreifen, nicht einmal in der Situation eines Schismas. Er würde alles der Kirche überlassen, und damit natürlich tatsächlich einigen SA- und anderen Gruppen, damit diese sich in eigener Initiative einmischen und die wahre Evangelische Kirche in Deutschland terrorisieren. Ich habe viel über Ihre Frage nachgedacht, was Hitler tun könnte für den Fall, daß er den Konflikt beilegen möchte. Von seinem Standpunkt aus kann ich nur den einen Weg sehen, daß er Jäger und Müller entläßt und einen Vertreter der Opposition benennt — möglichst einen Juristen, nicht einen T heologen, Dr. Flor vom Reichsgericht — mit der besonderen Aufgabe, legale und bekenntnismäßige Verhältnisse in der Kirche wiederherzustellen. Nach einer gewissen Vakanzperiode könnte ein neuer Reichsbischof durch eine legale Nationalsynode gewählt werden. Das Interim sollte freilich wenigstens ein Jahr dauern, bis die größte Erregung abgeklungen ist. Es ist eine gewisse Schwierigkeit, daß Hitler einen Theologen benennt, der nachher Reichsbischof werden würde. Wir waren immer gegen die Benennung Müllers, nicht nur von der Person, sondern von der Sache her. Hitler könnte einen Juristen benennen, einen Theologen hätte er aber eben nur zu bestätigen. Die Tatsache, daß Hitler am letzten Sonnabend den Reichsminister für Justiz Gürtner zu Rate gezogen
hat, ist vielleicht ein Hinweis auf eine Tendenz in dieser Richtung. Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre große Freundlichkeit und verbleibe in aufrichtiger Verehrung Ihr
Dietrich Bonhoeffer
Zu S. 177
616 Zu $. 184
Anhang
16. Oktober 1934 Lieber Pater! Ein Freund von mir, der Deutscher Pastor in London ist, ein jüngerer Mann, Pastor Bonhoeffer, ist gebeten worden, im Namen der Bekenntnis-Synöde in Deutschland Theologiestudenten auszubilden. Er ist ein ausgezeichneter Theologe, der durch Prof. Deiss-
mann bei mir eingeführt wurde und einer seiner besten Leute in den letzten Jahren ist. Es liegt ihm sehr daran, unsere Methoden in England kennenzulernen, in beiden Richtungen: der Ausbildung für das Pfarramt und der Führung eines gemeinschaftlichen
Lebens. Er hat vor, England Ende Dezember zu verlassen. Ich habe versprochen, ihm ein oder zwei Einführungen zu verschaffen, und wage es, Sie zu fragen, ob es möglich wäre, daß er kommt und bei Ihnen irgendwann in der Mitte der Woche wohnt, zu einem Zeitpunkt, der Ihnen angenehm ist, zwischen jetzt und dem Ende des Jahres. Er kann nicht am Wochenende fort sein,
aber zwei oder drei Nächte in der Mitte der Woche wären gut möglich und eine große Freundlichkeit ihm gegenüber, und nebenbei auch unseren Freunden in Deutschland. Er spricht perfekt
englisch. Ihr sehr ergebener
George Cicestr
22. Oktober 1934
Zu $.185
Lieber Mr. Gandhi! Pastor Bonhoeffer, ein Freund von mir, jüngerer Mann und gegenwärtig deutscher Pastor in London, 23 Manor Mount, London S.E. 23, hat den dringenden Wunsch, daß ich ihm eine Einführung bei Ihnen gebe. Ich kann ihn von ganzem Herzen empfehlen. Er hat vor, die ersten zwei oder drei Monate des Jahres 1935 in
Indien zu sein. Er ist aufs engste mit der kirchlichen Oppositionsbewegung in Deutschland verbunden. Er ist ein sehr guter T’'heologe, ein sehr ernsthafter Mann und wird wahrscheinlich in der kommenden Bekennenden Kirche Deutschlands die Aufgabe haben, die Kandidaten für die Ordination auszubilden. Er möchte das gemeinschaftliche Leben und Methoden der Ausbildung studieren.
Es wäre eine sehr große Freundlichkeit, wenn
Sie ihn zu sich
kommen ließen.
Ihr sehr ergebener
George Cicestr
Übersetzungen
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7. Januar 1935 Sehr verehrter Herr Bischof! Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich so spät antworte. Das
neblige Wetter in der letzten Woche hat mich im Bett gehalten und machte mich anfänglich unfähig zu arbeiten. Haben Sie vielen Dank für Ihren freundlichen Brief. Sie hatten mir die Anschrift des deutschen jungen Mädchens schon früher gegeben und ich hatte sie meinem Freund Pastor Jacobi weitergeleitet.
Ich hatte keinerlei wichtige Neuigkeiten von zu Hause. Ich glaube, sie möchten vor der Saar- Abstimmung nicht mit dem Kampf fortfahren. Was mich im Augenblick am meisten beschäftigt, ist die Frage, was für die Flüchtlinge von der Saar getan werden kann, welche ungefähr 30—50 Tausend ausmachen werden. Ich denke daran, einige Kinder zu nehmen und sie in die Häuser meiner
Leute in der Gemeinde zu geben. Aber wie ist das Gesamtproblem zu lösen, nicht individuell, sondern grundsätzlich? Ich füge die Abschrift eines Memorandums von einem Refugee bei, der mit seiner Familie hier ist und irgendeine Art von Arbeit in einem Rechtsanwaltsbüro zu finden versucht; er selbst war ein wohlbekannter und anständiger Rechtsanwalt in Nürnberg. Im Blick auf den Gedanken, einige britische Kirchenmänner in der Zeit nach der Saar-Abstimmung nach Deutschland herüberzuschicken, möchte ich meinen, daß das tatsächlich sehr hilfreich sein könnte. Ich glaube nicht, daß das Rev. Cragg verletzen würde. Der Schwedische Pastor Forell, der fast seine ganze Zeit der Sache der Bekennenden Kirche widmet, hat selbst um solch eine Dele-
gation aus Schweden gebeten. Aber es mag natürlich sein, daß die schwedische Delegation für den Augenblick genügt. Denken Sie noch an den Plan einer offiziellen britischen Delegation zur Bekennenden Kirche im Namen des Weltfriedens? Je mehr ich mir diese Idee überlege, um so mehr beeindruckt sie mich; sie könnte höchst wichtig und hilfreich sein. Zu Beginn des neuen Jahres möchte ich Ihnen aufrichtig und sehr herzlich für alles danken, was Sie für uns im vergangenen Jahr getan haben. Möchte Gott Ihr Werk segnen und die Gemeinschaft,
die er durch Ihr Werk zwischen unseren Kirchen schafft. Ihre Arbeit wird in der Geschichte der Deutschen Kirche niemals vergessen werden.
Ich bleibe Ihr dankbarer
Dietrich Bonhoeffer
Zu S. 195
618 Zu $. 196
Anhang
Mein lieber Bonhoeffer! 8. Januar 1935 Sehr vielen Dank für Ihren Brief und die Anlage. Es tut mir sehr
leid, daß es Ihnen nicht gut ging, und ich hoffe, Sie fühlen sich jetzt besser. Ich schrieb an Präses Koch und fragte ihn, ob die Delegierung einer Gruppe von 5 oder 6 Englischen Kirchenmännern Verlegenheit schaffen würde oder willkommen wäre: die Gruppe sollte mit deutschen Kirchenmännern über Frieden und Freund-
schaft zwischen unseren beiden Ländern sprechen. Ich schickte diesen Brief durch Mr. Cragg. Ich sagte auch, daß ich es nicht für tunlich hielte, den Weltrat in die Sache mithineinzuziehen, da er sich selbst mit der Kirchenfrage eingelassen hat. Nach einigem Warten bekam ich einen kurzen Antwortbrief. Er besagt, daß Koch
es gerne hätte, wenn 5 oder 6 englische Kirchenmänner nach Deutschland kämen, aber er möchte sie in Verbindung mit dem Weltrat haben und er möchte, daß sie die schwierigen deutschen
Kirchenfragen diskutieren. Er erwähnt mit keinem Wort Frieden und englisch-deutsche Freundschaft. Ich bin ziemlich verblüfft, denn das war es ganz und gar nicht, was mein Laienfreund vorhatte, zu finanzieren. Ich habe in diesem Sinne an Mr. Cragg geschrieben. In der Zwischenzeit habe ich mich mit Dr. Cross in Verbindung gesetzt, lediglich um der Möglichkeit willen, ihn für
einige Tage nach Berlin zu schicken, nachdem er bei mir war, und mit einem Bericht zurückzukehren. Aber ich weiß tatsächlich noch nicht, ob das ausführbar sein wird. Ich hörte gestern von Erzbischof Eidem und nehme an, daß Ehrenström beinah sofort nach Berlin geht. Von Henriod habe ich nichts über das vorgeschlagene Büro der Jugendkommission in Berlin gehört, aber ich weiß nicht, warum er solange braucht zu antworten, außer daß die Weihnachtsferien in Genf ziemlich lang sind. Präses Koch schlug vor, daß die Gruppe, falls sie käme, um den
20. Januar nach Berlin gehen sollte. Ich gehe Sonnabend für eine Woche zur Isle of Wight und werde am 21. Januar in London sein, fast für die ganze Woche. Vielen Dank für das, was Sie für das deutsche junge Mädchen taten.
Ich verstehe, daß Sie im Augenblick hauptsächlich mit der Frage beschäftigt sind, was für die Refugees von der Saar getan werden kann. Glauben Sie wirklich, daß es 30 000 bis 50 000 sein werden? Ich wünschte, man könnte sich etwas ausdenken, mit dem Problem grundsätzlich fertig zu werden. Ich danke Ihnen sehr für alle Ihre freundlichen Worte über meine
armseligen Unternehmungen. Ich würdige sie sehr. Immer Ihr
e
George Cicestr
Übersetzungen
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17. April 1935 Mein lieber Köchlin! Vielen Dank für Ihre zwei Briefe. Der erste über den Artikel im Berliner Tageblatt war sehr nützlich und ich habe daraufhin gehandelt. Der Artikel ist ein religiöser, und wenn ich ein übriges Exemplar bekomme, werde ich es Ihnen schicken. Ich sah Bonhoeffer am Montag in London. Er war auf seinem Weg nach Berlin. Ich glaube, er gibt nun sein Pfarramt in London auf und wird gewiß für wenigstens 6 Monate fort sein, möglicherweise für immer. Er berichtete mir, daß die Lage in der Deutschen Evangelischen Kirche kritisch war, aber zugleich meinte er, daß in unmittelbarer Zukunft keine drastischen Maßnahmen unternommen würden. Er glaubte eher, die Haltung der Regierung wäre, die Dinge ein wenig laufen zu lassen, und insbesondere zuzuschauen, wieweit die Laien die Pastoren unterstützten, wenn solch ein Druck und solch eine Verfolgung versucht wurde, wie Sie sie in Ihrem Brief vom 12. April beschreiben. Mit anderen Worten, sie möchte, ohne sich selbst zu weit festzulegen, sehen, wieweit die Leute widerstehen. Er wird mich auf dem Laufenden halten, was geschieht, und Pastor Rieger in Blackheath wird ein sehr wichtiges
Bindeglied sein. Ich schickte durch Bonhoeffer eine Zeile an Koch und versicherte ihn meiner Anteilnahme und meines Wunsches zu helfen im Fall der Not. Ich glaube, Bonhoeffer denkt, daß eine Notsituation in nicht zu ferner Zukunft heraufkommt, wenn ein
Appell an die oekumenische Kirche erlassen werden muß. Ich habe die Angelegenheiten besprochen und bespreche sie weiterhin mit dem Erzbischof von Upsala, der in der Passionswoche mit seiner Frau und Tochter in meinem Haus ist. Ich habe ihm Ihren Brief gezeigt. Ehe ich Ihren Brief erhielt, schrieb ich, nachdem ich ähnliche Neuigkeiten in der Times gesehen hatte, einen heftigen persönlichen Protest an Herrn von Ribbentrop und sagte ihm, daß, wenn wirklich der Wunsch bestünde, das Evangelische Christentum zu erhalten, anerkannt werden müßte, daß vom Gesichtspunkt der Kirchen draußen die Bekenntnis-Synode das einzige Instrument dazu sei und daß ein Angriff auf diese oder ihre Unterdrückung als ein Angriff auf das Evangelische Christentum als solches ausgelegt würde. Ich ging aus von den Angriffen auf die Pastoren und ihrer Gefangensetzung und schickte ihm einen Ausschnitt aus der „Christian World“, um zu zeigen, wie heftig Kir-
chenleute verschiedener Kirchen bei uns in der Sache reagierten. Immer Ihr
George Cicestr
ZWSIT,
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Anhang 22. Mai 1935
Zu S. 199
Mein lieber Dr. Köchlin! Wir hatten letzte Woche eine Sitzung des Administrativ-Kommittees von Life and Work in Paris, auf welcher Dr. Oldham einen ausführlichen Bericht über seinen Besuch in Berlin und Hannover wenige Tage zuvor gab. Vor der Sitzung war ich bereit gewesen, wie ich es ein paar Freunde hatte wissen lassen, mit Bischof Ammundsen nach Düsseldorf zu gehen, um privat einige der Leiter
der Bekenntnis-Synode zu sehen, wenn dies für nützlich gehalten wurde. Oldham jedoch berichtete in Paris, nachdem er mit Präses Koch und anderen die Sache besprochen hatte, daß es im
Interesse der Leiter der Bekennenden Kirche nicht wünschenswert sei, die damit einer Gefahr ausgesetzt werden könnten.
Nichtsdestoweniger — nachdem ich gerade aus Paris heimgekehrt war, rief mich Bonhoeffer Sonnabend an; er kam von Berlin geflogen, um mich zu sehen: auf den besonderen Wunsch Dr. Kochs hin. Präses Koch ließ sagen, daß es ihm leid täte, daß ich nicht nach Düsseldorf gekommen war und daß er sich gegen mein Kommen ausgesprochen habe; es wäre wohl nützlich gewesen, aber nun sei ihm klar, was passierte. Er wünschte sich von mir, daß ich einen Brief an die Versammlung der Bekenntnis-Synode heute und morgen schriebe. Außerdem wollte er, daß ich mich auf kürzesten Abruf bereit hielte, wenn es eine besonders schwere Notwendigkeit erfordert. Ich bin natürlich bereit, zu gehen, wenn solch eine schwere Notwendigkeit sich ergibt. Der Grund, daß ich an Sie schreibe, ist folgender: Ich würde von geringem Nutzen sein, wegen meiner Unkenntnis des Deutschen. Angenommen —
der Himmel möchte es verhindern —
solch eine Notwendigkeit
ergibt sich, wäre es für Sie möglich, mich in Berlin zu treffen? Ich könnte Sie von hier aus anrufen, um zu fragen, ob Sie kommen können, wenn der Tag da ist. Dieser Brief kann jedenfalls die Situation leichter schildern als ein Telefonanruf. Ich denke, es bedeutet, daß, wenn sich die Notwendigkeit ergibt, ich nach Berlin fliege und Sie darum bitte, mich an einem genehmen Platz in Berlin zu treffen, sagen wir, im Grand Hotel am Knie. Mit allen guten Wünschen immer Ihr George Cicestr
Übersetzungen
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4. August 1936 An den Herausgeber der Times. Was geschieht im Augenblick in der DEK? Die Berichtsfolge, welche Ihr Korrespondent letzte Woche schickte, ist sehr beunruhigend. Ungeachtet der Bedenken und trotz gelegentlicher Vorfälle in verschiedenen Bezirken bot sich bis neulich doch das Bild der Ruhe. Jetzt aber scheint ein neuer Angriff gegen die Bekennitnisbewegung losgelassen zu werden. Die Geheimpolizei hat ihre Büros überfallen. Anordnungen sind erlassen, daß ihre Bruderräte aufgelöst werden müssen, daß alle Reichs- und Staatsbehörden Beziehungen zur Vorläufigen Kirchenleitung abzubrechen haben, welche in ihrem Namen handelt, und daß genau dieser Titel fallen gelassen werden soll. Zur gleichen Zeit kommen die alten Verfechter der extremen Deutsch-Christlichen Rassenlehre wieder nach vorn.
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(Anm. 3)
Wie ich ihre Haltung interpretiere, haben die Kirchen außerhalb Deutschlands keine Absicht, in innerpolitische Auseinandersetzungen sekundärer Art einzugreifen. Aber diese Sache ist weit gravierender. Da sie überzeugt sind, daß fundamentale. christliche Werte auf dem Spiel stehen, ist ihr Interesse so leidenschaftlich und ist ihre Sorge für die Bekenntnisbewegung so tief. Ein Schlag gegen die Bekenntnisbewegung wäre ein Schlag gegen die Chri-
stenheit. Ihr, usw. The Palace, Chichester.
George Cicestr
10. Mai 1939
Zu S. 349
Radiogramm Dietrich Bonhoeffer, Marienburger Allee 43, Berlin Das Zentralbüro der Zwischenkirchlichen Hilfe erbittet dringend Ihre umgehende Ankunft in New York, spätestens Mitte Juni, um eine wichtige kombinierte Stelle anzunehmen, theologische Vorlesungen und kirchliche Arbeit auf Sommer-Konferenzen und an Universitäten.
Leiper
Edinburg, 11. Mai 1939
Lieber Paul! Acht von meinen zehn Vorlesungen habe ich fertig und habe es so gemacht, wie man wahrscheinlich erwarten konnte. Ich hatte
Zu S$. 349
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Anhang
immer eine gute Hörerschaft, aber ich weiß nicht, wie mein Stoff aufgenommen worden ist. Ich möchte Dich jedoch nicht mit meinen persönlichen Neuigkeiten aufhalten. Mein Anliegen ist Bonhoeffer. Er besuchte mich kurz
nach unserer Ankunft und es liegt ibm daran, nach Amerika zu kommen, um für den Augenblick der Einberufung zu entgehen. Ich habe ihm eine Einladung für die Union Seminary SommerKurse gesichert und auch das Federal Council gebeten, Versammlungen in Kirchenlagern usw. zu arrangieren. Er würde gern den Herbst hindurch bleiben und in Colleges und Seminaren lesen.
