Geldpolitik und gesamtwirtschaftliche Produktion: Eine theoretische Analyse monetärer Stabilisierungspolitik [1 ed.] 9783428473724, 9783428073726


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Geldpolitik und gesamtwirtschaftliche Produktion: Eine theoretische Analyse monetärer Stabilisierungspolitik [1 ed.]
 9783428473724, 9783428073726

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FRIEDRICH KISSMER

Geldpolitik und gesamtwirtschaftliche Produktion

Veröffentlichungen des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung Band 28

Geldpolitik und gesamtwirtschaftliche Produktion Eine theoretische Analyse monetärer Stabilisierungspolitik

Von

Friedrich Kißmer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kissmer, Friedrich: Geldpolitik und gesamtwirtschaftliche Produktion : eine theoretische Analyse monetärer Stabilisierungspolitik I von Friedrich Kissmer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Veröffentlichungen des Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung ; Bd. 28) Zug!.: Hagen, Femuniv., Diss., 1991 ISBN 3-428-07372-X NE: Institut für Empirische Wirtschaftsforschung (Berlin): Veröffentlichungen des Instituts ...

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7239 ISBN 3-428-07372-X

Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen.................................................................................

7

Einleitung ...........................................................................................................................

9

1. Geldpolitik und das Verhalten der Privaten: Vom kontrollt~eoretisch~~ zum strategischen Ansatz der monetären StabiliSierungspohhk............................................................................................................

13

1.1. Ziele und Mittel der monetären Stabilisierungspolitik .............................................

14

1.2. Monetäre Stabilisierungspolitik im originär kontrolltheoretischen Ansatz............

18

1.2.1. Monetäre Stabilisierungspolitik im statischen Kontrollansatz ....................

19

1.2.2. Monetäre Stabilisierungspolitik im dynamischen Kontrollansatz................

26

1.2.3. Monetäre Stabilisierungspolitik bei Benicksichtigung exogener Erwartungsbildungsmechanismen............................................................................

29

1.3. Monetäre Stabilisierungspolitik bei rationalen Erwartungen...................................

32

1.3.1. Das Konzept rationaler Erwartungen.............................................................

32

1.3.2. Das Problem fehlender Strukturkonstanz in Modellen mit rationalen Erwartungen.....................................................................................................

34

.1.3.3. Das Problem fehlender Glaubwürdigkeit stabilisierungspolitischer Maßnahmen ..................................................................................................... 1.3.3.1. Das Problem mangelnder Anreizkompatibilität stabilisierungspolitischer Maßnahmen..................................................................... 1.3.3.2. Das Problem zeitlicher Inkonsistenz stabilisierungspolitischer Maßnahmen .......................................................................................

43

1.4. Zusammenfassung......................................................................................................

48

2. Reale Niveau- und Absorbierungseffekte der Geldpolitik in stochastischen Makromodellen der NCM-Theorie .............................

51

36 39

2.1. Reale Effekte der Geldpolitik bei konstanten Verhaltenskoetftzienten..................

54

2.1.1. Geldpolitik bei fehlenden kontemporären Indikatorinformationen ............. 2.1.1.1. Open-loop-vs. fcedback-Regel für ein gegebenes gelJpo!itiscbes Instrument.......................................................................................... 2.1.1.2. Bedeutung der Wahl des geldpolitischen Ins!ruments.................... 2.1.1.3. Geldpolitik und die Bestimmung des gesa.ntwirtschaftlichen Preisniveaus .......................................................................................

55 59 61

2.1.2. Geldpolitik bei Verwendung kontemporärer Indikatorinformationen.........

68

63

6

lnhaltsvetzeichnis 2.1.2.1. Private und geldpolitische Nutzung kontemporärer lndilcatorinfonnationen..................................................................................... 2.1.2.2. Geldpolitik bei ausschließlicher Nutzung kontemporärer Indikatorinformationen durch die Zentralbank ......................................... 2.1.2.3. Private vs. geldpolitische Nutzung kontemporärer lndilcatorinfonnationen.....................................................................................

69 72 76

2.1.3. Geldpolitik und unterschiedliche Informationsstruktur bei der Aufstellung privater Angebots- und Nachfragepläne..........................................

79

2.2. Reale Effekte der Geldpolitik bei variablen Verhaltenskoefflzienten.....................

82

2.2.1. Die Lucas-Angebotsfunktion bei unsicheren (Konsumenten-) Reallöhnen............................................................................................................... 2.2.1.1. Lokale und aggregierte Arbeitsnachfragefunktionen ..................... 2.2.1.2. Lokale und aggregierte Arbeitsangebotsfunktionen....................... 2.2.1.3. Lokale und aggregierte Güterangebotsfunktionen..........................

84 8S 86 92

2.2.2. Reale Niveau- und Absorbierungseffekte monetärer Stabilisierungspolitikbei risikoaversen Arbeitsanbietern ..................................................... 2.2.2.1. Zusammenhang von Niveau und Varianz der Produktion bei Nutzung des Informationsgehaltes lokaler Preise........................... 2.2.2.2. Niveau und Varianz der Produktion bei alternativen geldpolitischen Zielvorstellungen............................................................

103

2.3. Zusammenfassung......................................................................................................

lOS

3. Reale Niveau- und Absorbierun~seffekte der Geldpolitik bei Berücksichti~un~ des vollständi~en Optimierun~sverbaltens repräsentativer Wirtschaftseinheiten.........................................

101

3.1. Relevanz der Geldfunktionen für die monetäre Stabilisierungspolitilc....................

110

95 96

3.2. Geldpolitik in einem dynamischen cash-in-advance-Modell..................................

112

3.2.1. Das Optimierungsproblem der repräsentativen Unternehmung...................

112

3.2.2. Das Optimierungsproblem des repräsentativen Haushalts...........................

114

3.2.3. Die Restriktionen des öffentlichen Sektors....................................................

119

3.2.4. Cbarakterisierung der makroökonomischen Gleichgewichtsbedingungen..............................................................................................................

120

3.2.5. Niveaueffekte der Geldpolitik im langfristigen deterministischen Gleichgewicht.............................................................................................................

122

3.2.6. Reale Niveau- und Absorbierungseffekte der Geldpolitik bei stochastischen Produktivitäts- und Präferenzstörungen .......................................... 3.2.6.1. Geldpolitik bei Gültigkeit des Sicherbeitsiquivalenzprinzips........ 3.2.6.2. Geldpolitik bei Berücksichtigung der Risikoaversion privater Haushalte............................................................................................

125 126 133

Schluss ..................................................................................................................................

140

Literaturverzeichnis ....................................................................................................

142

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Geldpolitik und erwartetes Produktionsniveau .................... Abbildung 2: Optimale geldpolitische Reaktion bei Angebotsstörun-

99

gen..............................................................................................................

100

Abbildung 3: Geldpolitik und Outputvarianz.....................................................

101

Abbildung 4: Zusammenhang von Varianz und Erwartungswert der

Produktion 4a: Risikoneutralität

4b: Risikoaversion.....................................................................................

102

Einleitung

Die vorliegende Arbeit behandelt den Einfluß monetärer Stabilisierungspolitik auf Niveau und Variabilität der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Inhaltlich knüpfen die folgenden Ausführungen an die seit den 70er Jahren geführte Diskussion um die Notwendigkeit, Wirksamkeit und Optimalität geldpolitischer Maßnahmen an. Diese stabilisierungspolitische Auseinandersetzung basiert auf der Annahme, daß der Wirtschaftsablauf zumindest insoweit nicht friktionslos funktioniert, als exogene stochastische Störungen unvorhergesehene Produktionseffekte induzieren können. Daher wird der analytische Rahmen der folgenden Ausführungen durch makroökonomische Modellansätze vorgegeben, in denen die gesamtwirtschaftliche Produktion als endogene stochastische Variable erscheint, zu deren Charakterisierung Erwartungswert-und Varianzfunktionen verwendet werden. Stabilisierungspolitisch kann das Auftreten stochastischer Störungen nicht verhindert werden; allerdings können die wirtschaftspolitischen Entscheidungsinstanzen durch den Einsatz stabilisierungspolitischer Maßnahmen versuchen, gesamtwirtschaftliche Produktionseffekte unvorhergesehener Schocks zu verhindern. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf eine Darstellung der geldpolitischen Möglichkeiten und Grenzen zur Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Produktion, wobei von internationalen Aspekten der monetären Stabilisierungspolitik abstrahiert wird. Im Kontext stochastischer Ansätze zur monetären Stabilisierungspolitik wird üblicherweise das Ausmaß des stabilisierungspolitischen Erfolges an der Fähigkeit der Geldpolitik gemessen, die Auswirkungen stochastischer Störungen auf die gesamtwirtschaftliche Produktion zu absorbieren. Eine solche Charakterisierung des stabilisierungspolitischen Potentials der Geldpolitik abstrahiert aber von dem Umstand, daß monetäre Maßnahmen zur Absorbierung stochastischer Störungen möglicherweise das durchschnittliche Produktionsniveau beeinflussen. Derartige Niveaueffekte stabilisierungspolitischer Maßnahmen können dann auftreten, wenn das durchschnittliche Produktionsvolumen nicht mit einem politikinvarianten natural-rate-Niveau identisch ist. In der vorliegenden Arbeit werden

10

Einleitung

daher geldpolitische Maßnahmen nicht allein im Hinblick auf ihre Absorbierungseigenschaften analysiert; vielmehr sollen monetäre Stabilisierungspolitiken gerade hinsichtlich ihrer realen Auswirkungen bezüglich Niveau und Variabilität der Produktion analysiert werden. Hierbei wird eine geldpolitisch induzierte Veränderung des Erwartungswertes der gesamtwirtschaftlichen Produktion als realer Niveaueffekt monetärer Stabilisierungspolitik begriffen, während reale Absorbierungseffekte an Veränderungen der Varianz der Produktion gemessen werden. Dieses Vorgehen erlaubt es, möglicherweise bestehende oder geldpolitisch erzeugte Interdependenzen zwischen dem durchschnittlichen Niveau und der Variabilität (Varianz) der gesamtwirtschaftlichen Produktion zu diskutieren. Der erste Abschnitt stellt die traditionellen Fragestellungen der monetären Stabilisierungspolitik vor und thematisiert diese unter dem Aspekt einer Einbeziehung der Verhaltensweisen des privaten Sektors. Abgesehen von Problemen der realwirtschaftlichen Wirksamkeit monetärer Maßnahmen, die primär durch stabilisierungspolitische Ansätze der "New Classical Macroeconomics" (NCM) aufgeworfen und im zweiten Abschnitt diskutiert werden, stehen verschiedene Wahlhandlungsmöglichkeiten der monetären Instanz im Zentrum der stabilisierungspolitischen Diskussion. Hierzu zählt die Frage der Instrumentenwahl - ein Aspekt, der in der vorliegenden Arbeit als Wahl zwischen Geldmengen- und Zinssteuerung (Abschnitte 1.1., 1.2. und 2.1 .1.2.) analysiert wird - sowie die Auseinandersetzung über den Grad an Flexibilität, mit der stabilisierungspolitische Politikregeln auf wirtschaftliche Ereignisse reagieren (Feedback- vs. open-loop-Politik). Die genannten Problemkreise der Instrumentenwahl und der Ausgestaltung von Politikregeln können sowohl hinsichtlich eines deskriptiven stabilisierungspolitischen Ansatzes als auch unter dem Aspekt einer optimalen Geldpolitik betrachtet werden. In der vorliegenden Arbeit erfolgt die Behandlung der deskriptiven Politikebene durch eine Darstellung realer Niveau- und Absorbierungseffekte monetärer Stabilisierungspolitiken; dagegen werden optimale Politiken als solche definiert, die eine exogen postulierte geldpolitische Zielfunktion optimieren. Die im ersten Abschnitt vorzunehmende Integration des privaten Sektors in den stabilisierungspolitischen Kontext soll die besonderen Handlungsbedingungen der monetären Instanz verdeutlichen, wenn das Verhalten der Privaten abhängig von den jeweils antizipierten geldpolitischen Entscheidungen ist. Eine Berücksichtigung privater Verhaltensweisen wirft Fragen der strukturel-

