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German Pages 256 Year 2019
Tamás Jules Joshua Fütty Gender und Biopolitik
Queer Studies | Band 21
Tamás Jules Joshua Fütty (MA), geb. 1982, ist Politikwissenschaftler, promovierter Genderforscher und lehrt zu Gender, Diversität und Migration an der Universität Kiel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in Gender und Queer Studies, Diversität, Migrations-, Gewalt- und Intersektionalitätsforschung, Staatsgewalt, Biopolitik und Transformation von Grenzen. Seit 2009 ist er zudem freier Mitarbeiter in der Jugend- und Erwachsenenbildung.
Tamás Jules Joshua Fütty
Gender und Biopolitik Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen
Ich bedanke mich herzlich für die Promotionsförderung der Rosa-LuxemburgStiftung und Elsa-Naumann-Stiftung sowie für Druckkostenzuschüsse der Hannchen-Mehrzweck-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Dekanats der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Die vorliegende Publikation ist eine überarbeitete Fassung der Dissertation »Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen im Kontext von Biopolitik«, die an der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin im Oktober 2015 angenommen wurde. Gutachter*innen waren Prof. Dr. Lann Hornscheid und Prof. Dr. Birgit Sauer. Die Disputation fand am 09.02.2016 statt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2019 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld Umschlagphoto: Tamás Jules Joshua Fütty, Toronto 2008 Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-4629-0 PDF-ISBN 978-3-8394-4629-4 https://doi.org/10.14361/9783839446294 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Mein besonderer Dank für wichtiges Feedback, Inspiration, Kritik, Korrekturlesen und Begleitung gilt insbesondere folgender Menschen: Prof. Lann Hornscheidt, Prof. Birgit Sauer, Dr. Gundula Ludwig, Prof. Dean Spade, Prof. Nina Lykke, Prof. Trystan Cotton, Prof. Jin Haritaworn, Prof. Chandra Mohanty, Alexia Lautaro Apolinario Figueras, Victor Apolinario, Lio Oppenländer, Lian Hüntelmann, Jay Keim, Dr. Julia Roßhart, Cash Hauke, Dr. Ali Arafat Özgür, Dr. Ulrike Klöppel, Jayrôme C. Robinet, Dr. Jen Petzen, Dr. Michael Bucher, Koray Yilmaz-Günay, Birgit Krug, Goska Soluch, Dr. Svantje Illig, Dr. Alice Chwosta, Marek Sancho Höhne, Eliah Lüethi, Anja Ludwig, Emy Fem, Dr. Josch Hoehne, Dr. Mike Laufenberg, Dr. Oliver Haag, Inga List, AnouchK Ibacka Valiente, Cati, Malena, meiner Mutter, meiner Schwester, meinen ehemaligen Lehrer*innen Dr. Frank und H. Lutz sowie meiner Ferienfamilie den Mohns, Silvia Degen, Eric Esser, Amir Rabiyah, Janani Balasubramanian, Skyler Brandon Fox, Ford Kelly, Clara Thoms.
Inhaltsverzeichnis
Prologue | 11
TEIL I GRUNDLAGEN 1. Einleitung | 17 1.1 Theoretisch-epistemologische und methodologische Grundlagen | 21 1.1.1 Subjektivierungs- und Verwerfungspraktiken | 23 1.1.2 Das Paradigma der Intersektionalität | 29 1.1.3 Biopolitik und Bevölkerungsregulierung | 31 1.2 Analysematerial, Verortung und Zielsetzung sowie Grenzen der Analyse | 34 1.3 Begriffe, Definitionen und Konzepte | 38 Forschungsstand: Gewalt gegen Trans*Menschen | 45 2.1 ,Homophobie‘ und ,Transphobie‘ als zentrale Konzepte (inter-)nationaler Menschenrechtsdiskurse | 45 2.2 Sozialwissenschaftliche (queer-)feministische Gewaltdefinitionen | 52 2.3 Neukonzeption: Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen | 56 2.4 Zwischenfazit | 64 2.
TEIL II GEWALT IM KONTEXT VON MEDIZIN UND RECHT 3.
Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen in der Medizin | 69
3.1 Komplexe Psychopathologisierung: Genese und Verortung der Diagnosen ,Homosexualität‘ und ,Transvestitismus‘, ,Transsexualismus‘ | 70 3.2 Potentiale und Grenzen aktueller Depathologisierungen | 77 3.3 Biopolitische Kontinuitäten der Psychopathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern | 81
3.4 Zwischenfazit: Zur Kontinuität von Hetero- und Cis-Normativität im Wandel psychiatrischer Diagnosen | 85 4.
Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen im Recht | 87
4.1 Das deutsche Transsexuellengesetz als paradoxe Subjektivierung und Abjektivierung | 88 4.2 Das deutsche Transsexuellengesetz und seine intersektionalen Ausschlussmechanismen | 91 4.3 Zwischenfazit: Pathologisierung und Verwerfung als biopolitische Bevölkerungsregulierung | 96 5.
Bevölkerungspolitik als Wechselwirkung von Disziplinarund Biomacht | 99
5.1 Die legalisierte Zwangssterilisierung von Trans*Menschen in Europa | 99 5.2 Exkurs: Bevölkerungspolitik im Kontext eugenischer Diskurse und Praktiken | 102 5.3 Disziplinar- und Biomacht: Zweigeschlechtlich normalierende Gewalt gegen inter*(geschlechtliche) Menschen in Deutschland | 108 5.4 Biopolitik als theoretisches Bindeglied zwischen Pathologisierung und Kriminalisierung | 114 6.
Auswirkungen normativer und intersektionaler Gewalt auf Trans*Menschen | 117
6.1 Diskriminierungen und Ausschlüsse von Trans*Menschen auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungswesen | 118 6.2 Diskriminierungen und Ausschlüsse von Trans*Menschen im Sozialwesen | 127 6.3 Diskriminierungen und Ausschlüsse von Trans*Menschen im Gesundheitswesen | 129 7.
Gewaltkreislauf: Ungleiche Lebenschancen für mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen | 137
7.1 Gewaltkreislauf: Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) | 137 7.2 Gewaltkreislauf: Normative und intersektionale Gewalt gegen LSBTQ-Geflüchtete in EU-Asylverfahren | 145 7.2.1 Kontinuitäten der Pathologisierung und Kriminalisierung von LSBTQGeflüchteten | 151 7.2.2 Verstärkte Gewaltexponierung von abgelehnten LSBTQ-Geflüchteten | 157
TEIL III GEWALTBEKÄMPFUNG DURCH RECHT 8.
Antidiskriminierungsgesetze und normative Diskriminierungen von Trans*Menschen | 165
8.1 Die Diskriminierungskategorien ,Geschlecht‘ sowie ,sexuelle Identität‘ | 166 8.2 Begrenzte Effektivität von Antidiskriminierungsgesetzen in der EU | 168 8.3 Notwendige Veränderungen in Bezug auf Antidiskriminierung | 173 9.
Transnormativität: Staatliche Inklusion und Exklusion im Neoliberalismus | 175
9.1 Verdiente Inklusion in Deutschland: (Trans*)Poster Boys | 177 10. Gesetze gegen ,homophobe und transphobe Hasskriminalität‘ – Proklamationen von Staatsschutz im Kontext gegenwärtiger Sicherheitsdispositive | 183
10.1 Effekte und Nebeneffekte von Hasskriminalitätsgesetzen im Kontext von Biopolitik | 187 10.2 Hasskriminalitätsgesetze und die Morde an Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) | 190 10.3 Biopolitik und Sicherheitsdispositive im deutschen Diskurs über ,Hasskriminalität‘ | 191 10.4 Funktion und Effekte der Rassifizierung von Gewalt | 196 10.5 Versicherheitlichung: Kontinuitäten der Kriminalisierung und Polizeigewalt | 199 10.6 Zwischenfazit | 203 10.7 Ambivalenzen: Gewaltbekämpfung durch Recht und die Reproduktion von Gewalt durch Recht | 205 11. Fazit | 209 Literaturverzeichnis | 215
Prologue
To all those To all those beautiful poets, who I adore and admire With their tender, brilliant and spitty words All those beautiful poets who take my heart and it falls apart When I started to really listen To listen to the silence in the gaps The unspeakability between the lines while their wording paint the most vivid and nuanced pictures It breaks my heart to feel through how much they probably have been walking walking through every day, until they finally they found their voices found their voices and expressions and took all bravery to confront that swallowed silence called violence that violence which we learned over years to swallow, the violence we internalized so well us, as it was a profession we internalized so perfectly that we were made to believe, that this was not violence in silence, but this is who we are and how it’s should be that violence we swallowed so deeply which made us invisible because we are told that we could not be that the devil is inside you or me that we could not be loved that we could not be desired that we could not be wanting
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that we could not be playful, artful, heartful that we could not be brilliant, smart and shining that we could not be fighting back that we could not be successful and no matter how we define success if success means survival and to finally be, be me and let you be inside me when both are told that we should not exist because the silence of violence weighs tons and it can drown you in dust the burden and desperation of silent violence that for so many trans people suicide seems the only way to finally be, be free we drown inside of us in silence due to violence and there are so many who never get the chance, the circumstances, the support to finally be, the love to heal, the encouragement to finally find their names, to realize that we can flirt, that we do have names, that we are not insane, that our lives are not in vain but it takes so much pain and also so much luck on the other side to lift the tide until we finally find our voices and expressions to name, to proclaim and inflame the inhumane until we find the voices so wittily, so prettily so smartly speaking out against that violence Because we like our speakers strong, brave, provocative and playful at the same time Because we don’t want to see what is behind of you and me That we were not always that loud and witty, smart and pretty That sometimes we hardly couldn’t speak and most likely didn’t know what was wrong because we searched the wrong inside of us Because we didn’t had voices and expressions didn’t had words didn’t had names
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and with no voice, no expressions and no words it’s hard to spit out Spit out the violence, violence in so many faces, so many bases, in so many places, violence in so many colors and shades and traces violence with so little words nor names tears drop down like silent autumn leaves in dark red, tired, worn out of trying so long to hold on, to hold it together because I want leave leave all that behind all that pain which makes me run in vain to finally be, to finally be cheerful, witty, strong and pretty to finally be desired, loved and radical that I want to forget that pain also paved my way, in times when battle was not radical but necessary because it was the only way to persist when we are made believe that we do not exist so much violence that I want to overhear, over-scream, over-shout because exposing your vulnerability is not always strong and compassionate vulnerability and pain which still hurts and still hurtful parts are were the violence starts And so often it is overlooked that becoming a man does not always mean more privilege. it can also mean more persecution. becoming a man can mean so many different things, but mostly different access depending on, if it is a black, brown or a white body and if that body is abled or disabled And so often it is overlooked while talking about sexism or transphobia, what happens to trans women, trans women of color, because becoming a woman can mean so many different things, but definitely means more sexist assaults and so many interacting forms of sexualized and racialized violence And I wonder how much violence one body can endure how much silence one body can inhabit when wars are fought on and over bodies
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and when I say wars, I don’t only mean only gender wars, I mean also wars of capitalism, racism, colonialism scalped and scratched also upon bodies and backs of trans people the violence so silent that it kills very day kills every day in solitude and all those poets who put their faces to their hearts and make us depart to hope for better start I take my heart and try to listen because strength is not a quality when only some few can survive this thrive for being, for being free is nothing of either you or me this thrive for existence, for survival, for justice and equality has nothing to do with an individual because we do not exist of our own because we do not exist without one another because freedom and justice are bound to people, peoples in plural because freedom and justice do not exist if you cannot share them because love is an endless source, but only when we share it, it multiplies because love means resistance and existence because love starts with self-care, but if everyone cares only for themselves this is vanity, then we end up being again self-righteous suckers, in silence caring for our pain, and forgetting again all those who didn’t yet found their voices and expressions, who didn’t yet found their names but who are there! and let’s dare and if only a little bit to care and to share to share that support and love which enables us to be there T. J. F. (2016): Trans*Formations- Trans*Film Festival Berlin, Werkstatt der Kulturen der Welt Berlin, 20.11.2016
TEIL I Grundlagen
1. Einleitung
Die Digitalisierung und Globalisierung des Sozialen bringt diametrale (evt. dialektische) Prozesse der Entgrenzung und Mobilisierung hervor, die mit gleichzeitiger Grenzschließung und Immobilisierung einhergeht. Diese reflektieren sich auch in der zunehmenden gesellschaftlichen Normalisierung und politischen Parlamentarisierung von Rechtspopulismus, Rassismus, Nationalismus sowie ‚Anti-Genderismus‘ in Deutschland und Europa. Während der Fokus des öffentlichen Diskurses auf Migrations- und Terrorbekämpfung gerichtet wird und die Schließung und Externalisierung der EU-Außengrenzen nach Nordafrika (als Fortress Europe) vorangetrieben wird, rückt der Abbau des Sozialstaats zugunsten einer militärischen Versicherheitlichung in den Hintergrund, als auch Fragen von digitaler Überwachung und biopolitischer Bevölkerungsregulierung. Diese Entwicklungen erfordern mehr denn je eine grundsätzliche Infragestellung von binären Identitätskonzepten, Grenzen und (il)legitimen Grenzübertritten aus herrschaftskritischer intersektionaler Perspektive, auch im Kontext von Geschlechtergrenzen. Wenn Grenzen uns sicher fühlen lassen, wie Homi Bhabha schreibt, heimisch und heimelig, da das verunsichernde unbekannte unheimliche und bedrohliche (seit jeher postkoloniale sowie sexuell, geschlechtlich und körperlich deviante) ‚Andere‘, der Terror, von uns ferngehalten wird (vgl. Bhabha 2004, 142), stellt sich die Frage, was dies für binäre Geschlechtergrenzen und Trans*1 bedeutet. Das Zweigeschlechtermodell ist schon lange ein umkämpfter Schauplatz von Transformation sowie Versuchen der Fixierung binärer Identitätskonzepte. Während die vermeintlich biologische Natürlichkeit der Zweigeschlechternorm (natur)wissenschaftlich un-
1
Ich verwende in diesem Buch die Bezeichnung Trans*Menschen, für Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht übereinstimmt mit dem Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde (Kapitel 1.4). Der Asterix * wird in Anlehnung an die Bibliothekswissenschaften verwendet, um ‚ein offenes Ende‘ zu ermöglichen, und damit die Diversität, Komplexität und kontinuierliche Transformation von Geschlechtsidentitäten zu verdeutlichen und einer Fixierung von Trans* (als binär) entgegenzuwirken.
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haltbar ist (vgl. Fausto-Sterling 2002; Voß 2010; 2015), wird an öffentlichen Debatten zum Beispiel zur ‚Dritten Option‘ des geschlechtlichen Personenstands oder zu Schulbildung über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt (als ‚Frühsexualisierung‘) deutlich, mit welcher epistemisch-normativen Gewalt an der binären Geschlechterordnung festgehalten wird. Was dabei jedoch oft außer Acht gelassen wird, ist, welche Rolle der Staat dabei spielt. In diesem Buch geht es um die Frage, wie Normen mit Geschlecht, Gewalt, Staatlichkeit und Biopolitik miteinander im Verhältnis stehen. Es wird untersucht, wie durch normative Staatsgewalt die Zweigeschlechterordnung gewaltvoll aufrechterhalten wird. Im Kontext von Biopolitik wird (meta-theoretisch) auch reflektiert, warum die Aufrechterhaltung der Zweigeschlechtlichkeit so wichtig ist. Das konkrete Forschungsdesiderat, dem sich dieses Buch widmet, ist die Entwicklung eines einerseits normativen und andererseits intersektionalen Gewaltbegriffs gegen Trans*Menschen im Kontext von Biopolitik. Weltweit sterben Trans*Menschen jeden Tag nicht-registrierte vorzeitige Tode; nicht nur durch Mord und körperliche Gewalt, sondern auch aufgrund von Staatsgewalt. Gewalt gegen Trans*Menschen ist kein ‚transphober Ausnahmefall‘. Vielmehr ist sie, so die erste These des Buches, in Staats- und Gesellschaftsformen, die nur zwei Geschlechter anerkennen, normativ verankert. Als Staatsgewalt werden herausgearbeitet: die normative Gewalt der (cis-)zweigeschlechtlichen2 Nicht-Anerkennung von Trans*Menschen, ihre rechtliche Verwerfung und medizinischpsychiatrische Pathologisierung sowie ihr gesamtgesellschaftlicher und institutionalisierter Ausschluss bzw. Diskriminierungen. Damit wird nicht relativiert oder bestritten, dass es massive, physische teilweise tödliche Gewalt gegen Trans* Menschen auf einer individuellen Ebene gibt. Diese Gewalt kann die betroffenen Menschen, ihre Communities und sozialen Umfelder gravierend beschädigen und sie in ihrem Leben einschränken. Vielmehr wird argumentiert, dass diese zwischenmenschliche Gewalt nicht von der normativen Staatsgewalt getrennt werden kann. Die naturalisierte Cis-Zweigeschlechternorm stellt mit ihren machtvollen Subjektivierungs- und Verwerfungspraktiken die normative Grundlage von Gewalt gegen Trans*Menschen dar, und ist insbesondere in Recht und Medizin institutionalisiert. Zur Erläuterung dieser These werden einerseits die internationalen medizinisch-psychiatrischen Diagnosen zu ‚Geschlechtsidentitätsstörungen (bei Kindern)‘, ‚Transsexualismus‘, ‚Transvestismus‘ und ‚Gender-Inkongruenz‘ (Kapitel 3), und andererseits das deutsche Transsexuellengesetz auf ihre zweigeschlechtlichen Prämissen und intersektionalen Normen untersucht (Kapitel 4). Der Fokus auf psychiatrische Diagnosen und Gesetze liegt darin begründet, dass diese in gegen2
Cis-zweigeschlechtlich sowie Cis-Menschen bezeichnet Menschen, bei denen die gefühlte und gelebte Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde übereinstimmt (Kapitel 1.4).
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wärtigen Machtverhältnissen und ihren Biopolitiken zentral sind für die indirekte Regulierung von Trans*Menschen sowie von Gender-Diversität allgemein (Kapitel 5). Die Auswirkungen normativ verwerfender und pathologisierender Staatsgewalt in Form von institutionalisierten cis-zweigeschlechtlichen und intersektionalen Ausschlüssen und Diskriminierungen in allen öffentlichen Bereichen maßgeblich auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen resultieren in verringerte (Über-)Lebenschancen für Trans*Menschen (Kapitel 6). Die zweite in diesem Buch untersuchte These lautet, dass Gewalt gegen Trans*Menschen nicht als singuläres und monokausales Gewaltverhältnis verstanden und thematisiert werden kann. Die Tatsache, dass die herausragende Mehrheit der weltweit registrierten Morde an (migrantischen) Trans*weiblichen Sexarbeiter*innen of Color und generell an Trans*Menschen of Color3 begangen werden (vgl. Balzer/Hutta 2012, 55; Fedorko/Berredo 2017, 6, 18), verdeutlicht, dass ciszweigeschlechtliche Gewalt nicht losgelöst von kapitalistischen, nationalistischrassistischen, heterosexistischen und ableistischen4 Machtverhältnissen analysiert und bekämpft werden kann (Kapitel 7). Mithilfe der Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs wird exemplarisch anhand der Situation von (migrantischen) Trans* Sexarbeiter*innen (of Color) sowie von Trans*Geflüchteten (in EU-Asylverfahren) 3
Das Begriffskonzept People of Color ist eine politische Selbstbezeichnung für Menschen, die von strukturellem Rassismus betroffen sind: „People of Color (PoC) ist eine politische (Selbst-)Bezeichnung, eine offene Identitätskategorie für aufgrund ihrer Hautfarbe, Sprache, ihres Namens, ihrer Herkunft und/ oder Religion von rassistischer Diskriminierung betroffene Menschen und bietet somit eine Alternative zu ethnisierenden Fremdbezeichnungen“ (MRBB 2009-2011, 7; vgl. Ha 2007, 31-40; LesMigraS 2012). In diesem Buch wird aus Praktikabilitätsgründen (da es sonst sehr lange Anreihungen von Identitätskonzepten gäbe) hauptsächlich der Überbegriff und die Selbstbezeichnung People of Color bzw. Menschen of Color verwendet. Aus politischen Gründen ist jedoch auch die explizite Benennung von Schwarzen Menschen wichtig, insbesondere da Schwarze Deutsche oder Afro-Deutsche kontinuierlich ausgeschwiegen und ihre Identität und Zugehörigkeit zu Deutschland abgesprochen wird (vgl. el-tayeb 2011; Sow 2008). Auch äußert sich Anti-Schwarzer-Rassismus als Verbindung zu Kolonialrassismus spezifisch und exponiert Schwarze Menschen besonders stark für rassistische Gewalt (eine Differenzierung dazu Hornscheidt/Nduka-Agwu 2010). Aus diesem Grund wird auch der Begriff Schwarze (Trans*)Menschen verwendet, wenn es dezidiert um sie oder Anti-Schwarzen Rassismus geht.
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Ableismus bezeichnet das normalisierte Machtverhältnis und die Fiktion, dass der ‚normale‘ Menschen nicht-behindert sei (Kapitel 5.2; vgl. Davis 1997, 6-7; Erevelles 2011, 130; Sha 2011 Mitchell/Snyder 2006, 2010). Die konstruierte Norm von NichtBehinderung resultiert in die allgewärtigen ausgeschwiegenen Diskriminierungen, Zugangsbarrieren und Ausschlüsse von Menschen mit Behinderungen.
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erörtert, wie normative cis-zweigeschlechtliche Gewalt innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse wechselseitig hervorgebracht wird und sich verstärkt (v.a. durch Armut, Rassismus, Heterosexismus und Behindertenfeindlichkeit). Die vorgeschlagene Gewaltkonzeption betont, dass Gewalt gegen Trans*Menschen normativ verankert ist und innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse verstärkt wird, was insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitige Tode exponiert sind. Drittens werden veränderte medizinische und juristische Regulierungen zu Geschlechtsidentität im Kontext von Biopolitik untersucht. Herausgearbeitet werden neoliberale Praktiken der partiellen transnormativen staatlichen und gesellschaftlichen Inklusion auf der Grundlage binärer und intersektionaler Normen (Kapitel 9). Diese gehen mit dem gleichzeitigen Ausschluss von mehrfachdiskriminierten Trans*Menschen einher. Hierbei kommt transformierten Pathologisierungs- und Kriminalisierungspraktiken sowie intersektionalen Ausschlüssen eine wichtige Bedeutung zu. Im Zusammenhang von Biopolitik und bestehender Sicherheitsdispositive wird auch das paradoxe Verhältnis von Recht und Gewalt als gleichzeitige Gewaltbekämpfung und Gewaltreproduktion kontrovers diskutiert. Es wird der Frage nachgegangen, wie normative und intersektional verstärkte Staatsgewalt gegen Trans*Menschen überlagert und reproduziert wird durch die Fokussierung auf individualisierte und exzeptionalisierte, körperliche Gewalt sowie deren Bekämpfung durch Hasskriminalitätsgesetze (Kapitel 10). Im Kontext von Staatsgewalt wird resümiert, dass das binäre Geschlechtersystem als Verbindung der Foucaultschen Disziplinarmacht und Biomacht hergestellt und aufrechterhalten wird. Die produktive biopolitische Macht der (Selbst-) Normalisierung und -optimierung wird dabei durch indirekte Disziplinarpraktiken ergänzt; maßgeblich durch die Psychopathologisierung und Verwerfung von Menschen, die Cis-Zweigeschlechternormen nicht entsprechen. Komplementär werden direkte Disziplinarpraktiken als legalisierte physische Staatsgewalt angewandt, z.B. die in 14 europäischen Ländern (sieben EU-Mitgliedsstaaten) noch existierende Zwangssterilisierung von Trans*Menschen (Kapitel 5) sowie auch invasivkörperliche nicht-konsensuale ‚geschlechtsangleichende Operationen‘ an Inter* (geschlechtlichen) Kindern in Deutschland (Kapitel 5.3). Diese werden im Kontext von (eugenischer) Bevölkerungspolitik kritisch diskutiert. Wenn die Aufrechterhaltung des Cis-Zweigeschlechtersystems nur möglich ist, indem geschlechtliche Vielfalt mit massiver, legalisierter Staatsgewalt rechtlich-medizinisch verworfen, pathologisiert und sanktioniert wird, kann diese Norm als grundlegende epistemische Gewalt der Bevölkerungsregulierung verstanden werden.
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1.1 THEORETISCH-EPISTEMOLOGISCHE UND METHODOLOGISCHE GRUNDLAGEN Die Frage, was Wissen ist, ob es neutral und objektiv ist und von wem es geschaffen und autorisiert wird, ist epistemologisch-philosophisch umstritten und umkämpft. Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Wissen und Macht, stellt eine Kerndimension poststrukturalistischer Theorie im Allgemeinen dar (vgl. Butler 1993; 1997a/b; 2004 a/b; Derrida 1988; Foucault 1991; 2003), im Besonderen von feministischen Ansätzen (vgl. Butler 1993, 1997b, 2004a/b; Haraway 2004; Lykke 2010), postkolonialer Theorie (vgl. Alarcón 1990; Alcoff 1995; Castro Varela/Dhawan 2005; Fanon 1980; Mohanty 2003; Spivak 1988) und kapitalismuskritischen Ansätzen (Adorno 1980; Horkheimer/Adorno 1988; Marx/Engels 1956). Diesem Buch liegt ein poststrukturalistisches Wissenschaftsverständnis zu Grunde, das die Vorstellung von objektiven, wertneutralen und kausalen Erklärungen ‚natürlicher‘ Gegenstandsbereiche der Metaphysik zurückweist. Poststrukturalistische Forschung hinterfragt die epistemologischen und ontologischen Grundannahmen des abendländischen modernen Denkens und kann als Absage an die erklärenden Ansätze des Positivismus verstanden werden (vgl. Wodak 2001, 64). In diesem Zusammenhang werden der Aufklärungsgedanke der westlichen Moderne, die Vorstellung von menschlichem und zivilisatorischem ‚Fortschritt‘ und Universalitätsansprüche radikal infrage gestellt und im Kontext von Machtverhältnissen problematisiert. Poststrukturalistische Ansätze gehen stattdessen davon aus, dass Wissen und Wissenschaft nie neutral und objektiv sind, sondern als Teil und Produkt einer intersubjektiv konstruierten Welt verstanden werden müssen (vgl. Haraway 2004, 89, 105). Dabei liegt der Fokus auf dem kontextspezifischen, konstruierten, partikularen und pluralen Charakter von Wissen und Wahrheit. ‚Wissen‘ wird so verstanden, dass es immer auf impliziten epistemischen Grundannahmen und Axiomen basiert und stets in Machtverhältnissen situiert ist (vgl. Foucault 2003b, 14 f.; Haraway 2004, 89, 105). Auf der Grundlage (de-)konstruktivistischer feministischer Theorien (vgl. Butler 1993, 1997b, 2004a/b; Haraway 2004; Hornscheidt 2013a) konzipiere ich ‚Wissen‘ epistemologisch, als Produkt regulierter und machtvoller Prozesse der Bedeutungsaushandlung. Wissensbildung ist eine Handlung, die nach Butler als kontinuierliches, epistemisch-politisches doing and undoing von Wissen verstanden werden kann (vgl. Butler 2004; Lykke 2010). Dabei sind Prozesse der Wissensproduktion, -rezeption und -autorisierung von besonderer Relevanz (vgl. Butler 1990, 30; 1997, 10; Foucault 1991, 19 f.; 2003, 7-25; Hornscheidt 2010, 449; Loomba 1998, 37; Spivak 1988, 66-111). Im Rahmen der machtvollen Autorisierungs- und Naturalisierungsprozessen dessen, was als Wissen und natürliches Subjekt definiert wird und was nicht, kommt Ausschluss- und Verwerfungspraktiken von nichtkonformen
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Wissensbildungen eine herausragende Bedeutung zu (vgl. Butler 1990, 30; 1997, 10; Foucault 1991, 19 f.; 2003, 7-25; Hornscheidt 2010, 449; Loomba 1998, 37; Spivak 1988, 66-111). Die Gewaltförmigkeit dieser Ausschlusspraktiken, die ‚anderes‘ Wissen, das nicht in den hegemonialen epistemischen Bedeutungsrahmen eingepasst werden kann, nicht nur ausschließt oder marginalisiert, sondern radikal als minderwertiges Wissen oder Nicht-Wissen verwirft, wird von Spivak in dem Essay Can the subaltern speak? aus feministisch-postkolonialer Perspektive mit dem Begriff epistemische Gewalt umschrieben (vgl. Spivak 1988, 66-111). Die oft falsch verstandene Frage bezüglich epistemischer Gewalt ist nicht, so betont Spivak, ob und wie es möglich ist, dass Subalternen eine Stimme gegeben werden kann, denn sie haben bereits eine Stimme und Wissen. Die Problematik besteht darin, dass ihre Stimmen und ihr Wissen durch hegemoniale Wissensnormen, Diskurspraktiken und Strukturen des Hörens kontinuierlich als minderwertiges Wissen oder Nicht-Wissen verworfen werden (vgl. Spivak 1988, 66-111). Spivaks Konzept der epistemischen Gewalt kann dabei auch als Herstellung von Subjekten als ‚Andere‘ in einem Epistem verstanden werden (vgl. Spivak 1988, 66-111). Epistemische Gewalt bezieht sich folglich auf machtvolle Autorisierungsprozesse, die hegemoniale Wissensbildungen durch Ausschluss- und Verwerfungspraktiken hervorbringen (vgl. Butler 1990, 30; 1997, 10; Foucault 1980, 82; 1991, 19-23; 2003, 11-25; Hornscheidt 2010, 449; Mills 2007,116, 131; Loomba 1998, 37). Durch epistemische Gewalt wird in einer bestimmten Staats- und Gesellschaftsordnung definiert, was als Wissen anerkannt und autorisiert wird und welches und wessen Wissen damit gleichzeitig als Nicht-Wissen zu verwerfen ist: „[...] epistemology is an economy of information privileged and information excluded, and that subject formations arise out of this economy. I also know that canonical and national formations rarely disclose what they have rejected“ (Ferguson 2004, ix; vgl. Foucault 2003b, 7-14 f.; Haraway 2004, 89, 105). Damit wird bestimmt, was die vermeintlich vorgängigen ‚natürlichen‘ ontologischen Grundlagen einer Staats- und Gesellschaftsordnung und ihrer Normalität sind (vgl. Butler 1990, 30; 1997, 10; Foucault 1991, 19 f.; 2003, 7-25; Hornscheidt 2010, 449; Loomba 1998, 37; Spivak 1988, 66-111). Die kontinuierlichen, epistemisch-politischen Akte des Schaffens, Verwerfens und Veränderns von Wissen sind immer in Machtverhältnissen situiert und demnach partiell und spezifisch (vgl. Haraway 2004, 89, 105). In diesem Buch wird kein Modell oder Regelwerk für die kritische Forschung zu Trans* und Gewalt vorschlagen. Die vorgenommene Analyse von Gewalt gegen Trans*Menschen kann (inspiriert durch Deleuze/Guattari 1987; Haraway 1991 und Puar 2007) als situierte Assemblage verstanden werden, als prozessorientierte, dekonstruktivistische und kontextspezifische Reflexion gegenwärtiger, lokaler und partieller Diskurse und Praktiken. Dieser Assemblage liegt eine dekonstruktivisti-
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sche Erkenntnisperspektive zu Grunde (vgl. Derrida 1988, 3),5 die den Fokus auf Prozesse und Praktiken der Normierung und Normalisierung (vgl. Butler 2004, 4055; Foucault 2003b, 253; 1983, 139) sowie dem Ausschweigen (silencing6) und der Verwerfung von Wissen und Existenzweisen legt (vgl. Alarcón 1990, 363 f.; McCall 2005, 178; Spivak 1988, 66-111). Mein Analysefokus liegt auf Gewaltformen, die in hegemonialen Machtverhältnissen durch bestehende Diskurs- und Subjektnormen dermaßen naturalisiert und normalisiert sind, dass sie oft nicht als Gewalt wahrgenommen werden. Die zentralen Forschungsfragen der Arbeit sind: Welche Formen von Gewalt gegen Trans*Menschen werden durch welche Konzepte, Rahmungen und Verständnisse von Gewalt und Diskriminierung thematisiert und herausgefordert? Welche Formen von Gewalt werden weiterhin ausgeschwiegen, marginalisiert und damit implizit reproduziert und normalisiert? Damit verbunden sind die metaanalytischen Fragen, wie Normen mit Gewalt in Verbindung stehen und wie sich das Verhältnis von violence und silence, von Gewalt und Schweigen auf unterschiedlichen Ebenen des hegemonialen Ausschweigens ausgestaltet. Diesem hegemonialen Ausschweigen (silencing) und der Normalisierung von Gewalt kommt eine sehr wichtige Bedeutung für die Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse zu. Von besonderer Relevanz sind dabei Gewaltformen, die in bestehenden Staats- und Gesellschaftsformen so eingelassen und normalisiert sind, dass sie nicht als Gewalt wahrgenommen werden. Diese Formen der normativen Gewalt (vgl. Butler 2004a, 41-56), der epistemischen Gewalt (vgl. Spivak 1988, 66-111), sowie der legalisierten Gewalt (vgl. Reddy 2011; Spade 2011) definieren und begrenzen, was Menschsein und Subjektsein ausmacht. 1.1.1 Subjektivierungs- und Verwerfungspraktiken Die Gewaltanalyse wird mithilfe der Kritischen Diskursanalyse/Critical Discourse Analysis umgesetzt (vgl. Fairclough 2005; Jäger 2009; Wodak 2001), v.a. mit analytischen Zugängen der postkolonial-feministischen Diskursanalyse (vgl. Hornscheidt 2010; Loomba 1998; Mills 2007). Die Kritische Diskursanalyse ist maßgeblich inspiriert durch Foucaults machtkritisches Diskursverständnis. Diskurs wird von Foucault definiert als „eine Menge von Aussagen, die dem gleichen Formationssystem angehören“ (Foucault 1981, 156). Der Diskurs wird als eine hervorbringende Macht verstanden: Erstens hat der Diskurs als regulierende Formierung 5
Mit Verweis auf Derrida wird Dekonstruktion nicht als Methode verstanden, sondern als kontinuierlicher Prozess der Infragestellung und Herausforderung von Regeln, Normen und Kanonisierungen (vgl. Derrida 1988, 3).
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Silencing kann sowohl als Ausschweigen und zum Schweigen-Bringen als auch als Ignoranz und Nicht-Zuhören verstanden werden (vgl. Hornscheidt 2000, 450).
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von Aussagen eine produktiv-definitorische Macht inne, indem er einen Gegenstandsbereich definiert (Definitionsmacht) und diesen dadurch in einem bestimmten Kontext hervorbringt. Zweitens besitzt der Diskurs disziplinierende Macht. Er stellt ein regelgeleitetes, versprachlichtes Repräsentationssystem dar (vgl. Hall 2001, 72). Als solches bringt der Diskurs spezifische Formen von Wissen, Wahrheit und Realität hervor und schließt mithilfe der drei großen Ausschlussmechanismen – „das verbotene Wort; die Ausgrenzung des Wahnsinns; der Wille zur Wahrheit“ (Foucault 2003, 16, 7 f.) – anderes Wissen aus. Diskurs, verstanden als historischinstitutionell reguliertes Aus- und Einschließungssystem von Aussagen, formiert eine „Politik der Wahrheit“, die durch die Regulation des Denk- und Sagbaren den konstitutiven Ort sozialer Realität und Bedeutung im Sinne der Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen herstellt (Foucault 2003, 25, 11; vgl. 1991, 19 f., 23 f.; Jäger 2009). Die Bedeutung und Identität eines Objekts wird nach diesem Verständnis erst in einem spezifischen Diskurs definiert und zugewiesen. Die postkolonial-feministische Diskursanalyse legt den Fokus darauf, wie bestimmte, hegemoniale Wissensbildungen, Geschichtsschreibungen und Identitätskonstruktionen (zum Beispiel die Konzepte ‚Frau‘ oder ‚der Westen‘) ihrerseits diskursiv hervorgebracht, institutionalisiert und reproduziert werden. Die vermeintlich vorgängige Normalität und Normativität wird als Produkt bestimmter Autorisierungs- und Naturalisierungspraktiken innerhalb bestehender Machtverhältnisse verstanden (vgl. Hornscheidt 2010, 448-452). Hierfür sind Subjektwerdungspraktiken elementar. Die Definition dessen, was ein Subjekt und was Subjektivität ist, artikuliert und manifestiert sich, so Foucault, als Zusammenhang zwischen Diskurs und Macht: „Wissen und Macht bilden eine Allianz, die diskursiv die historisch jeweils gültige Subjektivität bestimmt“ (Althoff/Bereswill/Riegraf 2001, 239; vgl. Foucault 2003a, 29; Hall 2002, 75-80).7 Der von Machtverhältnissen durchsetzte Diskurs hat nach diesem Verständnis sowohl eine ermöglichende als auch eine disziplinierende Funktion. Er stellt die Bedingung für den Subjektstatus dar, indem er das Subjekt in einen spezifischen Wissensapparat ein- und dadurch unterordnet. Subjektivierung meint dabei die paradoxen Prozesse der Unterwerfung von Men7
Diskurs und Macht sind dabei, Foucault folgend, untrennbar miteinander verbunden und befinden sich in einem dynamischen Verhältnis wechselseitiger Bedingtheit: „Es handelt sich um ein komplexes und wechselhaftes Spiel, in dem der Diskurs gleichzeitig Machtinstrument und -effekt sein kann, aber auch Hindernis, Widerstandspunkt und Ausgangspunkt für eine entgegengesetzte Strategie. Der Diskurs befördert und produziert Macht; er verstärkt sie, aber er unterminiert sie auch, er setzt sie aufs Spiel, macht sie zerbrechlich und aufhaltsam“ (Foucault 1983, 100 f.). Damit wird der Diskurs zum umkämpften Ort von Macht und Widerstand: „[...] er [der Diskurs] ist dasjenige, worum und womit man kämpft; er ist die Macht, derer man sich zu bemächtigen sucht“ (Foucault 2003, 11; vgl. 1972; Jäger 2009).
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schen durch Machtverhältnisse (v.a. durch Normierungs- und Normalisierungsprozesse) und ihrer gleichzeitigen Hervorbringung als Subjekte durch ebendiese Machtverhältnisse: „Subjektivation bezeichnet den Prozeß des Unterworfenwerdens durch Macht und zugleich den Prozess der Subjektwerdung“ (Butler, 1997, 10; vgl. 2001, 26).8 Gewalt ist damit elementarer beziehungsweise normativer Bestandteil von Subjektwerdung, da die Unterwerfung ihre Voraussetzung darstellt. Subjektwerdung beschreibt dabei eine zweifache Unterwerfung – erstens die Unterwerfung durch Macht und zweitens die Selbst-Unterwerfung: „Es bezeichnet das Subjekt, das der Herrschaft eines anderen unterworfen ist und in seiner Abhängigkeit steht; und es bezeichnet das Subjekt, das durch Bewusstsein und Selbsterkenntnis an seine eigene Identität gebunden ist. In beiden Fällen suggeriert das Wort eine Form von Macht, die unterjocht und unterwirft“ (Foucault 2005, 245). Das Subjekt ist dadurch Schnittstelle von Macht und Widerstand. Die ‚Handlungsfähigkeit‘ des Subjekts erscheint als Wirkung seiner Unterordnung: „Jeder Versuch des Widerstands gegen diese Unterordnung setzt diese notwendigerweise voraus und ruft sie erneut hervor“ (Butler 2001, 16). Indem Menschen in hegemonialen Machtverhältnissen durch Normen unterworfen, normalisiert, sanktioniert und reguliert werden, werden sie erst als intelligibel, das heißt als lesbare und verstehbare Subjekte hervorgebracht, denen eine bestimmte Freiheit und Handlungsfähigkeit zuteil wird (vgl. Butler 2001, 26). Intelligibilität ist dabei an hegemoniale Subjektnormen gebunden. Auf Grundlage dessen, was hegemonial als ‚normales‘, ‚gesundes‘, ‚würdiges‘ und ‚produktives‘ Leben und als entsprechende menschliche Daseinsformen deklariert wird, wird definiert, was einen Menschen zum Subjekt macht, welches es von anderen Daseinsformen und Lebewesen abzugrenzen und vor diesen zu schützen gilt (vgl. Butler 1990, 30; 1993, 7-55, 94-99; 1997, 10-15, 135; 2001, 26; 2004a, 11-32, 41-52; 2004b, 32; Spivak 1988, 66-111). Dabei sind,
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Paradox ist die Subjektstruktur aufgrund der Annahme, dass das Subjekt Macht internalisiert, die Subjektkonstitution sich aber aus der Internalisierung von Macht ergibt: „Das Paradox der Unterwerfung impliziert ein Paradox der Referentialität: dass wir uns nämlich auf etwas beziehen müssen, was noch gar nicht existiert“ (Butler 2001, 10). Damit wird ein topologisches Dilemma beschrieben: „Die Geschichte der Subjektivation ist notwendig zirkulär und setzt ebendas [sic] Subjekt schon voraus, das sie erst erklären will“ (Butler 2001, 15f vgl. 9, 10). Butler versteht das Subjekt sowohl als Effekt einer vorgängigen Macht als auch als Möglichkeitsbedingung für widerständiges Handeln: „Das Subjekt lässt sich durchaus so denken, dass es seine Handlungsfähigkeit von ebender Macht bezieht, gegen die es sich stellt“ (Butler 2001, 22). Sowie: „Der Begriff der Macht erscheint somit in zwei unveränderlichen Zeitmodalitäten: erstens als das was für das Subjekt immer vorgängig ist, außerhalb seiner selbst und von Anfang an wirksam; zweitens als gewollte Wirkung des Subjekts“ (Butler 2001, 18-19).
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so Butler und Hornscheidt, insbesondere hegemoniale Diskursnormen der Anrufung (Interpellation) relevant: „The subject is the linguistic occasion for the individual to achieve and reproduce intelligibility, the linguistic condition for existence and agency. No individual becomes a subject without first becoming subjected or undergoing subjectivation. […] The story, by which subjection is told is, inevitably, circular, presupposing the very subject for which it seeks to give an account“ (Butler 1997, 10; vgl. 1993, 8, 44; Hornscheidt 2007, 70-72; 2008, 22-23).
Die Subjektwerdung basiert folglich auf epistemischer Gewalt, indem sie zu regulierende Subjekte und zu verwerfende Abjekte hervorbringt (vgl. Spivak 1988, 66111). Das ‚Abjekt‘ kann als negativer Gegenpart des Subjekts verstanden werden, denn machtvolle Normen und Normierungen gehen einher mit der Verwerfung all dessen, was ihnen grundlegend nicht entspricht und sie damit grundlegend infrage stellt: „To be oppressed means that you already exist as a subject of some kind [...] To be oppressed you must first become intelligible. To find that you are fundamentally unintelligible (indeed, that the laws of culture and language find you to be an impossibility) is to find that you have not yet achieved access to the human, to find yourself speaking only and always as if you were human, but with the sense that you are not“ (Butler 1990, 30; vgl. 1997, 10; Spivak 1988, 66-111).
Ein konstitutives Moment für die Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse und Vorherrschaftsideologien ist folglich die epistemische Gewalt der Verwerfung von sowohl widerständigem und alternativem Wissen, als auch nicht-konformer Existenzweisen als nicht-intelligibel (vgl. Butler 1990, 30; 1993, 7-55, 94-99; 1997, 10-15, 135; 2001, 26; 2004a, 11-32, 41-52; 2004b, 32, Hornscheidt 2000, 450; Spivak 1988, 66-111). Wer und was ein Subjekt ist, wird in formell demokratischen Rechtsstaaten maßgeblich über den Status als Rechtssubjekt festgelegt, die de jure9 unveräußerliche Bürger- und Menschenrechte genießen (vgl. Butler 1990, 30; 1997, 10; 2001, 26; Hark/Genschel 2003). Eine zentrale Voraussetzung, damit Menschen in bestehenden Staats- und Gesellschaftsformen als (Rechts-)Subjekte anerkannt werden, ist die Unterwerfung unter hegemoniale Normen wie unter anderem die naturalisierte Cis-Zweigeschlechternorm. 9
De jure und de facto sind rechtlich geprägte Begriffe, die den Unterschied zwischen normativem Sollenszustand zum Beispiel rechtlicher Gleichbehandlung (de jure) und der tatsächlich mangelnden Umsetzung beziehungsweise den tatsächlich bestehenden Grenzen dieser Gleichbehandlung (de facto) auch im Hinblick auf ungleiche Zugänge und strukturelle Diskriminierungen ausdrücken.
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Zweigeschlechtliche Subjektivierung „ Brauchen wir wirklich ein wahres Geschlecht? Mit einer Beharrlichkeit, die an Starrsinn grenzt, haben die Gesellschaften des Abendlandes dies bejaht“
oucault
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Die obligatorische Zuweisung zu einem von zwei Geschlechtern (‚Frau‘ oder ‚Mann‘) (vgl. Butler 1990, 217; 1997, 27; Hornscheidt 2012, 50-83) stellt eine elementare Grundlage der Subjektwerdung im Rahmen von Staatsbürger*innenschaft10 dar (vgl. Butler 2001, 26). In formell demokratischen, säkularen Nationalstaaten wird die (cis-)zweigeschlechtliche Unterwerfung, Normierung und Normalisierung als Bedingung der Subjektwerdung insbesondere durch das Konzept von exklusiv zweigeschlechtlicher Staatsbürger*innenschaft durchgesetzt. Besonders relevant sind dabei erstens die medizinische Zuweisung eines Neugeboren zu einem von exklusiv zwei Geschlechtern (‚männlich‘ oder ‚weiblich‘) (vgl. Voß 2010; 2012; 2014; Fausto-Sterling 2002) und zweitens die juristische Festschreibung dieses Geschlechts in der Geburtsurkunde (vgl. de Silva 2005 a/b, 2007a/b, 2008 a/b; Plett 2003 a, b, 2006). Auch die Anrufung oder Interpellation stellt einen konstitutiven Akt der zweigeschlechtlichen Subjektwerdung dar, der maßgeblich durch binär vergeschlechtlichte Namensgebung und Personalpronomen erfolgt. Für die zweigeschlechtliche Subjektivierung ist insbesondere die normalisierte und naturalisierte Frage: „Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ als Subjektivierungspraktik von Bedeutung (vgl. Butler 1993, 8, 44; 1997, 135; Hornscheidt 2007, 70-72; 2008, 22-23; Lykke 2010, 281). Die versprachlichte Vergeschlechtlichung ist allgegenwärtig, normalisiert und erfolgt zum Beispiel in der naturalisierten Bezeichnung von Menschen als ‚er‘ oder ‚sie‘, ‚der Mann‘, ‚der Junge‘, ‚die Frau‘ oder ‚das Mädchen‘, sowie in institutionalisierten Anreden wie ‚Herr …‘, ‚Frau …‘ oder ‚Sehr geehrte Damen und Herren‘.
10 Der Asterix * sowie der Unterstrich _ drücken schriftsprachlich die Nicht-Existenz von Subjekt- und Sprachverständnissen jenseits der Zweigeschlechtlichkeit aus. Während der Unterstrich die existierende Lücke von Subjekte- und Sprachformen jenseits der normativen Zweigeschlechtlichkeit im deutschen sprachbildlich deutlich markiert, drückt der Asterix * die Diversität und Dynamik von Geschlechtsidentitäten aus, und wird mittlerweile zunehmend durch die Verwendung in einigen staatlichen autorisierten Dokumenten (z.B. des Bundesfamilienministeriums oder von Universitäten) institutionalisiert. Sowohl die Verwendung sowohl des *, als auch des _ beinhalten bestimmte Vor- und Nachteile. Aus Gründen der Anschlussfähigkeit, Diversität und des Schriftbilds verwende ich in diesem Buch die * Variante.
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Um die Normalität und Natürlichkeit der Zweigeschlechtlichkeit zu institutionalisieren und aufrechtzuerhalten, müssen die unterwerfenden Subjektivierungspraktiken kontinuierlich wiederholt und fortgeschrieben werden (vgl. Butler 1990; 2003; 2004; Hornscheidt 2012; 2014). Nur durch diese Wiederholung, sowie die performative Selbstregulierung und -normalisierung wird das historisch konstruierte Zweigeschlechtermodell als vermeintlich präexistente Daseinsform naturalisiert: „Thus, a restrictive discourse on gender that insists on the binary of man and woman as the exclusive way to understand the gender field performs a regulatory operation of power that naturalizes the hegemonic instance and forecloses the thinkability of its disruption“ (Butler 2004, 41; vgl. 1997, 10; 1993, 8, 44; Hornscheidt 2007, 70-72; 2008, 22-23). Es kann festgehalten werden, dass die medizinischjuristischen Praktiken der zweigeschlechtlichen Zuweisung und Subjektivierung kontinuierlich durch binär vergeschlechtlichte, sprachliche Anrufungspraktiken, Benennungen und gesellschaftlichen Kohärenzdruck reproduziert werden (vgl. Bertosa 2005; Butler 1993; 1997; 2004; Hornscheidt 2007; 2008). Im Zusammenwirken von Recht und Medizin sowie Sprache/Diskurs wird die Norm der Cis-Zweigeschlechtlichkeit als vermeintlich ontologische Grundlage naturalisiert, (rechtlich) institutionalisiert und mit normativer Gewalt aufrechterhalten. Die institutionalisierte Cis-Zweigeschlechtlichkeit ist dabei allgegenwärtiger Zwang und eine Gewaltform, die alle Menschen zweigeschlechtlich normiert, normalisiert und reguliert (vgl. Plett 2006, 164). Sie wirkt sich jedoch, wie im Folgenden argumentiert wird, besonders schädigend und gewaltvoll auf Menschen aus, die der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen. Diese werden rechtlich verworfen und durch Sondergesetze reguliert und in medizinischen Diskursen pathologisiert (Kapitel 3-5). Die staatlich institutionalisierte cis-zweigeschlechtliche Subjektivierung, Abjektivierung und Psychopathologisierung und ihre gewaltvollen Auswirkungen werden in Kapitel 2.3 als normative Staatsgewalt konzipiert und vertiefend analysiert. Im Folgenden wird mithilfe des Konzepts Intersektionalität erörtert, dass Gewalt nicht ausschließlich auf cis-zweigeschlechtlich normierender Subjektivierung und Gewalt basieren. Vielmehr sind sie inhärent verbunden mit rassistischen, klassistischen/kapitalistischen, heterosexistischen und ableistischen Normierungen, sowie damit verbundenen Subjektivierungs- und Abjektivierungspraktiken.
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1.1.2 Das Paradigma der Intersektionalität Das Konzept Intersektionalität/Interdependenz11 wurde in den 1980er Jahren von Schwarzen Feminist*innen und Feminist*innen of Color in den USA entwickelt, um die miteinander verwobene rassistische, kapitalistische und hetero-patriarchale Gewalt gegen sie zu thematisieren, die sowohl in weiß dominierten feministischen Kämpfen als auch in Schwarzen Bürgerrechtsbewegungen ausgeschwiegen wurde: „We believe that sexual politics under patriarchy is as pervasive in Black women’s lives as the politics of class and race. We also often find it difficult to separate race from class from sex oppression because in our live they are most often experienced simultaneously. We know that there is such a thing as racial-sexual oppression which is neither solely racial nor solely sexual [such as] the history of rape of Black women by white men as a weapon of political oppression“ (Combahee z. n. White 2001, 46, 47).
Wichtige Grundlagentexte zu Intersektionalität sind insbesondere das Statement des Combahee River Collective (1983), sowie Texte von Audre Lorde (1983), Kimberlé W. Crenshaw (1991) und Patricia Hill Collins (2000). Mit dem Konzept Intersektionalität wurde und wird ein analytisch-konzeptioneller Paradigmenwechsel vorgeschlagen. Dieser soll die vorherrschende monokategoriale und singuläre Thematisierung von nur einem Ungleichheitsverhältnis ablösen – in feministischen Theoriebildung maßgeblich Sexismus und patriarchale Unterdrückung: „Political strategies that challenge only certain subordinating practices while maintaining existing hierarchies not only marginalize those who are subject to multiple systems of subordination but also often result in oppositionalizing race and gender discourses“ (Crenshaw 1997, 550; vgl. 1989). Stattdessen wird die intersektionale, das heißt die wechselseitige Konstitution von zweigeschlechtlich-normierten, heterosexistischen, rassistischen, klassistischen und ableistischen Gewaltverhältnissen betont, die eine isolierte Thematisierung von einzelnen Identitäts- und Gewaltdimensionen nicht 11 Für ausführliche Ausführungen zu Intersektionalität siehe Combahee River Collective 1983; Crenshaw 1991; Davis 2008; Dietze 2001; Eggers et al. 2005, 2007; Engel 2005; El-Tayeb 2003, 2011; Erel/Haritaworn/Gutiérrez Rodríguez/Klesse 2008; Ferguson 2004; Frankenberg 1997; Gutiérrez Rodríguez 2003; Ha 2007; Haritaworn 2005, 2009 a/b; 2011a/b, 2014; Hark 2007a; Haschemi Yekani et al. 2008; Hill Collins 1998; Kerner 2009a/b; Kilomba 2002; Klinger/Knapp 2008; Knapp 2005; Knapp/Wetterer 2003; Klinger/Knapp/Sauer 2007; Lykke 2010; McCall 2005; Meyer/Purtschert 2008; Winkler/Degele 2009. Zu Interdependenz siehe Eggers et al. 2005, 2007; El-Tayeb 2003; Hornscheidt 2007; 2012a,c, 2013a, 2014; Lorey 2006;. Walgenbach/Dietze/Hornscheidt/Palm 2007; Weiß u. a. 2001.
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zulässt (vgl. Lorde 1983, 9).12 Intersektionalität stellt folglich eine politische Strategie und ein wissenschaftliches Paradigma dar, das analyisierbar und adressierbar macht, dass Machtverhältnisse sich wechselseitig konstituieren und verstärken: „‚Intersectionality‘ is a conceptual tool that exposes the differences, the heterogeneity, within what are assumed to be homogeneous identity categories and groups. It draws attention to the impact of existing multiple structures of social division in the production of social hierarchies [...] The multi-dimensionality of the social experience of exclusion by way of race, class, gender, sexuality and ethnicity cannot be understood merely as a series of categories to be added together or subtraced […] [but are] inextricably linked to each other and are thus always a part of any context“ (Morgan/Sharpe 2004, 400).
Die grundlegende Annahme, dass sich Machtverhältnisse wechselseitig bedingen, reproduzieren und verstärken, bedeutet für die Analyse von Gewalt gegen Trans*Menschen eine Absage an analytische oder politische Ansätze, die nur ein Gewaltverhältnis wie ‚Transphobie‘13 oder cis-zweigeschlechtlich normierende Gewalt thematisieren. Für das vorliegende Forschungsvorhaben relevant ist hierbei insbesondere Erel, Haritaworn, Rodríguez und Klesses kritische Reflexion intersektionaler Ansätze der Genderforschung (vgl. Erel et al. 2008). Die Autor*innen problematisieren, dass insbesondere Menschen of Color sowie Trans*Menschen häufig in ein wechselseitiges Konkurrenzverhältnis gesetzt werden, wodurch Trans*Menschen of Color nicht berücksichtigt beziehungsweise marginalisiert werden (vgl. Erel et al. 2008, 9; Kilomba 2002; Roen 2006). 14 Auch, wenn die Publikation ein Jahrzehnt alt ist und sich in der Zwischenzeit einiges geändert hat – maßgeblich durch die Selbstorganisation von Trans*Menschen of Color (siehe zum Beispiel das seit 2015 jährlich stattfindende CuTie.BIPoC Festival15 oder das seit 12 Siehe hierzu Lordes Kritik an der monokategorialen Thematisierung von Identitäten und Gewalt: „Within the lesbian community I am Black, queer/and within the Black community I am a lesbian. Any attack against Black people is a lesbian and gay issue, because I and thousands of other Black women are part of the lesbian community. Any attack against lesbians and gays is a Black issue, because thousands of lesbians and gay men are Black“ (Lorde 1983, 9). 13 http://www.transrespect-transphobia.org/ (Zugriff 22.07.2018). 14 Wie in diesem Buch im Kontext von Biopolitik argumentiert wird, sind dichotome Identitätskonstruktionen – wie etwa Transsexuelle versus Transgender, Trans*Menschen versus Menschen of Color, Trans*Menschen versus Menschen mit Behinderungen – zudem problematisch, da dadurch biopolitische subdifferenzierende Regulierungspraktiken aufrechterhalten werden, die partielle Normalisierung und Inklusion bei gleichzeitig durchgeführter Verwerfung und Exklusion ermöglichen (Kapitel 9-10). 15 https://cutiebpocfestblog.wordpress.com/ (Zugriff 22.07.2018).
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2016 existierende Trans*Film Festival TransFormations16; vgl. Bacchetta/eltayeb/Haritaworn 2015), ist die Aussage von Erel, Haritaworn, Rodríguez und Klesse nach wie vor relevant, denn weiterhin basieren viele akademische Ansätze zu Trans* Studies und Trans*Politiken/Aktivismus auf weißen Normen. Aufgrund von monokategorialen Identitäts- und Gewaltkonzepten in Forschung und Aktivismus kann eine ähnliche Marginalisierung und Ausblendung unter anderem auch von Trans*Sexarbeiter*innen, Geflüchteten sowie von Menschen, mit Behinderungen, festgestellt werden. Wie intersektionale Machtverhältnisse in dezentralen, neoliberalen und formell demokratischen Staats- und Gesellschaftsformen aufrechterhalten werden, wird nun mithilfe des Foucaultschen Konzepts von Biopolitik erläutert. 1.1.3 Biopolitik und Bevölkerungsregulierung Bevölkerungsregulierung kann, so Foucault, historisch grundlegend in drei unterschiedliche Machttypen differenziert werden. Die ersten beiden Machttypen, Pastoralmacht17 und Disziplinarmacht versteht Foucault als Grundlage der dritten Machtform, der Biomacht (vgl. Foucault 1983, 15ff, 118). In formell säkularen Gesellschaften ist neben der Biomacht auch die Disziplinarmacht für die Regulierung von Trans*Menschen durch normative Gewalt bedeutsam. Disziplinarmacht hat sich Foucault zufolge im Europa des 17. Jahrhunderts herausgebildet und steht in Verbindung mit der Entstehung der Humanwissenschaften. Disziplinarmacht besteht aus einem institutionell-juristischen Kontroll- und Ordnungssystem. Dieses System unterwirft das Individuum und seinen Körper zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Produktionsverhältnisse und überwacht und diszipliniert es mithilfe von Gefängnissen, Arbeitslagern, Zuchthäusern, Besserungs- und Jugenderziehungsanstalten, Psychiatrien, Krankenhäusern, Schulen und Fabriken (vgl. Foucault 1978, 135137; 1989, 176 f.; Schmechtel 2012, 30). Die Disziplinierung zielt letztlich darauf ab, den menschlichen Körper für die Aufrechterhaltung der ökonomischen Produktionsverhältnisse nicht nur zu unterwerfen, sondern auch effizient zu organisieren: „So formiert sich eine Politik der Zwänge, die am Körper arbeiten, seine Gesten, seine Verhaltensweisen kalkulieren und manipulieren. Der menschliche Körper geht in eine Machtmaschinerie ein, die ihn durchdringt, zergliedert und wieder zusammensetzt. [...] Die Disziplin fabriziert auf diese Weise unterworfene und geübte Körper, fügsame und gelehrige Körper“ (Foucault 1989, 176 f.; vgl. 2003, 242, 250; 1983, 84-90, 134-137).
16 http://transformations-tffb.org/films-2016/ (Zugriff 22.07.2018). 17 In der Pastoralmacht hat der Pastor die Funktion des Schafhirten und führt die Individuen nach Vorstellungen der christlichen Morallehre (vgl. Foucault 1983, 15 f., 118).
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Die Disziplinierung des lebenden, gefügsam gemachten Körpers mit dem Zweck, diesen für die kapitalistische Produktion auszubeuten, erachtet Foucault als notwendige Voraussetzung für die Entstehung von Biomacht im 18. Jahrhundert (vgl. Foucault 1983, 84-90, 134-137). Biomacht basiert laut Foucault auf den institutionellen und juristischen Praktiken der Disziplinarmacht, geht aber über diese hinaus, da sie nicht nur auf die Disziplinierung des individuellen Körpers abzielt (vgl. Foucault 2003b, 242-246). Sie bezieht sich vielmehr auf die körperliche sowie verhaltensorientierte Selbst- und Fremd-Regulierung sowie Normalisierung des menschlichen Wesens, sowohl auf der Ebene des Individuums als auch der Bevölkerung. Biomacht ist damit auf das Leben an sich, seine Verwaltung und Normalisierung gerichtet, indem das Individuum und die Bevölkerung durch sie erst hervorgebracht und reguliert werden: „[…] so ist es doch den neuen Machtverfahren völlig fremd, die nicht mit dem Recht, sondern mit der Technik arbeiten, nicht mit dem Gesetz, sondern mit der Normalisierung, nicht mit der Strafe, sondern mit der Kontrolle, und sich auf Ebenen und in Formen vollziehen, die über den Staat und seine Apparate hinausgehen“ (Foucault 1983, 90 f., 137). Die produktiven und regulativen Funktionen von Biomacht intendieren, das Verhalten von Individuen zu regulieren und zu modifizieren, um eine ‚normale‘ und ‚gesunde‘ Bevölkerung herzustellen: „Diese Macht ist dazu bestimmt, Kräfte hervorzubringen, wachsen zu lassen und zu ordnen, anstatt sie zu hemmen, zu beugen oder zu vernichten“ (Foucault 1983, 132, 94 f.). Biomacht basiert dabei auch auf Selbstregulierung. Durch die Regulierung von Verhalten auf der Ebene von Individuen und Bevölkerungen wird die jeweils historisch-gesellschaftlich gültige Vorstellung von ‚gesunder‘, ‚normaler‘ Subjektivität hervorgebracht (vgl. Foucault 1983, 132-139, 165 f.). Dies führt zu einer ‚Normalisierungsgesellschaft‘: „The normalizing society is a society in which the norm of the discipline and the norm of regulation intersect along an orthogonal articulation“ (Foucault 2003 b, 253; vgl. 1983, 139). In liberalen Gesellschaften ist dabei der Zugriff, die Verwaltung, Kontrolle und Modifikation von Körpern im Rahmen von Gesundheits- und Bevölkerungspolitik von großer Bedeutung (vgl. Foucault 2003, 244-252). Dies geschieht maßgeblich durch die Regulierung von Fortpflanzung, die Erhebung von Geburten- und Sterblichkeitsraten, die Messung der Lebenserwartung sowie durch gesundheitspolitische Maßnahmen. Leben und Körper werden dabei durch Informationen aus statistischen Datenerhebungen, durch Voraussagen und Schätzungen zum Objekt, dass durch Macht- und Wissenspraktiken reguliert wird (vgl. Foucault 2003, 243). Hierfür stellt die Biomedizin ab dem 18. Jahrhundert ein wichtiges Instrument der Bevölkerungsregulierung dar, die es ermöglicht über Normen zu Gesundheit den individuellen Körper und die Bevölkerung als Ganzes zu regulieren: „These are the phenomena that begin to be taken into account at the End of the eighteenth century, and they result in the development of a medicine whose main function will now be public
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hygiene, with institutions to coordinate medical care, centralize power, and normalize knowledge“ (Foucault 2003, 244 f.). Durch die Verbindung von Medizin mit Maßnahmen der Hygiene wird Gesundheit als Norm sowie ein normalisierendes Wissen über Krankheit hervorgebracht. Dieses Wissen definiert, was gesunde Subjekte/Subjektivität von pathologischen Daseinsformen abgrenzt (vgl. Foucault 2003, 252). Elementar für Bevölkerungsregulierung ist die Regulierung und Pathologisierung von Sexualität über Diskurse zu ‚Krankheit‘, ‚Perversion‘ und (moralischem) ‚Schmutz‘: „Die Technologie des Sexes ordnet sich von nun an dem Gesundheitswesen und dem Normalitätsgebot unter“ (Foucault 1983, 116, vgl. 106, 117-136). Die Regulierung von Sexualität weitet den Einflussbereich von Bevölkerungspolitik aus und umfasst sowohl die Normalisierung von Heterosexualität, als auch die Zweigeschlechternorm als Gesundheitsnorm: „Daher das medizinische, aber auch politische Projekt einer staatlichen Verwaltung der Heirat, der Geburt und der Lebensverlängerungen: der Sex und seine Fruchtbarkeit müssen administriert werden. Die Medizin der Perversionen und die Programme der Eugenik bilden innerhalb der Technologie des Sexes die beiden großen Neuerungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ (Foucault 1983, 142, vgl. 135-143; Weingart 2002, 103).
Die fortschreitende Entwicklung von Techniken, die die Prozesse des Lebens kontrollieren und modifizieren, veranlassen Foucault, von einer Reflexion des „Biologischen im Politischen“ (Foucault 1999, 75, 94) zu sprechen. Biomacht kann folglich als Bevölkerungspolitik verstanden werden. Sie wird vor allem dann ausgeübt, wenn die Bevölkerung als ökonomisches und/oder politisches Problem auf (inter-) nationaler Ebene auftritt. Die Wirkung von Biomacht basiert dann auf der Rationalisierung von Problemen und der Schaffung von Techniken zur Lösung dieser Probleme (Foucault 2003 b, 242-245). Biomacht wird ausgeübt durch einerseits diversifizierte Regulierungen, Disziplinierungen und Normalisierungen und andererseits durch die Kontrolle und das Management von Individuen, indem diese in unterschiedliche Bevölkerungsgruppen differenziert werden. In ihrer Verschränkung von körperlichen Disziplinierungspraktiken und bevölkerungspolitischer Regulierung versteht Foucault Biomacht als Ausweitung politischer Macht, die auf die „Intensivierung des Körpers“ und die „Maximierung des Lebens“ abzielt (Foucault 1983, 120).
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1.2 ANALYSEMATERIAL, VERORTUNG UND ZIELSETZUNG SOWIE GRENZEN DER ANALYSE Forschung, die sich mit Gewalt gegen Trans*Menschen auseinandersetzt, ist ein weites Feld, das sich in Deutschland noch in den Kinderschuhen befindet (vgl. Pohlkamp 2015). Ziel dieses Buches ist es, einen Gewaltbegriff zu entwickeln, der über bestehende individualisierte und brutalisierte sowie cis-normative Gewaltbegriffe in Bezug auf Geschlecht hinausgeht. Die von mir vorgeschlagene Neukonzeption betont, dass Gewalt in zweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsformen erstens normativ verankert ist, und zweitens innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse verstärkt wird, was insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans* Menschen im Kontext von Biopolitik für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitige Tode exponiert. Die Arbeit will damit einen analytischen Beitrag zur sozialwissenschaftlichen und queer-feministischen Gewaltforschung, für Gender, Queer und Trans Studies sowie für Ansätze von Intersektionalität und Biopolitik leisten. Um normative und intersektionale Gewalt zu untersuchen, besteht ein Teil des Analysematerials aus psychiatrischen Diagnosen zu Geschlechtsidentität sowie dem deutschen Transsexuellengesetz. Dadurch kann die normative Verankerung, Allgegenwärtigkeit und Institutionalisierung von Gewalt gegen Trans*Menschen in ciszweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsordnungen herausgestellt werden. Darüber hinaus werden deutsch- und englischsprachige Menschenrechtsberichte und Antidiskriminierungsstudien theoriegeleitet analysiert. Dabei stehen die Fragen im Mittelpunkt, auf welchen Ebenen Gewalt gegen Trans*Menschen in diesen Berichten und Studien angesiedelt wird, wie Gewalt definiert wird und welche Dimensionen von Gewalt berücksichtigt werden. Hierfür beziehe ich mich auf Publikationen des Projekts Trans Respect versus Transphobia (TvT)18 sowie der Dachorganisation TGEU (Transgender Europe)19 Deren Publikationen sind zentral für die europäische Forschung zu Gewalt und Diskriminierungen gegen Trans* Menschen und für institutionalisierte Trans*Politik – insbesondere bezogen auf Gesetzesreformen. Um die Forschungslücke bezüglich intersektionaler Gewalt gegen Trans*Menschen herauszufordern, berücksichtige ich u.a. Publikationen von mehreren Berliner anti-rassistischen, queeren und/oder LSBTIQ (Lesben/Schwule/Bisexuelle/Trans*/Inter*Queer)-Organisationen und -Projekten (vor allem von LesMigraS und GLADT),20 da diese Projekte die Intersektionalität von Machtverhältnissen adressieren. Zudem wird sogenannte graue Literatur einbezogen, zum 18 Das Trans Respect versus Transphobia Projekt (TvT) wurde als Interessenvertretung und Forschungsprojekt der größten institutionalisierten Trans Organisation in Europa, dem Transgender Europe (TGEU) gegründet (Balzer/Hutta 2012, 108-109). 19 https://tgeu.org/ (Zugriff 22.07.2018). 20 http://www.gladt.de/; http://www.lesmigras.de/ (Zugriff 22.07.2018).
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Beispiel Presseerklärungen, Flyer, Internetpublikationen, Tagungs- und WorkshopBerichte. Durch den Einbezug dieser Quellen soll die Komplexität, Vielschichtigkeit und Pluralität von Gewalt berücksichtigt und eine notwendige Verbindung zwischen akademischen und aktivistischen Wissensbildungen geschaffen werden. Auch sollen über die Arbeit hinausgehende Anschlussstellen, Schnittmengen, wechselseitige Ergänzungen und kritische Reflexionen zu Gewalt ermöglicht werden. In diesem Zusammenhang gehe ich mit den Begriffskonzepten Diskriminierung und Mehrfachdiskriminierung21 strategisch-pragmatisch um (vgl. Castro Varela 2012, 9-19). Dies erfolgt im Sinne einer wechselseitigen Ergänzung, um eine Verbindung zu (reformorientierten trans*aktivistischen) Ansätzen herzustellen, die versuchen, Diskriminierungen und Gewalt gegen Trans*Menschen auf einer normativen Ebene zu reduzieren, also durch Gesetzesreformen. Die Begriffskonzepte der Diskriminierung und Mehrfachdiskriminierung werden verwendet, wenn es explizit um realpolitische Ansätze zur Bekämpfung von Diskriminierung auf der rechtlichen Ebene, sowie ihre NGO-politische und praktische Operationalisierung geht. Da Diskriminierung ein normatives Konzept ist, das stark rechtlich geprägt ist, ist es als Konzept jedoch problematisch. So ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beispielsweise direkt verbunden mit bestehenden Rechtsnormen und Rechtsstaatlichkeit. Das bedeutet, dass das Konzept Diskriminierung legalisierte Staatsgewalt normativ individualisiert, verharmlost, neutralisiert oder ganz ausschließt (vgl. Reddy 2011; Spade 2011). Folglich kann mit dem Konzept Diskriminierung aufgrund seiner rechtlichen Prägung nicht ausreichend thematisiert werden, wie Gewalt durch Normen hervorgebracht, legitimiert, normalisiert und durchgesetzt wird, insbesondere durch rechtlich-medizinische Normierungs-, Subjektivierungs- und Verwerfungsprozesse. Es 21 Das Begriff-Konzept Mehrfachdiskriminierung bezeichnet komplex miteinander verwobener beziehungsweise intersektionale Diskriminierungsformen und bezieht sich in dieser Analyse maßgeblich auf die LesMigraS-Studie 2012. Berücksichtigt wird dabei, dass das Begriffskonzept Mehrfachdiskriminierung im deutschen Kontext einerseits aufgrund seiner Prägung durch institutionalisierte NGO- und Antidiskriminierungspolitik realpolitisch orientiert, leichter vermittelbar und anschlussfähiger ist als das stärker akademisierte Konzept der Intersektionalität. Andererseits suggeriert das Konzept der Mehrfachdiskriminierung, dass Gewaltverhältnisse additiv und damit vermeintlich voneinander separierbar sind. Im Gegensatz dazu steht das intersektionale Verständnis, dass Gewaltverhältnisse sich inhärent wechselseitig bedingen, was eine Separierung unmöglich macht. Im deutschsprachigen Raum hat diesbezüglich die Antidiskriminierungs- und Anti-Gewaltarbeit von LesMigraS e.V. und ihre Studie (LesMigraS 2012) das Konzept Mehrdiskriminierung stark mit einem intersektionalen Bezug verbunden (vgl. LesMigraS 2012, 2025).
