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German Pages 408 Year 2020
Denise Bergold-Caldwell Schwarze Weiblich*keiten
Gender Studies
Denise Bergold-Caldwell (Dr. phil.), geb. 1973, ist wissenschaftliche Geschäftsführerin des Zentrums für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung an der Philipps-Universität Marburg. Die promovierte Bildungs- und Erziehungswissenschaftlerin lehrt mit einem Schwerpunkt auf post- und dekolonialen Bildungsprozessen.
Denise Bergold-Caldwell
Schwarze Weiblich*keiten Intersektionale Perspektiven auf Bildungs- und Subjektivierungsprozesse
Diese Publikation beruht auf einer Dissertation am Fachbereich für Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg, die im Jahr 2019 eingereicht und verteidigt wurde.
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Inhalt
Danksagung ................................................................................... 9 Vorwort ....................................................................................... 13 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
Schwarze Weiblich*keiten: Eine intersektionale Analyse von Bildungs- und Subjektivierungsprozessen ............. 19 Einleitung und Point of Departure ......................................................... 19 Erkenntnistheoretische Perspektive...................................................... 25 Forschungen, die an ähnlichen Fragestellungen ausgerichtet sind......................... 29 Aufbau der Arbeit........................................................................ 30 Fragestellung(en) ......................................................................... 31 Begriffsklärungen ....................................................................... 32
Bildung – Subjekt – Diskurs ............................................................. 35 Bildungstheorie und Subjektivierungstheorie – Formation und Transformation des Selbst .. 35 2.1.1 Einleitung ........................................................................ 35 2.1.2 Rahmung und Bedeutung von Bildung ............................................. 39 2.1.3 Eine Auseinandersetzung mit den Dimensionen des Bildungsbegriffs nach Jenny Lüders ............................................................... 44 2.1.4 Subjektivierungstheoretische Perspektiven im Anschluss an Martin Saar ........... 64 2.1.5 Bildungstheoretische Überlegungen und subjektivierungstheoretische Analytiken – eine Gegenüberstellung als Gedankenexperiment ..................... 78 2.1.6 Ein vorläufiges Fazit ..............................................................102 2.2 Bildung und Subjektivierung in postkolonialen und migrationsgesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen..................................104 2.2.1 Einführung .......................................................................104 2.2.2 Die Geschichte des Rassismus, Alltagsrassismus und Bildung ......................106 2.2.3 »Racial Capitalism« – der Kontext der Migrationsgesellschaft. Eine Analyse im Anschluss an Encarnción Gutiérrez Rodríguez .....................120 2.2.4 »Contract and Domination« – der strukturelle Platz Schwarzer Frauen und Women of Color ............................................................. 130 2 2.1
2.2.5 Ein Ausblick auf Schwarze feministische, de- und postkoloniale Perspektiven auf Subjektivierungs- und Bildungsprozesse.......................................159 2.2.6 Ein vorläufiges Fazit ..............................................................164 2.3 Das abendländische Subjekt mit Foucault denken – Theorie-methodische Hinführungen. Foucaults Werkzeugkiste zur Analyse von Subjektivierungs- und Bildungsprozessen .......165 2.3.1 Einleitung ........................................................................165 2.3.2 Die Hervorbringung des modernen Subjekts und die Kontrastfolie nicht-weiße Menschen ............................................................ 167 2.3.3 Das Subjekt der Macht – Von der Normalisierungsmacht zur Biomacht zur Gouvernementalität ........................................................... 174 2.3.4 Transformation bei Foucault oder die Technologien des Selbst als Bildungsperspektive........................................................... 181 2.3.5 Zusammenfassung: Die Regierung der Subjekte und ambivalente Bildungen ....... 186 2.4 Diskurse und diskursive Praktiken – Ein Überblick ........................................ 187 2.4.1 Einleitung ........................................................................ 187 2.4.2 Diskursforschung und –analyse aus einer Foucault’schen Perspektive ............. 188 2.4.3 Perspektiven auf erziehungswissenschaftliche Diskursforschung und die Situationsanalyse.........................................................195 2.4.4 Diskursive Formationen, Ordnungen und Praktiken................................. 197 2.4.5 Zusammenfassung und Weiterführung ............................................201 3 3.1 3.2 3.3
3.4 3.5
Subjektivierungs- und Bildungsforschung mit der Situationsanalyse als methodischem Zugang ............................................................. 205 Einführung ............................................................................. 205 Grundlegende Vorgehensweise und Interviewführung .................................... 207 Die Situationsanalyse nach Adele Clarke ................................................. 213 3.3.1 Von der Grounded-Theory-Methode (GTM) zur Situationsanalyse .................... 214 3.3.2 Theoretische Grundlagen der Situationsanalyse und die Erweiterung um Diskurse und Subjektivierungen .............................................. 220 3.3.3 Methodisches Vorgehen – Mappen der Diskurse................................... 228 Forschungsmethodisches Vorgehen und Analyseschritte.................................. 231 Kurze Zusammenfassung ............................................................... 235
Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens ......... 241 Einführung in eine komplexe Betrachtung ................................................ 241 Diskurse und diskursive Handlungen in der Empirie...................................... 250 Stereotype und diskursives Handeln in spezifischen Selbstverhältnissen ................. 253 4.3.1 Die Rekonstruktion diskursiver Ordnungen und Anrufungen durch Stereotype ..... 255 4.3.2 Verweisstruktur der Stereotype untereinander: Ein Rahmen der Adressierbarkeit................................................. 266 4.3.3 Diskursives Handeln im Umgang mit Stereotypisierungen ......................... 270 4.3.4 Kurze Zusammenfassung und weiterführende Fragen ............................. 280 4.4 Sexualisation – Problematisierungen aus unterschiedlichen Positionen: historische Bilder und ihre Aktualisierung .............................................. 282 4 4.1 4.2 4.3
4.4.1 Rekonstruktion der diskursiven Ordnungen und Anrufungen im Sprechen über Aufwachsen, Geschlechtsidentität, Körperlichkeit und Sexualität............. 288 4.4.2 Diskursive Handlungen im Umgang mit Sexualisierungen ......................... 307 4.4.3 Kurze Zusammenfassung und Bedeutungen für Subjektivierungsprozesse .......... 317 4.5 Race – Class – Gender ................................................................... 319 4.6 Bildungsprozesse als Technologien des Selbst ........................................... 323 4.6.1 Double Consciousness as Black Female Consciousness: Edith, Olivia und Simoné ......................................................... 327 4.6.2 Wie ich gesehen werde – wie ich mich selbst sehe: Claudia ....................... 330 4.6.3 »So I had to seek out Black Figures« – Auslösende Momente für Bildungsprozesse: Mora ................................. 333 4.6.4 Rollen einfach spielen … – Theater als Technologie des Selbst: Mathilda........... 335 4.6.5 Die Notwendigkeit einer Gruppe zur Aufarbeitung intersektionaler Diskriminierungen: Ninja ........................................ 337 4.6.6 Kurze Zusammenfassung ........................................................ 338 5 Diskussion der Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen ....................... 341 5.1 Rückblick und Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der Theorie und der Empirie .. 341 5.2 Weiterführende Gedanken zu einer Subjektivierungsanalytik am Kreuzungspunkt von race und Geschlecht ................................................................ 355 5.3 Bildungsprozesse aus Schwarzer und weiblicher Perspektive ............................ 358 5.4 Einige Gedanken zur Bedeutung für die pädagogische Praxis und für weitere Forschungsansätze ..................................................... 364 Literatur .................................................................................... 367
Danksagung
Zunächst möchte ich mich bei allen Frauen* bedanken, die sich bereit erklärt hatten, mir ein Interview zu geben. Alle zusammen wart ihr tolle Interviewpartner*innen, die nicht nur meine eigene Perspektive, sondern auch die Analysen der vorliegenden Arbeit wesentlich bereichert haben. Ich danke euch sehr für die Zeit, die ihr euch genommen habt, für die Offenheit dafür, dass ihr mir eure Perspektiven, Verletzungen und biographischen Erlebnisse anvertraut habt. Ich hoffe sehr, dass ihr euch in den Analysen und Aussagen wiederfindet und sie für euch nutzen könnt. Nur mit euch ist diese Arbeit zu dem geworden was sie ist! Danke dafür! Weiterhin danke ich meinen beiden Betreuerinnen, Prof. Dr. Susanne Maurer und Prof. Dr. Maisha Auma. Ihr beide wart für mich in unterschiedlichen Funktionen unterstützend, korrigierend und rahmend tätig: Susanne Mauer hat mich nicht nur in der Themenwahl bestärkt, mein theoretisch-analytisches Denken unterstützt und mich immer wieder ermutigt, auch kontrovers zu denken, sondern sie hat mich auch emotional durch die Zeit begleitet. Maisha Auma hat mich in meiner Schwarzen feministischen postkolonialen Perspektive gestützt, die eben in Deutschland so wenig vertreten ist. Sie hat mich in der Wahl der Themenstellung bestätigt und immer wieder ermutigt, noch genauer hinzusehen, intersektionale Perspektiven als zentralen Ausgangspunkt zu betrachten und meiner rassismustheoretischen Analyse zu vertrauen. Zwischen uns gab es den Effekt, der in Schwarzer Bewegungsgeschichte »Each one teach one« genannt wird. Jede*r gibt sein*ihre Erfahrungen mit Schwarzem Wissen, Schwarzer Theorie weiter an Andere. Ich danke dir Maisha, für diese wundervolle und inspirierende Arbeit. Dir, Susanne, danke ich für so vieles, aber insbesondere für dein Da-Sein während der langen Zeit, in der eine Promotion verfasst wird. Ein weiterer Dank geht an eine Person, die das wahrscheinlich nicht erwartet: An meine ehemalige Kollegin und Freundin Jasmin Scholle, ohne die ich wahrscheinlich nicht den Mut gehabt hätte, mit den Fragen zu beginnen und die mich sehr lang begleitet hat, die Fragen zu beantworten, die letztlich zu weiteren Fragen geführt haben. Danke! Bedanken möchte mich auch bei meinen Gegen-Leser*innen und Kommentator*innen: Matti Traußneck, Nina Schuhmacher, Irmgard Diewald, Veronika Ott und Jacob
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Schwarze Weiblich*keiten
Will. Ich war sehr froh über viele freundliche, kritische, euphorische oder auch nüchterne Anmerkungen und Rückmeldungen. Darüber hinaus hattet ihr aber auch – alle in unterschiedlichen Rollen – immer ein Ohr für mich, habt mit mir gebangt und wart einfach da! Vielen Dank! Danken möchte ich auch meinen Kolleg*innen, die mich im Werden dieser Arbeit unterstützt haben, mit denen ich intensiv diskutiert habe und mit denen ich eine Anti-Diskriminierungs-Forschungs-AG gegründet habe: Carolin Tillmann, Pia Thattamannil, Jasmin Scholle und Alexander Thattamannil-Klug. Mein Dank gilt auch Eva Georg, mit der ich nach wie vor gerne Anti-Bias-Seminare gebe und unser Austausch in diesen Zusammenhängen hat viel zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen. Habt Dank! Wesentlich geprägt und begleitet hat den Prozess der Fertigstellung der Arbeit auch meine derzeitige Kollegin und Freundin Barbara Grubner; nicht nur durch kritische Kommentierungen des Gelesenen und Tipps für die weitere Suche in feministischer Theorie, sondern auch durch einen Austausch in dem es um die Frage des Subjektes ging, hat die Arbeit sehr gewonnen. Lieben Dank Dir! Ich danke zudem den zwei Menschen, die die Arbeit in den letzten Tagen und Wochen gelayoutet haben, Quellenverzeichnisse durchforstet und umständliche Formulierungen aufgezeigt haben: Laura Stumpp und Magdalena Protte, ich danke euch sehr! Meinen eigenen Bildungsprozess haben vor und mit dem Entstehen dieser Arbeit viele Menschen begleitet, die alle ein stückweit etwas mit dazu beigetragen haben, dass diese Dissertation jetzt vorliegt; zunächst sind das Pasquale Virginie Rotter und Sebastian Fleary. Ich habe euch beiden zu verdanken, dass ich weiß, dass sich intersektionale Machtverhältnisse auch im körperlichen Empfinden zeigen und dass es wichtig ist darauf zu achten. Ich habe von euch lernen dürfen, was ein Empowermentin-Motion-Prozess sein kann, danke dafür! Danke auch Laura Digoh-Ersoy, Hadija Haruna-Oelker, Christelle Nkwendja-Ngnoubamdjum, Camilla Ridha und Eleonore Wiedenroth-Coulibaly. Es war eine tolle und intensive Zeit mit euch und unserem Buch Spiegelblicke! Und auch das Buch ist für mich – für meinen Bildungsprozess – ein Stein im Mosaik, der letztlich auch zu dieser Dissertation geführt hat. Ich möchte insgesamt den Menschen in Schwarzen Bewegungskontexten wie ADEFRA und ISD danken. Ohne eure unermüdliche Arbeit, Hilfestellung, Aufklärung, Vernetzung, Unterstützung und letztlich Räume-gestalten, wären viele von uns ohne Rückhalt. Deshalb danke ich euch für diese Arbeit und für die wichtigen Ressourcen, die ihr bereitstellt. Als letztes, aber eigentlich auch immer als erstes, und auch mittendrin, möchte ich mich bei meiner Familie bedanken. Ihr habt in den letzten Tagen und Wochen viel aushalten müssen. Nicht nur mein Onkel Erwin Junker, der die gesamte Arbeit Korrektur gelesen hat und bisweilen lustige und weiterführende Anmerkungen hinzugefügt hat; sondern auch meine Mutter Gisela Caldwell, die die größten Höhen und Tiefen emotional abgefedert hat und meinem Bruder Christopher Caldwell, der immer an mich geglaubt hat. Dankbar bin ich auch meinem Partner Tobias Bergold, der neben Gegenlesen, emotionalen Tiefflügen auffangen, Kraft geben, Ausdauer geben, Liebe geben auch meine Versorgung gewährleistet hat. Ich bin dir sehr, sehr dankbar! Und zum guten Schluss mein Sohn Robin: Ich denke jetzt ist es Zeit, dass wir weiter philoso-
Danksagung
phieren können und uns fragen können, wer hier eigentlich wen unterdrückt: Foucault Rousseau oder umgekehrt…
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Vorwort
Zu Beginn der Tagung Zwischen Freude und Beunruhigung (im Sept. 2015), die meine Kolleginnen Jasmin Scholle, Susanne Maurer und ich ausgerichtet hatten – eine Tagung die sich einerseits mit unterschiedlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen und anderseits mit kreativen, neuen und persönlichen Widerständen auseinandersetzen wollte – fragten wir uns, wie es möglich ist, eine solche Tagung zu beginnen. Wie war es möglich, von den doch sehr theoretischen Annahmen und abstrakten Vorstellungen von intersektionalen Machtverhältnissen auf die Ebene des Eigenen, Persönlichen, des Involviert-seins zu kommen? Wie dieses Involviert-sein zeigen, ohne daraus eine persönliche Nabelschau, einen Akt der Selbstdarstellung zu machen und Möglichkeiten des Ausdrucks finden, die Begrenzungen, Seins-Weisen und Regelungen deutlich machen, die eben nicht einfach das Persönliche zum Politischen machen, sondern umgekehrt zeigen, dass wir alle schon immer in diese Gesellschaft verstrickt sind und dass die Regelungen dieses Ortes, an dem wir leben, unser Sein und Wirken wesentlich hervorbringen. Wie wir drei diese Frage gelöst haben, war – glaube ich – sehr einzigartig und ich habe es in der Form auch nie wieder erleben dürfen. Anstatt eine umfassende Einführung in unterschiedliche Theoriehorizonte, Begriffsklärungen oder einführende Fragestellung vorweg zu setzen, haben wir jegliche theoretische Klärung, die wir vornehmen wollten, mit Verlaufslinien unserer jeweiligen Biographie in Verbindung gebracht. Damit haben wir uns selbst unerbittlich in diesen Ordnungen ver-ortet und Begrenzungen und Hervorbringungen an unseren eigenen biographischen Wegen gezeigt. Es war sehr beunruhigend – ich möchte fast sagen beängstigend – einen solchen Weg einzuschlagen, aber es hat auch Freude bereitet, weil die Öffnung unserer Biographiewege und die Verknüpfung mit Machtverhältnissen die Möglichkeit bot, Solidarsierungen herzustellen. Wir sind dabei von einem Erfahrungsbegriff ausgegangen, der Erfahrungen nicht einfach als persönliches Erleben versteht, sondern Erfahrungen als etwas reflektiert, was »das scheinbar Persönliche oder Subjektive in seiner Beziehung zu Wissensformen und Machtprozessen [in Beziehung setzt], und es ist die Gesamtheit dieser Beziehungen, die eine Erfahrung definier[t]« (Lemke 1997: 265). Eine solche Erfahrung mache ich jetzt auch. Nachdem ich jahrelang daran gearbeitet habe, diese Dissertation fertig zu stellen und meine Fragen zu formulieren, wird mir immer klarer, in welchem Macht-Wissensfeld – der Wissenschaft – ich mich befinde. Es
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Schwarze Weiblich*keiten
folgt seinen eigenen Regeln, nimmt neue Diskurse auf, lässt sie zu oder eben auch nicht. Der Grad des Aufnehmens hängt weniger davon ab wie ein Gedanke eingebracht wird, wie der Versuch von theoretischen und empirischen Klärungen herbeigeführt wird; er hängt wesentlich eher davon ab, wie und ob eine klare Zuordnung (zu thematischen, theoretischen und empirischen Feldern) erfolgt und es hängt vom strukturellen Platz ab von dem Gesprochen wird. In meiner Arbeit habe ich den Versuch unternommen, theoretische Paradigmen aufeinander zuzubewegen, die mehr gegeneinander als miteinander diskutiert werden; zumindest in mancherlei Hinsicht. Als ich beispielsweise von einem Kollegen – der selbst in der Diskursforschung zu verorten ist – erfuhr, dass Intersektionalität doch jetzt erledigt sei, wo es doch die Dezentrierung des Subjekts in der Diskursforschung gebe, wunderte ich mich. Als ich las, dass das Paradigma der Intersektionalität nicht mit der gesellschaftstheoretischen Perspektive der Verhältnisse zusammen gedacht werden kann, wunderte ich mich ebenso. Es geht hier, so meine Vermutung, um eine Auseinandersetzung, die auf je eigene Weise versucht, Zusammenhänge zu verstehen und zu artikulieren. So manches Mal finden sich diese Positionen dann im Widerstreit zueinander und in dieses Feld bringe ich nun diese Perspektive ein: Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, wie Women of Color und Schwarze Frauen in unserer Gesellschaft in einem spezifischen Sinn subjektiviert werden und wo in der reflexiven und differenzierten Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen Bildungsprozesse liegen, die nicht nur das Subjekt, sondern Gesellschaft und Wissenssysteme insgesamt in Frage stellen. Mein Blick ist dabei ein intersektionaler, sowohl auf die geäußerten Erfahrungen der Frauen* als auch auf die Diskurse und Anrufungen, denen sie begegnen. Darüber hinaus findet sich dieser intersektionale Blick auch auf einer Ebene, der sich gesellschaftlichen Verhältnissen in ihrer Verwobenheit annähert. Ohne eine historisierende gesselschaftstheoretische Ver-Ortung der Subjektbedingungen, wie sie Geschlechterverhältnisse und postkoloniale Bedingungen hervorbringen, wird nicht zu klären sein wie Erfahrungen der Formation und Transformation einzuordnen sind. Deshalb dieser Mehrebenen intersektionale Blick. Ich bewege mich also wissentlich, manchmal auch unwissentlich, in Theorien und Perspektiven, die in mancherlei Zusammenhängen fast als Antagonismen dargestellt wurden. Nun liegt diese Arbeit vor und ich bin sehr gespannt, wie sie aufgenommen, diskutiert, abgestritten oder auch weitergedacht wird. Inspiriert wurde ich zu der oben genannten Erfahrung, eine Dissertation zu verfassen, durch Macht-Wissenserfahrungen, die ich im Laufe meines Lebens gemacht habe. Als ich am Anfang des Jahres 1973 das Licht der Welt erblickte, riefen meine Eltern vielleicht auch aus »…es ist ein Mädchen!«, eine Machtprozedur, die Judith Butler im Anschluss an Louis Althusser als Anrufung bezeichnet hat. Zu diesem Zeitpunkt war das Mädchen-Sein zweitrangig; viel wichtiger war, dass meine Mutter, eine weiße Frau, ein Kind mit einem Schwarzen Mann bekommen hatte und meine weißen Großeltern (beide im Nationalsozialismus aufgewachsen) aufgrund ihrer Prägung im faschistischen Schulsystem und einer Umgebung, die nicht minder rassistisch war, große Angst davor hatten, was auf sie zukommt, wenn ich geboren werde. Die Phantasien von einigen, aber hauptsächlich einem Strang der Familie, reichte von rassentheoretischen StufenVorstellungen – bei denen Schwarze selbstverständlich an der unteren Stufe anzusie-
Vorwort
deln waren – bis hin zu Fragen, wie ein solches ganz fremdes Kind eigentlich erzogen werden sollte. Wenn wir heute zusammen über diese Situation sprechen, wird allen in meiner Familie bewusst, wie schwer es doch eigentlich war – und wie deutlich die historischen Macht- und Wissensstrukturen unser Leben, unsere Beziehungen, unser Sein hervorgebracht haben und uns zueinander in Beziehung gesetzt haben. Diese Linien und Macht-Wissenbeziehungen verlaufen nicht bruchlos; vielmehr sind sie auch durch Diskontinuitäten geprägt, in denen die Dinge doch einen andren Verlauf nehmen, als er vielleicht vorbedacht war… Der Verlauf, der Bruch, der mein Leben an diesem Tag meiner Geburt wesentlich geprägt hat, war der nach wie vor wichtigste Moment in meinem Leben. Meine Großeltern und meine Eltern waren, wie gesagt, voller Sorge, dass es aufgrund meiner Existenz, der Tatsache meiner Schwarzen und der Schwarzen Existenz meines Vaters, zum Bruch zwischen ihnen kommen würde; nachdem ich also geboren wurde und die Schwestern mich in ein Zimmer gebracht hatten, in dem alle Neugeborenen lagen, durfte meine Großmutter mich sehen. In dem Moment, als sie mich durch das Fenster sah, ist etwas passiert, etwas das meine Familie häufig als eine Art Wunder beschrieben hat. Meine Großmutter und auch mein Großvater haben sich einfach in mich verliebt, ohne mein Zutun, ohne irgendwas, einfach so; und ich habe mein Leben lang sehr viel Unterstützung, Wertschätzung und Liebe erhalten. Gleichzeitig gab es noch immer diese rassistischen Macht-Wissenstrukturen, die nicht nur meine Eltern, sondern auch meine Großeltern und unser soziales Umfeld vor sich hertrieben, in unsere Beziehung wirkten und uns wiederum in ein Verhältnis zueinander setzten. Diese Art Machtverhältnis in persönlichen Nahbeziehungen lässt nicht nur das häusliche Umfeld als ein unsicheres erscheinen, sondern darüber hinaus auch das außerhäusliche. Ich kann gar nicht aufzählen wie häufig meine Mutter wegen mir und/oder meinem Bruder in die Schule musste, weil es entweder darum ging, dass männliche Lehrer uns tatsächlich richtig beleidigt hatten – meine Lieblingsgeschichte ist die, dass meine Deutschlehrer sagte, er gehe jetzt nach ›Afrika‹ um denen dort zu helfen, weil die sich ja selbst doch eh nie helfen könnten, was man ja schließlich an mir sehen würde – oder wir einen Streit auf dem Schulhof hatten, bei dem wir rassistisch beleidigt wurden, mit Kindern und Jugendlichen unserer Klasse oder unserer Schule. Ein Mädchen sein zu dürfen, mit all den Einschränkungen, Erwartungen und Bildern, die an Mädchen dieser Zeit herangetragen wurden, war für mich nicht möglich. Ich war auf seltsame Weise ein- und ausgeschlossen von diesem Mädchen-Sein. Einerseits war ich nicht Mädchen genug um eines zu sein, anderseits nahmen Sexualsierungen und sexualisierte Übergriffe mit zunehmenden Alter zu; wenn ich Glück hatte, sprach mich einer dieser weißen Jungen an und machte mir das ›Kompliment‹ ich sehe doch aus wie Whitney Housten (eine US-amerikanische Sängerin). Diese Bilder von mir selbst, die mir über mein soziales Umfeld vermittelt wurden, hielten sich lange. Erst mit Beginn einer Phase, die sich rückblickend als Emanzipation aus gegebenen Verhältnissen beschreiben lässt, wurden mir die rassistischen und auf spezifische Weise sexistischen Verhältnisse bewusst, die solche Erfahrungen hervorbringen konnten. In dieser Zeit gab es noch immer meine Familie und insbesondere mein weißer Onkel und meine Mutter haben es vermocht, mir Analytiken und Denkweisen an die Hand zu geben, diese Verhältnisse im Kern zu hinterfragen. Ich weiß
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noch sehr genau, wie es war, als mein Onkel mir das Buch Wir Untertanen von Berndt Engelmann zu meinem Geburtstag geschenkt hat. Es wurde mir klar, dass das, was ich hier vorfinde, eine lange, historische Geschichte von Unterdrückung und den Widerständen dagegen war. Meine Geschichtslehrerin hatte schon damals über Kontinuitäten zwischen einem transatlantischen Sklavenhandel, Kolonialismus und der veränderten Fortsetzung in Nazi-Deutschland gesprochen. Vielleicht war sie ihrer Zeit voraus; in jedem Fall hat sie mir aber die Möglichkeiten gegeben zu lernen, welche Strukturen und Verhältnisse es sind, die ihre Fortsetzung auch noch heute tätigen. Einzig und allein das Gespräch über bestehende Rassismen, Alltagsrassismen in der Intersektion mit Geschlecht waren schwer bis gar nicht möglich. Es gab das diffuse Gefühl, eine Linie, ein Sprechverbot, zu übertreten, sobald das ›böse‹ Wort Rassismus Erwähnung fand. Was dazu führte, dass ein diffuses subjektives Gefühl der Unzugehörigkeit und Nicht-Vermögen und Sonderbehandlung ohne Namen Verbreitung fand. Als ich im Juni 1989 mit meiner Klasse nach Berlin fuhr, war ich wirklich überrascht und sehr erstaunt über die unterschiedlichen Entwicklungen in beiden Teilen der Stadt. Wir mussten noch fünfundzwanzig Ost-Mark eintauschen und haben versucht, alles Geld in der Nähe des Alexanderplatzes auszugeben, was uns nur sehr schwer gelungen ist. Umso erstaunter war ich, als ich im Herbst/Winter desselben Jahres Bilder im Fernsehen sah, die die ›Wiedervereinigung‹ der beiden getrennten Städte und Staaten zelebrierten. Das Gefühl und die Rhetorik, die nach diesem wiedervereinten Deutschland entstand, war kaum zu ertragen; einerseits die aufkommenden Plattitüden von ›wir sind wieder wer‹, bis hin zur Frage, ob die Ge-Anderten (also ich/wir), denn dann überhaupt noch Platz in diesem geeinten Deutschland hätten, veränderte die ohnehin aufgeladene Atmosphäre sehr. Die diffuse Angst und das Unwohl-Sein veränderte sich nach den rassistischen Übergriffen in Hoyerswerda, Solingen und Mölln in manifeste Ängste. Kann mir das auch passieren? Wenn ja wo? Was muss ich machen? waren Fragen, die mich alltäglich auf dem Weg zur Schule, dann zur Arbeit und später zur Fachschule begleiteten. Ich war aber auch gleichzeitig das Mädchen, das in dieser rassifizierten Logik angesprochen wurde – eben deutlich anders als meine gleichaltrigen weißen Freundinnen. Der Moment, oder der Beginn einer Richtungsänderung – vom Getriebensein durch Alltagsrassismen, in Kombination mit spezifischen Sexismen – wurde tatsächlich bei mir in einer Situation initiiert, an der Susanne Maurer wesentlich beteiligt war. Wir hatten während unseres Studiums ein Sozial-Philosophisches-Kolloquium, in dem wir uns regelmäßig trafen und Texte von unterschiedlich sozialwissenschaftlich orientierten Theoretiker*innen lasen. In diesem Zusammenhang rezipierten wir auch einen Text, der Schwarzen Feminismus und diese Perspektiven verdeutlichte. Es entstand eine Situation, in der mein Wort und meine Deutung der Welt plötzlich Gewicht hatten; nicht dass es vorher nicht der Fall war, aber dieser Moment war sehr besonders, weil Susanne Maurer mich über den Tisch hinweg ansah und mich (eine ihr damals fremde Person) fragte: »Was denken Sie dazu?«. Obwohl in diesem Raum also viele Menschen saßen, die entweder aufgrund ihres Abschlusses an einem anderen Punkt standen oder aufgrund ihrer reichhaltigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung an einem anderen Punkt waren, wurde die Perspektive einer noch unerfahrenen Schwarzen Studentin eingeholt. Wir waren in diesem Raum wiederum in einem Macht-Wissensverhältnis
Vorwort
zueinander konfiguriert, der außerdem noch durchzogen war von hierarchischen Positionen, wie sie Wissenschaft eben hervorbringen kann. Doch trotzdem wurde in diesem Moment etwas durchbrochen, neu-arrangiert, was sich vielleicht wiederum als Anrufung skizzieren ließe, diesmal war es aber keine Anrufung der hegemonialen Macht, sondern es war eine Anrufung, die mir einen Platz auf dem Hintergrund meiner Erfahrungen offerierte. Von dort aus sind nun viele Dinge geschehen, die meinen eigenen Bildungsprozess begleitet haben; nicht zuletzt die Herausgabe eines Buches zu Schwarzer Bewegungsgeschichte in Deutschland, mit fünf weiteren Schwarzen Frauen. Aber es sind diese Momente, die nicht außerhalb von Macht-Wissens-Konfigurationen stehen, sondern deren unbedingter Teil sind, die solche Bildungsprozesse initiieren können. Die Auseinandersetzung in der vorliegenden Dissertation versucht diese Momente und deren Weiterführung theoretisch zu klären.
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Einleitung und Point of Departure
Rassismus ist eine Strukturkategorie, die in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen ihre Wirkung entfalten kann; er zeigt sich in zwischenmenschlichen Beziehungen, auf institutioneller, gesellschaftlich-kultureller Ebene und zudem auch auf der intrasubjektiven Ebene (Melter/Mecheril 2009: 9-11). Darüber hinaus wissen wir nicht erst seit dem Wirken des NSU, dass rassistische und rechtsextremistische Taten noch immer tödlich sein können; sie schaffen viel Leid, nicht zuletzt bei jenen, die in ständiger Angst leben müssen, selbst als nächste von körperlicher Gewalt und Übergriffen betroffen zu sein. Rassismus und Ungleichbehandlung über Zuschreibungen, die aus rassistischen Konfigurationen geboren sind, lassen sich aber nicht nur auf der Ebene gewalttätiger Übergriffe, institutioneller Diskriminierungen (Gomolla/Radtke 2009) und gesellschaftlich-kultureller Diskurse (Hall 2010) betrachten, sondern darüber hinaus ist Rassismus in erster Linie eine alltägliche machtvolle Differenzierungspraktik (vgl. Velho 2016), die auch eine tödliche Konsequenz haben kann. Auch die Kategorie Geschlecht ist als Strukturkategorie in vielen gesellschaftlichen Zusammenhängen relevant; sie strukturiert nicht nur das Verhältnis zu uns selbst – entfaltet eine intrasubjektive Wirkung –, sondern ebenso gesellschaftliche Teilhabe auf institutioneller und gesellschaftlich-kultureller Ebene; sie entfaltet ihre Wirkung zudem auch in Geschlechterverhältnissen, die trotz vieler Veränderungen immer noch nicht als egalitär zu bezeichnen sind (vgl. Bargetz/Kreisky/Ludwig 2017). Zudem lassen sich Klassenverhältnisse als gesellschaftlich strukturierende Bedingungen und als zentrale Hervorbringung von Lebenschancen betrachten. Alle drei Strukturkategorien sind in einander verwoben und bringen die Erfahrungen der Subjekte in ihnen hervor.
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Schwarze Weiblich*keiten
Sehr deutlich hat das bereits 1977 das Combahee River Collective1 – ein Kollektiv bestehend aus lesbischen Schwarzen Feministinnen – in ihrem Statement auf den Punkt gebracht: »The most general statement of our politics at the present time would be that we are actively committed to struggling against racial, sexual, heterosexual, and class oppression, and see as our particular task the development of integrated analysis and practice based upon the fact that the major systems of oppression are interlocking. The synthesis of these oppressions creates the conditions of our lives. As Black women we see Black feminism as the logical political movement to combat the manifold and simultaneous oppressions that all women of color face.« (Combahee River Collective 1982: 13) Intersektionalität trifft Poststrukturalismus Von einem anderen Standpunkt aus kann auch das jeweilige Bestreben von Louis Althusser (1970b), Gilles Deleuze (1992), Jacques Derrida (1988a), Michel Foucault (1975 [dt. 1976]) und Judith Butler (1990 [dt. 1991]) als eine Perspektive herausgestellt werden, die gesellschaftliche Machtverhältnisse, Wissensformen, Praxen und daraus entstehende Normen zu analysieren suchten. Foucault und auch Deleuze wenden sich dafür explizit auch der Hervorhebung von Erfahrungen in diesen Macht- und Herrschaftsverhältnissen zu (vgl. etwa Foucault 2013g). Erfahrungen sind in diesem Sinn nicht »einfach Dimensionen des persönlich Erlebten« sondern es geht darum das Persönliche, Subjektive »in seiner Beziehung zu Wissensformen und Machtprozessen« zu denken »und es ist die Gesamtheit dieser Beziehungen, die eine Erfahrung definiert« (Lemke 1997: 265f.). Die später als poststrukturalistische Theorien zusammengefassten Analysehaltungen und Theorieperspektiven können als Bemühung darum gelesen werden, strukturelle Theoriekonzepte, wie sie etwa vom Marxismus geprägt waren, dahingehend zu verändern, das Subjekt in diesen Macht- und Herrschaftsverhältnissen anders zu denken (vgl. Ehrenspeck 2001). Während das Subjekt im Strukturalismus auch Träger*in der Gegenrevolution war, heben poststrukturalistische Theorien zunächst dessen Unterwerfung und Hervorbringung durch diese Bedingungen hervor. Das Subjekt ist nicht mehr äußerer Rezipient dieser strukturellen Bedingungen, sondern wird durch sie vergesellschaftet. Poststrukturalistische Theoreme haben Forschung insgesamt, aber besonders auch Geschlechterforschung, rassismuskritische Forschung und auch Intersektionalitätsfor-
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Der Name des Kollektives geht auf eine Befreiungsaktion von 750 Sklav*innen zurück, die am Combahee River in South Carolina am 02. Juni 1863 unter der Führung von Harriet Tubman durchgeführt wurde. Diese Befreiungsaktion wurde als bewaffneter Angriff während des Bürgerrechtskrieges in den Vereinigten Staaten von der Union Army durchgeführt. Harriet Tubman, selbst als Sklavin geboren, hatte sich befreien können und war nach Philadelphia geflohen. Nach ihrer geglückten Flucht befreite sie über die Underground Railroad (ein Netzwerk, bestehend aus sicheren Plätzen, Verstecken, Häusern, Personen und Wegen) viele andere Sklav*innen. Sie verhalf ihnen zu sicheren Unterkünften, später zu Arbeitsplätzen und zu einem sicheren sozialen Netzwerk. Als der Bürgerkrieg begann, schloss sie sich den bewaffneten Kämpfen gegen Sklaverei und Ausbeutung an. Sie gilt in den USA als eine der zentralen Figuren der Schwarzen Widerstandsbewegung.
1 Eine intersektionale Analyse von Bildungs- und Subjektivierungsprozessen
schung verändert. In der Geschlechterforschung konnte sich mit Judith Butlers (1990 [dt. 1991], 2001b) Begriff der Heterosexuellen Matrix und der Perspektive auf Performativität eine Analyserichtung etablieren, die das alltägliche Tun und Herstellen von Geschlecht in seinen hierarchischen Verhältnissen in den Blick rückte. Stuart Hall hat hingegen innerhalb der Cultural Studies und für rassismuskritische Forschung wesentlich die Theorien um Rassismus als ideologischem Diskurs geprägt (Hall 2010); seine Theorien um Repräsentation entwickelte er in Zusammenhang mit einer Foucault’schen Perspektive auf Diskurse (vgl. Hall 1996, 2000a, b). In der Intersektionalitätsforschung hielt Leslie McCall (2005) methodologische Zugänge fest, die es einerseits schafften der Komplexität einer Intersektionalitätsforschung im Zusammenwirken der Kategorien nachzukommen und die andererseits poststrukturalistische und dekonstruktivistische Herangehensweisen zu bieten haben.2 Mit diesen Aspekten ist es möglich einerseits gesellschaftstheoretisch oder institutionell die Intersektion von diesen Kategorien zu untersuchen aber auch das alltägliche Tun und Herstellen und die Wirkung dieser Machtund Herrschaftsverhältnisse in ihrer Intersektion auf der Erfahrungsebene zu untersuchen. Insbesondere das institutionelle Tun, aber auch das Analysieren von machtvollen Erfahrungen kann poststrukturalistisch unter dem Begriff Subjektivierung gefasst werden. Speziell für die Erziehungswissenschaft bietet die von Michel Foucault und später auch von Judith Butler entwickelte Theorie der Subjektivierung eine überaus inspirierende und anspruchsvolle Möglichkeit, institutionelle aber auch alltägliche pädagogische Praxen zu analysieren und zu reflektieren (vgl. Ricken 2013; Rieger-Ladich 2004). Infrage steht mit dieser theoretischen Betrachtung, wie Menschen in Kategorien sozialer Existenz – wie beispielsweise Geschlecht, Klasse, aber auch race – subjektiviert werden und wie sie sich infolgedessen auch als ein solches Subjekt zu verstehen lernen. In Zusammenhang mit der Theorie der Subjektivierung können intersektionale Analysen darstellen, wie Menschen im Zusammenspiel aus mehreren Macht- und Herrschaftslogiken subjektiviert werden und wie sich darin ihre Erfahrungen widerspiegeln. Erfahrungen und deren Hervorbringungen in Macht-Wissensordnungen sind also nicht nur für subjektivierungstheoretische Betrachtungen zentral; sondern auch in intersektionalen Forschungen wie sie von Kimberlé Crenshaw als analytischem Paradigma und dem Combahee River Collective als politische Strategie und Analyse eingebracht wurden. Gemeinsames Ziel Intersektionaler Analysen und subjektivierungstheoretischer Perspektiven ist es darüber hinaus, kritische und reflexive Bildungspraxis hervorzubringen. Einerseits, um einen differenten Selbstbezug herzustellen – Michel Foucault sprach zum Beispiel davon, »nicht dermaßen regiert zu werden« (Foucault 1992: 10) –, und um daraus resultierend kritisch in gesellschaftliche Machtprozeduren eingreifen zu können. Dieses Eingreifen und Anders-Werden kann unter dem Begriff Bildung gefasst werden; die Frage dabei ist aber, wie Bildung dann verstanden wird, was sie leisten kann und wo sie ansetzt.
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Sie schlug dafür einerseits antikategoriale Vorgehensweise vor, in der die Kategorien dekonstruiert werden, anderseits schlug sie eine intrakategoriale Analyse der verschiedenen Intersektionen in einer Kategorie vor und als letztes eine Herangehensweise die, sie »intercategorial complexity« (McCall 2005: 1773) nannte.
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Bildung Mit Bezug auf Paul Mecheril (Broden/Mecheril 2010b) ist festzuhalten, dass Bildung nicht nur in dafür vorgesehenen Institutionen wie Schule, Universitäten und/oder anderen Bereichen der Erwachsenenbildung stattfindet, sondern sie auch als alltägliches Geschehen in sozialen Situationen zu betrachten ist. Bildung kann in einer weiten Bedeutung sämtliche Erfahrungen und Entwicklungen, Veränderungen und Neu-Motivationen bezeichnen, die das Subjekt in Welt- und Selbstverhältnissen macht (Broden/Mecheril 2010b: 11). Mit dieser Perspektive ist Bildung ein alltägliches Geschehen, das an Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit Welt- und Selbstverhältnissen gebunden ist. Machtverhältnisse sind in diesem Sinne in die Erfahrungswelt und die hierin existierenden Selbst- und Weltverhältnisse involviert. Nadine Rose hat mit Bezug auf Judith Butlers Subjektivierungstheorie Migrationsprozesse als Bildungsprozesse herausgearbeitet und gezeigt, wie diese Bildungsprozesse auch in der Auseinandersetzung mit rassistischen Verhältnissen stattfinden (vgl. Rose 2012). Obwohl der Begriff und der Ruf nach Bildung damit auch wieder in den Verdacht kommt, als individuelles Lösungsmoment für wesentlich übergeordnete Fragen überhöht zu werden (wie Masschelein und Ricken das bereits in ihrer Kritik 2003 geäußert haben), kann Bildung doch auch als etwas betrachtet werden, das einen Beitrag dazu leisten kann, Fragen der gesellschaftlichen Existenz zu klären in dem Versuch, verändernd auf das Selbst und gesellschaftliche Bedingungen hinzuwirken. Damit ist aber die Frage, was Bildung ist, welche Inhalte sie hat und was überhaupt Bildung genannt werden darf, auch an normative Positionen geknüpft. Eine Problematik die gerade mit der sogenannten poststrukturalistischen Wende zur Disposition gestellt wurde. Dieser Auseinandersetzung haben sich erziehungs- und bildungswissenschaftliche Forschungen in den letzten Jahren angenähert. So hat beispielsweise Ruhloff darüber reflektiert, wie es möglich ist, einen nicht-normativen Bildungsbegriff zu entwerfen (vgl. Ruhloff 2000). Während Ricken nach seiner Kritik am Begriff und der Mahnung, dass Bildung selbst zum Regierungsinstrument wird (vgl. Machelein/Ricken 2003) dafür plädiert, Bildung als »Streitformel« weiterzuführen und festhält, dass normative Positionen nicht immer vermieden werden können (vgl. Ricken 2007). Fragen nach dem Wie, dem Was und auch nach der inhaltlichen Ausrichtung von Bildung, können als weitgehend kontroverse Diskussion beschrieben werden; was jedoch als gemeinsamer Ausgangspunkt vieler bildungstheoretischer Auseinandersetzungen zu verstehen ist, ist, dass der Begriff Bildung mehr meint als der Begriff Lernen und dass er ein Anders-Werden von Personen adressiert (vgl. Lüders 2007a; Koller 2012). Was will nun diese Arbeit Die vorliegende Arbeit nähert sich ihrem Gegenstand über die Begriffe Bildung, Subjektivierung und Intersektionalität und fängt die Erfahrungen von Schwarzen Frauen* und Women of Color in einer Art intersektionaler Subjektivierungsanalyse ein; sie beschreibt gleichzeitig, wie in der reflexiven Auseinandersetzung mit diesen Erfahrungen Bildungsprozesse – also ein Anders-Werden – liegt. Die zentrale These ist die, dass diese Prozesse stärkerer Aufmerksamkeit und Unterstützung bedürfen, um gesellschaftlicher Ungleichheit entgegen zu wirken und demokratische Partizipation zu ermöglichen. Im
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Angesicht solch starker – bisweilen tödlicher – Differenzpraxen und -kategorien von Bildung und Bildungsprozessen zu sprechen, könnte dahingehend missinterpretiert werden, dass ich als Autorin dieser Arbeit und dieser Analyse die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht verstanden hätte – dem ist, denke ich, nicht so ist. Vielmehr ist mir im Laufe meiner langjährigen Auseinandersetzungen intersektionalen Differenz- und Diskriminierungsverhältnissen als Antidiskriminierungstrainerin Folgendes aufgefallen: Das Aufwachsen und Leben als Schwarze Frau* und Woman of Color in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft ist durch einige schmerzhafte Erlebnisse geprägt, die sich nicht zuletzt in der Erfahrung von Alltagsrassismus zeigt (vgl. Velho 2016). Schon in der Kindheit werden diese Erfahrungen gemacht (vgl. Eggers 2005a) und sie prägen Welt- und Selbstverhältnisse. Während einige Autor*innen (vgl. bspw. Broden/Mecheril 2010b: 7) deshalb von einem Erfahrungswissen im Umgang mit diesen Verhältnissen sprechen, habe ich mich gefragt, ob nicht gerade in der reflektierten Beschäftigung mit diesen Erfahrungen und Themen Bildungsprozesse liegen, die diese Subjekte darin unterstützt nicht nur eigene Erfahrungen einzuordnen und zu verstehen, sondern darüber hinaus auch verändernd in gesellschaftliche Machtfelder und wesentlich gestaltend in gesellschaftliche Prozesse einzugreifen. 2016 habe ich zusammen mit fünf anderen Schwarzen Frauen ein Buch zu Schwarzer Bewegungsgeschichte in Deutschland herausgegeben. In dem Werk mit dem Titel Spiegelblicke geht es nicht in erster Linie darum, wissenschaftliche Betrachtungen vorzustellen, vielmehr ist es an Menschen gerichtet, die generell etwas zu Schwarzer Bewegungsgeschichte erfahren wollten. Am Buch beteiligt sind und waren fünfzig Autor*innen, die alle unterschiedliche Facetten zu Schwarzem Leben in Deutschland beitragen wollten. Beim Zusammentragen der Artikel, Geschichten, Gedichte, Zeichnungen und Analysen fiel mir auf, dass es über die Auseinandersetzung mit Ausgrenzungserfahrungen hinaus allen Beteiligten darum gegangen war, mit ihren Beiträgen in den demokratisch-politischen Diskurs einzugreifen. So war es ihnen nicht nur möglich, zu sich selbst eine differente Beziehung aufzubauen, sondern darüber hinaus auch aktiv an gesellschaftlicher Gestaltung mitzuwirken. Ich verfolgte diesen Gedanken noch ein wenig weiter und fand ähnliche Perspektiven auch in einem Vortrag vor, der von den drei Schwarzen Wissenschaftlerinnen Maisha Auma, Katja Kinder und Peggy Piesche (Auma/Kinder/Piesche 26.01.2017) in Köln gehalten wurde; sie sprachen über kollektives Wissen und kollektive Strategien bei ADEFRA3 anlässlich des dreißigjährigen Bestehens
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ADEFRA e.V. Schwarze Frauen in Deutschland ist ein Verein, der sich 1986 gegründet hat und als kultur-politisches Forum für Schwarze Frauen nach wie vor wichtige Diskurse prägt, und der Schwarzen Feminismus und Schwarzes Leben in Deutschland in seiner Vielfältigkeit sicht-, lebund erfahrbar macht. Gegründet wurde er von Schwarzen lesbischen Frauen, wie beispielsweise der Historikerin Katharina Oguntoye, die für Schwarze Bewegungsperspektiven in Deutschland insgesamt von großer Bedeutung waren. Im Rahmen von Auseinandersetzungen und Lesungen, die die Schwarze lesbische afro-karibische Lyrikerin, Poetin und Literaturwissenschaftlerin Audre Lorde zu Beginn der 80er Jahre in Berlin abgehalten hat, trafen sich Schwarze Frauen, um über ihre eigenen Erfahrungen und Reflexionen zu sprechen; aus diesem Kontext ist das Buch Farbe bekennen (Oguntoye et al. 1986) hervorgegangen, das viele in ihrer Reflexion eigener Verhältnisse unterstützt hat. Die Aktivistinnen, die ADEFRA gegründet haben, sind nicht nur wichtige Im-
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Schwarzer Frauen-Bewegung in Deutschland. Auch hier ging es um die Reflexion gemachter Erfahrungen und um die Analyse gesellschaftlicher Ungleichheit in der Intersektion von race und Geschlecht; aber darüber hinaus bot – so meine Deutung – die aktive reflexive und kontroverse Betrachtung von Machtverhältnissen – besonders in kollektiven Zusammenhängen – auch Möglichkeiten zur Eröffnung von Bildungsprozessen, die es Menschen gestatten, sich selbst zur Welt und zur Gesellschaft in einen differenten Bezug zu setzen; damit kann eine Wirkmächtigkeit im Blick auf Gesellschaft und Selbst entfaltet werden. Die Interviewpartner*innen Um diese Frage (Lassen sich im reflexiven Umgang mit intersektionalen Machtverhältnissen auch Bildungsprozesse finden? Wie sind sie beschaffen? Durch was werden sie ausgelöst und wie lässt sich Bildung dann theoretisch darstellen?) für mich zu klären, habe ich Interviews mit sieben Schwarzen Frauen* und Women of Color geführt, die alle mehr oder weniger in anti-rassistischen und rassismuskritischen, aktivistischen oder bildungspolitischen Settings engagiert waren und sich im Alter zwischen 21 und 30 Jahren befanden. Claudia, Ninja, Mora, Edith, Olivia, Simoné und Mathilda habe ich als beeindruckende Interviewpartner*innen erlebt, die mir viel über ihre eigene Praxis, ihre Auseinandersetzungen und auch über Veränderungen in ihren Perspektiven berichtet haben. Alle sieben trugen auf je spezifische Art und Weise dazu bei, meinen eigenen Erfahrungs- und Bildungsprozess zu vertiefen und neu zu justieren. In diesem Sinne bleibt er unabgeschlossen und offen, aber er hat auch eine andere, eine neue Form der Tiefe erreicht. Die Namen der Interviewpartner*innen sind selbstverständlich anonymisiert, sie sind aber Frauen* entliehen, die mir in spezifischen Lebenslagen sehr wichtig waren. Eine Besonderheit bei der Analyse von Interviews ist, dass sich das je Gesagte von den Personen, die es geäußert haben, ablöst; für die Analyse sind Sätze und Satzstrukturen relevant, die in der Auswertung sehr wichtig sind – die für die Interviewpartner*innen aber tatsächlich vielleicht nur eine Aussage zu einem bestimmten Zeitpunkt war. Damit will ich nicht darauf hinweisen, dass sie nun ein differentes Verhältnis zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen haben – das unterstelle ich nicht –, sondern, dass ein Interview als Text eine Art Eigenleben entwickelt. Neben den Einzelinterviews mit Mora, Mathilda, Claudia und Ninja habe ich ein Gruppeninterview mit Edith, Olivia und Simoné geführt. Sowohl das Gruppen- als auch die Einzelinterviews waren sehr intensiv und haben insgesamt etwa zwanzig Stunden Interviewmaterial ergeben; mit Mathilda musste ich die Hälfte des ersten Interviews wiederholen, so dass von ihr eigentlich zwei Interviews vorliegen, von denen ich aber nur das erste zur Auswertung genutzt und das zweite nur an Stellen herangezogen habe, wo das erste unverständlich war. Da ich von den Interviewpartner*innen insbesondere erfahren wollte, wie sie mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen umgehen, wie sie sie deuten, womit sie konfrontiert sind, welche Strategien sie im Umgang mit Differenz- und Diskriminierungserfahrungen entwickeln und ob sie biographische Veränderungen wahrgenommen haben, waren das die zentralen Fragen in den Interviews; die Subjektivierungs- und pulsgeberinnen für die Schwarze Bewegung insgesamt, sie bilden auch nach wie vor ein wichtiges politisches Forum in Interventionen, theoretischen Auseinandersetzungen und Reflexionen.
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Bildungsprozesse habe ich dann durch eine analytische Brille an die Interviews herangetragen, die ich im Folgenden kurz anführe.
1.2
Erkenntnistheoretische Perspektive
Die Begriffe Subjekt, Subjektivierung, Bildung und Intersektionalität sind als zentrale Kernbegriffe dieser Arbeit zu betrachten. Da sich diese Begriffe in einer Vielzahl von Theorien und Zugangsweisen wiederfindet werde ich im folgenden Kapitel jeweils aufzeigen, wie ich sie in der folgenden Arbeit verwende. Das Subjekt als ein Unterworfenes Der Begriff Subjekt wird in unterschiedlichen Fachdisziplinen jeweils spezifisch genutzt; so geht es etwa um das Rechtssubjekt, das grammatikalische Subjekt, um »Protagonisten im literarischen Sinn oder gar Subjekte der Geschichte« (vgl. Zima 2017: 1). Dem häufig unterschiedlich genutzten Begriff Subjekt wohnt damit eine gewisse Vagheit und Vieldeutigkeit inne (vgl. ebd.), die es im Kontext der vorliegenden Arbeit möglichst einzugrenzen gilt. Erziehungswissenschaftlich ist der Begriff Subjekt – neben den Begriffen Bildung, Sozialisation und Erziehung – als einer der zentralen Begriffe zu kennzeichnen, der sich aber paradox verhält; weder wird man zum Subjekt noch kann jemand zum Subjekt erzogen werden (vgl. Ricken 1999). Dennoch ist der Begriff zentral, weil er eine Selbsttätigkeit und Eigenheit in den Blick rückt, die möglicherweise auch nur jeweils vorübergehend existieren und Handlungsfähigkeit versprechen – aber trotzdem mit diesem Begriff als systematischem Ort gefasst werden können (vgl. Maurer 2001). Zu unterscheiden ist das Subjekt in einem modernen Sinn – wie es etwa von Kant, Fichte und Hegel im deutschen Idealismus entworfen wurde – von einem Subjektbegriff der Postmoderne, wie er von Deleuze, Butler oder auch von Foucault verwendet wird. Das moderne Subjekt ist aus vielerlei Gründen in die Kritik gekommen – nicht zuletzt deswegen, weil ein männliches weißes Subjekt zentriert wurde (vgl. Piesche 2005b; Meißner 2010), aber auch weil dieses autonome selbstreferenzielle Subjekt seit der marxistischen Kritik und der psychoanalytischen Theorie ein Subjekt der gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Mit Bezug auf die poststrukturalistischen Analysen von Michel Foucault und auch Judith Butler verschiebt sich dieser Zugriff aber noch weiter: Das Subjekt ist nun angehalten, sich den Kategorien sozialer Existenz zu unterwerfen, um als intelligibles Subjekt anerkennungsfähig zu sein. Das bedeutet, dass es spezifische gesellschaftliche Regelungen gibt, unter denen wir als Subjekte anerkannt werden können. Am Beispiel der Migrant*in lässt sich diese Idee gut erklären: Eine Person die als Migrant*in gilt, wird nicht nur durch gesetzlichen Regelungen als solche hervorgebracht, sondern auch alltägliche Praxen der Differenzierung bspw. durch Äußerlichkeiten bringen das Subjekt Migrant*in erst hervor. Wenn sich eine Person gegen diese Praxen wendet, kann es nicht nur rechtliche und soziale Konsequenzen mit sich bringen, sondern es kann diesem Subjekt auch passieren, dass es seine Anerkennungsfähigkeit durch die Zurückweisung der Kategorie verliert. Es ist jedenfalls das was Judith Butler mit diesem Zitat ausdrücken will:
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»Man könnte auch sagen, das Subjekt ist gezwungen, sich in Praktiken zu formen, die mehr oder weniger schon da sind. Vollzieht sich diese Selbst-Bildung jedoch im Ungehorsam gegenüber den Prinzipien, von denen man geformt ist, wird Tugend jene Praxis, durch welche das Selbst sich in der Entunterwerfung bildet, was bedeutet, dass es seine Deformation als Subjekt riskiert und jene ontologisch unsichere Position einnimmt, die von neuem die Frage aufwirft: Wer wird hier Subjekt sein, und was wird als Leben zählen?« (Butler 2009: 246) Es sind die Praktiken die Butler hier anspricht, die Foucault untersucht hat. Diese Praktiken liegen beispielsweise in der Migrationsgesellschaft da, wo gesetzliche Regelungen, Diskurse, institutionelle Routinen, rassifizierende Praxen, Differenzsetzungen und weiteres das Subjekt ›zwingen‹ in ihnen und mit ihnen zu existieren. Diese Praktiken machen Individuen zu Subjekten insofern sie damit anerkennbar und zuordenbar sind. Die vorliegende Arbeit schließt sich dieser poststrukturalistischen Lesart an und versucht zu ermitteln, wie an die interviewten Frauen* machtvolle Subjektivierungen in der Intersektion von Rassifizierung und Vergeschlechtlichung herangetragen wurden, in denen sie leben, agieren und sich kritisch gegen diese Zuweisungen wenden. Dabei ist zu bedenken, dass diese Kategorien ihnen ein Möglichkeitsfeld der Selbstverhältnisse offerieren, in denen sie sich selbst erkennen und handeln können. Foucault hat diese Subjektverhältnisse folgendermaßen gekennzeichnet: »Das Wort Subjekt hat zwei Bedeutungen: Es bezeichnet das Subjekt, welches der Herrschaft eines anderen unterworfen ist und in seiner Abhängigkeit steht, und es bezeichnet das Subjekt, das durch Bewusstsein und Selbsterkenntnis an seine eigene Identität gebunden ist. Beide Bedeutungen unterstellen eine Form von Macht, die einen unterwirft und zu jemandes Subjekt macht« (Foucault 1994: 246). Es ging ihm darum, einerseits die Dynamiken der Herrschaft und Macht zu untersuchen und gleichzeitig die Identitäten zu hinterfragen, die uns seit Jahrhunderten auferlegt werden (vgl. ebd.). Diese historische Perspektive ist es, die Foucaults Arbeiten so besonders für die vorliegende Arbeit macht. Ich frage einerseits, welche Identifizierungen und Identitäten es sind, die Schwarzen Frauen* und Women of Color seit langer Zeit auferlegt, die ihnen zugewiesen werden und die sich nach wie vor zeigen, und ich frage andererseits, wie sie sich darin bewegen, welche Artikulationen sie vornehmen und wie sie in diesen strukturierenden Diskursen ein Selbstverhältnis errichten. Im Rahmen der Auswertung der Interviews greife ich auf den Begriff Diskurs zurück und verwende auch den des diskursiven Handelns, den ich selbst entwickelt habe. In der Auswertung der Interviews stelle ich so einerseits heraus, welche Diskurse in der Intersektion von Geschlecht und race in den Aussagen eine Rolle spielen, wie und durch wen sie an die interviewten Frauen* herangetragen werden und wie diese Frauen* sich darin bewegen, was sie wiederholen, was sie verwerfen, was einen Selbstbezug herstellt und womit sie konfrontiert sind. Ich verweise auf die Strukturen und die Praktiken, die vor dem In-Erscheinung-Treten der Subjekte bereits existierten und in denen sie aufgerufen sind, sich zu unterwerfen. Gleichzeitig betrachte ich aber ihre Selbsttätigkeit, ihre Plausibilisierungen, Verwendungen und Verwerfungen, die sie vornehmen, und kann damit zeigen, dass sie keinesfalls in diesen Diskursen aufgehen, sondern dass da
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ein Mehr, ein Übriges ist, das aber insbesondere in der Intersektion von Rassifizierung, Vergeschlechtlichung, Sexualität und sexueller Identität virulent wird. Subjektivierung und Bildung In letzter Zeit gibt es in der bildungstheoretischen Landschaft die Diskussion darum, ob nicht nur der Begriff Subjektivierung anstatt Bildung in die theoretische Reflexion aufgenommen werden sollte (vgl. Koller 2016). Hans-Christoph Koller wendet sich dagegen und hebt hervor, dass der Begriff Bildung in der Disziplin einen systematischen Ort der Reflexion biete (vgl. ebd.: 43). Obwohl Nadine Rose und Hans-Christoph Koller (2012) einen hohe Anschlussfähigkeit von den Theoremen Judith Butlers an bildungstheoretische Problemstellungen gezeigt haben, lässt sich doch sagen, dass mit dem Begriff Bildung etwas anderes gezeigt werden kann als mit dem Begriff Subjektivierung. Diese Diskussion greife ich auf und setzte mich damit auseinander. Jenny Lüders (2007a) hat mit Rückgriff auf Foucault einen Bildungsbegriff akzentuiert, der wesentlich die Selbstpraktiken der Subjekte in den Mittelpunkt stellt und hier Transformationen des Selbst feststellt. Die vorliegende Arbeit schließt sich diesem Bildungsbegriff an und betrachtet Bildung auch aus der Perspektive der Technologien des Selbst (Foucault 1993). Um aber Bildungsaspekte der interviewten Frauen* zu verdeutlichen, greife ich auf postkoloniale und dekoloniale Perspektiven von Bildung zurück und entwickle mit Bezug auf Maisha Auma (ehem. Eggers 2004) Maria do Mar Castro Varela (2016) und Maria Lugones (2010) ergänzende Aspekte, was Bildung für die interviewten Frauen* bedeuten könnte. Damit verändert sich die Auffassung von Bildung insofern, dass Bildung nicht mehr nur das Bildungssubjekt und ein Anders-Werden adressiert und kritisch auf gesellschaftliche Zusammenhänge blickt, sondern gleichzeitig auch bestehende Identitäten und Macht-Wissensstrukturen in Frage gestellt werden. Demgemäß arbeitet die vorliegende Analyse mit einem Bildungsbegriff, der einerseits die wiederholenden Praktiken der Subjekte in den Mittelunkt stellt, diese aber gleichzeitig im Horizont feministischer post- und dekolonialer Deutungen analysiert. Intersektionalität Da es um Subjektivierungs- sowie Bildungsanalysen geht, die im Horizont von race und Geschlecht stattfinden, kann diese Arbeit als intersektionale Analyse verstanden werden. Der Begriff Intersektionalität, der von Kimberle Crenshaw (1998, 1993) in der Kritik von rechtlich Antidiskriminierungspraxen begründet wurde, ist zu einem wichtigen Ansatz in der feministischen Theorie und Empirie geworden (vgl. Purtschert/Meyer 2010). Nachdem das Paradigma Intersektionalität mit Verzögerung nach Deutschland kam, entspann sich eine Debatte darüber, wie viele Kategorien denn in die Analyse aufgenommen werden sollten (Purtschert/Meyer 2010: 130). Die Befürchtung war, dass eine Analyse mit mehr als drei Kategorien (Klasse, race und Gender) zu einer Unübersichtlichkeit in der Analyse führen würde und weiterhin, dass diese Kategorien nicht mehr an die gesellschaftlichen Verhältnisse gebunden seien, sondern vorwiegend Identitäten im Blick hätten. Tove Soiland (2008) konstatiert gar: »Die Kategorien kamen und die Verhältnisse gingen«.
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Dieser Debatte widmten sich Patricia Purtschert und Katrin Meyer (2010) und argumentieren, dass das Paradigma der Intersektionalität gerade deswegen so ergiebig sei, weil es eben nicht anhand abgeschlossener Kategorien vorgeht, sondern vielmehr die Möglichkeit zulässt, so vorzugehen, dass das jeweils Ausgeschlossene in den Blick kommt; aber nur dann, wenn Kategorien unabgeschlossen blieben und im Verhältnis zu den sie hervorbringenden gesellschaftlichen Verhältnissen betrachtet werden (vgl. ebd.: 130f.). Damit bietet eine intersektionale Analyse die nicht mit abgeschlossenen Kategorien arbeitet, die Möglichkeit den Prozess der Herstellung – besonders in Diskursen, Anrufungen und gemachten Erfahrungen – zu rekonstruieren. Was die vorliegende Arbeit tut, ist, intersektionale Erfahrungen in den Mittelpunkt zu rücken, wie es Schwarze Feministinnen und Feministinnen of Color (vgl. hier Audre Lorde 1984; Angela Davis 1982; bell hooks 1984; für den deutschen Kontext: Oguntoye/Opitz 1986; FeMigra 1998; Eggers/Mohamed 2014; Gutiérrez Rodríguez 2011 u.v.m.) getan haben. Diesen Feministinnen ging es weniger darum, Differenzen anhand der Kategorien durchzudeklinieren (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2011: 76), sondern vielmehr »um die Relationalität und Prozessualität gesellschaftlicher Verhältnisse« (ebd.) die sich dann in Erfahrungen gezeigt haben. Bei diesen Herangehensweisen – so hält Gutiérrez Rodríguez weiter fest – kam es nicht in erster Linie auf die Durchkreuzung der großen Kategorien wie race, Klasse und Geschlecht an, sondern darauf zu demonstrieren, wie diese Kategorien in der gesellschaftlichen Herstellung ineinander verwoben wurden und sie damit Verwendung finden in »Technologien und Mechanismen des Regierens, der sozialen Klassifikation und Kontrolle« (ebd.: 78). Insgesamt, so hält sie weiterhin fest, ging es darum hervorzuheben, wie Relationen zwischen Ge-Anderten und der »mythischen Norm« (Audre Lorde) anhand von Rassifizierungen, Sexualisierungen und Vergeschlechtlichungen als »inferiore Andere« (Gutiérrez Rodríguez 2011: 78) hervorgebracht werden. Um also nicht, wie Sedef Gümen in den 1990er Jahren angesichts eines Paradigmenwechsels in der Geschlechterforschung beschreibt, den Fehler zu begehen, die Kategorien race und Ethnizität seltsam zu entleeren und sie quasi nur als Aufzählungen zusätzlich zu den gesellschaftstheoretischen Kategorien Klasse und Geschlecht zu verwenden, setzt diese Arbeit Intersektionalität als Erfahrung ein. Dies wird daran verdeutlicht, dass einerseits Subjektivierungen im Kontext dieser machtvollen intersektionalen Erfahrungen analysiert werden; anderseits orientiert sich auch ein Bildungsgeschehen an der Überwindung, Veränderung und Zurückweisung dieser Erfahrungen. Auch ich verorte mich einerseits dort, dass eine Unabgeschlossenheit der Kategorien im Herzen der Analyse liegt und versuche über die Methode der Situationsanalyse herauszustellen, welche Erfahrungen, Diskurse, Anrufungen und welche Praktiken von den Frauen* angesprochen werden. Ebenso bin ich aber auch überzeugt davon, dass Diskurse, Subjektivierungen und generell Subjektposition nur über eine historisierende gesellschaftstheoretische Perspektive eingefangen werden können und beziehe mich deshalb auch auf eine strukturelle Lesart von Intersektionalität. Diese historisch-strukturelle Perspektive fange ich mit einer Kritik an Vertragstheorien ein; sie unterstützt mich, historisch entstandene Strukturen in liberalen Gesellschaften herauszustellen und die Verankerungen von Ungleichheitsverhältnissen darin aufzuzeigen, in denen meine Interviewpartner*innen jetzt verortet sind.
1 Eine intersektionale Analyse von Bildungs- und Subjektivierungsprozessen
Wenngleich ich keine weitere theoretische Diskussion des Paradigmas Intersektionalität vornehme, sind doch alle theoretischen und empirischen Verhandlungen einem intersektionalen Denken verpflichtet.
1.3
Forschungen, die an ähnlichen Fragestellungen ausgerichtet sind
Wie deutlich geworden sein sollte, bewegt sich diese Arbeit in der Analyse mehrerer theoretischer Paradigmen und Rahmungen, die sich an den Begriffen Intersektionalität, Bildung, Subjektivierung und Diskurs sehr gut abbilden lassen. Ich werde in diesem letzten Unterkapitel kurz auf Arbeiten zu sprechen kommen, denen ich folge und die mich inspiriert haben. Dabei gehe ich anhand der oben aufgeworfenen Begriffe vor. Intersektionalität und Diskurs Gerade in der Biographieforschung gibt es derzeit Forschungen, die mit dem Paradigma der Intersektionalität arbeiten und in biographischen Erzählungen Diskursfragmete untersuchen. Eine dieser Arbeiten ist von Tina Spies vorgelegt worden (Spies 2014). Inspiriert hat mich die Perspektive auf biographische Erzählungen und natürlich die Frage von Diskurs und Intersektionalität. Spies folgt in ihrer Analyse des Diskurses und den Artikulationen der Subjekte Stuart Halls Artikulationstheoretischem Herangehen (vgl. Spies 2009). Eine wichtige Inspiration – vor allem in der intersektionalen Analyse – waren für mich die rassismuskritischen Arbeiten von Astride Velho (2016) und Grada Kilomba (2010); erst die Lektüre ihrer Publikationen ermöglichte mir einige durch sie inspirierte Analyseschritte. Beispielhaft erwähnt seien die Ansätze, das Anders-Machen als Dispositiv zu betrachten (vgl. Velho 2016: 86-91) und Kolonialismus als historisches Gedächtnis auch für die Subjekte zu verstehen (Kilomba 2010). Auch die Perspektive der Rassifizierung, die ich wesentlich im Anschluss an Auma (Auma, ehem. Eggers 2005a) und Terkessedis (vgl. etwa 2010) in der Analyse verwende, trägt zu einer diskurstheoretischen Fundierung meiner Arbeit bei. Bildungs- und Subjektivierungsperspektiven Die Dissertation von Astride Velho (2016) beschäftigt sich ebenfalls mit Subjektivierungen im Kontext von Alltagsrassismus und arbeitet widerständige Momente und Strategien heraus (vgl. ebd.). Ich verstehe die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen als bildungsrelevant und kann mich hier der Perspektive von Nadine Rose (2012, 2013) anschließen, die Bildung und Subjektvierung im Horizont von Migration und rassistischen Diskriminierungen mit Bezug auf Judith Butler analysiert. Rose macht im Anschluss an Paul Mecheril (2003a; Melter/Mecheril 2009; Broden/Mecheril 2010a) deutlich, wie natio-ethno-kulturelle Normen, Normverständnisse, Grenzen und Handlungen in sozialen Praxen und symbolischen Räumen hervorgebracht werden. Ähnlich wie die vorliegende Arbeit arbeitet sie einerseits »formative als konstituierende Aspekte der Subjektbildung« heraus, die sie als machtvolle Formationen versteht, andererseits legt sie ein »Augenmerk auf den eher transformativen, gleichfalls machtvollen, aber eher überschreitenden Aspekt von Bildungsprozessen« (Rose 2013: 2, Herv. i.O.). Nadine Rose arbeitet mit dem Begriff der »rassismusrelevanten Anrufun-
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gen« (vgl. ebd.), den ich in meinen Analysen unter der Bezeichnung »intersektionale Anrufungen« verwende. Rose kommt in der Zusammenschau ihrer Betrachtungen zu dem interessanten Schluss, dass Bildung hier im Anschluss an Judith Butler als Prozess betrachtet werden muss, der in erster Linie die Normen und Normativitäten zurückweist, und sich hier eine Bildungsrelevanz auftut, die nicht in erster Linie die Transformation des Subjekts, sondern – politisch gedacht – die hervorbringenden Normen adressiert und zurückweist (ebd.: 4). Bildungstheoretisch betrachte ich Bildungsprozesse aber als Transformationsprozesse des Subjektes. Hier schließe ich an den Bildungsbegriff von Jenny Lüder (2007a) an. Aber auch andere Arbeiten verstehen Bildung als Transformation des Selbst, wie beispielsweise Marotzki (vgl. 1990), Kokemohr und Koller (1994), Koller (2016) oder Nohl (2006). Alexander Geimer (2012) weist darauf hin, dass hier zwischen reflexionstheoretischen, sprachtheoretischen und praxeologischen Ansätzen (Geimer 2012: 232)4 unterschieden werden müsse. Sowohl Lüders als auch Geimer sind hier wohl eher in letzteren zu verorten, weil sie beide die Praktiken des Selbst im Anschluss an Foucault (1994) ins Zentrum der bildungstheoretischen Analysen stellen. Ich greife diese Perspektive auf und erweitere sie mit postkolonialen Herangehensweisen im Anschluss an Maria do Mar Castro Varela (2016), Maisha Auma (ehem. Eggers 2004) und Maria Lugones (2010). Damit komme ich zu dem Schluss, dass es sowohl um die Transformation des Subjekts als auch die hervorbringenden Wissens-Ordnungen geht, wenn die Subjekte in Selbstpraktiken widerständiges Potenzial zu den hervorbringenden Diskursen entwickeln.
1.4
Aufbau der Arbeit
Es geht mir darum, Bildungsprozesse (verstanden als Transformationsprozesse) als auch Subjektivierungsprozesse (verstanden als Formationsprozesse) Schwarzer Frauen* und Women of Color zu verstehen. Dazu werde ich im ersten theoretischen Kapitel herausarbeiten, was Bildung und was Subjektivierung bedeutet. Ich werde erklären, weshalb mir Michel Foucaults Subjektivierungstheorie für die Analyse intersektionaler Subjekt-Zumutung am besten geeignet scheint – obwohl es auch an einigen Stellen Anschlüsse an Judith Butlers Denkansatz gibt. Mit Rückgriff auf Schwarze feministische, dekoloniale und postkoloniale Theoreme beschreibe ich im zweiten Theoriekapitel, wie intersektionale und global zu betrachtende Machtwirkungen historisch entstanden sind und noch heute fortwirken. Die In4
Während die reflexive Deutung von Welt- und Selbstverhältnissen in die Kritik geraten ist, weil der Subjekt-Begriff, der dieser Perspektive zugrunde liegt, als »Agens seiner Bildung« (Geimer 2012: 232) entworfen ist, der einen reflexiven Zugriff und daraus resultierende Veränderungen verdeutlicht, ist der Motor von Bildungsprozessen sprachtheoretisch betrachtet »vielmehr im Widerstreit von Sprachspielen gesehen, die neue und alternative Formen von Subjektivität produzieren« (Geimer 2012: 232). Beide Perspektiven, so Alexander Geimer, nehmen jedoch nicht die präreflexiven Aspekte der Transformation von Lebensentwürfen in den Blick, wie er sie dann im Folgenden mit einer Foucault’schen Perspektive auf Subjektivierungen durch Selbstpraktiken in den Blick nimmt (Geimer 2012: 233-235).
1 Eine intersektionale Analyse von Bildungs- und Subjektivierungsprozessen
tersektion von Class, Race und Gender wird nicht nur durch kritische Migrationsforschung beschrieben, sondern ich entwickele durch die Perspektive des »Domination Contracts« von Pateman und Mills (2007a) eine gesellschaftstheoretische Perspektive auf Bildungs- und Subjektivierungsprozesse. Am Ende dieses Kapitels diskutiere ich, was Bildung und Subjektivierung vor diesem Hintergrund bedeuten und werde dann mit Bezug auf postkoloniale Feministinnen herausstellen können, dass Bildungs- und Subjektivierungsprozesse als eng miteinander verbunden gedacht werden müssen. Im dritten Theorie-Abschnitt diskutiere ich dann noch einmal Michel Foucaults Subjektbegriff und arbeite heraus, wie Diskurse und diskursive Praktiken betrachtet werden. Im nächsten Kapitel beschreibe ich dann die Situationsanalyse. Die Situationsanalyse ist eine Methode, die aus der Grounded Theory hervorgegangen ist. Mit ihr ist es möglich, diskursives Handeln und die eingenommenen Positionen zu ermitteln (vgl. bspw. Tuzcu 2017). In diesem kurzen Kapitel werde ich erläutern, warum und in welcher Weise ich die Situationsanalyse als Methode nutze. Der wichtigste Punkt wird an dieser Stelle sein, zu zeigen, dass sich mit der Situationsanalyse sehr gut Subjektivierungen herausarbeiten lassen. Mit der Situations-Map ist es mir einerseits möglich, strukturbedingte Einflüsse auf die Subjektposition einzufangen und anderseits diskursive Elemente hervorzuheben, sodass ich eine komplexe Perspektive auf die Situation der interviewten Frauen* gewinnen kann. Ziel ist es dann, über Intersecting-Maps einige Beispiele von intersektionalen Anrufungen und diskursiven Praktiken herauszustellen und deren Bezug auf die hervorbringenden Diskurse hervorzuheben. In einem letzten Schritt verdeutliche ich Bildungsprozesse, die sich in meinem Sample wiederfinden.
1.5
Fragestellung(en)
Hier stelle ich kurz meine erkenntnisleitenden Fragestellungen vor, um darauf zu verweisen, an welcher Stelle sie eingebettet werden sollen. Meine Fragerichtung: Wie finden Subjektivierungen – verstanden als Formationsprozesse des Subjekts – von Schwarzen Frauen* und/oder Women of Color statt? Und wie lassen sich demgegenüber Bildungsprozesse – verstanden als Transformationsprozesse – beschreiben? Untergeordnete Fragestellungen dazu: 1) Wie lassen sich Subjektivierungsprozesse einerseits und Bildungsprozesse andererseits theoretisch betrachten? Was grenzt sie voneinander ab und was haben sie gemeinsam? (Kapitel 2.1) 2) Was bedeuten Subjektivierung und Bildung in Anbetracht der spezifischen Positionierung dieser Frauen*? Wie können Subjektivierungsperspektiven im Kontext von race und Geschlecht und darüber hinaus Bildungsprozesse im Horizont des Um-
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Schwarze Weiblich*keiten
gangs mit Rassismuserfahrungen in der Intersektion mit Geschlecht beschrieben werden? (Kapitel 2.2) 3) Wie versteht Foucault die Konstruktion des modernen Subjekts einerseits und Machttechniken anderseits? Was ist unter dem Begriff der Selbsttechniken respektive Technologien des Selbst zu verstehen und inwiefern können sie als Bildungstechniken aufgegriffen werden? Weiterführend steht zu fragen: Welchen Einfluss hat die Subjektbetrachtung auf die Subjektivierungsanalyse, wie kann die Machttechnik in Verbindung mit race und Geschlecht gebracht werden und wie lassen sich Bildungstechniken mit Foucault überhaupt beschreiben? (Kapitel 2.3) 4) Wie lassen sich Diskurse, Anrufungen und diskursive Praxen theoretisch fassen? Und wie sind sie theoretisch mit Rassismus und einem hierarchischen Geschlechterverhältnis verknüpft? Wie können also intersektionale Diskurse einerseits und diskursives Handeln anderseits festgehalten und empirisch verstanden werden? (Kapitel 2.4) Empirie: •
•
1.6
Wie zeigen sich intersektionale Diskurse und wie sehen entsprechende zentrale Anrufungen in den Diskursen aus? Wie etabliert sich damit eine diskursive Ordnung, die spezifische Selbstverhältnisse hervorbringt? Und wie sehen anderseits die diskursiven Handlungsstrategien der interviewten Frauen* aus? (Kapitel 4.2-4.5) Welche Technologien des Selbst sind erkennbar und wie können sie als Bildungsprozesse beschrieben werden? (Kapitel 4.6)
Begriffsklärungen
Zunächst möchte ich gern darauf hinwiesen, warum ich das Wort Frauen* im Kontext der interviewten Frauen* mit einem Sternchen versehe: In der Auseinandersetzung in meinem Empirie-Kapitel geht es auch um Uneindeutigkeiten in Kontext von Geschlecht. Obwohl die Frauen sich mit Sicherheit heute alle als Frauen betrachten, ist es mir wichtig, mit diesem Sternchen hervorzuheben, dass da auch einmal Geschlechts-Uneindeutigkeit festzustellen war und ein Werden stattgefunden hat, das sich aber dann in der heteronormativen Praxis der Zweigeschlechtlichkeit etabliert hat. In den historischen Kontexten, die ich während der Arbeit anführe, setze ich das Zusatz-Sternchen nicht, damit die Quellen-Aussagen nicht verändert werden. Ich verwende neben der Kategorie Geschlecht die Kategorie race. Wie ich in Kapitel 2.2 herausstelle, richten sich die Differenzpraxen, von denen die Frauen* sprechen, in vielerlei Hinsicht an Rassifizierungen und Vergeschlechtlichungen aus. Mit der Kategorie race nehme ich eine kritische Absatzbewegung vor und verdeutliche, wie Rassifizierungen beständig ins Spiel kommen. Ich verstehe sowohl Rassifzierungen als auch Vergeschlechtlichungen als Prozesse in spezifischen Ordnungen. Der Begriff Schwarz kommt aus Kontexten Schwarzer Bewegungen und stellt keine Attribuierungen dar, sondern ist eine Selbstbezeichnung afro-diasporischer Menschen und hat eine reichhaltige Geschichte der Auseinandersetzung (vgl. Eggers et al.
1 Eine intersektionale Analyse von Bildungs- und Subjektivierungsprozessen
2005). Er findet seine Verankerung meist in westlichen Kontexten in denen Schwarze Menschen zu Minderheiten gehören und negativ von Rassismus betroffen sind. Diese Situation – negativ von Rassismus betroffen zu sein – ist der Ausgangspunkt meiner Titelwahl und kennzeichnet eine Situierung in einem rassistischen Verhältnis. Der Titel meiner Dissertation, Schwarze Weiblich*keiten, soll dieses Verhältnis verdeutlichen. Dennoch ist es wichtig zu unterscheiden wie die unterschiedlichen Frauen* von unterschiedlichen Rassismen betroffen sind und hier zwischen Anti-Schwarzem Rassismus und Rassismen gegen Women of Color zu unterscheiden. Deshalb wird der Begriff Schwarz im Verlauf der Arbeit sonst, für Frauen* aus der afrikanischen Diaspora verwendet und der Begriff Women of Color für Frauen* die sich selbst of Color bezeichnen. Auch diese Bezeichnung ist eine Selbstbezeichnung, die Menschen nutzen, die negativ von Rassismus betroffen sind. Diese Selbstbezeichnung wird in der Regel von Personen genutzt, die außerhalb Europas ihre diasporischen Wurzeln haben und kann ebenso eine reichhaltige Geschichte der Auseinandersetzung zurückblicken (vgl. Ha et al. 2007). Selbstverständlich sind die Begriffe wandlungsfähig und es gibt auch Menschen, die sich als Brown bezeichnen (hier geht es in der Regel um eine asiatische Diaspora). Zudem wurde auch schon über den Begriff des »Migratismus« (vgl. Tudor 2013) reflektiert, denn auch Menschen aus dem südlichen Europa oder östlichen Teilen Europas können rassifizierende Ausschlüsse erleben. In der hier vorliegenden Studie haben sich aber alle Frauen* entweder als Women of Color oder als Schwarze Frauen* bezeichnet, und ich hoffe, ich kann ihren Selbstbeschreibungen, Haltungen und Auseinandersetzungen einigermaßen gerecht werden.
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2 Bildung – Subjekt – Diskurs
2.1 2.1.1
Bildungstheorie und Subjektivierungstheorie – Formation und Transformation des Selbst Einleitung
In einem sehr provokanten, aber auch inspirierenden Titel konstatieren Broden und Mecheril (2010a) Rassismus bildet. Bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivierung in der Migrationsgesellschaft. Sie spielen dabei durchaus auf den Zusammenhang von Rassismus und Bildung an. Obwohl Bildung meist als pädagogische Praxis positiv konnotiert wird, stellen Broden und Mecheril hier heraus, dass es einen Zusammenhang zwischen Rassismus als Macht- und Herrschaftsinstrument und Bildung gibt. Dabei machen sie zwei begriffliche Voraussetzungen, wobei die eine den Begriff Rassismus betrifft und die andere den Begriff Bildung (vgl. ebd.: 6f.). Sie gehen zunächst auf den Begriff Bildung ein: Wenn Bildung in dem Sinne als Feld betrachtet wird, in dem »allgemein Phänomene und Prozesse der wissens- und erfahrungsbegründeten Transformation personaler Selbst- und Weltverhältnisse adressiert« werden »und Bildung nicht beschränkt« wird »auf formale Bildungszusammenhänge wie Schule oder Hochschule […], dann kann Bildung ihren positiven wie negativen Ausgangspunkt finden an allen inhaltlichen Gegenständen, die Erfahrungen und Wissen strukturieren« (Broden/Mecheril 2010b: 7). Diese Perspektive schließt Bildung als einen reinen Wissensgewinn und als einseitig positiv zu bewertendes Geschehen aus. Der Begriff Bildung wird vielmehr in einen Zusammenhang mit allgemeinen Phänomenen der Transformation durch Wissens- und Erfahrungsprozesse gebracht, die eher verallgemeinert und nicht unbedingt an Bildungskontexte gebunden sind. Bildung kann einen negativen wie positiven Ausgang haben und lässt sich hier eher als prozesshaftes Geschehen rekonstruieren. Weiter hinten gehen sie dann auf das Macht- und Herrschaftsverhältnis Rassismus ein und beschreiben seine Alltäglichkeit, seine Ordnungsstruktur und die Strukturierung des Alltags und der Gesellschaft durch diese Strukturkategorie (vgl. Broden/Mecheril 2010b: 12-18). Der Zusammenhang zwischen Rassismus und Bildung bezieht aber eine weitere Denkweise mit ein: eine subjektivierungstheoretische.
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Schwarze Weiblich*keiten
Im Gegensatz zu älteren Bildungsbegriffen und -theorien stellt das Subjekt subjektivierungstheoretisch eine Instanz dar, die sich erst durch die Unterwerfung bzw. durch ein ›Werden‹ in den gegebenen Verhältnissen als Subjekt konstituiert. Dies bedeutet, das Subjekt gründet sich in einer sozialen und symbolischen Ordnung und wird in dieser Ordnung handlungsfähig. Es wird sich nicht außerhalb dieser Ordnungen etablieren können, ansonsten stünde die Ontologie der Anerkennung des Subjektstatus zur Disposition. Auch vermeintlich eigene Perspektiven, wie sie die Begriffe der Subjektivität oder der Emotionen nahelegen, kommen damit in den Verdacht, von diesen Verhältnissen zuallererst hervorgerufen zu sein und keine Bastion außerhalb dieser Realität darzustellen. Bildungstheorie kann, wie im Beitrag von Broden und Mecheril (vgl. ebd.), als theoretische Perspektive auf Normalisierungs- und Subjektivierungsprozesse betrachtet werden, sie kann aber auch in erster Linie als Theorie verstanden werden, die Transformationsprozesse in den Blick nimmt und pädagogisches Handeln im Hinblick auf diese Transformationen unterstützt. »Anders werden als zuvor«, so beschreibt Hans-Christoph Koller (2012) diese Veränderung und bezieht sich in seinen Aussagen auch auf Jenny Lüders (2007a, 2007b). Bildung, so beschreibt es Koller, ist ein Prozess, aus dem das Subjekt durch »aktive und selbsttätige Auseinandersetzungen mit Welt« (Koller 2016: 32) verändert hervorgeht. Gemeint ist, wie auch bei Broden und Mecheril, eine Veränderung die auf allgemeinen Erfahrungen des Subjekts aufbaut und die nicht im engen Sinn nur in Bildungskontexten stattfindet. Diese Erfahrung und daraus resultierende Bildung, ist nicht normativ positiv zu bewerten, es kann eine Veränderung in jedwedem Sinn bedeuten. Jenny Lüders hat diesen Prozess der Transformation mit Rückgriff auf Foucault’sche Analysen der Selbstpraktiken herausgearbeitet und stellt dabei fest, dass sich diese Vorgänge in einem ambivalenten Prozess zwischen Subjektivierung und Ent-Subjektivierungen abspielen (vgl. Lüders 2007a: 249). Bildung, so ihr Ergebnis, oszilliert dann zwischen den Polen der Subjekt-Formation und des In-Fragestellens dieser Formation. Mit Foucault und über ihn hinaus beschreibt sie, dass »›Bildung‹ […] als ein Prozess gefasst [wird], in dem durch Selbstpraktiken die im Symbolischen gegebene Subjektivität irritiert und ein ›Anders-Werden‹ als Verhalten zur eigenen Seinsungewissheit möglich wird« (ebd.: 257). Bildung wird damit als ein Prozess beschrieben, der – durch ethisch-reflexive Selbstbezüge – ein Anders-Werden ansteuert und sich dabei mit einer Subjektivität auseinandersetzt, die im Symbolischen entstanden ist. Die vorliegende Studie schließt sich diesem Bildungsbegriff an und sucht die im Symbolischen entstandene Subjektivität mit feministischen, postkolonialen und rassismuskritischen Theorien genauer zu bestimmen. Wenn man so möchte, versucht diese Studie, eine Verbindung zwischen Bildungstheorie einerseits und feministischen, postkolonialen und rassismuskritischen Perspektiven andererseits – zusammen mit poststrukturalistischen Analysen – zu denken. Zentral für die vorliegende Studie ist es deswegen einerseits, Subjektivierungen herauszustellen und anderseits, Bildungsprozesse zu verdeutlichen. Beide Perspektiven, sowohl Bildungs- als auch subjektivierungstheoretische Bestimmungen, sind vielfach aufgegriffen worden; sie sind heterogen in der Begriffsbestimmung wie auch in der inhaltlichen Auseinandersetzung.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Bei meinem Versuch, mich beiden Perspektiven theoretisch zuzuwenden, mache ich eine zentrale begriffliche Voraussetzung: Obwohl es Publikationen1 gibt, die Bildung und Subjektivierung nah zueinander und miteinander in Bezug setzen und Subjektivierungen auch Bildungsprozesse sind – so, wie auch Bildung subjektivieren kann –, nähere ich mich beiden in einem komplementären Bezug der Formation und Transformation von Subjekten. Bildungsprozesse und Subjektivierungsprozesse müssen, so meine Auffassung – und hier schließe ich mich Nadine Rose (2013) an –, eng zueinander in Beziehung gesetzt werden; trotzdem wurde im Laufe der empirischen Auswertung deutlich, dass es von großer Bedeutung für die Empirie ist, einerseits macht- und herrschaftliche Formationen des Subjekts herauszustellen und anderseits ambivalente, aber dennoch vorhandene, Transformationen begrifflich voneinander zu trennen. Diese begriffliche Trennung nahmen andere Theoretiker*innen (s. auch Lüders 2007a) mit dem Gegensatzpaar der Subjektivierung und Ent-Subjektivierung mit Bezug auf Foucault wahr. Auch ich habe in einer Publikation von einer »Ent-Unterwerfung als Praxis der Freiheit« (vgl. Bergold-Caldwell 2016) gesprochen. Nach weiterer Auseinandersetzung und Arbeit mit den Interviews kann ich jedoch sagen, dass es sich hier eher um eine andere Form und das Erlangen einer qualitativ eigenen Art der Subjektivierung handelt und es nicht darum geht, diese sichere Form an sich preiszugeben. Möglicherweise sind das Ergebnisse, die auf den Hintergrund der Fragestellung und der Themensetzung verweisen: »Der Umgang von Schwarzen Frauen* und Women of Color mit Rassismuserfahrungen in der Intersektion mit Geschlecht«. Warum dem so ist und welche Perspektiven sich ergeben, wenn Bildung (verstanden als Transformation) und Subjektivierung (verstanden als Formation) als zwei Erkenntnispole aufgespannt werden – dieser spannenden Frage möchte ich mich in den kommenden Kapiteln widmen. Vorgehen in diesem Kapitel Neben der Frage der Formation und der Transformation des Subjekts, spielen speziell in bildungstheoretischen Debatten der Bildungs-Kontext, Rahmung und Curricula eine Rolle. Sie nehmen einerseits Einfluss auf die Subjektivierung und können anderseits Prozesse der Transformation unterstützen. Der Begriff Bildung trägt damit eine Mehrdeutigkeit in sich; zu unterscheiden sind hier mindestens zwei inhaltliche Bedeutungen des Begriffs. Einerseits geht es um Bildung als Welt- und Selbstverhältnis und andererseits geht es um Bildung als pädagogische Aufgabe und pädagogisches Tun. Natürlich greifen beide Dimensionen ineinander, verschränken und verstärken sich gegenseitig.2 Christine Riegel hat diese Mehrdeutigkeit und Mehrdimensionalität des Bildungsbegriffs als »polivalent« (Riegel 2016: 77) bezeichnet.3 Diese Polivalenz lässt sich 1 2
3
Vgl. bspw. Reh/Ricken 2012. Beide Dimensionen sind Teil der postkolonialen migrationsgesellschaftlichen Wirklichkeit und wirken mittelbar oder unmittelbar sowohl auf die Formation als auch auf die Transformation des Subjekts ein (vgl. auch Bergold-Caldwell/Georg 2018). In einer Studie zu Intersektionalität und Bildung geht Christine Riegel (2016) deswegen mehreren Ebenen und Dimensionen von Bildung nach. Einmal ist es die curriculare und pädagogische Ebene von Bildung, die in ihrer institutionellen Einbettung und Strukturierung intersektional betrachtet und analysiert wird und zum anderen ist es die Bildung als Subjekt-Werdung.
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Schwarze Weiblich*keiten
nur in der historischen Auseinandersetzung mit der Entstehung des (deutschsprachigen) Bildungsbegriffs verstehen, der zugleich Möglichkeiten bietet, aber auch häufig mit normativen Vorstellungen verknüpft war. Auch die theoretische Frage nach Subjektivierungen ist nicht eindeutig und kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Neben praxeologischen Herangehensweisen (vgl. Alkemeyer/Budde/Freist 2014) lassen sich bildungstheoretische (Kleiner/Rose 2014a; Rose 2012; Lüders 2007a) und Konzepte aus den Cultural Studies und rassismuskritischen Perspektiven (Broden/Mecheril 2010a; Velho 2016) unterscheiden. Obwohl es an der einen oder anderen Stelle Überschneidungen gibt, können idealtypische Trennungen wohl so aufgemacht werden. Gemeinsam ist allen drei Perspektiven die poststrukturalistische Betrachtung des Subjekts, die sich in Anlehnung an Denker*innen wie Althusser (1970a), Derrida (1988a), Deleuze (1992), Foucault (etwa 1976 [dt. 1977] od. 1984a [dt. 1968]), Hall (2000a) und Butler (1990 [dt. 1991]) entwickelt hat. Forschungsarbeiten und -analysen, die Subjektivierungen in den Blick nehmen, folgen dabei meist einer kritischen Reflexion der Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die Subjektivierungen hervorbringen. Im vorliegenden Fall sind dies Ungleichheitsverhältnisse, die in der Intersektion zwischen der Kategorie Geschlecht und race liegen. Wenn Subjektivierung als Formation und Bildung als Transformation des Subjekts betrachtet wird, sind in diesem Fall interdependente Subjekt-Zumutungen, Diskriminierungen und soziale Realitäten als Teil der Subjektivierung zu betrachten. Deshalb ist es in der vorliegenden Arbeit von zentraler Bedeutung, Subjektivierungs- und Bildungsprozesse als Prozesse zu betrachten, die eng miteinander verknüpft sind – aber begrifflich getrennt. Wegen der oben beschriebenen Heterogenität in der Begriffsverwendung widmet sich die Arbeit deshalb zunächst der Frage, was eigentlich unter Bildung zu verstehen ist und stellt in Kapitel 2.1.2 dar, wie sich dieser Bildungsbegriff historisch entwickelt hat und welche Kritiken dazu geführt haben, eine Neu-Ausrichtung des Begriffs vorzunehmen. In Kapitel 2.1.3 beschreibe ich dann die inhaltliche Dimensionierung neuerer Bildungstheorien mit Rückgriff auf eine Heuristik, die Jenny Lüders (2007a) in ihrer Arbeit angelegt hat. Der Rückgriff auf die von Lüders ausformulierten Dimensionen4 , um die sich alle ›neueren‹ bildungstheoretischen Perspektiven zentrieren lassen, wird vorgenommen, weil sich damit die Möglichkeit bietet, Bildung in Dimensionen zu verstehen; des Weiteren bietet sich damit die Möglichkeit, Anschlüsse an weiterführende theoretische Konzepte zu formulieren. Im nächsten Schritt (Kapitel 2.1.4) nähere ich mich allgemein subjektivierungstheoretischen Fragen und diskutiere unter Bezug auf neun Maximen, die Martin Saar ausgearbeitet hat, was subjektivierungstheoretische Fragestellungen bedeuten können. Um zu verdeutlichen, wie different subjektivierungstheoretische Perspektiven von bildungstheoretischen Fragestellungen sein können bzw. wie sie weiterführend miteinander diskutiert werden können, verwende ich die Dimensionen von Lüders in Kapitel 2.1.5 In einem vorläufigen Fazit führe ich die Diskussionen
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Dimension 1: Das Bildungssubjekt; Dimension 2: Bildung und Gesellschaft; Dimension 3: Bildung und Normativität; Dimension 4: Die Prozessstruktur von Bildung; Dimension 5: Das Verhältnis von Bildungstheorie und Bildungsforschung.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
dann zusammen, um sie weitergehend in Unterkapitel 2.2 mit rassismuskritischen, feministischen und postkolonialen Perspektiven anzureichern. Zusammengefasst und ausbuchstabiert wird das nun folgende Kapitel diese Fragen erörtern: Wie lassen sich Subjektivierungsprozesse einerseits und Bildungsprozesse andererseits theoretisch betrachten? Was grenzt sie voneinander ab und was haben sie gemeinsam?
2.1.2
Rahmung und Bedeutung von Bildung
Um zu verdeutlichen, in welchen Bereichen und mit welchen Intentionen der Begriff Bildung verwandt wird, starte ich meine Suche nach Rahmung und Bedeutungen zunächst mit einem kursorischen Überblick über erziehungswissenschaftliche Perspektiven auf Bildung. In der Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Ungleichheit wird Bildung meist als zentrale Ressource angesprochen. Trotz vielseitiger Kritik am Begriff, an seiner Omnipräsenz und an seinen utilitaristischen Einhegungen in kapitalistische Verbrauchslogik5 verspricht der Begriff Bildung etwas: Er verspricht eine Transformation aus gegebenen Umständen und Seins-Zuständen. Er verspricht Reflexion und eine (kritische) Auseinandersetzung mit gegebenen Umständen. Besonders unter der Perspektive von sozialer Ungleichheit und im Hinblick auf mehrdimensionale Unterdrückungserfahrungen lässt Bildung darauf hoffen, über Reflexionen diese Erfahrungen zu verändern. Gleichzeitig ist die größte Hürde für einen Bildungserfolg in Deutschland die soziale Herkunft der Schüler*innen (vgl. Brake/Büchner 2012). Formale Bildung bietet also gleichzeitig Chancen und wirkt durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ebenso begrenzend. In formellen wie informellen (vgl. Overwien 2003) Lern- und Bildungssettings ist der Bildungsbegriff eine zentrale Bezugsgröße. Im deutschsprachigen Raum wird jedoch ein Bildungsbegriff zugrunde gelegt, der über den Lernbegriff hinaus geht (Koller 2012). Wenn von Bildung die Rede ist, verändert sich nicht nur der Inhalt einer Wahrnehmung, sondern gemeint ist hier die Änderung des Rahmens (vgl. ebd.). Der Begriff kennzeichnet aber nicht nur einen Prozess, sondern auch ein erziehungswissenschaftliches Vorgehen und eine erziehungswissenschaftliche Perspektive. Ob es um Bildungsziele oder die Auseinandersetzung um Bildungsstandards und -kompetenzen6 geht: Das Wie und Was von Bildung sind umstritten. Strittig ist auch, ob Bildung in erster Linie als Wissens- und Informationsgewinn beschrieben werden kann oder ob es um das Vermögen des Reflexionszugewinns geht (vgl. hierzu Marotzki 1990). Bildung und bildungstheoretische Perspektiven sind und waren häufig mit dem Anspruch verknüpft, (normative) Transformationen von Individuum und/oder Gesellschaft hervor5 6
Vgl. hier die Kritik von Masschelein und Ricken (2003), die später noch genauer ausgeführt wird. Angesprochen ist hier die kritische Auseinandersetzung mit der Einführung der Bildungsstandards und -kompetenzen im Schulunterricht. Bildung wird in diesem Sinne an erlangten Kompetenzen gemessen, die einen relativ engen und quantifizierbaren Messwert haben. Gegen diese Erhebungen gab es – meines Erachtens nach zu recht – viele Vorbehalte und Einwände (vgl. Gruschka 2011; Pongratz 2010).
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Schwarze Weiblich*keiten
zubringen und können in einer Wissensgesellschaft tief verstrickt sein in Zurichtungen und machtvolle Bestrebungen.7 Nicht nur die oben bereits erwähnten neoliberalen Gebrauchsintentionen, denen Bildungsinstitutionen sowie Bildungssubjekte ausgesetzt sind, rufen eine genauere Betrachtung von Bildung hervor, auch die Perspektive auf Bildungsinhalte und Ziele ist von Bedeutung. Sie avisieren nicht immer die reflexive Bildung des Selbst, sondern verstehen sich eher als Bildung im Sinne eines Wissenszugewinns. Bildung kann, wie oben bereits angedeutet, idealtypisch einmal als reflexive Selbst-Bildung (vgl. bspw. Marotzki 1990; Koller 2012; Lüders 2007a) oder eben als Bildung, die an Curricula, Institutionen und Lehr-Lern-Umfelder gebunden ist, betrachtet werden. Diese Gegenüberstellung kann wiederum mit mannigfachen Theoriebezügen theoretisiert werden, die in differenten Bereichen der erziehungswissenschaftlichen Debatte beheimatet sind. Abzugrenzen ist von einer Perspektive auf Bildung jene der Ausbildung (vgl. Schäfer 2000: 1). Die vorliegende Arbeit folgt in ihrer Auseinandersetzung einem Bildungsbegriff, der sich Jenny Lüders anschließt und Bildung als Praktiken des Selbst untersucht. In der erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzung ist der Bezug zu Bildung in all ihren oben gezeigten Facetten wieder zentral geworden (vgl. Koller 2016: 32). Nach einer tiefgreifenden kritischen Auseinandersetzung mit Implikationen, Dimensionen und Inhalten des Begriffs zeichnet sich eine Wende ab. Obwohl der Begriff in den 60er Jahren weniger Verwendung fand und man sich der Ideologie verdächtig machte, wenn er benutzt wurde, ist er heute – mit kritischen Implikationen – wieder aufgegriffen worden. Der Begriff Bildung rückt die Perspektive auf ein Geschehen in den Mittelpunkt, das in Abgrenzung zu anderen erziehungswissenschaftlichen Begriffsbestimmungen eine ganz eigene Perspektive verdeutlicht (vgl. ebd.). Während Sozialisationsprozesse eher eine Perspektive auf die Wechselwirkung zwischen Umwelt (bspw. kultureller, ökonomischer und ökologischer) und Selbst betrachten und Erziehung eher als intentionale Einflussnahme beschrieben wird, kann Bildung als offener und kaum festlegbarer Prozess der Selbstbildung beschrieben werden (vgl. ebd.). Es geht um die aktive Auseinandersetzung des Selbst mit der Welt und die daraus resultierende Transformation des Selbst. Bildungsprozesse wurden deshalb von Koch zum einen als Prozess, aber auch gleichzeitig als Resultat bezeichnet (Koch 1999). Prozess und Resultat eines Werdens rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung (vgl. Koller 2016: 32). HansChristoph Koller folgend wird Bildung als Selbstbildung betrachtet und weniger als formale oder Wissensbildung. In Abgrenzung zum Begriff des Lernens argumentiert er unter Bezugnahme auf Rainer Kokemohr: »In informationstheoretischer Terminologie formuliert, lässt sich Lernen […] als Prozess der Aufnahme, Aneignung und Verarbeitung neuer Informationen verstehen, bei dem jedoch der Rahmen, innerhalb dessen die Informationsverarbeitung erfolgt, selber unangetastet bleibt.« (Koller 2012: 15) Mit
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Auch hier wird eine kritische Diskussion um ›richtige‹ Bildung deutlich. Beispielsweise kann die Veränderung der Bildungsrealität an Universitäten durch Bologna und durch neoliberale Verbrauchslogiken, die auch an Universitäten Einzug gehalten haben, als Verstrickung in eine Rationalität bezeichnet werden, in der bestimmte Qualitäten von Bildung verloren gingen (vgl. Pongratz 2010).
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
anderen Worten: Wenn wir über Bildung sprechen, ändert sich nicht nur der Inhalt, sondern darüber hinaus geht es auch darum, den Rahmen zu verändern. Der Bildungsbegriff stellt mit all seinen Facetten eine Leitkategorie zur Begründung pädagogischen Handelns dar (vgl. Menze 1970) und wird von Ruhloff (2000) als pädagogischer Auftrag schlechthin bezeichnet. Dieser Begriff von Bildung wurde laut Koller bis zur ›realistischen Wende‹ in seiner pädagogischen Bedeutsamkeit nicht in Frage gestellt. Heutige Perspektiven wie die der alltäglichen Bildung (Rauschenbach 2013) oder die Bildung als Reflexionsvermögen in der eigenen Biographie (Marotzki 2006) setzen transformatorische Perspektiven als zentrale Betrachtungsperspektive ein. Bildungstheoretisch setzt diese Perspektive auf die konsequente Möglichkeit oder Fähigkeit der Reflexivität der Subjekte, die damit ihren Bezug zur Welt und zu sich selbst immer wieder neu verhandeln. Die Überschreitung der eigenen Voraussetzungen, seien sie natürlicher oder soziokultureller Natur, ist wesentlicher Bestandteil dieses Bildungsbegriffs (vgl. Stojanov 2014: 211). Schon der Begriff Bildung mit der Endung ›ung‹ legt etwas prozesshaft Transformatorisches nahe, was zuweilen auch zu kritischen Anmerkungen und Zurückweisungen geführt hat; und auch die eben erwähnte Überschreitung der eigenen ›natürlichen‹ und soziokulturellen Voraussetzungen ruft die Frage auf, wie diese Voraussetzungen beschaffen sind und wie sie überschritten werden können. Trotz der Perspektive auf Transformationen sind Inhalt, Ziele und Vorgehensweisen also uneinheitlich und umstritten. Lenzen (1997) bezeichnete den Begriff Bildung gar als »Container-Wort«, »das je nach strategischem Interesse und theoretischer Fundierung unterschiedlich verwendet wird« (Lüders 2007b: 186). Kritik des klassischen Bildungsbegriffs Die dargestellten unterschiedlichen Dimensionen und Inhalte spiegeln »die Uneindeutigkeit und Polyvalenz des deutschen Bildungsbegriffs« (Riegel 2016: 77) wider. Der Bildungsbegriff wird häufig als ›deutscher Sonderweg‹ bezeichnet, weil der Begriff international nicht auf die gleiche Art und Weise verstanden werden kann. Im Versuch, den Bildungsbegriff ins Englische zu übersetzen und darunter verständliche Implikationen zu verdeutlichen, griffen unterschiedliche Personen zu Begriffen wie ›edufication‹ (Rorty 1979: 360; siehe Masschelein/Ricken 2003: Endote 1) oder auch ›cultivation‹ (Lšvlie 2000; Sennett 1990; Readings 1996; siehe Masschelein/Ricken 2003: Endnote 1). Doch trotz der vielfachen Annäherung konnte mit den Begriffen nicht abgebildet werden, was der Begriff Bildung im deutschsprachigen Raum an Implikationen und Dimensionen hat. Masschelein und Ricken führen das auf seine enge Verwobenheit mit der deutschen Geschichte und Denktradition zurück. Sie konstatieren: »It seems to be tied very strongly to the particular history of Germany (both as the history of the formation and development of the nation and as the history of the German thought and language)« (ebd.). Der Gebrauch des Begriffs hatte im deutschsprachigen Raum unterschiedliche Ausdeutungen, unterlag unterschiedlichen Theorietraditionen und hatte mancherlei gesellschaftliche Funktionen (Kiper 1999). Wie Hanna Kiper verdeutlicht, wurde dieser Begriff nach 1945 – z.B. von Theodor Litt – im pädagogischen Feld als integrierendes Moment genutzt, in dem das Selbst sich kritisch mit Traditionen auseinandersetzt, um
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dann wiederum zu sich selbst zu finden (Kiper 1999: 9). Möglicherweise führten diese Einflüsse dann auch dazu, den Bildungsbegriff zu kritisieren. Setzte diese Perspektive auf Bildung doch zu sehr darauf, ein Selbst zu beschwören, das sich trotz widriger Umstände selbst behauptet und auf diese Weise Autonomie entwickelt (vgl. die Kritik von Masschelein und Ricken 2003). Durch die Kritik änderte sich die Verwendung des Begriffs in den 1960er Jahren; »derjenige, der ihn verwendete, setzte sich des Ideologieverdachts aus« (Kiper 1999: 10; vgl. auch Menze 1970: 156). »Bildung sei ein überholter und für die pädagogischen Aufgaben einer demokratischen Gesellschaft ungeeigneter Begriff« (ebd.: 10). Die kurz skizzierte Kritik bezog sich auf den klassischen Bildungsbegriff, der nach Bollenbeck (1996) »eine zentrale Rolle als Deutungsmuster zur Interpretation individueller und gesellschaftlicher Entwicklungen« (Koller 2012: 10) hatte. Dieser klassische Bildungsbegriff hatte seine Hochzeit in Deutschland zwischen 1770 und 1830 und nahm eine zentrale Rolle, über die pädagogische Auseinandersetzung hinaus, ein (vgl. ebd.). Im Zusammenhang mit dem Subjekt der Aufklärung, das sich seines eigenen Verstandes bedienen sollte, war Bildung quasi die Voraussetzung, um sich aus einer unmündigen Situation zu befreien. Ohne Bildungsmöglichkeit und Adressierung dieser Möglichkeit konnte diese Subjektmöglichkeit oder auch Dimension nicht eingelöst werden und ihre Wirkung nicht entfalten: Vorstellungen des mündigen und aufgeklärten Subjekts über Bildungsprozesse gingen zu diesem Zeitpunkt also eine Verbindung ein, die notwendigerweise über Bildung geschaffen werden musste. »Bildung wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert als geistig-seelische Formung des Individuums betrachtet, das sich durch die Aneignung der wesentlichen Kulturleistungen der Menschen in die Lage versetzte, Begriffe über die Welt und sich selbst zu entwickeln, um zu zunehmender Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Selbstverwirklichung zu kommen« (von Felden 2003a: 193). Selbstverständlich waren von diesen Bildungsaspirationen nur einige Menschen betroffen. Ausgenommen waren häufig Frauen in den innereuropäischen Ländern; und in außereuropäischen Ländern, den sogenannten Kolonien, die ja damals auch zu den europäischen Ländern gehörten, war Bildung eher eine Möglichkeit, die Überlegenheit der Imperien zu sichern. In seiner Studie zu Orientalismus wies Edward Said (2008) die unsichtbare Verbindung von Kulturproduktionen und dem politischen Charakter einer Gesellschaft auf; »und es ist gerade die Unsichtbarkeit dieser Beziehung, die diese für die ideologischen Arenen so nützlich macht«, hält Maria do Mar Castro Varela fest (Castro Varela 2007a: o. S. Abs. 3). Unter dem Stichwort »Bildung und Koloniale Zivilisierungsmission« verdeutlicht sie überblicksartig, inwiefern Bildung »als Stützpfeiler des Imperiums« (vgl. ebd.) betrachtet werden kann. Ohne an dieser Stelle genauer darauf einzugehen, soll die ambivalente Genealogie des Begriffs angedeutet werden. Der Bildungsbegriff aus der Aufklärung hatte, wie eben dargestellt, Einschließungsund Ausschließungsmerkmale und ist auch gleichzeitig als utilitaristisch zu bewerten. Bildung war in diesem Sinne kein Selbstzweck, sondern Bildung war daran gebunden, individuelle und gesellschaftliche Zustände über Bildung zu verbessern. Während aber dieser Bildungsbegriff einen Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Individuum herstellte und das Individuum angehalten war, durch seine Verbesserung die Gesellschaft zu stärken, war der neuhumanistische Bildungsbegriff »eher im Bereich
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
des abstrakten, autonomen Subjekts verortet, dem ein gewisses Eigenleben in Freiheit und Geistigkeit gegenüber der schlechten gesellschaftlichen Realität eingeräumt wurde« (von Felden 2003b: 193). In der Mitte des 18. Jahrhunderts, »auf dem Höhepunkt der Aufklärung lagen auch die Anfänge eines neuen Humanismus« (Blankertz 1992: 89). »Diese Anfänge begannen nicht an den Schulen und Universitäten, sondern gegen sie; sie wirkten auf eine Reform der Bildung hin, ja sie trugen mit dazu bei, daß [sic!] ein spezifisch deutscher Bildungsbegriff entstehen konnte« (ebd.: 89). Als Vorbild für neu-humanistische Bildungsideen standen humanistische Bildungsideale der Antike. »Aber erst die Rückbesinnung der nachantiken Welt auf die als beispielhaft empfundene Norm vollendeten Menschentums macht ›Humanismus‹ als Lehrmeinung aus« (ebd.: 89). Die »Norm vollendeten Menschentums« bezieht sich auf die alt-griechische Idee der Paideia; »die griechische Erziehung des Menschen zu seiner wahrhaften Bestimmung« (ebd.: 89) lag in der Idee begründet, die in der Sprache »aufgehobene vernünftige Gesinnung des Menschen« (ebd.: 89) zu vervollkommnen. Die Vernunftbegabung, die mit der Sprache begründet wurde, unterschied den Menschen vom Tier, Griechen von Barbaren, Gebildete vom Ungebildeten (vgl. ebd.: 90). Deutlich wurde mit dieser Perspektive auf Bildung, dass der Mensch in seiner ›Sitte‹ bildbar war. »Aus dieser Überzeugung heraus war eine Aristokratie des Geistes begründet, die die Herrschaftsstrukturen des Blutes und der politischen Macht vom Prinzip her relativierte« (ebd.: 90). Wie deutlich wird, sind hier sowohl der Begriff als auch der Inhalt von Bildung an eine spezifische Form von Selbstverhältnis geknüpft, die zum Ziel hatte, einerseits eine ›Vervollkommnung‹ über Bildung zu erreichen und andererseits eine Aristokratie des Geistes zu begründen. Nicht nur die darin enthaltene Idee eines abstrakten und autonomen Subjekts, das trotz der gesellschaftlichen Zustände ein Eigenleben im Gegensatz zu den Zumutungen führen kann, ist in die Kritik gekommen, vielmehr steht auch zur Disposition, wie dieses Subjekt durch die Zustände erst hervorgebracht wird und seine eigenen internalisierten Überzeugungen und Werte entlang gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftskonstellationen ausbildet. Auch Bildungskontexte können dazu beitragen, gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse weiterzutragen; sie sind nicht per se darauf ausgerichtet, Bildungsprozesse von marginalisierten Subjekten als solche zu erkennen und sie zu unterstützen. Lüders (2007a, 2007b), Masschelein und Ricken (2003) folgend kann der Bildungsbegriff und der beständige Ruf nach Bildung in seiner polyvalenten Fassung auch noch aus einer weiteren Perspektive kritisiert werden: Ausgangspunkt ist die Kritik von Masschelein und Ricken 2003 mit ihrer Frage: »Do we still need the concept of Bildung?«, die sie am Schluss ihres Beitrags so beantworten, dass wir neue Konzepte bräuchten, die machttheoretisch nicht so sehr korrumpiert seien wie das Bildungskonzept. Derzeit ist der Ruf nach Bildung und Bildungsaspiration zum politisch-strategischen Begriff geworden, der in einer Lerngesellschaft soziale Teilhabe über Individualisierung sichert. Bildung sei, so schreibt Jenny Lüders mit Bezug auf Masschelein und Ricken, zur ›Führung der Führung‹ in einem Foucault’schen Sinne geworden. Bezüge zur Bildung führen also zu Selbstverhältnissen, in denen der ›Fremdruf‹: ›Du musst gebildet sein!‹ zur absoluten Selbstführung wird und die Anrufung und Füllung dieser Anrufung eben mit einem epistemologischen Wissen gefüllt ist, das die Art und Weise der
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Anrufung strukturiert. Lüders hebt die Kritik von Masschelein und Ricken folgendermaßen hervor: »Ende des 18. Jahrhunderts in den Erziehungswissenschaftlichen und pädagogischen Diskurs eingeführt, sei ›Bildung‹ als ein kritisches und emanzipatorisches Unternehmen entworfen worden, mit dem sich die Menschen von allen Formen der Macht befreien sollten.« (Lüders 2007a: 11) Im Bruch mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Determinismen und Zwängen habe die Idee der Bildung »an endless task of practical self-determinition in and through the world« (Masschelein/Ricken 2003: 46, zit.n. Lüders 2007a: 11) bezeichnet, zitiert Lüders Masschelein und Ricken. Das Konzept Bildung sei von Beginn an ambivalent gewesen: »Die in ihm aufgehobene Idee einer gegen die gesellschaftlichen Zwänge gerichteten individuellen Freiheit zur Selbstvervollkommnung ist zugleich der zentrale Ansatzpunkt für eine Regierung durch Individualisierung« (Lüders 2007a: 12). Die beständige Forderung und Zentralisierung von Bildung und vor allem die individualisierende Messung erreichter Bildung und Bildungskompetenzen ist in einer Wissensgesellschaft zur zentralen Regierung8 in einem Foucault’schen Sinne geworden. Diese Komplizenschaft von Macht und Bildung, die vieles ausschließt, was nicht kohärent in Erscheinung tritt, und vieles ›andere‹ ausschließt, sei abzulehnen; dieser Kritik schließt sich auch Lüders an (vgl. ebd.).9
2.1.3
Eine Auseinandersetzung mit den Dimensionen des Bildungsbegriffs nach Jenny Lüders
Wie hoffentlich deutlich werden konnte, stand und steht der (deutschsprachige) Bildungsbegriff in Zusammenhang mit wandelbaren Selbst- und Machtverhältnissen. Bildungsverhältnisse sind nicht einfach positiv zu bewerten, sondern sie sind in ihrer Verwobenheit mit politischen und kulturellen Perspektiven des jeweiligen Kontextes, mit Diskursen um bildungsrelevante Bedingungen und vielem mehr verknüpft. Ebenso
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Wie an späterer Stelle noch auszuführen sein wird, meint Foucault mit dem Begriff der Regierung eine analytische Perspektive, die soziokulturelle Bedingungen, Rahmungen, Normvorstellungen, Normen, Regeln als etwas begreift, die von einer Fremdführung zur Selbstführung werden. Normen, Regeln von Macht- und Herrschaftsverhältnissen bleiben dem Subjekt damit nicht äußerlich, sondern sie bestimmen vielmehr die Möglichkeit des Subjekts, als solches zu existieren. Wenn nun Bildung als eine solche Führung installiert ist, dann werden Bildung und Bildungsabschlüsse zur umfassenden Voraussetzung sozialer Existenz, wie sie derzeit schon existiert. Beispiele solcher korrumpierter Bildungskonstellationen finden sich, global betrachtet, zuhauf. Gerade dann, wenn in der Migrationsgesellschaft Bildungsabschlüsse anderer Länder keine Anerkennung finden und immer wieder in einen Wettbewerb zueinander gestellt werden, wird deutlich, wie sehr Bildung(-sabschlüsse) im globalen Kontext, aber auch im nationalen zu einer Währung geworden sind, freilich ohne tatsächlich und unbedingt reflexive Auseinandersetzungen zu adressieren. Im Rahmen des DGfE-Kongresses 2018 hatte ich jedoch eine interessante Begegnung, wo die Kritik, die Masschelein und Ricken formulieren, im internationalen Kontext noch einmal auf den Punkt gebracht wurde: Dr. Christina Alercón berichtete in einem Panel zu Sozialen Bewegungen, wie die Schüler*innen-Bewegung aus Chile gegen ihre eigenen Bildungsinstitutionen, deren Vorgehen und Inhalte, protestierten. Die Bildungsinstitutionen hatten eine Bildung, die sich optimierten kapitalistischen Zielen unterwarf, propagiert und zum Ziel gehabt. Die Schüler*innen erhielten ›Bildung‹ nur, um sich dann der kapitalistischen Verbrauchslogik zu unterwerfen. Gegen diese Zurichtung begehrten sie auf und forderten die Institutionen auf, sich anders aufzustellen.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
sind Bildungsprozesse nie außerhalb dieser Perspektiven zu bewerten und auch zu analysieren. Was als Bildungsprozess betrachtet werden kann und was nicht, hängt stark von den äußeren Bedingungen ab, in denen sich dieser Prozess zeigt und in denen er als solcher wahrgenommen wird. Gerade Bildungsprozesse, die sich in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Ungleichheiten zeigen, sind derzeit wenig in offiziellen Bildungsplänen oder Bildungszielen verankert (vgl. Stojanow 2014). Krassimir Stojanov hebt hervor, dass Kinder und Jugendliche mit einem ›Migrationshintergrund‹ und solche aus »bildungsfernen Schichten« (ebd.: 108) eher am deutschen Bildungssystem leiden und deshalb der solidarischen Hinwendung bedürfen (vgl. ebd.). Im Gegensatz dazu möchte ich zeigen, inwiefern sich Bildungsprozesse in der Auseinandersetzung mit intersektionaler Ungleichheit zeigen und dass es einer Zuwendung, Aufmerksamkeit und Anerkennung solcher Bildungsprozesse bedarf. Um die Bildungs- und Subjektivierungsprozesse von den interviewten Frauen* of Color empirisch verstehen zu können, werde ich im nächsten Schritt auf die Dimensionen eingehen, die im Bildungsbegriff beheimatet sind. Diese Hinwendung zu den Dimensionen des Bildungsbegriffs nehme ich vor, um den Begriff zu öffnen und ihn anschließend subjektivierungstheoretischen Perspektiven gegenüberzustellen und auszuloten, welche theoretische Blickrichtung sich dadurch bietet. In einem weiteren Schritt verbinde ich beide – weiterhin mit Rückgriff auf die ausgearbeiteten Dimensionen – mit feministischen, postkolonialen und rassismuskritischen Theorien. Im letzten Schritt werden die erarbeiteten intersektionalen Analysen, sowohl subjektivierungsals auch bildungstheoretisch an das methodologisch-analytische Repertoire Foucaults angeschlossen. Während ich mich Subjektivierungsprozessen damit diskurstheoretisch annähern kann, werden Bildungsprozesse – im Anschluss an Lüders – als Praktiken des Selbst betrachtet. Diese Bildungsprozesse entstehen in erster Linie durch die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen. Um mich den Dimensionen, die im Bildungsbegriff beheimatet sind, anzunähern, greife ich auf die Arbeit von Jenny Lüders zurück. In ihrer Promotion, die unter dem Titel »Ambivalente Selbstpraktiken. Eine Foucault’sche Perspektive auf Bildungsprozesse in Weblogs« (2007a) erschienen ist, hat sie sich der Aufgabe gestellt, eine Neukonzeption des Bildungsbegriffs vorzunehmen. Nicht nur ihre Verknüpfung von Foucaults Theorieperspektiven mit bildungstheoretischen Fragestellungen ist für die vorliegende Arbeit relevant, sondern auch ihr theoretischer Zugriff auf die Verknüpfungen der auf den ersten Blick disparaten Theorien. Wie bereits dargestellt, wende ich mich diesen Dimensionen zu, um einerseits eine Art Heuristik zu haben, die es mir erlaubt, einen Anschluss an subjektivierungstheoretische Perspektiven zu gewinnen und anderseits zu rekonstruieren, von welchen Strukturen, Bedingungen und Perspektiven Bildung abhängig ist und wie Bildungsprozesse – verstanden als Transformationsprozesse – betrachtet werden können.10 10
In den nun folgenden Ausführungen sind einige Bedingungen, die genauso auf Bildungsprozesse wirken, nicht angesprochen: Einmal ist die derzeitige Debatte um Bildung und Räumlichkeit (vgl. hier bspw. Alkemeyer/Kalthoff/Rieger-Ladich 2015) nicht in die Heuristik aufgenommen, andererseits fehlt eine tatsächlich deutliche Perspektive, die relationale Bildung in den Blick nimmt, wie sie beispielsweise im Feld der sozialen Bewegungen diskutiert werden (vgl. bspw. Maurer 2016, 2011); zudem ist Bildung mehr oder weniger als ein kognitives Geschehen dargestellt, und Bildung
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Nicht nur Christiane Thompsens Rezension zum Buch von Jenny Lüders legt nahe, diese Arbeit zur Kenntnis zu nehmen, denn sie erweitert den Bildungsbegriff um das Denken von einer durch Michel Foucault inspirierten Perspektive auf Selbstpraktiken und deren Einfluss auf transformatorische Bildungsprozesse (Thompson 2007).11 Sie hat in ihrer Analyse einen ganz eigenen Zugriff auf Foucaults Analyse-Werkzeuge gewählt. Während viele in erster Linie seine macht- oder gouvernementaliätstheoretische Herangehensweise (vgl. bspw. Maurer/Weber 2006; Kessl 2006) als Ausgangspunkt zur Verknüpfung mit erziehungswissenschaftlichen Perspektiven nutzten, hat Lüders Foucaults Subjektbegriff – oder möglicherweise besser gesagt: die Prozeduren, die Individuen zu Subjekten machen (vgl. Foucault 2007b: 10) – rekonstruiert und ihn mit bildungstheoretischen Diskussionen und Dimensionierungen ins Verhältnis gesetzt, um anschließend empirisch zu zeigen, wie gewisse Selbstverhältnisse als ambivalente, aber doch transformative Bildungen betrachtet werden können. Um einen Anschluss an Foucaults Denken herzustellen, hat sie zunächst fünf Dimensionen12 neuerer Bildungstheorien herausgearbeitet, die in all den disparaten Zugängen deutlich werden. Sie wählte die Perspektive auf Dimensionen, um der Heterogenität zu begegnen, die unter den Perspektiven auf Bildung bestehen. Die Dimensionen, die im Folgenden besprochen werden – (1) Das Bildungssubjekt, (2) gesellschaftspolitische Dimensionen von Bildung, (3) Bildung und Normativität und (4) Bildung als Prozess – sind trotz des heterogenen Gebrauchs des Wortes Bildung und vieler theoretischer Perspektiven immer vorhanden.13 Wie in der Diskussion der Dimensionen deutlich werden wird, geht es zwar um die Reflexion gesellschaftlicher Ungleichheit, aber es geht nicht um die Ausdeutung und Kenntnisnahme einer positionierten Perspektive, die von der Ungleichheit negativ betroffen ist.14 Ich werde in den einzelnen Abschnitten immer wieder darauf hinweisen, was das jeweils im Hinblick auf die Weiterführung im Hinblick auf meine Forschungsfrage bedeutet und komme so einer Bildungsperspektive näher, die dann in intersektionale Analysen aufgenommen werden kann.
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als affektives und leiblich-körperliches Geschehen – wie sie beispielsweise in der ästhetischen Bildung (Abraham 2017) verdeutlicht wird – bleibt weitgehend ausgespart. Neuere Perspektiven auf Materialität und Bildung, wie sie in einem Sammelband von Christiane Thompson, Rita Casale und Norbert Ricken in »Die Sache(n) der Bildung« (Thompson/Casale/Ricken 2017) vorgestellt werden, sind damit auch (noch) nicht vertreten. Diese im Anschluss an ein Foucault’sches Verständnis des Subjekts ausgearbeitete Perspektive der Selbstverhältnisse wird beispielsweise auch von Alexander Geimer, hier aber als ›Subjektfiguren‹, betrachtet (Geimer 2012). »Zum Verhältnis von Bildungsforschung und Bildungstheorie« ist die fünfte Dimension, die Lüders einführt. Für die vorliegende Forschung betrachte ich sie als nicht so relevant, da es ja lediglich darum geht, den Bildungsbegriff näher zu bestimmen. In ihrer Arbeit untersucht Lüders erziehungswissenschaftliche Fachzeitschriften, die gängige und neuere Diskurse über Bildung bedienen. Trotz der Heterogenität des Konzeptes und der disparaten Begriffsnutzung kann sie über zugrundeliegende Dimensionen Gemeinsamkeiten herausstellen. Ich verstehe unter einer ›positionierten Perspektive‹ eine Ausdeutung gesellschaftlicher Machtverhältnisse auf dezidierte Positionen in der Gesellschaft: Beispielsweise die einer Schwarzen Frau* in Deutschland; einer transidenten Person oder einer be_hinderten Person.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Um es noch einmal kurz zusammenzufassen: Für die vorliegende Studie dienen diese Dimensionierungen mit Bezug auf Lüders zum einen dazu, theoretisch den Bildungsbegriff zu verstehen und ihm näherzukommen und dabei durchaus auch kritische Konfigurationen zu verdeutlichen; im Weiteren stellt sich aber die Frage, wie demgegenüber subjektivierungstheoretische Analysen verstanden werden können. Deshalb fand ich es besonders gewinnbringend, die Dimensionen des Bildungsbegriffs auch noch einmal mit subjektivierungstheoretischen Perspektiven zu besprechen, um anschließend herauszustellen, was mit welcher Perspektive gewonnen ist. Ich gehe dabei von einer grundsätzlichen, gleichwohl wohlbedachten Vorannahme aus: Ich setze Bildungstheorien und Subjektivierungstheorien in ein Spannungsverhältnis, sie dienen mir als Pole der Erkenntnis. Obwohl neuere Auseinandersetzungen in der bildungstheoretischen Landschaft different vorgehen, ist diese Herangehensweise produktiv, weil Bildungstheorien einerseits und Subjektivierungstheorien andererseits aus differenten Wirkungsfeldern kommen und ich durch deren Gegenüberstellung den Blick auf den Gegenstand in einer triangulatorischen Perspektive schärfen kann.
2.1.3.1
Das ›Subjekt der Bildung‹
Ich beginne also mit der ersten Dimension, dem ›Subjekt der Bildung‹. Jedwede Bildungstheorie, Bildungspraxis und auch pädagogische Handlung braucht eine Subjektbetrachtung bzw. setzt diese in ihrem Handlungs- oder Theorieverständnis implizit oder explizit voraus. Wie oben deutlich wurde, ist das moderne Verständnis des Subjektes das eines autonomen Selbst, das mehr rational und vernunftbegabt – ungeachtet der gegebenen Strukturen – seine eigene Bildung vorantreiben kann. Besonders im Rahmen der Überlegungen, die oben mit Bezug auf Blankertz vorgestellt wurden, sind diese Perspektiven zentral. Mit der Kritik am klassischen Bildungsbegriff und dem Aufdecken seiner verborgenen aristokratischen Merkmale (bspw. bei Bollenbeck 1996), verändert sich auch das Verhältnis des Subjekts im Bildungsbegriff. Bildungstheoretisch besteht die Frage, »welche Funktion das Subjekt in seiner eigenen ›Bildung‹ übernimmt, welche Veränderungen es im Bildungsprozess durchläuft und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen« (Lüders 2007a: 26). Das Verständnis und die Betrachtung des Subjektes ist insgesamt die zentrale Perspektive in bildungstheoretischen Auseinandersetzungen. Weniger die problematische moderne Subjektkonzeption wird in neueren bildungstheoretischen Perspektiven angesprochen als vielmehr bisher ausgeklammerte Problemstellungen (vgl. ebd.).15 Im Gegensatz zum modernen Subjektverständnis, das in diesem Fall als Kontrastfolie dient, skizzieren neuere Theorien Problematiken an den Eckpunkten Differenz, Heteronomie, Alterität und Sprachlichkeit. Lüders fasst unter der Perspektive der ›Differenz‹ jene theoretischen Bemühungen zusammen, die im Gegensatz zur Kohärenz – bspw. durch eine kohärente IchIdentität – die Differenz im Subjekt und in der Welt-Selbst-Relation hervorheben. Vielmehr geht es mit Bezug auf Peukert (2000) um ein dezentriertes Subjekt, das sich seiner selbst nie ganz sicher sein kann und mit sich selbst auch nicht unbedingt immer identisch ist (vgl. ebd.: 515, zit.n. Lüders 2007a: 30). Aber auch weitergehend hält
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Wobei pädagogische oder bildungstheoretische Perspektiven tatsächlich häufig eher dadurch auffallen, dass es eben genau keine Subjektkonzeption gibt und das Subjekt einfach als solches vorausgesetzt wird bzw. die theoretische Schwäche herausgestellt wird, die es noch zu schließen gälte (vgl. Lüders 2007a: 28).
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Peukert fest: »Verstehen seiner selbst und Verständigung mit dem anderen scheinen zum unwahrscheinlichen und unerwartbaren Ereignis zu werden« (Peukert 1998: 24); Differenz im Verhältnis zum Anderen und im Verhältnis zum Selbst wird damit zum Ausgangspunkt in neueren Theorie-Debatten. Anders als in feministischen und/oder postkolonialen Theorieperspektiven verweist diese Perspektive auf Differenz, nicht unbedingt in erster Linie auf strukturelle Ursachen von Differenz, sondern auf besagte Anderen- und Selbstverhältnisse. Differenz soll aber nicht als je absolut Anderes zu Kohärenz betrachtet und damit in gewisser Weise auch wieder festgeschrieben werden, sondern es soll »eine der Pluralität, Differenz und dem Dissens ausgelieferte Existenz bejaht und als uneinholbare und unabschließbare Seinsweise« (Lüders 2007a: 30) betrachtet werden. Im zweiten Schritt rekurriert Lüders auf den Aspekt der Heteronomie – der im Gegensatz zur einseitigen Fokussierung auf Autonomie in derzeitigen Subjektkonzeptionen beheimatet ist. Durch die Kritik am modernen Subjektbegriff und seinem kritischreflexiven Bezug auf sich selbst, das sich selbst durch rationale Entscheidungen moralische Gesetzte geben konnte, ist die Frage der Abhängigkeit in einem sozialen Verhältnis aufgegriffen worden. Autonomie, so Lüders mit Bezug auf Käthe Meyer-Drawe (1991), ist zu einem Begriff geworden, der sich gegen Formen von Herrschaft wendet und sich vor diesem »Hintergrund mit Konzepten wie Mündigkeit, Emanzipation, Selbstbestimmung, Kritikfähigkeit, Vernunft und Verantwortung« (Lüders 2007a: 30) verknüpft hat. Obwohl der Begriff und dahinterstehende Annahmen aus Lüders’ Perspektive seit langer Zeit diskutiert werden, scheint es doch gleichzeitig noch die Illusion dieser Autonomie zu geben. Autonomie stelle aber, so Schäfer, nicht nur eine Illusion, sondern auch eine Unterwerfung und Zumutung dar (vgl. Schäfer 1996). Autonomie wird als die Begründung der reflektierten Selbstkontrolle gefasst, die letztlich »zum ethisch verantwortlichen Subjekt, das sich selbst Gesetze gibt« (Lüders 2007a: 30), verdichtet wird. Trotz dieser Ambivalenz zeigt Lüders mit Bezug auf Meyer-Drawe, dass das Subjekt als Akteur*in auch in einer ethisch-reflexiven Perspektive beibehalten werden und Autonomie auch als politische Forderung eingesetzt werden muss (Meyer-Drawe 1990/2000). Die diskutierten Konzepte von Autonomie und Heteronomie verweisen an dieser Stelle nicht auf feministische Fragestellungen von Autonomie und Heteronomie (wie beispielsweise bei Hanna Meißner 2010), vielmehr scheint hier ein verallgemeinertes Subjekt angesprochen zu sein, das sich zwischen diesen Polen bewegt. So schlussfolgert Lüders auch, dass der »momentan vorherrschende Umgang mit diesem Problem« darin besteht, »sich weder auf die Seite der Autonomie noch auf die der Heteronomie zu schlagen« (Lüders 2007a: 31). Vielmehr gilt es, sich in der Neuausrichtung eines Bildungsbegriffs der Verstrickungen in Selbst- und Fremdbestimmungen sicher zu sein und sie nicht einseitig aufzulösen. Fremd- und Selbstbestimmungsperspektiven werden mit der dritten Dimension, die Lüders anführt, noch weiter zugespitzt. »›Alterität‹ als ›Denken des Anderen‹« (Lüders 2007a: 32) stellt sie mit Bezug auf Masschelein und Wimmer (1996a) als konstitutives pädagogisches Problemfeld dar, das sich nicht erst aufgrund einer ›multikulturellen‹ Gesellschaft zeigt (ebd.: 32). »Den Ausgangspunkt bilde die Unmöglichkeit, ›den Anderen‹ bzw. Alterität vom Subjekt aus denken zu können« (ebd.). Alterität stellt in der phi-
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
losophischen Tradition – zentral ist hier Emanuel Lévinas16 zu nennen – eine zentrale Perspektive dar. ›Der Andere‹ ist in dieser Hinsicht immer ungreifbar, nicht verfügbar und kann nicht von einem ontologischen Selbst aus gedacht werden, weil das Andere für das Selbst konstitutiv ist: Sie entstehen beide in einer Gleichzeitigkeit, nicht aber in einem reziproken Prozess. Da Alterität nicht von dem konsistenten ›Ich‹ und einem selbstidentischen Subjekt aus gedacht werden kann, ruft das Denken der Alterität auch radikal die Frage nach Intersubjektivität auf. So fragen auch Masschelein und Wimmer: »wenn die Alterität nicht ein nachträgliches Attribut des Individuums ist […] sondern wenn Alterität selbst als ein der Subjektivität vorgängiges Verhältnis zum Anderen zu verstehen ist, wie ist dann Intersubjektivität zu verstehen?« (Masschelein/Wimmer 1996b: 14, Herv. i.O.). Diese Perspektiven rufen nicht nur Fragen vom Verhältnis zwischen dem Selbst und Anderem hervor, sondern auch, wie eben angedeutet, von ›intersubjektiven‹ Verständigungsprozessen. Diese Beziehung muss deshalb als Paradigma verstanden werden »für das Verhältnis von Kontingenz, zum Zufall, zur Unvorhersehbarkeit von Handlungsfolgen, zur Unplanbarkeit und letztlich zur Unterscheidbarkeit« (Wimmer 1996b: 55; vgl. auch Lüders 2007a: 32) von eben jener Beziehung. Handlungen und gegenseitiges Einvernehmen sind vor diesem Hintergrund schwer planbar, vielmehr muss sich das Ich als ein »antwortendes Ich« (ebd.) verstehen. Im Gegensatz zum Paradigma des aktiven autonomen Subjekts verweist dies auf zwei Modi, die im Zusammenhang mit dem Denken der Alterität entstehen: Passivität und Leiblichkeit. Das Ich als ›antwortendes Ich‹ ist zum einen auf ein passives Aufnehmen verwiesen und zugleich auf seine Leiblichkeit, die als Sinnstruktur fungiert. Mit Bezug auf Käthe Meyer-Drawe (1990/2000) stellt Lüders heraus, dass der Leib eine Art Sinneserfahrung darstellt, die vom Geist nicht produziert wurde und somit auch die leibliche Erfahrung als Teil verstanden werden muss, um Intersubjektivität herzustellen. Trotzdem mahnt Lüders, dass eine einfache Umkehrung »von Aktivität und Passivität, Selbstbestimmung und Fremdbestimmung, Freiheit und Zwang« (vgl. ebd. Fußnote 10) nicht hilfreich sei; vielmehr gehe es um ein »Ineinander von Konstruktivität und Rezeptivität, die sich weder voneinander trennen noch ineinander auflösen lassen« (Ricken 1999: 223, zit.n. Lüders 2007a: 33). Da das Selbst sich über den Anderen erfährt und diese Erfahrung auch mit Leiblichkeit verknüpft ist, wird Subjektivität in neueren bildungstheoretischen Auffassungen immer stärker an Leiblichkeit und Körperlichkeit17 gebunden (Wimmer 1996b: 47, zit.n. Lüders 2007a: 33). Was aber als deutlichste Dimension
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Die Diskussion um Alterität in Anlehnung an Lévinas stellt in der feministischen, postkolonialen, dekonstruktivistischen und auch in der psychoanalytischen Theorietradition einen wichtigen Bezugspunkt her (vgl. Babka o.J. und Gürtler 1994). Alterität und Identität werden als einander bedingende Momente ausgeführt. Die postkoloniale Theorie-Tradition erweitert diese Perspektiven dann noch um Konzepte des Anderen als Strukturmerkmale und Kategorien, bspw. in Edward Saids Perspektive in ›Orientalism‹. Inwiefern Alterität als Konzept des*der Andere*n und in der postkolonialen Perspektive eingeführte Konzepte von ›Othering‹ auf gemeinsame Theorieursprünge zurückgreifen, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Es scheinen vielmehr zwei unterschiedliche Ebenen des Anderen angesprochen zu sein. Unbeantwortet bleibt hier die Frage nach einem hierarchischen Verhältnis, in das die Körper über ihre Materialität, ihr Äußeres, ihre Funktion im gesellschaftlichen System und über ihre Fähigkeit zueinander angeordnet sind.
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hervortrete, sei die Dimension der Ethik, die im Verhältnis zum Anderen liegt. Dies ist nach Wimmer aber nicht unbedingt eine »neue pädagogische Ethik« oder auch »neue pädagogische Verantwortung« (Wimmer 1996b: 51), sondern zunächst geht es um das Subjekt als antwortendes,18 »es ist verantwortlich es schuldet Antworten, denn keiner kann an seiner statt antworte« (ebd.: 52), weil das Subjekt nur Subjekt sein kann wegen der (sprachlichen) Beziehung zum Anderen. Damit unterscheiden sich, Lüders zufolge, Ethik und Moral voneinander; es gehe nicht mehr um das Subjekt, das seiner eigenen moralischen Selbstkontrolle verpflichtet wäre, vielmehr um die Ethik des antworten Subjekts, um »Verantwortung als antwortendes Geschehen und ethische Beziehung des Subjekts zum Anderen« (ebd.). Wimmer versteht diese Verantwortung als »die Subversion des selbstverantwortlichen Subjekts« (ebd.: 53) und eine so verstandene Ethik als »die Subversion moralischer Prinzipien, die die Beziehung zum Anderen regulieren, normalisieren und befrieden sollen.« (ebd., vgl. auch Lüders 2007a: 34) Was dies für neue Bildungskonzeptionen bedeutet, buchstabiert Lüders mit Bezug auf Wimmer folgendermaßen aus: »Zum einen muss ›Bildung‹ das Unvorhersehbare, Neue, Zufällige, Kontingente, Singuläre und Unverfügbare durch die Beziehung zum Anderen mitdenken« (ebd.). Wimmer zitierend fährt sie fort: »Bildung hat nur statt durch Veränderung, d.h. in einer Beziehung zum Außen, Anderen, Unbekannten, Fremden, und zwar auch dann, wenn Bildung als Selbstbildung verstanden wird« (Wimmer 1996a: 134). »Wäre Selbstbildung auf das Selbst als Erfahrungsraum reduziert, könne sie gar nicht als Veränderung stattfinden« (ebd.). Weiterhin enthält »die Idee der Bildung die Forderung nach einem Bezug zum Außen, der die Singularität nicht nivelliert, […] die das Subjekt also nicht mit dem Allgemeinen vermittelt und als Singularität aufhebt, sondern in Bezug zum Anderen und damit zur Forderung nach Gerechtigkeit bringt« (Wimmer 1996a: 137, zit.n. Lüders 2007a: 34). In diesen Ausführungen wird deutlich, dass das Subjekt in seinem Sein und auch in jedweder ›Bildung‹ auf die (sprachliche) Anerkennung des Anderen verwiesen ist. Was mit Bezug auf die vorliegende Forschung nicht deutlich wird, ist die Frage, wie dieses Verhältnis in hierarchischen und machtförmigen Beziehungen zu denken ist. Die sprachliche Verwiesenheit wurde schon im Bezug auf Alteritäts-Vorstellungen deutlich; Lüders widmet ihr aber noch eine weitere Dimension innerhalb der Neukonzeption von Bildungstheorien und inhärenten Subjektkonstitutionen. Hier stellt sie heraus, dass nach dem linguistic turn jede Erkenntnis des Subjekts in seiner sprachlichen Verfasstheit begründet liegen. »Nicht mehr das cogito ist zentraler Ausgangspunkt eines Bewusstseins, das sich außerhalb von Sprache formiert und durch sprachliche Akte nur (nachträglich) repräsentiert wird. Vielmehr sind die Subjekte Effekte solch sprachlicher Prozeduren, insofern diese alle Denk- und Artikulationsmöglichkeiten erst hervorbringen« (Lüders 2007a: 35, Herv. i.O.).
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Wimmer (1996b) kennzeichnet hier das Subjekt als eines, das erst durch die symbolische Ordnung der Sprache in seiner Singularität durch den Anderen erkannt wird. Das bedeutet, dass das Subjekt auf die Ansprache des jeweils Anderen angewiesen ist; sich damit aber keine moralische Schuld ergibt, sondern im Wesentlichen eine symbolische, weil das Subjekt erst in der symbolischen Sprachrepräsentation, in der »Austauschbeziehung« (ebd.: 52) mit dem Anderen Subjekt werden kann.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Für die Subjektkonzeption bedeutet dies, dass die Sprache strukturgebende Funktion des Selbstverständnisses ist und das Ich nicht mehr hervorbringende Erzählerin des eigenen Seins ist. »Denn auf der Basis des unendlich offenen Verweisungssystems Sprache wird Identität und Subjektivität zu einer Erzählung, d.h. zu einem Entwurf, der nur noch im Fiktiven Stillstellungen und Einheitlichkeiten erfahren kann« (ebd.). Mit Bezug auf Meder (1996) spricht Lüders von einer ›Medialität‹, in der das Subjekt über kommunikative Austauschprozesse und semiotische Begegnung Bezug auf sich und seine Umwelt nimmt. »Entscheidend an dieser Betonung der Medialität ist der bereits angedeutete Umstand, dass nicht etwas (z.B. eine Bewusstseinsstruktur) abgebildet wird, sondern dass über den ›Umweg‹ der Darstellung und Vermittlung durch Zeichen etwas überhaupt erst produziert wird« (Lüders 2007a: 35, Herv. i.O.). Die sprachliche Produktivität ist entscheidend für bildungstheoretische Aspekte, sie macht – so Lüders – jenseits des cartesianischen Subjekts deutlich, wie »›Kreativität‹ und ›Innovation‹« (ebd.) gedacht werden können: nämlich als »Figurierungs- und Verweisungspotenziale des Sprachsystems« (Kokemohr/Prawda 1989:2, zit.n. Lüders 2007a: 35). Die sprachtheoretische Begründung von Subjektivität wird damit die Voraussetzung von Veränderung und Transformation, die das Subjekt nutzen muss – ja, die das Subjekt geradezu als Medium braucht. Damit – so Lüders – erkläre sich nun auch in gewissem Maße die Zunahme von einer ästhetischen Orientierung der Pädagogik, die Ehrenspeck (2002: 148) beschreibt. Über Medien wie Musik, Literatur und bspw. darstellende Kunst kann das Selbst sein Selbst- und Weltverständnis kommunikativ zum Ausdruck bringen. Nachdem Lüders die Perspektiven Heteronomie, Differenz, Alterität und Sprachlichkeit in all ihren Subjektkonstituierenden Facetten aufgeworfen und die verschiedenen Zusammenhänge mit neueren Debatten in der Bildungstheorie verbunden hat, zeigt sich ein sehr heterogenes Bild. Zum einen wird deutlich, dass die Kategorie des Subjektes oder des ›Subjekt der Bildung‹ die zentralste Dimension in bildungstheoretischen Konzeptionen ist – weil sie Dreh- und Angelpunkt vieler nachfolgender Fragestellungen ist. Zum anderen wird »eine viel zentralere Problemstellung deutlich, die den Bildungsbegriff insgesamt betrifft« (ebd.: 36). Wenn, so Lüders, Fremd- und Selbstbestimmung, Identitätskrisen und »inkohärente Momente der ›Bildungsgeschichte‹« (ebd.) nicht mehr als Grenzen verstanden werden können, »müssen diese ›Hindernisse‹ als konstitutive Bedingung von ›Subjektivität‹« (ebd.) gefasst werden. »Eine Neutralisierung dieser Bedingungen wäre nicht nur illusionär, sondern erschiene fast als Gegenteil von ›Bildung‹« (ebd.). »Ausgehend von den aktuellen bildungstheoretischen Überlegungen zur Konzeption des ›Subjekts‹ wird also deutlich, dass die Frage nach dem Subjekt als erste Dimension von ›Bildung‹ eine Reformulierung des Bildungsbegriffs insgesamt notwendig macht« (ebd.). Reformulierungen des Bildungsbegriffs hat es bis zum jetzigen Zeitpunkt einige, inklusive der Reformulierung von Lüders, gegeben. Die oben aufgeworfenen Begriffe der Differenz, Alterität, Heteronomie und der Sprachlichkeit sind dennoch jene, die auch nach einem (re-)formulierten Bildungsbegriff immer wieder zur Disposition stehen. Sie stehen auch deswegen immer wieder zur Disposition, weil sich das gesellschaftliche Verhältnis, in dem sie sich konstituieren, immer wieder ändert. Mit der Kritik an Kohärenzvorstellungen, wie sie im modernen Subjektverständnis dargeboten wurde,
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ist deutlich geworden, dass Bildung nicht mehr in erster Linie Autonomie und daraus resultierende Handlungsfähigkeit adressieren kann, sondern vielmehr eine begründete Urteilsfähigkeit zum Ziel hat, die Heteronomie deutlich macht und Alterität einbezieht. Nicht die letztendliche Gewissheit ist damit Ausgangspunkt des Bildungsprojekts, sondern eine reflektierende Auseinandersetzung. Diese Schlussfolgerung greife ich in Kapitel 2.7 erneut auf, um sie an feministisch-postkoloniale Perspektiven von Bildung und Subjektivierung anzuschließen.
2.1.3.2
Bildung und Gesellschaft
›Bildung‹ ist von mehreren Bedingungsmomenten abhängig bzw. wird von diesen geprägt. Nicht nur das Subjekt der Bildung, wie oben angesprochen, ist als prägendes Moment im Bildungsgeschehen hervorzuheben, sondern auch die gesellschaftliche Situation ist maßgeblich formend für die Bedingungen und die gesellschaftlichen Herausforderungen, denen sich Bildung als solche stellen muss. Hierbei wird deutlich, dass diese Dimension nicht nur vor dem Hintergrund einer historischen Einordnung verstanden werden kann, sie muss vielmehr gesellschaftliche Entwicklungen und ihre Folgen adressieren können. Vor diesem Hintergrund arbeitet Lüders einerseits heraus, welche Veränderungen und gesellschaftlichen Herausforderungen dieser Zeit in erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzungen diskutiert und andererseits welche Vorschläge bildungstheoretischer Rahmung in Betracht gezogen werden. »Die Begründung eines aktuellen Bildungsbegriffs basiert […] erstens auf einer Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen und damit einhergehender Problemlagen. Diese Gesellschaftsdiagnose wird nun zweitens zur Neubestimmung des Bildungsbegriffs, wobei entscheidend ist, wie in sowohl innovativer als auch in skeptisch-distanzierender Hinsicht mit den Herausforderungen umgegangen wird« (Lüders 2007a: 37, Herv. i.O.). In der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Diagnosen und ›Bildung‹ gibt es eine unendlich erscheinende Produktion von Texten und theoretischen Perspektiven, welche auch folgerichtig erscheint, wenn man bedenkt, dass Bildung als das zentrale Mittel betrachtet wird, um Welt- und Ungleichheitsverhältnisse zu verändern oder ihnen entgegenzuwirken. Während beispielsweise Michael Winkler eher in der Tradition einer Kritischen Pädagogik über Bildungsverhältnisse reflektiert, schlägt beispielsweise Peter Euler in Anlehnung an Heydorn vor, »Bildung als notwendig ›kritische‹ Kategorie gesellschaftlicher Entwicklung zu begreifen« (Euler 2003: 419). Eine gesellschaftstheoretische Perspektive innerhalb der Bildungstheorie ist zudem keine ›neue‹ Diskussion, sie kann möglicherweise als eine Kategorie unterschiedlicher Spezifika zu unterschiedlichen historischen Zeiten gefasst werden. Eine explizit kritische Bildungstheorie wurde zum Kernthema der Kritischen Erziehungswissenschaft, wie sie zum Beispiel auch von Gruschka (1994) und Klafki (1984) vertreten wird. Der Idee, zum einen eine gesellschaftliche Diagnose und zum anderen eine Neubestimmung des Bildungsbegriffs vorzulegen, findet Lüders bei Helmut Peukert in einem Essay Reflexionen über die Zukunft von Bildung und entlang seiner Perspektiven entfaltet sie die Dimensionen einer gesellschaftlichen Diagnose wie auch deren Relevanz zu einem veränderten Bildungsbegriff. Peukert verdeutlicht: »Bildung gehört – als deutsche Sonderprägung – neben Kultur, Zivilisation, Gesellschaft, Aufklärung, Vernunft
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
zu den großen Leitbegriffen, unter denen die beschleunigt sich entwickelnden modernen Gesellschaften seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Verständigung über sich selbst suchten« (Peukert 2000: 507). Obwohl dieses Zitat fast wie eine affirmative Übernahme klassischer Begriffe und Fortschrittsnarrative klingt, kann es dennoch auch als skeptisch-diagnostische Bestandsaufnahme des Suchens nach einer Verständigung über sich selbst gelesen werden. Nicht zuletzt, weil sich in dieser Epoche innereuropäisch Hoffnungen und Utopien mit diesen Leitbegriffen verbanden, hebt Peukert hervor, dass es nicht so leicht ist, den Bildungsbegriff auf heutige Gesellschaften zu übertragen – weil auch hier die Hoffnung besteht, Gesellschaft zu verändern, nun aber mit einem (notwendig) gänzlich neuen Impetus. »Mit der Vorstellung von Bildung war im Kern die Hoffnung verbunden, den historischen Prozeß [sic!] insgesamt nicht mehr wie bisher nur als unbegriffenes Schicksal erleiden zu müssen, sondern ihn verstehen und selbstbestimmt gestalten und dazu die notwendigen Fähigkeiten erwerben zu können« (ebd.). Wenn, so Peukert weiter, wir an klassische Bildungskonzepte anschließen wollen, die mit dem Ziel verbunden sind, eine Klärung zur Erlangung des eigenen Bewusstsein herbeizuführen, die außerdem das Verstehen gesellschaftlicher Strukturen beinhalten, müssen wir uns die Frage stellen, »ob wir es uns überhaupt noch zutrauen, die Menschlichkeit des Menschen im Horizont der einen Menschheit zu bestimmen« (ebd.). Er skizziert hier eine Lage der Welt, die, mit Bezug auf Adorno, als ›Krieg aller gegen alle‹ gefasst wird, die maßgeblich von Individualisierungen geprägt ist und in der die Einzelnen qua Bildungszertifikaten dazu aufgefordert sind, sich als ›Bildungsagenten‹ am Markt zu etablieren. Obwohl es aus einer geschlechtertheoretischen und/oder postkolonialen Perspektive sicher erschwert ist, den oben gekennzeichneten Begriff von ›Bildung als Bildung für alle‹ und Bildung für und in einer ›allgemeinen Menschlichkeit‹ zu betrachten – eher Gegenteiliges ist der Fall –, kann die letztere Zeitdiagnose und der in ihr verhandelte Bildungsbegriff doch als Kern heutiger ›Bildungs-Regierungen‹ (vgl. auch Kritik Masschelein/Ricken 2003) ausgemacht werden. Bildungs- und Erziehungsbegriffe haben, so Peukert, eine Zukunkftsdimension. Es geht darum, die nächste Generation dazu zu befähigen, die übernächste zu erziehen. Dabei ist diese Zukunftsdimension keineswegs auf eine eindeutige Zukunft bezogen. Peukerts Kritik folgend wird diese Zukunftsdimension derzeit eher in einen Zusammenhang mit Zukunftsszenarien gestellt, die dann über Kompetenzen bewältigbar werden sollen und in denen diese Kompetenzen nicht mehr selbstreflexiv befragt werden können. Bildungsbestrebungen werden dann moralisch verdächtig, weil sie dann funktionalistisch und keinesfalls reflexiv eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund plädiert Peukert dafür, den Bildungsbegriff neu zu denken und meint, es werde ein Entwurf für die Zukunft gebraucht! Vor der Szenerie bildungstheoretischer Perspektivierungen in die Zukunft und einer veränderten Gesellschaftsstruktur beschreibt Peukert in vier Abschnitten, welche zentralen Kräfte und Entwicklungen derzeit in einer Gesellschaftsanalyse vorhanden sind. Diese vier Abschnitte sind in die Problemanalysen »einer allgemeinen Tendenz der Steigerung«, »der Spaltung und Exklusion« derzeitiger und zukünftiger Gesellschaften, einer Zentralisierung der Prinzipien von »Bedarfsorientierung, Output und Effizienz« und einer zunehmenden »Technisierung« bei gleichzeitiger »›Verunsicherung‹« (Lüders
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2007a, Herv. i.O.) aufgeteilt. Während er im ersten Abschnitt beschreibt, inwiefern sich derzeit eine neue Epoche entwickelt, in der sich die Biosphäre durch die Bevölkerungszunahme völlig verändern wird, führt er im zweiten Abschnitt aus, wie soziale Exklusion und Inklusion als vorrangiges Thema betrachtet werden muss. »Die Tendenzen der gesellschaftlichen Entwicklung, die sprengend bis zur Exklusion wirken, sind tief in den Verhaltensmechanismen und sozialen Regelsystemen verankert, die insgesamt so etwas wie die ›Verfaßtheit‹ [sic!] einer Gesellschaft ausmachen« (Peukert 2000: 511). Diese »Verfasstheit« und ihr nachfolgendes »Regelsystem« müsse eine Transformation der Regelsysteme voraussetzen, um sozialer Exklusion entgegenzutreten. Es brauche eine neue Stufe reflexiver Kultur – ohne dass der Großteil der Menschen ausgeschlossen ist (ebd.). In Verbindung mit dem Bildungsbegriff reflektiert Peukert: »Dürfte dann nicht nur ein Wissen und Können, das mit solcher Reflexion verbunden ist, Anspruch auf den Titel Bildung erheben können?« (ebd.). Während also hinsichtlich der Veränderung der Biosphäre eigentlich ein Handeln erforderlich wäre, dass sofortige Verhaltensveränderungen der ganzen Menschheit erfordern würde, »zeige das Prinzip der Exklusion, dass ›die Menschheit‹ keinesfalls die dafür notwendige einheitliche Handlungsposition habe« (Lüders 2007a). Im dritten Abschnitt beschäftigt sich Peukert dann mit neuzeitlichen Subjektanalysen, die er mit Rückgriff auf Kant, Nietzsche und Pascal zu fassen versucht. Alle drei wagen eine Analyse des Menschen und seiner Wirkung in und durch das Universum und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen; während Kant und Pascal das denkende Ich als einzig hervorzuhebende und überdauernde Größe beschreiben, kann Nietzsche als jemand gelesen werden, der eine Art ›Gegentext‹ zu Kants Kritik der praktischen Vernunft beschreiben wollte. »Unsere Wahrheitserkenntnis wie unser moralisches Urteilen gelten ihm als geschichtlich entstandene Konstruktionen und als solche Ergebnis des Kampfes, das Überleben zu sichern und das Zusammenleben bequemer zu gestalten« (Peukert 2000: 512). Vor diesem Hintergrund ist das denkende ›Ich‹ eine Konstruktion, und das Subjekt ist dann im 20. Jahrhundert im Anschluss an Freud, Marx und Darwin als eines zu denken, das Peukert folgendermaßen beschreibt: »Sie stehen für den Versuch, menschliches Selbstbewußtsein [sic!] als Ergebnis eines zugrundeliegenden ›Produzierenden‹ zu verstehen: als Ergebnis des Wechselspiels von Mutation und Selektion und in seinen Ausprägungen als Ergebnis der Dialektik von Produktivverhältnissen und Produktivkräften oder als Ergebnis unbewußter [sic!] Strebungen« (Peukert 2000: 513). Diese Analyse des Subjekts und seiner grundlegend anderen Auffassung von Möglichkeiten des eigenen Bewusstseins über sich selbst, trifft dann im 20. Jahrhundert auf technologische Entwicklungen einerseits und auf »die radikalisierte Analyse derzeitlich-sprachlicher Grundstruktur menschlichen bewußten [sic!] Lebens und zwischenmenschlicher Kommunikation im Poststrukturalismus bzw. der Postmoderne« (ebd.) andererseits. Neben Fragen der Kognitionswissenschaft, wie und ob künstliche Intelligenz eigene Bewusstseinsprägungen erfahren wird oder ob sie eine Nachahmung menschlicher Intelligenz sein muss, steht die Nachfrage, wie sich die Frage von Mutation und Selektion unter den Bedingungen genetischer Reproduktion entwickeln wird (ebd.): »Der Mensch wird eingeordnet in die Evolution, und zwar nicht nur als ihr unabhängiges, ›freigesetztes‹ Endergebnis, sondern als ihren Mechanismen unterworfen, und wird sowohl
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
von den molekularbiologisch-medizinischen Eingriffsmöglichkeiten als auch durch die Simulationen und Nachkonstruktionen seiner Bewußtseinsleistungen [sic!] zum möglichen Objekt neuer Arten technologischen Handelns.« Der Mensch erhält mit dieser Art des Blicks auf sich selbst noch einmal ganz neue Möglichkeiten des Handelns; die Frage, die trotzdem bliebe, formuliert Peukert wiederum mit Blick auf die neue Beschaffenheit des Bildungsbegriffs: Denn aus der oben betrachteten Fortschrittsperspektive bliebe für Bildung nunmehr nur die Möglichkeit der Anpassung. »Gibt es nicht«, so fragt dann Peukert, »die Möglichkeit, sich zu diesem Prozeß [sic!] noch einmal zu verhalten und ihn so zu gestalten, daß [sic!] eine Entfaltung aller möglich wird? Und was würde dies für die Bestimmung von Bildung bedeuten?« (ebd.) Jenny Lüders hält in dieser Hinsicht fest: »Der Umgang mit diesen neuen Möglichkeiten musste und muss noch […] gefunden oder besser noch: erfunden werden. In dieser Hinsicht könnte also eine aktuelle gesellschaftliche (Problem-)Lage als Auslöser von Bildungsprozessen betrachtet werden, sofern dabei neue Möglichkeiten der Problembearbeitung entwickelt werden. ›Bildung‹ wäre dann das innovative Hervorbringen eben dieser neuen Formen der Problembearbeitung« (Lüders 2007a: 40). Die Veränderung der Subjektkonzeption im Poststrukturalismus lässt sich einerseits in ihren Bezügen zu Nietzsche, Hegel und Marx rekonstruieren und anderseits an MerlauPonty, Lacan und Bataille rückbinden. Peukert führt dann mit Bezügen zu Derrida und Butler aus, wie das Subjekt im Poststrukturalismus als unaufhörliches Differenzgeschehen einerseits und in seinem Verhältnis zum Anderen andererseits betrachtet wird. »Zwischenmenschliche Kommunikation wird dann ein Geschehen, das nie – wie bei Hegel – in gegenseitiger Anerkennung zur Ruhe kommen kann, sondern die Bewegung des unstillbaren Begehrens des je anderen und seiner Anerkennung bleibt« (Peukert 2000: 515). Mit diesem Denken lassen sich bestimmte gesellschaftliche Erfahrungen noch einmal besser und deutlicher beschreiben. Die Erfahrung und Verfasstheit eines ›dezentrierten‹ Subjekts, wie es schon bei Nietzsche deutlich wurde, wird hier erfahrbar und auch in seiner Alltäglichkeit nachvollziehbar. Nun lässt sich aber fragen, wie diese Subjektkonzeption einerseits und die Herausforderungen durch die Technisierungen anderseits von den Sozialwissenschaften und den Subjekt- und Handlungswissenschaften gelöst werden kann. »Die wissenschaftlichen, technischen, politischen und sozialen Revolutionen der Neuzeit haben mit der von ihnen entfesselten Dynamik eine Art von neuem Aggregatszustand der Menschheit hervorgebracht, quasi ein hochenergetisches, in sich supermobiles Plasma, das instabil zu werden und sich zu spalten droht, weil es sich durch sich selbst stabilisieren muß [sic!] und weder durch von außen [sic!] wirkende Kraftfelder noch durch die bisherigen internen Strukturen zusammengehalten wird« (ebd.). Trotz dieses Befundes – oder gerade wegen dieses Befundes – kommt Peukert mit Bezug auf Nietzsche zu dem Schluss, dass es darum gehen muss, dieses Spiel zu lieben, das nicht existente Ich in Vergangenheit und Zukunft immer wieder neu zu suchen und sich neu dazu zu positionieren. Er kommt zu dem Schluss, dass das Subjekt (in dieser Hinsicht) als solches nicht eliminierbar, sondern eher vervielfältigt ist. Ähnlich verhält es sich bei künstlicher Intelligenz; auch hier ist es unmöglich, eine Metaebene zum Agieren bewusst und
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beständig mitzuführen; vielmehr bleibt die Aufgabe, immer wieder Stellung zu beziehen und diese Stellungnahme als irreduzibles Moment von Individuen oder künstlicher Intelligenz mitzuführen. Aus dieser Perspektive kann eine Handlungstheorie nicht pragmatisch erfolgen, der Andere muss als grundsätzlich widersprechendes Wesen gekennzeichnet werden. Diese Perspektive auf Differenzprozesse in sprachlichen Interaktionen verkennt aber, so Peukert, die faktische Zeitstruktur menschlicher Existenz: »Zu existieren bedeutet auch, Lebenszeit, materielle Mittel, Energie und bestehende Handlungsmöglichkeiten zu verbrauchen oder zu verlieren, und diese Endlichkeit von Lebenszeit und die Knappheit von Lebens-Mitteln zwingt zu Entscheidungen und begründet Machtgefälle« (Peukert 2000: 519). Peukert versucht hier, wie ich meine, einen Weg zu finden, die häufig unter den Paradigmen von Anerkennung vs. Umverteilung verhandelte Perspektive (Fraser/Honneth/Wolf 2015) nicht in einer Frontstellung, sondern in einer gemeinsamen Analyse zu diskutieren. Letztlich muss es darum gehen, kulturelle Verachtung und soziales Unrecht gleichzeitig zu überwinden.19 Peukert kommt dann zu dem Schluss, dass es Regelsysteme für eine entfesselte Wirtschaft braucht, wobei aber gleichzeitig die Frage weiterhin besteht, ob ›starre‹ Regelsysteme zusammen existieren können mit dem, was er das Heteronorme, Disparate und Dysfunktionale nennt. Begreiflich wird hier, dass dieses Zusammendenken nicht unbedingt einfach ist. Aus dem dargelegten Zusammenhang wird dann der Praxisbegriff einer bildungstheoretischen Perspektive interessant: »Es geht in ihm [im Praxisbegriff, Anm. DBC] um ein intersubjektives Handeln, dem weder die Struktur des Subjekts noch die Struktur der Gesellschaft fraglos und stabil vorgegeben, sondern in einer zwar geschichtlich ableitbaren, aber nicht determinierten krisenhaften Instabilität zur Entscheidung aufgegeben sind. Dies ist auch ein Thema von Ethik. Ethik ist dann allerdings nicht einfach die Lehre von Normen, sondern die Lehre vom Finden einer Orientierung von Praxis in krisenhaften Handlungssituationen.« (Peukert 2000: 519) Ethische Perspektiven sind vor diesem Hintergrund immer wieder neu zu verhandeln, sie sind aber gleichzeitig als Grundhaltung zu verstehen. Wie diese ethische Haltung aber zu beschreiben ist, welche Grundpfeiler zu berücksichtigen sind und was als Ethik betrachtet werden kann, ist damit noch lange nicht geklärt und soll später aus einer
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Der oben aufgeführte Diskussionsstrang von Peukert ist ein häufig ausgetragener und zu diesem Zeitpunkt sehr zugespitzter Konflikt. Die Konfliktlinie so zu betrachten bedeutet m.E., zwei grundsätzliche Voraussetzungen zu machen: Zum einen: Gruppen, die um ›Anerkennung‹ kämpfen, haben keine materiellen Bedarfe im Blick, es geht um sog. ›Identitätspolitik‹; des Weiteren sei der Kampf um ökonomische Ressourcen und deren Verteilung irgendwie von diesen abgekoppelt. Dass sich eine solche Gegenüberstellung nicht aufrecht halten lässt und eher integrativ gedacht werden muss, darauf verwiesen neuere Publikationen (Susemichel und Kastner 2018). Es steht noch immer aus herauszufinden, wie intersektionale Herrschaftsmechanismen wie Klasse, Geschlecht und race auf einer strukturellen Ebene ineinander spielen (vgl. Knapp 2012). Fragen der historischen Werdung der Welt sowie ihre derzeitige Veränderung durch Digitalisierungen und globalisiertes Kapital spielen dabei mit größter Sicherheit eine Rolle – doch welche das sind, wird sich noch weisen müssen.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
postkolonialen und feministischen Perspektive betrachtet werden. Peukert folgert aber letztendlich: »Die Aufgabe, die sich insgesamt stellt, besteht offensichtlich darin, eine Konzeption von menschlicher Kooperation und gemeinsamem Finden der Regeln für das Zusammenleben zu entwickeln, die sowohl der physischen Verletzbarkeit und zeitlichen Endlichkeit wie der unabschließbaren Offenheit und Ungreifbarkeit menschlicher Existenz im individuellen Selbstverhältnis als auch im Verhältnis zu anderen gerecht wird.« (Peukert 2000: 519) Wie deutlich wurde, muss die zweite Dimension neuerer Bildungsbegriffe einen kritisch-reflexiven gesellschaftspolitischen Bezug herstellen, um das Subjekt in historischen Strukturen und derzeitigen Herausforderungen zu verorten. Diese gesellschaftspolitische Dimension sollte einen kritisch-reflexiven Bezug auf gesellschaftliche Tatsachen an sich haben, wie bspw. auf soziale Ungleichheit, und sie auch im Zusammenhang mit einer Veränderung der Gesellschaft, beispielsweise durch eine zunehmende Technisierung, analysieren. Was hingegen als gesellschaftliche Perspektive verstanden wird und wie Gesellschaft als solche verstanden wird, bleibt bei Peukert weitgehend offen: Er skizziert vor allem gesellschaftliche Veränderungen, Bedingungsverhältnisse und ihren Bezug zum Denken des Subjekts. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass neue Bildungsbegriffe gesellschaftliche Lagen mehrfach im Blick haben: einmal in einer diagnostischen Perspektive (als kritische Bestandsaufnahme); des Weiteren als heteronome Versuche des Umgangs mit den gesellschaftlichen Herausforderungen; und nicht zuletzt, sondern eher als Ausgangspunkt, ein Subjekt, das aus diesen Bedingungen hervorgebracht wurde und gleichzeitig in sie verstrickt ist. Trotzdem kann Bildung in Bezug auf Fragen der Geschlechterverhältnisse und postkoloniale Perspektiven noch genauer und dezidierter diskutiert werden, eine Diskussion, die ich unter 2.2. vornehmen werde.