Einleitung

11

len Konstanz rnakroökonorn(etr)ischer Modellansätze (Abschnitt 1.3.2.) sowie strategische Glaubwürdigkeitsproblerne (Abschnitt 1.3.3.) stabilisierungspolitischer Maßnahmen auf. Die Ursachen dafür liegen letztlich in der Interdependenz von privatem Verhalten und geldpolitischen Maßnahmen einerseits, sowie dem Wissen von Privaten und monetärer Instanz um diese Interdependenz andererseits. Hierbei gründet sich die Analyse der stabilisierungspolitischen Irnplikationen politikabhängigen Verhaltens der Privaten auf einer modelltheoretischen Berücksichtigung der Hypothese rationaler Erwartungsbildung für den privaten Sektor. Ausgehend von kontrolltheoretischen Ansätzen der Stabilisierungspolitik (Abschnitt 1.2.) wird gezeigt, daß eine Einbeziehung rationaler Erwartungsbildung der Privaten (Abschnitt 1.3.) zu einer Betonung strategischer Gesichtspunkte bei der Herausarbeitung optimaler Politiken führt. Dieses Vorgehen führt darüber hinaus zu einer spieltheoretisch orientierten Interpretation der stabilisierungspolitischen Wahl zwischen einer regelgebundenen und diskretionären Geldpolitik Der zweite Abschnitt untersucht die produktionswirksamen Auswirkungen regelgebundener Geldpolitiken im Rahmen stochastischer Ansätze der "New Classical Macroeconornics" . Dem Ansatz der NCM-Theorie entsprechend abstrahiert die Analyse von der Existenz etwaiger Lohn- und Preisinflexibilitäten; reale Niveau- und Absorbierungseffekte der monetären Stabilisierungspolitik können daher nicht durch starre Löhne oder inflexible Güterpreise erklärt werden. Die Ausführungen des Abschnitts 2.1. heben die Bedeutung der inforrnationstheoretischen Annahmen der NCM-Theorie für die realwirtschaftliche Wirksamkeit bzw. Wirkungslosigkeit der monetären Stabilisierungspolitik hervor. Anschließend wird in Abschnitt 2.2. ein Standard-Multimarktansatz um die explizite Berücksichtigung risikoaversen Verhaltens der Arbeitsanbieter erweitert. Dabei sollen die stabilisierungspolitischen lrnplikationen variabler Verhaltenskoeffizienten in der gesamtwirtschaftlichen Güterangebotsfunktion verdeutlicht werden.

Im Gegensatz zu den Modellansätzen des zweiten Abschnitts, die im wesentlichen auf ad-hoc-Spezifizierungen bzw. lediglich partieller entscheidungslogischer Fundierung basieren, erfolgt im dritten Abschnitt die Behandlung der Themenstellung innerhalb eines dynamischen Optimierungsmodells. Die Berücksichtigung des vollständigen Optimierungsverhaltens repräsentativer Wirtschaftseinheiten relativiert die im zweiten Abschnitt beschriebene Rolle kontemporärer Informationsdefizite für die realen Niveau- und Absor-

12

Einleitung

bierungseffekte monetärer Stabilisierungspolitik Dagegen betont der zu diskutierende cash-in-advance-Ansatz das intertemporale Rationalkalkül der Privaten sowie die Bedeutung der Geldfunktionen für die stabilisierungspolitischen lmplikationen geldpolitischer Maßnahmen.

1. Geldpolitik und das Verhalten der Privaten:

Vom kontrolltheoretischen zum strategischen Ansatz der monetären Stabilisierungspolitik

Seit Einführung der Hypothese rationaler Erwartungen in die ökonomische Theoriebildung 1 unterliegt die wirtschaftstheoretische Diskussion zu den realen Effekten der Geldpolitik einem Wandel in ihren modelltheoretischen Grundlagen. An die Stelle ad-hoc-spezifizierter makroökonom(etr)ischer Modelle treten Ansätze, die explizit das Optimierungsverbalten rationaler repräsentativer Wirtschaftseinheiten bei der Analyse wirtschaftspolitischer Maßnahmen berücksichtigen. Als Ausgangspunkt dieses Wandels kann die Überlegung angesehen werden, daß makroökonomische Modellansätze zur Überprüfung der Auswirkungen stabilisierungspolitischer Maßnahmen bzw. zur Herausarbeitung optimaler Politiken private Entscheidungsregeln in Form von Verhaltensfunktionen enthalten, von denen eine Unabhängigkeit bezüglich alternativer wirtschaftspolitischer Maßnahmen nicht notwendigerweise angenommen werden kann. Abstrahiert man von stabilisierungspolitischen Ansätzen, die explizit das vollständige Optimierungsverbalten des privaten Sektors berücksichtigen,2 so ermöglichen modellendogene Erwartungsgrößen entsprechend der Hypothese rationaler Erwartungen die analytische Erfassung von Interdependenzen zwischen Geldpolitik und privatem Verhalten3 . Eine unmittelbare Konsequenz dieser Vorgehensweise für die deskriptive Ebene4 der Stabilisierungspolitik besteht darin, daß bei der Beschreibung von Auswirkungen alternativer Politiken die möglicherweise induzierten Verhaltensänderungen, insbesondere des privaten Sektors, zu beachten sind. 5 Die 1 Die Hypothese rationaler Erwartungsbildung wurde von Muth (1961) entwickelt. Zu ersten malcroölconomischen Anwendungen vgl. Luca:r ( 1972). 2 Vgl. hierzu den dritten Abschnitt dieser Arbeit.

3 Vgl. Kuhbier (1981), S. 201. 4 Zum Begriff "deskriptive Ebene" der Stabilisierungspolitik vgl. Turnovsky (1977), Part. III,

S. 306-358, insbesondere S. 329. 5 Vgl. Lucas (1976), S. 19ff.

14

1. Geldpolitik und das Verhalten der Privaten

Berücksichtigung des Optimierungsverhaltens der privaten Wirtschaftssubjekte führt aber auch zu Modifikationen des Analyserahmens auf der Ebene optimaler Stabilisierungspolitik Optimale Politik kann dann nicht mehr als Ergebnis kontrolltheoretischer Entscheidungsmodelle im originären Sinne6 begriffen werden, da diese üblicherweise als Spiele gegen die Natur konzipiert sind.7 Vielmehr führt die Herausarbeitung einer optimalen Geldpolitik zu strategischen Problemen, bei der die konkrete Interaktion der privaten und öffentlichen Entscheidungsinstanzen von herausragender Bedeutung für die Durchführbarkeit und Konsistenz optimaler Politikstrategien ist. Die folgenden Ausführungen dieses Abschnitts sollen die traditionellen Fragestellungen der monetären Stabilisierungspolitik und die Konsequenzen einer Berücksichtigung privater Verhaltensweisen für das methodische Vorgehen einer Theorie der monetären Stabilisierungspolitik verdeutlichen.

1.1. Ziele und Mittel der monetären Stabilisierungspolitik

Seit Poole (1970) sind Fragen der monetären Stabilisierungspolitik verstärkt im Rahmen stochastischer Makromodelle diskutiert worden. Zentrale theoretische Konstrukte und Konzeptionen der monetären Stabilisierungstheorie basieren im wesentlichen auf Arbeiten der Quantitativen Wirtschaftspolitik in der Tradition von Tinbergen (1956) und Theil (1964). Entsprechend dem Ansatz der Quantitativen Wirtschaftspolitik wird unterstellt, die geldpolitische Instanz formuliere Zielvorstellungen über makroökonomische Größen. Von Zielfindungs- und Entscheidungsprozessen innerhalb der Politikinstanz wird hierbei abstrahiert. Solche stabilisierungspolitischen Zielvorstellungen können in Niveau- und Verstetigungsziele zerlegt werden, wobei Niveauziele gewünschte Werte makroökonomischer Größen, Verstetigungsziele hingegen die Reduktion der Schwankungen dieser Größen betreffen. 8 Innerhalb stochastischer Modelle interessieren darüber hinaus Erwartungswerte und Varianzen der jeweils relevanten, endogenen Variablen. 9 Gegenstand der folgenden Aus6 V gl. Abschnitt 1.2. dieser Arbeit. 7 Tichy (1988), S. 35, Lucas/Sargent(l981), S. XXXI. 8 Klausinger(l980), S. 60. 9 Klausinger(1980), S. 16.

1.1. Ziele und Mittel der monetären Stabilisierungspolitik

15

führungen sind die geldpolitischen Möglichkeiten und Grenzen zur Beeinflussung von Erwartungswert und Varianz der gesamtwirtschaftlichen Produktion im Rahmen stochastischer Modellansätze der monetären Stabilisierungspolitik. In diesem Zusammenhang wird eine geldpolitisch induzierte Veränderung des Erwartungswertes der Produktion als Niveaueffekt monetärer Stabilisierungspolitik begriffen, während Absorbierungseffekte an der Varianz der Produktion gemessen werden. Im Rahmen einer deskriptiven Theorie der Stabilisierungspolitik erfolgt eine Darstellung der Auswirkungen alternativer Politikmaßnahmen auf die jeweils interessierenden Eigenschaften der Zielgrößen. Auf der Ebene optimaler Stabilisierungspolitik wird dagegen nach einer solchen Politik gesucht, die eine postulierte Zielfunktion der wirtschaftspolitischen Instanz optimiert. Im Zusammenhang mit der monetären Stabilisierungspolitik stehen, abgesehen von der Diskussion um die reale Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen 10 , drei Aspekte im Vordergrund: -Wahl des geldpolitischen Instruments, - feedback- vs. open-loop-Politik, - regelgebundene vs. diskretionäre Geldpolitik. Die Frage nach dem geldpolitischen Instrument setzt u.a. voraus, daß die monetäre Instanz die Wahl zwischen verschiedenen Politikvariablen hat. Die Charakterisierung dieser Entscheidungssituation hängt zwar entscheidend vom empirisch institutionellen Bedingungsrahmen ab, wird innerhalb makroökonomischer Weiterentwicklungen des Poole (1970)-Ansatzes jedoch als Wahl zwischen Geldmengen- und Zinssteuerung verstanden. 11 Als Ausgangspunkt der Überlegungen dient hierbei die Annahme, monetäre Impulse erfolgten in Form von Offenmarktoperationen, wobei im Kontext makroökonomischer Modelle von verschiedenen Stufen des Geldangebotsprozesses abstrahiert wird. Ein Instrumentenproblem entsteht durch den Umstand, daß die Zentralbank die Durchführung der Offenmarktoperationen näher spezifizieren muß. 12 "Because open market operations are in essence a trading activity, the

10 Vgl. Abschnitte 2 und 3 dieser Arbeit. Einen Überblick zur Diskussion über die Neutralität geldpolitischer Maßnahmen bietet McCallum (1980), S. 716ff. 11 Vgl. z.B. Poole (1970), S. 197ff., Parkin (1978), S. 252ff. Zu einer Einordnung des Poole'schen Ansatzes in die Diskussion um Ziele, Zwischenziele, Indikatoren und Instrumente der Geldpolitik vgl. Friedman, B. (1976), S. 450f. 12 Friedman, B. (1990), S. 1189.

