197 23 24MB
German Pages 526 [528] Year 2021
Gesine Seymer Fremdwörter in der italienischen Sportsprache (1920–1970)
Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie
Herausgegeben von Éva Buchi, Claudia Polzin-Haumann, Elton Prifti und Wolfgang Schweickard
Band 453
Gesine Seymer
Fremdwörter in der italienischen Sportsprache (1920–1970) Lexikalischer Wandel unter dem Einfluss des faschistischen Fremdwortpurismus im Spiegel von «La Stampa»
Dissertation, Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften der Technischen Universität Dresden, 2019 Ausgezeichnet mit dem Nachwuchspreis des Deutschen Italianistenverbands (2020)
ISBN 978-3-11-071351-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-071365-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-071367-1 ISSN 0084-5396 Library of Congress Control Number: 2020952723 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Integra Software Services Pvt. Ltd. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Danksagung Bei der vorliegenden Monographie handelt es sich um die geringfügig überarbeitete und aktualisierte Fassung meiner Dissertationsschrift, die ich 2019 an der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften der Technischen Universität Dresden eingereicht und verteidigt habe. Auf meinem Weg dorthin habe ich die Unterstützung und Inspiration vieler Menschen erfahren, denen ich an dieser Stelle von Herzen danken möchte. Mein Dank gebührt zuallererst meiner Doktormutter Prof. Dr. Maria Lieber, die mich über viele Jahre hinweg in all meinen Vorhaben und Überlegungen vertrauensvoll unterstützt hat. Von ihr habe ich Vieles gelernt, das weit über die Romanistik hinausgeht. Von Herzen danke ich auch Prof. Massimo Fanfani, der durch seine Expertise und seinen klugen Rat entscheidend zur Reifung meiner Ideen beigetragen hat. Ebenso danke ich Prof. Dr. Simon Meier-Vieracker für die Begleitung der Arbeit und den fachlichen Beistand in der entscheidenden letzten Phase ihrer Erstellung. Seit den ersten Anfängen begleitet hat mein Vorhaben Prof. em. Dr. Harro Stammerjohann, langjähriger Mentor und Freund, der das Interesse für die Sprachwissenschaft in mir überhaupt erst geweckt und mir gezeigt hat, was Sprache alles offenbart. Besonders danke ich ihm für viele bereichernde Gespräche, seine aufmerksame Lektüre und seine stete Ermutigung, die mir geholfen hat, manche Durststrecke zu überwinden. Ein von Herzen kommender Dank gebührt Johannes Richter, der mir nicht nur in allen informatischen Herausforderungen sehr geduldig zur Seite stand. Desweiteren bin ich Prof. Alberto Raffaelli für seinen freundlichen Rat und die Unterstützung meines Vorhabens sehr dankbar. Mit der Bereitstellung seiner persönlichen Forschungsdatenbank hat er mir sehr geholfen. Ein herzliches Dankeschön geht an Dr. Vanessa Dizinger, die mir in methodischen Fragen stets eine hervorragende Ratgeberin war. Auch Giulia Di Stefano, die mir ihre Diplomarbeit zur Verfügung gestellt hat, sei an dieser Stelle gedankt. Mein Dank geht zudem an die Herausgeberinnen und Herausgeber der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie für die Aufnahme in die Reihe sowie an Dr. Christine Henschel vom Verlag De Gruyter, die mich im Publikationsprozess hervorragend begleitet und mir viele hilfreiche Hinweise gegeben hat. Den Abschluss der vorliegenden Arbeit verdanke ich auch der Technischen Universität Dresden, die mir ein zweijähriges Stipendium gewährt hat und so entscheidend zur Verwirklichung meines Vorhabens beigetragen hat.
https://doi.org/10.1515/9783110713657-202
VI
Danksagung
Mein tiefer Dank gilt schließlich meiner Familie, die mich über die lange Zeit bedingungslos unterstützt, beraten und geduldig ge- und ertragen hat: meinen Eltern, meinen Kindern und Johannes. Euch widme ich dieses Buch. Gesine Seymer Dresden, September 2020
Inhaltsverzeichnis Danksagung
V
Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis
XI XVII
Typografische Konventionen
XIX
Verzeichnis der verwendeten Siglen und Abkürzungen
XXI
1
Einleitung
2 2.1
Theoretische und historische Grundlagen 11 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution 11 Sprachliche Fremdheit 11 Echte und «unechte» Fremdwörter 18 Fremdwortintegration 29 Sprachwandel und sprachkontaktbedingte Lexemkonkurrenz 31 Entlehnung, onomasiologische Variation und Bezeichnungswandel 32 Onomasiologische Variation und Synonymie 39 Katachrese und Markiertheit von Fremdwörtern 42 Faktoren für die Bevorzugung fremder versus nativer Bezeichnungsalternativen 47 Fremdwortpurismus und Substitution 49 Grundzüge des Fremdwortpurismus 50 Natürlicher versus künstlicher Bezeichnungswandel? Zur Wirkung von Fremdwortpurismus: Substitution, Variation, Fortbestand 60 Typologien lexikalischer Substitution 65 Zusammenfassung 76 Der faschistische Fremdwortpurismus 78 Historischer Überblick 79 Difesa della lingua 82 Italianità 85 Autarchia 87
2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.4.1 2.1.4.2 2.1.4.3 2.1.4.4 2.1.5 2.1.5.1 2.1.5.2 2.1.5.3 2.1.5.4 2.1.6 2.2 2.2.1 2.2.1.1 2.2.1.2 2.2.1.3
1
56
VIII
2.2.2 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.3 2.2.3.4 2.2.3.5 2.2.3.6 2.2.3.7 2.2.4 2.2.5 2.2.6 3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3 3.2.3 3.2.4 3.2.4.1 3.2.4.2 3.2.4.3 3.2.4.4 3.2.5
Inhaltsverzeichnis
Theoretische Zugänge 95 Quellen und Akteure des faschistischen Fremdwortpurismus 98 Frühe Quellen 99 Beitrag der Zeitungen 106 Standardlexikografie 111 Ersetzungswörterbücher 119 Beitrag der Verbände 130 Die Commissione per l’italianità della lingua Ergebnisse des Quellenüberblicks 143 L’ebbrezza dell’esotismo ritrovato: Fremdwörter nach 1945 147 Beurteilung der Wirkung des faschistischen Fremdwortpurismus 155 Diskutierte Einflussfaktoren der Italianisierung
139
160
Methodische Grundlagen 163 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen 163 Lexikografischer Ansatz 164 Korpusbasierter Ansatz 168 Befragungsbasierter Ansatz 175 Konzeptbasierter Ansatz 176 Untersuchungsdesign 180 Untersuchungsplanung nach dem Mixed-MethodsAnsatz 180 Operationalisierung 184 Onomasiologische Stärke und Lexemerfolg 184 Italianisierungsstatus 190 Fremdwort 192 Sportsprache als Untersuchungsgegenstand 196 Datenquellen der Untersuchung 199 Fremdwortpuristische Quellen als Datengrundlage 199 Wahl der Untersuchungsstichprobe 200 Datenerhebung anhand linguistischer Korpora 204 Arbeit mit dem Archivio storico La Stampa (ASLS) 213 Generierung onomasiologischer Profile 217
Inhaltsverzeichnis
3.2.6 3.2.7 3.3 4 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.6.5 4.7 4.7.1 4.7.2 4.7.3 4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.9 4.9.1
Semantische Disambiguierung bei der Datenerfassung aus ASLS 221 Bivariate Analysen 224 Zusammenfassung 226 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache zwischen 1920 und 1970 227 Einleitung 227 Voruntersuchung zum Gebrauchsstatus der zu ersetzenden Fremdwörter 229 Radsport 231 Fremdworterfolge 234 Italianisierungen bis 1920 243 Italianisierungen nach 1930 245 Fazit 251 Fußball 252 Fremdworterfolge 255 Italianisierungen bis 1920 263 Italianisierungen nach 1930 274 Fazit 284 Rugby 285 Fremdworterfolge 287 Italianisierungen nach 1930 290 Fazit 293 Boxen 293 Unentschiedene Fälle 297 Fremdworterfolge 300 Italianisierungen bis 1920 308 Italianisierungen nach 1930 313 Fazit 320 Tennis 320 Fremdworterfolge 322 Italianisierungen nach 1930 329 Fazit 329 Wintersport 331 Fremdworterfolge 333 Italianisierungen bis 1920 337 Fazit 341 Weitere Sportkonzepte 342 Fremdworterfolge 343
IX
X
Inhaltsverzeichnis
Italianisierungen bis 1920 359 Italianisierungen nach 1930 364 Unentschiedene Fälle 380 Fazit 389 Spiele 390 Fremdworterfolge 393 Italianisierungen nach 1930 402 Fazit 407 Auswertung der Ergebnisse 408 Entwicklung der onomasiologischen Variation zwischen 1920 und 1970 408 Muster lexikalischen Wandels in den Daten 414 Substitutionsstrategien des faschistischen Fremdwortpurismus 421
4.9.2 4.9.3 4.9.4 4.9.5 4.10 4.10.1 4.10.2 4.10.3 4.11 4.11.1 4.11.2 4.11.3
5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10 5.11
Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus 423 Methodik und Vorgehensweise 423 Popularität der Sportart 429 Konzeptfrequenz 432 Sprachökonomie 435 Ausgangssprache 436 Semantische Kategorie 438 Alter des Fremdworts 440 Substitutionstyp 442 Erstbeleg der Italianisierung 446 Einfluss des faschistischen Fremdwortpurismus Zusammenfassung 454
6
Synthese
7 7.1 7.2 7.3
Bibliografie 465 Primärquellen 465 Sprachkorpora 466 Sekundärliteratur 467
Personenindex
457
483
Sachindex
487
Wortindex
493
448
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Abbildung 2
Abbildung 3 Abbildung 4 Abbildung 5 Abbildung 6 Abbildung 7 Abbildung 8 Abbildung 9
Abbildung 10 Abbildung 11 Abbildung 12 Abbildung 13 Abbildung 14 Abbildung 15 Abbildung 16 Abbildung 17 Abbildung 18 Abbildung 19 Abbildung 20 Abbildung 21 Abbildung 22 Abbildung 23 Abbildung 24 Abbildung 25 Abbildung 26
Semiotisches Modell der sprachkontaktinduzierten Innovation (adaptiert nach Winter-Froemel 2011, 486 und Onysko 2007) 27 Sprachkontaktinduzierte Lexemkonkurrenz am Beispiel von ital. béchamel / besciamella / balsamella im Zeitraum 1920 bis 1990 in GoogleBooks Ngram Viewer 35 Schematische Darstellung einer Ersetzungsvorschrift für ein monosemes Fremdwort 38 Schematische Darstellung einer möglichen Ersetzungsvorschrift für ein bisemes Fremdwort 38 Schematische Darstellung von Lexemkonkurrenz bei Bedürfnis- und Luxusentlehnung 42 Ablauf und Bestandteile puristischer Intervention nach Thomas (1991, 99) 55 Einband von Monelli (1933) 123 Einband von Cicogna (1940) 128 Erfolg der Italianisierungsvorschläge der Commissione per l’italianità della lingua für Fremdwörter der Gastronomie (nach Piacentini 2016a, 182) 172 Darstellung des Untersuchungsdesigns nach dem Mixed-Methods-Ansatz 183 Onomasiologisches Profil für das Konzept BOXER (ASLS, 1920–1930) 187 Onomasiologisches Profil für das Konzept BOXER (ASLS, 1960–1970) 189 Beispiel einer Ergebnisdarstellung im ASLS 216 Onomasiologisches Profil für KOPFSTEINPFLASTERPASSAGE (ASLS, 1920–1970) 237 Onomasiologisches Profil für BAHNRADFAHRER (ASLS, 1920–1970) 237 Onomasiologisches Profil für STEHVERSUCH (ASLS, 1920–1970) 239 Onomasiologisches Profil für GERANGEL, TUMULTPHASE BEI RADRENNEN (ASLS, 1920–1940 und 1950–1970) 241 Onomasiologisches Profil für BEGLEITER EINES RADSPORTLERS (ASLS, 1920–1970) 242 Onomasiologisches Profil für SCHLAUCHREIFEN (ASLS, 1920–1970) 244 Onomasiologisches Profil für MANNSCHAFTSKAMERAD BEI RADRENNEN (ASLS, 1920–1970) 245 Onomasiologisches Profil für SERPENTINE (ASLS, 1920–1970) 247 Onomasiologisches Profil für KLETTERER (ASLS, 1920–1970) 248 Onomasiologisches Profil für STRASSENFAHRER (ASLS, 1920–1970) 251 Onomasiologisches Profil für TOR (BEIM PUNKTESTAND) (ASLS, 1920–1970) 257 Onomasiologisches Profil für TOR (ZIELOBJEKT DER SPIELER) (ASLS, 1920–1970) 259 Onomasiologisches Profil für FLANKE (ASLS, 1920–1970) 260
https://doi.org/10.1515/9783110713657-204
XII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 27 Abbildung 28 Abbildung 29 Abbildung 30 Abbildung 31 Abbildung 32 Abbildung 33 Abbildung 34 Abbildung 35 Abbildung 36 Abbildung 37 Abbildung 38 Abbildung 39 Abbildung 40 Abbildung 41 Abbildung 42 Abbildung 43 Abbildung 44 Abbildung 45 Abbildung 46 Abbildung 47 Abbildung 48 Abbildung 49 Abbildung 50 Abbildung 51 Abbildung 52 Abbildung 53 Abbildung 54 Abbildung 55 Abbildung 56 Abbildung 57 Abbildung 58 Abbildung 59 Abbildung 60 Abbildung 61 Abbildung 62 Abbildung 63
Onomasiologisches Profil für DRIBBLING IM FUSSBALL (ASLS, 1920–1970) 262 Onomasiologisches Profil für VERTEIDIGER (ASLS, 1920–1970) 264 Onomasiologisches Profil für AUßENLÄUFER (ASLS, 1920–1970) 265 Onomasiologisches Profil für STÜRMER (ASLS, 1920–1970) 266 Onomasiologisches Profil für MITTELSTÜRMER (ASLS, 1920–1970) 267 Onomasiologisches Profil für TORWART (ASLS, 1920–1970) 268 Onomasiologisches Profil für FUSSBALLSPIELER (ASLS, 1920–1970) 269 Onomasiologisches Profil für STRAFSTOSS (ASLS, 1920–1970) 270 Onomasiologisches Profil für ABSEITS (ASLS, 1920–1970) 270 Onomasiologisches Profil für HANDSPIEL (ASLS, 1920–1970) 271 Onomasiologisches Profil für HECHTSPRUNG DES TORWARTS (ASLS, 1920–1970) 272 Onomasiologisches Profil für GEWALTSCHUSS (ASLS, 1920–1970) 273 Onomasiologisches Profil für FUSSBALL (SPORTGERÄT) (ASLS, 1920–1970) 274 Onomasiologisches Profil für FUSSBALL (SPORTART) (ASLS, 1920–1970) 277 Onomasiologisches Profil für HALBSTÜRMER (ASLS, 1920–1970) 278 Onomasiologisches Profil für EIGENTOR (ASLS, 1920–1970) 279 Onomasiologisches Profil für ECKBALL / ECKSTOSS (ASLS, 1920–1970) 280 Onomasiologisches Profil für FUSSBALLFAN (ASLS, 1920–1970) 281 Onomasiologisches Profil für TORQUOTIENT (ASLS, 1920–1970) 283 Onomasiologisches Profil für RUGBY (ASLS, 1920–1970) 289 Onomasiologisches Profil für SPRUNGTRITT (ASLS, 1920–1970) 290 Onomasiologisches Profil für SCHLUSSMANN (ASLS, 1920–1940 und 1950–70) 290 Onomasiologisches Profil für VERSUCH (RUGBY) (ASLS, 1920–1970) 292 Onomasiologisches Profil für GEDRÄNGE (RUGBY) (ASLS, 1920–1970) 293 Onomasiologisches Profil für BOXEN (ASLS, 1920–1970) 298 Onomasiologisches Profil für «EDLE KUNST» (ASLS, 1920–1970) 299 Onomasiologisches Profil für GROGGY (ASLS, 1920–1970) 300 Onomasiologisches Profil für BOXRING (ASLS, 1920–1970) 301 Verteilung der adverbialen Verwendungen von knock-out gegenüber k.o. (ASLS, 1920–1970) 302 Onomasiologisches Profil für KNOCKOUT (Adverb) (ASLS, 1920–1970) 304 Onomasiologisches Profil für KNOCKOUT (Substantiv) (ASLS, 1920–1970) 305 Onomasiologisches Profil für KNOCKDOWN (ASLS, 1920–1970) 306 Onomasiologisches Profil für PUNCHINGBALL (ASLS, 1920–1970) 306 Onomasiologisches Profil für WELTERGEWICHT (ASLS, 1920–1970) 308 Onomasiologisches Profil für JAB (ASLS, 1920–1970) 309 Onomasiologisches Profil für BANTAMGEWICHT (ASLS, 1920–1970) 310 Onomasiologisches Profil für CLINCH (ASLS, 1920–1970) 311
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 64
XIII
Onomasiologisches Profil für SEKUNDANT EINES BOXERS (ASLS, 1920–1970) 312 Abbildung 65 Onomasiologisches Profil für BOXER (ASLS, 1920–1970) 314 Abbildung 66 Onomasiologisches Profil für SEITWÄRTSHAKEN (ASLS, 1920–1970) 316 Abbildung 67 Onomasiologisches Profil für SCHWINGER (ASLS, 1920–1970) 317 Abbildung 68 Onomasiologisches Profil für CROSS (ASLS, 1920–1970) 318 Abbildung 69 Onomasiologisches Profil für AUFWÄRTSHAKEN (ASLS, 1920–1970) 319 Abbildung 70 Onomasiologisches Profil für TENNIS (ASLS, 1920–1970) 324 Abbildung 71 Onomasiologisches Profil für SATZ (IM TENNIS) (ASLS, 1920–1970) 325 Abbildung 72 Onomasiologisches Profil für SPIEL (IM TENNIS) (ASLS, 1920–1970) 326 Abbildung 73 Onomasiologisches Profil für TREIBSCHLAG (ASLS, 1920–1940 und 1950–1970) 326 Abbildung 74 Onomasiologisches Profil für SCHMETTERBALL (ASLS, 1920–1970) 327 Abbildung 75 Onomasiologisches Profil für SATZBALL (ASLS, 1920–1970) 328 Abbildung 76 Onomasiologisches Profil für MATCHBALL (ASLS, 1920–1970) 329 Abbildung 77 Onomasiologisches Profil für TENNISPLATZ (ASLS, 1920–1970) 330 Abbildung 78 Onomasiologisches Profil für EISHOCKEY (ASLS, 1920–1970) 334 Abbildung 79 Onomasiologisches Profil für BOB (SPORTART) (ASLS, 1920–1970) 335 Abbildung 80 Onomasiologisches Profil für SLALOM (ASLS, 1920–1970) 337 Abbildung 81 Onomasiologisches Profil für KRISTIANA(-SCHWUNG) (ASLS, 1920–1970) 339 Abbildung 82 Onomasiologisches Profil für SKI (ASLS, 1920–1970) 341 Abbildung 83 Onomasiologisches Profil für GOLF (ASLS, 1920–1970) 344 Abbildung 84 Onomasiologisches Profil für CRICKET (ASLS, 1920–1970) 345 Abbildung 85 Onomasiologisches Profil für KROCKET (ASLS, 1920–1940 und 1950–70) 346 Abbildung 86 Onomasiologisches Profil für HOCKEY (ASLS, 1920–1970) 348 Abbildung 87 Onomasiologisches Profil für GYMKHANA (ASLS, 1920–1970) 350 Abbildung 88 Onomasiologisches Profil für BASEBALL (ASLS, 1920–1970) 352 Abbildung 89 Onomasiologisches Profil für PINGPONG/TISCHTENNIS (ASLS, 1920–1970) 354 Abbildung 90 Onomasiologisches Profil für ALPENSTOCK (ASLS, 1920–1970) 356 Abbildung 91 Onomasiologisches Profil für PFADFINDER (ASLS, 1920–1970) 357 Abbildung 92 Onomasiologisches Profil für GEHEIMABSPRACHE IM SPORT (ASLS, 1920–1940 und 1950–1970) 359 Abbildung 93 Onomasiologisches Profil für (SPORT-)ASS (ASLS, 1920–1970) 361 Abbildung 94 Onomasiologisches Profil für TITELHERAUSFORDERER (ASLS, 1920–1970) 362 Abbildung 95 Onomasiologisches Profil für KRAULEN (ASLS, 1920–1970) 363 Abbildung 96 Onomasiologisches Profil für EISLAUFBAHN (ASLS, 1920–1970) 365 Abbildung 97 Onomasiologisches Profil für ROLLSCHUHBAHN (ASLS, 1920–1970) 367 Abbildung 98 Onomasiologisches Profil für ROLLSCHUHLAUFEN (ASLS, 1920–1970) 369 Abbildung 99 Onomasiologisches Profil für WASSERBALL (ASLS, 1920–1970) 371 Abbildung 100 Onomasiologisches Profil für WASSERBALLSPIELER (ASLS, 1920–1970) 371 Abbildung 101 Onomasiologisches Profil für JIU JITSU (ASLS, 1920–1970) 372 Abbildung 102 Onomasiologisches Profil für REKORDHALTER (ASLS, 1920–1970) 374
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 103 Onomasiologisches Profil für SPRINTER (ASLS, 1920–1970) 376 Abbildung 104 Onomasiologisches Profil für ZÖGLING EINES SPORTLERS/TRAINERS (ASLS, 1920–1970) 377 Abbildung 105 Onomasiologisches Profil für SCHWÄCHE(ANFALL) EINES SPORTLERS (ASLS, 1920–1970) 380 Abbildung 106 Onomasiologisches Profil für REKORD (ASLS, 1920–1970) 383 Abbildung 107 Onomasiologisches Profil für AUSSENSEITER (ASLS, 1920–1970) 384 Abbildung 108 Onomasiologisches Profil für BASKETBALL (ASLS, 1920–1970) 386 Abbildung 109 Onomasiologisches Profil für LAUFTRAINING (ASLS, 1920–1970) 389 Abbildung 110 Onomasiologisches Profil für ROULETTE (ASLS, 1920–1970) 394 Abbildung 111 Onomasiologisches Profil für CROUPIER (ASLS, 1920–1970) 395 Abbildung 112 Onomasiologisches Profil für HAUPTGEWINN IM ROULETTE (ASLS, 1920–1970) 396 Abbildung 113 Onomasiologisches Profil für BRIDGE (ASLS, 1920–1970) 398 Abbildung 114 Onomasiologisches Profil für POKER (ASLS, 1920–1970) 400 Abbildung 115 Semasiologisches Profil für puzzle (ASLS, 1920–1970) 403 Abbildung 116 Onomasiologisches Profil für KREUZWORTRÄTSEL (ASLS, 1920–1970) 405 Abbildung 117 Ergebnisse der lexikalischen Entwicklung der Untersuchungsstichprobe bis 1970 (N=104) 409 Abbildung 118 Anzahl der lexikalischen Substitutionen nach Ersetzungszeitpunkt 410 Abbildung 119 Durchschnittliche onomasiologische Stärke der untersuchten Fremdwörter nach Zeitraum 410 Abbildung 120 Anzahl der Konzepte mit niedrigem / mittel-niedrigem / mittel-hohem und hohem Fremdwortanteil (in Prozent) im historischen Vergleich 411 Abbildung 121 Durchschnittlicher Fremdwortanteil in unterschiedlichen Sportarten im Zeitraum 1920–1940 413 Abbildung 122 Durchschnittlicher Fremdwortanteil in unterschiedlichen Sportarten im Zeitraum 1950–1970 414 Abbildung 123 Verteilung der onomasiologischen Stärke der nativen Lexeme (abzüglich des stärksten Synonyms) im Zeitraum 1950–1970 nach semantischen Kategorien 418 Abbildung 124 Italianisierungsstatus nach Einzelsportarten 430 Abbildung 125 Italianisierungsstatus nach Popularität der Sportart 431 Abbildung 126 Durchschnittliche Konzeptfrequenz (Mittelwert) nach untersuchten Sportarten im ASLS (z.T. geschätzt, Messzeitraum: 1920–1970) 433 Abbildung 127 Italianisierungsstatus nach durchschnittlicher Konzeptfrequenz (Mittelwert, teilweise geschätzt) 434 Abbildung 128 Italianisierungsstatus nach Silbendifferenz von Fremdwort und erfolgreichstem nativen Synonym 436 Abbildung 129 Italianisierungsstatus nach Ausgangssprachen der Fremdwörter 438 Abbildung 130 Italianisierungsstatus nach semantischen Kategorien 439 Abbildung 131 Entlehnungszeiträume der untersuchten Fremdwörter 441 Abbildung 132 Italianisierungsstatus nach Erstbeleg des Fremdworts (je Konzept) 442 Abbildung 133 Anzahl der jeweils erfolgreichsten Ersetzungsformen je Konzept 443 Abbildung 134 Häufigste Substitutionstypen der erfolgten Ersetzungen (N=49) 444 Abbildung 135 Substitutionstypen erfolgreicher Italianisierungen nach Zeitraum 445
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 136 Italianisierungsstatus nach Substitutionstyp (N=92) 446 Abbildung 137 Chronologie der Erstbelege der jeweils erfolgreichsten Ausdrucksvarianten pro Konzept (N=99) 447 Abbildung 138 Italianisierungsstatus nach Erstbeleg der jeweils erfolgreichsten Ausdrucksvariante pro Konzept 448 Abbildung 139 Italianisierungsstatus nach der Anzahl der puristischen Quellen, die das jeweils erfolgreichste native Lexem zur Ersetzung vorschlugen 450 Abbildung 140 Anzahl der in den puristischen Quellen genannten Substitutionsalternativen pro Konzept (N=99) 451 Abbildung 141 Italianisierungsstatus der untersuchten Konzepte nach der Anzahl der in den puristischen Quellen angegebenen Substitutionsalternativen 451 Abbildung 142 Italianisierungsstatus nach übereinstimmenden oder abweichenden Prognosen für das jeweils erfolgreichste native Synonym in CIL (1941–1943) 453
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1 Tabelle 2 Tabelle 3 Tabelle 4 Tabelle 5 Tabelle 6 Tabelle 7 Tabelle 8 Tabelle 9 Tabelle 10 Tabelle 11 Tabelle 12 Tabelle 13 Tabelle 14 Tabelle 15 Tabelle 16 Tabelle 17 Tabelle 18
Abgrenzung dreier Perspektiven auf Phänomene sprachlicher Fremdheit (nach Winter-Froemel 2011, 53–58) 15 Strukturanalyse entlehnter Wörter anhand von zwei Arten von Konformität nach Winter-Froemel (2011, 101) 26 Ersetzungstypologien im Vergleich 70 Systematisierung der lexikalischen Substitution nach Typ und Ersetzungsform 75 Ersetzungstypologie am Beispiel von Ersetzungsvorschlägen für ital. cocktail 76 Errechnung der onomasiologischen Stärken für Ausdrucksvarianten des Konzepts BOXER (ASLS, 1920–1930) 187 Operationalisierung der Variable ‹Italianisierungsstatus› 191 Absolute und relative Token-Frequenzen für Ausdrucksvarianten von BOXER im ASLS nach Jahrzehnten 192 Berücksichtigte Quellen des faschistischen Fremdwortpurismus 201 Historische Textarchive des Italienischen für den Zeitraum 1900–1970 211 Schätzung der Größe von Teilkorpora des ASLS in Millionen Tokens 214 Absolute und relative Frequenz von football im ASLS 215 Identifikation von Synonymen für ital. poulain 220 Gebrauchsstatus von 4.314 kritisierten Fremdwörtern im Zeitraum 1900–1945 im ASLS 230 Übersicht über die abhängige Variable ‹Italianisierungsstatus› 424 Übersicht über die elf unabhängigen Variablen der Untersuchung 425 Schätzung von Konzeptfrequenzen am Beispiel FLANKE 432 Effektstärken der fünf signifikanten UV 454
https://doi.org/10.1515/9783110713657-205
Typografische Konventionen Kursivierung ‹› []
‘Bedeutung’ KONZEPT → > < * # ↔
Zeichenausdruck (unter Vernachlässigung der Unterscheidung von Lautung und Schreibung) Notation von Variablen und Konstrukten Zeichenausdruck (Lautung) Zeichenausdruck (Schreibung) einzelsprachlicher Zeicheninhalt übereinzelsprachliches Konzept wird ersetzt durch wird entlehnt zu wurde entlehnt aus nicht belegtes oder nicht normgerechtes Lexem belegtes, aber nicht synonymes Lexem entspricht
https://doi.org/10.1515/9783110713657-206
Verzeichnis der verwendeten Siglen und Abkürzungen FFP AS ZS CIL ASLS
faschistischer Fremdwortpurismus Ausgangssprache, ausgangssprachlich Zielsprache, zielsprachlich Commissione per l’italianità della lingua Archivio storico La Stampa
ital. lat. dt. engl. frz. span.
italienisch lateinisch deutsch englisch französisch spanisch
Etym. Wortb. Erstb. Bed. SubV
etymologischer Kommentar Wortbildung Erstbeleg Bedeutungsangaben Substitutionsvorschläge der puristischen Quellen
weitere Siglen siehe Bibliographie
https://doi.org/10.1515/9783110713657-207
1 Einleitung Uscimmo dal recinto delle frasi storiche, dopo aver data un’occhiata addolorata alla lapide della trista Linea del bagnasciuga, e seguendo il nervoso vecchietto entrammo in un altro campo. – Qui c’è un po’ di tutto, – disse il guardiano. – Abbiamo le parole obbligatorie come cialdina... – Che cos’è? – lo interrompemmo, mentre si rileggeva sulla lapide la misteriosa parola. – Ma sa, quelle cose che si pigliano per il mal di testa, i cachets. – Ah, già, quelle che i medici, i quali se ne intendono, chiamano capsule. – Beh, li chiami un po’ come vuole, io cialdine non li chiamo di sicuro. Poi abbiamo girella, invece che roulette e, ma questo è morto subito appena nato, diporto invece di sport. – Vitaiolo, – leggemmo camminando per il campo. – Tabarino, Ferribotto ... – Ma poi il nostro sguardo cadde su qualche cosa di grandioso che si ergeva in fondo. Presto comprendemmo che cos’era: enormi blocchi di marmo si drizzavano verso il cielo disegnando il pronome Voi. – Quello è un caso curioso, – disse il nostro vecchietto. – Io lo chiamo il morto che parla. Perché, vede, qualcuno ha preso gusto a trattare la gente con quel voi allontanante e continua ad usarlo, così ha l’impressione di essere più in alto di colui al quale parla. Altri dicono che adesso sono liberi di parlare col voi o col zoi, come meglio credono, senza capire che prima che il voi abbia perduto quell’antipatico colore di grida prefettizia ne deve passare del tempo, e solo allora potranno adoperarlo senza far pensare cose piuttosto dubbie sul loro conto.1
Nur wenige Wochen nach der Absetzung der faschistischen Mussolini-Regierung am 25. Juli 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, beschrieb der italienische Schriftsteller und Journalist Giorgio Scerbanenco (1911–1969) mit der Erzählung Lingua morta, der dieses Zitat entnommen ist, die vom Faschismus überformte Sprache als einen Friedhof und die von ihm forcierten Wörter («le parole obbligatorie») als teils bereits tote und vergessene, teils als lange Schatten werfende Mahnmale. Bemerkenswert an dieser Erzählung ist nicht nur der frühe Entstehungszeitpunkt, sondern auch mit welcher Weitsichtigkeit Scerbanenco einerseits die Wirkung bzw. Wirkungslosigkeit der faschistischen Sprachpolitik erkannte und andererseits die tiefgreifenden gesellschaftlichen Zerwürfnisse, die sie mit sich brachte. Die Erzählung erschien nicht wie geplant im Spätsommer 1943 im Corriere della sera, sondern erst über 60 Jahre später in einem Sammelband (Scerbanenco 2011).
1 Scerbanenco (2011, XI–XII). Scerbanenco schrieb die Erzählung Lingua morta wenige Tage vor Bekanntgabe des Waffenstillstands Italiens am 8. September 1943 für den Corriere della sera. https://doi.org/10.1515/9783110713657-001
2
1 Einleitung
Der Fremdwortpurismus war das dominante und markanteste Thema der Sprachpolitik des faschistischen Regimes (1922–1943) (Raffaelli 2006a, 1467). Bereits kurz nach der Machtergreifung Mussolinis wurde 1923 ein Gesetz erlassen, dass die öffentliche Verwendung von Fremdwörtern einschränken sollte. Getragen wurde die puristische Kampagne von Beginn an von Vertretern der intellektuellen und politischen Elite Italiens, u.a. dem berühmten Begründer des Futurismus, Filippo Tommaso Marinetti, den Journalisten Paolo Monelli, Antonio Jàcono und Cesare Meano, den Schriftstellern Pasquale De Luca, Alfredo Panzini und Pietro Silvio Rivetta sowie von Politikern wie Tommaso Tittoni und Umberto Silvagni. Zwischen 1924 und dem Ende des Regimes im Jahr 1943 schlugen sie und weniger illustre Puristen Wörter vor, die zur Ersetzung von Fremdwörtern in der italienischen Sprache verwendet werden sollten. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Tageszeitungen, die die Kampagne gegen Fremdwörter mit eigenen Rubriken und sogar Leserwettbewerben unterstützten. Im Rahmen des Neopurismus trugen auch Sprachwissenschaftler, wie Bruno Migliorini und Giacomo Devoto, teils kritisch, teils durch eigene puristische Beiträge zur Kampagne bei und beteiligten sich an der Ausarbeitung von lexikalischen Ersetzungen. Nachdem das Regime 1936 die Autarkie proklamierte, wurde die – nun campagna per l’autarchia linguistica genannte – puristische Intervention verstärkt von institutioneller und akademischer Seite übernommen. Sie mündete schließlich in der Ausarbeitung von rund 1.500 offiziellen Italianisierungsvorschlägen zwischen 1941 und 1943 durch die Commissione per l’italianità della lingua, die von der wichtigsten Kulturinstitution des Faschismus, der Accademia d’Italia, eingesetzt worden war. Damit wurde ein Gesetz von 1940 (n. 2042) umgesetzt, das den Gebrauch von Fremdwörtern in der Sprache des Handels und der Werbung sowie in Firmennamen verbot. Bedenkt man, dass die prominent besetzte Commissione per l’italianità della lingua ihre Sitzungen noch bis zum 28. Juni 1943 fortsetzte (Raffaelli, A. 2010, 43), macht Scerbanencos Erzählung deutlich, wie groß der Abstand zwischen der staatlicherseits vorgeschriebenen und kontrollierten Wortwahl und der wahrgenommenen Sprachrealität bereits vor dem Ende der Diktatur war. Die Frage, wie der faschistische Fremdwortpurismus den italienischen Sprachgebrauch beeinflusste und inwiefern er zur Ersetzung von Fremdwörtern durch native Lexeme beitrug, wird in der italienischen Sprachwissenschaft seit Jahrzehnten diskutiert. Generell sind sich die Studien zum Thema einig, dass der faschistische Fremdwortpurismus sein Ziel, Fremdwörter aus dem Sprachgebrauch zu verbannen und durch italienische Entsprechungen zu ersetzen, weitgehend verfehlt hat.2
2 Siehe hierzu insbesondere Risk (1976, 85–86) sowie Junker (1955, 162); Klein (1986, 154–157); Foresti (1978, 128); Ille (1996, 47); Michel (2005, 439); Raffaelli (2006a, 1468); Raffaelli
1 Einleitung
3
Die Untersuchungen kommen zum Ergebnis, dass zahlreiche der zu ersetzenden Fremdwörter nach dem Ende des Faschismus weiterhin in Gebrauch waren und die Neuentlehnung, insbesondere aus dem Englischen, stark zunahm. Insgesamt attestiert die Forschungs- und Lehrbuchliteratur dem faschistischen Fremdwortpurismus somit eine überwiegend negative Bilanz. Andererseits führen viele Autoren an, der faschistische Fremdwortpurismus habe dennoch Erfolge zu verzeichnen, denn einige der kritisierten Fremdwörter seien tatsächlich dauerhaft ersetzt worden. Methodisch fußen die Studien zur Wirkung der faschistischen Kampagne gegen Fremdwörter bislang vorrangig auf lexikografischen Vergleichen, in jüngerer Zeit auch auf Korpusanalysen. Vielfach werden die Urteile zum Einfluss der Kampagne auf den italienischen Fremdwortschatz exemplarisch oder gar nicht weiter begründet, wie etwa folgende Einschätzungen zeigen: [...] è indubbio che l’autarchia linguistica del regime abbia contribuito in buona misura alla eliminazione di un certo numero di francesismi, sia nei settori speciali che nel lessico generale (Morgana 1994, 715). La campagna per l’autarchia fu l’unica [delle iniziative di politica linguistica del fascismo, GS] a essere condotta con impegno e fu l’unica a fornire qualche risultato (di fatto usiamo ancora, nel parlare ordinario, qualche termine sostitutivo di quelli allora proscritti) (Iannaccaro 2003, 266). Die Sprachpolitik des Faschismus hat in der Sprachentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Spuren hinterlassen, abgesehen von Tolomeis Ortsnamen in Südtirol und einigen wenigen Wörtern, die sich im italienischen Gebrauch eingebürgert haben (z.B. autista statt frz. chauffeur, autocontrollo statt engl. self-control, calcio statt engl. football oder autorimessa statt frz. garage) (Michel 2005, 439). Il rifiuto delle parole straniere [...] ebbe qualche successo, e vari forestierismi (per esempio: chauffeur, check o chèque, guichet, régisseur) furono sostituiti da parole italiane in uso ancor oggi (per esempio: autista, assegno, sportello, regista) (Della Valle/Patota 2007, 148). La guerra e le battàglie (come amàvano definirle) in difesa della lìngua, condotte individualmente da uòmini come il Bresci e il Monelli e supportate dall’adesione sentimentale e concreta di società nazionali e dall’ufficialità di scelte di governo, non si può dire che non àbbiano avuto effetto. Già guardando l’elenco che il Bresci dà delle abusatìssime voci straniere ‹relative al giuoco del càlcio›, dal confronto dei corrispondenti italiani, accostati a quelle voci, e ciò che oggi si usa nel linguàggio calcístico, emerge il grado di incidenza di quella tríplice alleanza (Agnello 2006, 47–48).
Bisher konnte nicht systematisch bestimmt werden, welche Italianisierungsversuche des faschistischen Fremdwortpurismus «glückten» und welche verfehlt
(2006b, 104); Leitner (2008, 128–129); Della Valle/Patota (2007, 148–149); Dell’Anna (2010, 64); Raffaelli, A. (2011).
4
1 Einleitung
wurden, zumal eine solche Untersuchung als methodisch anspruchsvoll gilt.3 Sergio Raffaelli (1934–2010), der insbesondere mit seinem wegweisenden Buch Le parole proibite von 1983 die Aufarbeitung der faschistischen Sprachpolitik und des italienischen Fremdwortpurismus maßgeblich vorangetrieben hat, betonte einmal den Nutzen einer solchen Untersuchung: qualche anno fa in una riunione di lavoro alla Crusca sul trattamento del prestito nell’italiano odierno dissi, affidandomi ad affermazioni d’altri, che le sostituzioni della Commissione per l’italianità della lingua erano decadute assieme al regime fascista, in massima parte (per loro inadeguatezza o per reazione ideologica degli utenti usciti dalla guerra), Arrigo Castellani, incredulo, auspicò che compissi una verifica personale. Lascio di buon grado ad altri questo compito, che appare utile, avvincente e non arduo (Raffaelli 2006, 104).4
Hinter der Annahme von «Erfolgen» bzw. «Misserfolgen» des faschistischen Fremdwortpurismus steht die Frage, welche Faktoren die Ersetzung von Fremdwörtern generell beeinflussen und ob sie durch Präskription und puristische Intervention beeinflusst werden kann. Die bisherigen Forschungsansätze, die sich mit der Wirkung des faschistischen Purismus auf den italienischen Wortschatz befasst haben, bergen mehrere methodisch-epistemologische Probleme: – Zentral für die Beantwortung der Frage nach dem Erfolg der während des Faschismus empfohlenen Italianisierungen ist zunächst eine Erörterung, wie ein solcher lexikalischer «Erfolg» zu definieren sei und wie er sich wissenschaftlich erfassen lässt. Dabei ist zu diskutieren, inwiefern die Dichotomie Erfolg/Misserfolg von Sprachpolitik und Sprachkritik in Bezug auf lexikalischen Wandel überhaupt geeignet ist. – Um Aussagen über den Sprachgebrauch treffen zu können, sind große, repräsentative Korpora als Datenbasis nötig. Wörterbücher stellen in Bezug auf ihren Umgang mit dem in faschistischer Zeit kritisierten Fremdwortschatz einen eigenen Forschungsgegenstand dar, sind aber als Datengrundlage für die Beurteilung des Sprachgebrauchs nur beschränkt aussagekräftig. – Viele Studien haben «Ersetzungserfolge» auf der Grundlage des späteren bzw. heutigen Gebrauchs von Fremdwörtern erhoben, die während des Faschismus ersetzt werden sollten. Die Möglichkeit, dass der Gebrauch die-
3 Cf. Klein (1986, 155): «è [...] problematico verificare quali delle sostituzioni proposte entrano effettivamente in uso (e se sì, in quale), senza essere esistite già in questa forma». Generell gilt die Untersuchung des italienischen Fremdwortschatzes als problematisch: «I migliori linguisti, da Schuchardt a Pisani, che hanno cercato di trattare in maniera rigorosa la questione delle parole straniere, hanno trovato che essa si disfaceva loro tra le mani» (Lepschy/Lepschy 1999, 173). 4 Dass diese Forschungsaufgabe einfach zu lösen sei, glaubt Riccardo Gualdo (2011, 12) nicht: «certamente il compito sarebbe utile e avvincente. Forse non così semplice, almeno per chi non abbia la pazienza e la competenza di un Raffaelli...».
1 Einleitung
5
ser Fremdwörter bereits vor dem Faschismus rückläufig war, wird damit ausgeklammert.5 Studien, die den Gebrauchsstatus von Fremdwörtern während des Faschismus einbeziehen, beschränken sich dagegen auf die Angaben zeitgenössischer, und damit meist ideologisch beeinflusster Wörterbücher. Um Aussagen zur Entwicklung des Fremdwortgebrauchs treffen zu können, sind längsschnittliche Datenerhebungen notwendig, die den Gebrauch über mehrere Zeitpunkte bzw. Zeiträume vergleichen, idealerweise mit Daten, die den Gebrauch vor, während und nach dem Faschismus wiedergeben. Nur so ist Falsifizierbarkeit gewährleistet, also die Möglichkeit zur Widerlegung der These, ein bestimmtes Fremdwort sei aufgrund der puristischen Intervention ersetzt worden. – Bisherigen Untersuchungen mangelt es an Vergleichsgrößen, die die Gebräuchlichkeit und die Verankerung von Fremdwörtern im Zeitverlauf bestimmen können. Erhebungen absoluter Wortvorkommen in üblichen Korpora ermöglichen zwar einen Vergleich der absoluten Häufigkeiten untereinander («Lexem A wird häufiger verwendet als Lexem B»), jedoch keinen diachronischen Vergleich («Lexem A ist heute erfolgreicher gegenüber Lexem B als früher»). Denn die höhere Frequenz eines Lexems zu einem späteren Zeitpunkt kann auch durch ein größeres Vergleichskorpus oder eine gesteigerte Popularität des Konzepts erklärt werden und nicht zwangsläufig damit, dass das Lexem gebräuchlicher geworden wäre. Ohne verlässliche diachronische Vergleichsgröße kann aber nicht beurteilt werden, ob ein Fremdwort ersetzt wurde oder nicht (und ggf. in welchem Ausmaß). Daher bedarf es eines geeigneten Tertium comparationis, beispielsweise die Gesamtgröße des Untersuchungskorpus. – Mit der Behauptung von «Ersetzungserfolgen» der faschistischen Sprachpolitik wird impliziert, dass Fremdwörter deshalb aufgegeben wurden, weil Vertreter des faschistischen Fremdwortpurismus Ersatzwörter vorschlugen, die schließlich in den Sprachgebrauch übernommen wurden. Der puristischen Intervention wird damit direkter Einfluss auf den Sprachgebrauch zugeschrieben. Ob andere sprachinterne und sprachexterne Faktoren mit der Ersetzung bzw. Assimilation von Fremdwörtern in Zusammenhang stehen (z.B. das Alter des Fremdworts, seine Ausgangssprache, seine Frequenz, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Sachgebiet oder strukturelle Eigenschaften der konkurrierenden Ersatzwörter), wurde dagegen bisher nicht geprüft. Um zu
5 Dabei geht beispielsweise Gabriella Klein (1986, 137) davon aus, dass maximal nur ein Viertel der Fremdwörter, die laut der Listen der Commissione per l’italianità della lingua ersetzt werden sollten, zur damaligen Zeit tatsächlich im Sprachgebrauch war.
6
1 Einleitung
einer angemessenen Einschätzung des Einflusses des faschistischen Fremdwortpurismus’ zu gelangen, sollten solche Alternativerklärungen aber einbezogen werden. Aus diesen Desiderata leitet sich das Forschungsinteresse und das methodische Vorgehen der vorliegenden Arbeit ab: Forschungsgegenstand ist die onomasiologische Konkurrenz6 zwischen Fremdwörtern und ihren nativen Synonymen. Am Beispiel der Sportsprache wird in einer Längsschnittstudie korpuslinguistisch untersucht, ob und unter welchen Umständen während des Faschismus bekämpfte Fremdwörter im italienischen Sprachgebrauch langfristig ersetzt wurden. Der Untersuchungszeitraum von 1920 bis 1970 ist so gewählt, dass der Sprachgebrauch während des Ventennio mit dem der Nachkriegszeit verglichen werden kann, indem die Periode des Faschismus mit 25 Jahren großzügig umschlossen (1920–1945) und einem ebenso langen Folgezeitraum (1946–1970) gegenübergestellt wird. Das Erkenntnisinteresse der Untersuchung, die als empirische Primärstudie konzipiert ist, liegt primär in der Exploration, also der Hypothesen- und Theorienbildung zum historischen Bezeichnungswandel im italienischen Fremdwortschatz und zu den Bedingungen lexikalischer Substitution. Dazu werden entsprechend des Mixed-Methods-Ansatzes qualitative und quantitative Forschungsmethoden zusammengeführt.7 Aus den Befunden werden Hypothesen zum lexikalischen Wandel und zu möglichen Einflussfaktoren der Italianisierung von Fremdwörtern abgeleitet, die mithilfe statistischer Unabhängigkeitstests geprüft werden. Ferner dient die Untersuchung der Anwendung des onomasiologischen Ansatzes der Kognitiven Sprachkontaktlinguistik8 – der bisher vorrangig für synchrone Fragestellungen genutzt wurde – auf Sprachwandelprozesse. Als Datengrundlage dient das historische Archiv der Turiner Tageszeitung La Stampa (und ihrer Vorgänger), das Archivio storico La Stampa. Es umfasst die digitalisierten Jahrgänge 1867–2005 und ist frei im Internet konsultierbar.9 Die zentralen Forschungsfragen der Arbeit beziehen sich auf den faschistischen Fremdwortpurismus (1), die Entwicklung der italienischen Sportsprache (2) und die Einflussfaktoren der Italianisierung (3): (1) Wie gebräuchlich waren die während des Faschismus bekämpften Fremdwörter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (1900–1945) tatsächlich? Welche Ersetzungsstrategien verfolgten die puristischen Initiativen und
6 «[O]nomasiological competition» nach Geeraerts (2015, 429). 7 Cf. Kuckartz (2014); Döring/Bortz (2016, 184–185). 8 Siehe insbesondere Geeraerts/Grondelaers (2000); Speelman et al. (2003); Zenner et al. (2012); Zenner/Kristiansen (2014); Zenner et al. (2018). 9 URL: http://www.archiviolastampa.it [letzter Zugriff: 10.09.2020].
1 Einleitung
7
welche Ziele verfolgten sie? Wie «originell» waren die Italianisierungsvorschläge, d.h. inwieweit wurden sie bereits vor dem Faschismus synonym zu den Fremdwörtern gebraucht und wie groß war die Übereinstimmung der Quellen gegenüber bestimmten Ersetzungsvarianten? (2) Welche lexikalischen Wandelprozesse sind bei den entlehnten Sporttermini während und nach der puristischen Intervention zu beobachten? Wie gebräuchlich waren die vom faschistischen Fremdwortpurismus kritisierten Fremdwörter während des Ventennio, davor und danach? Wann erfolgte die Italianisierung? Wie hoch ist der Anteil der tatsächlich ersetzten Fremdwörter? (3) Gibt es systematische Unterschiede zwischen ersetzten und erhaltenen Fremdwörtern? Lassen sich typische Eigenschaften «erfolgreicher» Italianisierungen identifizieren? Welche sprachinternen und sprachexternen Einflussgrößen stehen somit in Zusammenhang mit Fremdwortersetzungen? Als Datensample dient eine Auswahl von Konzepten der Sportsprache, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (auch) durch Fremdwörter versprachlicht wurden und die Ziel der puristischen Intervention während des Faschismus waren. Warum werden gerade Lexeme der Sportsprache als Stichprobe herangezogen? Zum einen stellt die entlehnte Sportterminologie die homogenste und zugleich umfangreichste Lexemgruppe dar, die der faschistische Fremdwortpurismus zu bekämpfen versuchte. Schließlich hatte die Einführung der modernen Sportarten überwiegend britischen Ursprungs in Italien ab Ende des 19. Jahrhunderts – insbesondere Fußball, Boxen, Tennis, Rad- und Pferdesport – eine Fülle von direkten und gut erkennbaren Entlehnungen aus dem Englischen und Französischen nach sich gezogen. Zum anderen hatte der Sport im Ventennio – wie auch in anderen autoritären Diktaturen – besonderen Symbolwert: Einerseits konnte durch Sportwettkämpfe an antike Traditionen angeknüpft werden, die der Regierung Legitimität verschaffen sollten, andererseits sollte der vom Faschismus imaginierte uomo nuovo, also der faschistische «Idealmensch», durch Sport gestählt und militarisiert in den «Wettkampf» mit anderen Nationen treten. Galten in den ersten Jahren nach der Machtübernahme Benito Mussolinis noch die Soldaten des Ersten Weltkriegs als beste Stellvertreter des «neuen Menschen», wurde der Sport ab 1925 zu einem wichtigen Erziehungsinstrument der Nation aufgewertet: Das Ideal des uomo nuovo wurde nun insbesondere durch Athleten und durch die Inszenierung sportlicher Großveranstaltungen verkörpert. Der propagandistische Nutzen des Sports war Mussolini schon vor seiner politischen Machtergreifung bewusst. So sorgte er 1912 als Chefredakteur des Avanti dafür, dass der Sportberichterstattung täglich eine halbe Seite gewidmet war – ein Novum in der politischen Zeitungslandschaft dieser Zeit (Impiglia 2009, 23). Nach Dogliani
8
1 Einleitung
(2008, 204) war das faschistische Italien die erste moderne Nation, die den Sport für Propagandazwecke einsetzte. So inszenierten sich Politiker wie eben Mussolini oder der Parteisekretär Achille Starace gern medienwirksam als Sportler. Von der Presse wurde Mussolini stets als «primo sportivo d’Italia» präsentiert (Marchesini 2009, 85). Überhaupt war die Sportberichterstattung in besonderem Maß von der faschistischen Ideologie und Rhetorik geprägt.10 Darüberhinaus diente die sportivizzazione der Gesellschaft (Canella/Giuntini 2009) auch ihrer Kontrolle (u.a. durch die Verstaatlichung des Comitato Olimpico Nazionale Italiano ab 1925 und damit des gesamten Sportwesens) und ihrer Unterhaltung. Tatsächlich war die Begeisterung für die erst wenige Jahrzehnte zuvor in Italien eingeführten Sportarten immens: Nel 1936, le cifre ufficiali indicavano il calcio in testa tra gli sport spettacolo, attestandosi al 73,4% di tutti gli incassi per biglietti d’entrata ad avvenimenti sportivi, pari a 4 milioni e 350.000 spettatori, seguito dal ciclismo, supponiamo in velodromo (418.700 biglietti), al pugilato (256.400), all’automobilismo, all’ippica, all’atletica leggera e al tennis (Dogliani 2008, 205).
Die Sportsprache mit ihrer an Anglizismen und Gallizismen reichen Terminologie wurde dementsprechend in besonderem Maße Ziel faschistischer Reglementierung. Das kann auch an den zahlreichen Umbenennungen der italienischen Sportverbände in jenen Jahren abgelesen werden. Ziel der Untersuchung ist es, empirisch basierte Erkenntnisse zur Ersetzung von Fremdwörtern der italienischen Sportsprache und zur historischen Wirkung der fremdwortpuristischen Politik des Faschismus zu gewinnen. Auch sollen Hypothesen generiert werden, die Sprachwandelprozesse im Fremdwortschatz beschreiben und, wenn möglich, erklären können. Wünschenswert wäre, damit auch einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion um den Einfluss der faschistischen Sprachpolitik zu leisten. Dies ist auch deswegen von Bedeutung, weil die Bewertung des faschistischen Fremdwortpurismus auch Einfluss auf die heutigen Debatten zum Anglizismengebrauch im Italienischen hat. Dass die Frage der Ersetzung von Fremdwörtern in Italien bis heute nicht nur linguistisch, sondern auch gesellschaftlich relevant ist – und mitunter ideologisch aufgeladen wird –
10 Nach dem Journalisten Lorenzo Castellana litt die italienische Sportberichterstattung noch 50 Jahre nach Ende des Faschismus unter dessen Rhetorik und der Übernahme ideologischer Denkmuster, cf. der sprechende Titel seines Buches von 1991: La lingua dello sport in Italia è ancora fascista, Manduria ecc., Lacaita.
1 Einleitung
9
lässt ein Werbespot der italienischen Kreuzfahrtsgesellschaft Costa Crociere von 2015 erkennen,11 in dem es heißt: Perché dire good morning quando puoi dire bongiorno? O fare breakfast, se puoi fare colazione? Perché fare diving invece di un’immersione? O un break invece di una pausa? Perché andare al brunch, se puoi gustarti un pranzo? Perché dire gentleman, quando puoi dire cavaliere? Perché scegliere un tour, quando puoi fare un bel giro, guardare uno show, quando puoi goderti uno spettacolo? Andare a un happy hour quando puoi prendere un aperitivo, o un party se puoi andare ad una festa? Perché non goderti il bello dell’Italia nei posti più belli del mondo?
11 URL: https://www.youtube.com/watch?v=SYKQCyQgSGE [letzter Zugriff: 10.09.2020].
2 Theoretische und historische Grundlagen In diesem Kapitel werden wichtige theoretische und historische Prämissen zur Untersuchung des Bezeichnungswandels im italienischen Fremdwortschatz im Zeitraum 1920 bis 1970 dargestellt. Unter 2.1 wird zunächst erörtert, wie sprachliche Fremdheit, Fremdwörter und Kernbegriffe der Untersuchung wie onomasiologische Variation, Synonymie, Katachrese und Substitution zu verorten sind, welche Rolle Entlehnung bei der Erneuerung und beim Wandel von Sprachen hat und wie die Wirkung puristischer Intervention auf den Fremdwortschatz einzuschätzen ist. Forschungsstand und Forschungslücken werden, zusammen mit den theoretischen Prämissen und Fragestellungen der Arbeit, unter 2.1.6 zusammengefasst. Im Kapitel 2.2 werden die Spezifika des Fremdwortpurismus während des italienischen Faschismus herausgearbeitet und die Ergebnisse bisheriger Studien zum Bezeichnungswandel infolge des faschistischen Fremdwortpurismus vorgestellt.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution Dieses erste Teilkapitel greift auf einige etablierte Theorien und Modelle der Entlehnungsforschung, der historischen Linguistik, der Sprachwandelforschung und der kognitiven Linguistik zurück. Wichtigste Quellen des Kapitels sind WinterFroemel (2011), Eisenberg (2018), Jansen (2005), Gusmani (1993), Haspelmath (2009), Keller (2003) und Thomas (1991). Die Ausführungen sind sprachübergreifend angelegt, für Beispiele wird auf das Italienische, vereinzelt auch auf das Deutsche zurückgegriffen. Unter 2.1.5.4 wird eine Typologie der lexikalischen Substitution erarbeitet.
2.1.1 Sprachliche Fremdheit Fremdwörter zählen zu einem jener sprachbezogenen Themen, die wiederkehrend kontroverser Diskussionsgegenstand in Wissenschaft und Öffentlichkeit sind. Im Zuge von Sprachausbauprozessen diskutieren die meisten Sprachgemeinschaften im Laufe ihrer Geschichte Fragen des Status und der Integration von Fremdwörtern. Die Antworten auf diese Fragen können dabei sehr unterschiedlich ausfallen und reichen von der radikalen Bekämpfung von Fremdwörtern über einen toleranten Umgang mit lexikalischer Entlehnung bis hin zur Förderung der Entlehnung aus (ggf. bestimmten) anderen Sprachen (cf. Thomas 1991). Oft werden https://doi.org/10.1515/9783110713657-002
12
2 Theoretische und historische Grundlagen
diese Diskussionen im Laufe der Zeit institutionalisiert und münden in Initiativen, die sich darum bemühen, den Umfang des Fremdwortschatzes zu begrenzen und strukturelle Fremdheit von Wörtern durch Integration oder Ersetzung abzubauen. Als lexikalische Entlehnung (ital. prestito lessicale) gilt die Übernahme fremder Lexeme einer Ausgangssprache (AS) in eine Zielsprache (ZS). Entlehnung bezeichnet sowohl den Prozess der Übernahme als auch dessen Ergebnis, also die entlehnte lexikalische Einheit. Sie gilt als Ergebnis von Sprachkontakt zwischen zwei Sprachen oder Varietäten. Jedoch sind es nicht Sprachen, die auf einer abstrakten Ebene Wörter austauschen. Vielmehr findet Entlehnung im Diskurs zwischen konkreten Kommunikationsteilnehmern statt, die entweder im unmittelbaren Kontakt oder durch mediale Vermittlung Interferenzen in die ZS vornehmen (Eisenberg 2018, 92; Backus 2014, 30; Winter-Froemel 2011, 229–230). Auch nach der originären Innovation geht die weitere Verbreitung entlehnter Einheiten in der ZS zunächst auf einzelne Kommunikationsakte zurück (Winter-Froemel 2011, 229). Beim Akt der sprachkontaktinduzierten Innovation können Sprecher entweder auf das fremde Sprachzeichen zurückgreifen (äußeres Lehngut) oder auf Sprachmaterial der ZS (inneres Lehngut).1 Zum äußeren Lehngut gehören nach der traditionellen, auf Werner Betz (1959 und 1974) zurückgehenden Kategorisierung Fremdwörter (ital. forestierismo/prestito integrale) wie ital. béchamel gegenüber den phonologisch, morphologisch und/oder grafematisch integrierten Lehnwörtern (ital. forestierismo/prestito adattato) wie besciamella (beide gehen auf frz. béchamel zurück) sowie das Teillehnwort.2 Das innere Lehngut (ital. calchi) ist dagegen auf den ersten Blick nicht als sprachkontaktbedingte Innovation zu erkennen. Meist wird zwischen Lehnbedeutung, Lehnübersetzung, Lehnübertragung und Lehnschöpfung unterschieden. Bei der Lehnbedeutung (ital. calco semantico) handelt es sich um induzierte Polysemie, z.B. in ital. incollare nach dem Modell von engl. paste ‘per Tastenkombination einfügen’. Lehnübersetzungen (ital. calco formale/strutturale) übertragen die Struktur eines komplexen Lexems in die ZS, wie ital. pallacanestro aus engl. basket-ball. Lehnübertragungen (ital. semicalco) stellen freie Übertragungen des AS-Modells mit Mitteln der ZS dar, etwa bei balsamella, das ebenfalls von frz. béchamel entlehnt ist, sich aber volksetymologisch an
1 Haspelmath (2009, 38–39) unterscheidet zwischen «material borrowing» und «structural borrowing», Jansen (2005, 332) zwischen «Übernahme» und «Übersetzung». 2 Die Differenzierung zwischen Fremd- und Lehnwort wird insbesondere in der germanistischen Sprachwissenschaft vorgenommen. In der anglophonen Literatur wird diese Unterscheidung üblicherweise nicht getroffen (cf. Riehl 2015, 346).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
13
ital. balsamo anlehnt.3 Lehnschöpfungen (ital. interferenza concettuale, cf. Gusmani 1986, 244–245) sind dagegen formal unabhängig vom fremdsprachlichen Vorbild, ihr Status innerhalb der Klassifikation von Betz ist daher am umstrittensten.4 Die Schwierigkeiten, die mit der Identifikation von internem Lehngut – also der Frage, ob eine Wortschöpfung oder eine Bedeutungserweiterung in der ZS durch Sprachkontakt induziert sei – verbunden sind, führen in der Entlehnungsforschung zu einer Konzentration auf das äußere Lehngut (cf. Onysko 2007, 21–22). Ein kritischer Vergleich der traditionellen Lehngutklassifikationen führt Jansen (2005) zu dem Schluss, dass «die Schwierigkeiten bei der Erklärung lexikalischer Sprachwandelprozesse auf die Unzulänglichkeiten der Modelle zurückzuführen sind» (334–335). Als Voraussetzung für Entlehnung gilt Mehrsprachigkeit – im einfachsten Fall Zweisprachigkeit – der an der Kommunikation Beteiligten. Sprachkontakt mehrsprachiger Sprecher äußert sich außer in der Entlehnung auch im Codeswitching, also dem Sprachwechsel innerhalb einer Äußerung. Von Codeswitching-Phänomenen lässt sich Entlehnung mindestens dann abgrenzen, wenn fremdsprachliche lexikalische Einheiten in ansonsten einsprachigen Kommunikationssituationen bzw. von einsprachigen ZS-Sprechern verwendet werden und Lexikalisierung eintritt (cf. Haspelmath 2009, 40–41). Neben Wortbildung und Bedeutungswandel ist die Entlehnung wichtigstes Mittel der sprachlichen Innovation und spielt daher auch im Sprachwandel eine wichtige Rolle. Entlehnung deckt v.a. «konkrete Ausdruckserfordernisse» ab (MLS 2016, s.v. Entlehnung). Ihre Motivation ist die Übernahme von Bedeutungen, wie Gusmani betont: «le parole straniere vengono imitate in virtù del loro significato, non del loro significante» (1993, 196). Dass keine der 41 untersuchten Sprachen weltweit im Loan Typology Project frei von Entlehnung ist (die durchschnittliche Entlehnungsquote der untersuchten Wortfelder betrug 24,2%),5 zeigt, dass es sich um ein universelles sprachliches Phänomen handelt. Darüberhinaus trägt Entlehnung zur lexikalischen Variation und semantischen und stilistischen Differenzierung bei.
3 Zolli (1991, 5). Migliorini (1990, 88) spricht in diesem Fall von einem «innesto della parola straniera su un ceppo italiano, foneticamente e semanticamente prossimo». 4 Eine kritische Diskussion der traditionellen Lehngutkategorien nehmen u.a. Gusmani (1993), Jansen (2005) und Onysko (2007) vor; italienische Terminologie nach Fanfani (2010b). 5 Tadmor (2009, 55). Im von Martin Haspelmath und Uri Tadmor von 2004 bis 2008 geleiteten Projekt der ehemaligen Abteilung für Linguistik des Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig wurden 1.400 Konzepte in 41 Sprachen der Welt typologisch auf Lehnwörter untersucht, cf. Haspelmath/Tadmor (2009a) und Haspelmath/Tadmor (2009b).
14
2 Theoretische und historische Grundlagen
Allerdings nehmen Fremdwörter gegenüber Lexemen, die mit einheimischen Sprachmaterial gebildet wurden, in der Wahrnehmung der Sprecher eine Sonderstellung ein. Peter Eisenberg, der dem Fremdwort im Deutschen einen ganzen Band gewidmet hat (³2018), geht davon aus, dass diese Sonderstellung auch im Sprachsystem verankert ist, und spricht von einem Fremdwortschatz (gegenüber dem Kernwortschatz) und von einer «Fremdwortgrammatik» (gegenüber der Kerngrammatik).6 Er spricht von einem Fremdwort, «wenn ein Wort fremde Eigenschaften hat, die der Normalsprecher einer fremden Sprache zuschreibt» (2018, 29), denn es müsse «ja auch falsch sein, ‘Fremdwort im Gegenwartsdeutschen’ so zu definieren, dass nur Leute mit entsprechenden Sprachkenntnissen wissen, was gemeint ist» (ebd.).7 Entscheidend für seine Definition des Fremdworts ist also die Sprecherwahrnehmung. Als zweites Kriterium gilt die Entlehntheit, also die historisch belegbare fremdsprachliche Herkunft. Für Eisenberg kann dieses etymologische Kriterium sogar vernachlässigt werden. Die meisten Definitionen verzichten jedoch nicht darauf; so liegt für Esme Winter-Froemel ein Fremdwort dann vor, «wenn ein in einer Sprachkontaktsituation übernommenes Wort in struktureller Hinsicht durch Fremdheitsmerkmale gekennzeichnet ist» (2011, 55). Sprachliche Fremdheit wird überwiegend an phonologischen, grafematischen und morphologischen Strukturmerkmalen festgemacht, die kennzeichnend für das äußere Lehngut, also Fremdwörter sind. Teilweise wird Fremdheit aber auch in ungewöhnlicher Kombinatorik und syntaktischen Strukturen gesehen, z.B. in den deutschen Konstruktionen Das macht Sinn statt Das hat Sinn oder in 2011 statt im Jahr 2011.8 Für das Lehnwort ist dagegen die Integration in die ZS konstitutiv, sodass ihm sein fremder Ursprung nicht (mehr) angesehen werden kann, z.B. bei dt. Stiefel aus ital. stivale (MLS 2016, s.v. Lehnwort). Es ist also die Kategorie des Fremdworts, «die intuitiv als prototypisches Phänomen sprachlicher Fremdheit angesehen werden kann» (Winter-Froemel 2011, 55).
6 Als Gründe dieser Dichotomie führt Eisenberg an, Fremdwörter seien «uneinheitlich und teilweise komplexer aufgebaut, aber [...] ihre Eigenschaften versteht man als besondere erst, wenn sie den Kernwörtern gegenüberstellt werden» (3). Zudem sei zu beachten, «dass sich Fremdwörtern im Allgemeinen schneller verändern als Wörter des Kernwortschatzes und dass schon dies ein Grund sein kann, sprachkritisch mit ihnen anders umzuspringen als mit Kernwörtern» (5). 7 Anders als etwa Riehl (2015), die explizites Sprachwissen der Sprecher («T-Shirt kommt aus dem Englischen») und nicht nur die Perzeption von struktureller Fremdheit als Voraussetzung ansieht (347). 8 Eisenberg (2018, 5); zu weiteren Strukturebenen als Ziel von Purismus cf. Thomas (1991, 62–67).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
15
Sprachliche Fremdheit kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden – das strukturale und das etymologische Kriterium wurden bereits genannt. Winter-Froemel unterscheidet drei Fremdheitsbegriffe: Tabelle 1: Abgrenzung dreier Perspektiven auf Phänomene sprachlicher Fremdheit (nach Winter-Froemel 2011, 53–58). fremdinduzierte sprachliche Innovation
etymologische Fremdheit strukturelle Fremdheit
Perspektive
synchronisch-historisch
diachronisch-historisch
Analyse
semasiologisch; onomasiologischer Betrachtung der ZS-Form Vergleich von AS-Form und im Hinblick auf die ASZS-Form Form
synchronischstrukturell Betrachtung der ZS-Form im Hinblick auf das ZS-System
Verfahren Gegenstandsbereich sprachkontaktinduzierter (prozedural) Innovationen
Entlehnung
Entstehung fremder Wörter
Ergebnisse Gegenstandsbereich sprachkontaktinduzierter (resultativ) Innovationen
Lehngut
Status fremder Wörter
Für die Analyse von Fremdwörtern sind alle drei Perspektiven von Bedeutung. Erfasst werden können damit aber auch jeweils andere, dem Fremdwort ähnliche Erscheinungen: 1. Aus Sicht der sprachlichen Innovation wird die Entlehnungssituation onomasiologisch rekonstruiert, so dass beispielsweise auch inneres Lehngut, wie Lehnbedeutungen und Lehnschöpfungen, identifiziert werden kann. Dieser Ansatz wird u.a. von der kognitiven Kontaktlinguistik vertreten, die mit ihrem gebrauchsorientierten, kognitiven und variationslinguistischen Fokus den dynamischsten und jüngsten Forschungszweig der Entlehnungsforschung darstellt (Zenner/Kristiansen 2014; Zenner et al. 2018). 2. Die Betrachtung der etymologischen Fremdheit fokussiert die semasiologische Ebene und erlaubt dadurch u.a. Aussagen zum Integrationsgrad, wobei unter-
9 In der vorliegenden Arbeit bezieht sich der Begriff strukturell auf das Phänomen, struktural auf die Methode, analog dazu synchron/diachron auf das Phänomen, synchronisch/diachronisch auf die Methode. Im Folgenden wird daher von der struktural-synchronischen Perspektive gesprochen.
16
3.
2 Theoretische und historische Grundlagen
schieden werden kann zwischen unmittelbaren und später erfolgten Assimilationen (cf. Winter-Froemel 2011, 55–56). Gegenstand dieser Fremdheitskonzeption ist insbesondere das äußere Lehngut. Dieser Ansatz ist der älteste und wird u.a. von der historischen Lexikologie verfolgt. Die Perspektive der strukturellen Fremdheit kommt im Gegensatz zu den beiden zuvor genannten ohne die diachronische Ebene aus. Sie vergleicht das zu analysierende Element ausschließlich in Hinblick auf das ZS-System (Kernwortschatz/Kerngrammatik). Aus dieser Perspektive wird daher keine Unterscheidung zwischen «echten» Fremdwörtern und sog. Scheinfremdwörtern getroffen. Dabei handelt es sich um Lexeme mit fremden Merkmalen, für die kein fremdsprachliches Modell vorliegt (hierfür häufig genannte Beispiele sind ital. footing ‘Lauftraining’, ital. recordman ‘Rekordhalter’). Struktural-synchronische Fremdwortdefinitionen schließen die Scheinentlehnung daher ein (so etwa bei Eisenberg 2018 und Zenner et al. 2012; zur Scheinentlehnung siehe 2.1.2).10
Für die vorliegende Untersuchung sind alle drei Perspektiven von Bedeutung. Da sich der Untersuchungsgegenstand auf die diachronische Variation und die Sprachgeschichte bezieht, steht sprachliche Fremdheit unter dem Blickpunkt der Innovation und der historischen Entlehnung im Vordergrund. Strukturelle Fremdheit ist wichtig für die Konzeption onomasiologischer Variation und somit auch bei der Auswahl der Untersuchungsdaten bedeutsam. In Fremdwörtern ist sprachliche Fremdheit somit per Definition für Sprecher wahrnehmbar. Diese Wahrnehmbarkeit lädt zu konnotativen Aufladungen und darüberhinausgehenden Wertungen ein, die maßgeblich für puristische Reaktionen sind. Konnotative Aufladungen im Sprachgebrauch erfährt der Fremdwortschatz beispielsweise in der Jugendsprache, die besonders durchlässig ist für Innovationen, und in der Sprache der Werbung, «etwa um Produkte als außergewöhnlich, exklusiv und damit besonders hochwertig darzustellen» (WinterFroemel 2011, 171). Daneben können Fremdwörter, für die native Synonyme zur Verfügung stehen, auch zur Verschleierung bzw. als Euphemismus genutzt
10 In Eisenbergs Perspektive ist also auch dt. Dressman, das kein Vorbild in der englischen Sprache hat, ein «ganz normales Fremdwort» (29), das er zu den Fremdwortbildungen zählt (33–34). Er argumentiert, dass Latinismen und Gräzismen im Gegenwartsdeutschen sonst auch als Scheinfremdwörter deklariert werden müssten, da für sie meist kein AS-Modell vorliegt. Zudem seien Divergenzen zwischen Fremdwörtern und ihrem jeweiligen AS-Modell nicht die Ausnahme, sondern die Regel (29–30).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
17
werden.11 Wertungen und Einstellungen zum Gebrauch von Fremdwörtern wenden sich häufig gegen sprachliche Fremdheit an sich, wobei die Ablehnung oft in Zusammenhang mit der Ablehnung des Einfluss einer bestimmten Ausgangssprache steht. Diese – mehr oder weniger radikale – Ablehnung von Fremdwörtern wird als Purismus bezeichnet. Puristische Strömungen sind in Ausbausprachen, also Sprachen, deren Status gesichert ist, häufig zu beobachten (cf. Eisenberg 2018, 113 und Kap. 3.2 zum Deutschen, zum Italienischen Vitale 1986, zahlreiche weitere Beispiele in Thomas 1991 und van der Sijs 2004), auch in nicht-europäischen Sprachen, z.B. im Türkischen (Özen 2014; McColl Millar 2005, 128–134) und im Farsi (Marszałek-Kowalewska 2011). Seine Begründung, warum der Gebrauch von Fremdwörtern schädlich sei, findet der Purismus darin, dass sie die Muttersprache fremd und unverständlich machten oder sie gravierend, bis zur Zerstörung, veränderten (Eisenberg 2018, 114). Dabei spielen allerdings auch politische Motivationen eine Rolle, sodass Fremdwortdiskussionen oft weltanschaulich geführt werden (MLS, s.v. Fremdwortdiskussion). Als Einflussfaktoren lexikalischer Entlehnung gelten laut Haspelmath (2008 und 2009) und Winter-Froemel (2011, 215–224) auf der Sprachebene insbesondere die ‹Intensität des Sprachkontakts› und – damit zusammenhängend – das ‹Prestige der AS› sowie die ‹Ausprägung der Zweisprachigkeit bei Sprechern der ZS›.12 Darüberhinaus werden die Faktoren ‹strukturelle Ähnlichkeit› und ‹genealogische Verwandtschaft› der beteiligten Sprachen sowie ‹puristische Einstellungen im Sprach- und Kulturraum der ZS› diskutiert. Auf Wortebene wirken darüberhinaus folgende Faktoren begünstigend: ‹Morphemtyp› (es werden mehr freie als gebundene Morpheme der AS entlehnt), ‹Wortart› (eher Inhalts- als Funktionswörter der AS), ‹Token-Frequenz in der AS› (häufige Wörter werden eher entlehnt), ‹TokenFrequenz der ZS-Äquivalente› (Wörter, die häufig gebraucht werden, also Elemente
11 Die Eignung von Fremdwörtern als Euphemismus erklärt sich durch ihre fehlende Motiviertheit im Vergleich zu nativen Alternativen (Gusmani 1993, 132). Dazu Eisenberg: «Dass Kernwörter gelegentlich etwas kolossal Anschauliches haben, kann durchaus dazu führen, dass sich jemand hinter einem Fremdwort versteckt. Er sagt dann lieber Tumor als Geschwulst, lieber Holocaust als Judenvernichtung oder lieber alternativfaktisch als gelogen» (2018, 14). Allerdings ist dies keine Besonderheit von Fremdwörtern, auch andere Wortbildungsverfahren können zur Verschleierung und Euphemisierung genutzt werden, cf. im Deutschen sozial schwach gegenüber arm. Erkennbar ist dies auch an euphemistischen Kettenreaktionen (auch als «Euphemismus-Tretmühle» bezeichnet), wie sie Reutner (2009, 296) für das Italienische nennt: storpio → invalido → handicappato → portatore di handicap → disabile → diversamente abile → ipocinetico. Diese euphemisierenden Neologismen-Ketten bestehen nicht vollständig, sondern nur zum Teil aus Fremdwörtern. 12 «[N]ew concepts adopted from another culture are the more likely to be expressed by loanwords, the more widely the donor language is known» (Haspelmath 2009, 48).
18
2 Theoretische und historische Grundlagen
des Kernwortschatzes, werden seltener entlehnt) und ‹semantisches Wortfeld› (bestimmte Wortfelder sind häufiger von Entlehnung betroffen als andere).
2.1.2 Echte und «unechte» Fremdwörter Wie bereits gezeigt wurde, wird Fremdwort terminologisch je nach Fremdheitsbegriff und Erkenntnisinteresse unterschiedlich konzipiert und bedarf daher auch hier einer eindeutigen Definition. Gerade im deutschen Sprachraum, wo der Begriff Fremdwort regelmäßig Teil eines radikalpuristischen Diskurses war, der nicht bzw. gering assimilierte Entlehnungen grundsätzlich ablehnt (cf. MLS 2016, s.vv. Purismus, Fremdwortdiskussion), ist sein Gebrauch kritisch zu reflektieren. Nachdem er als «Kampfbegriff des Purismus» (Krome/Roll 2016, Fn. 1) in der deutschen Sprachwissenschaft zeitweise sogar ganz abgelehnt wurde, ist er seit Etablierung der struktural-synchronischen Perspektive auf sprachliche Fremdheit weitgehend akzeptiert. Auch in der vorliegenden Arbeit ist das strukturale Kriterium fundamental, da gerade untersucht werden soll, wie fremde gegenüber nativen Lexemen im Sprachgebrauch variieren. Dabei ist der in Spalte 4 von Tabelle 1 dargestellte Vergleich zwischen einer gegebenen ZS-Form und dem ZS-System entscheidend: Entspricht sie den phonologischen, morphologischen bzw. grafematischen Regeln der Kerngrammatik teilweise nicht, weist sie also einzelne Fremdheitsmerkmale auf, handelt es sich aus der struktural-synchronischen Perspektive um ein Fremdwort. Diese Form der Analyse erfasst also strukturell fremde Lexeme. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass sprachliche Fremdheit kein statisches Konstrukt ist, sondern sich mit der Entwicklung der ZS wandelt – nicht etwa, weil Fremdwörter mit zunehmender Frequenz und Dauer ihrer Verwendung in einer Sprache assimiliert werden, sondern weil das Konzept von sprachlicher Fremdheit an sich durchlässig ist. So können nach Eisenberg «Gewohnheit oder früher Erwerb [...] zu Vertrautheit führen» (2018, 36), so dass sich ursprünglich marginale Fremdwörter dem Kernwortschatz der ZS annähern, ohne strukturell weiter integriert zu werden. Galten im Italienischen früher beispielsweise unflektierte Lexeme mit konsonantischem Auslaut als fremd (abgesehen von den – früher üblicheren – Apokopen in festen Kollokationen wie fior fiore oder parlar francese), dürfte diese Wahrnehmung heute, angesichts einer Vielzahl von Anglizismen der Alltagssprache mit konsonantischem Auslaut (cf. sport, club, tennis, scotch, weekend...), nachgelassen haben. Devoto (1961, 42) geht für das Italienische davon aus, dass nach dem phonologischen System des Lateinischen und des Toskoflorentischen nunmehr ein «terzo sistema fonologico» eingesetzt habe, das eine Vielzahl von Wörtern mit
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
19
konsonantischem Auslaut aufweise.13 Bei der sich verändernden Wahrnehmung von Fremdheit in der Sprache dürfte die in den letzten Jahrhunderten zugenommenen Dominanz der Schriftsprache über die gesprochene Sprache eine wichtige Rolle spielen, denn: «Non ‹si scrive come si parla›, secondo l’antica norma, ma ‹si parla come si scriverebbe›» (Migliorini 1990, 17). Reine ear loans sind in den modernen Sprachen mit zunehmender Alphabetisierung rar geworden. Nach Meinung von Migliorini habe daher auch die Fähigkeit der italienischen Sprache, Fremdwörter zu assimilieren und an die italienische Phonologie und Morphologie anzupassen, nachgelassen (Migliorini 1990, 20). Ein Vorteil des struktural-synchronischen Ansatzes ist es, einen traditionellen Unterschied in der deutschen und italienischen Lexikologie zu überbrücken, der mit der Genealogie der Sprachen zusammenhängt, nämlich die Kategorisierung von Latinismen und Gräzismen als Fremdwörter.14 Während sie in der italienischen Sprachwissenschaft zur Kategorie der gelehrten Wörter gehören (Fanfani 2011a; ital. parole dotte bzw. cultismi), um sie von Entlehnungen aus modernen AS einerseits und vom Erbwortschatz andererseits abzugrenzen, gelten sie in der germanistischen Sprachwissenschaft als klassische Fremdwörter (oder Klassizismen bzw. Gräkolatinismen, cf. Eisenberg 2018, 32). Das Konstrukt «sprachliche Fremdheit» ist somit – wenig überraschend – auch durch unterschiedliche Grade genealogischer Verwandtschaft der beteiligten Sprachen bestimmt.15 Andererseits folgen nicht-assimilierte Latinismen auch im Italienischen anderen Regeln als der Kernwortschatz. Mithilfe des struktural-synchronischen Kriteriums können Latinismen im Italienischen besser differenziert werden: bei exogenen Merkmalen als Fremdwörter, so z.B. bei auditorium, raptus, ad hoc, ohne erkennbare exogene Merkmale als Lehnwörter, so bei ministero (< lat. ministerium), frigido (< lat. frigĭdus), vizio (< lat. vitium) oder als Erbwörter (vergleiche die aus denselben lateinischen Etyma gebildeten Beispiele mestiere, freddo, vezzo).16 Dabei wird
13 Anderer Meinung ist Migliorini (1990, 86, Fn. 9), der Fremdwörter mit konsonantischem Auslaut im Italienischen nicht als systemimmanent beurteilt. 14 Die Differenzierung zwischen assimilierten und unassimilierten Latinismen nach dem strukturalen Kriterium nahm bereits die neopuristische Schule von Bruno Migliorini vor (Fanfani 2011e). 15 So meint Marazzini (2015, 21, Fn. 17): «La tradizione latina non è ovviamente ‹straniera› alla tradizione scritta italiana, e termini come item, ab antiquo, ab ovo, recto, referendum ecc. non sono affatto ‹stranieri›». 16 Die letztgenannten Beispiele sind VTO, s.v. latinismi entnommen. De Mauro (2014, 214) spricht in Bezug auf die lateinischen Anteile in den romanischen Sprachen auch von «due ‹latini›, il latino matrice del lessico patrimoniale e il latino fonte di prestiti successivi». Allerdings sind im Italienischen die Unterschiede zwischen lateinischen Erbwörtern und lateinischen Neubildungen mitunter gering oder nicht vorhanden (215).
20
2 Theoretische und historische Grundlagen
deutlich, dass auf die etymologisch-diachronische Analyse nicht verzichtet werden kann. Die Integration beider Analyseebenen ermöglicht eine insgesamt größere Erkenntnistiefe. Einen Sonderfall stellen die bereits erwähnten Scheinentlehnungen (auch Pseudoentlehnungen, ital. pseudoforestierismi)17 dar, die ebenfalls dem strukturalsynchronischen Kriterium der Fremdheit entsprechen. Darunter werden im Allgemeinen Wörter mit exogenen Merkmalen verstanden, die zwar einer spezifischen AS entlehnt zu sein scheinen, aber in dieser Sprache in Form oder Bedeutung nicht existieren.18 Beispielsweise gilt dt. picobello als Scheinitalianismus im Deutschen (das als Komposition aus dt. *pico (< piek-) + ital. bello analysiert werden kann: Winter-Froemel 2011, 45–46; DIFIT, s.v. bello), Handy als Scheinanglizismus im Deutschen (gegenüber engl. mobile (phone), dazu Eisenberg 2018, 30–31). In der Literatur ist dabei eine Fokussierung auf die Beschreibung und Klassifikation von Scheinanglizismen zu beobachten, das Phänomen der Scheinentlehnung kann und sollte jedoch AS-unabhängig konzipiert werden. Generell sind Scheinentlehnungen in der Entlehnungsforschung zwar vielfach diskutiert, aber sehr umstritten. Ihre inhaltliche Bestimmung und die zuzurechnenden Phänomene gelten als problematisch (Winter-Froemel 2011, 22 und 25). Fanfani (2010a) unterscheidet sogar zwischen Pseudoanglizismen («pseudoanglicismi») und Scheinanglizismen («anglicismi apparenti») im Italienischen. Erstere beruhten auf einem «fraintendimento della struttura o del significato» eines englischen Wortes und treten in Form von Ellipsen englischer Determinativa («prestiti decurtati» wie ital. lift für liftboy), Bedeutungserweiterungen («reinterpretazioni semantiche» wie bei ital. parking ‘Parkplatz’ gegenüber engl. parking ‘Parken’) und ungenauen Lehnübersetzungen auf («calchi inesatti» wie ital. aria condizionata < engl. air conditioned,19 ital. caso di studio < engl. case study, anstelle
17 Daneben u.a. auch als falsi esotismi, falsi prestiti, prestiti apparenti, pseudoprestiti bezeichnet (Furiassi 2010, 19). 18 Jansen (2005, 33); Winter-Froemel (2011, 45); Fanfani (2010a). Gusmani (1993, 109) spricht von «formazioni analogiche su modelli stranieri noti attraverso altri prestiti o la conoscenza diretta della lingua, modelli che però non vengono direttamente riprodotti (epperciò non ha senso parlare di prestiti), ma soltanto presi come punto di riferimento per ulteriori autonome creazioni». 19 Nach Fanfani eigentlich «condizionato per mezzo dell’aria». Allerdings geht engl. airconditioned (laut OED erstmals 1937 belegt) letztlich auf air-condition (1909) zurück, das ursprünglich eine in der Industrie eingesetzte ‘Behandlung der Luft’, u.a. durch Filterung, Temperatur- und Feuchtigkeitskontrolle etc. bezeichnete, später die ‘Klimatisierung von Räumen’ (cf. auch air-conditioner, 1909). Entsprechend bedeutet das daraus abgeleitete Verb to air-condition (1927) ‘(die Luft) behandeln’, d.h. ‘klimatisieren’. Ein früher Beleg im Archivio storico La Stampa, in dem ein neuartiger Ventilator beschrieben wird, zeigt, dass sich ital. aria condizionata ursprünglich, wie im Englischen, auf die ‘klimatisierte Luft’ bezog:
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
21
von «studio di casi»). Scheinanglizismen seien dagegen Neuformationen des Italienischen, die Wortbildungselemente des Englischen nutzten, wie z.B. die Neologismen ital. beauty engineering und beauty point, die in Reihenbildung nach der Entlehnung beauty (case) ‘Kosmetiktasche’ gebildet wurden. Sofern sich die so entstandenen Wortbildungsprodukte aus bereits zuvor entlehnten Morphemen zusammensetzen, könne dies mit der internen Wortbildung verglichen werden. Cristiano Furiassi, der sich insbesondere mit Scheinentlehnungen aus dem Englischen befasst hat (2010; Furiassi/Gottlieb 2015), definiert einen Scheinanglizismus als «a word or idiom that is recognizably English in its form (spelling, pronunciation, morphology, or at least one of the three), but is accepted as an item in the vocabulary of the receptor language even though it does not exist or is used with a conspicuously different meaning in English» (2010, 34). Die Identifikation von Scheinanglizismen ergibt sich für Furiassi aus dem synchronischen Vergleich italienischer Lexeme mit anglisierenden Eigenschaften und homonymer Formen des Gegenwartsenglischen. Ergeben sich dabei Divergenzen bezüglich der Verständlichkeit und Angemessenheit im Englischen, handelt es sich nach Furiassi um einen Scheinanglizismus.20 In seinem Band Pseudoanglicismi in italiano unterscheidet er folgende Formen von Scheinanglizismen im Italienischen (2010, 39–52): – autonome Komposition, z.B. ital. recordman ‘Rekordhalter’ (gegenüber engl. record holder), analysiert als Wortbildung aus engl. record + engl. man; – autonome Derivation, z.B. ital. footing (gegenüber engl. jogging), analysiert als Wortbildung (des vermittelnden Französischen) aus engl. foot + engl. -ing;
«Sopra il dispositivo vi è un cappuccio con una finestra laterale, cappuccio che può essere fatto rotare, dirigendo così a piacere l’aria condizionata in tutti i punti della stanza» (17/05/1935, 2). 1936 ist bereits von «impianti d’aria condizionata» die Rede (13/03/1936, 2). Sicherlich hat die Kürze von aria condizionata dazu beigetragen, dass es im Sprachgebrauch gegenüber der etymologisch und morphologisch präziseren Übertragung condizionamento dell’aria bevorzugt wird, die im Übrigen im Archivio storico La Stampa früher belegt ist (29/09/1933, 6). Dabei wurde der Austausch von Determinatum und Determinans innerhalb der Konstruktion in Kauf genommen. In der Bedeutung ‘Klimaanlage’ kann aria condizionata als Ellipse aus impianto d’aria condizionata interpretiert werden. 20 Bei diesem als «Lackmustest» bezeichneten Verfahren wird das betreffende Lexem unverändert von einer ZS-Äußerung in eine AS-Äußerung übertragen und von Sprechern der AS auf Verständlichkeit beurteilt, beispielsweise für mister im Italienischen: Avete mai incontrato il mister della vostra squadra di calcio preferita? Have you ever met the mister of your favorite soccer team? Have you ever met the coach of your favorite soccer team? Sofern das Lexem aus der Sicht des Muttersprachlers einer Ersetzung bedürfe, «since it is not understood or looks/sounds inappropriate – it is considered a false Anglicism» (2010, 37), so also auch im Beispiel mister.
22
2 Theoretische und historische Grundlagen
– Ellipse des Determinatums bei Determinativkomposita («compound ellipses»), z.B. ital. basket (gegenüber engl. basket-ball), – Clipping, z.B. ital. happy end (gegenüber engl. happy ending); – Bedeutungserweiterungen (weiter differenziert in metonymische/metaphorische/meronymische Bedeutungserweiterungen), z.B. ital. mister ‘Trainer’ (gegenüber engl. (sports) coach, trainer); – Eponyme, z.B. ital. pullman (gegenüber engl. bus, coach); – Toponyme, z.B. ital. new jersey ‘Betonschutzwand an Autobahnen’ (gegenüber engl. (New Jersey) median barrier); – allgemeine Markennamen, z.B. ital. autogrill (gegenüber engl. motorway restaurant), rimmel (gegenüber engl. mascara). Der von Furiassi verfolgte kontrastive, synchronische Ansatz ist innerhalb der Fremdsprachendidaktik und der zweisprachigen Lexikografie von Nutzen, um das Phänomen der Fauxamis/falschen Freunde zu beschreiben. Tatsächlich könnten Homonymien in der Art der o.g. Bedeutungserweiterung («semantic shifts», Furiassi 2010, 44–47) auch als «falsche Freunde» bezeichnet werden. In Bezug auf das Phänomen der lexikalischen Entlehnung ist der Ansatz jedoch verkürzend, da die Wirkungsmechanismen von Entlehnung und lexikalischer Innovation nicht ausreichend berücksichtigt werden. So vernachlässigt der Ansatz, dass Lexeme einer Sprache, seien sie entlehnt oder mit eigenem bzw. fremden Wortmaterial gebildet, den grammatischen und semantischen Strukturen eben dieser Sprache verpflichtet sind, nicht aber denen einer fremden Sprache. Fälle wie dt. Body Bag ‘Rucksack’ gegenüber engl. body bag ‘Leichensack’ machen nach Eisenberg «rigoros deutlich, dass ein deutscher Anglizismus etwas anderes als ein englisches Wort ist» (2018, 30). Generell sind formale und semantische Veränderungen im Zuge des Integrationsprozesses entlehnter Lexeme nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel (cf. Winter-Froemel 2011, 51; Zenner/Kristiansen 2014, 3; Eisenberg 2018, 30). Tatsächlich handelt es sich bei vielen der genannten Beispiele für Scheinentlehnungen bzw. bei ihren historischen Vorläufern um reguläre Ergebnisse sprachkontaktinduzierter Innovation: Ellipsen als Scheinentlehnungen zu interpretieren, die auf tatsächliche Entlehnungsvorgänge zurückgeführt werden können, wie im Fall von ital. basket [< ital. basketball] < engl. basket-ball, ist insofern fragwürdig, als die Formen zunächst als echte Entlehnungen anzusehen wären, welche dann diesen Status durch die spätere Ellipse verlieren und zu einer bloßen Scheinentlehnung herabsinken; der eigentliche Entlehnungsprozess ist jedoch zum Zeitpunkt der Ellipse bereits abgeschlossen und wird von den späteren Entwicklungen nicht mehr tangiert (Winter-Froemel 2011, 50; cf. auch Gusmani 1993, 100–101).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
23
Semantische Divergenzen zwischen AS- und ZS-Formen können häufig damit erklärt werden, dass sie entweder aus der Entlehnungssituation heraus – meist im Sinn einer taxonomischen Subordination – nur bestimmte Aspekte der ASBedeutung aktualisieren oder sie auf spätere Bedeutungsänderungen innerhalb der ZS zurückgehen.21 So sind die Bedeutungsdivergenzen zwischen ital. mister ‘Trainer’, box ‘Garage’ und parking ‘Parkplatz’ und ihren homonymen englischen Etyma entweder durch die jeweilige Entlehnungssituation bedingt oder durch später in der ZS erfolgte semantische Übertragungen. Beispielsweise wurde box im Italienischen zunächst in der Bedeutung ‘Pferdebox’ entlehnt (cf. DM ¹1905) und später metonymisch auf den abgegrenzten und überdachten Autostellplatz, also die ‘Garage’ übertragen – eine Bedeutung, die box im Englischen nicht hat. Ein Unterschied lässt sich lediglich daran festmachen, ob eine Mehrfachentlehnung vorliegt (dabei entlehnt die ZS ein- und denselben AS-Ausdruck – ggf. zu verschiedenen Zeiten – mit unterschiedlichen Bedeutungen) oder ob das ZS-Lexem ohne Kontaktinduktion eine weitere Bedeutung entwickelt (wie im Falle von box ‘Garage’).22 In jedem Fall handelt es sich aber um «echte» Entlehnungen. Zudem sollten Scheinfremdwörter, die in mehr als einer ZS erscheinen, daraufhin überprüft werden, ob sie zwischen diesen Sprachen vermittelt wurden. Als Beispiel sei hier recordman genannt, das zunächst im Französischen und später im Italienischen belegt ist (siehe 4.9.3), so dass die Entlehnung im Italienischen – trotz anglisierender Merkmale – als Gallizismus anzusehen ist.23 Schließlich ist es unwahrscheinlich, dass Scheinentlehnungen parallel und unabhängig voneinander in mehreren Sprachen gebildet werden. Kommt es zu einer Übernahme solcher
21 Cf. Gusmani (1993, 130); Jansen (2005, 96); Winter-Froemel (2011, 484); Winter-Froemel (2018). Rezipienten komme dabei eine zentrale Rolle zu: «So gehen viele Wandelphänomene auf rezipienteninduzierte Innovationen – Reanalysen bzw. Analysen – zurück, d.h. eine (etwa morphologische oder semantische) Uminterpretation der aktualisierten Zeichensequenz durch den Rezipienten steht am Anfang der Wandelprozesse» (Winter-Froemel 2011, 487). Als Ursache der für Entlehnung typischen semantischen Spezialierung des ZS- gegenüber dem ASZeichen führt Winter-Froemel die Kodierung von Kontextinformationen an: «in contexts of borrowing there is a tendency to integrate contextual features (i.e. features of the concrete situational context in which the borrowing occurs) into the lexical meaning, and a frequent pattern is thus the specialisation to certain semantic domains» (123). 22 Grzega (2003, 287) schlägt vor, nur dann von semantisch-lexikalischer Scheinentlehnung zu sprechen, «when the aberrant sense is already there at the time of the ‘borrowing’ process. When the aberrant sense is secondary, we have an example of semantic change». 23 Wenn in der vorliegenden Arbeit von Anglizismen, Gallizismen, Germanismen etc. gesprochen wird, so verweist dies auf die Herkunft von Lexemen, nicht auf den Grad ihrer Integration. So ist es selbstverständlich möglich, dass ein Gallizismus nicht mehr als Fremdwort zu betrachten ist, da er in den Kernwortschatz des Italienischen eingegangen ist, wie z.B. cinema oder bicicletta.