Da ich erst Anfang November zurück sein werde, möchte ich gern wissen, ob Du bereit wärst, mit mir ein Kommittee zu konstitnieren; nenne mich den Vorsitzenden und Dich selbst den Schriftführer und schicke vervielfältigte Briefe aus, in denen Du Bonhoeffers Dienste Colleges und Universitäten anbietest. Bitte sie um ein nominelless Honorar von 25 bis 50 Dollar für seine Dienste. Du kannst von ihm die Themen haben und eine Beschreibung seiner Tätigkeiten im Namen der Bekenntnis-Synode. Ich habe es nicht gern, daß ich diese Arbeit auf Dich übertrage, aber ich glaube, Du kannst es am besten. Bitte nimm Dir jemand, der stenographiert, für die Arbeit und schicke mir die Rechnung. Bonhoeffers Anschrift ist jetzt Marienburger Allee 43, BerlinCharlottenburg 9. Schreib ihm nicht zuviel, aber wenn Du bereit bist, dies zu übernehmen, erzähle ihm, daß Du Dich melden würdest, sobald er in Union ankommt, um die Pläne auszuarbeiten, die ich vorgeschlagen habe. Es wird einige Schwierigkeiten. geben, ihn herauszubekommen, und wenn es ihm mißlingt, wird er im Gefängnis landen. Er hat eine große Arbeit für die Kirche getan.
Edinburg ist sehr freundlich zu uns gewesen und wir haben wenig Zeit für uns selbst. Ich bleibe bis zum 23. Mai und will dann nach
Oxford gehen. Nach dem 13. Juni kannst Du mich erreichen in The Moat House, Wiversfield, Sussex. Herzliche Grüße von uns allen
Zu S. 350
Dein Reinhold Niebuhr
22. Mai 1939
Lieber Reinhold! Nach Empfang Deines Briefes über Dietrich Bonhoeffer begann ich sofort zu handeln. Ich konnte ihm ein echtes Angebot einer Arbeit telegraphieren; es ist eine Stellung beim amerikanischen
Kommittee für christliche deutsche Flüchtlinge in New York, wo
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623
wir sicherlich imstande sind, seelsorgerliche Arbeit an Deutschen, die hier leben, zu finanzieren, und Bonhoeffer könnte das glänzend machen. Ich kenne ihn gut und bin scharf auf ihn. Ich bin froh über alles, was ich tun kann, ihm zu helfen. Ich hoffe, Du hast eine gute Zeit und ich werde Dich bald wieder sehen. Brüderlich Dein Henry Smith Leiper Kopien an Van Dusen und Cavert
An: Dr. Cavert Von: Dr. Leiper Ich füge hier eine Kopie meines Briefes an Bonhoeffer bei, welcher die Basis für sein Kommen darstellte. Ich habe noch keine Gelegenheit für eine wirkliche mit ihm gehabt und als ich versuchte, ihn bei Ihnen entdeckte ich, daß Sie nicht in der Stadt waren. Er besucht im Augenblick Henry Coffin, aber er Woche wieder da sein, wenn wir uns zusammensetzen
15. Juni 1939
Zu S. 351
vom 11. Mai Besprechung anzumelden, wird nächste müssen über
die Sache und sie ausarbeiten. Pit Van Dusen hatte ein Gespräch mit ihm und er schien zu entdecken, daß Bonhoeffer meint, er könne nicht mit Flüchtlingen arbeiten und dann in Sicherheit nach Deutschland zurückgehen, wie er es jetzt vor hat. Ich glaubte natürlich, er käme, um hier zu bleiben. Er ist aber offenbar nur auf ein Besuchervisum gekommen und wird auf diese Weise in seinen Bewegungen behindert sein, so daß ich mich ernstlich frage, ob er die Dinge tun kann, die wir von ihm erhofft hatten. Wir müssen die Dinge zum frühest möglichen Termin durchsprechen. Das wird vermutlich Dienstag sein, wenn ich heimkomme
und Sie dann hier sind. 17. Juni 1939
Mein lieber Paul! ... Niebuhr wird an Sie darüber geschrieben haben. Es hat einiges Mißverständnis über meine Reise gegeben. Ich bin kein refugee, sondern ich muß zurück nach Deutschland, um meine Arbeit dort wieder aufzunehmen. Sie brauchen dringend Lehrer.
Zu S. 351
624 Zu $. 352
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Elmhurst College Elmhurst Illinois Department of Religion, 27. Juni 1939 Sehr geehrter Herr! Ein Kommittee, dessen Vorsitzender Dr. Reinhold Niebuhr, Professor für angewandtes Christentum am Union Seminar New York ist, wagt, Sie auf den Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, Lizentiat der Theologie, aufmerksam zu machen. Pfarrer Bonhoeffer ist einer der fähigsten jungen Theologen und einer der mutigsten unter den jungen Pastoren, die es unternahmen, den christlichen Glauben in der gegenwärtigen kritischen Zeit in Deutschland in Treue darzustellen und weiterzuführen. Er kommt aus einer ausgezeichneten Familie, die ihre Vorfahren auf der Kanzel und auf der Universität hat. Er selbst besitzt den theologischen Doktortitel der Universität Berlin und des Union Theological Seminars in New York. Unter den bemerkenswerten Beiträgen Bonhoeffers zur theologischen Forschung sind drei brilliante und tiefgehende Bände zu nennen, über die „Sanctorum Communio“, „Akt und Sein“, und einer gerade ja veröffentlicht unter dem Titel „Gemeinsames Leben“. Während des akademischen Jahres 1930—1931 war Bonhoeffer fellow in theology am Union Seminar und begann nach seiner Rückkehr nach Deutschland eine vielversprechende theologische Laufbahn als Privatdozent an der theologischen Fakultät in Berlin. Politische Umstände haben diese Hoffnungen unterbrochen. Nach einem Pfarrdienst in der Deutschen Kirche in London kehrte Bonhoeffer in seine Heimat zurück und übernahm die schwierige Verantwortung, die zukünftigen Pfarrer der Bekennenden Kirche auszubilden. Vor einiger Zeit wurde sein kleines Seminar durch die Regierung geschlossen und er hat seine Arbeit von diesem Zeitpunkt an in privater Eigenschaft in Pfarrhäusern Pommerns fort-
gesetzt. Nachdem Bonhoeffer theologische Vorlesungen auf der Sommerkonferenz des Union Theological Seminars, New York, gehalten haben wird, liegt uns daran, ihm in amerikanischen akademischen und theologischen Kreisen eine breitere Hörerschaft zu sichern. Demgemäß stellen wir einen Plan von Vorlesungen während des akademischen Jahres 1939—1940 in Colleges und Seminaren zusammen. Würden Sie bitte, falls Ihr Institut über einen Vorlesungsfonds verfügt oder eine Vorlesungsserie über verschiedene Probleme veranstaltet, eine Einladung an Bonhoeffer freundlich in Betracht ziehen? Er beherrscht die englische Sprache vollständig
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625
und ist fähig, in einer zuverlässigen und anregenden Weise Probleme der Theologie, Philosophie und der gegenwärtigen Situation
der Christenheit in Deutschland zu diskutieren. Das Kommittee erlaubt sich, ein Honorar von nicht weniger als 25 Dollar und, wenn möglich, von 50 Dollar vorzuschlagen. Ich hoffe dringend, daß wir ein Wort von Ihnen zum frühest möglichen Termin haben werden. Briefe, entweder für Bonhoeffer oder für das Kommittee werden am besten an mich unter unten angegebener Anschrift adressiert. Ihre aktive Mitarbeit an diesem
Unternehmen wird ein wirklicher Ausdruck des Geistes oekumenischer Christenheit sein und sehr gewürdigt werden. Hochachtungsvoll Paul L. Lehmann, Th. D.
28. Juni 1939 Lieber Reinhold! Unmittelbar nach Erhalt Deines Briefes vom 11. Mai habe ich angefangen. Ich schrieb sofort an Dr. Press und setzte mich mit Pauck und Paul Scherer in Verbindung. Der angefügte Brief, den ich heute
an einige 30 oder 40 Plätze ausgehen lasse, wird für sich selbst sprechen. Ich hoffe, die Antworten werden nicht zu langsam eingehen. In der Zwischenzeit ist ein Brief von Bonhoeffer gekommen, der schon im Union ist. Ich weiß nicht recht, was ich daraus machen soll, da er schon von Zurückgehen redet. Er sagt, daß er kein refugee sei und nach Deutschland zurückgehen müsse, um seine Arbeit wieder aufzunehmen, denn Deutschland brauche Lehrer. „Ich will“, schreibt er, „bis Spätherbst oder spätestens Frühjahr bleiben.“ Was mir sofort einfiel, waren die Eden Theological Lectures bei der jährlichen Tagung der Pastoren [Convocation]. Ich wagte Dr. Press zu fragen, Bonhoeffer einzuladen. ... Wir laden Bonhoeffer
für die Passionspredigten ein, welche zeitlich den Edenvorlesungen nahestehen. Richter wird im nächsten Herbst bei uns lesen. Die Treuhänder
waren
offensichtlich
überraschend
bereitwillig,
die
Fakultät milde beeindruckt. Aber es wird wie ein kultureller Tornado werden, was dieser Ort genau nötig hat. Wir werden Sonnabend nach Columbus für den Sommer fahren. Wir sind völlig erschöpft von dem lächerlichen Tempo der letzten
728.393
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Monate. ... Wenn es irgendetwas zu irgendeiner Zeit gibt, was ich wie dies für Dich tun kann, bitte zögere nicht. Ich bin niemals zu beschäftigt oder zu müde für Deine Anliegen.
Herzlichst Dein Paul
28. Juni 1939 Zu S. 354
Mein lieber Dietrich!
Sie können nicht ahnen, mit welcher Freude und Erleichterung wir Ihren Brief bekommen haben. Er kam gerade, als ich für ein paar Tage weg war und an einer Konferenz hier einige Tage teilnehmen mußte, so daß ich mit der Antwort bis jetzt warten mußte. Offenbar hat Sie mein Brief vom 27. Mai nach Berlin nicht erreicht. Seit der Zeit haben Marion und ich mit Spannung auf ein Wort von Ihrer Ankunft im Union gewartet. Nun, da Sie dort sind, können wir es kaum erwarten, Sie hier bei uns zu haben.
Ob Dr. Niebuhr zu optimistisch gewesen ist oder nicht, weiß ich nicht. Aber ich weiß, daß es undenkbar ist, daß Sie zurückkehren, ehe Amerika vollste Gelegenheiten gehabt hat, durch Ihren Bei-
trag in seiner theologischen Schicksalsstunde bereichert worden zu sein. Wenigstens macht es mir Freude, so darüber zu denken! Der tragische politische Anlaß für diese verwirrten Zeiten könnte einen
großen und positiven Oberton haben, indem er durch die gegenwärtige Befruchtung mit der kontinentalen Tradition hin und her das amerikanische theologische Verstehen erweitert. So daß Sie
dieses auch als eine Verantwortung sehen müssen, genau wie die deutsche Not um Lehrer! Daneben haben es Marion und ich sehr nötig, Sie wieder zu sehen. Sie wollen uns doch nicht der Hoffnung berauben, die wir mit uns getragen haben seit dem Tage, als wir das Cafe Unter den Linden verließen? Mit Ihrer im voraus angenommenen Erlaubnis habe ich schon Schritte unternommen, dies möglich zu machen. Der bei-
gelegte Brief spricht für sich selbst. Inzwischen gibt es bereits endgültigere Zusagen für Sie. Ich bin autorisiert worden, Sie einzuladen, die jährliche Reihe der Passionspredigten zu halten, welche ein Teil unseres Programmes an der Hochschule ist. Sie finden an vier anfeinanderfolgenden Mittwochen während der Passionszeit statt und versuchen dem heutigen Studenten das Kreuz zu inter-
pretieren. Es werden Ihnen 100 Dollar für die Predigten zur Verfügung stehen und Sie werden bei uns wohnen. Ungefähr zur selben Zeit hat das Eden Seminar eine Vorlesungsreihe bei seinei
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jährlichen Tagung der Pastoren [Convocation]. Das pflegt Mitte Februar zu sein. Ich habe geschrieben und gebeten, Sie für diese einzuladen. Ich hoffe es wird etwas werden. Aber, was auch immer geschieht, Marion und ich möchten Sie wissen lassen, daß unser Haus Ihres ist in jeder Hinsicht solange, wie
Sie in der Lage sind und es so haben möchten. Es gibt keine Begrenzung. Und Sie können uns kein größeres Vergnügen verschaffen, als wenn Sie mit voller Freiheit diesem Angebot entsprechend handeln. Ob ich in diesem Sommer nach New York komme, weiß ich noch nicht. Ich versuche heftig, einen kurzen Ausflug nach dort zu arrangieren, besonders um Sie zu sehen. Wir fahren am Sonnabend nach Columbus, Ohio, wo wir wahrscheinlich bis zum 1. September sein werden. Die Anschrift dort ist 931 Oakwood Avenue. Das sollte gerade etwa die Zeit sein, daß Sie soweit sind, westwärts zu kommen, und wir werden Sie hier erwarten. Sie lassen von sich hören, nach Columbus bitte? Irgendwann zwischen dem 9. und 12. Juli wird ein sehr guter Freund von mir und früherer Student, Georg Kalbfleisch mit Namen, versuchen, Sie in Union zu besuchen. Er ist auf dem Weg nach Amsterdam und will Deutschland besuchen. Er war es, durch den ich hoffte, Ihnen ein paar Worte als Antwort auf Ihren früheren Brief um die Weihnachtszeit zu schicken. Da er vorhat, Deutschland zu besuchen, wird es Ihnen vielleicht lieb sein, ein paar Worte zu schicken. Ich erwähne dies, damit Sie wissen, Sie können absolutes Vertrauen in ihn setzen. Ich habe ihm soviel von Ihnen erzählt und mir liegt daran, daß Sie sich treffen. Sobald Antworten auf die Briefe, die ich heute an etwa 30 bis 40 Plätze zur Post gebe, kommen, werden Sie mehr von mir hören. In der Zwischenzeit halten Sie Verbindung mit mir und vergessen Sie nicht, wie uns daran liegt, Sie wieder bei uns zu haben!
Marion sendet mit mir die herzlichsten Grüße und besten Empfehlungen Paul
New York, 28. Juni 1939 Lieber Paul! Ich würde gern wissen, ob Sie meinen Brief letzte Woche erhalten haben. Die Dinge haben sich für mich vollständig verändert. Ich gehe nach Deutschland zurück, am 2. August oder sogar am
Zu $. 356
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25. Juli. Die politische Situation ist so schrecklich. Aber, natürlich, ich würde gern ein Wort von Ihnen hören, ehe ich fahre. Ich genieße die wenigen Wochen in Freiheit, aber andererseits spüre ich: ich muß zurückgehen in die Schützengräben (ich meine die des
Kirchenkampfes). Immer Ihr
Dietrich Bonhoeffer
30. Juni 1939
Zu S. 357
Mein lieber Paul! Haben Sie vielen Dank für Ihren guten Brief, der so voll ist von Freundschaft und Hoffnung für die Zukunft...
Zu S. 359
Columbus, Ohio, den 2. Juli 1939 Mein lieber Dietrich! Ihr Brief wartete schon auf mich, als ich heute morgen hier ankam. Er war eine große Hilfe, indem er Ihre Karte erklärte, die ich letzten Donnerstag in Elmhurst erhielt. Aber ich kann Ihnen nicht sagen, wie tief es uns beide beunruhigt, Marion und mich. Ich schreibe jetzt, glauben Sie mir, in großer Beschwernis des Geistes. Ich werde natürlich Ihrem Wunsch sofort willfahren. Bitte, bedenken Sie, daß ich es mit großem Zögern tue und aus einem vollen Verständnis Ihrer Situation heraus. Auf solch einer Basis sind Sie nicht berechtigt, von mir auferlegter Mühe zu sprechen und von Freundlichkeiten, die Sie erfuhren. Die Hauptsache betrifft Sie und die Sache, der Sie sich gewidmet haben. Nun habe ich folgenden Vorschlag: Wir müssen uns treffen vor Ihrer Rückkehr. Es ist einfach nicht auszudenken, daß Sie hier sind und zurückgehen, ohne daß wir einander sehen. Deshalb müssen Sie so nett sein, mich mit der nächsten Post wissen zu lassen, welche Zeit für mein Kommen nach New York am besten ist. Da der Freund, über den ich Ihnen schrieb, am nächsten Sonnabend, den 8. Juli, nach New York zu kommen vorhat, ankommend Sonntagmorgen, den 9. Juli, möchte ich gern wissen, ob Sie noch so lange warten können, daß ich mein Kommen mit ihm zusammen einrichten könnte. Dann würde ich auch mit ihm zusammen sein, wenn er am 12. Juli an Bord geht. Andererseits, wenn Sie am 8., wie Sie angeben, abfahren müssen, werde ich sofort kommen. Wir müssen Gelegenheit haben, uns zu sprechen.
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Lassen Sie mich postwendend ein Wort hören. Denken Sie auch daran, mein Kommen Emmanuel zu erklären und ihn zu fragen,
ob er für mich ein Bett im Seminar hat für die paar Tage, welche ich dort sein werde? Bitte, machen Sie sich aber dafür keine Unannehmlichkeiten. Wenn es nicht sein kann, werde ich etwas arran-
gieren, wenn ich komme. Inzwischen freue ich mich darauf, Sie zu sehen, Marion schließt sich mir an, wir bitten und überantworten unsere Wege an den, der alle Dinge wirkt, in anhaltender, herzlicher Zuneigung Paul
Elmhurst College Department of Religion
Sehr geehrter Herr!