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geht in diesem Buch folglich um eine Neukonzeption und Erweiterung des Gewaltbegriffs. Es wird begründet, dass Gewalt gegen Trans*Menschen in zweigeschlechtlich-normierten Gesellschaften normativ verankert ist. Diese normative Gewalt ist jedoch derart normalisiert und legalisiert, dass sie nicht als solche thematisiert und anerkannt wird. Die Gewaltanalyse ist in der Tradition herrschaftskritischer Wissensbildung verortet, die die Verschränkung von Macht und Wissen betont. Anstatt die Neutralität und Objektivität von Wissenschaft auszurufen, bedeutet Forschung in dieser Tradition, machtstabilisierende Subjekt-Objekt-Beziehungen herauszufordern.22 Hierfür bedarf es der kontinuierlichen Reflexion der eigenen Forschungsinteressen, -perspektiven und -position innerhalb bestehender Machtverhältnisse (vgl. Hale 2006; Haritaworn 2008; Hornscheidt 2013; Lykke 2010). Meine eigene Position und Positionierung als Forscher*, Pädagoge* und Aktivist* ist in bestehenden Machtverhältnissen durch komplexe und relative Privilegien geprägt, die maßgeblich in Verbindung stehen mit Weißsein, Nicht-Behinderung und einem Bildungsund Klassenaufstieg, umkämpfter queerer Männlichkeit sowie einer osteuropäischen (Post-)Migrations- und Transitionsgeschichte. Meine Analyse ist zudem in einem spezifischen, sich konstant verändernden epistemologisch-politischen, räumlich-zeitlichen, geopolitischen und sprachlich-kulturellen sowie rechtlich-medizinischen Kontext verortet. Sie erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit oder Universalität. In meiner Forschung geht es konkret um die Analyse normativer und intersektional verstärkter Gewalt gegen Trans*Menschen. Damit leistet dieses Buch einen Beitrag zu bestehenden Theorie-Diskursen bezüglich Gender und Gewalt. Es sollen einerseits die Wissensfelder der Gender, Queer und Trans Studies, sowie der (queer-)feministischen Gewalt- und Intersektionalitätsforschung, andererseits die bestehende Forschung zu Biopolitik im deutschen und europäischen Kontext ausgeweitet, vertieft und kritisch reflektiert werden. Gleichzeitig ist ein Ziel dieses Buchs wissenschaftliche und politische Kämpfe und Visionen zu unterstützen, die die (Über-)Lebenschancen und Selbstbestimmung aller (Trans*) Menschen und ihren Widerstand gegen normative intersektionale Gewalt fördern. Dabei verstehe ich Kritik und produktive Differenzen (vgl. Cohen 2001) als elementar für die Weiterentwicklung von Analysen, kritischem Wissen sowie sozialen Bewegungen und Politik im Allgemeinen. Da der Fokus auf hegemonial ausgeschwiegener, normativer und intersektional verstärkter Gewalt gegen Trans*Menschen liegt, können Diskussionen und Ansätze aus der institutionalisierten Trans*Politik in Deutschland und in der EU, die den 22 Herausgefordert werden soll die Unterscheidung zwischen vermeintlich entpersonalisierten, objektiven und (wert-)neutralen Forscher*innen einerseits und ihren Forschungsobjekten andererseits, genau so wie die Trennung von Theorie und Praxis.
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Fokus maßgeblich auf Rechtsreformen legen, nicht in ihrer vollen Komplexität und Diversität dargestellt werden. Sie werden vielmehr exemplarisch im Kontext biopolitischer Überlegungen kontrovers diskutiert. Die Bedeutung entsprechender Politiken soll damit keineswegs in Abrede gestellt werden. Im Sinne einer Politik der produktiven Differenzen soll durch den Vorschlag einer stärkeren Berücksichtigung normativer und intersektionaler Staatsgewalt vielmehr das Verständnis von komplexen und paradoxen Gewaltverhältnissen gegen Trans*Menschen in Politik und Forschung geschärft werden. Die Grenzen dieser Arbeit sind bedingt durch die konstante Veränderung komplexer Diskurse, (inter-)nationaler Gesetzgebungen sowie medizinisch-psychiatrischer Diagnosen, die das Verhältnis von Trans* und Gewalt immer wieder neu strukturieren. Die Aussagekraft der Gewaltanalyse ist folglich partiell für den deutschsprachigen, räumlichen und zeitlichen Kontext (maßgeblich zwischen 2012 und Frühjahr 2015), in dem sie verfasst wurde. Wichtige rechtliche und medizinische Veränderungen zwischen 2015 und Frühjahr 2018 wurden in Kurzform eingearbeitet. Die Komplexität und Vielschichtigkeit von Gewalt gegen unterschiedlich positionierte Trans*Menschen kann aufgrund des Mangels an repräsentativer Forschung in Deutschland und Europa nur konzeptuell gefasst und exemplarisch aufgezeigt werden. Dies geschieht zum Beispiel, indem die intersektional verstärkte Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen of Color und/oder gegen Trans*Geflüchtete anhand der Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs untersucht wird (Kapitel 7). Dass auf derart wenig repräsentative Forschung zu Gewalt gegen Trans*Personen zurückgegriffen werden kann, betont die dringende Notwendigkeit der finanziellen Förderung weiterführender, normenkritischer sowie intersektionaler Forschung. In diesem Sinne wünsche ich mir die kontinuierliche Reflexion, Aktualisierung, Ergänzung, Erweiterung, Vertiefung und Kritik meiner Thesen durch weitere Gewaltanalysen.23 Dies geschieht mit dem übergeordneten Ziel, einen Beitrag zu leisten zur wissenschaftlich-politischen und gesamtgesellschaftlichen Veränderung hin zu einer weniger gewaltvollen Gesellschaft. Erweiterungen, Vertiefungen und Aktualisierungen normkritischer und intersektionaler Gewaltforschung sind insbesondere angesichts aktueller, politischer Veränderungen wichtig. Diese können positives Potential für die Zukunft bergen. Gleichzeitig muss genau untersucht werden, ob und wenn ja welche Trans*Menschen von zum Beispiel rechtlichen und medizinischen Veränderungen profitieren und welche weiterhin normativ für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitigen Tod exponiert werden. Dies gilt vor allem vor dem Hinter- und Vordergrund biopolitischer Lebens- und Todespraktiken, die im Kontext bestehender Machtgefüge (inter-)national seit jeher geprägt sind durch 23 Mein Wunsch ist, dass diese Arbeit – im Zusammenhang mit dem Mangel an intersektionalen Gewaltanalysen im deutschsprachigen Raum – als eine Grundlage für kritische Reflexion und für weitere Analysen von Gewalt gegen Trans*Menschen verstanden wird.
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Rassismus, (Neo-)Kolonialismus, Nationalismus, Kapitalismus, (Hetero-)Sexismus und Ableismus.
1.3 BEGRIFFE, DEFINITIONEN UND KONZEPTE Gender In diesem Buch werden neben dem deutschen Begriff Geschlechtsidentität hauptsächlich die englischsprachigen Begriffe Gender und Gender-Identität sowie Gender-Diversität verwendet, da es keine äquivalente Übersetzung für die Mehrdimensionalität und Komplexität von Gender im Deutschen gibt. Am ehesten beschreiben in der deutschen Sprache die Begriffe Geschlechtsidentität und Geschlechterverhältnisse die Konstruiertheit und Vielschichtigkeit von gender/sex: „Geschlechterdifferenz ist keine Gegebenheit, keine Basis, keine Prämisse [...] etwas, das nicht ausgesagt werden kann, das die Grammatik der Aussage verwirrt und das mehr oder weniger dauerhaft zu befragen bleibt“ (Butler 1997, 27). In Bezugnahme auf Butler wird die Unterscheidung zwischen gender (als soziales Geschlecht) und sex (als körperlich-biologisches Geschlecht, etwa Anatomie, Hormone, Chromosomen) aufgehoben, da sex und gender in einem wechselseitigen Konstruktionsprozess hervorgebracht und kontinuierlich aktiv reproduziert werden müssen: „Ja möglicherweise ist sex immer schon gender gewesen, so daß sich herausstellt, daß die Unterscheidung zwischen sex und gender letztlich gar keine Unterscheidung ist" (Butler 1990, 24). Sowohl gender als auch sex sind konstruiert und veränderbar und immer innerhalb spezifischer Machtverhältnisse situiert. Auch der menschliche Körper als Ort, in den Geschlecht eingeschrieben wird, unterliegt konstanten Transformationen, da sich soziokulturelle und historisch-politische Bedeutungszuweisungen beständig verändern (vgl. Butler 1990 24; Walgenbach/Dietze/ Hornscheidt/Palm 2007, 16, 84 f.). Zudem zeichnet sich der Körper selbst durch große Varianzen aus. Die konstanten Konstruktions- und Transformationsprozesse von gender/sex und der damit verbundene Kohärenzdruck werden jedoch durch machtvolle, institutionalisierte und naturalisierte zweigeschlechtliche Normierungsund Disziplinierungspraktiken ausgeblendet. Hierfür kommt der ausgeschwiegenen, jedoch obligatorischen Cis-Normierung von Geschlecht eine entscheidende Bedeutung zu.
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Cis-Gender Das Präfix cis- bedeutet etymologisch ‚diesseitig‘, ‚auf der gleichen Seite‘ oder ‚übereinstimmend‘. Der Begriff cisgender24 ist ein aktivistisches Konzept, das akademisch übernommen wurde (vgl. Serano 2012; Hornscheidt 2012, 115). Cisgender/cis-geschlechtlich wird verwendet für Menschen, bei denen die gefühlte und gelebte Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde übereinstimmt. Die Verwendung des Begriffs cisgender ist eine Schwerpunktverlagerung. Dabei geht es darum, nicht Trans*sowie Inter*(geschlechtliche) Menschen als ‚pathologische Andere‘ zu markieren, sondern die vermeintliche Normalität einer selbst-evidenten, natürlichen cis-zweigeschlechtlichen Identität sowie den damit einhergehenden Kohärenzdruck zu thematisieren, zu markieren und infrage zu stellen: „Cis people seem to think that self-identification is only for trans folks. They don’t have to ‚identify‘ as men and women they just ARE! Their gender isn’t ‚self-identified,‘ it’s ‚selfevident!‘ What they fail to understand is that self identification is the only meaningful way to determine gender. Any other method is wholly dependent upon what that doctor said way back when we were still wrinkly, writhing, screaming newborn messes, completely unformed as individuals and without any identity at all to speak of, too bloody and scrunchy-faced to even be called cute. The fact is that cis people self-identify too they just happen to agree with what the doctor said all those years ago“ (Asher 2010).
Cis-Normativität wird erst durch komplexe, ausgeschwiegene Biologisierungs-, Naturalisierungs- und (Selbst-)Normalisierungsprozesse hervorgebracht, die der ständigen Wiederholung bedürfen und in Verbindung stehen mit gewaltvoll verwerfenden und pathologisierenden Praktiken des ‚Anders-Machens‘ (othering). Mit der Bezeichnung cisgender/cis-geschlechtlich soll die naturalisierte und normalisierte Annahme der Übereinstimmung zwischen dem bei der Geburt (rechtlichmedizinisch) zugewiesenen, binär normierten Geschlecht (Cis-Frau oder Cis-Mann) und der gefühlten, gelebten und verkörperten Geschlechtsidentität benannt, markiert und gleichzeitig dekonstruiert werden. Das Konzept cisgender stellt folglich die Naturalisierung und Normalisierung von Cis-Zweigeschlechtlichkeit infrage, welche die pathologisierende Herstellung von Trans*Menschen als ‚abnormal‘ rechtfertigt. Für pathologisierende othering-Praktiken, die Trans*Menschen zu ‚Anderen‘ machen, ist auch das Konzept ‚Transsexualität‘ relevant.
24 Von Serano wurde zum Beispiel auch der Begriff cissexuell benutzt (vgl. Serano 2007, 33; Scott-Dixon 2009). Da dieser jedoch missverständlich ist, weil es um Gender und nicht Sexualität geht, wird dieser Begriff nicht verwendet.
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‚Transsexualität‘ Der Begriff und das Konzept ‚Transsexualität‘ sind stark durch die westliche Medizin und Psychiatrie geprägt, konkret durch die internationale psychiatrische Diagnose ‚Transsexualismus‘ in den ICD- und DSM-Katalogen (Kapitel 3), sowie durch die daran anknüpfenden deutschen und europäischen Transsexuellengesetze (Kapitel 4). In Bezug auf die Konstruktion der Diagnose ‚Transsexualität‘ ist dafür auf medizinisch-psychiatrischer und rechtlicher Ebene das Narrativ des ‚im falschen Körper‘-Seins elementar. Die medizinisch-psychiatrische Definition von ‚Transsexualität‘ pathologisiert Trans*Menschen als Abnormalität von der naturalisierten Cis-Zweigeschlechtlichkeit, indem sie als ‚psychisch krank‘ konstruiert werden. Die Nicht-Identifikation mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und/oder eine selbstbestimmte Geschlechtsidentität, gefühlte Gender-Varianz,Fluidität und/oder Nicht-Binarität, werden als psychische Störung deklariert, die es zu regulieren und binär zu normalisieren gilt (Kapitel 3-5). Die Zweigeschlechternorm wird dabei aufrechterhalten, durch die exklusiv binäre Möglichkeit einer rechtlich-medizinisch regulierten ‚gegengeschlechtlichen‘ Transition ‚von einem Geschlecht in das andere‘. Durch ein konstruiertes Ideal eines linearen, dichotomen Geschlechterwechsels wird ein westliches Fortschrittsnarrativ reproduziert: Eine Entwicklung von A, von geschlechtlicher Devianz, Krankheit und Ausschluss, hin zu B, zu ‚Heilung‘ und erfolgreicher Integration im Gegengeschlecht. Zweigeschlechtlichkeit wird in diesem Ideal als natürliche Norm vorausgesetzt und reproduziert. Dies gilt auch für die exklusiv binäre Möglichkeit der Vornamens- und Personenstandsänderung im Rahmen des deutschen Transsexuellengesetzes. Die Kritik an der Reproduktion normativer Zweigeschlechtlichkeit – auch im Rahmen des Konzepts ‚Transsexualität‘ aufgrund seiner medizinisch-pathologischen Prägung – ist nicht gleichbedeutend mit dem Ausschluss, der Verwerfung oder der Kritik von Menschen, die sich selbst (strategisch) als Transsexuelle bezeichnen oder als Frauen oder Männer, die im ‚falschen Körper‘ geboren oder bei der Geburt ‚falsch zugewiesen‘ wurden. Als Transsexuelle werden meistens Menschen bezeichnet, die sich innerhalb der Zweigeschlechtlichkeit ‚gegengeschlechtlich‘ identifizieren. Der Begriff und das Konzept Transgender wird hingegen zumeist als offenes Identitätskonzept und Selbstdefinition von und für Menschen verstanden, die sich jenseits, zwischen und/oder außerhalb der normativen CisZweigeschlechtlichkeit verorten, bzw. dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht nicht entsprechen (vgl. Namaste 2000; Stone 1991; Stryker/Whittle 2006; Valentine 2007). An dieser Stelle sei auf eine kontinuierliche Debatte sowohl in Queer Theory und Trans Studies, als auch in bestimmten Teilen des Trans*Aktivismus verwiesen. In dieser Debatte wird oft indirekt oder direkt eine dichotome Konstruktion zwi-
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schen transsexuell und transgender hergestellt. Auf der einen Seite stehen in dieser Konstruktion Transsexuelle als konservative, Zweigeschlechtlichkeit reproduzierende und angepasste Menschen und auf der anderen Seite Transgender oder Genderqueers als radikale, politische und selbstbestimmte Menschen, die die normative Zweigeschlechtlichkeit dekonstruieren (als Problematisierung dazu siehe z.B. Namaste 2000, 23, 39, 53). Transsexuelle werden teilweise auch des Verrats an der Dekonstruktion normativer Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität bezichtigt (vgl. Namaste 2000, 19, 62-63). Durch diese wiederholte Dichotomisierung (‚Transgender versus Transsexuelle‘) werden hegemoniale cis-zweigeschlechtliche und intersektionale Machtverhältnisse im Sinne einer neoliberalen Teile-undHerrsche-Praktik reproduziert, wodurch Widerstand geschwächt wird. Zum einen wird durch solche Dichotomisierungen die Wirkmächtigkeit der rechtlichen Verwerfung und medizinischen Psychopathologisierung unzureichend problematisiert, welche die (Über-)Lebenschancen von Trans*Menschen stark begrenzen und sie für Gewalt exponieren. Die rechtliche Konstruktion von ‚Transsexualität‘ und eine damit verbundene medizinisch-psychiatrische Pathologisierung stellt europaweit – mit Ausnahme von Malta, Irland, Norwegen, Frankreich, Belgien und Dänemark – die einzige Grundlage dar für sowohl eine staatliche Anerkennung bestimmter Trans*Menschen im Rahmen von Vornamens- und Personenstandsänderung (TGEU 2018 a), als auch für den Zugang zu Trans* Gesundheitsversorgung (sofern es diese im jeweiligen Nationalstaat gibt) (Kapitel 4, 6.3). Diese normativ verwerfende und pathologisierende Staatsgewalt und die damit verbundene Notwendigkeit der zweigeschlechtlichen Zwangsnormalisierung als Bedingung für staatliche Anerkennung, Trans*Gesundheitsversorgung sowie auch Arbeitsmarktinklusion (Kapitel 6) wird in der binären Konstruktion ‚Transgender versus Transsexuelle‘ ignoriert (vgl. Namaste 2000, 23, 39, 53). Trans* und nicht-binäre Menschen Die seit ein paar Jahren im deutschsprachigen Raum verstärkt geführte Debatte zwischen Trans* und nicht-binär weisst bestimmte Ähnlichkeiten zu der vormaligen Debatte ‚Transgender versus Transsexuelle‘ auf und kann teilweise als Verschiebung und Verlagerung dieser verstanden werden, die unter veränderten Begriffen (partielle) ähnliche Inhalte, Abgrenzungen und Vorwürfe verhandelt.25 Auch bei der Debatte um Trans* und nicht-binär ist die erneute Dichotomierung von Idenitäten schwierig, da sie nicht von neoliberaler Ausdifferenzierung und Individualisierung sowie (Vorwürfen) der Normativität und Wünschen nach Radikalität losgelöst betrachtet werden kann. Problematischer ist jedoch, dass Trans* dabei implizit als binäre (gegengeschlechtliche) Geschlechtsidentität definiert wird (vormals als 25 Dank für Austausch und Diskussion hierzu geht an Josch Hoenes.
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transsexuell bezeichnet). Dies widerspricht der eigentlichen etymologischen Bedeutung von trans, als überqueren von binären Identitätskonzepten und jenseits davon liegen. Auch definieren sich viele Trans*Menschen nicht (ausschließlich) binär. Dies gilt teilweise auch für jene, die (partiell) gegengeschlechtlich passen und sich (eher) als Trans*Frau/Weiblichkeit (MTF) bzw. Trans*Mann/Männlichkeit (FTM) definieren. Gleichzeitig ist die Debatte sowie Forderungen für die Anerkennung nicht-binärer Geschlechtsidentitäten, die sich von Trans* abgrenzt, nachvollziehbar im Hinblick auf die binäre Prägung von Trans* durch die – wie ich in diesem Buch argumentiere – normativ-epistemische Gewalt der zweigeschlechtlichen Verwerfung und Pathologisierung. Die binäre Prägung von Trans* kann nicht losgelöst von der medizinisch-juristischen Verwerfung, Pathologisierung und zweigeschlechtlichen Normalisierung betrachtet werden – konkret der ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘ als Voraussetzung für die Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem deutschen Transsexuellengesetz sowie für Trans*Gesundheitsversorgung. Auch die damit hervorgebrachte partielle Inklusion von bestimmten binär passenden Trans*Menschen – die wohlgemerkt intersektionale Normen von Staatsbürger*innenschaft und Arbeitnehmer*innen erfüllen können müssen – als integrierbare, staatlich-gesellschaftlich anerkannte Trans*Identität verweist unter dem Vorzeichen der Transnormativität auf partielle neoliberale Inkorporationen zur Aufrechterhaltung bestehender zweigeschlechtlicher und intersektionaler Machtverhältnisse (Kapitel 9). Hierbei ist jedoch besonders zu berücksichtigen, dass viele Trans* Menschen in bestehenden Machtverhältnissen von intersektionalen Ausschlüssen und Diskriminierungen betroffen sind, zum Beispiel aufgrund von Behindertenfeindlichkeit, Rassismus, nicht-deutscher Staatsbürger*innenschaft, Migration, (Hetero-)Sexismus, Armut oder Alter (Kapitel 3-7), und dies auch jenseits dessen, ob sie sich innerhalb von Zweigeschlechtlichkeit verorten oder nicht: „[...] the embracing of transpeople in queer studies and politics which simulaniously excludes and denies the existence of transsexuals, especially the lives of prostitutes, immigrants, and the working poor“ (Namaste 2000, 270, 19, 35, 62-63, 177, 265-266). Folglich wird durch die dichotome Konstruktion ‚Transgender versus Transsexuelle‘ oder ‚Trans* versus nicht-binär‘ nicht nur die Komplexität und Diversität von Geschlechtsidentitäten, sondern auch von normativen und intersektionalen Gewaltformen gegen unterschiedlich positionierte Trans*Menschen erneut homogenisiert und ausgeblendet. Trans*Menschen Die Bedeutung des Präfix Trans* ist seit je herumstritten, und wird immer umkämpft sein (müssen), da mit einer Definition dessen, was Trans* bedeutet und wer sich als Trans* in den machtförmigen Diskurs einschreibt, unweigerlich eine Fixie-
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rung, eine Normativität und diverse Ausschlüsse einhergehen (vgl. Bhanji 2012, 174). Während Trans* oft als das Überqueren von Grenzen und binären Identitätskonzepten definiert wird, und Trans* Studies sowie Trans* Aktivismus in der Vergangenheit (und teilweise in der Gegenwart) immer wieder unkritisch Grenzmethapern und Analogien zu Migration, illegalisierten Menschen und Rassismuserfahrungen benutzten (vgl. Stryker 1994; Prosser 1998), wird insbesondere in rassismuskritischen Ansätzen angemahnt, dass aufgrund impliziter Normen von Weißsein, ökonomischer Mobilität sowie von Nicht-Behinderung oft eine erneute Fixierung von Identitäten erfolgt.26 Mobilität und die Mobilisierung von (finanziellen, symbolischen und kulturellen) Ressourcen sowie Zugang gewährt oder verwehrt zu bekommen werden zu elementaren Momenten von Trans* Narrativen zu Transition. Dies ignoriert jene, deren Bewegung machtvoll eingeschränkt wird, zum Beispiel durch nationalstaatliche Grenzen, Migrationsbeschränkung, Rassismus, physischräumliche, symbolische oder ökonomische Barrieren, Armut, Heterosexismus: „Those trans people subject to their movements being regulated most militantly are often undocumented migrants form the global ‚south‘, and who, as sex workers, care workers and/or informal workers, constitute part of the huge racialized economy“ (Aizura 2012, 141). In diesem Buch wird das Begriffs-Konzept Trans* übergreifend für Menschen verwendet, deren Geschlechtsidentität nicht übereinstimmt mit dem Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde bzw. jenen, die sich nicht in der Cis-Zweigeschlechtlichkeit verorten. Sie sind zeitlich und räumlich, sowie sprachlich, kulturell, ökonomisch und politisch unterschiedlich in intersektionalen Machtverhältnissen situiert und können sich zum Beispiel als trans*, transgender, transsexuell, genderqueer, genderfucker, gender-fluid, agender, gendervariant, gendergifted, gender-non-conforming, non-binary, nicht-binär, drag queer, drag king, travesti, two-spirit, third gender, ftm (female to male), mtf (male to female), Trans*Frau, Trans*Weiblichkeit, Trans*Mann, Trans*Männlichkeit, Trans*Person, Transvestit, Cross-Gender oder Crossdresser identifizieren. Mit dieser Aufzählung soll auf 26 Grenzgänge und Grenzübertritte – auch im Zusammenhang mit Geschlechtergrenzen – können aufgrund der Kolonialität von Grenzen nicht von hegemonialen Konzepten von Nation sowie Zugehörigkeit, Ankommen und Heimat und damit nicht von geo- und biopolitischen Machtverhältnissen losgelöst werden: „Thus the prefix trans signifies mulitiple crossings, but still within a very confined nexus of homecoming and belonging, of borders and centers“ (Bhanji 2012, 162; Aizura 2006, 290). Kritische Ansätze zu Trans*, Transnormativität und Grenzenanalogien z.B. Aizura 2006; 2011 a/b; 2014; Beachcamp 2009; Bhanji 2012; Cotten 2012; Gan 2007; Gossett/Gossett/Lewis 2011/2012; Halberstam 1998; Haritaworn 2011a/b; 2012; Irving 2012; Koyama 2006; Lim 2007; Munoz 2012; Namaste 2000; Noble 2012; Roen 2006; Salah 2007; Snorten 2012; Snorten/Haritaworn 2013; Spade 2011; Stryker 2012; Towle/Morgan 2006.
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diverse Identitäten hingewiesen werden, die sich jenseits, zwischen oder außerhalb der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit verorten. Die Aufzählung ist weder abschließend noch universell, denn Selbstbezeichnungen sind dynamisch, lokal sowie in Machtverhältnissen situiert und unterliegen der ständigen Transformation. Auf der Grundlage bestehender Kritiken an der Homogenisierung und Aneignung sehr unterschiedlich situierter und identifizierter Trans*Identitäten – zum Beispiel im Zuge westlicher Imaginationen von third gender bei indigenen Bevölkerungsgruppen – (kritisch dazu Towle/Morgan 2006, 666-684), wird in diesem Buch von der These ausgegangen, dass Trans* kein selbstevidentes Konzept darstellt. Vielmehr unterscheiden sich Definitionen und Bedeutungen theoretisch (vgl. De Silva 2015; Hale 2006; Hoenes 2015; Valentine 2007, 31; Sauer 2015) und hinsichtlich ihrer spezifischen, soziokulturellen und historisch-politischen Verortungen in Machtverhältnissen (vgl. Namaste 2000, 40). Um nicht erneut bestehende, problematische Homogenisierungen und Universalisierungen zu reproduzieren, wird an dieser Stelle betont, dass die spezifischen Bedeutungen von Trans* innerhalb normativer, intersektionaler Machtverhältnisse situiert und analysiert werden müssen.
2
Forschungsstand: Gewalt gegen Trans*Menschen
In diesem Teil werden relevante Ansätze für die Analyse von Gewalt gegen Trans*Menschen kritisch beleuchtet. Zu Beginn werden Konzepte von ‚Homophobie‘ und ‚Transphobie‘ analysiert und im Anschluss daran zentrale Ansätze der sozialwissenschaftlichen und feministischen Gewaltforschung erörtert. Darauf aufbauend wird im nächsten Schritt die Notwendigkeit der Erweiterung dieser Konzepte und Ansätze durch eine normative und intersektionale Gewaltkonzeption begründet.
2.1 ‚HOMOPHOBIE‘ UND ‚TRANSPHOBIE‘ ALS ZENTRALE KONZEPTE (INTER-)NATIONALER MENSCHENRECHTSDISKURSE Gewalt gegen Trans*Menschen wird in den Definitionen des Europarats sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) unter der Kategorie ‚homophobe Hasskriminalität‘ gefasst (OSCE 2009, 2011). Auch in Deutschland wird Gewalt gegen Trans*Menschen zumeist als Teilaspekt von ‚Homophobie‘ gefasst (Pohlkamp 2015, 26), beziehungsweise unter Homosexuellenfeindlichkeit subsumiert oder dazu addiert (vgl. z.B. Dobler 2003, 1993; Ohms 2003; Stein-Hilbers at al. 1999; Weinberg 1973). Dies gilt gleichermaßen für staatlich-rechtliche Antidiskriminierungs-Ansätze als auch für Forderungen von zivilgesellschaftlichen Organisationen nach staatlichem Schutz, maßgeblich im Kontext von Gesetzen gegen ‚Hasskriminalität‘ (Kapitel 10; vgl. z.B. Maneo 2009). Im Folgenden werden zunächst die Konzepte ‚Homophobie‘ und ‚Transphobie‘ untersucht. Daran anschließend wird begründet, warum es notwendig ist, bestehende Gewaltkonzepte zu erweitern. Der Begriff und das Konzept ‚Homophobie‘ entwickelte sich innerhalb westlicher, schwul-lesbischer Bewegungen, um Gewalt gegen Cis-Schwule und Cis-Lesben benennen zu können und teilweise auch, um die me-
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dizinisch-psychiatrische Pathologisierung von Homosexualität als Abweichung von der heterosexuellen Norm herauszufordern (vgl. Castro Varela 2012, 17; Dobler 2003, 72).1 Wie kritische Analysen zeigen, reproduzieren Homophobie-Definitionen jedoch oft indirekte Pathologisierungen und othering-Praktiken (Praktiken des Anders-Machens) (vgl. Castro Varela 2012, 17; LesMigraS 2012, 20-25, 72-117; Lorenz/Kuster 2007). Die Normativität von Heterosexualität (Heteronormativität) basiert auf einer notwendigen Dichotomisierung von normalisierter und naturalisierter Heterosexualität einerseits und pathologisierter Homosexualität andererseits. Die Letztgenannte dient als Negativfolie der Abnormalität, Unnatürlichkeit und Devianz (vgl. Butler 1990; Castro Varela 2012; Engel 2002, 2003, 2009; Hark 2007b; Hornscheidt 2006; LesMigraS 2012). In vorherrschenden HomophobieKonzeptionen wird die zugrundeliegende, pathologisierte Hetero-Homo-Dichotomie reproduziert, indem Heterosexualität indirekt als natürliche Norm (des Begehrens) aufrechterhalten wird (Heteronormativität), wohingegen Homosexualität als Abweichung gilt (vgl. Castro Varela 2012, 17; Engel 2003, 224-239; 2009; Lorenz/Kuster 2007). Das Konzept ‚Homophobie‘ suggeriert dabei, dass Gewalt maßgeblich auf der zwischenmenschlichen und oft körperlichen Ebene angesiedelt ist. Der Fokus liegt auf ‚homophoben‘ Einzeltäter*innen, deren Gewalt durch Angst, Bias, Vorurteil oder Hass motiviert ist (Kapitel 2.1, 10). Damit wird Gewalt gegen Cis-Lesben, Cis-Schwule und Queers von der normativen Ebene der Heteronormativität entkoppelt und individualisiert. Im Konzept ‚Homophobie‘ werden sowohl normative Ungleichbehandlungen, das Unsichtbarmachen, indirekte Pathologisierungen und die Herstellung von Homosexualität als abnorm ausgeblendet, als auch institutionalisierte, direkte und indirekte Diskriminierungen von Cis-Lesben und Cis-Schwulen und Queers. Bis zum 1.10.2017 war jedoch auch ihre rechtliche Ungleichbehandlung legale Praxis in Deutschland, indem homosexuellen Partner*innen in eingetragener Partnerschaft nicht die gleichen Rechte zugestanden wurden wie heterosexuellen Ehepartner*innen, insbesondere im Hinblick auf Familie, Adoption und Erb1
Dobler unterscheidet maßgeblich vier Definitionen von Homophobie (vgl. Dobler 2003). Diese Formen reproduzieren abgesehen von den beiden letzteren problematische, pathologisierende Annahmen, indem sie Heterosexualität naturalisieren und normalisieren. In der ersten Definition wird Homophobie als Reaktion auf psychiatrische Definitionen von Homosexualität als pathologische Störung definiert. In der zweiten Definition wird Freuds psychoanalytische Vorstellung von Homophobie aufgegriffen und reproduziert: Homophobie sei die Angst vor latenter Homosexualität (vgl. Freud 1991). Die dritte Definition rahmt Homophobie als Konzept der Sozialpsychologie, als Vorurteil gegenüber Homosexuellen. Die vierte Definition konzipiert Homophobie als politischen Begriff der schwul-lesbischen Bewegung, der dazu dient, die Gewalt zu thematisieren (vgl. Dobler 2003, 72).
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schaft. Das Ende der rechtlichen Ungleichbehandlung ist allerdings nicht gleichbedeutend mit der faktischen Gleichstellung auf allen gesellschaftlichen Ebenen oder dem Ende von Heteronormativität. Da die Norm der Heterosexualität grundlegend auf der normativen CisZweigeschlechterordnung basiert, wird Menschen, deren Geschlechtsidentität Normen von Cis-Weiblichkeit und Cis-Männlichkeit nicht eindeutig entspricht häufig zugeschrieben, homosexuell zu sein. Dies geschieht unter anderem in Bezugnahme auf ihren Gender-Ausdruck, Verkörperung, Habitus, Verhalten, Kleidung, Stimme, Sprache, Gestik, Mimik oder Vorlieben, welche Cis-Zweigeschlechternormen nicht (eindeutig) entsprechen. Zum Beispiel wird eine cis-männliche Person, die keinen gesteigerten Wert auf vorherrschende Normen weißer heterosexueller Männlichkeitsinszenierung legt und zum Beispiel sichtbar eine Perlenkette trägt oft als schwul ‚eingelesen‘, ohne sich selbst so zu definieren. Für das ‚Einlesen‘ von Menschen als homosexuell bedarf es also nicht unbedingt konkreter aktiver Handlungen, zum Beispiel in Form einer öffentlich verbalisierten Selbstdefinition als lesbisch, schwul, homosexuell oder queer oder durch gleichgeschlechtliche, affektionelle körperliche Gesten und Handlungen wie etwa Küssen, Händchen halten, körperliche Berührungen oder Liebesbekundungen in der Öffentlichkeit (vgl. Castro Varela 2012, 9-19; Namaste 2006, 589; LesMigraS 2012, 31; Engel 2002, 48-60; Hartmann u.a. 2007, 9). Dies macht deutlich, dass sogenannte ‚homophobe Gewalt‘ nicht ausschließlich Homosexualität beziehungsweise Nicht-Konformität mit Heteronormativität bestraft, denn diese wird häufig lediglich angenommen beziehungsweise zugeschrieben (vgl. Alden/Parker 2005, 324; Castro Varela 2012, 9-19; Morgan/Sharpe 2004, 403; Namaste 2000, 141; Pohlkamp 2011, 64; Pohlkamp 2015, 20; Whittle 2007, 55; 324). Vielmehr wird häufig auch der Gender-Ausdruck oder die Geschlechtsidentität sanktioniert, die nicht eindeutig cis-zweigeschlechtlichen Normen entsprechen: „Hass-(Re-)Aktionen […] erfolgen zumeist dann, wenn das Geschlecht im Auge der*des Betrachter*in überzeichnet (zu maskulin oder zu feminin) oder ‚unterzeichnet‘ (zu wenig männlich oder zu wenig feminin) ist“ (Pohlkamp 2011, 64; vgl. Alden/Parker 2005, 324; LesMigraS 2012, 30-41; Namaste 2000, 141; Whittle 2007, 55). Aus diesem Grund sind Trans*Menschen oft Zielscheibe von sowohl trans- als auch homofeindlicher Gewalt und zwar auch dann, wenn sie sich nicht als homosexuell oder queer identifizieren: „Transgender appears to be a context in which violence informed by gender bias and violence informed by prejudice in relation to particular sexualities co-exists and is co-implicated“ (Morgan/Sharpe 2004, 403). Auch können Cis-Schwule, Cis-Lesben, Queers und teilweise auch cisheterosexuelle Menschen, die hegemonialen, kulturspezifischen Normen von CisWeiblichkeit und Cis-Männlichkeit nicht entsprechen, Zielscheibe von sogenannter ‚transphober Gewalt‘ sein – ohne, dass sie sich selbst als trans, genderqueer oder ähnliches definieren.
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Angesichts der wechselseitigen Konstitution von Cis-Zweigeschlechternormen und Heteronormativität, sowie der Komplexität von Identitäten kann keine klare Trennlinie zwischen trans- und homofeindlicher Gewalt gezogen werden. Aus diesem Grund ist der in Anti-Gewalt- und Antidiskriminierungsansätzen vorherrschende synonyme, additive oder subsumierende Gebrauch von ‚Homophobie‘ und ‚Transphobie‘ nachvollziehbar (vgl. KOMPASS 2011; FRA 2010/2011). Andererseits ist die vorherrschende Verwendung von ‚Transphobie‘ im Sinne einer Unterkategorie oder als Anhängsel von ‚Homophobie‘ genauso wie die Gleichsetzung der beiden Gewaltformen äußerst problematisch (vgl. Balzer/Hutta 2012, 32, 35, 50; Morgan/Sharpe 2004, 409; REDLACTRANS 2012, 24, Saadat-Lendle 2012, 8 f; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76; Spade 2011; Stanley/Spade/Queer(In)Justice 2010, 117). Der Grund dafür ist, dass sich die Gewalt gegen Trans*Menschen theoretischkonzeptionell unterscheidet von der Gewalt gegen Cis-Homosexuelle. Erstgenannte bezieht sich maßgeblich auf eine unterstellte Geschlechtsidentität und NichtKonformität bezüglich Cis-Zweigeschlechternormen und weniger auf (Homo-) Sexualität beziehungsweise eine zugeschriebene sexuelle Orientierung (vgl. Pohlkamp 2011, 67). Problematischer ist jedoch, dass durch die Subsumption unter ‚Homophobie‘ die normative Staatsgewalt der rechtlich-medizinischen Verwerfungen und Pathologisierungen von Trans*Menschen sowie ihr institutionalisierter gesamtgesellschaftlicher Ausschluss ausgeschwiegen wird (Kapitel 3-6). Die Gleichsetzung von Gewalt gegen Cis-Homosexuelle mit Gewalt gegen Trans* Menschen oder ein additives Verständnis von trans- und homofeindlicher Gewalt verdecken die verstärkte Gewaltexponierung von Trans*Menschen innerhalb ciszweigeschlechtlich normierter Gesellschaften. ‚Transphobie‘ Um das Ausschweigen und die Unsichtbarmachung von Gewalt und Morden an Trans*Menschen in cis-zweigeschlechtlichen Gesellschaften herauszufordern, wurde im westlichen Trans*Aktivismus der Begriff und das Konzept ‚Transphobie‘ geprägt.2 Problematisiert wird mit dem Begriff auch die Aneignung und gleichzeitige Ausblendung von Gewalt an Trans*Menschen im Rahmen institutionalisierter cis-schwul-lesbischer Politik (vgl. Morgan /Sharpe 2004, 409; Spade 2011, 90; Spade/Willse 1999, 39-40). Der Konzeptbegriff ‚Transphobie‘ ist oftmals mit dem rechtlichen Kampf für Gesetze gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ verbunden (vgl. Balzer/Hutta 2012, 19, 27; Spade/Willse 1999, 39-40; Spade 2011, 90). Transphobie-Definitionen sind im Kontext des westlichen Trans*Aktivismus insbesondere 2
http://www.transrespect-transphobia.org/en*US/tvt-project/definitions.htm (Zugriff 22. 07.2018).
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durch die oft rezipierte Definition von Hill und Willoughby (2005) geprägt (vgl. z.B. in Franzen/Sauer 2010; Whittle 2008; Whittle et al. 2008, 22). Diese definieren ‚Transphobie‘ als emotionale Abscheu oder Abneigung, als irrationale, angstvolle und/oder hasserfüllte Reaktion auf Trans*Menschen: „Transphobia is an emotional disgust toward individuals who do not conform to society’s gender expectations. […] transphobia involves the feeling of revulsion to masculine women, feminine men, cross-dressers, transgenderists, and/or transsexuals. Specifically, transphobia manifests itself in the fear that personal acquaintances may be trans or disgust upon encountering a trans person“ (Hill/Willoughby 2005, 533-534, eigene Hervorhebung).
‚Transphobie‘ wird in dieser Definition als intentionale, zwischenmenschliche (und demnach individualisierte) bias-motivierte Gewalttat eines*r Täter*in gegenüber einer Trans*Person gefasst. Problematisch an dieser Gewaltkonzeption ist die Reproduktion von Phobiekonzepten, die zu einer Individualisierung und Psychopathologisierung von Gewalt führen. Hill und Willoughby weisen darauf hin, dass sie sich mit ihrem Konzept von einer problematischen Psychopathologisierung von Gewalt gegen Trans*Menschen abgrenzen: „Note that the use of the ‚-phobia‘ suffix does not imply that a transphobic person suffers clinical phobic reactions; nor does it imply that the transphobic person is suffering from a disorder. The ‚-phobia‘ suffix is used to imply an irrational fear or hatred, one that is at least partly perpetuated by cultural ideology“ (Hill/Willoughby 2005, 533-534, eigene Hervorhebung). Auch wenn Hill und Willoughby intendieren, ‚transphobe Täter*innen‘ nicht zu psychopathologisieren, deutet ihr Phobie-Konzept „irrational fear or hatred“ darauf hin, dass Gewalt als irrationaler Ausnahmefall dargestellt wird, der von vermeintlich angst- oder hassmotivierten individuellen Täter*innen ausgeht. Es geht auch hier um die Vorstellung von Einzeltäter*innen, die auf der Grundlage einer Bias-Motivation und aufgrund von irrationaler Angst, Vorurteilen oder Hass, intentional Gewalt gegen ein individuelles Trans*Opfer ausüben. Die Reduktion von Gewalt auf ihre zwischenmenschliche Ebene beinhaltet eine ‚Täter-OpferDichotomie‘ (vgl. Spade 2011, 103; Saadat-Lendle 2012, 8). Sie geht einher mit einer kriminologisch-soziologischen Täter*innen- und Ursachenfokussierung, die unter anderem als „Soziologie von Tätern ohne Verantwortung“ (von Trotha 1997, 9 f., 19) kritisiert wird, da versucht wird, das gewaltvolle Handeln durch eine Ursachensuche zu erklären (vgl. von Trotha 1997, 9-22). Institutionalisierte normative und epistemische Gewalt gegen Trans*Menschen wird damit ausgeblendet und erscheint inexistent oder im besten Fall losgelöst von individueller, irrationaler und intentionaler zwischenmenschlicher Gewalt. Auch im deutschsprachigen und europäischen institutionalisierten Trans* Aktivismus und im Kontext von Antidiskriminierungspolitiken wird Hill und Willoughby’s Definition von ‚Transphobie‘ rezipiert, wie beispielsweise in der Experti-
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se von Jannik Franzen und Arn Sauer Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben (Franzen/Sauer 2010). Diese definieren ‚Transphobie‘ mit Verweis auf Hill und Willoughby als „emotionale Verachtung für Individuen, die nicht den Geschlechtserwartungen der Gesellschaft entsprechen“ (Franzen/Sauer 2010, 96) und als „irrationale Reaktion auf solche Menschen, die nicht mit der sozio-kulturellen Ideologie der Gender-Konformität übereinstimmen“ (Franzen/ Sauer 2010, 98 eigene Hervorhebung; vgl. Franzen 2011, 11). Franzen und Sauers ‚Transphobie‘-Definition legt den Fokus einerseits auf die zwischenmenschliche Ebene von Gewalt. Andererseits wird ‚Transphobie‘ in einen übergeordneten sozialpolitischen Kontext gesamtgesellschaftlicher Stigmatisierung und Diskriminierung eingebettet. Diesbezüglich sprechen sie von einer „gesellschaftliche[n] Diskriminierung und Stigmatisierung von Individuen, die nicht den traditionellen Normen des biologischen und sozialen Geschlechts entsprechen“ (Franzen/Sauer 2010, 25). Indem die gesellschaftliche Dimension von Diskriminierung von Trans* Menschen und die dahinterstehende cis-zweigeschlechtliche Ideologie benannt wird, wird die individualisierte Rahmung von ‚transphober Hassgewalt‘ aufgehoben. Allerdings wird die Dimension gesellschaftlicher und institutionalisierter Diskriminierungen und Ausschlüsse nicht ausreichend thematisiert. Ein weiteres Beispiel für eine Erweiterung vorherrschender ‚Transphobie‘-Konzepte stellt die Definition des TGEU-Projekts Trans Respect versus Transphobia (TvT)3 dar: „Transphobia is a matrix of cultural and personal beliefs, opinions, attitudes and aggressive behaviors based on prejudice, disgust, fear and/or hatred directed against individuals or groups who do not conform to or who transgress societal gender expectations and norms. Transphobia particularly affects individuals whose lived gender identity or gender expression differs from the gender role assigned to them at birth, and it manifests itself in various ways, e. g., as direct physical violence, transphobic speech and insulting, discriminatory media coverage and social exclusion“ (TvT 23.11.2011, eigene Hervorhebung).
‚Transphobie‘ kann laut TvT-Definition als Matrix kultureller und individueller Überzeugungen verstanden werden, auf deren Basis Individuen und Menschengruppen, die der normativen Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen, direkt und indirekt bestraft und sanktioniert werden. Diese Gender-Disziplinierungen manifestieren sich in unterschiedlichen Formen von Gewalt, insbesondere in Form von zwischenmenschlicher, körperlicher Gewalt, hate speech (Hasssprache), Beleidigungen, diskriminierenden Mediendarstellungen und sozialen Ausschlüssen von Trans*Menschen. Die Verbindung von zwischenmenschlicher Gewalt einerseits und cis-zweigeschlechtlich institutionalisierten Diskriminierungen andererseits kann als Versuch verstanden werden, die vorherrschende individualisierte und 3
https://transrespect.org/en/ (Zugriff 22.07.2018).
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dekontextualisierte Darstellung von ‚Transphobie‘ zu erweitern: „It [transphobia] includes institutionalised forms of discrimination, criminalisation, pathologisation and stigmatisation and manifests in various ways, ranging from physical violence, hate speech, insults and hostile media coverage to forms of oppression and social exclusion“ (Balzer/Hutta 2012, 18). Durch die Kontextualisierung von Gewalt gegen Trans*Menschen als Ausdruck übergeordneter cis-zweigeschlechtlicher Machtverhältnisse ist das Gewaltverständnis von TvT komplexer und vielschichtiger. Der Einbezug institutionalisierter Gewalt durch das Benennen von institutionalisierter Diskriminierung, Pathologisierung und Kriminalisierung stellt eine wichtige Erweiterung von Gewaltkonzeptionen dar. Die angeführten Konzepte von ‚Transphobie‘ beinhalten jedoch durch die darin enthaltenen Phobie-Konzepte von bias-motivierten Täter*innen weiterhin zwei relevante Problematiken. Erstens reproduzieren sie explizit oder implizit Grundannahmen von Gewalt als pathologisch und individualisiert. Dadurch wird normative Gewalt gegen Trans*Menschen in cis-zweigeschlechtlichen Gesellschaften überlagert und implizit normalisiert. Zweitens verbleibt die Kontextualisierung von institutionalisierter Gewalt gegen Trans*Menschen auf einer deskriptiven Ebene, da die rechtlich-medizinische Gewalt der normativen Verwerfung und Pathologisierung sowie ihre Auswirkungen nicht ausreichend tief analysiert wird (Kapitel 3-5). Auch das Verhältnis von sich gegenseitig konstituierender zwischenmenschlicher und institutionalisierter Gewalt wird unzureichend analytisch ausdifferenziert. Drittens kann in ‚Transphobie‘-Konzepten die wechselseitige Konstitution und Verstärkung von intersektionaler Gewalt gegen Trans*Menschen, etwa durch Armut, Behindertenfeindlichkeit, Rassismus, Heterosexismus und/oder Altersdiskriminierungen nicht differenziert analysiert werden (Kapitel 6, 7, 10). Zwischenfazit Es wurde aufgezeigt, dass Homophobie-Konzepte Gewalt gegen Trans*Menschen nicht ausreichend thematisieren und fokussieren können. Um die spezifische Gewalt gegen Trans*Menschen fassen zu können, wurde in trans*aktivistischen Bewegungen der Begriff und das Konzept ‚Transphobie‘ geprägt. Allerdings basieren auch Transphobie-Konzepte auf dem Verständnis, dass Gewalt maßgeblich von transphoben Angst- oder hasserfüllten Einzeltäter*innen ausgeübt wird, also auf der zwischenmenschlichen Ebene. Zwischenmenschliche Gewalt kann nicht von der normativen, maßgeblich auch staatlich ausgeübten cis-zweigeschlechtlichen Gewalt gegen Trans*Menschen getrennt werden. Die angeführten Definitionen von ‚Transphobie‘ stellen wichtige Grundlagen für die Thematisierung von Gewalt gegen Trans*Menschen dar. Sie sind jedoch unzureichend, um die allgegenwärtige normative cis-zweigeschlechtliche und intersektional verstärkte Gewalt gegen Trans*
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Menschen analysieren und differenzieren zu können. Wenn der Staat selbst Gewalt gegen Trans*Menschen ausübt, macht das deutlich, dass Gewalt über individualisierten, psychopathologisierten Hass und über zwischenmenschliche Gewalt hinausgeht.
2.2 SOZIALWISSENSCHAFTLICHE (QUEER-) FEMINISTISCHE GEWALTDEFINITIONEN Politikwissenschaftliche Gewaltkonzepte sind „vieldeutig, ambivalent und höchst umstritten“ (Sauer 2008, 94). Unter dem Gewalt-Begriff wird meistens lediglich personalisierte, körperliche Gewalt gefasst (kritisch dazu vgl. Sauer 2008; Brunner 2016, 91-92). Gewalt wird dadurch individualisiert und nicht als gesamtgesellschaftliches, strukturelles Verhältnis gefasst. Die Individualisierung von Gewalt und ihre Reduktion auf physische Gewalt ist dabei nicht nur symptomatisch für neoliberale Staats- und Regierungssysteme, sondern auch für die gegenwärtigen deutschsprachigen Politikwissenschaften: „Politik und Gewalt scheinen einander auszuschließende Sphären zu sein“ (Brunner 2016, 91). Feministische Gewaltforschung thematisiert Diskriminierungen und Gewalt gegen Cis-Frauen4 und CisMädchen hingegen als strukturell in patriarchalen Verhältnissen verankert (vgl. Hagemann-White 2002, 29, 126 f.). Geschlechtsbezogene Gewalt ist institutionalisiert und kann nicht als individueller Einzelfall dargestellt werden. Vielmehr stellt sie eine ‚politische Ordnungsstruktur‘ dar: „Gewalt ist nicht nur körperliche Verletzung, Gewaltverhältnisse sind Herrschaftsverhältnisse, Gewalt ist eine soziale Praxis und ein Diskurs und Gewalt ist eine politische Ordnungsstruktur“ (Sauer 2008, 95). Institutionalisierte Gewalt äußert sich in Deutschland zum Beispiel in bestehenden ungleichen Job- und Aufstiegschancen in Lohnunterschieden zwischen Cis-Frauen und Cis-Männern und damit insbesondere in ökonomischen und sozialen Ungleichheitsverhältnissen (vgl. Hagemann-White 2002, 126 f.; Klug/Kocher/Raasch 2010). Auch die weit verbreitete, jedoch ausgeschwiegene und lange im Strafrecht marginalisierte sexualisierte und ‚häusliche‘ Gewalt gegen Cis-Frauen und -Mädchen ist Teil der strukturell verankerten zweigeschlechtlich-heteropatriarchalen Gewalt. Feministische Gewaltforschung, die Gewalt gegen Cis-Frauen und Cis-Mädchen thematisiert ist nach wie vor wichtig. Jedoch ist sie häufig sehr begrenzt dahingehend, welche Frauen und Mädchen darin vorkommen. Zum einen wird darin größtenteils intersektionale Gewalt gegen zum Beispiel Frauen of Color und Schwarze Frauen (vgl. Combahee River Collective 1983; Hill Collins 2000; hooks 4
Cis-Frauen sind Personen, die bei der Geburt als weiblich klassifiziert wurden, sich selbst als Frau identifizieren und als solche leben.
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1981; Lorde 1983; Kilomba 2002; Oguntoye/Ayim/Schultz 1992), weibliche Migrant*innen und Geflüchtete (vgl. Gutiérrez Rodríguez 1999; Castro Varela 2012); lesbische Frauen (vgl. Klapeer 2014; Ludwig 2011; Wittig 1992), working-class Frauen (vgl. Roßhart 2016) und Frauen mit Behinderungen (vgl. Raab 2010a/b; Sandahl 2003; Shildrick 2009) vernachlässigt. Zum anderen wird in feministischen Ansätzen vorherrschend die Gewalt gegen Menschen, die der Cis-Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen – maßgeblich Trans* und Inter*(geschlechtliche) Menschen – ausgeschwiegen oder nur als marginales Randphänomen erwähnt: „Es existiert in der geschlechtersensiblen Gewaltforschung bislang ein Primat der geschlechtlichen und sexuellen Eindeutigkeit“ (Pohlkamp 2015, 22). Dass der größte Teil feministischer, deutschsprachiger Gewaltforschung ausschließlich Gewalt gegen Cis-Frauen und -Mädchen thematisiert und damit implizit Cis-Zweigeschlechtlichkeit naturalisiert und reproduziert, stellt das Analysedefizit dar, dem sich dieses Buch widmet. Es geht darum „Anschlussstellen, Verwerfungen und neue Verknüpfungen [zu] suchen, um zu erkunden, wie Gewalt und Geschlecht ineinandergreifen“ (Bereswill 2011, 11). Heteronormativitätskritische Ansätze haben diesbezüglich wichtige Erweiterungen entwickelt. Diese betonen, dass sich Heteronormativität und imperative CisZweigeschlechtlichkeit kontinuierlich gegenseitig (re-)produzieren, normalisieren und naturalisieren (vgl. Butler 1990, 2011; Castro Varela 2012, 9-19; Çetin/Voß 2016; Hark 2005; Hornscheidt 2009, 2013; Klapeer 2014; Ludwig 2011; Voß 2010). Die gegenseitige Bedingtheit heterosexueller und cis-zweigeschlechtlicher Normierungen wird von Butler als heterosexuelle Matrix bezeichnet (vgl. Butler 1990, 2011). Heteronormativitätskritiken bilden damit wichtige Anknüpfungspunkte für geschlechtsspezifische Gewaltanalysen jenseits der Cis-Zweigeschlechternorm. Jedoch reichen sie nicht aus, um die spezifische, normative Gewalt gegen Trans*Menschen dezidiert und differenziert zu thematisieren. Namaste kritisiert zum Beispiel populäre Ansätze der Queer Theory zu Trans* sowohl aufgrund ihrer selektiven Privilegierung von literarischen, kulturwissenschaftlichen und cinematographischen Trans*Figuren, als auch aufgrund des Zelebrierens von Transgression als „Hype um Transgender“ (vgl. Namaste 2000, eigene Übersetzung).5 Durch diesen Hype werden die gewaltvollen Lebensrealitäten von 5
Namaste kritisiert insbesondere, dass Wissensproduktionen von Trans*Autor*innen nicht beachtet und intersektionale Diskriminierungen von Trans*Menschen, deren Lebensrealitäten gleichzeitig durch Rassismus und Armut geprägt sind ausgeblendet werden. Als Beispiel dafür nennt Namaste Butler’s und Garber’s Interpretationen von Venus Extravaganza in dem populären Film PARIS IS BURNING (Livingston 1990). Zum einen wird drag darin nur als performance, nicht aber als gelebte Geschlechtsidentität dargestellt. Zum anderen werden die Komplexitäten von gender, race und class ignoriert, die in ihrem Zusammenwirken die spezifische Gewalt gegen Extravaganza als Trans*Person of Color
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Trans*Menschen ausgeblendet: „But our lives and our bodies are made up of more than gender and identity, more than a theory that justifies our very existence, more than mere performance, more than the interesting remark that we expose how gender works. Our lives and our bodies are much more complicated, and much less glamorous, than all that“ (Namaste 2000, 1, 23, 39). Trans*Menschen, so Namaste weiter, werden instrumentalisiert und vereinnahmt, um die Dekonstruktion der heteronormativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit zu ermöglichen. Gleichzeitig wird die institutionalisierte, verwerfende und allgegenwärtige Gewalt gegen sie ausgeschwiegen (Namaste 2000, 23-53, 270). So verbleiben Trans*Menschen implizit weiterhin nicht-intelligibel (vgl. Bhanji 2012; Haritaworn 2012). Der von Namaste vorgeschlagene Perspektivwechsel in der poststrukturalistischen Wissensproduktion zu Trans* ist als theoretischer Ausgangspunkt wegweisend für die vorliegende Gewaltanalyse. Es geht dabei um die Abkehr von der Frage, wie Trans*Menschen konstruiert und hervorgebracht werden, beziehungsweise, ob sie möglich und intelligibel sind oder nicht. Stattdessen wird grundlegend epistemisch gesetzt, dass Trans*Menschen existieren, in cis-zweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsformen jedoch kontinuierlich institutionell unsichtbar gemacht und ausgelöscht werden: „This commitment begins with the mundane assumption that TS/TG [transsexual/transgender] people exist, that we live and die in the world“ (Namaste 2000, 55; vgl. Pohlkamp 2015, 22-24; Scheman 1997; Spade 2011). Was bedeutet es für die Gewaltforschung, von der Existenz Trans*Menschen auszugehen, während ihre (Über-)Lebenschancen in cis-zweigeschlechtlichen Gesellschaften normativ eingeschränkt und durch institutionalisierte Gewaltpraktiken begrenzt und gefährdet werden? Diese Frage wird in diesem Buch auf einer Metaebene reflektiert, indem der Fokus auf normative Gewalt gelegt wird. In der deutschsprachigen queer-feministischen Gewaltforschung existieren einige wenige Ausnahmen, die Gewalt gegen Trans*Menschen explizit auf normativer oder institutioneller Ebene thematisieren, zum Beispiel Arbeiten von Hornscheidt (2012; 2013; 2014), Pohlkamp (2011; 2015), Schirmer (2010) und Ludwig (2011; 2012). Hornscheidt konzipiert die Gewalt der zweigeschlechtlichen Zwangsnormierung von Menschen in entweder Frauen oder Männer als Realisierungsform von Genderismus6 beziehungsweise als Zweigenderung: „zweigenderung ist die gesell-
und Sexarbeiter*in hervorbringen: „In this manner, queer theory is blind to its own instituational workings […] By privileging literary and cultural objects, and by ignoring the social and instituational relations in which these objects are located and embedded“ (Namaste 2000, 23, vgl. 14). 6
Das Begriffs-Konzept Genderism wurde in der englischsprachigen Literatur bereits 1977 von Goffman verwendet, um zu verdeutlichen wie Geschlechterunterschiede als Klassifi-
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schaftliche normalstellung und normierung von zwei und genau zwei gendern als Rahmen der sozialen verständlichkeit oder intelligibilität, als grundlegende konstituierung menschlichen seins und menschlicher sozialer individualisierter wie auch symbolischer konzeptionalisierungen“ (Hornscheidt 2012, 50f.). In Hornscheidts Arbeiten wird die grundlegende Gewalt der obligatorischen, zweigeschlechtlichen Normierung dezidiert hervorgehoben. Genderismus operiert, so Hornscheidt, auf der Grundlage von intersektionalen körperlichen Zuschreibungen auf sowohl medizinischer und rechtlicher als auch auf symbolischer, Ausdrucks- und Gefühlsebene (vgl. Hornscheidt 2012, 50-83). Durch das Begriffs-Konzept Genderismus wird der Fokus verlagert: weg von individualisierten Gewaltkonzeptionen, wie sie in gängigen ‚Transphobie‘-Konzeptionen formuliert werden und hin zu institutionalisierten, symbolischen und normalisierten Gewaltebenen. Dies ermöglicht die Thematisierung von tagtäglichen Zwangsnormierungen und -einpassungen von Menschen in ein konstruiertes Zweigeschlechtersystem, das durch Gewalt aufrechterhalten wird. Das Begriffs-Konzept Genderism wurde in der englischsprachigen Forschung zu Gewalt gegen Trans* Menschen bereits von Hill und Willoughby (2005) als Erweiterung des Konzepts ‚Transphobie‘ verwendet. Mit der Bezeichnung Genderism benennen und markieren Hill und Willoughby die Dimension der ausgeblendeten, hegemonialen Ideologie der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit: „Genderism is an ideology that reinforces the negative evaluation of gender non-conformity or an incongruence between sex and gender. It is a cultural belief“ (Hill/Willoughby 2005, 533-534). Konzepte von Genderismus betonen folglich die gewaltvollen, allgegenwärtigen, institutionalisierten und naturalisierten Herstellungspraktiken der Zweigeschlechternorm. Komplementär dazu konzipiert Pohlkamp die allgegenwärtige und ausgeblendete Gewalt gegen Menschen, die Cis-Zweigeschlechternormen nicht entsprechen, als Genderbashing. Unter Genderbashing fasst Pohlkamp sowohl strukturelle als auch zwischenmenschliche Diskriminierungen und Gewalt, wobei diese Ebenen sich wechselseitig bedingen: „als Zusammenhang individueller Verletzungen (Mikroebene) und [der] gewaltsamen Geschlechterverhältnisse (gesellschaftliche NormEbene)“ (Pohlkamp 2015, 19). Sie basieren auf der heteronormativen Zweigeschlechtlichkeit und reproduzieren diese wiederum: „Genderbashing ist deshalb in diesem Kontext ein Synonym für die Gesamtheit der widerfahrenen Einschränkungen geschlechtlich nichtkonformer Lebenssituationen und Existenzweisen, die von den Betroffenen als Verletzung dargestellt wurden. Es meint die komplexe Vielschichtigkeit der Diskriminierungen und Gewalt in verschiedenen sozialen (Grenz-)Räumen, kationssystem soziale und institutionelle Ordnungsverhältnisse erklären und erhalten sollen (vgl. Goffman 1977, 305).
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in denen Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit intersektional und normativ wirken“ (Pohlkamp 2015, 21).
Als Verbindung von empirischer Gewaltforschung (durch narrative Interviews zu Gewalt mit Menschen, die der normativen Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen), und Ansätzen von Grounded Theory (vgl. Clarke 2005), Dekonstruktion und Foucaults Raumkonzeption zeichnet Pohlkamp ein komplexes Bild von Gewalt, Gewaltforschung7 und geschlechtlicher Vielfalt: „Damit verweist die Untersuchung auf zwei Stränge gesellschaftlicher Praxis und Interaktion: Auf die Möglichkeit der Existenzweisen vieler Geschlechter und auf die Alltäglichkeit der Reifizierung der ausschließlichen Zweigeschlechtlichkeit im Diskriminierungs- und Gewalthandeln“ (Pohlkamp 2015, 22). Auch Schirmers empirische Untersuchung beschäftigt sich mit Diskriminierungen und Gewalt gegen Menschen, die Cis-Zweigeschlechternormen nicht entsprechen und legt den Fokus dabei auf Drag Kings (Schirmer 2010). Gewalt gegen Drag Kings wird von Schirmer als Wechselverhältnis zwischen vorurteilsbezogener Gewalt sowie institutionalisierten Diskriminierungen gefasst (vgl. Schirmer 2010, 329, 371). In Anlehnung an Butlers Heteronormativitäts-Begriff (vgl. Butler 1990), sowie Gramscis Hegemonie-Konzept (Gramsci 1991-2002) hebt auch Ludwig die Gewaltförmigkeit der Normativität heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit als Form staatlicher Gewalt hervor (vgl. Ludwig 2012, 108 f.). Mit dem Konzept der heteronormativen Hegemonie (vgl. Ludwig 2011, 192) thematisiert Ludwig die Verwerfung von Menschen, die sich nicht innerhalb von heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit verorten. Dabei wird Gewalt gegen Trans*Menschen ansatzweise benannt (vgl. Ludwig 2011, 177-180).
2.3 NEUKONZEPTION: NORMATIVE UND INTERSEKTIONALE GEWALT GEGEN TRANS*MENSCHEN Die zweigeschlechtliche Normierung stellt ein elementares Herrschaftsverhältnis dar, dessen Dekonstruktion kein leichtes Unterfangen ist: einerseits aufgrund ihrer vermeintlichen Naturalität und Normalität sowie der Allgegenwärtigkeit und De-
7
Pohlkamp verortet Forschung zu Gewalt und geschlechtlicher Diversität im Spannungsfeld queerfeministischer poststrukturalistischer Ansätze sowie empirischer Forschung und reflektiert die eigene Gewaltforschung „als intersubjektive Beziehungsarbeit“, „mehrdimensionale Spurensuche“ und „Skript der Unentscheidbarkeit“ (vgl. Pohlkamp 2015, 4967).
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zentralität von subjektivierenden und abjektivierenden Effekten, andererseits aufgrund der intersektionalen Bedingtheit von Machtverhältnissen.8 Um die normalisierten Herstellungspraktiken der Cis-Zweigeschlechtlichkeit und damit die institutionalisierten Rahmenbedingungen von Gewalt gegen Trans*Menschen thematisieren und analysieren zu können, schlage ich das Konzept der normativen und intersektionalen Gewalt vor. Es basiert auf Butlers Konzept der normativen Gewalt (vgl. Butler 2004b, 147), Spivaks Konzept der epistemischen Gewalt (vgl. Spivak 1988, 66-111), Galtungs Konzept der strukturellen Gewalt (Galtung 1975, 12), WilsonGilmores Konzept der ungleichen Lebenschancen (vgl. Wilson Gilmore 2007) sowie Intersektionalitäts-Ansätzen (vgl. Combahee River Collective 1983; Crenshaw 1991; Hill Collins 1998). Normen, Normierungspraktiken und Normalisierungen, sowie die dadurch ermöglichten Subjektivierung- und Abjektivierungspraktiken werden in dieser Analyse als zentrale Grundlagen von normativer und epistemischer Gewalt herausgearbeitet (vgl. Butler 1993, 7-55, 94-99; 1997, 10-15). Denn Gewalt gegen Trans*Menschen beruht grundlegend auf der naturalisierten Normierungspraktik, Menschen in ausschließlich zwei Geschlechter (Cis-Mann oder Cis-Frau) einzuteilen (vgl. Hornscheidt 2012). Die exklusive Cis-Zweigeschlechtlichkeit ist immer ein Produkt von Machtverhältnissen und basiert sowohl auf gewaltvollen, zweigeschlechtlich normierenden Zurichtungen und Unterwerfungen (Subjektivierung) als auch auf Verwerfungen und Pathologisierungen (Kapitel 3-4; vgl. Butler 1990, 30; 1993, 7-55, 94-99; 1997, 10-15; 2001, 26; 2004a, 11-52; 2004b, 32; Hornscheidt 2012, 50-83). Erst durch normierende und damit normative und legalisierte Gewalt wird das Zweigeschlechtermodell als vermeintlich natürliche und präexistente Normativität und Subjektgrundlage hergestellt und aufrechterhalten. Normative und epistemische Gewalt ist demnach notwendig, um bestehende zweigeschlechtliche Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten. Sie wird jedoch durch hegemoniale Diskurs- und Wissensnormen ausgeschwiegen, normalisiert und so nicht als Gewalt wahrgenommen (vgl. Hornscheidt 2007; 2010a, b; 2012a, b; 2013b, 2014). Im Zusammenhang mit normativer Gewalt betont von Trotha, dass Gewalt in sogenannten Zivilisationen nicht der ‚Störfall‘, sondern der ‚Normalfall‘ ist (von Trotha 2000, 263) und schlägt einen Perspektivwechsel für die sozialwissenschaftliche Gewaltforschung vor: weg von der Frage „Warum kommt es zur Gewalt?“ hin zu der Frage „Was ist Gewalt“ (von Trotha 1997, 22, 20). Dies ermöglicht Gewalt nicht ausschließlich und primär als körperliche Gewalt zu fassen, sondern als Normhandel. Was Gewalt ist und was als solche wahrgenommen wird, stellt, so Krasmann, immer ein Urteil dar, das sehr eng mit hegemonialen Normen zusammenhängt (vgl. Krasmann 2004, 110). Gewalt kann nach Krasmann als semanti8
Dieser Teil ist als Ergänzung zu den Unterkapiteln zu zweigeschlechtlicher Subjektwerdung zu verstehen.
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sches Feld begriffen werden, „über das sich Phänomene der Gewalt gleichwohl dämonisieren wie auch verschweigen lassen“ (Krasmann 1997, 88). Definitionen, Tabuisierungen und Normalisierungen von Gewalt beziehen sich folglich immer auf einen spezifischen Deutungsrahmen. Sie werden durch hegemoniale Diskursnormen, Normierungsinstanzen und institutionalisierte Ordnungsgefüge hervorgebracht (vgl. Krasmann 2004, 113 f.). Geschlechtsbezogene Gewalt kann dabei als ‚Normverlängerung‘ (Hagemann-White 1997, 19) der binären und hierarchischen Cis-Zweigeschlechtlichkeit verstanden werden, wie im folgenden Abschnitt ausgeführt wird. Da westliche Nationalstaaten naturalisierte Normen und Normierungen stark legitimieren und schützen und das Gewaltmonopol für sich beanspruchen, gleichzeitig jedoch Gewaltfreiheit und Gewaltenteilung proklamieren, wende ich mich insbesondere der in den Politikwissenschaften vorherrschend ausgeblendeten Staatsgewalt zu (kritisch dazu vgl. Brunner 2016; Ludwig 2010; Sauer 2008). Nach Arendt bezeichnet Staatsgewalt die Existenz eines Staates, der auf Gewalt beruht (vgl. Arendt 2006, 37). Gewalt kann, so Arendt, zwar gerechtfertigt, aber niemals legitim sein (vgl. Arendt 2006, 53).9 Da der Staat das Gewaltmonopol inne hat, stellt seine Gewaltausübung eine in höchstem Maße normative – da legalisierte – Gewalt dar (vgl. Reddy 2011). Im Gegensatz dazu stehen staatlich-rechtlich delegitimierte und entsprechend sanktionierte Formen der Gewalt (vgl. Butler 2004b, 147; Ludwig 2011, 10f.; Sauer 2008, 96 ff). Die normative Gewalt der Subjektivation, das heißt, die Subjektwerdung durch die Unterwerfung unter hegemoniale Normen, äußert sich in formell demokratischen und säkularen Nationalstaaten insbesondere im Konzept von Staatsbürger*innenschaft. Die zweigeschlechtliche Staatsbürger*innenschaft ist bis dato durch das deutsche Personenstandsgesetz institutionalisiert. Dieses regelt seit 1876, dass der Geschlechtseintrag eines Kindes registriert werden muss – und zwar exklusiv zweigeschlechtlich. Zugelassen ist eine entweder ‚männliche‘ oder ‚weibliche‘ Staatsbürger*innenschaft (Plett 2003 a, b, 2006, 2014).10 Gleichzeitig wird dadurch das bestehende Konzept von Staatlichkeit reproduziert. Die normative Cis-Zweigeschlechtlichkeit ist dabei so in das bestehende Staatsmodell eingelassen und institutionalisiert, dass sie als naturalisierter Normalzustand erscheint: „Staatliche Souveränität und staatliches Gewaltmonopol basieren 9
Arendt versteht Macht als Instrument von Herrschaft, durch das andere dazu gebracht werden, im Sinne der Aufrechterhaltung der Herrschaftsverhältnisse zu handeln. Macht stellt dabei einen Selbstzweck dar, der nicht der Rechtfertigung, jedoch der Legitimierung bedarf. Im Gegensatz dazu ist Gewalt instrumentellen Charakters. Gewalt hat einen Zweck und braucht zu dessen Durchsetzung Gewaltmittel (vgl. Arendt 2006, 53).
10 Eine Ausnahme davon stellt das ‚offen lassen‘ des rechtlichen Geschlechtseintrags im Geburtsregister bei ‚geschlechtlich uneindeutigen‘ Neugeborenen seit dem Parlamentsbeschluss vom 1. November 2013 dar (Kapitel 5.3).