24
2 Theoretische und historische Grundlagen
Scheinentlehnungen in eine dritte Sprache, sollte aus diachronischer Perspektive eine echte Entlehnung in Betracht gezogen werden. In der Entlehnungsforschung ist die Differenzierung zwischen sprachkontaktinduzierten und sprachinternen Bildungen daher bei allen lexikalischen Innovationen mit Fremdheitsmerkmalen sinnvoll, denn sie ermöglicht eine präzisere Abgrenzung von Fremdwörtern gegenüber Scheinentlehnungen und Fremdwortbildungen sowie eine größere Analysetiefe. Freilich bedarf es dafür der diachronisch-etymologischen Rekonstruktion des Wortbildungs- bzw. Entlehnungsvorgangs,24 bei dem auch der Kontext der ersten Belege und alle ASFormen berücksichtigt werden sollten, die als Modell der Entlehnung gedient haben könnten, auch wenn sie heute eventuell nicht mehr üblich sind. Von Scheinentlehnung wird in der vorliegenden Arbeit daher nur dann gesprochen, wenn ein Lexem mit spezifischen AS-Merkmalen nicht auf eine sprachkontaktinduzierte (frühere) AS-Form zurückzuführen ist und nicht auf bereits entlehnte Lexeme der ZS zur Wortbildung zurückgreift. Im letzteren Fall liegt eine Fremdwortbildung vor. Fremdwortbildungen sind interne Ableitungen von Fremdwörtern, also «Wortbildungsprodukte, die ganz oder teilweise aus fremden Bestandteilen wie fremden Stämmen oder Affixen bestehen. Sie sind als ganze Wörter nicht entlehnt, sondern im Deutschen (oder einer anderen Nehmersprache) gebildet» (Eisenberg 2018, 33). Beispiele des Italienischen sind Derivationen wie slalomista und computerizzare sowie Komposita wie babykiller ‘minderjähriger Mörder’, wenn man davon ausgeht, dass baby und killer bereits zuvor entlehnte Einheiten im Italienischen waren. Nach Fanfani (2010a) sind solche Fremdwortbildungen im heutigen Italienisch besonders häufig, «specie nel settore pubblicitario-commerciale dove, pur di disporre di un anglicismo di richiamo, lo si inventa». Als Fremdwort wird hier somit eine lexikalische Entlehnung bezeichnet, die exogene Merkmale aufweist, sich also phonologisch, morphologisch und/oder grafematisch von den Strukturen der Zielsprache unterscheidet. Bei Fremdwörtern handelt es sich um «Kopien» ausgangssprachlicher Wörter, dennoch gehören sie zur Zielsprache, in der sie zumeist Eigenschaften aufweisen, die sie in der Ausgangssprache nicht haben (Eisenberg 2018, 2). Diese Definition schließt somit nicht nur Fremdwortbildungen und Scheinfremdwörter aus (da es sich nicht um lexikalische Entlehnungen handelt), sondern auch Entlehnungen ohne feststellbare Fremdheitsmerkmale. Dies betrifft Entlehnungen, die entweder unmittelbar 24 Cf. Gusmani (1993, 10): «la definizione di prestito spetta solo a quegli elementi che una lingua [...] ha effettivamente modellato su un’altra. È necessario dunque provare o almeno rendere plausibile il rapporto storico di dipendenza tra l’elemento in questione e il modello straniero».
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
25
oder später assimiliert wurden und somit Lehnwörter sind, oder bei denen bereits die AS-Form keine in der ZS wahrnehmbaren exogenen Eigenschaften hat, beispielsweise, weil AS und ZS miteinander verwandt sind. Ein Beispiel wäre ital. tango (< span. tango). Solche Entlehnungen, die sowohl der AS-Form als auch dem ZS-System entsprechen, bezeichnet Winter-Froemel als «übernommene Lehnwörter» (2011, 55–56). Fehlende Fremdheitsmerkmale nur aus der Schriftform abzuleiten, wäre dabei zu kurz gegriffen. Entlehnungen wie ital. mise (< frz. mise) und ital. file (< engl. file) entsprechen zwar grafematisch (flektierten) Formen des italienischen Kernwortschatzes (mettere, fila), als Entlehnung sind die ZS-Formen mise und file jedoch aufgrund ihrer lautlichen, grammatischen und semantischen Eigenschaften im Diskurs als fremd erkennbar. Zur genaueren Differenzierung und Analyse von entlehnten Wörtern schlägt Winter-Froemel einen doppelten strukturalen Konformitätsvergleich zwischen dem Etymon (AS-Form) und dem zielsprachlichen System (Kernwortschatz/Kerngrammatik) vor (Tab. 2). Dazu wird die interlinguistische Konformität zwischen AS-Form und ZS-System verglichen. Liegt beim untersuchten Lexem eine Konformität zu beiden vor, wie im Fall von span./ital. tango, handelt es sich um eine «Korrespondenz».25 Entspricht ein Lexem der AS-Form, weicht aber vom ZSSystem ab, kommt es zu einer «Transferenz», also typischerweise einem Fremdwort mit formal-strukturellen Fremdheitsmerkmalen wie etwa in ital. rugby, bei dem das Grafem und die Grafem-Phonem-Korrespondenz ↔ [a] nicht der italienischen Kerngrammatik entsprechen. Eine «Lehnwortintegration» liegt vor, wenn eine ZS-Form dem ZS-System, aber nicht der AS-Form entspricht und dabei einzelne Merkmale ersetzt bzw. ergänzt. Ein vollständig integriertes Lehnwort ist beispielsweise ital. bistecca < engl. beef-steak mit vollständig abgebauten Fremdheitsmerkmalen. Ein teilintegriertes Fremdwort wäre ital. match ( ↔ [ε]) < engl. match ( ↔ [æ]). Entspricht die ZS-Form weder der AS-Form noch dem ZS-System, spricht Winter-Froemel von einem «Allogenismus». Damit gemeint ist eine sprachliche Innovation innerhalb der «ZS», die nicht durch eine Sprachkontaktsituation mit der vermeintlichen «AS» induziert ist, gleichzeitig aber auf sprachliches Material zurückgreift, das innerhalb der «ZS» nicht produktiv ist und sich durch eine formalstrukturelle Fremdheit auszeichnet (2011, xv; cf. auch 62).26
25 Auf die besondere Stellung der Korrespondenz innerhalb der Entlehnung hat bereits Migliorini hingewiesen (1990 [1938], 85–86). 26 Humbley (2015, 37) versteht einen Allogenismus als «a constructed lexical item made of non-native linguistic material». Damit seien Allogenismen nicht leicht von Fremdwortbildungen zu unterscheiden: «Allogenisms are made up of elements from a source language assembled into a new form in a different language community. Hybrids are composed of at least one
26
2 Theoretische und historische Grundlagen
Tabelle 2: Strukturanalyse entlehnter Wörter anhand von zwei Arten von Konformität nach Winter-Froemel (2011, 101). Konformität gegenüber der AS-Form
Nicht-Konformität gegenüber der AS-Form
Konformität gegenüber dem ZS-System
Korrespondenz
Lehnwortintegration
Nicht-Konformität gegenüber dem ZS-System
Transferenz
Allogenismus
Die Analyse der Lexeme erfolgt, wie man gesehen hat, unterhalb der Lexemebene nach Segmentierung phonischer und grafischer Elemente. Dabei ist «in der Regel nur von einer partiellen Nicht-Konformität bzw. von einem Vorliegen von Transferenzen nur bei einigen Strukturen der entlehnten Wörter auszugehen» (2011, 108, Fn. 23). Dadurch lassen sich Fremdwörter sehr differenziert charakterisieren. Im Fall der Allogenismen ist die «Nicht-Konformität gegenüber der AS-Form» also dadurch gekennzeichnet, dass zwar einzelne Segmente der ZS-Form der AS zugeschrieben werden können, ausdrucksseitig aber keine entsprechende AS-Form existiert. Zu den Allogenismen zählen bei der Autorin neben der oben dargestellten Definition von Scheinentlehnung auch sog. hyperforeignisms (ital. iperforestierismi), eine Form von Hyperkorrektismus, bei dem ein Fremdwort auf phonologischer oder grafematischer Ebene über zusätzliche unetymologische und exogene Merkmale verfügt, die «nicht rein ZS-intern erklärbar sind» (61). Häufig treten solche Hyperkorrektismen nur vorübergehend auf, z.B. die Schreibung mit in der ital. Form tennys, die parallel zu tennis bis 1926 im historischen Zeitungskorpus von La Stampa28 zu finden ist, oder die hyperkorrekte Aussprache in ital. steadycam ↔ [i], die vermutlich von bekannten Fremdwörtern wie ital. leader übertragen wurde.29 Zuweilen entwickeln sich hyperkorrekte Varianten jedoch auch zur Nennform, z.B. frz. bifteck ‘Beef-
element of the source and one of the receptor languages. But just what constitutes elements from one or the other language is often difficult to determine» (55). 27 Hierfür führt Winter-Froemel (2011, 485) fünf potenzielle Arten von Divergenz zwischen ZSLexem und AS-Lexem an: 1. Reduktion von AS-Mehrdeutigkeit; 2. Wandel in der AS und/oder ZS nach der Entlehnung (u.a. ZS-interne Integration, späterer semantischer Wandel); 3. semantischer Wandel bei der Entlehnung selbst; 4. formaler Wandel/Kontaktintegration, 5. Allogenismus. 28 http://www.archiviolastampa.it/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 29 Beispiel steadycam aus Giannini (2017, 10); aber cf. NDM.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
27
steak’ von engl. beef-steak (neben historischen Varianten wie beafteck, beefsteak, cf. TLFi). Allogenismen belegen, dass Sprachen kreativ mit fremden Wörtern und Sprachmerkmalen umgehen und sie für eigene Innovationen nutzen, so auf morphologischer Ebene (z.B. das Affix -man in dt. Dressman ‘männliches Fotomodell’ oder ital. recordman ‘Rekordhalter’) oder auf grafematischer und lautlicher Ebene. Für Humbley sind Allogenismen und Fremdwortbildungen «signs of interlanguage proximity: needs in naming are fulfilled by using material from a very familiar second language» (015, 55). Am Ende dieses Kapitels soll ein einfaches semiotisches Modell zur Illustration der sprachkontaktinduzierten Innovation präsentiert werden, das auf den Darstellungen in Winter-Froemel (2011) und Onysko (2007) basiert: AS-Zeichen Produzent (AS-Sprecher)
ZA
ZI
Konzept Konzept Referenzrahmen
phonische phonische und/oder und/oder graphische graphische Zeichensequenz Zeichensequenz
Referent Referent Referenzrahmen'
Rezipient (ZS-Sprecher)
ZA'
ZI'
Konzept' Konzept'
ZS-Zeichen Abbildung 1: Semiotisches Modell der sprachkontaktinduzierten Innovation (adaptiert nach Winter-Froemel 2011, 486 und Onysko 2007).
Die Darstellung bezieht sich auf die Entlehnungssituation, in der die lexikalische Innovation entsteht. Das Modell ist daher auf der Ebene der parole, nicht der langue, anzusiedeln. Es beinhaltet drei Ebenen: die sprachlich-kognitive Repräsentation beim Produzenten, die der konkreten Kommunikation (weiß hinterlegt) und die sprachlich-kognitive Repräsentation beim Rezipienten. Die Darstellung soll verdeutlichen, dass Entlehnung nicht abstrakt zwischen Sprachen, sondern konkret zwischen zweisprachigen Kommunikationspartnern (mündlich oder medial vermittelt) stattfindet. Gemäß dem Saussure’schen Zeichenmodell setzen sich die sprachlichen Zeichen untrennbar aus Zeichenausdruck (ZA, mit Lautung und/oder Schreibung) und Zeicheninhalt (ZI) zusammen. Ein beim Produzenten kognitiv repräsentiertes AS-Zeichen wird von ihm in einer konkreten Kommuni-
28
2 Theoretische und historische Grundlagen
kationssituation zur Referenz auf ein spezifisches Konzept ausgewählt und als Zeichensequenz geäußert. Wichtig ist dabei, dass von den verschiedenen Bedeutungen, die ein polysemes AS-Zeichen potenziell tragen kann, in der Entlehnungssituation «jeweils nur eine bestimmte Bedeutung der AS-Form relevant ist, so dass eben nur diese Bedeutung bei der Entlehnung betroffen ist» (WinterFroemel 2011, 121; cf. auch 484 und Jansen 2005, 96). Aus der geäußerten Zeichensequenz erschließt der ZS-Sprecher (Rezipient) einen kommunikativen Referenten, der potenziell in einem veränderten Referenzrahmen und mit einem spezifischeren Konzept repräsentiert sein kann. So lassen sich ZS-Formen wie frz. vasistas für ‘Schalterfenster, Guckfenster’ < dt. Was ist das? (cf. Winter-Froemel 2011, 280–280) und Bedeutungsverschiebungen im Sinne taxonomischer Subordination, also Bedeutungsverengungen bzw. Hyponymie, wie ital. trincare ‘saufen, alkoholische Getränke im Übermaß trinken’ < dt. trinken erklären. Um das erschlossene Konzept auch in der ZS zu versprachlichen, bildet der ZS-Sprecher eine «Kopie» des AS-Zeichens. Bei dieser «Kopie» kann es sich entweder um ein lautlich/grafematisch mehr oder weniger getreues Abbild oder um eine irgendwie geartete Übertragung mit Mitteln der ZS (nach traditioneller Klassifikation: Lehnprägung) handeln.30 Strukturelle Abweichungen lautlicher, grafematischer und morphologischer Art gegenüber dem AS-Zeichen sind dabei durch die Anpassung an das ZS-System zu erwarten. Für die bevorzugte Realisierung der Innovation mit spracheigenen Mitteln anstelle der Übernahme des (un)assimilierten ASZeichens wird die Ausprägung der Sprachkenntnis als Einflussfaktor diskutiert.31 Da Veränderungen zwischen AS-Zeichen und ZS-Zeichen also möglich (in Bezug
30 Winter-Froemel (2011, 303) unterscheidet drei Haupttypen sprachkontaktinduzierter Innovation zur Versprachlichung eines neuen Konzepts: 1. die Übernahme eines Fremdworts bzw. Lehnworts, 2. die Realisierung einer Analogiebildung, d.h. einer Lehnprägung, 3. die Realisierung einer eigenen lexikalischen Innovation, d.h. eines Neologismus im Sinne einer Lehnschöpfung. Dazu ist anzumerken, dass sich auch Lehnprägungen, genauer: Lehnübersetzungen, als ausdrucksseitige Neologismen präsentieren können. Wenn in der ZS dagegen schon ein lexikalisierter Ausdruck zur Bezeichnung des Konzepts zur Verfügung steht, «so kann dies die Entlehnung blockieren bzw. sich negativ auf ihre Verbreitung auswirken» (221). In diesem Falle wird das Ergebnis der Entlehnung häufig als Luxusfremdwort bezeichnet (siehe 2.1.4.3). 31 Davon geht Fanfani (2010b) aus: «Affinché possa avvenire un calco, sono [...] necessari un modello straniero ‘trasparente’, cioè motivato semanticamente e strutturalmente, e una buona competenza linguistica in chi lo effettua, che deve essere in grado di cogliere, oltre al significato, la forma interna straniera del modello, e di individuare nella propria lingua un modo per riprodurla adeguatamente. Di conseguenza il calco è un fenomeno nel suo complesso più colto del semplice prestito (anche se non mancano calchi popolari) e investe soprattutto il lessico intellettuale, addensandosi nei periodi in cui l’attività culturale e le conoscenze linguistiche sono maggiori».
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
29
auf den Zeicheninhalt) bzw. sogar zu erwarten sind (in Bezug auf den Zeichenausdruck), werden ZA und ZI des zielsprachlichen Lexems, im Modell durch ein Hochkomma gekennzeichnet, das für eine Ableitung steht.32 Die Verbreitung einer neugebildeten Innovation in der ZS setzt voraus, dass der ZS-Sprecher – und in der Folge viele weitere ZS-Sprecher – die Rolle des Produzenten in der Kommunikationssituation einnehmen und das ZS-Zeichen, die Entlehnung, somit zunehmend lexikalisiert wird. Dabei kann es zu sekundären Veränderungen sowohl des Zeichenausdrucks als auch des Zeicheninhalts kommen, die beispielsweise Integrationsprozesse oder Bedeutungsveränderungen zur Folge haben können. Grundsätzlich können auch innersprachliche Innovationen nach dem Modell in Abb. 1 dargestellt werden, mit dem Unterschied, dass der Ausgangspunkt dann kein AS-Zeichen, sondern ein ZS-Zeichen ist. Um auf der Ebene der langue Sprachwandel auszulösen, ist eine Vielzahl individueller Kommunikationsakte nötig, die denselben neuen Pfad «austreten» – ein Prozess, den Rudi Keller eindrücklich als Phänomen der Unsichtbaren Hand (2003) beschrieben hat. Die Verbreitung der Innovation kann dabei entweder parallel erfolgen, wenn viele Sprecher, die mit demselben Bezeichnungsbedürfnis konfrontiert sind, dieselbe Innovation wählen, oder aber seriell, indem Sprecher eine voneinander rezipierte Innovation imitieren (Geeraerts 1997, 108–109).
2.1.3 Fremdwortintegration Unter Integration (auch: Assimilation) versteht man den Prozess innerhalb einer ZS, bei dem Fremdwörter, die über längere Zeit und/oder mit hoher Frequenz verwendet werden, ihre strukturellen Fremdheitsmerkmale teilweise oder vollständig ablegen, indem sie durch Abbau oder Ersetzung stärker an die ZS angeglichen werden (cf. Winter-Froemel 2011, 87). Das lexikalische Ergebnis von Fremdwortintegration wird als Lehnwort bezeichnet.33 Da bei der Integration nicht der gesamte ZS-Ausdruck, sondern typischerweise nur einzelne Segmente betroffen sind (Winter-Froemel 2011, 12), sind auch Zwischenstufen möglich, die
32 Bei Onysko (2007) kennzeichnet das Hochkomma nur gleiche bzw. ähnliche Zeichenausdrücke bzw. -inhalte. Kommt es zu Ersetzungen, beispielsweise bei Lehnübersetzungen, kennzeichnet er dies durch unterschiedliche Variablen. In Abb. 1 steht das Hochkomma dagegen für jegliche Form (potenzieller) struktureller und semantischer Abwandlung. 33 Neben der spezifischen Bedeutung wird Lehnwort auch als Hyperonym für Fremdwort und Lehnwort (im engeren Sinn), als ‘Ergebnis lexikalischer Entlehnung’, verwendet.
30
2 Theoretische und historische Grundlagen
als teilintegrierte Fremdwörter bezeichnet werden.34 Die Integration kann unmittelbar während der Entlehnung (Kontaktintegration) oder später in der ZS erfolgen (87–88). Sie betrifft v.a. die phonologische und die grafematische Ebene; die morphologische Integration nimmt eine Sonderstellung ein, da Flexionsparadigmen der AS nicht direkt entlehnt, sondern in ZS-Paradigmen übertragen werden (95) – außer, wenn das Paradigma bereits Teil der (Fremdwort-)Grammatik der ZS ist, so z.B. die nominale Pluralflektion mit -s bei Anglizismen, die nicht Teil der italienischen Kerngrammatik ist. Auf semantischer Ebene kann nach WinterFroemel dagegen nicht von Integration gesprochen werden: Im Bereich der Bedeutungen liegt [...] ein prinzipiell offenes Inventar an Einheiten vor, zu dem leicht weitere hinzugefügt werden können: Geht ein fremdsprachlicher Ausdruck mit einer bis dahin in der ZS nicht lexikalisierten Bedeutung in den Wortschatz der ZS ein, so tritt unmittelbar eine Bereicherung des ZS-Inventars an Bedeutungen ein. Zwar kann es durch die Übernahme durchaus zu Verschiebungen und Umstrukturierungen innerhalb vorhandener ZS-Bedeutungsfelder kommen; diese Umstrukturierungen sind jedoch nicht durch die (etymologisch) fremde Herkunft der neuen Bedeutung, sondern schlicht durch das Hinzukommen der neuen Bedeutung zum Bedeutungsfeld bedingt. Damit ist bezüglich der Integrationsphänomene von einem grundsätzlich anderen Funktionieren von ausdrucksseitigen und inhaltsseitigen Ebenen der Sprache auszugehen (95).
Durch den Abbau struktureller Fremdheitsmerkmale sind Lehnwörter für Sprecher der ZS ohne spezifische sprachhistorische/etymologische Kenntnisse nicht mehr als Entlehnungen erkennbar (Eisenberg 2018, 31). Die definitorische Abgrenzung zwischen Fremdwort und Lehnwort wird unterschiedlich getroffen: Ein Kriterium ist die strukturelle Integration in die Kerngrammatik, ein anderes die Habitualisierung, also Häufigkeit und Konventionalisierung im Gebrauch von Sprechern der ZS.35 Winter-Froemel plädiert dafür, den Grad der strukturellen Integration eines entlehnten Wortes nicht mit seiner Verbreitung (d.h. seiner marginalen/markierten vs. zentralen/unmarkierten Stellung im Kernwortschatz) gleichzusetzen. Bei der Analyse seien unterschiedliche Grade von Konformität (der AS-Form mit dem ZS-System) und unterschiedliche Verbreitungsstufen in der ZS zu berücksichtigen (2011, 489).
34 Als Beispiel nennt Winter-Froemel (2011, 73–74) ital. gauchisme, gauchismo und goscismo, wobei die vollständig integrierte Form in solchen Fällen keinesfalls den zwangsläufigen Endpunkt der Entwicklung darstellt, sondern auch teil- oder nicht-integrierte Formen die langfristig dominante Variante darstellen können. 35 Winter-Froemel (2011, 34–35, eine Übersicht zu dieser besonders in der deutschsprachigen Forschungsliteratur diskutierten Frage findet sich auf den Seiten 65–76). Gusmani (1993, 25–26) schlägt vor, Fremdwortintegration anhand der beiden Prozesse acclimatamento (lexikalische Aufnahme) und integrazione (strukturelle Integration) zu analysieren.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
31
Winter-Froemel verweist zudem darauf, dass der Integrationsprozess von Fremdwörtern mithilfe der Optimalitätstheorie (OT) von Alan Prince und Paul Smolensky (Prince/Smolensky 1997) modelliert werden kann. Die Optimalitätstheorie geht davon aus, dass in einer Sprache unterschiedliche Realisierungsmöglichkeiten miteinander konkurrieren, u.a. auf phonologischer, lexikalischer, syntaktischer Ebene. Deren Auswahl wird durch sprachenspezifische strukturelle Beschränkungen (constraints) geregelt, die teilweise verletzt werden dürfen. Der «optimale» Ausdruck ergibt sich aus dem besten Kompromiss zwischen einer artikulatorisch möglichst wenig markierten Outputform (d.h. einer möglichst einfachen Realisierung, was die Assimilation befördert) und größtmöglicher Treue zwischen den jeweiligen Input- und Outputformen (d.h. auch schwierige bzw. markierte Formen können beibehalten werden, was der Assimilation entgegensteht). Dabei steht die möglichst geringe Markiertheit der Outputform in der Beschränkungshierarchie höher als die Treue zwischen (unassimilierter) Inputform und (assimilierter) Outputform. Fremdwörter sind in dieser Perspektive durch eine Verletzung der Markiertheits-Beschränkung gegenüber dem AS-System gekennzeichnet und daher markiert. Bei der Fremdwortintegration wird dagegen eine Verletzung der Treue-Beschränkung in Kauf genommen, um die ZS-spezifische Markiertheits-Beschränkung zu erfüllen (cf. Winter-Froemel 2011, 13–18). In der optimalitätstheoretischen Modellierung kann die Fremdwortintegration somit als «ein Aushandeln verschiedener Ansprüche verstanden werden [...], wobei in Abhängigkeit von den einzelnen Sprachen (und darüber hinaus evtl. auch von weiteren Faktoren) jeweils unterschiedliche Lösungen ‹optimal› sind» (cf. Winter-Froemel 2011, 14).
2.1.4 Sprachwandel und sprachkontaktbedingte Lexemkonkurrenz Da lexikalische Innovation generell auf die Kodierung von Konzepten als Wörtern bezogen ist, kann sie am besten aus onomasiologischer Perspektive untersucht werden (Grzega 2003, 271–272). Im folgenden Abschnitt soll aus dieser onomasiologischen Perspektive dargestellt werden, inwieweit Entlehnung als Phänomen des Sprachwandels Variation und Konkurrenz zwischen fremden und nativen Lexemen herstellt. Dabei ist insbesondere der zugrundeliegende Synonymiebegriff zu beleuchten und der Begriff der onomasiologischen Konkurrenz zu erläutern. Zudem wird geprüft, inwieweit die traditionelle Kategorisierung in Bedürfnis- und Luxusentlehnung für das Konzept der onomasiologischen Konkurrenz nutzbar ist und welche Faktoren bei der Bevorzugung eigen- und fremdsprachlicher Synonyme eine Rolle spielen.
32
2 Theoretische und historische Grundlagen
2.1.4.1 Entlehnung, onomasiologische Variation und Bezeichnungswandel Entlehnung und Fremdwortintegration sind nicht nur eins der Hauptverfahren der lexikalischen Innovation, sondern werden auch als eine der wichtigsten Ursachen für Sprachwandel und sprachliche Variation gesehen (Winter-Froemel 2011, Kapitel 6–9; Backus 2014). Nach Rudi Kellers «Theorie der unsichtbaren Hand» (2003 [¹1990]) wird Sprachwandel durch das Spannungsverhältnis aus konventionskonformen, unmarkierten Maximen sprachlichen Handelns36 und dynamischen, markierten Maximen37 ausgelöst (Keller 2003, 137–138), die meist gleichzeitig wirken: «Wir versuchen beim Reden, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Anpassen, Auffallen, Verstanden werden, Energie sparen» (140; cf. auch Grzega 2003, 274; zu den Einflussfaktoren von Sprachwandel cf. insbes. Grzega 2004). In der Sprachwandelforschung wurde die Entlehnung als Phänomen des externen Sprachwandels dargestellt, die dem internen Sprachwandel (Wortbildung und Bedeutungswandel) als grundsätzlich verschiedener Prozess gegenüberstehe (Winter-Froemel 2011, 115). In ihrem Ansatz versucht Winter-Froemel dagegen, Entlehnung «als ein[en] Teilbereich oder Subtyp des Sprachwandels» (129) zu konzipieren. Backus (2014, 28 und 34) spricht sich für ein Modell speziell des kontaktinduzierten Sprachwandels aus, das die Prozesse der Innovation, der Verbreitung und ggf. der Aufgabe von Entlehnungen abbilde, wobei auch das innere Lehngut sowie sprachkontaktinduzierter grammatischer Wandel zu berücksichtigen sei. Der Ablauf von Sprachwandelprozessen ist demnach – gleichgültig, ob intern oder extern ausgelöst – grundsätzlich vergleichbar und umfasst folgende Stufen:38 1. Innovation: Verletzung oder Erweiterung des Sprachsystems bzw. der Norm auf der Ebene der parole;
36 Zum Beispiel: «Rede so, daß Du nicht auffällst», «Rede so, daß du als Gruppenzugehöriger zu erkennen bist», «Rede so, wie Du denkst, daß der andere reden würde, wenn er an Deiner Statt wäre», «Rede so wie die anderen» (Keller 2003, 137–138). 37 Also innovierendem, normabweichendem sprachlichen Handeln. Beispiele für Maximen dieser Art sind: «Rede so, daß du beachtet wirst», «Rede so, daß Du als nicht zu der Gruppe gehörig erkennbar bist», «Rede amüsant, witzig etc.», «Rede so, daß es Dich nicht unnötige Anstrengung kostet» (Keller 2003, 140–141). Für Grzega (2003) sind es besonders diese dynamischen Redemaximen, die Sprachwandel auslösen: «The maxim for dynamics may trigger linguistic changes, which may secondarily be generally conserved in the language through a maxim for statics» (274). 38 Nach Winter-Froemel (2011, 208); Grzega (2004, 52) und Lehmann, Christian: «Sprachwandel», https://www.christianlehmann.eu/ling/wandel/neuerung_uebernahme_ausbreitung. html [letzter Zugriff: 10.09.2020].
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
33
2.
Übernahme: die Innovation wird im Diskurs von anderen Sprechern übernommen; 3. Verbreitung: zunehmende Ausbreitung und Lexikalisierung der Innovation in der Sprechergemeinschaft, dabei existieren der alte und der neue Zustand oft nebeneinander;39 4. Lexikalisierung der Innovation, Veränderung des Sprachsystems/der Norm auf der Ebene der langue. Allerdings sei davon auszugehen, dass sich Innovationen nicht nach den immer gleichen Mustern verbreiten und durchsetzen, sondern, dass es zu Wechselwirkungen zwischen sprachlichen Konventionen und individuellen Realisierungen kommen kann (Winter-Froemel 2011, 490). Entlehnungsprozesse könnten als synchronischer und diachronischer «Testfall» verstanden werden, der Rückschlüsse auf die Mechanismen, den Ablauf und die Einflussfaktoren von Sprachwandel im Allgemeinen ermöglicht (129). Bei der Analyse von Sprachwandelprozessen wird häufig nur der Ausgangspunkt und das Endergebnis berücksichtigt bzw. als Abfolge von einer älteren zu einer neueren Erscheinung dargestellt (cf. Winter-Froemel 2011, 90, Fn. 4). Dabei wird vernachlässigt, dass Sprachwandelprozesse nicht zielgerichtet verlaufen und strukturelle Variation und konkurrierende Formen eine häufige Begleiterscheinung sind. Beispielsweise treten infolge von Sprachkontakt häufig konkurrierende Lautungen, Schreibweisen und morphologische Varianten auf (z.B. konkurrierende Pluralformen), sog. Polymorphien. Handelt es sich bei den Varianten um eigen- und fremdsprachliche Synonyme, kann deren paradigmatische Relation als sprachkontaktbedingte Lexemkonkurrenz bezeichnet werden.40 Diese ist entweder vorübergehend, wenn einzelne Synonymien
39 Die Verbreitung ist für Grzega (2003, 288) insbesondere von sozialen Faktoren abhängig: «The spread of an innovation (and its speed) seems to depend on the prestige of the innovator and the structure of the social networks in which the innovation starts». 40 In dieser Form bereits von Beisswenger et al. (2004) verwendet. Damit bezeichnen die Autoren «solche Fälle der Synonymie, die sich daraus ergeben, dass ein englischer Ausdruck im Deutschen sowohl als Lehnwort als auch in Form einer oder mehrerer Lehnübersetzungen existiert, die zwar im Ausdruck verschieden sind, aber identisch verwendet werden» (118). Diese Definition soll hier aufgegriffen, aber entsprechend des unter 2.1.4.2 dargelegten Synonymbegriffs erweitert werden als «solche Fälle der Synonymie, die sich daraus ergeben, dass ein Konzept sowohl durch ein entlehntes Lexem mit exogenen Merkmalen als auch durch ein natives Lexem versprachlicht wird». Gusmani (1993) bezeichnet dieses Verhältnis als «conflitto omoionimico» (198).
34
2 Theoretische und historische Grundlagen
zunehmend abgebaut und schließlich aufgegeben werden, oder sie erweist sich als dauerhaft funktionalisiert, beispielsweise, wenn sich die Synonyme in expressiv-stilistischer Hinsicht unterscheiden. Somit bedingen sich diachroner Wandel und synchrone Variation oft wechselseitig (Winter-Froemel 2011, 30). Eine typische Folge von sprachkontaktinduziertem Sprachwandel, also lexikalischer Entlehnung und Fremdwortintegration, ist also, dass eine Situation von onomasiologischer Variation41 eintritt, in der zwei oder mehrere Lexeme, die dasselbe Konzept versprachlichen, in Konkurrenz stehen. Sprechern steht in diesen Fällen potenziell eine Auswahl von Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung, unter denen sie in Kommunikationssituationen eine Wahl treffen können. Ein Beispiel für sprachkontaktbedingte Lexemkonkurrenz ist das Konzept BÉCHAMELSOßE, das im Italienischen seit 1766 mit dem unassimilierten Fremdwort béchamel versprachlicht wird. Es handelt sich um eine Entlehnung des französischen Deonyms béchamel (nach seinem Erfinder, Louis de Béchamel; NDM). Seit 1790 existiert auch die integrierte Form besciamella, deren Assimilation die phonologische ([ʃ] ↔ [ʃː]), grafematische ( ↔ [sci]) und morphologische Ebene ({-} ↔ {-LA}) umfasst (cf. Zing. 2019, s.vv.). Seit 1891 liegt zudem die Lehnübertragung balsamella vor.42 Durch die Kontamination mit ital. balsamo wurde balsamella als Volksetymologie interpretiert; mittlerweile gilt das Lexem als veraltet. Diasystematische Untersuchungen bei sprachkontaktinduzierten Lexemkonkurrenten dieser Art geben Aufschluss über ihre Funktion im Sprachgebrauch: Wann werden unassimilierte, wann assimilierte Varianten bevorzugt? Ist der Gebrauch der Lehnübertragung diatopisch, diaphasisch bzw. diastratisch markiert (Zing. 2019, «pop.»)? Untersuchungen dieser Art sollten korpusgestützt erfolgen. Zudem können auch die Gebrauchsfrequenzen analysiert und verglichen werden, um beispielsweise festzustellen, welche Ausdrucksvarianten dominant oder selten sind oder aufgegeben wurden. Korpusvergleiche ermöglichen darüberhinaus Einblicke in die diachronische Variation und die Entwicklung des gesamten onomasiologischen Profils. Der Vergleich der drei Varianten in GoogleBooks Ngram Viewer zeigt, dass balsamella während der Hochzeit des faschistischen Fremdwortpurismus sowie zu Ende der 1960er Jahre die häufigste Variante darstellte, seitdem allerdings gegenüber der dominanten Assimilation besciamella nur noch geringes Gewicht im
41 Onomasiologische Variation ist definiert in Geeraerts et al. (1994, 3) als «the situation that a referent or type of referent may be named by means of various conceptually distinct lexical categories». 42 In der Erstausgabe von Pellegrino Artusis berühmter gesamtitalienischer Rezeptesammlung La scienza in cucina e l’arte di mangiar bene, Firenze, Salvatore Landi, 1891 (NDM: 1908).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
35
Korpus hatte (die y-Achse gibt die prozentuale Häufigkeit der Zeichenfolge im Gesamtkorpus an, ausführlicher zur linguistischen Analyse mit GoogleBooks Ngram Viewer cf. 3.2.4.3):
Abbildung 2: Sprachkontaktinduzierte Lexemkonkurrenz am Beispiel von ital. béchamel / besciamella / balsamella im Zeitraum 1920 bis 1990 in GoogleBooks Ngram Viewer.
Das konzeptionelle Gegenstück zum Fremdwort innerhalb der sprachkontaktbedingten Lexemkonkurrenz bildet das native Lexem. Ein natives Lexem ist Teil des Kernwortschatzes. Obwohl es sich dabei durchaus nicht nur um sog. Erbwörter, sondern ebenfalls um Ergebnisse von Sprachkontakt handeln kann, also um Lehnwörter, entspricht das native Lexem den strukturellen Merkmalen der Kerngrammatik – der Lautung, Schreibung und Wortbildung – so dass es von Sprechern der ZS nicht als markiert fremd wahrgenommen wird. Native Lexeme innerhalb von Synonymenpaaren oder -gruppen dieser Art werden in der Literatur häufig entsprechend den traditionellen Lehngutklassifikationen interpretiert, sie werden also als «Lehnbedeutung» und «Lehnübersetzung» – im Italienischen meist nur als calco –, teilweise auch als «Lehnschöpfung» bezeichnet.43 Für eine solche Zuordnung wäre zunächst zu prüfen, ob die Innovation überhaupt auf Fremdeinfluss zurückgeführt werden kann (Jansen 2005, 135). Dafür nennt Jansen
43 Da Jansen (2005) von einer funktionalen Identität der Lehnbedeutung und der Lehnübersetzung ausgeht, unterscheidet sie nur zwischen «Übersetzung» und (von Sprachkontakt) «unabhängigen Neologismen» (128).
36
2 Theoretische und historische Grundlagen
drei Voraussetzungen: Sprach- bzw. Kulturkontakt zwischen zwei Sprechergemeinschaften, Vorliegen einer lexikalischen Innovation (als Norm- bzw. Systemabweichung oder als dauerhafte Erweiterung von Norm bzw. System) und Vorliegen eines AS-Zeichens, das als Vorbild der Innovation in der ZS gedient hat. Diese Voraussetzungen können mithilfe morphologischer, semantischer, textsortenspezifischer und kulturhistorischer Anhaltspunkte geprüft werden (136–150). Insbesondere bei älteren Sprachstufen sind die genauen Verhältnisse zwischen AS- und ZS-Zeichen und somit die sprachkontaktbedingte Abhängigkeit des nativen Lexems jedoch nicht immer eindeutig zu bestimmen.44 Erschwert wird die Analyse zusätzlich dadurch, dass keine gesicherten Kriterien für die Identifikation von Lehnschöpfungen vorliegen.45 Allerdings kann onomasiologische Konkurrenz auch dann vorliegen, wenn native Lexeme nicht (direkt) sprachkontaktinduziert sind, nämlich im Fall von Luxusentlehnungen (ein synonymer ZS-Ausdruck lag bereits vor der Entlehnung vor) oder im theoretisch denkbaren, kaum überprüfbaren Fall, dass ein natives Lexem ohne Kenntnis des entlehnten ZS-Ausdrucks bzw. des Fremdworts gebildet wurde.46 In solcherlei Fällen könnte folglich nicht von innerem Lehngut gesprochen werden und es müsste auf eine Kategorisierung als Lehnprägung verzichtet werden. Hilfreich erscheint in diesem Zusammenhang die von Orgeldinger (1999) getroffene Unterscheidung zwischen direkter und indirekter semantischer Transferenz: Direkte semantische Transferenz bezieht sich auf die sprachkontaktinduzierte Übernahme eines AS-Inhalts mit ZS-Mitteln (also eine Lehnübersetzung oder Lehnbedeutung), indirekte semantische Transferenz auf die spätere Übertragung des Zeicheninhalts eines Lehnworts auf ein weiteres ZS-Zeichen, meist im Zuge puristischer Ersetzung.47 Für das Phänomen
44 Jansen (2005, 152, Fn. 23). Zur Identifikation sind Belege für Onysko (2007, 80) unabdingbar: «Cultural-historical and etymological evidence is necessary in order to prove conceptual transmission without SL-form that leads to lexical creation in the RL». 45 Jansen (2005, 154–155). Da sich die Lehnschöpfung nicht von innersprachlich entstandenen Innovationen unterscheidet, ist sie nach Jansen «aus dem Bereich der Sprachkontaktphänomene auszugliedern» (129). Winter-Froemel (2011) wertet sie als sprachkontaktinduzierte Innovation (303), wenn auch nicht als Entlehnung im eigentlichen Sinne (57). 46 Da davon auszugehen ist, dass lexikalische Innovationen häufig erst durch medial vermittelte Verbreitung standardisiert bzw. angeglichen werden, sind unterschiedliche Innovationen, die sich parallel entwickeln, durchaus denkbar, insbesondere, wenn ein und dasselbe Konzept durch sozial oder geografisch distinkte Sprechergruppen versprachlicht wird. 47 18–19. Orgeldinger begründet die Differenzierung auch mit der unterschiedlichen Integrierbarkeit von direkten und indirekten semantischen Transferenzen: «Direkte Lehnprägungen, Neuprägungen und lexikalische Entlehnungen werden meist vorgenommen, um Lücken in onomasiologischen Paradigmen – Generalisierungslücken oder, häufiger, Spezialisierungslücken –
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
37
der onomasiologischen Konkurrenz zwischen eigen- und fremdsprachlichen Synonymen ist die Unterscheidung jedoch sekundär, da v.a. ihre funktionale Variation im Sprachgebrauch untersucht werden soll. Als Kriterien für sprachkontaktbedingte Lexemkonkurrenz wird daher nur das Vorliegen funktionaler Synonymie (siehe 2.1.4.2) zwischen Fremdwörtern und nativen Lexemen berücksichtigt. Auf eine Kategorisierung von nativen Synonymen gemäß der traditionellen Lehngutklassifikation wird verzichtet. Stattdessen soll eine Typologie der lexikalischen Substitution aufgestellt werden (siehe 2.1.5.4). Native Ersatzlexeme entstehen nicht nur spontan, sondern können im Rahmen puristischer Bestrebungen auch aktiv gebildet, ausgewählt, und ihr Gebrauch mittels staatlicher Sprachpolitik vorgeschrieben bzw. ihr Nicht-Gebrauch sanktioniert werden (siehe 2.1.5). Ziel ist dabei meist die vollständige Ersetzung
zu füllen, das heißt, einen aus synchronischer Perspektive festgestellten semantischen – denotativen und/oder konnotativen – Bedarf zu decken. Dies erleichtert ihre Integration. Demgegenüber werden indirekte Lehnprägungen meist vorgenommen, um lexikalische Entlehnungen zu ersetzen, das heißt, einem aus diachronisch-etymologischer Perspektive behaupteten, umstrittenen Bedürfnis nach Reinheit entgegenzukommen. Dies erschwert ihre Integration. Indirekte Lehnprägungen konkurrieren mit lexikalischen Entlehnungen, die sie von ihrem Platz verdrängen sollen. Dabei haben diese ihnen einen mehr oder minder festen Halt im onomasiologischen Paradigma voraus (Diplomat im Vergleich zu Staatsunterhändler). Da die Wörter, das heißt Einzelinhalte, sich auch nach ihrer Stellung im onomasiologischen Paradigma und in Opposition zu anderen paradigmainternen Wörtern/Einzelinhalten bestimmen, haben die lexikalischen Entlehnungen je nach Verbreitung und Verwendung nicht nur zur Füllung von Lücken, sondern auch zur Modifikation bereits vorhandener Wörter/Einzelinhalte geführt, mithin in mehrfacher Hinsicht zur semantischen – denotativen und/oder konnotativen – Differenzierung beigetragen. Es sind neue inhaltsparadigmatische Relationen entstanden, vor allem partielle Synonymien (Empörung – Aufruhr – Aufstand – Revolution). Auf die Integration der indirekten Lehnprägungen wirkt sich die semantische Deckung mit oder Abweichung von den lexikalischen Entlehnungen aus. Wenn sich die indirekte Lehnprägung mit der lexikalischen Entlehnung in allen Einzelinhalten, und zwar sowohl denotativ als auch konnotativ – auch stilistisch – deckt, ist es leicht möglich, daß sie nach einiger Zeit verschwindet. Allerdings besteht bei völliger Deckung auch die größte Aussicht, daß die indirekte Lehnprägung die lexikalische Entlehnung verdrängt. Völlige Deckung ist jedoch sehr selten; sie ist zu einem bestimmten Zeitpunkt kaum zu erreichen. Meist weicht die indirekte Lehnprägung in allen oder in manchen Einzelinhalten denotativ und/oder konnotativ - zumindest stilistisch mehr oder weniger von der lexikalischen Entlehnung ab [...]. Semantische Abweichung wird unter Umständen als Skurrilität empfunden, die indirekte Lehnprägung verspottet (Denkkegel für Obelisk, Vorzeigekörperteil für Präparat). Bei deutlicher Abweichung besteht jedoch die größte Aussicht, daß die indirekte Lehnprägung neben der lexikalischen Entlehnung erhalten bleibt» (1999, 376–377). Siehe dazu auch 2.1.5.3.
38
2 Theoretische und historische Grundlagen
des Fremdworts. Solche Bestrebungen lassen sich als Ersetzungsvorschrift nach dem Muster ZS-Zeichenx → ZS-Zeicheny darstellen, oder in Form eines Modells: ZS-Zeichenx ZA (exogen) ZI
Konzept Konzept Abbildung 3: Schematische Darstellung einer Ersetzungsvorschrift für ein monosemes Fremdwort.
ZA (endogen) ZI ZS-Zeicheny
Der Pfeil zwischen den beiden Zeichen steht für die Direktive. Die gestrichelte Linie vom Zeicheninhalt des ersetzenden ZS-Zeichensy verdeutlicht, dass die Vorschrift eine Verknüpfung mit dem ursprünglich durch das Fremdwort versprachlichten Konzept herstellen (und die Verknüpfung zwischen Fremdwort und Konzept aufheben) will, welche aber zunächst noch nicht vollzogen ist. Bei polysemen Fremdwörtern kann die Substitutionsvorschrift entweder ein Ersatzlexem vorschlagen, das ebenfalls polysem ist, oder mehrere Ersatzlexeme umfassen, also ZS-Zeichenx → ZS-Zeicheny, ZS-Zeichenz, ZS-Zeichenn, ... , so dass für jedes Konzept eine eigene Direktive notwendig ist. Jedes der endogenen ZS-Zeichen referiert dabei auf andere, idealerweise dieselben Konzepte wie das Fremdwort: ZS-Zeichenx ZA (exogen)
ZI1
Konzept Konzept11
ZI2
ZA (endogen) ZI1
Konzept Konzept22
ZS-Zeicheny ZA (endogen) ZI2 ZS-Zeichenz
Abbildung 4: Schematische Darstellung einer möglichen Ersetzungsvorschrift für ein bisemes Fremdwort.
Lexemkonkurrenz kann als kennzeichnend für Phasen der sprachlichen Integration infolge lexikalischer Innovation angesehen werden, also als sprachinterner «Aushandlungsprozess», welche und wieviele Lexeme zur – ggf. denotativ und konnotativ abgestuften – Versprachlichung eines Konzepts in einer gegebenen Sprache benötigt werden. Unter Umständen wird die onomasiologische Variation
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
39
zwischen fremden und nativen Wörtern funktional und es kommt zu einer dauerhaften Koexistenz beider (bzw. weiterer) Lexeme im Sprachgebrauch.48 Die konkrete Realisierung onomasiologischer Lexemkonkurrenz im Sprachgebrauch ist gerade unter dem Blickwinkel der Opposition fremd vs. nativ von Interesse. Zum einen können daran Phänomene und Universalia des Bezeichnungs- und Bedeutungswandels untersucht werden, zum anderen sind die Unterschiede, die sich diesbezüglich zwischen historischen Einzelsprachen feststellen lassen, erklärungsbedürftig.49 2.1.4.2 Onomasiologische Variation und Synonymie Voraussetzung für die Untersuchung von onomasiologischer Variation ist die Annahme, dass Synonymie existiert (cf. Zenner et al. 2012, 760), denn Dubletten aus fremden vs. nativen Lexemen stehen nur dann in Opposition, wenn sie dasselbe Konzept versprachlichen. Allerdings ist absolute Synonymie, also die vollständige Austauschbarkeit aller Bedeutungen zweier sprachlicher Ausdrücke in allen Kontexten nach Ansicht von Lexikologen zumindest sehr selten.50 Dahinter steht das sprachliche Isomorphieprinzip, das auf eine 1:1-Beziehung zwischen Ausdrücken und Inhalten hinwirkt (Geeraerts 1997, 105–106) und somit nicht nur absolute Synonymie, sondern auch Homonymie und Polysemie zu vermeiden sucht (ebd.). Synonymie wird im Umkehrschluss auch dadurch vermieden, dass eigentlich bedeutungsgleichen Lexemen semantische Unterschiede zugewiesen werden: «if we come across a word that seems to mean the same thing as another word we already know, we expect it to have some difference – in denotation, connotation, or social meaning – from the other word» (Murphy 2010, 113, sie spricht dabei vom Kontrastprinzip). Absolute Synonymie werde daher abgebaut, Bedeutungsähnlichkeit aber toleriert (ebd.). Bei Entlehnungen, für die 48 Die World Loanword Database (WOLD) unterscheidet drei verschiedene Formen, wie sich ein Lehnwort in den ZS-Wortschatz einfügen kann (Haspelmath 2009, 49): Erweiterung des ZSWortschatzes (insertion, dauerhafte Integration eines Lehnworts ohne Konkurrenz zu nativen Synonymen), Ersetzung eines einheimischen Lexems («the word may replace an earlier word with the same meaning that falls out of use, or changes its meaning», ebd.) sowie Koexistenz, also der onomasiologischen Variation zwischen Lehnwort und einem nativen Lexem. Entsprechend der numerischen Angaben von Haspelmath handelt es sich bei 39% der insgesamt 12.475 Lehnwörter in 41 ZS um Wortschatzerweiterungen, bei 13% um Ersetzungen, bei weiteren 20% um Koexistenzen (in 28% der Fälle war die Informationslage nicht ausreichend) (ebd.). 49 So wird beispielsweise immer wieder auf die besonders ausgeprägte Bereitschaft des heutigen Italienischen, Anglizismen nicht zu assimilieren, hingewiesen (gegenüber Französisch und Spanisch) (Zolli 1991, 5; Carrera Díaz 2000, 19; Marazzini/Petralli 2015; Giovanardi/Gualdo 2008). 50 Cruse (2002, 488–489); Murphy (2010, 110); Harm (2015, 67). Als Beispiel für absolute Synonymie im Italienischen könnte fra / tra gelten.
40
2 Theoretische und historische Grundlagen
später eine native Alternative gebildet wird, ist es nach Winter-Froemel «naheliegend, dass bereits vorhandene (ZS-)Formen ihre traditionell und konventionell festgelegte Bedeutung beibehalten, während bei neuen Formen (Innovationen) zusätzliche Bedeutungsnuancen interpretiert werden» (2011, 314). Da in der vorliegenden Arbeit gerade die Motiviertheit onomasiologischer Variation im Sprachgebrauch untersucht werden soll, ist es sinnvoll, den Begriff der Synonymie nicht auf absolute Synonyme zu beschränken, sondern weiter zu fassen. Dafür wird häufig der Begriff der Fast- oder Nahe-Synonymie (engl. near-synonymy) bzw. Plesionymie verwendet (Cruse 1986), der geringe referenzielle Abweichungen unter den Lexemen zulässt, sodass sich Plesionyme in manchen Kontexten vollständig entsprechen, aber nicht in allen. Plesionyme sind sprachübergreifend deutlich häufiger als absolute Synonyme, sodass Synonymwörterbücher überwiegend Plesionyme verzeichnen (Cruse 2002, 491).51 Um die Nahe-Synonymie genauer zu beschreiben, schlagen Edmonds/Hirst (2002) vier Dimensionen der Variation vor:52 – denotative Variation, meist bezogen auf unterschiedliche Perspektiven auf den Referenten;53 – stilistische Variation (diaphasische, diatopische und diastratische Varianten);54
51 Weil die Abgrenzung zwischen «echten» und Fast-Synonymen dennoch schwierig bleibt, schlägt Harm (2015, 70) vor, von einer «skalaren Relation» zu sprechen: Meist lägen die Unterschiede zwischen zwei bedeutungsähnlichen Lexemen in der Stärke der Ausprägung eines Eigenschaftskonzeptes (z.B. winzig – klein, Aufforderung – Bitte), so dass sich ihre Beziehung am besten als Skalenrelationen beschreiben lasse. 52 Anders als dort (109) angegeben, basieren die Kategorien und ihre Bezeichnungen nicht direkt auf Cruse (1986). 53 «[D]enotational variation involves mostly differences that lie not in simple features but in full-fledged concepts or ideas – differences in concepts that relate roles and aspects of a situation» (Edmonds/Hirst 2002, 110). 54 Die Opposition fremd vs. nativ besteht für Christian Lehmann vorrangig in der stilistischen Variation: «Wenn die pauschale Unterstellung, Fremdwörter gehörten einer höheren Stilebene an, nicht gilt, gibt es kein grundsätzliches Hindernis, warum ein Erbwort und ein Fremdwort nicht synonym sein könnten» (https://www.christianlehmann.eu/ling/lg_system/sem/synony mie.php [letzter Zugriff: 10.09.2020]). Dagegen geht Thomas (1991) davon aus, dass puristische Intervention dazu führt, native Lexeme der Distanzsprache verfügbar zu machen und Fremdwörter eher nähesprachlichen Registern angehören: Die durch puristische Intervention entstandene Synonymie «can often lead to stylistic variation where the higher register generally empolys the puristically inspired word, the lower register the non-native word. This is true [...] for the majority of central European languages» (178).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
41
– expressive Variation, die affektive Aspekte, Wertungen und Einstellungen55 einschließt; – strukturelle Variation, z.B. syntaktische und phraseologische Varianten. Diese Ebenen beziehen sich auf die semasiologische Perspektive. Betrachtet man sprachkontaktinduzierte Lexemkonkurrenz aus onomasiologischer Perspektive, ist denotative Variation ausgeschlossen, die drei anderen Ebenen behalten ihre Gültigkeit. Der Synonymiebegriff der vorliegenden Arbeit bezieht sich daher auf die denotative Äquivalenz zweier (oder mehrerer) Lexeme,56 wobei stilistische, expressive und strukturelle Unterschiede möglich sind. Dazu zählt auch partielle Synonymie, wenn also bei einem (oder mehreren) beteiligten Lexemen Polysemie vorliegt. Beispielsweise sind die beiden italienischen Lexeme boxe und pugilato insofern synonym, dass sie denotativ austauschbar sind (beide bezeichnen den BOXSPORT) und sich außer in der Polysemie von pugilato, das zusätzlich auch den antiken FAUSTKAMPF bezeichnet (tatsächlich ist die Polysemie von pugilato sprachkontaktinduziert, es handelt sich also um eine Lehnbedeutung) im Merkmal der strukturellen Fremdheit unterscheiden. Das Vorliegen von Synonymie wurde innerhalb der strukturalistischen Linguistik mithilfe der Substitutionsprobe festgestellt, die auf intuitive Grammatikalitäts- bzw. Wohlgeformtheitsurteile von Muttersprachlern setzt. Heute wird Synonymie dagegen vorrangig gebrauchs- also korpusbasiert ermittelt, indem die Verwendung potenzieller Synonyme in ähnlichen Kontexten bzw. in denselben Kollokationen geprüft wird. Dieses Synonymieverständnis geht damit nicht nur von paradigmatischer Austauschbarkeit, sondern auch von syntagmatischer Kombinierbarkeit aus (cf. Storjohann 2015, 258–259). Auf der Grundlage korpusanalytischer Befunde postuliert Storjohann, dass es sich bei Synonymie (wie bei anderen Sinnrelationen zwischen Wörtern und Konzepten) um ein dynamisches Phänomen handelt, das nur auf der Ebene des Diskurses aktualisiert wird: Bedeutungsäquivalenz wird im Sprachgebrauch kontextuell konstruiert, Synonyme werden je nach Bedarf variabel eingesetzt. Synonymie existiert nicht losgelöst vom Kontext aufgrund fester, atomar zerlegbarer, inhärenter Merkmale, die zwei Ausdrücken innewohnen. Synonymie ist ein kontextabhängiges, sich erst im Gebrauch herstellendes und daher auch dynamisches Phänomen, das konkrete Formen linguistischer Realisierung aufweist und bei dem kognitive Mechanismen und sprachliches Wissen über Prinzipien
55 Die Sprechereinstellung gegenüber bestimmten Lexemen spielt beispielsweise bei Politischer Korrektheit und im Framing eine Rolle. Bei der Opposition fremd vs. nativ kann sie sich auf die Permeabilität für Fremdheit allgemein bzw. auf die Einstellung gegenüber der Kultur der AS im Speziellen beziehen. 56 Vergleichbar mit dem von Cruse (1986 und 2002) verwendeten Begriff der «cognitive synonymy».
42
2 Theoretische und historische Grundlagen
des Vergleichens, Inkludierens und Abgrenzens, je nach kommunikativem Bedürfnis auch variabel, im Spiel sind (Storjohann 2015, 258; cf. auch Jansen 2005, 153).
Storjohann plädiert daher für eine Abkehr von der intuitiven Bestimmung und strukturalistischen Kategorisierung von Sinnrelationen und stattdessen für empirisch fundierte und korpusbasierte Analysen von Sinnrelationen im Sprachgebrauch. Das bedeutet auch, dass Synonyme nicht ausschließlich über die Konsultation entsprechender Wörterbücher ermittelt werden sollten. 2.1.4.3 Katachrese und Markiertheit von Fremdwörtern Onomasiologische Konkurrenz zwischen einem fremden und einem nativen Lexem kann danach unterschieden werden, ob die Neuheit des Konzepts mit der Neuheit des exogenen Zeichens (also dem Entlehnungszeitpunkt) zusammentrifft oder nicht: 1. Ein Konzept wird erstmals durch die entlehnte Innovation versprachlicht, bevor ein weiteres (natives) Lexem hinzutritt, das die Lexemkonkurrenz auslöst. Vereinfacht könnte man sagen, Sache und Wort werden gemeinsam übernommen. Die Entlehnung füllt eine lexikalische Lücke, es handelt sich um eine Wortschatzerweiterung. 2. Die Lexemkonkurrenz tritt sofort mit der Entlehnung ein, da das Konzept bereits zuvor durch ein anderes Lexem versprachlicht wurde. Bei der Entlehnung handelt es sich um eine Erweiterung der Ausdrucksmöglichkeiten der ZS.
ZS-Zeichen ZS-Zeichen 1 (exogen) 1(exogen)
KONZEPT KONZEPT
ZS-Zeichen ZS-Zeichen11(endogen) (endogen)
KONZEPT KONZEPT
Eintritt Lexemkonkurrenz ZS-Zeichen (exogen) ZS-Zeichen (exogen) 22
ZS-Zeichen ZS-Zeichen 2 (endogen) 2(endogen) Bedürfnisentlehnung
Luxusentlehnung Zeit
Abbildung 5: Schematische Darstellung von Lexemkonkurrenz bei Bedürfnis- und Luxusentlehnung.
Der erste Fall wird in der traditionellen Entlehnungsforschung als Bedürfnislehnwort (ital. prestito di necessità), der zweite Fall als Luxuslehnwort (prestito di lusso) bezeichnet.57 Diese Terminologie geht vermutlich auf eine Studie des
57 Im Unterscheid zur Luxusentlehnung kommt die Bedürfnisentlehnung selbstverständlich auch ohne Lexemkonkurrenz vor, wenn also das entlehnte Lexem in keinem Synonymieverhältnis steht.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
43
Schweizers Ernst Tappolet zurück.58 Die Kategorisierung des äußeren Lehnguts in Bedürfnis- und Luxuslehnwörter – in der englischsprachigen Literatur wird von cultural borrowings und core borrowings (Myers-Scotton 2002) gesprochen – wird nicht nur innerhalb der Entlehnungsforschung (cf. u.a. Haspelmath 2009), sondern auch in der kognitiven Linguistik als relevant eingestuft (Zenner et al. 2012). Während Bedürfnislehnwörter eher für den Fachwortschatz als für den Kernwortschatz typisch sind (Winter-Froemel 2011, 301) bzw. für Sachbereiche, in denen die Kultur der AS einen technologischen Vorsprung hat, gehören Luxuslehnwörter eher dem Grundwortschatz an (223–224). Zenner et al. (2012) postulieren, dass sich die onomasiologische Variation im Falle der Bedürfnisentlehnung durch semantische Nähe auszeichnet, im Falle der Luxusentlehnung durch größere semantische Differenzierung.59 Allerdings erscheint die Kategorisierung – vermutlich nicht zuletzt aufgrund ihrer wertenden Terminologie – häufig mit puristischem Unterton. Im Fremdwortpurismus wird die Kategorisierung häufig dann verwendet, wenn die Ersetzung «überflüssiger» Luxuslehnwörter gefordert wird. Innerhalb der deskriptiven Linguistik wurde die Fundiertheit der Unterscheidung dadurch in Zweifel gezogen, dass Entlehnungen auch bei Bezeichnungslücken weder zwingend seien60 noch «nutzlos», wenn für sie bereits andere Ausdrücke existieren:61 La divisione è comoda, pratica, ma pecca di semplicismo; infatti la necessità in senso assoluto di un prestito non esiste; ogni lingua possiede i mezzi per indicare nuovi oggetti o nuovi concetti senza ricorrere a parole straniere, tant’è vero che se il francese ha accolto la voce tomate (di origine azteca), l’italiano per denominare lo stesso prodotto ha preferito
58 Tappolet (1913); cf. Migliorini, der allerdings von einer «distinzione [...] antichissima» (1990, 100) spricht, die bereits von Cicero erkannt worden sei. 59 «For necessary anglicisms (which fill a lexical gap), receptor language synonyms are mainly introduced as an alternative to the anglicism and hence mainly serve the purpose of allowing language users to avoid using foreign material. As a result, these are usually semantically very similar to the anglicism. For luxury anglicisms, where the anglicism serves as an additional lexicalization of a concept, this reasoning does not hold and hence, more semantic differences between the anglicism and other lexicalizations can be expected» (2012, 761). 60 Winter-Froemel (2011, 302–304); Haspelmath (2009, 46). In der Argumentation von Zoppetti (2017, 48): «I cosiddetti ‹prestiti di necessità› non hanno alcun fondamento, né logico né storico. Davanti a un termine che non c’è, oltre a importare un forestierismo senza adattamento è possibile: creare un neologismo (come pomodoro), italianizzare (come rivoltella sul calco di revolver), o ancora usare una parola già esistente ampliandola di nuovi significati (navigare indica oggi non solo l’andar per mare, ma anche l’andare in Rete)». 61 Im Übrigen hat darauf bereits Tappolet (1913, 56) hingewiesen: «Wenn auch anscheinend ein ‹Luxus› vom onomasiologischen Standpunkt aus, sind sie natürlich keineswegs überflüssig, denn sie entsprechen einem außerordentlich wichtigen Bedürfnis, dem Affekt».
44
2 Theoretische und historische Grundlagen
servirsi della perifrasi pomodoro. Viceversa non tutti i prestiti di lusso sono assolutamente «inutili», in quanto spesso la voce straniera può contenere delle sfumature diverse da quelle della parola indigena (Zolli 1991, 3).
Winter-Froemel argumentiert dafür, die traditionelle Kategorisierung weiterzuentwickeln und dabei die Blickrichtung weg vom äußeren Lehngut auf lexikalische Innovationen im Allgemeinen zu richten. Dafür schlägt sie den Begriff der «Katachrese»62 vor und unterscheidet zwischen katachrestischen Innovationen (ohne Synonyme) und nichtkatachrestischen Innovationen mit mindestens einem lexikalisierten Alternativausdruck (cf. 2011, Kap. 12). Als Kriterium der Differenzierung gelte nicht «Notwendigkeit», sondern die Frage: «Gibt es in der betrachteten Sprache eine alternative, lexikalisierte Bezeichnung neben der Innovation für das jeweils auszudrückende Konzept?» (309). Zur Bestimmung ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Innovation eine andere ZS-Bezeichnung für das entsprechende Konzept vorlag (315). Zudem sollten aber auch spätere Sprachzustände berücksichtigt werden, denn prinzipiell kann eine katachrestische Entlehnung ihren Status jederzeit verlieren, wenn eine synonyme Innovation im Sprachgebrauch erscheint, mit der sie in Lexemkonkurrenz tritt. Daher kann der katachrestische Status eines Lexems nur für spezifische Zeiträume bzw. für spezifische Korpora bestimmt werden. Eindeutiger fällt die Feststellung des Status für den Entlehnungszeitpunkt aus, wobei es von der Dokumentationslage abhängt, ob bestimmbar ist, dass native Lexeme in historischen Texten synonym verwendet wurden. Kommt es zur Verdrängung einer nichtkatachrestischen Innovation, spricht Winter-Froemel von «reduktivem Wandel» (309, Fn. 18). Wird dagegen eine katachrestische Innovation nicht mehr verwendet, entfällt die Versprachlichung des entsprechenden Konzepts gänzlich. Bezogen auf den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung – der sprachkontaktinduzierten Lexemkonkurrenz in der italienischen Pressesprache von 1920 bis 1970 –, ist zu erwarten, dass viele Fremdwörter aufgrund puristischer Kampagnen zumindest zeitweise durch native Ersetzungen kontrastiert wurden und somit nichtkatachrestisch wurden. Beispielsweise handelte es sich bei ital. recordman als einziger Bezeichnung für das Konzept REKORDHALTER zum Entlehnungszeitpunkt zunächst um ein katachrestisches Fremdwort. Es verlor diesen Status jedoch
62 Der in der klassischen Rhetorik für eine Metapher steht, für die kein uneigentlicher Ausdruck existiert. Cf. MLS (2016): «Verfahren der Bez. von Dingen, für die es keine eigene Benennung gibt, durch das, was dem Gemeinten am nächsten kommt. Die K. ist das sprachl. Prinzip sog. Alltagsmetaphern (Buchrücken) und lexikalischer Metaphern (Hüter des Gesetzes)».
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
45
durch die spätere Innovation primatista, mit der recordman im Italienischen seitdem koexistiert (cf. 4.9.3).63 Die pragmatisch-semantischen Unterschiede zwischen katachrestischen und nichtkatachrestischen Innovationen versucht Winter-Froemel (2011, 309–313; cf. auch 2014, 94) mithilfe der Theorie der generalisierten konversationellen Implikaturen von Stephen C. Levinson zu erfassen (Levinson 2000). Levinson unterscheidet drei Formen von Heuristiken, die pragmatische Inferenzen (Implikaturen) auslösen. Die Q-Heuristik (quantity) besagt, dass die Realisierung eines bestimmten sprachlichen Zeichens bei Vorliegen von alternativen Zeichen impliziert, dass diese (anderen) nicht zutreffen («For the relevant salient alternates, what isn’t said, is not the case», 36). Die I-Heuristik (informativity) geht davon aus, dass einfache und knappe Äußerungen gewöhnlich und stereotyp interpretiert werden («minimal specifications get maximally informative or stereotypical interpretations», 37). Die M-Heuristik (markedness) schließlich besagt, das markierte Äußerungen zu ungewöhnlichen Interpretationen führen («What’s said in an abnormal way isn’t normal», 38). Levinson (2000) wendet die I- und die M-Implikatur u.a. auf registerübergreifende lexikalische Dubletten («[c]ross-register doublets», 139) und auf Paraphrasierungen gegenüber lexikalisierten Ausdrücken an und postuliert, dass lexikalische Dubletten meist über einen üblichen, unmarkierten Ausdruck und einen markierten, ungewöhnlicheren (innovativen) Ausdruck verfügen.64 Dieses Postulat lässt sich auch auf die hier betrachtete sprachkontaktinduzierte Lexemkonkurrenz übertragen. Winter-Froemel (2011, 312–313) zufolge handelt es sich bei nichtkatachrestischen Innovationen um markierte Formen, die die M-Implikatur auslösten, da sie gegenüber den bereits zur Verfügung stehenden Ausdrücken eine Abweichung darstellen (als Innovationen und
63 Bezüglich der drei möglichen Formen, wie ein Lehnwort sich in den ZS-Wortschatz einfügen kann – Wortschatzerweiterung, Ersetzung nativer Ausdrücke und Koexistenz –, kommt Haspelmath (2009, 49) zu der Annahme, «[o]bviously, insertion refers to cultural borrowings [entspricht der katachrestischen Entlehnung, GS], while replacement and coexistence refer to core borrowings [nichtkatachrestische Entlehnung, GS]». 64 «[M]arked forms, in comparison to corresponding unmarked forms, are more morphologically complex and less lexicalized, more prolix or periphrastic, less frequent or usual, and less neutral in register. On the meaning side, such forms suggest some additional meaning or connotation absent from the corresponding unmarked forms» (137). Cf. aber Haspelmath (2006), der dafür plädiert, die Kategorie Markiertheit in der Linguistik aufzugeben und die damit beschriebenen Phänomene stärker zu differenzieren. So werde der Begriff Markierung u.a. auf phonologische Länge, morphologische Komplexität, overte Kodierung, sprachliche oder sachliche Seltenheit angewandt, die spezifischer beschrieben werden sollten. Die «Markiertheit» sprachlicher Zeichen könne in den meisten Fällen mit ihrer (relativ geringeren) Gebrauchsfrequenz und ihrem (relativ höheren) Verarbeitungsaufwand erklärt werden.
46
2 Theoretische und historische Grundlagen
zumal, wenn sie strukturelle Fremdheitsmerkmale tragen). Als Beispiel nennt sie ital. killer gegenüber den nativen Lexemen assassino und sicario. Die Verwendung von nichtkatachrestischen Entlehnungen könne daher «ein Abgrenzen vom bisherigen Sprachgebrauch und von bestimmten Gruppen bzw. gerade eine Anlehnung an bestimmte (andere) Gruppen signalisieren, oder generell einen Versuch, kommunikativ aufzufallen und die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu steigern» (312). Die Markiertheit nichtkatachrestischer Innovationen würde durch Kontrastwirkung noch gesteigert, wenn sie zusätzlich zu ihrer nativen Entsprechung in ein- und derselben Äußerung verwendet würden (WinterFroemel 2014, 94).65 Tatsächlich sind solche stilistischen Alternationen typisch in der Pressesprache. Im Unterschied dazu lösten katachrestische Entlehnungen angesichts der fehlenden lexikalischen Alternative keine M-Implikatur66 aus und stellten sich als unmarkiert dar, z.B. ital. computer. Pragmatische Effekte entstünden bei ihnen allenfalls, wenn an ihrer Stelle ungewöhnliche bzw. nicht-lexikalisierte Paraphrasen verwendet würden (312).67 Im Fall von ital. computer könnte ein solcher Effekt für die Umschreibung calcolatore elettronico zutreffen. Damit bietet die Theorie der generalisierten konversationellen Implikaturen Erklärungsansätze für pragmatische Effekte bei lexikalischen Innovationen wie Fremdwörtern und für stilistisch-expressive Oppositionen (siehe 2.1.4.2) bei onomasiologischer Lexemkonkurrenz. Die pragmatischen Effekte, die die Verwendung nichtkatachrestischer Fremdwörter mit sich bringt, könnten Teil einer Erklärung sein, warum sie innerhalb des puristischen Diskurses häufig besonders in der Kritik stehen.
65 Zugleich betont Winter-Froemel, dass sich die pragmatischen Effekte nichtkatachrestischen Innovationen und formal markierten Formen relativ schnell abnutzen, wenn die Formen häufig verwendet würden (488). 66 Allenfalls I-Implikaturen, «da dem Konzept selbst im Kontext einer katachrestischen Innovationen [sic] häufig zunächst nur eine begrenzte Verbreitung in der entsprechenden (Ziel-)Sprachund Kulturgemeinschaft zukommt (es handelt sich um ein neues, noch kaum etabliertes Konzept, für das daher – im Bereich der ZS – auch kein Prototyp/Stereotyp etabliert ist)» (312). 67 Gestützt wird diese These durch die Beobachtung, dass puristische Ersetzungsvorschläge mitunter parodistische Effekte auslösen können, sofern sie noch nicht lexikalisiert sind, cf. die Ersetzungsvorschläge für ital. cocktail: misto di liquori und coda di gallo (Palazzi 1939). Hierzu ließe sich ergänzen, dass sämtliche nicht lexikalisierten Ersetzungsvorschläge, Neologismen also, die sich nicht im Sprachgebrauch etablieren konnten, solche Effekte auslösen, cf. die ebenfalls für ital. cocktail vorgeschlagenen Ersetzungen arlecchino, zozza, misce, mistura und die Assimilationen coctel und coccotello; cf. 2.1.5.4.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
47
2.1.4.4 Faktoren für die Bevorzugung fremder versus nativer Bezeichnungsalternativen Die Existenz eigen- und fremdsprachlicher Ausdrucksvarianten wirft die Frage auf, welche Faktoren zur Bevorzugung der einen oder anderen Variante im Sprachgebrauch beitragen. Als primäre Maxime des Sprachgebrauchs kann die Konservierung und die Orientierung an sprachlichen Konventionen gelten, durch die Innovationen begrenzt bleiben (cf. die dynamischen vs. statischen Maximen bei Keller 2003), da die Kommunikation ansonsten permanent behindert würde. Katachrestische Fremdwörter sind daher im Vorteil, wenn native Entsprechungen mit ihnen in Konkurrenz treten, da sich diese zunächst erst gegen den bereits etablierten Sprachgebrauch durchsetzen müssen.68 Der Vorteil wird allerdings geringer ausfallen, wenn die native Innovation aufkommt, bevor das Lehnwort weite Verbreitung erlangt hat. Die Dauer der katachrestischen Phase kann daher beeinflussen, ob die Ersetzung der Entlehnung gehemmt wird. Je mehr sich ein Fremdwort während dieser Phase verbreiten konnte, desto größer dürfte der Widerstand gegenüber seiner Ersetzung sein. Sozialer Druck und kulturelle Konvention sind dagegen Faktoren, die nach der Meinung von Haspelmath die Ausbreitung von Fremdwörtern verhindern können: When many people know a concept by a certain word but not by another word, even if the better-known word belongs to another language, it becomes more efficient to use the better-known word. This efficiency consideration can be overridden if there is a strong cultural convention in the community to use one’s language as a marker of ethnic identity (Haspelmath 2009, 47, er nennt hierfür das Beispiel der französischen Sprachpolitik).
Als wichtiger Faktor wird Sprachökonomie angesehen (siehe die Literaturauswertung in Winter-Froemel 2011, 299–300). Häufig haben Lehnwörter, insbesondere Anglizismen, den Vorteil der phonetischen Kürze gegenüber nativen Lexemen. Allerdings steht ihnen mitunter der Nachteil der phonologischen Komplexität, etwa durch nichtnative Phonemkombinationen, gegenüber. Ein weiteres Argument, warum Sprachökonomie ein weniger wichtiger Faktor bei der Sprecherentscheidung für oder gegen ein Fremdwort sein könnte, ist, dass komplexe Ausdrücke für häufige Konzepte oft gekürzt werden (Haspelmath 2009, 46), etwa durch Ellipsen, unabhängig davon, ob diese Ausdrücke entlehnt oder ZS-intern gebildet sind, z.B. im Italienischen bei night für ursprünglich night club oder bei angolo für calcio d’angolo. Ist ein Lexem also erst einmal verbreitet und kann ggf. phonologisch vereinfacht oder durch Ellipse gekürzt werden, stellt sich die Frage seiner Ersetzung aus sprachökonomischen Gründen offenbar weniger.
68 Fanfani (2011g, 220) spricht von «termini-simbolo, dotati di quel valore aggiunto o di quella attrattiva che spesso sono stati alla base della loro assunzione».
48
2 Theoretische und historische Grundlagen
Für den Gebrauch nativer Bezeichnungen spricht, dass sie strukturell stärker in die Kerngrammatik integriert und kognitiv besser verankert sind: Während Lehnwörter als so genannte ‘verwaiste Wörter’ isoliert stehen, schließen sich Lehnübersetzungen und unabhängige Eigenbildungen an vorhandene Wortfamilien und Bezeichnungsstrukturen an. Auf diese Weise entstehen motivierte Wortschatzeinheiten, die für den Einsprachigen in Kommunikation und Kognition grundlegende Vorteile gegenüber den undurchsichtigen Lehnwörtern besitzen: Sie entlasten nicht nur das Gedächtnis, sondern ermöglichen häufig auch ohne Kenntnis der Vokabel ein grobes Vorverständnis des Bezeichneten (Jansen 2005, 335).
Auch Winter-Froemel betont die «grundsätzliche Motivierbarkeit durch die jeweiligen Ausgangsformen und -bedeutungen» von nativen Lexemen (Winter-Froemel 2011, 299), sieht darin aber auch einen potenziellen Nachteil, da gerade die Undurchsichtigkeit und das Fehlen von Motiviertheit bei Lehnwörtern einen Vorteil darstellen könnten (ebd.). Damit wird auf die verhüllende bzw. euphemisierende Funktion von Lehnwörtern verwiesen, im Italienischen etwa bei night (club) gegenüber locale notturno oder bei welfare state gegenüber stato assistenziale. Einen grundsätzlichen Vorteil sieht Jansen (2005, 335–336) bei nativen Bezeichnungen, die eine Metapher wiedergeben und somit deutlich expressiver als das entsprechende synonyme Lehnwort seien. Im Fall französischer und spanischer Internettermini aus dem Englischen erkennt sie eine «Tendenz, metaphorische Bezeichnungen wörtlich zu übersetzen, nicht metaphorische Ausdrücke dagegen als Lehnwörter zu übernehmen» (337). Fanfani betont den stilistisch-expressiven Mehrwert nichtkatachrestischer Fremdwörter gegenüber ihren nativen Konkurrenten, der sie auch zur Markierung der sozialen Gruppenzugehörigkeit funktionalisiert: [l]’aspetto forestiero [...] li rende ricercati e vivi negli ambienti in cui circolano, anche se impedisce loro di calarsi completamente nella lingua comune. [...] E se per caso vanno integrandosi, non è raro che compiano dei salti a ritroso, per raccostarsi al modello originario. / Si capisce che prestiti di questo tipo finiscan presto per attirarsi addosso, proprio per la loro esibita e perentoria appariscenza forestiera, gli strali del purismo più ingenuo. Ma devono la loro caduta, quando escon di scena, non agli sforzi dei loro detrattori, ma all’appannarsi della voga che li sostenne, all’emergere di nuove esigenze e abitudini, o alla concorrenza di nuovi prestiti più piacevoli e freschi (2011g, 220–221).
Die Beobachtung, dass onomasiologische Konkurrenz nicht nur ein vorübergehendes Phänomen des Sprachwandels ist, sondern in manchen Fällen auch andauert (in WOLD liegt der Anteil bei etwa 20% aller sprachkontaktinduzierten Innovationen, cf. Fußnote 48), legt nah, dass sie vielfach kein «Unfall» ist, sondern eine Funktion erfüllt. Dazu dürften insbesondere semantische Differenzierung und sprachliche Kreativität im Sinne der dynamischen Redemaximen zählen sowie verschiedene pragmatische Effekte, die über die onomasiologische Opposi-
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
49
tionen zwischen innovativ vs. bewährt, fremd vs. nativ, expressiv vs. neutral etc. erreicht werden. Somit ist Ausdrucksvarianz ein konstantes lexikalisches Phänomen, das «die Einführung und Verwendung von Entlehnungen grundsätzlich motiviert, ohne dass damit zugleich eine Entscheidung gegen konkurrierende Bezeichnungsalternativen getroffen wird» (Winter-Froemel 2011, 300). Funktional ist die Ausdrucksvarianz beispielsweise bei emotional besetzten bzw. tabuisierten Konzepten, die einen «ständigen Druck zur Neuversprachlichung» auslösen (Blank 1997, 351): it seems that synonyms are particularly frequent in areas which are in some way emotionally or socially sensitive for human beings, and where there is hence a special need to tailor language precisely to context, especially in its non-propositional aspects. [...] Synonym clusters covering taboo areas are remarkable in the high proportion of propositional synoynyms they contain; clusters in non-taboo areas tend to consist mainly of plesionyms (Cruse 2002, 495).
Eine überdurchschnittliche Fremdwortfrequenz ist typisch für bestimmte Register, beispielsweise die Jugend-, Werbe- und Pressesprache, die Fremdwörter – je nach kommunikativem Ziel – für so unterschiedliche Funktionen wie Aufmerksamkeitssteigerung, Abgrenzung, Verhüllung, Auf- bzw. Abwertung, aber auch zur möglichst differenzierten Denotation, etwa durch Synonymcluster69 nutzen. Die Mediensprache zählt dabei zu den Registern, die sich dabei auch durch besonders starke Ausdrucksvarianz auszeichnen. Synonyme – darunter häufig Neologismen – werden hier eingesetzt, um Wiederholungen zu vermeiden, stilistisch zu variieren und damit die Aufmerksamkeit des Lesers aufrecht zu erhalten. Dagegen meiden andere Register Synonymie zum Zweck größerer Eindeutigkeit und Genauigkeit, wie etwa die Wissenschaftssprache.
2.1.5 Fremdwortpurismus und Substitution [...] forse la fatica non può essere, in questo spinoso problema, cura di un singolo, per competente che sia; ma frutto di una disamina dalla quale nascano vocaboli disparati, i quali, cominciando a vivere per proprio conto, compaiono ufficialmente nell’uso (scritto
69 Solche in Zeitungstexten häufig erscheinenden koordinierenden Kombinationen gruppieren «mehrere bedeutungsähnliche Wörter, um auf ein gemeinsames komplexeres, zusammenwirkendes Konzept zu referieren. Eine solche Struktur ist äußerst ökonomisch, wenn viele Informationen übermittelt werden sollen und dabei alle möglichen semantischen Unterschiede zwischen zwei oder mehreren Synonymausdrücken bewusst kontextuell einbezogen werden sollen. Sprecher/innen signalisieren damit semantische Inklusion und Vollständigkeit» (Storjohann 2015, 262).
50
2 Theoretische und historische Grundlagen
e orale) e facciano tra di loro una brava battaglia. È dimostrato che se c’è in essi vitalità, questa si affermerà comunque decisamente soltanto per virtù naturali di simpatia. Non dimentichiamo che la parola è un atto magico e che sta a noi darle il suo volo e il suo scopo.70
2.1.5.1 Grundzüge des Fremdwortpurismus In der Geschichte vieler moderner Ausbausprachen sind zeitweise fremdwortpuristische Strömungen zu verzeichnen, die anhand einer spezifischen idealisierten Sprachnorm den Abbau sprachlicher Fremdheit durch Ersetzung oder Tilgung von Fremdwörtern fordern. Purismus ist ein universell und weltweit auftretendes Phänomen in Sprachgemeinschaften, das in seiner jeweiligen Ausprägung jedoch recht unterschiedliche Ziele verfolgen kann (Thomas 1991, 195–196). Dies kann auf das diffuse Konzept sprachlicher «Reinheit» zurückgeführt werden, die letztlich von allen puristischen Bewegungen angestrebt wird, wenngleich sie sie unterschiedlich definieren (Langer/Nesse 2012, 609–611). Als prototypische puristische Orientierung gilt der Fremdwortpurismus (Thomas 1991, 81, bei ihm als «xenophobic purism» bezeichnet), jedoch kann sich Purismus auch gegen andere, nicht oder nicht mehr als normgerecht anerkannte Erscheinungen in der ZS, wie Dialektismen, Kolloquialismen oder bestimmte syntaktische Konstruktionen, grammatische Verwendungen etc. wenden. Während das puristische Ziel also an die jeweilige Orientierung und Ideologie gebunden ist – so sind beispielsweise Dialektismen im Fremdwortpurismus mitunter willkommene Ersetzungen für Fremdwörter (cf. van der Sijs 2004, 17) –, kennzeichnet alle puristischen Strömungen the manifestation of a desire on the part of a speech community (or some section of it) to preserve a language from, or rid it of, putative foreign elements or other elements held to be undesirable (including those originating in dialects, sociolects and styles of the same language). It may be directed at all linguistic levels but primarily the lexicon. Above all, purism is an aspect of the codification, cultivation and planning of standard languages (Thomas 1991, 12; zu den unterschiedlichen Formen von Purismus 75–83).
Aus soziolinguistischer Perspektive wird Purismus meist als Teil der Korpusplanung einer Sprache verstanden (McColl Millar 2005, 100–112). Je nach Ausrichtung
70 Aus einer Rezension zu Giovanni Sassis Ersetzungswörterbuch Siamo italiani! Dizionarietto con traduzione in lingua italiana dei termini stranieri usati nel parlare e nello scrivere di diporti von 1927, in Il Littorale 24/03/1932, 3. Der Autor («morgante») führt den geringen Erfolg des Ersetzungswörterbuchs auf das bereits im Titel verwendete Ersatzwort diportivo zurück: «Quel ‹diporto› e quel ‹diportivo› [...] gli alienarono irrimediabilmente le simpatie [...] e invece di sradicarvi il termine ‹sportivo› ve lo ha confitto un po’ più» (ebd.).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
51
und Institutionalität lässt er sich als Teil der Sprachpolitik, Sprachkultivierung bzw. Sprachpflege, Sprachkritik, Sprachmanagement oder als Teil von politisch korrekter Sprache analysieren (zur Abgrenzung dieser Begriffe cf. Marten 2016). Purismus setzt einen fortgeschrittenen Standardisierungsprozess der betreffenden Sprache voraus: «since it has to be established first what the norm or standard is or should be before it can be determined what is a deviation from that norm – and that is what purism is all about» (van der Sijs 2004, 1). Typische Ausgangssituationen, in denen Purismus eine Rolle spielt, sind laut Thomas (1991, 115–134) Aushandlungsprozesse um Standardisierung, Sprachkontakt und Variation. Zudem tritt er häufig im Prozess der Nationen- und Staatenbildung sowie als Begleiterscheinung nationalistischer Bewegungen in Erscheinung: Purism is closely connected with constitutional development – the birth of new nations led to the emergence of national languages (and minority languages) on the one hand, and on the other to a growing feeling of nationalism that was accompanied by purism. In large-scale political revolutions, purism is sometimes used as one of the instruments with which to break with the past (van der Sijs 2004, 1). Since nationalism is the dominant component of the puristic mind-set, it follows that purism is particularly intense at times of heightened national consciousness. Purism is a response to a dilemma whether to assimilate or reject certain elements marked as somehow ‘non-native’. This dilemma is brought into focus by a widespread perception in the speech community that the autonomy, prestige or unity of the native language are threatened in some way. The origin of this threat may be perceived as external or internal, or both combined (Thomas 1991, 189).
In Europa bildete sich im Zusammenhang mit der Nationen- und Staatenbildung im 18. und 19. Jahrhundert ein defensiver Purismus heraus: «As one element in the struggle for life of the nation, as proof of the individual powers of expression, the ‘threatened’ nation came to reject words from the language of a more dominant nation» (von der Sijs 2004, 3–4). Dieser historische Purismus richtete sich besonders gegen den Einfluss des Französischen, u.a. im Deutschen, Niederländischen, Schwedischen und Italienischen. Dagegen dienten die klassischen Sprachen Latein und Griechisch den meisten europäischen Sprachen über Jahrhunderte als lexikalisches Reservoir (cf. Langer/Nesse 2012, 618), dem kaum Widerstand entgegen gebracht wurde, was möglicherweise auch damit zusammenhängt, dass in einer gelehrten (Verkehrs-)Sprache, hinter der keine nationalpolitische Macht steht, keine sprachliche «Gefahr» mehr gesehen wird. Thomas postuliert, dass Purismus ohne Nationalismus kaum denkbar sei, nationalistische Bewegungen umgekehrt jedoch nicht zwangsläufig an sprachlichen Purismus geknüpft seien: Not only do periods of strong national sentiment tend to co-occur with purism, but where associated with xenophobia they almost invariably share the same targets. While there
52
2 Theoretische und historische Grundlagen
are such languages as English and Polish, where national fervour and pronounced xenophobia did not on the whole lead to a puristic movement, it is hard to think of an instance of purism which is not motivated by some form of cultural or political nationalism (Thomas 1991, 43).
Während Eisenberg (2018) den Fremdwortpurismus überwiegend «als Reflex politischer Ereignisse» versteht, dem eine allgemeine Ablehnung des Fremden und ein «Denken in genetischen Kategorien» zugrunde liege (130),71 ist der (nach außen oder innen gerichtete) Purismus bei Thomas (1991) «clearly identified with an identity crisis within the intelligentsia» (127). Daher sei die intellektuelle Elite auch Hauptakteur von puristischen Kampagnen (113–114).72 Purismus und Nationalismus stimmten dabei sowohl bezüglich ihrer Unzufriedenheit mit dem Status quo (138) als auch in ihren Bewältigungsstrategien überein: «both nationalism and purism with their stressing of solidarity, the search for roots and purification of extraneous corruption influences provide a means for rescuing the intelligentsia from deracination» (138). Kollektive puristische Aktivitäten können damit als ein Versuch interpretiert werden, die Einheit der Gesellschaft zu stärken, unterschiedliche Bildungsschichten einander anzunähern und bestimmte nationale Werte und Verhältnisse zu stabilisieren (ebd., cf. auch 50–51). Obwohl der Fremdwortpurismus meist sozial-politische Motive verfolge, bemühten sich seine Akteure um eher sprachinterne Begründungen, meint Eisenberg: Ein Kampf gegen Wörter, der diese Wörter nur an ihrer Fremdheit misst, setzt das Eigene absolut. Jeder Fremdwortpurismus ist in Gefahr, so zu verfahren, aber fast jeder versucht, andere als nationalistische Gründe für sein Anliegen glaubhaft zu machen. Besonders naheliegend ist, eine Sprache im Interesse ihrer Sprecher vor den fremden Wörtern zu schützen,
71 114. Andere Autoren argumentieren vorsichtiger: Die These, Fremdwortdiskussionen seien eine Facette von politischem Nationalismus, hält MLS (2016) für wissenschaftlich nicht haltbar: «gerade eine F[remdwortdiskussion] in der Bürgergesellschaft kann die Fremdwortfrage nationalist[ischen] und rechtsradikalen Kreisen als Thema entziehen» (s.v. Fremdwortdiskussion). Der puristischen Ablehnung des «Fremden an sich» kann zudem entgegengehalten werden, dass sich der Purismus «as a rule» nie gegen sämtliche fremde Einflüsse richte (Langer/ Nesse 2012, 612–613; van der Sijs 2004, 17), sondern gegen ein jeweils spezielles Fremdes; so bediente sich das Türkische zur Bekämpfung arabischer und persischer Lehnwörter vielfach der Neuentlehnung aus dem Französischen (ebd.). 72 Dies kann wohl auch für die über Jahrhunderte immer wieder aufflammende Questione della lingua in Italien gelten, wie Antonio Gramsci 1935 notierte: «Ogni volta che affiora, in un modo o nell’altro, la quistione della lingua, signfica che si sta imponendo una serie di altri problemi: la formazione e l’allargamento della classe dirigente, la necessità di stabilire rapportii più intimi e sicuri tra i gruppi dirigenti e la massa popolare-nazionale, cioè di riorganizzare l’egemonia culturale» (1975, 2346).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
53
wenn durch ihre Verwendung die Sprachverständlichkeit beeinträchtigt wird. Für Unverständlichkeit kann wieder eine Reihe von Ursachen geltend gemacht werden, als deren gravierendste eine Zerstörung der Sprache anzusehen wäre (122).
Neben dem Argument, Fremdwörter trügen zur sprachlichen Unverständlichkeit bei, werden häufig auch ästhetische Gründe als Rechtfertigung puristischer Intervention angegeben (Thomas 1991, 139–144). Als bedeutsamer beurteilt Thomas allerdings die sozialen Funktionen von Purismus – Solidarität, Abgrenzung und Prestige (53–59). Solidarität ziele auf die Überwindung sprachlicher und sozialer Spaltungen, die mit dem Gebrauch von Dialekten und Fremdwörtern assoziiert werden, Abgrenzung diene dem Erhalt der als bedroht wahrgenommenen sprachlichen Autonomie, insbesondere gegenüber verwandten Sprachen, Prestige entspricht der (Wieder-)Herstellung von Ansehen, das durch die Annäherung an ein Sprachideal erreicht werden soll, das oft in der Vergangenheit liegt. Nach van der Sijs ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Westeuropa eine Abwendung vom radikalen Purismus und eine Hinwendung zur Sprachpflege zu beobachten: It came to be generally recognized that repressing foreign words has its limitations, that language is a living and changing phenomenon, and that loan words are either accepted and naturalized or rejected and replaced by translations or new words. People realized that this is a natural process, which can not or hardly at all be controlled (2004, 7).
Das entspricht dem von Thomas skizzierten, «entspannteren» Purismus in Sprachen, deren Standardisierung abgeschlossen ist (1991, 121–122). Im Rahmen von Sprachkritik beschäftigt der Gebrauch von Fremdwörtern die Öffentlichkeit dennoch auch in der Gegenwart regelmäßig, derzeit vorrangig als Anglizismenkritik. Dabei ist zu beobachten, dass die Themen Sprachwandel, Sprachpflege und Sprachverfall «von einer gewissen Asymmetrie in der Beteiligung sprachinteressierter linguistischer Laien auf der einen Seite und der Sprachwissenschaft auf der anderen Seite gekennzeichnet» seien (Plewnia/Witt 2014, 8). Hinzu kommt, dass Purismus lange Zeit nicht als sprachwissenschaftlicher Gegenstand betrachtet wurde: «the historicists, on the one hand, simply ignored it, while the descriptivists, on the other, explicitly excluded it from the canon of linguistics. Purism was reduced to being treated as an extralinguistic factor or, worse, as an inadmissible approach to language» (Thomas 1991, 5). Der laienlinguistische Purismus ist dagegen von der Leichtigkeit beeinflusst, mit der Fremdwörter in einer ZS ohne linguistische Vorkenntnisse erkannt werden können, und von der Leichtfertigkeit, sie als Index fremder Werte und Kulturen zu interpretieren: «Loanwords provide an obvious target for purism, for a variety of reasons. Foreign languages may stand for, or index, certain norms and values that are deemed alien or incompatible with the norms and values
54
2 Theoretische und historische Grundlagen
associated with the native language» (Backus 2014, 25). Die konnotative Aufladung des Fremdwortgebrauchs kann daher sehr weitreichend sein, wie etwa Leserbriefe zeigen, die der Verwendung von Anglizismen im Deutschen zu Beginn der 1980er Jahre «Duckmäusertum, Unterwürfigkeit, Anbiederung (bei Siegermächten), Bequemlichkeit, Imponiergehabe oder de[n] Willen zur sprachlichen Verschleierung» zuschrieben (Eisenberg 2018, 9). Zur besseren Analyse puristischer Intervention hat Thomas (1991, 84–99) ein Prozessmodell aufgestellt, das er in acht diskrete Stufen gliedert (cf. Abb. 6). Davon sind die ersten beiden Stufen Minimalbestandteile: «recognition of need»73 bezieht sich auf die Annahme, dass eine Sprache aufgrund bestimmter unerwünschter Merkmale oder Entwicklungen der puristischen Intervention bedürfe, «identification of targets» auf die Bestimmung unerwünschter bzw. wünschenswerter Elemente, die sich in den meisten Formen von Purismus auf bestimmte Lexien beziehen (201). Die folgenden Schritte verlaufen relativ frei und fakultativ: «censorship» verbietet die unerwünschten Elemente explizit oder implizit,74 «eradication» zielt zusätzlich auf ihre Auslöschung, «prevention» beschreibt den Akt des präventiven Eingreifens, bevor sich Neologismen für neue Konzepte spontan verbreiten können, meist mittels eigener terminologischer Vorschläge. Die Substitution («replacement»), also die Bildung bzw. Auswahl konkreter Ersatzelemente ist zentral für den aktiven Purismus. Die Intensität des Purismus kann nicht nur über die Anzahl der erwähnten Maßnahmen, sondern auch über die Qualität der Ersetzungsvorschläge bestimmt werden: Dienen auch Internationalismen oder Lehnprägungen als zulässige Ersetzungen für Fremdwörter, was für eine schwache Ausprägung spricht, oder nur Archaismen und Dialektismen, was eine radikalere Form des Purismus nahelegt (173)? Erfolgreich
73 «It is not only essential that purists themselves recognise the need for purism, the fact must also be communicated to their compatriots. An important aspect of puristic activity, therefore, is the propagation of ideas about the deficencies and threats to the well-being of the native language. [...] Despite the different literary traditions and national characteristics with which they are imbued, these apologias have a remarkable stylistic and textual consistency» (Thomas 1991, 85). 74 Beim radikalen Fremdwortpurismus soll dabei nicht nur die Ausdrucksebene des Fremdworts aus dem Sprachgebrauch getilgt werden – durch Assimilation oder Ersetzung –, sondern auch seine Inhaltsebene und somit das gesamte Konzept. Als Beispiele hierfür nennt Eisenberg (2018, 130) den «Versuch während der Zeit des Nationalsozialismus, Wörter jiddischer Herkunft auszuschließen, oder auch die Warnung, einen Teil des aktuellen Vokabulars der Finanzbranche überhaupt zu verwenden».
