Gemählde der Revolutionen in Europa: Band 2 [Reprint 2021 ed.] 9783112509869, 9783112509852


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Gemählde der Revolutionen in Europa: Band 2 [Reprint 2021 ed.]
 9783112509869, 9783112509852

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Gemählde

Revolutionen in Europa, seit

dem Umstürze deö Römischen Kaiserthumö im

Occident, bis auf unsre Zeiten. Mit einer Einleitung in die Geschichte, chronologischen und genealogischen Tabellen, Landkarten und einem vollständigen 'Register. Von

Christoph Wilhelm Koch, Mitglied des Tribunals

und

der Ehren-Legion, Correspondenten des

National-Instituts.

Aus

dem Französischen übersetzt von

I.

D.

Sand e r.

Zweiter Band. Mil zwei und neunzig genealogischen Tabellen.

Berlin,

in

I. D.

Sanders

Buchhandlung,

i 8 o 7.

Fünfte

Periode.

Von BonifaciuS VIII, bis zur Eroberung von Constantinopel durch die Türken.

I. C. iZvo bis 1453-

Anfänge dieser Periode war die päpstliche Macht P-rior. auf dem Gipfel ihrer Größe. Die Papste nahmen ganz 1500 offen den Titel: Herren der Welt, an, und behaupteten, daß sich ihre Gewalt von göttlichen Rechtes we­ gen über daö Weltliche, wie über das Geistliche, er­ strecke. BonifaciuS VIII ging noch weiter, als seine sämmtlichen Vorgänger. Ihm zufolge, ist die weltliche Macht nur ein bloßer Ausfluß der kirchlichen *), und die doppelte Gewalt deS Papstes, welche sich auf die Heilige Schrift gründe, sogar ein Glaubens - Artikel. „Gott," sagte er, „hat dem Heil. Petrus und seinen Nachfolgern zwei Schwerter anvertrauet: das geistliche 1) M. f. die Rede, welche dieser Papst im I. 1301, zu Rom, bei der Bestätigung Kaiser Albrechts r, gehalten hat/ in Petrus x»e Marga, copcord. sacerdot. et imper., p. 110.

KochS Revolutionen. II.

Gewalt der Papste über die Geistlichkeit.

2

Periode

foaS weltliche.

Daö erstere muß von der Kirche

1500

selbst geführt werden, das andre aber von den welt-

1453

lichen Fürsten, zum Dienste der Kirche, und nach

dem Willen des Papstes.

DaS letztere, nehmlich daö

weltliche Schwert, ist dem erster« untergeordnet, und die weltliche Autorität hängt unumgänglich nothwendig

von der geistlichen Macht ab, die über fie richtet, wäh­

rend nur Gott selbst Richter der geistlichen Macht

seyn kann *).

Kurz," setzt er hinzu, „es ist jedem

menschlichen Geschöpfe zu seinem Heile nothwendig, dem

Römischen Papste unterworfen zu seyn s).” Die geistliche Gewalt der Päpste und ihr Ansehen über die

Geistlichkeit vermehrten sich von Tage zu

Tage, und zwar durch die Dispensationen Appellationen, welche sich,

und

seitdem Gregor'S IX

Dekretalen eingeführt waren, bis in'S Unendliche ver­

mehrten.

Sie schalteten als unbeschränkte Sperren über

die kirchlichen Würden und Beneficien, und legten den

Geistlichen der ganzen Christenheit nach Willkühr Ta­

xen auf. Von ihnen angestellte Collectoren, oder Schatz­

meister, wachten über die Eintreibung der Steuern und Gaben, die sie sich,

unter einer Menge verschiedener

Benennungen, zu verschaffen gewußt hatten^).

Diesen

Collectoren stand eS frei, mit Kirchen-Censuren gegen 1) S> die Bulle: Unam sanctam, Extrav. comm. 1.1, tit. g. 2) IbitL Porro ’subesse Romano pontifici omni homanae crealurae declaramus, dicirhus, definimujs, et pronuncia mus, tomnino «sse de necessitate salutis.

Z) Dergleichen waren folgende Benennungen r Darlehn, Auflagen, Vacanzgelder, Spolien, Erbe, Einkünfte des ersten Jahres, Dispens für Unvereinbarlichkeit, Gebot, Neuntel, Zehnten, Annalen, Vertreiwegsgeld (procuratio), gemeiner (oder kleiner) Dienst, Trinkgelder u. f. w. M. s. Art. 14 in den Freiheiten der Gatlirani-

Gewalt über die Fürsten.

3

Jeden zu verfahren, der sich weigerte, Zahlung zu kt= dritte sten. Sie wurden dabei durch die Autorität der Lega- 1500 ten unterstützt, die in den geistlichen Provinzen residirten 1453 und alle Gelegenheiten, die päpstliche Gewalt zu er­ weitern, mit Begierde ergriffen. Den Legaten standen wiederum eine Menge von Bettel- und andern, in die­ sen Jahrhunderten der Unwissenheit gestifteten, Orden bei — ganze Legionen von Mönchen, die sich durch alle Staaten der Christenheit vertheilt befanden. Höchst auffallend ist der Einfluß des päpstlichen Ansehens auf die weltlichen Angelegenheiten der Für­ sten. Man sieht sie an allen Streitigkeiten der letzte­ ren Theil nehmen, an Alle ohne Unterschied Befehle erlassen, dem Einen gebieten, daß er die Waffen nieder­ legen solle x), den Andern in Schutz nehmen2), die Ver­ handlungen und das Verfahren der Fürsten cassiren und s ch e n K i r ch e, der diese Erpressungen vorschreibt. Die Auf­ lage der An n a t e tt indeß, worunter man die, nach einer ge­ wissen Taxe bestimmten, Einkünfte der Pfründen im er­ sten Jahre' versteht, wurde eigentlich nicht eher als fixirt und allgemein eingeführt, als nach der großen Kirchentren­ nung im Occident, durch Bullen der Papste Bonifacius IX, und Clemens VII. Thomassinus de veterj et nova Eo clesiae disciplina, part. III, 1. II, cap. 53, n°. 6 et 12.

1) Um einen solchen, dem Könige Philipp August von Frankreich ertheilten, Befehl zu rechtfertigen, bedient sich Papst Jnnocenz 111 des Vorwandes: er habe das Recht über die Sünde zu erkennen, und das Vergießen von Christen-Blut -u verhindern; was sich denn auf alle Kriege ohne Unterschied anwenden ließ. cap. 13, X. de judiciis. s) Honorius in verbot allen Snveränen, den König von Dänemark anzugreifen, da dieser unter dem besondern Schutze des heiligen Stuhles sey. Rainaldi annal. eccles., t. XIII, p. 277*

Gewalt über Vie Fürsten. Periode

nichtig erklären'),

sie vor ihren tzof fordern und Die Geschichte der

i5oo

alle ihre Streitigkeiten entscheiden.

'453

Päpste ist nun die Geschichte von ganz Europa. Sie. maßen sich die Befugniß au, die Kinder der Kö­

nige zu legitimiren und ihnen so das Recht zur Erb­

folge zu geben 3); sie verbieten den Suveräuen, Aufla­ gen von der Geistlichkeit zu fordern 3); sie machen An­

sprüche auf die Lehnshoheit über Alle, und üben sie über Viele wirklich aud 4); sie ertheilen die kdnigliche Würde Denen, die damit bekleidet zu seyn wünschen T);

sie sprechen die Unterthanen von dem Eide der Treue los,

thun Königreiche in den Bann, um ihre eigenen Strei­ tigkeiten zu rachen, und setzen Suverane nach Willkühr

ab 6).

Sie schalten über die Staaten der in Bann

1) Clemens V drückt sich, indem er das Verfahren Kaiser Hein­ richs VII gegen Robert, König von Neapel, für nichtig er­ klärt, in folgenden Worten aus: „Nos tarn ex superioritate, quam ad Imperium non est dubium habere nos, quam ex pötestate, in qua, vacante imperio, imperatori succedirnus, et nihilo minus ex illius plenitudine putesiatie, quam Christus, rex regum et dominus dominantium, nobis, licet immeritis, in persona B. Petri concessit, sententiam et processus omnes praedictos, quidquid ex eis secutum est, declaramus fuisse et esse omnino irritos et inanes, nullumque debere aut debuisse sortiri effectum.” Cap. Pastoralis de sententia et re judicata, in Clementinis. 2) Cap. 13, X. qui silii sint legitimi. Epist. Innocentii III, t. I, p. 675.

5) Bulle des Papstes Bonifacius VIII, in den Beilagen zu dem Differend entre Boniface VIII et Philippe - le - Bel, p. 42, und die Bulle Urbans V, vom Jahre 1364, in deM BuLLARIUM, 1. I, p. 2.61. 4) M. (♦ Band I, S. 155* 5) Gesta Innocentii 111, paragr. 73. 6) Bellarminus, in Tractat. de potestate summi Pontificis in rebus temporalibus, zahlt achtzehn Papste, welche Könige abgesetzt haben.

Verfall der päpstlichen Mache.

5

gethanen Fürsten, der Ketzer und ihrer Anhänger'), überPe^'°de die neuentdeckten Lander und Inseln*), über die Lander 1500 der Ungläubigen oder derSchismatiker$), und selbst über die Länder solcher Katholiken, welche sich nicht unter die gemißbrauchte Gewalt der Päpste beugen wollen 4). Augenscheinlich hatte also der Römische S?ef in der Periode, die wir hier schildern, ein ausgezeichnetes Uebergewicht in dem politischen System von Europa. Loch, nach dem gewöhnlichen Laufe der menschlichen Schicksale, kam diese so ungeheure und so furchtbare Macht seit dein vierzehnten Jahrhuydert »ach' und nach in Verfall. Die großen Reiche haben ihr Ziel; der höchste Grad ihrer Steigens ist auch der erste ihres Verfalles. 1) Canon 3. Coucilii lateranensis, V0M Säljte 1215, itl Labbe, Ada concil. t. XI, part. I, p. 143. 2) Martin V, Nikolaus V, und Catixtus III gaben den Portugiesen alle die Lander, die sie, von den Canarischen Inseln an, bis nach Indien hin, entdecken würden. Raynaldi annales ecdes., t. XVIII, p. 423, 429. Much Hadrian iv behauptete schon, als er durch seine Bulle dem Könige von England Heinrich 11 Jreland zuer­ kannte : alle Inseln, in denen das Christenthum einge­ führt würde, waren Besitzungen des Heil. Petrus: Omnes insulas, quibus sol justitiae Christus illuxit, ad jus Sancti Petri et sacrosanctac Pxomanae ecclesiae non est diibium pertinere. Mattiiaeus Paris, p. 95. 5) Urban IV erkannte im I. 1264 dem Könige Ottokar von Böhmen alles zu, was er von den heidnischen Lithauern und von den schismatischen Russen erobern könnte. Lam­ bach er, österreichisches Interregnum; Beilagen, @.47» 4) Aus eben diesem Grunde erkannte Adrian IV Jreland dem Könige von England zu. M. s. Matthaeus Paris, p. 95. Als Peter Hl, König von Arragonien, Karl'n I von Anjou Sicilen entrissen hatte, that Papst Martin IV ihn in Bann, erklärte ihn für des Thrones entsetzt, er­ kannte alle seine Staaten Karl'n von Valois, jüngerem Sohne Philipps III, Königs von Frankreich, zu, und schrieb einen Kreuzzug gegen ihn aus. Raynaldi annal. eccles., unter den Jahren 123z und 1234, S. 344/366/357.

6 Pe^vbe

Ursachen des Verfalles:

Die Suveräne bekamen immer hellere Begriffe von

1300

ihrem wahren Interesse, und lernten die Rechte und die

1453

Majestät ihrer Kronen gegen die Unternehmungen deö Papstes behaupten.

Die, welche zinsbare Vasallen deS

heiligen Stuhles waren,

warfen unvermerkt ihr Joch

ab'), und die Geistlichkeit selbst, welche unter der Last

einer willkührlichen Gewalt seufzte, vereinigte sich mit

den Fürsten, die Mißbrauche abzustellen und eine Macht, welche nicht aufhdrte Eingriffe in ihre beiderseitigen Rechte zu thun, in den gehörigen Gränzen zu halten.

Unter den Ursachen diese- Verfalles bemerkt man das Uebermaß der päpstlichen Gewalt selbst, und den

Mißbrauch, den mehrere Päpste davon gemacht hatten. Durch

allzu vieles

Abschleudern

ihrer Bannstrahlen

machten sie diese kraftlos; und da sie auch die großen Fürsten ohne Schonung behandelten, so wußten sie we­

der zu rechter Zeit nachzugeben, noch ihren Forderun­

gen Gränzen zu setzen. Man muß sich hier an den berühmten Streit er­

innern, der zwischen Papst BonifaciuS VIII und dem Könige Philipp dem Schönen entstand.

Dieser Papst

war noch nicht damit zufrieden, sich zum Richter zwi­

schen dem Könige und seinem Vasallen, dem Grafen von Flandern, aufzuwerfen; er behauptete auch, ohne feine Erlaubniß,

daß,

der König keine Subsidien von

der Geistlichkeit fordern könne, und daß die Krone das Recht, Einkünfte von erledigten Pfründen zu beziehen

(droit de regale), nur durch Mißbrauch habe. Er be­

handelte auch des Königs Verbot, weder Gold noch Sil­ ber aus dem Lande zu führen, als unvernünftig, 1) In England hob König Eduard III den Tribut und die unmittelbare Oberherrschaft (dominium directum) des Römischen Hofes auf. Seine Erklärung, vom I. 1357, findet man in Knychton de eventibus Angliae, p. 2617.

übermäßiger Mißbrauch der päpstlichen Gewalt.

7

und erließ an alle Prälaten in Frankreich den Befehl, sich Peri»» am ersten November 1301 persönlich in Rom einzu-

1500

finden, um daselbst über die Mittel zu berathschlagen,

1453

wie der König gebessert, und Reformen im Staate ge­

macht werden könnten.

Er erklärte förmlich : der König

sey dem Papste, im Weltliche« sowohl als im Geistlichen,

unterworfen, und eS sey unsinnig, zu glauben, der König habe auf Erden Niemand über sich, und sey nicht

von den suveränen Päpsten abhängig *)»

Philipp ließ die päpstliche Bulle, worin diese schmach­ vollen Beleidigungen standen, verbrennen; er verbot den Geistlichen, das Königreich zu verlassen, rief zu zwei

verschiedenen Malen (in den 1.1302 und 1303) die allge­ meinen Stände (General-Staaten) des Reiches zusam­ men, und nahm, nach Verabredung mit ihnen, Maßregeln

gegen die verwegenen Unternehmungen deS Römischen Hofes.

Der dritte Stand (tiers- etat), der bei diesen

Versammlungen zum ersten Mal erschien,

erklärte sich

sehr nachdrücklich für den König und die Unabhängig­

keit der Krone 2).

Die Bannstrahlen, welche der Papst

1) Beilagen zu der Hittoire du differend etc. p. 15, 15, 27, 44’ 48’ 532) In seiner an den König gerichteten. Bittschrift, drückt sich der dritte-oder Bürger-Stand mit folgenden Worten aus: „Euch, gestrengen und vieledeln Fürsten, unseren Herrn, „König in Frankreich, bittet und gemahnet Eures Rei„ches Volk, sofern ihm solches zukommt, wie doch ge„schehen möcht, daß Ihr bewahrtet Eures Reiches freie „und oberste Gewalt, also und dergestalren,. daß Ihr „nicht gelten liesset in weltlichen. Dingeir einen andern „Herrn auf Erden, denn Gott, und daß Ihr möchtet „kund thun, auf daß manniglich es wisse,, wie Bonifar „cius der Papst sich zweifelsohne irret, wenn selbiger „Euch in Siegelbriefen schreibet, daß Euch, nicht zustehe, «Pfründen zu verleihen, noch von Thumkirchen, so erle„digt worden, die Gefälle zu empfahen, und daß er män-

8

Ursachen des Verfalle«:

gegen den König abgeschleudert hatte,

thaten nun gar

1300

keine Wirkung.

'453

Concilium, und alle Stande des Reiches traten ihm

Philipp appellirte

an ein künftige-

hierin bei *). Kaiser Ludwig der Baier, ein Fürst von ausgezeich­ netem Verdienste,

war mit Kirchen - Censuren belegt

worden, weil er die Rechte und Prärogative seiner Kro­

ne vertheidigt hatte, und konnte nie Absolution erlan­ gen, ob er gleich die demüthigsten Schritte that, ja,

sich erbot, die kaiserliche Würde niederzulegen und sich, sein Reich und seine Güter dem Papste auf Gnade und Ungnade zu unterwerfen.

Er wurde, nach einem mehr­

mals gegen ihn angestrllten gerichtlichen Verfahren mit

Flüchen überhäuft.

Papst Clemens VI ging in feiner

Bulle noch weiter, als irgend einer von seinen Vorgän­ gern 3): „Gott schlage ihn," sagt er von dem Kaiser,

„mit Unverstand und Raserei; der Himmel schütte seine Blitze über ihn aus; der Zorn Gottes, des Heil. Petrus

und des H. PauluS falle über ihn,

in dieser und in

jener Welt; die ganze Erde verschwöre sich gegen ihn;

der Boden verschlinge ihn lebendig, sein Nahme sterbe im ersten Gliede auS, und sein Andenken verschwinde von

der Erde; alle Elemente müssen ihm zuwider seyn; mö­

gen seine Kinder den Händen seiner Feinde überliefert

und vor den Augen ihres VaterS zerschmettert werden!" „niglich, welcher nicht eben also glaube, der Ketzerei be„züchtige." Preuves du differend etc., p. 2i Die älteste Fabrik von Lknorißine, woraus erhellet', daß man in Deutschland seit 1308 mehrere Urkunden und andere Schriften findet, die unverkennbar auf Linnenpapier geschrieben sind. 1) Nach einer Stelle in der beiden Cortusii Chronik von Padua, die im 14U11 Jahrhundert geschrieben, und von Muratori (script. rerum Italic., t. XII, p. gos) herausgegeben worden ist, hatte ein gewisser Pace da Fa­ biano, Einwohner von Treviso, um das Jahr 1340 zu Padua und der so eben genannten Stadt das Papier erfun­ den; da man aber in Italien vor der Mitte des vier­ zehnten Jahrhunderts gar keine Spur von Linnenpapier findet, so haben die Fabriken in Padua und Treviso, de­ ren die citirte Chronik erwähnt, ohne Zweifel nur Baum­ wollenpapier verfertigt, und Pace hat sie nach dem Muster von der angelegt, die schon vorher in der Mark Ancona blühete. 2) Gatterer, elementa artis diplom., p. 33. Leinwand mach­ te in Deutschland schon wahrend des zwölften Jahrhun­ derts einen Waaren-Artikel aus, und die Erweiterung des Handels im folgenden Jahrhundert muß die Cultur des Hanfes und Flachses noch um vieles vermehrt haben. Schmidt, Geschichte der Teutschen, B. Hl, p. 110, m. 3) M. s. Wehrs „vom Papier, den vor der Erfindung des­ selben üblich gewesenen Schreibmaffen." Halle, 1789.

Erfindung der Oelmahlerei.