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auf diesem zweigeschlechtlichen Modell, besser gesagt: Die Zweigeschlechtlichkeit stellt einerseits die staatliche Illusion von Souveränität und Sicherheit her, sie produziert aber auch andererseits Unsicherheit qua Geschlecht“ (Sauer 2008, 98). Die normative Zweigeschlechtlichkeit als Voraussetzung für Subjektstatus und von Staatsbürger*innenschaft ist insbesondere als Zusammenwirken von Recht, Medizin und Sprache institutionalisiert. Relevant ist hierfür erstens die medizinische Zuweisung eines Neugeborenen zu einem von exklusiv zwei Geschlechtern (männlich oder weiblich) auf der Grundlage der Interpretation äußerer Genitalien (vgl. Fausto-Sterling 2002; Voß 2010, 2012, 2014). Zweitens ist die Zweigeschlechternorm institutionalisiert durch die juristische Festschreibung dieses zugewiesenen Geschlechts in der Geburtsurkunde. Diese stellt die Grundlage für den Geschlechtseintrag in allen weiteren nationalstaatlichen Ausweisdokumenten dar (zum Beispiel Reisepass und indirekt durch vergeschlechtlichte Codes im Personalausweis, Führerschein oder Krankenkassenkarte) (vgl. de Silva 2005 a/b; 2007a/b; 2008 a/b; Plett 2003 a/b; 2006). Die rechtlich-medizinische Zwangszuweisung zu einem von zwei Geschlechtern wird drittens kontinuierlich durch binär vergeschlechtlichte sprachliche Anrufungen (zum Beispiel als ‚Herr‘ oder ‚Frau‘) reproduziert (vgl. Butler 1993, 8, 44; 1997, 135; Hornscheidt 2007, 70-72; 2008, 22-23; 2012, 50-83). Wenn die zweigeschlechtliche Unterwerfung Voraussetzung für einen rechtsstaatlich anerkannten und nicht-pathologisierten Subjektstatus darstellt, werden gleichzeitig vielfältige Geschlechtsidentitäten als ‚externes Außen‘ verworfen: „If [the] gender [binary] is a norm, it is not the same as a model that individuals seek to approximate. On the contrary, it is a form of social power that produces the intelligible field of subjects, and an apparatus by which the gender binary is instituted“ (Butler 2004, 48). Bei Verwerfungen oder Abjektivierungen geht es um die NichtAnerkennung des Subjektstatus, die Verwehrung von Menschsein und von unveräußerlichen Menschenrechten (vgl Butler 2004a, 12; Kapitel 1.2, 3 und 4), sowie um die Externalisierung in den Bereich des Unmöglichen und Undenkbaren im Sinne eines ‚inhärenten Außen‘ (Butler 1990, 30; 1997, 10; 2004b, 48). Das ‚konstitutive Andere‘ ist dabei äußerst produktiv, da es den auszuschließenden und zu externalisierenden, negativen Gegenpol zu vorherrschenden Normen und Konzepten von ‚Menschheit‘, ‚Normalität‘, ‚Natürlichkeit‘, ‚Gesundheit‘, ‚Produktivität‘, ‚Sicherheit‘ und ‚Ordnung‘ bildet (Kapitel 1.2). In Bezug auf die Zweigeschlechternorm bedeutet das, dass die rechtlichmedizinische Definitionsmacht als Normierungs- und Normalisierungsgewalt einerseits definiert, was ‚Frauen‘ auf vermeintlich naturgegebene Weise von ‚Männern‘ unterscheidet und diese damit erst als cis-zweigeschlechtlich hervorbringt. Andererseits wird durch die naturalisierte cis-zweigeschlechtliche Zwangsnorm von Subjektstatus und Staatsbürger*innenschaft auch eine weitere, epistemische und gewaltvolle Unterscheidung vorgenommen. Es wird unterschieden zwischen ‚normalen‘ und ‚gesunden‘ – da cis-zweigeschlechtlichen – Subjekten auf der einen Seite,
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und zu verwerfenden und zu pathologisierenden geschlechtlich nicht-konformen ‚Anderen‘ auf der anderen Seite. Die normative Gewalt der rechtlichen Verwerfung von Trans*Menschen als nicht-intelligibel und ihr Ausschluss von gleichberechtigter Staatsbürger*innenschaft und Subjektstatus wird dabei gleichzeitig durch ihre medizinisch-psychiatrische Pathologisierung als ‚psychisch krank‘, ‚verhaltensgestört‘, identitätsgestört‘, ‚abnormal‘ und ‚unnatürlich‘ institutionalisiert und legitimiert: „Medicalizing and psychiatric discourses contribute to characterizations of trans bodies and lives as anomalous, aberrant, and in need of correction“ (Gately 2010, 106; Kapitel 3.1). Trans*Menschen sowie Inter*(geschlechtliche) Menschen, werden auf eine Art und Weise rechtlich-medizinisch pathologisiert und verworfen, dass sie als nicht-intelligibel und inexistent gelten: „Trans people are told by legal systems, state agencies, employers, schools, and our families that we are impossible people who are not who we say we are, cannot exist, cannot be classified, and cannot fit anywhere“ (Spade 2011, 209; 37, 93; Butler 2004a, 20f.; Hornscheidt 2012, 50-83; Kapitel 1.2, 3-6). Zentral dabei ist unter anderem die rechtliche Unmöglichkeit, adäquate Ausweisdokumente zu erlangen, die die gefühlte Geschlechtsidentität in Form von geschlechtlichem Personenstand und Vornamen reflektieren (Kapitel 4). Den herausragenden Anteil, den der Staat an Gewalt gegen Trans*Menschen in Europa hat, wird erstmalig auf politisch-institutioneller EU-Ebene in Form einer bahnbrechenden Rede der maltesischen Minister*in für Bürgerrechte, bürgerliche Freiheiten und sozialen Dialog Helena Dalli anerkannt. In der Parlamentarischen Versammlung des Europarats am 22.4.2015 sagt Dalli zu der normativen Gewalt der Verwerfung und Verwehrung der Geschlechtsidentität: „[...] it was clear that in all these cases there was a common perpetrator, the state. Yes that’s right. The state by denying them their right to have documents that reflect their gender and name“ (Dalli 2015, Minute 12,20-12,30). Für bundesdeutsche Politik ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.10.2017 zur Schaffung einer dritten Option des Personenstands bahnbrechend im Hinblick auf die Benennung von normativer Staatsgewalt der rechtlichen Verwerfung (von Menschen, die der CisZweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen): „Der Personenstand ist keine Marginalie, sondern ist nach dem Gesetz die ‚Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung‘. Der Personenstand umschreibt in zentralen Punkten die rechtlich relevante Identität einer Person. Die Verwehrung der personenstandsrechtlichen Anerkennung der geschlechtlichen Identität gefährdet darum bereits für sich genommen die selbstbestimmte Entwicklung“ (BVerfG 2017; Kapitel 4-5).
Menschen, die der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen, maßgeblich Trans* sowie Inter*(geschlechtlichen) Menschen, wird eine selbstbestimmte nicht-pathologisierte Geschlechtsidentität verweigert (vgl. Adamietz 2011; BMF
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SFJ 2017a/b; Klöppel 2010; 2016; 2017; Kolbe 2010; Plett 2003 a/b; 2014; 2015; Schmidt 2006). Die epistemische Gewalt der normativen Abjektivierung/ Verwerfung und Pathologisierung von Trans*Menschen interagiert weiterführend mit symbolischer Gewalt (vgl. Bourdieu 1997). Die symbolische Gewaltebene basiert maßgeblich auf entmenschlichenden, pathologisierenden und demütigenden Konstruktionen (beziehungsweise Destruktionen) von Trans*Menschen in hegemonialen akademischen und außer-akademischen Wissensproduktionen, sowie insbesondere in institutionalisierten Medien. Trans*Menschen werden als nicht-intelligibel und pathologisch konstruiert, als ‚geisteskranke Abweichung‘ von der ciszweigeschlechtlichen Subjekt- und Gesundheitsnorm oder als ‚Unnatürlichkeit‘ und ‚Perverse‘ (Beispiele dazu vgl. TriQ/Wild 2014, 4-20). Die symbolische Gewaltebene kann als Erweiterung von epistemischer Gewalt verstanden werden, da sie die rechtlich-medizinisch institutionalisierte Verwerfung und Pathologisierung von Trans*Menschen reifiziert und autorisiert und so gesellschaftlich salonfähig macht: „Kennzeichnend für die symbolische Gewalt ist, dass sie auf der symbolisch-sinnhaften Ebene des Selbstverständlichen und Alltäglichen operiert und zur Bejahung, Verinnerlichung und Verschleierung von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen führt“ (Moebius/Wetterer 2011, 1). Als „Ergebnis einer geschichtlichen Verewigungsarbeit“ (Bourdieu 2005, 144) erfolgt die Durchsetzung und Reproduktion des konstruierten Zweigeschlechtermodells als vermeintliche Natürlichkeit. Genderdisziplinierung als wechselseitige Bedingtheit von zwischenmenschlicher und normativer Gewalt Zwischenmenschliche Gewalt wird oft im Kontext von ‚Transphobie‘ und Hasskriminalitäts-Diskursen als bestialischer Akt psychopathologischer, irrational handelnder, angst- oder hasserfüllter Einzeltäter*innen konstruiert sowie skandalisiert und dadurch als individualisiert und losgelöst von normativer Gewalt betrachtet (Kapitel 2.1, 10). Zwischenmenschliche Gewalt äußert sich insbesondere in verbaler und psychischer Gewalt gegen Trans*Menschen, die von Beleidigungen über Mobbing, Bullying, Schikane, Ausschluss, Isolation bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt, sowie teilweise auch lebensbedrohlicher Gewalt, Folter und Mord reichen (vgl. Balzer/Hutta 2012; Pohlkamp 2015). Dabei stellt sexualisierte Gewalt in heteropatriarchalen Gesellschaften ein Kernelement der Gender-Disziplinierung und -Sanktionierung, sowie der Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse dar. Sexualisierte Gewalt hat häufig die Intention, Menschen zu demütigen, sie abzuwerten, zu objektivieren, zu benutzen, als auch sie zu entmündigen, zu entmenschlichen und ihnen ihre (Menschen-)Würde und ihr Selbstbestimmungsrecht zu entziehen. Sexualisierte Gewalt ist dabei eine inhärent zweigeschlechtlich
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normierende und disziplinierende Gewalt von Menschen, die nicht-konform sind in Bezug auf heteronormative und/oder cis-zweigeschlechtliche Identitätsnormen und Rollenanforderungen. Bei Trans*Menschen zielt sexualisierte Gewalt zusätzlich zu der Entmenschlichung insbesondere darauf ab, sie in ihrer selbstbestimmten Geschlechtsidentität zu missachten und sie in das ihnen bei der Geburt zugewiesene Geschlecht zurückzuweisen. Ihre Nicht-Konformität mit Cis-Zweigeschlechternormen wird mit massiver Gewalt bestraft (vgl. Pohlkamp 2015, 249-280). Das zum Schweigen bringen und Ausschweigen und das dadurch ermöglichte Negieren, Ausblenden und Normalisieren von sexualisierter Gewalt, sind dabei besonders machtstabilisierend. Dies hat brutale Auswirkungen auf die Betroffenen. Dabei spielen die Besetzung von sexualisierter Gewalt mit Scham und die Umkehr von Schuld eine wichtige Rolle. Dies gilt bei sexualisierter Gewalt gegen CisFrauen und -Mädchen gleichermaßen wie bei sexualisierter Gewalt gegen Trans* und Inter*(geschlechtliche) Menschen. Jedoch ist für letztere die Thematisierung von sexualisierter Gewalt noch schwieriger: einerseits aufgrund der impliziten Reproduktion cis-zweigeschlechtlicher Normen in feministischer Forschung und Praxis (zum Beispiel auch in Beratungsangeboten und Frauenhäusern nur für CisFrauen), andererseits aufgrund der bestehenden rechtlich-medizinischen Pathologisierung und Verwerfung ihrer Geschlechtsidentitäten. Trans*Menschen wird besonders oft in polizeilichen und strafrechtlichen Verfahren die Schuld für die ihnen widerfahrene Gewalt gegeben, indem ihnen ‚Betrug‘ oder ‚Vortäuschen einer Identität‘ vorgeworfen wird. Dies resultiert darin, dass körperliche Gewalt bis hin zu Mordversuchen an Trans*Menschen oft strafrechtlich nicht verfolgt wird, oder diese in Gerichtsverfahren teilweise auch als ‚panic defense‘ auf ein Trans*Outing umgedeutet wird (vgl. Blair Woods/Sears/Mallory 2016, 1-22). Dadurch wird Gewalt rechtsstaatlich als vermeintlich irrationale Angstreaktion auf ein Trans*Outing psychopathologisiert und implizit legitimiert sowie strafrechtlich kaum belangt. Zwischenmenschliche – auch sexualisierte – Gewalt stellt jedoch eine spezifische Äußerung und Realisierung direkter Gewalt gegen Trans*Menschen dar, die normativ verankert ist: „This vicious circle of experiencing Transphobia when trying to report it affects not only gender-variant/trans people and their communities in a silencing and frightening way; it also sanctions transphobia rape by exempting perpetrators from punishment“ (Balzer/Hutta 2012, 40). Die personalisierte, zwischenmenschliche direkte Gewaltanwendung steht in einem konstitutiven Wechselverhältnis zur depersonalisierten, indirekten und institutionell ausgeübten Gewalt der heteropatriarchalen Cis-Zweigeschlechtlichkeit. Denn das Zurückweisen in das bei der Geburt zugeteilte Geschlecht ist nicht maßgeblich auf der Ebene zwischenmenschlicher Gewalt angesiedelt. Vielmehr geht sie auf die grundlegende normative Gewalt der rechtlich-medizinischen zweigeschlechtlichen Zwangszuweisung und -normierung von Neugeborenen zu einem von ausschließlich zwei Geschlechtern zurück (vgl. Fausto-Sterling 2002; Hornscheidt 2012; Voß 2010). Die
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Realisierung zweigeschlechtlich normierender Gewalt als Teil (in-)direkter Staatsgewalt zeigt sich insbesondere darin, dass international und auch in Deutschland legal versucht wurde (und teilweise noch wird), Trans*Menschen mit medizinischpsychiatrischer Gewaltanwendung in das bei Geburt zugewiesene Geschlecht zurückzuweisen. Diese (cis-zweigeschlechtlichen) Zwangskonformierungs- und Disziplinierungsversuche sind verbunden mit Versuchen und Praktiken des ‚Wegtherapierens von Homosexualität‘ durch medizinisch-psychiatrische und körperliche Gewaltanwendung (vgl. Drescher 2002, 71-91; NCLR 2018; Shidlo/Schroeder/Drescher 2002; Steffens/Thompson 2006, 13-22). Diese werden euphemistisch als ‚conversion therapy‘ oder ‚reparative therapy‘ oder im deutschen ‚Homo-Heilung‘ bezeichnet (vgl. Das Erste 08.05.14). Erst im Februar 2018 gab das Europarlament ein Statement zum Verbot dieser ‚Therapierungs- und Heilungsversuche‘ von Homosexualität ab (vgl. LGBT-EP 2018). Die deutsche Bundesregierung verbietet diese aber trotzdem weiterhin nicht (vgl. Kleine Anfrage 2018, 19/2846; FOCUS Online 19.07.2018). Das Zusammenwirken von heteronormativen und cis-zweigeschlechtlichen psychiatrischen Zwangskonformierungen kann als Verbindung von direkter und indirekter Gewalt verstanden werden – maßgeblich durch Staatsbeamt*innen und insbesondere Ärzt*innen, da diese im Namen des Staates handeln. Dabei ist fraglich, ob die psychiatrisch autorisierten Gewaltanwendungen nur deshalb beendet wurden, weil mittlerweile ihre Menschenwürde anerkannt wird. Es ist auch möglich, dass dies deshalb geschah, weil wissenschaftlich eingestanden werden musste, dass die Nicht-Konformität mit Cis-Zwei-geschlechternormen durch gewaltvolle Zwangsnormalisierungen nicht bekämpft werden kann und deshalb erfolglos und ineffektiv ist (vgl. Winter 2014). Normative, zweigeschlechtlich-normierende Staatsgewalt stellt damit eine grundlegende Ebene dar, sowohl für indirekte, depersonalisierte, dezentralisierte und legalisierte Gewalt gegen Trans*Menschen als auch für zwischenmenschliche Gewalt. Erst durch die medizinisch-juristische Institutionalisierung einer obligatorischen cis-zweigeschlechtlichen Norm und ihre Naturalisierung als einzig wahre und gesunde Subjektnorm, wird die Gewalt hervorgebracht, mit der gegenderte Grenzüberschreitungen bestraft werden. Diese Sanktionierung ist auf vier Ebenen angesiedelt: Auf der normativ-epistemischen Ebene durch die rechtlich-medizinische Verwerfung und Pathologisierung von Trans*Menschen sowie Inter* (geschlechtlichen) Personen (1); auf der sprachlichen Ebene in Form binär vergeschlechtlichter Anrufung und Ansprache (2); auf der institutionellen Ebene durch cis-zweigeschlechtlich verankerte gesamtgesellschaftliche Ausschlüsse und Diskriminierungen (3) und auf der zwischenmenschlichen Ebene durch direkte personalisierte Gewalt (4). Cis-zweigeschlechtliche Gewalt gegen Trans*Menschen wird darüber hinaus intersektional reproduziert und verstärkt durch rassistische, kapitalistische, patriarchal-heterosexistische und behindernde Gewalt. Dies äußert sich besondere
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deutlich darin, dass die überwiegende Mehrheit der weltweit registrierten Morde an Trans*Menschen an migrantischen Trans*Sexarbeiter*innen of Color und generell an Trans*Menschen of Color verübt wird (Kapitel 7, 10; vgl. Balzer/Hutta 2012, 55, 61-62; COE 2011, 60; NCAVP 2010/2011). Intersektionale Gewaltverhältnisse verstärken sich nicht nur, sondern bedingen sich wechselseitig in Form von normativen Zugangsvoraussetzungen. Hierfür sind insbesondere die sich wechselseitig voraussetzenden rechtlichen und medizinischen Zugangsbedingungen für staatliche Anerkennung in Form von Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem Transsexuellengesetz sowie die Trans*Gesundheitsversorgung relevant, die viele Trans*Menschen ausschließen (Kapitel 4.2 und 6). Intersektionale Machtverhältnisse sind dabei so miteinander verwoben, dass die Bekämpfung von Gewalt ineffektiv ist, wenn sie nur auf einer Ebene und an einem Ungleichheitsverhältnis ansetzt, wie zum Beispiel Hasskriminalitätsgesetze (Kapitel 10). So kann die lebensbedrohliche Gewalt gegen besonders vulnerable Trans*Menschen nicht effektiv bekämpft werden. Dies wird in diesem Buch mithilfe der Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs exemplarisch anhand der verstärkten Exponierung von Trans*Sexarbeiter*innen of Color und/oder Trans*Geflüchteten für Gewalt und vorzeitigen Tod verdeutlicht (Kapitel 7).
2.4 ZWISCHENFAZIT Zusammenfassend wird deutlich, dass für die Aufrechterhaltung der hegemonialen Norm heteronormativer Cis-Zweigeschlechtlichkeit normative Gewaltanwendungen notwendig sind, insbesondere solche, die psychiatrisch autorisiert und rechtlich legalisiert wurden und werden. Die gewaltvollen, institutionalisierten cis-zweigeschlechtlichen Normierungen, Verwerfungen, Pathologisierungen und Ausschlüsse von Trans*Menschen können als Nährboden für zwischenmenschliche Gewalt und Hass verstanden werden. Zwischenmenschliche Gewalt stellt dabei eine spezifische Realisierung von Gewalt dar, die durch legalisierte und normative Staatsgewalt indirekt normalisiert und rationalisiert wird. Dies geschieht auch, wenn spezifische Gewaltformen als solche in formell demokratischen Nationalstaaten mittlerweile offiziell abgelehnt und teilweise strafrechtlich sanktioniert werden, zum Beispiel körperliche (und sexualisierte) Gewaltanwendung oder Folter. Zwischenmenschliche Gewalt gegen Trans*Menschen ist demnach konstitutiv verbunden mit normativer, legalisierter und institutionalisierter Staatsgewalt. Sie kann deshalb nicht im Sinne einer Täter*innen-Opfer-Dichotomie individualisiert und durch Hasskriminalitätsgesetze effektiv bekämpft werden. Solange Subjektstatus, Intelligibilität und Staatsbürger*innenschaft an zweigeschlechtliche Normen gekoppelt ist – und solange diese es legalisieren Menschen zweigeschlechtlich zu
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pathologisieren, zu verwerfen und mit massiver Zwangsgewalt zu normalisieren – solange gehören der Staat und seine Institutionen zu den Hauptakteuren von Gewalt gegen Trans*Menschen. In den folgenden Teilen werden diese Thesen weiter ausdifferenziert. Zunächst beschäftige ich mich mit der normativen Gewalt von Psychopathologisierungen, anschließend analysiere ich die rechtliche Verwerfung als normative Staatsgewalt gegen Trans*Menschen.
Teil II Gewalt gegen Trans*Menschen in Medizin und Recht
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Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen in der Medizin „Die rechtlich-medizinischen Rahmenbedingungen eröffnen innerhalb des zweigeschlechtlichen Klassifikationssystems einen Spielraum für Veränderungen, doch diese Modifikationen, die liberale Handhabungen für den Geschlechtswechsel mit sich gebracht haben, affirmieren im neuen Gewande den Geschlechterbinarismus“ (Klöppel 2010, 584).
In diesem Teil werde ich zwei hegemoniale Konzeptionen beziehungsweise Bedeutungszuweisungen von Trans*Menschen durch medizinische und rechtliche Normen ausdifferenzieren. Erstens werden die institutionalisierten psychiatrischen Diagnosen zu ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘, maßgeblich ‚Transvestitismus‘, ‚Transsexualismus‘ und ‚Geschlechtsidentitätsstörung bei Kindern‘ der Medizin als Grundlage der Psychopathologisierung von Gender-Diversität analysiert. Diese sind als psychiatrische ‚Verhaltensstörungen‘ zum einen im international anerkannten und angewandten Diagnoseklassifikationskatalog von physischen und psychischen Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10); zum anderen im ebenfalls international einflussreichen Klassifikationskatalog der American Psychiatric Association (APA), dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) institutionalisiert. Mit Verweis auf Foucaults Analyse der Biopolitik wird argumentiert, dass Pathologisierungen für die ‚Normalisierungsgesellschaft‘ elementar sind (vgl. Foucault 1983, 18 f., 106-143; 2003 b, 253, 243). Dabei kommt der Biomedizin eine zentrale Bedeutung für die flexibilisierte Aufrechterhaltung der Geschlechterdichotomie zu. Auch werden historische Kontinuitäten der heteronormativen und zweigeschlechtlichen Bevölkerungsregulierung herausgearbeitet. Zweitens wird in Kapitel 4 die ebenfalls hegemoniale Hervorbringung von Trans*Menschen in Recht auf Grundlage des deutschen Transsexuellengesetzes
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(TSG) analysiert. Es werden komplexe juristisch-medizinische Subjektivierungen und Verwerfungen im TSG herausgearbeitet. Das TSG reproduziert hierbei die exklusiv zweigeschlechtliche Staatsbürger*innenschaft. Darauf aufbauend wird die Bedeutung der Verzahnung von rechtlich-medizinischen Normierungen, Pathologisierungen und Verwerfungen für die Aufrechterhaltung hegemonialer Normen und cis-zweigeschlechtlicher Machtverhältnisse im Kontext von Bevölkerungsregulierung diskutiert.
3.1 KOMPLEXE PSYCHOPATHOLOGISIERUNGEN: GENESE UND VERORTUNG DER DIAGNOSEN ‚HOMOSEXUALITÄT‘ UND ‚TRANSVESTITISMUS‘, ,TRANSSEXUALISMUS‘ Die Psychopathologisierung von ‚Homosexualität‘ als psychische Verhaltensstörung existierte im DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) der American Psychiatric Association bis 1973. Unter massivem internationalem Widerstand und Druck durch unterschiedliche schwul-lesbische Bewegungen, sowie verbündete Ärzt*innen, Wissenschaftler*innen und Psychotherapeut*innen wurde ‚Homosexualität‘ als psychische Verhaltensstörung im DSM-3 1973 durch die Kategorie ‚Sexual Orientation Disturbance‘ ersetzt und letztendlich aus der überarbeiteten Version des DSM-3 1986 komplett gestrichen (vgl. Spitzer 1981, 210-215). Zeitlich annähernd parallel zu der Depathologisierung von Homosexualität wurde im DSM-2 1968 die ‚sexuelle Abweichung‘ ‚Transvestitismus‘ eingeführt. Diese wurde in der überarbeiteten Version des DSM-3 von 1980 ergänzt durch weitere Diagnosen, die Geschlechtsidentität pathologisieren: konkret die ‚psychosexuelle Störung‘, ‚Transvestitismus‘, sowie ‚Transsexualismus‘ und ‚Geschlechtsidentitätsstörung bei Kindern‘ (vgl. Drescher/Cohen-Kettenis/Winter 2012; Güldenring 2015, 31-40; Winters 2013). Im Vergleich zum DSM-Katalog wurde die Psychopathologisierung von Homosexualität im Diagnosekatalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD), viel länger aufrechterhalten: konkret bis zur Veröffentlichung des ICD-10 im Jahr 1990. Gleichzeitig begann die Einführung von Diagnosen zu Geschlechtsidentität etwas früher als im DSM. Bereits im ICD-8 aus dem Jahr 1965 wurde die ‚sexuelle Abweichung‘ ‚Transvestitismus‘ als psychische Krankheitsdiagnose eingeführt, gefolgt von ‚Transsexualismus‘ 1975 im ICD-9. Darüber hinaus institutionalisierte und autorisierte der noch gültige ICD-10-Katalog eine massive Ausweitung der Psychopathologisierung von Geschlechtsidentitäten. Im Hinblick auf Pathologisierungspraktiken in den ICD- und DSM-Katalogen kann folglich aus histo-
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rischer Perspektive eine interessante biopolitische Verschiebung festgestellt werden. Einerseits wurde die Diagnose ‚Homosexualität‘ schrittweise aus den ICDund DSM-Katalogen gestrichen, bis zu ihrer endgültigen Abschaffung im ICD-10 von 1990. Andererseits wurden parallel zu dieser Entpathologisierung gegenderte psychische Diagnosen eingeführt, die die Pathologisierung von Trans*Menschen durch die Diagnosen ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘ institutionalisierten. Menschen, die cis-zweigeschlechtlichen Geschlechternormen nicht entsprechen, wurden bereits vor der Einführung spezifischer gegenderter Diagnosen in den Krankheitskatalogen indirekt durch die Diagnose ‚Homosexualität‘ psychopathologisiert. Dies insbesondere deshalb, weil Homosexualität meist auf der Grundlage von nicht-normativem Gender-Ausdruck unterstellt wird (Kapitel 2.1). Jedoch wurde mit den neu geschaffenen psychischen Diagnosen zu ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘ in den ICD- und DSM-Katalogen die institutionalisierte Grundlage für eine direkte medizinisch-psychiatrische Pathologisierung von selbstbestimmter Geschlechtsidentität und von Gender-Diversität geschaffen. In Kapitel 5 ‚Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen‘ des noch gültigen ICD-10-Katalogs werden unter F64 folgende ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘ aufgelistet: ‚Transsexualismus‘, ‚Dual-role Transvestitismus‘, ‚Geschlechtsidentitätsstörung bei Kindern‘, ‚andere Geschlechtsidentitätsstörungen‘ und ‚unspezifische Geschlechtsidentitätsstörungen‘ (vgl. Güldenring 2015, 31-40). Da der ICD-10-Katalog die autorisierte Grundlage für die medizinische Praxis im deutschen und europäischen Kontext darstellt, werden diese Diagnosen nun differenziert analysiert. Darauf aufbauend werden Veränderungen im Überarbeitungsprozess des ICD-11 im Kontext intersektionaler Machtverhältnisse und ihren biopolitischen Regulierungspraktiken diskutiert. Die Diagnose ‚Transvestitismus‘ Die Diagnose F64.1 ‚Dual-role Transvestitismus‘ (‚Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen‘) wird im ICD-10-Katalog folgendermaßen konstruiert: „A. Wearing clothes of the opposite sex in order to experience temporarily membership of the opposite sex. B. Absence of any sexual motivation for the crossdressing. C. Absence of any desire to change permanently into the opposite sex“ (ICD-10 1993, 183, eigene Hervorhebung; vgl. Demiel 2012b, 39).1 Durch die ICD1
„Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung, um die zeitweilige Erfahrung der Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht zu erleben. Der Wunsch nach dauerhafter Geschlechtsumwandlung oder chirurgischer Korrektur besteht nicht; der Kleiderwechsel ist nicht von sexueller Erregung begleitet. Störung der Geschlechtsidentität in der Adoleszenz oder im Erwachsenenalter, nicht transsexueller Typus Exkl.: Fetischistischer Transvestitismus (F65.1)“ (ICD-10 1993).
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Diagnose ‚Transvestitismus‘ können die kleinsten Abweichungen von der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit als psychische Störungen pathologisiert werden. Wenngleich das Tragen ‚gegengeschlechtlicher Kleidung‘ ohne den Wunsch eines permanenten Geschlechterwechsels im ICD-10 nicht (mehr) als Leiden und Beeinträchtigung klassifiziert wird, wird es jedoch weiterhin psychopathologisiert. Auf die grundlegende Frage, was ‚gegengeschlechtliche Kleidung‘, ‚Crossdressing‘ beziehungsweise dem Geschlecht angemessene Kleidung ist, wird in der ICDDiagnose ‚Transvestitismus‘ nicht eingegangen. Es wird vielmehr vorausgesetzt, dass es eine vorgängige und natürliche, klar zweigeschlechtlich getrennte Kleiderordnung gibt. In Hinblick darauf, was innerhalb der normativen Geschlechterdichotomie vorherrschend als ‚Crossdressing‘ bei jeweils Männern und Frauen verstanden wird, kann zudem eine geschlechtliche Asymmetrie festgestellt werden. Denn durch feministische Kämpfe wurde teilweise eine Aufweichung von Ausschlüssen und (hetero-)sexistischen Rollenzuschreibungen von Cis-Frauen auch hinsichtlich Kleidung und Beruf erreicht. Es sollte jedoch daran erinnert werden, dass das Tragen von Hosen bei Cis-Frauen bis circa Mitte der 1950er Jahre in Deutschland auch nur begrenzt erlaubt war. In Frankreich wurde erst 2013 ein Gesetz abgeschafft, das das Tragen von Hosen bei Cis-Frauen in Paris untersagte (vgl. SPIEGEL Online 04.02.2013). Dieses Gesetz wurde zwar nicht mehr angewandt, verweist aber auf historische Kontinuitäten und Transformationen von rechtlich sanktionierten ciszweigeschlechtlichen Kleiderordnungen und damit auf rechtliche Mittel der Aufrechterhaltung der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit. Auch auf diese Weise wird die naturalisierte, vermeintlich präexistente cis-zweigeschlechtliche Normalität und Normativität aufrechterhalten. Die partielle Aufweichung von vergeschlechtlichten Kleidungsnormen gilt jedoch nur begrenzt und sie existiert fast gar nicht für Personen, die bei der Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurden. Ist zum Beispiel eine Person, die bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen wurde und eine Hose trägt, sowie in cis-heteronormativen Gesellschaften eine maskuline oder Butch-Identität verkörpert (vgl. Thilmann 2018), ein*e Crossdresser*in? Oder wurde diese Form von ‚gegengeschlechtlicher‘ Kleidung durch lesbisch-feministische Kämpfe teilweise anerkannt und depathologisiert? Wäre die gleiche Person ein*e Transvestit*in oder Transsexelle*r, wenn sie (manchmal) einen Anzug, eine Krawatte oder einen Bart tragen würde? Und ist eine Person, die bei Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurde, nur durch das Tragen eines Rocks oder von Nagellack ein*e Crossdresser*in oder Transvestit*in gemäß ICD-10-Definition (vgl. Demiel 2012b, 42-43)? An dieser Stelle zeigt sich die Willkürlichkeit der aufgestellten Regeln zu zweigeschlechtlichen Kleiderordnungen und ihrer konservierenden Effekte auf die Geschlechterdichotomie und gleichzeitig, welche gewaltvollen, psychopathologisierenden Auswirkungen sie zur Folge haben.
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Es stellt sich auch die Frage danach, in welchem Kontext die Psychopathologisierung von Geschlechtsidentität und -Diversität entstand und welche Funktion die Konstruktion der normativen Cis-Zweigeschlechternorm für die Aufrechterhaltung hegemonialer Machtverhältnisse hat. Denn wie bereits unter anderem Butler (1990, 1993, 2001, 2004a), Halberstam (2005a, b, 1998), Hornscheidt (2006, 2009, 2013b) und Voß (2010, 2014) argumentieren, ist das normative Cis-Zweigeschlechtermodell weder präexistent noch ‚natürlich‘. Der TGEU-Bericht Transrespect versus Transphobia worldwide A Comparative Review of the Human-rights Situation of Gender-variant/Trans People von Transgender Europe (vgl. Balzer/Hutta 2012) und das Teilprojekt Transrespect versus Transphobia konstatieren, dass die psychiatrische Diagnose ‚Transvestitismus‘ in Verbindung steht mit AntiCrossdressing-Gesetze. Diese wurden im Zuge des Kolonialismus durch europäische Kolonialmächten geschaffen und stellten das Tragen ‚gegengeschlechtlicher Kleidung‘ unter Strafe (vgl. Balzer/Hutta 2012, 73, 101-102). Die Anti-Crossdressing-Gesetze standen zumeist in Verbindung mit AntiHomosexuellen-Gesetzen, die Sexualität und Liebesbeziehungen außerhalb der weißen heteronormativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit kriminalisierten und verfolgten: „During the colonial period, the British introduced various pieces of legislation that have affected gendervariant/trans people, including anti-castration laws that criminalize the body-modifying rituals of hijras and aravani and anti-homosexuality law“ (Balzer/Hutta 2012, 79). Mit zeitlicher Verzögerung wurden diese Gesetze auch in den (sich durch Kolonialismus und Industrialisierung herausbildenden) europäischen Nationalstaaten angewandt. Damit wurden Menschen innerhalb und außerhalb der sich herausbildenden Nationalstaaten nach cis-zweigeschlechtlichen, sowie heteronormativen Zwangsnormen diszipliniert, normalisiert, sanktioniert und/oder kriminalisiert. Durch schwul-lesbische und Trans*Bewegungen der 60er, 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden Anti-Crossdressing-Gesetze, sowie Anti-Homosexuellen-Gesetze in den meisten westlichen Industriestaaten, sowie in vielen ehemals kolonialisierten Ländern abgeschafft (vgl. Balzer/Hutta 2012, 73-75). AntiCrossdressing-Gesetze existieren laut TvT-Bericht als Folge von Kolonialismus in ehemals kolonialisierten Ländern, sowie in einzelnen europäischen Städten teilweise immer noch. Sie werden jedoch in den meisten Fällen nicht mehr strafrechtlich angewandt (vgl. Balzer/Hutta 2012, 73-75).2 Es wäre wünschenswert, das Wechsel-
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Auch zur Zeit des italienischen Faschismus unter Mussolini wurde das Tragen von gegengeschlechtlicher Kleidung kriminalisiert. Diese Regelungen werden laut TvT teilweise immer noch angewandt, um Trans*Sexarbeiter*innen zu verfolgen (vgl. Balzer/Hutta 2012, 73). Die Existenz von (abgewandelten) Anti-Crossdressing-Gesetzen kann aufgrund des Daten- und Forschungsdefizits zu den Kontinuitäten kolonialer Ver-
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verhältnis und Zusammenspiel zwischen gewaltvoll konstruierten CisZweigeschlechternormen, Heteronormativität und der weißen Vorherrschaftsideologie weitergehend zu erforschen. Meiner These nach stand die strafrechtliche Kriminalisierung durch Anti-Crossdressing-Gesetze und Anti-Homosexuellen-Gesetze auf signifikante Weise in Verbindung mit rassistischen Heiratsverboten (vgl. el-tayeb 2001, 60-139; Frankenberg 1993, 71-101; McClintock 1996, 260; 2004; Shah 2001, 77; Yuval-Davis 2001, 13). Für die Bevölkerungsregulierung mit dem Ziel, moderne europäische Nationalstaaten und eine weiße Vorherrschaftsideologie zu schaffen und aufrechtzuerhalten durch Kolonialismus, Versklavung und kapitalistisch-koloniale Mehrwertaneignung nach außen und zweigeschlechtliche Hierarchisierung und Arbeitsteilung, sowie kapitalistische Mehrwertaneignung und Klassenbildung nach innen ist die biopolitische Kontrolle von Sexualität zentral: „In this way, sexual activity either served or imperiled the racial order and national power“ (Shah 2001, 77). Im Zentrum von Bevölkerungs- und Reproduktionspolitik standen dabei unter anderem disziplinierende Gesetze bezüglich der rassistisch-heterosexistische Heirats- und Sexualpolitik. Innerhalb und außerhalb der Kolonien wurden gesetzliche Verbote und die strafrechtliche Kriminalisierung sogenannter ‚rassischer Mischehen‘, sowie von nicht-heteronormativen Beziehungen eingeführt: „Miscegenation law sought to regulate heterosexual marriage within racial bounds and fitnessed the perpetuation of racial purity in procreation. […] As early as 1850 the state prohibited marriages between ‚white persons‘ and ‚Negroes and Mulattoes‘“ (Shah 2001, 97). Auch in von Deutschland kolonialisierten Gebieten/Ländern, sowie im sich herausbildenden deutschen Nationalstaat wurden Ehen und Beziehungen zwischen weißen Kolonisator*innen und nicht-weißen (kolonialisierten) Menschen verboten (vgl. Frankenberg 1993, 71-101). Dies wohlgemerkt, während es ungestraft blieb, wenn weiße Cis-Männer Schwarze Cis-Frauen vergewaltigten (vgl. el-tayeb 2001, 60-139; Frankenberg 1993, 71-101).Sexuelle und soziale Beziehungen außerhalb des weißen, heterosexuellen Kleinfamilienmodells wurden als „perversion, betrayal, and distortion of ‚the race‘ and of racially defined communities“ (Shah 2001, 77) deklariert und strafrechtlich verfolgt. Für die Durchsetzung dieser restriktiven, rassifiziert-heteronormativen Sexualitätspolitik wurden unter anderem rassistische und ableistische Bedrohungsnarrative von ‚Degeneration‘, ‚Krankheit‘ und ‚Seuche‘ geschaffen: „Within the imperialist context of colonialism, eugenics thrived on the fear of racialized Others fueled by racist associations of genetic degeneration and disease […] Degeneration became a compelling racial metaphor that positioned colonized races as intrinsically degenerate and incapable of improvement“ (Erevelles 2011, 129; vgl. Davis 1997, 8; folgung von Menschen, die Cis-Zweigeschlechternormen nicht entsprechen weder verifiziert noch falsifiziert werden.
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Mitchell/Snyder 2010, 187). Dadurch wurde eine ‚gesunde Norm‘ von dem Menschen als weiß, cis-zweigeschlechtlich, heterosexuell und nicht-behindert geschaffen und mit hegemonialen Konzeptionen von Nation und Familie verbunden (vgl. McClintock 1997, 91-93). Die Konstruktion und Institutionalisierung der heteronormativen Cis-Zweigeschlechternorm und Familienkonzeption als gesellschaftliches Ordnungsprinzip ist demnach für die Entstehung und Aufrechterhaltung von weißen, kapitalistischen, europäischen Nationalstaaten im doppelten Sinne grundlegend (vgl. Ferguson 2005, 86; McClintock 1996, 260; 1997, 91-93; Reddy 2911, 135-157). Sie machte einerseits die Bevölkerung durch die zweigeschlechtliche Arbeitsteilung für die kapitalistische Mehrwertproduktion und damit für die ökonomische Reproduktion der Nation gefügig. Andererseits disziplinierte sie durch eine cis-zweigeschlechtliche, heteronormative und rassifizierte Sexualitätspolitik für die biologische Reproduktion der Nation nach innen und nach außen und ermöglichte damit die weiße Vorherrschaftsideologie (vgl. Davis 2001, 13; el-tayeb 2001, 60-139; Frankenberg 1993, 71-101; McClintock 1996, 260; 1997, 91-93; Shah 2001, 77; Yuval-Davis 2001, 13). Die biopolitische Bevölkerungsregulierung und Fiktion einer vermeintlich natürlichen, nationalen weißen Einheit (vgl. el-tayeb 2001, 60-139; Frankenberg 1993, 71-101; McCIintock 2004) erfolgte dabei zum einen durch Sanktionierung in Form der strafrechtlichen Verfolgung von Nicht-Konformität. Zum anderen wurde das Ideal der respektablen, weiß-nationalen, heteronormativen, nicht-behinderten und kapitalistisch-produktiven Familie als Keimzelle der prosperierenden ‚gesunden‘ Nation konstruiert mit den damit einhergehenden selbstregulierenden und normalisierenden Effekten: „Modern, healthy society was conceptionalized as a series of heterosexual married couples and their children, who, as middle-class families, perpetuated the race and enriched the nation“ (Shah 2001, 77; vgl. Ferguson 2005, 86; Reddy 2911, 135-157). Damit verbunden ist auch die Konstruktion der Frau als ‚Hüterin‘ der weißen ‚Rasse‘, Kultur und Nation, sowie ihrer ‚weiblichen Ehre‘ (vgl. el-tayeb 2001, 60139; Frankenberg 1993, 71-101; McCIintock 1997, 90; Yuval-Davis 2001, 13). Die koloniale Genese der gewaltvoll konstruierten und aufrechterhaltenen Cis-Zweigeschlechternorm, sowie von rassifizierter Heteronormativität macht zum einen deutlich, wie sich intersektionale Normen und Machtverhältnisse wechselseitig bedingen. Zum anderen zeigt sich, dass die Regulierung von nichtkonformen Bevölkerungsteilen insbesondere auf biopolitisch transformierten Praktiken der Normierung, Normalisierung, Kriminalisierung und Pathologisierung basiert. Diese Praktiken können als wichtige disziplinierende und biopolitisch diversifizierte Regierungsinstrumente verstanden werden, die der Aufrechterhaltung hegemonialer Machtverhältnisse durch Kontinuitäten biopolitischer Verwerfungen und Pathologisierungen von Gender-Diversität dienen. Dies zeigt auch die Analyse der ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘.
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Die ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘ Die ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘ ‚F64.0 Transsexualismus‘ des noch gültigen ICD-10-Katalogs unter der Überschrift ‚Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen‘ (vgl. ICD-10-GM 2018, F64) wird folgendermaßen definiert: „A. Desire to live and be accepted as a member of the opposite sex, usually accompanied by the wish to make one’s body as congruent as possible with one’s preferred sex through surgery and hormonal treatment. B. Presence of the transsexual identity for at least two years persistently. C. Not a symptom of another mental disorder, such as schizophrenia, or associated with chromosome abnormality“ (ICD-10 1993, 163; vgl. Demiel 2012b, 36-43; Güldenring 2015, 31-40).
Die ICD-10 Klassifikation definiert ‚Transsexualismus‘ als ‚gegengeschlechtliche Identifikation‘, die permanent für mindestens zwei Jahre bestehen muss. Im Vergleich zur DSM-Diagnose wurde die ICD-10 Definition ‚Transsexualismus‘ um zwei elementare Kriterien ergänzt: Die Abwesenheit von ‚anderen psychischen Störungen‘, insbesondere von ‚Schizophrenie‘, von ‚dissoziativen und bipolaren Störungen‘ und ‚Borderline‘ und die Abwesenheit von ‚chromosomalen Abnormalitäten‘, sprich von Inter*geschlechtlichkeit beziehungsweise von körperlichen Geschlechtervarianzen. Diese erweiterten Kriterien der ICD-10 Definition von ‚Transsexualismus‘ sind von großer Bedeutung. Erstens wird die Diagnose ‚Transsexualismus‘ von der körperlich pathologisierenden Diagnose ‚Intersexualität‘ oder DSD (Disorders of Sexual Development) abgegrenzt. Zweitens wird die normative Zweigeschlechtlichkeit inhärent an psychische (und eventuell geistige) Nicht-Behinderung gekoppelt, durch die Bedingung der Abwesenheit bestimmter psychiatrischer Vordiagnosen (z.B. ‚Schizophrenie‘, oder ‚Borderline‘). Darüber hinaus wird drittens Zweigeschlechtlichkeit als naturalisierte Norm durch das notwendige Kriterium der ‚gegengeschlechtlichen‘ Identifikation reproduziert. Notwendige Voraussetzungen für die ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘ sind demnach ‚Gegengeschlechtlichkeit‘, ein Mindestalter von 18 Jahren, rechtliche Mündigkeit, (relative) psychische (und/oder geistige) Nicht-Behinderung und die Abwesenheit von Kriterien für Inter*geschlechlichkeit. Trans*Menschen, die sich nicht (strategisch) innerhalb normativer Zweigeschlechtlichkeit verorten können oder wollen, bei denen andere (Vor-)Diagnosen oder Behinderungen vorliegen oder die inter*(geschlechtlich) sind, werden durch den standardisierten Diagnoseschlüssel ‚Transsexualismus‘ des ICD-10 ausgeschlossen (vgl. Güldenring 2015, 31-40). Diese Ausschlüsse sind bedeutend und folgenschwer, denn die Diagnose ‚Transsexualismus‘ ist in Deutschland und vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten zum einen Voraussetzung für die juristische Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem
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Transsexuellengesetz (Kapitel 5), zum anderen auch für die Übernahme von Kosten im Rahmen einer staatlich-gesetzlich geregelten Trans*Gesundheitsversorgung durch die Krankenkassen (sofern diese existiert) (Kapitel 6.3; vgl. Güldenring 2015, 31-40). Es kann festgehalten werden, dass die ICD-10 und DSM-5 Diagnosen ‚Transsexualismus‘ und ‚Transvestitismus‘ als komplementäre Diagnosen die Psychopathologisierung von Geschlechtsidentität und -diversität im Allgemeinen und von Trans* Menschen im Besonderen medizinisch autorisieren und umsetzen. Indem NichtKonformität mit Cis-Zweigeschlechternormen mit normativer medizinisch-psychiatrischer und legaler Gewalt pathologisiert und damit verworfen wird, wird die Normativität der Cis-Zweigeschlechtlichkeit als vermeintlich vorgängige, natürliche Subjekt- und Gesundheitsnorm aufrechterhalten.
3.2 POTENTIALE UND GRENZEN AKTUELLER DEPATHOLOGISIERUNGEN Die Diagnosen zu Gender-Diversität in den ICD-10 und DSM-5-Katalogen, die Trans*Menschen psychopathologisieren, stoßen seit Jahren auf internationale Kritik durch unterschiedliche Trans*Bewegungen. Widerstand und Öffentlichkeitsarbeit geht insbesondere von der 2007 in Barcelona initiierten und ab 2009 international verbreiteten Kampagne Stop-Trans*Pathologisierung (kurz: STP) aus (STP 2009). Diese setzte sich zum Ziel, die Streichung der Diagnosen zu ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘ aus den für 2012 geplanten Neuauflagen des ICD-11 und DSM-5 zu erwirken (vgl. STP 2013a/b). Ziel der STP-Kampagne ist einerseits die Depathologisierung von Trans*Menschen, sowie von Gender-Diversität allgemein. Andererseits soll die jeweils erwünschte medizinische Versorgung von Trans*Menschen durch die Krankenkassen rechtlich sichergestellt und insgesamt verbessert werden. Dies betrifft insbesondere einen depathologisierten Zugang zu Hormonbehandlung, sowie zu Operationstechnologie (die zusammengefasst im Folgenden als Trans* Gesundheitsversorgung benannt wird).3
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Die Berliner STP-Kampagne geht über die Forderung nach Depathologisierung von Trans*Menschen und dem Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung hinaus und fordert unter anderem auch zugängliche, depathologisierte Möglichkeiten zur unbürokratischen rechtlichen Vornamens- und Personenstandsänderung, die Beendigung ‚geschlechtsangleichender‘ Zwangsoperationen an Inter*(geschlechtlichen) Kindern und Jugendlichen, verbesserte Chancen für Trans*Menschen auf dem Arbeitsmarkt, das Ende der Kriminalisierung von Trans*Sexarbeiter*innen, bessere Arbeitsbedingungen und die rechtliche Gleichstellung von Geflüchteten mit deutschen Staatsbürger/innen (vgl. Berliner Bündnis STP 2012, 49; Demiel 2012a, 22-25; Incognito 2012, 46).
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Dem internationalen Widerstand gegen die Psychopathologisierung von selbstbestimmter Geschlechtsidentität wird offiziell durch proklamierte Depathologisierungsintentionen und Zugeständnisse in den Neuauflagen des DSM und ICD begegnet. Aufgrund des internationalen Drucks und Widerstands maßgeblich der Stop-Trans*Pathologisierung-Kampagne (STP 2009; 2013), von GATE (Global Action for Trans* Equality) (vgl. GATE 2013; 2017a/b) und WPATH (World Professional Association for Transgender Health) (vgl. WPATH 2017) wurde im DSM-5 mit der Umbenennung der Diagnose in ‚Gender-Dysphoria‘ (deutsch: ‚Geschlechtsdyshorie‘) offiziell anerkannt, dass die Nicht-Konformität mit cis-zweigeschlechtlichen Normen an sich keine ‚psychische Störung‘ darstellt (vgl. Winters 2013). Wie im Folgenden erörtert wird, zeichnen sich beide Überarbeitungsprozesse (des DSM und ICD) neben partiellen Verbesserungen auch durch diagnostische Neu- und Umbenennungspraktiken aus. Darüber hinaus werden Diagnosen zu Gender-Diversität ausgeweitet, ausdifferenziert, flexibilisiert, angepasst und verschoben. Exemplarisch für diese Anpassungs- und Verschiebungspraktiken ist die Umbenennung der Diagnose ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘ beziehungsweise ‚Gender Identity Disorder‘ des DSM-4 (2003) (vgl. DSM-IV-TR 2003) in ‚GenderDysphoria‘ im DSM-5 (2013). Durch diese Umbenennung soll die Stigmatisierung von Trans*Menschen als ‚psychisch krank‘ vermieden werden. Durch die DSM-5 Klassifikation ‚Gender-Dysphoria‘ wird jedoch die Psychopathologisierung von Geschlechtsidentität de facto unter anderem Namen fortgeführt, mit dem Argument, ‚diagnostische Kriterien‘ für die medizinische Behandlung von Trans*Menschen zu liefern (vgl. Winters 2013). Auch der Wunsch nach Trans*Gesundheitsversorgung (zum Beispiel in Form von Hormonbehandlungen oder Operationen) wird weiterhin psychopathologisiert (vgl. Güldenring 2015, 31-40; Winters 2013; STP 2013a, 5). Mit dem leicht veränderten, jedoch reproduzierten Kriterium des ‚Leidens‘ wird im DSM-5 folglich weiterhin die Psychopathologisierung von Trans*Menschen gerechtfertigt (vgl. ICD-10 1993). Dabei wird ausgeblendet, dass diese nicht aufgrund ihrer Geschlechtsidentität leiden, sondern aufgrund der normativen Gewalt, mit der ihre Identitäten in der Cis-Zweigeschlechterordnung rechtlich verworfen, ausgeschlossen und psychopathologisiert werden (vgl. LesMigraS 2012).4 Zudem wird die Psychopathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern mit der Diagnose ‚Gender Dysphoria in children‘ in der Neuauflage des DSM-5 medizinisch autorisiert fortgeführt, selbst wenn bei Kinder kein Wunsch oder keine Notwendigkeit einer trans*spezifischen medizinischen Versorgung besteht (vgl. Winter 4
Auch werden ‚klinisch signifikantes Leiden‘ und ‚Beeinträchtigungen in sozialen und beruflichen Bereichen‘, sowie ‚anderen wichtigen Bereichen des Funktionierens‘ aufgrund der Nicht-Konformität mit normativer Cis-Zweigeschlechtlichkeit weiterhin als ‚psychische Störung‘ klassifiziert (STP 2013a, 5).
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2013). Auf diese besonders entwicklungshemmende Psychopathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern wird später dezidiert eingegangen (Kapitel 3.3). Auch die Psychopathologisierung von von vermeintlich gegengeschlechtlicher Kleidung auf Grundlage einer vermeintlich vorgängigen, ‚gesunden‘ und ‚normalen‘ zweigeschlechtlichen Kleiderordnung bleibt im DSM-5 durch die minimale Umbenennung von vormals ‚Transvestic Fetishism‘ (TF) in ‚Transvestic Disorder‘ erhalten. Und wird ausgeweitet auf Personen, denen bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde. Davor wurden darunter hauptsächlich Personen mit männlich zugewiesenem Geschlecht psychopathologisiert (vgl. Demiel 2012b, 42; STP 2013b, 1-2; STP 2013a, 5; Winter 2013). Folglich wird durch die antiquierte, jedoch machtvolle Konstruktion von vermeintlich natürlich und selbstevident zweigeschlechtlichen Kleidungsstücken im DSM-5 die medizinisch-psychiatrisch autorisierte Pathologisierung jeglicher damit verbundener Nicht-Konformität gewaltvoll aufrechterhalten. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Begründung, Richtlinien für die medizinische Behandlung von Trans*Menschen zu liefern, ein Vorwand ist, um die medizinisch-psychiatrische Definitionsmacht und die normative CisZweigeschlechtlichkeit als Gesundheits- und Subjektnorm trotz massiver Kritik aufrechtzuerhalten. Ähnlich wie beim DSM-5 lassen sich auch in den unterschiedlichen Überarbeitungsprozessen des ICD-Katalogs transformierte Reproduktionen von Gender-Pathologisierungen finden, die für die Aufrechterhaltung einer naturalisierten Cis-Zweigeschlechtlichkeit notwendig sind. Im August 2014 veröffentlichte die WHO die ersten vorläufigen Ergebnisse des ICD-11-Überarbeitungsprozesses. Die Veröffentlichung des ICD-11 war bereits für 2012 angekündigt, seine Ratifizierung wird jedoch voraussichtlich erst im Mai 2019 stattfinden. In der im Mai 2018 veröffentlichten vorläufigen (End-)Version des ICD-11 (vgl. ICD-11) wurde erstmals die seit Jahren von der Stop-STP-Kampagne, GATE und WPATH geforderte Löschung beziehungsweise Entfernung der Diagnosen ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘ und ‚Transsexualismus‘ aus der Sektion 5 ‚Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen‘ berücksichtigt. Die psychiatrische Klassifikation ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘ wurde umbenannt in ‚Gender-Inkongruenz‘ und was gleichermaßen wichtig ist verschoben in Sektion 17 ‚Conditions related to sexual health‘ (vgl. ICD-11) und damit neu zugeordnet. Der erstmals von der WHO berücksichtigte Vorschlag zur Neurahmung von Trans*Menschen durch die Umbenennung in ‚Gender-Inkongruenz‘ und die bedeutsame Verschiebung in Sektion 17 kann als Meilenstein auf dem Weg zur Depathologisierung von Trans* Menschen verstanden werden. In der vorläufigen (End-)Version des ICD-11 (Mai 2018) (ICD-11 2018a/b) wird ‚HA40 Gender incongruence of adolescence or adulthood‘ definiert als „anhaltende Inkongruenz zwischen dem selbsterlebten und dem zugewiesenen Geschlecht“:
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„Gender Incongruence of Adolescence and Adulthood is characterized by a marked and persistent incongruence between an individual‘s experienced gender and the assigned sex, which often leads to a desire to ,transition‘, in order to live and be accepted as a person of the experienced gender, through hormonal treatment, surgery or other health care services to make the individual‘s body align, as much as desired and to the extent possible, with the experienced gender. The diagnosis cannot be assigned prior the onset of puberty. Gender variant behaviour and preferences alone are not a basis for assigning the diagnosis.“ (vgl. ICD-11).
‚Gender-Inkongruenz‘ bei Heranwachsenden und Erwachsenen kann nicht vor der Pubertät diagnostiziert werden und ist laut der vorläufigen ICD-11-(End-)Version oft begleitet von dem Wunsch nach einer Transition. Diese kann eine Hormonbehandlung, Operationen und weitere Gesundheitsversorgung beinhalten, um im gefühlten und gelebten Geschlecht akzeptiert zu werden. ‚Inkongruenz‘ oder NichtKonformität mit cis-zweigeschlechtlichen Normen wird nicht mehr durch Klassifikationen wie ‚Anomalie‘ oder ‚Störung‘ abnormalisiert und psychopathologisiert. Damit beinhaltet die Neufassung des ICD-11 mit der Klassifikation ‚GenderInkongruenz‘ das Potential, die Lebensbedingungen für bestimmte erwachsene Trans*Menschen durch partielle Depathologisierung zu verbessern. Problematisch ist jedoch, dass in der Überarbeitungsversion die binäre Normierung von Geschlecht sowie Cis-Normativität implizit als Kohärenzannahme von medizinischrechtlich zugewiesenem Geschlechtseintrag bei der Geburt und gefühlter, gelebter und verkörperter Geschlechtsidentität weitergeführt wird. Auch die depathologisierte Möglichkeit zur gewünschten trans*spezifischen medizinischen Versorgung nist icht konkretisiert und gewährleistet. Dies gilt für sozialstaatliche beziehungsweise krankenkassenrechtliche Leistungen wie eine Hormonbehandlung und/oder gewünschte Operationen. Grundsätzlich ist auch zu beachten, dass die besagte, partiell depathologisierende Rahmung von Trans* Menschen durch die Klassifikation ‚Gender-Inkongruenz‘ noch der Ratifizierung im Mai 2019 bedarf. Das bedeutet, dass die Forderung nach der in der vorläufigen ICD-11 (End-)Version angelegten Depathologisierung von erwachsenen Trans*Menschen und nach einer sozialstaatlich gewährleisteten Trans*Gesundheitsversorgung weiterhin mit Nachdruck bekräftigt, sowie in Form von nationaler Gesundheitspolitik konkretisiert und sichergestellt werden muss, um Gültigkeit zu erlangen. Wie bei allen offiziellen rechtlichen und medizinischen Veränderungen müssen die Auswirkungen der medizinischen Neurahmung auf die faktische Verbesserung der (Über-)Lebenschancen von Trans*Menschen anhand der tatsächlichen Umsetzung des zukünftigen ICD-11 kritisch geprüft werden. Das gilt insbesondere für den depathologisierten Zugang zur Trans*Gesundheitsversorgung und den Umgang mit nicht-binären Personen. In Bezug auf die Auswirkungen der diagnostischen, medi-
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zinischen Neurahmungen ist insbesondere auch die Frage elementar, welche mehrfachdiskriminierten Trans*Menschen weiterhin psychopathologisiert und von der Trans*Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden. Zudem muss untersucht werden, welche Effekte die medizinische Depathologisierung von erwachsenen Trans*Menschen auf den rechtlichen Prozess der Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem deutschen Transsexuellengesetz haben wird. Wenn die Diagnose ‚F64 Transsexualismus‘ im ICD-Katalog nicht mehr besteht, müsste folgerichtig darauf die rechtliche Depathologisierung von Trans*Menschen folgen. Welche Effekte das Zusammenspiel aus Recht und Medizin hinsichtlich der Regulierung von Gender-Diversität in Zukunft haben wird, beziehungsweise ob und wie die Psychopathologisierung von Trans*Menschen und Gender-Diversität in Deutschland durch rechtliche Transformationen aufrechterhalten wird, ist noch unklar. Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Umbenennungs-, Flexibilisierungs- und Anpassungstendenzen von Pathologisierungspraktiken durch Diagnosen stellt sich auch die Frage, ob und inwiefern normative Cis-Zweigeschlechtlichkeit als Gesundheitsnorm durch Kontinuitäten von gegenderten Pathologisierungen unter verändertem Namen aufrechterhalten wird. Dies wird nun am Beispiel der kontinuierlichen Psychopathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern kritisch erörtert.
3.3 BIOPOLITISCHE KONTINUITÄTEN DER PSYCHOPATHOLOGISIERUNG DER GESCHLECHTSIDENTITÄT VON KINDERN Die Psychopathologisierung der Geschlechtsidentität von (Trans*)Kindern wurde trotz massiver internationaler Kritik durch Trans*Organisationen, etwa durch GATE (2013a), der STP-Kampagne (2013c), TGEU (2013) oder der Intervention von WPATH (2013), in der vorläufigen ICD-11 (End-)Version der WHO nicht aufgehoben. Die Diagnose ,F64.2 Gender identity disorder of childhood‘ des ICD-10 wurde lediglich umbenannt in ‚HA41 Gender incongruence of childhood‘ (ICD-11 2018b). Die noch gültige ICD-10 Klassifikation ‚F64.2 Gender identity disorder of childhood‘ (ICD-10 1993) weist große Ähnlichkeiten zu der veränderten DSM-5 Diagnose ‚302.6 Gender Dysphoria in Children‘ auf (American Psychiatric Association DSM-5 2016).5 Letztere kann als Verbindung der Diagnosen ‚Transvesti-
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„A marked incongruence between one’s experienced/expressed gender and assigned gender, of at least 6 months duration […] 1. a strong desire to be of the other gender or an insistence that he or she is the other gender [5] 2. in boys, a strong preference for crossdressing or simulating female attire; in girls, a strong preference for wearing only typical
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tismus‘ und ‚Transsexualismus‘ verstanden werden. Auf Grundlage der Kriterien ‚gegengeschlechtliche‘ Kleidung zu tragen (Diagnose ‚Transvestitismus‘), das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht oder seine physisch-geschlechtliche Anatomie abzulehnen und sich ‚gegengeschlechtlich zu identifizieren‘ (Diagnose ‚Transsexualismus‘) können jegliche Nicht-Konformitäten mit der normativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit ab dem Kindesalter psychopathologisiert werden. Die Ähnlichkeit zwischen ‚F64.2 Gender identity disorder of childhood‘ des ICD-10 und ‚302.6 Gender Dysphoria in Children‘ des DSM-5 zeigt sich insbesondere hinsichtlich des Kriteriums einer (lediglich) sechs Monate anhaltenden Nicht-Konformität mit ciszweigeschlechtlichen Normen bezüglich Kleidung und Verhalten. Unterschiede zwischen den diesbezüglichen ICD-10 und DSM-5 Diagnosekriterien bestehen darin, dass die international noch gültige ICD-10-Diagnose ‚Gender identity disorder in children‘ vergleichsweise stärker den Leidensdruck aufgrund der gesellschaftlichen Nicht-Anerkennung der gefühlten ‚gegengeschlechtlichen‘ Identität betont und das Leiden aufgrund körperlicher Aversionen (besonders gegen als männlich assoziierte Genitalien). In der ICD-10 Klassifikation wird der Schwerpunkt dabei insbesondere auf Körper von Kindern gelegt, die bei der Geburt dem männlichen Geschlecht zugewiesen wurden, sich jedoch nicht damit identifizieren: „Persistent repudiation of male anatomic structures, as indicated by at least one of the following repeated assertions: (a) that he [sic] will grow up to become a woman (not merely in role) (b) that his [sic] penis or testes are disgusting or will disappear (c) that it would be better not to have a penis or testes“ (ICD 1993, 164165). Die Betonung der Aversion von Kindern gegen die eigene körperliche Anatomie wird auch in der vorläufigen (End-)Version des ICD-11 von Mai 2018 mit der Diagnose ‚HA41 Gender incongruence of childhood‘ als Kriterium reproduziert. ‚Gender Incongruence of childhood‘ wird analog zu der ICD-11 Diagnose für Erwachsene (‚Gender incongruence of adolescence or adulthood‘) als Inkongruenz zwischen dem gelebten Geschlecht und dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht bei präpubertären Kindern definiert. Diese ist verbunden mit dem starken Wunsch, einem ‚anderen‘ als dem zugewiesenen Geschlecht anzugehören. masculine clothing and a strong resistance to the wearing of typical feminine clothing [6] 3. a strong preference for cross-gender roles in make-believe or fantasy play [7] 4. a strong preference for the toys, games, or activities typical of the other gender [8] 5. a strong preference for playmates of the other gender [9] 6. in boys, a strong rejection of typically masculine toys, games, and activities and a strong avoidance of rough-andtumble play; in girls, a strong rejection of typically feminine toys, games, and activities [10] 7. a strong dislike of one’s sexual anatomy [11] 8. a strong desire for the primary and/or secondary sex characteristics that match one’s experienced gender [12]“ (American Psychiatric Association DSM-5 2016).
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Jedoch wird bei präpubertären Kindern der Fokus stärker auf die Abneigung gegenüber der ‚geschlechtlichen Anatomie‘, beziehungsweise gegenüber den primären und/oder antizipierten sekundären Geschlechtsmerkmalen gelegt und/oder dem starken Wunsch nach den primären und/oder antizipierten Geschlechtsmerkmalen des gelebten Geschlechts: „Gender incongruence of childhood is characterized by a marked incongruence between an individual’s experienced/expressed gender and the assigned sex in pre-pubertal children. It includes a strong desire to be a different gender than the assigned sex; a strong dislike on the child’s part of his or her sexual anatomy or anticipated secondary sex characteristics and/or a strong desire for the primary and/or anticipated secondary sex characteristics that match the experienced gender; and make-believe or fantasy play, toys, games, or activities and playmates that are typical of the experienced gender rather than the assigned sex. The incongruence must have persisted for about 2 years, and cannot be diagnosed before age 5. Gender variant behaviour and preferences alone are not a basis for assigning the diagnosis“ (ICD-11 2018b, eigene Hervorhebung).
Zwischen der vorläufigen (End-)Version der ICD-11 Diagnose ‚Gender Incongruence of childhood‘ und der DSM-5-Klassifikation ‚Gender Dysphoria in children‘ lassen sich Unterschiede insbesondere in Bezug auf die veranschlagte Dauer von vermeintlich geschlechtlich nicht-konformem Verhalten und in Bezug auf das Alter der Kinder feststellen. Während im DSM-5 psychiatrisch lediglich eine sechs Monate anhaltende ‚Gender-Dysphoria‘ festgestellt werden muss und keine Mindestaltersgrenze besteht, muss die ‚Gender-Inkongruenz‘ laut vorläufiger ICD-11 (End-) Version mindestens zwei Jahre anhalten, kann nicht vor dem 5. Lebensjahr diagnostiziert werden, muss aber vor der Pubertät erfolgen. Im Vergleich zu der noch gültigen ICD-10-Klassifikation könnte die Klassifikation ‚Gender-Inkongruenz bei Kindern‘ des ICD-11 mehrere Verbesserungen für die Lebenssituationen von genderdiversen Kindern beinhalten: Erstens wäre nach ICD-11 ein Verhalten, das vermeintlich geschlechtlich nicht-konform ist, allein keine ausreichende Begründung mehr für die Diagnose ‚Gender-Inkongruenz im Kindesalter‘. Zweitens wird das Tragen ‚gegengeschlechtlicher Kleidung‘ nicht mehr als Diagnosegrundlage aufgeführt. Drittens darf die ‚Gender-Inkongruenz‘ nicht vor dem 5. Lebensjahr eines Kindes diagnostiziert werden und muss mindestens zwei Jahre anhalten, nicht mehr nur sechs Monate. Gleichzeitig lassen sich Ähnlichkeiten zwischen der ICD-11 Diagnose (‚Gender Incongruence of childhood‘) und der DSM-5 Diagnose (‚Gender Dysphoria in children‘) feststellen, insbesondere, was die Reproduktion einer grundlegend naturalisierten und normalisierten Cis-Zweigeschlechternorm anbelangt. Die Norm von Cis-Zweigeschlechtlichkeit als ‚gesund‘ wird im DSM-5, sowie in der vorläufigen (End-)Version des ICD-11 für das Kindesalter reproduziert und durch das Diagno-
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sekriterium erweitert, eine Präferenz zu haben für vermeintlich binär vergeschlechtlichte ‚typisch feminine‘ oder ‚typisch maskuline‘ Fantasie- und Rollenspiele, Spielen, Spielsachen, Aktivitäten und Spielpartner*innen. Im DSM 5 wird dies darüber hinaus ergänzt durch eine vermeintlich vorgängige, zweigeschlechtliche Kleiderordnung. Was damit konkret gemeint ist, sprich, warum und inwiefern Spielsachen, Spiele, Kleidung und Aktivitäten zweigeschlechtlich normiert sind und was diesbezüglich ‚typisch weibliche‘ oder ‚typisch männliche‘ Präferenzen sein sollen, wird nicht ausgeführt. Dies widerspricht sowohl allen wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Konstruiertheit und das Erlernen von Geschlecht und Geschlechtsidentität (doing gender und Geschlechtersozialisierung vgl. Beauvoir 1992, 335), als auch den Grundsätzen der geschlechterreflektieren Pädagogik, die sich für gleichberechtigte Teilhabe aller Geschlechter und das Aufbrechen entwicklungshemmender zweigeschlechtlichen Rollenanforderungen einsetzt. Die Psychopathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern entbehrt jeglicher ‚klinischen Sinnhaftigkeit‘, da Kinder vor der Pubertät keinen Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung durch Hormonblocker oder Hormonbehandlung bedürfen (vgl. Winter 2014). Zum anderen werden Kinder durch die Psychopathologisierung, Zwangstherapierung und eventuelle Psychiatrisierung in ihrer Entwicklung behindert. Sie werden nicht nur in der Selbstbestimmung ihrer Geschlechtsidentität eingeschränkt, sondern auch normativer Gewalt, Missbrauch und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt: „In the case of the DSM-5, given its character of ‚Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders‘, we are especially concerned about the risks inherent in a psychopathologization process of gender diversity in children, including the risk of exposure to situations of social discrimination, conversion therapies and other forms of iatrogenic abuse […] thus reproducing a binary imaginary, reducing gender diversity in children, and mirroring the occidental origin of the diagnostic model“ (STP 2013b, 6, 3).
Deutlich wird, dass schon ab dem Kindesalter die naturalisierte Cis-Zweigeschlechterordnung, sowie damit verbundene antiquierte und patriarchale Rollenzuschreibungen nicht nur durch (Selbst-)Normalisierungspraktiken durchgesetzt wird, sondern auch durch normalisierte und staatlich legitimierte medizinische Zwangsgewalt in Form von Gender-Disziplinierung, -pathologisierung und -konformierung. Parallel zu den partiellen Depathologisierungsprozessen bei Erwachsenen ermöglicht die Diagnose ‚Gender Incongruence of childhood‘ der vorläufigen (End-) Version des ICD-11 folglich die kontinuierliche Pathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern auf der Grundlage essentialisierter und naturalisierter ciszweigeschlechtlicher Gesundheits- und Subjektnormen.
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3.4 ZWISCHENFAZIT: ZUR KONTINUITÄT VON HETERO- UND CIS-NORMATIVITÄT IM WANDEL PSYCHIATRISCHER DIAGNOSEN Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Psychopathologisierung von Trans*Menschen im Besonderen und von selbstbestimmter Geschlechtsidentität per se durch die diversifizierten DSM- und ICD-Diagnosen unter anderen Namen und mit leichten Veränderungen fortgeführt wird. Jedoch besteht in Folge des ICD-11Überarbeitungsprozesses erstmals die Möglichkeit der partiellen Depathologisierung und damit Verbesserung der Lebensbedingungen von bestimmten, erwachsenen Trans*Menschen. Gleichzeitig wird in den Diagnosen eklatanterweise die gewaltvolle Pathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern beziehungsweise präpubertären (Trans*)Jugendlichen fortgeführt. Während Simone de Beauvoir bereits 1949 im Buch Second Sex argumentierte, „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (de Beauvoir 1992, 334), halten die veränderten ICD-11 und DSM-5 Diagnosen (‚Gender incongruence of childhood‘ und ‚Gender Dysphoria in children‘) gewaltvoll an der Disziplinierung, Zwangsnormalisierung und Pathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern fest. Damit werden Kinder in ihrer Entwicklung behindert und begrenzt. Deshalb kann auch im ICD-11 nicht von einer vollständigen Depathologisierung gesprochen werden. Vielmehr wird zweigeschlechtliche, psychiatrische Gewalt insbesondere gegen besonders vulnerable Bevölkerungsteile, in diesem Fall Kinder, medizinisch-psychiatrisch autorisiert fortgeführt. Im nächsten Kapitel wird aufgezeigt, dass die normative Zweigeschlechtlichkeit auch durch das deutsche Transsexuellengesetz reproduziert wird. Anhand paradoxer Anerkennungs- und Verwerfungspraktiken wird normative, legalisierte Gewalt gegen Trans*Menschen im Kontext von Recht untersucht.
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Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen im Recht
Das Verfahren des Transsexuellengesetzes (TSG) besteht aus einem zivilrechtlichen Verfahren, das verbunden ist mit einem psychiatrischen Begutachtungsprozess. Letzterer wird durchgeführt von zwei vom Gericht anerkannten Psychiater*innen oder Psycholog*innen. Als Gutachter*innen anerkannt werden sie, wenn ihnen vom Staat Expertise zu ‚Transsexualismus‘ zugesprochen wird. Für eine erfolgreiche Vornamens- und Personenstandsänderung müssen Trans*Menschen von beiden Psychiater*innen/Psycholog*innen im Begutachtungsprozess, der sich in der Regel über einen bis fünf Termine erstreckt, eine ‚transsexuelle Prägung’/‚Transsexualismus‘ bestätigt bekommen (vgl. Franzen/Sauer 2010, 16; Plett 2015). Das TSG ist damit indirekt an die ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘ gekoppelt. Seit 1980 bildet es mit der Regelung von Vornamens- und Personenstandsänderungen die Grundlage der rechtlich-medizinischen Regulierung von Trans*Menschen in Deutschland. Im Zusammenwirken von rechtlichen und medizinischen Diskursen wird ‚Transsexualismus‘ im deutschen Transsexuellengesetz konkret an sechs Voraussetzungen geknüpft: Trans*Menschen müssen im psychiatrischen Begutachtungsverfahren unter Beweis stellen, dass sie das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht dauerhaft ablehnen und sich mit dem ‚anderen Geschlecht‘/‚Gegengeschlecht‘ identifizieren (A). Sie müssen nachweisen, dass sie seit mindestens drei Jahren unter dem Druck leiden, dem ‚anderen Geschlecht‘ anzugehören und dass sie diesem Geschlecht entsprechend leben und anerkannt werden (wollen) (B). Die ‚transsexuelle Prägung‘ muss dabei in eindeutiger Abgrenzung zu anderen ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘ wie ‚Transvestitismus‘, sowie zu der vormals pathologisierten ‚latenten Homosexualität‘ gestellt werden (C). Zudem dürfen bestimmte andere psychiatrische (Vor-)Diagnosen, z.B. ‚Schizophrenie‘, ‚dissoziative Störungen‘ oder ‚Borderline‘ nicht vorliegen (Kapitel 3) (D). Auch ‚chromosomale Störungen‘, sprich Intergeschlechtlichkeit darf nicht diagnostiziert worden sein (E). Inter*(geschlechtliche) Menschen werden vom TSG-Begutachtungsprozess normativ
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ausgeschlossen. Das letzte Kriterium ist schließlich, den sogenannten Alltagstest gemacht zu haben (F) (vgl. TSG 2017). Was wird durch diese Voraussetzungen für eine Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem deutschen Transsexuellengesetz impliziert? Welche Normen werden dadurch reproduziert? Diesen Fragen wird im nächsten Teilkapitel nachgegangen, in dem die Begutachtungspraxis des Transsexuellengesetzes untersucht wird. Ich werde zeigen, dass das TSG die Psychopathologisierung und Verwerfung von Trans*Menschen als eigenständige, nicht-pathologisierte Subjekte im deutschen Recht reproduziert.