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
Eradication
Prevention
Censorship
Replacement
Identification of targets
Reception
Recognition of need
55
Evaluation
Abbildung 6: Ablauf und Bestandteile puristischer Intervention nach Thomas (1991, 99).
können puristische Bemühungen nur sein, wenn sie von der Sprechergemeinschaft rezipiert und akzeptiert werden («reception»): No corpus planning is productive if it is not accepted by its intended audience. This is particularly the case with purism, since a speech community is being asked to give up elements of its language in favour of new usages (even when these are couched in terms of ethnic antiquarianism). Given that people are naturally conservative about language, there will need to be considerable consensus, among at least opinion-forming elements of the community, that the activity being undertaken is worthwhile (McColl Millar 2005, 111–112).
Nach Thomas erfolgt die Rezeption und Verbreitung puristischer Eingriffe häufig erst zeitlich verzögert (95–96). Der letzte Schritt, Evaluation, schließt den Zyklus der puristischen Intervention: Hierbei werden die Auswirkungen der zuvor unternommenen puristischen Interventionen geprüft und es erfolgen ggf. Anpassungen. Im Falle des Erfolgs entwickle sich die erfolgte Sprachreinigung zu einem «value-feature for the whole speech community» (139).
56
2 Theoretische und historische Grundlagen
Welche Instrumente werden genutzt, um fremdwortpuristische Ersetzungen umzusetzen? Zunächst werden schriftliche Empfehlungen realisiert, z.B. in Zeitungsartikeln, Ersetzungslisten oder -wörterbüchern, denen je nach Autorschaft unterschiedlich viel Autorität zukommt (Journalist/Autor, Fachverband, Sprachakademien, staatliche Behörden) (Haspelmath 2009, 47). Den Einfluss der Lexiko- und Grammatikografie schätzt Thomas dabei als besonders groß ein: «Potentially, the most influential factor in the reception of puristic activity is the registration of the elements deemed desirable in dictionaries, grammars and guides to good usage» (1991, 97). Auf der nächsten Stufe können Sprachgesetze die Ersetzungsempfehlungen verbindlich und Verstöße sanktionierbar machen. Solche Gesetze werden nicht nur in totalitären Regimen genutzt, cf. das seit 1994 gültige Loi Toubon in Frankreich.75 2.1.5.2 Natürlicher versus künstlicher Bezeichnungswandel? Im letzten Kapitel wurde die bewusste und gezielte Beeinflussung des Fremdwortgebrauchs bzw. -nichtgebrauchs beschrieben. Selbstverständlich kommt die Aufgabe von Fremdwörtern und die Ablösung durch native Entsprechungen aber auch ohne gezielte Einflussnahme, also natürlich und spontan, in Sprachen vor. Zu lexikalisch-semantischem Wandel trägt eine Vielzahl von formalen, kognitiven und soziokulturellen Faktoren in natürlichen Sprachen bei (cf. insbesondere Blank 1997 und Grzega 2004). Will man also die Wirkung von fremdwortpuristischen Interventionen untersuchen, steht man vor dem Problem, «künstlichen», bewusst geplanten Bezeichnungswandel von «natürlichem» Wandel zu trennen. Aber wie durchführbar und sinnvoll ist eine solche Trennung? Winter-Froemel geht davon aus, dass künstlicher Sprachwandel anders verläuft als natürlicher Sprachwandel (2011, 163). Zudem spiele die Sprecherreflexion beim sprachlichen Ausbau eine wichtige Rolle, während andere Wandelprozesse dagegen vorwiegend unbewusst abliefen: «Demnach lässt sich Wandel durch Ausbau generell als bewusst geplanter Wandel bzw. zunächst als Innovation «von oben» (in der geschriebenen, umfassend geplanten Sprache) konzipieren und so dem Wandel bzw. der Innovation «von unten» (die vor allem in der gesprochenen Sprache anzusetzen ist) gegenüberstellen» (164). Künstlicher Sprachwandel wird
75 Eine weitere, durch wissenschaftliche Erkenntnis heute unüblich gewordene puristische Strategie erwähnt van der Sijs (2004): Sie besteht im Aufstellen von Sprachtheorien, die belegen sollen, die eigene Sprache stünde genealogisch über anderen Sprachen, um das Problem der Fremdheit durch Umdeutung sozusagen zu «absorbieren». Solche Theorien wurden bis ins 20. Jahrhundert aufgestellt (und selbstverständlich widerlegt), u.a. für Niederländisch, Baskisch und Türkisch (21–22).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
57
nach Winter-Froemel also bewusst initiiert, natürlicher Sprachwandel unbewusst.76 Allerdings sei die Abgrenzung von natürlichem und künstlichem Sprachwandel schwer zu treffen, zumal sich beide Formen mit der Zeit einander annäherten (ebd.). Bezüglich der Ersetzung von Fremdwörtern hält auch Migliorini «un taglio netto fra l’assorbimento o l’eliminazione ‹naturale› dei forestierismi e la loro ricezione o repulsione ‹artificiale›» kaum für möglich (1990, 83). Rudi Keller warnt im Zusammenhang mit Sprachwandel vor einem «Gefängnis der Dichotomien» (2003, 62): Sprache sei weder als Artefakt, noch als Naturphänomen zu begreifen, sondern als Phänomen der dritten Art. Darunter versteht er «die kausale Konsequenz einer Vielzahl individueller intentionaler Handlungen, die mindestens partiell ähnlichen Intentionen dienen» (93). Solche Phänomene umfassten sowohl natürliche als auch künstliche Merkmale und seien als Prozess zu verstehen, der sich aus einer individuell-intentionalen (Mikro-)Ebene, dem Bildungsprozess, und einer kausalen (Makro-)Ebene, dem Resultat, konstituiere (99). Auf der Mikroebene steht beispielsweise der individuelle Drang von Fußgängern, auf möglichst kurzem Weg von A nach B zu gelangen. In der Folge kann sich auf der Makroebene – vorausgesetzt, diese individuellen Handlungen ähneln sich in Intention und Ausführung – die Struktur eines Trampelpfads bilden. Erklärbar ist Sprache und Sprachwandel als Phänomen der dritten Art für Keller über die Invisible-Hand-Theorie, die auf die nationalökonomischen Theorien von Adam Smith zurückgeht. Eine Invisible-Hand-Erklärung umfasst drei Stufen (99–100): Zunächst seien die Motive, Intentionen und Ziele der individuellen Handlungen und ihre Rahmenbedingungen darzulegen. Sodann sei der Prozess darzustellen, wie sich die beobachtete Struktur aus der Menge dieser Handlungen konstituiert, schließlich die entstandene Struktur an sich. Nach Keller stellt der natürliche versus künstliche Ursprung lexikalischer Innovationen nur eine ökologische Bedingung für Wandelprozesse dar, denn Sprachpolitik bzw. Sprachplanung könnten den Invisible-Hand-Prozess nicht außer Kraft setzen (129): Sie stellen lediglich einen Faktor – möglicherweise einen sehr wirksamen Faktor – der Ökologie des Handelns der Sprecher dar. Es gibt nichts, weder eine Struktureigenschaft
76 Grzega (2004 und 2012) geht von einem Kontinuum unterschiedlicher Bewusstseinsgrade beim lexikalischen Wandel aus. Je nach Bewusstheitsgrad stünden andere Erklärungsmuster für lexikalischen Wandel im Vordergrund, beispielsweise seien Sprachpflege, ästhetisch-formale Gründe (zur Vermeidung negativ konnotierter Lexeme) und Sachwandel typisch für bewusst ausgelösten Bezeichnungswandel, temporäre Bezeichnungsschwierigkeiten («onomasiologische Unschärfe») und Volksetymologie («morphologische Fehlinterpretation») dagegen für unbewusst ausgelösten Bezeichnungswandel (2012, 278). Bewusstheit bezieht sich dabei auf die Wahl einer bestimmten lexikalischen Innovation durch einen Sprecher, nicht auf den Wandel an sich.
58
2 Theoretische und historische Grundlagen
noch eine Macht oder ‘Kraft’, die direkt auf die Sprache wirkt. Jeder sprachliche Prozeß geht den langen Marsch durch das Handeln der Individuen und muß durch ihn erklärt werden» (ebd.).
Invisible-Hand-Erklärungen hätten damit zwar diagnostischen, aber kaum prognostischen Wert (103–104), da die jeweils gültigen Prämissen nicht vorhersagbar seien. Sprachwandel folgt dabei den unter 2.1.4.1 erwähnten statischen und dynamischen Redemaximen, durch die Sprecher in nicht prognostizierbarer Weise unterschiedliche Ausdrucksmittel auswählen und Innovationen in das Gesamtsystem integrieren: Daß die Mittel unserer Sprache im großen und ganzen recht zweckmäßig sind, liegt nicht daran, daß wir Sprecher lauter zweckmäßige Mittel erzeugen, sondern daran, daß wir die unzweckmäßigeren immer wieder zugunsten von uns zweckmäßiger erscheinenden vermeiden. Dieser Selektions- oder Filterprozeß schafft Teleonomie ohne Finalität, Zweckmäßigkeit, die nicht projektiert ist (125).
Sprachwandel ist somit «eine notwendige Folge unserer Art und Weise, von ihr Gebrauch zu machen» (207). Auch wenn eine sprachliche Innovation bewusst und intentional «lanciert» wird – beispielsweise durch institutionelle Anweisung – interagiert der Neologismus mit weiteren ökologischen Bedingungen, entspricht bestimmten Redemaximen, anderen nicht, und unterliegt bei seiner weiteren Verbreitung dem Invisible-Hand-Mechanismus, der von einzelnen Sprechern nicht mehr gesteuert werden kann. Aus der Perspektive der Invisible-Hand-Theorie von Keller ist damit auch verständlicher, warum Bedürfnisentlehnungen trotz Bezeichnungslücke nicht zwangsläufig erfolgen (siehe 2.1.4.3), sondern in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen der Entlehnung auch native Wortbildungsverfahren vorgezogen werden können. Warum puristische Intervention im Sprachgebrauch mal zum gewünschten Bezeichnungswandel führt, mal nicht, kann die Theorie letztlich nicht erklären; die von Keller vorgeschlagene Stufenanalyse des Invisible-Hand-Prozesses, kann jedoch die Interaktion zwischen den ökologischen Rahmenbedingungen, den angenommenen kommunikativen Zielen der Sprecher, dem Sprachwandelprozess und der entstandenen Struktur anhand von Einzelfällen beleuchten. Inwieweit aus diesen Analysen allgemeingültige Prinzipien des Sprachwandels abgeleitet werden können, ist zu prüfen. Die Differenzierung zwischen natürlichem und künstlichem Bezeichnungswandel dürfte also zum einen kaum praktikabel sein und ist zweitens womöglich irreführend. Zum ersten Punkt: Obwohl davon ausgegangen werden kann werden, dass lexikalischer Wandel sowohl auf spontan-unbewusste als auch auf intentional-bewusste Sprachhandlungen zurückgehen kann – wobei «Bewusstheit» als
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
59
Kontinuum zu verstehen ist – bleibt unklar, was «künstlichen» Bezeichnungswandel tatsächlich ausmacht. Genügt Autorschaft an einer lexikalischen Innovation als Kriterium, z.B. durch eine Sprachakademie oder einen Schriftsteller, in deren Schriften sich der Erstbeleg findet? Dem ließe sich entgegenhalten, dass jede Innovation einen «Autor»77 hat und dessen Identifikation allein nicht hinreichend ist, um tatsächlich erfolgten künstlichen Bezeichnungswandel zu begründen. Zudem sind Erstbelege selten gesicherte Daten, sondern eher als termini ante quos zu verstehen, weshalb Vordatierungen häufig möglich sind. Alternativ könnte man die Propagierung von Ausdrucksformen, die vom gängigen Sprachgebrauch abweichen, und entsprechende Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung (z.B. Sanktionierung, sozialer Ausschluss) als Voraussetzung für künstlichen Bezeichnungswandel werten. Doch auch dieses Kriterium dürfte nicht zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen, da es sich nur um Versuche der lexikalischen Beeinflussung handelt und es kaum möglich sein dürfte, das Eintreffen des gewünschten Bezeichnungswandels zweifelsfrei auf diesen Einfluss zurückzuführen. Möglicherweise irreführend ist die Differenzierung künstlichen und natürlichen Bezeichnungswandels deshalb, weil fraglich ist, ob sich «künstliche» vs. «natürlich gebildete»78 Innovationen nach ihrer Lexikalisierung und Verbreitung unterschiedlich entwickeln. Daher kann der Versuch puristischer Intervention lediglich als Rahmenbedingung des Invisibile-Hand-Prozesses aufgefasst werden, dessen Rekonstruktion und Analyse Ziel diachronisch angelegter onomasiologischer Untersuchungen sein sollte. Allerdings unterscheidet sich die Genese von spontanen gegenüber «künstlich» gebildeten Synonymen für Fremdwörter in einem Punkt: Native Entsprechungen, die ZS-Sprecher in Kommunikationssituationen für fremde Ausdrücke prägen (sei das Modell ein fremdsprachliches AS-Zeichen oder ein bereits entlehntes ZS-Zeichen), entspringen ihrer sprachlichen Kreativität. Dadurch, dass diese Synonyme an konkrete Kommunikationssituationen gekoppelt sind, entsprechen sie unmittelbar den jeweiligen kommunikativen Bedürfnissen. Bei nativen Entsprechungen, die dagegen von der Kommunikationssituation entkoppelt «am Schreibtisch» entworfen werden, besteht die Gefahr, konkrete kommunikative Bedürfnisse nicht ausreichend zu berücksichtigen, so dass sich Ersetzungsdirektiven in der Praxis mitunter als ungeeignet und nicht anwendbar herausstellen und daher auch nicht verwendet werden.
77 Migliorini (1990 [1935], 133) spricht von einem «onomaturgo», einem Wortschöpfer. 78 Auch ob «natürlicher» Sprachwandel existiert, kann grundsätzlich infrage gestellt werden. In seinem Artikel «Nature and Art in Language» kommt Jespersen (1929, 102) zu folgendem Schluss: «a close study of national languages reveals the truth that everything in them is not ‹natural› in the strict sense».
60
2 Theoretische und historische Grundlagen
Entscheidend für die Entwicklung einer Sprache sind nach Schweickard (2005) weniger Institutionen als der Gebrauch, den die Sprechergemeinschaft mit ihren kommunikativen, kognitiven und sozialen Bedürfnissen davon macht: Wie auch immer individuelle oder auch institutionelle Versuche, die Sprachentwicklung zu beeinflussen, gestaltet sind, die geschichtliche Erfahrung zeigt, dass im Falle der Sprachentwicklung letztlich nicht staatlicher oder privater Dirigismus gleich welcher Art, sondern die Gemeinschaft der Sprecher, unbewusst, aber auch unaufhaltsam, über den Gang der Dinge entscheiden wird (190).
2.1.5.3 Zur Wirkung von Fremdwortpurismus: Substitution, Variation, Fortbestand Im vorangegangen Kapitel wurde dargestellt, dass Bezeichnungswandel als Invisibile-Hand-Prozess beschrieben werden kann, bei dem spontane Mechanismen und bewusste, z.B. sprachpflegerische Sprachbeeinflussung zusammenwirken. Nun soll noch etwas genauer erörtert werden, wie puristische Intervention auf semantisch-lexikalischer Ebene wirkt und zu welchen Ergebnissen sie führt. Van der Sijs nimmt an, dass puristische Eingriffe nicht ohne Effekt bleiben, insbesondere, wenn sie von politischen Revolutionen begleitet würden oder in Religion und Verfassung verankert seien, wie in der arabischen Welt. Purismus sei ein mächtiges Instrument, um die Entwicklung einer Sprache zu beeinflussen – entweder durch Verstärkung erwünschter oder durch Verhinderung unerwünschter Sprachwandelprozesse (2004, 22–23). Allerdings bleibt bei solchen Postulaten offen, wie die Wirkung puristischen Handels auf die Sprachentwicklung empirisch gemessen werden kann. Zudem präsentiert sich das Thema Purismus als zu komplex und von zu vielen historischen Gegebenheiten abhängig, um seine Wirkung pauschal, also losgelöst vom einzelsprachlichen Kontext, beurteilen zu können. Dabei stellt sich ein grundsätzliches, epistemologisches Problem: «how can one determinate the extent of an act of intervention when this very intervention obliterates the traces of what would have happened without it?» (Thomas 1991, 162; zur quantitativen und qualitativen Beurteilung der Wirkung von Purismus cf. 161–187). Es fehlt also die Kontrollebene, mit der beobachtbare sprachliche Veränderungen in der Zeit verglichen werden könnten. Messbar sind nur die diachronen Veränderungen an sich. Untersucht werden kann also beispielsweise, wie onomasiologische Variation über einen bestimmten Zeitraum realisiert wird, um die Auswirkung von Purismus zu prüfen. Solche Datenerhebungen sollten im Rahmen von Prä-Post-Studien für spezifische Zeitabschnitte einer ZS konzipiert werden. Haspelmath (2009) spricht sich dagegen dafür aus, den Einfluss von Purismus über Sprechereinstellungen zu operationalisieren und zu messen. Allerdings
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
61
bestehe dabei die Gefahr des Zirkelschlusses (47; cf. auch Eisenberg 2018, 12–13). Welche Ansätze zur Analyse der Wirkung des faschistischen Fremdwortpurismus in Italien gewählt wurden, wird in Kapitel 3.1 thematisiert. Für Thomas (1991) ist Fremdwortpurismus «intimately connected with stylistic variation within standard language» (102). Denn sofern er die Stufe «replacement» einschließt, also Ersatzlexeme vorgeschlagen werden, bedingt er die Herstellung von Synonymien, also onomasiologischer Lexemkonkurrenz.79 Daraus ergeben sich für den Fremdwortpurismus, der üblicherweise auf die vollständige Ersetzung von Fremdwörtern durch ausgewählte native Lexeme zielt, teilweise unbeabsichtigte Konsequenzen. Denn oft kommt es gerade durch das Wirken puristischer Intervention – zumindest zeitweise – zur Konkurrenz zwischen zwei (oder mehr) Varianten und zu Wortschatzbereicherungen, wenn nämlich die neu eingeführten Ersetzungen nicht synonym, sondern in modifizierter Bedeutung verwendet werden. Wann also «funktioniert» lexikalische Ersetzung, wann nicht? Warum lassen sich Wörter, salopp gesagt, nicht einfach «umetikettieren»? Zum einen trägt das puristische Ziel der lexikalischen Ersetzung von Fremdwörtern dem Zusammenwirken von Wörtern im Lexikon nur ungenügend Rechnung: Dem Versuch der Ersetzung liegt die Annahme zugrunde, einen ZSAusdruck mit exogenen Merkmalen durch einen nativen Ausdruck auszutauschen und dabei den Zeicheninhalt zu erhalten. Folgt man dem Postulat der Bilateralität des sprachlichen Zeichens (Saussure 1971 [1916], 157), also der Untrennbarkeit von Zeicheninhalt und Zeichenbedeutung, ist ein solches «Umkleiden» von Zeicheninhalten jedoch semiotisch und kognitiv nicht möglich. Lexikalische Innovationen, zu denen auch Ersetzungen zu zählen sind, umfassen immer das gesamte ZSZeichen, also Ausdrucks- und Inhaltsseite (siehe Abb. 3 und 4). Zum anderen existieren Wörter nicht isoliert voneinander, sondern sind grammatisch und semantisch auf andere Bestandteile des Lexikons bezogen, so dass einzelne Elemente nicht einfach «entnommen» oder ausgetauscht werden können (cf. Eisenberg 2018, 132).
79 Es fragt sich daher, ob im Falle von katachrestischer Entlehnung und nachfolgenden Innovationen, die auf puristische Intervention zurückgehen, von purismusinduzierter Variation zu sprechen sei. Sprachkontaktinduzierte Variation käme demgegenüber dann zustande, wenn eine nichtkatachrestische Entlehnung, die mit einem schon zuvor üblichen ZS-Ausdruck konkurriert, onomasiologische Variation auslöst. Die Unterscheidung dürfte jedoch vielfach nicht leicht zu fällen sein. Betrachtet man Sprachkontakt als notwendige Voraussetzung von Fremdwortpurismus, kann jedoch auf die Unterscheidung verzichtet und bei Vorliegen von nativ-fremden Synonymen generell von sprachkontaktinduzierter Lexemkonkurrenz gesprochen werden.
62
2 Theoretische und historische Grundlagen
Die Vernetzung von Wörtern auf lautlicher, grafematischer, morphologischer, kombinatorischer, semantischer und konzeptueller Ebene führt nach Eisenberg dazu, dass ein Wort sich seinen Platz im Gesamtnetz gewissermaßen suchen muss und ihn ändern kann, wenn es in irgendeiner Hinsicht neue Nachbarn bekommt. Das Netz ist nicht starr oder auch nur stabil, sondern ständig in Bewegung. Beispielsweise ist es Optimierungsprozessen unterworfen, zu denen gehört, dass wenig verwendete Wörter vergessen oder immer gleich verwendete Wörter verengt werden (2018, 134).
Die Möglichkeiten puristischer Intervention beschränken sich daher im Wesentlichen auf das Bereitstellen eines Ersatzworts. Ob diese Alternative im Sprachgebrauch angenommen und die Verknüpfung zum Konzept hergestellt wird, das ursprünglich durch das zu ersetzende ZS-Zeichen versprachlicht wurde, ist von verschiedenen strukturellen, sozialen und kulturellen Faktoren abhängig (cf. 2.1.4.4). Unterstützend nutzen Puristen häufig die Strategie der Abwertung, bei der das zu ersetzende ZS-Zeichen negativ aufgeladen wird, um das vorgeschlagene Ersatzwort bevorzugt zu verwenden. Sofern die konnotative bzw. denotative Pejorisierung von der Sprechergemeinschaft übernommen wird, trägt diese Strategie zumindest der Bilateralität des sprachlichen Zeichens und der Bedeutung des Sprachgebrauchs Rechnung. Denn durch die Abwertung verliert das zu ersetzende ZS-Zeichen nicht unmittelbar seine Stellung im Sprachsystem, wird aber eventuell seltener genutzt, wenn neutral auf das Konzept referiert werden soll. Damit kann die lexikalische Innovation nach und nach an seine Stelle treten. Im Rahmen des Fremdwortpurismus können sämtliche Formen sprachlicher Fremdheit Ziel von Substitution sein: nicht nur Transferenzen und Allogenismen, sondern auch Lehnwortintegrationen (siehe Tab. 2 unter 2.1.2) und im Fall von radikalem Purismus sogar Korrespondenzen und Lexeme, die nur inhaltlich auf Fremdes referieren. Sofern sich ein Lexem, das ein anderes ersetzen soll, im Sprachgebrauch etabliert und verbreitet, ist davon auszugehen, dass es zumindest übergangsweise zu einer Koexistenz beider (oder mehrerer) Lexeme kommt,80 also einer Sprachbereicherung in Form einer lexikalischen Ergänzung, bevor eine vollständige Ersetzung eintreten kann, da die Verknüpfung zwischen Zeicheninhalt des Ersatzlexems und dem Konzept erst konventionalisiert
80 Davon geht Gusmani (1993, 186) aus: «è da supporre, nel corso dell’acclimatamento del prestito, un periodo più o meno lungo di concorrenza tra questo e il corrispondente indigeno che spesso non siamo in grado purtroppo di seguire in dettaglio. [...] La complessità di queste vicende [...] fa sorgere dubbi più che legittimi sulla meccanicità della sostituzione sul piano semantico di un termine con l’altro».
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
63
werden muss. Allerdings ist selbst bei einer dauerhaften Lexikalisierung der Innovation nicht gesichert, dass die Ersetzungsvorschrift in der vorgesehenen Form eintritt, nämlich dass alle Instanzen von ZS-Zeichenx durch Instanzen von ZS-Zeicheny etc. ersetzt werden. Stattdessen kann es auch zu einer Alternation beider Zeichen als Synonyme bzw. stilistische Varianten kommen. Wie bereits in Kapitel 2.1.4.2 erwähnt, wird echte Synonymie in Sprachen jedoch aus sprachökonomischen Gründen vermieden, denn sie repräsentiert eine «situazione di crisi dovuta a sovrabbondanza lessicale e a carenza di strutturazione» (Gusmani 1993, 209). Zur Synonymievermeidung werden drei Möglichkeiten genutzt:81 1. Das bereits erwähnte sprachliche Isomorphieprinzip wirkt der Synonymie entgegen, indem es auf 1:1-Beziehungen zwischen Ausdrücken und Bedeutungen hinwirkt. Sofern sich die stilistische Variation zwischen zwei Synonymen nicht als funktional und damit als notwendig erweist, wird langfristig eine der beiden Varianten aufgegeben. Der Prozess und das Ergebnis der Ersetzung von ZS-Zeichen im Sprachgebrauch soll hier als lexikalische Substitution oder auch Italianisierung bezeichnet werden,82 unabhängig davon, ob es sich um einen spontanen oder einen puristisch motivierten Prozess handelt. Substitution setzt voraus, dass beide Lexeme zunächst als (teil-)synonym anerkannt wurden. Im Falle einer Substitution mit fremd-nativer Opposition kann also entweder ein Fremdwort ein natives Lexem ersetzen oder umgekehrt. Davon zu trennen sind Fälle, bei denen das Fremdwort nicht ersetzt, sondern durch sachliche Obsoleszenz aufgegeben wird. 2. Alternativ kann die Konkurrenz zweier Synonyme im Sprachgebrauch bewirken, dass eine Restrukturierung des semantischen Feldes in Gang gesetzt wird, die eine zuvor unbekannte denotative Opposition zur Folge hat. Die Ausdrucksvarianz der beteiligten Lexeme wird somit funktionalisiert: «Der Effekt tritt ein, weil man zumindest für eine gewisse Zeit beide Wörter nebeneinander haben muss, die Sprache aber generell dazu neigt, Synonyme zu vermeiden» (Eisenberg 2018, 132). Nach dem Kontrastprinzip (cf. 2.1.4.2) besetzt dabei eins der beiden Lexeme eine freie Stelle im lexikalischen Netz.83 Diesen Prozess bezeichnet Gusmani als polarizzazione (1993,
81 Zu den Optionen 1 und 2 cf. Gusmani (1993, 199–200). 82 Gusmani (1993, 200–205) spricht dabei von «neutralizzazione semantica», Winter-Froemel (2011, 309, Fn. 18) von «reduktivem Wandel». 83 Gusmani geht davon aus, dass das entlehnte und das native Lexem dabei meist eine hierarchische Beziehung einnehmen, «in cui il prestito – proprio per il suo ambito semantico di norma più circoscritto – riveste solitamente il ruolo di parola-satellite, come succede per poster rispetto a manifesto» (1993, 187). Als weiteres Beispiel wären scheinbare Luxusentlehnungen bzw. katachrestische Fremdwörter zu nennen, die, entgegen puristischer Meinung, eben
64
3.
2 Theoretische und historische Grundlagen
202–205). Dadurch wird auch dem Isomorphieprinzip Rechnung getragen, da Bedeutungen und Ausdrücke nun wieder in einer 1:1-Beziehung stehen und die Lexemkonkurrenz aufgehoben ist. Somit verbessern sich die Chancen für einen Erhalt beider Lexeme. Die Ausdrucksvarianz der Synonyme erweist sich als funktional, bedingt eventuell durch konnotative und stilistische Unterschiede, und damit als notwendig.84 Diese Form der Variation zwischen Synonymen mit und ohne exogene Merkmale wird in der vorliegenden Arbeit als (lexikalische) Koexistenz bezeichnet.
Für die Entwicklung eines Fremdworts ergeben sich somit – ggf. unter puristischem Einfluss – drei Optionen: Es besteht fort (eventuell dank Bedeutungswandel), es wird substituiert oder es koexistiert mit einem Synonym bzw. weiteren Synonymen. Ausgehend von diesen Entwicklungsmöglichkeiten stellt sich die Frage, wann onomasiologische Variation funktional ist und wann es zur Aufgabe von Synonymen kommt – und in welchen Fällen das Fremdwort, und wann das native Lexem bevorzugt wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fremdwortpurismus als Form des sprachlichen Ausbaus aufzufassen ist, der den Invisibile-Hand-Prozess in
deswegen nicht überflüssig sind, weil sie – teils bereits bei der Entlehnung, teils erst als Ergebnis der semantischen Integration – nicht nur konnotativ, sondern auch denotativ von der Bedeutung des AS-Zeichens als auch vom konkurrierenden ZS-Zeichen abweichen. So bezeichnet ital. week-end (z.B. in der Wendung partire per il week-end) anders als das native Lexem fine settimana nicht das ‘Wochenende’, sondern den ‘Wochenendausflug’, ital. shopping nicht nur den ‘Einkauf’ wie spesa oder compera, sondern speziell den ‘Einkauf von Genussmitteln und Luxusgütern’. Ähnlich scheint es sich bei einigen von Migliorini angegebenen Beispielen für die vermeintlich typische konnotative Meliorisierung von Fremdwörtern zu verhalten: «La ripartizione di significati fra la parola forestiera e l’italiana porta spesso le tracce della maggior considerazione di cui la moda ha circonfuso cose e parole venute da fuori: una vile pelle di coniglio diventa molto più apprezzata e costosa se prende il nome di lapin; una danseuse sembra sia qualche cosa di più che una ballerina; una bonne è più che una bambinaia» (1990, 84). Denn nur scheinbar liegt der semantische Unterschied allein in der positiveren Konnotation des Fremdworts, in der Tat trägt aber die spezifischere Denotation – ‘Kaninfell’, ‘Varietétänzerin’, ‘professionelle bzw. französische Kinderfrau’ – zu ihrer (zumindest zeitweisen) Unersetzbarkeit bei. Dieselbe Denotation könnte mithilfe italienischer Äquivalente nur durch unökonomischere Nominalphrasen ausgedrückt werden: pelle di coniglio, ballerina di varieté, bambinaia professionale. 84 «Spesso sono i tratti connotativi [...] a caratterizzare il prestito nei riguardi del concorrente indigeno: anche il tipo di linguaggio (tecnico, colto, volgare, ecc.), in cui si è dapprima avuta l’interferenza, e l’atteggiamento del parlante riguardo all’ambiente di provenienza hanno un peso notevole nel determinare il valore del neologismo» (Gusmani 1993, 187).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
65
Abhängigkeit von seinen sprachlichen und außersprachlichen Rahmenbedingungen beeinflussen kann. Das Ziel der Ersetzung bestimmter Lexemgruppen durch puristische Intervention wird aufgrund der mangelnden Berücksichtigung der Bilateralität des sprachlichen Zeichens und seiner Vernetzung im Lexikon sowie aufgrund sprachökonomischer und synonymievermeidender Prinzipien von Sprachen häufig nicht erreicht. Allerdings begünstigt puristische Intervention durch die Bereitstellung von Neologismen die onomasiologische Variation und den Bedeutungs- und Bezeichnungswandel. Sie trägt damit – in ihren gemäßigten Formen – quantitativ und qualitativ zur Sprachbereicherung, also zur Vermehrung der Ausdrucksmittel einer Sprache bei. Radikaler Purismus, bei dem der Gebrauch bestimmter Varianten strikt sanktioniert wird, kann jedoch auch eine Verminderung der Ausdrucksmittel zur Folge haben. Dabei laufen Ersatzlexeme zudem Gefahr, zu «Ideologieträgern» zu werden, die nach politischem Wechsel strikt abgelehnt werden. 2.1.5.4 Typologien lexikalischer Substitution Unter lexikalischer Substitution wird, wie gerade dargestellt, ein Prozess verstanden, an dessen Ende ein ZS-Zeichen zugunsten eines synonymen oder teilsynonymen Lexems aufgegeben wird. Sie steht im Zentrum der Fragestellungen dieser Arbeit. Im Folgenden sollen Ersatzlexeme, im Spezifischen Ersatzlexeme für Fremdwörter des Italienischen, genauer systematisiert werden. Aus onomasiologischer Perspektive weisen native Synonyme von Fremdwörtern, verstanden als lexikalische Varianten zur Bezeichnung ein und desselben Konzepts, eine große Vielfalt auf und unterscheiden sich u.a. in Bezug auf: – den Bildungszeitpunkt (relativ zum Fremdwort): Bestand das native Lexem bereits vor der Entlehnung, wie im Fall der nichtkatachrestischen Entlehnung (Luxusfremdwort)? Oder wurde es parallel bzw. erst nach abgeschlossenem Entlehnungsprozess gebildet? Variantenbildung kommt während der Phase der Innovation durch Entlehnung häufig vor. Phonologische, grafematische bzw. morphologische Varianten konvergieren meist mit der Zeit, lexikalische Varianten in Form von Lehnprägungen, also eigensprachliche, parallele Entlehnungen, eher nicht. – Neologismus: Außer bei nichtkatachrestistischen Fremdwörtern, für die bereits vor ihrer Entlehnung ein Synonym in der ZS vorlag, handelt es sich bei Ersatzlexemen, in ihrer Kombination aus Zeicheninhalt und Zeichenausdruck, immer um Neologismen. Sie können allerdings danach unterschieden werden, ob ihr Ausdruck eine Innovation in der ZS darstellt oder ob es sich um ein bereits etabliertes ZS-Zeichen handelt, das die Bedeutung des Fremdworts polysemisch übernommen hat.
66
2 Theoretische und historische Grundlagen
– das lexikalische Modell: Sofern kein Luxusfremdwort vorliegt, kann davon ausgegangen werden, dass das Synonym ein Modell bzw. einen Vorgänger hat. Dies kann entweder dasselbe Modell sein, wie das des Fremdworts, also ein AS-Zeichen, oder das Fremdwort selbst, also ein ZS-Zeichen. – die puristische Intervention: Wurde das Synonym in puristischen Diskursen zur Ersetzung empfohlen? Zusätzlich können native Ersatzlexeme anhand der Rasterklassifikation für lexikalische Innovationen (Winter-Froemel 2011; Koch 2001; Blank 1997) beschrieben werden. Dabei werden Innovationen mit ihren jeweiligen «Vorgängern» verglichen und anhand von drei Dimensionen analysiert (Winter-Froemel 2011, 181–182). Die drei Dimensionen sind (182–189): – formal: Kontinuität/«Null», Suffigierung, Präfigierung, Komposition, Numeruswechsel u.a.; – kognitiv-assoziativ: Identität, Kontiguität, metaphorische Similarität, taxonomische Subordination (Hyponymie), taxonomische Superordination (Hyperonymie), kotaxonomische Similarität/kotaxonomischer Kontrast (Kohyponymie), konzeptueller Kontrast (Unvereinbarkeit); – stratisch: eigensprachlich vs. fremdsprachlich. Die Rasterklassifikation kann auch auf sprachkontaktinduzierte Lexemkonkurrenz angewandt werden, indem das Fremdwort als «Vorgänger» betrachtet wird und seine nativen Synonyme mit ihm verglichen werden. Dass das Fremdwort in zeitlicher Hinsicht nicht immer der Vorgänger ist, nämlich im Fall der nichtkatachrestischen Entlehnung, kann für die Analyse formaler, kognitivassoziativer und stratischer Abweichung vernachlässigt werden. Üblicherweise werden (puristisch motivierte) Ersatzwörter für Fremdwörter mithilfe der Terminologie von Entlehnungstypologien beschrieben. So meint etwa Gusmani (1992), eigensprachliche Ersatzlexeme, die auf Struktur- oder Bedeutungsübertragung basieren, könnten wie «normale Calques», also Lehnprägungen, betrachtet werden (104). Bei puristisch motivierten Substituten könne man auch von «etymologischen Calques» reden, «[u]m die gekünstelte Natur solcher Ersatzwörter hervorzuheben» (105).85 Dagegen hält Gusmani native Synonyme, die nichtkatachrestischen Entlehnungen (Luxuslehnwörtern) vorausgehen, nicht
85 An anderer Stelle (1993, 248) schlägt er für Fälle wie ital. oleodotto (Synonym des Fremdworts pipeline) den Begriff «neologismo sostitutivo» vor: «la sostituzione, infatti, è posteriore al momento dell’interferenza ed avviene di regola in ambiente monoglotto, al di fuori dunque di quella situazione di bilinguismo avanzato che è condizione imprescindibile per il verificarsi del calco» (ebd.).
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
67
für Calques bzw. Lehnbedeutungen, denn es liege «im Grunde nur ein indirekter Sprachkontakt, sozusagen eine Interferenz zweiten Grades vor, da das Modell dieses Ersatzwortes kein fremdsprachliches Element, sondern ein [...] schon einigermaßen assimiliertes Lehnwort ist» (106). Die Lehnguttypologie stößt, wie man an diesen Überlegungen sieht, bei der erweiterten Perspektive der onomasiologischen Konkurrenz unter eigen- und fremdsprachlichen Synonymen schnell an ihre Grenzen. Zudem weisen die traditionellen Entlehnungstypologien klassifikatorische und methodische Probleme auf: Nach Jansen (2005) haben sich die «Mittel, die die traditionelle Lehngutforschung für diesen Zweck zur Verfügung stellt [...] als unzulänglich erwiesen, da sie in der Regel keine eindeutige Klassifizierung der beobachtbaren sprachlichen Phänomene erlauben» (330). Daher erfasst Jansen Synonyme, die durch Sprachkontakt entstehen – «kontaktinduzierte Normabweichung» (inneres Lehngut) und «kontaktinduzierte Systemerweiterung» (äußeres Lehngut) – getrennt von «unabhängigen Normerweiterungen» (nach traditioneller Terminologie: Lehnschöpfungen). Problematisch an der Anwendung der traditionellen Entlehnungstypologie auf Synonyme mit eigen- vs. fremdsprachlicher Opposition ist v.a. der notwendige Nachweis von Sprachkontakt auf die native Innovation. Dabei müssten die genauen Umstände der Bildung und des historischen Kontakts mit dem AS-Modell offengelegt werden, um zwischen innerem Lehngut (mit Sprachkontakt) und nicht-sprachkontaktinduzierter Substitution unterscheiden zu können. Im Fall einer sprachkontaktinduzierten Innovation handelt es sich um eine primäre, interlinguistische Übertragung, die das AS-Zeichen zum Modell nimmt. Kommt die Innovation nicht durch Sprachkontakt zustande, dient sie meist dem Zweck der Ersetzung. Dabei ist das entlehnte ZS-Zeichen Modell und Auslöser der Innovation. Daher kann hierbei nicht von internem Lehngut gesprochen werden,86 sondern nur von sekundärer, intralinguistischer Übertragung. Die dritte, bereits weiter oben erwähnte Möglichkeit stellen nichtkatachrestische Lehnwörter dar, wenn onomasiologische Variation dadurch eintritt, dass ein bereits durch ein natives Lexem bezeichnetes Konzept zusätzlich durch eine Entlehnung versprachlicht wird. Da es für die Fragestellung der onomasiologischen Variation eher irrelevant ist, ob bei der Bildung von Ersatzlexemen Sprachkontakt vorliegt und der Prozess der Transferenz – sei es von AS-Zeichen oder von ZS-Zeichen – kognitiv vergleichbar ist, und zudem alle drei Phänomene gleichermaßen erfasst werden sollen, wird hier eine möglichst weitgefasste, von der traditionellen Terminologie
86 Lehnbedeutung bzw. Lehnübersetzung; der Status der Lehnschöpfung ist in Bezug auf ihre Sprachkontaktinduktion ohnehin kritisch (cf. Jansen 2005, 154–155).
68
2 Theoretische und historische Grundlagen
der Entlehnungsforschung unabhängige Klassifikation angestrebt. Die Opposition fremd- vs. eigensprachlich steht dabei im Vordergrund. Durch die methodische Erleichterung, Sprachkontaktinduktion bei nativen Lexemen nicht nachweisen zu müssen, lässt sich lexikalische Substitution einfacher erfassen und kann neben Ersatzlexemen für Fremdwörter auch auf andere Lexemgruppen angewandt werden. Zunächst soll rekapituliert werden, welche Systematisierungsvorschläge für die Substitution von Fremd- und Lehnwörtern vonseiten der italienischen Sprachwissenschaft vorgeschlagen wurden. Ein einzelsprachlicher Ansatz scheint hier vorteilhaft, um den spezifischen Wortbildungsverfahren Rechnung zu tragen. Neben dem Begriff der lexikalischen Substitution wird daher im Folgenden auch Italianisierung87 verwendet. Ein erster Vorschlag ist Emidio De Felices Aufsatz «La terminologia del pugilato», 1941 in der Zeitschrift Lingua nostra erschienen, zu entnehmen. Weiterhin wurden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Typologisierungsvorschläge von Foresti (2003 [¹1978]), Cicioni (1984), Klein (1986), Rossi (2003), Di Stefano (2007), Raffaelli (2009) und Piacentini (2016a) berücksichtigt. Der Vergleich dieser acht Quellen ergibt, dass sich viele der vorgeschlagenen Kategorien ähneln, diese aber unterschiedlichen Kriterien (u.a. formaler und kognitiv-assoziativer Vergleich, Status als Neologismus) entsprechen und insofern unterschiedlich weit gefasst sind. Tabelle 3 stellt die verschiedenen Ersetzungstypologien gegenüber. Sofern sich die von den Autoren beschriebenen Italianisierungen auf mehrere Typen anwenden lassen, wird dies durch verbundene Spalten gekennzeichnet. Die größte Abdeckung und Differenzierung ist bei Cicioni (1984), Klein (1986), Raffaelli (2009) und Piacentini (2016a) zu finden. Aus der Synopse der acht Quellen ergeben sich fünf Grundformen der Ersetzung. Keinen Zweifel gibt es am Typus ‹Assimilation›, wobei meist zwischen grafematischer und morphonologischer Fremdwortintegration unterschieden wird. Raffaelli (2009) und Piacentini (2016a) unterscheiden bei der grafematischen Assimilation zusätzlich zwischen grafischer und lautlicher Integration. Die Kategorien der Analogie und der Strukturübertragung – nach traditioneller Entlehnungsterminologie Lehnbedeutung und Lehnübersetzung – werden am unterschiedlichsten gehandhabt. Unter ‹Analogie› wird hier die semantische
87 Der Begriff Italianisierung bezieht sich in der vorliegenden Arbeit auf ein Lexem des Italienischen, das synchronisch als native Variante eines Fremdworts aufgefasst werden kann. Zugleich bezeichnet es den Prozess, bei dem nichtitalienische Merkmale durch Assimilation oder Ersetzung abgebaut werden. Es wird dagegen nicht als Synonym für die grafische/morphonologische Assimilation von Fremdwörtern allein oder allgemein für kulturelle Aneignungsprozesse verwendet.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
69
Annäherung eines bereits gebräuchlichen italienischen Lexems an das Denotat des Fremdworts verstanden, meist in Form eines Simplex. Dazu bedarf es nach Jansen (2005) «partielle[r] Übereinstimmungen in den Bezeichnungsmustern verschiedener Sprachen» (108–109), damit «die Bezeichnungsmöglichkeiten eines replikasprachlichen Lexems nach fremdem Vorbild erweitert» können (112). Kognitiv-assoziativ besteht nur in Ausnahmefällen Identität, also vollständige Synonymie. Meist steht das Ersatzlexem in einem Verhältnis der semantischen Kontiguität, metaphorischen Similarität, oder taxonomische Suboder Superordination zum Fremdwort. Es können zwei Fälle unterschieden werden: Im Fall einer katachrestischen Entlehnung (Bedürfnisentlehnung) kommt es zu einer Bedeutungserweiterung aufseiten des nativen Lexems.88 Bei einer nichtkatachrestischen Entlehnung (Luxusentlehnung) dagegen verfügt die Zielsprache zum Zeitpunkt der Entlehnung bereits über ein Lexem derselben Referenz (häufig ist jedoch eins der beiden Lexeme in der Folge einer Bedeutungsverschiebung unterworfen, cf. 2.1.5.3). De Felice (1941) und Cicioni (1984) differenzieren die Analogie genauer bezüglich der Herkunft des italienischen Lexems, ob es also einer spezifischen Fachsprache, einem Dialekt, einem Soziolekt oder einer früheren Sprachstufe (Archaismus oder Historismus)89 entnommen wurde. Dabei wird deutlich, dass die Zuordnung von Ersetzungstypen genauer wortgeschichtlicher
88 In der deutschsprachigen Literatur werden solche Fälle gelegentlich als «substituierende Lehnbedeutung» bezeichnet (zuerst bei Gneuss 1955, 24; cf. auch Orgeldinger 2011, 16). Auf eine solche Unterteilung kann jedoch verzichtet werden, da sowohl vollständig synonyme als auch substituierende Lehnbedeutungen semantische Analogie herstellen (cf. Jansen 2005, 43–44). Das gilt auch für die von Klein (1986) angeführten drei Formen semantischer Analogiebildung: 1. fachsprachliche Übertragung «tra A [forestierismo] e B [parola italiana] esiste corrispondenza di significato nel linguaggio quotidiano non tecnico da cui il termine A è stato trasferito in un linguaggio settoriale», z.B. agreement → accordo, out → fuori (138), 2. «tra A e B non esiste corrispondenza di significato a priori: si tratta di una corrispondenza semantica convenzionale per la quale talvolta B è già esistente nell’uso linguistico dell’italiano» z.B. check → assegno, goûter → merenda, guichet → sportello (138), 3. «avendo B un significato già esistente nel linguaggio quotidiano, esso subisce un cambio di significato col passaggio a un linguaggio settoriale» (140), z.B. slalom → obbligata, garage → rimessa. 89 Nach Serianni/Antonelli (2011, 212) hat die «Neuauflage» von Archaismen und Historismen in der italienischen Sprachgeschichte eine lange Tradition: «il servirsi di parole disusate – non da anni, ma addirittura da secoli – è sempre stato caratteristico della nostra cultura e della nostra lingua. [...] Il recupero e l’impiego degli arcaismi interessa molto di più lo scritto e in particolare la letteratura». Während des 19. Jahrhunderts seien viele ungebräuchlich gewordene Lexeme durch Puristen wiederbelebt worden, «i quali – esemplando la loro lingua su quella dei modelli del Trecento – sono riusciti a far tornare d’uso corrente vocaboli ed espressioni che sembravano irrimediabilmente obsoleti» (211).
«sostituzioni che utilizzano parole già nel vocabolario italiano con significato adeguato (chef/ cuoco, buvette/ méscita, chèque/ assegno) o alle quali è attribuito un nuovo significato, derivato appunto dalla parola straniera»
«adattamenti fonetico grafici ([...] e insieme morfologici (di solito suffissati) come in beefsteack/ bistecca, couchette/ cuccetta, ecc.»
Foresti (²b, )
Strukturübertragung / «Lehnübersetzung»
«Termini creati traducendo, più o meno liberamente o più o meno felicemente, i corrispondenti stranieri: uncino, fuori combattimento, separatevi, sventola» «Termini già esistenti come latinismi dotti» «Termini che la lingua tecnica accoglie dalla lingua comune» «Termini provenienti dalla terminologia di altri sports [...] oppure da altre lingue tecniche»
Analogie / «Lehnbedeutung»
De Felice (, )
Assimilation
Tabelle 3: Ersetzungstypologien im Vergleich. Paraphrase
«parole nuove (consentite dal sistema ma non nella norma linguistica) formate sulla base di elementi e procedimenti di formazione usuali nella lingua»
Neuformation
70 2 Theoretische und historische Grundlagen
«adattamenti grafici e morfo-fonetici»
«adattamenti graficofonetici», «adattamento [...] morfologico»
Di Stefano «adattamenti» ()
Rossi ()
Klein «adattamento grafico (, e morfo-fonetico» –)
Cicioni (, –)
«calco semantico» (omonimico / sinonimico)
«[c]alchi semantici»
«calco traduzione» (omonimico / sinonimico)
«calchi traduzione»
«riproduzioni semantiche di vario tipo»
«traduzione mediante calchi semantici» (film → pellicola, Leitmotif → motivo conduttore) «estensione dell’area semantica di termini preesistenti in italiano» (zip → lampo) «recupero di termini popolareschi e dialettali» (parvenu → burino) «riesumazione di termini medioevali e rinascimentali» (tennis → pallacorda) «neologismi formati secondo i principi della ‹glottotecnica›» (detective → investigatore, viveur → vitaiolo)
«polirematiche»
(fortgesetzt )
«B riproduce con unità lessicali nuove, per lo più complesse, il significato di A»
«traduzione mediante perifrasi» (exploit→ impresa memorabile)
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
71
«Adattamenti grafici alle consuetudini dell’italiano», «Adattamenti grafici basati sulla pronuncia italiana» «Adattamenti morfofonetici»
Piacentini «gli adattamenti (a) grafici in base alle consuetudini dell’italiano, gli adattamenti grafici in base alla pronuncia italiana, gli adattamenti morfofonetici» ()
Raffaelli, A. (, –; ähnlich , –)
Assimilation
Tabelle 3 (fortgesetzt )
«le perifrasi descrittive» ()
«le riproduzioni semantiche» (), schließt u.a. den «calco strutturale» ein ()
Paraphrase
«Perifrasi descrittive, che non hanno un legame semanticamente motivato con l’unità lessicale del prestito» (dessert → alla frutta, yoghourt → latte bulgaro)
Strukturübertragung / «Lehnübersetzung»
«Riproduzioni semantiche, nelle quali si hanno in certi casi sostituti più analitici dei prestiti» (Sauerkraut → cavolo agro, souper → cena, tranche→ fetta)
Analogie / «Lehnbedeutung»
«sostituti estrosi»
«sostituti estrosi» (caramella mou → tenerella, cocktail→ arlecchino)
Neuformation
72 2 Theoretische und historische Grundlagen
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
73
und diasystematischer Kenntnisse bedarf, damit ein Lexem beispielsweise als Archaismus oder Fachterminus erkannt werden kann. Manchmal umfassen Analogien auch grammatische Konversionen, wenn also beispielsweise Partizipien oder Adjektive substantivisch verwendet und entsprechend lexikalisiert werden, z.B. bei ital. forward → attaccante oder half → mediano. Bei der ‹Strukturübertragung› wird die morphologisch analysierbare Struktur des zu ersetzenden Lexems mit Mitteln der Kerngrammatik als Glied-für-GliedÜbersetzung übertragen, die je nach Modell durch Derivation oder Komposition gebildet sein kann. Sie setzt Analysierbarkeit und somit eine für den ZS-Sprecher, der die Transferenz vornimmt, transparente Motiviertheit voraus, also Kenntnisse der AS, aus der das entsprechende Fremdwort entlehnt wurde. Die Strukturübertragung lässt sich daher nicht auf Simplizia, sondern nur auf Lexeme anwenden, die aus mindestens zwei Morphemen bestehen. Als analysierbar gelten dabei nicht nur freie Morpheme und Mehrwortlexeme (wie ital. hinterland → retroterra, basket ball → pallacanestro, noble art → nobile arte), sondern auch gebundene Morpheme wie Affixe (cf. Haspelmath 2009, 39). So gilt auch stradista für routier (Übertragung von frz. -ier durch ital. -ista) als Strukturübertragung. Voraussetzung einer morphologischen Transferenz wie im Fall von stradista ist, dass das AS-Suffix für den übertragenden ZS-Sprecher transparent und eine geeignete Entsprechung in der ZS verfügbar ist (Winter-Froemel 2011, 91). Strukturübertragung und Analogie werden von einigen Autoren als calco zusammengefasst (u.a. Klein 1986; Raffaelli 2009; Piacentini 2016a), was der häufig weniger strengen Differenzierung zwischen Lehnbedeutung und -übersetzung in der italienisch- (und englisch-)sprachigen Entlehnungsforschung entspricht. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Transferenz bei Strukturübertragungen nicht nur auf die innere Struktur des Modells bezogen ist, sondern immer auch auf seine Bedeutung, wie Gusmani in Bezug auf Lehnübersetzungen zu bedenken gibt: questo tipo di calco, in quanto riproduce la relazione intercorrente tra espressione e contenuto, epperciò l’articolazione e motivazione formale e semantica dell’archetipo straniero, comporta infatti sempre l’insorgere d’una nuova «significazione» e costituisce così un’innovazione che non si esaurisce nell’accostamento inedito di unità lessicali e morfologiche (189).
Da dies allerdings für alle Formen der indirekten Entlehnung bzw. der Substitution gilt, soll bei der Strukturübertragung der augenfälligste Aspekt der Transferenz in den Vordergrund gestellt werden. Eine noch nicht lexikalisierte Umschreibung für ein Fremdwort kann als ‹Paraphrase› bezeichnet werden, z.B. ital. yoghourt → latte bulgaro, tank → carro armato. Sie sind nach Alberto Raffaelli (2010) «segno della volontà di privilegiare l’aspetto descrittivo e di trasparenza semantica rispetto a considerazioni di
74
2 Theoretische und historische Grundlagen
‹economia lessicale›» (66). Meist handelt es sich um Nominalphrasen. Im Unterschied zur Strukturübertragung ist die Paraphrase unabhängig von der Wortbildung des lexikalischen Modells. Diese Ersetzungsform wird nicht von allen berücksichtigten Ersetzungstypologien erwähnt. Nur von einigen Autoren genannt werden Neologismen, die sich weder an Form oder Struktur des Modells orientieren noch Paraphrasen sind. Sie werden durch Komposition (z.B. lever de rideau → avanspettacolo) oder Derivation (z.B. routier → velocista) gebildet und werden hier als ‹Neuformation› bezeichnet. Die von Raffaelli (2009) und Piacentini (2016a) genannte Kategorie der «sostituti estrosi» kann mit der Betz’schen Lehnschöpfung verglichen werden. Bei Raffaelli (2009) bezieht sich diese Kategorie insbesondere auf Metaphorik und Kontiguität des Neologismus (361), Piacentini (2016a) betont den ausdrucksseitigen Neuheitscharakter: «In questa categoria rientrano le sostituzioni più fantasiose proposte [...], con particolare riferimento alle voci create ex novo» (173). Auf der Grundlage der theoretischen Überlegungen und der Synopse von Ersetzungstypologien lassen sich die Grundtypen der lexikalischen Substitution nun besser erfassen und in etwas vereinfachter Systematik auf onomasiologische Konkurrenz zwischen eigen- und fremdsprachlichen Lexemen beziehen. Wie bereits erwähnt, wird dabei auf auf den Nachweis verzichtet, ob ein natives Synonym durch den Einfluss eines entlehnten ZS-Zeichens (sekundäre Transferenz) oder durch ein AS-Zeichen (primäre Transferenz) gebildet wurde. Ausgangspunkt dieser Typologie ist ausschließlich das zu ersetzende ZS-Zeichen, hier also das italienische Fremdwort. Als Klassifikationskriterium fungiert dasjenige Zeichenmerkmal, das das native Substitut gegenüber dem zu ersetzenden Lexem am deutlichsten modifiziert. Dies kann die Ebene des Zeichenausdrucks, des Zeicheninhalts oder der Wortbildung/Motiviertheit betreffen. Für lexikalische Substitute, die unabhängig von diesen drei Ebenen gebildet wurden, ist eine gesonderte Kategorie vorgesehen. Daraus ergeben sich vier Substitutionstypen: – formbasierte Substitution: Die Italianisierung erfolgt über eine Anpassung der Ausdrucksseite des Fremdworts an die Strukturen der ZS. Sie entspricht somit der grafischen bzw. morphonologischen Assimilation. Das Ergebnis dieser Assimilation kann ein Neologismus oder, seltener, ein bereits in der ZS vorhandener Ausdruck sein. – strukturbasierte Substitution: entspricht der Strukturübertragung (s.o.). Ausdrucksseitig können auf diese Weise sowohl Neologismen als auch bereits bekannte Ausdrücke gebildet werden. Bezogen auf die traditionelle Entlehnungsttypologie fallen Lehnübersetzungen, Lehnübertragungen, aber auch Teillehnwörter in diese Kategorie. Nach der formbasierten Substitution ist die strukturbasierte am engsten mit der AS-Form verbunden.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
75
– bedeutungsbasierte Substitution: entspricht im Wesentlichen der Analogie (s.o.). Bei bedeutungsbasierten Italianisierungen handelt es sich nie um ausdrucksseitige Neologismen. Zur genaueren Bestimmung kann angegeben werden, ob das Ersatzlexem einer bestimmten Varietät entnommen wurde oder eine diasystematische Markierung aufweist (z.B. Dialektismus, Fachterminus, Archaismus). Im Fall, dass die semantische Relation durch taxonomische Sub- oder Superordination in Form von Hyperonymie oder Hyponymie hergestellt wird, sollte dies ebenfalls angegeben werden. Auf eine genauere Differenzierung des Synonymie-Verhältnisses wie in Klein (1986, 138–140) soll jedoch verzichtet werden. – freie Substitution: Die Italianisierung erfolgt unabhängig von der Form und Struktur des Fremd- bzw. Lehnworts. Sie bedient sämtliche Formen der Wortbildung mit ein (Derivation, Komposition, Paraphrasierung) und bildet dabei immer Neologismen. Damit lehnt sich dieser Substitutionstyp am wenigsten an das Modell des Fremdworts an. Eine nicht-puristische Form dieses Ersetzungstypus ist die Neuentlehnung aus einer anderen AS in gleicher Bedeutung. Beispiele aus der historischen italienischen Sportterminologie für diese von puristischer Seite natürlich abgelehnten Form der Substitution sind hook (< engl.) neben crochet (< frz.) ‘Seitwärtshaken’ sowie die Bezeichnungen für ‘Fan, Anhänger’ suiveur (< frz.), aficionado (< span.) und fan (< engl.). Diesen vier Substitutionstypen können die weiter oben identifizierten Ersetzungsformen eindeutig zugeordnet werden: Tabelle 4: Systematisierung der lexikalischen Substitution nach Typ und Ersetzungsform. Substitutionstyp
Ersetzungsformen
formbasiert
Assimilation (grafisch / morphonologisch)
strukturbasiert
Strukturübertragung
bedeutungsbasiert
Analogie Dialektismus / Archaismus / Fachterminus Hyperonym / Hyponym / Kohyponym
frei
Paraphrase Neuformation Entlehnung (aus dritter Sprache)
76
2 Theoretische und historische Grundlagen
Anhand des italienischen Fremdworts cocktail und den zu seiner Ersetzung während des faschistischen Fremdwortpurismus vorgeschlagenen Ersatzlexemen soll die Substitutionstypologie veranschaulicht werden. Vorgeschlagen wurden die Lexeme coda di gallo (Palazzi 1939), zozza (Jàcono 1939; Monelli 1943), misce (Jàcono 1939), misto di liquori (Cicogna 1940), arlecchino (BIRAI 1941–43; Panzini 1942; Monelli 1943) und mistura (Monelli 1943). Erwähnt, wenn auch nicht zur Verwendung empfohlen, wurden die Formen coctel (Jàcono 1939), cocteil (Panzini 1942) und coccotello (Panzini 1942). Tabelle 5: Ersetzungstypologie am Beispiel von Ersetzungsvorschlägen für ital. cocktail. Substitutionstyp
neologisch
formbasiert
cocte(i)l (grafische Assimilation) coccotello (morphonologische Assimilation)
nicht-neologisch
strukturbasiert
coda di gallo (Strukturübertragung)
bedeutungsbasiert
arlecchino (Analogie) mistura (Hyperonym) zozza (Dialektismus) misce (Archaismus)
frei
misto di liquori (Paraphrase)
Die vorgeschlagene Typologie der lexikalischen Substitution dient der lexikologischen Analyse in Kapitel 4 und dem Hypothesentest für die unabhängige Variable ‹Substitutionstyp› in Kapitel 5.8.
2.1.6 Zusammenfassung Der Forschungsüberblick hat gezeigt, dass vielfältige Perspektiven auf sprachliche Fremdheit möglich sind, wobei das Fremdwort als prototypisches Phänomen
90 Dass arlecchino (als Substantiv) keine Neuformation ist, erklärt Migliorini in seinem Artikel «Arlecchino figlio di due padri» (Lingua nostra 4, 1942, 45–46): «m’ero fondato sugli usi metaforici che già arlecchino aveva avuto in Italia (gelato di più colori, una specie d’amaranto tricolore) e in Francia». Dadurch kann der Ersetzungsvorschlag als Bedeutungserweiterung interpretiert werden. Raffaelli (2008) und Piacentini (2016a) ordnen arlecchino der Kategorie «sostituti estrosi» zu.
2.1 Fremdwörter zwischen Innovation, Integration und Substitution
77
gilt. In der sprecherzentrierten und gebrauchsorientierten Forschungsperspektive gilt für das Fremdwort nicht nur das Kriterium der strukturellen Fremdheit, sondern auch das etymologische Kriterium der tatsächlichen Entlehnung eines ASZeichens. Damit lässt sich das Fremdwort von der Scheinentlehnung bzw. dem Allogenismus, von der Fremdwortbildung und von der Korrespondenz klar abgrenzen. Die Grenzen zwischen Fremdwort und Lehnwort sind dagegen fließend, ihre Kriterien sind in Bezug auf die jeweiligen Untersuchungsziele konkret festzulegen. Fremdwortintegration kann gemäß der Optimalitätstheorie als Aushandlungsprozess innerhalb der ZS-Grammatik interpretiert werden mit dem Ziel, einerseits das Fremdwort dem ZS-System anzugleichen und andererseits Konformität zu seinem AS-Modell zu wahren. Es wurde festgestellt, dass die diachronische Analyse des Entlehnungsvorgangs nicht nur notwendig ist, um Entlehnungen von Scheinentlehnungen unterscheiden zu können, sondern auch katachrestische von nichtkatachrestischen Entlehnungen. Lexikalische Entlehnung ist ein universelles Phänomen der Erneuerung von Sprachen, dessen Ergebnisse weder direkt beeinflusst noch prognostiziert werden können. Fremdwörter erfüllen denotative und expressive Funktionen entsprechend der statischen und dynamischen Redemaximen menschlicher Kommunikation, wobei katachrestische Fremdwörter insbesondere dem Bezeichnungsbedürfnis und der denotativen Differenzierung dienen, nichtkatachrestische Fremdwörter dagegen der markierten, aufmerksamkeitssteigernden Rede und der stilistischen und konnotativen Differenzierung. Nichtkatachrestische Fremdwörter im weiten Sinn91 stehen in Variation und Konkurrenz zu weiteren, meist nativen Synonymen. Diese Situation wurde als sprachkontaktinduzierte Lexemkonkurrenz bzw. als onomasiologische Variation zwischen eigen- und fremdsprachlichen Lexemen bezeichnet. Onomasiologische Variation kann als Auslöser für Sprachwandel betrachtet werden, da es sich um einen instabilen Zustand handelt, der langfristig zu Substitution, Differenzierung oder dauerhafter Koexistenz der beteiligten Lexeme führt. Bezüglich der lexikalischen Substitution wurden vier mögliche Grundtypen – formbasierte, strukturbasierte, bedeutungsbasierte und freie Substitution – sowie jeweils verschiedene Ersetzungsformen identifiziert. Onomasiologische Variation wird nicht nur durch spontane Innovationsprozesse ausgelöst, sondern auch durch bewusste Korpusplanung, meist im Zuge puristischer/sprachpflegerischer Intervention, deren erklärtes Ziel die
91 Also unabhängig davon, ob die Katachrese bereits zum Zeitpunkt der Entlehnung bestand oder nicht, vielmehr in Bezug darauf, ob für ein Fremdwort generell weitere Ausdrucksvarianten zur Verfügung stehen.
78
2 Theoretische und historische Grundlagen
Substitution von Fremdwörtern ist. Es kann geschlussfolgert werden, dass Fremdwörter durch drei Eigenschaften zur Zielscheibe von Sprachpurismus werden: – aufgrund ihrer strukturellen Fremdheit (strukturaler Purismus); – aufgrund ihrer pragmatischen Markiertheit im Fall nichtkatachrestischer Fremdwörter; – aufgrund ihrer fremden Herkunft an sich (ideologischer Purismus). Bezeichnungswandel sollte nicht dichotom als entweder natürlich oder als künstlich bedingt betrachtet werden, sondern als Invisible-Hand-Prozess. Fremdwörter sind in diesem Prozess unterschiedlichen Bedingungen ausgesetzt: der phonologischen, grafematischen und morphologischen Assimilation, der semantischen Integration durch denotative und konnotative Differenzierung, ihrer Frequenz im Sprachgebrauch und ihrer kognitiven Verfügbarkeit im Lexikon, der onomasiologischen Konkurrenz mit Synonymen, sprachextern auch mit referentiellen Veränderungen sowie attributiven, evaluativen und direktiven Einflüssen (d.h. Einflüssen der Sprechereinstellung, der konnotativen Meliorisierung oder Pejorisierung, des Verbots etc.). Es wurde deutlich, dass die Entwicklung von Fremdwörtern im Wortschatz dynamisch, nicht prognostizierbar und multikausal beeinflusst ist.
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus Nach den theoretischen, übereinzelsprachlichen Grundlagen zu lexikalischer Entlehnung und Substitution folgt nun ein Überblick über den Versuch der puristischen Intervention gegenüber der italienischen Sprache in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dieses konkrete historische Beispiel dient als Grundlage der korpusbasierten Untersuchung sprachkontaktbedingter Lexemkonkurrenz und lexikalischer Substitution von Fremdwörtern in Kapitel 4 und 5. Der faschistische Fremdwortpurismus bietet sich für eine solche Untersuchung sehr an, da angesichts der breit angelegten Kampagne für praktisch alle damals in der italienischen Sprache kursierenden Fremdwörter native Ersatzlexeme benannt wurden, die durch zahlreiche Publikationen zudem gut dokumentiert sind. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Annahme, dass die fremdwortpuristische Intervention als eine ökologische Rahmenbedingung im Invisible-HandProzess des onomasiologischen Wandels fungiert (siehe 2.1.5.2). Inwieweit sie onomasiologischen Wandel beeinflussen kann und welche alternativen Einflussfaktoren dabei zum Tragen kommen, soll Gegenstand der Untersuchung sein. Bevor in Kapitel 3 auf methodische Aspekte und praktische Probleme einer sol-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
79
chen Untersuchung eingegangen wird, liefert das vorliegende Teilkapitel einen historischen Überblick über Themen (2.2.1 und 2.2.2), Quellen und Akteure des faschistischen Fremdwortpurismus (2.2.3) sowie über den Forschungsstand zu seiner Wirkung (2.2.5). Daneben wird die Entwicklung des italienischen Fremdwortschatzes nach 1945 nachgezeichnet (2.2.4) und es werden generelle Einflussfaktoren für die Substitution von Fremdwörtern in der italienischen Sprache diskutiert (2.2.6).
2.2.1 Historischer Überblick Unter allen sprachpolitischen Zielen, die das faschistische Regime verfolgte, stellt der Fremdwortpurismus in Anbetracht von Aufwand, ideologischer Prägung und Massentauglichkeit das dominante und markanteste Thema dar (Raffaelli, S. 2006a, 1467). Weitere Ziele waren die Unterdrückung der Dialekte und Minderheitensprachen,92 die Umbenennung nicht-italienischer Orts- und Personennamen93 und die Verbreitung des Italienischen in den Kolonien (Kolb 1990, 37–46). Der Fremdwortpurismus war Teil einer autoritären Sprachpolitik, durch die das faschistische Regime nicht nur eine sprachliche, sondern auch die nationale Einheit erreichen wollte (Klein 1986, 145). Daher galten alle Abweichungen von der Normsprache, gleichermaßen als sprachliche und als nationale Bedrohung. Dazu zählten neben Minderheitensprachen und Dialekten auch Fremdwörter und generell fremde Gattungs- und Eigennamen, etwa von Geschäften und Hotels oder in Form von Künstlernamen. Die tatsächliche soziolinguistische Situation Italiens war zu Beginn der 1920er Jahre allerdings durch eine überwiegende Dialektophonie, sprachliche Vielfalt und eine hohe Analphabetenquote gekennzeichnet,94 so dass Italien von einer sprachlichen Einheit noch weit entfernt war (De Mauro 1993).
92 Die Repression gegen Dialekte setzte ab 1925, nach der Errichtung des Einparteienstaates ein; die 1923 beschlossene Schulreform sah noch die Integration des Dialekts nach dem didaktischen Programm von Giuseppe Lombardo-Radice («dal dialetto alla lingua») vor. Tatsächlich war dieses Programm für viele ausschließliche Dialektsprecher die Voraussetzung zur Alphabetisierung in der Schule. Ab 1934 spielte der Dialekt in der Schulbildung keine Rolle mehr (Klein 1986, 27–53). Zur rigiden Sprachpolitik gegenüber den Minderheitensprachen ab 1925 siehe Klein (1986, 69–95); Raffaelli, S. (2006a, 1467). 93 Zur toponomastischen und onomastischen Sprachpolitik des Faschismus in den Regionen mit Minderheitensprachen cf. Klein (1986, 95–110). 94 Die Analphabetenquote betrug 1921 27,7% der italienischen Bevölkerung, in Kalabrien und Basilikata lag sie sogar bei über 50% (Klein 1986, 34).
80
2 Theoretische und historische Grundlagen
Gegenstand des folgenden Überblicks ist der faschistische Fremdwortpurismus (aufgrund der häufigen Verwendung im Folgenden: FFP). Darunter wird der Komplex puristischer Initiativen, Maßnahmen und Äußerungen verstanden, die während der faschistischen Herrschaft in Italien (1922–1943) gegen tatsächliche oder vermeintliche Fremdwörter gerichtet waren, unabhängig von der institutionellen Anbindung ihrer Autoren und ihrer ideologischen Prägung. Damit wird das zu untersuchende Phänomen vergleichsweise weit gefasst.95 Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass der FFP gerade durch die Integration institutioneller und nicht-institutioneller, laienlinguistischer und wissenschaftlicher Initiativen gekennzeichnet war und bei der Erklärung des Phänomens all diese Facetten berücksichtigt werden sollten. Gabriella Klein, die die faschistische Sprachpolitik neben Sergio Raffaelli am gründlichsten untersucht hat, zeigt sich überzeugt, «che [...] la politica linguistica del/durante il fascismo non si esaurisca semplicemente in un ‹purismo di stato› (Raffaelli), ma che siano anche gli stessi intellettuali e scienziati [...] a imporre, con il loro patrimonio ideologicoculturale, delle linee a un regime particolarmente favorevole alla tendenza linguistico-autarchico» (Klein 1986, 147). Zeitlich kann der faschistische Fremdwortpurismus anhand der jeweils dominanten Themen in drei Phasen gegliedert werden: 1. difesa della lingua (1923–1925): abwehrender Purismus 2. italianità (1926–1936): nationalistischer Purismus 3. autarchia linguistica (1936–1945): staatlich gelenkter Purismus Die Einteilung und die Bezeichnung der drei Phasen dienen einer groben Gliederung, deren Übergänge als fließend anzusehen sind. Die Bezeichnungen stehen für Konstrukte, die den fremdwortpuristischen Diskurs während jener Zeit bestimmten: Ziel der ersten, noch defensiven Phase ist der 1926 erschienene Aufsatz «La difesa della lingua» des damaligen Senatspräsidenten Tommaso Tittoni, der eine öffentliche, politisch-gesellschaftliche Debatte um Fremdwörter begründete (2.2.1.1). In der zweiten Phase rückt der nationalistische Purismus im Dienste der Italianità in der seit 1926 gleichgeschalteten Presse mit schärferen Tönen in den Vordergrund (2.2.1.2). Die offensivste Phase des FFP wird mit der umfassenden Autarkie-Kampagne des Regimes im Jahr 1936 eingeläutet (2.2.1.3). Als Endpunkt
95 Studien, die sich vorrangig den fremdwortpuristischen Initiativen der Regierung widmen, sind Foresti (2003b); Raffaelli, A. (2010); Di Stefano (2007). Zu den lexikografischen Initiativen der campagna per l’autarchia linguistica cf. Serianni (2011), zum Neopurismus Castellani (1979); Fanfani (2009); Baggio (2009); Scavuzzo (2015). Integrierende Studien sind De Mauro (²1993, 362–368); Risk (1976); Raffaelli, S. (1983); Cicioni (1984) und Klein (1986).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
81
soll hier das Jahr 1945 gelten, statt wie üblich das Jahr 1943, in dem Mussolini abgesetzt und die faschistische Partei aufgelöst wurde, da die (sprach-)politische Neuordnung Italiens erst nach Kriegsende begann und das wichtigste Gesetz gegen Fremdwörter erst 1946 abgeschafft wurde. Bevor nun die einzelnen Phasen beschrieben werden, sollen zunächst auf einige bedeutsame Randbedingungen des FFP hingewiesen werden. Die erste Randbedingung ist onomasiologischer Art: Die politische Einigung Italiens im Jahr 1861, die beginnende Industrialisierung und Modernisierung des Landes und die Anpassung der jahrhundertelang fast ausschließlich im Schriftmedium realisierten italienischen Sprache an die Bedürfnisse der Bürger eines modernen Nationalstaates machten die Erweiterung des Wortschatzes dringend notwendig. Der Bezeichnungsbedarf wurde vielfach durch Entlehnungen, v.a. aus dem Französischen, realisiert, die nach 1861 typisch insbesondere für die Fachsprachen der Verwaltung, der Eisenbahn, des Militärs, der Konsumgüter und der Mode sowie in den Printmedien waren (Migliorini 1987). Besonders stark von Fremd- und Lehnwörtern gekennzeichnet war die Sprache des Sports. Der Sport stellte in seiner modernen Konzeption einen völlig neuen Bereich des gesellschaftlichen Lebens in Italien dar. Die Wahrnehmung einer zunehmenden Dichte von Fremdwörtern im Italienischen führte bereits im 19. Jahrhundert während der Debatten, die die Questione della lingua der Einigungsbewegung begleiteten, zu einem puristischen Diskurs um Fremdwörter und Neologismen, dem sog. purismo ottocentesco. Ein zweiter Aspekt betrifft den Status von Fremdwörtern in der italienischen Lexikografie. Bis in die 1980er Jahre waren unassimilierte Entlehnungen selten in Standardwörterbüchern des Italienischen zu finden (cf. De Mauro 2005, 232–233). Zuvor wurden sie nur von einem Teil der Lexikografie berücksichtigt, nämlich von präskriptiven Wörterbüchern, die Fremdwörter und Neologismen («voci impure», «barbarismi») mit der Zielsetzung lemmatisierten, um dem Nutzer Anleitung zu ihrer Vermeidung und Ersetzung im Sprachgebrauch zu geben. Die lexikografische Isolierung von Fremdwörtern in Wörterbüchern vorrangig puristischer Zielstellung hatte daher zu Beginn des Faschismus bereits eine Tradition, an die angeknüpft werden konnte. Der dritte, politische Aspekt betrifft die in Kapitel 2.1 beschriebene Eigenschaft von Fremdwörtern, aufgrund ihrer exogenen Merkmale auch von Laien als nicht-native Lexeme erkannt und sich damit besonders für die konnotative und wertende Aufladung zu eignen. Als prototypische Vertreter sprachlicher Fremdheit können Fremdwörter in der politischen Propaganda leichter als andere Wortschatzbereiche mit nationalistischen Positionen verknüpft werden, die sich gegen die Kultur bzw. Politik der AS wenden. Diese Eigenschaft machte sich insbesondere die Autarkie-Kampagne ab dem Jahr 1936 zunutze.
82
2 Theoretische und historische Grundlagen
2.2.1.1 Difesa della lingua Der FFP stand zu Beginn der 1920er Jahre noch in der Traditionslinie des Purismus des 19. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit stammt auch die lexikografische Tradition des puristischen Ersetzungswörterbuchs, deren Verfasser typischerweise Vertreter der intellektuellen Elite waren, aus linguistisch-lexikografische Perspektive jedoch Laien waren, angefangen beim Elenco di alcune parole oggidì frequentemente in uso, le quali non sono ne’ vocabolarj italiani des Ministerialbeamten Giuseppe Bernardoni (1812) bis hin zu den noch im 20. Jahrhundert oft zitierten Wörterbüchern von Filippo Ugolini (Vocabolario di parole e di modi errati, 1855), Pietro Fanfani und Costantino Arlìa (Il lessico della corrotta italianità, 1877, ²1881, ³1890, 41898) sowie Giuseppe Rigutini (I neologismi buoni e cattivi, 1886, ²1891).96 Laut Marazzini (2015) signalisieren diese Wörterbücher «il disagio di alcuni intellettuali che si manifesta nelle fasi di accentuata trasformazione della lingua» (19). Gerade weil der Status der italienischen Sprache nach der politischen Einigung nicht mehr infrage stand, rückten Fragen der Korpusplanung und des Sprachausbaus durch Neologismen und Entlehnungen in den Vordergrund, die von Puristen mit einer Rückbesinnung auf die literarische Tradition und deren Prestige beantwortet wurden. Der FFP übernahm vom Purismus der Einigungsbewegung «il populismo, l’idea che il popolo rappresenti il deposito primigenio della lingua e che l’inquinamento provenga dalle classi alte» (Serianni 2011, 275–276). Noch grundlegender war die Übernahme des Jakobinismus – also der politischen Überzeugung, es sei Aufgabe des Staates, in Sprachfragen regulierend einzugreifen – und der Gleichsetzung von Sprache und Nation. Beides bildete die ideologische Basis des FFP (Cicioni 1984, 87). Die Gleichsetzung von Sprache und Nation führte dazu, dass ein Sprachgebrauch, der der faschistischen Konzeption von Normsprache entgegenstand, zu einem Politikum wurde. Daher wurde der Gebrauch von Fremdwörtern – insbesondere solcher, die als nicht «notwendig» betrachtet wurden – im Faschismus immer wieder als unpatriotische Auslandsliebe und als «Snobismus» des Bürgertums dargestellt. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass der FFP über weite Strecken nicht durch eine sprachpflegerische Vereinigung getragen war, wie etwa in Deutschland, wo der 1885 gegründete Allgemeine Deutsche Sprachverein (ab 1923 in Deutscher Sprachverein umbenannt) das wichtigste Sprachrohr des deutschen Fremdwortpurismus darstellte.97 Die Sprachpflege oblag in Italien vorrangig der
96 Zu den Ersetzungswörterbüchern des Ottocento cf. Marazzini (2009, 306–312). 97 Siehe dazu Eisenberg (2018, Kap. 3.2.1.). Der radikale Fremdwortpurismus des Deutschen Sprachvereins und seiner großen Anhängerschaft wurde – ganz im Gegensatz zum faschistischen Italien – vom nationalsozialistischen Regime nicht unterstützt, sondern sogar erheblich behindert. Wie Peene (2011, 81–85) überzeugend darstellt, lag dem zugrunde, dass der Natio-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
83
Accademia della Crusca, der weltweit ältesten Sprachakademie. Allerdings stand diese zu Beginn des 20. Jahrhunderts in keinem guten Ruf, da sie von der 1843 begonnenen 5. Auflage des Vocabolario degli Accademici della Crusca vollständig in Anspruch genommen war (bis 1923 waren lediglich die Artikelstrecken A-O erschienen) und angesichts der großen gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen nicht mehr als zeitgemäße Autorität angesehen wurde (cf. De Mauro 1970, 363–364). Durch Intervention des Bildungsministers Giovanni Gentile wurde die lexikografische Arbeit der Akademie 1923 mit einem Gesetz eingestellt, «esautorando l’accademia dall’attività per la quale è sorta» (Settimelli 2015, 5). Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt – die Machtübernahme Mussolinis lag erst ein halbes Jahr zurück – übernahm der Faschismus somit Kontrolle über kulturelle Institutionen, um sie zunehmend durch eigene zu ersetzen. 1926 wurde die Accademia d’Italia als wichtigste Kulturinstitution des Faschismus gegründet. Eine Vereinigung, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit puristischen Fragen befasste, war die Società Dante Alighieri. Sie wurde 1889 im Geist der Pädagogik des Risorgimento («fare gli italiani») und des Irredentismus gegründet, um die Verbreitung der italienischen Sprache und Kultur im Ausland zu fördern. Auf ihren Kongressen in Genua (1906), Brescia (1909) und Pallanza (1913) äußerten Mitglieder der Vereinigung Besorgnis über die hohe Präsenz deutschsprachiger Anzeigetafeln am Gardasee (der bereits seit Ende des 19. Jahrhundert verstärkt deutschsprachige Touristen anzog). In einer «campagna irredentisticonazionalista» (Raffaelli, S. 1983, 8) bemühte sich die Società Dante Alighieri um eine rechtliche Verankerung des Verbots nichtitalienischer Beschilderungen, um der «Germanisierung» dieses Teils von Italien entgegenzuwirken (ders., 44–89). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der mit der beendeten Einigungsbewegung im 19. Jahrhundert unwichtiger gewordene Purismus neu belebt, als Italien angrenzende deutsch-, slowenisch- und kroatischsprachigen Staatsgebiete in Südtirol und Istrien, die sog. terre irredente, zugesprochen wurden, deren Italianisierung als nationale Aufgabe galt. Bereits vier Monate nach der Machtübernahme Mussolinis 1922 wurde das erste fremdwortpuristische Gesetz erlassen, auf das auch die Società Dante Alighieri
nalsozialismus sich ideologisch nicht auf die Gleichsetzung von Nation und Sprache gründete, sondern auf jene von Nation und Rasse. Ziel war keine Autarkie- sondern eine Expansionspolitik. Zudem erfüllten Fremdwörter in der Propaganda des Nazi-Regimes wichtige Funktionen: Imponieren/Suggestion (z.B. mit Lexemen wie heroisch, Triumph, prophezeien, fanatisch), Verschleierung (von Verbrechen), z.B. bei Evakuierung, Desinfektion oder Konzentrationslager, sowie Abgrenzung/ Aufwertung (statt der für die eigene Partei verwendeten Begriffe Propaganda und Kongreß wurde in Bezug auf andere Parteien von Hetze bzw. Tagung gesprochen).
84
2 Theoretische und historische Grundlagen
hingewirkt hatte (Raffaelli, S. 1983, 125): Das Dekret N. 352 vom 11. Februar 1923 sah eine obligatorische Abgabe auf alle gewerblichen Anzeigetafeln vor, die fremde Wörter enthielten.98 Damit wurde der abwehrende Fremdwortpurismus gesetzlich verankert. Allerdings ließ das Gesetz noch gewisse Lücken – «unübersetzbare» Fremdwörter wie caffè, rhum, the, tramvai sowie fremde Markennamen, die vor 1923 geprägt wurden, waren von der Abgabe zunächst ausgenommen (ders., 125–132). Beim Kongress der Società Dante Alighieri 1924 in Fiume äußerte Giuseppe Coceva während einer Diskussion zum Thema «Per la difesa della nostra lingua» die Idee eines handlichen Ersetzungswörterbuchs für Fremdwörter, das als Referenzwerk in der Schulbildung zu nutzen sei:99 Il Consiglio Centrale nomini una commissione, composta di pochi competenti, che compili un vocabolarietto dei termini esotici, indicando per ciascuno di essi il corrispondente italiano o il termine italianizzato. Il dizionario del Panzini, di cui da qualcuno si fa il nome, è un grande dizionario che contiene tant’altra roba; invece bisognerebbe pubblicare un fascicoletto di poche pagine – come quello di Pasquale De Luca – che dovrebbe essere imposto d’autorità dal Ministero della Pubblica Istruzione per tutti i testi di lingua italiana da adottarsi nelle scuole. Si cominci con questo, che è piccola cosa; il resto verrà da sé (Società Dante Alighieri 1924, 44).
Von den Wörterbüchern von Pasquale De Luca und Alfredo Panzini wird unter 2.2.3.1 und 2.2.3.3 die Rede sein. Die Idee der Sprachreinigung mithilfe von «vocabolarietti» war nicht neu, wurde aber immer noch als zeitgemäß angesehen und stellte in den folgenden 20 Jahren die am häufigsten genutzte puristische Maßnahme gegen Fremdwörter dar. Nach der Errichtung des Einparteienstaates und der faschistischen Dikatur im Jahr 1925 wurde sichtbar, dass durch das Gesetz von 1923 der Fremdwortgebrauch im Handel abnahm, in den Fachsprachen und in der Mediensprache, d.h. in den Zeitungen und in den neuen Medien Radio und Film, jedoch nicht.
98 Die gesetzliche Sprachregulierung des Faschismus wandte sich von Anfang an gegen gewerbliche Anzeigetafeln, wie Raffaelli (1983) zeigt. Das erste fremdwortpuristische Gesetz im vereinigten Italien wurde 1874 erlassen (14 giugno 1874, N. 1961). Es sah vor, dass Kommunen eine Abgabe auf gewerbliche Anzeigetafeln und Fotografien erheben und dabei den Gebrauch von fremden Gattungs- und Eigennamen sanktionieren konnten (ders., 30–37). Die Motivation dieses Gesetzes war noch nicht xenophober, sondern ästhetisch-literarischer (7) und finanzpolitischer Natur, denn es stellte eine nicht unwesentliche Einnahmequelle für die Kommunen dar (34). 99 Obwohl der Kongress Cocevas Vorschlag annahm, wurde das von Torquato Gigli vorbereitete Wörterbuch nie veröffentlicht (Raffaelli, S. 1983, 143). Möglicherweise wurde es aber auf seinen Wunsch von der Commissione per l’italianità della lingua berücksichtigt (224).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
85
(Aussagen über die gesprochene (Umgangs-)Sprache dieser Zeit sind mangels Quellen schwierig.) Mit seinen neuen Einflussmöglichkeiten bot sich dem faschistischen Staat die Möglichkeit, den FFP von einem ästhetisch-literarischen Problem eines kleinen Intellektuellenkreises zu einem Thema zu machen, das die Massen mobilisierte – ähnlich der 1925 propagandistisch begleiteten «battaglia del grano»,100 ein gemeinsamer «Kampf» gegen Fremdwörter, eine «strumentalizzazione della lingua anche al fine di raccogliere i consensi» (Klein 1986, 148). 2.2.1.2 Italianità Mit der Einrichtung der Einparteiendiktatur, der Gleichschaltung der Presse und der Auflösung der oppositionellen Parteien in den Jahren 1925/1926 wuchs die politische Bedeutung des Fremdwortpurismus. Das ist zum einen an den gegen Fremdwörter gerichteten Pressekampagnen (siehe 2.2.3.2) insbesondere ab den 1930er Jahren erkennbar, andererseits an einer zunehmenden Propaganda gegen Fremdwörter seitens der Politik. Dabei spielte das Konzept einer nationalistisch inspirierten Italianità (Foresti 2003b, 46), also der Betonung der nationalen Identität und einer Abwehr aller fremden Einflüsse, eine wichtige Rolle. Eine Art «Dammbruch» in Bezug auf die gegenseitige Beeinflussung von Politik und Sprachkritik stellte der 1926 veröffentlichte Artikel «La difesa della lingua italiana» des damaligen Präsidenten des italienischen Senats, Tommaso Tittoni (1855–1931), dar. Tittoni wurde 1929 auch erster Präsident der Accademia d’Italia (cf. Raffaelli, S. 1983, 144–149). In seinem Artikel in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Nuova antologia vertrat Tittoni die Position, dass «il dire con locuzione esotica ciò che può dirsi non meno bene italianamente è un delitto di lesa patria» (379). Tittoni wandte sich aber weniger gegen das äußere, als gegen das innere Lehngut: «preferisco una parola straniera genuina ad una cattiva traduzione. La parola straniera tale qual’è resta all’infuori, quasi a latere della nostra lingua e non la penetra, e quindi non la corrompe. Inoltre col tempo può sparire più facilmente di quella malamente tradotta in italiano» (383). Damit meinte er Assimilationen und Lehnübersetzungen wie sabottaggio (frz. sabotage) und messa a punto (frz. mise au
100 Die «Weizenschlacht» sollte die Weizenversorgung Italiens durch protektionistische Maßnahmen verbessern, von Importen unabhängig machen und somit ein Vorgeschmack auf die campagna autarchica sein.
86
2 Theoretische und historische Grundlagen
point). Aus der Unzufriedenheit über den journalistischen Sprachgebrauch erwächst bei ihm der Wunsch nach politischen Lösungen: quando leggo queste birbonate linguistiche mi sento acceso da sdegno e penso: possibile che non si trovi qualcuno il quale, ispirandosi all’esempio di Gesù che scacciò i mercanti dal tempio, o a quello di Dante che mise sottosopra la bottega del fabbro che storpiava i suoi versi, faccia il giro delle redazioni dei giornali e scacci questi sfregiatori della lingua italiana. Potrebbe ordinar ciò il Duce [...] (386).
Zudem rief Tittoni die Leser zum Boykott der «giornali non scritti italianamente» (387) und zur Sprachbildung in Schule und Familie auf, denn «certo è che oggi contro gli attentati al nostro dolce idioma non esistono sanzioni e ben scarsa efficacia hanno le prediche delle Accademie» (ebd.). In der Folge kam es laut Raffaelli (1983) zu einer «[r]evisione linguistica di massa» (150), die sich durch fremdwortkritische Propaganda und die Generierung von Ersatzlexemen auszeichnete: «Una campagna di stampa a più voci ma non concordata, la prima per intensità e risonanza e diffusione nella storia linguistica italiana» (155). Dennoch blieb die Kampagne bis 1936 auf Einzelinitiativen beschränkt, bei der die Regierung – abgesehen von der abschreckenden Wirkung des Gesetzes gegen Fremdwörter auf gewerblichen Anzeigetafeln – über die Presse oder über Gewerkschaftsverbände nur indirekt involviert war. Die Lücken des Gesetzes von 1923 gaben Anlass zu immer strikteren Anweisungen und Verfügungen. So wurde mit einer weiteren Bestimmung vom 9. September 1937 (N. 1769) die Abgabe für Fremdwörter auf Anzeigetafeln um das 25fache erhöht (ders., 139). Daraufhin benannte sich u.a. die 1931 gegründete Kaufhauskette Magazzini Standard in Standa um. Hinzu kamen vielfältige offizielle Empfehlungen und Anordnungen zum Sprachgebrauch: Presseanweisungen («note di servizio») und Pressemitteilungen der Regierung,101 die den Sprachgebrauch und die Themensetzung der Tagespresse minutiös zu disziplinieren versuchten. Hinzu kamen die fast täglichen Verfügungen («disposizioni») der faschistischen Partei, die ab 1932 im Foglio di disposizioni von Parteisekretär Achille Starace herausgegeben wurden. Sergio Raffaelli (1997, 37) schätzt die Anzahl der überlieferten veline mit Anweisungen für den Sprachgebrauch auf etwa 500 (von insgesamt 10.000), die Verfügungen auf ca. 100 (von 15.000). Einige Beispiele (ders., 40–45): 15.07.1932: È stato raccomandato ai giornali: 1) Sostituire «gentlemen’s agreement» con «accordo amichevole» [...].
101 Presseanweisungen und Pressemitteilungen wurden auch unter Begriff veline zusammengefasst (Raffaelli, S. 1997, 32). Sie wurden zunächst von Mussolinis Pressebüro und ab 1937 vom Ministerium für Volkskultur (Ministero della Cultura popolare) an die Pressevertreter verteilt.
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
87
19.05.1933: È stato raccomandato ai giornali [...] di non usare parole straniere specialmente nei titoli [...]. 02.04.1934: È stato raccomandato [...] di evitare di usare termini stranieri anche nella pubblicità dei giornali. 12.09.1936: È stato raccomandato ai giornali [...] di tener presente che l’Ente della Moda ha pubblicato un vocabolario di termini relativi alla moda stessa; interessarsi al vocabolario stesso, in quanto esso permetterà l’eliminazione ulteriore di parole straniere.
2.2.1.3 Autarchia Ab 1936 wurde die Fremdwortdebatte von «molti esponenti autorevoli della cultura e della ‹glottologia› in particolare» (Raffaelli, S. 1983, 164) noch stärker ideologisch ausgetragen und von repressiven, staatlich gelenkten Maßnahmen begleitet. Diese letzte, intensivste Phase des faschistischen Fremdwortpurismus wird häufig mit den damals geprägten Begriffen campagna per l’autarchia della lingua (oder campagna per l’autarchia lingustica) bzw. bonifica linguistica102 bezeichnet. Nachdem Italien am 2. Oktober 1935 einen Angriffs- und Eroberungskrieg auf Abessinien begonnen und der Völkerbund daraufhin am 18. November Wirtschaftssanktionen gegen Italien verhängt hatte, reagierte das faschistische Regime mit der Absichtserklärung, sich wirtschaftlich unabhängig von anderen Ländern zu machen und trat zudem aus dem Völkerbund aus. Die propagandistisch angelegte campagna autarchica diente der Regierung als «una straordinaria valvola di consenso» (Arcangeli 2001, s.v. autarchia). Sie umfasste bald u.a. die Energie-, Land- und Finanzwirtschaft und zog auch eine erhebliche Forschungsaktivität nach sich, vor allem im Bereich der chemischen Industrie, um eine von anderen Ländern unabhängige Energieversorgung und Metallverarbeitung abzusichern (Maiocchi 2003). Im Bereich der Textilwirtschaft wurde 1935 per Dekret das Ente Nazionale della Moda gegründet. Ziel war nicht nur, bei der Produktion von Textilien ohne Woll- und Baumwollimporte auszukommen, sondern auch eine eigene Sprache der Mode zu entwickeln. In diesem politischen Kontext verwendete Mussolini im Jahr Mai 1937 erstmals den Begriff autarchia, verstanden als Ziel der «totalen» materiellen und wirtschaftlichen Autonomie vom Ausland (Beck-Busse 2014, 156–157) und damit als ein Schutzschild der Italianità (dies., 161). Der Prägung dieses faschistischen Schlüsselbegriffes ging laut der Analyse von Beck-Busse ein Sinneswandel bei
102 Migliorini gebraucht diesen Ausdruck 1941 in Anführungszeichen (Raffaelli, A. 2011b). Im Übrigen war Migliorini die politische Motivation der Kampagne bewusst: «[...] la sostituzione dei forestierismi ha un substrato politico: per alcuni di politica estera (senofobia o, in particolare, odio contro i nemici con cui l’Italia è in guerra) per altri di politica interna (antisnobismo)» (1941b, 138–139).