2.1.3.3
Bildung und Normen
Mit dieser Ausrichtung geraten Bildungsbegriffe aber auch deutlich an normative20 Vorstellungen. Die häufig kritisierte dritte Dimension eines Bildungsbegriffs wird hier deutlich: Bildung und Normativität. Bildung wird als etwas betrachtet, das ›sein soll‹, Normen sind aber, so Lüders, »verdächtig geworden« (Lüders 2007a: 50); mithin sind normative Ausrichtungen von Bildungsbestrebungen nicht mehr aktuell und richtungsweisend. Deshalb stellt sich für die Ausrichtung einer Bildungstheorie und/oder eines neuen Bildungsbegriffs die Frage, wie Bildung als pädagogische Aufgabe vor diesem Hintergrund noch vorgenommen werden kann. Aktuelle Lösungen beziehen sich auf das Prinzip der Kritik, und zwar in zweierlei Richtungen: Kritik als ethische Haltung und Kritik am eigenen Standpunkt. Bildung gerät damit immer wieder selbst in die
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Susanne Maurer folgend würde ich Bildung eher in einem Kräfteverhältnis denken. Dieses Kräfteverhältnis spannt sich an den Eckpunkten: Kritik, Norm und Utopie auf. Die Kritik bezieht sich immer auf die Norm, die aber nach der Kritik auch wieder zu einer Norm werden kann. Die Utopie gibt in diesem Verhältnis die Richtung der Kritik vor.
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Kritik und kann sich ihrer selbst nie ganz sicher sein. Wie diese Position aber zustande kommt, soll im Folgenden kurz rekonstruiert werden. Bildung wird bei Lüders und anderen (z.B. Ruhloff 2000; Benner 2000 usw.) insofern als normativ bezeichnet, als dass sie insgesamt als eine pädagogische Handlung bezeichnet werden muss, die sein soll (vgl. Lüders 2007a: 43). Bildung lässt sich auch statt als normatives als relationales Geschehen verdeutlichen, wie Susanne Maurer das im Kontext sozialer Bewegungen (der neuen Frauenbewegung) gezeigt hat (vgl. Maurer 2016: 87). Auch im Kontext postkolonialer Perspektiven auf Bildung lässt sich vielleicht eher von einem relationalen, am Dissens interessierten Bildungsgeschehen sprechen, das aber mit Sicherheit auch eine normative Agenda hat und von daher auch eine kritisch-ethische Reflexion als zentralen Maßstab einbeziehen muss. Es lässt sich aber – nicht nur in der kurz eingeführten Perspektive – von einer normativen Ausrichtung pädagogischer Arbeiten insgesamt und Bildung im Besonderen sprechen, die auch nicht leicht zu hintergehen ist. Dabei ergibt sich jedoch auch gleichzeitig die Frage, wie »man pädagogisch so handeln kann, dass Bildung möglich wird« (Lüders 2007a: 43). Neben dieser Perspektive muss es Bildungstheorie auch darum gehen, theoretisch zu begründen, was das Ziel der pädagogischen Bemühungen, also auch von Bildung, sein soll; Bildungstheorie muss also klären, »was genau eigentlich erwünscht ist« (ebd., Herv. i.O.). Da pädagogische Handlungen und auch bildungstheoretische Ausrichtungen – wie deutlich wurde – auch Ziele formulieren müssen, entsteht nicht nur eine Normproblematik, sondern auch gleichzeitig eine damit verbundene Zielproblematik; denn – wie auch schon in der zweiten Dimension mit Bezug auf Peukert ausgeführt – nur eine normative Maßgabe kann etwas darüber aussagen, ob etwas tatsächlich ›Bildung‹ genannt werden kann (s. auch Peukert). Eine relativ schwer hintergehbare Normativität und inhaltliche Bestimmung ist die Folge. Lüders bezieht sich auf Ruhloff (2000), der die Frage in den Raum stellt, wie ein »nicht-normativer Bildungsbegriff« ausgestaltet sein kann, und der deutlich hervorhebt, dass diese Normativität als »Hinweis auf eine Narbe unserer Disziplin« gelesen werden kann, »unter der sich ein vielleicht ruhig gestellter, aber nicht verheilter Bruch befindet« (Ruhloff 2000: 117, zitiert n. Lüders 2007a: 43). Normativität erscheint mit Blick auf neue Bildungskonzepte zunehmend problematisch und wird von einigen Autor*innen eher durch eine ›kritische Dimension‹ oder eine ›Minimalethik‹ ersetzt. Die ausgeführten Maßgaben, so Lüders’ These, muss eine zukünftige Bildungstheorie oder ein bildungstheoretischer Entwurf aufgreifen und bedenken. Bildungstheorie verweist immer, so führt es Lüders mit Bezug auf Benner (2000) aus, auf die theoretische Klärung pädagogischen Handelns. Bildungstheorie bezieht sich dann auf die Bestimmung und Begründung pädagogischen Handelns, die mit Ruhloff (2000) immer auch als Aufgabenstruktur betrachtet werden muss. Trotzdem kann es keine begründete Aussage dazu geben, von dem, was ist, auf das, was sein soll, zu schließen (vgl. ebd.). Ruhloff unterscheidet zwischen Seins- oder Tatsachenfragen und Sollens- und Prinzipienfragen; erstere wenden sich an die Ist-Beschreibung und letztere an eine Dimension, die zukünftig (auch über Bildung) erreicht werden soll. »Argumente aus Erfahrung und Erfahrungswissenschaft, Berufungen auf die Wirklichkeit können beachtliches leisten, wenn es um die Kontrolle der Einlösung oder Erfül-
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lung besonderer Bildungsprojekte geht, die ihnen in einem konkreten soziokulturellen Raum zu einer bestimmten Zeit im Wege stehen oder begünstigend entgegenkommen. Als Beglaubigungsinstanzen der Richtigkeit oder Unrichtigkeit von Menschlichkeitsentwürfen bzw. Bildungsprojekten kommen sie jedoch nicht in Betracht; denn diese gehen ja davon aus, daß [sic!] die Wirklichkeit nicht das richtige ist, daß [sic!] eine Differenz zwischen Menschsein und Menschlichkeit besteht, die es zu überwinden gilt.« (Ruhloff 2000: 120, zit.n. Lüders 2007a: 44). Eine Bestimmung, wohin Bildung führen kann, ist also nicht aus dem Gegebenen ableitbar, sondern muss in einer Neuperspektivierung und in Unsicherheit gefasst werden. Vielmehr muss die Dimension im Sinne eines »pädagogischen Gebrauchs für ein Werden und eine erstrebenswerte Zukunft« (ebd.) gedacht werden und mit einer pädagogischen Förderung kombiniert werden. Trotz dieser – fast utopisch – zukunftsgerichteten Visionierung bildungstheoretisch begründeter pädagogischer Ziele, hält Lüders mit Bezug auf Ruhloff fest, dass es nicht darum gehen kann, den heute gewonnen »Rationalitätsgewinn« (Ruhloff 2000: 118)21 aufzugeben. Letztbegründungen pädagogischen Handelns lassen sich dennoch nicht herausstellen, vielmehr gibt es widerstreitende pädagogische Zielbestimmungen, die einen berechtigten Zweifel an einer Letztbegründung aufkommen lassen (vgl. ebd.). Der Zweifel an Letztbegründungen wird im Rahmen postmoderner Ansätze sogar ausdrücklich zum Ziel erhoben. Ruhloff zufolge ist es aber dennoch wichtig, am Aufgabenbegriff der Bildungstheorie für die pädagogische Praxis festzuhalten. Damit, so Lüders, kommt der Bildungsbegriff als »normatives Konzept […] in einen unlösbaren Widerspruch« (Lüders 2007a: 45). Einerseits, so führt sie auf, lässt sich die Aufgabenstruktur rekonstruieren, gleichzeitig lässt sich aber keine unbedingte pädagogische Rechtmäßigkeit irgendeiner Aufgabe begründen; deshalb ist »der Status einer ›Bildungsforderung‹ stets prekär« (Lüders 2007a: 45). Dieser Problematik wird bildungstheoretisch, so Lüders, in erster Linie mit zwei Lösungen begegnet: Zum einen ist das eine »Umwendung von Normativität in Kritik« (ebd., Herv. i.O.), zum anderen die theoretische Begründung einer »minimalen Ethik« (Lüders 2007a: 48). Die Hinwendung zur Kritik als Form der Ausrichtung kann vor allem dabei unterstützen, Gegebenes nicht ›einfach‹ zu reifizieren, sondern das Werden im Neuen zu denken.22 Lüders führt mit Bezug auf Benner (2000) aus, dass es um eine Bestimmung des Menschen gehen müsse, in der nicht schon das Bekannte lediglich erlernt werden muss, sondern dass es eher darum ginge, diese Bestimmung 21
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Rationalitätsgewinn wird hier im Gegensatz zum klassischen Bildungsbegriff angesprochen und soll darauf hinweisen, dass Bildung nicht mehr als etwas besprochen wird, das außerhalb jeglicher empirischer Nachvollziehbarkeit stattfindet. Obwohl diese Position auch als ambivalent betrachtet werden muss, weil Bildungsprozesse nie letztgültig ermittelt werden können und aus ihrer Begrifflichkeit heraus auch immer als offen und prozesshaft betrachtet werden müssen, ist es wichtig, soziokulturelle Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten in die (nicht abschließbare) Messung von Bildung mit einzubeziehen. Diese Lesart spricht dafür, dass jenseits der Bildungsbegriffe, die ich weiter unten versuche mit postkolonialen Denker*innen auszubuchstabieren, das Neue oder veränderte Machstrukturen einfach emergieren, während postkoloniale und dekoloniale Theoretiker*innen vor allem davon sprechen, dass es um einen aktiven Prozess des Verlernens gehen muss, um ›internalisierte Machtformen‹ und damit Machtverhältnisse auf der individuellen Ebene zu verändern.
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als eine hervorzubringende zu erlernen (ebd.: 46). Zum einen sollen »Vorgaben, Behauptungen, Geltungsansprüche und Ähnliches zur Disposition gestellt, d.h. befragt und kritisiert werden« (ebd.), zum anderen wird aber auch deutlich, dass Kritik einen Standpunkt einnehmen kann, »der selbst nicht mehr in Frage steht« (ebd.). Diese ›Negativität‹ kann bildungstheoretische Ansprüche auf Dauer nicht befriedigen, weshalb Lüders noch einmal auf Benners Bestimmung des Menschen verweist, die jeweils neu hervorgebracht werden muss (vgl. ebd.). Angedeutet ist hier eine Dimension innerhalb kritischer Perspektiven, die etwas Neues und Anderes in ihrer kritischen Verwerfung diskutiert. Kritik, so könnte es vielleicht gebündelt werden, wird hier als produktives und Neues hervorbringendes Potenzial mit offenem Ausgang angesprochen, die mit Ruhloff (2003) vor, während und nach der pädagogischen Praxis stattfinden kann, weil Handlung immer – so Lüders – affirmativ ist und es »im strengen Sinne keine ›kritische Pädagogik‹« (Ruhloff 2003: 121, zit.n. Lüders 2007a: 47) gibt. Es geht darum, Kritik in einem »unabhängigen produktiven Vermögen« zu fassen und das überschreitende und innovative Moment kritischer Analysen zu nutzen, da »ein produktives, ›poetisches‹, erfinderisches, Neues hervorbringendes und nicht willentliches Vermögen des Menschen« (ebd.) gedacht werden muss. Eine weitere Form im Umgang mit dem Normenproblem der Pädagogik führt Lüders mit Bezug auf Koller (2000) an. Diese bildungstheoretische Fassung verweist auf eine bereits erwähnte ›minimal Ethik‹. Diese ethische Haltung wird mit Rückgriff auf Lyotards Philosophie des Widerstreits erarbeitet, die letztlich darauf verweist, dass es keine allgemeingültige Norm gibt und auch Pädagogik keine haben kann, weil es – mit Bezug auf Lyotard – keine Metaerzählung gibt. Trotzdem hat genau diese Perspektive eine ethische Dimension in ihrer bildungstheoretischen Ausrichtung, weil es darum gehen muss, die radikale Heterogenität von Diskursen zu vergegenwärtigen. Die Forderung einer diskursiven Praxis und die Beteiligung an dieser Praxis speisen dabei die ethische Haltung: Radikale Heterogenität der Diskurse und Forderung nach einer diskursiven Praxis. Die so begründete »Theorie der Gerechtigkeit« ist bei Koller gleichzeitig die skeptische Dimension von Bildung. Auch sie versucht sich in der Negation des Bestehenden, ohne etwas Neues vorzuschreiben, und ist damit von Ansätzen, die Kritik zum Ausgangspunkt machen, nicht sehr weit entfernt. Lüders führt an, dass die Innovation in dieser bildungstheoretischen Auseinandersetzung mit Normativität jedoch noch weiterführt als die Perspektive der Kritik. Koller kann eine »dauerkritische Haltung« (Lüders 2007a: 49) tendenziell befriedigen, weil es ihm auch um die Findung neuer Diskursarten geht (vgl. ebd.). Die hier skizzierten Versuche, mit Normativität umzugehen, können nicht als einzige angeführt werden, sind aber sehr wohl als wichtige Wege im Umgang mit dem ›Normenproblem‹ der Pädagogik zu kennzeichnen. Neben der eben erwähnten minimalen Ethik gibt es auch Ansätze, die Lüders kurz vorstellt; sie beschreiben eine explizite ethische und damit normative Bildungsbegründung. Beispielsweise nennt Lüders hier Peukert, der mit Bezug auf Habermas per se auf eine normative Struktur durch die Hervorbringung einer idealen Sprechsituation rekurriert. Trotz der genannten Unterschiede kann die größte Gemeinsamkeit vielleicht insofern hervorgehoben werden, dass Bildung sich ihrer selbst nie ganz sicher sein kann und immer wieder einer kritischen Prüfung unterzogen werden muss. Während die
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oben skizzierte Minimal-Ethik – mit Rekurs auf Koller oder auch Schäfer (etwa 2000) – von einem positiv begründbaren Ziel ausgeht, nämlich dem einer kritischen Haltung, setzt Peukerts Perspektive an einem ethischen Begründungszusammenhang der pädagogischen Situation an. Kritik dient in jeder Hinsicht aber dem Hinterfragen des Gegebenen, ohne dabei schon ›das Neue‹ im Blick zu haben. Zwei Schwierigkeiten werden dabei deutlich: Zum einen ist der Standpunkt der Kritik manchmal nicht sichtbar und wird damit leicht zum »unhintergehbaren ›blinden Fleck‹« (Lüders 2007a: 50); zum anderen wird nicht immer deutlich, wie das Neue23 hervorzubringen ist. Dieses Neue und wie es hervorgebracht wird richtet gleichzeitig die Perspektive auf eine neue und letzte Dimension, die Jenny Lüders in der Diskussion um neue Bildungsbegriffe aufmacht: Die Frage nach der inneren Struktur von Bildung.
2.1.3.4
Bildung als Prozess
»›Bildung‹, so der Konsens bildungstheoretischer Entwürfe, ist ein Prozess der Veränderung, ein Geschehen also, das eine enge Verbindung zu Zeitlichkeit und Andersheit aufweist« (Lüders 2007a: 51, Herv. i.O.). Außerdem wird von Koch konstatiert, dass nicht nur der Prozess, sondern auch das Resultat jenes ist, was Bildung genannt wird (Koch 1999). Deutlich wird also auch an diesem Punkt, dass ›Bildung‹ nicht nur als etwas betrachtet werden kann, das einer Prozesshaftigkeit zum Anders-Werden/Anders-Denken unterliegt – also eine gewisse Richtungsformulierung hat –, sondern auch das, was dann als Veränderung betrachtet wird, Bildung genannt wird. Diese schon am Anfang des Kapitels besprochene »polyvalenz« (Riegel 2016: 77) des Bildungsbegriffs wird auch und gerade in diesen von Lüders dargestellten Dimensionen mehr als deutlich. Lüders hält, im Gegensatz zum ›Resultat‹ Bildung, jedoch fest: »Wenn sich ›Bildung‹ nicht mehr als Identitätsgewinn oder Subjektwerdung fassen lässt, wenn ›Bildung‹ immer in Beziehung auf die veränderlichen aktuellen soziokulturellen Bedingungen gedacht werden muss und wenn schließlich normative Vorgaben zu Gunsten eines auf Dauer gestellten, aber dabei unbestimmten kritischen und poetischen Vermögens verblassen, so kann ›Bildung‹ kaum mehr im Sinne eines herstellbaren ›Produkts‹ verstanden werden.« (Lüders 2007a: 51) Deutlich wird, dass – wie auch schon in der Beschreibung der anderen Dimensionen aufgezeigt – Bildung eher als ein Geschehen aufgefasst werden muss, das unabgeschlossen ist und dessen Merkmal wohl eher in der Prozesshaftigkeit der Auseinandersetzung liegt, als das Resultat eines Prozesses zu sein. Auf dem Hintergrund dieser Tatsachen konstatiert Lüders mit Rückgriff auf Peukert (1998), dass es wohl eher um die Frage ginge, welche innere Strukturierung Bildungsprozesse haben: »Geklärt werden muss, wie ›Bildung‹ geschieht, wie Bildung als Veränderung in der Zeit gedacht werden kann und welches die theoretisch zu klärenden Problemfelder, Charakteristika und Bedingungen eines Prozesses sind, der ›Bildung‹ genannt werden soll« (Lüders 2007a: 51, Herv. i.O.). Lüders führt dann im Folgenden einige Bildungstheoretiker*innen auf, 23
Lüders hält fest, dass sich Hans-Christoph Koller gerade damit beschäftigt, wie das Neue hervorgebracht werden könnte (Lüders 2007a: 50, Fußnote 22). Neuere Publikationen, zeigen, dass eine größere Auseinandersetzung mit diesem Sachverhalt stattgefunden hat (Koller 2012).
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die sich mit der Prozessstruktur von Bildung auseinandersetzen. Das ist zum einen beispielsweise Rainer Kokemohr (Kokemohr/Koller 1994), der die Erfahrung des Fremden und die daraus resultierende Veränderung hervorhebt und zum anderen HansChristoph Koller (2000), der neue Diskursarten, Sprechweisen und Ausdrücke als Prozesse in den Mittelpunkt stellt, die bisher unartikuliert blieben. Als eine weitere Referenz führt Lüders noch Ruhloff (2000) an, der eher gedankliche Maßgaben anführt, »die um die Idee der Menschlichkeit kreisen« (Ruhloff 2000: 119). Lüders untersucht die allgemeinen Tendenzen, die sich aus den Prozessbestimmungen ergeben: Zum einen wird in allen drei Perspektiven deutlich, dass das Resultat zu Gunsten eines Prozesses aufgegeben wurde; und zweitens kreisen diese Auseinandersetzungen um die Entstehung des Neuen im Prozess. Die Diskontinuität der Prozesse wird dabei in den Mittelpunkt der Analysen gestellt und nicht als theoretische oder empirische Schwäche gedeutet. Interessant für die vorliegende Arbeit ist aber die weitere Bearbeitung des Prozesscharakters von Bildung und dessen Diskontinuität. Lüders hält fest, dass diese Offenheit des Prozesscharakters keineswegs neu ist – sie stellt vielmehr eine historische Kontinuität her. Zum einen verweist sie dabei in der Fußnote auf Pleines (1989), der im Anschluss an Hegel »alles Beharrende, jedes zugrunde liegende Substrat des Prozesses und jede Gewohnheit in ihm nur als Beraubung des Lebens und des Geistes deuten kann« (Pleines 1989, zit.n. Lüders 2007a: 53, Fußnote 24, Herv. i.O.); zum anderen verweist sie auf Meder (2001), der das kontinuierliche »Auf-demWeg-Sein […] und niemals dort ankommen« (Meder 2001:45, zit.n. Lüders 2007a: 53) in den Ursprüngen des europäischen Bildungsbegriffs verankert. »[D]ie Einheit mit Gott als spezifisches Weltverhältnis, die Ebenbildlichkeit mit Gott als spezifisches Selbstverhältnis und das normative Verdickt: ›du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis machen von deinem Herren‹ als ein Motiv sozialen Handelns – diese drei Verhältnisse garantieren, dass Bildung niemals Bestand werden kann, sondern stets Prozess bleibt, dessen Ziel nur kontingent (per Offenbarung) und performativ (im Prozess) zur Erscheinung kommt.« (Meder 2001: 45, zit.n. Lüders 2007a: 53).24 Dieses teleologische Verständnis kann und sollte jedoch mit heutigen Bildungstheorien kaum in Einklang gebracht werden. Die von Lüders ausbuchstabierten anderen Dimensionen weisen eher auf Kritik als Orientierungspunkt und eine Diskontinuität hin als auf eine teleologische Zielerklärung. Doch wenn weder Ursprung noch Ziel, noch Inhalt und Art zur Begrenzung und genauen Definition des Bildungsprozesses beitragen – wie, so fragt Lüders, lässt sich eigentlich der Prozess einfangen? Einige
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An dieser Stelle wird noch einmal sehr deutlich, warum es wichtig ist, sich mit dem europäischen oder deutschen Bildungsbegriff aus einer postkolonialen und feministischen Perspektive auseinanderzusetzen. Die anthropozentrische Situierung dieses Bildungsbegriffs ist kaum zu überlesen. Eine interessante Perspektive auf Bildung, die anthropozentrisch ist und deren Wert in der Autonomie des Menschen gegenüber der Natur liegt, führt Maximilian Probst in einem Artikel der Wochenzeitung Die Zeit aus. Er kann über die Philosophiegeschichte nachzeichnen, wie negativ sich ein solcher Bildungsbegriff auf die Entwicklung der Menschheit auswirken kann und wie sehr wir versuchen müssen, einen Zusammenhang zwischen den Elementen der Welt zu denken und zukünftig daraufhin zu bilden: https://www.zeit.de/2017/44/bildung-bildungsbegriff-aufgabe-vision.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Bildungstheoretiker – in erster Linie jene, die Bildung als Transformationsprozesse betrachten, wie Marotzki, Peukert, Kokemohr und Koller – betrachten diese auf dem Hintergrund eines krisenhaften Geschehens; nicht nur der Prozess hat einen krisenhaften Verlauf, sondern eher das Zentrum der Krise – die Erfordernis, sich auf sich selbst in einer anderen Weise zu beziehen – wird zum Ausgangspunkt der Beschreibung eines Bildungsprozesses. Während Marotzki biographietheoretische Bildungsprozesse in den Blick nimmt, heben Kokemohr und Koller hervor, dass die Krise an sich als Moment betrachtet werden kann, in dem die Veränderung vor sich geht; die versprachlichte Krise und deren Bewältigung wird damit zum Ausgangspunkt der empirischen Messung von Bildungsprozessen. Damit wird – mit Bezug auf die vierte Dimension, die Lüders hier vorstellt – deutlich, dass Bildung nicht mehr Prozess und Resultat der Veränderung ist, wie es noch in den 1990er Jahren von Koch u.a. festgehalten wurde, sondern sie ist in erster Linie Prozess. Bildung kann nicht mehr als Produkt betrachtet werden, da sie nicht mehr eine kohärente Identität und/oder Subjektwerdung zum Ziel hat, sondern Bildung als Prozess rückt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. »Nicht das ›erreichen von Etwas‹ sondern die Dynamik distanzierender Kritik und offener Neuentwürfe wird zum Orientierungspunkt.« (Lüders 2007a: 54) Zusammenfassung Dieses Kapitel wurde damit begonnen zu konstatieren, dass Auseinandersetzungen mit intersektionalen Machtverhältnissen häufig nicht als Bildungsprozesse betrachtet werden. Um Bildungsprozesse der interviewten Frauen* theoretisch und empirisch deuten zu können, habe ich mich deswegen der Geschichte des deutschsprachigen Bildungsbegriffs gewidmet und habe herausgearbeitet, dass damit mehr gemeint ist als ein Lernbegriff. Empirisch bedeutet dies: Wenn Bildungsprozesse betrachtet werden, muss deutlich werden, dass es sich hier um eine größere Transformation handelt, die Betrachtungen in einem größeren Zusammenhang reflektiert. Weiterhin habe ich auf die Mehrdeutigkeit des Bildungsbegriffs hingewiesen und habe festgestellt, dass es sich neben der Theoretisierung von Welt- und Selbstverhältnissen auch um einen erziehungswissenschaftlichen Grundbegriff handelt, der zu einer der zentralen pädagogischen Aufgabenstellungen gehört. In der Auseinandersetzung mit den Dimensionen, die im Bildungsbegriff beheimatet sind, konnte ich einen genaueren Blick auf die theoretische Fassung von Bildung gewinnen. a) Im Anschluss an die erste Dimension konnte ich darauf hinweisen, dass hier zwar von Heterogenität, Differenz, Alterität und Sprachverwiesenheit die Rede ist, jedoch die Frage aussteht, wie diese Perspektiven zu betrachten sind, wenn es um eine positionierte Differenz geht; wenn Macht- und Herrschaftsverhältnisse als grundsätzliche Strukturierungen zugrunde gelegt werden und es sich nicht mehr um ein allgemeines Subjekt handelt, das immer als fragil und vorübergehend gedacht werden muss. Dieser Frage, so nehme ich an, kann mit der Subjektivierungsanalyse genauer auf den Grund gegangen werden.
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Schwarze Weiblich*keiten b) In der Auseinandersetzung mit der zweiten Dimension (»Bildung und Gesellschaft«) wurde deutlich, dass die Gesellschaft im Bildungsbegriff auf doppelte Weise im Blick ist: Zum einen bringt sie Bildungsverhältnisse hervor – was kritisch zu reflektieren ist, und zum anderen soll Bildung Gesellschaft und ihre Entwicklungen in kritischen Reflexionen begegnen. Diese Frage wird im Hinblick auf die vorliegende Studie genauer in Kapitel 2.2 nachgegangen. c) In der Auseinandersetzung mit der dritten Dimension (»Bildung und Normen«) wurde deutlich, dass Bildung häufig normativ betrachtet wird und Normativität in die Kritik gekommen ist. Um nicht normativ zu sein, nehmen einige Wissenschaftler*innen den Standpunkt der Kritik und andere den Standpunkt der Minimal-Ethik ein. Letztlich ist ein normativer Standpunkt – gerade dann, wenn Bildung auch als gesellschaftspolitisches Werkzeug betrachtet wird und pädagogisches Handeln begründen soll – nicht einfach zu negieren. Diese Perspektive vertritt auch Ricken (2007), der hervorhebt, dass es nicht darum gehen kann, immer wieder alte Bildungsbegriffe zu rekonstruieren, sondern dass es darum gehen muss, über Bildung zu streiten und »›Bildung‹ als diskursive ›Streitformel‹ zu bewahren. Das aber lässt sich weder im Namen des einen wahren Bildungsbegriffs noch im Verzicht auf jegliche normative Positionierung erfolgreich tun« (Ricken 2007: 34). Dieser Perspektive schließe ich mich in der vorliegenden Arbeit an. In einer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen ist eine normative Position nicht immer zu vermeiden; was aber trotzdem in Frage steht, sind die Normen der Zurichtung der Subjekte. Hier verspreche ich mir eine weitergehende Antwort von der Perspektive der Subjektanalyse. d) Die letzte hier besprochene Dimension ist jene, die ihr Augenmerk auf den Prozesscharakter von Bildung legt. Bildung ist nicht mehr als abgeschlossenes Resultat zu sehen und auch nicht als teleologisches Prinzip, das nie abgeschlossen wird. Vielmehr wird die Krise zum Ausgangspunkt des Bildungsprozesses, und demzufolge wird Bildung in ihrer krisenhaften Entwicklung betrachtet. Auch in den vorliegenden Interviews stellen sich krisenhafte Situationen dar, die letztlich zu einer Veränderung führen und ambivalente Bildungsprozesse zeigen.
Alle Dimensionen zeigen, dass sie, inhaltlich gefüllt, auch in Verbindung mit einer geschlechtertheoretischen und postkolonialen Ausdeutung betrachtet werden können. Während diese Verflechtung erst in Kapitel 2.2 untersucht wird, wird im nächsten Unterpunkt zu diskutieren sein, wie Subjektivierungsprozesse theoretisch zu verstehen sind. Die Begriffe »Bildung« und »Subjektivierung« sollen damit in ein Spannungsfeld gebracht werden, das es mir ermöglicht, sie als Pole unterschiedlicher Erkenntnisse gegenüberzustellen.
2.1.4
Subjektivierungstheoretische Perspektiven im Anschluss an Martin Saar
Genauso wie in neueren bildungstheoretischen Entwürfen ist die Frage der Konstitution des Subjekts als fragmentarisches und fragiles in subjektivierungstheoretischen Herangehensweisen zentral. Hier ist eine weithin geteilte Überzeugung die, dass »Menschen nicht einfach Subjekte sind oder sich dazu […] entfalten« (Ricken 2013: 29), son-
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
dern es sich hier um Konstruktions- und Konstitutionsprozesse handelt. Wie Menschen zu Subjekten werden und »sich selbst – auch als ein Selbst – erlernen« (ebd.), steht noch immer zur Disposition. Fragen, Begriffe und Theorien, die sich in dieser Perspektive widerspiegeln, sind im Wesentlichen bildungstheoretische, sozialisationstheoretische oder aber zunehmend mehr subjektivierungstheoretische (vgl. hierzu exemplarisch Alkemeyer/Budde/Freist 2014; Keller/Schneider/Viehöfer 2012; Broden/Mecheril 2014a). Alle drei Perspektiven verstehen ihren Blick auf die Beziehung zwischen dem Subjekt und Bildungsprozessen oder Subjekt-Bildung unterschiedlich, teilweise auch deswegen, weil sie Einflüsse und Zusammenhänge divers bewerten.25 In diesem Kapitel soll nun der Frage nachgegangen werden, was eine subjektivierungstheoretische Perspektive im Unterschied zu einer bildungstheoretischen Deutung an unterschiedlichen Erkenntnissen befördern kann und warum ihr das möglich ist. Dazu wird zunächst ein theoretischer Überblick darüber geboten, was als Subjektivierungstheorie verstanden werden kann, und in einem nächsten Schritt (vgl. Kapitel 2.1.5) werden die oben entwickelten Dimensionen, die in der Bildungstheorie enthalten sind, auf subjektivierungstheoretische Fragen bezogen, um dann aufzuzeigen, wo ein bildungstheoretischer Blick (verstanden als Transformation) erhellend sein kann und inwiefern ein subjektivierungstheoretischer Blick notwendig ist, um Transformationsprozesse überhaupt verstehen zu können. »Das Problem der Subjektivität ist für die Philosophie seit Descartes immer eine Provokation geblieben« (Gelhard/Alkemeyer/Ricken 2013b: 9). Es gibt aus der Sicht der Autoren mehrere Versuche, diese Subjektivität einzufangen und dabei auch gleichzeitig den Begriff des autonom-selbstreferenziellen Subjektes abzuschaffen (ebd.). Die Versuche der Dezentrierung dieses denkenden Subjekts und dessen Erkenntnisgewinn haben sich im Laufe des 20. und folgend im 21. Jahrhundert vervielfacht, seien es frühe marxistische Theorien, die den Einfluss des Kapitals auf das Bewusstsein des Menschen herausgestellt haben oder feministische Theorien wie beispielsweise die von Simone de Beauvoir, die die geschlechtliche Positionierung und deren Einfluss auf das Subjekt herausgestellt hat, oder psychoanalytische Theorien, angefangen von Freud über Lacan bis hin zu Luce Irigaray. Es gibt also einige (verschärfte) Versuche – beginnend mit dem 20. Jahrhundert, weitergeführt im 21. Jahrhundert –, dieses Subjekt und seine Einflüsse auf die Subjektkonstitution zu fassen zu bekommen. Aus einer feministisch-postkolonialen Perspektive lässt sich die Zentrierung des Subjekts aber noch weiterdenken: Es ist nicht die Zentrierung irgendeines Subjekts, sondern die eines weißen männlichen (vgl. Piesche 2005a, 2005b). In der Auseinandersetzung mit Kants und Hegels Schriften und deren Einführung des Begriffs der ›Rasse‹
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Was außerdem zur Disposition steht ist die Frage, inwiefern und ob nicht die Frage nach dem Subjekt und seiner Subjektivierung zu sehr mit der Frage der Identität in eins gebracht wird und damit nicht nur theoretische Engführungen entstehen. Nicht nur Rita Casale greift diese Frage in einer kritischen Auseinandersetzung mit der derzeitigen Geschlechterforschung auf, sondern auch Tove Soiland weist daraufhin, dass derzeitige Gendertheorien im US-amerikanischen Raum mit kognitions-psychologischen Ich-Identitäts-Theorien verflochten worden sind und daher zu prüfen wäre, ob sich hier eine Verbindung ergeben hat, die der Geschlechterforschung nicht dienlich ist (vgl. Soiland 2010; Casale/Rendtorff 2007).
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zeigt sich die diskursive Ausdehnung von weiß-Sein und ihre Verknüpfung mit Metaphern und Vorstellungen der Aufklärung als Zentrum der Vernunft. Nicht an diese Lesart anknüpfend, aber dennoch in der Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Aufklärung und ihrer Bedeutung für die Shoah sind Adorno und Horkheimers Ausführungen zu betrachten (Horkheimer/Adorno 1970). Die Dekonstruktion dieser Subjekte ist also nicht (nur) in erster Linie dem Problem der Subjektivität geschuldet, sie kann vor allem auch als Beitrag gelesen werden, unterschiedlichen Perspektiven auf der Welt gerecht zu werden und sie zu diversifizieren. Die französischsprachige Philosophie kann jedoch als eine wichtige ›Station‹ einer Perspektive auf diese Dezentrierung betrachtet werden, diejenige Perspektive, die heute poststrukturalistisch genannt wird. Philosophietraditionen unterschiedlicher Prägung haben »Denker wie Merlau-Ponty und Levi-Strauss, Althusser und Lacan, Bourdieu und Foucault« beeinflusst und dazu geführt, dass sie sich mit »großer Selbstverständlichkeit an den Rändern verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen« bewegen, »ohne sich auf einzelne fachwissenschaftliche Fragestellungen festlegen zu lassen« (Gelhard/Alkemeyer/Ricken 2013b: 9). Sie alle unternehmen den Versuch, ein vielfach in sich gebrochenes, nicht-souveränes, leibliches, abhängiges und kulturell und gesellschaftlich hervorgebrachtes Subjekt zu denken und in vielerlei Fachdisziplinen zu verankern. »Kein Konzept hat die philosophische Kernfrage nach der Beschaffenheit des Subjekts so nachhaltig für die interdisziplinäre Forschung geöffnet, wie das der Subjektivierung.« (Ebd.: 10) Als wegweisend und auch namengebend betrachten Gelhard, Alkemeyer und Ricken Foucaults Begriff der Subjektivierung, »was sicher nicht der begrifflichen Schärfe seiner Analysen« (ebd.) geschuldet ist. »Weit wichtiger war zweifellos, dass sich die Zweideutigkeit von Foucaults Begriff der Subjektivierung – die Spannung zwischen assujettissetisment und subjectivation – als Transformation der klassischen Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdbestimmung lesen lässt.« (Ebd., Herv. i.O.) Dieser klassischen Unterscheidung und mithin auch dem viel diskutierten Paradox beispielsweise in Kants gesellschaftlichem Zwang und dem Erlernen der Freiheit (vgl. Kant 1983) wird eine Perspektive gegenübergestellt, in der Unterwerfung und Subjekt-Werdung notwendigerweise in eins fallen. Foucault führt sein Bestreben einer Rekonstruktion der Mechanismen, Techniken und Selbsttechniken, die Menschen zu Subjekten unserer Gesellschaft machen, folgendermaßen aus: »Meine Absicht war es vielmehr, eine Geschichte der verschiedenen Verfahren zu entwerfen, durch die in unserer Kultur Menschen zu Subjekten gemacht werden. Meine Arbeit befasste sich daher mit drei Weisen der Objektivierung, wie Menschen zu Subjekten gemacht wurden« (Foucault 1994: 243). Diese drei ›Weisen‹ der Objektivierung, die zur Konstitution des modernen Subjekts das notwendige ›Außen‹ bilden, sind entlang den Achsen »Vernunft und Wahnsinn«, »Krankheit und Gesundheit« und »kriminelle und sexuelle Abweichungen« aufgespannt; sie sind quasi die konstitutiven Bedingungen zur Entstehung des modernen Subjekts. »Foucault selbst hatte die Frage nach der historischen Konstitution moderner Subjekte – die er gegen die philosophische Konzeption des einen SUBJEKTS, wie es etwa die Philosophien von Descartes, Kant, Fichte bis Husserl dachten, richtete – von Friedrich Nietzsche übernommen. Er bearbeitete sie entlang der Linie der Ausgrenzungen, die
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diskursiv und dispositiv in den letzten Jahrhunderten entfaltet wurden: der Trennung von Wahnsinn und Vernunft, von Krankheit und Gesundheit, von krimineller und sexueller Abweichung und entsprechenden Normalitäten. Foucault entwickelte damit seit den späten 1950er Jahren eine empirische und historische Soziologie der gesellschaftlichen Konstruktion des modernen Menschen« (Keller/Schneider/Viehöfer 2012: 12). Dieses durch und durch mit dem Ziel der Herrschaftskritik verbundene Ziel der empirischen Rekonstruktion des modernen Menschen oder des modernen Subjekts wurde an einigen Stellen dafür kritisiert, dass etwa die Geschlechterordnung (vgl. bspw. Braidotti 201326 ) nicht berücksichtigt und auch der intime Zusammenhang der Hervorbringung moderner Staaten des Westens mit dem Kolonialismus und dem transatlantischen Sklavenhandel (vgl. hier etwa die vielbeachtete Kritik von Ann-Laura Stoler [1995])27,28 nicht berücksichtigte wurde. Trotz Hinweisen aus der Queertheory, dass das französische Wort sex genauso wie das englische Wort sex Geschlecht und Sexualität meint, und dass damit sicherlich der Kritik ein wenig entgegengekommen wäre, lässt sich nicht bestreiten, dass »Foucault soziale Hierarchisierungen entlang der Kategorie Geschlecht nicht in Betracht zieht und seine Begriffe von Subjekt und Selbst implizit maskulin kodiert sind.« (Engel/Schuster 2007: 138) Trotzdem lässt sich sagen, dass die Kategorie Geschlecht und die »Differenzierung der Geschlechter durchaus unter dem Aspekt der Normalisierungsmacht« (ebd.) betrachtet werden. Foucaults Bestreben war es also einerseits, die Hervorbringung des modernen (westlichen) Subjekts anhand seines konstitutiven Außen zu formulieren, und andererseits galten seine konkreten empirischen Studien – bspw. in der Hermeneutik des Subjekts – den Techniken der eignen Hervorbringung als Subjekt. Was genau Foucault und andere aber unter dem Stichwort Subjektivierung verstanden haben, soll im Folgenden ausgeführt werden. Subjektivierung als Analytik verstehen »Wer nach der Subjektivierung fragt, nach dem Subjekt-werden von Subjekten, will nicht wissen, wer oder was das Subjekt ist, sondern wie es geworden ist« (Saar 2013: 17). Diese von Martin Saar aufgeworfene Losung zum Werden (konkreter) Subjekte – die mehr als Analytik zu verstehen ist und nicht unbedingt als Theorie (vgl. ebd.: 18) – möchte ich im Folgenden grundsätzlich beschreiben. Dabei wird hier entlang der von 26
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»Foucault never locates woman’s body as the site of one of the most operational internal divisions in our society, and consequently also of the most persistent forms of exclusion. Sexual difference simply does not play a role in the Foucauldian universe, where the technology of subjectivity refers to a desexualized and general ›human subject‹.« (Braidotti 2013: 87, zit.n. Engel/Schuster 2007: 138) Vgl. auch de Lauretis 1987; Hartsock 1990; Grosz 1990; sowie Hunt 1992, die kritisiert: »the functional operations of power are genderless« (Hunt 1992: 83, zit.n. Engel/Schuster 2007: 138). Wie an späterer Stelle noch auszuführen sein wird, weist Gabriele Dietze (2017) auf eine Tatsache hin, die das Licht dieser Kritik etwas verändert, sie aber dennoch als gültige Kritik an Foucaults historischen Rekonstruktionen aufnehmen kann. Im Kapitel 2.2.5 werde ich darauf eingehen, dass nicht nur das moderne Subjekt durch rassifzierte Abgrenzungen hervorgebracht wurde, sondern auch die modernen Staaten, durch ökonomische, kulturelle und ideelle Ausbeutungen der Kolonien und ihrer Bevölkerung erst als solche hervorgebracht werden konnten.
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Martin Saar angeführten grundsätzlichen Theoretiker*innen (Louis Althusser, Michel Foucault und Judith Butler) aufgezeigt, was eine Analytik der Subjektivierung ermöglicht und wie die einzelnen Perspektiven miteinander verschränkt sind. Dabei soll sich zeigen, wie eine »kohärente und entwickelte Perspektive auf Subjektivierungsprozesse, die weniger Substantielles über Subjektivität aussagt als vielmehr das empirischhistorische Erforschen spezifischer Subjektwerdungen möglich macht« (Saar 2013: 18), aussehen kann. Louis Althusser und Subjektproduktionen Beginnen möchte ich die Vorstellung der Analytik mit der Perspektive Althussers und dessen Beitrag zur Theoretisierung des Subjekts. Seine ›spätstrukturalistische‹ Theorie der Ideologie und der ideologischen Staatsapparate ist dabei keine Subjekttheorie im engeren Sinne; sie kann vielmehr als »Urszene oder erste Artikulation der späteren poststrukturalistischen Subjektivierungstheorien« (Saar 2013: 18) gelesen werden. Althusser vermittelt in seinem Werk Ideologie und ideologische Staatsapparate. Aufsätze zur marxistischen Theorie (1977) eine sehr spezifische Heuristik auf die Rolle und Konstitution staatlicher Subjekte, die dennoch »implizit und gewissermaßen en passent drei Grundsätze der Erforschung von Subjektivierung« (Saar 2013: 19, Herv. i.O.) verdeutlicht. Diese drei Grundmaximen werde ich im Folgenden beschreiben. Die erste Maxime einer Subjektivierungsanalytik stellt heraus, dass das Subjekt gemacht ist; gemeint ist ein Subjekt, welches durch repressive und ideologische Staatsapparate29 erst als ein solches hervorgebracht wird. Repressive Staatsapparate sind bei ihm, angelehnt an die marxistische Theorietradition, in der die herrschende Klasse die unteren Klassen beherrscht, die Exekutive, die Judikative und die Legislative; die ideologischen Staatsapparate sind wesentlich privater Natur, wie die Familie, private Institutionen, Zeitungen, Kirchen usw. In den ISA (ideologischen Staatsapparaten) vermutet Althusser den Kern dessen, was in der marxistischen Theorie die Reproduktionsbedingungen genannt wird. Es geht ihm insgesamt um die Reproduktionsbedingungen der Produktionsmittel, die dafür Sorge tragen, dass sich kapitalistische Bedingungen immer wieder stabilisieren. Denn »die letztliche Bedingung der Produktion […], also die Reproduktion der Produktionsbedingungen« (Althusser 1970b: 108), muss eine Gesellschaft etablieren, um kapitalistisch produzieren zu können. »Daraus folgt, dass jede Gesellschaftsformation, während sie produziert und um produzieren zu können, die Bedingungen der Reproduktion reproduzieren muss« (ebd.). Sie muss die »Produktivkräfte« und »die existierenden Produktionsverhältnisse« (ebd.: 109) reproduzieren. Er folgert weiter, dass diese Kräfte nicht 29
Althusser unterscheidet zwischen repressiven und ideologischen Staatsapparaten. In dieser ›idealtypischen‹ Unterscheidung bezieht er sich in seiner Analyse in erster Linie auf die Ideologischen Staatsapparate und weist auf, wie viele einzelne ›Sektoren‹ es hier gibt: »Zunächst können wir beobachten, daß es einen (repressiven) Staatsapparat gibt gegenüber einer Vielzahl ideologischer Staatsapparate. Vorausgesetzt sie existiert, so ist die Einheit, die diese Vielzahl der ISA [Ideologische Staatsapparate, DBC] bildet, nicht unmittelbar sichtbar. Darüberhinaus können wir feststellen, daß, während der einheitliche (repressive) Staatsapparat ganz zum öffentlichen Sektor gehört, der größte Teil der ISA (in ihrer scheinbaren Zerstreuung) im Gegenteil dem privaten Sektor angehört. Privat sind die Kirchen, die Parteien, die Gewerkschaften, die Familien, einige Schulen, die Mehrzahl der Zeitungen, die kulturellen Unternehmungen usw. usf.« (Althusser 1970b: 120).
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
auf der Ebene der Betriebe reproduziert werden können, sondern hier kommt der Bildung in Schulen eine zentrale Rolle zu. Es zeigt sich, »daß die Reproduktion der Arbeitskraft nicht nur die Reproduktion ihrer Qualifikation erfordert, sondern auch gleichzeitig eine Reproduktion ihrer Unterwerfung unter die Regeln der etablierten Ordnung, d.h. für die Arbeiter die Reproduktion ihrer Unterwerfung unter die herrschende Ideologie und für die Träger der Ausbeutung und Unterdrückung eine Reproduktion der Fähigkeit, gut mit der herrschenden Ideologie umzugehen, um auch »durch das Wort« die Herrschaft der herrschenden Klasse zu sichern« (Althusser 1970b: 112). Damit setzt Althusser voraus, »dass die Frage nach dem Subjekt keine nach den bloßen Bewusstseinsstrukturen oder den Rollen und Selbstverständnissen bleiben darf, sondern sich auf die konkreten Prozesse und Prozeduren richten muss, in denen bestimmte (›bürgerliche‹) Subjekte entstehen und dann eine funktionale Rolle in der Reproduktion von Macht- und Herrschaftsverhältnissen übernehmen können« (Saar 2013: 19). Diese Produktion der Subjekte hat an unterschiedlichen Stellen ihren Ort und erfolgt beispielsweise auch in »Ritualen« (Althusser 1970b: 139), die unerbittlich materieller Art sind. Althusser verweist auf Rituale und Praxen, die beispielsweise in der Kirche auf der Einübung von Gebeten, dem Knien, Gerüchen und vielem mehr beruhen. »In Bezug auf ein Subjekt (ein beliebiges Individuum) werden wir also sagen, dass die Existenz der Ideen seines Glaubens materiell ist, insofern seine Ideen seine materiellen Handlungen sind, die in materielle Praxen eingegliedert und durch materielle Rituale geregelt sind, die ihrerseits durch den materiellen ideologischen Apparat definiert werden, dem die Ideen dieses Subjekts entstammen« (Saar 2013: 39). Die Idee der Subjekte ist der Ideologie als solcher inhärent und sie bringt sie hervor – formt sie gar – durch das beständige Einüben und Wiederholen im Sinne von Praxen und Ritualen. Als zweite Maxime führt Saar aus, dass das Subjekt von der Macht unterworfen ist (vgl. ebd.: 19). Diese Unterwerfung entsteht nicht nur durch die dargestellten Rituale, Praxen und Institutionen und Staatsapparate, sondern es geht darüber hinaus: Die Unterwerfung30 der Subjekte ist mit Althusser eine alltägliche, die in kleinste Gesten und Alltagspraxen eingewoben ist. Althusser führt eine Theorie der Ideologie ein, die, anders als die von Marx entwickelte Theorie, Ideologie als etwas betrachtet, das das imaginäre Verhältnis der Individuen zu ihren realen Existenzbedingungen einerseits und die materielle Existenz der Ideologie anderseits in den Blick nimmt31 (vgl. Althusser 1970b: 133; 30 31
Unterwerfung ist hier nicht in einem Wort-Sinn gemeint; Unterwerfung bedeutet hier vielmehr, dass sich das Subjekt den gegebenen Strukturen unterordnen muss. Verdeutlichen lässt sich das an religiösen Ideologien: Sie rufen die Subjekte als konkrete Subjekte an und stellen eine Beziehung zu ihnen her. Durch das große Subjekt Gott existiert aber auch eine imaginierte Beziehung zwischen Subjekt und anrufender Position. Weiterhin gibt es auch Rituale, Abhandlungen, Bücher, Häuser und vieles mehr, die eine materielle Beziehung, eine materielle Wahrheit der Ideologie ausdrücken.
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136). Er resümiert, dass es Praxis nur durch Ideologie gibt und dass diese Ideologie nur durch Subjekte »und für Subjekte« (ebd.: 140) existiert. Dies bedeutet, dass die Ideologie ihre Subjekte notwendig voraussetzt und damit auch in die Existenz bringt. Um diesen Zusammenhang herzustellen, ruft die Ideologie ihre Subjekte an32 und lässt sie als handlungsfähige Individuen allererst entstehen. In diesem Sinne ist die Ideologie kein falsches Bild oder eine falsche Vorstellung und Verblendung, sondern Ideologien sind im Allgemeinen allgegenwärtig, was auch in den folgenden Worten Althussers deutlich wird: »Mit dieser Vorbemerkung und diesen konkreten Illustrationen will ich nur darauf hinweisen, daß Sie33 und ich immer schon Subjekte34 sind und daß wir als solche ununterbrochen ideologische Wiedererkennungsrituale praktizieren, die uns garantieren, daß wir in der Tat konkrete, individuelle, unverwechselbare und (natürlich!) unersetzliche Subjekte sind« (Althusser 1970b: 142). Wichtig ist, so führt Althusser dann aus, die Wiedererkennungsrituale und Anerkennungsverhältnisse darin zu dekodieren, wenn man einen Diskurs etablieren will, der sich gegen diese Rituale richtet, deren Teil man selbstverständlich immer ist. Die Ideologie hat nach Althusser kein Äußeres, nur der wissenschaftliche Standpunkt kann der Ideologie äußerlich sein (ebd.: 143).35 Die »Theorie der Anrufung (interpellation) enthält […] eine sehr grundlegende Lektion, nämlich die, dass die Urszene der Subjektivierung eine der Macht und radikalen Asymmetrie ist« (Saar 2013: 19). Diese Asymmetrie lässt sich vor dem Hintergrund erklären, dass die Bedingungen, die das Subjekt in die Existenz rufen, dem Subjekt vorausgehen und – so würde ich Althusser lesen – zwar
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Diese Anrufung und Anerkennungsszenen beschreibt Althusser in der fast schon berühmten Szene mit dem Polizisten, der jemandem auf der Straße hinterherruft: »He, Sie da!« (ebd.: 142); die Person dreht sich zu dem Polizisten um und erkennt damit die ›Anrufung‹ an und erkennt auch an, dass er*sie damit gemeint ist. Althusser beschreibt neben dieser Szene aber noch viele weitere Szenen, in denen dieses Anerkennungsverhältnis alltäglich hergestellt wird. Gemeint ist die Leser*innenschaft des Textes. Dass wir schon immer Subjekte sind, führt Althusser darauf zurück, dass wir bereits vor unserer Geburt in eine Geschichte und Ideologie der Familie hineingeboren werden; dass es quasi schon vor unserer Geburt Stukturen gibt, die uns beispielsweise in männliche oder weibliche Subjekte einteilen. »Noch bevor das Kind geboren ist, ist es immer schon Subjekt, weil es in und durch die spezifische familiale ideologische Konfiguration, in der es nach der Zeugung ›erwartet‹ wird, zum Subjekt bestimmt ist. Es versteht sich von selbst, daß diese familiale ideologische Konfiguration – bei aller Einmaligkeit – fest durchstrukturiert ist und daß in dieser unerbittlichen, mehr oder weniger ›pathologischen‹ Struktur (vorausgesetzt, dieser Ausdruck hat einen definierbaren Sinn) das ehemalige zukünftige-Subjekt (ancien futur-sujet) ›seinen‹ Platz ›finden‹ muß, d.h. zu dem sexuellen Subjekt (Junge oder Mädchen) werden muß, das es bereits von vorne herein ist« (Althusser 1970b: 144). Individuen sind in diesem Sinn immer schon Subjekte, weil sie in sozialen Beziehungen, in Kategorisierungen existieren werden und in diesen Verhältnissen ein Selbstverhältnis ausbilden. An dieser Stelle schließt Althusser interessanterweise an psychoanalytische Verhältnisse an. Im Text erwähnt er Freud, aber einige Stellen und seine Literaturliste lassen auch Rückschlüsse auf Lacan nehmen (Althusser 1970a). Diese ausgeführte These wird später auch von Judith Butler aufgegriffen und weitergeführt werden. Diese Betrachtung eines wissenschaftlichen Standpunktes ist interessant und kann wohl eher als idealtypische Beschreibung betrachtet werden.
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alltäglich sind, aber nicht nur – notwendigerweise – Hierarchien voraussetzen. »Asymmetrie und Vorgängigkeit sind Voraussetzungen eben jener Kraft zur Subjektivierung, die sich als eine Szene der ›Unterwerfung (assujettissement)‹ unter eine Macht analysieren lässt« (ebd.). Insofern ist Martin Saar absolut zuzustimmen, dass eine Analyse der Subjektivierungsweisen notwendigerweise eine Machtanalyse ist. Als dritten und letzten Punkt führt Saar eine weiteren Beitrag Althussers für die Subjektivierungstheorie ein: »Das Subjekt wird frei gemacht« (ebd.: 10, Herv. i.O.). Ideologie ist mit Louis Althusser (1973) nicht räuberisch – »sie nimmt den Subjekten nicht etwas weg« (Broden 2011: 8), eher ist das Gegenteilige der Fall: Eine Ideologie, eine Machttechnik produziert Welt- und Selbstverhältnisse. Diese Welt- und Selbstverhältnisse werden nach Althusser über den Bezug auf große Subjekte produziert – er bezieht sich hier etwa auf die Nation oder Gott. Gemeint sind ›große Subjekte‹, die dem Menschen übergeordnet sind und auf dessen Verständnis von Welt- und Selbstverhältnis wir uns beziehen. Das Interpelletationskonzept von Althusser betrachtet die Wirkung von Ideologie nicht vorwiegend in seinen materiellen Auswirkungen, sondern – und dies ist für den vorliegenden Kontext relevant – in seiner symbolischen Wirkung. Das Individuum wird sozusagen von der Ideologie als Subjekt identifiziert und erschaffen (vgl. Broden/Mecheril 2010a). Mit dieser Deutung befindet sich Althusser sehr viel näher an der Lacan’schen Lesart des Subjekts – in der Deutung seines Mangels als zentrale Voraussetzung seines Antriebs – als an der von Marx36 (vgl. Posselt 2003). Damit die Interpellation aber umgesetzt werden kann, wird das Subjekt als ein ›freies‹ angerufen; die Ideologie konstituiert gleichermaßen ›freie‹ Subjekte (vgl. Saar 2013: 19). Althusser erklärt diesen Zusammenhang mit dem Doppelsinn des Wortes Subjekt, den später Foucault und Butler weiter ausführen. Der Doppelsinn des Subjektes besteht darin, dass es einerseits das Zugrundeliegende, die eigene Subjektivität, besitzt, die individuell ist – »ein Zentrum der Initiative, das Urheber und Verantwortlicher seiner Handlungen ist« (Althusser 1970b: 148); anderseits ist das Subjekt ein Unterworfenes unter die vorgängigen Bedingungen, Strukturen und Kategorien, die seine Handlungen erst ermöglichen. Und so folgert Althusser auch diese Aussage:
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Historisch materialistische Betrachtungen des Subjekts (die in sich auch wieder unterschiedliche Konnotationen verfolgen) folgen häufig entlang der Linie der Herausstellung der Reflexionsfähigkeit des Subjekts. Diese Reflexionsfähigkeit wird in einen Bezug zu Handlungsfähigkeit und vor allem die Fähigkeit zur Aneignung der Umwelt und der Gestaltung dieser gebracht. Trotz der eigenen Unzulänglichkeit ›nicht Herr im eigenen Haus‹ zu sein, wird die Aneignung der Umwelt als zentraler Bezugspunkt des Subjekts gedacht. Diese ›Aneignung der Umwelt‹ kann eben auch die der Arbeit/Lohnarbeit sein. Althusser stellt demgegenüber aber eher die Funktion der Anrufung als Subjekt von der Ideologie und dessen nicht endenden Versuch, sich in der symbolischen Ordnung zu konstituieren, in den Mittelpunkt seiner Betrachtung. Die Ideologie ist die des kapitalistischen Systems, die aber auch ausgetauscht werden kann durch religiöse Ideologie, die Ideologie der Nation oder etwas Anderes, das als ›großes Subjekt‹ benannt werden kann. Judith Butler kritisiert hier auch, »dass Althussers Interpellation die Figur einer souveränen göttlichen Stimme annimmt, deren Wirksamkeit sich auf den Augenblick ihrer Äußerung reduziert und die keine Möglichkeiten des Widerstands und der Reartikulation offen lässt.« (Posselt 2003: o.S.).
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»Das Individium wird als (freies) Subjekt angerufen, damit es sich freiwillig den Anordnungen des SUBJEKTS unterwirft, damit es also (freiwillig) seine Unterwerfung akzeptiert und folglich ›ganz von allein‹ die Gesten und Handlungen seiner Unterwerfung ›vollzieht‹. Es gibt Subjekte nur durch und für ihre Unterwerfung. Deshalb funktionieren sie ›ganz von alleine‹« (Althusser 1970b: 148). Und so folgert Martin Saar auch aus dieser Zusammenfassung, dass die »Subjektivierung eine Szene der Macht […] [ist] […], aus der Freiheit und (in einem gewissen Sinn) freie Subjekte hervorgehen.« (Saar 2013:20) Das bedeutet, wie oben schon dargestellt: Die Ideologie nimmt den Subjekten nichts weg, sie täuscht sie nicht hinsichtlich einer wahren und eigentlichen Begebenheit; Ideologie ist in dem Sinne produktiv, sie produziert und ermöglicht Subjekte und damit auch deren Handlungsfähigkeit. Die später von Michel Foucault entworfene Analytik der gouvernementalen Macht kann in einem ähnlichen Sinn als produktiv beschrieben werden. Michel Foucault und Subjektgeschichten Neben Althusser ist Michel Foucault wohl einer der Menschen, die den Begriff und die Analytik der Subjektivierung sehr geprägt haben. Die von Althusser herausgestellten Perspektiven lassen sich auch später bei Foucault widerfinden. »Es ist offensichtlich und wohlbekannt, dass die hier Althusser zugeschriebenen Thesen auch ihren Platz im Denken Michel Foucaults haben, das geradezu auf den Prämissen der Gewordenheit, Machtdurchwirktheit und Konstituiertheit des Subjektes aufbaut« (Saar 2013: 21), und – so sollte hinzugefügt werden – auch die produktive Seite von Machtprozeduren in den Blick nimmt. Zwar ist Foucault eher als Theoretiker bekannt geworden, der den ›Tod des Subjekts‹ und den ›Tod des Menschen‹ proklamiert hat, diese Proklamation aber zum einen dem Subjekt der Erkenntnis und im Weiteren auch dem empirischen Menschen der Wissenschaft galt (vgl. Gehring 2012: 21-23). Obwohl Foucault – wie auch Martin Saar festhält37 – in seinem späteren Text Subjekt und Macht (Foucault 1994) bestätigt, dass das Subjekt das »umfassende Thema [s]einer Arbeit« (ebd.: S. 270) gewesen sei, nähert er sich diesem Gegenstand doch zunächst durch dessen vehemente Umdeutung. »In seinem Werk finden sich« deshalb auch »in verschiedenen Anläufen und an verschiedenen Gegenständen entwickelte theoretische Instrumente dafür, historische Konstitutionsbedingungen, soziale Funktion, epistemischen Ort und erfahrungsmäßige Zugänglichkeit des Subjekts zu bestimmen« (Saar 2013: 21, Herv. DBC). An diesen vier ›Pfeilern‹ zieht Foucault seine häufig empirischen Arbeiten – nicht intentional, sondern eher rückblickend – auf; damit konkretisiert er in gewisser Weise auch die theoretischen und abstrakt anmutenden Eingaben von Althusser. Der vierte zentrale Gesichtspunkt der Subjektivierungsanlytik, die Martin Saar herausarbeitet, lautet deshalb auch: »Das Subjekt ist ein historisches Produkt« (ebd.). Diese Setzung betrachtet nicht nur ein Subjekt in seinen jeweiligen unterschiedlichen historischen Subjektivierungsweisen, wie sie auch von Andreas Reckwitz (2008) und Nicolas Rose (1996) beschrieben wurden; vielmehr muss diese Perspektive auch der Les-
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Viele andere mit ihm; vgl. zum Beispiel Bublitz (2014); Meißner (2010) u.v.m.
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art gelten, wie das moderne ›abendländische‹ Subjekt zuallererst entstanden ist. Also auch die historischen Ausschlüsse der Subjektkonstitution, der Ausschluss des Wahnsinns, die historische Konfiguration von Verbrechen und Strafe und der Einschluss des Begehrens-Subjekts in spezifische Formen haben das abendländische Subjekt als solches erst hervorgebracht. »Diese Historisierung, die Foucault immer wieder auch auf eine Inspiration durch Nietzsche zurückführt, ›zersetzt die Einheit des Subjekts‹ und fragt damit nach den Anfängen, Ursprüngen, Herkünften spezifischer (und eben nicht universaler) Formen von Subjektivität« (Saar 2013: 21).38 Dies bedeutet denn auch – so Saar – dass die »Subjektgeschichte« (ebd.) in Anlehnung an Foucault in erster Linie eine historisch-genealogische (Re-)Konstruktion sein sollte, was für die vorliegende Arbeit von größter Bedeutung ist.39 Als fünfte Dimension einer Subjektivierungsanalytik führt Saar an, dass das »Subjekt ein Schnittpunkt einer Vielzahl von Bestimmungskräften« (ebd.) ist. Subjektivierungen sind unter dieser Prämisse »mehrdimensionale Prozesse« (ebd.), die an unterschiedliche Ebenen und auch Zugehörigkeiten des Subjekts anknüpfen. Mit seinen historischen Arbeiten zum Wahnsinn und dem Ausschluss der Vernunft, zu Gefängnissen und zum Sexualitätsdispositiv hat Foucault empirische Schriften und methodische Reflexionen zu Subjektivierungsprozessen vorgelegt. Was unter dem Ausschluss der Vernunft und der Genealogie des Wissens hervortritt, ist ein Subjekt, das – so möchte ich hier sagen – im Wesentlichen durch die Episteme bestimmt ist. Diesen Anschluss nutzen viele Theoretiker*innen der Postkolonialen Theorie (vgl. bspw. Edward Said) und stellen heraus, wie machtvolle Diskurse und Episteme situierte Subjekte erst hervorbringen. Aber nicht nur durch die Konstitution über Wissen und Macht nimmt Foucault Subjektivierung und eben auch Objektivierungen in den Blick, sondern auch durch Selbstpraktiken (Foucault 2001a). »Damit sind die Genealogien der Subjektwerdung notwendigerweise Geschichten im Plural, sie müssen nämlich mindestens auf den drei Ebenen des [sic!] Wissensordnungen, der Machtbeziehungen und der Selbstverhältnisse angesiedelt sein« (Saar 2013: 22). Diese Perspektive – so Saar – verändert den Blick auf Subjektivierung gegenüber Althusser erheblich, denn hier sah es so aus, als ginge es um »den einen großen Vorgang« (ebd.); in diesem Licht betrachtet wird das Subjekt aber durch Macht-, Wissens- und Selbstverhältnisse geprägt, die historisch entstanden sind, die ihre jeweilige zeitliche Verfasstheit haben und heteronom sein können. Als sechste und letzte Dimension im Anschluss an Foucault und dessen Wirken auf eine Subjektvierungsanalytik setzt Saar noch einmal an den Konstruktionsverhältnissen durch Selbstpraktiken, durch Macht und Wissen des Subjektes an: »Das Subjekt wird konstruiert und konstruiert sich (immer) zugleich (selbst)« (Saar 2013: 22). Diese aus meiner 38
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Festzuhalten wäre hier, dass Subjektivierungsweisen heute genau entgegengesetzt wirken: fast hat es den Anschein als wäre die Zelebrierung der eigenen sehr differenten Subjektivität und deren Gestaltung heute zur Subjektivierungsanforderung schlechthin geworden. Im Unterschied zu Martin Saar, denke ich jedoch, dass wie gesagt nicht nur die Subjektgeschichte als spezifisch historische Subjektivierung untersucht werden sollte, sondern ich werde auch zeigen, dass die Genese des ›abendländischen‹ Subjekts und seine Hervorbringung eben auch durch das Konstitutive Außen der rassifizierten Anderen hervorgebracht wurde, so wie es auch schon Ann Laura Stoler (1995) und auch Gabriele Dietze (2017) beschrieben haben (vgl. auch Sylvia Wynter 2014; Hortense Spillers 1987; Alexander G. Weheliye 2014).
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Sicht sehr zentrale Aussage wirkt zunächst so, als habe das Subjekt in seiner Selbstkonstitution die gleichen Möglichkeiten wie durch die Achse der Macht- und Wissensverhältnisse; dieser Lesart würde ich – nicht nur aus einer rassismuskritischen, sondern auch aus einer postkolonialen und feministischen Perspektive – vehement widersprechen. In Foucaults letzten erschienenen Aufsätzen und Vorlesungen (wie beispielsweise jenen, die unter dem Titel Hermeneutik des Subjekts [2001] erschienen sind, oder auch der Text Selbstsorge als Praxis der Freiheit [1985]) wird vielmehr deutlich, dass die Subjekte, beispielsweise jene des alten Griechenland, eigene Techniken und Praktiken verwendet haben, um einen Selbstbezug herzustellen. Dieses Herstellen des Selbstbezugs wird von Foucault im Wesentlichen auch dahingehend beschrieben, dass auch die möglichen Selbstbezüge historisch konfiguriert sind und sich verändern (vgl. hierzu spätere Kapitel und Gehring 2013, sowie Gehring 2014a, b). Die häufige Frage oder auch Auslegung, Foucault kehre hier zu einem ethischen Subjekt zurück – zum Beispiel bei Wilhelm Schmid oder anderen – kann negiert werden. Foucault ging es um die wesentlichen Praktiken – in einem wirklich praktischen Sinn – und um die Haltungen40 , die das Subjekt zu sich selbst einnimmt. »Diese vielfältigen und auch historiographischen noch nicht ausgeschöpften Analysen von antiker ›Selbstsorge‹ und ›Selbstkultur‹, von epistemischen und meditativen Praktiken, in denen sich das Erkenntnissubjekt zum Ort einer Erfahrung der Wahrheit macht, und der Haltung und Beherrschungsleistung, mit denen sich das Subjekt im Verhältnis zu sich selbst zur Instanz einer Erfahrung macht, isolieren oder fokussieren diesen unverzichtbaren aktiven Part oder Eigenanteil des Subjekts an der eigenen Subjektwerdung« (Saar 2013: 23). In einer Subjektivierungsanalytik muss das Subjekt auch als Akteur*in auftauchen – aber nicht als Akteurs-Subjekt der Erkenntnis, sondern vielmehr in seinen Bezugnahmen auf sich selbst und im Arbeiten an eben jenem Selbst; als Akteur*in in der Konstitution durch epistemische und machtvolle Verhältnisse. Für eine solche Analyse bietet Foucault eine »Rahmentheorie« (ebd.). Judith Butler und Subjektkomplikationen Insgesamt baut auch die Subjektivierungstheorie, die Judith Butler vorschlägt, auf ähnlichen Vorschlägen auf, wie sie von Foucault und Althusser vorgeschlagen wurden (Butler 1990 [dt. 1991], 2001c, 2003, 2009). Trotz teilweise harscher41 bis differenzierter Kritik42 aus feministischer Perspektive gilt sie als die Person, die feministische Theorie sehr geprägt hat und durch ihr politisches und intellektuelles Engagement nicht nur in wissenschaftlichen Kreisen bekannt wurde – wie Foucault im Übrigen auch. 40 41
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Der Begriff »Haltung« kann jedoch auch aus einer poststrukturalistischen Perspektive auf seine anrufenden Potenziale und Normierungen hin befragt werden (Will 2017). Im Jahr 2018 fand eine Kontroverse mit Alice Schwarzer in der Wochenzeitschrift Die Zeit statt, in deren Rahmen Schwarzer Butler vorwarf, dass sie nur Gedankenexperimente vornehme, die für die alltägliche Praxis keine Bedeutung hätten und dass sie die Zeitschrift Emma denunziere, in dem sie ihr Rassismus vorwerfe. https://www.zeit.de/2017/33/gender-studies-judith-butler-emmarassismus/seite-2 [Zuletzt abgerufen: 04.04.2019]. Vgl. beispielsweise Benhabib (1993) und Hauskeller (2000).
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Viele bezeichnen sie als die Begründerin der Queertheorie, obwohl sie sich selbst nie so gesehen hat; jedenfalls hatte und hat sie noch immer einen großen Einfluss auf die theoretische Diskussion im Rahmen feministischer und queerer Theorie. Auch in der Erziehungswissenschaft ist das Paradigma der Subjektivierung angekommen, und viele zentrale Auseinandersetzungen der neueren Zeit beziehen sich auf Butlers Schriften (Kleiner/Rose 2014a, b; Ricken/Balzer 2012; im gleichen Band Rose/Koller 2012; Mecheril/Plößer 2012). Die unterschiedlichen Arbeiten, die im Spannungsfeld von Erziehungswissenschaft und Subjektivierungstheorien im Anschluss an Butler entstanden, sind breit gestreut; zwei wichtige Promotionen in diesem Schnittfeld waren die von Bettina Kleiner (2015) und Nadine Rose (2012). Die zentralen Punkte, die Martin Saar und auch andere in der »Weiterführung und Reformulierung v.a. Foucault’scher Motive« (Saar 2013: 23) in Butlers Theorie der Subjektivierung herausarbeiten, möchte ich im Folgenden vorstellen. Als siebten Punkt zu einer Analytik der Subjektivierung nennt Saar: »Subjektivierung vollzieht sich im Medium des [sic!] Sprache und der Körpers [sic!]« (ebd.: 24, Herv. i.O.). Butlers Theorie der Subjektivierung ist im Wesentlichen von Foucault, Derrida, Lacan und Austin inspiriert und nimmt die »Performativität von Identität« und die »Materialisierung im und am Körper« (ebd.) in den Blick. Identität ist unter dieser Perspektive damit keine Größe, die sich entwicklungspsychologisch darstellt, Identität wird vielmehr performativ betrachtet und in Sprechakten signifiziert. Durch die Beschäftigung mit vergeschlechtlichten Normen und vergeschlechtlichten Identitäten, »an denen Butler zunächst ihr Subjektverständnis« (ebd.) ausgearbeitet hat, wird deutlich, »in welchem Ausmaß Subjektivierung einerseits das Erscheinen-Lassen und Zur-Realität-Bringen einer sprachlichen ›grammatischen‹ Figur ist« (ebd.), nämlich ein Subjekt, das sich auf sich selbst beziehen kann und ein »Ich« sagen kann, während nur die Sprache diese Brücke zum Anderen herstellen kann; das Subjekt ist in diesem Sinne eines, das in der Heteronomie der Sprache in Erscheinung tritt. »Andererseits erscheint dieses Subjekt auch immer verkörpert« (ebd.) und körperlich; Subjektivierung unter dieser Perspektive steht immer im Kontakt mit dem körperlichen, materiellen Ich und wirkt auf dieser Ebene. Diese in Anlehnung an Foucault entwickelte Perspektive der Macht, die den Körper (mit)gestaltet, entfaltet Butler in ihrem Buch Körper von Gewicht (Butler 2001b). Butlers Perspektive der Subjektivierung »zeitigt also Effekte auf beiden Ebenen; Diskursivierung und Verkörperung des Subjektiven« (Saar 2013: 24). Subjektivierungsanalytiken mit Bezug auf Judith Butler haben diese beiden Dimensionen im Blick, die Sprache und deren Macht in Materialisierungsprozessen. Als achte Perspektive einer Subjektivierungsanalyse führt Saar mit Bezug auf Judith Butler die psychische Dimension der Subjektivierung ein. »Anders als und gegen Foucault, bei dem die psychologische Rede über das Subjekt selbst immer schon Teil des Problems, nicht der Lösung ist, meint Butler auf gewisse Anleihen bei psychoanalytischen Theorien nicht verzichten zu können« (ebd.). Obwohl Foucaults Subjektauffassung letztlich nicht sehr weit entfernt ist von französischen psychoanalytischen Perspektiven – wie in seinen Schriften zur Gouvernementalität deutlich wird (vgl. Soiland 20010: 37-90) –, greift Butler noch auf Perspektiven zurück, die eine »Verinnerlichung« (Saar 2013: 24) verdeutlichen. Ihre Ausführungen in Psyche der Macht (Butler 2001c) machen deutlich, wie sehr sich eine Subjektivierung in der Psyche sedimentiert und zu-
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gleich deren Motor ist. »Die Wirksamkeit subjektivierender Normen lässt sich auch als psychisches Geschehen, ja geradezu als Psychisch-Werden der Macht oder das Wirken eines ›Unbewussten der Macht selbst‹ verstehen« (Saar 2013: 24). Damit, so Saar, werden Subjektivierungsanalysen vor eine Herausforderung gestellt: Nun gelten Subjektivierungsanalysen auch jenen Auseinandersetzungen, die die Psyche und mit ihr die psychische Kraft der Sprache einfangen sollten: »Subjektivierungsgeschichten sind also auch Psycho-Historien« (ebd.). Als letzten, aber genauso bedeutenden Punkt, der auch im Anschluss an Foucault und Althusser gedacht werden kann, hält Martin Saar fest: »Subjektivierung scheitert (notwendig)« (ebd.). Dieses Scheitern wird in Butlers Texten essenziell deutlich durch die Abhängigkeit des Subjekts von Anerkennungspraktiken Anderer und den eigenen Resignifikationsprozessen. Mit dem Begriff »Resignifikationsprozess« macht Butler auf die unbedingte Abhängigkeit des Subjekts aufmerksam, dessen Identität in der Resifignikation hergestellt werden muss, was aber nie gänzlich gelingen kann, weil Bedeutungsproduktionen nie völlig deckungsgleich sind. »In Anlehnung an bestimmte Überlegungen Derridas zur konstitutiven Unbestimmtheit von Bedeutungsproduktionen insistiert Butler auf der Nicht-Identität noch der Wiederholungsrituale, durch die sich stabile Bedeutungen und Identitäten bilden« (ebd.: 25). Hier weicht Butler sicher ein Stück von Foucault ab, der die Wiederholungen der Praktiken mehr in Hinsicht auf die Unterwerfungen beschrieben hat, nicht aber deren Performanz, und der diese Perspektive in den Blick genommen hat. »Die Idee, dass jede identifizierende Praxis auch ein Moment der Abweichung, Verschiebung und Subversion enthält, das die gebildeten Identitäten anfällig oder brüchig macht, ist einer der roten Fäden, die sich durch ihr gesamtes Werk ziehen, von der Kritik allzu starrer Geschlechterkonzeptionen bis zur Ethik der Verletzlichkeit in den jüngeren politischen Schriften« (ebd.). Es lässt sich daraus schließen, dass eine empirische Forschung, die dieser subjektivierungstheoretischen Perspektive nachgehen möchte, »sich auch auf die Suche nach den dekonstituierenden, entsubjektivierenden Momenten« (ebd.) machen muss. Subjektivierungsprozesse sind in dieser Hinsicht mehrdeutig und wenig abschließbar, sie sind kein »glattes, restfreies Funktionieren« (ebd.), sondern immer auch eine Art Überschuss, der nicht eingeordnet werden kann, und in dessen Praxis somit auch ein Widerstandspotenzial liegt. Ein solches kritisches, subversives Moment ist für Butler Teil jedes Subjektivierungsgeschehens, das somit selbst immer der Widerständigkeit oder dem »Aufstand auf der Ebene der Ontologie43 ausgesetzt ist« (ebd.). Judith Butler habe, so Saar, zu einer Analytik der Subjektivierungen beigetragen und eine »genauere Bestimmung des Ortes und der Arenen der Subjektivierung« (ebd.) sowie deren Komplexitätsgrade und Widerstandsmomente herausgestellt. »Die Subjektivierung, die nicht die eine ist, kann auch nur um den Preis von Reduktionen einfacher erklärt werden. Subjekt-Beschreibungen sind Komplexitätsbeschreibungen.« (Ebd.)
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Saar zitiert hier Butler (2001b) und Hark/Völker (2010).
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Zusammengefasst heißt dies: Der Versuch, diese Subjektivierung empirisch zu fassen, bedeutet, in einer anderen Weise einen anderen Blick dafür zu entwickeln – bzw. davon auszugehen – wie Subjektivität entsteht; oder davon auszugehen, dass diese immer heterogen ist und eben nicht auf die eine Subjektivität zu reduzieren ist. Neben der Perspektive auf die Praktiken, in denen diese Subjektivierungen entstehen, muss eine solche Perspektive die in der Praxis »zur Geltung kommende Wirksamkeit von Macht und Asymmetrie untersuchen und damit die Subjektwerdung in einem eminenten Sinn als Akt der Unterwerfung, aus der das Subjekt hervorgeht, begreifen« (Saar 2013: 25). Subjekte sind in dieser Analytik immer als partikulare Subjekte zu betrachten, die aber aus einer je spezifischen historischen Situation hervorgehen. Subjektformierungen und deren Transformationen sind historisch wandelbar und sind eben nicht die eine ›große‹ Subjektivierung, sondern sie sind in sich nicht identisch und somit zu verändern, sie sind sogar im Subjekt nicht identisch und vielschichtig. Eine solche Analytik muss jeweils die »Wissensordnung, Machtbeziehung und Selbstverhältnisse« (ebd.) in den Blick nehmen. »Das Subjekt wird es selbst im Schnittpunkt, epistemischer, praktisch-sozialer und selbstbezogener Praktiken.« (Ebd.) Weitergehend würde eine solche Forschung – zumindest mit Rückgriff auf Judith Butler und ein wenig anders bei Foucault – auch auf Prozesse der Innerlichkeit, der psychischen Struktur, der Affekte und Begehrensstrukturen blicken, ohne dass eine solche Forschungsperspektive darin aufgehen würde. In jedem Subjektivierungsprozess liegt eine Unabgeschlossenheit, die so nicht einzufangen ist und immer wieder neue Möglichkeiten des Verhaltens zu sich und damit auch der Transformation bietet. Mit Bezug auf Foucault ist diese Transformationsmöglichkeit auch sehr stark von der Position im diskursiven Feld abhängig und keine Leistung, die das Subjekt aus sich heraus einfach vornehmen kann (vgl. hierzu Foucault 2007b). Gerade im Hinblick auf die Intersektion von race und Geschlecht erweist sich diese generelle Offenheit und Transformationsmöglichkeit doch anders, wie in der Empirie deutlich wird. Eine solche Perspektive hat – obwohl häufig nur implizit genannt – immer einen kritischen Impetus; es geht ja um die De-Ontologisierung der Subjekte, worin auch das kritisch-reflexive Potential solcher Analysen liegt. Es gibt Subjekten die Möglichkeit, die eigenen Zumutungen zurückzuweisen. »Über Subjekte auf diese Weise theoretisch zu sprechen, hat zur Folge, dass einsehbar wird, wie sie geworden sind, was sie sind, und wieso sie so nicht immer bleiben müssen.« (Saar 2013: 27) Das impliziert auch eine Transformation auf der praktischen Ebene und die Möglichkeit, diese in Kontexten kritischer sozialer Bewegungen – denen eben auch Foucault, Althusser und Butler angehörten oder angehören – zu reflektieren. »Denn die Frage nach der Subjektivierung beleuchtet und erschließt genau den Schnittpunkt von Heteronomie und Autonomie oder von Herrschaft und Handlungsfähigkeit, den ›wir‹ Subjekt nennen« (ebd.). Analytiken, die Subjektivierungen in den Blick nehmen, leugnen die Freiheitsgrade des Subjekts nicht und sie überhöhen sie auch nicht, sondern sie unterstützen den Wunsch, in den derzeitigen Zumutungen doch anders zu sein; dazu können sie nur in Beschreibungen Analysen wagen und Skizzierungen beitragen, weil eine solche Analyse notwendigerweise nicht abgeschlossen und hermetisch sein kann. Trotzdem ist diese Analyse noch
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nicht das Handeln, und sie erspart auch nicht das Handeln; vielmehr muss die Arbeit am Begriff oder an einer Perspektive der Subjektivierung deren konkret-historisches Geworden-Sein in Augenschein nehmen, um davon mögliche Wege zu finden, anders zu sein, »als es unausweichlich zu sein scheint« (ebd.). Für die vorliegende Studie bedeutet dies: a) Wie deutlich werden sollte, befasst sich auch eine Subjektivierungsanalytik mit der Frage der Transformation, zumindest steht die Transformation aus bestehenden Verhältnissen als Motiv und Ziel hinter einer solchen Analyse. Was mit einer qualitativen Analyse der Zumutungen verdeutlicht werden kann, ist, dass ein AndersSein möglich ist; was damit aber nicht möglich ist – oder nur eingeschränkt – ist die qualitative Erfassung der Transformation. b) Deutlich wurde darüber hinaus auch, dass das historische Geworden-Sein der Subjekte – zumindest im Hinblick auf Foucaults Theorien – von großer Bedeutung ist. Für die vorliegenden Interviews ist diese Foucault-spezifische Deutung der Subjektivierungsanalyse zentral. Nicht nur die heutige Migrationsgesellschaft als solche hat damit einen Einfluss auf Subjektivierungen, sondern auch deren Historie und ihre historisch-genalogische Wurzel. c) Subjektivierungsanalytiken sind im Spannungsfeld von Macht- und Wissensordnungen und Selbstpraktiken zu verorten. Für die vorliegende Forschung ist das die Intersektion von race und Geschlecht. Die vorliegenden Interviews als Subjektivierungsanalysen zu deuten, kann die oben angesprochenen Perspektiven eröffnen, und darüber hinaus bietet sie Möglichkeiten, Welt-, Selbst und Anderenverhältnisse auszubuchstabieren. Wie sich zu diesen Analysen aber nun die empirische Erfassung von Bildungsprozessen verhält und wo sie diesen vielleicht auch einschränkend gegenübersteht, ist damit noch weitgehend offen. Offen bleibt auch die Frage, ob sich Subjektivierungsverhältnisse tatsächlich in dieser Weise transformieren lassen, wenn gesellschaftliche Geschlechterordnungen und -verhältnisse und postkoloniale-rassifizierende Verhältnisse als strukturgebende Kategorien der Gesellschaft und ihrer Subjekte betrachtet werden. Und schließlich bleibt die Frage offen, die ich mir zumindest beim Verstehen der subjektivierungstheoretischen Fragen gestellt habe und die auch schon Stuart Hall (2010) aufgeworfen hat: Bleiben diese Perspektiven nicht auf der Ebene des Subjekts stehen und (re-)zentrieren sie nicht die Subjektfrage auf eine ganz andere Weise? Diese und andere Fragen können momentan hier nur andeutungsweise formuliert werden; aufgegriffen werden sie an späterer Stelle noch einmal, weil es zunächst einmal um das Zusammenführen bildungs- und subjektivierungstheoretischer Fragen gehen soll.
2.1.5
Bildungstheoretische Überlegungen und subjektivierungstheoretische Analytiken – eine Gegenüberstellung als Gedankenexperiment
In Kapitel 2.1.3 habe ich die Dimensionen herausgearbeitet, die dem Bildungsbegriff inhärent sind. In Kapitel 2.1.4 habe ich grundsätzlich gezeigt, was unter einer Sub-
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jektivierungsanalyse zu verstehen ist. In diesem Kapitel soll es nun noch einmal genauer darum gehen, wie Bildung (verstanden als Transformation) und Subjektivierung (verstanden als Formation) grundsätzlich zueinander in Bezug gesetzt werden können, wenn sie als gegensätzliche Erkenntnispole aufeinander bezogen werden. Dazu möchte ich einige begriffliche Voraussetzungen machen und Perspektiven vorstellen, die ich mit meiner Studie nicht verfolge, die aber dennoch Bildung und Subjektvierung zueinander in Bezug setzten: a) Die wahrscheinlich offensichtlichste und naheliegende Verschränkung von Subjektivierungstheorie und Bildungstheorie ist jene, die Judith Butler in Gender and Education (2012) kurz streift: Die Frage, wie wir unser Geschlecht via Sprachstrukturen und unserer Abbildung darin erlernen, und ob und wie diese Frage auch in Bildungseinrichtungen stattfindet.4445 b) Die unter I. ausgeführte Perspektive kann unter dem Gesichtspunkt noch erweitert werden, indem nicht die Frage gestellt wird, ob Bildungsinstitutionen zu Subjektivierungen beitragen, sondern die genaue Prozedur der Subjektivierungen verdeutlicht wird, wie das schon einige Studien tun (vgl. Jäckle 2015; Bergold-Caldwell/Wuttig/Scholle 2017). c) Man könnte auch fragen, wie Bildungsinstitutionen zu Akteurs-Subjekten gemacht werden und wie diese performativ wirken – unter der Maßgabe, dass nicht immer nur Menschen als Akteurs-Subjekte angerufen werden, sondern auch Dinge, Tiere und andere nicht-menschliche Gestalten –, wie Bildungsinstitutionen als Subjekte angerufen werden, wie das Verena Eikhoff am Beispiel von Hochschulen zeigt (vgl. Eikhoff 2018). d) Weiterhin könnte auch die Frage danach im Raum stehen, wie kollektive Akteur*innen in ihrem Wirken als Bildungskritiker*innen und Bildungsinnovator*innen als Kollektiv-Subjekte angerufen werden (vgl. Alkemeyer/Bröckling/Peter 2018; darin insb.: Schminke 2018: 133-150).
Die Liste der Arbeiten, die einen Bezug zwischen Bildung im weitesten Sinne und Subjektivierung herstellen, ist derzeit endlos, auch weil die Perspektive der Subjektivierung »ein noch nicht vollständig ausgearbeitetes, aber ausgesprochen anregendes und vielversprechendes Konzept« (Ricken 2013: 30) darstellt. Dieses Konzept gilt es »nach vorne zu verteidigen« und es gleichermaßen »zu problematisieren« (ebd.). Obwohl Rickens Bemerkung zum Zeitpunkt meiner Beschäftigung mit der Thematik schon fünf Jahre alt ist und es bereits einige Arbeiten im Zusammenhang Bildungs44
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Der Beitrag von Butler geht über diese Perspektive im Fortgang des Textes hinaus und verbindet die Sprache – betrachtet als heteronomes Medium der Subjektkonstitution – als ein Feld, das in einem globalen Kontext auch hierarchisch besetzt ist. Englisch wird beispielsweise zu einer Sprache, die mit »Internationalisierung« assoziiert wird, während Französisch (in dem Beispiel von Butler) zu einer Sprache wird, die es irgendwie zu verteidigen gilt; Geschlechterkonzepte sind in diese Sprachen eingewoben und verwirklichen sich auch auf der Ebene der Sprachlichkeit. Genau in dieser Verschränkung von Repräsentationen im sprachlichen Regime und dem ›Lernen‹ der Geschlechtsidentität sieht bspw. Tove Soiland (2010) eine schwierige Verknüpfung zwischen den Konzepten der Identität und dem Subjekt als solchem.
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theorie/Subjektivierungstheorie gibt, scheint mir angesichts meiner Fragestellung eine erneute systematische Auseinandersetzung mit beiden Themenbereichen sehr gewinnbringend. Mir geht es einerseits darum, Subjektivierungen Schwarzer Frauen und Women of Color zu beschreiben und hier Prozesse, Diskurse und Auseinandersetzungen einzufangen, andererseits möchte ich selbst erzählte Veränderungen und Beweggründe für diese Veränderungen (also Bildungsprozesse im weitesten Sinne) beschreiben und verdeutlichen. Um dieser Fragestellung auf die Spur zu kommen, versuche ich im nächsten theoretischen Schritt einerseits zu verstehen, was es bedeutet, Subjektivierungstheorien und Bildungstheorien als Formation und Transformation der Subjekte idealtypisch gegenüberzustellen. Diese Gegenüberstellung erlaubt es mir einerseits, Verbindungslinien von Foucault, Butler und Althusser mit Bildungstheorien herauszustellen, und anderseits kann ich damit ein Spannungsfeld aufmachen, in dem ich auch auf Unvereinbarkeiten hinweisen kann. In einem dritten Moment kann ich auch kurz andiskutieren, welche subjektivierungstheoretische Perspektive (Foucault oder Butler) in welcher Hinsicht weiterführt. Bildungstheorien formulieren, wie oben bereits angedeutet, unterschiedliche Subjekttheorien vor deren Hintergrund sie sowohl Formations- als auch Transformationsprozesse beschreiben. Je nach theoretischem Hintergrund lässt sich sagen, dass der Zusammenhang zwischen Subjektkonstitution und deren Transformation verschiedentlich gedeutet werden kann; welche Rolle hier Bildung spielen kann – verstanden als pädagogische Intervention in Konstitutions- und Transformationsprozessen –, ist vor diesem Hintergrund auch noch nicht einheitlich zu beantworten. Versteht man Bildungstheorie auch in der Verknüpfung mit pädagogischer Praxis und denkt Bildung auch im Sinne Ruhloffs (2000) als unhintergehbare Aufgabe der Pädagogik, dann wird deutlich, dass sich Subjektivierungstheorien und Bildungstheorien auch in einem Spannungsfeld befinden können, nämlich da, wo die eine die Möglichkeit hat, sich analytisch mit dem Gegenstand zu beschäftigen und die andere darüber hinaus auch beschreiben muss – oder damit konfrontiert wird –, was diese Perspektive nun für Bildungspraxen bedeuten könnte. Im Nachdenken über das Was46 strukturiert sich nämlich das Aufgabenfeld, was aus Ruhloffs Perspektive eine schwer zu umgehende ›Norm‹ pädagogischer Handlungen ist. Während hier also die Verknüpfung zwischen Bildungstheorie und pädagogischer Aufgabe deutlich wird, kann andererseits erwidert werden, dass genau dieses Was auch abhängig davon ist, wie die Theorie der Subjektivierung hier gedacht ist. Deshalb werde ich versuchen, am Rande – neben dem Bezug auf die Dimensionen und die neun Maximen von Saar, die ich im vorangegangenen Kapitel umrissen habe – auch noch die kontroverse Bedeutung der jeweiligen Subjektivierungstheorien mitzuführen.
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Das Was bezieht sich auf die Frage, was Bildung hervorruft, also welche Momente, welche Ereignisse, welche Haltungen dies tun. Wenn beispielsweise kritische politische Bildung Rassismus und seine Wirkungen darstellen möchte, so ist es möglich, dabei auf Subjektivierungsanalytiken zurückzugreifen und damit Wirkweisen plausibel darzustellen. Gleichzeitig wird bzw. könnte es bildungstheoretisch darum gehen, wie Subjekte diese Analyse aufnehmen, sich zu ihr verhalten, und ob und wie sich ein Anders-Denken einstellt. Dabei stände zur Debatte wie ein Seminar oder der Unterricht strukturiert sein muss, damit Bildung statthat.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Welche Perspektiven erschließen sich also, wenn Bildung und Subjektivierung aufeinander bezogen werden und in ein Spannungsfeld unterschiedlicher Erkenntnispole gebracht werden? In einer kursiven Schreibweise werde ich im Anschluss an die Abschnitte den Bezug und weiterführende Antworten zu der vorliegenden Studie festhalten.
2.1.5.1
Subjekt der Bildung/Bildungssubjekt
In Kapitel 2.1.3 wurde deutlich, dass die Konzepte Alterität, Heteronomie, Sprachlichkeit und Differenz jene sind, die diskutiert werden, wenn es darum gehen soll, einen neuen Bildungsbegriff und veränderte Bildungskonzepte zu denken. Mit Bezug auf Jenny Lüders hatte ich herausgearbeitet, dass diese Dimension in neueren Bildungstheorien auf die Abhängigkeit, Verwiesenheit und Fragilität der Subjekte in ihrer Subjektivität und ihrer Subjektkonstitution verweist. Ich hatte darauf hingewiesen, dass eine positionierte Differenz (im Sinne einer hierarchischen Positionierung) nicht unbedingt aufgegriffen wird. Ich hatte konstatiert, dass ich mir dieses Ziel von einer Subjektanalyse erhoffe, was im Anschluss an die unter 2.1.4 gemachten Aussagen mit Ja beantwortet werden kann: Eine Subjektanalyse vermag die Zumutungen herauszustellen und damit auch eine De-Ontologisierung vorzunehmen. Subjektivierungstheoretisch ist die erste Maxime jene, die das Subjekt als machtvoll hergestellte Entität verdeutlicht, und ›es‹ wird von Althusser als Wesen gekennzeichnet, das von Ideologischen Staatsapparaten ›angerufen‹ wird. Mit einem Lacan’schen Subjektbegriff ist das Subjekt eines, das zum Scheitern verurteilt ist; das seine Anrufung zwar erhält, dessen Anrufung aber in der Sphäre der Ideologie ist; das Subjekt bestätigt damit nur die Existenz der Ideologie und reifziert sie, aber das Subjekt kann sich niemals tatsächlich konstituieren.47 Das Subjekt unterliegt also dieser Herstellungsmatrix, die aber tatsächlich nie zu seiner Konstitution führt, sondern immer nur vorläufig gilt. Wie trifft nun dieses ›gemachte‹ und scheiternde Subjekt auf Bildung? Zunächst kann – auch mit Rückgriff auf Althusser – gesagt werden, dass Bildungsinstitutionen Teil dieser von ihm bezeichneten Ideologischen Staatsapparate sind. Hier stellt sich die Frage, inwiefern Bildung Teil dessen ist und sich gar nicht außerhalb bewegen kann. Wie konstituieren Bildungsinstitutionen eigentlich erst diese konkreten Subjekte, wie sie bspw. von (Pfahl/Schürmann/Traue 2015) für Menschen mit Behinderungen beschrieben werden, und wie können Bildungsprozesse im Sinne einer Transformation dann überhaupt aussehen? Und, weiter gedacht: Müsste nicht auch die Frage der konkreten Werdung dieser Subjektivierung, also – im Sinne Altussers – die konkrete Ideologie, betrachtet werden, um daraus letztlich schließen zu können, wie ein Wendpunkt, eine Krise oder auch eine Standpunktveränderung stattfinden kann?48 Diese Transformation wäre im Sinne des gemachten Subjekts, das immer scheitert, 47
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Anders ist es bei Lacan: Bei ihm ist die Sphäre, die Althusser als ideologische beschreibt, die symbolische, und in dieser symbolischen Sphäre konstituiert sich kein Subjekt; es ist vielmehr der Überschuss dieser symbolischen Sphäre, der das Lacan’sche Subjekt – das auch eins des Scheiterns ist – erst in Existenz bringt. Wenn beispielsweise Sondereinrichtungen für Menschen mit Behinderungen, eine je spezifische Bildung anbieten, müsste erst das Zustande-kommen dieser Sondereinrichtung zur Debatte ste-
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aber auch keine, die intrinsisch eine Veränderung wäre, sondern vielleicht eher die Öffnung hin zu neuen Perspektiven. Eine ebensolche Perspektive müsste auch im Hinblick auf die Unterwerfung des Subjekts unter die Macht (zweite Maxime) reflektieret werden. In dieser Hinsicht müsste ›Bildung‹ vor die Frage gestellt werden, in welcher Weise und wie sie in Machtstrukturen involviert ist, und in welcher Weise eine Verfestigung solcher Machtstrukturen durch Bildung erfolgt, durch die Subjekte hervorgebracht werden und sich als diese Subjekte auch erkennen; erst dann kann m.E. die Frage der Transformation als solche gestellt werden. Und im Hinblick auf die dritte Maxime »Das Subjekts wird frei gemacht«: Steht gerade mit Aussicht auf Bildungsversprechen nicht die Frage im Zentrum, ob Bildung im Wesentlichen dazu beiträgt, dieses Freiheitsversprechen zu legitimieren? Und besonders die Perspektive auf Transformation ist m.E. stark darin involviert, ›freie‹ Subjekte anzurufen und Freiheiten über Bildung zu versprechen. Diese Verwicklung gilt es aus meiner Perspektive zu reflektieren und Verwobenheiten kenntlich zu machen. Für meine Forschungsperspektive bedeutet dies herauszustellen, an welchen Punkten Bildungsinstitutionen und Bildungsangebote überhaupt erst dazu beitragen, Subjekte auf diese Art zu konstituieren, wie es in den Interviews am Rande erwähnt wird. Die mit Bezug auf Michel Foucault eingeführten weiteren drei Maximen verdeutlichen aber auch noch weitere Spannungen, die es im Hinblick auf bildungstheoretische Überlegungen und Subjektivierungen zu beachten gilt. Während Althussers Subjektkonzeption – verkürzt gesagt – durch ideologische Anrufungen konstituiert wird und sich doch niemals konstituieren kann, ist Foucaults Subjekt erst zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt entstanden. Diese Entstehung – der an anderer Stelle noch genauer nachzugehen ist – bildet die Voraussetzungen für die Konstitution heutiger Subjekte; dass »das Subjekt ein historisches Produkt« (Vierte Maxime) ist und eben auch historischen Wandlungen unterliegt, wird – wie in den Ausführungen deutlich wurde – sehr stark rezipiert. Seine kultur-historische Entstehung und die damit verknüpfte Idee der Souveränität und Autonomie findet im bildungs- und erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzung eine breite Rezeption.49 Zudem bedarf es aber auch weiterer Auseinandersetzungen damit, wo Bildung und Bildungsbemühungen noch immer die-
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hen und die Subjektivierung in diesen Einrichtungen befragt werden, bevor es hier um Bildungsprozesse gehen würde. Trotz der vielen Beiträge zur Diversifizierung von Subjekten und deren Subjektivität (s. hier zum Beispiel das DFG-Graduiertenkolleg »Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive«) ist noch immer nicht ganz einfach davon zu sprechen, wie Handlungsfähigkeit und Reflexionsvermögen denn tatsächlich ›dezentral‹ ohne Souveränität gedacht und theoretisiert werden können. Hanna Meißner hat in ihrer Dissertation darauf hingewiesen, dass sich dieses Subjektdenken nicht einfach abschaffen lässt, dass wir uns vielmehr immer wieder vergewissern müssen, wie diese Perspektive eingefangen werden kann (Meißner 2010:10).
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
ses autonome Subjekt implizit mitführen50 oder eben Menschen als Noch-Nicht Subjekte adressieren.51 Dass das Subjekt und mithin seine Subjektivierung einer Vielzahl von Bestimmungsmaximen unterliegt (fünfte Maxime), die häufig in der Formel ›Welt-, Selbst- und Anderenverhältnisse‹ hervorgebracht wird, zeigt, dass sowohl Subjektivierung als auch Bildung als relationales Verhältnis gedacht werden müssen. Hier sind m.E. zwei Perspektiven von besonderer Wichtigkeit: Zum einen müssen hier Wissens- und Machtverhältnisse im Blick behalten werden (für die vorliegende Forschung sind das die Kategorien race und Geschlecht), um damit hervorzuheben, wie sich das in einer Wechselwirkung zu Selbst- und Anderenverhältnissen darstellt. Diese Perspektive wird in der Empirie (vgl. Kapitel 4) sehr deutlich. Zum anderen gilt es, diese Bestimmungsmaximen in der Subjektanalytik herauszuarbeiten und sie für die Kennzeichnung von Bildungsprozessen offenzulegen, denn nur, wenn deutlich wird, wie die Konstitution beschaffen ist, können auch Bildungsprozesse des Selbst verdeutlicht werden. Das Subjekt wird konstituiert und konstituiert sich (immer) zugleich (selbst) (sechste Maxime). Die unter diesem Stichwort verhandelte Perspektive nimmt zur Kenntnis, dass das Subjekt immer auch Akteur*in ist und zwar Akteur*in der Selbstverhältnisse, die historisch-kulturell und auch subkulturell geprägt sind.52 Natürlich sind diese Selbstverhältnisse in erster Linie durch Macht- und Wissensverhältnisse geprägt, doch – wie Foucault in der Hermeneutik des Subjekts (2001a) hervorhebt – verändern sich die Selbstbezüge historisch. Was damit verdeutlicht ist, ist das Vorhandensein dieser Selbstbezüglichkeit. Noch lange nicht deutlich aber wird damit, wie sie von den jeweiligen Subjekten aufgegriffen und für sich gedeutet wird. Im Zusammenhang mit Bildung wäre es zunächst interessant, diese Selbstverhältnisse als historisch kontingente und wandelbare Selbstverhältnisse herauszustellen und damit auch eine Variationsbreite von Selbstverhältnissen zu ›bilden‹. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang zu erfahren,
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Das Subjekt oder Subjekt-Sein wurde damit theoretisch vom Kopf auf die Füße gestellt; und doch gibt es noch vielerlei Deutungen in den unterschiedlichen Disziplinen, die in empirischen Forschungen, in Konzeptionen für Bildungspraxis und darüber hinaus auch in anderen Bildungszusammenhängen noch evident werden, wie Heiner Keupp und Joachim Hohl für Sozialwissenschaften insgesamt verdeutlichen: »Auch wenn durchaus erkannt wurde, dass das autonome Subjekt empirisch gesehen eher die Ausnahme als die Regel darstellt, ändert dies nichts daran, dass diese kern-, autonomie- und entwicklungsorientierte Subjektkonzeption zum Standartmodell in den Sozialwissenschaften avancierte« (Keupp/Hohl 2006: 10). Die zweite Betrachtung (sozial-)pädagogischer Interventionen ist die Betrachtung des »NochNicht-Subjekt-Zustandes« (vgl. Leiprecht 2013: 187; Velho 2016: 38). In diesem Zusammenhang wird ein Subjekt fälschlicherweise als noch herzustellend missverstanden. Dieser Blick auf den noch nicht fertigen oder noch zu erreichenden Status, der über andere vermittelt werden muss, »liefert eine Minderstellung, Missachtung, Unterdrückung, Ausgrenzung, Ausbeutung, ja Vernichtung« (Leiprecht 2013: 187). Genau dieses Verhältnis des Noch-Nicht-Seins oder Noch-Zu-Werdens erlaubt eine hierarchische Bewertung, die Machtbeziehungen zugutekommt. Dieses Verhältnis kann für alle Diskriminierungsachsen konstatiert werden, wo ein noch zu erreichender Zustand an eine Gruppe von Personen herangetragen wird und ihre ›Entwicklung‹ am Erreichen dieses Zieles gemessen wird. Vgl. hierzu auch die Arbeiten von Reckwitz (2006).
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wie das Verhältnis von »Subjekt und Wahrheit«53 (Foucault 2001a: 16) gedacht wird und wie sich das Subjekt zur Wahrheit verhält. Diese vielleicht jetzt noch eher kryptisch anmutende Anmerkung werde ich später noch einmal aufgreifen. Hier geht es mir nur darum herauszustellen, dass die Erfassung von Bildungsprozessen, die Theoretisierung von Bildung sich diesem Verhältnis zwischen Subjekt und Wahrheit widmen muss – um mit Foucaults ›Werkzeugkiste‹ spezifische Selbstverhältnisse der Zeit zu verstehen und zu interpretieren. Bildung ist in dieser Perspektive etwas, das im Wesentlichen durch die epistemischen Entwicklungen beeinflusst wäre und vor diesem Hintergrund betrachtet werden müsste. Zusammengefasst bedeutet dies, die Spezifik der historisch entstandenen – in Macht und Herrschaft eingelagerten – Selbstverhältnisse herauszuarbeiten und sie einerseits als historisch-kongruent herauszustellen und gleichzeitig deren Wandlungen zu verdeutlichen. Genau diesen historisch entstandenen Selbstverhältnissen suche ich einerseits theoretisch (Kapitel 2.2) und anderseits empirisch (Kapitel 4-5) auf die Spur zu kommen. Die mit Bezug auf Judith Butler herausgearbeiteten letzten drei Maximen (Maxime sieben: Sprache als Medium und die Verkörperlichung, Maxime acht: psychische Dimension der Subjektivierung, Maxime neun: Moment des Scheiterns jeglicher Subjektivierungen) und deren Relevanz für eine Bildungstheorie möchte ich hier noch abschließend vorstellen. Dabei verlasse ich aber den Pfad der Gegenüberstellung von Bildungstheorie einerseits und Subjektivierungstheorie anderseits. Nadine Rose und Hans-Christoph Koller (2012) haben zentrale Begriffe der Butler’schen Theoreme herausgestellt und sie bereits an bildungswissenschaftliche Überlegungen angeschlossen. Obwohl die vorliegende Studie sich eher Foucault’scher Theorieperspektiven bedienen wird, möchte ich dennoch bildungstheoretische Lesarten von Judith Butler vorstellen und damit begründen, warum ich das im Laufe der Untersuchung so entschieden habe. »Interpellation, Diskurs und Performativität sind zentrale Termini der Theoriearbeit Judith Butlers, denen zugleich erhebliche erziehungswissenschaftliche Relevanz zukommt, da sie wesentliche Aspekte einer Theorie der Bildung betreffen, die als Frage nach der Konstitution und Transformation jenes Verhältnisses begriffen werden kann, in dem Subjekte zur Welt und zu sich selber stehen.« (Rose/Koller 2012: 75) Butlers Begriff der Interpellation – die sprachliche Anrufung – ist im Wesentlichen abgeleitet von Althussers Konzept; Butler verändert diese Anrufungsszenerie aber in eine, die keineswegs von einem großen Subjekt angerufen wird – wie bei Althusser –; vielmehr deutet sie die Anrufungen als Szenerie, die nicht nur alltäglich, sondern von allen Menschen ausgehen. Die Anrufung wird nicht nur zur Alltäglichkeit, sondern die soziale Abhängigkeit zu den Anderen wird auch noch gleichzeitig geleugnet. Diese Leug-
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Foucault beschreibt mit dem Bezug zur Wahrheit keinen Kern, der tatsächlich wahr ist, sondern eher einen Ankerpunkt, nach dem sich das ethische Selbstverhältnis des Subjekts ausrichtet. Er beschreibt Veränderungen dieses Selbstverhältnisses eben nicht durch eine gesellschaftstheoretische Rahmung, sondern durch die Rekonstruktion der unterschiedlichen Praxen in den Selbstverhältnissen.
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nung manifestiert sich aber wiederum psychisch und kann psychoanalytisch gedeutet werden. »Als begehrende Wesen sind die Subjekte für Butler deshalb immer schon für Unterwerfungen unter soziale Normen psychisch prädisponiert – weil sie in existenzieller Weise von anderen abhängig sind, um zu sein.« (ebd.: 81, Herv. i.O.). Gleichzeitig stellt Butler heraus, dass diese Interpellation nicht nur den Geschlechtskörper anzurufen vermag, sondern sie materialisiert ihn auch gleichzeitig. Diese sehr verkürzte Zusammenfassung Butler’scher Theoreme beziehen Rose und Koller dann im Folgenden auf Bildungstheorie, die sowohl Formationen als auch Transformationen des Subjekts im Blick haben muss. Es wird deutlich, dass, wenn diese Subjektivierungsperspektive eingenommen wird, Bildung nicht als etwas betrachtet werden kann, das als ein vom Subjekt »selbst ausgehendes Geschehen begriffen werden kann, sondern vielmehr als Prozess, der von der Anrufung, durch einen oder mehrere andere« (ebd.) hervorgebracht ist. Deshalb – so die Schlussfolgerung – muss die bildungstheoretische Aufmerksamkeit eigentlich einer besonderen Betrachtung der Beziehungen zu anderen gelten, sodass es nicht mehr nur um Welt- und Selbstverhältnisse geht, sondern vielmehr auch um Anderenverhältnisse. Die Verschiebung der Perspektive, die Bildungstheorie leisten muss, wurde auch oben schon angesprochen und wird auch zentral von (Ricken 2013: 33) – angelehnt an Foucault – eingefordert. Jedenfalls ist mit Bezug auf Butler die Konstitution eines Subjekts angesprochen, das in diesen Welt-, Selbst- und Anderenbezügen »eine Dimension des Begehrens umfasst, die vom Subjekt weder kontrolliert noch ganz erfasst werden kann« (Rose/Koller 2012: 82). Bildungstheoretische Perspektiven müssten diese Unverfügbarkeit des Anderen und den affektiven Bedingtheiten des Selbst Rechnung tragen und doch auch gleichzeitig die psychischen Repräsentationen und möglicherweise die affektive Wiederholung entstandener Verletzungen bildungstheoretisch aufgreifen. Bildungstheoretische Perspektiven müssen diese Intransparenz und Unverfügbarkeit der affektiven Dimension berücksichtigen. Während Butler also zum einen Althussers Anrufungsbegriff umdeutet in eine alltägliche Anrufung von Normen, deutet sie auch Foucaults Diskursbegriff um – bzw. verschränkt ihn mit psychoanalytischen Perspektiven. Im Anschluss an Foucault beschreibt sie den Diskurs als Reglementierung des Sagbaren, der Diskurs gibt den Rahmen vor, in dem intelligible Subjekte entstehen können. Auch im Bezug auf den Körper entspricht sie Foucaults Aussagen und zeigt, wie die Macht den Körper formt. Wie diese Prozeduren im Kern vor sich gehen, beschreibt Butler folgendermaßen: »Das Gefängnis wirkt also auf den Körper des Gefangenen ein, aber so, dass es den Häftling zur Annäherung an ein Ideal zwingt, an eine Verhaltensnorm, ein Modell des Gehorsams. So wird die Individualität des Häftlings kohärent gemacht, totalisiert, so wird sie zum diskursiven und begrifflichen Eigentum des Gefängnisses; auf diese Weise wird der Gefangene, wie Foucault sagt, ›zum Prinzip seiner eigenen Unterwerfung‹. Dieses dem Häftling eingeprägte normative Ideal ist eine Art psychischer Identität oder eine ›Seele‹, wie Foucault sagt.« (Butler 2001b: 82) Weiterhin erklärt sie, dies sei eine Art »diskursive Identitätserzeugung« (vgl. Rose/Koller2012: 85), die Foucault da beschreibe. Die Seele als Gefängnis des Köpers bei Foucault
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bleibt aber eine äußerliche Einwirkung auf den Körper. Butler reichert diese Perspektive mit einer psychoanalytischen an und stellt heraus, dass die von Foucault beschriebene ›Seele‹ eigentlich dem »Ichideal« (ebd.) entspreche, »der Norm, die das Subjekt in die Sprache und damit in die verfügbaren Schemata kultureller Selbstverständlichkeiten einführt« (Butler 2001b: 83). Sie folgert damit die psychische Konstitution dieser Verhaftung und zeigt zugleich: »Wenn die Seele nichts anderes ist als ein Instrument im Dienste der Disziplinierungsmacht, ist keine psychische Instanz denkbar, von der Widerstand gegen Disziplinierung und Normalisierung ausgehen könnte« (Rose/Koller2012: 85). Um nun wiederum Widerstand denken zu können, greift sie auf psychoanalytische Theorien zurück und kann festhalten, dass das Unbewusste quasi als Rest oder Überschuss gedacht wird und es damit keine gänzliche Normierung gibt. Das Unbewusste ist damit das, »was jeden Versuch des Symbolischen zur kohärenten und vollständigen Konstituierung einer sexualisierten Identität durchkreuzt« (ebd.) Auf dieser Ebene findet immer ein Scheitern statt, das die komplexe Konstituierung einer Identität immer verfehlt. Bildungstheoretisch bedeutet dies vor allem, dass das Unbewusste als »Movens von Bildungsprozessen« (Rose/Koller 2012: 86) mitbedacht werden muss, wenn es nicht gar deren Initiator ist. Im letzten Kapitel ihrer Auseinandersetzung mit Butlers Theoremen und deren Bedeutung für Bildungstheorie wenden sich Rose und Koller dem Begriff der Performativität zu. Um Diskurse als konstitutiven Rahmen von Anrufungen zu deuten, bezieht sich Butler auf die Sprechakttheorie von Austin (2007 [org. 1962]), mit der sie einerseits die Wirkungen von Sprache an sich zeigen und andererseits darauf verweisen kann, dass es keinen Ruf des großen Subjekts von Althusser braucht; vielmehr konstituiert die Sprache diesen Rahmen (Rose/Koller 2012: 87). Obwohl es so wirkt, als wäre Austins Sprechakt-Theorie ähnlich zu betrachten wie Althussers Perspektive der Anrufung, zeigt Butler deutlich, dass Austin von einem vorgängigen Subjekt spricht – während Althussers Subjekt in der Sprache konstituiert wird. Sie löst diese Frage, durch den Hinweis, die Ansprache durch einen anderen bringe das Subjekt zwar in Existenz, aber dieses Subjekt habe (so wie alle) auch die Möglichkeit, andere in einem Sprechakt anzurufen. »Ein solches Subjekt ist von der Anrede anderer notwendig abhängig, die ihm erst Existenz verleiht und dadurch ist es grundsätzlich gegenüber der Sprache verletzlich« (ebd., Herv. i.O.). Da die Sprache dem Subjekt vorgängig ist, verweist Butler darauf, dass das Sprechen nicht durch seine Intentionalität und auch nicht durch die Konventionalität des Sprechaktes (wie bei Austin) zu erklären ist, sondern eher durch seine beständige Wiederholung im Diskurs und durch die Position des Sprechenden. Da die Wiederholung aber auch immer misslingt und nie ganz die vorherige Zitation einfangen kann, kann Butler – mit Verweis auf Derrida (1988a) und dessen Auseinandersetzung mit Austin – zeigen, wie Widerstand möglich sein kann und dass sogar an dieser Stelle die Möglichkeit politischen Handelns liegt. »Es ist die Kluft dieser konstitutiven Nicht-Übereinstimmung in der Performanz, die erst die Möglichkeit eines körperlichen Sprechens denkbar macht, das den Normen, die es regulieren, dort widersteht, wo es sie praktisch für andere Zwecke fehlaneignen kann. Es ist diese Kluft, die Butlers Idee des Politischen ausmacht« (Rose/Koller 2012: 92). Mit Bezug auf diese Denkrichtung Butlers offerieren sich mehrere Perspektiven, die Bildungstheorie als Welt-, Selbst- und Anderenverhältnis theoretisiert. Das ist zu-
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nächst die Perspektive, dass Begriffe wie ›Subjekt und Macht‹ und ›Heteronomie und Autonomie‹ nicht als strikt gegensätzlich betrachtet werden können, sondern vielmehr miteinander verbunden sind, möglichweise das eine sogar das andere hervorbringt. Außerdem würde eine Bildungstheorie, die im Anschluss an Butler Transformationsund Formationsverhältnisse des Subjekts verstehen möchte, Welt-, Selbst- und Anderenverhältnisse in ihrer Ambivalenz und Vielschichtigkeit wahrnehmen. Aber nicht nur die Ambivalenz und Vielschichtigkeit von Transformations- und Formationsprozessen spielt in bildungstheoretischen Zugängen eine Rolle, sondern auch die Möglichkeit, Subjektivierungen durch Verschiebungen und Nicht-Wiederholungen zu verändern. Rose und Koller halten dazu fest: »Zugleich eröffnet Butlers Bezug auf einen Begriff der Wiederholung, der diese nicht als identische Reproduktion, sondern als Verzeitlichung, Verschiebung und Veränderung denkt, die Möglichkeit, nach Spielräumen für Transformationsprozesse nicht jenseits von Macht- und Diskursgeflechten zu suchen, sondern innerhalb der Bedingungen, die Individuen zu Subjekten machen.« (Rose/Koller 2012: 93) Als dritte und letzte Perspektive weisen Rose und Koller darauf hin, was für Butler das Politische ist – nämlich das, was in jenem Bereich zwischen Resifignation und Zitation als Kluft auftritt – indem möglicherweise »neue Figuren des Welt- und Selbstbezugs entstehen« (ebd.), »die darin bestünden, neue Artikulationen vorläufiger und wandelbarer Identitäten hervorzubringen, die Identitätszuschreibungen durch vorherrschende Diskurse aufgreifen und dabei umdeuten, verschieben bzw. so verändern, dass sie neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen.« (Ebd.) Zusammengefasst bedeutet dies: Obwohl hier viele theoretische Perspektiven von Foucault, Althusser und auch Butler insgesamt nicht zur Sprache gekommen sind, sondern der Fokus vielmehr auf einem zusammenfassenden Beitrag ihrer Perspektiven in der Diskussion mit Bildungstheorien liegt und auch das nur in einer sehr verknappten Version geschehen ist, wurde doch hoffentlich deutlich, wie sich die Perspektive auf Bildungsprozesse verschiebt, je nach theoretischer Fassung der Subjektivierungsanalytik. Während bei Althusser dessen ideologische Hervorbringung im Fokus steht und unter dieser Perspektive im Weiteren geklärt werden müsste, was wir unter Ideologie verstehen und inwiefern Bildung in diese Ideologie involviert ist, stehen mit Foucault historisch gewordene Selbstverhältnisse und sedimentierte Erfahrungen in Macht-, Diskurs-, Wissens- und Selbstverhältnissen im Mittelpunkt der Betrachtung. Obgleich die unter Butler beschrieben Konzepte auch Anschlussstellen – im Besonderen an Stellen der Empirie – zeigen, habe ich mich, wie bereits erwähnt, im Laufe des Prozesses dazu entschieden, Foucaults Macht-, Wissens- und Selbstverhältnisanalyse in der vorliegenden Studie zu verwenden. a) Es ist in dieser Forschung mein Anliegen, die diskursive Hervorbringung der Subjekte und deren Bezugnahme darauf zu untersuchen. Es geht mir gewissermaßen darum herauszustellen, wie Diskurse den Möglichkeitsraum konstituieren und wie Subjekte sich in diesem verhalten. Damit möchte ich das Subjekt in dieser Arbeit
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als Form betrachten, dessen Entstehungsprozess auf der Diskurs- und der Strukturebene angesiedelt ist und das im Wesentlichen durch Episteme und darin eingelagerte Verhältnisse bestimmt ist. Foucaults historisch-genalogische Arbeit kann mir dabei helfen, Macht-, Wissen- und Selbstverhältnisse im Kontext von race und Geschlecht einzuordnen und trotzdem auch die derzeitige Veränderung zu verdeutlichen. Die von Butler eingebrachte ›psychische Macht der Sprache‹ ist zwar an vielen Stellen anschlussfähig, aber die Interviews geben eine solche Untersuchung nicht her. Im Verlauf der Interviewbearbeitung gab und gibt es sehr viele Anschlussstellen an Butler, die ich dann immer wieder kenntlich machen werde. Bildungstheoretisch bedeutet das in der vorliegenden Forschung, dass ich eher danach frage, wie Kontextveränderungen, Möglichkeitsbedingungen und Episteme sich verändern, die dann auch Subjekttransformationen unterstützen. Besonders in Kapitel 2.2.6 wird die Veränderung der Episteme deutlich, wenn ich herausarbeite, wie sich stereotype Anrufungen, die Women of Color erfahren haben, historisch verändern. b) Deutlich wurde auch, dass es um je konkrete Subjekte gehen muss, deren Eingebundenheit in die je konkreten Machtwirkungen zur Disposition steht; je konkrete Konstellationen herauszustellen und zu verdeutlichen trägt dazu bei, Subjektpositionen54 (poststrukturalistisch betrachtet) zu diversifizieren. Diese Perspektive trägt dazu bei, Rassifzierungen in ihrer Interdependenz mit Vergeschlechtlichungen zu veranschaulichen und weitere Interdependenzen (bspw. Sexualität) herauszustellen. c) Weiterhin wäre in einer Analyse im Anschluss an Butler auch die sprachliche Verfasstheit der Subjektivierung zentral. Obwohl auch bei den anderen beiden Theoretiker*innen das Sprechen und sprachliche Diskurse die Inauguration des Subjekts (in ihren je unterschiedlichen Interpretationen) darstellt, ist die Frage der Sprache bei Butler noch ein wenig weitgehender eingesetzt: Mit ihrer Perspektive auf Performativität stellt die Sprache auch den zentralen Punkt des Verschiebens, der Neu- und Andersartikultion von Subjektpositionen dar und das Unbewusste, das möglicherweise auch in Sprache zum Ausdruck käme, müsste eine zentrale Stelle in Subjektivierungsanalysen dieser Art haben. Nur mit einem Denken der Kluft – dem Widerstand gegen die Rezitation der Normen – wäre eine Veränderung und 54
Sehr verkürzt zusammengefasst: Subjektpositionen in einem psychoanalytischen Sinn sind nach der Auffassung Tove Soilands (2010) auf einer anderen Ebene angeordnet, der Ebene des Symbolischen. Auf dieser Ebene gibt es nach Lacan’scher Lesart nur die männliche Begehrensstruktur, die das Gesetzt des Vaters initiiert und damit intelligible Subjekte hervorbringt. Subjektpositionen und Repräsentationen in einem poststrukturalistischen Sinn sind – zumindest in manchen feministischen Lesarten – auf der Ebene des Imaginären angesiedelt und hebeln somit die symbolische Ordnung der Geschlechterverhältnisse nicht aus. Soiland möchte damit darauf hinaus, dass es nicht reicht, auf der Ebene der Normen Geschlechterverhältnisse zu hinterfragen, eine Kritik müsse vielmehr diese symbolische Ebene angreifen. Obwohl ich, aus einer rassismuskritischen und postkolonialen Perspektive, tatsächlich eher glaube, dass rassistische Normen dazu beitragen, dass die interviewten Frauen* derartige Diskriminierungen und Ausgrenzungen erfahren haben und ich meine, es dürfe nicht vernachlässigt werden, Normen zu hinterfragen (was Soiland auch nicht tut, aber sie kritisiert eben, dass diese Perspektive einzig und allein verfolgt wird), wäre es interessant, Rassifizierung auf dieser (psychoanalytisch-)symbolischen Ebene zu verstehen; ein Projekt, das möglicherweise ein zukünftiges sein könnte.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
damit etwas Neues, eine »neue Figur« (Rose/Koller 2012: 83) denkbar. Mit Foucault liegt der Fokus eher auf Praktiken, die in einem wesentlichen ethischen Bezug zum Selbst betrachtet werden können. Diese Sprach- und ästhetischen Praxen lassen sich in der Empirie sehr gut zeigen (vgl. Kapitel 4.6).
2.1.5.2
Gesellschaftstheoretische Perspektiven
Als zweite Dimension im Bildungsbegriff möchte ich nun nach der Passage, die sich der Perspektive auf Das Subjekt der Bildung und subjektivierungstheoretischen Betrachtungen darin widmete, Bildung und Gesellschaft und die darin angezeigten subjektivierungstheoretischen Maximen erörtern. Wie oben mit Rückgriff auf Jenny Lüders und ihre Ausführungen deutlich wurde, ist eine gesellschaftstheoretische Perspektive für die Beschreibung und die analytische Sicht auf Gesellschaft von großer Bedeutung, wenn Bildungsprozesse als solche beschrieben und empirisch betrachtet werden sollen. Nur über eine analytische Haltung gegenüber Gesellschaft, ihrer Historie, ihren brisanten Prozessen, Veränderungen und zukünftigen Perspektiven – wie Peukert sie oben ausführt – kann sinnvollerweise etwas entwickelt werden, das sich möglicherweise als kritisch-emanzipative Bildung auszeichnen kann. Wie aber in den folgenden Ausführungen deutlich werden wird, sind Gesellschaft und Subjekt nicht mehr einfach als sich gegenüberstehende Entitäten zu betrachten, vielmehr wird das Subjekt in poststrukturalistischen Theorien zum Durchgangs- und Ausgangspunkt von Gesellschaft: ›Wir‹ sind unsere Gesellschaft. Schwierig wird es damit, einen Ausgangspunkt für Veränderung zu konstatieren, weil ›wir‹ ja auch immer darein verwickelt erscheinen, da wir nicht nur produziert, sondern auch gleichzeitig Produzent*innen sind. In diesem Abschnitt soll es also noch einmal darum gehen zu untersuchen, welche gesellschaftstheoretischen Maximen mit einer subjektivierungstheoretischen Perspektive im Anschluss an Foucault und Butler gewonnen wären und wie diese sich dann letztlich in Bildungstheorien, -ziele und Analysen übersetzen lassen. Obwohl auch die gesellschaftstheoretischen Analysen Althussers sehr interessant sind, insbesondere seine marxistischen Analysen und Veränderungen hinsichtlich der Erfassung oder des Wirkens von Dialektik, würde es hier zu weit führen, diesen Komplex auch noch zu erörtern. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, mich gezielter nur den gesellschaftstheoretischen Analysen Judith Butlers und Michel Foucaults zuzuwenden. Mein Ziel ist dabei immer noch, einerseits den Gewinn für bildungstheoretische Perspektiven herauszuarbeiten und anderseits herauszustellen, welche Perspektiven von Foucault für mich weiterführend sind. Für die Darstellung der gesellschaftstheoretischen Perspektiven beginne ich dieses Mal mit Judith Butler und werde mich dann Michel Foucault zuwenden. Beide haben unterschiedliche Auffassungen von Gesellschaft, sie können aber beide als Theoretiker*innen betrachtet werden, die einerseits gesellschaftliche Veränderungen durch ihre Theorien anstoßen woll(t)en und die andererseits auch über kritisch-reflexive Theorien, Auseinandersetzungen und Reflexionen dazu beitragen woll(t)en, gesellschaftliche Verhältnisse zu reflektieren. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass beide versuchen, über eine theoretische Rekonstruktion von strukturellen Zusammenhängen zu erarbeiten, wie Möglichkeiten innerhalb, aber eben auch in der Differenz zu diesen Strukturen
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aussehen können. Beide haben, wie oben schon dargestellt, einen Subjektbegriff, der als Durchgangs- und Kontenpunkt von strukturellen und gesellschaftlichen Verhältnissen betrachtet werden kann. Implizit verweisen die Analysen von Foucault und Butler auf Spannungsfelder, die in früheren sozialwissenschaftlichen Theorien als Gegensatzpaare aufgelöst wurden, welche sich zum einen über die schon angesprochene Spannung zwischen Heteronomie und Autonomie, im Weiteren zwischen Individuum und Gesellschaft und zwischen Handlung und Struktur immer wieder ausloten müssen. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen sind bei beiden Autor*innen diese Dualismen eher als Kontinuum zu erkennen, was schon daran deutlich wird, dass das Subjekt nur handlungsfähig wird, indem es sich den Strukturen unterwirft. In meiner nun folgenden Kurzzusammenfassung beziehe ich mich auf Hanna Meißners Ausführungen in ihrer publizierten Dissertation Jenseits des autonomen Subjekts (2010) und versuche, ihrer Perspektive folgend, die gesellschaftskritische Perspektive Butlers darzustellen. Hanna Meißner rekonstruiert in ihrer Arbeit die Theoreme von Judith Butler, Michel Foucault und Karl Marx und untersucht sie darauf, was sie und wie sie (widerständige) Handlungsfähigkeit im Kontext ihrer gesellschaftlichen Hervorbringung betrachten. Sie beginnt bei ihrer Betrachtung mit Judith Butler, nicht nur, weil sie in den Theoriezugängen jene ist, die sich am explizitesten mit feministischer Theorie auseinandersetzt, sondern weil Butler explizit »am Subjekt und seiner Handlungsfähigkeit ansetzt« (Meißner 2010: 17). Als Grenze – nicht unbedingt im Hinblick auf die Kritiken, die an Butler herangetragen werden: a) nicht genügend gesellschafts-historisch55 zu argumentieren oder b) überhaupt keine Gesellschaftstheorie56 entworfen zu haben und c) ein diskursiv-monistisches Modell zu betreiben – hält Meißner fest, »dass Butlers Blick auf die normativsymbolische Konstitution vergeschlechtlichter Subjekte letztlich zu abstrakt bleibt, so dass sie die Subjekte und ihre Handlungsfähigkeit nicht hinreichend gesellschaftlichhistorisch situieren kann« (ebd.: 17). Eine Butler’sche Perspektive Meißner weist mit dieser Perspektive ihrer Kritik andere Kritiker*innen zurück und nimmt diese gleichzeitig als Ausgangspunkt ihrer Analyse. Sie zeigt damit erstens, dass Butler eine gesellschaftskritische Perspektive hat, die auch historische Veränderungen mitdenkt, diese aber eben nicht genügend in die konkreten gesellschafts-historischen Bedeutungszusammenhänge rückbinden kann und zweitens, dass Butler auch eine historische Rekonstruktion der Geschlechterverhältnisse vornimmt, die eine bestimmte Perspektive auf die Ermittlung gesellschaftlicher Verhältnisse und widerständiger Handlungsfähigkeit freigibt (Meißner 2010: 20). Butlers Ziel war es nicht nur, eine Subjektkritik des humanistischen Verständnisses von Subjekt hervorzubringen, 55
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Diese Kritik ging aus einer Publikation hervor: »Streit um Differenz. Feminismus und Postmoderne in der Gegenwart« (Benhabib 1994) in der sich unterschiedliche Geschlechterforscherinnen mit Judith Butler austauschten. Es gibt auch Kritiken an ihr aus einer postkolonialen Perspektive, die ich aber später noch aufgreife. Hanna Meißner verweist auf einen Strang der Kritik, der bei Andrea Bührmann (2004: 17) genauer ausgeführt wird (vgl. auch Meißner 2010: 20). Markus Rieger-Ladich weist drauf hin, dass sich seiner Meinung nach Butlers gesellschaftstheoretische Perspektiven, mit Publikationen wie bspw. Raster des Kriegs (Butler 2010) in den letzten Jahren noch erweitert haben (vgl. Rieger-Ladich 2012).
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
sondern diese auch als »historische Singularität« (ebd.: 22, Herv. i.O.) zu kennzeichnen. Meißners Kritik setzt nun da an, wo die Geschlechtertheorie – in deren Horizont sich dieses Subjekt formt – nicht als ein spezifisches Verhältnis der westlichen Gesellschaften einerseits und ein kultur-historisches Verhältnis andererseits gefasst wird; sie zitiert Oyèrónke Oyěwùmi, die ihrerseits Geschlechterverhältnisse der Yoruba herausarbeitet, welche eben genau nicht in der Matrix des (heterosexuellen) Begehrens, die sich aufeinander bezieht und dabei männlich oder weiblich ist, aufgehen (Oyěwùmí 2014).57 Oyěwùmís Kritik ist dann auch folgend, dass Butler die heterosexuelle Matrix universalisiere, anstatt sie zu kontextualisieren (vgl. ebd.). Meißner beginnt ihre Betrachtung mit der »normativ-diskursiven Konstitution des Subjekts« (Meißner 2010: 24) und zeigt hier auf, inwiefern Butler das Subjekt als linguistische Form begreift. Diese linguistische Form ist eingebettet in »sprachlich-symbolische Strukturen, die spezifische Subjektivitäten hervorbringen« (ebd.). Da Butler die sprachlich-symbolischen Strukturen als Normen versteht, die dieser Strukturierung in gewisser Weise vorausgehen, kann sie mit ihrer Perspektive auf Performativität zum einen deren zitierende Herstellung verdeutlichen, aber auch deren Verschiebung kenntlich machen (s. auch meine Ausführungen unter 2.1.5.1 Subjekt der Bildung/Bildungssubjekt – hier die Diskussion von Rose/Koller). Die handelnden Subjekte verstehen ihre Identität auf der Grundlage dieser Normen und müssen diese wiederum auf die vorgängige Soziale Ordnung beziehen. »Aus dieser Perspektive ist eine kohärente und kontinuierliche Identität nicht deskriptives Merkmal der Persönlichkeit, sondern vielmehr eine normative Voraussetzung der Intelligibilität« (ebd., Herv. i.O.). Butler fasst diese Intelligibilität (der Geschlechter) in eine symbolische Ordnung, die sie Lacans Begriff der symbolischen Ordnung entnimmt und ihn mit Foucaults Macht-Diskurs-Regime erweitert. Damit stellt sie Lacans Begriff der symbolischen Ordnungen deren vorgängigen Normen gegenüber und kann die je historisch spezifische Perspektive der Zweigeschlechtlichkeit mit Foucaults Macht-Diskurs-Regime als spezifische Konstellation herausstellen. Butler geht es darum, mit der symbolischen Geschlechterordnung auf einer abstrakten Ebene den Grund für die Zweigeschlechtlichkeit der Subjekte zu erfassen und diesen Grund zugleich als historisch auszuweisen (vgl. ebd.: 9-18). Butler benutzt den Begriff der Norm in Anlehnung an Foucault, um die historische Bedingtheit und Geschichtlichkeit, »also die Kontingenz« (ebd.: 29, Herv. i.O.), um sich von Lacans Begriff des Gesetzes58 und die damit »konstruierte Grenze der Intelligibililtät« (ebd.) abzusetzen. Im Gegensatz zu Lacan sieht sie das Gesetz nicht als Struktur über den Verhältnissen, sondern im Gegenteil: Sie weist diesem Gesetz eine vorgängige Norm zu, mit spezifischen Auswirkungen für das geschlechtsspezifische Leben (Butler 2001a: 43). Butler nimmt aber eine Unterscheidung in ihrer gesellschaftstheoretischen Kritik der Zweigeschlechtlichkeit und der Heteronormativität vor: Sie unterscheidet zwischen abstrakt bestimmbaren symbolischen Normen einerseits und deren empirischer gesellschaftlicher Sedimentierung in Gesetzen, Institutionen und Regelungen anderseits. »Diese symbolischen Strukturen […] stellen den nichtessenziellen Grund 57 58
Für mich ist dieser Hinweis von großer Bedeutung, weil es das Feld, in dem sich ›meine Subjekte‹ bewegen, empirisch noch einmal aufspannt. Gemeint ist das Gesetz des Vaters.
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der Zweigeschlechtlichkeit dar, die sich vermittels gesellschaftlicher Regulierungen in konkreten gesellschaftlichen Phänomenen manifestieren« (Meißner 2010: 31). Diesen Unterscheidungen widmet sich Meißner unter der Überschrift: »Heteronormativität und Phallogozentrismus: historische Bedingungen der Zweigeschlechtlichkeit« (ebd.). Unter der Zweigeschlechtlichkeit versteht Butler die historische Konstruktion von ausschließlich zwei Geschlechtern, die heteronormativ aufeinander bezogene Begehrensstrukturen entwickeln und darüber Geschlechtern ihre soziale Intelligibilität gibt. Mit Rückgriff auf Foucault denkt Butler diese Form des Aufeinander-Bezogen-Seins als unbedingt historisch und damit auch als überwindbare Konstruktion der Norm. Die Konstruktion dieser Norm weist Butler in Zusammenhang mit drei Elementen aus: »(Geschlechts-)Identität, (Geschlechts-)Körper und Sexualität« (ebd.). Nicht nur Sexualität als Zentrum und kultur-historische Größe zu verstehen, wie Foucault dies an mehreren Stellen bereits ausgeführt hatte, sondern auch den Geschlechtskörper und die Identität hinzuzunehmen, also jeden Naturalismus in Bezug auf die Konstruktion von Mann und Frau herauszunehmen, hat die gesamte feministische und darüber hinaus viele Fachdebatten (wie bspw. die erziehungswissenschaftliche) sehr beeinflusst. Die Wahrnehmung zweier distinktiv voneinander getrennter Körper und deren biologische Erkennbarkeit nennt Butler einen »Effekt diskursiver Prozesse« (ebd.). Um diese historisch-kulturelle Norm zu dekodieren, schlägt sie vor, sie genalogisch59 in ihrer Konstruktion zu verfolgen und nimmt diese Untersuchung auch entsprechend vor. »In ihrem genalogischen Verfahren stellt sie nämlich in gewisser Weise die Frage nach dem ›Warum‹ – und damit nach der Notwendigkeit –, indem sie die gesellschaftlichen Gründe erforscht und diese in einem historischen Strukturzusammenhang verortet.« (Ebd.: 32) Mit dieser Arbeit kann sie sich einer gesellschaftstheoretischen Perspektive nähern, die Heteronormativität und Phallogozentrismus »als die beiden symbolischen Konfigurationen [betrachtet], die jene Machtformationen regulieren, durch die wiederum die heteronormative Geschlechterdifferenz als gesellschaftliches Phänomen hervorgebracht wird« (ebd.) und sie gesellschaftstheoretischen Analysen zuführen. In der heterosexuellen Matrix sind die Geschlechter nicht nur binär angeordnet, sie sind auch hierarchisch angelegt; diesen Aspekt entwickelt Butler mit Rückgriff auf Luce Irigarays Lesart von Lacan. Butler entfaltet mit dem Begriff Phallogozentrismus60 – der auf Derrida zurück geht – eine Perspektive auf Gesellschaft, die vom Männlichen
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»Die genealogische Kritik lehnt es ab, nach den Ursprüngen der Geschlechtsidentität, der inneren Wahrheit des weiblichen Geschlechts oder einer genuin authentischen Sexualität zu suchen, die durch die Repression der Sicht entzogen wurde. Vielmehr erforscht die Genealogie die politischen Einsätze, die auf dem Spiel stehen, wenn die Identitätskategorien als Ursprung oder Ursache bezeichnet werden, obgleich sie in Wirklichkeit Effekte von Institutionen, Verfahrensweisen und Diskursen mit vielfältigem und diffusem Ursprungsort sind.« Butler (1990 [dt. 1991]: 9). Phallogozentrismus leitet sich ab von dem Begriff Logozentrismus, der aus der christlich-abendländischen Tradition stammt. Logos meint dabei etwas, das eine ursprüngliche telelogische Wahrheit und damit gottgleich einen ursprünglichen Zusammenhang von Prinzipien darstellt. Auf diesem Denkmodel der letztbegründeten Vernunft beruht die abendländische Metaphysik, »deren Denkmodelle nach dem Ursprung sowie der (einen) zentralen Struktur von Phänomenen fragen« (Meißner 2010: 33, Fußnote 11).
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als Norm ausgeht und das Denken in aufeinander bezogene Dichotomien einteilt, wie bspw. Geist und Körper oder Kultur und Natur. Die Begriffe sind jeweils hierarchisch angeordnet und männlich oder weiblich konnotiert; ähnliche Dichotomien finden sich auch in rassistischen Praxen61 . Butler kann mit der analytischen Fassung dieser beiden Theoriewerkzeuge die beständige Herstellung der heterosexuellen Matrix gesellschaftstheoretisch darstellen. Da im vorherigen Abschnitt schon ausführlich auf Butlers Theoreme der Performanz und der Iterabilität eingegangen wurde, soll hier nur noch einmal eine gesellschaftstheoretische Perspektive auf diese Theoreme erfolgen. Die Mechanismen der sprachlich-symbolischen Konstruktion der Geschlechterdifferenz können – wie schon erwähnt – als Butlers Beitrag zu einer gesellschaftstheoretischen Auseinandersetzung betrachtet werden. Hanna Meißner weist aber nochmals darauf hin, dass es sich hier um »Konstruktionsprozesse ohne Konstrukteure« (ebd.: 36, Fußnote 14) handelt; vielmehr geht es um die sprachlich-symbolische Möglichkeit, wie das Subjekt in die Welt tritt. Sprache hat in diesem Sinn die Eigenschaft, etwas nicht nur zu bezeichnen und in dieser Bezeichnung zu repräsentieren, sondern Sprache ist in dem Sinn performativ, weil sie Dinge, Personen, Geschlecht mit Bedeutung verknüpft. Sie wird relevant, indem sie zeigt, dass performative Sprechakte sich mit Macht-Diskurs-Regimen verknüpfen und diese zitierend wiedergeben und damit aktualisieren. Macht betrachtet Butler im Anschluss an Foucault als »Grundlage und Voraussetzung des Sozialen […], als strukturelles Gefüge, dem die Individuen ihr Dasein als Subjekte verdanken. Macht steht in diesem Sinne der individuellen Handlungsfähigkeit nicht einschränkend gegenüber, sondern ist eine produktive Instanz, die den Subjekten ihre soziale Existenz und damit ihre spezifische Handlungsfähigkeit ermöglicht« (ebd.: 37). Butler nimmt – Meißners Aussagen zufolge – eine Historisierung in zwei Richtungen vor: Einerseits sind es Sprecher*innen aus bestimmten Positionen, deren Sprechakt im Diskurs auch als einer wahrgenommen wird, der spezifische Wirkungen hat und die historisch veränderbar sind; anderseits verweisen die Machtverhältnisse auf historische Machtverhältnisse und Diskurse, die sich jeweils verändern und in einem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext stattfinden. Auf den Punkt gebracht bedeutet das, dass sowohl die Subjekt-Position und der Sprechakt, als auch die Machtverhältnisse und Diskurse historisch veränderbar sind und zueinander in Bezug gesetzt werden müssen. In Foucaults Diskurs-Begriff – der einerseits im nächsten Abschnitt noch besprochen und andererseits in Kapitel 2.3 noch dezidierter auf seine methodologischen Fragen und Veränderungen befragt werden soll – sind diskursive Praktiken immer in einem Verhältnis von Positionen des Sprechens, Art des Diskurses und gesellschaftlichen Verhältnissen gedacht und können nicht unabhängig davon analysiert werden. Mit Rückgriff auf diese Prämissen kann Butler eine »historische Bestimmung der Möglichkeiten performativer Praktiken« vornehmen »und deren besondere Freiheitsgrade ausloten.« (Ebd.) Sie zeigt damit eine Möglichkeit der dezentrierten Artikulation, die 61
Vgl. hierzu bspw. Piesche 2005a, b und meine Ausführungen in Kapitel 2.2.3.
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kein Subjekt voraussetzt; trotzdem wird gerade hier deutlich, dass auch die Situiertheit des konkreten Subjekts in Gruppen Artikulationen auf andere Weise ermöglicht und dass die Subjekte zwar mit je spezifischen Sprecher*innenpositionen sprechen, aber trotzdem nicht als Einzelpersonen agieren.62 Darüber hinaus kann Butler mit Bezug auf Jaques Derrida auf die (strukturimmanente) innere Dynamik der symbolischen Ordnung (ebd.: 38) hinweisen und deutlich machen, dass diese nur durch die Rezitation reifiziert wird und dieser Vorgang notwendigerweise nie ganz deckungsgleich erfolgt. »In dieser als Iterabilität bezeichneten zeitlichen und räumlichen Bewegung der Sprache eröffnet sich die Möglichkeit der Umdeutung und Resignifizierung« (ebd., Herv. i.O.). Diskurse haben also einerseits strukturierende Momente, die aber auch gleichzeitig von Butler als Prozesse bezeichnet werden, die in ihrer Wiederholung nicht kongruent verlaufen, wodurch sich Verschiebungen ergeben; diese Diskurse formieren aber die oben beschriebenen Geschlechterverhältnisse und bringen das Subjekt als solches erst hervor. Die Strukturierung durch Diskurse, die aber wiederum der Performanz der Subjekte bedarf, verbindet die unterschiedlichen Ebenen miteinander. Diese Verbindung ist aber nicht von zentralen Subjekten und ihnen gegenüberstehenden strukturierenden Diskursen zu denken, vielmehr ist es eine Art Seins-Weise, die, so verstehe ich diese Perspektive, die strukturierende Struktur immer wieder hervorbringt. In dieser Perspektive ist damit auch schon Butlers gesellschaftskritisches Handlungsspektrum aufgezeigt: Die Dekonstruktion. Meißner verweist nicht nur auf die Genealogie, die oben schon als kritische Gesellschaftsanalyse angesprochen wurde, sondern eben auch auf die Dekonstruktion, die Butler dazu nutzt, um auf »linguistische Dimensionen gesellschaftlicher Perspektiven« (ebd.: 40) zu blicken. Die Dekonstruktion erlaubt es, nicht auf normative Standpunkte zu verweisen und auch keinen ursprünglichen oder natürlichen Anfangspunkt als Gegenentwurf zu kennzeichnen; vielmehr kann die Dekonstruktion dazu beitragen, die strukturierende symbolische Norm zu hinterfragen. Butler hat mit ihren vielfältigen Auseinandersetzungen, gerade auch in letzter Zeit, ihre gesellschaftstheoretische Perspektive erweitert und sie mehr und mehr zu einer politisch-ethischen Perspektive entwickelt. Mit dieser Perspektive liegt also eine dezidiert gesellschaftskritische vor, die Butler zu Beginn und wohl auch als Fundament ihres Denkens in erster Linie auf Geschlechterverhältnisse bezieht. In einer postkolonialen Kritik an ihr wird nicht nur deutlich – wie oben schon kurz angedeutet –, dass die Norm der Zweigeschlechtlichkeit als vorgängig und a-kulturell erscheint, sondern dass materielle und globale Verhältnisse (wie Ökonomie, Klassensysteme, Arbeitsmarktsegregation und Postkolonialismus, um nur einige zu nennen) nicht als gesellschaftliche Ungleichheit gefasst werden, in und zu denen sich die Subjekte verhalten müssen, und daher die Anrufungsverhältnisse an diese Situationen gekoppelt sein müssten (vgl. Gutiérrez Rodríguez 1999). Butler bietet in ihrer gesellschaftskritischen Perspektive für bildungswissenschaftliche Perspektiven einige Anknüpfungspunkte, die ich hier noch einmal kurz herausstellen möchte. Zum einen – und ich würde sagen: zuallererst – bietet Butlers kritische Perspektive für eine gesellschaftswissenschaftliche Perspektive in der Erziehungswissen62
Vgl. hierzu auch meine Ausführungen unter 2.1.5.4 weiter unten in diesem Kapitel.
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schaft die Möglichkeit, gesellschaftliche Prozesse der normativen-symbolischen Ordnung hinsichtlich einer Geschlechterordnung einzufangen; die Frage wäre hier, inwiefern diese auch ökonomische Konstellationen hervorruft und beeinflusst. Geschlechterverhältnisse in der Erziehungswissenschaft würden die unlängst schon häufig gestellte Frage nach einer ›Gendered‹ Profession auf den Plan rufen, so wie Susanne Maurer dieser Frage hinsichtlich Sozialer Arbeit nachgeht (vgl. Maurer 2010). Was mit diesem Blick allerdings wahrscheinlich schwerlich zu verstehen ist, sind Abwertungen, die Care-Arbeit insgesamt noch betreffen (vgl. ebd.). Trotzdem liefert Butler eine Möglichkeit, normativ-symbolisch Macht- und Herrschaftsordnungen zu verstehen und zu analysieren; sie erlaubt also eine Analyse der Verhältnisse, die in erster Linie normativ-symbolische Geschlechter- und Anerkennungsverhältnisse insgesamt sind. Darüber hinaus ist es mit ihrer Perspektive möglich, über ethische Haltungen – eben auch im Anschluss an einen neuen Bildungsbegriff – nachzudenken. Lüders legt – wie oben beschrieben – eine gesellschaftliche Analyse als Grundbedingung für die Entwicklung eines neuen Bildungsbegriffs vor. Sie zitiert Peukert, der von einer gesellschafts-historischen Analyse zu einer Problematisierung derzeitiger Bedingungen kommt. Peukert zeigt auch auf, in welchem gesellschaftlichen Verhältnis Bildung in Zeiten der beginnenden Moderne stand und welche Bedingungen heutzutage ein Bildungsbegriff erfüllen muss. Er muss einerseits dem Rechnung tragen, dass sich durch Technisierungen und Steigerung umfassendere Exklusionen von Menschen und Natur ergeben können und andererseits dafür Sorge tragen, dass seine Subjekte eine ethische Haltung gegenüber Spaltungsprozessen und ein demokratisches Verhalten einnehmen sollten. Bei dieser Perspektive kann Butlers gesellschaftstheoretischer und auch kritischer Blick gerade im Hinblick auf Anerkennungsverhältnisse helfen; es ist ein diagnostischer Blick, der auch Aussagen darüber treffen kann, wie über Anerkennungsverhältnisse ökonomische Verhältnisse hervorgerufen werden. Was jedoch nicht in den Blick kommt – zumindest nicht in den älteren Schriften, in den neueren doch schon zumindest ansatzweise – ist das Prinzip der Steigerung, der Vervielfältigung, der Flexibilisierung und der Ökonomie, die wiederum die Lebensbedingungen hervorbringen. Obwohl diese Frage auch nur am Rande der Interviews, die ich durchgeführt habe, aufgetaucht ist63 , scheint sie doch für die theoretische Annäherung an die Konstruktion der Migrationsgesellschaft zentral (vgl. Kapitel 2.2.5). Dies ist für mich ein weiterer Anlass, grundlegend Foucaults Analysemöglichkeiten zu folgen, Butler’sche Theoreme aber immer wieder mit einzubeziehen. Eine Foucault’sche Perspektive Welche Perspektive(n) auf Gesellschaft Foucault hier zu bieten hat, möchte ich im Folgenden nur ganz kurz und schlagwortartig darstellen, weil ich eine ausführliche Besprechung in Kapitel 2.3 vornehmen werde. Unter den Analytiken und den Schlagworten der Macht (vgl. bspw. Foucault 1976 [dt. 1977], 1978), des Diskurses (Foucault 2007b), des Wissens (Foucault 1981) und den Technologien des Selbst (Foucault 1993) legt er über die Jahre einen sich verändernden und immer weiter gesponnenen Begriff westlicher Gesellschaften und ihrer Subjekte darin vor. Der Begriff der Macht, der zunächst 63
Vgl. die theoretische Analyse in Kapitel 2.2.5 und die empirische Analyse in Kapitel 4.5.
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an einer Normalisierungsmacht (Foucault 1975 [dt. 1976]) orientiert ist, wird in seinen Studien zur Gouvernementalität (Foucault 2007a) zu einem Machtbegriff, der flexibilisierte Selbstvorstellungen und Regierungsweisen miteinander in Übereinstimmung bringt. Nachdem er also in seiner Studie mit dem Titel Überwachen und Strafen (1975 [dt. 1976]) tatsächlich eher noch einem juridischen, an Normalitäten und einem repressiven Machtbegriff informierten Machtbegriff anhängt, verändert er diese Herangehensweise, weil er selbst über einen solchen Machtbegriff hinausgelangen will, was seine Entgegnungen in der Repressionshypothese (vgl. Foucault 1976 [dt.1977]: 7-20) deutlich machen. Dem Begriff des Diskurses und der Erweiterung zum Begriff des Dispositivs wendet sich Foucault dann in einer weiteren Schaffensperiode zu. Er kann über die Kombination von Macht, Wissen und Diskurs darstellen, wie das abendländische Subjekt als solches durch Exklusionsmechanismen – vgl. Kapitel 2.4 – erst hervorgebracht wurde. Auch seine Studien zum Sexualitätsdispositiv führen vor Augen, wie über die Diskursivierung des Sexes nicht nur ein Begehrens-Subjekt erzeugt wurde, sondern auch gesellschaftliche Strukturen zur Beobachtung dieses Subjektes installiert wurden. Die Vorlesungen zum Staatsrassismus und in der Vorlesung (1975-1976) Verteidigung der Gesellschaft (Foucault 2001b) komplementiert er die inneren Mechanismen eines an der (Re-)Produktion der Bevölkerung orientierten modernen Staates. Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Schaffensperspektiven wendet er sich kurz vor seinem Tod den Fragen der Selbsttechniken, den Technologien des Selbst, der Selbstsorge und den Selbstverhältnissen zu; allerdings sind die Betrachtungen zu Selbsttechniken schon in seiner Studie Überwachen und Strafen (Foucault 1975 [dt. 1976]) angelegt. Mit diesen expliziten Technologien des Selbst kommt er darauf zurück, dass auch das Subjekt in den Diskursen und Machtpraktiken eine Beziehung zu sich selbst aufbaut, die einerseits radikal historisch ist, und die andererseits einen Bezug zu Wahrheit(en) und Ethik herzustellen sucht (vgl. Gehring 2013). Mit dieser Setzung ist nicht gesagt, dass Foucault damit eine Rückkehr zu einer universellen Ethik vornimmt, eher Gegenteiliges ist der Fall; er zeigt vielmehr, dass ethische Beziehungen zum Selbst wandelbar und auch von historischen, kulturellen und teleologischen Konfigurationen abhängig sind (vgl. Gehring 2013). Wie deutlich geworden sein sollte, lassen sich mit Rückgriff auf Foucault weitere gesellschaftstheoretische Perspektiven klären; besonders jene gesellschaftlichen Problemlagen, die unter beschleunigten Vorzeichen neue Regierungs- und Selbstverhältnisse in Kraft setzen, können mit diesen analytischen Tools gut verdeutlicht werden (vgl. Bröckling/Krasmann/Lemke 2007; darin insbes. den Beitrag von Lemke/Krasmann/Bröckling). Festzuhalten bleibt: Für die vorliegende Studie ist Foucaults gesellschaftstheoretische Betrachtung nicht nur wegen des Begriffs des Staatsrassismus weiterführend, sondern auch deshalb, weil durch die Perspektive der Gouvernementalität beschleunigte Selbst- und Regierungsverhältnisse angesprochen werden, die am Rande der Interviews (vgl. Kapitel 4.5) und in der theoretischen Perspektive einer neoliberalen postkolonialen Welt (vgl. Kapitel 2.2.5 und 2.2.6) deutlich werden.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
2.1.5.3
Normalisierungsmacht als das Andere der Normen – gesellschaftliche Normen sind wandelbar
Nachdem unter 2.1.5.2 der gesellschaftskritische und gesellschaftstheoretische Gehalt Foucault’scher und auch Butler’scher Provenienz dargestellt und kurz beleuchtet wurde, wie sie veränderte historische Bedingungen betrachten und wie sich insofern Gesellschaftskritik verändert – und damit auch neue Bedingungen der Bildung bzw. des Widerstands, der Widerstandsperspektiven eruiert werden müssen –, soll in diesem Unterpunkt auf deren Normenbegriff eingegangen werden. Wie unter Punkt 2.1.3.3 in der Erläuterung des Bildungsbegriffs deutlich wurde, ist Bildung in mehrfacher Hinsicht an den Normenbegriff gekoppelt. Einmal geht es darum, dass Bildung ›sein soll‹ und damit normativ mit etwas Gutem, Fortschrittlichem verbunden wird; und zum anderen erfolgt Bildung häufig von einem normativen Standpunkt aus, der auch noch in Strukturen verläuft, die Normen und Konventionen als formgebende Vorläufer haben. Normen sind also in vielfacher Weise in das Bildungsgeschehen involviert. Dieser Situation begegnen Bildungstheoretiker*innen einmal damit, eine kritisch-ethische Haltung zum Prinzip zu erklären, um damit über die eigene Verflochtenheit in normative Annahmen und Normen hinwegzukommen; andere gehen den Weg einer ›Theorie der Gerechtigkeit‹ (Koller 2012), welcher eine ›minimalethische‹ Haltung und Reflexion im Bildungsbegriff zugrunde liegt. Da Bildungstheorie auch mit der Frage konfrontiert ist, was eigentlich dazu führt, dass Bildung möglich ist, und hier erneut eine normative Falle lauert, rekurriert Ruhloff (2000) darauf zu überlegen, wie ein nicht-normativer Bildungsbegriff aussehen kann. Er kommt zu dem Schluss, dass eine Bestimmung, wohin Bildung führen kann, nicht aus dem Gegebenen abgeleitet werden kann, weil ja genau dieses verändert werden soll; pädagogische Rechtmäßigkeit kann sich demzufolge nie gänzlich ableiten und bleibt deshalb »stets prekär« (Lüders 2007a: 45). An dieser Stelle lässt sich der Normen-Begriff Judith Butlers gut anschließen: Ihr Normen-Begriff leitet sich aus der heteronormen Zweigeschlechtlichkeit ab, die, wie ich bereits ausgeführt habe, an phallogozentristische Normen gebunden ist. Diese Normen bringen das Subjekt in die Existenz, weil sie – gebunden an die Ich-Struktur – ein Gewissen bilden und dem Ich sagen, was es zu tun, zu begehren und zu denken hat. Foucaults Machtbegriff überschreitend, beschreibt Butler also, wie sich diese Normen im Ich manifestieren, und sie beschreibt darüber hinaus, wie und warum diese Normen überschritten werden können, wie also ein Prozess der Veränderung möglich ist (s. Kapitel 2.1.5.4). Dieses Konzept der Veränderung bespricht Butler nicht von einem normativen Standpunkt aus, sondern sie situiert ihn in wiederholenden Sprechakten, die irritiert werden können; sie verdeutlicht damit, dass Widerstand möglich ist, ohne einen normativen Standpunkt einzunehmen, der etwa einer Kategorienzugehörigkeit entspricht. Trotz einiger Kritiken aus der feministischen Theorie, die besagen, ihre Perspektive auf Geschlechternormen sei a-historisch (vgl. Benhabib 1994) und oder juridisch (vgl. Soiland 2010), weist Hanna Meißner darauf hin, dass Butler schon historische Veränderungen denkt, diese aber nicht in einem Kontext der Veränderungsbe-
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dingungen und der Möglichkeiten von verändernden Sprechakten rückkoppelt.64 Hanna Meißner diskutiert diese Prämisse an einer Szene, die Judith Butler in Hass spricht (Butler 1998) verdeutlicht. »Als Rosa Parks im vorderen Abteil des Busses saß, hatte sie dazu kein vorgängiges Recht, dass irgendeine Rassentrennungskonvention der Südstaaten garantiert hätte. Und trotzdem verlieh sie, indem sie ohne vorgängige Autorisierung Anspruch auf dieses Recht erhob, ebendieser Handlung eine gewisse Autorität und leitete den Umsturz der bestehenden Legitimitätscodes ein« (Butler 1998: 208, zit.n. Meißner 2010: 78) Butler bezieht sich hier auf das Beispiel von Rosa Parks, die sich zur Zeit des Apartheidsregimes in den USA weigerte, ihren Sitzplatz im Bus einer weißen Person zu überlassen. Die Weigerung Rosa Parks, ihren Platz freizugeben, endete mit ihrer Verhaftung, die die historisch bekannten Busstreiks in Montgomery hervorrief, welche wiederum (verbunden auch mit anderen Auseinandersetzungen der Schwarzen Bürgerrechtler*innen) in der Folge zu Gesetzesänderungen in den USA führten. Butler deutet (sehr kurz zusammengefasst) die Weigerung Parks als widerständigen Sprechakt, der eben nicht von der determinierenden Situation und von den hegemonialen Bedingungen aus gesprochen wird, sondern von einem Subjekt, dessen Weigerung darin begründet ist, in den Normen verhaftet zu bleiben, die der Situation zugrunde liegen. Meißner führt nun mit Bezug auf Lovell (2003) aus, dass der Kontext und die historischen Bedingungen wesentlichen Einfluss auf das Gelingen dieses widerständigen Sprechakts hatten. Nicht nur, dass Parks eingebunden war in die Bürgerrechtsbewegungen und somit, jenseits des autonomen Subjekts, gesprochen hat – auch die Frage, warum die Wahl auf Rosa Parks gefallen ist, ist unter folgender Maßgabe interessant: Mit Bezug auf Disch (1999) führt Meißner aus, dass Parks ausgewählt wurde, den Boykott zu beginnen, weil sie – aufgrund ihres Habitus’ und ihrer gesellschaftlichen Stellung keine Zuschreibungen erhalten habe, die sie als Schwarze Kriminelle sofort diskreditiert hätten. Nicht nur, dass hier deutlich wird, dass die Analyse der Kontextbedingungen und eine gesellschaftstheoretische Fundierung dieser Situation weiterführende Erklärungen zum Zustandekommen des widerständigen Sprechakts verdeutlichen würden; es wird ebenfalls, so denke ich, deutlich, dass Normen – und besonders geschlechterbezogene und rassifizierte – zunächst zwar verharren, sich aber doch auch wandeln und damit neue Strukturierungen schaffen. Butler hat es vermocht zu verdeutlichen, wie stark wir Normen als eigene strukturgebende Momente annehmen, worauf Bildungsforschung und Bildungstheorien bereits reagieren. Wichtig ist es nur, das Moment der Normen und ihre Beschaffenheit in kontextuellen Bedingungen zu rekonstruieren, um dann gegen jene Normen vorzugehen, die Leben einschränken – aber auch zu bedenken, dass es heute vielleicht an manchen Stellen nicht mehr um beschränkende Normen geht, sondern um globale Strukturen der Ungleichheit. Mit Butler ist es
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Hannah Meißner bezieht sich hier auf Barvosa-Carter (2001) und bringt zur Sprache, dass »[d]ie Konstitution der Subjekte in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern mit unterschiedlichen, teilwiese sogar widersprüchlichen normativen Anweisungen setzt eine Differenzierung der Gesellschaft voraus, die in der sozialwissenschaftlichen Diskussion allgemein als ein Kennzeichen moderner Gesellschaften betrachtet werden muss.« (Meißner 2010: 85).