16

1. Geldpolitik und das Verbalten der Privaten

instrwnent variable used may be either a quantity or a price." 13 Die monetäre Instanz kann daher den Umfang ihrer Wertpapierkäufe bzw. -verkäufe festlegen und somit die (angebotene) Geldmenge steuern (Geldmenge als Instrument). Alternativ kann die gesamtwirtschaftliche Geldmenge durch die Geldnachfrage determiniert werden. In diesem Fall kauft bzw. verkauft die Zentralbank Wertpapiere in einem Umfang, wie dies von den anderen Marktteilnehmern zu einem geldpolitisch angestrebten Zins gewünscht wird (Zins als Instrwnent). 14 Die Auswahl des Instruments sagt aber noch nichts darüber aus, aufgrund welcher Informationen die Zentralbank die jeweilige Instrumentenvariable steuert, und ob das Niveau der jeweiligen Kontrollvariablen zeitlich konstant oder die Form der Steuerung von Geldmenge bzw. Zins das Ergebnis eines stabilisierungspolitischen Optimierungskalküls der Zentralbank ist. Hinsichtlich der Informationsmenge werden im folgenden zwei Ausprägungen einer monetären Stabilisierungspolitik unterschieden: feedback- und open-loopPolitiken. Im Falle einer open-loop-Politik erfolgt die gegenwärtige und zukünftige Steuerung der jeweiligen Instrwnentenvariable ausschließlich in Abhängigkeit von jenen Infonnationen, die der Zentralbank bereits zu Beginn des Planungshorizonts verfügbar sind. Dies bedeutet, daß von "neuen" Informationen, die im Verlauf der Politikdurchführung eintreten, keine Rückkopplungen auf die Instrumentenvariable ausgehen. Der Extremfall einer Festlegung des Instruments auf ein zeitlich konstantes Niveau wird hierbei als Geldmengen- bzw. Zinsfixierung bezeichnet. Im Gegensatz zur open-loop-Politik ennöglicht eine feedback-Politik der Zentralbank, das Niveau der jeweiligen Instrwnentenvariablen an jene Informationen zu binden, die zum Zeitpunkt der Durchführung der Politik verfügbar sind. Bei einer Diskrepanz zwischen den Zeitpunkten von Planung und Realisation der Politik erlauben feedbackPolitiken eine stabilisierungspolitische Reaktion auf "neue" Infonnationen. 15 Die hier verwendete Abgrenzung von feedback- und open-loop-Politiken erfährt im Rahmen statischer Modelle -also Modellansätzen, in denen der Zustand des Systems als auch die verfolgte Geldpolitik unabhängig von der Zeit sind- eine gewisse Modifikation. Da die Zeitpunkte von Planaufstellung und Durchführung der Politik quasi identisch sind, wäre eine Unterscheidung einer open-loop-Politik von einer feedback-Politik sonst nicht möglich. Im Kontext 13 Friedman, B. (1990), S. 1189. 14 Friedman, B. {1990), S. 1189.

15 Vgl. hierzu auch Abschnitt 1.2.2. dieser Arbeit.

1.1. Ziele und Mittel der monetären Stabilisierungspolitik

17

stochastischer statischer Modellansätze erfolgt aber eine begriffliche Abgrenzung, wobei erneut die geldpolitisch genutzte Informationsmenge als Unterscheidungskriterium dient. Hierzu wird angenommen, daß die Zentralbank weder die Produktionseffekte unvorhergesehener Schocks noch die stochastischen Störungen selbst beobachtet. Allerdings kann die Zentralbank möglicherweise (d.h. in Abhängigkeit vom unterstellten Informationsstand) gesamtwirtschaftliche Indikatoren nutzen, aus deren Niveau auf die faktische Existenz zeitgleicher (kontemporärer) Störungen geschlossen werden kann. Als Indikatoren werden im folgenden makroökonomische Variable bezeichnet, deren Informationsgehalt beobachtbar und stabilisierungspolitisch nutzbar ist. Das statische Pendant zum dynamischen open-loop-Begriff entspricht daher einer Politik, die keine Rückkopplungen des Informationsgehaltes der Indikatorvariablen auf das jeweilige Instrument zuläßt. Demgegenüber reagiert eine feedback-Politik auf den Informationsgehalt der gesamtwirtschaftlichen lndikatorvariablen. 16 Die hier vorgenommene Abgrenzung von open-loop- und feedback-Politik entspricht der kontrolltheoretischen Interpretation von regelgebundener bzw. diskretionärer Politik. So wird der Begriff diskretionäre Geldpolitik im Rahmen kontrolltheoretischer Entscheidungsmodelle häufig im Sinne von feedback-Politiken benutzt, während open-loop-Politiken zur Charakterisierung regelgebundener Geldpolitiken dienen. 17 Die Berücksichtigung der Verhaltensweisen des privaten Sektors hat aber u.a. auch zu einer strategisch orientierten Interpretation von regelgebundener und diskretionärer Politik geführt.18 Der Kern dieser Überlegungen besteht darin, daß in strategischen Handlungssituationen das Verhalten der Privaten abhängig von den wahrgenommenen und erwarteten geldpolitischen Maßnahmen ist. Eine solche Antizipation der monetären Stabilisierungspolitik durch den privaten Sektor setzt aber Informationen voraus, die den Privaten eine Erschließung der Geldpolitik ermöglichen. 19 Diese Informationen können aus der Ankündigung der Zentralbank stammen, eine bestimmte open-loop- oder feedback-Politik durchführen zu wollen. Eine regelgebundene Politik im Sinne der strategischen Interpretation von Kydland/Prescott (1977) besteht aus einer solchen Ankündigung 16 V gl. hierzu auch Abschnitt 1.2.1. dieser Arbeit. 17 Vgl. Buiter (1981), S. 647ff., Barro (1986), S. 23. Zur Definition eines kontrolltheoreti· sehen Ansatzes vgl. Abschnitt 1.2. dieser Arbeit. 18 Vgl. Kydland/Prescott (1977), Barro (1986), Barro!Gordon (1983a) und (1983b), Borio (1986). 19 Vgl. Klausinger(1980), S. 189. 2 KiBm«

I. Geldpolitik und das Verbalten der Privaten

18

mit der bindenden Verpflichtung der Zentralbank, sich entsprechend ihrer Ankündigung zu verhalten. 20 Im Gegensatz dazu erfolgt die Durchführung einer diskretionären Politik unabhängig von bindenden Verpflichtungen. Hierbei können die zur Antizipation der Politik notwendigen Informationen für den privaten Sektor aus dessen Kenntnis der stabilisierungspolitischen Zielfunktion stammen. Die bisherigen Ausführungen zeigen, daß die Charakterisierung von Zielen und Mitteln der monetären Stabilisierungspolitik stark an eine theoretische Vorstellung über die geldpolitische Handlungssituation gebunden ist. Eine Analyse realer Niveau- und Absorbierungseffekte monetärer Stabilisierungspolitik setzt daher die Präzisierung der geldpolitischen Handlungs- bzw. Entscheidungssituation voraus. Im folgenden werden zwei Ansätze zur monetären Stabilisierungspolitik unterschieden: in Abschnitt 1.2. erfolgt eine Darstellung des kontrolltheoretischen Ansatzes, während in Abschnitt 1.3. der strategische Ansatz unter dem Aspekt rationaler Erwartungsbildung des privaten Sektors diskutiert wird.

1.2. Monetäre Stabilisierungspolitik im originär kontrolltheoretischen Ansatz

In dieser Arbeit wird eine geldpolitische Handlungssituation dann als originär kontrolltheoretisch bezeichnet, wenn lediglich die Geldpolitik als rational handelnde Entscheidungsinstanz betrachtet wird. Dies bedeutet, daß von Auswirkungen geldpolitischer Maßnahmen (bzw. lediglich deren Ankündigung) auf das Rationalverhalten der Privaten (und anderer Politikinstanzen) abstrahiert wird. Mit dieser Aussage wird eine Veränderung gesamtwirtschaftlicher Verhaltensgrößen (wie bspw. Konsum, Investitionen usw.) infolge einer geldpolitisch induzierten Variation von verhaltensdeterminierenden Variablen (etwa Löhne, Preise, Zinsen) nicht ausgeschlossen. Die kontrolltheoretische Analyse unterstellt vielmehr - eine Unabhängigkeit der Verhaltensfunktionen der Privaten von Erwartungen bezüglich der monetären Stabilisierungspolitik und 20

Vgl. Kyd/and!Prescott (1977), S. 473ff., Barro (1986), S. 23.

1.2. Monetäre Stabilisierungspolitik im originir kontrolltheoretischen Ansatz

19

- eine Unabhängigkeit des funktionalen Zusammenhangs zwischen dem Verhalten und den verhaltensdeterminierenden Größen von der Geldpolitik. Letzteres wird im Rahmen linearer Modellansätze durch die Verwendung exogener, politikinvarianter Verhaltenskoeffizienten formalisiert. Makroökonomische Gleichungen, deren Koeffizienten sämtlich strukturell im Sinne der geschilderten Exogenität sind, werden in den folgenden Ausführungen als Strukturgleichungen bezeichnet. In kontrolltheoretischen Ansätzen erscheinen geldpolitische Maßnahmen dann als Impulse innerhalb eines ökonomischen Systems, das in Form politikinvarianter Strukturgleichungen21 vorliegt. Insbesondere die Arbeiten zur monetären Stabilisierungspolitik von Poole (1970), Sargent (1971) und Turnovsky (1975) können dem originär kontrolltheoretischen Ansatz zugeordnet werden. 22 Den gemeinsamen Ausgangspunkt der o.g. Arbeiten bildet die Annahme, geldpolitisches Handeln vollziehe sich unter Unsicherheit. Hierbei kann Unsicherheit sowohl in der Existenz additiver Störungen in linearen Strukturgleichungen (Poole (1970), Sargent (1971)), als auch in der unvollständigen Kenntnis einzelner Modellparameter (Parameter- bzw. lnstrurnenteninstabilität, vgl. Turnovsky (1975), Brainard (1967)) begründet sein. 23 Die monetäre Instanz entscheidet daher über ihre Politik, bevor sie die Realisationen (exogener) stochastischer Größen kennt.