88
2 Theoretische und historische Grundlagen
Mussolini voraus: Während er ursprünglich davon ausging, dass die italienische Wirtschaft nur zu weitgehender Autonomie («autonomia») fähig sei, überzeugte er sich 1937 von ihrer totalen Autonomie («autarchia») (156–157). Im Dezember desselben Jahres veröffentlichte Bruno Migliorini (1896–1975) in Critica fascista den Artikel Autarchia linguistica,103 in dem er mit dem Begriff autarchia linguistica das politisch-ökonomische Konzept auf die Sprachpolitik übertrug – eine Erweiterung, die bereits 1938 dankbar angenommen wurde (cf. Addeo, Piero, Autarchia linguistica. Lei – voi – tu, Napoli, s.a. [1938]; cf. auch Natali 1940 und CFPA). Ab 1938 verschärfte das Regime den Fremdwortpurismus legislativ und versuchte damit, die «totale» Autonomie auch im Bereich der Sprache zu demonstrieren (Klein 1984, 105). Dabei wurden die angespannten politischen Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich genutzt, um die Bekämpfung von Anglizismen und Gallizismen zu begründen. Das zunächst nur abschreckende Gesetz von 1923 wurde durch zusätzliche Verbote für sprachliche Fremdheit in Gattungs- und Eigennamen ergänzt:104 – 1938 wurde verfügt, dass Herstellerangaben auf Waren italienisch zu etikettieren seien (regio decreto legge 28 giugno 1938, N. 1162). Das Gesetzesdekret wurde durch die Gesetze «Difesa del prodotto italiano contro la illecita concorrenza del prodotto straniero» (legge 19 gennaio 1939, N. 251) und «Protezione del prodotto italiano contro la illecita concorrenza del prodotto camuffato come straniero» (legge 12 febbraio 1940, N. 215) noch verstärkt. – Im selben Jahr wurde öffentlichen Kultureinrichtungen verboten, nichtitalienische Bezeichnungen in ihrem Namen zu führen (regio decreto legge 5 dicembre 1938, N. 2172). – 1939 wurde verboten, italienischen Kindern nichtitalienische Namen zu geben (regio decreto legge 9 luglio 1939, N. 1238).
103 Dass Migliorini den Begriff autarchia linguistica wahrscheinlich als Erster publik machte, ist für Fanfani (2009) kein Beleg, dass Migliorini sich in deren Dienst stellte. Im Gegenteil habe er diesen Artikel geschrieben, um «i limiti dell’intervento ‹autarchico› sulla lingua» zu zeigen (58, Fn. 65). 104 Zu den Gesetzen cf. Raffaelli, S. (1983, 167–177); Raffaelli, A. (2010, 15); Nichil (2011, 440). Die wichtigsten Primärquellen der Sprachpolitik des Regimes sind neben der Gazzetta ufficiale für die Gesetzestexte (cf. Foresti 1978 und Raffaelli, S. 1983) das Parteiblatt Foglio di disposizioni del P.N.F. (cf. Nichil 2011 und 2012), die Sprachanweisungen der sog. veline (cf. Raffaelli, S. 1997) sowie der Bollettino d’informazioni della R. Accademia d’Italia, in dem die Ersetzungslisten der Commissione per l’italianità della lingua veröffentlicht wurden (Raffaelli, A. 2010).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
89
– 1940 wurde die Verwendung fremdsprachlicher Künstlernamen verboten (Rundschreiben des Ministeriums für Volkskultur vom 23./24. August 1940; cf. Lingua nostra 3, 1941, 23). Hinzu kam ab 1938 die Kampagne gegen das höfliche Anredepronomen Lei, das von allen Parteimitgliedern und Staatsbediensteten durch das vorgeblich «römische» voi ersetzt werden sollte105 (dessen Gebrauch aber tatsächlich typisch für einige süditalienische Dialekte war).106 Die Anti-Lei-Kampagne kann als Teil des FFP aufgefasst werden, da die Ersetzung des Anredepronomens mit seiner angeblich spanischen Herkunft begründet wurde. Im Unterschied zur puristischen Intervention gegen Fremdwörter stellte die Anti-Lei-Kampagne jedoch nicht nur einen Eingriff in den Wortschatz, sondern auch in die Kerngrammatik dar.107 Zudem hob sie sich auch in Bezug auf Aufwand und Öffentlichkeit von den sonstigen puristischen Initiativen ab. So wurde im Oktober 1939 sogar eine Ausstellung, die «Mostra del Anti-Lei», in Turin organisiert (Risk 1976, 39). Die Autarkie-Kampagne wurde auch auf den Kulturbereich angewandt. Im September 1938 wurde die Commissione per la bonifica libraria gegründet, um Übersetzungen ausländischer Literatur zu begrenzen, denn Italien sollte nicht passiver «Kulturempfänger» sein, sondern seine Nationalkultur dominant verbreiten (Rundle 2018).108 Daher wurde den Verlagen auferlegt, dass nur noch
105 Die Anti-Lei-Kampagne ging auf einen den Artikel «Abolizione del ‹lei›» des Journalisten Bruno Cicognani im Corriere della sera vom 15. Januar 1938 zurück und fand die sofortige Zustimmung des Parteisekretärs Achille Starace und Mussolinis. Daraufhin entbrannte eine Debatte zwischen Politikern, regimenahen Journalisten und Linguisten in der Presse, in der sich auch Bruno Migliorini äußerte, wie Menarini (1941) beschreibt: «Il Migliorini faceva subito presente (in Critica Fascista, 1° marzo 1938), che la campagna, per giungere alla voluta conclusione, avrebbe dovuto svolgersi con ininterrotta intensità per una quindicina d’anni» (115, Fn. 3). Jedoch überdeckten die ideologischen Beweggründe sofort alle linguistischen Motivationen, «se mai queste fossero state davvero importanti» (Nichil 2013, 4637). Bis April 1938 verbot Starace allen Mitgliedern faschistischer Organisationen daraufhin den Gebrauch des Lei: «una direttiva rivolta inizialmente ai soli iscritti della G.I.L. e del P.N.F. finiva per coinvolgere la Pubblica amministrazione, e da qui l’intera società italiana» (4638). 106 Wegen der meridionalen Markierung wurde das voi nach Della Valle/Patota (2007) in Mittelund Norditalien vermieden «e usato solo nelle occasioni ufficiali, nella stampa, nei libri di testo, nelle commedie e nel doppiaggio dei film, in cui era obbligatorio. Gli italiani continuarono, privatamente, a usare il lei, e molti, pur di non passare al voi, scelsero di darsi del tu...» (149). 107 Die nach Migliorini (1990) das Gleichgewicht innerhalb des Systems der Anredepronomina auch nach Ende des Faschismus nachhaltig beeinflusste, u.a. indem es eine größere Tendenz zum Duzen nach sich zog (39). 108 Damit sollte der «negativen» Bilanz des Index Translationum begegnet werden, die nämlich belegte, dass Italien in den 1920er Jahren mehr Übersetzungen fremdsprachiger Texte ver-
90
2 Theoretische und historische Grundlagen
25% ihrer Veröffentlichung Übersetzungen sein durften (dies schloss auch Übersetzungen aus dem Altgriechischen und dem Lateinischen ein) – «a measure intended to hinder the very act of translation, seen in this context as an act of unfascist weakness» (Rundle 2018, 44). Gabriella Cartago zeigt zudem, dass Romane italienischer Autoren des Ventennio, die vor 1938 erstmals erschienen waren, in ihren Auflagen nach 1938 einer grundlegenden Zensur unterzogen wurden: In einigen Romanen wurden Fremdwörter ersetzt, die Dialoge dem Verbot des Lei angepasst und sogar «le cose stesse di non provata italianità» (2001, 59) ausgetauscht oder gestrichen, also beispielsweise im Roman erwähnte Werke ausländischer Schriftsteller. Die lexikalischen Ersetzungen wurden meist generisch und mit semantischen Verlusten realisiert, z.B. crespo mauve → crespo rosa, cincillà → pelliccia, peignoir → accappatoio, viveur → tipo / uomo vissuto (59–60). Mit der Autarkie-Kampagne fand der Fremdwortpurismus eine zusätzliche Berechtigung und Verankerung in der Politik des Regimes und es konnten noch mehr Ressourcen mobilisiert werden. Zudem sollten sich Synergieeffekte entfalten: Die Produktion autarker Produkte und die angestrebte Autarkie im Verlagswesen sollte auch zur sprachlichen «Autarkie», also zur Ersetzung von Fremdwörtern beitragen. Die Maßnahmen mündeten im Gesetz «Divieto dell’uso di parole straniere nelle intestazioni delle ditte e nelle varie forme pubblicitarie» (legge 23 dicembre 1940, N. 2042), das Auswirkungen auf den gesamten offiziellen Sprachgebrauch im Bereich des Handels, der Technik und der Industrie hatte. Bei Verstoß waren Strafen bis zu 5.000 Lire und Haft bis zu 6 Monaten vorgesehen (Raffaelli, S. 1983, 185). Damit war das Gesetz «l’iniziativa puristica più severa e autoritaria della politica linguistica preseguita dallo stato italiano negli anni del fascismo» (Raffaelli, A. 2010, 14). Das Innenministerium hatte das Gesetz 1940 eingebracht und die Auswahl der zu ersetzenden Fremdwörter und entsprechender Substitutionen an die Accademia d’Italia übergeben, zu deren Aufgaben auch die «difesa dell’italianità» gehörte (ders., 16). Der Akademie-Präsident Luigi Federzoni richtete daraufhin die Commissione per l’italianità della lingua ein,109 die aus Mitgliedern der Akademie und Vertretern der zuständigen Ministerien bestand. Ihre Ergebnisse sollte die Kommission in dem von der Akademie herausgegeben Bollettino di informazioni della Reale Accademia d’Italia (BIRAI) veröffentlichen, wodurch sie normative Wirkung erlangten.
öffentlichte als es Übersetzungen ins Ausland «exportierte» (Rundle 2010, 55–59). Noch in den 1930er Jahren war Italien «the most receptive European country [...], it published more translations and translations took up a larger proportion of its overall production» (46). 109 Die ursprünglich Commissione per l’espulsione dei barbarismi heißen sollte (Raffaelli, A. 2010, 24).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
91
Die Kommissionssitzungen fanden von Februar 1941 bis Juni 1943 statt. Mit einem einheitlichen und staatlich gelenkten Programm sollte Abhilfe für das Fehlen eines institutionellen, kontinuierlichen Purismus geschaffen werden, denn dieses Manko wurde als Ursache für die geringe Wirkung der Einzelinitiativen des FFP gesehen (19). Damit wurde die Sprachreinigung zur Staatsaufgabe. Für die italienische Sprachwissenschaft stellten die Diskussionen um die gültige Sprachnorm vor dem Hintergrund der faschistischen Fremdwortkritik «una delle più rilevanti occasioni di impegno teorico» dar, meint Gabriella Klein. «In nessun altro caso, infatti, è dato rilevare una così intensa, assidua e prolungata partecipazione di studiosi a un dibattito di fondo» (1986, 120). Zeitlich und teilweise auch inhaltlich verlief die campagna per l’autarchia linguistica parallel zum Neopurismus. Bruno Migliorini hatte mit dem Begriff «neopurismo» ab 1935 zunächst den militanten, laienlinguistischen Fremdwortpurismus à la Paolo Monelli bezeichnet, von dem er sich distanzierte, bevor er ihm 1940 eine eigene, neue Prägung gab (Fanfani 2002, 283–287): Tendenza ad escludere dalla lingua quelle voci straniere e quei neologismi che siano in contrasto con la struttura della lingua, favorendo, invece, i neologismi necessari e ben foggiati: si tratta di un tentativo di applicazione degli insegnamenti della linguistica a un moderato purismo (Purismo e neopurismo, Lingua nostra 2:2, 1940, 47).110 Così si chiama, con termine da me proposto, il movimento puristico dei nostri giorni. Il neopurismo è severo contro i forestierismi e invece (diversamente dal purismo ottocentesco) transigente verso i neologismi necessari. Inoltre tiene gran conto degl’insegnamenti della linguistica, e specialmente della linguistica funzionale (Migliorini 1942, s.v.).
Somit hebt sich der Neopurismus einerseits von den puristischen Strömungen des 19. Jahrhunderts ab, andererseits orientiert er sich an strukturellen Prinzipien («purismo strutturale», cf. Castellani 1979, 28), nicht an der fremden Herkunft entlehnter Wörter oder an Neologismen an sich. Kennzeichnend für Migliorinis Forschungsinteresse war es gerade, Neologismen und das Phänomen des Sprachwandels in den Mittelpunkt zu stellen. 1938 veröffentlichte Migliorini das Buch Lingua contemporanea, das bereits nach wenigen Monaten vergriffenen war. Im Vorwort einer späteren Ausgabe charakterisiert Ghino Ghinassi Migliorinis Vorgehensweise so: «l’obiettivo fondamentale, il problema centrale del M. contemporaneista: entrare in quel momento, più o meno fuggevole, dell’evoluzione linguistica in cui il nuovo si crea, e spiare le scelte della lingua e le loro ragioni sociali e strutturali» (1990, XXVIII). Seine Haltung ist 110 Erstmals verwendete Migliorini den Begriff neopurismus 1935 im Archivio glottologico italiano 27. Ab 1943 löste sich Migliorini vom Begriff des neopurismo, da er auf alle puristischen Interventionen der campagna per l’autarchia linguistica übertragen worden war. Seitdem sprach er vornehmlich von glottotecnica (Fanfani 2009, 58).
92
2 Theoretische und historische Grundlagen
dabei teils deskriptiv, teils normativ – ein Perspektivenwechsel, den Migliorini selbst so beschrieb: «Abbiamo fatto sin qui i botanici; mettiamoci un po’ a fare i giardinieri» (1990, 184). Innerhalb der italienischen Sprachwissenschaft stellte der Neopurismus eine Neuigkeit dar, denn er befasste sich mit der Gegenwartssprache – einem von der bis dato philologisch geprägten Disziplin nicht berücksichtigter Forschungsgegenstand (Cortelazzo 2009, 249) – und er führte die funktionale und strukturalistische Perspektive ein. Sprachorgan des Neopurismus war die ab 1939 von Bruno Migliorini und Giacomo Devoto herausgegebene Zeitschrift Lingua nostra – der ersten, die sich der Geschichte des Italienischen und der Gegenwartssprache widmete (Fanfani 2009, 25). Trotz gewisser Schnittmengen mit dem FFP, nämlich der Ablehnung unassimilierter Fremdwörter111 und der Entwicklung von Ersatzlexemen, ist eine Einordnung des Neopurismus als Bestandteil der Sprachpolitik des Regimes nicht zutreffend (Fanfani 2009 und 2011e), denn er war nicht ideologisch oder politisch begründet, sondern «un tentativo per portare il purismo su un terreno scientifico» (Migliorini 1990 [1938], 291). Zudem versuchte der Neopurismus einen Anschluss an die internationalen Entwicklungen der Linguistik, wie aus den Propositi der ersten Ausgabe von Lingua nostra hervorgeht: [...] sono sorte in questi ultimi decennî la linguistica sincronica di Ginevra, la linguistica strutturale di Praga e di Copenhaghen. Riteniamo necessario anche in Italia, non in opposizione ma a integrazione delle ricerche storiche, uno studio strutturale della lingua. Quello che c’interessa in primo luogo è infatti la lingua media collettiva, la lingua strumento sociale. Come tale, essa è relativamente governabile, almeno nelle sue parti di tradizione meno antica, e nelle nomenclature speciali. Facendo nostro il nome di neopurismo restringiamo da un lato e dall’altro allarghiamo il programma dei vecchi puristi. Se miriamo anche noi a eliminare voci male foggiate o inutilmente assunte da altre lingue, assumiamo come criterio di discriminazione quello strutturale (1940, 1).
Die innerhalb der italienischen Sprachwissenschaft damals innovative Sprachauffassung – Sprache als «strumento sociale» – und die besondere Berücksichtigung der Gebrauchssprache (italiano medio) sowie der Fachsprachen und ihrer Terminologiebildung rückten den Neopurismus tatsächlich näher an die internationale Linguistik heran. Die puristische Intervention versteht der Neopurismus
111 Die Ablehnung bezieht sich insbesondere auf neue, noch nicht integrierte Fremdwörter. Davon ausgenommen sind im Neopurismus Entlehnungen, die bereits im Sprachgebrauch verankert sind, reine Exotismen, Internationalismen und Luxuslehnwörter (Fanfani 2011g, 221–222, Fn. 5).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
93
als Sprachkritik in Form von Empfehlungen und als Beitrag zur Förderung des Sprachbewusstseins der Sprecher: Mentre i linguisti «professionali» ci ritengono qui troppo interventisti, molti lettori ci avrebbero voluti più rigidamente e bellicosamente conservatori. Ma, anziché pubblicare minacciose liste di proscrizione, crediamo più utile esaminare davvicino alcune parole, mostrando perché le riteniamo errate o accettabili, con testimonianze storiche, e con argomenti strutturali (ebd.).
Bei der Beurteilung und Prägung von (ersetzenden) Neologismen – eine Tätigkeit, die Migliorini als glottotecnica bezeichnet – gelten für ihn v.a. gebrauchsorientierte sowie strukturale Kriterien: der onomasiologische Bedarf (also eine lexikalische Lücke), die Konformität mit dem ZS-System, die Reihenbildung bzw. Analogie zu produktiven Wortbildungsmustern (Scavuzzo 2015, 6). Bei der Analyse spielt die Rekonstruktion der Wortgeschichte eine wichtige Rolle, ohne an den ältesten und «etymologischsten» Formen festzuhalten. Auch Migliorinis Heraustreten aus dem rein akademischen Umfeld und das Thematisieren von Sprachfragen in Zeitungen (cf. Scavuzzo 2015) stellen eine zuvor ungekannte Öffnung der italienischen Sprachwissenschaft für den öffentlichen Diskurs dar (cf. auch Ghinassi 1979). Normative Sprachvorschriften werden vom Neopurismus zwar als Randbedingung, aber nicht als entscheidendes Kriterium für die Durchsetzung von lexikalischer Substitution gesehen: bisognerà tener presente che perché un veto d’autorità porti ai risultati voluti occorre per lo meno aiutarlo con la proposta di una nuova voce fornita dei requisiti necessari per godere del favore del pubblico, dato che, in tal caso, essa avrà in sé forza sufficiente per farsi strada (Menarini 1941, 115).
Zugleich betont Menarini, dass es der Sprachwissenschaft zukommt, Ersatzlexeme für Fremdwörter auf Eignung zu prüfen und auszuwählen: Penso che sia particolarmente necessario additare l’opportunità che venga lasciato a coloro che hanno lunga esperienza di fenomeni di lingua il giudizio su questi particolari problemi, troppo delicati e complessi per chi non abbia competenze specifiche. [...] [Q]uest’arte a sé (che il Migliorini ha chiamato glottotecnica) non è poi alla portata di chiunque sia semplicemente fornito di un po’ di cultura generale. Nessuno si mette a parlare a vanvera di autarchia siderurgica, mentre tutti credono di poter parlare di autarchia linguistica (1941, 116).
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchten Neopuristen, vor übertriebenem und dilettantischem Fremdwortpurismus zu warnen: «Se l’esterofilia è in tutti i campi deplorevole, l’esterofobia ad oltranza, anche in quello linguistico, porta agli inconvenienti propri a tutti gli accessi [recte: eccessi, GS]» (Menarini 1941, 117). In gewisser Weise konnte der Neopurismus und insbesondere Migliorini dem ideologischen FFP mehr entgegensetzen als es die bloße Ablehnung und
94
2 Theoretische und historische Grundlagen
Kritik des FFP, seiner Ziele und Methoden – zumal in repressiver Zeit –, vermocht hätte (cf. Fanfani 2011e; Russo 2013, 292–293). In einem Moment, als der Purismus konzeptionell ideologisch und in der Umsetzung dilettantisch war, konnte Migliorini der Sprachkritik einen wissenschaftlicheren Ansatz geben, dem er auch nach Ende des Faschismus treu blieb. Allerdings wurde von anderer Stelle auch postuliert, Migliorini sei der wissenschaftliche Ideologe hinter der Commissione per l’italianità della lingua gewesen (Klein 1986, 121; Golino 1994, 69) und habe ihre Beschlüsse «entscheidend mitbeeinflußt» (Kolb 1990, 48). Fanfani (2009, 34–35, Fn. 20) dagegen verweist auf Migliorinis vorrangig sprachhistorisches und lexikologisches Interesse an der Entlehnung, seine Kritik an den Methoden der FFP und seine Distanz zur Arbeit der Accademia d’Italia und der Commissione per l’italianità della lingua (66–67).112 Dass der Neopurismus als regimenah wahrgenommen wurde, hat Migliorini jedoch insofern mitzuverantworten, als er sich rhetorisch und inhaltlich nicht vollständig von den fremdwortpuristischen Zielen und Maßnahmen des Faschismus abgegrenzte: Als «vergleichsweise lenkbares» soziales Instrument, als das Sprache in den erwähnten Propositi dargestellt wird, bietet der Neopurismus zumindest den Interpretationsspielraum, seinen Forschungsgegenstand der politischen Einflussnahme verfügbar zu machen (cf. Baggio 2009, 221–222). Migliorini wies selbst darauf hin, dass die sprachpolitischen Ziele des Regimes und des Neopurismus teilweise Hand in Hand gingen: Negli ultimi anni si è reagito a questa invasione con spirito fascista, e così un gran numero d’intrusi sono stati eliminati o almeno assimilati. Così invece di record si dice primato; non si dice più regisseur ma regista. Nelle trattorie e negli alberghi i menus si chiamano liste, e nessuno si vergogna a chiamare bambinaia quella che si chiamava bonne. Il Touring Club italiano ha cambiato il proprio nome in Consociazione turistica italiana. Il Duce ha dato l’esempio, quando, visitando nel 1931 una mostra d’arte che si stava per inaugurare ha chiamato vernice, quella che prima si indicava con il vocabolo francese vernissage [...] (1941, 410).
Für Critica fascista kommentierte Migliorini in der Ausgabe vom 15. Oktober 1941 die bis dahin erschienenen Listen der Commissione per l’italianità della lingua und rechtfertigte die politische Intervention (so auch der Titel des Beitrags) auf die Sprache: La mèta finale è quella di arrivare a un nuovo consenso; e per giungervi il puro metodo negativo, di lasciare che le parole succedanee si facciano strada da sé, sarebbe molto più lungo e faticoso. Questo spiega l’incarico «glottotecnico» ufficialmente affidato all’Accademia.
112 Migliorini nahm nur an einer einzigen Sitzung der Commissione per l’italianità della lingua teil (9. Juli 1941) (Raffaelli, A. 2010, 26).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
95
Il metodo naturale rimane sempre possibile; e in definitiva sarà quello che si applicherà nei pochi casi in cui le voci proposte non soddisfino gl’interessati, giacché questi a una soluzione dovranno pur ricorrere per sfuggire alle sanzioni della legge. [...] Inevitabilmente, in una questione pratica, anzi decisamente politica, anche il procedimento tecnico per arrivare ai risultati voluti presto si rivela anch’esso politico. (L’intervento politico, Critica fascista 15/10/1941, 374–375).
Migliorini war also bewusst, dass die glottotecnica auch eine politische Dimension hatte. Das schmälert die Verdienste des Neopurismus bei der Erneuerung und Aktualisierung der italienischen Sprachwissenschaft nicht, macht seine Einordnung im Verhältnis zur campagna per l’autarchia linguistica jedoch schwieriger.
2.2.2 Theoretische Zugänge Nach dem historischen Überblick bietet sich die Gelegenheit, unterschiedliche theoretische und methodische Zugänge zum faschistischen Fremdwortpurismus zu benennen: I. Sprachhistorische Perspektive: der FFP als Weiterentwicklung des purismo ottocentesco Der Faschismus schöpfte «überwiegend aus bereits existierenden Theorien und Strömungen, so daß er nicht als eine originelle Weltanschauung mit neuen Begriffen und Inhalten gelten kann» (Kolb 1990, 30; cf. auch Dogliani 2008, IX–X). Das gilt auch für seinen Fremdwortpurismus, der vom Purismus des 19. Jahrhunderts die ideologischen Prämissen (die Gleichsetzung von Sprache und Nation), den Gegenstand (die Bekämpfung von Neologismen, insbesondere von Fremd- und Lehnwörtern aus dem Englischen und Französischen) und die Form der Intervention (gesetzliche Verbote und präskriptive Glossare) übernahm, cf. Rosiello (2003): [Il fascismo] si è semplicemente limitato a gestire e a favorire quelle tendenze conservatrici che già esistevano nella cultura italiana e che si possono riassumere in un certo purismo (o neopurismo) che tendeva a negare diritto di cittadinanza alle parole straniere in nome della difesa di una supposta purezza della nostra lingua, nell’affermazione della lingua toscana integrata con quella romana come norma grammaticale e letteraria, nella negazione, soprattutto nella scuola, delle realtà dialettali e regionali e dei diritti delle minoranze linguistiche [...]. Gli interventi della politica fascista su questi problemi non andarono quasi mai contro atteggiamenti e tendenze già ampiamente presenti nella cultura italiana ufficiale (33).
Neu am FFP ist allerdings die xenophobe und die in den letzten Jahren totalitäre Ausrichtung.
96
2 Theoretische und historische Grundlagen
II. Politische Perspektive: der FFP als Bestandteil der umfassenden AutarkieKampagne des faschistischen Regimes (siehe 2.2.1.3) III. Semiotische Perspektive: der FFP als Ausdruck des «stile fascista» Die angestrebte Bekämpfung und Ersetzung der Fremdwörter der italienischen Sprache hatte für das faschistische Regime auch einen hohen Symbolwert, in dem es soziale (in diesem Fall kommunikative) Praktiken mit ideologischer Bedeutung auflud und sie im Sinne des «faschistischen Stils» zum Erkennungszeichen des «uomo nuovo» machen wollte:113 il fascismo volle veramente incidere proprio in quanto regime, sulle strutture della lingua nazionale, in virtù della sua pretesa di essere, oltre che una rivoluzione politica, anche una rivoluzione del costume, della sensibilità del gusto e in virtù della sua volontà di porsi come nuova, totale anzi più esattamente totalitaria visione del mondo. [...] E se una lingua è, come pare essere, una certa analisi della realtà, a questa nuova concezione del mondo, a questa nuova realtà, il fascismo necessariamente tentò di far corrispondere un nuovo strumento linguistico, una lingua se non rivoluzionata, almeno fortemente caratterizzata e riconoscibile come fascista (Leso 1973, 139–140).
Für die Sprachkonzeption spielte die Abgrenzung gegenüber internen und externen Feinden – dem Bürgertum und den «feindlichen» Nationen – eine wichtige Rolle. Indem der Gebrauch von Fremdwörtern als bürgerlicher «Snobismus» dargestellt wurde und sich die Kampagne gegen Fremdwörter auch zur Propaganda gegen Frankreich und England nutzen ließ, konnte die Vermeidung von Fremdwörtern oder vielmehr die Debatte darüber den Sprachgebrauch noch «faschistischer» aussehen lassen. Die Erschaffung des stile fascista, der das Alltags- und Privatleben der Italiener durchdringen sollte, geht vor allem auf Achille Starace zurück (Dogliani 2008, 61). Starace war seit 1931 Parteisekretär des PNF und hatte u.a. eine Kampagne für den römischen Gruß geführt (und gegen den «bürgerlichen und unhygienischen» Handschlag) und die Anti-Lei-Kampagne maßgeblich mitangeschoben (Nichil 2013, zum Sprachpurismus von Starace siehe Nichil 2012). Welchen Symbolwert die Kampagne gegen das Anredepronomen Lei hatte, geht deutlich aus Mussolinis Rede vor dem Gran Consiglio Fascista am 25.10.1938 hervor. Inhalt dieser Rede ist eine Kampfansage an das Bürgertum, die die Partei durch drei neu einzuführende Praktiken – in Mussolinis Worten «tre cazzotti allo stomaco della borghesia» – realisieren sollte: die Einführung des Stechschritts beim Militär («passo romano di parata»), die Abschaffung des höflichen Anredepronomens Lei, das Mussolini als «servile e straniero, detestato dagli italiani, da Leopardi a Cavour» (zit. nach Nichil 2013, 4639) diskreditierte, und – wesentlich 113 Zum Konzept des uomo nuovo siehe Bernhard/Klinkhammer (2017).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
97
gravierender – die «questione razziale», also die Judenverfolgung. Damit sollte die gewünschte Transformation der italienischen Bürger in ein faschistisches Volk und die politische Annäherung an Deutschland symbolisch umgesetzt werden (Bernardi 2006, 201). Da die Ersetzung des Personalpronomens Lei mit zweifelhafter Etymologie als Hispanismus dargestellt wurde, gliedert sich die Anti-LeiKampagne in die campagna per l’autarchia della lingua mit ein. Die Verwendung des voi anstelle des Lei «si trasformò in un esercizio di stile» (Matard-Bonucci 2010, 171) und wurde in der Folge zu einer Art Shibboleth unter Anhängern des Faschismus. Die Abschaffung des Lei und die Einführung der Rassengesetze fielen nicht zufällig zeitlich zusammen, sondern dienten demselben Ziel, der geplanten «anthropologischen Revolution» des Faschismus, aus der der neue faschistische Mensch hervorgehen sollte: «Se la trasformazione degli usi linguistici era vista come passaggio obbligato di una più ampia riforma dei costumi promossi dal regime, l’adozione delle leggi antisemite [...] era concepita come il mezzo per plasmare il carattere degli italiani, giudicati troppo umanitari» (Matard-Bonucci 2010, 159). Von der Bevölkerung dürften die Einführung des Stechschrittes und die Ersetzung des Lei dagegen als «forzature retoriche e come grottesca deriva verso la ritualizzazione inconcludente della politica» wahrgenommen worden sein (De Bernardi 2006, 201). In geringerem Maß fungierte auch die Verwendung institutionell empfohlener Ersatzlexeme für Fremdwörter während des Faschismus als ideologisches «Erkennungszeichen». Das führte dazu, dass sich nach dem Ende des Regimes sprachliche Unsicherheit darüber breit machte, ob bestimmte, mit dem FFP als verknüpft wahrgenommene Ersatzlexeme noch neutral verwendet werden konnten – sogar, wenn sie bereits so weit verbreitet waren wie autista für chauffeur. So schrieb die Zeitschrift Oggi am 1. September 1945, «E poi c’è il trucco: il guidatore (non so se possiamo dire ancora l’autista) rallenta...» (zit. nach Migliorini 1990, 239). IV. Soziologische Perspektive: der FFP als wechselseitiger Gewinn für Intellektuelle und Politik Die öffentliche Positionierung gegen Fremdwörter, die Propagierung von Ersatzlexemen und die Bereitstellung (scheinbar) wissenschaftlicher und literarischer Argumente für den Fremdwortpurismus stellte während des Faschismus ein Betätigungsfeld für Intellektuelle dar, das ihnen gesellschaftliche und politische Anerkennung einbringen und ihre soziale Position stützen konnte. Ein Beispiel dafür ist Pasquale De Luca, der mit seinen fünf zwischen 1923 und 1925 veröffentlichten puristischen Sprachratgebern und Ersetzungswörterbüchern nicht nur das Lob der Società Dante Alighieri, sondern auch des Bildungsministers Pietro Fedele erfuhr. Ab den 1930er Jahre wurden Intellektuelle mit der Ausarbeitung
98
2 Theoretische und historische Grundlagen
von Ersatzlexemen auch beauftragt, etwa für den italienischen Journalistenverband (DSI), für das Ente nazionale della moda (Meano 1936) und ab 1940 dann im Rahmen einer staatlichen Kommission im Auftrag der Regierung (CIL 1941–1943). Die Zielrichtung des FFP wurde dabei von der Politik angegeben, wie die Intervention des Senatspräsidenten Tommaso Tittoni zur «Verteidigung der italienischen Sprache» 1926 und die sprachpolitischen Maßnahmen von Mussolini ab 1932 zeigen: all’appressarsi del «decennale della Rivoluzione» (1923–33) Mussolini, mirando ad accelerare l’esecuzione del progetto d’instaurazione di un’Italia conforme ai principi del fascismo e considerando come fattore e specchio di rinnovamento civico e morale pure l’attuazione d’una rigorosa politica linguistica, diede slancio e sostegno non soltanto a campagne contrarie ai dialetti e alle parole straniere, ma anche alla formazione e diffusione d’un italiano decoroso e adeguato ai tempi (Raffaelli, S. 2001, 414).
So intervenierte Mussolini im Sommer 1932 beim Bildungsminister Francesco Ercole gegen die Aufwertung des Dialekts in der Grundschule (Raffaelli, S. 2001, 415). Zudem lag ihm daran, eigene Artikel in der siebten Auflage des populären und erfolgreichen Dizionario moderno von Alfredo Panzini (1935) unterzubringen (siehe 2.2.3.3). Die Sprachnorm des späten Faschismus wurde nach Nichil sowohl durch Politiker als auch durch Sprachwissenschaftler geformt: il confronto fra le pagine di «Linga Nostra» e le disposizioni staraciane pare confermare la tesi di una politica linguistica assai articolata, in cui i datori della norma possono essere rintracciati sia in àmbito intragovernativo, in esponenti del regime come Tittoni, Federzoni, Bottai o Starace, appunto, sia in àmbito extragovernativo, in linguisti come Migliorini o Bertoni (2011, 448).
2.2.3 Quellen und Akteure des faschistischen Fremdwortpurismus Der historische Überblick hat gezeigt, dass der Fremdwortpurismus während des Faschismus sowohl auf institutioneller Ebene, durch Gewerkschaftsverbände und durch staatliche, legislative Lenkung «von oben», als auch durch zahlreiche Einzelinitiativen von Journalisten, Schriftstellern und Sprachwissenschaftlern, also «von unten», realisiert wurde.114 Um das Zusammenspiel dieser Ebenen, die Konstitution und die Funktion der puristischen Intervention sowie die gewählten Methoden und die dahinterliegende Sprachauffassung besser einordnen zu können, werden die wichtigsten Quellen des FFP und ihre Autoren im
114 Zur Unterscheidung von Top-down- und Bottom-up-Maßnahmen in der Sprachpolitik cf. Marten (2016, 41).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
99
Folgenden genauer beschrieben und analysiert, auch im Hinblick auf ihre Reichweite und ihren potenziellen Einfluss. Die Auswahl der puristischen Glossare und Wörterbücher orientiert sich vorrangig an den von Sergio Raffaelli aufgeführten laienlinguistischen Quellen des FFP (1983, 155–156 und 212–214). Hinzu kommen einige weitere als relevant zu betrachtende Arbeiten. Damit werden – abgesehen von den unter 2.2.1 erwähnten Gesetzestexten und Presseanweisungen – alle wesentlichen Instrumente des FFP erfasst: puristische Wörterbücher und Glossare sowie publizierte Ersetzungslisten, Zeitungsartikel und -rubriken. Die erste dieser Quellen datiert auf 1924, die letzte auf 1943. Die bisher von der Forschung weniger beforschten frühen Quellen des FFP von 1924 bis 1929 werden dabei etwas detaillierter behandelt (Kapitel 2.2.3.1). Unter 2.2.3.2 wird der Beitrag der Tageszeitungen in Form von puristischen Rubriken und Zeitungswettbewerben und der tatsächliche Fremdwortgebrauch während des Faschismus am Beispiel von La Stampa beschrieben. Den Beitrag von Standard-, Neologismen- und Ersetzungswörterbüchern sowie einem Sprachratgeber thematisieren die Kapitel 2.2.3.3 und 2.2.3.4. Kapitel 2.2.3.5 widmet sich den puristischen Maßnahmen von Verbänden und Gewerkschaften, Kapitel 2.2.3.6 der Commissione per l’italianità della lingua. Unter 2.2.3.7 werden die Erkenntnisse zu Quellen und Akteuren der FFP zusammengefasst. 2.2.3.1 Frühe Quellen Fremdwortpuristischen Wörterbüchern, die vor Paolo Monellis Barbaro dominio von 1933 erschienen sind, ist bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden. Während Stefania Stefanellis Neuausgabe von Marinetti/Azari (2015 [¹1929]) eine Einordnung des Werks auch unter dem fremdwortpuristischen Aspekt vornimmt, wurden die Ersetzungswörterbücher von Pasquale De Luca und Giovanni Sassi bisher nur am Rande erwähnt (Raffaelli, S. 1983, 212). Die frühesten fremdwortpuristischen Quellen, die während des Faschismus entstanden sind, widmeten sich der Italianisierung der entlehnten Terminologie des Sports. Die Fokussierung auf Fremdwörter des Sports kam nicht von ungefähr, da die von England ausgehende Verbreitung neuer Formen der Freizeitgestaltung nach dem Leistungs-, Konkurrenz- und Rekordprinzip ab Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Entlehnungen nach sich zog. Das ursprüngliche Sportverständnis umfasste nicht nur Leibesübungen, sondern neben dem Radrennsport auch Motorsportarten, insbesondere den Automobil-, Flug- und Yachtsport. Somit finden sich auch zahlreiche fahrzeugtechnische Begriffe in den frühen sportterminologischen Wörterbüchern (siehe Piazzi 1911, Cerchiari 1927 und DSI). Angesichts der zügigen Verbreitung der sportlichen Aktivitäten seit Ende des 19. Jahrhunderts in Italien wies die italienische Sportsprache – auch im Vergleich zu anderen sich neu bildenden Fachwortschätzen – zu Beginn des
100
2 Theoretische und historische Grundlagen
20. Jahrhunderts eine besonders hohe Dichte an Fremdwörtern auf. Zudem verlor die Sportberichterstattung kurz vor dem Ersten Weltkrieg ihren Status als «Lückenfüller» in der Zeitung und wurde nun als gleichrangiges Ressort behandelt (Bacci 2002, 25). Bereits seit 1896 wurde die Gazzetta dello sport herausgegeben (seit 1913 als Tageszeitung). Nach der kriegsbedingten Unterbrechung erschienen allein zwischen 1919 und 1922 34 neue Sportzeitungen (ebd.). Vermutlich gab es zu dieser Zeit keine andere Fachsprache, die ähnlich viele Fremdwörter aufwies und mehr Präsenz in den Medien gehabt hätte. So erklärt sich, dass sich die Fremdwortkritik zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorrangig gegen die Sportberichterstattung wandte, beispielsweise der aus dem Tessin stammende Schriftsteller Luciano Zuccoli (1868–1929) in seinem Artikel Caccia alle parole, der 1912 in der Rivista mensile del Touring Club Italiano erschien: lo sport è in maggior colpa. Esso ha inventato una serie di eccellenti giuochi ed esercizi fisici. li [sic] ha curati e tenuti in onore in Italia, dando loro bei nomi italiani; poi gli stranieri li hanno imitati e trasportati fuori, mascherandoli con nomi dei loro paesi. E noi, dimentichi delle nostre trovate e dei nostri meriti, andiamo a riacchiappar quei giuochi con nomi stranieri, credendo ch’essi vengan proprio d’Inghilterra e di Francia, mentre i maestri siamo stati noi. [...] Ma se il lawn-tennis lo abbiamo inventato noi e si è chiamato sempre da noi «pallacorda»; ma se il football è nostro e i nostri avi si son divertiti quando si chiamava «giuoco del calcio»; ma se il cricket non è che l’italiano «trucco» o «pallamaglio»; ma se la pelota non è che la «palla al muro», o perché ci siamo asserviti agli inglesi e agli spagnuoli inchinandoci alle loro stroppiature, mentre potevamo noi imporre loro il nome italiano, esatto e storico? [...] Quando si tratta della stessa lingua, della sua terminologia, dei vocaboli che gli danno vita, lo sport è incorreggibilmente pigro ed inerte, mentre in ogni altra cosa è espressione di destrezza e di forza. Accetta ogni roba, da qualunque posto venga, e non si chiede mai se non sia il caso di sostituire o almeno di tradurre; tradurre è già dar veste allo straniero, è già un imprigionarlo e un domarlo (493–494).
Die grundlegenden fremdwortpuristischen Tendenzen und Argumente des FFP sind in Zuccoli (1912) bereits angelegt: die Verknüpfung von Nationalismus und Fremdwortkritik, die darauf beruht, dass strukturell fremde Elemente im Wortschatz als Bedrohung für Sprache und Nation begriffen werden, die Beanspruchung eines historischen «Vorrechts» auf die modernen Sportarten (die eine italienische «Erfindung» seien) und die Überzeugung, die Tilgung von Fremdwörtern durch Verbot und Ersetzung sei legitim, wirksam und «patriotisch». Daher präsentiert Zuccoli eine erste Aufstellung fremder und nativer Sporttermini, die nicht explikative, sondern substitutive Zwecke verfolgt («ho inteso [...] stabilire semplicemente il principio che è dover nostro, ogni qualvolta sia possibile, adoperare vocaboli italiani per giuochi nostri o
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
101
da noi largamente usati. Non ho inteso dare saggio di un dizionario italiano sportivo», 496). Zuccoli äußert zudem die These, dass die italienische Sportsprache deswegen so viele Fremdwörter aufweise, weil sich Journalisten und Schriftsteller so wenig für sie interessierten: Forse nel disdegno incomprensibile dei letterati per lo sport è da ricercarsi la ragione per la quale la nostra lingua venne così rapidamente sconfitta nella tenzone con le lingue straniere. Mentre lo sport nelle sue svariate forme trionfava tra noi e raggiungeva l’apogeo [...], la letteratura nostra rimaneva impassibile, i letterati se ne tenevan lontano, e il giornalismo forzatamente frettoloso faceva scempio della nostra lingua, tempestando le sue colonne di parole in corsivo, ch’erano altrettante confessioni di sfiducia, d’impotenza o di pigrizia (1912, 497).
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden allerdings auch Wörterbücher veröffentlicht, die die entlehnten Sporttermini beschrieben, erklärten und übersetzten ohne puristische Ziele zu verfolgen und somit Terminologiearbeit leisteten. Dazu sind die Wörterbücher von Piazzi (1911), Zangrilli (1921) und Cerchiari (1927) zu zählen. Puristische Wörterbücher sind dagegen Le principali voci italiane dello sport von Pasquale De Luca (s.a. [1924]), Siamo italiani! Dizionarietto con traduzione in lingua italiana dei termini stranieri usati nel parlare e nello scrivere di diporti von Giovanni Sassi (1927) sowie das Primo dizionario aereo italiano von Filippo Tommaso Marinetti und Fedele Azari (1929), welches in einem gesonderten Kapitel Ersetzungsvorschläge für die Fremdwörter der Luftfahrt und des Automobilsports macht. Beim Wörterbuch von De Luca (1924) handelt es sich um die erste fremdwortpuristische Quelle nach der faschistischen Machtübernahme und zugleich um das erste sportterminologische Ersetzungswörterbuch. Es liegt in zwei Ausgaben vor: Als reguläre Monografie des Mailänder Verlagshauses Varietas – De Luca war Herausgeber der gleichnamigen Monatsschrift –, und als «Omaggio della Società Italiana Pirelli», was die Vermutung nahelegt, das Werk sei im Auftrag oder mit Unterstützung des Mailänder Reifenherstellers entstanden. Das 16seitige, kleinformatige Wörterbuch ist Teil einer Serie von fremdwortpuristischen Sprachratgebern, die der neapolitanische Schriftsteller, Journalist, Kunstkritiker und Herausgeber Pasquale De Luca (1865–1929)115 zwischen 1923 und 1925 veröffentlichte:116 Piccola guida dello scrittore corretto (s.a. [1923]), Le
115 Zu De Luca siehe v.a. Di Marco (2016). 116 Bereits 1918 war er Autor einer linguistischen Rubrik, Non si dice, in Varietas (Di Marco 2016, 131), den Gebrauch von Fremdwörtern auf Anzeigetafeln kritisierte er zudem 1922 in einem Artikel im Corriere della sera (27/12/1922, 3), der die Stimmung widerspiegelt, die die Verabschiedung des Dekrets N. 352 von 1923 möglicherweise mitbeeinflusst hat.
102
2 Theoretische und historische Grundlagen
principali voci italiane dello Sport (s.a. [1924]), Le principali voci italiane della moda (s.a. [1925])117 und Le principali voci italiane d’arti e mestieri (s.a. [1925]) die alle bei Varietas erschienen, sowie 1926 der sprachpuristische Roman (!) La casa e le cose.118 Die ersten drei Bände liegen in mehreren, teils überarbeiteten Ausgaben vor. Mit dieser Serie initiierte De Luca nach Meinung von Pierno (2017) «una vera campagna purista votata a bandire neologismi d’importazione e, conseguentemente, a dimostrare la notevole capacità espressiva del linguaggio italiano» (76). Darüber hinaus zielten sie besonders auf die Didaktisierung und Popularisierung puristischer Sprachkritik. Lobend äußerte sich 1927 sogar der damalige italienische Bildungsminister, Pietro Fedele: «I manualetti linguistici di De Luca sono singolarmente adatti per combattere la corruzione del dolce idioma che nella Scuola e fuori corre continui e serii pericoli. Diffondendoli largamente, si favorisce, dunque, una nobilissima aspirazione» (Varietas 11, nov. 1927, 700). Angesichts mehrerer Auflagen hatten De Lucas fremdwortpuristische Werke offenbar beachtlichen Erfolg. Bereits 1924 wurde De Lucas sportterminologisches Ersetzungswörterbüch auch lobend von Giuseppe Coceva in einer Diskussion zur «difesa della lingua italiana» der Società Dante Alighieri erwähnt (Società Dante Alighieri 1924, 44; siehe 2.2.1.1). Von De Luca wird an dieser Stelle nur das sportterminologische Wörterbuch untersucht. Darin sind neben Fremdwörtern auch allgemeine Neologismen wie autostrada, atleta, furgone enthalten. Die Substitutionsangaben fallen überwiegend knapp aus. Teilweise stehen an ihrer Stelle auch reine Bedeutungserklärungen, beispielsweise s.v. atout: «nel giuoco delle carte è quella che trionfa; per estensione, il campione che riportò vittorie». Besonders die italienischen Lexeme, die De Luca zur Ersetzung entlehnter Fußballtermini nennt, stimmen erstaunlich oft mit dem heutigen Terminus überein, z.B. back → terzino, corner kick → calcio d’angolo, cross → traversone, forward → attaccante, goalkeeper → portiere (neben guardiano della porta), off side → fuori giuoco, penalty-kick → calcio di rigore.
117 2012 neu herausgegeben von Matteo Noja: Le principali voci italiane della moda, nella 2. ed. riveduta e aumentata, Milano, 1925. Con aggiunte tratte dal Dizionario moderno di Alfredo Panzini, Milano, La vita felice, 2012. 118 Der Roman erschien in der von Giovanni Bertacchi geleiteten Reihe «Incontro alla vita» bei Antonio Vallardi. In der Zeitschrift L’Italia che scrive wird das Buch so besprochen: «Libro del massimo interesse, nel quale il De Luca, con la finissima sua arte, insegna sotto forma di piacevolissimo romanzo, alla giovinetta, che sarà un giorno la Regina della Casa, il nome di ogni cosa che adornerà il suo regno e che ha immediata attinenza con la vita famigliare e domestica. Libro utilissimo quindi non solo dal lato linguistico, ma anche per il suo alto significato nazionale in quanto tende a dare l’ostracismo a tutti quei francesismi che purtroppo ancor oggi infiorano i discorsi dei salotti» (L’Italia che scrive 9/10, 1926, 66). Siehe auch die Beiträge von Paolo Boselli, Ada Negri und Giovanni Alfredo Cesareo in Varietas 5 (maggio 1926), 294.
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
103
Die puristische Haltung von Sassi (1927) kommt bereits im Titel seines Bandes Siamo italiani! Dizionarietto con traduzione in lingua italiana dei termini stranieri usati nel parlare e nello scrivere di diporti zum Ausdruck. Gewidmet ist er Leandro Arpinati:119 «All’on. Leandro Arpinati che, con la concezione del superbo ‹Littorale› e col possente ardore dato all’anima dei giovani, vuole i fisici ludi assurti a mete mai più raggiunte dopo Roma» (Sassi 1927, 5). Sassi begründete, anders als zuvor Zuccoli (1912), den italienischen Autoritätsanspruch auf den modernen Sport also nicht durch die historischen Vorläufer aus der Renaissance (u.a. Calcio fiorentino, Paille-Maille bzw. pallamaglio, Tamburello), sondern, ganz im Sinne des faschistischen Romanità-Kultes, auf jene des römischen Reiches. Seinen Aufruf zur Italianisierung der entlehnten Sporttermini erklärt Sassi im Vorwort (6): Perchè continuare a chiamare e a trattare con vocaboli esotici perfino diporti e i giuochi prettamente italiani, usciti di qui e ritornati in patria con marca straniera? Una simpatica e decisiva campagna dovrebbe essere svolta a questo fine nazionale e patriottico ed un’intesa dovrebbe sorgere tra illustri studiosi di lingue e valenti cultori di diporti per l’adozione di una nomenclatura esclusivamente nostra. Noi Italiani saremmo ben lieti di non dover più adoperare parole che non sono della nostra lingua e, liberi da ogni avanzo di passivo servilismo, veder usato anche in questa materia il nostro alto e magnifico..... prodotto nazionale: il gentile idioma del Paese che ha per capitale ROMA.
Giovanni Sassi war offenbar Lehrer,120 später auch Präsident der Reale Federazione Ginnastica d’Italia.121 Die Ersetzung von sport122 mit diporto bereits im Titel war nach Auffassung eines Rezensenten in der Sportzeitung Il Littorale: quotidiano sportivo di tutti gli sport (die im Übrigen von Leandro Arpinati 1927
119 Leandro Arpinati (1892–1945) war Faschist der ersten Stunde und zum Publikationszeitpunkt Staatssekretär im Innenministerium, Präsident des nationalen Fußballverbandes Federazione italiana Giuoco del calcio (FIGC) und Bürgermeister von Bologna, als der er 1926 die Fertigstellung des Stadions «Littoriale» entscheidend voranbrachte (Polverosi 2002). Auch sorgte Arpinati dafür, dass in den italienischen Fußballmeisterschaften ab 1927 nur noch italienische Spieler zugelassen wurden (ebd.). 120 Cf. die Rezension zu Sassi (1927) in Il comune di Bologna. Rassegna mensile di cronaca amministrativa e di statistica 13 (1927), 935. 121 Nach seinem Tod wurde ein Gymnastikwettbewerb nach ihm benannt, cf. Il Ginnasta. Rivista della R. Federazione Ginnastica d’Italia 1 (gen. 1938), 5. 122 Ital. sport ist seit 1829 belegt (NDM) und wurde bereits im 19. Jahrhundert überwiegend zur Bezeichnung von ‘Sport’ verwendet, neben diporto, einer Entlehnung von altfrz. déport aus dem 13. Jahrhundert (Lieber 2008, 19). Diporto hat in der sportbezogenen Bedeutung nur noch in den Kollokationen imbarcazione/marina/navigazione da diporto überlebt (NDM).
104
2 Theoretische und historische Grundlagen
gegründet worden war) für den geringen Erfolg des Ersetzungswörterbuchs verantwortlich: Il libretto non ebbe evidentemente fortuna [...]. Quel «diporto» e quel «diportivo» – è la nostra opinione – gli alienarono irrimediabilmente le simpatie di quanti, leggendo la nitida prefazione, erano per accingersi a compulsare di buona voglia le varie rubriche per desiderio di guarire dalla scabbia straniera. Il «diportivo» li ha colpiti in pieno petto, e invece di sradicarvi il termine «sportivo» ve lo ha confitto un po’ più (Il Littorale 24/03/ 1932, 3).
Das 45seitige, nach Sportarten gegliederte Wörterbuch liefert für alle lemmatisierten Fremdwörter Italianisierungsvorschläge, die, insofern es sich um Neuschöpfungen handelt, durch knappe Bedeutungserklärungen ergänzt sind, z.B. «Footing – calcistica (esercizio degli arti inferiori)» (5). Das Buch endet mit dem 1917 von Gabriele D’Annunzio in militärischem Zusammenhang wiederaufgegriffenen und vom faschistischen Staatssport übernommenen altrömischen Schlachtruf «eja, eja, eja, alalà!», der als Italianisierung für engl. «Hip! hip! hip! hurrah!» dienen sollte.123 Das Primo dizionario aereo italiano (Marinetti/Azari 2015 [1929]) hebt sich von den übrigen puristischen Wörterbüchern durch seinen Fokus auf die Terminologie der Luftfahrt und ein ungewöhnliches Autorenduo ab: Filippo Tommaso Marinetti (1866–1944), der berühmte Begründer des Futurismus, und Fedele Azari,124 ein Luftpilot und Vertreter der futuristischen Flugmalerei,125 bildeten «il più felice binomio tecnico-letterario», wie es in der Verlagsvorstellung von Giuseppe Morreale heißt. Das Wörterbuch, dass sich als «primo Dizionario Aereo che appare nel mondo» (13) versteht, greift «italiano» im Titel deswegen auf, um die Italianità sowohl der Luftfahrt als auch der zugehörigen Sprache zu unterstreichen: «Anche in questo campo il futurismo ha assicurato all’Italia un primato» (ebd.). Neben dem Vorwort und dem Fachwörterbuch126 umfasst das Werk eine Ersetzungsliste mit 29 Fremdwörtern («Voci straniere maggiormente
123 Sassi (1927, 45). Die Geschichte der Prägung und Verwendung der italienischen Wendung gibt Nichil (2017, 117–118) wieder. 124 1895–1930, u.a. auch Gründer der ersten zivilen Luftfahrtgesellschaft in Italien und Sekretär der futuristischen Bewegung (Stefanelli 2015, XXIV–XXVIII). 125 Ital. aeropittura, siehe MLA (2009), s.v. Flugmalerei. 126 Mit 581 Lexemen bzw. 359 Lemmata (Stefanelli 2015, XXXII–XXXIII).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
105
in uso e corrispondenti voci italiane») und einen ontologischen Index. Es verfolgt vier Ziele (9): 1°) 2°) 3°) 4°)
Italianità assoluta di tutti i vocaboli. Chiarezza inequivocabile anche ai fini di una pronta volgarizzazione. Precisione tecnica per renderlo utile anche ai tecnici. Vitalità parlata, in quanto i vocaboli prescelti sono effettivamente in uso fra gli aviatori.
Im Vordergrund der Terminologiearbeit von Marinetti/Azari steht die Modernisierung der Fachsprache der Luftfahrt, terminologische Präzision und der Einbezug von Gebrauchskriterien: «tutti i vocaboli da noi adottati sono effettivamente vivi nell’uso» (12). Hiermit versuchen sich die Autoren von der traditionellen Lexikografie abzuheben: Molti filologi invece, sedentari e nemici giurati delle macchine veloci si dilettano nell’equivoco e nella confusione di termini e di definizioni ampollose, svuotate d’ogni utilità e piene di una faciloneria barbogia. Aprendo anche il migliore dei dizionari detti moderni127 vi si trovano mal definiti o inesistenti i vocaboli aeroplano, dirigibile, fusoliera, ecc. (12–13).
Ein Vergleich der Definitionen, die das Dizionario moderno für diese Termini angibt, zeigt, dass die dort gegebenen Definitionen tatsächlich deutlich weniger technisch und präzise als jene von Marinetti/Azari sind (Stefanelli 2015, XXXV–XXXVI). Somit stellt das Primo dizionario Aereo einen bedeutenden Beitrag zur Modernisierung einer italienischen Fachsprache dar und zeigt beispielhaft die Effektivität einer Terminologiearbeit, die auf einer sprachlichfachlichen Kooperation beruht, wie sie beispielsweise beim Dizionario sportivo italiano (DSI, siehe 2.2.3.2) erwünscht, aber nicht geglückt war. Aus der Abfolge der Ziele lässt sich ablesen, dass die Italianità für die Terminologiearbeit aber an erster Stelle stand. Bereits 1923 hatte Marinetti sich für eine «Italianizzazione obbligatoriamente immediata degli alberghi (tutte le diciture, insegne, liste delle vivande, conti, ecc. in lingua italiana), dei negozi e della corrispondenza commerciale» ausgesprochen.128 Auch die italienische Fachsprache der Luftfahrt wies damals zahlreiche Gallizismen auf (Stefanelli 2015, XXX) – für die Autoren «espressioni approssimative se non errate e che i primi
127 Gemeint ist das populäre Neologismenwörterbuch Dizionario moderno von Alfredo Panzini (¹1905), cf. 2.2.3.3. 128 In dem Beitrag I diritti artistici propugnati dai futuristi italiani für die Zeitung L’Impero, zit. nach Raffaelli, S. (1983, 120).
106
2 Theoretische und historische Grundlagen
costruttori, meccanici e piloti, inventarono a casaccio spesso con rozza balordaggine. Essi sono quasi tutti privi di logica, di precisione e di efficacia» (10). Dagegen wurden einige assimilierte Gallizismen, die zum Publikationszeitpunkt bereits lexikalisiert und verbreitet waren – aeroplano (< frz. aéroplane), decollare (< frz. décoller), planare (< frz. planer) – von den Autoren mit der Begründung akzeptiert, es handele sich um «vocaboli moderni formati con radici latine ai quali la più rapida volgarizzazione dell’aviazione in Francia ha dato una priorità cronologica. Quindi non sono altro che italianismi ripresi ai francesi» (11). Allerdings übernahmen Marinetti/Azari auch Assimilationen und Lehnübersetzungen französischer Herkunft in den Hauptteil des Wörterbuchs, auf die sich diese unetymologische Erklärung nicht anwenden lässt, wie contagiri (< frz. compte-tours) und mongolfiera (< frz. montgolfière). Unter den Italianisierungsvorschlägen für 29 Gallizismen finden sich sowohl bedeutungsbasierte Ersetzungen (capote → cofano, tonneau → botte, hangar → capannone) als auch Neuformationen und Paraphrasen (z.B. nourrice → serbatoio supplementare, glissade → scivolata d’ala). Laut Stefanellis Analyse sind heute sowohl einige der Gallizismen als auch einige der vorgeschlagenen Italianisierungen noch üblich (2015, XXXIX–XL). Marinetti wurde 1929 in die Accademia d’Italia aufgenommen und zum Sprecher der Classe di lettere ernannt, wie Giuseppe Morreale in der Verlagspräsentation angibt: «per un’augurale coincidenza, quest’opera che realizza la completa nostra emancipazione anche nel campo linguistico, viene stampata mentre Marinetti entra a fare parte dell’ACCADEMIA D’ITALIA». Ob es sich um einen «glücklichen Zufall» handelt, dass die Aufnahme im Jahr des Erscheinens des Primo dizionario aereo italiano erfolgte, stellt Stefanelli zumindest in Frage (XXXI). 2.2.3.2 Beitrag der Zeitungen Zeitungen und Zeitschriften trugen maßgeblich dazu bei, den Zielen des neuen, xenophoben Purismus ein Sprachrohr zu geben, insbesondere nachdem die Gleichschaltung der Presse mit den sog. «leggi fascistissime» vom 31.12.1925 und der Auflösung der oppositionellen Parteien und ihrer Presseorgane (u.a. L’Avanti der sozialistischen Partei) vollzogen worden war. 1932 erreichte die fremdwortpuristische Stimmung in den Tageszeitungen eine neue Qualität. Zum einen wurden Inhalt und Ausdruck der Zeitungen ab 1932 durch Presseanweisungen immer minutiöser kontrolliert und reglementiert (siehe 2.2.1.2), zum
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
107
anderen erschienen ab diesem Jahr in vielen Zeitungen und Zeitschriften puristische Rubriken, die mehr oder weniger regelmäßig Fremdwörter der italienischen Sprache – häufig in sarkastischem Ton – kritisierten und für Ersatzlexeme plädierten: interventi [...] compiuti [...] dalle colonne della stampa d’informazione anche quotidiana, per iniziativa di profani in linguistica, secondo modalità talora ludiche. Un problema fino ad allora specialistico, pur rimandendo da «terza pagina» si trasferiva così alla portata del lettore qualunque, diventava un tema della cultura di massa (Raffaelli, S. 1983, 154).
Die Rubriken waren u.a. (ders., 155–159): – April 1931: Difendiamo la lingua italiana in Scena illustrata; – März 1932 bis März 1933: Una parola al giorno von Paolo Monelli in La gazzetta del popolo, insgesamt erscheinen rund 300 Beiträge, die Monelli schließlich in einem Ersetzungswörterbuch zusammentrug (Monelli 1933, ²1943); – November 1935 bis April 1936: Controsanzioni linguistiche in Domenica del Corriere;129 – Oktober 1939 bis Februar 1940: Autarchia della lingua in Tempo. Dabei wurden die Leser mit Fremdwortkritik nicht nur konfrontiert, sondern auch daran beteiligt: So startete die römische Tageszeitung La Tribuna unter dem Aufruf «Troviamo parole italiane da sostituire a quelle straniere che inquinano la nostra lingua» 1932 einen Leserwettbewerb zur Ersetzung von 50 häufigen Fremdwörtern im Italienischen. Die von einer prominent besetzten Jury (u.a. Massimo Bontempelli, Pietro Silvio Rivetta) ausgewählten Einsendungen wurden prämiert und am 07.07.1932 veröffentlicht. Das Motto des Wettbewerbs lautete «nessuna parola è intraducibile» (Raffaelli, S. 1983, 157, Fn. 70) – ein klarer Widerspruch zum Gesetz N. 352 von 1923, dem noch eine Liste der «unübersetzbaren» und damit nicht betroffenen Fremdwörter angehängt worden war. Einen ähnlichen Wettbewerb veranstaltete die Zeitung La Nazione im Sommer 1942 zur Ersetzung von nurse (Raffaelli, A. 2010, 54). Eine der puristischen Rubriken, die am längsten erschienen, war «Fuori i barbari» in der Nachmittagsausgabe Stampa Sera der Turiner Tageszeitung La Stampa.130 Die Rubrik erschien zwischen dem 28.12.1940 und dem 18.07.1942. 129 Als Autor dieser Rubrik vermutet Fanfani (2002, 286, Fn. 36) Antonio Jàcono. Zu Jàcono siehe auch 2.2.3.4. 130 Die Rubrik wird auch von Menarini (1941, 116) erwähnt. In der Forschungsliteratur zum FFP wurde sie dagegen bislang noch nicht berücksichtigt.
108
2 Theoretische und historische Grundlagen
Firmiert ist sie mit «Mosca». Dabei handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den Karikaturisten, Journalisten und erfolgreichen Schriftsteller Giovanni Mosca (1908–1983).131 In den anfangs wöchentlich, dann monatlich erscheinenden 39 Serien werden der Gebrauch von Fremd- und Lehnwörtern von abat-jour bis pardon nach dem Vorbild von Paolo Monelli lächerlich gemacht und verschiedene Italianisierungen genannt, darunter auch solche, die zu vermeiden seien. Motto und Anliegen sind der Rubrik stets in Reimform vorangestellt: «I vocaboli stranieri / a sopprimer qui s’impara / che son tanti punti neri / nella nostra lingua cara». Für einen Eindruck des ironischen Stils seien hier der erste und der letzte Eintrag wiedergegeben: ABAT-JOUR. – Chi crede che per distrarsi d’un vocabolo starniero basti tradurlo letteralmente in italiano, si contenti pure di «abbatti-giorno», e, se ne ha il coraggio, vada in giro pei negozi a chiedere degli «abbatti-giorno» per fare regali di nozze. Noi, a parte il fatto che non è bello, non è generoso, nei riguardi della natura che ci ha tanto beneficati, abbattere il giorno, diremo «paralume» e avremo lodi e carezze (Stampa Sera 28/12/1940, 3). PARDON. – Lo usano i vecchi signori, i quali, esagerando in cortesia, chiedono, per piccole, veniali colpe, perdono e non scusa. Sono gli stessi signori che ancora usano dire seriamente: «Vi prego di gradire i miei omaggi». Vecchi signori un po’ ridicoli, ma molto più educati di noi, che non dicimo più «pardon», ma nemmeno chiediamo scusa (Stampa Sera 18/07/1942, 3).
Die bissige Ironie machte auch nicht vor der Commissione per l’italianità della lingua und Bruno Migliorini halt: FADÉ. – Gentili signore, lo so, vi dispiace abbandonare questo graziosamente triste aggettivo che usate tanto per un fiore svvizzito, quanto per un abito sciupato, per un colore lilanguidito, per una cravatta scolorita. Ma abbandonatelo ugualmente. Fate questo piccolo sacrificio per la lingua italiana, e le ombre di Tommaseo e di Basilio Puoti verranno a ringraziarvi nei sogni. A meno che non preferiate la visita in carne ed ossa di Bruno Migliorini e di altri membri della Commissione per l’italianità della lingua (Stampa Sera 14/10/1941, 3).132
131 Für diesen Hinweis danke ich Massimo Fanfani. Mosca schrieb seit den 1930er Jahren u.a. für La Stampa, 1936–1943 war er Ko-Direktor der satirischen Zeitschrift Bertoldo und führte in der Nachkriegszeit die tägliche Karikatur in der italienischen Tagespresse ein (DBI, s.v. Mosca, Giovanni). Mosca war ab März 1941 Mitglied der Commissione per l’italianità della lingua, nachdem zuvor das Ministerium für Volkskultur um seine Aufnahme gebeten hatte (Raffaelli, A. 2010, 25). 132 Migliorini war kein Mitglied der CIL und nahm – zusammen mit Mosca – lediglich an der Kommissionssitzung vom 9. Juli 1941 teil (Raffaelli, A. 2010, 36). Bemerkenswert ist, dass Mosca Migliorini erwähnt, aber verschweigt, dass er selbst Mitglied dieser Kommission war. Die Sitzung vom 9. Juli stellte sich als die letzte Sitzung der «gemischten» Kommission heraus (siehe 2.2.3.6): Nach einer langen Unterbrechung der Aktivitäten zwischen Juli und Oktober 1941 wurde die Kommission auf Wunsch des Präsidenten der Accademia d’Italia, Luigi Feder-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
109
Vorangegangen waren der Rubrik bereits eine von ihm geleitete Glosse in La Stampa, «Lettere di Mosca». Am 25. Dezember 1940 schreibt er darin an einen (imaginären?) Leser: [...] vi parrà bestemmia, ma vi invito a diffidare del Machiavelli. Non è bello, lo so, diffidare del Machiavelli, ma là dove dice che delle parole straniere non bisogna poi tanto temere perchè la nostra lingua le tira a sè e le trasforma in modo che par suo, dice bene e dice male nello stesso tempo. Bene perchè ci son certe parole talmente italianizzate che nessuno si sognerebbe più di dire che sono straniere, (il ponce e il fiaccheraio) sempre però tenendo presente che è il lungo uso spontaneo che le può così italianizzare, e mai la proposta di uno studioso il quale, anzi, fa ridere tutta Italia quando propone cottro per cutter, overtura per ouverture, oblotto per hublot, filmo per film, ferribotto per ferry-boat, lìdero per leader, giazzo per jazz. Male, perchè spessissimo al voler per forza italianizzare un vocabolo straniero è preferibile lasciarlo così com’è, per evitare che, una volta italianizzato, non lo si possa più cacciar via. Alberto Malaspina non voleva che alla sua corte gli stranieri indossassero il costume del luogo, per poter in ogni momento, all’occorrenza, riconoscerli e mandar via. Avviene poi spesso che nella furia di voler italianizzare un vocabolo, si dimentichi che ne esiste il corrispondente italiano, e non morto, ma vivo e facilissimo ad essere rimesso in uso: i nostri studiosi, divisi in due partiti, quelli di filmo e quelli di filme hanno fatto perdere al popolo l’abitudine di dire pellicola (La Stampa 25/12/1940, 3).
Die Position, Fremdwörter deswegen nicht zu verändern, um sie zur rechten Zeit «fortjagen» zu können, erinnert an die Argumentation von Tommaso Tittoni (1926). Die Kritik an Assimilationen und der Bevorzugung von Lehnprägungen ähnelt dagegen jener im Vorwort des anonym herausgegebenen Piccolo vocabolario dei neologismi e forestierismi da «risciacquare in Arno» consigliato dalla R. Accad. d’Italia von 1941 (siehe 2.2.3.6). Es wäre lohnenswert, die gesamte Rubrik zu analysieren und sie insbesondere mit den Ersetzungsvorschlägen der Commissione per l’italianità della lingua zu vergleichen. Vielleicht ließe sich damit auch aufklären, warum die Rubrik «Fuori il barbaro» nach der Ausgabe vom 18. Juli 1942 nach «pardon» vorzeitig abbricht. Nachdem die Zeitungssprache vor 1930 wesentlich zur Verbreitung von Fremdwörtern in der italienischen Sprache beigetragen hatte, war auch deren Italianisierung vielfach zuerst in Zeitungen sichtbar – was jedoch nicht bedeutet, dass dies den realen Sprachgebrauch reflektierte. Teilweise können über diesen jedoch aus Zeitungskommentaren dieser Zeit Rückschlüsse gezogen werden. So wird in einem Artikel des Corriere della sera vom 16. April 1941, kurz
zoni, auf Vertreter der Literaturklasse der Akademie beschränkt, um die Arbeit zu beschleunigen (Raffaelli, A. 2010, 26–29). Diese «neue» Kommission trat erst am 24. November 1941 wieder zusammen – ohne die beiden Pressevertreter Giovanni Mosca und Ezio Camuncoli (zu Camuncoli siehe Fußnote 191 auf Seite 142).
110
2 Theoretische und historische Grundlagen
vor Inkrafttreten des Anti-Fremdwörtergesetzes (n. 2042 vom 23.12.1940), bemerkt, dass Händler ihre Waren noch immer mit Fremdwörtern beschriften:133 Nonostante l’attiva propaganda svolta e le vive raccomandazioni rivolte agli interessati, non tutta la vieta terminologia estera è scomparsa dalle vetrine dei negozi e dai cartelloni indicativi dei prezzi. Viene fatto ancora di leggere, passando per le strade, attraverso i cristalli delle vetrine, cartellini con scritto «crèpe» invece di crespo, «satin» invece di raso. [...] La legge diventerà esecutiva dal prossimo mese di luglio, e allora a carico dei trasgressori saranno prese gravi sanzioni, che possono arrivare al ritiro della licenza d’esercizio e alla condanna a sei mesi di reclusione e all’ammenda fino a 5.000 lire. Altrettanto non si può dire per altri settori merceologici, tra cui quello dei liquori e dei dolciumi. Se D’Annunzio ha ribattezzato il cognac in arzente, molti altri nomi restano tutt’ora da cambiare e cioè rhum, curacao [...] (4).
In der Zeit nach der fremdwortpuristischen Kampagne von 1932 und der Presseanweisung von 1934, die die Verwendung von Fremdwörter verbot, wurde generell eine deutliche Abnahme des Fremdwortgebrauchs in der Zeitungssprache festgestellt (Bonomi 2002, 39–40). Eine Analyse des digitalen Archivs von La Stampa ergab, dass sie jedoch nie vollständig vermieden wurden. So erschienen noch 1940 auf Seite 3 von Stampa Sera Artikel mit den Titeln «Apaches e gigolettes» und «La nuova danza dei ‹boulevards›» (06/03/1940). Im besonders stark der Zensur ausgesetzten Zeitraum von 1936 bis 1943 waren einige – klar als solche erkennbare – Fremdwörter in La Stampa noch relativ häufig, z.B. garage (711 Belege in diesem Zeitraum), bluff (320 Belege), leader (293), grue (194), kaki/khaki (142), boom (111), football (93), kursaal (67), iceberg (55), handicap (41), étagère (34), hinterland (30), foulard (26). Manche Fremdwörter erschienen sogar erstmalig in den 1930er Jahren, z.B. bâtons rompus (erstmals 1931) und batsman (erstmals 1934). Das Fremdwortverbot wurde auch deswegen nie vollständig beachtet, weil Journalisten erkannten, dass Fremdwörter und Exotismen für die chauvinistische und xenophobe Propaganda genutzt werden konnten, etwa in der antiangloamerikanischen Propaganda der Kriegsjahre. In einem 1940 in Stampa Sera erschienenen Artikel von Marco Ramperti finden sich daher u.a. Sätze wie
133 Zeitungen waren auch ein Ort, an dem Hersteller von sich aus über geänderte, d.h. italianisierte Warenbezeichnungen informierten. So gab Cinzano 1935 mit folgendem Inserat die Neuetikettierung ihrer Sektflaschen bekannt: «Cinzano sostituisce Dry – Extra Dry – Brut con Semi secco – Secco – Extra secco / Dal 18 corr., la S.A.F. Cinzano & C.ia ha sostituito per i propri Italianissimi Spumanti i nomi di dry – extra dry – brut e dry Corona, rispettivamente con Semi secco – secco – extra secco – semi secco Corona. / Gli Esercenti che hanno in giacenza prodotto con i nomi aboliti sono pregati di rivolgersi alla Cinzano od ai suoi Rappresentanti per avere gratuitamente le etichettine gommate di rettifica» (21/11/1935, 2).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
111
[...] si sa l’abitudine americana di rimasticare le cose stupide: siano esse del chewing-gum, o delle opinioni senza valore. [...] Quando i rossi soldati della Gran Bretagna (rosse le uniformi, rossi i capelli, rossi i nasi di wisky e di gin) ebbero sopraffatti i primi occupanti olandesi [...]. [...] tutti sanno come lo slang, il quale è praticamente il vero idioma della Repubblica, comprende un po’ tutti i linguaggi che si parlano in Europa. [...] Come si vede, numerose furono le culture europee che composero la cultura cocktail negli attuali anglofili d’oltre Oceano. Soltanto nel miscuglio, oggi essi distinguono o fingono di distinguere soltanto il sapore più tossico e più forte: quello del wisky che già v’infusero dei facili, brutali, avvinizzati conquistatori («I ‹pantaloni rossi› e la terza età», 10/10/1940, 3).134
Für die politische Hetze und Diskriminierung wurden die eigentlich verbotenen Anglizismen hier legitimiert, indem bestimmte, für die Kultur der AS als typisch angesehene Lexeme parodierend abgewertet wurden.135 Gleichzeitig setzt die unübersetzte und unkommentierte Verwendung beispielsweise von chewinggum oder cocktail die Bekanntheit dieser Fremdwörter voraus und verankert sie damit eigentlich stärker im kognitiven Lexikon des Lesers, nun allerdings mit negativer Konnotation. In der Summe der hier beispielhaft aufgeführten Formen der Fremdwortverwendung in der italienischen Presse und ihrer Beteiligungsformen am fremdwortpuristischen Diskurs, tritt die versuchte propagandistische Manipulation der Bevölkerung durch den FFP zutage, aber auch ihre innere Widersprüchlichkeit. 2.2.3.3 Standardlexikografie Generell gehört die Lexikografie, zusammen mit anderen linguistischen Nachschlagewerken, zu den wichtigsten Instrumenten des Fremdwortpurismus: «Potentially, the most influential factor in the reception of puristic activity is the registration of the elements deemed desirable in dictionaries, grammars and guides to good usage» (Thomas 1991, 97). Im Faschismus spielte die Lexikografie nicht nur zur Vermittlung der Sprachnorm, die weitgehend ohne Fremdwörter auskommen sollte, sondern auch zur Vermittlung der faschistischen Ideologie
134 Cf. auch einen ähnlichen Artikel von Ramperti, «Non sono d’accordo» vom 05.12.1940, in dem u.a. manager, bridge, christianscience, baby-vamp und chewing-gum Erwähnung finden. Zur Stigmatisierung werden Fremdwörter auch im Parteiblatt des PNF, dem Foglio di disposizioni, verwendet, wie Nichil (2012, 88) analysiert hat: «forestierismi [...] compaiono in frasi fortemente sarcastiche, in cui si allude a modelli di comportamento decisamente stigmatizzati». 135 Zu dieser Funktion von Entlehnung cf. Winter-Froemel (2011, 297–298).
112
2 Theoretische und historische Grundlagen
eine wichtige Rolle.136 Die Lemmaauswahl und die Definitionen ideologisch geprägter Wörterbücher reflektierten ideologische Schwerpunktsetzungen, die dazu dienen sollten, den Wörterbuchbenutzern zentrale Konstrukte des Faschismus nahe zu bringen. Susanne Kolb (2014) erkennt in der Lexikografie des Ventennio ein «interesse profondo che il regime nutriva per le questioni linguistiche in generale e le opere lessicografiche in particolare. Erano ritenuti strumenti chiave di una politica linguistica che mirava all’adozione di una lingua nazionale normata e unitaria e di un lessico ideologicamente condiviso» (148). Für die Rezeption des faschistischen Fremdwortpurismus und der politischen Propaganda des Regimes hält D’Oria, der die Wörterbücher von Panzini, Palazzi und Zingarelli untersucht hat, die Lexikografie für entscheidend: l’interdiction et la prescription des mots étrangers [...] s’est excercée sur la grande masse des Italiens, surtout à l’école, à travers les dictionnaires. [...] En effet, cette action de propagande des dictionnaires, en apparence innocente et inoffensive, possède toutes les caractéristiques des instruments idéologiques les plus pernicieux des régimes totalitaires: ceux qui tendent à imposer par la force une politique (84). [...] sous l’apparente neutralité de ces dictionnaires, les rapports avec le régime exerçant une domination idéologique et une hégémonie linguistique sont indiscutables, même si cette apparente neutralité faisait apparaître ces dictionnaires comme l’expression d’un locuteur collectif. Or ces dictionnaires, faisant partie de toute la production linguistique du régime fasciste, ont le même caractère de centralisation et de contrôle que les autres appareils culturels et idéologiques d’Etat (88).
Stellvertretend für die Standardlexikografie des Italienischen der 1930er und 1940er Jahre137 wird die Behandlung von Fremdwörtern im Folgenden in zwei
136 Zur einsprachigen Lexikografie siehe Kolb (1990 und 2014), zur italienisch-deutschen Lexikografie Wisniewski (2009). 137 Weitere auflagenstarke Standardwörterbücher waren Melzi, Giambattista, Il novissimo Melzi. Completo Dizionario italiano in due parti, Milano, Vallardi, 1934 und 1940; Mestica, Enrico, Dizionario della lingua italiana, Torino, Lattes, 1936 und Moderno dizionario della lingua italiana, Torino, ELIT, 1940 sowie Zingarelli, Nicola, Vocabolario della lingua, Milano, Bietti/ Reggiani, 41928, 51935, 61937/38, 71938/39. Das von Mussolini in Auftrag gegebene Vocabolario della lingua italiana (VLI 1941) der Accademia d’Italia wies – trotz der ab 1941 eingesetzten Kommission zur Ersetzung von Fremdwörter – einen eher gemäßigten Purismus auf. So hieß es im Vorwort: «La citazione di vocaboli stranieri di non vetusta e lunga tradizione ha permesso [...] di registrare talora il corrispondente italiano e talora di affacciare discretamente una proposta ragionevole di sostituzione, senza intenzione d’imporre nulla o d’intervenire d’autorità. Si sa che l’uso comune merita il rispetto e la più attenta considerazione dei vocabolaristi» (XIX–XX). Im einzigen erschienenen Band mit der Artikelstrecke A-C sind trotz dieser Ankündigung im Lemmarium keine eindeutigen Substitutionsangaben zu finden (Fanfani 2017, 112).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
113
Neologismenwörterbüchern (Panzini 11905–81942; Migliorini 1942) und in zwei einsprachigen Wörterbüchern (Palazzi 1939; Cerruti/Rostagno 1939) beschrieben. Unter 2.2.3.4 werden die wichtigsten Ersetzungswörterbücher beschrieben, die während des Faschismus erschienen sind (Monelli 1933/²1943; Anhang in Mazzucconi 1935; Jàcono 1939; Cicogna 1940; Natali 1940). In den einsprachigen Standardwörterbüchern variierte der lexikografische Umgang mit Fremdwörtern: Entweder wurden sie schlicht ignoriert,138 nicht oder nur teilweise lemmatisiert (wie in Cerruti/Rostagno 1939, dazu weiter unten), im Lemmarium besonders gekennzeichnet (VLI 1941;139 Panzini 1905– 1942) oder isoliert in den Anhang ausgegliedert (Palazzi 1939). Dass diese Sonderbehandlung, d.h. Neologismen und Fremdwörter nicht oder separat vom Kernwortschatz zu lexikografieren, in der italienischen Wörterbuchschreibung bereits Tradition hatte, wurde bereits erwähnt. Sie ist jedoch nicht nur für die italienische Lexikografie typisch (cf. Langer/Nesse 2012, 613). Das Dizionario moderno (11905) von Alfredo Panzini (1863–1939) ist das erste italienische Wörterbuch, dass sich ausschließlich Neologismen widmet. Deutlich wird dies bereits im Untertitel: Supplemento ai dizionari italiani in der 1. bis 7. Ausgabe bzw. ab der 8., postumen Auflage: Dizionario moderno delle parole che non si trovano nei dizionari comuni.140 Tatsächlich wurden viele Fremdwörter erstmals von Panzini lexikografiert, auch wenn sie schon seit einige Zeit im italienischen Sprachgebrauch waren. Die sieben, immer wieder aktualisierten Auflagen (zuzüglich der drei postumen, von Bruno Migliorini und Alfredo Schiaffini herausgegebenen: 81942, 91950 und 101963) stellen ein wertvolles Zeugnis des Wandels und der Krisen im italienischen Wortschatz der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar, gerade weil es Panzini um eine vollständige Dokumentation der aufkommenden Neologismen ging: «ho finito con l’accogliere ogni parola senza domandar passaporto, come fanno i frati a chi bussa alla porta del convento» (XIII). Aber die Bedeutung des Dizionario Moderno geht noch über die der lexikalischen Dokumentation hinaus. Dazu tragen vor allem die geistreichen, kritischen, häufig ironischen Kommentare des Autors bei, die auch Panzinis widersprüchliche und zerrissene Haltung gegen-
138 Nach Kolb (1990, 144) ist dies beispielsweise im Vocabolario della lingua von Nicola Zingarelli, Milano, Bietti/Reggiani in den von ihr untersuchten Auflagen 41928, 51935 und 71938/39 der Fall. 139 Im Vorwort heißt es dazu: «Parole esotiche di questa natura [gemeint sind Luxuslehnwörter, GS] sono state elencate, ma chiuse fra parentesi quadre, per notare che non appartengono alla lingua e per avere modo di indicare nei limiti del possibile il corrispondente italiano» (XVIII). 140 Zu allen Auflagen siehe Franchi (2012).
114
2 Theoretische und historische Grundlagen
über den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wiederspiegeln (Ioli 1985). Ab der 4. Ausgabe von 1923 nahm sowohl Panzinis politische als auch seine zunächst moderat puristische Position immer mehr profaschistische Züge an (Fanfani 2017, 89). Nachdem diese Haltung seit der 4. Auflage von 1923 erkennbar war, berücksichtigt Panzini ab der 5. Auflage von 1927 auch zunehmend den mussolinischen Ideolekt (ders., 75–76). In der letzten von Panzini selbst herausgegebenen 7. Ausgabe von 1935 ist es Mussolini selbst, der in das Lemmarium eingreift.141 Um die «Modernität» des Wörterbuchs zu wahren, nimmt sich Panzini in dieser Ausgabe verstärkt nicht nur des faschistischen Vokabulars, sondern auch des Fremdwortpurismus an, den er im Vorwort allerdings als kontinuierlich darstellt: Il Dizionario, sia pur moderno, si risente di quest’aria [del purismo ottocentesco di Fanfani/Arlìa e Rigutini, GS], di difendere la purità della favella paterna e materna. La difesa della favella natia è la difesa dell’onore della nazione: la conservazione della sua originalità è la conservazione dell’anima stessa della nazione. Questo era il mio sentimento di allora, e devo ammettere che tale ancora rimane e tale appare anche in questa settima edizione (Panzini 1935, XI).
Dennoch ist Panzinis Purismus nicht mit dem anderer Quellen der FFP vergleichbar. Durch ironische Anmerkungen stellte Panzini bei nicht wenigen Einträgen eine gewisse Distanz zur Rhetorik des Faschismus und zur fremdwortpuristischen Debatte her, z.B. in 81942: *Choc traumàtico o operatòrio. [...] Commozione, colpo, collasso, depressione, non vi corrispondono: si è proposto squasso. *Réclame. [...] grido fu parola con molta réclame proposta invece di réclame. [...] Se il popolo dice reclàm, perché non scrivere anche così? Perché, obiettano i neopuristi, la parola rimane di aspetto poco italiano. Fascistizzazione. Ridurre uomini, cose, pensieri ed azioni, tutto a sistema fascista (1927). (Marinetti, apostolo della velocità, potrebbe abbreviare certe parole un po’ lunghette.).
– Eine Ironie,142 die von radikaleren Puristen wie Torquato Gigli nicht geschätzt wurde: «nell’insieme non è chiaro se il libro sia scritto per difendere la lingua o
141 Mussolinis Einträge sind mit einem nachgestellten «(M.)» gekennzeichnet. Sie lassen allerdings keine besondere politische Semantik erkennen (Fanfani 2017, 77–78). Auch wurde Mussolinis Tätigkeit als Lexikograf kaum wahrgenommen und trug nicht zum wachsenden Duce-Kult bei (Raffaelli, S. 2001, 427). 142 Als Ironie ist wohl auch ein von Menarini zitierter Vorschlag zu verstehen, den Panzini einige Jahre zuvor gemacht hatte: «forse non sarebbe male che i neopuristi proponessero una disposizione di legge che fa italiane anche le parole che finiscono in consonante, e così la sa-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
115
per disfarla; e nella mente del lettore rimangono la dubbiezza e l’equivoco» (1933, 260). Zudem gebrauchte der Schriftsteller Panzini einige der im Dizionario moderno mit Ersetzungsvorschlägen versehenen Fremdwörter, wie choc, buffet, chauffeur, réclame, comfort in seinen Romanen selbst, auch noch 1935 (Ioli 1985, 313–314 und passim). Für andere Quellen des FFP war Panzini eine der wichtigsten lexikalischen Ressourcen, wenn nicht gar die wichtigste Referenz bei der Entwicklung von Ersatzlexemen. Gelobt wird das Dizionario moderno etwa bei Meano (1936, XIII), aber auch schon von Tommaso Tittoni in seinem zitierten Artikel «La difesa della lingua» (1926): «sono registrate numerose parole straniere o d’origine straniera (mostri o mostricini come egli le chiama) delle quali non fanno menzione gli altri dizionari. Egli contrapponendo ad esse l’equivalente italiano cerca di distogliere il pubblico dall’usarle» (Tittoni 1926, 381). Piacentinis Studie (2016a) zu den gastronomischen Fremdwörtern in den Ersetzungslisten der Comissione per l’italianità della lingua zeigt, dass Panzinis Wörterbuch auch für die Vorschläge der CIL eine wichtige Quelle war. Die postumen Auflagen des Dizionario moderno wurden von Migliorini und Schiaffini herausgegeben (81942, 91950, 101963). In ihnen findet sich im Anhang ein eigenes Neologismenwörterbuch Migliorinis, das Panzinis Wörterbuch ergänzt, zum einen durch spätere Wortschatzerweiterungen, zum anderen durch ältere Neologismen, die von Panzini nicht berücksichtigt wurden, z.B. aus der Sportsprache. Das zunächst nur Appendice al «Dizionario moderno» genannte Wörterbuch, das 1963 separat unter dem Titel Parole nuove erschien (Migliorini 1963), orientiert sich in Anlage, Lemmaabdeckung, im Stil und auch in der valutativen lexikografischen Darstellung so sehr am Dizionario moderno, dass Migliorini ihm im Vorwort den Beinamen «Dizionario modernissmo» gibt. Wörterbuchgegenstand sind bei Migliorini lexikalische Innovationen, die dem «criterio dell’«uso incipiente»» entsprechen (ders., 763), also eine Tendenz zur Aufnahme in den allgemeinen Sprachgebrauch zeigen. Auch gibt Migliorini, wie Panzini, zu vielen Neologismen ein wertendes Urteil ab: Per molti vocaboli ho espresso la mia disapprovazione con varie formule: discutibile, errato, inutile, non ben foggiato, mal coniato, malamente adoperato, di cattivo gusto, abusivo, ridicolo; altre volte ho adoperato qualche punto esclamativo e qualche ohimè. Ma dichiaro nel modo più esplicito che la mancanza di una nota di biasimo non vuol dire approvazione: non Chi tace acconsente, ma Chi tace non dice niente (763).
rebbe finita con tante parole su cui si discute come sport, bar, film, snob» (Menarini 1941, 115). Ioli sieht in Panzinis Ironie «una doppia comunicazione che permetta, in luogo di una trasgressione dichiarata, l’ammiccamento e l’allusione» (1985, 322).
116
2 Theoretische und historische Grundlagen
Wertende Kommentare beziehen sich in Migliorini (1942) weniger auf Fremdwörter als auf mögliche Ersatzlexeme, unter denen Migliorini eine Empfehlung für die «beste» Alternative abgibt. Die Möglichkeit der Ersetzung wird (aufgrund der geltenden Legislation?) nicht mehr infrage gestellt, sondern als selbstverständlich angenommen: *Applique. Sost. femm. franc. Lampada o piccolo lampadario fissato direttamente a una parete. Meglio che con applicazione si traduca con lampada murale. *Catgut. Voce ingl. (pron. kä'tgɐt), propr. «budello di gatto». Filo resistentissimo fatto con budelli animali, per legare i vasi sanguigni durante le operazioni chirurgiche. Esso viene poi riassorbito dai tessuti. Per sostituire il termine inglese, furono fatte varie proposte: la migliore ci sembra minugio. *Mixage. Term. cinem., di origine anglo-americana. To mix = mischiare (ma si adopera anche l’orribile adattamento missare) e l’astratto corrispondente mixage = mischiatura (non bene missaggio) indicano l’operazione di fusione tra la colonna musicale, quella del dialogo e quella dei rumori quando si monta un film.
Daher wird die erste Ausgabe des Appendice von 1942 hier ebenfalls zum FFP gezählt. Das Novissimo dizionario della lingua italiana etimologico, fraseologico, grammaticale, ideologico, nomenclatore e dei sinonimi (Milano, Ceschina) von Fernando Palazzi (1884–1962) fand nach seinem Erscheinen im Jahr 1939 weite Verbreitung.143 Es wurde mehrfach nachgedruckt, u.a. als Taschenausgabe (Il Piccolo Palazzi – Moderno dizionario della lingua italiana, 1956) und ab 1973 erneut von Gianfranco Folena herausgegeben (bekannt als «Palazzi-Folena» und bei Loescher erschienen). Palazzi war zunächst als Jurist, ab 1922 als Schriftsteller, Literaturkritiker, Übersetzer und Lexikograf tätig. Mitautor des Wörterbuchs von 1939 war Eugenio Treves, dessen Name jedoch nicht erwähnt wird, offenbar aufgrund der ein Jahr zuvor beschlossenen antisemitischen Rassengesetze.144 Ein
143 Zum politischen Vokabular in Palazzi 1939 cf. Kolb (1990, 187–188). 144 Siehe DBI, s.v. Palazzi, Fernando. Im Vorwort einer späteren Auflage von 1962 heißt es: «Un particolare ringraziamento è dovuto all’amico Eugenio Treves che alla compilazione di questo dizionario, sin dalla prima edizione, ha prestato lunga, amplissima, diligente e valida collaborazione, di cui gli viene dato qui oggi quel riconoscimento che, per ragioni contingenti, non fu possibile dargli sin dal primo momento». Allerdings wurde Eugenio Treves diese späte «Würdigung», als Ko-Autor zu erscheinen, noch in den Nachkriegsausgaben nicht zuteil.
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
117
gewisser zensierender Charakter des Wörterbuchs geht bereits in den ersten Zeilen des Vorworts in Bezug auf die Zielgruppe des Wörterbuchs hervor: Rassicuriamo anzitutto genitori ed educatori. Questo dizionario – destinato alle persone bennate e specialmente agli studenti – può essere dato in mano al ragazzo con perfetta tranquillità: ne sono state escluse di proposito non solo le voci scurrilli e oscene, ma quelle anche che potessero come che sia turbare l’ingenuità del ragazzo o le sue idee morali e religiose (XIX).
Auch Fremdwörter werden aus dem Lemmarium ausgeschlossen, allerdings aus anderen Gründen: Molte, troppe sono le voci straniere che hanno invaso i confini linguistici nostri. Siamo tutti d’accordo ormai che bisogna sbandirle. Ma il mezzo migliore di liberarsene è di registrarle, indicando per ognuna la parola corrispondente italiana più bella e più efficace da sostituire. E così appunto noi abbiamo fatto. Ne abbiamo raccolte più di 1500, e a ciò che esse non turbassero l’armonia del patrio idioma e perché fossero più facilmente reperibili, le abbiamo messe in appendice, separate dal resto (XVIII).
Trotz dieser Ankündigung nennen Palazzi/Treves nicht für alle der insgesamt 1.465 aufgelisteten Fremdwörter «la parola corrispondente italiana più bella e più efficace». Teilweise beschränken sich die Angaben auf paraphrasierende Definitionen, so etwa bei atout sm. fr. (pr. atú) il seme che si è dichiarato di giocare e che nel giuoco ha alcuni speciali vantaggi nelle prese; rassomiglia alla briscola nel nostro giuoco omonimo. crawl sm. ingl. (pr. cròl) propriamente significa «strisciare» e dicesi di un modo particolare di nuotare che consente una buona velocità. outsider sm. ingl. (pr. autsàider) atleta o cavallo da corsa che, pur non avendo probabilità palesi di vincere, può dar luogo a sorprese. tabarin sm. fr. (pr. tabarèn) [dal nome di una maschera parigina] luogo di ritrovo notturno, e vi si va specialmente per danzare.
Es ist unklar, ob die fehlende Substitutionsangabe in diesen Fällen als Akzeptanz des Fremdworts oder als Mangel an Alternativen zu verstehen ist. In Bezug auf seine Ersetzungsvorschläge zeichnet sich Palazzi (1939) durch eine gewisse Autonomie gegenüber anderen Quellen aus. Zwar entsprechen die Vorschläge häufig jenen von Monelli (1933) bzw. Jàcono (1939), einige Vorschläge werden unter allen untersuchten Quellen jedoch ausschließlich in Palazzi/Treves genannt, z.B. palla d’allenamento für punching-ball, trucco in terra für golf, aber auch das letztlich erfolgreiche tifoso für suiveur. Auch das umfangreiche Vocabolario della lingua italiana con ricca nomenclatura figurata e non figurata e la nomenclatura fascista von 1939 (Torino, S.E.I.) in der Bearbeitung von Luigi Andrea Rostagno hatte weite Verbreitung. Es geht
118
2 Theoretische und historische Grundlagen
auf das 1879 erstmals erschienene Schulwörterbuch Nuovo dizionario della lingua italiana in servigio della gioventù von Francesco Cerruti zurück.145 Cerrutis Wörterbuch wies ursprünglich eine gewisse Toleranz gegenüber Fremdwörtern auf,146 die in der Bearbeitung von Rostagno jedoch einem schärferen Purismus weicht. Viele damals übliche Fremdwörter wurden bei Rostagno nicht eigens lemmatisiert. Das hat teils strukturelle Gründe, da das Wörterbuch nestlemmatisch aufgebaut ist, sodass viele Fachbegriffe nur unter einem allgemeinen Eingangsstichwort zu finden sind. Ungewöhnlich und widersprüchlich an der Darstellung ist jedoch, dass nicht-lemmatisierte Fremdwörter zur Definition und Erklärung nativer Lexeme genutzt wurden. Das führt zum Paradox, dass Fremdwörter einerseits ignoriert werden bzw. ihnen kein nativen Lexemen vergleichbarer Status zuerkannt wird, ihre tatsächliche Verankerung im Sprachgebrauch aber andererseits aus den Bedeutungsangaben hervorgeht und dadurch hervorgehoben wird. Anhand zweier Beispiele soll dies verdeutlicht werden. Die Fremdwörter garage, panne, autobus, chauffeur sind in Cerruti/Rostagno (1939) nicht lemmatisiert, finden sich aber unter dem Stichwort automobile in den Kommentaren und Bedeutungserklärungen wieder: Guasto o arresto (panne) [...] omnibus automobile (mene bene autocorriere o autobus). – Rimessa da o per automobili (= garage, autogarage; non bene autorimessa) [...] conduttore o guidatore d’automobili o meccanico d’automobili o automobilista (o, ora, non bene, autista), secondo i casi (= chauffeur) [...].