11

uenpapier, oder sogenannte Papiermühle, deren man in eriode V. Deutschland erwähnt findet, ist eine im I. 1390 zu 1300 biS Nürnberg vorhandene *)♦ *453 Die Erfindung derOelmahlerei schreibt man ge­ meiniglich den beiden Brüdern Van-Eyck zu, von denen der jüngere, unter dem Nahmen Johann von Brügge, zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts an­

fing berühmt zu werden. ES giebt indeß Gründe, de­ nen gemäß man glauben muß, daß diese Erfindung alter sey. Zwei Schriftsteller, deren Leben in daS elfte Jahr­ hundert fallen soll, und deren Werke in den Manuftrip"en-Sammlungen der Bibliotheken zu Wolfenbüttel und in Trinity-Colledge zu Cambridge aufbewahrt wer­ den a), reden von dieser Art zu mahlen als von etwaS zu ihrer Zeit schon Bekanntem. Sie sagen: man könne alle Farben mit Leinöl mischen und dann zum Mahlen ge­ brauchen; indeß gestehen sie zu, es sey unbequem, die Oelmahlerei auf B i l d e r anzuwenden, weil die mit Leinöl gemischten Farben so langsam trockneten 3). 1) Herrn von Murr Journal zur Kunstgeschichte rc. B. V, S. 137t Man hat indeß Gründe, zu glauben, daß schon vor dieser Zeit Papier in Deutschland verfertigt worden sey. S. Wehrs vom Papier rc. S. 346 und folg. 2) Die Schrift des Theophilus findet man in Lessings Beitragen zur Geschichte und Literatur, VI, S. 291, nach dem Wolfenbüttelschen Manuskript abgcdruckt. —> Herr Raspe in seinem kritischen Versuche über die Oelmahlerei, den er ju Sonfcon 1780 inEnglischerSprache herauögegeben hat, beruft sich auf die Manuskripte von Theophilus und Eraklius, welche beide in der Bi­ bliothek zu Cambridge aufbewahrt werden, um daraus das Alterhum der Oelmahlerei zu beweisen. 3) Theophilus druckt sich im 2zsten Kapitel seiner Abhand­ lung, wo er dieser Art von Mahlerei erwähnt, mit fol­ genden Worten aus: Omnia genera colorum eodem ge­ liere olei teri et poni possunt in opere ligneo, in his tantum rebus quae sole siccari possunt, quia, quotiescunque

22 Period V. 1300 bis 1453

Erfindung der Oelmahlerei.

Wenn man auch die Authenticität dieser beiden Schrift­ steller und ihr hohes Alterthum zugiebt, so scheint «S

doch, als habe man seitdem von dieser Erfindung nicht vielen Gebrauch gemacht, entweder weil die Mahler lieber bei ihrer alten Methode bleiben wollten, vder weil die Schwierigkeit, die mit Leinöl gemischten Farben zu trocknen, sie abschreckte. Es ist übrigens nur allzu wahr,

daß die glücklichsten Erfindungen oft lange Zeit vernachlässigt worden sind, ehe man sie gehörig benutzen lernte. Sollten die beiden Van-Eyck vielleicht die Ersten ge­ wesen seyn, welche von dieser Art zu mahlen Gebrauch machten? Oder sollte Johann von Brügge, der jüngere von den beiden Brüdern, der sie zu einem ho­ hen Grade der Vollkommenheit brachte, vielleicht auf irgend eine Mischung gefallen seyn, wodurch daö Trock­ nen des Lein- oder Nußöls — besonders bei einigen Far­ ben, bei denen es nur langsam von Statten geht — befördert worden wäre? — Kenner der Oelmahlerei, und Künstler, müssen diese Fragen entscheiden, und auch die: ob gewisse Gemählde, von denen man behauptet, daß sie schon vor den Zeiten der Brüher Van-Eyck mit Oelfarben gemahlt seyn sollen, auch wirklich Oelgemählde sind *). Diese Erfindung änderte de« Zustand und die Grundunum colorem imposueris, alterum ei superponere non potes, nisi prior exsiccetur, quod in imaginibus diutw num et taediosum nimis est. 1) Herr von Mechetn, aus Basel, führt in seinem Catalogue de la galerie imperiale de Vienne, p. 230, drei Ge­ mählde in dieser Galerie an — eins vom I. 1297 und die beiden andern von 1357 —, von denen er sagt, daß sie in Oel aus Holz gemahlt sind. Auch Herr Raspe nennt mehrere, in England aufbewahrte Gemählde dieser Art, die alter sind, als die beiden Ban-Eyck.

Erfindung der Buchdruckerkunst.

2Z

satze der Mahlerkunst gänzlich; sie veranlaßte RegelnPe^°d« über daS Hell-Dunkel, oder Licht und Schatten, und 1300 verschaffte den neueren Mahlern auch den Vorzug vor 14'5$ den alten, daß ihre Werke viel dauerhafter wurden. Eine der wichtigsten Erfindungen ist die Buch­ druckerkunst. Sie verdankt ihren Ursprung, wie eS scheint, der Holzschneiderei, und diese ihren eignen, den

Formen zu den Spielkarten, welche die erste Idee dazu gegeben haben mögen '). Den Gebrauch der Spielkarte« haben wir auö Italien erhalte». Man

findet ihn in Deutschland zu Anfänge des vierzehnten Jahrhundert- eingeführt, und die Kartenmacher waren darin schon achtzig Jahre vor Erfindung der Buch­ druckerkunst eine besondere Zunft2). ES ist wahrschein­ lich, daß die Deutschen zuerst auf den Gedanken ge­ kommen find, Muster und Formen zum Drucken von Spielkarten zu verfertigen ’). Der Reitz deS Gewin­ nes brachte diese Kartenmacher auf den Einfall, auch 1) Fournier, dissertation sur Porigine et les progres de Fart de graver, p. 24. Bullet» recherches historiques sur les cartes A jouer. I?abbe Rive, eclaircissement sur Pinvention des cartes A jouer, Heinecken, Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen, B. 11, S. Von Murr, Journal zur Kunstgeschichte u. s. w. B. n, S. ioot Breitkopf, Versuch den Ursprung d^p Spiel­ karten u. s. w. zu erforschen» Leipzig, 1784* 2) Von Murr, Journal s. w. Th. irA S.g9< 3) Bullet, recherches historiques sur les cartes A jouer. Papillom , traite de la gravure en bois, t. I, p. ßo. Breitkopf^ a» a, 9., S. 45. Die ersten Karten wur­ den gezeichnet und gemahlt, und rparey daher sehr theuer. Das älteste Kartenspiel war datz trappßla, welche man dann bei den verschiedenen Nationen abanderte» Pi­ que t wurde das National - Spiet der Franzosen; T a r 0 c, das der Jtalianer^ Die Spanier erfanden das L'hornbre unh die Quadrille, und die De^schep datz Iansquene^ (das deutsche. WoLL Lqnzkuecht, weil vorzüg­ lich die Soldaten dieses ljebten).

24

Erfindung der Buchdruckerkunst.

Veröde allerlei Arten von Bildern aus der tzeil. Schrift in tzolz 1300 zu schneiden, und dabei zugleich Unterschriften anzu1455 bringen, welche die Bedeutung derselben erklärten x). Solche Blatter mit gedruckten Unterschriften, der­ gleichen man auch in Form von Büchern bekannt machte, scheinen die Veranlassung zur Erfindung der Buchdruk, kerkunst gewesen zu seyn «)♦' Sie war eigentlich das Resultat zweier besondern Erfindungen: der beweglichen Lettern, und der Kunst, diese zu gießen. Die erste gehört demJohann Gutenberg, einem Edelmanns in Mainz, der im I. 1436 zu Straß­ burg seine ersten Versuche mit beweglichen Typen anstcllte; die andre, welche man gemeinlich Peter Schöffer'n von Gernsheim zuschreibt, wurde um 1452 zu Mainz gemacht. 1) Eins von den ältesten Blattern dieser Art hat man in der Bibliothek der Karthauser zu Buchsheim, bei Mem­ mingen, entdeckt. Es zeigt das Bild des Heil. Christoph, nach Art der Kartenmacher illuminirt, mit einer In­ schrift und der Jahrzahl 1423. (Einen Nachschnitt da­ von findet man in von Murr Journal u. s. w. B. n, S. 104.) Nach den Bemerkungen des Herrn Delandire (Journal encyclopedique vom Jahre 1783 tom. II, part. I. p. 124), hat man in der Bibliothek der Akademie zu Lyon einen Holzschnitt, von dem man annehmen kann, daß er um 39 Jahre alter sey, als der durch Herrn von Murr bekannt gemachte. Er stellt einen Greis, Nahmens Schoting, von Nürnberg, vor, und hat die sehr deutlich in Holz geschnittene Jahrzahl 1384. Ist aber dieses Datum nun gerade das Jahr, in welchem der Holzschnitt gemacht wurde? 2) Der Ursprung der Buchdruckerkunst hat, wie die Ge­ schichte der meisten Erfindungen, eine Menge von schwer zu hebenden Zweifeln. M. s. Analyse des opinions di­ verses sur l’origine de Pimprimerie, par Daunou, Mit­ glied des National - Instituts. Wir werden hier d i e Meinung vortragen, welche wir für die wahrschein­ lichste halten.

Erfindung der Buchdruckerkunst.

25

Gutenberg wohnte von 1424 bis 1445 in Straß­ burg '). Er war ein adeliger Rathsherr2) dieser Stadt, heirathete daselbst ein adeligK Fräulein 3), und beschäf­ tigte sich, während seines zwanzigjährigen Aufenthaltes in Straßburg mit allerlei geheimen Künsten, besonders mit der Buchdruckerkunst. Vorzüglich in Beziehung auf die letztere, trat er in Societät mit einigen wohlha­ benden Bürgern der Stadt; und als einer von diesen, Nahmens Andreas Drizehn, gestorben war, erreg­ ten dessen Erben einen Prozeß gegen Gutenberg, an den sie Forderungen machten. Der Magistrat verord­ nete eine gerichtliche Untersuchung, deren i. 1.1439 ge­ schriebenes Original, welches der verstorbene Schöpflin 1745 in dem Archive der Stadt entdeckte*), jetzt in der Universitäts-Bibliothek zu Straßburg auf­ bewahrt wird. Aus diesem unverwerflichen Dokument erhellet, daß in Straßburg seit dem 1.1436 eine Presse, unter Gutenbergs Direktion, und in dem Hause seineHandelsgenossen Andreas Drizehn $), vorhanden war; daß diese zum Drucken dienende Presse Formen enthielt, die durch Schraube» geschlossen wurden, und daß die 1) Im I. 1424 wohnte Gutenberg schon seit einiger Zeit in Straßburg. Dies sieht man aus einem neuerlich ent­ deckten Briefe, den er in eben diesem Jahre an seine Schwester in Mainz geschrieben hat. Oberlin, essai d'annales de la vie de Jean Gutenberg, p. 3.

2) Constofler. 3) Sie hieß: En nelin zu der iseren Thüre. 4) Diese Entdeckung bewog Hrn. Schöpflin, im Jahre 1760 seine Vindiciae typographicae herauszugeben. 5) Dieses Haus, welches damals zumThiergarten hieß, war eins von de» Gebäuden des ehemalige» Gymna­ siums zu Straßburg.

eriob V. 1300 biS 1453

26

Erfindung der Buchdruckerkunst.

Periode gravirten oder geschnittenen Lettern, welche diese Formen

1300 1455

enthielten, beweglich waren *)♦ AlS Gutenberg im I. 1445 nach Mainz zurückgegangen war, setzte er seine typographischen Arbeiten

fort, und errichtete daselbst im I. 1450 mit Johann Fast, Bürger von Mainz, eine neue Societät zur Be­ treibung seiner Kunst. Diese zweite Societät bestand nur fünf Jahre; und in diesen Zeitraum glaubt man die Erfindung der gegossenen Lettern, der Stempel und Matricen, setzen zu können, durch welche die Buchdrukkerkunst erst zu ihrer Vollkommenheit gelangt ist *)♦ Streitigkeiten, welche zwischen den neuen Handels­ gesellschaftern entstanden, waren Schuld daran,, daß sie 1) Gutenberg, der seine Kunst noch geheim hielt, schickte nach dem Tode des Andreas Drizehn mehrere Personen in die Wohnung des Verstorbenen, und trug ihnen auf, die Presse vermittelst der Schrauben zu öffnen und „die Stücke zu zerlegen," damit man nicht sehen könnte, worauf es ankame. Man findet sehr weitläuftige Auszüge aus diesen Prozeß, Akten in dem so eben citinen Buche: Vindiciae typographicae. Herr Fournier in Paris, der das Deutsche Wort „zerlegen" unrichtig durch separer übersetzt hat, da er anstatt desselben decomposer hatte gebrauchen sollen, sah in Gutenbergs Versuchen weiter nichts, als in Holz geschnittene Tafeln. M. s. seine Observations sur Pouvrage de Mr. Schöpflin, die im Jahre 1760 herausgekommen sind. Fournier ist von Baer, (lettre sur Porigine de Pimprimerie A Strasbourg, 1761) widerlegt worden. a) Schöpflin, in Vindiciae typographicae, setzt die Er­ findung der gegossenen Lettern in das I. 1452. Man schreibt die Ehre, sie erfunden zu haben, gemeiniglich Peter Schössern von Gernsheim zu, Fust'ens Ge­ sellen, nachmaligem Handelsgesellschafter und Schwie, gersohn. Indeß, dem zufolge, ryas der Abt Tritheim, ein Schriftsteller des fünfzehnten Jahrhunderts, in seinen Annal. Hirsaugiens., unter dem Jahre 1450, sagt, ist die Erfindung des Gießens eigentlich Gutenberg'en und Fust'en zu verdanken, und Schösser hat sie nur ver­ vollkommnet.

Erfindung der Buchdruckerkunst.

27

ihre Societät im I. 1455 aufhoben. Fust bewirkte eriode V. nun, daß ihm Gutenbergs Presse mit allem Buch- 1300 dis druckergeräth, worauf er 5)ypothek hatte, zuerkannt *453 wurde. Gutenberg setzte indeß eine neue Presse in

Stand, und fuhr bis zu seinem, im Jahre 1468 er­ folgten, Tode fort, zu brudfen*)♦ Kems von den Bü­ chern, die in Straßburg sowohl als in Mainz aus de« Pressen dieses berühmten Mannes gekommen sind, ist mit dem Nahmen deS Erfinders, und eben so wenig mit der Jahrzahl deS Druckes bezeichnet — entwe­ der weil Gutenberg mit seiner Erfindung geheim war, 1) In' der gerichtlichen Schenkung vom Zahre 1459, welche Johann Gutenberg, gemeinschaftlich mit seinem Bruder, dem Kloster St. Clara in Mainz gemacht hat, verpflich­ tet er sich förmlich, diesem Kloster für dessen Bibliothek, und zum Gebrauche der Nonnen, alle Bücher zu geben, die er schon gedruckt habe, oder in der Folge noch drucken werde. Diese Urkunde, welche augenscheinlich beweist, das Gutenberg schon lange vor 1459 Bücher ge­ druckt hat und ihrer auch noch in der Folge drucken wollte, hat Herr Fischer, Bibliothekar in Mainz, be­ kannt gemacht. M. s. Fischers Beschreibung einiger typographischen Seltenheiten, @.42. und Ebendesselben Essai sur les monumen$* typographiques de Jean Gutenberg, p. 46. Wenn es also unwidersprechlich ge­ wiß ist, daß Gutenberg vor und nach dem Jahre 1459 Bücher druckte, ohne jemals seinen Nahmen und die Jahrzahl auf den Titel oder an's Ende zu setzen; so würde man aus dem Verschweigen seines Nahmens ganz unrichtig schließen, es sey auf seiner Presse in Straß­ burg von 1436 (wo sie schon im Gange war) bis 1445, nichts mit beweglichen Lettern gedruckt worden, und wirkliche typographische Werke wären erst in Mainz erschienen, wie das noch ganz neuerlich Herr de la Serna Santander, in seinem Dictionnaire bibliographigue choisi, t. i, p. 103, behauptet hat. Die Pressen, und die übrigen Huchdruckerei-Gerathschaften, welche Gutenberg bei seinem Tode hinterließ, kamen durch Kauf an D. Conrad Humery. M.- s. den Brief dieses Dok­ tors in Köhlers Ehrenrettung Johayy Gutenbergs, Leipzig, 1741.

28

Period e V. 1Z00 bis *453

Aupferstecherkunst.

oder weil das Vorurtheil der Caste, zu welcher er ge? hörte, ihn adhielt, sich ihrer zu rühmen *)♦ Fust, im Gegentheil, war kaum Herr von Gutenbergs Pressen^ als er aus Ehrsucht schon seinen und Peter SchbfferS Nahmen prunkend an das Ende des berühmten Psalm­ buches setzte, welches er im 1.1457bekannt machte*). Die Künste, von denen bisher die Rede gewesen ist, veranlaßten wahrscheinlich auch die Erfindung der Kupferstecherkunst, von der man um die Mitte deS fünfzehnten Jahrhunderts sichre Spuren findet. Ge­ meiniglich wird die Ehre, diese Erfindung gemacht zu haben, einem Goldschmidt in Florenz, Nahmens Maso Finiguerra, zugeschrieben, der um daS I. 1460, als er Figuren in Silbergeschirr gravirte, darauf gekom­ men seyn sott3). Man hat indeß Ursache zu zweifeln, ob es gerade Finiguerra gewesen sey, dem die erste Idee von dieser Art zu graviren gehörte; denn man findet in verschiedenen Europäischen Sammlungen Ab1) Der Kurfürst Adolph nahm Gutenbergen im I. 1465 unter seine Hof-Edelleute auf. 2) Man liest zu Ende dieses Psalterium folgende Notiz:

Praesens Spalmorum Codex venus täte capitalium decoratus. rubricationibusque sufficienter distinctus, adinvencione artificiosa imprimendi ac caract erizandi, absque calami ulla exaratione9 sic effigiatus et ad eusebiam Dei Industrie est consummatus, per Johannetn Fust, eivem jVLoguntinum et Petrum Schösser de Gernszheim. Anno domini millesimo CCCC. LVII. in vigilia assuinptionü.— Cfyne sich hier bestimmt für den Erfinder der Buchdruckerkunst auszugeben, was er nicht gewagt haben könnte, scheint Fust doch auf sich rathen lassen zu wollen. Es wäre Gutenbergen leicht gewesen, ihn Lügen zu strafen, wenn nicht wichtige Rücksichten, als das Bor­ urtheil seiner Caste und der kapitulfahigen Familie, zu der er gehörte, ihn davon abgshalten hatten. 3) Vasari, vitte de* pittori, t. IV, p. 264.

Erfindung des Schießpulver».

29

drücke von Kupferstichen '), die älter sind, als die Zeit, benote

in welche Finiguerra gesetzt wird» Gehört die Ehre dieser Erfindung wirklich den Jtaliänern,

so bleibt- e'S doch immer gewiß,

daß die

Kupferstecherkunst in Deutschland sogleich nach ihrem

Entstehen fieißig getrieben und vervollkommnet wurde.

Die ersten Kupferstecher dieses Landes, die sich im fünfzehnten Jahrhundert durch ihre Nahmen und Chiffer«

bekannt gemacht haben, sind die beiden Israel von Mecheln, Vater und Sohn, welche zu Bockholt in

Westphalen wohnte»,

Martin Schön, Mahler und

Kupferstecher, der zu Colmar im Elsas arbeitete, wo

er im I. 1436 starb, und Michael Wolgemuth in Nürnberg, Lehrer des berühmten Albrecht Dürer,

der sich zu Ende deS fünfzehnte», und zu Anfänge des

sechzehnten Jahrhunderts berühmt machte. Nächst der Erfindung der Buchdruckerkunst, ver­

dient keine unsre Aufmerksamkeit so stark,

wie die Er­

findung des Schießpulvers, die, ob sie gleich die Kriege

weniger grausam und mörderisch machte, den Europäern

doch Ueberlegenheit in der Kriegeskunst, in der Art Fe­ stungen anzugreifen und zu vertheidigen, zugesichert, und überdies den Einbrüchen der Barbaren,

die Europa

mehr als Einmal zu seinem Unglück kennen

gelernt

hatte, einen undurchdringlichen Damm entgegen setzte. Diese Erfindung umfaßt mehrere,

welche man wohl

von einander unterscheiden muß: 1) Herr von Murr führt elf Blätter einer Passion (Lei­ densgeschichte) vom 1.1440 an, welche in dem Verzeich­ nisse von der Kupferstichsammlung Paul Behaim's des Jüngern vorkommen. Blätter, die in der K. Samm, lung zu Dresden aufbewahrt werden, haben die Jahrzahl 1466. Ein andres Blatt, von 1467, mit der Chiffer E. 8., befindet sich auf der öffentlichen Bibliothek in Straßburg.