1. 2.1. Monetäre Stabilisierungspolitik im statischen Kontrollansatz

In statischen Kontrollsituationen kann der Aspekt open-loop vs. feedback-Politik lediglich im Sinne einer geldpolitischen Reaktion auf kontemporäre Indikatorinformationen behandelt werden. Zur Veranschaulichung dieser Entscheidungssituation, wie auch zum Problern der optimalen Instrurnentenwahl, wird im folgenden auf Poole (1970) Rückgriff genommen. 21 Prescott (1983), S. 287ft'. 22 Vgl. auch den deskriptiven Ansatz von Howrey (1967), S. 404ff.

23 Zum Begriff"Panuneterunsicherbeit" vgl. Kendrick (1981), S. 124.

2•

20

1. Geldpolitik und das Verhalten der Privaten

Poole geht in seiner Analyse von einem linearisierten IS/LM-System der geschlossenen Wirtschaft aus: 24

(l.l)

y = ßo- ß1i + v,

(IS),

(1.2)

m = 1-.lQ- Jl1i + Jl2Y + w,

(LM), IJQ, Jll > 0, 0 < Jl2 < I

mit:

E(v) , E(w) = 0, E(yZ) = cr~, E(~) = cr~, E(vw) = crv,w

ßo, ß1

>0

Poole unterstellt, die monetäre Instanz könne entweder die Geldmenge (m) oder den Zins (i) steuern. Das stabilisierungspolitische Ziel besteht in der Optimierung einer Zielfunktion, die lediglich von der Differenz aus tatsächlicher (y) und gewünschter (y*) Produktion abhängt. Die Wahl der Politik geschieht unter Unsicherheit, da die monetäre Instanz in Unkenntnis der Realisationen additiver white-noise-Störungen (v, w) handelt. Diese Güter- und Geldmarktstörungen besitzen endliche Varianzen (cr~, cr~, crv,w) und konstante Erwartungswerte von Null [E(v) = E(w) = 0]. Die Kenntnis der ersten beiden statistischen Momente wird bei der Politikwahl vorausgesetzt. Die Poole'sche Analyse kann insofern als typisch für einen Kontrollansatz im originären Sinne angesehen werden, als die Strukturgleichungen des Systems (hier (l.l) und (1.2)) politikinvariant sind, m .a.W. die IS/LM-Funktionen sind unabhängig davon, ob die Zentralbank die Geldmenge oder den Zins als wirtschaftspolitisches Instrument nutzt. Tatsächlich betrachtet Poole zwei unterschiedliche Entscheidungsprobleme, die - in der Terminologie von Poole - zu reinen bzw. gemischten Politiklösungen führen.Z 5 Das erste Kontrollproblem kann mit Friedman, B. (1975) wie folgt dargestellt werden?6

Variable

Geldmengenpolitik

Zinspolitik

'j_

Zielvariable

Zielvariable

m

Instrument

irrelevante Variable

i

irrelevante Variable

Instrument

24 Poole(1970), S. 204. 25 Poole (1970). S. 208. 26 Friedman, B. (1975), S. 450.

1.2. Monetäre Stabilisierungspolitik im originär kontrolltheoretischen Ansatz

21

Demnach hat die Geldpolitik die Wahl zwischen zwei potentiellen Instrumenten. Für die reduzierte Form der Zielgröße gilt dann jeweils: (1.3a)

y

=

ao + a1m + S, Geldmengenpolitik

(1.3b)

y

=

a2 + a3i + v, Zinspolitik

mit:

!Xo = D(IJ.1ßo -llß1) , L(S) = (l/2)Et-1 {[ao- z• + a1zt-1 +

uJ 2}

Demgegenüber erfolgt bei einer fehlenden Bindung die Durchführung der diskretionären Politik (xt(N)): (1.41)

xt(N) = x• + (ay'k)(CXo- z• + a1zt-t)

=>

L(N) = L(S) + (k/2){(a3/k)(CXo- z• + CXtzt-1)} 2

Für a 3, k t 0 erweist sich eine diskretionäre Politik als suboptimal [L(N) > L(S)], wenn die geldpolitische Instanz ein Niveau der Zustandsvariable anstrebt, das nicht mit dem rational erwarteten Niveau (ao- z• + CXtzt-1 t 0) übereinstimmt. 80 Die Herausarbeitung des spieltheoretischen Charakters der geldpolitischen Handlungssituation, insbesondere durch Barro/Gordon (1983a,b) und Lucasl Sargent (1981 ), führt aber auch zu einer Präzisierung der Begriffe "regelge79 Vgl. z.B. Barro/Gordon (1983a). 80 Zur Bedeutung einer Divergenz zwischen Et-1(zU und z• im Rahmen der NCM-Theorie vgl. Barro/Gordon (1983a), S. 593.

1.3. Monetire Stabilisierungspolitik bei rationalen Erwartungen

43

bundene und diskretionäre Politik". Wie sich z. B. zeigen läßt, muß im Fall einer Regelbindung die optimale Regel nicht notwendigerweise die Form einer open-loop-Politik aufweisen. Unterstellt, die semi-reduzierte Form sei (1.32) mit der gültigen Zustandsgleichung (1.37). Im Falle eines dynamischen Problems mit der Zielfunktion T

(1.42)

Min L = (1/2)Et-1LY-l { (zt- z*)2+ k(xt- x*)2 } t=l

hängt die Form der optimalen Regel von den Koeffizienten a1 bzw. (a2 + a3) ab. Für a 1 = 0 oder bei Unabhängigkeit der Zustandsgleichung von antizipierten wirtschaftspolitischen Maßnahmen (a2 + a3 = 0) ergeben sich open-loopLösungen, während bei a 1 t 0 und (a2 + a3) t 0 flexible Politiken der Form Xt+j = gt+j{It+j-1) optimal sind. 81

1.3 .3 .2. Das Problem zeitlicher Inkonsistenz stabilisierungspolitischer Maßnahmen

Im Gegensatz zu Kontrollsituationen im originären Sinne ermöglichen Modellansätze mit rationalen Erwartungen die Existenz sogenannter "non-causal" (Zustands-)gleichungen. 82 Dies bedeutet, daß der Zustand des Systems nicht unabhängig von den rationalen Erwartungen der Privaten über zukünftige Realisationen der endogenen Größen bzw. Politikvariablen ist. Optimale Politiken können dann zeitlich inkonsistent sein, wenn der Zustand des Systems von antizipierten zukünftigen Politikmaßnahmen beeinflußt wird und die wirtschaftspolitische Instanz keine bindende Verpflichtung zur Einhaltung ihrer angekündigten Politik eingeht. Eine optimale Geldpolitik ist dann zeitlich inkonsistent, wenn die Zentralbank einen Anreiz hat, in der Zukunft von der urspünglich angekündigten Politik abzuweichen. Angenommen, im Rahmen eines Zwei-Perioden-Modells werde zum Zeitpunkt der Planaufstellung (t=O) eine optimale Politik für die Perioden t= I ,2 gesucht. 83 Die optimale Politik aus der Sicht zum Zeitpunkt 0 sei ein beding-

81 Vgl. Buiter (1981), S. 6S2ff., Chow{l980), S. 48. 82 Buiter (1981), S. 663. 83 t=O entspricht dem Ende der Periode 0 und dem Beginn der Periode l.

44

l. Geldpolitik und das Verbalten der Privaten

ter Plan der Form: xY(Io), x~(l1) mit:

xj(lj. 1) = optimale Politik aus der Sicht zum Zeitpunkt i für die Periode j (j > i), die in Abhängigkeit der Informationsmenge I der Periode j-1 erfolgt.

Am Ende der ersten Periode hat aber die Zentralbank erneut die Möglichkeit, eine optimale Politik (x~(l 1 )) für die zweite Periode zu finden . Für dieses einfache Beispiel wäre eine optimale Politik [xY(Io), x~(l1)l genau dann zeitlich inkonsistent, wenn x~(l1) t x~(l1) gilt. Wie die Arbeit von Kydland/Prescott (1977) zeigt, basiert die Existenz einer zeitlichen Inkonsistenz optimaler Politiken auf der Möglichkeit, durch Ankündigung zukünftiger wirtschaftspolitischer Maßnahmen den aktuellen Zustand des Systems zu beeinflussen. Zur Veranschaulichung wird nun ein stochastisch modifiziertes Kydland/Prescott-Modell verwendet, das im wesentlichen auf Buiter (1981) basiert. 84

(1.43)

T

Min L = Et-1 ~>yt· 1 (1/2)(zt- z*)2 , T = 2 t=1

Das Novum gegenüber bisherigen Optimierungsproblemen besteht also in der Existenz von Erwartungen über zukünftige Politikmaßnahmen. Die Ratio hierfür kann bspw. in der modelltheoretischen Berücksichtigung von Inflationserwartungen liegen, wenn die Privaten den Modellzusammenhängen 84 Vgl. Buiter (1981), S .664. Im Gegensatz zum Buiter-Modell wurde auf eine Berücksichtigung von "Instrumentenkosten" verzichtet. Dies geschieht hier, um die Unterschiede zum Fall mangelnder Anreizkompatibilität stärker zu betonen. Hierzu wird darüber hinaus angenommen, daß die Zentralbank ihre Politik auf Basis der Informationsmenge (I()) bestimmt, während die Erwartungen des privaten Sektors über x2 auf Basis der Infonnationen I 1 gebildet werden. Diese Annahme ist im Kontext des vorliegenden Modells nötig, da die Existenz von Erwartungen über zukünftige Politiken zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für das Phänomen der zeitlichen Inkonsistenz darstellt. M.a.W., würde man hier wie Buiter einen identischen Informationsstand von Zentralbank und Privaten (Jo) unterstellen, so wären "Instrumentenkosten" notwendig zur Herleitung einer zeitlichen Inkonsistenz der optimalen Politik. Vgl. Buiter (1981), S. 667.

1.3. Monetäre Stabilisierungspolitik bei rationalen Erwartungen

45

eine Kausalität zwischen Inflation und Geldpolitik entnehmen. Gesucht wird eine optimale geldpolitische Strategie unter Berücksichtigung der involvierten Effekte auf die Erwartungsbildung der Privaten, d.h. die Zentralbank handelt als Stacke/berg-leader. Die zeitlich konsistente Politik (x 1(K), x2(K)) kann entsprechend den Prinzipien der Dynamischen Programmierung gefunden werden. 85 Demnach erfolgt zuerst die Lösung des Optimierungsproblems für die letzte Periode. Aus (1.43) - (1.45): (1.46)

Min (l/2)Eda.o- z• + a1z1 + a2x2 + u2} 2

Entscheidend für die Lösung x2(K) ist jedoch die Annahme, der Zustand z 1 sei gegeben und insbesondere unabhängig von x 2. Wie (1.44) jedoch zeigt, wird z 1 für a 3 t 0 aber abhängig von x2 sein. Verbleibt man jedoch zunächst bei der zeitlich konsistenten Lösung, so kann nach Substitution von (1.47, 48) in die Zustandsgleichung der ersten Periode die optimale Strategie x1(K) gefunden werden. Ingesamt sieht die zeitlich konsistente Lösung wie folgt aus: 86 (1.49) (1.50) (1.51)

1t(K) =-a1/b

(1.54)

L(K)

=

{(a2/b) 2 + y}(cr~ /2)

Wie sich nun zeigen läßt, ist die zeitlich konsistente Lösung (1.49- 1.54) für a 3 t 0 nicht optimal. Die optimale Politik internalisiert explizit den Umstand, daß der Zustand z 1 nicht unabhängig von x2 ist. Die Nebenbedingungen 85 Buiter(1981), S. 662,Kydland!Prescott(1911), S. 475. 86 (1.50) folgt nach Substitution von (1.52) in (1.47).