Deutlich wird an diesem Beispiel, dass der Autor von der Inhaltsseite der Fremdwörter ausgeht, aber vermeiden will, ihnen einen prominenten Platz einzuräumen, und daher native Ersatzlexeme an ihre Stelle setzt. Da diese aber offensichtlich noch nicht ausreichend lexikalisiert sind, kann er nicht auf die Angabe des Fremdworts zur Bedeutungserklärung verzichten. In ähnlich verwirrender Weise wird das fußballsprachliche Wortfeld unter s.v. gioco präsentiert: – il gioco del calcio o palla a calcio o al calcio (foot-ball): [...] giocatori di palla a calcio o calciatori (foot-ballers) divisi in due squadre (o gruppi o partiti) [teams] di undici ciascuna: un portinaio o portiere o guardia o guardiano (goal-keeper) due terzini (fullbacks) [= di
145 Compilato sulla scorta dei migliori lessicografi dal sac. prof. Francesco Cerruti coll’aggiunta di due elenchi, Torino, Tip. e libreria Salesiana, 1879. 146 Siehe Consales/Pelo (2011): «Cerruti si mostra nel complesso tollerante: sceglie di accogliere anglicismi adattati [...]. Ma, soprattutto, inserisce forme non adattate o lievemente italianizzate in morfologia o in grafia, come lord, milord, milordo, milorte [...], ponce [...], tunnel [...], wiski [...], yacht. L’anglicismo revolver serve addirittura a definire il lemma rivoltella: «revolver, ossia quella pistola con cilindro, che girando intorno a se stesso spara più colpi successivamente»» (210–211, cf. auch 208).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
119
terza linea] tre spalle [= secondi o di seconda linea] (halfbacks): spalla di centro (center half) e due spalle d’ala, cinque (battitori) o datori (= gli «avanti» = forwards) [= di prima linea], cioè un (battitore) o datore di centro (center-forward), [...] due datori o (battitori) d’ala, due datori o (battitori) d’ala interna (insides) [...] inoltre abbiamo un arbitro (referee) e due giudici delle linee di fallo (= guardialinee = lines men) [...].
Es bleibt dabei unklar, ob die fremdsprachlichen Termini als Anglizismen im Italienischen oder als ihre englischen Entsprechungen verstanden werden. Da aber alle Termini zu Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich in der italienischen Zeitungssprache belegt sind, kann von Entlehnungen ausgegangen werden. In jedem Fall dienen diese Termini dem Autor zur eindeutigen semantischen Identifikation. Die italienischen Begriffe allein genügten ihm dafür offenbar nicht. Auch werden Fremdwörter mitunter in einer italianisierten, aber dem Sprachgebrauch fremden Form lemmatisiert, z.B. bazzarre (anstelle von bazar) oder miracolino (anstelle von enfant prodige) bzw. nestlemmatisch, s.v. bambino: «viziatino (= enfant gâté)». Selbst gebräuchliche Lehnwörter werden teils negativ kommentiert, cf. pompière, sm. [dal francese] gallicismo di molt’uso, chi manovra le pompe o le trombe da acqua per spengere gl’incendi. Più italianamente vigili oppure guardie del fuoco. ciclismo, sm. [dal grec. kýklos = cerchio] (neol.) (meglio sarebbe, come si diceva prima, velocipedismo) l’industria, il diporto del velocipede o bicicletta; tutto quanto, persone o cose, si riferisce al velocipede o bicicletta.
Die präskriptiven, wertenden Kommentare betreffen nicht nur Fremdwörter, sondern Neologismen im Allgemeinen, wie auch das Vorwort offenbart: «Quanto alla purezza ho registrato i neologismi e barbarismi non solo di parola, ma di senso, ma ho in modo richissimo soggiunto le voci e locuzioni corrispondenti in lingua» (VI), z.B. bei Centralizzazione, sf. bruttisimo neol. bur., si dica accentramento.
Laut Susanne Kolb (1990) ist Cerruti/Rostagno (1939) unter allen von ihr auf die Präsenz ideologisch geprägten Vokabulars untersuchten Wörterbüchern «am meisten von faschistischen Idealen durchdrungen» (189–190). Dennoch wurde das Wörterbuch noch bis 1959 unverändert nachgedruckt. 2.2.3.4 Ersetzungswörterbücher Vorgestellt werden im Folgenden die Ersetzungswörterbücher Monelli (1933) und (²1943), Rivetta (1938), Silvagni (1938), Jàcono (1939), Cicogna (1940) und Natali (1940). Die Autoren dieser Ersetzungswörterbücher waren überwiegend Schriftsteller und Journalisten. Ihre Beiträge sind typischerweise durch einen
120
2 Theoretische und historische Grundlagen
radikalen, ideologisch motivierten Fremdwortpurismus gekennzeichnet. Die xenophobe Haltung dieser Arbeiten geht bereits aus den Titeln und z.T. der Einbandgestaltung hervor. Eine Ausnahme stellt der hier ebenfalls berücksichtigte Sprachratgeber von Mazzucconi (1935) dar, der eine Ersetzungsliste für Fremdwörter im Anhang enthält. Der Sprachratgeber steht stellvertretend für divulgative Grammatiken, die während des Ventennio erschienen, denn auch in ihnen wurde die Ersetzung von Fremdwörtern empfohlen.147 Den fremdwortpuristische Beitrag von Monelli (1933 und 1943), Jàcono (1939) und Silvagni (1938) haben bereits Serianni (2011) und Piacentini (2017) untersucht. Unberücksichtigt sind dagegen bislang die Arbeiten von Mazzucconi, Rivetta, Cicogna und Natali geblieben. Generell ist das Forschungsinteresse an den laienlinguistischen Ersetzungswörterbüchern gering, «forse per lo scarso interesse che un’opera condotta da un non linguista suscitava tra gli specialisti» (Piacentini 2017, 317, Fn. 29). Das bekannteste und erfolgreichste Ersetzungswörterbuch des FFP war Barbaro dominio. Cinquecento esotismi esaminati, combattuti e banditi dalla lingua con antichi e nuovi argomenti, storia ed etimologia delle parole e aneddoti per svagare il lettore (1933, ²1943, Nachdruck 1957)148 des Journalisten und Autors Paolo Monelli (1891–1984). Monelli nahm an beiden Weltkriegen teil; die Auslands- und Kriegsberichterstattung stellt einen bedeutenden Anteil in seiner Prosa dar. Barbaro dominio ging hervor aus Monellis Rubrik «Una parola al giorno» in der Gazzetta del popolo (siehe 2.2.3.2). Der Konversationsstil von Barbaro dominio ähnelt jenem von Panzinis Dizionario moderno, wobei Monelli häufig persönliche Erfahrungen einstreut. Seine Ablehnung gegenüber entlehnten Lexemen begründet Monelli teils ästhetisch (cf. Serianni 2011, 271, Fn. 11), häufig aber ideologisch, siehe beispielsweise s.v. blasé: «Questa parola è di quelle che nella nuova Italia, attiva, impetuosa, avventurosa, hanno minor diritto d’asilo di tutti gli altri barbarismi; ed infatti la si ritrova solo ancora in qualche scritto di giovinetti o di rammoliti» (1933, 27). s.v. meeting: «Col crepuscolo della politica demagogica e piazzaiola anche questo vocabolo inglese [...] parve scomparire; ed invece proprio in questo anno XI riceve nuova vita da alcuni giornalisti sportivi che vivrebbero più facilmente senz’aria che senza corsivi nei loro pezzi» (1933, 200; weitere Beispiele bei Serianni 2011, 275).
147 Cf. Baggio (2009) zu der 1941 veröffentlichten Grammatik von Bruno Migliorini, La lingua nazionale. Avviamento allo studio della grammatica e del lessico italiano per la scuola media (Firenze, Le Monnier). 148 Zum Nachdruck von 1957 stellt Serianni (2011, 275, Fn. 20) fest, «il filofascismo sopravviv[e] in MONELLI3 (per inerzia editoriale, trattandosi di una ristampa), compresa l’intollerabile boutade antiebraica s.v. dancing».
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
121
Einige Fremdwörter akzeptiert Monelli aufgrund ihrer Verankerung im Sprachgebrauch und aus Mangel an geeigneten Ersetzungen, z.B. bar, festival, jazz, smoking, tennis, vermouth, andere werden gar nicht genannt (sport). Zudem verzichtet Monelli in der zweiten Ausgabe auch bewusst auf Ersetzungsvorschläge, wenn Fremdwörter seiner Ansicht nach ohnehin negativ konnotiert sind: «in questo campo le nostre ricerche ci paiono meno necessarie, certe cose anzi a chiamarle col nome d’origine contengono in sè un giudizio, una critica concentrata del paese in cui sono nate, demi-vierge, gangster, bootlegger, spleen, etc.» (1943, 77).149 Monelli lässt keinen Zweifel daran, dass sein Beitrag zur Sprachreinigung besonders gelungen und zudem ein politischer Akt sei: É forse la prima volta nella storia del giornalismo italiano che un quotidiano assume con tanto impegno e continuità il compito di ripulire il linguaggio dagli esotismi. [...] La Gazzetta del Popolo ha mostrato che si può fare questa opera di pulizia senza pedanterie, senza vecchiumi, senza purismi, senza il terrore dei neologismi, senza le amene goffaggini denunciate quasi cento anni fa da Prospero Viani. Tale campagna è stata lodata per la chiarezza fascista che l’ha animata: più bella lode non le si poteva fare (VII–VIII).
Auffällig ist weiterhin das Selbstverständnis – kennzeichnend für alle Ersetzungswörterbücher des FFP – selbst kein Purist zu sein.150 Barbaro dominio erfuhr bereits während des Faschismus Kritik, u.a. in einer Rezension von Torquato Gigli (1933), dem Monellis puristischer Vorstoß nicht weit genug ging, sowie von Giulio Bertoni (1939), in der er Monelli eine «singolare incompetenza di uno scrittore che si è fatto paladino della purità della nostra lingua» (166) attestiert. Zur zweiten Auflage erschien sogar eine monografiefüllende, vernichtende Rezension von Emilio Vuolo (1943). Kritik äußert Vuolo insbesondere an den dilettantischen Etymologien, dem eitlen Stil Monellis und an Widersprüchlichkeiten zwischen den beiden Auflagen. Er bringt sie auf die Formel «½ notizie personali (o estranee) + ¼ polemica a vuoto + ¼ linguistica a orecchio = Barbaro dominio» (41).151 Seinen fehlenden Anspruch auf eine differenzierte sprachgeschichtliche Darstellung gibt Monelli
149 Cf. auch DG, s.v. autarchia: «nell’Italia degli anni Trenta [...] [i]l bridge viene chiamato brigge o anche ponte, salvo quando occorre parlarne male e quindi pare meglio evidenziarne le origini straniere fin dal nome». 150 Cf. Luca Seriannis (2006, 60) Beobachtung «trovare un purista dichiarato, senza se e senza ma, è impresa disperata». 151 Auf die – von Vuolo (1943) und Serianni (2011) abgesehen – überwiegend ausgebliebene linguistische Analyse von Barbaro Dominio weist Luca Piacentini (2017, 317, Fn. 29) hin: «Diffusa, soprattutto negli ambienti accademici del secondo Dopoguerra, era l’idea che il lavoro del Monelli fosse stato condotto in assenza di una formazione tecnico-scientifica. Questa considerazione, seppur parzialmente condivisibile vista l’improvvisazione che traspare soprattutto
122
2 Theoretische und historische Grundlagen
im Vorwort der 2. Ausgabe von 1943 freimütig zu: «Quello che quei critici mi possono insegnare, lo so trovare da me. Ma fra discordanti ipotesi ho scelto quella che mi faceva più comodo» (XII). Monelli blieb seinen puristischen Ansichten auch in der Nachkriegszeit treu, wenn er beispielsweise 1960 in einem Artikel mit dem Titel «Abbiamo regalato parole a tutti oggi non sappiamo più dire ‹bacio›» schreibt: «Dammi un beso» sospira alla spagnola una canzonetta in voga – Un tempo, quand’era vivo e vigoroso, il nostro idioma sapeva difendersi dalle influenze straniere e creare fortunati neologismi – Ora preferiamo l’inglese «recital» a recita, scriviamo all’americana «studios» per studi cinematografici, infioriamo i nostri discorsi, per amore di esotismo, con vocaboli tratti da altre lingue – É un segno di decadenza; l’«idioma gentile» sta morendo e non lo salveranno gli scrittori che si servono del dialetto. [...] negli ultimi decenni non vi è più traccia di garbo, di misura, di gusto nell’accoglimento dei vocaboli esotici; si pigliano su a sacchi, senza cautela, senza nemmeno tentare di dar loro veste e suono italiano. L’idioma si impingua, si lardella di espressioni soprattutto inglesi d’America che conservano intatta la grafia anche se il più delle volte sono pronunciate alla carlona. E non solo di quelle che indicano cose nuove, ma anche di vocaboli che hanno un esatto corrispettivo da noi; ma la parola nostra è cacciata in bando, spesso se ne dimentica l’esistenza [...]. Altro segno che la lingua sta davvero morendo è nel fatto che ormai pochissime sono le parole che esportiamo, e di assai poco conto [...]. I bei tempi quando davamo ai popoli parole come vendetta, profumo, banca, bilancio e le parole della borsa [...]. La vedo proprio brutta per la povera lingua italiana. Né credo potrà venirle salvezza dalla tendenza di alcuni giovani autori di servirsi come lingua letteraria del dialetto della loro città, o del gergo di certe classi popolari; anche se tali idiomi sappiano resistere assai meglio della lingua comune ai forestierismi. Ma vedete che brutto genere di salvezza: in luogo di una lingua sola, ne avremo fra mezzo secolo dieci, o venti, o cento, quanto sono i dialetti e i gerghi della Penisola. una bella prospettiva (09/10/1960, 3).
Ein unselbstständig erschienenes, knappes Ersetzungswörterbuch war 1935 im Anhang von Ridolfo Mazzucconis divulgativem Sprachratgeber Guida allo scrivere corretto (Milano, Le lingue estere) zu finden.152 Dieser Anhang, «Voci straniere dell’uso e loro corrispondenti» (129–144), verstand sich als Hilfsmittel, um Fremdwörter in der Schriftsprache zu vermeiden. Das Büchlein war recht erfolgreich und erreichte bereits 1942 eine 5. Auflage (im Vorwort der hier zitier-
dalle analisi etimologiche, non fu mai effettivamente dimostrata». Piacentini selbst attestiert Monelli eine «limitata conoscenza fonetica, etimologica e lessicografica» (318). 152 Ridolfo Mazzucconi (1889–1959) war Journalist, Übersetzer, Schriftsteller und u.a. Herausgeber der vierbändigen Storia della conquista dell’Africa (Milano, 1937–38). Nach 1943 unterstützte er die Repubblica Sociale Italiana (DBI, s.v. Mezzasoma, Fernando; https://it.wikipedia. org/wiki/Ridolfo_Mazzucconi [letzter Zugriff: 10.09.2020]).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
123
Abbildung 7: Einband von Monelli (1933). (Foto: G. Seymer)
ten Ausgabe spricht der Autor von «[p]arecchie migliaia di copie, passate per mani di un numero assai maggiore di persone», 51942, 5). Nach einem allgemeinen «Invito alla lettura» (9–56), folgt ein grammatischer Teil («Specchio delle più comuni incertezze grammaticali», 65–95), eine Übersicht über unregelmäßige Verben (97–108), ein «Elenco di voci e locuzioni errate» (109–128) und schließlich die Ersetzungsliste für Fremdwörter, die – wie der Autor angibt – zur schnellen Konsultation gedacht ist und daher nur die Fremdwörter (insgesamt 279) und eine oder mehrere Ersetzungsvarianten angibt. Zudem verweist der Autor auf die Bibliografie: «chi voglia saper di più, si rivolga ai libri speciali», in der er u.a. De Luca, Monelli und Panzini nennt (ohne Angabe von Titel und Jahr). Der Gebrauch von Fremdwörtern wie sport und snob ist nach Mazzucconi legitim, «quando realmente manchi il termine italiano corrispondente. Restano invariabili al plurale: lo sport, gli sport, lo snob, gli snob. Aggiungere un s finale, per indicarne il plurale, è cosa contaria al carattere della lingua» (88). Seine Orientierung am Sprachgebrauch wird im Kommentar zu ferry-boat deutlich: Un lettore attribuisce al Monelli la colpa d’aver inventata la parola ferribotto ed a me la leggerezza di averla ripetuta senza star troppo a pensarci su. No; ferribotto è una parola creata dal popolo e corrente in tutta l’Italia meridionale, e in special modo in Calabria e in Sicilia. Egli suggerisce nave-traghetto o traghetto (e, perché no? anche ponte-traghetto).
124
2 Theoretische und historische Grundlagen
Suggerimenti che non son certo da buttarsi via. Osservo, però, che quando il popolo, assimilandole, ha dato figura e suono italiani a parole straniere, non sussiste più alcun fondato per rifiutarle. Questa è la via maestra da seguire per l’arricchimento della lingua. L’autorità dell’uso e l’esempio dei buoni scrittori d’ogni secolo ce ne offrono la più eloquente conferma (134–135).
Ingesamt ist Mazzucconis Guida allo scrivere corretto Beispiel für einen gemäßigten Fremdwortpurismus während des Faschismus. Es zeigt zudem, dass seine Verbreitung und Akzeptanz bis in die Sprachdidaktik reichten. In pointierten Kurzessays präsentiert Pietro Silvio Rivetta153 in seinem Buch Preferite i prodotti nazionali! Curiosità linguistiche stravaganti e sagge (Milano, Ceschina) von 1938 Ersetzungsvorschläge für Fremdwörter.154 Auffällig ist in Preferite i prodotti nazionali! der Vergleich sprachlichen und wirtschaftlichen Austauschs, ganz im Sinne der 1936 gestarteten faschistischen Autarkie-Kampagne: Il presente volume riguarda i prodotti linguistici, i quali si importano e si esportano come merci. [...] Stiamo acquistando sempre in misura minore dall’estero le materie prime: per i vocaboli, non ne abbiamo bisogno. Siamo stati noi i fornitori di tutti i popoli europei, i quali si sono largamente provvisti, anche perché le parole sono merce impagabile. In cambio, abbiamo avuto ben poco; e quel poco è stato «lavorato» da noi in tal misura che oramai è «prodotto italiano». Questo volume di «curiosità linguistiche» vuol dimostrare non soltanto che vi è un nesso tra prodotti materiali e vocaboli, ma anche che la nostra meravigliosa lingua è – per sua natura – un quotidiano stimolo alla indipendenza verbale e economica. Nè si creda che uno speciale astio premeditato abbia suggerito alcune considerazioni xenofobe; al contrario, noi rivolgiamo il più sorridente pensiero di gratitudine a quei popoli che, in tempi recentissimi, ci hanno – pure involontariamente – esortati a meglio misurare le nostre doti e le nostre possibilità (7–8).
In Rivettas Argumentation sollte der italienische Wortschatz nicht nur ausdrucks- sondern auch inhaltsseitig vollständig «italienisch» sein: «Un vocabolo dal suono italiano è completamente nostro quando anche il significato è italianissimo» (100). Zur Ersetzung von gin empfahl er daher ginepro d’Italia (83), um neben dem Ausdruck auch den Referenten zu italianisieren. Die Gleichsetzung von Sprache und (faschistischer) Nation macht auch vor dem politischen Gegner nicht halt. So kritisiert er die Abkürzung Komintern der Kommunistischen Internationale: «Per coerenza, avrebbero dovuto ispirarsi a
153 Rivetta (1886–1952) war nicht nur ein erfolgreicher Journalist, Schriftsteller und Drehbuchautor (Pseudonym: Toddi), sondern auch ein Sprachtalent. Er veröffentlichte zahlreiche Sprachführer, u.a. zum Japanischen, Chinesischen, Maltesischen, Französischen, Lateinischen. 154 Allerdings hält sich die Anzahl in Grenzen: chauffeur, garage, toilette, chic, bordeaux/ bordò ‘dunkler Rotton’, gin, cherry brandy, chartreuse, slogan.
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
125
vocaboli meno romani, scegliendo una denominazione che non riconoscesse implicitamente che, senza l’aiuto di Roma, non si può nemmeno linguisticamente riuscire a congegnare qualcosa di organico» (216) sowie Frankreich und Großbritannien: «Il nostro linguaggio è il più meraviglioso esempio di lingua autarchica. [...] Père e mère, father e mother sono vocaboli moribondi nei paesi dove la natalità agonizzi» (220). Ähnlich ideologisch ist Il vitupèro dell’idioma e l’adunata de’ mostri: roba da far piangere e ridere von Umberto Silvagni (1862–1941) angelegt. Silvagni widmete sich nach einer militärischen und politischen Karriere dem Journalismus, ab 1939 war er (erneut) Senator. Silvagni wandte sich insbesondere gegen die Gallizismen in der italienischen Sprache, auch gegen solche, die bereits seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten integriert waren (z.B. arbitraggio, bordura, lingotto, massacrare, daneben auch zahlreiche Lehnbedeutungen) sowie einige Anglizismen (u.a. bow window, girls, hall, meeting, stop) und Fremdwortbildungen, insgesamt über 400 Lexeme. Der Fokus von Silvagnis Ersetzungswörterbuch lag damit unter allen untersuchten Quellen am stärksten bei älteren, integrierten Entlehnungen (Serianni 2011, 274), was sein Ersetzungsvorhaben deutlich aussichtsloser machte. Das mit 1.563 berücksichtigten Fremdwörtern umfangreichste Ersetzungswörterbücher des FFP ist das 1939 erschienene Dizionario di esotismi (Firenze, Marzocco) von Antonio Jàcono,155 das sogar mit dem Premio dell’Accademia d’Italia ausgezeichnet wurde. Für Piacentini ist das Dizionario di esotismi «forse l’ultima opera lessicografica degna di nota», bevor 1941 die staatliche Commissione per l’italianità eingesetzt wurde, «che frenò inevitabilmente l’editoria linguistica in questo campo» (2017, 307). Jàcono selbst verstand sich als Neopurist, wobei seine Arbeiten eindeutig politisch verortet sind. So trägt sein 1936 erschienenes Buch Parole nostre den Untertitel «Saggio di ‹neo-purismo› intorno a 200 esotismi dei Paesi ‹sanzionisti›» (siehe Jàcono 1939, II). Auch veröffentlichte er einige Rezensionen und Beiträge in den ersten Ausgaben von Lingua nostra.156 Zwischen 1940 und 1943 machte er zudem für über 1.000 Termini des Bauwesens und der Industrie Ersetzungsvorschläge in der Zeitschrift L’Ingegnere. Rivista tec-
155 Jàcono (1900–1951) war Schriftsteller und Journalist, zudem Autor einiger Schulbücher und -grammatiken (Piacentini 2017, 307, Fn. 1; Serianni 2011, 270, Fn. 3). 156 Die Quasi-Rubrik Ancora esotismi in Lingua nostra 2 (settembre 1940), 117–118, 3 (marzo 1941), 42–43 und 4 (luglio 1941), 92–93.
126
2 Theoretische und historische Grundlagen
nica del Sindacato nazionale fascista ingegneri (siehe 2.2.3.5). Im Vorwort gibt er als Auftrag des Dizionario di esotismi an: esortare gl’Italiani di lingua e d’animo, a liberarsi consciamente da un tributo non necessario né onorevole, e staremmo per dire da un superfluo e umiliante «consumo» di vocaboli e modi esotici. [...] Parole nostre, in casa nostra, fino all’estremo limite del possibile (XVIII).157
Darin wandte sich Jàcono nicht nur gegen Fremdwörter, sondern auch gegen einige Lehnwörter und Lehnprägungen (u.a. accidentato, essere all’altezza, amatore, ancestrale). Nur sehr wenige der aufgeführten Entlehnungen hält Jàcono nicht für ersetzungsbedürftig: gin («diremmo anche noi Gin per non confondere, come spesso avviene, questa acquavite, col liquore che si fabbrica propriamente con essenza estratta dalla bacche del ginepro, e che noi diciamo bene Gineprino o Ginepro», 36) und die Korrespondenz polo («Facciamola buona invece a Polo che non disconviene all’indole della Lingua», 25). Vergleichsweise häufig schlägt er Dialektismen zur Ersetzung vor, so dass sein Beitrag laut Risk «connotazioni strapaesane» aufweist (1976, 258). In seiner Rezension von 1940 bezeichnet Migliorini das Dizionario di esotismi als «notevole contributo alla campagna per l’eliminazione dei forestierismi dalla lingua», kritisiert aber die Etymologien («La parte più debole del libro è quella storico-etimologica: si trovano affiancati etimi ineccepibili ed etimi palesemente inverosimili»), die nicht immer hilfreiche Vielzahl vorgeschlagener Substitute («ci vien fatto di domandarci [...] se non convenga concentrare gli sforzi per mandare avanti un sol termine, anziché correr rischio di scemar l’efficacia dell’attacco disperdendo le forze in tanti assalti minori») sowie die Qualität einzelner Vorschläge (Lingua nostra 1, marzo 1940, 45–46). Wie Serianni (2011, 272–273) und v.a. Piacentini (2017, passim) zeigen, basiert Jàcono in weiten Teilen auf Monellis Barbaro Dominio – nicht nur in der Lemmaauswahl, sondern auch in den Kommentaren (teils wortwörtlich), den Etymologien, den Autorenzitaten und den angegebenen Beispielen, allerdings ohne ihn entsprechend zu zitieren. Ein Plagiat, das Monelli bemerkte und im Vorwort der 2. Auflage seines Barbaro dominio ohne Nennung von Jàconos Namen auch erwähnt: ha avuto successo ed un premio dell’Accademia un Dizionario degli Esotismi della casa editrice Marzocco che ha tutta l’aria di essersi ispirato a questo mio lavoro, nel modo di ragionare attorno alle parole e alle etimologie, per le traduzioni proposte, per le citazioni, persino per il modo di girare certe frasi, persino per gli errori. Ma considerata la bontà e l’urgenza della causa, bisognerà lodare le buone intenzioni del compilatore (Monelli 1943, X).
157 Ein offenbar von Carlo Formichi, Vizepräsident der Literaturklasse der Accademia d’Italia, übernommenes Motto (cf. Piacentini 2016a).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
127
Allerdings enthält das Dizionario di esotismi ungleich mehr Fremdwörter als Monelli (1933), das «nur» 453 zu ersetzende Wörter enthielt.158 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Jàcono auch Ausdrücke ersetzen wollte, die keinesfalls entlehnt waren, sondern Fremdes lediglich evozieren, zum Beispiel die Lexeme insalata russa (‘Gemüsesalat mit Mayonnaise’), das Jàcono (1939) durch insalata composta ersetzt wissen wollte (222), oder chiave inglese (‘Schraubenschlüssel, Engländer’), für das er chiave, serradadi, chiavemorsa oder chiave a vite (90) vorschlägt. In anderer Hinsicht lehnt sich Autarchia della lingua. Contributo ideale e pratico alla santa battaglia159 (1940) von Adelmo Cicogna160 an Monelli (1933) an: Auch er beruft sich in der grafischen Gestaltung des Einbands auf Dante (siehe Abb. 8). Der Kampf, den Monelli den Fremdwörtern angesagt hatte («Cinquecento esotismi esaminati, combattuti e banditi»), wird bei Cicogna sogar zu einem «heiligen» Kampf. Aufbau und Inhalt des Buches legen nah, dass Sprache bei Cicogna den Status eines Propagandainstruments hat. Besonders deutlich tritt die ideologisch-politische Funktion der angestrebten Sprachreinigung im Vorwort von F.T. Marinetti zutage. Darin wirbt er für einen unnachgiebigen Purismus, der wie ein «heiliger Krieg» geführt werden solle: Il Primo problema autarchico è l’italianità della lingua. È santa perciò la campagna diretta all’integrità assoluta della lingua italiana. Intransigenza senza la minima concessione: questo ci vuole. La questione dell’italianità della lingua nostra è di grande importanza per noi tutti. Deve smettersi l’uso di parole straniere. Le ragioni che ci portano a questa affermazione sono le stesse che ci fanno combattere ogni forma di esterofilia, ogni introduzione presso di noi di modi di fare e di dire esotici. [...] Non basta arginare l’introduzione di parole straniere nella nostra lingua. Bisogna espellere quelle che già sono entrate nell’uso: sostituirle e applicare con energia questa sostituzione (7).
158 Nach eigener Auszählung. In der Ausgabe von 1943 ist die Anzahl auf 506 gestiegen. 159 Befremdlich wirkt die syntaktisch-semantische Anlehnung im Titel eines von Cicogna in der Nachkriegszeit herausgegebenen Buches: Come evitare gli incidenti stradali. Contributo pratico-tecnico alla umana battaglia con indicazioni su come comportarsi in caso di sinistro, Roma, s.l., 1953. Mit dem Thema Verkehrsunfälle befasste er sich auch in Prevenzione e infortuni stradali, Roma, s.l., 1958. 160 Über Adelmo Cicogna konnten keine biografischen Daten erfasst werden; auch im umfangreichen DIDO 1940 ist er nicht vertreten. Er veröffentlichte vor und während des Zweiten Weltkriegs einige regimenahe Bücher, u.a. La rivoluzione spagnuola, Roma, Saggi e Commenti, 1937 (übers. ins Engl. und Frz.); Per l’autarchia. Manuale del consumatore italiano, Roma, Saggi e Commenti, 1939; La nostra guerra. Cause remote e recenti, Roma, SSDL, 1941; Il contributo degli italiani al Risorgimento dell’Egitto, Roma, Saggi e Commenti; Il dovere dell’ora: Tacere, Roma, SSDL, 1941, Fronte interno. I doveri dell’addetto al commercio nell’ora presente, Roma, Dopolavoro Addetti al Commercio, 1942.
128
2 Theoretische und historische Grundlagen
Abbildung 8: Einband von Cicogna (1940). (Foto: G. Seymer)
Cicognas Beitrag, in dem er einen Bogen von der wirtschaftlichen zur sprachlichen Autarkie sowie von der historischen zu einer «neuen» questione della lingua zieht und staatliche Maßnahmen aufzählt, die dazu bereits beigetragen hätten, schließt sich ein «Elenco alfabetico delle voci straniere più in uso e corrispondenti italiane esistenti che devono sostituirle» an. Es handelt sich um eine nach Sachgebieten gegliederte Liste mit 573 zu ersetzenden Lexemen ohne weitere grammatische oder semantische Angaben, in der sich teils auch absurde Einträge wie «franco, franca – lira, lire» finden. Von einem ähnlichen Geist getragen ist Franco Natalis Come si dice in italiano. Vocabolarietto autarchico (Bergamo, Edizioni di Bergamo fascista) von 1940. Das Vocabolarietto wird vorgestellt als Ersetzungswörterbuch für die Hosentasche: «convinti di riempire una lacuna, dato che ancora non esisteva una guida all’autarchia del linguaggio di mole e prezzo modesto ed in forma piana e piacevole, accessibile a qualsiasi specie di lettori» (Vorwort von Ugo Mazzoncini, 7). Auch bei Natali entsprechen Lexemauswahl (insgesamt 237 zu ersetzende Fremdwörter), Stil und Ersetzungsvorschläge weitgehend Monellis Barbaro Dominio; allerdings nimmt der zur Schau getragene Chauvinismus bei Natali zu. Man vergleiche etwa die Kommentare von Monelli (1933) (siehe Seite 120) und Natali zu blasé: In Italia non dovrebbe esistere il cosiddetto blasé. [...] In clima fascista [...] la parola blasé non ha diritto d’asilo in un’Italia ardente impetuosa generosa, dove le note dell’inno Gio-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
129
vinezza han buttato all’aria tutto un mondo di annoiati, di indifferenti, di scettici, di malinconici, di invertrebrati (15).
Cf. auch die Einträge zu biberon: Monelli (1933): «È curioso che l’Italia, paese dove si sanno ancora fare i bambini, debba prendere questi termine dalla Francia dove se ne fa assai meno da un pezzo. Biberon è in italiano poppatoio» (22). Natali (1940): «Da noi si fabbricano, per grazia di Dio, consule Mussolini, molti pargoli. In Francia si fa di tutto per fabbricarne col contagocce, e quando ne vien fuori per disgrazia qualcuno, otto volte su dieci lo tiran su col biberon. Al nostro paese sono allattati, nella maggior parte dei casi, dalla madre, e quando ne siamo proprio costretti, ricorriamo al poppatoio» (13–14).
Fazit: Die Zusammenschau der zwischen 1933 und 1943 erschienenen Ersetzungswörterbücher zeigt, dass mit Monellis Barbaro dominio eine neue Form der fremdwortpuristischen Positionierung und Intervention begründet wurde, an der sich die zwischen 1935 und 1940 veröffentlichten Arbeiten anderer Autoren mehr oder weniger stark orientierten. Barbaro dominio stellt sowohl den Anfangs(¹1933) als auch den Endpunkt (²1943) der faschistischen Ersetzungslexikografie dar. Durch die ab 1941 aktive Commissione per l’italianità della lingua (siehe 2.2.3.6), die die Substitution staatlich lenken sollte, wurde die Neuproduktion von Ersetzungswörterbüchern ab diesem Zeitpunkt eingestellt. Gemein ist allen Arbeiten ein mehr oder weniger radikaler Purismus, der sich nicht nur gegen Fremdwörter, sondern auch gegen Fremdwortbildungen, teils auch gegen integrierte Lehnwörter (v.a. Silvagni 1938) wendet. Die lexikalische Substitution wird zwar mitunter ästhetisch begründet, dass die Wörterbücher aber vorrangig ideologisch motiviert sind, geht aus den (ab)wertenden Kommentaren zu den Fremdwörtern und den Vorworten hervor. Kriterien des Sprachgebrauchs werden nur teilweise und auch nur von Mazzucconi und Monelli berücksichtigt, etwa durch die Akzeptanz weit verbreiteter Fremdwörter wie bar, smoking, tennis. Nur einige Autoren – Monelli und Jàcono – machen Angaben, die linguistische Fachkenntnisse erfordern, wie etwa zur Etymologie und zur Wortbildung. Mazzucconi, Cicogna und Natali verzichten dagegen ganz auf grammatische oder semantische Angaben. Wie Piacentini (2017) zeigen konnte, sind die etymologischen Angaben von Monelli und Jàcono jedoch nicht verlässlich und stehen deutlich hinter der zeitgenössischen Sprachwissenschaft und den damals verfügbaren lexikografischen Quellen zurück. Somit können die Ersetzungsvorschläge in keinem der Ersetzungswörterbücher als linguistisch fundiert bezeichnet werden. Auch die Referenzen auf Dante, Machiavelli (Monelli im Titel Barbaro dominio) und die Questione della lingua sind
130
2 Theoretische und historische Grundlagen
stereotyp und fungieren lediglich als Begründung einer nationalen Identität. Fremdwörter werden in den Ersetzungswörterbüchern nicht in ihrer kommunikativen Funktion und in ihrer Verwendung in der italienischen Sprache beschrieben, sondern als Bedrohung der italienischen Sprache und Nation dargestellt. Es handelt sich damit nicht im eigentlichen Sinne um Sprachwörterbücher, sondern um «opuscoli stilati su criteri linguistici approssimativi e aventi principalmente una funzione divulgativa e propagandistica» (Piacentini 2017, 307; cf. auch D’Oria 1985, 88). Ein ironisch-sarkastischer Stil kennzeichnet die eher im Konversationston gehaltenen Wörterbücher von Monelli, Natali, Rivetta und, in geringem Maß, Jàcono. Die Ironie bezieht sich allerdings – anders als etwa in Panzinis Dizionario moderno – fast immer auf eine Abwertung des Fremden und erfüllt eine spezifische Funktion, wie der Autor des Vorworts von Natali (1940) offenbart: «Natali, mediante le affilate armi dell’ironia, raggiunge completamente lo scopo di farci odiare certi barbarismi e dà modo di efficacemente sostituirli attingendo alla fonte autentica e inesauribile del nostro idioma» (7). 2.2.3.5 Beitrag der Verbände Parallel zur fremdwortpuristischen Zeitungskampagne begannen die Gewerkschafts- und Fachverbände, selbst aktiv zu werden. Ihre Initiative zur Ersetzung von Fremdwörtern wurde mitunter auch öffentlich gefordert, z.B. von Paolo Monelli in Bezug auf kursaal:161 Non vogliamo cancellare anche questa ridicola parola dai nostri luogi di villeggiatura e di cura? (ahimè, qui sì che ci vorrebbe un intervento dall’alto; si ha un bel predicare che le scritte Hôtel, Restaurant, Tea Room, Palace, Kursaal, Grillroom, e chi più ne rimane offeso più ne elenchi, sparse per i colli umbri e fiorentini, lungo le riviere, negli angoli più classici di Sicilia e di Roma, stonano maledettamente e dànno di noi allo straniero intelligente un pessimo concetto; ma siamo anche sicuri che non scompariranno finchè non se ne occuperà la Confederazione competente) (Monelli 1933 [1932], s.v. kursaal).
Da besonders die Fachsprachen reich an Fremdwörtern waren, sahen sich verschiedene Verbände veranlasst, ihre Terminologie zu italianisieren und diese zu verbreiten. Für die Mode- und Textilbranche wurde 1935 ein staatlicher Ver-
161 Bruno Migliorini betonte zudem die Rolle der Unternehmen: «naturalmente le proposte, anche felici, non sono che proposte. Se entrassimo in un caffé per bere un Kümmel, oggi come oggi né lo Jacono né io oseremmo chiedere un cimino. Bisogna che qualche grande distilleria produca del buon liquore e lo chiami cimino: solo allora si potrà cominciare» (aus seiner Rezension von Jàconos Dizionario di esotismi in Lingua nostra 1, marzo 1940, 46).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
131
band gegründet, der Ente nazionale della moda. Ab 1932 gaben Gewerkschaften einzelne Ersetzungsempfehlungen ab, z.B. veröffentlichte die Confederazione nazionale dei Sindacati fascisti dei trasporti terrestri e della Navigazione interna im Januar 1932 die Empfehlung, den Gallizismus chauffeur mit automobilista ‘Autofahrer’ bzw. autista ‘Chauffeur (Berufsbezeichnung)’ zu ersetzen (Migliorini 1990, 237), was in der Literatur immer wieder als Grund für die dauerhafte Ersetzung von chauffeur genannt wird. Auch im Bereich der Verbände richtete sich der Fokus zuerst gegen Fremdwörter der Sportsprache. Um sie in der Sportberichterstattung ersetzen zu können, wurde der nationale Journalistenverband Sindacato fascista dei giornalisti aktiv. Offenbar auf Initiative dessen Sekretärs, Ermanno Amicucci,162 beschloss der Verband 1929 die Redaktion eines eigenen Ersetzungswörterbuchs für den Sportjournalismus. Über das Projekt hieß es 1929 in der Monatszeitschrift Lo Sport fascista: Nella sua ultima adunata, il Direttorio Nazionale del Sindacato dei Giornalisti ha deciso la compilazione di un dizionario sportivo italiano, specialmente per la eliminazione dai resoconti dei giornali delle locuzioni straniere e dei barbarismi non necessari e non comprensibili dal pubblico. Chiamato direttamente in causa, il giornalismo sportivo non può che «incessare» il colpo. Le pagine di molti, troppi nostri fogli sono sporcate da vocaboli stranieri di cui non si ha nessuna necessità. Il Sindacato vuol far pulizia, e noi gli auguriamo che il dizionario serva alla bisogna. Ma chi lo farà, questo dizionario? Qui potrebbe, senz’offesa per alcuno, cascare l’asino. Persino Paolo Monelli confessa i suoi dubbi circa la possiblità di attuazione della deliberazione presa dal Sindacato giornalistico. Sarà bene, intanto, mettere i punti sulla i. Li ha già messi, per tutti noi, il collega Gaspare Cataldo, che è anche segretario della Federazione Italiana di Lawn-Tennis – (non è colpa nostra se si chiama ancora così, ma poi la ribattezzeranno da F.I.L.T. in F.I.P., vale a dire Federazione Italiana Pallacorda)163 – in una lettera diretta a un foglio romano. Osserva giustamente Cataldo: «Il modo più sicuro per non cavare un ragno dal buco è quello di proporsi l’eliminazione di «tutte» le parole esotiche, a cominciare, appunto, dallo sport, che dovrebbe diventare diporto (poveri noi!). Viceversa, il mezzo più idoneo per ridurre a proporzioni decenti le locuzioni e i vocaboli inglesi o francesi è proprio quello di rinunciare al programma massimo tenendosi al sodo. Bisognerebbe, insomma, che accanto ad ogni lette-
162 Amicucci (1890–1955) war zur damaligen Zeit auch Herausgeber der Gazzetta del popolo, in der ab 1932 Monellis Rubrik Una parola al giorno erschien, sowie faschistischer Abgeordneter. 163 Anders als hier erwartet, wurde der italienische Tennisverband 1933 in Federazione Italiana Tennis (FIT) umbenannt, siehe http://www.coni.it/it/federazioni-sportive-nazionali/fede razione-italiana-tennis-fit.html [letzter Zugriff: 10.09.2020].
132
2 Theoretische und historische Grundlagen
rato o linguista che suggerisce un neologismo sportivo italiano, ci fosse uno sportivo autentico, non privo di cultura e di buon senso, che giudicasse della «praticità», delle probabilità di successo della parola nuova. Se l’ottima iniziativa del Sindacato giornalisti è accolta da qualcuno con non dissimulato scetticismo, la colpa è appunto di quelli che, nel passato, pretesero di insegnarci che il nuoto è un diporto e che un altro diporto è la pallacorda [...]» (Il dizionario dei giornalisti sportivi, Lo Sport fascista 2, 1929, 96).
Dieser Zeitungsausschnitt offenbart bereits die wesentlichen Schwierigkeiten des Vorhabens: wer die Redaktion eines solchen Ersetzungswörterbuches für die Sportsprache übernehmen und nach welchen Kriterien die Auswahl der Lemmata und der Ersatzlexeme erfolgen solle. Wie unterschiedlich die Ansichten hierzu gewesen sein dürften, stellt der Artikel bereits sehr deutlich am Beispiel tennis / pallacorda dar. Diese Konflikte führten schließlich zu einem Ergebnis, das die Auftraggeber nicht zufriedengestellt haben dürfte: Drei Jahre später, 1932, wurden in zwei Heften des Bollettino del sindacato nazionale fascista dei giornalisti 6:1 (2–3) und 6:2 (9) sieben vorläufige Ersetzungslisten veröffentlicht. In der Einleitung heißt es: I nostri lettori ricorderanno che qualche tempo fa l’on. Amicucci prese l’iniziativa della compilazione d’un Dizionario Sportivo Italiano allo scopo di eliminare tutti i vocabili [sic] stranieri dal linguaggio sportivo. Il Sindacato nazionale invitò, per ciascun ramo dell’attività sportiva, un competente che potesse collaborare a questa opera d’italianizzazione d’una parte tanto importante del linguaggio giornalistico. Diversi risposero all’invito, e in attesa che gli altri ne seguano l’esempio per poter poi riunire la speciale Commissione che dovrà decidere definitivamente sulla compilazione del Dizionario, crediamo utile pubblicare intanto le liste ricevute (2).
Dieses Wörterbuch, an das große Erwartungen geknüpft worden waren,164 erschien jedoch nicht mehr – offenbar auch, weil nicht alle Vertreter, die für die einzelnen Sportarten ausgewählt worden waren, ihre Listen ablieferten (so fehlen u.a. Beiträge zu den in der Berichterstattung häufigen Sportarten Radrennen, Boxen, Rugby, Wintersport und Schwimmen). Im Folgenden wird daher nur auf die sieben Einzellisten des Dizionario sportivo italiano (DSI) eingegangen. Auffälligstes Merkmal ist die Heterogenität der einzelnen Beiträge, die wohl mit einer fehlenden Koordination und der sehr unterschiedlichen Herkunft der 164 So hieß es in einer Rezension zu Sassi (1927) von 1932: «È arcinoto che a cura del Sindacato dei Giornalisti si sta compilando un dizionario delle voci italiane che dovrebbero sostituire, nella pratica sportiva, tutte quelle parolaccie straniere che arrotate dalla lingua del popolo si smussano, è vero, nelle loro consonanti stridenti, ma ingarbugliano la limpidezza dell’eloquio naturale e lo fanno degenerare. La onerosa fatica è affidata a insigni personalità, che dello sport (o diporto) sono (ed è tutto dire) competenti per responsabilità e per passione» (Il Littorale 24/03/1932, 3).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
133
Autoren zusammenhängt. Darunter finden sich sowohl Berufs- und Hobbysportler als auch Sportjournalisten und Funktionäre. Die Beiträge waren: «Vocaboli usati nell’ippica al galoppo» von Fürst Ludovico Spada Potenziani,165 «Giuoco del calcio» von Giuseppe Zanetti,166 «Scherma» von Nedo Nadi,167 «Automobilismo» von Giovanni Canestrini,168 «Il tennis» von Gaspare Cataldo169 sowie die Beiträge «Lotta (greco-romana e libera)» und «Sollevamento pesi» von Ugo Meda.170 Abgesehen vom unterschiedlichen Umfang der Beiträge, der sich auch aus der unterschiedlich hohen Anzahl von Fremdwörtern in der jeweiligen Sportart erklärt, unterscheiden sie sich auch in ihrer Haltung gegenüber Fremdwörtern: Während Spada Potenziani viele aus dem Englischen entlehnte Termini des Reitsports für unersetzbar hält,171 sich auf Traditionen in anderen Ländern beruft172 und seine Italianisierungsvorschläge v.a. aus dem Sprachgebrauch schöpft und Neologismen nur vorsichtig äußert,173 ist der unkommentierte Beitrag von Zanetti 165 2. Spada Potenziani (1880–1971) war von 1926–1928 zweiter Stadtgouverneur von Rom, ab 1929 Senator sowie Vorstandsmitglied im Comitato Olimpico Nazionale Italiano, im Jockey club italiano und der Unione ippica italiana (DBI). 166 2–3. Zanetti war von 1926–1932 Sekretär des nationalen Fußballverbandes Federazione Italiana Giuoco del Calcio (FIGC), während der Amtszeit von Leandro Arpinati. 167 3. Nadi (1894–1940) war erfolgreicher Fechtmeister (u.a. Olympiasieger im Florettfechten 1912 in Stockholm) und Sportjournalist, 1935–1940 Präsident des italienischen Fechtverbandes (DBI). 168 9. Canestrini (1893–1975) war Ingenieur, Journalist und Mitbegründer des Autorennens Mille Miglia (siehe https://it.wikipedia.org/wiki/Giovanni_Canestrini_(giornalista) [letzter Zugriff: 10.09.2020]). Als Sportjournalist brachte er auch nach Ende des Faschismus Neologismen der Automobilbranche in den Sprachgebrauch, cf. https://it.wikipedia.org/wiki/Barchetta#L'o rigine_del_nome_e_storia [10.09.2020]. 169 9. Cataldo war 1927–1930 Sekretär des italienischen Tennisverbandes Federazione Italiana Lawn Tennis (FILT) und Autor des Bandes Il tennis. Lo Sport che fa rimanere giovani, Torino, Soc. Edit. Torinese, 1934. 170 9. Über Meda konnten keine weiteren Informationen erlangt werden. 171 Siehe beispielsweise «Forfeit – Letteralmente ‹ammenda› o ‹pegno›. Indica infatti quanto deve pagare dell’entrata un cavallo iscritto ad una corsa e che non vi partecipa. Termine entrato nell’uso comune. Intraducibile» oder «Handicap – Corsa per la quale i pesi da portarsi dai cavalli sono stabiliti da apposito tecnico, detto handicapper. Tali voci sono entrate nell’uso comune di tutti gli sports. Si ritiene di mantenerle considerato che occorre una perifrasi per precisare il concetto» (2). 172 «Jockey Club – Letteralmente ‹Circolo dei Fantini›. La parola non corrisponde al significato. In tutti i paesi si chiama ‹Jockey Club› l’Ente che sovraintende all’Ippica al galoppo. Dovrebbesi coniare un vocabolo nuovo e non sarebbe opportuno perché il nome individua bene l’Ente e le sue funzioni, specialmente di fronte alle corrispondenti autorità internazionali. Anche per tradizione è bene conservare la denominazione perché la fondazione del ‹Jockey Club› risale ad un cinquantennio». 173 Siehe «Dead-heath – Letteralmente ‹corsa morta›. Indica che una corsa è terminata con l’arrivo simultaneo di due o tre cavalli. Potrebbesi forse dire in italiano: testa-testa» (2).
134
2 Theoretische und historische Grundlagen
eine leicht reduzierte, aber ansonsten inhaltsgleiche Kopie der Fußballtermini und ihrer Ersetzungsvorschläge von Sassi 1927.174 Abwägend und gebrauchsorientiert175 äußert Cataldo seine Ersetzungsvorschläge zu den Fremdwörtern des Tennis. In seiner Einleitung bedauert er, dass nicht alle Italianisierungen der entlehnten Termini über «i necessari requisiti di brevità e di decoro (di eleganza, in questi casi, è inutile parlare)» verfügten. Weiter heißt es bei ihm: Ritengo, pertanto, che nel tennis come nel calcio, nel pugilato, ecc., il programma totalitario non sia un programma pratico, realizzabile, conviene, pertanto, contentarsi di ridurre la percentuale di parole esotiche al minimo indispensabile, sia creando e imponendo i neologismi, sia assimilando i vocaboli stranieri già italianizzati dell’uso. Sto, per intenderci, a metà strada tra il Principe Potenziani, che non sa tradurre Jockey Club e Paolo Monelli che tradurrebbe anche Mac Donald (9).
Canestrini präsentiert eine 345 Fremdwörter starke, aber unkommentierte Liste zu den Fachbegriffen des Automobilsports. Viele davon dürften kaum gebräuchlich gewesen sein.176 Dagegen liefert Nadi zu den Fechttermini die kürzeste Liste der Sammlung mit Italianisierungen für lediglich sieben Gallizismen. Seine Begründung lautet: «La scherma è così ricca di tradizione italiana che, fortunatamente, ha dato alle lingue estere assai più di quanto non abbia preso» (3). Meda schließlich präsentiert eine kurze, unkommentierte Liste mit Italianisierungen für die Sportarten Ringen und Gewichtheben. Die Veröffentlichung dieser Listen blieb ohne nennenswerte Wirkung.177 Um den Fremdwörtern in der Sprache der Mode und der Textilbranche etwas entgegenzusetzen, wurde 1936 vom italienischen Fachverband für Mode
174 Exklusive eines «Kopierfehlers»: Wo es bei Sassi draw und drawback heißt, verwendet Zanetti dran und dranback; zudem fügt er unter «Goal – Punto» den Kommentar «lascerei però goal» hinzu. 175 Siehe die Beispiele «Smash – Colpo schiacciante (lungo e brutto, ma sempre preferibile alla ‹schiacciata›: smash, come sostantivo, è di quelli duri a morire)», «Smash (to) – Smesciare (i Cruscanti inorridiscano: smesciare è già nell’uso comune)» (9). 176 Zum Beispiel «Mittelbenzin – Benzina di densità media», «Strombarame – Strombarama», «Tôte-embouti – Lamiera stampata» (9). 177 Nach der missglückten Veröffentlichung des Dizionario sportivo italiano durch die italienische Journalistengewerkschaft dauerte es zehn Jahre, bis 1942 erneut ein journalistischer und ausschließlich gegen die Fremdwörter des Sports gerichteter Beitrag erscheint: Im Almanacco italiano. Piccola Enciclopedia popolare della vita pratica e Annuario diplomatico, amministrativo e statistico veröffentlichte Renato Venturini sein Dizionarietto italiano degli sports (Venturini 1942). Darin finden sich neben einem Wiederabdruck von Emidios De Felices Beitrag zur Boxterminologie (De Felice 1941) eigene Beiträge Venturinis zu den Sportarten «Pallacorda (tennis)», «Atletica leggera» (hierzu zählen auch Termini des Rad- und Reitsports), «Il Golf», «La Palla-ovale (Rugby)» und «Disco sul ghiaccio (Hockey)».
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
135
(Ente Nazionale della Moda, kurz ENM), das Commentario dizionario italiano della moda herausgegeben, das als «mezzo ausiliare di propaganda e di lotta per l’emancipazione delle attività italiane operanti nel settore, da influssi e da forniture di altri paesi» dienen sollte (IX). Autor war der Schriftsteller und Journalist Cesare Meano (Meano 1936).178 Mithilfe des ENM wollte Mussolini, der die Mode als ein Instrument zur Modernisierung und zur Erschaffung des uomo nuovo und als Instanz nationaler Identität entdeckt hatte, Kontrolle über die Textilbranche, einen nicht unbedeutenden Wirtschaftsfaktor Italiens, gewinnen (Paulicelli 2011, 817). Ab 1936 wurden in Italien auch «autark» produzierbare Stoffe entwickelt.179 Vorschläge zur Ersetzung von Fremdwörtern finden sich in der dem Lemmarium angehängten «Guida per la versione delle voci e dei modi stranieri» (431–460). Es handelt sich um 378 überwiegend aus dem Französischen entlehnte Fremdwörter (in der 2. Auflage von 1938 kommen weitere 69 hinzu). Dazu werden Angaben zu Etymologie, Bedeutung, Kontext und zur Substitution gemacht und ggf. auf Einträge im Lemmarium verwiesen. Einige Fremdwörter hielt Meano für akzeptabel (manicure, pedicure, reps, tulle und godet, cf. Bonadonna 2013, 199–200). Besonderheiten der Terminologiearbeit im Commentario Dizionario sind der Rekurs auf die italienische Literatursprache sowie die umfangreichen historischen Hintergrundinformationen, die in der Präsentation angekündigt werden: «Si è cercato di attingere agli inesauribili tesori della nostra lingua risalendo lungo sei secoli di letteratura italiana. Antiche voci già attribuite a vesti, tessuti, ornamenti, fogge, acconciature, accessori, vengono offerte oggi all’intelligente apprezzamento e al corrente uso degli italiani» (X). Dahinter stand der Wunsch, dem starken französischen Einfluss im Bereich der Mode die italienische Tradition und den italienischen Stil entgegenzusetzen: The ENM bureaucrats were of the opinion that the creation of a national fashion went hand in hand with the construction of a properly specialized lexicon that had strong and direct links to the Italian language, to Italian literature, to the conventional codes and the history that had marked its cultural context. [...] [T]he aim of Meano’s project was to circulate fashion as a meaning and therefore as an ideology. Words and their organization in a narrative, then, have the task of providing the necessary tools with which to create the «culture» for an appreciation of «Italian taste» and fashion both at home and abroad. As
178 Meano (1899–1957) war später auch als Regisseur tätig (DBI; https://it.wikipedia.org/ wiki/Cesare_Meano [letzter Zugriff: 10.09.2020]). 179 Beispielsweise Lanital, eine aus Kasein gewonnene, wollähnliche Kunstfaser, die ab 1937 den Mangel an Wolle ausgleichen sollte. Ein ähnlich gebildetes Kofferwort wurde im Deutschen für eine in der DDR entwickelte Kunstfaser geprägt: Dederon.
136
2 Theoretische und historische Grundlagen
such, in Meano’s Commentario, language is identified with its performative and persuasive qualities (Paulicelli 2011, 817–818).180
Angesichts einer überarbeiteten Neuauflage 1938 und eines teilweisen Nachdrucks 1939 in Guida per la versione delle voci straniere della moda e Dizionarietto delle fibre tessili autarchiche (Torino, Ente nazionale della moda e Conf. Fasc. Lav. Comm.) hatte der Commentario dizionario italiano della moda offenbar eine bemerkenswerte Verbreitung während des Faschismus. Die Accademia d’Italia prämierte den Beitrag 1938 mit dem Encomio Solenne. Die Nutzung des Wörterbuchs trieb der ENM auch in den Folgejahren voran. So hieß es 1940 in einem Artikel der vom ENM herausgegebenen Rassegna dell’Ente Nazionale della Moda: Il commerciante deve intanto dare il buon esempio per quello che lo riguarda direttamente, eliminando tutti i cartelli con indicazioni straniere che ancora figurano nelle vetrine. Si sostituiscano i nomi dei tessuti e degli articoli di moda come «crèpe», «cretonne», «drap», «golf», «gabardine», «zéphir», «popeline», ecc. coi nomi già più volte proposti dall’Ente della Moda e dalle nostre organizzazioni sindacali [...]. Il persistere di termini francesi e inglesi, specialmente in questo momento, è segno di scarso spirito nazionale, di pessimo gusto e di indolenza mentale (5, 1940, 63–64).
Fremdwörtern des Tourismus und der Gastronomie widmeten sich zwei Einzelbeiträge (Bianchi 1939–40), die zwischen 1939 und 1940 in der von der Consociazione Turistica Italiana181 herausgegebenen Zeitschrift L’Albergo in Italia. Rivista bimestrale di propaganda alberghiera e per le industrie di fornitura d’albergo erschienen. Unter dem Titel In difesa della lingua italiana schlägt der Autor Icilio Bianchi182 in fünf Folgen183 zunächst Ersatzlexeme für Fremdwörter der Gastronomie vor. Der Beitrag verfolgt das Ziel, der «insufficienza di cultura, di fantasia e di gusto» (252) vieler Ersetzungsvorschläge für Fremdwörter beizukommen, und die Italianisie-
180 Dabei wurde die Ablehnung der französischen Mode und ihrer Terminologie auch mit moralischen Fragen verknüpft, wie sich bei Torquato Gigli, dem erwähnten Mitglied der Società Dante Alighieri, zeigt: «Ci è una plaga del nostro vocabolario, si può dire tutta francese (con un po’ di inglese). È quello del vestiario delle signore. Per esse (tolte poche ecczioni) è un dogma che la moda deve venire da Parigi [...]. Ora ci è l’Ente per la Moda italiana. Dovrebbe intendere il suo officio educativo. Speriamo che essa riesca a darci un vestiario bello e decoroso, una calzatura femminile conforme all’anatomia e all’igiene; e a fare smettere la dipintura del volto alle donne per bene» (Gigli 1933, 256). 181 So der Name des Touring Club Italia in jenen Jahren, siehe dazu Piacentini (2017). 182 Bianchi (*1890) war Schriftsteller, Journalist und Übersetzer (DIDO 1940). Vor dem Ersten Weltkrieg hatte er bereits unter dem Pseudonym Ycil Whites fantastische Erzählungen veröffentlicht, die 2017 neu verlegt worden sind (http://www.fantasymagazine.it/27418/i-raccontidella-biblioteca-fantastica [letzter Zugriff: 10.09.2020]). 183 Folgen: 4 (luglio-agosto 1939), 252–255; 5 (settembre-ottobre 1939), 311–313; 6 (novembre– dicembre 1939), 353–354; 1 (gennaio-febbraio 1940), 49–50; 2 (marzo–aprile 1940), 110–111.
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
137
rung der Gastronomiesprache durch eigene Vorschläge voranzutreiben. Bianchi beruft sich dabei auf Panzinis Dizionario moderno und Paolo Monellis Barbaro dominio, von denen er jedoch teils abweicht, «perchè una dubbia conoscenza della materia, limitata, nel nostro caso, al campo della gastronomia, li ha tratti qualche volta – il primo più del secondo – a ingannevoli definizioni» (ebd.). Die Italianisierungsvorschläge Bianchis sind moderat puristisch und an semantischer Präzision184 und der Verankerung im Sprachgebrauch orientiert (so werden Lexeme wie bar und cognac akzeptiert). 1940 folgt dann unter dem Titel Parliamo italiano anche negli alberghi! eine weitere Liste.185 Dabei handelt es sich im Wesentlichen um den kommentierten und ergänzten Wiederabdruck eines von der Compagnia Italiania Turismo herausgegebenen Piccolo dizionario di termini tecnici stranieri da sostituire con equivalenti vocaboli italiani, der sich mit Fremdwörtern des Gastgewerbes befasst.186 Als Beilage der Zeitschrift Bibliografia fascista. Rassegna mensile del movimento culturale fascista in Italia e all’estero erschien im Dezember 1941 eine 9seitige Zusammenstellung von Ersetzungsvorschlägen verschiedener faschistischer Gewerkschaften unter dem Titel «Autarchia nel vocabolario. Gli esotismi nella terminologia tecnica: proposte di sostituzione con le parole italiane avanzate dai Sindacati Nazionali aderenti alla Confederazione Fascista dei Professionisti e Artisti» (CFPA). Die neun tabellarischen Ersetzungslisten der einzelnen Berufsverbände (attuari, dottori in economia e commercio, farmacista, dei geometri, inventori, periti industriali, ragionieri, registi e scenotecnici sowie veterinari) sind nicht durchgängig alphabetisch geordnet und inhaltlich weder aufeinander abgestimmt noch kommentiert. Eigentlich hätten diese Ersetzungslisten nicht publiziert werden sollen, sondern waren als Vorschläge der Fachverbände für die
184 Cf. z.B. zu beignet: «Troppo facile o disinvolta la versione fonetica in bigné, ammessa anche dal Panzini e dal Mestica, i quali sembrerebbero però preferire il nome frittello. Ma assai diversa da questa è il beignet, gonfio, turgido, a pallottola; tanto è vero che il Panzini usa la stessa parola – frittella – e stavolta a proposito, per tradurre crêpes. Immaginate la confusione, poichè, come ognun sa, la crêpe è bensì fatta con la stessa pasta del beignet, ma è piatta, sottile e, quando la si vuol mangiare ripiena e irrorata di liquore fiammeggiante, bisogna avvoltolarla su se stessa, proprio come una frittatina con la marmellata (omelette à la confiture). Crediamo, quindi, più esatto usare il fiorentino nome di bombolone» (252–253). 185 5 (settembre-ottobre 1940), 321–323 und 6 (novembre-dicembre 1940), 397–400. 186 Dieses Wörterbuch, das Bianchi als «italianissima iniziativa» bezeichnet, konnte weder bibliothekarisch noch antiquarisch nachgewiesen werden. Laut Bianchi gibt der Autor folgendes Anliegen an: «l’uso dei termini tecnici stranieri può essere logico scrivendo a corrispondenti esteri, oppure comunicando oralmente o per iscritto con clienti di altre lingue, ma non è giustificabile con la clientela italiana» (zit. nach Bianchi in L’Albergo in Italia 5, settembre– ottobre 1940, 321).
138
2 Theoretische und historische Grundlagen
Arbeit der Commissione per l’italianità della lingua bestimmt gewesen (Raffaelli, A. 2010, 82–84), von denen die Kommission einige übernahm (Klein 1986, 137; siehe auch Raffaelli, S. 1983, 216). In der Tat war eine Kooperation mit den Verbänden für die Ausarbeitung fachlicher Ersetzungslisten bereits in der ersten Sitzung der CIL im Februar 1941 als notwendig erkannt worden (Raffaelli, A. 2010, 24). Die Ersetzungen in CFPA präsentieren sich recht heterogen und unsystematisch, was sicherlich mit ihrer isolierten Ausarbeitung durch die einzelnen Verbände zusammenhängt. So erscheinen manche Fremdwörter in mehreren Listen, aber mit unterschiedlichen Ersetzungsvarianten: In der Liste der «attuari» sollte dossier mit incarto bzw. pratica ersetzt werden, in der Liste der «ragionieri» dagegen mit cartella bzw. fascicolo. Einige der dort zur Ersetzung bestimmten Termini hatten vermutlich auch in den Fachsprachen nur marginale Verwendung, so dass sich die Listen teils wie zweisprachige Terminologiewörterbücher lesen, siehe z.B. in der Liste der «attuari»: holidays → festa, free trade → libero cambio, z.T. auch irreführend, wie bei vireless [sic] telegraphy → carbonili. In der Liste der «registi e scenotecnici» wird unter der Überschrift «cinema» Bedeutung und Verwendung der Fremdwörter flou, gag, set, play-back, short, truck [sic!] sonoro erklärt, auf die Angabe von Ersetzungsvorschlägen allerdings verzichtet. Im Bereich des Ingenieurwesens veröffentlichte die Zeitschrift L’Ingegnere. Rivista tecnica del Sindacato nazionale fascista ingegneri zwischen 1940 und 1943 die Serie «Gli esotismi nel linguaggio dell’ingegneria e dell’architettura» von Antonio Jàcono (Bigiaretti et al. 1994, 120), die 1.034 Termini des Baus und der Industrie umfasst.187 Fazit: Alle beschriebenen Beiträge dienten vorrangig der Italianisierung entlehnter Fachterminologien. Darüber stellten sie aber auch einen Beitrag zur Terminologiebildung, also der Konstituierung und Vereinheitlichung der jeweiligen italienischen Fachwortschätze, dar und hatten damit, zumindest potenziell, einen Mehrwert über den FFP hinaus. Allerdings wurde das Potenzial durch einen Mangel an Einheitlichkeit und linguistischer Kenntnisse nicht ausgeschöpft. Vergleichbar mit den Ersetzungswörterbüchern gestaltete sich der Beitrag der Gewerkschafts- und Fachverbände ab 1940 überwiegend als Zuarbeit für die Commissione per l’italianità della lingua. Obwohl der Beitrag der Verbände bei der Durchsetzung einzelner Ersatzlexeme wie autista für chauffeur und regista für régisseur (cf. Migliorini 1990, «Autista e regista» [1941], 237–242)
187 Die Quelle war mir nicht direkt zugänglich, die Entlehnungen und die zugehörigen Italianisierungen konnten jedoch aus ALECI bezogen werden. Dabei zeigte sich, dass immerhin 591 Lexeme noch nicht in Jàconos ebenfalls umfangreichem Ersetzungswörterbuch Dizionario di esotismi von 1939 enthalten waren. Darunter befanden sich jedoch auch zahlreiche Lexeme des Kernwortschatzes ohne exogene Merkmale (z.B. accidenti, patrona, urbanistica, zucchero).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
139
als entscheidend angesehen wird, standen die Ergebnisse hinter den Bemühungen zurück. Der Mangel an einheitlichen Kriterien für die Entwicklung von Substituten sowie die mangelnde Koordination und Zusammenführung der vielen Einzelinitiativen wird dabei mitentscheidend gewesen sein. 2.2.3.6 Die Commissione per l’italianità della lingua Die Commissione per l’italianità della lingua (im Folgenden: CIL) wurde von der Accademia d’Italia als Reaktion auf die Verabschiedung des Anti-Fremdwörtergesetzes von 1940 gebildet. Die 1926 gegründete und seit 1929 aktive Accademia d’Italia vertrat als wichtigste Kulturinstitution des faschistischen Staates zunächst einen traditionellen, gemäßigten Purismus, der z.B. vom Gründungsmitglied Alfredo Panzini vertreten wurde, und u.a. in der 1938 ausgestrahlten Radiosendung «La Lingua d’Italia» sowie im ersten Band des von Mussolini angeregten Wörterbuchprojekts (VLI 1941) zum Ausdruck kam (Raffaelli, S. 1983, 194–202; cf. auch Fn. 139 auf Seite 113). Die CIL trat zwischen Februar 1941 und Juni 1943 zusammen und veröffentlichte in dieser Zeit insgesamt 15 Listen mit rund 1.500 zu ersetzenden Fremdwörtern im Bollettino informativo della Reale Accademia d’Italia (BIRAI).188 Sie bestand zunächst aus einer «gemischten» Kommission mit Vertretern der Ministerien, der Presse und der Verbände sowie einer separat tagenden Gruppe mit Vertretern der Literaturklasse der Akademie. Während die «gemischte» Kommission nur Vorschlagsrecht bei der Auswahl der zu ersetzenden Fremdwörter und der Ersetzungen hatte (Raffaelli, A. 2010, 21), lag das Abstimmungs- und Beschlussrecht bei der Literaturklasse. Da die Arbeit der CIL zu langsam fortschritt und die ersten veröffentlichten Ersetzungslisten Kritik auf sich gezogen hatten, ließ der Präsident der Akademie, Luigi Federzoni, ab November 1941 nur noch die Vertreter der Literaturklasse tagen (ders., 26–29). Die letzte Sitzung der CIL fand am 28. Juni 1943
188 Zu Arbeit der Kommission und ihrer Ersetzungsvorschläge siehe insbesondere Risk (1976); Raffaelli, S. (1983); Ciconi (1984); Klein (1986) und v.a. Raffaelli, A. (2010). Analysen der Deonomastika und der entlehnten Gastronomietermini finden sich in Raffaelli, A. (2008) und (2009), Piacentini (2016a) und (2016b), die Fremdwörter der Ballsportarten untersucht Nichil (2018). Eine Systematisierung der Ersetzungstypen findet sich in Risk (1976); Raffaelli, A. (2010, 58–70). Alberto Raffaelli (2010) hat das gesamte Lemmarium der zu ersetzenden Fremdwörter und ihre Italianisierungsempfehlungen erstmals als Gesamtausgabe veröffentlicht und zeichnet in seiner Studie zudem die Geschichte der Kommission und ihrer Arbeit anhand des umfangreichen Archivmaterials nach. Das folgende Kapitel bezieht sich daher überwiegend auf seine Arbeit. Nach Klein (1986, 131) veröffentlichte die Kommission Ersetzungsvorschläge für 1.462 Fremdwörter, mit Berücksichtigung der Polysemien insgesamt 1.555.
140
2 Theoretische und historische Grundlagen
statt; weitere Listen wurden danach nicht mehr publiziert. Der Krieg und die politische Situation im Land machten eine Fortsetzung der Arbeit unmöglich (46–47). Zusammen mit der ersten Ersetzungsliste veröffentlichte die Kommission im Mai 1941 die Leitlinien ihrer Arbeit im BIRAI. Darin sind sowohl die Betonung eines «neuen» Purismus – der dennoch durch Ästhetik und Tradition motiviert wird – als auch die explizite Gleichsetzung von Sprache, Denken und Nation signifikativ: Non si vuole rinnovare un esagerato purismo, ma si vuole propugnare [...] una forma di nuovo purismo, che sarà insieme proprietà e decoro linguistico e che rispetterà la nostra tradizione, mentre concilierà le nostre esigenze con quelle che il progresso mondiale richiede anche in fatto di lingua. Italianità di lingua è italianità di pensiero. La lingua è la Nazione (zit. aus PVNF, 32–33).
Bei der Auswahl von Fremdwörtern konzentrierte sich die Kommission auf Fachtermini, die als unübersetzbar galten (Raffaelli, A. 2010, 16), darunter überwiegend Gallizismen. Im Gegensatz zu anderen Autoren der FFP ging es der CIL nicht um Fremdwörter, die bereits seit einiger Zeit durch Italianisierungen ersetzt worden waren, z.B. foot-ball und palmer. Damit reagierte sie auch auf eine explizite Empfehlung von Mussolini, nämlich auf die Ersetzung von Fremdwörtern zu verzichten, «che sono già da tempo eliminate dall’uso pratico e corrente di altri corrispondenti termini italiani» (nach Raffaelli 2010, 45). Gegenüber mittlerweile fest im Sprachgebrauch verankerten Fremdwörtern zeigte die CIL größere Toleranz als frühere Quellen des FFP: bazar, camion, cognac, film, sport, golf, gong und tennis wurden abgesegnet, bar nicht (mehr) behandelt. Die Ersetzungsvorschläge der Kommission entsprechen vielfach den früheren Quellen der FFP und gelten als wenig originell;189 die CIL habe eher «disziplinierend» als «kreativ» gearbeitet, meint Di Stefano (2007, 176). Zeitdruck und die heterogene Zusammensetzung der Mitglieder erschwerten die Arbeit der Kommission (Raffaelli, A. 2010, 73), die auch durch eine mangelnde Theoriebasis (ders., 51; Klein 1986, 119–120), langsame Entscheidungen und eine ineffiziente Arbeitsweise gekennzeichnet war (Raffaelli, S. 2006b, 103–104; Raffaelli, A. 2010, 26–27). Zudem blieben die Mitglieder ab 1942 den Sitzungen häufig fern. Der Notwendigkeit, terminologische Unsicherheiten aufzulösen, die einerseits durch sachliche Innovationen in den Fachsprachen entstanden waren und sich andererseits durch die anhaltend diskriminierende
189 Raffaeli, S. (2006b, 103). Dass die von der CIL vorgeschlagenen Ersatzlexeme bereits zuvor im Parteiblatt Foglio di disposizioni verwendet wurden, zeigt nach Nichil (2012, 91), «come molte delle scelte dell Accademia, destinate ad affermarsi in futuro, fossero già predominanti nel lessico italiano dell epoca».
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
141
Stimmung gegenüber Fremdwörtern ergeben hatten, konnte die CIL somit nicht begegnen: l’intervento onomaturgico doveva interpretare il «disagio onomasiologico» in corso, non facendosi disciplina divinatoria ma tentando di indicare [...] le soluzioni più appropriate e i probabili esiti. Di una simile impostazione invece la Commissione si limitò ad accogliere l’esigenza esteriormente normativa, tesa a diffondere una nomenclatura, ma senza una vera progettazione di regole né teorizzando, per la resa interlinguistica, delle griglie coerenti e sistematiche (Raffaelli, A. 2010, 73–74).
Die Frage, inwieweit die Ersetzungsvorschläge der CIL Wirkung entfalten konnten, ist nicht ohne die Berücksichtigung der Veröffentlichungskanäle der Vorschläge zu beurteilen. Die Substitutionen, die in BIRAI veröffentlicht wurden, waren verbindlich, dürften jedoch nur wenige Rezipienten gefunden haben. Wichtiger war daher die Publikation von Auszügen speziell der ersten Listen in Zeitungen und Zeitschriften (Raffaelli, A. 2010, 26, Fn. 49). Daneben wurden die ersten elf Listen auch in der 8. Auflage des Dizionario moderno unter dem Titel «Foresterismi da eliminare» veröffentlicht, das nach dem Tod von Alfredo Panzini im Jahr 1939 von Migliorini und Schiaffini herausgegeben wurde (Panzini 81942, 881–895). Im August 1941 wurden die ersten drei Ersetzungslisten auch in einer weiteren, bisher kaum berücksichtigten Monografie mit dem Titel Piccolo vocabolario dei neologismi e forestierismi da «risciacquare in Arno» consigliato dalla R. Accad. d’Italia von einem anonymen Herausgeber veröffentlicht (PVNF). Format und geringer Verkaufspreis (2 Lire) des im Taschenformat vom Mailänder Verlag S.A.C.S.E. herausgegebenen Wörterbuchs deuten auf den Versuch einer massentauglichen Publikation hin.190 Dagegen spricht allerdings die offenbar nur geringe Auflage (das Büchlein ließ sich weltweit nur in zwei Bibliotheken nachweisen: der Nationalbibliothek Florenz und der Zentralbibliothek Zürich). Eventuell ist die Publikation auf einen Beschluss der Kommission vom 22. April 1941 zurückzuführen, der die Veröffentlichung eines «opuscolo dove compariranno tutte le voci sostituite ed eventualmente discusse» vorsah (zit. nach Raffaelli, A. 2010, 32). Die Motivation der Veröffentlichung wird im Vorwort des Herausgebers genannt: La stampa italiana ha [...] pubblicato i primi elenchi di parole da sostituire; ma poiché la consultazione dei giornali non è a tutti agevole, si reputa utile radunare, in ordine alfabetico, tutte queste voci, nella speranza di contribuire all’auspicato adattamento che ci libererà, alfine, da una forma di soggezione che i tempi rendono assolutamente inconciliabile
190 Der Verlag S.A.C.S.E., vermutlich eine Abkürzung für «Società Anonima Composizione Scrittura Editore», gab von 1933–45 in Mailand hauptsächlich Kriminalromane heraus (Caccia 2013, 274).
142
2 Theoretische und historische Grundlagen
con la dignità di un popolo che ha recato ovunque i segni della civiltà romana, espressi nella lingua, nell’arte, nei costumi e persino nelle misure (7–8).
Neben dem anonymen Vorwort, in dem mit einem längeren Zitat von Ezio Camuncoli191 Kritik an der Inkohärenz der Ersetzungskriterien und insbesondere der übertriebenen Anwendung der Assimilation unter den Ersetzungsvorschlägen der CIL geübt wird, ist dem Lemmarium die «Premessa» der ersten veröffentlichten Liste in BIRAI (Mai 1941) vorangestellt. Besonderes Merkmal des Piccolo vocabolario ist zudem, dass es außer dem nach Fremdwörtern geordneten Lemmarium im ersten Teil zusätzlich ein invertiertes Wortverzeichnis («Vocaboli italiani-stranieri») beeinhaltet.192 Nach der im Vorwort geäußerten Kritik zu urteilen,193 spricht die Publikation für einen Herausgeber aus dem Umfeld von Ezio Camuncoli. Er war – mit dem ebenfalls in Mailand ansässigen Giovanni Mosca – einer der beiden Pressevertreter innerhalb der «gemischten» Kommission der CIL. Da die im Vorwort geäußerte Kritik sich direkt gegen die Literaturklasse der Akademie wendet,194 weist die Publikation auch auf mangelnde Eintracht innerhalb der Kommission hin, die – vielleicht auch 191 Ezio Camuncoli (1895–1957) war als Journalist der Zeitung Il Popolo d’Italia in die «gemischte» Kommission aufgenommen worden. Nach Sergio Raffaelli (1983) war er «probabilmente il primo ‹raccomandato›» (Fn. 53). 1939 war er durch eine Kampagne gegen fremdsprachliche Aushänge insbesondere jüdischer Ladenbesitzer aufgefallen (Raffaelli, A. 2010, 22, Fn. 28; Raffaelli, S. 1983, 163, Fn. 8). 192 Zudem enthält PVNF zahlreiche Fehler (verglichen mit den in Raffaelli 2010 abgedruckten Listen), die auf eine übereilte Publikation schließen lassen, so Kratfen (54) statt Krapfen, plum podding (59) statt plum-pudding, réclams (60) statt réclame, kopfel (73) statt Kipfel, grande ghignol (52, 79) statt Gran-Chignol, der Eintrag «liftier: ascensorista» (81) befindet sich in der falschen Liste, déplient (85) statt dépliant, régisseaur (87) statt régisseur, wafer (94) als Ersetzung anstelle von vafer. Weitere Flüchtigkeitsfehler sind vermutlich leicht zu finden. 193 Die der Herausgeber wortreich und unter der Vorgabe nicht ausreichender Kompetenzen einleitet: «L’Editore per doverosa deferenza e anche riconoscendo di mancare della specifica autorità che deve accompagnarsi a chi mette innanzi qualche riserva, aveva in animo di tacere qualche dubbio che, su taluni vocaboli, forse anche i meno competenti potrebbero avanzare. Ma poiché queste riserve sono prospettate da uno dei più valorosi e tenaci difensori del nostro patrimonio linguistico – Ezio Camuncoli – in un chiaro articolo sul ‹Popolo d’Italia› – l’Editore reputa utile riportare quanto il Camuncoli dice a questo proposito, a più secura guida del lettore, il quale potrebbe talvolta non essere del tutto convinto di qualche voce e di qualche adattamento suggeriti dalla R. Accademia» (9–10). Damit wird klar, dass der Herausgeber Camuncolis nun folgender Kritik vollkommen zustimmt. Dass die Anonymität indirekt mit «fehlender Autorität» begründet wird, obwohl der Herausgeber zugleich gut informiert ist, lässt zumindest eine Nähe zu Camuncoli vermuten. 194 «Vorremmo insomma concludere con una rispettosa esortazione agli Accademici della Classe di Lettere: proponete sostituzioni di vocaboli stranieri, ma non italianizzateli. [...] È vero che non c’è obbligo per nessuno, nemmeno per gli albergatori; ma che dirà la gente co-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
143
als Reaktion auf diese Konflikte – nach der Veröffentlichung nur noch von den Mitgliedern der Literaturklasse gestellt wurde. Bereits 1941 wurden die Ersetzungsvorschläge in der Presse kritisch und teils ironisch kommentiert (Raffaelli, A. 2010, 27, Fn. 50). Auch Migliorini gibt zur 3. Ersetzungsliste in Lingua nostra zu bedenken: «ci sembrano discutibili le voci adattate a mezzo, come biscuì (gelato semifreddo), giaz e vàfer, che ci piacerebbe almeno considerare tollerate piuttosto che approvate».195 Kritik kam auch von Kommissionsmitgliedern selbst, u.a. von Giulio Bertoni, der beunruhigt bemerkte, dass einige Ersetzungsvorschläge der CIL Fremdwörter betrafen, die im zeitgleich von der Accademia d’Italia herausgegebenen Vocabolario della lingua italiana lemmatisiert waren.196 Die unterschiedlichen Meinungen darüber,197 was die richtigen Kriterien der Substitution und was im Einzelfall das beste Ersatzlexem für ein Fremdwort seien, verstummten auch mit dem Beschluss und der Veröffentlichung der ersten Listen nicht (wie das Vorwort des anonymen Verlegers des PVNF zeigt). Obwohl die Kommission bei ihrer Aufgabe mit bedeutender Machtfülle ausgestattet war und sie von einer aufgeheizten puristischen Stimmung profitieren konnte, gelang es ihr nicht, die vorherigen Einzelinitiativen kohärent zusammenzuführen oder sie in neue Bahnen zu lenken. 2.2.3.7 Ergebnisse des Quellenüberblicks Unter den von Thomas (1991, 53–57) vorgeschlagenen Funktionen von Sprachpurismus – Separation, Solidarität und Prestige – spielte die Solidaritätsfunktion im FFP die wichtigste Rolle. Der Fremdwortpurismus diente vor allem der Stärkung des nationalen Zusammenhalts, indem er der sprachlich und gesellschaftlich noch nicht vollzogenen Einheit Italiens durch Abgrenzung gegen-
mune e non comune, la quale s’aspetta la cacciata dei barbarismi e si trova davanti a suggerimenti come quelli che abbiamo esaminato?» (18–19). 195 Lingua nostra 3 (settembre 1941), 120. 196 Bertoni beklagte: «Nel Vocabolario di necessità compaiono [...] per inderogabili ragioni storiche, vocaboli che la Classe [= CIL] ha sostituito. Inoltre, nelle liste si trovano sostituite voci di lessico straniero che nessuno, salvo qualche snob (ecco qui!), si sogna di usare. Continuando così, temo che si comprometterà la Classe e addirittura la reputazione nostra. Sostituire certi nomi di ambigua fonte antinazionale sta bene. Ma colpire nel vivo l’attualità della lingua, è cosa molto grave» (zit. nach Klein 1986, 156; siehe auch Raffaelli, A. 2010, 56–57). Von dem geplanten Wörterbuch erschien nur der erste Band: VLI 1941, A-C. Nach Klein (1986) sind in VLI 1941 nur 42 der 489 in CIL aufgeführten Fremdwörter mit den Anfangsbuchstaben A, B und C lemmatisiert. 197 Wie Migliorini (1941b, 138) in Bezug auf die Aufgabe der Kommission 1941 feststellte: «poiché si tratta non de lingua condita, ma de lingua condenda, cioè di questioni di scelta regolate principalmente dal gusto, i pareri sono spesso molto discordi».
144
2 Theoretische und historische Grundlagen
über den sprachlichen Einflüssen von außen, also den Fremdwörtern, und gegenüber der sprachlichen Vielfalt von innen (Dialekte und Minderheitensprachen) zu begegnen versuchte. In der sprachpolitischen Hierarchie hatte der Fremdwortpurismus einen allerdings höheren Stellenwert, so dass mitunter auch Dialektismen als Ersatz für Fremdwörter akzeptiert wurden (v.a. bei Monelli und Jàcono). Der FFP bot dabei auch Gelegenheit, der Sprachpolitik eine prominente Rolle einzuräumen, sodass die eigentlich vorrangigen Probleme der mangelnden sprachlichen Einheit, der Dialektophonie und des Analphabetismus in den Hintergrund rückten. Zudem erfüllte der FFP eine Prestigefunktion, denn über die Autarkie-Kampagne sollte der Wert der italienischen Sprache erhöht und kulturelle Dominanz demonstriert werden: «Purism, then, serves an as antidote of loss not only of autonomy and identity but also prestige» (Thomas 1991, 56). Zur Legitimation von Purismus werden nach Thomas meist zwei Argumente angeführt: das Stukturargument, das behauptet, das Sprachsystem würde durch unassimilierte Entlehnungen gestört, und das Verständlichkeitsargument, das Fremdwörter für sprachliche Spaltung verantwortlich macht (1991, 49–52, 57–59). Das Strukturargument spielte vor allem im Neopurismus eine Rolle, das Verständlichkeitsargument in den laienlinguistischen Beiträgen nur insofern, als an die nationale Einheit appelliert wurde. So waren aus neopuristischer Sicht nur solche Entlehnungen ersetzungsbedürftig, die strukturell fremd sind. Korrespondenzen wie tango oder rumba zählen für Migliorini (1990, 97) nicht dazu. In den laienlinguistischen Quellen findet dagegen kaum eine linguistische Differenzierung statt: Ersetzt werden sollten auch ältere und verbreitete Fremdwörter, Fremdwortbildungen, Korrespondenzen, Deonyme (z.B. Farb- und Stoffbezeichnungen wie bordeaux und jersey in Meanos Commentario Dizionario), im Extremfall sogar Lexeme, bei denen gar keine fremde Herkunft vorliegt, sondern lediglich eine Referenz auf eine andere Nation (wie etwa chiave inglese und insalata russa bei Jàcono 1939). Linguistische Argumente spielten in den meisten Quellen der FFP somit eine untergeordnete Rolle, allenfalls sprachästhetische. Um das Ziel der sprachlichen Italianità zu erreichen, wurde nicht nur die Ersetzung von Fremdwörtern propagiert, sondern sprachliche Herkunft auch umgedeutet, etwa bei Marinetti/Azari (2015, 11), die den Gallizismus aeroplano als «Italianismus» bezeichneten, da eine Ersetzung wohl wenig aussichtsreich war (zu dieser puristischen Strategie cf. van der Sijs 2004, 21–22). Inhaltlich stellte sich ab 1936 eine zunehmend monotone Repetition der vorgeschlagenen Ersatzlexeme ein, wobei auch ohne Quellenangabe voneinander abgeschrieben wurde (Zanetti in DSI von Sassi 1927, Jàcono 1939 und Natali 1940 von Monelli 1933). In den laienlinguistischen Quellen wird die Anzahl der Fremdwörter, für die die Autoren Ersetzungen vorschlagen, wie ein Qualitäts-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
145
merkmal hervorgehoben (bei Monelli 1933 bereits im Titel: «Cinquecento [1943: Seicentocinquanta] esotismi esaminati, combattuti e banditi dalla lingua», bei Jàcono 1939: «[q]ualche migliaio» [XVIII]). Dass die expansionistische Anlage der laienlinguistischen Quellen System hat, vermutet Serianni (2011): «è verosimile che gli autori inseriscano neoformazioni rare e effimere, non solo per mettere più carne al fuoco ma anche contando sulla reazione di divertita solidarietà del lettore» (276).198 Nicht nur durch seltene, kaum gebräuchliche Lexeme wurde der Umfang der zu ersetzenden Lexeme erhöht, sondern auch durch die Aufnahme von Fremdwörtern, die im Sprachgebrauch der 1930er Jahre vermutlich bereits durch assimilierte oder native Varianten ersetzt worden waren. Der Ersetzungsvorschlag entspricht dann dem bereits überwiegend verwendeten Ausdruck, also einer an sich nutzlosen Empfehlung.199 Der hohe Umfang der von der Commissione per l’italianità della lingua beschlossenen Ersetzungsvorschläge hatte dagegen vor allem den Grund, dass die Fachsprachen in besonderem Maß berücksichtigt wurden. Der Frage, inwieweit all diese Fremdwörter überhaupt im damaligen Sprachgebrauch üblich waren, soll in einer Voruntersuchung unter Kapitel 4.2 nachgegangen werden. Nur bei einigen Beiträgen ist eine Orientierung am Sprachgebrauch zu erkennen. In Bezug auf die Italianisierungsvorschläge trifft dies am ehesten auf Panzini, Migliorini, Mazzucconi sowie auf einzelne Beiträger des DSI (z.B. Spada Potenziani, Cataldo) zu. Gebrauchsorientierte Kriterien bei der Auswahl der zu ersetzenden Fremdwörter, also eine größere Toleranz, Fremdwörter, die bereits gut integriert sind, zu akzeptieren, zeigte sich zudem bei Monelli und CIL. Die Italianisierungsvorschläge für katachrestische Fremdwörter weisen im Allgemeinen eine Tendenz zur semantischen Generalisierung und zur Hyperonymie auf, z.B. wenn Jàcono (1939) für claqueur die Ersetzungsvorschläge sostenitore, compare, applauditore, acclamatore und fautore macht oder Sassi (1927) assistente sowohl zur Ersetzung von suiveur, als auch von soigneur und von manager angibt. Die Beliebigkeit zeigt, dass semantisch-pragmatischen Aspekten nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dass das Bedürfnis nach semantischer Präzision durch solche Substitutionen nicht ausreichend ge-
198 Dabei hatte bereits Gigli (1933, 259) festgestellt, dass eine solch expansive Anlage kontraproduktiv für die Bekämpfung der Fremdwörter sein könne: «Scopo di questi libri è di espellere le parole forestiere; ma vien fatto di pensare che l’esibizione di voci esotiche poco note serva a farle conoscere e faccia venir voglia di usarle; contrariamente allo scopo che ci proponiamo». 199 Wie beispielsweise sci, das bei Monelli (1933/1943), Mazzucconi (1935), Jàcono (1939), Palazzi (1939), Cicogna (1940) und Natali (1940) noch immer ski ersetzen soll, obwohl die Assimilation im Sprachgebrauch bereits vollzogen war.
146
2 Theoretische und historische Grundlagen
deckt wird, zeigte sich auch darin, dass Cerruti/Rostagno (1939) in ihren Bedeutungsangaben häufig auf Fremdwörter zurückgriffen. In vielen Quellen wurde die Trennung zwischen Bedeutungs- und Substitutionsangabe nicht explizit gemacht. Paraphrasierende Bedeutungsangaben vor allem in Palazzi (1939) und Cerruti/Rostagno (1939) haben häufig eher die Qualität von Definitionen als von Substitutionsangaben, was auf einen Mangel italienischer Synonyme hindeutet, den die Autoren nicht zu decken wissen. Unter den Ersetzungsvorschlägen in CIL (1941–43) entsprechen Mehrwortlexeme wie lista delle vivande für carte, disco su ghiaccio für hockey und pavimento in legno für parquet eher dem Bedarf «di conferire trasparenza agli elementi di linguaggi tecnici che diventavano sempre più pressanti anche nella lingua comune» (Raffaelli, A. 2010, 67, Fn. 84). Die Reichweite der puristischen Quellen dürfte für Beiträge in der Tagespresse (puristische Artikel, Rubriken und Zeitungswettbewerbe) und, angesichts der Folgeauflagen für die erfolgreichen Ersetzungswörterbucher von Monelli (1933/²1943) und Meano (1936/²1938) sowie die Standardwörterbücher von Palazzi, Cerruti/Rostagno und Sprachratgeber wie jenem von Mazzucconi am größten gewesen sein. Die Ersetzungsvorschläge der CIL erreichten vermutlich durch ihre normative Wirkung und ihre Diskussion in Zeitungen ebenfalls eine größere Zielgruppe. Auf dem Höhepunkt der FFP stellte sich angesichts des Krieges eine immer offensichtlichere Distanz zu den tatsächlichen Sorgen der Bevölkerung ein. Die Bekämpfung der Fremdwörter im Italienischen war ab 1941/1942 «sempre meno impellente e meno vicino alle vere preoccupazioni di governanti e governati» (Raffaelli, S. 1983, 225). Auch ein Akteur wie Paolo Monelli blickte 1943 mit einer gewissen Ernüchterung auf die Ergebnisse der Kampagne und zählte ermüdet all die Anstrengungen auf, die zur Bekämpfung der Fremdwörter unternommen worden waren: dal 1933 ad oggi qualcosa si è fatto per ripulire il linguaggio; con più buona voglia che risultati, ma qualche cosa si è fatto. Panfilo o panfilio, mossiere, allibratore, cartellone, obitorio, rimessa, giostra (per gymkhana), altre parole proposte da me o da altri sono state accolte ufficialmente da chi ne aveva l’autorità. Lo sport prima di tutto, con vivacità e buoni risultati, poi più a rilento la moda hanno italianizzato il vocabolario, se non la sintassi. La legge sulle insegne straniere ha fatto scomparire quasi tutte le scritte esotiche visibili (dove l’occhio dell’autorità non arriva, le cose stanno come prima). Tutti i clubs sono diventati circoli o centri o consociazioni, ma i risultati non sono edificanti (si pensi al Reale Automobile Circolo d’Italia, al Griglia-Circolo di un grande albergo romano). L’Accademia d’Italia mette fuori ogni tanto bollettini per consigliare fabbricanti di automobili, di radio, di stoffe, di dolci, meccanici, osti, albergatori, cuochi, ballerini. Molti giornali hanno pubblicato o pubblicano rubrìche che ricordano quella della Gazzetta del Popolo; sono usciti elenchi a stampa di parole esotiche tradotte [...] (XIX–X).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
147
2.2.4 L’ebbrezza dell’esotismo ritrovato: Fremdwörter nach 1945 Caduto il fascismo, fu una corsa a rioccupare le parole straniere; [...] significanti l’ebbrezza dell’esotismo ritrovato. Ci siamo poi rimessi da quell’eccesso, ma non al punto che ancora oggi, a vent’anni da quelli che anche per la lingua furono i giorni della liberazione, non convenga raccomandare qualche prudenza circa l’adozione del forestierismo, ricordando agli Italiani, sull’aprirsi del centenario di Dante, l’italianità dell’italiano (aus einem Artikel von Leo Pestelli, Il piacere proibito delle parole straniere, La Stampa 06/08/1964, 3).