13°» 14'53

30

Periode

1300 1453

Erfindung des Schießpulvers.

i. Die Entdeckung des Salpeters, dieses Haupt-

bestandtheils vom Pulver, und seiner Verpuffung; 2. Die Vermischung des Salpeters mit Schwefel

und Kohlenstaub, woraus die Erfindung des Schießpul­ vers eigentlich entstand;

3. Die Anwendung

des

Pulvers zu Lust - und

Schreckensfeuern;

4. Dessen Gebrauch als wirkende und bewegende

Kraft, um Steine, Kugeln und andere schwere, zum Theil auch brennende, Körper zu werfen.

5. Dessen Gebrauch, um Minen auffliegen zu las­ sen und Festungswerke zu sprengen.

Alle diese Entdeckungen und Erfindungen find zu verschiedenen Zeiten gemacht worden.

Die Kenntniß des

Salpeters, und seiner, das Verpuffen genannten, Ei­

genschaft, geht in ein hohes Alterthum hinauf.

Wahr­

scheinlich haben wir sie aus dem Orient, auS Indien

und China, erhalten, wo sich der Salpeter, ganz von der Natur zubereitet, findet a). Eben so wahrscheinlich ist eS, daß die Orientalischen Völker schon vor den Eu­

ropäern die Composition deS Schießpulvers gekannt3), und daß die Araber den Gebrauch desselben auS dem

Orient nach Europa gebracht haben.

Roger Bacon,

ein berühmter Englischer Franciskaner im dreizehnten

Jahrhundert, kannte daS Pulver und dessen Gebrauch 1) Die allen Griechen und Römer haben den Salpeter und besten Wirkungen nicht gekannt. Ihr natron, nitron oder nitrum, war nur eine einfache salinische Substanz, wie das Mineral- oder Vegetal-Alkali. M. s. eine Ab­ handlung des Hrn. von Hagen, in demHamburgischen Magazin, B. XXV, S. 115. 2) Savary, Dictionnaire de commerce, art. salpStre.

3) Tableau des revolutions de TEurope dans le moyen fige, t. II, p. 349 et suiv.

Erfindung de» Schießpulver».

31

zu Lustfeuern '); und aller Wahrscheinlichkeit nach hat er diese Kenntniß aus Schriftstellern der Araber geschöpft, welche sich damals in den chemischen Wissenschaften vor

allen andern auszeichneten. Die Anwendung des Schieß­ pulver- in Europa, als Mittel Kugeln und Steine fort zu schleudern, muß in den Anfang des vierzehnten Jahr­ hunderts gesetzt werden; und wieder machen die Araber, in ihren Kriegen gegen die Spanier, zuerst Gebrauch davon a> Aus Spanien kam das Schießpulver nach Frankreich J), von wo es sich dann in die andern Eu­ ropäischen Staaten verbreitete *)♦ 1) Mangeti, bibliotheca chimica, 1.1, p. 620» Freind, hist, medicinae, p. 357. Paschius, de noVis inventis, cap. VII,

§- 57.

Roger Baeon starb um 1294.

2) Casiri , in seiner bibliotheca arabico-hispana, t. I, p. 7 et 8, citirt einen Arabischen Schriftsteller, Nahmens Abu Abdalla Ebn Alkhatib, der sich in seiner Geschichte von Spanien, bei dem Jahre 1512, in folgenden Worten aus­ drückt : Ille (der König von Granada) castra movens multo milite hostium urbem Baza obsedit, ubi machinam illam maxitnam, naphtha et globo instructam, admoto jgne, in munitam arcem cum strepitu explösit. Noch zwei andre Stellen, die eben der Casiri aus der Chro, nik König Alphons IX anführi, taffen keinen Zweifel übrig, daß die Mauren in den Jahren 1342 und 1344 schon Kanonen gebraucht haben»

3) Der erste unwiderlegbare Beweis von dem Gebrauche des Schießpulvers und der Kanonen in Frankreich, ist vom Jahre 1345. Er findet sich in der Histoire ge'nerale du Languedoc, t. IV. Preuves, p. 201., und ist eine Quittung, die ein Artillerist des Königs für gelieferte Waffen dem Domänen-Schatzamte der Landvogtei (Senechaussee) von Toulouse ausgestellt hat. Es ist darin die Rede von eisernen Kanonen, wie auch von Pulver und Blei, zur Bedienung dieses Geschützes. 4) Tableau des revolutions du moyen äge, t. II, p. 35g et s. Petrarca* in dem Werke de remedüs utriusque fortunae,

1300 4ö3

32

Erfindung des Schießpulvers.

Perlod Von dem Gebrauche des Pulver- zu Minen und V. 1300 zum Sprengen von Festungswerken findet man keine Spur b,i.< *453 vor dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts *); denn

die Einführung der Bomben und Mörser scheint früher geschehen zu seyn. Die Erfindung derselben in Europa schreibt man SigiSmondo Pandolfo Malatesta, Fürsten von Rimini zu, der im 1.1467 gestorben ist; in Frank­ reich aber bediente man fich ihrer nicht eher, als seit der Regierung Ludwigs XIII 3). Die Musketen und Flinten fing man schon vor der ersten Halste deS fünf­ zehnten Jahrhunderts an, bei den Kriegesheeren einzu­ führen 3). Sie waren Anfang- ohne Schlösser, bis zum

3» 1517, welches er in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahr, hunderts qefchrieben hat, drückt' sich (dlalog. 99, lib. 1.) über die Kanonen ‘in folgenden Worten aus: „Habeo

machinas et balistas innumeras. R. Mirum liisi et gl ari­ des aeneas, quae, flammis injectis, horrisono sonitu jaciuntur. Non erat salis de coelo tonantis ira Dei immortalis, homuncio nisi (o crudelitas juncta superbiae •) de terra etiam tonuisset. Non imitabile fulmen, ut Ma­ ro ait, humana rabies imitata est, et quod e nubibus mitti solet, ligneo quidem, sed tartareo emittitur instrumento Erat haec pestis nuper rara, ut cum ingenti miraculo cerneretur; nunc, ut rerum pessimarum dociles sunt animi, ita communis est ut unum quodlibet genus armorum.” 1) Die Genueser brauchten die Minen, wie man glaubt, zum ersten Mal im I. 1487, gegen die Florentiner, bei der Belagerung von Serancffa; und die Spanier gegen die Franzosen, im 1.150z, bei der Belagerung des Schlos­ ses Oeuf. Dictiounaire encycloped., art. mine* Robins,

nouveaux principes d’arüllerie, p. 2. 2) Memoires de Pacademie des beiles - lettres, t. XXVII, p. 209. 3) Kaiser Sigismund nahm im I. 1452 eine Leibwache von fünfhundert Mann, die mit Musketen oder Flinten be-

I. 1517, wo die ersten Flinten oder Pistolen mit Schlössern in Nürnberg verfertiget wurden *). 130a Die Verbreitung des Feuergewehrs und des neuen Geschützes wurde durch mehrere Umstande verzögert. Ge­ wohnheit machte, daß man die alten Krieges- Maschi­ nen vorzvg; die Kanonen waren in Betreff ihrer Construktion noch unvollkommen-), das Pulver schlecht^); auch betrachtete man das neue Geschütz allgemein als der Menschlichkeit nicht angemessen 4), und als recht dazu gemacht, die kriegerische Tapferkeit zu vernichten. Die Ritter besonders, deren ganze Geschicklichkeit durch das Feuergewehr unnütz gemacht wurde, widersetzten stch der Einführung desselben aus allen Kräften. AuS dem hier so eben Gesagten erhellet, daß die gemeine Sage, welche die Erfindung des Schießpulvereinem gewissen Berthold Schwarz zuschreibt, kei­ nen Glauben verdient. Diese Tradition gründet sich nur auf Hörensagen, und man stimmt weder in dem Nah­ men, noch über den Geburtsort und den Stand des anwaffnet waren, mit sich nach Italien, nahmentlich nach Toskana. Muratori scriptor. rerum italicarum, t. XX» p. 41. — Gobelinus , in seinen Commentariis Pii II Pontificis, 1. IV, p. 104, macht von den Flinten, die man bei der Belagerung von Sarno im I. 1459 ge­ braucht hat, eine Beschreibung, aus der man sieht, daß sie ohne Schlösser waren. 1) Wagenseil de civitate Noribergensi, p. 150. Murr, Beschreibung von Nürnberg, S. 730.

2) Die ersten Kanonen waren von Hotz, Eisen oder Blei. Noch Gustav Adolph bediente sich lederner. 3) Die damaligen Kanonen hatten ein Pulver, das an Explosions-Kraft dem jetzigen nur nahe gekommen wäre, nicht ausgehalten. Robins nouveaux principes d'artillerie, p. 20. 4) M. s. oben S. 31, die Stelle von Petrarca^

Kochs Revolutionen II.

[3]

Erfindung des Eompaffes.

34

Periode geblichen Erfinders mit einander überein,

und eben sp

1300

wenig über- den Ort und die Zeit, worin er seine Ent-

1453

deckung gemacht haben soll *).

Der C omp aß endlich, welcher für die SchifffahrtS-

kunst so wichtig ist, war auch eine Erfindung der hier von unS geschilderten barbarischen Jahrhunderte.

Die

Alten kannten an dem Magnet die Eigenschaft, daß

er das Eisen an sich zieht; aber daß er den einen Pol nach Norden wendet und

dem Eisen oder Stahl seine

eigne Kraft mittheilt, wußte feind von allen den Völ­

kern deS Alterthums , welche sich durch Seefahrt und

Handel ausgezeichnet haben 2). Man schreibt diese Entdeckung gemeiniglich einem Bürger von Amalfi, Nahmens Flavio Gioja, zu, der

zu Anfänge, des vierzehnten Jahrhundert-, um da- Jahr 1302 oder 1320, gelebt haben soll.

So alt diese Tra­

dition auch seyn mag, so kann sie doch nicht al- wahr

angenommen werden, da man unbestreitbare Beweise hat, daß die Polarität des Magnet- und der Magnet­ nadel

schon vor diesek Zeit in Europa bekannt war,

und daß

die

Proven^alischen Schiffer

schon zu An­

fänge des dreizehnten Jahrhunderts, bei ihren Seefahr­

ten von dem Compaß Gebrauch machten 4). 1) Gram (Abhandlung von der Erfindung de» Pulvers und von Dessen Alterthum in Dänemark; in den ältern Schriften der Akademie zu Kopenhagen, B. I der Deut­ schen Nebers.) hat diesen Punkt kritisch untersucht. Bert­ hold Schwarz könnte höchstens einer der ersten gewe­ sen seyn» der in Deutschland Schießpulver gemacht hätte; und überdies müßte er lange vor dem I. 1580 gelebt haben» in welches man seine angebliche Erfindung ge­ wöhnlich setzt. L) Äti s. Gilbertus de magnete, lib. I, cap. 1; und Cabei philosophia magnetica» 1. I, cap. 6.

2) Hucuss

db

Bercy, ein Proven;alischer Dichter, der zu

Erfindung des Compaffes.

35

Man muß indeß gestehen, daß Niemand den ersten Urheber dieser schätzbaren Entdeckung anzugeben Anfänge des dreizehnten Jahrhunderts lebte, redet da­ von sehr bestimmt in seinem Gedichte: Bible Guyot, aus welchem man in dem Journal des savans, octobre 1782, p. 669, Auszüge findet. Die Stelle ist (in einer, den al­ ten Ton nachahmenden, treuen Uebersetzung) folgende: Vom Vater Papste, unserm Herrn, Ich wollt', er wäre gleich dem Stern, Der sich nicht wend't. Gar wohl ihn schaun Die Schiffer, so dem Meer vertraun. Nach diesem Stern sie fürbaß gehn Und halten ihren Weg gar schön. Der Kynosur er wird genannt, Und seine Hüls' hat viel Bestand. Die andern all' stnd wandelbar, Wechseln die Statte immerdar; Doch dieser Stern nicht sinkt, noch steigt. Sie*) ha'n ein' Kunst, so nimmer treugt — (Thut solches der Magnetenstein, So schwärzlich, nicht absunders fein. Und so das Eisen ziehet an) — Wofern den Weg verfehlt sie ha'N. Man streichet eine Nadel draus, Und legt sie einem Hölzlein auf. Nun wird in Wasser sie gethan; Macht Hölzlein, daß sie schwimmen kann. Dann wendet sich die Spitze gar Dem Sterne zu, und das ist wahr, Nicht jemand daran zweifeln kannNoch weichen von der rechten Bahn. So es nun finster auf dem Meer, Und scheint nicht Mond, nicht Sternlein r Heer, Dann zünden eine Leucht' sie an, Und fürder man nicht irren kann; Die Nadel weis't die rechte Bahm

*) Die Seefahrer.

Man sieht aus dieser Beschreibung, daß die Erfindung des Compaffes damals noch in ihrer Kindheit war. Der Verfasser redet von einer mit dem Magnet bestrichenen Nadel, die im Waffer auf irgend einem Splitter, z. B. von Kork, liege, der sie schwimmen) erhalte; diese Nadel drehe sich immer, bis sie endlich, in der Richtung nach Norden hin, still stehe, und den Seefahrern in dunkeln

eriode V. 1300 bis 1453

Z6

Fortschritte de« Handels in Italien.

Periode weiß, und eben so wenig die wahre Zeit, zu welcher, 1300 sie gemacht worden ist. Zuverlässig scheint es indeß 4*53 Zu seyn, daß man den Compaß nur nach und nach be­ richtigt hat, und daß die Engländer an diesen Correktivnen großen Antheil gehabt haben *), Der Polarität deS Magnets und der Magnetnadel find die erstaunlichen Fortschritte zu verdanken, welche die Schifffahrt und der Handel der Europäer zu Ende deS fünfzehnten Jahrhunderts und in der Folge gemacht haben. Schon zu der Zeit, von welcher hier die Rede ist, waren fie sehr beträchtlich; obgleich die Schifffahrt fich nur noch auf das mittelländische Meer, dir Ostsee, und die Küsten deS atlantischen Oceans beschränkte. Die Italiänischen Republiken, der hanseatische Bund und die Städte in den Niederlanden trieben damals in Europa den vorzüglichsten Handel. Die Venetianer, die Genueser und die Florentiner herrschten in den Le-

Rächten, bei einem Lichte, da« fie anzünde», ihren Weg zeige. Auch Jakob von Vitry, Bischof von Ptolemai«, zu Anfänge de« dreizehnten Jahrhundert«, erwähnt de« Kompasse« und seine« Gebrauche« in der Schifffahrt. M. s. deffen Histoiia orientalis, 1.1, cap. gg; ferner eine Stelle von Brunst Latin, einem Schriftsteller desselben Jahrhunderts, in Sbnbbier, catalogue des manuscrits de la bibliotheque de Geneve, p. 400 et suiv; und Mcmoires de l'academie des beiles - lettres, t. VIT, p. 298 et suiv.

3) Gilbert, de magnete, 1. I, 4 et 5. Da« im Deutschen gewöhnliche Wort C 0 m p a ß, oder See- Compaß, ist wahr­ scheinlich au« dem Englischen entlehnt, wo Compass Kreis, Umfang (dasselbe Wort im Französischen ein Zir­ kel) bedeutet. Da« Französische boussole scheint eine Korruption des Englischen Worte« boxel zu seyn, welches die kleine Büchse bedeutet, in welche die Magnetnadel eingeschloffen ist. Fluche spectade de la nature, -1. IV, p, 4-4-

D i e

Hanse -Städle.I

37

vantischen Meeren; besonders hatten die Genueser bieverübt

Herrschaft über den PontuS Euxinus '), während die

1300

Venetianer Ansprüche auf Alleinhandel mit dem Orient 1455 und mit Indien machten, den sie über die Seehäfen in Aegypten und Syrien trieben. Eifersucht entzweiete beide Republiken, und riß sie zu langen, blutigen Krie­ gen hin; und diese endigten sich zum Vortheil der Ve­ netianer, die sich in ihrer Herrschaft über das mittel­ ländische Meer gegen die Genueser zu behaupten wuß­ ten. Die Seiden-Manufakturen, welche aus Griechen­ land nach Sicilie» und von da nach andern Theilen von Italien gekommen waren, setzten sich endlich be­ sonders in Venedig fest; und diese Stadt brachte eS dahin, daß sie den besten Theil von Europa mit Seidenwaaren, so wie mit Indischen und Arabischen Pro­ dukten, versah. Italiänische Handelsleute, welche man gemeiniglich Lombarden nannte, verbreiteten eben diese Waaren' in den verschiedenen Europäischen Staaten.

Durch die ^Vorrechte und Freiheiten, welche die Suveräne ihnen bewilligten, kam bald der ganze Handel in ihre Hände, und nibt ihm alles geprägte Geld der Länder, worin sie sich wohnhaft niederliessen. Wahr­ scheinlich brachten diese Lombarde» auch die Wechsel in Umlauf, von denen man schon um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts Spuren findet *). Der hanseatische Vu»d> welcher im dreizehnten 1) M. s. oben B. I, B. I, S. 194. st) Papst Jnnocenz IV legte im Jahre 1246 fünf und zwan­ zig tausend Mark Silber in der Bank von Venedig nie­ der, die durch Regocianten in Frankfurt an den Gegen­ kaiser Heinrich, genannt Raspo, bezahlt werden sollten. Rothe chronicon Thuring., unter dem I. 1246, in der Sammlung de« Menckenius, 1.11. Eduard l, König

38

D t e

Hanse-Städte.

veröde Jahrhundert geschlossen wurde, den Handel gegen die izoo

Seeräuber in her Ostsee zu beschützen,

1453

Jahr 1370 in seinem blühendsten Zustande.

war um das Es gehör­

ten damals vier und sechzig Städte *) zu diesem Bun­

welche man in vier sogenannte Quartiere ge­

de,

theilt hatte.

DaS erste von diesen Quartieren, daS

Wendische, hatte zum Hauptorte die Stadt Lübeck,

und enthielt alle zu dem Bunde gehörige Städte, welche an der Küste des Baltischen Meeres, von Hamburg an

bis zu der äußersten Gränze pon Pommern, lagen.

DaS zweite oder Rheinische Quartier, enthielt die Städte am Rhein, unter denen Cölln die vornehmste war.

Das dritte, oder Sächsische, umfaßte meh­ Städte in Sachse» und Westphalen,

rere

und der

Hauptort desselben «ar Braunschweig. DaS vierte endlich, welches man das Preussische Quartier nennen

kann, begriff die Städte in Preussen und Lithauen in sich, an deren Spitze Danzig stand.

Die allgemei­

nen Versammlungen des Bundes wurden alle drei Jahr in Lübeck gehalten; jedes einzelne Quartier hatte aber jährlich eine besondere Zusammenkunft in seiner Haupt­

stadt.

Die Vergrößerung und die Macht ihres Bun­

des gab den Hanse - Städten Muth,

auf Alleinhandel

im Baltischen Meere Ansprüche zu machen: sie rüste­ ten große und mächtige Flotten aus, und bekriegten die nordischen Suveräne, so oft diese auf den Gedanvon England, gab im I. 1307 dem päpstlichen Nuntius Erlaubniß, durch Banquiers auf Wechfelbricfe bas Geld zu beziehen, welches der Römische Hof aus England zu erheben hatte. Rymer, act. angl,, t, I, p. 4, p. 69. 1) Außer den vier und sechzig Städten, aus denen der Bund eigentlich bestand, gab es noch mehrere andre, welche, ohne eben derselben Vorrechte, wie die ersteren, zu genießen, als Bundesverwandten angesehen wurden. Werdbnhacen de rebus publicishanseat., part. IV, Cap. 16.

Beschaffenheit ihres Handels.