1. Geldpolitik und das Verbalten der Privaten

46

des Optimierungsproblems werden daher zweckmäßigerweise wie folgt notiert:

2 -

(1.55b) Z2 = (l+ 0 aber gilt: (2.91)

ö** >

a•

Der ökonomische Hintergrund für das in (2.91) dargestellte Ergebnis kann mit Hilfe der folgenden AD-EAS-Grafik 122 verdeutlicht werden. In Abbildung 2 wird zur Vereinfachung davon abstrahiert, daß alternative Reaktionskoeffizienten unterschiedliche erwartete Produktionswerte implizieren. Die folgende grafische Darstellung unterstellt daher Risikoneutralität der Arbeitsanbieter (a2 = 0).

EAS 0

AD {Ö= 0) ~------------~--~--~--------~Yt

Et-lYt yt(Ö = 0) Yt {Ö•)

Abbildung 2: Optimale geldpolitische Reaktion bei Angebotsstörnngen 122 Vgl. Parlein (1984), S. 429ff.

2.2. Reale Effekte der Geldpolitik bei variablen Verhaltenskoeffizienten

101

Abbildung 2 zeigt die Auswirkung einer Angebotsstörung (Ut > 0) durch eine Rechtsverschiebung der EAS-Kurve. Ein positiver Angebotsschock impliziert eine stochastische Erhöhung der Grenzproduktivität der Arbeit mit der Folge eines gestiegenen Güterangebots. Bei vollständiger Preisniveaustabilisierung durch eine entsprechende Geldmengenpolitik (8* = -1) verläuft die AD-Kurve waagerecht. Die geldpolitische Reaktion 8* = -1 verhindert Preisniveausenkungendurch eine adäquate Ausweitung der nominalen Geldmenge. Bliebe die Geldmenge konstant (8 = 0), so würde der expansive Produktionsimpuls durch Preissenkungen im Vergleich zu 8* = -1 gedämpft. Man erkennt, daß die stochastischen Abweichungen bei 8 = 0 geringer als bei einer Preisniveaustabilisierung ausfallen. Die optimale Schockabsorbierungspolitik für Angebotsstörungen besteht allerdings darin, die preisniveausenkenden Impulse von Ut > 0 durch eine Geldmengemeduktion (8** = lla1 bei cr~ = 0) zu verstärken. Grafisch gesehen, verschiebt sich daraufhin die AD-Kurve entlang der EAS-Kurve in Richtung Et-1Yt· 123 Die folgende Abbildung 3 soll den Zusammenhang zwischen der Varianz der Produktion und der Höhe des geldpolitischen Reaktionskoeffizienten verdeutlichen.124

Abbildung 3: Geldpolitik und Outputvarianz 123 In analoger Weise könnte die optimale Reaktion bei Nachfragestörungen erklärt werden. Man edtennt aber unmittelbar aus Abbildung 2, daß für o~ = 0 eine Preisniveaustabilisierung (15• = -1) optimal ist, da dies stochastische Verschiebungen der Nachfrageku1ve verhindert. 124 In Abbildung 3 wird 15.. > 0 angenommen. Für o~, o; > 0 kann 15•• allerdings Werte im Intervall-1 < 15.. < lla1 a2 annehmen.

102

2. Reale Niveau- und Absorbierungseffekte der Geldpolitik in der NCM-1beorie

Nach dieser partiellen Beschreibung der geldpolitischen Effekte bezüglich der interessierenden Eigenschaften der Produktion erfolgt nun eine simultane Darstellung. Durch parametrische Differentation von (2.88) und (2.89) läßt sich Abbildung 4 gewinnen, in der Zusammenhänge von Varianz und Erwartungswert der Produktion in Abhängigkeit von der Geldpolitik und dem Grad an Risikoaversion der Arbeitsanbieter dargestellt werden.

4a: Risikoneutralität

4b: Risikoaversion

f.t-IYt

III

0

02

y

mit :

I => ö < ö• II => ö• < ö < ö.. III =>

ö•• < ö

Abbildung 4: Zusammenhang von Varianz und Erwartungswert der

Produktion 125 125 Zur Berechnung der Möglichkeitskurve in Abbildung 4b) können die folgenden Beziehungen genutzt werden: a)

2 df.t-IYtldO'y = AlB

b)

d2&-IYtl(d0'~)2 = {d(AIB)Id&}/B

c)

A = df.t_ JYtfd&

d)

B

=

da~!d&

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2.2. Reale Effekte der Geldpolitik bei variablen Verhaltenskoeffizienten

103

Abbildung 4a zeigt, daß bei Risikoneutralität der Arbeitsanbieter (a2 = 0) das erwartete Produktionsniveau unabhängig von der Geldpolitik ist. Alternative geldpolitische Reaktionskoeffizienten implizieren daher lediglich unterschiedliche Varianzen der gesamtwirtschaftlichen Produktion. Abbildung 4b verdeutlicht den Einfluß von Risikoaversion der Arbeitsanbieter (a2 > 0) für die zur Diskussion stehenden Zusammenhänge. Die Art der "mean-variance" Beziehung wird dabei entscheidend von der Höhe des geldpolitischen Reaktionskoeffizienten bestimmt. Für ö < ö• impliziert eine Zunahme des Reaktionskoeffizienten (ö) einen Anstieg des erwarteten Produktionsniveaus sowie eine Senkung der Outputvarianz (Bereich 1). Der Grund hierfür ist, daß ein Anstieg von ö im Bereich I sowohl eine Annäherung an jenen Wert des Reaktionskoeffizienten (ö..) bedeutet, der die Outputvarianz minimiert als auch an jenen Wert (ö•), der die Preisniveau- bzw. Reallohnvarianz minimiert. Die gesunkene Reallohnvarianz führt infolge des risikoaversen Verhaltens der Arbeitsanbieter zu einer Ausweitung des Arbeitsangebotes mit der Folge einer steigenden Produktion. Aus Abbildung 2 kann entnommen werden, daß bei Existenz von Angebotsstörungen auch ein Intervall für den geldpolitischen Reaktionskoeffizienten existiert, in dem eine zunehmende Stabilisierung der Produktion zu Lasten der Preisniveauvarianz geht. Dasrisikoaverse Verhalten der Arbeitsanbieter impliziert nun eine Senkung des erwarteten Produktionsniveaus, wenn die Zentralbank versucht, die Produktionseffekte stochastischer Störungen zu absorbieren. Dieser Zusammenhang wird in Abbildung 4b durch den Bereich II dargestellt. Eine über ö.. hinausgehende Erhöhung des geldpolitischen Reaktionskoeffizienten führt dagegen zu erwarteten Niveauverlusten und steigender Outputvarianz (Bereich 111).

2.2.2.2. Niveau und Varianz der Produktion bei alternativen geldpolitischen Zielvorstellungen Im Rahmen von NCM-Ansätzen werden i.d.R. quadratische Zielfunktionen der Zentralbank unterstellt. 126 Abstrahiert man von dem Problem einer konsistenten Herleitung gesellschaftlicher Präferenzen aus dem individuellen Abbildung 4b unterstellt zur Vereinfachung Et-1Yt > 0. Da Yt als natürl. Logarithmus definiert ist, sind negative Werte nicht ausgeschlossen. Für die Abbildung 4b sei daher angenommen, daß ao hinreichend groß ist. 126 Vgl. Sargent/Wallace (1975) und {1976).

104

2. Reale Niveau- und Absorbierungseffekte der Geldpolitik in der NCM-Theorie

Rationalkalkül, so mag eine derartige gesellschaftliche Verlustfunktion wie folgt spezifiziert werden:

Wie Abschnitt 1.3.3. gezeigt hat, wirft die Herleitung einer optimalen geldpolitischen Regel aus einer gesellschaftlichen Verlustfunktion unter bestimmten Bedingungen Probleme der fehlenden Glaubwürdigkeit monetärer Regeln auf. 127 Die weiteren Ausführungen unterstellen, daß die Zentralbank über ein ausreichendes Maß an Glaubwürdigkeit verfügt. Da wirtschaftspolitische Zielvorstellungen - wie hier das angestrebte Outputniveau y ~ - nicht allein aus Vernunftgründen gewonnen werden können, verbleibt die Möglichkeit, logisch konsistente Zielvorstellungen aus der vorgegebenen Modellstruktur zu gewinnen. 128 In einer Reihe von NCM-Ansätzen wird das gewünschte Outputniveau (y ~) mit dem Erwartungswert der Produktion gleichgesetzt. 129 (2.92b) L = a~

Im vorliegenden Modell würde eine geldpolitische Minimierung von (2.92b) die involvierte, erwartete Senkung des Produktionsniveaus im Vergleich zum Produktionsniveau bei Sicherheit (bzw. bei Risikoneutralität der Arbeitsanbieter) ignorieren. Die optimale geldpolitische Reaktion wäre ö = ö**. Demgegenüber präferiert insbes. Barro (1976) das "full-information"-Outputniveau 6{) als adäquate Zielvorgabe. Hierbei wird yf als jenes Outputniveau definiert, das sich ergeben würde, wenn "(...) alle Störungen auf makroökonomischem Niveau wahrgenommen würden und eine Anpassung der Akteure an diese Änderungen möglich wäre." 130 In dem zur Diskussion stehenden Modell beträgt das "full-information"-Outputniveau (yf): (2.93)

yf = ao + a2Ut

Wie sich zeigen läßt, impliziert eine solche Zielvorgabe die Realisation einer Geldmengenpolitik, die das erwartete Produktionsniveau maximiert (ö = ö*). Unter den getroffenen Annahmen ist die Minimierung gesellschaftli-

127 Vgl. Abschnitt 1.3.3. dieser Arbeit. 128 Klausinger (1980), S.60.

129 Vgl. z.B. Sargent/Wal/ace (1976), McCa/lum (1980). 130 Klausinger (1980), S. 61; vgl. aucbBarro (1976), S. 15f.

2.3. Zusammenfassung

eher Verluste bei anz. (2.92)

yr

=

105

y{ identisch mit der Minimierung der Preisniveauvari-

L = cr~{ay + a~(l- eicr~} bei

yr

=

y{

Mit Blick auf Abbildung 4 kann festgehalten werden, daß die rivalisierenden Zielkonzeptionen als Realisationen von Randpunkten eines trade-off-Bereichs (Il) zwischen Niveau und Stabilität der gesamtwirtschaftlichen Produktion begriffen werden können. Insofern unterscheiden sich die genannten Zielkonzeptionen mit den jeweils implizierten optimalen Regeln nicht nur (wie bei Existenz realer Angebotsstörungen üblich) hinsichtlich der involvierten Produktionsvarianz, sondern bei Berücksichtigung risikoaverser Arbeitsanbieter auch hinsichtlich des erwarteten Produktionsniveaus. Unterstellt man dagegen eine geldpolitische "mean-variance"-Verlustfunktion, so würde entsprechend der konkreten Spezifizierung dieser Verlustfunktion eine Erwartungswert-Varianz-Kombination im trade-off-Bereich (ll) realisiert werden.