4.1 DAS DEUTSCHE TRANSSEXUELLENGESETZ ALS PARADOXE SUBJEKTIVIERUNG UND ABJEKTIVIERUNG Das deutsche Transsexuellengesetz ermöglicht eine paradoxe und partielle staatliche Anerkennung bestimmter Trans*Menschen, die jedoch mit ihrer gleichzeitigen Verwerfung einhergeht. Trans*Menschen werden auf der Grundlage intersektionaler Zugangsnormen insofern in das Konzept deutscher, staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten eingeschlossen, als dass ihnen das deutsche Transsexuellengesetz die zweigeschlechtlich begrenzte Möglichkeit einer juristischen Vornamens- und Personenstandsänderung bietet. Eine normative Voraussetzung für die rechtliche Vornamens- und Personenstandsänderung ist. Das Transsexuellengesetz definiert komplementär zu der ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘ Trans* innerhalb des Zweigeschlechtermodells als ‚gegengeschlechtliche‘ Identifikation, die mit der Transition von einem Geschlecht in das vermeintlich ‚andere‘, entgegengesetzte Geschlecht einhergeht. Das TSG weicht dabei cis-geschlechtliche Normen von Staatsbürger*innenschaft teilweise auf. Jedoch werden nur jene Trans*Menschen als Subjekte anerkannt, die sich dem psychiatrischen Begutachtungsprozess unterwerfen und sich dadurch pathologisieren, ‚gegengeschlechtlich‘ (strategisch) reintegrieren und normalisieren lassen. Staatsbürger*innenschaft und Subjektstatus jenseits der Zweigeschlechtlichkeit verwehrt auch das Transsexuellengesetz (vgl. Plett 2003 a/b; 2006; 2015). Die partielle Anerkennung durch das TSG basiert demnach auf der Psychopathologisierung und inhärenten Verwerfung eigenständiger Subjekte mit einer selbstbestimmten und nicht-pathologisierten Geschlechtsidentität. Trans*Menschen verbleiben damit weiterhin Abjekte, die nicht beziehungsweise nur sehr eingeschränkt intelligibel sind (Kapitel 1.1.1 vgl. Butler 2004; Spade 2011). Paradoxe Subjektwerdung meint das Moment des ‚Ablegens‘ von Trans*Sein, das wiederum nur (strategisch) zweigeschlechtlich identifizierten oder passenden
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Trans*Menschen möglich ist. An dieser Stelle betone ich, dass es mir nicht um eine Bewertung von unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten, Handlungs- und (Über-) Lebensstrategien unterschiedlicher Trans*Menschen geht. Die in Queer Theory und Trans Studies teilweise artikulierten Vorwürfe der Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit, die gegenüber (strategisch) passenden, beziehungsweise sich zweigeschlechtlich verortenden Trans*Menschen und Transsexuellen formuliert werden, sind sehr problematisch (Kapitel 1.4). Solche Vorwürfe blenden die Wirkmächtigkeit normativ zweigeschlechtlich verwerfender und pathologisierender Machtverhältnisse, sowie ihre Effekte im Hinblick auf institutionalisierte Diskriminierungen, sowie intersektional verstärkte Gewalt gegen mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen aus (vgl. Namaste 1996; 2000). Im Folgenden geht es vielmehr darum, die hegemonialen Machtverhältnisse der Zweigeschlechtlichkeit als normative Gewalt herauszuarbeiten, die die Lebens- und Handlungsmöglichkeiten von Trans*Menschen begrenzen und sie innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitigen Tod exponieren. Das deutsche Transsexuellengesetz in der Praxis Die konkrete Praxis des psychiatrischen Begutachtensprozesses im Rahmen des Transsexuellengesetzes ist größtenteils undokumentiert. Sie stellt jedoch, wie auf Grundlage der Analyse der Studie von Fuchs at al. (2012) und der LesMigraSStudie (2012) argumentiert wird, eine normative, ausgeschwiegene und legalisierte Gewalt gegen Trans*Menschen in Deutschland dar. Der psychiatrische Begutachtungsprozess des TSG wird von 53 % der (Trans*)Teilnehmer*innen der LesMigraS Studie als sehr starke Einschränkung ihres täglichen Lebens und als massiver Stress wahrgenommen (vgl. LesMigraS 2012, 30-41). Die überwiegende Mehrheit der Personen, die den TSG-Prozess durchlaufen, erfährt während der psychiatrischen Begutachtung verstärkten Druck, zweigeschlechtlichen Normen zu entsprechen, um Zugang zur Vornamens- und Personenstandsänderung zu erhalten (vgl. Fuchs et al. 2012, 76; Plett 2015). Viele Teilnehmer*innen erlebten diesen Prozess zudem als Verletzung ihrer persönlichen Rechte (vgl. Fuchs et al. 2012, 73, 84-85).1 Normative Gewalt gegen Trans*Menschen wird in der konkreten Praxis des psychiatrischen Begutachtungsverfahrens insbesondere auch in Form von sexistischer Gewalt deutlich. Laut Studie von Fuchs at al. (2012) wurden der herausragenden Mehrheit der Trans*Studienteilnehmer*innen während des psychiatrischen 1
Laut Studie von Fuchs at al. (2012) wurden 44 % der trans*männlichen Studienteilnehmer*innen und 21 % der trans*weiblichen Studienteilnehmer*innen während der psychiatrischen Begutachtung mit dem bei der Geburt zugewiesenen Vornamen und Personenstand angesprochen, was eine cis-zweigeschlechtliche Diskriminierung darstellt (vgl. Fuchs et al. 2012, 76).
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Begutachtungsprozesses invasive häufig sexualisierte Fragen gestellt.2 Diese normierende und sexistische Gewalt richtet sich insbesondere gegen Menschen, denen im hierarchisierten Cis-Zweigeschlechtermodell bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde. Es wurden laut Studie von Fuchs at al. (2012) fast doppelt so vielen Trans*Männlichkeiten/Männern wie Trans*Weiblichkeiten/ Frauen sexualisierte Fragen gestellt (vgl. Fuchs et al. 2012, 74, 84-85). Dies kann als Zusammenwirken von patriarchaler, heterosexistischer und ciszweigeschlechtlich normierender Gewalt verstanden werden. Die hohe Prävalenz sexualisierter Fragen reproduziert einerseits die vorherrschende Fehlkonzeption von ‚Transsexualität‘ als von Heterosexualität abweichender Sexualität; so wie Homosexualität oft aufgrund der Nicht-Konformität mit cis-zweigeschlechtlichen Normen und Rollenzuschreibungen von Cis-Weiblichkeit und Cis-Männlichkeit fremdzugeschrieben wird (vgl. Namaste 2006, 589). Kontinuitäten heteronormativer Psychopathologisierungen werden darin deutlich, dass der eindeutige Ausschluss von ‚latenter Homosexualität‘, sowie ‚Transvestitismus‘ im Rahmen des TSGBegutachtungsverfahrens gefordert wird. Andererseits werden durch die invasiven Befragungen in TSG-Begutachtungsverfahren sexualisierte Imaginationen und Fetischisierungen von Trans*Menschen als ‚deviante Andere‘, pathologische Abweichung und ‚Perverse‘ reproduziert. Diese Gewalt wird dadurch gesteigert, dass laut Studie von Fuchs at al. (2012) 30% der befragten Trans*Männer/Männlichkeiten und 27% der befragten Trans*Frauen/Weiblichkeiten während der psychiatrischen TSG-Begutachtung gezwungen wurden, sich teilweise oder komplett auszuziehen und nackt vor Psychiater*innen durch den Raum zu laufen, während diese ihre Körper kommentierten und psychiatrische Diagnosen festlegten (vgl. Fuchs et al. 2012, 74, 84-85). Auch auf Grundlage von körperlichen Zuschreibungen wird Cis-Zweigeschlechtlichkeit folglich kontinuierlich mit psychisch-medizinischer Definitionsmacht aufrechterhalten. Deutlich wird, dass das TSG nicht nur psychiatrisch pathologisierende Gewalt legalisiert, sondern auch Aspekte der körperlichen und sexualisiert sexistischen Pathologisierung von Trans*Menschen beinhaltet. Die hohe Prävalenz sexualisierter Fragen, sowie die beschriebene körperlich pathologisierende Gewalt in psychiatrischen TSG-Begutachtungsverfahren stellen Dimensionen einer ausgeschwiegenen normativen (hetero-)sexistischen Staatsgewalt gegen Trans*Menschen in Deutschland dar, die im TSG-Verfahren juristisch-medizinisch institutionalisiert und legalisiert ist.
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71 % der befragten Trans*Männer/Männlichkeiten und 34 % der Trans*Frauen/Weiblichkeiten der Umfrage wurden zu ihren sexuellen Fantasien, Praktiken und der Qualität ihres Sexuallebens befragt (vgl. Fuchs et al. 2012, 74, 84-85).
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4.2 DAS DEUTSCHE TRANSSEXUELLENGESETZ UND SEINE INTERSEKTIONALEN AUSSCHLUSSMECHANISMEN Um die Implikationen und Reglementierungen des deutschen Transsexuellengesetzes zu untersuchen, wird im Folgenden eine kritische Analyse seines Kriterienkatalogs angestellt. Begonnen wird dabei mit der Voraussetzung der Zweigeschlechtlichkeit in Verbindung mit den Kriterien des sogenannten Alltagstests und des Leidens an der nicht cis-zweigeschlechtlichen Geschlechtsidentität (beziehungsweise der Divergenz zwischen gefühlter und zugeschriebener Geschlechtsidentität). Der Alltagstest besagt, dass Trans*Menschen glaubhaft nachweisen müssen, dass sie seit mindestens einem Jahr erfolgreich in allen gesellschaftlichen Bereichen im ‚anderen Geschlecht‘ leben und geschlechtlich so wahrgenommen werden, wie sie sich selbst fühlen. Aufgrund der allgegenwärtigen cis-zweigeschlechtlichen Zwangsnormierung durch Vornamen, Pronomen und Ansprachen stellt der erfolgreiche Alltagstests im ‚Gegengeschlecht‘ in allen gesellschaftlichen Bereichen, das heißt im Arbeitsleben, in der Schule oder Universität, am Ausbildungsplatz und in der Herkunftsfamilie und so weiter für viele Trans*Menschen eine grundlegende Unmöglichkeit dar. Mit dem Alltagstest geht nicht nur ein Zwangsouting einher, sondern auch institutionalisierte Diskriminierungen, Ausschlüsse und Gewalt im sozialen, beruflichen und familiären Bereich zum Beispiel wird das Risiko eines Jobverlustes erhöht (vgl. Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012; LesMigraS 2012). Darüber hinaus wird ein Gewaltkreislauf aus Zwangsouting, Nicht-Anerkennung und Exklusion hervorgebracht, da sich grundsätzlich die Frage stellt, wie Trans*Menschen ‚Gegengeschlechtlichkeit‘ in psychiatrischen Begutachtungsprozessen des TSG-Verfahrens nachweisen sollen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil in Deutschland gewünschte krankenkassenrechtliche Leistungen der Trans* Gesundheitsversorgung (vor allem gewünschte Operationen) wenn überhaupt erst nach einer gestellten ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘ übernommen oder auch trotzdem verwehrt werden (Kapitel 6). Das Kriterium des Alltagstests als Voraussetzung für die Vornamens- und Personenstandsänderung nach TSG ist damit ein zirkuläres Verwehren von Identität und Zugang und schließt so viele Trans* Menschen aus. Dies gilt insbesondere für Personen, deren Stimme, Aussehen, Haarwuchs und so weiter nicht den rigiden, zweigeschlechtlichen Normierungen und Erwartungen von ‚Gegengeschlechtlichkeit‘ entspricht, die sich nicht innerhalb von Zweigeschlechtlichkeit verorten oder die mehrfachdiskriminiert sind. Zusätzlich zu den TSG-Kriterien der ‚Gegengeschlechtlichkeit‘ und des ‚Alltagstests‘ wird die normative Zweigeschlechtlichkeit auf einer übergeordneten, biopolitischen Ebene auch durch die Forderung nach Leidensdruck aufrechterhalten. Der nachweisbare Leidensdruck im TSG-Verfahren ist inhärent verbunden mit
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der Psychopathologisierung von selbstbestimmter Geschlechtsidentität und basiert auf einer grundlegenden Umdeutung. Wie die Studien des LSVD (2012) und von LesMigraS (2012) für Deutschland übereinstimmend feststellten, liegt der Grund für die Beeinträchtigungen und das Leiden von Trans*Menschen nicht in ihrer Geschlechtsidentität oder Gender-Diversität. Vielmehr geht das Leiden zurück auf die allgegenwärtige, normative Nicht-Anerkennung, Verwerfung und Psychopathologisierung ihrer Identitäten in einer cis-zweigeschlechtlichen Gesellschaft und der damit verbundenen institutionalisierten Diskriminierung (vgl. Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012; Köhler/Recher/Ehrt 2013, 18; LesMigraS 2012, 30-41; Whittle et al. 2008). Normative Gewalt in ein individuelles, psychopathologisiertes Leiden (an einer vermeintlichen ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘) umzudeuten ist von großer Bedeutung für die biopolitische Bevölkerungsregulierung in neoliberalen Demokratien, in denen Widerstand und Nicht-Konformität u.a. mit psychiatrischen Diagnosen zwangsnormalisiert oder (in Psychiatrien) isoliert und sanktioniert werden. Mit der Argumentation, dass der Leidensdruck nicht groß genug sei, kann darüber hinaus der Zugang zur Vornamens- und Personenstandsänderung, sowie zur Trans* Gesundheitsversorgung verweigert werden. Dies geschieht vor allem bei Trans* Menschen, die sich nicht pathologisieren lassen wollen, sich dagegen verwehren, an einer ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘ zu leiden und stattdessen die Selbstbestimmung über ihre Geschlechtsidentität und ihre Körper fordern. Dies ist eines von vielen Beispielen dafür, wie durch Diagnosen sowie generell durch die wechselseitige Konstitution von Medizin und Recht, cis-zweigeschlechtliche Subjekt- und Gesundheitsnormen und hegemoniale Machtverhältnisse durchgesetzt, aufrechterhalten und legitimiert werden. In den folgenden Textabschnitten wird herausgearbeitet, wie die Durchsetzung zweigeschlechtlicher Normen im TSG-Verfahren mit der Aufrechterhaltung intersektionaler Machtverhältnisse zusammenhängt. Die psychiatrische Zwangsbegutachtung im Rahmen des TSG-Verfahrens beinhaltet neben der Reproduktion von Zweigeschlechtlichkeit auch klassistische, ableistische und rassistische Zugangskriterien beziehungsweise Diskriminierungen und Ausschlüsse. Die Vornamens- und Personenstandsänderung nach TSG, die zwei psychiatrische Gutachten erfordert, die wiederum im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens geprüft werden, kostet in Deutschland durchschnittlich zwischen 2000 und 2700 Euro (vgl. Fuchs et al. 2012, 75). Die Kosten setzen sich zusammen aus ungefähr 300 Euro für das Gerichtsverfahren, sowie den weitaus höheren Betrag von durchschnittlich jeweils 800 Euro für die psychiatrischen ‚Fachgutachten‘ (vgl. Fuchs et al. 2012, 75). Die psychopathologisierende Gewalt korreliert mit einer ökonomischen Belastung und kann als psychiatrisch-ökonomische Gewalt verstanden werden. Für alle Trans* Menschen ist die Vornamens- und Personenstandsänderung nach TSG aufgrund der psychiatrischen Zwangsbegutachtung ein schwieriger, psychisch und sozial sehr
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anstrengende Prozess, der viele auch ökonomische Hürden mit sich bringt (vgl. Fuchs et al. 2012, 75-76; LesMigraS 2012; Franzen/Sauer 2010; Köhler/Recher/Ehrt 2013, 13). Wenn eine Trans*Person mit deutscher Staatsbürgerschaft arbeitslos ist, beziehungsweise über ein minimales Einkommen (nicht höher als Arbeitslosengeld II) und über keine weiteren finanziellen Ressourcen verfügt, kann sie staatliche Prozesskostenhilfe für das TSG-Verfahren beantragen, um die enormen Kosten der Vornamens- und Personenstandsänderung tragen zu können. Wird sie bewilligt, werden die Kosten für den zivilgerichtlichen Prozess, sowie für die weitaus teureren psychiatrischen Gutachten vom Staat übernommen. Die Prozesskostenhilfe wird jedoch vom Verwaltungsgericht nur bewilligt, wenn die Erfolgschancen des Prozesses vom Gericht als hoch eingeschätzt werden. Daher können unter anderem Trans*Menschen mit bestimmten psychischen Vordiagnosen oder Behinderungen von der Prozesskostenhilfe und damit von einer partiellen staatlichen Anerkennung ausgeschlossen werden, oder sie müssen die hohen Kosten des Verfahrens selbst tragen. Von jenen, die Prozesskostenhilfe erhalten, wird indes bis zu vier Jahre nach der erfolgreichen Vornamens- und Personenstandsänderung verlangt, dass sie den Betrag oder einen Teil davon zurückzahlen, wenn sie mittlerweile einen Job haben oder anderweitig über mehr als nur minimale finanzielle Ressourcen verfügen. Die finanziellen Regelungen des TSG-Verfahrens machen deutlich, dass die Verantwortung des Sozialstaats häufig auf die Individuen abgewälzt wird in diesem Fall auf jene, die Cis-Zweigeschlechtlichkeitsnormen nicht entsprechen. Gleichzeitig wird die normative Cis-Zweigeschlechtlichkeit auch mithilfe ökonomischer Zugangsvoraussetzungen verteidigt. Eine depathologisierte rechtliche Anerkennung des gewünschten Vornamens und geschlechtlichen Personenstands, die keine psychiatrischen Gutachten verlangt, sondern wie zum Beispiel in Argentinien oder Malta lediglich einen bürokratischen Verwaltungsakt darstellt, der auf Selbstidentifikation basiert (vgl. Balzer/Hutta 2012, 72, 90), würde auch in Deutschland eine enorme psychosoziale und ökonomische Entlastung für Trans*Menschen bedeuten.3 Die Abwesenheit bestimmter psychiatrischen (Vor-)Diagnosen stellt eine weitere zentrale Voraussetzung für die rechtlich anerkannte Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem TSG dar, die mit weitreichenden, intersektionalen Ausschlüssen verbunden ist. Die sich wechselseitig bedingenden zweigeschlechtlichen und psychiatrischen Kriterien in Form von Abwesenheit von psychiatrischen (Vor-)Diagnosen bringen einen Gewaltkreislauf hervor. Denn vielen Trans* 3
Da in Deutschland viele Trans*Menschen – aufgrund eines cis-zweigeschlechtlich strukturierten Arbeitsmarktes – von Arbeitslosigkeit betroffen sind (laut LADS Schätzung bis zu 50 %), würde mit der Depathologisierung der Vornames- und Personenstandsänderung auch eine ökonomische Entlastung des Staatshaushalts einhergehen (LADS 2013).
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Menschen wird aufgrund ihrer Nicht-Konformität mit cis-zweigeschlechtlichen Normen und der fehlenden Expertise von Psycholog*innen und Psychiater*innen zu Trans* und Gender-Diversität die Diagnose ‚Schizophrenie‘ oder ‚Borderline‘ gestellt. Auf dieser Grundlage kann sowohl die rechtliche Vornamens- und Personenstandsänderung als auch der Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung verwehrt werden, denn diese permanenten psychiatrischen Diagnosen können nur schwer wieder gestrichen werden, wenn sie zuvor bei den Krankenkassen gemeldet wurden. Das deutsche Rechts- und Medizinsystem stellt in diesem Kontext eine sich wechselseitig autorisierende Definitionsmacht dar. Auf einer metaanalytischen Ebene von Bevölkerungspolitik wird deutlich, dass hegemoniale Subjekt- und Gesundheitsvorstellungen reproduziert werden, die sich nicht nur durch normative CisZweigeschlechtlichkeit, sondern inhärent auch durch die Norm von NichtBehinderung/Ability auszeichnen. Für die Vornamens- und Personenstandsänderung nach TSG ist normativ eine deutsche Staatsbürger*innenschaft oder eine permanente Aufenthaltserlaubnis erforderlich (TSG 2011). Einem Großteil der Geflüchteten und nicht-europäischen (und nicht-westlichen)4 Immigrant*innen werden jedoch in Deutschland aufgrund restriktiver europäischer Migrations- und Asylgesetze nur temporäre Aufenthaltstitel, sogenannte Duldungen zugestanden, die oft über Jahre und Jahrzehnte in sogenannte Kettenduldungen übergehen. Dadurch werden viele Trans*Migrant*innen und Geflüchtete von partieller, staatlicher Anerkennung durch das TSG und vom Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung ausgeschlossen.5 Zudem müssen Trans*Geflüchtete, die aufgrund von Verfolgung unter anderem wegen ihrer Geschlechtsidentität Asyl und Schutz in Deutschland suchen, in Asylverfahren nicht nur ihre Verfolgung nachweisen. Vielmehr müssen sie vor den Asylgutachter*innen der deutschen Ausländerbehörde auch ihre Trans*Identität nach westlich universalisierten, homogenisierten und zweigeschlechtlichen Normen und Vorstellungen ‚gegengeschlechtlicher Transsexualität‘ darstellen (Kapitel 7.2). Gleichzeitig wird ihnen in Deutschland sowohl die Vornamens- und Personenstandsänderung gemäß TSG als auch der Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung normativ verwehrt, solange sie keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben. Rechtliche und körperliche Transitionsmaßnahmen sind jedoch meistens notwendig, um ‚gegengeschlechtlich‘ zu passen. Trans*Migrant*innen mit einer begrenzten Aufenthaltsgenehmigung haben oft weder Zugang zur Vornamens- und Personenstandsänderung nach TSG noch zur 4
Dies gilt nicht gleichermaßen für US-amerikanische, kanadische oder australische Immi-
5
Die sich wechselseitig verstärkenden Zugangsbedingungen des TSG-Verfahrens und die
grant*innen. damit vollzogenen Praktiken des Gatekeeing werden in Kapitel 7.2 anhand der KonzeptMetapher des Gewaltkreislaufs weiterführend vertieft.
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Trans*Gesundheitsversorgung selbst, wenn sie krankenversichert sind. Für jene mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland, sowie für staatlich anerkannte Geflüchtete besteht die Möglichkeit, eine Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem TSG einzuklagen. Dies gilt jedoch nur, sofern ihr Herkunftsland über keine entsprechenden Regelungen verfügt, denn sonst müssen sie die Vornamens- und Personenstandsänderung dort durchführen (vgl. Köhler/Recher/Ehrt 2013, 15). Im besten Fall sind die geltenden Regelungen im Herkunftsland weniger pathologisierend und zugangsbeschränkt als in Deutschland. Trans*Migrant*innen können jedoch auch verschärfter Gewalt durch höhere Auflagen ausgesetzt werden. Dies betrifft zum Beispiel die im Jahr 2018 noch in 14 Ländern Europas (sieben davon EU-Mitgliedsstaaten) notwendige Voraussetzung der Zwangssterilisierung von Trans*Menschen für eine rechtlich anerkannte Vornamens- und Personenstandsänderung (Kapitel 5.1; TGEU 2018 b). Generell stellt das Beantragen einer Vornamens- und Personenstandsänderung im Herkunftsland eine große und manchmal unmögliche ökonomische, soziale, zeitliche und psychische Belastung für Trans*Migrant*innen und anerkannte Geflüchtete dar. So entstehen teilweise sehr hohe Reisekosten und/oder unter Umständen sind mehrmonatige Aufenthalte im Herkunftsland notwendig, um den dort vorgeschriebenen rechtlichen und psychiatrischen Begutachtungsprozess zu durchlaufen und neue Passdokumente ausgestellt zu bekommen, mit denen die jeweiligen Personen reisen können. Ein notwendiger längerer Aufenthalt im Herkunftsland kann auch zum Jobverlust in Deutschland führen. Zudem sind transnationale Reisen für Trans*Menschen aufgrund von genderinadäquaten Ausweisdokumenten oder Body-Scannern an Flughäfen (vgl. Beauchcamp 2009, 356-366) oft mit massiver Gewalt durch Grenzbehörden und Grenzpolizei verbunden. Das Überqueren nationalstaatlicher Grenzen kann aufgrund der polizeilichen Praktiken des racial profiling insbesondere für Schwarze Trans*Menschen und Trans*Menschen of Color zur Kriminalisierung wegen strafrechtlicher Vorwürfe des ‚Identitätsbetrugs‘ beziehungsweise der ‚Identitätsfälschung‘ führen (Kapitel 7, 10). Ein weiterer Aspekt normativer und intersektionaler Gewalt gegen Trans* Menschen ohne deutsche Staatsbürger*innenschaft ist, dass diesen auch nach der Vornamens- und Personenstandsänderung in Deutschland keine neuen Ausweisdokumente ausgestellt werden können. Es wird ihnen lediglich ein Zusatzdokument zu ihrem Ausweis angefertigt (vgl. EC 2011, 17; Franzen/Sauer 2010, 59f.; LesMigraS 2012, 30-41). Dieses Zusatzdokument setzt Trans*Migrant*innen und anerkannte Geflüchtete einem kontinuierlichen Zwangsouting aus, das mit weiterer, intersektionaler Diskriminierung und Gewalt verbunden ist jedes Mal, wenn sie ihren Ausweis vorzeigen müssen. Auch an dieser Stelle sind insbesondere Schwarze Trans*Menschen und Trans*Menschen of Color besonders von Polizeigewalt betroffen, da sie aufgrund von racial profiling oft aufgefordert werden, ihre Ausweisdokumente vorzuzeigen, nicht nur an nationalstaatlichen Grenzen. Das Zwangsou-
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ting kann sowohl zur direkten oder indirekten Verweigerung eines Ausbildungsund Arbeitsplatzes oder von Arbeitslosenunterstützung als auch zu anderen Formen der normalisierten sowie körperlichen Gewalt führen. Darüber hinaus beinhaltet das TSG-Begutachtungsverfahren neben der angeführten starken psychischen und ökonomischen Belastung auch rassistische Diskriminierungen durch Psycholog*innen und Psychiater*innen (vgl. LesMigraS 2012, 12, 23, 36). Schwarze Trans*Menschen und Trans*Menschen of Color, sowie Migrant*innen und Geflüchtete müssen zusätzlich zur Trans*Pathologisierung zum Beispiel Kommentare über ihre Deutschkenntnisse, sowie rassistische Stereotypisierungen bezüglich nicht-weißer Männlichkeit/Weiblichkeit oder bezüglich ‚muslimischer Familienehre und Gewalt‘6 erdulden (vgl. LesMigraS 2012, 23, 36). Auch bestehen im TSG-Verfahren grundsätzlich sprachliche Zugangsbarrieren für Trans*Migrant*innen und anerkannte Geflüchtete, da TSG-Gutachter*innen in der Regel nur Deutsch sprechen.
4.3 ZWISCHENFAZIT: PATHOLOGISIERUNG UND VERWERFUNG ALS BIOPOLITISCHE BEVÖLKERUNGSREGULIERUNG Es kann festgehalten werden, dass das deutsche Transsexuellengesetz auf der Grundlage der exklusiv zweigeschlechtlichen Rahmung sowie intersektionaler Zugangsvoraussetzungen (zum Beispiel in Form von geistiger oder psychischer Nicht-Behinderung, Staatsbürger*innenschaft oder Mindestalter) eine gegengeschlechtlich begrenzte, rechtsstaatliche Anerkennung für bestimmte Trans* Menschen durch die Vornamens- und Personenstandsänderung ermöglicht. Durch das TSG wird gleichzeitig die Psychopathologisierung von Trans*Menschen in Deutschland legalisiert und institutionalisiert. Dabei stellt das Transsexuellengesetz eine rechtliche Definitionsmacht dar, die sich wechselseitig in ihrer Autorität bestätigt und bestärkt mit der medizinisch-psychiatrischen Definitionsmacht der ICD-10Diagnose ‚Transsexualismus‘. Beide reinstituieren die Zweigeschlechternorm als Grundlage für nicht-pathologisierten Subjektstatus und Staatsbürger*innenschaft. Die zweigeschlechtlichen Zwangsnormierungen und Normalisierungen gehen einher mit Verwerfungen und Pathologisierungen und können als legalisierte normative Staatsgewalt verstanden werden, die Trans*Menschen als nicht-intelligibel konstruieren.
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Dabei impliziert auch das Nicht-Fragen von Trans*Menschen nach häuslich-familiärer Gewalt in weißen, christlich geprägten Familien, diese seien tolerant und weniger gewaltvoll.
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Pathologisierungen und rechtlich-medizinisch erzwungene zweigeschlechtliche Subjektivierungen sind nicht nur disziplinierend, sondern auch produktiv. Bestimmte Trans*Menschen werden im Zuge ihrer Pathologisierung staatlich partiell durch das TSG anerkannt und dadurch zweigeschlechtlich normalisiert und reintegriert (Kapitel 9). Jedoch verfügen auch sie aufgrund der Pathologisierung und Verwerfung, sowie aufgrund institutionalisierter Diskriminierungen nicht über die gleichen Persönlichkeitsrechte und Lebenschancen wie Cis-Menschen. Zum anderen wird durch das Transsexuellengesetz (und der darin zweigeschlechtlichen Normierung in Verbindung mit intersektionalen Normen) der Ausschluss von vielen, besonders von Gewalt betroffenen Trans*Menschen von partieller staatlicher Anerkennung legalisiert. Nach einem Teile-und-Herrsche-Prinzip wird die Kontrolle und Regulierung von Individuen und Bevölkerungsgruppen ermöglicht, indem sie in subdifferenzierte Trans*Bevölkerungsgruppen unterschieden werden (Kapitel 9, 10; vgl. Spade 2011, 30, 85). Dies ist im Kontext hegemonialer und neoliberaler Machtverhältnisse äußerst produktiv, denn durch die Inkorporation von Widerständen durch partielle Inklusion können Machtverhältnisse aufrechterhalten werden. Die rechtlich-medizinische Regulierung von Trans*Menschen durch Gesetze, die dem deutschen Transsexuellengesetz ähneln, wird nun im europäischen Kontext kritisch beleuchtet im Hinblick auf die Voraussetzungen der Psychopathologisierung und Sterilisierung.
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Bevölkerungspolitik als Wechselwirkung von Disziplinar- und Biomacht
5.1 DIE LEGALISIERTE ZWANGSSTERILISIERUNG VON TRANS*MENSCHEN IN EUROPA Die rechtlich-medizinische Psychopathologisierung von Trans*Menschen kann als weltweit stark verbreitetes, normatives Gewaltverhältnis verstanden werden, das staatlich ausgeübt und legalisiert wird (vgl. Balzer/Hutta 2012, 74-84). Alle EUMitgliedsstaaten mit Ausnahme von Malta, Irland, Norwegen, Frankreich, Belgien, Dänemark und Griechenland fordern die rechtlich-medizinische Psychopathologisierung von Trans*Menschen als Zugangsvoraussetzung für eine rechtlich anerkannte Vornamens- und Personenstandsänderung, sofern diese Möglichkeit in dem jeweiligen Nationalstaat existiert (vgl. TGEU 2018 a). Die Verschränkung und wechselseitige Bedingung von der medizinischen und juristischen Gewalt der Psychopathologisierung von Trans*Menschen ist demnach europaweit institutionalisiert. Sie wird mit dem Argument aufrechterhalten, Kriterien für die rechtliche Regulierung, sowie Zugang zu eventuell bestehender staatlicher Trans*Gesundheitsversorgung zu schaffen. Jedoch existiert diese Trans*Gesundheitsversorgung europaweit nur in wenigen Ländern (vgl. TGEU 2017; Whittle/Turner/Al-Alami 2007, 42-51; Whittle et al. 2008; 9-11, 28-35, 49-68). Im Menschenrechtsdiskurs wird die Psychopathologisierung als Beschneidung des Persönlichkeitsrechts auf körperliche und psychische Unversehrtheit kritisiert: „Such requirements violate a person’s dignity, physical integrity, right to form a family, and be free from degrading and inhumane treatment“ (Köhler/Recher/Ehrt 2013, 9; vgl. Adamitz 2011; Hammerberg 2008). Diese Menschenrechtsverletzungen konnten durch Antidiskriminierungsgesetze bis dato nur in einzelnen Nationalstaaten, jedoch nicht europaweit erfolgreich bekämpft werden. Für die rechtliche Anerkennung gemäß nationaler Transsexuellengesetze müssen Trans*Menschen je nach EU-Mitgliedsland zusätzlich zum geforderten Nachweis ‚Transsexualismus‘, sowie dem Nachweis, ‚dem anderen Geschlecht anzugehören‘ einen flexibel kombinierbaren, intersektionalen Voraussetzungskatalog
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erfüllen. Weitverbreitete Grundvoraussetzungen für eine Vornamens- und Personenstandsänderung sind je nach EU-Land zusätzlich zur Zweigeschlechtlichkeit, einem Mindestalter (meist 18 Jahre) und Staatsbürger*innenschaft ein unverheirateter/lediger beziehungsweise geschiedener Status (in elf EU-Mitgliedsstaaten und 21 Länder Europas wird die Scheidung gefordert)1 (vgl. TGEU 2018 a), sowie die Zwangssterilisierung, auf die im Folgenden dezidiert eingegangen wird (vgl. Balzer/Hutta 2012; EC 2011, 19; Hammarberg 2012, 2). Darüber hinaus werden je nach EU-Land Nachweise über ökonomische Stabilität und/oder die Abwesenheit von Vorstrafen, insbesondere aufgrund von Sexarbeit und Drogenkonsum oder -verkauf, sowie ein HIV-negativer Status gefordert (vgl. Balzer/Hutta 2012, 81-88; Köhler/Recher/Ehrt 2013, 22). Die juristisch-medizinische Psychopathologisierung resultiert in Kombination mit diversifizierten und variierenden rechtlichen Restriktionen und Sondergesetzen europaweit zu normativen und intersektionalen Ausschlüssen sehr vieler Trans*Menschen von der Möglichkeit, Vornamen und Personenstand zu ändern. Vor allem jenen, die sich nicht-binär geschlechtlich verorten, sowie jene, die auch von Rassismus, Armut, Behinderungen oder Altersdiskriminierungen betroffen sind, wird die partielle staatliche Anerkennung in der EU normativ erschwert bis verunmöglicht: „Especially for gender-variant/trans people with a migrant background, no residence permit and mental or physical challenges, who may be engaged in sex work, and who face poverty, social exclusion, street harassment and police violence, legal gender recognition is practically either not available (lack of nationality/residence) or in its bureaucratic complexity unfeasible“ (Köhler in Balzer/Hutta 2012, 95).
Die Ausweitung und Diversifizierung zweigeschlechtlich-normierter psychiatrischer Diagnosen (in den ICD- und DSM-Katalogen), in Verbindung mit intersektionalen Zugangskriterien kann als wichtiges, biopolitisches Instrument der Bevölkerungsregulierung zur Aufrechterhaltung der naturalisierten Norm von CisZweigeschlechtlichkeit verstanden werden (Kapitel 1-2). Sie äußert sich auf europäischer Ebene erstens in der legalisierten, rechtlich-medizinischen Gewalt der Verwerfung und Psychopathologisierung von Trans*Menschen; zweitens in Sondergesetzen, die eine binäre und intersektional begrenzte Inklusion und partielle Anerkennung ermöglichen (Kapitel 9), jedoch ungleiche Rechte legalisieren. Dadurch werden sehr viele Trans*Menschen ausgeschlossen (Kapitel 3.3, 4.2, 7). Drittens wird durch die erzwungene Zwangssterilisierung von Trans*Menschen
1
Im deutschen TSG wurde bis 2005 auch eine bereits bestehende Ehe im Prozess der Vornamens- und Personenstandsänderung aberkannt. Beschluss vom 06. Dezember 2005 (vgl. BVerfG 2005 1 BvL 3/03).
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eine ganz direkte, biopolitische Bevölkerungsproduktion und -destruktion betrieben, wie nun ausgeführt wird. Wie durch Recht und Medizin normative Gewalt gegen nicht-zweigeschlechtliche Menschen ausgeübt und legitimiert, wird besonders dadurch deutlich, dass das deutsche Transsexuellengesetz bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2011 (vgl. BVerfG 2011) die Sterilisierung von Trans*Menschen für die rechtlich anerkannte Personenstandsänderung forderte. Alle bis dahin angestrengten gerichtlichen Klagen gegen die erzwungene Sterilisierung scheiterten trotz mehrerer Reformen des deutschen Transsexuellengesetzes (vgl. de Silva 2012, 149-154). Interessanterweise berief sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil, nicht primär auf Menschenrechte. Vielmehr wurde mit der notwendigen Unterscheidung zwischen heterosexueller Ehe und homosexueller Partnerschaft argumentiert.2 Eine 63 Jahre alte Trans*Frau hatte auf ihr Recht geklagt, mit ihrer cis-weiblichen Partnerin als lesbisches Paar eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Die Klage wurde zunächst zurückgewiesen mit der Begründung, dass ohne eine Sterilisierung keine Personenstandsänderung möglich sei. Die Klägerin ging hierzu in Widerspruch und argumentierte, dass sie für die geforderte Zwangssterilisierung zu alt sei, da genitale Operationen in ihrem Alter ein zu hohes Gesundheitsrisiko beinhalteten (vgl. de Silva 2012, 149-154). Das Deutsche Bundesverfassungsgericht erklärte schließlich im Februar 2011 die unfreiwillige Sterilisierung von Trans*Menschen als Kriterium für die rechtliche Personenstandsänderung nach dem TSG als verfassungswidrig und als nicht kompatibel mit der von Deutschland unterschriebenen Menschenrechtserklärung, die das Recht auf physische und psychische Integrität aller Menschen garantiert (vgl. de Silva 2012, 149-154; EC 2011, 71; LesMigraS 2012, 30-41). Gleichzeitig bestätigte das Urteil die Psychopathologisierung von Trans*Menschen auf der Grundlage der ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘ als rechtskräftige Voraussetzung der Vornamens- und Personenstandsänderung. Die legalisierte Staatsgewalt der Zwangssterilisierung von Trans*Menschen existiert als Zugangsvoraussetzung zur rechtlich anerkannten Vornamens- und Personenstandsänderung im Jahr 2018 in 14 Ländern Europas (sieben davon EUMitgliedsstaaten) (vgl. TGEU 2018 a). Im Jahr 2017 waren es noch 20 Länder in Europa, die die Zwangssterilisierung bis zum Verbot durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als legale Voraussetzung forderten (vgl. TGEU 2017). Das rechtlich institutionalisierte und legalisierte Sterilisierungsgebot, sowie die Forderung weiterer Operationen können zum einen als direkte Menschen-
2
In Deutschland wurden bis 2017 Heirat und Familie als heteronormatives, ciszweigeschlechtliches Privileg aufrechterhalten, z.B. Adoption und Erbschaft.
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rechtsverletzung an Trans*Menschen in Europa im Hinblick auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Familie verstanden werden: „[...] it would be contrary to the principles of human rights […] excluding from parenthood a set of people because they have certain characteristics which have no relevance to their ability to be a good parent must be outlawed because it runs counter to the dignity of human beings, who are unique, free and responsible for their actions“ (Whittle 2000, 24; vgl. Hammarberg 2009, 19; 2012, 2).
Zum anderen stellt die Zwangssterilisierung auch eine besonders gewaltvolle zweigeschlechtliche Staatsgewalt in Form von Disziplinar- und Biomacht dar, die direkt an den Körpern und der Fortpflanzungsfähigkeit von Trans*Menschen ansetzt. Sie werden nicht nur körperlich-invasiv sanktioniert und normalisiert, sondern ihnen wird auch das Recht auf Familie und Kinder verweigert: „States which impose intrusive physical procedures on transgender persons effectively undermine their right to found a family“ (Hammarberg 2009, 21). Dadurch wird sowohl ihre physische und psychische Integrität verletzt als auch eine staatlich legalisierte, reproduktionspolitische Intervention durchgeführt, die verhindert, dass Trans* Menschen sich fortpflanzen können. Bemerkenswert ist auch, dass die Sterilisierung von Trans*Menschen in einigen europäischen Ländern existierte, die nicht mal über juristische Verfahren der Vornamens- und Personenstandsänderung verfügten (vgl. EC 2011, 19). Das bedeutet, dass Trans*Menschen in Europa gewaltsam pathologisiert, sowie teilweise zwangssterilisiert und damit fortpflanzungsunfähig gemacht werden, während ihnen gleichzeitig oft die staatlich-juristische Anerkennung in Form von Vornamens- und Personenstandsänderung und Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung – und damit grundlegende Rechte auf Identität und Gesundheit – verweigert wird. Die Zwangssterilisierung kann als direkte, besonders gewaltvolle, biopolitische Bevölkerungspolitik verstanden werden, wie nun mit Verweis auf historische Kontinuitäten eugenischer Praktiken erörtert wird.
5.2 EXKURS: BEVÖLKERUNGSPOLITIK IM KONTEXT EUGENISCHER DISKURSE UND PRAKTIKEN Eugenik ist im Rahmen des Kolonialismus und europäischer, kapitalistischer Nationenbildung entstanden und begrifflich-konzeptuell stark geprägt durch Darwins Evolutionstheorie (vgl. Darwin 1859) der ‚natürlichen Selektion‘ (‚survival of the fittest‘) (vgl. Davis 1997, 6-7; Erevelles 2011, 130). Diese Theorie wurde in jene einer ‚menschlichen Selektion‘ umgewandelt und mit dem wissenschaftlichen Vorwand begründet, den Menschen und die Menschheit durch das Eliminieren von
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‚Fehlern‘ und ‚Defekten‘ zu verbessern (vgl. Davis 1997, 6-7; Erevelles 2011, 130).3 Aufgrund ihres kolonialen Entstehungskontextes ist Eugenik von Beginn an durch rassistische und ableistische Ideologien geprägt, indem Unterschiede zwischen Menschen in Pathologien und Minderwertigkeiten umgedeutet wurden: „The grouping together of variances, which deviate from newly constructed abled norms via the opposite projections of ‚disability‘ or ‚defect‘ are coupled furthermore with norms of whiteness, as both disabilities and not-white racialization became classified as ‚undesirable traits‘“ (Davis 1997, 9; vgl. Erevelle 2011; Sha 2001). Behinderungen und Menschen mit Behinderungen wurden in eugenischen Diskursen als ‚Evolutionsdefekt‘, als ‚degenerativ‘ und ‚krank‘ konstruiert. 4 Gleichzeitig wurden auch Schwarze Menschen und Menschen of Color als ‚minderwertig‘ und als ‚Rasse-Entartung‘ deklariert. „The association of race with disability has been extremely detrimental to people of color in the U.S. not just in education, but also historically where associations of race with disability have been used to justify the brutality of slavery, colonialism, and neo-colonialism. […] The association of degeneracy and disease with racial difference also translated into an attribution of diminished cognitive and rational capacities of non-white populations“ (Erevelles/Minear 2010, 132; vgl. Davis 1997, 8, 7).
Im Kontext des (Post-)Kolonialismus ist Eugenik ab den 1920er Jahren als transnationale Kooperation zwischen England, Deutschland, Frankreich, Skandinavien und den USA entstanden, was in Mitchells und Snyders Ausführungen zum eugenic atlantic (Mitchell/Snyder 2006, 121) deutlich herausgearbeitet wird. Dieser Begriff ist an Paul Gilroys Konzeptualisierung des black atlantic (vgl. Gilroy 1993) zur Beschreibung transnationaler Versklavung angelehnt und hebt kolonialnationalistische Kontinuitäten von Eugenik hervor (Mitchell/Snyder 2010, 187). Eugenik beinhaltet dabei diversifizierte Diskurse und Praktiken, wie zum Beispiel
3
Im Kontext von Kolonialismus und Nationalismus ermöglichte die Entstehung westlicher Wissenschaften, insbesondere der Statistik die ersten biopolitischen Messungen und Standardisierungen von Bevölkerungen und damit die Schaffung einer sogenannten ‚Normalkurve‘ und einer rassifizierten, ableisierten Norm des Menschen.
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Die Klassifikation von ‚Defekten‘ wurde im Kontext von Eugenik zu einem Sammelbegriff für sehr unterschiedliche menschliche Erfahrungen, Verhaltensweisen und Verkörperungen von ‚geistigen Behinderungen‘ bis hin zu ‚körperlichen Behinderungen‘: „[...] medical taxonomies of deviance simultaneously pathologizes and groups disparate experiences as shared when they may in fact be disparate in a phenomenological sense“ (Mitchell/Snyder 2010, 183; vgl. Davis 1997, 6).
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Menschenhandel, Menschenschauen5, Menschenexperimente, Zwangssterilisierungen, das Wegssperren von Menschen und den Massenmord an bestimmten Bevölkerungsgruppen insbesondere an Schwarzen Menschen, Menschen of Color, Indigenen Bevölkerungsgruppen6, sowie an Menschen mit Behinderungen. Damit stellt Eugenik eine besonders gewaltvolle und direkte Form der Bevölkerungsproduktion und -destruktion dar (vgl. Davis 1997; Erevelles 2011; Mitchell/Snyder 2010). Als Wissenschaft getarnt diente Eugenik im Folgenden zur Rationalisierung und Legitimierung von Kolonialismus, Versklavung, kapitalistischer Ausbeutung und damit letztendlich zur Etablierung der weißen Vorherrschaftsideologie, sowie der Herausbildung westlicher, europäischer Nationalstaaten: „The project of colonialism and nation-building was intimately intertwined with eugenics policies that marked people of color and people with disabilities as ‚unfit bodies‘ and ‚unworthy citizens‘“ (Erevelles 2011, 130; vgl. Davis 1997). Dabei wird Weißsein und NichtBehinderung zur Norm von dem Menschen und der Menschheit erklärt: „[...] race and ethnicity [that] are intricately tied up with eugenics, statistical proofs of intelligence, ability, and so on. And these in turn are part of the hegemony of normalcy“ (Davis 1997, 13). Eugenische Diskurse und Praktiken können dabei als elementare Grundlage der direkten Bevölkerungsregulierung verstanden werden, die der Auf-
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Dazu zählt auch der ‚Verkauf‘ von Schwarzen Menschen und Menschen of Color sowie von Menschen mit Behinderungen für Experimente und sogenannte ‚Freak-Shows‘ nach Europa und in die USA. Auf sogenannten Völkerschauen wurden verschleppte Schwarze Menschen und Menschen of Color (insbesondere verschleppte Frauen of Color, zum Beispiel die Nama Frau Saartje Bartmann), – oft in Zoos – in Käfigen als rassifiziertsexualisierte ‚andere‘ ausgestellt und als ‚wild‘, ‚animalistisch‘, ‚unzivilisiert‘, ‚primitiv‘, ‚barbarisch‘ und ‚hypersexualisiert‘ pathologisiert und dehumanisiert (vgl. Erevelles 2011, 129). Auch Menschen mit Behinderungen wurden als ‚abnormal‘, ‚defekt‘, ‚degenerativ‘ und ‚Deformation‘ in Menschenschauen ausgestellt und entmenschlicht. Ziel dessen war es, so Sow, in Europa das rassistisch heterosexistische Begehren nach dem ‚anderen‘ zu befriedigen (vgl. Sow 2008, 86-88). Das Ausstellen von als ‚deviant‘ und ‚abnormal‘ klassifizierten Körpern von Menschen mit Behinderungen, Schwarzen Menschen, ‚Siamesischen Zwillingen‘ und so weiter auf Jahrmärkten des 19. Jahrhunderts wurde zur ‚wissenschaftlich‘ legitimierten Pathologisierungs- und Enthumanisierungspraktik in Europa. Diese Praktik legitimierte insbesondere weiße, ableisierte Vorherrschaftsideologien durch die Konstruktion Menschen mit Behinderungen und nichtweißer Menschen als ‚less-than-human‘ und eine Gleichsetzung mit Tieren (vgl. Davis 1997, 14).
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Siehe z.B. der Genozid an ca. 40 000-60 000 Herero und etwa 10.000 Nama durch die deutsche Kolonialbesatzung im heutigen Namibia (vgl. Brehl 2007, 77-97).
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rechterhaltung und Legitimierung hegemonialer Machtverhältnisse dienen (Davis 1997, 8; Erevelles 2011, 129; Mitchell/Snyder 2010, 187). Deutlich wird, dass Eugenik nicht erst im deutschen Nationalsozialismus entstand, mit seinen pseudowissenschaftlichen Menschenversuchen und dem Massenmord an Millionen von Menschen, die als ‚minderwertig‘ und ‚lebensunwert‘ deklariert wurden. Die Ideologien und Praktiken der ‚Rassenhygiene‘ des deutschen Nationalsozialismus und Holocaust stellen eine Kontinuität international diskutierten und praktizierten kolonial-eugenischen Praktiken dar. Die NS-Gesetze zur ‚Rassenhygiene‘ (auch genannt ‚Erbgesundheitsgesetze‘ von 1933), die ‚Nürnberger Rassengesetze‘ (1935)7 und das ‚Euthanasie-Dekret‘ (1939) mit dem Decknamen ‚T4 Aktion(en)‘8 begründeten und legalisierten mit ihren eugenischen Ideo7
Während jüdische Deutsche bis 1939 in Deutschland gleiche Staatsbürger*innen-Rechte wie nicht-jüdische Deutsche hatten, wurden sie durch die eugenischen ‚Nürnberger Rassegesetze‘ bis 1939 komplett entrechtet, enteignet und zur staatlich und gesellschaftlich verfolgten Bevölkerungsgruppe (vgl. Friedländer 2006, 87-194; Hilberg 2007, 56-158; Neumann 2004, 153-168; Pohl 2003, 12). Auch kolonial geprägte Verbote und die rassifizierte Kriminalisierung von Liebes- und Sexbeziehungen zwischen weißen Kolonialherrschenden und Schwarzen/of Color (kolonialisierten) Menschen waren im deutschen NS elementar für die auf Rassen- und Degenerationsideologien beruhende Bevölkerungskontrolle. Heirat und Liebesbeziehung zwischen deutschen Jüd*innen und deutschen Christ*innen wurden durch das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ (Reichsbürgergesetz 15.9.1935) verboten und kriminalisiert (vgl. Friedländer 2006, 87-194; Hilberg 2007, 56-68; Neumann 2004, 147-153; Pohl 2003, 12-14). Zudem wurden deutsche Rom*nja und Sint*ezza als ‚gefährliche und degenerative Rasse‘ und damit als Bedrohung der weiß-arischen ‚Herrenrasse‘ konstruiert (vgl. Hancock 2005, 1996), sowie ihre Heirat mit deutschen Christ*innen durch die ‚Nürnberger Rassegesetze‘ vom 14. Juli 1933 ebenfalls verboten.
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Unter Hitlers ‚Euthanasie-Dekret‘ wurde mit dem Decknamen ‚T4 Aktion(en)‘ von 1939 bis 1941 die systematische Tötung von Menschen mit Behinderungen in Deutschland, sowie in von Deutschland besetzten Gebieten geplant und durchgeführt (vgl. Aly 2013, 42-293; Pohl 2003, 32-35). Insbesondere Kinder und Erwachsene in deutschen und polnischen Psychiatrien und Heimen für Menschen mit Behinderungen, sowie Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten, Obdachlose und Alkoholabhängige wurden als ‚lebensunwert‘ deklariert und systematisch ermordet (vgl. Aly 2013, 42-293; Demiel 2012a, 20; Synder/Mitchell 2006, 121). Bis August 1941 wurden durch das EuthanasieProgramm ungefähr 70 000 Menschen mit Behinderungen in Deutschland getötet, darunter sehr viele Kinder. Trotz der offiziellen Beendigung der ‚T4 Aktionen 1941‘ wurde der systematische Massenmord von unzähligen, Menschen mit Behinderungen in Deutschland und in von Deutschland besetzten Gebieten bis 1945 fortgeführt (vgl. Aly 2013, 42-293; Pohl 2003, 32-35). Nach Schätzungen wurden in Deutschland bis 1945
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logien der ‚Bevölkerungsdegeneration‘ durch ‚Krankheit‘, ‚Ansteckung‘ und ‚rassischer Vermischung‘ (vgl. Aly 2013, 42-293) die Verfolgung, Deportation, Internierung in Konzentrationslagern und den systematischen Massenmord an ungefähr 6 Millionen Jüd*innenin Europa9 (vgl. Friedländer 2006, 87-194; Hilberg 2007, 56-68, 927-1046, 1100-1116), sowie an schätzungsweise 220 000 bis 500 000 Rom*nja und Sint*ezza (vgl. Hancock 2005; 1996),10 als auch schätzungsweise 200 000 bis 350 000 Menschen mit Behinderungen (vgl. Aly 2013, 42-293; Pohl 2003, 32-35). Auch unzählige weitere Menschen of Color, Schwarze Menschen, Kommunist*innen, Anti-Faschist*innen, Cis-Schwule und jene, die aufgrund ihrer Nicht-Konformität als ‚asozial‘ klassifiziert wurden zum Beispiel Cis-Lesben, Sexarbeiter*innen, Trans*Menschen, Obdachlose, Gefangene oder Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten wurden unter dieser Ideologie ermordet. Die eugenischen Praktiken der ‚Rassenhygiene‘ im deutschen Nationalsozialismus beinhalteten darüber hinaus auch unfreiwillige Sterilisierungen und Abtreibungen bei schätzungsweise 350 000 bis 400 000 Menschen mit Behinderungen, Rom*nja und Sint*ezza, Schwarzen Deutschen und Menschen of Color, sowie jenen, die als ‚asozial‘ klassifiziert wurden (vgl. Demiel 2012a, 20; Pohl 2003, 14). Eugenische Diskurse und Praktiken, die insbesondere durch Rassismus und Ableismus geprägt sind, dienten nicht nur der Rechtfertigung von Kolonialismus, Versklavung und dem Holocaust. Sie sind bis heute wichtiger Bestandteil intersektionaler Gewalt- und Herrschaftsverhältnisse durch biopolitische Bevölkerungsregulierung (vgl. Erevelles/Minear 2010, 132; Mitchell/Snyder 2010, 187). Daungefähr 190 000 Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen durch Gas, Giftspritzen oder durch langsames Verhungernlassen getötet (Hungerkost-Erlass 30.11.1942; vgl. Pohl 2003, 35). Die Schätzungen der insgesamt durch Euthanasie getöteten, Menschen mit Behinderungen reicht von 200 000 bis 350 000 (vgl. Pohl 2003, 14). 9
Dem Holocaust des deutschen Nationalsozialismus kommt aufgrund seiner Systematik als industrialisierter Massenmord mit dem primären Ziel, Jüd*innen in Europa vollständig auszulöschen ein spezifischer Charakter zu. Dies wird besonders deutlich in den Dokumenten der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942. Dort wurde die Eliminierung der europäischen Jüd*innen beschlossen und geplant (‚Endlösung der Judenfrage‘) (Friedländer 2006, 87-194; Holocaust Research Project 2007).
10 Ab 1933 wurde damit begonnen, europäische Rom*nja und Sint*ezza durch strafrechtliche Kriminalisierung und Verfolgung, sowie durch biopolitische Massensterilisierung, Gefangennahme und Genozid (Porrajmos) zu eliminieren (vgl. Hancock 1996, 2005). Insbesondere nicht-sesshafte Rom*nja und Sint*ezza wurden ab 1941 als besondere Gefahr für die ‚Rassen-Vermischung‘ unter der generellen, kriminalisierten Klassifikation als ‚Asoziale‘ verfolgt. Ab 1942 wurden sie auch in mobilen Vergasungswägen, sowie 1944 in Massakern und durch die Infektion mit Krankheiten in medizinischen Experimenten getötet (vgl. Hancock 2005, 1996; Pohl 2003, 114-116).
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durch wird die Macht des Nationalstaats aufrechterhalten, zu entscheiden, wessen Leben als lebenswert gilt, wessen Leben es zu optimieren und zu schützen gilt und wer sich reproduzieren soll im Gegensatz zu jenen, deren Leben als ‚abnormal‘, ‚behindert‘, ‚unproduktiv‘, ‚defekt‘ oder ‚lebensunwert‘ deklariert wird und deren Fortpflanzung gewaltsam unterbunden wird. Im Kontext von Biopolitik wurden und werden eugenische Diskurse und Praktiken maßgeblich in Praktiken der Bevölkerungspolitik umgewandelt und kontinuierlich verändert, dezentralisiert und diversifiziert. Besonders bedeutsam sind in diesem Kontext weiterhin existierende, jedoch transformierte Sterilisierungs-, Pathologisierungs- und Segregationspraktiken, sowie rechtliche Beschneidungen der Menschenrechte auf Partnerschaft/ Heirat, Familie/Kinder oder Adoption für spezifische Bevölkerungsgruppen: „The legal requirement of sterility is an abuse that must be denounced in the strongest terms. It is particularly disturbing as it echoes back to the eugenics theories and practices of the late 1930s to the 1970s worldwide, but most notably in Europe“ (Whittle et al. 2008, 26; vgl. Pohlkamp 2011, 66). Auch indirekte Praktiken der Bevölkerungsregulierung durch Bildungs- und Wohnraumsegregation, Verweigerung von Selbstbestimmung, strukturellem Ausschluss beziehungsweise durch fehlenden Zugang zu Ressourcen und Gesundheitsversorgung bringen weiterhin ungleiche (Über-)Lebenschancen, insbesondere für Schwarze Menschen, Menschen of Color und Menschen mit Behinderungen, sowie auch teilweise für Trans*Menschen hervor durch normative, intersektional verstärkte Staatsgewalt: „Colonial ideologies conceiving of the colonized races as intrinsically degenerate sought to bring these ‚bodies‘ under control via segregation and/or destruction […as they] pose a threat to the dominant white race, ‚protective‘ practices such as forced sterilizations, rigid miscegenation laws, residential segregation in ghettoes, barrios, reservations and other state institutions and sometimes even genocide (e. g. the Holocaust) were brought to bear on nonwhite populations under the protected guise of eugenics“ (Erevelles/Minera 2010, 133; vgl. Mitchell/Snyder 2010, 187).
Auch in Deutschland endete die biopolitisch-eugenische Bevölkerungspolitik nicht mit dem Ende des offiziell staatlichen Nationalsozialismus. Vielmehr wurde eine ausgeschwiegene, jedoch legalisierte biopolitisch-eugenische Bevölkerungsregulierung durch Zwangssterilisierungen und -abtreibungen, zum Beispiel an Menschen mit Behinderungen, Rom*nja und Sint*ezza und Menschen of Color fortgeführt (vgl. Sow 2008, 90-95). Die legalisierte Zwangssterilisierung von Trans*Menschen als rechtliche Voraussetzung für die Personenstandsänderung bis 2011, sowie nicht-konsensuale geschlechtsangleichende Operationen (und damit einhergehende Zwangssterilisierungen) an Inter*(geschlechtlichen) Menschen stellen dabei Kon-
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tinuitäten eugenischer Praktiken der Bevölkerungsproduktion und -destruktion in Deutschland dar (vgl. de Silva 2012).
5.3 DISZIPLINAR- UND BIOMACHT: ZWEIGESCHLECHTLICH NORMALIERENDE GEWALT GEGEN INTER*(GESCHLECHTLICHE) MENSCHEN IN DEUTSCHLAND Die jahrzehntelange, politische und mediale Nicht-Thematisierung des rechtlichen und medizinischen Umgangs mit Inter*(geschlechtlichen) Menschen in Deutschland wurde durch den Parlamentsbeschluss vom 1. November 2013 erstmals unterbrochen.11 Voreilig wurde in nationalen und internationalen Medien davon berichtet, Deutschland hätte einen rechtlich anerkannten dritten geschlechtlichen Personenstand geschaffen. Diese Darstellung entspricht jedoch nicht der Realität und steht in radikalem Kontrast zu den de facto existierenden Menschenrechtsverletzungen an Inter*(geschlechtlichen) Menschen in Deutschland. In Deutschland werden bei Neugeborenen, die von Ärzt*innen aufgrund ihrer sichtbaren Genitalien als ‚geschlechtlich uneindeutig‘ klassifiziert werden, zumeist chromosomale und hormonelle Testungen durchgeführt. Gleichzeitig werden Eltern massiv dazu gedrängt, im Kleinkindalter geschlechtsangleichenden Operationen sowie einer späteren Hormonbehandlung bei ihrem Kind zuzustimmen, ohne, dass den betroffenen minderjährigen Personen Mitbestimmungsrecht eingeräumt wird. Die nichtkonsensualen Geschlechtsangleichungen an Inter*(geschlechtlichen) Menschen ab dem Kleinkindalter die medizinisch nicht notwendig sind werden seit Jahrzehnten national und international durch Inter*(geschlechtliche) Vereine und Aktivist*innen (Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte/Intersexuelle Menschen e.V. 2012, 5; Verein Intersexuelle Menschen/XY-Frauen 2011, 23), sowie in unterschiedlichen wissenschaftlichen Publikationen und Studien als Menschenrechtsverletzungen der BRD kritisiert (vgl. Adamietz 2011; BMFSFJ 2017 a/b; Bora 2012; Ghattas 2015; Hechler 2015; Klöppel 2015; 2016; 2017; Plett 2014; 2015; Voss 2014 a/b). Dabei wird auch auf Langzeit-Verletzungen der betroffenen Menschen aufmerksam gemacht, wie etwa „bleibende Narben, Verwachsungen, Sensibilitätsverlust, Schmerzen, Traumatisierung, wiederholte Operationen, Probleme von Hormonbehandlungen etc.“ (Klöppel 2017).
11 Davor haben Wissenschaftler*innen und Menschenrechtsaktivist*innen jahrelang versucht, Aufmerksamkeit für den menschenrechtswidrigen Umgang mit Inter*(geschlechtlichen) Menschen in Deutschland zu schaffen.
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Die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen der BRD erzeugte politischen Druck, auf Regierungsebene den Umgang mit Inter*(geschlechtlichen) Menschen neu zu verhandeln. In diesem Zusammenhang stellten PDS/Die Linke zusammen mit Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 1996 eine Kleine Anfrage an den Bundestag zum Umgang mit Inter*(geschlechtlichen) Menschen und zu ihrer sozialen und rechtlichen Situation. Diese Anfrage wurde erst über ein Jahrzehnt später am 24. November 2011 in einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestags behandelt (Deutscher Bundestag 2011, 17174-17181; vgl. Bora 2012; Deutscher Ethikrat 2012, 2012a; Plett 2009; 2011; 2014; Pohlkamp 2015). Weitere zwei Jahre später wurde diesbezüglich in einem ‚Hauruckverfahren‘ (Plett 2014, 7) per Parlamentsbeschluss eine Gesetzesänderung erwirkt. Der Parlamentsbeschluss vom 1. November 2013 besagt, dass bei ‚geschlechtlich uneindeutigen‘ Neugeborenen auf Anraten von Ärzt*innen der rechtliche Geschlechtseintrag im Geburtsregister ‚offen‘ gelassen werden kann: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen“ (PStG 2011 § 22 (3); vgl. Plett 2014, 4-11; Voß 2014 a/b). Was bedeutet diese Gesetzesänderung für die rechtliche und medizinische Praxis im Umgang mit Inter*(geschlechtlichen) Menschen in Deutschland? Grundlegend ist bei der Reflexion zu dieser Gesetzesreform zu berücksichtigen, dass erstens die durchgeführten geschlechtsangleichenden Operationen an Inter*(geschlechtlichen) Kindern ohne deren Zustimmung durch die Gesetzesänderung vom 1.11.2013 nicht abgeschafft oder gesetzlich verboten wurden (vgl. BMFSFJ 2017, 3; 2016, 2015; Klöppel 2016; 2017; Plett 2014; 2015). Das Verbot dieser nicht-konsensualen, gewaltvoll zweigeschlechtlich-normalisierenden Operationen im Kleinkindalter stellt eine Kernforderung von Inter*(geschlechtlichen) Interessensverbänden dar, der im Bundestagsbeschluss nicht nachgekommen wird (vgl. Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte/Intersexuelle Menschen e.V. 2012, 5; Plett 2014; Voß 2014 a/b).12 Zweitens erlaubt der Bundestagsbeschluss vom 1.11.2013 lediglich de jure Ausnahmen der juristisch-medizinischen Festschreibung eines zweigeschlechtlichen Geburtseintrags bei Inter*(geschlechtlichen) Neugeborenen auf Anraten von Ärzt*innen. Er gestattet nicht, dass ein sogenanntes drittes Geschlecht eingeführt wird, sondern nur, dass der Geschlechts-
12 Mit dem Bundestagsbeschluss steigt laut Betroffenenverbänden tendenziell sogar der Druck auf Eltern, geschlechtsangleichenden Operationen an ihrem Kind zuzustimmen. Als Grund dafür wird genannt, dass Eltern aus Angst vor Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt gegen ihr Kind aufgrund des rechtlich geschlechtslosen Status in einer zwanghaft zweigeschlechtlich normierten Gesellschaft versuchen, dem durch die ‚Vereindeutigung‘ des Geschlechts entgegenzuwirken (vgl. IVIM 2013; Voß 2014a/b).
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eintrag auf Anraten von Ärzt*innen und auf unbestimmte Zeit ‚offen‘ gelassen werden kann (vgl. Plett 2014, 4-11; Voß 2014 a/b). Die medizinisch-juristische Geschlechtszuweisung bei allen anderen (vermeintlich geschlechtlich eindeutigen) Neugeborenen in Form eines exklusiv zweigeschlechtlichen Personenstands wird im Bundestagsbeschluss von 2013 weiterhin als generelle rechtskräftige Praxis bestätigt. Das ‚Offenlassen‘ des Geschlechtseintrags auf ärztliches Anraten hin (bei vermeintlich geschlechtlich uneindeutigen Neugeborenen) und damit keinen Geschlechtseintrag (‚no gender‘) zu haben wird von Betroffenenverbänden deshalb nicht als Ermöglichung eines dritten Geschlechts gefeiert (vgl. IVIM 2013). Denn ‚kein Geschlecht‘ zu haben in einer Gesellschaft, die exklusiv zwei, scheinbar natürliche, klar bestimmbare und voneinander abgrenzbare Geschlechter als Gesundheits- und Subjektnorm zulässt, die jeden Tag aufgerufen werden - in jedem Anschreiben, in jeder Anrede und Ansprache, in der Schule, auf der Arbeit, beim Sport, bei jedem Gang zur Toilette all das geht einher mit massiver Stigmatisierung und Diskriminierung sowie der normativ-epistemischen Gewalt der Verwerfung und Pathologisierung. Der als progressiv gelobte Parlamentsbeschluss muss angesichts der aufrechterhaltenen medizinisch-juristischen zweigeschlechtlichen Normalisierungsgewalt und dem Verwehren einer selbstbestimmten Geschlechtsidentität in Deutschland kritisch betrachtet werden. Er beinhaltet Dimensionen transformierter, jedoch aufrechterhaltener zweigeschlechtlich normierender und verwerfender Staatsgewalt gegen Inter*(geschlechtliche) Menschen. Erst vier Jahre später im Urteil des Bundesverfassungsgericht im November 2017 wurde das personenstandsrechtliche Vakuum durch das ‚offen‘ lassen des Geschlechtseintrags im Geburtsregister bei Inter*(geschlechtlichen) Neugeborenen erneut aufgegriffen. Im Oktober 2017 hat das Bundesverfassungsgericht zu einer Klage einer Inter*(geschlechtlichen) Person entschieden, dass ein dritter, positiver Geschlechtseintrag neben ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ ermöglicht werden muss. Laut der Pressemitteilung zum Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 10.10.2017 kommt der Zuweisung und Festschreibung eines Geschlechts „für die individuelle Identität herausragende Bedeutung zu; sie nimmt typischerweise eine Schlüsselposition sowohl im Selbstverständnis einer Person als auch dabei ein, wie die betroffene Person von anderen wahrgenommen wird“ (BVerfG 2017). Der Gesetzgeber wurde im Urteil dazu aufgefordert, die verfassungswidrige Regelung im Personenstandsrecht bis zum 31.12.2018 entsprechend zu ändern. Das Urteil beruft sich maßgeblich auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts in Bezug auf die geschlechtliche Identität, auf Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und auf eine Grundrechtsverletzung: „Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren,
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aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt“ (BVerfG 2017). Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber einen weiten Auslegungs- und Handlungsspielraum ein: „Das Grundgesetz gebietet nicht, den Personenstand hinsichtlich des Geschlechts ausschließlich binär zu regeln. Es zwingt weder dazu, das Geschlecht als Teil des Personenstandes zu normieren, noch steht es der personenstandsrechtlichen Anerkennung einer weiteren geschlechtlichen Identität jenseits des weiblichen und männlichen Geschlechts entgegen“ (BVerfG 2017, eigene Hervorhebung). Laut Bundesverfassungsgerichtsurteil wäre eine generelle Abschaffung der Registrierung eines Geschlechtseintrags möglich: „So könnte der Gesetzgeber auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten“ (BVerfG 2017, eigene Hervorhebung). Wahrscheinlicher ist jedoch die Einführung einer Dritten Kategorie (zusätzlich zu ‚männlich‘ und ‚weiblich‘) als ‚divers‘, ‚anders‘, ‚sonstige‘, ‚weitere‘, ‚keine Angaben‘ oder ‚inter‘. Zudem zeichnet sich aktuell eine sehr restruktive und pathologische Auslegung der Gesetzesänderung zur Dritten Option ab. Der Gesetzesentwurf aus Seehofers Heimatministerium zur Änderung des Personenstandsgesetzes bestätigt einerseits die naturalisierten Zweigeschlechternorm als Subjekt- und Gesundheitsnorm, als auch andererseits die Biomedizin in ihrer medizinischjuristischen Deutungshoheit sowie darüber hinaus neoliberalen Subdifferenzierungspraktiken und Sonderregelungen zur Bevölkerungsregulierung: Die Änderung des Personenstandsrechts in eine dritte Option sollen nur Menschen in Anspruch nehmen können, denen die medizinische Diagnose Intersexualität gestellt wurde (vgl. Referententwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat 2018). Wünschenswerter – im Hinblick auf den Abbau bestehender Diskriminierungen, Pathologisierungen und Stigmatisierungen, sowie der de facto Anerkennung bestehender geschlechtlicher Vielfalt – wäre, den Geschlechtseintrag entweder komplett abzuschaffen, oder die Dritte personenstandsrechtliche Option allen Menschen zu ermöglichen, die diesen wollen, ohne jegliche Begutachtung oder Diagnosen. Die naturalisierte Zweigeschlechtlichkeit als Grundlage von Staatsbürger*innenschaft und als hegemoniale Subjekt- und Gesundheitsnorm wird folglich im Beschluss von 2013 sowie in Seehofers Gesetzesentwurf von 2018 aufrechterhalten. Darüber hinaus wird die ärztliche Definitionsmacht, über die geschlechtliche Identität eines Kindes entscheiden zu können auch in der Gesetzesnovelle von 2013 bestätigt (vgl. Klöppel 2010, 595; 2015; 2016; Plett 2014; 2015). Dem Wunsch von Eltern, Kinder selbst über ihre geschlechtliche Identität bestimmen zu lassen, egal, ob sie als vermeintlich geschlechtlich ‚eindeutig‘ oder ‚uneindeutig‘ kategorisiert werden wird nicht nachgekommen. Damit wird weiterhin die ge-
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schlechtliche Selbstbestimmung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verhindert (vgl. IVIM 2013).13 Äußerst bemerkenswert an dem Bundesverfassungsgerichtsurteil ist zudem, dass erneut die invasiven, nicht-konsensualen geschlechtsangleichenden Operationen an Inter*(geschlechtlichen) Kindern im Kleinkindalter nicht als verfassungswidrig verboten wurden. Die dadurch weiterhin indirekt legalisierten körperlichinvasiven und nicht-konsensualen Zwangseingriffe an Inter*(geschlechtlichen) Menschen können im Sinne der Foucaultschen Machtanalyse als äußerst brutale physische Disziplinierungs- und Normalisierungsgewalt der Biomedizin verstanden werden (vgl. Foucault 1983, 18 f., 106-143; 2003 b, 253, 243). Diese setzt maßgeblich am Körper, an Sexualität und am Geschlecht an: „Die Medizin erfüllte (und erfüllt bis heute) die juristische Vorgabe, wonach eine eindeutige Zuweisung von Intersexualität zum männlichen oder weiblichen Geschlecht zu erfolgen habe. Sie untermauerte damit auch ihren Anspruch, eine Expertise in Fragen des sozialen Status von Menschen zu besitzen und die Geschlechterklassifikation wissenschaftlich kontrollieren zu können“ (Klöppel 2010, 595; vgl. Plett 2003 a/b; 2009; Voß 2010). Es wird deutlich, mit welcher direkten, physisch disziplinierenden Gewalt die Biomedizin als Zusammenwirken von Recht und Medizin eine zweigeschlechtliche Zwangsnorm als vermeintlich natürliches Artefakt aufrechterhält. Denn die normative Cis-Zweigeschlechtlichkeit als vermeintlich natürliche Subjekt- und Gesundheitsnorm kann nur durch das Leugnen, Verwerfen und Pathologisieren der existierenden Gender-Diversität aufrechterhalten werden. Die Frage stellt sich warum die Aufrechterhaltung der normativen Zweigeschlechtlichkeit so wichtig ist. Es kann festgehalten werden, dass Inter*(geschlechtliche) Menschen in Deutschland durch medizinisch-rechtliche normative Gewalt zweigeschlechtlich zwangsnormalisiert und eingepasst werden, um eine naturalisierte Cis-Zweigeschlechternorm aufrechtzuerhalten. Sowohl im Bundestagsbeschluss vom 1. November 2013 als auch im Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 10. November 2017 wurde die menschenrechtsverletzende Praxis operativer Zwangseingriffe im Kleinkindalter ohne Zustimmung der betroffenen Personen nicht als verfassungswidrig verboten. Dadurch können die besonders gewaltvollen, körperlich-invasiven
13 Wenn der Geschlechtseintrag nicht nur bei vermeintlich ‚uneindeutigen‘, sondern auch bei vermeintlich ‚eindeutigen‘ Neugeborenen ‚offengelassen‘ oder gleich ganz abgeschafft werden würde, könnte dies in Kombination mit institutionell geförderter Aufklärungsarbeit zu Gendervielfalt tatsächlich zur Aufweichung und grundlegenden Infragestellung der naturalisierten normativen Zweigeschlechtlichkeit führen. Damit könnte auch die Stigmatisierung und tagtägliche zwischenmenschliche und institutionalisierte Gewalt gegen Inter*(geschlechtliche) Menschen reduziert werden (vgl. IVIM 2013)
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zweigeschlechtlichen Zwangsvereindeutigungen und Normalisierungen an Inter*(geschlechtlichen) Menschen trotz massiver Kritik weiter durchgeführt werden. Da sich der deutsche Rechtsstaat aus der Verantwortung zieht Inter*(geschlechtlichen) Menschen das uneingeschränkte Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit durch ein eindeutiges Verbot nicht-konsensualer geschlechtsnormalisierender Operationen zu garantieren, bedarf es, wie aus den Schlussfolgerungen des BMFSFJ zu Schutz und Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt hervorgeht, einer „gesetzliche[n] Klarstellung in § 1631c BGB, dass Eltern in solche Eingriffe nicht für ihr Kind einwilligen dürfen [...] Eine solche Verbotsregelung sollte gelten, bis die Kinder ein Alter erreicht haben, in dem sie frei und nur nach vorheriger informierter Einwilligung über ihr körperliches Erscheinungsbild selbst entscheiden können“ (BMFSFJ 2017a, 3). Auch sollte ein obligatorisches Beratungsangebot für Eltern eingeführt werden, um die Informationslücke über natürliche und normale geschlechtliche Variationen zu beheben: „Eltern intergeschlechtlicher Säuglinge und Kinder benötigen Informationen darüber, dass es Menschen gibt, deren Geschlecht nicht eindeutig männlich oder weiblich ist und darüber, dass es für die Entwicklung von Kindern von großer Bedeutung ist, ihre geschlechtliche Identität im entscheidungsfähigen Alter selbst bestimmen zu können“ (BMFSFJ 2017a, 4). Demnach besteht ein eklatanter Handlungsbedarf, sich mit geschlechtlicher Vielfalt auf einer inhaltlichen, institutionellen und rechtlichen Ebene von Antidiskriminierung auseinanderzusetzen und entsprechende Maßnahmen für gleichen Zugang und gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen. Insofern muss die Gesetzesänderung des Personenstandsrechts und die Einführung der ‚Dritten Option‘ kritisch in Bezug auf ihre biopolitischen Effekte und ihre Auswirkungen im Hinblick auf die Verbesserung der de facto Lebensbedingungen von Inter*(geschlechtlichen) Menschen untersucht werden. Erstrebenswert wäre – in Anbetracht der massiven menschenrechtsverletzenden normativ-epistemischen sowie physischen Gewalt der Verwerfung und Pathologisierung – eine Abschaffung des Geschlechtseintrags im Geburtsregister oder die Ermöglichung eines dritten positiven Geschlechtseintrag für alle Menschen, die diesen wollen, ohne notwendige medizinischen Diagnosen, psychiatrische oder juristische Gutachten (vgl. Adamietz/Bager/Elsuni 2017; Althoff/Schabram/Follmar-Otto 2017; Bundesverband Trans* 2016; Plett 2015).