39

ken kamen, ihre Vorrechte und Freiheiten zu verletzen.Pe^»»e Der Großmeister deS Deutschen Ordens war gleichsam 1300 Oberhaupt und Beschützer des Bundes, und pflog bf- 1453 terS im Nahmen der ganzen Hanse (d. i. Bundes) Unterhandlungen mit fremden Mächten. Die nordischen Produkte, als Hanf, Flachs, Bau­ holz, Getreide, Leder, Pelzwerk, Kupfer u. s. w., mach­ ten die Grundlage von dem Handel der Hanse - Städte aus. Sie vertauschten diese Artikel in den westlichen Theilen von Europa gegen Früchte, Weine, Seidenund Material-Waaren, die sie im Norden wieder ab­ setzten. Ihre tzauptcomptore und Magazine waren in Brügge für Flandern, in London für England, in Now­ gorod für Rußland, und in Bergen für Norwegen. Die Waaren aus Italien und dem Orient wurden ihnen nach Flandern gebracht, und zwar auf Fahrzeugen der Venetianer und Genueser, welche damals den beträchtlich­ sten Handel mit der Levante und im mittelländische» Meere trieben. So ausgebreitet dieser Verkehr der Hanse- Städte auch seyn mochte, so war er doch nicht solide und von Dauer. Da sie selbst keine Manufakturen und keine er­ sten Stoffe hatten, sondern bloß auf den Handel mit fremden Produkten ringe,aränkt waren: so mußte die Industrie der andern Nationen, derer besonders, welche Künste trieben, ihren Handel mit der Zeit untergraben und demselben eine andre Richtung geben. Oftmals erneuerte Kriege mit den nordischen Kö- ■ niger», erschöpften die Finanzen des Bunde-, und be­ wogen eine Stadt nach der andern, sich davon zurückzuziehen. Die Engländer ünh hie Hollander benutzten diese Umstände, ihre Schiffe in daö Baltische Meer zu

40 P« Hob V. 1300 dis >455

Städte in den Niederlanden.

schicken und sich unvermerkt den besten Theil deö han­

seatischen Handels zuzueignen *).

Die Städte in Italien und Norddeutschland waren

im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert nicht die einzigen, welche den Handel cultivirten.

Gent, Brügge,

Antwerpen und andere Städte in den Niederlanden be­

lebten den Handel durch ihre Manufakturen von Tü­ chern, Baumwollenwaaren, Camelotten und Tapeten, wo­

mit sie einen großen Theil von Europa versorgten. Die

Engländer lieferten den Belgiern ihre rohe Wolle, welche

die letzteren gegen ihre Manufaktur-Waaren eintausch­ ten, während die Jtaliäner ihnen Theils Seidenwaaren, Theils Levantische und Indische Produkte brachten.

Höchst überraschend ist die unermeßliche Volksmenge dieser Städte, deren starker Zulauf und deren Reichthü­

mer ihre Suveräne zu dem Range der mächtigsten Für­

sten in Europa erhoben.

Die Stadt Brügge war gleich­

sam der Mittelpunkt und die Haupt-Niederlage für die

Waare« des Nordens und des Südens.

Eines solchen

StapelorteS bedurfte es zu einer Zeit, wo die Schiff­

fahrt noch in ihrer Kindheit war.

Flandern und Bra­

bant taugten hierzu um so besser, da sie eine sehr leichte Communication

mit

den

vornehmsten

Völkern

des

festen Landes hatten, und da ihre vielen Manufakturen,

so wie auch ihr reicher Fischfang, natürlicher Weise viele fremde Fahrzeuge zu ihnen hin zogen. Die Stadt Brügge behielt ihr Uebergewicht im

Niederländischen Handel, bis gegen- daS Ende des fünf­

zehnten Jahrhunderts, wo sie eS verlor, und Antwer­ pen es bekam a). 1) Wbrdf.nhagen, 1. cit. Anderson, Fischer, Sar­ torius. 2) Die Empörungen der Einwohner von Brügge, und ande-

Die inneren Unruhen, von denen die Städte in 1 Flandern und Brabant erschüttert wurden; die Hindernisse, welche man ihrem Handel ohne Unterlaß in den Weg leg­ te, und die öfteren Kriege, welche die Niederlande verheer­ ten, bewogen im vierzehnten Jahrhundert, und seit der Regierung Eduards III, allmählich eine große Anzahl Flämischer Fabrikanten, sich nach England zu flüchten und dort unter dem unmittelbaren Schutze der Krone, Tuch-Manufakturen anzulegen. Ein Umstand trug vorzüglich dazu bei, den Han­ del der Holländer in Aufnahme zu bringen; nehm­ lich eine neue Art, die Heringe einzusalzen und zu Pak­ ten, welche ein gewisser Wilhelm Beukelszoon (spr. Bbkelssohn), auö Biervliet bei SluyS gebürtig, zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts erfand *). Der neue Weg in den Texel, welchen das Meer um eben diese Zeit eröffnete, war ein sehr günstiges Ereigniß für Amsterdam. Diese Stadt bemächtigte sich seitdem deS vornehmsten Fischhandels, und ihr Hafen fing an, von den Schiffen der Hanse- Städte besucht zu werdens). rer Flamländer, unter der Regierung Maximilians von Oestreich, waren die erste Ursache, daß der Handel von Brügge in Verfall gerieth, und der von Antwerpen em­ por kam. Die letztere Stadt blieb der Haupt-Stapel­ ort des Niederländischen Handels, bis zu der Zeit, da der Herzog von Parma ste (1585) einnahm. Nunmehr verliessen alle große» Kaufleute Antwerpen, und zogen nach Amsterdam, dessen Wohlstand und ausgezeichneter Glanz von diesem Ereigniß anhcbt. 1) Man setzt diese Erfindung in das Jahr 1400. Ander­ sons Geschichte des Handels, Deutsche Ueberseyung, B. U, S. 356, 33s, 426, 555.

s) Memoires de Jean de Witt, pari. I, c. 8«,

eriode V. 1300

dis 1455

42

Deulschland: neue Hauser auf vem Thron.

Die Kaiserkrone von Deutschland, welches noch

Periode 1300

immer ein Wahlreich blieb, wurde im Jahre 1308 Für-

1453

fielt aus dem Hause

Luxemburg

sie auch behielten, bis im

Jahre

übertragen, 1438

das

die

HauS

Habsburg-Oestreich zu der kaiserlichen Würde ge­

langte.

Unter diesen beiden Dynastieen fing die bis

dahin ungewisse und wankende Regierung an, eine kon­

stitutionelle Form zu gewinuen und fich durch neue Ge­ setze zu befestige«.

Das, welches auf dem Reichstage zu Frankfurt im Jahre 1338 abgefaßt wurde, sicherte die Unabhängig­

keit deS Deutschen Reiches von den Päpsten.

Schon

vorher war zu Reuse (oder ReeS) ein sogenannter Kurfürsten-Verein

geschlossen worden.

Die goldne

Bulle, welche Kaiser Karl IV auf dem Reichstage zu

Nürnberg und dem Kurfürstentage zu Metz im 3«1356 abfassen ließ, bestimmte die Ordnung und die Form bei

der Wahl der Kaiser, und das Ceremoniel Krönung.

bei ihrer

Ihr zufolge, sollte diese Wahl durch die

Stimmenmehrheit der sieben Kurfürsten geschehen, und

auch die Stimme

des Kurfürsten,

auf welchen die

Wahl gefallen wäre, mitgerechnet werden.

Um eine

getheilte Wahl zu verhüten, dergleichen mehr als Ein­

mal

daS Deutsche Reich beunruhigt und Bürgerkriege

verursacht

hatte,

legte die

goldne Bulle daS Wahl,

recht unwiderruflich den Fürsten der Länder bei, welche

seitdem Kurfürstenthümer genannt wurden; sie ver­ bot die Theilung dieser Fürstenthümer, und führte, in

Betreff derselben, daS Recht der Erstgeburt und die Erbfolge auch in der Agnaten-Linie (den sogenannten

Schwertmagen) ein. Endlich bestimmte die goldene Bulle i ganz besonders die Rechte und Prärogative der Kurfürsten,

Pragmatische Sanktion, und Concordate.

43

und bestätigte zweien, dem von der Pfalz und dem von Sachsen, das Reichsvicariat, oder die Regierung deö Rei­

ches wahrend des Interregnums.

Die Bemühungen, welche daS Concilium zu Basel auf die Kirchenverbesserung wendete, erregten die Auf­

merksamkeit der Reichsstande.

Auf dem Reichstage,

welcher im I. 1439 Z» Mainz gehalten wurde, nahmen sie mehrere von den Dekreten dieses Conciliums an, und zwar durch eine feierliche Urkunde, welche in Ge­

genwart von

Gesandten des

nige von Frankreich,

tugal, abgefaßt wurde.

Conciliums,

der Kö­

Castilien, Arragonien und Por­

Unter den damals angenom­

menen und seitdem nicht wieder aufgehobenen Dekreten

bemerkt man die, welche i) festsetzten, daß die Kirchen­ versammlung über dem Papste sey; 2) die Appellation

omisso medio (ohne Iwischenrichter) verboten, und den

Papst verpflichteten, die an seinen tzof gegangenen Ap­ pellationen durch Commissarien, die an £)rt und Stelle ernannt waren, schlichten zu lassen *).

Zwei Concor­

date, welche in den Jahre» 1447 und 1443 zu Rom und zu Wien zwischen dem Römischen tzofe und der

Deutschen Nation geschlossen wurde», bestätigten diese

Anordnungen; man gab indeß durch daS letztere von diesen Concordate» dem Papste mehrere Reservationen zurück, welche ihm die pragmatische Sanktion entzogen

hatte, und eben so daS Recht, die Prälaten zu confirmiren, die Annaten und die Wechselmonathe a). Da die Bande, welche die zahlreichen Stände deS Deutschen Staatskdrpers vereinigten, durch die Einfüh­

rung des erblichen Feudal-Systems erschlafft waren, 1) Kochii sanctio pragmatica Germanoium illustrata.

2) M. s. oben, B. I, S, 145.

eriode V. 1300 bis 1455

Zerstückelung de« Reiches Arelat.

44

Period e so entstand daraus die Folge,, daß die am weitsten V. 1300 von dem Mittelpunkt entfernten Staude stch allmah» dis 1453 lich unabhängig machten, oder durch benachbarte Mach­ te unterjocht wurden.

So kamen mehrere Provinzen des alten Königrei­ ches Burgund oder Arelat nach und nach an Frank­

reich.

König Philipp der Schöne benutzte die Strei­

tigkeiten, welche zwischen dem Erzbischöfe und den Bür­ gern von Lyon entstanden waren, und nöthigte den Erz­

bischof Peter von Savoyen, ihm durch einen Traktat

vom I. 1312 die Lehnsherrschaft über die ebengenannte

Stadt und ihre Zubehörde zu überlassen *)•

Frankreich

erlangte auch -en Dauphine, und zwar durch eine Schen­

kung, welche der letzte Dauphin Humbert II

im Jahre

1349 zu Gunsten Karls, Enkels Philipps von Valois, und ersten Dauphins von Frankreich, mit seinen Staa­

ten machte 3 1).2

Auch Provence kam an diese Krone,

und zwar durch daS Testament Karls, letzten Grafen

von Provence, aus dem zweiten Hause Anjou, der im

Jahre 1431 starb 3).

Die Stadt Avignon wurde im

I. 1348 durch die Königin Johanna I von Neapel, Gräfin von Provence, dem Papste Clemens VI verkauft, der zugleich vom Kaiser Karl IV eine Urkunde erhielt, worin daS Reich auf die Oberlehnsherrschast über diese

1) Menetrier, histoire de la ville de Lyon, p. 450.

2) Valbonais, histoire du Dauphine, t. II, p. 595. Dieser Fürst leistete dem Kaiser Karl LV noch den HuldigungSr eid für den Dauphine, wie Albertus Argentinensis, un­ ter d. I. 1349/ k- 153 bezeugt. 3) Bouche, histoire de Provence, t. II, p. 434? Dumont, corps diplom., t. III, pari. II, p. Z2.

Ursprung der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

45

Stadt, so wie über daS sämmtliche Gebiet der Kirche, » 791. 2) Im Jahre 121g. 3) Orte/ oder Ortschaften.

Periode Men seiner Söhne zu machen, und erwarb sich darin 1300 nach und nach mehrere neue Domänen, die seine Staa1433 ten abründen konnten. Die Aebte von Murbach, Ein­ siedel, Jnterlachen und Disentis, ingleichen die Cano­ nici von Luzern, verkauften ihm ihre Rechte und Be­ sitzungen in Glaris, Luzern, Schwyz und Unterwalden. Nun wendete er seine Politik gegen die drei unmittel­ baren Cantone Uri, Schwyz und Unterwalden, und such­ te sie dahin zu bringen, daß sie die Oberherrschaft Oestreichs anerkennten, und sich dann die Bedrückun­ gen von Seiten der Landvdgte, die er im Nahmen deS Reiches über sie bestellt hatte, gefallen lassen sollten. Un­ ter diesen Umständen faßten drei muthige Männer, Werner von Stauffach aus dem Canton Schwyz, Walter Fürst aus Uri, und Arnold von Melchthal aus Unterwalden'), den Entschluß, ihr Land von dem Joche, unter dem es seufzte, zu befreien. Die Verschwörung, welche sie in dieser Absicht machten, brach am isten Januar 130g aus. Die Landvögte wur­ den von den Verschwornen in ihren Schlössern über­ fallen, aus dem Lande geschafft, und die Schlösser, oder Zwinger, geschleift» Die Abgeordneten der drei Cantone beschlossen nun in einer Versammlung [einen Bund auf 1) Man sieht gemeiniglich Wilhelm Tell als den ersten Urheber der Schweizerischen Freiheit an; einsichtsvolle Kritiker haben indeß die besondern Umstände, welche von ihm erzählt werden, als fabelhaft behandelt. M. s. Guillaume Tell, fable danoise, Berne, 1760. Diese Schrift, welche manHrm Freudenberger, Prediger inLigerts, zuschrcibt, erregte in der Schweiz großes Aufsehen. Hr. Balthasar von Luzern unternahm die Widerlegung derselben in einer kleinen Schrift, unter dem Titel: Defense de Guillaume Teil •.eben so Herr von Haller, Sohn des großen Haller, welcher folgende Schrift: Wilhelm Tell, eine Vorlesung, herausgab.

Bündniß von Brunnen.

zehn

Jahre,

Behauptung

zur

ihrer Privilegien,

ihrer

47

Freiheit

unbVeHott

wobei sie indeß dem Reiche, und

eben so den Fürsten,

weltlichen sowohl als geistlichen, ^455

alle Rechte liessen, auf welche dieselben Ansprüche hat­

ten.

So war denn diese Verbündung ursprünglich nur

gegen Oestreich gerichtet und hatte noch nicht den Zweck,

die Schweiz der Oberlehnsherrschaft des Deutschen Rei­ ches zu entziehen. 'Der Sieg, den die Verbündeten im 1.1315 bei dem

Berge Morgarten, an der Gränze deS CantonS Schwyz, über die Oestreicher erfochten, gab ihnen Muth, ihren Bund von Brunnen zu erneuern und ihn bleibend zn

machen *).

Da er durch einen Eid bekräftigt wurde, so

nannte man die Verbündeten: Eidgenossen.

Der

Bund von Brunnen wurde nachher die Grundlage von,

dem Föderativ- System der Schweizer, welches sich durch

den Zutritt mehrerer Cantone bald noch mehr verstärkte. Luzern warf das Joch der Habsburger ab,

und trat

im I. 1332 dem Bunde bei; Zürich und GlariS wur­

den 1351 darin ausgenommen; Zug und Bern, 1352.

Jene drei Cantone, und diese fünf, machten nun die acht alten Cantone aus 2).

Die Lage dieser Bundesgenossen blieb indeß doch

immer sehr kritisch,

1300

so lange die Oestreicher noch die

großen Domänen behielten, die sie im Mittelpunkte der Schweiz besaßen. Die Achtserklärung, welche Kai­

ser Sigismund und daS Concilium zu Costnitz im Jahre

1415 gegen Friedrich, Herzog von Oestreich, als An­ hänger und Beschützer deS Papstes Johann XXIII, er­

gehen ließ, gab den Schweizern endlich eine günstige 1) Tschüdi chron. helvet., p. 2-6. Simlek, Regiment der löblichen Eidgenossenschaft» 2) „Die acht alten Ort."

48

Reue Macht der Herzoge von Burgund.

P e^lod-Gelegenheit, dem Hause Oestreich seine Besttzunzen zu Die Berner brachen zuerst loS; sie nahmen

1300

entreißen.

1453

dem Herzoge die Städte Zoffingen, Arau, Bruck, nebst

den Grafschaften Habsburg und Lenzburg, den besten Theil des Aargau.

ingleichen

Kiburg fiel den Züri-

chern, Surfer den Luzernern zu; und die freien Land-

vogteien, nebst der Grafschaft

Baden, den Städten

Mellingen und Bremgarten, wurden durch die vereinig­ ten Kräfte der alten Cantone erobert, welche sie bis zu

unsern Zeiten gemeinschaftlich in Besitz gehabt haben.

Es entstand eine neue Macht in dem Kdnigreiche

Lothringen, nehmlich die Herzoge von Burgund.

Philipp der Kühne, jüngerer Sohn Johanns des Guten, Königs von Frankreich, war im I. 1363 von dem Kö­

nige, seinem Vater, zum Herzoge von Burgund *) er­

nannt worden, und vermählte sich mit Margaretha, Tochter und

Flandern.

Erbin Ludwigs III, letzten Grafen von

Er bekam durch

diese Heirath Flandern,

Artois, die Franche-Comtek), Nevers, Rethel, Mecheln 1) Dieses Herzogthum war durch den Tod Philipps von Rouvre, welcher im 3« 13ß1 erfolgte, an die Krone zu> rückgefallen.

2) Bei dem Erlöschen veralten Grafen von Burgund, Vasal­ len des Königreiches Arelat, kam die Franche-Comte, im I. 1315, an Philipp den Langen, König von Frankreich, der sich mit Johanna, Tochter und Erbin Otto'« IV, Grafen von Burgund, vermahlt hatte. Die älteste der aus dieser Ehe gebornen Töchter brachte die genannte Provinz im I. 1330 an das Haus der alten Herzoge von Burgund; und als der letzte von diesen, Philipp von Rouvre, ohne Erben gestorben war, erhielt sein Nachfol­ ger in dem Herzogthume, Philipp der Kühne, im 1.1363, vom Kaiser Karl IV die Belehnung über die FrancheComtö, als ein erledigtes Reichslehn. Er sicherte sich den Besitz derselben dadurch zu, daß er sich noch in eben diesem Jahre mit Margaretha von Flandern, Enkelin

Neue Macht der Herzoge von Burgund,

und Antwerpen,

und hinterließ diese Staaten seinem Periode

Sohne Johann ohne Furcht, und seinem Enkel, Philipp dem Guten, welcher letztere sie noch durch neue ErWerbungen vergrößerte.

Er kaufte nehmlich dem Gra­

fen von Namur im I» 1428 dessen Land ab; die Her-

zogthümer Brabant und Limburg erbte er von seinem

Vetter, Philipp von Burgund, der im I. 1430 starb. Eine andre Verwandte, die berühmte Jakobine von Baiern, überließ ihm, im I. 1433, durch einen Trak­

tat die Grafschaften Hennegau, Holland, Seeland unb. Friesland.

Endlich erwarb er sich auch noch daS Her-

zogthum Luxemburg und die Grafschaft Chini, durch

einen Vertrag, den er im I. 1443 mit der Prinzessin Elisabeth,

Nichte deS Kaisers Sigismund, abschloß.

Diese verschiedenen Erwerbungen waren um so wichti­

ger, da die Niederlande, besonders aber Flandern und

Brabant, damals so viele blühende' Manufakturen hat­

ten, und die Hauptniederlage deS Europäischen Handels

waren; woher eS denn kam, daß die Herzoge von Bur­ gund jetzt anfingen, mit den ersten Machten in Europa

gleichen Schritt zu halten und sogar den Königen von Frankreich den Rang streitig zu machen.

In den vornehmsten

Häusern deS Deut­

schen Reiches gingen mehrere Revolutionen vor.