Zu S. 360
3. Juli 1939
Unter dem 27. Juni war eine Mitteilung an Sie adressiert, in der es sich um den Pastor Dietrich Bonhoeffer, Licenziat der T'heologie, handelte. Sie betraf den Wunsch eines Kommittees, dessen Vorsitzender Dr. Reinhold Niebuhr ist, Bonhoeffers Besuch nach Amerika den Colleges und Seminaren nutzbar zu machen, die an seinen Vorlesungen interessiert waren. Eben ist eine Mitteilung angekommen, daß die Umstände von Bonhoeffers Besuch in den Vereinigten Staaten vollständig mißverstanden waren und daß die in Betracht gezogene Gelegenheit, ihn einzuladen, keine Gestalt annehmen kann, weil er nach Deutschland zurückgekehrt ist. Das Kommittee würdigt Ihr freundliches Interesse an seinen Bemühungen und bedauert außerordentlich den Irrtum seiner vorangegangenen Mitteilung. Hochachtungsvoll Paul L. Lehmann, Th. D., Schriftführer
den 15. Juni 1939 Mein lieber Dr. Bonhoeffer! Ich bin einer der Treuhänder des Croall Lectureship Trusts und möchte Sie fragen, ob Sie bereit sind, eine Benennung als Vortragender für den nächsten Winter anzunehmen. Die Pflichten des Vortragenden bestehen schlicht darin, etwa 6 Vorlesungen über ein theologisches Thema zu halten, das er sich selbst auswählt; die
Zu S. 361
630
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Vorlesungen müssen freilich später in Buchform veröffentlicht werden. Die Vorlesungen können alle innerhalb von 2 Wochen gehalten werden, sie können aber auch über eine längere Spanne verteilt sein.... Passende Daten können zwischen dem Vortragenden und den Treuhändern für die Zeit vom Oktober dieses Jahres bis zum März des nächsten vereinbart werden.... Ich habe die Sache mit einiger Ausführlichkeit mit Prof. Niebuhr
durchgesprochen und er weiß, daß ich an Sie schreibe. Ich will im Moment nichts weiter hinzufügen und lieber Ihre Antwort abwarten. Ich war an allem höchst interessiert, was mir Prof. Niebuhr über Sie zu berichten hatte. Meine Frau und Jan grüßen Sie aufs wärmste, ebenso ich selbst, Ihr aufrichtig ergebener John Baillie
Zu S.362
London, 22. Juli 1939 Lieber Professor Baillie! Ich bin gerade aus Amerika zurückgekommen und bekam einen Brief aus Deutschland, der eine Einladung von Ihnen andeutet, im
nächsten Frühjahr zu Vorlesungen nach Edinburg zu kommen. Haben Sie sehr herzlichen Dank für die Einladung. Ich werde mit dem größten Vergnügen kommen, wenn ich dann aus Deutschland herauskomme ...
Berlin, 24. August 1939
Zu S. 362
„..Ich muß Ihnen mitteilen, daß es für mich sehr schwierig sein
wird, im Oktober wegzureisen. Ich möchte Sie gern fragen, ob eine Zeit nach dem 1. oder 15. Dezember für Ihr Kommittee annehmbar wäre. Ich denke an das folgende Vorlesungsthema: „Der Tod und die christliche Botschaft“ ...
Immer Ihr
Dietrich Bonhoeffer
NACHWEISE
I. Teil. Kapitel I . . . Vorschau.
Handgeschrie-
benes Manuskript und Seite 4 der „Funkstunde“
Wandlungen
des Führerbegriffes
(aus der Zeit-
S.19
schrift herausgerissen) beim Herausgeber. Der Führer und der einzelne . ... Vortrag. a) Handschriftliche u. maschinengeschriebene Exemplare des kürzeren Rundfunkvortrags mit Titel wie in Vorschau (darunter ein nach Worten abgezähltes der Rundfunkredaktion); b) Mit unerheblichen Kürzungen in der Kreuzzeitung vom 25. Februar 1933 unter der Überschrift „Drei Führertypen in der jungen Generation“ und journalistischen Zwischenüberschriften als einzelnes Zeitungsblatt; ce) Mit Korrekturen versehenes maschinengeschriebenes Exemplar des vollständigen Vortrages und mit angehängtem Zettel „Im Auftrag der Deutschen Hochschule für Politik. Berlin, weitergereicht 6. März 1933“; a—c beim Herausgeber. Briefwechsel mit Karl Barth. Originale Barth an Bonhoeffer vom S. 39, 4. Februar 1933 und 18. April 1933 beim Herausgeber. Alle übri- 283 ‘ gen in Abschrift von Prof. K. Barth, Basel, zur Verfügung gestellt. Hier nachgedruckt aus „Mündige Welt“ I, 1955, Seite 106—121. Die Kirche vor der Judenfrage. Teil II in handschriftlich stark 5.44 korrigierter Schreibmaschinen-Form beim Herausgeber unter der Überschrift „Judenchristentum“, darin erkennbar als 6 Thesen. These 1 beginnend mit „Judentum ist von der Kirche... .“, These 6 endend mit „Kirchengemeinschaft als judenchristlich konstituieren“; Teil I in geringfügig handschriftlich korrigierter Form mit der Überschrift „Ahasver peregrinus“ und Teil II mit Überschrift „Modernes Judenchristentum“ beim Herausgeber. Nachgedruckt aus „Der Vormarsch“, 3. Jg. Heft 6 (Juni 1933) Seite 171—176.
Gruß von G. Staewen. Postkarte beim Herausgeber. Bekenntnisaufruf: Die gegenwärtige Lage... Abgezogene Flugblätter im Kirchenkampfarchiv der Kirchlichen Hochschule Berlin
(Mappe 264 A). Ohne Unterschrift abgedruckt in K. D. Schmidt, Die Bekenntnisse des Jahres 1933, Seite 165 f.
555, 5.56
126,
632
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Rundschreiben: An die Mitglieder ... . Vervielfältigtes Blatt aus dem Archiv W. Niemöller, Bielefeld.
Flugblatt zur Kirchenwahl. Vervielfältigtes Blatt aus dem Besitz von W. D. Zimmermann, Berlin. Der Arierparagraph in der Kirche. Aus den Akten Lücking im Archiv W.Niemöller, Bielefeld. Dort auf dem Exemplar Vermerk von M. Niemöller, daß diese Arbeit von Dietrich Bon-
hoeffer stammt; abgezogene Exemplare außerdem in der Kirchl. Hochschule Berlin. Telegramm an Henriod. Tagebuchnotizen von H. L. Henriod; Wortlaut von Henriod mitgeteilt in Brief vom 29. März 1958 an den Herausgeber. Erklärung .... Niemöller—Bonhoeffer. Aus W. Niemöllers Archiv in Bielefeld. Brief von Hermann Sasse. Original beim Herausgeber, zwei handschriftliche Bogen. Auf dem freien Raum Kopierstiftnotiz Bonhoeffers: „Zwei Sermone a. d. Zerstörung Jerusalems 1526. Was der Tempel Gottes sei. Ein tröstliche Predigt v. d. Zukunft Christi 1532. Von der K., was, wer u. wo sie sei und wobei man sie erkennen soll, 1540.“
Tagebuchnotiz 29. März
Henriods.
Mitteilung
Henriods
im
Brief
vom
1958.
An die Nationalsynode der DEK. Gedrucktes Flugblatt beim Herausgeber. An verschiedenen Orten gedruckt, z. B. Junge Kirche 1933, Seite 204 f. Kapitel II 5.77. S 90
Brief an die Großmutter. Handschriftliches Original beim Herausgeber. Erstform des Betheler Bekenntnisses. Nachweise siehe in „Vorbemerkung des Herausgebers“, Seite 80 ff.
Kapitel III
S. 120, 121 Bonhoeffer an Pf. Singer, Heckel an Pf. Singer. Originale in S. 121—124
54125
Akten der Gemeinde Sydenham, Forest Hill-London. Bischof von Ripon an Bonhoeffer; Generalsup. Karow an Bonhoeffer 26. Juli und 21. August 1933; E. Seeberg an Bonhoeffer; Ministerium an Lütgert. Originale beim Herausgeber. Bonhoeffer an Heckel. Undatierter Schreibmaschinendurchschlag
Nachweise
633
unter Briefkopf: „Lic. Dietrich Bonhoeffer, Privatdozent an der Universität Berlin“ beim Herausgeber. Briefwechsel mit dem Bischof von Chichester. Siehe unter NACHWEISE G.S. I, Seite 529. An verschiedenen Stellen dieses Kapitels folgen 27 weitere Briefe (einschließlich solcher des Bischofs an Round Table, die anglikanischen Communities, Gandhi und Köchlin). Die Originale bzw. Kopien befinden sich bei Mrs. Bell. An die Reichskirchenregierung ... . Bradford. Akte „Pfarrkonferenzen“ in St. Georgskirche, London. Außerdem abgedruckt innerhalb
des
Leitartikels
„Konferenz
der
deutschen
S. 138—146, 169—178, 195—199
5.147
evangelischen
Pfarrer Großbritanniens“ in „Gemeindebote für die Deutschen Evangelischen Gemeinden Großbritanniens“ Nr.50 (10. Dezember 1933) Seite 4 (Verfasser des Leitartikels: Pf. Schönberger). Bonhoeffer-Hildebrandt an Niemöller 30. November, 15. Dezem- S. 149, 151 ber 1933 und 6. Jannar 1934 (Anschreiben an Beyer) in Originalen, 155 Niemöller an Hildebrandt vom 27. Dezember, An die Pfarrer in 5.152, 150 Großbritannien, 9. Dezember in Abschriften, Telegramm an Niemöller 4. Dezember in den Akten bei W. Nie- S. 150 möller, Bielefeld. Bonhoeffer an Prof. Beyer 6. Januar 1934 in Kopie aus Bon- S. 154
hoeffers Papieren. Prof. Beyer an Bonhoeffer 30. Juli 1934 im Original beim Herausgeber. Briefe an die Großmutter vom 21. Dezember 1933, 22. Mai 1934 und 19. August 1934. Originale beim Herausgeber. An Karl-Friedrich Bonhoeffer vom Januar 1934, 29. November 1937, 28. Januar 1939, 15. Januar 1940. Abschriften von den Originalen sind beim Herausgeber. Telegramm an die Reichskirchenregierung 7. Januar. In den Akten der Gemeinde St. Georg, London. An Reichspräsident Hindenburg 15. Januar 1934. In den Akten St. Georg, London, außerdem abgedruckt in Artikel (verfaßt von Pf.Schönberger) „Zur kirchlichen Lage“ im „Gemeindebote für die Deutschen Evangelischen Gemeinden in Großbritannien“ 1934, Nr. 3, Seite 4—5,
vom
21. Januar
S. 156 S..156,. 181, 183 3.197,.295, 345, 562 S. 158 s=159
1934.
Briefwechsel mit Bischof Heckel. Bonhoeffer an Heckel 18. März
S. 160, 162
1934, Bonhoeffers Kopie; Wahl an Bonhoeffer 17. April 1934 im Original beim Herausgeber. Jahresberichte Gemeinde Sydenham 1933/34 und 1934135. Berichte über das 59. bzw. 60. Jahr der Deutschen Evangelischen Gemeinde zu Sydenham, London S. E. The Finsbury Press; 1934, Seite 3—6; 1935, Seite 3-6. Exemplare im Gemeindearchiv, London,
S. 164, 200
634 S. 167
Lic. Hildebrandt:
Anhang
10 Thesen..., zusammen
mit „10 Thesen zur
Volkskirche“ von Lic. Grüneisen, auf vervielfältigten Blättern im S. 179 S. 179 S. 186, 192
Archiv Kirchl. Hochschule Berlin. Seeberg an Bonhoeffer 9. Mai 1934. Original beim Herausgeber. Bonhoeffer an Winterhager, Mai 1934 (ohne Datum). Original bei Dr. Winterhager, Berlin, Protokoll vom 5. November 1934 und vom 4. Januar 1935 aus den Minute-Books der Gemeinden St. Paul und Sydenham in London, Seite 125 f. bzw. 127 (handschriftlich von Bonhoeffer ge-
schrieben). S. 186—182, Mitteilung an das KA 10. November 1934; an Präses Koch 190—192, 194 13. November 1934; Brief des englischen Pfarrervereins; Heckel 194 an den Gemeindeverband 28. November 1934 und 10. Dezember 1934; Antwortentwürfe 13. Dezember 1934 und 21. Jannar 1935 sämtlich aus Abschriften in den St. Georgsakten, London. Brief an die St. Paulsgemeinde 23. September 1936. Original in den St. Pauls-Gemeinde-Akten in London (handschriftlich). Kapitel IV An M. Niemöller, Juli 1935. Original in Akte „Martin Niemöller:
Notbund ... .“ bei W. Niemöller, Bielefeld; abgedruckt in W. Niemöller: Bekennende Kirche in Westfalen, Seite 167 (Bechauf S. 205
Verlag). An unsere Brüder im Amt! Gedrucktes mann, Steglitz, Feuerbachstraße 44).
Flugblatt, (Druck: Eise-
An Bruder S... ., 25. Januar 1936. Schreibmaschinenkopie Bonhoeffers beim Herausgeber. Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft. Vortrag auf Freizeit ehemaliger Finkenwalder am 22. April 1936. Veröffentlicht in Evan-
gelische "Theologie, Juni 1936, Seite 214—233;
nachgedruct in
„Mündige Welt“ I, Seite 123—138, Hinweise und Bedenken, von H. Gollwitzer hier nachgedruct
aus
Evangelische Theologie Oktober 1936, Seite 398—405. Fragen. Aus Evangelische Theologie Oktober 1936, Seite 405—410; nachgedruckt in „Mündige Welt“ I, Seite 139—144.
Nachrichtendienst für die Evang. Kirche der APU. 1. Juli 1936. Exemplar dieses auf blauem Papier gedruckten Nachrichtendienstes der Ausschüsse beim Herausgeber. Briefe an E. Bethge 11. Juli 1936 und an G. Vibrans. Originale handschriftlich beim Herausgeber.
Nachweise
635
Irrlehre in der Bekennenden Kirche. Als abgezogener Rundbrief des pommerschen Bruderrates, ebenfalls als „9. Brief aus Finkenwalde“ im Besitz des Herausgebers. Briefe an E. Bethge. 21. bis 31. Juli; 6. bis 13. August 1936, die
von
1939 —1942,
sämtlich
im handschriftlichen
Original
Herausgeber.
beim
S. 264
S. 276—281, 374—406,
411—427, 501 f., 552
Die Christliche Welt, abgedruckt aus Jahrgang 1936, Nr. 16.
S. 278
12. Brief aus Finkenwalde, siehe bei Briefe aus Finkenwalde. Durchbruch. Stuttgarter Zeitung vom 26. März 1936. Preußischer Kultusminister vom 29. November 1935 und 5. August 1936, aus den Personalakten der Humboldt-Universität Nr. I], B 1 Verwaltungsdirektor, Berlin; ausgezogen durch H. Müller. Eingabe an die Geheime Staatspolizei. Datumsloser Schreibmaschinenentwurf in Bonhoeffers Papieren beim Herausgeber. An die pommerschen Jungen Brüder. Abgezogenes undatiertes Vervielfältigungsexemplar, welches vom Predigerseminar seinerzeit ausgeschickt wurde, aus dem Besitz von H. Fleischhack, Magdeburg. Eintragung in „Nachfolge“ und Brief an Frau Niemöller. Mitgeteilt $. 307 aus dem Archiv Wilhelm Niemöller, Bielefeld. An den APU-Bruderrat (Eid). Schreibmaschinendurchschlag Bon- S. 308 hoeffers beim Herausgeber; das vorhandene trägt Bonhoeffers handschriftliche Notiz: „Br. Röhrig zur Kenntnis“, R. damals
Pfarrer in Siedkow, Kr. Belgard, jetzt Bethel. Essener Verhandlungen, Protest. Original an Koch und Müller im Archiv W. Niemöller, Bielefeld. Frau Ruth von Kleist-Retzow an E. Bethge 14. September 1938; 24. August 1941; 26. August 1941. Originale beim Herausgeber. Unser Weg nach dem Zeugnis der Schrift. Als vervielfältigter Vortrag und als Rundbrief, ersterer 12 Seiten, letzterer 13 Seiten mit Anrede und längerer Einleitung, abgeändertem Schluß beim Herausgeber. Hier abgedruckt die längere Form, mit Angabe der Unterschiede. g
Briefwechsel Bonhoeffer-Lehmann
und Niebuhr-Lehmann,
Leh-
5315 S. 318, 408, 409 S. 320
S. 347— 361
manns Rundschreiben an die Institute. Originale bzw. Durchschläge bei Prof. Paul Lehmann, Cambridge-Mass. Bei ihm auch
Antworten einiger Institute und Persönlichkeiten auf den Apell vom 27. Juni 1939. Radiogramm Leiper an Bonhoeffer, Leiper-Niebuhr und LeiperCavert, im ökumenischen Archiv des Union Theol. Seminary, New York.
Briefwechsel Baillie—Bonhoeffer 1939. Originale beim Herausgeber.
S. 349
S. 361
636
S. 348, 359, 378 f., 382,
Anhang
Bonhoeffers Briefe von Prof. Baillie freundlicherweise übereignet. An die Eltern 13. April 1939 bis 24. September 1942; 21. Dezem-
ber 1937 bis 6. März 1940. Originale beim Herausgeber. 387, 390 £., 407, 421 f., 442 f., 530, 533, 562 f. Kapitel V S. 363 S. 367
An das Reichssicherheitshauptamt 15. September 1940. Bonhoeffers Schreibmaschinen-Kopie beim Herausgeber. Briefwechsel mit der Reichsschrifttumskammer. Originale beim
Herausgeber,
ebenso
Bonhoeffers
handschriftlicher
Antwortent-
wurf. S. 412 Aus Briefen an E. Bethge. Vorabdruck in Zeitwende — Neue FurS. 419 che April 1955, Heft 4, Seite 230—231, Briefe vom 28. August 1941 und 25. Juni 1942. S. 414, 417 Bonhoeffer an C.B. Abschriften beim Herausgeber. Vorabdruck in Unterwegs 1951, Heft 3, Seite 151 f. S. 422, 424, An H.W. Schleicher. Originale beim Adressaten, Frankfurt/M. 428 Eingabe an die Wehrmacht. Handschriftlicher Entwurf mit vielen Korrekturen, Streichungen und Zufügungen beim Herausgeber; S. 433
S. 438
ohne Überschrift. Beendigung des Kirchenkampfes. Handschriftlicher Entwurf ebenfalls mit vielen Abänderungen, hier vor allem der Numerierung der Abschnitte, beim Herausgeber. Kanzelabkündigung. Handschriftlicher Entwurf mit wenig Korrekturen, offensichtlich unvollendet, beim Herausgeber; er enthält
keine Überschrift. S. 441
Der Blick von unten. Handschriftlicher Zettel, reichlich korrigiert, beim Herausgeber.
S. 441
Im Falle meines Todes. Aus einer handschriftlichen testamentari-
S. 442
schen Erklärung vom 20.September 1943; beim Herausgeber (Handschriftliche testamentarische Erklärungen befinden sich im Besitz des Herausgebers vom 27. Mai 1939; 9. April 1942; 20. September 1943, diese erwähnt im Brief vom 18. November 1943 und wiederholt 23. November 1943, siehe WE, Seite 94 und 105). Brief aus Tegel 22. Oktober 1943. Erst jetzt im Nachlaß K. F. Bonhoeffers gefunden. Brief gehört in WE zwischen die Seiten 69 und 70.