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
also möglich, darüber nachzudenken, wie Sprechakte jenseits normativer Standpunkte aussehen können, es wird aber schwieriger, über sich wandelnde Normen und deren Auswirkungen nachzudenken. Hier lässt sich m.E. nach sehr gut Foucaults Deutung von Normen anschließen. Wie oben bereits ausgeführt, ist anzunehmen, dass sich im Laufe seiner Auseinandersetzung Begriffe wie auch Konzepte, mit denen er arbeitete, veränderten, dass er sie eigentlich mit jedem vollendeten Werk noch einmal kritisch reflektierte und meist einen leicht veränderten Standpunkt dazu einnahm (vgl. Kapitel 2.3). Es kann daraufhin gewiesen werden, dass sich gerade mit seiner Veränderung des Machtbegriffs hin zu gouvernementalitätstheoretischen Konzepten auch der Begriff darüber verändert hat, in welchem Maße Normen eine Rolle spielen. Ich möchte diese These kurz an einem Beispiel aus einem seiner letzten Interviews zum Thema Freiheit und Selbstsorge (Foucault 1985) explizieren. Das Interview widmet sich vielen Verknüpfungen seiner Arbeit bzw. viele Verknüpfungen werden im Laufe des Interviews deutlich; an einer Stelle spricht er aber über das, was er Repressionshypothese65 nannte, und hier bringt er sie in Verbindung mit den Technologien des Selbst: Er wird gefragt, ob eine Arbeit des Selbst an sich selbst als eine Art Befreiungsprozess verstanden werden kann. Er antwortet darauf, dass er da etwas vorsichtig sein möchte. »Ich war immer etwas misstrauisch beim allgemeinen Thema der Befreiung, denn wenn man es nicht mit einer gewissen Vorsicht und innerhalb bestimmter Grenzen angeht, läuft man Gefahr, dass es ein Wesen oder eine Natur des Menschen gäbe, die von einer bestimmten Anzahl geschichtlicher, ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse in und durch Repressionsmechanismen verschleiert, entfremdet oder gefangen wäre.« (Foucault 1985: 10) Es geht ihm darum darzustellen, dass er nicht glaubt, für Praxen der Befreiung reiche es aus, sich gegen Repressionen zu wenden; dann gelange man zu dem Eindruck, dass es etwas vorgängig Ursprüngliches gäbe, das jetzt befreit werden könnte. Er bezieht sich nicht explizit auf Normen, aber er wendet sich wieder dem Beispiel der Repressionshypothese zu, in dem er ausführlich darüber reflektiert hat, ob es Sinn macht zu sagen: »Befreien wir unsere Sexualität« (ebd.). Gerade in der Repression der Sexualität spielen Normen und Verbote eine große Rolle; nicht, dass es ihm darum ginge, die Verbote abzuschaffen und sich für andere Normen einzusetzen; es scheint vielmehr so, als
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Foucault beginnt das Buch Der Wille zu Wissen mit einer kurzen Hinführung dazu um was es ihm in dem Buch geht. Und gleich zu Beginn lässt er Leser*innen wissen: »Leser, die erfahren möchten, wie die Menschen im Verlauf der Jahrhunderte geliebt haben oder wie es ihnen verboten worden ist (eine durchaus ernsthafte, wichtige und schwierige Frage), werden wohl enttäuscht.« (vgl. Foucault 2013e: 1027). In Zeiten, in denen die Diskussion und die Befreiung des Sexes eine der zentralsten Auseinandersetzungen der Linken ist, hält Foucault ihnen entgegen, dass es schon sein könne, dass es Verbote, Sprachregelungen und Repressionen bezogen auf den Sex gab. Weit wichtiger findet er jedoch, dass es »um den Sex herum […] eine diskursive Explosion« (ebd.: 1039) gab. Den Beginn dieser Diskursivierung, in dem Sexualität zum Erkenntnisbereich wird, sieht er genau wie jene die der Repressionshypothese anhängen (Menschen die der Meinung waren, die Sexualität sei unterdrückt) im 17. Jhdt. Vielmehr weist Foucault darauf hin, dass die Repression in die Produktivität der Diskurse verstrickt ist.
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wolle er sagen: Hinter der Auseinandersetzung mit Verboten und Normen und deren Veränderung lauert ein NICHTS. Meiner Auffassung nach will er uns vorschlagen, ein Verhältnis zu dem, wie und was wir sein wollen, in Kraft zu setzten und diese Praxen der Überlegungen zu nutzen, um sie als Freiheitspraxen kenntlich zu machen und zu definieren. Dabei geht es schon auch um den Umgang mit Normen, aber sie sind nicht das Ziel in erster Linie – das Ziel ist vielmehr die Definition der Praxen der Freiheit. Es ist also eine positive Bestimmung gemeint, wohin wir gelangen wollen, nicht gegen welche Normen wir antreten wollen. »Liegt das Problem nicht eher darin, eine Definition der Freiheitspraktiken zu versuchen, durch die man angeben könnte, was die sexuelle Lust, die erotischen, leidenschaftlichen und Liebesbeziehungen zu anderen sind? Dieses ethische Problem der Definition der Freiheitspraktiken ist, wie mir scheint, viel wichtiger als die etwas repetitive Beteuerung, dass man die Sexualität oder das Begehren befreien müsse« (Foucault 1985: 10). Bildungstheoretisch betrachtet, setzen sowohl Butler als auch Foucault an ethischen Haltungen an, sehen aber meines Erachtens Normen in einem anderen Sinn, und auch die Ausrichtung ist jeweils eine andere. Während von Butler ziemlich genau zu erfahren ist, wie diese Normen ein Ich mitgenerieren und wie die Macht der Normen Einzug erhält, erfahren wir vom späten Foucault eine Auseinandersetzung auf einer anderen Ebene, nämlich jene, die sich damit beschäftigt, ob nach der Bekämpfung der Normen etwas bleibt, bzw. er fordert uns auf, diese Praxis als die wichtigere zu verstehen. Beides sind m.E. wichtige Perspektiven, sie begreifen aber Normen und normative Standpunkte darin unterschiedlich. Neben einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Normenbegriff und normativen Standpunkten möchte ich in dieser Arbeit auch der Frage nachgehen, welche Normen hier einschränkend wirken und ob es tatsächlich damit getan ist, diese einschränkenden Normen aufzuheben – oder ob es nicht vielmehr darum gehen muss, positive Praxen der Freiheit zu entwerfen und sich diesen zuzuwenden. Diese Frage steht in unbedingtem Zusammenhang mit dem letzten hier noch aufzugreifenden Standpunkt: Bildung als Prozess und das Neue.
2.1.5.4
Bildung als Prozess und das Neue
Bildung, so beschreibt es Lüders, ist ein »Prozess der Veränderung, ein Geschehen also, das eine enge Verbindung zu Zeitlichkeit und Andersheit aufweist« (Lüders 2007a: 51, Herv. i.O.). Lüders weist damit zum einen drauf hin, dass dieses Geschehen in einer zeitlichen Dimension stattfindet und das Individuum verändert; als ein Anders-Werden als zuvor bezeichnet es auch Koller (2012). Da normative Standpunkte, wie unter 2.1.5.3 in diesem Kapitel vorgestellt, heute in bildungstheoretischen Auseinandersetzungen eher hinterfragt werden, ist es nicht so einfach, einen Ausgangspunkt für den Beginn und das Ende eines Bildungsprozesses zu beschreiben. Statt Beginn, Anfang oder Resultat zu beschreiben, tendieren beispielsweise Koller (2000, 2012), Kokemohr (2000) und Ruhloff (2000) dahin, den Prozess zum Ausgangspunkt ihrer bildungstheoretischen Betrachtungen zu machen.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Die einseitige Betrachtung als Prozess, der niemals vollendet ist, hat aber auch einen schwierigen Bezug zu einem Bildungsbegriff, der teleologisch angelegt war und dessen erreichen »nur kontingent (per Offenbarung) und performativ (im Prozess) zur Erscheinung kommt« (Meders 2001: 45, zit.n. Lüders 2007a: 53). Dieser Bildungsbegriff ist, wie Ricken und Maschelein (2003) herausgestellt haben, machtkorrumpiert und ist zur »Führung der Führung« (ebd.) in einem Foucault’schen Sinne geworden. Um den Prozess also einzufangen, beziehen sich einige Forscher*innen auf dessen krisenhaftes Geschehen und nehmen die artikulierte Krise, die das Moment hervorruft, anders zu werden, zum Ausgangspunkt der Betrachtung des Prozesses. »Nicht das Erreichen von etwas, sondern die Dynamik distanzierender Kritik und offener Neuentwürfe wird zum Orientierungspunkt« (Lüders 2007a: 54). Aus subjektivierungstheoretischer Perspektive steht und fällt die Frage damit, ob es tatsächlich um eine Selbstentfaltung gehen kann, ob es um ein Anders-Werden oder um eine »Fokussierung auf individuelle Selbst-Welt-Verhältnisse« (Ricken 2007: 34) geht. Damit hebt Ricken hervor, dass Bildung anerkennungstheoretisch eher in Relationen zu verstehen sei und damit ein Aufgeben, ein Entäußern der eigenen sicheren Subjekthaftigkeit und Bildung als »Ent-Subjektivierung« (ebd.) zu denken sei. Ich habe bereits in der Einleitung unter 2.1.1 darauf hingewiesen, dass sich aus meiner Perspektive in der Empirie keine Ent-Subjektivierungen zeigen, die auf ein Aufgeben, ein Entäußern einer sicheren Position hinweisen. Das Neue oder der Bildungsprozess, der durchaus auf Krisen zurückzuführen ist, lässt sich vielmehr als ein neues und qualitativ anderes Selbstverhältnis beschreiben (vgl. Kapitel 4.6). Deshalb gilt es für mich, in den folgenden Kapiteln noch einmal genau herauszuarbeiten, wie Bildungsprozesse und Subjektivierungsprozesse, von einer postkolonial-feministischen Perspektive aus gesehen, organisiert sein können, um sie dann mit einer Foucault’schen Perspektive zu verbinden. Festzuhalten bleibt: Die Frage, wie das Neue, also ein Anders-Werden, aus einer Foucault’schen Perspektive aussehen und wie es empirisch beschrieben werden kann, ist wahrscheinlich aus einer individuellen Perspektive nicht so leicht zu verstehen. Vielmehr sind es viele Bedingungsfaktoren, die das Neue (oder veränderte Selbstverhältnisse) hervorrufen. Mit Bezug auf Butler wird die individuelle Widerständigkeit häufig ausbuchstabiert. Zwar werden hier auch die einschränkenden Normen evident und die dezentrierte Position, von der gesprochen werden kann; aber in ihrer performativen Hervorbringung ist diese wiederum an das sprechende Subjekt gebunden. Die Frage, die sich mir hier manchmal stellt, ist jene, ob damit nicht wieder zu einer (Re-)Zentrierung des Subjektes kommt, ohne dass dies die Intention gewesen wäre66 . Wenn die Frage nach einer Initiierung veränderter Selbstverhältnisse gestellt wird, so müssen aus meiner gegenwärtigen Perspektive auch weitere Bedingungen in den Blick genommen werden.
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Auch Stuart Hall kommt auf diese Frage zu sprechen: »[D]er alte Diskurs des Subjekts [wurde] abgeschafft, in einen riesigen Container gesteckt und mit Beton übergossen, der eine Zerfallszeit von einer Million Jahren hat. Nie wieder wollen wir einen Blick an ihn verschwenden, und dann plötzlich, Teufel auch, innerhalb von fünf Minuten reden wir über Subjektivität und das Subjekt des Diskurses, und der Begriff ist mit Triumphgeheul zurückgekehrt.« (Hall 1994: 72).
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2.1.6
Ein vorläufiges Fazit
Im vorliegenden Kapitel wurde die Frage gestellt: Wie lassen sich Subjektivierungsprozesse einerseits und Bildungsprozesse andererseits theoretisch betrachten? Was grenzt sie voneinander ab, und was haben sie gemeinsam? Um die gewonnen Erkenntnisse noch einmal Revue passieren zu lassen und offene Fragen weiterzuführen, fasse ich kurz zusammen: Ganz zu Beginn hatte ich eine begriffliche Voraussetzung formuliert: Ich untersuche hier Bildungsprozesse und Subjektivierungsprozesse jeweils als Transformationen und Formationen des Subjekts, um theoretisch und empirisch zwei Erkenntnispole zu haben. In der Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff habe ich festgestellt, dass Bildung ein mehrdeutiger Begriff ist; deshalb habe ich ihn historisch rekonstruiert und damit geklärt, wie diese Mehrdeutigkeit zustande gekommen ist. In einem nächsten Schritt habe ich mich den Dimensionen genähert, die im Bildungsbegriff beheimatet sind, um ihn theoretisch zu öffnen. Dies sind, Jenny Lüders folgend, »das Bildungssubjekt«, »Bildung und Gesellschaft«, »Bildung und Norm« und »Bildung als Prozess« (oder als das Neue). Alle Dimensionen lassen sich mit postkolonialen und geschlechtertheoretischen Interpretationsinstrumentarien noch einmal genauer für die hier vorliegende Studie bestimmen, was in Kapitel 2.2 geschehen wird. Im Gegensatz zu bildungstheoretischen Analysen wurde subjektivierungstheoretisch deutlich, dass das Subjekt gemacht ist und die Macht-Prozeduren dieses Subjekt herstellen. Außerdem wurde offenkundig, dass sich gesellschaftliche Strukturen und Normen in der Subjekthaftigkeit widerspiegeln, oder um es mit den Worten von Karl Marx auszudrücken: »das menschliche Wesen ist […] das ensemble [sic!] der gesellschaftlichen Verhältnisse.« (Marx/Engels 1969: 6) Obwohl es notwendig ist, eine analytische Trennung der beiden Entitäten zu berücksichtigen, wird doch deutlich, dass sie nicht (zumindest in der poststrukturalistischen Theorietradition) als Gegensätze wahrzunehmen sind. Ich habe herausgestellt, dass es besonders Foucault um die historische Rekonstruktion ging; auch diese historische Rekonstruktion werde ich in Kapitel 2.2 weiterverfolgen. In der Verschränkung beider Theorieperspektiven (bildungstheoretische und subjektivierungstheoretische) konnte ich letztlich herausstellen, dass sowohl die machtspezifischen Auswirkungen auf das Subjekt, als auch die Gesellschaft, sowie die Dimension der Normen, als auch der Prozess different betrachtet werden (können). Obwohl es einige bildungstheoretische Anschlüsse an Butler gibt, auf die ich auch hingewiesen habe, erlaubt eine Gegenüberstellung der beiden Theorietraditionen einen weitläufigeren Blick. Hier sind für die vorliegende Forschung sowohl Judith Butlers Perspektiven weiterführend als auch die von Michel Foucault. Die Foucault’sche Perspektive kann unterdessen weiterführende Perspektiven auf historische Kontextbedingungen liefern. Eine dezidierte Auseinandersetzung mit Foucault einerseits als Subjektivierungsanalytiker und anderseits als Bildungstheoretiker, werde ich in Kapitel 2.3 vornehmen. Eine weiterführende Frage, die ich gern am Rande mitführen möchte, ist die Frage nach Bildung als Emanzipationsgedanke, denn die Frage nach Autonomie und Handlungsfähigkeit kann nicht so leicht negiert werden, wie sie auch in der Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff und dem Neuen (leicht) in Erscheinung tritt. Be-
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zieht man in zukünftige Überlegungen zu Bildungsprozessen mit ein, dass ›wir‹ in der derzeitigen historischen und kontextspezifischen Situation auch immer dazu angehalten werden und aufgefordert sind, autonom zu handeln, so wird deutlich, dass diese Konstruktion nicht einfach nur als eine historische zurückzuweisen ist, vielmehr spiegelt sie ›unsere‹ Subjektverhältnisse derzeit wider. Mit Meißner gesprochen heißt dies »nicht, dass eine auf Autonomie und Selbstbestimmung des Subjekts zielende Vorstellung von Emanzipation einfach negiert werden kann; vielmehr stellt sie die Form dar, in der Gesellschaftskritik und -veränderungen in einer bestimmten historischen Situation möglich sind.« (Meißner 2010: 13, Herv. DBC). Nicht nur die historischen, sondern darüber hinaus auch die konkreten und globalen Bedingungen beeinflussen jedoch diese Situierung. Hanna Meißner hält in diesem Sinne fest: »›Unsere‹ Autonomie ist insofern zwar als historisch-kulturelle Konstruktion – und damit als kontingent – markiert, zugleich ist sie eine Bedingung ›unserer‹ Existenz als Subjekte: ›Wir‹ sind diese Konstruktion« (Meißner 2010: 13-14, Herv. i.O.). Diese Feststellung hält zweierlei fest: Zum einen ist die Konstruktion dieser Autonomie und sind mit ihr verbundene Bildungsideen als historisch-kulturell zu betrachten; andererseits – und das ist die weit wichtigere Implikation, die ich damit aufgreifen möchte – ist es nicht möglich, diese Konstruktion einfach abzuschütteln und auf »reset« zu drücken; diese Konstruktion bildet das Verständnis von ›uns‹ selbst und muss daher reflexiv auch immer wieder berücksichtigt werden, gerade dann, wenn es darum geht, Bildungsprozesse zu erfassen. Das schließt eine zweite Frage an, nämlich die, wie eine Bildungsperspektive zu formulieren ist, wenn kein aufgeklärtes Subjekt mehr vorausgesetzt werden kann (vgl. ebd: 16). Dieser durchaus sehr offenen Frage gilt es im Rahmen dieser Arbeit nachzuspüren und immer wieder zu fragen, inwiefern und wann hier wieder ein autonomes, unabhängiges und aufgeklärtes Subjekt über (kritisch-reflexive) Bildung adressiert wird und wie es möglich ist, Bildung relational zu denken. Die hier entwickelten Fragen werden mich durch die weiteren Kapitel begleiten. Einige Fragen werden dabei zuerst noch von theoretischen Prämissen beleuchtet, die ich einerseits aus einer postkolonialen Perspektive betrachten werde; andererseits stehen Fragen zur Beschaffenheit dieses Subjekts der Selbstverhältnisse noch aus. Die Dimensionen der Bildungstheorie (Das Subjekt der Bildung, Bildung und Gesellschaft, Bildung und Normen, Bildung als Prozess), die ich an den oben aufgespannten Eckpunkten ausbuchstabiert habe, werden mich im Fortgang der Argumentation begleiten. Da ich sie als äußerst anregende Denkhorizonte für eine Auseinandersetzung auch aus einer Schwarzen feministischen und postkolonialen Perspektive erachte, wird auch hier jeweils das Verhältnis zu diesen Dimensionen ausgelotet, um am Ende des nachfolgenden Kapitels sagen zu können, was es heißt, Subjektivierungsprozesse und Bildungsprozesse von Schwarzen Frauen und Women of Color bestimmen zu können.
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2.2 2.2.1
Bildung und Subjektivierung in postkolonialen und migrationsgesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen Einführung
Die Frage der Subjektivierung (verstanden als Formation) und die Frage der Bildung (verstanden als Transformation) von Schwarzen Frauen und Women of Color ist der Faden, der diese Arbeit durchzieht. Dabei ist es mir ein Anliegen, mehrere Disziplinen und Denktraditionen miteinander zu verknüpfen, um einen erkenntnistheoretischen Gewinn aus der Analyse zu ziehen. Einerseits ist das eine Perspektive, die sowohl Bildung als auch Subjektvierung deutlich machen kann, und anderseits sind das Theorien, die sich den interdependenten Zusammenhängen zuwenden, die Einfluss auf die Subjektivierung und, im Anschluss daran, auch auf Bildungsprozesse haben. In der vorliegenden Studie sind das in erster Linie die Kategorien race und Geschlecht, die in ihrem Zusammenwirken betrachtet werden sollen. Darüber hinaus zeigen sich aber auch ökonomische Verhältnisse, die nicht nur die Erfahrungen der Frauen beeinflussen, sondern die die Migrationsgesellschaft insgesamt strukturieren. Deshalb widmet sich dieses Kapitel neben einer rassismuskritischen Einführung auch gesellschaftstheoretischen Fragen. Ich habe acht Frauen* dazu befragt, wie sie mit Erfahrungen, die sich über Geschlecht und Rassifizierung vermitteln, umgehen und habe Antworten dazu bekommen. Mein Antrieb war und ist herauszuarbeiten, wie die interviewten Frauen* mit diesen Erfahrungen umgehen, um die Horizonte der Subjektivierungen verstehen zu können und um an diesen Bildungsprozesse zu beschreiben. In der Frage der Subjektivierung habe ich im letzten Kapitel herausgearbeitet, dass sie different zu einer Perspektive auf Bildung und Bildungsprozesse betrachtet werden kann. Während ich Subjektivierung hier als macht- und herrschaftsvolles Geschehen betrachte, kann man Bildung auch so betrachten, dass sie einerseits Transformationsprozesse beschreibt und anderseits einhergehende pädagogische Aufgabenstellungen benennt. Subjektivierungstheoretisch betrachtet, wird das Subjekt durch die Strukturen, Institutionen, Regierungsweisen, Gesetze und alles, was Gesellschaft strukturiert, hervorgebracht. Ich hatte argumentiert, dass es mit Bezug auf Foucault darum gehen muss, sowohl die historisch hervorgebrachten Positionen herauszustellen als auch die genalogisch-historisch strukturierten Kontexte, Bedingungen und Diskurse zu ermitteln, durch die und in denen das Subjekt hervorgebracht wird und sich selbst konstituiert. Die Frage, die ich in diesem Kapitel zu beantworten suche, ist genau diese: Wie sind die genalogisch-historischen Bedingungen, Diskurse und Kontexte zu betrachten? An diesen Strukturierungen sind auch Normen beteiligt, die mit Bezug auf Judith Butler eine psychische Macht entwickeln: Mit dieser Perspektive geht es darum, sich gegen diese Normen zu wehren und sie als Ausgangs- und Kritikpunkt einzusetzen. Ich habe mit Bezug auf Foucault argumentiert, dass es m.E. wichtiger ist anzuerkennen, dass sich Normen verändern und dass es wichtig sei, sich gegen diese zu wenden, aber viel wichtiger noch ist es, Praxen der Freiheit zu etablieren, die sich nicht darin erschöpfen, sich gegen Normen zu wenden. Die Frage, die ich Rahmen dieses Kapitels jedoch weiterverfolgen möchte, lautet: Welche Normen sind es, die hier am Wirken sind? In
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
der Empirie möchte ich darüber hinaus darstellen, welche Praxen der Freiheit etabliert werden können. Im Zusammenhang mit Normen, Subjekt-Formationen und Prozessen, die diese hervorbringen, spielt Gesellschaft – als kritischer Bezugspunkt und Kontext – eine große Rolle. Nicht nur für Bildungsprozesse, sondern auch in der Auseinandersetzung mit Subjektivierungsprozessen, wie ich im letzten Kapitel gezeigt habe. Letztlich steht die Frage aber noch offen, wie gesellschaftliche Kontexte betrachtet werden und welchen strukturierenden Einfluss sie sowohl auf Subjektivierungs- als auch auf Bildungsprozesse haben: Deshalb möchte in diesem Kapitel die gesellschaftlichen Kontextbedingungen ausloten und Strukturierungen hervorheben. Mein Erkenntnisinteresse liegt aber nicht nur in der Subjektivierung dieser interviewten Frauen* of Color, sondern es liegt im Spezifischen auch in den Bildungsprozessen, die sich in deren Umgang mit Rassifizierungen am Schnittpunkt mit Geschlecht zeigen. Um aber diese Bildungsprozesse ermitteln zu können, brauche ich eine Perspektive auf die Subjektvierungsprozesse, weil sie – so meine Vermutung – eng miteinander in Verbindung stehen. Um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten und abschließend theoretisch darüber zu sprechen, wie dann Bildungsprozesse im Umgang mit Rassifizierung am Kreuzungspunkt mit Geschlecht aussehen, nähere ich mich unter 2.2.2 zunächst einer Rassismus-kritischen Perspektive an und verdeutliche hier, wie diese Prozesse in alltägliche Ordnungen und Subjektivierungen eingeschrieben sind. Ich zeige in diesem Kapitel nicht nur die historische Entstehungsgeschichte, sondern auch Unterschiede in den Rassifizierungen und weise abschließend darauf hin, warum ich hier in der Absicht einer kritischen Absetzung von race spreche. In Kapitel 2.2.3 erarbeite ich dann mit einer soziologischen Perspektive das historische Zustandekommen unserer Migrationsgesellschaft. Hier kann ich mit Bezug auf Encarnación Gutiérrez Rodríguez zeigen, dass sich diese Migrationsgesellschaft auch durch Rassifizierungen, eine koloniale Arbeitsmarktverteilung und darin eingelagerte Geschlechterverhältnisse historisch hervorgebracht hat. Im nächsten Kapitel (2.2.4) arbeite ich dann mit Kontrakt-Theorien unter Bezug auf Carol Pateman, Charles Mills und Angela McRobbie heraus, wie sich intersektionale Bedingungen in den Geschlechterverhältnissen darstellen. Dafür widme ich mich zunächst Patemans Perspektive und kann zeigen, wie ein rassifizierter GeschlechterKontrakt entstanden ist und wie er heute global weiterwirkt; anschließend hebe ich Mills Perspektive hervor und werde in Anlehnung an seine intersektionale Betrachtung zeigen, welche Dominanzen in der liberalistischen Idee an sich zum Tragen kamen und wie sich das auch heute noch insbesondere für Women of Color zeigt. Abschließend gehe ich dann mit Bezug auf McRobbie auf heutige intersektionale Wirkweisen eines Geschlechtervertrags ein. In diesem Kapitel kann ich schon immer wieder drauf verweisen, welche Perspektiven, Anrufungen, Diskurse und Selbstverhältnisse sich auch in meinem empirischen Kapitel widerfinden werden. Abschließend wende ich mich dann der theoretischen Bestimmung von Bildungsprozessen im Kontext von race und Geschlecht zu. Einerseits zeige ich mit Bezug auf Barbara Rendtorff, dass Bildungsprozesse noch immer einen Geschlechter-Bias haben, insbesondere dort, wo es um Selbst-Bildungen geht. Mit Bezug auf Hans-Christoph
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Koller arbeite ich dann heraus, was Bildung in der Migrationsgesellschaft bedeutet (vgl. Kapitel 2.2.5). Anschließend wende ich mich Paul Mecheril und Nadine Rose zu, um sowohl Bildung als auch Subjektivierungsprozesse in der Migrationsgesellschaft empirisch deuten zu können (vgl. Kapitel 2.2.6); im letzten Kapitel führe ich dann mit María do Mar Castro Varela und María Lugones aus, wie diese Perspektiven theoretisch um feministische de- und post-koloniale Perspektiven erweitert werden können. Die hier gewonnenen theoretischen Perspektiven auf mögliche HintergrundBestimmungen von rassifizierten und vergeschlechtlichten Subjektivierungen einerseits und die theoretischen Bestimmungen von Bildung in der Auseinandersetzung mit diesen zwei Machtachsen anderseits führe ich dann mit dem analytisch-methodischen Werkzeug von Foucault zusammen – einerseits, um mit Foucault und über ihn hinaus diese rassifizierten und vergeschlechtlichten Subjektivierungen untersuchen zu können und anderseits, um mit ihm Bildungsprozesse in den historisch entstandenen Selbstverhältnissen zu zeigen (vgl. hierzu Kapitel 2.3 und 2.4). In diesem Sinne versuche ich im Anschluss an Foucault und in dem Sinne, in dem sie Hanna Meißner herausgearbeitet hat, eine »kritische Ontologie unserer selbst« zu erarbeiten, »[die] als eine Haltung vorgestellt werden [muss], ein Ethos […], in dem die Kritik dessen, was wir sind, zugleich die historische Analyse der uns gegebenen Grenzen ist und ein Experiment der Möglichkeiten ihrer Überschreitung« (Foucault 1992: 53, zit.n. Meißner 2010: 13). Hanna Meißner fügt hinzu: »Der Maßstab der Kritik liegt also nicht in der Voraussetzung bestimmter Normen, an denen die Wirklichkeit gemessen wird, vielmehr geht es darum, die Funktionsweise und die Grenzen des Bestehenden sowie die mit ihm verbundene Gewaltsamkeit aufzuzeigen« (Meißner 2010: 13). Ausbuchstabiert und zusammengefasst, widmet sich dieses Kapitel der Fragestellung: Was bedeuten Subjektivierung und Bildung in Anbetracht der spezifischen Positionierung der interviewten Frauen*? Wie können Subjektivierungsperspektiven im Kontext von race und Geschlecht und darüber hinaus Bildungsprozesse im Horizont des Umgangs mit Rassismuserfahrungen in der Intersektion mit Geschlecht beschrieben werden?
2.2.2
Die Geschichte des Rassismus, Alltagsrassismus und Bildung
In diesem Unterkapitel wende ich mich dem Begriff Rassismus und einer rassismuskritischen Perspektive zu und komme kurz darauf zu sprechen, inwiefern Rassismus mit Bildungsvorstellungen verstrickt war und stelle vor, was alltäglicher Rassismus bedeutet und warum es hier um Zugehörigkeiten geht; deutlich sollte werden, warum ich in der empirischen Auswertung in der Absicht einer kritischen Absetzung von race spreche. Rassismusforschung und das allgemeine Sprechen über rassistische Phänomene oder Alltagsrassismus ist in Deutschland noch nicht lange möglich. Bis in die 1990er Jahre, war Rassismus kein Begriff, auf den es sich zu beziehen galt, und pädagogische Phänomene wurden entweder entlang der Kategorien Kultur oder eben Migration besprochen (vgl. Mecheril/Melter 2009: 13). Sehr lange wurde Rassismus mit Rechtsextremismus gleichgesetzt, was wahrscheinlich auch wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit so war (vgl. Messerschmidt 2009). Zudem weisen einige Forscher*innen darauf hin, dass Rassismusanalysen auch wegen der kaum aufgearbeiteten kolonialen
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Vergangenheit nicht aufgegriffen wurden (vgl. Arndt 2011a; Ha et al. 2007; Eggers et al. 2005); gerade die Aufarbeitung dieser Vergangenheit aber würde einen Zusammenhang und die Kontinuität zwischen Kolonialismus und Nationalsozialismus verdeutlichen. In Deutschland wurden lange Zeit Begriffe wie Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit genutzt. Doch verkennen diese Begriffe, dass es nicht um Fremde oder Ausländer geht, sondern um Menschen die hier manchmal schon seit langer Zeit leben. Die Begriffe schaffen eine Wirklichkeit in der Schwarze Menschen und People of Color keine Deutschen sind oder sein können und verlagern Gewaltverhältnisse in ein Außen. Auch in der Extremismusforschung fand der Begriff Rassismus lange Zeit keine Verwendung, was sich in den letzten Jahren allerdings geändert hat. Interessanterweise erschien der Begriff aber in Konzepten und Arbeitspapieren und wurde so über die internationale Politik und Richtlinien in die EU quasi »reimportiert« (Rommelspacher 2009: 33). »Diese enge und ablehnende Verwendungsweise des Ausdrucks Rassismus hat in den letzten 15 Jahren eine Modifikation erfahren: der Ausdruck ist als Analysekategorie für gegenwärtige gesellschaftliche Verhältnisse zunehmend akzeptiert worden« (Mecheril/Scherschel 2009: 41).67 Astrid Messerschmidt identifiziert vier Distanzierungsmuster68 , die sicher dazu beigetragen haben, ein Forschen und Sprechen über Rassismus zu etablieren (vgl. Messerschmidt 2010). Mittlerweile gibt es aber doch – und speziell in der Erziehungswissenschaft – einige theoretische Auseinandersetzungen (vgl. Leiprecht 2001; Mecheril/Melter 2009; Eggers 2005b, 2010) und auch viele Studien zum Thema (vgl. bspw. Eggers 2005a; Kilomba 2010; Melter 2005; Velho 2016). Ebenen von Rassismus Rassismus an sich tritt in unterschiedlichen Spielarten, Formen und auf unterschiedlichen Ebenen auf, die ich im Folgenden kurz zusammenfassen werde. Paul Mecheril (Mecheril/Melter 2009: 9-11) betrachtet Rassismus als Ordnungssystem oder auch als eines von mehreren Strukturprinzipien der Gesellschaft, die wirksam sind und Machtund Herrschaftsstrukturen sichern. Gemeinsam ist allen Strukturprinzipien, seien es Geschlecht, Klasse, Behinderung oder eben race, dass sie zunächst einmal dichotome Zuordnungen hervorrufen. Menschen, die in dieser Dichotomie der privilegierten Gruppe angehören, erfahren über ihre Zugehörigkeit eine Bevorteilung. Diese Bevorteilung lässt sich nicht als intentionaler Vorteil gegenüber der anderen Gruppe erklären, vielmehr sind hier viele Faktoren beteiligt, die auf der strukturellen, auf der Ebene von Identitäten und auf der Ebene von Zugehörigkeit operieren. Das Struktur- oder Ordnungsprinzip Rassismus, operiert auf dem Hintergrund vorgefasster rassifizierender Annahmen, Normativitäten und Handlungen und etabliert dabei Gesellschaftsformationen, in denen Menschen deprivilegiert werden, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer ›Kultur‹, äußerer Merkmale – wie der Hautfarbe, der Haarstruktur oder der Sprache u.v.m. – als nicht-weiße Menschen betrachtet werden. In der Regel 67 68
Auch meine Interviewpartnerinnen* sprachen davon, dass sie endlich Werkezuge und Texte hatten, um sich mitzuteilen (vgl. Kapitel 4.1.). Die vier genannten Distanzierungsmuster sind: 1. Die Person, die Rassismus benennt, wird als Ursache des Problems angegriffen; 2. Eine Verlagerung in den Rechtsextremismus; 3. Kulturalisierung (die Kultur der Anderen ist das Problem); 4. Verschiebung in die Vergangenheit (Behauptung, Rassismus habe es nur im Nationalsozialismus gegeben).
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sind dies Schwarze Menschen und People of Color, die wiederum unterschiedliche Zugehörigkeiten vorweisen. Im Fall von rassifizierenden Ordnungen werden beispielsweise viele Ausschlüsse auf der strukturellen Bildungsebene (Schul- und Berufsbildung) hervorgehoben,69 die natürlich auch die späteren Lebensperspektiven betreffen und damit eine strukturelle Benachteiligung zur Folge haben. Obwohl sich die Zahlen derzeit verbessert haben und mehr Menschen mit einem sog. Migrationshintergrund weiterführende Schulen und Universitäten besuchen und auch im Gesundheitssektor Veränderungen wirksam werden, kann von gleicher Teilhabe noch keine Rede sein.70 Alle Strukturprinzipien westlicher Gesellschaften sind historisch-kulturell gewachsen. Die Sklaverei der Schwarzen Bevölkerung und der Kolonialismus zählen im rassistischen Strukturprinzip zu den historischen Hervorbringungen des Systems, die in diesem Fall Privilegien für weiße Menschen und wissenschaftlich begründete Ideologeme für die Ausbeutung Schwarzer Menschen kreierten. Die Privilegien71 der einen Gruppe können nur durch die Deprivilegierung der anderen aufrechterhalten werden; sie ist quasi ein Spiegel der Absicherung auf unterschiedlichen Ebenen. Diese Ebenen können ökonomischer oder auch diskursiver Art sein, auf jeden Fall sind sie aber auch von identitärer (vgl. Mbombi 2011; Hill Collins 2005) und machtpolitischer Eigenschaft. Rassismus als Strukturprinzip zu untersuchen bedeutet, sich nicht nur den unterschiedlichen Ebenen zu widmen und Wirkungen auf all diesen Ebenen herauszustellen; darüber hinaus bedeutet es auch, die Wechselwirkungen der Ebenen in den Blick zu nehmen. »Der Begriff Rassismus wird im Rahmen von Rassismuskritik verstanden als soziales und gesellschaftliches Phänomen, das sich auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens in mannigfaltiger und sich wandelnder Form manifestiert. Rassismus kann in Hinsicht auf Bedeutung, Verankerung und Effekte in unterschiedlichen Einstellungen untersucht werden: mit Blick auf die ideologisch-diskursiv-kulturelle, die strukturell-gesellschaftliche, die institutionell-organisationelle, die interaktive sowie die intrapersonal-subjektive Ebene. In all diesen Hinsichten, respektive auf all diesen Ebenen ist Rassismus relevant.« (Mecheril/Melter 2009: 15)
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Nicht nur in den PISA-Studien wurde mehrfach auf die Benachteiligung von Schüler*innen of Color hingewiesen, sondern auch mehrere Studien, die Institutionelle Diskriminierungen untersucht haben, kommen zu diesem Ergebnis (vgl. Gomolla/Radtke 2009; Hormel/Scherr 2005; für den Hochschulkontext: Kelly 2014; Kuria 2015). Auch der Bildungsbericht 2018 stellt noch fest, dass formale Bildungsabschlüsse davon abhängig sind, aus welchen Elternhäusern die Kinder kommen. Trotz der steigenden Zahlen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit weiterführenden Schulabschlüssen und Hochschulzugangsberechtigungen ist die Zahl der 16- bis 30-jährigen mit ›Migrationshintergrund‹, die eine Hochschule besuchen, geringer (vgl. Bildungsbericht 2018: 4). Der Begriff ›Privilegien‹ deutet darauf hin, dass es hier nicht um allgemeine Bevorzugungen geht, sondern gemeint sind einerseits Vorteile in dem eben erwähnten strukturellen Feld und darüber hinaus Selbstverständlichkeiten, die Schwarzen Menschen nicht zugestanden werden (wie zum Beispiel unbehelligt Zug zu fahren, unkontrolliert durch eine Polizeikontrolle zu kommen oder nicht ständig mit der Frage nach der ›eigentlichen‹ Herkunft konfrontiert zu sein).
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Mit der ideologisch-diskursiv-kulturellen Ebene sind beispielsweise Medien angesprochen, die nicht nur über die Verbreitung von Stereotypendarstellungen und Zuschreibungen und damit auf der Repräsentationsebene operieren; vielmehr kann auch die (häufige) spezifische Kombination von Themen einer rassifizierenden Repräsentationslogik folgen. Eine sehr aufschlussreiche Studie dazu ist 2014 von Yasemin Shooman vorgelegt worden. In dieser Untersuchung widmet sie sich antimuslimischen Diskursen und kann deren inneren Zusammenhang und die rassistische Wende darin aufzeigen (vgl. Shooman 2014). Die bereits angedeutete strukturelle Ebene wird von Birgit Rommelspacher folgendermaßen beschrieben: »Von strukturellem Rassismus spricht man, wenn das gesellschaftliche System mit seinen Rechtsvorstellungen und seinen politischen und ökonomischen Strukturen Ausgrenzung bewirkt, während der institutionelle Rassismus sich auf Strukturen von Organisationen, eingeschliffene Gewohnheiten, etablierte Wertvorstellungen und bewährte Handlungsmaximen bezieht.« (Rommelspacher 2009: 30) Eine strukturelle und institutionelle Diskriminierung findet sich außerdem dort, wo »Themen, die sie betreffen, […] kaum Beachtung, weder beim Einzelnen noch in der Öffentlichkeit, [finden], es sei denn sie dienen der Problematisierung der Anderen und ihrer Ausgrenzung« (Rommelspacher 2009: 31). Strukturell-gesellschaftliche Ebenen sind, wie oben bereits angesprochen, Ebenen, die beispielweise im Rechtssystem und dessen Ausführungen verankert sind. Prominent sind in diesem Fall Polizeikontrollen geworden, die über körperliche und sprachliche Merkmale Menschen als Nicht-Zugehörige identifiziert und vermehrt kontrolliert und auch festgehalten haben. Die unter dem Stichwort racial profiling kritisierte Praxis in Deutschland und anderen Staaten der EU und den USA wurde 2013 vom Institut der Menschrechte in einer Studie als »menschrechtsverletzende Praxis« (Cremer 2013) eingestuft. Die institutionell-organisationelle Ebene wird beispielwiese in den Teilhabe-Minimierungen im Bildungsbereich deutlich. Die zwischenmenschliche, interaktive Ebene ist auf allen anderen Ebenen wiederzufinden bzw. es beeinflussen alle anderen Ebenen die zwischenmenschliche.72 Interessant für die vorliegende Studie und für Bildungs- und Subjektivierungsforschungen insgesamt ist darüber hinaus die intrapersonal-subjektive Ebene. Hier wirken Rassismuserfahrungen auf Schwarze Menschen und People of Color als Verletzungen auf unterschiedlichen Ebenen. Drei Perspektiven auf die Vulnerabilität durch Rassismus möchte ich kurz beschreiben: Einerseits sprechen bspw. Eggers (2004), oder Batts (2013) davon, dass Rassismus und eine Abwertung der eigenen und/oder GruppenIdentität auch als internalisierter Rassismus betrachtet werden kann. In diesem Fall kann 72
Eine eindrucksvolle Forschung wurde von Wilhelm Heitmeyer und Andreas Zick als Langezeitstudie zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit durchgeführt. Obwohl deren Rassismusdefinition sich von der in dieser Arbeit zugrunde gelegten unterscheidet (sie ist unterteilt in Überlegenheitsphantasien weißer Deutscher, Fremdenfeindlichkeit und unterschiedliche Typen von Rassismus), sind die Zahlen im Langzeitvergleich doch bestürzend: Im Jahr 2011 konnten 22,2 % der Aussagen der Beteiligten als rassistisch eingestuft werden und 47,1 % als fremdenfeindlich. Dabei hatten die fremdenfeindlichen Äußerungen im Vergleich zu 2002 schon abgenommen, da lag die Quote noch bei 55,4 % (vgl. Heitmeyer 2011).
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es darum gehen, eigene Zugehörigkeiten zu leugnen und sich an eurozentristischen, abwertenden Ansichten zu orientieren (vgl. Eggers 2004: 31). Als zweites Moment kann aus einer subjektivierungstheoretischen Perspektive darüber gesprochen werden, dass Rassismus zu machtvollen Subjektivierungen der Unter- und Überordnungen beiträgt; Rassifizierungen verdeutlichen sich dann auf der Ebene internalisierter rassistischer Normen die im Symbolischen gebildet wurden und darüber eine ›Verinnerlichung‹ erfahren (vgl. Kapitel 2.1.4; Velho 2016; Rose 2013). Als dritte Perspektive auf Verletzungen im Ordnungssystem Rassismus kann mit Bezug auf Grada Kilomba (2010) von Traumata gesprochen werden, die Schwarze Menschen und People of Color über Rassismus immer wieder erfahren. Grada Kilomba hat zudem in ihrer Studie, veröffentlicht unter dem Titel Plantation Memories, hervorgehoben wie schwierig es ist Rassismus als betroffene Person zu benennen (vgl. Kilomba 2010). Die Schwierigkeit, Rassismus als solchen zu benennen und zu kennzeichnen, führt zu einer »brutal mask of speechlessness« (Kilomba 2007: 19-22); Diskriminierungen können kaum dargestellt werden, und wenn sie als solche identifiziert werden, führt es an manchen Stellen zu einer Täter-Opfer-Umkehrung. Das Opfer wird, wenn es auf Rassismus hinweist, beschuldigt, jene diskreditiert zu haben, die die Diskriminierung ausgeführt haben. Diese Erfahrungen einerseits und die über eine lange Zeitspanne anhaltende Unwilligkeit, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, reproduziert rassistische Konfigurationen im Individuum, in seiner Umgebung und im gesellschaftlichen Kontext (vgl. Scholle/Bergold-Caldwell 2013). Letztlich stehen aber alle oben benannten Ebenen in einer Wechselwirkung zueinander. Sie können auf der diskursiven, auf der institutionellen, auf der strukturellen, der interaktiven und auf der subjektiven Ebene untersucht werden und auch in ihrer Wechselwirkung untereinander. Rassismus, seine Geschichte und Bildung Rassismus ist ein Phänomen, das sehr lange existiert, was sich aber historisch verändert hat (vgl. Hund 2006). Hund bezeichnet Rassismus als eine Form der Negativen Vergesellschaftung, die sich in unterschiedlichen Phasen entwickelt hat. Er deutet dabei auch einen »Rassismus des Staates« (Ebd.: 67-70) an, wie ihn auch Foucault in seiner Vorlesung 1975-76 Verteidigung der Gesellschaft (Foucault 2001b) gezeigt hat. Während Foucault nachzeichnet, wie sich der moderne Staat zu einer Biomacht entwickelt, die den Tod ihrer Mitglieder nicht mehr hinnimmt, sondern im beginnenden 18. Jhdt. vielmehr daran interessiert ist, den Bevölkerungszuwachs durch gezielte Maßnahmen zu unterstützen – was bedeutete, dass nicht-generative Sexualität und ein schlechtes Erbgut rassenbiologisch ausgegrenzt wurden –, setzt Hunds Beschreibung des segregierenden Staates zu anderen Zeitpunkten und bei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen an. Er wendet sich eher Bevölkerungsgruppen zu, die nicht Teil des völkischen ›Wir‹ werden sollten (wie Rrom*nja, Sinte*zza, Jüd*innen u.v.m.) und auch solche die als Fremde und Kolonisierte dazu beitragen sollten den modernen kapitalistischen Staat erst hervorzubringen, aber niemals als Gleiche betrachtet wurden. Auch Zygmunt Bauman (1992) bezeichnet Rassismus als modernes Phänomen des Reinigens und Ordnens, »modern« in dem Sinne, dass es sich mit dem Beginn der Moderne verändert hat.
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Eine etwas andere Perspektive kann dagegen mit Bezug auf die Kritische WeißSeins-Forschung dargestellt werden: Die Historikerin Peggy Piesche diskutiert in dem Artikel Der Fortschritt der Aufklärung – Kants Race und die Zentrierung des weißen Subjekts (2005b) »die Selbstmarkierungen des Markierers im Diskurs der Aufklärung und deren Nachwirkung […] und die zentrale Rolle, die Denkern wie Emanuel Kant und Georg Friedrich Wilhelm Hegel dabei zufielen …« (ebd.: 30). Dabei zeichnet sie nach, wie beide mit dem Begriff Race »Weißsein als Bedeutung produzierende Wirklichkeitskonstruktion anfänglich selbst dechiffrierten und durch eine eigene Markierung historisch a priori setzten« (ebd., Herv. DBC). In den Anfängen des deutschen Diskurses um ›Rasse‹ ging es in erster Linie darum, sich selbst in allen differierenden Lebensarten zu kennzeichnen und das unter der Abgrenzung zu dem Anderen zu tun. Sie zeigt in ihrem Beitrag »die Diskursivierung von Weißsein« (ebd.) durch den von Kant eingeführten Begriff der Race auf, den dieser in seinem 1775 erschienenen Werk Von den verschiedenen Racen der Menschheit entfaltete, und zeichnet »die weitere Theoretisierung seiner Bedeutungsebene durch Hegel« (ebd.) nach. Ohne die gesamte Diskussion der Texte an dieser Stelle zu verfolgen, kann Piesche aufzeigen, wie einerseits durch das Fortschrittsnarrativ und eine ihm implizit anhängende Führungsposition weiße, koloniale Ausbeutung gerechtfertigt werden konnte; andererseits trug dieser Diskurs dazu bei, das Eigene als historisches a priori zu setzen und sich gleichzeitig als ein »Ganzes auf Basis des zuvor Markierten« (ebd.: 37) zu präsentieren. weiß-Sein wird damit diskursiv zu einer führenden Norm, die durch die eigene diskursive Produktion zeigen kann, dass es schon immer so war. Im modernen Diskurs der ›Rasse‹ ging es also einerseits darum, koloniale Sklaverei und Ausbeutung zu legitimieren, aber gleichzeitig auch darum, weiß-Sein als etwas in seinen verschiedenen Facetten auftretendes Ganzes zu präsentieren und die Überlegenheit durch Vernunft, Logos und Bildbarkeit zu kennzeichnen, was im Fortschrittsnarrativ des europäischen Kontinents von Kant angelegt und von Hegel weitergedacht wurde (vgl. ebd.: 33). »Bei den N[***rn] ist das Charakteristische gerade, daß ihr Bewußtseyn noch nicht zur Anschauung irgend einer festen Objektivität gekommen ist, wie zum Beispiel Gott, Gesetz, bei welcher der Mensch mit seinem Willen wäre, und darin die Anschauung seines Wesens hätte. Zu dieser Unterscheidung seiner des Einzelnen, und seiner wesentlichen Allgemeinheit ist der Afrikaner in seiner unterschiedslosen gedrungen Einheit noch nicht gekommen, wodurch das Wissen von einem absoluten Wesen, das ein anderes, Höheres gegen das Selbst wäre ganz fehlt. Der N[***r] stellt, wie schon gesagt worden ist, den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar: von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem was Gefühl heißt muß man abstrahiren, wenn man ihn richtig auffassen will: es ist nichts an das Menschlich Anklingende in diesem Charakter zu finden« (Hegel 1971: 140, zit.n. Piesche 2005a: 33; Herv. P.P.).73 Hier wird deutlich, dass das Bewusstsein Schwarzer Menschen als noch nicht so weit entwickelt oder im Wesentlichen gar als nicht vorhanden angesehen wird, weil sie – an 73
Das N.-Wort wird in diesen Zitaten zwar nur zweimal genannt, aber ich habe mich entschieden, es abzukürzen und nicht auszuschreiben.
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eine biologische Wildheit gebunden – somit nicht fähig seien, höhere kulturelle Entwicklungsstufen zu erreichen. »Das Volk der Amerikaner nimmt keine Bildung an. Es hat keine Triebfedern […] Sie […] sorgen auch für nichts, und sind faul […] Die Race der N***r […] n[immt] Bildung an, aber nur eine Bildung der Knechte, d.h. sie lassen sich abrichten […] Die Hindus […] nehmen […] Bildung im höchsten Grade an, aber nur zu Künsten, nicht zu Wissenschaften. Sie bringen es niemals bis zu abstrakten Begriffen […] Die Race der Weißen enthält alle Triebfedern und Talente in sich […] Wenn irgend Revolutionen entstanden sind, so sind sie immer durch die Weißen bewirkt worden und Hindus, Amerikaner, N***r haben niemals daran Theil gehabt.« (Kant 1997: 1187, zit.n. Ergün-Hamaz 2016: 21, Auslassung i.O. bei EH) Die hier mit dem Postulat fehlender Bildsamkeit und Bildung behauptete ›natürliche‹ Ungleichheit legitimiert ideologisch die Ausbeutung und zeigt gleichzeitig, dass eine Bildung Einzelner durch ›bildungsfähige‹ Weiße für möglich gehalten wurde, aber nur für einzelne (vgl. Piesche 2005b: 35). Meine These ist, dass der Bildungsgedanke der Aufklärung – bzw. der der Überwindung der Aufklärung (Kant) – sich mit diesen Annahmen von Bildsamkeit verknüpft. Peukert (2000) zeigt meines Erachtens deutlich, dass Bildung zum zentralen Begriff der Aufklärung gehört, da mit der unterstellten eigenen Vernunftbegabung eine Beherrschung der Natur, der Gesellschaft und des Göttlichen proklamiert wurde (vgl. Kapitel 2.1.3.2 Bildung und Gesellschaft). Menschen, denen diese Vernunftbegabung abgesprochen wurde, waren den ihnen übergeordneten Prinzipien ausgeliefert, so die Vorstellung. Historisch wurde dabei nicht nur die Bildsamkeit Schwarzer Menschen in Frage gestellt, sondern im Zusammenhang mit dem Transatlantischen Sklavenhandel und dem Kolonialismus ein Bildungssystem installiert, das die imperiale Kulturproduktion sicherte (vgl. Castro Varela 2007a). Damit stand nicht nur die Bildsamkeit in Frage, es wurden darüber hinaus auch eurozentrische Ideen von Bildung in den kolonisierten Ländern etabliert (vgl. Said 2008). Rassismus ist damit heute nicht nur eine Distinktionspraxis, die ein nationales, kulturelles oder auch ethnisches ›Wir‹ konstituiert und die Anderen dabei erschafft; Rassismus ist nicht nur eine Diskriminierungspraxis, die auf unterschiedlichen Ebenen wirkt; Rassismus und dessen Erfahrung fußt vor allem auch auf physiognomischen, also körperlich-materiellen Unterschieden, aber auch darauf, inwiefern Menschen als bildbare und zu bildende imaginiert wurden. Obwohl Rassismus also aus einer biologischen Konstruktion von ›Rasse‹ hervorgegangen ist, trägt das von Kant und Hegel eingebrachte Fortschrittsnarrativ, in Verbindung mit der Bildbarkeit, schon damals kulturelle Implikationen in sich. Die Verbindung zwischen Rassismus, Fortschritt und Bildung kann, so meine Einschätzung, jederzeit wieder bemüht werden. Der Begriff des Rassismus und seine historischen Wandlungen Der Begriff Rassismus oder die Bezeichnung, dass etwas rassistisch sei, weist heute auf unterschiedliche Dimensionen innerhalb seiner Begrifflichkeit und Verwendung hin. Gekennzeichnet wird zum einen die Praxis, die rassistisch ist und die deshalb eines Hinterfragens bedarf, und zum anderen stellt der Begriff gleichzeitig eine Analyse- und Theorieperspektive dar (vgl. Lutz 1993).
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Der Begriff wurde nach Robert Miles (1992) zum ersten Mal von Magnus Hirschfeld 1938 genutzt. Er wollte mit der Benennung auf die rassistischen Praxen des 18. und 19. Jahrhunderts aufmerksam machen und diese kritisieren. Das damalige Europa war das Zentrum der Entstehung der rassistischen Ideologie, die in Zusammenhang mit eugenischer ›Forschung‹ auch eine wissenschaftliche Legitimierung erhielt. Dieser um Inhalt und Bedeutung erweiterte Begriff von ›Rasse‹, dem Kant und Hegel anhingen, wird nun mit sozialdarwinistischen Ideen und Zivilisierungsaspekten zusammengebracht. Sehr bekannt für die Einführung dieses Gedankens und die Warnung vor ›Rassenmischung‹ ist Arthur de Gobineau (1853). Nach seiner Überzeugung entstammten Menschen nicht – wie noch von Kant dargestellt – derselben Menschenrasse, für ihn waren es lediglich weiße, die von Adam abstammten (de Gobineau war christlich-katholisch geprägt).74 De Gobineau übte in seinem Umfeld erheblichen Einfluss aus und war auch bekannt mit Houston Stewart Chamberlain (1899), der dessen Theorien antisemitisch erweiterte. Letztlich lassen sich dann beide ›Vordenker‹ in Hitlers Traktat Mein Kampf wiederfinden. Mit Foucault und Norbert Elias entstehen diese neuen Diskurse zentral in jenem Moment, als das alte Europa (18. und 19. Jhdt.) über die Zivilisierung spricht (Foucault 2001b; Elias/Hammer 1997). Auch Robert Miles betrachtet das Moment der sogenannten Zivilisierung mit Bezug auf Elias als einen Zusammenhang für die Ausweitung des Rassekonzepts. Gleichzeitig nahmen im 18. Jhdt. wissenschaftlich- biologische und anthropologische Forschungen zu ›Rassen‹ als solchen zu, und man versuchte, über Schädelmessungen und körperliche Merkmale Unterscheidungen zu begründen, die letztlich deren unterschiedlichen zivilisatorischen Beitrag zur Menschheitsgeschichte erklären sollten.75 Das nun entstandene Ordnungs- und Wissenschaftssystem Rassismus identifiziert dabei das Konstrukt der ›Rasse‹ mit bestimmten somatischen Merkmalen, einhergehend mit einer Deutungsaufladung. »Robert Miles (1992,110) versteht unter ›Rassekonstruktion‹ (racialation) jene Fälle, in denen gesellschaftliche Beziehungen zwischen Menschen durch die Bedeutungskonstruktion biologischer Merkmale dergestalt strukturiert werden, dass sie differenzierte gesellschaftliche Gruppen definieren und konstituieren.« (Mecheril/Scherschel 2009: 48) Rassismus in dieser Form, ist dabei aber eine europäische Denktradition, wie Susan Arndt betont. Sie weist darauf hin, dass Rassismus als »europäische Denktradition und Ideologie, die ›Rassen‹ erfand, um die weiße ›Rasse‹ mitsamt des Christentums als vermeintlich naturgegebene Norm zu positionieren« (Arndt 2011b: 43, Herv. i.O.; vgl. auch Piesche 2005a, b). Diese Fremdzuschreibung mündet in den Prozess gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und wird dann manchmal, auch in Abgrenzung zu anderen, als
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Schwarze Menschen stammen nach den Phantasien de Gobineaus von Ham ab, dem jüngsten Sohn Noahs (vgl. Genesis 9,24) (vgl. Hund 2006). Ich habe an anderer Stelle darauf verwiesen, wie diese ›Untersuchungen‹ auch an Sara Baartman durchgeführt wurden und damit auch geschlechtsspezifische Unterscheidungen vor dem Hintergrund körperlicher Erscheinungen gerechtfertigt wurden (vgl. Bergold-Caldwell 2014).
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Selbstzuschreibung genutzt. Die Einteilung in sogenannte ›Rassen‹ kann heute als »Resultat […] gesellschaftlich[er] ›Prozesse der Selbst- und Fremdzuschreibung‹« (Mecheril/Scherschel 2009: 48) verstanden werden. Die biologische Unterscheidung ist zwar heute nicht mehr haltbar; trotzdem funktionieren rassistische Zuschreibungen noch immer auch mit diesen biologistischen Tradierungen, sie tarnen sich aber gleichsam und kommen, wie Balibar (1992) herausstellt, über kulturelle Zuschreibungen daher. Insgesamt kann aber aufgezeigt werden, inwiefern biologistische Zuschreibungen ein Wissens-Archiv76 im Sinne Foucaults bilden und eine Herrschaftsform etablieren, die, wie auch Sexismus, nicht mehr über biologische Zuschreibungen funktionieren muss, sondern vielmehr diese als Wissensarchiv nutzt, um nun über ›kulturelle‹ Lebensweisen zu agieren. Rassismustheorie und unterschiedliche Rassismen Innerhalb des deutschen Kontextes gab es – wie oben bereits erwähnt – eine besondere Schwierigkeit, Rassismus als Tatsache, Praxis, Theorie- und Analyseperspektive zu etablieren und rassistische Handlungen aufzuzeigen, die zum einen in der deutschen Geschichte verankert sind und die im weiteren Sinne mit der fehlenden Beschäftigung mit der deutschen Kolonialgeschichte erklärt werden können. Rassismus oder rassistische Konfigurationen dienten dabei immer als Distinktionspraxis und lieferten innerhalb dieser Konfiguration gleichzeitig Deutungen über die ›Anderen‹ und über die eigene Gruppenzugehörigkeit. Es geht um die Markierung von Unterschieden, die dazu gebraucht werden, sich gegenüber anderen abzugrenzen. Diese Abgrenzung erfolgt willkürlich anhand äußerer Merkmale wie der Hautfarbe und anderer phänotypischer Äußerlichkeiten. Die Abgrenzung stand und steht aber immer in Zusammenhang mit Macht- und Herrschaftssicherung. Es geht um die Verteilung von Ressourcen und um Teilhabe und Anerkennung (vgl. Rommelspacher 2009: 25). Die Verbindung von äußerlichen Merkmalen mit einer Attribuierung zugeschriebener negativer charakterlicher Eigenschaften, Neigungen und Vorlieben ist ein zentrales Merkmal von Rassismus. Diese Zuschreibungen haben immer Konsequenzen für beide Gruppen: für die dominante Gruppe Herrschaftssicherung und für die deprivilegierte Gruppe einen Verlust von Macht. Rassismus kann mit Birgit Rommelspacher »als Legitimationslegende verstanden werden« (ebd.: 26, Herv. i.O.). Soziale, ökonomische und geschichtliche Differenzen werden und wurden naturalisiert, homogenisiert, polarisiert und hierarchisiert. Dies ist die unmittelbare und zugrundeliegende Funktionsachse von Rassismus (vgl. ebd.). Dabei gibt es unterschiedliche Rassismen, die in ihrer Wirkung und in ihrem Ursprung an dieser Stelle nur kurz angedeutet werden sollen. Rassismen sind immer Fremdheitskonstruktionen und versuchen eine Differenz zu etablieren und zu stabilisieren, was häufig über einen Prozess des »Otherings« (Said
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Foucault nutze diesen Begriff, um darauf hinzuweisen, dass unser Wissen über uns selbst auf einem historischen Wissensarchiv aufbaut, das aber immer auch weiterwirkt. Ich nutze den Begriff, um darauf hinzuweisen, dass Wissensarchive auch rassistischer Natur sein können und es deshalb auch immer darum gehen muss, Begriffe (wie den Bildungsbegriff) in seiner Genealogie zu verfolgen, um die Implikationen freizulegen.
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2008) erfolgt und funktioniert. Die sozialen Konstruktionen unterschiedlicher Rassismen und daraus entstandene und entstehende Hierarchien haben aber dennoch unterschiedliche Topoi, geschichtliche Grundlagen und Funktionen (vgl. Rommelspacher 2011: 46). Rommelspacher unterscheidet zwischen kolonialem Rassismus, Rassismus gegen Sklav*innen, Antisemitismus, Antiromaismus und antiislamischem Rassismus, und sie geht auch auf eugenische Rassismen ein (vgl. ebd.). Der Begriff Kolonialer Rassismus kennzeichnet eine Form des Rassismus, der insbesondere gegen Menschen des afrikanischen Kontinents und Menschen aus den ehemaligen Kolonien gerichtet wurde und wird. Die grundsätzliche Entstehung und Durchsetzung liegt in der Moderne begründet. Im Kontext des Kolonialismus ist die Funktion von ›Rasse‹-Konstruktionen offensichtlich: Die Schwarze Bevölkerung wird als ›primitiv‹ und ›unzivilisiert‹ deklariert, um ihre Ausbeutung und Versklavung zu rechtfertigen (vgl. Rommelspacher 2009: 25). Antisemitismus hingegen wird nicht immer auch als eine Form von Rassismus besprochen. Mir geht es hier nicht darum, diese Debatte zu vertiefen, sondern unterschiedliche Formen, Funktionen und Zielsetzungen ausgrenzender Politiken aufzuzeigen. Rommelspacher (2011) unterscheidet zwischen einem Antijudaismus, der sich auf die vormoderne religiöse Abwertung von Juden bezieht, und zwischen dem Antisemitismus, der in der Moderne als Rassenprinzip auftaucht. Mit der Moderne wurden diese religiösen Differenzen in biologische überführt und Juden einer sogenannten semitischen ›Rasse‹ zugeordnet. Sie wurden dann als »›rassische Gefahr‹, die einen ›gesunden Volkskörper‹ von innen her zu zersetzen droht« (Rommelspacher 2011: 46), betrachtet. Im Zentrum stand dabei, die christliche-weiße Ideologie ›Rassen‹ zu kategorisieren und damit eine eigene (wissenschaftliche) Deutungshoheit zu etablieren. Mit dem Aufkommen der Idee einer nationalen Einheit wurden rassifizierende Prozesse unabdingbar, da die Nation auf einen gemeinsamen organischen Körper-Ursprung zurückgeführt wurde; Menschen, die in diesen Ursprung nicht passten, mussten über ihre rassifizierte ursprüngliche Zugehörigkeit verortet werden, um eine Nicht-Zugehörigkeit zu vereindeutigen.77 Deutlich wird hier, dass die rassistische Form des Judenhasses sich auf eine ›Reinheit‹ des Volkes bezieht (vgl. ebd.). Rommelspacher (2009) unterscheidet, »psychoanalytisch gesprochen«, zwischen »Über-Ich-Projektionen« und »Es-Projektionen« (ebd.: 26). Erstere lassen sich im Antisemitismus finden, der Juden ein Zuviel an Macht, Intelligenz und Reichtum zuschreibt; »Es-Projektionen« finden sich im kolonialen Rassismus, in dem den anderen ein Überschuss an Triebhaftigkeit, Sexualität und Aggressivität unterstellt wird (vgl. ebd.: 26-27). Diese Projektionen rund um das Thema Sexualität und Triebhaftigkeit, lassen sich auch in den Zuschreibungen nachweisen, die die interviewten Frauen* heute erfahren, sie haben sich jedoch verändert und wirken unter anderen Vorzeichen, haben aber letztlich noch die gleiche Botschaft der differenten Sexualität. Im Nexus der differenten Sexualität, Triebhaftigkeit und kulturellen Abwertung ist auch der antimuslimische Rassismus (Shooman 2014) zu betrachten, wobei Rommels77
Rommelspacher weist daraufhin, dass Fichte, Herder und Schelling den völkischen Nationalismus entscheidend mitprägten, indem sie auf eine organische Einheit und Ursprung der Nation und nationaler Zugehörigkeit hinwiesen (vgl. Rommelspacher 2011: 46).
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pacher von antiislamischem Rassismus spricht. Er gründet ebenso wie Antisemitismus auf religiös-kulturellen Differenzkonstruktionen. Geschichtlich bezieht sich hier eine Rassifizierung auf die Gegenüberstellung von Orient und Okzident, die Edward Said in seinem viel beachteten Werk Orientalism (2008 [1978]) beschrieben hat. Er zeichnet in seinem Werk nach, wie der Westen (Okzident) den Orient erschaffen und mit unterschiedlichen Differenzkonstruktionen die abenteuerliche, erotisierte Fremde hervorgebracht hat (vgl. Said 2008). Der Islam wurde historisch wie auch gegenwärtig (bzw. heute mehr denn je) als Gegenspieler des Westens konstruiert. Antiislamischer Rassismus kann, in Abgrenzung zu Antisemitismus, dem kolonialen Rassismus Westeuropas als eine besondere Form zugerechnet werden (vgl. Rommelspacher 2011). Auch er hat seine Funktion verändert. Während Abgrenzungen und Zuschreibungen früher über eine Über-Erotisierung des Orients verliefen, werden heutige Fremdkonstruktionen an der Biologisierung der kulturellen Unterschiede vorgenommen, was nicht zuletzt an der Zuschreibung von ›natürlichen‹ Geschlechterhierarchien, die im Islam vorhanden seien, geschieht. Hier ist es die Funktion, eine Überlegenheit des Westens in punkto Egalität im Geschlechterverhältnis herauszustellen (vgl. Lutz 1993: 146; Dietze 2017). Als letzte, aber nicht minder aggressive Form der Ausgrenzung möchte ich hier kurz noch auf den Antiromaismus zu sprechen kommen. Antiromanismus ist eine Form des Rassismus, die in Europa und in Deutschland schon lange existiert. Sinte*zza und Rrom*nja waren nicht nur im Nationalsozialismus eine der verfolgten und ermordeten Gruppen, sie sind auch heute besonderen Gefahren ausgesetzt. Einige flüchten vor Verfolgung aus anderen europäischen Ländern nach Deutschland, genießen aber hier keinen besonderen Schutzstatus und werden aufgrund dessen immer wieder abgeschoben.78 Genauso wie Antisemitismus hatte diese Form des Rassismus die Funktion auf die ›Reinheit‹ des Volkes zu wirken und jene die als nicht-Zugehörig hervorgebracht wurden aus diesem Volks-Körper zu eliminieren. Rassismus als System der Regulierung von Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit Rassismus ist eine Bezeichnung für bestimmte Diskriminierungs-, Anrufungs- und Distinktionspraxen auf der Ebene von ›Wir‹- und ›Ihr‹-Zuschreibungen. Rassistische Diskurse konstruieren nicht nur die Objekte, sondern auch die Subjekte des Rassismus. Indem in spezifischer Weise geregelt ist, wer die Fremden und Anderen sind, ist auch immer das Nicht-Fremde und Eigene festgelegt (Mecheril/Scherschel 2009: 47). Rassismus wird von Miles (1992) als ideologisches Konstrukt und von Stuart Hall (2010) als diskursives System beschrieben. Rassismus ist – wie oben dargestellt – neben einem Konstruktions- und gleichzeitigen Deutungssystem auch ein System, in dem Fremdund vor allem Selbstbilder und -bezüge erschaffen werden. Rassistische Diskriminierungen treten in aller Regel mit Bezug auf andere Ungleichheitskategorien auf und stehen in Wechselwirkungen mit ihnen (vgl. z.B. Hutson 2007, Eggers 2013a, b). Rassismen haben in ihren unterschiedlich zugrunde liegenden Ideologien aber auch unterschiedliche Funktionsweisen.
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Auf der folgenden Homepage gibt es eine gute Materialsammlung zu Antiromaismus: https:// www.mangoes-and-bullets.org/schlagwort/antiromaismus/[Zuletzt abgerufen: 04.02.2019].
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Auf die historischen Funktionsweisen und teilweise auch auf heutige wurde bereits verwiesen. Was bisher nicht zur Sprache kam, ist eine Ordnungs-Logik, in der über Rassismen Zugehörigkeiten und Nicht-Zugehörigkeiten reguliert und kenntlich gemacht werden. Diese Identifikationsrituale der Zugehörigkeit kommen häufig mit Fragen wie »Woher kommst du?« oder »Sie haben aber einen seltsamen Namen!« daher (Rommelspacher 2009: 31). »Diese Fragen können als Teil eines Zugehörigkeitsregimes verstanden werden, das mithilfe verschiedenster Mechanismen die einzelnen zu dem in dem jeweiligen Kontext relevanten Kollektiv als dazugehörig erklärt bzw. davon ausschließt.« (Ebd.) Mit diesen Ritualen und Anrufungen wird Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelt, das sie von der Mehrheitsgesellschaft ausschließt. Birgit Rommelspacher unterteilt hier in intentionale und nichtintentionale Rassifizierungen, die aber meist auf dem Hintergrund von phänotypischen Eigenschaften angesprochen werden. Grundlegend dafür ist die Imagination einer deutschen Zugehörigkeit, die noch immer entlang eines ethnisch gedachten Einheitsbildes von weiß erfolgt. Sicherlich spielt hier die sehr späte Veränderung des deutschen Zuwanderungsgesetzes, die vor 1997 eine Blutsverwandtschaft mit einem Deutschen voraussetze, ihre Wirkung. Da rassistische Klassifikationen im Zuge der Gründung der Nationalstaaten und der Auseinandersetzung Europas mit außereuropäischen Staatengemeinschaften entstand bzw. legitimiert wurde, sind rassistische Denkmuster und Bewertungen aber auch häufig in Zusammenhang mit nationalstaatlicher Identität und Identitätsbezügen anzutreffen (vgl. ebd.). Kien Nghi Ha (Ha 2012a) spricht in diesem Zusammenhang von der Etablierung einer ethnisch-nationalen Identitätsform einer »Rassifizierung der nationalen Identität« (ebd.; vgl. auch Wollrad 2010). Durch diese für manche alltägliche Anrufung der Nicht-Zugehörigkeit werden Subjekte konstituiert, die als Außen dienen, und damit findet auch gleichzeitig eine Konstruktion der Zugehörigen statt. Maisha Auma (ehemals Eggers) setzt sich in ihrer Promotion (2005a) mit rassifizierter Machtdifferenz ab dem Beginn des Kindesalters auseinander und kann zeigen, wie Kinder bereits mit relativ jungen Jahren Unterschiede wahrnehmen und nutzen. Diese Unterscheidungen führt Auma auf Rassifizierungsprozesse zurück. Mit dem Begriff Rassifizierung, den sie im Anschluss an Terkessedis (1998) theoretisiert, ist die Konstruktion einer gesellschaftliche Gruppe gemeint, die entweder entlang phänotypischer Merkmale, kultureller Zugehörigkeiten oder eben auch entlang religiöser Praktiken und Zugehörigkeiten vorgenommen wird. Rassifizierung ist damit ein Prozess, der Menschen erst als einer bestimmten Gruppe zugehörig hervorbringt. Mit dieser Kennzeichnung wird noch deutlicher, dass ›Rasse‹ ein Konstrukt ist, aber in seiner Reichweite und durch seine herrschaftliche Ideologie trotzdem Menschen umgebracht werden. »Race does not exist. But it does kill people« (Collette Guilaume) Mit dem Begriff Rassifizierung spricht Auma neben anderen Ebenen auch eine identitäre Ebene an (vgl. Eggers 2005a). Auma definiert rassifizierte Machtdifferenz in vier Schritten. Zunächst bezieht sie sich auf die Praxis der Markierung, diese ist die Grundlage für die folgenden Schritte.
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Schwarze Weiblich*keiten a) Markierungen erfolgen immer über Zuschreibungen von Eigenschaften an Schwarze Menschen oder People of Color. Es wird ein Wissen über ihr Wesen erzeugt. In diesem Wissen besteht die Hauptaussage gewissermaßen in der Artikulation ihrer Differenz in Relation zur hegemonialen Gruppe. Diese Differenzkonstruktion kann implizit und explizit – über Ausschluss und Einschluss – erfolgen. In binärer Anordnung werden Eigenschaften zugeschrieben, die in Opposition zu den vermeintlichen Eigenschaften der hegemonialen Gruppe stehen. b) Naturalisierung: In einem zweiten Schritt wird die geschaffene Differenz naturalisiert. Sie wird als unüberwindbares oder zumindest schwer überwindbares Gegenteil festgelegt und verabsolutiert. Häufig verlaufen diese Differenzkonstruktionen entlang biologischer und/oder kultureller Unterscheidungen. c) Hierarchisierung: In einem nächsten Schritt bedarf es einer komplementären und hierarchischen Positionierung. Rassistisch markierte Andere werden nicht sich selbst überlassen, sondern in die hegemoniale Struktur eingeschlossen und in Relation zur hegemonialen Gruppe untergeordnet. d) Abgrenzungspraktiken: In einem letzten Schritt entstehen Abgrenzungspraktiken, die unter Bezug auf die getätigte Differenz auch plausibel gemacht werden können (vgl. Eggers 2005a: 34f.).
Diese aufgezeigten alltäglichen Praxen werden in der amerikanischen Theorietradition der Critical Race Theory als »Every Day Racism« bezeichnet. Auch in Deutschland finden mittlerweile Theoretisierungen entlang des Feldes des Alltagsrassismus (vgl. hierzu auch Velho 2016) statt. Es geht in diesen Auseinandersetzungen darum, dass sich eine rassifizierende Kraft nicht unbedingt immer nur in Beleidigungen und Beschimpfungen äußern muss, sondern einfach auch auf der Ebene von Alltagshandlungen ihre Kraft und Wirkung entfaltet. Sharon Patricia Holland – eine Theoretikerin der Critical Race Theory – beschreibt Every Day Racism als ein Vorgehen, in dem es um Zugehörigkeit und Nicht-Zugehörigkeit geht. »Racism requires one to participate in what I would call a project of belonging if the work of producing racial difference(s) is to reach fruition.« (Holland 2012: 3) Sie stellt die soziale Konstruktion dieser Zugehörigkeit heraus und verdeutlicht, dass es im Rassismus aber auch darum geht, eine tiefere Zugehörigkeit zu konstruieren. Diese Art des »belongings« wird mit Identifizierungen aufgeladen. Es geht darum, sich mit anderen zu identifizieren oder als zugehörig identifiziert zu werden. Die Identifizierung von Zugehörigkeit erzeugt eine Art Matter 79 , also eine Art materielle Bedeutung, die auch über Generationen hinweg immer wieder aufs Neue hervorgerufen wird. Dieses Projekt der Zugehörigkeit, das an äußeren Merkmalen, Identifizierungen und Zugehörigkeitsgefühlen aufgezogen wird, ist das emotionale Leben von Rassismus (ebd.: 4). 79
Das Verb ›to matter‹ (dt. von Bedeutung sein) erweist sich hier als äußerst treffsichere Beschreibung. Als Verb verweist der Begriff nicht nur auf das Wort von Bedeutung sein, sondern zugleich als Subjekt auf das materielle in dieser Bedeutung. Die Materielle Bedeutung kann einerseits mit Verweis auf die ökonomische Ausbeutung und Sklaverei zurückgeführt werden, sie materialisiert sich aber auch in diesem einen Schwarzen Körper, der materiell sichtbar ist. »In this instance the black body is the quintessential sign for subjcetion, for a particular experience that it must inhabitat and own all by itself « (ebd.).
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Diese Emotionalität wird auch mit Leben gefüllt: Sharon Patricia Holland spricht darüber, dass weiße Menschen häufig als Menschen betrachtet werden, die in der Zeit und mit der Zeit existieren.80 Schwarze Menschen und People of Color werden hingegen häufig als Personen betrachtet, die nur den Platz okkupieren. Durch die Frage: »How does it feel to be a problem?« hat WEB du Bois 1903 in seinem Werk The souls of black folk diese Situation gekennzeichnet. Diese Frage ist auch heute noch existent, sie lässt sich im hiesigen Kontext auf die Diskussionen rund um das Thema Migration beziehen: Wer gehört dazu und ist brauchbar und kreativ und wer besetzt einen Platz und ist damit nur ›Platzhalter‹? Die Normalität des weiß-Seins an sich setzt darin eine Norm, die sich immer wieder in der Hervorbringung und Begründung auf sich selbst bezieht. Ähnlich der Norm, wie sie Judith Butler für die heterosexuelle Matrix beschrieben hat, hat Astride Velho diese psychische Form der Normen-Macht für Rassismus hervorgehoben. Mit Bezug auf Butler zeigt sie, wie sich diese Norm des weiß-Seins eingeschrieben hat und wie sie ›verinnerlicht‹ wurde (vgl. Velho 2016). Diese Norm wird nicht nur verinnerlicht, sondern darüber hinaus wird an ihr auch die Abweichung gemessen. Vor diesem Hintergrund scheint die Aufrechterhaltung einer weißen Norm die zentrale Perspektive zu sein, die dieses Feld konstruiert und die Subjekte trifft.81 In dieser Logik werden einige Körper mehr angerufen, dazuzugehören als andere: Weil dem so ist und weil sich diese Zugehörigkeitsphänomene ganz deutlich an äußeren Merkmalen82 zeigen, spreche ich in einer kritischen Absatzbewegung von race. Zusammenfassung und Überleitung Ich versuche in dieser Untersuchung, entsprechend Rassismus oder Rassifizierungen als Analyseperspektiven zu fassen, die vielschichtig sind und sehr häufig in diesen alltäglichen Praktiken deutlich werden. Manchmal erkennen Menschen eine rassistische Praxis sofort, manchmal braucht es Zeit, um zu verstehen, was passiert ist; und manchmal sind sich Menschen gar nicht darüber bewusst, dass sie gerade mit einer rassistischen Differenzierungspraxis konfrontiert wurden. Die Interviewpartnerinnen* woll-
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In den Critical Whitness Studies oder in Kritischer Weiß-Seins-Forschung, weisen auch Eggers, Piesche, Kilomba und Arndt auf diese Strategie hin: »Literarische Werke, Hollywood und auch aktuelle deutsche ›Afrikafilme‹ (Die weiße Massai, Nirgendwo in Afrika), theoretische Texte und sogar Interpretationen von der Bibel, vermitteln ein Weißsein in Assoziation mit Milde, Güte, Rettung von ahnungslosen Schwarzen, weißer Unschuld, Reinheit und weißem Heldentum. Gegenwärtige Diskurse und mediale Repräsentanzen erzeugen und tradieren Weißsein als humanistisch, fortschrittlich, demokratisch, an egalitären Verhältnissen interessiert, der Genderdemokratie verpflichtet.« (Eggers 2005b: 18). Sara Ahmed schreibt in On being included (2012), wie whiteness sich in einer Institution formieren kann und damit Anrufungen dazu dienen diese Ideologie aufrecht zu erhalten. »When bodies gather, it creates an impression. We can think of the ›convene‹ in convention. A convention is a meeting point, a point around which bodies gather. Whiteness is a name we give to how some gatherings become conventions« (Ahmed 2012: 38). Wenn Menschen diese Anrufung als weiße Anrufung annehmen, drehen sie sich nicht nur um, sie erklären sich damit auch einverstanden (vgl. Ahmed 2012: 40). Manchmal ist auch Religion ein äußeres Merkmal, nämlich dann, wenn religiöse Erkennnungsmerkmale deutlich sichtbar sind.
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ten mir von ihren Erlebnissen erzählen, das war die Voraussetzung dafür, dass ich die Interviews geführt habe. In ethischer Hinsicht hatte ich sehr große Bedenken, mit Personen über ihre Erlebnisse zu sprechen, die nicht bis zu einem gewissen Grad bearbeitet waren. Da die Erfahrung von Rassismus auch als traumatisch eingeordnet werden kann (vgl. Kilomba 2013), könnte eine nicht verarbeitete und einfache Frage nach Rassismus erleben re-traumatisieren. Rassismuskritik ist damit einerseits eine analytische Perspektive, aber der Schmerz, der über die Erfahrung von rassistischen Ausschlüssen entsteht, ist keinesfalls analytisch, sondern emotional. Emotional waren auch die Interviews; die Frauen* waren froh, über ihre Erlebnisse sprechen zu können, aber es schwang auch häufig die Trauer über das Erlebte über unseren Köpfen, was auch in der Auswertung deutlich wird.
2.2.3
»Racial Capitalism« – der Kontext der Migrationsgesellschaft. Eine Analyse im Anschluss an Encarnción Gutiérrez Rodríguez
Die oben entfaltete Perspektive der Rassismuskritik und der Rassismustheorie deutet auf einen zugrunde liegenden Kontext hin, der von Paul Mecheril und anderen als Migrationsgesellschaft bezeichnet wird. Die Perspektive auf die Migrationsgesellschaft lässt sich unmittelbar unterscheiden von der Rede von einer Einwanderungsgesellschaft. Während Migrationsgesellschaft die Heterogenität der Gesellschaft durch unterschiedliche Formen der Wanderung und damit verbundene Änderungen von hybriden Identitäten und Diskurse im Blick hat, geht es mit Perspektive auf die Einwanderungsgesellschaft nur um jene, die zuwandern, nicht aber, oder zumindest weniger, um Prozesse, die die gesamte Gesellschaft damit verändern. »Migrationsphänomene betreffen in einem so entscheidenden Maße gesellschaftliche Wirklichkeit, dass der Terminus ›Migrationsgesellschaft‹ angemessen ist. Mit ihm kommt zum Ausdruck, dass die Untersuchung gesellschaftlicher Verhältnisse mit Blick auf Migrationsphänomene sinnvoll und bedeutsam ist. ›Migrationsgesellschaft‹ ist somit als eine Perspektive gesellschaftlicher Verhältnisse zu verstehen. Mit dieser Perspektive wird zum Beispiel gegenüber der Bezeichnung ›Einwanderungsgesellschaft‹ ein weiteres empirisches Spektrum in den Blick genommen, da nicht allein der ›klassische‹ Migrationstyp der Immigration, sondern auch Phänomene wie z.B. die Entstehung von transnationalen Zwischenwelten und hybriden Identitäten sowie Formen der Pendelmigration und diasporische Migration verstärkt in den Blick kommen« (Mecheril 2014b: 12). Durch die Zentrierung als Migrationsgesellschaft stehen Prozesse der »Wahrnehmung und Zuschreibung von Fremdheit, Strukturen und Prozesse des Rassismus, Konstruktionen des und der Fremden« (ebd.) einerseits und anderseits Prozesse neuer Formen von Identifizierungen, Sprachen, »neue gesellschaftliche Kontexte sowie ihre Modifikation als Folge von Wanderungen« (ebd.) und vieles mehr im Mittelpunkt der Forschung. Dabei sind aber Themen wie Aus- und Einwanderung, Binnenwanderung und »Phänomene und Formen der Transmigration […] migrationsgesellschaftlich bedeutsame Themen.« (Ebd.) Im Zentrum stehen aber nicht nur Fragen, die migrationsgesellschaftliche
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Themen behandeln, vielmehr sind ethische Fragen der Gesellschaft in einem reflexiven Sinne auch Teil der Forschung. »Wer als ›Migrant/in‹ gilt, muss einerseits als diskursives Produkt, andererseits als Ergebnis kontextspezifischer und lokaler Praxen verstanden werden« (ebd.: 13). Die Subjektposition Migrant*in kann also als eine spezifische Praxis von Diskursen und sozialen Praxen betrachtet werden, die im Zusammenspiel mit rechtlichen und staatlichen Hervorbringungen zur Existenz kommt. Damit verändert sich die Perspektive darauf, wer als solche/r betrachtet wird und wer nicht. Differenzsetzungen – verstanden als Praxen – sind dann in unterschiedlichen Kontexten relevant. So halten die Autor*innen auch fest, dass es eben »natio-ethno-kulturelle Differenzverhältnisse«83 (ebd.: 14) sind, die die Unterscheidung ermöglichen und in der sich konstituierende Gruppen einander die Anderen sind. Diese Ordnung der Differenz entlang der Achse natio-ethno-kulturell ist von hervorgehobenem Interesse, weil sie letztlich »verstanden werden kann als etwa legitime oder illegitime, offene oder heimliche Überschreitung imaginierter oder faktischer natio-ethno-kultureller Grenzen« (ebd.). Die oben getätigten Ausführungen lassen sich nun besonders gut an einigen Beispielen beschreiben und in ihrem historischen So-Gewordensein rekonstruieren: In den folgenden Ausführungen beziehe ich mich in erster Linie auf einen Artikel von Encarnación Gutiérrez Rodríguez The Coloniality of Migration and the ›Refugee Crisis‹: On the Asylum-Migration Nexus, the Transatlantic White European Settler Colonialism-Migration and Racial Capitalism (2018). Im Nachgang der Ereignisse zur Silvesternacht in Köln (2015/16) entstand um Männer, deren Herkunft dem Norden Afrikas zugeordnet und deren Einwanderungsstatus mutmaßlich als ›Flüchtling‹ betrachtet wurde, die Konstruktion des ›hypersexualisierten Mannes‹, dessen Ziel es gewesen sei, ›einheimische Frauen‹ als sexuelle Objekte zu betrachten und diese dann in seine Gewalt zu bringen. Neben sehr vielen Anzeigen von Frauen und einer relativ zeitnahen Anwendung der Gesetzeslage (»Nein heißt nein«) und ihrer Verlinkung mit Paragraphen des Asylrechts, gab es einige Proteste von Feministinnen, die ihre Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung nicht auf dem Rücken von Migranten austragen wollten, denn das wurde deutlich: Es ging nicht um patriarchale Gewalt insgesamt, sondern in erster Linie um die der migrantischen Täter. Diese Nacht und die nachfolgenden Diskurse und Debatten veränderten das, was wenige Monate zuvor noch als »Sommer der Migration« und »Willkommenskultur« bezeichnet wurde; aus der Willkommenskultur wurde eine oft so genannte »Flüchtlingskrise«. Diese Krise muss hier als Krise des Staates, möglicherweise auch seiner Legitimation, kann aber in
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Die Unterscheidung zwischen den Begriffen Nation, Kultur Und Ethnizität ist zwar analytisch wirklich wichtig, wie Mecheril festhält, aber sie verschwimmen miteinander. Mecheril bezieht sich in seinen Ausführungen auf Heckmann (1992), der verdeutlicht inwiefern Nation oder Nationalstaat – eine in der Moderne aufgekommene Form der politischen Organisationsform – mit der Vorstellung einer ethnischen Gemeinschaft verschwimmt. Unter dem Begriff Ethnizität wird von Heckmann dann auch das teilen einer gemeinsamen Kultur und Herkunft verstanden. Damit sind die Begriffe in ihrer Konstitution in der Lesart wesentlich wechselseitig miteinander verbunden. Diese Verbindung kann natürlich auch in ihrer geschichtlichen Konstruktion und Hervorbringung betrachtet werden (vgl. Mecheril 2003a).
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keiner Weise als ökonomische Krise verstanden werden (Gutiérrez Rodríguez 2018: 17; Keskinen 2018).84 Stuart Hall hat in den 70er Jahren herausgearbeitet, wie sich Regierungsstrategien Thatchers geändert haben, nachdem karibische Einwanderer medienweit als »Mugger« bezeichnet wurden und Neuigkeiten von Übergriffen von weißen Menschen durch das Land gingen. Hall beschreibt das ›Spektakel‹, das um diese Männer herum entstand und führte es auf alte koloniale Bilder zurück, die mit dieser stereotypen Darstellung und Besprechung erneut aktualisiert wurden (vgl. Hall/Critcher 1978). »The spectacle of the black man as a mugger produced an affective connection between the population and the government by creating ›moral panic‹« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 17). Diese moralische Panik beeinflusste die Politik gegen die Krise, die erst durch diese hervorgerufen wurde, und führte vermehrt zu Polizeieinsätzen, bei denen Schwarze Männer festgehalten wurden, also Racial Profiling85 stattfand. »This connection between media representations, affective connections, and ideological negotiations represented a range of convergent and divergent financial, economic, and political interests« (ebd.). Gutiérrez Rodríguez zeigt auf, dass wir derzeit eine ähnliche Konvergenz von Medien, Politiken und Affekten registrieren müssen, die – so wie einige andere auch (Dietze 2016; Hark/Villa 2017; Boulila/Carri 2017) – als ein Zeichen für alte, sich wiederholende und mit femonationalistischen Politiken verbunden koloniale Muster (vgl. Farris 2017) angesehen werden kann. Mit femonationalistische Politiken sind an der Stelle Politiken und Strategien gemeint, die dezidiert über Frauenrechte und Gleichstellungen eine politische Instrumentalisierung vornehmen und sie entweder rassistisch, rechtsextremistisch oder nationalistisch einsetzen. Während die Situation einerseits nur zu verstehen ist, weil alte koloniale Muster wieder aufgerufen werden, ist sie andererseits davon bestimmt, wie neue Migrationsregieme und »new forms of governing the racialized other« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 18) hervorgebracht wurden. Die »Flüchtlings-Krise« sei die »Artikulation einer Kontingenz einer spezifischen Konjunktur von Rassismus in Europa und besonders in Deutschland« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 18; Übers. D.B.C). In den letzten Jahren sind die Zahlen rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa angestiegen und populistische und rassistische Debatten werden in einer Weise geführt, die sich verschärft haben. Berichte über Zunahmen rechter Gewalt, sowie einen Rechts-Ruck der Zivilbevölkerung, mehren sich nicht erst seit der sog. Flüchtlingskrise (vgl. Decker/Lewandowsky 2017). Gleichzeitig wurde eine politische oder historische Verbindung zu den Ländern – etwa durch Einflüsse im Krieg, oder koloniale Altlasten und/oder Beteiligung am globalen Zustandekommen von Fluchtursachen – negiert. 84
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Nicht nur, weil hier dieses Ereignis als Ausgangspunkt von Gutiérrez Rodríguez in ihrem Text genutzt wird, um darauf hinzuweisen, dass es historische Wiederholungen gibt, die sich an ähnlichen Beispielen zeigen lassen, sondern auch, weil ich selbst im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes REVERSE (Anti-Feminismus als Krise der Geschlechterverhältnisse?!) am Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung, zusammen mit Barbara Grubner eine Fallstudie leite, die sich mit der »Ethnisierung von Sexismus« und den Konfigurationen des Antifeminismus nach ›Köln‹ auseinandersetzt. In diesem Sinne kann ich auch aus dieser Perspektive sagen, dass ›Köln‹ eine spezifische Wirkung hatte, die aber historisch nicht neu ist. Vgl. Kapitel 2.2.3.
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Zwischen geflüchteten Personen und Europa wird kein historisch legitimierter Bezug gesehen. Überdies wird hervorgehoben, es gebe auch keine durch momentane neo-koloniale europäische Agitationen verursachte Verbindung (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2018: 18). Der Bezug zu dem Begriff Krise und damit zusammenhängende Referenzen werden hegemonial und es entsteht der Eindruck, Europa werde überflutet mit Flüchtlingen; Zahlen des UNHCR schreiben hier jedoch eine andere Geschichte. Hunderttausende Menschen befinden sich derzeit – in diesem Jahrhundert – auf der Flucht oder in der Migration; Paul Mecheril spricht von einem »Zeitalter der Migration« (Mecheril 2014b: 12). In Deutschland und Europa sind im Vergleich zu Ländern in Asien und Afrika wie Äthiopien, Uganda, Iran, Libanon, Pakistan und der Türkei eher wenige Geflüchtete angekommen.86 Das im Vergleich höhere Bruttoinlandseinkommen europäischer Länder und die Pro-Kopf-Belastung der einheimischen Bevölkerung lässt die ›Flüchtlingskrise‹ eher als Krise des Umgangs mit geflüchteten Menschen erscheinen, denn als eine wirkliche finanzielle oder kulturelle Belastung (Gutiérrez Rodríguez 2018: 18). Die veränderte Sprache und Wahrnehmung war auch im damaligen England der 70er Jahre zu beobachten. Gutiérrez Rodríguez beschreibt, wie damals während der Hochzeit dieser ›moralischen Panik‹ ein Abbau und Umbau des Sozialstaates stattgefunden hat, dessen Auswirkungen weit schlimmer waren, jedoch im politischen Auseinandersetzungen kaum Beachtung finden konnte. Unter der Hervorhebung und Betonung der Einzigartigkeit von Wanderbewegungen ändert sich nicht nur die Sprache, geraten nicht nur andere politische Sachverhalte außer Sicht, vielmehr erscheint eine derartige Lesart auch als abgetrennt von einer Globalgeschichte der Migration überhaupt. Änderung des asylum-migration-nexus Zunächst analysiert Gutiérrez Rodríguez wie sich der »asylum-migration-nexus« (Castle 2003) verändert hat. Während in den 70ern der Begriff Exil und ›im Exil sein‹ für einige Staaten und Menschen möglich war, haben sich die Bedingungen von Migration und Asyl dahingehend verändert, dass beide als getrennte Entitäten rechtlich und in staatlichen Vorgängen geregelt werden. Migration wird in diesem Sinne als etwas verstanden und geregelt, das freiwillig geschieht und Asyl als etwas, das von Kriegs- und Verfolgungsbestimmungen tangiert wird. »As Stephen Castle argues, the distinction between asylum as coercion and as a choice disregards the fact that migratory movements are driven by global conflicts, wars, political interests, and economic dynamics« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 19). Castle argumentiert für eine globale Perspektive auf »Forced Migration«:
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Gutiérrez Rodríguez führt hier auf, dass die Statistiken des UNHCR (sie beziehen sich auf »persons of concern«, damit sind einerseits Geflüchtete und Aslysuchende gemeint und andererseits »internally displaced persons«) aufweisen, dass die meisten Geflüchteten in afrikanischen und asiatischen Ländern verbleiben. 2017 waren beispielsweise 72 Millionen Menschen auf der Flucht, nur 1,42 Millionen kamen davon in Deutschland an. Online Verfügbar: http://popstats.unhcr. org/en/overview#_ga=2.29873399.971267324.1542661906-2099997200.1542661906 [Zuletzt abgerufen: 15.03.20].
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»We need a sociological argument, that points to the significance of forced migration in contemporary society and in current processes of change. A first clue is provided by Zygmunt Bauman, who argues that ›mobility has become the most powerful and most coveted stratifying factor‹. The new global economic and political elites are able to cross borders at will, while the poor are meant to stay at home: ›the riches are global, the misery is local‹ (Bauman, 1998: 9, 74)« (Castle 2003: 16). Die Finanzkrise 2007/8 und die Kriege in Afghanistan, Irak und Syrien sind und waren einschneidende Momente, die globale Wanderungen erzwangen. Sie sind jeweils in globale Veränderungen involviert und nicht als Einzelereignisse in einzelnen Ländern zu betrachten (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2018: 19). Die von Castle analysierte Verbindung des asylum-migration-nexus zeigt auf, wo und warum sich Migrationsbedingungen und Gründe in den letzten Jahren verändert haben. Nicht nur aufgrund von globalem Kapital und dessen Zentrierung in einigen Staaten, sondern auch wegen globaler Zusammenhänge von Arbeits- und Lebensbedingungen stellt Migration eine der zentralen Ressourcen der neuen Zeit dar (vgl. auch Soykan 2010). Während in den 1990er Jahren durch Konventionen die Bedingungen und Unterscheidungen zwischen Asyl und Migration gefestigt und Abmachungen innerhalb der europäischen Kommission über das Hager Programm 2004 verabredet wurden, gerieten Staaten, die Migration nach Europa verhindern sollten (und darin auch gefördert wurden; s. Europäischer Migrations- und Aslypakt 2008; Gutiérrez Rodríguez 2018: 19), in die Lage, einen Großteil der Migrierenden in ihren Ländern abfangen zu müssen (vgl. Soykan 2010: 1). Der ›Schutz‹ der Grenzen wurde damals schon durch eine »joint visa policy« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 19) eingeführt, in der es einerseits um einen Austausch an Informationen über Datenbanken und andererseits darum ging, Grenzpatrouillen durch ›Frontex‹ einzuführen. Die bekannte Agentur ist dafür zuständig, europäische Außengrenzen zu schützen; sie ist nicht nur 2013 durch Menschenrechtsverletzungen auffällig geworden. Im Zentrum der Kritik stand die Praxis von Frontex, Menschen auf dem offenen Meer abzufangen und ohne die Möglichkeit eines Asylantrags in Dritt-Staaten zurückzuschicken; nicht nur, dass diese Vorgehensweise gegen die Genfer Konventionen verstoßen hat, sondern auch der Europäische Gerichtshof hatte diese Praxis 2012 als Menschenrechtsverletzung verurteilt.87 Durch diese komplexen Verschränkungen in politischen Vorgehensweisen und Strategien wurde »Migration unauflösbar mit Asyl verbunden« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 20, Übers. DBC). Andererseits wurde der Zusammenhang zwischen Asyl und Migration politisiert und durch die Erosion des humanitären Aspekts von Asyl, »the tightening of migration restrictions; and the economic demand of labour migration« (ebd.) erheblich eingeschränkt.88
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www.taz.de/!5056967/[Zuletzt abgerufen: 12.12.18]. Nicht nur diese eben dargestellte Veränderung in Gesetzlagen und Migrationsregimen hat jedoch Einfluss auf den Umgang mit Migration oder darauf, wie Migrations-Andere (Broden/Mecheril 2010b) angesprochen und wahrgenommen werden, sondern auch die spezifische Integration des Sprechens und Berichterstattens über Krieg und Kriegsgebiete. Dieses Sprechen führt Gutiérrez Rodríguez auf Antonio Negris »analyses of war as an integrative principle in the formation oft the social order« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 34) zurück und sie zeigt, wie darüber Legitimationen ge-
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Racial Capitalism und die Kolonialität von Gender Grundsätzlich liegt der Unterscheidung in Migrationsmöglichkeiten und deren Gegenteil aber auch unsere Geschichte zugrunde. Wie bereits in Kapitel 2.2.2 dargestellt wurde, stabilisierten sich moderne Gesellschaften über Rassifizierungen der Menschen, die nicht zu Mitgliedern dieser Gesellschaft werden sollten. Diesen Umstand beschreiben bereits Kalpaka und Räthzel in ihrem 1994 erschienen Buch Die Schwierigkeit nicht rassistisch zu sein. Hier zeigen sie auf, wie über Nationalstaatsbildung rassistische Ausschlüsse vorgenommen werden, um letztlich den Staat als ethnisch und kulturell einheitliches Konstrukt zu erschaffen.89 Darüber hinaus wird mit einer Lektüre von W.E.B. Du Bois deutlich, inwiefern Schwarze Menschen überhaupt erst involviert waren, moderne Staaten als solche durch ihre Arbeit und Ausbeutung hervorzubringen (Du Bois 2018). Wie also Kolonialismus und Sklaverei durch wissenschaftliche Ordnungen abgesichert wurden und der Aufbau industrieller Staaten sehr stark mit der Sklaverei und dem Kolonialismus verknüpft war, kann Gutiérrez Rodríguez sehr gut herleiten: »As such racism is the basis of the constitution of the world order and the division of the world’s population« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 20). Diese Perspektive kann sie mit Bezug auf Aníbal Quijanos Anlayse der Kolonialität der Macht (Quijanos/Kastner/Waibel 2016) noch stärker untermauern. Quijanos Analyse verdeutlicht den globalen Zusammenhang von einem erstarkenden Kapitalismus und einer Unterscheidung in rassifizierten Zugehörigkeiten weltweit. Diese Bedingungen, die sich nicht nur sozio-ökonomisch auswirkten, sondern auch kulturelle Praktiken und Teilhabemöglichkeiten beeinträchtigten, wurden allererst etabliert durch einen Eurozentrismus und dessen Hervorbringung des Arbeitsmarktes (Quijano/Kastner/Waibel 2016). »Relations of global trade, the organization of waged and unwaged labour, the division of work, in short, the modes of production and social reproduction of global capitalism continue to be organized by the racial matrix sustaining the colonity of power« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 20). Dieser Zusammenhang wirkt auf soziale und kapitalistische Verteilungen auch heute noch und stabilisiert diese. Andererseits, so hält Gutiérrez Rodríguez mit Bezug auf María Lugones (2008) fest, verknüpfte sich diese Kolonialität der Macht mit einem patriarchalen System, das in Europa in der frühen Moderne hegemonial wurde. Die Moderne stellt damit einen Wandel nicht nur im Kolonialismus und in kolonialistischen Ausbeutungssystemen dar, sondern auch in seiner Bedeutung für globale Geschlechterverhältnisse. »Gewiss hat es soziale Hierarchien, Ungleichheitsrelationen zwischen Herren und Knechten, Freien und Sklaven, Männern und Frauen schon früher gegeben, aber erst im Modernisierungsprozess entwickelten Klasse und Geschlecht infolge der Trennung zwischen gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion im Industrialisierungsprozess jeweils eigene Gesetzlichkeiten, während die Kategorie Ethnie/Rasse ihre
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schaffen werden, die dann dazu führen (können), Länder als »sichere Drittstaaten« zu kennzeichnen. Ich habe bereits in Kapitel 2.2.2 darauf verwiesen, dass auch Foucault diese Aktivitäten moderner Staaten ausweist.
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Konturen vor allem aus der Entstehung des Nationalstaates und der Expansion der westlichen Nationalstaaten im Kolonisierungsprozess gewann« (Klinger 2006: 109). Die von Cornelia Klinger hier vorgebrachte Aussage nimmt mit Bezug auf Lugones aber eine weitere Wendung an, sie insistiert nämlich darauf, dass ein »rereading of modern capitalist colonial modernity itself« (Lugones 2010: 742) nötig ist und dass die Geschlechterverhältnisse Europas in die Kolonien ›exportiert‹ wurden (vgl. Gutiérrez Rodríguez 2018: 20). Damit ist es nicht nur so, dass durch die Industrialisierung, wie Klinger hervorhebt, eigene Gesetzmäßigkeiten der Kategorien Klasse und Geschlecht entstanden, sondern diese Gesetzmäßigkeiten wurden gleichsam globalisiert, weil nur so die Bedingungen für Produktion und Reproduktion konsolidiert werden konnten. »This constiutes the colonity of gender« (ebd.). Erst die Moderne hat das Denken und die Organisation in Kategorien hervorgebracht und die Etablierung einer hegemonialen Geschlechterordnung, in der Schwarze Menschen und People of Color als deviant in diese Ordnung eingeschrieben wurden. Die Kolonialität von Gender spielt in vielerlei Hinsicht eine Rolle in der Etablierung einer globalen Ordnung, wie sie derzeit noch immer wirkt; damit ist die Verhandlungen von Männlichkeit und Weiblichkeit genauso wie die Stabilisierung heteronormativer Ordnungen als solcher angesprochen. Sie ist aber auch gleichzeitig über die Geschlechterverhältnisse mit der Etablierung und Aufrechterhaltung kapitalistischer Ordnungen verknüpft (vgl. Lugones 2010). Rassismus ist in dem kolonialen System das Herrschaftsmoment, das die Moderne als solche erst hervorbringt und begründen kann. Durch die Kolonien und durch den transatlantischen Sklavenhandel hat der Westen erst die Mittel dazu bekommen, sich selbst als modern zu konstituieren. In diese Moderne sind die Geschlechterverhältnisse als arrangierendes Moment eingebunden. Die Geschichte der Migration als Etablierung von Racial Capitalism Die koloniale Landnahme wurde durch einen anhaltenden Siedler-Kolonialismus zementiert. Viele Menschen, die aus Europa nach Nord- oder Südamerika, Australien, Canada oder Neuseeland ›übersiedelten‹, waren im 18. und 19. Jhdt. dort willkommen und wurden als Arbeitskräfte sogar angeworben. Diese Länder, so hält Gutiérrez Rodríguez fest, nannten sich selbst auch »countries of settlers and immigrants« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 21). Die mit dieser Selbsterzählung einhergehenden Genozide an der indigenen Bevölkerung wurden dabei wenig reflektiert bzw. fanden keinen Eingang in eine reflexive Geschichtsschreibung oder Aufarbeitung; was das für junge Frauen heutzutage noch bedeutet, kann man in dem Band »Colonize this – young women of color on todays feminism« (Hernández/Rehman 2002) studieren. Angefangen bei Armut, schlechten Arbeits- und Lebensbedingung, Erfahrungen von sexueller Gewalt und Ausbeutung bis hin zu forcierter Abtreibung durch staatliche Behörden und kultureller Negierung und Sprachverboten war und ist einiges davon heute noch alltäglich. Gutiérrez Rodríguez stellt folgend an einigen weltweiten Beispielen heraus, warum und wie Schwarze Menschen und People of Color aus dem nationalen ›Wir‹ ausgeschlossen wurden. Ohne an dieser Stelle die einzelnen Länderbeispiele zu wiederholen, wird doch in ihrer Analyse deutlich, wie sehr einerseits Einwanderung als weiße europäische Vorgehensweise normalisiert wurde und als solche in die Geschichte der Einwanderung
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einging, und wie sich anderseits diese Lenkung zu einem Racial Capital entwickelte. Insgesamt wanderten aus Europa im 18. und 19. Jhdt. 48 Millionen Menschen aus, die sich allesamt an unterschiedlichen Stellen in der Welt niederließen. »As a result the expansion of transportation and the need for workers in rapidly expanding industries, nineteenth century white European transatlantic migration signaled the advent of racially structured capitalist progress, technological advancement and urbanization. The focus on racial capitalism constituted the nation-states’ rationale for the process of racialization in the recruitment of migrant labor and the selection of the migrant workforce via parameters of profit an efficacy in the former European colonies« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 21). Im Laufe dieser Zeit wurden dann Immigrationsgesetzte in den jeweiligen Ländern installiert. Auch hier weist Gutiérrez Rodríguez darauf hin, dass einzelne Gesetzte entlang rassifizierter und ethnisierter Linien geschrieben wurden. Mit einzelnen auf dem ganzen Globus lokalisierten Beispielen kann sie zeigen, inwiefern und wann europäische Einwanderer*innen bevorzugt aufgenommen wurden und andere entweder durch zu erbringendes Geld oder durch die Auflage, nur direkt kommen und nicht über ein anderes Land einreisen zu dürfen, an der Einreise gehindert wurden. Während sich die Nationalstaaten immer weiter etablierten und die Einwanderungsgesetzte sich auch gegen arme und kranke Weiße richteten und deren Ausschluss bewirkten, wurden trotzdem jene aus der nationalen Zugehörigkeit ausgeschlossen, die als indigene Gruppen vor Ort gelebt hatten sowie jene, die als Sklav*innen in die Länder verschleppt worden waren. Gutiérrez Rodríguez beschreibt am Beispiel der USA, welche Gesetzte sich wann und wie verschärft haben. Menschen, die vor Sklaverei und Verfolgung von einigen Staaten der USA in andere flohen, durften nicht einreisen, weil es eine Angst vor ›freien Schwarzen‹ gab und befürchtet wurde, dass diese Aufstände und Ähnliches anzetteln könnten. »In 1803 the Southern states of the United States obtained an ›enactment of a federal statue prohibiting the importation of foreign blacks into states who’s laws forbade their entry‹« (Neuman 1993, zit.n. Gutiérrez Rodríguez 2018: 23). Diese Gesetzgebung bezog sich noch auf die Sklaverei und ›freie Schwarze‹. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dann Gesetzgebungen initiiert, die sich tatsächlich hauptsächlich an ›Rasse‹ orientierten. So gab es beispielsweise Verbotsgesetze zur Einreise von Süd-Asiaten*innen und Afrikaner*innen in Australien. Auch im Süden der Amerikas wurde eine ähnliche Politik verfolgt. Auf dem Kongress von »Gran Colombia« (heute das Staatsgebiet von Kolumbien, Ecuador, Panama und Venezuela) wurde auch der Siedler-Kolonialismus angepriesen, um weiße europäische Siedler nach Süd-Amerika zu holen. Die übrigen Staaten Lateinamerikas folgten; während sie einerseits die Immigration europäischer Siedler anpriesen, wurden gleichzeitig zwischen 1869 und 1919 Gesetze veranlasst, die nicht-weiße und außereuropäische Immigration vereitelten und einschränkten. »Europe expanded its economic, political, legal, and cultural control over colonized territories overseas through settler-colonialism-migration until the middle of the twentieth century.« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 23). Diese Geschichte europäischer Migration scheint derzeit vergessen, wie Gutierrez Rodriguez bemerkt; derzeit erschient Migration als etwas, das nach dem zweiten Weltkrieg oder im Zuge der Glo-
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balisierung erst begonnen hat und nicht unbedingt mit der europäischen Geschichte in Zusammenhang steht (vgl. ebd.). Während in den 1940er und -50er Jahren Menschen aus den ehemaligen Kolonien in die imperialistischen Zentren kamen und auch hier als Immigrant*innen behandelt wurden, wurde der fordistische Staat in »Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und den Benelux Ländern« (ebd.) durch die Anwerbung von »entrechteten« (ebd.) Arbeitsmigrant*innen aus Südeuropa, der Türkei, Marokko und den ehemaligen Kolonien vorangebracht (vgl. ebd.). Trotzdem wurde die ehemalige europäische Migration nicht im Zusammenhang mit derzeitiger Migration betrachtet. Und obwohl die 1980er Jahre einen anderen Eindruck von Immigration in Europa hervorbrachten, kann Migration nur im Kontext dieser Geschichte betrachtet werden. »It is within this (post-)colonial context, that migration and border control measures, technologies, devices, and tropes have been engineered in the last three decades« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 24). Heutige Asyl- und Migrationspolitik baut nicht auf rassifizierten Differenzen auf, aber auf nationalen. Gutiérrez Rodríguez argumentiert, dass hier »sichere« und »unsichere« Länder identifiziert werden und Menschen trotz der Gefahr von Verfolgung in ihren Herkunftsländern dorthin zurückgeschickt werden, wie es beispielsweise 2015 bei Roma-Familien aus dem Kosovo, aus Albanien und Montenegro der Fall war. »Further, as previously argued, the discourses on the ›refugee crisis‹ operate within the duality of self and other« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 24). Dabei geht es entweder um eine regulatorische Perspektive oder um die Hervorhebung eines humanen Akts. Beide stellen aber nicht die Geschichte Europas und die in sie verwobenen fliehenden und migrierenden Personen in einen Zusammenhang, sondern argumentieren auf dem Hintergrund eines Sozialstaates, der nur begrenzte Kapazitäten hat. »However, the migration-asylum nexus does not only follow the logic of the production of a racialized exteritory to the nationally imagined and proclaimed norm of European whiteness. This nexus also operates within the dynamics of exploitation that have functioned for the last five centuries within the colonial-modern world system, and particularly within the context of nation-state migration policies since the nineteenth century.« (Gutiérrez Rodríguez 2018: 24) Die durchaus umfangreiche und weitreichende Analyse von Encarnacíon Gutiérrez Rodríguez stellt den Zusammenhang von kolonialen Kontinuitäten und der heutigen Migrationspolitik her und verweist in diesem Kontext auf Europas Verdrängung eigener Migration einerseits und den inneren und wesentlichen Zusammenhang mit der Entstehung von Nationalstaaten und deren kapitalistischer Einhegung von Arbeit andererseits. Deutlich wird, inwiefern die Komplexe Kolonialität, Lohnarbeit, Geschlechterverhältnisse und Migration immer wieder an unterschiedlichen Stellen miteinander verflochten sind und nicht unabhängig von einander betrachtet werden können. Obwohl sie in diesem Text nicht sehr viele Analysen über die dezidiert deutsche Kolonialgeschichte rekonstruiert – wie sie beispielsweise in dem Sammelband BechhausGerst und Zeller (2018) in einer historischen Perspektive vorgestellt oder wie sie in dem Buch Wie Rassismus aus Wörtern spricht: Kerben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk von Arndt und Ofuatey-Alazard (2011) nachge-
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zeichnet wird –, kann doch hervorgehoben werden, dass es hier um eine europäische Kolonial-Geschichte geht, die die Perspektive auf die heutige Migrationsgesellschaft allererst hervorgebracht hat. Wie Gutiérrez Rodríguez, so kommen doch auch die oben genannten Autor*innen zu der Erkenntnis, dass Merkmale heutiger Rassismen eine Kontinuität kolonialer Rassismen erkennen lassen. Darüber hinaus verweist Gutiérrez Rodríguez aber nicht ›nur‹ auf deren kulturelle Reproduktion und Verankerung90 , vielmehr – so stellt sie fest – wird die theoretisch-empirische Rekonstruktion davon getragen, dass Migrationsprozesse auch im Zusammenhang mit globalem Kapital und dessen kolonialer Kontinuität betrachtet werden müssen.9192 Auch Fabian Georgi kommt über eine materialistische Analyse des ›Sommer der Migration‹ einerseits zu der These, »dass der ›Weltmarkt für Arbeitskraft‹ seit dem 15. Jahrhundert ein kapitalistisches Strukturmerkmal darstellt« (Georgi 2016: 197) und »den strukturellen Gehalt von Migrationsregimen als Arbeitskraftregimen« strukturiert. Anderseits wird deutlich, dass es eine Befürchtung gibt, dass die Hervorbringung von nationaler Arbeitskraft nicht ausreichend ist (Fachkräftemangel, demographischer Wandel usw.) und es neoliberale Argumentationen für Migration gibt. Dem gegenüber steht die nationalistische Idee der Bewahrung des Eigenen, auf dessen Konsens Nationalstaaten im Wesentlichen aufgebaut haben. Diese Konfliktlinien arbeitet Georgi als Widersprüche heraus, denen eine materialistische Grenzregimeanalyse nachgehen müsse; sie erweitere so die Perspektive auf Migrationsphänomene und rassistische Ausschließungen um die der polit-ökonomischen Bedingungen (vgl. ebd.). Zusammenfassung und Bedeutung für die eigene Analyse a) Sowohl Gutiérrez Rodríguez, als auch – hier in kürzerer Form angeführt – Georgi weisen also auf einen Zusammenhang von Ökonomie, Historie und Migrationsbedingungen und -möglichkeiten hin. Obwohl die hier vorliegende Forschung sich nicht den polit-ökonomischen Bedingungen von Migration zuwendet, gilt es, die Interviewten vor diesem Hintergrund nicht nur als Migrations-Andere zu betrachten, sondern auch die Bedingungen von Migration mitzuführen und die Auswirkungen dieser Faktoren am Rande mit zu bedenken. Nicht nur die Bedingungen in den Ländern, die die Migration ihrer Eltern hervorgerufen hat, sondern auch die prekären Lebensbedingungen, die hier nach der Migration auf sie und ihre Eltern warteten, sind dabei von entscheidender Bedeutung. Auch Subjektivierungs-
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Die beispielsweise in dem wichtigen Hinweis auf die koloniale Kontinuität von Straßennahmen und Erinnerungskultur (Aikins/Hoppe 2011) deutlich werden. Nicht nur W.E.B. du Bois hat den Zusammenhang zwischen Ökonomie und Rassismus in seinem Buch Black Reconstruction in America 1860-1880 herausgestellt, auch Taylor (2017) verweist auf einen Zusammenhang zwischen Ökonomie und Rassismus heutzutage. Ergänzend müsste – das deutet Hund (Hund/Emmerink 2018) an – auch eine historische Analyse der Rassismen betrachtet werden, in deren Kern es religiöse Argumentationen des Ausschlusses und des Einschlusses gibt (Hund/Emmerink 2018). Während beispielsweise antisemitische Argumentationen ja wesentlich an einer Verbesonderung und am Ausschluss aus dem ›weiß-Sein‹ – auch durch ökonomistische Argumentationen – zu erkennen sind, stellt das ›Anders-Sein‹ muslimischer Anderer im Wesentlichen auf deren Nicht-Produktivität ab.
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und Bildungsprozesse sind nur vor diesem Hintergrund zu betrachten, weil sich in ihnen möglicherweise auch die zentralen Widersprüche, die Georgi verdeutlicht, widerspiegeln. b) Weiterhin deutet Gutiérrez Rodríguez auch noch auf die Kategorie Geschlecht hin, deren wesentliche Form der Vergesellschaftung sie mit Bezug auf Lugones (2008 2010) auf die ›Kolonialität von Gender‹ zurückführt. Doch wie kann eine ›Kolonialität von Gender‹ in der deutschen Migrationsgesellschaft betrachtet werden und welche weiteren Perspektiven auf die Intersektion von historisch entstandenen Geschlechterverhältnissen und ihre Verknüpfung mit kolonial-rassistisch entstanden Ordnungen erweitern das Bild? Ich möchte im Folgenden noch einmal auf die Perspektive von Mills und Pateman eingehen und ihre Sicht auf Vertragstheorien vorstellen, um den ›Ort‹ weiblich-rassifizierter Vergeschlechtlichung (unter einer ökonomisch mehrfach risikobehafteten Migrationsposition) zu verdeutlichen.
2.2.4
»Contract and Domination« – der strukturelle Platz Schwarzer Frauen und Women of Color
Im vorausgegangen Kapitel habe ich einen soziologischen Blick auf das Zustandekommen der Migrationsgesellschaft gerichtet und sowohl rassifizierte ökonomische Ordnungen als auch deren Zusammenhang mit einem globalen Arbeitsmarkt und Geschlechterverhältnissen verdeutlicht. Um aber Formations- und Transformationsprozesse von Schwarzen Frauen und Women of Color beschreiben zu können, brauche ich eine genauere Bestimmung, wie und warum genau ihre Position in diesem Geflecht zustande gekommen ist. In einem weiteren Schritt möchte ich mich deshalb jetzt nicht mehr den Migrationsbedingungen und deren Einschränkungen und Hervorbringung widmen, sondern gewissermaßen einen entgegengesetzten Blick wagen, einen gesellschaftstheoretischen Blick, der auf einzelne Individuen fokussiert. Dieser Blick lässt sich nachvollziehen durch die Analysen von Charles Mills und Carole Pateman, die gemeinsam und unabhängig voneinander feststellen, dass die Idee des Liberalismus zwar die Freiheit aller adressierte, dass aber durch diese Form eigentlich eine Art Dominanz-Vertrag eingerichtet wurde, an dessen unterster Stelle Schwarze Frauen und Women of Color platziert sind. Warum sich dies so verhält und warum und welche Veränderung Angela McRobbie (2009, 2016) herausgearbeitet hat, möchte ich im folgenden Kapitel analysieren. Zentral innerhalb des Liberalismus sind die sogenannten Vertragstheorien, die sich in ihrer Begründung meist auf Rousseaus Du Contrat Social (1762), Emanuel Kants Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784) oder auf John Locke (2012 [1632-1704]) beziehen. Obwohl alle drei eine unterschiedliche Perspektive innerhalb der Vertragstheorien vertreten – Rousseau sieht den Naturzustand als überformt an und macht quasi auf eine Klassengesellschaft aufmerksam (vgl. Mills 2017: 36), Kant versucht eine universalistische Idee des Staatsrechts zu begründen und Locke nähert sich diesen Perspektiven utilitaristisch (vgl. ebd.) – sind sie doch alle den liberalistischen Ideen der Moderne zuzurechnen. »In all of its iterations – from its original contrac-
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tarian formulation through its later utilitarian variants to its revisited post-Rawlsian contractarian rebirth – liberalism was and is supposed to be emancipatory« (Mills 2017: xiii). Mit Liberalismus wurden Rationalität und Egalität verbunden, die die Ungerechtigkeit und nicht-rationale Haltung des Ancien Régimes überwinden sollten (vgl. ebd.). Aber, so argumentiert Mills, die Umsetzung der Idee des Liberalismus ist bei weitem viel stärker in die Erhaltung93 und Neu-Errichtung von Ungleichheit verflochten, als es den Anschein hat. »Not merely has it been complicit with continuing discriminatory practices of the past (as with gender) but it has been vigorously active in installing nouveaux régimes of imperial racial rule with a body count far greater than the ancien régimes of class« (ebd.). Die klassische Kritik am Gesellschaftsvertrag – Contract and Domination Ich werde jetzt einerseits aus einer feministischen Perspektive argumentieren, warum und wie innerhalb der Vertragstheorien ein Sexual Contract (Pateman 1988) entstanden ist, um zu zeigen, auf welcher Basis in den liberalistischen Ideen Annahmen stehen, die in feministischer Theorie-Tradition weithin hinterfragt wurden; anderseits werde ich darauf eingehen, wie Charles Mills den Racial Contract (1997) beschreibt. Beides lässt sich sehr gut kombinieren, da beide mit der Herausgabe des Buches Contract and Domination (Pateman/Mills 2007b) eine Grundlage für eine intersektionale Betrachtung gelegt haben. Zugrunde liegt den Vertragstheorien die Idee eines fiktiven Vertrages, an dem Individuen partizipieren, um ein größeres Ganzes zu schaffen. Die klassischen Vertragstheorien bedienen dabei ein Subjekt- und Personenverständnis, das in vielerlei Hinsicht schon Anlass zur Kritik bot. Ob es um die Debatte hinsichtlich einer Perspektive auf Gleichheit und Differenz, um Heteronomie und Autonomie oder um Identität vs. Alterität ging – Vertragstheorien sind auf ein rationales, dem Recht verpflichtetes Selbst angewiesen.94 Auch die Kritiker*innen der Vertragstheorien haben eine mehr oder weniger substantielle Perspektive auf das Subjekt – also nicht die von der diskursiven Hervorbringung, die ich hier mit einer Subjektivierungsperspektive vertrete. Trotzdem kann mit dieser Perspektive eine historisch-genealogische Sicht eingenommen werden. Vertragstheorien sind, wie oben bereits herausgestellt, im Grunde genommen Theorien, die auf unterschiedliche Weise die Beziehung zwischen Staat und Individuum ab der Moderne betrachten. Mit Rawls Theorie der Gerechtigkeit (1979) sind diese Theorien von der älteren Moderne wieder in neuere Theorien und Auseinandersetzungen überführt worden. Während Rawls in seiner Theorie der Gerechtigkeit den Kontrakt als Mittel
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Interessanterweise betrachtet Mills Geschlechterungleichheit als ein Machtverhältnis, dessen Entstehung älter ist als die Moderne, obwohl viele feministische Theoretikerinnen die bürgerliche Moderne und deren Geschlechtervertrag als Ursache für die patriarchale Ordnung verstehen (vgl. auch Lugones 2008, 2010; Klinger 2006). Beispielsweise diskutiert Carol Gilligan (1985) unter moralphilosophischen Vorzeichen die Vertragstheorien unter den Vorzeichen der politischen Philosophie Hannah Arendts und kann hier Unterschiede im Denken des Subjekts zur Gesellschaft feststellen. Vertragstheorien gehen von dem rationalen Einverständnis aus, mit dem das Subjekt in Rechte einwilligt. Arendts Verständnis des Politischen setzt hingegen ein Denken in Beziehungen voraus (Gilligan 1985: 30).
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betrachtet, um zwischen einzelnen Individuen eine Art Konsens herzustellen, kritisieren Mills und Pateman, dass die Bedingungen, auf die sich Rawls und andere berufen, um den Kontrakt herzustellen, so nicht gegeben sind beziehungsweise auf Kosten von anderen hergestellt wurden. Damit, und so ist ihr Fazit, bringen diese Theorien Gerechtigkeit in erster Linie für Menschen hervor, die selbst weiß und männlich sind. Während Mills daran gelegen ist, diese Theorien weiterzudenken, kommt Pateman zu dem Schluss, dass es eigentlich eines neuen Gesellschaftsvertrages bedarf. Damit zeigen beide in erster Linie das nicht eingeholte Versprechen des Liberalismus und liberaler Demokratien auf (Pateman/Mills 2007b: 2). In ihrem 1988 erschienen Werk The Sexual Contract bezieht sich Carol Pateman auf die klassischen Kontrakttheorien aus einer feministischen Perspektive und zeigt, dass im Zusammenhang der politischen Argumentation eine sehr einseitige Perspektive vorliegt. »The social contract said to justify the government of the state was discussed and dissected but there was silence about the other dimension of the other dimension of the original contract – the sexual contract held to justify the government of women by men.« (Pateman/Mills 2007b: 2). Sie untersuchte zwei wesentliche Institutionen moderner Gesellschaft, die durch ein Kontraktverhältnis begründet sind: die Ehe95 und das Anstellungsverhältnis96 (Employment). Diese beiden Kontraktformen beziehen sich auf ein Eigentum der Person und kreieren Beziehungen; sie kreieren Beziehungen der Subordination (vgl. ebd.). Pateman zeigt damit, wie der soziale Vertrag gleichzeitig ein Geschlechtervertrag war, der die moderne Form des Patriarchats als solche stabilisiert hat (vgl. Watson 1989: 105). »The social contract, Pateman argues, was a story of freedom while the sexual contract is a story of subjection« (ebd.). In diesem Vertrag wird einerseits das politische Recht des Mannes über seine Frau festgehalten und anderseits wird durchsetzt, dass ein Mann Zugang zu dem Körper seiner Frau hat. Die in der feministischen Theorietradition häufig festgehaltene Trennung der Sphären ›privat‹ und ›öffentlich‹ ist damit unwirksam oder geht ineinander über, weil beide Verträge (Ehe = privat/Arbeit = öffentlich) durch die Subordination der Frau deutlich werden. Mills kommentiert Patemans Buch und ihre Thesen, indem er sagt: »Contract is standardly seen as central to freedom, so her conclusion was that it is necessary to move beyond contract if there is to be a free social order« (Pateman/Mills 2007b: 2). Patemans Buch hat gerade in der politischen Philosophie, aber auch in den Sozialwissenschaften und den Rechtswissenschaften für Aufsehen gesorgt, wurde doch deutlich, wie das Patriarchat in einem vermeintlich geschlechtslosen Gesellschaftsvertrag verankert ist. 95
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Die Ehe ist für sie ein Vertragsverhältnis in das die Frauen zwar freiwillig einwilligen, in dem der Mann aber Zugangsrechte am Körper der Frau erhält, sie bezeichnet es als »Sklaven-Verhältnis« (vgl. Haus 2007). Im Anstellungsverhältnis wird ihre Marxistische Perspektive deutlich: auch dieses bezeichnet sie als Sklavenverhältnis in dem deutlich wird, dass es zwar eine freiwillige Einlassung auf den Vertrag gegeben hat, aber die Ausbeutung für den Arbeitgeber (hier männlich) ungleich höher ist als für die Arbeitnehmerin (weiblich) (vgl. Haus 2007). Die in der US-amerikanischen weißen Frauenbewegung häufig verwendete Metapher der weißen Frau als Sklavin des weißen Mannes ist selbstverständlich zu kritisieren, werden damit doch Verhältnisse miteinander verglichen, die nicht vergleichbar sind.
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Anders als Pateman beschäftigt sich Mills mit dem Racial Contract. Inspiriert wurde er dabei durch Patemans Buch, und, ähnlich wie diese, argumentiert Mills, dass durch die europäische Expansion in der Moderne und die Etablierung einer binären Trennung von weiß und nicht-weiß Dominanz-Beziehungen geschaffen wurden, die rassifizierte Menschen in eine Situation der Subordination versetzten und so ein Vertrag zustande kam, in dem Race eine Kategorie des Ausschlusses und der Subordination ist und war. Weder weiße Frauen noch rassifizierte Menschen insgesamt wurden damit als Individuen betrachtet, die am Zustandekommen dieser Gesellschaftsverträge beteiligt waren, eher Gegenteiliges war der Fall. Sie waren aus der Perspektive von Mills und Pateman nicht nur ausgeschlossen, sondern um Liberalismus zu garantieren, entstanden Kontrakte der Subordination. Die kritische Betrachtung des Geschlechtervertrags und auch des Racial Contract hat sich verändert. Zum einen gab es einige Kritiken (vgl. Fraser 1997; Okin 1990; Brown 1995; Kymlika 2017) und anderseits auch Weiterentwicklungen. Neben der Forderung nach einer integrativen Analyse von ›Dominanz-Verträgen‹ (»domination contracts«) (Kymlicka 2017) hat Angela McRobbie herausgearbeitet, dass es einen neuen Geschlechtervertrag gibt (McRobbie 2016). Dieser neue Geschlechtervertrag, den McRobbie in Anlehnung an Pateman so nennt, bietet jungen Frauen einen neuen Gesellschaftsvertrag an. Sie sind damit einerseits in der öffentlichen Sphäre abgebildet (anders als im bürgerlichen Geschlechtervertrag), können am Arbeitsmarkt partizipieren und Karriere machen, können also als Gleiche in den Vertrag einwilligen; dies aber nur unter der Bedingung, dass sie feministische Forderungen leugnen, sich in neoliberale Verwertungslogiken verstricken und ihre eigenen Abhängigkeiten und auch Re-Traditionalisierungen im Geschlechtervertrag nicht zum Thema machen.97 Die Kehrseite des neuen Geschlechtervertrags sind deklassierte weiße Frauen, Women of Color und Schwarze Frauen (vgl. Arnot 2011). »While working through new cultural messages and practices, McRobbie again highlights the private and even silent forms of negotiations of patriarchal class cultures, particularly of black, Asian and white working-class girls« (Arnot 2011: 700). Mittelschicht-Frauen und Frauen aus der Upper-Class sind und werden vom neuen Geschlechtervertrag auf eine Weise angesprochen, die es wiederum nötig macht, sich von solchen ›Emanzipationsverlierinnen‹ (Schwarze Frauen, weiße deklassierte Frauen und WoC) zu distanzieren. Arnot exemplifiziert diese Analysen durch Filme und Beispiele aus der Modebranche und weist dabei darauf hin, dass dieser neue Geschlechtervertrag auf der Prämisse eines Postfeminismus (analysiert als falscher Feminismus) gemacht wird. »Postfeminism (described here as a form of faux feminism) is expressed and worked on through films such as Bridget Jones’ Diary, Fatal Attraction, Ally McBeal and Sex in the City and through the promotion of a fashion-beauty complex in which white workingclass girls, in particular, are ›made up‹, given ›a make over‹ glamourized and diverted into imitating highly sexualized body images, whilst black and Asian girls are yet again excluded or marginalized in a culture of ›normative whiteness‹« (Arnot 2011: 701)
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Gabriele Dietze nennt diese Frauen dann auch »Emanzipationsdarstellerinnen« (Dietze 2017).
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Intersecting Contracts Wie deutlich werden sollte sind Vertragstheorien bzw. die Kritik an jenen, die Kontrakte als Mittel der Freiheit und Gleichheit betrachtet haben, ertragreich in Beschreibungen von Dominanz-Verhältnissen übergegangen. Mills geht es dabei darum, die unsichtbaren globalen race-relations und Kontrakte zu verdeutlichen, um sie zum einen in die politische Philosophie einzuführen (vgl. Mills 2017) und anderseits im Anschluss an Rawls tatsächlich eine gerechte soziale Weltordnung anzustreben (vgl. ebd.). Pateman ist, wie schon erwähnt, nicht davon überzeugt, dass Kontrakte überhaupt dazu führen können, eine gerechte soziale Ordnung herzustellen. »Patemans Grundthese lautet: Ein kontraktualistisches Verständnis gesellschaftlicher Ordnung und persönlicher Freiheit ist dem Ziel der Freiheit der Frau nicht dienlich, sondern läuft ihm zuwider« (Haus 2007: 352). Pateman und Mills haben sich jedoch je unterschiedlich mit der Intersektion beider Kontrakte beschäftigt, die hier im Folgenden noch einmal nachvollzogen wird, um sie dann einerseits noch einmal mit McRobbie zusammenzulesen und um andererseits auf die oben angekündigte Verbindung mit der Migrationsgesellschaft bzw. mit der ›Kolonialität der Migration‹ zu sprechen zu kommen. In ihrem gemeinsam herausgegeben Buch Contract and Domination (2007) gehen Pateman und Mills auf ihre jeweils eigenen Bücher und die Kritiken an ihnen ein (Kapitel 7 und 8) sowie auf ihre eigenen theoretischen Entwürfe (Kapitel 2, 3 und 4), und sie blicken jeweils auf die Intersektionen zwischen race und Geschlecht. Während Pateman ihre Analysen aus Ereignissen des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts empirisch rekonstruiert, setzt Mills dort an, die Kontraktpositionen untereinander zu bestimmen und die Beziehungen zwischen diesen ›Gruppen‹ herauszustellen. Beide Perspektiven bringen Unterschiedliches zu Tage, was aber wertvoll aufeinander bezogen werden kann. »The difficulty of writing about sexual and racial power today, especially in the rich countries is that it exists in context of formal equality, codified civil freedoms, and antidiscrimination legislation« (Pateman/Mills 2007b: 5). Die Herausforderung ist also, herauszustellen und zu begründen, warum Menschen noch immer ungleiche Möglichkeiten haben. »We try to show how contract in the specific form of contracts in the property in the person constitute relations of subordination, even when entry into the contracts is voluntary, an how the global racial contract underpins the stark disparities of the contemporary world« (ebd.). Es geht also darum aufzuzeigen, wie einerseits durch den »besitzindividualistischen Kern der Vertragstheorien« (Haus 2007: 353) ein Verhältnis geschaffen wurde, dem sich die Menschen freiwillig unterordnen und wie anderseits der weltweite racial contract die globale Ungleichheit unterstützt und hervorhebt. Haus schreibt dazu: »Als Kern des Übels macht Pateman den besitzindividualistischen Kern der Vertragstheorien aus, nämlich die Vorstellung, dass das Individuum in einer Weise ein Eigentumsrecht über sich selbst hat wie jeder sonstige Eigentümer an einem Gegenstand, den er nach Belieben benutzen oder auch veräußern darf. Diese Annahme ermögliche es, den Gegensatz zwischen Freiheit und Sklaverei aufzuheben, indem nämlich Sklaverei als freiwillig eingegangener Vertrag von Gehorsamspflicht gegen Schutz ausgegeben werde.« (Haus 2007: 353).
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Die alten Vertragstheorien sahen also eine Aufhebung zwischen Sklaverei und Freiheit vor, weil das Individuum die Rechte über sich selbst hatte und sich demgemäß freiwillig unterordnete.98 Aber nicht nur in dieser Hinsicht spricht Pateman über ›property of the person‹. Mutterschaft sei ein Phänomen, das sich genau dieser Perspektive entziehe. Eine Mutter hat den eigenen Körper nicht zur Verfügung, besonders wenn sie schwanger ist. Pateman möchte damit meines Erachtens darauf aufmerksam machen, dass wir voneinander abhängig sind und keinesfalls über uns verfügen können wie über einen Gegenstand. Diese Verfügung über den weiblichen Körper wird in Patemans Analyse in patriarchalen Gesellschaften durch das Gesetz des Vaters ausgeübt. In der Moderne und mit dem Liberalismus verändert sich dieses herrschaftliche Recht des Vaters in eine brüderliche Gemeinschaft der Vielen. Diese brüderliche Gemeinschaft sichert sich gegenseitig eine Option auf den Zugriff auf den weiblichen Körper (vgl. Hund 2007: 354). So gibt es zwar die liberalistischen Ideen, in denen alle gleich sind, aber die Gleichheit ist auf dem Rücken eines unsichtbaren Geschlechter- und race-Vertrags aufgebaut und diese (unsichtbaren) Verträge sichern erst die Freiheit und Gleichheit von weißen Männern. Diese Subordination durch den Geschlechtervertrag und den racial contract liegt nach den Ausführungen von Pateman und Mills im Herzen der Erhaltung von Ungleichheit. Die verbundene Geschichte der beiden Verträge durch die Moderne (Geschlechterverhältnisse änderten sich und Sklaverei, Kolonialismus und der europäische Settler-Kolonialismus begannen) dient, Patemans und Mills Analyse zufolge, als Ausgangspunkt der Ungleichheit. Warum sie auf rechtlicher Ebene so lange existierten und sogar erst in den 1970ern eine Gleichheit vor dem Gesetz hergestellt werden konnte, ist nicht zu verstehen und kann nur durch die verflochtene Geschichte von beiden Verträgen erklärt werden. Beide Verträge – so Mills und Pateman – hängen zusammen: »the making of race«99 ist nur zu verstehen mit einer Perspektive auf »reproduction, sex, and antimiscegenation«; dieses Zusammenspiel ist »at the heart of the racial contract« (Pateman/Mills 2007b: 3). Patemans Perspektive auf Intersecting Contracts Ich widme mich also im Folgenden beiden Perspektiven, in denen die Intersektion der beiden Verträge beschrieben wird, beginne mit Pateman und knüpfe dann an Mills an. Beide Verträge, so beschreibt Pateman, sind miteinander verknüpft und beeinflussen seit der Moderne Bürger*innenschaft. Sie beginnt ihre Analyse mit drei Beispielen (aus den USA, Schweden und Dänemark). In allen drei Beispielen geht es um die (Un-)Möglichkeit einer ›interracial‹ Beziehung oder gar das Verbot einer solchen oder um das Verheimlichen eines Kindes, das aus einer solchen Beziehung hervorgegangen ist. Alle Beispiele beziehen sich auf einen Zeitraum zwischen 2000 und 2006, also einen Zeitraum, in dem ›legale Gleichstellung‹ in den USA und in Europa hergestellt ist.
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Diesen Widerspruch in sich sah nur Rousseau und lehnte die freiwillige Sklavenschaft ab (vgl. Haus 2007: 354). Pateman unterscheidet hier zwischen der Hervorbringung von ›race‹ als solcher und Rassismus. Ihrer Aussage zufolge ist Rassismus nur zu verstehen, wenn man sich der Hervorbringung von ›race‹ in der Moderne zuwendet (vgl. Pateman 2007: 3).
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Obwohl es einige Kritik an ihren ehemaligen Ausführungen zu Kant und ihrer Deutung seiner Schriften gab,100 beginnt sie im ersten Abschnitt (Race and Reproduction) mit dessen Perspektive auf die ›natürliche‹ Ungleichheit und Subordination von Schwarzen101 und Frauen insgesamt. Diese Subordination sei nötig, weil sie das Fortbestehen der ›natürlichen‹ Ordnung sichere (Pateman 2007: 137). Sie fasst dann unterschiedliche Zeiten und Orte zusammen und deren spezifische Konstellation im Zusammenhang mit race und Reproduktion und Reproduktionsrechten. Sie zeigt damit einerseits, dass race in den USA, aber auch in Europa weiterhin biologisch betrachtet wird, weil es jetzt um die Reinheit des Blutes geht (vgl. ebd.: 141); andererseits macht sie deutlich, dass genau hier die Verflechtungen von »sex and race […] inextricably« (ebd.: 141) zusammenkommen. Wenn nämlich, so fährt sie fort, die Idee von race als eine soziale Konstruktion und Wirkmächtigkeit weiterhin Bestand haben soll, dann müssen die ›richtigen‹ Frauen Kinder gebären mit den ›richtigen‹ Männern. »Race is about reproduction and sexual relations, about purity, degeneration, and the right human stock« (ebd.). Um eine solche Gesellschaft aufzubauen, deren ordnendes Prinzip race ist, braucht es eine große Investition, damit die Menschen sich selbst als einer race zugehörig verstehen (ebd.). Sie vollzieht im zweiten Abschnitt dann nach, wie in den USA und Großbritannien weiße Frauen zu beschützen waren und Schwarze Frauen und Women of Color als sexualisierte Andere angesprochen wurden und sexualisierter Gewalt durch weiße Männer ausgesetzt waren. Was aber am meisten geächtet wurde, war die Verbindung zwischen weißen Frauen und nicht-weißen Männern. Eine sexuelle Verbindung zwischen einem Schwarzen Mann und einer weißen Frau (dargestellt in modernen Dramen) haben selbst erst Konzeptionen von race erschaffen; aber sobald die Kategorie eingeführt und etabliert war, war die Verbindung zwischen einer weißen Frau und einem Schwarzen Mann »the most viciously punished relationship« (ebd.: 142; Fußnote 12). Andererseits durften Schwarze Frauen nicht heiraten, waren also nicht in diesem Protektionsvertrag (weder mit Schwarzen noch mit weißen Männern), mussten aber, wie schon gesagt, weißen Männern als Sexualobjekte zur Verfügung stehen (gerade dann, wenn sie Sklavinnen waren). Die damaligen englischen Kolonien – heute die USA – waren damit die ersten, die per Gesetzt ›interracial‹ Beziehungen und Ehen verboten. Kinder, die aus Verbindungen von Schwarzen Sklavinnen hervorgingen, waren entweder direkt auch Schwarz (one drop rule) und damit ihr Leben lang Sklav*innen oder sie konnten verkauft werden von ihrem weißen Master. Vergewaltigungen und Lynchmorde waren der Modus, um Schwarze Menschen dann später daran zu hindern, einigermaßen sicher zu sein und sich nach dem Civil
100 Ohne die Kritik hier in ihrer Feinheit auszuführen, ging es doch wesentlich darum, dass Kants Ausführungen zu Menschenrassen doch dem Zeitgeist geschuldet sein müssten. Diese Perspektive hat Monika Firla schon 1997 andiskutiert und durch Analyse seiner Schriften und deren Kontextualisierung herausgearbeitet, dass es eben nicht der Zeitgeist war (vgl. Firla 1997). 101 Mills und Pateman begriffen die Konstruktion von race auf dem Hintergrund der Konstruktion eines Rassismus, der spezifisch von der Konstruktion des afrikanischen Anderen als »Untermensch« (Kant) ausgeht. Dieser Rassismus habe sich auf andere Gruppen übertragen oder erfolge in einer anderen Weise, aber grundliegend (historisch) vorausgehend sei Rassismus gegen Schwarze (vgl. Mills 2017: 91-113).
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War eine Existenz zu sichern. Das Beispiel von Ida B. Wells (eine Schwarze Vorkämpferin102 ) und ihrer Auseinandersetzung mit Frances Willard, einer weißen Frau, die in der Christian Temperance Union organsiert war, dient Pateman als Beispiel, wie Frauen in den Zusammenhang der beiden Kontrakte involviert waren. Wells startete 1892 eine Kampagne gegen Lynchmorde,103 nachdem drei Schwarze Freunde umgebracht worden waren. Alle drei waren Geschäftsleute denen unterstellt wurde weiße Frauen umgebracht zu haben. Ida B. Wells hielt mit Bezug auf Frederick Douglass fest, dass Lynchmorde unter zwei Umständen immer wieder passierten: Zum einen direkt nach dem Ende des Civil War, um präventiv gegen Aufstände von Schwarzen vorzugehen; »From the early 1870s lynching was said to prevent negro domination at the ballot box« (ebd.: 145); und ab den 1890er Jahren wurde dann gesagt, es ginge um den Schutz weißer Frauen (vgl. auch Hill Collins 2002). Ida Wells’ Engagement und ihre öffentlichen Reden gegen Lynchmorde – vor allem wegen des letzten Grundes, des Schutzes der weißen Frau – führten zu einem Zerwürfnis zwischen Ida B. Wells und Frances Willard. Letztere konnte nicht und wollte nicht verstehen, dass weiße Frauen freiwillig sexuelle Beziehungen zu Schwarzen hätten. »She leaped to the defense of white womanhood and insisted that Well’s arguments put an unjust and unfounded ›imputation upon half of the white race in this country‹« (Hill Collins 2002: 130). Pateman zeigt folgend, wie weiße Frauen sich damals in der Suffragetten-Bewegung einsetzten, um gegen den Sexual Contract zu opponieren und gleichzeitig, obwohl involviert in Anti-Sklaverei Bewegungen, den Racial Contract bedienten. Sie führt einige Beispiele an, um hervorzuheben, wie weiße Frauen sich dafür einsetzten, weiß-Sein als superiore biologische ›Rasse‹ aufrechtzuerhalten und dabei gleichzeitig gegen Sklaverei waren unter der Prämisse, dass Schwarze kaum als Gleiche betrachtet wurden. Ähnliche Bedingungen setzten sich dann in der zweiten Frauenbewegung fort. Schwarze Frauen und Women of Color wurden beispielweise in einigen Staaten dazu gezwungen, Abtreibungen vorzunehmen oder sich sterilisieren zu lassen, während die weiße Frauenbewegung sich für das Recht auf Abtreibung einsetzte. Es gab anderseits Auseinandersetzungen, weil Schwarze Frauen und Women of Color häufig dazu gezwungen waren, außerhäuslich harte Arbeit anzunehmen und ihr Zuhause eher als einen Schutzraum vor Rassismus betrachteten (Guy-Sheftall 1995; hooks 1984; Combahee River Collective 1982). »Many nonwhite women today still see feminism only relevant to middle-class white women, a perception no doubt reinforced when women’s organizations remained silent about the welfare reform legislation in 1996 that abolished aid to families with Depended Children« (Pateman 2007: 153). Im Zuge der Verabschiedung dieses Gesetzes wurden Schwarze Frauen medial als moralisch verkommen, faul und unwillig hervorgebracht (vgl. ebd.). Sie wurden als Schwarze »welfare queens« bezeichnet und auch so behandelt. Wie später – in der empirischen Auswertung – deutlich werden wird, spielen solche Stereotype und deren Verwobenheit in Vergangenheit und Gegenwart noch
102 Ida B. Wells ist bekannt geworden als Schwarze Frauen- und Bürgerrechtlerin. Sie war Mitbegründerin der NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) und der NACW (National Associaton of Colored Women). 103 Zunächst in den USA, später dann auch in England.
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immer eine große Rolle. Obwohl diese Stereotype teilweise sehr alt sind, haben sie auch immer eine strukturelle, gleichwohl symbolische Bedeutung für die betroffenen Frauen und auch in Bezug darauf, ob sie als Gleiche anerkannt werden. Deutlich wird das auch am Fall Hill gegen Thomas – Anita Hill, eine Schwarze Frau, bezichtigte Clarence Thomas, einen Schwarzen Richter am Supreme Court, des sexuellen Übergriffs. Anita Hill wurde – mit allen Stereotypen einer übersexualisierten Schwarzen Frau – dazu aufgefordert, die Bewiese für die Schuld von Thomas zu erbringen. Viele Schwarze sagten damals, dass es ein Machwerk weißer Feministinnen gewesen sei, dass Hill Thomas angezeigt hatte. Anderseits gab es keine ›Kategorie‹, in die Hill so recht passte; gleichzeitig Schwarz und weiblich zu sein und sich für ihre Rechte einzusetzen, war grundsätzlich nicht vorgesehen. »All the women are white, all the blacks are men and some of us are brave« (Hull/Bell-Scott/Smith 1982) war die Losung zu dieser Tatsache von Schwarzen Feministinnen (vgl. auch Pateman 2007: 153). Patemans sexual-racial-global-contract Die von Pateman ehemals angeführten Kontrakte des Gesellschaftsvertrags ändern sich, wenn die Kategorie race als solche in Betracht gezogen wird. Nicht nur, dass die Ehe für Schwarze Frauen und Sklavinnen einerseits verboten und anderseits Arbeit häufig die pure Ausbeutung und Versklavung war, sondern es wurde ihnen auch die Anerkennung als Frau und ihre Weiblichkeit im Allgemeinen abgesprochen. Die Entgegnung von Sojourner Truth »Ain’t I a woman« legt davon Zeugnis ab. Derzeit haben sich Geschlechterverhältnisse geändert und die Hochzeit der bürgerlichen Geschlechterordnung, die Patemans Analyse zugrunde lag, hat sich weiter entwickelt. Auch der Racial Contract, so Pateman, habe sich verändert und nehme derzeit – insbesondere nach dem neunten September 2001 – andere Züge an. »But although the context has changed, the social and economic legacy of old forms of women subordination and racial superiority linger on, and newer forms have emerged« (vgl. Pateman 2007: 154). Pateman sieht in der heutigen Zeit eher einen diffuseren und globaleren Kontrakt, den sie in Anlehnung an Mills entwickelt. Den sexual-racial-global-contract sieht sie in einem Zusammenhang mit einer anderen Kontrakttheorie, die sie hier hinzuzieht: Die Theorie von Norman Gera (1998), The Contract of mutual Indifference (Der Vertrag der gegenseitigen Gleichgültigkeit).104 Sie beschreibt einerseits globale Armut und betont, dass die reichsten Menschen auf der Welt 54 % des Einkommens der gesamten Weltbevölkerung haben, und andererseits geht sie auf neo-koloniale Strukturen der westlichen Welt gegenüber dem afrikanischen Kontinent ein. Leider wiederholt sie in diesem Part einige sehr prägende Stereotype, die Schwarze Menschen in dieser Welt betreffen; doch insgesamt kann sie mit genauen Zahlen zu der Ausbeutung, die über Privatisierungen und globale Märkte zirkulieren, verdeutlichen, was mit »mutual 104 In diesem Vertrag geht es nicht um eine Auseinandersetzung mit ehemaligen Vertragstheoretikern, sondern der Vertrag ist ein Zeichen unserer Zeit. Mit dieser Feststellung soll nicht eine universalistische Perspektive erhoben, sondern eine generelle Aussage angesichts der Grausamkeiten auf der Erde getroffen werden. Geras Analyse basiert auf der Ausweitung des Kapitalismus und seiner Veränderung hinsichtlich eines neoliberalen globalen Regimes. »During the past quarter-century, capitalism, and Gera’s norm of collective existence, has extended across the world and in to most areas of social live. Even Marx might be surprised by its scope« (vgl. Pateman 2007: 155).
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Indifference« gemeint sein könnte. Das ist der Kontext, in dem aus ihrer Perspektive der racial-sexual-global-contract seine Bedingungen hat. Sie zählt dann weitere weltumspannende Ungleichheiten auf, die sich am stärksten auf Women of Color und Schwarze Frauen auswirken, wie beispielsweise, dass die meisten »displaced persons« und Flüchtlinge Frauen sind, die sich aufgrund von Ausbeutung, sexueller Gewalt und aus purem Überlebenswillen in andere Länder begeben. Auch die Migration von Frauen des globalen Südens, die als Hilfskräfte in Haushalten, in der Pflege und in Krankhäusern des globalen Nordens (vgl. dazu auch Farris 2011) unterkommen, bewertetet sie als einen Effekt, der einerseits damit zu tun habe, dass Frauen aus den reichen Ländern derzeit vermehrt einer Lohnarbeit nachgehen und andererseits Männer es noch immer vermeiden würden, Care-Arbeit nachzukommen. Gleichzeitig, so macht sie deutlich, gebe es Konflikte und Katastrophen, denen wir uns zuwendeten und in denen Hilfe geleistet würde, aber die strukturellen Bedingungen des Marktes und der Ökonomie würden damit nicht angetastet, und ebendiese seien ja die Bedingungen, die globale Armutsverhältnisse unterstützten und hervorbrächten (vgl. Pateman 2007: 160). Weiterhin zählt sie Konflikte in Regionen der Welt auf, von denen westliche Mächte zwar wussten, die sie aber nicht verhindert und wo sie auch keinerlei Hilfe oder Sonstiges angeboten hätten. »The question is why people prefer not to know about, make no effort to find out about, ignore, remain unmoved by or turn away from deprivation and distress, even extrem torment.« (Ebd.: 161). Der sexual-racial-global-contract könne, so Pateman, eine Antwort darauf geben, warum es diese Gleichgültigkeit gibt. Stanley Cohen habe, so Pateman, mit seinem Buch States of Denial: Knowing about Atrocities and Suffering (2001) eine wichtige Studie dazu vorgelegt, warum und wie Einzelpersonen und Staaten in eine Gleichgültigkeit und Abwehr kommen. Einiges hat mit der Möglichkeit zu tun, sich einfach abwenden zu können, »aber es ist einfacher für einige und für andere nicht« (ebd., Übers. DBC). Sie bleiben informierte Zuschauer, die wissen und nicht wissen. »Knowing but not knowing occurs in the context of the global sexual-racial contract. It is easier to be indifferent to the misery of others if those involved are seen as having brought their distress upon themselves, or are perceived as very different, as alien, as worth less, as inferior, as barely human or as another ›race‹« (Pateman 2007: 162). Diese unterschiedlichen Perspektiven, die sich in einer Betrachtung des sexual-racial contracts zeigen, sind miteinander verwoben. Sie finden zu Hause und in der weiten Welt statt, trotzdem, so Pateman, lassen sich bestimmte Muster immer wieder erkennen, die sich zu Hause und in der Welt abspielen, es ist eine Hierarchie der Aufmerksamkeitsökonomie. Sie kommt zu dem Schluss, es sei ein wichtiges Problem dieser Zeit, es gebe zwar eine freie, unbegrenzte, gar zügellose, globale Zirkulation des Kapitals, aber keine freie Migration für arme nicht-weiße Menschen. Während die Europäische Union zur Festung Europa wird, werden rechte und nationalistische Stimmen immer lauter. Größere Kampagnen, so Pateman, werden heute gegen das Kopftuch oder den Hijab muslimischer Frauen geführt. Immer werden europäische Werte genannt, die hier verteidigt werden sollen. »Albeit that all is a backhanded compliment to the influence of the
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women’s movement, much of the concern appears to have less to do with women than to be a way of presenting the communities concerned as alien« (Pateman 2007: 163). Obwohl ich an dieser Stelle – mit Perspektive auf das versteckte Kompliment – die Analyse falsch finde und tatsächlich eher darauf zu sprechen käme, dass hier ein bestimmtes normatives Verständnis von Emanzipation genutzt wird, um die Frauen als Fremde zu repräsentieren, finde ich ihre Analyse, was die Situation der Frauen betrifft und den Grund des Interesses an ihnen, richtig. Der Grund ist Patemans Interesse daran, warum diese bedeckten Frauen und die Communitys als Fremde präsentiert werden.105 Sie kommt darauf zu sprechen – wie mit Bezug auf Gutiérez Rodríguez bereits ausgeführt – dass Europa und der Rest der Welt durch die europäische Expansion miteinander verflochten sind.106 Deshalb sei eine Analyse des historischen sexual-racial contract so wichtig, weil derzeitige Ungleichheitsverhältnisse nicht erklärt werden könnten, ohne deren Geschichte zu kennen. Verknüpfung mit der eigenen Forschungsperspektive a) Pateman spricht die spezifische Situation von Frauen in diesem Kontrakt an und zeigt durch den Einbezug der Kategorie race wo auch weiße Frauen gegenüber Schwarzen Frauen und Women of Color privilegiert sind. Die Abwertung von Women of Color und Schwarzen Frauen entsteht dabei auch nach der rechtlichen Gleichstellung häufig durch Armutslagen und ökonomischer Ausbeutung; darüber hinaus verdeutlichen sich aber auch diskursive Anrufungen über Stereotypisierungen und Zuschreibungen. Wie in der Analyse der Interviews deutlich werden wird spielen die von Pateman angeführten kontraktualistischen Elemente auch heute noch eine große Rolle. Stereotype, Sexualisierungen, bei gleichzeitiger Sichtbarkeit durch die Markierung, die Angst vor Übergriffen geprägt durch die Historie bei gleichzeitiger Aufforderung nun zu Bildungsgewinnerinnen zu werden stellt die interviewten Frauen* vor große Herausforderungen. Nicht nur durch die rassifizierende Markierung als Andere werden sie in Diskursen angerufen, vielmehr spielt auch der Kontext in dem das geschieht eine bedeutende Rolle (s. dazu 2.2.3). b) Als besonders interessant stellt sich aus meiner Perspektive die von Pateman aufgeworfene Diskussion um ›property in the person‹ heraus. Sich selbst zu eigen haben und aus diesem Begehren heraus zu handeln, wurde im letzten Kapitel und wird mit Bezug auf poststrukturalistische Perspektiven als eine Kritik am autonomen Subjekt verstanden. Diese Kritik findet sich, wie im letzten Kapitel deutlich wurde, gerade im Herzen Erziehungs- und Bildungswissenschaftlicher Analysen. Die Perspektive auf Kontraktphilosophische Betrachtungen bringen mich an dieser Stelle aber noch an einen weiteren Punkt: Wie oben ausgeführt gründen diese auf der Vorstellung, dass Personen sich freiwillig – als autonome Subjekte – in diesen Vertrag
105 Eine interessante Studie wurde von Batouill vorgelegt: Auch die muslimischen Frauen sollen ihren Körper zu Markte tragen, nur so sind sie tauschfähig und zugänglich, deswegen stößt die Verschleierung in Frankreich auf so vehemente Gegenwehr (vgl. Farris 2011). 106 Sie fügt hinzu, dass sich derzeitige Zahlen geändert hätten und dass es in Großbritannien vermehrt zur Einwanderung von Ost-Europäer*innen gekommen sei.
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begeben. Und Pateman folgend, kann eine solche Vertragsperspektive nur auf dem Rücken eines Geschlechtervertrags erfolgen, der einerseits den Fortbestand der eigenen Art begründet und der anderseits die notwendige Subordination derjenigen erfordert, die dieses Imago der Autonomie stützen können. Frauen und rassifizierte Menschen waren in diesem Imago niemals jene, die diesen Gesellschaftsvertrag als Gleiche ›unterzeichnet‹ haben. Und doch werden sie heute vor dem Gesetzt als Gleiche angesprochen; die Abhängigkeiten werden als solche verunsichtbart was an anderer Stelle – in einem neuen Geschlechtervertrag (vgl. McRobbie 2009) – als solches deutlich wird. Die Unterstellung der Freiwilligkeit der Vertragseinigung bringt damit nicht nur ein Verhältnis und eine Erwartung zu sich selbst zur Sprache, sondern sie bringt ein Verhältnis zu anderen zur Sprache, in der Verbundenheit und Abhängigkeit untereinander zurückgewiesen werden kann. Nicht nur die Betonung die auf der Kognition liegt die dieses Verhältnis voraussetzt und die Reflexion eigener Gefühlszustände und Selbstverhältnisse werden damit ins Zentrum gesetzt, sondern auch die Verdrängungen von Leiblichkeit und Materialität des Körpers werden unter dieser Perspektive suspendiert. Pateman stellt heraus, dass Mutterschaft genau das Gegenteil von ›property of the person‹ ist. In den Interviews wird darüber hinaus deutlich, dass nicht nur tatsächlich Mutterschaft, sondern imaginierte Mutterschaft, Pflege- und Sorgeverhältnisse auch im Zusammenhang mit CommunityCare, eine derartige Verwobenheit mit Anderen herausstellen, dass sie die zur Autonomie verpflichten Subjekte vor große Herausforderungen stellt. Diese paradoxe Situation der (rechtlichen und formalen Gleichheit) bei gleichzeitiger Abhängigkeit, die durch die genalogische Entstehungsgeschichte westlicher Gesellschaften hervorgebracht wird, stellt die einzelnen Subjekte vor große Herausforderungen, die einerseits in ihrer Subjektvierung und anderseits in den Bildungsprozessen deutlich werden. Mills Intersecting Contracts Während Pateman, wie deutlich wurde, sich den globalen Perspektiven und der Verwobenheit von Rassifizierung und Geschlecht nähert (auch indem sie die Theorie von Charles Mills einbezieht), deutet sich bei Mills eine andere Perspektive an, die noch einmal viel stärker den strukturellen Ort Schwarzer Frauen und Women of Color, aber auch von Schwarzer Männlichkeit in der ›Unterzeichnung‹ des Kontrakts verdeutlicht. Ausgangspunkt der Theoretisierung ist eine Auseinandersetzung damit, wie Liberalismus und mit ihm die Idee von Gesellschaftsverträgen zustande kam. Sein Ansinnen ist es ja – im Unterschied zu Pateman und in Anlehnung an Rawls –, eine Theorie zu entwickeln, die einer allgemeinen Idee von Gerechtigkeit genügen wird. Interessant ist dazu sein Buch Black Rights/White Wrongs (Mills 2017), in dem er eine Perspektive des »Black Radical Liberalism« (ebd.: 201-217) entwirft. Obwohl er in diesem Buch einerseits Theorien des Idealismus als ideologische nachzeichnet und anderseits Kants Perspektiven auf race sehr detailliert erörtert107 (was im Übrigen eine Bereicherung für die philosophische Debatte darstellt, inwiefern Kant als der Initiator 107 Der gleiche Text von Kant wurde auch schon oben im Kapitel zu Rassismustheorie in Bezug auf den Text von Peggy Piesche eingeführt (vgl. Kapitel 2.2.2).