Der alte Slavische Stamm der Herzoge und Könige von Böhmen') erlosch mit Wenzlaw V, der im I. Philipps des Langen und der Johanna vonFrancheeCvmtb, Wittwe Philipps von Rouvrc, vermahlte. Perard, iecueil, p. 504. Dunod, histoire du comte de Bourgogne, t. II, p. 594. 1) Diehe Fürsten harten die königliche Würde von dem Kai, ser Philipp von Schwaben bekommen, der sie, im 1.1198, dem Herzog Przemysl Ottokar l ertheilte. Goldas-m appendix de regno Bohtjniaea p, £7»

Kochs yrtvolUtioiM. U>

(43

1300 ^53

Hussiten-Krieg.

50

»de im I. 1417 feierlich mit der kurfürstlichen Würde be-

1500

lehnte'), wurde der Stammvater aller Kurfürsten

,453

und Markgrafen von Brandenburg bis auf unsre

Jetten, so wie auch der Könige von Preussen. Die zahlreichen Republiken,

welche während des

zwölften und dreizehnten Jahrhunderts in Italien

entstanden waren, wurden durch Faktionen zerrissen, und blieben noch immer ein Raub unaufhörlicher Kriege. Iu der Unruhe und Verwirrung in diesem unglücklichen

Lande

trug auch noch der Umstand bei, daß wäh»

rend einer langen Reihe von Jahren nicht Ein Kaiser

sich nach Italien hin begab, oder nur den mindeste« Versuch machte, daö kaiserliche Ansehen in diesem Lan­ empor

de wieder

zu bringen.

Auch die kraftlosen

Bemühungen der Kaiser Heinrichs VII, Ludwigs des Bai­ ern, und Karls IV dienten zu weiter nichts, als zu zei­

gen, daß die Italiänische Königswürde ohne Kraft und Leben war.

ES herrschte jetzt Anarchie in diesem Kö­

nigreiche; und der Freiheitsgeist, der Republikanismus, der die Jtaliäner vorher beseelt hatte, verschwand all­ mählich.

Endlich waren einige von diesen Republiken

eines Vorzuges überdrüßig, der ihnen zum Unglück ge­ reichte, und faßten den Entschluß, sich neuen Herren zu

unterwerfen; mehrere andre wurden auch gegen ihren Wil­ len von mächtigen Lehnsherren unterjocht. Die March rfi

von Este bemächtigten sich Modena's und Regg i o'S 3),

und

erhielten vom Kaiser Friedrich III

die herzogliche Würdet). Mantua fiel dem Hause 1) Hermanni von der Hardt, acta concilü Constant, t. IV, p. 122z, et t. V, p. 185. 2) Im I. 1336* 3) 3m 3« M52*

54

Italien: Herzogthum Mailand.

Period« Gonzaga zu, welches dieses Land Anfangs unter dem 1500.

markgraflichen, und in der Folge unter dem herzoglichen

1455

Titel besaßDie meisten Italiänischen Republiken aber wurden den Visconti von Mailand zu Theil.

Der, welcher den Grund zu der Größe dieses Hauselegte, war Matte oViSconti, Neffe Otto ViSconti'S, Erzbischofs von Mailand. ' Er war mit dem Ti­

tel eines Capitano, und auch mit dem eines kaiserli­

chen VicariuS in der Lombardei, bekleidet, brachte es glücklich dahin,

daß er als suveräner Herr von Mai­

land anerkannt wurde, und unterjochte, 4>om I. 1315 an, nach und nach alle vorzügliche Städte und Repu­

bliken in der Lombardei 1 2). 3

Seine Nachfolger traten

in seine Fußstapfen, und ründeten ihr Gebiet durch meh­

rere neue Eroberungen.

Endlich bewirkte Johann Gale­

azzo, Urenkel des Matteo Visconti, im 1.1395 durch eine Summe von hunderttausend Goldgülden,

die er dem

Kaiser Wenzeslaw bezahlte, daß er für sich und alle seine

Nachkommen zum Herzog von Mailand erklärt wurde *). Die Visconti regierten nun in Mailand bis 1447 4), wo die Familie Sforza an ihre Stelle trat.

Unter den Italiänischen Republiken, welche der Ka­

tastrophe im vierzehnten Jahrhundert entgingen, sind

Florenz, Genua und Venedig die merkwürdigsten. 1) Die letztere Würde bekam dieses Haus im Jahre 1550, vom Kaiser Karl V.

2) Muratori annaL Italiae, 3) Lünig, cod. Ital. diplonu t. I, 421. Auf dieses Di­ plom folgte bald ein andres, welches die herzogliche Würde auf alle Besitzungen der Visconti ausdehme. M. s. Lünig, t. I, p. 425.

4) Mit Philipp Maria schloß sich im I. 1447 die Reihe der Herzoge von Mailand aus dem Hause Visconti.

Republik Florenz.

55

Ihr Handel.

Die Stadt Florenz hatte sich zu Ende de- zwölf­

ten Jahrhunderts,

nach dem Beispiele aller andern

Städte in Toskana, in eine Republik verwandelt ')♦

Ihre Regierung, eine demokratische, erlitt, ungefähr von der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts an, öftere Ver­

änderungen.

Die Faktionen, welche auch diese Repu­

blik zerrütteten, bewogen die Florentiner, im .3. 1287,

sich

einen Richter zu setzen,

welcher Ganfaloniere

della Giustizia (Paniertrager, Bannerherr,

der Ge­

rechtigkeit) genannt wurde, und die Defugniß hatte, das Volk unter seine Fahne zu versammeln, so oft gütliche Mittel nicht hinreichten, die Unruhen zu beendigen und

den Frieden wieder herzustellen. Mitten unter diesen inneren Erschütterungen be­ reicherte die Stadt Florenz sich doch durch ihren Han­

del und ihre Manufakturen.

Es gelang ihr, minder

Zeit die meisten freien Städte in Toskana zu unter­ jochen,

besonders

eroberte?).

Pisa,

das sie im Jahre

1406

Nur die Republik Lucca behauptete sich

bei ihrer Unabhängigkeit, so viele Mühe die Florentiner

sich auch gaben, sie unter ihre Herrschaft zu bringen. Die republikanische Regierung erhielt sich in Flo­ renz bis zum Jahre 1530, wo die Familie Medici,

unter dem Schutze Kaiser Karls V, die Suveränetät darüber unrechtmäßiger Weise an sich brachte.

Eben die Eifersucht, welche die Genueser in blu­

tige Streitigkeiten mit den Pisanern gebracht hatte, reitzte sie späterhin auch gegen die Venetianer auf. Das Interesse dieser beiden Republiken durchkreuzte 1) Muratori Annales ltaliae* lmttzp d- 3, 1198. 2) Ebendas, unter d. I. 1406.

eriode V. 1300 dis 1453

56

Verfall von Genua.

Periode einander in der Levante und im mittelländischen Meere. 1500

Daraus entstanden langwierige und verderbliche Kriege,

1453

von denen der letzte und merkwürdigste, der von Chiozza,

im I. 1376 ansing, und sich erst 1331 endigte.

Die

Genueser drangen, nach einem ausgejeichneten Siege, den sie im Adriatischen Meerbusen über die Venetianer erkämpft hatten, im I. 1379, selbst bis mitten in die

Lagunen von Venedig ein, und griffen dort den Hafen

von Chiozza an *).

Peter Doria bemächtigte sich

desselben, und er würde Venedig selbst eingenommen

haben, wenn er die erste Bestürzung der Einwohner zu benutzen gewußt hätte, welche schon halb entschlos­

sen waren, ihre Stadt zu verlassen und sich nach der

Insel Candia zurück zu ziehen.

Die Langsamkeit des

Genuesischen Admirals gab ihnen Zeit, sich wieder zu

besinnen.

Von einer edlen Verzweiflung angetrieben,

machten sie außerordentliche Anstrengungen, um eine neue Flotte auSzurüsten, mit der sie dann auf die Ge­ nueser bei Chiozza losgingen.

Diese Insel wurde wie­

der erobert, und der große Verlust, den die Genueser

hierbei erlitten, entschied gewissermaßen die Oberherr­ schaft zur See für die Venetianer.

Noch mehr aber trugen zu dem Verfalle der Ge­ nueser die Unbeständigkeit ihrer Regierung und die in­

neren Erschütterungen ihres Staates bei.

Sie wurden

durch unaufhörliche Spaltungen zwischen den Nobili

und den Cittadiui (Adel und Bürgerstande) beunru­

higt 2), waren unfähig, sich selbst zu regieren, und er-

1) Muratori annaL s) 3m Jahre 1359 wählten sich die Genueser zum ersten Mal einen Doge; und dieser war Simon Boccanegra.

Venedig.

Fortschritte von dessen Handel.

gaben sich endlich fremden Machten.

57

Diese- leichtsin­

nige, unbeständige Volk, da- eben so wenig die Freiheit als die Sklaverei zu ertragen wußte, änderte sehr oft

seine Sperren.

Zweimal') begab eö sich unter den Schutz

der Könige von Frankreich; in der Folge vertrieb es die Franzosen, um sich bald den Marchesen von Montser­ rat, bald den Herzogen von Mailand zu

überliefern.

Endlich, von 1464 an, wurde Genua immer als eine Jubehörde des HerzogthumS Mailand angesehen, bis eS

im I. 1523 aufs neue seine alte Unabhängigkeit wie­ der gewann. Während die Republik Genua in Verfall geriet^

stieg Venedig von Tage zu Tage höher. Die zahlreichen Niederlassungen, welche diese Re­ publik iü dem Adriatischen Meerbusen und in der Le­ vante angelegt hatte, und dazu die neue Kraft, welche ihr die Einführung der erblichen Aristokratie ertheilte,

beförderten die Fortschritte ihres Handels und

Seewesens.

ihres

Auch schloß sie, im I. 1343, mit dem

Sultan von Aegypten einen Traktat 2), welcher der Re­

publik gänzliche Handelsfreiheit in den Syrischen und

Aegyptischen Häfen zuficherte, und ihr das Recht gab, Consuln in Alexandrien und Damas zu halten.

.Da­

durch wurde eS ihr denn leicht, allmählich den ganze» Indischen Handel an sich zu bringen, und sich im Be­ sitze davon gegen die Genueser zu behaupten, die ih­

nen denselben, nebst der Herrschaft über da- Meer, streitig machten.

Dieser glückliche Erfolg gab den Venetianer« Muth, 1) In den Jahren 1596 und 1458.

2) Dandolo'S Chronik, in Muhatom, t. XII, p. 4*5.

eriode V. 1300 biS 1453

53 Dessen Eroberungen.

Königreich Neapel. Johann 1.

Periode bie Unruhen in der Lombardei zu benutzen und ihr Ge-

1300

biet auf dem feste» Lande von Italien abzuründen, wo sie

1453

Anfangs nichts, als das einzige Dogat (tzerzogthum) Ve­

nedig, nebst der kleinen Provinz Istrien, besaßen.

Sie be­

mächtigten sich im Jahre 1388 der Stadt Treviso und der ganzen Trevisanischen Mark, welche sie dem mächtigen Kau­

fe Carrara durch einen »»vermutheten Angriff entrissen.

Im Jahre 1420 kamen sie wieder in den Besstz von Dalmatien, daö sie von dem Könige der Ungarn,

Sigismund, eroberten.

Gerade hierdurch wurde es ih­

nen nun leicht, auch Friaul an sich zu bringen, daS sie zu eben der Zeit dem Patriarchen von Aquileja, Bun­

desgenossen deS Königs von Ungarn, Wegnahmen. lich rissen

End­

sie nach und nach von dem Kerzogthume

Mailand mehrere Städte mit ihren Gebieten los *), als Vicenza, Belluno, Verona, Padua, Brescia, Bergamo und Crema, und bildeten so ihre Staaten auf dem fe­

sten Lande.

DaS erste tzaus Anjou, welches von Karl, jün­ gerem Bruder Ludwigs deS K., abstammte, regierte in

Neapel während deS ganzen vierzehnten Jahrhunderts.

Die Königin Johanna I, Tochter des Königs Robert von Neapel, adoptirte, da sie keine Kinder hatte, einen

nachgebornen Prinzen ihres Kaufes, Karl von Durazzo,

vermahlte ihn mit ihrer Nichte,

und

bestimmte

ihn

zu ihrem Thronfolger.

Dieser undankbare, von Kerrsch­

sucht gequälte Prinz

ergriff die Waffen gegen seine

Wohlthäterin Johanna, und setzte sie in die Nothwen­ digkeit, fremden Beistand zu suchen.

Bei dieser Gele­

genheit annullirte sie ihre erste Adoption, und machte eine andere, zu Gunsten Ludwigs I, Kerzogs von An-

1) In den Jahren 1404, 1405, 1427, 1428, 1448, 1454-

Johanna

59

II.

jou •), jüngeren Bruders von Karl V, König von Frank­

reich ®).

Doch die Hülfe, welche dieser Fürst ihr zu­

führte, kam zu spät, um sie aus den Handen ihreS grau­

samen Feindes zu retten. Karl bemächtigte sich Neapels,

bekam die Königin in seine Gewalt, ließ sie tödten 3), und behauptete sich auf dem Throne, wider seinen Geg­

ner Ludwig von Anjou, der von dem Nachlasse der Kö­ nigin Johanna weiter nichts bekam, als bloß die Graf­

schaft Provence, die er, nebst seinen Ansprüchen auf daS Königreich Neapel, auf seine Descendenten vererbte. Auch die Königin Johanna II, Tochter und Erbin

Karls von Durazzo, wurde angegriffen, und zwar durch

Ludwig III von Anjou,

der die Rechte geltend machen

wollte, welche er durch die Adoption seines Großva­

ters, Herzog Ludwigs I, zu haben glaubte.

Sie bat

nun AlfonS V, König von Arragonien, um Schutz, adoptirte ihn, und erklärte ihn im Jahre 1421 zu ih­

rem Erben 4); als sie sich aber in der Folge mit die­ sem Fürsten überworfen hatte,

änderte sie ihren Ent­

schluß, und ließ eine neue Adoptions- Urkunde zu Gun­

sten eben deS Ludwigs von Anjou ausfertigen, von dem sie vor Kurzen bekriegt worden war $). RenatuS 1) Di« Grafschaften Anjou und Maine waren im I. 1290 an Karl von Valois, jüngeren Sohn König Philipps des Kühnen, gekommen, und zwar durch feine Vermah­ lung mit Margaretha, Tochter Karls II, König» von Neapel. Der König Johann von Frankreich gab diese Grafschaften seinem zweiten Sohne, Ludwig, den er im I. 1360 zum Herzog von Anjou ernannte. 2) Im I. 1380. Die Urkunden, welche sich auf diese Adop­ tion beziehen, findet man in Lubnig , cod. Italiae diplom., t. II, p. 1142, 114.3, 1239. 5) Im Jahre 1382. 4) Durch eine Urkunde vom 8 Julius 1421. Gianonb lüstpire civile du royaume de Naples; t. III, p. 437* 5) Diese neue Adoptions - Urkunde ist vom isteii Julius 1423.

triebe V. 130° bis 1453

6o

Spanien.

VeHobe von Anjou,

Bruder und Thronfolger dieses Fürsten,

1300

nahm nach dem Tode der Königin Johanna II, wel-

1453

cher im I. 1435 erfolgte, Besitz von dem Königreiche

Neapel;

er wurde durch den König von Arragonien

wieder daraus vertrieben, der sich, im I. 1443, von

dem Papste EugeniuS IV die Belehnung über dieses Königreich geben ließ *), und es dann seinem natürli­

chen Sohne Ferdinand übertrug,

der nun Stammva­

ter einer besondern Dynastie von Neapolitanischen Kö­ nigen wurde. Die Rechte des Hauses Anjou von dem zweiten Stamme, kamen, mit der Provence, an die

Könige von Frankreich $).

Spanien, das in mehrere christliche und Moham­ medanische Suveranetaten getheilt war, stellte gewisser­ maßen einen besondern Welttheil dar, der mit dem Ucberreste von Europa fast nichts gemein hatte.

Die

Könige von Navarra, Castilien und Arragonien, die sich

eben nicht sonderlich mit einander vertrugen, und im Innern , ihrer Staaten durch mächtige Vasallen beschäf­

tigt wurden, konnten nur mit Schwierigkeit ein Unter­ nehmen nach außen hin wagen.

Unter allen Königen von Castilien aus dieser Pe­

riode zeichnete sich AlfonS Xl am meisten gegen die Mauren aus.

Die Mohammedanischen Könige von

Marokko und Granada hatten ihre Kräfte vereinigt,

um Tariffa in Andalusien zu belagern;

AlfonS aber

machte, mit Beistand des Königs von Portugal,

im

Jahre 1340, einen Angriff auf sie in den Gegenden

Als Ludwig in, im I. 1434 gestorben war, erklärte die Königin durch ihr 1435 aufgesetztes. Testament, Renatus von Anjou, Bruder Ludwigs in, für ihren Erben. Giakonb, t. in, p. 442, 454. 1) Lubnig, cod. Ital. dipl., t. II, p. 442, 454' 2) Im I. x48i.

Spanien.

6i

Er erkämpfte über die Moham­

der genannten Stadt.

medaner einen vollständigen Sieg,

nach welchem er

mehrere Städte und Distrikte, unter andern Alcala la Real und Algeciras eroberte *).

Wahrend die Könige von Castilien ihre Eroberun­

gen im Innern von Spanien ausbreiteten, fingen die von Arragonien an,

ihre Vergrößerungsabfichten auf

andre Länder zu richten.

Diese Könige besaßen die

Grafschaft Barcellona, oder Catalonien, durch die Ver­ mahlung deS Grafen Raimund Berengar IV mit Donna

Petronilla, Erbin des Königreiches Arragonien 3) Sie vereinigten hiermit die Grafschaft Roussillon und die

Herrschaft Montpellier 3), welche Beide, so wie auch Catalonien, unter Französischer Suveranetat standen.

Als nachher Don Jakob (Jaime) I das Königreich Va-

lenzia und die

Balearischen Inseln von den Mauren

erobert hatte 4), schenkte er diese Inseln, nebst den Grafschaften Roussillon und Montpellier, seinem jün­ geren Sohne Don Jakob, und dieser wurde Stamm­

vater der Könige von Majorka, von denen der letzte, Don Jakob II!, im I. 1349 Montpellier an Frank­

reich verkaufte $). Don Pedro III, König von Arrago1) Roderigus Santius, cap. 12. Alphonsus a Cartha»ena, cap. 87. 2) M. s. Band I, S. Los. 5) Die Grafschaft Roussillon vermachte Guinard, letzter Graf dieses Nahmens, im Jahr 1172, durch ein Testa­ ment dem Könige von Arragonien Alfons II. Die Herr­ schaft Montpellier bekamen die Könige von Arragonien durch die Vermahlung des Königs Don Pedro II, mit Maria, Tochter und Erbin Wilhelms VIII, Lehnsherrn von Montpellier. Historie generale du Languedoc, t. III, p. 31, 125.

4) M. s. B. I, S. LOF. 5) Historie generale du Languedoc> t. IV. Preuves, p. 213.

ertöte V. 1300 bis 1455

62

Portugal,

Periode nien,

ältester Sohn Don Jakob's I, zog sich, weil er

1300

Karl'n I von Anjou Sicilien entrissen hatte'), eine heftige

1453

Verfolgung von Seiten des Papstes Martin IV zu,

der einen Kreuzzug gegen ihn ausschrieb,

und

seine

Staaten Karl'n von Valois zuerkannte. Don Jakob II, Sohn und Nachfolger Don Pedro's III, war so glück­

lich, sich wieder mit dem Römischen Sjofe zu versöhnen;

er erhielt von demselben 2) sogar die Belehnung über Sardinien, das er den Pisanrrn 3) wegnahm.

Endlich

eroberte König AlfonS V das Königreich Neapel von den Fürsten auS dem zweiten Hause Anjou, wobei er

die Adoptions- Rechte geltend machte, welche er, von Seiten der Königin Johanna II von Neapel, hatte *).