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5.4 BIOPOLITIK ALS THEORETISCHES BINDEGLIED ZWISCHEN PATHOLOGISIERUNG UND KRIMINALISIERUNG In Anlehnung an Foucaults Machtanalyse kann eine paradigmatische Verschiebung der Bevölkerungsregulierung in westlichen Industrieländern hin zur Biopolitik festgestellt werden. Diese zeichnet sich durch die Abkehr von direkten Disziplinarpraktiken und die Zuwendung zu indirekten und dezentralen biopolitischen Regulierungspraktiken aus. Gender-Diversität und die Nicht-Konformität mit (cis-) zweigeschlechtlichen Normen wird in den meisten westlichen Industrieländern nicht mehr direkt strafrechtlich sanktioniert oder kriminalisiert. Mittlerweile sind vor allem folgende, wechselseitig konstitutive biopolitische indirekte Regulierungs- und Normalisierungspraktiken elementar: Erstens die medizinisch-juristisch autorisierte und durchgeführte Psychopathologisierung unter den ICD-10 Diagnosen ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘, insbesondere ‚Transsexualismus‘, ‚Transvestitismus‘ und ‚Geschlechtsidentitätsstörung bei Kindern‘. Zweitens ermöglicht die rechtliche Regulierung und Normalisierung durch Sondergesetze maßgeblich durch das Transsexuellengesetz eine partielle Inklusion und Anerkennung von bestimmten Trans*Menschen. Durch die zweigeschlechtlichen und intersektionalen Zugangskriterien des TSG wird jedoch gleichzeitig vielen Trans*Menschen staatliche Anerkennung weiterhin normativ verweigert (Kapitel 4,2, 5). Im Kontext übergeordneter Machtverhältnisse bestätigen das TSG und die darin reinstituierten ICD-Diagnosen die normative Zweigeschlechtlichkeit als exklusive Gesundheitsund Subjektnorm, indem selbstbestimmte Geschlechtsidentität allgemein, als auch Trans*Menschen konkret pathologisiert und verworfen werden. Sondergesetze und medizinisch-psychiatrische Diagnosen können als flexible und komplementäre biopolitische Instrumente der indirekten Bevölkerungsregulierung verstanden werden. Sie bedürfen der kontinuierlichen Veränderung, um hegemoniale Machtverhältnisse trotz Kritik und Widerstand aufrechtzuerhalten. In Deutschland haben neben dem Transsexuellengesetz auch die Krankenkassen eine zentrale Regulierungs- und Gatekeepings-funktion inne. Beide operieren auf der Grundlage der ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘. Durch intersektionale Pathologisierungen und Verwerfungen, sowie Normierungs- und Normalisierungspraktiken werden partielle, neoliberale Inklusionen ermöglicht. Jedoch gleichzeitig viele Trans*Menschen von Trans*Gesundheitsversorgung und von der Vornamens- und Personenstandsänderung ausgeschlossen und dadurch ihre Lebenschancen begrenzt. Die Trias der Zugangsregulierung durch Transsexuellengesetz, ICD-Diagnose und Medizinischen Dienst der Krankenkassen fungiert als biopolitische Bevölke-
Bevölkerungspolitik als Wechselwirkung von Disziplinar- und Biomacht | 115
rungsregulierung, die hegemoniale, intersektionale Subjekt- und Gesundheitsnormen und damit bestehende Machtverhältnisse aufrechterhält. Für die gegenwärtige biopolitische Regulierung von Trans*Menschen sind zudem drittens indirekte, zweigeschlechtliche Selbstregulierungs- und Normalisierungspraktiken signifikant („Technologien des Selbst“ Foucault 1993, 8). Diese können nicht von der rechtlich-medizinischen Verwerfung und Pathologisierung getrennt werden, denn bei Nicht-Konformität mit der normativen Zweigeschlechtlichkeit droht normativer Ausschluss und gesellschaftlich-staatliche Verwerfung. Biopolitische Bevölkerungsregulierung operiert viertens auch über transformierte indirekte Kriminalisierungspraktiken. Hierbei sind insbesondere die (direkte und indirekte) strafrechtliche Verfolgung von (migrantischen) Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) relevant, sowie strafrechtliche Vorwürfe des Identitätsbetrugs und/oder der irregulären Einreise. Von Kriminalisierungen sind aufgrund von racial profiling insbesondere Trans*Menschen of Color sowie Migrant*innen und Geflüchtete betroffen (Kapitel 10). Es lässt sich eine Entwicklung weg von der direkten Disziplinierung bzw. Kriminalisierung in Form von Anti-Homosexuellen-Gesetzen und Anti-CrossdressingGesetzen und hin zu einer indirekten biopolitischen Regulierung von Trans* Menschen nachvollziehen. Diese operiert maßgeblich auf der Grundlage der rechtlich-medizinischen Psychopathologisierung, zweigeschlechtlicher (Selbst-)Normalisierungen und der partiellen rechtlichen Inklusion unter aufrechterhaltenem Ausschluss und Verwerfung durch das Transsexuellengesetz. Diese indirekten Regulierungsformen werden ergänzt durch Kontinuitäten der Disziplinarmacht in Form von direkter und indirekten Kriminalisierung und Verfolgung, wie in Kapitel 7 im Hinblick auf Sexarbeit und Flucht weiter ausgeführt wird.
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Auswirkungen normativer und intersektionaler Gewalt auf Trans*Menschen
Um normative Staatsgewalt und ihre Auswirkungen besser verstehen und analysieren zu können, ist zu Beginn ein Verweis auf Wilson Gilmores Rekonzeptualisierung von Rassismus erkenntnisreich: als strukturell ungleiche Verteilung von (Über-)Lebenschancen, durch die Menschen of Color und Schwarze Menschen verstärkt für vorzeitigen Tod exponiert werden: „Racism, specifically, is the statesanctioned or extralegal production and exploitation of group-differentiated vulnerability to premature death“ (Wilson Gilmore 2007, 28). Strukturelle Gewalt kann in Anlehnung an Wilson Gilmore (2007) als Unterwerfung von Menschen unter schädigende, institutionalisierte Praktiken und Regeln verstanden werden, die das tägliche Leben bestimmen. Dabei geht es um den institutionalisierten Ausschluss ganzer Bevölkerungsteile von gleichberechtigter sozialer, politischer, ökonomischer, kultureller, epistemischer und symbolischer Teilhabe. Grundlage dessen stellen legalisierte, institutionalisierte Ungleichheitsverhältnisse dar, zum Beispiel in Form von Ausschlüssen, Entrechtungen, Entmenschlichungen, Pathologisierungen, Marginalisierungen, Ausbeutung, Unterdrückung oder rechtlicher Ungleichbehandlung. Die normative und institutionalisierte Gewaltebene kann folglich als Bedingung gefasst werden, durch die spezifische Bevölkerungsgruppen über geringere (Über-)Lebenschancen verfügen. Im Hinblick auf Trans*Menschen bedeutet das, dass diese in cis-zweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsordnungen von gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe und Gleichbehandlung ausgeschlossen werden und nicht über die gleichen (Über-)Lebenschancen wie Cis-Menschen verfügen. Die naturalisierte Cis-Zweigeschlechternorm mit ihren machtvollen Subjektivierungs- und Verwerfungspraktiken stellt die normative Grundlage von Gewalt gegen Trans*Menschen dar. Sie ist in bestehenden Machtverhältnissen institutionalisiert und kann als normative Gewalt verstanden werden. Die normative Staatsgewalt der Psychopathologisierung und Verwerfung von Trans*Menschen äußerst sich maßgeblich in Form von institutionalisierten cis-zweigeschlechtlichen Ausschlüssen oder Diskriminie-
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rungen in allen wichtigen staatlich-gesellschaftlichen Bereichen: zum Beispiel Schule, Ausbildung, Beruf, Staatsbürger*innenschaft, Gesundheitsversorgung, Sozial- und Arbeitslosenhilfe.1 Trans*Menschen werden nicht nur auf der individuellen Ebene als einzelne Trans*Personen, sondern auch auf der bevölkerungspolitischen Ebene verstärkt lebensbedrohlicher Gewalt ausgesetzt: „Misclassification in all three of these realms identity documentation, sex-segregated facilities, and health care access combined with widespread family rejection and routinized stigmatization, produce conditions of exacerabted poverty, criminalization, and violence for trans populations“ (Spade 2011, 150; vgl. 138-144; Irving 2010, 153-169; NTF 2011, 6; Virtulli 2011, 53-68). Die These, dass Trans*Menschen aufgrund normativer Staatsgewalt über ungleiche Lebenschancen wie Cis-Menschen verfügen, wird anhand vom institutionalisierten Diskriminierungen auf dem cis-zweigeschlechtlichen Arbeitsmarkt erläutert. Im Anschluss daran gehe ich darauf ein, wie sich intersektionale Diskriminierungen und Ausschlüsse gegenseitig verstärken und insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitigen Tod exponieren.
6.1 DISKRIMINIERUNGEN UND AUSSCHLÜSSE VON TRANS*MENSCHEN AUF DEM ARBEITSMARKT UND IM BILDUNGSWESEN Wie mehrere europäische und US-amerikanische Studien und Berichte übereinstimmend belegen, sind Diskriminierungen von Trans*Menschen auf dem Arbeitsmarkt in westlichen Industrienationen sehr weit verbreitet (vgl. Agius/Tobler 2012; Balzer/Hutta 2012; Broadus 2006; EC 2011; FRA 2010/2011, 21; 15; Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012; LesMigraS 2012; Spade 2011; Whittle 2000, 12; Whittle/Turner/Al-Alami 2007,15, 22, 31-40; Whittle et al. 2008, 47). Für den EU-Kontext werden weitreichende, normative Arbeitsmarktdiskriminierungen von Trans*Menschen in der Transgender EuroStudy (Agius/Tobler 2012; Whittle et al. 2008, 47; siehe auch Whittle 2000, 12; Whittle/Turner/Al-Alami 2007,15, 22, 31-40), sowie dem Bericht des Trans Respect versus Transphobia Projects festgestellt (Balzer/Hutta 2012; vgl. auch EC 2011; FRA 2010/2011, 1521). Massive Arbeitsmarktdiskriminierungen von Trans*Menschen (aufgrund ciszweigeschlechtlicher Arbeitsmarktnormen) stellen auch die Expertise von Franzen und Sauer (2010), die LesMigraS-Studie (2012), die Studie von Fuchs et al.
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Dank für Feedback und Kritik geht insbesondere an Eliah Luethi.
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(2012), sowie die LADS-Initiative Trans* in Arbeit (LADS 2013) für den deutschen Kontext fest. Zum Zeitpunkt der LSVD-Umfrage waren ca. ein Viertel der Studienteilnehmenden arbeitslos (26 % Trans*Männer/Männlichkeiten und 19 % Trans*Frauen/Weiblichkeiten) (vgl. Fuchs et al. 2012, 123). Das Projekt Trans* in Arbeit, das 2013 von der Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung Berlin-Brandenburg (LADS) gestartet wurde schätzt, dass in Deutschland sogar bis zu 50 % der Trans*Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind (LADS 2013) (verglichen mit 5-10 % der Cis-Bevölkerung). Auch wenn die prozentualen Schätzungen keine exakte Realität abbilden, kann festgehalten werden, dass unterschiedlich positionierte Trans*Menschen in Deutschland aufgrund der cis-zweigeschlechtlichen, sowie intersektionalen Zugangsregulierung deutlich stärker von Arbeitslosigkeit und insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind als die cis-geschlechtliche, weiß-deutsche Bevölkerung ohne Migrationsgeschichte oder Behinderungen.2 Aufgrund der Nicht-Konformität mit cis-zweigeschlechtlichen Normen etwa aufgrund der Nicht-Übereinstimmung zwischen Vornamen und Geschlechtseintrag in Ausweisdokumenten mit Selbstidentifikation und Erscheinungsbild werden in Deutschland laut LADS schätzungsweise ungefähr 30-40 % der Jobbewerbungen von Trans*Menschen nicht berücksichtigt (vgl. Fuchs et al. 2012, 124-129; LesMigraS 2012, 23, 30-41; LADS 2013; Plett 2015, 38-53). Für ein passing, etwa, um auf dem zweigeschlechtlichen Arbeitsmarkt nicht oder weniger stark diskriminiert beziehungsweise ausgeschlossen zu werden, bedarf es in den meisten Fällen neben der rechtlichen Vornamens- und Personenstandsänderung nach dem TSG 2
An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass es sich um Schätzungen der prozentualen Arbeitslosenquoten von Trans*Menschen handelt, da es in Deutschland keine Statistiken zum Prozentsatz der Trans*Bevölkerung gibt. Statistisch festgehalten wird lediglich die Zahl, wie viele Trans*Menschen pro Jahr eine Vornamens- und/oder Personenstandsänderung nach dem TSG beantragen. Da viele jedoch das TSG-Verfahren aufgrund der Zugangsvoraussetzungen nicht in Anspruch nehmen können oder wollen, wird durch die Statistiken nur ein Bruchteil der in Deutschland lebenden Trans*Menschen erfasst. (Es ist auch möglich, dass Trans*Menschen in Deutschland aufgrund der Psychopathologisierung unter der ICD-Diagnose als ‚psychisch krank‘ in Statistiken zu der Arbeitslosigkeit von ‚psychisch kranken‘ Menschen auftauchen.) Die Dichotomisierung CisBevölkerung versus Trans*Bevölkerung reduziert intersektionale Zugangsbeschränkungen und Regulierungen des Arbeitsmarkts, wenn sie nicht weiter aufgeschlüsselt und differenziert wird. Der Arbeitsmarkt ist nicht nur zweigeschlechtlich normiert, sondern inhärent durch Normen von Nicht-Behinderung, rassifizierte Normen von Weißsein (weißdeutsche Staatsbürger*innen) und Nicht-Migration strukturiert. Dies lässt die Frage aufkommen, ob es sich bei den geschätzten Prozentzahlen nur um weiß-deutsche Menschen ohne Behinderungen handelt.
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auch des Zugangs zu Trans*Gesundheitsversorgung. Letzterer wird jedoch insbesondere arbeitslosen Trans*Menschen häufig verweigert (Kapitel 6.3; vgl. Franzen/Sauer 2010; LesMigraS 2012; Whittle 2008). Ein Coming-out als Trans* im Arbeitsleben ist aufgrund von zweigeschlechtlichen Diskriminierungen sehr schwierig und kann zum Jobverlust führen (vgl. Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012, 126; Plett 2015, 38-53).3 Laut LADS verlieren ungefähr 15-30 % der Trans*Menschen in Deutschland ihren Job aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und sind oft von Langzeitarbeitslosigkeit und deren Auswirkungen wie Verarmung, Prekarisierung, gesellschaftlicher Mehrfachmarginalisierung und Gewalt betroffen (vgl. Fuchs et al. 2012, 128-129; Plett 2015, 3853).4 Die zweigeschlechtlichen Zwangsnormierungen und die damit verbundenen direkten oder indirekten Ausschlüsse beziehungsweise Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt, sowie die Angst vor einer drohenden Kündigung führen zudem dazu, dass viele angestellte Trans*Menschen ihre Geschlechtsidentität im Arbeitsleben verstecken (müssen). Laut FRA-Umfrage 2013 betrifft das fast die Hälfte der befragten Trans*Menschen in Europa (47 %). Sie können ihre Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz nicht offen leben; dem stehen lediglich 21 % gegenüber, die dies tun (vgl. FRA 2013; 2014). Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Trans*Menschen die Wahl haben, zu entscheiden, ob und wann sie ihre Geschlechtsidentität offen am Arbeitsplatz leben. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sich zum Beispiel durch den Beginn einer Hormontherapie ihre Stimme oder ihr Äußeres ändert, oder wenn sie aufgrund von nicht-passing bezüglich zweigeschlechtlicher Normen (unfreiwillig) als Trans* gelesen werden oder von anderen geoutet werden. 5 Neben der besagten Diskriminierung durch Nicht-Einstellung und drohenden Jobverlust sind Trans*Menschen, die einen Job haben und behalten können in Deutschland stark von Diskriminie3
Selbstständige Trans*Menschen erfahren laut der LSVD Studie generell aufgrund ihrer Trans*Identität im Vergleich zu Angestellten weniger Diskriminierung im Arbeitsleben (vgl. Fuchs et al. 2012, 126).
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Die Studie von Fuchs at al. (2012) spricht analog von durchschnittlich 19-26 % der Trans*Studienteilnehmer*innen, die ihren Job wegen ihrer Trans*Identität beziehungsweise aufgrund von Diskriminierungen verlieren (vgl. Fuchs et al. 2012, 126).
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Fremdouting beziehungsweise generell outing bedeutet im Gegensatz zur Selbstpositionierung das von außen durch andere als Trans* markiert werden ohne Zustimmung der Person in dem Moment. Dies erfolgt sehr häufig unter der Annahme, dass wenn eine Trans*Person mehr oder weniger offen ihre Identität in bestimmten Räumen lebt, es okay ist, sie überall als trans* zu markieren. Dieses normalisierte othering ist auch in queeren Kontexten sehr weitverbreitet und wird unzureichend als Übergehen der situativ- und kontextabhängigen Selbstpositionierung reflektiert, auch was Gewaltexponierung anbelangt (vgl. autotrans 2010).
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rungsformen wie Mobbing, Nicht-Beförderung, Ausschluss, Ablehnung, sowie Belästigungen und Schikanen betroffen. Dies gilt insbesondere für die Zeit während der Transition (vgl. CoE 2011; EC 2011, 20; Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012, 124-129; LesMigraS 2012, 34; Plett 2015, 38-53).6 Insbesondere der verwehrte Zugang zu gender-adäquaten Toiletten stellt für viele Trans*Menschen eine grundlegende und gravierende Diskriminierung auch im Arbeitsleben dar (vgl. Plett 2015, 41-43; Spade 2011, 83, 147). Der Prozess, die Erlaubnis zu erhalten, die gewünschte Toilette oder eine genderneutrale Toilette benutzen zu können, ist für viele mit einem kräftezehrenden Kampf gegen Kolleg*innen und die Personalleitung verbunden (vgl. Fuchs et al. 2012, 115). Aufgrund der normalisierten zweigeschlechtlichen Trennung öffentlicher und semiöffentlicher Toiletten sind Trans*Menschen in Toiletten und Waschräumen generell Diskriminierungen und Gewalt ausgesetzt (vgl. Gately 2010, 105). Darüber hinaus sind Trans*Frauen/Weiblichkeiten in besonderem Maße von Diskriminierungen, sowie sexualisierter Belästigung und Gewalt im Arbeitsleben betroffen. Dies aufgrund der Verbindung und sich wechselseitigen Verstärkung von zweigeschlechtlichen und sexistischen Diskriminierungen (vgl. Fuchs et al. 2012, 128; Plett 2015, 41-43). Diskriminierungen und Ausschlüsse im Kontext von Arbeitslosigkeit Die cis-zweigeschlechtlichen Arbeitsmarktnormen resultieren zu einer erhöhten Betroffenheit von Trans*Menschen für Arbeitslosigkeit und Armut. Arbeitslose Trans*Menschen mit Anspruch auf staatliche Sicherung des Lebensunterhalts sind von normativen zweigeschlechtlichen Diskriminierungen, Sanktionierungen und Disziplinierungen durch die Bundesagentur für Arbeit, sowie insbesondere durch das angegliederte Jobcenter besonders stark betroffen (vgl. Allex 2012, 64-78; Demiel 2012a, 26). In Deutschland werden arbeitslose Menschen mit deutscher Staatsbürger*innenschaft durch Arbeitslosengeld I und II (letzteres auch Hartz IV genannt) sozialstaatlich existenz-abgesichert. Rechtliche Einschränkungen dieser Absicherung bestehen für Migrant*innen und Geflüchtete. Für die Sicherung des Lebensunterhalts von arbeitslosen Trans*Menschen erklärte sich die deutsche Bundesagentur für Arbeit bis 2005, so Demiel (2012) und Allex (2012), in den meisten Fällen nicht zuständig und leitete diese direkt zum Medizinischen Dienst der Bundesagentur für Arbeit weiter. Dort wurden sie zwangsweise psychiatrisch 6
Für den europäischen Kontext kommt die FRA-Studie 2013 zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der befragten Trans*Menschen mindestens ein Mal pro Jahr am Arbeitsplatz aufgrund ihrer Geschlechtsidentität eine Diskriminierung erfahren (vgl. FRAU 2013; 2014).
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begutachtet, um ihre Arbeitsfähigkeit zu testen (vgl. Allex 2012, 53-78; Demiel 2012a, 25-26). In der psychiatrischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Bundesagentur wurden (Trans*)Menschen, die Cis-Zweigeschlechternormen nicht (eindeutig) entsprechen, oft als nicht arbeitsfähig klassifiziert und in Zwangsmaßnahmen gedrängt, sowie an die Sozialhilfe weitergeleitet (vgl. Allex 2012, 64-65; Demiel 2012a, 25-26). Diese Psychopathologisierung basiert maßgeblich auf den ICD-10 Diagnosen zu ‚Geschlechtsidentitätsstörungen‘. Psychiatrische Zwangsbegutachtungen durch den Medizinischen Dienst der Bundesagentur für Arbeit beziehungsweise die Jobcenter werden seit 2011 wieder verstärkt angewandt, um Leistungsanspruch, Leistungskürzung beziehungsweise -verwehrung staatlicher Arbeitslosen- und Sozialhilfe für (langzeit-)arbeitslose Menschen zu rationalisieren. Hierbei wird die psychische und physische Fitness und Belastbarkeit der als ‚unkooperativ‘ und ‚nichtkonform‘ deklarierten arbeitslosen Menschen für den neoliberalen und konkurrenzorientierten Arbeitsmarkt evaluiert. Von diesen psychiatrischen Zwangsbegutachtungen für Leistungsgewährung oder -verwehrung sind auch Menschen betroffen, deren selbstbestimmte Geschlechtsidentität als ‚nicht regelkonform‘ gilt (vgl. Allex 2012, 63-78; Demiel 2012a, 15-28). Wenn arbeitslose (Trans*)Menschen als nicht ausreichend kooperativ, regelkonform, motiviert und produktiv klassifiziert werden, können sie je nach Sachbearbeiter*in der Bundesagentur für Arbeit durch Zwangsmaßnahmen diszipliniert und sanktioniert werden. Dies betrifft die Abdrängung in unterbezahlte, sogenannte 1,50-Euro-Jobs oder Leistungskürzungen, die bis zum kompletten Leistungsentzug gehen können (vgl. Allex 2012, 63-78; Demiel 2012a, 15-28). Als Verbindung von psychiatrischer und ökonomischer Zwangsgewalt (in Form des Leistungsentzugs) wird dabei Geschlechtsidentität indirekt sanktioniert. Es kann festgehalten werden, dass Trans*Menschen EU-weit (aufgrund der cis-zweigeschlechtlichen Normierung des Arbeitsmarkts) von Arbeitslosigkeit, Armut, sozialer Marginalisierung und von Diskriminierungen betroffen sind. Die verstärkte Arbeitsmarktdiskriminierung von Trans*Menschen und die damit einhergehende Betroffenheit von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit, Armut und Prekarität beginnt bereits mit der ciszweigeschlechtlichen Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen im deutschen Schul- und Ausbildungssystem. Diskriminierungen und Ausschlüsse im Bereich Bildung Trans*Kinder und Jugendliche sind in Deutschland und europaweit im ciszweigeschlechtlich normierten Schulsystem stark von Diskriminierungen, Mobbing, körperlicher und verbaler Gewalt durch Mitschüler*inner, Lehrer*innen und Schulleitungen betroffen (vgl. FRA 2010/2011; Hammarberg 2012; Klocke 2012;
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Krell/Oldemeier/Müller 2015; Laumann 2017; Nordt/Kugler 2012, 2015; Plett 2015; Sauer/Meyer 2016; Whittle 2009). Ihr gewünschter Name, das von ihnen präferierte Pronomen, sowie ihre selbstbestimmte Geschlechtsidentität werden in der Regel weder von Lehrkräften noch von der Schulleitung und damit auch nicht von Mitschüler*innen anerkannt, sondern oft systematisch missachtet. Sie können oft weder die gewünschten Toiletten oder Umkleidekabinen noch den ciszweigeschlechtlich-getrennten Sportunterricht nutzen und erhalten generell kaum oder sehr wenig Unterstützung (vgl. Laumann 2017, 13-14; Sauer/Meyer 2016, 36). Vielmehr werden sie sehr oft für ihre geschlechtliche Nicht-Konformität von Lehrer*innen direkt oder indirekt bestraft und durch Mitschüler*innen isoliert und/oder gemobbt. Dies führt unter anderem zu einer sehr hohen Quote an Schulabbrüchen unter Trans*Jugendlichen (vgl. Klocke 2012; Kugler/Nordt 2010). Da das Schul- und Ausbildungswesen europaweit cis-zweigeschlechtlich normiert ist, wird jungen Trans*Menschen der gleichberechtigte Zugang zu guter Bildung und Ausbildung, akademischer Qualifikation und damit verbesserten Arbeitsmarktchancen normativ verwehrt (vgl. FRA 2010/2011, 13; Hammarberg 2012, 1; Plett 2015, 40; Whittle 2009). Darüber hinaus spielen intersektionale klassistische, rassistische und ableistische Zugangshürden im Bildungs- und Ausbildungswesen in Deutschland eine große Rolle, wie unter anderem die Pisa-Studien belegen (vgl. OECD 2015, 5). (Trans*) Kindern und Jugendlichen mit sogenanntem Migrationshintergrund (häufig Schwarze Menschen, Menschen of Color und Post-Migrant*innen, deren Familien teilweise vor Generationen nach Deutschland migriert sind), sowie jenen aus Arbeiter*innenfamilien und jenen mit Behinderungen wird der gleichberechtigte Zugang zu guter Qualifikation und damit zu verbesserten Arbeitsmarktchancen normativ und intersektional verwehrt (vgl. OECD 2015). Im Kontext des kontinuierlichen Ausschweigens von intersektional verstärkten Diskriminierungen kommt der LesMigraS-Studie von 2012 eine große Bedeutung zu, da sie erstmals Mehrfachdiskriminierungen gegen Trans*Menschen of Color im deutschen Antidiskriminierungskontext in einer Studie erfasst (auch im Hinblick auf das mehrfache Verwehren von Zugehörigkeit und Selbstbestimmung) (vgl. LesMigraS 2012, 23, 36, 72-132).7 Wie sich normative und intersektionale Arbeitsmarktdiskriminierun7
Die Verbindung aus institutionalisiertem Rassismus und cis-zweigeschlechtlichen Diskriminierungen wird im deutschen Forschungskontext zu Arbeitsmarkt- und Bildungsdiskriminierungen von Trans*Menschen bis dato meist nicht berücksichtigt und teils auch als nicht forschungsrelevant abgetan (siehe z.B. Fuchs et al. 2012, 55). Trans* Menschen of Color wird in Deutschland oft normativ, unter anderem auf dem Arbeitsmarkt, im Rechtssystem und im Gesundheitswesen nicht nur ihre selbstbestimmte Geschlechtsidentität abgesprochen. Oft wird zudem auch ihre Zugehörigkeit zu Deutsch-
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gen gegenseitig verschärfen wird im Kontext von Migration und Flucht besonders deutlich. Die Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs im Kontext von Migrant und Flucht Bei Trans*Migrant*innen und Geflüchteten basieren Arbeitsmarktdiskriminierungen grundlegend auf der Verweigerung einer dauerhaften Aufenthaltserlaubnis durch restrikte Migrations- und Asylgesetzgebung. Durch die teilweise über Jahrzehnte nur temporär ausgesprochenen Aufenthaltserlaubnisse (in Form von sogenannten mehrmonatigen [Ketten-]Duldungen) wird normativ-rechtlich die Aufnahme einer legalen Arbeit verwehrt, da diese in Deutschland generell an eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis gekoppelt ist.8 Zudem wird eine sogenannte Vorrangprüfung durchgeführt, die (Trans*)Migrant*innen mit temporärer Aufenthaltserlaubnis gegenüber deutschen Staatsbürger*innen und Migrant*innen mit dauerhafter Aufenthaltserlaubnis bei gleicher oder ähnlicher Qualifikation in Bewerbungsverfahren benachteiligt (§ 39 Aufenthaltsgesetz). 9 Finanzielle Unabhängigkeit wird damit vielen (Trans*)Migrant*innen folglich normativ auf mehrfache Weise erschwert beziehungsweise verweigert. Gleichzeitig stellt diese maßgeblich durch Arbeit eine zentrale Voraussetzung für die Weiterbewilligung der Aufenthaltsberechtigung dar.10 Auch an dieser Stelle wird ein Gewaltkreislauf land beziehungsweise ihre deutsche Identität in Frage gestellt, da ‚Deutschsein‘ – auch nach Jahrhunderten der Migration und Generationen von Post-Migrant*innen – weiterhin hegemonial als weiß imaginiert beziehungsweise normiert ist (vgl. LesMigraS 2012, 20-25, 32-36, 72-133). 8
Für eine Arbeitserlaubnis müssen (Trans*)Migrant*innen, die nur eine temporäre Aufenthaltserlaubnis haben, eine einjährige Wartefrist einlegen und eine offizielle Zustimmung der Ausländerbehörde und der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Dabei wird geprüft, ob Arbeitsverbote vorliegen. Dies ist maßgeblich der Fall bei temporär geduldeten Geflüchteten in Asylverfahren, denn diesen wird während des Asylverfahrens durch das Asylbewerberleistungsgesetz generell ein Arbeitsverbot erteilt. Siehe § 10 und § 11 der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschverfV 2004; BeschV 2014).
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Damit ist der deutsche Arbeitsmarkt nicht nur cis-zweigeschlechtlich normiert, sondern auch direkt an deutsche Staatsbürger*innenschaft gekoppelt, dadurch nationalisiert und indirekt rassifiziert.
10 In diesem Kontext ist auch zu berücksichtigen, dass der Bezug von Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe bei (Trans*)Migrant*innen aus Nicht-EU-Ländern beziehungsweise neuen EU-Ländern zu einer Nicht-Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung führen kann. Aus diesem Grund wird die de jure formell gegebene Möglichkeit einer staatlichen Sicherung des Lebensunterhalts von temporär geduldeten (Trans*)Migrant*innen teil-
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deutlich: Die sich wechselseitig bedingenden Ausschlüsse hinsichtlich Arbeitsmarkt und Aufenthaltsgenehmigung resultieren für Trans*Migrant*innen oft dazu, dass ihnen die Vornamens- und Personenstandsänderung verwehrt wird, denn das deutsche Transsexuellengesetz fordert als Zugangsbedingung einen dauerhaften Aufenthaltsstatus (und, dass im Herkunftsland keine ähnlichen Regelungen bestehen) (Kapitel 4.2, 7.2). Auch der Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung wird Trans*Migrant*innen mit nur temporärer Aufenthaltsgenehmigung in der Regel verweigert. Selbst jene mit dauerhaft legalem Aufenthaltsstatus haben zumeist nur dann Chancen auf Kostenerstattung für gewünschte trans*spezifische Operationen, wenn sie über ein festes Einkommen durch vertraglich abgesicherte Arbeit verfügen. Der Gewaltkreislauf aus normativen, sowie sich intersektional verstärkenden Ausschlüssen auf dem Arbeitsmarkt gilt in verschärfter Form für Trans*Geflüchtete in deutschen Asylverfahren. Diesen wird nach der faktischen Aufhebung des Asylrechts 1993 die Arbeitsaufnahme aufgrund temporärer, teils jahrelanger (Ketten-)Duldungen gesetzlich nicht nur erschwert, sondern durch das Asylbewerberleistungsgesetz komplett verweigert, solange sie keine staatlich anerkannten Geflüchteten sind. Das Arbeitsverbot zwingt (Trans*)Geflüchtete in Deutschland, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus sind Trans*Geflüchtete in Deutschland von verstärkter Psychopathologisierung durch deutsche Ausländerbehörden betroffen. Wie in Kapitel 7.2 erörtert wird, entscheiden die Gutachter*innen der Ausländerbehörde über die Authentizität von Trans*Geflüchteten und damit ihre Asylberechtigung oder -verweigerung auf der Grundlage von eurozentristischen, pathologisierenden Vorstellungen von ‚Transsexualismus‘ als einem dichotomen Geschlechterwechsel (vgl. Jansen/ Spijkerboer 2011, 61-62). Für ‚gegengeschlechtliches‘ passing nach eurozentristischen Normen ist wiederum in der Regel der Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung und staatlicher Anerkennung notwendig, welche jedoch beide aufgrund der fehlenden dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung während des Asylverfahrens verweigert werden. Auch hier wird anhand der Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs deutlich, dass die normativen Voraussetzungen gegenseitig reproduzieren und damit kaum erfüllbar sind. Dies gilt hinsichtlich der mehrfachen Nicht-Anerkennung und der Verweigerung von Schutz und Leistungen, zum Beispiel von Asyl, dauerhafter Aufenthaltserlaubnis, Vornamens- und Personenstandsänderung oder Trans*Gesundheitsversorgung. Dadurch werden Trans*Geflüchtete und teilweise auch nichteuropäische Migrant*innen im gegenwärtigen deutschen Migrations- und Asylsystem normativ und intersektional verstärkt Gewalt ausgesetzt, zum Beispiel für weise nicht in Anspruch genommen, da die etwaigen Folgen – Ausweisung und Deportation – zu schwerwiegend sein könnten.
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Armut, gesellschaftliche Isolation, Abdrängung in prekäre und teils kriminalisierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse, sowie Gesundheitsprobleme und Polizeigewalt (auch durch die Abschiebedrohung). Die Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs im Kontext von Behinderungen Auch die Auswirkungen normativer und intersektionaler Ausschlüsse von Trans*Menschen mit Behinderungen sind kaum erforscht. Sie werden in der Studie von Fuchs at al. (2012) benannt, sonst jedoch in der bestehenden deutschsprachigen Literatur so gut wie gar nicht adressiert. Diskriminierungen von Trans* Menschen mit Behinderungen sind in Deutschland und in der EU sowohl von ciszweigeschlechtlicher, als auch von ableistischer/behindernder Gewalt und Ausschlüssen betroffen. Dies gilt im Hinblick auf intersektionale Zugangshürden zu physischen Räumen, sowie zu gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe an Bildung und Ausbildung, Arbeitsmarkt, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, sowie zu Selbstbestimmung und politischer-kultureller Teilhabe. Beim Ausschluss von gleichberechtigter Teilhabe an guter Bildung und Zugang zum Arbeitsmarkt spielen bei (Trans*)Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen insbesondere die bestehende Schulsegregation und die Nicht-Inklusion eine zentrale Rolle. Darüber hinaus bestehen für sie erhöhte Zugangshürden zu partieller staatlicher Anerkennung durch das deutsche Transsexuellengesetz, sowie zu Trans*Gesundheitsversorgung, da beide sowohl zweigeschlechtlich psychopathologisierende als auch ableistische Zugangsbegrenzungen enthalten. Insbesondere die Verstärkung von intersektionalen Pathologisierungen, sowie deren abjektivierende Effekte erschweren beziehungsweise verunmöglichen vielen Trans*Menschen mit Behinderungen oft eine selbstbestimmte Geschlechtsidentität zu leben, wie auch Selbstbestimmung hinsichtlich ihrer Lebens-, Wohn- und Arbeitsverhältnisse und ihrer medizinischen Versorgung (vgl. Fuchs et al. 2012). Dabei sind jene, die auf medizinische Strukturen angewiesen sind, besonders stark von psychiatrisch-medizinischer Gewalt, Mehrfachpathologisierung, NichtAnerkennung ihrer Geschlechtsidentität, gesamtgesellschaftlichem Ausschluss, Isolation und teilweise auch von Zwangspsychiatrisierung betroffen. Deutlich wird, dass mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen durch intersektionale Bildungs- und Arbeitsmarktdiskriminierungen oft in (Langzeit-)Arbeitslosigkeit, Armut, soziale Isolation und teilweise in prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse abgedrängt werden. Ihnen werden auch häufig Vornamens- und Personenstandsänderung und ein Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung verwehrt. Die wechselseitige Verstärkung von cis-zweigeschlechtlichen und intersektionalen Ausschlüs-
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sen zeigt sich auch besonders deutlich anhand der Situation von Trans*Menschen in Notsituationen.
6.2 DISKRIMINIERUNGEN UND AUSSCHLÜSSE VON TRANS*MENSCHEN IM SOZIALWESEN Da Notunterkünfte wie sehr viele soziale Einrichtungen und staatliche Institutionen cis-zweigeschlechtlich separiert sind, schließen sie Trans*Menschen häufig normativ aus. Trans*Menschen werden entweder auf der Grundlage des Geschlechtseintrags in offiziellen Ausweisdokumenten und ‚Aussehen‘ in die Frauen- oder Männereinrichtung inadäquat eingewiesen oder sie werden komplett ausgeschlossen. Dies gilt für Obdachlosenunterkünfte, Asylunterkünfte, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Einrichtungen für betreutes Wohnen und gegebenenfalls Frauenhäuser. In Deutschland gibt es keine speziellen Notunterkünfte, in denen Trans*Menschen Schutz vor Gewalt finden. Konkret kann das beispielsweise bedeuten, dass Trans*Kinder und Jugendliche, die von der Familie verstoßen werden oder dort Gewalt erfahren oder Erwachsene, die aus Gewaltsituationen fliehen, in Notunterkünften erneut ausgeschlossen werden oder dort von Diskriminierungen und Gewalt betroffen sind. Für Trans*Jugendliche und Kinder, die von (häuslicher) Gewalt und/oder Obdachlosigkeit betroffen sind, gibt es bis heute kaum adäquate Regelungen und Einrichtungen für eine temporäre und dauerhafte Unterbringung beziehungsweise betreutes Wohnen entsprechend ihrer Selbstidentifikation, denn Jugendeinrichtungen sind oft cis-zweigeschlechtlich separiert. Die Ausnahme sind Träger, die Trans*Jugendliche auf der Grundlage ihrer selbstbestimmten Geschlechtsidentität aufnehmen, wie dies einzelne schwul-lesbische/queere Träger für betreutes Wohnen und Jugendhilfe tun, zum Beispiel in Berlin QueerLeben/trialog11 e.V. und gleich&gleich e.V.12 Jedoch gibt es in Deutschland weder für Trans*Kinder und Jugendliche noch für ihre Eltern oder Bezugspersonen ausreichend staatlich geförderte Unterstützungsangebote (vgl. Nieder/Möller/Richter-Appelt 2013). Der selbstorganisierte Verein Trakine Trans*Kinder-Netz e.V. bildet eine der wenigen Ausnahmen davon.13 Wie US-amerikanische Studien und Anti-Gewalt-Literatur betonen, sind insbesondere Trans*Jugendliche, die bereits von Armut und/oder Rassismus betroffen sind, aufgrund des cis-zweigeschlechtlichen Ausschlusses aus Notunterkünften von weiterer Gewalt betroffen, etwa durch Obdachlosigkeit, Verarmung, körperliche 11 https://www.schwulenberatungberlin.de/projekte/queer-leben/ (Zugriff 22.07.2018). 12 http://www.gleich-und-gleich.de/ (Zugriff 22.07.2018). 13 http://www.Trans*kinder-netz.de/wer-sind-wir.html (Zugriff 22.07.2018).
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Gewalt, Polizeigewalt, Kriminalisierung oder Gesundheitsprobleme: „Many trans youth become street homeless when they run away from group homes that place them according to their birth-assigned gender, exposing them to violence from residents and staff alike“ (Spade 2011, 147, 82-83; vgl. 2006, 218-222 f.; 2007, 237-253; 2008, 36-38; Lee 2003; NCAVP 2010/2011).14 Die Situation und Gewaltexponierung von mehrfachdiskriminierten Trans* Kindern und Jugendlichen, sowie von Erwachsenen, insbesondere im Hinblick auf Rassismus, Armut und Behinderung ist bis dato in Deutschland und im europäischen Kontext kaum untersucht und wird auch auf institutioneller Antidiskriminierungsebene unzureichend thematisiert. Jedoch sind gerade sie von lebensbedrohlicher Gewalt betroffen, was einen Gewaltkreislauf hervorbringt.15 Im Zusammenhang mit intersektionalen Ausschlüssen kritisiert Spade auch spezifisch den Umgang mit Trans*Frauen/Weiblichkeiten in Notunterkünften im US-amerikanischen Kontext: „Trans women in need of shelter […] often remain on the streets because they are unfairly rejected from women-only domestic violence programs and they know the homeless system will place them in men’s facilities, guaranteeing sexual harassment and possibly assault“ (Spade 2011, 147). Auch in Deutschland wird Trans*Frauen/Weiblichkeiten (of Color) in Gewalt- und Notsituationen der Zugang zu Frauenhäusern oft normativ verweigert, wie aus einer Broschüre von GLADT hervorgeht (vgl. GLADT 2011). Darüber hinaus stellt die cis-zweigeschlechtliche Zwangsunterbringung von Trans*Menschen in Disziplinareinrichtungen wie Psychiatrien, (Jugend-)Strafanstalten (vgl. Kiralina 2018 1-90; Lee 2003; Stanley, Eric A./Spade, Dean/ Queer(In)Justice 2010; Plett 2015, 52-53; Stanley/Smith 2011) oder Abschiebehaftanstalten einen besonders gewaltvollen Aspekt des intersektionalen Gewaltkreislaufs dar, der in Deutschland kaum erforscht ist. In Disziplinareinrichtungen wird das Recht auf eine selbstbestimmte Geschlechtsidentität oft grundlegend verwehrt. Unter dem Vorwand der ‚Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung‘ wird zum Beispiel die Ansprache mit dem gewünschten Namen und Pronomen, oder das Benutzen von als ‚gegengeschlechtlich‘ deklarierter Kleidung 14 „Homelessness among youth also contributes to their involvement in criminal activities to survive, such as sex work, drug sales, theft, and other crimes of poverty, such as tresspassing, loitering, and sleeping outside. [...] Like foster care systems, juvenile justice systems regularly place youth based on birth-assigned gender, which makes transgender youth highly vulnerable to harassment and assault and concomitant mental and physical health problems“ (Spade 2008, 36). 15 Dies gilt etwa für Trans*Kinder und Jugendliche in Gewaltsituationen, für erwachsene Trans*Menschen, die von häuslicher und/oder sexualisierter Gewalt oder Obdachlosigkeit betroffen sind, für Trans*Geflüchtete oder Trans*Menschen, die chronischn Erkrankungen oder Behinderungen haben.
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und Kosmetika sowie der Anspruch auf Trans*Gesundheitsversorgung oder eine gewünschte Verlegung in Deutschland verweigert (vgl. Kiralina 2018; Plett 2015, 52-53; Schrammler 2008, 135-146, 181). Auch die unfreiwillige Isolationshaft/Einzelhaft von Trans*Menschen wird dabei mit der Rhetorik der ‚Selbst- oder Fremdgefährung‘ gerechtfertigt. Besonders, wenn Trans*Frauen/Weiblichkeiten in Männergefängnisse platziert werden, sind sie verstärkt von zusätzlicher, körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffen (vgl. Lee 2003; Standley/Smith 2011). Zwischenfazit Es kann festgehalten werden, dass Diskriminierungen und Ausschlüsse von Trans* Menschen normativ in cis-zweigeschlechtlichen Gesellschaften verankert sind und sich innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse verstärken. Sie betreffen alle öffentlichen Bereiche, staatlichen Institutionen, zum Beispiel das Ausbildungswesen, den Arbeitsmarkt oder das Gesundheits- und Sozialsystem. Trans*Menschen der Zugang zu sozialstaatlich abgesicherter und legaler Arbeit und wird oft bereits ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung und Ausbildung normativ erschwert oder verwehrt (vgl. EC 2011; FRA 2010/2011; Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012; LesMigraS 2012; Whittle/Turner/Al-Alami 2007; Whittle et al. 2008). Normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen materialisiert sich auch in ökonomischer Gewalt und Armut und damit verbunden mit gesellschaftlicher Isolation und Prekarisierung. Die mangelnde Anerkennung der selbstbestimmten Geschlechtsidentität und der Schutz von Trans*Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, führt in Verbindung mit institutionalisierten, intersektionalen Ausschlüssen vom (Aus-)Bildungs-, Arbeits- und Sozialwesen zu einem Gewaltkreislauf. Darin werden insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans*Personen normativ für Armut, Obdachlosigkeit, Gesundheitsproblemen exponiert sowie in prekäre und teilweise kriminalisierte Lebens- und Arbeitsbedingungen abgedrängt (vgl. Balzer/Hutta 2012, 74; Whittle et al. 2008, 24). Aus diesem Gewaltkreislauf herauszukommen ist äußerst schwer bis unmöglich. Auch wird mehrfachdiskriminierten Trans*Menschen in Deutschland besonders häufig der Zugang zu sozialstaatlich abgesicherter Trans*Gesundheitsversorgung (als Krankenkassenleistung) verweigert, wie nun erörtert wird.
6.3 DISKRIMINIERUNGEN UND AUSSCHLÜSSE VON TRANS*MENSCHEN IM GESUNDHEITSWESEN Viele Trans*Menschen haben weder Zugang zu qualitativer medizinischer Regelversorgung noch zu spezifischen Maßnahmen der Trans*Gesundheitsversorgung.
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Der Zugang zu Krankenkassenleistungen der Trans*Gesundheitsversorgung, v.a. Hormonbehandlung, endokrinologischen Blutkontrollen, Epilation, Logopädie oder zu gewünschten Operationen, ist in Deutschland sehr restriktiv geregelt. Trans*Menschen, die eine erfolgreiche Vornamens- und Personenstandsänderung im Rahmen des Transsexuellengesetzes und damit die erforderliche ICD-Diagnose ‚Transsexualismus‘ nachweisen können, haben bessere Chancen auf Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung. Seit 2009 wurden die Regularien für Trans*Gesundheitsversorgung durch die deutschen Krankenkassen homogenisiert und stark restriktive Zugangsvoraussetzungen eingeführt, insbesondere für die Kostenübernahme bei gewünschten, trans*relevanten Operationen (gender reassignment surgeries) (zum Beispiel Mastektomie, Brustvergrößerung, Hysterektomie, Vaginoplastie, Phalloplastie) (vgl. Fuchs et al. 2012, 86-88). Hierfür müssen Trans* Menschen einem weiteren Begutachtungsprozess beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (kurz: MDK) durchlaufen. Dieser Begutachtungsprozess beruht auf einem bürokratischen Antragsverfahren und weiteren körperlichen und psychiatrischen Untersuchungen bei vier bis sieben von der Krankenkasse autorisierten ‚Trans*Expert*innen‘ (vgl. DGTI 2018). Bei dem Begutachtungsverfahren orientiert sich der MDK normativ an der ICD-10 Diagnose ‚Transsexualismus‘, sowie den internationalen Standards of Care (vgl. Nieder/Briken/Richter-Appelt 2014, 230-245; Güldenring 2015, 31-40; Pichlo 2010, 21-28). Um normativ Zugang zu trans*spezifischen Operationen zu erhalten, müssen erwachsene Trans*Menschen in Deutschland folgende fünf Voraussetzungen nachweisen: (A) Eine ‚gegengeschlechtliche Identifikation‘; (B) mindestens eineinhalb Jahre Psychotherapie, in denen die Diagnose ‚Transsexualismus‘ psychologisch bestätigt wurde; (C) zwei weitere, unabhängige, von der Krankenkasse akzeptierte psychologische Diagnosen von ‚Transsexualismus‘ gemäß ICD-10 (D); den Nachweis eines mindestens einjährigen erfolgreichen Alltagstests, (E) mindestens sechs Monate Hormontherapie, die durch Blutwerte nachgewiesen werden muss, (F) den Nachweis eines starken Leidensdrucks aufgrund der Nicht-Anerkennung der eigenen Geschlechtsidentität, sowie eventuell weitere körperliche und psychiatrische Untersuchungen durch Mitarbeiter*innen des MDK (vgl. DGTI 2018; Fuchs et al. 2012, 74, 84-85; Güldenring 2015, 31-40; LesMigraS 2012, 32-33; Nieder/Briken/Richter-Appelt 2014, 230-245). Die Psychopathologisierung von Trans*Menschen wird durch die von der Krankenkasse geforderte Mindestdauer von anderthalb Jahren Psychotherapie verstärkt. An dieser Stelle ist es notwendig, die Schlussfolgerungen einiger Studien, die besagen, dass die Depressions- und Selbstmordrate unter Trans*Jugendlichen und Erwachsenen signifikant höher ist als bei der Cis-Bevölkerung (vgl. Whittles 2008) kritisch zu diskutieren. Der oft dekontextualisiert dargestellte Leidensdruck und die hohe Depressions- und Suizidversuchsrate werden genutzt, um den Psychotherapiezwang und die Psychopathologisierung von Trans*Menschen
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zu rechtfertigen. Ich zweifle nicht an der überdurchschnittlich hohen Rate an Suizidversuchen, insbesondere bei Trans*Jugendlichen und jungen Heranwachsenden. Jedoch betrachte ich die daraus abgeleitete Konsequenz einer forcierten Psychotherapie kritisch, da diese die psychiatrische Gewalt der Nicht-Anerkennung und Pathologisierung von selbstbestimmter Geschlechtsidentität oftmals verstärkt. Dies geschieht aufgrund der Tatsache, dass die wenigsten Psycholog*innen und Psychiater*innen besonders in ländlichen Regionen fundiertes Fachwissen zu geschlechtlicher Diversität und Trans* haben und die Geschlechtsidentität von Patient*innen oft massiv psychopathologisieren und verwerfen. Auch wird damit die die Regulierung von Gender-Diversität ermöglicht, sowie die Zweigeschlechternorm und medizinisch-psychiatrische Deutungshoheit aufrechterhalten. Dabei wird die Gewalt der cis-zweigeschlechtlichen Nicht-Anerkennung und Psychopathologisierung selbstbestimmter Geschlechtsidentität, sowie die normativ institutionalisierten und gesamtgesellschaftlichen Ausschlüsse beziehungsweise Diskriminierungen auch hinsichtlich Bildung, Arbeit, Wohnung und Gesundheit neoliberal umgedeutet und als psychisches Leiden an einer ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘individualisiert. Die Frage, ob forcierte Psychotherapie Suizide von Trans*Menschen verhindern kann, wenn gleichzeitig die normative und medizinisch-juristische durchgesetzte Psychopathologisierung und Verwerfung bestehen bleiben, wird in Berichten und Studien nicht erörtert. Dies systematisch zu untersuchen ist jedoch dringend erforderlich. In diesem Zusammenhang sei auch das Ergebnis mehrerer Studien erwähnt, dass die meisten Trans*Menschen kassenrechtlich gewährleisteten Zugang zu Hormonbehandlung, Epilation oder Operationstechnologien für wichtiger erachten als bezahlte Psychotherapie, auch aufgrund der weit verbreiteten, intersektionalen Diskriminierungen und Psychopathologisierungen durch Psychotherapeut*innen (vgl. LesMigraS 2012, 35, 92-98). Internationale Forschung betont, dass Trans*Menschen nicht zur Psychotherapie gezwungen werden sollten (zum Beispiel, um Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung zu erhalten) (vgl. Franzen/Sauer 2010; Güldenring 2015, 31-40; LesMigraS 2012, 30-41, 92-98; Mizock/Lewis 2008; Stryker in Balzer/Hutta 2012, 14; Whittle 2008). Hingegen sollten jene, die psychotherapeutische Begleitung vor, während oder nach ihren rechtlich-körperlichen Transitionsprozessen wünschen, diese als Kassenleistung bekommen. Trans*Gesundheitsversorgung beinhaltet darüber hinaus eine klassistisch-kapitalistische Dimension.
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Gewaltkreislauf: Verwehrte Trans*Gesundheitsversorgung in Deutschland Verglichen mit arbeitenden Trans*Menschen wird jenen, die arbeitslos sind in Deutschland und Europa häufiger die krankenkassenrechtliche Leistung der Trans*Gesundheitsversorgung verweigert, wie mehrere deutsche Publikationen (vgl. Bundesverband Trans* 2017, 18-22; Demiel 2012a, 21; Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012; LesMigraS 2012) und europäische Studien (vgl. Whittle/Turner/Al-Alami 2007; Whittle et al. 2008) feststellen. Laut der Transgender EuroStudy (2008) wurde einer überwiegenden Mehrheit der befragten Trans* Menschen in Europa die Kostenübernahme für Trans*Gesundheitsversorgung verweigert. 79 % der Teilnehmenden wurde bereits die Kostenübernahme für die Hormontherapie verwehrt, weiteren 82 % die Kostenübernahme für trans*relevante Operationen (vgl. Whittle/Turner/Al-Alami 2007, 42-51; Whittle et al. 2008; 9-11, 28-35, 49-68). Auch waren in Deutschland fast die Hälfte der Trans*Studienteilnehmer*innen (44,7 %) der LesMigraS-Studie gleichermaßen von Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt als auch vom Ausschluss von Trans*Gesundheitsversorgung durch die Krankenkassen betroffen; insbesondere was die Kostenübernahme für trans*relevante Operationen anbelangt (LesMigraS 2012, 23, 92-98; vgl. Bundesverband Trans* 2017, 18-22; Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012;). Dies geschieht auf der Grundlage de facto individualisierter Einzelfallentscheidungen insbesondere hinsichtlich der Kostenübernahme bei Operationen, die schwer nachvollziehbar und nicht transparent sowie statistisch nicht öffentlich erfasst werden. Wenn sich die Erfolgschancen, Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung und staatlicher Anerkennung zu erhalten durch eine Anstellung erhöhen, müssen Trans*Menschen dafür in der Regel zweigeschlechtlich passen beziehungsweise können am Arbeitsplatz nicht ‚out‘ sein. Gleichzeitig fordert das Kriterium des ‚erfolgreichen Alltagstests‘ des deutschen Transsexuellengesetzes, dass Trans* Menschen in wichtigen öffentlichen und privaten Bereichen ‚out‘ sein müssen. Auf ein öffentliches Coming-out folgt jedoch oft der Arbeitsplatzverlust und (Langzeit-) Arbeitslosigkeit (vgl. Franzen/Sauer 2010; Fuchs et al. 2012; Plett 2015, 44-45). Dies wiederrum beeinflusst die Entscheidung über Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung insbesondere die Kostenübernahme für Operationen negativ und resultiert in einen Gewaltkreislauf. Einerseits verlangen der deutsche Arbeitsmarkt, als auch das deutsche Transsexuellengesetz die Anpassung von Trans*Menschen an zweigeschlechtliche Normen. Andererseits wird selbst jenen, die sich zweigeschlechtlich identifizieren oder ihrer selbstdefinierten Geschlechtsidentität durch Hormonbehandlung und/oder Operationen mehr entsprechen wollen, meistens die
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krankenkassenrechtliche Kostenübernahme verweigert und damit auch, verbesserte Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Grundsätzlich sei darauf verwiesen, dass die Thematik der Trans*Gesundheitsversorgung in Deutschland bis dato weder ausreichend erforscht ist noch hinreichende Infomaterialen und Fortbildungen für Ärzt*innen zur qualitativen medizinischen (Regel-)Versorgung von Trans*Menschen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Bundesverband Trans* 2017, 1-24). Aufgrund massiver cis-zweigeschlechtlicher Pathologisierungen und Diskriminierungen und des nicht existierenden Fachwissen können Trans*Menschen nicht gleichberechtigt an der medizinischen Regelversorgung teilhaben. Ein besonderer Handlungsbedarf besteht bei der Prävention und Behandlung von lebensbedrohlichen Krankheiten in Deutschland, wie zum Beispiel HIV/AIDS oder Krebs (insbesondere bei genderbezogenen Krebstypen wie beispielsweise Brust-, Gebärmutterhals- und Prostatakrebs), von denen auch Trans*Menschen betroffen sein können, egal, ob sie eine Hormonbehandlung und Operationsverfahren in Anspruch nehmen oder nicht. Darüber hinaus mangelt es an spezifischer Forschung, die sich der Verbesserung von Trans*Gesundheitsversorgung widmet, beispielsweise in Form von Langzeitstudien zu Hormonbehandlungen und zur Reduktion von Nebenwirkungen oder in Form von Bemühungen, relevante Operationstechnologie zu verbessern und das Risiko von Komplikationen zu minimieren. Diese Forschung ist äußert wichtig, um die Gesundheit und Lebenschancen von Trans*Menschen zu verbessern.16 Gewaltkreislauf: Verwehrte Trans*Gesundheitsversorgung in Europa Trotz der 2015 vom Europaparlament verabschiedeten Resolution, dass EUMitgliedsstaaten Trans*Gesundheitsversorgung – inklusive Hormontherapie, Operationen und psychologischer Unterstützung – zugänglich machen sollen, lässt der de facto Zugang sehr zu wünschen übrig (vgl. EP 2015). Intersektionale zweigeschlechtliche und ökonomische Ausschlüsse führen dazu, dass eine sozialstaatlich übernommene Trans*Gesundheitsversorgung europaweit sehr vielen Trans* Menschen verwehrt wird (vgl. Whittle/Turner/Al-Alami 2007, 42-51; Whittle et al. 2008, 9-11, 28-35, 49-68). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in einigen südeuropäischen und osteuropäischen Ländern keine staatlich-krankenkassen16 Dies macht ein paradoxes Forschungsdefizit in Deutschland deutlich. Während es For-
schung zu der vermeintlichen Notwendigkeit der psychiatrischen Regulierung von Gender-Diversität gibt und immer wieder neue Diagnosen und Kriterienkataloge erstellt werden, besteht ein eklatantes Forschungsdefizit in der medizinischen Forschung und im Hinblick auf Fortbildungen zur Verbesserung der medizinischen Trans* Gesundheitsversorgung.
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rechtliche Trans*Gesundheitsversorgung existiert. Jedoch betrifft das normative und intersektionale Verwehren von Trans*Gesundheitsversorgung auch EULänder, in denen ein de jure krankenkassenrechtlicher Anspruch besteht (vgl. Whittle et al. 2008, 9-11, 28-35, 49-68; Whittle/Turner/Al-Alami 2007, 42-51). (Gleichzeitig werden in mehreren EU-Mitgliedsstaaten Nachweise von ‚geschlechtsangleichenden Operationen‘, als auch insbesondere von Sterilisierungen, für die rechtlich anerkannte Vornamens- und Personenstandsänderung gefordert.) Wenn Nachfrage besteht, gibt es im Kapitalismus immer Angebote für jene, die es sich leisten können. Dies gilt auch für die Gesundheitsversorgung und medizinische Behandlungen. Wenn legale Angebote ökonomisch unzugänglich sind oder sozialrechtlich verwehrt werden, wird auf illegalisierte Möglichkeiten zurückgegriffen. Der normative und intersektional verstärkte Ausschluss von staatlichkrankenkassenrechtlicher Trans*Gesundheitsversorgung führt dazu, dass viele mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen auch in Europa auf den irregulären Gesundheitsmarkt abgedrängt werden, um Zugang zu Hormonpräparaten und Operationstechnologie zu erhalten (vgl. Balzer/Hutta 2012, 74, 92; Murray 2011; Wallace 2010, 734-741).17 Diese Abdrängung auf den irregulären Markt betrifft vor allem staatlich oder familiär verstoßene, ökonomisch verarmte Trans*Frauen/ Weiblichkeiten of Color, Migrant*innen, Geflüchtete, Sexarbeiter*innen und generell jene, die gleichzeitig von Rassismus, Armut oder Behinderung betroffen sind. Denn sie können sich oft nicht die legale, privatisierte und kapitalisierte (inter-) nationale Trans*Gesundheitsversorgung leisten (vgl. Aizura 2010, 2011; Balzer/Hutta 2012, 74, 92).18 Die Abdrängung auf den irregulären Gesundheitsmarkt für Hormonbehandlungen und operative Körpermodifikationen exponiert Trans*Menschen nicht nur für die strafrechtliche Kriminalisierung, sondern auch für erhöhte Gesundheitsrisiken, die noch weitestgehend unerforscht sind. Jedoch weisen einzelne Studien (vgl. Leis 2011) und Berichte (vgl. Nelson 2012; Murray 2011) auf gravierende Nebenwirkungen und lebensbedrohliche gesundheitliche Folgeerscheinungen und Beeinträchtigungen hin (vgl. Balzer/Hutta 2012, 74, 92; Murray 2011; Wallace 2010, 734-741). Erhöhte Gesundheitsrisiken umfassen vor allem ein gesteigertes HIV17 Die Praxis der Selbstmedikation auf dem irregulären Gesundheitsmarkt wird in den USA auch mit den Begriffen pumping oder pumping parties beschrieben (vgl. Murray 2011). Für den US-amerikanischen Kontext muss berücksichtigt werden, dass bis zur ‚ObamaCare‘ keine generelle, staatliche Krankenversicherung existierte und Millionen von Menschen über keine Krankenversicherung verfügen. Laut Census 2012-2016 sind 11,7 % der US-Gesamtbevölkerung nicht krankenversichert (vgl. Census 2012-2016). 18 Wie Aizura ausführt, profitieren vom Medizinischem Tourismus zum Beispiel nach Thailand vor allem westliche und mittelklasse Trans*Menschen (vgl. Aizura 2010, 2011).
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Infektionsrisiko durch nicht-steril durchgeführte Hormon- oder Silikoninjektionen, Folgeerscheinungen von Selbstmedikation bei unkontrollierter Dosierung von Hormonpräparaten, sowie vor allem bei der Verwendung von medizinisch nicht zugelassenen Hormonersatzpräparaten und Silikonimitationen (zum Beispiel industrielles Silikon oder Flugzeugöl) (vgl. Balzer/Hutta 2012, 74, 92; Murray 2011; Wallace 2010, 734-741). Konkret wurden Blutvergiftungen, chronische Infektionen, Arterienverkalkung, Tumorbildung, Herzinfarkte, Autoimmunreaktionen und Lungenembolien festgestellt, die zum sofortigen oder langsamen Tod von Trans* Menschen führen können: „Immanent death can be caused, most commonly by non-medical silicone injections“ (TransViolenceTracker 2012). Im Kontext der biopolitischen Bevölkerungspolitik durch normativen und intersektionalen Ausschlusses von legaler und sozialstaatlich übernommener Trans*Gesundheitsversorgung sowie hinsichtlich existierender Kriminalisierungspraktiken ist es sehr wichtig, nicht die Praktiken oder Inanspruchnahme des irregulären Marktes zu kriminalisieren oder moralisch zu bewerten. Vielmehr muss aufgrund der alarmierenden Gesundheitsrisiken und der vorzeitigen Tode durch Verwerfung und Psychopathologisierung uneingeschränkter Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung inklusive des Zugangs zu guter Operationstechnologie als Menschenrecht verankert und de facto umgesetzt werden. Das Thema der verwehrten Trans*Gesundheitsversorgung in Verbindung mit den Menschenrechten auf Selbstbestimmung und Gesundheit von Trans*Menschen bedarf der verstärkten Fokussierung in Forschung und Antidiskriminierungspolitik. Auf europäischer Menschenrechtsebene wurde die Notwendigkeit der Verbesserung des Zugangs zu Trans*Gesundheitsversorgung und zur rechtlichen Vornamens- und Personenstandsänderung bereits betont (vgl. Hammarberg 2009; EP 2015). Jedoch wurde diese bis jetzt in den einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten unzureichend umgesetzt, wie mehrere Publikationen hervorheben (vgl. CoE 2011; Fuchs et al. 2012, 90-112; LesMigraS 2012, 32; Whittle u.a. 2008). Die Notwendigkeit besteht folglich darin, weltweit legalen und sozialstaatlich abgesicherten Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung für alle Trans*Menschen als Menschenrecht zu schaffen, um damit gewünschte, trans*spezifische Hormonbehandlungen und Operationen so risikoarm und qualitativ wie möglich zu gestalten. Dafür muss ein de facto Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung für alle Trans*Menschen geschaffen werden, auch jene, die prekarisiert und teilweise kriminalisiert sind. Wie in den nächsten Kapiteln anhand der Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs erörtert wird, verschärft sich der normative Ausschluss von Trans*Menschen (zum Beispiel von Bildung, einem rechtlich abgesichertem Arbeitsplatz, von adäquaten Ausweisdokumenten und einer adäquaten Gesundheitsversorgung) durch intersektionale Zugangshürden. Insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen werden für lebensbedrohliche Gewalt exponiert.
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Gewaltkreislauf: Ungleiche Lebenschancen für mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen
7.1 GEWALTKREISLAUF: NORMATIVE UND INTERSEKTIONALE GEWALT GEGEN TRANS*SEXARBEITER*INNEN (OF COLOR) Die Abdrängung vieler sowohl familiär verstoßener als auch staatlich verworfener (mehrfachdiskriminierter) Trans*Menschen in Armut und in prekäre, teilweise illegalisierte und kriminalisierte Lebens- und Arbeitsverhältnisse, zu denen insbesondere die Sexarbeit zählt, erhöht eklatant das Risiko, von lebensbedrohlicher Gewalt und vorzeitigem Tod betroffen zu sein. Dies wird im Folgenden anhand der Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs erörtert: „[...] a vicious circle of being rejected by their own family, being discriminated against in the job market, and being forced into sex work all of which combine to heighten the experience of Transphobia and discrimination“ (Balzer/Hutta 2012, 41-48, 62-67; vgl. NCAVP 2011, 8, 21-27; Spade 2011). Statistiken zeigen, dass die herausragende Mehrheit der weltweit registrierten Morde an Trans*Menschen an migrantischen Trans*Sexarbeiter*innen of Color begangen werden (laut TvT-Bericht von 2012 sind das 6275 %) (vgl. Balzer/Hutta 2012, 55; Fedorko/Berredo 2017, 6, 18-19). „Societal Transphobia leads to, and manifests in, gender-variant/trans people leaving their families and school and being excluded from the job market, thus rendering sex work one of the few ways, and sometimes the only way, to earn a living. This situation entails manifold risks, including the risk of becoming a victim of murder and transphobic violence“ (Balzer/Hutta 2012, 67). Die Gleichsetzung von Trans*Sexarbeit mit ausschließlich Gewalt und vorzeitigem Tod stellt jedoch eine unzulässige Reduktion dar. Da der Zugang zu rechtlicher Anerkennung, Ausbildung, Arbeit und Trans*Gesundheitsversorgung weltweit überwiegend normativ verwehrt wird, stellt Sexarbeit für viele Trans*Menschen insbesondere jene, die zudem von Armut und Rassismus betroffen sind eine wichtige, ökonomische Überlebensmöglichkeit dar: „Prostitution was an eco-
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nomic necessity because many of them had left home or been kicked out as children, and because of transphobic, homophobic, and racist employment discrimination“ (Gan 2007, 130; vgl. Balzer 2009, 155; Balzer/Hutta 2012, 48, 55; Fedorko/Berredo 2017, 6, 18-19; Lamble 2008; Lee 2003, 9; Mock 2014, 171; NCAVP 2011, 8-27; REDLACTRANS 2012, 19; Spade 2011; TvT 2013, 63-64). Die Viktimisierung1 von Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) und die Gleichsetzung von Sexarbeit mit vorzeitigem Tod ist deshalb unzulässig, da Sexarbeit für viele die einzige ökonomische Überlebensgrundlage darstellt: „Many transgender people turn to informal or illegal economies to get by due to high levels of unemployment, homelessness, and poverty stemming from discrimination and economic marginalization“ (Spade 2008, 38; vgl. Balzer 2009, 157; Balzer/Hutta 2012, 48, 62-64; Demiel 2012a, 15-28; Fedorko/Berredo 2017, 6, 18-19; LesMigraS 2012, 24; Mock 2014, 171). Die Komplexität des Themas Trans*Sexarbeit im Hinblick auf partielle Selbstbestimmung im Kontext des normativen und intersektionalen Ausschlusses von mehrfachdiskriminierten Trans*Menschen wird auch im folgenden Zitat von Janet Mock deutlich: „They came to Merchant Street and took control of their bodies bodies that were radical in their mere existence in this misogynistic, transphobic, elitist world because their bodies, their wits, their collective legacy of survival, were told to care for themselves when their families, our government, and our medical establishment turned their backs“ (Mock 2014, 171). Es ist notwendig, Sexarbeit als wichtige Dimension des Überlebens und der Selbstbestimmung zu kontextualisieren und zugleich als als Kontext, der mit dem Risiko eines vorzeitigen Todes verbunden sein kann, insbesondere in Ländern in denen Sexarbeit verboten ist: „While becoming a sex worker is a way out of extreme poverty and enables a female gender expression, it increases the risk of becoming a victim of transphobic violence“ (Balzer/Hutta 2012, 64-74; 92; vgl. Demiel 2012a, 15-28; Fedorko/Berredo 2017, 6, 18-19). Zudem ist eine Differen1
Feministische Ansätze thematisieren Sexarbeit zumeist lediglich als eine der gravierendsten Formen von (hetero-)sexistischer Gewalt und stilisieren und entmündigen Sexarbeiter*innen oft als handlungsunfähige Opfer patriarchialer Gewalt (vgl. Bindel 2006; MacKinnon 1993), anstatt die Komplexität von Sexarbeit im Kontext von intersektionaler, kapitalistischer, hetero-sexistischer und rassistischer Gewalt zu analysieren. Sexarbeitsverbote in Form von Anti-Sexarbeits-Gesetzen werden oft verkürzt als Lösungen für patriarchale Gewalt vorgeschlagen. Diese Gesetze können die Gewaltexponierung aufgrund der Abdrängung und Kriminalisierung von (Trans*)Sexarbeiter*innen jedoch verstärken. Die Frage, was es für Anti-Gewalt-Ansätze bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der Morde an migrantischen Trans*Sexarbeiter*innen of Color und auf offener Straße begangen werden, ist bis dato im deutschen und europäischen Kontext nicht ausreichend analysiert.