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rassentheoretischer Konstruktionen betrachtet werden kann)108 , will er der versprochenen Idee des Liberalismus treu bleiben.109 Um dieser Theorie der Gerechtigkeit nachzukommen, verdeutlicht er aber zuerst, wie die liberalistische Idee und mit ihr die Gesellschaftsverträge überhaupt zustande gekommen sind. Er greift dazu auf eine zeichnerische Darstellung zurück, die es ihm erlaubt rassifizierte und vergeschlechtlichte Positionen in Kontrakt aufzuzeigen. Vier Positionen – nicht-weiße Frauen, nicht-weiße Männer, weiße Frauen und weiße Männer – ordnet er in einem Diamant an und zeigt auf, dass als volle Unterzeichner an der Spitze des Diamanten und Hervorbringer der liberalistischen Idee nur weiße Männer der Mittelschicht positioniert sind. Die untere Spitze des Diamanten nehmen nicht-weiße Frauen ein; nicht-weiße Männer und weiße Frauen sind jeweils rechts und links angeordnet. Sie befinden sich in dieser Darstellung aber nicht auf gleicher Höhe, sondern die weißen Frauen sind in ihrer Position näher zu den weißen Männern angeordnet (vgl. Mills 2017: 173). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die liberalistische Idee auf einem »racial (white supremacy) patriarchy«110 (ebd.) aufgebaut ist; dass also weiße Männer einen Gesellschaftsvertrag herstellten, der für sie – und nur für sie – Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit bereithielt. Wie bereits oben aufgezeigt, konnte diese Gleichheit nur auf dem Rücken anderer (Schwarzer Menschen und weißer Frauen) Bestand haben.
108 Ich dachte bei dem Lesen der Texte von Mills darüber nach, dass es dringend geboten ist, den Spuren dieser Annahmen und den Grundlegungen Kant’scher Theorieelemente in der Erziehungswissenschaft nachzugehen. Seine Vorlesungen zur Pädagogik müssten eigentlich noch einmal vor dem Hintergrund seiner klassifizierenden und rassifizierenden Denkweise geprüft werden. Mir geht es hier keineswegs darum, Kant zu denunzieren, ich denke, das wäre zu einfach und könnte auch nicht das Ziel sein. Vielmehr müsste es darum gehen, eine genalogische Wurzelsuche zu betreiben und für die historische und jetzige Erziehungswissenschaft herauszustellen, inwiefern ein ›schwieriges Erbe‹ die Grundfesten ihrer Basis durchzieht. Mills schlägt ein solches Vorgehen für die Philosophie vor: einerseits in dem Bestreben, race als Kategorie in die Philosophie einzuführen und damit das Schweigen über race in philosophischen Diskursen zu brechen und anderseits, um dann tatsächlich auf philosophisch-ethischen Ausführungen aufzubauen und eine gerechtere Gesellschaft hervorzubringen. 109 Will Kymlicka, kanadischer Professor für politische Philosophie, kritisiert deshalb auch an ihm – obwohl er auf seinen und Patemans Theorien aufbaut –, dass Mills einem »radical Kantianism« (Kymlicka 2017: 536) verhaftet bliebe und das ginge nicht weit genug. Vielmehr müsste man die Frage – wie auch Rosi Braidotti (2013), Sylvia Wynter und andere hervorheben – radikal bis zur herrschaftlichen Unterscheidung von Mensch und Tier zurückverfolgen (vgl. Kymlicka 2017: 536). Kymlicka führt diese Kritik an, weil viele Menschen aufgrund ihrer »ability« eben nicht als Gleiche betrachtet, sondern viel eher als »child-like or animal-like« (ebd.) konstruiert wurden. Einer ähnlichen Kritik werden wir später auch in Bezug auf Foucault begegnen, der trotz seiner radikalen Kritik am Subjekt auch durch seinen Kritik-Begriff in einer Kant’schen Tradition verbleibt und sich auch häufiger als ein solcher bezeichnet hat (vgl. dazu Hostettler 2014a, 2014b) (vgl. Kapitel 2.3). 110 Diesen Begriff entwickelt er in Anlehnung an Audre Lorde, die ihn (darauf verweist er) in ihrer Rede »The master’s tools will never dismantle the masters house« (Lorde 1984 [dt. 1996]) benutzt hat.
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Mills übersetzt diese strukturelle111 Perspektive eines »racial (white supremacy) patriarchy« nun in eine kontrakttheoretische Perspektive.112 Er kann zeigen, dass durch die historischen Bedingungen der Kontraktunterzeichnung eine Situation vorzufinden ist, in der Weiße als Gruppe dominierten und weiße Frauen darin durch ihr weiß-Sein sich in einer superioren Position befinden. Anderseits sind auch Schwarze Männer in einer überlegenen Position, weil sie von der patriarchalen Dividende profitieren können. Beide sind – seinen Ausführungen nach – Subcontractors, weil sie entweder über die Zugehörigkeit zur weißen Gruppe oder über die Teilhabe durch patriarchale Privilegien einen differenten Platz zu Schwarzen Frauen und Women of Color einnehmen. Warum das so ist und wie dem begegnet werden kann, möchte ich in den folgenden Ausführungen verdeutlichen. Mills bezeichnet seinen intersecting contract als racialsexual contract und arbeitet aus, wie die Beziehungen und die Schlüsselpositionen im Kontrakt ausgestaltet sind. Seine Argumentation baut er darauf auf, dass es ihm ja einerseits darum geht, den Liberalismus zu verteidigen und anderseits nachzuzeichnen, wie diese Idee des Liberalismus auf der Subordination von weißen Frauen113 und nichtweißen Menschen insgesamt aufgebaut ist. Die weiße Frau als Subcontraktorin Die auf die erste Frauenbewegung zurückgehende Suffragetten-Bewegung, die oben auch schon angesprochen wurde, hat ihre superiore Position häufig genutzt, um sich gegen nicht-weiße Frauen zu erheben. Mills zitiert Amos und Parmar: »the movement
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In Zeiten eines poststrukturalistischen Turns – wie er ja auch in dieser Untersuchung und auch in der Erziehungswissenschaft vorgenommen wurde – steht jedoch zu fragen, ob ein solch strukturelles Vorgehen von Nutzen sein kann. Mills argumentiert mit Bezug Maynard (2001), dass es zwar sehr sinnvoll ist, die Kategorie Geschlecht genauso wie race zu dekonstruieren, weil damit Auslassungen, Unsichtbarkeiten und schlicht die innere Konstruktion zum Ausdruck kommt; anderseits produzieren genau diese Kategorien und natürlich auch die Kategorie Klasse noch immer die größten globalen Ungleichheiten, die mit der Hinwendung zu Partikularitäten und Lokalisierungen nicht mehr in den Blick geraten. » The deconstruction of categories such as race and gender may make visible the contradictions, mystifications, silences and hidden possibilities of which they are made up. But this is not the same as destroying or transcending the categories themselves, which clearly still play significant roles in how the social world is organized on a global scale« (Maynard 2001: 129, zit.n. Mills 2007: 170). Während Mills dieser Einschätzung folgt, denke ich – und werde es auch so im Laufe dieser Untersuchung so handhaben –, einerseits die historische Konstruktion und damit auch die Struktur der Kategorien aufzuzeigen und anderseits auch die lokalen, situierten Subjektivierungen darzustellen. Dekonstruktion und Konstruktion werden so gewissermaßen in ein Spannungsverhältnis gebracht. Damit wird in den Subjektivierungen etwas sichtbar, was durch die strukturelle Perspektive unsichtbar bleibt. Diese führt er mit Bezug auf Pauline E. Schloesser (2002) ein. Sie hatte in ihrem Buch The fair sex (2002) gezeigt, wie über das Vergessen des racial contract im sexual contract eine mehr als einseitige Perspektive entsteht. Sie hat damit als erste »racial patriarchy« als Kontrakttheorie theoretisiert und Mills folgt ihrem Beispiel. Mit Zitationen von beispielsweise Susan Moller Okin (1990), Judith Shakler (2001), Evelyn Nakato Glenn (2002) und Louise Michele Newman (1999) zeigt er die Vergessenheit und Indifferenz über Geschlecht in Theorien des Liberalismus in der Philosophie auf.
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for female emancipation in Britain was closely linked to theories of racial superiority and Empire.« (Amos/Parmer 2001: 19, zit.n. Mills 2007: 180). Ähnliches zeigen für Deutschland auch Katharina Walgenbach (2005) und Annette Dietrich (2007) auf. Es lassen sich Zusammenhänge nachzeichnen von Frauen aus der ersten Frauenbewegung, die hier für Emanzipation gekämpft haben und in den Kolonien Haushaltvorsteherinnen waren, welche Schwarze Menschen als Sklaven hielten (vgl. Walgenbach 2005). Damit wird zum einen deutlich, dass weiße Frauen über ihr weiß-Sein teilhatten an einer patriarchalen Dividende, die in den Haushalten ausgeübt wurde, und zum anderen zeigt sich, dass die Trennung von privat und öffentlich – wo das Private als möglicher Raum des Übergriffs und die Öffentlichkeit als zu erreichendes Ziel galt – so nicht aufrecht erhalten werden kann. Die hinreichend theoretisierte Dichotomie von privat und öffentlich als ein zentraler Aspekt feministischer Theorie-Debatten in der ersten und zweiten Frauenbewegung wird sehr fragil, wenn Frauen aus anderen Verhältnissen und Subordinationen hinzugezogen werden, worauf auch schon Pateman aufmerksam machte. Mills geht aber darüber hinaus: »The subordination of nonwhite women will often be most manifest in racialized public sphere regimes and differential racial-gender exploitation« (Mills 2007: 181). Für Women of Color waren diese Haushalte ein öffentlicher Raum, und auch außerhalb dieser Haushalte waren Übergriffe auf sie legitimiert, der Schutz fand ausschließlich im Privaten statt. Weiße Frauen haben, wie hervorgehoben, historisch auf eine bestimmte, aber inferiore Art Teil an einem (racial) patriarchy, insbesondere dann, wenn sie als Vorsteherinnen in kolonialen Haushalten tätig waren (ebd.). Die Inferiorität bezieht sich hier aber nur auf weiße Männer, alle anderen – Schwarze Männer und Schwarze Frauen – waren ihnen in dieser Situation unterlegen. »And in a sense especially in the colonial world, nonwhite women in the public sphere are in the private sphere of the white patriarch, as minor subjects to their paternal role« (Mills 2007: 182). Die weiße Familie wurde als Teil des nationalen ›Wirs‹ angerufen und performativ hervorgebracht; nicht nur in den USA, in Großbritannien, Indien oder Frankreich war das der Fall (die Verhältnisse in diesen Ländern bespricht Mills), sondern auch in Deutschland wurde die weiße Frau in der Familie »die Trägerin der Kultur« (Walgenbach 2005). Mills weist mit Bezug auf Newman (1999) darauf hin, dass über die Achse der Rassifizierung weiße Frauen ihren (weißen) Männern näher standen als ihren ›Schwestern‹ im Geiste. »Shared racial inheritance meant that men and women on the same race had more in common with one another than they did with the same sex of different races« (Newman 1999: 134, zit.n. Mills 2007). Die Frage der Benachteiligung von rassifizierten Frauen wurde damit immer als ›Sonderfrage‹ in einen anderen Kontext verschoben; Newman beendet ihr Buch – eine historische Untersuchung zu feministischen Bewegung in den USA der 1850er bis 1920er Jahre – dann auch mit einer radikalen Analyse: »In other words, racism was not just an unfortunate sideshow in the performances of feminist theory. Rather it was center stage: an integral, constititutive element in feminism’s overall understanding of citizenship, democracy, political self-possession, and equality« (Newman 1999: 181-183, zit.n. Mills 2007: 184). Der feministische ›Frame‹ und die Theoretisierung haben sich durch die Kategorie race erweitert. Damit sind Feministinnen auf der ganzen Welt vor die Herausforderung gestellt, nicht nur die Kategorie Geschlecht als Rekonstruktion ihrer Analysen mit ein-
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zubeziehen, sondern auch noch weitere wie Religion, Behinderungen, Sexualität und viele mehr. Genau dieser Perspektive kommt meines Erachtens dann ein Feminismus nach, der in der Situation versucht zu rekonstruieren, wie Geschlecht hergestellt wird und über welche Mechanismen dies geschieht. Ich würde Mills und auch Pateman insofern Recht geben, dass die historischen Perspektiven und Strukturen, die über einen solchen Domination Contract hergestellt wurden, unbedingt als Strukturen im Blick behalten werden müssen – die einzelnen Positionen darin sind jedoch genau zu betrachten. Die Contractfähigkeit nicht-weißer Männer Nicht-weiße Männlichkeit wird historisch als Position beschrieben, die nicht contractfähig war, aber über Genderbeziehungen besaßen auch nicht-weiße Männer eine Möglichkeit, ihre Macht als Patriarchen auszuspielen, sie waren Subcontractors (ebd. 185). Aber – so resümiert Mills mit Bezug auf seine Ausführungen vorher – historisch betrachtet ist race eine viel umfangreichere Unterwerfung als Geschlecht (bzw. Geschlecht in der bürgerlichen Geschlechterordnung). Er führt aus, dass die heterosexuellen Beziehungen zwischen Schwarzen nicht so betrachtet werden können, wie jene zwischen bürgerlichen weißen Menschen. Mills führt das auf bürgerliche Geschlechterrollen und -bilder zurück, denen Schwarze Menschen nicht entsprachen.114 Das führte dazu, dass insbesondere Missionare in ihrer Funktion als Verkörperung moralischer Autorität die indigene Bevölkerung und Schwarze Sklaven als eine sündige ansprachen. Sie veränderten die Art und Weise, wie Menschen über sich als Frauen und Männer dachten, wie Mills mit Bezug auf Margaret Strobel (2002) ausführt. Die Kolonisation veränderte indigene Patriarchate; ein Prozess, den auch Spivak in einer Rede deutlich macht, dass nämlich patriarchale Strukturen auch vor der Kolonisation existierten und durch sie aber verändert wurden (vgl. Spivak 2015: o.S.). Die Schwarze Familie wurde aber nicht wie die weiße als nationales ›Wir‹ bestimmt – eher Gegenteiliges war der Fall. Damit war die patriarchale Reichweite Schwarzer Männer begrenzt. Mills stellt aber heraus, dass es eine Art globalen Vater und globale Mutter gibt, die der bürgerlichen Geschlechterordnung entsprachen, die aber natürlich weiß waren. »It is mistaken, then, to see the family as the main source, transracially, of gender oppression, since for nonwhite women it may also be the place where opposition to the ›patriarchal‹ rule of the global White Father and Mother is nurtured.« (Mills 2007: 188) Mills zeigt also, dass nicht-weiße Männer in der Hinsicht nicht an der patriarchalen Dividende teilhaben konnten, was – so führt er aus – auch in der Bürgerrechtsbewegung der USA häufig dazu geführt habe, dass Schwarze Männer als Männer (mit all den Privilegien, die das haben kann) betrachtet werden wollten. Er zitiert Michelle Wallace, eine Kämpferin in der Schwarzen Bewegung der 60er Jahre in den USA, die einerseits beschreibt, wie sie nach längerer Zeit erst verstand, dass sie hier nicht für ihre Befreiung, sondern für die Schwarzer Männer kämpfte – wozu auch gehörte, sich nicht
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Das wurde auch schon in Kapitel 2.2.3 mit Bezug auf Maria Lugones (2010) angesprochen. Auch hier wurde deutlich, dass Schwarze Menschen in ihrer Lebensweise und Beziehungsführung nicht der bürgerlichen Geschlechterordnung entsprachen und deswegen häufig Demütigungen, Strafen und Herablassungen erfuhren.
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mit weißen Männern zu treffen – und die anderseits damit endete zu sagen: »[T]he ›new blackness‹ was fast becoming the new slavery for sisters« (Wallace 1995, zit.n. Mills 2007: 189). Schwarze Männer, so Mills, waren in ihrer Männlichkeit also eingeschränkt und auch insofern, als dass weiße Männer einen Zugang zu ›ihren‹ Frauen hatten. Gefordert wurde also nicht, diese Strukturen insgesamt abzuschaffen, sondern Schwarzen Männern dazu zu verhelfen, an der gleichen brüderlichen Patriarchat teilzuhaben, wie Pateman das im sexual-contract analysiert. »The trumping of gender by race in the structure of privilege can then be exploited by nonwhite men to demand of women of color a transgender solidarity against white racist oppression that denies subcontractual role in the racia-sexual, and represents any alliance with white feminists as a kind of treachery« (Mills 2007: 189f.). Nicht nur mit Zitaten von weiteren Schwarzen Frauen in der Bürgerrechtsbewegung macht Mills deutlich, dass es sehr schwierig war, Sexismus als solchen zu benennen und die strukturellen Bedingungen dafür aufzuzeigen. Sexismus wurde immer als etwas betrachtet, das strukturell nicht zuerst zu bekämpfen sei, sondern man müsse sich einig sein im Kampf gegen Rassismus. Damit konnte sich, so Mills, die strukturelle Dominanz Schwarzer Männer weiter fortsetzen, obwohl es eine andere Art der Dominanz war, weil die patriarchale Reichweite, die weißen Männern aus der Mittelschicht zukam, niemals erreicht werden konnte. Er stellt, mit Bezug auf Gloria Anzaldúa (2001), heraus, dass diese Männer möglicherweise über »Machismo« (den Anzaldúa beschreibt) ein durch Unterdrückung und Armut erlangtes niedriges Selbstwertgefühl kompensieren wollten. »So in this revisionist picture, nonwhite men who resist the struggels for equality of nonwhite women are in effect subcontractionally complicit with the role of white racism in confining them to the bottom of the social structure. In the racia-sexual contract, nonwhite men get to be white supremacists too, at least with respect to nonwhite women.« (Mills 2007: 190f.) Nicht-weiße Männer können also auch Teil einer machtvollen Position sein und behilflich sein, white supremacy dann zu unterstützen, wenn sie sich nicht gegen die patriarchale Dividende wenden. Sie unterstützen white supremacy dann deshalb, weil diese in erster Linie auf dem Zusammenspiel von patriarchalen Strukturen und race basiert und sie sich dann zu Komplizen beim Erhalt der patriarchalen Strukturen machen. Schwarze Frauen und Women of Color als Non-Contractors Zuletzt bespricht Mills die Situation und den strukturellen Platz, den Schwarze Frauen in einem racial-sexual-contract einnehmen: Sie sind weder begünstigt von einer patriarchalen Partizipation noch von einer auf race bezogenen; sie sind in keiner Weise am Zustandekommen des Kontrakts beteiligt. Der dominante Kontrakt wird einerseits durch einen unsichtbaren Geschlechtervertrag, andererseits durch einen unsichtbaren rassifizierten Vertrag gestützt – nicht-weiße Frauen konnten auf keine Weise partizipieren und konnten auch noch von ihren Mitstreiter*innen in der Auseinandersetzung um einen gleichberechtigten Zugang übergangen werden. Um diese Situationen zu beschreiben, wählten Feministinnen of Color unterschiedliche Beschreibungen: Angefan-
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gen bei einer »double jeopardy« bis zu einer »tripple jeopardy« und weiter zu einer Perspektive auf eine »multiple jeopardy« (King 1995), bleiben die theoretischen Annäherungen häufig in einer additiven Perspektive stecken. Theoretisch waren sie weder abgebildet in weißen feministischen Analysen noch in Analysen, die rassismuskritisch argumentierten, beide beriefen sich in ihren normativen Annahmen auf jeweils weiße Frauen und/oder nicht-weiße Männer. Mills zitiert Kimberlé Crenshaw: »Because of the tendency to treat race and gender as mutually exclusive categories of experience and analysis […] Black women are theoretically erased.« (Crenshaw 2000: 208, zit.n. Mills 2007: 192) Und nicht nur Crenshaw (die ihrerseits den Begriff der Intersektionaliät geprägt hat), sondern auch andere Schwarze Feministinnen kamen zu der Auffassung, dass die Lebensbedingungen von nicht-weißen Frauen und theoretische Fassungen davon als miteinander verwoben gedacht werden müssen. Gut auf den Punkt bringt das noch immer ein Zitat des Combahee River Collectives: »The most general statement of our politics at the present time would be that we are actively committed to struggling against racial, sexual, heterosexual, and class oppression, and see as our particular task the development of integrated analysis and practice based upon the fact that the major systems of oppression are interlocking. The synthesis of these oppressions creates the conditions of our lives. As Black women we see Black feminism as the logical political movement to combat the manifold and simultaneous oppressions that all women of color face« (Combahee River Collective 1982: 13). Mills zeigt dann anhand unterschiedlicher Bezüge, wie nicht-weiße Frauen in ihrer Weiblichkeit über Stereotype erniedrigt und ausgebeutet wurden. Ob es das Dienstmädchen im Haushalt der weißen Familie war oder die Sklavin, die sexuell ausgebeutet werden konnte, weil sie nicht an das Weiblichkeitsbild der weißen Ehefrau und deren Tugend gebunden wurde, oder ob es eine generelle Möglichkeit darstellte, nicht-weiße Frauen zu einer Arbeit anzuhalten, die unwürdig war: die Bilder, die man sich über nicht-weiße Frauen machte, existierten lange und führten zu Ausbeutung, Benachteiligung und schlicht abscheulichem Handeln. Obwohl die Bilder, wiederum auch neue, heute noch anzutreffen sind (vgl. Collins 2005), will Mills zunächst damit herausstellen, welche Funktion diese Stereotype im Kontrakt hatten. Durch die Standardisierung weißer Schönheitsideale in der Verbindung mit moralischen Codes brachte der racial-sexual-contract eine moralisch-ästhetische Achse ein, die nicht-weiße Frauen niemals erfüllen können. Vielleicht ist es deswegen so, dass die Frage nach Aufhellungscremes und der Versuch der »Purity« (Reinheit/Unverdorbenheit) auch heute noch häufig eine Rolle spielt. Nicht nur die von mir interviewten Frauen* berichten von solchen Erfahrungen, auch Verkaufszahlen, Romane und unterschiedliche Werbungen weisen darauf hin, dass die Produkte weltweit verkauft werden. Es geht in dieser moralisch-ästhetischen Achse nicht ›nur‹ um Schönheitsideale; vielmehr sind diese Ideale ein hoher Garant für eine weitaus bessere Möglichkeit, an Verteilungsbedingungen zu partizipieren. Diese moralisch-ästhetische Achse ist selbst ein machtvolles Unterscheidungsinstrument. Durch die gleichzeitige Abwertung nichtweißer Ästhetik und infolgedessen auch der moralischen Perspektiven, die damit in Verbindung gebracht werden, sowie durch Aufwertung weißer Schönheitsideale verdichtet
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sich diese moralisch-ästhetische Achse zum Zerrspiegel für nicht-weiße Menschen. Das Aufwachsen in diesen Strukturen bedeutet deswegen auch, dass irgendwann in der Biographie eine Konfrontation damit stattfindet, dass es für nicht-weiße Frauen nicht einfach ist, sich auf eigene Standards zu berufen. Häufig ist diese Auseinandersetzung damit verbunden, Trauer darüber zu verspüren, diesen ästhetischen Anforderungen nicht gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund dürfen Schönheitsnormen nicht nur als Schönheitsnormen betrachtet werden: Sie können in Zusammenhang mit der Möglichkeit gebracht werden, einerseits ein ›Dazugehören‹, also sichtbare Zugehörigkeit, zu vermitteln, und anderseits halten sie die Privilegien bereit, anders an Verteilungsbedingungen zu partizipieren. Weibliche Schönheit ist in einer Welt, die durch patriarchale und rassifizierte Strukturen in Verbindung mit ökonomischen Bedingungen hervorgebracht wird, keine individuelle Kategorie – sie stellt für heranwachsende Mädchen of Color eine besondere Herausforderung dar. Mills zitiert Angela Harris (2000), die wiederum Toni Morrisons Buch The Bluest Eye (2007 [1970]) anspricht. In diesem Buch geht es u.a. um Pecola Breedlove (ein Schwarzes Mädchen), die in sehr armen Verhältnissen lebt; sie hat die Vorstellung, alles würde sich zum Guten wenden, wenn sie nur blaue Augen hätte. Harris macht damit darauf aufmerksam, dass es nicht nur äußerliche Schönheitsideale sind, sondern dass diese vielmehr nie erreichbar sind und damit zu Selbsthass von innen heraus führen können (vgl. Harris 2000: 163, zit.n. Mills 2007: 196). »The internalization of racist somatic norm means that the white body is perpetually hovering as an unquiet corporal ghost, a haunting and mocking spirit never to be exorcised from the house of one’s inferior flesh« (Mills 2007: 196). Heute sind nicht-weiße Frauen noch immer darin gefangen, die eigene Ästhetik unter Beweis stellen zu müssen und sie offensiv zu repräsentieren, um nicht dem genauen Gegenteil ausgeliefert zu sein. »Differently located in the racia-sexual-contract, black women originally (and still presently) had (have) to affirm black aesthetic worth rather than protest its fetishization and commodification« (Mills 2007: 197). Nicht-weiße Frauen sind also einerseits vor die Herausforderung gestellt, eine eigene ästhetische Form darzustellen und zu repräsentieren und anderseits gegen deren Fetischisierung vorzugehen. Diese doppelte Perspektive lässt sich auch in den Interviews finden. Sie ist ein kleiner Teil dessen, was ich weiter unten als postkoloniale-feministische Bildungsprozesse darstellen möchte. Wie deutlich werden sollte, sind nicht-weiße Frauen jene, die am wenigsten beteiligt waren am Zustandekommen des Gesellschaftsvertrags. Sie sind und waren eher jene, die in gesellschaftlichen Strukturen besonders vulnerabel und verletzlich sind. Ihre Platzierung in der sozialen Struktur stellt Epistemologien (zum Beispiel die des Antidiskriminierungs-Rechts) vor Herausforderungen. Auch Mills bespricht mit Bezug auf Crenshaw noch einmal das Beispiel des Falles von Hill und Thomas, will aber damit zeigen, dass es in der Rationalität von Antidiskriminierungsgesetzten für Hill keine Möglichkeit gab zu argumentieren. Sie war eine Schwarze und ob des Falles des sexuellen Übergriffs als Frau diskriminiert; in der sozialen Ordnung existierte kein Platz für sie. Sowohl die Bürgerrechtsbewegung als auch die Frauenbewegung hatten zu dieser Zeit schon einiges erreicht, aber sie wurden gegeneinander gestellt und nicht inklusiv gedacht. Mills bezieht sich noch einmal auf Crenshaw und zeigt, dass Antidiskriminierungsgesetzte in den USA sich entwe-
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der auf race oder auf Geschlecht bezogen und dass nicht-weiße Frauen – wollten sie in einem Prozess erfolgreich sein – am besten nicht von vorneherein sagten, wie sie diskriminiert wurden (vgl. Crenshaw 2000 [1989]). Aber eigentlich können nicht-weiße Frauen die gleichen Diskriminierungen erleben wie Schwarze Männer und weiße Frauen, aber sie können auch ganz anders sein. »Black women experience discrimination in ways that are both similar to and different from those experienced by white women and Black men« (Crenshaw 2000: 217, zit.n. Mills 2007: 198). Eine Betrachtung der sozialen Position nicht-weißer Frauen kann also nicht nur dazu beitragen, das Recht in seiner Reichweite zu verändern, sondern es kann auch dazu beitragen, Epistemologien, Moralitäten und Rationalitäten insgesamt in Frage zu stellen und ihre innere Struktur zu verdeutlichen. Indem nicht-weiße Frauenkörper in ihrer sozialen Position sichtbar gemacht werden und von ihrer Position aus gedacht wird, könnte es tatsächlich möglich sein, einen gerechteren Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren. Bedeutungen für die eigene Forschung a) Mills spricht hier unterschiedliche Perspektiven an, die es möglich machen könnten, doch noch aus dem racial-sexual contract auszusteigen, wie er bestanden hat. Obwohl sich die Situation für Women of Color geändert hat, zumindest für einige in den Metropolen, wird bei den Frauen*, die mit mir ihre Geschichten teilten, noch immer einiges von dem deutlich, was Mills hier in der Beschreibung der SubjektPositionen geäußert hat. Einerseits ging es in mancherlei Hinsicht um den Umgang mit einer Sichtbarkeit als rassifizierte Minderheit in einer Mehrheitsgesellschaft (vgl. in der Empirie dazu Kapitel 4.1.1), anderseits um die beständige Herstellung des Nicht-Dazugehörens zu einer Mehrheitsgesellschaft, die ihre Verbindung zu den postkolonialen Subjekten noch immer negiert (vgl. in der Empirie ebd.). Weitergedacht bedeutet dies herauszustellen, welchen Einfluss diese Anrufungen auf die Subjektivierungen haben und wie von dieser Perspektive aus Bildungsprozesse betrachtet werden müssen. b) Die von Mills angesprochene Moralität, die sich sowohl in Schönheits- als auch – und drauf möchte ich besonders hinweisen – in damit in Verbindung stehenden Sexualitätsvorstellungen zeigt, wurde in den Interviews besonders hervorgehoben (vgl. Kapitel 4.4). Schönheits- und Sexualitätsvorstellungen und deren ›Regierung‹ und Hervorbringungen ändern sich; die Schwierigkeiten, mit denen die interviewten Frauen* jedoch konfrontiert waren, haben einerseits mit Stereotypen zu tun, die scheinbar ihre Zeit überdauern, und andererseits mit einem neuen Sichtbarkeitsregime, wie es auch von Angela McRobbie beschrieben wird (McRobbie 2016; vgl. auch den nächsten Abschnitt). Zum Thema rassifizierte Schönheitsnormen, Sexualität und Stereotypisierungen gibt es einige Auseinandersetzungen (vgl. bspw. hooks 1994; Kilomba 2013; Velho 2016; Hill Collins 2005; Hill Collins/Bilge 2016); was es jedoch kaum gibt, sind Bildungskonzepte, die sich damit auseinandersetzen. So schreibt Elisabeth Tuider:
»Obwohl Sexualpädagogik seit ihrer Institutionalisierung in Schule und Sozialer Arbeit seit 1968 von einer Fokussierung auf die reproduktiven Aspekte der Sexualität
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deutlich Abstand genommen und stattdessen auf die gesellschaftspolitische (vgl. Willhelm Reich), die emanzipatorische (vgl. Helmut Kentler) oder identitätsstiftende (vgl. Uwe Sielert) Funktion von Sexualität gesetzt hat, bleibt eine gegenwartsanalytische Reflexion von natio-kulturell-ethnischer Mehrfachzugehörigkeit, Hybridität und In-Betweeness im Rahmen der Sexualpädagogik weitgehend aus.« (Tuider 2014: 100) Obwohl diese Arbeit es leider nicht leisten kann, eine solche Sexualpädagogik zu entwerfen, möchte ich doch darauf aufmerksam machen, welche Zuschreibungen und Auseinandersetzungen und demzufolge auch Subjektivierungen deutlich werden; darüber hinaus stelle ich Bildungsprozesse heraus, die Anknüpfungspunkte für eine solche Pädagogik leisten könnten. Fest steht trotzdem, dass die Frauen* einerseits darüber gesprochen haben, keinen Umgang damit zu finden, weil es noch immer sehr wenige Materialien und Reflexionen zu dem Thema gibt; und fest steht auch, dass sie zwischen einer Thematisierung von Diaspora, von kultureller Bewahrung und ihrer eigenen hybriden Zugehörigkeit kaum Thematisierungen im Umgang mit sich und ihren unterschiedlichen, aber auch sexuellen Selbst-, Welt- und Anderenverhältnissen finden. Damit ist nicht gesagt, dass sie – zumindest die hier interviewten Frauen* – als Subalterne im Sinne Spivaks gesehen werden können und sollten; sie sind aber dennoch Subjekte, die auf eine jeweils ambivalente Art sichtbar und gleichzeitig unsichtbar sind. c) Zudem kann noch einmal deutlich hervorgehoben werden, dass Mills mit seiner Beschreibung der Beziehungen zwischen den einzelnen Subjektpositionen deutlicher hervorhebt als Pateman, wie ambivalent nicht-weiße Frauen in die Geschichte antisexistischer und auch – aber anders – anti-rassistischer Kämpfe eingewoben sind. Die Vernetzung mit einer Community – ob sie nun anti-rassistisch ist, durch einen ›Kulturverein‹ oder schlicht in der Wahl der Freund*innenschaften erfolgt, ist für viele und auch für die interviewten Frauen* of Color von großer Bedeutung. Und doch geraten sie – auch heute noch – manchmal in die Lage, ihre eigenen Positionen in männlich dominierten Räumen nicht leicht kenntlich machen zu können. Manchmal sind es unterdrückende Strukturen, und manchmal ist es einfach schlicht das Unsichtbare, das, was nicht gesehen werden soll, das, was nicht zur Sprache gebracht wird und damit – so scheint es dann – auch nicht vorhanden ist. Das Beispiel von Anita Hill und Clarence Thomas, das beide (Mills und Pateman) aufgreifen, zeigt auf mehreren Ebenen, wie schwierig diese Auseinandersetzung ist. Einerseits sind Diskurse um die Sexualisierung des Schwarzen Mannes auch heute noch virulent bzw. sie können aus einem Wissens-Archiv abgerufen werden, wie der Diskurs um ›Köln‹ (vgl. Kapitel 2.2.3) gezeigt haben sollte; anderseits ist es durch diese Diskursivierung und ihre Manifestierung in Gesetzten relativ schwer, Erfahrungen von sexualisierter Gewalt oder Ausschlüssen durch Strukturen, die marginalisierte Perspektiven nicht zulassen, zu benennen – ganz zu schweigen davon, etwas zur Sprache bringen oder überhaupt feststellen zu können, dass etwas nicht stimmt, wenn auch noch rassifizierende Differenzlinien die Logik bestimmen. Alle Interviewpartnerinnen* verweisen auf Sexualisierungen und eine von ihnen, Mora, berichtet von sexualisierter Gewalt in verbaler Form. Diese fand zwar
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von weißen Männern statt, es ergaben sich aber auch Hinweise auf sexualisierte Stereotypisierungen in und durch die Community, denen ich in Kapitel 4.4 nachgehe. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Themen, bei denen es um eine Mehrfachdiskriminierung geht, nicht immer einfach anzusprechen sind und Zeit benötigen (vgl. Bergold-Caldwell/Laja 2016). Angela McRobbie und ein neuer Geschlechtervertrag Zuletzt möchte ich auf eine Perspektive eingehen, die Angela McRobbie (eine englische Kultursoziologin, die auf den Hintergrund der Cultural Studies und postkolonialer Theorie arbeitet) eingebracht hat. Ich möchte hier einerseits die Veränderungen zu Mills und Pateman deutlich hervorheben und andererseits die Rolle der Sexualität noch etwas deutlicher machen. McRobbie spricht in ihrem Buch The Aftermath of Feminism (2009) von einem neuen Geschlechtervertrag. Sie nutzt den Begriff Sexual Contract in einem anderen Sinn, als es Carol Pateman tut (vgl. ebd.: 90; Endnote 2). Ihr geht es vielmehr darum herauszustellen, welche Dynamiken gerade in ein Licht der Aufmerksamkeit gerückt werden, in dem Sexualität als ein kulturell und sozial zu regelndes Feld aufscheint.115 »I use the phrase sexual contract in the manner in which Stuart Hall might use it; i.e. to refer to a form of power which entails negotiations at the social and cultural level with the objective of a settlement within the field of sexuality. In this current context the term permits an analysis of a combination and intersection of forces constitutive of an address to young women, a ›space of attention‹, the regulative dynamics of which are subsumed within a language which implies this attention as the outcome of a progressive concern for sexual equality« (McRobbie 2009: 90; Endnote 1) In diesem Feld ist der Feminismus westlicher Gesellschaften insofern inkludiert, als dass Gleichstellungspolitiken in den Institutionen und politischen Agenden angekommen sind.116 »Drawing on a vocabulary that includes ›empowerment«117 and ›choice‹, these elements are then converted in a much more individualistic discourse and they are deployed in this new guise, particular in media and popular culture, but also by agencies of the state, as a kind of substitution of the state.« (McRobbie 2009: 1)
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Im Rahmen der Auswertung der Interviews komme ich auch auf Gabriele Dietzes (2017) Begriff der Sexualpolitik zu sprechen. Auch sie analysiert Sexualität als ein kulturell und sozial geregeltes Feld und verbindet es mit einer dezidierten Okzidentalismus-Kritik. Diese Kritik erlaubt es, die rassifizierten und vergeschlechtlichen Frauen auch unter der Perspektive eines anti-muslimischen Rassismus und seiner Wirkungen zu betrachten. Diese Betrachtung kommt bei McRobbie nicht oft vor. Auch Pateman hatte schon darauf aufmerksam gemacht und auch darauf, dass jetzt Feminismus dazu genutzt wird, rassifizierte Frauen (in besonderer Weise Muslimas) als Andere zu kennzeichnen. Auch Ulrich Bröckling macht auf die gouvernementale Einhegung und Individualisierung aufmerksam, die hinter dem Begriff und der Perspektive auf Empowerment stecken (vgl. Bröckling 2007). Umso mehr ist darauf zu achten, dass Empowerment keine Situation abbildet, in der einzelne Menschen ›empowert‹ werden, sondern es muss immer um die gemeinsame Veränderungen der Episteme, Strukturen und der eigenen Stärkung gehen.
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Dieser entpolitisierte und individualisierte Diskurs verdeutlicht sich, McRobbie folgend, auf zwei Ebenen: a) Einerseits wird dieser ›falsche Feminismus‹ (»faux feminism«; vgl. ebd.), dadurch abgesichert, dass junge Frauen feministischen Ideale – um die noch in den 1980er und 1990er Jahren gekämpft wurde – als erreicht betrachten müssen, also für sich eine erreichte Gleichheit konstatieren. b) Anderseits wird nicht-westlichen Gesellschaften (und Menschen, die als Migrant*innen betrachtet werden) eine Art »Exzeptionalismus« (Dietze 2017) vermittelt, der erneut die Beziehungen zwischen dem Westen und dem Rest (Hall 2007) regelt, und zwar durch die konstruierte erreichte Gleichstellung der Frau [sic!] (vgl. McRobbie 2009:1).
Jungen Frauen, die in der westlichen Welt leben, wird ein neuer Geschlechter- und Teilhabevertrag angeboten, der sich einerseits auf die unter a) genannten Voraussetzungen bezieht und der sich außerdem auf dem Hintergrund eines neoliberalen Sichtbarkeitsregimes entfaltet: »for the sake of what Judith Butler would call intelligibility as a woman, is amply rewarded with the promise of freedom and independence, most apparent through wage-earning capacity, which also functions symbolically, as a mark of respectability, citizenship and entitlement.« (McRobbie 2009: 4) Die über ökonomische Kaufkraft hergestellte und symbolisch vermittelte neue Bürger*innenschaft und zugehörige neue weibliche Sichtbarkeitsregime werden für McRobbie spezifisch in der medialen Darstellung, z.B. in Fernsehshows und Magazinen, deutlich. Hier können Frauen ihre sexuelle Freizügigkeit propagieren und gleichzeitig als Konsumentinnen agieren. Dieser neue neoliberale Geschlechtervertrag, der die Kaufkraft westlich situierter Frauen als symbolische Erklärung ihrer Bürgerinnenschaft betrachtet, hat natürlich auch Auswirkungen auf nicht-westlich situierte Frauen. Die neue ›Freiheit‹ der ersteren führt nicht nur zu einer größeren Abhängigkeit von Frauen, die nicht im Westen situiert sind, sondern sie setzt diese gewissermaßen voraus (vgl. ebd.: 55). Der das neue Geschlechterregime regierende neue Geschlechtervertrag wird jungen Frauen im Westen dadurch offeriert, dass sie die besten Jobchancen bekommen und gleichzeitig als Konsumentinnen-Subjekte angerufen werden; er definiert die neue Art der femininen Bürgerinnenschaft (ebd.: 54). »The meanings which converge around the figure of the girl or young woman, are more weighted towards capacity, success, attainment, enjoyment, entitlement, social mobility and participation« (ebd.: 57). So kann McRobbie zeigen, wie sich alte Vermutungen, die Frauen als Personen betrachteten, welche wenig eigenständige ökonomische Teilhabe hatten und die eher mit zukünftiger Heirat und Mutterschaft assoziiert wurden, nun mit ökonomischer Kapazität ausgestattet sind (vgl. ebd.: 58). Junge Frauen unterschiedlicher rassifizierter Herkünfte werden medial als Agentinnen und Beweis des Social-Chance westlicher Gesellschaft präsentiert, um sie einerseits gegen nicht-westliche Gesellschaften abzugrenzen und sie andererseits weiterhin einem neoliberal entfesselten Arbeitsmarkt zu überantworten.118 118
Analysiert haben solche Vorgänge auch Paul Mecheril und Maisha Auma in sogenannten Diversity Politics, die Köperunterschiede und Herkünfte medial in Szene setzen und damit progressiv
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Warum sich dieser neue Vertrag aber nun wiederum als rassifizierter und klassenspezifischer Vertrag verdeutlicht, der eine weiße Hegemonie in Kraft setzt, das möchte ich im Folgenden zeigen. Ich fasse die Thesen McRobbies kurz zusammen, um dann Hinweise auf meine eigene Forschung zu geben. In der Zusammenfassung werde ich nicht auf die grundlegenden theoretischen Bezüge McRobbies eingehen, sondern nur die für die vorliegende Studie relevanten Ergebnisse präsentieren. Vier Figuren des neuen rassifizierten Geschlechtervertrages Besonders in einem Kapitel ihres Buches widmet McRobbie sich diesem neuen »sexual-contract« (McRobbie 2009: 54-94), den sie in vier spezifischen Figuren analysiert; sie beschreibt diese Figuren als »Iluminuos spaces of attention« (ebd.: 58). Die erste Figur kennzeichnet sie in den Worten: »Shining in the light: the post feminist masquarade« (ebd.: 59-72). Junge Frauen werden in dieser Masquerade aufgefordert, unabhängig am Arbeitsmarkt zu agieren und zu partizipieren, sie sind außerdem selbstbewusst und werden dazu ermuntert, zur Therapie zu gehen, wenn ihr Alltag zu stressig werden sollte, oder sich in einer Art ›Selbstsorge‹ zu ergehen. Unter der Hand spielen aber weiterhin normative und (re-)tradionalisierende Kräfte eine Rolle: Sie müssen sich in einer heterosexuellen Matrix trotzdem den Zugang zu männlichen Partnern sichern. Die jungen Frauen, so McRobbie, werden sichtbar und hoch individualisiert; sie müssen nicht mehr heiraten, um ihre Existenz zu sichern, aber sie müssen sich selbst in Szene setzen, weil das Blick-Regime und das, woran es sich ausrichtet, nach wie vor ein männliches ist. McRobbie analysiert diesen Zusammenhang mit Butlers Perspektive auf das Symbolische, indem sie auf Lacans ›Gesetz des Vaters‹ zu sprechen kommt.119 Dieses Gesetz hat sich für McRobbie erweitert und ist in mediale Bezüge ›eingedrungen‹; junge Frauen müssen ihren ›Begehrenswert‹ jeden Tag im Hervorbringen und Formen ihres Köpers bestätigen. Eine dominante heterosexuelle ›Regierung‹ wird damit, so McRobbies Fazit, zementiert. Dieser Beauty-Komplex ist aber nicht für alle zugänglich; auffällig ist, so McRobbie, dass auf den Titelblättern, in Filmen, Modemagazinen, Nachrichten und so weiter nur spezifische Schwarze Körper dargestellt werden, die meist ›light-skinned‹ und an einer hegemonialen Schönheits-Norm orientiert sind. Obwohl es ein post-rassistisches Diversity-Management gibt, in dem multi-kulturelle Körper dargeboten werden, sind diese an weißen Schönheitsidealen orientiert und bieten nicht-weißen Frauen einzig die Möglichkeit, eine ähnliche Industrie zu erschaffen. »These systems of racialised meaning are so deeply inscribed within the dominant language of love, and what young women now need to do to the secure a partner or husband (the so called rules), that the only available logic of difference within the com-
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wirken, aber die darunterliegenden Machtdynamiken nicht in den Blick nehmen. Beide kommen zu der Auffassung, dass ein solches Sichtbarkeitsregime zumindest ambivalent ist: Einerseits werden natürlich Repräsentationen verändert, doch anderseits werden Personen noch deutlicher an Kategorien sozialer Existenz gebunden und als neue ›human Ressources‹ betrachtet (vgl. Eggers 2010; Mecheril 2007a). Darauf, wie dieses Gesetzt zu fassen ist und wie Butler dieses Gesetz in der heterosexuellen Matrix analysiert, habe ich bereits in Kapitel 2.1.5.3 hingewiesen.
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mercial domain, is the production of an equivalent system of feminine popular culture for black and Asian young women.« (McRobbie 2009: 71)120 McRobbie wendet sich sodann einer weiteren Perspektive zu – »Education andemployment as sites of capacity« (McRobbie 2009: 72-83) –, in der einmal mehr die in Kapitel 2.1.1 beschriebene Machtförmigkeit von Bildung deutlich wird. In diesem Teil arbeitet sie heraus, wie das Bildungssystem nun zwar auf junge Frauen Bezug nimmt und sie sogar als Ressource und Symbolik für Bildungserfolge verwendet, aber diese Bildungserfolge sind hoch individualisiert und auch klassenspezifisch organisiert. Das bedeutet wiederum, dass meist Migrant*innen aus dem Bildungssystem ausgeschlossen sind oder nur solche wirklich eine Chance haben, die aus Mittelschichtfamilien kommen. Bildungserfolge werden hingegen als erreichbar gefeiert und Misserfolge gleichzeitig individualisiert, sodass eine Art Gegensolidarität oder zumindest eine Entsolidarisierung unter den Frauen entsteht – jede wird für einen eventuellen Misserfolg selbst verantwortlich gemacht. Eine Zuspitzung erfährt diese Logik dann unter Bedingungen von Eltern- und Mutterschaft; das Machbarkeitsregime und die neue Sichtbarkeit führen dazu, dass Mütter sich auf eine Art präsentieren müssen, die sie unabhängig und Lohnarbeitsfähig darstellt. Gelingt ihnen das nicht, geht es in dieser Logik immer um das persönliche Versagen und um Diskurse, die eine Life-Work-Balance attribuieren. Unterdessen geraten sie aber hinsichtlich eines neuen Geschlechtervertrages noch stärker in eine »heterosexuelle Matrix«, die McRobbie im Anschluss an Butler so nennt, weil es einerseits fast unmöglich erscheint, aus der neoliberalen Arbeitsmarktlogik auszusteigen und andererseits ein (re-)zentriertes Geschlechterregime der Sichtbarkeit auf sie wartet, in dem Care-Arbeit noch immer nicht aufgeteilt ist. Das Sichtbarkeits- und Machbarkeitsregime einerseits und die fehlende Politisierung und die Ent-Solidarisierung führen dann letztlich zu Bedingungen, die McRobbie als »Post-Feminismus« deutet (vgl. McRobbie 2009: 1). In der dritten und vorletzten Figur, die McRobbie »Phallic Girls, recreational sex, reproductive sex« (McRobbie 2009: 83-87) nennt, zeigt sie eine neue Figur, in der sich der neue ›sexual contract‹ derzeit präsentiert. Diese Figur, so McRobbie – und sie bezieht sich hier wiederum auf Judith Butler –, schafft es, sich als phallische Frau zu präsentieren und sich so in die männliche symbolische Ordnung einzubringen. Butler (2001a) hatte die Figur der ›phallischen Lesbe‹ vorgestellt und deutete sie als politische Figur, die sich einen Platz in der symbolischen Ordnung der Männlichkeit erringen kann (vgl. McRobbie 2009: 83). »But now more recently, and within the terrain of Western post-feminist culture, the symbolic reacts swiftly to the antagonism which not just feminism has presented, but also which Butler’s lesbian phallus and queer theory per se presented by pre-emptively
120 Ähnlich wie McRobbie analysiert auch Patrica Hill Collins eine solch rassifizierte Schönheitsproduktion bei den Miss World-Wahlen; dort ist auch auffällig, dass ›ethnische Merkmale‹ als solche keine Rolle mehr spielen: Die Frauen, die an diesen Wahlen teilgenommen haben, sehen wie differenzierte weiße Frauen aus, die (trotz kleinerer Nuancen im Pigmentton der Haut) keine anderen Merkmale aufweisen (vgl. Hill Collins 2011).
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endowing young women with the capacity to become phallus-bearers as a kind of licensed mimicry of their male counterparts« (ebd.). In dieser post-feministischen Situation verändert dieses phallische Mädchen weder die symbolische Ordnung noch wird es gar zur politischen Figur. Durch die Einverleibung feministischer Ideen und die präventive Ausstattung junger Frauen mit der Kapazität, Phallus-Trägerinnen sein zu können, passiert in gewisser Weise eher etwas Gegenteiliges: Eine gewisse verregelte und lizensierte Nachahmung ist möglich; aber diese Nachahmung hinterfragt die männliche Hegemonie in den neuen Strukturierungen nicht mehr. Obwohl McRobbie sich ansonsten positiv auf Queer Theory und Butler bezieht, versucht sie hier doch zu zeigen, wie die Gesamtgemengelage zu der aktuellen Situation führt, die die Geschlechterverhältnisse eben nicht mehr hinterfragt, sondern eher eine radikales Neu-Arrangement verhindert (vgl. ebd.). Sie führt aus, inwiefern nun diese phallische Weiblichkeit hofiert, zelebriert und in den Mittelpunkt gestellt wird; wirkt sie doch, als habe sie alle Freiheiten und Möglichkeiten der sexuellen Aktivität, der Freizügigkeit und all dessen, was immer wieder angemahnt wurde. Das phallische Mädchen kann alles zeigen und tun, aber – so McRobbie – das ist ein schmaler Pfad, weil sie gleichzeitig auch noch ihre Attraktivität für Männer aufrechterhalten muss, wenn es um heterosexuelle Beziehungen geht (ebd.: 84). Für den Arbeitsmarkt und im visuellen System müssen diese Frauen sich dann wieder in einer Weise präsentieren, die von ihnen verlangt, dass es zwar auf der einen Seite geboten ist, ein wenig an der symbolischen Ordnung teilzuhaben, gleichzeitig aber haben sie sich auch noch so zu repräsentieren, dass sie in der heterosexuellen Matrix begehrt werden können. Es hat sich, so McRobbie, eine bedeutende Industrie um diese Frauen etabliert, die sie als Gleiche in der Konsumwelt anspricht. Die sexuelle Freizügigkeit kreiert sozusagen eine Seite des neuen Contracts und wirkt so lange fort, wie sich aus den sexuellen Aktivitäten keine Schwangerschaft entwickelt. Wenn das passiert, dann werden die Frauen als diejenigen betrachtet, die nicht genug vorgesorgt, die sich nicht um Verhütung gekümmert haben; Schwangerschaft in jungen Jahren ist aber nicht mehr nur verpönt, sie wird geradezu von Programmen der Regierung auf ein Lebensalter in den 30iger Jahren verschoben (ebd.: 85). Diese Programme richten sich dann häufig in erster Linie gegen Schwarze und arme weiße Frauen, weil sie diejenigen sind, die von Teenagerschwangerschaften bedroht sind. Mittelschichtfrauen werden, wie schon angedeutet, häufig dazu aufgefordert, ihre Kinder erst nach dem dreißigsten Lebensjahr zu bekommen und bis dahin dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen; es entsteht eine auf IVF (reproduktive Medizin) gestützte veränderte Mutterschaftsphase, die Mutterschaft in ein Alter von 35+ verlegt. Nicht nur diese Reproduktionskette wird von der Regierung unterstützt, sondern es gibt generell Programme, die promoten, es sei nicht ratsam, ein Kind oder mehrere außerhalb fester Partnerschaften zu haben. Die neue sexuelle Freiheit des phallic girls bringt also viele Unterscheidungen und neue Ordnungen mit sich. Mit den phallischen Frauen, die Butler beschrieben hatte, hat diese Figur nichts mehr gemein – eher genau das Gegenteil ist passiert. Als letzte und auch hier abschließende Figur stellt McRobbie schließlich das »global girl« (McRobbie 2009: 87-90) vor; sie ist gewissermaßen die Gegenfigur zum phallic
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girl und zur postfeministischen Masquerade. Die oben vorgestellte Figur – das phallic girl – wirft ein grelles Licht auf jene, die dieser »Selbst-Aktualisierung« (ebd.: 87) nicht nachkommen können. »Female phallicism is as restrictive as the postfeminist masquerade in that its endorsing of licentiousness and bad behaviour also ensures this plays out in the field of leisure activity which assumes a white female subject.« (Ebd.). Das Verhalten121 des weißen phallic girls ist nur möglich Aufgrund weißer Privilegien, die sie nicht nur auf dem Hintergrund der sicheren Staatsbürgerschaft und der eindeutig abgesicherten Zugehörigkeit zeigen. Für Schwarze Frauen, Migratinnen und Women of Color ist die öffentliche Präsentation eines solchen Verhaltens meist auch schon deswegen schwierig, weil sie anders als ihr weißes Gegenüber, schneller von Polizei und anderen öffentlichen Ordnungsfunktionen aufgegriffen werden (vgl. ebd.); sie werden bei einem solchen öffentlichen Verhalten leicht mit Prostitution und anderen Abwertungen in Verbindung gebracht. Hier spielen nicht nur (historisch entstandene) Stereotypisierungen eine Rolle, auch die Unsicherheit wie sich ein solches Verhalten auf spätere Chancen am Arbeitsmarkt und in der Wahrnehmung in sozialen Gefügen auswirkt, sind Teil dessen, warum Women of Color nicht die gleichen Möglichkeiten haben. Gerade am Kreuzungspunkt Sexualität und Geschlecht, sind diese Frauen noch immer von Darstellungen betroffen, die sie einerseits derartig sexualisieren und deren Sexualität andererseits immer unter Verdacht steht: Ihr Verhalten und ihre Bekleidung müssen sie daher häufig mit Bedacht wählen. Für junge asiatische Frauen funktioniert die Performance des Phallic Girls auch als Provokation, »for the assumed norms of submissiveness to patriarchal and religious authority, typically attributed again within the racist imagination, to those Asian girls who do not embrace Western styles of fashion and sexual display.« (McRobbie 2009: 87) Mit der Akzeptanz des Freiheitsversprechens und dem Ausleben sexueller Freiheiten begibt sich dieses white phallic girl aber nur tiefer in die patriarchale Betrachtungen hinein; auch die Szenerien des ›bad behaviour‹ sind so nicht vorstellbar für junge Frauen, die an sich schon marginalisiert sind. Gerade die post-feministische Maskerade und das Phallische Mädchen haben durch die oben aufgezeigten Möglichkeiten und ambivalenten Einbindungen die Funktion einer Re-Kolonisierung: Beide Figuren etablieren einerseits weiße nationale heterosexuelle Tradierungen und andererseits bewirkt es einen Ausschluss nicht-weißer Weiblichkeit, weil diese Frauen auf solche Privilegierungen nicht einfach zurückgreifen können (vgl. ebd.: 88). Nicht nur die internationale Arbeitsteilung, welche nicht-weiße Frauen häufig in Gewerbe der Niedriglohnarbeit gebracht hat und die deshalb nicht die gleiche Kaufkraft haben, wie sie in der post-feministischen Maskerade an die Frauen herangetragen wird, sondern auch die neue Freiheit des pallic girls kann nicht erfüllt werden.
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Sie beschreibt insgesamt, dieses phallic girl sei unhöflich, trinke bis zur Bewusstlosigkeit Alkohol, lebe sexuelle und konventionelle Freizügigkeit aus und lasse – wie ihr männliches Gegenüber – nur wenige soziale Verhaltensweisen erkennen. Es geht McRobbie nicht darum, diese Form des Lebens und Seins zu verurteilen, sondern lediglich darum aufzuzeigen, in welche widersprüchlichen Anrufungen, Strukturen und Verhältnisse sie trotzdem eingebunden ist, und dass das dann letztlich individualisiert bearbeitet werden muss.
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Anders verhält es sich dann mit dem ›global girl‹: In der Fashion-Welt, so McRobbie, sieht es so aus, dass dieses ›global girl‹ – besonders das aus Ländern des globalen Südens – als laszive, aber unschuldige und latente, aber ›echte‹ »with a properly feminin love of self-adorment« (ebd.: 89) dargestellt wird. Sie kommt, um hier zu arbeiten, und in Magazinen wie Elle, Marie Claire, Vogue und Grazia ist sie der materialisierte Beweis für den Multi-Kulturalismus. Ihre Modernität wird in ihren neuen Freiheiten, ihren Verdienstmöglichkeiten, ihrer Freude und in dem Eintauchen in die Beauty- und PopKultur »and in her pleasing and becoming demeanour which lacks the ironic inhabiting of femininity of her post-feminist masquerading counterparts, and the aggression and sexual bravado oft he phallic girl« (ebd.: 88f.) deutlich. Aber durch die Darstellung und die Hervorbringungen wird eine unterwürfige Position in normativer weißer Weiblichkeit markiert: »This marks out a subtle positioning, a re-colonisation and a remaking of racial hierachy within the field of normative feminity« (ebd.). Dieses ›global girl‹ genießt einige Vorzüge gegenüber jenen Frauen, die hier geboren sind oder hier leben: Sie wird nicht als Teil der problematischen Arbeitsmigration betrachtet, sondern als ein Wesen gedacht, das außerhalb des nationalen Zusammenhangs steht und somit auch wenig auf nationale Ressourcen zurückgreifen muss. Die ›global girls‹ sind somit in vielen Grenzzonen zu finden; sie sind die Subjekte einer globalisierten Arbeitswelt, »which orders and re-orders these other feminities according to fears and anxieties about ›immigrant‹ fertility« (ebd.). Sie gelten in diesem Sinn als Idealbild in einem konsumorientierten Diskurs, denn sie kommen, um zu arbeiten, bringen keine unkontrollierte Fertilität mit sich und bleiben, um für die Fashion- und Beautyprodukte des Westens zu arbeiten. Zusammenfassung McRobbie hat mit diesen Figuren und mit vielen anderen in ihrem Buch gezeigt, wie feministische und teilweise auch anti-rassistische Politiken vereinnahmt wurden und wie durch die aggressive Etablierung einer konsumorientierten und neoliberal veränderten Staatsregierung ein Postfeminismus etabliert wurde, der in dem Zuge dann auch antifeministisch wird. Mit der Analyse unterschiedlicher Ebenen (einerseits der Mode- und Medienwelt, anderseits politischer Programme) weist sie darauf hin, wie eine Aushöhlung feministischer und anti-rassistischer Forderungen (oder eine Inklusion mit dem Ziel der Exklusion) vonstattenging. Für die vorliegende Forschungsarbeit ist McRobbies Analyse insofern erhellend, als dass sich hier ein erneuter intersektionaler Blick, jetzt aber unter veränderten Vorzeichen, unter der Perspektive eines Geschlechtervertrags präsentiert hat. Weiterführung für die eigene Forschung a) Insgesamt zeigt die zuletzt angeführte Perspektive einen Zusammenhang, der für die Interviews einen zentralen Punkt darstellte: Sexualität – so wie McRobbie sie beschreibt – ist ein Nukleus, an dem sowohl die nationale, die geschlechtliche als auch die rassifizierte Reproduktion ausbuchstabiert wird. Hier zeigen sich spezielle Normensetzungen, die sich dann auch in eigenen Interpretationen des Körpers,
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der Schönheit, der Begehrtheit wiederfinden. All das und auch das Aufwachsen in einem solchen Kontext spiegelt sich in den Interviews wider. b) Wie oben bereits mit Bezug auf Mills verdeutlicht, sprechen die interviewten Frauen* sehr viel über Zuschreibungen, Anrufungen und Stereotypisierungen, die sich in dem Dreiklang Rassifizierung – Geschlecht – Sexualität wiederfinden. McRobbies Beschreibungen und Figuren werfen ein anderes Licht auf diese Selbstverhältnisse. Während die interviewten Frauen* of Color einerseits den historisch entstandenen sexualisierten Zuschreibungen begegnen, versuchen sie anderseits, den in den Modemagazinen und anderen Medien dargebotenen neuen Freiheiten – insbesondere des global girls – nachzukommen. Da sie selbst aber nicht zu dem Personenkreis zählen, der sich dieser Position einfach bemächtigen könnte, vermögen sie die von McRobbie angesprochenen ›Selbst-Aktualisierungen‹ nicht zu leisten. Zwar versuchen sie, an den neuen Freiheiten zu partizipieren, werden aber doch immer wieder auf die rassifizierten Bedingungen zurückgeworfen (vgl. dazu insbesondere Kapitel 4.4.1). c) In McRobbies Analyse wird auch eine gleichzeitige Zunahme neoliberaler Arbeitsbedingungen und deren Verknüpfung mit der post-feministischen Situation deutlich. Diese Arbeitsbedingungen, die auch etwas mit rassifizierten Linien in der Intersektion mit Geschlecht und Sexualität zu tun haben, werden in den Interviews auch zum Thema gemacht. Deutlich wird dort auch, welche Rolle und Situierung den Frauen historisch zukommt und wie sich diese historischen Bilder im aktuellen neoliberalen Arbeitsmarkt (re-)aktualisieren (vgl. hierzu insbesondere Kapitel 4.5).
McRobbie greift all diese Dynamiken am Schluss ihres Buches wieder auf und endet damit, dass sie sich eine Veränderung der Gesellschaft und eine gerechte Gesellschaft nur dann vorstellen kann, wenn es Möglichkeiten gibt, diese widersprüchlichen Dynamiken – gerade die der großen Freizügigkeit, die nach ihrer Analyse keine ist – und die in diesen Kontexten unterschiedlich positionierten Frauen miteinander in Kontakt zu bringen: Dies ist, so beschreibt sie es, ein »feministischer Klassenraum« (McRobbie 2009: 150-171), der in ihrer Vorstellung ein Kontakt-Raum ist. Sie meint damit einen Raum, in dem sich sowohl diejenigen begegnen, die in diesem Raum privilegiert sind als auch die, welche mit wenigen Privilegien kommen; eine Sphäre, in der sie als Dozentin und Lehrerin mit unterschiedlichen Facetten dieser Ungleichzeitigkeit umgehen können. McRobbie bezeichnet diesen Raum im Anschluss an Bhabha (2000) als einen »third space« und im Anschluss an Spivak (vgl. bspw. Spivak 1985) als einen »ästhetischen postkolonialen Lernraum«, in dem es – und das gefällt mir sehr – um eine wirkungsvolle Aneignung der eigenen Geschichte, selbständige Auseinandersetzungen mit dem eigenen Geworden-Sein geht. Das Ziel ist es – so wie Spivak das an anderen Stellen für subaltere Frauen beschreibt – eine eigene Geschichte für sich selbst zu schreiben, Worte zu finden für das, was ist, was sein soll und für das, was nie mehr sein darf. Bildung und Räume der Bildung und Auseinandersetzung werden also auch in diesem Kontext zum Ausgangspunkt für die Frage, was es bedeutet, eine eigene Perspektive auf sich selbst und das eigene Geworden-Sein zu entwerfen. Was aber diese Ausein-
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
andersetzung bedeuten kann und wie sie empirisch festgehalten werden kann, diesen Fragen möchte ich mich in dem folgenden Unterkapiteln widmen.
2.2.5
Ein Ausblick auf Schwarze feministische, de- und postkoloniale Perspektiven auf Subjektivierungs- und Bildungsprozesse
In den vorhergehenden Kapiteln habe ich mich gesellschaftstheoretischen und kontextuellen Bedingungen der Subjektivierungen zugewandt, gleichwohl wissend, dass sich die Situationen nicht eins zu eins auf den hiesigen Kontext übertragen lassen; dennoch verdeutlichen sie grundsätzliche globale Strukturierungen, die sich auch als Aussagen in den Interviews wiederfinden lassen. Ich konnte grundlegende Dynamiken in der Intersektion von Geschlecht, Sexualität, Geschlechterverhältnissen und race nachweisen und von daher auch Strukturierungen, Normen und Einflüsse verdeutlichen. All das sind Voraussetzungen, die – wie in Kapitel 2.2 beschrieben – einer Eingrenzung und Bestimmung eines Bildungsbegriffs sowie empirischer Untersuchungen von Bildungsprozessen und deren genauerer Bestimmung bedürfen. Ich möchte mich also in den folgenden Unterkapiteln damit beschäftigen, wie Bildung und Bildungsprozesse von dieser Prämisse aus theoretisch beschaffen sein müssen, um mit den oben dargestellten Bedingungen umgehen zu können. Wie deutlich wurde, ist Bildung in dem oben beschriebenen Sinn weit mehr als ein Wissenserwerb oder die Schulung zu einer Ausbildung, sie ist im weitesten Sinne eine Perspektive, die ein In-der-Welt-Sein, ein Selbst- und ein Anderenverhältnis betrifft. Diese schon in Kapitel 2.1 dargestellte Perspektive auf Bildung vervielfältigt sich noch, wenn es darum geht, Bildungsprozesse im Horizont von Rassismuserfahrungen in der Intersektion mit Geschlecht zu kennzeichnen. Aus einer postkolonialen122 Perspektive sind Bildungsprozesse zentral für die Veränderung von Ungleichheitsverhältnissen. Viele Schwarze, postkoloniale und feministische Theoretiker*innen, wie bspw. bell hooks (2013), Gayatri Chakravorty Spivak (2009), Vanessa Andreotti (2011), María do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan (Castro Varela/Dhawan 2009a, b), betrachtenBildungsprozesse als zentrale Ressource für Deko122
Postkolonial meint im Rekurs auf Castro Varela/Dhawan (2015); Kerner (2012); Reuter/Villa (2010) eine Perspektive, die koloniale Verhältnisse in ihren Auswirkungen und Fortschreibungen nach der Kolonialzeit kennzeichnen. Das Präfix post- soll, statt die Bedeutung von abgeschlossenen Prozessen und Politiken hervorzuheben, vielmehr dessen anhaltende Kontinuität zum Ausdruck bringen (vgl. Castro Varela/ Dhawan 2015). Obwohl erziehungs- und bildungswissenschaftliche Perspektiven in postkolonialen Perspektiven zentral verhandelt werden (vgl. etwa Spivak 2009; Castro Varela 2007a; b), konstatiert Patricia Baquero Torres (2012), dass die Rezeption in der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft »sehr spärlich Eingang gefunden« (Baquero Torres 2012: 315) habe. Obgleich der Gegenstand postkolonialer Wissenschaftskritik die Perspektiven auf Bildung, Erziehung und Sozialisation zutiefst berührt, scheint eine tiefergehende erziehungswissenschaftliche Auseinandersetzung noch auszustehen (vgl. ebd.). »Die Problematisierung von Identität, der Umgang mit vielfältigen sozial konstruierten Differenzen, die Repräsentation der Anderen und die Konstruktion von Normalität sind zentrale Fragestellungen, die eine erhebliche Bedeutung sowohl für die Entwicklung erziehungswissenschaftlicher Theoriebildung als auch für das pädagogische Handeln beinhalten.« (Baquero Torres 2012: 315).
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lonisierungen123 auf vielen Ebenen. Was Bildung in diesem Zusammenhang bedeutet, welche Facetten sie hat und welche Perspektiven, das möchte ich im Folgenden kurz darstellen. Weil es mir nicht darum geht deduktiv eine Theorie an die Empirie heranzutragen, sondern nur verschiedene Versatzstücke zu kennzeichnen, gehe ich hier nicht sehr ausführlich auf die einzelnen Aspekte ein, sondern verdeutliche nur, was unter den Perspektiven zu verstehen ist. Weiterhin möchte ich darauf hinweisen, dass es bei den interviewten Frauen* um Frauen* geht, die in den Metropolen leben und derzeit ein gesichertes Leben hier haben; sie sind also sicherlich anders verortet als Personen, die Spivak (1985) als Subalterne beschrieben hat. Trotzdem erfahren sie massive Marginalsierungen und werden nicht nur durch rassistische – in der Interdependenz mit sexistischen – Diskriminierungen, Anrufungen, Erinnerungen und/oder direkte Ausschlüsse immer wieder daran erinnert, dass ihnen etwas Prekäres anlastet. Von daher gehe ich davon aus, dass es sich hier um andere Formen der Subalternität handelt (vgl. auch Steyerl/Gutiérrez Rodríguez 2003). Bildung nimmt hier ihren Ausgang in der Auseinandersetzung mit den zugeschriebenen und exkludierenden Kategorien und Differenzlinien. Wie oben bereits beschrieben, kann Bildung nicht nur wegen institutioneller Einund Ausschlüsse auch als etwas betrachtet werden, das imperiale Ideen und Herrschaftsstrukturen sichert. Dabei spielt nicht nur eine Rolle, was als Bildung anerkannt wird, sondern auch das, was dann weitergehend als Bildungsprozess betrachtet wird. María do Mar Castro Varela schreibt in einem Text zu postkolonialen Perspektiven auf Bildung, wie proletarisch-migrantische Jugendliche nicht nur durch strukturelle Bedingungen wie überfüllte Klassenzimmer, Lehrer*innenmangel und wenige Ressourcen aktiv benachteiligt werden; darüber hinaus konstatiert sie auch Folgendes: »Bildungsprozesse bedürfen der Intervention, denn Bildungsunterschiede stabilisieren hegemoniale Strukturen, in denen die Mehrheit der Marginalisierten um die Möglichkeit gebracht wird, sich differenziert mit Macht- und Herrschaftsbedingungen auseinanderzusetzen, wodurch ihre politische Partizipation aktiv verhindert wird.« (Castro Varela 2016: 59). Ich möchte im Folgenden ausführen, was damit gemeint sein könnte und warum Castro Varela schließlich zu dem Schluss kommt, dass ein Wandel der Episteme erforderlich ist (vgl. ebd.).
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Angesprochen ist bei De-Kolonialisierungsprozessen m.E. nicht nur der Prozess, der sich aktiv der Analyse des Zustandekommens, der Reflexion postkolonialer Bedingungen und Gewaltverhältnissen annähert, sondern darüber hinaus mit Bezug auf Walter Minollo die Perspektiven, Denkweisen, Zeitlichkeiten, Vorgehensweisen, Gefühle, Geschlechter, Spirutalitäten und vieles mehr wieder sichtbar macht – die im Laufe der Moderne ausradiert wurden. De-Kolonisierung in den hiesigen Metropolen bedeutet für mich, den gewaltvollen Zurichtungen auf den Köper, den Geist und die Emotionen zu begegne – der ›inneren Kolonisierung‹ zu widerstehen und sie zu verändern.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Die Betrachtung epistemischer Gewalt,124 ist im Rahmen postkolonialer Theorien eine der zentralen Auseinandersetzungen. Mit Epistemen sind Wissensordnungen gemeint, wie sie auch schon von Foucault beschrieben wurden. Epistemische Wissensordnungen strukturieren nicht nur Subjektpositionen, gesellschaftliche und globale Verhältnisse, sondern auch Verhältnisse des Subjekts zu sich selbst – sie strukturieren Begehrens-Ordnungen, wie Castro Varela (ebd.) mit Bezug auf Spivak festhält. Begehren wird in diesem Sinne als etwas verstanden, was über die Etablierung von Ordnungen gebildet wird: Es ist nicht frei wählbar, sondern über soziale Ordnungen, Macht- und Herrschaftsbeziehungen und in Dispositiven125 eingelagert. Wie in den oberen Kapiteln beschrieben, situieren nicht nur Geschlechterordnungen globale postkoloniale Bedingungen und darin integrierte und hervorgerufene Klassenverhältnisse Begehrens-Ordnungen, vielmehr zeigen sie sich direkt im Empfinden der Subjekte selbst (vgl. ebd.). »Begehren ist jedoch nicht schicksalhaft, sondern wird im Feld des Sozialen hergestellt.« (Ebd.: 51) Castro Varela hält darüber hinaus fest, dass Begehren mit Bezug (Deleuze/Guattari 1977) nicht nur erzeugt wird, Begehren ist außerdem produktiv und wird durch vielfältige Einflüsse hervorgerufen. Bildung – so schreibt sie weiter – greift in diese Begehrensstrukturen ein, »indem diese mit Strafe und Belohnung das Begehren lenken, […] [das] Körper und Geist disziplinier[t]« (ebd.: 52). Begehren lenkt das, was wir gut finden und was wir ablehnen, das, womit wir uns wohlfühlen und was ein Unbehagen hervorruft. Bildungsprozesse in einer Perspektive, die Spivak entworfen hatte, müssen sich dieser Begehrensstrukturen annehmen und das Begehren re-arrangieren. Dann geht es um ein Lernen und eine Auseinandersetzung damit, wie das So-geworden-Sein statthatte und um eine Auseinandersetzung damit, wie dieses Begehren wirkt – ›was lehne ich ab‹ und ›warum‹? Castro Varela bezeichnet dieses Re-Arrangieren der Begehrensstrukturen als eine De-Kolonialsierung des Geistes (vgl. ebd.). Mit dem Begriff der De-Kolonialisierung, ist ein Begriff geprägt, der das GewordenSein der einzelnen Subjekte meint. Davon ausgehend, dass heutige Kategorisierungen bspw. in Bezug auf Geschlechter, Klassen, Sexualität, race oder Ähnliches sozusagen 124 »Epistemische Gewalt meint eine Gewalt durch Deutungshoheit, Wissensformen und vermeintliche Wissenschaft. Die Fragen, welches Wissen als legitimes Wissen anerkannt wird und wie sich ein bestimmtes Wissen als hegemoniales Wissen durchsetzt, stehen im Zusammenhang mit der Untersuchung von Gewaltverhältnissen, wie sie sich im Ausschluss, in der Marginalisierung sowie in der Disziplinierung von Menschen ausprägen (vgl. dazu Kilomba 2010).« (Bergold-Caldwell/Georg 2018: 71; Fußnote 10). Epistemische Gewalt ist also eine Gewalt die in erster Linie durch Wissen erzeugt und verbreitet wird, dessen Grundlage hegemoniale Diskurse sind. Die Hegemonie kann durch unterschiedliche Bereiche gefestigt werden: Einerseits durch Medien und öffentliche Diskurse, aber auch durch Bildung und wissenschaftliche Diskurse. Die epistemische Gewalt wird durch koloniale Bilder geprägt, existiert aber auch – und gerade dort verstärkt – in neo-kolonialen Zusammenhängen. Besonders hervorzuheben ist wohl die Situation, wenn Menschen aus den Metropolen hegemoniale Diskurse über Subalterne führen und damit eine Identitätszuschreibung zur Wesenszuschreibung wird. Das postkoloniale Subjekt wird dann austauschbar, weil die (als verallgemeinerte Zuschreibung) bspw. ›Inderinnen so sind‹. 125 Vgl. dazu in Kapitel 2.4 zum Beispiel das von Foucault beschriebene Sexualitätsdispositiv.
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Kinder der Moderne sind, die zumindest ihre Ausformungen über die europäische Expansion in und nach den Zeiten der Aufklärung hatten (vgl. Kapitel 2.2.3), bedeutet Dekolonisierung ein aktives, emotionales, psychisches, körperliches Verlernen und auch ein aktives Sich-Auseinandersetzen mit diesen Macht- und Herrschaftskategorien. Auch María Lugones (2010) beschreibt einen solchen Prozess. Sie geht ebenfalls davon aus, dass die Moderne und die Unterscheidung zwischen Menschen und NichtMenschen – wobei Kolonisierte und Sklav*innen jene waren, die nicht zu den Menschen zählten – heutige Machtstrukturen entscheidend hervorgebracht haben. Ihr Begriff von De-Kolonisierung zielt darauf ab, die Wissenspraxen und Seins-Weisen der indigenen Bevölkerung wieder zugänglich zu machen, die Begegnung mit Ökologie und Spiritualität wieder anders hervorzubringen und miteinzubeziehen, aber weiterhin die machtvollen Kategorisierungen dahingehend zu befragen, inwiefern und wo hier Ausschlüsse entstehen und von dort aus nach den Subjektivierungen zu fragen. Im Blick hat sie im Besonderen die Kategorien Geschlecht, Geschlechterverhältnisse und Sexualität. Aus ihrer Perspektive sind auch das Kategorien, die erst im Zuge der Moderne und des Kolonialismus hervorgebracht wurden, in dessen Verlauf sich kolonisierte Menschen erst in der zweigeschlechtlichen Ordnung verstehen lernen mussten: Wie sich eine Frau als solche oder ein Mann als solcher zu verstehen hatte, hatten sie durch Kolonisierungsprozesse erst zu lernen. Lugones spricht von der ›Kolonialität von Gender‹ (vgl. ebd). Bildung und Widerstand in sozialen Verhältnissen denkt sie deswegen sehr eng mit den jeweiligen Subjektivierungen zusammen. »Resistance is the tension between subjectivication (the forming/informing of the subject) and active subjectivity, that minimal sense of agency required for the oppressing […] resisting relation being an active one, without appeal to the maximal sense of agency of the modern subject« (Lugones 2010: 746). Sowohl María do Mar Castro Varela als auch María Lugones beziehen sich hier auf eine Perspektive der De-Kolonialisierung, sprechen darin aber unterschiedliche Herangehensweisen an. Während Lugones eine aktive Subjektivität vermutet, die es zu schärfen und zu stützen gilt, lese ich den Text von Castro Varela eher so, dass es darum geht, dieses Begehren, das auch ein Teil der Subjektivität ist, zu re-arrangieren. Ich möchte damit nur auf zwei differente Lesarten aufmerksam machen, die Bildungsprozesse in der Auseinandersetzung mit Macht- und Herrschaftsstrukturen theoretisch ausdeuten. Eine dritte Perspektive auf Bildungsprozesse in der Auseinandersetzung mit Machtund Herrschaftsverhältnissen möchte ich hier noch mit Bezug auf Maisha Auma (ehm. Eggers) (Eggers 2004: 27-35) verdeutlichen. Ich beziehe mich dabei auf einen Beitrag von ihr in einer Broschüre von zur Nieden/Veth (2004) über queerfeministische Bildungsarbeit.126 Ziel des Beitrags ist zu beschreiben, wie »anti-opressive Standarts für eine geschlechtsspezifische, transkulturelle Bildungsarbeit« (vgl. ebd.: 27) installiert werden können. Nach einer kurzen Einführung, in der Auma hervorhebt, dass diese Standards in Großbritannien bereits eingeführt sind und sie ihre Auseinandersetzungen auf die Mitarbeit an diesen Projekten bezieht, beschreibt Auma, in welcher Form Unterdrückung vorliegen kann. Deutlich werden kann sie nicht nur in direkter ausgrenzender 126
Der Titel der Broschüre lautet: Feministisch, geschlechterreflektierend, queer. Perspektiven aus der Praxis politischer Bildungsarbeit.
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Form und der Verwehrung von Ressourcen und in Klassenverhältnissen, sondern auch in versteckter Form durch die Abwertung der eigenen Identität oder in der Herabsetzung einer Gruppenidentität. In der Intersektion von Rassifizierung und weiblichem Geschlecht passieren diese Abwertungen auch (aber bei weitem nicht nur) in Form von Schönheits- und Sexualitätsnormen (vgl. Kapitel 2.2.4; vgl. Eggers 2004: 29). Auma greift auf Schwarze feministische Theoretiker*innen zurück und hebt hervor: »Die Schwarze Frauenbewegung will das Recht erkämpfen, Schwarz und weiblich zu sein und in Würde zu leben. Der Schwarze Feminismus legt keinen Wert darauf, Weißen gleichgestellt zu werden. Vielmehr geht es darum, afrozentrische Schönheitsdeale, Konzepte von Familie, Partnerschaft, Mutterschaft sowie Bildungs- und Bevölkerungspolitik weiterzuentwickeln und umzusetzen (vgl. Lorde 1993).« (Eggers 2004: 29) In einem Beispiel zeigt sie dann, wie mit einer Übung in der politischen Bildungsarbeit reflektiert werden könnte, inwiefern die eigene rassifizierte Identität (hier adressiert sie sowohl weiße als auch Schwarze Rassifizierungen) internalisierte Rassismen (also die jeweilige Auf- oder Abwertung) mitträgt. Für Schwarze Menschen wäre hier ein Bildungsprozess zu betrachten, der die eigene Schwarze Identität wertschätzen kann, sich weniger an eurozentristischen Idealen orientiert und sich gegen Unterdrückungsverhältnisse einsetzt. Für weiße Menschen geht es eher darum, Rassismus als ein Machtverhältnis anzuerkennen und in der letzten Stufe (Auma betrachtet diese Entwicklung in fünf Stufen) zu lernen, Schwarze Personen differenziert wahrzunehmen und gegen Rassismus zu handeln. Alle drei Perspektiven greifen, wie gesagt, einen ähnlichen Sachverhalt auf: Wie Menschen mit historisch entstandenen Ungleichheitsverhältnissen umgehen können und was das für Bildungsprozesse und die Adressierung von Bildung bedeutet. Während Castro Varela das Verlernen der hegemonial geprägten Begehrensstrukturen hervorhebt und Bildung einerseits in der Disziplinierung des Geistes, aber auch im UmArrangieren der Begehrensstrukturen sieht – Bildung damit auch immer Teil von Subjektivierung ist (vgl. Castro Varela 2016: 59) –, hebt Lugones einen unverfügbaren Teil der Subjektivität hervor, der trotz der hierarchischen Subjektivierung (Formation) des Subjektes existiert, aber keine Handlungsfähigkeit im Sinne des modernen Subjekts verspricht. In Bezug auf die dritte und letzte Perspektive von Auma möchte ich hier hervorheben, dass sie eine Aufwertung eigener Zugehörigkeiten und rassifizierter Identitäten in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, die natürlich auch zunächst das Verlernen eurozentristischer Perspektiven auf die eigene Person voraussetzt. Alle drei Herangehensweisen, Aussagen oder Zuordnungen lassen sich im Endeffekt in den empirischen Darstellungen der Subjektivierungs- und Bildungsprozesse wiederfinden. Teilweise wörtlich geht es um ›das Verlernen eines weißen Blicks‹ (bspw. Claudia bringt diesen Punkt ein; vgl. Kapitel 4.6); um die Auseinandersetzungen am Kreuzungspunkt von nicht-binärer Geschlechtszugehörigkeit und Rassifizierung (Mora spricht über sich als Tomboy – woran möglicherwiese die ›Kolonialität von Gender‹ [Lugones 2008] – deutlich wird [vgl. Kapitel 4.4]). Die hier mit Bezug auf Auma angesprochene Aufwertung der eigenen rassifizierten Zugehörigkeit wird dabei durch unterschiedliche Strategien verfolgt: einerseits geht es darum eine eigene Schwarze Ästhetik hervorzu-
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bringen und anderseits den rassifizierenden Blick zu seinem Ursprung zu verfolgen und ihn zu skandalisieren. Oben hatte ich mit Bezug auf Castro Varela (2016) festgehalten, dass »Bildungsprozesse der Intervention bedürfen, denn Bildungsunterschiede stabilisieren hegemoniale Strukturen« (Castro Varela 2016: 48); die Mehrheit jener, die marginalisiert sind, würden davon abgehalten werden, sich »differenziert mit Macht- und Herrschaftsbedingungen auseinanderzusetzen, wodurch ihre politische Partizipation aktiv verhindert wird« (ebd.: 59). Durch die Auseinandersetzung mit Macht- und Herrschaftsverhältnissen, von denen die Subjekte hervorgebracht werden, durch die sie ›regiert‹ werden, geschieht etwas, das über die Subjekthaftigkeit hinausgeht: Es geht einerseits darum, Episteme zu verändern und ihnen entgegenzutreten und anderseits um die Veränderung der eigenen Subjekthaftigkeit; und nur durch beides zusammen (vgl. auch Lugones 2010; Eggers 2004) entsteht etwas, was sich als politische und gesellschaftliche Partizipation beschreiben lässt.
2.2.6
Ein vorläufiges Fazit
Wie bereits zu Anfang (2.2.1) bemerkt, geht es mir um die Formation und Transformation des Subjekts unter den Vorzeichen von Rassismuserfahrungen und in der Interdependenz mit Geschlecht. In Kapitel 2.1.3 habe ich mit Bezug auf Martin Saar gezeigt, dass es in einer Subjektivierungsanalyse einerseits um historische (Re-)Konstruktionen, anderseits um konkrete Subjekte und die Machtformen gehen muss. In der vorliegenden Studie sind das die Kategorien race und Geschlecht: sie – bzw. gesellschaftliche Strukturen, Ein- und Ausschlüsse, die über die Kategorien hergestellt werden – haben Einfluss auf die Subjektivierung und auch auf Bildung. Mir ging es in diesem Kapitel darum, historisch gewachsene Strukturen zu verdeutlichen, die sowohl den Kontext der Migrationsgesellschaft als auch die Konstitution und interdependente Hervorbringung der rassifzierten Geschlechterverhältnisse ausmachen. Mit Bezug auf die kritische Diskussion des Kontraktualismus konnte ich nicht nur zeigen, wie die Herstellung historisch stattfand, sondern ich konnte auch zeigen, wie sie sich heute darstellt. Damit ließ sich die Frage nach den kontextuellen Bedingungen und den in ihnen eingelagerten Verhältnissen verdeutlichen. Weil eine Subjektivierungsanalyse sowie eine Bildungstheorie Normen und auch normative Standpunkte kritisch reflektieren muss, welche die Subjekte treffen und ihr Begehren formen – auch pädagogische Standpunkte sind von Normen und normativen Setzungen beeinflusst –, soll hier noch einmal darauf verwiesen werden, dass ich in Kapitel 2.2.2 gezeigt habe, dass es um weiße und eurozentritische Normen geht. Diese Normen sind nicht zu trennen von Geschlechter- und Sexualitätsnormen, vielmehr ist gerade Sexualität auch als Zentrum zu verstehen, von dem Rassifizierungen und dann auch Vergeschlechtlichungen ausgehen. Eine Subjektivierungsanalyse muss dieses Zustandekommen im Blick behalten, und eine Bildungstheorie hat einen normativen Standpunkt zu formulieren, der jenseits dieser Normen liegt – oder diese kritisch im Blick hat. Bildung, so der Anfang dieses Kapitels, muss in ihren Dimensionen gedacht werden: Sie bezieht sich auf ein Bildungssubjekt, hat dieses gewissermaßen zum Ziel. Die-
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ses Subjekt ist geprägt von globalen Verflechtungen, die auch noch in gegenwärtigen Situationen wirken, und wurde in seiner Unter- und Überordnung durch jene hervorgebracht. Subjekt-Produktionen zu betrachten, wie ich es im zurückliegenden Kapitel getan habe, bedeutet auch das Zustandekommen der jeweiligen Subjektpositionen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Wenn wir uns globale Verflechtungen und das Geworden-Sein dieser Welt anschauen, so stellen wir fest, dass sich dieses Geworden-Sein auch immer in den Subjekten nachzeichnet, sie erfahren es als Geschichte, sie erfahren als Biographie, sie erfahren es in der Genealogie ihrer Vernetzung mit der Welt. Bildung, wie ich sie verstehe, muss deswegen nicht nur Gesellschaft als solche im Blick haben, sie muss auch, um Bedingungen der Unter- und Überordnung auffangen zu können, deren Gewordenheiten sichtbar machen können. Das, was Spivak als »Worlding« bezeichnet hat, muss für die Subjekte deutlich werden, damit sie selbst die eigene Verwobenheit darin erkennen können.Die hier vorgestellten Bildungsprozesse folgen dieser Linie und Perspektive auf Bildung. Ich verstehe Bildung als einen Prozess der Auseinandersetzung mit den eigenen Selbst-, Welt-, und Anderenverhältnissen, die zum einen das Geworden-Sein des Ichs aus diesen Verhältnissen zu verfolgen mag, die eigene Verstrickung zur Kenntnis nimmt und deren Ziel darüber hinaus aber eine epistemische Veränderung darstellt. Bildung so gedacht ist relational und nimmt Bezug auf das Subjekt, geht von ihm aus und bringt eine veränderte Erfahrung hervor.
2.3
Das abendländische Subjekt mit Foucault denken – Theorie-methodische Hinführungen. Foucaults Werkzeugkiste zur Analyse von Subjektivierungs- und Bildungsprozessen »Die Kategorie Subjekt ist wie die Kategorie Identität in Bewegung geraten« (Maurer 2001: 105).
2.3.1
Einleitung
»Was als Befreiung verkündet wird, ist Ausgangspunkt neuer Unterwerfungen – dieses Misstrauen hat Foucault berühmt gemacht.« (Messerschmidt 2008: 3) Wie ist es dann möglich, könnte gefragt werden, Bildungsprozesse von Women of Color und Schwarzen Frauen unter dieser Perspektive herauszuarbeiten? Zielen sie nicht auf Befreiung und ein ›Nicht-regiert-Werden‹ per se? Geht es in diesen Bildungsprozessen nicht um Befreiung schlechthin? Ich denke, es ist genau diese Chance, die mit Foucault entsteht, die beständig wandelnden Verhältnisse der Regierung zur Kenntnis zu nehmen und ihr von dort aus eine Unverfügbarkeit gegenüberzustellen. Mit Foucaults theoretischen Bezügen zu arbeiten und postkoloniale Perspektiven einzubringen könnte – ähnlich wie es Edward Said (2008 [1978]) gemacht hat – bedeuten, dass eine Rekonstruktion der historischen Diskurse vorgenommen wird und deren Produktivität in der Hervorbringung der rassifizierten Anderen untersucht wird; oder es könnte bedeuten, ein gouvernementales Migrationsregime zu untersuchen, so wie es
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Encarnacíon Gutiérrez Rodríguez an manchen Stellen vornimmt. Die vorliegende Arbeit greift auf die theoretischen Bezüge von Foucault aber in einer gänzlich divergenten Perspektive zurück: Sie soll als theorie-methodische Perspektivierung eine Unterstützung bieten Subjektivierungs- und Bildungsprozesse deuten zu können. Dabei zeichnet diese Arbeit weder nach, wie die Subjekte durch Diskurse hervorgebracht wurden, wie das etwa Said beschrieben hat, noch werden Bildungsprozesse im Anschluss an Foucault beschrieben, die nicht in spezifischen Machtverhältnissen stattfinden. Foucaults Analyse-Werkzeuge dienen hier quasi als Zwischenschritt, um zu verstehen, wie die Begriffe Subjekt, Macht und Diskurs aufeinander bezogen sind und welche Implikationen sich ergeben, wenn daraus eine Subjektivierungs- sowie Bildungsanalyse unter den Vorzeichen von rassifizierter weiblicher Vergeschlechtlichung entsteht. In den letzten beiden Unter-Kapiteln habe ich geklärt, was Bildungstheorie im Unterschied zu einer Subjektivierungsanalytik bedeuten kann. Unter Rückgriff auf die Dimensionen, die im Bildungsbegriff enthalten sind und zu denen sich Bildungstheorie verhalten muss (das Bildungssubjekt, Gesellschaft, Normen, der Bildungsprozess) konnte ich herausstellen, warum Michel Foucaults Perspektive in der Subjektivierungstheorie für meine Empirie hier weiterführender ist als die Judith Butlers. Zum einen hatte das mit der historisierenden Perspektive zu tun – in der Empirie werden historisch entstandene Selbstverhältnisse deutlich – und zum anderen mit einem erweiterten gesellschaftstheoretischen Zugriff, den ich mir von Foucaults Perspektive erhoffe. Auch der Normen-Begriff ändert sich in den Arbeiten von Foucault, sodass es in seinem ›Spätwerk‹ wohl eher um Praxen der Freiheit und eine Unverfügbarkeit geht, die etabliert werden sollten und weniger um den (hauptsächlichen) Kampf gegen Normen. Ich habe dann in einem zweiten Schritt beschrieben, wie die Situation Schwarzer Frauen und Women of Color dargestellt werden kann. Durch die Kontextualisierung der Migrationsgesellschaft und durch die intersektionale Kritik an modernen Strukturierungen der Gesellschaft, die spezifische Subjektpositionen hervorgebracht haben und sie immer wieder hierarchisch zueinander in Beziehung setzen, konnte ich verdeutlichen, welche Subjektposition(en) Women of Color und Schwarze Frauen darin haben. Mein Schlussfolgerung aus dem letzten Kapitel war dann, dass Bildungsprozesse und Subjektivierungsprozesse von den interviewten Frauen* miteinander in Beziehungen gesetzt werden müssen. Zum Vorgehen in diesem Kapitel a) In Unterkapitel 2.3.2 werde ich zeigen, wie Foucault die Hervorbringung des modernen abendländischen Subjekts rekonstruiert hat. Dabei tritt ein Spannungsfeld auf: Schwarze Frauen und Women of Color sind eigentlich eine Figur des strukturierenden Außen des modernen Subjekts. Zumindest lässt sich die Frage stellen, ob nicht-weiße Menschen eine Art Kontrast-Folie in der Hervorbringung des modernen Subjekts darstellen. Ich werde also unter 2.3.2 zeigen, wie dieses Spannungsfeld zu verstehen ist und darauf eingehen, warum diese Frage auch in einer heutigen Subjektvierungsanalytik noch immer eine Rolle spielt. b) In Unterkapitel 2.3.3 werde ich Foucaults Machtanalytik rekonstruieren und über seine unterschiedlichen Machtbegriffe verdeutlichen, wie sich auch die Perspekti-
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ve auf Normen darin verändert hat. Wichtig ist mir dabei zu zeigen, welche Rolle Rassifizierungen und Geschlecht für mich darin spielen. Obwohl Foucaults Machtbegriff in der Gouvernementalität spezifisch die produktive Seite von Macht in den Blick nimmt, wird mit Bezug auf Rassismus und Sexismus als Machtverhältnisse eher deutlich, dass sie sowohl eine produktive, aber auch eine absolut repressive Seite haben. Ich werde also unter 2.3.3 zeigen, warum und wie sich der Machtbegriff verändert hat und warum er unter der Perspektive von Rassismus und Sexismus beides ist: produktiv und repressiv und was das für die Empirie bedeutet. c) In Unterkapitel 2.3.4 komme ich dann auf ein Bildungsverständnis zu sprechen, was ich den letzten Schriften Foucaults entnehme. Wie das spezifische Spannungsfeld, was ich unter 2.3.2 herausarbeite, und wie der spezifische Blick auf Macht mit Bildungsprozessen in Verbindung steht, das werde ich dort zeigen. Einerseits geht es also darum herauszustellen, was Bildung unter Foucault’scher Lesart bedeuten kann und anderseits geht es in Kapitel 2.3.4 darum, das mit den oberen beiden Kapiteln in Verbindung zu bringen.
2.3.2
Die Hervorbringung des modernen Subjekts und die Kontrastfolie nicht-weiße Menschen
Foucault schreibt in seinem für dieses Thema sehr zentralen Aufsatz Subjekt und Macht, dass er sich in den letzten 20 Jahren um eine Geschichte der verschiedenen Formen der Subjektivierung in unserer Kultur bemüht habe. Es ging ihm weniger um Machttheorien oder Analysen, sondern sein Begehren waren eben die Untersuchungen der Subjektivierungsformen (vgl. Foucault 1994: 243). Dazu habe er Objektivierungsformen untersucht, die den Menschen zu einem Subjekt machen. Sein Ansatzpunkt ist jener, der infrage stellt, warum wir uns zu Gefangenen unsrer eigenen Geschichte gemacht haben und er schlägt dafür vor, unterschiedliche Rationalitäten der Macht zu betrachten. Foucault empfiehlt, die Rationalitäten der Macht durch die Kämpfe gegen sie zu untersuchen. Die Widerstandsformen setzen an unterschiedlichen Formen der Objektivierung durch Wissens- und Machtformationen an, bspw. jener Macht der Männer gegen die der Frauen (vgl. ebd.: 247). Diese Macht- und Wissensrationalitäten führen zu Objektivierungen und machen Menschen, die auf diese Art objektiviert werden, zu Subjekten. Auf diesem Hintergrund ist auch folgendes Zitat von Foucault zu verstehen: »Das Wort Subjekt hat einen zweifachen Sinn: vermittels Kontrolle und Abhängigkeit jemandem unterworfen sein und durch Bewußtsein [sic!] und Selbsterkenntnis seiner eigenen Identität verhaftet zu sein. Beide Bedeutungen unterstellen eine Form von Macht, die einen unterwirft und zu jemandes Subjekt macht.« (Foucault 1994: 246247) Das Subjekt ist also aus dieser Perspektive nicht nur den Regularien des Staates, der Macht der Diskurse unterworfen, sondern auch durch die eigene Identität, das eigene Bewusstsein und Selbsterkenntnis an ein Selbst gebunden. Wie das Subjekt aber durch diese zwei Formen von Macht unterworfen ist und was Foucaults Empfehlung nach jetzt zu tun ist, verdeutlicht er später, indem er hervorhebt, dass wir »uns selbst vom
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Staat und der damit verbundenen Form von Individualisierung […] befreien [sollten]. Wir müssen nach neuen Formen von Subjektivität suchen und die Art von Individualität zurückweisen, die man uns seit Jahrhunderten aufzwingt« (ebd.: 250). Die Aussage: »Die Art von Individualität, die man uns seit Jahrhunderten aufzwingt«, ist nicht nur eine Aussage, die er hier aus eben besagtem Text ableitet, vielmehr ist es eine Aussage dazu, dass er die Herstellung und Formung dieser Subjektivität in ihrer Genealogie nachgezeichnet hat. Zu Beginn dieser Arbeit wurde deutlich – wie auch im Zitat oben –, dass eine Subjektivierungsanalyse davon ausgeht, dass das Subjekt gemacht ist. Es wird in Regularien des Staates, des Kontextes, den Situationen und in Selbstbezügen immer wieder hergestellt. Es wird aber nicht nur in je spezifischen Situationen immer wieder hergestellt, sondern – und das ist mit Bezug auf Foucault von besonderer Bedeutung: Foucault hat die Herstellung der modernen Subjektformation genalogisch rekonstruiert. Astride Velho stellt heraus, dass »Foucaults Analysen […] als Dekonstruktion des modernen Subjekts verstanden werden« (Velho 2016: 38) können. Einige Male wurde auch angedeutet, dass Foucault die Geschichte unserer Werdung herausgearbeitet hat (vgl. bspw. Meißner 2010); ich sehe das ähnlich, versuche es aber theoretisch etwas differenter aufzufassen: Über die Beschäftigung mit Foucaults Subjektrekonstruktion zeigt sich, dass die Hervorbringung des modernen Subjekts über spezifische Ein- und Ausschlüsse funktioniert hat. Diese spezifischen Ein- und Ausschlüsse, haben m.E. nach eine hegemoniale Subjektstruktur hervorgebracht, deren konstitutives Außen immer wieder als Grundlage für und in Anlehnung an eine hegemoniale Subjektstruktur hervorgebracht und notwendigerweise weiterhin erzeugt wird. »Foucault selbst hatte die Frage nach der historischen Konstitution moderner Subjekte – die er gegen die philosophische Konzeption des einen SUBJEKTS, wie es etwa die Philosophien von Descartes, Kant, Fichte bis Husserl dachten, richtete – von Friedrich Nietzsche übernommen. Er bearbeitete sie entlang der Linie der Ausgrenzungen, die diskursiv und dispositiv in den letzten Jahrhunderten entfaltet wurden: der Trennung von Wahnsinn und Vernunft, von Krankheit und Gesundheit, von krimineller und sexueller Abweichung und entsprechenden Normalitäten. Foucault entwickelte damit seit den späten 1950er Jahren eine empirische und historische Soziologie der gesellschaftlichen Konstruktion des modernen Menschen« (Keller/Schneider/Viehöfer 2012: 12). Keller hält hier fest, dass Foucault seine Untersuchungen und Rekonstruktionen des modernen Menschen über die Ausschlüsse rekonstruiert hat. Sowohl der Wahnsinn als auch der Gegenspieler, die Vernunft sowie Krankheit und die Gegenspielerin Gesundheit und kriminelle und sexuelle Abweichungen sind Felder, die die Struktur des modernen Subjekts hervorgebracht haben. Durch die Ausgrenzung von Krankheit, Wahnsinn, sexueller und krimineller Abweichung ist, so meine Lesart, eine spezifisch hegemoniale Subjektstruktur entstanden, die als solche immer wieder Ausschlüsse produziert, in der alle, die dieser Subjektstruktur nicht entsprechen können oder wollen, Ausgrenzung erfahren beziehungsweise dazu in Relation betrachtet werden.
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Auch wenn ich diesen Punkt hier nicht systematisch weiter verfolgen kann, ist doch auffällig, dass Foucault in seiner Rekonstruktion des modernen Menschen nicht wirklich die Hervorbringung der modernen Staaten durch den Kolonialismus und den transatlantischen Sklavenhandel einerseits und die behauptete sexuelle, vernunftbegabte und undisziplinierte Devianz Schwarzer Menschen anderseits, verfolgt hat. Beide Zurichtungen müssten eigentlich in der Rekonstruktion enthalten sein. Er verdeutlich die Hervorbringung eines modernen Staatsrassismus und rassistischer Dispositive im Staat in seinen Vorlesungen 1975/76 am College de France (vgl. Foucault 2001b); darüber hinaus betrachtet er aber nicht die systematische Hervorbringung moderner Staaten und moderner Subjekte durch die Ökonomie der Kolonialherrschaft und der europäischen Expansion (vgl. Kapitel 2.2.3). Wenn Foucaults Rekonstruktion des modernen Menschen oder des modernen Subjekts also gelesen wird als Hervorbringung einer Subjektivität und Individualität, die durch Ausschlüsse hervorgebracht wurde, dann gilt es zu berücksichtigen, dass diese Perspektive in der Dekonstruktion des Modernen Subjekts nicht berücksichtig wurde. Dass Foucault den kolonialen Kontext nicht bedacht hatte, der zur Zeit seiner Untersuchungen evident war, diese Kritik hat schon Ann Laura Stoler (1995) in ihrem Buch Race and the education of desire. Foucault’s history of sexuality and the colonial order of things eingebracht. Ihre Kritik orientiert sich aber in erster Linie an der Geschichte der Sexualität und die zentrale Rolle die Kolonisierte in der Hervorbringung der Moral und Sexualitätsvorstellungen des modernen (weißen) Subjekts hatten;127 worum es mir hier geht ist, die Frage zu formulieren ob nicht-weiße Menschen nicht auch darüber hinaus von einer hegemonialen Subjektstruktur ausgeschlossen waren beziehungswiese in spezifischer Weise, durch Dispositive, Diskurse und auch Sexualitätsvorstellungen immer wieder in Relation zu dieser Subjektstruktur erzeugt werden. Sie sind dann, wie es Audre Lorde schon einmal betont hat, outsider within. Im Folgenden gehe ich kurz auf die Episteme ein, die die moderne Subjektstruktur hervorgebracht haben, und kennzeichne im Anschluss die Ergänzungen, die notwendig sind, um das oben gekennzeichnete Spannungsverhältnis in der Subjektivierungsanalyse auffangen zu können. Herstellung des Anderen – Ausschluss des Wahnsinns Foucaults Werk Wahnsinn und Gesellschaft. Eine Geschichte des Wahns im Zeitalter der Vernunft (1961) lässt sich »vordergründig [verstehen, als] […] die historische Analyse, die den unterschiedlichen Definitionen des Wahnsinns in Renaissance, Klassik und Moderne nachgehen.« (Geisenhanslüke 2014: 18f.) Das Programm dieser Untersuchung erschöpft sich jedoch nicht im Nachweis der Methoden der Psychiatrie im Umgang mit ihrem Gegenstand, dem Wahnsinn, vielmehr ist es das Programm der Untersuchung, eine Geschichte der Konstitution der abendländischen Vernunft »über deren Anderes« (Geisenhanslüke 2014: 19) zu zeigen.
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Obwohl Gabriele Dietze Stoler korrigiert und hervorhebt, dass das Schwarze Subjekt nicht zu jenen Überwachungssubjekten gehörte, die keine generative Sexualität hatten, hebt sie doch auch hervor, dass es wichtig sei »Race in die Dynamik des Sexualitätsdispositivs systematisch mit einzubeziehen« (Dietze 2017:15).
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Anders als zeitgenössische Autor*innen marxistischer Provenienz, die den Wahnsinnigen als ein Phänomen darstellen, das seine Arbeit nicht verrichtet, »seine Arbeitskraft aufgibt und nichts produziert« (Geisenhanslüke 2014: 19), will Foucault zeigen, wie durch die Abwesenheit des Wahnsinns eine Geschichte der Vernunft hervorgebracht wurde. Insofern versucht er über die Konstitution des Wahnsinns – ohne ihn ontologisch aus bestehenden Theoretisierungen abzuleiten – dessen Anderes, die Vernunft, zu verstehen. Die Abwesenheit des Wahnsinns erkennt er in der Abwesenheit des Werkes. Foucault meint mit der Abwesenheit des Werkes einen Begriff »der Leere, der Nichtigkeit, des Nichts« (Foucault 1961 [dt. 1969]: 11). Ich verstehe diese Perspektive so, dass es kein Werk, keine verrichtete Arbeit, keine geschichtliche Erzählung des Wahnsinns gibt; es gibt dessen Pathologisierung und Kategorisierung als Negativum der Vernunft, aber keine positiv besetzte Persönlichkeit, Persönlichkeitsstruktur oder einen Ort, der dem Wahnsinn gewidmet ist. Die Wendung »die Abwesenheit des Werkes« kann er in ihrer Offenheit und Un-Konkretheit, ihrer reinen »Vorgängigkeit, aus der heraus sich die Differenz zwischen Wahnsinn und Vernunft in der Geschichte erst ergibt« (Geisenhanslüke 2014: 19), verwenden, um die Herstellung des Wahnsinns und auch der Vernunft darzustellen. Er koppelt außerdem den Begriff der Erfahrung an den des Wahnsinns und kann so – nicht über eine erkenntnistheoretische Geschichte, sondern über die Geschichte des Wahnsinns selbst – »eine mit dem Wahnsinn verbundene Dimension der Freiheit, die einer spezifischen Erfahrung entspricht« (Geisenhanslüke 2014: 19), herausarbeiten.128 Der Wahn und auch der Gegenspieler, die Vernunft, sind zentrale Subjektivierungen des modernen Subjekts und können in subjektivierungstheoretischer Perspektive als Grundlegungen moderner Subjektivität betrachtet werden. Ähnlich wie in seiner Geschichte der Sexualität gilt für Foucault schon hier, dass Subjektivierungsweisen in Abgrenzung zum Wahnsinn hervorgerufen werden bzw. zur Unterwerfung auffordern; das moderne Subjekt soll sich in Abgrenzung zu ebensolchen Erfahrungen konstituieren und unterwerfen. Die Untersuchung der ›Geschichte des Wahns‹ und ihrer Beziehung zur Vernunft setzt Foucault in seinem zwei Jahre später erschienenen Werk Die Geburt der Klinik (1963 [dt. 1973]) fort bzw. konturiert sie neu. Der Tod wird zur Erkenntnis im ärztlichen Blick – Ausschluss der Krankheit In Die Geburt der Klinik sucht Foucault eine »Archäologie des ärztlichen Blickes« (Foucault 1963 [dt. 1973]) herauszustellen. Hier stellt sich eine Art Verschiebung der Methode der Untersuchung heraus, weil Foucault im Nachhinein selbst (in seinem Werk Archäologie des Wissens; Foucault 1961 [dt. 1969]) kritisiert, dass er die Erfahrung des Wahnsinns in Wahnsinn und Gesellschaft zu ursprünglich gedacht hat (vgl. Foucault 1961 [dt. 1969]: 29). Er verändert also den Begriff der Archäologie: »Unter dem Begriff der Archäologie
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Wie in Kapitel 2.2 beschrieben wurde ist der Bezug auf Vernunft auch in der Kolonisierung von Menschen von zentraler Bedeutung; auch sie fungierten als Außen der tatsächlichen Vernunft und Bildbarkeit. Unter dieser Perspektive ist die Bezeichnung »Child-Like or Animal-Like« (Mills 2007) von Schwarzen Menschen so zu betrachten, dass sie teilweise noch Teil der Vernunftbegabung waren, aber nur schwer und nur durch die Unterstützung der Kolonisatoren tatsächlich in der Lage versetzt werden konnten, ein gewisses Maß von Bildung zu erreichen.
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ist fortan ein Aufwühlen des Bodens, auf dem wir stehen, zu verstehen, eine Destabilisationsarbeit an unserem Wissen, keine Rekonstruktion der Ursprünglichkeit« (Völker 2014: 33), wie er es in Wahnsinn und Gesellschaft mit der Erfahrung des Wahnsinns noch formuliert hat. Hier geht es also, auf den ersten Blick gesehen, zunächst um eine methodische Veränderung, möglicherweise Verschiebung und Präzisierung.129 Es lässt sich auch eine weitere Idee und Perspektive auf das abendländische Subjekt herausarbeiten, die seinen ersten Arbeiten zugrunde liegt, nämlich jene, die beschreibt, wie der ärztliche Blick sich verändert hat. Foucaults Analyse bezieht sich auf einen sehr kurzen Zeitraum, nämlich auf den der Wende vom 18. zum 19. Jhdt. in Pariser Hospitälern, die eher als Lehrforschungskliniken fungierten (vgl. ebd.). Zentral an seiner Untersuchung ist sein Bestreben herauszustellen, wie, mit welchen Mitteln und unter welcher Perspektive sich der ärztliche Blick zu jener Zeit verändert hat. Es geht ihm darum, methodisch den Innenraum, die Geschichtlichkeit und damit die Sagbarkeit und die Grenzen der Sagbarkeit im medizinischen Tun und Sagen auszuleuchten. Diese Bedingung des Sagbaren wurde, so Foucault, durch die Pathologie, also den Blick, durch den Tod völlig verändert. Sie entwickelte sich von einer Theorie und durch Ideen geleiteten Annahme über den Körper und seine Krankheiten hin zu einer empirischen Vorgehensweise (vgl. Foucault 1963 [dt. 1973]: 10). Foucault beschreibt, dass das nicht daran lag, dass die Medizin sich plötzlich mehr der Wahrnehmung zugewandt habe, »nachdem sie allzu lang spekuliert hatten, oder daher, daß sie nun mehr auf die Vernunft hörten als auf die Einbildungskraft. Das lag vielmehr daran, daß die Beziehung des Sichtbaren zum Unsichtbaren, die für jedes konkrete Wissen notwendig ist, ihre Struktur geändert hat« (vgl. ebd.: 10). Die veränderte Struktur sieht Foucault darin, dass nunmehr der Tod untersucht und von dort der Blick auf das Leben generiert wurde130 und darin, wie nun die Pathologie zum Ausgangspunkt für das Leben gemacht wird. Es wird ein neuer ärztlicher Blick auf den Menschen erzeugt. Wie Roland Schäfer in seinem Artikel über Medizin, Macht und Körper festhält, bedeutet diese Veränderung »eine völlige Neuordnung der Episteme, eine neue Kombination von Wissen und Macht über den Körper.« (Schäfer o.J.: 182). Diese Transformation der Episteme ist für das moderne Subjekt von größter Relevanz, denn Foucault vermutet, dass die Episteme das Wissen der Menschen über sich selbst strukturieren; von daher ändern sich nicht nur einfach die Perspektiven und das Wissen über den Körper, sondern es ändert sich gleichsam das, was die Menschen über
129 Philipp Sarrasin betrachtet dieses Buch als den Beginn der Diskursanalyse (vgl. Sarasin 2008). 130 Hier lassen sich auch Schädelvermessungen und die Untersuchungen toter Menschen vom afrikanischen Kontinent oder anderer Kontinente einordnen (vgl. Hund 2009). Auch der Fall von Sarah (Saartje) Baartman (1789-1815; eine geborene Khoikhoi aus dem Süden des afrikanischen Kontinents) ist als eine solche Leichenvermessung zu betrachten. Bevor sie jedoch nach ihrem Tod seziert und Teile ihrer sterblichen Überreste im Pariser Muséum national d‹ histoire naturelle ausgestellt wurden, musste/sollte/wollte sie ihren Körper in sogenannten Freak-Shows zur Darstellung bringen (vgl. Bergold-Caldwell 2014). Sander L. Gillmann (1992), Patricia Hill Collins (2005) u.a. haben darauf hingewiesen, dass dieses Shows und auch die Art in der Sarah Baartman dargestellt wurde, Stereotype von und über Schwarze Frauen stark geprägt haben. 2002 konnte Nelson Mandela es letztlich erreichen, dass die sterblichen Überreste an die Südafrikanische Regierung übergeben wurden.
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sich und ihre Körper aussagen können, es systematisiert sich das Sagbare und NichtSagbare. »Was bei den Dingen, die die Menschen sagen, zählt, ist nicht so sehr das, was sie diesseits oder jenseits dieser Worte gedacht haben mögen, sondern das, was sie von vornherein systematisiert, was sie für die Zukunft immer wieder neuen Diskursen und Transformationen aussetzt.« (Foucault 1963 [dt. 1973]: 17). Damit kennzeichnet Foucault zum einen, dass das moderne Subjekt – zumindest das, was es sagen kann – durch die veränderten Episteme in seiner Art und Weise hervorgebracht wird, aber auch der Bezug auf sich selbst immer wieder vor dem Hintergrund der alles begrenzenden und hervorbringenden Diskurse betrachtet werden muss.131 Allgemein können diese beiden Perspektiven von Foucault auch als Versuch gelesen werden zu beschreiben, wie ein Außen hergestellt wurde, das aus der oben angesprochenen hegemonialen Subjektstruktur ausgeklammert wurde. Diese Ausklammerung geschah nicht intentional, sie folgte wohl mehr unterschiedlichen Rationalitäten, brachte aber eine bestimmte Subjektivität hervor, in der Krankheit und Wahnsinn ausgeschlossen waren. Um aber insgesamt zu verstehen, wie die moderne Subjektstruktur hervorgebracht wurde, bedarf es noch einer Perspektive auf die Konstruktion des Gleichen. Allgemeine Episteme: Die Konstruktion des Gleichen Foucault versucht weiterhin mit seinem nächsten Werk Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften (Foucault 1966 [dt. 1971]), nun aber in einer noch breiter angelegten Untersuchung, Episteme herauszuarbeiten, die die europäische Wissenschaft in fünf Jahrhunderten prägten (von der Klassik über die Moderne bis ins 20. Jhdt.) und hervorbrachten. Er untersucht, wie Wörter und Dinge der europäischen Wissenschaftsgeschichte zu einem Zeitpunkt miteinander in Verbindung gebracht wurden und daraus bestimmte Wissens- und Vorgehensweisen resultierten (vgl. Frietsch 2014: 38). Die epistemischen Brüche und Verschiebungen, die Foucault in seiner Abhandlung anschaut, gehen nicht auf die Autor*innen zurück, sie sind vielmehr übergreifend zu rekonstruieren und damit nicht abhängig vom Einzelnen, sondern vielmehr in der Struktur der Episteme zu finden.132 Foucaults Vorhaben ist es, anders als in seinen Schriften davor, eine Ordnung herauszuarbeiten; eine allgemeine Ordnung der Episteme, innerhalb derer er – wie er es nennt – eine abendländische Kulturgeschichte herausarbeiten möchte. »Im Namen dieser Ordnung, werden die Codes, die Sprache der Perzeption und der Anwendung kritisiert und teilweise außer Kraft gesetzt. Auf dem Hintergrund dieser Ordnung, der als positiver Boden betrachtet wird, errichten sich die allgemeinen Theorien der Anordnung der Dinge und die Interpretation, die sie zur Folge hat.« (Foucault 1966 [dt. 1971]: 23) 131
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Und noch etwas wird deutlich: Es geht Foucault weder um eine Kritik an der Medizin noch darum, eine andere hervorzubringen. Es geht ihm um die Genealogie des ärztlichen Blicks, um sein Programm der Aufklärung durch Kritik und Analyse darzustellen. Er skizziert mit dieser Setzung ein eher schwaches Subjekt, und über seine »Kritik an dem Menschen« wurde er als antihumanistisch angegriffen (vgl. Frietsch 2014: 38).
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Deutlich wird seine Re-Konstruktion des Gleichen auch noch darin, dass er das Buch mit einer Taxonomie von Tieren beginnt und sie ihm gänzlich monströs erscheinen, weil sich keine Ordnung aus der Taxonomie ableiten lässt.133 Die Taxonomie imaginiert er als chinesisch und zeigt, wie die Ordnung der Dinge (die Episteme) in einem bestimmten (kulturellen) Bereich eine Erklärungskraft besitzt und außerhalb eine andere oder keine Deutungshoheit erlangt. Diese Erklärungskraft ist gleich einer Grammatik, mit der die Dinge zu verstehen und zu entschlüsseln sind. Außerhalb dieser Grammatik ist für ihn das Außen: Das Andere außerhalb Europas, das, wenn auch nicht pathologisch (wie der Wahnsinn), doch als ein Außen konzipiert ist (vgl. Frietsch 2014: 40).134 Schlussfolgerungen für die eigene Perspektive Michel Foucault und auch Judith Butler zufolge muss sich das Subjekt diesen Epistemen, die gleichzeitig auch Disziplinierungen des Körpers und des Geistes sind, seit der Moderne unterwerfen. Episteme sind Wissenssysteme, die strukturiertes Wissen bereithalten, wie wir uns selbst verstehen; sie bilden unsere Individualität und Subjektivität, sie strukturieren damit, wie im letzten Kapitel mit Bezug auf María do Mar Castro Varela herausgestellt, unser Begehren. Wenn sich nun diese Entwicklung der Episteme über Ausschlüsse und Einschlüsse gebildet hat, so ließe sich zumindest fragen, welche Episteme über den pathologischen Ausschluss hinaus das Außen bilden und welche Episteme auf das Gleiche referieren. Die spezifischen Ausschlüsse zeigt Foucault dann weiterhin in seiner Hinwendung zur Biomacht (vgl. Kapitel 2.3.3), die spezifischen Einschlüsse und Hervorbringungen des Gleichen zeigt er weniger deutlich. Möglicherwiese kann hier ergänzend die Perspektive von Peggy Piesche (2005a) zu Hilfe genommen werden: In Kapitel 2.2.2 habe ich dargestellt, inwiefern gerade im 18. und 19. Jhdt. in der Philosophie – am Beispiel von Kant und Hegel – eine Hervorbringung des Gleichen erfolgte mit der Tendenz, sich selbst a priori zu setzen. Für Piesche entwickelt sich hier der Moment, in dem weiß-Sein als Zentrum der Vernunft, der Wissenschaftlichkeit und der Bildbarkeit hervorgebracht wurde. Wenn es also stimmt, dass wir als Nachfolger*innen dieser Konstruktionserschaffung noch immer dazu angehalten sind, uns diesen Anforderungen zu unterwerfen, dann tritt zumindest ein Spannungsfeld auf: Nicht-weiße Menschen waren, ähnlich wie
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Auffallend an seiner Rekonstruktion der Episteme in Die Ordnung der Dinge ist seine im Vorwort erfolgte Darstellung einer Taxonomie von Tieren, die der argentinische Schriftsteller Jorge Luise Borges vorgenommen hat. Sie bringt ihn (Foucault) zum Lachen, denn sie ist insofern chaotisch, als dass die Kategorisierung der Tiere nicht zu den stringent ablaufenden Buchstabenreihen a,b,c,d,… passt,sie verläuft eher genau in ihr Gegenteil. Er empfindet diese Nicht-, Gegen- oder Unordnung als monströs, das monströse Andere und spricht von einem heterotopen Ort, einem Nicht-Ort, in dem die alltäglichen Ordnungen in ihr Gegenteil verkehrt oder schlicht umgekehrt sind (vgl. auch Bergold-Caldwell/Scholle/Maurer 2019). Foucault führt an der Stelle einen Kulturbegriff ein, der relativ begrenzt ist (vgl. Foucault 1966 [dt. 1971]: 20-27). Er entschuldigt sich später dafür, die Episteme in einen so begrenzenden Kulturbegriff eingeführt zu haben; zumindest lässt sich sein Satz, in der Einleitung der Archäologie des Wissens: »in Les mots et les choses schließlich hat das Fehlen einer methodologischen Abgrenzung an Analysen in Termini kultureller Totalität glauben lassen können« (Foucault 1981: 29) so interpretieren.
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Kranke Menschen und der Wahnsinn, per se – hier aber pathologisch – nicht als Gleiche konfiguriert, sie waren oder sind sozusagen das Außen. Meine Annahme ist nun, dass sich Subjektanforderungen verändert haben und sich mit unterschiedlichen Epochen und Lebenswiesen auch different darstellen (vgl. Reckwitz 2008). Trotzdem ließe sich fragen, ob und inwiefern sich diese grundsätzlichen Episteme (beispielsweise jene, die das Pathologische ausschließen) verändert haben oder ob es sich unter neuen Vorzeichen neuer Epochen nicht gar verschärft hat. Da diese neue Fragerichtung einer eigenen Forschungsarbeit bedarf, kann ich in meiner Subjektivierungsanalyse erst einmal nur davon ausgehen, dass es nicht nur vergeschlechtlichende und rassifizierende Diskurse sind, die die Subjekte treffen, sie hervorbringen und ihre Innerlichkeit bilden, sondern diese Diskurse bauen auf Epistemen auf, die weit tiefer liegen. In diesen Epistemen sind nicht-weiße Menschen ein konstituierendes Außen. Wie und warum dieses Außen auch in Foucaults Machtbegriff deutlich wird, zeige ich im nächsten Kapitel.
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Das Subjekt der Macht – Von der Normalisierungsmacht zur Biomacht zur Gouvernementalität
In diesem Unterkapitel wende ich mich nun Foucaults Machtanalytik zu und arbeite heraus, wie sich durch den veränderten Machtbegriff auch ein differenter Blick auf Normen ergibt. Wichtig ist mir dabei zu zeigen, welche Rolle Rassifizierungen und Geschlecht für mich darin spielen. Obwohl Foucaults Machtbegriff in der Gouvernementalität spezifisch die produktive Seite von Macht in den Blick nimmt, wird mit Bezug auf Rassismus und Sexismus als Machtverhältnisse eher deutlich, dass sie sowohl eine produktive, als aber auch eine absolut repressive Seite haben. Disziplinierungsmacht In Überwachen und Strafen (Foucault 1975 [dt. 1976]) entwickelt Foucault eine Lesart auf das Subjekt, die verdeutlicht, dass das moderne Subjekt durch die Vervielfältigung der Disziplinarmacht hervorgebracht wird. Er beschreibt die Veränderung der Machtstrategien, die sich an Stelle offener und direkter Gewaltausübung durch den Souverän hin zu einer Art ›Besserung‹ verändern. Es entsteht eine Macht, die zunächst über die Institutionen ausgeübt wird, welche – ähnlich wie das Gefängnis – durch hierarchische Besetzung, Sicherung der Abstände der Positionen untereinander und zueinander Machtbeziehungen sichern. Individualisierende Tendenzen der Einzelmessung werden in einen Zusammenhang mit totalisierenden Elementen gebracht, die wiederum ein Wissen über die zu disziplinierenden Subjekte (zum Beispiel die Delinquenten; vgl. Foucault 2013c: 963-1004) hervorbringen. Es entwickelt sich die Disziplin als verallgemeinertes Prinzip, das den Körper zum Ziel hat. »Wir können sagen, dass die Disziplin das einheitliche technische Verfahren ist, durch welches die Kraft des Körpers zu den geringsten Kosten als ›politische‹ Kraft zurückgeschraubt und als nutzbare Kraft gesteigert wird. Das Wachstum einer kapitalistischen Wirtschaft hat die Eigenart der Disziplinargewalt hervorgerufen, deren allgemeine Formeln, deren Prozeduren zur Unterwerfung der Kräfte und der Körper, deren
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›politische Anatomie‹ in sehr unterschiedlichen politischen Regimen, Apparaten oder Institutionen eingesetzt werden können« (Foucault 1975 [dt. 1976]: 284) Die Disziplinierung steht also nicht nur im Sinne der Hervorbringung des modernen Subjekts, sondern sie ist auch bezogen auf eine Anforderung, die der moderne kapitalistische Staat erfordert. Diese später als Normalisierungsmacht beschriebene Verallgemeinerung der Disziplinarmacht richtet die Subjekte aneinander aus und ist produktiv auch in einem ökonomischen Sinn. »Während die Herausbildung moderner Subjektivität in der Geistesgeschichte meist mit der Befreiung von den Zwängen der Natur und den Konventionen der Gesellschaft in Verbindung gebracht wird, stellt Foucault sie auf provokative Weise als Ergebnis der Disziplinierung des Körpers und der Kontrolle sämtlicher auch der intimsten Lebensäußerungen dar.« (Bogdal 2014: 74) Foucault deutet diese Disziplinierung als Strategie der Macht, die vertikal angelegt ist und von jedem zu jeder Zeit ausgeübt werden kann. Das kann für das moderne Subjekt als zentrales Moment gedeutet werden: Die Macht geht von jeder Person aus und kann jede Person treffen. Die Individuen leben im Bezug aufeinander und sind aneinander ausgerichtet. »Die schöne Totalität der Individuen wird von unserer Gesellschaftsordnung nicht verstümmelt, unterdrückt, entstellt; vielmehr wird das Individuum dank einer Taktik der Kräfte und der Körper sorgfältig fabriziert. Wir sind weit weniger Griechen, als wir glauben. Wir sind auf der Bühne und nicht auf den Rängen. Sondern eingeschlossen in das Räderwerk der panoptischen Maschine, das wir selber in Gang halten – jeder ein Rädchen« (Foucault 1975 [dt. 1976]: 278-279). Diese Normalisierungsmacht trifft Subjekt unterschiedlich. Jene, die dieser Macht der Norm und der Macht des Rädchen-Seins entsprechen können und jene, die dieser Macht nicht entsprechen können, aber auch als Beispiele der Nicht-Entsprechung dienen. Die Werte der Disziplinierungen über die unterschiedlichen Institutionen wie Schulen, Industrie, Staatsführung und vieles mehr sind nicht mehr zu hinterfragen oder gar zu hintergehen. Insofern macht diese Macht Subjekte und bringt sie hervor, sie werden auf der Grundlage dieser Macht handlungsfähig. Gleichzeitig entwickeln sich die oben unter 2.3.2 aufgeführten Episteme, so dass die Normalisierungsmacht immer zusammengedacht werden muss mit der Neuordnung des Wissens.135 Ein Neu-Ansatz: Die Biomacht Die Analyse der Biomacht, die Foucault erstmals in seinen Vorlesungen am College de Frances und dann in Der Wille zu Wissen – Sexualität und Wahrheit Band I (Foucault 1976 135
Bereits oben wird deutlich: Objektivierungen und Subjektivierungen dieser Art brauchen ein konstitutives Außen. Schwarzen Individuen wurde, historisch betrachtet, immer wieder unterstellt, diese Art der Selbstdisziplinierung nicht aufzubringen; man könnte auch sagen, es konstituierte sich der Begriff der Disziplinierung auch über sein Gegenteil; weshalb wahrscheinlich genau zu jenen Zeitpunkten zu Foucaults Untersuchungen der Bezug auf das monströse Außen Hochkonjunktur hatte.
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[1977]) entfaltet hat, ist darüber hinaus auch aus mehreren Perspektiven wichtig für diese Untersuchung und den Versuch, Subjektivierung und Bildung zu verstehen. Wichtig hierbei ist nicht nur die Entstehung eines modernen Staatsrassismus, der von Foucault in seiner Vorlesung Verteidigung der Gesellschaft (1975-1976) (Foucault 2001b) beschrieben wird, vielmehr geht es um die Konstruktion und Erhaltung des bürgerlich-weißen abendländischen Subjekts als Ausgangspunkt und Mittelpunkt der Bemühungen, Leben hervorzubringen. In seinem Buch Sexualität und Wahrheit Band I – Der Wille zum Wissen geht es ihm um die epistemische Ebene der Konstruktion von Sexualität: »Auf dieser Ebene lautet eine der verblüffenden Thesen des Buches, dass ›die‹ Sexualität, also die Annahme, der Mensch habe eine im Körper verankerte sexuelle Natur, eine Erfindung des 19.Jhdt. ist.« (Gehring 2014a: 85) Foucault geht es darum, diese »Erfindung« und die Ebenen derselben freizulegen. Statt sich der These anzuschließen, dass die Sexualität unterdrückt wäre, was er durchaus nicht verneinen würde, hatte er die Vorstellung, die Beziehung zwischen »Macht, dem Wissen und dem Sex« (Foucault 2013d: 1028) nicht nur aus der Perspektive der Repression zu untersuchen. Es ging ihm darum, eine komplexere Strategie der Veränderung zu verdeutlichen und nicht – wie zu seiner Zeit üblich – die Verdrängung der Sexualität ins Unbewusste als Haupt- und Grundziel zu haben (vgl. Foucault 2013d: 1028). Die Psychoanalyse – zumindest jene Freud’scher Provenienz –, die das Unbewusste und den Trieb als permanent unterdrückte Größe der Psyche darstellt, wird von Foucault in die lange »Linie einer europäischen Kultur des Zwangs zum Selbstverdacht und des Gestehen-Müssens eingereiht.« (Gehring 2014a: 85) Die Sexualität – so verdeutlicht er – wird nicht durch Verbote, Zensur oder Verneinung geprägt, sie wird viel eher zu einem komplexen Thema. »Das Wesentliche aber ist die Vermehrung der Diskurse über den Sex, die im Wirkungsbereich der Macht selbst stattfindet: institutioneller Anreiz, über den Sex zu sprechen, und zwar immer mehr darüber zu sprechen, zu hören und ihn zum Sprechen zu bringen in ausführlicher Erörterung und endloser Detailanhäufung« (Foucault 2013d: 1040). Er verdeutlicht am Beispiel des katholischen Pastorals und des Bußsakraments, wie auf der einen Seite immer weniger über den Akt an sich gesprochen wurde, sondern vielmehr dessen ›Auswirkungen‹, Träume und »Verzweigungen verfolgt werden müssen: ein Schatten in einer Träumerei, ein Bild, das nicht schnell genug vertrieben wurde, eine Verschwörung zwischen der Mechanik des Körpers und der Willfährigkeit des Geistes, alles muss gesagt werden.« (Ebd.: 1041) Er will damit verdeutlichen, dass Sexualität als Konstruktion hergestellt wurde zwischen dem ›ungreifbaren‹ und ›unbezähmbaren‹ Körper und dem Geist; über die Beichte versucht das Individuum diese Sexualität zu begreifen, wird zum Sprechen gebracht und spricht darüber. Das Fleisch wird zur Wurzel aller Sünden, und gleichzeitig wird der Akt in den schwer zu entschlüsselnden Bereich der Begierde transferiert (vgl. ebd.). Aus einem Konglomerat von Pastoral- und Wissensmacht entsteht eine völlig neue Forschungsrichtung: Die Sexualwissenschaft. Sie hat eine normative Funktion, nämlich jene der Sicherstellung von Wissen über den Sex der Bevölkerung und vorangebracht durch die Idee, ihn zu normalisieren. Dabei kann festgehalten werden, dass sich die Strategien, wie sie auch durch das Sexualitäts-
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dispositiv hervorgerufen wurden, auf das bürgerlich-abendländische Subjekt beziehen. »Die sexuelle Qualität des bürgerlichen Körpers und dann die Formen und die Intensität der Unterdrückung und Kultivierung der eigenen Sexualität schaffen eine Klassengrenze« (Gehring 2014b: 90). Sie werden ähnlich wie die Weitergabe der Blutsverwandtschaft im Adel nun zum Garanten für den Fortbestand der eigenen ›Art‹. Foucault bringt die gerade beschriebenen Veränderungen und Regierungsweisen, die sich auf die ›Macht, Leben zu machen‹ beziehen, in einen Zusammenhang und spricht in seiner Vorlesung (Omnes et singulatim) und auch in Der Wille zum Wissen von einem entstehenden modernen Staatsrassismus (vgl. Magiros 1995).136 Gouvernementalität – Macht-Wissen ist produktiv Die Vorlesung zur Gouvernementalität die Foucault 1977/78 am College de France hält, stellt einen neuen Machttypus vor, der seine Ausführungen zur Disziplinarmacht und auch zur Biomacht noch einmal neu konturiert (vgl. Foucault 2007b: 41-68). Der Begriff Gouvernementalität bringt Foucaults Annahme der wechselseitigen »Konstitution von Machtechniken und Wissensformen« (Lemke 2000: 2) zum Ausdruck. »Die semantische Verbindung von Regieren (›gouverner‹) und Denkweise (›mentalité‹) zeigt an, daß die Untersuchung von Machttechnologien nicht ohne die Analyse der sie anleitenden politischen Rationalität auskommt.« (Ebd.) »Zentral für die Herausbildung des gouvernementalen Machttyps ist die Idee der Bevölkerung, eine Masse von Individuen, die es zu verwalten und organisieren gilt« (Messerschmidt 2008: 303). Im gouvernementalen Staat wird die Bevölkerung jedoch nicht mehr nur Mittel zum Zweck – wie die Analysen der Biomacht sich beschreiben lassen –, sondern jetzt ist sie Mittel und Zweck zugleich. Foucault entwickelt mit dem Begriff der »Regierung« einen Begriff, der zum »Leitfaden« seiner weiteren Arbeiten wird (vgl. Lemke/Krasmann/Bröckling 2007: 8). Er führt mit diesem Begriff die Möglichkeit ein, Machtbeziehungen unter dem Blickwinkel der ›Führung‹ zu betrachten, die er aus einer weiten Bedeutung des Begriffs ab dem Mittelalter heraus entwickelte (vgl. ebd.: 10).137 Wichtig für die Analyse von Subjektivierungen ist die Funktion die die Regierung innehat: Es geht jetzt nicht mehr um 136
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Nicht nur die Konstruktion der bürgerlichen Sexualität als Garant der Erhaltung der Gattung wird in Der Wille zum Wissen hervorgehoben, sondern in der weiteren Rezeptionsgeschichte kann auch verdeutlicht werden, dass auch das ›biologische‹ Geschlecht von diesen Regierungsweisen durchzogen und hervorgebracht wurde. Obwohl Foucault den quasi-natürlichen Bezug des männlichen auf das weibliche Geschlecht zu keiner Zeit als weiteres Dispositiv herausstellt, wie das Andrea Bührmann (vgl. 2004) getan hat, und obwohl seine Theoretisierungen Frauen nur marginal in den Blick nehmen (vgl. Treusch-Dieter 1985), ist seine Forschung wichtig für die spätere Geschlechterforschung. Die Hervorhebung der Konstruktion bis hinein in den als natürlich konstruierten Körper ist dabei eine Schnittstelle für unterschiedliche Perspektiven (z. B auch die der Disability Studies; vgl. Waldschmidt 2007) auf die Konstruktion des Subjekts und dessen Anforderungen. »Zu dieser Zeit war Regierung weder mit staatlichen Institutionen identisch noch auf das politische System beschränkt, sondern bezog sich auf die unterschiedlichsten Formen der Führung von Menschen« (Lemke/Krasmann/Bröckling 2007: 10). Foucault unterscheidet die Regierung in einem politischen und in einem allgemeinen Sinn und will darauf hinaus, dass sich in allgemeinen Handlungsformen und Praxisfeldern Führungspraktiken finden lassen, die sich auf ein allgemeines Prinzip beziehen. Diese Felder umfassen gleichermaßen Formen der Selbstführung wie auch der Fremdführung.
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Disziplinierungen, die quasi von außen kommen und das Subjekt hervorbringen, jetzt geht die Fremdführung in die Selbstführung über – der panoptische Blick wird quasi vorausgeahnt und bestimmt die Selbstführung, ohne dass diese Fremd-/Selbstführung den Subjekten noch in kritischer Weise zugänglich ist. Die Selbst-/Fremdführung wird durch Anreize geschaffen, sie richtet sich positiv an Freiheiten aus. »An die Stelle der strikten normativen Disziplinierung tritt ein flexibleres Regime des Normalismus«138 (Reckwitz 2008: 36). Die Formierung des modernen Staates und des modernen Subjektes, wie sie hier von Foucault ineinander und miteinander gedacht wird, bezieht sich in ihrem Funktionieren auf strategische Momente. Wichtig für die Ebene des Subjekts ist jene, die darauf hinweist, dass der moderne Staat über eine Mischung aus Pastoral-139140 und politischer Machtbeziehung besteht und dem Subjekt eine eigentümliche innere Wahrheit bekundet, die ihm nicht zugänglich ist, weshalb es somit beständig versuchen muss, diese Wahrheit zu ergründen und sich selbst als (Begehrens-)Subjekt zu formieren. Diese Formierung über unterschiedliche Fremd- (durch Wissen, Analysen, Machtbeziehungen) und Selbstführungen sekularisiert sich im 16. und 17. Jhdt. und erfährt eine Ausweitung. Foucault analysiert, dass diese Ausweitung der pastoralen Führungstechnik Subjektivierungsformen hervorgebracht hat, die die Entstehung des modernen Staates unterstützt haben (vgl. Lemke/Krasmann/Bröckling 2007: 11). Er begreift diese Gouvernementalität in dreifacher Hinsicht: Zum einen als Gesamtheit, die aus »Institutionen, den Analysen, Reflexionen, den Berechnungen und den Taktiken, die es gestatten, diese komplexe Form der Macht auszuüben« (Foucault 2015: 171) besteht; als Hauptziel dieser Macht benennt er die Bevölkerung, als Hauptwissensform die politische Ökonomie und als wesentlich technisches Element die Sicherheitsdispositive (vgl. ebd.). Er versteht darunter zweitens »die Tendenz oder Kraftlinie, die im gesamten Abendland unablässig und seit langer Zeit zur Vorrangstellung dieses Machttypus, den man als ›Regierung‹ bezeichnen kann« (ebd.) hervorgebracht wird und die damit »eine ganze Reihe spezifischer Regierungsapparate einerseits und eine ganze Reihe von Wissensformen andererseits zur Folge gehabt hat« (ebd.). Schließlich betrachtet er diese Form von Macht als Ergebnis der Transformation des Gerechtigkeitsstaates des Mittelalters in einen Verwaltungsstaat, »wie er sich Schritt für Schritt ›gouvernementalisiert‹ hat« (ebd.). Diese Transformation wird in der Perspektive der Gouvernementalität nicht nur auf der Ebene des Staates oder der Staaten des Abendlandes analysiert, sondern – und 138 139
Für weitere Studien zu Normalismus und seiner Entwicklung vgl. Link (2013). Mit »Pastoralmacht« bezeichnet Foucault eine Macht, die, ähnlich wie christlich-religiöse Logiken, entlang der Beziehung von Pastor zu Gemeinde (Hirte und Herde), zu der Beichte und dem Versprechen auf ein transzendentales Leben enthält. Mit diesen Versprechungen, Analysen und Reflexionsmodi kann der Hirte die Herde lenken und ihnen gleichzeitig ihre tiefsten Geheimnisse und Innerlichkeiten entlocken. Auf diese Weise entsteht für das Individuum ein »Innerlichkeit«, die als vorbewusst markiert und beobachtet wird; und gleichzeitig kommt ein Wissen über die Einzelnen zustande, das als Machtwissen fungiert (vgl. Lemke 2008). 140 Die Pastoralmacht untersucht Foucault und macht zweckbezogene Unterschiede zu den Techniken der alten Römer und Griechen aus. Interessant ist hier, dass auch die Griechen sich auf Gehorsam bezogen, diesen aber nutzten, um bestimmte Tugenden zu erlangen, während das Christentum Gehorsam wegen der puren Bereitschaft zur Gehorsamkeit als Tugend anpries: »Man gehorcht, um in den Zustand des Gehorsams zu kommen« (Lemke/Krasmann/Bröckling 2007: 11).
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das ist im Zusammenhang mit der vorliegenden Studie wichtig – auch in Bezug auf die Subjekte, deren Selbstverhältnisse, Identitäten, Haltungen, Bezugnahmen und vieles mehr durch diese Macht hervorgebracht, gesteuert, mit anderen Worten subjektiviert werden. Die Regierung der Menschen säkularisiert »die ehemals religiös bestimmten Ziele von Glück, Heil und Wohlstand und artikuliert sie im Rahmen der ›politischen‹ Problematik des Staates neu« (Lemke/Krasmann/Bröckling 2007: 11). Dies hat zur Folge oder setzt voraus, dass die Menschen – ähnlich wie im Pastoral, jetzt aber auf das weltliche Regieren bezogen – als einzelne Individuen erkannt, gefördert und geführt werden müssen. Sie müssen – wie im Prinzip der Beziehung der Herde zum Hirten – als einzelne Individuen auftauchen bei gleichzeitiger Betrachtung und Prüfung der einzelnen Mitglieder der Herde im Verhältnis zueinander. Es sind zum einen individualisierende Machtelemente, die der moderne Staat hier einbringt, und gleichzeitig sind es totalisierende Elemente, die von der Regierung insgesamt und dem Staat aufgebracht werden (vgl. Foucault 1994: 248). Damit setzt die Macht zum einen an einer Individualisierung und gleichzeitig an einer Totalisierung (in Relation zueinander) der Individuen an. Bedeutung für die eigene Forschung und Subjektivierungsanalyse Ich hatte in Kapitel 2.2.3 festgehalten, dass Subjektivierungsanalysen immer Machtanalysen sind. In der vorliegenden Arbeit gilt die Machtanalyse der Intersektion von Rassismus als Machtprinzip und Geschlecht, was sich in hierarchischen Geschlechterverhältnissen auch als zentrales Machtprinzip ausweist. Das disziplinierende System beider Machtachsen zeigt sich meiner Auffassung nach noch immer in internalisierten Normen, wie sie von Judith Butler herausgearbeitet wurden. Auch in der Empirie zeigen sich diese internalisierten Normen von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität, die darüber hinaus durch eine phallogozentrierte Norm regiert wird (vgl. Kapitel 2.1.5). Es zeigen sich in dieser Machtanalyse darüber hinaus weiße eurozentristische Normen, die an die Frauen* herangetragen werden, und die auch teilweise als internalisiert betrachtet werden können (vgl. Kapitel 4.4). Was ich aber eher als produktive Seite der Macht auffassen möchte sind die stereotypen Darstellungen, die aus historischen Bildern entstanden sind und die zunächst als Fremdbilder auch in Selbstbilder übergegangen sind. Die Subjekte erkennen sich – ganz im Sinne der in der Biomacht entstandenen Thematik der Sexualität – als begehrende Wesen und sollen dieses Begehren, diese Sexualität nun entschlüsseln. Obwohl gerade in den Erzählungen über Sexualisierungen (vgl. Kapitel 4.4) zentrale Zuschreibungen deutlich werden, die auch eine repressive Form der Macht haben, werden sie gleichzeitig in ein Verhältnis zueinander gesetzt, in dem sie individualisiert, gefördert, abgeschreckt und stimuliert werden.141 Durch die Vergemeinschaftung als rassifizierte
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Astride Velho hält beim Sprechen über die ›deutsche Leitkultur‹ fest: »Foucault folgend soll das migrantische Subjekt im Sinne dieser Leitkultur (oder proklamierter demokratischer Werte) in seinem Handeln gehemmt, gefördert, abgeschreckt, und stimuliert werden. Eine Selbstregierung der Anderen wird demzufolge dadurch forciert, dass sie an Interessen, Selbstverhältnissen, Begehren, aber auch an den sozialen ›Milieus‹ der Anderen ansetzen.« (Velho 2016: 42, Herv. i.O.)
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Frauen* zu einer Gruppe im allgemeinen Diskurs, aber auch durch staatliche Maßnahmen entsteht ein Zugriff, der zunächst totalisierend ist, in dem sie aber wieder individuell zum Vergleich untereinander angehalten werden.142 Ein zentrales Moment dieser gouvernementalen Führung ist die Sexualität. Ich habe in Kapitel 2.2.4 darauf verwiesen, inwiefern Sexualität zur Führung der Führung wird, auch unter dem Vorzeichen rassifizierter und vergeschlechtlichter Subjekte. Ich habe mit Bezug auf Angela McRobbie herausgestellt, wie sich ein Geschlechtervertrag verändert hat, in dem weibliche Subjekte zueinander in Stellung gebracht werden. Anreize über Aussehen und die Darstellung der sexuellen Freizügigkeit werden hervorgebracht, von denen Schwarze Frauen und Women of Color aber spezifisch ein- und ausgeschlossen sind. Trotzdem werden sie auch hier in einen Vergleich zueinander gebracht. Die Fremdführung wird zur Selbstführung auch dann, wenn es darum geht, die eigene Sexualität zu befreien. Die Machttechnik, die auch hier erörtert werden muss, ist jene, »wie der Mensch gelernt hat, sich als Subjekt einer Sexualität zu erkennen« (Foucault 1994: 243) und sich als ein Begehrens-Subjekt konstituiert. In der Analyse von Rassifizierungen und Vergeschlechtlichungen zeigen sich meiner Meinung nach alle drei Machttypen: Es zeigen sich disziplinierende Formen, bei der Verinnerlichung von weißen, eurozentrischen, heteronormativen Normen; es zeigen sich Überreste aus der Biomacht, die sich auf die Hervorbringungen einer spezifischen Bevölkerung beziehen und es zeigen sich gouvernementale Aspekte der Macht, die in der vorliegenden Studie in erster Linie an der Sexualität zu beobachten ist. Da ein Überschreiten der Normen auch wieder an gouvernementale Individualisierungen anschließen kann, wie nicht zuletzt am Beispiel des Phallic Girls (vgl. Kapitel 2.2.4) herausgearbeitet wurde, steht die Frage im Raum, was Bildung in dieser komplexen Gemengelage sein kann. Foucault hatte diese Frage kurz vor seinem Tod damit beantwortet, dass es um eine Etablierung der Praxen der Freiheit gehen muss (vgl. Foucault 1985: 10). Im nächsten Unterkapitel möchte ich mich also damit beschäftigen, wie Bildungsprozesse aus einer Foucault’schen Perspektive überhaupt gedeutet werden können, um auch die Praxis der Freiheiten beschreiben zu können.
142 Encaranación Gutiérrez Rodríguez (2006) weist darauf hin, dass Ethnisierung und Geschlecht zwei Strukturkategorien sind, »die unterschiedlich, aber in Relation zueinander erzeugt werden« (Gutiérrez Rodríguez 2006: o.S.). Während die Kategorie Geschlecht im staatlichen Verhältnis der Reproduktion »einer symbolischen und materiellen Gesellschaftsordnung und [eines] Tauschverhältnis[ses]« (ebd.) erzeugt wird, wird die Kategorie Ethnizität im Laufe des 20. Jhdt. als askriptive (Zuschreibung) eingeführt (vgl. ebd.). Wie Gutiérrez Rodríguez verdeutlicht, sind beide Kategorien zentral für die ›Regierung‹ im Foucault’schen Sinn, werden aber unterschiedlich zur Anwendung gebracht. Geschlecht wird häufig im Rahmen unterschiedlicher Programme individualisiert – während es bei der Betrachtung der Kategorien Kultur, Ethnie oder race eher um Verallgemeinerungen und Gruppenzugehörigkeiten geht. Wenn es nun um einen Überschneidung beider Kategorien geht, oder um die Hervorbringung von Geschlecht und Ethnizität in Macht-WissensDiskursen, dann stellt auch die derzeit häufig individualisierte Kategorie Geschlecht eine Vergemeinschaftung dar. Gutiérrez Rodríguez hebt deshalb hervor: »Im Falle jedoch der Diskurse um ethnisierte vergeschlechtlichte Körper haben wir es mit Darstellungsformen der Vergemeinschaftung zu tun« (ebd.).
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
2.3.4
Transformation bei Foucault oder die Technologien des Selbst als Bildungsperspektive
Eigentlich wird der Begriff Bildung von Foucault nicht verwendet, es sei denn in den Phasen seines Schaffens, in denen er beschreibt, wie disziplinierend die Schule wirkt; oder wenn er darüber spricht, dass einige von den Wissenssystemen ferngehalten werden (vgl. Kapitel 2.4). Deshalb versuche ich, die wesentlichen Perspektiven hier unter dem Begriff der Transformation zusammenzufassen. Es gibt in der Auseinandersetzung um die Transformation von Subjekten drei zentrale Werke von ihm: Erstens Sexualität und Wahrheit, Band II und III (1984 [dt. 1986]); zweitens Die Hermeneutik des Subjekts (2001) und außerdem Die Technologien des Selbst (1993). Ich werde mich kurz einer Zusammenfassung der Inhalte widmen, um im Anschluss daran eigene Schlüsse daraus zu ziehen. Sexualität und Wahrheit Band II und III In den Bänden II und III des Werkes Sexualität und Wahrheit wird die Geschichte der Sexualität in der Antike und der Spätantike dargestellt (vgl. Foucault 1984a [dt. 1986] 1984b [dt. 1986]). Während es Foucault im Band davor darum ging »zu sehen, wie sich in den modernen abendländischen Gesellschaften eine ›Erfahrung‹ konstituiert hat, die die Individuen dazu brachte, sich als Subjekte der ›Sexualität‹ anzuerkennen […], welche in sehr verschiedene Erkenntnisbereiche mündet und sich an ein System von Regeln und Zwängen anschließt« (Foucault 2013e: 1157), geht es ihm nun darum herauszuarbeiten, wie die Individuen dazu gebracht werden, »sich als sexuelle Subjekte anzuerkennen« (ebd.: 1158). Er arbeitet die historisierten Weisen des Selbstbezugs in der Lebensführung, deren Kern auch die sexuelle Begierde ist, in diesen beiden Bänden heraus. In den beiden letzten Bänden entwickelt sich aber eine Rezeption jenseits der ›Geschichte der Sexualität‹, vielmehr werden diese beiden Bände häufig als ›ethische Wende‹ Foucaults gekennzeichnet (Gehring 2014a: 100). Petra Gehring arbeitet drei verschiedene Rezeptionslinien heraus, die sie jeweils als problematisch betrachtet.143 Sie konstatiert einer143
In der Rezeption wird diese Hinwendung zum Ethischen manchmal auch als ein Ausdruck seiner Erkrankung und seines nahenden Todes interpretiert, denn die beiden Bände sind im Jahr seines Todes erschienen. Petra Gehring (2014) zeichnet die Rezeption der beiden Schriften in drei unterschiedlichen Typen nach: Zum einen konstatiert sie eine »Rücknahmethese« (Gehring 2014a: 101), die die »Wiederkehr des Subjekts und des Menschen« (Schmidt 1987: 88, zit.n. Gehring 2014: 101) hervorhebe. Sie hebt dabei hervor, diese These übergehe, dass Foucault historische Subjektivierungsweisen in den beiden Bänden untersucht habe sowie die historisch-praktische Veränderung des Selbst und der Selbsterfahrung (vgl. Gehring 2014a: 101). Als weitere Lesart konstatiert sie eine »Rückkehrthese« (ebd.); diese bewege sich in einer Rezeption, die mit Foucault eine Rückkehr zur antiken Ethik vorschlage, wobei »Foucault dabei zum modernen Lebensratgeber« (ebd.) mutiere. Eine dritte und letzte Lesart sei nun jene, die im Sinne der gleichgeschlechtlichen Liebe entweder eine neue Kulturgeschichte und damit eine politische Rehabilitation schreiben wolle (vgl. Halperin 1990) oder aber jene, die Foucaults eigene Homosexualität zum Ausgangspunkt der Betrachtung werden lasse (vgl. Miller 1995). Petra Gehring kennzeichnet diese Lesarten der »Ästhetik der Existenz« (eine Programmatik, die aus den beiden Schriften hervorging und zum Programm der Rezeption wurde) als »jeweils problematisch« (Gehring 2014a: 101).
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seits die Rezeption einer Rücknahmethese (Foucault entscheidet sich, das Subjekt doch als mit eigenen Motiven ausgestattet zu betrachten) und eine Rückkehrthese (Foucault wolle uns vorschlagen, antike Lebenspraktiken wieder zu etablieren). Als letzte Rezeptionslinie stellt sie vor, Foucault sei es darum gegangen, eine neue Kulturgeschichte der gleichgeschlechtlichen Liebe zu schreiben. Hervorzuheben ist wohl, dass es insgesamt um die historisch-praktischen und veränderbaren Weisen des Selbstbezugs insgesamt ging, die in einem 4. Band noch erweitert werden sollten, der aber aufgrund des frühen Todes Foucaults noch nicht erschienen ist.144145 Meine eigene Lesart bewegt sich jeweils zwischen den oben (wie ich finde interessant) zusammengefassten Darstellungen. Foucault lässt in beiden Werken immer wieder eine Beschreibung zu, die den Schluss nahelegt, dass die christliche Moral in ihrer Form einen weit massiveren, sehr viel stärker lenkenden und einschränkenden Charakter auf den Selbstbezug hat als die ethische Auseinandersetzung in der Antike. Er beschreibt, dass sich zwar schon in der Antike bestimmte Formen der Bevorzugung der Beziehung zu Frau und der Ehe erkennen lassen und dass die sexuelle Aktivität auch schon hier »Problematisierungen, Unruhen, Infragestellungen und Wachsamkeit« (Foucault 2013f: 1575) unterworfen war, sich aber im christlichen Pastoral durch einen Moralkodex verändert. In den antiken Lebensformen ging es, folgt man Foucault, um eine Selbstkunst, »durch die man die Kontrolle über sich bewahren und am Ende zu einem reinen Genuß [sic!] seiner selbst gelangen kann.« (Ebd.) Dies beschreibt ein ethisches Selbstverhältnis, das über die Problematisierung der Lust und deren Beherrschung generiert wird. Diese Problematisierung der Lust wird im christlichen Pastoral der Ausgangspunkt sein, sich selbst in Askese zurück zu halten und in eine Art Dauerverdacht dem eigenen Lustempfinden gegenüber zu verfallen. »Doch von dieser Analogie [der Problematisierung der Lust, Anm. DBC] darf man sich nicht täuschen lassen. Diese Moralen werden andere Modalitäten des Selbstbezuges definieren, eine Chararkterisierung der ethischen Substanz, ausgehend von der Endlichkeit, dem Sündenfall und dem Übel« (ebd.: 1576). Die zuvor als Selbstkunst dargestellte Praktik und ihre Gegenüberstellung in der christlichen Moral kann den Schluss nahelegen, dass Foucault jene Lebenspraxis der Antike im Übergang zur Spätantike gegenüber dem christlichen Moralkodex hervorheben wollte. Möglicherweise lässt sich sagen, dass es ihm schon in umfassender Weise um eine ethische Beziehung zu sich selbst ging, die historisch jeweils unterschiedlich geprägt ist, aber doch einen Möglichkeitsraum eröffnet. Damit würde die Möglichkeit einer ethischen Existenz zwar durchaus lebbar sein, aber sie müsste die jeweiligen historischen Macht- und Wissensbedingungen in den Blick nehmen. Einer ›Rückkehrthese‹ sowie einer ›Rücknahmethese‹ könnte damit entgegengehalten werden, dass es Foucault nicht um eine Wiederbelebung des antiken Selbstbezugs für die heutige Zeit und auch nicht um eine plötzliche ›Wiedereinführung des Menschen und des Subjektes‹ 144 Foucault hatte verfügt, dass es nach seinem Tod keine weiteren Veröffentlichungen geben dürfe. In einem Interview mit Daniel Defert, seinem Lebensgefährten, berichtet dieser aber davon, dass die Familie sich aber nun entschlossen habe den vierten Band zu veröffentlichen (vgl. http://taz.de/ 5238682/!) [Zuletzt abgerufen: 07.01.19]. 145 Der letzte Band Die Geständnisse des Fleisches sollte die christliche Doktrin und das Pastoral der christlichen Kirche verdeutlichen (vgl. Gehring 2014a: 94).
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ging; sondern es ging ihm meiner Ansicht nach vielmehr darum, einen Strauß von Möglichkeitsbedingungen zu präsentieren und deren historische Veränderung zu kennzeichnen. Gerade weil es Foucault durchgängig um ein Aufklärungsprojekt (vgl. Dhawan 2014; Schneider 2014) zu tun war, möchte ich nicht sagen, dass es um eine letzte ethische Wende oder um eine neue ethische Betrachtung ging. Vielmehr lässt sich für mich der Schluss zu, dass es um unterschiedliche Verschiebungen und eine Historisierung der Beziehung vom Selbst zum Selbst geht, die auch eine ethische Beziehung zulässt oder zulassen kann. Die Technologien des Selbst Foucault spricht in einem späten Werk, das aus einem Seminarkontext heraus entstanden ist, von unterschiedlichen Technologien, die er untersuchen wollte bzw. die den Kontext seiner Untersuchungen bildeten. Die Untersuchungen, die er seit fünfundzwanzig Jahren durchführte, widmeten sich der Idee, wie Menschen (des ›westlichen‹ Kulturkreises), vermittelt über Kultur und deren Techniken, über »Ökonomie, Biologie, Psychiatrie, Medizin und Strafrecht« (Foucault 1993: 26) ein Wissen über sich selbst herstellen. Dieses Wissen über sich selbst wird mit bestimmten Techniken vermittelt, die als vier unterschiedliche Techniken vorgestellt werden: 1. Die Technologie der Produktion, 2. Die Technologie der Zeichensysteme, 3. Technologien der Macht, 4. Technologien des Selbst (vgl. ebd.). Foucault konzentrierte sich in seinen Werken aber eher auf die letzten beiden, die er die Technologien der Macht und die Technologien des Selbst nennt (vgl. ebd.). Er führt aus, dass sich unterschiedliche Wissenschaftler*innen, z.B. Marx und andere, auf erstere beiden bezögen, dass es ihm aber wichtig sei, sich auf die Technologien der Macht, »die das Verhalten von Individuen prägen und sie bestimmten Zwecken oder einer Herrschaft unterwerfen, die das Subjekt zum Objekt machen« (ebd.) und die Technologien des Selbst zu konzentrieren. Die Technologien des Selbst sind Technologien, mit denen sich das Selbst als Selbst erkennt; Technologien, mit denen sich das Selbst zu seinem Selbst-Sein und der Umwelt in Beziehung setzt und an sich mit Hilfe dieser Praktiken Veränderungen vornimmt. Ziel ist es, »dem Einzelnen […] [zu] […] ermöglichen, aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen, mit dem Ziel sich so zu verändern einen gewissen Zustand des Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit […] [zu] […] erlangen« (Foucault 1993: 26). Die Technologien des Selbst werden von Foucault zu unterschiedlichen historischen Zeitpunkten untersucht. In seinem Werk Die Geschichte der Sexualität untersuchte er die Selbsttechniken, die verwandt wurden, um sich selbst dem Diskurs über die Sexualität zu unterwerfen. Mit der Sorge um sich, der Technologie des Selbst aus der Antike, beschrieb er eine Ästhetik der Sorge um das eigene Seelenheil in der Verknüpfung mit politischem Regieren. Die Sorge um sich, griechisch mit/als: epimeleia heautou bezeichnet, wird im Kontext eines platonischen Dialoges vorgestellt und verdeutlicht, dass es nicht eine ichbezogene Sorge im christlichen Sinne ist, die das Ich transzendieren muss, um ein See-
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lenheil zu erlangen. Diese Transzendierung erfolgte hauptsächlich durch Praktiken des Verzichtes und der Askese, um das Selbst in einen anderen Zustand zu versetzen, der entweder näher bei Gott lag oder generell transformiert werden musste, um näher an der Wahrheit zu sein. Die griechische Selbstsorge ist anders, hier ist das Subjekt »so wie es sich vorfindet, der Wahrheit fähig, ohne dass es sich der Anstrengung einer vorgängigen Läuterung oder Transformation seiner Selbst unterziehen muss« (ebd.). Die Sorge um sich selbst zieht vielmehr Praktiken und Zeit nach sich, in der eine Beschäftigung mit seelischen Bedürfnissen des Genusses, mit dem Rückbezug auf die eigenen Reflexion und der körperlich-seelischen Verfasstheit im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen (vgl. Foucault 1993). Mit Bezug auf Michael Ruoff (2009) und auch auf Christoph Menke (2003) möchte ich die Begriffe »Technologien des Selbst« und »Selbsttechnologien« in ihrer unterschiedlichen Konzeption unterscheiden, da sie später in analytischer Perspektive wichtige Anhaltspunkte darstellen. Zur Unterscheidung weist Ruoff daraufhin, dass es streng genommen so sei, dass die Terminologie ›Technologien des Selbst‹ für die Ethik des Selbst reserviert sei146 (vgl. Foucault 2001a: 316-337; Ruoff 2009: 217). Ruoff schildert dies mit Rückgriff auf Foucaults Hermeneutik des Subjekts (2001a) und hält fest, dass es sich hinsichtlich der asketischen Übungen des Christentums nicht um eine Technologie des Selbst handelt, weil es hier eher um eine sog. Transsubjektivierungstechnologie geht, die ihren Bezug zu einem Wechsel der wesentlichen Seinsweisen des Subjektes nimmt durch die Gegenüberstellung von Tod – Leben, Sterblichkeit – Untersterblichkeit und Dämonen – Gottesreich usw. (Ruoff 2009: 217), während die Technologie des Selbst eher eine Selbstsubjektivierung in Bezug auf Lebensumstände, Haltungen und – so würde ich heute sagen – Positionierungen beinhaltet. Die Technologie des Selbst ist also im Wesentlichen eine Technologie, die an einer ethischen Selbstgestaltung ansetzt, sich dabei möglicherweise in Bezug zu spirituellen Themen gestaltet, diese aber nicht als Ausgangspunkt der Transformation nutzt. Ethische Themen haben einen wesentlichen Bezug zur Wahrheit, zur Selbstsorge und zur Lebenskunst (vgl. Balke 2014: 288). Trotzdem fasst Foucault diese Selbsttechnologien und Technologien des Selbst nicht außerhalb der Macht auf, sondern sie bezeichnen meines Erachtens ein Bündel an Möglichkeiten, die Selbstbezüge und Selbsttransformationen beschreiben, die aber in der Macht eingebettet sind (vgl. Lemke/Krasmann/Bröckling 2007: 25-32). An dieser Stelle sei noch einmal darauf verwiesen, dass mit dem Begriff »Technologien des Selbst« eine Selbstsubjektivierung angesprochen ist, die sich mit Bezug auf Christoph Menke im Wesentlichen durch Wiederholungen und Einübungen zeigt (vgl. Menke 2003: 285). Menke unterscheidet Zweierlei Übungen (2003): Zum einen jene, die disziplinierend auf den Körper und das Subjekt angewendet werden und die Foucault in Überwachen
146 Foucault deutet hier drei Technologien des Selbst an, die platonischen, die hellenistischen, die christlichen. Die ersten und die letzten beiden Technologien verdecken historisch die mittlere. Die erste benennt Foucault als eine Technologie der Wiederentdeckung der eigenen Seele (vgl. ebd.: 316), die letzte bezeichnet er als Exegese (ebd.) und die hellenistische versteht er als »techne tou biou (der lebenskunst)« (ebd.: 322f.), deren Selbsterkenntnis im Erkennen und Vermessen der Welt liegt (ebd.: 331).