Die Absetzung Mussolinis am 25. Juli 1943, die Auflösung der faschistischen Partei und der noch 20 Monate andauernde Krieg, von dem die Zivilbevölkerung besonders Mittelitaliens massiv betroffen war und in dem sich die von vielfältigen politischen und gesellschaftlichen Kräften unterstützte Resistenza formierte, sowie die nach 1945 folgende politische Neuordnung des Landes führten unweigerlich auch in Bezug auf den Fremdwortpurismus zu einem Paradigmenwechsel. Dieser spiegelt sich in der 1947 beschlossenen und am 1. Januar 1948 in Kraft getretenen Verfassung der italienischen Republik wider (die Staatsform Monarchie war durch das Referendum vom 2./3. Juni 1946 durch eine Republik abgelöst worden). Darin wird bewusst auf eine Anerkennung des Italienischen als Amts- oder Nationalsprache oder auch nur auf eine Erwähnung der Amtssprache verzichtet (Ainis 2011).200 Grundprinzipien der Verfassung sind sprachliche Freiheit und Gleichheit der Sprachen, wodurch der seit der italienischen Einigungsbewegung so starken Identifikation von Nation und Sprache nach Ende des Zweiten Weltkriegs offiziell ein Ende gesetzt wurde. Allerdings wird Italienisch seit 1972 als Amtssprache der Republik im Autonomiestatut der Region Trentino-Südtirol genannt.201 Der Schutz der sprachlichen Minderheiten wurde bereits seit 1948 in Artikel 6 der Verfassung festgeschrieben, allerdings erst mit dem Gesetz N. 482 vom 15. Dezember 1999 umgesetzt (dazu Ainis 2011, 45–49). Darin legt Artikel 1 fest: «la lingua ufficiale della Repubblica è l’italiano». Das Anti-Fremdwörter-Gesetz von 1940 wurde am 26. April 1946 mit der vorläufigen Verordnung N. 543 abgeschafft (Raffaelli, S. 2006a, 1468). Ebenso
200 Dass die italienische Sprache nach wie vor nicht in der Verfassung verankert ist, hat immer wieder zu Kritik geführt. Ainis hält dies für eine Leerstelle, für ein «atteggiamento distratto o negligente nei riguardi della lingua italiana» (42): «È probabile che questa lacuna rifletta a propria volta un’identità nazionale debole, incerta sui suoi stessi connotati, per l’appunto fin dagli esordi dello Stato unitario. [...] [Q]uando quella parentesi [fascista] si è chiusa, nella legislazione dell’età repubblicana sul pieno è tornato a prevalere il vuoto. Magari per una reazione di rigetto verso gli eccessi del fascismo, magari perché noi italiani siamo fatti così, detestiamo le mezze misure» (Ainis 2011, 40). 201 Art. 99 des Dekrets des Präsidenten der Republik N. 670 vom 31. August 1972.
148
2 Theoretische und historische Grundlagen
wichtig für die sprachliche Entwicklung war die Herstellung der Pressefreiheit, die durch Artikel 21 der neuen Verfassung von 1948 verankert wurde. Das Verbot, italienischen Kindern nichtitalienische Namen zu geben, wurde jedoch erst 1966 aufgehoben (Gesetz N. 935 vom 31.10.1966). Unter diesen veränderten Randbedingungen kam die linguistische Vielfalt Italiens wieder zutage (Tosi 2001, 11). Im Jahr 1951 waren noch 13% der Bevölkerung Analphabeten (gegenüber den 36% von 1921) und ein hoher Anteil der übrigen 87% nur teilweise der Schriftsprache mächtig, denn die Schulbesuchsdauer der damals über 14jährigen hatte durchschnittlich nur 4,22 Jahre betragen (De Mauro 2014, 24). Nach Schätzungen war Italienisch nur für etwa 18% der Bevölkerung die in allen Kommunikationssituationen verwendete Varietät, der Dialekt dagegen für 64% (weitere 18% verwendeten beide Varietäten diglossisch; ders., 33–34). Der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung ab den 1950er Jahren sowie das Aufkommen des neuen Mediums Fernsehen trugen zu einer schnellen Verbreitung der Italophonie in der Nachkriegszeit bei, die der faschistischen Sprachpolitik nicht gelungen war (Tosi 2011, 12; Serianni/Antoneli 2011, 214). Die soziolinguistische Situation Italiens wurde dadurch jedoch nicht weniger komplex: «There were marked regional variations, an increasing tendency to borrow words from foreign languages, and the fast growing new generation of special languages, which grew out of the widespread practice of modifying both style and terminology when discussing topics requiring specialised knowledge» (Tosi 2011, 13). Der italienische Fremdwortschatz ist in der Nachkriegszeit gekennzeichnet durch den zunehmenden angloamerikanischen Einfluss, der auch durch den mehrjährigen Kontakt mit den alliierten Truppen, insbesondere in Süditalien, zum Tragen kam (cf. Renato Carusones Schlager Tu vuò fà l’americano von 1956). Die Rolle des Französischen als Ausgangssprache lexikalischer Entlehnung wurde zunehmend vom Englischen übernommen, so dass es teilweise sogar zu einem Austausch von Gallizismen durch Anglizismen kam: roulotte → caravan, nécessaire → beauty (case), mannequin → top model (Morgana 1994, 716). Nach Serianni/Antonelli (2001, 189) wurden drei Viertel der unassimilierten Anglizismen im Gegenwartsitalienischen erst nach 1950 entlehnt. Eine starke Entlehnungswelle aus dem Englischen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedoch in allen westeuropäischen Sprachen zu beobachten: «Given the spread of Anglo-American culture in Western Europe after the end of World War II [...], 1945 forms a clear benchmark for the amount of English loanwords borrowed» (Zenner et al. 2012, 766). Es ist davon auszugehen, dass der legislative und kulturelle Wandel nicht ohne Wirkung auf den Gebrauch von Fremdwörtern blieb. Besonders im zuvor vom faschistischen Regime reglementierten Sprachgebrauch der Presse und des Handels, die nun keinem Sprachdiktat mehr ausgesetzt waren, trat der Ge-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
149
brauch neuer, aber auch alter Fremdwörter nach 1945 offen zutage. Einige Zeitzeugen beschreiben diesen Sprachwandel. So erwähnt Migliorini (1990), dass die italienischen Zeitungskiosks bereits Ende 1945 wieder viele Zeitschriften anboten, die Namen wie Chic, Flirt, Cocktail, Star, Club, Séparé, Detective, Derby, Il ring oder Turf trugen (94). Auch erhielten die erst 1937/1938 umbenannten Verbände ihre ursprünglichen Namen wieder zurück, z.B. wurde aus der Consociazione Turistica Italiana 1945 wieder der Touring Club Italiano. Ernst Junker202 merkte 1955 zum Fremdwortgebrauch im Italienischen der Nachkriegszeit an: Die Zeit nach dem 2. Weltkrieg ließ zweifellos auch wiederum das eine oder andere Fremdwort in die Sprache einziehen. So liest man von neuem des öfteren chauffeur, foulard, abat-jour, choc, leader. Außerdem stellten sich gegenüber früher andere Fremdwörter ein, wie montgomery, jeep, boogie-woogie und im Gefolge des geschäftstüchtigen Schönheitsköniginnen-Betriebs «miss» (Junker 1955, 169).
Die in der Einleitung zitierte Erzählung von Scerbanenco von 1943 sowie die lexikalische Unsicherheit im o.g. Pressebeispiel von 1945 («non so se possiamo dire ancora l’autista») zeigen, dass die Sprechergemeinschaft jedoch bereits zuvor eine Distanz zur faschistischen Fremdwortpolitik entwickelt hatte. Wie sehr einige Substitutionen des FFP bereits wenige Jahre nach Ende des Faschismus als historisch und künstlich wahrgenommen wurden, zeigt ein Kommentar der Journalistin Clara Grifoni aus dem Jahr 1951: Il fascismo, che non raccomandava, ma imponeva gli «antemarcia» e le «sciarpe littorie», si vantò di abolire, insieme al «lei», alla «stretta di mano» e all’esterofilìa (il cachet divenne cialdino, ricordate? E Courmajeur, Cormaiore) anche la «commendatizia». Ma non appena il cialdino tornò cachet, anche l’imperitura istituzione risorse (La Stampa 11/05/1951, 3).
Diese Zitate können jedoch nur als Indikatoren für den Fremdwortgebrauch in der Nachkriegszeit und seine Wahrnehmung aufgefasst werden, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die persönliche Involviertheit einiger Zeitzeugen ihr Urteil beeinflusst hat. Zur Reaktion der italienischen Sprecher auf den FFP sollen daher zunächst einige theoretische Überlegungen angestellt werden: Thomas 1991 geht von vier möglichen Reaktionen der Sprechergemeinschaft auf puristische Intervention aus: 1. Akzeptanz, 2. Akzeptanz durch
202 1942 hatte Junker als Leiter der «Mittelstelle Italien» der Deutschen Akademie die Accademia d’Italia im Übrigen um den Text des Anti-Fremdwörtergesetzes von 1940 gebeten, um in Deutschland eine ähnliche Kampagne gegen Fremdwörter einzuleiten. In einem Brief schrieb er: «Saremmo grati, se la R. Accademia d’Italia come Ente competente potesse darci il testo esatto di tutti [i] decreti in questione, i quali sono di un altissimo valore per l’attività analoga della nostra Accademia in Germania» (zit. nach Klein 1986, 114). Es ist daher fraglich, ob Junkers Studie von 1955 als neutral gelten kann.
150
2 Theoretische und historische Grundlagen
einen Teil der intellektuellen Elite, 3. Duldung oder 4. Zurückweisung (113). Politisch-gesellschaftliche Umbrüche könnten sich jedoch generell in kurzer Zeit negativ auf die Akzeptanz von Purismus auswirken: In either case, changed circumstances such as changes in internal political structures, changes in the composition of the élite, changes in the overall value system of the community may result in a backlash against a particular puristic orientation or open repudiation of a solution to which the intelligentsia had formerly merely paid lip-service. The varying fortunes of puristic orientations in Turkish, Persian, Ukrainian and Belorussian provide ample evidence of the way a society’s attitudes to purism may change radically in a short space of time (Thomas 1991, 113).
Die bisher betrachteten Dokumente scheinen die zurückweisende Reaktion der Sprechergemeinschaft spätestens mit dem politisch-gesellschaftlichen Umbruch 1943/1945 zu bestätigen. Diese Eindrücke werden vom überwiegenden Teil der Forschungsliteratur zur campagna autarchica bestätigt – dass also die Intervention des FFP bei den Italienern zu einer Zurückweisung der vorherigen Politik bzw. sogar zu Gegenreaktionen, also einer neuen Öffnung gegenüber sprachlicher Fremdheit führte. Cf. dazu folgende Positionen: Crollato il fascismo, il gusto della ritrovata libertà spinse a adoperare parole forestiere a dritto e a rovescio. [...] Negli anni successivi, questo furore iconoclasta si attenuò: ma ancor oggi rimangono numerosi quelli che non ritengono opportuno porre alcuna rèmora alle parole straniere (Migliorini 1990 [1963], 94). Finita la guerra [...] quasi tutte le decisioni dell’Accademia caddero in dimenticanza (Raffaelli, S. 2006a, 1468). Appena finita la guerra c’è stata una specie di bulimia di parole straniere, soprattutto inglesi (Della Valle, in Lonigro 2015). il rigetto della società italiana nei confronti di tutto ciò che era stato il movimento e il regime fascista, fece sì che non solo l’autarchia linguistica fosse bollata come una delle pagine della storia linguistica più buie della nazione, ma che, proprio per contrapporsi a questa ideologia, la permeabilità dell’italiano nei confronti dei prestiti aumentasse sensibilmente (Piacentini 2016a, 156).
Doch neben der allgemein angenommenen Zurückweisung der puristischen Intervention gibt es auch Anzeichen dafür, dass ein Teil der Elite den ideologischen Prämissen des FFP oder seinen Methoden (oder beidem) auch nach 1945 zustimmte und sie weiter propagierte. Die Kontinuität in der Position von Paolo Monelli wurde bereits unter 2.2.3.4 dargelegt. Dass die alten Vorbehalte gegenüber Fremdwörtern den Faschismus teilweise überlebten, zeigt sich in der
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
151
Presse u.a. in neu entstehenden linguistischen Rubriken und in Leserbriefen. In einem Beitrag, der 1957 in La Stampa erschien, beschwert sich eine Leserin: Come stridono certi vocaboli goffi ed inutili, come «bagarre» e «penalty», in un quotidiano curato e diffuso qual è La Stampa! Non pensate che ne guadagnerebbe la forma, senza pregiudizio per la sostanza, dando la preferenza al dizionario italiano, il quale offre una buona possibilità di scelte anche per colorire efficacemente i resoconti sportivi? La voce de La Stampa è autorevole e non può avallare «i tifosi» che vanno con «i pullman» ad assistere «al derby» (07/06/1957, 2).
Auch in der italienischen Sprachwissenschaft und Lexikografie erfolgte die Abkehr vom FFP nicht flächendeckend und generell erst mit einer gewissen Zeitverzögerung. In der Lexikografie, die Neologismen und Fremdwörter über Jahrhunderte zu dem Zweck zusammentrug, um dem Wörterbuchnutzer zu zeigen, wie er sie vermeiden könne (Coletti 2012, 119), machte sich ab den 1960er Jahren eine neue, offenere und deskriptivere Haltung bemerkbar. Bis dahin sind in den Neuauflagen vieler Wörterbücher des Italienischen weiterhin fremdwortpuristische und wertende Kommentare zu finden, sei es aus bewusstem Festhalten an der präskriptiven Tradition oder einfach aufgrund mangelnder Aktualisierung. Beispielsweise kommentierten Standardwörterbücher Lexeme wie garagista nach wie mit «voce brutta da evitare» (Palazzi 1957) oder «Che bella parola!» (Panzini 101963) oder «voce francese purtroppo ormai dell’uso» (Il novissimo Melzi 331950 zu garage) (Leitner 2008, 115–116). Ab den 1960er Jahren erfolgt in der Lexikografie eine zunehmende Abkehr vom Präskriptivismus und eine Umkehrung des ursprünglichen Ansatzes zur Behandlung von Neologismen: paradossalmente, quella [lingua] che è stata più a lungo riluttante ad accoglierlo [= il nuovo nel lessico, GS], l’italiana, sembra ora la più generosa e pronta nel registrarlo. Non solo infatti nei dizionari specialistici dei neologismi, nelle pubblicazioni periodiche, nei resoconti dei vari osservatori linguistici, ma le novità nel lessico sono prontamente registrate e spesso immediatamente legittimate negli stessi dizionari correnti dell’uso (Coletti 2012, 122).
Doch in der Nachkriegszeit erscheinen auch noch immer präskriptive Wörterbücher. Wie wenig sich diese von der Ideologie und vom Präskriptivismus des FFP entfernt haben, zeigt beispielsweise Lingua italiana pura. Parole, modi ed esotismi da evitare von Ernesto Pillon (1951). Darin werden zum großen Teil die aus der FFP bekannten Substitutionsvorschläge wieder aufgewärmt; zum Teil sind auch einige neue Fremdwörter (mit neuen Ersetzungsvorschlägen) enthalten. Zusätzlich lehnt sich Pillon an die im FFP häufige Praxis an, Fremdwörter in weniger assimilierter Form zu lemmatisieren, als sie im Sprachgebrauch eigent-
152
2 Theoretische und historische Grundlagen
lich bereits üblich waren, etwa bobsleigh anstelle der in den 1950er Jahren bereits überwiegenden Kürzung bob. Einige Beispiele aus der 9. Auflage von 1967: Bar, per mescita, liquorerìa, caffè. Ma bar è ormai entrato nell’uso. Best seller, locuzione inglese che significa: Il migliore venditore. Usata dai librai per indicare il volume più venduto in un determinato periodo. Quel romanzo è oggi il best seller. Noi possiamo dire: Il libro del giorno, il miglior successo dell’anno. Blasé, per indifferente, scettico, insensibile, attediato, annoiato, stufo. Bobsleigh, per guidoslitta. Boogie woogie, locuzione inglese che indica una danza americana figurata e sfrenata, di origine negra. Bridge (gioco delle carte), in italiano ponte, o, meglio: brigge. Cachet, la voce è usata tanto nel campo della moda e, secondo i casi, puoi dire: carattere, stile, linea, tono, fisionomia, maniera, impronta, distinzione, fascino, quanto per indicare medicina in polvere, ed era stato proposto: cialdino, ma puoi usare capsula, o in pillole e dirai: pastiglia, pillola, compressa. Cocktail, l’accademia [sic] d’Italia propose arlecchino, ma i più usano il termine inglese, che si pronunzia: còkteil. Cricket, è un gioco che noi chiamiamo trucco. Il termine ufficiale è: palla a spatola. Croupier, è colui che tiene il banco nel gioco. Noi dobbiamo dire: biscazziere, gruppiere o groppiere.
In der hier eingesehenen 9. Auflage von 1967 wird dem Wörterbuch eine Art Referenzschreiben von Bruno Migliorini an Ernesto Pillon vorangestellt: è mio gradito dovere testimoniarLe, insieme con la mia ammirazione per le Sue benemerenze civili, la mia viva considerazione per quello che Ella fa in difesa della lingua. Il Suo lungo e accurato studio per raccogliere, dai repertori più accreditati, consigli e ammonimenti per evitare i dilaganti barbarismi, sarà certamente apprezzato per la sua nobilità e utilità (5).
Der publizistische Erfolg dieses und ähnlicher Wörterbücher in der Nachkriegszeit – die in der Tradition des puristischen Ersetzungswörterbuchs stehen – zeigt, dass die Vermeidung von Fremdwörtern offenbar noch immer einem spezifischen Sprecherinteresse entsprach. Vor dem Hintergrund der soziolinguistischen Situation in Italien nach 1945 – mit einer sich zunehmend verbreitenden, aber noch nicht durchgängigen Italophonie mit überwiegender Diglossie – kann dieses Interesse auch als eine bei den Sprechern noch bestehende Normunsicherheit interpretiert werden. In der italienischen Sprachwissenschaft sind solch explizite Reminiszenzen an den FFP dagegen nicht zu finden. Allerdings wird die Gegenreaktion auf die
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
153
faschistische Fremdwortpolitik teilweise ebenso negativ gewertet wie die faschistische Fremdwortpolitik an sich, so etwa von Maurizio Dardano: La politica linguistica del fascismo fu dannosa anche per le reazioni a lungo termine che si manifestarono a partire dal dopoguerra [...]. La lotta al forestierismo in sé fu un’operazione ingenua e una manifestazione di estremo provincialismo, ma si deve riconoscere che lo stesso giudizio va doverosamente rivolto all’esuberante esterofilia che negli ultimi decenni ha invaso l’Italia; anche qui risulterà istruttivo un confronto con il diverso e più consapevole atteggiamento dimostrato da altri Paesi dell’Europa occidentale (Dardano 2011, 34–35).
Im Allgemeinen wurden sprachpflegerische oder sprachpolitische Interventionen gegenüber Fremdwörtern seit der Nachkriegszeit in Italien stets mit der Sprachpolitik des Faschismus in Verbindung gebracht und daher vermieden: «in Italia, dopo la caduta del fascismo, iniziative del genere non erano più state varate, probabilmente proprio a causa di questo precedente, ingombrante e per alcuni versi imbarazzante», so Paolo D’Achille (im Vorwort zu Raffaelli, A. 2010, 10). Die Anliegen des Neopurismus und die Annahme, dass puristische Interventionen grundsätzlich legitim sind, wurden jedoch nie gänzlich aufgegeben, insbesondere unter dem Eindruck einer zunehmenden «Bedrohung» der italienischen Sprache durch die Entlehnung aus dem Englischen.203 Dem halten Serianni/Antonelli (2011) entgegen, dass die Quote der unassimilierten Anglizismen in neueren Gebrauchswörterbüchern weiterhin unter 2% liege und daher nicht von einem vielbeschworenen italiese o itangliano gesprochen werden könne.204 Der von Arrigo Castellani (1979) geäußerte Wunsch nach der Einrichtung eines sprachpflegerischen Organs in Italien205 scheint 2015 in Erfüllung gegangen zu sein: Die von der Accademia della Crusca ins Leben gerufene Arbeitsgruppe «Incipit»206 veröffentlicht seitdem auf ihrer Webseite regelmäßig Pressemitteilungen, in denen sie Anglizismen diskutiert, die neu in den Medien sowie in der Behörden- und Unternehmenssprache erscheinen, und Emp-
203 Cf. Castellani (1979) und (1987), in jüngerer Zeit Giovanardi et al. (2008 [¹2003]); Marazzini/Petralli (2015), neben der florierenden laienlinguistischen Publikationstätigkeit zu diesem Thema, siehe z.B. Zoppetti (2017). 204 192. Eine Literaturdiskussion zum prozentualen Anteil der Fremdwörter im italienischen Wortschatz findet sich in Giovanardi/Gualdo (2008, 15–21). 205 «Occorrerebbe un organo collegiale composto da persone competenti e sufficientemente note. Che so, un ‹Centro di consulenza linguistica›, con rappresentanti di più università italiane» (Castellani 1979, 31). 206 Bereits dem Namen nach erinnert die Gruppe an Bruno Migliorini und sein Kriterium des «uso incipiente» (cf. Della Valle 2015, 66).
154
2 Theoretische und historische Grundlagen
fehlungen für native lexikalische Alternativen ausspricht.207 In seinem Beitrag auf der 2015 ausgerichteten Tagung La lingua italiana e le lingue romanze di fronte agli anglicismi tritt der Präsident der Accademia della Crusca, Claudio Marazzini, dafür ein, den Gebrauch von nichtkatachrestischen Anglizismen im Italienischen zu begrenzen, «magari ispirandosi ai principi del neopurismo e della glottotecnica del nostro grande Migliorini» (2015, 21). Dabei betont er das Dilemma der heutigen italienischen Sprachwissenschaft, dass eine solche Intervention unweigerlich mit dem FFP in Verbindung gebracht würde: il vero nodo del problema sta lì: nel Fascismo e nell’intervento dell’Accademia d’Italia. Un linguista italiano che si senta per qualche motivo propenso alla condanna di un forestierismo non potrà al tempo stesso far a meno di esitare, perché sa che il precedente non può essere dimenticato. Non è un precedente piacevole. Non è sufficiente consolazione ricordare che molte sostituzioni imposte dall’Accademia d’Italia nulla hanno di ridicolo e anzi si sono perfettamente acclimatate nella lingua d’oggi, mentre al contrario talora è sparito il termine esotico [...] (15).
Allerdings verbindet auch Marazzini die Frage der Fremdwörter in der Sprache mit politischen und gesellschaftlichen Missständen: la disponibilità all’adozione di elementi forestieri è grande in una nazione che non ha mai avuto confidenza con la propria lingua, in cui il consenso nazionalpopolare non è mai esistito, in cui il sentimento della dignità o potenza della nazione è stato sempre debole, e quando si è sviluppato ha ricevuto il marchio infamante del fascismo, che resta difficile da cancellare (21–22).
Eben diese Verknüpfung von Fremdwortkritik mit außersprachlichen Gegebenheiten208 des sozialen Zusammenlebens stellt eine Konstante in der Geschichte
207 Selbstbeschreibung von der Webseite: «Il gruppo ‹Incipit› ha il compito di esprimere un parere sui forestierismi di nuovo arrivo impiegati nel campo della vita civile e sociale. Il gruppo ‹Incipit› respinge ogni autoritarismo linguistico, ma, attraverso la riflessione e lo sviluppo di una migliore coscienza linguistica e civile, vuole suggerire alternative agli operatori della comunicazione e ai politici, con le relative ricadute sulla lingua d’uso comune» (http:// www.accademiadellacrusca.it/it/attivita/gruppo-incipit [letzter Zugriff: 10.09.2020]). Die Arbeitsgruppe wurde gegründet, nachdem die Online-Petition #Dilloinitaliano 70.000 Unterschriften erreicht hatte und eine Tagung zum Thema La lingua italiana e le lingue romanze di fronte agli anglicismi (Firenze, 23–24 febbraio 2015) ausgerichtet wurde (siehe Marazzini/Petralli 2015). Mitglieder der Gruppe sind aktuell Michele Cortelazzo, Paolo D’Achille, Valeria Della Valle, Jean-Luc Egger, Claudio Giovanardi, Claudio Marazzini, Alessio Petralli, Luca Serianni und Annamaria Testa. Siehe dazu auch Zoppetti (2017, 171–174). 208 De Mauro (2016) merkt an, dass die gesellschaftlich-kulturellen Ziele von «Incipit» nicht durch puristische Intervention zu lösen sein werden: «Quella di Incipit vuol dunque essere una linguistique d’intervention: individua gli anglismi e propone per ciascuno alternative di vo-
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
155
des puristischen Diskurses in Italien (und anderswo) dar. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass über die Veränderung von Sprache Wirklichkeit verändert werden kann. Dabei wird jedoch verkannt, «dass die Sprache nicht der Motor sozialer Entwicklungen, sondern nur deren Reflex ist. [...] Letztlich kann die Realität über die Sprache aber nur sehr rudimentär beeinflusst werden. Es handelt sich um den Fall des Kurierens an den Symptomen statt an den Ursachen», meint Schweickard (2005, 184). So ist der Fremdwortschatz der italienischen Sprache trotz grundlegender Veränderungen bei den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nach wie vor ein kontroverses Thema in der Öffentlichkeit und der Wissenschaft. Der Prozess der gesellschaftlichen und sprachlichen «Verarbeitung» des faschistischen Fremdwortpurismus, die auch als eine Form der Diktaturbewältigung begriffen werden kann, scheint noch nicht beendet zu sein. Es wird sich zeigen, ob die aktuellen Debatten um Anglizismen und die Legitimität linguistischer Intervention dazu einen Beitrag leisten können.
2.2.5 Beurteilung der Wirkung des faschistischen Fremdwortpurismus Wie bereits erwähnt, wurde die Frage nach der konkreten Wirkung des FFP auf den Fremdwortgebrauch im Italienischen schon während des Faschismus gestellt, nämlich im Sinne einer Evaluation der eingeleiteten Maßnahmen (u.a. von Menarini 1941; Migliorini 1941; De Felice 1941). Ab Mitte der 1970er Jahre wurde die Frage aus unterschiedlichen Forschungsperspektiven untersucht, vor allem mit soziolinguistischen, lexikologischen, sprachgeschichtlichen und sprachpolitischen Ansätzen.209 Seit der Jahrtausendwende folgten weitere, zu-
caboli italiani, ma l’intento è più che linguistico, è combattere la visione aziendalistica dell’università. Questo è un obiettivo condivisibile, anche se, forse, non specifico della veneranda Accademia e anche se difficilmente basteranno i sostituti italiani di parole inglesi per combattere l’aziendalismo o, meglio, le aspirazioni aziendalistiche delle politiche universitarie in Italia». Dass Sprachkritik generell eher gesellschaftlich als sprachlich zu erklären ist, postuliert Schrodt (2014, 268): «Sprachkritik ist das Feld, in dem komplex geschichtete Hierarchien von Beobachtungen die gesellschaftlich wirksamen Differenzen bezeichnen – Bezeichnungen, welche die Stabilität der Gesellschaft immer wieder herstellen. Insofern ist Sprachkritik durchaus nützlich – wenn man bedenkt, dass es hier gar nicht um die Sprache geht. Dass am Anfang dieser Beobachtungsschichten einmal die Sprache beobachtet wurde, wird dann irgendwann einmal Geschichte». 209 Siehe insbesondere De Mauro (1993 [¹1963]); Risk (1976); Leso (1978); Castellani (1979); Klein (1982), (1984) und v.a. (1986); Raffaelli, S. (1983) und (1984); Cicioni (1984); D’Oria (1985).
156
2 Theoretische und historische Grundlagen
nehmend korpusbasierte Untersuchungen (siehe die methodischen Ansätze unter 3.1). Zudem ist die Frage der Wirkung des FFP ein wiederkehrender Gegenstand in der puristischen Sprachkritik (siehe u.a. Agnello 2006; Zoppetti 2017). Dabei steht eine Beurteilung des Erfolgs der campagna per l’autarchia linguistica meist im Vordergrund. Versteht man unter Erfolg das Erreichen einer beabsichtigten Wirkung, so beantworten die meisten Autoren die Frage negativ: Das Ziel der Kampagne, Fremdwörter aus dem Sprachgebrauch zu verbannen und durch die vorgeschlagenen Italianisierungen zu ersetzen, sei weitgehend verfehlt worden,210 denn viele der zu ersetzenden Fremdwörter seien nach dem Ende des Faschismus weiterhin in Gebrauch gewesen.211 Generell sind wenige Wissenschaftler der Ansicht, der FFP habe einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von Fremdwörtern im italienischen Wortschatz geleistet. Die in dieser Hinsicht deutlichsten Aussagen sind bei Migliorini (1990 [1963]),212 Morgana (1994),213 Iannaccaro (2003)214 und Schafroth (2010)215 zu finden. Allerdings sind ihre Angaben zum Ausmaß des Einflusses vage – sie schwanken zwischen «vielen», «einigen», einer «gewissen Anzahl an», «den meisten» Fremdwörtern. In den meisten Studien werden Beispiele für «erfolgreiche» bzw. «geglückte» Substitutionen genannt, die dem FFP somit Teilerfolge zugestehen.216 Genannt werden u.a. die Beispiele chauffeur → autista, régisseur → regista, ascenseur / lift →
210 Siehe hierzu insbesondere Risk (1976, 85–86) sowie (in chronologischer Ordnung) Junker (1955, 162); Klein (1986, 154–157); Foresti (2003, 128); Ille (1996, 47); Michel (2005, 439); Raffaelli, A. (2006a, 1468); Raffaelli, A. (2006b, 104); Leitner (2008, 128–129); Della Valle/Patota (2007, 148–149); Dell’Anna (2010, 64); Raffaelli, A. (2010) und (2011b). 211 Risk (1976, 259); Leitner (2008, 140–141). 212 «Alcuni energici passi furono fatti negli anni fascisti per eliminare parole forestiere non assimilate, ed effettivamente molte delle parole allora proposte acquistarono larga circolazione e parecchie tuttora sussistono» (51). 213 «Tuttavia è indubbio che l’autarchia linguistica del regime abbia contribuito in buona misura alla eliminazione di un certo numero di francesismi, sia nei settori speciali che nel lessico generale» (715). 214 «La campagna per l’autarchia fu l’unica a essere condotta con impegno e fu l’unica a fornire qualche risultato (di fatto usiamo ancora, nel parlare ordinario, qualche termine sostitutivo di quelli allora proscritti)» (266). 215 «La maggior parte di queste parole è diventata d’uso comune per via del contesto normativo e opprimente di quell’epoca» (163). 216 Diese und weitere Beispiele wurden folgenden Quellen entnommen: Risk (1976, 85); Foresti (1978, 128); Morgana (1994, 715); Tosi (2001, 8); Michel (2005, 439); Agnello (2006, 47–48); Della Valle/Patota (2007, 148); Gualdo (2008, 102); Leitner (2008, 128); Dell’Anna (2010, 64); Serianni/Antonelli (2011, 177); Coletti (2012, 143); Nichil (2012, 90–91); Zoppetti (2017, 74–75).
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
157
ascensore, guichet → sportello, slow → lento, guichetier → bigliettaio, parabrise → parabrezza, self-control → autocontrollo, remisier → commissionario, gouter → merenda, ki(p)fel → cornetto, absynthe → assenzio, poché → in camicia, sur le plat → al tegamino; aus dem Bereich der Sportterminologie: football → calcio, offside → fuori gioco, goal-keeper → portiere, penalty → rigore, back → terzino, football → calcio, offside → fuorigioco, corner → angolo, sprint → scatto, water polo → pallanuoto, basket → pallacanestro, tour → giro, trainer → allenatore. Eine teilweise Reduktion des Fremdworts durch zusätzliche synonyme Verwendung eines italienischen Alternativlexems, also Koexistenz, liege u.a. bei folgenden Varianten vor: bookmaker / allibratore, budget / bilancio, chèque / check / assegno, albergo / hotel, auto-goal / autorete sowie bei stop / arresto. Zu einer Bedeutungsdifferenzierung zwischen Fremdwort und nativem Lexem sei es bei buffet / rinfresco, garage / autorimessa bzw. rimessa, chalet / villetta und bureau / scrittoio gekommen. Allerdings taugen diese Beispiele nur bedingt zur Argumentation für oder wider den Einfluss des FFP, denn Alternativerklärungen für die Reduktion oder Aufgabe des Fremdworts werden dabei zu wenig berücksichtigt. Eine erste Alternativerklärung könnte sein, dass «ersetzte» Fremdwörter die Phase der Innovation noch nicht überwunden hatten und somit noch gar nicht gebräuchlich geworden waren. Gabriella Klein (1986, 137) geht beispielsweise davon aus, dass höchstens ein Viertel der Fremdwörter, die laut der Listen der Commissione per l’italianità della lingua ersetzt werden sollten, zur damaligen Zeit tatsächlich eine gewisse Verbreitung hatte. Auch Serianni empfiehlt Vorsicht, den Rückgang von Fremdwörtern wie kellerina, cauchemar und coutil auf die Wirkung puristischer Intervention zurückzuführen: «parole uscite d’uso, o piuttosto mai entratevi stabilmente?» (282). Eine weitere Alternativerklärung ist, dass die lexikalische Ersetzung bereits vor der puristischen Intervention stattfand und die native Entsprechung zur Zeit des FFP bereits häufiger als das Fremdwort gebraucht wurde. So stellt Nichil (2012) für die Substitutionsvorschläge der CIL fest, «come molte delle scelte dell’Accademia, destinate ad affermarsi in futuro, fossero già predominanti nel lessico italiano dell’epoca» (91). Als dritte Erklärungsalternative kommt die in Betracht, dass das Fremdwort zusammen mit der Sache aufgegeben wurde. Schließlich haben zahlreiche Fremdwörter Referenten, die sich technik-, mode- oder gesellschaftsbedingt schnell verändern (cf. Serianni 2011, 277 und 281). Ein Beispiel dafür wäre ital. aigrette, das einen Ende des 19. Jahrhunderts modischen Kopfschmuck aus Federn bezeichnete. Die Aufgabe solcher Fremdwörter ist nicht mit ihrer lexikalischen Substitution gleichzusetzen. Damit ist nicht gesagt, dass während des Faschismus nicht auch versucht wurde, Referenten zu ersetzen. Beispielsweise sollte die aus England stammende Sportart Rugby durch eine italienische Kreation mit ähnlichen Regeln, Volata, abgelöst
158
2 Theoretische und historische Grundlagen
werden (cf. Colasante 2002; Dogliani 2008, 203). Solche sachlichen Substitutionsversuche sind aber separat zu untersuchen. In allen drei beschriebenen Fällen wäre der Einfluss der FFP an der Substitution unerheblich gewesen, eine Interpretation als Ersetzungserfolg also unzutreffend. Kausale Zusammenhänge zwischen der Intervention des FFP und der Ersetzung von Fremdwörtern im Sprachgebrauch in Aussagen wie «Alcune proposte [dell’Accademia d’Italia] hanno attecchito, e per esempio si è affermata in modo stabile gran parte della terminologia calcistica italiana che in quei tempi era prevalentemente inglese» (Zoppetti 2017, 74–75) sind daher kritisch zu hinterfragen. Nach Meinung von Golino (1994, 70) hat die faschistische Sprachpolitik die italienische Sprache nur oberflächlich tangiert. Es sei zudem nicht die Sprachpolitik selbst gewesen, die die Sprache beeinflusst habe, sondern nur die faschistische Rhetorik (Tosi 2001, 11). Nach Foresti sind dabei die vom faschistischen Regime erklärten sprachpolitischen Ziele eher als Ausdruck der vorherrschenden Ideologie als der eines tatsächlich verfolgten Plans zu verstehen (2003a, 13). Wirksamer als die direkte Kontrolle des Sprachgebrauchs ist nach Tosi die Kontrolle und Gleichschaltung der Presse ab 1925 gewesen (8–9). Kolb beurteilt die Wirkung des Faschismus im Bereich der politischen Sprache als nachhaltig (1990, 197). Noch schwieriger ist die Frage nach dem Einfluss des faschistischen Regimes auf die Nähesprache bzw. auf den spontanen Sprachgebrauch der Italiener zu beantworten. Den Einfluss der Sprachgesetze halten D’Oria (1985, 83) und Klein (1986, 154) für gering, da das Verbot vorrangig den Gebrauch von Fremdwörtern im Schriftmedium, insbesondere in der Werbung und im Handel betraf. Die mündliche Nähesprache sei dagegen, auch aufgrund der nicht vollzogenen sprachlichen Einheit Italiens, kaum tangiert gewesen. Ob systemtreue Bürger versuchten, sich an den Sprachregelungen zu orientieren, wie eine Szene des Films Una giornata particolare (1977) nahelegt, in dem der Regisseur Ettore Scola das Alltagsleben während des Faschismus vor dem Hintergrund des Hitler-Besuchs am 6. Mai 1938 in Rom schildert, ist spekulativ. Darin weist der überzeugte Faschist und Ehemann der Protagonistin, Emanuele, seinen Sohn für den Gebrauch des Wortes pompom in puristischer Manier zurecht: «Non si dice pompom. È parola straniera. Chiamalo fiocco, nappa, non so. Italianizza. Chiamalo pompómo».217 Warum die Autarkie-Kampagne scheiterte, wird in der italienischen Sprachwissenschaft unterschiedlich beantwortet. Zum einen seien die Kriterien, wel-
217 Auch fragt Antonietta ihren Nachbarn Gabriele, warum er sie mit Lei statt mit Voi anspreche, woraufhin beide das faschistische Gebot umgehen und sich duzen.
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
159
che Fremdwörter und wie sie zu ersetzen seien, willkürlich, widersprüchlich, uneinheitlich und damit für Sprecher schwer nachzuvollziehen gewesen (Risk 1976, 68–82; Cicioni 1984, 92; Kolb 1990, 47; Raffaelli, A. 2011b). Zudem wird die radikale Vehemenz der Kampagne als Grund ihres Scheiterns angesehen (Junker 1955, 162; Migliorini 1990, 93). Auch die kurze Zeitspanne, in der das Anti-Fremdwörtergesetz in Kraft war (1940–1946) und in der die Commissione per l’italianità della lingua arbeitete (1941–1943), gilt als Grund für die geringe Durchsetzung der Ersetzungen (Dell’Anna 2010, 64; Piacentini 2016a, 156). Aus psychologisch-soziologischer Perspektive scheiterte die Kampagne deswegen, weil die italienische Sprechergemeinschaft den Autoritarismus des Faschismus und damit dessen Sprachpolitik in den letzten Kriegsjahren und erst recht nach 1945 ablehnte und zu einem gegenläufigen Sprachgebrauch tendierte, der vormals Verbotenes rehabilitierte (Raffaelli, S. 2006b, 104). Nach Meinung von Ille (1996, 47) und Alberto Raffaelli (2011b) sind einzelne lexikalische Ersetzungsvorschläge dagegen deswegen nicht erfolgreich gewesen, weil sie Gebrauchsaspekte zu wenig berücksichtigten. Ersatzlexeme konnten sich insbesondere für diejenigen Fremdwörter durchsetzen, die noch keine weite Verbreitung erlangt hatten und noch nicht Teil des Kernwortschatzes waren (Cicioni 1984, 87 und 92–93; Ille 1996, 47). Dagegen seien sie besonders dann nicht erfolgreich gewesen, wenn sie den Zeicheninhalt des Fremdworts nicht ausreichend präzise wiedergeben konnten (Cicioni 1984, 93; Raffaelli, A. 2011b) und artikulatorisch aufwändiger, also länger als das zu ersetzende Fremdwort waren (z.B. fonoriproduzione statt playback, autorimessa statt garage): «lo sviluppo autonomo di ogni lingua tende sempre alla massima efficienza, cioè tende a rifiutare tanto le traduzioni semanticamente corrette ma troppo prolisse, quanto i sostituti brevi e formalmente accettabili, ma imprecisi» (Risk 1976, 82). Menarini argumentierte bereits 1941 dafür, dass weniger die Sprachgesetzgebung und die Autorität ausschlaggebend für die Ersetzung eines Fremdworts seien, sondern die Verfügbarkeit einer gelungenen Ersatzform, wie etwa bei autista: il successo è dovuto non all’imposizione, ma particolarmente al fatto che è voce indovinata e morfologicamente attuale e regolare [...]. Insomma, bisognerà tener presente che perché un veto d’autorità porti ai risultati voluti occorre per lo meno aiutarlo con la proposta di una nuova voce fornita dei requisiti necessari per godere del favore del pubblico, dato che, in tal caso, essa avrà in sé forza sufficiente per farsi strada (115).
Auch wenn die Ersetzung in der Schriftsprache bereits vollzogen sei – so wie bei rimessa und autorimessa – könne sie sich in der gesprochenen Sprache deutlich schwieriger gestalten: «non sono riuscite a scacciare dall’uso parlato italiano e dialettale garage, che vive ancora qua e là per l’Italia, tanto più che
160
2 Theoretische und historische Grundlagen
in molti luoghi il suo derivato garagista, brutto ma utile, lo tiene legato a sé» (115). Ein weiterer Grund, warum Substitutionsvorschläge scheiterten, lag nach Menarini also darin, dass einige Fremdwörter bereits parallel in den Dialekten und somit im mentalen Lexikon der Sprecher verankert waren, wodurch sie auch im Italienischen nicht aufgegeben wurden (cf. auch Junker 1955, 162–163).
2.2.6 Diskutierte Einflussfaktoren der Italianisierung Wenn die campagna per l’autarchia linguistica somit als überwiegend gescheitert anzusehen ist, fragt sich, wie Ersetzungen von Fremdwörtern, die dennoch erfolgt sind, erklärt werden können. Welche Faktoren tragen allgemein zur lexikalischen Substitution bei? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch lexikalischen Substitutionen entgegenwirkt. Wie Migliorini betont, bedarf es eines «realen Vorteils» in der Kommunikation, damit bestehende lexikalische Einheiten ausgetauscht würden: Ogni campagna puristica, qualunque sia la sua forza, qualunque siano le sue armi, trova contro a sé una resistenza passiva nella circolazione già raggiunta dalle parole che essa combatte. Solo se le parole presentano dei punti deboli e invece le parole proposte per surrogarle presentano dei vantaggi reali, ci sarà probabilità di vittoria (Migliorini 1990, 95).
Einige Faktoren stehen in direkter Verbindung zu den gerade genannten Gründen für den Misserfolg des FFP. Folgende linguistische Faktoren werden als potenziell begünstigend für die dauerhafte Fremdwortersetzung angesehen: – Zeitpunkt: wenn ein natives Synonym möglichst bald nach einer Bedürfnisentlehnung geprägt und mit dem Referenten verbreitet wird, z.B. ital. ascensore neben ascenseur / lift: «quando il referente entrò nel costume e si diffuse fra tutti gli strati sociali con un nome italiano anziché straniero, non ci furono controversie» (Risk 1976, 85; Cicioni 1984, 92); – Hohe Verfügbarkeit: bei alltäglichen Referenten, die häufig versprachlicht werden: «quando non corrispondeva al referente nessun termine generale dell’uso familiare quotidiano, [...] questo spiega per esempio la rapida fortuna di autista [...], di addetto [...] e di impermeabile» (Risk 1976, 85; Cicioni 1984, 92); – Sprachökonomie: möglichst kurze und synthetische Italianisierungen (Risk 1976, 85; Piacentini 2016a, 186). Dass Kürze sowohl bei fremden als auch
2.2 Der faschistische Fremdwortpurismus
161
bei nativen Wörtern einen Einfluss auf die Gebrauchsfrequenz habe, nahm schon Tittoni (1926) an: La brevità influisce molto ad accreditare certe parole. Come i francesi dicono abitualmente, auto, métro, aero, cinema, taxi, così abbiamo preso noi l’abitudine di usar l’abbreviatura di date parole invece delle parole stesse. La fortuna di talune parole nuove è dovuta al fatto che non è possible tradurle se non mediante una circonlocuzione. Si dice oramai da tutti boicottaggio [...] perché per esprimere chiaramente ciò che quella parola dice occorrerebbe una lunga frase (379–380, Fn. 2).
– Semantische Präzision: wenn das Ersatzlexem den Zeicheninhalt des Fremdworts möglichst präzise wiedergibt (Piacentini 2016a, 186); – Anlehnung an produktive Paradigma der Wortbildung, z.B. durch Derivation mithilfe von -ista, -tore, bzw. bei der Wortbildung von tank → carro armato nach dem Muster von carro funebre (Migliorini 1990, 99; Risk 1976, 85; Cicioni 1984, 93); – Katachrese: katachrestische Fremdwörter gelten als schwerer zu ersetzen als nichtkatachrestische (Zenner et al. 2012).218 Unter den unterschiedlichen Ersetzungsformen geht Migliorini (1990) davon aus, dass Assimilationen nur bei konkreten, populären Referenten Erfolg haben können, nicht aber bei Abstrakta bzw. immateriellen Referenten. So hätte ouverture nicht durch overtura ersetzt werden können, meeting nicht durch mitingo (104). Cicioni (1984, 92) hält Assimilationen bei bereits bekannten Referenten generell für aussichtsreich, wie etwa bei gilé, parabrezza, ristorante und ragù. Neben diesen sprachlichen Einflussfaktoren können auch extralinguistische, sachliche bzw. soziokulturelle Faktoren eine Rolle spielen: «talvolta la neutralizzazione [= lexikalische Substitution, GS], più che emergere da una reale situazione di conflitto all’interno di una stessa struttura lessicale, è la conseguenza di fattori estrinseci che hanno portato al prevalere di una varietà linguistica a danno di un’altra» (Gusmani 1993, 202). Für den italienischen Fremdwortschatz wurden dafür folgende Einflussgrößen genannt: – (sachliche) Popularität bei Fremdwörtern der Sportterminologie, cf. Migliorini (1990): «si nota che negli sport popolari la surrogazione dei forestie-
218 Für die Ersetzung von Anglizismen im Niederländischen hatten die Autoren folgende Hypothese: «we believe that the fact that the anglicism was the first word to lexicalize the concept has a lasting effect on its success; luxury anglicisms have a harder time establishing themselves in the receptor language, as they have to compete with older and hence more entrenched lexicalizations of the concept expressed» (767). Die Hypothese wurde in der empirischen Studie mit einer schwachen Signifikanz bestätigt werden.
162
2 Theoretische und historische Grundlagen
rismi guadagna terreno. Più essi resistono invece negli sport signorili e snobistici» (102; so bereits 1939 von Devoto219 und Venturini 1942, 442 festgestellt, cf. auch Risk 1976, 85–86 und Rossi 2003); – Gebrauch durch Experten/Institutionen (Migliorini 1990, 106; ähnlich Eisenberg 2018, 138, der Verdeutschungen mehr Erfolg zuspricht, «die systematisch und mit Unterstützung von staatlichen oder privaten Institutionen vorgenommen und durchgesetzt werden, wenn diese Einfluss auf den Sprachgebrauch haben», z.B. im Bereich des Bahnwesens und des Fußballs).
219 Bei ihm geht der Erklärungsansatz noch weiter: «la sostituzione dei termini forestieri è stata resa possibile dal tecnicismo, dalla burocratizzazione del gioco, dalla massa di carta stampata che si accompagna alla colossale organizzazione del gioco del calcio in Italia» (Devoto 1972 [1939], 165).
3 Methodische Grundlagen Ausgangsfrage der Untersuchung ist: Hatte die puristische Intervention des FFP Einfluss auf den italienischen Fremdwortschatz, insbesondere auf die Substitution von Fremdwörtern, und inwieweit spielen alternative Einflussgrößen bei den stattgefundenen Wandelphänomenen eine Rolle? Zur Beantwortung dieser Frage werden unter 3.1.1 bis 3.1.3 zunächst drei Forschungsansätze vorgestellt und diskutiert, die die Wirkung der puristischen Intervention des FFP auf den italienischen Wortschatz untersucht haben. Ein alternativer Ansatz aus der Kognitiven Kontaktlinguistik wird unter 3.1.4 präsentiert. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus Kapitel 2 zu Entlehnung und lexikalischen Wandelprozessen sowie zum faschistischen Fremdwortpurismus werden in Kapitel 3.2 dann das Untersuchungsdesign der Arbeit erläutert und die gewählten qualitativen und quantitativen Methoden beschrieben, die zur Datenerhebung und ihrer Analyse und Auswertung verwendet werden.
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen Der unter 2.2.5 gegebene Forschungsüberblick zur Wirkung des FFP auf den italienischen Fremdwortschatz wird im Folgenden um methodische Gesichtspunkte erweitert. Allen bisher verfolgten methodischen Ansätzen gemein ist die Frage nach dem Erfolg der puristischen Intervention des FFP. Unter «Erfolg» wird dabei je nach Ansatz das Verschwinden des kritisierten Fremdworts und/oder die Lexikalisierung und Verbreitung nativer Ersatzlexeme verstanden (zum Begriff des Erfolgs in der vorliegenden Arbeit siehe 3.2.2). Im Wesentlichen unterscheiden sich die Ansätze in ihrer Datengrundlage: Werden diese aus Wörterbüchern, Korpora oder Sprecherbefragungen bezogen? Entsprechend wurde nach dem lexikografischen Ansatz (3.1.1), dem korpusbasierten Ansatz (3.1.2) und dem befragungsbasierten Ansatz (3.1.3) unterschieden. Am Ende jedes Teilkapitels folgt eine Einschätzung, inwiefern der Ansatz zur Beantwortung der Frage nach der Wirkung des FFP auf den Fremdwortschatz geeignet ist. Als methodische Alternative soll unter 3.1.4 der konzeptbasierte Ansatz der Kognitiven Kontaktlinguistik vorgestellt werden, der von der Forschergruppe «Quantitative Lexicology and Variational Linguistics» der Katholieke Universiteit Leuvenum entwickelt wurde. Auch bei diesem Ansatz werden die zugrundegelegten Daten aus Korpora bezogen; diese werden allerdings nicht aus semasiologischer, sondern aus onomasiologischer Perspektive analysiert. Die Methode https://doi.org/10.1515/9783110713657-003
164
3 Methodische Grundlagen
wurde bisher noch nicht systematisch auf die Opposition zwischen fremden und nativen Lexemen im italienischen Wortschatz angewandt.
3.1.1 Lexikografischer Ansatz Der lexikografische Ansatz geht davon aus, dass der Präsenz eines Lexems in Wörterbüchern seine Lexikalisierung und Verbreitung im Sprachgebrauch vorangeht; die Lemmatisierung eines Wortes wird also als Beleg für seinen tatsächlichen Gebrauch interpretiert. Dabei wird oft vergleichend gearbeitet, es werden also beispielsweise Vergleiche zwischen Wörterbüchern verschiedener Publikationszeitpunkte (z.B. faschistischer vs. postfaschistischer Zeitraum) oder zwischen Wörterbüchern mit unterschiedlicher Lemmaabdeckung gezogen (z.B. Neologismenwörterbuch vs. Standardwörterbuch). Mitunter wird der Ansatz auch dafür genutzt, die Anzahl lemmatisierter Fremdwörter im Wörterbuch zu bestimmen, um etwa den Einfluss unterschiedlicher Ausgangssprachen auf das Italienische zu vergleichen. Während viele Studien den lexikografischen Ansatz nutzen, um sich einen Überblick über die Gebräuchlichkeit der während des FFP vorgeschlagenen Ersatzlexeme zu verschaffen (z.B. Serianni 2011; Stefanelli 2015 zu Marinetti/Azari [1929]), wurde die Methode von Risk (1976), Klein (1986) und Leitner (2008) systematisch angewandt. Risk (1976) untersucht in ihrer Arbeit die 240 während des Faschismus häufigsten und am meisten diskutierten Fremdwörter1 auf ihre Präsenz bzw. die Frequenz in neun Sprach- bzw. Frequenzwörterbüchern, die zwischen 1941 und 1973 erschienen sind.2 Dabei betont Risk, dass die Lemmatisierung in diesen Wörterbüchern kein hinreichender Indikator für die tatsächliche Gebräuchlichkeit der Lexeme sei: «l’inclusione nei dizionari non può naturalmente fornire informazioni attendibili sulla maggiore o minore diffusione e frequenza d’uso
1 Die Stichprobe bezieht sie aus einer Zusammenstellung von 1.273 Entlehnungen aus folgenden puristischen Quellen: Ugolini, Filippo, Vocabolario di parole e modi errati, 31861; Fanfani, Pietro/Arlía, Costantino, Lessico dell’infima e corrotta italianità, 21881; Rigutini, Giuseppe, I neologismi buoni e cattivi più frequenti nell’uso odierno, 1891, sowie aus De Luca (1924), Monelli (1933) und (1943), Meano (1936), Silvagni (1938), Jàcono (1939), Natali (1940), Panzini (1905–1942), CIL (1941–1943) sowie sieben weiteren Quellen. 2 Es handelt sich um VLI 1941 sowie um Battisti, Carlo/Alessio, Giovanni, Dizionario etimologico italiano, 5 voll., 1950–58; Vaccaro, Gennaro, Dizionario delle parole nuovissime e difficili, 1966 (sowie die Folgeausgaben von 1967 und 1968); Zingarelli, Nicola, Vocabolario della lingua italiana, 101970; Bortolini, Umberta/Tagliavini, Carlo/Zampolli, Antonio, Lessico di frequenza della lingua italiana contemporanea, 1971 und Juilland, Alphonse/Traversa, Vicenzo, Frequency Dictionary of Italian Words (1920–48), 1973.
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
165
di una voce nella lingua contemporanea parlata e scritta» (158), weshalb sie zusätzlich für die Schriftsprache auf Korpusanalysen und für die mündliche Sprache auf eine Informantenbefragung zurückgreift (siehe dazu 3.1.2 und 3.1.3). Aus diesen sich ergänzenden Methoden und einer lexikologischen Analyse zieht sie qualitative und quantitative Schlussfolgerungen. Danach seien 30 Jahre nach Ende des Faschismus von den untersuchten 240 häufigsten Fremdwörtern ca. 10% ersetzt oder aus sachlichen Gründen aufgegeben und 21% insgesamt selten verwendet worden (259). Aus Risks Daten kann geschlossen werden, dass von den 240 während des Faschismus am meisten diskutierten Fremdwörtern in den 1970er Jahren etwa zwei Drittel noch immer im Sprachgebrauch waren. Ein weiterer Befund Risks lexikografischer Analyse ist, dass nach 1943 zahlreiche neue und hochfrequente Fremdwörter in die Wörterbücher des Italienischen aufgenommen wurden (260). Klein (1986) nutzt die lexikografische Methode, um zu überprüfen, «quanto successo abbia arriso agli sforzi della Commissione [per l’italianità della lingua, GS], cioè quante delle sue proposte siano entrate davvero nell’uso linguistico comune e specializzato» (130). Dazu überprüft sie die in den 15 Listen der Commissione per l’italianità della lingua (CIL 1941–1943) kritisierten Fremdwörter und die entsprechenden Italianisierungsvorschläge auf ihre Präsenz in Quellen, die zwischen 1931 und 1942 erschienen.3 Ihr Vergleich ergibt, dass von den Fremdwörtern der CIL 33% in Panzini (61931) enthalten waren, 27% in Jàcono (1939) und 42% in Panzini (81942),4 woraus Klein ableitet, dass maximal ein Viertel der von der Accademia d’Italia ausgewählten Fremdwörter tatsächlich gebräuchlich gewesen sei (137). Damit liefert Klein allerdings weniger einen Beleg für den «Misserfolg» der staatlichen Italianisierungsbemühungen, als dafür, dass ein Großteil der Fremdwörter, die die CIL zu ersetzen versuchte, wenig gebräuchlich waren (was sich auch durch den Fokus der Kommission auf fachsprachliche Fremdwörter erklären lässt, siehe 2.2.3.6).
3 Panzini (61931) und (81942), Migliorini (1942), Jàcono (1939) und VLI 1941. Für Klein ist das Dizionario Moderno die lexikografische Quelle, die den Sprachwandel am besten widerspiegelt: «ciascuna ristampa aggiorna anche profondamente la precedente, con sempre nuove esclusioni e inclusioni, e ciascuna nuova voce è accompagnata da interessanti commenti informali dell’autore. In questo senso il Dizionario di Panzini si può considerare come una serie di fotografie, continuamente rimesse a punto, dell’italiano sotto il punto di vista lessicale» (1986, 130). 4 Die Zahlen ergeben sich, wenn man zu den von Panzini als Lehnwörter ausgewiesenen Lemmata, die (fälschlicherweise) dialektal markierten bzw. ohne weitere Auszeichnung lemmatisierten Fremdwörter hinzuzählt (cf. Klein 1986, 131–135). Laut Klein entspricht etwa die Hälfte der Italianisierungsvorschläge von Panzini denen der Accademia d’Italia (133).
166
3 Methodische Grundlagen
Leitner (2008) hat 36 Fremdwörter auf ihre Präsenz in vier Sprachwörterbüchern der 1940er Jahre mit puristischen Tendenzen5 mit ihrer Präsenz in neun Wörterbüchern der Nachkriegszeit (wo möglich, in deren Folgeausgaben) verglichen.6 Leitner wertet die Präsenz von Fremdwörtern, für die während des FFP Substitutionsvorschläge genannt wurden, in den Wörterbüchern der Nachkriegszeit als Indikator für eine nicht-geglückte Substitution, ihre Abwesenheit als tatsächlich erfolgte Substitution (123–124). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass nur sehr wenige Fremdwörter, die während des Faschismus «verbannt» wurden, tatsächlich nicht mehr in den Lexika der Nachkriegszeit verzeichnet sind. Wenn Exotismen, die als parole proibite vermerkt wurden, trotzdem in der ersten Ausgabe des Dizionario Garzanti della lingua italiana 1965 zu finden sind, ist dies ein Beweis, dass das faschistische Vorhaben in diesem Bereich scheiterte. [...] Von den insgesamt 36 untersuchten Lemmata wurden nur drei Französismen von ihren italienischen Substituten gänzlich abgelöst (chauffeur/autista, goûter/merenda, regisseur/regista) (128).
Zudem stellt sie fest, dass die Sprachwörterbücher der 1950er Jahre teils dieselben fremdwortkritischen bzw. verbietenden Kommentare enthielten wie ihre Vorgängerausgaben aus faschistischer Zeit, dass sie also weiterhin dieselbe puristische Haltung vertraten (125, 129). Dass die lexikografische Behandlung der Fremdwörter in solchen Wörterbüchern eher Rückschlüsse auf die Anlage des Wörterbuchs als auf den Gebrauchsstatus von Fremdwörtern erlaubt, ist Leitner bewusst, wenn sie eine Folgeuntersuchung vorschlägt: «Um Informationen darüber zu erhalten, inwiefern die während des Faschismus verbannten Fremdwörter sich dennoch im Sprachgebrauch der Nachkriegszeit manifestierten, böte sich eine Untersuchung der Presse dieser Jahre an» (129). Eine vergleichende Studie zu den Ersetzungswörterbüchern von Paolo Monelli (1933), Umberto Silvagni (1938) und Antonio Jàcono (1939) stellt Serianni (2011) an, der er u.a. folgende Fragen voranstellt: «c’è stato qualche effetto di queste campagne nell’italiano successivo? ed è possibile accertarlo?» (270). Dazu prüft er, ob Fremdwörter, deren Gebrauch in den Wörterbüchern von Monelli (1933) und Jàcono (1939) als rückläufig angegeben war, in drei Wörterbüchern des Gegenwartsitalienischen (Zingarelli 2010; Devoto/Oli 2010 und De
5 Melzi, Giovanni Battista, Il novissimo Melzi. Completo dizionario italiano in due parti, 281949; sowie Cerruti/Rostagno (1939), Palazzi (1940) und Panzini (1942). 6 Cappuccini, Giulio/Migliorini, Bruno, Vocabolario della lingua italiana, 1945; Albertoni, Alberto/Allodoli, Ettore, Vocabolario della lingua italiana, 1947; Melzi, Giambattista, Il novissimo Melzi. Dizionario italiano in due parti linguistica e scientifica, 331950; Panzini 91950 und 101963; Palazzi, Fernando, Novissimo dizionario della lingua italiana, 1955 und 21957; Dizionario Garzanti della lingua italiana, 1965; sowie Passerini, Carlo Tosi, Dizionario della lingua italiana, 1969 (Leitner 2008, 110–111).
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
167
Felice/Duro 1974) sowie im Jahrgang 2009 des Corriere della sera immer noch erscheinen. In der Analyse ergibt sich, dass von den 21 untersuchten Fremdwörtern neun auch 2010 weiterhin vital waren, fünf teilweise, während sieben tatsächlich aus dem Sprachgebrauch verschwunden sind. Daraus schlussfolgert Serianni: «la forza propositiva o la capacità prognostica dei tre autori sono mediocri» (269). Einige Prognosen hält er für «clamorosamente fallite, come quelle relative a camion, garage o menù» (282). Dabei schränkt er jedoch ein, dass nicht nur die lexikalische Substitution, sondern auch der Verlust von Referenten Grund für das Verschwinden eines Fremdworts sein kann (ebd.). Fazit: Die Hauptschwierigkeit des lexikografischen Ansatzes liegt in seiner Prämisse, die Präsenz oder Nicht-Präsenz eines Fremdworts in einem Sprachwörterbuch lasse Rückschlüsse auf seinen tatsächlichen Gebrauch zu. Dabei liefern Wörterbücher häufig nur wenige Angaben zu pragmatischer und diachroner Variation7 und können Veränderungen im Wortschatz – also das Hinzukommen oder das Verschwinden von Wörtern und Bedeutungen – nur mit zeitlicher Verzögerung registrieren. Die Verzerrung ist umso größer, je stärker das Wörterbuch präskriptiv angelegt und je weniger gebrauchsorientiert es ist. Um dem Sprachgebrauch Rechnung zu tragen, bedarf es quantifizierbarer Gebrauchsdaten, also beispielsweise Wortfrequenzen. Der lexikografische Ansatz ist zur Untersuchung des Einflusses des FFP aber auch deswegen wenig aussagekräftig, weil einige Lexikografen während des Faschismus selbst aktiv intervenierten und nicht wenige Wörterbücher auch in der Nachkriegszeit eine puristisch-präskriptive Haltung offenbarten (siehe 2.2.3.3 und 2.2.3.4). Erst recht sind keine validen Rückschlüsse auf den tatsächlichen Gebrauchsstatus von Lexemen möglich, wenn wie bei Klein (1986) nur die bis 1943 erschienenen Quellen miteinander verglichen werden. Es ist nur bedingt von Nutzen für die Forschungsfrage auf heutige Gebrauchswörterbücher auszuweichen, denn dabei bleibt im Dunkeln, ob Fremdwörter, die während des FFP bekämpft wurden und sich dennoch in einem Gebrauchswörterbuch des Gegenwartsitalienischen finden, bis heute durchgängig üblich gewesen
7 Cf. Backus (2014, 30). Für Backus antworten Wörterbücher zu wenig auf gebrauchsorientierte Fragen wie «Which loanwords are really in current use? And how frequently are they used, and by how large a percentage of the population? Who uses these loanwords and who does not? Is their frequency of use purely determined by the number of times the concept they encode is needed, or are they (still) in competition with a native equivalent? To what degree is their usage dependent on communicative, contextual and stylistic factors?» (30). Moderne, korpusbasierte Wörterbücher bzw. Wortinformationssysteme sind jedoch in der Lage, diese Lücke zu füllen, für das Deutsche beispielsweise Das Wortauskunftssystem zur deutschen Sprache in Geschichte und Gegenwart (DWDS), URL: https://www.dwds.de/ [letzter Zugriff: 10.09.2020].
168
3 Methodische Grundlagen
sind oder ob sie in der Zwischenzeit ersetzt bzw. neuentlehnt wurden. WinterFroemel weist zudem darauf hin, dass formale Varianz von Lehnwörtern in Wörterbüchern häufig unzureichend dokumentiert ist: «certain variants of a loanword, in spite of their wide diffusion in the RL [= recipient language, GS] community, are not cited or are marginalized because of their – presumed – inadequate degree of formal integration» und somit nur die stärker assimilierten Varianten lemmatisiert werden, die im Gebrauch aber seltener sind (2014, 67). Die mit der lexikografischen Methode erzielten Befunde sind daher im Hinblick auf die Forschungsfragen nicht zuverlässig genug, außer wenn sie, wie bei Risk 1976, mit komplementären Methoden ergänzt werden. Wörterbücher als alleinige Quellen bieten zur Identifikation lexikalischen Wandels im Fremdwortschatz (Aufgabe, lexikalische Substitution, Neuentlehnung, Bedeutungswandel etc.) keine ausreichend zuverlässige und ausreichend detaillierte Datengrundlage. In der neueren Sprachkontaktforschung gilt der lexikografische Ansatz daher als unzureichend (Winter-Froemel 2014, 66; cf. auch Rovere 2016, 131).
3.1.2 Korpusbasierter Ansatz Gegenüber dem lexikografischen Ansatz bietet der korpusbasierte Ansatz den Vorteil, dass er sich auf Primär- als Sprachgebrauchsdaten stützt und Verzerrungen besser kontrolliert werden können (z.B. durch die bewusste Auswahl und Zusammensetzung eines Korpus). Umfassen Korpusanalysen mindestens zwei Messzeitpunkte oder -zeiträume, handelt es sich um Längsschnittuntersuchungen, anhand derer auch Sprachwandelprozesse differenzierter erfasst werden können. Dazu werden Wortfrequenzen (Tokens) von Fremdwörtern in Textkorpora geschriebener und gesprochener Sprache erhoben und verglichen. Als Korpus gilt jede «Sammlung schriftlicher oder gesprochener Äußerungen», die «als empirische Grundlage und speziell in der Korpuslinguistik als eine Stichprobe (eines Ausschnitts) des Sprachgebrauchs» dient (Perkuhn et al. 2012, 45). Korpora haben den Anspruch, für den Sprachausschnitt, den sie abbilden wollen, möglichst repräsentativ zu sein. Allerdings kann Repräsentativität nur approximiert werden (Perkuhn et al. 2012, 47) und jedes Korpus weist diesbezüglich mehr oder weniger starke Beschränkungen auf (cf. Backus 2014, 31). Für das Italienische ist es beispielsweise bisher kaum möglich, auf Korpora gesprochener Register für den Zeitraum vor 1970 zurückzugreifen, obwohl gerade die gesprochene Sprache wichtiger Indikator für die tatsächliche Verbreitung von Fremdwörtern während und nach dem Faschismus
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
169
sein dürfte.8 Korpusbasierte Studien mit semasiologischen Ansatz wurden insbesondere von Risk (1976), Klein (1986), Di Stefano (2007), Piacentini (2016), Zoppetti (2017) und Nichil (2018) durchgeführt. Risk (1976) hat die Häufigkeit der 240 während des Faschismus häufigsten bzw. meistdiskutierten Fremdwörter (siehe 3.1.1) in 25 Zeitungen und Zeitschriften9 erhoben, die 1974/1975 in Italien erschienen sind. Für die Datenanalyse bediente sich die Autorin eines britischen Konkordanzprogramms namens COCOA (Word Count and Concordance generation on ATLAS). Aufgrund der Korpusgröße und -zusammensetzung schränkt Risk die Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse ein: l’esame di un maggior numero di periodici (comprendenti ad esempio pubblicazioni tecniche o specialistiche dei campi della moda, della cucina, dello spettacolo) [...] avrebbe [...] fornito variazioni di frequenza e dati più attendibili riguardo alla scomparsa o alla diffusione delle voci prese in esame (160–161).
Die Korpusanalyse liefert Risk wichtige Hinweise für ihre Auswertung zum Erfolg des FFP, die bereits weiter oben zusammengefasst wurde. Gabriella Klein (1986) hält eine längsschnittliche Korpusanalyse für die beste Methode, um den Erfolg der puristischen Initiativen beurteilen zu können: «il procedimento più accurato consisterebbe nel costruire un campione di testi pertinenti a ciascuna area sottoposta a epurazione, dislocati in momenti del tempo diversi tra loro, e nel seguire la curva delle accettazioni e dei rifiuti delle sostituzioni proposte» (130). Dabei müsse auch die Frage berücksichtigt werden, «quali delle sostituzioni proposte entrano effettivamente in uso (e se sì, in quale), senza essere esistite già in questa forma» (155). Da eine solche Untersuchung jedoch sehr aufwändig ist (130), führt sie – neben dem lexikografischen Vergleich (s.o.) – eine exemplarische, manuelle Korpusanalyse anhand dreier gastronomischer und wirtschaftlicher Fachbücher von 1938 und 1939 durch und prüft sie auf Okkurrenzen der von der Accademia d’Italia aufgelisteten Fremdwörter. Sie stellt fest: «molti termini stranieri non ricorrono affatto nelle fonti prese in esame [...]. Ne ricorrono invece alcuni nella forma sostituita» (155). Das zeige,
8 So ist Cardia (2008, 52) überzeugt: «riteniamo tuttora aperta la domanda relativa alle ripercussioni a livello di comportamento linguistico, determinate dalla politica linguistica del fascismo ispirata alla xenofobia e alla lotta contro gli esotismi e attuata attraverso una serie di disposizioni legislative coercitive. La principale difficoltà è legata a nostro giudizio al fatto che il materiale linguistico a disposizione si riferisce per lo più al registro scritto della lingua e legato a settori, sottoposti, per la loro stessa natura, ad un notevole controllo governativo, mentre rimane escluso il registro parlato della lingua, legato all’uso quotidiano». 9 «Si tratta [...] di 2 settimanali sportivi, di 1 rivista scientifica e di 8 quotidiani, 8 riviste e 6 riviste femminili di varie tendenze politiche» (160).
170
3 Methodische Grundlagen
«quanto poco l’uso linguistico concreto tenga conto delle direttive emanate dalla Commissione dell’Accademia d’Italia» (156). In ihrer Diplomarbeit untersucht Giulia Di Stefano (2007) die sportterminologischen Ersetzungsvorschläge der Commissione per l’italianità della lingua. Mit 365 Fremdwörtern aus der Sportterminologie stellt der Sport die größte Domäne in CIL (1941–1943) dar (85). Für ihre Studie nutzt Di Stefano eine Kombination aller drei hier vorgestellten Ansätze, wobei die Korpusanalyse im Vordergrund steht. Die Autorin untersucht die Verwendung der Fremdwörter und der in CIL 1941–1943 vorgeschlagenen Italianisierungen zum einen in der faschistischen Sportzeitschrift Il Littoriale (Jahrgänge 1927 bis 1944) und in Panzini (71935), zum anderen in einer Auswahl verschiedener Sekundär- und Primärquellen, die nach 1960 erschienen sind, u.a. das Online-Archiv der Tageszeitung Gazzetta dello sport (Jahrgänge 1997–2007). Dabei prüft sie die Präsenz der Fremdwörter und der nativen Lexeme in lexikografischen und enzyklopädischen Quellen und vergleicht die Wortfrequenzen im Archiv der Gazzetta dello sport. Die Korpusanalyse kann bei polysemen Lexemen allerdings nur ungefähre Indikationen liefern.10 Anhand dieser korpusbasierten Quellenanalyse gelangt Di Stefano zu folgenden differenzierten Schlussfolgerungen: un conteggio puramente quantitativo, che possa fornirci un quadro dai contorni netti e definiti, non è [...] possibile: se vi sono moltissimi casi in cui, in seguito alle consultazioni delle tante fonti novecentesche, si può parlare di un successo o, al contrario, di un insuccesso palese del termine italiano nei confronti del relativo forestierismo, la maggior parte delle volte ci troviamo di fronte a situazioni «sfumate», che non rientrano categoricamente in una di queste due soluzioni. Vi sono difatti casi in cui sussiste un regime di convivenza tra la parola straniera e quella italiana, usate più o meno alternativamente; casi in cui, sebbene uno dei due termini (e a volte persino entrambi) sembri, ai nostri occhi di parlanti, desueto, in realtà questo è ancora registrato nei lessici specialistici (e quindi non può dichiararsi del tutto scomparso). La vicenda di alcune italianizzazioni contenute negli elenchi, poi, si è dimostrata, attraverso la consultazione di repertori riferibili a diversi decenni del Novecento, in certo senso «altalenante», riscuotendo più fortuna in determinati periodi piuttosto che in altri. Spesso, nel corso dell’indagine, è emerso che il forestierismo ha effettivamente subìto una concorrenza da parte di una sostituzione italiana, che non era però quella indicata dai
10 Zwei Beispiele: «Nell’archivio della Gazzetta è enorme la quantità di ricorrenze di terzino (7121) paragonata a quella dell’inglese back (1070), che tra l’altro appare, nella maggior parte dei casi, in contesti non relativi al ruolo calcistico (composti inglesi come flash back, o frasi del tipo ‹x› is back, back home...)» (108). Und zu corner / calcio d’angolo / angolo: «Nell’archivio della Gazzetta, mentre non vi è traccia di corner kick, troviamo 3525 attestazioni di corner e addirittura 86506 ricorrenze di calcio d’angolo. [Fußnote:] Inutile riportare, invece, i fuorvianti risultati della ricerca del solo angolo, vista la sua polisemia» (109).
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
171
compilatori degli elenchi (mentre magari la proposta accademica è passata ad indicare un altro referente o è «emigrata» in un differente campo semantico); in ultimo, abbiamo talora qualche caso di inesattezza terminologica o di scarsa trasparenza della parola italiana o di quella straniera, per cui rimane difficile esprimere un giudizio (172).
In einigen Fällen sei nach einer längeren Phase der bevorzugten Verwendung des nativen Lexems «un certo ritorno degli anglicismi» zu beobachten (175), wie etwa bei cross vs. traversone und bei corner vs. angolo. Als Beispiele für die erwähnten Fälle, bei denen sich nicht die von der CIL vorgeschlagene Italianisierung, sondern eine andere als erfolgreich herausstellte, nennt die Autorin schivata für ducking (statt sbassata), allievo für poulain (statt pupillo), muro für schuss (statt picchiata), stile libero für crawl (statt nuoto a striscio) (176). Zudem hat Di Stefano die Verteilung der in CIL (1941–1943) für Sporttermini vorgeschlagenen Ersetzungstypen ausgewertet: Es handelt sich um 37% Lehnübersetzungen, 34% Lehnbedeutungen, 25% Paraphrasen, 3% Assimilationen sowie knapp 2% akzeptierte, unveränderte Fremdwörter (178–181). Luca Piacentini (2016a) widmet sich ebenfalls den Ersetzungsvorschlägen der Commissione per l’italianità della lingua, konzentriert sich allerdings auf die Domäne der Gastronomie, der ca. 15% der behandelten Fremdwörter angehören (154). Dazu wertet er das digitalisierte Zeitungskorpus der Tageszeitung La Repubblica (Jahrgänge 1994–2014) auf die Präsenz gastronomischer Fremdwörter und der zugehörigen Italianisierungsvorschläge aus. Diese kategorisiert er nach Ersetzungstypen (siehe 157–176). So kann Piacentini zeigen, dass grafische Assimilationen entsprechend der italienischen Aussprache (z.B. bignè für beignet), Lehnbedeutungen und morphonologische Assimilationen die gastronomischen Fremdwörter in den meisten Fällen ersetzen konnten (abzüglich der Fälle, in denen sich weder Fremdwort noch Italianisierung in La Repubblica nachweisen ließen; siehe Abb. 9). Die Ergebnisse sind aufgrund der teils geringen Fallzahlen allerdings nur bedingt aussagekräftig (so umfasst die Kategorie «adattamento grafico basato sulla pronuncia italiana» nur 8 Fälle [159], die absoluten Fallzahlen der anderen Kategorien werden nicht offengelegt). Außerdem kann Piacentini zeigen, dass sich unter den später erfolgreichen Italianisierungen, die von CIL (1941–1943) vorgeschlagen wurden, 32% bereits in den Ausgaben von Artusis populärer Koch-Enzyklopädie La Scienza in Cucina (1891–1911) zu finden waren und sogar 45% in den verschiedenen Auflagen von Panzinis Dizionario Moderno (1905–1942) (185). Damit deckt er die wichtigsten Quellen der CIL für gastronomische Termini auf. In Diciamolo in italiano. Gli abusi dell’inglese nel lessico dell’italia e incolla widmet sich Antonio Zoppetti (2017) – Autor v.a. sprachdidaktischer und sprachpflegerischer Werke – weniger der Italianisierung von Fremdwörtern infolge des FFP als den italienischen Spezifika bei der Entlehnung aus dem Englischen. Der
3 Methodische Grundlagen
71 % 23 %
59 % 53 %
35 % 45 % 55 %
36 %
%
%
% 80
70
%
Dominanz des Substituts
60
50
%
%
%
% 30
20
10
0
33 %
%
67 %
kreative Substitute
9%
%
graphische Assimilationen
23 %
33 %
0
Paraphrasen
15 %
%
morphonologische Assimilationen
18 %
90
Lehnbedeutungen
Dominanz des Fremdworts
29 %
10
graphische Assimilationen gemäß der ital. Aussprache
40
172
Obsoletismen
Abbildung 9: Erfolg der Italianisierungsvorschläge der Commissione per l’italianità della lingua für Fremdwörter der Gastronomie (nach Piacentini 2016a, 182).
Beitrag wird dennoch hier erwähnt, weil Zoppetti die historische Entwicklung von Anglizismen im Italienischen anhand von Korpusanalysen mit dem Google Ngram Viewer illustriert, einem Online-Dienst von Google, der die Frequenz beliebiger Zeichenketten im Gesamtkorpus (zwischen 1500 und 2008) grafisch darstellt, i.e. in den von Google digitalisierten Buchbeständen verschiedener Einzelsprachen.11 Dabei kann auch die Häufigkeit mehrerer Suchbegriffe verglichen werden. So kann Zoppetti beispielsweise zeigen, dass aftershave im Italienischen ab ca. 1980 von dopobarba überlagert wurde (137). Allerdings ist der Nutzen von Google Ngram Viewer für die Untersuchung einzelner Ersetzungen dadurch stark beschränkt, dass ausschließlich semasiologische Suchen möglich sind, Polysemien also nicht aufgelöst werden können. In der bedeutenden Studie Il secolo dei palloni. Storia linguistica del calcio, del rugby e degli altri sport con la palla nella prima metà del Novecento zeichnet Rocco Luigi Nichil (2018) die italienische Sprachgeschichte der MannschaftsBallsportsportarten nach und widmet sich dabei auch der Italianisierung ihrer Terminologien. Den größten Teil der Studie nimmt ein nach Sachgebieten geordnetes Glossar der Fußball- und Rugby-Terminologie ein («Lettura onomasiologica del lessico del calcio e del rugby», 101–375), für das ein umfangreiches
11 Cf. dazu das Kapitel 3.2.4.3 und den Wikipedia-Eintrag https://en.wikipedia.org/wiki/Goo gle_Ngram_Viewer [letzter Zugriff: 10.09.2020].
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
173
Korpus an Primär- und Sekundärquellen herangezogen wurde. Es umfasst u.a. die Kategorien «Gli sport e i loro protagonisti», «La partita», «I ruoli in campo», «La preparazione», «I falli». Während somit makrostrukturell ein onomasiologischer Zugriff angeboten wird, erfolgt der lexikografische Zugriff unterhalb dieser Kategorien semasiologisch, denn nicht Konzepte, sondern Lexeme werden lemmatisiert. Synonymien zwischen Fremdwörtern und nativen Lexemen werden durch Verweise erkennbar gemacht, z.B. s.v. Hands, s.m. durch «→ Fallo di mano (s.v. Fallo)» am Ende des Artikels (353). Dank der detaillierten semantischen, pragmatischen und sprachgeschichtlichen Angaben sowie der zahlreichen Belege aus Zeitungen und lexikografischen Quellen stellt Nichil (2018) das bislang vollständigste historische Wörterbuch der Fußball- und Rugbysprache dar. In der sprachhistorischen Analyse legt Nichil einen Schwerpunkt auf die Opposition zwischen Fremdwörtern und nativen Lexemen während des Faschismus und versucht, diese auch numerisch zu erfassen. So werden die Okkurrenzen von rugby und palla ovale in drei Zeitschriften erhoben und in ein Verhältnis gesetzt. Dieses variiert laut den Erhebungen stark: Während rugby beispielsweise in Il Littorale im Jahr 1936 genauso häufig wie palla ovale verwendet wird (1:1), beträgt das Verhältnis im Jahr 1942 24:1. Der diachronische Vergleich dieser Verhältnisse erweist sich dabei als ein relevantes Maß, um den Erfolg von Lexemen zu bestimmen. Allerdings führt Nichil eine solche Erhebung an keinem anderen Beispiel durch – vermutlich, weil bereits das Paar rugby : palla ovale zeigt, dass für eine Frequenzanalyse nur diejenigen Verwendungen berücksichtigt werden können, bei denen tatsächlich Synonymie besteht: «Va detto sin dall’inizio [...] che i dati forniti hanno valore orientativo, poiché soprattutto davanti a grandi numeri non è possibile stabilire quante attestazioni di rugby o di palla ovale facciano davvero riferimento al nome dello sport, e non, ad esempio, alla città di Rugby o alla palla con cui si pratica la disciplina» (37, Fn.). Tatsächlich weisen die meisten nativen Lexeme, die Nichil für die Fußball- und Sportterminologie aufführt, Polysemien auf. Fazit: Alle vorgestellten Studien nutzen den korpusbasierten Ansatz ergänzend zu Wörterbuchanalysen. Während Klein (1986), Di Stefano (2007) und Piacentini (2016a) einzelne Fachwortschätze (Wirtschaft, Sport, Gastronomie) in CIL (1941–1943) untersuchen und andere puristische Quellen des FFP nur am Rande betrachten, hat Risk (1976) systematisch auch weitere puristische Quellen berücksichtigt und die Gebrauchshäufigkeit der Fremdwörter und ihre Sachbereiche als Auswahlkriterium herangezogen. So kommt sie zum Ergebnis, dass 68,3% der Fremdwörter bis in die 1970er Jahre erhalten wurden, während 21,3% selten und 10,4% ersetzt/obsolet geworden waren (eigene Berechnung anhand der Rohdaten in Risk 1976, passim). Mit diesen Ergebnissen scheinen die Möglichkeiten der Korpusanalyse jedoch noch nicht ausgeschöpft. Desiderat bleibt eine genauere längsschnittliche
174
3 Methodische Grundlagen
Korpusanalyse, die die Entwicklung der onomasiologischen Konkurrenz zwischen Fremdwörtern und nativen Lexemen diachronisch nachzeichnet und präziser die von Di Stefano (2007) erwähnten «regimi di coesistenza tra forestierismo e parola italiana» (174) erfasst. Dazu bedarf es einer geeigneten Operationalisierung und Quantifizierung der onomasiologischen Konkurrenz. Ein solches quantifizierbares Maß könnte Fragen zur diachronischen Variation beantworten (In welchen Zeitabschnitten war das Fremdwort dominant? Wann kam es ggf. zur Substitution des Fremdworts?), auch zur Variation der Fremdwörter untereinander (Gibt es gemeinsame Merkmale zwischen Fremdwörtern, die dauerhaft ersetzt wurden? Ist bei allen Fremdwörtern ein geringerer Gebrauch während des Faschismus nachweisbar? etc.). Einen Ansatz dafür liefert Nichil (2018) am Beispiel von rugby und palla ovale mit der Bestimmung eines Häufigkeitsverhältnisses in der Verwendung über einen längeren Zeitraum. Dabei ist allerdings das zentrale Problem aller vorgestellten Studien zu lösen, nämlich, dass eine solche Analyse die semantische Disambiguierung der polysemen Lexeme erfordert. Ein weiteres Desiderat ist die Aufklärung, inwieweit die Italianisierung älterer Fremdwörter bereits vor Beginn des faschistischen Purismus stattfand. Denn die Hypothese, dass ein Teil der Fremdwörter, die Ziel des FFP waren, bereits zu dieser Zeit kaum noch üblich waren oder es auch vorher nicht gewesen sind, aber den Akteuren des FFP dazu dienten, ihren puristischen Bestrebungen mehr «Substanz» zu geben, wurde bereits mehrfach geäußert (cf. 2.1.6). Wenn beispielsweise Di Stefano zu den Ersetzungsvorschlägen der CIL für entlehnte Fußballtermini erklärt, «[s]e guardiamo alla terminologia calcistica, a parte i casi di dribbling e stop, tutte le 17 italianizzazioni proposte possono considerarsi riuscite» (2007, 177), stellt sich die Frage, ob die Vorschläge der CIL nicht lediglich die zu der Zeit bereits üblichsten Bezeichnungen wiedergaben, sie also weniger «Ersetzungserfolgen» entsprachen als einer guten Beobachtung des realen Sprachgebrauchs. Berücksichtigt werden sollte auch, dass eine korpusbasierte Erhebung der Fremdwort-Frequenzen nur dann nützliche Ergebnisse liefern kann, wenn ein geeignetes Vergleichsmaß angelegt wird. Die bloße Summe der Tokens ist wenig aussagekräftig, da sie von unterschiedlichen Faktoren abhängt – u.a. der Größe und Zusammensetzung des Korpus – und die Analyse somit leicht verzerrt werden kann (cf. Zenner et al. 2012, 752–754 und 3.1.4). Grundsätzlich sind die bisherigen korpusbasierten Ansätze noch vage in Bezug auf die Definition, was als «Erfolg» eines Fremdworts oder eines nativen Ersatzlexems zu definieren ist. Da gerade die Korpuslinguistik die Möglichkeit zur Quantifizierung bietet, ist zu prüfen, wie ein Maß «lexikalischen Erfolgs» definiert, operationalisiert und erhoben werden kann.
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
175
3.1.3 Befragungsbasierter Ansatz Sprecherbefragungen, die die Kenntnis und den Gebrauch von Fremdwörtern12 erheben, gehören zu den selten genutzten Erhebungsmethoden, obwohl sie gerade in Bezug auf den mündlichen Sprachgebrauch und das kognitive Lexikon der Sprecher Erkenntnislücken schließen könnten. Je nach Forschungsdesign (querschnittlich oder längsschnittlich) können sie auch Aufschluss über diachrone Variation geben. Vermutlich aufgrund des hohen Aufwands von Sprecherbefragungen haben unter den berücksichtigten Studien nur Risk (1976) und Di Stefano (2007) darauf zurückgegriffen, allerdings mit einer geringen Probandenzahl. In Ergänzung der lexikografisch und korpusanalytisch erhobenen Ergebnisse und mit dem Ziel, verlässliche Daten zur Verbreitung der 240 Fremdwörter in der gesprochenen und geschriebenen Sprache zu erhalten, hat Risk (1976) auf eine Befragung von italienischen Muttersprachlern zurückgegriffen: «sono stati intervistati 11 soggetti, di varia età e provenienti da varie regioni italiane, a cui è stato chiesto mediante un apposito questionario di specificare la loro familiarità con ognuna delle 240 voci» (158–159). Der Fragebogen bezog sich nicht nur auf die Kenntnis der Fremdwörter (inklusive deren Bedeutung und Aussprache), sondern auch auf deren wahrgenommene Frequenz im Sprachgebrauch sowie auf diastratische und diaphasische Besonderheiten der Verwendung. Wenn die Befragten angaben, ein Fremdwort sei typisch für den Sprachgebrauch von Sprechern über 50 Jahren oder werde ausschließlich in Fachsprachen verwendet, interpretierte Risk dies als Indikator für einen nachlassenden Gebrauch und ein «Veralten» des Lexems. Die Ergebnisse der Befragung flossen in Risks Auswertung zum Erfolg der puristischen Intervention des FFP ein (s.o.) und liefern genau die pragmatischen und diachronischen Informationen, die die von Risk konsultierten Wörterbücher der Nachkriegszeit vermissen ließen. Di Stefano (2007) hat eine explorative Befragung zu 65 Fremdwörtern aus der Fachsprache des Tanzes durchgeführt, für die die CIL Ersetzungen vorgeschlagen hatte. Dafür hat sie vier Lehrkräfte einer römischen Tanzschule per Fragebogen zu ihrer bevorzugten lexikalischen Wahl befragt (Fremdwort oder Italianisierung aus CIL 1941–1943). Dabei habe sich «senza dubbio alcuno, il dominio dei francesismi ed il sostanziale fallimento delle proposte accademiche» bestätigt (181). Fazit: Beide Untersuchungen – besonders diejenige von Di Stefano – haben aufgrund der Zusammensetzung und der Anzahl der Befragten nur indikativen,
12 Explizit nicht gemeint sind damit Befragungen zu Sprechereinstellungen gegenüber Fremdwörtern, die einen eigenen Forschungsgegenstand darstellen (cf. zum Deutschen Eisenberg 2018, 12–13).
176
3 Methodische Grundlagen
explorativen Charakter ohne Anspruch auf Übertragbarkeit. Grundsätzlich sind Sprecherbefragungen methodisch vielversprechend und imstande, die Dunkelzonen anderer Ansätze (mündlicher Sprachgebrauch, kognitives Lexikon, Einstellungen) zu beleuchten. Berücksichtigt die Befragung unterschiedliche Altersklassen, sind auch ohne längsschnittliches Design Rückschlüsse auf die diachronische Entwicklung möglich. Allerdings sind Sprecherbefragungen zu Sprachwandelprozessen, die vor 70 Jahren oder noch früher einsetzten, heute nicht mehr sinnvoll.
3.1.4 Konzeptbasierter Ansatz Eine Alternative bzw. eine Weiterentwicklung der bisher vorgestellten Methoden stellt der konzeptbasierte Ansatz der Kognitiven Kontaktlinguistik dar. Er kam bislang vorrangig in der Anglizismenforschung zur Anwendung13 und wurde noch nicht auf den italienischen Wortschatz angewandt. Die Kognitive Kontaktlinguistik untersucht sprachkontaktinduzierte Wandel- und Variationsphänomene strikt gebrauchsorientiert, also korpusbasiert und mithilfe quantitativer Methoden, und bezieht dabei Erkenntnisse der Kognitiven Linguistik und der Soziolinguistik ein (cf. Zenner et al. 2018). Ein Problem, dem in den bisherigen Studien zur Wirkung des FFP noch nicht genügend Rechnung getragen wurde, ist das der Polysemie der untersuchten Lexeme. Dem liegt eine substanziell semasiologische Perspektive auf Sprachwandel zugrunde. Während Fremdwörter innerhalb der sprachkontaktinduzierten Lexemkonkurrenz von Polysemie kaum betroffen sind (da Polysemie bei Fremdwörtern nicht auf einen einzelnen Entlehnungsvorgang zurückgeführt werden kann, sondern auf Mehrfachentlehnung oder ZS-interne Bedeutungserweiterung – wie unter 2.1.2 beschrieben), kommt sie bei nativen Lexemen häufig vor, bei bedeutungsbasierten Substitutionen sogar zwangsläufig. Weil zur Beantwortung der Forschungsfrage gerade die Variation des Zeichenausdrucks (fremd vs. nativ) zu untersuchen ist, muss der Zeicheninhalt «konstant» bleiben. Die Untersuchung des Erfolgs von Lehnwörtern ist also grundsätzlich «nur in einer onomasiologischen, konzeptbasierten Perspektive möglich» (Winter-Froemel 2011, 232, Fn. 4) und sollte «the relative diffusion of the loanword as well as the diffusion of the native equivalent» (2014, 92) berücksichtigen. Im Vorwort des Sammelbands New Perspectives on Lexical Borrowing: Onomasiological, Methodological and Phraseological Innovations kritisieren Zenner/
13 Zu früheren Anwendungen des onomasiologischen Ansatzes in der Lexikologie und in der Kognitiven Linguistik cf. Zenner et al. (2012, 754).
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
177
Kristiansen (2014) die eingeschränkte Perspektive der bis dato vorrangig strukturalistisch und semasiologisch orientierten Entlehnungsforschung, die methodisch deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückstehe: Currently, researchers rely on small corpora, observations from dictionaries or ad hoc created samples of personal observations (often without being clear on the sources from which these observations are drawn). [...] Considering the limited amount of data used, it is hard for researchers to draw reliable empirical conclusions concerning their research questions and hypotheses. Moreover, given the restriction in size, researchers usually refrain from conducting (advanced) quantitative analysis. As such, it is hard to determine to what extent the patterns found in a given dataset can be extrapolated to the linguistic community at large. Finally, most empirical approaches rely on (written or spoken) corpora: experimental designs are surprisingly scarce, and studies aiming to combine results from such experimental approaches with corpus-based research [...] are to our knowledge absent altogether (5).
Ausgangspunkt des konzeptbasierten Ansatzes ist nach Speelman et al. (2003) die onomasiologische Variation, also «the use of different synonymous terms for referring to the same concept» (318). Entscheidend sei aber nicht nur, welche der alternativen Ausdrucksvarianten verwendet würden, sondern auch wie häufig. Denn mit einem Maß, dass die Bevorzugung eines Lexems gegenüber anderen – und somit seinen «Erfolg» – quantifiziert, seien auch weitergehende multifaktorielle und inferenzstatistische Untersuchungen möglich (323 und Zenner/Kristiansen 2014, 9). Der konzeptbasierte Ansatz hat auch deswegen Vorteile gegenüber semasiologisch orientierten Frequenzanalysen, weil so zwischen der Häufigkeit von Ausdrücken und der Häufigkeit von Konzepten unterschieden werden kann (Speelman et al. 2003, 323). Das sei deswegen bedeutsam, weil die Frequenz von Lexemen sowohl mit der onomasiologischen Präferenz als auch mit der Zusammensetzung des jeweiligen Korpus korrelieren kann (325), z.B. variiert die Häufigkeit von Konzepten in Korpora mit bestimmten Themen, «Moden», fachlichen Schwerpunkten etc., und ist somit (auch) sprachextern zu begründen. Daher kann der Erfolg oder Misserfolg eines Lexems in einem spezifischen Korpus auf der Grundlage absoluter Frequenzdaten noch nicht differenziert genug beurteilt werden, außer wenn ein geeignetes Vergleichsmaß vorliegt (Zenner 2012, 753). Wird die Häufigkeit eines Lexems in einer bestimmten Bedeutung jedoch in Relation zur Summe aller synonym verwendeten Tokens gesetzt, kann die onomasiologische Variation der verschiedenen Ausdrücke ohne solche Verzerrungen untersucht werden, wie Zenner/Kristiansen (2014) betonen: the frequencies of the loanwords should be combined with some type of set-external proof. One possibility is to introduce a concept-based success-measure, in which the existence of alternative (receptor language) expressions is taken into account when quantifying the success of a loanword (7; cf. auch Zenner et al. 2012, 753).