637 II. Teil. Kapitel I
Dankbrief an die Dahlemer. Handschriftlich von K. Bojak geschrieben, im Archiv Wilhelm Niemöller, Bielefeld; persönliche Unterschrift Bonhoeffers. An den Rat der APU/Bruderhaus. Bonhoeffers SchreibmaschinenDurchschlag beim Herausgeber; enthält keine Angabe der Namen am Ende. Ein Gruß aus dem Finkenwalder Seminar Okt. 1935; An d. VL 28. Febr. 1936 betr. Oeynhausen. Aus dem Besitz von G. Ebeling. An den Rat der APU, 9. November. Vervielfältigte Beilage zum 1. Brief aus Finkenwalde; siehe unten. Auszüge aus dem 1.—6. Rundbrief aus Finkenwalde. Vervielfältigte Rundbriefe, zur Verfügung gestellt von R. Grunow, Braunschweig. Dankbrief an die Dahlemer. Handschriftlih in M. N. Privatakten 1933/35 im Archiv W. Niemöller, Bielefeld. Briefwechsel Auswärtiges Amt, Kirchenministerium, Bischof Heckel, DEK-Archiv, Faszikel „RKA 14“, Kirchenkanzlei der EKiD Berlin-Charlottenburg, vermittelt durch P. M. Runge. Gruß aus Finkenwalde. Abzug aus W. Niemöllers Archiv, Bielefeld, mit handschriftlicher
Notiz
am
Kopf:
„Mit
ihr’s im Fleisch
vollenden?
Gedrucktes
Flugblatt
ohne
Druckerangabe. Bonhoeffer an G. Vibrans. Originalbrief beim Herausgeber. Brief von W. Brandenburg, Brief des Dankamtes, Aufruf: Anlagen zum 10. Rundbrief aus Finkenwalde, aus R. Grunows Besitz.
Thurmann an Hesse. Original im Archiv W. Niemöller, Bielefeld. Aus dem 14., 15. und 17., 19, Rundbrief aus Finkenwalde. Vervielfältigte Rundbriefe; zur Verfügung gestellt von R. Grunow, 17 und 19 auch beim Herausgeber.
S. 448
S. 453, 467 S. 456
S. 458—466, 475 S. 461 S. 470—474
S. 476
der herzlichen
Bitte, nach Möglichkeit bei einer Katechismusstunde für uns zu sammeln. Herzlichen Gruß. Ihr Wolfgang Büsing.“ Auszüge aus 8.—12. Rundbrief aus Finkenwalde. Vervielfältigte Rundbriefe, zur Verfügung gestellt von R. Grunow, der 11. von W. Koch. Anleitung zur täglichen Meditation. Ausarbeitung für den Provinz Sächsischen Bruderrat; dann Anlage zum 8. Brief aus Finkenwalde. Vervielfältigte Exemplare beim Herausgeber.
Wollt
S. 447
S. 478, 484 f., 489—500, 504 S. 478
S. 483 S. 487 S. 496, 498, 499 S. 503 S. 505,514, 515
638 S. 506 5.513 59132316, 519, 520
S. 521
S. 522
Anhang
Jahresbericht 1936. Vervielfältigter Brief, zur Verfügung gestellt von R. Grunow. An W. Koch. Original bei Werner Koch, Netphen/Sieg. Aus 21.—23. Rundbrief aus Finkenwalde. 21. vom 24. Juni 1937 von R. Grunow, 22. und 23. von Werner Koch zur Verfügung gestellt. Die numerierten Finkenwalder Briefe sind damit zu Ende (Auflösung des Seminars im Herbst). Sie sind jetzt offenbar alle vorhanden. Nr. 10 ist nicht numeriert, aber der Brief von Ende Juli 1936, geschrieben von Bonhoeffer, repräsentiert Nr. 10. Ein Fehler ist offenbar auch am Ende unterlaufen: Es gibt keine Nr.20; der Brief von etwa 24. Juni 1937 (kein Datum angegeben), geschrieben von Bonhoeffer, trägt keine Nummer (jetzt mit Nr. 21 hier bezeichnet), aber der nächste vom 29. Juli 1937 ist mit der Nr. 22 versehen. Die Briefe wurden möglichst monatlich geschrieben. Die Verfasser sind Nr. 1—6 A. Schönherr; Nr. 7 K. F. Müller; Nr. 8—9 E. Bethge; (Nr. 10 D. Bonhoeffer); Nr. 11 K. F. Müller; Nr. 12—19 E. Bethge; (Nr. 21 D. Bonhoeffer); Nr. 22—23 H. Lekszas. Sämtliche späteren (unnumerierten Briefe) verfaßte dann Bonhoeffer selbst. An die St. Georgskirche. Aus den Akten der St. Georgskirche, London.
An die Eltern Beckmann. Original bei Pf. Gottfried Beckmann, Provinz Sachsen.
Kapitel II S. 523, 524, Interimsbrief 3. November 1937; Weihnachtsbrief 20. Dezember 531, 533, 1937; vom 14. März 1938 (außerdem vorhanden beim Heraus541, 546 geber); vom 18. Juli 1938; Adventsbrief 20. November 1938; vom 14. Februar 1939: alle zur Verfügung gestellt von Richard Grunow; sämtlich noch als normal vervielfältigte Rundbriefe ausgegangen, aber seit Juli 1938 mit Vermerk „Persönlicher Brief“. S. 535
Freizeitbericht aus Zingst. Vervielfältigte Anlage zum Brief vom
S. 537, 540
18. Juli 1938 (bei Grunow). Brief vom 23. August 1938. Vervielfältigtes Exemplar beim Herausgeber. Dabei auch als Anlage: Vilmar zum Eid.
5.541
Brief vom 20. November 1938, vom pommerschen Bruderrat übernommen und als „Rundbrief Nr. 67. Nur für Mitglieder der Bekennenden Kirche... Für den Inhalt verantwortlich: Pastor Franke, Stettin... . Verleger: Präses Dr. v. Thadden-Trieglaff ... .“ als Adventsgruß des Bruderrates verschickt, So im Archiv W. Niemöller, Bielefeld.
Nachweise
639
Begrüßung für W. Koch. Original bei Werner Koch. An meinen Nachfolger. Original beim Herausgeber. An die Brüder. Ende Mai 1939, aus dem Besitz Prof. G. Ebeling. Erster Brief im Krieg 20. September 1939, von R. Grunow und W. Koch als vervielfältigtes Exemplar zur Verfügung gestellt. et 1939. Vervielfältigtes Exemplar beim Heraus-
geber.
S. 545 S.,551 9.950 52333 54559
Kapitel III Brief ins Feld, Mai 1940. Vervielfältigtes Exemplar beim Herausgeber. Vorabdruck in Zeitwende, Neue Furche, 20. Jg., Heft 4, April 1955, Seite 227—231. Weihnachtsbrief 1940. Nur noch in neuer Abschrift auf 2 Seiten,
unvollständig beim Herausgeber vorhanden. Vorabdruc in Zeitwende, Neue Furche, 20. Jg., Heft 12, Dezember
1955, Seite 801
bis 803. Die Briefe vom 15. August 1941; 22. November 1941; 1. März 1942 sind von Bonhoeffer persönlich unter teilweiser Mitwirkung des Herausgebers auf der Schreibmaschine in Kopien (bis zu 100) durchgeschlagen worden und mit handschriftlichen Grüßen verschen an verschiedenen Tagen und in verschiedene Postkästen versandt worden. So liegen dem Herausgeber vor die Briefe mit
S.57929785 583
persönlichen Bemerkungen für Werner Koch, Klaus Block. Außer den Durchschlägen liegt beim Herausgeber auch der handschriftliche Entwurf zum Brief vom 15. August 1941; aus diesem Brief Teile in B. H. Forck „Und folget ihrem Glauben nach“, 1949, Seite 114—115.
Briefe an H. W. Jensen. Originale bei Pf. H. W. Jensen, Kiel; an R. Grunow und W. Maechler. Originale bei Grunow und Pf. W. Maechler, Berlin. An Pf. Vibrans. Abschrift von der Familie zur Verfügung gestellt (Ballenstedt am Harz). - Brief zur Legalisierung. Unfertiger handschriftlicher Entwurf im Besitz des Herausgebers.
Adventsbrief
1942.
Unfertiger
Entwurf,
handschriftlich
S. 536—589 S. 589, 593 S. 590 S. 594
beim
S. 596
„Berichte über die N. A. Evakuierung“. Drei Blätter aus Bonhoef-
S. 640
Herausgeber. Anhang fers Schreibtisch, mit verschiedenen Maschinen getippt. Nicht von B. verfaßt, wahrscheinlich durch F. J. Perels beschafft. B. bekam in jenen Tagen Lungenentzündung.
640
Anhang
Bilder Vor 8.17: Aufgenommen am 23. August 1935 in „Haus auf dem Berge“ — Hauteroda, Freizeit der Prov. Sächsischen Bruderschaft der Hilfsprediger und Vikare der BK von Einhard Schmidt. Nach S. 32: Aus den Akten der Kirchenkanzlei, Berlin-Charlottenburg, Goethestraße. Besorgt durch Professor Harder. Vor S. 33: Photograph unbekannt. Abzüge beim Herausgeber. Nach 8.384: Von H. Fleischhack aufgenommen und zur Verfügung gestellt. Vor $S. 385: Oben: Familienphoto. Abzug beim Herausgeber. Unten: Aus dem Besitz von Pater Johannes in Ettal. Nach S.400: Photograph unbekannt. Abzug aus Familienbesitz. Vor S. 401: Siehe Nachweis Seite 636. Nach 5.512: Photograph unbekannt. Abzug beim Herausgeber. Das Bild könnte auch 1936 in Misdroy gemacht sein. Vor $. 513: Aufnahme von Albrecht Schönherr. In Postkartenform beim Herausgeber. Nach 8.528: Oben: Aufnahme Gerhard Schulze. Unten: Aufnahme Karl Stephan, Meisdorf. Abzüge beim Herausgeber. Vor S. 529: Aufnahme durch die Bayerische Pfarrbruderschaft zur Verfügung gestellt.
DOKUMENTE
DER
JUDENDEPORTATIONEN
1941
[Die Massendeportation beginnt in Berlin]!
Im Laufe der Woche vom 5. bis 12. Oktober erhielten eine Anzahl jüdischer Familien, die größtenteils in arischen Häusern wohnten, ein Schreiben der Jüdischen Gemeinde, daß ihre Wohnung „zur Räumung vorgesehen sei“. Es wurde ihnen gleich mitgeteilt, 1. Am 17. oder 18. Oktober 1941 verfaßt; vielleicht von Perels, um durch von Dohnanyi und Bonhoeffer bei den Generälen verwendet zu werden und diese zum Handeln zu drängen. Dieser und der zwei Tage später verfaßte ausführlichere Bericht, die beide in Bonhoeffers Papieren erhalten blieben,
sind die bisher frühest-bekannten
Originaldokumente
dafür,
daß man sich innerhalb der deutschen politischen Widerstandsbewegung sofort mit den Massendeportationen befaßte, als sie am 16. Oktober in Berlin einsetzten.
Dokumente
der Judendeportationen
1941
641
daß sie sich keine neue Wohnung suchen dürfen, und es wurden ihnen Listen ausgehändigt, in denen sie das gesamte Inventar an Möbeln und Kleidung außer dem „Notbedarf“, angeblich auch
Bankguthaben, angeben mußten. Bis zum 18. Oktober sind wieder
eine weitere Anzahl solcher Schreiben herausgegangen. Genaue Zahlen lassen sich noch nicht angeben. Es sind Personen aller Altersstufen betroffen, auch solche, die seit Monaten im Arbeitseinsatz standen. In der Nacht vom 16. zum 17. Oktober ist ein Teil dieser Betroffenen aus ihren Wohnungen abgeholt worden, u.a. auch aus der Nachtschicht bei Siemens. Die Leute hatten zum Packen Zeit unterschiedlich '/s bis 1'/z Stunden. Die Behandlung war verschieden, auch betr. der Erlaubnis der mitzunehmenden Sachen. Sie wurden dann in der schon vorher geräumten Synagoge Levetzow-Str. gesammelt und blieben dort anscheinend bis Sonnabend, den 18. Oktober, 16 Uhr. Den Berichten nach sollen etwa 1500 der oben erwähnten Schreiben bei der ersten Gruppe herausgegangen sein, von denen noch nicht alle abtransportiert sind. Nach welchen Gesichtspunkten die Auswahl getroffen wurde, ist noch nicht zu ersehen, z. B. wurden Untermieter betroffen ohne die Hauptmieter und umgekehrt. Nach dem Abtransport wurden die Wohnungen von der Geh. Staatspolizei versiegelt.
Man hört von gleichen Aktionen in anderen Städten. Es steht fest, daß aus dem Rheinland (Köln, Düsseldorf, Elberfeld) am Dienstag, den 21. Oktober, ein Transport abgehen soll, der nach Polen geht. Man spricht davon, daß in Berlin auch am 19. und 22. Oktober wieder Transporte gehen sollen. Aus dem Rheinland liegt eine Mitteilung vor, daß 50 Pfund Gepäck, 100 Mark und Proviant für 8 Tage mitgenommen werden dürfen. Neben dieser Aktion, die von der Geh. Staatspolizei ausgeht, läuft
eine Aktion des Baubüros Speer, die jüdische Wohnungen zu einem bestimmten Termin räumen läßt. Die hiervon Betroffenen haben die Möglichkeit, sich eine neue Unterkunft zu suchen.
Von dem Abtransport sind auch getaufte Juden betroffen worden.
642
Anhang
Bericht über die N.A.-Evakuierungt I. Vorbereitung: Es wurden durch das Wohnungsamt der Jüdischen Gemeinde kurze schriftliche Mitteilungen gesandt, daß die Wohnung bzw. das Zimmer (bei Untermietern) auf „behördliche Anordnung“ für eine Räumung vorgesehen sei. Die Empfänger der
Mitteilung, die sie teilweise durch Rohrpost erhielten, mußten am gleichen oder nächsten Tage persönlich zum Wohnungsamt (mit sämtlichen evtl. Untermietern); Arbeitende mußten sich zu diesem Zweck beurlauben lassen. Die gestellten Fragen bezogen sich in der Hauptsache auf den Familienstand, die Arbeitsverhältnisse und die Abstammung, vor allem auf die des Ehegatten. Die Mitteilungen mußten mitgebracht und abgegeben werden, so daß niemand etwas Schriftliches in der Hand behielt. Es wurde den Leuten verboten, sich um andere Wohnungen oder Zimmer zu bemühen. Sinn und Zweck der Maßnahme wurde geheim gehalten. Entweder unmittelbar vor oder nach diesen Feststellungen durch die Jüdische Gemeinde, erhielten die meisten der Betroffenen Fragebogen betr. Vermögen, Wohnungsinventar, Kleidung, Wäsche (Leib-, Bett-, Tischwäsche). Es mußte der gesamte Bestand angegeben werden; an Kleidung und Wäsche soweit er das „Normalmaß“ überstieg; zur Orientierung wurde eine Aufstellung über diesen „Normalbedarf“ beigefügt. (Für eine Frau z.B.: 2 Kleider, 2 Hemden, 3 Schlüpfer, 6 Taschentücher usw.). Diese Fragebogen mußten innerhalb eines Tages, spätestens nach 2 Tagen ausgefüllt abgegeben
sein. II. Durchführung. Ohne vorangegangene Benachrichtigung erschien
in der Nacht vom 16. zum 17. Oktober Berliner Polizei oder Gestapo in den Wohnungen derjenigen, die die genannten Listen hatten ausfüllen müssen, und führte die Betreffenden auf das Polizeirevier; von dort wurden sie in Gruppen in die Synagoge in der Levetzow-Str. transportiert. Soweit festgestellt werden konnte, wurden die Wohnungen zwischen 20 und 24 Uhr aufgesucht. Die Bewohner hatten nur kurze Zeit zum Packen; die Frist schwankt zwischen 1 und 4 Stunden.
Mitgenommen werden durften 50 kg Handgepäck. (Anscheinend der „Normalbedarf“.) III. Vermutungen über Ziel, Zahl und Auswahl: Soweit überhaupt Ziele gerüchtweise genannt wurden, handelte es sich durchweg um Orte im Osten. Wahrscheinlich wurden die Berliner Nichtarier nach 1. Verfaßt um den 20. Oktober 1941. N.A. —
Nichtarier.
Dokumente
der Judendeportationen
1941
643
Lietzmannstadt transportiert. Der Abtransport erfolgte It. noch nicht nachgeprüften Mitteilungen am Sonnabend in drei Etappen: morgens um 7 Uhr, mittag gegen 2 Uhr, abends gegen 7 Uhr.
Im Ganzen sollten allein aus Berlin 4—5000 Menschen abtransportiert werden. Diese erste Welle soll rund 1500 erfaßt haben. Nicht fortgeschafft wurden Personen über 75 Jahre und Kranke und stark Gebrechliche. Personen, die im Arbeitseinsatz stehen, wurden im allgemeinen auch verschont. Familien, in denen der Arbeitseinsatz eine relativ geringe Rolle spielt, wurden mit depor-
tiert. Insbesondere scheinen betroffen zu sein solche, die in irgendeiner Weise mit Polizei- oder Gesetzesvorschriften in Konflikt geraten sind. Aber auch völlig „Unbescholtene“ sind erfaßt worden. Übertreten einer Verkehrsvorschrift (z.B. Überschreiten das Fahrdammes bei rotem Licht usw.) kam auch schon in Frage. IV. Außerhalb Berlins soll sich die Aktion vor allem auf die Rheinischen Städte wie Köln, Düsseldorf, München-Gladbach, Rheydt, Bonn usw. erstreckt haben. Außerdem ist Wien ein zweitesmal davon betroffen worden. V. Fortsetzung der Evakuierung: Weitere Wellen werden erwartet am Freitag, den 24.X., d.h. in der Nacht vom 23. zum 24.X., ferner in der Nacht vom 28. zum 29. X. Es ist anzunehmen, daß
diese Mitteilungen zutreffend sind, da drei T'ransporte von je 1500 Menschen aus Berlin sich decken würden mit der Angabe, daß insgesamt 4—5000 Menschen allein aus Berlin fortgeschafft werden sollen. Daß die Aktion weitergeführt wird, das beweisen die Tatsachen,
daß am Abend des 17. und am Morgen des 18. Oktober erneut Räumungsbescheide und Listen in den Familien eingetroffen sind. Da diese neu betroffenen Familien nun schon wissen, was diese Zu-
schriften bedeuten, ist die Verzweiflung beispiellos. Schwere Erkrankungen bei Herzkranken, Gallen-Leidenden usw., Selbstmordgefahr sind die verständliche Folge, auch andere Affekthandlungen, wie sinnlose Flucht und dergl....