Die gerade Linie der Könige von Portugal, deren Stammvater Heinrich von Burgund gewesen war, starb

im Jahre 1383 mit Don Ferdinand, Sohn und Nach­

folger des Königs Don Pedro I, aus.

Dieser Fürst

hatte eine einzige Tochter, Nahmens Beatrix, üuS ei­ ner sträflichen Verbindung mit Eleonora Tellez de Me­

neses,

welche er ihrem Gemahl entführt hatte.

Er

wünschte, daß diese Prinzessin ihm in der Regierung

folgen möchte, und vermahlte sie daher,

als sie erst

elf Jahre alt war, mit Johann I, König von Castilien, wobei er seinen Thron dem ersten Drinzen, den sie ge­

bären würde, oder, in dessen Ermangelung, dem Kö­ nige von Castilien, seinem Schwieger-sohne, zusicherte.

Als Ferdinand gleich-nach dieser Vermahlung starb, be­

nutzte Don Juan, sein natürlicher Bruder, Großmeister 1) Im I. 1282. 2) In den Jahren 1297, 1305, 1325. 3) Im 3. 1526. Auf der Insel Corsica behaupteten sich die Genueser gegen den König von Arragonien, der von dem Papste ebenfalls damit belehnt worden war» 4) M. s. oben/ S» 59»

Frankreich.

6Z

Die Dalvis.

des Ordens von Aviz (Avis), den Abscheu der Portu- P-^ode

giesen vor den Castilianern und ihrer Herrschaft,

um

150°

sich der Regentschaft zu bemächtigen, deren er die ver-

1453

witwete Königin beraubte.

Der König von Castilien

belagerte nun die Stadt Lissabon; da eS ihm aber da,

mit nicht glückte, so übertrugen die, in Coimbra ver­ sammelten, Stande von Portugal die Krone dem Don

Juan, der in der Geschichte unter dem Nahmen Jo­ hann der Bastard bekannt ist. Dieser Fürst lieferte, mit Unterstützung der Engländer, den Castilianern und ihren Bundesgenossen, den Franzosen, am 14 August

1385, in der Ebene von Aljubarota,

die berühmte

Schlacht, worin die Portugiesen Meister des Wahl­ platzes blieben; und nun behauptete er sich auf dem

Throne von Portugal *). ' Der Krieg zwischen den Portugiesen und den Ca­

stilianern wahrte indeß noch mehrere Jahre fort, und en­ digte sich erst im Jahre 1411. Durch den Frieden, der damals geschlossen wurde 2), verpflichtete sich Hein­ rich III, Sohn Johann's I. Königs von Castilien, die

Ansprüche der Königin Beatrix, seiner Schwiegermut­

ter, welche keine Kinder hatte, niemals geltend zu ma­ chen.

Johann der Bastard stiftete nun eine neue Dy­

nastie von Königen, welche von 1335 bis 1530 den

Thron von Portugal besaß. Da die gerade Linie der von Hugo Capet ent­

sprossenen Könige von Frankreich mit den Söhnen Philipps des

Schönen

erloschen war,

so kam die

Krone im I. 1323 an die Seitenlinie der Valois,

1) FroisSart, chronic., vol* III, c* 1264.

Nonii Hispaiiia, p,

2) Leibnitii codi jur> gentiuiil diplOrii^ p» SHV.

64

Kriege mit England.

Periode foie wahrend eines Zeitraums von 261 Jahren eine Rei-

1300

he von dreizehn Königen gegeben hat Die Eifersucht zwischen Frankreich und England,

1455

welche schon in der vorigen Periode entstanden war, gewann bei der Thronbesteigung der Valois neue Kräf­

te.

BiS dahin hatten beide Nationen sich nur über

einige Territorien oder Provinzen gestritten;

jetzt aber

kam eS auf den Thron von Frankreich selbst an,

der,

nach der Behauptung der Könige von England, ihnen zugehörte.

Eduard III, König von England, war durch

seine Mutter, Isabella von Frankreich, Neffe Karls IV, mit dem Beinahmen der Schöne, letzten Königs auS

der geraden Linie des Capetingischen tzauseS.

Er machte

Ansprüche auf die Thronfolge gegen Philipp VI, ge­

nannt Valois, der, alS Geschwisterkind von Karin, we­ niger nahe mit diesem verwandt war, alS der König von

England.

Man setzte Eduard'en das Salische Gesetz

entgegen, welches die Weiber von der Thronfolge auSschloß; nach der Behauptung dieses Fürste» aber, sollte sich dies Gesetz nur auf die Weiber selbst, persönlich,

erstrecken (die es wegen der Schwäche ihres Geschlech­ tes vom Throne ausschließe), doch nicht auf ihre männ­ lichen Nachkommen.

Er gab zu, daß seine Mutter Isa­

bella keine Ansprüche auf den Thron machen könne;

dabei behauptet? er aber, durch sie habe er das Recht der

nächsten Verwandtschaft, welches ihn, als einen Mann,

der Erbfolge fähig mache 2).

Als indeß die Franzö­

sischen Stände sich für Philipp erklärt hatten, leistete

der König von England diesem Fürsten den Lehns- und Huldi1) Der Stammvater dieser Linie war Karl, jüngerer Sohn Philipps III, mit dem Beinahmen: der Kühne. 2) Continuator GviLibUm db Nancis, bei dem Jahre 1327.

Trauriger Zustand' von Frankreich.

Huldigungseid für

da- Herzogthum Guyenne;

65 seine

Rechte auf die Krone machte er nicht eher geltend, als

im I. 1337, wo er den Titel und das Wapen eine-

Königs von Frankreich annahm *)• Der Krieg, welcher im I. 1338 ausbrach, wurde unter mehrer« Regierun­

gen erneuert, und endigte sich nach Verlauf eines Jahr­ hundert- nur dadurch, daß die Engländer gänzlich au-

Frankreich vertrieben wurden 2).

Der Zustand diese-

Königreiches, unter der Regierung Karl- VI, zeigt ein sehr trauriges Schauspiel.

Dieser König war in der

Blüthe seines Alters wahnsinnig

geworden; und nun

machten zwei Faktionen, die von Burgund und die von Orleans, einander wechselseitig die Regentschaft streitig, theilten den Hof in Partheien, und setzten da- König­

reich an allen Enden in Flammen. Johann ohne Furcht, Herzog von Burgund,

Oheim des Königs, ließ Lud­

wig von Orleans, leiblichen Bruder des Königs, im I. 1407 zu Paris ermorden.

Er an seinem Theil wurde

im I. 1419 auf der Brücke von Montereau vor den Augen des Dauphin getödtet, der seitdem unter dem

Nahmen Karl Vll bekannt geworden ist.

Die Englän­

der benutzten diese Uneinigkeiten, um den Krieg wieder anzrifangen.

Heinrich V, König von England, gewann

im I. 1415 die berühmte Schlacht bei Azincourt; und

die Folge davon war, daß er die Normandie eroberte.

Die Königin Isabella von Baiern verließ damals die Faktiön von Orleans und die Parthei ihres Soh­

nes, des Dauphin, um der von Burgund beizutreten. Philipp der Gute,

Herzog von Burgund, Sohn Jo-

1) Walsingham, hist. Angliae, p, 143. Rymeri acta Angl,, t. II, part. 3, p. 192, 193. 2) Man sehe über diesen Krieg die Chroniken von Frqissart UNd VON MONSTELLET«

Kochs Revolutionen, II,

[5]

1300

66

Karl VII; Bertreibung der Engländer.

Periode Hanns ohne Furcht, wollte den Tod feines Vaters rächen, 1300

den er dem Dauphin Schuld gab;

Unterhandlung mit England an,

Isabella, ingleichen den hinein.

er fing daher eine

und zog die Königin

armen König Karl Vf,

mit

Durch den, im I. 1420 zu TroyeS in Cham­

pagne geschlossenen Friedens-Traktat, wurde ausgemacht, daß Katharina von Frankreich, Tochter Karls VI undJsa-

belle'ns von Baiern, fich mit Heinrich V vermählen, und

daß nach dem Tode des Königs die Krone aufHeinrich und

auf die in seiner Ehe mit der Prinzessin von Frankreich erzeugten Kinder übergehen sollte, mit Ausschluß des

Dauphin, der, als mitschuldig an der Ermordung des

Herzogs von Burgund, seiner Rechte auf die Krone für ver­

lustig erklärt und auS dem Königreiche verbannt wurde'). Heinrich V starb 1422, in der Blüthe seiner Jah­

re, und bald nach ihm auch König Karl VI.

Heinrich

VI, Sohn Heinrichs V und Katharinens von Frankreich, wurde nun zum König von England und Frankreich

auSgerufen, nahm seine Residenz in Paris, und hatte

seine beiden Oheime,

die Herzoge von

Bedford und

Glocester, zu Regenten.,

DaS Uebergewicht der Englischen und Burgundi­

schen Parthei in Frankreich war damals so groß, daß

Karl Vll, den man gemeiniglich den Dauphin nannte,

mehr alS Einmal »uf dem Punkte stand, reich vertrieben

z« werden.

auö Frank­

Dieser Prinz verdankte

seine Rettung nur dem Erscheinen der berühmten Jean-

ne d'Arc, welche gewöhnlich die Jungfrau von Or­

leans genannt wird.

Dies außerordentliche Mädchen

erhob den zu Boden geschlagenen Muth der Franzosen

wieder, nöthigte die Engländer, die Belagerung von Or­

leans aufzuheben, und führte den König im I. 1429

1) Monstblet, ch. 239, p, 302.

Revolution in der Regierung.

6}

zur Salbung und Krönung nach Reims *). Noch mehr Pertode aber, als die Jungfrau, trug ein anderer Umstand da- 1300 zu bei, Karls VII Parthei zu verstärken, nehmlich seine Versöhnung mit dem Herzoge von Burgund, vermittelst des Friedens, der im 1.1435 zu Arras geschlossen wur­ de *)♦ Da nunmehr der Herzog seine Macht mit der königlichen vereinigte, so wurden die Engländer nach und nach aus Frankreich vertrieben» wo sie im 1.1453 nicht­ weiter mehr hatten, als die einzige Stadt Calais. Unter der Herrschaft Karls VII ging eine Revolu­ tion in der Regierung vor. Da- königliche Ansehen ge­ wann einen neuen Schwung, Theils durch die Vertrei­ bung der Engländer, Theils durch die zahlreichen Re­ unionen, welche die Folge davon waren. Das FeudalSystem, welches bis dahin in Frankreich geherrscht hatte, gerieth allmählich in Verfall. Karl war der erste Kö­ nig, der rin stehendes Kriegsherr einführte, und der seinen Nachfolgern zeigte, daß sie der Feudal-Miliz entbehren könnten. Die Ordonnanz-Compagnien (gendarmes) rühren von diesem Könige her; er- errichtete sie im I. 1445, «nd um die Kosten ihrer Unterhaltung aufjubringen, befahl er, au- eigner Autorität, eine Auf­ lage zu erheben, welche die taille des gens d'armes (Gendarmen - Steuer) genannt wurde. Dieses stehende Heer, welches Anfangs nur sechstausend Mann stark war, würd- mit der Zeit vermehrt, und die Finanzen des Kö­ nigs vermehrten sich nach Verhältniß. Vermittelst die­ ser Einrichtungen erlangten die Könige ein solcheSLlebergewicht über die Vasallen, daß sie im Stande waren, diesen Gesetze vorzuschreiben und mit der Zeit daS Feu1) Lenglet

du

Fresnoy, histoire de la Pucelle.

2) Leonard, traites de paix, t, I, p. i.

68

Pragmatische Sanktion. England.

Periode dal-System umzusiürzen *). Die mächtigsten Lehnsherren 1500

wurden schwach gegen einen immer bewaffneten Suveran,

1453

und die Könige, die nun nach Willkühr Auflagen machten,

fanden es nach und nach nicht mehr nöthig, die allge­

meinen Stande (etats-generaux) zusammen zu rufen. Eben dieser König sicherte auch die Freiheiten der Gallicanischen

Kirche gegen die Unternehmungen des

Römischen Hofes, und zwar durch die feierliche Annah­ me mehrerer von den Dekreten deS Conciliums zu Da»

fei.

Er ließ diese Annahme auf einem in Bourges ge­

haltenen National« Concilium verordne», mid im Jahre 1438 unter dem Nahmen der pragmatischen Sank­ tion bekannt machen a).

In England machten zwei Linien des regieren­

den Hauses Plantagenet, die von Lancaster und

die von g)orf, einander lange Zeit die Krone streitig.

Heinrich IV, der erste König aus dem Hause Lancaster, war der Sohn Johanns von Gent, Herzogs von Lan­

caster, und Enkel Eduards III, Königs von EnglandEr entriß die Krone dem Könige Richard II, und ließ

diesem durch eine ParliamentS-Akte im I. 1399 abset­

zen.

Anstatt nun damals die Rechte geltend zu nia-

chen, die

er von seinem Vater und Großvater her

hatte, stützte er sich auf die, welche ihm, nach seiner Be­

hauptung, von wegen seiner Mutter, Bianca von Lan­

caster, Urenkelin Eduards, mit dem Beinahmen der Bukkelige, Grafen von Lancaster, zugefallen waren.

Eine

VolkS- Tradition machte diesen Prinzen zu dem ältesten j) P. Daniel, histoire de la milice fran^oise, t. I, p. 151,

2) Commentaire de Du Puy sur le Traite des libertes de Peglise gallicane de Pierre Pithou, t. II, p. 6. Die Alp Ordnungen der pragmatischen Sanktion blieben in Kraft, bis zur Regierung Franz I, der im 1.1516 das Concordat an ihre Stelle setzte.

England; Krieg zwischen den beiden Rose».

69

Sohne König Heinrichs III; • man sagte, er sey wegen P«Jod­ seiner Häßlichkeit durch Eduard I, seinen jüngeren Bru-

1300

Heinrich IV

145^

der, vom Throne ausgeschlossen worden.

bedurfte dieser Tradition, um die Rechte der Linie von

welche ihm in der natürlichen

Clarence zu eludiren,

Ordnung der Thronfolge vorging.

Die letztere Linie stammte von Lionel ab, Herzog von Clarence, älterem Bruder Johanns von Gent. Phi-

lippine, Lionel'S Tochter, hatte aus ihrer EHL mit Mor­

timer einen Sohn, Roger Mortimer, den das Parliament durch eine Akte vom Jahre 1336 zum präsumti­

ven Erben der Krone erklärte.

Anna Mortimer, Toch­

ter dieses Roger, brachte Lionels Rechte an die könig­

liche Linie York, da sie sich mit Richard, Herzog von York, Sohn Eduards von Langley, und jüngerem Bru­ der Johanns von Gent, vermählte.

Die Fürsten von der Linie Lancaster kennt man in der Geschichte von England unter dem Nahmen: die ro­

the Rose;

und denen von Uork gab man den Nah­

men: die weiße Rose.

Die erstere dieser Linien be­

saß den Thron drei und sechzig Jahre, unter den Re­

gierungen Heinrichs IV, Heinrichs V und Heinrichs VI.

Erst unter der kraftlosen Regierung deS letzten Königs fing daS HauS Uork an, seine Rechte auf die Krone

geltend zu machen; und nun brach der Krieg zwischen

den beiden Rosen auS.

Richard, Herzog von Uork, Er­

be von Lionel'S und Mortimers Rechten, gab im Jahre

145z .das Zeichen zu diesem Bürgerkriege, der über drei­ ßig Jahre lang dauerte, und einer von den blutigsten und grausamsten war.

Die beiden Rosen lieferten ein­

ander zwölf Schlachten;

achtzig Prinzen von königli­

chem Geblüt kamen darin auf verschiedene Art um, und England zeigte während dieser ganzen Zeit einen wah-

70

Schottland.

Pertod ren Schauplatz von Gräueln und Blutvergießen. Eduard V. 1300 IV, Sohn Richards, Herzogs von Uork, und Enkel der bis 1453 Anna Mortimer, bestieg im I. 1461 den Thron, den

er durch die Ermordung König Heinrichs Vl und meh­ rerer andern Prinzen aus dem Hause Lancaster befleckte. MS im I. 1289 der alte Mannsstamm der Könige von Schottland mit dem Könige Alexander III, er­ loschen war, traten eine Menge Prätendenten auf, wel­ che einander die Thronfolge streitig machten. Die vor­ nehmsten unter diesen Prätendenten waren die Schotti­

schen Familien Baillol und Bruce, welche in der weiblichen Linie mit dem alten königlichen Hause verwandt waren. Es regierten vier Könige aus diesen beiden ein­ ander entgegen stehenden Familien in Schottland, bis im Jahre 1371 die Krone von dem. Hause Bruce auf daS HauS Stuart kam. Robert II, Sohn von Gauthier Stuart und Margaretha Bruce, folgte seinem Oheim, dem Könige David II Bruce, und der Thron blieb bei seiner Familie bis zu der Zeit, da Schottland mit Eng­ land vereinigt wurde, nehmlich zu Anfänge des sieb­ zehnten Jahrhunderts Unter der Regierung der Stuarts bekam die könig­ liche Gewalt, welche durch die Aristokratie des Adels lan­ ge Zeit unterdrückt worden war, in Schottland neue Kraft. Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, that König Jakob I, ein sehr verschlagener Fürst, die ersten Schritte gegen das Feudal-System und die gcmißbrauchte Gewalt der Großen; er nahm diesen mehrere Kron-Do­ mänen, welche sie unrechtmäßig an sich gebracht hatten, ließ einige der Kühnsten verurtheilen, und zog ihre Gü­ ter ein. König Jakob II trat in die Fußstapfen sei­ nes Vaters: er befestigte sein Ansehen durch den Sturz Buchanani rerum Scoticarum historia.

Der Norden.

Union von Ealmar.

71

der mächtigen Familie Douglas, und durch weise Gesetze, deren Annahme er bei seinem Parliament bewirkte').

Die drei nordischen Königreiche wurden, nachdem innere Unruhen sie lange Zeit erschüttert hatten,

durch die Königin Margaretha, mit dem Beinahmen: nordische Semiramis, in Einen Staat verei­

die

nigt.

Die Königin war die Tochter Waldemar's III,

letzten Königs von Dänemark aus dem alten regieren­ den Hause, und Witwe HakonS VII, Königs von Norwe­

gen 2); sie erbte die Königreiche Dänemark und Norwe­ gen von ihrem Sohne Olaf V, der im I. 1387 starb,

ohne Nachkommen zu hinterlassen.

Auch die Schweden,

welche mit ihrem Könige Albrecht vv« Mecklenburg un­

zufrieden waren, trugen Margarethe'« ihre Krone an. Oer König Albrecht wurde von dieser Fürstin 1389 in der Schlacht bei Fahlköping besiegt und zum Gefange­ nen gemacht.

Ganz Schweden erkannte nun die Herr­

schaft der Königin Margaretha an.

Diese wünschte,

alle drei Königreiche in Einen und eben denselben Staat zu vereinigen; sie berief daher im Jahre 1397 die Stände

derselben nach Calmar, und ließ dort ihren Groß-Nef­ fen Erich, Sohn WratiSlaw'S, Herzogs von Pommern,

und Mariens von Mecklenburg, Tochter ihrer Schwester Jngeburge, als ihren Nachfolger anerkennen und krönen.

Oie Urkunde, welcher zufolge die Vereinigung immer» 1) Robertson'« Geschichte von Schottland. B. L 2) Da« alte königliche Hau« Norwegen, welche« von Harald Haarfäger abstammte, war mit Hakon VII, der im I. 1319 starb, erloschen. Jngeburge, Tochter diese« Fürsten, brachte öie Krone von Norwegen an da« könig­ liche Hau« Schwede». Magnus, genannt Smäk, und sein Sohn Hakon VII, waren nach einander Könige von Schweden und Norwegen. Der Sohn de« letzter», au« Griner Ehe mit der Prinzessin Margaretha von Dänemark, Hlaf V, beschloß die Reihe der Norwegischen Könige.