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zierung in unterschiedliche Formen der Sexarbeit notwendig, denn nicht alle Formen der Sexarbeit sind gleichermaßen mit einem starken Risiko für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitigen Tod verbunden.2 Da die Mehrheit der Morde an Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) auf offener Straße verübt wird (ca. 55 %) (vgl. Balzer 2009, 155; Balzer/Hutta 2012, 55, 62), kann die These vertreten werden, dass Trans*Sexarbeiter*innen, die auf dem Straßenstrich arbeiten und auch von Rassismus betroffen sind am stärksten von lebensbedrohlicher Gewalt bis hin zu Mord betroffen sind. Auch die staatliche direkte oder indirekte Kriminalisierung aufgrund aufenthalts- und steuerrechtlicher Bestimmungen (vgl. Hydra 2013; Macioti 2014) und die damit einhergehende Polizeigewalt spielen eine Rolle (Kapitel 10.2). Dies bedeutet indessen jedoch nicht, dass Trans*Sexarbeiter*innen, die zum Beispiel in Bordellen arbeiten keine Gewalt erfahren. Jedoch können spezifische Arbeitsräume und die damit einhergehende verringerte Sichtbarkeit und Exponierung von Trans*Sexarbeiter*innen ihre Vulnerabilität für körperliche Angriffe auf der Straße reduzieren. Trans*Sexarbeiter*innen, die in Bordellen arbeiten, können aber auch von körperlicher Gewalt, ökonomischer Ausbeutung durch Zuhälter*innen/Bordellbetreiber*innen und von Kriminalisierung und Polizeigewalt betroffen sein. Escorts und Callgirls/-boys sind aufgrund ihrer verminderten Sichtbarkeit auch weniger von Angriffen auf offener Straße betroffen als StraßenSexarbeiter*innen. Jedoch können Escorts, sowie Callgirls/-boys von Gewalt durch Klient*innen betroffen sein, da sie, ähnlich wie Straßen-Sexarbeiter*innen, über keine (relativ) geschützten Arbeitsräume verfügen. Am wenigsten mit direkter körperlicher Gewalt und Kriminalisierung konfrontiert sind vermutlich Trans*Sexarbeiter*innen, die im Bereich von Telefon- oder Internetsex beziehungsweise in der Porno-Industrie arbeiten, dadurch in der Regel anonym bleiben und keinen direkten Kund*innenkontakt haben. Die Frage, welche Trans*Menschen welche Formen der Sexarbeit anbieten und damit mehr oder weniger stark für körperliche Gewalt und vorzeitigem Tod exponiert sind, ist maßgeblich bedingt durch unterschiedliche Positionierungen von Trans*Sexarbeiter*innen innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse. Grundlegend sind dabei ungleiche Zugänge zu einem legalisierten oder kriminalisierten Aufenthalts- und Arbeitsstatus. Darüber hinaus spielen insbesondere sprachliche und ökonomische Vorrausetzungen und damit verbunden ungleiche Zugänge zu Ressourcen (zum Beispiel Computer, Internet, eigene Arbeitsräume), sowie Gender-, Alters- und Schönheitsnormen eine entscheidende Rolle. Auch Rassismus ist eine wichtige Dimension bei der verstärkten Gewaltexponierung von Trans* Sexarbeiter*innen of Color, sowie intersektionale Abwertungen.
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Dank für Feedback und Hinweise zu diesem Teil geht insbesondere an Jay Keim.
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Das gravierend erhöhte Risiko für Trans*Sexarbeiter*innen (of Color), von lebensbedrohlicher Gewalt oder vorzeitigem Tod (auch durch Mord) betroffen zu sein, basiert grundlegend erstens auf dem normativen, cis-zweigeschlechtlichen sowie intersektionalen Ausschluss von staatlicher Anerkennung, gleichberechtigtem Zugang zum (Aus-)Bildungswesen und Arbeitsmarkt sowie vom Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung. Zweitens wird die Gewaltexponierung verstärkt durch intersektionale rassistische, klassistische und ableistische Diskriminierungen und Ausschlüsse auf der zwischenmenschlichen sowie normativen Ebene von Gewalt. Drittens beruht die verstärkte Gewaltexponierung von Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) auf der staatlichen Stigmatisierung, Prekarisierung und teilweise (indirekten) Kriminalisierung von Sexarbeit. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Sexarbeit für mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen angesichts staatlicher, gesellschaftlicher und familiärer Ausschlüsse eine zentrale ökonomische Überlebens- und Selbstbestimmungsmöglichkeit darstellt. Gleichzeitig ist Sexarbeit oft an einen Gewaltkreislauf gekoppelt. Die gesteigerte und lebensbedrohliche Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) basiert, auch auf historisch weitergetragenen, leicht transformierten intersektionalen Stigmatisierung- und Kriminalisierungspraktiken. De-/Kriminalisierung und Polizeigewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) Trans*Frauen/Weiblichkeiten of Color wird in Europa ähnlich wie im USamerikanischen Kontext häufig pauschal Sexarbeit unterstellt (vgl. Chapot u.a. 2009; Lee 2003, 9; Namaste 1996, 2000; Spade/Willse 2008, 50). Diese Stigmatisierung hängt zum einen zusammen mit dem normativen sowie intersektionalen Ausschluss vieler (mehrfachdiskriminierter) Trans*Menschen vom Ausbildungswesen und vom legalen und weniger prekären Arbeitsmarkt. Sie hängt zum anderen zusammen mit Kontinuitäten transformierter rassistischer und sexistischkapitalistischer Pathologisierungen, Abwertung und Kriminalisierungen: „Perversely, the discrimination that results in sex work being the predominant form of livelihood for transgender women also fuels social stigma by establishing a link in which transgender women are mainly associated with sex work and HIV/AIDS“ (REDLACTRANS 2012, 19). Vor allem Trans*Sexarbeiter*innen of Color sind darüber hinaus oft von indirekten Kriminalisierungspraktiken und Polizeigewalt betroffen, die sich häufig als spezifische Form eines intersektionalen Gender-RacePolicing äußert (Kapitel 10.2). Im Kontext biopolitischer Sicherheitsdispositive bestehen historisch tradierte und leicht transformierte Bedrohungsnarrative von (migrantischen) Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) als ‚Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung‘,
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sowie auch für Moral, Sitte und Gesundheit weiter. Dies wird an einem Beispiel aus Griechenland deutlich, wo im Jahr 2012 (migrantische) (Trans*)Sexarbeiter*innen of Color willkürlich verhaftet und zwangsweise Blutabnahmen und HIVTests unterzogen wurden mit der Begründung, sie seien HIV-Überträger*innen, illegalisierte Migrant*innen und/oder Drogenabhängige (vgl. Balzer/Hutta 2012, 57). Diese polizeilich-staatliche Kriminalisierungsmaßnahme fand im Zusammenhang einer politischen, medialen Hetzkampagne gegen migrantische (Trans*) Sexarbeiter*innen of Color in der griechischen Öffentlichkeit statt (vgl. Balzer/Hutta 2012, 57). Die dabei verwendete Rhetorik ‚der Gefährdung der öffentlichen Gesundheit und Ordnung‘ kann als Kontinuität einer jahrhundertealten, heterosexistischen und rassistischen Dämonisierung von Sexarbeiter*innen als Wurzel allen gesellschaftlichen Übels, als Ursache von ‚Krankheit‘ und vom ‚moralischem Zerfall‘ der imaginierten (weißen cis-zweigeschlechtlich-heteronormativen und monogamen) Familie als Keimzelle der Nation verstanden werden.3 Im Kontext von Biopolitik lässt sich folglich für den deutschen und teilweise auch europäischen Kontext eine Verschiebung von einer direkten gesetzlichen Kriminalisierung von Sexarbeit hin zu indirekten, flexibilisierten Kriminalisierungspraktiken von (Trans*) Sexarbeiter*innen (of Color) feststellen. Die Legalisierung von Sexarbeit in Deutschland im Jahr 2002 und ihre zunehmende versicherungsrechtliche Absicherung kann diesbezüglich als Meilenstein verstanden werden. Trotz ihrer Entkriminalisierung in Deutschland und anderen EU- Mitgliedsstaaten ist (Trans*)Sexarbeit weiterhin stark gesellschaftlich stigmatisiert, marginalisiert und prekarisiert. Die Abschaffung von Anti-Sexarbeits-Gesetzen ist auch nicht gleichbedeutend damit, dass (Trans*)Sexarbeiter*innen (of Color) nicht mehr von strafrechtlicher Kriminalisierung und Stigmatisierung betroffen sind. Für den deutschen Kontext wird zum Beispiel vom Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistung und von Hydra, beides Sexarbeiter*innen-Organisation sowie von Emy Fem konstatiert, dass trotz der Legalisierung die Kriminalisierung und Verfolgung von (Trans)Sexarbeiter*innen (of Color) in Deutschland aufgrund indirekter Kriminalisierung fortbesteht: „Sexarbeit ist in Deutschland legal, unterliegt allerdings vielen Sondergesetzen, die kriminalisierend wirken“ (Emy Fem 2017; vgl. Hydra 2013; Macioti 2014). Hierzu zählen zum Beispiel Sperrbezirksverordnungen (vgl. Emy Fem 2017), Steuerfahndungen (vgl. ProstSchG 2016; Hydra 2013; Macioti 2014), als auch das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG 2016), das am 1. Juli 2017 in Deutschland in Kraft getreten ist. Dieses beinhaltet die Notwendigkeit einer Registrierung und Anmeldung von freiberuflichen (Trans*)Sexarbeiter*innen, und die Notwendigkeit einer amtlichen Erlaubnis, 3
Die Dämonisierung als ‚Übel der Gesellschaft‘ basiert auf einer Verbindung intersektionaler Stigmatisierungen und Kriminalisierungen als Sexarbeiter*innen, Migrant*innen, Menschen of Color, Drogenkonsument*innen und HIV-Positiven.
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Sexarbeit praktizieren zu dürfen, die Pflicht der Gesundheitsberatung und die in §11 (3) aufgeführten, unklaren, aber jederzeit möglichen Anordnungen gegen (Trans*)Sexarbeiter*innen (vgl. ProstSchG 2016). Auch polizeiliche Razzien gegen (Trans*)-Sexarbeiter*innen und damit indirekte staatliche Kriminalisierung und Polizeigewalt haben, so Emy Fem und Macioti in Deutschland trotz der Legalisierung zugenommen (vgl. Emy Fem 2017; Macioti 2014). Dies maßgeblich auf der Grundlage strafrechtlich-polizeilicher Maßnahmen des Prostituiertenschutzgesetz und der darin eingeführten „Erlaubnispflicht zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes“ (vgl. ProstSchG 2016), wodurch weitreichende Überwachungsbefugnisse ermöglicht und ausgeweitet wurden alles mit dem Argument gegen sogenannte ‚organisierte Kriminalität‘ vorzugehen. Im Zusammenhang mit transformierten Dekriminalisierungs- und Rekriminalisierungspraktiken ist auch der Gesetzesentwurf zum sogenannten Schwedischen Modell wichtig, der im Europäischen Parlament im Frühjahr 2014 diskutiert und unterstützt wurde. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass nicht (mehr) (Trans*)Sexarbeiter*innen, sondern ihre Kund*innen kriminalisiert werden sollen. Von der Mehrheit der Sexarbeiter*innen-Selbsthilfeorganisationen wird dieser Entwurf abgelehnt aufgrund der fortbestehenden Kriminalisierung und Stigmatisierung von (Trans*)Sexarbeiter*innen und der Verdrängung und Prekarisierung ihrer Lebensund Arbeitsverhältnisse. Das Schwedische Modell, das vorgibt, Sexarbeiter*innen vor sexistischer, sexualisierter, ausbeutender Gewalt zu schützen, verhindere vielmehr, dass diese ihrer Arbeit nachgehen können. Sie würden verstärkt aus der Öffentlichkeit verdrängt, weiterhin für polizeiliches profiling exponiert und stigmatisiert, sowie ihre Prekarisierung und Gewaltexponierung sogar verstärkt (vgl. Macioti 2014; Crouch 2015). Deutlich wird, dass (Trans*)Sexarbeiter*innen (of Color) auch nach der offiziellen Abschaffung von Sexarbeitsverboten gewissermaßen auf Umwegen beziehungsweise indirekt stigmatisiert und kriminalisiert werden, durch flexibilisierte und indirekte strafrechtlich-polizeiliche Maßnahmen und Biopolitiken. Aufgrund der Tatsache, dass polizeilich-strafrechtliche Verfolgungstechniken maßgeblich auf racial profiling rassifizierte Täter*innenprofiling basieren und aufgrund der historischen Stigmatisierung, sind (Trans*)Sexarbeiter*innen of Color, Migrant*innen und Geflüchtete besonders von Kriminalisierung und Polizeigewalt betroffen. Die verstärkte Gewaltexponierung von Trans*Sexarbeiter*innen of Color kann dabei nicht losgelöst von normativen und intersektional verstärkten Machtverhältnissen, insbesondere Cis-Heterosexismus, Anti-Sexarbeits-Gesetze, Rassismus, Kapitalismus und Nationalismus betrachtet werden. Ein Beispiel für die anhaltende Gewalt, Stigmatisierung, Pathologisierung, gesellschaftliche Verwerfung und indirekte Kriminalisierung von Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) nach der offiziellen Abschaffung von Sexarbeitsverboten stellt eine mediale Hetzkampagne in Deutschland dar. Diese richtete sich ab 2007 expli-
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zit gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) auf der Berliner Frobenstraße, einem bekannten und traditionellen Berliner Straßenstrich. Dabei wurden in der Sat.1 TVReportage Akte 07 mit dem Titel Terror, Transenstrich und wie ein ganzer Stadtteil sich wehrt4 pathologisierende, kriminalisierende Rhetoriken der Gefährdung der ‚öffentlichen Sicherheit, Moral, Gesundheit und Ordnung‘ verwendet. Trans* Feindlichkeit und der cis-zweigeschlechtliche Betrugsvorwurf äußert sich in der Reportage grundlegend in der Nicht-Anerkennung der Geschlechtsidentitäten der Sexarbeiter*innen durch Beschreibungen als ‚falsche Frauen‘, ‚Männer in Frauenkleidung‘, oder ‚Männer, die keine Männer mehr sein wollen‘. Dass Straßensexarbeit von cis-weiblichen Sexarbeiterinnen in der angrenzenden Hauptstraße in der TV-Reportage nicht erwähnt oder als Problem dargestellt wird, kann auch als Indiz für spezifische Anti-Trans*Sexarbeit Diffamierung gewertet werden. Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) wurden als ‚aggressive‘, ‚gewalttätige‘, ‚wilde‘, ‚verwegene‘, ‚drogenabhängige‘, ‚dreckige‘, ‚unbändige‘ und damit ‚kriminelle‘ und ‚kranke‘ ‚Nachtgestalten‘, als Gefahr für die ‚öffentliche Sicherheit, Gesundheit und Ordnung‘ kriminalisiert.5 Auf Grundlage dichotomer Identitätskonstruktionen und unter Rückgriff auf kolonial-rassistische Farbanalogien6 stellte die Reportage die Cis-Anwohner*innen und insbesondere deren Kinder, ‚die nur spielen wollen‘ als ‚Menschen des Tageslichts‘ und als unschuldige, anständige cis-zweigeschlechtliche Bürger*innen und Opfer dar, deren Hetze und Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) normal und legitim erscheint. Im Narrativ der Sat.1-Reportage waren die ‚anständigen‘ Bürger*innen selbst gefragt, tätig zu werden, um die Trans*Sexarbeiter*innen zu vertreiben und ‚die Kinder zu retten‘ angesichts der vermeintlich untätigen Polizist*innen und Bezirksverwaltung. Auch das Reportage-Team von Sat.1 zeigte Eigeninitiative, indem es mit einem Starkstromstrahler ‚Licht in die Dunkelheit‘ brachte, um ‚die Gestalten der Dunkelheit‘ zu vertreiben. Die in der Reportage verbreitete Hetze gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) in der Frobenstraße kann, gemäß der Hasskriminalitäts-Definition der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) als normalisierte, ausgeschwiegene und strafrechtlich nicht verfolgte Form von Hasssprache (hate speech) verstanden werden (vgl. Butler 1998; Herrmann/Kuch 2007; Hornscheidt 2012a/b). In der Reportage wird Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen nicht nur legitimiert, sondern förmlich dazu aufgerufen (vgl. Balzer/Hutta 2012, 59). Die epistemischsymbolische Gewalt (Kapitel 2.3) in Form medialer Hetze ging nach der Ausstrahlung der besagten Reportage 2007 vermehrt in tagtägliche, direkte, verbalisierte 4
http://www.myvideo.at/watch/698469 (Zugriff 22.07.2018)
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http://www.myvideo.at/watch/698469 (Zugriff 22.08.2018).
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Helligkeit ist gleichbedeutsend mit Normalität und Ordnung, Dunkelheit im Gegensatz dazu mit Gesetzlosigkeit, Kriminalität und Verwegenheit.
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und körperliche Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) über: „An extremely transphobic televised feature, which called for a kind of vigilante justice against gender-variant/trans sex workers, preceded the attacks“ (Balzer/Hutta 2012, 59). Ab Frühjahr 2009 wurden diese körperlichen Angriffe in Konjunkturen immer brutaler. Zwei der angegriffenen Personen mussten aufgrund von lebensbedrohlichen Verletzungen mehrere Wochen im Krankenhaus behandelt werden (vgl. GLADT 2009). Auch an dieser Stelle wird die gesteigerte Gewaltexponierung von intersektional von Gewalt betroffenen (mehrfachdiskriminierten) Personen deutlich, denn viele der körperlichen Angriffe zielten auf migrantische Trans*Sexarbeiter*innen of Color ab, davon viele aus der Türkei, sowie Rom*nja und Sint*ezza aus ostund südosteuropäischen Ländern (Snorton/Haritaworn 2013, 72). Diese haben aufgrund von strukturellem Rassismus, racial profiling und eventuell sprachlicher Barrieren oder prekärer Aufenthalts- oder Arbeitstitel gleichzeitig auch schlechteren Zugang zu dem deutschen Rechtssystem und der Möglichkeit eine Anzeige aufzugeben, zum Beispiel wegen Körperverletzung. Dies ist nur eines von vielen Beispielen der anhaltenden und verstärkten Gewaltexponierung von Trans*Sexarbeiter*innen of Color.7 Die körperlichen Angriffe auf Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) der Berliner Frobenstraße haben auch ein Jahrzehnt später nicht an Aktualität verloren, wie in einem Onlinebeitrag des queeren Community-Magazins siegessäule von März 2018 deutlich wird: „Sie [die Trans*Sexarbeiter*innen der Frobenstraße] werden aus dem Auto heraus mit Glasflaschen beworfen und mit Messern attackiert. Einer Frau wurden die Zähne ausgeschlagen, einer anderen Seifenlauge ins Gesicht gespritzt“ (Emy Fem z. n. Donath 2018).
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Um diese normalisierte Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) in Berlin politisch zu thematisieren, fand am 4. September 2009 eine Kundgebung „gegen Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen in der Frobenstraße“ statt, die von einem Bündnis von Berliner Sexarbeiter_innen-Unterstützungs-Organisationen (Hydra, Subway und Treber Hilfe), GLADT und Berlins größter Trans-Organisation TrIQ (Trans-Inter-Queer) organisiert wurde. Trans*Sexarbeit sowie die Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen of Color in der Frobenstraße wurde im Redebeitrag von GLADT als Lohnarbeitsmöglichkeit im Kontext cis-zweigeschlechtlicher, rassistischer und klassistischer Zugangshürden zum abgesicherten Arbeitsmarkt kontextualisiert wurde (vgl. GLADT 2009). Der Redebeitrag von TriQ adressierte Gewalt in einem homogenisierenden Sinne entlang des Transphobie-Narratives als Gewalt aufgrund von Geschlechtsidentität (vgl. TrIQ 2009). Thematisiert wurde der institutionalisierte Ausschluss bzw. die strukturelle Diskriminierung von Trans*Menschen auf dem cis-zweigeschlechtlichen Arbeitsmarkt. Auf die spezifische sowie intersektional verstärkte Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter of Color durch Anti-Sexarbeits-Gewalt, Kapitalismus und Rassismus wurde jedoch nicht eingegangen.
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Die Beispiele zeigen, dass auch in Deutschland und Europa lebensbedrohliche Gewalt und Morde insbesondere auf (migrantische) Trans*Sexarbeiter*innen of Color und Migrant*innen abzielen. Diese erhöhte Exponierung für Gewalt und vorzeitige Tode ist einerseits bedingt durch normative und intersektional verstärkte Ausschlüsse vom Ausbildungswesen und Arbeitsmarkt. Andererseits basiert sie auch auf historisch tradierten, transformierten, direkten und indirekten intersektionalen Stigmatisierungen, Pathologisierungen und Kriminalisierungen als ‚Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit‘ und steht im Zusammenhang mit gegenwärtigen Versicherheitlichungsdispositiven (Kapitel 10.2). Aus diesem Grund muss sich Trans*Politik weiterhin für die Öffnung des abgesicherten Arbeitsmarkts einsetzen, sowie gleichzeitig und verstärkt für die Legalisierung, faktische Dekriminalisierung und Ent-Stigmatisierung sowie verbesserte arbeitsrechtliche Absicherung von Sexarbeit kämpfen. Wie Namaste problematisiert: „How relevant is a ,transgendered‘ social movement that does not make the discrimination of prostitutes a political priority“ (Namaste 2000, 269). Intersektional verstärkte Gewalt wird im Folgenden weiterführend am Beispiel des Gewaltkreislaufs erörtert, in dem sich Trans*Geflüchtete befinden.
7.2 GEWALTKREISLAUF: NORMATIVE UND INTERSEKTIONALE GEWALT GEGEN LSBTQGEFLÜCHTETE IN EU-ASYLVERFAHREN Flucht, Migration und Asyl sind in Deutschland und Europa nicht erst seit der Migrationsbewegung im Sommer 2015 gesellschaftspolitisch und rechtspopulistisch umkämpfte Themen und zentrale Aspekte der Sicherheits- und Bevölkerungspolitik. Aus dem Langen Sommer der Migration (Hess at al. 2015) und in Deutschland einzigartigem zivilgesellschaftlichen Engagement für nicht-deutsche Geflüchtete wurde innerhalb kürzester Zeit das wahrscheinlich politisch aufgeladenste Thema deutscher und europäischer rechtspopulistischer Politik 8 sowie der
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Die rechtpopulistische und rassistische Hetze, die auch parlamentarisch und auf Regierungsebene stattfindet, materialisiert sich dabei in Hasssprache (und der ‚Verrohung von Sprache‘ bzw. deren nationalistisch-rassistische Umdeutung), Progromen (z.B. Chemnitz 2018) sowie auch in direkten tätlichen Angriffen, insbesondere auf Geflüchtetenunterkünfte und Menschen of Color z.B. in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln, Solingen, Lübeck. Die Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte haben sich von 2014 auf 2015 mehr als verfünffacht (das Bundeskriminalamt registiert im Jahr 2014 177 und im Folgejahr 1031 Straftaten, von der Amadeu Antonio Stiftung (AAS) und ProAsyl wurden im Jahr 2014 247 Angriffe und im Jahr 2015 1077 Angriffe registriert. Während die Zahlen
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‚nationalen Bedrohung‘ (vgl. Schwab 2018). Deutsche und europäische Migrations- und Asylpolitik zeichnet sich seit langem durch biopolitische Kontinuitäten der Eindämmung von Migration und Asyl sowie der Dominanz wirtschaftlicher Interessen aus. Es kann eine Entwicklung von der ‚Gastarbeiter*innenAnwerbung‘ der 50er und 60er Jahre (zum Wiederaufbau Deutschlands nach der Kriegsniederlage des Nationalsozialismus), hin zu der radikalen Einschränkung des Asylrechts 1993 durch den sogenannten Asylkompromiss konstatiert werden.9 Mit den Dublin I und Dublin II Abkommen (1997 und 2003) wurde die Asylpolitik zudem europäisch vereinheitlicht und die EU-Außengrenzen militärisch und monetär abgesichert und geschlossen. Seit Jahren wird auf EU-Ebene versucht die EUAußengrenzen durch Asylauffang- und Abschiebelagern in nordafrikanische Länder wie Libyen zu externalisieren (vgl. Lau/Lobenstein 2017; Jakob 2018). Darüber hinaus ist die europäische Grenzschutzagentur Frontex daran beteiligt zu verhindern, dass Flüchtlingsboote europäisches Hoheitsgebiet erreichen und seit Frühling/Sommer 2018 wird auch die Seenotrettung durch NGOs, Fischerboote und Containerschiffe direkt kriminalisiert (vgl. Dold 2018; Jakob 2018). Während das Massensterben im Mittelmeer weitergeht (vgl. ProAsyl 2018; Zeit 2018), gibt es innereuropäisch zunehmend mehr rechtspopulistische und nationale Alleingänge als Reaktion auf die mangelnde Übereinkunft über die Umverteilung von Geflüchteten. Was bedeutet all dies im Hinblick auf LSBTQ-Geflüchtete10?
laut AAS in den beide Folgejahren weiter anstiegen (2016 1568 Angriffe), ist die Zahl des BKA für das Jahr 2017 von 264 Straftaten an Geflüchtetenunterkünften erstaunlich niedrig, insbesondere im Vergleich zu der registrierten Zahl der AAS von 1387 Angriffen für 2017 (vgl. Mut gegen rechte Gewalt 2017; ProAsyl 2017; SZ 2017; TAZ 2017). 9
Der Asylkompromiss von 1993 wird auch als de facto Abschaffung des Asylrechts bezeichnet: „Am 26. Mai 1993 wurde im Deutschen Bundestag zum ersten Mal ein Grundrecht, das Asylgrundrecht, geändert […] Es wurde nicht geändert, es wurde faktisch abgeschafft […] Die aus leidvoller NS-Geschichte geborene kompromisslose Schutzgarantie wurde gestrichen und an seine Stelle eine seitenlang-quallige, ins Grundgesetz deplatzierte Verwaltungsverordnung gesetzt; aus der Asylgarantie wurde eine Abschiebungsgarantie“ (Der Spiegel 26.5.2016; vgl. bpb 2013; 2005).
10 Bis dato besteht ein Defizit an qualitativer und repräsentativer Forschung zu der de facto Asylpraxis mit LSBTIQ-Geflüchteten. Die qualitative Europäische Vergleichsforschung von Jansen und Spijkerboer Fleeing Homophobia: Asylum Claims Related to Sexual Orientation and Gender Identity in the EU (Jansen/Spijkerboer 2011) stellt eine der wenigen Ausnahmen in Europa dar, auf die ich mich im folgenden Kapitel maßgeblich beziehe. In Jansen und Spijkerboers (2011) Ergebnisbericht wird jedoch eine implizite oder explizite Priorisierung der Gewalt gegen Cis-Schwule aufrechterhalten, während die Gewalt gegen Cis-Lesben marginalisiert und jene gegen Trans*Menschen zumeist ganz
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Im Hinblick auf Asyl und das Menschenrecht auf Schutz vor Verfolgung besteht eine grundlegende Diskrepanz zwischen dem normativen de jure verankerten Recht auf Asyl und der de facto europäischen Asylpraxis. Dies betrifft auch den Umgang mit Geflüchteten, die Cis-Lesben, Cis-Schwule, Cis-Bisexuelle, Trans* und Queer sind (im Folgenden kurz: LSBTQ-Personen).11 Mit der Erweiterung der UN-Flüchtlingskonvention durch die Yogyakarta-Prinzipien sind verfolgte LSBTQ-Personen de jure als eine spezifische soziale Gruppe in den Flüchtlingsschutz eingeschlossen.12 Für den europäischen Kontext besagt Artikel 10 der EUQualifizierungsrichtlinie (vgl. EU 2004), dass die Verfolgung aufgrund von sexueller Identität im Herkunftsland als Asylgrund anerkannt werden soll (vgl. EU 2004). Verfolgung aufgrund von Gender-Identität bzw. Geschlechtsidentität wurde darin zunächst nicht explizit benannt. In der Überarbeitung der EU-Qualifikationsrichtlinien im Jahr 2011 (2011/95/EU) wurde die Kategorie ‚Geschlecht‘ als Verfolgungsgrund um den Begriff ‚Geschlechtsidentität‘ ergänzt (vgl. EU 2011). Für den deutschen Kontext bestätigt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Anfang 2013, dass in Deutschland die Verfolgung aufgrund von ‚sexueller Identität‘ als Asylgrund normativ anerkannt werden soll (vgl. Markard 2013, 402-408). Dieser normative Asylanspruch steht jedoch in eklatantem Widerspruch zur deutschen und europäischen de facto Asylpraxis im Umgang mit LSBTQ-Geflüchteten. Die rechtlich-normative Grundlage für Asyl in der EU ist die ‚begründete Angst vor Verfolgung‘ und eine ‚Lebensbedrohung‘. Diese Kriterien sind nicht eindeutig definiert und deshalb Sache der Auslegung, so dass von Fall zu Fall entschieden wird: „[...] an asylum seeker has established a well-founded fear of being persecuted, that does not necessarily mean he or she qualifies for refugee status“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 19). Jenseits dieses normativen Asylanspruchs ausgeschwiegen wird (vgl. LGB-fake-T; Spade 2004; Haritaworn 2009b; Stanley/Spade/Queer(In)Justice 2010, 126). 11 Ein eklatanterer Mangel besteht bezüglich qualitativer Forschung und Daten zu Gewalt gegen Inter*(geschlechtlichen) Geflüchteten insbesondere auch hinsichtlich invasiver Eingriffe. Diesem muss durch zukünftige staatlich geförderte Forschung entgegengewirkt werden. Aus diesem Grund wird im Folgenden lediglich der homogenisierende Sammelbegriff LSBTQ strategisch-pragmatisch verwendet, jedoch nicht der Begriff LSBTIQ, in dem Inter*(geschlechtliche) Menschen vermeintlich inkludiert werden. 12 Die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 definiert Flüchtling als „person, who is outside his or her country of nationality or habitual residence, with a well-founded fear of being persecuted for reasons of race, religion, nationality, membership of a particular social group, or political opinion“ und besagt, dass „persons who, upon return to their country of origin, would face particular kinds of risk to life or freedom, are protected against return to such a country“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 18).
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haben jedoch einige EU-Mitgliedsstaaten beschlossen, dass die strafrechtliche Kriminalisierung und Verfolgung von Cis-Schwulen und Cis-Lesben, sowie Trans*Menschen in den jeweiligen Herkunftsländern kein ausreichender Nachweis für anerkannte Verfolgung und damit Asylberechtigung in EU-Asylverfahren darstellt (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 22-23). Auch das deutsche Asylrecht fordert den Nachweis einer Bedrohung durch ‚unverhältnismäßige/übertriebene Bestrafung‘ (excessive punishment), zum Beispiel Todesstrafe oder körperliche Bestrafung (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 22-23). Der Nachweis von ‚Verfolgung und Lebensbedrohung‘ beziehungsweise von angedrohter oder erfahrener ‚unverhältnismäßiger‘ Gewalt, ‚maßloser‘ Bestrafung, Bedrohung, Demütigung, Folter oder von Morddrohungen ist insbesondere in Kontexten massiver staatlicher und gesamtgesellschaftlicher Repression, Stigmatisierung und Gewalt(-androhung) schwer erbringbar bis unmöglich.13 Oft werden Nachweise zudem in EU-Asylverfahren gerichtlich als ‚nicht ausreichend‘ abgelehnt (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 18, 25, 75). Darüber hinaus besteht für LSBTQ-Geflüchtete die doppelte Beweislastpflicht, die ein normatives und intersektional verstärktes Asylhindernis darstellt. Um als spezifische soziale Gruppe de jure Asyl in der EU beantragen zu können, müssen LSBTQ-Geflüchtete nicht nur eine ‚unverhältnismäßige‘ Verfolgung, Lebensbedrohung oder angedrohte beziehungsweise erlebte Gewalt durch Folter oder ähnliches nachweisen, sondern auch in psychiatrischen, sexologischen Begutachtungsverfahren beweisen, dass sie schwul, lesbisch oder trans sind (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 18, 25, 75). In diesem Zusammenhang wurde unter der Beweislastpflicht (bis zum EuGHUrteil vom Dezember 2014) in der EU und auch in Deutschland massive psychiatrisch-pathologisierende Staatsgewalt gegen LSBTQ-Geflüchtete ausgeübt trotz des offiziellen Endes der staatlich-medizinischen Pathologisierung und Kriminalisierung von Homosexualität. Zur Verifizierung ihrer homosexuellen oder Trans* Identität müssen sich Geflüchtete in EU-Asylverfahren einem (psychiatrischen, sexologischen) Gutachtenverfahren unterziehen, welches auf homogenisierten und westlich-universalisierten (cis- und heterosexistischen) Imaginationen und Vorurteilen zu Homosexualität oder Trans*Identität basiert (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 7, 55). Die psychiatrischen, sexologischen Begutachtungen beinhalten westliche, heteronormative Vorurteile zu ‚schwulem/lesbischem Verhalten‘ und ‚Aussehen‘, Interessen und Berufen; ebenso bezüglich schwuler, lesbischer oder Trans* Subkultur, Sprache, sprachlicher Selbstbeschreibungen sowie Vorurteile zu Sexarbeit (insbesondere bei Trans*Menschen). Dabei wird in der EU-Asylpraxis zwischen ‚authentischen‘, ‚pathologischen‘ Homosexuellen einerseits und ‚nicht13 Ebensolche Nachweise können auf der Flucht oder nach eventueller Abschiebung in das Herkunftsland zu lebensbedrohlicher Gewalt gegen LSBTQ-Geflüchtete führen.
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authentischen‘, ‚latenten‘, ‚versteckten‘ und/oder ‚schutzunwürdigen‘ Anderen andererseits unterschieden. Resultat dessen ist, dass der großen Mehrheit von LSBTQ-Geflüchteten de facto systematisch und legal Asyl verweigert werden kann. Einem Cis-Mann aus Mauritius wurde zum Beispiel Asyl verwehrt, da er sich nicht als ‚homosexuell‘ bezeichnete, sondern als ‚maricon‘, was eine weit verbreitete Selbstbezeichnung von schwulen Männern in Südamerika ist (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 61-62).14 Einem bisexuellen cis-männlichen Geflüchteten aus Jamaika wurde Asyl verweigert, weil er überzeugt war, dass Homosexualität nicht in seinen Genen liegt (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 61-62). Anträge auf Asyl wurden ebenfalls abgelehnt, wenn der*die Geflüchtete nach heteronormativen, westlichen Vorstellungen wahlweise nicht ‚effeminiert‘ genug aussah, den obligatorischen Wehrdienst im Herkunftsland abgeleistet hatte, oder wenn unterstellt wurde, dass ein Gefängnisaufenthalt ‚keine andere Wahl‘ zugelassen habe, als lesbischen Sex zu haben (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 61-62). Auch, wenn sich Geflüchtete erst spät (als homosexuell, schwul, lesbisch, queer oder Trans*) ‚outen‘, verheiratet sind/waren oder Kinder haben, haben sie in der Regel kaum Chancen auf Asyl: „Stereotypes may exclude lesbians who do not behave in a masculine way, non-effeminate gays, and LSBTI applicants who have been married or who have children“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 7, 36, 55). Wenn ‚frühes Outing‘, Kinderlosigkeit und ein unverheirateter Status als Authentizitätsmerkmale für wahrhaftige Homosexualität oder Trans*Identität in EU-Asylverfahren gelten, wird dabei ignoriert, dass LSBTQ-Menschen, die von massiver Bedrohung und Verfolgung betroffen sind, teilweise dazu gezwungen sind, ihre sexuelle- und/oder Geschlechtsidentität soweit wie möglich zu verbergen, um (lebensbedrohlicher) Gewalt zu entgehen: „The notion that being married or having children can be of any relevance for the credibility of an applicant’s sexual orientation, seems to be one of the remnants of the medical view of sexual orientation and gender identity, which considers LGTI identities in terms of lack or incapacity. The implicit notion is that a person will only be LGTI if s/he has no other option and cannot help being LGTI“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 60, 9-10, 47, 58-62).
14 Im Hinblick auf universalistische Imaginationen und westlich-pathologisierende cis-
heterosexistische und rassistische Konstrukte ist auch zu berücksichtigen, dass sich viele LSBTQ-Menschen nicht mit entsprechenden westlichen Klassifikationen, Identitätskonzepten, Bezeichnungen und Labeln wie ‚Homosexualität‘, ‚schwul‘, ‚lesbisch‘, ‚bisexuell‘, ‚transsexuell‘, ‚Trans‘ oder ‚Transgender‘ identifizieren. Allein die Verwendung anderer Terminologien und (kollektiver) Identitätskonzepte kann jedoch zur Ablehnung von Asyl für schutzsuchende LSBTQ-Menschen führen (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 56-57).
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Eine cis-heteronormative ‚Cover-Identität‘ durch Ehe und Elternschaft kann gegebenenfalls die Gewaltexponierung stark vermindern (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 7). Zugleich müssen die Kriterien von Kinderlosigkeit und eines unverheirateten Status bei LSBTQ-Geflüchteten grundsätzlich kritisiert werden, denn sie basieren auf eurozentristischen Vorstellungen von exklusiv biologistischen und damit ciszweigeschlechtlichen und heterosexuellen Partner*innenschaften und Kleinfamilien.15 Dadurch werden nicht-biologistische (und nicht-monogame) Familienkonzepte, Formen von Partner*innenschaften, Beziehungen und Zusammenleben genauso wie Formen von Care-Work ausgeschlossen. Diese Konzepte existieren weltweit in den unterschiedlichsten Formen, jedoch werden sie in Asylverfahren nicht anerkannt. Hierbei wird eine westlich-heteronormative Definitionsmacht aufrechterhalten, die festlegt, was Homosexualität und Trans*Identität ist, wer wirklich homosexuell oder trans* ist und wer vermeintlich nicht authentisch ist und damit nicht als schutz- und asylwürdig gilt.
15 In diesem Zusammenhang ist Jansens und Spijkerboers Hinweis, dass viele Geflüchtete
ihre homosexuelle Identität aufgrund von internalisierter Homophobie erst spät äußern zwiespältig (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 65-67). Damit zielen sie einerseits auf eine Kritik ab daran, dass LSBTQ-Geflüchteten aufgrund eines späten ‚Coming-outs‘ Asyl verwehrt wird. Durch das reproduzierte Narrativ vom ‚späten Outing‘ (aufgrund von unterstellter internalisierter Homophobie und Transphobie) werden jedoch implizit eurozentristische, dichotome Identitätskonstruktionen und Vorstellungen aufrechterhalten. Einerseits herrscht die Annahme, dass Homosexualität in ‚barbarischen‘, ‚rückschrittlichen‘, ‚unaufgeklärten‘, patriarchalen und homofeindlichen nicht-westlichen Staaten und Gesellschaften unterdrückt und versteckt wird. Und andererseits konträr dazu das westliche Konzept des Outing/Coming-out im Sinne einer vermeintlich befreiten, staatlich und gesellschaftlich anerkannten und gleichberechtigten Form von Homosexualität in liberalen, progressiven EU-Staaten, die Menschenrechte international schützen und verteidigen. Verkannt wird, dass Homosexualität auch ein stark pathologisierendes Konzept ist, das inhärent auf der konstruierten Hetero-Homo-Dichotomie basiert und wiederum eine naturalisierte normative Cis-Zweigeschlechtlichkeit voraussetzt: „This orderly way of dealing with non-straight sexualities reinforce heterosexuality and cisgender as the dominant norm“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 62, 51). Durch das Outing-Narrativ wird folglich implizit eine naturalisierte Hetero-Cis-Norm als Normalzustand reproduziert. Vielfältige Konzepte, Definitionen, Vorstellungen, Daseinsformen und Lebensweisen, die nicht als Abweichung von einer naturalisierten, hetero-cis-zweigenderten Dichotomie, sondern etwa im Sinne eines Spektrums menschlicher Diversität konstruiert werden, werden darin verworfen.
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7.2.1 Kontinuitäten der Pathologisierung und Kriminalisierung von LSBTQ-Geflüchteten Darüber hinaus lassen sich trotz der offiziellen Depathologisierung von Homosexualität Kontinuitäten der Pathologisierung durch psychiatrische, sexologische Testungen in EU-Asylverfahren feststellen, indem diese auf Geflüchtete und damit mehrfachdiskriminierte Personengruppen ausgelagert wurden: „In various European countries, medical examinations (psychiatric examinations, physical response to pornographic images, i.e. the so-called ‚phallometric testing‘) are used in order to establish whether or not the applicant is an LSBTII person. Examples of examinations performed by psychologists, psychiatrists and sexologists to assess someone’s sexual orientation were reported in 8 countries: Austria, Bulgaria, the Czech Republic, Germany, Hungary, Poland, Romania and Slovakia“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 49; vgl. FRA 2010, 69).
In deutschen Asylverfahren dienten psychiatrische Begutachtungsprozesse von Geflüchteten nicht nur der Verifizierung oder Falsifizierung von Homosexualität, sondern es sollte zudem der ‚Grad der Homosexualität‘ ‚gemessen‘ werden (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 50, 62). Dabei wurden einerseits pathologisierende Konstrukte von ‚irreversibler‘ und damit ‚unheilbarer‘ ‚Homosexualität‘, als „unentrinnbare schicksalhafte Festlegung auf homosexuelles Verhalten bzw. Triebbefriedigung“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 50, 62) aufrechterhalten. Andererseits wurde eine ‚homosexuelle Neigung‘ konstruiert, als ‚nicht festgelegte Sexualität‘, die maßgeblich durch Selbstdisziplinierung biopolitisch reguliert, kontrolliert und unterdrückt werden könne. Letzteres Konzept impliziert die Möglichkeit der Reversibilität und ‚Heilung‘ von Homosexualität (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 50, 62). Besonders bemerkenswert bei der Konstruktion ‚unterschiedlicher Grade von Homosexualität‘ in der deutschen Asylpraxis ist, dass in der Regel nur jene Geflüchtete Erfolgsaussichten auf Asyl hatten, (sofern sie die anderen Kriterien erfüllen), denen ‚homosexuelles schicksalhaftes Triebverhalten‘ diagnostiziert wurde: „Only the inescapable fateful fixation on homosexual behaviour or urge fulfilment making it impossible not to engage in same-sex behaviour may be a ground for granting asylum“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 50). Geflüchteten, denen lediglich eine ‚homosexuelle Neigung‘ diagnostiziert wurde, die als (selbst-)regulierbar, kontrollierbar, normalisierbar und damit versteckbar klassifiziert wurde, wurde Anrecht auf Asyl in Deutschland indessen zumeist verweigert: „In response to a parliamentary query from 18 May 2010, the German government stated that a prognosis on the future conduct of the applicant is decisive, i. e. whether the applicant is to be expected to engage in homosexual activities after his/her return: The outcome of the
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asylum procedure depends on whether the asylum-seeker will behave in a manner which will lead to persecution after his/her return“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 35 f.).
Diese hetero-cis-sexistischen Konstruktionen von ‚irreversibler Homosexualität‘ und ‚homosexueller Neigung‘ weisen Ähnlichkeiten zu medizinisch-psychiatrischen und sexologischen Diskursen und Praktiken des gewaltvollen ‚Wegtherapieren‘ von Homosexualität auf (vgl. Steffens/Thompson 2006, 13-22). Zudem reproduzieren sie Pathologisierungen von Homosexualität als Gendefekt (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 7, 55; Laufenberg 2014). Das wissenschaftlich-medizinische ‚Messen‘ von sexueller Devianz, das eine heterosexuelle und inhärent ciszweigeschlechtliche, ‚gesunde Norm‘ voraussetzt, steht dabei in einer langen Tradition pseudo-wissenschaftlicher Konstruktionen von naturalisierten Normen und minderwertigen Devianzen (Kapitel 3).16 Die direkte Pathologisierung von Homosexualität (als ‚krankhafte‘, ‚triebgesteuerte‘, ‚schicksalhafte‘, ‚libidinöse‘ Sexualität) in deutschen Asylverfahren beeinflusste zudem, so Jansen und Spijkerboer auch die Asylpraxis anderer EU-Staaten (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 35 f.). Wenn Konstruktionen von ‚irreversibler Homosexualität‘ versus ‚homosexueller Neigung‘ Grundlage für das Gewähren oder Verweigern von Asyl sind, kann die These vertreten werden, dass bei der Fortführung psychiatrischer, sexologischer Pathologisierungen auch oder insbesondere biopolitische Interessen eine entscheidende Rolle spielen. Wie am Beispiel Deutschlands besonders deutlich wird, dienen Kontinuitäten der Zwangsnormierungs- und Pathologisierungsmacht auch als biopolitisches Instrument der Asylverweigerung und damit als Migrationsabwehr. Darüber hinaus lassen sich trotz der offiziellen Entkriminalisierung von Homosexualität auch in EU-Asylverfahren Kontinuitäten einer impliziten oder expliziten Kriminalisierung feststellen. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass in mehreren EU-Mitgliedsstaaten psychiatrische und sexologische Tests an Geflüchteten durchgeführt wurden, die auch bei der Ermittlung von Sexualstraftaten angewendet werden (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 52; FRA 2010, 69). Die Gleichsetzung von LSBTQ-Geflüchteten mit Sexualstraftäter*innen in den Asylverfahren einiger EUMitgliedsstaaten wird in den Berichten von Jansen und Spijkerboer (2011) und der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA 2010) übereinstimmend bestätigt: „For example in the Czech Republic ‚sexodiagnostic examination‘ was 16 Eugenische bevölkerungspolitische Kontinuitäten werden seit der Kolonialisierung und Schaffung von Europa transformiert aufrechterhalten und fanden ihren jüngsten Höhepunkt in der systematischen Verfolgung und dem Massenmord von Millionen von Menschen (maßgeblich Jüd*innen, Rom*nja und Sint*ezza und Menschen mit Behinderungen) im Nationalsozialismus und dem Holocaust. Sie stehen damit in unmittelbarem Zusammenhang mit Ideologien, die den Vorherrschaftsanspruch bestehender Machtverhältnisse legitimieren.
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similar to tests applied to sex offenders. Put simply, phallometric testing focussed on the applicants’ physical reaction to pornographic material. This pornographic material included heterosexual, gay, lesbian, adolescent and child pornography“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 52; vgl. FRA 2010, 69). Dies ist eine besonders gewaltvolle Kontinuität der direkten Kriminalisierung und Pathologisierung von mehrfachdiskriminierten LSBTQ-Menschen. Die Voraussetzung des Nachweises von Homosexualität oder Trans*Identität durch ‚Tests‘ verletzt verschiedene Menschenrechte: die Menschenwürde, das Recht auf Selbstbestimmung, auf physische und psychische Integrität, auf Privatsphäre, auf Familie und Partnerschaft von Geflüchteten: „No person may be forced to undergo any form of medical or psychological treatment, procedure, testing, or be confined to a medical facility, based on sexual orientation or gender identity. Notwithstanding any classifications to the contrary, a person’s sexual orientation and gender identity are not, in and of themselves, medical conditions and are not to be treated, cured or suppressed“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 49). Diese sexologisch-psychiatrischen Testungen in Asylverfahren wurden durch das EuGH-Urteil vom 2. Dezember 2014 als unvereinbar mit EU-Recht deklariert: „Art. 4 der Richtlinie 2004/83 über Mindestnormen [es dürfen] keine Beweise der Art akzeptieren [werden], dass der betreffende Asylbewerber homosexuelle Handlungen vornimmt, sich ‚Tests‘ zum Nachweis seiner Homosexualität unterzieht oder auch Videoaufnahmen solcher Handlungen vorlegt“ (EuGH 2. Dezember 2014). Über die de facto Auswirkungen dieses wichtigen EuGH-Urteils und seiner Implementierung in die Asylpraxis der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten gibt es bis dato keine aussagekräftige qualitative Forschung. Zu berücksichtigen ist grundlegend, dass die ‚Authentizität‘ und ‚Glaubwürdigkeit‘ von Homosexualität weiterhin in EU-Asylverfahren überprüft wird und nicht definiert wird, was als ‚Test‘ verstanden wird (vgl. FAZ 02.12.2014). Mit dem EuGH-Urteil wurden die gewaltvollsten Formen der psychiatrischen, sexologischen Begutachtungen von Geflüchteten als verfassungswidrig verboten, zum Beispiel solche, die auch bei Ermittlungen von Sexualstraftaten angewandt werden oder das ‚Messen von unterschiedlichen Graden der Homosexualität‘ beinhalten (zum Beispiel in Deutschland) (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 50, 62). Da die Befragung von Geflüchteten zur ‚Verfizierung‘ ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität im EuGH-Urteil als rechtskonforme Praxis bestätigt wurde und diese im Ermessensspielraum der Begutachter*innen der Ausländerbehörden liegt, liegt die Vermutung nahe, dass sowohl implizite heterosexistische und ciszweigeschlechtliche Psychopathologisierungen als auch die psychiatrische Definitionsmacht, die über authentische Identität und Schutzwürdigkeit entscheidet, de facto in EU-Asylverfahren fortbestehen werden. Dies gilt insbesondere für Trans*Geflüchtete, denn EU-weit existiert mit Ausnahme von Malta, Irland, Norwegen, Frankreich, Belgien, Dänemark und Griechenland die rechtlich-
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medizinische Psychopathologisierung von selbstbestimmter Geschlechtsidentität (vgl. TGEU 2018). Zudem besteht generell eine Diskrepanz zwischen EU-Recht und dessen de facto nationalstaatlicher Implementierung in den einzelnen EUMitgliedsstaaten, was eine divergierende Handhabe (in den einzelnen EU-Ländern) vermuten lässt.17 Im Kontext der biopolitischen Begrenzung von Migration und Asyl wird außerdem durch das in der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten gültige Geheimhaltungs- oder Diskretionsgebot Asyl für LSBTQ-Geflüchtete systematisch verweigert. Das Diskretionsgebot gilt zum Beispiel in Österreich, Belgien, Bulgarien, Zypern, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Irland, Malta, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Spanien, Norwegen und in der Schweiz (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 34). Es besagt, dass gefordert werden kann, dass LSBTQ-Menschen ihre sexuelle oder Geschlechtsidentität in ihrem Herkunftsland geheim halten. So kann Asyl verweigert und eine Abschiebung legitimiert werden, auch wenn dies gegen die Neufassung der Asyl-Anerkennungsrichtlinien verstößt: „The asylum authorities of these states often rule that concealment of the applicant’s sexual orientation or gender identity can be reasonably expected in order to prevent persecution“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 8, 33-36; de Silva/Quirling 2005). Auch an dieser Stelle können sich wechselseitig reproduzierende Mechanismen festgestellt werden, die den Zugang zu Asyl normativ erschweren oder verhindern. So knüpft das Diskretionsgebot an die psychiatrisch-sexologisch konstruierte Unterscheidung zwischen ‚schicksalhafter‘, ‚unentrinnbarer‘, ‚triebhafter‘ ‚homosexueller Fixierung‘ einerseits und ‚homosexueller Neigung‘ anderseits an. Weiterführend suggeriert das Diskrektionsgebot im EU-Asylrecht, dass LSBTQGeflüchtete an ihrer Kriminalisierung, Verfolgung und der ihnen widerfahrenen Gewalt bis hin zu Mord(-drohungen) selbst schuld seien, da sie ihre ‚deviante Identität‘ hätten verstecken können: „If this kind of reasoning is taken to its logical conclusion, the claim of virtually every asylum seeker who has had, or attempted, a same-sex relationship in their country of origin, or who has expressed a trans identity, is implausible because of the inherent risk it entailed“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 60, 8). EU-Mitgliedsstaaten, die das Diskretionsgebot praktizieren, reproduzieren und normalisieren mit dieser impliziten Schuldzuweisung damit effektiv die institutionalisierte hetero-cis-zweigeschlechtliche Gewalt (gegen LSBTQ-Menschen) in ihren Herkunftsländern.18
17 Oft wird EU-Recht nicht oder nur teilweise in nationales Recht überführt, insbesondere, wenn keine wirtschaftlichen Sanktionen drohen. 18 Das tun sie auch, indem sie Geflüchtete durch psychiatrische Gutachten zwangspathologisieren und von diesen auf der Basis des Diskretionsgebots fordern, ihre sexuelle und Geschlechtsidentität zu verstecken.
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Staatsgewalt gegen LSBTQ-Geflüchtete sowie biopolitische Migrantionsbegrenzung wird in EU-Asylverfahren zudem dadurch normalisiert und reproduziert, dass Gewalt durch Staatsbeamt*innen oder Verfolgung durch nichtstaatliche Akteur*innen nicht als Asylgrund anerkannt wird, wenn das Herkunftsland offiziell die Kriminalisierung von Homosexualität oder sogenanntem Crossdressing abgeschafft hat. Generell wird in der europäischen Asylpraxis angenommen, dass, sofern keine offiziellen Informationen zur Kriminalisierung, Verfolgung und Bedrohung von LSBTQ-Menschen in einem Land vorliegen, auch keine entsprechende Kriminalisierung und Verfolgung existiert. Darüber hinaus stellt der erforderliche Nachweis von verweigertem Schutz durch staatliche Behörden im Herkunftsland nicht nur eine Reproduktion dieser Gewalt dar, sondern auch eine weitere, nicht erfüllbare normative Zugangsbegrenzung für Asyl: „[...] the failure to seek protection from state authorities has become the most common reason for rejecting refugee claims“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 3, 41-44). Das bedeutet in der Praxis: Geflüchtete müssen nachweisen, dass sie Schutz bei staatlichen Behörden des Herkunftslands gesucht haben, selbst wenn diese ihrerseits LSBTQ-Menschen kriminalisieren und verfolgen: „In ten European states, LGB applicants are required to turn to the authorities for protection even if sexual orientation or gender identity is criminalised in their country of origin“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 8, 21). Die kontinuierliche Gewalt heteronormativer Pathologisierung, Abnormalisierung und indirekter Kriminalisierung in EU-Asylverfahren führt auch dazu, dass viele Geflüchtete aus Angst und Scham bezüglich weiterer Stigmatisierung und Gewalt keinen Asylantrag wegen Verfolgung ihrer sexuellen oder Geschlechtsidentität stellen (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 15). Oder sie tun dies nicht aus Angst davor, bei einer potentiellen Asylverweigerung und nachfolgenden Abschiebung noch massiverer Gewalt im Herkunftsland ausgeliefert zu sein. Der Gewaltkreislauf gegen LSBTQ-Geflüchtete erstärkt sich zudem durch das deutsche dezentrale Heim- und Lagersystem mit seinen außer-städtischen, sogenannten Erstaufnahmeheimen, Asylbewerber*innenheimen und Ausreisezentren (vgl. Schriftliche Anfrage Schatz/Lederer vom 15. Juli 2015). Trans*Geflüchtete, deren Asylverfahren sich oft in jahrelangen Bearbeitungs- und Revisionsschleifen befinden sind aufgrund der zumeist cis-zweigeschlechtlich separierten Zwangsunterbringung und Isolierung in abgelegenen ländlichen Sammelunterkünften (sogenannten Lagern) auch von lebensbedrohlicher körperlicher Gewalt durch das Personal, andere Geflüchtete, sowie Anwohner*innen betroffen. Dies wirkt als Verstärkung von Rassismus, Trans*Feindlichkeit und sexualisierter Gewalt. Auch die Bewegungsfreiheit aller Geflüchteten wird durch die sogenannte Residenzpflicht strafrechtlich-polizeilich massiv eingeschränkt. Für Aufenthalt und Bewegung außerhalb des zugewiesenen Landkreises, zum Beispiel, um in einer größeren Stadt ein Trans*Gruppentreffen, eine Beratungseinrichtung oder eine*n auf
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Trans*Gesundheit spezialisierte*n Ärzt*in aufzusuchen was für viele Trans* Menschen überlebenswichtig ist müssen sie jedes Mal eine Genehmigung beantragen, die oft verweigert wird und mit Schikanen durch Staatsbeamt*innen verbunden ist. Die Missachtung der ‚Residenzpflicht‘ wiederum kann bereits ein ausreichender, rechtlicher Grund für die Ablehnung von Asyl und für eine Abschiebung sein. Darüber hinaus besteht eine konstante Ausweisungs- und Deportationsgefahr, was (Trans*)Geflüchtete in prekäre, auch kriminalisierte und lebensbedrohliche Lebens- und Arbeitsverhältnisse abdrängt. Aufgrund der normativen, intersektionalen Zugangsverwehrung zu staatlicher Trans*Gesundheitsversorgung müssen viele Trans*Menschen ohne deutsche Staatsbürger*innenschaft auch auf den illegalisierten Markt zurückgreifen, um Zugang zu Hormonersatztherapien zu erhalten. Gesundheitsprobleme im Zusammenhang mit dem irregulären Medikamentenmarkt betreffen dabei unter anderem eine stark gesteigerte HIV-Infektionsrate, Komplikationen durch Selbstmedikation und risikoreiche Körpermodifikationsmethoden, zum Beispiel durch medizinisch nicht geeignete Hormon- oder Silikonsubstitute oder nicht-sterile Spritzen, die auch zum vorzeitigen Tod führen können (Kapitel 6.3). Zwischenfazit Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass angesichts der Diskrepanz zwischen de jure und de facto Asylrecht und seiner unterschiedlichen Anwendung in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten LSBTQ-Geflüchteten in der EU nur in seltenen Fällen Schutz vor Verfolgung gewährt wird (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 7981). Die EU-Mitgliedsstaaten operieren dabei mit mannigfaltigen Kriterien, die den Zugang zu Asyl für LSBTQ-Geflüchtete normativ verhindern: „However, others [Member States] require not only that homosexuality is an offence, but also that it carries a serious punishment. Secondly, some Member States require the asylum seeker to show that the risk of persecution is real by proving that they have been open about their sexual orientation or gender identity. Thirdly, some Member States operate a ‚fast track‘ procedure (with more limited opportunities to defend one’s case) for asylum seekers coming from ‚safe countries of origin‘, which can include countries that criminalise homosexuality (Jansen/Spijkerboer 2011, 21).
Die Verweigerung von Asyl in EU-Mitgliedsstaaten für verfolgte LSBTQMenschen beruht trotz der offiziellen, internationalen Depathologisierung von Homosexualität insbesondere auf tradierten, direkten und indirekten Psychopathologisierungen: „Fourthly, asylum procedures in some Member States require
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proof of sexual orientation in such a way that may be painful or distressing“ (FRA 2010/2011, 34). Die Psychopathologisierung kann als Instrument biopolitischer Bevölkerungsregulierung im Zusammenhang mit restriktiven europäischen Grenzregimen verstanden werden, da auf deren Grundlage Asyl normativ verweigert wird. Durch Zwangsbegutachtungen und das Diskretionsgebot wird zudem Gewalt gegen LSBTQ-Menschen, die sie in den Herkunftsländern erfahren in EUAsylverfahren indirekt normalisiert und reproduziert. In diesem Zusammenhang stellt das EuGH-Urteil vom Dezember 2014 (EuGH 2. Dezember 2014) eine längst überfällige Reform des Asylrechts dar. Ob damit jedoch auch die uneingeschränkte de facto Depathologisierung von LSBTQ-Geflüchteten in EU-Asylverfahren einhergeht, ist fraglich insbesondere aufgrund der im Urteil bestätigten Befragung zur sexuellen und geschlechtlichen Identität und der weiterhin legalisierten und institutionalisierten Psychopathologisierung von Trans*Menschen in der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten (Kapitel 4-5). 7.2.2 Verstärkte Gewaltexponierung von abgelehnten LSBTQ-Geflüchteten Das Verweigern von Asyl und die legalisierte Deportation von LSBTQ-Menschen in als sicher deklarierte Herkunftsländer und Drittstaaten endet oft mit massiver Repression und Kriminalisierung, Gewalt, Verfolgung und teilweise auch tödlich in Form von (Selbst-)Mord, körperlicher Gewalt oder Todesstrafe (vgl. CoE 2011; Jansen/Spijkerboer 2011, 7, 8; LesMigraS 2012, 38). Bemerkenswerterweise wird die erzwungene Deportation von cis-schwulen, cis-lesbischen oder cis-bisexuellen Geflüchteten in ein Land, dass Homosexualität offiziell kriminalisiert und mit der Todesstrafe bestraft vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, nicht als Verletzung des Artikel 8 des „Recht[s] auf Achtung des Privat- und Familienlebens“ der Europäischen Menschenrechtskonvention (2010) betrachtet: „[...] the removal of an LGB person to a country that criminalises same-sex sexual acts i. c. Iran) does not violate Article 8 ECHR“ (Jansen/Spijkerboer 2011, 22). Die legalisierte Abschiebung von Geflüchteten in unsichere Herkunftsländer und Drittstaaten macht Widersprüche auf der rechtlichen Ebene konkret im europäischen Asylrecht deutlich. Auch wird ersichtlich, dass die EU-Asylpolitik im Sinne individueller Auslegung verstanden und umgesetzt wird, selbst, wenn damit die Richtlinien des EU-Rechts und die Standards internationaler Menschenrechte verletzt werden (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 7-13). Das juristisch durch den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gestützte Verwehren von Asyl, die Internierung und Deportation von LSBTQ-Geflüchteten, die aus Herkunftsländern migrieren, die Homosexualität oder Trans*Identität direkt oder indirekt mit Todesstrafe, Folter oder anderen Formen der Verfolgung und lebensbe-
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drohlicher Gewalt bestrafen, stellt eine besonders gravierende Kontinuität von Menschenrechtsverletzungen in der EU-Asylpraxis dar. Diese können nicht getrennt vom Kontext der europäischen Migrationsabwehr und Grenzsicherung betrachtet werden. Im Kontext der biopolitischen und europäisch vereinheitlichten Asyl- und Migrationsbekämpfung wird zunehmend auch die Zwangsumsiedlung abgelehnter LSBTQ-Geflüchteten in andere Regionen oder größere Städte des Herkunftslands angeordnet. Das gleiche gilt für die versuchte Zwangsumsiedlung in als ‚sicher‘ deklarierte Nachbarländer des Herkunftslands, selbst, wenn der*die Geflüchtete über keinerlei Verwandtschaft, Verbindungen, Kontakte in dieser Region verfügt und die entsprechende Sprache nicht spricht (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 41-44). Ein Beispiel aus der deutschen Asylpolitik dafür ist die versuchte Deportation des cis-schwulen Geflüchteten Rodrigue K. nach Kamerun, wo Homosexualität mit Gefängnis bestraft wird. Obwohl sich der Geflüchtete zwischenzeitlich in einer rechtlich anerkannten, homosexuellen Partnerschaft mit einem deutschen CisMann befand, versuchten die deutschen Ausländerbehörden, ihn abzuschieben. 19 Nachdem seine Homosexualität offiziell anerkannt werden musste und eine Abschiebung nach Kamerun von seinen Anwält*innen aufgrund drohender Verfolgung und eventueller Folter angefochten wurde, wurde der Versuch unternommen, ihn in einen benachbarten ‚sicheren Drittstaat‘ ein Nachbarland von Kamerun abzuschieben, wohin er keinerlei Verbindungen hatte. Geflüchtete, deren Asylgesuch abgelehnt wurde und die nicht direkt abgeschoben werden können, werden oft für unbegrenzte Zeit in Isolationshaft in EUAbschiebelagern und -gefängnissen festgehalten und immobilisiert (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 78). Dort sind besonders LSBTQ-Geflüchtete oft körperlicher, teilweise lebensbedrohlicher und sexualisierter Gewalt ausgesetzt, sowohl durch andere inhaftierte Geflüchtete als auch durch das Personal (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 11, 77-78). In Erwägung gezogen wird deshalb, spezielle Trakte für LSBTQ-Geflüchtete in Abschiebehaftanstalten einzurichten, was Jansen und Spijkerboer begrüßen (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 78). Dies wurde EU-weit zum Beispiel in Mailand, Italien, umgesetzt. Durch spezielle Trakte für LSBTQ-Geflüchtete in Abschiebehaftanstalten soll die Gewalt gegen sie reduziert werden. Ob die separate Internierung von LSBTQ-Geflüchteten auf unbegrenzte Zeit die körperliche (sexualisierte) Gewalt tatsächlich verhindert beziehungsweise reduziert, ist jedoch nicht bestätigt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Trans*Personen. Die US-amerikanische Forschung deutet darauf hin, dass das Gefängnispersonal zu den Haupttäter*innen von (sexualisierter) Gewalt gegen 19 https://www.openpetition.de/petition/online/aufenthaltsrecht-fuer-rodrigue-k 22.07.2018)
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inhaftierte Trans*Menschen (of Color) zählt und dass diese Gewalt sich bei Isolationshaft verschärft (vgl. Stanley/Smith 2011; Lee 2003). Vor diesem Hintergrund ist kritisch zu fragen, vor wessen Gewalt abgewiesene LSBTQ-Geflüchtete durch die Separierung in spezifische Gefängnistrakte geschützt werden sollen und können und welche Gewalt systematisch und sanktionslos fortbestehen kann. Die Schönheitskorrektur überlagert zudem, dass Geflüchteten in der EU Gewaltschutz durch Asyl systematisch verweigert wird. Gemäß einer neoliberalen und biopolitischen Teile-und-Herrsche-Logik wird durch Differenzierungspraktiken vielmehr eine effiziente Regulierung, Begrenzung und Kontrolle von Migration ermöglicht und das europäische Internierungs-, Asylverwehrungs- und Deportationssystem ausgeweitet und legitimiert. Dabei wird ein fundamental gewaltvolles Grenzregime sowie Lager- und Deportationssystem bestätigt, das weniger dem Ziel folgt, internationale Menschenrechte auf Schutz und Asyl nachzukommen, sondern vielmehr, die EU-Außengrenzen und den Wohlstand in Zentraleuropa zu sichern. Notwendige Veränderungen des Asylsystems zur Einhaltung der Menschenrechte Die Diskrepanz zwischen dem de jure Asylrecht in der EU und der faktischen Asylverwehrungspraxis verdeutlicht die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen in der Asylpolitik. Generell bedarf es der faktischen Umsetzung des de jure Menschenrechts auf Schutz vor Verfolgung für alle Geflüchteten in EUAsylverfahren durch ein de facto praktiziertes und faires Asylverfahren. Zentral für verbesserte Chancen auf Asyl für LSBTQ-Geflüchtete ist die uneingeschränkte Abschaffung der doppelten Beweislastpflicht und der Psychopathologisierung und -begutachtung sowie des Diskretionsgebots (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 79-81). Insbesondere die Unterscheidungen zwischen einerseits ‚authentischen‘, ‚bedürftigen‘ Geflüchteten, und andererseits ‚nicht authentischen‘ Geflüchteten deren Homosexualität oder Trans*Identität als wahlweise vorgetäuscht oder in Verbindung mit dem Diskretionsgebot versteckbar und unterdrückbar gilt, muss beendet werden. Diese Unterscheidungen stellen eine gewaltvolle Kontinuität der psychiatrischen Begutachtung, Pathologisierung und Kriminalisierung von LSBTQMenschen dar, und reproduzieren sowie normalisieren die Gewalt gegen sie im Herkunftsland. Auch der geforderte Nachweis von ‚exzessiver Gewalt und Verfolgung‘ und von ersuchtem Schutz bei Staatsbehörden im jeweiligen Herkunftsland auch in jenen, die Homosexualität kriminalisieren muss angesichts der lebensbedrohlichen Umstände, sowie direkter und indirekter Verfolgungspraktiken abgeschafft werden. Darüber hinaus ist die uneingeschränkte Anerkennung von sowohl nichtstaatlicher als auch staatlicher Gewalt (das heißt durch Polizei, Militär und Staats-
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behörden) notwendig, unabhängig davon, ob die entsprechenden Länder Homosexualität oder Trans*Identität offiziell kriminalisieren (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 79-81). Auch die Deportation von LSBTQ-Geflüchteten in Länder, die Homosexualität oder Trans*Identität direkt oder indirekt kriminalisieren und von der EU als ‚sichere‘ Herkunfts- oder Drittländer deklariert werden, muss umgehend beendet werden. Dasselbe gilt für Zwangsumsiedlungen in Nachbarländer des Herkunftslandes (vgl. Jansen/Spijkerboer 2011, 79-81). Darüber hinaus muss das Informationsdefizit hinsichtlich der (rechtlichen) Situation, Verfolgung und Gewalt gegen Trans*Menschen behoben werden. Dies könnte erfolgen durch asylrechtlich anerkannte Berichte, Studien und Presserklärungen von internationalen und national-lokalen Trans*Organisationen sowie Menschenrechts-NGOs, die nicht nur die normative Gesetzeslage, sondern auch die de facto ausgeübte Gewalt gegen Trans*Menschen in ihren Herkunftsländern analysieren.20 Einige weitere Dimensionen müssen im Hinblick auf Trans*Geflüchtete beachtet und verändert werden. So werden sie oft als Homosexuelle ‚falsch gelesen‘ und sind deshalb auch von rechtlichen Kriminalisierungen und Verfolgungen von Homosexuellen betroffen. Umgekehrt heißt das jedoch nicht, dass mit der Abschaffung der Homosexuellen-Verfolgung auch die Entkriminalisierung von Trans*Menschen einhergeht. Letztere sind aufgrund der cis-zweigeschlechtlichen Verwerfung, Pathologisierung und damit verbundener Ausschlüsse (Kapitel 3-6) von unmittelbarer und mittelbarer strafrechtlicher Kriminalisierung betroffen.21 Dies erfordert auch die asylrechtliche Anerkennung der Verfolgung wegen Sexarbeit (Kapitel 7.2, 10.2), denn diese stellt (aufgrund der normativen und intersektional verstärkten Ausschlüsse vom legalen und rechtlich abgesicherten Arbeitsmarkt) weltweit eine der wenigen ökonomischen Überlebensmöglichkeiten, insbe-
20 Auch der in vielen Staaten bestehende Sterilisierungszwang, die Nichtexistenz von
Vornamens- und Personenstandsänderung oder eine dafür geforderte Psychopathologisierung, sowie die mangelnde sozialstaatliche Trans*Gesundheitsversorgung in Verbindung mit dem normativen und intersektionalen, gesamtgesellschaftlich-staatlichen Ausschluss von Trans*Menschen muss in Asylverfahren Berücksichtigung finden. Jedoch existieren diese normativen und intersektionalen Ausschlüsse auch in Deutschland und Europa und konnten durch Antidiskriminierungsgesetze bis dato partiell, jedoch unzureichend bekämpft werden. 21 Diese Kriminalisierungen betreffen maßgeblich Anti-Sexarbeits-Gesetze, sowie strafrechtliche Vorwürfe des ‚Identitätsbetrugs‘ im Kontexdes Kriegs gegen Drogen, irreguläre Migration und Terror.
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sondere für staatlich-familiär verworfene, arme Trans*Menschen (of Color) dar (Kapitel 7.2, 10.2).22
22 Gleichzeitig werden insbesondere Trans*Frauen of Color, sowie Migrant*innen of Color häufig als Sexarbeiter*innen stigmatisiert und sind folglich von Kriminalisierung, Verfolgung und staatlicher Gewalt betroffen, unabhängig davon, ob sie Sexarbeit praktizieren oder nicht.
Teil III Gewaltbekämpfung durch Recht
8
Antidiskriminierungsgesetze und normative Diskriminierungen von Trans*Menschen
In diesem Teil werden Antidiskriminierungsgesetze hinsichtlich ihrer Möglichkeiten erörtert, Diskriminierungen gegen Trans*Menschen zu reduzieren. Da bis dato keine europäischen und deutschen Studien zur de facto Effektivität von Antidiskriminierungsgesetzen im Hinblick auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Trans*Menschen vorhanden sind, kann nur der normative Rahmen beleuchtet werden, sowie dessen wahrscheinliche Effekte und Begrenzungen. Ergänzend wird US-amerikanische Forschungsliteratur hinzugezogen zu den Effekten und Nebeneffekten von Antidiskriminierungsgesetzen auf die Lebensrealitäten von Trans* Menschen. Ziel ist es, auf Forschungslücken hinzuweisen und auch dazu beizutragen, dass Antidiskriminierungsgesetze und -politiken in Zukunft mehr positive Auswirkungen auf die Lebenssituationen von möglichst vielen Trans*Menschen haben. Für die Beurteilung der Effektivität von Antidiskriminierungsgesetzen ist zum einen die Frage elementar, wie Diskriminierungen definiert werden, was als Diskriminierung gerichtlich anerkannt und welche Diskriminierungen verworfen werden. Zum anderen ist für die Wirksamkeit entscheidend, welche Trans*Menschen Zugang zu Antidiskriminierungsgesetzen, -institutionen und -ressourcen haben und welchen de facto Antidiskriminierungsschutz aufgrund normativer und intersektionaler Normen verwehrt wird. Rechtsreformen durch Antidiskriminierungsgesetze oder durch das Deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eröffnen die Möglichkeit, gegen die Benachteiligung von diskriminierten oder ausgeschlossen Personengruppen zu klagen und dadurch ihre gesellschaftliche Teilhabe zu verbessern. Im rechtlichen Sinne wird Diskriminierung als kategoriale Benachtei-
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ligung1 von Menschen oder Personengruppen definiert, welche sich auf ein tatsächliches oder angenommenes Identitätsmerkmal bezieht. Als kategoriale Benachteiligungen werden im deutschen AGG Geschlecht, ‚Rasse‘, ‚ethnische‘ oder religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Identität, Behinderung(en) und Alter aufgeführt.2 Antidiskriminierungsgesetze und das Deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) basieren auf einem normativen Verständnis von Recht. Gesetze stellen hier Sollensgebote dar, die vorgeben, nach welchen Grundsätzen eine Gesellschaft leben beziehungsweise funktionieren soll. Die Institutionalisierung von Antidiskriminierungsgesetzen folgt der Intention, eine möglicherweise diskriminierend handelnde Person von ihrer Handlung abzuhalten durch die Aussage, dass die Diskriminierung gesetzlich-gesellschaftlich nicht toleriert und eventuell strafrechtlich verfolgt wird. Obwohl Diskriminierungen von Trans*Menschen im AGG nicht mitgedacht werden, versuchen Aktivist*innen und Anwält*innen unterschiedliche Kategorien im AGG zu nutzen, um auf Diskriminierungen hinzuweisen.3 Wie und unter welchen Kategorien Trans*Menschen in Antidiskriminierungsgesetzen de jure eingeschlossen werden sollen und warum die bestehende Rechtslage sie de facto jedoch oft von Gleichbehandlung ausschließt wird im Folgenden erläutert. Dabei werden zu Beginn die Diskriminierungskategorien ‚Geschlecht‘ und ‚sexuelle Orientierung‘ untersucht und auf dieser Grundlage begründet, dass es der Anerkennung der eigenständigen Antidiskriminierungskategorie ‚Geschlechtsidentität‘ und ihrer de facto Anwendung und Umsetzung in die nationalstaatliche Rechtspraxis bedarf.