178
3 Methodische Grundlagen
Zur Illustration des konzeptbasierten Ansatzes sei eine Fallstudie zum Erfolg von Anglizismen im Niederländischen von Zenner et al. (2012) erwähnt. Ausgewählt wurden 149 aus dem Englischen entlehnte Nomina Agentis wie workaholic, dandy, manager. Von einem Erfolg des Anglizismus sprechen Zenner et al. dann, wenn das Fremdwort das jeweilige Konzept in mehr als 50% der Fälle bezeichnet, auch wenn die absolute Token-Frequenz gering ist. Der prozentuale Anteil an der Bezeichnung des Konzepts wird als «success rate» definiert und dient auch der Identifikation von Einflussfaktoren des Erfolgs: «Once these success rates are gathered for a number of anglicisms, the question is how variation in these success rates (e.g. 58% for jeans vs. 90% for babysit) can be explained» (Zenner et al. 2012, 753). Die Erfolgsquote von Anglizismen gegenüber nativen Synonymen fungiert in dieser Fallstudie somit als abhängige Variable. Als unabhängige Variablen wurden eine Reihe von potenziellen Einflussfaktoren der onomasiologischen Variation geprüft: relative Wortlänge («speech economy»), Wortfeld («lexical field»), Entlehnungszeitraum («era of the borrowing event»), Katachrese («luxury and necessary loans»), Frequenz in der AS («source language frequency»), Frequenz in der ZS («receptor language frequency»), diachronische, diaphasische und diatopische Variation zwischen flämischem und holländischem Niederländisch («diachronic pattern», «register variation», «diatopic variation») (765). Die Autoren der Studie fanden heraus, dass diejenigen Anglizismen im Niederländischen am erfolgreichsten waren, die 1. die kürzeste und somit effizienteste Bezeichnung für das Konzept darstellten; 2. zur Bezeichnung eines seltenen Konzepts dienten,14 3. als Bedürfnislehnwörter in das Niederländische entlehnt wurden und bereits lexikalisiert waren, bevor niederländische Synonyme gebildet wurden, 4. Teil eines Sachgebiets waren, das besonders stark von der angloamerikanischen Kultur geprägt ist (insbesondere Medien/IT, Sport/Freizeit). Ein Zusammenhang zwischen der Erfolgsquote und euphemistischer Funktion bzw. regionalen Unterschieden (Belgien/Niederlande) konnte dagegen nicht nachgewiesen werden (782). Somit sei der Erfolg von Anglizismen nur multifaktoriell zu erklären: «the success of borrowing processes turns out to be determined simultaneously by processing factors (the relative length of the loan word), by usage factors (the frequency of the concept), by conceptual factors (the presence of a lexical gap), and by cultural factors
14 Was Zenner et al. (2012, 774) folgendermaßen interpretieren: «more entrenched concepts can be considered to be part of our core vocabulary, which makes them more resistant to successful borrowed alternatives». Dabei könnte allerdings Polysemie – eine typische Eigenschaft hochfrequenter Lexeme – als Hintergrundvariable gewirkt haben: «chances are that the current dataset shows an underrepresentation of polysemous highly-frequent lexemes. Consequently, the pattern found for concept frequency might in part be influenced by the fact that the low frequency concepts contain more polysemous items than the high frequency concepts» (775).
3.1 Methodische Ansätze zur Prüfung von Fremdwortsubstitutionen
179
(the link with global Anglo-American culture)» (783). Die Studie von Zenner et al. (2012) zeigt damit, dass der konzeptbasierte Ansatz nicht nur eine verlässliche empirische Grundlage für die Beurteilung lexikalischen Erfolgs bietet, sondern sich auch zur Exploration und Theoriebildung von dessen Einflussfaktoren anbietet. Daher soll diese Studie als Modell für die vorliegende Untersuchung dienen. Fazit: Beim konzeptbasierten Ansatz werden fremde und native Synonyme und ihre jeweiligen Vorkommenshäufigkeiten als onomasiologisches Profil zusammengefasst. Der Erfolg der einzelnen Lexeme entspricht dabei dem größten Anteil unter allen Konzeptrealisierungen. Dabei sind zwei Voraussetzungen zu beachten: Zum einen dürfen nur diejenigen Okkurrenzen berücksichtigt werden, die tatsächlich synonym verwendet werden. Dafür bedarf es ggf. der semantischen Disambiguierung polysemer Korpustreffer, was bisher allerdings nur teilautomatisiert realisiert werden kann (cf. Zenner et al. 2012, 764). Zum anderen sind sämtliche synonym verwendeten Ausdrucksvarianten zu berücksichtigen. Auch dieser Voraussetzung kann nur korpusanalytisch begegnet werden, da Synonymie erst im Sprachgebrauch aktualisiert wird (cf. 2.1.4.2). Die Anwendung des korpusbasierten Ansatzes erfordert also: 1. die Festlegung der zu untersuchenden Konzepte; 2. die Bestimmung möglichst aller Ausdrucksvarianten, die zur Bezeichnung des Konzepts im Sprachgebrauch verwendet wurden; 3. die semantische Disambiguierung dieser einzelnen lexikalischen Einheiten im Korpus; 4. die korpusbasierte Erhebung der entsprechenden Okkurrenzen; 5. die Berechnung der Anteile der einzelnen lexikalischen Einheiten an der Summe aller synonymen Okkurrenzen; 6. bei einem längsschnittlichen Design, das auch die diachronische Variation berücksichtigt, sind die Schritte 2 bis 5 für zwei bzw. mehrere Messzeiträume durchzuführen. Damit kann der konzeptbasierte Ansatz die unter 3.1.2 erwähnten methodischen Desiderata erfüllen. Er soll zur Beantwortung folgender, in den präsentierten Studien noch offen gebliebenen Fragen dienen: – Wie erfolgreich waren die vom FFP kritisierten Fremdwörter gegenüber ihren nativen Synonymen vor, während und nach dem Faschismus? Wie erfolgreich waren die Ersetzungsvorschläge des FFP? – In welchen Zeitabschnitten war das Fremdwort die häufigste Bezeichnungsalternative? Wenn es zu einer Fremdwortsubstitution kam, wann erfolgte diese? – Welche generellen Entwicklungstendenzen weist der Fremdwortschatz im Untersuchungszeitraum auf?
180
3 Methodische Grundlagen
– Fand die Italianisierung bei älteren Fremdwörter bereits vor 1923 statt, also bevor der Fremdwortpurismus legislativ und sprachpolitisch verschärft wurde? – Mit welchen sprachinternen und -externen Faktoren steht die Fremdwortsubstitution in Zusammenhang?
3.2 Untersuchungsdesign 3.2.1 Untersuchungsplanung nach dem Mixed-Methods-Ansatz Die Diskussion der methodischen Ansätze hat gezeigt, dass die zentrale Forschungsfrage – Wie veränderte sich der italienische Fremdwortschatz zwischen 1920 und 1970 und inwieweit ist die Veränderung auf die puristische Intervention des FFP oder auf andere Faktoren zurückzuführen? – durch einen einzigen methodischen Zugang nicht befriedigend beantwortet werden kann. Stattdessen sollte der Zugang zu Sprachwandelprozessen verschiedene Perspektiven und Methoden integrieren. Die bislang differenziertesten Ergebnisse zur Fremdwortsubstitution im Italienischen lieferten daher Studien, die lexikografische, korpus- und befragungsbasierte Methoden kombinierten (Risk 1976 und Di Stefano 2007). Der konzeptbasierte Ansatz ist quantitativ angelegt, setzt allerdings qualitative lexikologische und sprachhistorische Analysen voraus, um die notwendige Datenqualität zu erlangen. Daher umfasst die geplante Untersuchung sowohl quantitative als auch qualitative Methoden. Ziel der Untersuchungsplanung ist es, einen methodischen Rahmen zu schaffen, der diese unterschiedliche Zugänge und Methoden integriert. Dafür bietet sich der sog. Mixed-Methods-Ansatz an (Kuckartz 2014, Döring/Bortz 2016). Unter Mixed-Methods wird die Kombination und Integration von qualitativen und quantitativen Methoden im Rahmen des gleichen Forschungsprojekts verstanden. Es handelt sich also um eine Forschung, in der die Forschenden im Rahmen von ein- oder mehrphasig angelegten Designs sowohl qualitative als auch quantitative Daten sammeln. Die Integration beider Methodenstränge, d.h. von Daten, Ergebnissen und Schlussfolgerungen, erfolgt je nach Design in der Schlussphase des Forschungsprojektes oder bereits in früheren Projektphasen (Kuckartz 2014, 33).
Pragmatische Erwägungen stehen bei der Wahl des Mixed-Methods-Ansatzes im Vordergrund: Alle Methoden, die zur Beantwortung der Forschungsfrage
3.2 Untersuchungsdesign
181
«funktionieren», dienen dem Erkenntnisgewinn (ders., 35). Dabei bietet der Mixed-Methods-Ansatz folgende Vorteile (54 und 69–70): – die Integration qualitativer und quantitativer Ansätze ermöglicht detailreichere, vollständigere Ergebnisse und eine erweiterte Perspektive auf das Forschungsproblem; – die Untersuchung ein und derselben Forschungsfrage mit unterschiedlichen Methoden kann zur Triangulation genutzt werden, also der Bestätigung (oder Widerlegung) von Ergebnissen einer qualitativen Teilstudie durch eine quantitative Teilstudie oder umgekehrt; – qualitative Forschungsergebnisse erhalten durch quantitative Analysen größere Aussagekraft und ggf. Generalisierbarkeit; – quantitative Forschungsergebnisse können durch qualitative Befunde, die Details bzw. Einzelfälle fokussieren, besser kontextualisiert werden, ihre Interpretation wird so erweitert und vertieft. Folgende Aspekte sind zur Untersuchung der Forschungsfragen zu berücksichtigen: (1) Die puristische Intervention des FFP Die puristische Intervention während des Faschismus wurde in ihrer Entwicklung sowie in ihren institutionellen, journalistischen, lexikografischen und sonstigen Beiträgen unter 2.2 dargestellt. Dabei wurde als Zeitrahmen der puristischen Intervention nicht nur die campagna per l’autarchia della lingua berücksichtigt (ca. 1938–1943), sondern auch die bereits zuvor erschienenen fremdwortpuristischen Quellen seit der faschistischen Machtübernahme. Mithilfe dieses erweiterten Zeitrahmens soll geprüft werden, wann die Italianisierungen erstmals aufkamen: Wurden erfolgreiche Ersatzlexeme vom FFP geprägt oder zirkulierten sie bereits vor dem Faschismus? Haben die Akteure der FFP zu einer Bereicherung des italienischen Wortschatz beigetragen, indem sie Neologismen entwickelten, die in den Sprachgebrauch übergingen oder verlief die Italianisierung unabhängig von der puristischen Intervention? Diesen Fragen soll für eine Auswahl von Konzepten der Sportsprache in Kapitel 4 nachgegangen werden. Darüber hinaus ist zu prüfen, wie gebräuchlich die Fremdwörter, die während des FFP ersetzt werden sollten, tatsächlich waren: Kann die Hypothese, ein großer Anteil der kritisierten Fremdwörter sei nicht oder nur marginal üblich gewesen (cf. 2.2.3.7) bestätigt werden? Dafür wird unter 4.2 der Gebrauchsstatus der kritisierten Fremdwörter während des Zeitraums 1900 bis 1944 geprüft.
182
3 Methodische Grundlagen
(2) Onomasiologische Variation im italienischen Fremdwortschatz der Sportsprache Um Wirkungen bestimmter Einflüsse zu messen, ist ein längsschnittliches Untersuchungsdesign notwendig (Kuckartz 2014, 95), bei dem Daten unterschiedlicher Messzeiträume erhoben werden. Die Untersuchung des Fremdwortgebrauchs im Italienischen am Beispiel der Sportterminologie wird daher längsschnittlich konzipiert. Im Zentrum stehen dabei die Fragen, wie entlehnte und native Lexeme im Zeitraum 1920–1970 onomasiologisch variierten und inwiefern es zu Fremdwortsubstitutionen kam. Die Operationalisierung lexikalischer Substitution wird unter 3.2.2 erläutert. Anhand einer Auswahl von Konzepten der Sportsprache (cf. 3.2.4) werden onomasiologische Profile erstellt (3.2.5), die in Kapitel 4 auf Zeitpunkt, Modi und Einflussgrößen der Italianisierung bzw. des Erhalts von Fremdwörtern analysiert werden. Dabei finden lexikologische, pragmatische und sachgeschichtliche Aspekte Berücksichtigung. In der Auswertung der Longitudinalstudie werden die Befunde kategorisiert und Hypothesen zu den Einflussfaktoren von Ersetzung formuliert. Anhand der Ergebnisse der Datenanalyse sollen folgende Fragen beantwortet werden (Kapitel 4 und 5): Wie gebräuchlich waren die vom FFP kritisierten Fremdwörter während des Faschismus, davor und danach? Wie hoch ist der Anteil der ersetzten bzw. der beständigen Fremdwörter? Im Fall einer Fremdwortsubstitution: Wann genau erfolgte diese? Welche Italianisierungsvorschläge des FFP konnten Fuß fassen ohne bereits vorher die üblichere Ausdrucksvariante gewesen zu sein? Welche weiteren lexikalisch-semantischen Veränderungen sind bei den entlehnten Sporttermini zu beobachten? (3) Einflussfaktoren der Italianisierung Anhand der Befunde der Longitudinalstudie soll geprüft werden, ob sich systematische Unterschiede zwischen ersetzten und dauerhaft erhaltenen Fremdwörtern feststellen lassen. Entsprechende, induktiv gewonnene Hypothesen zu Einflussfaktoren der Fremdwortsubstitution in der Sportsprache werden in Kapitel 5 diskutiert und geprüft. Ausgehend von der Annahme, dass der Erfolg von Fremdwörtern nur multifaktoriell erklärt werden kann (cf. Zenner et al. 2012, 749–750), sollen sprachinterne und -externe Faktoren berücksichtigt werden: Welche Rolle spielten für die Ersetzung Eigenschaften der Fremdwörter wie z.B. Wortlänge, Alter, Ausgangssprache und Frequenz einerseits und die Ersetzungsform und das Alter des nativen Lexems andererseits? Abb. 10 stellt den Aufbau der Untersuchung und die Verknüpfung qualitativer Methoden (grün dargestellt) und quantitativer Methoden (blau) der Datenerhebung, Datenanalyse und Datenauswertung grafisch dar. Wie daraus ersichtlich ist, erfolgt die Methodenintegration nicht nur im Zuge der Auswertung, sondern bereits während der Datenanalyse: Die erhobenen Korpusdaten zur onomasiologischen
Stichprobe (104 Sportkonzepte)
lexikalische Analyse (longitudinal)
Kategorisierung Hypothesenbildung
Quellen des FFP
Quellenanalyse Substitutionsanalyse
Quellenauswertung Substitutionstypologie
qualitative Forschungsfragen
Integration Interpretation
Variablen, Prädiktoren
DATENAUSWERTUNG
DATENANALYSE
Quantifizierung
DATENERHEBUNG
Konzeption
deskriptive Statistik Unabhängigkeitstests
onomasiol. Stärke
Frequenzanalyse onomasiol. Variation
quantitative Forschungsfragen
Analyse des Gebrauchsstatus
Gebrauchsstatus kritisierter Fremdwörter
3.2 Untersuchungsdesign
Abbildung 10: Darstellung des Untersuchungsdesigns nach dem Mixed-Methods-Ansatz.
183
184
3 Methodische Grundlagen
Variation werden einerseits lexikologisch analysiert, andererseits prozentual quantifiziert (siehe 3.2.2.1). Die Korpusdaten sind Grundlage für Kategorisierungen und Hypothesen, die wiederum zur Auswertung der Daten bzw. für statistische Unabhängigkeitstests verwendet werden. Bei der Interpretation der Daten wird zudem auf die Ergebnisse der Quellen- und der Substitutionsanalyse sowie der Analyse des Gebrauchsstatus zurückgegriffen. Die Methodenkombination ist für das Forschungsanliegen deswegen sinnvoll, weil es sich um eine Primärstudie handelt, bei der quantitativ erhobene Daten ausgewertet werden sollen, deren Erhebung und Interpretation qualitative Analyseschritte erfordert. Dies betrifft u.a. die semantische Disambiguierung der Korpustreffer, die Identifikation von Synonymen und die Bestimmung des Substitutionstypus. Um den Wert der Datenerhebung zu erhöhen, wurde die Untersuchung so konzipiert, dass die Daten zusätzlich für statistische Methoden in Form bivariater Analysen und Signifikanztests angewandt werden können. Durch die Kombination soll zudem die Validität der Befunde verbessert werden. Damit entspricht das Untersuchungskonzept dem sog. parallelen verschachtelten MixedMethods-Design (cf. Kuckartz 2014, 67–68), wobei die qualitative Teilstudie den Schwerpunkt bildet und durch quantitative Methoden ergänzt wird. Die Ergebnisse der einzelnen Teilstudien werden in den Zusammenfassung der einzelnen Kapitel und unter 6 aufeinander bezogen und integriert.
3.2.2 Operationalisierung Die zentralen Konstrukte der Untersuchung – ‹Fremdwort›, ‹Konzept›, ‹Italianisierung›, ‹onomasiologische Stärke› und ‹Italianisierungsstatus› – sind zunächst zu operationalisieren, also in messbare Variablen zu überführen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Klärung, was in der vorliegenden Arbeit unter Erfolg verstanden wird, da dieser Begriff in der Literatur sowohl in Bezug auf puristische Intervention als auch in Bezug auf Lexeme verwendet wird. 3.2.2.1 Onomasiologische Stärke und Lexemerfolg Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand ist zwischen drei Verwendungen des Begriffs Erfolg zu differenzieren: (1) Erfolg des faschistischen Fremdwortpurismus In vielen Studien zum FFP spielt die Frage nach dem Erfolg der puristischen Maßnahmen zur Ersetzung von Fremdwörtern eine Rolle. Erfolg wird dabei im Sinne des ‘Eintretens einer beabsichtigten Wirkung’ verstanden. Gemessen an
3.2 Untersuchungsdesign
185
den Zielen der puristischen Initiativen beantworten viele Forscher die Frage nach dem Erfolg negativ (cf. 2.1.5.3). Da es sich, wie gezeigt wurde, weniger um linguistisch als um ideologisch bzw. politisch motivierte Ziele handelte, ist bei der Anwendung des Erfolgs-Begriffes im wissenschaftlichen Diskurs allerdings Vorsicht geboten: Zum einen kann die Verwendung des Erfolgs-Begriffes als mangelnde Distanz bzw. Neutralität gegenüber politischen Zielen interpretiert werden, zum anderen ist die Dichotomie Erfolg/Misserfolg in Bezug auf die faschistische Politik wenig ergiebig, weil sie nicht dazu beiträgt, historische Entwicklungen in Ursache und Wirkung zu erklären. Das verdeutlichen Bernhard/ Klinkhammer (2017) mit Bezug auf das soziale Projekt des Faschismus, den uomo nuovo zu erschaffen: Non è nostra intenzione [...] dare risposte al dibattito sul successo, o mancato successo, del regime nel creare l’«uomo nuovo». La dicotomia fallimento/successo rischia di essere poco fruttuosa, poiché ambedue i termini contrapposti non riescono a spiegare come e perché il regime si sia potuto evolvere fino alla dittatura totalitaria e affermarsi per un ventennio, crollando, però, nel 1943 senza alcuna reazione e [quindi si tratta di] un crollo che crea degli interrogativi anche sulla consistenza del ‹consenso› negli anni del regime (13–14).
Übertragen auf die puristische Sprachpolitik des Faschismus steht auch hier nicht die Frage nach Erfolg oder Misserfolg der Fremdwortpolitik im Vordergrund, sondern jene, ob und in welchem Umfang ein Einfluss des FFP im Sprachgebrauch evidenzbasiert belegt werden kann. Im Folgenden wird daher nicht vom Erfolg, sondern vom Einfluss des FFP gesprochen. Dieser kann nur indirekt bestimmt werden. Als Indikatoren für einen Einfluss des FFP können gelten: – Ersetzungsvorschläge, die zwischen 1922 und 1943 erstmals belegt sind, treten in onomasiologische Konkurrenz zu einem synonymen Fremdwort; – Ersetzungsvorschläge, die von Quellen des FFP genannt werden, werden nach 1945 häufiger als vor dem Faschismus zur Bezeichnung derselben Konzepte verwendet; – Fremdwörter, die die Quellen des FFP ersetzen wollten, werden nach 1945 seltener verwendet; – es kann ein statistischer Zusammenhang zwischen der Nennung eines Ersetzungsvorschlags in den Quellen des FFP und seiner bevorzugten Verwendung nachgewiesen werden. (2) Onomasiologischer Erfolg von Lexemen Davon zu unterscheiden ist der Erfolg eines Lexems, das häufiger als mit ihm konkurrierende Synonyme verwendet wird. Wörtern Erfolg zuzuschreiben, ist als anthropomorphe Metapher zu verstehen, denn lexikalische Einheiten verfolgen selbstverständlich keine Ziele. Ein zentrales Konstrukt ist ‹lexikalischer Erfolg› beispielsweise in der Studie von Zenner et al. (2012) («Cognitive Sociolinguistics
186
3 Methodische Grundlagen
meets loanword research: Measuring variation in the success of anglicisms in Dutch»). Darin bezieht sich «success» auf die überwiegende Verwendung eines Lehnworts, das in Konkurrenz zu synonymen Ausdrücken steht: «The success of a loanword is defined as the relative preference for the anglicism vis-à-vis existing synonymous expressions [...]. As such, low frequency is not necessarily equated with low success» (753). Erfolg bezeichnet hierbei also Dominanz bzw. Salienz15 eines Lexems gegenüber alternativen, konkurrierenden Ausdrücken, die sich in höherer relativer Frequenz misst. Dieses Maß bezeichnen Zenner et al. (2012) als «success rate».16 Auch auf diese zweite Verwendung des Begriffes Erfolg soll in der vorliegenden Arbeit verzichtet und stattdessen der Begriff der onomasiologischen Stärke verwendet werden. Darunter wird die relative Häufigkeit eines Lexems zur Bezeichnung eines bestimmten Konzepts gegenüber synonymen Ausdrucksalternativen verstanden. Wenn dagegen darauf referiert werden soll, dass ein Lexem die dominante Ausdrucksvariante zur Bezeichnung eines Konzepts darstellt (z.B. die Dominanz von besciamella gegenüber den Synonymen béchamel und balsamella im Gegenwartsitalienischen), wird von (onomasiologischer) Salienz bzw. von einem salienten Lexem gesprochen. Salienz wird aus synchronischer Perspektive betrachtet. Am Beispiel BOXER ‘Sportler, der Boxkämpfe ausführt’ soll die Operationalisierung illustriert werden. Für BOXER lagen im Zeitraum 01.01.1920–31.12.1929 folgende Ausdrucksvarianten in der italienischen Sprache vor: boxeur, boxer, pugile, pugil(l)atore, pugilista, pugnatore (das Verfahren zur Identifikation ist unter 3.2.5 beschrieben). Die onomasiologische Stärke dieser Ausdrucksvarianten wird durch Korpusabfragen erhoben und ergibt sich aus dem Anteil jedes Types an der Summe aller Konzeptrealisierungen (Tokens) innerhalb eines bestimmten Zeitraums bzw. Teilkorpus. Daraus wird der Anteil jedes einzelnen Synonyms errechnet (cf. Speelman et al. 2003; Geeraerts 2010, 831; Zenner et al. 2012, 752–753). Dies wurde für das Beispiel BOXER anhand der Okkurrenzen im historischen Archiv der Turiner Tageszeitung La Stampa (Archivio Storico La Stampa, im Folgenden: ASLS)
15 Der Begriff der onomasiologischen Salienz (salience) kommt aus der Prototypensemantik und bezeichnet lexikalische Elemente, die häufiger als andere (Nahe-)Synonyme gewählt werden: «the onomasiological salience of a category is the frequency of the lexical item naming the category divided by the cumulative token frequency in the database of the referents in the extension of that lexical item» (Geeraerts 1997, 44). Es handelt sich also um die Lexeme mit der relativ höchsten Frequenz im Sprachgebrauch, die somit durch eine höhere Verfügbarkeit und kognitive Verankerung beim Sprecher (entrenchment) gekennzeichnet sind (cf. Geeraerts et al. 1994; zur Notwendigkeit der Trennung zwischen kognitivem entrenchment und sprachlicher Konvention siehe Winter-Froemel 2011, 131). 16 Statt von «success rate» spricht Geeraerts (1997, 45) dagegen von «entrenchment ratio».
3.2 Untersuchungsdesign
187
durchgeführt. Tabelle 6 gibt die Häufigkeiten für alle Ausdrucksvarianten des Konzepts BOXER zwischen 1920 und 1930 im ASLS wieder: Tabelle 6: Errechnung der onomasiologischen Stärken für Ausdrucksvarianten des Konzepts BOXER (ASLS, 1920–1930). Ausdrucksvarianten für BOXER
Frequenz im ASLS (Tokens)
relative Frequenz in Prozent
/(+++++) = ,%
boxer
/(+++++) = %
pugile
/(+++++) = ,%
pugil(l)atore
/(+++++) = ,%
pugilista
/(+++++) = ,%
pugnatore
/(+++++) = ,%
boxeur
Während der Anglizismus boxer im Korpus gar nicht (in dieser Bedeutung) auftritt, ist das aus dem Französischen entlehnte boxeur mit fast der Hälfte der Realisierungen und einer onomasiologischen Stärke von 45,71% die saliente Bezeichnung für BOXER in diesem Korpusausschnitt. Grafisch lässt sich die Verteilung der onomasiologischen Stärke besonders gut veranschaulichen: 100 % 90 %
13 %
80 % 70 %
31 %
60 % 50 %
4% 7%
40 % 30 % 20 %
pugnatore pugilista pugil(l)atore pugile boxeur
46 %
10 % 0%
Abbildung 11: Onomasiologisches Profil für das Konzept BOXER (ASLS, 1920–1930).
Mithilfe der konzeptbasierten Korpusanalyse ist es somit möglich, die onomasiologische Stärke und das onomasiologische Konkurrenzverhältnis innerhalb
188
3 Methodische Grundlagen
von Konzepten zu quantifizieren und das jeweils saliente Lexem zu bestimmen. Analysiert wird in der folgenden Untersuchung vorrangig die onomasiologische Stärke von Fremdwörtern. Da Fremdwörter und ihre synonymen Entsprechungen innerhalb des onomasiologischen Profils in einer komplementären Beziehung stehen, ergibt sich die (akkumulierte) onomasiologische Stärke der übrigen synonymen Ausdrücke aus jener des Fremdworts. Dabei gilt eine Einschränkung: Die onomasiologische Stärke kann nur bei solchen Konzepten valide bestimmt werden, die im Untersuchungszeitraum mit einer gewissen Mindestfrequenz auftreten und deren Referent nicht obsolet geworden ist oder nur noch historische Bedeutung hat, da in solchen Fällen die sachgeschichtliche und die onomasiologische Entwicklung interferieren. Ein Beispiel aus der italienischen Fußballsprache ist AUßENLÄUFER – eine Mittelfeldspielerposition in historischen Spielsystemen des Fußballs (v.a. im 2–3-5-System), die zusammen mit dem Mittelläufer die Läuferreihe bildete. Ursprünglich wurde AUßENLÄUFER im Italienischen durch das Fremdwort half, eine Kürzung von engl. half back, bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch durch die Bezeichnung mediano ‘Mittelfeldspieler’, teils auch durch sostegno bezeichnet. Allerdings verlor das Konzept durch die neuen Metodo- und WM-Systeme bereits in der Zwischenkriegszeit an Bedeutung (Bortolotti et al. 2002). Während der Ausdruck mediano (und ab den 1960er Jahren centrocampista) auch für diese neuen Formationen verwendet wurde, war die entlehnte Bezeichnung half bereits in den 1940er Jahren obsolet – nicht durch lexikalische Substitution, sondern durch die Aufgabe des Referenten (zur Analyse dieses Konzepts siehe 4.4). Der innerhalb eines bestimmten Zeitraums am häufigsten verwendete Ausdruck für ein Konzept wird als salientes Lexem bezeichnet. Dieses muss nicht notwendigerweise einen Realisierungsanteil von über 50% aufweisen, wenn mindestens drei Bezeichnungsalternativen unterschiedlicher onomasiologischer Stärke belegt sind, wie etwa bei boxeur im Zeitraum 1920–1930. (3) Diachroner Erfolg von Lexemen Der Erfolg eines Lexems kann aber auch im Sinne einer diachronen Entwicklung verstanden werden. Erfolg bedeutet in diesem Fall, dass sich eine Ausdrucksvariante gegenüber anderen Lexemen, mit denen es sich in onomasiologischer Konkurrenz befindet, behauptet hat und am Ende einer festgelegten Zeitspanne das saliente und damit erfolgreichste Lexem zur Versprachlichung des Konzepts ist. Ein diachroner Misserfolg bestünde demnach in der Aufgabe des Lexems. In diesem Sinne unterscheidet auch Zolli (1991, 3) zwischen prestiti definitivi und prestiti non riusciti. Nur in Bezug auf die Salienz eines konkurrierenden Lexems am Ende des Untersuchungszeitraums soll hier von Erfolg gesprochen werden. Zur Illustration dient wieder das Beispiel BOXER. Vergleicht man das onomasiologische Profil von 1920–1930 aus Abb. 11 mit dem des Zeitraums 1960–1970
3.2 Untersuchungsdesign
189
in Abb. 12, ist deutlich erkennbar, dass das saliente Lexem nun nicht mehr boxeur, sondern pugile ist, mit einem Realisierungsanteil von 96%. Für den Zeitraum 1920 bis 1970 ist pugile somit die erfolgreichste Ausdrucksvariante. Da die Salienz während des Zeitraums von einem Lexem auf ein anderes übertragen wurde, liegt eine lexikalische Substitution (cf. 2.1.5.3) vor. 100 %
1%
90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
96 %
40 % 30 %
pugnatore pugilista pugil(l)atore pugile boxeur
20 % 10 % 0%
3%
Abbildung 12: Onomasiologisches Profil für das Konzept BOXER (ASLS, 1960–1970).
In Abb. 12 zeigt sich zudem, dass die onomasiologische Variation in den 1960er Jahren geringer geworden ist. Die onomasiologische Stärke aller anderen Synonyme nähert sich dem Nullpunkt (boxeur: 2,6%, pugnatore: 0,8%, pugil(l)atore: 0,4%, pugilista: 0%). Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, dass gerade der diachronische Vergleich onomasiologischer Profile sehr aufschlussreich für Fragen des Bezeichnungswandels und für die Untersuchung des Einflusses der FFP ist. Dabei begegnet der konzeptbasierte Ansatz auch den Interpretationsschwierigkeiten, die der Vergleich absoluter Frequenzen in mehreren Zeitabschnitten mit sich bringt. Denn boxeur erscheint zwischen 1960 und 1970 im ASLS immerhin noch 266 Mal (gegenüber 661 Mal im Zeitraum 1920–1930). Da das Teilkorpus für 1960–1970 des ASLS aber deutlich größer ist als das Teilkorpus für 1920–1930, ist der Realisierungsanteil von boxeur tatsächlich nicht nur um das 2,5fache gesunken, sondern fast um das 20fache, während der Anteil von pugile um das 15fache gestiegen ist. Die relative Häufigkeit ist somit ein viel differenzierteres Maß für onomasiologische Konkurrenz als die absolute Häufigkeit. Der Erfolg von Lexemen kann nur innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens bestimmt werden, da sich die onomasiologischen Beziehungen potenziell permanent verändern. Als Anfangspunkt der Untersuchung wurde das Jahr 1920 festgelegt, als Endzeitpunkt das Jahr 1970. Damit sollte zum einen der Zeitraum des
190
3 Methodische Grundlagen
Faschismus großzügig umschlossen (1920–1945) und um einen ebenso langen Zeitraum, also 25 Jahre, verlängert werden (1946–1970), um so die faschistische und postfaschistische Phase direkt miteinander vergleichen zu können. Für eine differenzierte, aber nicht zu kleinteilige Auswertung wurden fünf Messzeiträume über jeweils ein Jahrzehnt festgelegt (01.01.1920–31.12.1929, 01.01.1930–31.12.1939 etc.). Aufgrund des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ausnahmezustands in den 1940er Jahren17 wird der Messzeitraum 01.01.1940–31.12.1949 teilweise von der Auswertung ausgenommen (siehe auch 3.2.4.4). Der Vergleich der onomasiologischen Stärke über die Zeit 1920 bis 1970 ermöglicht u.a. Aussagen über: – die diachrone Variation der Salienz der beteiligten Lexeme; – lexikalische Substitution, deren Zeitpunkt zudem relativ genau bestimmt werden kann; – den Zeitpunkt des Erscheinens bzw. Verschwindens konkurrierender Ausdrucksvarianten; – die Variation der «onomasiologischen Streuung» innerhalb eines Konzepts, also inwiefern mehrere Bezeichnungsalternativen mittlerer onomasiologischer Stärke konkurrieren oder das Konzept nur durch ein bis zwei Lexeme versprachlicht wird. Diese Aspekte werden in der Analyse der onomasiologischen Variation unter Kapitel 4 sowie in der statistischen Auswertung in Kapitel 5 aufgegriffen. 3.2.2.2 Italianisierungsstatus Um onomasiologischen Wandel im Untersuchungszeitraum (1920–1970) nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ vergleichen zu können, wird die Entwicklung der Konzepte dahingehend beurteilt, ob es bis 1970 zu einer lexikalischen Substitution gekommen ist. Dabei sind drei mögliche Ausgänge der sprachkontaktbedingten Konkurrenz bis 1970 vorgesehen: Fremdworterfolg, Italianisierung und Koexistenz. Sie werden unter dem Begriff ‹Italianisierungsstatus› zusammengefasst. Als Fremdworterfolg werden all jene Konzepte bezeichnet, bei denen das Fremdwort im letzten Messzeitraum (1960–1970) der Untersuchung die saliente
17 Der sich auch direkt im Umfang von ASLS zeigt: Das Teilkorpus der 1940er Jahre ist deutlich kleiner aufgrund des insgesamt reduzierten Zeitungsumfangs, des selteneren Erscheinens (zeitweise gab es keine zusätzlichen Nachmittagsausgaben) und archivarischer Verluste; zudem fällt die Sportberichterstattung in diesem Jahrzehnt deutlich geringer aus, da in den Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegsjahren weniger Sportveranstaltungen stattfanden.
3.2 Untersuchungsdesign
191
Ausdrucksvariante ist und eine konstante oder zunehmende onomasiologische Stärke aufweist. Als Italianisierung gilt die lexikalische Substitution eines Fremdworts durch ein Lexem, das mit den Mitteln der italienischen Kerngrammatik gebildet bzw. aus dem Kernwortschatz entnommen ist. Sie liegt dann vor, wenn innerhalb eines Konzepts entweder (a) die Salienz eines Fremdworts nach 1930 auf ein natives Synonym übergeht (‹Italianisierung nach 1930›), oder (b) das Fremdwort im gesamten Untersuchungszeitraum nicht salient ist und zu allen Messpunkten eine onomasiologische Stärke von weniger als einem Drittel aufweist (‹präfaschistische Italianisierung›). Der Begriff Italianisierung bezieht sich nicht ausschließlich auf Assimilationen, sondern umfasst alle in der Ersetzungstypologie (Kapitel 2.1.5.4, Tabelle 4) genannten Ersetzungstypen. Mit Koexistenz werden alle übrigen Fälle charakterisiert, bei denen zwischen 1950 und 1970 keine eindeutige Tendenz festzustellen ist, da die onomasiologische Stärke des Fremdworts stärker variiert, ohne dass es dauerhaft salient war oder ersetzt worden ist. Die Operationalisierung ist in Tabelle 7 zusammengefasst: Tabelle 7: Operationalisierung der Variable ‹Italianisierungsstatus›. Fremdworterfolg
Italianisierung vor
Koexistenz
nach
Salienz des Fremdworts
–
nie (im Untersu- – oder variierend chungszeitraum) –
Entwicklung der onomasiologischen Stärke des Fremdworts (Vergleich – und –)
konstant oder steigend: nicht um Prozentpunkte oder mehr gesunken
konstant unter %
sinkend: – unter %
variierend
Durch die Berücksichtigung des zweiten Kriteriums – dem Vergleich der onomasiologischen Stärke des Fremdworts im Zeitraum 1920–1940 mit dem Zeitraum 1950–1970 – kann auch Entwicklungen, die in die Zeit nach 1970 weisen, Rechnung getragen werden, da Lexeme, die zwar salient sind, aber in der Nachkriegszeit eine nachlassende onomasiologische Stärke aufweisen, als (späte) Italianisierungen oder als Fremdwörter mit anhaltender Lexemkonkurrenz erkannt werden können.
192
3 Methodische Grundlagen
Welcher Art eine Italianisierung ist, entscheidet sich am Ersetzungszeitpunkt: Lag der Lexikalisierungsanteil des Fremdworts bereits in den 1920er Jahren und allen folgenden Jahrzehnten unter 30%, handelt es sich um eine ‹präfaschistische Italianisierung›. War das Fremdwort dagegen im ersten bzw. in den ersten beiden Untersuchungszeiträumen salient und die onomasiologische Stärke sank zwischen 1950–1970 auf unter 30%, handelt es sich um eine ‹Italianisierung nach 1930›. Der verbleibende Realisierungsanteil kann sich dabei auch auf mehrere andere Lexeme verteilen, z.B. im Falle von GEWALTSCHUSS auf cannonata, stangata, staffilata, sparo u.a. (cf. Seite 272–273 und Abbildung 38). Im Beispiel BOXER ist aus den vollständigen Frequenzdaten die Salienz des Fremdworts in den 1920er Jahren und seine anschließend stark sinkende onomasiologische Stärke erkennbar (Tab. 8). Seit den 1930er Jahren stellt pugile die saliente und nahezu ausschließliche Ausdrucksvariante dar. Es handelt sich somit um eine ‹Italianisierung nach 1930›. Tabelle 8: Absolute und relative Token-Frequenzen für Ausdrucksvarianten von BOXER im ASLS nach Jahrzehnten.
boxeur
–
–
,%
,%
–
,%
–
–
,%
,%
pugile
,% ,% ,% ,% ,%
pugil(l)atore
,%
,%
,%
,%
,%
pugilista
,%
,%
,%
,%
,%
pugnatore
,%
,%
,%
,%
,%
Konkurrieren unassimilierte Fremdwörter mit bereits assimilierten Varianten, wird das zugehörige Konzept nur dann in die Untersuchung einbezogen, wenn das Fremdwort zwischen 1900 und 1950 noch mindestens 20 Mal im ASLS belegt ist (siehe 3.2.4), also noch eine gewisse Verbreitung hatte. In diesem Fall werden die assimilierten Varianten in der Untersuchung als formbasierte Substitution behandelt, z.B. bei ski (Fremdwort) vs. sci (Assimilation/formbasierte Substitution). 3.2.2.3 Fremdwort Zentral für die Auswahl der Untersuchungsstichprobe ist die Definition dessen, was als ‹Fremdwort› erfasst werden soll. Um die Frage zu beantworten, unter welchen Umständen Fremdwörter gegenüber nativen Lexemen bevorzugt werden, ist
3.2 Untersuchungsdesign
193
für die Operationalisierung des Fremdwortes eine Beschränkung auf solche Einheiten nötig, die Sprecher eindeutig als fremd erkennen (cf. Zenner et al. 2012, 759; Geeraerts/Grondelaers 2000, 56). Handelt es sich dagegen um entlehnte, aber nicht als fremd erkennbare Einheiten (also Korrespondenzen, siehe 2.1.2), sind diese nicht zur Untersuchung der Opposition fremd vs. nativ geeignet. Der Operationalisierung dient das struktural-synchronische Kriterium: Als Fremdwort gelten demnach Lexeme, die strukturell exogene Merkmale aufweisen und von Sprechern als nicht zur italienischen Kerngrammatik zugehörig identifiziert werden. Diese Definition umfasst daher Transferenzen und Allogenismen, nicht aber Korrespondenzen und strukturell integrierte Lehnwörter18 (cf. Tab. 2). Allogenismen werden deshalb berücksichtigt, weil davon auszugehen ist, dass Scheinentlehnungen bzw. Allogenismen im Sprachgebrauch keine Unterschiede zu «echten» Transferenzen aufweisen, da den ZS-Sprechern die von der AS abweichende Wortbildung, Bedeutung oder Schreibung/Lautung von Allogenismen überwiegend nicht bewusst sein dürfte. Da Fremdheitsmerkmale der Lautebene, also nicht-nativer Phoneme bzw. Phonemketten, bei Lexemen, die vor über 70 Jahren üblich waren, nicht mehr sicher bestimmt werden können, kann das struktural-synchronische Kriterium nur auf Merkmale angewandt werden, die sich in der Schriftsprache spiegeln, also auf nichtnative Grafeme, Grafemketten, ungewöhnliche Grafem-PhonemKorrespondenzen und morphologisch fremde Merkmale, wie z.B. Pluralformen mit -s.19 Die Grafie ist ein geeigneter Indikator für Fremdheit, denn fremde Lautung und Wortbildung spiegeln sich nach Eisenberg (2018) «auf die eine oder andere Weise in der Schreibung wider, Fremdheit kulminiert hier geradezu» (315).
18 Die Differenzierung zwischen Fremd- und Lehnwörtern ist nicht trivial, denn zuweilen besteht sie nur in einer minimalen grafematischen/morphologischen Abweichung, wie beispielsweise bei ital. gaffe vs. gaffa (< frz. gaffe), ital. galoche vs. galoscia, sabotage vs. sabotaggio. Wenn Verben in eine ZS mit Verbalflexion entlehnt werden – wie das Italienische –, erfolgt die morphologische Integration meist unmittelbar, z.B. bei frz. électriser > ital. elettrizzare. Dabei wird dem entlehnten Verb eine ZS-Flexionsklasse zugewiesen. In der Untersuchung werden nur diejenigen Verben berücksichtigt, die auch im Wortstamm exogene Merkmale aufweisen. Zur italienischen Verbalintegration siehe Winter-Froemel (2011, 18–19). 19 Winter-Froemel (2011, 91) ist überzeugt, dass der Schreibung «für eine Vielzahl aktueller Entlehnungsprozesse [...] eine zentrale Bedeutung zukommt. So finden etwa aktuelle Entlehnungen aus dem Englischen in romanische Sprachen sehr häufig auf schriftlichem Weg statt bzw. sind durch ein Nebeneinander von medial schriftlichem und mündlichem Sprachkontakt gekennzeichnet».
194
3 Methodische Grundlagen
Als Indikatoren sprachlicher Fremdheit gelten für die Auswahl der Untersuchungsstichprobe die folgenden, sich teilweise überschneidenden grafematischen und morphologischen Merkmale: – konsonantischer Wortausgang in der Schreibung, z.B. bei ascisc;20 – Lexeme mit grafischem Akzept am Wortende (zur Wiedergabe des französischen Wortakzents, auch wenn dadurch bereits eine Assimilation zum Ausdruck kommt, z.B. bei bordò [borˈdɔ] (< frz. bordeaux), casinò [kaziˈnɔ] (vs. casino [ka'zino]), décolleté, babà, bébé); – im Italienischen unübliche Akzentsetzung, z.B. mit Zirkumflex wie in bâti, débâcle; – Wortausgang auf [i] bzw. [ɪ] in der Nennform, grafisch repräsentiert durch , , , , z.B. in asprì, liberty, basci-bagli, batterie; – Wortausgang auf oder , z.B. in cru, menu; – für das Italienische untypische Grafeme (, , wie in batyk, bauxite, controkippe) bzw. Grafemverbindungen wie in banjo, canoe, cellophane, comptable, coupe, morgue, gaucho; – Wortausgang auf typisch französische Suffixe wie -age, -iste, -ette, -arre, -ise, -euse, -ceau, -erie, -tine, -otte, -use, -mand, -ure, -elle, -ole, -che, -que, -gue (wie z.B. in corsage, attentiste, baguette, bagarre, balise, batteuse, berceau, bijouterie, brillantine, cagnotte, cambuse, command, confiture, manicure, dentelle, rigole, cloche, claque, blague), auf die spanischen Suffixe -adero (imbarcadero, embarcadero), -ada (estocada) oder das englische Suffix -ing, z.B. in boxing; – Fremdwörter, die einem italienischen Signifikanten entsprechen, im Gebrauch in phonologischer, morphologischer bzw. semantischer Hinsicht jedoch leicht als fremd zu erkennen sind, z.B. case (< engl.), file (< engl.), merci (< frz.), mise (< frz.). Eigennamen bleiben unberücksichtigt. Denn Bezeichnungen, die nicht auf eine Klasse von Objekten referieren – wie Werk-, Marken-, Personen-, Orts- und Institutionennamen sowie fremdsprachige Zitate/Codeswitches, Abkürzungen, Maßeinheiten und Währungen – verhalten sich semantisch und morphologisch anders als entlehnte Gattungsnamen. Das gilt nicht für Deonyme, bei denen ein fremder Name als Gattungsname entlehnt wurde, wie etwa bei palmer, carter, clacson.21 Zu
20 Dies gilt nicht für Entlehnungen aus italoromanischen Dialekten und dem Lateinischen, die nicht Gegenstand der Untersuchung sind, da sie zum einen traditionell nicht zum Fremdwortschatz gezählt werden (siehe 2.1.2) und nicht Ziel des FFP waren. 21 Für Gusmani (1993, 102) handelt es sich um «uno speciale tipo di prestito con fraintendimento del valore semantico del modello».
3.2 Untersuchungsdesign
195
den Eigennamen zähle ich auch Grenzfälle zwischen Gattungs- und Eigennamen wie die Bezeichnungen für Waffen, Fahrzeugtypen und für Tänze. Diese Entlehnungen sind meist weniger assimilierfähig als Gattungsnamen und entwickeln sich schneller als Gattungsnamen zu Historismen. Beispiele aus den Quellen des FFP sind: – Eigennamen: commonwealth, curaçao, Fifth Avenue, Gabelsberger-Noë, GrandGuignol, auch entsprechende Mehrwortlexeme wie alla Bismarck, cemento Portland, malattia di Menière; – fremdsprachige Zitatsätze (Deutschland, erwache!, Enrichissez-vous!) und Codeswitches: à quoi bon?, je m’en fiche; – Ethnonyme und Glottonyme, z.B. gypsy, pidgin, Walser; – Maßeinheiten (z.B. Coulomb, Curie, Phon, watt, yard) und Währungen (Goldmark, Lek, pence, reis); – Bezeichnungen für Tänze: boston, black-bottom, cancan, charleston, foxtrot, hesitation, walzer; – Bezeichungen für spezielle Luft-, Boden- und Wasserfahrzeuge. Deren Namen weisen oft nach wenigen Jahrzehnten aus sachlichen Gründen (technischer Fortschritt, Verschwinden des Referenten) eine deutlich geringere Gebrauchsfrequenz auf, z.B. landau, landaulette, phaéton für verschiedene Autotypen, dreadnought ‘Kriegsschiff, das insbesondere im Ersten Weltkrieg zum Einsatz kam’, aviatik, fokker, friedrichshafen, blenheim für verschiedene Flugzeugtypen; – Bezeichnungen für Waffen: browning, winchester. Ebenso bleiben Exotismen unberücksichtigt. Darunter sind Bezeichnungen für Referenten zu verstehen, die nur in der Kultur der AS existieren und «in der Nehmersprache nicht zur kulturellen Tradition gehören» (MLS 2016, s.v. Exotismus). Sobald der Referent in der ZS nicht mehr fremd ist – da «Fremdheit zumal in Zeiten einer Globalisierung schnell verloren gehen kann» (Eisenberg 2018, 33) –, handelt es sich um eine Entlehnung. Wie Eigennamen sind auch Exotismen Assimilationsprozessen weniger als Fremdwörter ausgesetzt und weisen daher nicht denselben lexematischen Status auf. Beispiele aus der italienischen Pressesprache der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind beispielsweise geisha, gaucho, highlanders, rajah. Als Fremdwörter des Italienischen werden in der vorliegenden Untersuchung also solche italienischen Lexeme erfasst, die in grafischer bzw. morphologischer Hinsicht exogene Merkmale aufweisen und die im Italienischen nicht ausschließlich als Eigennamen oder Exotismen verwendet wurden.
196
3 Methodische Grundlagen
3.2.3 Sportsprache als Untersuchungsgegenstand Mit der Einführung der modernen Sportarten aus England und Frankreich in Italien ab Ende des 19. Jahrhunderts kam es im italienischen Wortschatz zur Entstehung völlig neuer Terminologien, die sich vielfach aus katachrestischen Entlehnungen aus dem Französischen und Englischen speisten.22 Damit entwickelte sich die italienische Sportsprache zu einem der «principali serbatoi di forestierismi e, successivamente, una delle prime fonti di arricchimento del nostro lessico tradizionale» (Rossi 2003). Dabei unterscheidet sich die Sprache der Sportberichterstattung von anderen Fachsprachen: Ihre Terminologie ist flexibler und polysemer, denn sie steht in stärkerem Austausch mit anderen Registern, Textsorten und Wortschätzen als andere Fachsprachen, sie greift mehr auf Neologismen zurück und richtet sich an ein breiteres Publikum. Aufgrund dieser Dynamik ist sie zur Untersuchung von Sprachwandel besonders geeignet, wie Giacomo Devoto in Bezug auf die Fußballsprache feststellte: «una lingua come quella del calcio [...] condensa in periodi di tempo ristretti, e con evidenza sufficiente, fatti e tentativi che nelle lingue letterarie sono velati e diluiti nel tempo» (Devoto 1972, 166). Sie vermittele «un quadro caratteristico delle possibilità, dei caratteri, dei diversi aspetti dell’italiano di oggi» (169). Zur Untersuchung der onomasiologischen Variation im Italienischen in faschistischer und postfaschistischer Zeit ist die Sportsprache aus folgenden Gründen geradezu ideal: – Die Sportsprache ist der größte homogene Teilbereich des italienischen Fremdwortschatzes. Gegen die Fremdwörter des Sports waren nicht nur die frühesten Initiativen des FFP gerichtet (De Luca 1924; Sassi 1927; DSI), sondern auch noch in einer der letzten Quellen – den Ersetzungslisten der CIL – war der Sport «il settore più considerato che sembrerebbe quindi costituire l’area lessicale più importante» (Klein 1986, 136). – Onomasiologische Variation ist ein Phänomen, das in der Sportsprache häufiger als in anderen Fachsprachen auftreten dürfte: Da in der Sportberichterstattung grundsätzlich immer wieder ähnliche Abläufe beschreiben werden, ist es nötig, die Aufmerksamkeit der Leser durch Abwechslung, ungewöhnliche Metaphern und expressive Ausdrücke aufrecht zu erhalten. Dazu eignet sich auch onomasiologische Variation.
22 Der historische Fremdwortschatz der italienischen Sportsprache ist relativ gut erforscht (cf. Bascetta 1962; Caretti 1973; Schweickard 1987; Rossi 2003; Di Stefano 2007; Nichil 2018). Der Italianisierung von Fremdwörtern des Sports haben sich insbesondere Devoto (1939); De Felice (1941); Bascetta (1962); Rossi (2003); Di Stefano (2007) und Nichil (2018) gewidmet.
3.2 Untersuchungsdesign
197
– Mehr als andere Fachsprachen ist der Sport mit seiner spezifischen Terminologie auch im Sprecherrepertoire von Laien gut repräsentiert. Sport und Sportberichterstattung erreichten während des Faschismus praktisch alle sozialen Schichten. – Die Sportsprache gehört zu den Fachsprachen, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch eine immer umfangreichere Berichterstattung in den Medien, und daher auch in den Zeitungsarchiven, besonders gut dokumentiert sind. – Die historische Sportterminologie ist durch besonders wenige denotative Historismen gekennzeichnet, also durch Lexeme, deren Bedeutung nur noch historische Relevanz hat oder ganz außer Gebrauch gekommen sind. Das unterscheidet den Sport von anderen Sachbereichen, in denen Entlehnungen häufig vorkommen, da Entlehnungen typischerweise zur Bezeichnung technischer Neuerungen oder neuer Gegenstände verwendet werden, die, wenn sie sich nicht behaupten und durch neuere Erfindungen oder andere Gegenstände ersetzt werden, auch aus dem Wortschatz schnell wieder verschwinden. So sind Fremdwörter aus den Domänen Mode, Mobilar, Fahrzeuge und Luxusartikel in der Nachkriegszeit nicht nur aufgrund des FFP verschwunden, sondern vielfach aufgrund des Verschwindens ihrer Denotate, wie z.B. bei ital. lorgnette, veilleuse, landau, daumont, dreadnought. Anders in der Sportsprache: Historismen entstehen hier nur dann, wenn es zu grundlegenden Änderungen in den Regeln oder der Ausstattung eines Sports kommt. Fast alle der Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Italien eingeführten Sportarten werden auch heute noch praktiziert. Da die Aufgabe oder die Veränderung von Denotaten als Störvariable einer onomasiologischen Untersuchung des Fremdwortschatzes interferiert, ist die Sportsprache mit ihrem relativ geringen Anteil an Archaismen und Historismen dafür somit gut geeignet. Sportarten, deren Fachwortschatz zwischen 1920 und 1970 größeren sachgeschichtlichen und denotativen Veränderungen bei ihrer Ausstattung oder Ausübung in Italien ausgesetzt waren, wurden dagegen nicht berücksichtigt: – Motorsport und alle Sportarten, die Fahrzeuge (abgesehen vom Fahrrad) einbeziehen: Automobilsport, Motorradsport, Segelsport, Motorbootsport, Rudern, Luftsport, da deren Vokabular durch technische Neuerungen schneller veraltet als in anderen Sportarten; – Tanz: im Vergleich zu anderen Sportarten ist der Tanz – abgesehen vom klassischen Ballett – relativ stark von aktuellen Moden abhängig; zudem sind die Bezeichnungen für Tanzstile in die Nähe von Eigennamen zu rücken (z.B. fox-trott, blackbottom, mazurka, polka, black-bottom, cake-walk);
198
3 Methodische Grundlagen
– Stierkampf (ital. corrida bzw. tauromachia), da grundsätzlich nur Sportarten in der Untersuchung berücksichtigt werden, die auch in Italien ausgeübt wurden. Der Stierkampf war zu Beginn des Faschismus zunächst noch verbreitet. Corridas fanden u.a. in Rom, Bologna, Verona, Triest und Cagliari statt: «il 1924 fu in Italia un anno taurino per eccellenza, con lo stadio nazionale di Roma pieno ‹hasta la bandera›: 50.000 spettatori a botta».23 Indikatoren der zunehmenden Bedeutung des Stierkampfs im italienischen Faschismus sind auch die belegte Teilnahme Mussolinis an einer Corrida in Verona 1923 (ebd.) und das gestiegene literarische Interesse.24 1940 wurde der Stierkampf mit einem Dekret (R.D. 6 maggio 1940, N. 635, Art. 129) verboten, um ein Tierschutzgesetz von 1931 umzusetzen (R.D. 18 giugno 1931, N. 773, Art. 70).25 Somit ist davon auszugehen, dass die Frequenz der zugehörigen Termini in der Sportberichterstattung ab 1940 deutlich nachließ. In Palazzi (1939) finden sich noch Hispanismen wie bandillero, corrída, espada, estocada, ganadería, martelles, picadòr, plaza, suèrte, toreador, vaquero, die die einstige Popularität des Stierkampfes in Italien belegen. – Jagd-, Reit- und Hundesport, Fechten:26 Diese vorrangig aus der aristokratischen Tradition stammenden Sportarten verloren im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert zunehmend an Bedeutung, ebenso das Ringen. Gegenstand der Untersuchung sind daher vorrangig Konzepte der Ballsportarten Fußball, Tennis, Rugby, Basketball, der Sportarten Radrennen, Boxen, Tennis, Ski/Rodeln sowie weitere allgemein verbreitete Sport- und Spielkonzepte.
23 El Maestro, Toros Olé!» Torneranno ancora in Italia?, mondointasca. Giornale on line di turismo e cultura del viaggiare, 2009, URL: https://mondointasca.it/2009/02/05/toros-ole-torne ranno-ancora-in-italia/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 24 Cf. u.a. die Beschreibungen in Ugo Ojetti: Cose viste (1924); Mario Praz: Penisola pentagonale (1928); Filippo Tommaso Marinetti: Spagna veloce e toro futurista (1931); Emilio Cecchi: Messico (1932). 25 Beide Dekrete wurden 1994 von der Berlusconi-Regierung wieder abgeschafft («Riforma della disciplina sanzionatoria contenuta nel testo unico delle leggi di pubblica sicurezza», decreto legge 13 luglio 1994, N. 480). Siehe auch die Monografie von Giorgio Ponticelli, La tradition tauromachique en Italie, du 12e siècle à nos jours, Nîmes, Union des bibliophiles taurins de France, 1997. 26 Zudem verfügt die italienische Terminologie des Fechtsports bereits über eine jahrhundertealte Tradition und weist kaum Fremdwörter auf (cf. Rossi 2003, der nur einen Gallizismus nennt: flèche).
3.2 Untersuchungsdesign
199
3.2.4 Datenquellen der Untersuchung Onomasiologische Variation und onomasiologischer Wandel sollen ausgehend von Fremdwörtern untersucht werden, die während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Italienischen üblich waren und für die während des FFP Ersetzungsvorschläge gemacht wurden. Das Vorgehen ist also zunächst semasiologisch, dann onomasiologisch: Ausgehend von den vom FFP kritisierten Fremdwörtern wird das jeweils zentrale Konzept bestimmt, das sie versprachlichten. Dann wird geprüft, welche weiteren ZS-Zeichen während des Untersuchungszeitraums synonym verwendet wurden (siehe 3.2.5). Da die Grundgesamtheit aller Fremdwörter, für die Ersetzungen vorgeschlagen wurden, für eine eingehende onomasiologische Untersuchung zu groß ist, wird eine Auswahl von Konzepten der Sportsprache als Stichprobe gewählt (siehe 3.2.3). Es bedarf also zweier unabhängiger Datenquellen: 1. einer Sammlung von Konzepten, zu deren Bezeichnung (auch) Fremdwörter im Untersuchungszeitraum verwendet wurden (siehe 3.2.4.1 und 3.2.4.2); 2. eines Sprachkorpus, anhand dessen die Verwendung der Fremdwörter und ihrer Ausdrucksvarianten im Untersuchungszeitraum geprüft werden kann (zur Wahl des Sprachkorpus siehe 3.2.4.3).
3.2.4.1 Fremdwortpuristische Quellen als Datengrundlage Die unter 2.2.3 beschriebenen Quellen der FFP bieten eine gute Datenquelle für die onomasiologische Untersuchung, denn zum einen listen sie alle Fremdwörter auf, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Italienischen gebräuchlich waren (ob sie darüberhinaus auch Lexeme auflisten, die nicht gebräuchlich waren, soll eine Voruntersuchung unter 4.2 klären). Zum anderen geben sie für alle behandelten Fremdwörter eine oder mehrere Bezeichnungsalternativen an, die als potenzielle Synonyme aufzufassen sind. Erstes Kriterium zur Auswahl der Quellen ist die fremdwortpuristische Funktion der Publikation. Diese ist erkennbar an einer prinzipiellen Kritik am Fremdwortgebrauch und an der Angabe von Ersatzlexemen. Lexikografische Quellen, deren Ziel nicht die Ersetzung von Fremdwörtern, sondern die Definition, Explikation und Vereinheitlichung von Fachterminologien ist, wie etwa Zangrilli (1911) und Cerchiari (1927) für die Sportterminologie, werden daher nicht berücksichtigt, obwohl sie eine vergleichbare Lemmaauswahl aufweisen. Ebenso trifft das Kriterium trifft nicht auf das Wörterbuch der Accademia d’Italia (VLI 1941) zu, da im Lemmarium entgegen der anderslautenden Ankündigung im Vorwort (cf. Fußnote 139 auf Seite 113) keine eindeutigen Ersetzungsvorschläge
200
3 Methodische Grundlagen
angegeben werden.27 Zweites Kriterium der Auswahl ist, dass die Quellen Fremdwörter der Sportsprache umfassen, was unter den in Kapitel 2.2.3 beschriebenen Quellen nicht auf Marinetti/Azari (1929), Meano (1936/²1938), Rivetta (1938), Silvagni (1938), Bianchi (1939–40) und Jàcono (1940–43) zutrifft. Zusätzlich ausgewählt wurden zwei linguistische Beiträge zur Sport- und Spielsprache, die 1940 und 1941 in Lingua nostra erschienen sind und ebenfalls Ersetzungsvorschläge für Fremdwörter angeben: «Il nome italiano del bridge» von Stefano Malfatti (1940) und «La terminologia del pugilato» von Emidio De Felice (1941). Die Ersetzungsvorschläge für Fremdwörter in vielen dieser Quellen liegen digitalisiert in Form einer Datenbank vor, dem Archivio linguistico e cinematografico italiano (ALECI),28 was die Prüfung und Aufbereitung der Daten deutlich erleichtert hat. Tabelle 9 listet die 18 Quellen des FFP auf, die als Datengrundlage genutzt wurden. Angegeben sind zudem die Anzahl der Fremdwörter, für die Ersetzungsvorschläge angegeben werden sowie die Registrierung in ALECI. Die in diesen Quellen enthaltenen Fremdwörter aus dem Sachbereich des Sports stellen die Datengrundlage der onomasiologischen Untersuchung dar. Die konkrete Auswahl von Konzepten wird im nächsten Kapitel erläutert. 3.2.4.2 Wahl der Untersuchungsstichprobe Die Untersuchungsstichprobe, eine Auswahl von Konzepten der Sportsprache, stellt notwendigerweise einen Kompromiss aus den beiden Zielen Repräsentativität und Untersuchbarkeit dar: Zum einen sollte die Auswahl möglichst umfassend und repräsentativ für die Grundgesamtheit der Konzepte in der italienischen Sprache sein, bei denen es während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu sprachkontaktbedingter Konkurrenz zwischen fremden und nativen Lexemen kam. Angesichts des Umfangs dieser Grundgesamtheit (die Quellen der FFP listen 27 Vielmehr handelt es sich um semantische oder enzyklopädische Angaben, z.B. s.v. chartreuse: «Liquore originariamente preparato dai frati certosini» oder unter châssis: «Telaio dell’automobile. 2. Telaio delle lastre fotografiche». 28 URL: http://www.cartedautore.it/archivi/aleci/aleci.html [letzter Zugriff: 10.09.2020]. Diese von Sergio Raffaelli konzipierte und von Alberto Raffaelli weitergeführte Datenbank ist Teil des Projekts Carte d’autore online – Archivi e biblioteche digitali della modernità letteraria italiana und basiert auf der persönlichen Forschungskartei Sergio Raffaellis. Relevant ist insbesondere die Abteilung «Parole straniere e loro sostituzioni italiane (1922–43): repertorio dei forestierismi (20.000 circa) e delle relative italianizzazioni». Die Summe von ca. 20.000 entspricht den akkumulierten Einträgen aller Quellen, die in der Datenbank noch nicht zusammengeführt und normalisiert sind. Eigene Berechnungen führten zu einer Gesamtzahl von etwa 4.600 verschiedenen lexikalischen Einheiten, darunter auch Eigennamen, Abkürzungen, Währungseinheiten etc.
201
3.2 Untersuchungsdesign
Tabelle 9: Berücksichtigte Quellen des faschistischen Fremdwortpurismus. Quelle
Umfang
in ALECI
Quelle
Umfang
in ALECI
.
x
.
De Luca ()
x
.
Palazzi ()
.
Sassi ()
x
.
Malfatti () De Felice ()
.
DSI
.
Cicogna ()
.
Tribuna ()
x
.
Natali ()
.
Monelli (/²)
x
.
CFPA
.
Mazzucconi ()
.
CIL (–)
.
Silvagni ()
.
Panzini ()
.
Cerruti/Rostagno ()
.
Migliorini ()
()
.
Jàcono ()
.
Venturini ()
.
x
x
.
x
x
()
x
insgesamt ca. 4.600 zu ersetzende Lexeme auf, cf. Fußnote 28) verbessert eine Stichprobe die Untersuchungsbarkeit. Laut Zenner et al. (2012) ist die Vollständigkeit der untersuchten Fälle bei konzeptbasierten Studien weniger bedeutsam als die Wahl eines möglichst großen Vergleichskorpus: «we suggest studying only a subset of the anglicisms used in a corpus, this way prioritizing the use of large corpora and sufficient data for the lexemes under scrutiny over exhaustive inventorization» (755).
29 Es handelt es sich um die Gesamtzahl der Fremdwörter, für die die jeweilige Quelle Italianisierungsvorschläge macht. Lehnprägungen und sonstige Neologismen, die nicht als Fremdwort erkennbar sind, wurden dabei nicht mitgezählt. Da die Lexeme bei der Zählung noch nicht lemmatisiert waren und eventuelle Varianten eines Fremdwortes somit ebenfalls berücksichtigt wurden (z.B. die Schreibweisen all-right, all right, al right), ist die tatsächliche Anzahl der Fremdwörter tendenziell etwas niedriger einzuordnen. 30 Die erste Zahl gibt die Anzahl der Fremdwörter wieder, für die eine Ersetzung vorgeschlagen wird, die Zahl in Klammern die aller enthaltenen Fremdwörter. Dasselbe gilt für Migliorini (1942). 31 Die Zahl bezieht sich hierbei nur auf die Anzahl der sportbezogenen Fremdwörter. Die Gesamtzahl der zu ersetzenden Fremdwörter in Cerruti/Rostagno (1939) konnte nicht bestimmt werden, da Fremdwörter nur in geringer Zahl lemmatisiert werden und Ersetzungsangaben unter anderen Einträgen verstreut sind.
202
3 Methodische Grundlagen
Da die Erhebung und Auswertung der Frequenzen und weiterer Daten – wie historische Synonyme, Erstbelege, Belegbeispiele etc. – aufwändig ist, wird ein und dieselbe Stichprobe sowohl für die qualitative Untersuchung als auch für die bivariaten Analysen (siehe 3.2.7) genutzt. Diese Wahl erfolgt im Bewusstsein, dass die Befunde dadurch weniger gut generalisiert, also als repräsentativ für die Grundgesamtheit angesehen werden können. Im Fokus der Untersuchung steht somit weniger die Repräsentativität der Befunde für die Grundgesamtheit als die Exploration von Phänomenen anhand einer Auswahl von Fällen. Die Stichprobenwahl folgt dem purposive sampling, das einer zielgerichteten, bewussten Auswahl von Fällen entspricht (Kuckartz 2014, 85). Die Stichprobe wurde so gewählt, dass sie – gut untersuchbar ist: Das setzt voraus, dass die Konzepte mit einer bestimmten Mindesthäufigkeit im Korpus auftreten und dass die beteiligten Lexeme semantisch disambiguiert werden können; – eine möglichst große Bandbreite der zu untersuchenden Phänomene abbildet; – in Datenmenge und -qualität sowohl für lexikologische, sprachgeschichtliche und statistische Analysen geeignet ist. Die Stichprobe wurde durch ein iteratives Ausschlussverfahren bestimmt: 1. Normalisierung aller lexikalischen Einheiten, für die in den Quellen des FFP Ersetzungsvorschläge angegeben waren (siehe Tabelle 9) und Auswahl aller Fremdwörter, die der Operationalisierung entsprachen (siehe 3.2.2.3); 2. Auswahl aller Fremdwörter des Sachbereichs Sport sowie Spiel; 3. Ausschluss aller Fremdwörter, die die Mindestfrequenz von 20 Tokens im Zeitungsarchiv von La Stampa (ASLS) im Zeitraum 1920–1950 unterschritten. Denn nur bei einer gewissen Frequenz der Fremdwörter sind die Voraussetzungen für eine Lexemkonkurrenz überhaupt gegeben. Bei einer geringeren Frequenz ist davon auszugehen, dass entweder das zugehörige Konzept unbedeutend oder die Ersetzung des Fremdworts bereits soweit abgeschlossen war, dass die onomasiologische Variation nicht mehr untersucht werden konnte. Die Mindestfrequenz wiesen insgesamt 318 Fremdwörter auf. Darunter stellte sich bei einigen erst im Verlauf der weiteren Korpusanalyse heraus, dass sie die Mindestfrequenz von 20 Vorkommen in ihrer häufigsten Bedeutung unterschritten.32 32 Dies betraf die Fremdwörter allure, box (Verb), boxing, break, cagnotte, canter, champion, charter, cob, côte, curling, drop (shot), end, fan, fence, fellow, field, five all, great event, hack, head, hook, Jager, lad, lob, maiden, manchette, marker, marron, meet, mi-moyen, military, moto-football, net, no decision, noir, offender, open, Osten, out, over, pass, piquet, play, punch,
3.2 Untersuchungsdesign
203
4. Im Fall von Polysemie wurde unter den verbleibenden Fremdwörtern die jeweils häufigste sportbezogene Bedeutung ausgewählt, in der das Fremdwort im Zeitungsarchiv von La Stampa verwendet wurde. Polyseme Fremdwörter, die in den Quellen des FFP zwar dem Sachbereich Sport zugeordnet werden, im ASLS jedoch hauptsächlich in anderen Kontexten verwendet werden, bleiben daher unberücksichtigt.33 Diese Verwendungen basieren zum Teil auf metaphorischen bzw. metonymischen Übertragungen, v.a. in den Bereich politischer, kultureller und wirtschaftlicher Kontexte. Ein Beispiel dafür ist leader, bei dem in den 1930er Jahren ein Anteil sportbezogener Verwendungskontexte von ca. 45% ausgemacht werden konnte, in den 1940er Jahren dagegen nur noch von ca. 20%. Weitere Beispiele für Sporttermini, deren in ihrer übertragenen Bedeutung häufiger verwendet wurden als in der ursprünglich sportbezogenen, waren clou ‘Höhepunkt (einer Sportveranstaltung)’, fair-play ‘faire Spielweise’ (im Sport, dann v.a. in der Politik), souplesse ‘Wurfart beim Ringen’, dann: ‘geschmeidiger Stil’, stop ‘Stoppen des Balls im Fußball’, ‘Anweisung des Ringrichters, den Boxkampf zu beenden’, neben der allgemeinen Bedeutung ‘Halt’. Andere Begriffe haben ihre sportbezogene Bedeutung erst sekundär erworben, z.B. tournée, das für Theater- und erst später auch für Sportveranstaltungen verwendet wurde, oder surmenage ‘Strapaze, Überanstrengung’ (im Sport ‘übermäßiges Training’, bereits bei Cerchiari 1927), das zu Beginn des Jahrhunderts noch überwiegend in allgemeineren Kontexten verwendet wurde: «surmenage intellettuale» (ASLS 18/04/1904, 4), «É una morte dovuta a surmenage. Lavorava, venti ore al giorno» (ASLS 24/01/1924, 1). Bei diesen Fremdwörtern konnte die spezifischere, sportbezogene Bedeutung seltener nachgewiesen werden, weshalb sie nicht berücksichtigt wurden. Dieses Ausschlussverfahren verringerte die Anzahl der Fremdwörter auf insgesamt 132, die entsprechend ihren häufigsten Verwendungskontexten folgenden Kategorien zugeordnet wurden: Radsport, Fußball, Rugby, Boxen, Tennis, Winputt, ready, referee, revers, right, rouge, rough, Schuss, second, server, slam, slice, solitaire, spin, starter, stemm, straight, time (nicht für Fußball belegt), toboggan, tonneau (nicht in Spielbedeutung belegt), toss, touche, training, trial, trip, trotter, try, volée, volley, wing. Die zunächst höheren Frequenzdaten erklären sich durch die Verwendung als Eigennamen, in fremdsprachigen Zitaten sowie durch Texterkennungsfehler im ASLS. 33 Dazu gehörten die Fremdwörter amateur, battage, bluff, box ‘Pferdebox’, clou, club, crack, escamotage, fair-play, fiche, forfeit, leader, looping (the loop) (fast nur für Luftfahrt belegt), masseuse, meeting (v.a. Politik), panne (v.a. Auto-/Luftverkehr), partner, punch, racer, raid (überwiegend Militär- und Motorsport), rush, season, souplesse, stand, stop, suite, surmenage, tour, tournée.
204
3 Methodische Grundlagen
tersport, Spiele sowie weitere Sportarten und sportartenübergreifende Termini. Letztere umfassten 43 Fremdwörter. Einige der dazugehörigen Konzepte erwiesen sich jedoch aufgrund der Polysemien und der vielfältigen Verwendungskontexte der nativen Ausdrucksalternativen als schwer untersuchbar, so dass von diesen 12 ausgewählt wurden.34 Dadurch ergab sich eine Gesamtzahl von 101 Fremdwörtern, denen 104 Konzepte zugeordnet wurden (die Differenz ergibt sich aus der Polysemie von goal, skating und knock-out, die jeweils zwei Konzepte bildeten). Dabei stellte sich auch heraus, dass manche Fremdwörter ein- und demselben Konzept zuzuordnen sind. Beispielsweise wurde das Konzept FUSSBALLFAN zwischen 1920–1970 sogar durch bis zu vier Fremdwörter versprachlicht: supporter (< engl.), suiveur (< frz.), fan (< engl.) und aficionado (< span.). Diese Konzepte wurden mit allen potenziellen Ausdrucksvarianten in eine Datenbankstruktur überführt und mit semantischen, grammatischen, diachronischen und pragmatischen Daten aus den fremdwortpuristischen Quellen sowie aktuellen lexikografischen (v.a. NDM, Zing. 2019, VTO, DSCT, DSC, LEI) und fachwissenschaftlichen Quellen ergänzt (u.a. Cerchiari 1927, Bascetta 1962, Caretti 1973, DG sowie die Datenbank Biblioteca dello sport). Ziel der Datenorganisation als relationale Datenbank war es, einzelne Eigenschaften der Lexeme isolieren und als Einflussfaktoren der Italianisierung untersuchen zu können. 3.2.4.3 Datenerhebung anhand linguistischer Korpora Die zweite wichtige Datenquelle der onomasiologischen Untersuchung ist das digitalisierte Zeitungsarchiv der Turiner Tageszeitung La Stampa (ASLS). Nach 1890 wurde La Stampa «zu einer der modernsten Publikationen des italienischen Journalismus, die nur mit dem Corriere della sera verglichen werden kann» (Galassi 2008, 69–70) und die in den 1930er Jahren eine Auflage von 400.000 Exemplaren erreichte (dies., 201). Diese Datenquelle wird zum einen
34 Siehe Kapitel 4.9. Nicht weiter untersucht wurden die Fremdwörter challenge, chance, cross country, équipe, exploit, finish, ground, handicap, interclub, manager, masseur, match, pelouse, performance, poule, promoter, randonné, rentrée, repêchage, retour match, round, score, scratch, sport, sportsman, sprint, start, starter, stayer, team und trainer, unter denen die meisten zusätzliche sportfremde Bedeutungen tragen, sei es, weil sie von Anfang an auch in anderen Kontexten üblich waren (z.B. manager, meeting, rentrée in Politik und Wirtschaft), sei es, weil sie sich durch ihre hohe Frequenz in der Sportberichterstattung und der damit erhöhten Verfügbarkeit besonders für Übertragungen in andere Kontexte eigneten (Beispiele: «I più sensazionali ‹exploits› delle ‹stelle› di Hollywood, in materia di matrimoni e di divorzi [...]» [ASLS, 03/11/1931, 3], «La seconda operazione è durata solo due ore. Il team chirurgico di Azzolina si ‹allena› ormai sistematicamente» [01/03/1968, 15], meine Kursivierung).
3.2 Untersuchungsdesign
205
für die Erhebung der Frequenzen aller Ausdrucksvarianten der 104 Konzepte genutzt, zum anderen als Datenquelle der lexikologischen Analyse, u.a. zur Bestimmung von Erstbelegen, Synonymieverhältnissen und für Belegbeispiele. Die Gründe für die Wahl dieses Zeitungsarchivs als Datengrundlage der korpuslinguistischen Analyse werden im Folgenden erläutert. Als Korpus bezeichnet Wolf (2010) «eine Sammlung authentischer Sprachdaten, die auf unterschiedliche Weise aufbereitet worden sind und präsentiert werden und die als Materialbasis oder Datenquelle für sprachwissenschaftliche Untersuchungen fungieren» (23). Im engeren Sinn dienen linguistische Korpora immer einer Funktion, «in so far as an object of research and a research objective are always the motive and point of origin for the construction of a corpus» (Wegera 2013, 57). Ein Zeitungsarchiv hat also nur dann Korpusstatus, wenn es konkreten linguistischen Zielen dient, sonst handelt es sich um ein Textarchiv. Zentral für Korpusanalysen ist die Zählung von Häufigkeiten bestimmter sprachlicher Instanzen. Anliegen der Korpuslinguistik ist es, «realen sprachlichen Phänomenen nachzuspüren» (Perkuhn et al. 2012, 21). Dabei ist explorativen bzw. induktiven Vorgehensweisen (häufig als korpusbasiert bezeichnet) gegenüber rein deduktiven (korpusgestützten) Ansätzen der Vorzug zu geben (cf. Lemnitzer/Zinsmeister 2015, 19, 34–37; Perkuhn et al. 2012, 20–21). Es sollen also nicht nur Hypothesen überprüft, sondern die Sprachdaten auch so analysiert werden, dass neue Hypothesen und Erkenntnisse generiert werden können. Wegera plädiert insbesondere in Bezug auf die historische Korpuslinguistik für eine Integration beider Vorgehensweisen und spricht sich für eine «gesamthafte» Herangehensweise aus, die nicht nur «the positive evidence for a phenomenon, but also all the competing evidence» (Wegera 2013, 59) berücksichtige. Diese Forderung kann der konzeptbasierte Ansatz erfüllen, da er die Variation der Variation fremder und nativer Ausdrucksvarianten als Gesamtheit, d.h. als Versprachlichungen eines Konzepts, erfasst. Um den Anforderungen einer onomasiologischen Korpusanalyse zu genügen, sollte das Korpus idealerweise – groß und repräsentativ für die italienische (Sport-)Sprache sein; – in digitalisierter Form vorliegen; – in Bezug auf Textsorten und Register ausgewogen sein; – authentische Sprachdaten umfassen, die im Zeitraum 1900 bis 1970 entstanden sind, also einen historischen Sprachstand wiedergeben; – für die linguistische Auswertung aufbereitet, idealerweise annotiert, sein. Für das Italienische existiert für diesen Zeitraum bisher kein Korpus, das all diesen Anforderungen entspricht. Im Folgenden soll anhand der genannten Kriterien erörtert werden, inwieweit sich die Korpora DiaCORIS und Google Books
206
3 Methodische Grundlagen
sowie die historischen Zeitungsarchive von La Stampa und Corriere della sera für die Untersuchung eignen.35 Größe: Als Orientierung für die anzustrebende Korpusgröße kann gelten: Je seltener das zu untersuchende sprachliche Phänomen und je differenzierter die geplante Analyse, desto größer sollte das Korpus sein (cf. Lemnitzer/Zinsmeister 2015, 140). Gerade die Analyse lexikalischer Variation bedarf also großer Sprachkorpora (Zenner et al. 2012, 754). Einen Richtwert für die ideale Korpusgröße zu finden, ist arbiträr, da die zunehmende Digitalisierung zu immer größeren Referenzkorpora führt. So galt das Brown-Corpus von 1980 mit 1 Million Textwörtern lange Zeit als Referenz. Das Deutsche Referenzkorpus (DeReKo) des IDS von 2004 startete bereits mit 2 Milliarden Textwörtern und umfasst mittlerweile (Stand: 18.01.2020) 46,9 Milliarden Wörter.36 Dabei handelt es sich aber um Korpora der Gegenwartssprache. Ältere Korpora sind erwartungsgemäß kleiner, da sie erst aufwändig retrodigitalisiert werden müssen. Das größte der verglichenen Zeitungsarchive stellt der Corriere della sera dar, der mehr als 2,5 Millionen eingescannter Zeitungsseiten umfasst37 (ASLS: 1,7 Millionen Seiten, Bolioli et al. 2014, 78), was sicherlich auch auf die zeitweise zwei bzw. sogar drei Ausgaben pro Tag zurückzuführen ist. Repräsentativität: Selbst wenn die Korpuslinguistik evidenzbasiert arbeitet, können Korpusanalysen die Sprachrealität auch mit sehr großen Korpora nicht repräsentativ darstellen. Den Anspruch auf echte, statistische Repräsentativität kann kein Sprachkorpus erfüllen, gibt Köhler zu bedenken: Keine Stichprobe kann repräsentative Sprachdaten in dem Sinne liefern, dass in dem in der Statistik üblichen Sinne gültige Schlussfolgerungen auf die Population, auf das «Sprachganze» möglich wären. Kein Korpus ist groß genug, um die Diversität der Daten im Hinblick auf Parameter wie Medium, Thematik, Stilebene, Genre, Textsorte, soziale, areale, dialektale Varietäten, gesprochene vs. geschriebene Texte etc. repräsentativ abzubilden. Versuche, das Problem durch Erweiterung der Stichprobe zu lösen, vergrößern nur die Diversität der Daten im Hinblick auf die bekannten (und möglicherweise noch unbekannte) Variabilitätsfaktoren und damit die Inhomogenität (Köhler 2005, 5).
Schlussfolgerungen auf der Grundlage korpuslinguistischer Erhebungen sind somit vor allem für das verwendete Korpus repräsentativ, ihre Übertragung auf die gesamte historische Einzelsprache ist jedoch problematisch. Damit Ergebnisse von
35 Während des Faschismus war der Mailänder Corriere della sera die bedeutendste italienische Tageszeitung mit einer Auflage von 400.000 bis 500.000 Exemplaren in den 1930er Jahren (1939 sogar 597.000), La Stampa aus Turin wurde in den 1930er Jahren zur zweitwichtigsten Zeitung (1936 Auflage von ca. 400.000, 1939: 300.000) (Murialdi 2006, 162). 36 Siehe http://www1.ids-mannheim.de/kl/projekte/korpora/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 37 Siehe http://archivio.corriere.it/Archivio/interface/faq.html [letzter Zugriff: 10.09.2020].
3.2 Untersuchungsdesign
207
Korpusanalysen dennoch möglichst übertragbar sind, schlagen Lemnitzer/Zinsmeister (2015, 49–53) zwei Lösungen vor: Zum einen sollte das Korpus ausgewogen erstellt werden, es sollte also – je nach Verwendungszweck – Festlegungen für die Anteile gesprochener und geschriebener Sprache sowie für verschiedene Textsorten und Register festlegen, zum anderen sollten Hypothesen anhand mehrerer Stichproben überprüft werden. Da für den Untersuchungszeitraum keine (digitalisierten) Korpora gesprochener italienischer Sprache vorliegen, ist die Erstellung eines auch medial ausgewogenen Korpus derzeit kaum möglich. Die aufgestellten Hypothesen sollten durch Folgeuntersuchungen anhand anderer Stichproben und weiterer Korpora überprüft werden. Weil zudem der Fremdwortgebrauch in Zeitungen nicht als repräsentativ für die Gemeinsprache gilt (Eisenberg 2018, 89), wird davon abgesehen, die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung über das untersuchte Korpus hinaus zu generalisieren (cf. auch Wegera 2013, 65). Auch wenn die Untersuchung linguistischer Fragestellungen mithilfe der Korpuslinguistik gerade für historische Zeitabschnitte völlig neue Perspektiven schafft und die Exploration bestimmter sprachlicher Phänomene überhaupt erst ermöglicht, müssen die Grenzen korpuslinguistisch generierter Erkenntnisse anerkannt werden. Ausgewogenheit bzw. Vielfalt: Wie gerade erwähnt, bleibt Ausgewogenheit in Bezug auf Medialität (Mündlichkeit–Schriftlichkeit) bei Korpora des Italienischen für ältere Sprachzustände Desiderat. In Bezug auf Textsorten und behandelte Themen ist Ausgewogenheit und Vielfalt dagegen möglich – weniger bei reinen Literaturkorpora, als in Zeitungsarchiven, da letztere sowohl nicht-fiktionale als auch fiktionale38 Textsorten einschließen und über die klassischen Sparten Nachrichten, Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Wissenschaft ein breites Themenspektrum abbilden und in hohem Maß auf Fachterminologien zurückgreifen. Generell zeigt sich in der Sprache der Medien eine größere Tendenz zu lexikalischer Kreativität und Innovation, was eine höhere Dichte von Neologismen und Fremdwörtern nach sich zieht. Denn zum einen ist die Nutzung von Neologismen für neue Referenten funktional, zum anderen sind Fremdwörter, insbesondere Anglizismen, häufig kürzer als native Lexeme und kommen damit der gewünschten Ökonomie in der Mediensprache entgegen.39 Lexikalische Innovationen sind oft erstmals in der Pressesprache belegt, so dass sich Neologismen
38 Gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts war auch der Anteil narrativer bzw. literarischer Texte in der Tageszeitung noch relativ hoch, v.a. in Form von Fortsetzungsromanen und Lyrik. 39 Zoppetti (2017, 121); zum Einfluss der italienischen Zeitungen auf die Sprachentwicklung cf. De Mauro (1963, 110–118).
208
3 Methodische Grundlagen
gut anhand von Zeitungsarchiven untersuchen lassen. Die Vielfalt der italienischen Zeitungssprache beschrieb Bruno Migliorini 1938: [È] uno dei principali luoghi di scambio fra la lingua parlata e la lingua scritta: tutte le varietà della lingua scritta, quella letteraria, quella burocratica, quella tecnica, sono trascelte o rielaborate più o meno profondamente per la necessità di comunicare con un pubblico che di queste specialità può non essere edòtto. L’opera di selezione che in altri tempi era affidata alla colta conversazione s’effettua ora nel giornale. Con minor raffinatezza e minor rigore; ma non c’è da stupirsene se si pensa al pubblico senza confronto più vasto a cui il giornale si rivolge (1990, 6–7).
Da Fremdwörter häufig in Fachsprachen entlehnt werden, sind sie in Zeitungsarchiven zudem stärker repräsentiert als in Korpora fiktionaler Literatur. Weitere Verbreitung erlangen solche fachsprachlichen Entlehnungen häufig erst über die Medien und werden in journalistischen Texten mitunter metaphorisch und metonymisch auf neue Bedeutungszusammenhänge übertragen. (Historische) Authentizität: Der Forderung nach Authentizität ist durch die Auswahl publizierter Texte gegeben. Schwieriger umzusetzen ist die Forderung nach Texten, die erstmals zwischen 1900 und 1970 produziert worden sind und sich zudem genau datieren lassen. Das große Textarchiv von Google Ngram Viewer (der auf Google Books basiert),40 das seit 2012 auch über ein italienisches Teilkorpus verfügt, erfüllt diese Kriterien nicht. So lassen sich in der Suchmaske – die den Zugriff auf Einzelsprachen und Publikationszeiträume zulässt – Neuauflagen früher erschienener Werke nicht filtern. Zudem bezieht Google Books auch lexikografische Werke in die Suche ein, beispielsweise zweisprachig italienisch-französische Wörterbücher, die die sprachliche «Authentizität» der Ergebnisse mindern41 und gerade bei der Suche nach Gallizismen des Italienischen irreführende Ergebnisse zur Folge haben. Sekundärquellen wie Wörterbücher sollten daher nicht Teil des Untersuchungskorpus sein. Größere historische Authentizität bieten dagegen Zeitungsarchive, in denen die Sprachdaten dank regelmäßiger Publikation zeitlich vergleichsweise einheitlich verteilt sind und an denen sich sprachliche Veränderungen damit sehr gut nachvollziehen lassen.
40 Zugriff über http://books.google.com/ngrams bzw. http://books.google.com/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 41 Von zahlreichen fälschlich als «Italienisch» annotierten, aber französischsprachigen Texten in den Suchergebnissen abgesehen, die zur Verzerrung der Ergebnisse führen, cf. dazu auch http://litre.uni-goettingen.de/index.php/Google_Ngram_Viewer [letzter Zugriff: 10.09.2020]. Einen Überblick über methodische Probleme bei der Arbeit mit Google Ngram Viewer für linguistische Korpusanalysen bietet Zhang (2015).
3.2 Untersuchungsdesign
209
Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Pressesprache der italienischen Zeitungen zwischen 1925 und 1943/44 starker politischer Einflussnahme ausgesetzt war. Es ist zu erwarten, dass sich diese Einflussnahme auch auf den Gebrauch von Fremdwörtern in der Zeitungssprache ausgewirkt hat, ohne dass es jedoch gelungen wäre, deren Gebrauch jemals vollständig zu unterbinden (cf. 2.2.3.2). Bereits 1944 wies der Philologe Emilio Peruzzi auf die Gefahr hin, vom Gebrauch einiger Lexeme in der Zeitungssprache des Faschismus auf deren tatsächliche Verbreitung zu schließen: in un futuro non prossimo, chi si prendesse cura di trovare nei nostri quotidiani la testimonianza di voci e forme della lingua italiana del Novecento, potrebbe credere che certe parole abbiano effettivamente vissuto, se pure una vita effimera, per il fatto di vederle comparire più volte nei giornali in un determinato periodo e in relazione a un determinato argomento (zit. nach Klein 1986, 154–155).
Dementsprechend sind die Befunde der Korpusanalysen für die Zeit des Faschismus besonders kritisch zu bewerten. Digitalisierung: Auch wenn die Retrodigitalisierung großer italienischsprachiger Textmengen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts voranschreitet, fehlt es nach wie vor an ausgewogenen und annotierten Korpora für diesen Zeitraum. Digitalisiert liegen bislang überwiegend nur einzelne Zeitungen und Zeitschriften vor, z.B. die historischen Zeitungsarchive des Corriere della sera (seit 1867)42 (im Folgenden: CDS), der L’Unità (1924–2014),43 die Biblioteca dello sport, einer Zusammenstellung von sportbezogenen Fachtexten und Zeitungen/Zeitschriften des Zeitraums 1536–1995,44 und das Projekt DigiTouring des Touring Club Italiano, das 46 Zeitschriften umfasst (Publikationszeitraum 1895–1965)45. Die an den eingescannten Seiten durchgeführte automatische Texterkennung führt allerdings nicht immer zu optimalen Ergebnissen, so dass eine automatisierte Lemmatisierung und Annotierung erschwert sind (cf. Bolioli et al. 2014). Das Archivio storico La Stampa (1867–2005) ist das erste italienische Zeitungsarchiv, das vollständig digitalisiert wurde und für einen so langen Zeitraum frei zugänglich und kostenlos im Internet zur Verfügung steht.46
42 http://archivio.corriere.it/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 43 Seit Januar 2017 nicht mehr unter der alten Adresse http://archivio.unita.it/ erreichbar, sondern nur noch über eine Teilkopie für den Zeitraum 1946–2014 unter https://archivio. unita.news/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 44 http://dlib.coninet.it/?q=node/1 [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 45 http://www.digitouring.it/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 46 http://www.archiviolastampa.it/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. Das Portal umfasst die beiden Zeitungen La Stampa (seit 1867, ursprünglich unter dem Titel Gazzetta Piemontese) und die Nachmittagsausgabe Stampa sera (1932–1992).
210
3 Methodische Grundlagen
Linguistische Aufbereitung: Komplexe Korpusanalysen setzen eine Aufbereitung der Sprachdaten voraus, die Metadaten und Annotationen einschließt. Metadaten sind Zusatzinformationen zu Texten und beziehen sich u.a. auf Autor, Veröffentlichungsdatum, Sprache, Publikation, Verlag und andere bibliografische Angaben. Annotationen beziehen sich üblicherweise auf Informationen unterhalb der Textebene und kennzeichnen bei linguistischen Korpora typischerweise Eigennamen – durch automatisierte «Named Entity Recognition» (NER) –, sowie morphosyntaktische Merkmale, insbesondere zur Wortart (über einen Part-of-Speech-Tagger, POS) sowie – je nach Untersuchungsgegenstand – Merkmale der Wortbedeutung, der Syntax, der Phonologie und des Diskurses. Für das Italienische liegt für den Untersuchungszeitraum derzeit nur ein einziges POS-getaggtes und frei verfügbares Korpus vor: Das historische Pendant des CORIS, nämlich DiaCORIS (Corpus diacronico di italiano scritto),47 das originär schriftliche Texte unterschiedlicher Gattungen (Presse, Fiktion, Wissenschaft, Gesetzgebung/Verwaltung, Miscellanea) des Zeitraums 1861 bis 2001 umfasst (in fünf Zeitspannen: 1861–1900, 1901–1922, 1923–1945, 1946–1967 und 1968–2001, wobei die ersten drei Zeitspannen eine Korpusgröße von jeweils 5 Mio. Tokens aufweisen, cf. Onelli et al. 2006, 1213). Insgesamt enthält das Korpus ca. 28,32 Mio. Tokens und gilt als repräsentativ für die italienische Schriftsprache.48 Dennoch ist es aufgrund seiner Größe nur bedingt geeignet für die geplante Untersuchung, da sich nur ein kleiner Teil der vom FFP betroffenen Fremdwörter in den relevanten Zeitspannen nachweisen ließ.49 Über eine automatisierte Annotation von Eigennamen verfügt ASLS (für den Zeitraum 1910–2005). Es handelt sich auch international um eins der ersten Digitalisierungsprojekte, in denen das sog. NER-Tagging durchgeführt wurde (Bolioli et al. 2014, 78). Die linguistische Aufbereitung des Zeitungsarchivs umfasste zudem die automatische Erkennung und Behebung von OCR-/ Texterkennungsfehlern. Aus der Suchmaske des Archivio storico Corriere della sera lässt sich schließen, dass auch die Eigennamen dieses Archivs gesondert getaggt wurden. Tabelle 10 fasst die Eigenschaften der fünf Korpora vergleichend zusammen.
47 http://corpora.ficlit.unibo.it/DiaCORIS/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 48 «DiaCORIS is a representative collection of all the most important textual types and genres of the Italian language in XIX and XX century culture [...], and it is also a resource which has been carefully organized to be a reliable and powerful tool for diachronic linguistic research in this domain» (Onelli et al. 2006, 1213). 49 So sind viele, auch als verbreitet geltende Fremdwörter in DiaCORIS im Zeitraum 1901– 1967 gar nicht belegt, andere haben statistisch nur unbedeutende Frequenzen, z.B. erscheint ein Fremdwort wie boxeur lediglich sechs Mal in diesem Zeitraum.
gewichtet, innerhalb der Schriftsprache ausgewogen
gegeben
POS-getaggt
Ausgewogenheit / Vielfalt
Authentizität
Linguistische Aufbereitung vielfältig: u.a. Wortart, Zeitraum
POS-getaggt
nicht durchgängig gegeben (bzgl. Datierbarkeit, Einbezug von Sekundärquellen)
Archivio Storico La Stampa
vielfältig: Zeitraum, Publikation, Autor, Seite, erwähnte Personen/Orte/ Organisationen/ Thema
NER-getaggt
gegeben
vielfältig: Zeitraum, Publikation, Autor, Seite, erwähnte Personen/Orte/ Organisationen
NER-getaggt
gegeben
innerhalb der innerhalb der Schriftsprache relativ Schriftsprache relativ ausgewogen ausgewogen
> , Mio. Scanseiten , Mio. Scanseiten (-heute) (–)
Archivio storico Corriere della sera
Zeitraum, Publikation
nicht getaggt
gegeben
eher unausgewogen, da Fokus auf Fachsprache des Sports
. Scanseiten (–)
Biblioteca dello sport
50 Siehe Ergebnisanzeige unter http://corpora.ficlit.unibo.it/DiaCORIS/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 51 Errechnet auf der Grundlage der Daten unter http://storage.googleapis.com/books/ngrams/books/googlebooks-ita-all-totalcounts-20120701.txt [letzter Zugriff: 10.09.2020].
Zugriffsmöglichkeiten Zugriff u.a. auf vordefinierten Zeitraum, Textsorte
, Mrd. Monogramme (–)
, Mio. Tokens (–)
Größe
eher unausgewogen (cf. Zhang )
Google Ngram Viewer
DiaCORIS
Tabelle 10: Historische Textarchive des Italienischen für den Zeitraum 1900–1970.