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und Strafen deutlich hervorgehoben hat; und zum anderen jene, die er in den antiken und neuzeitlichen Selbstbezügen herausarbeitet (vgl. Foucault 2001a). Sie gehen aus Wiederholungen von Tagesabläufen, Strukturierungen während bestimmter Tätigkeiten, wiederholten Schreibtätigkeiten und anderen praktischen Aktivitäten hervor. Beide Bezüge des Selbstverhältnisses sind nicht einfach nur positiv oder negativ zu betrachten, vielmehr sind sie ambivalent und können auch beides sein; sie sind mithin nicht so zu verstehen, dass eine Praxis jene der Freiheit ist und die andere eine der Unterwerfung, sondern beide können sich immer gegenseitig konstituieren. »Negativ heißt das, daß sich zu üben nicht als solches schon eine ästhetisch-existentielle Praxis freier Lebensführung ist; sich zu üben kann auch eine Praxis der Disziplinierung sein.« (Menke 2003: 285) Menke schreibt außerdem: »Die Praxis der Übung, die dem disziplinären und dem ästhetisch-existenziellen Subjekt gemeinsam ist, zeigt, wie nahe sie sich stehen« (ebd.). Was hier aber trotzdem deutlich werden sollte, ist, dass sich durch diese Übung in der Konstitution von Subjektivität eine Transformation ergeben kann. Diese hat aber keinen positiven und auch keinen negativen Ausgangs- und Anfangspunkt. Es gilt daher, größte Vorsicht bei einer analytischen Unterscheidung walten zu lassen und auch immer wieder Ambivalenzen zu verdeutlichen. Eigene Weiterführung für die Analyse von Bildungsprozessen Mein Zugriff auf die hier dargestellten Technologien des Selbst als ethische Verbindung zum Selbst liegt in den historisch entstandenen und überdauernden Stereotypisierungen und Sexualisierungen Schwarzer Frauen und Women of Color. Die interviewten Frauen* haben von vielen solcher Zuschreibungen berichtet, sie sind – wie deutlich wird – von der Fremdzuschreibung in Selbstverhältnisse übergegangen. Wie die Frauen* diese Selbstverhältnisse in einem wesentlich ethischen Bezug zu sich selbst verändern und ihnen entgegentreten, das möchte ich in der Analyse der Bildungs- und Transformationsprozesse zeigen. Ich verstehe hier einen ethischen Bezug als reflexives Moment der Selbstbefragung und Auseinandersetzung, letztere sind damit auch Reflexionsinstrumente von Moralisierungen (vgl. Gehring 2013). Die vorliegende Untersuchung widmet sich diesen Transformationen nicht durch die Erhebung von Meditationen oder schriftlichen Auseinandersetzungen wie Tagebüchern oder Web-Blogs (wie Jenny Lüders [2007a] das vorgenommen hat); mein Zugriff ist der einer diskursiven Performanz, die aber auch durch praktische Wiederholungen geprägt ist. Ob und inwiefern diese dann Anschluss an die Beschreibung der Technologien des Selbst finden kann, wird sich im empirischen Teil der Arbeit zeigen. Unter den Technologien des Selbst werden dort im Wesentlichen Momente gefasst, die einen reflexiven Zugang verdeutlichen und die davon erzählen, wie es über Praktiken möglich ist und war, ein anderes Selbstverhältnis zu den oben beschriebenen Subjektivierungen zu errichten. Praxis sind dabei unterschiedliche Vorgehensweisen; einerseits wird sie am Theaterspielen deutlich, z.B. im Interview mit Mathilda; und anderseits zeigt sie sich in einer Black Consciousness, so im Interview mit Edith, Simoné und Olivia. Obgleich sich alle interviewten Frauen* nicht außerhalb der subjektivierenden Zuschreibungen befinden, schaffen sie es doch, über diese Praktiken eine Position zu erlangen, die sie (zeitweilig) in einen Abstand zu den Zuschreibungen und Körperprak-
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tiken bringt. Zu bedenken bleibt trotzdem, dass auch die Technologie des Selbst keine Praxis ist, die sich außerhalb jeglicher Macht- und Herrschaftsform konstituiert; dagegen ist deren Untersuchung, mit Nicolas Rose gesprochen, eine Möglichkeit, historisch unterschiedliche Subjektivierungsweisen aus der Perspektive der Subjekte zu rekonstruieren und dabei Kategorien wie Geschlecht und Kultur nicht als vorgängig, sondern als Prozess darzustellen (vgl. Rose 1996). Es geht auch weniger um eine neue ethische Praxis, mit der es möglich ist, sich außerhalb eines Macht- und Herrschaftsverhältnisses zu konstituieren; vielmehr soll genau das Wechselspiel zwischen Selbstund Fremdkonstituierung in einem Machtfeld, aber mit ethisch-reflexivem Bezug, verdeutlicht werden. Obwohl sich die beschriebenen Technologien des Subjekts schlechterdings als eine alles befreiende Bildung rezipieren lassen, kann doch trotzdem festgehalten werden, dass es hier um eine Haltung geht, die als ethisches Selbstverhältnis zu unterwerfenden Subjektivierungen gefasst werden kann. Hannelore Bublitz beschreibt, dass die Technologie des Selbst auch als Haltung betrachtet werden kann, die im Anschluss an die platonische ›Sorge um sich‹ auch ein Verhältnis in der Sorge um Andere hat (vgl. Bublitz 2014). Nur indem die Sorge um sich in dem Verhältnis zu den Anderen gedacht wird, entfaltet sich deren eigentliches Programm. Bublitz beschreibt dabei eine Haltung, die in der Ethik der Sorge um sich begründet liegt und dabei ähnlich wie die platonische Staatstheorie anfängt, sich ›richtig‹ um sich selbst zu kümmern in der Absicht, sich auch um den Staat – also die Anderen – kümmern zu können. Dieses Selbstverhältnis setzt die Reflexion unterwerfender und subjektivierender Momente voraus, die die Situation bedingen, die aber darüber hinaus nicht als wesentlich selbstrefrenzielles Moment bestehen bleiben, sondern in erster Linie für eine wie auch immer geartete Gemeinschaft artikuliert werden. Hier handelt es sich nicht um eine Art Selbstverzicht, wie er bezüglich der christlichen Moral von Foucault beschrieben wird (vgl. Foucault 2001a), sondern es geht um einen Selbstbezug, der die Macht-Wissens-Formationen ernst nimmt und dabei die Anderen im Blick hat. In beiden Beschreibungen erkenne ich einen ethisch-reflexiven Bezug zu sich, der ambivalent ist und nicht frei von Macht- und Herrschaftsmechanismen, der aber trotzdem auch als Bildungsprozess beschrieben werden kann, weil es darum geht, in ein Verhältnis mit Unterwerfungen zu treten. Diese Verhältnissetzung herauszustellen, die sich aus den unterwerfenden Subjektstrukturen ergibt, ist mir wichtig.
2.3.5
Zusammenfassung: Die Regierung der Subjekte und ambivalente Bildungen
Wenn die Erfahrung der Sexualität historisiert werden soll, ist es Foucault zufolge wichtig, drei Anhaltspunkte zu haben: Zunächst geht es um die Formierung des Wissens, die sich um den Begriff und der Handhabung der Sexualität konstituieren – gemeint ist die Ebene der veränderten Wissens-Diskurse; im Weiteren ist eine Analyse der Machtpraktiken erforderlich, welche im Laufe der Zeit veränderte Zugriffe auf Sexualität haben; und letztlich sind es die »Formen, in denen sich die Individuen als Subjekte dieser Sexualität (an)erkennen können und müssen« (Foucault 2013e: 1158). In diesem Sinne gilt es, die Subjektivierungen in diesem Kontext eng an die Transformationsprozesse ge-
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
bunden zu denken und zunächst die historischen Prägungen durch die Episteme und Diskurse herauszustellen, um dann die Machtkonfigurationen (hier die Intersektion von race und Geschlecht) zu verdeutlichen und in einem letzten Abschnitt die entstandenen Selbstverhältnisse herauszustellen. Mit der Subjektivierungsanalyse folge ich genau diesem Pfad: In einem abschließenden Schritt verdeutliche ich dann die Transformationsprozesse.
2.4 2.4.1
Diskurse und diskursive Praktiken – Ein Überblick Einleitung
Nachdem ich nun im letzten Kapitel sowohl Foucaults Perspektive auf die Hervorbringung des modernen Subjekts als auch seine unterschiedlichen Perspektiven auf Macht beschrieben habe und weiterhin herausgestellt wurde, warum und wie Transformationsprozesse mit Foucault betrachtet werden können, möchte ich in diesem Kapitel genauer herausarbeiten, welche Rolle Diskurse im Zusammenhang mit Subjektivierungen spielen; welche erziehungswissenschaftlichen Perspektiven sich hierzu darstellen lassen und wie vor diesem Hintergrund diskursive Praktiken zu betrachten sind. Auch dieses Unter-Kapitel stellt eine theoretisch-methodologische Hinführung dar. Um eine Subjektivierungsanalyse und auch eine Analyse von Bildungsprozessen durchführen zu können, bedarf es einer Annäherung an die subjektivierenden Diskurse, die sich im Feld finden lassen. Diskursanalysen, die subjektivierende Diskurse untersuchen, verfolgen häufig das Ziel, die Systematik der hervorgebrachten Aussagen in Medien oder Diskussionen zu rekonstruieren. Diese Arbeit nimmt eine andere Perspektive ein, sie sucht die Diskurse in der Praxis des Sprechens der Frauen* zu rekonstruieren. Damit hat diese Arbeit das Ziel, einerseits subjektivierende Anrufungen und Diskurse darzustellen und anderseits diskursive Praxen zu rekonstruieren – also herauszustellen, ob und wie die Frauen* Diskurse reifizieren, sie aufgreifen, verändernd eingreifen, schlicht: wie sie mit diskursiven Anrufungen umgehen. Diskursive Praxen werden dabei als Äußerungen der Subjekte wahrgenommen, die ihnen nicht äußerlich sind: Vielmehr strukturieren sedimentierte Diskursarten und Episteme die Subjektivität der interviewten Frauen* und dennoch gehen sie nicht vollständig in diesen durch Episteme hervorgebrachten Strukturen auf. Mit dieser relationalen Betrachtung von diskursiven Praktiken auf der einen Seite und des Diskursiven anderseits befinde ich mich im Zentrum erziehungswissenschaftlicher Diskursforschung. Denn genau das ist ihr Ziel: herauszuarbeiten, wie diskursive Anrufungen von Subjekten aufgenommen werden und wie sie möglicherweise auch deren Subjektivität hervorbringen und durchziehen. Um herauszustellen, wie sich dieser theoretisch-methodische Zugriff ergibt und wie die Perspektive auf Diskurse als Praxis zu verstehen ist, wende ich mich in Kapitel 2.4.2 zunächst kurz dem Diskursbegriff von Foucault zu. Ich erkläre zunächst, welche unterschiedlichen Diskursforschungen sich einem Diskursbegriff von Foucault anschließen und stelle dann die Archäologie des Wissens als Grundlage Foucault’scher Diskursforschung und -analyse vor, spreche über die Regulationen von Diskursen und
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zeige dann kurz den Unterschied zwischen diskursiven Formationen und diskursiven Praxen. Ziel dieses Unterkapitels ist es, eine Grundlegung Foucault’scher Denkbewegungen darzustellen, die am Ende die Unterscheidung zwischen einer Diskurs-Formation als Ganzes und diskursiven Praxen unterstützt. In Kapitel 2.4.3 werde ich noch einmal explizit die erziehungswissenschaftliche Perspektive herausstellen und verdeutlichen, welches Ziel sich hinter einer solchen Diskursforschung verbirgt. Auch wenn die vorliegende Arbeit als Subjektivierungsund Bildungsanalyse zu verstehen ist, kann sie als Teil erziehungswissenschaftlicher Diskurs-Forschung betrachtet werden, die sich neben dem Interesse für den Diskurs und seiner Verankerung in symbolischen Ordnungen auch dafür interessiert, wie die Subjekte den Diskurs sprechen, der innerhalb einer spezifischen Ordnung stattfindet. In einem zweiten Schritt werde ich in diesem Kapitel auch auf Subjektivierungsforschung mit der Situationsanalyse eingehen. Dieses Kapitel hat also einerseits das Ziel herauszustellen, welche Perspektiven erziehungswissenschaftliche Diskursforschung hat und anderseits zu klären, wie die Situationsanalyse dazu passt. Im dritten (2.4.4) und letzten Kapitel gehe ich letztlich noch einmal genau auf die Unterscheidung zwischen diskursiven Praxen einerseits und diskursiven Formationen anderseits ein. Ich werde hier an Beispielen aus meinem empirischen Sampel zeigen, wie und warum ich beide unterscheide und warum ich dazu übergehe, von einem diskursiven Handeln zu sprechen. Dieses Unterkapitel verfolgt also das Ziel, diskursive Formationen einerseits und diskursives Handeln anderseits zu unterscheiden und von meinem Gegenstand aus zu begründen. Eine kurze Zusammenfassung rundet das Kapitel ab und bildet den Übergang zum Methoden-Kapitel. Ausbuchstabiert und zusammengefasst sucht dieses Kapitel meine theoriemethodische Grundlegung in der Auseinandersetzung mit Diskursen, ihren Handlungen darin um Subjektivierungs- als auch Bildungsprozesse beschreiben zu können.
2.4.2
Diskursforschung und –analyse aus einer Foucault’schen Perspektive
Diskurse werden häufig als Bündel an Aussagen und Beziehungen beschrieben, die in der Diskursanalyse und der Diskurstheorie analysiert werden. Angermuller et al. kennzeichnen die Unterscheidung von Diskurstheorie einerseits und Diskursforschung anderseits, heben jedoch hervor, dass Diskursanalysen jeweils die Theorie verändern und veränderte Theoreme auch Diskursanalysen verändern (vgl. Angermuller et al. 2014). Während es in der Diskurstheorie unterschiedliche Betrachtungen von Diskursen, deren Funktion und auch ihrer Wirkung gibt, lässt sich für Diskursanalysen sagen, dass sie versuchen, empirisch abzubilden oder zu erweitern, wie der Diskurs theoretisch gefasst wird. Unterscheiden lassen sich auf theoretischer Ebene Diskursbegriffe und -theorien, die sich eher an einer linguistischen Interpretation von Diskursen – also an allem, was textbasiert ist – orientieren und solchen Theorien, die Diskurse als Formationen verstehen, in denen Bild, Text, Interviews, soziale Medien, aber auch historische Bilder, Texte und Filme interpretiert werden, wie in der Situationsanalyse (vgl. Clarke 2012). Außerdem lassen sich grob Diskurstheorien, die sich auf Foucault beziehen – wie beispielsweise die von Jäger (2015), von Keller (Keller/Schneider/Viehöfer 2012) und Diaz-Bone (2010) – von solchen Autor*innen unterscheiden, die sich auf das
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Diskurstheorem von Habermas beziehen. Während Jäger, Keller und Diaz-Bone trotz der Foucault’schen Verortung einen unterschiedlichen Diskursbegriff verfolgen – DiazBone versteht Diskurse als epistemische Strukturierungen des Diskursiven, die auch die soziale Welt hervorbringt, Jäger hingegen versteht Diskurse als eine Art Strukturierung des Sagbaren, hinter dem es aber auch noch etwas Unberührtes, Vor-Diskursives gibt, und Keller versteht Diskurse wissenssoziologisch –, geht es in der Habermas’schen Theorie um die Herstellung einer idealen Sprechsituation, die das Ziel hat, herrschaftsfrei in einen Dialog zu treten (vgl. Angermuller et al. 2014). Die Archäologie des Wissens als Grundlage Foucault’scher Diskursforschung und -analyse Die Archäologie des Wissens (Foucault 1981) wird von vielen als Grundlage oder auch als Grundlegung der Theorie und Methode der Diskursforschung, die an Foucault anknüpft, betrachtet (vgl. auch Sarasin 2008: 68). Obwohl sich die Denk- und Analyseweise schon in vorherigen Schriften – beispielsweise in dem Buch Raymond Roussel (Foucault 1989) – ankündigt (vgl. Sarasin 2008: 63). Foucault legt in der Archäologie seinen Standpunkt dar, mit dem er wiederum – so zumindest in der Einleitung – aufzeigt, warum und wie es eine ›andere‹ Betrachtung und Herangehensweise an historische Forschung, Ideengeschichte, Geschichte der Philosophie und damit in gewisser Weise auch an Anthropologie geben muss. Im Anschluss an seine drei Werke, die zuvor erschienen sind,147 versucht er, in der Archäologie seine Herangehensweisen zu bündeln, will dabei aber weniger eine geschlossen Methodik als vielmehr eine Perspektivierung präsentieren (Foucault 1981: 30). Er selbst nennt es »die Definition eines besonderen Standortes durch die Äußerlichkeiten seiner Nachbarschaften« (ebd.: 30). Die neue Geschichte muss seiner Auffassung nach nicht die Kontinuitäten, sondern eher die Diskontinuitäten, die Brüche, Verschiebungen und Neu-Justierungen in den ihr zugrunde liegenden Materialien suchen.148 Die Perspektive, mit der er selbst dieses Vorhaben vornahm, war die Untersuchung unterschiedlicher Diskurse. Diskurse sind, mit Foucault gedacht, Verknüpfungen von Aussagen, die zu einer Zeit oder auch in einem Bezug zueinander oder ganz unabhängig voneinander das Gleiche sagen, Unterschiedliches meinen – aber doch auf ähnliche Prinzipien reagieren. Foucaults Ziel ist es, gesellschaftliche und historische Vorgänge anders zu verstehen als sie bisher verstanden wurden. Als Diskursanalyse versteht er deshalb den Versuch, sich eher an Dis-Kontinuitäten, Brüchen und Verschiebungen innerhalb historischer Ordnungen zu bewegen als in ihrer Kontingenz. Ziel seiner ›Intervention‹ ist es, eine neue Geschichtlichkeit, ein neues Geschichtsverständnis zu initiieren, um die Geschichte zu
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Die Geburt der Klinik (1963 [dt. 1973]), Die Ordnung der Dinge (1969 [dt. 1971]) und Wahnsinn und Gesellschaft (1961 [dt. 1969]). 148 Fatima el Tayeb (2016) zeigt beispielsweise, wie bestimmte Diskontinuitäten in der deutschen Geschichte immer wieder so erzählt und diskursiviert werden, dass sich daraus eine lineare Geschichte mit überwundenen historischen Tiefpunkten ergibt, aus denen aber gelernt wurde und die damit in eine lineare Selbsterzählung münden. El Tayeb weist aber auf diese Diskontinuitäten hin und zeigt, welche diskursiven Prozeduren aufgebracht werden mussten, um eine lineare Selbsterzählung herzustellen. Für mich ist es in etwa das Vorgehen, das Foucault für die neuere Geschichte fordert.
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hinterfragen, die eben als kontingente Fortschrittsgeschichte der westlichen Welt dargestellt wird. Selbst, so seine Entgegnung, als es Marx darum ging, eine historische Analyse der Produktionsverhältnisse zu verdeutlichen und damit eine Dezentrierung vorzunehmen, wurde »gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Suche nach einer globalen Geschichte veranlaßt [sic!], in der alle Unterschiede einer Gesellschaft auf eine einzige Form, auf die Organisation einer Weltanschauung, auf die Errichtung eines Wertesystems, auf einen kohärenten Zivilisationstyp zurückgeführt werden könnten« (Foucault 1981: 24). Damit ließe sich sagen, dass Foucault mit der Diskursanalyse eine Dezentrierung der Wertesysteme, der Wissenssysteme und des Zivilisationstyps als solchem vornehmen wollte. Er nennt weitere mehrere Momente, in denen es solche Versuche gab, die aber alle – aus seiner Sicht – gescheitert sind. »Schließlich in noch jüngerer Zeit, als die Untersuchungen der Psychoanalyse, der Linguistik, der Ethnologie das Subjekt im Verhältnis zu den Gesetzen seines Verlangens, zu den Formen seiner Sprache, zu den Regeln seines Handelns oder zum Ziel seiner mythischen oder fabelartigen Diskurse dezentriert haben, als es klar war, daß [sic!] der Mensch selbst, danach befragt, was er sei, von seiner Sexualität und seinem Unbewußten [sic!], von den systematischen Formen seiner Sprache oder der Regularität seiner Fiktion keine Rechenschaft ablegen konnte, ist das Thema einer Kontinuität der Geschichte erneut aktiviert worden: einer Geschichte, die nicht Einschnitt ist, sondern Werden; die kein Spiel von Relationen, sondern innerer Dynamik ist; die nicht System, sondern harte Arbeit der Freiheit ist; die nicht Form, sondern unaufhörliche Anstrengung eines sich selbst erneuernden Bewußtseins [sic!] ist, das versucht, sich seiner selbst bis hin zur Tiefe seiner Bedingungen zu bemächtigen; einer Geschichte, die zugleich eine lang unterbrochene Geduld und Lebhaftigkeit einer Bewegung ist, die schließlich alle Grenzen sprengt.« (Foucault 1981: 24) Die Herstellung der Kontinuität durch entweder ein Subjekt, das auf seine Vernunft und Kognition zurückgreifen kann und damit Geschichte herzustellen vermag, oder durch eine kontinuierliche Geschichtsschreibung wird mit dem diskursiven Blick in Frage gestellt. Diskurse sind damit Prozesse und Ensembles, die Gesellschaft und Gesellschaftsgeschichte in einer Weise prägen, wie sie – zumindest aus Foucault’scher Perspektive – kaum zu unterschätzen sind. Ich stelle sie mir vor wie Gewebe und Netze, die zwar etwas Formenhaftes haben und damit auch Ränder (Wrana und Langer 2007), die aber gleichzeitig auch unabgeschlossen und sehr beweglich sind.149
149 Das Formenhafte sagt aber auch etwas über Materialität der Diskurse an sich aus, die Hannelore Bublitz mit Bezug auf Foucault verdeutlicht. So wird von ihr die Sprache im Diskurs als etwas Materialisiertes betrachtet und auch Praktiken, Gegenstände, Körperlichkeiten und vieles andere werden referiert auf materielle Gegenstände, die entweder im Diskurs besetzt oder im Diskurs symbolisch materialisiert werden (Bublitz 2003).
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Regulation von Diskursen Diskurse stellen, das kann Foucaults Inauguralvorlesung entnommen werden, sowohl Möglichkeiten als auch Gefahren dar und werden deshalb auch von gesellschaftlichen Institutionen und Vorgaben gleichermaßen organisiert wie begrenzt. So konstatiert er: »Ich setze voraus, daß [sic!] in jeder Gesellschaft die Produktion des Diskurses zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert wird – und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen, seine schwere und bedrohliche Materialität zu umgehen.« (Foucault 2007b: 11) Zur Ein- und Ausschließung des Diskursiven benennt Foucault drei gesellschaftlichhistorische Vorgehensweisen, die sich etabliert haben und die Zirkulation des Diskursiven beschränken. Zunächst ist dies das Verbot – hier geht es um moralische Gebote des Sprechens und Nicht-Sprechens, bspw. hinsichtlich der Sexualität im 17. und 18. Jahrhundert. Foucault zeigt hier auf, wie Sprech-Verbote den Diskurs um Sexualität geprägt haben. Ein weiterer Ausschließungsmechanismus ist der, die Position des Wahnsinnigen nicht sprechen zu lassen. Der Wahnsinn wird zum Schweigen gebracht und ein Begriff der Vernunft damit in den Vordergrund gerückt, der ein gesamtes Wissenssystem beeinflusst. Als letzten und wichtigsten Punkt benennt er den Ausschließungsmechanismus »Der Wille zur Wahrheit« (Foucault 2007b: 16).150 Dieser Wille führt laut Foucault dazu, dass es weniger darum geht, verschiedene Positionen in einem Diskurs zu verdeutlichen, sondern dass zu Gunsten einer als Wahrheit präsentierten Vorstellung andere Vorstellungen – gerade im wissenschaftlichen Arbeiten – denunziert und zurückgewiesen werden. Für alle drei Ausschließungsmechanismen führt Foucault eine Verbindung zwischen dem ›Begehren‹ und der Macht an, den letzten bezeichnet er aber als die gewaltigste Ausschließungsmaschinerie und verweist hier sehr explizit auf den Zusammenhang zwischen Macht und dem Diskursiven (vgl. ebd.).151 Wenn es darum geht, sich der ›Ordnung des Diskurses‹ oder der Ordnung des Diskursiven (vgl. Ott 2017) zu nähern, unterscheidet Foucault zwischen internen und externen Prozeduren der Begrenzung sowie zwischen einigen Diskursarten. Er hebt beispielsweise hervor, dass Diskurse im wissenschaftlichen Sinn als »wahre Diskurse« (Foucault 2007b: 16) bezeichnet werden können – wobei damit nicht die Wahrheit und das Wahre gemeint ist, sondern Diskurse in einem engeren nicht alltäglichen Sinn betrachtet werden. Im Weiteren kennzeichnet er auch literarische, ›kreative‹ oder biologische Diskurse (vgl. ebd.: 21) und viele mehr, so dass davon ausgegangen werden muss, dass Diskurse auch thematisch strukturiert werden können, wie es in der vorliegenden Forschung geschieht (vgl. hierzu auch Jäger 2015).
150 Foucault betrachtete den »Willen zur Wahrheit« als einen der zentralsten Punkte von Machtprozeduren. Diese ›Wahrheit‹ ist aber nicht als Wahrheit in einem letzten Sinn zu verstehen, sondern als ein Moment, dem alles Streben galt und das in ›Wahrheitsspiele‹ der Begrenzung und der Öffnung involviert ist. Wahrheit ist in diesem Zusammenhang keine Bezeichnung, die eine versteckte oder verdeckte Wahrheit erahnen würde; vielmehr ist sie überall und nirgendwo zu finden und am meisten dort, wo sie in Machtspiele der Wissensproduktion eingeschlossen ist. 151 Auch Stuart Hall (2010) bezieht sich auf die ›Wahrheitsspiele‹.
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Interne und externe Prozeduren der Ordnung sind gleichermaßen konstituierend wie beschränkend. Als diskursinterne Strukturen der Ordnung bezeichnet Foucault den Kommentar, die Disziplin und die Hervorhebung der Autorenschaft innerhalb eines Diskurses – alle drei sind Merkmale moderner (innerer) Diskursstrukturierungen, die sich mit der Beschreibung von Foucault (vgl. 2007b insgesamt) in erster Linie auf Diskursformationen, weniger auf diskursive Praktiken beziehen, sicherlich aber auch hier ihre Auswirkungen zeigen. Während interne Mechanismen innerhalb der Diskursformationen begrenzend wirken, gibt es auch solche, die extern auf die Ordnungen wirken: Als extern bezeichnet Foucault die Anordnung, die Klassifikation und die Verteilung diskursiver Formationen; sie sollen sowohl Ereignisse als auch Zufälle kanalisieren (vgl. ebd.: 22, 35). Ein zentraler Punkt für die vorliegende Arbeit scheint das Prinzip der Begrenzung von Verteilung der Teilhabe am Diskurs zu sein. Die Begrenzung von Verteilung trägt dazu bei, Bedingungen ihres Einsatzes zu bestimmen: zu verhindern, dass Sprecher*innen eine mögliche Sprecher*innenposition in den Diskursen haben. Der Diskurs ist nicht für alle zugänglich, manche Seiten des Diskurses sind offen, während andere es nicht sind; dies scheint besonders dann wichtig, wenn Diskurse den Effekt haben, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen oder zu verwehren, wie es Diskurse rund um die Themen Geschlecht und Ethnisierung oder Rassifizierung vermögen. Deshalb möchte ich mit einem Zitat von Foucault hervorheben, was aus meiner Perspektive zentrales Element einer erziehungswissenschaftlichen Diskursanalyse oder einer Analyse diskursiver Praktiken sein muss: die Analyse der Ausschließungen, der Objektivierungen und der Zugänge zu Diskursen. »In einem viel größeren Maßstab muss man schließlich tiefe Spaltungen in der gesellschaftlichen Aneignung der Diskurse feststellen. Die Erziehung mag de jure ein Instrument sein, das in einer Gesellschaft wie der unsrigen jedem Individuum den Zugang zu jeder Art von Diskurs ermöglicht – man weiß jedoch, daß [sic!] sie in ihrer Verteilung, in dem, was sie erlaubt, und in dem, was sie verhindert, den Linien folgt, die von den gesellschaftlichen Unterschieden, Gegensätzen und Kämpfen gezogen sind. Jedes Erziehungssystem ist eine politische Methode, die Aneignung der Diskurse mitsamt ihrem Wissen und ihrer Macht aufrechtzuerhalten oder zu verändern« (Foucault 2007b: 30). Diskurse sind mit Foucault betrachtet auch Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe; sie können ausschließend wirken, können aber auch über die Aneignung gesellschaftliche Teilhabe vermitteln. Pädagogische Systeme können dazu beitragen, Diskurse zu verändern und Menschen dazu zu befähigen, an Diskursen teilzuhaben oder diese mit zu verändern. Tiefendimension von Diskursen Diskurse halten Wissen bereit und sind durch dieses Wissen geprägt; und selbst wenn Diskurse thematisch strukturiert und durch disziplinäre Zusammenhänge begrenzt sind bzw. gelenkt werden, sind sie mehr als nur der rein sprachliche Ausdruck dieses Wissens. Sprache besitzt eine Tiefendimension, die laut Foucault geleugnet wird und die deshalb als Ansammlung von Zeichen und mit der »Wichtigkeit des Signifikan-
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ten« (Foucault 2007b: 31) betrachtet wird. Die Tiefendimension einer Sprache wird mit der Zentrierung des Signifikanten verdeckt, und damit, so Foucault, wird eine spezifische Realität des Diskurses geleugnet und nicht verdeutlicht. Der Signifikant ist laut Foucault – der sich wiederum auf Ferdinand de Saussure bezieht – die äußere Hülle eines Begriffs, die zentriert wird, die aber eigentlich – so verstehe ich ihn – leer ist. Es geht im Anschluss an Foucault weniger darum, was vorexistent war und nun in Sprache geformt werden kann, sondern um etwas, das seine Sinnhaftigkeit und Intelligibilität im Prozess seiner Herstellung erhält. Judith Butler (2001b) hat von einer Zitierhaftigkeit und Performanz gesprochen, die Sprache im gesprochenen Wort erhalten kann. Sprache, so führt Achille Mbembe mit Bezug auf Foucault aus, stelle aus zwei Gründen eine »unmögliche Möglichkeit« (Mbembe 2015: 106) dar. Erstens, weil sich die Sprache »wie eine Sonne zu lesen gibt« (ebd.): Sie verhilft Dingen dazu, sichtbar zu werden und verdeckt mit der Sichtbarkeit gleichsam die Annahmen und Diskurse, die dieser Sprache und diesem Sprechen zugrunde liegen (vgl. ebd.). Zweitens argumentiert Mbembe mit Bezug auf Deleuzes »Logik des Sinnes« (1992) »wegen des paradoxen Verhältnisses zwischen der vollkommenen Macht der Sprache auf der einen Seite und der völligen Machtlosigkeit der Sprechenden auf der anderen Seite« (ebd.). Die Sprache und Sprechlinien sind quasi schon vorvorhanden und können eine Macht entfalten, sie formen die Wege, auf denen wir (sprachlich, gedanklich und emotional) gehen und sind doch gleichzeitig undurchdringlich, weil sie eine Klarheit suggerieren, die sich bei genauerer Betrachtung wieder entzieht und in ihr Gegenteil umschlägt. Mbembe kann das deutlich an dem Begriff ›Afrika‹ zeigen (vgl. Mbembe 2015: 100-107), und auch in der vorliegenden Forschung ergeben sich Begriffe und Diskurse, die eine Tiefendimension besitzen, welche sich aber erst im Moment ihrer Herstellung verdeutlicht und erst da reifiziert wird. Damit besitzen Diskursformationen und Sprache generell keine strukturelle und festgelegte Tiefendimension, sie besitzen aber – wie sich auch in der Analyse zeigt – ein Netz an Wissen, Macht und ›gegangenen Sprachwegen‹, die sich dem sprechenden Selbst häufig entziehen. Die Subjekte sind in ihrer Selbst- und Fremdbeschreibung Rezipienten und Rezipierende dieser Sprach- und Diskursformation. Ziel einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive muss es sein, diese Tiefendimensionen immer wieder zur Kenntnis zu nehmen und ausschließenden Sprach- und Diskurspraktiken zu begegnen. Diskursive Formationen und diskursive Praxen Foucault unterscheidet auf der Ebene des Diskurses diskursive Formationen, Artikulationen und diskursive Praktiken. Während diskursive Formationen die Gesamtheit des Diskurses beschreiben, stellen Artikulationen und diskursive Praktiken die ›innere‹ Bedingungsstruktur des Diskursiven dar. »Man hatte die Einheit des Diskurses in den Gegenständen selbst, ihrer Distribution, dem Spiel ihrer Unterschiede, ihrer Nähe oder ihrer Entfernung gesucht – kurz in dem, was dem sprechenden Wesen gegeben ist: und man wird schließlich verwiesen auf die Herstellung von Beziehungen, die die diskursive Praxis selbst charakterisiert; und man entdeckt auf diese Weise keine Konfiguration oder Form, sondern eine Gesamtheit
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von Regeln, die einer Praxis immanent sind und sie in ihrer Spezifität definieren« (Foucault 1981: 70f., Herv. i.O.). Was alle Ebenen demnach miteinander verbindet, sind die Beziehungen, die im diskursiven Handeln, in der diskursiven Praxis hergestellt werden. Es sind nicht die Gegenstände und auch nicht bestimmte zeitliche Abschnitte oder Epochen, sondern es sind die Systematiken und Regeln, die in der diskursiven Beziehung hervorgebracht werden. Genau diese Beziehungen, Regelungen und Systematiken wirken auch auf das Subjekt und die Subjektivierung. Diskurse sind, das wurde bereits verdeutlicht, nicht nur Formationen, die Wissen enthalten und begrenzt werden, sie werden auch – und das ist zentral für die vorliegende Forschung – durch diskursive Praktiken geprägt, reifiziert und verändert. Der Diskurs oder diskursive Formationen finden sich in unterschiedlichen Materialien wie Büchern, Texten, Zeitungen und anderen Medien, sie werden aber auch gesprochen, bspw. in wissenschaftlichen Zusammenhängen oder anderen Gemeinschaften, die sich zueinander verhalten. Eine der wichtigsten Fragen in der Analyse von diskursiven Formationen ist die der Analyse von Aussagen und Aussagesystematiken. Obwohl sie sprachlich basiert sind, geht es – wie oben schon deutlich wurde – nicht in erster Linie um die sprachliche Analyse dessen, was gesagt oder wie eine Aussage konstruiert wurde (vgl. Foucault 1981: 42). Bei der Analyse von Aussagen – die für die Diskursanalyse von hoher Bedeutung ist – geht es darum zu fragen: »[W]ie kommt es, daß [sic!] eine bestimmte Aussage erschienen ist und keine andere an ihrer Stelle?« (ebd.: 42). Mit Blick auf die Aussagen-Analyse wird noch einmal deutlich, dass die Systematizität deren Charakter mitbestimmt, wobei auch das Ereignis und dessen Rekonstruktion erheblichen Einfluss auf den Verlauf von Diskursen haben. In Archäologie des Wissen und in Die Ordnung der Dinge ging es Foucault darum, wissenschaftliches Wissen, was zur Zurichtung der Subjekte verwandt wurde, nachzuzeichnen und dessen Entstehungszusammenhang zu verdeutlichen und damit auch Subjektivitäten als jene im Diskurs herrschaftlichen Wissens entstandene zu beschreiben. Deshalb sind Aussagenkomplexe und Wissen sicherlich in einen historischen und genalogischen Zusammenhang einzuordnen und nur vor diesem zeithistorischen Hintergrund zu bewerten; gleichzeitig zeigen sich aber auch Diskurse – z.B. solche, die kolonialistischen und rassistischen Argumentationen zugrunde liegen oder jene, die misogyne Aussagenkomplexe haben – in einer erschreckend langen Beständigkeit und Wiederholbarkeit. Obwohl die erwähnten Diskurse in ›neuen Kleidern‹ auftreten, verweisen sie doch auf einen ähnlichen Ursprung und eine ähnliche Verweisstruktur. Deshalb wäre an dieser Stelle der Schluss zu ziehen, dass Diskurse, mit Foucault betrachtet, immer in ihrem zeithistorischen Zusammenhang betrachtet werden müssen, dass ihre Struktur und Dauer aber als genalogische Perspektive hinzugezogen werden muss, um die Wurzel und Dichte des Diskurses, der Diskurse wirklich betrachten zu können. Zusammenfassung und Weiterführung für die eigene Perspektive Diskurse können einerseits, so verstehe ich Foucault in Die Ordnung des Diskurses, an institutionelle Wissenshervorbringungen, wie Universitäten, gebunden sein. Insofern bringen sie Wissen hervor und werden durch unterschiedliche Bedingungen begrenzt, systematisiert und geregelt. Sie folgen aber keinen klaren Regeln, sie werden vielmehr
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durch Möglichkeitsbedingungen begrenzt und gelenkt. Sie bilden außerdem systematisch die Dinge, von denen sie sprechen, und folgen damit zum einen machtvollen epistemischen Vorstrukturierungen, sind zum anderen aber auch wandelbar durch in ihnen handelnde Subjekte, auf die sie wiederum wirken. Damit sind Diskurse aus meiner Perspektive nicht nur auf der Ebene von einer Distribution von Wissen angesiedelt – das auch – aber sie sind auch die epistemische Grundlage von der aus wir einen Bezug zu uns selbst haben. Diskurse sind folglich nicht als dem Subjekt äußerliche sprachliche Handlungen zu verstehen, vielmehr konstituieren Diskurse auch die Bezugnahme auf das eigenen Selbst und auf Gesellschaft; mit einer diskursanalytischen Perspektive lässt sich die Trennung von Selbst und Gesellschaft nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr kann hier von einem Selbst in Wechselwirkung mit Gesellschaft und von einem Selbst als Gesellschaft gesprochen werden. Diese Perspektive und jene der Veränderbarkeit und Teilhabe an Diskursen oder am Diskursiven stellt eine große Herausforderung und gleichzeitige Beteiligung der Erziehungswissenschaft heraus, deren Perspektive ich kurz darstellen möchte, um meine Forschung im Kontext dieser zu situieren.
2.4.3
Perspektiven auf erziehungswissenschaftliche Diskursforschung und die Situationsanalyse
Fegter et al. (2015b) beschreiben in ihrer Einführung zu erziehungswissenschaftlicher Diskursforschung, dass Diskurse meist entweder als ordnendes und strukturierendes Prinzip sozialer und symbolischer Ordnung gekennzeichnet werden oder aber wie Diskurse »in konkreten, lokal situierten, diskursiven Praktiken« (Fegter et al. 2015b: 14) praktiziert werden. Während die Autor*innen unter dem Stichwort »Diskurs als Ordnung« (ebd.: 14) Forschungsperspektiven präsentieren, die beispielsweise »sozio-epistemische Tiefenstrukturen« (Diaz-Bone 2010) oder »soziale Regeln des Sprechens« (Keller 2011) oder die von Bührmann und Schneider angeführte Ordnung durch Dispositive (Bührmann/Schneider 2012) vorstellen, weisen sie darauf hin, dass unter der Perspektive »Diskurs als Praxis« (Fegter et al. 2015b: 14) Ansätze wie beispielsweise die Konversationsanalyse (Sacks/Jefferson 1996), die Diskurspragmatik (Maingueneau 2012, 2014) und bspw. die Rahmenanalyse (Goffmann 2005) firmieren (Fegter et al. 2015b: 14). Diskurstheorien und -analysen, die Diskurse oder Diskursuniversen als Ordnungsprinzipien von Sprache und Handlungen verstehen, analysieren diesen Zusammenhang. Häufig stehen sich mehrere Diskurse gegenüber und können thematisch oder institutionell gefasst werden (vgl. ebd.: 13). Der Diskurs als Praxis wird häufig als Tätigkeit verstanden, es geht um ein situatives Geschehen, das innerhalb einer speziellen Ordnung stattfindet (vgl. ebd.). »Während also im ersten Zugang Diskurse als symbolische, ordnungsbildende Strukturen begriffen werden, ist Diskurs im zweiten Zugang die Weise, in der situativ das Symbolische gebraucht und symbolische Ordnung konstruiert wird« (Fegter et al. 2015b: 14). Interessant ist, dass besonders aus den Erziehungswissenschaften häufiger Arbeiten vorgelegt wurden und werden, die nicht mit einer Entweder-Oder-Opposition operieren, sondern in einer Perspektive der Relationierung oder Verhältnisbestimmung beides einbinden, also sowohl die ordnende und hervorbringende Struktur von Diskursen als auch die situierte Praxis in diesen Diskursen hervorheben. Fegter et
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al. betonen, dass gerade dann, wenn Forschung gegenstandsbezogen ist, oft weder die Rekonstruktion der unterschiedlichen Diskurse und ihrer Widersprechung genügt noch die Darstellung, in welcher Weise und wie der Diskurs praktiziert wird; meist ergibt erst eine relationale Perspektive einen weiterführenden Blick auf den Gegenstand (vgl. ebd.: 14). Auch die vorliegende Forschung betrachtet Diskurse sowohl als Praxis wie auch als strukturgebende Ordnung. Dabei sind Diskurse zwar in der Hauptsache sprachlich vermittelt, beziehen sich aber zugleich auf die ihr zugrunde liegende Tiefenstruktur (s.o.), die im Prozess der Herstellung systematisch die Dinge erzeugt, von denen sie spricht. Dabei müssen aber Möglichkeitsbedingungen des Sprechens und der Teilhabe an Diskursen genauso berücksichtigt werden, wie die Effekte der Diskurse, die das Subjekt auf machtvolle Weise hervorbringen. Dies bedeutet: Nicht nur wann und wie gesprochen wird ist relevant, sondern auch die Frage, in welcher Position was geäußert wird, ist bei einer Analyse diskursiver Praktiken und von Diskursen als ordnende Prinzipien wichtig. Dieser Perspektive widmet sich die Situationsanalyse. Die Situationsanalyse als Diskurs- und Subjektivierungsforschung Diskursforschung in Anlehnung an die Situationsanalyse bringt alle Bedingungen ein, die eine Situation hervorbringen, und sie geht gleichzeitig auf die Positionen im Diskurs ein. Beispielsweise werden Medienkontexte in einen Zusammenhang mit Rechtslagen und Gesetzesänderungen gebracht, wenn diese die Situation beeinflussen, und es wird dargestellt, von welcher Position aus was sagbar und wahrnehmbar ist. Ziel ist es herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen was gesagt wird und wie Diskurse damit strukturiert sind. Auch die Rekonstruktion rassifizierender und vergeschlechtlichender Diskurse und andere Subjektvierungsanalysen können mit der Situationsanalyse verdeutlicht werden (vgl. Clarke 2012: 157). Adele Clarkes Perspektive rührt aus der Bemühung, pragmatische Ansätze mit einer Foucault’schen Perspektive der Diskurstheorie zu verbinden. Sie schafft mit dieser Methode eine Möglichkeit, sich auf Kontextbedingungen zu beziehen, die Ordnung und Grammatik hierarchischer Diskurse zu verdeutlichen und gleichzeitig diskursives Handeln hervorzuheben. Die Situationsanalyse von Clarke ist, wie auch andere Diskursanalysen, einer sozio-linguistischen Grundlage verpflichtet. Sie ist darüber hinaus auch an strukturellen und pragmatischen Perspektiven orientiert, sodass Subjekte nicht nur durch den Diskurs hervorgebracht werden, sondern im Diskursiven eigene Strategien des Umgangs verfolgen. Es werden komplexe Situationen – Clarke bezieht sich häufig auf medizin-historische Entscheidungen wie beispielsweise die Nicht-Einführung der Abtreibungspille in den USA –, die von vielfältigen Sprecher*innen, Perspektiven, von neuer Medizin, von Lobby-Gruppen und einzelnen Akteur*innen darin abhängig sind, dargestellt (vgl. Clarke 2012). Diskurse und Positionen darin werden in aufwändigen Mapping-Verfahren zueinander in Beziehung gesetzt, und so ist es möglich, sowohl die strukturelle und die symbolische Ebene zu verdeutlichen als auch die strukturierenden Diskurse abzubilden. Damit verbleibt der Diskursbegriff in der Situationsanalyse, wie er in Kapitel 3 beschrieben wird, sicher auf einer abgeschlossenen Ebene und wird nicht so betrachtet, wie er die Dinge, von denen er spricht, systematisch hervorbringt; Subjektivierungen
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entstehen im Diskurs, sind aber nicht gänzlich durch ihn hervorgebracht (vgl. auch die Kritik von Diaz-Bone 2013). Das Subjekt unterliegt in der Situationsanalyse unterschiedlichen diskursiven Anrufungen, die sich teilweise widersprechen und gegensätzliche Anrufungen und Praxen erzeugen, und genau das macht sie für die hier vorliegende Forschung zu diskursiven Praktiken in einer spezifischen Situation so wertvoll. Weiterführung für die eigene Perspektive Auch die vorliegende Arbeit betrachtet Diskurse als sozio-linguistische Formationen, die ihrerseits eine Materialität hervorbringen und haben. Sie folgt außerdem der erziehungswissenschaftlichen Perspektive der Relationierung von diskursiven Formationen und diskursiven Praxen darin. Da es in dieser Arbeit um Subjektivierungen geht, die einerseits vergeschlechtlichend wirken und anderseits rassifizierend, wird es ein zentraler Punkt sein, diskursive Formationen zu beschreiben und in Relation dazu diskursive Praxen zu verdeutlichen. Die Verhandlung von Identitäten (im weiteren Sinne), von Geschlecht und Zugehörigkeiten ist als ein zentraler Bestandteil von diesen Diskursen zu betrachten, die im Rahmen der vorliegenden Interviews angesprochen wurden. Dort wird deutlich: In Diskursen und diskursiven Verhandlungen wird Wissen bereitgehalten und ergriffen, um damit eigene ›Wahrheiten‹ zu konstituieren. Somit ist das in Diskursen zur Verfügung stehende Wissen nicht immer als ein dem Subjekt ›äußerliches‹ zu verstehen; vielmehr generieren auch hier Diskurse die Möglichkeiten des ›Sichtbaren und des Sagbaren‹ – weitergedacht auch des Benennbaren! Diskursives Wissen und diskursive Wahrheiten sind damit einerseits als Ensemble zu betrachten, das sich in gesellschaftlichen Zusammenhängen wie Institutionen, Medien, politischen Sphären und vielem mehr zuträgt; sie sind aber auch gleichzeitig das Moment, was Subjekte als Wissen und Erfahrung ›verinnerlichen‹ und als Möglichkeitsbedingungen generieren; auch hier markieren sie die Grenze des Sichtbaren und Sagbaren.
2.4.4
Diskursive Formationen, Ordnungen und Praktiken
Diskursive Formationen und Ordnungen – gerade im Hinblick auf Rassifizierungen und Vergeschlechtlichungen – verdanken sich einem Archiv der Episteme und einer Tiefendimension, die immer wieder in differenter Form abgerufen werden können. Sie beziehen sich dabei nicht einfach auf prä-existente Wahrheiten, sondern sie bringen die Wahrheiten, auf die sie sich beziehen und die sie zu etablieren suchen, systematisch hervor. Nur in der Rekonstruktion der gesellschaftlichen Konstruktion lässt sich die systematische Genese der Gegenstände, lassen sich mit ihnen einhergehende Diskurse betrachten. Deshalb liegt der Schwerpunkt von Analysen diskursiver Formationen oder der Ordnung des Diskursiven häufig darauf, Elemente und Strukturen dieser Ordnung zu verdeutlichen. Ich habe eine solche Rekonstruktion am Beispiel von rassifizierenden und vergeschlechtlichenden Stereotypen vorgenommen; dabei zeige ich einerseits die innere Verweisstruktur der Stereotype untereinander auf und kann in Relation dazu gleichzeitig veranschaulichen, welche diskursiven Praxen die interviewten Frauen* zeigen (vgl. Kapitel 4.4). In der vorliegenden Forschung liegt daher der Schwerpunkt auf der Betrachtung von Diskursformationen, die an die interviewten Frauen* herangetragen werden und
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nicht etwa darauf zu beschreiben, wie sie den Diskurs hervorbringen. Foucault versteht Diskurse als aussagengeleitetes Regelsystem, in dem sich die Aussagen aufeinander beziehen und miteinander ein Geflecht ergeben, das eine Verweisstruktur oder eine rizomatische (vgl. Wrana 2012) Struktur annimmt. In diesem aussagengeleiteten Regelsystem wurden Subjekte von ihm zunächst als Effekte der Diskurse betrachtet; sie haben keinen ›inneren‹ Kern bzw. keine »innere[n] Landschaften« (Hall 1996: 13), die nicht durch den Diskurs hervorgebracht oder von ihm determiniert sind (vgl. Spies 2009: 5). Es geht ihm darum, die in einem Aussagenkorpus enthaltenen Denkkategorien und die im Diskurs errichtete ›Ordnung der Dinge‹ sowie die zu einer bestimmten Zeit akzeptablen Sprechweisen zu rekonstruieren (vgl. Spies 2009: 5). Spies zeichnet nach, dass es Foucault um die Frage ging, warum bestimmte Aussagen zu bestimmten Zeiten auftauchen und nicht andere Aussagen; Aussagen, die das Subjekt disziplinieren und hervorbringen. Das Subjekt ist damit in dieser Perspektive von Foucault und zu dieser Zeit nur ein Effekt der Diskurse, beispielsweise des psychiatrischen Diskurses (vgl. Foucault 1981: 74). Stuart Hall stellt aber die Frage: »The Question which remains is […] a theory of what the mechanisms are by which the individuals as subjects identify (or do not identify) with the positions to which they are summoned; as well as how they fashion and stylize, produce and ›perform‹ this positions, and why they do so completely, for once and all time, and some never do, or are in constant agnostic processes of struggling with, resisting, negotiating and accommodating the normative or regulative rules with which they confront and regulate themselves. In short, what remains is the requirement to think this relation of subject to discursive formations as an articulation« (Hall 1996: 13, Herv. i.O.). Diese Frage hat mich dazu bewogen, einerseits die diskursiven Formationen herauszustellen und anderseits die diskursiven Praktiken zu betrachten, denn es ist sicher wahr, dass Diskurse von den interviewten Frauen* unterschiedlich gedeutet, angenommen oder von ihnen gesprochen werden. Da mir die Perspektive auf Artikulationen zu intentional erschien und ich herausstellen wollte, wie das Diskursive auch die Subjektivität der Frauen* strukturiert, habe ich mich zunächst der Perspektive auf diskursive Praktiken (vgl. Wrana 2012) angeschlossen, habe aber im Verlauf der Auswertung doch feststellen müssen, dass es sich eher um ein diskursives Handeln dreht, was sich in der Empirie verdeutlicht. Ich werde im Folgenden kurz die methodologische Herangehensweise von Wrana verdeutlichen und dann beschreiben, welche Perspektiven ich davon mitnehme und welche ich im Verlauf der Auswertung verändert habe. Von diskursiven Praktiken zum diskursiven Handeln Diskursive Praktiken lassen sich als Handlungen beschreiben, in denen Positionierungen, Wissensobjekte, Subjektivitäten sowie Aussagen performativ hergestellt werden (vgl. ebd.). Diese Herstellungspraxen finden aber wiederum in einem Feld statt, in dem die Bedingungen des Sagbaren über die Strukturierung im Diskursiven und durch das Diskursive geregelt sind. Diese Perspektive der Diskursanalyse, so Wrana, bezieht sich im Wesentlichen auf das ›doing‹ der Subjekte, und es schließt an Positionen an wie bspw. die von Zimmermann und West (1987) mit »doing gender«. Es geht darum, so führt es Wrana im Weiteren aus, herauszustellen, in welcher funktionalen Beziehung Aussagen
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
miteinander in Verbindung gebracht werden. Diese Funktionalität der Aussagenpraxis ist die Analyseeinheit der diskursiven Praktiken (vgl. Wrana 2012: 197). Er führt vier unterschiedliche ›Dimensionen‹ dieser Funktionalität an, die im Aussagesystem zueinander in Bezug gesetzt werden; diese sind: a) »eine Materialität, die den Äußerungsakt auszeichnet, insofern sein Vollzug an Institutionen, Situationen und Körper gebunden ist«; b) »ein Feld von Gegenständen, auf das der Äußerungsakt referenziert und im Vollzug zugleich abgegrenzt« wird; c) »eine Reihe von semantischen Elementen, mit denen im Vollzug ein rhizomatisch organisiertes Geflecht an Bedeutungen konnotiert wird«; d) »eine Subjektivität, die im Vollzug konstituiert wird, in dem im Äußeren ein Platz eingenommen wird, der bereits existiert und zugleich besetzt und produziert wird« (Wrana 2012: 197).
Die Dimensionen werden in Äußerungsakten zueinander in Beziehung gesetzt und erscheinen als natürliche Entität, die die Position, von der aus gesprochen wird, in Existenz bringt. Zu beachten ist dabei aber, dass dem Äußerungsakt in jeder Dimension eine Struktur vorausgeht, auf die er sich bezieht, und gleichzeitig eine Art Wiederbesetzung der Struktur und der Position stattfindet. Diese Gleichzeitigkeit von Bezug auf eine Struktur oder Entität, die schon vorgegeben ist und die folgende In-Beziehung-Setzung transformiert oder verändert die Situation. Diese Art der transformativen Kraft der Äußerung bezeichnen Laclau und Mouffe (2012) als Artikulation. Die Transformation erfolgt nicht einfach nur über die In-Beziehung-Setzung der verschiedenen Bezüge, sondern die artikulatorische Praxis setzt sie so in Beziehung zueinander, dass sie transformiert und modifiziert wird. Laclau und Mouffe konzipieren die Artikulation als Analyseeinheit im Diskurs: Die Artikulation ist damit die Praxis, »die eine Beziehung zwischen Elementen so etabliert, dass ihre Identität als Resultat einer artikulatorischen Praxis modifiziert wird« (Laclau/Mouffe 2012: 144). Mit der Perspektive auf diskursive Praktiken werden nicht die Diskursformationen an sich, sondern die diskursiven Praktiken des Sprechens und Handelns untersucht. Der Diskurs ist in diesem Zusammenhang die Tätigkeit, das Handeln und Sprechen im Diskurs, nicht aber die Perspektive auf die Formationen des Diskurses als Objekte (vgl. Fegter et al. 2015b: 13). Fegter et al. beschreiben diese Ansätze als pragmatisch,152 weil sie einer Tradition aus den Sprachwissenschaften folgen, die die Tätigkeit des Sprechens in den Fokus nimmt und nicht den Systemcharakter der Sprache (vgl. ebd. Fußnote 6). Während also Diskursanalysen mit Bezug auf Diskursformationen die Systematik, die Formation und die Grenzen des Diskurses betrachten, rückt die Perspektive auf diskursive Praktiken Tätigkeiten des Sprechens in den Vordergrund. Die Autor*innen untersuchen dabei Artikulationen häufig in ihrer »Sequenzialität und Situiertheit« (Fegter et al. 2015b: 14) und greifen dabei auf Methoden wie etwa die Konversationsanalyse (Sacks/Jefferson 1996) oder die Diskurspragmatik (Maingueneau 2014) zurück. 152
Auch die methodologische Herangehensweise der Situationsanalyse fußt auf pragmatischen Ansätzen, die sich durch den symbolischen Interaktionismus begründen (mehr dazu vgl. Kapitel 3).
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Ziel dieser pragmatistischen Herangehensweise ist es herauszuarbeiten, wie »soziale Ordnungen, kulturelle Hegemonien und Macht-Wissens-Systeme in konkreten, lokal situierten, diskursiven Praktiken produziert werden« (Fegter et al. 2015b: 14). Die Untersuchung diskursiver Praktiken greift darauf zurück, symbolische Ordnungen und Repräsentationen derselben herauszustellen, um zu zeigen, wie sich zum einen Macht-Wissens-Ordnungen festigen und zum anderen, Handlungen darüber legitimiert werden. Die vorliegende Forschung nimmt Perspektiven der Subjekte zum Anlass, um nach ihren diskursiven Praktiken zu fragen; insofern geht es zwar auch um Legitimationen, aber quasi in die entgegengesetzte Richtung. In Rückbezug auf Foucault formuliert Wrana den Zusammenhang zwischen diskursiven Praktiken und Diskursformationen folgendermaßen: Diskurse sind unter dieser Perspektive »einerseits die diskursiven Formationen als gesellschaftliche Wissensfelder und -ordnungen, von denen her sich Äußerungen bilden können, zugleich aber die Handlungsweisen, in denen sich das Sagbare und Sichtbare formt und in denen die Bedeutung und Gegenstände des Wissens ebenso konstituiert werden wie die Subjektpositionen der diskursiv Handelnden« (Wrana 2012: 196, Herv. DBC). Neben der Diskursformation gehören auch die Handlungsweisen, die sich wiederum auf die Äußerungsmöglichkeiten im Diskurs und im Gebrauch des Diskursiven beziehen, zur Analyse von diskursiven Praktiken. Diese Praktiken und Handlungsmöglichkeiten bringen nicht nur das Sichtbare und Sagbare hervor, sondern sie konstituieren auch die »Gegenstände des Wissens« (ebd.) ebenso wie die »Subjektpositionen der diskursiv Handelnden« (ebd.). Wrana bezieht sich in seinen Ausführungen auf Foucaults Archäologie des Wissens, in der Foucault eben jene Ebenen miteinander verschränkt und in einen Bezug zueinander setzt. (vgl. Foucault 1981). Diskursive Praktiken schließen, so führt Wrana dann aus, an praxeologische Theorien an (vgl. hier Reckwitz 2003). Zentral ist hier der Wissensbegriff, und dieser richtet sich nicht an einem ›positiven Wissen‹ aus, sondern »auf die produktiven Konstruktionsweisen und Wissenspraktiken, die die Bedingungen von Sagbarkeit und Sichtbarkeit bilden« (Wrana 2012: 196).153 Auch hier geht es wiederum darum, ein Beziehungsnetz von Aussagen herauszustellen, die ihrerseits auf ›Wahrheiten‹ rekurrieren und ein Wahrheitsfeld hervorbringen. Die Analyse diskursiver Praktiken fragt danach, »welches implizite Wissen den Praktiken zugrunde liegt und sie ermöglicht« (Wrana 2012: 196).154
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An dieser Stelle würde ich mich abgrenzen, weil es in meinem Sample nicht um Wissenspraxen eines wie auch immer betrachteten Expertentum geht, sondern um Subjekt-Bildung. Dieses Subjekt greift auf ein Wissen zurück, das in Diskursen transportiert wird. Wie in den Interviews auch deutlich wird, ist dies teilweise auch ein alltägliches Wissen, was nicht unbedingt über eine »wissensbasierte Tätigkeit« (Fritzsche/Idel/Rabenstein 2011: 31) erfasst werden muss. Abgrenzen lässt sich damit eine inhaltsanalytische Perspektive, die eher evidente Aussagen in ihrer verhältnismäßigen Praxis analysiert und/oder tiefenhermeneutische Perspektiven die den subjektiven Sinn einer Aussage herausarbeiten (vgl. ebd.). Trotz dieser Abgrenzungen lassen sich auch Gemeinsamkeiten herausarbeiten, beispielsweise genau dann, wenn Diskurse auch als prägend für subjektive Einstellungen betrachtet werden können. Im Unterschied zu hermeneutischen Verfahren wird dann aber mehr die Diskursebene die die Aussage hervorbringt miteinbezogen und nicht die mögliche Perspektive eines ›inneren Konfliktes‹ herausgestellt.
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
Nachdem nun deutlich die diskursiven Praktiken im Anschluss an Wrana dargestellt wurden, möchte ich noch kurz darstellen, wo ich in einer Subjektivierungsanalyse einen anderen Weg gehe und von dem eben Ausgeführten abweiche. Wie zuvor schon an manchen Stellen betont, geht es auch mir um Diskurse als Praxis; aber – und hier weiche ich deutlich ab –: Mir geht es um eine Subjektivierungs- und Bildungsanalyse. Das bedeutet: Die Aussagen in den diskursiven Praxen sind zwar als Teil des Diskursiven zu verstehen, aber durch ihre marginalisierten Positionen in den Diskursen sind sie nicht fähig, systematische Aussagen zu erzeugen bzw. mitzuerzeugen, die dann zu einem geregelten Aussagesystem werden, wie es Foucault beschrieben hat. Sie greifen vielmehr von der anderen Seite auf Diskurse zu und versuchen, ihnen etwas entgegenzu- setzten. Trotzdem strukturiert das Diskursive und die oben benannten Tiefendimensionen für sie auch ihre Subjektivität; und die Betrachtung der diskursiven Praktiken half mir, herauszustellen, was die Subjekte im Regelsystem der Sprache da eigentlich tun – wie sie Anrufungen annahmen, wie diskursives Wissen ihre Subjektivität strukturiert und welche Artikulationen sie einbrachten. Ich möchte das kurz an einem Beispiel beschreiben: Mora erhält wie alle anderen auch Zuschreibungen über Stereotypisierungen. Die Stereotype sind immer rassifiziert und geschlechtlich kodiert, insofern handelt es sich für mich um die unter a) bezeichneten Materialitäten, die in ihrem Vollzug an einen Körper gebunden sind. Auf diese Materialität (Stereotype) beziehen sich die interviewten Frauen* und auch Mora. Ihr Äußerungsakt, unter b) genannt, grenzt sich von dieser Materialität ab. In den weiteren Schritten unterscheidet sich mein Vorgehen dann gänzlich von Wranas Ansatz, weil es mir hier nicht darum geht darzustellen, wie die diskursive Praxis dann performativ den Diskurs hervorbringt (c) und eine Subjektivität konstituiert wird (d); sondern meine Frage ist die, wie im diskursiven Handeln die Dinge zueinander in Bezug gesetzt werden und welche Strategien sich erkennen lassen. Mora nutzt im Umgang mit stereotypen Zuschreibungen beispielsweise eine Normalisierungsstrategie. In dieser Weise habe ich einerseits die diskursiven Formationen herausgearbeitet und anderseits die diskursiven Praxen, die für mich in der Subjektivierungsanalyse eher ein diskursives Handeln bedeuten. Sie sind ein Zwischenschritt in der Ermittlung der Bildungsperspektiven. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass diese Arbeit mit der Perspektive auf diskursives Handeln ermittelt, wie die Subjekte sich als Subjekte im Diskurs artikulieren, wie ihre Subjektivierungen, vermittelt über die Enge des Diskurses, deutlich werden. Gleichzeitig wird aber auch erkennbar, wie diese Subjekte Gegen-Narrative entspinnen und Neu-Setzungen verdeutlichen. Wesentlich ist darüber hinaus: Im Zusammenhang mit und im Rückbezug auf Praxen und Übungen des Selbst in der Artikulation – aber auch in Praktiken, die sich aus Gemeinschaftskontexten ergeben – werden Neu-Artikulationen und damit transformative Bildungsprozesse deutlich.
2.4.5
Zusammenfassung und Weiterführung
Daniel Wrana beschreibt in seiner theoretischen Verortung der diskursiven Praxen, wie Diskurse auch über diskursive Praxen performativ hervorgebracht werden. Obwohl in der vorliegenden Arbeit Diskurse auch als Praxen betrachtet werden, richtet sich der Fokus auf das Faktum, dass die interviewten Frauen* eher an der performativen Hervor-
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bringung von Gegennarrativen beteiligt sind und weniger an der Etablierung rassistischer Diskurse am Kreuzungspunkt von Geschlecht. Ich habe in Kapitel 2.2 strukturelle und historische Bedingungen herausgestellt, die das ›Archiv‹ der Diskurse bilden, auf die sich meine Interviewpartner*innen beziehen. In der vorliegenden Untersuchung geht es nicht darum, den Diskurs oder die Diskurse als ganze Formation(en) darzustellen und den inneren Zusammenhang des Diskurses oder der Diskurse zu verdeutlichen, vielmehr sind die Praktiken der diskursiv Handelnden (der Interviewpartner*innen) herauszuarbeiten, wobei es mir um eine Subjektivierungsanalyse geht. Trotzdem nähert sich diese Untersuchung ihrem Gegenstand mit der Begrifflichkeit der Diskurse, weil ein diskursives Tun herausgearbeitet werden soll. Auch vor dem Hintergrund der in Kapitel 2.2 beschriebenen Diskurslandschaften, die vielmehr als überlagernde und unabgrenzbare heterogene Diskurse gekennzeichnet werden müssen, welche aber wiederum auch in ihrer Verschränkung und Intersektion betrachtet werden müssen, ist das Tun der Subjekte und ihre wiederkehrende Konstituierung interessant. Wie in Kapitel 2.3 deutlich wurde, betrachte ich die Konstituierung der Schwarzen weiblichen Subjekte als konstitutives Außen, jedenfalls wenn Foucaults Subjektkonzeption als ›Ontologie des abendländischen Subjekts‹ betrachtet wird. Zumindest in seiner genalogischen Verortung werden diese Subjekte zum konstitutiven Außen – das nicht pathologisch (wie der Wahnsinn) – aber zumindest ein Spannungsfeld erzeugt hat. Auch mit Bezug auf Fanon (2008), Hall (2016), Sylvia Wynter (2014) und andere kann eine solche historische Position konstituiert werden. Inwieweit diese Diskurse heute noch Wirkung entfalten und welche Diskurse das Leben der interviewten Schwarzen Frauen* und Women of Color derzeit prägen, steht damit zur Disposition. Dass ihre Position trotzdem noch immer als konstitutives Außen betrachtet wird, kann an dieser Stelle schon vorweggenommen werden. Derzeit werden sie über Migrationsthematiken und damit zusammenhängende soziale Schwierigkeiten angesprochen. Fast nie sind sie konstitutiver Teil der Bevölkerung, höchstens mit dem Zusatz der Migration. Diese Situation verdankt sich einer spezifisch deutschen Umgangsweise mit der Migrationsthematik, wird aber auch durch die Konstitution des Schwarzen Subjektes insgesamt hervorgebracht. Diskursive Praktiken erfolgen hier also aus einer sehr bestimmten Subjektposition heraus, die ganz bestimmte Subjektivierungen zur Folge haben. Verbunden mit dem diskursiven Handeln erfolgen diese aus einer bestimmten Position heraus und verweisen auch immer auf diese. Die Untersuchung richtet sich also weniger an einem positiven Wissens-Begriff aus, der vermeintliche Wahrheiten des Wissens herausfinden will, es geht vielmehr um die »produktiven Konstruktionsweisen und Wissenspraktiken, die die Bedingungen von Sagbarkeit und Sichtbarkeit bilden« (Wrana 2012: 196). Deutlich wird ein implizites Wissen, das den Äußerungsakten und der Anwendung dieses impliziten Wissens der Akteur*innen zugrunde liegt. Die Frage ist dann, wie die Interviewpartner*innen machtvolle Diskurse sprechen, gegen-sprechen und reifizieren; wie sie damit das Feld des Sichtbaren und Sagbaren konstituieren und erweitern. Wie bringen sie in diesem Feld ihre eigene Subjektposition hervor und wie erweitern sie diese durch die beständige Unabgeschlossenheit heterogener und ambivalenter Diskursstrukturen? Diskursive Praktiken, so beschreibt sie Wrana, sind dann als Handlungsweisen zu bestimmen, die »Relationierungen von Bedeutungsfeldern, Wissensobjekten und Subjektivitäten
2 Bildung – Subjekt – Diskurs
performativ« (Wrana 2012: 196) herstellen, und – so würde ich hinzufügen – verändern und ausweiten. Wenn in Betracht gezogen wird, dass die Interviewpartner*innen – genalogisch gesehen – in machtvollen nationalistischen, Ethno-, Biomacht- und Geschlechterdifferenz-Diskursen verortet sind, so wird deutlich, inwiefern hier oben benannte Relationierungen von Bedeutungsfeldern vorgenommen und performativ verändert werden können. Eine Teilhabe und ein Tun, eine Praktik im Diskurs kann damit nicht unbedingt mit einer Handlungsfähigkeit gleichgesetzt werden. Vielmehr wird deutlich wie die Subjektivität der Frauen* durch Episteme und Diskurse erst erzeugt wurden, welche Normalisierungen (beispielsweise von Heterosexualität) ihnen zugrunde liegen und wie sie sich in diesen Grenzen bewegen. Macht-Wissens-Diskurse bringen, wie oben verdeutlicht, unterschiedliche Ansprachen und Zuweisungen des Subjektes hervor. Sowohl Diskurse um Geschlecht als auch Diskurse um die Kategorie race sind in ihrer Historizität von unterschiedlichem Alter und unterschiedlich breit verankert. Dies bedeutet, sie halten unterschiedliches Wissen bereit und unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu diesem bereiteten Wissen zu verhalten. Aus einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive sind sie außerdem auch Formen der Selbst- und Fremdregierung (Gutiérrez Rodríguez 2006). Diskurse, die sich auf Ethnisierung bzw. Rassifizierung und Vergeschlechtlichung beziehen, sind als historisch langwierig und sehr wirksam zu betrachten (vgl. ebd.), sind sie doch der Nexus, in dem der ethnisierte weibliche Körper als Ausgangspunkt zur Herstellung des gesellschaftlichen Körpers ›regiert‹ wird. Trotz der historisch weit zurückliegenden Konstruktionen, wie sie in Kapitel 2.2 beschrieben wurden, re-aktualisieren sie sich immer wieder. Gerade am Kreuzungspunkt zur Sexualität/Geschlecht/Rassifizierung findet eine enorme Steigerung und Verstetigung historisch kontingenter Diskurse statt. Obwohl diese Diskurse teilweise historisch spezifisch entstanden sind, finden sie ihre Übersetzung und teilweise neue Wirksamkeit heute, die auch wiederum bedingt sind durch ›neue‹ gesellschaftliche und politische Machtspiele. Festzuhalten bleibt: Die Intersektion zwischen Diskursen um Geschlecht und Rassifizierung kann, wie in der Einleitung schon dargestellt, als eines der ältesten (teilweise kolonialen) Macht- und Herrschaftsmomente angeführt werden, das zentral an die Idee von Nationalstaat und die Mythen einer ethnischen (Einheits-)Bevölkerung anknüpft. Die interviewten Frauen* sind dennoch als solche zu betrachten, die in, mit, und trotz dieser Diskursformationen ein Leben entfalten konnten. Es gibt viele, denen das aufgrund der Alltäglichkeit von verletzenden rassistischen Diskursen und deren Wirkmächtigkeit in Lebenschancen, nicht gelingt und die es vorziehen ihr Leben frühzeitig zu beenden (vgl. auch Kilomba 2013).
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3 Subjektivierungs- und Bildungsforschung mit der Situationsanalyse als methodischem Zugang
3.1
Einführung
Im letzten Kapitel wurde eine theoretische Betrachtung der Verbindung zwischen einer Foucault’schen Perspektive auf das Subjekt und seiner Herstellung in Machtkonfigurationen, Diskursen und diskursive Praktiken vorgestellt. Das Theorem der diskursiven Praktiken habe ich letztlich für diese Arbeit eher als diskursives Handeln gekennzeichnet, weil die Frauen*– zwar in die Diskurse verstrickt – aber auch explizite Gegenpositionen in diskursiven Anrufungen einnehmen. Da die Arbeit Subjektivierungs- und Bildungsprozesse von Schwarzen Frauen und Women of Color betrachtet, ging es zunächst darum herauszustellen, wie das Subjekt unter einer Foucault’schen Perspektive beschrieben werden kann. Deutlich herausgestellt wurde, dass es mit Foucault mehrere Perspektiven auf das Subjekt gibt, die alle als analytische Perspektiven genutzt werden können. Während es einerseits möglich ist anzudeuten, dass das Subjekt durch MachtWissens-Diskurse erzeugt wird und zudem die disziplinierende Seite dieser Diskurse beschrieben werden kann, kann mit Bezug auf die gouvernementalitätstheoretische Perspektive das flexible Regieren im Übergang zur Selbstregierung in den Blick genommen und diese Seite von Macht verdeutlicht werden. Darüber hinaus können aber außerdem Selbsttechniken und Technologien des Selbst als ethischer Bezug zum eigenen Selbst herangezogen werden. Dieser Bezug ist zwar sehr ambivalent, er muss aber dennoch als wichtiger Aspekt hervorgehoben werden, um ein Moment der Bildung (verstanden als Transformation) postulieren zu können. Die Subjekte handeln zwischen diesen beiden Polen: Einerseits in Diskursen, die ihre Subjektivierungen hervorbringen und andererseits in der Möglichkeit, Subjektivierungen zu transformieren, was hier im Anschluss an Bildungsprozesse betrachtet werden soll. Diskurse geben in dieser Gemengelage die Möglichkeiten der Selbsterfahrung, der Strukturierung von Wissen und auch von Handlungsmöglichkeiten wieder; sie strukturieren das Sicht- und Sagbare. Diskurse haben darüber hinaus aber auch noch eine Tiefendimension in der Sprache. Sie strukturieren nicht nur die Oberfläche der Sprache, sondern auch das, was in Sprache transportiert wird, wie sie zitierfähig ist und – mit Judith Butler gesprochen –
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Schwarze Weiblich*keiten
welche Iterabilität sie bietet. Diese Zitierfähigkeit hat nicht nur etwas mit Sprecher*innenpositionen und Kontext zu tun, sondern sie muss auch unbedingt an ein Archiv der Diskurse rückgebunden werden, wie im letzten Kapitel gezeigt wurde. Meine Interviewpartner*innen könnten als Personen aufgefasst werden, die diskursive Sprecher*innenpositionen erreichen wollen, um Ungleichheiten qua Geschlecht und Rassifizierungen entgegenzuwirken. Sie sind jeweils unterschiedlich in Aktivitäten involviert (sei es in der Familie, in der Community, in politischen Kontexten, in der Hochschule/Universität), die sich mit sozialer Ungleichheit auseinandersetzen. Ihr diskursives Handeln und ihre diskursiven Praxen sind vor dem Hintergrund zu verstehen, in Deutschland zwar an Diskursen und Praxen gegen Rassismus beteiligt zu sein, aber kaum bis sehr wenige Auseinandersetzungen in der Intersektion von Rassifizierung und Geschlecht zu finden. Aus diesem Aspekt heraus sprechen sie aus einer mehrfach marginalisierten Perspektive, und die Strukturierungen des Diskursiven lassen ihre Sicht nicht deutlich werden. Somit sind ihre diskursiven Praxen keine, die hegemoniale Diskursivierungen unterstützen, sondern eher jene, die versuchen, widerständige oder andere diskursive Praxen zu etablieren. Der Bezug auf diskursives Handeln und den Diskurs als Praxis ist in dieser Arbeit als theoretisch-methodisches Moment angelegt, in dem unterschiedliche Praxen des Sprechens, Nicht-Sprechens, Wider-Sprechens und Neu-Sprechens herausgearbeitet und deren Strategien im Diskursiven aufgezeigt werden. Sie geben überdies Auskunft über Subjektivierungen als Formationen des Subjekts, weil diskursive Praxen auf einen Resonanzraum im Subjekt treffen, der zur Artikulation auffordert. Wie ich an einigen Stellen zeigen werde, ist es für die Subjekte nicht möglich, sich nicht diskursiv zu verhalten. Anderseits werden über diese Auseinandersetzungen mit Arten und Weisen der diskursiven Praxen Bildungsprozesse deutlich. Diese Praxen sind notwendigerweise sehr ambivalent und tauchen nur in bestimmten Momenten auf; sie sind häufig vorläufig und müssen sich noch etablieren; inwiefern hierzu aber wiederum der Bezug auf Andere notwendig ist, möchte ich am Schluss der Arbeit zeigen. Vorgehen im Kapitel Die vorliegende Arbeit ist also eine Subjektivierungs- und Bildungsanalyse, die sich theoretisch-methodisch der Analyse von diskursivem Handeln einerseits, diskursiven Anrufungen anderseits und darüber hinaus transformatorischen Prozessen des Selbst widmet. Methodisch nähert sich diese Arbeit ihrem Gegenstand mit der Situationsanalyse von Adel Clarke (vgl. bspw. 2012). In Kapitel 3.2 werde ich zunächst meine Vorgehensweise im Interview, meine ersten Schritte und meine Strukturierung im Forschungsprozess vorstellen. Unter 3.3 stelle ich dann die Situationsanalyse als eine veränderte Form der Grounded Theory vor; ich beschreibe, welche Kritik Clarke an der traditionellen Herangehensweise hatte und wie sie die Methodologie verändert hat. In einem nächsten Schritt stelle ich dann die poststrukturalistischen Erweiterungen von Clarke dar und zeige, wie die Situationsanalyse als Methode genutzt werden kann, um Subjektivierungen, Bildung, Diskurse, diskursive Anrufungen und Handlungen zu explizieren. Unter 3.4 verdeutliche ich dann mein eigenes methodisches Vorgehen in der Auswertung im Rahmen der Situationsanalyse,
3 Methodischer Zugang
und ich fasse alle wichtigen Punkte unter 3.5 noch einmal kurz zusammen. Am Ende dieses Kapitels findet sich die erste Situations-Map, die zu den angesprochenen Themen erstellt wurde.
3.2
Grundlegende Vorgehensweise und Interviewführung
Helfferich (2011) betont, die wichtigste Voraussetzung für einen guten methodologischen Aufbau einer Untersuchung sei es, Entscheidungen zu treffen, die den Forschungsprozess teilweise von vornherein rahmen. Als wichtigste Entscheidung ist wohl die den Forschungsgegenstand (1) betreffende zu nennen. Dieser muss in seiner theoretischen Setzung (2) und Skizzierung dargestellt werden, damit ein theoretischmethodologischer Rahmen geschaffen werden kann. Es geht darum, den Status dessen darstellen zu können, was als Ergebnis präsentiert werden soll. Weiterhin müssen in einer qualitativen Forschung, die sich der Methode der Interviewführung bedient, Entscheidungen getroffen werden, die das Interviewformat, die Interviewform (3) und die Auswertungsstrategien (4) betreffen (vgl. Helfferich 2011: 167). Die ersten beiden Entscheidungen wurden bereits in Kapitel 1 und 2 dieser Arbeit skizziert und theoretisch gerahmt: die theoretische Skizzierung von Subjektivierungsund Bildungsprozessen einerseits und ihre Einbettung in Perspektiven der Rassismuskritik sowie der post- und dekolonialen Perspektive auf Bildung und Subjektivierung anderseits. Weiterhin wurde herausgearbeitet, wie darin der Subjektbegriff, Macht, Diskurs und diskursive Praxen als theoretisch-methodologische Perspektiven dienen. Warum nun welche Interviewform gewählt wurde und wie der Leitfaden erstellt wurde, soll im Folgenden kurz dargestellt werden. Mein Ziel in der Arbeit ist es, Subjektivierungs- wie auch Bildungsprozesse von Schwarzen Frauen* und Women of Color herauszustellen und zu erfahren, wie sie mit Rassifizierungen und Vergeschlechtlichungen umgehen. Zunächst hatte ich geplant, mit jüngeren Personen zu sprechen, die im Rahmen der Jugendhilfe untergebracht waren, um mit ihnen Interviews zu führen. Da ich mir zum Ziel gesetzt hatte, darüber zu sprechen und zu reflektieren, wie Menschen mit Ungleichheiten qua Geschlecht und Rassifizierung umgehen, wurde mir aber klar, dass es mir leichter fallen würde, mit solchen Frauen zu sprechen, die schon ein reflektiertes Verhältnis zu diesen Erfahrungen hatten. Einerseits deshalb, weil zu vermuten war, dass es in den Interviews auch nicht einfach sein würde, über die gemachten Erfahrungen zu sprechen und sie zu reflektieren, anderseits aber, weil ich moralische und ethische Bedenken hatte und befürchten musste, Mädchen of Color oder Schwarzen Mädchen im Anschluss an die jeweilige Interview-Situation nicht genügend Unterstützung bieten zu können, um die nun angesprochenen (teilweise traumatischen Erlebnisse) mit ihnen auffangen zu können. Deshalb entschloss ich mich Interviewpartner*innen zu suchen, die schon etwas älter waren (zwischen Mitte 20 und Mitte 30).1 Die Hoffnung, in den Interviews ei1
Natürlich kann das auch eine Annahme meinerseits sein, die so überhaupt nicht zutrifft, und es hätte sich auch eher Gegenteiliges herausstellen können; außerdem hätten mir Jugendliche viel-
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Schwarze Weiblich*keiten
nem reflektierenden Umgang mit erlebten traumatischen Situationen und schwierigen Lebensbedingungen zu begegnen, wurde nicht enttäuscht. Die Frauen* sprachen sehr kraftvoll über ihre Erlebnisse und ihre Umgangsweisen; gleichwohl wurden an einigen Stellen traumatische Situationen reaktualisiert – wie beispielsweise im Interview von Mora, als sie darüber berichtet, wie sie in einer Situation – auf sich allein gestellt – von vielen weißen betrunkenen Männern, die sie infantilisieren und objektivieren, umringt wird (vgl. Interview Mora Zeile 847-868 und Kapitel 4.4.1). Solche Stellen in den Interviews führten dazu, dass ich jeweils fragte, ob wir das Interview unterbrechen sollten, ob die Interviewpartnerin etwas benötige oder ähnliches; es führte außerdem dazu, dass die Interviewführung auch an manchen Stellen beruhigend sein musste – um ethischen Maßstäben2 gerecht werden zu können. Die Frauen* erzählten mir wirklich sehr viel über sich und vertrauten mir vieles an. Dass diese Herangehensweise letztlich dazu führte, dass die acht durchgeführten Interviews und ein Gruppengespräch mit drei Personen insgesamt eine Länge von mindestens eineinhalb bis zu drei Stunden haben, zeugt davon, dass sich den Frauen* damit eine willkommene Gelegenheit bot, sich mitteilen zu können, und so war in einigen Fällen schon die Interviewführung an sich ein Akt des diskursiven Eingriffs. Einige der sieben (ein Interview wurde wiederholt) Frauen*, die interviewt wurden, meldeten sich bei mir, weil sie davon gehört hatten, dass ich Interviews führe, andere sprach ich einzeln an (zwei Interviewpartnerinnen). Die Auswahl erfolgte anhand der Kriterien in der Auseinandersetzung in Bezug auf die Kategorie Geschlecht und Rassifizierung. Da – wie in Kapitel 2.2 herausgestellt wurde – Schwarze feministische Perspektiven oder solche von Women of Color auch in Schwarzen Bewegungskontexten manchmal (zumindest historisch) ausgeblendet werden und es in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten wenig wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit oder Zentren zu Schwarzem oder postkolonialem Feminismus gibt, war es mir wichtig, an diese Perspektiven anzuschließen. Obwohl es einige Studien und Betrachtungen in
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leicht auch noch einen differenzierteren Blick auf ihren Umgang mit diesem Thema vermitteln können. Michelle K. McGinn und Sandra L. Bosacki (2004) sowie Wolff-Michael Roth (2004) diskutieren ethische Konzeptionen und Haltungen in der qualitativen Forschung. Sie beziehen sich auf den Kontext Kanada und die Beforschung von Praktiker*innen in der pädagogischen Praxis. Kanada setzt für jedes Forschungsvorhaben zunächst eine Prüfung der ethischen Konzeptionen und Auseinandersetzungen des Projekts an. Unter die ethische Prüfung fallen auch marginalisierte Gruppen, wie Indigene und andere Minderheiten. Geprüft wird, ob und inwiefern sich Forscher*innen Gedanken darüber gemacht haben, wie sie es vermeiden können, marginalisierte Gruppen erneut traumatischen Belastungen durch Fragen und Interviewführung auszusetzten. Da auch ich mich einem Feld genähert habe, in dem anzunehmen ist, dass es Verletzungen geben könnte und das Sprechen nicht einfach sein würde, hatte ich mir vorher überlegt, dass ich die Interviewführung wenig konfrontativ gestalten und sie bei Anzeichen von Traurigkeit unterbrechen oder zumindest danach fragen sollte, ob wir das Interview unterbrechen sollen. Auch Witzel formuliert für die Interviewführung bei problemzentrierten Interviews, dass das Problem, das besprochen werden soll, ernst zu nehmen und sensibel in der Erzählung unterstützt werden sollte: »Wenn der Kommunikationsprozess sensibel und akzeptierend auf die Rekonstruktion von Orientierungen und Handlungen zentriert wird, entsteht bei den Befragten Vertrauen und damit Offenheit, weil sie sich in ihrer Problemsicht ernst genommen fühlen« (Witzel 2000, Abs. 4).
3 Methodischer Zugang
der Kombination Migration und Geschlecht gibt (vgl. bspw. Bereswill/Rieker/Schnitzer 2012; Gemende/Munch/Weber-Unger Rotino 2007; Boos-Nünning/Karakasoglu 2007), ging es mir doch eher darum zu erfahren, wie diese Frauen Rassismus und Sexismus erleben; wie sie das, was sie erlebt haben, reflektieren; ob sie Strategien der Gegenwehr wählen und welche das sind. Die Thematik der Migration spielt in dem Sinne für die Frauen* keine so große Rolle mehr; sie sind – mit Ausnahme von zwei Personen – nicht selbst migriert, und die beiden Personen sind über ihr Studium nach Deutschland gekommen. Erwähnung finden muss außerdem, dass alle interviewten Frauen* entweder mitten im Studium waren, gerade dabei waren, ihr Studium zu beenden oder am Beginn ihrer beruflichen (akademischen) Entwicklung standen. Es ist also ein sehr spezifisches Sample, welches sich ergeben hat. Gleichzeitig zeigen andere Studien (Essed 1991; vgl. Kilomba 2013; Hill Collins 2005; Velho 2016), dass Aussagen der Frauen* tatsächlich auch in anderen Kontexten zu beobachten sind, sie also nicht nur eine partikulare Gültigkeit haben. Die Interviewführung erfolgte auf der Grundlage eines problemzentrierten Interviewansatzes im Anschluss an Andreas Witzel (vgl. Witzel 2000). Mit dem problemzentrierten Interview ist es möglich, Situationen und gesellschaftliche Probleme so anzusprechen und anschließend herauszuarbeiten, dass sie der Kern dessen sind, worum es im Interview geht; außerdem ermöglicht es das problemzentrierte Interview, auf Orientierungen und Haltungen in der Auseinandersetzung mit den Problemen zu schauen (vgl. Witzel 2000 Abs. 4). Ich hatte zunächst aus methodischen Vorgaben bei Witzel (Klärung der objektiven Rahmenbedingungen und theoretische Annäherung an das gesellschaftliche Problem, vgl. Witzel 2000 Abs. 3 und 4) einen ersten Leitfaden erstellt, den ich in einem Testinterview (mit Claudia) ausprobiert hatte. Der Einstieg in dieses Interview begann mit der Frage nach ihrer sozialen Identität; obwohl Claudia diese Frage sehr gut beantworten konnte und auch viel dazu zu erzählen hatte, wurde mir doch deutlich, dass diese Frage zu voraussetzungsreich war. In Anlehnung an Helfferich (vgl. 2011: 167-193) habe ich dann einen neuen Leitfaden erstellt, in dem ich zunächst alle Fragen aufgeschrieben habe, die mir für das Thema wichtig erschienen, so wie es bei Witzel (2000) empfohlen wird. Ich habe dann mit einer Methode, die in Helfferichs Buch Die Qualität qualitativer Daten expliziert wird, erprobt, ob die Fragen geschlossene Antworten wie »ja« oder »nein« oder relativ kurze Antworten ergeben. Damit schieden einige der geplanten Fragen schon aus. Helfferich empfiehlt nun, die Fragen zu thematischen Blöcken zu clustern. Somit hatte ich fünf Themenblöcke, die mit einer Aufforderung zum Erzählen begannen (s.u.), gefolgt von Fragen, die Erfahrungen mit Ausgrenzungen über rassifizierte Merkmale zum Thema machten und hierbei auch Aspekte wie Biographie, Veränderungen, Schule und soziales Umfeld einbezogen; die gleiche Frage – mit den Schwerpunkten: Biographie, Veränderungen, Erfahrungen, Schule und soziales Umfeld – nahm ich dann mit Bezug auf das Thema Geschlecht vor. Im dritten und vierten Fragenkomplex ging es zunächst um Strategien des Umgangs mit den gemachten Erfahrungen (obwohl diese auch schon bei den beiden anderen Punkten genannt wurden) und zuletzt regte ich an, über Wünsche zur Zukunft zu sprechen.
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Der erzähl-auffordernde Impuls in Form eines Fotos3 wurde von den interviewten Personen sehr gut angenommen; auch die darauf folgende Frage: »Wie würdest du dich einer völlig fremden vielleicht außerirdischen Person beschreiben?« war ein äußerst produktiver Einstieg in die Interviews und führte dazu, dass die Frauen* auf ganz unterschiedliche Situationen und Perspektiven zu sprechen kamen. Das Bild wurde von mir gewählt, weil es einerseits Geschlecht thematisiert (oder eben nicht thematisiert) und andererseits das Thema Rassifizierung bildlich dargestellt wird. Da auf dem Bild möglicherweise unterschiedliche Personen oder aber unterschiedliche fotografische Partikel von einer Personen zu sehen sind, war die Aufforderung auch nicht zu eindeutig. Im Rahmen der Winter School 2016 Interdisziplinarität in der Qualitativen Bildungsforschung am 06./07.11.2016 an der Universität Duisburg/Essen durfte ich mein Promotionsprojekt in einem Workshop zu Diskurstheorie und Diskursforschung von Prof. Dr. Fabian Kessl und Prof. Dr. Daniel vorstellen. Neben vielen guten inhaltlichen Rückmeldungen und intensiven Diskussionen zum Projekt wurde doch auch deutlich, dass es nicht einfach ist, diese Interviews zu führen, ohne selbst wiederum eine anrufende Situation zu schaffen. Da beide Erzählimpulse (das Bild und die erste Frage) wichtige Ergebnisse und Erkenntnisse in dieser Arbeit lieferten, war es mir wichtig, über den Umgang mit diesen zu reflektieren. Über die Analyse der Interviews und im Rahmen der theoretischen Reflexion bin ich jedoch auch zu einer anderen Erkenntnis in der Auseinandersetzung gelangt: Die Frage der Subjektivierung und der Anrufung muss sich, glaube ich, dahingehend verschieben, wie wir subjektiviert werden und nicht, ob dies der Fall ist. Ich habe im Kapitel 2.3 bereits herausgestellt, dass ich denke, wir können der Frage der Subjektivierung und der Anrufung nicht entgehen; vielmehr steht zu fragen, welche Subjektpositionen zur Verfügung stehen und wie wir subjektiviert werden. Die Interviews ergaben insgesamt so viel Material, dass ich mich nach der Auswertung der Ergebnisse aus der offenen Codierung4 dafür entschieden habe, nur die Intersektionen zwischen Geschlecht und Rassifizierung stärker in den Blick zu nehmen. Die Ergebnisse zweiter Ordnung sind dann schon Kategorisierungen, die sich aus der offe-
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Das Foto, welches ich für den erzählauffordernden Impuls genutzt habe, habe ich über Facebook gefunden. Ich habe es gewählt, weil es einerseits (meiner Meinung nach) Geschlecht auf eine indirekte Weise thematisiert hat und ein Nachdenken über Rassifzierung anstoßen konnte. Nach längerer Recherche habe ich dann herausgefunden, dass dieses Bild aus dem Film Dark Girls (2011) von Bill Duke stammt. Der Film thematisiert die Wirkungen von »Colorism« auf Schwarze Frauen* und Women of Color. Colorism ist eine Diskriminierungspraxis, die innerhalb einer bereits bestehenden rassifizierten Machtdifferenz auftritt, es geht um Aufwertungs- und Abwertungspraxen entlang der Helligkeit der Haut. Die Perspektive auf Colorism verdeutlicht, dass auch Rassifzierte unterschiedlich von Rassismus ge- und betroffen sind. Meine Intention war es aber nicht über Colorism ins Gespräch zu kommen und die Interviews haben sich auch nicht in die Richtung entwickelt. Eine offene Codierung ist der erste Analyseschritt im Rahmen der Grounded Theory und auch der Situationsanalyse. Es handelt sich um eine erste Sortierung der Daten, die nicht unbedingt thematisch erfolgt, sondern beispielsweise vorführt, wie die Themen angesprochen werden, was als relevant häufiger verdeutlicht wird und zu welchem Schwerpunkt was gesagt wurde. Mein Vorgehen in der offenen Codierung erkläre ich im Einzelnen unter Punkt 3.3.3.
3 Methodischer Zugang
nen Codierung und dem Folge-Schritt einer axialen Codierung ergeben haben.5 Letztlich erfolgt die Darstellung der Ergebnisse also in einer Zuspitzung, die die Häufigkeiten der Aussagen mit einbezogen hat und deren Relevanz ich auch theoretisch darstellen konnte. Wichtig war mir also bei der Auswertung und bei der Darstellung der Empirie in den folgenden Kapiteln die empirische Häufigkeit der Nennung(en) aufzuzeigen und zu untersuchen, ob ein theoretischer Zusammenhang hergestellt werden konnte, der sich auf das Thema Geschlecht genauso bezog wie auf Rassismus-Erfahrungen; deshalb ist beispielweise das Thema »Sexualisierung« (vgl. Kapitel 4.4) auch ein ausgearbeitetes Thema, obwohl auch viele andere Themen angesprochen wurden. Gerade bei diesem Thema konnte ich durch die Auswertung eine theoretische Sättigung6 herstellen, was bei anderen Themen (beispielsweise familiären Themen wie Mutterschaft und Kinder eingewanderter Eltern) nicht leicht möglich war. Ich habe dennoch – besonders in der Einführung – viele Themennennungen aufgegriffen, die an anderer Stelle weiter entwickelt werden müssen. Um nun im vierten Schritt die Auswertungsmethode (die Situationsanalyse nach Adele Clarke) vorzustellen, soll noch einmal kurz dargestellt werden, was und wie die Situation der vorliegenden Forschung überhaupt zu verstehen ist. Die vorliegende Situation ist als eine zu beschreiben, die sich dem Leben, den Perspektiven und Ansichten von Schwarzer Frauen* und Women of Color widmet. Zum Zeitpunkt der Interviews lebten alle Frauen* in Deutschland, und doch wird in den Interviews und der Auswertung sehr schnell klar, dass es sich hier nicht um eine nationale Perspektive handeln kann, weil die Frauen* ihr Wissen und ihre Beschäftigungen aus internationalen Kontexten beziehen. Deutschland ist damit zur Zeit der Interviews ihre örtliche Situierung, die sie durch rechtliche Rahmenbedingungen und historische Erlebnisse beeinflusst; gleichzeitig werden aber auch transnationale Bezüge (beispielsweise durch Diaspora-Erfahrungen, Arbeitsmigrationen der Eltern oder eigene Erfahrungen mit Auswanderung) deutlich. Sie werden in Deutschland als Migrantinnen angesprochen, obwohl sie entweder keine eigenen Migrationserfahrungen haben oder durch ein Studium nach Deutschland gekommen sind. Hier wird die rechtlich-statistische Erfassung eines Migrationshintergrundes relevant; sie werden aber hauptsächlich als nichtzugehörige Andere angesprochen aufgrund eines Merkmals: Sie sind alle nicht-weiß. Da damit evident wird, dass Zugehörigkeit eine diskursive Verhandlung ist (vgl. Kapitel 2.2.3), deren grundsätzliche Struktur darin begründet liegt, wie natio-ethno-kulturelle (Mecheril 2003a) Zugehörigkeit zu Deutschland aussehen kann, widmet sich die folgende Analyse den diskursiven Praxen der Frauen*, um zu verstehen, wie sie mit Aspekten der Vergeschlechtlichung und der Rassifizierung umgehen. Ich hatte mich im Laufe der
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Das axiale Codieren erfolgt nach dem offenen Codieren. Aus dem offenen Codier-Prozess heraus entstehen Kategorien; ob die Kategorien untereinander einen Zusammenhang haben und wie stark der Zusammenhang ist, erweist eine axiale Codierung. Auch diesen Vorgang beschreibe ich unter Punkt 3.3.3 genauer. Eine theoretische Sättigung ist dann erreicht, wenn nach dem offenen Codier-Prozess und der axialen Codierung keine relevant neuen Perspektiven im Material ersichtlich werden. Die Situationsanalyse hat jedoch eher das Ziel, keine letzte theoretische Erklärung darzustellen, sondern mehrere theoretische Perspektiven zu eröffnen (vgl. Kapitel 3.3).
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Forschung dazu entschieden, mit dem Begriff race zu arbeiten, weil die Differenzsetzungen, die in meinem Sample zutage traten, tatsächlich immer eher race-Differenzen aufriefen, nicht aber kulturelle und auch keine nationalen. Das Diskursive von Geschlecht oder race entfaltet sich auf unterschiedliche Weise: Einerseits sind es mediale Diskurse, die wiederum aber auch im allgemeinen Wissen der Menschen verankert sind und auch virtuell oder visuell existieren; andererseits sind es Diskurse, die aus einer Art diskursivem Archiv hervorgehen. Die Subjekte werden auf eine ganz spezifische Art hervorgebracht und müssen sich in diesen Diskursuniversen verhalten. Diese Diskursuniversen strukturieren und begrenzen damit auch in gewisser Weise die Möglichkeitsund Seinsbedingungen der Frauen*. Da Macht und Herrschaft aber auch immer Widerstände und widerständiges Verhalten hervorrufen und Bildungsprozesse auch immer ein Teil dieser widerständigen Prozesse sind, sollen neben Subjektivierungs- auch Bildungsprozesse erfasst werden. Darüber hinaus existieren verfestigte Strukturen (wie das Einwanderungsgesetz, unterschiedliche Interessengruppen, Arbeitsmarktstrukturen und deren Verankerung im Geschlechterverhältnis – um nur einige zu nennen), die die Situation für die Frauen* hier in Deutschland prägen. Mit dieser Situationsanalyse sollen sowohl das ›Feld‹ mit seinen sozio-kulturellen Strukturierungen als auch die Diskurse und die diskursiven Praktiken der Frauen* beschrieben werden. Die soziokulturellen und historischen Daten werden einerseits aus der theoretischen Verankerung gewonnen, die in Kapitel 2.2 bearbeitet wurde, anderseits werden alle Ereignisse7 (beispielsweise die Morde in Solingen in den 1990er Jahren), die von den Frauen* als einschneidende Erlebnisse thematisiert werden, in die Situationsanalyse mit aufgenommen. Neben den Diskursuniversen, die in der Situation eine Rolle spielen (Einwanderungsdiskurse, Geschlechterdiskurse, rassistische Diskurse u.v.m.), sollen in der Situation auch die diskursiven Praxen der beteiligten Frauen* verdeutlicht werden. Die diskursiven Handlungen gelten der Verhandlung von intersektionalen Diskriminierungs-Erfahrungen; sie versuchen insofern, Gegennarrative, andere Plausibilisierungen und Artikulationen zu finden. Dabei reifizieren auch sie in gewisser Weise an gewissen Stellen diese Diskurse, aber in diesen Auseinandersetzungen und speziell in diesen diskursiven Handlungen passiert mehr – und das interessiert mich. Situations- und Diskursanalysen nehmen ihren Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigen, so manches Mal in kritischer Absicht ins Visier. Die vorliegende Situationsanalyse geht genau gegensätzlich vor: Indem sie die in Diskursen marginalisierten Stimmen zentral als Ausgangspunkt setzt, können Bildungs- als auch Subjektivierungsprozesse in der Situation von marginalisierten Subjekten ausgehend gedacht werden.
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In der Diskursforschung werden Ereignisse als soziale Geschehnisse bezeichnet, die einen Diskurs und die Strukturierungen von Diskursen verändern, wenden oder eine neue Qualität hervorbringen. Gabriele Dietze beschreibt die Kölner Silvesternacht 2015/2016 als Ereignis; sie rekurriert dabei auf Deleuze und weist grundsätzlich daraufhin, dass, obwohl es ein Häufung von Daten und Fakten gab, die »Sache an sich beunruhigend unsichtbar« (Dietze 2017: 279, Herv. i.O.) blieb.
3 Methodischer Zugang
3.3
Die Situationsanalyse nach Adele Clarke
Nachdem nun die Rahmenbedingungen zur grundsätzlichen Herangehensweise dargelegt wurden und es einen Einblick in die Definition der vorliegenden Situation gab, wird im folgenden Kapitel die Situationsanalyse als Methode und methodologische Haltung vorgestellt. Die Situationsanalyse ist insgesamt als eine veränderte Perspektive im Feld der Grounded Theory (GT) zu verstehen. Sie bringt – in Erweiterung zur GT – auch Diskurse und Subjektivierungen in die zu analysierende Situation mit ein. Für die vorliegende Forschung war der Grounded-Theory-Ansatz zunächst der vielversprechendste Ansatz in der gesamten Methodenlandschaft. Ziel der Forschung sollte eine dichte Analyse des Gegenstandes sein, die neue Momente der Anknüpfung und Theoretisierung bereithält. Hier versprach die GT eine methodologische Haltung, die sich letztlich auch in die Methode umsetzte. Doch bei genauerer Betrachtung wurde deutlich, dass die Situationsanalyse weitergehende Inspirationen für den Forschungsgegenstand bereithielt. Als wichtigste Inspiration wäre wohl zu nennen, dass in der Analyse die Situation im Gesamten betrachtet wird. Dies bedeutet, wie weiter unten auch aufgeführt: Die zu beforschende Situation wird von der forschenden Person definiert. Sollten in der Situation Gegenstände, Verhaltensweisen, Neuerungen, Artefakte oder ähnliches eine diskursive oder situative Macht entfalten, so ist die Forscherin gehalten, dies zu berücksichtigen.8 Im vorliegenden Untersuchungsdesign hat diese Vorgehensweise den Vorteil, alle in der Situation befindlichen Aussagen aus den Interviews, rechtliche Rahmenbedingungen, historische Veränderungen und gesellschaftliche Diskurse in die Situation aufzunehmen und auch bereit zu sein, Veränderungen aufzunehmen, so sie eine situative Macht entfaltet hätten. Es werden also weder nur Diskursformationen noch nur gesellschaftshistorische Veränderungen noch nur die Interviewpartner*innen gewichtet, sondern im Grunde spielen alle Faktoren eine relevante Rolle für die Situation. Als weitere Inspiration kann die stark haptische Erfahrung des Mappings (Methode der Situationsanalyse) genannt werden. Wie beschrieben, wird alles für die Situation Relevante auf ein größeres Blatt Papier gebracht und in Verbindung miteinander diskutiert, bzw. die Verbindung wird zunächst deskriptiv beschrieben. Die Vorgehensweise der Situationsanalyse eignet sich auf den ersten Blick generell für Untersuchungsdesigns, die eine komplexe institutionelle Situation oder einen Diskurs untersuchen wollen. In dieser Methoden-Tradition ist die Situationsanalyse auch verortet (vgl. Keller 2011). Diaz-Bone (2013) kritisiert, dass Adele Clarke es nicht geschafft hat, ein Methoden-Theorie-Paket zu begründen, in dem Diskurse epistemisch systematisch die Dinge hervorbringen von denen sie sprechen, und das Feld gleichzeitig pragmatisch und strukturalistisch konzipiert ist; dennoch hebt er hervor, dass sie es durch die Strategien des Positions-Mappings geschafft hat, strukturelle Positionen aufzuzeigen, die nicht wahrgenommen oder eingenommen werden (vgl. Diaz-Bone 2013,
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Clarke erklärt das im Zusammenhang mit medizinischer Forschung; dort können neue Entwicklungen eine derartig situative und diskursive Macht entfalten, dass es wichtig ist, diese Artefakte dann mit einzubeziehen (vgl. Clarke 2012: 121). In der vorliegenden Situation hätten das zum Beispiel Ereignisse sein können, die die interviewten Frauen* in ihren jeweiligen Lebenssituationen gemeinsam angesprochen hätten, so ein Ereignis fand aber nicht statt.
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Abs. 20). Die vorliegende Analyse nutzt die Mapping-Strategie der Situationsanalyse, um die vorhandenen diskursiven Praxen einerseits und die vorhanden diskursiven Anrufungen anderseits aufzuzeigen; es geht weniger darum abzubilden wie Diskurse systematisch Dinge hervorbringen von denen sie sprechen, sondern mehr darum ein Spektrum zu eröffnen und zu zeigen, wie dieses Spektrum Subjektivierungen hervorruft. Die Subjektivierung Schwarzer Frauen und Women of Color als zugleich diskursive, manifeste und verleiblichte Situation zu verstehen, setzt viele Ebenen und Elemente in eine Beziehung, die die Positionierung der Subjekte beeinflussen. Hier bietet die Situationsanalyse die Möglichkeit, all diese Elemente, Diskurse, Materialitäten und Im-Materialitäten aufzunehmen und herauszuarbeiten, wie sie auf die einzelnen Personen einwirken. In der methodologischen Haltung werden so alle Aspekte in die Situation aufgenommen, die in Interviews und anderen zugänglichen Materialien deutlich werden. Adele Clarke (vgl. bspw. 2012), die diesen Ansatz (hauptsächlich) mitentwickelt hat und unter deren Namen Diskussionen über diesen Ansatz firmieren, beschreibt ihn als einen Ansatz, in dem ›Messiness‹ von Vorteil ist (vgl. Clarke 2012: 121). Damit meint sie alles, was für die Situation relevant erscheinen mag und alles, was sich vorfinden lässt, sollte (zunächst) in die Analyse einbezogen werden. Im folgenden Kapitel werden also zunächst die Grounded Theory (GT) und ihre theoretische Verortung kurz gestreift, um wesentlich die Veränderungen durch die Situationsanalyse zu verdeutlichen. Es wird herausgearbeitet, an welchen Stellen und mit welcher Begründung die GT noch postmodern werden muss und wo sie es aber schon immer war (vgl. Clarke 2012: 43-75). Im Weiteren wird beschrieben, welche neuen theoretischen Wurzeln die Situationsanalyse hat. Neben einer generellen Diskursanalyse lassen sich mit der Situationsanalyse auch Subjektivierungen analysieren; diese Herangehensweise stelle ich in einem dritten Schritt vor und verbinde sie mit eigenen theoretischen Betrachtungen zu Diskursen und diskursiven Handlungen. Den Abschluss des Kapitels bildet die Beschreibung der Methode an sich. Hier werden die drei Arten des ›Mappings‹ vorgestellt und konkrete Verschränkungen mit der eigenen Vorgehensweise verdeutlicht.
3.3.1
Von der Grounded-Theory-Methode (GTM) zur Situationsanalyse
Die Grounded Theory (GT) ist eine Methode, entstanden im Rahmen der Chicago School of Sociology, die es sich zur Aufgabe macht, gesellschaftliche Ungleichheiten im Rahmen theoretischer Klärung und wissenschaftlicher Forschung zu analysieren und aufzudecken. Durch die grundlegenden Theoriebezüge aus dem Pragmatismus verfolgt sie eine Handlungstheorie, die Handlungen von Menschen im Rahmen gesellschaftlicher Strukturen zu erklären sucht. Die Situationsanalyse (SiAn) hingegen bezieht neben diskurstheoretischen Perspektiven auch weitere poststrukturalistische Theoriebezüge mit ein und möchte damit die in der Grounded Theory angelegten Interpretationen um den »poststrukturalistischen Turn« (Clarke 2012: 22) erweitern. Trotzdem hat Clarke, bei all ihren theoretischen Veränderungen, grundsätzliche methodologische Herangehensweisen aus der GT erhalten und bringt diese nun in einem anderen Verständnis in der SiAn wieder ein.
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Barney Glaser und Anselm Strauss gelten als die Begründer der Grounded Theory (Glaser/Strauss 1967, 2005). Beide verband die Idee, Theorien aus den gesellschaftlichen Verhältnissen heraus zu entwickeln und nicht makrotheoretische Perspektiven an soziale Situationen herantragen zu müssen. Aus dieser Perspektive heraus entwickelten sie – zunächst gemeinsam, dann getrennt voneinander – die GT. Die GT gilt als Methode, mit der Theorien mittlerer Reichweite entwickelt werden können. Während in der GT die Theorien aus dem Feld, auf das sie sich beziehen, entwickelt werden, sie also induktiv vorgehen, sind makrotheoretische Vorgehensweisen eher so zu verstehen, dass sie deduktiv an das Feld herangetragen werden.9 Die GT ist einerseits eine Methode, eine Forschungshaltung und außerdem eine konzeptuelle Vorgehensweise; sie ist aber gleichzeitig auch das Ziel der Untersuchung: eine auf Datenbasis generierte Theorie. Die theoretischen Wurzeln der GTM liegen im Pragmatismus. Während Barney Glaser diese Perspektive weiter verfolgte, änderte Anselm Strauss seine Herangehensweise, indem er grundsätzlich Theorien des Symbolischen Interaktionismus hinzuzog. Damit öffnete er – nach Adele Clarkes Perspektive – die GTM schon in Richtung einer postmodernen Veränderung. Letztlich sind durch diese theoretischen Anschlüsse schon einige Möglichkeiten geschaffen, die GT durch einen »Postmodernen Turn« (Clarke 2012b: 22) zu führen. Die gegenstandsbezogene Theoriebildung der GT erfährt derzeit in unterschiedlichen Bereichen eine Veränderung. Einen guten Überblick dazu gibt der Sammelband von Günther Mey und Katja Mruck (vgl. Mey/Mruck 2011). Auch Adele Clarke stellt fest, dass derzeit viele qualitative Forschungsmethoden auf ihre Beständigkeit für postmoderne10 Fragestellungen hin befragt werden. Sie stellt fest, dass es derzeit darum ginge, ob sich »sowohl die Forscherin als auch der Forschungsprozess selbst in den neuen transdisziplinären Bereichen jenseits des postmodern turn« (Clarke 2012b: 22, Herv. i.O.) verorten könnten. Damit stellt sie heraus, dass es nicht nur um wissenschaftliche Erkenntnisinteressen und eine Fragestellung geht, die sich ›postmodern‹ auf die Betrachtung ihres Gegenstandes bezieht, sondern im Prozess als solchem sollte ein Vorgehen gewählt werden, was am ehesten unter dem Stichwort postmodern anzusiedeln ist. Mit dem Adjektiv ›postmodern‹ verbindet Clarke fünf Punkte, die sie in den traditionellen GT-Forschungsansätzen noch vermisst; ich werde sie hier kurz vorstellen.
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Es gibt noch weitere Ansätze, die die Emergenz von Daten abduktiv betrachten (vgl. bspw. Reichertz 2011). Clarke versteht unter dem Begriff postmodern zunächst eine fächerübergreifende Änderung der Methoden und auch der Theorie-Ansätze. Während es Ansätzen vorher häufig um »[m]oderne Universalität, die Verallgemeinerung, Vereinfachung, Dauerhaftigkeit, Stabilität, Ganzheit« u.v.m. ging, sieht sie in postmodernen Ansätzen eher die Partikularität, »Positionalität, Komplikationen, Substanzlosigkeit, Instabilität, … Heterogenität, Situiertheit und Fragmentierung – kurz: Komplexität« (Clarke 2012: 26). Sie sieht postmoderne Ansätze als »Infragestellen der westlichen Aufklärung, des Humanismus und der positivistischen Wissenschaften« (ebd.). Es geht ihr darum herauszustellen, dass Wissen als situiertes Wissen betrachtet werden sollte und Diskurse dieses Wissen bereitstellen, verändern und die Grenzen des Sagbaren bilden. »Wir brauchen Methoden, welche die Erforschung sozialen Leids und sozialer Ängste ermöglichen und zugleich die Hoffnung, die auf dem Grund der Büchse der Pandora ruht, ans Licht bringen, sie nähren und sich daran nähren können.« (ebd.: 28).
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Schwarze Weiblich*keiten a) Zunächst stellt sie einen »Mangel an Reflexivität« (Clarke 2012: 54) heraus, der zwar insgesamt nicht in der GTM als solcher verankert ist, aber durch ihre eigene ›postmoderne‹ Perspektive evident wird. Diskurse und deren Einfluss wie auch Subjektivierungen – also das Hervorbringen von Positionen – wurden in der GTM bis dato wenig in Betracht gezogen. Clarke macht den von ihr attestierten Mangel an Reflexivität an drei Facetten fest: Dies ist zunächst die Annahme und die Vorgabe, dass die forschende Person »sich im Forschungsprozess unsichtbar machen kann und/oder machen sollte« (Clarke 2012b: 54). Diese Anforderung enthält außerdem die Vorgabe, kein theoretisches Vorwissen in den Prozess mit einzubeziehen, dessen Gegenteil Clarke für unbedingt erforderlich hält (vgl. Clarke 2012b: 55). Sie kommentiert: »Im Gegensatz dazu behaupte ich, dass wir nicht umhinkommen, bei fast jedem Forschungsprojekt bereits zuvor irgendetwas zu ›wissen‹, bereits geprägt zu sein, tangiert, ›infiziert‹« (Clarke 2012b: 55). Im Gegensatz zur traditionellen GTForschung sollten in einer SiAn die theoretischen Konzepte offen und ›der Blick auf die Welt‹ dargestellt werden. Nicht mit einschränkenden Analysen schon bekannter Theorien, aber doch mit einer deutlichen Konturierung eigener theoretischer Zugänge.11 b) Als zweiten Punkt sieht Clarke eine »übertriebene Vereinfachung« (Clarke 2012b: 58), die in der traditionellen GTM zu finden sei. Sie stellt dar, dass es häufig zu Vereinfachungen käme, um Kohärenz und Gemeinsamkeit herauszustellen, um den »basic social process« einzufangen. Sie plädiert dafür, Widersprüchlichkeiten abzubilden und so eine Heterogenität aufzumachen, die Vereinfachungen nicht zulässt und damit auch »Ungereimtheiten in den Daten« (Clarke 2012b: 58) abbildet. So ist es möglich, die reflexive Ebene weiter auszuformulieren und zu konturieren. c) Drittens, führt sie an, dass sich traditionelle Vorgehensweisen einem singulären basic social process widmen, um einen Hauptprozess und viele Nebenprozesse herauszuarbeiten. Stattdessen, so Clarke, wäre es möglich, multiple Hauptprozesse und Charakteristika innerhalb eines sozialen Phänomens festzustellen und diese nutzbringend hervorzuheben. So können marginalisierte Sicht- und Handlungsweisen beschrieben und als Teil des sozialen Prozesses dargestellt werden. d) Als viertes und vorletztes Element hebt sie hervor, dass sich viele traditionelle Auswertungs- und Interpretationsvorgehensweisen auf sog. negative Fälle bezögen. Sie stellen die Datenausreißer – das Deviante – gegenüber dem ›Normalen‹ dar und konstituieren damit beides in Abhängigkeit voneinander. Es gibt hinlänglich viele theoretische Ansätze, die eine solche Dateninterpretation hinterfragen und eher die Konstruktion der Devianz in den Blick nehmen. Aus einer postmodernen Perspektive wäre es sogar eher angebracht zu fragen, wie diese sog. negativen Fälle die Norm hervorbringen. Clarke merkt an, dass sich diese Ausreißer auch 11
Zu fragen wäre an dieser Stelle, ob eine Prägung oder ›Infizierung‹ lediglich durch theoretische Konzepte – möglicherweise auch (alltags-)theoretische Vorannahmen – geprägt ist oder auch durch »situiertes Wissen« (Haraway 2002), das sich im Allgemeinen auf die gesellschaftliche Position der forschenden Person bezieht. Feststellen lässt sich jedenfalls, dass es im Rahmen der Situationsanalyse sowohl einer Darstellung und Reflexion theoretischer Konzepte bedarf, mit welchen der Gegenstand betrachtet wird, als auch darüber hinaus der eigenen Position im gesellschaftlichen Geflecht.
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als Varianz theoretisieren lassen und sie damit nicht die positivistische Folie von Devianz und Normalität beinhalten (vgl. Clarke 2012b: 59). e) Zuletzt bezieht sie sich auf das »Streben nach Unverfälschtheit« (Clarke 2012b: 58). Sie kennzeichnet eine eher positivistische Ausrichtung nach Unverfälschtheit und Objektivität als traditionelle Herangehensweise, unterscheidet dabei aber noch einmal Anselm Strauss’ und Barney Glasers Vorgehen. Während sie verdeutlicht, dass Glaser eine zutiefst positivistische Verankerung in der Betrachtung der Daten anhängt, weil er von Hauptvariablen sowie reinen und konstruierten Daten spricht, unterscheidet sie Strauss’ Haltung darin, dass er sich dem symbolischen Interaktionismus zutiefst verpflichtet gefühlt hat (vgl. Clarke 2012b: 59). Zusammenfassend kritisiert sie neben dem Streben nach Unverfälschtheit und damit einer Suche nach objektivierbaren Daten insbesondere die Konzeptualisierung der GTM von Glaser. Weil er seine Konzeption der GTM nicht im Kontext des Symbolischen Interaktionismus situiert,12 sei einerseits der Kontext nur eine Variable wie jede andere auch und andererseits komme er damit zu der Idee, objektivierbare Daten – ohne jegliche konstruktivistische Perspektive – herausarbeiten zu können. Diese Herangehensweise führe zu einer konzeptionellen Herangehensweise, die Clarke zusätzlich kritisiert. Hinzu komme, dass sie eine Unabhängigkeit von Zeit, Ort und Mensch unterstelle, was wiederum als universalistische Idee verstanden werden kann. All diese Punkte betrachtet sie als problematisch und setzt mit der Situationsanalyse deutlich andere Akzente: »Die Berücksichtigung all dieser Punkte ist Bestandteil jenes Paradigmenwechsels von der Moderne zur Postmoderne, welche Haraway (1995b:77) brillanterweise als ›eine Art Elektroschocktherapie‹ bezeichnet. Um die Grounded Theory/Symbolischer Interaktionismus völlig durch den postmodern turn zu stoßen, ist es daher einfach erforderlich, naive Hoffnungen auf theoretische Transzendenz, vollständige theoretische Erklärungen (ob Makrotheorien oder andere), Universalallheilmittel, transhistorische Lösungen und die Möglichkeit von Interventionen ohne unerwünschten Nebeneffekt aufzugeben.« (Clarke 2012: 61) Clarke verortet sich selbst in einer Strauss’schen Linie und geht mit der Entwicklung der Situationsanalyse doch über diese hinaus. Zunächst zeigt sie auf, dass es auch in der sozialkonstruktivistischen Verortung der Grounded Theory im Anschluss an Strauss und Corbin noch problematische Betrachtungen gibt. Um die Situationsanalyse vollständig postmodern zu verankern, beschreibt sie ein Vorgehen, welches sich in sechs zentralen Paradigmen darstellen lässt. Unbedingte Voraussetzung ist hier der Versuch, die theoretische Verankerung im symbolischen Interaktionismus noch stärker zu »postmodernisieren« (Clarke 2012: 62). Eine wichtige Voraussetzung ist dabei die Modifizierbarkeit im Umgang mit neuen Daten, also eben nicht eine konzeptionelle Theorie-Methode, sondern ein Vorgehen, das sich mit theoretischen Bezügen dem Gegenstand anpasst. Im Mittelpunk steht dabei nicht, Verschiedenheit zu erklären,
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Clarke hebt hier insbesondere die Arbeiten von George Hebert Mead hervor.
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sondern Repräsentations-Regime13 zu verdeutlichen (vgl. ebd.). Im Folgenden stelle ich die sechs zentralen Veränderungen gegenüber der traditionellen GTM kurz dar. a) Die wichtigste Annahme und Verankerung im Forschungsprozess ist die Anerkennung der »Verkörperung« (Embodiment) und Situiertheit aller Wissensproduzenten in diesem. Clarke kritisiert hier die moderne Wissenschaftsgeschichte, die weiße, westliche Wissensproduktion tradierte und normalisierte; sie lehnt sich dabei an (Haraway 1996, 2002) an. Diese unhinterfragte Wissensproduktion soll mit Hilfe der Situationsanalyse als solche situiert werden. Sie verliert damit ihren universellen Anspruch: zum einen auf allgemeine Gültigkeit und zum anderen auf objektive Darstellung. Das Wissen der Forschenden und der Beforschten ist damit ein Wissen, was unlängst verkörpert und mit ihrer je eigenen Positionierung verknüpft ist. b) Eine Situierung des Wissens und damit eine Standortbestimmung zeigt sich durch die Verwendung der gesamten Situation des Untersuchungsphänomens. Clarkes Situationsbegriff bezieht sich dabei auf vier »besondere wissenschaftliche Beiträge« (Clarke 2011: 65). Einer davon ist William Thomas’ und Dorothy Swayne Thomas’ Konzeption der Definition der Situation (Thomas/Thomas 1978 [1928], zit.n. Clarke 2011: 65). Clarke hebt hervor, dass ihre Situationsdefinition als relational bezeichnet werden muss, stellen sie doch den Blick und die damit einhergehende Perspektive in den Mittelpunkt ihrer Analysen. Eine weitere Quelle ist die pragmatistische Verortung der Situation bei C. Wright Mills (Mills 1960). Er leitet aus situiertem Handeln das »Vokabular der Motive« (Clarke 2011: 65) ab, welches auch in der Situationsanalyse von unbedingter Bedeutung ist. In einem dritten Schritt der Annäherung an die Konzeption einer Situation hebt Clarke den theoretischen Bezug zu Donna Haraways »situiertem Wissen« hervor (Clarke 2011: 66). Mit Bezug auf Haraway wird die Situation an situatives Wissen gebunden, das aus bestimmten Lebenserfahrungen entsteht und nicht universell ist. Schließlich hebt Clarke die Forschungssituation noch einmal in den Mittelpunkt mit einem Bezug auf Brian Massumi. Ihm geht es nicht um die »Faktizität und deren Vorzüge, sondern um Beziehungen bzw. Verhältnisse und deren Zuordnung (genitivity). Die Frage ist: Welche neuen Denkmöglichkeiten eröffnet dieser Nexus, der als produktiv erfahrene Beziehungen und Verhältnisse« (Massumi 2002: 209f., zit.n. Clarke 2011: 67) in den Mittelpunkt der Reflexion gestellt wird? Die Situationsanalyse betrachtet die Situation also zum einen als relational, zum anderen als situiertes Handeln, das aus ihr inhärenten Motiven entsteht und in der außerdem Beziehungsgeflechte von großer Bedeutung sind. Außerdem ist es wichtig, die Macht-Situiertheit der Wissensproduktion, die in der Situation entsteht, in der Analyse zu reflektieren; Clarke verdeutlicht solche Kommentierungen häufig an Projekten ihrer Student*innen, die oft in der Medizin-Soziologie verankert sind. Beispielsweise stellt sie bei situiertem Wissen das Wissen von Krankenschwestern vor, die einerseits als ›heilende Engel‹ von Patient*innen angesprochen werden und gleichzeitig im hierarchischen Gefälle
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Die von Clarke beschriebenen Repräsentations-Regime sind in dieser Forschung nicht das zentrale Anliegen – wenn, dann geht es eher um die Wirkung, die diese Regime auf die Subjekte haben.
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des Krankenhauses häufig nur als ausführende Kraft betrachtet werden. Im zugehörigen Projekt werden die Heterogenität der beteiligten Personen, Neuerungen in der Medizin, Verbände, die ein Interesse an dieser Situation haben und vieles mehr betrachtet: Die so skizzierte Situation bringt eher die Heterogenität und die Abhängigkeit der Beziehungen untereinander zur Sprache. Die Situation wird also als ein produktives Moment gedacht, das in ihr eine Vielheit an Stimmen und Positionen hervorbringt. c) Die dritte Strategie zur Postmodernisierung ist eine Strategie, die über die Darstellung von Diversität und Heterogenität hinaus verdeutlichen möchte, wie Normalität erzeugt wird. Dieses Ziel wird darüber erreicht, dass die Konstruktionsprozesse der Normalität selbst in den Blick genommen werden. Die Darstellung erfolgt über Mapping-Prozesse, die Positionalitäten im Diskurs oder in der Situation und ihre Beziehungen zueinander in den Vordergrund der Analyse stellen. Intendiert wird eine mehrdimensionale Darstellung, die nicht einen basic social process herausstellt, sondern eine Positionaliät in den Vordergrund rückt, die eher Verbindungen und Entfernungen misst. Clarke macht ihre Intention mit dem Verweis auf Normalverteilungskurven deutlich: Sie zeigt auf, dass bisherige Forschungen eher fokussiert haben, wie die Standardnormalverteilung ist und die Ausmessung zu den Rändern vorgenommen haben. Ziel sei es aber eher, keine Norm zu kreieren, sondern eher unterschiedliche Positionen im Raum zu verdeutlichen und sichtbar zu machen. Dieser Forschungsansatz rückt damit die Beziehungen zu und zwischen den Positionen in den Fokus, versucht, die Bildung von Normalitäten sichtbar zu machen und ihren Bezug zu den Rändern zu verdeutlichen. Wichtig sei es, so Clarke, »Ausprägungen von Bedeutungen innerhalb bestimmter Situationen zu verstehen« (vgl. Clarke 2011: 71). Angesprochen sind auch Situationen, die sich auf gesellschaftliche Kategorien wie Geschlecht, Klasse und Rassifizierung und daraus entstandene Theoretisierungen beziehen. d) Diese Setzung bildet einen Übergang zur vierten Strategie der ›Postmodernisierung‹. Diese bezieht sich auf die unbedingte Geltendmachung analytischer Interpretationen, sensibilisierender Konzepte und theoretischer Analytik anstelle der Entwicklung einer formalen Theorie. Das Erstellen einer formalen Theorie über die Ergründung eines basic social process in einer gegenstandsbezogenen Theoretisierung ist in der traditionellen Grounded Theory das Ziel. Die Situationsanalyse fokussiert jedoch auf Analysen, die offener und mehrdeutiger sind als eine Theorie, die generalisierbar und transsituativ ist. »Das Ziel ist nicht die Vorhersage, sondern was Fosket (2002: 40) als ›dichte Analyse‹ beschreibt« (Clarke 2011: 73). Eine Analyse, die, wie schon beschrieben, die Positionen im Verhältnis darstellt, da eine Analyse keinen transzendenten Ursprung haben muss. Es ist möglich, die analytische Theoriebildung auf andere Situationen zu übertragen, was aber eher durch Vergleiche als durch »theoretische Formalisierungen und Transzendenzbehauptungen erreicht« (Clarke 2011: 73) wird. e) Als fünfte und vorletzte Strategie beschreibt Clarke als zentrales Motiv der Situations Analyse, dass das Mapping im gesamten Forschungsprozess genutzt werden soll. Mit »Mapping« spricht sie hier die zentralen Tools der Situationsanalyse an. Gemeint sind drei Arten von Mapping. Zum einen gesamte Situations-Maps, außer-
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dem Maps von Sozialen Welten/Arenen und zum dritten sind Positions-Maps angesprochen. Diesen Mapping-Prozess beschreibt sie als kognitive Herausforderung, die Verbindungen nicht nur einfach auf diskursiv-analytischer Ebene darzustellen, sondern tatsächlich plastisch zu verdeutlichen, in welcher Verbindung welche Positionen zueinander stehen. Sie eröffnen Wissensräume, die in dieser Weise vorher nicht gewusst werden, weil auch nicht eingenommene Positionen erkennbar werden können. f) Die letzte Position ist die Hinwendung zu narrativen, visuellen und historischen Diskursen. Es geht darum, die Bandbreite der Erforschung sozialen Lebens zu erweitern. Interessanterweise bezieht sich Clarke hier auf C. Wright Mills, der sich für eine Verknüpfung von Biographie, Geschichte und den »Erzählmaschinerien« (Clarke 2011: 75) der Gesellschaft eingesetzt hat. Wichtig war Mills eine Verortung soziologischer Theorien zwischen immerwährenden empirischen Forschungen und ausschließlich abstrakter Theorie (vgl. etwa Mills 1963). Die oben vorgestellten Strategien stellen eine grundlegende Veränderung und NeuAkzentuierung der Grounded Theory dar. Sie bietet im Allgemeinen neue Perspektiven, nicht nur, indem der Fokus nun nicht mehr den einen basic social process theoretisiert, sondern auch dadurch, dass Handlungsprozesse in ein weites Feld der Analyse eingebunden sind. Was Handlung, Sprache und Sprechen erst möglich macht, wird in einer mehrschichtigen Darstellung hervorgehoben und in seiner Bandbreite als Analyse vorgestellt.
3.3.2
Theoretische Grundlagen der Situationsanalyse und die Erweiterung um Diskurse und Subjektivierungen
Obwohl die theoretischen Grundlagen durch die Skizzierung im Gegensatz zur GT schon teilweise angesprochen wurden, ist es gewinnbringend, sich dieser Perspektive noch einmal genauer anzunähern. Ohne wie Adele Clarke in ihrer theoretischen Skizzierung der SiAn (vgl. Clarke 2011: 77-119) eine methodentheoretische Geschichte der Chicago School of Sociology vorzunehmen, sollen hier doch die wesentlichen theoretischen und methodischen Bezüge und Merkmale dargestellt werden. Dabei werden zunächst ältere Bezüge konzeptualisiert und daran anschließend neuere Bezüge vorgestellt. Die SiAn ist insgesamt als Methodologie aus unterschiedlichen methodischen und methodologischen Grundlagen hervorgegangen. Da sie im Gegensatz zur traditionellen GT eher darauf zielt, die Gesamtheit der Situation zu erfassen und zu analysieren, stützt sich Adele Clarke in ihrer Beschreibung und Herkunftsgeschichte zunächst auf den Bezug zur Chicago School. Diese Wurzel begründet, wie oben schon erwähnt, zum einen theoretische Vorannahmen des Interaktionismus und zum anderen aber auch methodische Vorgehensweisen. Unter der methodischen Perspektive des Mappings als Forschungsmethode wurden Forschungen, die sich auf soziale Welten/Arenen bezogen, als Karten angelegt. Beispielhaft zu erwähnen sind hier Stadteilkarten, die als Arenen angelegt wurden und eine Verteilung hinsichtlich der Nutzung – an den Merkmalen ›Ethnisierung‹, Schicht und Klasse – kennzeichneten. Ziel war es, Sozialökologien von Stadtteilen oder Städten darzustellen und zu analysieren. Diese »Bestandsaufnahme
3 Methodischer Zugang
des Raumes« (Clarke 2011: 81) wurde in unterschiedlichen Mapping-Prozessen festgehalten. Beispielhaft zu erwähnen sind hier Kartographien von Herbert Blumer (Blumer 1958) oder E.C. Hughes (Hughes/Riesman/Becker 1993).14 Über den Bezug auf soziale Welten und Arenen kommt eine umfassende Untersuchungssituation in den Blick, und die Existenz kollektiver Akteur*innen, die in unterschiedliche Konflikte involviert sind, wird sichtbar. Deutlich wurde zudem, dass unterschiedliche Menschen stark variierende Positionen und Interessen (bspw. in einem Stadtteil) haben, obwohl sie sich in einer gemeinsamen sozialen Arena befinden. Insgesamt lässt sich sagen, dass sich aus den oben erwähnten Mapping-Prozessen Theorien mittlerer Reichweite ergaben, die letztlich in eine explizite »Soziale Welten-Theorie« (Clarke 2011: 86) mündeten. Soziale Welten und deren Interaktionen wurden unter den zentralen Begrifflichkeiten der Perspektive des Commitment (Verpflichtung) analysiert. Diese aus der Mead’schen Theorietradition stammenden Begriffe kennzeichneten, dass die Teilhabe an sozialen Welten individuelle und kollektive Akteur*innen über Verpflichtungen und unterschiedliche Perspektiven zueinander in Beziehung setzt. Identitäten und Identifizierungen über die soziale Welt (bspw. der Beruf, die Mitgliedschaft in einer Gruppe oder auch eine gemeinsame politische Tradition) sind nach Ansicht dieser Theoretisierung zentral. Soziale Welten/Arenen sind dabei, nach Clarkes Auffassung, »Diskursorte«, die eine lange Zeit überdauern und komplex und vielschichtig sind. Es sind »Diskursuniversen (Mead 1938/1972: 518) und die wichtigsten affilativen Mechanismen, durch die Menschen soziales Leben organisieren« (Clarke 2011: 86).15 Forschungen, die sich auf die Analyse dieser Welten bezogen, fanden aber häufig keine Kontinuität und Anknüpfung an Diskurse außerhalb der untersuchten Arena. Sie wurden nicht »hinsichtlich ihrer Standorte oder Situationen explizit in Zusammenhang zueinander sowie in ihrem größeren Kontext betrachtet« (Clarke 2011: 81, Herv. i.O.). Trotzdem werden durch diese Herangehensweise einige Strukturen offengelegt, die nicht unbedingt in den Blick kommen, wenn die soziale Situation nicht als solche betrachtet wird. Adele Clarke hebt hervor, dass es in jeder sozialen Welt oder Arena »implicated actors« (Clarke 2011: 86, Herv. i.O.) und »implicated actants« (ebd., Herv. i.O.) gibt. Beide, menschliche und nicht-menschliche Akteur*innen bzw. Aktanden, können innerhalb sozialer Welten vorkommen. Implicated Actors, also Akteur*innen, sind menschliche Akteur*innen, auf die innerhalb der sozialen Welt Bezug genommen wird, sie werden aber nur implizit angesprochen. Sie sind also entweder a) nur diskursiv anwesend oder sie sind b) physisch anwesend und werden zum Schweigen gebracht. Beispielhaft für beide Konstruktionen sind Kontexte, die in helfender, pädagogischer, pflegender, therapeutischer oder medizinischer Absicht über Akteur*innen sprechen und ein Behandlungskonzept entwerfen, dabei aber den Austausch mit ›Betroffenen‹ nicht suchen, bzw. in ihren Ansichten, Bedürfnissen und Vorstellungen marginalisiert werden. »Keine der beiden Kategorien von implicated actors ist aktiv an den eigentlichen Aushandlungsprozessen der Selbstdarstellung in der sozialen Welt oder Arena beteiligt, 14 15
Vgl. hierzu auch eine Kartographie von Burgess und Park (1952), die Clarke auf Seite 81 abbildet. Clarkes Begriff von Diskursen ist an manchen Stellen ihrer Auseinandersetzung eher verwirrend. Manchmal vermittelt sie den Eindruck, dass sie von Debatten oder Gesprächen spricht, diese aber als Diskurse bezeichnet.
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noch werden ihre Gedanken, Meinungen oder Identitäten von anderen Akteuren mittels offener empirischer Untersuchungsmethode (z.B. indem man Fragen stellt) erforscht oder ergründet« (Clarke 2011: 87). Implicated actants wiederum sind nicht-menschliche Aktanden, die auch physisch oder nur diskursiv anwesend sind, die Situation an sich aber beeinflussen. Beide Kategorisierungen, sowohl implicated actants als auch actors, können für die Analyse von Machtbeziehungen nützlich sein. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer über wen in welcher Weise spricht und welche Personengruppe gehört wird, welche nicht gehört wird und welches Verständnis dabei die Durchsetzungskraft erlangt. Als neuere theoretische Bezüge und Wurzeln führt Clarke vier Ausgangspunkte an, von denen hier aber nur der erste vorgestellt werden soll, weil er für das Verständnis, das Clarke von Foucaults Theorien hatte, zentral ist und dieses Verständnis wiederum an die vorliegende Forschung anknüpft. Foucault trifft Strauss16 Um Ansätze und Vorgehensweisen in der Situationsanalyse zu begründen und den theoretischen Blick zu verdeutlichen, bezieht sich Clarke, wie oben bereits dargestellt, auf die Theorietradition des Symbolischen Interaktionismus (SI). Handeln an sich und in sozialen Bezügen wird innerhalb des SI als zentrales Moment der Untersuchung und Theoretisierung fokussiert. Da Foucault an unterschiedlichen Praktiken (bspw. an Praktiken des Wissens, der Disziplinierung, des Diskurses, der Selbsttechniken; Foucault 2013) interessiert ist, lassen sich über den Bezug zu Praktiken und Handlungen Verbindungen zwischen poststrukturalistischen und interaktionistischen Perspektiven herstellen. Auch die theoretische Fokussierung auf Bedingungen, die Handeln und Praktiken hervorbringen, lassen sich als ähnliche Zugänge beschreiben. Eine weitere Gemeinsamkeit sind laut Clarke die »institutionelle[n] und organisatorische[n] Dimensionen« (Clarke 2012: 93): Während bei der SI Handlungen unter sozialen Bedingungen und Symboliken als zentral zu betrachten sind, könnte Foucault – in aller Verkürzung – eher als Machttheoretiker verstanden werden.17 Clarke stellt in ihrer Zusammenfassung den Diskurs und seine Ausprägungen und Widersprüchlichkeiten als zentrales Element der Situationsanalyse vor; der Diskurs als ›Mittel‹, soziales Sein, Sinn und Praktiken zu strukturieren, Subjekte hervorzubringen und zu disziplinieren. Auch hier findet sich eine Gemeinsamkeit mit dem Symbolischen Interaktionismus, der, an den amerikanischen Pragmatismus anknüpfend, bestätigt, dass Handeln unbedingt an soziale Kontexte geknüpft werden muss, nur in diesen verständlich ist und aus diesen hervorgebracht wird. Foucaults Perspektive der
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Rainer Diaz-Bone (2013) hat in seiner Besprechung der Situationsanalyse den Titel »Situationsanalyse – Strauss meets Foucault?«, gewählt, den ich sehr inspirierend fand und ihn deshalb hier in abgewandelter Form verwende. Für die vorliegende Analyse sind vor allem diese Theoretisierungen interessant, die in Anlehnung an die Foucault’sche Provenienz entstanden sind: Der Diskurs, das Subjekt, Disziplinierungen und daraus resultierende Selbsttechniken und natürlich Machtelemente, die sich zum einen in der Subjektivierung, im Diskurs aber auch (natürlich) in den Selbsttechniken zeigen und darüber hinaus in den Technologien des Selbst.
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Technologien des Selbst, also der Möglichkeit, auf das Selbst Einfluss zu nehmen, bezeichnet Clarke als »Hinwendung zu Fragen des Handlungsvermögens« (Clarke 2012: 96). Obwohl diese Rezeption zu kurz gegriffen erscheint, stellt sie doch eine wichtige Gemeinsamkeit mit den Interaktionist*innen heraus, nämlich die, dass das Subjekt die es umgebenden Strukturen, bereitgestellten Praktiken und Bedingungen »nicht selbst erfindet. Es sind Schemata, die es in seiner Kultur vorfindet und die ihm vorgegeben, von seiner Kultur, seiner Gesellschaft, seiner Gruppe aufgezwungen sind.« (Foucault 2003: 889, zit.n. Clarke 2012: 96).18 Strauss (als Interaktionisten) und Foucault (als Poststrukturalisten) und ihre jeweiligen Perspektiven auf soziale Welten zu präsentieren hat den Vorteil, beide Theorieperspektiven in die Situationsanalyse einbeziehen zu können. Wo Strauss’ Schwerpunkt eher auf die sozialen Arenen und Handeln fokussiert bleibt und mit Foucault die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen in Praxisfeldern im Vordergrund steht, sind beide Perspektiven doch im Konzept der Situationsanalyse enthalten. Wenn mit dem Konzept der Möglichkeitsbedingungen Strukturen, Grenzen, Positionen, Chancen und Zwänge verdeutlicht werden und damit Macht eine wesentliche Rolle spielt, stellt sich die Frage: »Wie können sich die Dinge von hier aus weiterentwickeln?« (Clarke 2011: 97). Die Situation fokussiert damit auf die in der zu untersuchenden Situation gegebenen Grenzziehungen und Möglichkeiten. Bei Strauß wiederum geht es um das Handeln in Aushandlungsprozessen im sozialen Miteinander. Beide Perspektiven sind gewinnbringend für Analysen von Situationen und stellen sowohl machtvolle Beziehungen als auch Aushandlungsprozesse dar, die zudem als eine Erweiterung der Chancen, der Möglichkeitsräume oder auch als Selbststärkung betrachtet werden können. Sichtbar wird in beiden Blicken auf Situationen auch die Gemeinsamkeit der Betrachtung von Sprache als interaktives Moment und, damit verbunden, die Perspektive auf Sprache als interaktionaler Sprachgebrauch, der wechselseitig beeinflusst. Diese theoretische Setzung ist für die vorliegende Analyse von größter Bedeutung, da auch hier Sprache – als interaktives Geschehen von Co-Konstruktion und Bedeutungsaneignung und –verschiebung – als zentrales Element sowohl für Subjektivierungen als auch für Bildungsprozesse zu betrachten ist. In einer ähnlichen Absicht führt Clarke ein weiteres Argument beider Theoretiker ein, nämlich den Bezug auf Foucaults machtanalytischen Blick und die ›Perspektive‹ bei Strauss. Der machtanalytische Blick kann in einer Analyse hervorheben, welche Blicke von welchen Machtpositionen aus besondere Bedeutung einnehmen und damit die Subjekte und Situationen beeinflussen. Mit diesem Analyseinstrument ist Blicken nicht mehr unschuldig, sondern in seinen machtvollen Zusammenhängen und Richtungen verortet.19 Mit dieser Konzeptionierung kommen zugleich die Selbsttechniken
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In Kapitel 4.4.3 arbeite ich heraus, welche Stereotype an die Frauen* herangetragen werden. Es wird deutlich, dass sie solchen Stereotypisierungen auch in Schwarzen Kontexten begegnen und von diesen Kontexten dann sehr geprägt sind. Hier wird beispielswiese deutlich, wie auch bestimmte Gruppen Schemata des Selbstverständnisses beeinträchtigen. Sowohl in der Auswertung (vgl. Kapitel 4.4) als auch in einem von mir verfassten Artikel (vgl. Bergold-Caldwell 2014) wird der männliche weiße Blick als zentraler Moment deutlich, der die Interaktionen der Frauen* sehr stark beeinflusst. Ich habe diesen Blick in Anlehnung an Haraway
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in den Blick, weil sie sich mit dem Bezug auf panoptische Verhältnisse auf das eigene Selbst richten und dieses zurichten. Das Selbst sieht sich immer wieder in diesem Blick, konstituiert sich gar über diesen Blick. Die Macht ist damit nicht mehr repressiv und muss auch nicht vorhanden sein, sie regiert vielmehr in den Subjekten. Um diese Position aber nicht erneut festzuschreiben, Überschreitungsbedingungen unmöglich zu machen und wiederum Macht- und Herrschaftsverhältnisse zu reifizieren, setzt Clarke die Idee der ›Perspektive‹ neben jene des Blickes. Die Idee der ›Perspektive‹ verdeutlicht vielmehr die unterschiedlichen Haltungen, die in einer Situation trotz ungleicher Verhältnisse vorliegen, während die Idee des Blicks vielmehr die normalisierenden und machtförmigen Tendenzen betont. Aus Sicht der ›Perspektive‹ werden jedoch wieder Überschreitungen, Veränderungen, Widersprüchlichkeiten verdeutlicht; sie verkomplizieren damit die Situation, also auch die analysierten Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Beides, die Analyse von Machtverhältnissen durch Blicke und die Analyse von Möglichkeiten, können so in einer Untersuchung nebeneinanderstehen. Clarke ermöglicht mit diesen beiden Zugängen ihrer Situationsanalyse, Situationen gleichzeitig durch ihre Machtförmigkeit und mit Veränderungsbedingungen denken zu können. Die drei weiteren neuen Wurzeln sind einerseits die oben schon gestreifte Berücksichtigung des Nicht-Menschlichen und nicht-menschlicher Artefakte. Hier bezieht sich Clarke in ihren Beispielen häufig auf Veränderungen in der Medizin-Technologie, die große Auswirkungen auf die Situation an sich haben, aber häufig in traditionellen Forschungsdesigns keine Rolle spielen.20 Als dritte Wurzel stellt sie die Erweiterung der oben bereits aufgegriffenen Theorie der Sozialen Welten/Arenen vor, die sich letztlich auch in der Mapping-Strategie wiederfindet (s.u.). Insgesamt möchte sie mit ihrer Forschungsperspektive ein »stärker verankertes und situiertes Verantwortungsbewusstsein« (vgl. ebd.) hervorrufen, was u.a. darin deutlich wird, dass sie einerseits dazu auffordert, eigene Theoriezugänge zu explizieren und anderseits, sich als Forschungsperson kenntlich zu machen. In Bezug auf das Erforschen von Diskursen führt Clarke Foucault und Strauss noch enger zusammen – bzw. ist es ihr Ziel, sowohl Macht-Wissens-Diskurse als auch ethnografische Perspektiven in ihrer Forschung zu berücksichtigen. Um wirklich zu verstehen, was in einer Situationen passiert, müssen wir – so Clarke – ein Verständnis von unterschiedlichen Ebenen gewinnen, die für Situationen relevant sind (vgl. Clarke 2012: 187). Diskurse an sich beschreibt sie als ein sehr weites Feld; dazu zählt sie »Kommunikation aller Art über/zu einem bestimmten sozial oder kulturell wiedererkennbaren Thema – ganz gleich ob aktuell und/oder historisch« (Clarke 2012b: 186). Dabei zeigt sie, dass Diskurse sich in der Wortwahl, im Sprechen an sich, in Repräsentationen, im Wissen der Menschen über sich selbst, in Artfakten und vielem mehr finden; »Diskurse strukturieren Debatten, beeinflussen Wahrnehmung und schaffen Wissensobjekte« (ebd.). Diskurse umfassen auch Formen der Darstellung. Sie bezieht sich auf eine umfassende Definition, die hier kurz wiedergegeben werden soll:
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(2002) theoretisch eingefangen; er wird dort als ein normalisierender Blick von nirgendwo beschrieben (vgl. Haraway 2002). Interessant ist hier auch ihr Verweis auf Haraways Cyborg-Theorie, die die Frage nach einem Leben in Verbindung mit Technologie noch einmal ganz neu stellt.
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»The term representation invokes specific theories. It means much more than depiction, illustration, image or portrayal. Rather it serves as a referent to postmodernist theories, which see both written documents, (images) and mundane activities as ›texts‹. Initially based in the ideas of linguist Ferdinand de Saussure, these theories argue that the assumptions of an era (an époque) are both inscribed and embedded in (documentary or lived) texts. Texts are to be analyzed as parts of webs or systems of signification that may be viewed as a ›set of language system‹. Because language systems are characteristic of an era (place, class or situation), one can analyze any particular text in relationship to other texts; that is part of a structure meaning. Indeed the analyst’s […] task is to elucidate that structure […]. Poststructuralist notions of representation follow this idea to its logical conclusions.« (Tuchman 1994: 315f., zit.n. Clarke 2012: 186) Diskurse sind also komplexe Geflechte von Beziehungen in diesen Sprach-, Artikulationsund Repräsentationsorten. Mehrere theoretische Verankerungen sind, laut Clarke, für die Entstehung von Diskursanalysen verantwortlich, und sie wendet sich in erster Linie zweien zu (ebd.: 187). Einerseits ist das der »Sozialkonstruktivismus und Ethnographie (insbesondere Symbolischer Interaktionismus)« (ebd.), anderseits die Analytik von Macht-Wissens-Diskursen. Erstere betrachtet Clarke in Anlehnung an Berger und Luckmann (1987: Die Gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit) als eine Ebene, auf der soziale Beziehungen im Alltag in Aushandlungsprozessen und komplexen Wirklichkeits- und Sinnstiftungsprozessen entstehen. Diese Analyse der sozialen Konstruktion von Wirklichkeit findet sie im Symbolischen Interaktionismus und darüber hinaus auch noch in Handlungsformen, die nicht im Diskurs aufgehen, weil sie ein soziales Commitment (bspw. in Gruppen Marginalisierter) thematisieren. Die zweite Ebene von Diskursanalysen findet sie in der Analytik der Macht, mit Bezug auf Foucault. Diese Analyse von Diskursen, auch unterschiedliche Aspekte von Diskursen wie die Wissensproduktion, die Praktiken, die Sprecher*innenpositionen in Diskursen, verschiedene Ordnungen in Diskursen und verschiedene disziplinäre Anbindungen von Diskursen (vgl. auch Kapitel 2.4), sind für die Situationsanalyse von großer Bedeutung. Foucaults Machtanalytik bietet die Möglichkeit, Wissen als solches und dessen Produktivität auch als Macht-Wissen zu analysieren. Die Perspektive auf den Sozialen Interaktionismus bieten die Möglichkeit, den sozialen Sinn in alltäglichen Praxen herauszustellen und danach zu fragen, wie deren Konstruktionsprozess verlaufen ist. Während Clarke herausstellt, dass Strauss und andere einen ähnlichen Machtbegriff für Interaktionen haben, wie Foucault ihn für Institutionen herausstellt (vgl. ebd.: 188), sagt sie andererseits, dass Strauss und Foucault einen unterschiedlichen Blick auf Handlungsmacht haben (ebd.: 212). Foucaults Theorie habe zwar eine Veränderung durchgemacht und es ginge nicht mehr nur um das Subjekt, das im Diskurs hergestellt werde. Das Subjekt habe gerade mit dem Bezug auf Selbsttechnologien zwar eine eigene Handlungsmacht, aber dennoch sieht sie hier eine größere Möglichkeit in Bezug auf Strauss und den Symbolischen Interaktionismus (ebd.). Diese beiden Ebenen, so Clarke, in den Diskursanalysen zu analysieren mache das Besondere einer Diskursanalyse als Situationsanalyse aus. Mit der Unterscheidung einer Foucault’schen von einer Strauss’schen Herangehensweise möchte sie herausstellen, dass es wichtig ist, nicht
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nur die Machtdiskurse in einem Feld zu konzipieren und zu analysieren, sondern viele widersprüchliche und auch eigentümliche, sperrige und querliegende Diskurse und Praktiken aufzuzeigen, um die Heterogenität herauszustellen. »Indem sie die herrschenden Machtverhältnisse nicht analytisch wiederholen, machen Analysen, welche die ganze Bandbreite der Diskurse abbilden, die weniger lautstarken, aber dennoch vorhandenen Diskurse ebenso hörbar wie die weniger lautstarken, aber dennoch anwesenden Teilnehmer, die Stille, das Schweigen und die zum Schweigen gebrachten.« (Clarke 2012b: 213) Clarke weist außerdem darauf hin, dass es neben der Überbetonung des ›Masterdiskurses‹ (den es ohne Zweifel gibt, dessen Existenz aber analytisch nicht überhöht werden soll) eine Schließung und Totalisierung in Begriffen geben kann: Begriffe wie ›Gesellschaft‹, ›Gruppe‹, ›Staat‹, ›Kultur‹, viele Kategorisierungen sind häufig Perspektiven, um die Komplexität in einem Feld zu reduzieren und zu schließen. Deshalb warnt sie davor, beispielsweise ›die Gesellschaft‹ als ursächliche Konstrukteurin zu beschreiben, weil es doch unterschiedliche Stimmen und Bedingungen in dieser Gesellschaft gibt, die an sich vielleicht verdeutlicht werden müssen. »Darüber hinaus laufen solch monolithisierende Begriffe wie ›Gesellschaft‹ (gewollt oder ungewollt) Gefahr, dominante Diskurse als einzig mögliche zu hegemonisieren« (Clarke 2012: 191). Die Situationsanalyse möchte stattdessen alle in der Situation wichtigen Diskurse und Praktiken herausstellen, um so ein heterogenes Bild der Situation verdeutlichen zu können. Das macht die Analyse von Diskursen vor dem Hintergrund einer Situationsanalyse auch besonders, weil sie eben versucht, unterschiedliche Bedingungen, Handlungen, Diskurse und Praxen, die in der Situation eine Rolle spielen, herauszustellen (vgl. ebd.: 213). Die Erweiterung um die Subjektivierungsanalyse Neben einer kurzen Einführung in Diskursanalyse beschreibt Clarke, welche Genres und Schwerpunkte eine Diskursanalyse haben kann. Sie teilt diese in vier unterschiedliche Zugänge ein. Zu nennen wären hier einerseits die »Struktur und die Sequenz des Sprechens und des Gesprächs«; die »Aushandlung von Diskursen in sozialen Beziehungen/Interaktionen«; die »Generierung von Identitäten und Subjektivitäten durch Diskurs: Ein Fokus auf Subjektivierungen« und die »Generierung von Macht/Wissen, Ideologien und Kontrolle durch Diskurse« (ebd.: 192f.). Da in der vorliegenden Forschungsarbeit der Fokus auf der dritten Perspektive liegt, werde ich kurz skizzieren, wie Clarke diesen Aspekt bespricht. Die »Generierung von Identitäten und Subjektivitäten durch Diskurse« (ebd.: 196) beschreibt Clarke hier wesentlich als Moment, in dem durch Medien, Institutionen und allgemeine Systeme Identitäten und Subjektivitäten produziert werden. Nicht nur in der Medizin, sondern auch in Bildungssystemen, Einwanderungsgesetzten und vielem mehr werden diese Identitäten produziert und (re-)produziert. Sie beschreibt wiederum unterschiedliche Arbeiten, die sich mit der Produktion von Diskursen rund um Identitäten beschäftigen; zu nennen wären hier Bowker/Stat (1999), die die Kategorie ›Rasse‹ im Kontext des Südafrikanischen Apartheidsregimes untersucht haben und zeigen konnten, wie diese Kategorisierung immer fehlschlägt. Weiterhin stellt sie Forschungen vor, die sich im Feld der Medizin mit Diskursen zu »unbestimmten und
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mehrdeutigen Erkrankungen/Gesundheitszuständen« (ebd.: 197) auseinandersetzen und hier Identitätskonstruktionen vornehmen, denen die Forscherinnen mit der Rekonstruktion der Diskurse einerseits und den Erzählungen der Patientinnen anderseits begegnen.21 Außerdem erwähnt sie in diesem Zusammenhang noch Studien der Medienforschung, die sich aufteilen in Studien der Kommunikationswissenschaften und die Cultural Studies (und ähnliche Felder). Die Produktion von Identitäten, wie Stuart Hall (vgl. bspw. 1996) oder auch Angela McRobbie (2009) sie beschreiben, kann sicher nicht überschätzt werden. Weiterführend ließe sich sagen, dass es auch eine Ebene der Alltagsbewältigung und der Interaktion gibt, auf der die oben angesprochenen Ebenen von Identitätsproduktion ebenfalls eine Rolle spielen. Nicht nur innerhalb von Institutionen oder in der medialen Darstellung reproduzieren sich Diskurse und mit ihnen Subjektvierungen, sondern sie haben hier ihre Verankerung und grundsätzliche Bedeutung für die Individuen. Und auch hier sind es mehrere und widersprüchliche Diskurse, in denen sich die Subjekte selbst konstituieren und sich zu den Diskursen verhalten. Sie tun das in diskursiven Praktiken. Diskursive Praktiken, sind wie oben und unter Kapitel (2.4) herausgestellt, Praktiken, die Subjekte in ihrer eigenen und in der Konstitution anderer im Diskurs vornehmen. Sie sind ein wesentlicher Teil dessen, wie MachtWissens-Diskurse aufrechterhalten werden (vgl. Wrana 2012), aber diskursive Praxen können auch unter der Perspektive betrachtet werden, dass sie Gegen-Diskurse, NeuSetzungen und Anderes-Wissen generieren wollen. Mit Bezug auf Clarke ist ohnehin davon abzuraten, analytisch nur den ›Masterdiskurs‹ in den Blick zu nehmen, dagegen aber Mehrdeutigkeiten und deren Vereinfachungen analytisch aufzunehmen. Zusammenfassung und Verknüpfung mit eigenen Perspektiven Clarke hat durch die Kombination von Symbolischem Interaktionismus und der MachtWissens-Perspektive von Foucault einen erweiterten Zugriff auf Diskurse erhalten. Ihre Beschreibung der unterschiedlichen Zugriffe auf Diskursanalysen generell und auf Diskursanalysen in der Anwendung der Situationsanalyse kann als wirklich gewinnbringend betrachtet werden. Für die vorliegende Forschung ist die Zusammenführung von Symbolischem Interaktionismus und Foucault’schen Perspektiven sehr ergiebig, da es auch mir um Handeln im Diskurs geht, das weder über- noch unterbewertet werden soll: Vielmehr ist die Konstituierung der Subjekte neben Macht- und Wissenskonfigurationen auch als Selbsttätigkeit herauszustellen. Dies eröffnet zum einen die Chance, Veränderungs-Möglichkeiten in den Blick zu nehmen, und zum anderen auch eine Heterogenität der Haltungen darzustellen. Weiterführend ist hier generell ihre methodische Herangehensweise und zum anderen ihre forschungsmethodische und theoretische Haltung. Beides, sowohl die Explikation der theoretischen Konzepte als auch die Perspektive, aus der ich schreibe, sowie eine generelle postmoderne Herangehensweise an die Interviews und die Auswertung, war für die Daten gewinnbringend. Das Mappen und Festhalten von (diversen) Diskursen und diversen diskursiven Handlungen ist deswegen das methodische Ziel dieser Arbeit, um damit Subjektvierungsals auch Bildungsprozesse zu beschreiben. 21
Es handelte sich tatsächlich nur um Frauen.
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3.3.3
Methodisches Vorgehen – Mappen der Diskurse
Adele Clarke stellt drei Arten des Mappings vor. Alle drei können, müssen aber nicht im Forschungsprozess verwendet werden. Sie sollen außerdem eher der Analyse dienen, als dass sie letzte Ergebnisse darstellen. Ergebnisse können zwar in einer der unten aufgeführten Maps präsentiert werden, aber sowohl die Intention als auch die Zieldimension bestehen in der »Öffnung der Daten« (Clarke 2012: 121) und der Analyse. Clarke bezeichnet es als eine Art kontinuierliches Forschungstraining, das den ganzen Prozess des Analysierens begleiten soll (vgl. Clarke 2012: 121). Die Vorgehensweise des Mappings sollte vorzugsweise mit Daten geschehen, die entweder schon interpretiert oder aber durch das Codierparadigma der Grounded Theory vorbereitet worden sind. Die drei Arten des Mappings, die im Rahmen der Situationsanalyse vorgestellt werden, sind voneinander unabhängig nutzbar, können aber miteinander oder auch nebeneinander verwandt werden. a) Es gibt zum einen die Situations-Map an sich. Sie ist als Strategie gedacht, um alle Elemente, Ereignisse und Sinnzusammenhänge einer Situation auf eine Map zu bringen und die jeweiligen Beziehungen untereinander und zwischen ihnen zu erforschen. Die Situation ist damit der Ort der Analyse. Was eine Situation sein kann, bleibt dabei offen und wird nicht von Clarke festgelegt. Festgehalten werden hauptsächlich Fragen, die die Situation als solche charakterisieren bzw. in ihrer Form begrenzen sollen. Die Fragen gehen zurück auf Mead, wobei Clarke hier die Quelle nicht nennt. Die Fragen lauten: »Wer oder was befindet sich in dieser Situation? Wer und was zählt in dieser Situation? Welche Elemente sind in dieser Situation ›von ausschlaggebender Bedeutung‹«? (vgl. Clarke 2012: 124). Für die vorliegende Forschung bedeutet das Mapping der Situation ein Mapping der SubjektivierungsSituation. Durch das Situations-Mapping ist es möglich, alles in der Situation Enthaltene – also alle Determinanten, die auf eine weiblich-vergeschlechtlichte Rassifizierung Einfluss haben – mit aufzunehmen. Als Daten werden die Ergebnisse aus den Interview-Gesprächen herangezogen, die durch die Vorcodierung schon sortiert sind. Da ich die Daten bereits mit theoretischen Vorannahmen gewonnen habe und sie im ersten Durchgang auch bereits übergeordneten Kategorien zuordnen konnte, sind die Daten, die in der Map erscheinen, schon als Ergebnisse zweiter Ordnung zu betrachten. Sie sind also nicht mehr nur ›roh‹ in der Situation vorgefundene Daten, sondern, wie in 3.4 dargestellt, durch generalisierende Fragen (Codierparadigma Strauss/Corbin 1996) aufbereitet. Außerdem werden in der Situation soziokulturelle Aspekte, die zum Teil auch durch die Interviews angesprochen werden, und gesellschaftshistorische und -theoretische Rahmungen abgebildet. Alle Aspekte beziehen sich ganz eng auf die Dimension »weibliche Vergeschlechtlichung und Rassifizierung«, wie sie in unterschiedlichen Diskursen – die aus den Interviews herausgearbeitet wurden – immer wieder deutlich wird. In die Map kommen unterschiedliche Aspekte, die in der Situation vorgefunden werden. Clarke zeigt auf Seite 125 eine ungeordnete Situations-Map, die Akteur*innen, Nicht-Menschliches, Fragen, Schlüsselerlebnisse und vieles mehr enthält, was in der Situation wichtig zu sein scheint. Mit Bezug auf nicht-menschliche Akteur*in-
3 Methodischer Zugang
nen ist die Frage entscheidend, wie sie die Situation beeinflussen, wie wichtig sie also in der Situation sind. »Darüber hinaus müssen wir auch fragen, welche Ideen, Konzepte, Diskurse, Symbole« (ebd.) in jener Situation als wichtig erscheinen und wie sie miteinander in Beziehung stehen. Wichtig ist dabei, darauf zu achten, welche symbolischen und diskursiven Bedeutungen die Elemente in der Situation und darüber hinaus haben. Die unterschiedlichen Elemente, die eine Situation prägen, werden alle gemeinsam in eine ›ungeordnete‹ Map aufgenommen und in einem späteren Prozess in eine ›geordnete Arbeitsversion‹ überführt. Clarke selbst wendet zur Ordnung Kategorien an, die sie aus eigenen Forschungsprozessen kennt und als grundlegend empfindet. Sie stellt aber gleichzeitig dar, dass Kategorien von einem Forschungsprozess abhängig und daher sehr individuell sind. Was beständig wichtig ist, ist das Memo-Schreiben. Wenn die Codes zueinander in Verbindung und in Relationen gebracht werden, erfolgt das mit dem Ziel, die Verbindung dazwischen herauszuarbeiten. Das sollte in mehreren Mapping-Vorgängen erfolgen. Clarke beschreibt hier, dass zunächst eine grundsätzliche Map der Situation angefertigt und diese dann kopiert werden sollte. In einem weiteren Schritt kann dann die Beziehung eines Codes zu anderen Codes ermittelt werden. Die Frage ist dann beispielsweise, welchen Zusammenhang sie haben. In meiner Situations-Map wurde zum Beispiel ein starker Zusammenhang zwischen dem Sprechen über Hautfarbe und dem Kontext deutlich, dem ich dann einerseits theoretisch und andererseits empirisch noch einmal nachgehen musste (vgl. 4.1.1). Es stellte sich heraus, dass die Frauen* sich durch ihre nicht-weiße Hautfarbe so sichtbar fühlten, weil ihr Aussehen immer mit anderen Orten der Welt in Verbindung gebracht wurde und es gleichzeitig eine De-Thematisierung Schwarzen Lebens in Deutschland gibt: So waren sie in doppelter Weise sichtbar, weil sie als nicht-zugehörig gelesen wurden und in der bundesdeutschen Geschichtsschreibung nicht sichtbar werden. Dieser Zusammenhang stellte sich für mich als eine zentrale Erkenntnis heraus, zu der ich dann weitere Verbindungen und Codes in Beziehung setzen konnte. Aufmerksam darauf wurde ich durch eine Äußerung von Ninja. Sie sagte: »Diese Farbe ist nicht Teil von diesem Ort.« b) Als zweite Map führt Clarke die Map der sozialen Welten und Arenen ein, die als Kartographie genutzt werden kann, um kollektive Verpflichtungen und Beziehungen zu verdeutlichen (vgl. Clarke 2011: 147-165). Da in der vorliegenden Forschung Verpflichtungen und Beziehungen untereinander – wenn überhaupt – nur in abstrakter Form vorliegen, wird diese Mapping-Methode nicht zum Gegenstand der Untersuchung werden. c) Als drittes und letztes Element gibt es die Positions-Map (vgl. Clarke 2011: 165-177). Sie ist eine Vereinfachungsstrategie, mit der unterschiedliche Positionierungen im Diskurs oder in der Situation verdeutlicht werden können. In Form einer graphischen Darstellung von Abständen vermag sie zu veranschaulichen, welche Positionierung nicht sprechbar ist und welche Aspekte zum Thema gemacht werden; darüber hinaus kann mit dieser Kartographie verdeutlicht werden, welche Positionen nur implizit anwesend sind und nicht sprechen können. Nach langer Überlegung werde ich sie im Forschungsprozess auch nicht anwenden, weil sie es erforderlich machen würde, ein Koordinatensystem anzulegen, in dem die Sprecher*innen ver-
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Schwarze Weiblich*keiten
teilt sind. Sie wäre für die vorliegende Fragestellung deshalb nicht besonders zielführend, da es hierbei um individuelle Prozesse geht, die nicht zueinander in Relation gebracht werden müssen. Sicherlich ist ihre Verwendung in anderen Subjektivierungsforschungen relevant, besonders dann, wenn es nicht um abstrakte Situationen geht, sondern die Subjekte direkt miteinander in Kontakt stehen. Insgesamt hebt Clarke hervor, dass, wie gesagt, nicht alle drei Maps angewendet werden müssen, sondern auch einzelne Maps, je nach Forschungsprojekt, eingesetzt werden können. Für Diskursanalysen schlägt Clarke weiterhin ein komparatives Mapping vor, also ein Mapping, das die hegemonialen Diskurse zu einer Gruppe oder einem Gegenstand zeigt, und dann, im Gegensatz dazu das verdeutlicht, was die Gruppe zu diesen Diskursen sagt oder wie ihre Mitglieder sich sehen. Die vorliegende Forschung ist keine Diskursanalyse, weil sie nicht die hegemonialen Diskurse nachzeichnen möchte und auch keine komparativen Daten erhoben wurden. Ich nutze dagegen die Methode der Situationsanalyse, um eine ›Landkarte‹ aller in der Situation existierenden Diskurse und diskursiven Praktiken darzustellen. Zwischenschritt: Verknüpfung mit eigenen theoretisch-methodischen Perspektiven Im Folgenden wird eine kurze Zusammenfassung dargestellt und beschrieben, warum die Situationsanalyse als Methode zum einen durch ihre theoretische Verankerung, zum anderen wegen ihrer methodologischen Vorgehensweisen für die vorliegende Forschung geeignet ist. Die Präsentation dieser Punkte bezieht sich auf die oben aufgezeigten sechs Strategien und ihre Voraussetzungen und nimmt die theorie-analytischen Perspektiven der vorliegenden Arbeit auf. Mit dem in Kapitel 2.2 angefertigten theorieanalytischen Erkenntnisrahmen, bestehend aus bildungstheoretischen, postkolonialen, poststrukturalistischen, feministischen und rassismuskritischen Annahmen, befindet sich diese Forschung im Kern dessen, was Adele Clarke als postmoderne Forschung bezeichnet. Im Mittelpunkt der Forschung stehen Subjektivierungs- und Bildungsprozesse von Schwarzen Frauen* und Women of Color, die in ihrer Differenz, in Gemeinsamkeiten und biographischen Bedeutungen kartographiert werden sollen. Die Situationsanalyse bietet hier zunächst schon von ihrer Voraussetzung als gegenstandsbezogene Analytik her eine Anknüpfungsmöglichkeit, die sämtliche in der Situation vorhandenen Diskurse, diskursive Praxen, Anrufungen, Verinnerlichungen, Widersetzungen, Bewegungen, historische Daten und Bezüge in sich aufnimmt. Sie bietet somit eine Möglichkeit, zentrale Schwierigkeiten bisheriger Forschungen zu umgehen, weil die Situation der zentrale Forschungsfokus ist. Der in Kapitel 2.2 beschriebenen Schwierigkeit, dass Forschungen bisher entweder auf Migration und Geschlecht sowie Rassismus oder auf Geschlechtertheorien fokussieren und häufig nebeneinander existieren, kann mit der Zentralisierung der Situation begegnet werden. So wird ein Moment erzeugt, das weder die eine noch die andere Kategorie in den Fokus stellt, sondern eine emergente Hervorbringung ineinandergreifender Ungleichheitsstrukturen darstellt: Die Situationsanalyse könnte damit auch als Intersektionalitätsanalyse verstanden werden.