*3«>

*453

72

Schwäche dieser Union.

Vevfob während und unwiderruflich seyn sollte, wurde auf diesem V. 1300 bis

M53

allgemeinen Reichstage gebilligt.

Ihr Inhalt war: die

drei vereinigten Reiche sollten auf ewige Zeiten nur Ei­

nen und eben denselben König haben, und dieser gemein» schaftlich von den Senatoren und den Deputaten der

drei Königreiche erwählt werden; man sollte bei der Wahl nicht von den Nachkommen des Königs Erich abgehen, wenn er anders dergleichen hätte; die drei Königreiche

sollten einander wechselseitig mit ihrer ganzen Macht ge­ gen alle äußere

Feinde beistehen;

sollte seine Verfassung,

jedes

Königreich

seinen Senat und seine beson­

dere Gesetzgebung behalten, auch, seinen eignen Gesetzen gemäß, von dem Könige regiert werden *). Diese Union war, so furchtbar sie auch Anfangs

zu seyn schien, doch nur schwach verknüpft.

Ein Föde­

rativ-System dreier Monarchieen, welche durch gegen­ seitige Eifersucht, und durch Verschiedenheit der Formen,

der Gesetze und der Gewohnheiten getrennt waren, konnte unmöglich etwas Festes und Dauerhaftes haben. UeberdieS

mußten dje Vorliebe, welche die Könige der Union für die

Dänen zeigten, und der Vorzug, den sie diesen bei der

Ertheilmig von Gnadensbezeigungen und Statthalter­

schaften gaben, und endlich der vornehme Ton, den sie sich gegen die verbündeten Nationen erlaubten:

alles

dies, sage ich, mußte natürlicher Weise die Erbitterung und den Haß nähren, und besonders die Schweden ge­ gen

die Union

aufbringen.

Als Christoph der Baier, Neffe und Nachfolger Erichs

des Pommern in den drei Königreichen, im I. 1448 gestorben war, ohne Nachkommen zu hinterlassen, be-

1) Holbergs Geschichte von Dänemark, Th. I. Mallet, histoire du Danemarck, t. I, p. z6Z. Holberg giebt die Unions-Akte in Deutscher, Mallet in Französi­ scher Sprache.

Thronbesteigung den Hauses Oldenburg.

73

nutzten Idie Schweden dieses Ereigniß, um sich von P-^-ode der Union zu trennen, und sich einen besondern König zu geben, nehmlich Karl Knutson Bonde, der unter

dem Nahmen Karl der Achte bekannt ist. Dies bewog denn auch die Danen, zu einer neuen-Wahl zu schrei­ ten, und ihre Krone Christian, Sohn Dietrichs, Gra­

fen

von

Oldenburg, sder von

weiblicher

Seite

mit ihren alten Königen verwandt war, zu übertragen.

ES gelang diesem Fürsten, im I. 1450 die Union mit

Norwegen zu erneuern; auch regierte er Schweden von 1457 bis 1464. Besonders aber verdient bemerkt zu wer­

den, daß er die Provinzen Schleswig *) und Holstein bekam; die Stände beider Provinzen erkannten ihm nehmlich im I. 1459 die Erbfolge darin zu, als der Herzog

Adolph,

Christians Oheim von mütterlicher

Seite, und letzter männlicher Nachkomme der Grafen

von Holstein aus dem alten Hause Schauenburg, ge­ storben war. Christian I wurde der Stammvater aller Könige

von Dänemark und Norwegen, die bis auf unsere Zeiten regiert haben. Sein Enkel verlor Schweden; doch im vo­ rigen Jahrhundert wurden Prinzen aus seinem Hause auf

die Throne von Rußland und Schweden berufen. Rußland

seufzte wahrend dieses ganzen Zeit­

raums unter dem erniedrigenden Joche der Mogolen und Tataren.

Die Großfürsten, und eben so die übri-

1) Das Herzvgthum Schleswig, welches in älteren Zeiten nnter der Oberherrschaft von Dänemark gestanden hatte, war durch das Aus sterben einer Nebenlinie des Königl. Dänischen Hauses, die es als Lehn besaß, an die Krone zurückgefallen; König Olaf aber hatte, auf den Rath feiner Mutter Margaretha, die Grafen von Holstein aus dem Haufe Schauenburg aufs neue damit belehnt. Chronicon Holsatiae, in Westphalen, monumenta inedita, t. 111, p., 106.

1300 ^55

74

Rußland; dessen unglücklicher Zustand.

Perle»» gglt Russischen Fürsten, mußten die Bestätigung in ih-

1500 14*53

rer Würde bei dem Khan von Kaptschak nachsuchen, der sie ihnen nach Willkühr zugestand oder abschlug;

Und auch die Streitigkeiten, welche unter ihnen ent­ standen, waren seiner Entscheidung unterworfen. Sie wurden aufgefordert, in seiner S?orbe zu erscheinen,

mußten sich dahin begeben, und fanden dort österSchande oder den Tod *)♦ Die Gülte, oder den Grund­ zins, welchen die Khane von den Russen Anfangs nur als sogenannte freiwillige Geschenke forderten, wurden späterhin in einen gewöhnlichen Tribut verwandelt. Bereke-Khan, der Batu'n succedirte, war der erste, der den Tribut durch seine eigenen Beamten erheben ließ 2). Seine Nachfolger erschwerten diese drückenden Auflagen noch; ja, sie unterwarfen die Russischen Für­ sten sogar dem Kriegesdienste. Die großfürstliche Würde war lange Zeit nur den Besitzern der Fürstentümer Wladimir und Kiow allein vorbehalten; sie wurde aber zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts mehreren von den einzelnen Fürsten bei­ gelegt, unter welche die Herrschaft, über Rußland ge1) Oer Großfürst Michail Iaroslawktsch wurde (1518) in der Horde hingerichtet. Eben die» Schicksal halte Dimitry Michailowitsch im Jahre 1326. Die Russischen Fürsten mußten, wenn sie sich zur Audienz bei dem Khan begaben, zwischen zwei Feuern durch gehen, um sich und ihre Geschenke zu reinigen. Man zwang sie sogar, sich vor einem Bilde zu beugen, da» am Eingänge zu dem Zelte de« Khans aufgestellt war. a) Der General-Empfänger dieser Tribute, welcher zu glei­ cher Zeit Befehlshaber der Tatarischen Truppen in Ruß­ land war, nannte sich Groß-Baskak. Er hatte sei­ nen Sitz zu Wladimir, in dem Pallaste des Großfürsten selbst, und alle Baskaken der andern Städte und Für« stenthümer waren ihm untergeordnet.

Zerstückelung des westlichen Rußlands.

75

theilt war. Die Fürsten von Resau, von Twer, von < erkode V. Smolensk, und einige Andre, nannten sich Großfürsten, 1300 bis um sich dadurch von den apanagirten Prinzen zu un­ 1455 terscheiden, welche Besitzungen in dem Umfange ihrer FürstenthKmer Hattens). Diese Theilungen, und ihre Folgen — innere Un­ ruhen —, gaben den Lithauern und den Polen Muth zu dem Versuche, Eroberungen von den Russen zu ma­ chen; und eS gelang ihnen, von dem alten Russischen

Reiche nach und nach den ganzen westlichen Theil loS zu reißen. Die Fürsten von Lithauen hatten, vor dem zwölf­ ten Jahrhundert *), an den Ufern der Flüsse Njemen und Wilia3) nur einen unbeträchtlichen Staat, der auS 1) Neues St. Petersburgisches Journal vom Jahr 1782, Th. UI, S. 164. 2) Die Russischen Jahrbücher reden von den Lithauern nicht vor dem zwölften Jahrhundert. Der erste Krieg zwischen den Russen und Lithauern, dessen die Jahrbü­ cher erwähnen, fallt in das Jahr 1151. Lithauen selbst hat vor dem sechzehnten Jahrhundert keine schriftlichen Monumente. Der Erste, welcher Annalen dieses Landes schrieb, oder vielmehr aus Russischen und Preussischen Chroniken compilirte, war Matthias Stryikowski, Geheimschreiber des Königs Sigismund August, und Ka­ nonikus von Mjedniki in Samogitien. Er gab 1582 eine Polnische, Lithauische, Russische, Preussi­ sche und Tatarische Chronik heraus. Ein Jesuit in Wilna Nahmens Albrecht Wijuk Kojalowitsch hob aus dieser. Chronik das aus, was er darin über Li­ thauen fand, und machte daraus ein besonderes Werk in Lateinischer Sprache, welches er unter dem Titel: Historia lithuana 1650 und 1669 herausgab. Schlözer hat in seiner Geschichte von Lithauen, Halle 1785, 4° dieses Werk kritisch beleuchtet. 3) Stryiko^vski und Kojalowitsch nennen die Flusse Jura, Dubisza, Czarna, Swienta, Szyrwenta, Njemen und Wilia, als die Gränzen des alten Lithauens.

76

Eroberungen der Lithauer und Polen.

Period-Samogitien und einem Theile der alten WoywodschafNachdem diese Fürsten

1300

ten Troki und Wilna bestand.

14'25

lange Zeit de» Russen zinsbar gewesen waren *), warfen

sie daS Joch ab, und fingen an, sich auf Kosten der

Großfürsten,

ihrer ehemaligen Herren, zu vergrößern.

Sie gingen über die Wilia, legten den Grund zu Kier-

now, und «ahmen den Russen nach und nach Braclaw, Nowgorodek, Grodno, Brzesc, Bielsk, Pieski, Mozyr,

Polozk, Minsk, Witepsk, OrSza und MsciSlaw, mit

ihren weiten Gebieten 4).

Ringold war der erste von

diesen Fürsten, welcher sich um die Mitte des dreizehn­ ten

Jahrhunderts die Würde eines Großherzogs an­

maßte s).

Gedimin,

einer von seinen Nachfolgern 4),

machte sich durch neue Eroberungen berühmt.

Er er­

focht mehrere Siege über die Russischen Fürsten, welche

von den Tataren unterstützt wurden; davon war,

und die Folge

daß er sich im I. 1320 der Stadt und

deö Fürstenthums Kiow bemächtigte$).

Damals wur­

de daS ganze Großfürstenthum Kiow, nebst dem davon abhängigen Russischen Fürstenthümern diesseits des Nie-

per, umgestürzt.

Die Polen benutzten die Uneinigkei­

ten, welche zwischen Gedimin'S Söhnen und Nachfol­ gern entstanden waren, um sich 5) der Russischen Für-

1) Kojalowicz, park I, lib. III, p. 69. 2) Idem, p. I, lib. II, III, IV.

3) Idem, p. 83* 4) Gemedin wurde der Stammvater eines neuen großher­ zoglichen Hauses, und gründete die Städte Troki und Wilna. Von ihm leiten mehrere Russische und Polnische Familien ihren Ursprung her, als die Chowanskoi, Galitzin, Kurakin, Schtschenetew, Koreskoi, tMstislawskoi, Trubezkoi, Tschertorilski, Bielski, u. s. w.

5) Kojalowicz, p. I, lib. VIL 6) Um das Jahr 1340.

Großfürstenthum Wolodimer und Moskwa.

77

stenthümer Leopol (Lemberg), Prczemysl, und tzalilsch >)Pe^»de zu bemächtigen,

und

dem Großfürsten Olgrrd ganz

Volhynien und Podolien 2) wegzunehmen 3),

daS die

Lithauer den Polen entrissen hatten.

Von dem alten Russischen Reiche war nun weiter nichts piehr übrig, als daS Großfürstenthum Wolo-

dimer oder Wladimir, das seinen Nahmen von der Stadt Wolodimer, an dem Flusse Kliasma, hatte, wo­

rin bie Großfürsten deS östlichen und nördlichen Ruß­ lands

rcsidirten,

ehe

sie ihren Sitz

in

der

Stadt

Moskwa nahmen; was nicht eher, als zu Ende des

dreizehnten, oder zu Anfänge deS vierzehnten Jahrhun­ derts geschah.

Dieses Großfürstenthum, von welchem

mehrere untergeordnete Russische Fürstenthümer abhin­

gen, wurde, um das I. 1328,

durch den Khan von

Kaptschak,. dem Fürsten von Moskwa Iwan Danilo­ witsch übertragen,

erbte.

der es auf seine Nachkominen ver­

Dimitri Iwanowitsch, Enkel Jwan's Danilo­

witsch, benutzte die Unruhen, durch welche die große Horde damals getheilt war, um seine Kräfte gegen die

Tataren zu versuchen.

Unter dem Beistände mehrerer

Russischen Fürsten, seiner Vasallen, erfocht er, im Jahr

1380, am Tanais (Don) einen ausgezeichneten Sieg über den Khan Temnik-Mamai, den ersten,

der die

Russen berühmt machte, und dessentwegen Dimitry den

glorreichen Beinahmen Donskoi erhielt*). Dieser Fürst machte indeß keinen vortheilhaften Gebrauch voy seinem

1) Diese Fürstenthümer bilden das so genannte Roth - Reuffen. 2) Im Jahre 1349*. 5) Dlugoss, histona Poloniae, lib. X, p. 1057, 1058, 1087, 1088. Kojalowicz, p. I, I. VIII, p. 504, 314. 4) Russische Jahrbücher. Deguignes, hist, des Huns, 1. Hl, P- 359-

15«» ,455

78

Deutscher Orden;

Pe^r»-eSiege; denn man sieht die Tataren noch lange Zeit den 1300 Russen Gesetze vorschreiben und ihnen Tribut auferle1453 gen. Toktamisch-Khan drang, nachdem er Mama» be« siegt und ganz zu Boden geschlagen hatte, im I. 1382 bis nach Moskwa vor, verheerte diese Stadt, und er­ mordete eine große Anzahl ihrer Einwohner ’). Di­ mitri war genöthigt, den Sieger um Gnade zu bitten, und seinen Sohn, als Pfand für seine Treue, in die Korde zu senden. Zum Hauptsitze des Deutschen Ordens, wel­ che- vorher Venedig gewesen war, wurde im I. 1309 Marienburg bestimmt, eine neu erbauet« Stadt, die damals die Hauptstadt von ganz Preussen wurdes). Die Deutschen Ritter schränkten ihre Eroberungen nicht auf Preussen ein; sie nahmen im I. 1311 den Polen das Danziger- oder östliche Pommern, welches zwischen der Netze, der Weichsel und der Ostsee liegt und seit­ dem unter dem Nahmen Pomerellen bekannt ist 3). Diese Provinz, nebst den Gebietest' von Culm und Michailow, wurde dem Orden im I. 1343 durch einen zu Kalisch unterzeichneten Friedens-Traktat*) definitiv abgetreten. Danzig, ihre Hauptstadt, vergrößerte sich unter der Herrschaft des Ordens beträchtlich, und wurde eine von den Haupt-Niederlagen deS Handels in dem Baltischen

Meere oder der Ostsee3). Von allen Unternehmungen der Ritter war indeß keine so kühn, wie der von ihnen gewagte Versuch, Lithauen zu erobern. Die Religion 1) 2) 3) 4) 5)

Müllers Sammlung Russischer Geschichten, B.H, ©.93. Dusburg, Kap. 276 und 297. Dlugoss, 1. IX, p> 92Z. Dogiel, Codex diplomat. Poloniae, t. IV, n. 62,64» 65* Der Orden ließ/ vom Jahre 1311 an, die Neustadt von Danzig bauen. Schütz, hist, rerum Pruss. x. 55.

Größe und Verfall desselben.

79

und eine angebliche Schenkung des Kaiser- Ludwig von

Baiern *), dienten ihnen zum Vorwande, gegen die Lithauer, welche damals noch Heiden waren, einen mörderischen Krieg zu führen, der ein ganzes Jahrhundert hindurch; beinahe ohne Unterbrechung, fortdauerte. Die Großherzoge von Lithauen,-welche nach jeder Nieder­

lage nur immer schrecklicher waren, vertheidigten ihre Freiheit und die Unabhängigkeit ihres Staates mit einem Muth und einer Thätigkeit, die an daö Wun­ derbare gränzten; und nut durch Benutzung der Unei­ nigkeiten, welche in dem großherzoglichen Haufe entstan­ den waren, brachte es der Orden dahin, daß ihm durch den zu Racioz (Razionfch) im I. 1404, geschlossenen FriedenS-Traktat Samogitien abgetreten wurde 2), Die Lieflandifchen Ritter, welche mit dem Deut­ schen Orden unter Einem und eben demselben Großmei­ ster vereinigt waren, fügten Zu ihren ersten Eroberun­ gen noch Esthland hinzu, welches Waldemar Hl, Kö­ nig von Dänemark, ihnen im I. 1347 verkaufte 3). Zu Anfänge des fünfzehnten Jahrhunderts stand der Deutsche Orden auf dem Gipfel seiner Größe. Er bildete damals im Norden eine furchtbare Macht, da er ganz Preussen, mit Pomerellen, so wie auch Samo­ gitien, Curland, Lieflaud und Esthland unter seiner Herrschaft vereinigte. Eine, dem Umfange seiner Staa­ ten angemessene, Volksmenge, wohlgeordnete Finanzen*) 1) Acta Borussica, t. III, p. 54g. 2) Codex diplomat. Poloniae, t. IV, n. 73. 3) Der Contrqkt wurde am 24fien Junius 1347 zu Marien­ burg unterzeichnet. Histoire de Vordre Teutonique, t. III* p. 3184) Die bestimmten Einkünfte, welche der Orden aus Preus­ sen zog, beliefen sich auf achtmal hunderttausend Gold­ gülden, welche -1,500,000 bis 1,750,000 Thlr. betragen. Schütt?, hist, rerum Pruss., p. 100.

1300

Größe und Verfall des Ordens.

80 Period V. 1300 diS 1453

und eilt blühender Handel schienen ihm eine feste und dauerhafte Macht zu sichern. Doch die Eifersucht seiner

Nachbarn, die Vereinigung Lithauens mit Polen,

und

die Bekehrung der Lithauer zum Christenthum, nach wel­

cher die Ritter nicht länget Beistand von bewaffneten

Kreuzfahrern erhalten konnten, wurden für den Orden

bald verderblich, und beschleunigten dessen Verfall. Die Lithauer nahmen Samogitien wieder in Besitz *),

und liessen eö sich, nebst Sudauen, durch die Traktaten

abtreten, welche sie in den Jahren 1422 und 1435 mit

dem Orden schlossen 2). Di.e bedrückende Regierung der Ritter, die Uneinig­

keiten in ihrem Innern, und die schwere Last von Ab­

gaben — eine unselige Wirkung ihrer immer aufs neue

entstehenden Kriege — reitzten de» Adel und die Städte

in Preussen und Pomerelle», sich gegen den Orden zu verbünden, und den Schutz der Könige von Polen nach­

zusuchen.

Dieser wurde ihnen bewilligt, da sie im I.

1454 eine Urkunde unterzeichneten, durch welche sie sich

dem Königreiche Polen unterwarfen ’).

Hierdurch ent­

stand ein langer und blutiger Krieg mit Polen, der erst im Jahre 1466 durch den Frieden von Thorn beendigt würbe4). Diesem zufolge, wurden Culm, Michailow und

daS Danziger-Pommern (Pomerellen), d. h. alles, was man seitdem unter dem Nahmen Polnisch-Preussen

begriff, an Polen abgetreten.

Den Ueberrest von Preus­

sen behielt der Orden, der aber versprechen mußte, durch

seinen Großmeister den Königen von Polen zu huldigen. Der 1) Im Jahre 1)09. a) Dogiel, Cod. dipl. Poloniae, n. 97, p. 123. 5 Idem t. IV, n. 106 und 10Z. 4) Idem t. IV, n. 122, p. 163.

t. IV, n. 90, p. 110,

Pole n.

8x

Der Hauptsitz des Ordens wurde nun nach Königsberg verlegt; und er blieb daselbst bis zu der Zeit, da Preus-

1500

sen dem Orden durch daS Haus Brandenburg entzogen

,453 Ä

wurde.