8.1 DIE DISKRIMINIERUNGSKATEGORIEN ‚GESCHLECHT‘ SOWIE ‚SEXUELLE IDENTITÄT‘ Die Diskriminierungskategorie ‚Geschlecht‘ steht im Kontext des strukturellen und vormals auch gesetzlich-normativen Ausschlusses von Cis-Frauen. Historisch wurden Cis-Frauen in Deutschland bis zur Ersten Frauenbewegung und dem durch die Suffragetten 1918 erfolgreich erkämpften Wahlrecht von politischer Partizipa1
Die Bezeichnung kategoriale Benachteiligung weist darauf hin, dass Diskriminierungen berücksichtigt werden sollen, die gegen eine bestimmte Personengruppe – und damit nicht nur gegen eine individuelle Privatperson sondern ein (imaginiertes) Kollektiv – gerichtet sind, der ein spezifisches Identitätsmerkmal zugeschrieben wird.
2
„Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ (AGG 2006).
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Dank für Feedback und Austausch zu diesem Kapitel geht an Eliah Luethi und Marek Sancho Hoehne.
Antidiskriminierungsgesetze und normative Diskriminierungen | 167
tion, sowie akademischer Bildung und dadurch von der Ausübung vieler Berufen ausgeschlossen. Mit der Aufnahme der Diskriminierungskategorie ‚Geschlecht‘ in das Deutsche Allgemein Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll insbesondere auf Arbeitsmarktdiskriminierungen von Cis-Frauen im Vergleich mit Cis-Männern reagiert werden, maßgeblich, was die ungleiche Verteilung von Führungstätigkeiten und die ungleiche Bezahlung für die gleiche Arbeit anbelangt (vgl. HagemannWhite 2002, 29, 126 ff). Dieser de jure bestehende Antidiskriminierungsschutz von Cis-Frauen wurde in der de facto Rechtspraxis in Deutschland bis jetzt nur begrenzt realisiert. Das liegt daran, dass die Klagen und Urteile häufig, je nachdem, auf welcher rechtlichen Ebene sie angesiedelt sind, sehr spezifisch nur für einzelne Arbeitsbereiche gelten. In Verbindung mit der neutralisierten Darstellung von Diskriminierungskategorien resultiert dies in eine begrenzte Effektivität von Antidiskriminierungsgesetzen (vgl. Whitlock 2001,19). Dies gilt auch für Diskriminierungen unter Frauen. Das AGG reproduziert durch die neutralisierte und naturalisierte Diskriminierungskategorie ‚Geschlecht‘ beziehungsweise ‚Frau‘ den Ausschluss von Trans*Frauen/Weiblichkeiten, da damit implizit lediglich die Gleichstellung von Cis-Frauen und Cis-Männern gemeint ist. Cis-zweigeschlechtliche Diskriminierungen von Trans*Frauen/Weiblichkeiten, sowie generell von Trans*Menschen und Inter*(geschlechtlichen) Personen welche normativ institutionalisiert sind und etwa das Ausbildungs- und Arbeitswesen betreffen (Kapitel 6) werden durch die existierende AGGDiskriminierungskategorie ‚Geschlecht‘ und bestehende Anlaufstellen für Chancengleichheit de facto nicht berücksichtigt (vgl. Franzen/Sauer 2010; Adamietz 2011). Wenn Cis-Zweigeschlechtlichkeit eine Voraussetzung ist, um auf der Grundlage des AGG gegen Diskriminierung klagen zu können, stellt sich die Frage, ob das AGG selbst normativ diskriminierend und ausschließend gegenüber Trans*Menschen, sowie Inter*(geschlechtlichen) Personen ist. Gleichzeitig ist auch die Diskriminierungskategorie ‚sexuelle Identität‘ ineffektiv, um normative cis-zweigeschlechtliche Diskriminierungen zu bekämpfen.4
4
Die weit verbreitete Subsumption von Trans*Menschen unter die Diskriminierungskategorie ‚sexuelle Orientierung‘ reproduziert eine vorherrschende Fehlkonzeption von Trans*Identität als eine Variation von nicht-heteronormativer Sexualität (Kapitel 2.1). Jedoch geht es bei Trans*Menschen um Diskriminierungen aufgrund von Geschlecht und Geschlechtsidentität, wohingegen Cis-Homosexuelle normativ aufgrund von Sexualität und sexueller Identität diskriminiert werden. Grundlegend ist es hierbei wichtig, zwischen der Diskriminierung von Cis-Homosexuellen einerseits und der Diskriminierung von Trans*Menschen andererseits zu differenzieren. Die normative Identitätsverweigerung und Pathologisierung, sowie die institutionalisierten Ausschlüsse von Trans*Menschen in cis-zweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsordnungen sind
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Zwar haben 26 EU-Mitgliedsstaaten Gesetzgebungen implementiert, die auf Grundlage der Diskriminierungskategorie ‚sexuelle Identität‘ auch Diskriminierungen von Trans*Menschen im Arbeitsleben indirekt einschließen sollen (vgl. FRA 2010/2011, 21, 26; TGEU 2017; Whittle et al. 2008, 17), jedoch wird nicht ausgeführt, wie dies umgesetzt werden sollen (vgl. EC 2011, 32, 47-49; TGEU/ILGA 2011, 21-23). Ein Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2011 zu Diskriminierungen aufgrund von Geschlechtsidentität (EC 2011) bestätigt die mangelnde Effektivität dieser Regelung. Im bestehenden Europäischen Antidiskriminierungsrecht zu ‚sexueller Orientierung‘ sind Diskriminierungen von Trans*Menschen de facto nicht inkludiert (vgl. EC 2011, 82). Wenn Diskriminierungen von Trans*Menschen weder unter die Antidiskriminierungskategorie ‚Geschlecht‘, noch unter ‚sexuelle Orientierung‘ subsumiert werden können, da beide cis-zweigeschlechtliche Subjektnormen und normative Gewalt reproduzieren, müssen die eigenständigen Diskriminierungskategorien ‚Geschlechtsidentität‘ und ‚Geschlechtsausdruck‘ (‚gender identity‘ oder ‚gender expression‘) aufgenommen werden. Nur so können die Diskriminierungen von Trans*Menschen explizit sowohl auf der de jure als auch auf der de facto Ebene berücksichtigt werden. Dies gilt sowohl für EU-Recht als auch für das deutsche AGG und dessen Implementierung durch Antidiskriminierungsmaßnahmen. Eine explizite Erwähnung von Diskriminierungen unter der Kategorie ‚Geschlechtsidentität‘ stellt EU-weit die Ausnahme dar, was in unzureichendem Antidiskriminierungsschutz für Trans*Menschen resultiert: „The mapping also indicates that ‚gender identity‘ is rarely explicitly acknowledged as a ground of discrimination“ (Balzer/Hutta 2012, 23, 94-97; EC 2011, 32). Folglich existiert aktuell eine Diskrepanz sowohl auf EU-Ebene, als auch auf deutscher Ebene zwischen dem de jure bestehenden Antidiskriminierungsanspruch von Trans*Menschen und der de facto sehr begrenzten Effektivität bestehender Vorkehrungen.
8.2 BEGRENZTE EFFEKTIVITÄT VON ANTIDISKRIMINIERUNGSGESETZEN IN DER EU Eine grundsätzliche Frage ist auch, ob und wie Trans*Identität nachgewiesen werden muss, um Schutz vor Diskriminierung aufgrund von ‚Geschlechtsidentität‘ einklagen zu können. Laut einem Bericht der Europäischen Kommission von 2011 soll in allen EU-Mitgliedsstaaten ein de jure Zugang zu Antidiskriminierungsgesetzen gelten, unabhängig von einer erfolgten Vornamens- und Personenstandsänderung (vgl. EC 2011, 32). Jedoch hatten im Jahr 2015 in den vier EUnicht vergleichbar mit der Diskriminierung von Cis-Homosexuellen und lassen sich nicht unter ‚sexuelle Orientierung‘ fassen (Kapitel 3 und 4).
Antidiskriminierungsgesetze und normative Diskriminierungen | 169
Mitgliedsstaaten Frankreich, Belgien, Norwegen und England nur jene Trans* Menschen, die durch die Vornamens- und Personenstandsänderung staatlich als ‚Transsexuelle‘ anerkannt wurden, Zugang zu Antidiskriminierungsgesetzen und ressourcen. Die staatliche Anerkennung als ‚transsexuell‘ war wiederrum zum einen an die medizinisch-psychiatrische Pathologisierung durch die ICD-10 Diagnosen ‚Geschlechtsidentitätsstörung‘ gekoppelt, zum anderen bis zu den jüngsten Gesetzesreformen (in Frankreich und Norwegen im Jahr 2016 und in Belgien im Jahr 2017) an eine Zwangssterilisierung. Daraus folgt, dass sich Trans*Menschen, um in den oben benannten Ländern eine zwischenmenschliche Diskriminierung gerichtlich anfechten zu können, nicht nur zweigeschlechtlich reintegrieren, sondern auch zwangsweise als psychisch krank pathologisieren und sterilisieren lassen mussten.5 An dieser Stelle wird die gewaltvolle Kontinuität direkter, normativer und legalisierter cis-zweigeschlechtlicher Staatsgewalt und Biopolitik besonders deutlich. Denn die invasiv-körperliche Zwangssterilisierung, welche im Jahr 2018 in 14 Ländern Europas (sieben davon EU-Mitgliedsstaaten) legales Zugangskriterium zur rechtlichen Personenstandsänderung darstellt (vgl. TGEU 2018b), wurde in besagten Ländern indirekt auch durch das Antidiskriminierungsgesetz reproduziert. Dies zeigt nicht nur die begrenzte Effektivität von Antidiskriminierungsgesetzen, was die Bekämpfung cis-zweigeschlechtlicher normativer Diskriminierungen und Gewalt gegen Trans*Menschen anbelangt, sondern auch rechtliche Paradoxien dahingehend, wie sich Recht und Gewalt wechselseitig reproduzieren. Antidiskriminierungsgesetze, die Trans*Menschen durch Prävention und Sanktion vor Diskriminierung schützen sollen, können demnach selbst fundamental diskriminierend sein. Neben solchen expliziten Ausschlüssen und Regulierungen finden sich auch implizite Mechanismen, durch die Trans*Menschen in der EU von de facto Diskriminierungsschutz ausgeschlossen werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Selbstdefinition von Trans*Menschen gerichtlich als ‚nicht ausreichend‘ gewertet wird, um auf dieser Grundlage Diskriminierung einklagen zu können. Dies wäre der Fall, wenn z.B. ein medizinisches oder psychiatrisches Gutachten, die Abwesenheit von Vordiagnosen oder der Nachweise einer Hormontherapie oder von Operationen,6 oder etwa das ‚Outsein‘ am Arbeitsplatz, in der Familie oder 5
Dadurch wird auch in Antidiskriminierungsgesetzen die rechtlich-medizinische Definitionsmacht und damit verbundene normative Gewalt der Verwerfung, Pathologisierung und zweigeschlechtlichen Normalisierung als Grundlage von Staatsbürger*innenschaft und Schutz reproduziert.
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Die EU-Direktiven „Equal Opportunities and Equal Treatment of Men and Women in Matters of Employment and Occupation“ (2006/54/EC) und „Principle of Equal Treatment between Men and Women in the Access to and Supply of Goods and Services“
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‚Zeug*innen-Aussagen‘ notwendig wären, um eine Trans*Identität zu verifizieren. Des Weiteren sind bestehende Antidiskriminierungsgesetze aufgrund ihrer individualisierten und monokategorialen Rahmung inhärent begrenzt, die Lebensbedingungen möglichst vieler, mehrfachdiskriminierter Trans*Menschen zu verbessern. In bestehenden Gesetzen werden Diskriminierungen in der Regel als zwischenmenschliche, personalisierte Diskriminierungen definiert, die von einer individuellen und vorsätzlich diskriminierend handelnden Person (zum Beispiel einer*m Arbeitgeber*in) ausgehen. Dadurch wird ein Verständnis von Diskriminierung als kategoriale und strukturelle Diskriminierung von einer bestimmten, konstruierten Personengruppe geschwächt: „The perpetrator perspective also obscures the historical context of oppression […] This declaration of equality and fairness papers over the inequalities and disparities that continue business as usual and allows them to continue“ (Spade 2009b, 356-361; vgl. Brown 1995, 124; Mananzala/ Spade 2008, 55; Spade 2011, 58, 79-85, 116). Die Individualisierung legt nahe, dass Diskriminierungen losgelöst von dem übergeordneten Kontext institutionalisierter und gesamtgesellschaftlicher Machtverhältnisse betrachtet und bekämpft werden könnten.7 Das in Antidiskriminierungsgesetzen vorherrschende Verständnis von Diskriminierung unterstellt zudem, dass ein*e diskriminierend handelnde Person eine (2004/113/EC) kommen – anknüpfend an ein gemeinsames Statement von Europarat und europäischer Kommission – nur auf die Inklusion und den de jure Schutz von Menschen zu sprechen, die ‚geschlechtsangleichende Operationen‘ wünschen, diese momentan durchlaufen oder durchlaufen haben. Das Problem von sex discrimination wird hier auch auf Trans*Menschen bezogen, jedoch nur jene, die ‚geschlechtsangleichende Operationen‘ vollziehen (vgl. FRA 2010/2011, 21; EC 2011, 33-44, 47-49, 68; Whittle et al. 2008, 17, 27). 7
Wie kategoriale Diskriminierungen abgeschwächt und individualisiert werden, wird mit Verweis auf Antidiskriminierungsgesetze im Kontext von Rassismus deutlich. Wie unter anderem im Kontext der Critical Race Studies hervorgehoben wurde, suggeriert die proklamierte Gleichheit aller vor dem Gesetz und die vermeintliche Neutralität von Identitätskategorien, dass zum Beispiel weiße Menschen auch von rassistischer Gewalt betroffen sein können (vgl. Brown 1995, 124; Spade 2011, 79, 84-85, 116). Dadurch werden Kontinuitäten von institutionalisierten rassistischen Machtverhältnissen durch individualisierte, neutralisierte und dekontextualisierte Rechtsreformen, auch in Form von Antidiskriminierungsgesetzen überlagert und damit legal fortgeführt: „Rights discourse in liberal capitalist culture casts as private potentially political contests about distribution of resources and about relevant parties to decision making. It converts social problems into matters of individualized, dehistoricized inquiry and entitlement, into matters in which there is no harm if there is no agent and no tangibly violated subject“ (Brown 1995, 124; vgl. Spade 2011, 79f., 116).
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Trans*Person vorsätzlich und intentional diskriminiert. Dies muss in Gerichtsprozessen durch gerichtlich anerkannte Beweise belegt werden (vgl. EC 2011, 56-64). Diese Voraussetzung führt dazu, dass selbst bei Diskriminierungen, die einem*r individualisierten Täter*in zugeschrieben werden können diese häufig nicht anerkannt und sanktioniert werden, da kein Nachweis der Bias-Motivation des*der Täter*in erbracht werden kann. Die faktische Nicht-Anerkennung von Diskriminierungen betrifft etwa Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt, zum Beispiel bei der Nicht-Berücksichtigung einer Bewerbung, der Kündigung oder Nicht-Beförderung. In der Regel kann nicht nachgewiesen werden, dass der*die Vorgesetzte beziehungsweise Arbeitgeber*in vorsätzlich diskriminiert und vorurteilsmotiviert gegen eine Trans*Person gehandelt hat (vgl. Spade 2011, 58, 85). Teilweise, je nach Auslegung in der Rechtspraxis reicht allein das Abstreiten des*r Beschuldigten vorsätzlich diskriminierend gehandelt zu haben, um die Diskriminierungsklage einer (Trans*)Person abzuweisen (vgl. Spade 2009b, 356-361; 2011, 58, 85). Durch die Verbindung aus ‚Täter-Perspektive‘ und des geforderten Nachweises von Intentionalität und Bias-Motivation erfolgt eine Individualisierung und Dekontextualisierung von normativ-epistemisch verankerten Diskriminierungen von Trans*Menschen. Dies reduziert wiederrum die Effektivität von Antidiskriminierungsgesetzen stark (vgl. Mananzala/Spade 2008, 55; Spade 2009b, 356-361; 2011, 58, 85). Darüber hinaus sind Antidiskriminierungsgesetze in der EU de jure und/oder de facto monokategorial konzipiert, das heißt, es wird nur eine Diskriminierungskategorie, zum Beispiel ‚Geschlecht‘, ‚Rasse‘, ‚Religion‘ oder ‚Behinderung‘ berücksichtigt: „[...] critics of anti-discrimination law inclusion campaigns argue that the single-vector rhetoric of these campaigns, which focus on being deprived employment or other opportunities ‚just for being trans,‘ erase the systemic exploitation and economic marginalization that produces and maintains a racialized and gendered wealth gap and suggest that ‚but for‘ people being fired ‚just for being trans‘ equal opportunity exists and the economy is fair“ (Spade 2011b, 10; vgl. Whitlock 2001, 18).
Mehrfachdiskriminierungen sollen je nach Antidiskriminierungsgesetz de jure berücksichtigt werden, was zum Beispiel im deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) der Fall ist. Die deutsche Rechtspraxis verweist jedoch darauf, dass intersektionale Diskriminierungen von zum Beispiel queeren, Trans* Menschen of Color de facto oft nicht berücksichtigt werden, auch, weil die Betroffenen oft keinen Zugang zu Antidiskriminierungsressourcen haben (vgl. LesMigraS 2012, 23, 72-135). Dies zwingt mehrfachdiskriminierte Menschen dazu, ihre Identitätsmerkmale und die damit verbundenen Diskriminierungen aufzuspalten
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beziehungsweise sich für eine Identität entscheiden zu müssen 8 und resultiert in einer mangelnde Anerkennung intersektional verstärkter Gewalt (vgl. EC 2011, 65; FRA 2010/2011, 23; LesMigraS 2012, 72-132). Auch NGOs, die zu Antidiskriminierung arbeiten, bieten oft nur sehr begrenzt Unterstützung für mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen an, da auch sie zumeist einem monokategorialen Antidiskriminierungskonzept folgen, das eine Entweder/Oder-Identität reproduziert, anstatt miteinander verbundene und sich verstärkende Diskriminierungsverhältnisse zu berücksichtigen: „Sometimes a person may possess more than one characteristic that places them at a disadvantage relative to the majority population such as their age, race, sex, sexual orientation, (dis)ability. […] Difficulties arise in offering support and legal remedies to victims of multiple discrimination because NGOs tend to revolve around single issues or divide their work on discrimination into distinct grounds. […] As a result, NGOs may not find themselves in a strong position to advise or support victims of multiple discrimination since they are unable to deal with the diversity of situations that may exist“ (FRA 2010/2011, 23; vgl. EC 2011, 65; LesMigraS 2012, 72-132).
Für mehrfachdiskriminiere Trans*Menschen, Geflüchtete und Migrant*innen existiert oft de facto kein Antidiskriminierungsschutz, selbst, wenn dies jeweils de jure nicht immer der Fall ist.9 Darüber hinaus ist im Hinblick auf die mangelnde Effektivität zu berücksichtigen, dass die große Mehrheit der Trans*Menschen in Europa nicht von die Existenz von Antidiskriminierungsgesetzen weiß (vgl. Balzer/Hutta 2012, 96-97). Dieses Informations- und Aufklärungsdefizit erschwert und verhindert oft grundlegend, dass die de jure existierenden (EU-)Antidiskriminierungsrichtlinien in der nationalstaatlichen Rechtspraxis und damit in faktischen Schutz vor Diskriminierung umgesetzt werden, denn dies passiert oft nur, wenn diese eingeklagt werden. Oder Trans*Menschen verfügen nicht über die notwendigen Informationen, sprachlichen und ökonomischen Ressourcen, um Diskriminierungen einklagen zu können. Dies gilt auch für Deutschland (vgl. Fuchs et al. 2012, 76). Da Diskriminierungen von Trans*Menschen in normativ cis-zweigeschlechtlicher Gesetzgebung und Rechtsprechung generell nicht mitgedacht 8
Zum Beispiel, dass sie Diskriminierungen entweder als queere/trans Person oder als Person of Color oder als Mensch mit Behinderungen erfahren haben, was aufgrund der intersektionalen Identitäts- und Gewaltkonstitution jedoch nicht möglich ist (vgl. EC 2011, 65; FRA 2010/2011, 23; LesMigraS 2012, 20-25, 72-117).
9
Europäische Antidiskriminierungspolitiken reproduzieren dabei hegemonial-machtvolle Unterscheidungen und rechtliche Ungleichbehandlungen zwischen Menschen mit Staatsbürger*innenschaft einerseits und jenen ohne Staatsbürger*innenschaft andererseits.
Antidiskriminierungsgesetze und normative Diskriminierungen | 173
werden, ist eine verbesserte Informations-, Beratungs- und Aufklärungsarbeit, die sich direkt an Trans*Menschen und ihre Communities richtet besonders wichtig, damit diese de facto von Antidiskriminierungsvorkehrungen profitieren.
8.3 NOTWENDIGE VERÄNDERUNGEN IN BEZUG AUF ANTIDISKRIMINIERUNG Gegenwärtige Antidiskriminierungsgesetze sind aufgrund ihrer de jure und de facto reproduzierten Zugangsvoraussetzungen, sowie aufgrund ihrer monokategorialen und individualisierten Rahmung bis dato nur sehr begrenzt effektiv, um normativ verankerte und intersektionale Diskriminierungen gegen Trans*Menschen zu bekämpfen (vgl. Greenberg 2002; Spade 2011, 10, 79-85, 116; Whitlock 2001, 18). Die Diskrepanz zwischen dem de jure und dem de facto Diskriminierungsschutz basiert grundlegend auf der mangelnden Anerkennung und Anwendung des eigenständigen Diskriminierungsgrundes ‚Geschlechtsidentität‘. Darüber hinaus werden Diskriminierungen erstens durch das Bias-framing und die Intentionalität als gesellschaftlicher Ausnahmefall individualisiert und dadurch dekontextualisiert und neutralisiert. Normative, staatlich-institutionalisierte Diskriminierungen und Staatsgewalt gegen Trans*Menschen werden unzureichend oder gar nicht thematisiert. Zudem werden zweitens aufgrund der bestehenden monokategorialen Rahmung de jure oder de facto intersektional verstärkte Diskriminierungen gegen mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen nicht ausreichend adressiert (vgl. Aizura 2011a; 2012; Bhanji 2011; 2013; Gan 2007; Hayashis in Currah 2008, 93; Mananzala/Spade 2008, 63; Spade 2009b, 368-371; Spade 2011, 50). Dies bedeutet nicht, dass Antidiskriminierungsgesetze unwichtig oder gänzlich ineffektiv sind. Antidiskriminierungsgesetze wie das AGG können positive Effekte auf die Lebenssituation bestimmter Trans*Menschen haben, sofern diese Verbesserungen eingeklagt und damit in die de facto Rechtspraxis überführt werden. Im Kontext normativer Ausschlüsse von Trans*Menschen wird im TvT-Bericht ein erweitertes Verständnis vorgeschlagen, das neben den geforderten Antidiskriminierungsmaßnahmen bezüglich des Arbeitsmarkts auch einen verbesserten Zugang zur rechtlichen Vornamens- und Personenstandsänderung in den EU-Mitgliedsstaaten beinhaltet (vgl. Balzer/Hutta 2012, 96-97; Köhler/Recher/Ehrt 2013, 10). Dabei betonen die Autor*innen, wie zentral die Anerkennung von Geschlechtsidentität als Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe ist: „Gender Recognition goes beyond being an administrative act: it is essential in order for many trans people to be able to participate in society and live a life of dignity and respect“ (Köhler/Recher/Ehrt 2013, 6; TGEU 2017).
174 | Gender und Biopolitik
In der Europarats-Resolution vom 22.4.2015 wurde hierzu erstmalig beschlossen, dass in den Nationalstaaten ‚schnelle, transparente, zugängliche‘ rechtliche Verfahren zur Anerkennung der selbstbestimmten Geschlechtsidentität eingeführt werden sollen (vgl. TGEU 2015). Auch die Ermöglichung von trans*spezifischer Gesundheitsversorgung, die Depathologisierung von Trans*Menschen sowie eine Dritte Option des Geschlechtseintrags wurden thematisiert, jedoch zu diesen Aspekten keine konkreten Beschlüsse gefasst. Auf der de facto Ebene wurde die Inexistenz gesetzlicher Regelungen als auch die staatlich legitimierte Psychopathologisierung von Trans*Menschen bis dato durch Antidiskriminierungsgesetze jedoch unzureichend effektiv bekämpft oder sanktioniert. Dies gilt auch für das deutsche Transsexuellengesetz. Dieses reproduziert in starkem Maße restriktive Voraussetzungen und Begrenzungen, vor allem durch die geforderte Psychopathologisierung und Zweigeschlechtlichkeit im Rahmen der ICD-Diagnose ‚Transsexualismus‘, sowie in Form weiterer, intersektionaler Zugangsvoraussetzungen (Kapitel 4). Dadurch werden Trans*Menschen insbesondere mehrfachdiskriminierte oft normativ oder de facto von rechtlicher Anerkennung ausgeschlossen (Kapitel 46). Es bedarf deshalb sowohl der Einführung des eigenständigen Diskriminierungsgrunds Geschlechtsidentität als auch der de facto Anerkennung von normativen und intersektionalen Diskriminierungen. Übereinstimmt kommt auch das Positionspapier des Bundesfamilienministeriums zur Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu dem Schluss, dass ein „klarstellendes Diskriminierungsverbot im Hinblick auf geschlechtliche Vielfalt“ eingeführt werden muss, das „Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck und Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale“ umfasst (BMFSFJ 2017a). Zudem müssen „weitreichende[n] Maßnahmen zur Akzeptanzförderung und zum Schutz vor Diskriminierung“ (vgl. BMFSFJ 2017, 4), sowie ein flächendeckendes Beratungs- und Unterstützungsangebot geschaffen werden. Angesichts der thematisierten Diskrepanz zwischen de jure und de facto bei der Überführung von EURecht in die nationalstaatliche Rechtspraxis betone ich, dass die Effektivität von Antidiskriminierungsschutz für Trans*Menschen an ihrer faktischen Umsetzung, sowie der Verbesserung der Lebensbedingungen insbesondere von mehrfachdiskriminierten Trans*Menschen zu messen ist.
9
Transnormativität: Staatliche Inklusion und Exklusion im Neoliberalismus
Wie Trans*Menschen staatlich und gesellschaftlich anerkannt und arbeitsrechtlich eingeschlossen werden, jedoch gleichzeitig weiterhin durch hegemoniale, intersektionale Normen ausgeschlossen und für Gewalt exponiert werden, wird im Folgenden mit Verweis auf die Konzepte Transnormativität (vgl. Aizura 2012; Irving 2012; Snorton/Haritaworn 2013) und Homonormativität (vgl. Duggan 2003) erörtert. Mit dem Konzept Homonormativität wird die Orientierung von westlichinstitutionalisierter (cis-)schwul-lesbischer Politik an vorherrschenden Konzepten von Normalität und die damit verbundene realpolitische Forderung nach staatlicher Anerkennung und gesellschaftlicher Teilhabe kritisch reflektiert (vgl. Bernstein Sycamore 2006; Duggan 2003). Die homonormative Inklusionsagenda bzw. Gay Agenda konnte dabei die partielle, nationalstaatliche Anerkennung und schrittweise rechtsstaatliche Gleichbehandlung von bestimmten Cis-Schwulen und Cis-Lesben erzielen, maßgeblich durch gesellschaftliche Anpassung und neoliberale Herstellung als rechtskonforme, würdige und verdienende Staatsbürger*innen und Arbeitnehmer*innen: „Rights are not understood as the responsibility of the benevolent state; rather, rights are earned through individual’s actively demonstrating their worth. Those who have attained material ,success‘ measured by one’s participation in labor and consumer economies and demonstrate financial, physical, and spiritual fitness prove themselves deserving rights“ (Irving 2012, 157; vgl. Aizura 2012, 134; Bernstein Sycamore 2006; Duggan 2003; Haritaworn 2011a/b; 2012; Petzen 2011; Reddy 2011; Snorton/Haritaworn 2013, 73; Spade 2011; Yilmaz-Günay 2011).
Dies zeigt, dass gesellschaftliche Kämpfe um staatliche Anerkennung und internationale Menschenrechte sehr wohl Effekte und Auswirkungen haben und partielle
176 | Gender und Biopolitik
Verbesserungen erwirken können. Jedoch waren und sind Inklusionen in den Nationalstaat nicht ohne Opfer möglich. Mehrfachdiskriminierte Cis-Schwule und Cis-Lesben, sowie Trans*Menschen standen und stehen dabei nicht auf der Prioritätenliste staatlicher Inklusionsagenden. Der zu zahlende Preis von homonormativer Anerkennung war und ist der Ausschluss von Menschen und Lebensrealitäten, die innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse nicht ‚integrierbar‘ und ‚normalisierbar‘ sind (vgl. Aizura 2012, 134; Irving 2012, 165; LesMigraS 2012, 72-132; Mananzala/Spade 2008, 59; Snorton/Haritaworn 2013, 73; Spade 2009b, 358; Stanley/Spade/Queer(In)Justice 2010, 117, 126). Mittlerweile ist auch der Diskurs über die staatliche Anerkennung von Trans*Menschen in den USA und Deutschland oft direkt oder indirekt von Normativitätskonstruktionen und Reproduktionen hegemonialer Konzepte von Staatsbürger*innen- und Arbeitnehmer*innenschaft geprägt. Aufgrund des Mangels an kritischen deutschsprachigen Analysen zu diesem Themenkomplex werde ich im Folgenden auf US-amerikanische Untersuchungen und Überlegungen zurückgreifen, die nicht direkt auf Deutschland übertragen und übersetzt werden können, jedoch wichtige Impulse geben und Tendenzen aufzeigen. Wie Irving (2012), Aizura (2012) und Snorton/Haritaworn (2013) argumentieren, wird die Inklusion von Trans*Arbeitnehmer*innen in den USA nicht ausschließlich und primär mit der rechtlichen Gleichbehandlung begründet, sondern strategisch mit Marktargumenten der Produktivität, Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Konkurrenzfähigkeit und damit mit wirtschaftlicher Profitabilität. Neoliberalismus spielt dabei eine besondere Rolle, denn Trans*Arbeitnehmer*innen werden als produktive Mitglieder der Gesellschaft, als flexible Entrepreneure und Geschäftsleute konstruiert, deren Arbeitspotential und Mehrwertproduktion für Staat und Nation durch Arbeitsmarktdiskriminierungen verhindert wird: „[…] the constructions of ,proper‘ transsexual subjects deserving of rights not only in terms of sex and gender non-normativity as a result of the binary system of sex/gender but also in terms of neoliberal logics of hyperexploitation and entrepreneurialism to facilitate an increase in wealth accumulation“ (Irving 2012, 168, 166-169; vgl. Aizura 2012, 134; Snorton/Haritaworn 2013, 73). Der Verdienst von Rechten und Würde als Staatsbürger*innen wird von gesellschaftlich-wirtschaftlicher Konformität, Normativität und Leistungsfähigkeit abgeleitet: „[...] socioeconomic logics of capital inform the ways that trans identities become knowable and legitimized“ (Irving 2012, 154, 156). In diesem Zusammenhang wurde auch das Konzept Transnormativität geprägt, das als partieller Einschluss und Anerkennung bestimmter Trans*Menschen als rechtskonforme Staatsbürger*innen und produktive Arbeitnehmer*innen in die Nation verstanden werden kann: „The right to sex/gender self-determination is paradoxical, because it creates governable subjects. […] They must demonstrate themselves worthy of such recognition from the state and society“ (Irving 2012, 165; vgl. Aizura 2012,
Transnormativität: Staatliche Inklusion und Exklusion im Neoliberalismus | 177
134; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76). Wert ist im Neoliberalismus mit wirtschaftlicher Vermarktbarkeit verbunden und damit inhärent an Nicht-Behinderung1 und an finanzielle und Bildungsmobilität gekoppelt damit indirekt auch an Zweigeschlechtlichkeit und Weißsein: „[...] the biopolitical production of trans subjectivities in this transnational context relies not only on commodication and forms of labour, or on the reproduction of gender norms, or on racialization, but also on simultaneous racialization, gendering and political economy“ (Aizura 2011b, 162; vgl. Aizura 2012, 134; Irving 2012, 154-156, 166-169; Snorton/ Haritaworn 2013, 66-76). Auch in Deutschland werden hegemoniale Subjektnormen als Voraussetzung für staatliche Anerkennung von bestimmten Trans*Menschen durch das Transsexuellengesetz, und für den Zugang zu Trans* Gesundheitsversorgung reproduziert (Kapitel 4-6). Dies gilt auch für den Arbeitsmarkt und den Bildungssektor, welche neben Zweigeschlechtlichkeit auch intersektionale Zugangshürden beinhalten (Kapitel 6). Dabei wird ein Ideal von Trans*Arbeitnehmer*innen geschaffen, als (nach einer Transition) zweigeschlechtlich passende, nicht-behinderte, weiße, gut ausgebildete, ökonomisch mobile und leistungsstark-flexible, sowie oft kinderlose Staatsbürger*innen: „The good transsexual is a flexible, courageous, and physically/mentally and financially fit individual who displays productive potential“ (Irving 2012, 168; vgl. Aizura 2006, 290; Snorton/Haritaworn 2013, 73; Whittle 2009, 6).
9.1 VERDIENTE INKLUSION IN DEUTSCHLAND: (TRANS*)POSTER BOYS Um das Konzept von Transnormativität zu veranschaulichen und auch im deutschen Kontext zu verorten, verweise ich exemplarisch auf die Autobiographie von Balian Buschbaum mit dem Titel Blaue Augen bleiben blau (Buschbaum 2010) und die mediale Berichterstattung dazu. Das Buch und die Geschichte Balian Buschbaums fanden im Gegensatz zu anderer Trans*Literatur relativ große Beachtung in der deutschen (cis-normativen) Mehrheitsgesellschaft.2 Buschbaums Autobiographie kann als Beispiel für eine transnormative und vermarktbare Erfolgsgeschichte eines ehemaligen deutschen Hochleistungssportlers und Trans*Manns 1
Siehe Whittle dazu: „It may well be the case that being bright, articulate and able is an essential requirement to surviving social stigma that still surrounds transsexualism and gives the best chance of being able to continue to earn a living“ (Whittle 2009, 6, eigene Hervorhebung).
2
Zum Beispiel gibt es 164.000 Google-Einträge für die Suche nach „Balian Buschbaum“ und 6.080 Einträge zu Buschbaums Buch Blaue Augen bleiben blau (Buschman 2010), Stand 15. Mai 2018.
178 | Gender und Biopolitik
gelesen werden, der mittlerweile Diversity-Trainer, Autor, Coach und Sporttrainer ist.3 Die Autobiographie verdeutlicht exemplarisch, wie gegenwärtig die Inklusion von bestimmten Trans*Menschen in die deutsche Nation durch ihre Konformität mit zweigeschlechtlichen und intersektionalen Normen von Staatsbürger*innenschaft und (sportlicher) Leistungsfähigkeit verdient wird. Bereits das Buchcover mit der fotographischen Darstellung eines nackten, weißen, nicht-behinderten, männlichen, durchtrainierten, hetero-, homo- und cis(normativ) erotisch-begehrenswerten Körpers bringt Transnormativität visuellästhetisch-erotisch hervor. Trans* wird dabei im Sinne eines westlichen, binären Fortschrittsnarrativs (und ‚Heilung‘) als spuren- und narbenlose und damit makellose Transition von einem Geschlecht in das vermeintliche Gegengeschlecht inszeniert. Dies geschieht durch das Narrativ ‚im falschen Körper‘ geboren worden zu sein, sowie mit der Betonung ‚vollständiger‘ operativer (auch genitaler) Geschlechtsangleichung und ‚eindeutiger Männlichkeit‘. Buschbaum betont im Zusammenhang mit der geschlechtlichen Eindeutigkeit in der TV-Reportage Gender Change aus dem Jahr 2012, wie wichtig qualitativ hochwertige Operationen sind, um möglichst keine Narben und damit Spuren der Transition zu hinterlassen (vgl. TV 14 2012).4 Reproduziert wird damit eine exklusiv binäre Geschlechterlogik und zweifellose Männlichkeit, die in der Reportage insbesondere durch die Präsentation von Buschbaums durchtrainiertem, halbnacktem Körper und seiner sportlichen Leistungsfähigkeit im Schwimmbad hervorgehoben wird. Zusammen mit dem problematischen Buchtitel Blaue Augen bleiben blau mobilisiert und inszeniert das Titelbild hegemoniale, nationalistische Seins- und Schönheitsnormen von weißer, nichtbehinderter, heteronormativer Männlichkeit und der damit verbundenen Vorstellung (sportlicher) Leistung, Normativität und Produktivität. Ähnlich dazu verhält sich die mediale Darstellung von Benjamin Melzer, einem der Finalisten für das Cover des deutschen Men’s Health Magazine aus dem Jahr 2016.5 Für die transnormative Inklusion und Anerkennung wird auch hier ein sportlich-leistungsstarker, durchtrainierter und geschlechtlich eindeutiger, erotischbegehrenswerter Körper in Szene gesetzt (vgl. Men’s Health 2016). In den Videobeiträgen und Berichten zu Benjamin Melzer des Men’s Health Magazines wird 3
http://www.balian-buschbaum.de/angebot.html, (Zugriff 22.07.2018).
4
Auch Buschbaums Ausführungen zu seiner genitalen Geschlechtsangleichung, mit dem Gefühl, danach ‚vollkommen Mann‘ zu sein in Verbindung mit ‚Natürlichkeit‘ und der Inszenierung von Heteronormativität betonen geschlechtliche Eindeutigkeit und Männlichkeit (vgl. TV 14 2012, Minuten 32,40-45,30).
5
Es gibt zum Beispiel 64.600 Google-Einträge für die Suche nach „Benjamin Melzer“ und 6.080 Einträge zu 5.060.000 „men’s health magazine trans man“, Stand 15. Mai 2018.
Transnormativität: Staatliche Inklusion und Exklusion im Neoliberalismus | 179
die eindeutige Männlichkeit ebenfalls betont durch Aussagen zur ‚vollständigen‘ operativen Geschlechtsangleichung, zur Qualität der Operationen für narbenlose Eindeutigkeit, sowie durch Aussagen zu seiner sportlich-körperlichen Leistung und dem Narrativ ‚im falschen Körper‘ geboren zu sein (vgl. Men’s Health 2016). Normativität und neoliberale Vermarktung wird in Melzers Darstellung zusätzlich hervorgehoben durch die Abgrenzung von den „Traurigen Trans*“ (bild.de 2016, Minute 1) so O-Ton Melzer im Videobeitrag von Bild.de, sprich von Trans* Personen, die maßgeblich aufgrund gesellschaftlicher und familiärer NichtAnerkennung der Identität, Verwerfung und Pathologisierung, sowie institutionalisierten Diskriminierungen verstärkt von Depression und Suizidgedanken und versuchen betroffen sind. Generell hat es den Anschein, als wären Diskriminierungen, zum Beispiel das pathologisierende Begutachtungsverfahren, die weit verbreiteten Schwierigkeiten mit der Kostenübernahme von Operationen durch die gesetzlichen Krankenkassen oder Gewalt gegen (andere) Trans*Menschen ein Relikt der Vergangenheit, denn sie tauchen in den Interviews nicht auf. Für die neoliberale Inklusion spielt die Abgrenzung von der hohen Rate an Suizidversuchen und Depressionen eine große Rolle. Es müssen ähnlich zu der ‚it gets better‘-Kampagne (kritisch dazu vgl. Puar 2010; Smith 2012) exzeptionelle Erfolgsgeschichten und ‚happy‘ (post-transitionäre) Trans*Menschen kreiert und idealisiert werden, die ‚es geschafft haben‘ und ‚ganz normal‘ sowie gesellschaftlich integriert sind. So kann von der kontinuierlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Gewalt abgelenkt werden. In Verbindung mit der Einpassung in hegemoniale Schönheitsnormen, Jung-Sein und Heteronormativität (durch eine feste Partnerschaft zu einer (hetero-)normativ-attraktiven blonden Frau) (vgl. Men’s Health 2016) macht dies Melzers neoliberale (Selbst-)Kommodifizierung6 und Erfolgsgeschichte noch perfekter. In Anbetracht der weiterhin bestehenden normativen, sowie intersektional verstärkten Psychopathologisierung und Verwerfung von allen Trans*Menschen sowie ihrem gesamtgesellschaftlichen Ausschluss ist die Betonung von Normalität, Respektabilität, Würde, Fitness und Produktivität durch die (explizite und implizite) Abgrenzung von ‚kranken‘, ‚destruktiven‘, ‚unproduktiven‘, oder ‚unwürdigen‘ und nicht-konformen Anderen für transnormative Inklusionspolitik von besonderer Bedeutung: „All rights strategies require these kinds of deservingness frameworks 6
Melzers Selbstdarstellung, das post-transitonäre outing zu machen, um für andere ein Vorbild und eine Ansprechperson zu sein, während er sich dabei im weißen Größenwahn verliert „der Martin Luther King für Transgender“ (Melzer z. n. Grossek 2016) zu sein, ist mehr als fragwürdig. Auch weil Melzer sich zu einer Ikone stilisiert, die insbesondere für Kinder und Jugendliche, sowie andere Personen, die geschlechtliche Identitätskämpfe führen, ein unerreichbares Ideal kreiert und massiven zweigeschlechtlichen Normativitätsdruck unreflektiert aufrechterhält (vgl. Grossek 2016).
180 | Gender und Biopolitik
and invoke the same logic of sorting the population into those whose lives should be promoted and protected and those who constitute a threat and must be abandoned or caged“ (Stanley/Spade/Queer(In)Justice 2010, 126; vgl. Aizura 2012, 134; Irving 2012, 165; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76). Die Inklusionsgeschichten von bestimmten, normativen Trans*Menschen in die Nation lassen sich mit Verweis auf Ansätze der Critical Disability Studies und deren Analyse der Figur des super-crip (vgl. Mitchell/Snyder 2010, 117) besser verstehen. Darin wird das Verleihen von individueller, nationaler Anerkennung an (weniger) behinderte Hochleistungssportler*innen als self-made man/women aufgrund außergewöhnlicher (sportlicher) kritisch betrachtet (vgl. Mitchell/Snyder 2010, 117). Die Humankapitallogik stellt eine Kommodifizierung und Zelebrierung von exzeptioneller Leistung dar und signalisiert im Sinne des Neoliberalismus ‚alle können es schaffen, wenn sie nur wirklich wollen‘. Andere Menschen mit Behinderungen, die diesen neoliberalen, nationalen Anerkennungsnormen (von Anpassung und Leistung) nicht entsprechen (können oder wollen), werden damit in den Ausnahmenarrativen des ‚super-crip‘ weiterhin ausgeschlossen und teilweise indirekt für ihren Ausschluss und ihre Behinderung durch die Gesellschaft beschuldigt (vgl. Mitchell/Snyder 2010, 117). Auch Buschbaums und Melzers transnormative Erfolgsgeschichten stehen im Zeichen des westlichen Exzeptionalismus und stellen im Vergleich zu anderen Trans*Biographien und Lebensrealitäten die Ausnahme dar. Sie entsprechen nicht den diversen und komplexen Identitäten, Diskriminierungen, Gewalterfahrungen und Lebensrealitäten der meisten Trans* Menschen in Deutschland (vgl. Faerber z. n. Grossek 2016). Die Konstruktion von neoliberal wertvollen und produktiven transnormativen Arbeitskräften und (rechts-)konformen Staatsbürger*innen bedingt jedoch gleichzeitig die Exklusion von Trans*Menschen, die der Logik von Humankapital, neoliberalem Wert und Anpassung nicht entsprechen wollen oder können (vgl. Aizura 2012, 134; Irving 2012, 165; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76; Stanley/Spade/ Queer(In)Justice 2010, 126). Dies gilt zum Beispiel für Trans*Menschen, die aufgrund von geschlechtlicher Nicht-Binarität, Armut7, chronischen Erkrankungen oder Behinderungen, Heterosexismus, sowie Flucht- oder Rassismuserfahrung, Sexarbeit oder Alter nicht als normativ, integrierbar und vermarktbar gelten. Die am stärksten von Gewalt betroffenen Trans*Menschen werden folglich als nichtintegrierbar und nicht konform mit gegenwärtigen Staatsbürger*innen-Normen verworfen, denn an ihnen haften weiterhin die Stigmata von ‚Krankheit‘, ‚Devianz‘, ‚Abnormalität‘ oder wahlweise ‚Kriminalität‘ beziehungsweise ‚Perver7
Die betrifft auch Menschen, denen die Kostenübernahme von der Krankenkasse für gewünschte Operationen zur Geschlechtsvereindeutigung versagt wird und die nicht über ausreichend finanzielle Ressourcen verfügen, diese horrenden Kosten selbst zu tragen.
Transnormativität: Staatliche Inklusion und Exklusion im Neoliberalismus | 181
sion‘: „[...] emerging inclusion and visibility of transgender and gender identity as legal and administrative categories are fraught, often producing ‚targeted insecurities and death‘ for those who are unclassifiable and misclassified“ (Aizura 2012, 136; vgl. Bhanji 2012; Gan 2007; Haritaworn 2008; Irving 2012; Lamble 2009; LesMigraS 2012; Namaste 2000; Snorton/Haritaworn 2013; Spade 2011; Virtulli 2011, 53-68). Transnormativität kann dabei mit Verweis auf Foucaults Biopolitikanalyse als spezifische Form und Resultat von effektiven Selbstregulierungs- und normalisierungspraktiken verstanden werden. Zusätzlich zu intersektionalen Ausschlüssen sind zweigeschlechtlich normalisierende Einschlüsse als „Technologien des Selbst“ (Foucault 1993, 8) besonders effektiv. Die ambivalenten Anerkennungsgeschichten verweisen auch auf die Bedeutung biopolitischer Selbstoptimierung. Zweigeschlechtliche Selbstnormalisierung und damit die Reproduktion der Zweigeschlechtlichkeit als Norm wird nicht nur mit normierend-disziplinierender Gewalt durchgesetzt, sondern komplementär auch mit Anreizen in Form von neoliberaler Anerkennung und Inklusion belohnt. Auch die Rolle von (kapitalistischer) Biomedizin wird für die Aufrechterhaltung der Zweigeschlechtlichkeit und Selbstoptimierung deutlich (durch die Möglichkeit vermeintlich narbenlosen körperlichen ‚Geschlechterwechsels‘). Die staatliche Bevölkerungregulierung beinhaltet eine Gleichzeitigkeit von zweigeschlechtlichen Normierungspraktiken und (Selbst-)Normalisierungspraktiken in Form von normalisierenden Einschlüssen. Gerade die intersektionale Analyse zeigt aber auch, dass Disziplinarpraktiken nicht komplett durch „Technologien des Selbst“ abgelöst wurden, sondern vielmehr gleichzeitige komplementäre Regulierungspraktiken darstellen. Die partiellen, medial inszenierten und transnormativen Inklusionen sind für die neoliberale Staatspolitik äußerst produktiv. Dadurch wird die cis-zweigeschlechtliche Staatsgewalt der Nicht-Anerkennung, Verwerfung, Pathologisierung und institutionalisierten Diskriminierung von Trans*Menschen überlagert und fortgeführt (Kapitel 3-5; vgl. Aizura 2012, 136; Irving 2012, 154-156; LesMigraS 2012, 30-42; Snorton/Haritaworn 2013, 66-67; Virtulli 2011, 53-68). Im Kontext partieller transnormativer Inklusionen und gleichzeitig aufrechterhaltenen Exklusionen bedarf es auch im deutschen Kontext kritischer Analysen zu Tendenzen der neoliberalen Vermarktung, Kommodifizierung und Instrumentalisierung von bestimmten Trans*Menschen in der neoliberalen Wirtschaft und ihrer spezifischen Inklusion als nationale ‚consumer-citizens-subjects‘ (vgl. Aizura 2012, 134; Irving 2012, 165). Hinsichtlich paradoxer, neoliberaler homo- und transnormativer Inklusionspraktiken über ‚Würde‘, ‚Leistung‘ und ‚Rechtskonformität‘ stellt auch der partielle Einschluss von homosexuellen und Trans*Menschen
182 | Gender und Biopolitik
in den Staatsschutz, sprich in Militär8 und Polizei ein in Deutschland sowohl wissenschaftlich, als auch politisch-aktivistisch unzureichend kritisch reflektiertes Thema dar (siehe auch die Beteiligung der Bundeswehr und von Rüstungsunternehmen bei der LSBTQ-Jobmesse Sticks & Stones im Berliner Club Schwuz am 2.6.2018, vgl. rbb 2018). Zu berücksichtigen ist dabei, dass Zweigeschlechtlichkeit als fundamentale und unhinterfragte Norm in Militär und Polizei durch exzeptionelle Trans*Inklusionen nicht grundlegend in Frage gestellt wird. Vielmehr erfordert die Aufweichung der Cis-Zweigeschlechternorm den bereits bestehenden Einschluss einer Trans*Person in eine Institution (vgl. The Guardian 2017; Hecht 2018),9 sowie den Verdienst über Leistung beziehungsweise wie bei Anastasia Biefang durch einen bereits existierenden militärischen Rang (vgl. Eder 2017). Deutlich wird, dass gesellschaftliche und politische Kämpfe um Anerkennung und Menschenrechtsdiskurse durchaus wenngleich paradoxe Effekte haben und zu Veränderungen führen. Der partielle Einschluss geht einher mit gleichzeitig aufrechterhaltenen Ausschlüssen, sowie der Reproduktion bestehender Machtverhältnisse durch ihre Transformation. Vor allem indirekte intersektionale Zugangsnormen zu staatlicher Anerkennung (in Form der Vornamens- und Personenstandsänderung), zu Trans*Gesundheitsversorgung oder zum Arbeitsmarkt wirken sich ungleich subjektivierend oder abjektivierend auf unterschiedlich positionierte Trans*Menschen aus.10 Wie durch Recht und partielle rechtliche Inklusions- und Anerkennungspolitik Gewalt gegen Trans*Menschen bekämpft werden soll, jedoch gleichzeitig reproduziert wird, wird im folgenden Kapitel anhand der kritischen Diskussion von Hasskriminalitätsgesetzen erörtert.
8
Siehe dazu die mediale Berichterstattung über die Offizierin Anastasia Biefang (vgl.
9
Dies zeigt auch Trumps Erlass zu Trans*Soldat*innen im U.S. Militär. Wer bereits drin
FOCUS 2017; Steinlein 2017; WELT 2017). ist darf bleiben, aber keine neuen Trans*Soldat*innen werden zugelassen (vgl. The Guardian 2017). 10 Was die biopolitischen Inklusions- und Exklusionspraktiken, sowie Subjektivierungsund Abjektivierungsprozesse anbelangt, besteht im deutschen und europäischen Raum eine Forschungslücke. Dies gilt auch für den medizinisch-psychiatrischen Bereich im Hinblick auf psychiatrische Zwangsbegutachtungen und mögliche Psychiatrisierungen und im Hinblick auf die Privatisierung von Trans*Gesundheitsversorgung (vor allem von transitionsrelevanten Operationstechnologien).
10 Gesetze gegen ‚homophobe und transphobe Hasskriminalität‘ Proklamationen von Staatsschutz im Kontext gegenwärtiger Sicherheitsdispositive
Auf den vorherigen Teilen aufbauend wird nun diskutiert, wie durch Recht Gewalt bekämpft werden soll, dadurch jedoch gleichzeitig aufrechterhalten wird. Dies geschieht durch die Analyse der Effekte und Nebeneffekte von Hasskriminalitätsgesetzen. ‚Hasskriminalität‘ wird von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) als ein strafrechtlich relevantes Verbrechen definiert, das durch Intoleranz, Hass und Vorurteil gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe motiviert ist (vgl. OSCE 2009, 11-16). Der Unterschied zu anderen strafrechtlichen Tatbeständen liegt in der angenommenen Bias-Motivation des*der Täter*in. ‚Hasskriminalität‘ besteht laut OSCE-Definition aus einem strafrechtlichen Tatbestand, zum Beispiel Einschüchterung, Bedrohung, Eigentumsbeschädigung, Körperverletzung, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigung, Folter oder (versuchte) Tötung in Verbindung mit einem (angenommenen) Bias-Motiv, das die Gewalt motiviert: „Hate crimes are criminal acts motivated by bias or prejudice towards particular groups of people. To be considered a hate crime, the offence must meet two criteria. First, the the act constitutes an offence under criminal law; second, the act must have been motivated by bias“ (OSCE 2018; vgl. Franzen/Sauer 2010, 101; Whittle/Turner/Al-Alami 2007, 22). Die Bias-Motivation von ‚Hasskriminalität‘ ist an geschützte Identitätsmerkmale (protected characteristics) geknüpft, nach denen der*die Täter*in das Gewaltopfer auswählt (vgl. Franzen/Sauer 2010, 101; Whittle/Turner/Al-Alami 2007, 22).1
1
‚Hasskriminalität‘ wird demnach als beabsichtigte und vorsätzlich ausgeübte, biasmotivierte Gewalt definiert. Da viele Gewalttaten durch Hass motiviert sind, grenzt die OSCE-Definition ‚Hasskriminalität‘ ein. Gewalt und Morde werden nur dann rechtlich als ‚Hasskriminalität‘ gewertet, wenn das Gewaltopfer aufgrund seiner (vermeintlichen)
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Solche geschützten Identitätsmerkmale sind nach OSCE-Definition zum Beispiel Geschlecht, ‚Rasse‘, sexuelle Orientierung, ‚ethnische‘ oder religiöse Zugehörigkeit, Sprache, Behinderung oder Alter (vgl. OSCE 2009). Sogenannte homophobe und transphobe Hasskriminalität wird oft als äußerst brutale, insbesondere körperliche und sexualisierte Gewalt beschrieben: „Violence against LGBT persons tends to be especially vicious compared to other biasmotivated crimes […] Homophobic hate crimes and incidents often show a high degree of cruelty and brutality and include beatings, torture, mutilation, castration and sexual assault“ (HRC 2011, 8-9; vgl. Balzer 2009, 149; OSCE 2007, 53). Eine besondere Brutalität wird bei Gewalt gegen Trans*Menschen konstatiert: „[...] trans people are three times more likely to experience a transphobic hate incident or hate crime than lesbians and gay men [are to experience] homophobic hate incidents or crimes“ (Turner/Whittle/Combs 2009, 1; vgl. Balzer/Hutta 2012, 2639, 49-65; CoE 2011, 52; Hammarberg 2009). Diese kann tödlich enden: „They are also very likely to result in death. Transgender people seem to be even more vulnerable within this category“ (OSCE/ODIHR 2007, 53f; vgl. CoE 2011, 52; Hammarberg 2009; Whittle 2000; Whittle et al. 2008, 7). Im Hinblick auf die vorherrschend ausgeschwiegene Gewalt und die Morde an Trans*Menschen ist die zentrale Intention von politischer Lobbyarbeit für Hasskriminalitätsgesetze die strafrechtliche Verfolgung dieser Gewalt. Entsprechend der Logik des Rechtsstaates soll zwischenmenschliche, sogenannte bias-motivierte Gewalt durch ihre strafrechtliche Verfolgung bekämpft, sanktioniert und im besten Fall präventiv2 verhindert werden: „The term transphobic hate crime (or ‚bias crime‘) is used where such violence is seen in the context of existing or demanded forms of law enforcement and criminal justice. The ‚hate crimes‘ concept can, for Verkörperung eines oder mehrerer geschützter Identitätsmerkmale ‚ausgewählt‘ wurde: „Murders, for instance, are often motivated by hatred, but these are not ‚hate crimes‘ unless the victim was chosen because of a protected characteristic“ (OSCE 2009, 17-18). Geschützte Identitätsmerkmale sollen bei Gewaltdelikten rechtlich besondere Beachtung finden (vgl. OSCE 2009, 20). Hasskriminalität‘ bezeichnet demzufolge Straftaten, die durch Vorurteile motiviert sind und sich intentional gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe richten (vgl. OSCE 2009, 20). Aufgrund dessen wird ‚Hasskriminalität‘ auch als ,identity crimes‘ oder symbolische Straftaten bezeichnet, da sie eine Bedrohung für eine größere Community darstellen: „Other members of the targeted group can feel not only at risk of future attack, they may experience the attack as if they were themselves the victim. These effects can be multiplied where a community has historically been victims of discrimination“ (OSCE 2009, 20; vgl. Balzer 2009, 149). 2
Durch ein erhöhtes Strafmaß bei bias-motivierter Gewalt soll ein Abschreckungseffekt erwirkt werden und durch die Androhung von Sanktionen Gewalt verhindert werden (TvT 23.11.2011; Balzer/Hutta 2012, 19).
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instance, form the legal basis for criminal sentences or for the increase of sentences due to the perpetrator’s intent to discriminate“ (Balzer/Hutta 2012, 19, 97). Zudem soll durch die strafrechtliche Verfolgung der Täter*innen bei besonders brutaler, körperlicher Gewalt ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Gewalt gegen Trans*Menschen geschaffen werden: „Hate crime activism can broadly be understood to accomplish two specific goals: 1) increasing public consciousness about violence committed against individual members of subordinated groups, and 2) providing specific legal protection to these subordinated groups. […] Hate crimes activism and legislation have increased public recognition of the unfairness of such treatment and have allowed transgender individuals to be explicitly named with the law in the context of protection from violence“ (Spade/Willse 1999, 39-40; vgl. Spade 2011, 90).
In Europa spielt sich Lobbyarbeit für Gesetze gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ maßgeblich auf EU-Ebene ab. Wichtige Akteur*innen stellen dabei insbesondere ILGA Europe3 und das Transgender Europe (TGEU)4 dar. TGEU ist die größte europäische Trans*Organisation und hat mit den daran angegliederten Projekten Trans Respect versus Transphobia (TvT) und Trans Murder Monitoring (TMM)5 eine wichtige Lobby- und Beratungsfunktion inne im Bereich europäischer Menschenrechte für Trans*Menschen (vgl. Balzer/Hutta 2012, 20-22, 99). Im Zuge ihrer wissenschaftlichen und politischen (Lobby-)Arbeit haben TGEU und TvT eine konstitutive und kausale Verbindung zwischen ‚Transphobie‘-Konzepten und ‚transphober Hasskriminalität‘ geschaffen: „Transphobic hate crimes are motivated by transphobia“ (TvT 23.11.2011; vgl. Balzer/Hutta 2012, 19). Die Gewaltbekämpfung durch Gesetze gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ zielt auf die strafrechtliche Verfolgung und Prävention von Formen der zwischenmenschlichen und körperlichen Gewalt gegen Trans*Menschen ab. Es stellt sich die Frage inwiefern Gesetze gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ im europäischen und deutschen Kontext existieren? Wie steht es um ihre Anwendung? Im März 2010 hat der Europarat eine Resolution gegen Diskriminierung und ‚Hasskriminalität‘ auf der Grundlage von sexueller Orientierung verabschiedet, die
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http://www.ilga-europe.org/what-we-do/our-advocacy-work/hate-crime-hate-speech (Zugriff 22.07.2018).
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http://tgeu.org/tag/hate-crime/ (Zugriff 22.07.2018).
5
Das Trans Respect versus Transphobia Projekt (TvT) und Trans Murder Monitoring Projekt beabsichtigen die systematische Dokumentation, Sammlung und Auswertung von öffentlich gemachten Morden und Gewalt an Trans*Menschen weltweit (Balzer/Hutta 2012, 20).
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auch indirekt Geschlechtsidentität einschließen soll (vgl. EC 2011, 28).6 Damit hat die EU de jure eine Übereinkunft getroffen, ‚Hasskriminalität‘ auch gegen Trans*Menschen indirekt unter der Kategorie ‚sexuelle Orientierung‘ mitzuberücksichtigen (vgl. CoE 2011, 52; Franzen/Sauer 2010, 103; Hammarberg 2012, 13; ILGA 2011). Darin wird ‚Hasskriminalität‘ definiert als: „[...] incitement of hatred, violence or discrimination on grounds of sexual orientation“ (CoE 2011, 52; vgl. FRA 2010, 42-43). Im Jahr 2018 existieren laut ILGA Europe in 26 Ländern Europas Gesetze gegen ‚Hasskriminalität‘ aufgrund von sexueller Orientierung.7 EU-Mitgliedsstaaten sollen prüfen, ob eine Straftat durch Vorurteile in Bezug auf sexuelle Orientierung oder indirekt in Bezug auf Geschlechtsidentität motiviert ist. Wenn die Bias-Intention des*der Täter*innen nachgewiesen werden kann, soll diese Motivation als strafverschärfender Umstand betrachtet werden: „[...] ensure that when determining sanctions, a bias motive related to sexual orientation or gender identity may be taken into account as an aggravating circumstance“ (FRA 2010/2011, 13; vgl. Balzer/Hutta 2012, 19; CoE 2011, 52). Wie die de facto Implementierung und Umsetzung dieses Gesetzes in die nationalstaatliche Rechtspraxis im Hinblick auf die Inklusion von Gewalt gegen Trans*Menschen aussieht, ist jedoch nicht ausgeführt und damit unklar. Spezifische Hasskriminalitätsgesetze, die die Kategorie Geschlechtsidentität/gender identity explizit de jure einschließen, existieren in 13 EU-Mitgliedsstaaten (TGEU 2018). In diesen EU-Ländern sollen entsprechende Straftaten normativ gegebenenfalls stärker bestraft werden, sofern es identifizierbare Täter*innen gibt, denen durch gerichtlich anerkannte Beweise eine intentionale bias-basierte Gewalt nachgewiesen werden kann. Es kann festgehalten werden, dass keine einheitliche Anwendung der EU-Richtlinien durch Gesetze gegen ‚Hasskriminalität‘ existiert.
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Diese Resolution enthält Schutz vor ‚Hasskriminalität‘, geht jedoch darüber hinaus: „[...] covering (a) ‚hate crimes‘ and other hate-motivated incidents and (b) ‚hate speech‘; (ii) freedom of association; (iii) freedom of expression and peaceful assembly; (iv) the right to respect for private and family life; (v) employment; (vi) education; (vii) health; (viii) housing; (ix) sports; (x) the right to seek asylum; (xi) national human rights structures; and (xii) discrimination on multiple grounds“ (EC 2011, 28).
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https://rainbow-europe.org/#0/8693/0 (Zugriff 22.07.2018).
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10.1 EFFEKTE UND NEBENEFFEKTE VON HASSKRIMINALITÄTSGESETZEN IM KONTEXT VON BIOPOLITIK Das Konzept von ‚transphober Hasskriminalität‘ beruht auf der Annahme, dass Gewalt gegen Trans*Menschen maßgeblich oder exklusiv auf der zwischenmenschlichen, personalisierten Ebene und körperlich ausgeübt wird und sich zudem durch ein besonderes Maß an Brutalität auszeichnet. Ausgegangen wird von Einzeltäter*innen, die vorurteils-motiviert, angst- oder hasserfüllt und demnach irrational gewaltvoll gegen eine Trans*Person handeln (Spade 2011, 103). Die damit verbundene ‚Täter*innen-Perspektive‘ (Spade 2011, 79, 84-85, 116), sowie kriminologisch-soziologische Täter*innen- und Ursachenfokussierung wird in der soziologische Gewaltforschung von Trotha als „Soziologie von Tätern ohne Verantwortung“ kritisiert (von Trotha 1997, 9 f., 19).8 Die Kritik an Hasskriminalitätsgesetzen bezieht sich diesbezüglich auf die Individualisierung und Exzeptionalisierung von Gewalt und auf die Reduktion auf besonders brutale, körperliche Gewalt (vgl. Saadat-Lendle 2012, 7-8). Wie ich bereits argumentiert habe, kann zwischenmenschliche Gewalt (Kapitel 2-6) nicht von normativer cis-zweigeschlechtlicher Staatsgewalt losgelöst werden (vgl. Saadat-Lendle 2012, 7). Die rechtlich-medizinische Verwerfung/Abjektion und Pathologisierung bringt zusammen mit den institutionalisierten cis-zweigeschlechtlichen Diskriminierungen in den Bereichen Bildung, Arbeit, Recht, Gesundheit, Sozialwesen und Wohnraum erst die erhöhte Gewaltexponierung von Trans*Menschen hervor (Kapitel 6,7; vgl. Spade 2011). Zwischenmenschliche Gewalt gegen Trans*Menschen ist demnach keine individuelle, irrationale Reaktion von angst- oder hasserfüllten Einzeltäter*innen. Sie stellt eine spezifische, direkte, oft körperliche Form von Gewalt dar, die konstitutiv mit staatlich institutionalisierter cis-zweigeschlechtlicher Gewalt verbunden ist (Kapitel 2.3, 3-6). An dieser Stelle betone ich, dass ich zwischenmenschliche Gewalt und die besondere Brutalität von Gewalt und Morden an Trans*Menschen nicht ignoriere, ausschweige oder als irrelevant erachte. Vielmehr stellt sich mir gerade deshalb die Frage, wie es dazu kommen kann, dass Gewalt in diesem Maße und mit dieser Brutalität nach wie vor möglich ist nach mittlerweile zwei Jahrzehnten Trans* Politik, die sich für die Sichtbarmachung, strafrechtliche Anerkennung und Verfolgung durch Hasskriminalitätsgesetze einsetzt. Ohne eine singuläre oder eindeutige Antwort auf die Frage geben zu können, wie Gewalt effektiv bekämpft und beendet werden kann, zeigt das Fortbestehen von Gewalt und Morden trotz geforder-
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Im Gegensatz dazu betont von Trotha, dass Gewalt nicht den ‚Störfall‘, sondern den ‚Normalfall‘ in Demokratien darstellt (von Trotha 2000, 263).
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ter und teilweise existierender strafrechtlicher Gesetze gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ ,dass es bei Gewalt gegen Trans*Menschen nicht nur um angstoder hassmotivierte, irrational handelnde, besonders brutale Einzeltäter*innen geht. Wenn Staaten parallel zum von ihnen proklamierten Schutz selbst normative Staatsgewalt gegen Trans*Menschen ausüben, resultiert das in eine begrenzte Effektivität von Hasskriminalitätsgesetzen, bias-motivierte, ‚transphobe Einzeltäter*innen‘ strafrechtlich zu verfolgen (vgl. Mananzala/Spade 2008, 55; Spade 2009b, 356-361; Spade 2011, 58, 85). „When hate violence is removed from its broader social and economic context, it is reduced to an aberrant, irrational, and extreme behavior by pathological individuals who fear and hate difference. […] Hate violence also has a particular social function: to sustain and reinforce existing systems of privilege and exclusion. […] We cannot dismantle hate violence without understanding how and why different groups are marginalized, excluded, disenfranchised, exploited, scapegoated, and, ultimately, targeted for violence“ (Whitlock 2001, 41; vgl. Mason 2001, 5).
Zusätzlich zur individualisierten und exzeptionalisierten Darstellung von Gewalt ist auch die monokategoriale und monokausale Konzeption als ‚Transphobie‘ und ‚transphobe Hasskriminalität‘ problematisch. Die Konzeption von ‚transphober Hasskriminalität‘, sowie damit verbundene Lobbyarbeit bezieht sich in der Regel nur auf ein Bias-Motiv oder Identitätsmerkmal, in diesem Fall Geschlechtsidentität, wie folgendes Zitat aus dem Kontext des Transgender Day of Remembrance beispielhaft verdeutlicht: „Although not every person represented during the Day of Remembrance self-identified as transgendered that is, as a transsexual, crossdresser, or otherwise gender-variant each was a victim of violence based on bias against transgendered people“ (TDoR 2007). Es stellt sich die Frage, wie behauptet werden kann, dass alle Menschen aufgrund von ‚transphober Hasskriminalität‘ getötet wurden: „Over the last decade, more than one person per month has died due to transgender-based hate or prejudice, regardless of any other factors in their lives“ (Smith z.n. Lamble 2008, 26, eigene Hervorhebung). Denn internationale Studien belegen, dass die große Mehrheit der registrierten Morde an (migrantischen) Trans*weiblichen Sexarbeiter*innen (of Color) und Trans*Menschen of Color begangen wird (vgl. Balzer/Hutta 2012, 55-61; Fedorko/Berredo 2017, 1-24; NCAVP 2010/2011). Dies macht deutlich, dass gleichzeitig zur Geschlechtsidentität auch Armut, Rassismus, Sexismus und Anti-Sexarbeits-Gewalt wichtige Faktoren sind, die die Exponierung für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitige Tode verstärken: „These multiple and intersecting forms of marginalization also need to be considered in the context of repressive policies, laws and state practices that especially increase the vulnerability of gender-variant/trans migrants, sex workers and people of co-
Gesetze gegen ‚homophobe und transphobe Hasskriminalität‘ | 189
lor“ (Balzer/Hutta 2012, 62). Dies wird jedoch in der Konzeption von ‚transphober Hasskriminalität‘ oft ignoriert (kritisch dazu Aizura 2011a, 2014; Bhanji 2011, 2013; Cotton 2011; Gan 2007; Hayashis z. i. Currah 2008, 93; Mananzala/Spade 2008, 63; Spade 2011). Problematisch ist die monokausale Konzeption von biasbasierter, ‚transphober Hasskriminalität‘ auch deshalb, da dadurch ein homogenisiertes Trans*Opfer-Narrativ geschaffen wird, das suggeriert, dass alle Trans* Menschen gleichermaßen für äußerst brutale und tödliche Gewalt exponiert sind und aus diesem Grund Schutz durch den Staat benötigen: „[…] critics argue that the telling of transphobic violence through the lens of ‚hate crime‘ transforms this violence into a one-dimensional framework that pretends that all trans people are equally vulnerable to it and erases the race, class, ability, national origin and other vectors that produce certain trans people as especially vulnerable to murder“ (Spade 2011, 9; vgl. Gan 2007, 130). Trans*Menschen sind in cis-zweigeschlechtlich normierten Staats- und Gesellschaftsformen normativ für Gewalt exponiert. Gleichzeitig kann aufgrund der wechselseitigen Konstitution und Verstärkung bestehender, intersektionaler Machtverhältnisse nicht von einer homogenen Gewaltexponierung aller Trans* Menschen gesprochen werden. Das homogenisierende Trans*Opfer-Narrativ verunmöglicht es dabei, die normativen und intersektional verschränkten Gewaltverhältnisse des (Cis-)Sexismus, Rassismus, Heterosexismus, Klassismus und Ableismus zu analysieren und gesellschaftspolitisch zu adressieren, wodurch insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen verstärkt für lebensbedrohliche Gewalt ausgesetzt sind: „A key challenge facing trans politics, like other social movements, is how to properly account for the uneven distribution of vulnerability and violence across populations. Not all trans people are equally vulnerable, yet the framework of studying, describing, and addressing these harms through the single vector of transphobia often causes the erasure of the reality of conditions facing those most vulnerable“ (Spade 2010, 447).
Es stellt sich die Frage, welche Formen von Gewalt gegen welche Trans*Menschen in Hasskriminalitätsgesetzen skandalisiert werden und welche Formen der normativen und intersektionalen Staatsgewalt dadurch gleichzeitig in den Hintergrund rücken und fortbestehen. Im Hinblick auf die stark erhöhte Gewaltexponierung von Trans*Sexarbeiter*innen, sowie Menschen of Color ist grundsätzlich zu fragen, inwiefern die Betroffenen überhaupt Zugang zu rechtlichem und polizeilichem Schutz haben und von Hasskriminalitätsgesetzen profitieren könnten, wie im Folgenden am Bespiel von Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen erläutert wird. Denn „those who are the most severely affected victims of sexism and racism (e.g. prostitutes or teenaged black males in the juvenile justice system) qualify least as
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‚genuine‘ victims of crime“ (Simon 2000, 1132; vgl. Haritaworn 2011 a/b; 2012; Lamble 2008; Snorton/Haritaworn 2013; Spade 2011).