3 Methodischer Zugang
Die Methodik des Mappings bietet die Möglichkeit, die Gewichtung der Bezüge zueinander selbst zu bestimmen und sie in analytischer Absicht in ihrem Bezug zueinander darzustellen. Da in der vorliegenden Studie eher Repräsentations(aus-)wirkungen in den Blick genommen werden und marginalisierte Subjektpositionen deutlich hervorgehoben werden sollen, müssen machtvolle Repräsentationen nicht gänzlich aufgedeckt werden. Repräsentationen und Normalitäten sind hier zentral in ihren Auswirkungen offenzulegen. Damit geht es auch darum, normative Anrufungen – die die Frauen* erhalten haben – zu entziffern und sie in ihren Bezügen darzustellen, nicht aber um eine Entlarvung normativer Positionierungen. Vielmehr sollen Wirkweisen erklärt und dabei implizit normative Positionen und Selbstverhältnisse exemplifiziert werden. Clarke versteht die Situationsanalyse als ein Instrument der Aufdeckung und als ein Vorgehen gegen westlich-theoretisierte Alltagswelterklärungen. Da mein Fokus sowieso auf marginalisierten Betrachtungen, Sprechweisen und Verdeutlichungen liegt, steht eher zur Diskussion, wie sich diese Repräsentationen auf die Subjekte auswirken und wo sie normative Positionen reifizieren. Die Heterogenität im Umgang mit Rassifizierungsprozessen am Kreuzungspunkt von weiblicher Vergeschlechtlichung wird durch das Mittel der Situations-Map verdeutlicht. Da alle Interviewpartnerinnen unterschiedlichen rassifizierenden Ansprachen und impliziten Normerwartungen begegneten, lassen sich Unterschiede und Positionen herausarbeiten, um einerseits die Bandbreite und anderseits die verbleibenden Leerstellen – die nicht eingenommenen Positionen – ansichtig werden zu lassen. Wie oben schon dargestellt, bietet das Mapping die Möglichkeit, Relationen und Bezüge herauszustellen, damit die Positionen nicht wiederum essentialistisch werden. Durch die Vorgabe der Analytik und der analytischen Darstellung ist es für das vorliegende Forschungsvorhaben möglich, Positionen darzustellen und dabei nicht wiederum auf essentialisierende Charakterisierungen oder Typenbildungen zurückzugreifen. Gemeinsamkeiten können verdeutlicht werden, ohne dabei den einen Prozess und den einen formellen Theoriebezug behaupten zu müssen; vielmehr ist es möglich, unterschiedliche Analyseansätze, die an eine weitere Theoretisierung anschließen können, herauszustellen. Es ist möglich, die Situation hier gänzlich in den Blick zu nehmen, unterschiedliche Diskurse innerhalb der Situation kenntlich zu machen und möglicherweise nicht nur die Analyse zu kartographieren, sondern auch die einzelnen Kapitel in einem Mapping-Prozess darzustellen. So könnte die Komplexität der Fragestellung und der Herangehensweise auf einer darstellenden Skizze zusammengefasst und ähnlich auch das gesamte Projekt in einer Projektskizze verdeutlicht werden. Clarke schlägt ein solches Vorgehen in der Präsentation der Ergebnisse vor, und eine Projekt-Map wurde auch angelegt.
3.4
Forschungsmethodisches Vorgehen und Analyseschritte
Wie oben bereits beschrieben, wurde der Interview-Leitfaden anhand theoretischer Vorannahmen konzipiert und die Interview-Gespräche wurden entsprechend geführt. So strukturierten zum einen theoretische Vorannahmen, Fragen zur Erzählaufforderung und die Interessen der Frauen*, die sich an den Interviews beteiligten, das In-
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Schwarze Weiblich*keiten
terview. Theoretische Vorannahmen, die sich im Interviewleitfaden zeigten, waren die, dass Geschlecht und auch Rassifizierung als soziale Konstruktionen zu betrachten seien und deshalb offenzulassen sei, wie sich die Frauen* selbst beschreiben würden. Da die Fragestellung Subjektivierungs- und Bildungsprozesse im Kontext von Rassismus und Geschlecht als Erkenntnisinteresse hat, war es wichtig, nicht vorzugeben (auch nicht durch Fragen), wie sie sich selbst sehen und an welchen Stellen sie mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Da Subjektivierungen und Bildung hier als Geschehen im Diskurs betrachtet werden bzw. als ein solches Geschehen im Diskurs verortet sind, ist es von größter Wichtigkeit, die Diskurse herauszustellen, die die Frauen nennen – oder besser, welche Gedanken und Gefühle, welches Erleben sie artikulieren. Gleichzeitig steht in Frage, wie die vermittelnde Ebene zwischen Diskurs und Subjekt stattfindet – diese Ebene fange ich mit dem Begriff »diskursives Handeln« ein und rekonstruiere hier, welche Praxen/Strategien in den Interviews sichtbar werden. Wie machen die Frauen* was zum Thema? Wie unterstreichen sie ihre Aussagen? So habe ich zum Beispiel als diskursives Handeln im Umgang mit Stereotypisierungen herausgearbeitet, dass sie diese Stereotype auch manchmal nutzen, um sich von ihnen abzugrenzen. Ich nenne dieses Vorgehen eine »Identifizierung ex negativo« (vgl. Kapitel 4.3). Im Einzelnen sahen meine Analyseschritte folgendermaßen aus: Offenes Codieren gilt gleichzeitig als Instrument, um die Daten zu öffnen; es kann dazu genutzt werden, die Daten und theoretischen Annahmen, die über die Cenzitizing Concepts22 Einzug erhalten haben, vorzustrukturieren. So ergab sich im offenen CodierProzess zunächst eine Auswertungsstruktur, die über die Cenzitizing Concepts an das Material herangetragen wurde und damit eine relativ großflächige Codebaumstruktur ergaben. Wie im Interview-Leitfaden unterteilte sich diese Struktur in Faktoren, die Geschlecht und Verknüpfungen mit Anrufungen über Geschlecht darstellten; Codes, die Rassifizierungsdimensionen zum Thema machten, und Codes, die über die Einstiegsfragen entstanden. Während des Codier-Prozesses wurde deutlich, dass auch meine Auswertung in einer Dichotomie von Thematiken zu Vergeschlechtlichung und Rassifizierung stattfand. Ich hatte also selbst erst den Fehler gemacht, die Perspektiven nicht von vornherein intersektional anzusprechen. Dazu kam es hauptsächlich deshalb, weil ich im Interview-Leitfaden zuerst nach Geschlecht und dann erst nach Rassifizierung gefragt hatte. Die Gleichzeitigkeit und gemeinsame Emergenz vergeschlechtlichter Rassifizierung ist zwar theoretisch wie auch forschungstheoretisch schwer zu greifen, aber dennoch vorhanden. Wie eingangs schon beschrieben, entziehen sich Gemeinsamkeit und gemeinsame Hervorbringung dieser beiden Kategorien beständig. Diesem Dilemma konnte ich in der Auswertung entgehen, indem ich speziell alle Themen aufgegriffen habe, in denen sich eine Intersektion herausstellen ließ. Als Einstieg und damit auch als erste Codedimension diente die Frage: »Wie würdest du dich selbst einer völlig fremden
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Diese sind sensibilisierende Konzepte, unter deren Perspektive die Daten betrachtet werden. In der vorliegenden Forschung waren das in erster Linie rassismuskritische und postkoloniale Theorien, die ich teilweise mit feministischen, aber insbesondere mit intersektionalen Perspektiven (Mills 2007; Pateman 2007 und McRobbie 2009) angereichert habe.
3 Methodischer Zugang
und vielleicht auch außerirdischen Person beschreiben?«, die zunächst als offene Einstiegsfrage gedacht war. Wieviel Potenzial diese Frage letztlich entfalten konnte, wurde zum einen im Interview-Gespräch deutlich. Die Frage beflügelte viele Frauen* zu versuchen, aus den Zusammenhängen, die für sie über ein biographisches Wissen schon bekannt waren, hinaus einen verfremdeten Blick ›von außen‹ zu wagen. Über diesen Versuch des ›verfremdeten‹ Blicks wurden implizit Haltungen deutlich, die somit als Momente der Reflexion in das Material Eingang erhalten konnten. Beispielsweise wurde deutlich, dass es gar nicht so einfach ist, einem ›Außerirdischen‹ zu erklären, was denn Rassismus ist und warum es Rassismus in unserer Welt gibt. Auch der Begriff Geschlecht ist nicht unbedingt leicht zu erklären, besonders dann nicht, wenn es darum geht aufzuzeigen, wie hierarchisch Geschlechterverhältnisse sein können. Die Frauen* überlegten immer, ob sie diese Macht- und Herrschaftsmechanismen dem ›Außerirdischen‹ überhaupt erklären würden, denn möglicherwiese würden sie dabei etwas reproduzieren, was sie selbst als Struktur ablehnen. Der ›Außerirdische‹ nahm in dieser Hinsicht die Position eines Unwissenden ein, und es war zu überlegen, wie was thematisiert werden sollte. Ähnliche Diskussionen lassen sich im Differenz-Dilemma abbildend, in dem die Differenz-Setzung auch immer wieder dazu beiträgt, die Differenz erst hervorzubringen. Paul Mecheril hat deswegen ein differenziertes Vorgehen vorgeschlagen, nämlich einerseits die Differenz zu benennen, sie andererseits aber gleichsam immer wieder zu dekonstruieren – diese Strategie nennt er Mehrfachstrategie (vgl. Mecheril 2003a: 139; vgl. außerdem Schmidt 2009: 122). Die Einstiegsfrage wurde mit diesen Auseinandersetzungen zu einem nicht unwichtigen Code, genauso wie auch die allererste Frage, die sich auf die Wahrnehmung des Bildes bezog. Wie von Clarke beschrieben, sollte die Auswertung mit der Situationsanalyse durch schon ›vorverdaute‹ Daten erfolgen. Die Daten können damit schon einen gesamten Grounded-Theory-Auswertungsprozess durchlaufen haben, sie werden dann in das Mapping eingebracht. Das Vorgehen in der vorliegenden Studie erfolgte deswegen zunächst anhand eines offenen Codier-Prozesses. Da sich die Fragestellung auf Subjektivierungen bezieht, die vergeschlechtlichte Rassifizierungsprozesse zeigen und beschreibbar machen will, mussten Anrufungen identifiziert werden, die genau jene Subjektivierungsprozesse aktivierten. Relativ schnell wurde deutlich, dass sich das Konstrukt der Anrufung nicht in einer Oberflächlichkeit der Betrachtung erschließt, sondern immer wieder in den ›Zwischentönen‹ der Interviewpartnerinnen zu finden war. Um diese Ebene zu erreichen und auch um die Daten noch weiter zu öffnen, fand in einem zeitgleichen, aber auch nachrangigen Schritt die Öffnung der Daten mit generativen Fragen statt. Sie dienten zum einen dazu, in das Material ›hinein‹ zukommen und in einem weiteren Schritt dazu, das Material schon auf eine leichte Abstraktionsebene zu heben. Sie hat die Funktion des Memo-Schreibens und des Analysierens in einem. Einzelne Forschungsschritte beschreibe ich im Folgenden noch einmal:
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Schwarze Weiblich*keiten a) Wie oben bereits ausgeführt, wurden zunächst die transkribierten Interviews offen codiert23 und in einen Codebaum gebracht. Damit sind die Daten ›vorsortiert‹ und können in einem weiteren Schritt dem ersten Mapping der Situationsanalyse zugänglich gemacht werden. Mit den vorsortierten Daten werden die theoretischen Vorannahmen gerahmt und aus der reinen Erzählung in einen theoretischen Zusammenhang gebracht. b) Beim offenen Codieren merkte ich sehr bald, dass ich durch ein reines offenes Codieren nicht gut ›in die Daten kam‹ und die Diskurse sowie die diskursiven Anrufungen und Handlungen nicht zu erfassen waren. Deshalb entschloss ich mich, das Codierparadigma von Strauss und Corbin (1996) anzuwenden, das mit generativen Fragen an Analysen herangeht. Die W-Fragen, die dort gestellt werden, habe ich im Wesentlichen folgendermaßen verändert: 1) Was wird zum Thema gemacht? 2) Warum ist das Thema relevant? 3) Welche Strategie (im Sprechen) wird genutzt? 4) Welche Konsequenz hat sie? 5) Welche Diskurse/diskursiven Anrufungen und Praxen werden deutlich? 6) Gibt es einen Anschluss an bereits bestehende theoretische Zugänge? Mit diesen Fragen habe ich sukzessive ca. 20 Stunden Interviewmaterial durchgearbeitet. Als Einheit galt mir die inhaltliche Erzählsequenz. Jede Erzählsequenz habe ich als Gesamterzählsequenz codiert. c) In einem weiteren Schritt wurden diese Codes in die erste Situations-Map eingegeben (vgl. 1. unstrukturierte Situations-Map S. 236). Durch diese Struktur der induktiven und gleichzeitig deduktiven Herangehensweise wird auf eine Gesamtsituation verwiesen, die nicht an die einzelnen Personen gebunden wird, sondern eine Theoretisierung mittlerer Reichweite nach sich zieht. d) Um Subjektivierungen in der Intersektion von Geschlecht und Rassismus zu verstehen, musste ich zunächst verstehen, welche Diskurse und diskursiven Praktiken im Feld zu finden waren und wie alltäglich sie auf die Subjekte wirkten. Da sich in allen acht Interviews und in dem einen Gruppengespräch herausstellte, dass Erfahrungen von Rassismus alltäglich waren und viele Aspekte genannt wurden, habe ich mich dafür entschieden, nur solche Erzählungen zu verdeutlichen und zu diskutieren, die race und Geschlecht gleichzeitig ansprachen (vgl. Kapitel 4). e) Die zweite Situations-Map wurde aus den axialen Codierungen heraus erstellt. Die Aussagen wurden Kategorien zugeordnet; an der Größe der Kategorien und daran, wie eng sie miteinander verbunden sind, wird deutlich wie häufig sie genannt wurden und ob die Kategorien untereinander eine Verbindung haben. Stereotype und Sexualisation sind beispielsweise sehr eng miteinander verbunden, andere Themen sind weiter voneinander entfernt (vgl. S. 239: 2. Situations-Map Kategorien von Diskursen und diskursivem Handeln). f) Im Auswertungskapitel führe ich dann in jedem Unterkapitel eine kleine strukturierte Situations-Map auf, um einerseits auf die darin enthaltenen Diskurse zu zei23
Bspw. wurden Aussagen zu Rassismus-Erfahrungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten codiert oder auch Interaktionen von denen die Frauen* berichteten.
3 Methodischer Zugang
gen und um andererseits die diskursiven Handlungen herauszustellen. Außerdem werden im Auswertungskapitel tatsächlich nur die Stellen der Interviews wiedergegeben, die eine Häufung in den Antworten aufweisen. Damit können keine generellen Aussagen zu Erfahrungen mit intersektionalen Diskriminierungen und Anrufungen gemacht werden, sehr wohl aber bietet diese Forschung einen weiteren Zugang zur Aufschlüsselung solcher Erfahrungen. g) Vor diesem Hintergrund diskutiere ich dann die Ergebnisse im fünften und letzten Kapitel. Hier wird es auf der einen Seite darum gehen, Subjektivierungen verdichtet zu beschreiben und die theoretischen Fragen zu beantworten und zum anderen darum, Bildungsprozesse verdichtet zu beschreiben.
3.5
Kurze Zusammenfassung
Ich habe in diesem Kapitel einerseits diskutiert, wie die Situationsanalyse von Adele Clarke aus theoretischen Perspektiven der Grounded Theory entwickelt wurde und wie sie weitere theoretische Grundannahmen hinzugezogen hat, um die Situationsanalyse durch den Postmodernen Turn zu verhelfen. Ich habe zudem darauf hingewiesen, dass die Situationsanalyse eine Möglichkeit bereithält, Diskurse zu analysieren und auch einen Schwerpunkt auf Subjektivierungen zu legen. Weiterhin habe ich diskutiert, dass eine Diskursanalyse mit Mitteln der Situationsanalyse auch noch Perspektiven des Symbolischen Interaktionismus beinhaltet und Handlungen damit auch unter einem pragmatischen interaktionalistischen Charakter in den Blick kommen, ohne dabei Machtverhältnisse aus dem Blick zu verlieren. Diese Perspektive ist für die vorliegende Untersuchung von Bedeutung, weil es auch darum gehen soll, Diskurse als Praxen zu betrachten und hier auch Handlungspraxen kenntlich zu machen. Zuletzt habe ich das Vorgehen während meiner Analyse verdeutlicht und hervorgehoben, dass die Situationsanalyse durch ihre Zentrierung auf die Situation auch als genuin intersektionale Analyse betrachtet werden kann. Im Anschluss an das Kapitel befinden sich die Situations-Maps, die sicher auf den ersten Blick verwirrend wirken. In ihr enthalten sind alle Codes, die sich aus den Interviews ergeben haben. In der ersten Situations-Map habe ich alle Codes, die einen thematischen Zusammenhang hatten, mit der gleichen Farbe versehen (z.B. alle Aussagen über den »Außerirdischen« grün); in der zweiten Map waren die Codes schon übergeordneten Kategorien zugeordnet, so dass nur noch Kategorien sichtbar sind wie ›Stereotype‹, ›Technologien des Selbst als Bildungsprozesse‹ oder der Zusammenhang von Hautfarbe und Ort. Die Pfeile zwischen den Kategorien zeigen jeweils einen starken oder einen schwachen Zusammenhang. Das nächste Kapitel wird nun das Auswertungskapitel sein, und im Anschluss daran werde ich in Kapitel 5 ein Fazit ziehen.
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Schwarze Weiblich*keiten
Abbildung 1: 1. Situations-Map unstrukturiert. Alle Codierungen (links) Abbildung 2: 1 Situations-Map unstrukturiert. Alle Codierungen (rechts)
Tabelle 1: Strukturierte 1 Situations-Map von Codierungen Farbe und Nummer
Inhalt der Aussage
Blau
Bewusstseinsaussagen
Grün
Utopische Momente/Aussagen
Orange
Nicht menschliche Aktanden/Bezugnahme darauf
Pink
Politische Identität
Gelb
Anrufungen
Blau 1
Soziokulturelle Aspekte
Grün 1
Biographische Veränderungen/Erzählungen
Orange 1
Empowerment/Selbststärkung
Pink 1
Geschlecht als interdependente Kategorie
Gelb 1
Geschlecht-Werden
Blau 2
Blicke
Grün 2
Diskriminierungen
Orange 2
Bewusstseinsaussagen
Pink 2
Imaginierte Akteure (menschlich)
3 Methodischer Zugang
Tabelle 2: Strukturierte 2 Situations-Map von Diskursen und diskursives Handeln Kategorien
Codes/in-Vivo-Codes
1. Gruppe: Relation/›Hautfarbe‹ – Ort oben rechts im Bild
»Die Person, der Blick ist kulturalisiert« Hautfarbe »Diese Hautfarbe ist nicht Teil von diesem Ort«
1a) Symbolische Hautfarbe (Grün umrandeter Kreis)
Schwarz-Sein ist mehr als verschiedene Schattierungen Schwarz-Sein als Identität Schwarz-Sein als verschiedene Facetten von Erfahrungen
1b) Sichtbarkeit/Hypertextualität
»Ich fühle mich so ähnlich wie das Bild«
Alle Drei Kategorien haben eine starke Verbindung zueinander und werden in Kapitel 4.2 verdeutlicht. 2. Stereotype
A-tom-Boy »Asiaten sind nicht so schlimm« »Afrikaner machen immer was mit Afrika« WoC kommen aus patriarchalen Familien Die exotische Inderin Bilder von Schwarzen Frauen »gut tanzen und gute Laune« Indischer Geruch Eltern die nicht gut deutsch sprechen »alle Schwarze…«
Die Kategorie Stereotype hat eine starke Verbindung zur 1. Kategorie und zur 3. Kategorie und wird daher in Kapitel 4.3 besprochen.
Sexualisierung Schwarzer Frauen/Mora
3. Große Kategorie: Vergeschlechtlichende Wirkungen
A tom-boy ’nem Ideal hinterher Als Kind Erfahrene Sexismen »Feministin sein ist weiß markiert« »Sexualized Features«
2a) Interdependente Kommentierungen (Violett umrandetes Viereck)
Geschlecht als interdependente Kategorie
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Schwarze Weiblich*keiten
Beide Kategorien werden im Kapitel 4.4 (Sexualisierungen) besprochen. Sie haben einen großen Zusammenhang zu den Stereotypen und zur ersten Kategorie 4. Rassifizierende Wirkungen (Rot umrandetes Rechteck)
Selbstbezeichnungen Die Eltern Umgang mit ethnischer Zugehörigkeit Institutionen Selbsttechnologien/Technologien des Selbst Negrofikation als eine Art der Rassifizierung »Whitewashing« Räumlichkeit und R.
5. Bildungsprozesse/Veränderung (Rot umrandeter Kreis)
»Schutzmechanismen« Bewusstsein als Sorge um Sich Schwarze politische Identität Empowerment durch Community Empowerment durch Wissen Bewusstsein Diese Entscheidung
3 Methodischer Zugang
Abbildung 3: 2 Situations-Map Kategorien von Diskursen und diskursivem Handeln
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4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
4.1
Einführung in eine komplexe Betrachtung
Zwischen 20.09.2016: Subjektivierungs- und Bildungsprozesse zu beschreiben ist eigentlich sehr kompliziert, weil alles gewissermaßen gleichzeitig passiert und ich genau genommen einen Film drehen müsste, der multiperspektivisch immer eine andere Perspektive annimmt; diese Szenen müssten eigentlich gleichzeitig neben einander ablaufen und außerdem müssten noch eine Emotions-, eine Geruchs und eine räumliche Dimensionen immer wieder gleichzeitig auftreten. Und dies alles darf nicht zu Bandsalat führen … Deshalb kennzeichne ich hier nur einige unterschiedliche ›Szenarien‹, die innerhalb der Interviews häufig Erwähnung gefunden haben. Das ist ein kursorischer Blick auf Subjektivierungsund Bildungssituationen, die ebenso auch durch andere exemplarische Vertiefungen hätten gewonnen werden können. Alle theoretischen Vorgaben, um die Fragestellung der Arbeit zu erschließen, sind getroffen. Dieses Kapitel widmet sich nun der Auswertung und der Diskussion. Dabei wird zunächst noch einmal ein Rückblick auf die letzten Kapitel durchgeführt, um die zentralen Ergebnisse der analytischen Perspektive darzustellen. Danach widmet sich das Kapitel unter der Rubrik Einblick den Ergebnissen, die durch die erste Codierung gewonnen wurden, weil diese den unmittelbaren Zugang zu den folgenden Schwerpunkten bildet. Die Arbeit wendet sich dann den zentralen Analysekapiteln (4.2. bis 4.6) zu. Rückblick Bildungs- und Subjektivierungsprozesse sind ineinander verflochten und finden gleichzeitig statt. Nicht nur, weil sie die gleiche Person treffen, sondern auch deswegen, weil Diskurse, Gesellschaftsstrukturen und Positionen, die eine Subjektivierung hervorbringen, auch in ein Bildungsgeschehen involviert sind. Bildung ist damit nicht das Andere der Subjektivierung, sondern sie sind sehr eng verknüpft.
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Schwarze Weiblich*keiten
In Kapitel 2.1 wurde bildungstheoretisch argumentiert, welche Dimensionen der Bildungsbegriff mit Bezug auf Jenny Lüders (2007a) hat. Die Dimensionen Bildungssubjekt, Gesellschaft, Norm und der Bildungsprozess an sich wurden als zentrale Bezugsfelder im Bildungsbegriff herausgestellt. Im Unterschied dazu wurde verdeutlicht, dass in Subjektivierungsprozessen und deren Analyse diese Dimensionen zwar auch eine ausschlaggebende Rolle spielen, dass sie dennoch anders in Logiken von Analysen eingebunden sind. Während Subjektivierungstheorien in erster Linie die Kritik der Zurichtungen durch Macht-, Herrschafts- und Normalisierungsprozesse betrachten und damit auch pädagogische Einrichtungen und Normensetzungen kritisiert werden können, avisieren Bildungstheorien, die sich auf Transformationen beziehen (vgl. Koller 2012), die Möglichkeit, solche Zurichtungen zu verändern. Obwohl Nadine Rose zuzustimmen ist, dass Subjektivierungs- und Bildungsprozesse als enger zusammengehörig betrachtet werden müssen (vgl. Rose 2013), würde ich mich dafür stark machen, sich zunächst Subjektivierungen zuzuwenden und von dort aus deren Transformation in Bildungsprozesse zu untersuchen. In Kapitel 2.1 habe ich argumentiert, dass die Normen der ›Zurichtung‹ in Subjektivierungsprozessen möglicherweise nicht das sind – oder nicht das Einzige sind – wogegen es sich zu wenden lohnt. Ich habe argumentiert, dass es sich lohnen könnte, zunächst herauszustellen und zu fragen, um welche Normen es sich handelt, und von dort aus mit einem wesentlich ethischen Bezug (ich verwende den Foucault’schen Begriff »Technologien des Selbst«) zu sich selbst, zur Welt und zu Anderen bildungsund subjektivierungstheoretisch weiterzudenken. Einerseits geht es mir dabei darum offenzuhalten, welche Normen hier gerade einschränkend wirken, und anderseits den Blick von performanztheoretischen Perspektiven wieder – zumindest ein Stück weit – auf die Verhältnisse zu richten. Damit versuche ich in der Analyse einzufangen, dass es auch um rassistische, Klassen- und Geschlechterverhältnisse geht und Subjektivierungen innerhalb dieser stattfinden. Bereits in der Einleitung hatte ich darauf hingewiesen, dass ich mit dem Begriff Intersektionalität genau das verbinde: Einerseits zu überlegen wie die Verhältnisse in einander wirken und Bedingungen hervorbringen, die sich dann letztlich in Normen, Diskursen und den Erfahrungen der Subjekte widerspiegeln. Deshalb habe ich – nachdem ich in Kapitel 2.1 – Bildung und Subjektivierung diskutiert habe, die Analyse um gesellschaftstheoretische intersektionale Perspektiven erweitert und mit Bezug auf Charles Mills (1997, 2007, 2017) Carole Pateman (1988, 2007) und Angela McRobbie (2009) herausgestellt, dass der »racial-sexual-contract« evidente strukturelle Verhältnisse für Schwarze Frauen und Women of Color schafft. Da dieser Contract verflochten ist mit »Racial Capital«, dessen Entstehungsbedingungen ich mit Bezug auf GutiérrezRodríguez (2018) aufgezeigt habe, müssen sich Bildungs- und Subjektivierungstheorien nach meinem Dafürhalten postkolonialen und dekolonialen Perspektiven annähern und deren Zugriff auf Bildung und Subjektivierungen ernsthaft in Betracht ziehen. Mit Bezug auf Maisha Auma (ehem. Eggers; 2004) hatte ich angedeutet, dass Bildung auch als ein Prozess betrachtet werden kann, in dem Gruppenidentitäten und somit auch Individuen, die sich dieser Gruppe zugehörig fühlen, durch Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Verhältnissen aufgewertet werden können. Auma stellt diese Herangehensweise in der Antirassismusarbeit vor, deutet aber an, dass es hier auch
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
um die Intersektion mit Geschlecht geht. Eine weitere Perspektive gewann ich mit Bezug auf María do Mar Castro Varela (2016); ihrer Ansicht nach müssen Bildungsprozesse nicht nur am einzelnen Subjekt ansetzen und Begehren re-arrangieren sondern darüber hinaus auch die Episteme adressieren. Eine dritte Perspektive auf post- oder dekoloniale Bildungsansätze erwarb ich mit Bezug auf Maria Lugones (2010): Für sie muss die Analyse von Subjektivierungsprozessen, die internationale Arbeitsteilung und die Kolonialität der Geschlechterverhältnisse berücksichtigen. Aus ihrer Perspektive waren Kolonisierte erst mit dem Kolonialismus dazu gezwungen sich als Männer und Frauen zu erkennen und wurden an bürgerlichen weißen Geschlechterverhältnissen gemessen, die sie doch nie erfüllen konnten. Bildungs- und Widerstandsprozesse setzen dort an, wo – so Lugones – ein Rest der unbesetzten Subjektivität besteht. Ansätze wie diese bringen nicht nur Geschlechterverhältnisse als geopolitisches und kapitalistisches Verhältnis zur Sprache, sie weisen auch darauf hin, dass diese Verhältnisse in Subjektivierungs- und Bildungsprozessen von enormer Bedeutung sind. Es ließe sich argumentieren, dass die interviewten Frauen* nicht die Frauen* aus dem globalen Süden sind, die unter dieser Weltaufteilung am meisten leiden – und das halte ich für zutreffend, dem ist meiner Überzeugung nach nicht so. Dennoch möchte ich hier aufzeigen, dass sie auch nicht losgelöst von diesen historisch entstandenen Verhältnissen sind. Sie werden häufig darin erinnert, dass ihr Status prekär ist. Ich möchte aufzeigen, dass sich in den Aussagen der Interviewten eine Art historisches gesellschaftliches Gedächtnis finden lässt. Dieses gesellschaftliche Gedächtnis oder diskursive Archiv ist es auch, auf das rassistische Diskurse am Kreuzungspunkt von Geschlecht zurückgreifen und das relativ schnell (re-)aktualisiert werden kann. Besonders deutlich wird das im Zusammenhang mit Sexualisierungen – hier werden alte koloniale Phantasien besonders plastisch. Aber auch darüber hinaus wird deutlich, dass die Subjekte im Zentrum eines Macht- und Herrschaftsverhältnisses verortet sind, das in der Intersektion von Geschlecht, race und Klasse operiert. Die am Anfang des zweiten Kapitels beschriebenen Dimensionen von Bildung lassen sich unter dieser Perspektive noch erweitern; nicht nur das Bildungssubjekt und seine Beschaffenheit spielen dann eine Rolle, sondern auch seine Situierung in der oben beschriebenen Intersektion und in diesem Archiv der Diskurse. Machtwirkungen, in denen diese Subjekte verortet sind, lassen sich sehr gut mit Michel Foucaults Subjektbegriff analysieren. Subjektivierungen sind nicht nur hervorgerufen durch einengende Normen, sondern sie sind auch gerade durch gouvernementale Selbst- und Fremdführungen zu verstehen. Wie sehr diese Subjektivierung auch in einem neoliberalen Sinn ausgeschöpft werden kann, haben Bröckling, Krassmann und Lemke (2007) gezeigt und es wird in den Interviews wiederum in Zusammenhang mit Sexualisierungen deutlich. Trotz dieser machtvollen Subjektivierungen lassen sich ethische Selbstbezüge in den Interviews herausstellen, die ich wiederum mit Bezug auf Foucault (1993) als Technologien des Selbst herausstellen möchte. Diese ethischen Selbstbezüge sind ambivalent, aber dennoch weisen sie auf Transformationen des Selbst hin. Dieser Prozess ist aber nicht als Transformation zu verstehen, der nun wieder ein autonomes – jetzt reflexives Subjekt – adressiert; sondern dieser Begriff bezieht sich im Wesentlichen eher auf »Die Sorge um sich« als Sorge, die sich auch auf andere bezieht. In meiner Interpretation bedeutet das: Es geht darum, Episteme zu
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verändern; es geht darum, Verhältnisse in den Blick zu nehmen und deren Wirken auf das Selbst und die Anderen zu verstehen; und es geht darum, sich selbst in aufrechter Weise zu begegnen, um für andere sein zu können. In diesem Sinne sind nun zunächst die Verhältnisse und deren Wirkungen auf das Subjekt herauszustellen. Verhältnisse können auch unter dem Begriff Diskurs beschrieben werden, insofern man Foucaults Ausführungen folgt und Diskurse als MachtWissens-Systeme versteht, die unsere Gesellschaft strukturieren und spezifische Wirkmächtigkeiten und Möglichkeiten hervorbringen. Es wäre nun naheliegend, auch den Dispositiv-Begriff hinzuzuziehen, gerade wenn es um materialisierte Diskursformationen geht. Doch der Diskursbegriff lässt sich in der vorliegenden Arbeit gut als strukturierendes Element einführen, weil er einerseits offenlässt, was sich im Zentrum und am Ausgangspunkt des Diskursiven befindet, und weil andererseits die zu verändernden Episteme damit sichtbar werden. Mein Ziel ist es, in dieser Arbeit nicht nur die subjektkonstituierenden Episteme und Diskurse zu verdeutlichen, sondern auch die diskursiven Praxen der Frauen* zu kennzeichnen. Ich gehe davon aus, dass in diesen diskursiven Praxen das Potenzial liegt, Bildungsprozesse auf unterschiedliche Weise zu verdeutlichen. Einblick Die Analyse der Interviews ergab durch einen ersten offenen Codierungsprozess schon sehr viele Ergebnisse, die ich im folgenden Abschnitt kurz vorstellen möchte. Weiter unten in den drei Hauptauswertungskapiteln habe ich mit der Situationsanalyse deren Zusammenhänge herausgearbeitet und einerseits die Diskurse aufgezeigt, die im Sprechen deutlich wurden, und anderseits das diskursive Handeln verdeutlicht, das die Personen tätigen. Diese Arbeit wurde nicht vorgenommen, als es um die Vorsortierung der Daten durch offenes Codieren ging. Um Subjektivierungsprozesse herausarbeiten zu können, müssen Anrufungen im Diskursiven als solche identifiziert werden. Diese Annahme trug dazu bei, dass die erste Unterfragestellung nach der Häufigkeit und der Art intersektionaler Anrufungen fragt (vgl. Kapitel 1.4). Als eine der ersten Erkenntnisse aus dem offenen Codierprozess mit den zuvor dargelegten Sencitizing Conzepts1 konnte herausgearbeitet werden, dass rassifizierende und Vergeschlechtlichende Anrufungen allgegenwärtig sind. Die interviewten Frauen* sprachen ganz selbstverständlich über alltägliche intersektionale Diskriminierungen, über Alltagsrassismus2 (vgl. hierzu auch Velho 2016) und rassifi-
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Adele Clarke versteht die Situationsanalyse als ein Modell der GTM, die ihre erkenntnistheoretische Perspektive vorher darstellt. Mit diesen Senzitizing Conzepts geht es weniger darum, die Theorie in den Daten zu finden, sondern eher darum darzulegen, aus welcher Perspektive und mit welcher erkenntnistheoretischen ›Brille‹ das Material betrachtet wird (Bowen 2006). Bowen hält zu der Verwendung und Begründung dieser Konzepte mit Bezug auf Charmaz (2003) fest: »Sensitizing concepts offer ways of seeing, organizing, and understanding experience; they are embedded in our disciplinary emphases and perspectival proclivities. Although sensitizing concepts may deepen perception, they provide starting points for building analysis, not ending points for evading it. We may use sensitizing concepts only as points of departure from which to study the data.« (Charmaz 2003: 259, zit.n. Bowen 2006: 3, Herv. i.O.). Vgl. Kapitel 2.2.2.
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zierende sowie geschlechtliche Differenzsetzungen. Diese Differenzsetzungen schlossen sich aber häufig auch an ethno-kulturelle Fragen an, sodass davon auszugehen ist, dass diese Verbindungen nicht leicht zu trennen sind (vgl. hierzu auch Mecheril 2003a). Warum m.E. doch in manchen Kontexten race im Vordergrund steht, wird im Verlauf des Kapitels noch deutlich hervorgehoben werden. Ziel dieser Untersuchung war es zudem herauszuarbeiten, ob und wie die Anrufungen bei verschiedenen Frauen* unterschiedlich sind. Ich habe vier Schwarze Frauen* als Interviewpartnerinnen* gehabt, von denen eine afro-haitianische und US-amerikanische Wurzeln hatte; eine der türkischen Diaspora, eine der indischen und eine weitere der südamerikanischen Diaspora angehörte. Diese Auswahl war nicht beabsichtigt, vielmehr ergaben sich die Interviews durch ein Interesse der Frauen*, an einem Interview teilzunehmen. Deutlich wurde, dass die Frauen* unterschiedlich rassifiziert werden, diese Anrufungen aber dennoch einen gemeinsamen Referenzrahmen erzeugen, den ich in Kapitel 4.3 zeigen werde. Die größte Herausforderung für die beteiligten Personen, vor allem in der Zeit ihrer Kindheit und Jugend, war – so stellte sich heraus – ein männlicher weißer Blick; dieser Blick kann mit Bezug auf Donna Haraway als ein Blick der Norm beschrieben werden (vgl. Haraway 2002). »Der weiße Blick ist ein Blick, der aus einer hegemonialen Position heraus ausgeübt wird. Er unterscheidet, ›ordnet‹, hierarchisiert und bestimmt die eigene und die (Re-)Präsentation der ›Anderen‹. Donna Haraway argumentiert in Bezug auf einen ›erobernden Blick von nirgendwo‹ (Haraway 2002: 224), dass ›dieser Blick sich auf mythische Weise in alle markierten Körper‹ (ebd.: 224) einschreibt und dass er der unmarkierten Kategorie die Macht zu sehen gibt, ohne gleichzeitig gesehen zu werden. Sie beschreibt weiter, dass dieser Blick die Möglichkeit hat zu repräsentieren und ›zugleich der Repräsentation zu entgehen‹ (ebd.: 224). ›Dieser Blick‹ so schreibt sie, ›bezeichnet die unmarkierte Position des Mannes und des Weißen‹ (ebd.: 224). Blicken ist in diesem Zusammenhang nicht unschuldig, Blicken oder auch Starren erfolgen hier aus einer Perspektive, die nicht nur einordnet, sondern auch gleichzeitig entlang erwarteter Normen Bewertungen vornimmt. weißes Blicken ist vergleichbar mit dem male-gaze (männliches Starren). Beide erwachsen aus einer hegemonialen Perspektive und beziehen aus der Hegemonialität ihre Wirkmächtigkeit.« (Bergold-Caldwell 2014: 70) Dieser Zusammenhang und andere Perspektiven werden in Kapitel 4.4 genauer herausgestellt. Fest steht, dass für alle von mir interviewten Frauen* dieser Blick die größte Herausforderung in ihrer Jugend bedeutet hat. Weiterhin wird deutlich, dass ihre Subjektivierungen einer beständigen Verhandlung unterliegen, dass sie sie zurückweisen und doch auch darin gefangen bleiben; rassifizierte Vergeschlechtlichungen stellen sich immer wieder – teilweise auch unter der Hand – her. Sie fußen auf historisch entstandenen Selbstverhältnissen, die ihre Kraft noch immer entfalten (vgl. dazu Kapitel 4.3). Als Möglichkeiten der Gegenwehr beziehen sich alle Betroffenen auf ein Bewusstsein ihrer eigenen Situation als rassifizierte Frau. Edith, Olivia und Simoné sprechen von einer »Double Consciousness«3 , die sie sich im Laufe der Zeit angeeignet haben. 3
Vgl. Kapitel 4.6.
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W.E.B. du Bois (1903) hat diesen Begriff in die theoretische Debatte eingeführt und weist damit darauf hin, dass Schwarze Menschen in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft ein doppeltes Bewusstsein haben: Sie kennen rassistische Zuschreibungen und wissen, welche Vorstellungen damit verknüpft sind; gleichzeitig versuchen sie, einen eigenen Bezug zu ihrem Schwarz-Sein herzustellen. Eine solche Consciousness wird auch deutlich in den Ausführungen von Claudia, wenn sie unterscheidet, wie sie gesehen wird und wie sie sich selbst sieht (vgl. Interview Claudia, Z. 20-22). Aspekte, Begriffe und Prozesse dieser Art – die meines Erachtens wesentliche Selbstbezüge zeigen – kläre ich in Kapitel 4.6. Sie sind als Bildungsprozesse zu verstehen, weil sie reflexiv einen Bezug dazu herstellen, wie historisch gewordene Selbstverhältnisse verändert werden können – jedenfalls in der Hinsicht, dass sie nicht immer wieder eigene Emotionen und eigenes Verhalten diktieren. Ein großer Teil der Subjektivierungen, der Anrufungen und des Umgangs mit Diskursen und diskursiven Praktiken sind auch in Repräsentationen begründet. Repräsentationen werden hier – gemäß einer Darstellung von Spivak (Spivak et al. 2011) – verstanden einerseits als die Vertretung von Personen in einem öffentlichen Raum wie z.B. der politischen Sphäre und anderseits als die Darstellung der Personen in Medien und vielen anderen Bereichen. In beiden Dimensionen respektive Bereichen sind die Frauen* entweder unterrepräsentiert oder falsch repräsentiert, was alle acht zur Sprache bringen. Deutlich wird beispielsweise bei Simoné, Edith und Olivia, dass es viele Kulturvereine gibt, die zwar eine kulturelle Vertretung der afrikanischen Diaspora anstreben, dabei aber keine politische Agenda vertreten, sodass die Frauen* sich auch durch solche Vereine nicht repräsentiert fühlen. Welche Stereotype in den Medien und in Einstellungen gegenüber den Frauen* bestehen, wird im Kapitel 4.3 deutlich. Durch diese Miss- oder Nicht-Repräsentation entsteht für alle in unterschiedlichem Ausmaß der Eindruck der Vereinzelung; Vereinzelung wird von allen als die größte Bürde beschrieben, die sie in diesen Auseinandersetzungen zu tragen haben. Der Wunsch nach oder die Notwendigkeit von Kollektivität wird in diesen Zusammenhängen mehr als deutlich. In diesem Zusammenhang ist Kollektivität und das Begehren nach Kollektiven nicht nur über die Dimension Geschlecht ausgeprägt, sondern auch und in jedem Fall über die Dimension race. Denn die Auseinandersetzung und Theoretisierung, die ich im Folgenden beschreibe, setzt sich in erster Linie aus race-Erfahrungen zusammen und fungiert im Zusammenhang dieser Arbeit als Eintrittstor für die empirische Auseinandersetzung. Hypertextualität und Sichtbarkeit »also, dass man nicht einfach so diese, diesen Luxus der Anonymität hat. Und ach, des Gesicht, oder die Art von Mensch hab ich schon 1000mal gesehen, ist jetzt nichts Besonderes oder so was, keiner guckt einen mehr an, sondern man ist so hyper- ähm, sichtbar.« (Interview ESO, Z. 1790-1792) Stuart Hall (1996, 2000a) hat in seiner Theorie der Repräsentation Bezug auf Foucaults Diskursbegriff genommen und hat herausgestellt, dass der Körper in Foucaults Überwachen und Strafen (1975 [dt. 1976]) nicht nur ein Körper ist, den Menschen haben, sondern dass es ein Körper ist, der diskursiv erzeugt wird und der deshalb als Körper
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betrachtet werden kann, der in und durch die Geschichte hervorgebracht wird (vgl. Hall 2000b: 35). In Zusammenhang mit der Repräsentation schaffen Diskurse nicht nur ein Wissen über diese Körper, sondern sie schaffen auch »subject-positions, from which alone they make sense« (ebd.: 56, Herv. i.O.). So ist es möglich festzuhalten wie bestimmte Körper in einer bestimmten Repräsentation Sinnhaftigkeit erhalten und welche nicht. Es lässt sich also sagen, dass ein Körper in Zusammenhang mit seiner Repräsentation im Diskurs als historisches Produkt gelesen werden kann und Diskurs und Repräsentation gleichzeitig dafür Sorge tragen, welche Position für dieses Subjekt intelligibel ist und wie das Subjekt nur von dieser Position aus intelligibel wird. Der Körper kann also ›gelesen‹ werden und wird vor dem Hintergrund seiner jeweiligen Repräsentation intelligibel. Grada Kilomba spricht von einem »Embodied Other«4 , verkörperte Andere, die niemals das Selbst sein können, sondern immer die Anderen sind. »Always placed as the ›Other‹, never as the self« (Kilomba 2013: 18). Ich möchte an einigen Interviewstellen aufzeigen, wie durch eine komplexe Verbindung nicht nur der Körper als ein Anderer hergestellt wird, sondern wie das in Verbindung mit Repräsentationen von Orten geschieht; wie der Schwarze Körper als unintelligibel und »beeing out of place« (Kilomba 2013: 29, Herv. i.O.) hervorgebracht wird. Denn auch Orte sind als solche mit einer Codierung der Zugehörigkeit aufgeladen, wie Fatima El-Tayeb mit einer historischen Perspektive für Deutschland herausstellt. In dem Buch Undeutsch. Die Konstruktion des Anderen in der Postmigrantischen Gesellschaft (El-Tayeb 2016) rekonstruiert El-Tayeb, wie Deutschland sich systematisch selbst als weiße Mehrheits-Gesellschaft erzählt und damit Schwarze Menschen und People of Color, die in Deutschland leben, immer als die Anderen – als diejenigen, die zugewandert, die ›nicht von hier‹ sind – erst erschafft. Auch mit Bezug auf die Ausführungen in Kapitel 2.2.3 kann verdeutlicht werden, dass Migration in mancherlei Hinsicht rassifiziert ist und somit relativ deutlich wird, wer als Migrant*in angesprochen wird und wer nicht. So treffen einerseits der rassifizierte Körper und anderseits der weiß codierte Ort aufeinander, und die Frauen* begegnen diesem Gelesen-Werden ihres Körpers auf unterschiedliche Weise. Eine Verknüpfung mit dem oben aufgezeigten Zusammenhang zwischen dem Schwarzen Körper der gelesen werden kann und einem codierten Ort habe ich in Moras Interview gefunden. Mora erzählt davon, dass sie in den USA aufgewachsen ist, ihre Mutter aber eine während ihrer Kindheit in die USA eingewanderte Schwarze haitische Migrantin sei. Sie beschreibt, dass es für sie schwer war, weil ihre Mutter sich selbst nicht als Schwarze gesehen hat; jedenfalls nicht mit einer politischen Schwarzen Identität. »[S]ie hat sich nicht als Schwarz positioniert und in Haiti würde sie als weiß positioniert, obwohl ihre Hautfarbe dunkel ist.« (Interview Mora, Z. 534-535). Für Mora entsteht durch die Entsolidarsierung ihrer Mutter als Schwarze eine schwierige Gemengelage: Sie selbst hat einige Rassismuserfahrungen auch in ihrer Kindheit, aber
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Grada Kilomba schreibt von einem verkörperten Anderen und stellt heraus, dass der rassifizierte Körper auch immer eine Verkörperung darstellt – also ein Zeigen, eine Repräsentation (vgl. Kilomba 2013: 28). Aus meiner Perspektive repräsentieren diese Körper dann auch eine Geschichte, die man gerne vergessen würde; aber der Schwarze Körper bringt sie immer wieder in Erinnerung und stellt damit einen Art Sichtbarkeit der Vergangenheitsdimension her.
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sie findet in ihrer Kindheit wenig Gehör und Anerkennung, weil die Mutter SchwarzSein hauptsächlich als Schattierung von Hautfarben erlebt hat. Sie war in den USA die haitianische Schwarze Andere und sie war in Haiti die weiß-gelesene Andere; was sicher auch mit Privilegien einhergeht. Was sich hiermit aber verdeutlichen möchte ist, dass Orte eine Repräsentation erzeugen, die Körper von Schwarzen in einem rassifizierten Differenzsystem immer wieder als lesbaren Körper hervorbringen. Wenn Schwarz-Sein in diesem Sinne nicht als rassifizierendes System von Privilegierungen und Deprivilegierungen verstanden wird – das auch ortsabhängig ist – kann sich eine Solidarisierung schwer herstellen lassen in welchem sich selbst Schwarze Kinder von Schwarzen Eltern alleingelassen fühlen. Einen weiteren Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der symbolischen Repräsentation eines Ortes und der Relation zu rassifizierten Körpern liefert das Interview mit Ninja. Ninja ist als Studentin nach Deutschland gekommen und leidet sehr unter den Bedingungen, die sie hier vorfindet; hauptsächlich sind dies Rassifizierungen, die sie aus Kolumbien in dieser Weise nicht kennt, mit denen sie einen Umgang finden muss. Neben Mora weist auch Ninja darauf hin, dass die Rassismuserfahrungen in Deutschland deutlich intensiver und anders seien als in den USA oder auch in Kolumbien. In Kapitel 2.2.3 habe ich ausgeführt, inwiefern und warum europäische Expansion während der Zeit des Kolonialismus und danach auch als racial capital zu bezeichnen ist. Hautfarben fungieren in diesem Zusammenhang als Marker von Zugehörigkeit und von Kapital. Auch Kolumbien hatte sich an einem whitening ihrer Bevölkerung im 19. Jhdt. bis Mitte des 20. Jhdt. durch Siedler-Kolonialismus europäischer weißer Immigranten beteiligt (Gutiérrez Rodríguez 2018: 23). Wie oben bereits verdeutlicht wurde, repräsentiert sich Deutschland nicht nur als weißes Land christlicher Provenienz5 , sondern auch als ein Land, das keine oder nur eine kurze Kolonialgeschichte vorzuweisen hat (vgl. El Tayeb: 61-80). Die Verbindung mit Schwarzem Leben in Deutschland und mit der Existenz Schwarzer Deutscher oder deutscher Einwanderungsgeschichte wird in dem Sinne unsichtbar.6 Sichtbar ist nur noch das, was Ninja dann im Interview erzählt: »Und ich glaub, in Kolumbien ist es eher mehr, ok, du bist Schwarz, oder du bist PoC, keine Ahnung, aber nicht alle fragen dich, wo kommst du her? Du bist, keine Ahnung, du gehörst auch dazu, und hier gehörst du nie dazu. Oder hier ist es sehr exotisch, und dann kommst du aus ganz weit weg, und dort ist es mehr, naja, du kommst halt aus Kolu-, also, es wird nicht mal gefragt, wo kommst du her, also ne? So dieses. Diese
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Andreas Ungerer (2010) weißt darauf hin, dass die Begriffsverbindung jüdisch-christlich eine ist, die in spezifischen Momenten und Aussagen herangezogen wird um historische und jetzige Verbindungen zu arabisch-islamischer Kultur zu leugnen oder zu delegitimieren. Online verfügbar unter: https://www.turkishnews.com/de/content/2010/12/08/»judisch-christliche-kultur«-aufden-spuren-eines-begriffs/ [Zuletzt abgerufen: 01.04.2019]. Nicht nur Zeugnisse aus dem 15. Jhdt. berichten davon, dass Schwarzes Leben in Deutschland schon lange existiert, sondern auch koloniale Expeditionen, Sklavenhandel, der Import von Menschen zu Zwecken ihrer Präsentation in Ausstellungen im späten 19. und frühen 20. Jhdt., auch die Internationalisierung durch die beiden Weltkriege und die Zuwanderung durch Arbeitsmigration zeigen, dass es Schwarzes Leben in Deutschland schon lange gibt (vgl. Oguntoye et al. 1986; Lennox 2006; El-Tayeb 2016).
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Farbe ist nicht Teil von diesem Ort oder wird so wahrgenommen« (Interview Ninja, Z. 742-747). Wie deutlich werden sollte, ist diese Erzählung nur deshalb möglich, weil Ninja auffällt, dass sie in Kolumbien zwar rassifiziert wird (»Ok, du bist Schwarz oder du bist PoC«), aber diese Rassifzierung wird als eine zugehörige Rassifizierung dargestellt, während sie hier als nicht-zugehörig angesprochen wird. Diese Unterscheidung fällt ihr auf, und sie macht sie kenntlich, indem sie darauf hinweist, dass »diese Farbe nicht Teil von diesem Ort« ist. Auch hier sind Ort und (symbolische) Hautfarbe in Relation zueinander aufgeladen: Sie werden in Deutschland zum Nicht-Ort Schwarzen Lebens. Einen letzten Eindruck von der Verknüpfung zwischen Orten und rassifizierten Körpern gibt Mora mit einem anderen thematischen Bezug in ihrem Interview. Sie spricht ab Zeile 310 über Kolonialismus und davon, wie koloniale Geschichten auch in der Science Fiction angesprochen werden. Hierbei bezieht sie sich auf die Serie Star Trek, in deren Intro davon gesprochen wird, dass die Besatzung neue Galaxien und neue Welten erkundet. Mora vergleicht dies mit den Erzählungen über Columbus und zwei Männer, die Louisana ›entdeckten‹ (vgl. ebd.: Z. 317). Worauf sie hinaus will ist, mir zu erklären, dass diese Menschen dann über die indigene Bevölkerung als ›rote Menschen‹ sprechen; sie vergleicht das dann mit dem Diversity-Diskurs hierzulande und hebt hervor, dass Diversity noch immer durch diese »colonial lens« (Z. 339) betrachtet werde und so etwas wie eine Essenzialisierung von Hautfarben, von zugehörigen Kulturen und Herkünften entstehe. Sie warnt davor und betont, das sei eine falsche Betrachtung von Diversity. Wirklich verstanden habe ich ihre Perspektive erst mit dieser Aussage: »When I see you, I know your, your … you are … I understand your melanin – you know, itʼs a variation of brown – you know. Everyone is a variation of brown, whether they have more or less. And thatʼs the base understanding, the actual human understanding that is missing« (Interview Mora, Z. 355-358). Den Melaninspiegel meiner Haut betrachtet sie hier in einem biologischen und in einem symbolischen Sinn. Indem sie daraufhin weist, dass sie mein Melanin verstehe und dass »jeder Mensch eine Variation von braun« sei, weist sie gleichzeitig darauf hin, dass dieser Melaninspiegel symbolisch aufgeladen ist und in dieser symbolischen Aufladung an Länder und Herkünfte geknüpft wird. Auf der Grundlage der Ausführungen können die Interpretationen und Erzählungen der Frauen* in ihren unterschiedlichen Variationen folgendermaßen interpretiert werden: Im ersten Beispiel zeigt sich, dass Moras Mutter in unterschiedlichen Orten different rassifiziert wird und dies aber nicht als Logik eines rassistischen Systems erkennt, das auch an Orte gebunden ist, sondern sie versteht es in erster Linie als Schattierung der Haut und lässt Mora mit ihren Rassismuserfahrungen allein. Deutlich sollte hier werden, dass der Schwarze Körper symbolisch aufgeladen ist. Im zweiten Beispiel wird deutlich, dass auch ein Ort als solcher symbolisch und repräsentativ aufgeladen sein kann, sodass der Eindruck entsteht, dass »diese Farbe nicht Teil dieses Ortes ist«. Im letzten dargestellten Interviewabschnitt spricht Mora von Hautfarben und Zuweisungen von Hautfarben an Orte. Die Orte werden mit bestimmten Personen verbunden und diese werden dann im farbenfrohen Diversity vorgestellt. Ihrer Meinung nach wiederholt sich damit ein Colorcode, der während der Kolonialzeit kreiert wurde, und
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dieser bindet Hautfarben und Aussehen noch immer an bestimmte (zugeschriebene) Herkünfte und Orte. Zuweisung und Zuschreibungen führen also entweder dazu, dass Personen mit Orten identifiziert und als ›natürlich‹ zugehörig betrachtet werden, während andere Personen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung als nicht-zuggehörig gelten und stattdessen mit anderen Orten der Welt identifiziert werden. Diese komplexe Zuweisung oder auch Ausweisung stellt damit immer wieder eine Lagerungsbeziehung her: Menschen sind hier und doch nicht hier; die Personen tragen Orte mit sich und werden immer wieder mit diesen Orten identifiziert, ob sie wollen oder nicht. Damit ist die postkoloniale Aufteilung der Welt nicht nur ein Ort im geographischen Sinne, der Ort hat Lagerungsbeziehungen. Schwarze Menschen verkörpern Teile des Ortes, die von außen durch Diskurse oder das Diskursive immer wieder identifiziert werden können und identifiziert werden. Sie entsprechen nicht der Ordnungslogik des weißen Ortes, sie können nicht in die Ortslogik eingebunden werden. Damit stören sie die Logik, fordern sie heraus und werden im Versuch, Ordnung herzustellen, immer wieder drauf verwiesen, dass sie hier und doch nicht hier sind. Dieser komplexe Zusammenhang spiegelt sich in allen nun folgenden Analysen wieder.
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Diskurse und diskursive Handlungen in der Empirie
Um Subjektivierungs- und Bildungsprozesse zu verstehen, kommt es mir in den nachfolgenden Kapiteln darauf an, sowohl diskursive Ordnungen als auch Anrufungen sowie Transformationsprozesse herauszustellen. Um diesen Fragen nachzugehen, wende ich mich in der Rekonstruktion der Empirie den Perspektiven auf das Diskursive, seinen Ordnungen und den diskursiven Praktiken der interviewten Frauen* zu; sie vermitteln einen Eindruck von Teilen und Ambivalenzen der Subjektivierungen, die entlang vergeschlechtlichter Rassifizierungen stattfinden. Anderseits liegen – so meine Annahme – in den diskursiven Praktiken auch Technologien des Selbst, die als Bildungsprozesse betrachtet werden können. Zunächst ordne ich deswegen noch einmal kurz theoretisch ein, wie hier Subjekt, Diskurs und diskursive Praktiken miteinander verschränkt sind und rekonstruiere dann, welche diskursiven Ordnungen und Praktiken zu sehen sind, wenn es um den Umgang mit Stereotypen geht. Diskurse bringen Subjekte als intelligible, sozial anerkennbare Subjekte erst hervor. Intelligibel werden sie über verschiedene Zuordnungen, beispielweise anhand der Kategorie Geschlecht oder eben auch anhand der Kategorien Ethnizität, Kultur und/oder race. Auch nationale Zugehörigkeiten werden, wie oben verdeutlicht, diskursiv über Äußerlichkeiten als intelligibel hergestellt. Einerseits werden also Orte, individuelle Kontexte und auch nationale Kontexte über Zugehörigkeiten diskursiv strukturiert, und anderseits geschieht dies auch mit Subjekten. Diskurse und diskursive Strukturen erzeugen Subjekte nicht nur, sie strukturieren auch die Möglichkeiten ihrer Handlungen, ihrer Emotionen, ihrer Selbstverhältnisse – schlicht: des Sagbaren und des sozialen Seins. Hier ist damit ein Subjekt angesprochen, das aus dem Diskurs hervorgeht und
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sich nicht außerhalb des Diskurses konstituiert. Dieses Subjekt erhält in und durch Diskurs- und Wissensordnungen seine Anerkennung und Handlungsfähigkeit. Wie ich in Kapitel 2.3 gezeigt habe, stellen die Frauen* in historisch-genalogischer Perspektive ein konstitutives Außen gegenüber einem abendländischen Subjekt dar. Diese Konstruktionsbedingungen zeigen sich in mehreren diskursiven Ordnungen, vorwiegend in den folgenden Auswertungskapiteln. Nicht nur der Ort, wie oben dargestellt, lässt sie als Außenseiterinnen in Erscheinung treten, sondern darüber hinaus auch die Subjektstruktur. Sie sind »outsider within«, wie es Audre Lorde einmal formuliert hat – aber nicht nur am Ort, sondern auch in der Subjektstruktur, wie sie von Foucault für das Subjekt dekonstruiert wurde. Damit sprechen diese Frauen* von einer Position aus, die als eine sehr spezifische in den diskursiven Ordnungen gekennzeichnet werden kann und deren soziale Intelligibilität von diesen Faktoren abhängt. Ich wende mich mit der vorliegenden Arbeit Erfahrungen und Selbstverhältnissen in Diskursen zu, die innerhalb und durch die Konstruktion im Diskursiven als spezifisch sichtbare und unsichtbare zu beschreiben sind. Die (Un-)Sichtbarkeit ist hier aber eindeutig durch diskursive Ermöglichungs- und Einschränkungsbedingungen zu betrachten. Wie in Kapitel 2.4 beschrieben, sind diskursive Handlungen immer im Zusammenhang mit dem Kontext und dem daraus bedingten Zusammenhang zu verstehen (Wrana 2012). Diskursives Handeln betrachten Wrana u.a. aber als Hervorbringung sozialer Intelligibilität, die im Moment ihrer Hervorbringung entsteht und bestätigt wird. So betrachtet sind Diskurse und diskursive Handlungen wesentlich vom Kontext und weniger von Diskurs-Archiven abhängig. Ich hingegen argumentiere, dass Diskurse – und damit auch das Handeln und Wissen im Diskurs – als etwas historisch Gewachsenes zu betrachten sind, was sich gerade in Diskursen, die stark hierarchisierende Ordnungsstrukturen hervorbringen, Bahn bricht. Sie prägen nicht nur epistemologische Strukturen und Wissenselemente, sondern sie strukturieren einen großen Teil der Selbstverhältnisse, der Selbst-Technologien und der Selbsttechniken. Im Weiteren bilden die durch diskursive Ordnungen erworbenen und versprachlichten Selbstverhältnisse die Basis dessen, was die Subjekte über sich wissen können und in welches Verhältnis sie sich zu sich selbst und zu ihrer Umwelt setzen. Diskurse sind deshalb in dem Moment für das Subjekt die Struktur, die Grenze, die Möglichkeit und die Unmöglichkeit des Sagbaren und Sprechbaren. Das Diskursive steckt den Rahmen der Bedingungen der Selbst- und Fremderkenntnis ab, und die Subjekte müssen sich in ihm und trotz seiner konstituieren. Dies beschreibt vielleicht annähernd deutlich, in welcher ›Zwangslage‹ sich Subjekte im Umgang mit solchen Anrufungen/Artikulationen auf der einen und mit Selbst- und Weltverhältnissen auf der anderen Seite befinden. Diese ›Zwangslage‹ im Hinterkopf haltend, scheint eine Konstitution als Subjekt und diskursives Handeln – gerade aus marginalisierten Positionen heraus – nur wenige Handlungsmöglichkeit zuzulassen. Doch mit der theoretischen Perspektive des diskursiven Handelns tritt eine Perspektive ein, die Handeln nicht als Agency, sondern als ein Handeln im diskursiven Widerstreit betrachtet. Diese Perspektive lässt einen Blick zu, der die Logik der Existenz im Diskurs nachvollziehbar macht und gleichzeitig seine Ränder und Veränderungen einfangen kann. Die befragten Frauen* sind auf vielfälti-
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ge Weise, auch in ihren Selbstverhältnissen und besonders in ihrem Selbstbild sowie aufgrund der gesellschaftlichen Anerkennung, in den Umgang mit dem Diskursiven verstrickt. Sie handeln, fühlen und verhalten sich im Diskurs und durch die Diskurse. Die Diskurse wurden von den Äußerungen der Frauen* ausgehend rekonstruiert und mit theoretischen Aspekten unterfüttert, um zu erfassen, wie Selbstverhältnisse im Diskursiven hervorgebracht werden. Dabei bleibt zu beachten, dass die vorliegenden Interviews und das Gruppengespräch in erster Linie auf das Erleben und den Umgang mit rassifizierenden und vergeschlechtlichenden Diskursen abheben. Hier wird also ein diskursives Handeln, werden diskursive Anrufungen in erster Linie über die Interdependenz von Geschlecht und race nachgezeichnet; dabei geschieht es fast nie, dass die hierarchisch strukturierten Diskurse als solche stabilisiert werden. Während ich unter der Perspektive auf die Diskursuniversen und das Diskursive die Ordnungsstrukturen und interdependenten Anrufungen herausarbeite, wird mit Blick auf ihr diskursives Handeln dargestellt, wie sie mit den Anrufungen und den Ordnungen umgehen. Die Frauen* versuchen in erster Linie, der Strukturierung des Sagbaren zu entkommen, neue Wege zu finden; sie sprechen nicht von einer Position aus, die absichtlich oder unbeabsichtigt gerade Diskurse über Rassismus reifzieren: in der intersektionalen Betrachtung verändert sich dieses Bild. Unter dem Stichwort »diskursives Handeln« arbeite ich also heraus, wie sie sich selbst auf Diskurse beziehen, welche Möglichkeiten der Selbstbezüge diskursive Strukturen bereitstellen, welche Sprache durch das diskursive Strukturen zur Verfügung gestellt werden und durch welche Diskurse sie in widersprüchliche Bezüge und Selbstverhältnisse gebracht werden. Um ihr Handeln innerhalb des Diskursiven aufzuzeigen, wurde aber auch rekonstruiert, welche Verwendungsstrategien der Erzählungen angewandt wurden, was mit dem Bezug auf die Erzählungen plausibilisiert werden sollte und mit welcher Funktion sie die Erzählungen einbrachten. Die Fragen nach Verwendung, Plausibilisierung und Funktion sollen dabei einen anderen Blick auf die Subjekte im diskursiven Handeln verdeutlichen. 1. Jedes der folgenden Unterkapitel enthält einen Ausschnitt aus der großen Situations-Map und stellt jeweils einen Schwerpunkt dar. Neben einer unstrukturierten Situations-Map wird auch noch eine Tabelle eine strukturierte Darstellung der ermittelten Diskursuniversen bieten. 2. Die Rekonstruktion des Diskursiven wird aus der Perspektive und den Interviewpassagen der interviewten Frauen* erarbeitet. Es gilt herauszustellen, welche Anrufungen aus ihrer (bewussten oder unbewussten) Perspektive im Diskurs vorhanden sind und welche Positionierungen möglich sind. 3. Teilweise unterfüttere ich die herausgearbeiteten Stellen mit weiteren Theorieperspektiven und stelle eine Verbindung zu Theorien aus Kapitel 2.2 her oder verdichte sie selbst zu einer theoretischen Perspektive. Beispielhaft ist dies in Kapitel 4.3.2 geschehen, da die Verweise der Stereotypisierungen untereinander wiederum einen Blick auf ihre Formation und Zielrichtung zeigten. 4. In einem dritten Schritt wurde dann das diskursive Handeln der Interviewpartnerinnen* analysiert. Zur Frage stand, wie sie sich in den diskursiven Ordnungen verhalten; wie sie beispielswiese Bezug auf die Diskurse nahmen, was sie damit
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
plausibilisieren wollten und in welchen widersprüchlichen Situationen sie sich befanden. 5. Am Ende der Ergebnisdarstellung werden unter der Perspektive der Technologien des Selbst ambivalente Bildungsprozesse rekonstruiert.
4.3
Stereotype und diskursives Handeln in spezifischen Selbstverhältnissen
In den Auswertungskapiteln geht es vornehmlich darum, diskursive Ordnungen aufzuzeigen, in denen Geschlecht und Rassifizierung eine Wirkung entfalten. Diese intersektionalen diskursiven Ordnungen bringen über spezifische Muster der Anrufungen spezifische Subjekte hervor. Auch Stereotype sind als Teil dieser diskursiven Ordnung zu betrachten. Sie sind aber durch ihre lange Verweildauer und emotionale Prägung auch sehr speziell, im Besonderen betrifft das Geschlechterstereotype. Dieses Unterkapitel widmet sich vornehmlich dem Fokus auf Stereotype als spezifische Ausdrücke in den diskursiven Ordnungen und nähert sich dabei den folgenden Forschungsfragen: a) Wie zeigen sich intersektionale Diskurse in Stereotypen und wie sehen entsprechende zentrale Anrufungen aus? b) Wie etabliert sich damit eine diskursive Ordnung, die spezifische Selbstverhältnisse hervorbringt? c) Wie sieht das diskursive Handeln der Frauen* in diesen intersektionalen diskursiven Ordnungen aus?
Während ich den Fragen a) und b) in Kapitel 4.3.1 und 4.3.2 nachgehe, wird Frage c) in Kapitel 4.3.3 aufgegriffen. In Abbildung 3, Unstrukturierte 2 Situations-Map von Diskursen und diskursivem Handeln (S 237) und in der Tabelle 2 (S.237/238) werden alle Stereotype aufgeführt, die als solche codiert wurden. Wie in der Map und der Tabelle deutlich wird, gibt es eine Vielzahl von Stereotypen, die in den Interviews und dem Gruppengespräch angesprochen wurden. Im Sample finden sich unterschiedliche Arten von Stereotypen; einige beziehen sich auf Nationalitäten oder Ethnien, andere auf Erscheinungsbilder, Äußeres und Sprache. Da es in dieser Rekonstruktion um das Zusammenspiel von Rassifizierung und Vergeschlechtlichung geht, habe ich vor allem jene herausgegriffen, die intersektionale Verbindungen verdeutlichten. So werden sieben von insgesamt dreizehn Erzählsequenzen in diesem Abschnitt analysiert und in Verbindung mit einer weiterführenden Analyse gebracht.
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Schwarze Weiblich*keiten
Tabelle 3 verwendete Stereotypen aus den Interviews (links) und zentrale Anrufungen (rechts) Verwendete Stereotype
Zentrale Anrufungen in den Stereotypen
1) »Tomboy« und »Sexualisierung Schwarzer Frauen«
werde was du bist
2) »Ethnisierte Frau hat einen ganz speziellen Geruch« und »Exotisierte Inderin«
entweder bist du die ethnisierte/Exotisierte Andere oder du bist die integriere/assimilierte Andere
3) »Kolumbianerinnen tanzen gern und haben gute Laune«
Du kannst nicht ernstgenommen werden
4) »fehlende Bilder afrikanischer Frauen«
Du existierst nicht
5) »WoC sind alle aus patriarchalen Familien«
Du bist nicht modern, oder doch?!
Zunächst ordne ich im Folgenden die Perspektive auf Geschlechterstereotype theoretisch ein und verknüpfe sie mit theoretischen Darstellungen aus dem Kapitel 2.2, arbeite dann unter 4.3.1 diskursive Ordnungen heraus und knüpfe auch hier an weiterführende Theorien an, stelle danach unter 4.3.2 eine innere Verweisstruktur der Stereotype untereinander heraus und zeige, wie sich damit eine diskursive Ordnung etabliert. Unter 4.3.3 zeige ich sodann, wie diskursive Praktiken im Umgang mit Stereotypen aussehen; abschließend fasse ich zusammen, was der Umgang mit diesen Stereotypen für Subjektivierungs- und Bildungsprozesse bedeutet. Geschlechterstereotype haben insgesamt einen präskriptiven und einen deskriptiven Charakter (vgl. Eckes 2010). Sie sind deskriptiv, weil sie auf traditionellen Annahmen fußen, die sagen, wie das Verhalten der Geschlechter ist, welche Eigenschaften die richtigen für die jeweiligen Geschlechter sind. Diese Vorstellungen rekurrieren auf traditionelle Annahmen und Vorstellungen von Geschlechterverhalten und sind deskriptiv, weil sie Verhalten, Handlungen und Vorgehensweisen als Seins-Weisen beschreiben. Die präskriptiven Anteile in Stereotypen hingegen beschreiben einen Zustand, wie er sein sollte. »Die präskriptiven Anteile beziehen sich auf traditionelle Annahmen darüber, wie Frauen und Männer sein sollen oder wie sie sich verhalten sollen.« (Eckes 2010: 178, Herv. DBC). Stereotype weisen laut Eckes eine hohe Überweildauer auf und sind teilweise abhängig vom kulturellen oder globalen Kontext und von der Statusgruppe, auf die sie treffen (vgl. ebd.: 181f.); Geschlechterstereotype tragen in jedem Fall dazu bei, gesellschaftliche Hierarchien aufrechtzuerhalten (vgl. ebd.: 181). In Kapitel 2.2 habe ich herausgestellt, wie rassifizierte Geschlechterstereotype entstanden sind, welchen Stellenwert sie im Kolonialismus und im transatlantischen Sklavenhandel hatten und wie sie weiterhin wirksam sind. Astride Velho (2016) und andere (z.B. Homi K. Bhaba 2000) verweisen im Zusammenhang mit Stereotypisierungen auf »Othering«-Strategien; Homi K. Bhabha spricht von Stereotypen als wichtigstem Element in der Ver-Anderung (vgl. Bhabha 2000: 97), und Astride Velho bezeichnet Othering (Ver-Anderung) als Dispositiv (vgl. Velho 2016: 86). »Othering als Dispositiv rassistischer Macht basiert auf einem Fremdmachen, auf der Herstellung von Differenz und geht mit Stereotypisierungen der Anderen einher« (Velho 2016: 145, Herv. i.O.). Weiterhin bedeutet dies, dass Stereotypisierungen Differenz herstellen und erhalten, sie fixieren
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
Differenz, wie Stuart Hall ausführt (vgl. Hall 2016: 144). Weil Geschlechterstereotype eine lange Verweildauer haben (vgl. Eckes 2010: 179) und Stereotype insgesamt Differenz fixieren, gehe ich davon aus, dass sie im Diskurs eine spezielle und nachhaltige Wirkung entfalten. Ich gehe deshalb davon aus, dass gerade Geschlechterstereotype ein ›Vehikel‹ für Rassifizierungen im Diskurs sind.
4.3.1
Die Rekonstruktion diskursiver Ordnungen und Anrufungen durch Stereotype
Die Rekonstruktion der Ansprachen über rassifizierte Geschlechterstereotype bringt unterschiedliche Facetten zum Vorschein: Sie verknüpfen sich einerseits mit Sexualisierungen und Exotisierungen und sie arbeiten mit Auslassungen der Vervielfältigung von Bildern. Beginnen möchte ich mit der Rekonstruktion, indem ich zwei Stereotypisierungen gegenüberstelle die sich auf den ersten Blick diametral gegenüberstehen, letztlich aber eine Art Fortsetzungsgeschichte sind. Die erste Stereotypisierung taucht in einem Kindheits- und Jugendbericht von Mora auf, die zweite im Zusammenhang mit einem Übergriff auf Mora als erwachsene Frau. Zunächst stelle ich das erste, und nach einer kurzen theoretischen Einbettung das zweite Stereotyp vor.
4.3.1.1
Mora: »Tomboy« und »Sexualisierung Schwarzer Frauen«
Die erste Stereotypisierung ergibt sich in einer Erzählpassage, die als »Tomboy« codiert wurde. Mora berichtet in dieser Erzählpassage, dass sie von ihrem Umfeld als Tomboy7 bezeichnet wurde. Die Erzählung beginnt, nachdem sie gefragt wurde, ob Geschlecht in ihrem Leben eine Rolle spiele oder ob sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht habe; sie antwortet folgendermaßen: »Actually I did. I thought about gender early early early on. Because ähm, I didnʼt fit in the gender norm, growing up. I donʼt think very many people do! But I was what they called a tom-boy. So, thatʼs a girl who actually likes to do things quote unquote boys like to do. Climbing trees, you know – playing outside a lot, playing with my dog, ähm sports, ähm things like this« (Interview Mora, Z. 376-379). In der Erzählpassage wird zunächst nur die diskursive Ordnung von Geschlechterbinarität deutlich: Mädchen verhalten sich auf eine bestimmte Weise und Jungen verhalten sich auf eine bestimmte Weise. Die Bewertung ihrer Verhaltensweisen findet auf
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Der Begriff Tomboy erhält mehr und mehr Popularität auch in Deutschland. Als Tomboys werden häufig Mädchen bezeichnet, die von Rollenerwartungen und Rollenverhalten eines Mädchen abweichen. Peachter und Clark (2007) führen eine Studie an Londoner Grundschulen durch und kommen von den »Tomboy Identies Studys«. Sie halten fest, was den Vorstellungen von einem Tomboy-Sein zugrunde liegt: »An underlying idea, nevertheless, was that a tomboy is a girl who spends a considerable (though variable) proportion of her time participating in activities that are usually associated with masculinity, and who rejects some of the conventional trappings of femininity« (Peachter/Clark 2007: 317). Es geht also in erste Linie um die Verortung in einer Zweigeschlechtlichen Ordnung, in der Tomboys zwar im biologsichen Geschlecht des Mädchens verortet sind, dennoch aber von ihrem Verhalten dem mönnlichen Geschlecht zugeordnet werden. Der massive Einfluss einer Zweigeschlechtlichen Ordnung wird hier sehr deutlich.
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dem Hintergrund einer binären Geschlechterzuordnung statt und wird hier als Abweichung von der weiblichen Geschlechternorm zitiert und festgelegt. Um zu erklären, warum diese Geschlechternormen so stark auf sie gewirkt haben, hebt sie hervor, dass sie ja aus einer Familie haitianischer Herkunft komme und dass diese Gendernormen in den 1980er Jahren sowieso zentral gewesen seien, in ihrer Herkunftsfamilie sogar noch stärker. »In the eighties – you know in the US there were these gender stereotypes and then of course being part of a family, that was Haitian descent there are also those stereotypes, those gender-norms – you know: the woman in the kitchen and the man out and about« (Interview Mora, Z. 380-383). Hier verdeutlicht sich ein weiteres binäres Bezugssystem: die Situierung in der haitianischen Herkunftsfamilie gegenüber der US-amerikanischen Gesellschaft scheint eine Rolle zu spielen im Zusammenhang mit Geschlecht/Geschlechtsidentität. Deshalb ist zu schlussfolgern, dass es hier nicht nur um Anrufungen und daraus entstandene Selbstbilder/Selbstregulierungen qua Geschlecht geht, sondern diese in der Intersektion mit Herkunft, Migrationsthematiken und Ethnisierungen betrachtet werden müssen. Wie auch an den folgenden Beispielen deutlich werden wird, ist eine zentrale Funktion der Stereotype die Herstellung eines binären Bezugssystems, die sich in fast allen Stereotypisierungen auf die eine oder andere Art wiederfindet. In diesem Sprechakt von Mora ist jedenfalls der Bezug zur Binarität in der Zweigeschlechtlichkeit und der Kultur als binärem System deutlich. Im weiteren Verlauf des Interviews weist sie darauf hin, dass die Anrufungen einer rassifzierten weiblichen Vergeschlechtlichung auch an Körperlichkeiten festgemacht wurden: »And I did, at times, find myself staring at the mirror a lot. You know at that time when you were a child and you donʼt have those sexualized features – you know?! You know putting my hands back in my hair and seeing what I would look like if I was a boy. You know – not feeling like one or the other.« (Interview Mora, Z: 383-387). Sie benutzt den Ausdruck »sexualized features«8 , als Terminus für körperliche Merkmale, die letztlich nach außen die Geschlechtsidentität festlegen könnten, die bei ihr aber fehlten. Die fehlenden Merkmale sind quasi die Untermauerung der Non-Konformität mit einem bestimmten Bild von Weiblichkeit. Nur die Haare geben noch Auskunft darüber, dass sie ein Mädchen ist – weswegen sie sie vor dem Spiegel nach hinten bindet, um sich vorstellen zu können, wie sie als Junge aussehen würde. Was zunächst als Spiel mit ihrer Geschlechtsidentität betrachtet werden könnte, die auf der Zuordnung in binären Stereotypen (wie verhalten sich Jungen, wie Mädchen) gründet, wird von ihr im weiteren Verlauf des Interviews als gewaltsame Zuordnung beschrieben, in der die sexualisierten Geschlechtsmerkmale eine große Rolle spielen: In der gesamten Erzählsequenz wird deutlich, dass sexualisierte Köpermerkmale für die Zuordnung in einem binären Geschlechtersystem wichtig sind. Mora empfindet diese
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Mit »Sexualized Features« sind hier eindeutige Geschlechtsmerkmale gemeint. Da im Englischen mit dem Begriff sex Geschlecht und Sexualität gemeint sein kann, changiert die Erzählung zwischen der Bedeutung »eindeutige Geschlechtsmerkmale« auf der einen Seite einer sexuellen Aufladung auf der anderen Seite hin und her.
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
Ordnung der Geschlechtsmerkmale als Zumutung, und sie zeigt das an unterschiedlichen Stellen im Interview. Sie benutzt Formulierungen wie »that is something adults impulse on children« (ebd.: Z. 388) oder »I think that has to do with a lot of this over sexualized stimulation that we receive from adults« (ebd.: Z. 393) und auch »Children are just innocent bystanders in this … this a … the exercise of sexualization that adults are experiencing«9 (ebd.: Z. 400-401). Der stereotype Entwurf der Kinder als unschuldige Zuschauer unterstreicht den inneren Konflikt und lässt erahnen, dass auch sie, Mora, sich als unschuldiges Kind empfunden haben muss, an das Erwachsene die Erwartung von sexualisierten Körpermerkmalen herangetragen haben. In dieser Erzählsequenz wird sehr klar, dass die Dimension der Anrufung und Zumutungen, die aus dem Diskursiven resultiert, eine ist, die sich am Kreuzungspunkt von Geschlecht-Sexualisierung – kulturelle Herkunft – Kinder/Erwachsene befindet und hier ihre Wirkung entfaltet. Sie wird in eine Position gerufen, die von ihr deutlich einzuordnende Geschlechtsmerkmale erwartet. Genau diesen Zusammenhang – die Anrufung am Kreuzungspunkt zwischen race, Geschlecht und sexualisierten Geschlechtsmerkmalen – möchte ich an historisch entstandene rassifizierte Selbstverhältnisse zurückbinden. Nicht nur in Kapitel 2.2 habe ich darauf hingewiesen, wie Stereotype am Kreuzungspunkt von race und Geschlecht historisch entstanden sind und welche Funktion sie in gesellschaftlichen Hierarchieverhältnissen haben: Sie sicherten koloniale Verhältnisse ab, Möglichkeiten der Ausbeutung, und letztlich trugen sie auch dazu bei, den transatlantischen Sklavenhandel in seiner spezifischen Vorgehensweise im Geschlechterverhältnis aufrechtzuerhalten. Schwarze Frauen wurden entmenschlicht oder übersexualisiert (vgl. auch Davis 1982). Patricia Hill Collins (2005, 2015) kann darüber hinaus zeigen, welche Funktion und Wirkweisen Geschlechterstereotypen in Schwarzen Communities heute haben – eine Wirkweise, die hier von Mora angesprochen wird. Stereotype von Schwarzen Frauen* bspw. als »welfare queen« in den 1990er (vgl. Hill Collins 2005: 28) trugen dazu bei, Politikprogramme gegen Schwarze Frauen* und Familien durchzusetzen; sie hatten aber auch Einfluss auf die gegenseitige Wahrnehmung Schwarzer Menschen untereinander. In dem Kapitel The Prison and the Closet (vgl. ebd.: 89) beschreibt Hills eindringlich, wie und warum historisch entstandene Stereotype in Schwarzen Communities aufgegriffen und reifziert werden. Sie ermöglicht damit einen Blick, der es erlaubt, Funktionen von Stereotypen in ihrer Wirkweise auf jene zu betrachten, die von den Stereotypen negativ betroffen sind; leider, so Collins, bleiben Communities manchmal in diesen Geschlechterstereotypen verhaftet, und sie bestimmen den Blick auf CommunityMitglieder untereinander, wie es auch bei Mora der Fall zu sein scheint. Sie fordert deswegen eine Auseinandersetzung mit Sexual Politics auch innerhalb der Schwarzen Communitys um sich aus den historisch alten Stereotypisierungen befreien zu können (vgl. Hill Collins 2005: 25-35). Der prä- und deskriptive Charakter dieser rassifizierten Geschlechterstereotype wird bei Mora aber erst in einer zweiten Sequenz des Interviews deutlich. Diese bezieht sich auf einen wesentlich späteren Zeitpunkt in ihrem Leben. In dieser Sequenz stellt die Stereotypisierung als Schwarze hypersexualisierte Frau die 9
Auf den Schwerpunkt der Sexualisierung gehe ich im nächsten Auswertungskapitel ein.
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Schwarze Weiblich*keiten
Grundlage für einen Übergriff gegen sie dar. Sie berichtet, sie sei zu der Zeit, als es geschah, in Deutschland gewesen und habe dort vorwiegend deutschen weißen Kindern Englischunterricht erteilt; der Unterricht habe in Hostels im Osten Deutschlands stattgefunden. »I was in Germany. And in Germany I teach English to – predominantly – white kids. And, ehm, we teach them in these hostels, yeah?! One of the hostels that I was in, it was in the east, east of Germany, people like to drink a lot too much … and this group of men – at that time I was twenty-two, twenty-three – this group of men in their late twenties maybe early thirties, drove in drunk … to the hostel. They all pilled out of the car … big, big men … and they said, ehm … they said: ›Ah, Afrika, Afrika für Werbung … wie viel, wie viel?‹ and that was for me … I was there with one of our students preparing for an activity and he was eleven at that time … a little white boy … and I didnʼt know what to do: once I felt un-save, because, you know – these giant white German men, they are all drunk – and I have a child with me … And I didnʼt know what to do … And ehm, and it was almost like … they just kept piling out of the car … like … I didn’t. understand how so many of them could be in one car … And so I was paralyzed! I was paralyzed to the point where this little white boy, this little white german boy had to run and grab the other teachers … because I was … unable to move … And that was my first experience actually being racialized, like: ›Schwarz gemacht!‹, tied in with Africa, tied in with prostitution, tied in with the white view on Black women, sexualized … like that was my first experience. Yeah (längere Pause)« (Interview Mora, Z. 847-868). Deutlich wird an ihrer Bewertung der Situation, dass sie sich von den weißen Männern in einen Zusammenhang mit der Sexualisierung Schwarzer Frauen* gebracht sah. Die Ansprache: »Afrika, Afrika für Werbung … wie viel, wie viel?« bringt sie in den Zusammenhang mit einer infantilisierten10 Ansprache, mit Käuflichkeit und mit einem Objektstatus (vgl. Bergold-Caldwell 2016). Über ihr Äußeres wird ein Zusammenhang hergestellt, der übergriffiges Verhalten und eine Infantilisierung rechtfertigt. Diskursiv wird hier die Anrufung als Schwarze Frau, gebunden an einen afrikanischen Kontext, mit der vielleicht Werbung für was auch immer betrieben werden könnte. Die Anrufung erfolgt von weißen Männern, die sie auch gleichzeitig im Kontext einer Sexualisierung und Käuflichkeit anrufen.11 10
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Die einfache Ansprache von ihr ohne einen korrekten grammatikalischen Satzaufbau, sondern die Aneinanderreihung von Nomen und die Ansprache als ›Afrika‹ legen eine Infantilisierung in der Ansprache nahe. Darüber hinaus kann damit ein weiterer Aspekt in dieser Situation theoretisch hergeleitet werden: Die Reaktualisierung kolonialer männlicher weißer Phantasien. Nicht nur in Kapitel 2.2 habe ich darauf verwiesen, dass gerade auch die Sexualisierung Schwarzer Frauen in kolonialen Konfigurationen deren Ausbeutung zur Folge hatte. Darüber hinaus ist mit Bezug auf Grada Kilomba (2013) auch darauf zu verweisen, dass diese historischen Selbst- und Anderenverhältnisse auch jederzeit (re-)aktualisiert werden können. Kilomba bezeichnet in ihrem Buch Plantation Memories diese (Re-) Aktualisierungen als Traumata – als gesellschaftliche Traumata. So kann bspw. diese Szene auch als eine solche Aktualisierung betrachtet werden. In der Konstellation »viele weiße Männer – ein weißer Junge – eine Schwarze Frau« wird der Junge von den Männern in eine Initiation gebracht, nach dem Motto: Hier erfährst du wie eine Schwarze Frau behandelt werden kann. Mora befürchtete
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Sexualisierungen in Zusammenhang mit Stereotypisierungen zeigen sich im ersten Interviewabschnitt als Zurichtung, Anforderung und Ansprache an den Körper, der über die Sexualisierung zum Geschlechtskörper wird. Unten wird wiederum deutlich, wie dieser Geschlechtskörper über die Stereotypisierung durch das Zusammenspiel von Sexualisierung und Rassifizierung zum Objekt des Übergriffs wird. Die Anrufung zu werde was du bist! komplettiert sich hier, es erweist sich der prä- und deskriptive Charakter dieser Stereotype. Mora wird schon als Kind in eine Position gerufen, der sie entsprechen soll – während ihr da aber noch die eindeutigen und sexualisierten Geschlechtsmerkmale fehlen, sind sie später erkennbar. Sie wird in ein Stereotyp gerufen, das koloniale Bilder, Kontinuitäten und Selbstverhältnisse hervorruft, und das, wie an der zweiten Episode deutlich werden sollte, auch gefährlich für sie sein kann.
4.3.1.2
Claudia: »Ethnisierte Frau hat einen ganz speziellen Geruch« und »Exotisierte Inderin«
Wie bereits erkennbar werden sollte, spielen rassifizierte Geschlechterstereotype insbesondere für die Sichtbarkeit des rassifizierten Körpers eine bedeutende Rolle. In den folgenden beiden Interviewsequenzen werden aber noch weitere Dimensionen des rassifizierten Körpers angesprochen: Die des Körpergeruchs und die der Bewegung. Die Frauen*, insbesondere Claudia, erzählen, dass sie über Körpergerüche und daraus entstehende Stereotypisierungen ethnisiert werden (vgl. Interview Claudia, Z. 874884). Wie das passiert, stellt Claudia in dem folgenden Interviewausschnitt dar:12 »Für mich ist es als Kind – nee Kind, ich war in der Pubertät. Bis mir mein damaliger Freund gesagt hat, ich riechʼ immer so nach Hühnersuppe (lacht) äh genau, da ist mir dann aufgegangen – uh, verdammt, ich rieche nach zuhause, aber nur, dass mein Zuhause immer nach indischem Restaurant riecht. Aber es hängt mir immer noch nach, immer, wenn ich bei meinen Eltern bin und dann irgendwie raus gehe oder so was, dann versuch ich immer kurz vorher zu duschen, Haare zu waschen, schnell zu föhnen und dann auch schnell das Haus zu verlassen, damit ich eher noch nach Shampoo rieche und nicht nach Essen. So, und im Moment bin ich eigentlich dabei zu lernen, so wie ich rieche auch rauszugehen. Und ich fühle mich damit noch etwas unwohl, und gleichzeitig denke ich: Nee, nein, ich bekomme zu Hause sehr gutes Essen. Ich werde wunderbar verpflegt von einer liebenden Familie, also ich versuche gerade dieses Stereotyp, vor dem ich Angst habe, ähm umzudeuten« (Interview Claudia, Z. 874-884).
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in der Situation nicht nur, dass ihr gleich etwas Schlimmes geschehen könnte, sondern sie fragte sich auch ängstlich – das sagt sie später –, welche Konsequenzen dieser Junge wohl für sich aus der Situation ziehen würde. Was diese Erinnerung später im Leben des Jungen bewirken wird, wie sein späteres Handeln mit ihr verknüpft sein wird, ist nicht absehbar; Mora hofft aber, dass sein Erschrecken ihn dazu veranlassen werde, eine oppositionelle Position einzunehmen und sich vom Verhalten der Männer abzugrenzen (vgl. Interview Mora, Z. 882-890). Ich möchte nochmal kurz darauf hinweisen, dass ich in diesem Abschnitt nur den Anrufungen und diskursiven Ordnungen nachgehe und noch nicht betrachte, wie sie versucht Dinge zu wenden, welche Bildungsaspekte vielleicht auch in dieser Sequenz stecken, diese Perspektive greife ich unter 4.3.3 auf.
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Schwarze Weiblich*keiten
Während der Auswertung war mir zunächst nicht klar, warum sie hier von einem Stereotyp spricht und wie es sich als diskursive Produktion erfassen lassen soll. Nach längerem Nachdenken erkannte ich jedoch, dass es hier um eine Geruchsnorm geht, der sie nach ihrem Dafürhalten nicht entsprach und auf die sie zudem auch noch von ihrem damaligen Partner angesprochen wurde: Also eine Anrufung, die innerhalb intimer Beziehungen ihren Ausgangspunkt fand. Die indische Hühnersuppe steht in Opposition zu einem guten, ›normalen‹ Geruch. Ihre Bemühung, nicht unangenehm und schon gar nicht nach ihrem indischen Elternhaus zu riechen, findet eine Intensivierung über den Beziehungsstatus hinaus, für sie verallgemeinert sich der Versuch, einer Zuordnung zu entkommen. Aber welchen Bezug hat die Anrufung auf die Kategorie Geschlecht, inwiefern wird hier Geschlecht relevant? Sie spricht von einem ehemaligen Freund – einem SexualPartner – der sie auf ihren Körpergeruch aufmerksam gemacht hat, und für sie stellt sich damit eine Situation ein, in der sie in einer heterosexuellen Matrix bestehen muss. In der heterosexuellen Matrix gilt es für sie als Frau, attraktiv für ihr Gegenüber zu sein, zumindest ist das ihre Auffassung, und sie setzt sie unter Druck: Sie muss diesen Geruch überkommen, um nicht mit der Herkunft ihrer Eltern und damit auch ihren diasporischen Verbindungen in einen Zusammenhang gebracht zu werden und um attraktiv in der heterosexuellen Matrix zu sein. Genau an dieser Stelle wird Geschlecht relevant, es kommt quasi »durch die Hintertür« in die diskursive Ordnung und in die Anrufung hinein. Im weiteren Verlauf der Interviewsequenz verdeutlicht sie, dass das Überkommen der stereotypen Anrufung für die Beziehung zu ihren Eltern essenziell ist. Sie erklärt: »… da hängt so viel mehr dran … Es ist dann ein bisschen, weil würdʼ ich es versuchen, dem Stereotyp nicht zu entsprechen, dann geht es einher mit einer Wut auf meine Eltern. Ich bin wütend, dass meine Eltern nicht gut lüften – ja, in ihrer eigenen Wohnung – meckerʼ ich darüber, dass sie nicht genug lüften! Es geht halt einher mit ʼner Wut auf meine Eltern, mit einem Schamgefühl, das ich gegenüber meinen Eltern habe und nee, und damit auch ein Schamgefühl über die Herkunft meiner Eltern und so weiter. Und es gibt ganz viel über dieses Riechen – über diesen Geruch – hm, ja, und deswegen. Da ist ʼne Notwendigkeit, dass ich dieses Stereotyp umdeute, weil es extremst die Beziehung zu meinen Eltern belastet hat – was ich ja nicht mehr will, um halt gegenüber von Rassismus widerständig sein zu können. Also dieses Nachindischer-Küche-Riechen und diesen Geruch dazulassen ist für mich extremst widerständig (lacht) das klingt total lustig (lacht), aber … ja.« (Interview Claudia, Z. 889-899) Die Anrufung über das Stereotyp »die riechende Andere gegenüber einer Geruchsneutralität und –norm« bringt sie in eine binäre Anrufungssitutation und nötigt ihr eine Entscheidung auf: Entweder wäscht sie ihre Herkunft von ihrem Körper ab oder sie verbleibt in der stereotypen Zuordnung. Es scheint für sie lange Zeit keine Alternative zu diesen zwei Optionen zu geben. Letztlich beschließt sie, das Stereotyp umzudeuten, um sich nicht weiter in die binäre Anrufungssituation geben zu müssen; es anzueignen kann als eine Möglichkeit in den Technologien des Selbst bezeichnet werden. Worauf ich hier aber noch kurz das Augenmerk lenken möchte, ohne dieser schwierigen Situation den Raum zu geben, der ihr eigentlich gebührt: Die Familie oder genauer gesagt,
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
die Eltern, werden von allen Interviewpartnerinnen* angesprochen. Sie sind nicht nur, wie bei Mora oben, Vorbilder (oder eben nicht) im Umgang mit Rassismus, sondern sie stellen immer wieder so etwas wie eine erweiterte Anrufbarkeit dar. Immer wieder werden von ihnen Situationen dargestellt, in denen die Kinder die Eltern vor rassistischen Übergriffen, Ansprachen, Alltagsrassismen oder ähnlichem schützen (müssen) oder in denen es darum geht, dass durch die Eltern Herkunft umso deutlicher wird und damit auch als nicht abstreifbar erscheint. Die Herabsetzung der Herkunft von Zuwanderer*innen durch rassistische oder kulturelle Überlegenheitsdarstellungen führt zu einem schamvollen Verhältnis der einzelnen Familienmitglieder untereinander. Dies wird oben deutlich: Selbst wenn sich Claudia ihre Herkunft »abzuwaschen« vermocht hätte, wäre sie dann auch in bestimmter Weise gegen sich selbst vorgegangen. Ich fasse zusammen: Über den Körpergeruch empfängt sie die Anrufung ihrer vermeintlichen Herkunft und erfährt sich gleichzeitig als unattraktiv, weil der Geruch negativ konnotiert ist gegenüber einer (vermeintlich existierenden) Norm von Geruchslosigkeit oder angenehmem Körperduft. Hier wird der Geschlechtskörper an Herkunft gebunden und erfährt gleichzeitig eine Bewertung im Kontext einer heteronormen Matrix: Claudia muss sich bewähren mit ihrer Herkunft, die gerochen werden kann. Das Stereotyp ›Eine ethniserte Frau hat einen ganz speziellen Körpergeruch‹ schafft die diskursive Ordnung einer Geruchsneutralität auf der einen Seite und Herkunfts-Gerüchen auf der anderen Seite. Ethnisierte Andere werden durch diese Ordnung an Fragen der Herkunft gebunden und Körpergerüche weißer Menschen gelten als nicht existent; Insbesondere rassifizierte oder ethnisierte Frauen in der heterosexuellen Matrix werden damit auf eine spezielle Weise angerufen. Dass Claudia mit binären Anrufungen und diskursiven Ordnungen konfrontiert ist, verdeutlicht sich eigentlich schon zu Beginn des Interviews; auch hier nennt sie implizite Stereotype, die sich auf die Kategorie Geschlecht und Rassifizierung beziehen. »Also entweder bist du Inderin, ne, also entweder bezeichnest du dich selbst als Inderin und öffnest allerdings damit auch Tür und Tor für weiße Deutsche, die dich exotisieren … Ähm, um ihnen eine gewisse Würze in ihr Leben zu geben, ähm, ähm, genau! Oder – oder das andere Problem ist … oder man versucht es zu verschweigen und andere Leute lesen das eventuell als: Ja, sie ist integriert, sie will sich integrieren und die versucht, deutsch zu sein. Das ist auch so, ne, habʼ ich das Gefühl, also das ist auch so ʼne, wie soll ich sagen, so so ʼne Falle.« (Interview Claudia, Z. 169-178) Die Anrufung im Diskurs und über diskursive Ordnungen, transportiert über Stereotypisierungen, lautet also: entweder du bist die ethnisierte/Exotisierte Andere oder du bist die integriere/assimilierte Andere. Positionierungen, die beides aufgreifen oder weder noch, scheinen diskursiv nicht vorhanden, zumindest spiegelt sich das so in Claudias Selbstverhältnis und in ihren Erfahrungen wider. Falls sie also ihre Herkunft anspricht und sie verdeutlicht oder sich als Inderin bezeichnet, so ihre Vermutung, wird sie über das Zusammenspiel von Rassifizierung und Geschlecht exotisiert. Der Anrufung in der Binarität der Existenz entkommt sie nicht, weder durch ihre Körperlichkeit noch durch den Versuch, sich zu ›integrieren‹ oder zu assimilieren.
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4.3.1.3
Ninja: »Kolumbianerinnen tanzen gern und haben gute Laune«
Auch Ninja weiß zu dem Umgang mit stereotypen Zuschreibungen und diskursiven Ordnungen einiges zu berichten. Sie schildert unter diesem Punkt viele Zuschreibungen, die ihr alltäglich und auch in ihrem politischen Wirken begegnen. »Ah ja, ja, ok. Auf jeden Fall. Also auf jeden Fall dieses. Mhm. Woaw, voll, oh, mir fällt jetzt voll viel ein. Also ne, einerseits irgendwie, vielleicht als Frau so dieses, naja, du bist eine Frau, du machst auf jeden Fall solche Sachen. Dann, wegen wo ich herkomme. Dann denken alle, natürlich mag Ninja sehr viel tanzen und sehr viel Musik und ist immer ganz fröhlich. Und solche Sachen. Und, oder dann auch wegen der Hautfarbe irgendwie, also ne, zum Beispiel so Sachen, Schwarze, oder PoC-Menschen müssen sich nicht eincremen und auf einmal muss ich erklären, naja, doch, und auf einmal passʼ ich nicht mehr in diesen, Bild, von, ah ich dachte, du musst dich nicht eincremen, weil, du bist nicht weiß. Oder so. Ja. Oah, auf jeden Fall, aber ganz viele Sachen. Oder alleine dass, wenn ich mich jetzt als PoC bezeichne, dass erwartet wird, dass ich immer darüber reden mag, und so, und dass ich dann schon voll viel weiß. Und auch, dass zu dem, Veranstaltungen, soll ich den Punkt zu Rassismus ansprechen, solche Sachen. Oder den, Awarenessgruppe sein für PoC’s. Und. Also voll cool, aber, das ist, es kom…, es ist komisch, wenn es nicht von mir kommt, sondern mir das gesagt wird, so als … Ja.« (Interview Ninja, Z. 1072-1086) Auch hier wird zunächst deutlich, dass sie in dieser Erklärung den Bezug zu ihrem Anders-Sein in vielerlei Hinsichten gespiegelt bekommt, selbst dann, wenn es um Kontexte geht, in denen sie politische Unterstützung bekommen soll. Es ist ihr unangenehm in erster Linie über ihr Anders-Sein angesprochen zu werden. Die Initiative dazu kommt nicht von ihr, sondern es ist immer eine Aufforderung, ein Verlangen, das von außen an sie herangetragen wird. Ich möchte hier aber das Augenmerk auf die Situation lenken, in der sie darüber spricht, dass sie dem Stereotyp begegnet, welches besagt, dass sie als Schwarze Frau* doch gewiss gerne tanze, gerne Musik höre und immer fröhlich sei. Ninja ist während des Interviews alles andere als fröhlich, sie ist eher – anders als die anderen Interviewpartnerinnen – traurig, sehr traurig, und es kostet sie sehr viel Überwindung, über all die avisierten Themenbereiche zu sprechen. Aber die Bewegung, das Tanzen, die Musik – all dies gefällt ihr tatsächlich, und sie erzählt im Laufe des Interviews, dass sie eigentlich gerne tanzt, dass aber die stereotype Zuordnung, der sie entkommen möchte, letztlich hinderlich sei, so, wie sie sein möchte, auch zu sein und das zu tun, was sie eigentlich gerne machen möchte. In der stereotypen Zuordnung spielt sich eine Abwertung ab, die ohne eine theoretische Einordnung möglicherweise nicht verstanden werden kann, deshalb möchte ich sie im Folgenden kurz darstellen. Die Anrufung, immer fröhlich sein zu müssen, immer viel zu tanzen und Musik zu mögen, muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass Diskurse und Stereotype im Besonderen eine Hierarchisierung der binär sich gegenüberstehenden Kategorisierungen vornehmen: Zwar werden Fröhlichsein, Tanzen und Musik als etwas Lebensbejahendes konstruiert, aber gleichzeitig wird der Gegenpol konstituiert: »Wir« (die nicht-ethiniserten weißen) sind nicht »so«, wir sind ernst, kognitiv und beherrscht (vgl. dazu auch Kilomba 2013: 26). Das Stereotyp und die diskursive Ordnung verweisen Ninja auf einen Platz, auf dem Wissen und Macht
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
über Kognition und Ernsthaftigkeit hierarchisiert werden. Grada Kilomba verweist auf Derrida (1981: 41) und kommentiert diese Gegenüberstellung folgendermaßen: »We are not dealing here with a ›peaceful coexistence of words‹, as Jacques Derrida emphasizes, but rather a violent hierarchy that defines who can speak« (Kilomba 2013: 26). Die Frage »who can speak« ist maßgeblich damit verknüpft, wer ernst genommen wird und wer in der diskursiven Ordnung als ernst zu nehmende Person hervorgebracht wird. Die Positionierung über den Diskurs und über Stereotypisierungen zieht damit eine hierarchisierende Zuweisung nach sich, der Ninja versucht zu entkommen – dies aber unter der Bedingung, dass sie nicht tanzt und die Möglichkeit verliert, ihrer Bewegung nachzukommen. Die zentrale Anrufung in dieser diskursiven Ordnung ist die: Du kannst nicht ernst genommen werden; zumindest ist es das, dem sie versucht zu entgehen.
4.3.1.4
Edith, Simoné und Olivia: »fehlende Bilder afrikanischer Frauen«
Eine weitere Stereotypisierung, die sich diesmal auf fehlende Bilder Schwarzer Frauen* bezieht, wird von Edith, Simoné und Olivia im Gruppeninterview angesprochen. Nachdem ich sie in der Eingangsfrage mit dem Bild (s. Kapitel 3) konfrontiert habe, kommen sie darauf zu sprechen, welche Bilder von ›afrikanischen‹ Frauen sie kennen und erwerben könnten. Simoné erklärt daraufhin, dass sie kein Bild finde, was sie selbst repräsentieren würde oder mit dem sie sich identifizieren könnte. Sie sagt: »Afrikanische Frauen schauen entweder stolz oder sie gucken traurig« (Interview ESO, Z. 125126). Angesprochen sind diskursive Repräsentationen, die sich auf die Intersektion von Geschlecht und Ethnie/Rassifizierung beziehen und hier die Repräsentation in Medien andeuten. Stereotype sind, wie oben ausgeführt, ein Teil dieser Diskurse, sie lassen sich als solche nicht von ihnen trennen. Die Repräsentation ›afrikanischer‹ Frauen wird von den drei Frauen* hier als stereotype Darstellung gekennzeichnet. Simoné konkretisiert weiter: »Also ich suche halt manchmal nach Bildern, Afrika-Bildern und so was, für mich. Einfach, hier zum Beispiel, aufzuhängen oder so. Und finde kein Bild, das mich anspricht. Weil, entweder sind se übermäßig stolz in den Bildern, also stolz meintʼ ich (nicht), sondern so äh stark, oder sie sind halt übermäßig äh total erotisch oder sie tragen teure zehn-Kilo-Krüge aufʼm Kopf oder so was.« (Interview ESO, Zeile 134-144). Auch Bilder und Abbildungen gehören zu Diskursen und zu Repräsentationen im Diskurs (vgl. Hall 2000b: 57). Wenn also hier darüber berichtet wird, welche Bilder in diskursiven Repräsentationen vorhanden sind, dann ist das eine zentrale Auseinandersetzung mit Diskursen. Einerseits wird in der Erzählsequenz eine diskursive Ordnung sichtbar, die an die Erzählung von Mora anknüpft, das Bild der hypersexualsierten oder erotisierten Anderen; anderseits wird eine Schwarze Frau angesprochen, die Arbeiten verrichtet, die diskursiv als traditionell und mit Schwarzem afrikanischen Leben verknüpft erscheinen. Als drittes Bild wird ein diskursiv erzeugtes Stereotyp der starken Schwarzen Frau13 angesprochen; Simoné, die in dieser Sequenz spricht, kann sich in 13
Dieses Stereotyp führt häufig dazu, dass Schwarze Frauen und Women of Color als unverletzbar und emotionslos bzw. wütend betrachtet werden. Forschungen in den USA haben gezeigt, dass genau dieses Stereotyp häufig dazu führt, dass Krankheiten bei Schwarzen Frauen und Women of
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keinem der Bilder wiederfinden. Das bedeutet, das diskursive Erzeugen von stereotypen Bildern erfolgt auch über das Fehlen bzw. Nicht-Erscheinen zu erwartender Bilder – fehlende Repräsentation. Diskursive Ordnungen strukturieren so nicht nur die Möglichkeit, stereotype Bilder zu erzeugen, sondern die Ordnung durch fehlende Bilder sorgt auch gleichzeitig dafür, dass stereotype Darstellungen so manifest bleiben. Auch hier möchte ich wieder auf den eben bereits erwähnten prä- und deskriptiven Charakter stereotyper Darstellungen in Diskursordnungen hinweisen, denn sie lassen angesichts nicht existenter Bilder nur einen Schluss zu: Sie sind nicht vorhanden, zumindest nicht im gesellschaftlichen Mainstream. Die Anrufung im Diskurs ist hier diese: du existierst nicht, dein Platz liegt in der Erotik, in der Traurigkeit oder in der Frau als Kollektivsubjekt. Hier kann die Anrufung als Ansprache interpretiert werden: Du bist nicht vorhanden, dich gibt es nicht und alle, die so sind wie du, existieren nicht wirklich, zumindest nicht in der hegemonialen Wahrnehmung. Möglicherweise, so ließe sich festhalten, ist eine Dimension der Stereotype und der damit in Verbindung stehenden Diskurse die Dimension fehlender Repräsentation. Die angedeutete Anrufung, Du existierst nicht, ist genau wie die Anrufung: Werde, was du bist Teil eines größeren Diskurskonglomerates, dem ich mich unter 4.3.2 annähern möchte und bei dem ich zeigen werde, welche Funktion in einem größeren Zusammenhang ersichtlich wird.
4.1.3.5
Mathilda: »WoC sind alle aus patriarchalen Familien«
Eine letzte Anrufung über Stereotypisierungen, so wird im Weiteren deutlich, ist jene, die nicht unbedingt am Geschlechtskörper, an Sexualisierung, an Bewegung oder Geruch ansetzt, sondern an dem familiären Zusammenhang, aus dem die Frauen* kommen. Es ist die stereotype Annahme, die Vermutung der Zugehörigkeit zu einer patriarchalen Familie. Die Frauen* erzählen, dass sie im Laufe ihres Lebens, aber ganz besonders in ihrer Jugend, als Mädchen* angesprochen wurden, bei denen vermutet wurde, dass ihre Herkunft aus patriarchalen Familien schon durch ihr Äußeres klar ist: Sie wurden als Töchter in Familien geboren, deren Ausrichtung in der Beherrschung der Sexualität und Freiheit der Tochter liegt. Mathilda kommentiert das folgendermaßen, als sie von ihrer Jugend erzählt: »Also es hat sich in Form von Fragen ausgedrückt, zum Beispiel also ist jede Frau, die denselben Hintergrund hat wie ich, gefragt worden: Wirst du zu Hause geschlagen? Oder: Darfst du um diese Uhrzeit überhaupt noch auf der Party sein? Und ähm mhm, darfst du einen Freund haben, darfst du überhaupt einen deutschen Freund haben?« (Interview Mathilda, Z. 162-166)
Color zu spät erkannt werden und traumatischen Belastungen selten nachgegangen wird. Interessanterweise gibt es auf der anderen Seite den von der Soziologin Robin DiAngelo (2011) geprägten Begriff der »white fragility«. Diese Begriffsprägung sagt Menschen, die in einer weißen Position sozialisiert wurden, nach, dass sie schnell emotional (ablehnend, wütend, weinerlich, erschrocken) reagieren, wenn sie darauf hingewiesen werden, rassistisch zu sein oder ihnen jemand sagt, dass sie von ihrem weiß-Sein geprägt sind. Rassifizierte Unterscheidungen machen sich auch im Hinblick auf die diskursive Nutzung von Emotionen und Affekten bemerkbar.
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
In der Interviewsequenz wird deutlich, dass die Anrufung und Anfrage praktisch jederzeit erfolgen konnte, wenn man bedenkt, dass sie auch auf einer Party darauf angesprochen wird, ob sie überhaupt noch auf der Party sein darf. Auch in dieser Anrufung werden sowohl Geschlecht als auch die Ethnisierung relevant, aber wiederum vor dem Hintergrund einer heterosexuellen Matrix: Die diskursive Ordnung bringt sie als Andere hervor, die gefragt werden kann, ob sie »überhaupt einen deutschen Freund haben darf«. Der deutsche Freund wird hier als markierte Unterscheidung der Freiheit der Wahl eingeführt, und das verdeutlicht eine Perspektive, die Mathildas Elternhaus als liberal hervorbringen würde. Darf sie frei wählen, dann ist es ein liberales Elternhaus, darf sie es nicht, ist es ein weniger fortschrittliches, weniger modernes Elternhaus. Der deutsche Freund markiert hier eine diskursive Grenze, in der Zuordnungen bezogen auf Geschlecht und Ethnizität stattfinden. Verständlich wird diese Perspektive auch wiederum hauptsächlich vor theoretischen Hintergründen, die bisher noch nicht angesprochen wurden. Neben Margarete Jäger (1999) und Encarnación Gutiérrez Rodríguez (1999, 2006), hat auch später Gabriele Dietze (2017) auf das Phänomen der »Ethnisierung von Sexismus« oder der »Ethnisierung der Geschlechterverhältnisse« (Bergold-Caldwell/Grubner 2017) aufmerksam. Margarete Jäger deutet 1999 auf den Einwanderungsdiskurs hin und hält fest, dass rassistische Diskurse eigentlich über eine Abwertung und Ver-Anderung erfolgen; beim Diskurs um die Ethniserung von Sexismus entsteht gleichsam ein ganz anderer Zusammenhang, durch den positiven Bezug auf Geschlechtergleichheit kann die rassifizierende Logik versteckt werden (vgl. ebd.: o.S.). Aber die Wirkung ist ähnlich zu bewerten, wenn nicht sogar stärker: Durch den Bezug auf eine positive Norm wird laut Jäger der rassistische Effekt übersehen (vgl. ebd.). Darüber hinaus hat Gutiérrez-Rodríguez auf die Anrufungen von Migrant*innen als nicht moderne Andere hingewiesen und aufgezeigt, wie diese Anrufung in persönlichen Lebensläufen relevant wurde (vgl. ebd.). So kann auch Gabriele Dietze (2017) zu dem Schluss kommen, dass sich hinter diesen Diskurs-Praktiken eine exzpetionalistische Haltung bzw. ein Exzeptionalismus verbirgt, der den eigenen (weißen) Sexismus als überkommen und den der Anderen als zentrales Merkmal der Unvereinbarkeit hervorbringt; sie spricht deswegen von »Migrationsabwehrfiguren« (ebd.: 21). Die zentrale Anrufung ist meines Erachtens folgende: Du bist nicht modern, oder doch?! – Die fragende Person kann aufgrund ihrer privilegierten Position im Diskurs darüber entscheiden, ob die angerufene Familie als eine moderne oder als eine patriarchalisch-rückwärtsgewandte zu betrachten ist. Sie kann die Geschlechterverhältnisse und den existierenden Sexismus in der Einwanderungsgesellschaft verunsichtbaren und hat auf der anderen Seite das Recht, die Ge-Anderten in Frage zu stellen. Hinter diesen ›unschuldigen‹ Fragen verbergen sich also viele diskursive Produktionen, die die Frage als solche erst hervorbringen und sie als eine relevante und sozial intelligible Frage bzw. Redeweise verdeutlichen. Auch die anderen Stereotype können nur vor solchen Relevanz-Setzungen des Anders-Seins betrachtet werden. Ich fasse noch einmal kurz zusammen, welche zentralen Anrufungen sich in den unterschiedlichen Stereotypen gezeigt haben. Die Leitfrage in diesem Unterkapitel lautete: »Wie zeigen sich intersektionale Diskurse in Stereotypen und wie sehen entsprechende Anrufungen aus?« Geschlechterste-
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reotype haben eine deskriptive und eine präskriptive Wirkung, weshalb die erste zentrale Anrufung als eine theoretisiert wurde, die entlang der Ansprache »werde, was du bist!« verlief. Während die erste Erzählsequenz verdeutlichte, dass Moras Geschlecht nur zuzuordnen ist über deutlich erkennbare und dann sexualisierte Geschlechtsmerkmale, zeigte die zweite Erzählsequenz, inwiefern genau dieses Werden eine Gefährdung in sich birgt. Die zweite Stereotypisierung operiert sehr stark über Othering-Momente, über Exotisierungen von Geruch und Zugehörigkeiten und über binäre Zuordnungen kultureller Herkunft. »entweder bist du die ethnisierte, Exotisierte Andere oder du bist die integriere, assimilierte Andere« ist eine Anrufung und Stereotypisierung, der die Frauen* alltäglich begegnen und die sie vor eine nicht zu erfüllende Wahl stellt – sie verlieren entweder die Möglichkeit sich mit ihrer diasporischen Zugehörigkeit zu identifizieren oder als Zugehörige identifiziert zu werden. Sie werden vor die Wahl gestellt, beides geht nicht und Deutsch-Sein wird ihnen sowieso verwehrt. Auch die dritte stereotype Anrufung funktioniert und agiert über Exotisierungen und OtheringMomente und führt bei Ninja zu einer Bewegungslosigkeit. »Du kannst nicht ernst genommen werden« ist unter dieser Perspektive eine Stereotypisierung und Differenzsetzung, die Ninja gefangen hält und ihr einen begrenzten Ausdrucks-Raum zugesteht. Die vorletzte Ansprache und stereotype Darstellung verlief eher unter der Perspektive: »Du existierst nicht«; die Nicht-Existenz hängt mit der stereotypen Darstellung der anderen Bilder zusammen und kann als Repräsentationsregime betrachtet werden, über das sich eine diskursive Ordnung etabliert. Edith, Simoné und Olivia erfahren damit, dass sie keine Repräsentation in der diskursiven Ordnung haben. Die letzte hier herausgearbeitete Anrufung nimmt Bezug auf eine positiv bewertete Norm und stellt heraus, dass weiße Mehrheitsangehörige nicht nur immer die Möglichkeit haben, nachzufragen und sich auf der scheinbar richtigen Seite der Fragenden zu positionieren, sondern sich auch selbst als unhinterfragt modern hervorzubringen. Die Anrufung »Du bist nicht modern, oder doch?!« hat von daher zwei Funktionen: die der Zuweisung an die Anderen und die der Erhöhung des Selbst. Wie diskursive Ordnungen in Stereotypen operieren und wie zentrale Anrufungen aussehen, sollte deutlich geworden sein, ebenso, dass insbesondere das Zusammenspiel von Rassifizierungen und Geschlecht die Möglichkeit bereit hält, Differenz festzuschreiben. Wie und warum hierüber aber hierarchische Verhältnisse stabilisiert werden können, wie die diskursive Ordnung etabliert wird und was das mit einer Verweisstruktur der Stereotype untereinander zu tun hat, darauf möchte ich im Folgenden zu sprechen kommen, um dann im letzten Unterpunkt das diskursive Handeln der Frauen* herauszustellen.
4.3.2
Verweisstruktur der Stereotype untereinander: Ein Rahmen der Adressierbarkeit
Alle oben beschrieben Anrufungen und Stereotypisierungen folgen einem gewissen Rahmen der Adressierbarkeit, den ich in diesem Unterkapitel kurz vorstellen möchte. Mit dem Begriff Adressierbarkeit möchte ich eine theoretische Perspektive vorschla-
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
gen, die unterscheidet, wer von welchen diskursiven Ordnungen angerufen werden kann und wer nicht. Viele Schwarze Feministinnen (u.a. bell hooks 1994; Angela Y. Davis 1996; vgl. auch die Anthologie Hg. von Beverly Guy-Sheftall 1995; Patricia Hill Collins 2005; Hill Collins/Bilge 2016; Hortense Spillers 1987; Sylvia Wynter 2014) haben auf Stereotypien in Zusammenhang mit in Rassifizierungen und Geschlecht aufmerksam gemacht. Die weiterhin existierenden Stereotype haben sich aber gewandelt, wie ich in Kapitel 2.2.4 mit Bezug auf Angela McRobbie herausgestellt habe bzw. kommen sie different zum Einsatz. Ich möchte das kurz an einem Beispiel erklären: Der Film Dangerous Minds (1995; Regie: John N. Smith) zeigt Michelle Peiffer als weiße Lehrerin, die auf Kinder aus dem Schwarzen Ghetto trifft. Der Film beruht auf der Geschichte von LouAnn Johnson, die als Ex-Marine einen Job sucht und als Lehrerin anfängt. Sie kommt in eine Klasse die vorwiegend aus Schwarzen und latin@ Jugendlichen besteht. Sie ist zuvor gewarnt worden, dass die Klasse als »a class from hell« (Ladson-Billings 1998: 255) bekannt wäre. Sie wird als »teacher-as-savior« (ebd.) präsentiert, die meist weiß sind und Schwarzen oder Jugendlichen of Color gegenüberstehen und reiht sich damit in ein häufig rezitiertes Genre ein (vgl. ebd.). Worauf ich hier aber die Aufmerksamkeit lenken möchte ist, dass es in diesem Film auch ein Genderplay gibt. Während bei Pfeiffer deutlich wird, dass ihre Geschlechter-Performance in einer breiten Palette von androgyn über weiblich bis zu einer männlichen Performance angelegt ist, sind die (Schwarzen und PoC-)Schüler*innen auf eindeutig bestimmbare und sehr stereotype Geschlechterrollen fixiert. Angela McRobbie deutet hinsichtlich eines neuen Geschlechtervertrages an, dass sich Repräsentationen von Frauen geändert haben; sie werden als Frauen repräsentiert, die ihre Freiheit lieben, freizügig sind und zu manchen (limitierten) männlichen Privilegien insofern Zugang haben, als dass sie nun dazu aufgefordert sind Genderplay auszuüben und sexuell freizügig zu sein; die Kehrseite dieses Repräsentation-Regimes zeigt gleichzeitig, wie Schwarze Frauen und Women of Color demgegenüber in Bilder der ›echten‹ Weiblichkeit und der Laszivität gedrängt werden (vgl. Kapitel 2.2.6). In den oben aufgezeigten Anrufungen und Stereotypen wird genau das deutlich: Schwarze Frauen und Women of Color werden als anti-modern, stereotyp weiblich und als nicht ernstzunehmende Personen in diskursiven Ordnungen präsentiert und angerufen. Deutlich wird in diesem Kontext, dass die oben benannten Stereotype auf einen inneren Zusammenhang hinweisen, nämlich den, dass alle diese Frauen* als Symbole für die »andere (nicht emanzipierte) Frau« im Diskurs auftauchen und häufig in einen binären Vergleich zu weißen europäisch-westlichen Frauen gebracht werden; zumindest lässt sich das so rekonstruieren. Diesem Kern-Zusammenhang bzw. dieser Verweisstruktur der Stereotype untereinander soll im Folgenden nachgegangen werden. Die Verweisstruktur bzw. der KernZusammenhang sind dabei nicht so zu verstehen, dass alle Stereotype in gleicher Weise gedeutet werden können. Vielmehr, so möchte ich zeigen, liegt ihnen eine gemeinsame Struktur der Möglichkeit von Adressierbarkeit zugrunde. Dazu werde ich zunächst noch einmal alle oben angesprochenen Stereotype anführen um aufzuzeigen, dass sich in einer Betrachtung im Zusammenhang eine gemeinsame Perspektive ergibt. Ich beginne mit den ›fehlenden Bildern Schwarzer Frauen‹, gehe über zu Moras Möglichkeiten, sich zu positionieren und die Folgen sexualisierter Stereotype für ihre Person, um
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schließlich aufzuzeigen, warum die »Andere« in der patriarchalen Familie als unbedingter Teil eines größeren Diskurszusammenhangs zu betrachten ist. Von zentraler Bedeutung ist m.E. insgesamt die diskursive Herstellung bzw. Wiederherstellung der kolonialen Platzzuweisung über die unterschiedlichen Stereotype, die in ein Diskurskonglomerat eingelagert sind. Changierend zwischen der imperialen Vorstellung von »Opferschutz« oder »Zivilisierung« auf der einen und notwendiger Exotisierung und Sexualisierung auf der anderen Seite entstehen mehrere Stereotype der »Anderen«, der WoC, die hierarchische Geschlechter- und Gesellschaftsstrukturen stützen. Nicht nur Stuart Hall (1996, 2016) zeigt in seinen Werken auf, wie wichtig Repräsentationen im gesellschaftlichen Zusammenhang sind. Sie strukturieren unsere Wahrnehmung von Möglichkeitsbedingungen, Identitäten und Seinsweisen. Mit Hall bewegen wir uns hier auf dem Hintergrund einer strategischen Repräsentation, indem Repräsentation zum einen als Moment betrachtet wird, Diskurse zu beeinträchtigen und damit gleichzeitig die Möglichkeit entsteht, gesellschaftliche Teilhabe über Repräsentation zu erreichen. Die von Simoné getätigte Ansprache der fehlenden Bilder ist, mit Hall betrachtet, also kein Zufallsmoment, sondern stellt Strukturierungsmomente des Diskursiven dar. Auch über fehlende Bilder können diskursive Ordnungen und mithin Stereotypisierungen in ihnen beeinflusst werden. Auch Moras Probleme in einer binären Geschlechterordnung verweisen auf fehlende Repräsentationen. In ihrem Fall fehlen vervielfältigende Bilder, sie findet sich nicht wieder in der über Diskurse hergestellten Binarität der Geschlechterverhältnisse. Diese Leerstellen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Möglichkeit, sich zu positionieren und Bilder über die eigene Geschlechts- und Gruppenzugehörigkeit zur Verfügung zu haben. Was an der Kategorie »Tomboy« deutlich wird, ist, dass Zweigeschlechtlichkeit als Möglichkeitsrahmen an Mora herangetragen wurde, innerhalb dessen sie sich verorten muss. Dies geschieht wiederum vor dem Hintergrund stereotyper Vorstellungen von Schwarzen Frauen, weshalb sie damit zu kämpfen hatte, dass ihr die sexualisierten Merkmale fehlten. Es scheint eine Idee davon zu geben, wie Schwarze Frauen auszusehen haben, und es ist davon auszugehen, dass diese Eindeutigkeit eben mit jenen sexualisierten Merkmalen zusammenhängt. Diese Sexualisierung führt aber dazu – so lässt es sich an Moras Fall nachvollziehen – dass ihr Umfeld sie als abweichend von der Geschlechternorm kennzeichnet. Die Sexualisierung führt später auch dazu, dass die Schwelle des sexualisierten Übergriffs niedrig ist. Die Sexualisierung steht in Verbindung mit Exotisierung, worauf auch ChandraMilena Danielzik und Daniel Bendix in ihrem Essay Exotismus. ›Get into the mystery …‹ der Verflechtung von Rassismus und Sexismus hinweisen. Exotismus, so machen sie deutlich, ist nicht etwa das ganz Andere, sondern eine Spielart von Rassismus. Sie schreiben: »Exotismus ist der Moment innerhalb von Rassismus, in dem die rassialisierte Grenzziehung durch Ästhetisierung oder auch Sexualisierung des ›Anderen‹ scheinbar unterwandert wird« (Danielzik/Bendix 2010: o. S.). Durch die Sexualisierung und Exotisierung über Stereotype, werden die Frauen* aus dem nationalen ›Wir‹ herausdefiniert; weil das exotische schon immer das Andere ist. »›Exotisch‹ bedeutet ›ausländisch‹ oder ›fremdländisch, überseeisch‹ und fand im Zeitalter der europäischen Aufklärung, des Kolonialismus und Imperialismus Ein-
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gang in die deutsche Sprache. ›Überseeisch‹ verweist dabei auf das Objekt der ›Exotik‹: Es sind nicht Weiße Europäer/innen, sondern die Menschen der damaligen europäischen Kolonien«. (Danielzik/Bendix 2010: o.S.) In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Frauen* als nichtzughörige, fremde und verfügbare Objekte betrachtet werden. Dabei ist es die eine Seite der diskursiven Medaille, sie als Objekte zu kennzeichnen und mit dieser Objektivierung spezifische Selbstverhältnisse hervorzubringen; die andere Seite ist jene, die Frauen* fortwährend als Objekte patriarchaler Familienverhältnisse anzusprechen. Beides geschieht in einer Art und Weise, bei der die eine Seite gewissermaßen die notwenige Voraussetzung der anderen darstellt und beide sich gegenseitig bedingen. Die koloniale Platzzuweisung entsteht damit sowohl über die Exotisierung und die vermeintliche Verfremdung als auch über die Ethnisierung der Geschlechterverhältnisse: Der koloniale Platz der Schwarzen Frau bzw. der Woman of Color liegt genau hier: entweder in der Objektivierung als exotisierte und sexualisierte (nicht-emanzipierte) Andere oder in der Objektivierung als Opfer patriarchaler Verhältnisse. Die Frage zwischen Opferschutz und Zivilisierung setzt an der Stelle ein, wenn das Opfer der patriarchalen Familie beschützt werden kann und wird zur Zivilisierung, wenn (zugeschriebene) Geschlechterverhältnisse zu einer ›befreienden‹ Mission genutzt werden. Wie deutlich werden sollte, findet am Kreuzungspunkt von Geschlecht und Rassifizierung, einhergehend mit Objektivierungen als Opfer patriarchaler Familienverhältnisse oder exotische Andere, die Herstellung und Legitimierung gesellschaftlich-hierarchischer Strukturen statt. In Kapitel 2.2 habe ich darauf verwiesen, inwiefern diese Vorgehensweisen schon in kolonialen Zeiten ihre Wirkung entfalten konnten. Auch heute lebt eine solche Hierarchisierung über rassifizierte Geschlechterstereotype fort und etabliert dabei, wie deutlich geworden sein sollte, eine diskursive Ordnung und Adressierbarkeit einerseits, und anderseits bringt sie spezifische Selbstverhältnisse hervor. Ich habe dieses Vorgehen als eine Art der kolonialen Platzzuweisung gekennzeichnet, weil sie an ähnlichen Stellschrauben und Verbindungen ansetzt wie zu kolonialen Zeiten. Mehrere Aspekte werden meiner Ansicht nach deutlich: Über die Stereotype werden die Frauen* hauptsächlich als nicht-emanzipierte Andere angesprochen. Es gibt wenige Bilder einer handlungsfähigen Schwarzen Frau und/oder Woman of Color. Diese kollektive Verwiesenheit wird im Diskurs als Traditionsverhaftung kenntlich gemacht und in Verbindung mit Exotisierungen und Sexualisierungen hervorgebracht. So wird auf der einen Seite die Stärkung der heterosexuellen Matrix14 (Butler 1990 [dt. 1991]) bewirkt und auf der anderen wird diese Matrix in ein ethnisiertes und rassifiziertes Verhältnis gebracht. Hier lässt sich die Analyse von Maria Lugones (2010) anführen, die Geschlechterverhältnisse als koloniales Erbe betrachtet und hervorhebt, dass Subjektivierungsanalysen in diesem Spannungsfeld gesehen werden müssen (vgl. Kapitel 14
»Der Begriff heterosexuelle Matrix steht […] für das Raster der kulturellen Intelligibilität, durch das die Körper, Geschlechtsidentitäten und Begehren naturalisiert werden. […] Es geht darum, ein hegemoniales diskursives/epistemisches Modell der Geschlechter-Intelligibilität zu charakterisieren, das folgend unterstellt: Damit die Körper eine Einheit bilden und sinnvoll sind, muß es ein festes Geschlecht geben, das durch die zwanghafte Praxis der Heterosexualität gegensätzlich und hierarchisch definiert ist« (Butler 1990 [dt. 1991]: 220).
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2.2.6). Die Frauen* sind Objekte dieses Dreiklangs: Stärkung der heterosexuellen Matrix und der rassifizierte Platz darin; Herstellung der kolonialen Platzzuweisung; und über beide Komponenten die Herstellung eines Objekt-Status. Sie werden jederzeit – ob durch Fragen und Hinweise (Mathilda und Claudia) oder durch Übergriffe (Mora) sowie Deligitimierung der Geschlechtszugehörigkeit (Mora) – zur Verfügung gehalten. Mit dieser Kennzeichnung möchte ich auf das Spannungsfeld verweisen, in dem sich die diskursiven Praktiken der Frauen* abspielen. Stereotype sind darin nicht unschuldig, sondern in der oben explizierten Weise wirksam; sie etablieren diskursive Ordnungen und rufen die Auseinandersetzung mit spezifischen Zuschreibungen, historischen (Re-)Aktualisierungen und damit mit spezifischen Selbstverhältnissen an. Sie erinnern an vergangene Zeiten und (re-)aktualisieren sie; die Adressierbarkeit wendet sich nur an diese Frauen*; sie haben damit kaum eine Möglichkeit, den stereotypen Zuschreibungen zu entgehen. Wie sie in diesem Spannungsfeld vor dem Hintergrund spezifischer Selbstverhältnisse mit diesen diskursiven Ordnungen umgehen, möchte ich im folgenden Unterkapitel analysieren und dabei die Frage in den Raum stellen, wie das diskursive Handeln der Frauen aussieht.
4.3.3
Diskursives Handeln im Umgang mit Stereotypisierungen
In diesem Unterkapitel widme ich mich also den diskursiven Strategien und Handlungen der Frauen*. Die oben aufgezeigten zentralen Anrufungen, zu denen sich die Frauen* verhalten müssen, werden in diesem Kapitel wieder aufgegriffen, um das oben beschriebene Spannungsfeld noch deutlicher zu skizzieren. Tabelle 4 stellt neben den Stereotypen und zentralen Anrufungen auch die diskursiven Handlungsstrategien der Frauen dar; diese werden mit einem Stichwort gekennzeichnet. Verwendete Stereotype
Zentrale Anrufungen in den Stereotypen
Diskursive Handlungen
1) Mora: »Tomboy« und »Sexualisierung Schwarzer Frauen«
werde, was du bist
Normalisierungsstrategie und Erklärung einer Entscheidung
2) Claudia: »Ethniserte Frau hat einen ganz speziellen Körpergeruch«
entweder bist du die ethnisierte/Exotisierte Andere oder du bist die integriere/assimilierte Andere
Kennzeichnung eines Selbstverhältnisses
3) Ninja: »Kolumbianerinnen tanzen gern und haben gute Laune«
Du kannst nicht ernst genommen werden
Distanzierung und Individualisierung
4) ESO: »Fehlende Bilder afrikanischer Frauen«
Du existierst nicht
Identifizierung ex negativo
5) Mathilda: »WoC sind alle aus patriarchalen Familien«
Du bist nicht modern, oder doch?!
Kennzeichnungsstrategie
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
Diskursives Handeln ist ein Teil diskursiver Ordnungen. Aber Situierung und Position in diskursiven Ordnungen geben Auskunft darüber, inwiefern dieses Handeln eine Wirkmächtigkeit entwickeln kann. Diskursives Handeln zu ermitteln folgt häufig dem Ziel herauszustellen, wie Legitimationen und diskursive Ordnungen aufrechterhalten bzw. weitergeführt werden. In diesem Zusammenhang wenden sich die Frauen* insbesondere gegen rassifizierende Diskurse, und dazu gehören auch Stereotypisierungen. Trotzdem geraten sie in ein Spannungsfeld zwischen den Anrufungen und Platzzuweisungen einerseits und ihren Selbstverhältnissen, die sich – mit Bezug auf Foucault (vgl. Kapitel 2.3) – nicht jenseits dieser diskursiven Ordnungen entwickeln können. Die hier aufgeführten Aspekte diskursiven Handelns wurden in der Auswertung der Situationsanalyse als Perspektivierung auf die oben beschriebenen Diskurse genutzt, um zu zeigen, dass die Subjekte nicht einfach in den diskursiven Ordnungen aufgehen. Vielmehr sind sie aktiv im Umgang mit den Ordnungen, werden beschränkt im Ausdruck und suchen andere Möglichkeiten, schweigen, deuten um oder plausibilisieren Haltungen. Da, wie oben dargestellt, diskursive Ordnungen eine weitreichende Genealogie haben können – und damit epistemische Gewaltverhältnisse gerade im Zusammenhang mit Stereotypen eine besondere Wirkung entfalten können –, ist es für eine Bildungsperspektive wichtig, das eigene Tun und diskursive Handeln der Personen im Umgang mit den Zuschreibungen herauszuarbeiten; denn hier kann meiner Überzeugung nach eine emanzipatorische Bildung ansetzten. Dabei geht es zum einen darum, das oben beschriebene Spannungsfeld zur Kenntnis zu nehmen und gleichzeitig das Handeln der Menschen darin zu beschreiben; auf der anderen Seite ist zu fragen, wo sie in diskursiven Ordnungen gegebenenfalls transformatorische Elemente aufgreifen und verstärken können. Diese transformative Perspektive hat möglicherweise einen Einfluss auf ihre jeweils eigene Konstitution als Subjekt und gibt ihnen eine andere Möglichkeit, sich selbst zu sehen. Inwiefern und wie die Subjekte Anrufungen annehmen, sich wenden oder versuchen transformatorische Aspekte aufzugreifen, spielt nicht nur für Subjektivierungsprozesse eine Rolle; auch Bildungsprozesse können in dieser Gemengelage betrachtet werden, was ich im Anschluss an die folgenden Ausführungen kurz tun werde. Methodische Hinweise Um diskursives Handeln zu ermitteln (so wie ich es in Kapitel 2.4.4 vorgestellt habe) wurde im Umgang mit dem Material zum einen danach gefragt, a) wie, in welcher Situation und damit in welcher Verwendung Bezug auf das Stereotyp genommen wurde/wird, um die zweite Frage daran anzuschließen: b) Was sollte mit dem Bezug auf das Stereotyp plausibilisiert werden? c) Die dritte Frage fokussierte dann auf die Funktion der Bezugnahme.
Die Funktion geht in manchen Fällen über die Plausibilisierung hinaus, z.B. dann, wenn die Funktion eine Kennzeichnung der Gegenperspektive vornimmt. Im Aufgreifen und Explizieren der diskursiven Handlungen der Frauen* gehe ich in der gleichen Reihen-
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Schwarze Weiblich*keiten
folge vor wie oben und spreche zunächst über diskursives Handeln im Umgang mit sexualisierenden und exotisierenden Stereotypen, gehe weiter zu anderen körperlichen Bezügen (Körpergeruch und Tanz) und schließe das Ganze wiederum ab mit fehlenden Bildern und Reflexionen über die Vermutung, dass Women of Color aus patriarchalen Verhältnissen kommen. Beginnen möchte ich diesen Abschnitt wieder mit der Perspektive auf Mora, weil diese Situation umfangreiche Anschlüsse bildet. In Kapitel 4.3.1 habe ich herausgestellt, dass die zentrale Anrufung in den diskursiven Ordnungen werde, was du bist liegt. Der prä- und deskriptive Charakter von Geschlechterstereotypen ruft Mora in eine Position, die sich in der zweiten Erzählsequenz als gefährdet herausstellt. Mit Bezug auf Patricia Hill Collins (2005) habe ich herausgestellt, dass diese Stereotype auch die Wahrnehmung Schwarzer Menschen untereinander beeinflusst.
4.3.3.1
Mora: Normalisierungsstrategie und Erklärung einer Entscheidung
Die Bezugnahme auf Geschlechterstereotype begann mit dem Verweis, dass sie von ihrer Umwelt als Tomboy bezeichnet wurde. In der Auseinandersetzung, von ihrer sozialen Umwelt als Tomboy bezeichnet zu werden, werden biographisch zurückliegende Verunsicherungen und weitere Emotionen im Interview erkennbar; zweitweise zeigen sie sich als Wut, Unsicherheit aber auch Reflexion und Entschlossenheit sind zu benennen sind. Die Erzählsequenz ist im Verhältnis zu anderen intensiv und sehr ausführlich. Während Sie in vielen anderen Sequenzen über andere Personen, über Literatur und Filme spricht, spricht sie in dieser Sequenz sehr lange über sich selbst bzw. kommt immer wieder darauf zurück (vgl. Interview Mora, Z. 374-460). Die Erzählsequenz entsteht, nachdem ich sie im Gespräch gefragt habe, ob sie sich schon einmal über ihr Geschlecht Gedanken gemacht habe und ob es für sie wichtig sei. Sie antwortet Folgendes: »Actually I did. I thought about gender early, early, early on« (Interview Mora, Z. 374). Sie fährt fort, indem sie darüber spricht, dass sie nicht in die Gendernormen gepasst habe und versichert, dass sie denkt, dass nicht viele Menschen in die Norm der Zweigeschlechtlichkeit und der hierarchischen Genderstereotype passen. In dieser kurzen Erzählsequenz kennzeichnet sie also Gendernormen und darüber hinausgehende stereotype Vorstellungen von Geschlecht. Diese wurden an sie herangetragen. Sie verwendet den Bezug auf Stereotype also, um das Vorhandensein einer Norm, in die sie nicht hineingepasst hat, zu kennzeichnen; gleichzeitig konstatiert sie aber auch, dass das nicht viele Menschen tun. Damit setzt sie ihre Identifizierung konträr zur »Norm«, schafft aber für sich wiederum Normalität, indem sie verdeutlicht, dass das nicht viele tun. Die hier zu erkennende Normalisierungsstrategie im Umgang mit Erwartungen und Zuschreibungen wird auch weiter unten in den folgenden Interviews deutlich. Im zweiten Schritt plausibilisiert sie ihre Position jenseits dieser Norm, indem sie konstatiert: »But I was what they called a tom-boy« (Interview Mora, Z. 375). Mit der Distanzierung ›sie nannten mich so‹ wird deutlich, dass es zu bestimmten Zeiten keine aktive Selbstbezeichnung war, sondern eine Fremdbezeichnung, die sie sich nun als Positionierungsmöglichkeit angeeignet hat. Diese Bezeichnung eignet sie sich an, um ihre Nicht-Binarität im Geschlechterverhältnis zu plausibilisieren und somit eine Art Identifizierung zu schaffen, die aber nicht unbedingt nur positiv besetzt ist, sondern auch
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schmerzhafte Aspekte deutlich werden lässt. Letztlich kann sie aber eine Position und eine Identifizierung veranschaulichen und wird damit im in diskursiven Ordnungen sichtbar. Sie plausibilisiert über das Sprechen und die Positionierung von Kindern als unschuldige Beiwohner*innen (innocent bystanders) sich selbst als Person, die sozialen Anforderungen der Geschlechternorm unterworfen war. Diese Anforderungen bzw. Zurichtungen kennzeichnet sie als sexualisierte Merkmale, die die Geschlechter (welches Geschlecht hier gemeint ist, wird hier nicht deutlich) gegenseitig auf sich beziehen. Sexualisierte Merkmale sind aus ihrer Sicht soziale Konstruktionen, die im Laufe der Adoleszenz an Kinder herangetragen werden, welche die Kinder aber nicht aus sich selbst heraus entwickeln oder haben wollen (vgl. Interview Mora, Z. 387-393); es sind keine biologischen Abläufe. Mit der Konstruktion »Kinder sind unschuldige Empfänger*innen15 der sozialen Zurichtung, und Erwachsene sind die Täter*innen in dieser Situation« kann sie erklären, warum derzeit so viele Kinder sichtbar sind, die sich außerhalb der Geschlechterbinarität positionieren. Sie kann sich dann auch als ein solches Kind einreihen indem sie sagt: »I think that has to do with a lot of this over sexualized stimulation that we receive from adults« (Mora, Z. 393, Herv. DBC) Sie ist also keine der Erwachsenen. Sie plausibilisiert damit ihre eigene Position im Geflecht der geschlechtlichen Zurichtung. Der Bezug auf Geschlechterstereotype übernimmt damit die Funktion, ihre Verortung im Zwischengeflecht dieser Stereotype zu verdeutlichen und gleichzeitig die der Neu-Bewertung oder Neu-Erklärung biographischer Erfahrungen. Insgesamt möchte ich hier von einer Normalisierungsstrategie im diskursiven Handeln sprechen, die aber vor dem Hintergrund der zweiten Situation betrachtet werden muss. Denn gleichzeitig wurde ja die Sexualisierung, die Mora oben als etwas bezeichnet, was Erwachsene an Kinder herantragen, in der zweiten Situation zu ihrem Verhängnis. Die Situation, wie oben schon beschrieben, ist eher eine Situation des Übergriffs – also eine Situation, die aufgrund von stereotypen Zuschreibungen und wegen der Positionierung in einem rassifizierten Geschlechterverhältnis (Schwarze Frau und weiße Männer) zustande kommt. Auch in dieser Situation ist das diskursive Handeln Moras sehr interessant zu interpretieren weil es (wie in anderen Interviews auch) jenseits von totaler Handlungsmächtigkeit und völliger Unterwerfung Interpretationen zulässt, die eine Mehrdeutigkeit im Umgang mit Situationen verdeutlicht. Mora nimmt Bezug auf das Stereotyp und die Erfahrung, die im Sample als »Übergriff« gekennzeichnet wurde, weil sie verdeutlichen wollte, warum sie sich als Schwarze Person, also als politische Person, positioniert hat. Sie benötigt während des Gesprächs eine sehr lange Zeit, bis sie letztlich wirklich zu dem Punkt kommt, an dem sie mir erklären kann, was geschehen ist. Die Schilderung der Situation ist für sie äußerst schmerzhaft, und dieser Schmerz wird zwischen uns und im Interview deutlich. Nach dem Ende ihrer Ausführungen ringen wir beide um Atem und zwischen uns ist eine Schwere entstanden, die vorher nicht da war. Ich beruhige sie und sie sagt, dass es schon »ok« sei; nach einiger Zeit ist die Schwere wieder verschwunden. Diese kurze Notiz mag eine Vorstellung davon hervorrufen können, wie das emotionale Ringen um Worte in der Situation stattgefunden hat. 15
… was an sich selbst eine vereinfachte Vorstellung von kindlicher Macht ist.
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In der zweiten Situation wird also Bezug auf das Stereotyp genommen, um zu verdeutlichen, warum und wie sie sich dazu veranlasst sah, sich selbst als Schwarze (politische) Person zu identifiziert. Von einer politischen Positionierung erhofft sie sich Unterstützung in der Community und Verständnis, aber auch Möglichkeiten der Identifikation. Im Interview vorher erklärt sie, dass diese Identifizierung als politische Schwarze Person nicht immer gegeben war, dass ihre Mutter ihr die Identifizierung mit Schwarzen Personen (im US-amerikanischen Kontext) sogar untersagt habe. Sie habe sich wegen ihrer diversen Hintergründe eher als »Child of the World« (Interview Mora, Z. 514) begriffen und diese Identität als Schwarze Person erst sehr spät entwickelt (vgl. ebd., Z. 513-523).16 In den Zeilen 851-867 erklärt sie schließlich die lange vorher angekündigte Situation, die ihre Identifizierung als Schwarze Person wahrscheinlich am meisten beeinflusst hat, sie spricht zuvor von einer »Negrofication«17 (Interview Mora, Z. 560) und meint damit, dass sie durch den sexualisierten Übergriff Schwarzgemacht worden sei in einem kolonialen Sinn (vgl. ebd.). Deutlich wird hier, dass sie ihre Position nicht als natürliche, als eine durch Sozialisation, Geburt oder Erziehung erlangte Position betrachtet, sondern als eine politische – die zum einen aus einem Erleben heraus und zum anderen aus Zuschreibungen und Bewertungen dieser Zuschreibungen entstanden ist. Das Stereotyp taucht also in ihrer Erzählung dann auf, als sie plausibilisiert, dass sie eine Schwarze politische Identität hat und wie es dazu kam. Die weitreichenden Folgen der Situation verdeutlicht sie durch die Hervorhebung ihrer körperlichen Lähmung in der Situation; Stereotype, die im Diskursiven entstehen und schließlich auch die Handlung der Männer initiieren, berauben Menschen ihrer Würde.18 Diesen Verlust plausibilisiert Mora mit ihrer Rede und mit ihrem diskursiven Handeln. Die Intersektion von Geschlecht und Rassifizierung wird nur implizit deutlich, wenn sie anführt: »And that was my first experience actually being racialized, like ›Schwarz gemacht!‹, tied in with Africa, tied in with prostitution, tied in with the white
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Diese Erzählungen und Rekonstruktionen des Findens der eigenen Schwarzen Identität gibt es sehr häufig, und oft wird darauf verwiesen, dass es sehr spät im Leben passierte und dass entscheidende Ereignisse dazu geführt haben (vgl. Bergold-Caldwell et al. 2016; Oguntoye et al. 1986). Die neue Generation Schwarzer Jugendlicher kann jetzt viel schneller auf gesammeltes Wissen und Ressourcen zurückgreifen, als es die älteren Generationen konnten (vgl. ebd.). Der Begriff Negrofication wird unterschiedlich verwendet. Es gibt Menschen, die »Negrofication« ähnlich wie den Begriff Gentrifizierung nutzen: Gemeint ist Übernahme von zuvor von weißen bewohnten Wohnvierteln durch Afro-Amerikaner*innen. Das wird in mancherlei Debatten als Problem konstruiert, weil nicht nur die Abwertung des Viertels und damit einhergehende finanzielle Verluste für die weiße Bevölkerung befürchtet, sondern auch komplexe Zuschreibungen und Ängste geschürt werden. Anderseits wird der Begriff aber auch gebraucht, wenn Entwertungen von kulturellen Gütern stattfinden. Meist aber wird er von Weißen verwendet, die die Entwertung deutlich machen wollen. Hinter dieser Bezeichnung versteckt sich ein Diskurs, der eindeutig Abund Aufwertungen entlang von rassifizierten Zugehörigkeiten beschreibt und damit auch als ein Teil des in Kapitel 2.4 beschriebenen »Racial Capital« zu verstehen ist. Sie verwendet den Begriff hier aber als politische Selbstbezeichnung und einem Schwarz-Werden in einem politischen Sinn. Auch Chimamanda Ngozi Adichie verweist in ihrer Rede The Danger of a single Story darauf, dass Menschen, die vor dem Hintergrund von stereotypen Vorstellungen auf bestimmte Weise behandelt werden, in erster Linie ihrer Würde und Integrität beraubt werden.
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view on Black women, sexualized … like that was my first experience. Yeah!« (Mora, Zeile 864-867). Sie plausibilisiert ihren Verlust und die aus diesem Verlust entstandene Motivation, sich politisch zu positionieren – als Schwarze Frau. Obwohl es in anderen Interwies deutlich zu Schwierigkeiten kam, auch das rassifzierte Geschlechterverhältnis zu kennzeichnen, macht Mora das an dieser Stelle und hebt es als »white view on black women« hervor; genau dieser Blick, der schon zu Anfang (vgl. 4.1.1) als ein zentraler beschrieben wurde, wird hier noch einmal deutlich hervorgehoben. Zusammengenommen kann hier Moras Agieren als ein diskursives Handeln betrachtet werden, das die Erklärung einer Entscheidung plausibilisiert, nämlich die Erklärung, warum sie sich als Schwarze Frau bezeichnet und sich dazu entschieden hat, Schwarze Vorbilder zu wählen. Wie zuvor schon erwähnt, brauchte sie im Interview lange Zeit, bis sie die zentrale Situation erklären konnte, die sie vorher schon durch unterschiedliche Kommentierungen wie diese angekündigt hatte: »So, for me it is a very difficult experience and one that required me to seek out … Like, powerful and powering black figures, when I left Germany for the first time.« (Interview Mora, Z. 596-597).
4.3.3.2
Ninja: Distanzierung und Individualisierung
Die zwei folgenden Stereotypisierungen, die herausgearbeitet wurden, setzen ebenso am Körper an und beziehen sich einerseits auf die Bewegung im Tanz und anderseits auf den Körpergeruch. Unter dem Vorurteil »Kolumbianer*innen tanzen gern und haben gute Laune« wurde ein Stereotyp codiert, dessen zentrale Anrufung darüber funktioniert, ob und inwiefern Menschen anhand ihrer Bewegungspraxis ernst genommen werden (Du kannst nicht ernst genommen werden). Die Funktion der Gegenüberstellung von »westlich-europäisch kognitiv« und »objektiv« im Gegensatz zur Konstruktion »südländisch, emotional, nicht objektiv« konnte herausgestellt werden. Das zweite Stereotyp »indischer Geruch« setzt hingegen direkt an einer alltäglichen Praxis an und bringt Claudia auch in entsprechend konflikthafte Situationen. Die zentrale Anrufung »entweder bist du die ethnisierte/Exotisierte Andere oder du bist die integriere/assimilierte Andere« setzt sich aus mehreren Aspekten zusammen, die ich in Kapitel 4.3.1 ausführlich beschrieben habe. Ninja nimmt Bezug auf viele Stereotype nach meiner Frage, ob sie schon mal Stereotypisierungen begegnet sei. Sie sagt, es gebe viele, denen sie sich ausgesetzt sehe: auf sie als Frau, auf ihre Hautfarbe und ihre Herkunft bezogene und darauf, dass sie doch vermutlich gut tanzen könne. Das und die Stereotypisierung als Person of Color in einem weißen Kontext hebt sie im weiteren Verlauf des Interviews öfter hervor (vgl. Interview Ninja, Z. 1067-1163). Im Gespräch ergibt sich zunächst eine Aufzählung aller Stereotypsierungen, die sie kennt, die bisher an sie herangetragen wurden, mit denen sie schon einmal identifiziert wurde. Sie plausibilisiert damit, dass Stereotypisierungen viele Aspekte ihrer Persönlichkeit betreffen können sowie alle Positionierungen, die sie gesellschaftlich einnimmt. Damit hebt sie hervor, dass es zum einen kaum eine Möglichkeit des Entkommens gibt und dass sie andererseits beständig damit rechnen muss, mit einer dieser Stereotypisierungen konfrontiert zu werden. Ähnlich wie bei Claudia und Mathilda (s.u.)
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scheint der Schonraum, der vor derartigen Ansprachen schützt, sehr eingeschränkt zu sein, zumindest sagt sie das so. Interessanterweise kennzeichnet sie aber nicht nur die unterschiedlichen Stereotypisierungen, sondern sie betont auch gleichzeitig, dass es schwierig sei, sich in diesen zu verhalten, wenn das Stereotyp auf etwas referiert, was sie tatsächlich gerne tut. Sie sagt, es sei richtig, dass sie gerne tanze und dass sie als WoC (wahrscheinlich) gerne den Beitrag zu Rassismus gestalten würde; beides hatte sie zuvor als stereotype Ansprache gekennzeichnet, die einzig und allein passierte, weil sie als die Andere angesprochen wurde. Sie plausibilisiert mit dieser Kennzeichnung, dass ihr die Ansprache unangenehm ist, weil etwas über sie gewusst wird und sie deswegen zum Objekt der Ansprache wird. Sie wird hier nicht über ihren individuellen Geschmack, über ihre Ideen vom Leben, über individuelle Vorstellungen angesprochen, sondern ihre Performance wird immer in einen Zusammenhang mit der kulturellen und rassifizierten Gruppe gebracht. Sie kann auch deutlich machen, dass sie jenseits der Ansprache über eine ›Rolle‹ oder über etwas schon Gewusstes durchaus auch gerne dem Tanzen oder der Informationsgeberin zum Thema Rassismus nachkommen würde, aber nicht in Form der Rollenzuweisung: als Rassismusverantwortliche. Damit nimmt ihr Bezug auf Stereotypisierungen die Funktion ein, zum einen darauf zu verweisen, dass ihr über die Stereotype eine vorher definierte Rolle zugeschrieben wird und zum anderen zu verdeutlichen, dass dies beständig geschehen kann; sie plausibilisiert alltägliche Differenzerfahrungen, worunter auch Rassifizierungen fallen. Über die Benennung der Zuschreibungen distanziert sie sich von deren einfacher Identifizierung und schafft – oder versucht dies zumindest – sich so selbst einen Raum der Distanzierung und Individualisierung. Die Distanzierung und Individualisierung – die ambivalent bleibt – muss immer vor dem Hintergrund der zentralen Anrufung betrachtet werden, die sie rassifiziert und in der Rassifizierung ihren gesellschaftlichen Geltungsbereich minimiert.
4.3.3.3
Claudia: Kennzeichnung eines Selbstverhältnisses
Im Anschluss an die Stereotypisierung »Kolumbianerinnen tanzen gerne und haben gute Laune« möchte ich auf ein weiteres Stereotyp, das an der Körperlichkeit ansetzt, eingehen: das oben schon erwähnte Stereotyp »indischer Geruch«. Claudia nimmt Bezug auf dieses Stereotyp und kennzeichnet es als eine Zuschreibung, von der sie sagt, sie selbst habe sie auch vorher schon übernommen und in ihr Selbstverhältnis integriert. Dieses Stereotyp stellt etwas dar, was sie in ihrem Selbstverhältnis überkommen möchte – und zwar nicht das Stereotyp als solches, sondern ihren Umgang damit (vgl. Interview Claudia, Z. 20-22). Der Geruch bietet die Möglichkeit stereotyper Zuschreibungen, denen sie entkommen will, weswegen sie davon berichtet, dass sie immer meinte duschen zu müssen, bevor sie aus dem Haus ging. Sie plausibilisiert, dass sie diesen Geruch nicht nach außen tragen wollte, weil damit ihre Herkunft gewissermaßen hätte »gerochen« werden könne. Sie versucht, einer Rassifizierug aufgrund des Körpergeruchs zu entgehen und plausibilisiert im diskursiven Handeln, dass es nun notwendig ist, dieses Selbstverhältnis (sie nennt es »verinnerlichten Rassismus«) zu überwinden. Sie plausibilisiert die dichotome Anrufung, die für sie deutlich macht: Entweder bist du die exotische Inderin oder du bist die assimilierte Andere. Indem sie aber duscht –
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so ihre Plausibilisierung – gerät sie in die Gefahr, sich ihre native Zugehörigkeit gewissermaßen abzuwaschen und auf diese Weise als die assimilierte Andere zu erscheinen. Dieses Abwaschen ist für sie konflikthaft aufgeladen, da sie das Gefühl hat, ihre Eltern damit zu verraten. Sie plausibilisiert mit dem Bezug auf das Stereotyp dichotome Anrufungen, die schwierige Selbstverhältnisse befördern, konkret, dass sie eben nicht mehr versuchen möchte, der Anrufung zu entsprechen, die nach ihrer ursprünglichen Interpretation bedeutet, sich von diesem Geruch reinwaschen zu müssen. Sie will sich eben nicht mehr reinwaschen, sondern ihre Zugehörigkeit verdeutlichen und damit auch ihre Herkunft wieder als eine ihr zugehörige kennzeichnen.19 Damit möchte sie auch wieder ihre Beziehung zu ihren Eltern stärken. Der Bezug auf das Stereotyp kennzeichnet also eher einen überwunden Zustand bzw. einen Zustand, den sie zu überwinden gedenkt. Sie plausibilisiert Ansprachen, die sie früher in eine Entweder-oder-Position gebracht haben, wo die männliche Anerkennung, bzw. das Wissen um männliche Anerkennung, sie dazu aufforderte ihre Zugehörigkeit abzuwaschen. Das Gefühl, »die Ihren zu verraten« – die dilemmatische Situation – kann sie damit plausibilisieren und so einen Zusammenhang mit dem Machtverhältnis Rassismus herstellen, den sie (nach eigenen Aussagen) verinnerlicht hat. Der Bezug auf das Stereotyp übernimmt damit die Funktion der Kennzeichnung eines Selbstverhältnisses. Geschlecht wird in dieser diskursiven Handlung nur implizit sichtbar, nämlich über einen heterosexuellen Beziehungspartner, der sie auf den Geruch aufmerksam macht; expliziter wird Geschlecht in der stereotypen Ansprache »exotische Inderin« aufgerufen. Auch hier erfolgt die Bezugnahme auf eine Stereotypisierung, um auf deren Entwederoder- bzw. Weder-noch-Funktion aufmerksam zu machen. Claudia plausibilisiert damit, dass sie entweder als zugehörige assimilierte »Andere« (s.o.) angesprochen wird und diesen Platz einnehmen oder aber sich als die exotisierte Inderin positionieren kann. Ihr wird, so stellt sie klar, mit dem Stereotyp kein eigener Platz im Dazwischen zugestanden, sondern sie ist entweder die eine oder die andere; und wenn sie sich entscheidet, die exotische Inderin zu sein, dient diese Position gleichzeitig den weißen Anderen. Diese haben über die von ihr selbst gewählte Positionierung die Möglichkeit, sie noch weiter zu exotisieren. Sie spricht über das Stereotyp, um zu plausibilisieren,
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Auf ähnliche durch rassistische Zuschreibungen verursachte Schwierigkeiten machen auch Simoné, Edith und Olivia aufmerksam. Auch sie kommen in ein konfliktbeladenes Verhältnis zu ihren Eltern, weil sie diese entweder vor rassifzierenden Anrufungen schützen wollen oder miterleben, wie die Eltern – insbesondere der Vater von Edith – durch rassistische Ansprachen seiner Würde beraubt wird. Edith erzählt, nachdem sie darüber gesprochen hat, wie sichtbar sie auch in einem Restaurant ist und wie häufig sie angestarrt wird, folgendes: »Und des ist halt anstrengend, genau. Und des andere ist, ähm der Umgang mit meinen Eltern. Des merk ich halt, je älter ich werde. Dass, wie Leute mit meinem Eltern umgehen, weil sie jetzt nicht unbedingt perfekt deutsch sprechen. Und, ähm, wo ich mir halt, ähm, also, ja des nervt mich total. Also ja. Das.« (Interview ESO, Z. 1793-1795). Sie stellt sich vor, wie sie dann den Leuten, ein stereotyp gebrochenes Deutsch sprechend, entgegen tritt und sie mit ihren Vorurteilen konfrontiert, den Vater dabei gleichzeitig verteidigt, indem sie fragt, ob die (imaginierten Leute) denn auch fünf Sprachen sprechen würden und so intelligent wie ihr Vater seien. Deutsch zu sprechen ist in dieser Anrufung in jedem Fall mit der Vorstellung von Intelligenz und dem Maß an Intelligenz verknüpft.