Polen trat endlich auS dem Zustande von Kraftlo­

sigkeit hervor,

in den eS die unglücklichen Theilungen

Boleslaw'S HI

und feiner Nachkommen gestürzt hatten.

Wladislaw Lokietek, der mehrere besondere Fürstenthümer zusammen gebracht, ließ sich zu Krakau km 1.1320

krönen *).

Nun ward die königliche Würde in Pole«

immerwährend, und erbte auf alle Nachfolger Wla-

diSlawS fort 2).

Der unmittelbare Thronfolger diefeS

Fürsten war fein Sohn, Casimir der Große, der ,

zu

Gunsten der Könige von Böhmen, feinen Rechte» auf die Oberherrschaft von Schlesien entsagte 3), diesen Ver­

lust aber dadurch wieder ersetzte, daß er mehrere Pro­

vinzen des alten Rußlands eroberte.

Er war eS, der

sich im 3r. 1340 Roth - Rußland unterwarf, und 1349

die Provinzen Volhymen, Podolien, Chrlm und Bel; 1) Dlucoss, hist, polon., lib. IX, p. 971. Przernysl n Pogrobek hatte sich in ©tiefen, durch den Erzbischof die, ser Stadl, auf einem im I. 1295 gehaltenen Reichstage salben and krönen lassen. Dlucoss , hb. VII, p. 8771 Sein Nachfolger, Wladislaw, nahm die königliche Würr de nicht eher wieder an, als bis er die Woywodschafte« Posen und Kalisch mit seinem Reiche vereinigt hatte.

2) Dor Wladislaw Lokietek gab er nur einige Suverän« von Polen, die mit der königlichen Würde bekleidet war ren; und die Tradition, welche den Ursprung der Kö, mgswürde in Polen, und die Reihe von dessen Königen, bis zu Boleslaw Chrobri (acer), im Jahre iooo> hinauf, steigen läßt, steht in offenbarem Widersprüche mit den historischen Monurnentenr 3) M. s. oben S. 501

Kochs Revolutionen. Ui

82

Revolution in der Regierung von Polen.

V«^ -e bett Lithauischen Großherzogen, welch« sie in früheren Zei-

i3"> 14,.-

ten den Russen weggcnommen hatten'), wieder entriß. Unter Casimir dem Großen erfolgte eine Re­ volution in der Regierung von Polen. Dieser König hatte keinen Sohn, und wünschte, daß sein Neffe Lud­ wig, Sohn seiner Schwester und Karl Roberts, Königvon Ungarn, Erbe seiner Krone werden möchte; er be­ rief daher, im I. 1339, einen allgemeinen Reichstag nach Krakau, und ließ auf demselben die Thronfolge des

Ungarischen Prinzen genehmigen, wodurch die wohlge­

gründeten Rechte der Piastifchen Fürsten, welche in Mafovien und Schlesien regierten, beeinträchtiget wurden. Diese Aufhebung deS Erbfvlgerechtes, welche- die ver­ schiedenen Piastifchen Linien bisher gehabt hatten, bahn­ te dem Polnischen Adel den Weg, sich in die Wahl der Kö­ nige zu mischen und Polen endlich ganz zu einem Wahl­ reiche zu machen. Der Adel benutzte sie auch, die Ge­ walt der Könige zu beschränken und den Grund zu ei­ ner republikanischen, oder vielmehr aristokratischen, Re­ gierung jü legen 2). ES wurden int Jahre 1355, noch bei Lebzeiten deS König- Casimir, Deputirte nach Un­ garn geschickt, die seinen Thronfolger, den König Lud­ wig, vermochten, eine Urkunde zu unterzeichnen, durch die er sich und seine Nachfolger verpflichtete, daß er bei seiner Thronbesteigung den Polnischen Adel von allen 1) Dlugoss, p. 1057, 105Ö/ 1087/ 1O88. M. s. oben S. 76. 2) Die alten Suverane von Polen waren unbeschrankt; die erste Einschränkung ihrer Macht geht nicht über den Zeit­ punkt hinaus, da die Monarchie durch die unglücklichen Theilungen Boleslaw's HI zerstückelt wurde. Die Nach­ folger dieses Fürsten mußten die Gunst des Adels suchen, und bewilligten ihm nach und nach Vorrechte, die er ehe­ mals nicht gehabt hatte. Jeket, PolensStaatsveranderungen, B. iz S. 7* B. m, S. 91.

Thronbesteigung der Jagellonen.

83

Steuern und Kontributionen befreien, ingleichen nie, un­

ter welchem Vorwande es auch seyn möchte, von dem­

selben Subsidien fordern, auch bei seinen Reisen an kei­ nem Orte, durch den er käme, etwas zum Unterhalt

seines Hofes fordern wollte ‘).

Mit Casimir, der im Jahre 1370 starb, erlosch da­ alte Plastische Hau- der Könige von Polen, nachdem es

den Thron eine lange Reihe von Jahrhunderten hin­

durch besessen hatte. Nach ihm regierte Ludwig, mit dem Beinahmen der Große, über Polen und Ungarn.

Er bewirkte im I.

1382 auf einem Reichstage, daß die Polen seine Wahl Sigismunds von Luxemburg zum Schwiegersohn, und zu

seinem Nachfolger in beiden Königreichen, genehmigten. Doch nach seinem, unmittelbar darauf-) erfolgten To-

de,brachen die Polen ihre Verpflichtung, und übertrugen

ihre Krone Hedwig, der jüngeren Tochter deS Königs Ludwig.

Sie verpflichteten diese Prinzessin, sich mit

Jagello,

'Großherzogi von Lithauen, zu vermahlen,

der sich erbot, Lithauen mit Polen zu vereinigen, dem Heidenthume zu entsage», und,

mit seinem Volke, die

christliche Religion anzunchmen 3).

Jagello bekam in

1) Die Urkunde hierüber findet man, unabgekärztin DucLoss, p. 1102. Diese und andere Privilegien wurden von Ludwig dem Großen, als er auf den Thron von Polen gekommen war, bestätigt und sogar noch vermehrt. 2) Den 14. September 1382.

5) Die Bekehrung zum Christenlhume wurde von den Li­ thauern auf einer im Jahre 1387 veranstalteten allge­ meinen Versammlung der Nation beschlossen; sie be­ schränkte sich aber bloß auf die Ceremonie der Taufe. Da die Polnischen Priester, welche man zu diesem Betel)rungegelchäfte gebrauchte, der Lithauischen Sprache nicht mächtig waren, so trat der König Jagello selbst als Pre, biger auf. Durch ein gewisses Mittel, wovon er Ge-

erivdr V. 1300 bis *453

84

Vereinigung von Polen und Lithauen.

Periode der Taufe den Nahmen Wladislaw, oder Uladiö1300

laus, und wurde zu Krakau, am 17 Februar 1336,

1453

als König von Polen gekrönt *)> Bei Jagello'S Thronbesteigung wurden Polen und Lithauen, deren Interesse so lange getheilt und die sehr er­

bitterte Feinde von einander gewesen waren, in Einen Staat, unter der Herrschaft Eines und desselben Königs, vereinigt»

Indeß behielt Lithauen noch beinahe zwei

Jahrhunderte ^hindurch

seine besonderen Grvßherzoge,

welche die Oberherrschaft von Polen anerkannten; und eigentlich wurde erst im I. 1569, unter der Regierung Sigismund Augusts, die letzte Hand an die Vereini­

gung beider Staaten -gelegt»

Diese wichtige Vereini­

gung sicherte Polen das Uebergewicht im Norden zu;

sie wurde verderblich für die Macht des Deutschen Or­ dens, der nun den gemeinschaftlichen Kräften der Po­

le» und Lithauer nicht mehr widerstehen konnt«. WladiSlaw Jagellv erhielt die Genehmigung der Polnischen Großen zur Thronfolge seine- SohneS nur' dadurch, daß er die Privilegien, welche ihnen sein« Vor­ gänger schon bewilligt hatten, nvch mit neuen vermehrte.

Er war unter den Königen von Polen der erste, der, um sich außerordentliche Einkünfte zu verschaffen, im brauch machte, richtete er übrigens mehr aus, als durch alle Gründe. Die Lithauer hatten bis dahin nur Kleider von Thierfellcn oder von Leinewand 'getragen; der Kö­ nig aber vertheilte unter Alle, dir sich laufen Neffen, wvllrne Kleidungen, von denen er eine große Menge hatte aus Polen kommen laffen. Nun eilten Tausende von Lithauer« herbei, und verlangten, getauft zu werden. — Die Samogttier tiahmen das Christenthum erst im Jahre ■1415 an. KelAMWicz, historia Lithuana, Part. I, lib. IX, p. 397, und part. II, lib. II, p. 93. Dlvsoss, lib. X, p. lto , lib. II, p. 3'jfi.

1) DlvgoM, 1. X, p. ivch

Ungarn; da» Haus Anjou kommt auf den Thron.

85

Jahre 1404 die Landboten oder Deputaten des Adels Per^od« j« einem Reichstage berief und den Gebrauch der VorLandtage in den Starosteien und Woywodschasten ein-

führteT).

Seine Nachkommen behielten die Krone, bis

sie im sechzehnten Jahrhundert erloschen«

Die Thron­

folge war indeß vermischt (nicht rein - erblich); und

obgleich die Prinzen auS dem Jagetlonischen Hause sich als Erben des Königreiches betrachteten, so mußte ih­

nen, dessen ungeachtet, bei jeder Regierungsveränderung,

die Krone durch Wahl und Zustimmung deS Adels über­ tragen werden.

Der Mannsstamm der alten Könige von Ungarn, welcher von dem Herzoge Arpad entsprossen war, starb

mit dem Könige Andreas III, im I. .1301 aus.

Nun

machten mehrere Mitbewerber einander die Krone strei­ tig, die endlich dem in Neapel regierenden Hause An«

jvu "zu Theil wurde.

Karl Robert, Enkel Karls 11,

Königs von Neapel und der Prinzessin Maria von Un­ garn, trug den Sieg siber seine Mitbewerber davon, und

brachte diese Krone auf seinen Sohn Ludwig, mit dem Neinahmen, „der GroßesDieser Fürst, der sich durch

hervorragende Eigenschaften auözeichnete, spielte unter

den Königen voy Ungarn eine große Rolle.

Er nahm

den Petietianexn ganz Dalmatien wieder, von den Grän­

zen JstrienS bis nach Durazzo hin 2), machte die Für­

sten von der Moldau, der Walachei , von Bosnien und Bulgarien von sich abhängig3), und bestieg, nach demTo-

de seines Oheims, Easimirs des Großen, auch den Thron von Polen. Maria, seine älteste Tochter, folgte ihm (1332) in dem Königreiche Ungar». Diese Prinzess,» vermahlte 1) Dlugoss, lib. X, p. ißo. lib. II, p. 536» 2) Lucius, de regno Dalmatia^ lib. IV * cap. 17s, p. 235» 3) Palma, notitia re^yyi sub Ludovico I, §.12,13.14

1300 14'53

Sigismund von Luxemburg.

86

sich mit Sigismund von Luxemburg, der mit dem Thro-

1300 1455

ne von Ungarn auch die Kaiserkrone vereinigte. Sigismund's Regierung in Ungarn war, da sie

durch unaufhörliche Unruhen gestört wurde, äußerst un­ glücklich.

Dieser Fürst hatte den ersten Krieg gegen

die Osmanischen Türken zu führen.

Als Bundesgenos­

se des Kaisers von Coustantinopel, zog er ein furcht­

bares Heer zusammen, womit er, im Jahre 1396, die Belagerung von Nikopolis in Bulgarien unternahm. Doch vor dieser festen Stadt litt

Niederlage durch die Türken.

er eine schreckliche

Bei seinem Rückzüge war

er genöthigt, sich auf der Donau rinzuschiffen und seine

Flucht über Constantinopel zu nehmen *). Als Folge die­

ser Niederlage, erfuhr Sigismund noch andre Unglücks­

falle. Ein Neapolitanischer Prinz empörte sich gegen ihn, und die Venetianer drangen wieder in Dalmatien ein $). Er wünschte seitdem für die Vertheidigung und Si­

cherheit seines Königreiches zu sorge»; daher verschaffte

er sich im I. 1425 durch-einen Traktat mit dem Für­ sten von Servien die Festung Belgrad, welche ihm, we­ gen ihrer Lage an dem Zusammenflüsse der Donau und 1) Pray, annales regum Hung., part. II, p. 195 et Froissart, ehronie., vol. IV, c. 19. Man schreibt diese Nie­ derlage gemeiniglich dem Ungestüm der Franzosen zu, welche, unter Anführung des Grafen von Nevers, Sohn des Herzogs von Burgund, den Ungarn zu Hülfe ge­ kommen waren. Sie sollten den ersten Angriff machen, und übereilten nun ihren Marsch so sehr, daß die HauptArmee sie nicht mehr unterstützen konnte; woher sie denn von den Türken umringt und niedergehauen wurden. Der Graf von Nevers, der seitdem unter dem Nahmen: Johann ohne Furcht, Herzog von Burgund, bekannt geworden ist, war mit unter den Gefangenen. Dieser Vorfall setzte das Ungarische Heer in Schrecken, und verschaffte den Türken einen vollständigen Sieg. 2) In den Jahren 1409 und 1412. matiae, lib. V, cap. 5.

Lucius, de regno Dal-

Ungarn.

Wladirlaw von Polen.

87

der Save, sehr tauglich schien, zu einem Bollwerke für

Ungarn gegen die Türken zu dienen. Die Unruhen in diesem Königreiche währten stach SigiömundS Tode fort.

ging aufs neue an.

Sohn,

Der Krieg mit den Türken

WladiSlaw von Polen, Jagello's

und Alberts von Oestreich Nachfolger auf dem

Throne von Ungarn, lieferte ihnen, im I. 1444, nahe

bei Warna in Bulgarien, eine blutige Schlacht«

Die

Ungarn litten aber hier aufs treue eine gänzliche Nie­ derlage, und ihr König verlor darin daö Leben *). Un­

garn verdankte damals seine Rettung nur dem berühm­ ten Johann von tzunyad (tzunyades), der sich in meh­

reren Gefechten gegen die Türken auSzeichnete, und im Jahre 1456 Muhammed II nöthigte, die Belagerung von .Belgrad aufzuheben, wobei er über 25,000 Mann ver­ lor und selber schwer verwundet wurde.

DaS Griechische Kaiserthum neigte sich, un­ ter der kraftlosen Staatsverwaltung der Palaologischen Fürsten, welche seit 1261 auf dem Throne von Constan-

tinopel saßen, immer mehr und mehr zu seinem Unter­ gänge.

Eben die Laster, von denen wir oben geredet

habens, die große Gewalt der Patriarchen und der Mönche, die Wuth theologischer Zänkereien, Schismen

und Sekten, und — die Folge von dem allen — in1) Philippus Callimachus, de rebus ab Üladislao gestis, hb. III. , Der Verfasser dieser Geschichte, aus einer vor­ nehmen Familie in Toskana, war einer von den vortreff­ lichen Köpfen, welche Italien im fünfzehnten Jahrhun­ dert hervorbrachte. Er wurde in Rom verfolgt, und be­ gab sich daher nach Polen, zu dem Könige Casimir, der ihm die Erziehung seiner Kinder anvertrauete, und ihn späterhin zu seinem Sekretär machte. Dies gab ihm denn Gelegenheit, die Geschichte Wladislaw's, Königs von Ungarn, Bruders von Casimir III, zu schreiben. 2) Band I, S. in.

1300

4d5

83

Die Osmanischen Türken.

P e r i o d ' nere Uneinigkeiten, V. 1,300 bis *453

Osman.

hausten die Uebel, so wie die Un­

ordnungen im Staate, und trugen sämmtlich das Ih­

rige bei, dessen Fall und Vernichtung zu beschleunigen.

Johann I PalaologuS, und seine Nachfolger, die letzten Kaiser jvon Constantinopel, waren schon in die traurige Nothwendigkeit gesetzt, den Türken Tribut zu

bezahle», und, auf Befehl der Sultane, an deren Krie­ geszügen Theil zu nehmen; so verdankten sie denn ei­

nige Zeit hindurch die Erhaltung der geringen Trüm­ mer von ihrem Reiche nur dm Glückswechseln,

wel­

che die Osmanen zuweilen erfuhren, und den Schwie­

rigkeiten, welche die Belagerung her Hauptstadt für ein rohes, mit dem Seewesen uuh der Belagerungskuust

ganz unbekanntes Volk hatte.

Der Ursprung von der Macht der Osmanische» Türken steigt bis zum Schlüsse des dreizehnten Jahr­

hunderts hinauf.

Den ersten Grund dazu legte ein

Türkischer Emir, Rahmens OSma», um das Jahr 1300, in Klein- Asien.

Er war einer von denen Emiru, die,

als daS Seldschukische Reich Rum yder Jconium von den Mogolen umgestürzt worden war, das ihren alte«

Herren Entrissene, als Beute, mit einander theilten

Ein beträchtliches Stück von Bithynien, und das ganze Land in den Gegenden des BergeS Olympus, fiel die­

sem OSman oder Oschman zu, der sich in der Folge mit andern Emirn verband, um die Besitzungen des Griechi­

sche« KaiserthumS, unter der kraftlosen Regierung deS

Kaisers Andronikus II, anzugreifen.

Brusa oder Bursa,

die Hauptstadt von Bithynien, eroberte Osman um daö Jahr 1327 ®).

Er und feilte Nachfolger machten eS

zum Sitze ihres neuen Staates, der es i« der Folge da1) ^funclavii pandectae historiae Turcicae, cap. XI et XIII. 2) Ejitsthm historia musulm. Ture., lib. III, p. 171.

Orchan,

hin brachte,

Osmans Nachfolger.

89

allen andern Türkischen Fürstenthümern, P e^lIob 6

welche, so wie Osman- Staat selbst, auö den Trümmern de- Thrones von Jconium und des Griechischen

Kaiserthums entstanden waren r), Gesetze vorzuschreiben.

Orchan, Sohn und Nachfolger Osman-, errichtete die berühmten Janitscharen (Jengitschäri), denen die

Türken ihr Glück großen Theil- verdankten.

Er ent­

riß den Griechen die Städte Nicaa und Nikomedia in Bithynien, unterjochte hierauf mehrere Türkische Emkrn in Klein-Aste»,

und nahm nun den Titel Sultan,

oder König, an, und nannte sich auch Padischah, wel­ ches Wort eben die Bedeutung hat, wie da-Deutsche: Kaiser-).

Sein SohnSoliman ging, auf seinen Be­

fehl, in der Gegend der Ruinen von Troja über den Hellespont, und nahm im Jahre 758 der Hegira (3«

C. 1358) die Stadt Gallipoli in der Thracischen Halb­ insel ein 3).

Die Eroberung dieses festen Platze- öff­

nete den Türken den Eingang in Europa; und sie be­ dienten sich dessen nun, um Thrakien und ganz Grie­

chenland zu überschwemmen. 1) Unter den Türkischen Familien, welche damals die Staa­ ten der Griechen in Klein - Asien zerstückelten, bemerkt man, außer den Osmanen, noch die Carasi- ogli, welche sich der Landschaft Troas, Mysiens »nd eines Theils von Phrygien bemächtigten; die Sarucha.nogli, welche Aeolien und einen Theil von Lydien ero­ berten; die Aidin-ygli, welche Smyrna, Ionien und ebenfalls einen Theil von Lydien einnahmen; dis Meytes-og li, welche Herren von Earien und Lycien wurden; die Germean- ogli, welche sich in Phrygien festsetzten; die Omer-oder Jsfendiar-iogli, welch» Paphlagonien, nebst einem Theile von Pontus, unter­ jochten. Cha^cocokdylas, de rebus Turcicis, lib. I, p. 7, Ducas, hist. Byzant., cap. 2. 2) Leunclavii hist, mutulm. Ture., lib. IV, p, igi. 5) Künstlern, aqnal. Ture., p. 11. Historia musulm. Turcica, lib. IV, p. 206.

1300 14^5

Amurad I. B a j a z e t h l.



Amur ad

P«n»de

1300

machte sich,