2.3. Zusammenfassung

In Abschnitt 2.1. wurden die produktionswirksamen Effekte alternativer geldpolitischer Regeln unter den Annahmen eines NCM-Modells dargestellt. Werden die Angebotsbedingungen einer Ökonomie durch eine Lucas-Angebotsfunktion adäquat repräsentiert, so läßt sich zeigen, daß alternative geldpolitische Maßnahmen keinen Einfluß auf die asymptotischen Erwartungswerte der realen Produktion ausüben. Geldpolitische Regelpolitiken sind niveaupolitisch neutral. Dagegen müssen zur Herausarbeitung der Stabilisierungs- bzw. absorbierungspolitischen Neutralität monetärer Maßnahmen über die konstituierenden Annahmen eines NCM-Modells hinaus zusätzliche Hypothesen bezüglich der Informationsverteilung und -Struktur getroffen werden. Bei Abwesenheit kontemporärer Indikatorinformationen und "differential informations" erweist sich zwar die konkrete Ausgestaltung einer Regelpolitik für ein gegebenes Instrument als stabilisierungspolitisch bedeutungslos, jedoch nicht die Wahl des Instruments. Hierbei wurde analog zu Poo/e (1970) ein Wahlhandlungsproblem der Zentralbank zwischen einer Steuerung der Geldmenge und

106

2. Reale Niveau- und Absorbierungseffelrte der Geldpolitik in der NCM-Theorie

einer Steuerung der Zinsen unterstellt. Das Problem der optimalen Instrumentenwahl wurde im Kontext der NCM-Theorie etwas verdrängt, da eine reine Zinspolitik Probleme der Bestimmung des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus aufwirft. In Abschnitt 2.1.1.3. wurde gezeigt, daß durchführbare feedback-Zinspolitiken existieren, deren reale Absorbierungseigenschaften sich nicht von denen einer Zinsfixierung unterscheiden. Eine vollständige Neutralität der Geldpolitik wurde unter der Annahme deduziert, daß private und geldpolitische Instanz laufend die Geldmenge und den Zins beobachten können. Allerdings fallt hier die Variabilität der Erwartungsbildung größer als in einer Situation aus, in der die Privaten nicht die Indikatorinformation selbst, sondern lediglich die geldpolitische Reaktion auf kontemporäre Störungen kennen. In Abschnitt 2.1.3. wurde gezeigt, daß bei einer einfachen Modifikation der Informationsstruktur monetäre feedbackRegeln die Varianz der Produktion beeinflussen. Eine realwirtschaftliche Neutralität der Geldpolitik kann daher nicht als allgemeine Eigenschaft eines NCM-Makromodells begriffen werden. In Abschnitt 2.2. wurden die geldpolitischen Inplikationen einer fehlenden Strukturkonstanz der gesamtwirtschaftlichen Lucas-Angebotsfunktion im Rahmen eines NCM-Multimarktansatzes dargestellt. Bei Berücksichtigung von Risikoaversion der Arbeitsanbieter im (Konsumenten-)Reallohn führt das Rationalverhalten der Arbeitsanbieter nicht nur zu einer Variabilität der Strukturkoeffizienten infolge des "signal-extraction"-Problems, sondern auch zu einer Endogenisierung des natural-rate-Niveaus. Unter den getroffenen Annahmen wird das erwartete Produktionsniveau invers von der Varianz des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus abhängen, weshalb geldpolitische Maßnahmen zur Beeinflussung der Outputvarianz zugleich Produktionsniveaueffekte auslösen, soweit sie die Preisniveauvariabilität verändern.

3. Reale Niveau- und Absorbierungseffekte der Geldpolitik bei Berücksichtigung des vollständigen Optimierungsverhaltens repräsentativer Wirtschaftseinheiten

Die wirtschaftstheoretische Diskussion zu den realen Effekten einer aktiven Geldpolitik unterliegt zur Zeit einem Wandel in ihrer modelltheoretischen Grundlage. An die Stelle ad-hoc-spezifizierter Makromodelle vom Typ der "New Classical Macroeconomics" (NCM) treten Modellansätze (vgl. z.B. Lucas/Stokey (1987), Svensson (1985), Danthine/Donaldson/Smith(1987), Cooley!Hansen (1989)), die als monetäre Weiterentwicklungen der "realen Konjunkturtheorie" bezeichnet werden können. Charakteristisch für die wirtschaftspolitischen Implikationen der "real business cycle theory" ist, daß Schwankungen der realen Produktion als "(...) the equilibrium outcome of the choices of rational maximizing representative agents responding to stochastic technology shocks (...)'' 1 begriffen werden. Die eigentliche Verbindung zwischen den realen (vgl. z.B. Kydland/ Presc.ott (1982), McCallum (1989)) und den o.g. monetären Ansätzen besteht in der jeweils expliziten Berücksichtigung des Optimierungsverhaltens rationaler repräsentativer Wirtschaftseinheiten. Dieses Vorgehen betont Determinanten der Wirtschaftspolitik, die in NCM-Ansätzen weitgehend unberücksichtigt blieben. Während in der NCM-Theorie vor allem Fragen der unvollständigen kontemporären Informationen, Preis- und Lohninflexibilitäten sowie die Bedeutung der intersubjektiven (bzw. intersektoralen) Informationsstruktur für die Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen als relevant erachtet werden2 , geht es in den geldwirtschaftlichen Varianten der "neueren" Konjunkturtheorie primär um die Ausgestaltung subjektiver Präferenzen, technologischer und finanzieller Restriktionen. Konventionelle NCM-Ansätze zur monetären Stabilisierungspolitik postulieren makroökonomische Verhaltensfunktionen und berücksichtigen das Rationalverhalten der Privaten vor1 Parkin (1988), S. 215. 2 Vgl. hierzu den zweiten Abschnitt dieser Aibeit.

108

3. Beriicksichtigung des Optimierungsverhaltens reprisentativer Wirtschaftseinheiten

wiegend durch die Form der EIWartungsbildung. Demgegenüber erfahrt die Spezifizierung makroökonomischer Modelle in den o.g. Weiterentwicklungen insofern eine Neuorientierung, als diese explizit als dynamische Optimierungsmodelle formuliert werden.3 Die folgenden Ausführungen behandeln die Auswirkungen monetärer Stabilisierungspolitik im Rahmen eines gleichgewichtstheoretischen cash-inadvance-Modells bei kongruentem Planungshorizont der öffentlichen und privaten Marktteilnehmer. 4 Abschnitt 3.1. soll verdeutlichen, warum die Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Liquiditätsrestriktionen im Zusammenhang mit der monetären Stabilisierungspolitik als relevant erachtet wird. Im Kern geht es darum, die starke Betonung der Bedeutung unvollkommener kontemporärer Informationen für die Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen - wie dies im Kontext von NCM-Ansätzen geschieht - zu relativieren. Die Existenz gesamtwirtschaftlicher Liquiditätsrestriktionen eröffnet der Geldpolitik auch bei vollständigen kontemporären Informationen der Marktteilnehmer ein stabilisierungspolitisches Potential. In Abschnitt 3.2. wird die Analyse geldpolitischer Maßnahmen in verschiedene Teilschritte zerlegt. Zunächst erfolgt eine Darstellung von Präferenzen und Restriktionen der Marktteilnehmer sowie eine Diskussion der Marktgleichgewichtsbedingungen. Allerdings entziehen sich die makroökonomischen Gleichgewichtsbedingungen einer direkten analytischen Lösbarkeit, da zur Herausarbeitung reduzierter Formen der endogenen Variablen die Lösung nicht-linearer, stochastischer Differenzengleichungen erforderlich wird. 5 Die übliche Vorgehensweise in Modellen mit rationalen EIWartungen besteht darin, das stochastische makroökonomische System als Approximation I. Ordnung um einen Referenz-Zustand zu notieren.6 Analog zum formalen Vorgehen von Kydland/Prescott (1982) erfolgt deshalb in Abschnitt 3.2.5. zunächst eine Darstellung geldpolitischer Maßnahmen im steady-state der deterministischen Modellversion. Das zentrale Ergebnis dieser Analyse ist, 3 Roger(1987), S. 32; vgl. auchLucas/Sargent(1981). 4 In cash-in-advance Ansätzen werden vorwiegend die Auswirlrungen antizipierter Geldpolitik auf die Aktivapreisbildung (Svensson (1985), Lucas!Swtey (1987)), auf den steady-stateK.apitalstock (Kohn (1984), Stockman (1981)) und das Beschiftigungsniveau (Kohn (1984), Cooley!Hansen (1989)) betrachtet 5 Vgl. Danthine!Donaldson!Smilh (1987), S. 48011., Lee (1989), S. 51011., Taylor (1986), S.

204811. 6 Vgl. hierzu Kydland/Prescott (1982), S. 134511., Cooley!Hansen (1989), S. 73811., ChristiDno (1990), S. 9911., Clouse (1986), S. 42.

3. Beriiclcsichtigung des Optimierungsverhaltens n:prisentJI!iver Wirtschaftseinheiten

109

daß bei Existenz einer bindenden, gesamtwirtschaftlichen cash-in-advanceRestriktion die steady-state-Werte von Beschäftigung und Produktion invers von der W achstwnsrate der Geldmenge abhängen. Der deterministischen steady-state-Analyse folgt eine Diskussion monetärer Stabilisierungspolitik im Rahmen der linearisierten stochastischen Modellversion bei rationalen Erwartungen (Abschnitt 3.2.6.1.). Die (semi-) reduzierten Formen von Beschäftigung und Produktion zeigen, daß die reale Allokation durch die antizipierte, zukünftige Entwicklung der Geldmengenwachstwnsrate beeinflußt wird. Dagegen sind unvorhergesehene Veränderungen im Wachstwn der Geldmenge realwirtschaftlich bedeutungslos. Allerdings beeinflußt die Geldpolitik unter stochastischen Bedingungen nicht nur die erwarteten Ausprägungen realer Größen, sondern auch deren Variabilität. Alternative monetäre feedback-Regeln implizieren unterschiedliche Varianzen von Produktion und Beschäftigung. Abschnitt 3.2.6.2. analysiert dann eine stochastische Modellversion, die als Approximation 2. Ordnung um die deterministische steady-state-Lösung begriffen werden kann. Dieses Vorgehen erlaubt die Darstellung geldpolitischer Maßnahmen auch dann, wenn die endogenen Variablen nicht nur stochastisch von den deterministischen steady-state-Werten abweichen. Systematische Divergenzen zwischen den deterministischen steady-state-Lösungen und den tatsächlichen Realisationen der endogenen Variablen lassen sich bei gegebenen geldpolitischen Regeln auf den Einflußrisikoaversen Verhaltens der privaten Haushalte zurückführen. Bei expliziter Berücksichtigung von Risikoaversion beeinflussen die geldpolitischen feedback-Koeffizienten nicht nur die Varianzen realer Variablen, sondern auch deren erwartete Niveauwerte. Die Erwartungswerte realer Variablen werden daher nicht allein durch die Höhe des asyrnptotischen Erwartungswerts der Geldmengenwachstwnsrate beeinflußt; vielmehr gelangt die konkrete Ausgestaltung der monetären feedback-Reget zu niveaupolitischer Relevanz.