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dass sie die Entweder-oder-Anrufung überwinden möchte und kennzeichnet Positionen im Diskurs, die ihr zugestanden werden. Das Stereotyp kommt in Verwendung, wenn sie verdeutlicht, dass über die bloße Aussprache der ethnischen Herkunft die Gefahr besteht, dass »du (damit auch) Tür und Tor öffnest für weiße Deutsche, die dich exotisieren«. Was hier zunächst als Handlungsohnmacht betrachtet werden kann, wird von ihr aber diskursiv nicht so verhandelt. Sie kennzeichnet beide Positionierungen als »Falle« und plausibilisiert – wie schon erwähnt –, dass sie den Entweder-oder-Zustand endgültig verlassen möchte. Damit hat der Bezug auf und das Sprechen über das Stereotyp wieder eher die Funktion der Abgrenzung, des Hinweises auf die Gefahr, zugunsten normativer Integrationsimperative als assimilierte Person zu erscheinen oder in die andere Falle zu tappen, die darin besteht, sich als ethnisierte und exotisierte Andere zu präsentieren. Beide Positionierungen, so macht sie deutlich, befinden sich in einem Spannungsfeld der Zuschreibungen, in dem es keine einfache Existenz gibt, sondern nur eine wohlüberlegte reflexive Selbstverortung.
4.3.3.4
Edith, Simoné und Olivia: Identifizierung ex-negativo
Bisherige Darstellungen diskursiver Handlungen bezogen sich stark auf diskursive Handlungen im Umgang mit Stereotypen, die am Körper ansetzten und über Exotisierungen und Sexualisierungen funktionierten. Die nächste Passage, die im Sample der Kategorie »Stereotype« zugeordnet ist, wurde im Gruppengespräch mit Edith, Simoné und Olivia angesprochen. Die Codierung verläuft unter dem Stichwort »Bilder Schwarzer Frauen«; die zentrale Anrufung ist die in Kapitel 4.3.1 herausgearbeitete Du existierst nicht (vgl. auch Tabelle 4). Wie oben schon dargelegt, nehmen die drei Frauen* Bezug auf das Thema Stereotype, um auf fehlende Bilder aufmerksam zu machen, kurz nachdem ihnen in der Anfangsphase des Gesprächs das Bild (s. Kapitel 3.1.6) gezeigt wurde. Die fehlenden Bilder wurden von mir nicht nur als fehlende Bilder (Fotografien) festgehalten, sondern eigentlich geht es um einen visuellen und dadurch auch identitären Diskurs; den drei Personen geht es um fehlende Figuren/Positionierungen, die im Diskurs sichtbar werden und damit auch Figuren der Identifikation und Intelligibilität darstellen. Wie im Verlauf des Gespräches deutlich wird, geht es genau darum in ihrem diskursiven Handeln: um Möglichkeiten und Grenzen der Identifikation. Zu Beginn der Sequenz führt Simoné (Person 1) an, dass sie häufiger nach Bildern (Fotos) für ihre Wände suche; in dem Bild, das vor ihr liege, erkenne sie sofort, dass die dargestellte Person eine europäische oder amerikanische Schwarze sei, weil Bilder afrikanischer Schwarzer Frauen eben nur übermäßig stolze und/oder traurige Frauen zeigten (vgl. Interview ESO Z. 113130). Da sie aber Bilder afrikanischer Schwarzer Frauen suche, passe das nicht zu ihrer eigenen Person, zu ihrer Identität als afrikanische Schwarze Frau. Die anderen, zumindest Olivia (Person 3), wiedersprechen ihr bzw. fragen sie ungläubig, woran sie das sehen kann. Dass dies keine afrikanischen Schwarzen Frauen sind, könne sie an allem sehen sagt sie. »Das ist alles. Der Blick.« (Interview ESO, Z. 120). Simoné erklärt aber dann im weiteren Dialog, was sie meint, und kann die anderen von ihrer Perspektive überzeugen, indem sie (unbewusst) mehrere Stereotype verwendet. Sie kennzeichnet Bilder afrikanischer Frauen als meist erotisch, übermäßig stark, Krüge von zehn Ki-
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lo Gewicht auf dem Kopf tragend oder sich in einer Landschaft mit zwei Kindern um sie herum bewegend; all das entspreche nicht ihrem Selbstbild (vgl. Interview ESO, Z. 130-149). Sie selbst sei auch nicht übermäßig stolz und stark, das wirke zu anstrengend auf sie und sie sei so nicht, sie brauche etwas, was die Mitte ausmache und das habe sie in dem Bild gesehen, etwas ganz ›Normales‹ (vgl. Interview ESO, Z. 149-153). Sie kennzeichnet mit ihrem Bezug auf die oben erwähnten Bilder Stereotype, die als gängige Stereotypisierungen von Schwarzen Frauen in der US-amerikanischen, aber auch der deutschen Rassismusforschung bekannt sind (vgl. Kilomba 2013; Hill Collins 2005; Hostettler/Vögele 2014). Genau die genannten Stereotypisierungen werden als häufige Stereotype von Schwarzen Frauen gezeigt, die einer afrikanischen Diaspora angehören. Mit dem (unbewussten) Bezug auf Stereotype kann Simoné also zunächst darauf hinweisen, dass Bilder fehlen: Bilder, die ihr eine Identifikationsmöglichkeit geben, Bilder, in denen sie sich wiederfindet. Sie plausibilisiert damit auch ihre eigene Position im Diskurs: Sie als Person und das, was sie als ihre Normalität begreift, sind in diskursiven Macht-Wissens-Ordnungen, die auch in Repräsentationen deutlich werden), nicht vorhanden. Als Funktion kann hier angeführt werden, dass mit dem Sprechen über die stereotypen Bilder Gegenhorizonte aufgemacht werden: Sie ist all das nicht. Sie kann damit auf eine Identifizierung ex-negativo aufmerksam machen. Simoné spricht davon, dass ihr die Repräsentationen in Bildern fehlen und sie kann dieses Fehlen betrauern. Sie spricht auch davon, dass sie den Stereotypen nicht entspricht, was sie mit ihrer Rede auch plausibilisiert. So hat das diskursive Handeln zwei Funktionen: Die Identifizierung ex-negativo und die Plausibilisierung, dass sie sich nicht im Spektrum dieser Stereotype befindet. Sie hat also einen Umgang mit der Anrufung gefunden und versucht sich darin zu bewähren. Abschließend möchte ich die Codierung zu dem Stereotyp »WoC sind alle aus patriarchalen Familien« darstellen. Dieses Stereotyp wurde häufiger erwähnt, sowohl von Claudia und Mathilda – hier sehr direkt – wie auch – eher implizit – von Simoné, Edith und Olivia (vgl. Interview ESO, Z. 672). Die zentrale Anrufung Du bist nicht modern trifft also alle Interviewpartnerinnen* außer Mora und Ninja, deren Eltern nicht hier in Deutschland leben. Während Mathilda Bezug auf das Stereotyp nimmt, indem sie alltägliche Beispiele expliziert wie z.B. die Fragen, ob sie überhaupt auf der Party sein dürfe, ob sie geschlagen werde oder ob sie überhaupt einen (weißen deutschen) Freund haben und wie lange sie denn am Abend außer Haus bleiben dürfe, nimmt Claudia eher in einer analytischen Form Bezug auf das Stereotyp. Claudia kennzeichnet mit dem Bezug auf das Stereotyp dessen Existenz und verdeutlicht seine Funktion. »… und gleichzeitig Women of Color werden ja permanent stumm gemacht, so. Nee – dieses … Ja, es spielt total mit rein, dieses – Unterstellen, dass man aus einer patriarchalen Gesellschaft käme. Geht ja einher mit: Ach, die Frauen da sind ja alle so unterdrückt, de de de (Aufzählung) … Die werden noch schwächer gemacht, als sie sind. Also, nicht dass Frauen schwach sind, aber es gibt ja sozusagen eine Idee davon: Frau schwach. Aber in diesem Gerede, die kommen aus einer patriarchalen Gesellschaft, die muss man schützen, de de de (Aufzählung) werden sie noch kleiner gemacht. Also
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diese ge-anderten Frauen sind noch schwächer, so hab ich manchmal das Gefühl – so werden sie noch schwächer gelesen.« (Interview Claudia, Z. 1192-1199) Diese analytische Haltung ermöglicht ihr eine Distanzierung und macht es möglich, dass sie von einem Gelesen-Werden – im Gegensatz zum So-Sein – sprechen kann. Sie plausibilisiert mit dem Bezug auf das Stereotyp die Strategie, dass »Women of Color permanent stumm gemacht werden« (Interview Claudia, Z. 1192): Sie hebt also eine Strategie hervor, die direkt auf die Intersektion von Vergeschlechtlichung und Rassifizierung abhebt. Auch in Mathildas diskursivem Handeln ist eine Kennzeichnungsstrategie zu finden, mit der sie hervorhebt, dass alle Women of Color auf diese Weise angesprochen werden. »Also es hat sich in Form von Fragen ausgedrückt, zum Beispiel also ist jede Frau, die den selben Hintergrund hat wie ich, gefragt wurde: Wirst du zu Hause geschlagen oder darfst du um diese Uhrzeit überhaupt noch auf der Party sein und ähm mhm, darfst du einen Freund haben, darfst du überhaupt einen deutschen Freund haben ähm, also wo ich dieses Gekoppelte auf jeden Fall äh jetzt, wenn ich drauf blicke, sehen kann.« (Interview Mathilda, Z. 162-166) Mit diesem Bezug auf die vorgenommene Ansprache aller Frauen, mit dem »selben Hintergrund« plausibilisiert sie vorgenommene Kategorisierungen entlang der Linie weibliches Geschlecht und Ethnisierung. Sie plausibilisiert nicht, dass alle PoC gefragt wurden, sondern explizit Frauen; sie kennzeichnet damit ein Verhältnis in der Intersektion von weiblichem Geschlecht und Ethnisierung. Damit verwenden beide, Claudia und Mathilda, den Hinweis auf das Stereotyp als Kennzeichnungsstrategie; Claudia, um auf eine diskursive Ordnung aufmerksam zu machen, die Women of Color als schwach präsentiert, Mathilda, um darauf aufmerksam zu machen, dass es eine selektive Auswahl derer gab, die dazu befragt wurden, und dass diese Auswahl auf der Intersektion von weiblichem Geschlecht und Rassifizierung getroffen wurde. Sie zeigen ihre Betroffenheit von Machtachsen, die im Zusammenspiel von Geschlecht, Ethnisierung und kollektiver Zugehörigkeit deutlich werden. Mathilda plausibilisiert also die Verflochtenheit beider Kategorien, die »jetzt, wo sie drauf blickt, immer schon zusammengehören« (Interview Mathilda, Z. 166). Die Wendung »jetzt, wo sie drauf blickt« legt eine Veränderung in der Perspektive nahe, der es an anderer Stelle nachzugehen gilt. Die Funktion des diskursiven Handelns der beiden ist es, das Nicht-Erklärbare (warum sprechen die mich immer an, warum machen die mich klein?) und das Un-Sprechbare – sprechbar zu machen. Beide können damit auf ein zentrales Motiv in ihrem alltäglichen Erleben hinweisen, sich dadurch in gewissem Maße davon distanzieren und möglicherweise, wenn sie gehört werden, den Diskurs erweitern.
4.3.4
Kurze Zusammenfassung und weiterführende Fragen
Ich möchte kurz die vorgefundenen diskursiven Handlungen zusammenfassen, um dann auf ihre Bedeutungen für Subjektivierungs- und Bildungsprozesse zu sprechen zu kommen. Die erste von Mora verwendete Strategie ist eine Normalisierungsstratgie
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ihrer geschlechtlichen Position im Feld von geschlechtlicher Zuweisung. Durch sexualisierte und rassifizierte Stereotype von Geschlechterzugehörigkeiten muss sie verdeutlichen, wie sie sich selbst in diesem Geflecht sieht und wo sie sich positioniert. Die Bezeichnung »Tomboy« stellt ihr eine Ausdrucksmöglichkeit und ein Selbstverhältnis zur Verfügung, mit dem sie sich identifizieren kann. In der zweiten Interviewsequenz plausibilisiert sie hingegen eine Entscheidung für ihre politische Position als Schwarze Frau*. Auch hier zeigt sich ein Selbstverhältnis: Auf sich allein gestellt ist sie Situationen unterworfen, die sie nicht bewältigen kann. Sie sucht sich daher eine Schwarze Community, die sie unterstützt bei ihren Auseinandersetzungen mit rassistischen Zuschreibungen und einem politischen Eintreten gegen Rassismus. Auch Claudia kennzeichnet mit der Erwähnung der stereotypen Zuschreibungen ein spezielles Selbstverhältnis in dichotomen diskursiven Ordnungen. Sie ist vor die oben formulierte Wahl gestellt, eine Wahl, in der sie jedoch nur verlieren kann. Ninjas diskursives Handeln habe ich als Distanzierung und Individualisierung hervorgehoben; sie verdeutlicht, dass stereotype Zuschreibungen sie in jeder Lebenslage treffen können, und so versucht sie, über die Benennung sich selbst als Individuum zu verdeutlichen, jenseits von allen Gruppenzugehörigkeiten. Simonés Strategie im diskursiven Handeln und im Umgang mit Stereotypisierungen habe ich als Identifizierung ex-negativo gekennzeichnet. Auch sie spricht damit ein Selbstverhältnis an, das sich in der diskursiven Repräsentation nicht bietet, weshalb sie darauf hinweist, was sie alles nicht ist. Zum Abschluss habe ich das Stereotyp »WoC sind alle aus patriarchalen Familien« und diskursives Handeln im Umgang mit den diskursiven Ordnungen beschrieben. Claudia und Mathilda wählen beide eine Kennzeichnungsstrategie und machen auf unterschiedlichen Ebenen auf die Intersektionen von diskursiven Ordnungen und Anrufungen aufmerksam. Während Claudia analytisch deutet, dass Women of Color in dieser diskursiven Hervorbringung geschwächt werden, zeigt Mathilda auf der Ebene von erfahrenen Beispielen, wer als patriarchal unterworfene Frau angesprochen wird. Wie deutlich werden sollte, zeigen alle interviewten Frauen einen sehr reflektierten Umgang mit intersektionalen Zuschreibungen und Stereotypisierungen. Nicht nur Moras Strategie, sich Verbündete zu suchen, sondern auch die Zurückweisungen und reflektierten Auseinandersetzungen weisen darauf hin. Trotzdem sind alle in den durch diskursive Ordnung hervorgebrachten Selbstbezügen und -verhältnissen begrenzt. Keine erfindet sich ganz neu oder kann ein Selbstverhältnis beschreiben, das nicht schon diskursiv vorhanden ist. Besonders deutlich wird das bei Mora und der Bezeichnung Tomboy, deutlich wird es aber auch bei den dichotomen Zuordnungen, denen Claudia nicht entkommt und in denen sie dann keinen eigenen Begriff für sich selbst finden kann. Viele Schwarze Deutsche erzählen davon, wie schwer es gewesen sei, eine eigene Bezeichnung zu finden; auch, dass mit dem Buch »Farbe bekennen« und der Auseinandersetzung um dieses Buch und über Audre Lorde solche Begriffe wie »Afro-Deutsche«, »Schwarze Deutsche« oder ähnliche erst entstanden sind. Begriffe sind in dem Moment als intelligible Positionen in diskursiven Ordnungen zu verstehen; sie bieten gleichzeitig die Möglichkeit, Selbstverhältnisse, die ansonsten nebeneinander existieren und als unvereinbar hervorgebracht werden in einen Zusammenhang zu bringen.
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Die vorgestellten Beispiele machen deutlich, dass es um Subjekte geht, die in diskursiven Ordnungen subjektviert werden und sich nicht außerhalb dieser Ordnungen konstituieren können. Gleichzeitig halten diese Ordnungen Selbstverhältnisse bereit, in denen diese Subjekte handeln und auf eine je spezifische Art handlungsfähig werden; diskursive Ordnung stehen in Relation zu den möglichen Positionen im Diskurs und in diskursiven Handlungsmöglichkeiten. Subjektvierungen und daraus hervorgegangene Selbstverhältnisse entstehen in diesen Anrufungen, die zwar hier als Stereotype erkannt werden, aber die Subjekte müssen sich dazu verhalten und einen Umgang mit den Anrufungen finden, sie können sich nicht nicht dazu verhalten. Ich habe also die Frage nach intersektionalen diskursiven Ordnungen in Stereotypen beantwortet, zentrale Anrufungen herausgestellt (4.3.1) und verdeutlicht, inwiefern sie spezifische Selbstverhältnisse hervorbringen (ebd.), und in Kapitel 4.3.3 wurde das diskursive Handeln der Subjekte beschrieben. In Unterkapitel 4.3.2 habe ich gezeigt, dass es eine spezifische Art der Adressierbarkeit in den Stereotypen gibt, die auch gleichzeitig als Mittel der Distinktion betrachtet werden können. Distinktion deshalb, weil sich darüber eine diskursive Ordnung etabliert, die Frauen in unterschiedliche Positionen im gesellschaftlichen Geflecht ruft. In Zeiten, in denen die Rede von einem »Erfolg als Frau« medial auch daran geknüpft ist, eine freie Sexualität leben zu können und sexuelle Freiheiten auszukosten, sich also, wie Angela McRobbie es bezeichnet (vgl. Kapitel 2.2.6), männlicher Privilegien zu bedienen – in diesen Zeiten ist die stereotype Konstruktion als unemanzipierte oder stereotyp weibliche (devote, laszive, abhängige) Woman of Color von besonderer Bedeutung. Das nun folgende Kapitel greift diese Bedeutung auf und verdeutlicht, was es bedeutet, unter dem Licht der oben explizierten Stereotypisierungen und in den intersektionalen diskursiven Ordnungen als Woman of Color und Schwarze Frau aufzuwachsen. Als besondere Herausforderung erweist sich auch hier vor allem die diskursive Ordnung rund um das Thema, das Patricia Hill Collins (2005) »Black Sexual Politics«, Grada Kilomba (2013) »Sexual Politics« und das Gabriele Dietze (2017) »Sexualpolitiken« genannt haben.
4.4
Sexualisation – Problematisierungen aus unterschiedlichen Positionen: historische Bilder und ihre Aktualisierung
Dieses Kapitel beschäftigt sich nun mit dem Thema der Sexualisation; in der Auswertung spreche ich von Sexualisierungen. Gemeint sind diskursive Ordnungen, die auf der einen Seite Geschlecht, Geschlechtsidentität, race und Sexualität ansprechen und die anderseits eingelagert sind in Regierungsweisen in einem Foucault’schen Sinn. Regierungsweisen in einem Foucault’schen Sinn sind Praktiken, diskursive Ordnungen und Handlungen, die von Fremdführungen in Selbstführungen und Selbstbilder übergehen – die aber häufig mit Interessen des Staates in Einklang stehen bzw. von Staat und Gesellschaft genutzt werden. Gemeint sind in diesem Zusammenhang Regierungsweisen, die am Thema der Sexualität ansetzen; Gabriele Dietze (2017), Patrica Hill Collins (2005) und etwa auch Kate Millett (1971) haben diese diskursiven Ordnungen »Se-
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
xualpolitik« oder auch »Sexual Politics« genannt. Während Kate Millet zu Beginn der zweiten Frauenbewegung in den USA darauf aufmerksam gemacht hat, dass weiße Frauen durch »Sexual Politics« weißen Männern immer noch untergeordnet seien (vgl. ebd.), hebt Patrica Hill Collins hervor, dass Schwarze Menschen in den USA über Sexualsierungen, Stereotype und die Konstruktion einer Schwarzen Sexualität in einem umfassenden Sinn unterworfen werden (vgl. Hill Collins 2005). Gabriele Dietze (2017) erweitert in ihrer Auseinandersetzung die Begriffsbestimmung der Sexualpolitik. Sie bezieht sich einerseits auf oben genannte Quellen erweitert diese aber noch um das Spannungsfeld »der Machttechniken, die über Sexualisierungen funktionieren« (ebd.: 16). Diese zweite Perspektive gewinnt sie wesentlich über Michel Foucaults Perspektive der biopolitischen Einbindung von Sexualität in Formen des Regierens. Mit ihrer Analyse kann sie deshalb einerseits auf Diskriminierungen über Sexualisierungen hinweisen und sie kann gelichzeitig verdeutlichen, wie die sexuelle Freiheit als Diskurs gegen Zuwanderung hervorgebracht wird (vgl. ebd.: 36f.). Eingelagert in diese Diskurse ist ihrer Meinung nach ein »abendländischer Exzeptionalismus« (ebd.: 39), der einerseits hervorhebt, Geschlechtergerechtigkeit schon erreicht und anderseits seine Homosexuellen anerkannt zu haben. Die eigene sexuelle und geschlechtliche Subjektivität wird im Horizont dieser diskursiven Ordnungen und Verhältnisse hervorgebracht, zumindest wenn Subjektivierungen im Anschluss von Foucault betrachtet werden, wie ich sie in Kapitel 2.3 beschrieben habe. Das Aufwachsen und Leben – also das Subjekt-Sein in diesen diskursiven Ordnungen – ruft Selbst-, Welt- und Anderenverhältnisse hervor. Ich gehe also davon aus, dass auch die eigene Sexualität, das eigene Begehren und die eigene Geschlechtsund sexuelle Identität in diesen Ordnungen und Verhältnissen mit hervorgebracht wird; zumindest bilden diese Ordnungen den Rahmen, der ein Wissen über Sexualität und das eigene Tun und die eigene Verortung darin hervorbringt und bereitstellt. Ich habe argumentiert, dass die interviewten Frauen* nicht nur Othering-Erfahrungen machen in Bezug auf die Zugehörigkeit, sondern auch historisch betrachtet als konstitutives Außen des abendländischen Subjekts hervorgebracht wurden. Dieses konstitutive Außen zeigt sich nicht nur an den oben dargestellten Stereotypen, sondern noch ganz besonders in diskursiven Ordnungen, die die Frauen* als spezifisch sexualisierte Objekte hervorbringen. Während es vorher also darum ging, diskursives Handeln im Kontext von historisch geprägten Stereotypisierungen festzuhalten, soll dieses Kapitel den Blick auf den Kreuzungspunkt »Aufwachsen, Ethnisierung/Rassifizierung, Vergeschlechtlichung und Sexualisierungen darin« legen. Es sollen diskursive Ordnungen, Anrufungen und Selbstverhältnisse im Kontext dieser Sexualisierungen verdeutlicht werden. Sexualisierungen werden in den Interviewsequenzen auf unterschiedliche Weise thematisiert. Bei Mathilda geht es um ihre Verfügbarkeit in einer heterosexuellen rassifizierten Matrix; ich argumentiere, dass eine Sexualisierung hier eher als Ordnung der sexuellen Zugehörigkeit fungiert. In einer Interviewsequenz, die Mathilda anspricht, nachdem sie mir von den stereotypen Zuschreibungen erzählt hat, eine patriarchal unterworfene Andere zu sein, wird deutlich, wie sich die diskursiven Ordnungen, Anrufungen und Alltagsrassismen in ihrem Aufwachsen generell und in ihrer Positionierung zu Sexualität im Besonderen spiegeln. In den Interviewsequenzen, die sich auf Mora und Edith
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beziehen, geht es hingegen um Sexualsierungen, die in spezifischer Weise Schwarze Frauen* treffen. Die Entwicklung einer eigenen geschlechtlichen Identität wird hier nochmals im Spannungsfeld mit sexualisierenden diskursiven Ordnungen aufgegriffen. Auch hier schließe ich wieder an die stereotypen Darstellungen an, die im letzten Kapitel von Mora ausgedeutet wurden, arbeite aber heraus, inwiefern diese sexualisierenden Stereotypisierungen Schwarzer Frauen* sich auf ihr Heranwachsen auswirken und auf den Bezug zum eigenen Geschlechtskörper. Die letzte Erzählsequenz, in der Edith berichtet, beschäftigt sich in verschärfter Weise mit den Bedingungen, als sexualisierte Schwarze Frau* – zu dem Zeitpunkt war sie allerdings noch ein Mädchen – heranzuwachsen und größte Schwierigkeiten im Umgang mit dem eigenen Körper, der eigenen Sexualität und dem Geschlechtserleben zu haben. Während Moras Erzählung vielmehr verdeutlicht, wie schwierig es sein kann, eine Geschlechtsidentität in diesen sexualisierenden Anrufungen zu konstituieren, zeigt sich in Ediths Situation die spezifische Schwierigkeit, eine gute Beziehung zur eigenen Sexualität aufbauen zu können. Bei beiden stellt sich jedoch eine ganz zentrale Problematik heraus: Das diskursiv vermittelte Körperwissen. Ediths Erzählung veranschaulicht auch noch einmal den Hintergrund, vor dem sich dieses Werden als Schwarze Frau* und Woman of Color abspielt: Es steht häufig im Gegensatz zu Anrufungen und Adressierungen an weiße Mädchen und junge Frauen, was ich im letzten Kapitel (vgl. Kapitel 4.3.2) als Adressierbarkeit verdeutlicht habe. Nicht alle werden von diskursiven Ordnungen gleichermaßen angesprochen oder angerufen; dies setzt eine Ansprechbarkeit, eine Adressierbarkeit voraus, die nur gewissen Positionen in diskursiven Ordnungen zugesprochen werden kann. Nicht nur durch den Verweis auf die Adressierbarkeit der interviewten Frauen* (im Gegensatz zu weißen Frauen) wird ein theoretischer Zusammenhang deutlich, sondern auch über eine theoretische Einordnung der diskursiven Ordnungen als Sexualpolitiken (vgl. Dietze 2017), die ich im Folgenden kurz noch einmal vertiefend theoretisch verdeutlichen möchte, damit die Erzählsequenzen in einen größeren Bezugsrahmen eingeordnet werden können. Theoretische Einordnung und Weiterführung In Kapitel 2.2 habe ich dargestellt, inwiefern sich ein globaler »Domination Contract« (Pateman/Mills 2007a) etabliert hat, der historisch entstanden ist. Pateman und Mills weisen darauf hin, dass der Liberalismus, so wie wir ihn seit dem letzten Jahrhundert kennen, zu Ungunsten Schwarzer Menschen insgesamt und weißer Frauen hervorgebracht wurde (vgl. Kapitel 2.2.5). Sexualität war und ist in diesem Domination Contract ein zentrales Mittel: Einerseits, um im Geschlechterverhältnis Zugriff auf den weiblichen Körper zu erhalten und anderseits, um kolonialisierte und versklavte Andere zu strafen, sie als sexuell Andere hervorzubringen und um Züchtigungen zu legitimieren. Die Verhältnisse ändern sich mit den Jahren, und trotzdem bleiben Sexualpolitiken ein zentraler Bestandteil des Domination Contract. Pateman beschreibt in der theoretischen Analyse eines Geschlechtervertrages, inwiefern die Eheschließung und Arbeit im 19. und 20. Jhdt. weiße Frauen in rechtliche Unterordnungen zu ihren Männern brachte und wie gerade mit der Ehe ein Recht auf den körperlichen Zugriff gewährt wurde. Ein eigenes Begehren und Verlangen in der Sexualität galt als nicht existent, zumin-
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
dest nicht für weiße Frauen; Schwarze Frauen und Männer wurden als übersexualiserte Andere hervorgebracht, deren Ermordung auch im Namen dieser Übersexualierung straflos möglich war. So beschreiben Mills und Pateman, wie Schwarze Männer zu Tode gekommen sind, weil ihnen unterstellt wurde, weiße Frauen betrachtet, angefasst oder sie vergewaltigt zu haben. Auch in Europa lassen sich ähnliche Diskurse beobachten; ob es die »Schwarze Schmach am Rhein« ist (vgl. Wigger 2007) oder der hypersexualisierte Schwarze Mann im Nachgang der Kölner Silvesternacht 2015/16 – Diskurse am Kreuzungspunkt Sexualität sind noch immer ein Nukleus der diskursiven Macht-WissensOrdnungen und Praxen (vgl. Kapitel 2.2.4-2.2.6). Sexualitätspolitiken haben sich jedoch verändert. Wie oben bereits angedeutet, fungieren heutige Politiken, deren Zentrum die Sexualität der Subjekte ist, über die Anreize zur Freiheit, Sexualität auszuleben, die Gleichstellung der Geschlechter erreicht und Homosexualität anerkannt zu haben. Rassifizierende Ordnungen existieren darin noch immer, nur werden Rassifzierungen und Ethnisierungen heute dergestalt sichtbar, dass rassifizierte Subjekte – wie oben auch in Mathildas Fall ersichtlich – als nichtmoderne und rückwärtsgewandte Andere hervorgebracht werden, die Homosexualität und Geschlechtergerechtigkeit entgegenstehen. Jasbir Puar hat mit ihren theoretischen Arbeiten zu Homonationalismus und seiner Funktion herausgearbeitet, dass häufig muslimische Menschen (oder als muslimisch vermutete Menschen) als jene angesprochen werden, die einer Gleichheit der Geschlechter und/oder der Akzeptanz von Homosexualität entgegenstehen (vgl. Puar 2009). Eric Fassin spricht in diesem Zusammenhang auch von einer »Sexual Democracy«, in der neue Rassifizierungen in der Art und Weise entstehen, dass rassifizierten Anderen demokratische Ideale und Werte wie Geschlechtergerechtigkeit und eine Freiheit, homosexuell oder hetereosexuell zu leben, abgesprochen werden (vgl. Fassin 2014). An dieser Stelle geht es nicht um Gesetze in anderen Ländern, sondern um die vermutete kulturelle Sozialisation, die Ge-Anderte haben oder mitbringen. Gleichzeitig geht es aber noch immer um Sexualisierungen, nur werden rassifizierte Frauen hier als devote und unterwürfig sexualisierte Andere hervorgebracht, während die mediale Inszenierung weißer Frauen die Freiheit der Sexualität und damit die Teilhabe an einer patriarchalen Dividende hervorhebt; nicht Zurückhaltung und Reinheit, sondern das Ausleben eigener sexueller Freiheiten seien – so wird suggeriert – das Gebot der Stunde. Ein neuer Geschlechtervertrag, den Angela McRobbie beschreibt (vgl. Kapitel 2.2.5), findet seinen Ausgangpunkt dort, wo die mediale Repräsentation weiße Frauen dazu auffordert, ihre Sexualität freizügig auszuleben und damit Teil zu haben an einer patriarchalen Dividende, und wo im Gegensatz dazu Schwarze Frauen und Women of Color als devote untergeordnete ›echte‹ Frauen präsentiert werden. Alle diese diskursiven Ordnungen finden sich auch in den Interviewpassagen, die in diesem Kapitel diskutiert werden sollen. Gabriele Dietze folgend, möchte ich aber beide Phänomene, die Sexualisierung Schwarzer Frauen als devote und die Hervorbringung der unmodernen Anderen, gemeinsam betrachten und die Auswirkungen auf die Subjekte und deren Selbstverhältnisse herausarbeiten. Gabriele Dietze (2017) unterteilt das Verständnis von Sexualpolitik in unterschiedliche Lesarten und Kritiken (vgl. ebd.: 16). Einmal geht es im US-amerikanischen Diskurs, wo die Kategorie race explizit mitgedacht und zum Ausgangspunkt der Kritik gemacht
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wird, um die Kritik an sexualisierenden Darstellungen. Wie weiter unten deutlich wird, greift Mora diese Kritik auf. Sie wurde selbst in den USA geboren und kann auf diese kritische Perspektive explizit zurückgreifen, während Edith diese Kritik zwar ebenfalls aufgreift, sie aber weniger explizit machen kann. Dietze spricht aber auch von einer französischen Lesart der Sexualpolitik; hier geht es mit Bezug auf Michel Foucault eher um Biopolitik und staatliche Interventionen, also um Generativität (Geburten- und Bevölkerungsregelung). Während erstere Kritik sich also auf Darstellungen und Objektivierungen (hauptsächlich von Schwarzen Frauen) bezieht, spricht die zweite Kritik Regierungsweisen (in einem Foucault’schen Sinn) an, die an der Hervorbringung und Unterstützung einer biopolitischen Lenkung interessiert sind.20 Neue Regierungsrationalitäten setzen die Freiheit als zentrales Moment der Lenkung ein und Dietze hebt mit Bezug auf Butler hervor, dass sich »in der neoliberalisierten okzidentalen Spätmoderne von einer Sexualisierung des Freiheitsbegriffs sprechen« (ebd.: 39, Herv. i.O.) lässt. Dieser wird damit zur Regierungsrationalität in einem Foucault’schen Sinn, der nun weniger an generativen Fragen operiert sondern die Hervorbringung dieser neoliberalen Freiheit stützt. weiß-deutsche »Hetero-Frauen und LGBT-People sind dabei einem Paradoxon ausgesetzt. Einerseits werden sie als Symbol und Avantgarde eines ausschließenden abendländischen Exzeptionalismus in Anspruch genommen. Anderseits sind sie selbst weiterhin Objekte von persistenten sexualpolitischen Macht-Techniken« (ebd.: 39). Wie also fasse ich hier den Begriff Sexualisierung? In Kapitel 2.3 habe ich auf die Normalisierung der Sexualität durch das Sexualitätsdispositiv hingewiesen. In dieser Normalisierung der abendländischen Sexualität stellen Schwarze Frauen und Männer das diskursive Außen dar. Ann Laura Stoler (1995) hat auf diesen Zusammenhang hingewiesen. Obwohl Schwarze Männer und Frauen nicht als jene zu betrachten sind, die der Generativität schaden – darauf weist Gabriele Dietze (vgl. 2017: 15) hin – sind sie doch als Andere in diskursiven Ordnungen hervorgebracht. Es gilt, ihre Sexualität zu überwachen und ihr zu misstrauen. Im letzten Kapitel (4.3) zeigt sich diese Ordnung deutlich an stereotypen Zuschreibungen. Die im kolonialen Kontext entstandene Sexualitäts- und Geschlechterordnung wird – Lugones (2010) folgend – noch immer in Subjektivierungs- und Bildungsprozessen erkennbar (vgl. Kapitel 2.2.6). Sexualität und das Empfinden derselben ist eingelagert in diese Bezugspunkte. Gerade vor dem Hintergrund eines neuen Geschlechtervertrags zeigen sich besondere Spezifika im Begriff der Sexualisierung. Deshalb verstehe ich hier Sexualisierungen einerseits als einen Nukleus, in dem diese Regierungsweisen und damit auch Ordnungen von Zugehörigkeit wirken. Anderseits geht es in dem Begriff Sexualisierung auch um Geschlecht-Werden in einer rassifizierten Ordnung. Sexuierungen sind notwendige Voraussetzungen im Aufwachsen und beim Erwerb einer Geschlechtsidentität, die aber – wie unten an Mo-
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Solche ›Regierungsweisen‹ finden sich beispielsweise dort, wo medizinische Befunde sehr stark in die Deklarierung von schützenswertem und nicht-schützenswertem Leben intervenieren. Mit Bezug auf Foucault geht es hier weniger um moralische Debatten, sondern darum, eine Lenkung zur Kenntnis zu nehmen.
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ras Beispiel noch einmal explizit hervorgehoben werden wird – auch im Kontext einer Übersexualisierung des Schwarzen weiblichen Körpers stattfinden kann. Sexualisierungen finden außerdem in einem Kontext der heterosexuellen Matrix statt, die zudem auf rassifizierte Ordnungen trifft. Ein Körperwissen und ein Wissen um die eigene Sexualität entstehen in diesen Macht-Wissens-Ordnungen und können nur in diesen Zusammenhängen verstanden und gewusst werden. Wie ambivalent diese im Spannungsfeld Sexualität sind, wird in dem nun folgenden Kapitel verdeutlicht. Die im vorangegangenen Kapitel explizierten zentralen Anrufungen zeigen sich auch hier deutlich und werden weiter ausgearbeitet. Besonders die Anrufung »Werde, was du bist!« im Kontext von Geschlechterstereotypen entfaltet hier ihre Wirkung. Dichotome Ordnungen und sowohl präskriptive als auch deskriptive Merkmale, die Stereotypen inhärent sind, verstärken ihre Wirkung diskursiven Ordnung. Sie schaffen damit Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Identifizierung und der sozialen Intelligibilität, die sich auch auf die Handlungsfähigkeit der Subjekte auswirken. Sie sind damit immer auch an Stereotypisierungen gebunden. Sie begegnen ihnen häufig, werden zum Teil der eigenen Identifizierung und sind damit auch Teil der Subjektivierung. Stereotypisierungen schaffen eine diskursive Ordnung, die in Repräsentationen sehr deutlich zu spüren und deren Auswirkungen auch Teil der Subjektivierungen von Mora, Mathilda, Claudia, Edith, Simoné, Olivia und Ninja ist. Zu klärende Fragen: a) Wie sind diskursive Ordnungen und Anrufungen beschaffen, die im Themenkomplex Sexualisierungen betrachtet werden können? (Kapitel 4.4.1) b) Wie konstituieren diskursive Ordnungen ein Möglichkeitsfeld der Selbstverhältnisse? (Kapitel 4.4.1) c) Wie ist das diskursive Handeln der Frauen* geartet? (Kapitel 4.4.2)
Während die Erzählung von Mora im letzten Kapitel Ausgangspunkt der Analyse war, um empirisch darzustellen, wie ein Ringen mit dem Stereotyp der Schwarzen sexualisierten Frau stattfand, soll die Situation hier noch mal aufgegriffen werden, um das Aufwachsen mit der, in der und durch die Positionierung in diesem diskursiven Nukleus zu blicken. Auch Simoné und Edith schließen an diese Erfahrung an, während Mathildas Erzählung im Kontext der stereotypen Ansprache als un-emanzipierte Andere betrachtet werden muss. An Stellen, die sich für eine vertiefende Analyse im oben explizierten theoretischen Zusammenhang darstellen, werde ich darauf verweisen. Ich beginne mit einer Erzählsequenz von Mathilda, diskutiere dann Moras Beispiel und schließe ab mit einer Erzählung von Edith. Obwohl in den Erzählsequenzen mehrere diskursive Ordnungen und Verhältnisse sichtbar werden, schränke ich den Blick auch hier wieder auf Intersektionen ein.
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4.4.1
Rekonstruktion der diskursiven Ordnungen und Anrufungen im Sprechen über Aufwachsen, Geschlechtsidentität, Körperlichkeit und Sexualität
Tabelle 5 stellt die Erzählpassagen mit den diskursiven Ordnungen und zentralen Anrufungen dar.
Diskursive Ordnungen
Zentrale Anrufungen
1) Mathilda: Ordnungen von sexualisierter Zugehörigkeit
Geschlechtsidentität in einer rassifzierten heterosexuellen Matrix;
Exzeptionalistische Anrufungen
2) Mora: Sexualisierungen und Körperwissen
Sexualisierende Ordnungen; Körper-Ordnungen
Körper-Anrufungen von Geschlechtsidentität
3) Edith: Geschlecht-Werden im übersexualisierten Schwarzen Körper und weiße Performanz
Sexualisierende Ordnungen; Körper-Ordnungen; unterschiedlich rassifizierende Sexualisierungen
Was darf ein Schwarzer weiblicher Körper sein?
4.4.1.1
Mathilda: Ordnungen von sexualisierter Zugehörigkeit
Die erste Erzählsequenz, die hier zu analysieren ist, bezieht sich auf eine Erzählung von Mathilda. Im letzten Kapitel, das sich mit stereotypen Zuschreibungen beschäftigt hat, habe ich herausgestellt, dass die zentrale Anrufung sich um die Frage dreht, inwiefern Women of Color aus patriarchalen Verhältnissen kommen und deshalb als nicht-emanzipiert und nicht modern angerufen werden. Die Anrufung, die herausgestellt wurde, laute: Du bist nicht modern, oder doch?! Wie im letzten Kapitel herausgearbeitet wurde, ging es in stereotypen Repräsentationen in der diskursiven Ordnung und durch diese häufig darum, sie und alle als dieser zugehörig hervorgebrachten Frauen* als hilflos den patriarchalen Strukturen Unterlegene zu konstruieren (wie auch Claudia, s. Kapitel 4.3.3). Wie sich in allen Interviews zeigte, setzen stereotypisierende Diskurse und Repräsentationen vor allem dann besonders zu, wenn sich die Personen in Transformationsprozessen zum Beispiel vom Kindes- ins Erwachsenenalter befanden. Mathilda erzählt beispielsweise, dass sich alles verschlimmert habe, seit sie das Gymnasium besucht habe – Sexismus und auch Rassismus hätten zugenommen (vgl. Interview Mathilda, Z. 201-220). Mathilda hatte berichtet, dass es im Frage-Modus21 geschehen sei, sie als patriarchal unterworfenes Mädchen anzusprechen. Die Fragen zielten in erster Linie darauf ab herauszufinden, ob und inwiefern sie anti-modernen patriarchalen Strukturen unterlag. Durch Fragen wie: »Wirst du zu Hause geschlagen oder darfst du um diese Uhrzeit überhaupt noch auf der Party sein und ähm mhm, darfst du einen Freund haben?« (ebd., Z. 164f.), wird deutlich, dass sie befragt werden darf, weil sie als patriarchal unterlegene Woman of Color adressiert wird. Die Fragen wiesen aber noch darüber hinaus, denn sie gipfelten
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Santina Battaglia spricht von »alltagsprachlichen Belangungen« (Battaglia 2007: 185).
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in der Frage: »… darfst du eigentlich einen deutschen Freund haben?«22 (Interview Mathilda, Zeile 161-165). Die Differenz, die hier aufgemacht wird: Einen deutschen Freund zu haben wird zum Gradmesser ihrer Modernität und Zugehörigkeit. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Erzählsequenzen zu betrachten, die insgesamt im Kontext einer rassifizierten und heteronormen diskursiven Ordnung stattfinden und die damit enden, dass Mathilda sich selbst die Schuld gibt, den Anforderungen nicht zu entsprechen. In der Erzählsequenz, die ich im Folgenden analysiere, werden unterschiedliche diskursive Ordnungen deutlich, die Mathilda prägen und ihren Selbstbezug hervorbringen, sowie auch solche, die sie aufgrund vielfältiger reflexiver Auseinandersetzungen als Diskurse und Machtverhältnisse benennen kann. Darüber hinaus werden aber auch Geschlechterverhältnisse deutlich, die aus meiner Sicht als historisch gewachsene und verfestigte Ordnungen hervortreten. Im Interview hatte ich sie gerade gefragt, wann sie das erste Mal ganz bewusst darüber nachgedacht habe, dass sie weiblich sei oder ein Mädchen* ist. Es ging mir darum herauszufinden, inwiefern rassifizierende Ordnungen Geschlechtsidentität beeinflussen. Ich hatte mir vor den Interviews vorgenommen, die Frauen* nicht über ihr Geschlecht anzusprechen, sondern in erster Linie über die Erfahrungen, die sie gemacht haben. Deshalb kamen wir auf ihre Geschlechtsidentität23 zu sprechen, und sie erzählte mir, sie sehe sich selbst als Frau, aber ihre Geschlechtsidentität sei »immer wieder ins Wanken« (ebd.: Z. 127) gekommen. Dieses Wanken hatte mehrere Gründe. Wie sie berichtete, ist sie ist in einem kulturpolitischen Klima aufgewachsen, in dem Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Bezügen über kulturelle Präsentationen politisch aktiv waren. Ihre Eltern nehmen auch heute noch teil an dieser kulturpolitischen Szene, und sie selber ist sehr geprägt von politischen Haltungen, die Ausdruck in dieser Szene gefunden haben. Als ich sie nach den wichtigsten Komponenten ihrer Identität frage, erkenne ich, dass ihre anti-rassistische kulturell-politische Haltung eine sehr wichtige Quelle ihrer Identität ist; aufgewachsen in den 1980er und 1990er Jahren in einer mittelgroßen deutschen Stadt, beobachtet sie aber sehr früh, dass sich in alltagspolitischen Handlungen häufig Männer hervortun.24 Das benennt sie als einen Grund dafür, weshalb ihre Geschlechtsidentität ins Wanken kam.25 Sie möchte politisch aktiv sein, 22
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Infolge dieser bedrängenden Fragen sucht sie sich andere Kontexte in denen sie sein kann, wie sie ist, ohne diese Fragen zu beantworten. Sie nimmt an der Theater AG der Schule teil und findet heraus, dass sie hier in verschiedene Rollen schlüpfen kann ohne zugeschriebene Identitäten verkörpern zu müssen. Sie spielt das was sie sein möchte und empfindet es als große Bestärkung. Der Relevanz dieser Aspekte gehe ich in Kapitel 4.6 nach. Im Interview wird der Begriff Genderidentität synonym mit dem Begriff Geschlechtsidentität verwendet, weshalb ich davon ausgehe, dass beides gleichzeitig gemeint ist. Auch mit Bezug auf Butler (1990 [dt. 1991], 1995, 2001c) fallen Geschlechts- und Genderidentität zusammen. Schon hier tut sich eine Ebene auf, die sicherlich auch diskursiven Wandlungen und Konstruktionen unterliegt, die aber letztlich historisch entstandene Geschlechterverhältnisse verdeutlicht. Das würde ich beispielsweise als gewachsenes Verhältnis betrachten – oder die Grundlage liegt in historischen Strukturen, die sich derart verfestigt hatten, dass sie von sich aus wieder neue diskursive Ordnungen zeigen. Möglicherweise verweist das hier auf die häufig in feministischen Theorien angesprochene hierarchische Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit, die jeweils geschlechtlich konnotiert sind und das Birgit Sauer als »liberales Trennungsdispositiv« (Sauer 2001:
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aber in ihrem sozialen Umfeld nimmt sie in erster Linie Männer als engagiert in diesen alltagspolitischen Strukturen Handelnde wahr. Das macht sie nachdenklich und sie fragt sich, ob sie als Mädchen auch politisch aktiv werden und was sie gegebenenfalls bewirken können wird. Wie ihre Geschlechtsidentität initiiert wurde und warum sie noch einmal ins Wanken kam, erklärt sie dann ein paar Minuten später: »Ich glaube, das hat schon so angefangen mit der Geburt meines jüngeren Bruders. Wo ich dann die Abla26 , die große Schwester; und äh da hab ich auf jeden Fall die Geschlechteridentität Frau mit Mädchen eingenommen und wo sie ins Wanken gekommen ist (Pause), das war äh auf jeden Fall während der Pubertät, wo ich einen großen Freundinnenkreis hatte und mich in eine Freundin verliebt hab und ihr das auch gesagt hab« (lacht). (Interview Mathilda, Z. 268-272) Diese Erzählsequenz möchte ich hier genauer betrachten: Sie verdeutlicht zum einen, dass sie ihre Geschlechtsidentität über die Geschwister-Konstellation »eingenommen« habe und zum anderen, dass genau jene Identität zu dem Zeitpunkt ins Wanken kam, als sie sich in eine gleichgeschlechtliche Person verliebte. Mindestens zwei diskursive Ordnungen und daraus folgende Anrufungen zeigen sich hier. Zum einen geht es um diskursive Ordnungen und mit ihnen einhergehende Geschlechterverhältnisse, in denen Mathilda klar wird, dass ihre Geschlechtsidentität in einer dualistischen Zweigeschlechtlichkeit hergestellt wird; zum anderen wird deutlich, dass ihre Geschlechtsidentität mit spezifisch weiblichen Rollenerwartungen verbunden ist, denn warum sonst sollte sie ins Wanken kommen, als sie sich in eine Freundin verliebt? Die erste diskursive Ordnung zeigt, dass sie mit der Geburt ihres jüngeren Bruders eine definierte Geschlechtsidentität einnimmt. Diskursives Wissen, mit dem Geschlechtsidentität gebildet und eine praktische Inszenierung von Geschlecht erlernt und erfahren wird, gründet sich für sie im Geschwisterverhältnis. Sie wird über die Geschwisterkonstellation als Teil der diskursiven Ordnung einer Zweigeschlechtlichkeit angerufen und beginnt sich als Mädchen zu identifizieren. Diese Identität ist wesentlich mit Care-Aufgaben verbunden, wie sie schon zu Beginn des Interviews verdeutlicht: »Also ähm, ich glaube, so in meinen ersten Lebensjahren, da hab ich mich auch eher als große Schwester verstanden, weil ich einen jüngeren Bruder habe und habe sozusagen durch die äh, durch das Selbstverständnis einer großen Schwester sehr viele äh hmhmh Verhaltensmuster von einer Mutter übernommen und äh und ja war dann die große Schwester/Mutter für meinen jüngeren Bruder; aber nicht nur für meinen jüngeren Bruder, sondern auch für andere jüngere Kinder oder Kinder im Kindergarten, die eben Schwierigkeiten hatten, zum Beispiel mit der deutschen Sprache oder zu jung waren, um ihre Schnürsenkel zu binden. Dann war ich eben diejenige, die da die unterstützende Rolle übernommen hat. Ich glaube, so ist auch, weiß ich jetzt nicht genau, aber ich glaube, so ist auch, hab‹ ich so Tätigkeiten, Handlungen, Praktiken,
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5) bezeichnet hat. Schwarze Frauen und Women of Color waren in diesem Dispositiv aber different situiert, worauf ich in Kapitel 2.2.4 hingewiesen habe. Türkisches Wort für große Schwester.
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die als weiblich kodiert sind, übernommen. Erst mal so über eine Schwester-MutterRolle« (Interview Mathilda, Z. 110-119). Die Care-Aufgaben, die sie für jüngere Kinder übernimmt, bringt sie in Zusammenhang mit Aufgaben, die ihrer Meinung nach denen einer Mutter ähnlich sind. Die CareAufgaben sind weiblich kodiert, und so wächst sie in eine Rolle hinein, in der sie sich selbst als in einer »Schwester-Mutter«-Rolle agierend sieht – auch den anderen Kindern gegenüber.27 Bei der zweiten sehr präsenten diskursiven Ordnung geht es um sexuelles Begehren und die darüber ins Wanken geratene Geschlechtsidentität. Obwohl eigentlich ihre Geschlechtsidentität angesprochen ist, erzählt Mathilda, diese sei ins Wanken gekommen, weil und als sie sich in eine Freundin verliebt habe. Aus welchen Gründen eine Geschlechtsidentität hinterfragt wird, wenn es um gleichgeschlechtliche Liebe geht, kann nur mit Blick auf Judith Butlers theoretisches Konzept der »heteronormen Matrix« (Butler 1990 [dt. 1991]) erklärt werden. Die heterosexuelle Matrix stellt Butler zufolge eine soziale Intelligibilität her, in der zwei klar definierte und hierarchisch situierte Geschlechter (männlich und weiblich) notwendigerweise sexuell aufeinander bezogen sind. Mit dieser Bezogenheit aufeinander wird nicht nur die geschlechtliche, sondern auch die sexuelle Identität intelligibel (vgl. ebd.: 220). An dieser Stelle wird mehr als deutlich, dass diskursive Ordnungen auch Selbstverhältnisse hervorbringen, die in einem dualistischen Bezug der Zweigeschlechtlichkeit verortet sind, und dass diese notwendigerweise aufeinander bezogen sind. Soziale Intelligibilität wird über diese Bezogenheit der Geschlechter in einer heterosexuellen Matrix in der folgenden Interviewsequenz noch deutlicher:
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Was in dieser Erzählsequenz bisher nicht deutlich wurde sind Diskurse die Ethnisierung, Kulturalisierung und/oder Rassifizierungen ansprechen, mit der Ausnahme, dass sie sagt sie war eine »Abla« und sie hat Kindern geholfen, »die nicht so gut deutsch sprechen konnten«. Hinter diesem Begriff und seiner Verwendung verbergen sich diskursive Ordnungen, die zunächst ein Zusammenspiel von Ethnischen Bezug und Geschlecht verdeutlichen, aber darüber hinausgehen: Der Begriff Abla verweist im türkischen Sprachraum auch auf eine gewisse Art der Solidarität. Der große Bruder oder die große Schwester wird als Person betrachtet, die den Übergang erleichtern kann, die Solidarität bietet und die einem etwas vorleben kann. Ich habe hierzu explizit andere Menschen befragt, die sich der türkischen Diaspora zugehörig fühlen und sie verglichen den Begriff mit dem Schwarzen Begriff Sister/Brother, der über eine familiale Zugehörigkeit hinaus auch als Solidaritätskennzeichnung genutzt wird. Wie auch in anderen Interviews deutlich wird, ist die Situierung im Kontext einer Familie, die Alltagsrassismen ausgesetzt ist, nicht einfach. Die Familie bietet eine (er-)weiterte Ansprechbarkeit (vgl. Kapitel 4.3.1), die nicht einfach negiert werden kann und die die Interviewten mit einer besonderen Herausforderung zurücklässt. Es werden einerseits geschlechtlich kodierte Aufgaben übernommen und anderseits stehen diese Aufgaben in einem Kontext der Migrationsgesellschaft, der nicht frei ist von Alltagsrassismen und deren Bewältigung. Die Position der Abla stellt positive Identifikationsmöglichkeiten zur Verfügung, sie ist aber auch vor Herausforderungen gestellt. Diese Anrufungen zwischen positiver weiblicher Identifikationsmöglichkeit und Herausforderungen im Umgang mit Schwierigkeiten in der Migrationsgesellschaft, stellt Mathilda eher positiv und schmunzelnd vor durch ihre Position: der Abla. Eigentlich benötigt diese Auseinandersetzung einen größeren theoretischen Rahmen, dem ich an dieser Stelle leider nicht folgen kann.
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»Und also ich hab ihr das so gesagt: Ach, wenn ich jetzt ein Junge wäre, hätte ich dich gern als meine Freundin« (lacht länger) »und das fand sie sehr irritierend, aber wir waren trotzdem bis – also bis heute sind wir noch befreundet. Und dann hab ich mich aber auch oft gefragt« (räuspert sich), »also was mich irgendwie daran hindert, an … an … mich den Jungs in meiner Klasse zu öffnen, mich auf sie einzulassen oder so, was mich daran gehindert hat. Es waren auf jeden Fall« (räuspert sich) »ähm, ähm … Was ich vielleicht aus der heutigen Perspektive sagen kann, waren die rassistisch motivierten Vorurteile, die irgendwie im Raum kursiert haben, wo ich irgendwie auch eine starke Abneigung hatte, mich diesen Jungs zu öffnen, geschweige denn mich in sie zu verlieben, weil sie das ja gar nicht verdient haben, weil sie so gemein zu mir sind.« (Interview Mathilda, Z. 276-284) Zunächst fällt in den Blick, dass sie sagt: »Ach, wenn ich jetzt ein Junge wäre, hätte ich dich jetzt gern als meine Freundin«. Das etwas länger anhaltende Lachen zeugt vielleicht von einer gewissen Verlegenheit, die sich vielleicht generell in Situationen des Gestehens zeigt. Die Verwendung des Konjunktivs – »wenn ich wäre«, d.h. wenn ich eine andere Geschlechtsidentität hätte – legt aber auch nahe, dass der oben beschriebene Diskurs und daraus resultierende Praxen in ihr wirken; und sie legt wiederum nahe, dass die sexuelle Identität in diskursiven Ordnungen und daraus entstehenden Praxen an die Geschlechtsidentität anknüpft und diese bestärkt. Die genaue Wiedergabe der Reaktion der Freundin und die Betonung, dass sie noch immer Freundinnen seien, zeigen, dass sie den Eindruck hat, sie habe seinerzeit eine Grenze überschritten, die durch oben genannte Ordnungen markiert ist. Im Anschluss daran kommt eine diskursive Ordnung zum Vorschein, die darum kreist, warum sie eigentlich dieser heteronormen Matrix, die für sie die Normalität darstellt, nicht gerecht werden, warum sie sich den Jungen in ihrer Klasse nicht öffnen konnte. Das Normale ist hier, sich den Jungen in der Klasse zu öffnen. Wahrscheinlich hinsichtlich einer Liebesbeziehung. Ihre weißen männlichen Klassenkameraden werden für sie zu Gradmessern der Normalität in einer heterosexuellen Matrix. Mathilda hebt an anderen Stellen im Interview hervor, dass sie öfter mit rassifizierenden Fragen konfrontiert worden sei, besonders nachdem sie zum Gymnasium gewechselt sei. Sie beschreibt, dass sie sich deswegen andere Kontakte gesucht hat, außerhalb der Klasse, beispielweise in der Theater-AG. In dem oben genannten Abschnitt verdeutlicht sich noch einmal, dass sie nicht nur in einer heterosexuellen Matrix ein Selbstverhältnis aufgebaut hat, sondern dass diese heterosexuelle Matrix um die Ordnung der Rassifizierung erweitert werden muss. Die männliche weiße Position spiegelt in dieser Situation die Norm wider, der sie sich eigentlich öffnen müsste. Im Anschluss daran begründet sie, warum sie dieser Norm nicht entsprechen kann: Die rassistisch motivierten Vorurteile der Jugendlichen halten sie davon ab, mehr noch, sie führen zu starkem Misstrauen jenen Menschen gegenüber, mit denen sie notgedrungen viel Zeit verbringen muss. Ob es auch Mädchen in der Gruppe gibt, die rassistische Vorurteile gegen sie ins Feld führen, erfahren wir nicht, denn hier richtet sich ihre Empörung gegen die Jungen in der Klasse. Die männlich-weiße Position bildet damit nicht nur die Norm, an der sie sich in dieser Situation auszurichten hat oder auch, wie in den oben beschriebenen Fra-
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
gesituationen skizziert, ausgerichtet wird, sondern die männlich-weiße Position ist in diesem Gefüge auch die Referenz, die die Norm bestätigt. Diesen normalisierenden diskursiven Ordnungen begegnet sie mit Argumenten, die erklären, warum sie sich diesen Ordnungen eben nicht unterwerfen kann und weshalb sie in einer heterosexuellen rassifizierten Ordnung nicht den Platz einzunehmen vermag, den sie einnehmen soll. Wie viel Kraft sie das kostet und wie sie das reflektiert, wird dann in der folgenden Sequenz noch deutlicher: »… ja mhm und was aber, wo ich auch, wo ich mich selber auch äh, selber beschuldigt habe – sozusagen und mir selber Vorwürfe gemacht habe von wegen ich äh, also ähm also (Pause) mich nicht denen irgendwie gut genug oder offen genug oder so gesehen habe.« (Interview Mathilda, Z. 288-290). Hier wird eine Selbsttechnik deutlich – ›sich selbst die Schuld geben‹ –, die ich in Kapitel 4.4.2 im Rahmen des diskursiven Handelns noch genauer analysieren werde. Sich selbst die Schuld zu geben, sich selbst Vorwürfe zu machen kann bedeuten, etwas zur Verfügung zu halten und sich selbst die Möglichkeit zur Veränderung einer Situation zu geben. Schuld- und Selbstvorwürfe können aber auch eine enorme emotionale Eigenbelastung darstellen, die sie hier noch einmal verdeutlicht: Sie sei fest davon überzeugt gewesen, sich den Jungen gegenüber nicht offen genug gezeigt zu haben. Die komplexe Situation wird von ihr somit auch individualisiert. Ich fasse noch einmal zusammen und hebe hervor, welche diskursiven Ordnungen, Anrufungen und welche Möglichkeiten der Selbstverhältnisse hier hervorgebracht werden. In einem zweiten Schritt werde ich kurz herausstellen, wie diese Beispiele in der theoretischen Herleitung der Sexualisierung zu sehen sind. Mathilda begegnet im Kindes- und Jugendalter häufig rassifizierenden Fragen, die sie als die nicht-moderne, un-emanzipierte Andere hervorbringen. Diesen Fragen ist sie häufig, besonders im Kontext ihrer Schulklasse, ausgesetzt. Die Jungen in der Klasse, auf die sich ihr Begehren »normalerweise« richten sollte, rassifizieren sie und repräsentieren damit gleichzeitig eine Norm, an der sich ihr Begehren ausrichten sollte. Ihre Geschlechtsidentität, die sie schon in im Geschwisterverhältnis eingenommen hat, kommt ins Wanken, als sie sich in eine Freundin verliebt. Sie kann dadurch einer mehrfachen Norm nicht entsprechen: einem normalisierten heterosexuellen Begehren und einer weißen Norm, der sie (teilweise) entsprechen würde, wenn sie sich in einen ihrer Klassenkameraden verliebt hätte. Diskursive Ordnungen offenbaren sich in diesem Feld: Es geht um eine rassifizierte heterosexuelle Matrix, in der die männliche weiße heterosexuelle Position eine Art der hierarchischen Norm darstellt. Die diskursiven Ordnungen und Geschlechterverhältnisse grenzen auch die Möglichkeiten ihres Selbstverhältnisses ein und bringen ein spezifisches Selbstverhältnis hervor: Sie kann den Anforderungen nicht entsprechen und gibt sich selbst dafür auch noch die Schuld. Was passiert ist, individualisiert sie. Es sollte deutlich werden, dass es sich hier um eine komplexe Verflechtung von rassifizierender Ordnung und heterosexueller Norm handelt, in der ihr Selbstverhältnis hervorgebracht wird. Theoretisch lässt sich diese Situation auch mit dem Terminus der Sexualisierung erklären. In dieser Situation geht es entlang der Fragen darum, ihre Verfügbarkeit in der rassifizierten heteronormen Matrix zu klären, in der weiße heterosexuelle Männlichkeit
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der zentrale Ankerpunkt dieser Norm ist. Diese Männlichkeit hat in dieser rassifizierten heterosexuellen Matrix eine hohe Wirkmächtigkeit. Die Frage nach ihrer Verfügbarkeit dreht sich aber mehr darum herauszufinden, inwiefern sie als Sexualobjekt in dieser Matrix zur Verfügung steht. Dies schließt an den Terminus der Sexualisierungen von Dietze (2017) insofern an, als dass sie einerseits zu einer Anderen gemacht wird und in ein hierarchisches Verhältnis kommt, und weiterhin wird ihre Verfügbarkeit in dieser Matrix geprüft und befragt. Erstens wird sie über exzeptionalistische Haltungen zur Anderen gemacht, zweitens wird ihre Verfügbarkeit in dieser Matrix geprüft und befragt. Ich werde nun die Erzählung von Mora aufgreifen, in der es auch um Geschlechtsidentität geht, aber in einem anderen Sinn. Ihr wird in diskursiven Ordnungen ein Körperwissen vermittelt, das am Kreuzungspunkt von Geschlecht, race und Sexualisierungen seinen Ausgangspunkt findet.
4.4.1.2
Mora: Sexualisierung und Körperwissen
Auch Moras Erzählung ist auf dem Hintergrund zu betrachten, dem im Kapitel über Stereotypisierungen nachgegangen wurde. Die zentrale Anrufung dort wurde unter dem Stichwort Werde, was du bist herausgestellt. Da Geschlechterstereotype deskriptiv und präskriptiv sind, ergibt sich eine Gleichzeitigkeit, die an Mora in jungen Jahren herangetragen wurde und deren Vollendung sich im Erwachsenenalter zeigt. Die Betrachtung der Stereotype hat noch einmal deutlich das Zusammenspiel von race, Geschlecht und Sexualisierung für Schwarze Frauen gezeigt. Die Anforderung, sexualisierte Geschlechtsmerkmale zu haben, wurde zum Gradmesser ihrer Geschlechtszugehörigkeit. Mit dem Begriff »Sexualized Features« (Interview Mora, Z. 385) spricht Mora sowohl Perspektiven einer Werdung von Geschlecht (durch Geschlechtsmerkmale) an, sie weist aber auch darauf hin, dass dieses Zur-Frau-Werden in einer Situation geschieht, die sie als »over sexualized stimulation« (Interview Mora, Z. 393) beschreibt; in diesem Horizont werden die Geschlechtsmerkmale betrachtet. Lohnend kann an dieser Stelle ein Blick in psychoanalytische Theorien sein, die die Sexuierung des Körpers als notwendige Voraussetzung für das Werden von Geschlecht beschreiben (vgl. Köster/Rendtorff 2000). Schwierig wird diese Sexuierung, wenn sie in einem asymmetrischen Verhältnis steht. Asymmetrische Verhältnisse und wirkmächtige diskursive Ordnungen zeigen sich hier einerseits im Geschlechterverhältnis, anderseits als rassistische Verhältnisse und darüber hinaus wird – besonders in Moras Fall – die diskursive Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit deutlich. Mora beschreibt dieses Geschlecht-Werden als Zumutung, die an sie herangetragen wurde; diese Zumutung wird aber dadurch verstärkt, dass etwas von ihr erwartetet wird, was sich in übersexualisierten Bildern Schwarzer Frauen* ausdrückt, denen sie nicht entsprechen kann. Im Vergleich zu Mathilda – bei der es um Anrufungen als die nicht-emanzipierte Andere ging – handelt es sich bei Mora in erster Linie um die diskursive Vermittlung eines Körperwissens, das in asymmetrischen Verhältnissen hervorgebracht wird. In diesem Zusammenhang geht es weniger darum, aus einer männlich weißen Position heraus angesprochen und angerufen zu werden, vielmehr geht es um die Sexualisierung des heranwachsenden Schwarzen weiblichen Körpers. Diesmal soll der Schwerpunkt
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der Analyse auf dem Sprechen über Aufwachsen, Körper und Sexualisierung liegen, die zwar von den Stereotypen befeuert werden, weil diese einen Referenzrahmen bilden, in dem die Subjekte über sich sprechen; darüber hinaus wird ihr aber ein Körperwissen vermittelt, das hier im Fokus stehen soll. Eingangs hatte ich Mora gefragt, wie sie sich einem Alien oder einem völlig fremden Wesen erklären würde, und sie sprach über sich selbst hinsichtlich ihres Geschlechts als Teil der Spezies Mensch, der für die Reproduktion und Kontinuität der menschlichen Spezies zuständig sei, die bei den Menschen Frauen genannt würden (vgl. Interview Mora, Z. 73-76). Sie begründet das, indem sie sagt: »Because we are child bearing« (vgl. Interview Mora, Z. 80). Ihre Perspektive auf Geschlecht ist nur vor diesem Hintergrund zu verstehen, denn als ich sie frage, ob Geschlecht für sie in ihrem bisherigen Leben eine große Rolle gespielt habe, sagt sie, dass sie bereits sehr früh über Geschlecht nachgedacht habe – weil sie nicht in die Geschlechts- und Gendernormen hineingepasst habe, insbesondere wegen ihrer haitianisch-amerikanischen Herkunft. Hier findet sich ein Bezug zu Rassifizierungen, den sie im Weiteren nicht anspricht; sie hebt aber im Interview hervor, dass es aufgrund der Herkunft besondere Erwartungen an ihre Geschlechterperformanz gegeben habe. Weil sie die nicht habe erfüllen können, sei sie Tomboy genannt worden, eine Bezeichnung, die sie sich auch später für sich selbst aneignete (vgl. Interview Mora, Z. 376-384). Das Werden von Geschlecht empfindet sie als einen Vorgang, der ihr aufoktroyiert wird und nicht als einen Prozess, der einfach geschieht; das wird an dem folgenden Abschnitt deutlich: »You know at that time when you were a child and you donʼt have those sexualized features – you know?! You know putting my hands back in my hair and seeing what I would look like if I was a boy. You know – not feeling like one or the other. I think kids donʼt do that. I think that is something that adults impose on children«. (Interview Mora, Z. 384 -388) Sich für ein Geschlecht entscheiden zu müssen ist eine Forderung, die von Erwachsenen an Kinder herangetragen wird, so ihre These. Sie knüpft hier an diskursive Ordnungen an, die die Besonderheit bestimmter Körpermerkmale als Zuordnungsmerkmale zum weiblichen oder männlichen Geschlecht thematisieren; und doch ist sie, trotz ihrer eigenen Positionierung als Tomboy, immer wieder in diskursiven Ordnungen der Zweigeschlechtlichkeit repräsentiert, obwohl sie sich selbst weder eindeutig als dem einen noch dem anderen zugehörig empfindet. Die Repräsentationslogik dieser zweigeschlechtlichen Ordnung wird hier mehr als deutlich. Darüber hinaus wird eine diskursive Ordnung veranschaulicht, in der zwischen Erwachsenen und Kindern klar unterschieden wird, in der pointiert hervorgehoben wird, dass Erwachsene diese Situation vorgeben und sie den Kindern aufoktroyieren. Das wird noch klarer fassbar in der folgenden Sequenz: »That’s part of the acculturation. I think naturally kids are just kids and then later things you know … naturally without this outside stimulus, I think they would have that development much later. I think…! Of course everyone is different, but I think a lot of what we get right now, with kids positioning themselves you know in this way,
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that way, or the other way. I think that has to do with a lot of this over-sexualized stimulation that we receive from adults«. (Mora, Z. 388-393) Hier hebt sie deutlicher hervor, dass es um ein kulturelles Werden geht, die diskursive Ordnung der Trennung von Kultur und Natur wird hervorgehoben. Ohne diesen Stimulus, so Mora, würden Kinder sich nicht derart entwickeln. Als Beleg für ihre These führt sie an, es gebe derzeit sehr viele Kinder, die sich positionierten. Mit dem Begriff Positionierung will sie darauf hinweisen, dass sich nach ihren Beobachtungen derzeit viele Kinder und Jugendliche weder männlich noch weiblich, sondern trans*geschlechtlich oder intergeschlechtlich positionieren. Positionierung bedeutet in diesem Kontext, dass etwas deutlich sichtbar hervorgehoben wird, was ansonsten verborgen bleibt. Aus Moras Perspektive ist die durch Erwachsene erzeugte übersexualisierte Stimulation, die klar zuweisbare Geschlechtsmerkmale und Geschlechter voraussetzt, für diese Situation mit verantwortlich. In Anbetracht der Art und Weise, wie sie den Begriff »sexualized« im Interview verwendet, scheint es hier nicht nur um Geschlecht-Werden und die daran gebundenen Zumutungen zu gehen, sondern der Begriff changiert auch zwischen der Sexuierung der Geschlechter (Geschlecht-Werden) und der Sexualisierung derselben. Auch später kommt sie auf diese Situation noch einmal zu sprechen. Ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Darstellung einer US-spezifischen Rezeption des Sexualisierungsdiskurses eingehen. Exkurs: Eine kurze inhaltliche Darstellung des Diskurses um Sexualisierung in den USA und in Deutschland Auf die Sexualisierung weiblicher Körper und ihre Auswirkungen hatte Frigga Haug bereits Anfang der 1980er Jahre mit ihrem Buch Sexualisierung der Körper (Haug 1991) hingewiesen. Ihr Buch, das 1991 bereits in der dritten Auflage erschien, hatte einige Aufmerksamkeit bekommen. Der Diskurs in den USA bezieht sich aber in mancherlei Hinsicht viel deutlicher auch auf die Sexualisierung und sexualisierte Darstellung von Kindern und macht weithin die Folgen einer solchen Sexualisierung zum Thema. Beispielsweise hat die APA (American Psychlogical Association) eine Taskforce gegründet, die ermitteln sollte, was Sexualsierungen von Mädchen und jungen Frauen bewirken können. Für die APA werden Sexualsierungen an vier zentralen Punkten deutlich: »- a person’s value comes only from his or her sexual appeal or behavior, to the exclusion of other characteristics; - a person is held to a standard that equates physical attractiveness (narrowly defined) with being sexy; - a person is sexually objectified – that is, made into a thing for others’ sexual use, rather than seen as a person with the capacity for independent action and decision making; and/or sexuality is inappropriately imposed upon a person« (Zubriggen et al. 2007). Die APA sowie andere Autor*innen machen darauf aufmerksam, dass durch Sexualsierungen Frauen insgesamt getroffen und damit zum Objekt gemacht werden, dies allerdings in besonderer Weise auf Schwarze Frauen und Women of Color zutrifft. Diese Objektebene steigert dann wieder die heteronorme Vereinnahmung. Sexualisierun-
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gen können in diesem Diskurs weitreichenden Folgen haben, nicht nur gesellschaftlich, sondern besonders für die Selbstverhältnisse der Frauen und Mädchen (Olfman 2009). Jüngere Forschungsergebnisse zeigen auf, dass Sexualisierungen und durch sie hervorgebrachte Objektivierungen dafür verantwortlich sind, dass Schwarze Mädchen und Mädchen of Color weniger Schutz erfahren und ihnen eine Erwachsenen-Haltung – auch aufgrund des angenommenen frühen Wissens über Sexualität – zugeschrieben wird (Blake/Epstein/Gonzáles 2017). Die Autor*innen sprechen von einer Kindheit, die aufgrund dieser Zusammenhänge nicht stattfinden kann. Ich nehme an, dass Mora aufgrund ihrer sozialen Vernetzungen in die USA und ihrem dortigen Leben sich so explizit auf die kritischen Kommentierungen beziehen kann. In der Interviewpassage wird deutlich: Diskursive Ordnungen stellen die in ihnen agierenden Subjekte häufig vor widersprüchliche Anforderungen, die im alltäglichen Miteinander nicht unmittelbar sichtbar werden, aber in Analysesituationen zutage treten. Diskurstheoretisch bedeutet dies, dass noch einmal deutlich hervorzuheben und zu zeigen ist, wie sehr wir von widersprüchlichen Ordnungen geprägt sind. Widersprüchlich sind hier die übersexualisierten Geschlechtsmerkmale, die in einer rassifizierten Ordnung entstanden sind und die Mora eine Eindeutige Einordnung abverlangen und ihr gleichzeitig vermitteln: So wie sie ist, ist es nicht ok. »And … I donʼt know how I would explain that to an alien. You know I donʼt know how I would explain that to someone outside. I imagine if we got into a deep conversation or whatever, then I raise my questions and things like that. But not … again I wouldnʼt even know if they had a basis to relate. Because it would really depend on what their experiences are within their own cultural context. And you know if they as the adult version of their species, or their being, feel the need to sexualize each other – you know. Because that’s what happens with children. Children are just innocent bystanders in this … this a … the sexualization that adults are experiencing. And the need they are experience for one reason or another. And that, of course has a lot to do with power. And exerting this power over each other, whether it’s based on skin color, whether it’s based on gender – not, not necessarily gender — but Geschlecht« (Interview Mora, Z: 394-404). In der folgenden Sequenz bezieht sie sich noch einmal auf den »Alien«. Die Frage »Wie würdest du dich einem Alien oder einer Person beschreiben, der bzw. die nicht von dieser Welt ist?«, die ich ganz zu Anfang gestellt hatte und mit der sie sich im Interview lange beschäftigt hat, zieht sie jetzt wieder heran und versucht damit einmal mehr, ihre These der kulturellen Prägung zu untermauern. Sie gibt zu bedenken, sie könne ja nicht wissen, welche Erfahrungen »Aliens« in ihrem eigenen kulturellen Kontext machten, auch nicht, ob sie es für notwendig hielten, sich gegenseitig zu sexualisieren. Sie sagt: »Because that’s what happens with children. Children are just innocent bystanders in this … this a … the of sexualization that adults are experiencing«. Erwachsene werden in diesem Zusammenhang als Menschen betrachtet, die sich sexualisieren müssen und die gleichzeitig Sexualisierung erfahren. Mora versteht sie
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gemäß ihren eigenen Erfahrungen28 als in diese Matrix der Sexualisierung verstrickte Gefangene. In der letzten Sequenz weist sie noch einmal auf einen interessanten Zusammenhang hin: Sie sagt, dass diese Sexualisierung sehr viel mit Macht zu tun habe und dass diese Macht auf Hautfarbe (also race) oder Geschlecht gründet bzw. die Möglichkeit gibt, Macht auszuüben. Hier lässt sich noch einmal direkt hervorheben, dass die Sexualisierung nicht der freien Entscheidung der Betroffenen unterliegt, sondern sie wird unter der Bedingungen einer rassifizierten und vergeschlechtlichten Ordnung an sie herangetragen. Mit der Unterscheidung zwischen Geschlecht und Gender betont Mora meines Erachtens noch einmal, dass diese Macht sich auf ein körperliches Werden bezieht, nicht aber auf Geschlechterrollen. Abschließend fasst sie zusammen: »So yes, especially within this phase not having you know this sexualized experience. I think for me even with the sexualized experience it took a very long time understanding to develop and understanding of myself as woman, because my own development was late. So it lasted well onto the teens and which is for me interesting having for me one point this … these gender-norms impulse on you because you are a teenager and you are a girl and there are these expectations, but biologically – you know – I havenʼt – I didnʼt notice those developments like I didnʼt notice – you know I was still flat-chested, I was still – you know I haven’t had my menstruation. So for me it was … I was this asexual being with the exception of specific – you know – body-parts. But they weren’t activated jet. So for me my gender identity wasnʼt activated jet. All I had where this outside influences. So – you know that – it was something that I thought about a lot, not necessary in that way, but definitely something that I questioned.« (Interview Mora, Z. 493-451) Zusammenfassend möchte ich hervorheben, welche Anrufungen, diskursiven Ordnungen und daraus entstandenen Selbstverhältnisse zu sehen sind; in einem zweiten Schritt binde ich die Ergebnisse an den theoretischen Terminus der Sexualisierung zurück. Augenfällig ist hier, dass es sich wiederum um eine rassifizierte heterosexuelle Matrix handelt, in der aber diesmal über Sexualisierungen ein Körperwissen vermittelt wird. Diese diskursiven Ordnungen treten an dieser Stelle durch markierte Geschlechts- und Körpermerkmale in Erscheinung, denen Mora nicht entsprechen kann. Obwohl sie sich als »Tomboy« beschreibt, scheint es in der Repräsentation dieser Position in den diskursiven Ordnungen keine ausreichende Performativität zu geben, denn sie stellt sich weiterhin als unzulänglich und deshalb verunsichert dar. Aus dieser Verunsicherung lässt sich auf ihr Selbstverhältnis als junges Mädchen* schließen. Die sexualisierenden diskursiven Ordnungen müssen nicht nur vor dem Hintergrund eines asymmetrischen Geschlechterverhältnisses betrachtet werden, sondern
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Ich habe am Anfang des Kapitels auf Patricia Hill Collins’ (2005) Perspektive auf die übersexualisierte Darstellung Schwarzer Frauen hingewiesen. Auch sie betrachtet diese stereotype Darstellung als »Prisons for our Bodies, and closets for our minds« (Hill Collins 2005). Sie beschreibt in diesem Kapitel, inwiefern diese sexualisierten Darstellungen sich auch auf die Wahrnehmung Schwarzer Menschen untereinander auswirken, und ich möchte darauf aufmerksam machen, dass auch Mora diese Situation als eine Zwangssituation beschreibt.
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auch vor dem einer rassifizierenden Ordnung. Sexualisierungen werden hier von ihr als ein machtvolles Ordnungsinstrument beschrieben, dem sie ausgesetzt ist. Die obigen theoretischen Überlegungen führen zu der Erkenntnis, dass über Sexualisierungen hierarchische Ordnungen aufrechterhalten und Objektivierungen vorgenommen werden und der Zugriff auf Frauen insgesamt und auf Schwarze Frauen im Besondern erleichtert wird. In Kapitel 2.2 habe ich ausgeführt, dass diese asymmetrische Ordnung eine historisch entstandene Ordnung ist. Nicht nur das Geschlechterverhältnis hat sich in der Moderne als verfestigte asymmetrische Ordnung etabliert; mit Lugones kann darauf hingewiesen werden, dass es sich auch um eine koloniale Ordnung der Geschlechter handelt. Vor der Zeit des Kolonialismus gab es andere Möglichkeiten der geschlechtlichen Seins-Weise, die mit den Kolonisatoren verändert und zu einer klaren Zweigeschlechtlichkeit führten. Lugones (2010) hebt deswegen hervor, dass es nicht nur um ein asymmetrisches Geschlechterverhältnis gehen kann, sondern auch um die darin hergestellte rassifizierte Zweigeschlechtlichkeit. Mit Bezug auf Dietzes (2017) Beiträge über Sexualpolitiken durch Sexualisierungen, die ich am Anfang des Kapitels vorgestellt habe, bietet Moras Erzählung, einen Blick darauf wie eine Vereindeutigung von Geschlecht über Sexualisierungen vor sich geht und wie diese immer auf Rassifzierungen rekurriert. Die Bedeutung von race in der Sexualisierung wird in den nun folgenden Erzählsequenzen von Edith noch viel deutlicher. Auch sie wird mit Sexualisierungen konfrontiert, kann aber nicht wie Mora auf diese explizite Auseinandersetzung zurückgreifen, sondern sie ist ihnen etwas hilfloser ausgeliefert.
4.4.1.3
Edith: Sexualisierung, Körperwissen und weiße Performanz
Edith ist in Deutschland aufgewachsen. Im Gruppengespräch, das ich mit ihr, Simoné und Olivia führe, hebt sie hervor, dass sie sich in ihrer Jugend sehr stark an Schwarzen Menschen aus dem US-amerikanischen Kontext orientiert habe. Das habe sie deshalb getan, weil sie in den 1980er Jahren und 1990er Jahren keine Verbindung zu Schwarzen Menschen in Deutschland gehabt und erst recht keine Schwarzen Menschen in den Medien habe ausmachen können. Wenn in ihrer Jugend über Schwarze Menschen berichtet worden sei, dann zumeist im Zusammenhang mit Hilfsorganisationen, die Medienkampagnen initiierten. Da sie als Jugendliche aber auf der Suche nach Identifikationsfiguren gewesen sei, habe sie auf die Repräsentation des US-amerikanischen Marktes zurückgegriffen, wie das viele Schwarze Menschen in Deutschland zu der Zeit getan hätten (vgl. Bergold-Caldwell et al. 2016). Diesen Kontext erlebt auch sie in den Medien als stark sexualisiert – insbesondere Schwarze Frauen werden in den Medien als Sexualobjekte dargestellt. Während Sexualisierungen bei Mora oben ein Körperwissen transportieren, dem sie nicht entspricht, passiert bei Edith genau das Gegenteil. Sie sieht sich selbst als starke Schwarze Frau* und ist mit der Übersexualisierung Schwarzer Frauen überfordert, weil ihre Umgebung sie mit diesen Figuren identifiziert. Sie sagt sie werde deswegen von ihrer Umgebung angehalten, sich zurück zu halten, ihren Körper nicht zu zeigen. Sie werde dazu angehalten, ihren Körper zu verstecken, sich ihres Körpers zu schämen
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und zu vielem mehr. Also auch ihr wird ein Körperwissen in diskursiven Ordnungen vermittelt, aber eins, welches sie dazu bringt, sich für ihren Körper zu schämen. Ich betrachte wieder zuerst die diskursiven Ordnungen und Anrufungen, die im Material deutlich werden, und arbeite unter 4.4.2 die diskursiven Handlungen heraus. Die Erzählsequenz begann auch dort mit der Frage, ob sie sich schon mal Gedanken über Geschlecht gemacht hätten. Weil die drei Frauen* mich zuerst nicht richtig verstehen konnten, erklärte ich ihnen, dass es mir schwergefallen sei, ein Mädchen zu sein (vgl. Interview ESO, Z. 1066-1072). Edith entgegnet mir daraufhin, dass sie es seinerzeit genossen habe, ein Mädchen zu sein, ihre Entwicklung zu einer Frau* jedoch krisenhaft verlaufen sei (vgl. Interview ESO, Z. 1080). Sie hatte vorher im Interview darüber gesprochen, dass sie kaum Schwarze Frauen als Vorbilder gehabt hat und warum ihr also das Frau*-Werden schwer fiel, wird im Folgenden deutlich: »Ich findʼs halt ähm krass, wenn man aufwächst, dass also starke Frauen als Vorbilder einfach fehlen, in der Hinsicht, dass ähm, dieses, dieses gleichzeit-, also allein dass man sagt gleichzeitig, als ob das so was Besonderes wäre, stark sein und weiblich sein, dass man eigentlich als Kind von … von … von …, oder das war jetzt bei mir so, also äh, als Kind und dann als Mädchen, junges Mädchen äh gesagt bekommen wird, nonverbal, ähm, dass man, je mehr man Frau ist, umso mehr ist man Opfer« (Interview ESO, Z. 1123-1128). Edith versucht hier etwas zu beschreiben, was ihr fehlt, um an einer Identifizierung als Schwarze Frau* Gefallen zu finden: Ihr fehlen starke Schwarze Frauen als Vorbilder. Gleichzeitig spricht sie Anrufungen aus, die ihr nicht deutlich vermittelt werden, die aber unartikuliert mitschwingen: Sie kann und darf nicht gleichzeitig stark und weiblich sein. Beide Attribuierungen schließen sich gegenseitig, so zumindest ihre Wahrnehmung, aus. Auch im Interview mit Mora, Claudia und Ninja werden solche Ansprachen, die teilweise auf stereotypen Vorstellungen von Weiblichkeit bzw. ›wahrer Weiblichkeit‹ beruhen, deutlich. Edith spricht hier bestimmte Weiblichkeitsdiskurse an, die an sie herangetragen werden. Es werden Erwartungen, wie sie zu sein hat, formuliert und festgelegt, welche Komponenten sich dabei ausschließen. Da sie nach eigener Aussage kein Vorbild hat, muss sie ihren Weg im Umgang mit diesen Anrufungen auf sich allein gestellt finden, und dies fällt ihr besonders schwer im Übergang von der Mädchen- zur Frauen-Rolle. Besonders hier fehlen ihr Vorbilder29 im Umgang mit Entwicklungen, die sie zu bewältigen hat. Die Erwartungen an sie und ihre Performanz stellt sie im Folgenden noch einmal klar heraus: »Ja? ›Pass auf dich auf‹, ›Du darfst um die Uhrzeit nicht raus‹, ›du darfst das nicht anziehen‹, ›mach mal den Lippenstift weg‹, äh, ›zieh mal dein Hemd hoch‹, und, also, wo ich gedacht hab, sag ma, ich bin irg … also, das ist so krass, dass einem beigebracht wird, was es heißt, Opfer zu sein, so ja? Du, also im Grunde genommen, die Geschlechtsidentität ist so, du wächst in dieses Opfersein hinein. Ja?« (ebd., Zeile 1132-1136)
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Italienischer Feminismus verweist ebenso auf Vorbildfunktionen in einem weiblichen Sein.
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
Hier macht sie deutlich, dass sie immer wieder dazu aufgefordert wurde, ihre äußere Performanz und ihr Auftreten zu kontrollieren. Was sie für sich so interpretiert, dass sie zum Opfer gemacht wurde. Sie deutet auf Ansprachen hin, die sie daran hindern, ihren Körper mittels eines Lippenstifts oder durch einen Ausschnitt zu schmücken. Die Aufforderung »Zieh mal dein Hemd hoch!« ist, denke ich, vor diesem Hintergrund zu bewerten. Weiterhin werden in der Erzählsequenz Ansprachen verdeutlicht, in denen es um Sicherheit in der außerhäuslichen Öffentlichkeit geht. Diskursive Ordnungen, die die weibliche Sicherheit in der außerhäuslichen Öffentlichkeit in erster Linie in Gefahr sehen gibt es zuhauf; derweil ist eigentlich statistisch weitgehend klar nachzuweisen, dass die größten Gefahren für Frauen innerhäuslich stattfinden.30 In der feministischen Theorie werden diese Perspektiven als Vergewaltigungsmythen bezeichnet, weil viele Menschen davon ausgehen, dass Frauen im Haus seltener von sexualisierter Gewalt betroffen seien als außerhalb oder dass die Performanz einer Frau daran schuld sei, ob sie Opfer eines sexualisierten Gewaltverbrechens wird (vgl. dazu Eyssel 2011). Insgesamt wird hier eine diskursive Ordnung sichtbar, die die Performanz der Frau als Sicherheitsrisiko deutet. Gewaltstrukturen im Geschlechterverhältnis werden damit individualisiert und, wie an Ediths Beispiel ersichtlich, an die Betroffenen selbst herangetragen; der Anblick ihres Körpers wird als provokant angesehen, weshalb dieser nicht »zur Schau gestellt« werden darf. Edith bringt es sehr deutlich auf den Punkt: durch diesen Verantwortungs-Performance-Diskurs wächst sie in das Opfer-Sein hinein. Was das für die eigene Sexualität bedeutet, führt sie in den nachfolgenden Zeilen aus: »Aber dass du mal ›ne selbstbewusste Frau … Vor allem, äh, also ihre Sexualität, … I: Mhm/2: Dass die nicht als etwas ist, was was was eine Gefahr für sie darstellt./I: Mhm/2: Das fand ich krass, also weil ich hab wirklich ganz lange einfach Angst vor meiner eigenen äääähhh, also ich hab die komplett abgespalten. Meine eigene Sexualität« (ebd., Z. 1148-1149). Das Opfer-Sein hat – so beschreibt sie es – für sie etwas damit zu tun, nicht selbstbewusst auftreten zu können, weil sie sich ja in Acht nehmen muss: Sowohl ihr Körper als auch ihre Erscheinung bzw. die Form der Erscheinung stellen eine Gefahr für sie dar. Diese Gefahr verhüllt sie mit großen Pullovern und weiten Jeans, Baggyjeans. Diese Haltung führt bei ihr dazu, dass sie sogar Angst bekommt vor der eigenen Sexualität, die sie infolgedessen komplett abspaltet; so ordnet sie ihr Verhalten ein. Interessant ist aber die Frage, warum es für sie und für viele andere Schwarze Frauen hier einen Zusammenhang zwischen ihrem Verhalten im öffentlichen Raum und der eigenen Verantwortung darin, eine Verbindung zwischen eigenem Erleben von Sexualität und sexueller (Außen-)Wirkung gibt. Dieser Zusammenhang lässt sich m.E. nur über die diskursive Ordnung erklären, die schon sehr früh einen Bezug zwischen weiblicher Sexualität und einer Verantwortung darin hervorgebracht hat. Diese Ordnung 30
bell hooks (1984) hat aber darauf aufmerksam gemacht, dass für Schwarze Frauen auch der größte Schutz innerhäuslich besteht; insofern würde es sich lohnen hier noch einmal genauer auf die Unterstützungsfaktoren und Gründe häuslicher Gewalt zu schauen.
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betrachtet das männliche Gegenüber als Invasor, der grundsätzlich eine potenzielle Gefahr für sie darstellt. Die Verantwortung für die Bändigung dieser Gefahr liegt nach den Regeln der diskursiven Ordnung eben nicht auf einer gesellschaftlichen Ebene, sondern bei den weiblichen Personen selbst. Sie werden – bereits als Heranwachsende – dazu angehalten, sich dieser Eigen-Verantwortung durch entsprechende Performanz zu stellen. Diskursive Ordnungen im Geschlechterverhältnis lassen kaum eine andere Deutung zu. Warum diese Situation insbesondere für Schwarze Frauen brisant ist, wird erst weiter unten ausführlicher zu diskutieren sein; ich möchte hier nur Weniges dazu andeuten, damit die nachfolgende Sequenz besser verstanden wird. Edith sagt, dass ihr Körper als der einer Schwarzen Frau* stark sexualisiert werde, und da sie keine Schwarzen Vorbilder gehabt, keine anderen Schwarzen Frauen gekannt habe, hätten ihr lediglich die hypersexualisierten, erotischen oder pornographischen Bilder stark sexualisierter Schwarzer Frauen aus den Medien vor Augen gestanden (vgl. Interview ESO, Z. 1205). Das seien die ihr ähnlichen Frauen gewesen, andere Repräsentationen hätten ihr nicht zur Wahl gestanden. Auf Basis dieses Widerspruchs – der Einfluss dieser übersexualisierten Bilder auf ihre Selbstwahrnehmung bei gleichzeitiger Mahnung durch die diskursive Ordnung, ihre Performanz so zu wählen, dass sie nach außen hin nicht auffällt – ist die nun folgende Erzählsequenz zu verstehen: »So als Dreizehnjährige oder so, Baggyhose_ja? Dann irgendwie mit zwölf, dreizehn schon so Oberweite gehabt (sie zeigt eine Wölbung auf Brusthöhe) und die Jungs sind ja nicht grade nett …, ja? I: Mhm/2: … die ziehen einen ja damit auf, und dann afrikanische Figur, das heißt auch schon so kurvig, ja? Äh, schon aber mit zwölf, dreizehn halt. Und dann ist halt, Baggyhose und ›n ähm, ›n, mmm, L oder XL-Männerpulli, damit man halt meine Oberweite nicht sieht, ähm, ne Käppi, und ähm, genau, dann so äh, äh, rumgelaufen.« (ebd., Z. 1157-1164) Edith erklärt mit Worten und Gesten, was sie da als Zwölf-, Dreizehnjährige umgetrieben hat. Ihr Wachstum und die damit in Verbindung stehende Größe ihrer Brust bringt sie in einen Zusammenhang mit einer ethnischen Zugehörigkeit. Die diskursive und wahrscheinlich auch eine repräsentative symbolische Ordnung legt (bzw. legen) ihr nahe, sich selbst – eine Person mit einem solchen Körper – zu ethnisieren. Damit greift sie unbewusst auf biologistische und/oder kulturalisierende Deutungsmuster für ihren eigenen Körper zurück; andere Muster stehen ihr nicht zur Verfügung. Wie deutlich werden sollte, bewegt sie sich hier in diskursiven Ordnungen, die auch ein Körperwissen vermitteln. Anders als Mora, die die sexualisierten Körpermerkmale nicht hat und deshalb in der Norm der Zweigeschlechtlichkeit nicht intelligibel wird; ist Edith mit den gleichen Diskursen konfrontiert – hier werden sie aber als Körperscham wegen der Intelligibilität und Identifizierung mit einem spezifischen Körpertyp hervorgebracht. Dieser Körper muss Bestand haben vor den männlichen Mitgliedern in ihrer Schulklasse. Das bedeutet, auch hier wirkt der männlich Blick als ordnende Norm. Andere Personen vermögen es nicht, diese Selbstdisziplinierung so zu unterstützen, dass sie sie als wichtigen Ausgangspunkt nennt. Die diskursive Ordnung lässt den Blick der männlichen Heranwachsenden als wirkmächtige Aussage in Erscheinung treten und bildet, wie auch bei Mathilda, eine rassifizierende und sexualisierende Instanz. Edith
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kann sich diesem Komplex nur entziehen, indem sie in ihren Kleidern nicht sichtbar wird. »Und mir war’s dann lieber, dass die Leute mich irgendwie sozusagen unattraktiv finden, als dass sie äh, äh, als dass sie, dass sie sozusagen sehen, weil ich, ich hab gedacht, ich hatte sozusagen noch nicht das Rückgrat, äh, meinen weiblichen Körper zu zeigen. Weil, weil, weil, ähm, meine Umwelt mir das so ähm projiziert hat von wegen ähm,/3: ist was Schlechtes …/2: Da war … Ja genau. Ist was Schlechtes, was moralisch Schlechtes/3: Hm« (ebd., Zeile 1157-1170) Um einen Körper wie den ihren zu haben, braucht man ›Rückgrat‹, es werden Stärke und Selbstbewusstsein verlangt, so Ediths Annahme. Diese Annahme fußt auf dem durch ihr gesellschaftliches Umfeld vermittelten Eindruck, ihr Körper und möglicherweise auch seine Wirkung auf Andere sei etwas moralisch Verwerfliches. Den Schwarzen weiblichen Körper als etwas moralisch Schlechtes oder gar Gefährliches zu konstruieren, kann Anschluss an vielfältige diskursive Ordnungen nehmen, darunter auch solche, die ein koloniales historisches Archiv (re-)aktualisieren.31 Am Ende dieser Erzählsequenz wird Edith von Olivia (Person 3) unterbrochen, die hinzufügt, dass auch sie ähnliche Erfahrungen gemacht habe und das so sehe; sie sagt, sie habe das Gefühl gehabt, der eigene Körper sei etwas moralisch Schlechtes. Was im nachfolgenden Zitat angeführt wird, soll unterstreichen, vor welchen Herausforderungen Frauen stehen, wenn sie kolonialen und rassistischen Diskursen gegenüberstehen, und welche Auswirkungen dies auf ihr Körpergefühl haben kann. Der Umgang mit und die Wirkweise der im letzten Kapitel aufgeführten Stereotypisierungen sowie die Schwierigkeit damit werden hier besonders deutlich. »Und ich finde, als Kind brauchst du halt jemanden, der dir sagt: Falls dir was passiert, ich bin halt da. Also nicht von wegen: Falls jemand dich an grapscht, ich bin da, sondern: Falls jemand irgendwie dieses victim blaming halt, falls es jemand macht, dass du, dass jemand da ist, in deinem Umkreis, der sagt, nee, nee, das, die haben, die sind einfach krank, wenn die dich als zwölfjähriges Mädchen oder dreizehnjähriges Mädchen so sexualisieren sozusagen, und schon gut. Also des gehört …, das ist dein Körper, versuch mal da reinzuwachsen, und deine Oberweite, und nänänä. Ich hab es gesehen, bei den ganzen andern deutschen Mädchen, für die war es halt normal, bei uns war es so direkt, äh, irgendwie Eritrea-Urlaub, direkt gesagt bekommen, äh, keine kurzen Hosen, äh, zieh des nicht an, mach des nicht, und dass man da so … Und, und da denkt man sich, du du, dann, dann, dann, dann problematisiert man seinen eigenen Körper einfach« (ebd., Z. 1172-1182)
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Tatsächlich habe ich an dieser Stelle das Gefühl, dass diese Schambesetzung des Schwarzen weiblichen Körpers ein so tief emotionales und historisch altes Thema ist; dass es weder mit dem Begriff der Stereotype noch mit dem Begriff Sexualisierungen eingefangen werden kann. Hier tut sich aus meiner Perspektive ein Abgrund auf, der sich mit den bisherigen mir bekannten Theorien nicht fassen lässt. Es geht um Gefährlichkeit, Scham, Sexualität und Phantasien über den Schwarzen weiblichen Körper. Möglicherweise könnte hier die psychoanalytische Perspektive von Fanon (2008) noch erweitert werden.
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In diesem Interviewabschnitt führt Edith fort, was sie im Abschnitt zuvor schon angedeutet hatte. Ihr haben während des Aufwachsens die Vorbilder gefehlt, die sie darin hätten begleiten können, mit diesem Körper umzugehen, die ihr beim Hineinwachsen in diesen Körper hätten Unterstützung gewähren können. Hier bringt sie es aber auf den Punkt: Ihr Körper wurde sexualisiert und keine Person in ihrem Umfeld konnte ihr zeigen, wie sie mit diesen Diskursen und Praktiken umgehen sollte. Vielmehr reagierten die Menschen in ihrem Umfeld aufgrund von eigenen Verstrickungen mit mahnenden Hinweisen, andere Kleidung zu tragen, ihren Körper zu bedecken und so mit den existierenden Geschlechterverhältnissen umzugehen. An dieser Stelle wird wieder eine rassifizierende diskursive Ordnung ersichtlich, auf die ich hier die Aufmerksamkeit lenken möchte. Wahrscheinlich spricht Edith mit »deutschen Mädchen« weiße Mädchen an; auch weiter unten hebt sie den Umstand hervor, dass die Möglichkeiten zur Selbstdarstellung für weiße Mädchen generell andere seien, als für sie als Schwarzes Mädchen. Sie könnten sich in kurzen Hosen zeigen, könnten anders mit ihrem Körper umgehen und seien dazu aufgefordert, diesen Körper anders zu zeigen. Die vermeintlich kulturell bedingten Haltungen von Ediths Eltern oder ihrem Umfeld müssen in einen größeren Zusammenhang eingeordnet werden. Den Sexualisierungen Schwarzer Frauen begegnet sie und vielleicht auch die Personen in ihrem Umfeld nicht auf individueller, sondern auf einer kollektiven gesellschaftlichen Ebene. Den Versuch, ihre Performanz zu steuern, lese ich hier als eine Möglichkeit, mit misogynen und rassifizierenden Verhältnissen umzugehen. In ihren Formulierungen finden sich Hinweise auf diskursive Ordnungen und entsprechende Anrufungen, die ihren Körper schon in der Pubertät Sexualisierungen ausliefert. Die Problematisierung des Körpers, die stark mit den erfahrenen Sexualisierungen in der Phase des Heranwachsens in Verbindung steht, hebt sie in der obigen Erzählsequenz besonders hervor. Auch Olivia bestätigt im weiteren Verlauf des Interviews diese körperliche Wirkung der Sexualsierungen. Sie sagt, dass man sich von seinem Körper distanziere, ihn abspalte und die Verbindung zwischen Geist und Körper inexistent sei (vgl. ESO Z. 1193-1195). Edith kommentiert daraufhin, dass sie ihren Körper irgendwann nur noch als Gerät empfunden habe: »Ein Gerät sozusagen, man benutzt des und so. Und dann zieht man halt irgendwas an, was da nicht irgendwie zu sehr das Weibliche zeigt, ja, und dann kommt ja noch das Thema, irgendwie Schön oder Hässlich dazu. Und dann ist man halt irgendwie jetzt nicht so gebaut wie die ganzen europäischen Mädchen und denkt, das ist hässlich. Sieht aber die ganzen äh Fr … Also so diese ganzen, was weiß ich jetzt, nicht Pornos, aber so, so irgendwelche anderen hypersexualisierten Frauen, die dann auch so krass kurvig sind, des sind so komische Botschaften, die man …« (ebd., Z. 1201-1207). Wie sehr hier der Körper in seiner Ganzheitlichkeit infrage steht, macht die Wirkung diskursiver Ordnungen durch Sexualisierungen und Praktiken noch deutlicher. Gleichzeitig beginnt Edith hier darauf hinzuweisen, dass ihre Anrufungen andere sind als die an weiße europäische Mädchen, die ihren Körper betonen sollen. Sie sagt im weiteren Verlauf, dass genau diese Praxis ihre Körperscham verstärkt hat. Deshalb möchte ich abschließend noch deutlicher die rassifizierende Differenz hervorheben, die Edith in der folgenden Erzählsequenz noch einmal stärker betont und die
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Anschluss findet an die oben beschriebenen Theoretisierungen von Angela McRobbie; sie beschreibt einen neuen Geschlechtervertrag, in dem weiße Mädchen aufgefordert werden, an der patriarchalen Dividende teilzuhaben, indem sie freie Sexualität performen. Schwarze Mädchen und junge Frauen werden zwar sexualisiert, diese Sexualisierung liest sich aber als devote unterwürfige Sexualisierung – ganz im Gegensatz zum freiheitlichen Ausleben der Sexualität und dem Zeigen körperlicher Attribute. »Und ich hab das gemerkt, als ich dann in Psychologie in der Vorlesung saß und die Mädels vorne dann, ähm also irgendwie ihr Referat gehalten haben, im Sommer mit Hotpants, also Prof sitzt im Seminar, alles Mädels, mit Hotpants, und ›nem Top, und so ›nem Ausschnitt (stellt die Ausschnittgröße dar). Ich überleg‹ mir, wenn ich ›n Referat halte, mach‹ ich meine Haare nett, ich mach‹ die zu und schmink‹ mich nicht, so weit ist des; Ja so, dass ich, weil ich denke, ich mach was Schlimmes, ich mach was Böses. Und die halten ein Referat Dreiviertelstunde, also die ham auch wirklich, da war ›n Mädel, die hat echt ›ne Riesenoberweite gehabt, die hat so ein Top angehabt, so völlig normal, du hast gemerkt, dass es so: ›hallo, es sind 35 Grad, wie soll ich denn sonst rumlaufen?!‹ Hotpants an, und der Prof sitzt da, hört ihr einfach zu, klar, stellt noch Fragen zum Referat, da hab‹ ich mir das angehört, und gedacht: Öh?!« (ebd., Z. 12331242) An dieser Stelle wird noch einmal deutlich, dass es hier um rassifizierte Unterscheidungen der Darstellungen geht. Edith kann die unterschiedlichen Anrufungen und Erwartungen nur verdeutlichen, indem sie darauf hinweist, dass doch da auch ein Mädchen dabei war, die gleich ihr eine große Oberweite gehabt und trotzdem einen tiefen Ausschnitt getragen habe. Die Körperbeschämungen hat sie offensichtlich in eigene Selbstund Fremdverhältnisse übernommen. Mit diesem Hinweis deutet sie aber auch an, dass es hier Unterschiede in der Möglichkeit der Performanz gibt, die rassifiziert sind. Ganz besonders hervorzuheben ist hier wieder der männliche weiße Blick, der zur Orientierung dient; Edith wird im Unterschied zu den weißen Mädchen durch eine Betonung ihres Körpers gelesen. Ihre körperliche Performanz erscheint als noch bedrohlicher, ruft sie doch womöglich koloniale Phantasien auf den Plan. Ich fasse noch einmal zusammen, welche diskursiven Ordnungen, Anrufungen und mögliche Selbstverhältnisse sich in diesen Erzählsequenzen zeigen. Gleichzeitig möchte ich im Anschluss, wie auch bei Mora und Mathilda, herausstellen, wie sich die herausgearbeiteten Ergebnisse mit der theoretischen Einführung zu Sexualisierungen verstehen lassen. Als eine der wichtigsten diskursiven Ordnungen erscheint in diesem Zusammenhang, wie bei Moras Darlegung, jene der Sexualisierung. Sie ist geprägt von asymmetrischen Verhältnissen hinsichtlich Geschlecht einerseits und Rassifizierungen anderseits. Die Rassifizierungen werden nicht nur in der Art und Weise der Sexualisierung deutlich, sondern sie zeigen auch, welche Möglichkeiten der Geschlechterperformanz Edith gegenüber weißen Frauen wahrnehmen kann. In ihrem Selbstverhältnis wird aufgrund der Sexualisierungen und einhergehender Reaktionen der Umwelt ein Körperwissen erzeugt, das sie veranlasst, sich für ihren Körper zu schämen, ihre individuelle Sexualität abzuspalten – bzw. Angst vor der eigenen Sexualität zu bekommen.
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In ihren Ausführungen hebt Edith deutlich hervor, dass ihre Körper-Performanz für sie anders wirkt und anders möglich ist, als für weiße Frauen. Ich hatte in Kapitel 2.2 und zu Beginn dieses Unterkapitels auf Angela McRobbies Aufsatz zu Top Girls? Young Women and the new sexual contract (McRobbie 2009: 54-94) hingewiesen. McRobbie stellt in ihrem gesamten Buch und speziell in diesem Kapitel heraus, inwiefern sich ein neuer Geschlechtervertrag ergeben hat, der aber eben auch rassifiziert ist. Angela McRobbie hebt in dieser Analyse mit Bezug auf Judith Butler (2001a) hervor, dass es Frauen gelingen kann, an der männlich dominierten symbolischen Ordnung zu partizipieren, wenn sie phallisch agieren. »The phallic girl gives the impression of having won equality with men by becoming like her male counterparts« (McRobbie 2009: 83). In der Inszenierung des McRobbie’schen Phallic Girls findet sich aber keine Kritik an männlicher Hegemonie, wie Butler das in ihrer Beschreibung hervorgehoben hat; vielmehr hebt die Autorin hervor, dass diese Frauen in der Pop-Kultur-Szenerie in der Figur der ladette32 kulminieren (vgl. McRobbie 2009: 83). Ohne die theoretische Debatte aufzugreifen, die bereits erfolgt ist, soll hier darauf verwiesen werden, dass diese »postfeministische Maskerade«, wie McRobbie sie nennt, dort an ihre Grenzen stößt, wo es einerseits um die Geburt des ersten Kindes und anderseits darum geht, als ernstzunehmende Frauen am Arbeitsmarkt zu erscheinen. Außerdem, so hebt McRobbie hervor, besteht ein Unterschied in der Inszenierung zu Schwarzen Frauen und Woman of Color, die im Unterschied zur Darstellung des weißen Phallic Girls als devot sexualisierte Frauen erscheinen. Die Darstellung sexualisierter Freizügigkeit und die Teilhabe an phallischer Macht ist diesen Frauen nicht möglich, vielmehr wird darüber wieder ein Unterschied hergestellt, der nun entlang der Linie der unterwürfigen Anderen hervorgebracht wird (vgl. ebd.: 90-94). Auch in Deutschland gab es solche Auseinandersetzungen, hier beispielsweise am Thema des Slutwalks. Obwohl der Slutwalk eine feministische Praxis ist, die sich eben explizit gegen Vergewaltigungsmythen auflehnte, so stand doch in Frage, wer sich im öffentlichen Raum überhaupt als ›Slut‹ inszenieren konnte und wer von dieser Performance ausgeschlossen war (vgl. Lantzsch 2012).33 Das Beispiel soll nur darauf verweisen, dass es Unterschiede in der Inszenierung und in den Inszenierungsmöglichkeiten gibt, denen Women of Color und Schwarze Frauen immer wieder begegnen. Diese Unterschiede werden eben in der Erzählsequenz von Edith sehr deutlich. Darüber hinaus wird auch ihr Begehren deutlich, ähnlich agieren zu können, doch diese Möglichkeit bleibt ihr verwehrt. Im Grunde genommen wird auch sie als un-emanzipierte Andere hervorgebracht, die aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder Kultur nicht am modernen Narrativ teilhaben kann. Thema dieses Narratives ist die Darstellungen von sexueller Freizügigkeit und der Partizipation an damit einhergehender phallischer Macht; während es bei Mathilda – die auch als die un-moderne Andere angesprochen wird – um die Verfügbarkeit in einer heterosexuellen Matrix geht, lässt sich Ediths 32 33
Eine ruppig auftretende junge Frau (Übersetzung: https://www.dict.cc/?s=ladette). https://maedchenmannschaft.net/slutwalk-feminismus-mit-kurzer-laufzeit/ [Zuletzt abgerufen: 24.02.2019] Nadine Lantzsch verweist hier auf die Geschichte des Slutwalks und die politische Idee, auf Vergewaltigungsmythen aufmerksam zu machen. Sie hebt aber auch gleichzeitig die Kritik an diesen Protestformen hervor und verdeutlicht, dass es auch integrative Möglichkeiten des Protests gibt.
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Situation eher so beschreiben, dass es nicht um diese Verfügbarkeit geht, sondern sie wird in eine schambehaftete Übersexualisierung subjektiviert. Letztlich lassen sich aber alle drei Frauen* in ein Regime der unterschiedlichen Sexualsierungen einfügen.
4.4.2
Diskursive Handlungen im Umgang mit Sexualisierungen
Tabelle 6 stellt wiederum die Erzählpassagen mit den diskursiven Ordnungen und zentralen Anrufungen dar. Erweitert ist diese Einordnung aber um die Perspektive des diskursiven Handelns der Frauen*
Diskursive Ordnungen
Zentrale Anrufungen
Diskursives Handeln
1) Mathilda: Ordnungen von sexualisierter Zugehörigkeit
Geschlechtsidentität in einer rassifzierten heterosexuellen Matrix;
Exzeptionalistische Anrufungen
reflexive Einordnung
2) Mora: Sexualisierungen und Körperwissen
Sexualisierende Ordnungen; KörperOrdnungen
Körper-Anrufungen von Geschlechtsidentität
Analytische Distanzierung
3) Edith: Geschlecht-Werden im übersexualisierten Schwarzen Körper und weiße Performanz
Sexualisierende Ordnungen; KörperOrdnungen; unterschiedlich rassifizierende Sexualisierungen
Was darf ein Schwarzer weiblicher Körper sein?
Explizieren einer Ohnmachts-erfahrung
Wie auch in Kapitel 4.3.3 werden in diesem Kapitel diskursive Handlungen in den Erzählsequenzen hervorgehoben. Sie dienen mir als Möglichkeit hervorzuheben, welches Selbsttun der Frauen* in den diskursiven Ordnungen sichtbar wird. Methodische Hinweise Um diskursives Handeln zu ermitteln, wurde im Umgang mit dem Material zum einen die Frage danach gestellt, a) wie, in welcher Situation und damit in welcher Verwendung Bezug auf sexualisierende Anrufungen genommen wurde um die zweite Frage anzuschließen: b) Was sollte mit dem Bezug plausibilisiert werden? c) Die dritte Frage fokussierte dann auf die Funktion der Bezugnahme.
Die Funktion geht in manchen Fällen über die Plausibilisierung hinaus, z.B. wenn die Funktion eine Kennzeichnung der Gegenperspektive einnimmt.
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5.4.2.1
Mathilda: Strategien der reflexiven Einordung
In Kapitel 4.4.1 wurde festgehalten, dass die diskursiven Ordnungen, denen Mathilda hier begegnet, Geschlechtsidentität in einer rassifizierten heterosexuellen Matrix verdeutlichen, in der exzeptionalistische Anrufungen – als die un-emanzipierte Andere – erfährt. Im Folgenden wird es wieder darum gehen zu zeigen, welche Plausibilisierungen, Begründungen und Hervorhebungen sie vornimmt in diesen diskursiven Ordnungen. Wichtig ist wieder zu beachten, dass sich Selbstverhältnisse vor dem Hintergrund der diskursiven Ordnungen ergeben, die von den Frauen* aufgenommen, gewendet und manchmal neu interpretiert werden. Damit erfolgt ein Hinwies darauf, dass die Frauen* diesen Anrufungen und Ordnungen nicht einfach ausgeliefert sind, dass sie aber einen Möglichkeitsraum der Selbstverhältnisse hervorrufen. Beginnen werde ich wieder mit der Erzählsequenz, in der Mathilda festhält, wie sie ihre Geschlechtsidentität »eingenommen« hat. »Ich glaube, das hat schon so angefangen mit der Geburt meines jüngeren Bruders. Wo ich dann die Abla, die große Schwester; und äh da hab ich auf jeden Fall die Geschlechteridentität Frau mit Mädchen eingenommen. Und wo sie ins Wanken gekommen ist (Pause), das war äh auf jeden Fall während der Pubertät, wo ich einen großen Freundinnenkreis hatte und mich in eine Freundin verliebt hab und ihr das auch gesagt hab (lacht)« (Interview Mathilda, Z. 268-273). In dieser Erzählsequenz stellt sie zwei Ereignisse einander gegenüber: Einmal das Einnehmen der Geschlechtsidentität durch ihr Wirken als große Schwester und zum zweiten das Infragestellen der Geschlechtsidentität durch eine gleichgeschlechtliche Liebe. Interessanterweise verknüpft sie das »Einnehmen« ihrer Geschlechtsidentität in erster Linie mit der Geburt ihres Bruders. Mit dem Ausdruck »Einnehmen« verdeutlicht sie, dass es einen vorher schon existenten Raum, eine Position gibt, der bzw. die besetzt werden, aber auch wieder verlassen werden kann: Beides ist möglich. In Opposition dazu steht die Formulierung »ins Wanken kommen«. Auch das Wanken ist ein Begriff, der sich auf Positionen und Räume beziehen kann, möglicherweise auch etwas statisch anmutet; mit beiden begrifflichen Wendungen hebt sie deutlich den Konstruktionscharakter dieses Raumes bzw. dieser Position hervor. Mathilda plausibilisiert zudem, dass die Geschlechtsidentität Mädchen eine ist, die einerseits durch ein männliches Gegenüber in ihr erst für sie selbst deutlich wurde und die durch die Beziehung zu einem gleichgeschlechtlichen Gegenüber ins Wanken gerät. Die Betonung, die auf dem Wanken liegt, lässt den Schluss zu, dass dies letztlich nicht zu einer Ablehnung der Geschlechtsidentität führen, sondern dass deren Festigkeit hinterfragt wird. Zudem zeigt die direkte Gegenüberstellung der beiden Ereignisse auch deren Bedeutung in Mathildas Lebenslauf und die Plausibilisierung unterschiedlicher Perspektiven auf Geschlechtsidentität generell. Im zweiten Ereignis hebt Mathilda hervor, dass sie einen großen Freundinnenkreis hatte und sich dort in eine Freundin verliebte. Die Betonung auf »sich verlieben« verweist auf etwas Unmittelbares, auf einen von ihr nicht zu beeinflussenden Prozess, der sich ohne ihr Zutun ereignet. Sie plausibilisiert damit ihren Mut, sich einerseits in eine Frau zu verlieben und es ihr auch mitzuteilen, und anderseits auch, das noch vor einem solch großen Freundinnenkreis kundzutun. Damit hebt sie hervor, dass sie zwar um Ge-
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schlechternormen und die daran gebundenen jeweiligen Erwartungen weiß, sie selbst aber, indem sie dem Wunsch nach einer Liebesbeziehung auf gleichgeschlechtlicher Basis Ausdruck verleiht, ihre ursprünglich fraglose geschlechtliche Selbstidentifizierung durchaus aktiv zur Disposition stellen kann. »Verlieben« steht hier in Opposition zu »einnehmen«. Während »sich verlieben« einen quasi inneren Vorgang andeutet, verweist »einnehmen« auf eine willentliche, bewusst intendierte Aktivität, mittels derer sie den Rahmen des äußerlich Vorgegebenen überschreitet. Insgesamt macht sie mit ihrer Erzählung die Existenz eines von außen wirkenden Rahmens auf Geschlechtsidentität einerseits und anderseits die Möglichkeit, dieses vermeintlich feste Gefüge im Zuge eigener Entwicklungen infrage stellen zu können nachvollziehbar. In der Erzählsequenz wird somit verdeutlicht, dass es Impulse und Rahmungen von außen, aber auch Gegenimpulse aus dem menschlichen Innen gibt, die zueinander in Opposition treten können. Noch deutlicher wird der Gegensatz von Außen und Innen in der folgenden Sequenz: »Und also ich hab ihr das so gesagt: Ach, wenn ich jetzt ein Junge wäre, hätte ich dich gern als meine Freundin (lacht länger). Und das fand sie sehr irritierend, aber wir waren trotzdem bis, also bis heute sind wir noch befreundet. Und dann hab ich mich aber auch oft gefragt, (räuspert sich) also was mich irgendwie daran hindert an, … mich den Jungs in meiner Klasse zu öffnen, mich auf sie einzulassen oder so, was mich daran gehindert hat. Es waren auf jeden Fall (räuspert sich) ähm ähm … was ich vielleicht aus der heutigen Perspektive sagen kann, waren die rassistisch motivierten Vorurteile, die irgendwie im Raum kursiert haben, wo ich irgendwie auch eine starke Abneigung hatte, mich diesen Jungs zu öffnen geschweige denn, mich in sie zu verlieben, weil sie das ja gar nicht verdient haben, weil so gemein zu mir sind« (ebd., Z. 276-284). Unter Bezugnahme auf heteronormative Vorstellungen oder Rollenverteilungen (wer darf eigentlich wen lieben?) erklärt sie, ihrer Freundin gesagt zu haben: »Ach, wenn ich jetzt ein Junge wäre, hätte ich dich gern als meine Freundin«. Die Verwendung des Konjunktivs verleiht der Erklärung den Charakter einer Offenheit und NichtVerbindlichkeit. Sie plausibilisiert damit noch einmal die schwierige, mutige und aktive Situation in der sie etwas tut; lässt diesem Tun aber gleichzeitig eine Offenheit – die es möglich macht, »dass sie heute noch befreundet sind«. Über die Beziehung und Liebe zu der Freundin wird soweit nichts intensiveres mehr dargestellt – vielmehr hebt sie hervor, dass es sich im Gegensatz nicht den Jungs in der Klasse öffnen konnte. Die Erkenntnis, warum sie das nicht konnte, kann sie sich aber nur aus der heutigen Perspektive liefern. Sie plausibilisiert damit eine reflexive Einordnung der damaligen Gefühle und der damaligen Geschehnisse. Als diskursive Handlung lässt sich damit eine reflexive Einordnung erkennen, die es ihr ermöglicht, sich selbst auch als handelnde Person in den unterschiedlichen diskursiven Ordnungen und Verhältnissen zu erkennen. Diese reflexive Einordnung, nimmt sie aber wiederum vor dem Hintergrund einer Kontrastierung von Innen und Außen vor. Von innen kann sie diese Energie und Offenheit den Jungs gegenüber nicht aufbringen, weil die Jungs etwas
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von außen rassistische Fragen in die Beziehung hereinbringen was sie als Person herabstuften. Erst durch die reflexive Einordnung kann sie deutlich die rassistische Motivation ihrer Mitschüler erkennen. Sie betont, dass sie in der Situation ein diffuses Unbehagen verspürt hat. Damit kennzeichnet sie sich im Tun als Aktive und nicht als jene, die etwas passiv erleidet. Ihre Aktivität in diesem Innen und Außen, die in der Interviewsequenz so klingt, als wäre all das steuerbar. Von innen kommt das Öffnen und sich zu verlieben steigert diese innere Öffnung. Eine Selbstbestätigung und Begründung dieser Nicht-Öffnung schiebt sie am Ende der Erzählsequenz nach: Die Jungen haben es sich eben nicht verdient – sie waren gemein zu ihr. Diese Letztbegründung lässt sie noch einmal als in diesen Situationen eigenverantwortlich Handelnde hervortreten, die sicherlich während des Erlebens eher dazu geführt haben sich selbst als Unterlegene zu empfinden. Für die Perspektive auf Subjektivierungs- und auch auf Bildungsprozesse ist die Schilderung dieser Situation interessant, weil sie die Anrufungen und diskursiven Ordnungen hervorhebt und die Veränderungen im Erleben und im Umgang verdeutlicht. Ob und wie diese reflexive Einordnung tatsächlich als längerfristiger Bildungsprozess einzuordnen ist und wie er möglicherweise initiiert wurde, werde ich in Kapitel 4.6 ausführen.
4.4.2.2
Mora: Strategie der analytischen Distanzierung
In der folgenden Interviewsequenz gehe ich wieder auf Mora ein und analysiere auch hier ihr diskursives Handeln im Umgang mit den diskursiven Ordnungen, die über Sexualsierungen eine rassifizierende Tendenz haben und ihr damit ein entsprechendes Körperwissen vermitteln. Ich habe im letzten Kapitel herausgestellt, dass ihre Position des Tomboy vermutlich nicht eine derart deutliche Performativität hat, dass sie selbst sich nicht immer wieder in der zweigeschlechtlichen Ordnung bewegen muss. Ich vermute, dass diese Position eine deutliche Performativität deshalb nicht erreichen kann, da einerseits die Zweigeschlechtlichkeit sehr stark verankert ist und weil zweitens durch die Sexualisierungen Schwarzer Körper diese Position erst recht nicht möglich ist. Sexualsierungen in der oben beschriebenen Situation verlangen nach klar zuzuordnenden und erkennbaren Geschlechtsmerkmalen, die dann ein äußeres Erkennungszeichen sind. Mora erhält über diese diskursiven Ordnungen ihr Körperwissen. Um aber über Subjektivierungen und darüber hinaus auch über transformatorische Bildungen sprechen zu können, ist es von Bedeutung, das Selbsttun der Subjekte in den Blick zu nehmen; deshalb wird im Folgenden Moras diskursives Handeln im Umgang mit den Ordnungen, von denen sie ihr Körperwissen erwirbt, hervorgehoben. Ich betrachte wiederum dieselben Interviewsequenzen wie in Kapitel 4.4.1. In Kapitel 4.3.3 (Umgang mit den Stereotypen) wurde Moras diskursives Handeln zum einen als Normalisierungsstrategie und zum anderen als Moment bezeichnet, das eine Entscheidung verdeutlicht. Im Umgang mit Körperwissen ist ihr diskursives Verhalten jedoch als viel ambivalenter zu betrachten, und das hebt vielleicht noch einmal deutlich die Massivität des Ausgeliefert-Seins hervor, wie ich im Folgenden darstellen möchte.
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Die Erzählsequenz beginnt, wie oben bereits erwähnt, als ich sie frage, ob und inwiefern Geschlecht bisher eine Rolle in ihrem Leben gespielt hat und ob sich das im Verlauf ihres Aufwachsens geändert habe. Da wir zu dem Zeitpunkt des Interviews englisch sprechen, spreche ich von »gender«. Mora geht auf die Frage ein, indem sie hervorhebt, sie habe sich schon sehr früh mit Gender beschäftigt. Sie erklärt, dass sie selbst ihrem Gefühl nach nicht in die Gendernormen gepasst habe, weil es einige stereotype Vorstellungen von Gendernormen geben habe, die auch speziell durch ihre haitianisch-amerikanische Herkunft gespeist seien. Hier verfolgt sie, wie bereits oben angedeutet, im diskursiven Handeln eine Normalisierungsstrategie (vgl. Interview Mora, Z. 376-383). »And I did, at times, find myself starring at the mirror a lot. You know at that time when you were a child and you donʼt have those sexualized features – you know?! You know, putting my hands back in my hair and seeing what I would look like if I was a boy. You know – not feeling like one or the other. I think kids donʼt do that. I think that is something that adults impose on children« (ebd., Z. 384 -388). In der nun folgenden Sequenz verändert sie ihre Erzählung: Weg von Genderstereotypen hin zu Aussagen über ein rassifiziertes Geschlechterkörperwissen; sie beendet diese Sequenz auch noch einmal mit dem deutlichen Hinweis, dass für sie ein markanter Unterschied, eine »basic fundamental scientific difference« (ebd., Z. 404-405), zwischen Geschlecht und Gender besteht und sie über Geschlecht spricht (ebd. Z. 404). Sie plausibilisiert damit zumindest einen Unterschied zwischen verschiedenen Perspektiven auf Geschlecht und hebt hervor, dass es hier um eine grundlegende und fundamentale wissenschaftliche Differenz geht. Obwohl auch die Relevanz-Setzung von wissenschaftlicher Differenz hier von Bedeutung sein wird, wende ich mich zunächst der Erzählsequenz oben zu. In dieser Sequenz betont sie zunächst, dass sie sich selbst häufig vor dem Spiegel gefunden hat und nimmt mich im nächsten Satz mit herein, dass das ein allgemeines Erleben ist. Sie verallgemeinert ihr Gefühl zu ihrem Körper. Die Verallgemeinerung hebt sie in dem Sinn hervor, dass sie sagt, »when you were a child and you don’t have those sexualized features« (ebd., Z. 385). Im nächsten Satz verändert sie ihre Verallgemeinerung wieder hin zu einem Bezug zu sich selbst. Hier stellt sie heraus, was sie oben begonnen hat: die Rückversicherung im Spiegel, welchem Geschlecht sie nun angehört. Das Zurückbinden der Haare gibt ihr Auskunft darüber, wie sie als Junge aussehen würde, zumindest hebt sie das hervor. Aber eigentlich fühlt sie sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig. Die häufig auftauchende Anrede »you know« verstehe ich als eine Art Kontaktaufnahme und zugleich Rückversicherung, ob ich das Gesagte verstanden habe. Die ersten drei Zeilen dieser Erzählsequenz und auch weitere sind geprägt davon hervorzuheben, dass ein gespieltes Variieren der Geschlechtszugehörigkeit im Kindesalter natürlich sei und Kinder diese Variation auch lebten. Sie hat beobachtet, dass das alle Kinder machen und hebt hervor dass Kinder sich eben nicht für das eine oder das andere Geschlecht entscheiden (die basic fundemental scientific form). Im nachfolgenden Satz nimmt sie eine Kontrastierung vor: Sie denkt, dass in einer zweigeschlechtlichen Ordnung der Druck zur Entscheidung für das eine oder das andere Geschlecht von Erwachsenen an Kinder herangetragen wird. Sie kann damit plausibilisieren, dass
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Kinder in dieser Zuordnung unschuldig sind und hervorheben, dass Erwachsene an dieser Ordnung maßgeblich mitwirken. Sie plausibilisiert damit einen Gegensatz, in dem Erwachsene die ausführenden Akteure und Kinder unschuldige Empfänger sind. »Thatʼs part of the acculturation. I think naturally kids are just kids and then later things you know … naturally without this outside stimulus, I think they would have that development much later. I think…! Of course everyone is different, but I think a lot of what we get right now, with kids positioning themselves you know in this way, that way, or the other way. I think that has to do with a lot of this over sexualized stimulation that we receive from adults« (ebd., Z. 388-393). Es ist ein Teil der Akkulturation, wie sie dann zu Beginn des nächsten Abschnitts hervorhebt. Sie plausibilisiert einen Unterschied zwischen der Akkulturation und der Natur. Die Natur ist hier das was Kinder sind und wie ihr Modus des Aufwachsens und der Entwicklung ist. Die Kultur ist das Gegenteil, etwas was von außen kommt und an die Kinder herangetragen wird. Die Wörter »development« und »Outside Stimulus« legen eine binäre Hervorbringung von natürlicher Entwicklung und Beeinflussung nahe. Mora plausibilisiert die Unterscheidung – natürlicher und äußerlicher Stimulus – dann an einem Beispiel. Nachdem sie kurz einlenkt und hervorhebt, dass jeder durch individuelle Besonderheiten geprägt sei, dient ihr zum Beweis der Konfrontierung von Kultur und Natur die Behauptung einer politischen Positionierung vieler Kinder. Davon ausgehend schließt sie auf ein natürliches Vorhandensein einer grundlegend kindlichen Art, auf eine gewissermaßen natürliche Unbestimmtheit. Sie kontrastiert dies nun wieder mit einem Stimulus von außen: »this over sexualized stimulation«. Doch wie verbindet sie hier die Sexualisierung mit dem Wissen über den Geschlechtskörper? Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn angenommen wird, dass Sexualisierungen und damit einhergehende Objektivierungen mit binär klar zuordenbaren Geschlechtsmerkmalen codiert sind. Ihre Kritik an den Sexualsierungen und der diskursive Bezug auf Sexualisierungen bewertet sie als Entwertung des kindlichen natürlichen Wachstums. Sie bringt sich selbst in dieser Situation als Kind hervor und als Frau*, die von diesen äußeren Stimuli getroffen wird. Damit plausibilisiert sie ihre Unschuld an dieser Zurichtung. Als generelle diskursive Strategie kann hier eine Analytische Distanzierung beobachtet werden. Die Plausibilisierung ihrer Nichtbeteiligung, weil sie ein Kind war, welches diesen Zumutungen ausgesetzt war, und die Hervorhebung einer kulturellen Matrix, die wider die Natur handelt, macht diese Perspektive deutlich. Weiterhin ist die Strategie der Analytischen Distanzierung auch daran zu erkennen, dass sie Geschlecht als eine wissenschaftliche Form betrachtet und nicht etwa als eine natürliche. Auch die Gegenüberstellung von Biologie und Kulturalisierung hebt deutlich hervor, dass sie hier versucht, ein Geschehen zu erklären, das nicht einfach zu erklären ist. Die Analytische Distanzierung kann als Versuch gelesen werden, auf diese Art mit den unerklärbaren Erwartungen an ihren Körper zurechtzukommen.
4.4.2.3
Edith: Ohnmachtserfahrungen in sexualisierenden Praktiken
Auch bei Edith stehen rassifizierende Sexualsierungen im Fokus der diskursiven Ordnungen. Auch bei ihr bringen sie ein Körpergefühl hervor, das dafür sorgt, dass sie
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
sich für ihren eigenen Körper schämt und so ihre eigene Sexualität als gefährlich wahrnimmt und abspaltet. Und nicht nur sie sieht diese Zumutungen, sondern auch die anderen Interviewpartnerinnen in dem Gruppengespräch berichten von diesen Erfahrungen (vgl. auch Kapitel 4.5). Auch Ediths diskursives Handeln ist geprägt von ambivalenten Versuchen, mit den Sexualsierungen umzugehen. In diesem Abschnitt betrachte ich wiederum den Kontext des Bezugs auf Sexualsierungen, beschreibe, was damit plausibilisiert werden soll und hebe abschließend hervor, welche Funktion oder Strategie in diesen Ambivalenzen zu erkennen ist. So kann ich einerseits verdeutlichen, dass ein Handeln im Diskurs stattfindet und die Subjekte dem nicht einfach nur ausgesetzt sind; anderseits kann ich die Ambivalenzen noch stärker aus der Perspektive des doings herausstellen. Edith reagiert als erste auf die Frage an die drei am Gruppengespräch beteiligten Frauen*, inwiefern und ob ihnen der Übergang in die Pubertät und ins Erwachsenenalter mit der Perspektive auf Geschlecht-Werdung schwer gefallen sei oder nicht. Während die anderen beiden noch überlegen, hebt Edith hervor, ihr habe es gut gefallen, ein Mädchen zu sein; erst die Pubertätsphase sei für sie kritisch geworden (vgl. Interview ESO, Z. 1080). Sie erklärt, diese Schwierigkeit damit, dass sie das Gefühl habe, sie müsse weitaus mehr Stärke aufbringen als ein Mann, um in dieser Welt voranzukommen (vgl. ebd., Z. 1105-1107). In einem Interviewabschnitt vorher hatte sie schon zu bedenken gegeben, dass Frauen aus ihrer Perspektive meist so sozialisiert werden, dass sie heiraten und Kinder bekommen und einen Familientraum leben. Wenn dieser Traum dann scheitere, dann seien es eben die Frauen, die mit einem geringen Einkommen und einer unzureichenden Rente auskommen müssten und außerdem noch das Risiko der Altersarmut zu tragen hätten (vgl. ebd., Z. 761-772). Edith und Simoné heben beide hervor, dass das finanzielle Risiko in einer heterosexuellen Ehe und Partnerschaft allein bei den Frauen liege; sie finden das absurd.34 Vielleicht ist auch auf diesem Hintergrund zu verstehen, was sie so schwierig an dieser Position in einem Geschlechterverhältnis findet. Ich spreche hier bewusst wieder von einem Verhältnis, weil diese Dimension meines Erachtens über diskursive Ordnungen hinausgeht. Vielmehr greift hier – so denke ich – die Frage der Doxa oder des Dispositivs, jedenfalls etwas, was als historisches Verhältnis verstetigt wurde. Vor diesem Hintergrund bezieht sich Edith auf Sexualsierungen. Sie hebt hervor, ihr hätten als Heranwachsender die Vorbilder gefehlt und beendet die Sequenz damit, dass es etwas mit der Sexualisierung ihres Körpers zu tun hat, dem ihr Umfeld damit begegnet sie aufzufordern sich zu bedecken. »Ich find`s halt ähm krass, wenn man aufwächst, dass also starke Frauen als Vorbilder einfach fehlen, in der Hinsicht, dass ähm, dieses, dieses gleichzeit-, also allein, dass man sagt gleichzeitig, als ob das so was Besonderes wäre, stark sein und weiblich sein, dass man eigentlich als Kind von … von … von … oder das war jetzt bei mir so, also äh, als Kind und dann als Mädchen, junges Mädchen, äh gesagt bekommen wird, 34
Dies ist eine Debatte, die in der feministischen Theorie schon lange geführt wird. Trotz der Intervention von Regierungsseite durch Elterngeld und andere ausgleichenden Maßnahmen, kann hervorgehoben werden, dass es derzeitig noch massiv zu finanziellen Einbußen und weiblicher Altersarmut kommt durch »geburtsbedingte Erwerbsunterbrechungen« (vgl. Boll 2010).
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nonverbal, ähm, dass man, je mehr man Frau ist, umso mehr ist man Opfer« (ebd., Z. 1123-1128). Die Sequenz beginnt damit, dass sie hervorhebt, es fehlten starke Frauen als Vorbilder. Die Interviewteilnehmerinnen* hatten davor schon darüber gesprochen, dass sich Vorbilder, die sie benötigt hätten, weder in der Repräsentation durch Medien noch in ihrem Umfeld befunden hätten. Indem sie von »starken Frauen« spricht, weist sie darauf hin, dass es ihr hier um eine bestimmte Art von Frauen geht, die sie in ihrem Umfeld nicht finden kann. Was genau sie sich unter starken Frauen vorstellt, wird an dieser Stelle aufgrund der sehr allgemeinen Bezeichnung nicht deutlich. Im gleichen Satz bezieht sie sich dann aber auf Weiblichkeitsanrufungen, die sie erfahren hat: stark und weiblich zu sein schließt sich aus, zumindest gibt es diese sprachliche Vermittlung. Ihr fällt auf, dass die Barriere stark und weiblich zusammenzudenken schon sprachlich vorhanden ist, weil sie die Gleichzeitigkeit betonen muss. An dieser Stelle werden diskursive Ordnungen besonders deutlich, die eben nicht nur Selbst-, sondern auch Anderenverhältnisse prägen. Auf ein solches Selbst- und Anderenverhältnis kommt sie dann im weiteren Verlauf der Interviewsequenz zu sprechen: »… je mehr man Frau ist, umso mehr ist man Opfer«. In dieser Situation plausibilisiert sie das Entstehen dieses Selbst- und Anderenverhältnisses, indem sie auf eine körperliche Entwicklung hinweist, die nonverbal von Anderen begleitet wird. Dieser Situation ist nicht nur sie alleine ausgesetzt: Obwohl sie vorher von »ich« spricht, gebraucht sie anschließend das unbestimmte Personalpronomen »man«. Diese Verwendung ist als Verallgemeinerung zu deuten und hat die Funktion, eine allgemeine Aussage zu treffen und nicht nur auf das eigene Erleben hinzuweisen. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Aussage »je mehr man Frau wird« lenken, die einen starken Akzent auf die körperliche Entwicklung legt. Hier geht es einerseits um eine Geschlechtsidentität, aber anderseits – was weitaus stärkeres Gewicht hat – um die sichtbare sexualisierte Geschlechtsidentität als Frau. »Ja? ›Pass auf dich auf‹, ›Du darfst um die Uhrzeit nicht raus‹, ›du darfst das nicht anziehen‹, ›mach mal den Lippenstift weg‹, äh, ›zieh mal dein Hemd hoch‹, und, also, wo ich gedacht hab: Sag ma, ich bin irg… also, das ist so krass, dass einem beigebracht wird, was es heißt, Opfer zu sein, so ja? Du, also im Grunde genommen, die Geschlechtsidentität ist so, du wächst in dieses Opfersein hinein. Ja?« (ebd., Z. 11321136). In dieser Passage plausibilisiert Edith dann, welche Ansprachen sie von ihrem Umfeld erhalten hat und nennt einzelne Bezugsszenarien: Es geht einerseits um Körperpraktiken und anderseits um zeitliche Einschränkungen der Bewegungspraktik. Mit allen Sätzen und Beispielen verdeutlicht sie den Einfluss ihrer Umwelt und die Konsequenz, die sich für sie daraus ergibt: Die Geschlechtsidentität wird zur Opferidentität. Damit plausibilisiert und unterstützt sie das Argument, dass ihr als Heranwachsender starke Frauen gefehlt haben und sie keine andere Wahl gehabt habe als eine Opferidentität anzunehmen. In der nun folgenden Sequenz wird etwas deutlicher, wie sie sich eine starke Frau vorstellt:
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»Aber dass du mal ›ne selbstbewusste Frau … Vor allem, äh, also ihre Sexualität, … I: Mhm/2: Dass die nicht als etwas ist, was … was … was eine Gefahr für sie darstellt./I: Mhm/2: Das fand ich krass, also weil … ich hab wirklich ganz lange einfach Angst vor meiner eigenen äääähhh, also ich hab die komplett abgespalten. Meine eigene Sexualität.« (ebd., Z. 1140-1149) Die in den ersten zwei Zeilen zitierte Aussage lässt erkennen, dass nach Ediths Überzeugung eine starke Frau immer auch eine selbstbewusste Frau ist, eine, die ihre eigene Sexualität leben kann. Sie hebt am Schluss der Sequenz hervor, dass sie eben das nicht zu realisieren vermochte; sie habe ihre Sexualität »abgespalten«, weil sie sie als gefährlich wahrgenommen habe. Was hier mit Bezug auf Sexualität plausibilisiert werden soll, ist nicht ganz eindeutig und hat mehrere mögliche Bedeutungsebenen: Einmal geht es um den äußerlichen Körper, der hier aber auch in Verbindung mit dem eigenen sexuellen Erleben gebracht wird. Die äußerliche Performanz wird eher über die Beschreibung der Ansprachen deutlich, während das innere Erleben durch den Begriff »abgespalten« verdeutlicht wird. Edith plausibilisiert eine Korrelation zwischen der Außenwirkung eines Körpers im öffentlichen Raum und der Folge für ihre eigenes Selbstverhältnis in Bezug auf Sexualität. »So als Dreizehnjährige oder so, Baggyhose_ ja? Dann irgendwie mit zwölf, dreizehn schon so Oberweite gehabt (zeigt mit den Händen eine Wölbung auf Brusthöhe) und die Jungs sind ja nicht grade nett … Ja?/I: Mhm/2: … die ziehen einen ja damit auf …« (ebd., Z. 1153-1154) Hier nimmt sie noch einmal Bezug auf die Körperpraxis, die ihr vermittelt wurde und verdeutlicht, dass es sich um eine Praxis handelt, die fordert, auch ihre Brust zu verdecken oder zu verstecken. Dass sie ihre eigene körperliche Entwicklung als eine besondere versteht, verdeutlicht sie mit dem Begriff »schon« und weist mit diesem Bezug darauf hin, dass sie diese Praxis vornimmt, weil die Jungen »ja nicht gerade nett« sind und sie damit aufziehen. Im letzten Kapitel wurde darauf aufmerksam gemacht, dass der männliche Blick und das männliche Verhalten hier immer als zentrale Referenz gelten, die das Verhalten hervorbringen und bewerten. »…und dann afrikanische Figur, das heißt auch schon so kurvig, ja? Äh, schon aber mit zwölf, dreizehn halt. Und dann ist halt, Baggyhose und ›n ähm, ›n, mmm, L oder XL-Männerpulli, damit man halt meine Oberweite nicht sieht, ähm, ne Käppi, und ähm, genau, dann so äh, äh, rumgelaufen. Und mir war ›s dann lieber, dass die Leute mich irgendwie sozusagen unattraktiv finden, als dass sie äh, äh, als dass sie, dass sie sozusagen sehen, weil ich, ich hab gedacht, ich hatte sozusagen noch nicht das Rückgrat, äh, meinen weiblichen Körper zu zeigen. Weil, weil, weil, ähm, meine Umwelt mir das so ähm projiziert hat von wegen, ähm« (ebd., Z. 1157-1164). Was nun deutlich wird, ist quasi eine Selbst-Ethnisierung in diesem Modus. Ihr Körper benötigt eine Erklärung, und da greift sie selbst auf diskursive Zuordnungen zurück, die ihren Körper als »afrikanischen Körper« bezeichnen. An dieser Stelle der Sequenz wird auch das erste Mal erkennbar, dass es sich um eine rassifizierte und geschlechtliche Ordnung handelt, die erklärungsbedürftig ist. Mit dem nochmaligen Bezug auf
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die Praxen des Verdeckens hebt sie hervor, es gehe genau darum, dass ihre Brust nicht gesehen werden darf. Sie plausibilisiert damit die Möglichkeit, sich unsichtbar zu machen, aus dem Blickfeld zu verschwinden; denn um zu ihrem Körper stehen zu können, braucht sie eine Selbstsicherheit, über die sie zu dieser Zeit noch nicht verfügt. Die vorher-nachher-Erzählung legt die Vermutung nahe, dass sie selbst eine Veränderung in ihrem Umgang feststellt. Letztlich endet die Sequenz mit der Bemerkung, dass ihre Praxis so ist, wie sie ist, weil ihr soziales Umfeld ihr diese Art des Umgangs mit ihrem Körper vermittelt habe. Die Mitwelt habe ihnen vermittelt, so halten Edith und Olivia einmütig fest, dass ihre Körper etwas moralisch Schlechtes seien und daher bedeckt werden müssten. Sie plausibilisieren damit wieder ein Selbstverhältnis, das, wie oben deutlich hervorgehoben wurde, in körperliche Praktiken übergeht und letztlich auch das emotionale Verhältnis zum eigenen Körper, zur eigenen Sexualität und zum Umgang mit Anderen hervorbringt. Das Bedecken des eigenen Körpers wird als Methode gekennzeichnet, sich selbst unattraktiv zu machen. Sich unattraktiv zu machen gerät in diesem Zusammenhang zu einer Art Schutz vor den Blicken und Vorgehensweisen der männlichen Kontrahenten. »Und ich finde, als Kind brauchst du halt jemanden, der dir sagt: Falls dir was passiert, ich bin halt da. Also nicht von wegen: Falls jemand dich angrapscht, ich bin da, sondern falls jemand irgendwie dieses victim blaming halt, falls es jemand macht, dass du, dass jemand da ist in deinem Umkreis, der sagt: Ne, ne, das …, die haben …, die sind einfach krank, wenn die dich als zwölfjähriges Mädchen oder dreizehnjähriges Mädchen so sexualisieren sozusagen, und schon gut, also des gehört …, das ist dein Körper, versuch mal, da reinzuwachsen, und deine Oberweite und nänänä, ich hab’s gesehen, bei den ganzen andern deutschen Mädchen, für die war’s halt normal, bei uns war’s so direkt, äh, irgendwie Eritrea-Urlaub, direkt gesagt bekommen, äh, keine kurzen Hosen, äh, zieh des nicht an, mach des nicht, und dass man da so … Und …, und da denkt man sich, du … du …, dann …, dann …, dann …, dann problematisiert man seinen eigenen Körper einfach« (ebd., Z. 1172-1182). Am Ende der Erzählsequenz hebt Edith noch einmal deutlich hervor, dass Kinder eine Person brauchen, die in solchen Situationen einen Umgang vermittelten kann, die Sexualität leben kann und ihren Körper nicht verstecken muss, die – so lässt sich zumindest erahnen – den weiblichen Schwarzen Körper nicht problematisiert, sondern Möglichkeiten des Umgangs mit ihm vermitteln kann; und die auch – und das scheint hier von besonderer Bedeutung zu sein – die Sexualisierungen erkennt. Die Person soll sie – so ihr Wunsch – darin unterstützen, Sexualisierungen zu erkennen und zurückzuweisen. Die abwertende Bezeichnung des Krank-Seins verdeutlicht ihre emotionale Lage und ihre Betroffenheit. Sie scheint zu vermuten, dass es für weiße Mädchen – so jedenfalls lässt sich ihr Hinweis auf »deutsche Mädchen« lesen (denn sie selbst ist ja auch deutsch, aber eben eine Schwarze Deutsche) – eine andere Normalität gibt: Deren Normalität, so demonstriert sie am Beispiel, ist es, kurze Hosen zu tragen; für Edith gilt diese Normalität nicht. Erfahrungen, die sie sonst nur im Eritrea-Urlaub gemacht hat, werden für sie zur normalisierten Erfahrung, da die Aufforderung, ihren Körper
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zu bedecken, immer wieder an sie herangetragen wird. Sie hebt hervor, diese Praktiken hätten dazu geführt, dass sie ihren eigenen Körper problematisiert habe. »Ein Gerät sozusagen, man benutzt des und so. Und dann zieht man halt irgendwas an, was da nicht irgendwie zu sehr das Weibliche zeigt, ja, und dann kommt ja noch das Thema, irgendwie Schön oder Hässlich dazu. Und dann ist man halt irgendwie jetzt nicht so gebaut wie die ganzen europäischen Mädchen und denkt, das ist hässlich. Sieht aber die ganzen äh Fr… Also so diese ganzen, was weiß ich jetzt, nicht Pornos, aber so, so irgendwelche anderen hypersexualisierten Frauen, die dann auch so krass kurvig sind, des sind so komische Botschaften, die man.« (ebd.: Z. 1201-1207). Sie expliziert in den folgenden Zeilen, welche Auswirkungen das auf ihren Körper und ihr gesamtes Wohlergehen hatte. Ihr Körper wird für sie zum »Gerät« (ebd., Z. 1201), zu dem sie aber keinen positiven Bezug mehr hat. Körper und Intellekt sind getrennt, hebt Olivia dann abschließend hervor (vgl. ebd., Z. 1193). Was bisher als Praxis im Umgang mit dem Weiblichen im Allgemein und mit heranwachsenden Mädchen im Besonderen gelesen werden kann, spitzt sich in Zeile 1203-1207 zu. Sie artikuliert hier, dass sie andere Botschaften erhalte als weiße Mädchen, denn alle, die so aussehen wie sie, gehören zu den »hypersexualisierten Frauen, die dann auch so krass kurvig sind« (ebd., Z. 1206). Und »des sind so komische Botschaften, die man gleichzeitig bekommt« (ebd., Z. 1207). Es gibt hier also eine gewisse Gleichzeitigkeit: Sie erfährt durch die generelle Hypersexualisierung Schwarzer Frauen eine prominente Sichtbarkeit, die aber gleichzeitig als Abwertung fungieren kann und sieht gleichzeitig die Performanz-Möglichkeit der weißen Kommilitonin, die hier in einem neuen Geschlechtervertrag wirken und die die Möglichkeit der Teilhabe an einer patriarchalen Dividende versprechen. Die gesamte Erzählsequenz hat in ihrer Ausführlichkeit die Funktion, ihre Ohnmachtserfahrungen zu Explizieren. Mit der Explikation der Ohnmachtserfahrungen kann sie verdeutlichen, warum es absolut notwendig ist, eine Schwarze Frau als Vorbild zu haben, die auch stark und selbstbewusst ist; es ist eine Ohnmächtigkeit im Umgang mit rassifizierender sexualisierender Differenzordnungen. Die Erzählung ist geprägt von mehrfachen Wiederholungen, Unterstreichungen und großer Emotionalität, wodurch die erlittene Ohnmacht umso deutlicher hervortritt. Auch die Suche nach Erklärungen für diesen moralisch schlechten Körper, spricht für ein Selbstverhältnis, das in diesen Situationen keine Erklärung hatte. Was die Unerklärlichkeit verstärkt, ist die körperliche Selbstverständlichkeit weißer Mädchen, die sie erlebt. Edith, Olivia und auch Simoné hätten im Umgang mit diesen sexualisierenden und rassifizierenden Ordnungen eine Schwarze Frau als Vorbild gebraucht, die ihnen einen Weg durch diese Situation gewiesen hätte.
4.4.3
Kurze Zusammenfassung und Bedeutungen für Subjektivierungsprozesse
In den letzten beiden Unterkapiteln wurde anhand von Erzählsequenzen herausgearbeitet, welche diskursiven Ordnungen und Anrufungen die Selbstverhältnisse der Subjekte hervorbringen. Der Zusammenhang zwischen Geschlecht, geschlechtlicher Identität, Sexualität, Körperempfinden und Körperpraktiken in wirkmächtigen sexualisierenden und rassifizierenden Ordnungen, wurde beschrieben. Wie deutlich geworden
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sein sollte, sind hier Subjektivierungen und Subjektivierungsprozesse durch sehr viele sich überschneidende Ordnungen geprägt. Diskursives Handeln wird trotzdem auch in diesen zuweilen sehr bestimmenden, historisch gewachsenen Verhältnissen deutlich. Dieses Handeln in Selbstverhältnissen findet nicht außerhalb der Ordnungen und Verhältnisse statt. Vielmehr wurde deutlich herausgestellt, inwiefern rassistische Diskurse Sexualisierungen beeinflussen und formen. Mathilda erfuhr während der Schulzeit in ihrer Klasse häufig rassifizierende Ansprachen, die sie als »die Andere« hervorbrachten. Ausdrücklich erwähnt wurde, dass ein Teil dieser Subjektivierung männliche weiße Anrufungen waren, die im Zusammenspiel mit einer heterosexuellen Matrix existieren. Diesen Anrufungen begegnet Mathilda mit einer reflexiven Einordnung. Anders als Mathilda tritt Mora den rassifizierenden und sexualisierenden Anrufungen, in denen sie als Heranwachsende ein Körperwissen erlangt, mit der Strategie einer analytischen Distanzierung entgegen. Obwohl Mora wie auch Edith auf kritische Kommentierungen der Sexualisierung Schwarzer Frauen zurückgreifen können und beide Erzählsequenzen auch die Ohnmachtserfahrungen der beiden Frauen* in diesen Ordnungen verdeutlichen, wird bei Edith noch klarer erkennbar, wie diese Erfahrungen – auch im Vergleich mit der Körperperformanz von weißen Frauen und Mädchen – eine Körperbeschämung hervorbringen. In ihrer Erzählung verdeutlicht sie nachdrücklich, warum es wichtig ist als Schwarzes Mädchen* und Heranwachsende Vorbilder zu haben, die es ermöglichen, einen Umgang mit diesen Ordnungen zu finden. Das explizierte diskursive Handeln der Frauen* findet in alltäglichen Zuschreibungen, diskursiven Ordnungen und Verhältnissen statt, die die Selbstverhältnisse der Frauen* formen. Subjektivierungen sind nicht als einseitige, durch diskursive Ordnungen hervorgebrachte Selbstverständnisse zu betrachten, vielmehr geben sie einen Möglichkeitsraum der Selbstverständnisse vor. Wie deutlich geworden sein sollte, nehmen die Subjekte die Möglichkeitsräume auf und explizieren in ihnen ein diskursives Handeln. Sie werden damit in den subjektivierenden Ordnungen intelligibel, zumindest im Rahmen dieser Möglichkeitsräume. Mit der Perspektive auf diskursives Handeln sollte hervorgehoben werden, dass sich die Subjekte in den Ordnungen bewegen und selbsttätig sind; aber auch wo sich hierarchisch begrenzende Strukturen auftun. An mancherlei Stellen reifizieren sie damit vorhandene diskursive Ordnungen und können auch nur in ihnen und durch sie intelligibel werden. Die diskursiven Handlungen modifizieren Subjektivierungen nicht unbedingt, sie setzen aber Akzente in dem, wie sie den Modi der Anrufungen begegnen. Diese Auseinandersetzungen bleiben in ihrer Praxis ambivalent und vielschichtig. Wie hartnäckig und beständig diskursive Ordnungen sind, die Rassifizierungen und hierarchische Vergeschlechtlichungen vornehmen, sollte verständlich geworden sein. Insofern diskursive Ordnungen verstanden werden als Momente, die soziales Sein intelligibel machen und damit auch Einund Ausschlüsse produzieren, kann die Perspektive auf diskursives Handeln zeigen, dass auch in diesen Ordnungen Selbsttätigkeit existiert. Obwohl diese Handlungen die Ordnungen und dadurch hervorgebrachte Strukturen nicht leicht verändern können, artikuliert sich in ihnen eine Selbsttätigkeit der Subjekte. Diese bleibt notwendigerweise ambivalent – weist an manchen Stellen aber auch auf Bildungsprozesse hin, die in Kapitel 4.6 genauer beschrieben werden.
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Worauf die diskursiven Ordnungen und Handlungen in ihnen außerdem hinweisen, sind die eingangs vorgestellten theoretischen Anschlüsse an Sexualisierungen. Sexualpolitiken, wie mit Dietze hervorgehoben, bedienen sich der Rassifizierung von Schwarzen Körpern: Schwarze Körper sind eingeschlossen in das System der Abwertung durch Sexualisierungen. Darüber hinaus beziehen sich Sexualpolitiken aber auch auf die Idee moderner und aufgeschlossener, freiheitlicher Sexualität – in dieser Sexualisierung sind die Haltungen und Ideale der Ge-Anderten, jene der antimodernen unfreien Sexualität. In dieser komplexen Situation bilden sich Subjektivierungen und Selbstverhältnisse, wie sie oben dargestellt wurden. Diese Gemengelage kann auch noch mit dem Begriff der Klasse verbunden werden, wie ich im Folgenden zeigen möchte, und es entstehen auch Bildungsprozesse, wie im darauf folgenden Kapitel verdeutlicht wird.
4.5
Race – Class – Gender
In Kapitel 2.2.3 habe ich argumentiert, dass die Grundlage der Migrationsgesellschaft auch in Verbindung mit ökonomischen Verhältnissen gebracht werden kann. Historisch lässt sich die enorme Bedeutung der sogenannten Gastarbeiter*innen für das Zustandekommen und den gewinnbringenden Verlauf des Wirtschaftswunders in Deutschland nachweisen; die Abhängigkeit Deutschlands von der Arbeitskraft dieser Menschen und ihr Beitrag, dieses Wirtschaftswunder überhaupt erst hervorzubringen, wurde lange Zeit vergessen. Diese Arbeiter*innen waren – trotz der vielfältigen qualifizierten und notwendigen Arbeiten, die sie verrichteten – von struktureller und ökonomischer Ungleichheit betroffen, und ihre Arbeit fand erst Jahre später, wenn überhaupt, Anerkennung (vgl. zur Kritik daran Katsoulis 1974). Ähnlich zeigt es W.E.B. du Bois (2018 [1935]) für die USA; auch hier haben Schwarze Menschen nach dem Sezessionskrieg geholfen, die heute bestehenden Staaten wieder aufzubauen. Der weiße Mainstream der Geschichtsschreibung in den USA zeichnet aber ein anderes Bild – Held*innen und ausführende Hände waren hiernach ausschließlich weiße Amerikaner*innen. Wer zu welcher Zeit als produktive Kraft betrachtet wird und in die Geschichte eingeht hängt von den politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen ab. Und nicht nur das; mit Gutiérrez-Rodríguez (2018) habe ich argumentiert, dass es einen durch den Kolonialismus entstandenen Nexus gibt: Einerseits sind sowohl die Bedingungen und Möglichkeiten, einkommenssichere Arbeitsplätze zu erhalten, als auch die Aussichten auf erfolgreiche Migration weltweit ungleich verteilt; andererseits werden den Wanderungsbewegungen des globalisierten Kapitals keinerlei Beschränkungen auferlegt. Die europäische Migration seit Hunderten von Jahren und die ökonomische Expansion in viele Länder der Erde hinein, werden in diesem Zusammenhang gern vergessen. So entsteht der Eindruck, Migration sei nur die Angelegenheit der Ge-Anderten, nur sie würden ihre Länder verlassen, um woanders Arbeit und Glück zu finden. Migration wird mit dieser Sichtweise zu einem rassifizierten Vorgang; kaum in den Blick kommt dabei, dass er in den meisten Fällen mit De-Klassierung und vielen Risiken einhergeht.