Privilegierte Mischehen sind blieben. Es konnte auch noch gierten Mischehen festgestellt Nichtarier und Glaubensjuden Maßnahme
anscheinend gänzlich verschont gekein Abtransport von nichtprivilewerden. Doch wurden christliche in gleicher Weise von dieser harten
betroffen, auch solche, die schon unmittelbar nach der
Geburt getauft waren und deren Eltern schon Christen waren.
REGISTER
Bibelstellen 2. Mose 395 520 115 392
15, 26 al
19, 5-6
23517.
25, 10 Sl 41,5
3. Mose 337 100
10 ff. 19, 34
4. Mose 12,2 16,11
32, 5-6
32, 16-23
337, 337 333 333
5. Mose
7,7-11 30,11
ff.
32,35
345 333 338
2. Samuel 2,4 5,3
292 292
1. Könige 2,2 12, 25-33
556 340
2. Chronik 20,12
159
Hiob 19
405
Psalm
20, 6
119, 45 119, 147 £. 119, 164 147
31, 8
528
45,7 53, 6 55, 6 65,1
556
Hesekiel 16, 6
33,2. 34, 11
527 334 412
Amos 3 8,11
557 337
Micha 6, 8
581
1, 2-4
302
Sacharja 212 4,6
557 495 537, 557 596 556 106 555 118
Maleachi
Jeremia 3,15 6, 14 15 1759 17, 10 2321 23,932 23, 35 32,15
393702
347
Jesaja 6,3 Aller: 25sE]5.HT: 28, 29 35, 10
Klagelieder
Haggai
144
Prediger 12,12
1. Samuel 15,6
119
Sprüche 115 345 116
Josua 1,8 22, 3.4
100, 2 104, 13. 14 110, 3
528 512 525 556 529 485 544 550. 596 526 53 501. 563 496 479 479 585
339. 345 61 344 277 592 336 336 413 529
351
.544 60
526
Weisheit
4,14
576
Jesus Sirach 4, 33
521
Matthäus 59 519 558 548 NN 61 60 61 340 345 "opruvwrvurm aD D [9%] 365
Bibelstellen-Register
9, 38 336 10, 5 115 10, 6 337 10, 13 £. 490 12, 30 238. 248 12, 48. 50 63.64 13,1-9.18-23 590 13, 44 548 16, 17 116 16, 18 60 16, 19 314 19, 22 548 DANS 60 21,28 ff. 590 22,21 205 24,13 542
5,25 6, 44 47 10,12 14, 6 14, 26 15,11 15, 26 16, 22 16, 24 17 174.13 18, 37. 40 19, 30 20, 20
25, 11
549
Apostelgeschichte
28, 21
337
1593
547
2,38 #, 3, 19-26 5,29
Markus 2,19
Tre. 96 325 412 Er %| 549 % 548 549 331 549 59 577 547.548
j
44323 | 15,5
312. 323 331.541. 543
| 1.Korinther 196) 1,6£. | 1,10 | 1,22. | 3,5 | 6,1 8,9 f. | 9, 19-22 | 10,12 11 | 12,3 12, 25
331. 548
12, 28
266
115 | 12,38 115 | 136 75.102 | 14,26
335 548 270
59
6,4
479
14, 33
6, 56
523
6,5
266. 335
14, 34
7,37
506
1952
266 335
2. Korinther
9, 40
238. 248
16, 6 17,26
337 99
1 SEE:
547.571 571 572
19, 13 20, 28 21, 20
Lukas 2, 10 2 2517.
2, 20 8,15 10, 16 12, 32 12,37 14, 28 ff. 15
15,6.9.23.32 16, 31 18, 18-30
23.18
24, 41.52
60
18, 10
342 548
548
61 365. 371
99
8 See
9-11
61 539
-
WAL, 10, 15
11, 11-15
547 | 12,16 14
324 255 559
333 66
>
345 | 6,6
387. 266. 335 333
573 542 3 267-269 Römer 345 3, 28 202 |, 7u.8
Johannes
3,21 5,10. 14 5,24
13,3
329 543 331 116 111 333 312 112 60 333 % 331
12, 26 335
3, 35
9, 33-34
645
6, 10 6,14 fl. 7,98,
10,6 13, 8 13, 10 13,11
329 111
555
548 340 548
333 200. 202 333 331
519 518
Galater 2,38,
341
544 336
Dt 211221
544 | 3,3
270 69
483
31|
68
484
115
55
2,5
14,1
312
14,5 14, 6 14, 15. 21
409 | 2 6902210 312.0 a5
69
| Epbheser
62. 115 109 330
646 4,11 4,15
266. 335 213. 326
4,30
549
6, 10-20
485
Philipper 1, 18 ZZ 4,1.4
67.164 548 548
Kolosser
Zt: DR: 23410 212 3,68
556 338 548 543 340
"Titus 135 3,10
266 3409
1. Petrus
2 2, 16 2,18
69 69 538 f.
4,2
413
1. Thessalonicher 2,19
1. Timotheus 581 BEZ 338 333 338 266. 338
2. Timotheus 2
548 206 334 548
2. Petrus 548
ag 3,1 BZ 3,2ff. 3,10 5922
1,8 1419 2,18 4,13 ff.
333
16 32 3419
2. Johannes
535 548
2
4 Hebräer
. 105 548 106 116 17 542 306 497
1:3 10, 24 10, 29 10, 30 12 1292 13,9 13, 12-14
Jakobus 542 345 338 558
1,38: 543 515 516
1. Johannes 532
3. Johannes
112 3,4
ala
Offenbarung 118
4
548
8 10 12
535 340 534
19
1,14 37 3,15 SZ, 21,4
542 583. 592 345 61 61 118
Bekenntnisschriften Conf. Aug. I V VII x XIV XV
107 93 87 f. 252. 464 251 273 271
XVI XXVII XXVIIL RXVIII!
102 267. 462 4,12 266 21 263.8.
XXVIII, XXVII, XXVII,
28 53 53
xXVI XXIII, 55 XXIV, 56 XXIV, 70
im III, 8 E19 VIII, 3
96 93 273 107
XIII, 8
106
Gr. Katech.
XIV
274
158 ff.
ERICH
518. 551
13 x, 4 XTI, 28
102 271 106
Sol. Declaratio
Tractatus 54 65 67.69 76
Formula Concordiae
Epitome
Art. Smalcaldici
274 ZUR 273
Apologia Conf.
101 113 106 107
268 273 266 273
275
I, 16-25 1, 34 ViS2 VIII, 34 X,5.9.14.16.17 XI XI, 66
104 104 260 96 271 260 9%
Namen-Register
647
Namen (F)=Finkenwalder, gef. — gefallen Aarons Söhne 337
Beethoven 395
Abiram
Bell, G. K. A. 11 f. 138-146. 161. 169-178. 180. 183-185. 195-199, 280. 513. 633
337
Abt v. Ettal 381. 384 f. 399. 401 Abt v. Metten 392 f. 411 Adam-Christus 92. 99 Ahab 339 Ahasver 631 Albertz, Sup. Spandau 208. 317. 416. 467. 589
Altdorfer, A. 386 Althaus, Paul 40. 72. 87. 539 Ammundsen, Bischof 73. 199. 470. 505 v. Cant.
285
Anz, Prov. Sachsen 317 Arnheim, Frl. 416 Asmussen 84. 208. 243. 252. 380. 403. 416. 442. 589
Berg, H.-G. (F) 492. 553 Bernadotte,
Prinz Eugen 471
Bernadotte, Prinz Oskar 471 Besch, Günter, Pommern
277.
Atkinson, Dr. Henry A. 73 August, Reinhold (F), gef. 553 Augustin 549 f. 589 Bad, J. S. 378. 400 Bachmann, W. 274 Baillie, Prof. John 11 f. 347. 361. 635 f.
Barabbas 59 Barnabas 69 Bartelt, Pommern 208. 320 Barth, K. 39-43. 71. 73. 80. 84-88. 4126-137. 1419 149. 1572 175. 251-253. 283-291. 588. 631 Baumann, E., Pommern 208. 216. 320
Baumgarten, Hieron. 252 Beck, General Ludwig 433 Becker-Schwelm 208 Beckmann, G. (F) 489. 522. 638 Beckmann, J., Rheinld. 403 Beckmann-Königsberg 403
212
Beste-Mecklenburg 495 Bethge, Chr. 414 f. 417-419
Bethge, E. (F) 242-244. 276-281. 290. 374-414. 425-427. 441. 494. 501. 519. 551. 587 f. 591.
Andler, Bin.-Brandenburg 562 Anselm
Benkert, Heinrich 517
416f. 419-421. 478. 482. 487 £. 523. 529 f. 533. 638
Biesenthal, Günther (F), gef. 578 Bismarck,
von
Kanzler
406
Bismarck, v. - Lasbeck (Schwiegersohn R. v. Kleist-R.’s) 406 Björquist, M., Sigtuna 470 Blank,
Frau
416
Block, Klaus (F), gest. 553. 639 Bloc, Sup. Schlawe 386 f. 523 Boeckheler,
M.
Bodelschwingh,
148. 202
F. v. 55. 57. 70.
80-87. 90 f. 123. 175
Böhm, Hans 394. 416. 589 Bojack, Konrad (F), gef. 447. 573 f. 578 f. 637
Bonhoeffer, Julie (Großmutter) 77-79.
156 f. 181-183
Bonhoeffer, Karl (Eltern) 296. 359. 364. 373. 382. 387. 390 f. 421 f. 442 f. 530. 533. 562 f.
Bonhoeffer, der) 636
79.
Karl-Friedrich 157 f. 295.
(Bru-
345 f. 562.
Bormann, Reichsleiter M. 308 Bouvier, A., Schweiz 73
648
Anhang
Brandenburg,
Willi (F), gef. 478,
484 f. 494. 596
496-498.
Brandt-Potsdam Breit, Thomas
Brown,
503.
593.
319
253. 495
Kenneth
12 :
Brown, W. A. 73
Brunner, Emil 40. 289. 347 Brunner,
Peter
198. 208
Buchmann, Adolf (F) 553 Büchsel, Hans-Jakob (F), gef. 553 Buddha 78 Burckhardt-Berlin 76 Büsing, W. (F) 469. 637
Diestel-Lichterfelde 563 Dipper-Stuttgart 208 Dobrick, Heinz (F) 553 Dohnanyi, Hans v. (Schwager) 178. 185. 3742 377. 3852 387% 390-393. 396. 412. 419. 421. 426. 433. 640
Dombrowski (USA) 347 Dress, Walter (Schwager) 394 Dudzus, Otto (F) 442 Dühring-Leuthen 208 Dürer 454 Ebeling, Gerhard (F) 12. 442. 509. 637, 639
Calvin 386 Canaris, Admiral
W.
428
Canterbury, Erzbisch. C. Lang 162. 1723 Carras, Alex. 520 Caspar, Horst 395 Cauer, Bildhauer 363
Cavert, Dr. Samuel McCrea 350 f. Christ, Günter (F), gef. 519. 578 f. Christus 105 £. Claudius, Matth. 461. 475. 583. 591 Coch, Bischof Dr. 174 £.
Coffin, Präsident H. S. 351 f. Corbac, K. H. (F) 553 Cragg, brit. Gesandtschaftspfarrer, Berlin 195 £. Cross, Dr. 196
Eckert, DC-Pfarrer 60 Edelhoff 41 Eger, Generalsup. 255. Ehrenberg, Prof. Hans Ehrenström, Nils 196. Eidem, Erzbischof 473 £. 447
589
274 80. 83 470
196.
Elia 135. 515 Ellwein, Theodor
82
Fabricius, Prof. 54. 173-176 208
Falkenhausen, General v. 428 Faulhaber, Kardinal 400 Fausel-Heimsheim 208
Fezer, Prof. 87, 140 Ficker, Prof. Joh. 250 Figur-Berlin 76. 208 Fischer, Hans
Deissmann,
Fischer, Martin 403. 545
141. 144. 184
Denkhaus-Bremen 208 Detten, H. v. (Kirchenministerium) 472 Dibelius, ©. 129. 144. 243. 276 £. 394. 442, 586
Diem, Carl 392
470.
Emmanuel (Union Sem.) 360 Engelke-Brandenburg 575 Engelke, Reichsvikar 169 Engler, Edgar (F), gef. 582
Dell, Wolfgang (F) 489 Adolf
198.
Elert, Prof. W. 72
Fahrenheim-Kastorf Faißt-Pommern 281
Danicke, Wolfhard (F), gef. 520 Datham 337 David 292 De Boor-Stolp 317. 320 Dehn, Günther 43, 276. 416. 586.
f.
80. 83
Fisher, Franklin Flacius 271
Fleischhack,
347
Heinz
640 Flor, Dr. 178 Forck, B. H. 639
(F)
12.
635.
649
Namen-Register
Hansen, W., Bradford 148
Forell, Birger 195. 197 Franco
276
Harder,
Franke, Martin, Pom.,gef. 575. 639 Frick, Innenmin. 142. 160. 177 Fricke 41 Fricke, Otto
490—492. 553. 578 f. Harnak, A. v. 279. 539
Harnisch-Berlin
76. 208
Funke-Betsche 208
Hartmann,
Hase,
208
Nicolai
Hans-Chr.
443
v. (Vetter) 425.
443
Gabriel-Halle 401 Gad 332 Gandhi 182.
G. 416. 447. 589. 640
Harhausen, Christoph (F), gef. 469.
Hase, Karl v. (Urgroßvater) Hase, General Paul v. 364
185. 288
Gellert 277 George, Heinrich 395
Headlam,
Georgii, H. D., Berlin, gef. 575
Hecel, Th. 120 f. 125. 160—163. 170. 172. 174. 186—194. 473 £. Heim, Karl 40. 84
Paul 277 £.
Gerullis, Ministerialdir. 124 Geyer (Freund Rittelmeyers) 249 Giese, Kurt (F), gef. 520. 553 Glenthoj, J. 12. Gloege-Naumburg, Sem.-Dir. 208 Gloucester, Bischof v., siehe Headlam Goebbels 530 Goerdeler 426. 428 Gogarten
173
Hechler, Pf. aus Hessen 274
Georgii, W., Berlin, gef. 575 Gerhardt,
Bischof
363
40
Gollwitzer, Helmut 245-255. 545. 587
Goltz, R. v. d. (s. Onkel Rudi) 363 Goltzen-K.ohlo 208 Göring 426 Görnandt-Kopenhagen 471
Heise, Hans Wilhelm, sen, gef. 580
Helbig-Strahlsund Held,
Heinrich
Prov. Sach-
209. 264
315.
586
Hellbardt-Elberfeld 208 Hlenxiod,, His 197. 632
1.
12.
Heppe-Cölbe 208 Herodes 497 Hesse, D. Hermann,
69.2732177.
Elberfeld 62.
208. 503
Hessen, Philipp v. 252 Heuner-Dortmund 530 Hildebrand-Lichterf. 76
Gramlow, Superintendent 491
Hildebrandt, Franz 59. 74. 76. 81. 83. 131. 150—155. 158. 167 f. 183. 208. 521 Himmler 295. 430. 458. 521
Grauer,
Hindenburg
Graham,
Principal Vikarin
Eric
184
416
Greiser,Gauleiter 428 Grosch, Götz (F), gef. 520 Groß, Wilhelm 455 Grüber, Heinrich. 431 Grüneisen, Lic., Berlin 76. 167. 634 Grunow, R. (F) 12. 491 f. 589 £. 637—639
Gürtner, Justizmin. 178. 389 f. 392. 396. 399 f. 405
Hahn, Bischof 495 Ham
100
142—144.
159 f. 521
Hirsch, Emanuel 54. 87 Hitler 41. 54. 142. 160. 177 f. 186. 189. 196. 277. 308. 495. 562
Hitzigrath-Berlin 76. 416 Hoff, DC-Pf.
Hofmann,
Berlin 57
Hans
(F),
gef. 519 f.
5394553
Hollatz 251 Hopf, Prädikant,
Striche 518
Horton, Douglas 12 Hossenfelder 57—60. 98. 129. 140. 151
650
Anhang
Humburg,
Paul
Klein (Union Sem.) 347
277
Huppenkothen, W., tenführer 10 f.
SS-Standar-
Kleist-Retzow,
Hans-Fr.
v., gef.
408 f. 575
Kleist-Retzow, Hans-]J. v. 376. 408. Ibsen 389 Imholz, F., NS-Journalist 293 Immer,
Karl
208.
242
Iwand, Sem.-Dir., Blöstau 279. 315. 530
416.
513
Kleist-Retzow, Jürgen-Chr. v., gef. 408-410.
575
Kleist-Retzow, Konstantin v. 408-410
Jacob, Günther 208 Jacobi, G. 59. 76. 84. 149—153. 183. 195. 243. 277 f. 283. 462. 492
Jacobus 333. 338 Jäger, Dr. 55. 59 f. 167. 169. 171 £. 177 £.
Jänicke, Th. 403 Jannasch, Dr. Wilhelm 208. 442 Japhet 100 Jehle, Herbert 185 Jensen, H. W. (F) 12. 586—589. 639
Jeremia 338 Jerobeam 339 Johannes, d. Evangelist 416
Johannes, d. Täufer 403 Johannes, Pater (Ettal) 392. 394. 398 f. 401. 404. 411. 640
John, Otto 426 Jolanthe 514
Jona 135. 338. 515
Kleist-Retzow, Ruth v. 374 f. 397. 406. 408-410.
Kloppenburg, Knak,
416. 419. 513. 545
H. 208
Siegfried 586
Koc, Dr. Hans (Verteid. Niemöllers) 392. 396 Koc, Karl, Präses 162. 176. 183. 187. 196-199.
Koch, Werner 505% 513 637-639
276. 281. 315. 319
(F) 12. 472. 490 £. 5.516.
520.