110

3. Berücksichtigung des Optimierungsverhaltens n:prisentativer Wirtschaftseinheiten

3.1. Relevanz der Geldfunktionen für die monetäre Stabilisierungspolitik

Die zunehmende Beachtung des vollständigen (intertemporalen) Optimierungsverhaltens der privaten Wirtschaftssubjekte im Rahmen makroökonomischer Modellansätze hat die zentrale Bedeutung der Lucas-Angebotsfunktion für die erwarteten Niveaueffekte der Geldpolitik relativiert. Bei Berücksichtigung intertemporaler Substitutionsbeziehungen wird das Verhalten der Arbeitsmarktakteure entscheidend durch die erwartete zukünftige Ausprägung entscheidungsrelevanter Größen mitbestimmt. Makroökomische Modellansätze mit variablem Kapitalstock führen ebenso wie dynamische Betrachtungen zur Arbeitsangebotsentscheidung zu Modifikationen der gesamtwirtschaftlichen Güterangebotsfunktion.7 Auch bei Abwesenheit von Informationsdefiziten bezüglich kontemporärer Variablen folgt das Produktionsniveau nicht notwendigerweise einem exogenen (und damit politikinvarianten) stochastischen Prozeß, da in die Güterangebotsfunktion nun auch Erwartungen der Marktteilnehmer über zukünftige Größen Eingang finden. Hierbei kann insbesondere die geldpolitische Beeinflussung der erwarteten Inflationsrate realwirtschaftliche Niveaueffekte implizieren. Üblicherweise werden die realen Implikationen veränderter Inflationserwartungen im Kontext monetärer Wachstumsmodelle diskutiert. Alternative geldwirtschaftliche Wachstumsmodelle unterscheiden sich u.a. durch divergierende Hypothesen über die als besonders wesentlich erachteten Geldfunktionen.8 Insbesondere seit Stockman (1981) hat die Diskussion zur Bedeutung der Geldfunktion für die steady-state-Effekte der Geldpolitik eine gewisse Neubelebung erfahren. Im Gegensatz zu portfoliotheoretischen Ansätzen in der Tradition von Tobin (1965)9 , in denen Geld primär als Substitut zur Kapitalbildung begriffen wird, unterstellt Stockman (1981) durch die Berücksichtigung einer cash-in-advance-Restriktion eine eher "komplementäre" Beziehung zwischen Geld und Sachkapitalbildung. Die generelle Idee von cash-inadvance-Restriktionen besteht in einer Formalisierung der C/ower'schen 7 Zu NCM·Ansätzen, die intertemporale Arbeitsangebotsentscheidungen berücksichtigen vgl. Abschnitt 2.1.3., S. 88 dieser Arbeit Zur Berücksichtigung eines flexiblen Kapitalstocks vgl. LuCM (1975), Fischer (1979), Sargent/Wallace (1975). 8 Vgi.Poh/(1981), S. 172ff. 9 Vgl. Fischer (l979),Lucas (1975)

3.1. Relevanz der Geldfunktionen für die monetäre Stabilisierungspolitik

111

Hypothese, daß die Wirtschaftssubjekte zum Erwerb von Gütern über Geld verfügen müssen. 1 Cash-in-advance-Modelle unterscheiden daher zwischen Gütern, die nur gegen Geld getauscht werden können ("cash-goods") und solchen Gütern, zu deren Erwerb nicht notwendigerweise Geld benötigt wird ("credit-goods") 11 . Unter der Annahme, Konsum- und Investitionsgüter seien "cash-goods", gelangt Stockman (1981) zu einem im Vergleich zu Tobin (1965) diametral entgegengesetzten Ergebnis bezüglich der realen steadystate-Effekte einer erhöhten Inflationsrate. Während eine Senkung der realen Ertragsrate auf Geld infolge einer erhöhten Geldmengenwachstumsrate im Tobin-Ansatz- unter der Annahme eines Realkasseneffekts- eine Substitution von Realkasse zugunsten eines erhöhten Kapitalstocks induziert, wirkt die involvierte Senkung der realen Geldmenge im Ansatz von Stockman wie eine Besteuerung von Transaktionen in "cash-goods" mit der Folge eines gesunkenen steady-state-Kapitalstocks. 12

°

Ein entscheidender Vorteil der Berücksichtigung gesamtwirtschaftlicher Liquiditätsrestriktionen liegt darin, daß sie eine Analyse geldpolitischer Maßnahmen auch dann erlaubt, wenn die Alternative zur Geldhaltung unter dem Aspekt der optimalen Vermögensallokation in Aktiva besteht, die eine sichere Nominalverzinsung aufweisen. Die deterministische Modellversion von Tobin läßt im Kern die Frage offen, warum die Wirtschaftssubjekte überhaupt Geld halten. Eine Berücksichtigung des Rationalverhaltens der Haushalte würde im portfoliotheoretischen Ansatz die modelltheoretische Erfassung unsicherer nominaler Ertragsraten implizieren. Wird (nominal-) zinsloses Geld als Substitut zu anderen Vermögensformen begriffen, so verlangt die Übereinstimmung mit dem Rationalkalkül der Haushalte die Abwesenheit eines Aktivums mit positivem und sicherem Nominalzins als notwendige Bedingung für ein monetäres Gleichgewicht. 13 Die folgenden Ausführungen basieren auf der Annahme, daß eine sichere, (nominal-) verzinsliche Alternative zur Geldhal10 "Money buys goods and goods buy money; but goods do not buy goods." Clower (1967), S. 6. Zur Fundierung gesamtwirtschaftlicher Liquiditätsrestriktion vgl. auch Kohn ( 1981 ), S. 177ff., Kohn (1984), S. 313f., Lucas {1984), S. 20ff. 11 Die Tenninologie stammt von Lucas {1984), S. 22; vgl.auch z.B. Cooley!Hansen (1989), S. 734.

12 Stockmon (1981), S. 391.

13 Die genannte Bedingung ist nicht hinreichend, da- entsprechend den Varianz-KovarianzBeziehungen der Aktivaertragsraten - effiziente Portfeuilles nicht notwendigerweise aus mehreren Aktiva bestehen müssen. Zur Berücksichtigung portfoliotheoretischer Überlegungen im Kontext monetärer Stabilisierungspolitik vgl. etwa Walsir (1984).

112

3. Berücksichtigung des Optimierungsverhaltens repriscntativer Wirtschaftseinheiten

tung existiert. Geld wird daher im weiteren Verlauf dieses Abschnitts primär unter dem Aspekt der Tauschmittelfunktion betrachtet.

3.2. Geldpolitik in einem dynamischen cash-in-advance-Modell

In diesem Abschnitt wird eine Ökonomie betrachtet, deren Marktteilnehmer für einen unendlichen Zeithorizont planen. 14 Der private Sektor besteht aus einer repräsentativen Unternehmung und einem repräsentativen Haushalt}5 In jeder Periode fragt der Haushalt nicht-lagerfähige Konsumgüter nach, bietet Arbeit an undtrimeine Vermögensallokationsentscheidung zwischen Geld und staatlichen Wertpapieren, während die Unternehmung Arbeit nachfragt und Konsumgüter anbietet. Der öffentliche Sektor setzt sich aus einer Regierung und einer Zentralbank zusammen. Die Regierung fixiert die Anzahl staatlicher Wertpapiere und erhebt von den Haushalten "lump-sum"Steuern. Die Geldversorgung der betrachteten Ökonomie wird durch die Zentralbank gesteuert. Dies geschieht hier in Form von Transferzahlungen an die privaten Haushalte.

3.2.1. Das Optimierungsproblem der repräsentativen Unternehmung Es wird angenommen, die Unternehmung maximiere den erwarteten Gegenwartswert ihrer Gewinne (Dt) durch die Ermittlung einer optimalen Arbeitsnachfrage (Nt). Hierzu verfügt die Unternehmung über eine CobbDouglas-Produlctionsfunktion (F). 16 Allerdings fällt die tatsächliche Produk14 Barro (1974) hat u.a. gezeigt, daß die Annahme kongruenter Planungshorizonte unter vermögenstheoretischen Gesichtspunkten dann nicht als sonderlich restriktiv empfunden werden muß, wenn bei endlichen Planungshorizonten der Privaten ein Vererbungsmotiv berücksichtigt wird. Zu cash-in-advance-Restriktionen in Modellen mit sich überlappenden Generationen vgl. Bahn ( 1987). 15 Aus Gründen der Anschaulichkeit wird dennoch von den Unternehmen und den Haushalten die Rede sein. 16 Der fixe Kapitalstock wird auf eins normiert.

3.2. Geldpolitik ia eiacm dyaamiechca 0. Die reduzierten Formen (3.51) und (3.52) zeigen, daß die Zentralbank stabilisierungspolitische Alternativen besitzt. Mit einer Beschäftigungsregel (öo = ö2 = 0, ö 1 = -1) kann eine Variabilität der Beschäftigung verhindert werden. Bei Ankündigung dieser Regel erwarten die Marktteilnehmer im Falle einer Realisierung von Vt > 0, daß die Senkung der Inflationsrate durch Reduktion der zukünftigen Wachstumsrate der Geldmenge 0

Man erkennt, daß bei Verfolgung einer Zinsregel die interessierenden Varianzen im Vergleich zur Geldmengenregel erhöht werden. Tatsächlich entsprechen die Varianzen von Beschäftigung und Konsum im Falle einer Zinsregel gerade jenen, die sich ergeben würden, wenn von der Existenz des öffentlichen Sektors abstrahiert würde, und somit reine Tauschtransaktionen zwischen Haushalten und Unternehmen durchgeführt würden. Die höheren Vari-

3.2. Geldpolitik in einem dynamischen cash-in-advance-Modell

133

anzen der realen Variablen einer solchen Tauschökonomie im Vergleich zur monetären Ökonomie können damit erklärt werden, daß in der Tauschökonomie nominale SchockabsorbiereT fehlen.