10.2 HASSKRIMINALITÄTSGESETZE UND DIE MORDE AN TRANS*SEXARBEITER*INNEN (OF COLOR) In der reformorientierten, westlichen Trans*Politik zu ‚Hasskriminalität‘ kann eine paradoxe (Nicht-)Thematisierung von Trans*Sexarbeit konstatiert werden. Während Sexarbeit, sowie die Partizipation von Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) im Trans*Aktivismus diskursiv ausgeblendet werden, um staatliche Anerkennung zu erlangen, werden die besonders brutalen Morde an Trans*Sexarbeiter*innen of Color im Diskurs zu ‚transphober Hasskriminalität‘ skandalisiert (vgl. CoE 2011, 60). Wie Lamble (2008) und Snorton/Haritaworn (2013) argumentieren, werden die Körper von Ermordeten (migrantischen) Trans*Sexarbeiter*innen of Color und generell von Trans*Menschen of Color symbolisch angeeignet, um staatliche Anerkennung und Schutz durch Trans*inklusive Hasskriminalitätsgesetze zu erwirken (vgl. Lamble 2008; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76). Diese Ausblendung und gleichzeitige Aneignung stellt im Kontext von neoliberalen Inklusionsagenden eine rassifizierte Konsumption, Kommodifizierung und damit Wertschöpfung von Gewalt und Mord dar. Dafür werden die Ermordeten im Kontext neoliberaler Inklusionsdiskurse (Kapitel 9) von Sexarbeit, Armut und Rassismus ‚rein- und weißgewaschen‘ und lediglich als Opfer von ‚Transphobie‘ dargestellt. Dieses ‚Reinwaschen‘ hat eine ambivalente Funktion. Auf diese Weise soll die dominante Abwertung und Gleichsetzung von Trans*Frauen/Weiblichkeiten und vor allem von Weiblichkeiten of Color mit Sexarbeit, sowie die damit verbundene gesellschaftliche Stigmatisierung, Marginalisierung und Kriminalisierung unterbrochen werden. Dabei wird jedoch die gesteigerte Gewaltexponierung von (migrantischen) Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) durch normativ und intersektional verstärkte Ausschlüsse, Stigmatisierungen und Kriminalisierungen in dem monokausalen und individualisierten Diskurs zu ‚Transphobie‘ und ‚transphober Hasskriminalität‘ ausgeblendet: „The narrative encoding of gender violence dovetails with a narrative decoding of racial violence, class violence, and sexual violence“ (Lamble 2008, 28; vgl. Snorton/Haritaworn 2013, 66-76). Auffällig ist im Diskurs zu ‚transphober Hasskriminalität‘ auch die EntErinnerung der ermordeten Trans*Personen, ihrer Namen, Leben und Kämpfe, sowie von Hinterbliebenen. Stattdessen werden die besonders grausamen und schockierenden Details der brutalen Gewalt im Kontext ihrer Ermordung thematisiert. Insbesondere Trans*Sexarbeiter*innen of Color, ihre Lebensrealitäten und Widerstände werden dadurch erneut unsichtbar gemacht (vgl. Lamble 2008, 28).
Gesetze gegen ‚homophobe und transphobe Hasskriminalität‘ | 191
Zudem lässt sich eine Paradoxie feststellen: der singuläre Gewaltgrund ‚Transphobie‘ in Konstruktionen von ‚transphober Hasskriminalität‘ wird mit visuellen Repräsentationen von nicht-weiß rassifizierten Fotos der Ermordeten kontrastiert. Rassismus wird jedoch durch weiße Aktivist*innen und Lobbyist*innen weiterhin ignoriert: „[...] the narrative voice of the activist cause, which refuses to formally acknowledge race, and the visual messages captured by the names and the photos of racialized others which explicitly call on race as a marker of victimhood“ (Lamble 2008, 29, 28; vgl. Razack 2001). Das Narrativ von ‚transphober Hasskriminalität‘ reduziert und homogenisiert folglich die komplexe normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen of Color maßgeblich durch vier Mechanismen. Erstens (1) wird die Staatsgewalt der cis-zweigeschlechtlichen Verwerfung, Pathologisierung und des Ausschlusses von Trans*Menschen verkürzt thematisiert oder komplett ausgeblendet. Dies gilt insbesondere für die institutionalisierten, intersektionalen Diskriminierungen und Ausschlüsse auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungs- und Gesundheitswesen. In Anbetracht dessen wird zweitens (2) die Bedeutung von Sexarbeit als eine der wenigen möglichen ökonomischen Überlebensgrundlagen und Selbstbestimmungsmöglichkeiten, vor allem für besonders vulnerable, staatlich und familiär verstoßene und mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen unzureichend reflektiert (Kapitel 7.1). Auch wird drittens (3) spezifische Anti-Sexarbeits-Gewalt in Verbindung mit Anti-Trans*Gewalt ignoriert, die wechselseitig durch Armut und Rassismus verstärkt wird. Darüber hinaus wird viertens (4) die Bedeutung direkter und indirekter Kriminalisierung und Polizeigewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) im Kontext gegenwärtiger Sicherheitsdispositive die sich oft durch intersektionales race- und gender-profiling, sowie indirekte Anti-Sexarbeits-Politiken auszeichnen im Diskurs zu ‚transphober Hasskriminalität‘ oft nicht berücksichtigt. Generell ist politisch umstritten, ob Hasskriminalitätsgesetze effektiv sind, um Gewalt zu bekämpfen und was die Nebeneffekte davon im Kontext von Biopolitik und Versicherheitlichung sind. Dies wird nun kritisch anhand des deutschen Hasskriminalitätsdiskurses diskutiert.
10.3 BIOPOLITIK UND SICHERHEITSDISPOSITIVE IM DEUTSCHEN DISKURS ÜBER ‚HASSKRIMINALITÄT‘ In Gesetzen gegen ‚homophobe‘ und ‚transphobe Hasskriminalität‘ wird Schutz nicht im sozialstaatlichen Sinn als soziale Absicherung und de facto Gleichbehandlung, sondern im strafrechtlichen Sinn als ex-post (nachträgliches) polizeiliches Eingreifen (vgl. Sauer 2008) und verschärfte Bestrafung der vermeintlichen Täter*innen gefasst. Die mittels Hasskriminalitätsgesetze intendierte Gewaltbekämp-
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fung durch die Stärkung und Ausweitung des Strafrechts ist charakteristisch für gegenwärtige Sicherheitsdispositive des 21. Jahrhunderts (vgl. Foucault 2000, 64). Diese sind maßgeblich geprägt durch Neoliberalismus (vgl. Sauer 2008) und militärische und überwachungstechnische Sicherheitskonzepte nach den Terrorangriffen des 11.9.2001 (vgl. für den U.S.-amerikanischen Kontext u.a. Butler 2004b; Haritaworn 2014; Puar 2007; Reddy 2011; vgl. für den deutschen Kontext u.a. eltayeb 2011; Haritaworn 2007, 2011 a/b; Petzen 2011; Yilmaz-Günay 2011). Gegenwärtige Sicherheitsdiskurse zeichnen sich insbesondere durch vier Elemente aus: Erstens (1) die Externalisierung und Rassifizierung von Gewalt im Kontext nationaler und internationaler Terror- und Migrationsbekämpfung (vgl. eltayeb 2011; Haritaworn 2008, 2011, 2013, 2014; Petzen 2011; Puar 2007); zweitens (2) die Darstellung von Gewalt als (individueller) Ausnahmefall, der strafrechtlich massiv zu sanktionieren ist (vgl. el-tayeb 2011; Haritaworn 2011 a/b; 2012; Puar 2007; Reddy 2011). Drittens (3) wird dadurch eine Stärkung des Strafrechts und des staatlichen Polizeiapparats, sowie teilweise auch des Militärs vollzogen (vgl. Haritaworn 2012, 2013; Puar 2007; Reddy 2011; Sauer 2008, 106). Viertens (4) kann eine Verschiebung festgestellt werden: weg von der Gewaltbekämpfung durch sozialstaatliche Absicherung und Gleichberechtigung und hin zu Schutzproklamationen durch polizeiliches und strafrechtliches ex-post-Eingreifen und gleichzeitiger sozialpolitischer Entsicherung (Abbau des Sozialstaats und Rückzug aus staatlicher Verantwortung) (vgl. Reddy 2011; Sauer 2008, 105-107). Im deutschen Diskurs zu ‚homophober‘ und ‚transphober Hasskriminalität‘ werden diese vier Charakteristiken der Gewaltbekämpfung bestätigt, wie nun herausgearbeitet wird. Im März 2012 verabschiedete der Deutsche Bundesrat einen Gesetzentwurf zur „Änderung des Strafgesetzbuchs Aufnahme menschenverachtender Tatmotive als besondere Umstände der Strafzumessung (StRÄndG) zur Verfolgung von Hasskriminalität“ (Deutscher Bundestag 2012), der unter anderem die Kategorie sexuelle Orientierung als Identitätsmerkmal für ‚Hasskriminalität‘ aufführt. Dieses Gesetz wurde im Frühjahr 2015, im Anschluss an den Abschlussbericht des NSUUntersuchungsausschuss9 durch die damalige Bundesregierung reformiert, sodass zum 1. August 2015 die explizite Aufnahme von ‚Hasskriminalität‘ als ‚politisch motivierte Gewalt‘ in das deutsche Strafgesetzbuch erwirkt wurde. ‚Hasskriminalität‘ wird darin als Gewalt definiert, die „sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten (sog. Hasskriminalität)“ (Deutscher Bundestag 2015, 1). 9
Der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschuss stellt massive Mängel und Reformbedarf im Bereich Strafverfolgung fest (vgl. Jungbluth 2015, 162-172),
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Politische Lobbyarbeit für Gesetze gegen sogenannte homophobe Hasskriminalität wurde in Deutschland im Jahr 2000 von der größten und finanzstärksten schwul-lesbischen Organisation Deutschlands, dem LSVD, initiiert (vgl. GünayYilmaz 2011; Haritaworn/Petzen 2011, 118, 119). Jedoch kam dem Thema politisch und öffentlich in den ersten Jahren kaum Aufmerksamkeit zu. Erst ab 2008 lässt sich ein verstärkter medialer und politischer Diskurs zu ‚homophober Hasskriminalität‘ beobachten,10 für dessen Schaffung, so Haritaworn und Petzen, zwei Ereignisse zentral waren: zum einen ein Angriff auf queere- und Trans*Besucher*innen des internationalen Drag-Festivals Wigstöckel 2008 in BerlinKreuzberg (sowie eine Demonstration ‚gegen homophobe und transphobe Gewalt‘ mit 4000-5000 Menschen einen Tag später) (vgl. Haritaworn/Petzen 2011, 118119), zum anderen die Präsentation der Ergebnisse der vom LSVD in Auftrag gegebenen Studie zu Einstellungen zur Homosexualität: Ausprägungen und psychologische Korrelate bei Jugendlichen ohne und mit Migrationshintergrund (Simon 2007) im gleichen Jahr. Die Studie von Simon (2007) beansprucht ‚deutsche‘, ‚russische‘ und ‚türkische‘ Jugendliche zu ihren Einstellungen zu Schwulen und Lesben zu befragen (vgl. Grassmann 2007). Die vom LSVD präsentierten, zusammengefassten Ergebnisse der Studie proklamieren, dass migrantische Jugendliche eher zu ‚Homophobie‘ neigen würden als deutsche: „Homosexuellenfeindliche Einstellungen sind unter Schülern mit Migrationshintergrund wesentlich stärker verbreitet als in der deutschen Vergleichsgruppe. Besonders stark ausgeprägt sind sie bei männlichen Jugendlichen türkischer Herkunft“ (Simon 2007; vgl. kritisch dazu Wolter/Yilmaz-Günay 2011, 202). Wie bereits in der Publikation Karriere eines konstruierten Gegensatzes: zehn Jahre ‚Muslime versus Schwule (Yilmaz-Günay 2011) von mehreren Autor*innen herausgearbeitet wurde, ist am deutschen Diskurs zu Gesetzen gegen ‚homophobe Hasskriminalität‘ auffällig, dass dieser in den populären Diskurs zu ‚migrantischer/muslimischer Desintegration‘ eingeschrieben ist. Indem deutsche Identität und Deutschsein in der Studie von Simon (2007) definiert und begrenzt wird auf Jugendliche mit vier deutschen Großeltern dies sogar enger als in offiziellen staatlichen Definitionen reiht sich die Studie ein in nationalistisch-
10 Zum Beispiel erstellte die Partei Bündnis 90/Die Grünen zwei „Aktionspläne gegen Homophobie“ (vgl. Die Grünen 2008), welche den Topos ‚migrantische Homophobie‘ bzw. ‚homophobe migrantische Jugendliche‘ zum Thema machten (vgl. Haritaworn/Petzen 2011; Haritaworn 2008). Die Aktionspläne wurden von der damals regierenden Koalition abgelehnt. Jedoch blieb der deutsche Diskurs zu ‚homophober Hasskriminalität‘ sowie die Forderungen nach entsprechenden Hasskriminalitätsgesetzen als rassifiziertes Problem bestehen, wie nun im Kontext bestehender Sicherheitsdispositive kritisch erläutert wird.
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rassistische Identitätskonstruktionen, sowie in das bereits bestehende Des/Integrations-Narrativ (vgl. Haritaworn/Petzen 2011, 126).11 Die rassifizierte Auslagerung von heterosexistischer Gewalt wurde in der Studie von Simon (2007) insbesondere durch die seit dem 11.9.2001 sehr populäre Islamisierung von Gewalt ermöglicht (vgl. Çetin 2012, 43-52, 79-100; Haritaworn 2008, 2011; Haritaworn 2012, 20-23; Saadat-Lendle 2012, 8; Castro Varela 2012, 9-19; 164; Sha 2011). Reproduziert werden kolonial-orientalistische Fantasien von dem Islam, islamischen Ländern und Muslim*innen als inhärent rückschrittlich 12, sexistisch und homophob (vgl. Castro Varela 2012, 14-16; Çetin 2012, 43-52, 79100; Haritaworn 2008, 3, 39; Haritaworn/Petzen 2011, 120; LesMigraS 2012, 2025, 57-58; Mecheril 2001, 9; Yilmaz-Günay 2011, 99). Darüber wurde eine direkte, diskursive Verbindung von ‚homophober Hasskriminalität‘ zu dem rassistischen Diskurs über migrantische/muslimische sexistische Gewalt gegen Cis-Frauen unter dem Topos des sogenannten ‚Ehrenmords‘13 hergestellt (vgl. el-tayeb 2011, 96, 94; 11 Dass Generationen von Menschen of Color Deutschsein abgesprochen wird, Jugendlichen, die in Deutschland geboren sind, jedoch nicht immer einen deutschen Pass haben, deren Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern nach Deutschland migriert sind, reproduziert rassistisch-nationalistische Konstrukte von deutsch-christlicher-weißer Identität (vgl. eltayeb 2011). Diese ermöglichen den gewaltvollen Ausschluss von Menschen of Color und Schwarzen Menschen von deutscher Identität und der Zugehörigkeit zu Deutschland 12 Dies geschieht unter anderem durch die Konstruktion von rassifiziert-sexualisierter ‚Minderwertigkeit‘, ‚Devianz‘, ‚Krankheit‘, ‚Kriminalität‘, ‚Nichtkonformität‘, ‚Unzivilisiertheit‘, ‚Ungehorsam‘, ‚Hypersexualität‘ oder ‚dysfunktionalen migrantischer Großfamilien‘ (vgl. Haritaworn 2008, 3, 39; Haritaworn 2012, 22-23, Wolter/Yilmaz-Günay 2011, 202). 13 Der Diskurs zu rassifiziertem ‚Ehrenmord‘ ist seit dem Mord an Hatun Sürücü 2005 in der deutschen Öffentlichkeit weit verbreitet. Er basiert auf orientalistischen Vorstellungen vom patriarchalen und rückschrittlichen Islam, sowie von ‚muslimisch/arabischer Hypermaskulinität‘. Kulturalisierter Rassismus wird dabei insbesondere durch asymmetrische rassifizierte Terminologien, Bezeichnungen und Interpretationen von (hetero-) sexistischer häuslicher Gewalt ermöglicht (vgl. Yilmaz-Günay 2011, 99). Durch die Bezeichnung von häuslicher Gewalt mit Todesfolge in weiß-deutsch-christlichen heterosexuellen Familien und Partnerschaften als ‚Familientragödie‘ oder ‚Eifersuchtsdrama‘ wird strukturelle, allgegenwärtige und normalisierte (hetero-)sexistische (häusliche) Gewalt gegen Cis-Frauen und Kinder individualisiert und als unerklärlicher Einzellfall dargestellt (vgl. el-tayeb 2011, 94-96; Yilmaz-Günay 2011, 99). Konträr zu der individualisierten Darstellung von Gewalt und Mord als Ausnahmefall psychopathologischer Einzeltäter in weiß-deutsch-christlichen Familien und Partnerschaften (vgl. YilmazGünay 2011, 99), wird die sexistische Gewalt mit Todesfolge in muslimischen/türkischen/migrantischen Familien und Partnerschaften als ‚Ehrenmord‘ bezeich-
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Haritaworn 2008, 6, 7; Haritaworn/Petzen 2011, 118-119; Yilmaz-Günay 2011, 99) und eine dauerhafte diskursive Kopplung von Homosexuellenrechten an Frauenrechte geschaffen (vgl. Castro Varela 2012, 13; Haritaworn 2008, 4, 39; Haritaworn/Petzen 2011, 119-121; SUSPECT 2011, 155).14 Durch die Rassifizierung und Islamisierung wird das ansonsten individualisierte (Ausnahme-)Narrativ von homofeindlicher Gewalt im deutschen Diskurs unterbrochen und gleichzeitig externalisiert, indem ‚homophobe Hasskriminalität‘ im Kontext der terroristischen Bedrohungsszenarien nach dem 11.09.2001 kollektiv auf muslimisch oder arabisch markierte Männlichkeiten of Color, sowie generell Communities of Color und Schwarze Menschen projiziert wird (vgl. Haritaworn 2008, 2011; Haritaworn 2012, 20-23; LesMigraS 2012, 20-25, 57-58; Wolter/Yilmaz-Günay 2011, 202). Die Figur des gewalttätigen, homophoben, cismännlichen Migranten/Arabers/Muslims/Geflüchteten/Schwarz-en als eigentlicher und einziger Gewalttäter gegen Cis-Frauen und bestimmte Cis-Homosexuelle reiht sich dabei in historische, kolonialrassistische Täterprofile ein: „As Ahmed explains […] the thing about the stranger is that they are not strange at all, ‚we‘ always already know them which is why ‚we‘ easily recognized the them“ (Castro Varela 2012, 13-15; Haritaworn 2012, 22-23; LesMigraS 2012, 20; Wolter/YilmazGünay 2011, 202). Die Auslagerung von Sexismus, sexualisierter Gewalt und Homosexuellenfeindlichkeit von der weiß-deutschen Mehrheitsgesellschaft15 auf ausschließlich Migrant*innen, Geflüchtete und generell Schware Menschen und Menschen of Color wurde durch die rassistische Diskursivierung der Ereignisse der „Kölner Silvesternacht“ ab 2016 erneut verstärkt (vgl. Çetin/Voß 2018, 9-30, 93-128; Hark/Villa 2017, 9-56; LesMigraS/Lesbenberatung 2016; Zodehougan/Steinhauer 2018, 119-128). Dies ob der Tatsache, dass laut Statstiken die herausragende Mehrheit sexistischer und sexualisierter Gewalt, sogenannte ‚häuslicher Gewalt‘ im familären Umfeld und Bekanntenkreis ausgeübt wird.
net. Sie wird als kollektive Gewalt konstruiert, die vermeintlich inhärent und exklusiv in der muslimischen Religion und Kultur verankert ist (vgl. Haritaworn 2008, 6-7). 14 „By converting the murder of Hatun Sürücü into a gay event, the LSVD established a lasting discursive link between women’s rights and gay rights discourses on migrant integration, violence and criminality, and scandalized a Muslim homophobia which until then has awakened little interest“ (Haritaworn/Petzen 2011, 121) 15 Auch religiös motivierte, patriarchale und heterosexistische Gewalt im Kontext des Christentums wie im teil-säkularen, jedoch christlich geprägten Deutschland wird dabei gänzlich ausgeklammert und zum Relikt der Vergangenheit erklärt (vgl. Sha 2011), obwohl der Vatikan Homosexualität weiterhin als Sünde bezeichnet.
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10.4 FUNKTION UND EFFEKTE DER RASSIFIZIERUNG VON GEWALT Im Kontext der Rassifizierung von heterosexistischer Gewalt stellt Yilmaz-Günay die wichtige Frage, wer von den dichotom rassifiziert-sexualisierten Täter-OpferKonstruktionen profitiert (vgl. Yilmaz-Günay 2011, 101). Grundsätzlich relevant sind dabei einerseits die deutsche Staatspolitik und andererseits die Stellung von bestimmten Cis-Schwulen und Cis-Lesben. Indem sogenannte ‚homophobe Hasskriminalität‘ als inhärentes und ausschließliches Phänomen migrantischer und muslimischer Communities konstruiert wird, wird der normalisierte Heterosexismus in Deutschland sowohl auf der zwischenmenschlichen als auch auf der institutionalisierten Ebene ausgeblendet. Der (cis-zweigeschlechtliche) Heterosexismus wird dabei neu konzipiert als rassifiziertes Problem der ‚Desintegration‘ und damit überlagert und externalisiert. Die Darstellung von ‚homophober Hasskriminalität‘ als rassifiziertes Problem migrantischer Desintegration (vgl. Simon 2007) und als Zeichen von ‚Unzivilisiertheit‘ ersetzt dabei, wie Haritaworn betont, auch die Hetero-Homo-Dichotomie durch eine Migrantisch-Deutsch-Dichotomie (vgl. Haritaworn 2012, 20-23). Auch patriarchale Gewalt gegen Cis-Frauen und normative Gewalt gegen Trans*, und Inter*(geschlechtliche) Menschen wird in der deutschen (teil-säkularen christlichen) Mehrheitsgesellschaft an die ‚migrantisch/muslimischen Anderen‘ ausgelagert (vgl. Çetin/Voß 2018, 9-30, 93-128; Castro Varela 2012, 16; Haritaworn 2012, 26; Haritaworn/Petzen 2011, 129; LesMigraS 2012, 20-25, 57-58; Hark/Villa 2017, 9-20). Die Rassifizierung von sogenannter ‚homophober‘ und ‚transphober Hasskriminalität‘ verdeckt auch, dass in Deutschland und in Europa generell die große Mehrheit der Angriffe auf Cis-Schwule, Cis-Lesben, Trans*Menschen von NeoNazis, rechtsradikalen, nationalistischen Personen und Gruppierungen und von Personen der (rechtskonservativen) Mehrheitsgesellschaft verübt werden (vgl. MRBB 2008, 22-28; Çetin/Voß 2018, 9-30, 93-128; CoE 2011, 54; Wolter/YilmazGünay 2011, 196-197). Im Diskurs zu ‚homophober‘ und ‚transphober Hasskriminalität‘ werden folglich auch Kontinuitäten rassistisch-nationalistischer Gewalt weiterhin ausgeschwiegen (siehe dazu auch den sogenannten NSU-Skandal).16 Die 16 Der NSU-Skandal ist ein Beispiel dafür, wie systematisch rassistische, nationalistische Gewalt gegen Migrant*innen, Menschen of Color und Schwarze Menschen in Deutschland über Jahrzente durch Polizeibehörden, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz vertuscht und darüber hinaus Communities of Color kriminalisiert werden. Zwischen 1999 und 2011 verübte die ‚Zwickauer Terrorzelle‘ neun rassistisch motivierte Morde an Menschen vor allem aus der der Türkischen Community in Deutschland. Über Jahre wurden Informationen über die Neonazi-Gruppe und deren Beteiligung an den Morden,
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Transformation von heterosexistischer und cis-zweigeschlechtlicher Gewalt zu einem primär oder ausschließlich migrantischen/muslimischen Phänomen bekräftigt die Selbstdarstellung Deutschlands als post-nationalsozialistische, tolerante und aufgeklärte Nation, die Menschenrechte insbesondere den Schutz von CisFrauen- und Cis-Homosexuellen für wichtig erklärt und zudem exportiert (vgl. Haritaworn 2012, 26; Haritaworn/Petzen 2011, 114, 126-127; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76; Yilmaz-Günay 2011, 11). Ab dem Jahr 2016 kann eine erneute Verstärkung der deutschen Debatte um ‚homophobe Hasskriminalität‘ konstatiert werden, wie die Titel des Vice-Magazins „Die Gewalt gegen Homosexuelle ist in Deutschland 2016 explodiert“ (Vice 2016), oder jener der Berliner Zeitung vom 21. Juli 2017 „Gewalt gegen Schwule und Lesben: Neuer Rekord bei homophoben Straftaten in Berlin“ (Mai 2017) exemplarisch verdeutlichen. Der LSVD und sein Projekt Maneo bleiben nach wie vor zentrale Akteure sowohl bei der Forderung nach einer strafrechtlichen Sonderstellung von ‚homophober Hasskriminalität‘ (vgl. LSVD 2017) als auch der bei der Rassifizierung und Islamisierung von homofeindlicher Gewalt (vgl. Çetin/Voß 2018, 9-30, 93-128) wie folgendes Zitat aus dem Zeitungsartikel der Berliner Zeitung verdeutlicht: „Dass die Täter oftmals einen Migrationshintergrund haben, bestätigt Jörg Steinert, Geschäftsführer des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg [...] ‚Homosexuellenfeindlichkeit ist unter Muslimen weit verbreitet‘“ (Mai 2017). Die de facto strafrechtliche und gerichtliche Anwendung des Gesetzentwurfs in der deutschen Rechtspraxis ist bis dato unklar. Im Kontext von neoliberalen Inklusions- und Exklusionspolitiken ist die Rassifizierung von heterosexistischer und cis-zweigeschlechtlicher Gewalt in Deutschland auch für bestimmte Cis-Schwule und Cis-Lesben, sowie bestimmte sowie über die Unterstützung durch die staatlich anerkannte Nationale Partei Deutschlands (NPD) vom deutschen Verfassungsschutz vertuscht und polizeilich-strafrechtlich nicht verfolgt (vgl. Aust/Laabs 2014; Förster 2014; Funke 2015). Anstatt in den Neonazi-Strukturen zu rassistisch motivierter Gewalt zu ermitteln, wurden die Familien und Freund*innen der Ermordeten durch rassifizierte Täter*innen-Profilings (mit MafiaTheorien zu Drogen- und Waffenhandel) jahrelang kriminalisiert und der Morde bezichtigt. Auch wurden die Morde in den Mainstream-Medien mit rassistischen Begriffen wie ‚Döner-Morde‘ betitelt. Dadurch wurde die Aufmerksamkeit von nationalistischer, rassistischer Gewalt und Morden verlagert auf das Desintegrations-Narrativ, diese Gewalt dadurch normalisiert und weiterhin ausgeschwiegen (vgl. taz 2012). Signifikanterweise wurden zudem, als der ‚NSU-Terror‘ im November 2011 ‚aufgedeckt‘ wurde, Polizeiakten und Akten des Verfassungsschutzes unwiderruflich und spurenlos vernichtet, in denen es unter anderem um das Wissen und Zutun eines vom Bundesverfassungsschutz bezahlten V-Mannes an den Morden ging (vgl. Aust/Laabs 2014; Förster 2014; Funke 2015).
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Trans*Menschen profitabel, indem dadurch ihre Forderungen nach staatlicher Anerkennung, Integration und Schutz bestätigt werden. Dafür werden im Diskurs zu ‚homophober Hasskriminalität‘ in Politik und Medien dichotom rassifizierte, sexualisierte Identitätskonstruktionen mobilisiert. Diese unterscheiden zwischen einerseits weiß-deutschen, homosexuellen Opfern, die als ‚unschuldige‘, ‚anständige‘,‚normale‘ Staatsbürger*innen staatlichen Schutz verdienen, und andererseits nicht-weiß rassifizierten, inhärent heterosexuellen und cis-männlichen migrantischen/muslimischen/arabischen, jugendlichen Tätern, die es als Kriminelle zu regulieren und zu sanktionieren gilt: „[...] migrant youth against homosexuals: homophobic Berlin“ (Haritaworn/Petzen 2011, 126, 115-131; vgl. Çetin/Voß 2018, 9-30, 93-128; Castro Varela 2012, 13-15; Haritaworn 2012, 19; Hieronymus 2011, 141-142; LesMigraS 2012, 20-25, 57-58; Petzen 2011, 25-37; Saadat-Lendle 2012, 7-8). Im Kontext homonormativer Inklusions- und Anerkennungspolitik werden dabei bestimmte Cis-Homosexuelle zur Verkörperung westlicher Freiheit, Aufklärung und Toleranz stilisiert. Dies geschieht in Abgrenzung zu ihrem orientalistischen Negativpendant, der Konstruktion von islamischem, patriarchalem und homofeindlichem Hass: „[...] the drama of the hateful Other who must be educated into the cosmopolitan community. This drama comes with a particular setting: An exceptional space of diversity, vitality, tolerance, and freedom, where homophobic acts and feelings should be unthinkable. An innocent victim who besides his sexual orientation has done nothing wrong and clearly deserves ‚our‘ protection“ (Haritaworn 2012, 26; vgl. Castro Varela 2012, 14; Çetin 2011, 79-100, 113; Haritaworn/Petzen 2011, 114-127; LesMigraS 2012, 20-25, 36-40, 72-117; Petzen 2011, 2531; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76; Yilmaz-Günay 2011, 11; Wolter/Yilmaz-Günay 2011, 196).
Diese Dichotomisierung von Identitäten bedeutet auch, dass Homosexualität als inhärent weiß-deutsche Identität konstruiert wird und Queere/Trans*Migrant* innen/Muslim*innen/Schwarze und Menschen of Color, sowie die intersektionale Gewalt gegen sie ausgeschwiegen werden.17 „The queer ‚we‘ of Kreuzberg Pride is figured universally, both in its experiences of injury (…) and claims to neighborhood, which are both innocent and equally meaningful to all queers. Run over on the intersections are queer and trans people of color, whose safety needs may be quite different, and include both protection from institutionally racist police for who sexually and gender non-conforming people of color may be an especially easy target 17 Auch Organisationen wie zum Beispiel GLADT und LesMigraS, die gegen intersektionale Gewalt an LSBTIQ kämpfen auch gegen rassistische Kriminalisierungspraktiken werden auch oft ignoriert und übergangen.
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and a neighborhood which remains safe and affordable space for queer and racialized people alike“ (Haritaworn 2012, 22, 11-31).
Im Kontext von intersektionaler Gewalt wird die wechselseitige Konstitution und Verstärkung von heterosexistischer, rassistischer, klassistischer und ableistischer Gewalt nicht beachtet oder umgedeutet, deren Berücksichtigung für pädagogische Anti-Gewalt-Projekte und die Gewalt-Prävention sehr wichtig wäre. Das religiöse, ‚muslimische Patriarchat‘ beziehungsweise der Islam wird als der Grund für ‚Homophobie‘ dargestellt (vgl. Wolter/Yilmaz-Günay 2011, 202). Dabei wird rassistische Gewalt gegen Jugendliche of Color, sowie ihre ökonomische Verdrängung und Marginalisierung umgedeutet als ‚migrantische Desintegration‘, damit normalisiert und legitimiert: „[…] the growing economic exclusion of racialized populations as neoliberal ideologies take hold of the uniting Europe leaves minority youths in a space of precariousness and permanent insecurity as they become increasingly identified as a violent threat“ (el-tayeb 2011, 139, 125; vgl. Çetin/Voß 2018, 9-30, 93-128; Grewal 2003, 537). Auch die Gewalt gegen Trans*Sexarbeiter*innen of Color in der Berliner Frobenstraße (Kapitel 7.1) wurde in das deutsche Desintegrationsnarrativ und die weiterverbreitete Rassifizierung von Gewalt eingespeißt, um die Forderung nach Staatsschutz und für Gesetze gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ zu stärken. „Archived as trans sex workers being beaten up by migrant youth gangs, this ‚event‘ of violence both fed the moral panic over criminal and violent Muslim youth and accrued value and visibility to more powerful queer and trans positions […] Although the event was ostensibly organized for the benefit of migrant trans sex workers, as happens so often, those injured in the event of violence benefited the least from the remedies offered by a traumatized citizenship model“ (Snorton/Haritaworn 2013, 73).
Die Gewaltexponierung von Trans*Sexarbeiter*innen und Trans*Menschen of Color kann durch die Stärkung des Strafrechts aufgrund von polizeilichem racial profiling, sowie indirekten Kriminalisierungspraktiken (von Sexarbeit) eventuell sogar teilweise verstärkt werden, was im folgenden Abschnitt anhand der Kontinuitäten von Polizeigewalt diskutiert wird.
10.5 VERSICHERHEITLICHUNG: KONTINUITÄTEN DER KRIMINALISIERUNG UND POLIZEIGEWALT Mit der Forderung von Gesetzen gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ wird in eine Versicherheitlichungspraxis des strafrechtlich-polizeilichen Schutzes investiert, die
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den Polizeiapparat und seine Kriminalisierungspraktiken legitimiert und gestärkt. Dieser Polizeiapparat und das entsprechende Strafrecht kriminalisierten historisch (durch Anti-Homosexuellen-Gesetze und Anti-Cross-Dressing-Gesetze) und kriminalisieren weiterhin direkt und indirekt Menschen, die der heteronormativen Cis-Zweigeschlechtlichkeit nicht entsprechen: „The shift from police accountability to partnering with the criminal punishment system is a move away from the concerns of low-income queers and queers of color, who are the most frequent targets of police and prisons. A move towards white and economically privileged queers who may feel protected by the police and can latch on to the law and order system in a claim to citizenship that is heavily mediated by race, class and gender“ (Spade 2008, 306).
Bei Forderungen nach staatlichem Schutz durch polizeiliches und strafrechtliches ex-post Eingreifen ist folglich das Vergessen und Ausschweigen von historischer und gegenwärtiger Polizeigewalt inhärent notwendig: „Could the veterans of the Stonewall and Compton’s Cafeteria uprisings against police violence have guessed that a few decades later LGBT law reformers would be supporting passage of Matthew Shepard and James Byrd, Jr. Hate Crimes Prevention Act, a law that provides millions of dollars to enhance police and prosecutorial resources?“ (Spade 2011, 89; vgl. LesMigraS 2012, 23-25-40; Mananzala/Spade 2008, 59; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76; Spade 2009b, 358; Stanley/Spade/Queer(In)Justice 2010, 117, 126).
Die ausgeschwiegene historische und gegenwärtige Polizeigewalt äußert sich auch in der begrenzten Effektivität von Hasskriminalitätsgesetzen, denn laut FRABericht werden in der EU aufgrund mangelnden Vertrauens in die Polizei nur schätzungsweise 20 % der sogenannten ‚homophoben‘ und ‚transphoben Hasskriminalität‘ zur Anzeige gebracht (vgl. FRA 2010/2011, 14). Vor allem Gewalt gegen Trans*Menschen wird wegen der weit verbreiteten und historisch perpetuierten Pathologisierung und (auch indirekten) Kriminalisierung (zum Beispiel wegen Vorwürfen des ‚Identitätsbetrugs‘ oder der Sexarbeit) und der daraus resultierenden, begründeten Angst vor weiteren Diskriminierungen und Gewalt durch die Polizei nicht angezeigt: „A 2009 study on Transphobic Hate Crime in the European Union showed that in some EU countries a majority of the gender-variant/trans respondents have no confidence in the police at all: on top was Greece, with 85 per cent of respondents expressing this lack of confidence followed by Hungary (68 per cent), Italy (54 per cent) and France (51 per cent)“ (Balzer/Hutta 2012, 57; vgl. Turner/Whittle/Combs 2009, 24).
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Auch die Hälfte der in Deutschland befragten Trans*Menschen misstraut der Polizei (46 %) (vgl. Balzer/Hutta 2012, 57; Turner/Whittle/Combs 2009, 24). Auch hier wird Gewalt oft nicht zur Anzeige gebracht, da staatliche Behörden und insbesondere Polizeibeamt*innen oft selbst Diskriminierungen und Gewalt gegen Trans*Menschen ausüben (vgl. Balzer/Hutta 2012, 35-43; CoE 2011; FRA 2010/2011, 14; Franzen/Sauer 2010; LesMigraS 2012, 24). Diskriminierungen von Trans*Menschen durch Polizei- und Rechtsbehörden, sowie ihre direkte und indirekte Kriminalisierung (zum Beispiel wegen Vorwürfen des ‚Identitätsbetrugs‘ oder der Sexarbeit) sind kein Einzelfall. Sie sind in cis-zweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsordnungen normativ verankert und äußern sich zum Beispiel in der Weigerung, die selbstbestimmten Namen und Pronomen zu verwenden, in Stigmatisierungen, Schikane, Zwangsoutings, Belästigungen, Missbrauch, Demütigungen und transfeindlichen Kommentare und Abwertungen (vgl. Balzer/Hutta 2012, 49-51; Fuchs et al. 2012, 79-80). Einzelne dokumentierte Beispiele belegen die normativ verankerte und intersektional verstärkte Polizeigewalt gegen Trans*Menschen in der EU und in Deutschland: „[...] patterns of unchallenged homophobia and transphobia within police forces“ (Balzer/Hutta 2012, 40; vgl. LesMigraS 2012, 24, 35, 44). Eines dieser Beispiele ist die rassistische und cis-zweigeschlechtliche Gewalt gegen mehrere Trans*Menschen of Color während des dritten European Transgender Council in Malmö 2010. Nach einem Angriff auf Delegierte aus der Türkei in einer Bar wollten diese Anzeige bei der Polizei erstatten. Dort wurden sie von den Polizeibeamt*innen rassistisch und transfeindlich beschimpft (vgl. Balzer/Hutta 2012, 59). Ihnen wurde die geschlechtliche Identität durch die Verwendung falscher Vornamen und falscher Anrede abgesprochen und darüber hinaus die Schuld für die widerfahrene Gewalt ‚aufgrund ihres Kleidungsstils‘ zugeschrieben. Auch wurden rassistische Kommentare über Migrant*innen aus der Türkei gemacht (vgl. Balzer/Hutta 2012, 59). Die Praxis der Beschuldigung von Betroffenen (‚blaming the victim‘) durch die Polizei ist bei Gewalt gegen Trans*Menschen weit verbreitet und äußert sich auch in Form des Vorwurfes des ‚Identitätsbetrugs‘, maßgeblich gegenüber mehrfachdiskriminierten Trans*Menschen of Color (vgl. Woods/Sears/Mallory 2016, 1-22). Durch die Beschuldigung der Betroffenen wird die staatliche, strafrechtliche Anerkennung der widerfahrenen Gewalt verwehrt, sowie diese Gewalt implizit normalisiert und legitimiert: „It’s a socially sanctioned practice of blaming the victim. We must begin blaming our culture, which stigmatizes, demeans, and strips trans women of their humanity“ (Mock 2014, 161). Darüber hinaus finden Retraumatisierungen und indirekte Kriminalisierungen statt. Dies wird im folgenden Abschnitt anhand der besonders gewaltvollen polizeilichen Praxis der erzwungenen Ganzkörper- und Genitaluntersuchungen an Trans*Menschen im deutschen Kontext erörtert.
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Kontinuitäten von Polizeigewalt gegen Trans*Menschen in Deutschland Im Kontext normalisierter und ausgeschwiegener Polizeigewalt gegen Trans* Menschen ist die polizeilich erzwungene Ganzkörperdurchsuchung, die auch Genitaluntersuchungen umfassen kann, eine besonders massive körperliche Gewaltform, die starke Beeinträchtigungen hinterlassen kann. Die zwangsweise durchgeführten Ganzkörper- und Genitaluntersuchungen sind in Deutschland unter anderem bei Vorwürfen des Drogenhandels, der illegalisierten Migration oder des Terrorismus, sowie im Rahmen der Identitätsfeststellung (z.B. vor Demonstrationen) und Vorwürfen des Identitätsbetrugs bei Gender-inadäquaten Ausweisdokumenten legalisiert. Wie eine gemeinsame Presseerklärung zweier Berliner antirassistischer LSBTIQ-Projekte (Gladt und LesMigraS) an die Öffentlichkeit brachte, wurde zum Beispiel am 23. Oktober 2013, bei einer Demonstration gegen Polizeigewalt an Geflüchteten, eine Trans*Person of Color, der bei Gladt arbeitete verhaftet. Er wurde von Berliner Polizei-Beamt*innen beschimpft und beleidigt und ihm wurde seine Trans*männliche Identität abgesprochen (vgl. LesMigraS/Gladt 2013). Mit dem Argument der notwendigen Feststellung seiner ‚wahren Geschlechtsidentität‘ trotz Ausweisdokumenten und seiner Selbstidentifikation als Trans*Mann wurde mehrmals versucht, ihn zu einer Ganzkörperdurchsuchung zu zwingen und ‚ihm die Hose runterzuziehen‘ (vgl. LesMigraS/Gladt 2013). Ähnliches wurde 2010 von einer migrantischen, weißen Trans*Frau dokumentiert (vgl. autotrans 2010b). Auch ihr wurde bei der Identitätsfeststellung nach einer (linken) Demonstration seitens der Berliner Polizei ihre Identität abgesprochen und mit dem Argument/Vorwand des ‚Feststellens der wahren Geschlechtsidentität‘ versucht, sie zum ‚Runterlassen der Hose‘ und zu einer Ganzkörperdurchsuchung zu zwingen (vgl. autotrans 2010b). Dies sind lediglich zwei dokumentierte Fälle normalisierter und legalisierter Polizeigewalt gegen Trans*Menschen in Form von (versuchten) Ganzkörper- und Genitaluntersuchungen in Deutschland. Diese wurden bis dato im Rahmen von ‚Transphobie‘-Ansätzen und -Studien, sowie in deutschen Diskriminierungs- und Gewaltanalysen kaum erfasst, dokumentiert und analysiert, was diese Form der direkten Staatsgewalt normalisiert und ausschweigt. Von dieser polizeilichen Gewalt der Ganzkörperdurchsuchung, die aufs massivste die physische und psychische Integrität von Trans*Menschen verletzt, sind aufgrund rassistischer Kriminalisierungspraktiken (racial profiling) insbesondere (migrantische) Trans* Menschen of Color, Geflüchtete und (migrantische) Sexarbeiter*innen of Color betroffen, weshalb die Polizei von diesen oft als Täter*innen und nicht als Be-
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schützer*innen wahrgenommen wird (vgl. Castro Varela 2012, 4; LesMigraS 2012, 24, 35).
10.6 ZWISCHENFAZIT Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Gewalt gegen Trans*Menschen in vorherrschenden Konzeptionen ‚transphober Hasskriminalität‘ als individueller Ausnahmefall eines*r angst- und/oder hasserfüllt handelnden Einzeltäter*in dargestellt wird. Bestehende Definitionen und Konzepte von ‚transphober Hasskriminalität‘ zeichnen sich maßgeblich durch die ‚Täter*innen-Perspektive‘ aus, das Biasframing und die Brutalisierung, die zu einer Individualisierung und Psychopathologisierung von Gewalt und ihrer Herstellung als gesellschaftlicher Ausnahmefall führen. Durch den Fokus auf besonders brutale, zwischenmenschliche Gewalt wird normative Staatsgewalt gegen Trans*Menschen (zum Beispiel ihre Verwerfung, Pathologisierung und ihr Ausschluss) erstens überlagert, ausgeschwiegen, normalisiert und implizit reproduziert (vgl. Mananzala/Spade 2008, 55; Spade 2009b, 356361; Spade 2011, 58, 85). Zweitens wird durch die implizite oder explizite, monokausale Rahmung von Identität und identitätsbezogener, bias-basierter Gewalt in Gesetzen gegen ‚Hasskriminalität‘ die intersektional verstärkte Gewalt gegen mehrfachdiskriminierte Trans*Communities ignoriert beziehungsweise vereinnahmt (vgl. Spade 2009b, 368-371; Spade 2011, 50). „Critics charge that hate crimes laws participate in obscuring systemic racialized-gendered violence and harm by scapegoating individual perpetrators. This participates in an individualized framing of racism and transphobia, suggesting that it is a problem of a few people with bad ideas rather than that racialized and gendered norms constitute national belonging and the distribution of life chances“ (Spade 2011, 9).
Im Kontext von Biopolitik ist politische Lobbyarbeit für Gesetze gegen ‚transphobe Hasskriminalität‘ ein problematisches Feld. Darin eingeschrieben ist die Tendenz, Gewalt und Morde an den prekärsten Trans*Menschen zu vereinnahmen, zu instrumentalisieren, sowie ‚weiß- und rein- zu waschen‘ (vgl. Lamble 2008; Snorton/Haritaworn 2013). Damit soll die staatliche Inklusion von jenen Trans* Menschen erwirkt werden, die am ehesten in hegemoniale Konzepte von Würde und respektabler Staatsbürger*innenschaft integrierbar sind (Kapitel 9). Die Effekte von Hasskriminalitätsgesetzen sind innerhalb des gegenwärtigen Sicherheitsdispositivs ungleich, jedoch gleichzeitig. Bei partiellen Inklusionen in die Sphäre des staatlichen Schutzes was nicht gleichbedeutend ist mit sozialer Absicherung werden biopolitische, insbesondere neoliberale Machtverhältnisse und Gouverne-
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mentalitätspraktiken mobilisiert, die Bevölkerungsgruppen unterteilen. Einerseits wird die partielle, rechtliche ex-post polizeilich-strafrechtliche Versicherheitlichung der Leben bestimmter Cis-Schwuler, Cis-Lesben und Trans*Menschen ermöglicht, insbesondere jener, die nicht von Rassismus, Armut und Behinderung betroffen sind. Andererseits werden jene, die innerhalb intersektionaler Normen etwa aufgrund von Armut, Sexarbeit, Rassifizierung, Behinderung, Alter, Migration als nicht integrierbar gelten weiterhin für vorzeitige (schnelle und langsame) Tode exponiert (vgl. Puar 2009, 168; McRuer 2011, 163-178; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76). Gleichzeitig rückt der Abbau des Sozialstaats und damit eine strukturelle Entsicherung von Lebensverhältnissen im Neoliberalismus in den Hintergrund, was sich besonders gewaltvoll auf mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen auswirkt. Durch Forderungen von polizeilich-strafrechtlichem Staatsschutz werden bestehende rassifizierte Kriminalisierungspraktiken sowie die neoliberale Verdrängung bestätigt. Dies kann die Gewaltexponierung von Queers/Trans*Menschen of Color, Sexarbeiter*innen und Geflüchteten weiterführend verschärfen (vgl. Gossett/Gossett/Lewis 2013; Lee 2004; Spade 2011) und gilt auch für Deutschland (vgl. el-tayeb 2011; Haritaworn 2012, 26; Haritaworn/Petzen 2011, 126-127; LesMigraS 2012, 23, 36-40; Snorton/Haritaworn 2013, 66-76; Yilmaz-Günay 2011, 11; Wolter/Yilmaz-Günay 2011, 196-197). Hierfür sind maßgeblich historisch tradierte direkte und indirekte Kriminalisierungen und Verfolgungen von, sowie Polizeigewalt gegen mehrfachdiskriminierte Trans*Communities im Kontext von Sexarbeit, Vorwürfen des ‚Identitätsbetrugs‘ (wegen Gender-inadäquater Ausweisdokumenten), des illegalisierten Aufenthalts sowie des Drogen- und Medikamentenhandels zu berücksichtigen. Grundlegend stellt sich die Frage, wie polizeilicher und strafrechtlicher Schutz für Trans*Menschen garantiert werden soll, wenn der Staat seinerseits rechtliche und medizinische Gewalt ausübt. Es ist dringend erforderlich zu untersuchen, ob und wie staatlich normalisierte und legalisierte Gewalt die Bedingungen für zwischenmenschliche, körperliche Gewalt schafft. Wenn normative und intersektionale Gewalt durch gegenwärtiges Recht legitimiert und gestärkt wird, sind Hasskriminalitätsgesetze ineffektiv, um die Überlebenschancen der prekärsten und vulnerabelsten Trans*Menschen zu verbessern, da diese weiterhin systematisch für Gewalt und vorzeitigen Tod exponiert werden (vgl. Spade 2011).
Gesetze gegen ‚homophobe und transphobe Hasskriminalität‘ | 205
10.7 AMBIVALENZEN: GEWALTBEKÄMPFUNG DURCH RECHT UND DIE REPRODUKTION VON GEWALT DURCH RECHT Recht stellt wie bereits Foucault (2000, 2003b), Butler (2004 a, b), Spade (2011) und Reddy (2011) argumentieren ein wichtiges governance-Instrument der Bevölkerungsregulierung dar, das der Aufrechterhaltung hegemonialer Machtverhältnisse dient. Gramscis Hegemonie-Theorie (Gramsci 1991-2002) verdeutlicht, dass hegemoniale Machtverhältnisse aufgrund von allgegenwärtig bestehendem Widerstand (durch Nichtbefolgung und Nichtkonformität mit Regeln und Gesetzen sowie Forderungen nach Gleichberechtigung und Selbstbestimmung) der ständigen Transformation bedürfen. Auf der Grundlage der Herrschaftspraktik des Teile-undHerrsche werden vormals ausgeschlossene beziehungsweise benachteiligte Bevölkerungsgruppen partiell de jure inkludiert, inkorporiert und integriert, andere Bevölkerungsgruppen jedoch weiterhin ausgeschlossen. Durch die Inkorporation und gleichzeitige Kriminalisierung von Teilen sozialer Bewegungen 18 wird der Widerstand abgeschwächt und hegemoniale Machtverhältnisse aufrechterhalten (vgl. Brown 1995, 124; Reddy 2011; Spade 2011, 79, 84-85, 116). Da Recht und Gesetze auf hegemonialen Machtverhältnissen basieren und diese kontinuierlich reproduzieren und legitimieren, wird durch Recht auch Gewalt ausgeübt und aufrechterhalten (vgl. Butler 2004b; Foucault 2003; Reddy 2011; Spade 2011). Recht und Rechtsreformen beinhalten dabei paradoxe Gleichzeitigkeiten und ungleiche Effekte der Gewaltbekämpfung und -reproduktion. Dies bedeutet nicht, dass jegliche Rechtsreform irrelevant, kontraproduktiv oder nutzlos wäre. Klagen und Gesetzesreformen sind elementar notwendig für die Verbesserung der Lebenssituation jener Trans*Menschen, die in diesen Gesetzen eingeschlossen werden. Dies betrifft in Deutschland beispielsweise das Ende der Zwangssterilisierung als Voraussetzung für die Personenstandsänderung seit 2011
18 Auch an dieser Stelle sind biopolitische Teile-und-Herrsche-Praktiken von sozialen Bewegungen elementar. In fast allen politischen Bewegungen funktioniert die medial und strafrechtlich aufgebaute Spaltung in jene, deren Protest im Sinne der Meinungsfreiheit als demokratisch, rechtstreu und damit als legitim gilt versus jene, die als radikal und gewaltbereit markiert werden (siehe zuletzt zum Beispiel beim G20 in Hamburg Juli 2017). Die Frage, wie Gewalt in diesem Zusammenhang definiert wird und von wem sie legitim und von wem illegitim ausgeübt wird, wird schon lange nicht mehr gestellt. Dies zeigen zum Beispiel die stark erweiterten Befugnisse des seit Mai 2017 bundesweit gültigen reformierten Polizeigesetzes und insbesondere das im Mai 2018 inkraftgetretene Polizeiaufgabengesetz für Bayern (PAG 2018). Auch die direkte Kriminalisierung von Seenotrettung im Mittelmeer seit Sommer 2018 ist ein Zeichen dafür.
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oder Gesetzesreformen, die die Anerkennung von Partnerschaften und Kindern gestatten. Von Gesetzen bleiben jedoch immer viele insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen ausgeschlossen, denn die staatliche Inklusion erfordert die Reproduktion hegemonialer, intersektionaler Normen von Staatsbürger*innenschaft. Gleichzeitig wird die normative Staatsgewalt gegen Trans* Menschen aufrechterhalten, zum Beispiel in Form von EU-weiten rechtlichmedizinischen Verwerfungen, Psychopathologisierungen und teilweise auch Zwangssterilisierungen, sowie institutionalisierten cis-zweigeschlechtlichen Ausschlüssen. Die ungleichen Lebenschancen von Trans*Menschen werden damit implizit reproduziert und normalisiert (Spade 2011, 37, 93). Dies gilt insbesondere im Bereich des Strafrechts. Gewalt gegen Trans* Menschen soll durch polizeilich-strafrechtliches ex-post Eingreifen bekämpft werden. Angesichts von wachsendem Widerstand ist die Auslagerung und Individualisierung von Gewalt und ihre polizeilich-strafrechtlich Bekämpfung von elementarer Bedeutung für die Aufrechterhaltung hegemonialer Machtverhältnisse. Die rechtliche de jure Inklusion und ex-post Versicherheitlichung ist dabei nicht gleichbedeutend mit der tatsächlichen, faktischen Verbesserung der Lebensbedingungen von Trans*Menschen, insbesondere von jenen, die von intersektionaler Gewalt betroffen sind (vgl. Spade 2011). Inkludierende Gesetzesreformen zum Beispiel Hasskriminalitätsgesetze haben dabei ungleiche, jedoch gleichzeitige Effekte auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Die Paradoxie des proklamierten staatlichen Schutzes bei gleichzeitig aufrechterhaltener normativer Staatsgewalt ist kein Zufall. Vielmehr ist sie ein konstitutives Moment für die Aufrechterhaltung gegenwärtiger neoliberaler Machtverhältnisse, insbesondere in Zeiten der Demokratie- und Legitimationskrise. Rechtsreformen sind demnach in ihrer Effektivität begrenzt, wenn es darum geht, die Lebenssituationen aller Trans*Menschen zu verbessern, da sie neoliberale Inklusions- und Exklusionspraktiken beinhalten. Festgehalten werden kann ist, dass Gesetzesreformen eine wichtige politische Strategie von Trans*Politik sind, die keineswegs komplett verworfen werden sollten. Die Fokussierung auf Reformpolitik im Rahmen westlicher, institutionalisierter Trans*Politik ist jedoch aufgrund der wechselseitigen Konstitution von Recht und Gewalt (vgl. Butler 2004) problematisch. In diesem Zusammenhang folge ich Spades Vorschlag, Rechtsreformen als ein strategisches Mittel und Instrument der Trans*Politik zu sehen, welches wichtig, jedoch inhärent begrenzt ist und der Ergänzung durch weitere Instrumente bedarf (vgl. Spade 2011, 6, 39, 157-186 f.).19 19 Das von Spade/Willse vorgeschlagene Politik-Verständnis orientiert sich dabei an einem Social Justice-Modell und damit verbundenem bottom-up Ansatz (Spade/Willse 2000, 38-52). Dieses basiert auf dem Verständnis, dass grundlegende und nachhaltige Gesellschaftsveränderungen zu mehr sozialer Gerechtigkeit (social justice) und gegen Gewalt community- und basis-orientiert (‚von unten‘) aufgebaut werden müssen und nicht von
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Die am stärksten von Gewalt betroffenen Trans*Menschen, sowie ihre intersektionalen Diskriminierungen sollten dabei als Ausgangspunkt von Trans*Politik genommen werden und nicht als Verkomplizierung, die am Ende hinzuaddiert oder in eine Fußnote verbannt wird. Wenn Politiken und auch Rechtsreformen fähig sind, die Lebensbedingungen und Überlebenschancen der vulnerabelsten Trans* Menschen zu verbessern, dann kann behauptet werden, dass sie die Lebensbedingungen aller Trans*Menschen verbessern. Zusätzlich zu dem strategischen Verständnis von Rechtsreformen ist die Frage elementar, welche Diskriminierungen und welche Gewalt gegen welche Trans*Menschen in gegenwärtiger Reformpolitik thematisiert oder ausgeblendet wird, wie dies zum Beispiel bei normativer und intersektionaler (Staats-)Gewalt der Fall ist. Durch normative Begrenzungen dessen, was als Diskriminierung und Gewalt gerichtlich de facto anerkannt wird und aufgrund intersektionaler Zugangsnormen und Ausschlüsse im Recht werden bestehende Ungleichheits- und Machtverhältnisse unzureichend herausgefordert. Mit anderen Worten: Solange diskriminierende, abjektivierende, pathologisierende, kriminalisierende und teilweise eugenische Gesetze weiterbestehen, solange die unveräußerlichen Menschenrechte von Trans*Menschen in der EU tagtäglich durch legalisierte Staatsgewalt verletzt werden und solange nicht alle Menschen und Geschlechtsidentitäten uneingeschränkt depathologisiert anerkannt und auf allen Ebenen de facto gleichgestellt werden20, solange sind Rechte und Rechtsreformen nicht ausreichend effektiv, um Trans*Menschen vor Gewalt zu schützen.
‚oben‘ implementiert werden können: „This understanding of laws as tactics that are part of a decentralized context in which multiple and competing goals coexist is exceptionally useful for conceptualizing the limitations of legal equality and inclusion claims and for accounting for the distributions that occur through certain vectors of population or identity“ (Spade 2011, 6, 39, 157-186 f.). 20 Die Gleichstellung bezieht sich nicht nur auf die normativ-rechtliche de jure Ebene, sondern auch die epistemische Ebene und alle Bereiche des sozialen, politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens und der Teilhabe.
11 Fazit
In diesem Buch wurde eine kritische Analyse von normativer und intersektionaler Gewalt gegen Trans*Menschen im Kontext von Biopolitik vorgenommen. Als Ausgangspunkt wurden die Prämissen und Begrenzungen bestehender Gewaltforschung kritisch untersucht; dies sowohl bei Ansätzen zu ‚Transphobie‘ und ‚transphober Hasskriminalität‘ (die zumeist auf zwischenmenschliche, besonders brutale körperliche Gewalt reduziert sind) als auch in feministischer Gewaltforschung, die cis-zweigeschlechtliche Normen reproduziert. Auf dieser Grundlage wurde eine erweiterte Konzeption von Gewalt entwickelt als normative und intersektionale Gewalt gegen Trans*Menschen. Die vorgenommene Gewaltanalyse ging den alltäglichen und institutionalisierten Rahmenbedingungen nach, die die normative Grundlage und den Nährboden für Gewalt gegen Trans*Menschen bilden. Es wurde begründet, dass zwischenmenschliche Gewalt gegen Trans*Menschen nicht losgelöst werden kann von den Machtpraktiken der forcierten Cis-Zweigeschlechterordnung. Diese bildet durch ihre tagtäglichen, ritualisierten und institutionalisierten, jedoch ausgeschwiegenen Normierungen, Subjektivierungen und Verwerfungen die normative Grundlage von Gewalt. Gewalt gegen Trans*Menschen ist in zweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsordnungen demnach erstens normativ verankert. Als Zusammenwirken von Recht und Medizin ist die Zweigeschlechternorm institutionalisierte Grundlage von rechtlich anerkanntem Subjektstatus, von Staatsbürger*innenschaft und von Gesundheit (Kapitel 3-5). Die zweigeschlechtliche Subjektivierung und Verwerfung können dabei als grundlegende normative Gewalt der Bevölkerungsregulierung verstanden werden, die alle Menschen unterwirft, sich aber besonders gewaltvoll gegen Menschen äußert, die cis-zweigeschlechtlichen Normen nicht entsprechen. Selbstbestimmte Geschlechtsidentität und Gender-Diversität werden rechtlichmedizinisch verworfen und pathologisiert. Relevant ist dafür einerseits die medizinisch institutionalisierte Psychopathologisierung von Gender-Diversität durch die ICD-10 und DSM-5 Diagnosen ‚Transsexualismus‘, ‚Transvestismus‘ und ‚Geschlechtsidentitätsstörung bei Kindern‘ (Kapitel 3). Andererseits ist die Verwerfung
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von Trans*Menschen rechtlich verankert durch das zweigeschlechtlich normierte Personenstandsgesetz und das deutsche Transsexuellengesetz. Letzteres überführt die Psychopathologisierung von Geschlechtsidentität ins deutsche Recht, indem die ICD-Diagnose ‚Transsexualismus‘ normative Voraussetzung für die Vornamensund Personenstandsänderung ist (Kapitel 4). In Verbindung mit den institutionalisierten cis-zweigeschlechtlichen sowie intersektionalen Diskriminierungen und Ausschlüssen in allen öffentlichen Bereichen – maßgeblich auf dem Arbeitsmarkt sowie im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitswesen – resultiert dies darin, dass (mehrfachdiskriminierte) Trans*Menschen über verringerte Lebenschancen verfügen und verstärkt für Gewalt exponiert werden (Kapitel 6). Im Hinblick auf normative und intersektionale Ausschlüsse kommen dem deutschen Transsexuellengesetz, den ICD-Diagnosen sowie dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen zentrale Gatekeeping-funktionen zu (Kapitel 3-5). Durch rechtlich-medizinisches Gatekeeping wird zunehmend eine staatlich integrierbare und anerkennbare Norm von Trans*Menschen hervorgebracht: als binär identifizierte Trans*Staatsbürger*innen und Arbeitnehmer*innen, die vorherrschend nichtbehindert, weiß-deutsch, jung, sowie ökonomisch und in Bezug auf Bildung mobil sind. Transnormativität bedeutet in diesem Zusammenhang das Verdienen von staatlicher Inklusion auf der Grundlage von Zweigeschlechtlichkeit in Verbindung mit intersektionalen Normen von Staatsbürger*innenschaft und neoliberaler Leistung (Kapitel 9). Viele Trans*Menschen können diese Normen jedoch nicht erfüllen. Der Ausschluss von staatlicher Anerkennung resultiert in einer verstärkten Betroffenheit mehrfachdiskriminierter Trans*Menschen von Isolation, Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit, schlechter Gesundheitsversorgung sowie lebensbedrohlicher Gewalt (Kapitel 6-7). Im Zusammenhang mit lebensbedrohlicher Gewalt wurde anhand der KonzeptMetapher des Gewaltkreislaufs erörtert, dass arme, staatlich und familiär verstoßene, mehrfachdiskriminierte Trans*Personen (of Color) oft in prekäre und teilweise kriminalisierte Arbeitsverhältnisse abgedrängt werden, vor allem in Sexarbeit. Im Kontext normativer und intersektionaler Gewalt durch die Verwehrung von staatlicher Anerkennung und gleichberechtigtem Zugang zu Bildung, abgesicherter Arbeit und Gesundheitsversorgung wurde Sexarbeit in ihrer Gleichzeitigkeit als Überlebens- und Selbstbestimmungsstrategie sowie Dimension des vorzeitigen Todes herausgearbeitet (Kapitel 7.1). Die spezifische Gewaltexponierung von (migrantischen) Trans*weiblichen Sexarbeiter*innen of Color basiert – auch in Deutschland – auf der Verbindung von Anti-Trans* und Anti-Sexarbeits-Gewalt sowie ihrer (direkten und indirekten) Kriminalisierung, Stigmatisierung und Prekarisierung, die durch Rassismus, Kapitalismus und (Hetero)Sexismus bedingt bzw. verstärkt wird (Kapitel 7.1, 10.2). Die vollständige Dekriminalisierung und Destigmatisierung von Sexarbeit ist besonders wichtig, um die verstärkte Gewalt gegen (migrantische) Trans*Sexarbeiter*innen (of Color) zu bekämpfen.
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Auch die Situation von Trans*Geflüchteten in EU-Asylverfahren wurde anhand der Konzept-Metapher des Gewaltkreislaufs analysiert und dabei sich wechselseitig bedingende und verstärkende Ausschlüsse herausgearbeitet. Trans*Geflüchtete müssen bei der deutschen Ausländerbehörde ihre Trans*Identität nach westlich universalisierten, homogenisierten und zweigeschlechtlichen Normen von ‚Transsexualität‘ nachweisen. Gleichzeitig werden sie normativ von der Vornamens- und Personenstandsänderung (gemäß des Transsexuellengesetzes) und vom Zugang zu Trans*Gesundheitsversorgung ausgeschlossen, solange sie über keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus verfügen (Kapitel 7.2). Vor dem Hintergrund der Schließung und Externalisierung der EU-Außengrenzen, sowie der europäisch vereinheitlichten Migrations- und Terrorbekämpfung sind Trans*Geflüchtete auch in Europa von lebensbedrohlicher Gewalt und vorzeitigen Toden betroffen, auch durch unzureichende Versorgung, Abschiebung, Abschiebehaft und Illegalisierung (Kapitel 7.2, 10.5). In Bezug auf die verstärkte Exponierung von mehrfachdiskriminierten Trans*Menschen für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitigen Tod kommt Biopolitik und ihren transformierten Pathologisierungs- und Kriminalisierungspraktiken eine große Bedeutung zu. Diese stehen maßgeblich im Kontext strafrechtlicher Vorwürfe der irregulären Migration, des Identitätsbetrugs oder der Sexarbeit. 1 Die von mir vorgeschlagene Neukonzeption betont in diesem Zusammenhang, dass Gewalt in cis-zweigeschlechtlichen Staats- und Gesellschaftsformen erstens normativ verankert ist und zweitens innerhalb intersektionaler Machtverhältnisse verstärkt wird, was drittens insbesondere mehrfachdiskriminierte Trans*Menschen im Kontext von Biopolitik für lebensbedrohliche Gewalt und vorzeitige Tode exponiert. Was bedeutet dies für die Analyse und Bekämpfung von Gewalt gegen Trans*Menschen durch Rechtsreformen? Zur Erörterung dieser Frage habe ich mich auf bestehende Gewalttheorien und Herrschaftskritiken bezogen. Berlant argumentiert, dass Gewalt konstitutiv ist für die Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse (vgl. Berlant 2007, 761). Gewalt stellt, wie auch von Trotha schreibt, innerhalb bestehender Machtverhältnisse den Normalfall und nicht die Ausnahme dar (vgl. von Trotha 2000, 263). Für die Aufrechterhaltung bestehender Machtverhältnisse in formell demokratischen Rechtsstaaten ist, wie unter anderem Butler (2004b) und Reddy (2011) erörtern, normative Gewalt als wechselseitige Bedingtheit von Recht und Gewalt elementar. Durch Recht soll Gewalt bekämpft werden. Gleichzeitig wird durch Recht Gewalt ausgeübt und aufrechterhalten (Kapitel 8).
1
Indirekte Kriminalisierungspraktiken von Sexarbeit betreffen auch strafrechtliche Vorwürfe des Drogenkonsums oder -handels, des Verstoßes gegen das Arbeits- oder Steuerrecht oder gegen Moral- und Sittengesetze (vgl. Hydra 2013; Macioti 2014).
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Die Paradoxie der Gewaltbekämpfung und -aufrechterhaltung durch Recht wurde im letzten Teil des Buchs im Kontext gegenwärtiger Bevölkerungspolitik und ihrer Sicherheitsdispositive in formell demokratischen Rechtsstaaten kontrovers diskutiert (Kapitel 10). Gegenwärtige Sicherheitsdispositive zeichnen sich (nach den Angriffen des 11. September 2001) durch die strafrechtliche und polizeilichmilitärische Versicherheitlichung, digitale Überwachung sowie die Schließung und Externalisierung der EU-Außengrenzen aus. Sie sind gekoppelt an die gleichzeitig vorangetriebene soziale Entsicherung und neoliberale Selbstnormalisierungs- und -optimierungspraktiken und wirken sich auch auf die Regulierung von GenderDiversität aus. Direkte disziplinierend-sanktionierende Bevölkerungsregulierung von sexueller und geschlechtlicher Diversität, zum Beispiel durch die direkte strafrechtliche Kriminalisierung auf Grundlage von Anti-Homosexuellen-Gesetzen und AntiCrossdressing-Gesetzen, wurde im Kontext von neoliberaler Biopolitik oftmals ersetzt durch indirekte Regulierungspraktiken. Letztere beruhen maßgeblich auf (Selbst-)Normalisierungspraktiken im Kontext der Cis-Zweigeschlechtlichkeit und werden ergänzt durch indirekte Disziplinierungspraktiken in Form von medizinischpsychiatrische Pathologisierungen und Verwerfungen (Kapitel 3-6). Darüber hinaus wurde auch eine Verschiebung von der psychiatrischen Pathologisierung von (Homo-)Sexualität hin zur Pathologisierung von Geschlechtsidentität und GenderDiversität nachgezeichnet (Kapitel 3). Jedoch wurde die heteronormative Pathologisierung trotz der offiziellen Streichung der psychiatrischen Diagnose Homosexualität nicht vollständig beendet. Sie wurde vielmehr auf mehrfachdiskriminierte Menschen ausgelagert, wie z.B. anhand der (bis zum EuGH-Urteil vom 2. Dezember 2014) legal praktizierten psychiatrisch-sexologischen Testung von LSBTQGeflüchteten in EU-Asylverfahren erörtert wurde (Kapitel 7.2). Auch die Diversifizierung und ständige Veränderung von Gender-Diagnosen in den ICD- und DSM-Revisionsprozessen wurde im Hinblick auf Bevölkerungsregulierung kritisch diskutiert. Während im kommenden ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation erstmals eine partielle Depathologisierung von bestimmten, erwachsenen Trans*Menschen ermöglicht wird, besteht die stark entwicklungshemmende psychiatrische Pathologisierung der Geschlechtsidentität von Kindern und präpubertären Jugendlichen trotz massiver Kritik weiter (Kapitel 3.3). Ersichtlich wird, wie trotz positiver Veränderungen zweigeschlechtlich-normierende Gewalt aufrechterhalten wird und vor allem auf besonders vulnerable Bevölkerungsteile, in diesem Fall Kinder, ausgelagert wird. In Bezug auf die gewaltvolle Aufrechterhaltung der Cis-Zweigeschlechternorm wurde zudem resümiert, dass trotz der Verschiebung auf indirekte Praktiken der biopolitischen Bevölkerungsnormalisierung Elemente direkter Disziplinarmacht in Form von massiver Staatsgewalt aufrechterhalten werden (Kapitel 5). Diese ‚operieren‘ auch direkt am Körper und machen Menschen, die der Cis-Zwei-
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geschlechternorm nicht (eindeutig) entsprechen, durch massive, invasiv-normalisierende und disziplinierende körperliche Gewalt gefügig. Direkte physische Disziplinarpraktiken betreffen zum einen die medizinisch nicht notwendigen ‚geschlechtsangleichenden Operationen‘ an Inter*(geschlechtlichen) Kindern ab dem Kleinkindalter (vgl. Klöppel 2010; 2016; 2017; Plett 2003 a/b; 2009; 2015; Voß 2012; 2013; 2014 a/b). Diese medizinisch nicht notwendigen ‚geschlechtsnormalisierenden Operationen‘ wurden in Deutschland – trotz der wichtigen Rechtsbeschlüsse – weder im Parlamentsbeschluss vom 1. November 2013 noch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Oktober 2017 verboten (Kapitel 5.3). An dieser Stelle wurde besonders deutlich, mit welcher massiven, körperlichinvasiven Staatsgewalt die Cis-Zweigeschlechternorm als vermeintlich präexistente naturalisierte Norm von Menschsein und Gesundheit sowie von Subjektstatus und Staatsbürger*innenschaft aufrechterhalten wird. Als Form direkter Disziplinarmacht wurde auch die Zwangssterilisierung kritisch im Kontext von Kontinuitäten eugenischer Bevölkerungsproduktion und -destruktion diskutiert (Kapitel 5). Die forcierte Sterilisierung von Trans*Menschen existiert im Jahr 2018 noch in 14 Ländern Europas (davon sieben EU-Mitgliedsstaaten) als Form massiver legalisierter Staatsgewalt (vgl. TGEU 2018) trotz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) von April 2017, welches diese als verfassungswidrig erklärte. Auch in Deutschland war die Zwangssterilisierung bis zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2011 rechtlich geforderte Zugangsvoraussetzung für die Personenstandsänderung nach dem deutschen Transsexuellengesetz. In Anlehnung an Foucaults „the ‚right to kill‘ and ‚the right to make life‘“ (Foucault 2003, 241) wurde argumentiert, dass es bei Bevölkerungspolitik letztendlich um die Entscheidung des nationalstaatlichen Souveräns geht, wessen Existenz erhalten und gefördert wird (vgl. Butler 2004a/b; Foucault 2003) und wessen Leben und Fortpflanzung es zu verhindern gilt: „Killing not mean simply murder as such, but also every form of indirect murder: the fact of exposing someone to death, increasing the risk of death for some people, or quite simply, political death, expulsion, rejection, and so on“ (Foucault 2003, 256). Diese „long-term conditions of privation“ (Berlant 2007, 760) des langsamen Todes resultieren in ungleiche (Über-)Lebenschancen und vorzeitige Tode. Diese schnellen und langsamen Todespraktiken werden im Schatten von Proklamationen des Staatschutzes und der Inklusion als ausgeschwiegene und normative Staatsgewalt in den territorialisierten und exterritorialisierten Grenzzonen zwischen Leben und Tod (vgl. Mbembe 2003) fortgeführt, zum Beispiel in geschlossenen Psychiatrien, im Mittelmeer,2 in exterritorialisierten Flüchtlingslagern oder (Abschiebe-)Gefängnissen. 2
Das Schengen Abkommen ist seit Sommer 2015 nicht nur temporär, sondern permanent außer Kraft gesetzt. Die europäischen Außergrenzen sind geschlossen, die Idee von Europa ist gescheitert. Wieder werden symbolische und physische Mauern gezogen, vor
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Mit anderen Worten: Mit der Neukonzeption von Gewalt wurde argumentiert, dass Trans*Menschen nicht nur durch Mord vorzeitige Tode sterben, sondern auch aufgrund von normativ verankerter und intersektional verstärkter Gewalt. Solange Subjektstatus, Intelligibilität und Staatsbürger*innenschaft an zweigeschlechtliche Normen gekoppelt ist – und solange diese es legalisieren, Menschen zweigeschlechtlich zu pathologisieren, zu verwerfen und mit massiver Zwangsgewalt zu normalisieren – solange gehören der Staat und seine Institutionen zu den Hauptakteuren von Gewalt gegen Trans*Menschen.
denen ein ausgeschwiegenes Massensterben stattfindet im Mittelmeer, an den exterritorialisierten Außengrenzen Europas, an jeglichen tödlichen Grenzstreifen, den alten und neuen Todeszonen aus Krieg, Armut, Hunger und Umweltzerstörung.
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