537.0545:
K.oechlin-Basel 197-199 Königs, Franz 396 Korah 337 Koschorke, M., Königsberg 403 Kramp, Willi 395. 403 Krause-Bobenneukirchen 209 Krause, Dr., Berlin 86. 138. 147. 174
Krause, Gerhard (F) 553 Krause, Winfried (F), gest. 210 f. 553.
578
Krause, Wolfgang (F), gef. 578 £. Kahn, Emanuel (F), gef. 559. 579 Kalbfleisch, George 356. 360 Kalckreuth, v. Maler 363 Kalcreuth, Joh. v. 396 Kanitz,
J. (F) 442. 492. 519
Kapler, Präsident 10. 62 Karlström 470 Karow, Generalsup. 122 £. Keitel, Generalfeldm. 428 Keller, Adolf 172 Kerlin, Bruno (F), gef. 583 Kerrl, Min. 293. 389 f. 459. 472 f.
Kreck-Frankfurt 587 Krosigk, siehe Schwerin Krüger, H. J. (F) 490-492 Krüger, Rektor Univ. Berlin 294 Krummacher, Landrat 61 Kruse-Waldbröl 208 Kube, Gauleiter 175 Kühn, Rudi (F), gef. 485. 517 Kunisch, Kultusministerium 293 Kunkel-Oeynhausen 209 Künneth, Walter 84. 255 Küssner-Ostpreußen 462
476
Keusch, Günther (F) 491 Klapproth, Erich (F), gef. 519
Lang, Pf., Montreux 404 Lasserre,
Jean
348
Namen-Register Lauerer, Geistl. Minister 151 Lehmann, Paul 10-12, 347-361. 635 Lehne, Gerhard (F), gef. 583 Leibholz, Sabine (Schwester) 346. 359. 376. 390. 563
Leiper, Dr. Henry Smith 349 f. 351 Lekszas, Horst (F), gef. 466. 519 f. 638
Lempp, A. 387 Lent, Joachim (F) 517 Lerche, Otto-Karl (F), gef. 499 Lietzmann, Hans 41 Lilje, Hanns 84. 130. 495 Lindemeyer, E., Berlin 76 Lindemeyer, F., Berlin 76 Link-Berlin 76 Linz-Düsseldorf 209 Lochner, Stephan 386
Lohmann, Gerhard (F), gest. 469 f. 490. 537. 593
Lokies, Hans 375. 380 f. 386. 392. 394. 416. 420. 442
Lothian, Lord engl. Botsch. i. USA 142
Lücking 86, 632 Lütgert, Prof. W. 124 Luther 44. 49. 53. 74. 94 f. 101. 109. 126. 149. 168. 189. 223. 236. 243: 247. 250. 255. 261. 277: 366. 518. 539. 542. 585. 632
Lynker, Rudolf (F), gef. 553, 596 Maaß, Theodor (F), gef. 553. 579 Mackensen, Generalfeldm. v. 521. 530
Macensen, Frau v. (Pom. Bruderrat) 242. 318 f.
Maecler,
W. (F) 12. 425 f. 458.
490. 530. 553. 593. 639
Major, Georg 250 Marahrens, Bischof 62. 71. 212. 462. 495
Marwitz, Alexander v. d. (F), gef. 469. 492. 553
Matiwe, Hans (F), gef. 517 £. Meiser, Bischof 11. 71£. 151. 177. 272. 315. 384. 399. 495. 586
651
Melanchthon
149. 247. 250. 252
Menken, S. 50 Merz, Georg 41. 72. 82-87.
130
Messow-Steglitz 76 Meyer-Erlach, Wolf 245 Michels, Frl. 416 Mickley, Johannes (F) 520. 553 Mirjam 337 Moldaenke-Steglitz 76. 416 Moor, Joe (Union Sem.) 347 Moses
61. 332. 337
Müller, F., Dahlem 76. 209. 281. 315. 459
Müller, Dr. Hanfried 635 Müller, Johannes, Bln., Seelow 478
Müller,
Dr.
Josef 377.
393. 411.
Karl-Ferdinand
(F) 461.
421. 426
Müller,
493. 503. 638
Müller, Ludwig 54. 59-62. 70. 74. 87. 125. 133. 138-144. 147 £. 151154. 158-162. 167. 169-176. 178. 188. 192 f. 200. 272. 274. 433
Nagel, D. 72 Nägelsbach 249 Nehemia 465 Neuhäusler, Prälat 393. 400 Neupert
404
Neurath, Außenminister 142. 160 Nicolaus-Rheinland, gef. 575 Niebuhr, Reinhold 347-355. 360. 362
Niemöller, Else 307. 386. 392. 394 Niemöller, Gerhard 315 Niemöller, Martin 70. 76. 80-87. 149-155. 160-163. 169. 205-209. 243.7 277.3: 231: 307.2392.24472 461 f. 517. 520. 632
Niemöller,
Wilhelm
12. 84.
172.
209. 403. 459. 462. 465. 586. 595. 632-635. 637. 639
Niesel, Wilhelm 209. 296. 308. 317. 416. 457. 517. 547. 562 f.
Nimz (F) 553 Nithak,
Ulrich
578 f.
Nygren, A. 470
(F), gef. 573-576.
652
Anhang
Oberheid, Stabschef b. L. Müller 153
1161°F.
Ripon, Bischof v. (Burroughs E. A.) 1217,
O’Brien, Father, Cowley 184 Olbricht, General 412 Oldham, J. H. 199 Oliver 395. 399. 402
Onnasch, Fr. sen. 430. 587 Onnasch, Fr. jun. (F), gef. 442. 465. 493. 523. 530. 533. 551. 558. 596
Onnasch, Kurt, gef. 596 Oster, General 374. 377. 392 Osterloh, Edo 209
Rittelmeyer 249 Roberts, David, USA 352 Roeder, Ob.Kriegsgerichtsrat 435 Röhrig, Pf., Siedkow - Pom. 635 Romberg, Pf. Hessen 274 Rose, Eugen (F) 472. 490 Rosenboom-Neuenhaus 209 Rott, W. Studieninspektor in Finkenwalde 288. 290. 394. 442. 459. 466. 470. 492. 496
Ruben 332 Papst Pius XII. 384. 390
Rudi, Onkel
Pauc, Prof. W. 353 Paulus 51. 62f. 67f. 337. 347. 539. 542
Ruhland,
Pf. 198
Runestam
470
239.
333.
Pecina, Pf. in Seelow 478. 484. 494. 503 Perels, Fr. Justus, 394 f. 413. 639 f.
getötet
388.
Petain 373 Peter, Bischof Fr. 57 Petersen-Lichterfelde 76 Philipp v. Hessen 252 Pilatus 497 (F) 553. 578
Praetorius, Pf. Lichterfelde 76. 562 Preuss, Adolf-Friedrich (F), gef. 478. 491. 573 £. 579
Press, Dr., USA Puttkammer 76
Runge, Pf. M. 637 Rust, Kultusmin. 42. 142 f. Sackmann, Jobst 539 Sander, Erwin (F), gef. 553 Santayana, Georges 393. 395. 399 Sasse, Hermann 255. 260. 286
Petrus 60. 69. 400
Pompe, Hans-D.
348. 359. 533
71-73.
80-89.
149,
Saul 340 Schaaff, Martin (F) 553 Scharf, Kurt 317 Schauer, Pom. Bruderrat 281 Scherer, Paul USA 353 Scheven,
von,
Pommern
212
Schlabrendorff, Fabian v. 409 Schlagowsky, Erwin (F) 491
353 f.
Schlatter, A. 82. 84-87.
250. 403
Schleicher, H. W. (Neffe) 422-425. Rabenau, Pf. v. 209. 281 Rad, Gerhard v. 379 £. Reimer, 416
636
Schleiermacher 41
Pf. K. H. 319 f. 411. 413.
Rembrandt 78 Rendtorff, Heinr.
209.
243.
245.
490
Rhode, Kurt (F), gef. 596 Ribbentrop v. 198 Richter, Prof. Werner 354 Rieger, Dr. Julius 87. 145 f. 148. 186. 198. 521
Riemer, Gerhard (F)
Schlemmer,
Hans
279
Schlingensiepen-Ilsenburg 209 Schlink 590 Schmidhuber, Dr. 401 f. Schmidt, Einhard, gef. 640 Schmidt, Fr. 431 Schmidt, Kurt D. 57. 80. 631
Schmidt, Wolfgang (F), gef. 553 Schneckenburger 287. 290 Schneider, Reinhold 393. 396 Schöffel, Bischof 71. 139 £.
Namen-Register Schönberger, 187.191,
London
148.
179 f.
633
Schönfeld, Dr. Hans 139. 145 Schönherr, Albrecht (F) 442. 458. 463-466. 469. 475. 490. 530. 545. 638. 640
Schott, Privatdozent 264 Schrader, Wolfgang (F) 492. 520. 553. 580
Schreiner, K. H., Liverpool 148 Schröder (Ehepaar), Berlin 416 Schröder, Baron Bruno v. 159. 187. 190-194
Schröder, Schröter, Schubert, Schulze,
Hermann (F), gef. 596 Friedrichernst (F) 553. 578 Franz 400. 405 Gerhard (F), gef. 573 f.
579. 640
Schulze, Kapitän 154 Schürer 51 Schutz, Erwin (F), gef. 596 Schütz, Heinrich 399 f. Schütz, Paul 306 Schwebel-Berlin 76 Schwerin, von Krosigk 160 Seeberg, Erich 124. 179-181 Seeler, Pf. Helbra 494 Selke, Pf. Striche 517 Sem
100
Seydel,
Gustav
653
Stöcker 52 Stoll, Christian 82 Stolzenburg, Prof. 124 Storm 167 Stratenwerth, Gerhard 82-87 Struwe, Erna, Hausdame i. Finken-
walde 493 Stupperich 76 Sutz, Erwin 283. 287. 348. 388. 404 Tagore, Rabindr. Talbot,
182. 185
Father E. K., Mirfield
184
Tausch, DC-Pf. Berlin 147 Temple, William 121 Thadden,
von 320. 541. 639
Thiele, Frl. 416 Tholuck 285. 289 f. Thude, Pf. 420 Thurmann, Horst (F), Kz-Gefangener
503
Timotheus 333 Titius, Arthur 124 Titus 341 Tomlin, Canon 184
Toureille, P. C. 73 Traub,
Helmut
209. 545. 551
Tresckow, Henning von 408 Tribe, Father, Kelham
184
Tzschucke-Netzschkau 209
(F), gef. 517-519. Urban-Bremen
553.578
Silesius, Angelus 404 Simon, Ludwig 122 Singer, Pf. London 120 f. Soden, Prof. von 403 Soederblom, N. 471 Sonderegger, Gestapobeamter 10 Speer 641 Staedler, Johannes (F), gef. 578 f. Staemmler 317. 378-380. 442. 482. 487
387. 401.
Staewen, Gertrud 40 f. 55. 74. 137. 631
Stapel 87 Staude, Joachim (F), gef. 413. 578 f. Steil, Ludwig 83 Stephan, Karl 640
209
Vahlen, Univ.-Beamter 294 Van Dusen, H. P. 350 f. Verter-Duisburg 209 Vibrans, Gerhard (F), gef. 243-245. 487-490. 494. 583. 590-592. 639 Vibrans, Karl 244. 494. 590-592 Vilmar 315. 539-541. 638
Viol, Alfred (F), gef. 596 Violet, Pf. 416
Vischer, Wilhelm 82 f. 86. 88. 276 Vogel, F. 416 Vogel, Heinrich 136. 209. 278. 317. 395. 416. 589
Vogelsang, Priv.-Dozent 54 Voget-Heiligenkirchen 209
Anhang
654
Wilde, Pf. Pommern 140 Wilkens-Rüstringen 209 Winkelmann, Heinz (F) 553 Winterhager, Dr. J. 173 f. 176.
Wahl, Dr. H. 143. 162 f. Wälde,
Paul (F), gef. 593. 596
Weber-Oeynhausen 209 Weber, Otto 151. 153 Weckerling, R. 395 Wedemeyer,
Frau
von
179 £. 197. 634
Wise, Rabbi i. New York 10
425
Wedemeyer, Maria von (Braut) 421. 425
Wedemeyer,
Max
von,
sen.,
gef.
Max
von,
jun., gef.
596
Wedemeyer, 596
Wehrhan, Pf. London 150. 158. 187 Wendland-Steglitz 76 Werner, Präsident des EOK 151. 153. 308-310.
318
Wobbermin,
G. 41
Wolf, Vikar i. Wörrstadt 198 Wolf, Ernst 288. 403. 490 Wurm, Bischof 11. 177. 315. 404 f. 432. 495. 586
Zaenker, Bischof 274 Zenke, Robert (F), gef. 463. 492. 582
Zimmermann, 158.
Wolf-Dieter (F) 80.
632
Zinzendorf 277 f. 344 Zippel-Berlin 209 Zöllner, Generalsup. 43. 274. 462.
Wick, Sup. Podejuch 452 Wichmann, Georg (F) 537 Wienecke, Fr. 87. 106
473 f.
Sachen Abendländ. Aufgabe 414 Abendmahl 224. 233-235. 260. 380. 439. 518
251 f.
Amt des Schwertes 113 £. Amtsbezeichnungen im NT 412 Ämter
27. 29. 33-37.
270. 335-337
Abfall, siehe Trennung u. Spaltung Abkündigung 465 — wider Abgötterei 198. 459 — Memorandum 1936 277-282 Abstumpfen i. Krieg 597 f.
„andere“ Kirche 227-229. 234 Anerkennung, staatliche 190 f. 206.
Abwehr 374. 420 f.
Antichrist
377.
392.
acedia 596 Adiaphora 68 f. 256.
395.
270f.
401.
275.
340 „Akt und Sein“ 387
Alliance, Presbyt. 172 Allianz, judenchristl. 52 Alliierte schweigen 426 Altes Testament 92. 94 Altonaer Bekenntnis 81 Amsterdam Jugendkonferenz Amt, siehe Pfarramt Amt des Gebetes 479
304. 465
Anfechtung 341 f. Anschluß an die BK 186-194. 200 f. 118.
203.
228.
236. 247
antichristl. Kirche 227-229 Antisemitismus, religiöser 94 Apokatastasis 119 Apostelkonzil 51. 331. 333 APU 8f. 70-72. 456 f. 462
126.
378.
448.
Arbeitseinziehungen 390. 431 Ariadne 378 Arianer
106
Arierparagraph 356
7. 10. 44. 55. 62-
75:.1172.1262.1282.131..14251523 154. 169. 171-173. 176. 245. 258.
arische Nachweise 387. 463
|
Sachregister Assimilation 115 Athenäum 146. 161. 170 f. 198 Aufenthaltserlaubnis i. Berlin 295 Auflösung,
siehe Irrenanstalten
259
Ausbildung, kirchl. 68. 436. 595 Auslandsdeutschtum 189. 437 Auslandsgemeinden 147 f. 159. 186-194
Ausschluß aus d. Kirche 64 f. 313 Ausschüsse, Kirchen- 209, 212 f. 232 f. 237. 242. 245. 261-269. 273-275. 278. 280. 459. 462. 464469. 472 f. 483. 492. 494. 507 f.
Austritt aus d. Kirche 66. 126-129. 518
Auswärtiges Amt 472 f. Ausweisung 296. 377 Autorität 26-38. 434 — der Kirchenleitung 268 f. 376 Autosuggestion 420 Bädermission 395 Balkanreise 421 Barmen 7. 86. 88. 145. 170. 175. 205-207. 214. 230-233. 247-256. 259 f. 264 f. 274. 291. 298. 300. 315-317. 320-328. 342-344. 459. 467 f. 483 £. — als „Erklärung“ 259
als Episode 316 Ordination auf — BBC-Hören 403
259. 317
Beamtengesetz, kirchl. 70 f. 308 Beflaggung 456 f.
Befugnisse, kirchenregimentl. 190 £. 462. 464. 476.
Begräbnis 405 £. Beharren 486. 553 Beichte 384. 401 f. 438-440. 454. 502. 525
„beiseitegestellt“
419
223-229.
235.
247-254.
259
Altonaer — 81 Bekenntnisanliegen 258. 462 Bekenntnis — Bekennen 207. 495 Bekenntnis, Betheler 72. 77-119. 127. 130.
132
Bekenntnisbewegung 190. 258f. 460 Bekenntnisfront 84. 258 Bekenntnisgemeinde (Finkenw.) 452. 455. 465 f.
Bekenntnisgemeinschaft 258 Bekenntniskonsensus 229 Bekenntnislosigkeit 235 Bekenntnis, lutherisches 71 f. 223225. 233. 495
Bekenntnisrevidierung 260 f. Bekenntnissynode 169. 175. 433 Bekenntnis, Tecklenburger 82 —. und Ordung 269-273 Bekenntnisunion 253. 261 Bergpredigt 102. 275. 284 Bericht aus Finkenwalde 453-455. 506-512
Berufsfrage 373 f. 378 f. 383. 408 f. 419. 458
502
206. 230. 455.460.
252 f. 256 f. 495
Anspruch der — 467 Ausschluß aus der — 313 Außenamt der — 186-191 Autorität der — 434 Stagnation in der — 537 Verbot der — 280. 459 — Vertretung i. d. Okumene 234 Bekenntnis 56 f. 68. 70-76.
476-477.
—
BDM
Bekehrung 502, 555 — Israels 50 Bekennende Kirche 84. 112. 200 f. 230. 247.
— des Seminars, siehe Schließung Auftrag-Person 339 Augsburger Synode 198 f. 207. 264 Augustana 72. 168. 226. 233. 247. 250-252.
655
Berufswechsel 430. 595 Beschlußstelle 206 Beständigkeit 543 Bestand retten? 538 f. Bestehende, das 594 Besuchsdienst 459. 463.
475. 492.
524. 531 f. 537 450.
Bewährung 542-544 Bibellesen 568
397.,420.
454. 508. 565.
656
Anhang Cuba 11
Bielefelder Seminar 483. 499 Bischofsamt 111 £. Bismarckfilm 406 Blöstau (Seminar) 365. 371.
CVJM 429. 471 374.
484. 494
Bonner Irrlehre 85 , Borcarderie (oek. Jugdkonf.) 276 f. Bradford Pfarrkonf. 87. 147 £. 150 Braune Synode 62. 70-71. 82. 84. 126.
230-232. 236. 243. 249. 260-269. 298. 300. 315-317. 320-344. 459 f. 467 f. 483 f. 595
128
Bredower Konvent 209-216. 465 Bruderhaus 8. 285. 448-452. 455-459.