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Nur kurz soll in diesem Kapitel herausgestellt werden, wie sich diese Risiken der De-Klassierung oder auch nur die Erinnerung an eine historische Position in der WeltGesellschaft auch immer wieder im Leben einiger interviewter Frauen* widerspiegeln. Verdeutlichen möchte ich dies an einer Sequenz im Interview mit Simoné. Nachdem wir über Sexualsierungen und über die Performanz-Möglichkeiten Schwarzer Frauen* gesprochen hatten, erzählt Simoné davon, wie es ihr damit geht. Sie ist Bankkauffrau in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland. Edith hatte gerade darüber gesprochen, wie viele Gedanken sie sich um ihr Äußeres macht, bevor sie ein Referat an ihrer Universität hält. Was ihr dort auffällt, ist der Unterschied zu weißen Studentinnen, die mit ihrer Kleidung ihre Figur betonen – etwas, was sie auch gerne tun möchte. Für sie wäre das eine Möglichkeit, ihre Weiblichkeit und ihren Körper besser darzustellen, eine Möglichkeit, der sie aufgrund der früh erlebten Sexualsierungen nicht ohne Weiteres nachkommen kann. Ihr Ziel ist es aber, diese Körperbeschämungen zu überwinden und ihre »Weiblichkeit zeigen zu können« (Interview ESO, Z. 1267). Simoné greift diesen Faden auf und fügt hinzu, dass sie noch einmal auf das Thema »aus dem Neutralen rauskommen« (ebd., Z. 1308/1309) zurückkommen möchte. Sie meint damit, dass auch sie darauf achtet, nicht mehr nur »boy-isch oder also jungenhaft« (ebd., Z. 1316) auszusehen. Für sie ist an der Kleidung das Weibliche zu erkennen, und das möchte sie auch stärker leben. Die Möglichkeit der Genderperformance über Kleidung kommt in dieser Situation in den Blick. Deutlich werden auch diskursive Ordnungen der Zweigeschlechtlichkeit, in der es eine Notwendigkeit gibt, Geschlecht nach außen hin kenntlich zu machen. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit möchte ich aber den Zusammenhang von Sexualisierung – Geschlecht – Race und Class legen, der in der folgenden Erzählsequenz erkennbar wird. Simoné erzählt zunächst, dass sie versucht, über die Auswahl ihrer Kleidung zu beeinflussen, wie sie wahrgenommen wird. »Und ich überlege mir auch immer äh vor ähm irgendwelchen größeren ähm Veranstaltungen, wo ich vielleicht irgendwie im Mittelpunkt bin oder irgendwie im Blickpunkt bin, ähm, wie neutral kann ich sein? Ja?/I: Mhm./1: Dass ich sozusagen …, dass Leute mich nicht schön finden. Das ist ganz krass. Ich kann nicht damit umgehen, dass …, weil ich denke mir, die sind dann abgelenkt, ja? Und projizieren dann auf mich ihre gesamten Bilder von schönen Schwarzen Frauen« (ebd., Z. 1320-1328). In dieser Sequenz verdeutlichen sich zunächst reflexive Momente und Selbsttechniken, die dort ansetzten sich selbst unauffällig und »neutral« zu kleiden, damit die »Leute mich nicht schön finden«. Schön zu sein verbindet sich hier mit den Gedanken an die »gesamten Bilder von schönen Schwarzen Frauen«. Simoné repräsentiert, ob sie es möchte oder nicht, eine Gruppe, mit der ihre eigene Erscheinung in Verbindung gebracht wird. Diese Verbindung lenkt, so ihre Befürchtung, die Kollegen ab, sie können nicht das Wesentliche wahrnehmen, sie sehen nicht den Inhalt ihrer Präsentation, sondern nur »ihre gesamten Bilder«. Was sich hinter diesen »gesamten Bildern« verbirgt, darauf geht Simoné später ein. »Weil ich denke einfach, wenn ich so rumlaufe, dann ähm – das ist Urlaubsfeeling für die […] Und die denken sich, also. Ja. Da ham se halt die ganzen Bildern von den ganzen schönen Frauen in was weiß ich was wo, ja …/I: Mhm./1: … in den südlichen
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Ländern, und die würden mich dann ja gar nicht mehr ernst nehmen, das ist so mein Film, den ich dann hab.« (Interview ESO, Z. 1370-1381). Simoné expliziert hier die Befürchtungen, die sie in diesem Zusammenhang hegt. Während es nicht so ist, dass sich hier etwaige Anrufungen durch andere Menschen verdeutlichen, sind es doch ihre Erfahrungen, und diese Erfahrungen und Repräsentationen Schwarzer Frauen schränken sie ein; Bilder, Phantasien, die Schwarze Frauen mit Exotik in Verbindung bringen, stellen sich ein. »Also, wenn ich mit offenen Haaren und kurzem Rock, pf, keine Ahnung …; die fragen dann Caribbean? Packen dann die Mojitos aus, das ist meine Vorstellung.« (Ebd., Z. 1388-1390) Hier verdeutlicht sie noch einmal, dass es um Exotik geht, zumindest lässt sich eine exotische Verbindung zwischen der Karibik, den Cocktails und ihr herstellen. Und diese Vorstellung ist mit etwas verbunden, welches etwas vermittelt, das nicht ernst zu nehmen ist, das weit davon entfernt ist, so zu repräsentieren, dass Inhalte dann eine Rolle spielen könnten. Ich hatte bereits in den vorherigen Kapiteln herausgestellt, was Exotisierungen bedeuten können. Und wie sie definieren können wer sprechen kann und wer nicht (Kilomba 2013: 26). Es ist die Gegenüberstellung neutral vs. persönlich, rational vs. emotional, die sich hier Geltung verschafft und die definiert wer sprechen kann und wer ernst genommen wird (vgl. ebd.). Simoné spezifiziert hier aber noch einmal, wie es in ihrem Arbeitsbereich ist, in dem offensichtlich viele Männer arbeiten, die mehr oder weniger die Führungskräfte darstellen und welche Herausforderung sich daraus ergibt. Wie oben bereits angedeutet, arbeitet sie im Finanzsektor, und sie hält fest, dass sie gerade in diesem Bereich mit vielen älteren Männern arbeitet. Diese Konstellation erweist sich als eine sehr spezifische, wie sie hervorhebt. Was sich für sie in diesem Bereich an Herausforderungen ergibt, stellt sie in der folgenden Erzählsequenz heraus: »Und wenn ich halt in Besprechungen sitze, ja? Und das sind dann halt so 50jährige Männer, also so zwischen 45 und 60 Jahre alt, und man, man ist ja sozialisiert, man hat ja dieses Bild halt, ja, ähm, die sind in ›ner Besprechung, ähm, und dann geh ›n se später Party machen, ja, und wie man … da kommen dann die Mädels rein, ja? Und das ist so ›n Film, den ich dann halt hab.« (Interview ESO, Z. 1402-1406) Auffällig ist hier zunächst Simonés fortwährende Betonung des Eigenen. Es ist der »eigene Film«, es ist die Sozialisation oder es ist die eigene Vorstellung. Dieses Eigene schränkt sie ein, und sie will das überwinden. Im Gegensatz zu den Interview-Passagen in Kapitel 4.3, in denen sie und die anderen Interviewten von stereotypen Zuschreibungen gesprochen haben, die in diskursiven Ordnungen an sie herangetragen werden bzw. die ihre Subjektivierungen hervorbringen, wird an dieser Stelle noch einmal deutlich, wie diese Subjektivierung auch ihre Spuren verwischen kann und wie der panoptische männliche Blick zur Selbstführung wird. Ihre Befürchtung: Dass diese Männer dann nach der Arbeit eine Party machen und dann die »Mädels rein« kommen, verdeutlicht vielmehr, dass es zu diesem Bereich Repräsentationen gibt, in denen sie das »Mädel« ist, das reinkommt. In der sie nicht als gleichwertige Person Inhalte vorträgt und dafür Anerkennung erhält, sondern in dem sie als sexualisierte Andere und Attraktion für die Bedürfnisse der Männer da ist. Ihr Platz ist nicht nur im Geschlechterverhältnis gefährdet – nein, es geht hier vielmehr auch um den Aspekt der rassifizierten,
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erotisierten und exotisierten Anderen, die das kollegiale Verhältnis gefährdet und verschärft. Die abschließende Kommentierung bringt die zuvor angedeuteten Elemente ein wenig deutlicher auf den Punkt, aber sie kreisen wiederum um »ihren Film«, um ihre Vorstellung und beginnen mit der feststellenden Frage, dass dieses Anstarren der Männer, das sie erfährt, auch nach ihrer eigenen Einschätzung zunächst »ja in keinster Weise … eine Form von sexueller Belästigung oder so was« (ebd., Z. 1411) sei – aber einordnen lässt es sich für sie nicht. Der männliche Blick wird wiederum zum Zentrum und Motiv der eigenen Handlung und Selbstbetrachtung. »Und wenn die mich dann halt auch anstarren oder so was, ist ja in keinster Weise jetzt irgendwie eine Form von sexueller Belästigung oder so was, ja? Nur es ist halt mein Film, wo ich mir denke, ok, gut – ja. Ich denke mir dann: Ok, gut, ich müsste eigentlich dann auch auf der Afterparty dann sein … Also ich denke mir …, was ich dann denke ist: Vor 60 Jahren wär ich dann halt nicht hier am Tisch, sondern an ›nem andern Tisch, des ist mein Film, des is, was ich mir denke.« (Interview ESO, Z. 14101417) George Yancy (2016) hat in seinem Buch Black Bodies, white Gazes beschrieben, inwiefern und wie der weiße Blick heute Rassismen folgt und wie er von Schwarzen Menschen und People of Color internalisiert werden kann. Das bedeutet nicht, dass dieser Blick ein Phantasma ist, sondern dass der weiße Blick, ähnlich wie Foucault das für das Panoptikum beschreiben hat, von der Fremdführung zur Selbstführung wird. Hier ist der Blick ein männlicher weißer Blick, der über Sexualsierungen und Exotisierungen funktioniert. Außerdem zeigt sich in der Szene die Präsenz des Historischen und des Eigentlichen, das hier auch in Zusammenhang mit Klassenzugehörigkeiten fungiert. Simoné denkt sich, sie müsste dann eigentlich auch auf der »Afterparty« sein, aber nicht als gleichberechtigte Teilnehmerin, sondern als jene, die für das (sexuelle) Vergnügen zuständig ist. Diese Person könnte dann gewiss nicht für das Halten von Vorträgen und inhaltliche Auseinandersetzungen zuständig sein, sondern sie wäre ausschließlich für das Amüsement der Männer verantwortlich, wie der nachfolgende Satz belegt: »Also, ich denke mir, was ich dann denke ist: Vor 60 Jahren wär ich dann halt nicht hier am Tisch, sondern an ›nem andern Tisch, des ist mein Film, des is, was ich mir denke.« (Ebd., Z. 1416-1418) Nicht am Bankschalter zu stehen, nicht die Kunden beraten oder mit den Kollegen inhaltliche Absprachen an diesem Tisch zu treffen, das sind die Bilder und Vorstellungen, die sie einholen beim Nachdenken darüber, wie es hätte sein können. In ihr tut sich eine historische Dimension auf, die ihr vor Augen führt, dass ihr Platz am Tisch mit den Kollegen nicht selbstverständlich, sondern vielmehr prekär und unsicher ist, so jedenfalls lässt sich meines Erachtens der Nachsatz: »Vor 60 Jahren wär ich dann halt nicht hier am Tisch, sondern an ›nem andern Tisch gesessen« interpretieren. Über Sexualisierungen werden hier Klassenverhältnisse verdeutlicht, die sich auch mit race verbinden. Mit der Perspektive auf Sexualsierungen, die eben auch als Imaginationen des Selbst aus den Repräsentationen hervorgehen, wie in Kapitel 4.4 beschrieben, entsteht in dieser Szenerie eine Verknüpfung von Geschlecht, race und Klasse. Simoné
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
wird durch die Konstellation an eine historische Dimension erinnert, die auch etwas mit De-Klassierung zu tun hat und die in Zusammenhang mit Geschlecht und race evident wird. Mit diesem Unterkapitel sollte ein kurzer Einblick gegeben werden in Selbstverhältnisse, die an gouvernementale Perspektiven anschließen. Historische gewachsene Geschlechterverhältnisse, race relations, Klassenverhältnisse, Repräsentationen, Zuschreibungen und Erinnerungen an diese Zusammenhänge gehen hier von einer Fremdbeschreibung in Selbstverhältnisse über, die Simonés Handlungsmöglichkeiten strukturieren und hervorbringen. Wenn sie keinen sozialen Abstieg durch Sexualsierungen riskieren will, dann muss sie sich entsprechend verhalten – Fremdführung und die Herrschaftsstruktur auf der sie aufbaut, wird zur Selbstführung. Auch die anderen Interviewpartnerinnen* beziehen sich an einigen Stellen auf Abstiegsängste oder auf Momente, in denen ihnen die historischen Verhältnisse und die Prekarität ihres jetzigen Status als Akademikerinnen* bewusst geworden ist oder immer wieder bewusst wird. Die historisch gewachsenen Verhältnisse bringen damit noch immer Selbstverhältnisse hervor, die das eigene Empfinden, Verhalten und Sein strukturieren, wie in den letzten Kapiteln mehrfach betont wurde. Trotzdem lassen sich in diesen Zusammenhängen auch Technologien des Selbst finden, die sich in ethischen Bezügen des Selbst zum eigenen Sein finden. Diese ethisch reflektierenden Bezüge des Selbst sind indes nicht frei von Macht- und Herrschaftsstrukturen; vielmehr finden sie genau in diesen Strukturen statt, versuchen aber einen anderen, differenten Selbstbezug herzustellen.
4.6
Bildungsprozesse als Technologien des Selbst
Mit Bezug auf die Foucault’sche Konzeption des Subjekts lassen sich nicht nur subjektivierende Prozesse herausstellen, sondern auch Bildungsprozesse. Gemeint sind Prozesse, die Foucault als Technologien des Selbst bezeichnet hat. Technologien des Selbst sind im Unterschied zu Machttechniken (die bspw. in Kapitel 4.1-4.4 beschrieben wurden) Techniken, die es »dem Einzelnen […] ermöglichen, aus eigener Kraft oder mit Hilfe anderer eine Reihe von Operationen an seinem Körper oder seiner Seele, seinem Denken, seinem Verhalten und seiner Existenzweise vorzunehmen, mit dem Ziel sich so zu verändern einen gewissen Zustand des Glücks, der Reinheit, der Weisheit, der Vollkommenheit oder der Unsterblichkeit […] [zu] […] erlangen« (Foucault 1993: 26). In Kapitel 2.3.4 habe ich argumentiert, dass Technologien des Selbst keine freiheitlichen Praxen sind, die außerhalb jeglicher Prägungen von Macht- und Herrschaftsverhältnissen liegen, sondern dass sie vielmehr auch ambivalent sind bzw. sein können; aber sie sind dennoch als ethische Bezüge zu sich selbst und anderen zu verstehen. Die »Sorge um sich«, die Foucault als die »griechische Selbstsorge« beschrieb, bezieht sich auf die Regierung des Selbst und der Anderen. Beheimatet war in dieser Idee ein politisches Moment der Selbstsorge, die Personen in die Lage versetzte, sich um die Bedürfnisse des Selbst zu kümmern, um sich selbst in die Lage zu versetzen, sich auch um die anderen kümmern zu können. Ziel war eine ethische Haltung zu sich und den anderen. Im Übergang zum Christentum wurde aus dieser Praxis die Praxis der Selbst-
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erkenntnis, die wiederum dazu beitragen sollte, ein Seelenheil zu erreichen; nun aber geschieht das über Geständnispraxen und über den Verzicht. Ruoff bezeichnet die Praxis der Selbstsorge als »Selbstsubjektivierung« und die Praxis der Selbsterkenntnis als »Transsubjektivierung« (Ruoff 2009: 217). Obwohl die Technologien des Selbst hier als Momente der Veränderung, des Überschreitens, der Bildung betrachtet werden, sind sie nicht der genaue Gegensatz der unterwerfenden Selbsttechniken. Vielmehr alternieren sie im Dazwischen und können auch immer wieder zu machtvollen Unterwerfungspraktiken werden. Beispielhaft lässt sich das etwa am Begriff des »Empowerments« zeigen: Während es möglich ist, unter »Empowerment« einerseits Prozesse der Selbstermächtigung und des Erringens von Handlungsfähigkeit für Schwarze Menschen und People of Color in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu verstehen (vgl. Can 2011; Yigit/Can 2009), kann Empowerment – ohne die Reflexion alternierender Machtprozeduren, wie sie beispielsweise im Rassismus evident werden – auf der anderen Seite mit den gleichen Methoden zu Selbsttechniken führen, die neoliberale Ausbeutungsprozesse vorantreiben (vgl. Bröckling 2007). Anders als die Beschreibung sonstiger Bildungsprozesse setzt die Perspektive mit Bezug auf die Technologien des Selbst, aber im Wesentlichen an praktischen Momenten an; an Momenten, in denen eine Tätigkeit praktisch eingeübt, etwas wiederholt wird, in Routinen und neue Routinen übergeht, in Prozesse, die sich nicht ausschließlich auf die Kognition beziehen, aber reflexive Momente miteinbeziehen. Es geht um Techniken der Lebensführung und der Lebenskunst, die Praktiken wie jene des Tagebuchführens beinhalten, spirituelle oder ästhetische Techniken oder Praktiken, die sich auf Körper, Kunst und Ästhetik beziehen. Ich habe argumentiert, dass auch das wiederholende Sprechen, die wiederholende Auseinandersetzung, die reflektierende Praxis als Praktik betrachtet werden kann, die versucht, einen grundsätzlich ethischen Bezug zu sich selbst und im Verhältnis zu Anderen herzustellen. Bereits mit der Perspektive auf die diskursiven Praxen der interviewten Frauen* habe ich gezeigt, wie diese Frauen* mit subjektivierenden Anrufungen umgehen, wie sie sie aufgreifen, wenden und manchmal reifizieren. Warum aber mit dem Bezug auf die Technologien des Selbst Bildungsprozesse beschreiben? Mit der Perspektive auf die Technologien des Selbst und Bildungsprozesse möchte ich auf die reflexiven, praktischen und ästhetischen Momente der ambivalenten Veränderung hinweisen und diese genauer beschreiben. Als etwas Besonderes ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass es hier nicht um Bildungsprozesse im Allgemeinen geht, sondern um solche, die ein spezifisches Subjekt ansprechen: Ein weiblichvergeschlechtlichtes und zugleich auch rassifiziertes Subjekt. Subjektivierungs- und Bildungsprozesse, die in diesem Kontext beschrieben werden, finden im Spannungsfeld von Geschlecht und race statt. Sie sind, wie in den Analysen deutlich wurde, in seit Langem existierende Verhältnisse eingebunden und werden doch auch immer wieder durch Subjektiveirungen in diesen Verhältnissen hergestellt. Technologien des Selbst werden deshalb als Punkte beschrieben, die es dem Selbst erlauben, über einen ethischen und praktischen Bezug am eigenen Selbst Transformationen vorzunehmen, die sich hier im Kontext von race und Geschlecht verorten lassen.
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
Obwohl die praktischen oder ästhetischen Technologien vom Selbst ausgeführt werden und reflexive Momente des Selbstbezugs zu erkennen sind, muss vor allem berücksichtigt werden, dass diese Selbstreflexibilität und die transformatorischen Bildungsprozesse vor allem deswegen existieren, weil alle interviewten Frauen* in Gruppen eingebunden sind, die sich reflexiv mit Rassismus und Geschlechterhierarchien auseinandersetzen; die Reflexionen nehmen die Frauen* zwar selbst vor – sie sind aber wesentliches Resultat der Begegnungen in Gruppen und der eigenen Auseinandersetzungen. Wie ich verdeutlichen möchte, finden die Bildungsprozesse und -praxen zumeist vor dem Hintergrund eines sehr bestimmten Verständnisses von Bildung und Reflexion statt, nämlich vor dem, das W.E.B. du Bois (1903) einmal als »Double Consciousness« (Doppeltes Bewusstsein) beschreiben hat. Während du Bois Double Consciousness als etwas betrachtet hat, das Personen von einem einheitlichen Selbst-Bewusstsein abhält bzw. was in ein einheitliches Selbstbewusstsein überführt werden sollte, kann mit Bezug auf einen poststrukturalistischen Subjekt-Begriff, dessen Verständnis nicht auf der Ganzheit des Subjekts, sondern vielmehr auf der Partikularität, auf Erfahrungsprägungen, auf Identifizierungen und Normalisierungen beruht, eine andere Perspektive auf die Theorie des Doppelten Bewusstseins gewonnen werden. W.E.B. du Bois zufolge ist die Double Consciousness eine Notwendigkeit und Gabe, mit der Menschen in der afrikanischen Diaspora leben. Sie sehen sich durch die Augen der weißen Anderen, weil sie – damals geraubt und wie Tiere behandelt – bis heute keine Anerkennung gefunden haben. »It is a peculiar sensation, this double-consciousness, this sense of always looking at one’s self through the eyes of others, of measuring one’s soul by the tape of a world that looks on in amused contempt and pity. One ever feels his twoness, – an American, a Negro; two souls, two thoughts, two unreconciled strivings; two warring ideals in one dark body, whose dogged strength alone keeps it from being torn asunder.« (Du Bois 1903: 3) Viele Schwarze Theoretiker*innen, unter Ihnen Frantz Fanon in Black Skin, White Masks (2008), haben dieses doppelte Bewusstsein beschrieben. Die Herausforderungen, die mit der Entwicklung eines eigenen Blicks für sich selbst verbunden sind, ohne sich beständig durch Stereotypisierungen und Herabwürdigungen zu betrachten, sind zentral in diesen Prozessen. Schwarze Feministinnen und Women of Color haben diese theoretische Perspektive erweitert; Gloria Anzaldúa (1987) spricht beispielsweise von einer »Mestizia Concoiusness«, in der die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen als Woman of Color in Grenzgebieten von Zugehörigkeit und Unzugehörigkeit zum Thema gemacht wurde. Einige Schwarze Feministinnen sprechen auch von einer »triple Concoiusness« (vgl. Mohamed 2017); Mohamed bezieht sich hier auf Schwarze Muslimische Frauen und arbeitet die Erfahrungen von »First Generation Somali-Canadian Activists« heraus. Tina Campt hat sich mit dem Konzept im Kontext des ehemaligen Nazi-Deutschland und den folgenden Jahren auseinandergesetzt (vgl. Campt 2004)35 und herausgestellt, dass hier die oben beschriebene »twoness« noch nicht mal vorhanden sei. An diesem Punkt setzte auch die Kritik von Audre Lorde und anderen an (vgl. 35
Auch W.E.B. du Bois selbst hat sich schon mit Nazi-Deutschland auseinandergesetzt (Oppel 2008).
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Piesche 2012): Mitte der 1980er Jahre in Deutschland hielt sie als Literaturprofessorin in Berlin Vorlesungen und führte Schwarze Menschen zusammen. Sie eröffnete einen Raum des Austauschs, der Begegnung und der Wertschätzung. Ein wichtiges Ziel dieser Begegnungen war die Erkundung von Selbstbezeichnungen im Gegensatz zu Fremdbezeichnungen, immer mit der Perspektive verbunden, einen Blick für sich selbst zu generieren, jenseits von Zuschreibungen und Benachteiligungen (vgl. Oguntoye et al. 1986). Wenn hier also von einer Art »Consciousness« die Rede ist, dann bezieht sich diese Art des Selbstbezugs auf ein Bewusstsein, das in Praktiken Schwarzer oder postkolonialer Auseinandersetzungen eingeübt wurde und das sich gleichzeitig darin übt, Machtverhältnisse denen das Subjekt ausgesetzt ist, die es hervorbringen, zu erkennen. Diese Art der Bewusstheit muss jedoch geübt und reflektiert werden, wie ich mit den folgenden Überlegungen verdeutlichen möchte. Es sind Techniken des Selbst, die dort ansetzten zu differenzieren, »[w]ie werde ich gesehen und wie versuche ich mich gerade selber lernen zu sehen« (Interview Claudia, Z. 20-21). Warum und wie diese Bildungsprozesse angestoßen wurden, welche Krisen und auslösende Momente hier Bildungsprozesse initiiert haben, möchte ich in den folgenden Kapiteln beschreiben. Zentral sind, wie in den letzten Kapiteln deutlich werden sollte, Subjektivierungen und Anrufungen, die sich einerseits in Repräsentationen widerspiegeln, die aber gleichzeitig auch in historisch alte und seit Langem existierende Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingelassen sind; der männliche weiße Blick als ein Souverän wurde in den Interviews immer wieder hervorgehoben. Besonders mit Blick auf die theoretische Perspektive, die ich in Bezug auf Gabriele Dietze eingenommen habe, wird deutlich, dass Sexualsierungen zentral zu Macht- und Biopolitiken gehören. In diesen Auseinandersetzungen finden nun also die Bildungsprozesse der interviewten Frauen* statt. Wie deutlich werden wird, sind diese Techniken aber jetzt nicht wiederum als Techniken eines autonomen Subjekts zu sehen, vielmehr zeigen diese, wie sehr sie nur im Miteinander, durch Vorbilder, genauso wie Auseinandersetzungen in Kollektiven und Gruppen tatsächlich möglich sind. Zentral ist jedenfalls, dass diese Beschäftigungen auch als wesentlich praktische Übungen stattfinden und in ästhetischen Praxen wie dem Theaterspielen oder dem Tanz deutlich werden. Mein Prozedere im nachfolgenden Kapitel soll, zunächst durch das Gespräch mit Simoné, Olivia und Edith, verdeutlichen, wie und warum eine »Double Cousciousness« zentral ist. Danach expliziere ich mit einer Erzählsequenz von Claudia, wie Praktiken dieser Art aussehen, beschreibe dann mit Bezug auf Mora, welche auslösenden Faktoren solche Techniken des Selbst initiieren können und komme zum Schluss auf Mathilda zu sprechen, deren Technologien des Selbst in der ästhetischen Auseinandersetzung mit den Mitteln des Theaterspielens liegen; und zeige letztlich mit Bezug auf Ninja, dass diese Technologien aber auch auf den Rückhalt in Gruppen und die Formen der Auseinandersetzung dort angewiesen sind. Ich wiederum eine Tabelle voran, welche die zentralen Anrufungen, die jeweils herausgearbeitet wurden, enthält sowie die Bildungsperspektiven, die hier jeweils aufgezeigt werden sollen.
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
Tabelle 7 stellt einerseits die herausgearbeiteten Zuschreibungen und Anrufungen dar (links) und zeigt rechts die Bildungsperspektiven, die im Umgang und der Versprachlichung analysiert werden
Zuschreibungen und Anrufungen
Bildungsperspektiven
1) Edith, Olivia und Simoné
Sexualisierende Ordnungen; Körper-Ordnungen; unterschiedlich rassifizierende Sexualisierungen
Black female consciousness als Bewusstseinstechnik
2) Claudia
Entweder bist du die ethnisierte/exotisierte Andere oder du bist die integriere/assimilierte Andere
Verlernen des weißen Blicks als Technologie des Selbst
3) Mora
»Tomboy« und »Sexualisierung Schwarzer Frauen«
Ein Übergriff als krisenhafter Auslöser einer Transformation
4) Mathilda
»WoC sind alle aus patriarchalen Familien«
Theater als Technologie des Selbst
5) Ninja
»Kolumbianerinnen tanzen gern und haben gute Laune«
Die Angewiesenheit des Subjekts
4.6.1
Double Consciousness as Black Female Consciousness: Edith, Olivia und Simoné
Dieses Kapitel beginnt also mit einer Erzählsequenz von Edith, Olivia und Simoné, in der sie sich mit double Consciousness beschäftigen. Wie oben bereits dargestellt, entstehen in vielen Zusammenhängen Perspektiven, die sich auf Schwarze Bewusstheit, auf ein Wissen um Zuschreibungen, auf Bildung als Selbst-Transformation durch bewusste Umgänge beziehen. All das sprechen die Interviewpartnerinnen* an, wenn sie über ein eine double Consciousness sprechen. Die Frage nach einem doppelten Bewusstsein gehen alle meine Interviewpartnerinnen* und somit auch die drei eher positiv an. Sie empfinden es als Schutz, als Möglichkeit, eine eigene Perspektive auf sich selbst zu generieren und sich damit den Zuschreibungen und Subjektivierungen nicht gänzlich auszusetzen; sie versuchen, die einengenden Grenzen der (zugeschrieben) Identität auszuweiten. Deutlich wird das relativ bald nach Beginn des Interviews, als ich Ihnen die Frage stelle, wie sie sich einem völlig fremden Menschen oder einem Alien vorstellen würden. Sie fragen mich, ob diese fremde Person ein Verständnis von der Welt habe und ich antworte mit nein, sie müssten der Person alles erklären. Alle drei sind überwältigt von der Frage und überlegen, was zu sagen wäre. Während Edith relativ schnell auf soziale, rassifizierte und vergeschlechtlichte Ungleichheit zu sprechen kommt und sagt, es sei wichtig, die Person darüber aufzuklären, dass es »eine enorme Vielfalt gibt« (vgl. Interview ESO, Z. 282), die aber von den Menschen seit jeher hierarchisch strukturiert wird, fällt Simoné sogleich ein, dass sie die außerirdische Person ja fragen könnte, ob sie Zauberkräfte habe – um die Welt, in der wir leben, damit verändern zu können; Olivia hingegen
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möchte sich mit der Person über Menschlichkeit und Emotionen als Brücken zwischen Menschen unterhalten. Sie sagt, sie »würde dem des gar nicht erklären« (vgl. ebd., Z. 289), überlegt aber dann, dass dieses außerirdische Wesen ja doch wie ein Kind wäre – ungeschützt und unwissend (ebd., Z. 368 -370). Diese Überlegung bringt sie ein wenig ab von ihrer vorherigen Überzeugung, nichts Erklärendes sagen zu wollen, zumindest stimmt sie Edith zu, die sagt, dass es für Schwarze Menschen doch notwendig ist eine »double Consciousness« (ebd., Z. 372) zu haben, um zu verstehen, dass das, was sie in der ›Realität‹ erfahren, eine Konstruktion ist und daher verändert werden kann. »Und ich glaub, das muss man Kindern oder Außerirdischen halt beibringen, dass es sozusagen die reale Welt gibt, aber dass man für sich eine Welt schaffen muss, die äh nicht davon irgendwie äh, ähm, infiziert wird, ja? Dass man das nicht für das …, für das hält, wie es sein soll. Also so, wie es ist, ist nicht das, was …, was …, was möglich ist und wie es eigentlich gedacht ist. Ja?« (Interview ESO, Z. 375-379) Edith fügt hinzu, und will der Person klarmachen, dass eigentlich eine schöne Welt denkbar und somit möglich ist, wir aber noch nicht im Stande sind, diese Welt zu sehen, zu erkennen und wir damit dazu beitragen sollten, dass die außerirdische Person ein Welt- und Selbstbild aufbauen kann, das sich in Abgrenzung zum ›Realen‹ verhält (ebd., Z. 380-385). Wie deutlich werden sollte sprechen die drei hier mit dem Begriff double Consciousness eine Technik des Bewusstseins an, die sich vorwiegend darauf konzentriert einen eigenen Zugang zur Welt zur ergründen, die jenseits des ›Realen‹ liegt. Es ist eine »two-ness« angesprochen, die Machtverhältnisse zwar anerkennt, diese aber in ein Spannungsverhältnis zum eigenen Selbst bringen kann. Machtverhältnisse zeigen sich in ihrem Leben, wie in den zurückliegenden Kapiteln gezeigt wurde, in starken Sexualisierungen und Stereotypisierungen des Schwarzen weiblichen Körper, der in Relation zu einer weißen weiblichen Körper-Perfomanz gebracht wird. Weil sich dieser Bewusstseinsprozess konkret in der Auseinandersetzung mit Schwarzer Weiblichkeit zeigt, möchte ich ihn als black Female consciousness beschreiben; zumindest ist es dieses Bewusstsein, was sie sich wünschen, dem sie entgegen gehen wollen. So lässt sich diese Black Female Concouisness auch auf die Schwarzen Frauen als Vorbilder beziehen, die sie in ihrer Jugend gebraucht hätten, um mit den Sexualisierungen und Körperbeschämungen zurecht zu kommen, sie umzudeuten und sie zurück zu weisen. Warum ist der Weg zu dieser black Female consciousness ein Bildungsprozess und warum lässt er sich mit den Technologien des Selbst verbinden? Wie deutlich werden sollte, geht es hier um eine Transformation die einen veränderten Blick auf das Selbst als Perspektive haben soll. Es ist eine aktive Auseinandersetzung mit eigenen Bewusstseins- und Wahrnehmungsprozessen, die häufig auch mit praktischen Techniken einhergeht, wie das Schreiben von Gedichten, Geschichten und Malen von Bildern. Möglicherweise, so ließe sich überlegen, schließt diese Technik an das an, was Spivak »einen dialektischen Prozess von lernen und verlernen« (Castro Varela 2007a) genannt hat. Es ist ein aktives Verlernen von den Machtwirkungen von denen wir hervorgebracht werden. Es ist eine Technik, die mit der Hilfe anderer Menschen erlernt werden muss; weil sich die drei Frauen* mit Hilfe von Texten und anderen Menschen, Gruppen und eigenen Auseinandersetzungen mit ihrer Position auseinandersetzen, wollen sie es schaffen, Subjektivierungen zu modifizieren und andere Akzente zu setzen. Die-
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
se Transformation ist offen, sie ist ein Weg der beschritten wurde – der ambivalent, aber trotzdem sichtbar ist; die Transformation unterstützt alle drei darin, differenten Selbst-, Welt-, und Anderenverhältnissen ein Stückweit näher zu kommen. Abschließend möchte ich einige Äußerungen aus dem gesamten Interview zitieren, die diese Bildungsprozesse und die Schaffung eines solchen Bewusstseins durch Technologien des Selbst noch einmal verdeutlichen: Simoné sagt am Ende des Interviews, was für sie in dieser Hinsicht wichtig ist: »Für mich ist, ähm, das hatt‹ ich ja auch ganz am Anfang gesagt, (räuspert sich) dieses Communitybuilding total wichtig. Weil das ist für mich ein Umgang ähm, wenn ich sozusagen mit den Menschen bin, die die gleichen Erfahrungen gemacht haben oder machen ähm, dass das dann nicht mehr zum Thema wird, ja? Und dass das sehr heilend ist. Einerseits mit den Schw-, mit Schwarzen oder Ausländern, andererseits mit Frauen, ja? Das ist für mich ›n wichtiger Punkt, ja? Weil da kann ich immer wieder dann Energie tanken. Das ist so, da krieg‹ ich An-, Impulse, Austausch, ja. Das ist so’n Punkt.« (Ebd., Z. 2535-2542) Edith fügt hinzu, für den Entwicklungsprozess von Kindern wäre es absolut wichtig, an solchen Bildungsprozessen teilhaben zu können und einer politischen Community anzugehören, die dieses Wissen von Anfang an weitergibt. »Das wünsch‹ ich mir für die nächsten Generationen, dass die sowas haben, und dass sie mit diesem Bewusstsein aufwachsen können« (ebd., Z. 2578-2579). Dass diese Bildungsprozesse sowohl in einem Spannungsfeld zwischen dem Lernen von Anderen und dem Selbst liegen, hebt Olivia am Ende des Interviews hervor: »Ja, weil ich find‹ des auf jeden Fall voll wichtig, Community und so, auf jeden Fall. Is’ …, also ich mein, hallo, also was … wir sind ja nix, alleine (sie lacht) im Grunde, ja? Und man braucht auf jeden Fall ähm Impulse von außen, um überhaupt mal sich auch über solche Themen Gedanken zu machen und so. Aber ich finde, was superwichtig ist, find ich, dass man nach innen kehrt, ja? Also wirklich, echt, dass man …, ich find‹ das voll … voll w… und ich find das ›n ganz wichtigen Punkt, also bei Empowerment, also dass … – man kann, finde ich, so viel in der Community, in der Gemeinschaft reden wie man will, ja? Und man kann den ganzen Tag sich über irgendwas beschweren, oder man kann die ganze Zeit an neuen Konzepten arbeiten, oder was auch immer, ja? Aber des bringt nix, wenn man sich, also wenn der Mensch, der man ist sozusagen, wenn der sich nicht verändert, also wenn man sich nicht selber sozusagen verändert und selber ähm über …, ja, Sachen auch infrage stellt und mit sich selbst sozusagen im Zwiegespräch ist, ja? Also des ist … Ich find des voll, voll wichtig. Und deswegen also die … Also es gibt ja ganz viele Sachen, die einen dabei also helfen können, sei es jetzt irgendwelche Bücher zu lesen, die einen irgendwie weiterbringen oder Filme oder Gespräche mit anderen Leuten. Aber wenn man …, also des muss sich im Kopf sozusagen weiterentwickeln, des …; nur an der Oberfläche darüber zu reden oder in der Gemeinschaft – ich mein, die Gemeinschaft ist auch wichtig – aber des schützt ganz oft vor äh …, also find‹ ich, des ist ähm … Die Gemeinschaft kann einen nicht davor schützen, mit sich selber, also – eigene Konflikte sozusagen auszutragen. Und, ja, deswegen find‹ ich des ganz, ganz wichtig, dass man sozusagen nach innen und
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mit sich selbst sozusagen arbeitet. Dabei kann die Community auf jeden Fall helfen, und des ist auch ganz wichtig aber des ist auch …« (ebd., Z. 2589-2612). Olivias Ausführungen brechen hier ab, weil Simoné und Edith ihr zustimmen und ihren Gesprächsfaden aufnehmen. Deutlich sollte geworden sein, dass ein solches Schwarzes Bewusstsein eine Technologie des Selbst ist, mit der transformatorische Bildungsprozesse initiiert werden können. Diese Bildung aber findet im Spannungsfeld zwischen dem Selbst und den Anderen statt und kann und wird durch die Schaffung einer Erfahrungscommunity unterstützt.
4.6.2
Wie ich gesehen werde – wie ich mich selbst sehe: Claudia
Wie ein Bildungsprozess aussehen kann, in dessen Zentrum ein Schwarzes Bewusstsein steht, möchte ich an Claudias Beispiel zeigen. Wichtig ist festzuhalten, dass die Rede von einem Schwarzen Bewusstsein sich hier eher auf eine Reflexion bezieht, deren Ausrichtung die Auseinandersetzung mit einem Wissensfundus resultierend aus Reflexionen um koloniale Vergangenheiten und Gegenwarten und die Verflechtung mit Geschlechterverhältnissen darin bezieht. Ein Schwarzes Bewusstsein bezieht sich meiner Auffassung nach weniger auf einen Kontext, der einzig und allein afro-diasporisch zu denken ist, sondern diese Art von Bewusstheit umklammert die Intersektion verschiedener postkolonialer Machtgefüge und eine Sensibilität dafür. Wie oben bereits angedeutet, entsteht dieses Wissen und das mit ihm einhergehende Bewusstsein im Rahmen von äußeren Kontexten wie beispielsweise der Lektüre von Büchern, von Auseinandersetzungen in Gruppen und einem mit der Einübung kultureller Techniken wie Kunst oder Theater unterstützten Lernen. Claudia beschreibt einen umfassenden Bildungsprozess, der zwar noch neu und ambivalent ist, der es ihr – ebenso wie Edith, Simoné und Olivia – aber erlaubt, kreativ mit Zuschreibungen, Epistemen und intersektionalen Ungleichheiten umzugehen. Im Folgenden werde ich zunächst diesen Prozess und die von Claudia erwähnten Zusammenhänge umschreiben, wodurch sie erkennt, dass eine Transformation stattfindet. Schließlich möchte ich wieder auf die Frage der Technologie des Selbst verweisen und einen Zusammenhang herstellen, der auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist. Claudia ist die erste Person, die ich interviewt habe; das Interview beginnt mit einer Frage nach ihrer sozialen Identität. Ziel in allen Interviews ist herauszufinden, wie die Personen sich selbst, ihre Erfahrungen, ihre Provenienz und wichtige Aspekte ihrer Identität beschreiben. Da dieser Begriff sehr spezifisch und akademisch ist, nehme ich mir für die folgenden Interviews vor, eine andere Einstiegsfrage zu wählen, die weniger hochschwellig ist. Claudia kann mit der Frage jedoch sehr viel anfangen und sagt zunächst, dass sie sich gegenwärtig in einer Auseinandersetzung um ihre soziale Identität befinde, es ihr bei dieser Frage aber zunächst darum gehe zu unterscheiden: »Wie werde ich gesehen und wie versuche ich gerade, mich selber zu sehen?« (Interview Claudia, Z. 20-22). Diese Unterscheidung zwischen Gesehen- bzw. Gelesen-Werden und einer Sicht auf sich selbst begleitet das gesamte Interview. Claudia verweist mit der Perspektive auf ein Gelesen-Werden auf äußere Einflüsse, die sie zwar mit speziellen Selbsttechniken wie der Wahl ihrer Kleidung und Überlegungen zu der Art ihres Auftretens beeinflussen
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kann, letztlich aber sind das (nur) graduelle Einflüsse. Zu Beginn hält sie zunächst fest, dass sie – abhängig vom jeweiligen situativen Kontext – unterschiedlich kulturalisiert, ethnisiert und rassifiziert wird. Manche Menschen halten sie für eine Person aus Lateinamerika, andere für jemand mit arabischen Wurzeln, und zurzeit werde sie oft als Muslima angesprochen. In ihren Seminaren beispielsweise – sie ist selbst Dozentin und Trainerin in diesen Seminaren – nutzt sie das Gelesen-Werden ihrer Person für antirassistische Bildung, um auf die Existenz rassifizierender Funktionslogiken entlang äußerer Marker aufmerksam zu machen. Als konflikthaft im Sinne ihrer sozialen Identität beschreibt sie schließlich Zuschreibungen, die sie als Kind und Jugendliche erlebt hat. Sie habe damals unter dichotomen Zuordnungen sehr gelitten und erklärt, dass sie entweder als exotische Inderin oder als assimilierte Deutsche (die niemals tatsächlich deutsch werden würde)36 angesprochen worden sei; das habe sie in einen Konflikt gebracht, in dem das Gefühl entstanden sei, sie müsse sich für ein einziges Identitätsangebot entscheiden. Aufgrund dieser Anrufung habe sie sich immer wieder von ihren Eltern37 entfernt, da diese meist ein Zeugnis ihrer Herkunft abgegeben und die rassistischen Dichotomisierungen bei ihr dafür gesorgt hätten, sich für ihre Herkunft zu schämen. Nicht nur die häufigen Unterstellungen, ihr Elternhaus sei patriarchal geprägt, sondern auch der Geruch nach indischer Küche (vgl. Kapitel 4.3.1) habe sie in ein zwiespältiges Verhältnis zu den Eltern geführt. Diese Bewandtnis – nicht nur im Hinblick auf die Beziehung zu ihren Eltern – sondern auch im Hinblick auf ein Selbstverhältnis, führte sie in ein spannungsreiches Erleben eigener Identifikationen. Wann nun ihre persönliche Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen und die Suche nach einem Schwarzen Bewusstsein, wie ich es oben bezeichnet habe, begonnen hat, erklärt sie im Interview nicht; sie verdeutlicht nur mehrfach, dass die rassistischen Pogrome in Hoyerswerda in den 1990er Jahren, die ihr viel Angst gemacht und sie nachhaltig traumatisiert hätten, ein starkes Motiv dafür gewesen seien, sich in der Folge davon mit Rassismus auseinanderzusetzen. Wie sich Rassismus in das Verhältnis zu ihren Eltern eingeschlichen hat, beschreibt sie in einer Interviewsequenz, in der sie auch darüber spricht, wie die Ausrichtung ihres Bildungsprozesses zu betrachten ist und die Mittel, derer sie sich bedient, um diesen Prozess zu intiieren bzw. zu begleiten: »C: Es ist so ein bisschen wie, ich bekomm ›ne Zuschreibung ab und ein bisschen Schuld daran sind meine Eltern (lächelt)/I: mhm/C: Ähm hab ich, das glaube ich, als Kind sehr stark so gesehen … also nicht: ich glaube, sondern ich hab das als Kind sehr stark so gespürt, aber nie so formuliert, ich glaub‹, das konnte ich auch erst sozusagen im Nachhinein, wo ich jetzt inzwischen dabei bin darüber nachzudenken, wie kann ich diesem Scheiß sozusagen widerständig gegenüber sein./I: mhm/C: Rassismus und so weiter … da hab ich jetzt sozusagen mit bell hooks sehr, ja über bell hooks hab ich sehr für mich verstanden: Widerständig sein bedeutet, die Menschen, die man gelernt hat für sie sich zu schämen, dass man lernt, diese wieder zu lieben. Da bin ich gerade ganz stark dabei und deshalb ist gerade die Frage, diese soziale Identität, das
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Vgl. dazu auch Kapitel 4.3.1. Erweiterte Anrufbarkeit durch die familiäre Zugehörigkeit (vgl. Kapitel 4.4).
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ist ein Riesenfass, (beide lachen) gerade (lacht) äh, ähm, ja also ja, ich versuche mich gerade wieder neu zu finden und mich viel mehr mit einer Art Community und vor allen Dingen mit meiner Familie neu zu identifizieren.« (Interview Claudia, Z. 140-161) Wie deutlich werden sollte, beschreibt Claudia zunächst eine Spannung in der Beziehung zu ihren Eltern, die sie im Nachhinein auch als eine Folge von rassistischen Zuschreibungen und dichotomen Zuordnungen versteht. Die Bestimmung »im Nachhinein« soll auf eine Transformation hinweisen, die sie durch die Auseinandersetzung mit Perspektiven einer rassismuskritischen Bildung erfahren hat. Durch die Lektüre der Schriften von bell hooks ist ihr auch die emotionale Bedeutung bewusst geworden, die intersektionale Diskriminierungen haben können – unter anderem, dass Machtverhältnisse wie Rassismus und Sexismus gerade in Liebes- und Nahbeziehungen sehr schmerzhaft sein können und als tragende Konstruktionen auch dazu beitragen, sich für Menschen zu schämen, die ebenfalls rassifiziert sind.38 Insofern versteht Claudia es als widerständigen Akt, eine neue Beziehung zu ihren Eltern und zu einer Community aufzubauen, und sie kann damit auch ein neues Selbstverhältnis herstellen. Sie kann sich von »verinnerlichten Rassismen« in einem gewissen Maße distanzieren bzw. versuchen, Situationen neu zu verstehen. Sie erkennt sich wieder und kann Emotionen, die sie als Kind und Jugendliche hatte, besser einordnen und neu betrachten. In dieser abschließenden Interviewsequenz werden die Herausforderungen, aber auch die Transformation noch einmal deutlich: »Also es ist entweder dieses … entweder bist du Inderin oder du versuchst, Deutsche zu sein; und du wirst natürlich nie Deutsche, sondern du versuchst, Deutsche zu sein und du versuchst, integriert zu sein. Aber du bist auch integriert, wenn du nicht vergisst, welche Wurzeln in Anführungsstrichen du hast, so./I: mhm/C: Und beides ist total Kacke, also eigentlich ist beides nicht entweder – oder, sondern das sind die Spielregeln von weiß-deutschen Menschen in Deutschland. Und ich versuche da gerade wieder, aus dieser aus dieser Sackgasse rauszukommen, um zu gucken – also hat auch erst mal ewig gedauert, bis ich das kapiert habe –/I: mhm/C: und jetzt gerade erst mal überlege: Wie komm ich aus dieser Nummer raus (Pause), wie kann ich sozusagen ähm ähm die Herkunft meiner Eltern versuchen neu kennenzulernen. C: und das so ›n bisschen … mit … mit einem Verlernen …, also ich muss auch einen gewissen weißen Blick verlernen dabei, also so ʼen verinnerlichten/I: mhm/C: Rassismus dabei zu verlernen, damit ich sie wirklich (!) kennenlernen kann. Ich weiß nicht, ob es da was Wirkliches oder so was gibt … C: Ja, das ist etwas ganz, ganz Krasses, was ich jetzt entdeckt habe; und jedenfalls deswegen soziale Identität. Ja, ich versuche gerade, Indien neu für mich anzunehmen.« (ebd., Z. 182-220) Wie bereits oben angedeutet und auch in der Einführung zu diesem Unterkapitel angemerkt, ist der theoretische Bezug auf den weißen Blick auch in Theorien der double Consciousness enthalten; der weiße Blick, durch den Rassismuserfahrene sich selbst betrachten und sich selbst bewerten. Intersektional betrachtet, sprechen wir hier von
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Claudia sprach davon, dass sie das durch die Bücher von bell hooks erfahren habe (vgl. etwa hooks 1994, 1995, 2018).
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
einem männlichen weißen Blickregime (vgl. Kapitel 4.1.1), das – ähnlich, wie Foucault es für das Panoptikum beschreibt – von der Fremdregierung in eine Selbstregierung übergeht. Das bedeutet, Wünsche, Begehrlichkeiten und Ausdrucksformen gehen von der Fremd- in eine Selbstregierung über. Claudia deutet an, dass sie diesen Blick auf sich selbst aktiv verlernen und muss. Dieses aktive Verlernen möchte ich wieder in Verbindung mit den Technologien des Selbst bringen. Um diesen Blick zu verlernen, benötigt sie Reflexionsschleifen und Gegenüberstellungen zu dem, was sie denkt und empfindet und eine Möglichkeit, das zu hinterfragen. Diese Art der Auseinandersetzung kann auf einer wesentlich praktischen Ebene beginnen, indem aufgeschrieben wird, warum etwas und was zu Handlungen, Situationen und Emotionen gedacht wird. In Empowerment-Kursen, in denen versucht wird, ein Wissen und ein Reflektionsvermögen um die eigene Situiertheit herzustellen, ist es unerlässlich, praktisch erlebten Situationen körperlich und emotional noch einmal nachzugehen und sie zu wiederholen, um Machteffekten nachzuspüren und die Betroffenheit in Situationen und Verankerungen im Körper nachzuempfinden (vgl. Rotter 2013). Dabei geht es im Wesentlichen um ein praktisches Tun und Wiederholen, das auch Claudia durch solche Kurse, Medien und Auseinandersetzungen in Gruppen erlernt hat. Praktisch sind dabei nicht nur die Körperübungen, sondern auch das Führen eines Tagebuches, die Niederschrift von Reflexionsgeschichten, das Aufmalen eigener Biographie-Geschichten und die beständige Reflexion des Eigenen in diesen Zusammenhängen. Genau diese praktischen Übungen sind von Foucault angesprochen, wenn er über die Technologien des Selbst spricht.
4.6.3
»So I had to seek out Black Figures« – Auslösende Momente für Bildungsprozesse: Mora
Der Frage, wie und warum der Wunsch nach einem Schwarzen Bewusstsein, einem Reflexionsvermögen entsteht, möchte ich mit der Erzählung von Mora nachgehen. Bildungsprozesse in ihrer Art und Wesenheit zu erforschen, ist eine wichtige Begebenheit; aber auch die Momente der Initiierung eines solchen Prozesses zu betrachten, ist zentral. Damit steht nicht nur zur Debatte, wie »das Neue« (vgl. Koller 2012, 2016; Lüders 2007a) in sprachlicher Form ausgedrückt wird, sondern auch das Moment der Krise (vgl. Koller 2012) wird hervorgehoben. Dieser Perspektive möchte ich in der folgenden Erzählung nachgehen. In Kapitel 4.3 und 4.4 habe ich als zentrale Anrufungen von Mora herausgearbeitet, dass sie einerseits damit konfrontiert war, nicht in die Geschlechterdichotomie zu passen und in ihren diskursiven Handlungen Normalisierungsstrategien (vgl. Kapitel 4.3.3) verfolgt hat und anderseits habe ich gezeigt, dass die zentrale Anrufung mit werde, was du bist (vgl. ebd.) bezeichnet werden kann; zentral waren hier stereotype Erwartungen an Schwarze Frauen, die an Mora herangetragen wurden und die ihr im Nachhinein – während des Übergriffs auf sie – zum Verhängnis wurden. Der Übergriff stellt für sie auch den Krisen-Moment dar, in dem sich ihr Selbstverhältnis vom »Child of the World« (Interview Mora, Z. 514) in ein Schwarzes Bewusstsein transferiert. Sie erzählt in dieser Passage, sie sei erst ziemlich spät dazu gekommen, sich selbst als
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Schwarze Person zu sehen und eine entsprechende Identifizierung vorzunehmen (vgl. ebd., Z. 511-523). Die Situation, die ihr Selbstverhältnis nachhaltig geändert hat, beschreibt sie erst nach einigen Ankündigungen. Zuvor stellt sie heraus, was letztlich als Effekt passiert war: Sie wurde Schwarz gemacht in einem kolonialen Sinn (vgl. ebd., Z. 579-581). Sie hatte bereits vorher darüber gesprochen, sie gehe davon aus, dass es Diversity-Konzepte in Deutschland gibt, die aber die koloniale Unterscheidung nicht verändern würden. Die Menschen würden als Bewohner*innen eines bunten und vielfältigen Deutschland angesprochen, und ihre jeweiligen Hautfarben seien an Herkunft und Orte gebunden (vgl. auch Kapitel 4.1). Diese Aufteilung und Essenzialisierung laufe aber einem wirklichen Diversitäts-Lernen genau entgegen, wie sie beteuert. Da sie selbst Trainerin in Antidiskriminierungs-Seminaren ist und nicht nur über theoretisches, sondern auch über Erfahrungswissen verfügt, können ihre Aussagen dazu auch als reflexives theorie-praktisches Wissen eingeordnet werden. Wir sprechen kurz darüber, was es für sie bedeutet, »Schwarz gemacht« worden zu sein, und was sie mit dem kolonialen Aspekt andeuten möchte. Sie erklärt mir, dass »Schwarz gemacht« werden in einem kolonialen Sinn so etwas bedeutet wie jemanden zu bezichtigen, etwas Falsches getan zu haben, jemanden bewusst zu verleumden, um Personen in einem sozialen Sinn zu exkludieren; in Verbindung mit kolonialen Herrschaftsmechanismen tritt diese Kombination häufiger auf (vgl. Interview Mora, Z. 579-581). Ihre Veränderung in einem politischen Sinn nennt sie »Negrofication« (vgl. ebd., Z. 560). Sie erklärt mir, dies sei ein alter Begriff, den sie mit ihrer Suche nach Schwarzen Vorbildern in Zusammenhang bringt. Es ist also auch eine Art Schwarz-Werden, nun aber in einem politischen Sinn. Weil diese Verarbeitung unterschiedlicher Begriffe von Schwarz-Sein auch in der kultur-literarischen Szene eine Rolle spielt, weise ich kurz auf das Buch Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie hin, dass auch die Protagonistin im Buch beschreibt, dass sie in Nigeria nicht von sich als Schwarze denkt und spricht; in den USA aber auch Schwarz als Selbstbezeichnung wählt. Ich frage sie, ob sie ihr Schwarz-Werden so gemeint hat und daraufhin unterscheidet sie noch mal von einem politischen Schwarz-Werden und einem Schwarz-machen in einem kolonialen Sinn. Letzteres ist ihr in Deutschland passiert und nicht in den USA (vgl. ebd., Z. 582). Der Vorfall, den ich bereits in Kapitel 4.4 ausführlich beschrieben habe und in dem Geschlecht, Sexualisierung und Rassifizierungen eine Rolle spielten, war für sie äußerst krisenhaft und folgenreich. Alles geschah vor einer deutschen Jugendherberge. Mehrere betrunkene weiße Männer kamen in einem Auto zur Herberge gefahren; auf dem Hof riefen sie Mora sexualisierende und rassifizierende Artikulationen zu. In der Situation selbst war sie hilflos und erstarrte; der weiße Junge, der den Vorfall miterlebte, musste Hilfe holen. Mora kommentiert das Ereignis so: »And that was my first experience actually being racialized, like: ›Schwarz gemacht!‹, tied in with Africa, tied in with prostitution, tied in with the white view on Black women, sexualized … like that was my first experience. Yeah (längere Pause)« (ebd., Z. 864-866).
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Während des Interviews wird sehr deutlich, dass sie diese Situation traurig, wütend und hilflos gemacht hat. Sie trägt aber – und das führt sie als Stärke aus – dazu bei, dass sie sich hier in Deutschland eine Schwarze Community sucht in der sie sich über den Vorfall und darüber hinaus austauschen kann. Sie empfindet es nachträglich als Stärke – trotz des bitteren Vorfalls – einen Rückhalt in der Community zu haben. Ihre körperlichen Reaktionen auf rassistische Vorfälle beschreibt sie als ein »Falling in a Gap« (ebd., Z. 648) (ein Fallen in einen Spalt). Das Fallen beschreibt sie als einen Zustand, der sich anfühlt, als ob sie in einem Haus auf dem obersten Treppenabsatz stehe, wo sie den Halt verliere und mit Armen und Händen rudernd versuche, wieder ihr Gleichgewicht zu finden. Sie fällt in ihrer Vorstellung ins Nichts, ins Bodenlose. Dieses Nichts, das Bodenlose habe ich an anderer Stelle als einen Spalt zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdzuschreibung gedeutet, in dem sie sich nicht wiederfindet, der sie zutiefst verunsichert und der sich gewiss auch in ihre Körperempfindungen einschreibt (vgl. Bergold-Caldwell/Maurer/Scholle 2019). Wie seither ihr Bildungsprozess im Einzelnen verlaufen ist, deutet sie nicht an; was sie aber in dem Interview anklingen lässt, ist die Verbindung und der Austausch mit den Menschen in der Community und ein Wissen um die koloniale Vergangenheit und deren Weiterwirken heute; darin zeigt sich für sie die Bedeutung von Bildung und Transformation. Nur mit diesem Wissen lässt sich der Spalt – das Gap –, der sich in ihrer Selbstwahrnehmung auftut, schließen, nur mit diesem Wissen kann sie eine Brücke bauen, um zu verstehen. Und für sie tut sich diese Wissenslücke gerade im Bildungsbereich auf, und das einzige Mittel, diese Lücke zu schließen, sind Bildungspraxen, die dieses Wissen bereithalten. »But that’s – you know – that … that … The crazy thing for me, and that most frustrating part for me is that it is not something that I need to reinvent – you know – this thing exists for a reason [Kolonialismus und Rassismus, DBC]; the reason why it exists … when it started to exist was explained. But there is a gap between … in education … there is a gap, there is a huge gap. And whenever anyone tries to – you know – cross this gap they always fall into it, always! Because they use the same – in my opinion – the same structures, that were used to create this gap, are being used to fill this gap. And the only thing that will actually fill this gap – in my opinion: Give people the information! Just give ›em the information! That’s it! Just give ›em the information! You know, for people of my skin tone it will be like: ›Oh, that’s … oh, that’s a thing, that’s what I was talking about …‹« (Interview Mora, Z. 616-626). Ohne dieses Wissen, ohne diese Bildung fallen Menschen in den Spalt, nur mit dem Wissen ist es möglich, eine Kohärenz zum eigenen Gefühl in der Welt herzustellen. Das Neue an dieser Situation ist die Zuwendung zu einer Community und die Veränderung der Selbstbezeichnung von einem »Child of the World« in eine Schwarze Frau.
4.6.4
Rollen einfach spielen … – Theater als Technologie des Selbst: Mathilda
Technologien des Selbst sind wesentlich praktischer Natur. Mit dem Bezug auf die Technologien des Selbst stellte Foucault heraus, dass das Selbst sich gewisser Praktiken be-
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dient, um mit Hilfe von Anderen, durch Bewegungen, Riten oder ähnliches eine Veränderung des Selbst zu erzeugen. Diese Veränderung galt und gilt der Suche nach einer größeren Zufriedenheit, einem größeren Glück oder ähnlichem. Die Technologien des Selbst sind dabei – wie oben bereits angedeutet – in Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingebettet und können sowohl Aspekte der Freiheit beinhalten als auch in unterwerfenden Praktiken (die für manche Menschen Aspekte der Freiheit sein können) resultieren. Sie sind also durchaus ambivalent und nicht als einfache Freiheitsversprechen zu sehen; trotzdem lassen sie sich eben als Transformationsmöglichkeiten zeigen. In Mathildas Fall möchte ich auf die Technologien des Selbst verweisen und aufzeigen, wie sie durch das Theaterspielen in andere Rollen hineinschlüpfen und sich damit und durch den Raum, den das Theater bietet, einige Freiheitsgrade erwirken kann. Mathilda hatte davon gesprochen, dass sie von ihren Klassenkamerad*innen immer wieder zur Anderen gemacht wurde. Das hat sich in Form von Fragen zugetragen, die immer wieder an sie herangetragen wurden; beispielsweise wurde sie gefragt, ob sie überhaupt ausgehen dürfe, ob sie einen Freund haben oder ob sie überhaupt einen deutschen Freund haben dürfe (vgl. Kapitel 4.3 und Interview Mathilda, Z. 165). Mathilda erkennt in diesem Zusammenhang, dass sie sich anderen Menschen an ihrem Gymnasium zuwenden muss, um diesen alltäglichen Zuschreibungen zu entgehen. Sie sucht sich einen diverseren Freund*innenkreis an der Schule, um selbst anders wahrgenommen werden zu können und andere Ansprechpersonen zu haben (vgl. ebd., Z. 209212). Anschließend erzählt sie, es habe aber auch noch einen anderen Ort gegeben, an dem sie diesen Fragen und Zuschreibungen nicht ausgesetzt gewesen sei: ihre Theatergruppe. Obwohl sich in dieser Theatergruppe in erster Linie auch ›deutsche‹ (sie meint wahrscheinlich weiße oder mehrheitsdeutsche) Kinder und Jugendliche befanden, ging es ihr dort viel besser. »Aber das Theater war für mich ein Ort, wo ich meine Freiheiten ausleben konnte und verschiedene ähm äh (Pause) also irgendwie Träume verwirklichen konnte, indem ich es gespielt habe. Indem ich improvisiert habe, hab‹ ich verschiedene Rollen und Identitäten angenommen, und das war für mich voll das empowernde Erlebnis, was mich die ganze Schullaufbahn eigentlich geprägt hat« (Interview Mathilda, Z. 211218). Ich möchte hier den Blickwinkel auf den Ausdruck »weil ich es gespielt habe« bzw. »indem ich improvisiert habe« lenken. Sowohl das Spielen als auch das Improvisieren sind wesentlich praktische Übungen, die einerseits der eigenen Vorstellung und andererseits kulturellen Evidenzen folgen, die imitiert und interpretiert werden können. Über diese praktischen Übungen schafft es Mathilda, wie sie sagt, ihre »Träume (zu) verwirklichen«. Die Verwirklichung der Träume besteht in erster Linie darin, verschiedene Rollen und Identitäten einnehmen zu können, spielerisch zu überlegen, wie eine Rolle beschaffen ist, welche Affekte und Charakteristika in den Vordergrund gehören und welche nicht aufgegriffen werden sollen. Die eigene körperlich-praktische Plausibilisierung einer Rolle oder einer Identität kann, so betrachtet, möglicherweise auch dazu beitragen, eine Distanz zur eigenen Rolle im Leben herzustellen, gegebenenfalls auch die körperlichen Wirkungen spezifischer Zuschreibungen und Kategorisierungen zu verdeutlichen. Worauf ich hier hinaus möchte ist, einen Bildungsprozess einzufan-
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
gen, der sich in erster Linie auf das Spielen und Improvisieren anderer Rollen versteht; der aber durch dieses Spielen und Improvisieren einen Möglichkeitsraum zur Transformation eigener Rollen im Leben bietet. Mathilda hatte außerdem davon berichtet, sie habe sich in eine Freundin verliebt und damit sei ihre Geschlechtsidentität ins Wanken geraten; an anderer Stelle habe ich das als Folge eines Zusammenwirkens unterschiedlicher Macht- und Herrschaftsdimensionen (Heteronorm, Rassifizierung) betrachtet. Diesem Wanken ihrer Geschlechtsidentität kann sie im Theater Ausdruck verleihen und unterschiedlichen Arten des Durchspielens und Improvisierens von Geschlechtsidentität nachgehen. Auf meine Frage hin erklärt sie, sie habe im Theater auch alle Rollen spielen dürfen; zu Beginn sei sie häufiger in Männerrollen aufgetreten, und auch die Herkunft ihrer Eltern bzw. ihr ›Migrationshintergrund‹ habe die Wahl der Rollen nicht eingeschränkt, anders als es in vielen Theatern Deutschlands Praxis ist (vgl. Milagro 2016; vgl. Interview Mathilda, Z. 234-242). In dem sie praktisch im Theaterspielen in unterschiedliche Rollen schlüpfen kann, ist es ihr möglich, einen Bildungsprozess zu initiieren, der transformativ auf ihr Selbst zurückwirkt. Eine offene Frage bleibt aber, wie der Körper in Bezug zu den Technologien des Selbst hier theoretisch gefasst werden müsste, um zu erklären, wie über das Improvisieren und Spielen eigene Bildungsprozesse – insbesondere im Hinblick auf Rassifizierung und Geschlecht – eingefangen werden könnten.
4.6.5
Die Notwendigkeit einer Gruppe zur Aufarbeitung intersektionaler Diskriminierungen: Ninja
Einen letzten Ausblick auf die Auseinandersetzung mit Bildungsprozessen möchte ich mit Beispielen aus Ninjas Ausführungen geben und damit abschließen. An ihrem Beispiel und in dem Interview mit ihr wird sehr deutlich, dass Bildung und Transformation in diesem Sinne nicht aus sich selbst geschöpft werden kann; vielmehr sind Gruppen, Personen und interpersonale Austauschmöglichkeiten erforderlich, um letztlich einen solchen Prozess zur Transformation auch gestalten und unterstützen zu können. Obwohl Ninja sich auf unterschiedlichen Ebenen mit der Intersektion von Machtverhältnissen auseinandergesetzt und mit Sicherheit viele Lern- und Bildungsprozesse vorzuweisen hat, ist das Interview für sie doch emotional von vielen Höhen und Tiefen geprägt und nimmt sie sehr mit, wie sie mir am Ende des Interviews erzählt. Ihre Emotionen sind ambivalent; sie sagt, beim Sprechen über erfahrene Alltagsrassismen und in der Intersektion mit Geschlecht seien für sie derart viele Emotionen mit im Spiel, dass sie so manches Mal denke, sie müsse anfangen zu weinen und dann aber wieder gleichzeitig lachen (vgl. Interview Ninja, Z. 1278-1281). Es tue ihr gut, Erlebnisse mitzuteilen, zu verbalisieren, gleichzeitig aber nimmt das Erzählen immer wieder eine »traumatische Dimension« (Wuttig 2016) an. »Ich will einfach nur ich sein! Aber ja, es wär, es wär anders, wenn – keine Ahnung –, aber das ist dann eben mega-utopisch, dass auf einmal mein Geschlecht nicht 24 Stunden ›ne Rolle spielt und dass meine Hautfarbe auch nicht 24 Stunden ›ne Rol-
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le spielt. Ja, ich will manchmal einfach nur Ninja sein. Punkt! Und nicht, dass das dazugehört. Das fühlt sich manchmal schwer an.« (Interview Ninja, Z. 1240-1243) Nach ihren Erfahrungen ist das Selbst-Sein, das einfach nur ich sein, sehr schwer möglich; im Fokus stehen Geschlecht und Rassifizierung, auf die sie häufig angesprochen und reduziert wird. Ihr Selbst-Sein tritt in den Hintergrund, erscheint wie ein Gegensatz, findet woanders statt. Vor dem Hintergrund der Ausführungen oben ist es zu verstehen, wie wir ins Gespräch über Stereotypisierungen kommen. Sie erzählt, dass sie sehr viele erlebe; dabei spricht sie unter anderem davon, dass sie auch die Zuschreibung erfahre, gerne zu tanzen und gewiss auch häufig sehr fröhlich zu sein. Ich habe in Kapitel 4.3 argumentiert, dass sie diese Stereotypisierung als Anrufung im Rahmen einer Adressierbarkeit (vgl. Kapitel 4.3.2) anspricht, mit der starke dichotome Wertungen von Möglichkeiten der Kognition, der Ernsthaftigkeit und damit des Zutrauens verbunden sind. Das Tanzen ist also für sie ambivalent besetzt, dennoch tanzt sie gerne. Tanzen könnte in diesem Kontext für sie auch eine Art des Widerstands sein, des Schlüpfens in andere Rollen, der Wahrnehmung bisher nicht gekannter Möglichkeiten, ihren Körper zu bewegen und ihn damit von neuem kennenzulernen. Anders als die anderen am Interview teilnehmenden Frauen* ist Ninja zum Zeitpunkt der Begegnung in ihrer Auseinandersetzung mit Rassismus und intersektionalen Wirkungen noch sehr auf sich allein gestellt, und sie problematisiert dieses Alleingelassen-Sein auch an unterschiedlichen Stellen im Interview. Sie erklärt, dass sie in der Auseinandersetzung mit den Geschlechterverhältnissen viele Möglichkeiten des Austauschs mit anderen Frauen* hat, ihr aber in der Auseinandersetzung mit Rassismus bisher dieser Austausch in einer Gruppe fehlt. Von einer Gruppe erhofft sie sich Gedankenaustausch und das Gefühl verstanden zu werden – ihre Erfahrungen zu teilen und mit Menschen zu sprechen, die ähnliche Erfahrungen haben; von einer Gruppe erhofft sie sich Rückhalt. Sie erhofft sich außerdem einen Austausch gemeinsamer Perspektiven und Strategien, Wissen und letztlich Stärkung im Umgang mit alltäglichen Zuschreibungen. All das sind die Voraussetzungen, die die anderen Interviewpartnerinnen* hatten; Ninja ist mit dem Thema aber allein und ist auf der Suche nach Menschen, die sie bei ihrer Auseinandersetzung unterstützen. Deutlich macht die Perspektive von Ninja, dass Bildungsprozesse – verstanden als Transformationen durch die Technologien des Selbst – bei intersektionalen Diskriminierungen nicht nur aus dem Selbst heraus entstehen können und nicht nur in sich selbst verankert sein können. Ninja ist angewiesen, sie ist verwiesen auf ein soziales Miteinander, das diesen Bildungsprozess reflektiert und als solchen anerkennt.
4.6.6
Kurze Zusammenfassung
Im letzten hier vorliegenden Kapitel wurden nun Bildungsprozesse beschrieben, die sich durch die Auseinandersetzung mit intersektionalen Machtverhältnissen für die Frauen* ergeben haben. Bewusst wurde dabei Bildung als Transformation und als Technologie des Selbst verstanden. Foucault hatte mit seiner Perspektive auf die Technologien des Selbst herausgestellt, dass nicht nur Macht-Wissens-Diskurse an der Konsti-
4 Intersections: Subjektivierung und Bildung – Ambivalente Praxen des Werdens
tution des Subjektes beteiligt sind, sondern dass auch das Subjekt Akteur in eigenen praktischen Schaffungen und Transformationen ist. Diese Technologien sind nicht frei von Macht-Wissens-Formungen, sie sind vielmehr darin eingebettet und ambivalent zu bewerten. Trotzdem wird damit deutlich, dass auch auf die Praktiken des Selbst zu achten ist, wenn sich Analysen mit Wirkweisen von Macht-Wissens-Diskursen und der Verortung der Subjekte darin auseinandersetzen. Ich habe argumentiert, dass sich in den Interviews bildungstheoretisch zu betrachtende Transformationen häufig mit einer Perspektive auf ein Schwarzes Bewusstsein zeigen. Dieses Bewusstsein wird zum einen von einem Wissen um koloniale Vergangenheiten und Gegenwarten geprägt, es wird geprägt von der Interdependenz mit Geschlecht und Sexualität (gerade im Hinblick auf koloniale Vergangenheiten und Gegenwarten) und es ist geprägt von einem Bezug auf eine Community und dem Austausch mit dieser. Vor diesem Hintergrund konnte ich einige Bildungsprozesse darstellen, die immer wieder ein Zuvor und ein Jetzt zueinander in Bezug gesetzt haben. Ich habe sie als »Technologien des Selbst« bezeichnet, weil sie letztlich in einer wesentlich praktischen, manchmal repetitiven Art Reflexionen hervorgebracht haben, die das Selbst mit sich unter der Zuhilfenahme von Anderen ausmacht. Wichtig scheint mir aber noch hervorzuheben, was mit Ninjas Aussagen deutlich wurde: Selbst wenn es ein Wissen – eine Bildung im Sinne einer Wissens-Bildung – gibt, so kann doch das Subjekt genau bei der Auseinandersetzung mit diesen Themen nicht aus sich selbst schöpfen, es ist vielmehr angewiesen auf eine Gruppe, auf Rückhalt, auf emotionale Unterstützung und auf Menschen, die einen Weg schon gegangen sind.
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5 Diskussion der Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen
Ich habe diese Dissertation damit begonnen hervorzuheben, dass intersektionale Differenz- und Diskriminierungsverhältnisse machtvolle Subjektivierungen bereithalten, aber die reflexive Auseinandersetzung mit diesen Verhältnissen trägt Bildungsprozesse in sich, die meines Erachtens wesentlich dazu beitragen eine differente Beziehung zu sich selbst und zu Weltverhältnissen hervorzurufen. Beide Prozesse (sowohl Subjektivierungs- als auch Bildungsprozesse) sind eingebunden in machtvolle gesellschaftliche Verhältnisse, die sich allein durch Bildung nicht verändern werden, trotzdem lässt der Bezug auf Bildung hoffen, mit differenten Selbst- und Weltverhältnissen wesentlich in gesellschaftliche demokratische Handlungen eingreifen zu können. In dem nun folgenden Abschlusskapitel möchte ich einerseits rekapitulieren, welche theoretischen Perspektiven entfaltet wurden und welche empirischen Impressionen sich damit einfangen ließen; zum Abschluss werde ich die Ergebnisse noch einmal vor dem Hintergrund der bildungstheoretischen Perspektiven darstellen, die ich entwickelt habe.
5.1
Rückblick und Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse der Theorie und der Empirie
In meinem Ausgangspunkt in Kapitel 2.1 stellte ich die Frage, ob ich im Zusammenhang mit bildungs- und subjektivierungstheoretischen Fragen möglicherweise von einer positionierten Betrachtung sprechen müsste, um zu verdeutlichen, dass es hier nicht um allgemeine Subjektivierungs- und Bildungsprozesse geht, sondern um die Darstellung dieser Prozesse vor dem Hintergrund positionierter Subjekte. Die Frage, wie Bildung hier statt hat, wie Prozesse der Selbst-Bildung beschrieben und als solche identifiziert werden können, habe ich eng an jene der Subjektivierung gebunden. Bildung und Subjektivierung müssen direkt aufeinander bezogen betrachtet werden – trotzdem, so meine Hypothese, ist es auch wichtig, sich einerseits dem Paradigma der Subjektivierung und anderseits einem Verstehen von Bildung zu nähern. Deshalb lautete die Fragestel-
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Schwarze Weiblich*keiten
lung im ersten Theoriekapitel: Wie lassen sich Subjektivierungsprozesse einerseits und Bildungsprozesse andererseits theoretisch betrachten? Was grenzt sie voneinander ab und was haben sie gemeinsam? Hier konnte ich mit Bezug auf Jenny Lüders (2007a) aufzeigen, dass der Bildungsbegriff und auch Bildungstheorie unterschiedliche Dimensionen in sich beheimaten oder auf unterschiedliche Dimensionen Bezug nehmen. Angesprochen ist einerseits das Bildungssubjekt respektive Subjekt der Bildung, anderseits die Dimension der Gesellschaft, auf die sich Bildung bezieht, die aber auch in ihr wirkt und auf die sich Bildungssubjekte in kritischer Absicht beziehen. Die dritte Dimension bezog sich auf normative Implikationen des Bildungsgeschehens. Hier wurde deutlich, dass Bildung immer irgendwie auch normativ ist; und obwohl es Versuche einer MinimalEthik oder einer kritischen Haltung gibt, ist es nicht einfach, den normativen Aspekten pädagogischen Handelns und bildungstheoretischer Implikationen zu entkommen. Als letzte Dimension wurde der Bildungsprozess erörtert. Bildung ist dabei nicht mehr als teleologisch nie endender Prozess zu betrachten und auch nicht als Resultat von Bildungsprozessen – Ansatzpunkt der empirischen Untersuchungen sind stattdessen Dynamiken distanzierender Kritiken und Krisenprozesse, die nach Veränderungen rufen. Alle Dimensionen spiegeln sich auch in der Bildungspraxis wider, sind eingebunden in Überlegungen zum Wie, zur Methodik von Bildung und ihrer Ermöglichung. In einem weiteren Schritt habe ich mich subjektivierungstheoretischen Paradigmen zugewendet und mit Bezug auf Martin Saar (2013) neun Maximen herausgestellt, die eine Subjektivierungsanalyse aufweist. Die ersten drei Maximen wurden mit Bezug auf Louis Althusser (1970b) entfaltet. Einerseits habe ich deutlich hervorgehoben, dass das Subjekt gemacht ist; Subjekte werden durch ideologische Staatsapparate hervorgebracht und sind den Anerkennungs- und Wiederholungslogiken dieser Staatsapparate unterworfen. Anderseits werden sie darin als freie Subjekte erzeugt, sind jedoch der Macht unterworfen. Das bedeutet, dass eine Subjektivierungsanalytik damit immer auch eine Machtanalytik ist und eine Ideologieanalytik sein kann. In dieser Analytik sind Macht und Ideologie produktiv: die Anrufung (Interpellation) der (freien) und zu meist bürgerlichen Subjekte ist ein machtvoller und bisweilen ideologischer Akt. Deshalb hält Althusser auch fest: »Es gibt Subjekte nur durch und für ihre Unterwerfung. Deshalb funktionieren sie ›ganz von alleine‹« (Althusser 1970b: 148, Herv. DBC). Michel Foucaults Herangehensweise (bspw. 1976 [dt. 1977]) lässt sich direkt anschließen; auch hier ist die Macht in dem Sinne produktiv, als sie ihre Subjekte schafft. Die unterwerfende Seite, der Subjektivierung ›Assujetisment‹, lässt sich durch die Quelle der Normen hervorheben; Foucaults Subjekt ist jedoch ein historisch spezifisches, nicht universelles Subjekt, das durch Macht- und Wissensordnungen hervorgebracht wird – ich habe es später als ›abendländisches Subjekt‹ bezeichnet und hervorgehoben, dass Schwarze Menschen eher Teil des konstitutiven Außen waren. In einer Subjektvierungsanalytik sollte dieses historisch gewachsene Subjekt-Produkt in seiner historischen Genealogie rekonstruiert werden, was eine zentrale These für die vorliegende Arbeit war. In den Interviews ließen sich Aussagen finden, die sich nur in Zusammenhang mit der historisch spezifischen Entstehungsgeschichte des Schwarzen weiblichen Subjekts erklären ließen. Neben diesen historisch gewachsenen Selbstverhältnissen muss auch der Kontext der Migrationsgesellschaft als historisch gewachsene Regierungsweise betrachtet werden. Darüber hinaus wird mit Bezug auf Foucault deutlich, dass Subjektivierungsanalytiken
5 Diskussion der Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen
immer auf drei Ebenen betrachtet werden müssen: Auf der Ebene der Wissens-, der Macht- und auch der Selbstpraktiken. Damit strukturieren nicht nur Wissen und Macht die Hervorbringung der Subjekte, sondern auch historisch wandelbare Selbstpraktiken sind an diesen Prozessen beteiligt. Dass Subjektivierungen auch eine psychische Macht entfalten, darauf verweist Saar (2013) dann mit Bezug auf Judith Butler (1990 [dt. 1991], 2001c) und auch darauf, dass Subjektivierungen sich im Medium der Sprache und des Körpers vollziehen (vgl. Saar 2013: 24). Darüber hinaus wird mit Butler begreiflich, dass Subjektivierungen notwendigerweise scheitern und das Subjekt damit beschäftigt ist, diesem Scheitern zu entgehen. Bildung oder Subjektivierung? Hans-Christoph Koller (2016) hatte in einem Aufsatz aufgezeigt, dass es momentan in der erziehungswissenschaftlichen Debatte darum gehen würde zu fragen ob überhaupt noch von Bildung oder nicht eher von Subjektivierung gesprochen werden sollte. Er selbst führt dazu aus, dass Bildungstheorie ihren disziplinär systematischen Ort verlieren würde und er spricht sich dagegen aus (vgl. ebd.: 42f.); dennoch hebt er hervor, dass manche Bildungsverständnisse und -geschehen tatsächlich eher subjektivieren würden, besonders, wenn es um Emanzipation und Befreiung ginge (ebd.). Ich möchte Ersterem unbedingt zustimmen und Letzterem eine andere Perspektive gegenüberstellen. Um zu zeigen, wie ich die beiden Paradigmen (Subjektivierung und Bildung) in Kapitel 2.1.4 aufeinander bezogen diskutiert habe, nehme ich diesen Faden noch einmal kurz auf und gehe später darauf ein, warum ich zu der Erkenntnis gekommen bin, dass wir nicht nicht subjektivieren können – die Art und Weise ist jedoch von großer Bedeutung. In einer Subjektivierungsanalytik geht es um die De-Ontologisierung der Subjekte – sowohl in ihren Selbst-, als auch in Wissens- und Machtverhältnissen. In einer solchen Ausrichtung liegt das kritisch-reflexive Potential dieses Analyseansatzes. Eine bildungstheoretische Herangehensweise kann es demgegenüber leisten, Logiken der Transformation herauszustellen, die auch durch pädagogische Interaktionen und Begleitungen gestützt werden können. Dieses Transformation hat kein letztes Ziel, sondern sie mündet in einer »Seinsungewissheit« (Lüders 2007a: 257). Als Gedankenexperiment und Verstärkung meiner These, dass mit einer Subjektivierungsanalytik etwas anderes gewonnen wird als mit einer Analytik von Bildungsprozessen, habe ich die Dimensionen1 des Bildungsbegriffs herangezogen und gezeigt, zu welchen Ergebnissen man hier mit einer Subjektivierungsanalyse kommt. Nicht nur Subjektivierungen in Bildungsinstitutionen lassen sich unter dieser Maßgabe sehr gut aufzeigen, sondern auch der Stellenwert der anderen Dimensionen ist in einer Subjektivierungsanalyse different gelagert. Meines Erachtens nach bewegen sich Bildungstheorien in dieser Gesellschaft, nehmen kritische Bezüge auf und hinterfragen gesellschaftliche Strukturen und Bedingungen, wie es mit Bezug auf Peukert (2000) und Lüders (2007a) ausgeführt wurde; Subjektivierungstheorien setzen aus meiner Perspektive dabei an, Strukturen 1
Mit Lüders (2007a) waren das: das Bildungssubjekt, Gesellschaft, Normen, der Bildungsprozess und die Diskussion um Bildungsempirie und -theorie. Die letzte Dimension habe ich in meiner Diskussion nicht betrachtet.
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des machtvollen Hervorbringens von Gesellschaft einerseits und von Subjekten andererseits zu betrachten. Dies nicht zu verwechseln, ist aus meiner Perspektive wichtig, um das Spannungsfeld in dem pädagogisches Handeln und Bildung entsteht und in dem gleichzeitig Subjektivierungen durch diese Bildung erfolgen, auch aufeinander bezogen kritisch reflektieren zu können. Damit Menschen, die pädagogisch handeln, die Möglichkeit haben zu reflektieren, welche Subjektivierungen bspw. in der Migrationsgesellschaft in diesem Moment unter ihrem Zutun vonstattengehen – aber gleichzeitig die Möglichkeit haben, zu überlegen welche pädagogischen, manchmal auch normativen Handlungen sich jetzt daraus ergeben, um machtvollen Subjektivierungen entgegen zu wirken. Ich würde also Koller (2016) zustimmen und mich dafür aussprechen, dass es diesen disziplinären Reflexionsort, der sich Bildungstheorie nennt, braucht. Ich hatte oben aber auf einen zweiten Aspekt verwiesen der von Koller aufgegriffen wurde, dem ich eine differente Perspektive gegenüberstellen würde: Koller hatte erwähnt, dass besonders die Bildungsorte subjektivieren, die sich einer Emanzipation und Befreiung verschreiben würden. Wie ich auch später noch ausführen werde, denke ich, es ist nicht möglich, nicht zu subjektivieren, viel eher muss es um eine Reflexion der Bedingungen von Subjektivierungen gehen und darum, welche Subjektpositionen überhaupt zur Verfügung stehen. Und genau dort können diese pädagogischen Maßnahmen hinschauen und Befreiungen zu einem systematischen Ort machen, an dem hegemoniale Subjektpositionen zur Disposition gestellt werden und damit auch ein Raum der Veränderung für ehemals marginalisierte Positionen zur Verfügung gestellt wird und eine Veränderung dieses Zusammenhangs beginnt. Butler oder Foucault? In diesem Kapitel der Beschäftigung mit Bildung und Subjektivierung habe ich mich zudem damit auseinander gesetzt, ob eine Butler’sche Perspektive mich in meiner Analytik weiter bringt oder eine Foucault’sche. Es ging mir darum herauszustellen mit welcher subjektivierungstheoretischen Perspektive ich was ›sehen‹ kann. Einerseits hatte ich beschrieben, dass es mit Bezug auf Judith Butlers Theoreme möglich ist, einen Prozess, der seine Verankerung auch in der Psyche hat, viel genauer beschreiben lässt. Andererseits lassen sich mit Michel Foucault gesellschaftliche Formationen und deren Veränderungen insbesondere der Regierung von Geschlecht und race dezidierter darstellen. Der Kritik an Butler, sie zeige das Subjekt nicht in seiner historischen Konfiguration, sondern nehme eine Ent-Kontextualisierung vor, kann entgegengehalten werden, dass sie dieses Subjekt als »historische Singularität« (Meißner 2010: 22, Herv. i.O.) kennzeichnen wollte. Trotzdem zeigt sich an einem Beispiel von Rosa Parks, die die Busproteste der Schwarzen Bürger*innenrechtsbewegung in Montgomrey, Alabama, in den 1950er Jahren mit geprägt hat, ein Beispiel, dass Butler (1998) in Haß spricht als Exempel für einen performativen Akt des Widersprechens anführt, dass dieser Akt von kontextuellen sowie strukturellen Bedingungen als auch von Kollektiven abhängt. In Butlers Ausführungen bleiben diese Kontextbedingungen wenig berücksichtigt. Interessant ist zudem, dass die Bewertung von Normen – und ihrer Konstitution des Subjekts – zwischen Butler und Foucault different gelagert ist. Zumindest der späte Foucault weist darauf hin, dass er den Kampf gegen Normen, von denen wir uns be-
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freien müssen, zwar wichtig findet; aber muss es nicht – so fragt er in seinem letzten Interview – eher um die Etablierung von Praxen der Freiheit gehen, die eben nicht im Kampf gegen Normen aufgehen? Ich hatte mich deswegen für Foucault’sche Analysewerkzeuge entschieden: Nicht nur, weil es mir um die historischen und die kontextuellen Bedingungen geht, die Diskurse hervorbringen; sondern auch, weil aus dem Interviewmaterial hervorgeht, dass ein Abarbeiten an sexualisierenden, rassifizierenden und vergeschlechtlichenden Normen zuweilen ermüdend und erschöpfend sein kann. Eine Etablierung eigener Praxen der Freiheit kann demgegenüber hilfreich sein um einerseits diese Normen im Blick zu haben und anderseits Utopien entgegen zu leben. Aus meiner Perspektive könnte Bildung diesen Versuch wagen. Darüber hinaus wurde in der Diskussion (Butler oder Foucault) deutlich, dass neben dem sprechenden Subjekt auch Kontexte, historische Hervorbringungen und derzeitige Macht- und Wissenskontexte betrachtet werden müssen, um das Subjekt nicht erneut – jetzt in seiner De-Zentrierung und De-Ontologisierung – zu zentrieren. Der Kontext der Migrationsgesellschaft, »Racial Capital« und der »Domination Contract« Dieser Aufgabe habe ich mich im nächsten Theorie-Kapitel (2.2) zugewandt. Die Fragestellung lautete dort: Was bedeuten Subjektivierung und Bildung in Anbetracht der spezifischen Positionierung dieser Frauen*? Wie können Subjektivierungsperspektiven im Kontext von race und Geschlecht und darüber hinaus Bildungsprozesse im Horizont des Umgangs mit Rassismuserfahrungen in der Intersektion mit Geschlecht beschrieben werden? Um diese Frage zu klären, habe ich mich zunächst einer rassismuskritischen Perspektive zugewandt und herausgestellt, dass Rassismus auf unterschiedlichen Ebenen wirkt (auf der strukturell-institutionellen, der diskursiv-gesellschaftlichen, der zwischenmenschlichen und der intrasubjektiven Ebene) und dass Rassifizierungen auch immer Zugehörigkeitsverhandlungen, »A System of Belonging« (Holland 2012), darstellen. Nicht nur deswegen, sondern weil an meine Interviewpartner*innen äußerliche Merkmale der Differenzsetzung herangetragen wurden, spreche ich neben der Kategorie Geschlecht auch von der Kategorie race. Nachdem ich im Anschluss an das letzte Kapitel hervorgehoben hatte, dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Bildungsprozesse einerseits und für Subjektivierungsanalysen andererseits von zentraler Bedeutung sind, habe ich mit Bezug auf Paul Mecheril (2014b) die »Migrationsgesellschaft« beschrieben und zunächst gekennzeichnet, wie der Begriff sich von der Perspektive auf die »Einwanderungsgesellschaft« abhebt. In den Blick kommen Dynamiken, die nicht nur Menschen, Institutionen und gesellschaftliche Aushandlungen der einwandernden Menschen verändern, sondern auch die Mehrheitsgesellschaft an sich. Wesentlich an Mecherils Ausführungen ist wohl auch, dass er hervorhebt, es seien diskursive Differenz-Verhältnisse, die eine*n Migrant*in als solche*n erst hervorbringen. Wie diese Migrationsgesellschaft zustande kam – also deren genalogisch-historische Hervorbringung – konnte ich mit Bezug auf Encarnacíon Gutiérrez Rodríguez (2018) beschreiben; einerseits argumentiert sie mit einem veränderten Asyl-Migrations-Nexus, in dem Migration und Asyl zwei getrennte Entitäten sind und Migration als freiwillig und Asyl als Folge einer erzwungenen Migration ge- und behandelt werden. Obwohl es eher um eine globale Betrachtung von »Forced migration« (vgl. Castle 2003) gehen
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müsste, werden auf diese Weise Unterschiede manifestiert und in einem Foucault’schen Sinn regiert. Anderseits habe ich mit Bezug auf Gutiérrez Rodríguez gezeigt, wie sich diese Dynamik historisch entwickelt hat; wie die europäische Expansion ab dem 17. und 18. Jahrhundert und die damit einhergehende »Kolonialität der Macht« (Quijano/Kastner/Waibel 2016) sich mit dem globalen Kapitalismus verbinden und ihrerseits Arbeitsplätze und Sicherheiten hervorbringen. Kapital ist dann in dem Sinne rassifiziert, wenn es Anreize zur europäischen Auswanderung – verbunden mit der Hoffnung, eigene Regionen aufzuwerten – gibt und gleichzeitig Bemühungen, Wanderungen aus dem globalen Süden einzudämmen und ihnen restriktiv entgegenzuwirken. Mit dieser Ausrichtung lässt sich zeigen, dass es einerseits um »Racial Capital« geht – das mit unterschiedlichen Körpern in Verbindung gebracht wird – und andererseits in der Analyse von Migrationsprozessen auch jeweils die globale Strukturierung durch die europäische Expansion betrachtet werden muss. Zudem wird in den Interviews deutlich, dass Klassenverhältnisse auch als historisches Gedächtnis funktionieren können, indem die rassifizierten Subjekte immer wieder an ihre Prekarität und ihre bloß vorläufige Sicherheit erinnert werden. Nachdem ich mich in diesem Kapitel also dem historisch-genealogischen Kontext der Migrationsgesellschaft zugewandt hatte, dessen Auswirkungen auf Subjektivierungen in der Einleitung zum Empirie-Kapitel verdeutlicht wird, wurde in einem nächsten Schritt die strukturelle Position von Women of Color und ihre genealogische Hervorbringung ermittelt. Der Blick ist in diesem Kapitel zweiseitig: Einerseits geht es um den Kontext und dessen historisch-genealogische Hervorbringung und andererseits um die Hervorbringung der Subjekt-Position – ein struktureller Blick auf Verhältnisse. Dieser zweiseitige Blick ist insofern hilfreich, als damit deutlich wird, dass auch der Kontext genalogisch-historisch strukturiert und die Position der Subjekte wie in einer Art Lagerbeziehung dazu konfiguriert ist; sie bilden eine Art »Assamblage«. Mit der Kritik am Kontraktualismus und den durch die liberalistischen Kontrakte hervorgebrachten Subjektpositionen konnte ich dann darstellen, wie Women of Color und Schwarze Frauen in das gesellschaftliche Geflecht eingebunden sind. Kontrakttheorien setzten sich mit dem fiktiven Gesellschaftsvertrag auseinander, der während des Liberalismus aufgekommen ist und bis heute der liberalistischen Idee des Staates und der Demokratie dient. Carol Pateman (1989) hatte in ihrem Buch Sexual Contract herausgearbeitet, dass der Kontraktualismus – wie er Kant, Rousseau und Locke in jeweils unterschiedlicher Ausprägung vorschwebte – zu Ungunsten von weißen bürgerlichen Frauen vereinbart wurde. Sie zeigte auf, dass diesem Kontrakt des Gemeinwohls ein unsichtbarer Geschlechtervertrag (mit Zugriff auf den Körper der Frau und ihre Arbeitsfähigkeit) zugrunde lag, der die brüderlich-patriarchale Austauschgemeinschaft erst ermöglichte und hervorbrachte. Auch Charles Mills (1997) wurde als jemand bekannt, der den Kontraktualismus kritisiert, ihn dabei aber reformieren will. Mills hat ähnlich wie Pateman herausgearbeitet, dass dem Kontrakt des Gemeinwohls ein unsichtbarer rassifizierter Kontrakt unterliegt, der den Liberalismus für weiße Menschen erst möglich macht. Beide haben in ihrem gemeinsamen Buch Domination Contract (2007) zwei Perspektiven auf »Intersecting Contracts« herausgearbeitet, die von mir zum einen dafür verwendet wurden, die historische Konfiguration der Selbstverhältnisse und Stereotype zu verdeutlichen und ihre Kontinuität aufzuzeigen, und die zum anderen hervorragend dafür geeignet waren, die historisch-genealogisch entstandene
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strukturelle Position von Women of Color darzulegen. Wenn Kontrakte als Möglichkeit betrachtet werden, Gerechtigkeit für alle herzustellen, wie es beispielsweise von Rawls vorgeschlagen wurde, so müsste mit Bezug auf Pateman und Mills zuvor eine Auseinandersetzung über Gleichheit und Differenz geführt werden, und beide würden in der Bewertung der Merkmale Gleichheit und Differenz sicher zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Pateman argumentiert beispielsweise, dass Gleichheit über Kontrakte nicht hergestellt werden kann, weil Kontrakte von Personen ausgeführt werden müssen, die nur sich selbst zu eigen haben, also wie ein autonomes selbstreferenzielles Subjekt auftreten; nicht nur unsere soziale Angewiesenheit durch Anerkennung, Geburt und Tod steht diesen Autonomiephantasien aber entgegen. Indessen kann umgekehrt – also mit der Kritik am Kontraktualismus – hervorgehoben werden, dass über liberalistische Ideen prekäre Subjektpositionen hervorgebracht wurden.2 In einem dritten und letzten Schritt habe ich dann mit Bezug auf Angela McRobbie (2009), die von einem neuen Geschlechtervertrag spricht, herausgestellt, wie sich dieser für Woman of Color und Schwarze Frauen derzeit darstellt. Frauen* wird heutzutage insgesamt ein neuer Teilhabe-Vertrag angeboten; sie können und sollen am Arbeitsmarkt partizipieren und ihre Sexualität genießen, werden aber gleichzeitig aufgefordert, diesem Genuss-Dispositiv nur insofern zu entsprechen, als sie in der heterosexuellen Matrix noch ein männliches Gegenüber finden und nicht zu früh schwanger werden. Die Anreize, nun Sexualität auszuleben und Teile der symbolischen männlichen Macht zu ergattern, sind aber wiederum rassifiziert; sie setzen weiße Privilegien der Zugehörigkeit voraus und stellen sie gleichsam her. So kann die Darstellung der Schwarzen Frau* in 2
Interessanterweise hat Foucault auch Bezug auf die Vertragstheorien genommen, aber nicht in einer Form, die den Vertrag an sich hinterfragt, sondern in einer eher beschreibenden Form; beschreibend in dem Sinne, dass er die Reichweite der Erklärung der Vertragstheorien darstellt. Zunächst macht er das in Überwachen und Strafen (2013d) und stellt hier heraus, dass ein verallgemeinertes Kerkersystem tief in die Gesellschaft hineinwirkt. Es geht ihm darum zu klären, wie nach der Revolution (ich denke er meint die französische) »das Strafrecht ein neues Fundament« (ebd.: 1014) bekam. »Die Antwort ist zweifellos bei der Vertragstheorie zu suchen. Man muss sich aber auch und vielleicht vor allem, die umgekehrte Frage stellen. Wie man es fertig gebracht [hat], daß die Leute die Strafgewalt akzeptieren oder ganz einfach das Bestraftwerden ertragen? Die Vertragstheorie kann darauf nur mit der Fiktion eines Rechtssubjekts antworten.« (Ebd.) Die Vertragstheorien geben also keine Antwort darauf, warum die Subjekte sich ganz von selbst dieser Disziplin unterwerfen und warum sie sich in einem solchen Maße regieren lassen. Den Begriff der Regierung bringt Foucault (2007a) dann später sehr prominent in Zusammenhang mit dem Kontraktualismus von Rousseau (vgl. ebd.: 63). Hier hebt er hervor, dass es Rousseau darum gegangen sei, ein allgemeines Prinzip der Regierungskunst zu formulieren. »Danach wird er den Contrat social schreiben, bei dem das Problem darin bestehen wird, wie man mit Begriffen wie ›Natur‹ ›Vertrag‹ und ›allgemeiner Wille‹ ein allgemeines Prinzip des Regierens aufstellen kann« (ebd.: 63). Der Kontraktualismus wird hier also als Beginn der Regierungskunst betrachtet, die Foucault in dieser Vorlesung und darüber hinaus »Gouvernementalität« genannt hat. Auch hier stellt er heraus, dass die Vertragstheorie versucht hat, den Zusammenhang zwischen Regierung, Souverän und Untertan (vgl. ebd.: 58) zu klären, aber nicht mehr erklären kann, als die rechtliche Verankerung bzw. inwiefern Subjekte zu Rechtssubjekten werden. Foucault kann also auch als jemand betrachtet werden, der im Zustandekommen dieses fiktiven Vertrags des Gemeinwohl, den ursprünglichen Beginn der Regierungskunst heute sieht; nur weißt er der Erklärungskraft der Vertragstheorien eine Grenze zu.
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Modezeitschriften und Magazinen als ›echte‹, laszive, unterwürfige Frau im Gegensatz zu ihrem weißen Counterpart als sexuell-phallische und begehrende junge Frau*, die sich schlecht benimmt und sich in Maßen männlicher Privilegien bedienen darf, als Re-Kolonisierung von Möglichkeitsbedingungen gelesen werden. Historisch entstandene Selbstverhältnisse und Stereotype – deren Wirkung und Entstehung ich mit Mills und Pateman beschrieben habe – finden hier in veränderter Form ihre Fortsetzung: Nun ist es die Darstellung ›freier‹ Sexualität, die der kulturellen und sozialen Regulation bedarf und darüber Rassifizierungen hervorbringt. Sowohl die Anrufungen der freien Darstellungen heute als auch die historischen Konfigurationen der Stereotype und Selbstverhältnisse werden im Empirie-Kapitel deutlich und von mir auch als solche herangezogen. De- und Postkoloniale Perspektiven auf Bildung In Anbetracht dieser Gemengelage wende ich mich nun einer de- und post-kolonialen Aussicht auf Bildung zu und frage abschließend, was Bildung von dieser Position aus betrachtet bedeuten kann. Drei aufschlussreiche Betrachtungen habe ich gefunden, die einerseits die feministische und andererseits die koloniale Differenz thematisieren. Während Maria do Mar Castro Varela (2016) Bildung im Anschluss an Spivak als einen Teil der Subjektivierung versteht, der organisierend und (re-)organisierend in Begehrensstrukturen eingreifen kann, spricht Maria Lugones (2010) von einem Rest von Subjektivität, der nicht in der Subjektivierung aufgegangen ist. Darauf, dass es neben einer Änderung der Episteme auch um die Dekonstruktion und Aufwertung von Gruppenidentitäten sowie einzelnen (post-)kolonialen Identitäten gehen muss, kann ich mit Bezug auf Maisha Auma verweisen. Im Fazit habe ich dann festgehalten: »Wenn wir uns globale Verflechtungen und das Geworden-Sein dieser Welt anschauen, so stellen wir fest, dass sich dieses Geworden-Sein auch immer in den Subjekten nachzeichnet; sie erfahren es als Geschichte, als Biographie, sie erfahren es in der Genealogie ihrer Vernetzung mit der Welt. Bildung, wie ich sie verstehe, muss deswegen nicht nur Gesellschaft als solche im Blick haben, sie muss auch, um Bedingungen der Unter- und Überordnung auffangen zu können, deren Gewordenheiten sichtbar machen können. Das, was Spivak als ›Worlding‹ bezeichnet hat, muss für die Subjekte deutlich werden, damit sie selbst die eigene Verwobenheit darin erkennen können. Die hier vorgestellten Bildungsprozesse folgen dieser Linie und Perspektive auf Bildung. Ich verstehe Bildung als einen Prozess der Auseinandersetzung mit den eigenen Selbst- Welt- und Anderenverhältnissen, der zum einen das Geworden-Sein des Ichs aus diesen Verhältnissen zu verfolgen vermag, die eigene Verstrickung zur Kenntnis nimmt und dessen Ziel darüber hinaus aber eine epistemische Veränderung darstellt. Bildung, so gedacht, ist relational und nimmt Bezug auf das Subjekt, geht von ihm aus und bringt eine veränderte Erfahrung hervor.« Unter diesen Aspekten, unter diesen Maßgaben und unter diesen Eckpunkten habe ich Bildungsprozesse empirisch untersucht. Foucault’s Subjekt und Macht Meine Beschäftigung mit Foucault und seinen theoretisch-empirischen Untersuchungen zum Subjekt, zu Diskurs-, Macht- und Selbsttechniken, schließt in gewisser Weise an die Ausführungen im letzten Kapitel an und greift sie theoretisch-methodisch dichter auf. In diesem und im darauf folgenden Kapitel entwickele ich methodologische
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Aspekte, die in einer Subjektvierungs- und Bildungsanalyse berücksichtigt werden sollten. Das Kapitel widmet sich deshalb auch den folgenden Fragen: Wie versteht Foucault die Konstruktion des modernen Subjekts einerseits und Machttechniken anderseits? Was ist unter dem Begriff der Selbsttechniken oder den Technologien des Selbst zu verstehen, und inwiefern können sie als Bildungstechniken aufgegriffen werden? Weiterführend steht zu fragen: Welchen Einfluss hat die Subjektbetrachtung auf die Subjektivierungsanalyse? Wie kann die Machttechnik in Verbindung mit race und Geschlecht gebracht werden? Wie lassen sich Bildungstechniken mit Bezug auf Foucault überhaupt beschreiben? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich mich zunächst Foucaults Subjekt-Begriff angenähert und herausgestellt, dass seine Dekonstruktion des abendländischen Subjekts im Wesentlichen darüber verlaufen ist, dass er sich Ausschlüssen und Einschlüssen genähert hat. Als Konstruktion des pathologischen Außen und deshalb zum Schwiegen gebracht, existiert der Wahnsinn, von dem sich moderne Subjekte lossagen müssen, um sich zu unterwerfen. Als Konstruktion des Gleichen zeigen sich die Episteme in den Humanwissenschaften, die Foucault in Die Ordnung der Dinge (Foucault 1966 [dt. 1971]) untersucht. Sie bilden die Regeln, vor deren Hintergrund Subjekte beginnen, ihre Subjektivität zu verstehen, und sie sind zugleich auch diese Subjektivität. Neben dem pathologischen Außen (der Devianz spezifischer Sexualitäten, des Wahnsinns) und dem Innen der Humanwissenschaften (bspw. der Vernunft) gibt es aber auch noch ein Spannungsfeld – das konstitutiv Andere außerhalb Europa –, das als begrenzendes und konstituierendes Außen deutlich wird. Wenn, so meine Annahme, Subjekte sich diesen Strukturen unterwerfen müssen, um intelligible Subjekte sein zu können, dann entsteht zumindest ein Spannungsfeld in der Moderne zu Subjekten außerhalb Europas. An dieser Stelle stellte sich mir die Frage, ob ich mich der Analyse des Subjekts nicht einfacher annähern sollte mit der Annahme, dass es um eine hegemoniale Subjektstruktur geht, deren Existenz durch ein konstitutives Außen immer wieder hervorgebracht wird. Da die interviewten Frauen* zu diesem Außen gehören, zeigen sich Subjektivierungen nicht nur darin, dass sie durch rassifizierende und vergeschlechtlichende Diskurse angerufen werden, sondern sie sind generell in einem Spannungsfeld zu dieser hegemonialen Subjektstruktur konfiguriert; sie sind, so meine Vermutung »Outsider within« (Audre Lorde). Weiter noch: Rassifizierungen setzen an dieser hegemonialen Subjektstruktur an und weisen damit auf die Devianz des Schwarzen Subjekts hin. Diese Funktion lässt sich nun weiter in Foucaults Machtuntersuchungen betrachten: Von einer disziplinierenden Normalisierungsmacht, der Foucault sich zunächst in Überwachen und Strafen (Foucault 1975 [dt. 1976]) zuwendet, gelangt er zur Untersuchung der Biomacht, die ihre strategischen Momente in der Hervorbringung und Lenkung der Bevölkerung entfaltet; hier zeigt er, wie über einen Staatsrassismus – der völkische Elemente der Formung der jeweiligen ethnischen Bevölkerung enthält – Macht in dem Sinne produktiv wird, dass ihr Interesse die Steigerung des Eigenen ist. Neben dem Kernelement, dem Sexualitätsdispositiv, entwickelt die Biomacht unterschiedliche Reize zur Entwicklung und Festigung einer bürgerlichen Sexualität. Ann-Laura Stoler (1995) hatte darauf verwiesen, dass Foucault hier im Wesentlichen den kolonialen Kontext nicht bedacht hat und die Etablierung und Konstruktion einer abweichenden Schwarzen Sexualität nicht als Zugriff im Sexualitätsdispositiv deutlich wurde. Gabriele Dietze (2017) weist darauf hin, dass Schwarze Sexualität nicht eine der nicht-generativen Sexualitäten ist, die Foucault beschrieb; dennoch hält sie fest,
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dass race auch hier als konstitutives Außen betrachtet werden kann. Also tritt auch im Kontext von Sexualität ein weiteres auf Macht bezogenes Spannungsfeld auf, was im Empirie-Kapitel auch relativ deutlich wird. In einem letzten Schritt habe ich mich Foucaults Vorlesung zur Gouvernementalität zugewandt; sie ist insofern wichtig, als dass hier das Prinzip der Steigerung und der Zusammenhang von Fremd- und Selbstführung von Foucault zusammengedacht werden. Disziplinierende Maßnahmen, die die Körper unterwerfen – wie noch in Überwachen und Strafen postuliert –, sind nicht mehr erforderlich; vielmehr unterwirft sich das Subjekt freiwillig: Fremd- und Selbstführung fallen in eins. Obwohl es naheliegend ist, jetzt hauptsächlich die produktive Seite der Macht – wie sie sich beispielsweise in Diskursen entfaltet – zu betrachten, kann gerade im Kontext von race und Geschlecht auch die normierende und normalisierende Seite von Macht gezeigt werden. So beleuchte ich in der Subjektivierungsanalytik in erster Linie die produktive, aber auch die normierende Seite der Macht durch Diskurse. In einem letzten Schritt habe ich mich dann den Selbsttechniken und den Technologien des Selbst zugewandt und zunächst darauf verwiesen, dass ich erstere im Kontext der unterwerfenden Techniken und letztere in Zusammenhängen mit Selbstsubjektivierungstechniken stehend sehe. Beide entstehen in einem Raum der Macht, beide können sowohl das eine als auch das andere sein. Letztlich sind es aber Techniken, die das einzelne Subjekt an sich ausführen kann, um einen Zugriff auf die eigenen Möglichkeiten und Bezüge zum Selbst, zu Anderen und zur Welt zu verändern. Die Hervorhebung des transformativen Einwirkens auf sich selbst ist die Perspektive, die sie für mich als Bildungsperspektive relevant macht. Im Empirie-Kapitel halte ich reflexive Erzählungen fest, die Transformationen verdeutlichen und hervorheben. Dabei ist es mir aber einerseits wichtig, diese reflexive Erzählung als offenen Prozess und nicht als Resultat zu kennzeichnen, und anderseits auch die Momente herauszustellen, die diesen Prozess initiiert haben. Interessant wäre es gewesen, ähnlich wie Foucault zu rekonstruieren, wie Schwarze Frauen* und Women of Color historisch mit den aus Sexualisierungen und Stereotypisierungen entstanden Selbstverhältnissen umgegangen sind und ob und wie sich diese Techniken im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Diskurse und diskursives Handeln Als letztem theorie-methodischen Zugriff wende ich mich nun in Kapitel 2.4 Diskursen, Anrufungen und diskursiven Praxen zu. Die zentrale Fragestellung in diesem Kapitel lautet: Wie lassen sich theoretisch Diskurse, Anrufungen und diskursive Praxen fassen? Und wie ist die theoretische Verknüpfung mit Rassismus und einem hierarchischen Geschlechterverhältnis verknüpft? Wie können also intersektionale Diskurse einerseits und diskursives Handeln anderseits festgehalten und empirisch verstanden werden? Um diese Fragen zu beantworten, habe ich mich zunächst noch einmal mit Foucaults Diskursbegriff beschäftigt und darauf verwiesen, dass es ihm einerseits in der Diskursanalyse um diskursive Formationen ging und anderseits um diskursive Praxen. Da Diskurse und Episteme Selbstverhältnisse prägen und hervorbringen, sind sie nicht in erster Linie als außerhalb der Subjekte gelegen zu denken, sondern sie formen die Möglichkeit, wie wir Menschen uns zu uns selbst ins Verhältnis setzen können. Deshalb galt es, im empirischen Abschnitt der Arbeit sämtliche Erklärungen, die die Subjekte über sich selbst abgeben und an denen
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sich eine Differenz zeigt, auch als Selbstverhältnis im Geflecht der Diskurse wahrzunehmen. Dabei ging es mir aber in erster Linie um diskursive Formationen, die im Gespräch über Geschlecht und race ersichtlich wurden. Da erziehungswissenschaftliche Diskursforschung einerseits diskursive Formationen untersucht und zugleich auch diskursive Praxen verdeutlicht, um Spannungsfelder, Nicht-Aneignungen und Verwerfungen sichtbar zu machen, sehe ich mich deutlich in diesem Feld. Obwohl ich in meiner Herangehensweise eben nicht die diskursiven Formationen untersuche, sondern die Sedimentierung des Diskursiven und die Bezugnahme anhand der Äußerungen der Frauen rekonstruiere, kann meine Subjektivierungsanalyse in diesem Bereich verortet werden. Abschließend habe ich mich der Analyse von diskursiven Praktiken zugewandt und herausstellen können, dass ich mit meiner Perspektive einzufangen versuche, inwiefern und wie die Frauen* mit eigenen Selbstverhältnissen, aber auch mit rassifizierenden und vergeschlechtlichenden Diskursen umgehen. Insofern arbeiten sie in mancherlei Hinsicht an der Etablierung von Gegendiskursen und Gegennarrativen und sind nicht in der Position, die diskursiven Ordnungen zu etablieren und zu konstituieren. Nachdem ich mich also mit der methodologischen Erfassung diskursiver Praktiken im Anschluss an Daniel Wrana (vgl. bspw. Wrana 2012) befasst hatte, habe ich mich entschieden, methodisch Teile von Wrana zu übernehmen, selbst aber von diskursivem Handeln zu sprechen, damit deutlich werden kann, dass sich hier ein Unterschied in der Perspektive des Reifizierens der Diskurse darstellt. Alle oben getroffenen Aussagen und theorie-methodischen Instrumente, die ich in den vorherigen beiden Kapiteln entwickelt hatte, habe ich dann in mein Methoden-Kapitel eingebracht und gezeigt, wie mit der Situationsanalyse eine intersektionale Subjektivierungs- und Bildungsanalyse gelingen kann. Die Rekonstruktion der empirischen Ergebnisse aus der ersten Sortierung Meine Auswertung folgte zwei Ordnungsmerkmalen: Die erste Sortierung nahm ich durch die erste offene Codierung vor; und schon dort zeigten sich spezifische Schwerpunkte, die von allen Interviewpartner*innen angesprochen wurden, die ich aber nicht als diskursive Ordnungen, Anrufungen und diskursives Handeln untersuchen konnte, weil sich an den Stellen zu wenige Informationen ergaben. Eine dieser sehr zentralen Codierungen war die Erzählung von Vereinzelungserfahrungen und eine andere war jene, dass alle Frauen* über eine Hypersichtbarkeit gesprochen haben. Beide Codes habe ich mit Hilfe der in der theoretischen Hinführung getroffenen Ausführungen unterfüttert und gezeigt, warum sie hier als Grundlage der Gesamt-Situation zu verstehen sind. a) Die Vereinzelungserfahrungen entstehen maßgeblich, weil die Frauen* sich nicht oder falsch repräsentiert sehen und natürlich aus dem Gefühl heraus, keine Verbindung zu Gleichgesinnten zu haben. Wegen der physischen Vereinzelungserfahrung habe ich auf Maria Mies verwiesen, die eine Atomisierung weiblicher Subjekte als zentrale Machttechnik herausstellt. Zudem habe in diesem Zusammenhang auf Spivaks Repräsentationsbegriff hingewiesen, bei dem es einerseits um eine (politische) Vertretung und andererseits um eine (öffentliche) Darstellung geht. Beides ist
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für die Frauen* nur unzureichend oder sehr verzerrt vorhanden, wie auch später in Bezug auf anhaltende Stereotypisierungen deutlich geworden ist. b) Die Kategorie Hypertextualität und Sichtbarkeit habe ich mit mehreren Dimensionen in Zusammenhang gebracht. Einerseits wurde in den Interviews deutlich, dass es nicht einfach um ›Hautfarbe‹ geht, sondern dass diese symbolisch aufgeladen ist und nicht nur durch Rassifizierungen und Abwertungen, vielmehr diskursiv immer außerhalb der Nation platziert wird und immer an andere Orte der Welt gebunden wird; anderseits ist – wie ich in Kapitel 2.3 gezeigt habe – auch der Kontext, der Ort, der Nationalstaat codiert. Für Deutschland hat Fatima El Tayeb (2016) darauf aufmerksam gemacht, dass es hier immer wieder darum geht, Deutschland und seine Anderen zu erzeugen, was dazu führt, dass bei jeglicher neuen Zuwanderung man hierzulande wähnt, sich in einer Krise zu befinden. Deutschland erzeugt seine Anderen damit immer wieder neu und codiert Zugehörigkeit entlang rassifizierender Sichtbarkeiten. Ich habe angesichts dieser Situation von »Lagerungsbeziehung«, von »Assemblage« gesprochen: Auf der einen Seite existiert diese Hypersichtbarkeit und auf der anderen der kodierte Ort. Ich wollte damit darauf aufmerksam machen, dass es nicht nur um Erfahrungen der Ver-Anderung geht, sondern dass in Subjektivierungsanalysen auch in Betracht gezogen werden muss, wie der Kontext codiert wird. Die nun folgenden empirischen Auswertungen habe ich immer entlang einzelner Kategorien erarbeitet, die ich aus dem Material gewonnen hatte. Kategorien werden aus den übergeordneten Zusammenhängen der einzelnen Codes ermittelt; es ergaben sich insgesamt vier Kategorien, von denen drei einen Zusammenhang mit der analytischen Kategorie der Sexualisierung aufwiesen. Sichtbar sind in der Situations-Map die Kategorien der Stereotype (Mitte: hellroter Innenkreis, roter Außenkreis), vergeschlechtlichende Wirkungen (grüner Außen- und gelber Innenkreis), interdependente Kommentierungen (rotes Quadrat), rassifizierende Wirkungen (gelbumrandetes Rechteck) und eine Kategorie mit codierten Bildungsprozessen (ganz links, rotumrandeter Kreis) (vgl. Kapitel 3.5, 2. Situations-Map). Stereotype weisen eine starke Verbindung zu allen anderen Kategorien auf und verweisen auf die analytische Kategorie Sexualisierung; und auch die Kategorien »interdependente Kommentierungen« und »vergeschlechtlichende Wirkungen« stehen in einem wesentlichen Zusammenhang mit Sexualisierungen. Diskurse, die ich als rein rassifizierende Anrufungen und diskursive Ordnungen herausgestellt habe, werden nicht mit Sexualisierungen in Verbindung gebracht – bei Sexualsierungen geht es, über die Rassifizierung hinaus, immer um die Verhandlung von Geschlecht. Um intersektionale diskursive Ordnungen, Anrufungen und die diskursiven Handlungen der Frauen* herauszustellen, habe ich mich dann im Folgenden auf die Ausarbeitung der zwei zentralen Kategorien konzentriert: Stereotype und Sexualisierungen. Die oben angesprochene Hypersichtbarkeit verändert sich noch einmal, wenn diese beiden Schwerpunkte hinzugezogen werden.
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Die Rekonstruktion von Diskursen, diskursiven Anrufungen und diskursivem Handeln a) Stereotype: In den Interviews gab es mehrere Nennungen von Stereotypen, ich habe aber nur jene näher betrachtet, die sowohl Geschlecht als auch Rassifizierung thematisiert haben. Ich habe nun einerseits die in den Stereotypen wirkenden zentralen Anrufungen herausgestellt und anderseits verdeutlicht, dass mit Bezug auf Eckes (2010) gerade Geschlechterstereotype sowohl präskriptive als auch deskriptive Wirkungen entfalten. Die Stereotype existieren aus einem historisch-gesellschaftlichen Gedächtnis, sie wurden bereits von Pateman und Mills (2007a, b) (vgl. Kapitel 2.2) beschrieben und werden von Velho (2016), Hall (2010) und Bhabha (2000) als zentrale Momente der Differenzsetzung und Othering-Strategie beschrieben. In meinem Sample werden nun verschiedene diskursive Anrufungen deutlich. Bei Mora beispielsweise zeigte sich, dass durch diese diskursive Ordnung ein spezifisches Geschlecht-Werden mit bestimmten Äußerlichkeiten an sie herangetragen wurde und dieses Stereotyp sorgte im Nachhinein für die Legitimation eines Übergriffs durch weiße Männer, den sie in Ostdeutschland erlebte. Die Erwartungen an ihren Körper waren geprägt von übersexualisierten Stereotypen zu Schwarzen Frauen*; sie selbst bezeichnete sich als Tomboy und wollte weder weiblich noch männlich sein. Von daher waren die Erwartungen ihres Umfelds in jungen Jahren schon schmerzhaft; jedoch nach Vollendung ihres Aufwachsens wird das Stereotyp zur Legitimation des Übergriffs. Ich habe die Anrufung, die über das Stereotyp an sie herangetragen wurde, als »Werde, was du bist« gekennzeichnet, weil Anforderungen an sie, die sie als Kind im Licht stereotyper Anrufungen erhielt, letztlich ihre Vollendung im Übergriff fanden. Dagegen habe ich ihr diskursives Handeln im Umgang mit diesen in ihrer Kindheit erhaltenen stereotypen Vorstellungen als Normalisierungs- und Entscheidungsstrategie herausgestellt. Erstere habe ich so bezeichnet, weil Mora mit dem Bezug auf das Stereotyp herausstellen wollte, dass sie sich lieber zwischen den Geschlechtern bewegen und ihre Position als Tomboy normalisieren wollte; letztere nannte ich so, weil sie über den Übergriff eine Entscheidung verdeutlichen wollte, warum sie entschieden hatte, sich einer Schwarzen politischen Community anzuschließen. Nicht nur an diesem Beispiel wird deutlich, dass die interviewten Frauen* den diskursiven Anrufungen während der Interviews nicht einfach unterliegen, sondern dass sie vielmehr versuchen, einen eigenen Umgang mit den Stereotypen zu finden, was ihnen an manchen Stellen gut, an anderen Stellen weniger gut gelingt. Herauszustellen ist aber, dass Stereotype eine Eigendynamik entwickeln und Legitimationen bieten; in Moras Fall für den Übergriff und in Mathildas Fall für übergriffige Fragen. Mit all diesen Konsequenzen müssen die Frauen* einen Umgang finden, und dabei sieht es nicht so aus, als ob es ausreichen würde, Stereotypisierungen in ihrem Umfeld zu ignorieren – denn die Stereotype affizieren eben auch ihr Umfeld, und genau damit gilt es einen Umgang zu finden. Die Auseinandersetzung mit den Stereotypen bot mir die Möglichkeit, insgesamt eine Verweisstruktur der Stereotype untereinander herzustellen. Im Kern stehen alle ermittelten Stereotype der Figur einer aufgeklär-
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ten, selbstbestimmten weißen Frau* entgegen und entfalten ihre Wirkung immer auf dieser Gegen-Folie. b) Sexualisierungen: Einige der herangezogenen Stereotype sind auch im Feld der betrachteten Sexualisierungen zu finden, die Analyse der Sexualisierungen geht aber darüber hinaus. Wie bereits mit Bezug auf Pateman und Mills (2007a) zu erkennen war und unter Weiterführung der Foucault’schen Subjekt- und Machtanalyse betont wurde, ist Sexualität ein zentrales Element, das einerseits in biopolitischer Weise Lenkungen durch Anreize, Verbote und Normalisierungen enthält und anderseits zentral in die Selbstverhältnisse der Subjekte integriert ist. Es ist aus dieser Perspektive heraus nicht möglich, von einer ›natürlichen‹ Sexualität zu sprechen, vielmehr ist Sexualität hier ein zentraler Ansatzpunkt zur Formierung und Regierung der Subjekte – wobei diese von einer Fremdregierung in eine Selbstregierung übergeht, wie Foucault das in der Gouvernementalität gezeigt hat. Es braucht nun keine disziplinierende Macht von Außen mehr, sondern die Anreize der Freiheit in Kombination mit einer verinnerlichten Führung der Führung, lenken die Subjekte. Gabriele Dietze (2017) spricht von »Sexualpolitiken« und hebt hervor, dass darunter einerseits die Foucault’sche Lesart zu verstehen ist, in die aber gleichsam auch eine US-amerikanische Lesart integriert werden muss, die Sexual Politics vor dem Hintergrund von race ausbuchstabiert, wie es beispielsweise Patricia Hill Collins (2005) zeigt. Sexualität ist damit eingebunden in ein Geflecht von sexuellen, körperlichen, geschlechtlichen, rassifizierenden Ordnungen und ist immer jeweils persönlich, aber auch immer an normative Vorstellungen, Haltungen und optimiert durch Regierungsweisen gebunden. Ich hatte mit Bezug auf Angela McRobbie (2009) – und auch Gabriele Dietze (2017) führt dies aus – festgehalten, dass sich die Regierung des Sexuellen nun insofern geändert hat, als dass die sexuelle Freiheit (sowohl weibliche als auch homosexuelle Freiheit) nun als Zenit des Fortschritts dargestellt wird, mit dem Effekt, rassifizierte Andere als Gegenteilige hervorzubringen; alle diese komplexen Zusammenhänge lassen sich auch in den Interviews finden. Mich haben in diesem Zusammenhang aber spezifisch die Punkte interessiert, die die Frauen* über ihre Biographie, ihr Aufwachsen, berichteten. So habe ich wiederum diskursive Ordnungen und Anrufungen analysiert und gleichzeitig das diskursive Handeln der Frauen* verdeutlicht. Ich habe mich hier speziell drei Erzählpassagen genähert und einerseits herausgestellt, dass es bei Mathilda – sie erzählte von ihren Schulerfahrungen – darum ging herauszufinden, wie und ob sie in einer rassifizierten heterosexuellen Matrix als Objekt zur Verfügung steht und daran dann gemessen wird, ob sie modern ist oder nicht; wenn sie einen deutschen weißen Freund haben darf, wird ihr Modernität und Offenheit zugestanden, nicht aber, wenn das nicht der Fall ist. Diese diskursive Ordnung und Anrufung habe ich ihrem diskursiven Handeln gegenübergestellt und verdeutlicht, wie schwer es für sie ist, sich in diesen Ordnungen zu bewegen: Sie strukturieren ein Möglichkeitsfeld der Selbstverhältnisse. In diesen vorstrukturierten Selbstverhältnissen lässt sich zudem auch diskursives Handeln ermitteln, das ich im Falle von Mathilda als reflexive Einordnung bezeichnet habe. Insgesamt lässt sich sagen, dass diskursive Anrufungen über Sexualisierungen besonders am Körper der Heranwachsenden angesetzt haben und
5 Diskussion der Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen
hier ein Wissen über Geschlechtsidentität, Körpernormen und sexuelle Identität auf unterschiedliche Weise hergestellt wurde; quer dazu verliefen immer rassifizierende Anrufungen, die im Fall von Edith in Opposition zum weißen Frauenkörper und dessen Handlungsmöglichkeiten existierten. c) Class, race und Gender: In der dritten und letzten Station der Analyse von Subjektivierungen habe ich mit einer Erzählsequenz von Simoné darauf aufmerksam gemacht, dass Klasse auch als historisch-genealogisches Gedächtnis Selbstverhältnisse affizieren kann. Simoné hatte davon erzählt, dass sie selbst als Angestellte im Finanzsektor arbeitet und sie sich sehr häufig überlegt, wie sie damit umgeht, männliche weiße Blicke auf ihren Körper gerichtet zu wissen und trotzdem Kleidung anziehen zu können, die ihr gefällt und ihren Körper betont. In ihrer Erzählung wird dann deutlich, dass nicht nur die (heutigen) Blicke dieses Selbstverhältnis anheizen, sondern auch die Vorstellung, welche Position sie im Rahmen des Finanzsektors in früheren Zeiten gehabt hätte: Die Kombination aus Sexualisierung, Rassifizierung und weiblichem Geschlecht in diesem Sektor erinnert sie daran, dass sie historisch möglicherweise als Vergnügungsdame, aber in keinem Fall als ernst zu nehmendes Gegenüber wahrgenommen worden wäre. Damit, so meine Analyse, wird sie daran erinnert, dass ihr Klassenaufstieg durchaus prekär ist und dann passé zu sein scheint, wenn sie sich so kleidet, dass die vermeintlich historischen Bilder in den Köpfen ihrer weißen Kollegen zu neuem Leben erwachen. Im Folgenden möchte ich noch auf weiterführende Überlegungen zu einer Subjektivierungsanalytik zu sprechen kommen und unter 5.3 die bildungstheoretische ErgebnisDarstellung fortsetzen.
5.2
Weiterführende Gedanken zu einer Subjektivierungsanalytik am Kreuzungspunkt von race und Geschlecht
Wie insgesamt deutlich geworden sein sollte, ist die Interpretation diskursiver Strukturierungen in Aussagen eine sehr gewinnbringende Art und Weise, sich Subjektivierungen anzunähern. Einerseits wird mit dieser Ausrichtung deutlich, wie diskursive Ordnungen ein Möglichkeitsfeld der Selbstbezüge herstellen, das die Subjekte auch bedienen, denen sie sich unterwerfen, um intelligibel zu sein; anderseits bewegen sie sich trotzdem in diesen diskursiven Strukturierungen, nehmen sie auf, reifizieren sie und wenden sich dagegen. Das konstitutive Außen und seine Wirkungen in der Subjektivierung Ich hatte die Frage aufgeworfen, ob die von mir interviewten Frauen* nicht möglicherweise ein konstitutives Außen zu einer hegemonialen Subjektstruktur darstellen und kann nun sagen, dass sich meine Vermutung dahingehend als richtig erwiesen hat, weil deutlich wurde, dass die von mir interviewten Frauen* große Anstrengungen auf sich nehmen, um als intelligibel gelesene Subjekte Anerkennung zu finden. Möglicherweise bringt die Konfiguration als konstitutives Außen (als rassifiziertes Subjekt), dass es
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dazu kommt, dass strukturierende Normen noch stärker wirken; nicht nur durch rassifizierende und vergeschlechtlichende Diskurse, die in meinem Sample häufig auch mit Sexualisierungen einhergingen, sind dann Einschränkungen wahrnehmbar, sondern auch dadurch, dass die Subjekte sich besonders darum bemühen mussten, nicht häufigen Abwertungen ausgesetzt zu werden. Ich werte aus diesem Grund die genaue Kenntnis und Wirkung der stereotypen Zuschreibungen als Zeichen dafür, dass es für sie unerlässlich ist, diesen entgegenzuwirken, sich zu ihnen zu verhalten oder sie zumindest als Gefahrenquelle einschätzen zu können. Stereotype haben eine gesellschaftliche Funktion und transportieren dabei auch Emotionen; es ist also besser, diese besonderen Diskursfragmente zu kennen, um sich dazu verhalten zu können. Historische Konfiguration der Selbstverhältnisse Was sich zudem als sehr gewinnbringend herausgestellt hat, war, die historische Konfiguration der Stereotype und der Sexualisierungen zu zeigen und gleichzeitig auf ihre Wandlungen hinzuweisen. So war es mir möglich, die Anrufungen und diskursiven Ordnungen als historische Kontinuität vorzustellen und damit auch historisch entstandene Selbstverhältnisse – über Stereotypisierungen und Sexualisierungen – zu verdeutlichen sowie ihre fortdauernde Wirkmächtigkeit zu zeigen. Um aber eine tatsächliche Genealogie dieser Selbstverhältnisse sowie der Stereotypisierungen und Sexualsierungen aufzeigen zu können, hätte ich deren Kontinuitäten und Diskontinuitäten noch genauer anhand historischer Schriften, Bilder und Medien herausarbeiten müssen. So kann ich jetzt sagen: Da setzt sich etwas fort, das Subjektivierungen immer noch beeinflusst und hervorbringt und Selbstverhältnisse noch immer tief formt. Aber ich kann wenig allgemein Gültiges über Brüche, Unstetigkeiten und daraus resultierende Konsequenzen aussagen. Auch dazu bedürfte es einer weiterführenden Untersuchung. Hypersichtbarkeit und weiße Schönheitsstandards Ich hatte zu Beginn der Analyse von einer »Hypersichtbarkeit« gesprochen, weil sich einerseits gezeigt hatte, dass die ›Hautfarbe‹ an sich symbolisch aufgeladen ist und anderseits der Ort mit einer spezifischen Codierung der Nicht-Zugehörigkeit rassifizierter Anderer in Erscheinung tritt. Ich hatte von einer Lagerbeziehung gesprochen, die durch diese zwei Elemente entsteht. Durch Hypersexualisierungen, fehlende Repräsentationen sowie durch die Stereotypisierungen verschärft sich diese Analyse aber nochmals: Ich hatte mit Bezug auf Angela McRobbie (2009) darauf verwiesen, dass sich der Geschlechtervertrag verändert hat. Es geht jetzt um ein rassifiziertes Geschlechterregime, in dem einerseits der weiße (bürgerliche) Frauenkörper sich selbst anpreisen und zeigen kann, wie freizügig und selbstbestimmt er zu agieren vermag, in dem aber gleichzeitig diese Repräsentation auch auf Schwarze Körper wirkt. In den Medien werden Schwarze weibliche Körper dem weißen Schönheitsideal angeglichen, aber als devote liebende und noch ›echte‹ Frauen dargestellt. Weiterhin erfolgen die Darstellungen dann entlang einer Colorline, auf die ich mit Bezug auf Hill Collins (2011) hingewiesen habe. So wirken der codierte Ort, der codierte Körper und der weiblich codierte Körper entlang dreier Achsen: Es fehlen Repräsentationen, die den Frauen* gerecht werden könnten, und sie werden gleichzeitig dazu angehalten, es ihren weißen (bürgerlichen) Mitstrei-
5 Diskussion der Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen
terinnen gleichzutun. Gebunden an Schönheitsideale, die entlang weißer Normalitätsstandards3 verlaufen, wird deutlich, dass Rassismus in Verbindung mit sexistischen Geschlechterverhältnissen Hautfarben von Women of Color als Marker und damit als symbolisches Kennzeichen werten. Diese Symbolik korrespondiert dann auch mit unterschiedlichen Erfahrungen der Ansprache, der Privilegien und als machtförmige Anerkennung in einer rassifizierten Gesellschaft. Die Hautfarbe ist in diesem System – paradox formuliert – nicht nur eine Hautfarbe, sie ist symbolisch und geschlechtlich aufgeladen und fungiert als Marker von Schönheitsidealen und zugehörigen Privilegien; dieser Marker generiert die Erfahrungen der Frauen*. Geschlechterverhältnisse als weiterführende Erklärung? Nicht nur in der erwähnten Erzählsequenz von Simoné, sondern auch in den oben erwähnten Kategorien ist eine Funktion in der Subjektivierung relativ zentral: der männliche weiße Blick. Neben machtvollen Fabrikationen von Begehrensordnungen, in Relation zu Rassifizierungen und geschlechtlichen Strukturierungen, ist dieses Merkmal in den Erzählungen der Frauen* sehr wesentlich. Dieser männliche weiße Blick ist fast wie ein panoptischer Blick der Normalisierung zu verstehen; und dennoch lässt sich die Wirkmächtigkeit seiner Funktion mit Mitteln der Diskurs- und Subjektivierungsanalyse nicht richtig erfassen – es bleibt ein unbefriedigender Rest. Warum, so lässt sich fragen, ist dieser Blick noch immer so zentral? Warum vermag er eine solche Macht zu entfalten? Warum gelingt es ihm, Begehrensstrukturen anzukurbeln und gleichzeitig deren Normalität zu bestimmen? Ich bin zu der Auffassung gelangt, dass eine Subjektivierungsanalyse hier nur deskriptiv seine Auswirkungen beschreiben und eine Dekonstruktion vornehmen kann; sie kann aber nicht den Ursprung dieses Motors und der Machtentfaltung hinreichend verdeutlichen. Auch Vergeschlechtlichungsprozesse, die ich besonders an Moras Beispiel gezeigt habe, bleiben unbefriedigend, weil die hierarchischen Geschlechterverhältnisse, innerhalb derer sich diese Vergeschlechtlichung abspielt, in der theoretischen und methodologischen Rahmung nicht enthalten sind. Mit Bezug auf Judith Butler und ihre Hervorhebung phallogozentristischer Gesellschaftsstrukturen wäre ich hier sicherlich weitergekommen und hätte die Analyse vor diesem Hintergrund noch weiter vertiefen können, oder aber Theorien die Geschlechterverhältnisse als solche noch dezidierter in den Blick rücken können. So wäre es sicher gewinnbringend, hierarchischen Geschlechterverhältnissen im Kontext von race noch einmal genauer auf den Grund zu gehen und von hier aus an eine weitere Untersuchung heranzugehen. Rezentrierung des Subjekts? Ich hatte zu Beginn der Auseinandersetzungen um Subjektivierungen, deren Mechanismen und Funktionen die Frage aufgeworfen – die mich auch immer wieder in meinen
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Es gibt unzählige Kampagnen, die dafür werben, stark pigmentierte Haut aufzuhellen, um stereotypen Schönheitsstandards zu entsprechen, und so manches Mal ist ein ›Klassenaufstieg‹ mit diesen Standards verbunden. Vgl. beispielsweise diesen Bericht https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/helle-haut-warum-hautbleichmittel-weltweit-boomen-a-917876.html.
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Zwischenbemerkungen nachdenklich gestimmt hat –, ob die Analyse von Subjektivierungen nicht eine (Re-)Zentrierung des Subjekts bedeutet:4 nun nicht mehr in seiner autonomen und selbstreferenziellen Form, aber in der Form seiner Unterwerfung und Hervorbringung durch epistemische und diskursive Ordnungen. Deutlich werden zwar relationale Ordnungen der Anerkennung und der Bedingungen, denen sich dieses Subjekt unterwerfen muss, um intelligibel zu sein; was aber mit Subjektivierungsanalysen nicht gut herausgestellt werden kann, ist die Verbindung zu Kollektiven, das existenzielle Erleben von Körperlichkeit in Verbindung mit dem Selbst und mit Anderen. Trotz dieser Feststellung, dass gewisse Aspekte in einer Subjektivierungsanalyse fehlen und der Einsicht, dass sich das Subjekt in einer solchen Analyse quasi durch die Hintertür wieder einschleicht, möchte ich mit Bezug auf Hannah Meißner festhalten, dass wir diese Konstruktion des autonomen und selbstreferenziellen Subjekts sind, und das lässt sich nicht so einfach auflösen. Diese Autonomie-Erwartung wird täglich an uns herangetragen; uns werden autonome Entscheidungen abverlangt, und der Anspruch auf Autonomie ist tief in ein westliches Verständnis von Emanzipation verankert, was sich nicht einfach abbrechen und beenden lässt. Es bleibt also nur, die Bedingungen der Hervorbringung dieser Subjekte immer wieder neu zur Disposition zu stellen und aufzuzeigen, wo sie einengend auf die Wirkmächtigkeit der Subjekte hinwirken. In der Auseinandersetzung mit subjektivierungstheoretischen Perspektiven bin ich so manches Mal an Stellen geraten, die nahlegten, Subjektivierungen wäre entgegenzuwirken, und die den Eindruck vermittelten, dass Bildungsprozesse eine Ent-Subjektivierung adressieren können, respektive sich in dieser vollziehen.5 Über die Analyse der Interviews und im Rahmen der theoretischen Reflexion bin ich jedoch auch zu einer anderen Erkenntnis in der Auseinandersetzung gelangt: Die Frage der Subjektivierung und der Anrufung muss sich, glaube ich, dahingehend verschieben, wie wir subjektiviert werden und nicht ob dies der Fall ist. Ich denke, wir können der Frage der Subjektivierung und der Anrufung nicht entgehen; vielmehr steht zu fragen, welche Subjektpositionen zur Verfügung stehen und wie wir subjektiviert werden. Diese Ausführungen bringen mich zu meinem nächsten Punkt, der empirischen Analyse von Bildungsprozessen.
5.3
Bildungsprozesse aus Schwarzer und weiblicher Perspektive
Ich hatte in Kapitel 2.2.5 einen Ausblick darauf gegeben, wie Bildungsprozesse aus feministischer sowie de- und postkolonialer Perspektive beschaffen sein könnten und dabei vorgestellt, dass es sich einerseits um eine Umordnung des Begehrens (Castro Varela
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Auch Stuart Hall kommt auf diese Frage zu sprechen: »[D]er alte Diskurs des Subjekts [wurde] abgeschafft, in einen riesigen Container gesteckt und mit Beton übergossen, der eine Zerfallszeit von einer Million Jahren hat. Nie wieder wollen wir einen Blick an ihn verschwenden, und dann plötzlich, Teufel auch, innerhalb von fünf Minuten reden wir über Subjektivität und das Subjekt des Diskurses, und der Begriff ist mit Triumphgeheul zurückgekehrt.« (Hall 1994: 72). Auch ich habe einen Artikel zur Ent-Subjektivierung oder Ent-Unterwerfung als Praxis der Freiheit geschrieben (vgl. Bergold-Caldwell 2016).
5 Diskussion der Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen
2016), um die Aufwertung eines verbliebenen Rests, der nicht gänzlich machtvoll subjektiviert wurde (Lugones 2010), oder um die Aufwertung postkolonialer individueller und gruppenbezogener Identitäten (Auma, ehem. Eggers 2004) handeln könnte, es aber in jedem Fall um die Veränderungen der Episteme geht. Andererseits hatte ich in Kapitel 2.3.4 herausgestellt, dass ich Bildungsprozesse als Transformationen des Selbst herausstellen wollte, die sich mit Foucaults Beschreibungen der Technologien des Selbst verknüpfen lassen. Ich hatte außerdem hervorgehoben, dass diese Transformationen nicht außerhalb machtvoller Zugriffe liegen, sondern gleichsam unbestimmt versuchen, sich in Macht-Wissen-Konstellationen auf Selbstpraktiken zu konzentrieren und über Wiederholungen und Übungen einen Bezug zum Selbst in diesen Konfigurationen herzustellen. In der Auswertung der Interviews habe ich zentrale Aussagen der Reflexion gefunden, die sich dieser Lesart anschließen lassen. Zunächst wurde im Empirie-Kapitel deutlich, dass es um eine Bewusstseins-Technik geht, die Web du Bois »Double Conciousness« genannt hat; für ihn ging es darum zu zeigen, dass das Schwarze Subjekt ein doppeltes Bewusstsein hat: eines, was sich der rassifizierenden Sicht bewusst ist und eines, das versucht, die eigene Schwarze Identität jenseits dieser Zuschreibung zu etablieren. Er sprach von einer »two-ness«. Meine Interviewparter*innen – besonders Simoné, Olivia und Edith – beschreiben dieses Vermögen nun als Gabe, die sie besitzen und die ihnen hilft, mit den oben gekennzeichneten Zuschreibungen und Subjektivierungen zurechtzukommen. Aus einer poststrukturalistischen Perspektive könnte diese Herangehensweise nun als Möglichkeit bezeichnet werden, mit einer durch Rassifizierungen und Vergeschlechtlichungen hervorgerufenen Positionierung umzugehen und das Subjekt als fragmentiertes, nicht durch ein einheitliches Bewusstsein ausgestattetes Selbst zur Kenntnis zu nehmen. Dieser Prozess ist insofern ein Bildungsprozess im Sinne der Technologie des Selbst, weil diese Auseinandersetzung Übung und Austausch erfordert, um neben dem Wissen um rassifizierende Anrufungen auch Techniken des Selbstbezuges herzustellen und eigene Identifizierungen aufzuwerten. Nun könnte eingewendet werden, dass Foucault (vgl. 1994: 246) davor gewarnt und betont hat, dass das Subjekt auch seiner Identität unterworfen ist; ich hatte aber herausgestellt, dass er damit die machtvolle Herstellung von Identitäten meint, und genau diesem Aspekt wirkt dieser Bildungsprozess entgegen. Eine weitere Bewusstseins-Technik habe ich mit Bezug auf Claudia vorgestellt: Sie spricht von einem Verlernen des weißen Blicks und unterscheidet an vielen Stellen im Interview, wie sie gesehen wird und wie sie sich selbst sehen lernen will. Diese Perspektive knüpft an die zuvor ausgeführten Herangehensweisen von Simoné, Edith und Olivia an, setzt jedoch einen anderen Akzent in der zentralen Auseinandersetzung: Es geht ihr in erster Linie darum, die von ihr internalisierte weiße Norm zu verlernen. Ihren Aussagen nach hat diese Norm auch bewirkt, dass sie sich von ihrer Herkunft und ihrem familialen Lebenskontext distanzierte und ihre Zugehörigkeit als etwas Schamhaftes betrachtete. Deshalb ist das Verlernen des weißen Blicks für sie ein Bildungsprozess, mit dem sie sich diesem Verlorenen wieder mit einem veränderten Bewusstsein annähern kann. Mathilda verweist zudem auf Praktiken, Übungen und Wiederholungen im Theaterspiel, in denen sie sich selbst und den internalisierten Normen begegnet. Aus bildungstheoretischer Sicht ist nicht nur der Prozess der Transformation als solcher wichtig, sondern Koller (2012) betrachtet auch die Krise als auslösendes Moment
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für einen Bildungsprozess; einem solchen Moment habe ich mich mit Moras Erzählung angenähert. Ohne die in der Analyse gewonnenen Erkenntnisse nun zu wiederholen, kann doch zweierlei über das auslösende Moment gesagt werden: Zum einen, dass Mora hervorhebt, sie sei in einem kolonialen Sinn Schwarz gemacht worden, was sie unterscheidet von einer Schwarzen politischen Identität; und zum anderen, dass sie erklärt, dieses auslösende Moment habe sich für sie angefühlt, als falle sie in einen Spalt. Ich hatte herausgestellt, dass ihre Selbstwahrnehmung und die rassifizierte Fremdwahrnehmung derart auseinanderdriften, dass sich für sie ein Spalt auftut, den sie auch körperlich empfindet (vgl. Bergold-Caldwell/Scholle/Maurer 2019). Für sie ist Bildung die Möglichkeit, diesen Spalt zu schließen. In dieser Hinsicht lässt sich keine Verbindung zu den Technologien des Selbst herstellen, wohl aber zu der Notwendigkeit, eine Änderung der Episteme herbeizuführen. Sie verweist darauf, dass heutige Diversity-Politiken noch immer mit der Herstellung kultureller Identitäten operieren, die die koloniale Entstehung dieser Identitäten nicht in Frage stellt; vielmehr müsse es darum gehen, so hebt sie hervor, den Entstehungszusammenhang derselben aufzuzeigen und sie von dort aus zu hinterfragen. In einem weiteren Aspekt habe ich mit Bezug auf Mathildas Theaterspielen kultur-ästhetische Praxen hervorgehoben, die ebenso als Technologien des Selbst beschrieben werden können. Mathilda hatte mir in ihrem Interview erzählt, sie sei während ihrer Schulzeit häufig mit Fragen konfrontiert worden, die sie als die unemanzipierte Andere hervorgebracht hätten. Um diesen Fragen und den Jugendlichen, die sie stellten, zu entgehen, hatte sie sich andere Freund*innenschaften und Wirkungskreise gesucht und sie in der Theater-AG gefunden. Hier entdeckte sie nun die Möglichkeiten, die das Ausdenken, Nachspielen und Improvisieren diverser Rollen für sie bereithielt; sie schlüpfte in verschiedene Rollen, konnte sich darin von sich selbst und anderen distanzieren und nachspüren, was eine Rolle ausmacht. Dieser Prozess, den sie durch die Improvisation initiieren konnte, trug maßgeblich zu einem Transformationsprozess des eigenen Selbst bei und half ihr, mit alltäglichen Zuschreibungen zurechtzukommen. Durch das prozessuale Wiederholen und das repetitive Einüben anderer Rollen – auch gegengeschlechtlicher – kam sie meines Erachtens den Technologien des Selbst sehr nahe, auch wenn de- und postkoloniale Auseinandersetzungen hier möglicherweise durch andere Auseinandersetzungen Einzug gehalten haben. Sie betont im Interview hauptsächlich die transformative Wirkung, die Theater auf sie hatte, teilt jedoch nicht mit, ob damit neben geschlechtlichen Zuschreibungen auch rassifizierende hinterfragt wurden. In einem letzten nicht abschließenden, aber abrundenden Hinblick habe ich Ninjas Bildungsperspektiven verdeutlicht und herausgestellt, dass Ninja einen großen Wissensschatz hat, ihre Analysen und Aussagen haben die gesamte Auswertung an vielen Stellen bereichert; und doch zeigt sich in der Evaluierung um Bildungs- und Transformationsprozesse des Selbst, dass sie sich mit ihren Auseinandersetzungen, gerade im Bereich Rassismus, sehr alleingelassen fühlt (zumindest zu der Zeit als das Interview durchgeführt wurde). Sie formuliert den Wunsch und das Bedürfnis nach einer Gruppe, mit der sie in einen Austausch kommen und darüber reflektieren kann, was die alltäglichen Zuschreibungen mit ihr machen. An Ninjas Beispiel wurde mir noch einmal deutlich, wie sehr wir alle angewiesen sind auf Austausch, Begegnung, Neu-Artikulation in einer Gruppe, um eine Umordnung verinnerlichter Erfahrungen vornehmen zu kön-
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nen; es ist nicht möglich, diese Umordnung aus sich selbst, aus einem Wissen heraus oder nur in der Auseinandersetzung mit sich selbst zu organisieren, wir sind aufeinander verwiesene Subjekte, die auch in der Neu-Ordnung darauf angewiesen sind, von anderen anerkannt zu werden.6 Die Technologien des Selbst und ihre Analyse weiterdenken Wie lassen sich die getätigten Ausführungen nun mit den oben angeführten de- und postkolonialen Bildungsperspektiven einerseits und mit den Technologien des Selbst anderseits zusammendenken? Obwohl ich hier einige Technologien und Praktiken herausstellen konnte, die das Selbst auf die eigene Person bezieht und die damit auch eine Transformation initiierten und somit gleichermaßen als Bildungsprozesse betrachtet werden können, bin ich während der Untersuchung doch außerdem auf den Gedanken gekommen, dass eine Untersuchung im Sinne Foucaults diese Selbstpraktiken historisieren müsste. Das würde bedeuten, ich müsste herausstellen, wie sich diese Selbstpraktiken historisch entwickelt haben und – wie bei der Erörterung der diskursiven Praktiken auch schon angemerkt – deren Kontinuitäten, Brüche und Diskontinuitäten hervorheben. Das wäre eine interessante weiterführende Untersuchung. Obgleich Foucault drauf verwiesen hat, dass diese Technologien auch mit der Hilfe Anderer oder bestimmter Objekte, Riten und weiterer Dinge vorgenommen werden können, bleiben die Veränderungen und Transformationen doch wesentlich auf das Selbst beschränkt. Es gibt wenige Hinweise dazu, welche Rolle andere Menschen in diesen Transformationen spielen, es sei denn, dass sie auch in Gruppen und per Gruppenzugehörigkeiten stattfinden. Es wird jedenfalls von Foucault nicht systematisch eingeordnet, welchen Referenzrahmen andere Menschen in den Technologien des Selbst spielen. Worauf ich hier aber das Augenmerk lenken möchte ist die Frage, ob die Anderen – diejenigen außerhalb dieses Ich’s – nicht essenziel wichtig sind, um die Transformation als solche zu begleiten und sie letztlich auch als Transformation anzuerkennen; ist es nicht dieser Prozess, den Foucault in der Rekonstruktion der unterwerfenden Selbsttechniken darstellt? Ist nicht die panoptische disziplinierende Macht, die auf den Körper ausgeübt wird, in erster Linie durch das alles sehende Auge des Kerkermeisters initiiert und überwacht nicht er die Besserung (also auch die Transformationen)? Und müsste es dann nicht auch umgekehrt so sein, dass eine Selbst-Transformation durch die Technologien, die das Selbst an der eigenen Person ausführen kann, auch durch das Außen bestätigt werden muss? Was ich besonders in den Aussagen von Ninja, aber auch denen der anderen interviewten Frauen* gefunden habe, ist die wesentliche Verwiesenheit des Subjekts auf Andere – besonders in Auseinandersetzungen, die schmerzvoll die eigene gesellschaftliche Position zur Debatte stellen. Was ich aber zudem gefunden habe, ist die tatsächliche Funktion der repetitiven Wiederholung respektive Übung, die solche Transformationsprozesse unglaublich positiv unterstützen kann. Wobei noch eine weitere Frage wäre, wie von hier aus der Körper theoretisiert wird. Ist er eine Ma-
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Diese Verwiesenheit ist hier aber eine, die eine Gruppe von Menschen anspricht, die mit ähnlichen Erfahrungen konfrontiert sind und ich denke, dass es das ist, was Bildungsorte bieten können: Die Möglichkeit Erfahrungen zu reflektieren unter Frauen* die genau wie bei Ninja am Kreuzungspunkt von race und Geschlecht angesiedelt sind.
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terialität mit einem eigenen Erfahrungsgedächtnis, der solche Wiederholungen tief in sich aufnehmen kann und sich dadurch transformiert? Oder lässt sich von einem Leib und von Erfahrungen sprechen, die sich auf dieser phänomenologischen Ebene verändern? Mit diesen Fragen müsste sich eine Untersuchung, die sich den Technologien des Selbst als Übungen nähert, beschäftigen. Auch in der vorliegenden Arbeit sind mit den Theater-Übungen körperliche Übungen der Transformation angesprochen worden, doch deren Wirkweise auf den Körper – als Körper des Selbst – vermag sie nicht zu klären. Deutlich wird nur, dass über eine veränderte Erfahrung des Selbst, die wiederholt wird, eine Transformation von Selbst-, Welt- und Anderenverhältnissen stattfand. Ich hatte mir zu Beginn der Auseinandersetzung im Fazit zu Kapitel 2.2 die Frage gestellt, ob ich mit einer Foucault’schen Brille überhaupt individuelle Formations- und Transformationsaspekte des Subjekts würde einfangen können, weil er insgesamt nur wenig zur Manifestation von Normen in der emotionalen bzw. psychischen Struktur des Menschen sagt und auch nicht viel dazu, wie Transformationen genau vonstattengehen. Zu dieser Perspektive hat Judith Butler beigetragen, was, wie am Anfang beschrieben, bereits vielfach von erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzungen rezipiert wird. Mit Foucault kommen die Bedingungsfaktoren in den Blick; beispielsweise wird deutlich, wie sich die historische Entwicklung des Kontexts und das Prinzip der Regierung von Migration auf aktuelle Strukturierungen des Kontexts Deutschland auswirken; zudem wird die Sexualität als organisierendes Prinzip hervorgehoben, die Subjekte in Nähe und Abstand zu dieser zentralen Regierung misst. Von da aus lassen sich Spannungsfelder beschreiben, die Subjektivierungen hervorbringen, und es lassen sich Transformationen veranschaulichen, die ein Nicht-dermaßen-regiert-werdenWollen nahelegen. Wie diese Prozesse individuell und im Einzelnen vonstattengehen, bleibt hingegen weitgehend ungeklärt; aber vielleicht ist es auch diese Offenheit und Vagheit, die beide Perspektiven, die der Subjektivierungsanalyse und der Analyse der Technologien des Selbst, so fruchtbar macht. Anschluss an feministische post- und dekoloniale Bildungsprozesse Es stellen sich in der Gesamtschau unterschiedliche Zusammenhänge zu den drei oben explizierten feministischen, post- und dekolonialen Bezügen her. Beginnen möchte ich einmal mehr mit dem Verweis auf das Konzept der »Double Conciousness«. Ich begreife den Bezug auf dieses Konzept als Versuch, gesellschaftlich marginalisierte Identitäten aufzuwerten, sowohl als individuelle Bestrebung wie auch als Moment der Aufwertung von Gruppenidentitäten und Zugehörigkeiten. Nicht nur Edith, Olivia und Simoné haben darüber gesprochen, das Eigene wieder aufzuwerten, sondern auch Claudia macht darauf aufmerksam, dass sie ein Wieder-Begehren des Eigenen, der Herkunft ihrer Eltern als Widerständigkeit und Bildung versteht. Insofern lassen sich diese Aussagen mit den Analysen von Auma verbinden, und es ist hervorzuheben, dass es in solchen Bildungsauseinandersetzung zentral auch um Aufwertungen des diskriminierten Eigenen geht. Wichtig ist dabei nur zu bedenken – so führen Auma, Kinder und Piesche auf einem Vortrag in Köln am 26.01.2017 aus –, dass es nun nicht um die Aufwertung essenzialisierter Identitäten geht, sondern dass das Ziel eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlich abgewerteten Identitätsanteilen ist. Auch verweist die Aussage von Claudia
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auf Perspektiven, die Castro Varela mit Bezug auf Spivak vorgeschlagen hat: Bildung müsse die Umorganisierung von Begehren sein. Das Ansinnen von Claudia, den weißen Blick zu verlernen und ihr Begehren, ihre Liebe und Zuneigung wieder auf das Eigene – auf ihre Herkunftsfamilie – zu richten, wird bei ihr durch die Beschäftigung mit bell hooks geweckt. Sie hatte gelernt, sich für ihre Familie zu schämen, und genau dem will sie entgegenwirken. Ich denke, in diesen Aussagen wird mehr als deutlich, dass es hier um ein Umarrangieren von Begehrensstrukturen geht und dass diese in zuvor festgezurrten normierenden Ordnungen hervorgebracht wurden. Dass ihre Bildung auch eine Veränderung der Episteme bedeuten muss und sollte, wird – so denke ich – von allen Interviewpartner*innen auf unterschiedliche Weise adressiert; letztlich habe ich die Forderung zur Veränderung der Episteme aber mit Bezug auf Mora am deutlichsten in der Auswertung hervorgehoben. Ihre Ausführungen zu derzeitigen Diversity-Politiken und ihre Kritik daran, dass diese noch immer nicht den Prozess der kolonialen Herstellung dieser Identitäten adressieren, sondern sie in ihrer Essenzialität manifestieren, sind vor diesem Hintergrund zu lesen. Sie weist drauf hin, dass sich diese Episteme verändern müssen und es einer neuen Fragerichtung bedarf.7 Ich habe in der Analyse dieser Aussagen also einige Prozesse herausstellen können, die sich auf eine post- oder dekoloniale Perspektive von Bildung beziehen könnten; was sich nicht gezeigt hat, sind dekoloniale Körperpraktiken, die versuchen, den Körper zu entkolonialisieren. Zudem habe ich eine dekoloniale Bildungspraxis auch wesentlich in dem Versuch erblickt, verschüttete Wissens-, Wahrnehmungs- und Seins-Praxen wieder zugänglich zu machen – so beschreibt es zumindest Maria Lugones (2010). Vielleicht ist diese Praxis aber auch von den Metropolen aus nicht möglich und wir müssen uns darauf konzentrieren, diese Seins-Weisen in den ehemals kolonisierten Ländern wieder zugänglich zu machen. Dies würde dann eine tatsächliche Veränderung der Episteme nach sich ziehen. Ich möchte noch einmal kurz zusammenfassen, was ich in den explizierten Bildungsperspektiven als wesentlichen Unterschied zum dem unter 2.1 eingeführten Bildungsbegriff sehe: Zunächst adressiert dieser Bildungsbegriff ein Subjekt, das in machtvollen und hierarchisch strukturierten Verhältnissen hervorgebracht wird und aus dieser Perspektive, aus diesem Zusammenspiel, aus der jeweiligen Subjektivierung heraus ist Bildung als Transformation zu denken. Weiterhin ist diese Art der Bildungsperspektive relational angelegt und nicht auf das Subjekt beschränkt – sie ist ein am »Dissens orientiertes Bildungsgeschehen« (Maurer 2016). Weiterhin adressiert dieses Bildungsdenken nicht nur die Transformation des Subjekts, sondern diese Transformation ist in einem engen Zusammenhang mit der Transformation der diskursiven Ordnungen und der grundlegenden Episteme zu betrachten. Um dieses Ausrichtung zu erreichen, bedarf es einer ständigen Auseinandersetzung mit den Zumutungen, 7
Mora sagt im Interview zu mir: »I understand your melanin.« Sie möchte damit aufzeigen, dass mein Melanin-Spiegel in der Haut eine Variation von Braun hervorbringt und dass alle Menschen eine Variation von Braun sind – alle haben mehr oder weniger Melanin in der Haut. Was wir in Deutschland und darüber hinaus aktuell – besser gesagt – bereits seit langer Zeit schon ›haben‹, ist die symbolische Aufladung dieses Melanin-Spiegels. Ich glaube, Mora wollte damit grundsätzlich ausdrücken: Wir müssen diese symbolischen Aufladungen hinterfragen und gerade wenn es um Diversity Politics geht, zunächst damit anfangen zu reflektieren, wie diese durch koloniale Prozesse allererst entstanden sind.
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die unser Begehren strukturieren; sie müssen befragt, umgedeutet und neu-gedeutet werden. Zudem lassen sich solche Perspektiven nicht ohne reflektierende Kollektive, ohne Räume des Austauschs und Orte des Anders- und So-Seins ermöglichen. Mit dieser Aussicht ist einer (Re-)Zentrierung des Subjekts zumindest ein wenig entgegengewirkt, denn das Subjekt ist ein abhängiges, besonders in solchen Lern- und Bildungsräumen. Möglicherweise sind es diese Bedingungen, mit denen sich eine Praxis der Freiheit (Foucault 1985) etablieren lässt.
5.4
Einige Gedanken zur Bedeutung für die pädagogische Praxis und für weitere Forschungsansätze
In einem letzten Schritt möchte ich mich nun zunächst noch Forschungsansätzen widmen, die ich für beachtenswert halte, und danach meinen Blick auf die pädagogische Praxis lenken. Zwei Bezugspunkte sind dabei für mich von besonderem Wert, die ich in dieser Arbeit entwickeln konnte, die jedoch einer systematischeren Auseinandersetzung bedürfen: Einerseits ist das die Kategorie race und andererseits sind das Klassenverhältnisse, die hier als historische Erinnerung präsent wurden (vgl. Kapitel 4.5). In diesem Beispiel wurde deutlich, inwiefern Sexualisierungen und Rassifizierungen auch immer in Verbindung mit der sozialen Klasse und De-Klassierungen gebracht werden kann. Dieser Zusammenhang wurde von Simoné beschrieben und machte sie selbst auf ihren (möglicherweise) prekären gesellschaftlichen Status aufmerksam. Die Frage wäre jetzt nicht nur, welche Intersektionen Klasse hervorbringen oder gar abschwächen, sondern darüber hinaus zu untersuchen, ob Klasse nicht auch als historisch, individuelles oder gar gesellschaftliches Gedächtnis funktioniert. Es wäre wichtig, die Frage des historischen Klassengedächtnisses auch in Zusammenhang mit Migration und race relations sowie mit Geschlecht zu deuten. Es wäre zudem erstrebenswert, hier an Selbstverhältnisse und Bildungsprozesse vor diesem Hintergrund anzuknüpfen. Um die systematische Intersektion dieser Verhältnisse zu erarbeiten, könnten auch Schwarze feministische Perspektiven hinzugezogen werden, denn sie sind diejenigen, die diese Verwobenheit der Verhältnisse am stärksten herausgestellt haben (vgl. Combahee River Collectiv 1982). Dieser Gesichtspunkt könnte mit derzeitigen Klassenverhältnissen in Verbindung gebracht werden um zu verstehen, wie sich Positionen in diesen Verbindungen verändern oder wie sie überdauern. Ein zweiter Gesichtspunkt würde sich dem anschließen; ich möchte hervorheben, dass sich Forschung auch in Deutschland nachhaltiger mit der kritischen Kategorie race beschäftigen sollte. Der Begriff Migration verdeckt meines Erachtens zu viel von dem, was mit der Kategorie race bedeutend genauer ersichtlich würde. In den Auseinandersetzungen geht es manchmal gar nicht um Migration im tatsächlichen Sinn, sondern um Phänomene, die sich um den Begriff Migration herum gruppiert haben, die aber manchmal ziemlich eindeutig auf rassifizierende Unterschiede hinweisen. Mir geht es hier nicht um eine Politisierung, sondern vielmehr darum, den Dingen auf den Grund zu gehen, und das kann meines Erachtens nur mittels einer klaren Analysekategorie geschehen. In einem abschließenden Schritt möchte ich mich nun noch in ganz unsystematischer Weise einigen letzten vereinzelten Aspekten zuwenden, die ich für eine femi-
5 Diskussion der Ergebnisse vor unterschiedlichen Hintergründen
nistische und rassismuskritische pädagogische Praxis als wichtig erachte. Diese letzten Worte sollen ein gemeinsames Wollen artikulieren und weniger eine Empfehlung sein. Ich komme selbst aus der feministischen Mädchenarbeit, und es ist diese Arbeit, die mir noch immer am Herzen liegt. Ich hatte ganz zu Beginn der Analyse herausgestellt, dass die Vereinzelungserfahrung eine der dramatischsten Erfahrungen der interviewten Frauen* war. Es gilt, diesen Vereinzelungen entgegenzuwirken und die betroffenen Frauen* dort abzuholen, ihnen pädagogische Räume der Reflexion dieser Erfahrungen zur Verfügung zu stellen und Räume des Austauschs zu gestalten. Damit können Zusammenhänge gestärkt und – was vielleicht noch weitaus wichtiger ist – auch politische Repräsentationen gestärkt werden. Hier setzen bereits viele mädchenpolitische Aktionen an und verschaffen Mädchen* mit allen denkbaren biographischen Hintergründen die Möglichkeit zur Teilnahme an politischen Debatten. Darüber hinaus muss es aber auch darum gehen, immer wieder die Verflochtenheit mit der realen Welt ins Zentrum der Auseinandersetzungen zu bringen und aufzuzeigen, dass Migrant*innen nicht einfach hier sind, um diverse Arten von Plätzen und Positionen zu besetzen, sondern dass Migration im Zusammenhang mit vielen strukturellen globalen Ungleichheiten gedacht werden muss, deren Ursachen nicht unbedingt in den Herkunftsländern selbst liegen, sondern auf unsere gemeinsame Geschichte und Verflochtenheit zurückzuführen sind. Darüber hinaus scheint es mir wichtig zu bedenken, wie wir Menschen, deren Identitäten unter diesen strukturellen Welt-Bedingungen abgewertet wurden, immer wieder mit gesellschaftlicher und persönlicher Aufwertung begegnen und sie in ihrem Bemühen um einen positiven Zugang zum eigenen Sein in der Welt unterstützen können. Unbedingt beachtet werden muss dabei, dass der hiesige Kontext seine eigene Geschichte hat und diese auch darüber funktioniert hat, die rassifizierten Anderen immer wieder als Nicht-Zugehörige hervorzubringen. Zentral muss in solchen Zusammenkünften das Gespräch über die Unterstellung sein – mit der aktuell viele muslimisch gelesene Menschen konfrontiert sind –, als nicht modern zu gelten und demokratischen Richtlinien nicht gerecht werden zu wollen bzw. zu können. Diesen Zuschreibungen muss eine pädagogisch-reflektierte Praxis entgegentreten und dabei auch stereotype Bilder und Zuschreibungen aufgreifen und reflexiv zugänglich machen. Letztlich sind es die Auseinandersetzungen mit diesen stereotypen Bildern, die dabei helfen, einen Möglichkeitsraum der Selbstverhältnisse zu kreieren. Es ist allemal besser, sie zu kennen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen als von ihnen und durch sie regiert zu werden. Und zuletzt, aber nicht zum Schluss, sondern eher abrundend möchte ich drauf verweisen, dass es an der Zeit ist, sich mit einer Sexualpädagogik zu beschäftigen, die sich mit Rassifizierungen im Kontext von Sexualisierungen auseinandersetzen muss. Ich denke, ich konnte aufzeigen, wie einschränkend Sexualisierungen auf das Empfinden von Genuss und Körperlichkeit wirken. Angesichts dieser Tatsache bedarf es einer sexuellen Bildung, die genau diese Einschränkungen zu problematisieren, abzufedern und ihrer Überwindung zuzuführen vermag.
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Deutschland schützt seine Kinder! Eine Streitschrift zum Kinderschutz 2019, 242 S., kart., 1 SW-Abbildung 22,99 € (DE), 978-3-8376-4248-3 E-Book: 20,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4248-7 EPUB: 20,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-4248-3
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Nadja Köffler, Petra Steinmair-Pösel, Thomas Sojer, Peter Stöger (Hg.)
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