3.2.6.2. Geldpolitik bei Berücksichtigung der Risikoaversion privater Haushalte Die Transformation eines nicht-linearen Problems in eine linear-quadratische Aufgabe ignoriert weitgehend den Einfluß risikoaversen Verhaltens durch die Anwendung des Sicherheitsäquivalenzprinzips. Um den Einfluß von Risikoaversion der privaten Haushalte auf die monetäre Stabilisierungspolitik zu verdeutlichen, wird daher nun eine Approximation 2. Ordnung des Systems (3.28), (3.30), (3 .44) um das deterministische steady-state durchgeführt. Eine solche Variation liefert Systemgleichungen, in denen neben Abweichungen auch multiplikative Verknüpfungen von Abweichungen der Variablen von den steady-state-Werten erscheinen. Das resultierende System kann erneut in Form prozentualer Abweichungen geschrieben werden. 57 Bei der Anwendung des Erwartungswertoperators auf die so erhaltenen Systemgleichungen wird die Annahme getroffen, daß die erwartete prozentuale Abweichung einer Variablen vom steady-state-Wert gering ist, weshalb Produkte erwarteter Abweichungen ignoriert werden. 58 Formal bedeutet dies für eine Variable Ht:

c3.s7)

~{[~) 2}={~[~]}2 ~o

(3.58)

~{ [~:~]

2 } =

{~[~:~]

f var[~:~J +

Dieses Vorgehen impliziert, daß die Näherungen für (3.28) und (3.30) gerade jenen aus (3.28') und (3.30') entsprechen, da jede Variable dieser Gleichung

57 Vgl. S. 127 dieser Arbeit. 58 Vgl. auch Fn. 38) dieses Abschnitts.

134

3. Beriicksichtiguog des Optimierungsverhaltens Rpriseotativer Wirtsc:ha.ftseioheiteo

zur Informationsmenge der Privaten im Zeitpunkt der Erwartungsbildung gehört. Zur Approximation von (3.44) wird darüber hinaus angenommen, daß die monetäre Instanz eine "deterministische" feedback-Politik ~ = g(It_ 1) betreibt, weshalb die Geldmengenwachstumsrate der Folgeperiode (gt+ 1) den Wirtschaftssubjekten bekannt ist. Die Durchführung der o.g. Operationen ergibt dann: 59 (3.44'') it =

ß+ Et(~+tllt) + (1 - Cl>)(Ct- EtCt+t) +

+ «1>(1 - Cl>)(~/2) - (1 - «l>) 0

Unter den getroffenen Annahmen besteht also bei gegebener Kovarianz CJc,w ein inverser Zusammenhang zwischen dem erwarteten Beschäftigungsniveau und der Varianz des Konsums (bzw. der Produktion). Da eine höhere 62 = 0) zu beachten, da eine multiplikative Ver' knüpfung zwischen 9t+1und Ct+1besteht. 63 Vgl. S. 127 dieser Arbeit. 64 Die Struktur des Modells impliziert, daß a~ und ~) abhängig sind. Dies bedeutet, daß für einen gegebenen asyrnptotischen Erwartungswert der Geldmengenwachstumsrate (g•) alternative stabilisierungspolitische feedback-Regeln über die (schon beschriebenen) Absorbierungseffekte hinaus auch Niveaueffekte zeitigen.

138

3. Berücksichtigung des Optimierungsvemaltens n:prisentativer Wirtschaftseinheiten

An dieser Stelle können die Ergebnisse des Abschnitts 3.2.6.1. genutzt werden, in dem u.a. die Absorbierungseigenschaften von alternativen feedback-Politiken dargestellt wurden. Die Struktur des Modells erlaubt es, daß die bereits deduzierten Varianzen von Konsum und Beschäftigung (vgl. (3.53a-d), (3.54a-d)) weiterhin gültig sind.

Sowohl fiir eine Geldmengenregel (5o = ö1 = ~ = 0) bzw. eine Beschäftigungsregel (5o = Ö2 = 0 ö1 = -1) als auch im Falle einer Outputregel (5o = k/a, Öt = -1, ~ = 0) gilt für die Kovarianz O"c,w = 0. Unter Beachtung dieses Umstandes kann gesagt werden, daß die geringeren produktionswirksamen Schockabsorbierungseigenschaften einer Geldmengenregel im Vergleich zu den o.g. Alternativen geringere Erwartungswerte von Produktion und Beschäftigung implizieren. Die Zentralbank kann allerdings bei Verfolgung einer Geldmengenregel identische Niveauwerte wie bei Durchführung der o.g. alternativen Regeln erzielen, wenn die Inflationssteuer durch Reduktion von g• entsprechend geringer als bei Verfolgung einer Beschäftigungsregel bzw. einer Outputregel ausfällt. Vergleicht man Outputund Beschäftigungsregel untereinander, so kann festgehalten werden, daß bei Existenz technologischer Störungen die Stabilisierung der Beschäftigung (fiir gegebenes g•) zu Lasten des Beschäftigungs- und Produktionsniveaus im Vergleich zu den bei Verfolgung einer Outputregel erzielbaren Werten geht. Wie bereits in Abschnitt 3.2.6.1 dargestellt, impliziert die Verfolgung einer Zinsregel relativ hohe Output- und Beschäftigungsvarianzen im Vergleich zu den genannten Alternativen. Die hiermit- bei Berücksichtigung von Risikoaversion - verbundenen Beschäftigungseinbußen werden allerdings durch den Umstand gemildert, daß bei Verfolgung einer Zinsregel eine positive Kovarianz zwischen Ct und Wt erzeugt wird. Unter der Annahme 2a > ~2 führen cet.par. höhere Varianzen des Präferenzschocks Wt zu geringeren Beschäftigungs- und Produktionseinbußen, da bei gegebenen Strukturparametern die beschäftigungssenkenden Auswirkungen auf die Produktionsvarianz durch die beschäftigungsfordernden Effekte der gestiegenen Kovarianz (ac,w) überkompensiert werden. 65 Faßt man die Aussagen des Abschnitts 3.2.6.2 zusammen, so folgt, daß die konkrete Ausgestaltung der monetären feedback-Politik in Form alternativer Werte der geldpolitischen feedback-Koeffizienten unter den getroffenen An65 Für 2a > ~2 können risikobedingte Niveausenlcungen unter bestimmten Umständen vermieden werden. Es gilt: ~- 2crc,w = 0, wenn.,;,= -{k2~ + a2~}/{a(l- 2a/~2)}.

3.2. Geldpolitik in einem dynamischen cuh-in-advaoce-Modell

139

nahmen einer cash-in-advance-Ökonomie über die bereits beschriebenen Schock-Absorbierungseffekte (vgl. Abschnitt 3.2.6.1) hinaus reale Niveaueffekte erzeugt, wenn das risikoaverse Verbalten der Haushalte explizit berücksichtigt wird. Die absorbierungspolitische Nicht-Neutralität der monetären feedback-Politik impliziert, daß die Haushalte auch für die Zukunft einen Einfluß der Geldpolitik auf die Stochastik gesamtwirtschaftlicher Größen (hier insbes. des Konsums bzw. der Inflationsrate) erwarten, deren erwartete zukünftige Variabilität bereits heute (d.h. zum Zeitpunkt der Planaufstellung) das Verhalten der Haushalte mitbestimmt.

Schluss

Gegenstand der Arbeit war die Überprüfung realwirtschaftlicher Effekte geldpolitischer Maßnahmen im Rahmen stochastischer Makromodelle der geschlossenen Wirtschaft. Hierbei wurde die Wirksamkeit einer monetären Stabilisierungspolitik an den Möglichkeiten zur Beeinflussung der asymptotischen Erwartungswerte und Varianzen der realen Produktion gemessen. Die Darstellung der Auswirkungen monetärer Maßnahmen setzt u.a. eine Beschreibung der konkreten geldpolitischen Handlungssituation voraus. Die Ausführungen dieser Arbeit konzentrierten sich vor allem auf solche Nebenbedingungen geldpolitischen Handelns, die durch das makroökonomische System charakterisiert werden. So unterstellt der grundlegende Beitrag von Poole (1970) die Existenz politikinvarianter Strukturgleichungen, in denen etwaige Erwartungs- ozw. Verhaltensänderungen der Privaten infolge antizipierter geldpolitischer Maßnahmen nicht abgebildet werden. Die geldpolitische Handlungssituation ändert sich grundlegend, wenn rationale Erwartungen in die Analyse monetärer Stabilisierungspolitik einbezogen werden. Alternative geldpolitische Maßnahmen können dann nicht mehr unter der Annahme eines gegebenen Verhaltens der Privaten untersucht werden. Gerade hinsichtlich der Implementierung optimaler Politiken können infolge des spieltheoretischen Charakters der geldpolitischen Entscheidungssituation Problerne der Glaubwürdigkeit und Durchführbarkeit auftreten. Abgesehen von den Problernen optimaler Politiken bei Berücksichtigung rationaler Erwartungen werden im Rahmen der NCM-Theorie die realwirtschaftlichen Effekte der Geldpolitik überhaupt in Frage gestellt (Politikineffektivitätspostulat). Im zweiten Abschnitt wurde jedoch dargestellt, daß zur Herleitung einer geldpolitischen Neutralität zusätzliche, über die konstituierenden Hypothesen eines NCM-Modells hinausgehende Annahmen getroffen werden müssen. Unterstellt man die Existenz einer Lucas-Angebotsfunktion, so werden die geldpolitischen Möglichkeiten zur Schockabsorbierung sensitiv von der unterstellten Informationsstruktur determiniert. Bei Abwesenheit von Preis- und Lohnrigiditäten sowie rnultiplikativen

Schluss

141

Störungen basieren niveaupolitische Neutralitäten der Geldpolitik u.a. auf spezifischen Annahmen bezüglich der Risikoeinstellung der Arbeitsmarktteilnehmer. Eine Berücksichtigung von Risikoaversion kann jedoch zu makroökonomischen Verhaltensfunktionen führen, die nicht nur von erwarteten Ausprägungen entscheidungsrelevanter Größen abhängig sind, sondern auch von deren Varianzen. So wurde in Abschnitt 2.2. eine LucasAngebotsfunktion unter der Annahme von Risikoaversion der Arbeitsanbieter im Reallohn deduziert. Die Analyse führt zu einem endogenen natural-rateNiveau, das invers von der Varianz des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus abhängt. Monetäre Maßnahmen zur Steuerung der Outputvarianz können dann aber auch das erwartete Produktionsniveau beeinflussen, wenn sie gleichzeitig zu Veränderungen der Preisniveauvarianz führen. Realwirtschaftliche Effekte der monetären Stabilisierungspolitik sind bei rationalen Erwartungen nicht notwendigerweise an kontemporäre Informationsdefizite der Privaten oder an inflexible Lohn-/Preismechanismen gebunden. Im dritten Abschnitt wurde gezeigt, daß bei Existenz einer gesamtwirtschaftlichen Liquiditätsrestriktion das intertemporale Optimierungsverhalten der privaten Marktteilnehmer gerade zu einer Stabilisierungs- und niveaupolitischen Wirksamkeit monetärer Maßnahmen führt. Das vorgestellte cash-inadvance Modell behauptet die Existenz eines dauerhaften inversen Zusammenhangs zwischen der Produktion und der erwarteten Wachstumsrate der Geldmenge. Da die beschriebene Kausalität an die Existenz einer cash-inadvance-Restriktion gebunden ist, betont die Analyse die Rolle der Geldfunktionen für die monetäre Stabilisierungspolitik. Die Ausführungen des dritten Abschnitts zeigten, daß die Produktionsniveau- und Outputvarianzeffekte der monetären Stabilisierungspolitik gerade durch den antizipierten Teil der geldpolitischen Regel ausgelöst werden. Bei Berücksichtigung von Risikoüberlegungen können geldpolitische Maßnahmen zur Absorbierung stochastischer Störungen darüber hinaus reale Niveaueffekte erzielen.

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