Bruderrat
465. 477. 493. 500. 510
145.
149.
215 f. 304.
433
Bruderschaft pom. Vikare
292.
297-306 — Prov. Sächsischer ..... 482 Bud, das 417. 421
276-283.
Neuordnung 433-437.
404.
565.
493.
Christologie 223 f. 234. 278. 289
Communio“
Compiegne 373 Convocation
1934
f. Chr.
173
German
350
Cowley 184 Croall lectures 11. 361 £.
refugees
der
—
315-319.
Hitler
277.
495
Deportation v. Juden 640-643 Deutsche Christen 42. 54. 58-61. 63-70. 72. 78£. 81£. 37. 90. 125. 128 f. 133 f. 138. 140. 147. 153., 155.159. 1162.,1744 718848, 230-235. 240-245. 249. 255. 258-264. 272-275. 280. 288. 303. 319. 330. 334 f. 339. 433-435. 437. 460. 463. 487. 490 f. 494. 499 f. 502
568
Christusamt 412 f. Clavichord 403 f. Communities, anglik. 184 Communio Sanctorum, siehe
Council
436 f.
465. 586
Rat der — 436 f. Dekalog 102 f. 432 Denkschrift 1936 an
Christlichkeit 239 f.
„Sanctorum
81. 245.
als Bund 187. 252 Gesetz z. Sicherung der — 245.
282.
214 f. 449.
74. 76.
459
chiliastisches Denken 25 Christengemeinschaft 431 Christentum, Ende des 158 Kompromittierung des 182 — orientalisch 182 — positives 456 Christliche, das — 215 christl. Staat 114 Leben
DEK 71f. 476
Kir-
301-303
Chamby 1936 503. 505
—. als Episode 306 Delegation, oekum. 73. 139. 195 — dtsche. Außenamts- 160. 170. 188 — englische polit. 195 f. 199
—
Bund bekenntnisbestimmter chen 252. 257 Buße
Dabeisein? (Krieg) 581, siehe auch Solidarität Dachau 198 Dahlem 7.621772 20610234
—
nationalkirchl. 430. 434. 437 Thüringer —
245.
430.
deutsch-christl. Amtsträger
434. 437
231 f.
236
Deutsche Glaubensbewegung 174 Deutschland 137. 159. 417 £. 423 Dienst d. Kirche a. d. Opfern 48 Grenze des Dienstes 565 Dienstverpflichtungen 390. 431 Dirschau 374. 402 Disposition z. Ethik 376 Disputation 509
Sachregister doctrina est doelum 261 Dogmatik 226. 235 Dome 417 £. Donatismus 275 Dreifaches Handeln wider Staat 48 Dreifaltigkeitskirche 298 f. Dreimännerkollegium Loccum 62 Drunterbleiben 542 f. Durchbruch (Zeitung) 292 E.C.
429
ecclesia mixta, „echte“ Synode Eden-Seminary Ehe (-losigkeit) Eid 308-315. 547
vera 259 354 401
in die Psalmen“
367.
Eingliederung 46. 49. 169. 171. 272 Einheit d. Kirche 329 f. 435 — gegebene 225. 227 — rassische 52. 63 Einmischung i. Kirchenkampf? 473 f. Einsatz, ganzer 297. 409. 580 f. — persönlicher 395. 399 Einzelgemeinde 303. 329 Einzellösungen? 538 Einzelwerden vor Gott 37 Elberfelder Seminar 483. 499 Emanzipation 115 Empfang bei Hitler 142 — bei Kerrl 459 Empfängnisverhütung 401. 403 Entscheidung, kirchl. synodale 222-229. 235. 238. 241. 244. 260. 380 f. 518
Entscheidungsregeln 594 EOK. 303. 308. 310. 315 f. 391. 434
Erde 556 Erfahrungen, große? 580 f. Erfolg 304. 542 Erhaltungsordnungen 45. 88. 99. 102
Erlanger Gutachten 72
117-119 577
358,2
5150.
Essener Verhandlgn.
108.
526,529.
308. 315-319.
535 „Ethik“ 375 f. 384 f. 389. 401-403. 407. 509. 586 Ettal 377. 381-406. 587 £.
394.
61
539-541.
Einberufung 349. 373. 422 Einführung ins Amt 212. 256-259 „Einführung 370
Erquickungsreise 474 Erwecung 494 Erziehungsromane 443 Eschatologie 87 f. 98-102.
Europäische Hoffnungen 411. 414 Euthanasie 373. 394. 432 Evangelisation 492. 496. 500 Evangelische Kirche, Wahlliste 59.
247 f. f. f. f. 488
318 f. 535.
657
— Klöster 411 „Evangelische Theologie“ 217. 242. 245 f. 282
Evang. Woche 277 — Jugendwerk 153 — Konzil 49. 55 Evangelium, Gesetz und 86 Kirche u. — 58 Kirchenkampf als — 301 f. Recht und — 344 Exkommunikation 212 f. extra ecclesia nulla salus 238-241. 246 f.
Eydtkuhnen 375 Fakultät,
Berliner
40f.
54.
124.
179 f. 293 f. 352
— — — —
Erlanger 72 Greifswalder 451. 465. 490 Rostocker 72 theologische 437. 500
Fanö 176 £, 182 f. 234. 505
Federal Council 172. 349 f. Feldherrnhalle 456 Festschrift f. K. Barth 284. 288 filioque 87. 95 f. 107 Finanzabteilung 206. 434. 436. 451. 464
finitum capax infiniti 278 Flaggenverordnung 456 f. Formalprinzip d. Reform. 148. 323.
658
Anhang
Französ. Revolution 33 Freiheit d. christl. Lebens 565. 568 — der Verkündigung 75 — gegen d. Hlg. Schrift 94 Recht auf — 403 Freikirche 126-130. .167 f. 330
Geist und Wort 214 geistlich reiche Zeiten 420 geistl. Tageslauf 375 f. 382. 384. 439.
—
450
Ministerium 163.
149-153. 156. 161-
433
Friedrichsbrunn 388. 406 f. Frömmigkeit 239 f. 278
— refugium 449 Gemeinde 165. 303. 329. 342 f. Gemeindebruderräte 300 Gemeindeverband 159. 190. 192 Gemeinde, tote 487-490 Gemeine, das 424 Gemeinsames Handeln? 331 — Leben 285 „Gemeinsames Leben“ 352. 370.
Front, Gemeinde, 560. 564-566
Generalsuperintendenten
freireligiöser
Zusammenschluß
434,
437
fremdes Werk d. Kirche, siehe Werk Freude
544-550.
596 f.
— über Nikolassee-Synode 547. 550 Freundschaft 397. 399 Friede
55. 384.
Führer
20f.
544. 558
Amt
—
namentliche
Gesetz 51. 301. 509
518 — —
Gambe 400. 402 Ganze, das 399
63.
83.
88.
102 f.
Kirchenkampf als — 301 Predigt des — 509 und Evangelium 86 z. Sicherung d. DEK 245. 294,
Gesprächsthemen b. Soldaten 567 Gestaltungsprinzip 215 Gestapo 58 f. 295 f. 363-366. 368.
Gebetsleben 411. 460. 462 Gebirgslandschaft 387 Gebote 273. 438. 449 417£.
Gefallenenanzeige 431 Gegensatz, kirchen- u. schulspalten233 f. 260
Gegenwart — Zukunft 415. 418 £. Gegenwartsbezogenheit d. Predigt 416 f.
53.
459. 476
Gebet 478 f. 480-482
Gehorsam 31-34 Geist, Heiliger 107. 214 f. 240 — in Synoden 213-215. 313 Lästerung des — 71 Geistlehre 87
70.
442
554
Geburtstage 397 f. 411-413. Geduld 541-546
57,
Gericht 217 £. Germanismus 79 geschichtl. Stunde 48 Gesellschaft f. evgl. Theologie 403
Fürbitte 480 für Soldaten
588
Generationen 22-24. 415. 418. 424.
Gebetslebeen 411. 460. 462 Funkstunde 19-21. 631 -—
398.
435
27-38
Begriff des — 19-21 — messianischer 32 f. Führerprinzip 111. 173-176 Führung — Führertum 28. 30
der 225-227.
384.
i. Krieg
371. 374. 377. 389. 395 f. 428-432. 517. 521. 523. 564. 641 f.
Gestellungsbefehl 385. 391 Getrennte Brüder 537. 539. 550 Gewissen 48 Gewissensfrage 311-314 Gland 122 Glaube 108 f. 542 Schwache i. Glauben 55. 67-69 Glaubenssatz, spekulativer 239 f. 247
Glaubwürdigkeit 449 Gleichgestalt mit Christus 413
Sachregister Gleichgültigkeit, müde 417. 421 Gleichschaltung 433 Glocke, Bruder 513 Gohlfeld 199 Gossner Mission 375. 391 Gottes Erkenntnis 241 — —, natürliche 97 £. — Führung 380 f. — Gericht 555 Gotteslehre 223-225. 241 Gottes Reich 25. 33 gottloses Fragen 39 Gottvertrauen 108 f. Gradlinigkeit 595 Greifswald 451. 465 f. 490 Grenzen d. Kirche 217. 220-231. 240 f. 246. 249 Gruppe
659
humanum
375 f.
Hundertguldenblatt 78 hypocritae 243 Ideal, christliches 211 Idealgestalt 29 Idol 30 Illegale Brüder 811.42372, 302. 309-311. 314. 469. 547. 594 Indien
316f.
320-344.
158. 180 f. 185. 288
Individualismus 26 f. 30. 32. 399 intakte Landeskirchen 8 £. Invasion
376.
392
Irrenanstalten, Auflösung d. 373 Irrlehre 85. 87. 92-98. 103-119. 189. 200.228... 230... 264-275. 334. 339 f.
29. 33
243%.
Irrlehrer 262 f. 273 f. 334. 339 f. Israels Leiden 49 £.
Haft 715
Pfarrer i. — 198 Hallenser Synode 380. 518 Hamburg,
Bruderat
i. 183
Jahre um 1926 Jahresberichte
414 164-166.
200-202.
Handeln, polit. d. Christen 45. 47 — — der Kirche 45-48 — dreifaches wider d. Staat 48
Jahresende 1940 391 judaistische Schwärmerei 116
Häresie 329
Juden 10. 640-643
51.
126.
231.
236 f. 243.
Heeresseelsorge 9. 373. 589 Hefte korrigieren 289 Heidentum 182 Heilige Schrift, siehe Schrift Heiliger Geist, siehe Geist Heiligung 87. 284. 288 f. Heilsgemeinschaft 238 f. Heimweh 424 f. Heirat?
345 f. 348. 421. 425 f. 488
Helbra 494 Herbststurm 376 Himmelfahrtsbotschaft 171 f. 180 Himmlererlaß 295. 458. 521 Hirte 412 f.
HJ 430. 488
Hochschule f. Politik 22. 631 Hochverratsdrohung 176 Hugenotten 386
Humanitäre Verbände 45
453-455.
476 f. 506-512
83.
88.
280.
293.
431.
Judenboykott 10. 44 Judenchristentum 51-53. 62-68. 88. 116 f. 126.
judenchristliche
631
Gemeinde
42.
53.
62 f. — — Pfarrer 66. 68. 127 £. Judendeportation 10. 640-643 Juden, getaufte 10, 49 f. 641. 643 Kirche u. — 115-117 Judenmission 49. 51. 88. 116 Judentumsbegriff 51 jüdische Gemeinde 640. 642 jüdische Schuld (Kreuzigung) 49 f. 106.
115 £.
Jugendbewegung 20. 24. 27-33
Jugendkommission, oek. 197. 276 f. Jugend, Kirche und 170 Jugendwerk der Evgl. Kirche 153 Junge Brüder, siehe Illegale Brüder
Anhang
660
„Junge Kirche“ 292. 470 f. Jungreformatoren 54. 56-59. 71. 81 Kameradschaft 31 Kampf 98 Kanzelabkündigung'1936
301.7.
277. 279.
282
Kapelle, Finkenwalder 455 Kasuistik 394 Katechismus, Versuch eines 81. 105. 504
Katholizismus
217. 222. 226. 228.
239. 377 £. 380 f. 394. 401 f.
kathol. Volksmission Kelham 184
380 f. 386
Kieckow 376. 416. 513 Kirche 109 £. 115 f. 217-252.
297 £.
327. 329 f. 464 f. (s. auch Bek. Kirche) — „andere“ 227-229. 234 — als Raum 327 — antichristliche 227-229 —.
—
der
APU
126
Evangelische — 59-61. 376 Evangelium und — 58 Gemeinde 303. 329 Gewaltregiment i. d. — 74f. 173. 176 Grenzen
—
70-72.
der —,
siehe Grenzen
Kontinuität der — 65 letzte Möglichkt. evgl. — 376 Jutherische 71 polit. Handeln d. — 45-48 rassische Einheit d. — 52. 63 reine — 244 Staatskirche 168 Staat und — 45-50. 67 f. 83. 113-115.
433-437
Umfang
der —,
—
und
Juden
—
und Jugend 170
—
und
Volk
44-53.
siehe Umfang 115-117
83. 112
völkische Nationalkirche 79 Volkskirche 167 f. 244 zwei evangel. Kirchen? 190 Kirchenbegriff, gesetzl. 220 f. 246. 248
Kirchenbundesrat 437 Kirchengemeinschaft 380. 467 f. 496 Kirchenkampf als Ges. od. Evangel. Kirchenleitung, siehe Kirchenregiment Kirchenministerium 206. 433. 437 Kirchenregiment 190f. 206. 212. 230 f. 266-269. 271-275. 376. 433. 455. 460. 462. 464. 467-469. 476. 595
Kampf
ums
—
257 f. 263-265.
303-305. 315f. 328. 330. 333-335. 339-341. 343. 467-469. 476. 594 f.
Verzicht aufs — — 595 Kirchensiegel 171 f. kirchenspaltender Gegensatz
225-
22723342609
Kirchenwahl 58-61. 81. 436. 514 Kirchgang 165 f. „Kirchliche Dogmatik“ I, 2 291 — Hochschule 459. 517. 631 f. 634
Kirchl. Außenamt 121. 125. 160-162. 174.
186-194.
437.
473 f.
— — der Bek. Kirche 186-191 — Beamtengesetz 70 f. Klein-Krössin 375. 407-410. 424 Klöster 382. 384 f. — englische 177. 180. 184 f. — evangelische 411. 449 Kollektenverbot 517-519 Kollektivismus 21. 26. 32 Konfessionalismus 233. 254. 435. 491. 518
Konfessionelles Problem 286 f. 290. Kongregationalismus 329 f. Königsberg 373 f. Konsensus 224 f. 253 Bekenntniskonsensus 229 Konsequenzmachen 232. 244 Konsistorium 9. 296. 303 f. 310. 317. 321. 338. 537. 577. 594
343 f. 373. 433 f.
Konvent, luth., ref., unierter 207 f. 253. 468
Konzil, evangelisches 49. 55 Krankenhausseelsorgeverbot 429
Sachregister Krankheit 78 Kreuz
87. 556
Kreuzzeitung 38. 631 Krieg 1941 580 Krieg u. Amt
554 f. 560 f. 566-568
Krieg, verlorener 26 f. 570 Kriegsbeginn 359 Kriegserlebnis 23. 422 f. Kriegserwartung 346. 348. 359. 533 Kriegsgeneration 415. 418 Kriegspfarrer 373 Kriegsteilnehmer 23 Kriegstrauungen 488 Kriegsweihnachten 570-573 Kückenmühler Seminar 212 Kultusminister 293 Kunst der Fuge 396 KZ
198. 431. 514. 545
Landeskirchl. Konferenz 315 Landesverräter 280 Lausanne
223
Leben, d. neue b. Paulus 509 Legalisierung 297. 577 f. 594 f. Lehrbefugnis-Entzug 294 Lehre 91 —
reine 110. 243. 467
Wahrheit einer — 323-325 Lehrer 27. 29. 34 £. Lehrverbot 517 Lehrzucht 149. 269. 273. 467 Leib Christi 109. 256. 327. 329. 331
Leibeigenschaft 47 Leiden
49 f. 441.
528
Leitung u. Verkündigung letzte Dinge 577 letzte Zeit 358. 515.
335
529
Liberalismus 27. 235. 243. 249 Liebe 332 Lietzmannstadt 643 Life and Work 125. 172. 196. 199. 276
Liste Evangel. und Kirche 59. 61 Loccum 62 Losungen-Auslegung 525-529 Loyalitätserklärung 160. 188 Lücken offenhalten 553
661
Lungenentzündung 582. 639 luth. Kirchen-Vereinigg. 71 — Kirche Bayerns 271 — Reichskirche 495 — Kirchenbegriff 217 £. — Konvent 207 f. —
Rat 267. 495
—
Bekenntnis
71 f. 223-225.
233.
260. 264
Lutherisch —
Reformiert 233. 235.
250, 25325.260:2., 27.0.0272275. 286 f. 290 f. 380 f.
Luthertum 71 f. 228. 264. 462 Luxemburg 120 Luxus christl. Existenz 567 f. Majoritätsentscheidung 308. 311-314 martyria 515 Masse
26
Materialprinzip
der
Reformation
148. 323
„Mauerbau“ 465 Maulkorberlaß 142 f. 158 Meditation 8. 184 f. 286. 288. 290. 302. 375. 397. 402. 439. 449. 454. 463. 475. 478-482. 486. 495. 497. 5042 507.1.2515.0517.532552. 565. 568. 582. 584 f.
theologische — Meldepflicht 587
363.
z. Weihn. 562 377.
395 f. 401.
membrum präcipuum 143. 266 f. Memorandum 1936 541 Menschlichkeit 29 f. 99 £. Mentalreservation 541 Messe 383 f. Metten Kloster 392 f. 411 Ministerium, Geistl. 149-153. 156. 161-163
Mirfield 184 Misdroy
493. 501 f.
Mission 107 Judenmission 49. 51. 88. 116 Volksmission 65. 303 (siehe Evangelisation) Mitlaufen 422 Mitleiden 597 f£.
662
Anhang
Möglichkeiten, volksmission.? mündliche Wort, das 633 f. Mündigkeit 36 Musik 509
303
Nachfolge 342 „Nachfolge“ 282.
284.
288.
BK-Vertretung b. — 234 Oeynhauser Synode 137 f. 237. 256.
Nachrichtendienst d. Landeskirchenausschusses 242 „Nach zehn Jahren“ 441 Name Jesu Christi 577 Nationalkirche 79 Nationalsynode Wittenberg 62. 82. 84. 141.
Leben,
das 389
Naumburg/Queis Seminar 484. 499 neue Religion 457 Neuordnung, siehe DER Neuordnung des Kräfteeinsatzes 487 neuer Anfang 546 f. Nichtarier 431. 642 f. nichtarische Christen 258. 643 Nichthören 487 £. Niederlegen des Pfarramtes 68. 168 Nihilismus 415 Nikolassee 1938 Synode 308-315. 318
Nikolassee
1939 Synode 346. 547.
467-469
Offener Abend b. Barth 285 Offenbarung 91-93 OE.H373
Olympiade-Vortrag
243.
276-281
Opfer
305.
345
48.
295.
299.
Orden, evgl. siehe Klöster Ordination 62. 212. 256-259. 273. 317. 334. 436. 459. 476. 491. 517. 566
155. 178
Natur 274 Naturrecht 101 natürliche
264-266.
307.
347. 367. 369. 509. 514. 525. 588
70-76.
138-146. 162. 169-178. 180. 183-185. 195-199. 229. 234. 276. 294. 347-369. 470-474. 505. 510. 513R:
— auf Barmen 259. 317 Ordinationsgelübde 310 Ordination nach eigener Wahl 491 Ordnung u. Bekenntnis 269-273 — des Tages 450. 504. 565. 568. 584 Ordnungen 27-30. 35 f. 83. 88. 99-102
Ordnungsstrafe 367-370. 372 ordo oecon., polit., eccles. 101 Ort der Autoritäten 35 f. Orthodoxie 222. 227. 234 f. 261 Ostpreußenreisen 364 f. 370 f. 373-375.
587
Othello 378 Oxfordbewegung 289
550
Notbund, siehe Pfarrernotbund Notpfarrämter 232. 236 Notrecht, kirchl. 177. 433. 464. 467 f.
November, neunter 456 Novi Sad, Life and Work Konferenz 73. 125 NSDAP 58. 60. 180. 428-432
NSV 387 Nürnberger Gesetze 401 „nur noch einige“ 164. 345 Obrigkeit 99-101. 113-115 (siehe Staat) Oekumene 11. 122. 125. 133.
Papst 268 partielle Bekenntnisunion Patenamt
253
344
pecca fortiter 313 Person, Auftrag u. 339 Personalfragen 467 Persönlichkeitsideal 20 f. 26 f. 32 Pietismus 33. 222. 235. 278 Pfarramt 66-68. 71. 75. 126. 128, 168.
412 f. 517.
566-568.
595
—
Niederlegen des — 68. 168 Notpfarramt 232. 236 Predigtamt 168. 336. 412
-—
versperrt
536
Pfarrbruderschaft, Bayer. 640
Sachregister Pfarrbruderschaften 448 f. Pfarrer, judenchristl. 66-68. 127 f. 715 — in Haft 198 Pfarrernotbund 70f. 74. 85. 135. 140-142. 145. 149-155. 174. 205. 634
158.
170.
Pfarrerstand 449 Pfarrfrau 346. 586 Pfarrhaus 571 Pfarrkonferenz, Bradford 87. 147 £. 150
Pfarrstelle? 379 Pfarrverein i. England 188 £. Pfingstbrief 515 Pflichtbewußtsein 109 Philologie 480 Polit. Handeln d. Christen 45. 47 — — d. Kirche 45-48 Pommern 209. 212 f. 281. 299-302. 305 f. 318-320. 342. 451. 455. 521
Prädestinationslehre 260 Predigerseminar (außerhalb Teil II) 8 f. 183-185. 197. 201. 203. 210. 212. 284-286. 288-290. 293-295. 353. 382. 384. 386. 397 f. Predigt 165. 181. 286. 336. 405. 416 f. 438-440. 536
Predigtamt
111.
168.
334.
336.
338 f. 478 £. 555 f.
Predigtbesprechung
532. 539. 544.
546
gemeins. Predigtarbeit 440 — des Gesetzes 509 Predigtmeditationen 367. 370 Predigttext 481 Presbyterian Alliance 172 Primat des Wortes 213-215 ! Privatdozent od. Pfarrer 131f. 180.
495
Protestantenblatt 41 Protestantismus
„Protestantismus tion“ 558
Proteste
Reforma-
(Chichester)
139.
273. 297.
Prüfungsprozeß 416. 430 psychische Explosionen 210 Punkte, die dreizehn 428 „Puritaner, der letzte“ 393. 395 Quäkerversammlung Quasikirche 244
214
Rad (i. d. Speichen fallen) 48 f. Rasse 51 f. 63 f. 87. 100. 292 f. 401 Rat der APU 448. 456 f. reaktionäre Kirchenkreise 435 Recht
46-48
— auf Arbeit, Freiheit, Denken 403 Rechtlosigkeit 46-49 Rechtshilfe 465 Recht und Evangelium 344 Rechtfertigung 87. 107 f. 224. 226. 23535
55573
— und Heiligung 284. 288 Redeverbot 363 f. 366. 368. 370 f. 402.
430. 432. 587
Reformation 225-228.
95.
148.
250.
189. 217 f.
275
Reformierte 224. 234. 251-255. 260. 264.
269 f.
— Abendmahlslehre 251. 380. 518 — Gesetzlichkeit 264 Reformiert. Konvent 207 f. 468 —
Lutherische 233. 235. 250. 253. 260 £. 270. 272. 275. 286 f. 290 f.
refugees 195. 197. 201. 350 f. 354. 357
refugium, geistl. 449 —
33. 37
Gottes
25. 33
Reichsbischof 74, siehe L. Müller — —, Einführung d. 188 Reichskirche 138 Reichskirchenregierung 179. 188194. 230-239.
376
ohne
Bell’s
143 f. 161 Prüfungen 212. 256-259. 334. 436. 459, 476
Reich
182
Privattragödie 135 Privilegien 68. 126. 449. 571 Proklamation d. luth. Reichskirche
663
243. 248
Reichskirchenverfassung v. 15. 7. 33 62. 72. 192 £.
664
Anhang
Reichsschrifttumskammer 367-372 Reichssynode 437 reif — unreif 300 Reinheit der Lehre (Kirche) 110.
Schöpfungsordnungen
125. 133. 160-162.
188. 460
Revolution 33. 48 f. Richter 34 £. Richtgeist 211. 213. 215. 240 Richtigkeit eines Weges 323-325 Riederauer Thesen 82 rite vocatus 216. 464 Rom
638 f.
|
| |
Schriftgemäßheit 320-323
|
Schrift,
Heilige
320-345.
91-95.
565. 568
Schriftleitergesetz 530 Schuld, jüd. a. Kreuz
49f.
106.
I5SR
Schuldbekenntnis 229. 438 f. Schuldteilhabe 408 Schulspaltender Gegensatz 227 Schwache i. Glauben 55. 67-69. Schwärmerei 261.
336.
— —
375.386
„Sanctorum Communio“ 352 St. Augustin, Canterbury 184 St. Georgskirche 521. 633 f. 638 St. Paulsgemeinde 186. 192 £. 634
Scheidung v. här. Kirche 243 Schicksal 108 Schicksalssolidarität 408. 422 Schiedsgericht 153 Schiff, d. übernächste
137. 283. 288
Schisma 51. 53. 55. 70 f. 128. 145. 153. 167. 169. 171 £.
—, —,
449
216.
250f.
477.
Reise, 396.
erste
385 f. 388.
400-402.
404-406
zweite 411-413 dritte 421
Schwert, Amt des 113 £. Seelenheil 239. 246 Seelsorge 168. 429. 536 Sekte 330 selbstlose Selbstliebe 375. 380 Selbstmord 405 Senden 336. 338 sichtbare Kirche 241. 271. 470. 509 Siedlungspläne 180 Sigurdshof 373. 375. 386. 426 Sofa
Schillerfilm 395
116.
510 392-394.
178
33. 415.
Schwarzes Korps 518 Schwedenreise 294. 470-474. Schweizer
Saarabstimmung 177. 193. 195 Sammelvikariat (außerhalb Teil II)
200-202.
|
3128:
Rundfunkvortrag 19. 22. 631 Rußlandinvasion 407-410
35323574.
|
Schriftbeweis 323-326. 332. 508 Schrift, Freiheit gegen d. 94
376. 419
Rote Karte 243. 247 f. 536 Roter Schein (UK-Stellung) 393 Round Table 141. 145 Rückkehrpläne 158 Rundbriefverbot 461. 533. 573.
SA
100-102
Schreibverbot 368 f. 372
457
Religiöse, das 420 (rel. Einkleidgn., — Natur) religiöser Antisemitismus 94 Religiös-Soziale 289 Resolution 48 f. Revers
476. 484. 521. 523. 563 f. 638
Schöpfung 96 f. 104
Reklamierung 9. 373 Religion 95 neue
— westfälisches 169 Schlawe 363. 367 f. Schließung des Seminars 295. 353. Schmalkaldische Artikel 223. 226
243 f.
—
|
70. 73. 76. 82. 125
Sofortmaßnahmen 433-437 Soldatsein u. Amt 566-568 Solidarität 332f. 408 f.
422 f.
567 f. 580 £. 138.
Solidaritätserklärung 547
m.
Illegalen
Sachregister soliloquiis 549 £. Sommer 1933 175. 463 Sozietät,
theolog.
665
Synode 153. 213-215. 312 f.
259 f. 308 f.
545
Spaltung 440. 543 siehe auch Trennung
Tageslauf 375 f. 382. 384. 439 „Tägliche Rundschau“ 54
SPD
Taufe
42
Sportpalastkundgebung 140.
86.
138.
147 f. 174
Staat 33-37. 48 — christlicher 114 staatl. Anerkennung
190 f. 206.
304
Staatseingriff 55. 57. 144 Staatskirche 168. 376. 464. 634 Staatskommissare 57. 433
129 f. 136. 287. 291. 370. 398 „Times“ 139. 142. 154-157. 170. 180. 198. 280
Staatsmann 27. 34 Staat, totalitärer 464
—
und
Kirche
113-115.
45-50.
67.
83.
433-437
Stagnation i. Kirchenleitgn. 537 Stalingrad 422 status confessionis 49. 127 f. 256. 270.
273.
Streit um Aufsatz „Kirchengemeinschaft“ 282. 286
Striche 517 f. Studenten, jungreformatorische 56f. Studentenrecht 62. 68 f. 171 Studentenseelsorge 54 Studienreise 294 103-105
Sündenfall 97 £. 104 Sündenvergebung 56 f. 438 f. 551 Sydenham 120 f. 130 f. 164. 186. 192 f. 632-634 Symbol
Tinte und Feder 533 f. Tod 37. 118. 406. 557-560. 575-577. 580
—
an der Front 408 f. das Problem des — 371 „Der Tod i. d. christl. Botschaft“
275. 341. 462
Steglitz Synode 1938 308-315. 318 Sterilisation 401. 403 Sterilität der BK 375 Stettin 373 Steyler Mission 381 Stockholm 419
Sünde
64. 223 f. 227. 248. 344
Begierdetaufe 223 Bluttaufe 223 Tausendjähriges Reich 119 Technik 25 Tecklenburger Bekenntnis 82 Tegel 441-443. 636 Theologie 226 f. 254. 380 £. „Theologische Existenz heute“ 126.
93. 106
362
— — —
und Weihnachten 559 f. von außen 557. 576 f. von innen 557 f. 576 £. Wissen um baldigen — 405 tote Gemeinde 487-490 Totenauferstehungsfeier 456 Tötung unwerten Lebens 432 Tradition 423 Trennung v. d. BK 212f. 483. 511.
517.
537.
539.
550,
siehe
auch Spaltung Treue 399. 419 Trinitätslehre 87. 95 f. 223 £. Tschechenkrise 533 Überflüssigkeit 418 Überschlagen der Kosten 342 UK-Stellung 385. 393 f. 406. 408 f. 412. 420
Synagoge 344
UK-Stellungen 389. 393. 396
Synagoge Levetzowstr. 641 f.
Ulm
Synodale Entscheidung 212 f. 518, siehe auch unter Entscheidung
Umfang der Kirche 217 f. 220-222 Umlageordnung 206
1934
167.
170
666
Anhang
Umsturz
391.
435-440.
411.
413.
425 f.
562
Una Sancta 380 undialektische Theologie 136 unierter Konvent 207 f. 253 Union 380. 491 Union Seminary 11. 349-361. 551. 635
Universal Council 196. 199. 276 Unterstellung (Konsistorium) 9. 297.
303 f.
Unzufriedene, der ewig 441 USA-Experiment 347-361. 551 f. 558
Vater 27. 29 £. 34 f. Vater-Sohn-Problem 20. 29. 31
492. 496. 500. 510. 519. 536 £.
Vater Unser 517
Vatikan 419 Veränderung 594 „verantwortliche Prüfung“ 541 f. Verantwortlichkeit 30-37 Verantwortungsübernahme 149-153. 160 f.
Verbot der BK 280. 459 Vereinigung d. luth. Kirchen 71 Vereinzelung 376 Verfassung, neue Kirchen- 437 Verfolger 528 Verhaftungen 9. 295. 307. 430-432. 478. 484-486. 494. 496-493. 503. 505. -=508. 513f. 516-520. 522-524, 528. 530. 537. 545
Verheißung 464 Verkümmerung in die notae ecclesiae 327 Verkündigung 7. 269 f. 336-339. 342-344.
448 f,
Freiheit der — 75 Leitung und — 335 „Verkündigung und Forschung“ 403 Verleger 378. 387 Verlobung 425 f. Verlorener Krieg 26 f. Vermittlungstheologie 274 Verordnung, fünfte — z. Sich. d. DEK.
294.
459.
Verrat — Verräter 211 f. Versuch eines luther. Katech. 81 Versuchung 529. 544 „Versuchung“ 536 Vertrauensentzug 158 f. Vertretungsfrage i. Krieg 565 Verwerfung 217 f. 220 Verwestlichung d. Christentums 182 Verwirklichungen 289 f. 298. 306 Verzicht auf kirchenregim. Funktionen 595 Visum, abgelehntes 400-402 vocatio 216. 336. 464 Volk 32 Kirche und — 83. 112 Volkskirche 167 f. 244 Volksmission 65. 303. 380 f. 386.
476
Volksnomos 87. 93. 103 völkische Nationalkirche 79 Vollmacht, Mangel an 314 Vorfahren 363 f. Vorläufige Kirchenleitung (VKL) 252 f. 269. 276. 280. 282. 462. 465. 467. 483 f. 517
436.
vorletzte Dinge 384 „Vormarsch“, der 631 Vorsehung 108 Wächteramt 456 f. Waffenstillstand 373 Wahlausschreibung 1937 514 Wahrheit 213 — einer Lehre 323-325 Warthegau 428 f. Weg, „unser“ 324 f. Richtigkeit eines — 323-325 „Wegbereitung und Einzug“ 384 Wehrmacht,
Eingabe an d. 428-432
Weihnachten,
theolog.
Meditation
562
Weihnachtsbrief
524-529.
559-561.
570-573 Welt 570 £.
Weltbund f. Freundschaftsarbeit d. Kirchen 73. 77. 82. 122. 125. 276
Weltflucht 119
Sachregister Weltgrund 97 Weltkriege 570 weltlicher Sektor 420 Weltlichkeit
Wycliffe Hall 184
119
Weltrat f. Life and Work 276 Werk, das fremde 229. 237 f. 262 Wer sich wissentlih .... 238. 242. 246 f. 254 Widerstand 48. 177.
205
„Widerstand und Ergebung“ 7. 441. 636
Wiederkunft 117. 515 f. 526 Wirklichkeitsmetaphysik 25 Wort
— — —
278.
667
306
an Illegale 547 das mündliche 533 f. Gottes 213-215 Heiliger Geist u. — 214
Zählung 221 Zeiten, reiche 420 Zeitungsberichterstattung, zerstörte
Kirchengebiete
8 f. 199.
462
Zingsthof 453. 533. 535-537 Zionismus 115 Zossener Aktenfund Zucht
10 f.
210 f. 214 f. 439.
450. 544
Zukunft Deutschlands 417-419 Zukunft — Gegenwart 415. 418 f. zwei evangel. Kirchen? 190 Zwinglianismus 251 f. 260 „Zwischen den Zeiten“ 130 Zwischenspiel? 7 Zwölf-Apostel-Kirche 278 f.
THEG CLAR..i.\.
ausländ.
15552.176
!RARY 7,
CALIF,
DIETRICH-BONHOEFFER
Gesammelte Schriften Band I: Ökumene Briefe - Aufsätze - Dokumente 1928—1942 552 Seiten. Ganzleinenband
Von
den inhaltsreichen
und doch so völlig privaten Briefen an
Erwin Sutz über den Amerikaaufenthalt angefangen, über die Ar-
beit als Jugendsekretär des Weltbundes, die Konferenz in Fanö, die ökumenische Arbeit in der Bekennenden Kirche, bis zur Ame-
rikareise von 1939 und den ökumenischen Kontakten im Kriege bietet dieser Band des Interessanten wahrlich genug, um ihn als ein Stück der letzten Zeitgeschichte aufmerksam zu studieren. „Keine andere Stimme hat Theologen und Laien derart zu neuem
Denken angeregt, wie die Stimme Dietrich Bonhoeffers. Wir erleben ihn nicht nur als den anregenden theologischen Denker, als den Systematiker, wir erleben ihn auch als Kirchenpolitiker, als Widerstandskämpfer und wir sehen das Heranreifen dieses klaren, nie bequemen und doch so gewinnenden Menschen von einem hoch-
begabten Studenten zu einer Gestalt von geschichtlicher Größe.“ Kirche in der Zeit
GRRSKAISER
VERLAG
MUN
CHEN
HL
BX 8011 Bel N
Bonhoeffer, Dietrich, 1906-1915. Gesammelte Schriften / Dietrich Bonhoef hrsg. von Eberhard Bethge. -- München : Kk
1958-61. ir,
2, 311.-:
Includes
19on.
indexes.
Contents.- Bd.1. Ökumene Dokumente, 1928 bis 1942.Finkenwalde
1933 bis sugen, na
)
: Resolutionen,
1943.- Bd.3.
Briefe, Ve
: Briefe, Aufs Bd.2. Kirchen!
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Aufsätze, Ru
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