3.2 Untersuchungsdesign
211
fünf Operatoren für Kollokationssuchen
Vorschau auf Einzelkontexte für einzelne Zeiträume (ab Mindestvorkommen in Büchern), keine Angabe der genauen Trefferzahl, sondern Anteil an allen N-Grammen
Abfragemöglichkeiten reguläre Ausdrücke
KWIC-Ansicht, erweiterte Kontextansicht, Angabe der Trefferzahl
online, frei verfügbar
Ergebnisanzeige
Verfügbarkeit online, kostenpflichtiges Abonnement für Detailansicht
gesamte Zeitungsseite mit Markierung des Suchbegriffs, nur Ansicht, kein Download möglich, Angabe der Trefferzahl
Suche nach exakten Zeichenketten
Archivio storico Corriere della sera
online, frei verfügbar
Zeitungsansicht mit Markierung des Suchbegriffs bzw. Volltextansicht, Download als pdf- oder txt-Datei möglich, Angabe der Trefferzahl
Suche nach exakten Zeichenketten, Boolesche Operatoren AND, OR, NOT
Archivio Storico La Stampa
52 Cf. https://books.google.com/ngrams/info [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 53 Cf. http://www.archiviolastampa.it/component/option,com_lastampa/task,faq/Itemid,4/ [letzter Zugriff: 10.09.2020].
online, frei verfügbar
Google Ngram Viewer
DiaCORIS
Tabelle 10 (fortgesetzt )
online, frei verfügbar
Trefferliste ohne Sortieroption, gesamte Zeitungsseite ohne Markierung des Suchbegriffs, kein Download möglich, Angabe der Trefferzahl nur bis .
Suche nach exakten Zeichenketten, Boolesche Operatoren AND, OR, NOT, Suche mit Platzhaltern, Fuzzy-/Nähe-Suche
Biblioteca dello sport
212 3 Methodische Grundlagen
3.2 Untersuchungsdesign
213
Gegenüber dem zu kleinen DiaCORIS und dem zu wenig ausgewogenen und authentischen Korpus, das dem Google Ngram Viewer zugrunde liegt, sind die beiden Zeitungsarchive sowohl in Größe als auch Ausgewogenheit und Datierbarkeit vorzuziehen. Die Biblioteca dello sport bietet zwar bessere Suchmöglichkeiten, erweist sich aber aufgrund ihrer geringeren Ausgewogenheit, der Heterogenität in Bezug auf Quellen und Publikationsdichte und ihrer Ergebnisausgabe als ungeeignet, dient der Untersuchung aber als Quelle für Erstdatierungen und Belegbeispiele. Größtes Manko der Zeitungsarchive bleiben aber die eingeschränkten Abfragemöglichkeiten, wobei das ASLS zumindest Boolesche Operatoren zulässt und dank einer Creative Commons-Lizenz (CC BY-NC-ND)54 und des Verzichts auf kommerzielle Nutzung im Gegensatz zum Archivio storico Corriere della sera einen einfacheren Zugang ermöglicht, der auch die Möglichkeit zum Herunterladen der Inhalte im txt- oder pdf-Format einschließt. Daher wurde das Zeitungsarchiv von La Stampa als tauglichstes Untersuchungskorpus ausgewählt. 3.2.4.4 Arbeit mit dem Archivio storico La Stampa (ASLS) Als historisches Zeitungsarchiv wurde das ASLS nicht primär für linguistische Zwecke geschaffen, bietet sich aber in Ermangelung vergleichbarer Korpora hinsichtlich zeitlicher Abdeckung, Größe und Zugriffsoptionen auch zur Untersuchung sprachhistorischer Fragestellungen an.55 Dennoch sind Korpusanalysen anhand des ASLS zeitintensiv und erfordern kognitiven Aufwand. Damit sind sie nicht mit der Nutzung linguistisch aufbereiteter Korpora der Gegenwartssprache zu vergleichen. Zur Suche nach Phrasen bzw. nach mehreren Stichwörtern ist die Formulierung langer Suchanfragen nötig, die häufig nur mittels mehrerer Suchiterationen gebildet werden können. Zudem hat die Ergebnisausgabe verschiedene Tücken: Obwohl die Texterkennung optimiert 54 Die Lizenz betrifft die eingescannten Zeitungsseiten, nicht aber die einzelnen Artikel und Fotos sowie die Datenbank an sich, deren Reproduktion und Wiederverwendung daher untersagt ist (https://www.lastampa.it/archivio-storico/index.jpp#lastampa_note_legali [letzter Zugriff: 28.08.2019]). 55 Auf seiner Webseite wird das 2010 abgeschlossene Retrodigitalisierungsprojekt folgendermaßen beschrieben: «Il progetto di digitalizzazione dell’Archivio Storico La Stampa è stato realizzato dal Comitato per la Biblioteca dell’Informazione Giornalistica (CBDIG) promosso dalla Regione Piemonte, la Compagnia di San Paolo, la Fondazione CRT e l’editrice La Stampa, con l’obiettivo di creare una banca dati online destinata alla consultazione pubblica e accessibile gratuitamente. Una risorsa di informazioni unica in Italia per ricchezza e completezza, che permette a tutti attraverso i grandi e i piccoli avvenimenti di percorrere circa un secolo e mezzo della nostra storia» (https://www.archiviolastampa.it/content/view/2/1/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]).
214
3 Methodische Grundlagen
wurde (Bolioli et al. 2014), zeigen gerade die Zeitungsartikel vor 1950 noch zahlreiche OCR-Fehler, die es eigentlich nötig machen, jeden Treffer einzeln zu überprüfen. Das ist wiederum dadurch erschwert, dass die Trefferliste für viele ältere Artikel nur eine Ansicht der gesamten Zeitungsseite, aber keine reine Textansicht verlinkt. Ohnehin kann die Datenerhebung nicht automatisiert erfolgen, sondern setzt kognitive Operationen voraus, beispielsweise um Kontexte und Wortbedeutungen der Suchbegriffe zu ermitteln, die für die onomasiologisch basierte Datenerhebung unabdingbar sind. Um eine bessere Vorstellung von der Größe des ASLS zu erhalten, wurde die Gesamtzahl der Tokens für den Untersuchungszeitraum 1920–1970 geschätzt. Die Schätzung erfolgte jahrzehnteweise, da auch die Daten auf der Basis von Jahrzehnten erhoben werden (siehe 3.2.5). Für die Schätzung wurde die Anzahl der Textwörter auf 20 zufällig ausgewählten Zeitungsseiten eines Jahrzehnts mit der Gesamtzahl der Artikel des Jahrzehnts (die in der Ergebnisanzeige erscheint, wenn nur eine Zeitspanne eingegeben wird) multipliziert. Nach Rundung ergaben sich die folgenden Schätzungen: Tabelle 11: Schätzung der Größe von Teilkorpora des ASLS in Millionen Tokens. –
–
–
–
–
Die Teilkorpora weisen also ein generelles Wachstum auf, wobei es zu einem Einbruch in den 1940er Jahren kommt. Dass das Teilkorpus 1940–1950 das mit Abstand kleinste ist, kann auf die Verminderung des Zeitungsumfangs und die zeitweise vollständige Unterbrechung der Zeitungsproduktion infolge des Zweiten Weltkriegs sowie auf Papierknappheit56 und Kriegsverluste zurückgeführt werden. Um verzerrende Ergebnisse zu vermeiden, muss die Frequenzerhebung im Rahmen der onomasiologischen Untersuchung der stark variierenden Größe der Teilkorpora Rechnung tragen. Beispielsweise kann die Ersetzung von ital. football nur richtig eingeschätzt werden, wenn die absoluten Frequenzen in Beziehung zu jenen der Lexemkonkurrenten calcio und gioco del/a(l) calcio gesetzt werden (cf. dazu 4.4.3). Denn die ansteigenden Frequenzen für football im ASLS (siehe Tab. 12) stehen nicht für eine zunehmende Verbreitung, sondern für die steigende Größe des zugrunde gelegten Korpus, während der Anglizismus ab Mitte der 1930er Jahre tatsächlich nur noch selten verwendet wird
56 Laut Zimmermann (2007, 109) wurde der Umfang der Tageszeitungen aufgrund der Papierknappheit bereits 1926 durch ein Dekret auf 6–8 Seiten beschränkt.
3.2 Untersuchungsdesign
215
(gegenüber calcio). Für diachronische Vergleiche sind daher immer relative Frequenzen heranzuziehen. Tabelle 12: Absolute und relative Frequenz von football im ASLS.
absolute Frequenz relative Frequenz
–
–
–
–
–
.
.
% % % % % (calcio: %) (calcio: %) (calcio: %) (calcio: %) (calcio: %)
Suchanfragen werden im ASLS entweder durch die Eingabe von Zeichenfolgen im Suchfeld oder durch verschiedene Filter im Suchformular der «Ricerca avanzata» gestellt. Relevant für die vorliegende Untersuchung ist dabei vorrangig die kombinierte Suche nach Zeichenketten und die Eingabe eines Zeitraums. Wie bereits erwähnt, verarbeitet die zugrundeliegende Datenbank die logischen Operatoren AND, OR sowie NOT und erlaubt exakte Suchanfragen, auch mit Klammerung. Reguläre Ausdrücke können dagegen nicht verarbeitet werden. Allerdings bieten auch logische Operatoren Möglichkeiten, nach verschiedenen Flexionsformen, Varianten und nach Kollokationen zu suchen und sie iterativ zu filtern. Eine form- und variantentolerante Suchanfrage für football lautet beispielsweise: (in der Suchanfrage werden Leerzeichen wie Bindestriche behandelt). Bezieht sich die Suchanfrage nur auf FUSSBALL (und nicht etwa auf football rugby) und sollen Eigennamen wie Torino Foot-ball Club ausgeschlossen werden, eignet sich eine Ergänzung mit , z.B. . Die Ergebnisanzeige (siehe Abbildung 13) beinhaltet die Summe der Artikel, in denen der Ausdruck erscheint und eine Auflistung aller Artikel mit den wichtigsten Metadaten (Titel des Artikels, Publikation, Datum, Ausgabe, Seitenangabe, teils mit einem Ausschnitt der ersten Zeilen des Artikels). Die Ergebnisauflistung kann nach Datum (auf-/absteigend) oder Relevanz sortiert werden. Einzelne Artikel der Ergebnisliste können entweder als reproduzierte Zeitungsseite (mit markiertem Suchbegriff) und zum Teil auch als reine Textdarstellung aufgerufen werden. Abschließend wird die Nutzung des ASLS für die Korpusanalyse zum Gebrauchsstatus der Fremdwörter (Kapitel 4.2) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und für die onomasiologische Untersuchung in Kapitel 4 beschrieben. Die Beschreibung lehnt sich an Wegera (2013) an, der für Korpusanalysen fordert, ihr
216
3 Methodische Grundlagen
Abbildung 13: Beispiel einer Ergebnisdarstellung im ASLS.
Maß an Vollständigkeit («entire corpus vs. subcorpora»), Exhaustivität («all evidence, evidence of a sequence, or every xth piece of evidence») und Gesamthaftigkeit («two, several, or all competitors of a phenomenon») zu spezifizieren (70). Für die Voruntersuchung zum Gebrauchsstatus (siehe 4.2) gilt: – Vollständigkeit: abgefragt werden die vollständigen Teilkorpora des ASLS für den Publikationszeitraum 01.01.1900 bis 31.12.1944. – Exhaustivität: es werden alle Evidenzen für Fremdwörter (entsprechend der Kriterien unter 3.2.2.3) erhoben; – Gesamthaftigkeit: für die semasiologische Analyse spielt Gesamthaftigkeit insofern eine Rolle, als auch grafische Varianten der Fremdwörter berücksichtigt wurden. Für die onomasiologische Untersuchung (siehe Kapitel 4.3 bis 4.10) gilt: – Vollständigkeit: die Erhebungen erfolgen einzeln für fünf Teilkorpora: 01.01.1920–31.12.1929, 01.01.1930–31.12.1939, 01.01.1940–31.12.1949, 01.01.1950– 31.12.1959 und 01.01.1960–31.12.1969. Diese werden vollständig einbezogen (alle Textsorten, alle Zeitungsteile, auch Werbung, Kleinanzeigen etc.). – Exhaustivität: es werden alle Evidenzen für Fremdwörter (entsprechend der Kriterien unter 3.2.2.3) sowie für ihre grafischen Varianten und (historischen) Synonyme erhoben; – Gesamthaftigkeit: Gesamthaftigkeit ist insofern gegeben, als die Frequenzen aller Ausdrucksvarianten erhoben und zueinander in Beziehung gesetzt werden.
3.2 Untersuchungsdesign
217
Schwierigkeiten der Frequenzerhebung mit dem ASLS ergaben sich insbesondere durch: – OCR-Fehler, also von der Software nicht korrekt erkannte Zeichen im Text, die zu fehlerhaften Schreibweisen und daher bei der Formensuche zu falsch-negativen, seltener zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Die Fehler treten umso häufiger auf, je älter der betreffende Text ist. Zudem führen längere Suchbegriffe eher zu falsch-negativen (also nicht gefundenen) Ergebnissen. Besonders kurze Suchbegriffe führen eher zu falsch-positiven Suchergebnissen. So erhält man bei der Suche nach auch viele Treffer für «che», «cucire» und «sancire». Die Suchanfragen sollten daher typische Fehlerkennungen (wie zum Beispiel für , für und umgekehrt) vorwegnehmen und so gewählt sein, dass sie möglichst viele denkbare (grafische/morphologische) Varianten zulassen, um falsch-negative Ergebnisse zu reduzieren. Falsch-positive Ergebnisse können durch eine manuelle Nachkontrolle ausgeschlossen werden. – homografe bzw. polyseme Lexeme mit abweichender Bedeutung. Hierzu zählen v.a. Eigennamen, aber auch irrelevante Wortverbindungen. Um dem onomasiologischen Ansatz gerecht zu werden, erweist sich hierbei eine semantische Disambiguierung als notwendig. Sie sollte soweit wie möglich automatisiert erfolgen. Cf. hierzu Kapitel 3.2.6. – Funktionswörter (Artikel, Pronomen, Präpositionen, Konjunktionen) werden von der ASLS zugrundeliegenden Datenbank nicht verarbeitet (dies wird weder in der Datenbankbeschreibung noch von Bolioli et al. (2014) erwähnt, erschließt sich aber bei der Suche). Das lässt darauf schließen, dass die Suche eher für enzyklopädische und weniger für linguistische Zwecke konzipiert wurde und sich daher auf die Verarbeitung von Inhaltswörtern beschränkt. Schwierig ist daher die Suche nach Fremdwörtern wie all oder Kollokationen wie à la volée.
3.2.5 Generierung onomasiologischer Profile Ziel der onomasiologischen Untersuchung ist es, für eine Auswahl von Konzepten der Sportsprache onomasiologische Profile zu erstellen und zu analysieren. Ein onomasiologisches Profil konstituiert sich aus allen (historischen) Ausdrucksvarianten eines bestimmten Konzepts sowie deren jeweiligen Frequenzdaten: The basis for the calculations are individual formal onomasiological profiles, or profiles in short. A profile for a particular concept or linguistic function in a particular language variety is the set of alternative linguistic means used to designate that concept or linguistic function in that language variety, together with their frequencies (expressed as relative frequencies, absolute frequencies or both) (Speelman et al. 2003, 319).
218
3 Methodische Grundlagen
Die Grundlage dafür bildet die Untersuchungsstichprobe von 104 Konzepten der Sport- und Spielsprache, die entsprechend der originären Bedeutung und häufigsten Verwendung der ausgewählten Fremdwörter bestimmt wurden. Beispielsweise lautet das Konzept zu dem Fremdwort poulain ZÖGLING EINES SPORTLERS/ TRAINERS und trägt die semantischen Merkmale [Schüler], [Sport], [bevorzugt] bzw. [vielversprechend]. Nachdem die Konzepte festgelegt sind, werden alle weiteren Ausdrucksvarianten dieser Konzepte im Sprachgebrauch bestimmt. Anhand des Beispiels poulain soll das Vorgehen genauer erläutert werden. Für die Bestimmung von Synonymen wurden zunächst die Italianisierungsvorschläge der Quellen der FFP einbezogen. Eine erste Schwierigkeit ergab sich daraus, dass die Quellen des FFP teilweise nicht genau kennzeichnen, was eine Substitutionsangabe ist. Paraphrasen ähneln mitunter Definitionen und enzyklopädischen Angaben (cf. 2.2.3.3). Explikative Paraphrasen mit schwacher oder fehlender Idiomatizität (z.B. cavallo di tre anni che non ha corso ancora durante l’anno für hack in Palazzi 1939)57 wurden direkt ausgeschlossen. Dasselbe gilt für Lexeme, die sich denotativ oder konnotativ (v.a. durch Pejoration) so stark vom Fremdwort unterscheiden, dass sie das Konzept nicht ohne Bedeutungsveränderung wiedergeben, z.B. bei puttanambolo für tabarin ‘Nachtlokal’ in (Tribuna 1932). Für das Beispiel poulain wurden die nativen Ausdrücke pupillo (eigentlich: ‘Liebling, Zögling; Mündel’), allievo (eigentlich: ‘Schüler’) und principiante (eigentlich: ‘Anfänger’) vorgeschlagen. Für weitere Informationen zu den Fremdwörtern und ihren synonymen Entsprechungen wurden einsprachige Wörterbücher des Italienischen (NDM; Zing. 2019; VTO),58 des Französischen (GR; TLFi) und des Englischen (OED), etymologische Wörterbücher des Italienischen (DELI; LEI), italienische Synonymwörterbücher (DSCT; DSC), die italienische Wikipedia (https://it.wikipedia.org; letzter Zugriff: 10.09.2020) und das Korpus der Biblioteca digitale dello Sport konsultiert. Im Beispiel poulain ließen die Bedeutungsangaben in NDM und VTO vermuten, dass der Ausdruck allievo prediletto eine gewisse Idiomatizität aufweist 57 Paraphrasierende Angaben werden nur dann als Ersetzungsvorschläge berücksichtigt, wenn sie ohne Relativpronomen (wie che, chi, cui) bzw. Relativadverbien (wie dove, quando) auskommen, die Indikatoren enzyklopädischer Angaben sind, und nicht von metasprachlichen Hinweise wie «significa», «propriamente», «dicesi» begleitet sind. Unspezifische Umschreibungen wie «gioco di pazienza» für puzzle ‘Kreuzworträtsel’ (Jàcono 1939) werden ebenfalls nicht als Synonyme von Fremdwörtern angesehen und daher nicht in die Erhebung des onomasiologischen Profils einbezogen. 58 Die historische Dokumentation des historischen sportsprachlichen Wortschatzes gilt als lückenhaft (cf. Schweickard 2008). Bei NDM – der aktualisierten und digitalisierten Version von Tullio De Mauros Grande dizionario italiano dell’uso (Torino, UTET, 1999) – und Zing. 2019 handelt es sich um die beiden Gebrauchswörterbücher des Italienischen, die die meisten Erst-
3.2 Untersuchungsdesign
219
und daher als Synonym gelten kann (wobei ihm allerdings das semantische Merkmal [Sport] fehlt). Aus den in DSCT unter prediletto aufgeführten Ausdrücken «beniamino, (fam.) cocco, favorito, preferito, prescelto, protégé, protetto, pupillo» wurden zusätzlich beniamino, (allievo) favorito, (allievo) preferito und protégé als potenzielle Synonyme für poulain ausgewählt (cocco aufgrund der Registermarkierung, prescelto und protetto aufgrund stärkerer semantischer Abweichungen nicht). Anhand der Okkurrenzen des Fremdwortes in den historischen Korpora von ASLS, CDS und im historischen Sportkorpus Biblioteca dello sport wurden beispielhaft Kontexte analysiert. Gerade in frühen Verwendungen von Fremdwörtern der Sportsprache wurden sie häufig von erklärenden Paraphrasen und metasprachlichen Kommentaren begleitet, die teilweise Aufschluss über Synonyme geben. Aus den Kontexten der Treffer für die lexikografisch ermittelten Synonyme konnte zudem deren tatsächliche Synonymie abgeleitet werden. Dabei geben grafische Marker wie Anführungszeichen häufig Hinweise darauf, wann Neologismen lexikalisiert werden. Denn die Zeitungssprache tendiert dazu, innovative bzw. ungewöhnliche Verwendungen, in der Lexik also z.B. Neologismen und uneigentliche Wortverwendungen, typografisch zu kennzeichnen, meist durch Anführungszeichen oder Kursivierung.59 Dazu zählen aber nicht nur Fremdwörter, sondern jede Art von Neologismen, also beispielsweise auch Italianisierungen, die Neuheitscharakter haben, wie der folgende Spielbericht vom 19.12.1932 im ASLS zeigt: «Al 21° si ha un primo calcio d’angolo contro il Padova [...]. Le due squadre poi si spostano da un campo all’altro ed al 21° il Padova è in ‹corner›: tira Ferrerò, ma il portiere rimanda lontano. Altro ‹angolo› del Padova al 28°, senza risultato» (5). Angolo als noch ungewöhnliche Kürzung aus calcio d’angolo wird genauso wie das Fremdwort, corner, in Anführungszeichen gesetzt. Im Beispiel ZÖGLING EINES SPORTLERS/TRAINERS zeigte sich, dass synonyme Verwendungen von poulain im Sportkontext meist mit der Kollokation ~ di ... [Name eines Sportlers/Trainers] auftreten, also z.B. in «allievo di Girardengo».
datierungen und die ausführlichsten pragmatischen Angaben für Termini der Sportsprache liefern und somit für die historische Dokumentation «zumindest eine ungefähre Orientierung» bieten (Schweickard 2008, 31). 59 «Im Fall einer typographischen Hervorhebung hingegen scheint diese vor allem dadurch motiviert, dass sich der Produzent zu einem gewissen Grad von der Form distanzieren möchte, d.h. hier kann eine metasprachliche bzw. zitierende Verwendung festgestellt werden. Die Form lässt sich demnach als im Zeichenrepertoire von Produzent und Rezipient vorhanden interpretieren, der Produzent stuft ihre Verwendung jedoch als kommunikativ riskant ein, insofern als der Rezipient diese unter Umständen missbilligen könnte» (Winter-Froemel 2011, 37–38).
220
3 Methodische Grundlagen
Auf diese Weise konnten pupillo und allievo prediletto als Synonyme belegt werden. Während sich allievo preferito, allievo favorito und protégé nicht (im Sportkontext) nachweisen ließen, verwies beniamino di... auf andere Kontexte, z.B. «il beniamino del pubblico è stato ancora una volta il moscovita Ovanesoff» (ASLS 13/11/1929, 5) und erwies sich somit als nicht synonym, da beniamino das Sem [Schüler] fehlt (cf. *poulain del pubblico). Schematisch lässt sich die Erstellung des onomasiologischen Profils folgendermaßen darstellen (zur Auswertung des Konzepts siehe 4.9.3): Tabelle 13: Identifikation von Synonymen für ital. poulain. Ausdrucksvarianten für ZÖGLING EINES SPORTLERS/TRAINERS bzw. Synonyme für poulain
Quellen
puristische pupillo Italianisierungsvorschläge allievo
CIL (–) De Luca (), Sassi (), Jàcono (), Palazzi ()
principiante Jàcono () weitere potenzielle Synonyme
Ausschlussgrund
nicht synonym
allievo prediletto
VTO, NDM
allievo favorito
DSCT
nicht belegt im ASLS –
allievo preferito
DSCT
nicht belegt im ASLS –
protégé
DSCT
nicht belegt im ASLS –
beniamino
DSCT
nicht synonym
Okkasionelle, nicht-lexikalisierte Metaphern oder Metonyme, die in der Berichterstattung im ASLS synonym zu Fremdwörtern verwendet wurden, bleiben allerdings unberücksichtigt. Beispielsweise nennt Schweickard (1987, 122–123) für GEWALTSCHUSS (ital. tiro bzw. shoot) zahlreiche Umschreibungen in der Fußballberichterstattung wie bastonata, cartuccia, ciabattata, fendente, gancio, inzuccata, legnata, pedata, pennellata, puntata, saetta, sassata, sberla, schiacciata, sciabolata, sventola, tocco, zampata, zuccata. Diese Form der Metaphorisierung ist in der Sportberichterstattung typisch und dient neben der stilistischen Variation v.a. der Belebung des Ausdrucks durch sachlich abweichende Frames, in diesem Fall Kampf, Kunst und andere Sportarten. Berücksichtigt wurden im
3.2 Untersuchungsdesign
221
Beispiel GEWALTSCHUSS nur lexikalisierte und häufig auftretende Metaphern wie staffilata, stangata, cannonata und sparo. Nach der Bestimmung der potenziellen Synonyme wurden für alle Frequenzdaten im ASLS über die fünf Messzeiträume erhoben (1920–1930, 1930–1940, 1940–1950, 1950–1960, 1960–1970). Dabei wurden, soweit möglich, nur konzeptgleiche Treffer berücksichtigt und abweichende Bedeutungen polysemer Lexeme ausgeschlossen (siehe 3.2.6). Einbezogen wurden auch Flexionsformen sowie grafische/phonologische Varianten. Tatsächlich variiert die Schreibung von Fremdwörtern in der Sportberichterstattung der Tagespresse erheblich.60 Unberücksichtigt blieben Treffer, die in rein fremdsprachlichen Passagen/Zitaten oder nur als Bestandteil von Eigennamen erschienen (z.B. bob in Circolo Bob Genova). Die absoluten Frequenzen wurden summiert und der Realisierungsanteil jeder Ausdrucksvariante innerhalb des Jahrzehnts berechnet. Die so erstellten onomasiologischen Profile besagen nicht nur, mit welcher relativen Häufigkeit ein bestimmtes Lexem in einem der Messzeiträume verwendet wurde, sondern ermöglichen es darüber hinaus auch, die Sportkonzepte in ihrer Gesamtfreqenz zu vergleichen. So kann analysiert werden, welche Konzepte in der Sportberichterstattung besonders präsent waren und über welche Sportarten in La Stampa mehr oder weniger berichtet wurde. Diese hier als ‹Konzeptfrequenz› bezeichnete Variable soll ebenfalls bezüglich ihres Einflusses auf den Erfolg von Fremdwörtern geprüft werden.
3.2.6 Semantische Disambiguierung bei der Datenerfassung aus ASLS Korpusabfragen erfolgen typischerweise formbasiert. Da Lexeme aber im Sprachgebrauch häufig polysem, homonym, in Eigennamen und in Kollokationen verwendet werden, in denen sie ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren, ist eine semantische Eingrenzung der Suchergebnisse erforderlich, die mehrdeutige Wortformen disambiguiert und Ergebnisse ausschließt, die in anderer Bedeutung verwendet werden. Welche Operationen sind also nötig, um das Korpus «semantisch» abzufragen? Bereits die Auswahl der genauer zu untersuchenden Fremdwörter erforderte eine semantische Disambiguierung, da einige Fremdwörter polysem waren, z.B. atout, das einerseits als Spieltermi-
60 Dazu Schweickard (1987): «aus Zeitnot und mangelnder Kenntnis der betreffenden Fremdsprachen resultierenden orthographischen Lapsus [...]. Die Setzung diakritischer Zeichen wird bei der Schreibung fremdsprachlicher Termini weitgehend vernachlässigt. Soweit Akzente gesetzt werden, herrscht dabei oft einige Konfusion» (71–72).
222
3 Methodische Grundlagen
nus (‘Trumpf im Kartenspiel’), andererseits als allgemeiner Sportterminus, v.a. im Radsport (‘Spitzensportler, Ass’), belegt ist.61 Der onomasiologische Zugang zu einem linguistisch noch nicht aufbereiteten, großen Zeitungsarchiv wie dem ASLS ist nicht ohne zusätzlichen kognitiven (und einem damit hohen zeitlichen) Aufwand denkbar, wenn man sich nicht mit einem unbereinigten und damit ungenauen Ergebnis zufriedengeben will. Eine solche semantische Analyse für alle Bedeutungen polysemer Tokens ist in den meisten korpusbasierten Untersuchungen kaum leistbar (Geeraerts 2008). Es muss daher ein Kompromiss zwischen Aufwand und semantischer Genauigkeit gefunden werden. In dieser Arbeit wurden drei Verfahren angewandt, um die etwa 3.000 Korpusabfragen62 möglichst konzeptgenau zu formulieren. Die Entscheidung für eins der Verfahren wurde erst nach der Beurteilung der Gesamtfrequenz des Fremdworts im Untersuchungszeitraum sowie nach Analyse der (geschätzten) Fehlerquote – die meist mit der Polysemie des Lexems oder mit OCR-Fehlern zusammenhängt – und typischer Kontexte/Kollokationen getroffen. Entsprechend der Frequenz und der Polysemie des Suchbegriffs wurde eins der drei folgenden Verfahren zur semantischen Disambiguierung gewählt:63 1. Kollokationssuche: bei hoher Frequenz des Suchbegriffs (typisch beispielsweise für viele Fußballtermini) wurde für die Erhebung eine häufige, monoseme Phrase ausgewählt, die sich auf alle Synonyme innerhalb des Konzepts anwenden ließ. Nur auf diese Weise konnten die Okkurrenzen zahlreicher italienischer Synonyme überhaupt erhoben werden, da eine Standardsuche Tausende Treffer ohne sportlichen Kontext geliefert hätte, die Beleg für Beleg auf Bedeutungsgleichheit hätten überprüft werden müssen. Es wurde darauf geachtet, die Suchphrasen so zu wählen, dass sie über den gesamten Unter-
61 Als Spielterminus ist atout im ASLS allerdings nur selten belegt und wurde daher nur in der sportbezogenen Bedeutung untersucht (siehe 4.9.2). 62 Schätzung aus der Multiplikation von 100 Konzepten, durchschnittlich sechs potenziellen Synonymen und fünf Messzeiträumen. 63 Bei der onomasiologischen Untersuchung von Zenner et al. (2012) erfolgte die semantische Disambiguierung nur bei Token-Frequenzen bis 3.500 manuell. Lexeme mit höheren Okkurrenzen im Korpus wurden von der Untersuchung ausgeschlossen, wenn keine automatisierte Disambiguierung möglich war: «In these cases, we analyze a sample of 1000 tokens and look for context cues which can be used in (semi-)automatic disambiguation. If such cues cannot be found, reliable disambiguation is not possible and consequently the concept is discarded from the analyses. The practical consequence is that polysemy might be underrepresented for the highly-frequent lexemes in our analyses» (764).
3.2 Untersuchungsdesign
2.
223
suchungszeitraum hinweg sprachlich und sachlich konstant geblieben sind. Einige Beispiele: – FUSSBALL (foot-ball): 64 (somit konnten die zahlreichen irreführenden Verwendungen für calcio – wie ‘Fußtritt’, ‘Kalk’ etc. – vernachlässigt werden); – TOR (BEIM PUNKTESTAND) (goal): (eindeutige Phrase auch für polyseme Italianisierungsvorschläge wie porta, punto etc.); – STÜRMER (forward): (numerusneutral; steht für die italienische Fußballnationalmannschaft, die Suchphrase ist damit monosem). Kontextsuche: bei polysemen Zeichenfolgen mit mittlerer bis hoher Frequenz, bei denen eine Kollokationssuche in Ermangelung fester und eindeutiger Phrasen nicht zum gewünschten Erfolg führt, bietet sich eine Kontextsuche an. Dabei werden möglichst monoseme und spezifische Wurzeln in die Suchanfrage aufgenommen (verknüpft mit dem logischen Operator OR), die häufig im unmittelbaren Umfeld mit der gesuchten Bedeutung auftreten – sowohl zusammen mit dem Fremdwort als auch zusammen mit den synonymen Ausdrücken. Je nach Anzahl und Auswahl der zusätzlichen Suchbegriffe kann so eine relativ zuverlässige Disambiguierung erzielt werden. Teilweise treten jedoch auch unerwünschte Treffer auf, die durch manuelle Feinauswahl ausgeschlossen werden müssen. Beispiele: – TREIBSCHLAG (ital. drive mit den Synonymen und Italianisierungsvorschlägen diritto, colpo diritto, dritto, ventola, volata diritta, sventola): als Kontextwörter werden , , und ausgewählt, da das Konzept häufig zusammen mit den Lexemen set, lob und battuta auftritt. Zudem wurde die Zeichenfolge – bei der es sich nicht um eine Wurzel, sondern ausnahmsweise um ein (Superlativ-) Morphem handelt – hinzugenommen, da sich in der Kontextanalyse herausgestellt hat, dass das Konzept oft mit Attributen im Superlativ (z.B. «L’irlandese, che possiede un servizio efficacissimo e un bellissimo drive» [07/04/1931, 2] «il suo drive lunghissimo» [20/05/1925, 5], «con bellissimi drives» [22/07/1928, 7]) erwähnt wird. – Für SEKUNDANT IM BOXSPORT (ital. soigneur mit den Synonymen und Italianisierungsvorschlägen secondo, assistente, curatore): Die gewählten
64 Bei den folgenden Angaben zu Suchbegriffen steht «?» für ein einzelnes beliebiges Zeichen, «*» für beliebige Zeichenfolgen.
224
3.
3 Methodische Grundlagen
Kontextwörter waren , , und («gettare la spugna» ‘aufgeben, das Handtuch werfen’ ist eine häufige Kollokation in der Sprache des Boxsports). Dennoch ist eine weitergehende manuelle Auswahl nötig, um irreführende Treffer auszuschließen, z.B. «Mentre l’arbitro scandisce i secondi viene gettata la spugna» (17/11/1951, 4). Standardsuche: bei tendenziell geringer Frequenz des Konzepts erfolgt eine unbeschränkte Erhebung der absoluten Okkurrenzen mit manueller Disambiguierung (Ausschluss der Treffer mit abweichender Bedeutung).
Beim manuellen Filtern der Suchtreffer von Kollokations- und Standardsuchen wurde darauf geachtet, Treffer zu tilgen, bei denen der Suchbegriff als Teil eines Eigennamens fungiert, z.B. eines Sportclubs, wie bei bridge in Bridge and Social Club oder jockey in Jockey club italiano. Daneben kommt es aber auch zu Übertragungen aus anderen Sportarten, z.B. im Fall von sventola – zunächst als Schlag im Boxsport, dann als Schusstechnik im Fußball – oder von aficionado, das erst zur Bezeichnung für den Anhänger des Stierkampfes, später des Box- und Radsports, dann vor allem für den ‘Fußballfan’ verwendet wurde (so auch noch bei Schweickard 1987, 67 und 70; siehe auch 4.3).
3.2.7 Bivariate Analysen Als Ergebnis der onomasiologischen Untersuchung sollen induktiv Hypothesen zu sprachinternen und sprachexternen Merkmale formuliert werden, die die Fremdwortsubstitution beeinflusst haben könnten. Solche Hypothesen zu statistischen Zusammenhängen (Korrelationen) zwischen zwei oder mehr Merkmalen werden auch Zusammenhangshypothesen genannt. Positive Zusammenhänge dürfen jedoch nicht mit Ursache-Wirkungs-Relationen, also Kausalitäten verwechselt werden (Döring/Bortz 2016, 146). Die Zusammenhangshypothesen werden mithilfe bivariater Analysen geprüft. Bivariate statistische Methoden untersuchen den Zusammenhang zwischen zwei Merkmalen. In der vorliegenden Untersuchung ist dabei der ‹Italianisierungsstatus› (siehe 3.2.2.2) die abhängige (Kriteriums-)Variable (AV). Die Merkmale, für die angenommen wird, dass sie in Zusammenhang mit der AV stehen, stellen die unabhängigen (Prädiktor-)Variablen (UV) dar. Die quantitative Verteilung der Merkmale kann in sog. Kreuztabellen dargestellt werden. Die meisten Merkmale weisen nominalskalierte Daten auf, z.B. umfasst die Variable ‹Italianisierungsstatus› die drei Werte «Fremdworterfolg», «Italianisierung» und «Koexistenz». Andere Merkmale sind ordinalskaliert, lassen sich also in eine numerische Ordnung bringen, z.B. die Silbenanzahl als Maß für Wortlänge/Sprachökonomie
3.2 Untersuchungsdesign
225
oder das Alter des Fremdworts. Entsprechend beschränkt sich die Auswertung auf kategoriale, nonparametrische Auswertungsverfahren. Für die Analyse solcher Daten eignen sich besonders die sog. χ2-Methoden (Chi-Quadrat-Methoden) (Bortz/Schuster 2010, 137–142). Diese Verfahren ermöglichen es, die Häufigkeitsverteilung einer unabhängigen Variable auf den statistischen Zusammenhang mit der Häufigkeitsverteilung einer anderen, abhängigen Variable zu überprüfen (χ2-Unabhängigkeitstest). Mit einer vorher festzulegenden Irrtumswahrscheinlichkeit (üblicherweise α = p < 5%) wird bestimmt, ab wann von einem signifikanten Abhängigkeitsverhältnis auszugehen ist. In Kapitel 5 werden die Häufigkeitsverteilungen der einzelnen Merkmale beschrieben und anschließend der statistische Zusammenhang zwischen ihnen durch den χ2-Unabhängigkeitstest geprüft. Die Nullhypothese besagt, dass die gefundenen Häufigkeitsverteilungen nur zufällig von den erwarteten Verteilungen abweichen. Liegt die Irrtumswahrscheinlichkeit (p-Wert) unter 5%, wird die Nullhypothese verworfen und die Alternativhypothese angenommen, die besagt, dass bestimmte Werte der unabhängigen Variable tendenziell gemeinsam mit bestimmten Werten der abhängigen Variable auftreten. Rückschlüsse auf Kausalzusammenhänge erlauben statistische Hypothesentests generell nicht, sondern nur über die Art und die Intensität der Kovariation (Döring/ Bortz 2016, 184–185 und 677). Die Nullhypothesen der Untersuchung behaupten somit stochastische Unabhängigkeit in der Stichprobe, die Alternativhypothesen gehen dagegen von einer Interdependenz des Prädiktors (der UV) und des Kriteriums (der AV) aus. Die statistische Auswertung erfolgt mit der Statistiksoftware IBM SPSS Statistics 25. Für alle einbezogenen Variablen wird in Abhängigkeit des jeweiligen Datenniveaus zunächst eine deskriptive Statistik vollzogen, um einen ersten Eindruck der Verteilungen zu gewinnen. Die relativen Häufigkeiten der verschiedenen Merkmalsausprägungen und ihr Verhältnis zur AV ‹Italianisierungsstatus› werden mithilfe von Grafiken in Form von Kreis- und Säulendiagrammen dargestellt. Die Verteilungen werden beschrieben, sie lassen jedoch nur eingeschränkt Schlussfolgerungen über die Stichprobe hinaus zu: Die gefundenen Unterschiede in der Verteilung können auch mit der Zusammensetzung der Stichprobe, mit Verzerrungen aufgrund der jeweils unterschiedlichen Fallzahlen oder schlicht mit zufälligen Abweichungen zusammenhängen. Ob aufgrund der beobachteten Zusammenhänge von einer Abhängigkeit zwischen den Variablen auszugehen ist, wird daher mithilfe des χ2-Tests geprüft. Weitere methodische Festlegungen werden in Kapitel 5.1 getroffen.
226
3 Methodische Grundlagen
3.3 Zusammenfassung Nach der Diskussion einiger semasiologisch orientierter Ansätze (lexikografischer, korpus- und befragungsbasierter Ansatz) wurde dafür argumentiert, dass der konzeptbasierte Ansatz methodisch am besten geeignet ist, um die Untersuchungsfragen zu beantworten. Mit ihm soll die Entwicklung onomasiologischer Variation bei sprachkontaktbedingter Lexemkonkurrenz anhand einer Stichprobe von 104 Konzepten der Sportsprache analysiert werden. Nach dem Mixed-Methods-Ansatz kommen dabei quantitative und qualitative Methoden zum Einsatz, die sich gegenseitig ergänzen. Die grundlegenden Konstrukte der Untersuchung – ‹onomasiologische Stärke›, ‹Lexemerfolg› und ‹Italianisierungsstatus› – wurden unter 3.2.2 definiert und in messbare Variablen überführt. Die Untersuchung sieht auf der Basis einer Korpusanalyse die Messung von onomasiologischer Stärke und Lexemerfolg von Fremdwörtern vor, die während des FFP bekämpft wurden. Aus den Befunden werden Hypothesen abgeleitet, die mithilfe bivariater Analysen auf ihren statistischen Zusammenhang mit dem Italianisierungsstatus der Konzepte zu überprüfen sind. Die Untersuchungsstichprobe wird somit zunächst für qualitative, onomasiologische Analysen, dann für statistische Unabhängigkeitstests genutzt. Da es sich um eine durch purposive sampling, nicht durch zufällige Ziehung gewonnene Stichprobe handelt, erheben die Befunde beider Untersuchungen keinen Anspruch auf Übertragbarkeit auf die Grundgesamtheit aller Konzepte mit sprachkontaktinduzierter Lexemkonkurrenz in der italienischen Sprache zwischen 1920 und 1970 oder auf die Verhältnisse in anderen Korpora (cf. 3.2.4.2). Dennoch wird davon ausgegangen, dass der ermittelte Sprachgebrauch in der Tageszeitung La Stampa und die gewählte Stichprobe indikativ sowohl für die (Nicht-)Ersetzung von Fremdwörtern im gewählten Zeitraum als auch für dessen Einflussfaktoren sind. Eine Herausforderung der Untersuchung stellt die Korpusanalyse des historischen Zeitungsarchivs von La Stampa über den Untersuchungszeitraum 1920–1970 dar, da die semantische Disambiguierung – Voraussetzung der onomasiologischen Analyse – nicht automatisiert werden kann und zudem grafischer Variation und Texterkennungsfehlern begegnet werden muss. Um die Fehleranfälligkeit und den Zeitaufwand einer manuellen Prüfung aller Korpustreffer gering zu halten und die Reliabilität der Ergebnisse zu verbessern, wurden verschiedene Suchstrategien entwickelt (siehe 3.2.6), mit denen die Ergebnisse einer vollständige Datenerhebung approximiert werden können.
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache zwischen 1920 und 1970 4.1 Einleitung 104 Konzepte der Sportsprache werden im folgenden Kapitel auf ihre onomasiologische Konkurrenz im Zeitraum von 1920 bis 1970 untersucht. Alle Konzepte wurden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (auch) durch Fremdwörter versprachlicht, für die in den ausgewählten 18 puristischen Quellen des FFP Ersatzlexeme vorgeschlagen wurden. Während einige Fremdwörter mehrere Bedeutungen tragen (u.a. goal, forward, cross), für die jeweils eigene Profile angelegt wurden, werden manche Konzepte durch mehrere Fremdwörter versprachlicht (z.B. suiveur, supporter, fan und aficionado im Konzept FUSSBALLFAN). Grundlage der onomasiologischen Analyse ist die Erhebung und Berechnung der relativen Realisierungshäufigkeit der Fremdwörter in ASLS über fünf Messzeiträume. Anhand der erhobenen Daten kann bestimmt werden, ob, wann und in welchem Ausmaß ein Fremdwort im Untersuchungszeitraum durch native Ausdrucksvarianten ersetzt wurde. Die den relativen Frequenzen zugrundeliegenden absoluten Häufigkeiten werden ergänzend zu diesem Buch auf der Verlagswebseite veröffentlicht. Das Kapitel gliedert sich in acht sportartenbezogene Teilkapitel (4.3 bis 4.10). Darin werden die 104 Konzepte sprach- und sportgeschichtlich eingeordnet und in ihrer Variation und Entwicklung analysiert. Eine knappe Einführung in die Geschichte der jeweiligen Sportart in Italien sowie die Entwicklung ihres jeweiligen Lehnwortschatzes, die sich auf einschlägige enzyklopädische Quellen stützt, gibt summarische Antworten auf die folgenden Fragen: Seit wann wurde die Sportart in Italien praktiziert und wie entwickelte sie sich bis 1970? Welche Besonderheiten weist die sportartenspezifische Terminologie und Berichterstattung auf? In welchem Zeitraum und aus welchen Ausgangssprachen wurde die Terminologie entlehnt? Ergänzt wird das Kapitel durch eine Voruntersuchung zum Gebrauchsstatus der vom FFP bekämpften Fremdwörter (4.2). Unter 4.11 werden die Befunde ausgewertet. Im Fokus der Auswertung stehen die kritisierten Fremdwörter und die am häufigsten an ihrer Stelle verwendeten Synonyme. Innerhalb der Kapitel ist die Darstellung am Italianisierungsstatus der Konzepte orientiert (zu den Kriterien siehe 3.2.2.2): Fremdworterfolge, Italianisierungen vor 1920 bzw. nach 1930 sowie Fälle von Koexistenz (ohne eindeutige Salienz). Die Konzepte werden in
https://doi.org/10.1515/9783110713657-004
228
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
chronologischer Ordnung, also nach dem Erstbeleg des Fremdworts, behandelt. Dabei wird insbesondere auf folgende Aspekte eingegangen: – Etymologie des Fremdworts: Angaben zur AS, zum Etymon, zum Entlehnungsweg, ggf. Jahr des Erstbelegs in der AS; – Erstbeleg des Fremdworts: Jahr des frühesten gefundenen schriftlichen Belegs für das Fremdwort.1 Mithilfe der verwendeten Zeitungsarchive ASLS, CDS sowie Biblioteca dello sport konnten zahlreiche Fremdwörter gegenüber den einschlägigen lexikografischen Quellen vordatiert werden. Bei Vordatierungen wird das Belegbeispiel stets mit angegeben; – Wortbildung: Angabe (einer Auswahl) von Derivationen bzw. Kompositionen des Fremdworts, die im Korpus nachgewiesen werden konnten (mit dem Datum des ersten Belegs im ASLS); – Bedeutung: Definition/Bedeutungsangabe (wenn möglich, aus zeitgenössischen Quellen); – Substitute: Angabe aller Italianisierungsvorschläge aus Quellen des FFP, der jeweiligen Quelle und der Ersetzungsform. In den Tabellen werden Italianisierungsvorschläge, die während des gesamten Messzeitraums im ASLS nicht in der jeweiligen Bedeutung belegt werden konnten, mit einem Asterisk (*) gekennzeichnet, belegte, aber nicht-synonyme Ersetzungvorschläge mit einer Raute (#); – ggf. weitere ermittelte Synonyme. Sind die dazu gefundenen Daten besonders umfangreich, werden sie zur besseren Übersichtlichkeit tabellarisch dargestellt. In der Kopfzeile findet sich das Konzept, das originäre Fremdwort mit grammatischen Angaben und eventuellen Varianten (verwendete Abkürzungen in den Tabellen: Etym. = etymologischer Kommentar, Wortb. = Wortbildung, Erstb. = Erstbeleg, Bed. = Bedeutungsangaben, SubV = Substitutionsvorschläge der puristischen Quellen, Syn. = weitere Synonyme). Ggf. finden sich im Kommentar weitere Angaben zum Verhältnis sportbezogener bzw. übertragener Verwendungen des Fremdworts im ASLS, Beobachtungen zum (ggf. sachlich bedingten) Bedeutungswandel und zu synonymischen Relationen, zu sprachästhetischen Urteilen und anderweitig bedeutsamen Angaben der puristischen Quellen.
1 Der früheste gefundene Beleg ist nicht gleichzusetzen mit dem tatsächlichen Zeitpunkt der Innovation, sondern kann nur als ein Indikator für das Alter und für den Kontext, in dem die Innovation stattgefunden hat, dienen. Da lexikalische Innovationen vielfach in der mündlichen, nicht mehr dokumentierbaren Sprache stattfinden, sind sie der linguistischen Analyse nicht mehr zugänglich (Winter-Froemel 2011, 225).
4.2 Voruntersuchung zum Gebrauchsstatus der zu ersetzenden Fremdwörter
229
Assimilierte Formen eines Fremdworts werden üblicherweise als Ausdrucksvarianten, also als formbasierte Ersetzungen behandelt – auch, weil die Quellen des FFP Assimilationen häufig als Ersetzungsformen angeben. Teilintegrierte Formen wurden bei der Frequenzerhebung allerdings dem Fremdwort zugeordnet, insofern sie weiterhin exogene grafische Merkmale aufweisen, z.B. gymkhana mit den teilintegrierten Formen gymkana und gimkana. Als Assimilationen wurden dagegen die Varianten mit (gimcana und gincana) gewertet. Um die onomasiologische Variation über die fünf Messzeiträume leichter erfassen zu können, werden die onomasiologischen Profile mit ihren relativen Häufigkeiten als gestapelte Säulendiagramme dargestellt, so dass die Verteilungen in den verschiedenen Zeitabschnitten optisch besonders gut verglichen werden können. Dabei wird der relative Realisierungsanteil jeder Ausdrucksvariante durch eine andere Farbe gekennzeichnet (das originäre Fremdwort immer dunkelblau). Liegt die Anzahl aller Vorkommenshäufigkeiten innerhalb eines 10-Jahres-Messzeitraums insgesamt unter 20 Belegen im ASLS, nähert sie sich der statistischen Irrelevanz. Um die dadurch weniger aussagekräftigen Daten zu kennzeichnen, wird der jeweilige Balken in der Grafik transparent dargestellt. Bei generell niedrigen Belegzahlen werden die relativen Häufigkeiten für die Messzeiträume 1920–1940 sowie 1950–1970 zusammengefasst dargestellt. Belegbeispiele ohne Quellenangabe sind immer ASLS entnommen.
4.2 Voruntersuchung zum Gebrauchsstatus der zu ersetzenden Fremdwörter Das Zeitungskorpus des ASLS soll zunächst dafür genutzt werden, um zu prüfen, wie verbreitet die vom FFP bekämpften Fremdwörter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich waren. Dafür wurde zunächst eine normalisierte Liste aller kritisierten Lexeme aus den 24 Quellen des FFP erstellt (siehe 3.2.4.1), d.h. Duplikate und grafische Varianten wurden zu einer Nennform zusammengeführt. Abgezogen wurden davon die lexikalischen Einheiten, die nicht den unter 3.2.2.3 definierten Kriterien struktureller Fremdheit entsprachen. Übrig blieben 4.314 Fremdwörter, die auf ihre Präsenz und ihre Frequenz im ASLS geprüft wurden. Um dabei nicht Fremdwörter zu vernachlässigen, die gleich mit dem Beginn des Faschismus verschwanden, wurde der Zeitraum 1900 bis 1945 gewählt. Vielfach war eine Kontrolle der Verwendungskontexte notwendig, um falsch-positive Ergebnisse (wie Eigennamen, homonyme Lexeme etc.) identifizieren und filtern zu können. Bei einigen Suchanfragen, besonders bei sehr kurzen Fremdwörtern (meist Trigramme, seltener Tetragramme) oder wenn Mehrwortlexeme Funktionswörter wie al, in, e, o enthielten – die von ASLS
230
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
nicht interpretiert werden – lieferten die Suchergebnisse so viele falsch-positive oder falsch-negative Suchergebnisse, dass in diesen Fällen keine zuverlässige Erhebung möglich war. Je nach ihrer Frequenz im Zeitraum 1900 bis 1945 wurden die Fremdwörter als «selten» (1–20 Belege im gesamten Zeitraum), «häufig» (über 20 Belege) und «nicht belegt» kategorisiert. Fälle ohne gesicherten Befund wurden unter «Beleglage unklar» zusammengefasst. Die Frequenzprüfung hatte folgendes Ergebnis: Tabelle 14: Gebrauchsstatus von 4.314 kritisierten Fremdwörtern im Zeitraum 1900–1945 im ASLS. Gebrauchsstatus
Anzahl Fremdwörter
Anteil
gebräuchlich (mind. Belege)
.
%
selten (– Belege)
.
%
nicht belegt
.
%
%
Beleglage unklar
Somit verteilen sich gebräuchliche, seltene und unbelegte Fremdwörter zu annähernd gleichen Teilen im ASLS, wobei nur ein Drittel der vom FFP kritisierten Fremdwörter tatsächlich gebräuchlich war. Zwei Drittel der Fremdwörter, die der FFP zu ersetzen versuchte, hatten in La Stampa nur marginale Bedeutung. Dieses Ergebnis spricht für eine expansionistische Anlage des FFP. Denn offenbar versuchten die Quellen auch zahlreiche okkasionale, bereits verschwundene oder sehr fachspezifische, der Gemeinsprache fremde Fremdwörter zu ersetzen. Wie bereits der Quellenüberblick unter 2.2.3.7 vermuten ließ, diente diese Strategie dazu, der Kampagne durch die Behauptung einer größeren Menge von «illegitimen» Fremdwörtern mehr Substanz zu geben – und damit ein stärkeres Argument für puristische Maßnahmen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die vom FFP kritisierten Fremdwörter und deren tatsächlicher Gebrauch nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ auseinandergeht: Zum einen nahmen die Autoren des FFP mitunter Entlehnungen in einer weniger assimilierten Form in ihre Ersetzungslisten auf als sie zwischen 1900 und 1944 im Zeitungsarchiv bereits üblich waren. Beispielsweise moniert Jàcono 1939 das Lexem batyk ‘Batik(stoff)’ – das im ASLS nicht belegt ist –, im Gegensatz zur stärker assimilierten Variante batik. Dasselbe gilt für die von den meisten Quellen des FFP bekämpften Fremdwörter beef-steak (nur 8 Belege, auch unter Einschluss der grafischen Varianten beefsteak, beefstek, bifsteak, bifteck etc.) und beignet (nur 10 Belege inklusive der
4.3 Radsport
231
assimilierten Varianten bignet und bigné).2 Für beef-steak kann in diesem Zeitraum bereits von einer weitgehend abgeschlossenen Assimilation zu bistecca (belegt seit 1844, NDM) ausgegangen werden. In der nun folgenden onomasiologischen Untersuchung wurden nur diejenigen Fremdwörter der Sportsprache berücksichtigt, die entsprechend der Voruntersuchung während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gebräuchlich waren, die in diesem Zeitraum also mindestens 20 Mal im ASLS belegt sind.
4.3 Radsport Die erste in Italien aus dem Ausland eingeführte Sportart, die auch medial große Anerkennung erfuhr, war der Radsport: Tra i primi sport a entrare in Italia, dalla Francia (e dal francese viene anche il nome della disciplina: cyclisme), è il ciclismo: al 1882 risale il primo circolo ciclistico italiano, del 1909 è il primo Giro d’Italia, mentre risale al 1903 il primo Tour de France. Fino alla Prima guerra mondiale, il ciclismo è lo sport più seguito dagli italiani, al secondo posto l [sic, gemeint ist offenbar der Boxsport, GS], al terzo il calcio, il quale passerà al secondo già prima della Grande guerra. Comunque, il sorpasso definitivo del calcio sul ciclismo non si compirà prima degli anni Cinquanta (Rossi 2003).
Mit der Verbreitung des Fahrrads als demokratisches Fortbewegungsmittel für alle verband sich zugleich die «Hoffnung auf Überwindung oder gar Nivellierung sozialer Unterschiede. Die Faszinationskraft des Fahrrads als Verkehrsmittel übertrug sich geradewegs auf seine Nutzung als Sportgerät» (Puccio 2019, 85). Die Popularität des Radsports breitete sich – fast zeitgleich mit der Ausbreitung des Fahrrads als neues Verkehrsmittel – von Frankreich nach Italien aus. Bereits ein Jahr nach dem ersten dokumentierten Radrennen in Frankreich (1868 im Parc de St.-Cloud in Paris) fand 1869 das erste italienische Radrennen in Padova statt, 1870 zwischen Florenz und Pistoia das erste Straßenrennen (Gregori 2005). Neben dem ebenfalls bereits im 19. Jahrhundert in Italien ausgeübten Bahnradsport wurden insbesondere die Straßenrennen, mit den großen Etappenrennen Tour de France (seit 1903) und Giro d’Italia (seit 1909) sowie den Eintagesrennen legendär. Dazu haben maßgeblich die Bedingungen der
2 Die mangelnden Belege für beignet etc. weisen eventuell auch auf eine gewisse Unterrepräsentation des gastronomischen Lehnwortschatzes in der Pressesprache hin. Denn beignet wurde bereits in Pellegrino Artusis La Scienza in cucina e l’Arte di mangiar bene (1891) sowie in der ersten Ausgabe von Alfredo Panzinis Dizionario moderno von 1905 erwähnt (Piacentini 2016a).
232
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Berichterstattung von Straßenradrennen vor der Einführung der modernen Kameratechnik beigetragen: Da Zuschauer, aber auch Journalisten jeweils nur Fragmente des Geschehens verfolgen konnte, existierte der Radsport «eigentlich nur in seiner Berichterstattung» (Puccio 2011, 83).3 Da sich der Radsport «ständig einer definitiven Konkretion und umfassenden Begreiflichkeit entzieht (fast vergleichbar mit einer fahrenden Madonnenerscheinung)» (85), lebe er von der Konstruktion von Mythen. Nur durch die Berichterstattung gelinge es, dem Radsport «wahres Leben einzuhauchen und diesem sport in cerca d’autore eine Sprache und eine Aussage zu verleihen» (86). Typisch ist dabei die Bedeutung der «Imagination vor Information» (87), die Konzentration auf signifikative Schlüsselmomente – wie den Ausreißversuch (la fuga), den Antritt (lo scatto), den «Kampf mit dem Berg» – und der epische, mythisch aufgeladene, pathetische und übertreibende Ausdruck (99ss.). Für Puccio ist der italienische Radsport daher nicht nur eine «literarische» und «legendäre» (82) Sportart, sondern gar eine «literarische Gattung» (155). Nicht zufällig waren unter den Berichterstattern des Giro d’Italia viele italienische Schriftsteller, u.a. Vasco Pratolini, Dino Buzzati, Mario Soldati, Cesare Zavattini und Indro Montanelli (88). Als goldenes Zeitalter des italienischen Radsports gilt (trotz der kriegsbedingten Unterbrechungen) die Zeit zwischen 1930 und 1950 (ETO, s.v. ciclismo). Es mag erstaunen, dass der Radsport dennoch eine für das faschistische Regime «uninteressante» Sportart war. Marchesini spricht von einem «tiepido rapporto tra ciclismo e regime» (2009, 87). In der faschistischen Sportpolitik kam der Radsport kaum vor und obwohl die sportliche Inszenierung für Mussolini4 und seine Funktionäre sehr wichtig war, zeigten sie sich fast nie auf dem Fahrrad; ebenso sind Darstellungen des Radsports in der an heroisierenden Darstellungen des Sportlers sonst reichen Staatskunst nur marginal vertreten, wie Marchesini dokumentiert. Im Gegensatz zu anderen Sportarten wird der Radsport im Faschismus nicht mit symbolischer Bedeutung aufgeladen und eignet sich auch weniger als Instrument zur Massenkontrolle: «non è percepito come ambasciatore del fascismo all’estero ma come fenomeno sportivo politicamente (abbastanza) neutro» (92). Nach Marchesini rührt das faschistische Desinteresse trotz
3 Zwischen Presse und Radsport erkennt Puccio dabei ein besonderes Binom (95). Schließlich lieferte die Presse nicht nur den Stoff dieser «‹zu lesende[n]› Disziplin» (82), sondern sie war von Anfang an auch Organisator der größten Radsportereignisse, z.B. des Giro d’Italia durch die Gazzetta dello Sport. 4 Mussolini «miete il grano, nuota, guida auto-moto-ciclette-motoscafi-aerei, spara, voga, scia, cavalca, tira di scherma e di boxe, gioca a tennis [...]. Curiosamente, egli non va in bicicletta durante più di vent’anni di fascismo» (Marchesini 2009, 85).
4.3 Radsport
233
der großen Popularität des Radsports zum einen daher, dass er das vorfaschistische, arme, liberale und «langsame» Italien symbolisiert: [L]’immagine della bicicletta rischia di contraddire la volontà di modernizzazione, di efficientismo, di riscatto del paese da ritardi storici, proclamato a gran voce dal fascismo. Il ciclismo non è solo popolare, è popolaresco. Più che all’epica dei «giganti» della strada, esso appare legato a quella dei «forzati» della strada, svolgendosi su strade che in parte continuano ad essere tratturi di polvere e di fango. [...] Utilizzato certamente dal regime per acquistare consenso tra le masse, non subisce la massiccia politicizzazione che subiscono altri sport. Il ciclismo resta troppo plebeo, ed è questa coloritura che non si addice all’immagine che il fascismo vuole offrire di sé, come esperienza politica che rompe decisamente con il passato dell’Italietta liberale e con le sue miserie. La bicicletta è [...] un bene povero e da poveri (2009, 93–94).
Zum anderen eignete sich die Berichterstattung des Radsports, der bis zum Zweiten Weltkrieg vorwiegend als Individualsport ausgeübt wurde, weit weniger gut als andere populäre Sportarten wie Fußball oder Boxen für die Aufladung mit Kampf- bzw. Kriegsrethorik (96). Das gilt besonders gegenüber Frankreich, das damals zwar ein politischer Kontrahent, im Radsport aber mit Italien eng und freundschaftlich verbunden war: Marchesini erinnert daran, wie die Radrennlegende Gino Bartali5 bei seinem Sieg der Tour de France 1938 von Franzosen bejubelt wurde – «che lo sentono da sempre come cosa loro, come bene nazionale» (92). Auch war der Radsport in Bezug auf sein Publikum weniger attraktiv für das Regime: «non può essere manovrato, organizzato, disciplinato nei rituali che invece dentro gli stadi, questa nuova fondamentale emergenza architettonica introdotta nei paesaggi urbani contemporanei dai totalitarismi del XX secolo, trovano lo scenario più congeniale» (97). Offizielle internationale Quellsprache des Radsports war das Französische (Caretti 1973). So sind auch die meisten der hier untersuchten Entlehnungen der Sprache des Radsports Gallizismen – bis auf den nicht auf den Radsport beschränkten Anglizismus sprinter sowie palmer, der nach seinem Erfinder John Palmer benannte Schlauchreifen für Rennräder.6 Im Unterschied zu anderen Sportarten hatte die spezifische Terminologie des Radsports geringen Einfluss auf die Gemeinsprache, was Caretti (1985, 52) und Rossi (2003) auf die geringere Kodifizierung des Sports zurückführen. Stattdessen habe sich die
5 Mithilfe seines Rennrads rettete Bartali zwischen 1943 und 1945 Hunderten Juden das Leben, wie erst kürzlich bekannt wurde, cf. den Eintrag in der Holocaust Encyclopedia: https://encyclo pedia.ushmm.org/content/en/article/gino-bartali [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 6 Bascetta (1962, 54, Fußnote) verweist darauf, «che la industria della bicicletta, già fiorentissima in Inghilterra agli inizi del secolo, andò decadendo per la concorrenza franco-italiana. I termini inglesi ancora vivi sono le reliquie di quel periodo di superiorità industriale».
234
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Fachsprache des Radsports erst nach und nach gebildet: «solo col passare del tempo e con molta libertà, dai cronisti sportivi, e in parte anche dall’iniziativa stessa dei parlanti (pubblico, da un lato, e corridori, meccanici, tecnici, dall’altro)» (Caretti 1973, 52). Ein weiterer wichtiger Unterschied zu anderen Sportarten besteht darin, dass eine Live-Berichterstattung – zumindest während der ersten fast 100 Jahre – kaum möglich war. Der Radsport ist daher nach Caretti uno degli sport meno veduti e senza dubbio, per compenso fatale, uno dei più fantasticati attraverso gli articoli di giornale. Di qui la necessità, da parte dei cronisti, di adoperare pochissimi termini tecnici (e stranieri, meno che mai) e di ricorrere invece a un linguaggio fortemente rappresentativo, ora lirico e ora drammatico, preso talvolta a prestito dalla letteratura o da altri linguaggi specifici (1973, 54).
Nach Bascetta (1962) erfolgte die lexikalische Substitution der Gallizismen des Radsports dank der Leichtigkeit, mit der Strukturübertragungen zwischen dem Französischen und dem Italienischen möglich sind und aufgrund der italienischfranzösischen Rivalität in diesem Sport zügig, insbesondere, wenn die Überlegenheit der italienischen Athleten betont werden sollte (27). Bascetta (1962) und Rossi (2003) betonen zudem die relative Austauschbarkeit der Fremdwörter des Radsports, da in der italienischen Berichterstattung viele Synonyme genutzt wurden. Wenn von Radrennen im französischsprachigen Ausland oder die Überlegenheit der französischen oder belgischen Rennfahrer berichtet wird, würden die Fremdwörter zur expressiven Belebung und stilistischen Variation verwendet. In der Berichterstattung über italienische Sportler und Gegebenheiten würde dagegen nativen Lexemen der Vorzug gegeben: sensibilissimo ai gusti del suo pubblico, il cronista sportivo diventa talvolta un pedante seguace del nazionalismo linguistico, quando per esempio le vittorie ciclistiche dei nostri atleti lo inducono a sostituire sistematicamente pistard con ‘pistaiolo’ e grimpeur con ‘scalatore’, salvo a ritornare alla dizione straniera appena si manifesti una prevalenza o superiorità atletica dei ciclisti francesi sui nostri (Bascetta 1962, 10).
Untersucht wurden die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im ASLS geläufigen Fremdwörter des Radsports bagarre, coéquipier, grimpeur, palmer, pavé, pistard, routier, suiveur, surplace, tourniquet.
4.3.1 Fremdworterfolge Unter den fünf untersuchten Fremdwörtern des Radsports, die in den 1920er sowie zwischen 1950 und 1970 die salienten Ausdrücke darstellen, – pavé, pistard, surplace, bagarre und suiveur – weisen die beiden ältesten, pavé und pistard, sowie
4.3 Radsport
235
suiveur in der Nachkriegszeit sogar eine höhere onomasiologische Stärke auf als zuvor. Das seit 1813 belegte pavé ‘Kopfsteinpflasterpassage’ stellt dabei einen Sonderfall dar, da es überwiegend als Exotismus7 mit Bezug auf französische und belgische Straßen verwendet wurde, seit den ersten Berichten über Straßenrennen in Frankreich insbesondere mit Bezug auf die Strecke Paris-Roubaix. (In der Erhebung wurden nur Kontexte aus dem Radsport, nicht aber aus dem Automobilsport berücksichtigt.) Der Gallizismus dient dabei dazu, dem Rennbericht mehr Lokalkolorit zu geben und die Besonderheit dieses Straßenbelags hervorzuheben, der eine besondere sportliche Herausforderung darstellt, wie aus folgenden Beispielen abzulesen ist: In quanto alle strade francesi del Nord, tutte a piastrelle sconnesse – il malfamato pavé – non sono migliori delle strade napoletane e romane (04/06/1930, 5). Forse essi insieme ai belgi si aspettavano di vedere in difficoltà Guerra sul pavé: è noto che gli italiani la prima volta che corrono su queste strade si trovano a disagio (27/07/1930, 5). […] cadere con le braccia avanti, rialzarsi insanguinati: il pavé non perdona (30/07/1932, 4). […] a pochi chilometri dall’arrivo, sulla superficie ineguale del «pavé-scuotibudella» si scatena la bagarre (01/07/1957, 5).
Typische Kollokationen sind «la pavé del Nord» (gemeint ist v.a. die klassische Strecke Paris-Roubaix) und in den 1960er Jahren geradezu stereotyp «l’inferno della pavé». (Man beachte das in den Belegen zunächst variierende, später ausschließlich maskuline Genus.) Der Gebrauch als Exotismus wird dadurch unterstrichen, dass die zur Ersetzung vorgeschlagenen Lexeme selciato und lastricato häufig im Umfeld von pavé verwendet werden, z.B. «la classica corsa su strada a causa dei famosi ‹pavès› o selciati del Nord» (19/05/1943, 2), wobei der attributive vor dem substantivischen Gebrauch überwiegt, cf. «la strada qui è lastricata così malamente che pareva di essere sui tanti malfamati pavés del nord» (04/07/ 1932, 4), «Mi sono subito avviato sul viale che sarà di partenza, lastricato a piastrelle come il «pavé» del nord» (01/09/1936, 5). Der Ersetzungsvorschlag lastrico wurde im ASLS dagegen nur übertragen verwendet (mettere/gettare/lasciare qualcuno sul lastrico umgangssprachlich für ‘jemandem kündigen’). Die ausbleibende
7 Aber nicht nur. In der Nachkriegszeit wird der Begriff teilweise auch auf italienische Straßenverhältnisse übertragen, z.B. auf Kampanien: «verso la fine il fondo stradale peggiora, c’è una specie di pavé sul quale io vado indubbiamente più forte. [...] Le confesso che a Reggio, domenica, ho terminato più stanco che non oggi» (04/04/1955, 5) oder das Latium: «sul tratto in salita dopo Vermicino e poi in quello più ripido sul pavé prima di Frascati, egli perdette contatto dal gruppo che, con Coppi, contava una quindicina di uomini» (16/08/1955, 5).
236
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Ersetzung durch selciato moniert Paolo Monelli in der 2. Auflage seines puristischen Wörterbuchs und verbindet die Kritik direkt mit einem antifranzösischen Klischee: Guardate il caso di pavé: pavé vuol dire selciato, e selciato si traduce pavé; ma avete mai letto selciato nelle cronache del giro di Francia? No, sempre e solo il pavé, l’infernale pavé. (Inutile dire che anche «infernale», aggettivo delle cronache sportive e degli scrittori umoristici [...] è tolto di peso dalle scritture francesi che ne abusano, con quel loro gusto per l’esorbitante e l’eccessivo.) (1943, 279).
Caretti (1973) hält pavé dagegen für nicht ersetzbar: «Questo fondo non ricorre in Italia: onde la difficoltà e anche la non necessità d’una sostituzione» (63). KOPFSTEINPFLASTERPASSAGE pavé (subst.m., anfangs auch f.) pavée, pavè Etym.
< frz. pavé (NDM)
Erstb.
(NDM)
Bed.
Bascetta (): «termine citato nelle cronache di gare ciclistiche francesi; indica uno speciale lastricato, particolarmente difficoltoso a percorrere in bicicletta» VTO: «Particolare tipo di selciato, costituito da piccoli cubi di pietra o di porfido (come, per es., il ‹selciato di sampietrini› di molte strade romane). Il termine è usato in soprattutto nel linguaggio sport., con riferimento ad alcune strade della Francia nord-orientale e del Belgio pavimentate in tal modo e incluse nei percorsi di note gare ciclistiche per aumentarne la difficoltà»
SubV
lastricato (Jàcono ): Analogie selciato (CIL –; Monelli ): Analogie #lastrico (Jàcono )
Der steigende Fremdwortanteil im onomasiologischen Profil lässt sich damit erklären, dass die journalistische Berichterstattung von den großen internationalen Radrennen in der Nachkriegszeit eine zunehmende lexikalische Konventionalisierung erfuhr. Eine zunehmende onomasiologische Stärke ab 1950 weist auch pistard ‘Bahnradfahrer’ auf. Wie Abb. 15 zeigt, verliert die während des Faschismus recht verbreitete Italianisierung pistaiolo (im ASLS erstmals 1925 belegt, in NDM bereits 1905) in der Nachkriegszeit wieder an Bedeutung. Für Migliorini (1942) entspricht pistaiolo (s.v.) wiederum velocista: «Corridore su pista. Traduzione del franc. pistard; lo stesso che velocista». Letzteres ist allerdings eher der ‘Sprinter’ und kann sich sowohl auf Bahnradfahrer als auch auf Straßenfahrer
237
4.3 Radsport
100 %
3%
90 %
13 %
80 %
2% 3%
2% 5%
95 %
93 %
1950-59
1960-69
3% 10 %
44 %
70 % 60 % 50 % 40 % 30 %
84 %
88 %
1930-39
1940-49
lastricato selciato pavé
56 %
20 % 10 % 0% 1920-29
Abbildung 14: Onomasiologisches Profil für KOPFSTEINPFLASTERPASSAGE (ASLS, 1920–1970).
3%
100 % 90 %
18 %
80 %
5% 5%
70 %
3% 2% 18 %
15 %
2% 4%
50 % 32 %
60 % 50 % 40 %
94 % 77 %
73 %
30 % 20 %
50 %
50 %
1930-39
1940-49
corridore in pista corridore su pista pistaiolo pistard
10 % 0% 1920-29
1950-59
1960-69
Abbildung 15: Onomasiologisches Profil für BAHNRADFAHRER (ASLS, 1920–1970).
beziehen.8 Es wird daher als Synonym für sprinter behandelt (siehe 4.9.3), nicht aber von pistard. Offenbar waren die Begriffe während der faschistischen Zeit jedoch noch relativ austauschbar, denn corridore su pista wurde auch für
8 https://it.wikipedia.org/wiki/Velocista_(ciclismo) [letzter Zugriff: 10.09.2020]. Caretti (1972, 60) schreibt zur Ersetzung von pistard durch velocista: «Talvolta si adopera, invece di pistaiolo, il termine velocista che è assai più assimilabile; ma velocista è tecnicamente improprio, anche se comodo, perché la definizione di velocista viene assunta generalmente per lo stradista che è fornito di forte velocità negli arrivi e perché le corse su pista non sono tutte corse di velocità».
238
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
stayer vorgeschlagen (Palazzi 1939), velocista auch für routier (in insgesamt sieben Quellen, siehe Seite 376). Zu einem Erklärungsversuch, warum pistard im Unterschied zu seinem Kohyponym routier nicht ersetzt wurde, cf. 4.3.3. BAHNRADFAHRER pistard (subst.m.) Etym.
< frz. pistard (, NDM)
Wortb.
routier-pistard («Speicher e Di Paco, infatti, sono tra le migliori espressioni di quel tipo di ‹routier-pistard› affermatosi, per la gioia del pubblico, nel dopoguerra», //, ), pistard-gigante («quel pistard-gigante che è Van Steenbergen, discusso, vincitore della ‹Freccia Vallone›», //, )
Erstb.
(NDM; CDS: ; ASLS: «La guerra europea ha fatto disertare i campi dove solitamente si volgevano le gare ciclistiche. E naturalmente si sono sparpagliati in diverse posizioni, tutti chiamati sotto le armi. [...] Dei pistards mi si dice che Saldow, l’invincibile stayer, si trova nell’artiglieria da campagna verso la frontiera russa», //, )
Bed.
Cerchiari (): «Corridore ciclistico specializzatosi nelle corse in pista» Panzini (): «ciclista su pista. Opposto a ciclista su strada. Oggi, velocista o pistaiolo e stradista» Bascetta (): «lo specialista delle corse su pista»
SubV
corridore su pista (Sassi , Jàcono ): Paraphrase corridore in pista (Palazzi ): Paraphrase pistaiolo (Jàcono ; Palazzi : pistaiuolo; Panzini ): Strukturübertragung #velocista (Migliorini )
Der Terminus surplace, häufig in der Kollokation lasciare surplace, war bereits in den 1920er Jahren auch in anderen Sportarten üblich – so im Fußball10 und im Reitsport.11 In der Datenerhebung konnte nur die Übersetzung sul posto (Sassi 1927) als weitere Ausdrucksvariante nachgewiesen werden, die Jàcono (1939) allerdings für ungeeignet hielt: «meno bene Sul posto, che è traduzione letterale dell’espressione gallica» (425). Ob tatsächlich auch die Neuformation fermarello als Synonym diente, wie ein Artikel in StampaSera von 1964 suggeriert – «il più gran velocista del mondo, Maspes, gareggia col pivello Amaduzzi, umile grega-
9 Zuvor bereits bei Zangrilli (1921) in dieser Form. 10 Zum Beispiel: «tre punti andavano uno dopo l’altro ad arricchire il bottino degli azzurri anche se l’ultimo fu frutto di un’inesplicabile sur place di tutta la difesa padovana» (23/12/1929, 5). 11 «Orsini non ha che da muovere le braccia per lasciare surplace Arminio e superare il cavallo di Gualino» (14/06/1926, 2).
4.3 Radsport
239
rio sì, ma figlio di Bartolo inventore del ‹surplace› che allora si chiamava ‹fermarello›» (04/01/1964, 9) – konnte anhand des ASLS nicht nachgewiesen werden. STEHVERSUCH
surplace (subst.m.inv. und adv.) sur place
Etym.
< frz. surplace
Erstb.
(«Alla partenza Stilling tenta un sur-place, poscia parte seguito da Friol e Ruti», //, ; CDS: , NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Lasciare surplace l’avversario significa staccarlo di viva forza senza dargli modo nè tregua per essere raggiunto» Bascetta (): «è la posizione assunta, su un precario equilibrio, dai ciclisti su pista, in attesa del migliore momento per lo scatto verso il traguardo» NDM: «nel ciclismo su pista, posizione di equilibrio, a bicicletta quasi ferma, assunta dal corridore per operare uno scatto improvviso o per far sì che l’avversario scatti per primo, in modo da inserirsi nella sua scia e averlo come punto di riferimento nella volata finale; anche in funz. avv.: lasciare surplace, distanziare nettamente l’avversario con uno scatto improvviso | BU fig., colloq., lasciare surplace, in surplace, piantare in asso; restare surplace, restare di stucco, senza parole»
SubV
sul posto (Sassi ): Strukturübertragung #fermo (De Luca ) #bílico (Jàcono ) #equilibrio (Jàcono ) #in bilico (CIL –)
Syn.
*fermarello (ASLS): Neuformation
100 % 90 %
17 %
8%
80 % 70 % 60 % 50 % 40 %
83 %
92 %
sul posto surplace
30 % 20 % 10 % 0% 1920-39
1950-69
Abbildung 16: Onomasiologisches Profil für STEHVERSUCH (ASLS, 1920–1970).
240
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Ähnlich wie surplace wurde auch der Gallizismus bagarre ‘Gerangel, Tumultphase bei Radrennen’ bereits während des Faschismus in anderen sportlichen und nach 1945 auch in nicht-sportlichen Kontexten verwendet (seit 1925 für Radrennen,12 ab den 1930er Jahren auch im Rugby und im Fußball13 sowie in anderen Kontexten14). Der wichtigste Verwendungskontext bleibt bis 1970 jedoch der Radsport. Eine typische, stereotyp verwendete Kollokation in der journalistischen Berichterstattung ist «una bagarre indiavolata». Die Kontextsuche ergab insgesamt eine relativ geringe Konzeptfrequenz, insbesondere zwischen 1930 und 1950. Dennoch erweist sich bagarre im Kontext des Radsports als resistent (1920–29: 28 Belege, 1930–39: 6, 1940–49: 10, 1950–59: 273, 1960–69: 376). Die von Sassi (1927) vorgeschlagene Italianisierung confusione wurde in der Berichterstattung des Radsports selten verwendet, zumal es keine terminologischen Qualitäten aufweist, siehe folgende Beispiele: Si entra ora, alle porte di Torino, nella zona della... confusione che caratterizza gli arrivi delle grandi corse (24/05/1923, 2). La confusione per l’ingresso in Roma e lo sprint finale sono stati le uniche emozioni di una tappa fiacca (02/03/1969, 18).
Sowohl für surplace als auch für bagarre war jeweils nur eine italienische Entsprechung (sul posto bzw. confusione) in Gebrauch, die jedoch keine ernsthafte Konkurrenz darstellten. Der Fortbestand beider Fremdwörter wurde durch ihre semantische Übertragbarkeit in andere Sportarten sowie allgemeinere Kontexte sicherlich begünstigt. Suiveur ‘Begleiter eines Radsportlers’, das zuvor bereits im Flugsport verwendet wurde, erscheint in der Radsportberichterstattung ab 1923, zunächst nur sporadisch.15 Der Begriff suiveur – Gregori (2005) versteht darunter «‘sostenitori al 12 «Come epilogo della bagarre, Horan riesce a guadagnare sette giri» (04/12/1925, 5, erstmals 1892 ohne Bezug auf Radsport; NDM: 1962) 13 Z.B. «la maggior parte delle partite si risolvono in bagarres continue, sotto l’occhio impassibile degli arbitri», 04/12/1930, 5, «Di solito l’Inter è ritenuta la squadra della bagarre, si muove con disinvoltura nelle partite tempestose, non c’è nulla che possa turbare il suo gioco» 28/10/ 1957, 5; zur späteren Verwendung des Begriffs im Fußball für ‘kampfbetontes Spiel, verbissene Auseinandersetzung’ cf. auch Schweickard (1987, 70). 14 V.a. in Bezug auf ‘Straßentumult, Verkehrschaos’, siehe die Beispiele «Il viaggio di Palmiro Togliatti in Jugoslavia ha provocato una notevole bagarre a Roma» (05/11/1946, 1), «Che il XII festival cinematografico di Cannes finisse in una vera bagarre a suon di pugni tra due uomini» (16/05/1959, 9), «Vivamente atteso è l’esordio del tenore Giuseppe Di Stefano alla gran bagarre canzonettistica» (25/01/1966, 9), im letzten Beispiel sogar ohne grafische Markierung. 15 Erster Beleg im ASLS in dieser Bedeutung: «Arduini, Lucotti, Gremo ed Azzini riescono ad attraversare incolumi la massa compatta dei suiveurs che impazza nella strada, e Girardengo
4.3 Radsport
241
100 % 90 %
24 %
19 %
76 %
81 %
1920-39
1950-69
80 % 70 % 60 % 50 % 40 %
confusione bagarre
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 17: Onomasiologisches Profil für GERANGEL, TUMULTPHASE BEI RADRENNEN (ASLS, 1920–1940 und 1950–1970).
seguito’, per rifornimenti o assistenza meccanica» – nahm später zusätzlich die allgemeinere Bedeutung ‘Anhänger, Fan eines Sportlers’ an (cf. Bascetta 1962; SC; NDM), die u.a. auch im Fußball Verwendung fand (cf. Seiten 281–282). Anfangs ist der suiveur jedoch nicht einfach nur ein appassionato oder tifoso des Radsports, sondern verfolgt das Radrennen professionell als Journalist oder als praktischer Unterstützer (der sich zugleich vom soigneur ‘Pfleger, Masseur eines Radsportlers’ unterscheidet). Offenbar verlor der «Berufsstand» der suiveurs mit der zunehmenden Professionalisierung und Medialisierung des Radsports an Bedeutung und kann somit als Historismus betrachtet werden, auch wenn Paolo Monelli noch 1960 schrieb: «Giornalisti che seguono il Giro di Francia dimenticano tutta la lingua materna, nebbia diventa brouillard, la strada è glissante, essi stessi si chiamano suiveurs» (ASLS 09/10/1960, 3). In den puristischen Quellen erwähnen nur Sassi (1927) und Jàcono (1939) den Gallizismus. Die einstige Verbreitung des anfangs bedeutendsten Lexemkonkurrenten supporter, einem Anglizismus, bestätigt auch Paolo Monelli in einem Zeitungsartikel in La Stampa von 1952: rivedendo dopo tanto tempo gli stessi ometti curvi sul manubrio basso allo stesso modo, con gli stessi gesti ed accorgimenti di allora, la stessa spintarella iniziale dei supporters, come si diceva allora e forse si dice ancora (30/07/1952, 4).
respira, perché tre dei suoi gregari gli sono al fianco» (26/03/1923, 3), im Flugsport bereits 1910; NDM: 1960.
242
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Die Substitute assistente (Sassi 1927) und seguace (Jàcono 1939) fanden nur selten Verwendung, die weiteren Ersetzungsvorschläge segugio, ombra, inseparabile und corri appresso (alle Jàcono 1939) gar keine. BEGLEITER EINES RADSPORTLERS
suiveur (subst.m.inv.)
Etym.
< frz. suiveur (GR: «() Personne qui suit une course, à titre officiel (observateur, journaliste)»)
Bed.
Jàcono (, ): «colui che segue un atleta per sola ‹passione› sportiva» Bascetta (): «appassionato, TIFOSO» SC: «Direttore tecnico, giornalista o tifoso che accompagna un atleta, soprattutto un ciclista, durante le gare» NDM: «spec. nel ciclismo, chi è al seguito di un atleta nelle varie gare, per ragioni professionali o per passione personale»
SubV
assistente (Sassi : «di un concorrente durante la corsa»): Analogie seguace (Jàcono ): Analogie *corri appresso (Jàcono ): Paraphrase #segugio (Jàcono ) #ombra (Jàcono ) #inseparabile (Jàcono )
Syn.
supporter: Fremdwort
100 % 13 %
90 % 80 %
40 %
9%
13 %
14 % 3%
70 % 60 % 50 %
50 %
40 % 30 %
91 %
100 % 83 %
60 %
assistente seguace supporter suiveur
20 % 25 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 18: Onomasiologisches Profil für BEGLEITER EINES RADSPORTLERS (ASLS, 1920–1970).
4.3 Radsport
243
4.3.2 Italianisierungen bis 1920 Fremdwörter des Radsports, die bereits in den 1920er Jahren nicht mehr die salienten Ausdrucksvarianten ihres Konzepts waren, sind palmer und coéquipier. Als Gattungsname scheint palmer nur im Italienischen geläufig gewesen zu sein – weder im Englischen noch im Französischen wurde der für Rennräder übliche Schlauchreifen nach seinem Erfinder benannt. Auffällig ist auch, dass palmer nach De Luca (1924) und Sassi (1927) von keiner puristischen Quelle mehr erwähnt wurde. Das ist jedoch kaum verwunderlich, berücksichtigt man, dass tubolare bereits in den 1920er Jahren das deutlich saliente Lexem war und palmer ab in den 1940er Jahren schließlich ganz verdrängte.16 Innerhalb der technischen Fachsprache ist palmer möglicherweise nicht so stark außer Gebrauch gekommen wie im ASLS, da das Lemma noch immer in Wörterbüchern wie NDM und VTO erscheint. SCHLAUCHREIFEN palmer (subst.m.inv.) Etym.
nach dem Namen des Erfinders John Palmer, der den Schlauchreifen erfand und patentieren ließ (seine Firma nannte sich London Palmer Tyre Ltd.); im Englischen in dieser Bedeutung unbekannt (cf. OED)
Erstb.
(«Beni e Galetti si alternano in testa; ma Galetti poco dopo ha un secondo palmer bucato», CDS //, ; NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Nome di copertone speciale per ruote di biciclette da corsa, costituito da un tutt’uno fra copertone e camera d’aria» Bascetta (): «tubolare di gomma e tela per le ruote della bicicletta da corsa»
SubV
tubolare (De Luca ): Analogie *cerchione tubolare (Sassi ): Paraphrase
Syn.
gomma tubolare: Paraphrase *boyau (Caretti , ): Entlehnung
Coéquipier ‘Mannschaftskamerad’ war nicht nur im Rad- und Automobilsport, sondern marginal auch in weiteren Sportarten üblich.19 Ab den 1930er Jahren kann coéquipier als aufgegeben betrachtet werden, denn bereits in den 1920er Jahren war compagno der saliente Ausdruck. In der Nachkriegszeit setzten sich aber
16 Belegt seit 1914 (ASLS 06/04/1914, 4). 17 https://it.wikipedia.org/wiki/Tubolare [07.02.2018] 18 Zuvor auch schon in Zangrilli (1921). 19 Siehe Belege für coéquipier im Zeitraum 1920–1930: Radsport: 34, Automobilsport: 21, andere Sportarten: 3.
244
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 %
3%
2%
90 % 80 % 70 % 60 %
68 % 89 %
50 %
100 %
100 %
100 %
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
gomma tubolare tubolare palmer
30 % 20 % 10 %
30 % 10 %
0% 1920-29
1930-39
Abbildung 19: Onomasiologisches Profil für SCHLAUCHREIFEN (ASLS, 1920–1970).
zunehmend das von den puristischen Quellen nicht erwähnte gregario sowie die Paraphrasen compagno di squadra und compagno di fuga durch.20 Auffällig ist die über den gesamten Messzeitraum ausgeprägte lexikalische Streuung.
MANNSCHAFTSKAMERAD BEI RADRENNEN
cóequipier (subst.m.) coéquiper, coequipier, coequiper
Etym.
< frz. coéquipier
Erstb.
(«Egli ora cerca di ricuperare il perduto e mentre Garrigou rallenta per impedire a Bruschera di trovarsi a contatto col suo coequipier, Trousselier ripete i suoi tentativi di fuga», CDS //, ; ASLS ebenfalls )
Bed.
Cerchiari (): «Il coéquipier è ai diretti comandi del capoéquipe e deve contribuire oltre che alla vittoria del capo squadra anche alla vittoria complessiva della squadra» Bascetta (): «(ciclismo): compagno di squadra, di équipe»
SubV
compagno di squadra (Sassi , Palazzi , Cicogna ): Paraphrase compagno (Sassi ): Analogie *concorridore (CIL –): Neuformation
20 Wobei nur compagno di fuga spezifisch für den Radsport ist und compagno di squadra dagegen im Fußball sehr häufig erscheint. Es ist zu vermuten, dass compagno in der Nachkriegszeit aufgrund der politischen Aufladung des Lexems seltener, die beiden längeren, aber semantisch spezifischeren Paraphrasen häufiger verwendet wurden.
4.3 Radsport
245
(fortgesetzt ) MANNSCHAFTSKAMERAD BEI RADRENNEN
cóequipier (subst.m.) coéquiper, coequipier, coequiper
Syn.
gregario: Analogie compagno di fuga: Paraphrase compagno d’inseguimento: Paraphrase compagno d’équipe (Zangrilli ): Paraphrase (Teillehnwort) compagno di corsa: Paraphrase scudiero (Caretti , ): Analogie
100 % 90 % 80 %
9% 9% 6%
70 %
1% 1% 4% 12 %
1%
12 %
14 %
15 % 22 %
29 %
35 % 55 %
40 %
48 %
30 %
40 %
55 % 41 %
20 % 10 %
1%
27 %
60 % 50 %
7%
21 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
14 % 1% 1950-59
scudiero compagno di corsa compagno d'équipe compagno d'inseguimento compagno di fuga compagno di squadra gregario compagno coéquipier
16 % 1960-69
Abbildung 20: Onomasiologisches Profil für MANNSCHAFTSKAMERAD BEI RADRENNEN (ASLS, 1920–1970).
4.3.3 Italianisierungen nach 1930 Die Fremdwörter tourniquet und grimpeur verloren ihre Salienz in den 1930er, routier in den 1940er Jahren. Bei tourniquet [tuʀniˈkɛ] ‘Serpentine, Kurve’ hat bei der Entlehnung ein beachtlicher Bedeutungswandel gegenüber dem französischen Etymon stattgefunden. Frz. tourniquet bezeichnet das ‘Drehkreuz’, für ‘Serpentine’ ist dagegen routes-en-lacet gebräuchlich (cf. Monelli 1933, 320). Das Synonym tornante wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts aus frz. tournant gebildet (NDM: 1897), bis in die 1930er Jahre war aber offenbar tourniquet (belegt seit 1893) erfolgreicher. 21 Cf. Caretti (1973, 62); Erstbeleg in dieser Bedeutung: ASLS, 08/09/1913, 4.
246
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Spätestens seit den 1960er Jahren erscheint tourniquet nicht mehr ausschließlich im Kontext von Straßenrennen, sondern auch für den allgemeinen Autoverkehr. Serpentina wurde anfangs überwiegend adjektivisch verwendet, z.B. in «strada serpentina», bevor man zum Typ «discesa a serpentina» und schließlich zur rein substantivischen Verwendung überging. Tornichetto, die von Cerchiari (1927) erwähnte Assimilation (cf. auch VTO), konnte im ASLS bis 1970 nicht nachgewiesen werden, einzig in einem Artikel von Paolo Monelli von 1966, in dem er – unter der Überschrift «Gli autolesionisti della lingua italiana» im üblichen puristischen Duktus – dessen Gebräuchlichkeit suggeriert: «Gli italiani così sensibili al bel canto, quale durezza d’orecchio li affligge che si giuggiolano le più stonate rabberciature di vocaboli stranieri come piattitudine, eclatante, non scialante, revanscismo, tornichetto [...]?» (02/08/1966, 3). Bereits 33 Jahre zuvor schlug er zur Ersetzung von tourniquet u.a. scala vor, «come molti montanari chiamano le più erte e con più giri e come dice in questo senso anche Dante» (1933, 320). Ein metaphorisches Mehrwortlexem, das auch synonym verwendet wurde, ist curva a gomito.
SERPENTINE, KURVE
tourniquet (subst.m., meist pl.)
Etym.
< frz. tourniquet ‘Drehkreuz’ und frz. tournant (> ital. tornante) (NDM, GR)
Erstb.
(«Per accedere alla Grotta dei Dossi, dopo aver percorsa una stradicciuola graziosa e serpeggiante su questi ‹dilettosi monti›, ci si innalza all’imboccatura su per numerosi e serrati tourniquets», //, ), in der Bedeutung ‘Drehkreuz’ bereits seit (NDM)
Bed.
Cerchiari (): «Strade a giravolta, a serpentina, che servono a vincere le forti pendenze di montagna» Bascetta (): «con questo errato francesismo si indicano le giravolte delle strade in montagna» NDM: «curva molto stretta, tornante di una strada di montagna»
SubV
strada a zig-zag (Monelli /, Palazzi ): Paraphrase strada a svolte (Monelli /, Palazzi ): Paraphrase serpentina (Monelli /, Jàcono , Palazzi ): Neuformation (als Substantiv) #scala (Monelli /) #rampe (Monelli )
22 Dieses Lexem findet sich bereits bei Piazzi (1911) zur Erklärung von tourniquet.
4.3 Radsport
247
(fortgesetzt ) SERPENTINE, KURVE
tourniquet (subst.m., meist pl.)
Syn.
tornichetto (Cerchiari ): morphonologische Assimilation tornante (DSCT): Entlehnung (< frz. tournant, seit im Ital. [NDM]) curva a gomito: Paraphrase storta: Dialektismus (DSCT) *curva a U (DSCT): Paraphrase *tornichè (Monelli , ): morphonologische Assimilation *tournant (Zangrilli ): Entlehnung
100% 90%
3% 3%
6% 18 %
80%
10 % 33 %
11 %
11 % 7%
69 %
74 %
70% 60% 50%
93 %
40%
63 % 67 %
30% 20% 10% 0% 1920-29
12 %
0%
8%
6%
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
storta curva a U strada a zig-zag strada a svolte curva a gomito serpentina tornante tourniquet
Abbildung 21: Onomasiologisches Profil für SERPENTINE (ASLS, 1920–1970).
Tourniquet wurde bis 1970 nicht gänzlich aufgegeben und scheint auch weiterhin der stilistische Variante zur Beschreibung von Gebirgsstraßen zu dienen. Grimpeur tritt zunächst als Terminus im Bergsport auf. Im ASLS ist dieser Kontext jedoch nur selten belegt (1920–29: 4 Belege neben 31 für Radsport, 1930–39: 1 Beleg neben 58 für Radsport), daher wird hier nur der Radsport berücksichtigt. Bei den Italianisierungsvorschlägen arrampicatore (laut NDM erstmals 1847 im Bergsport belegt), rampicatore (NDM: 1865–69) und rocciatore (ASLS, 29/07/1929, 5) handelt es sich ebenfalls um Übertragungen aus dem Bergsport/Alpinismus. Der Ersetzungsvorschlag rocciatore konnte nicht in Bezug auf Radsport nachgewiesen werden, crodaiolo – ein Beispiel für einen Dialektismus (in diesem Fall ein Venetismus) – gar nicht. Nachdem grimpeur in den 1930er und 1940er Jahren überwiegend durch arrampicatore abgelöst worden
248
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
war, konnte sich in der Nachkriegszeit scalatore durchsetzen, zuvor ebenfalls ein Fachterminus des Bergsports (Caretti 1973, 61). KLETTERER
grimpeur (subst.m.inv.)
Etym.
< frz. grimpeur (NDM: )
Erstb.
(«Assaltiamo l’ultima faticosa salita di questo percorso, e cioè quella famosa del Dosino, pensando essere questo il momento buono per il grimpeur Aimo di attaccare in salita il Borgarello», //, ; seit alpine Bedeutung in CDS)
Bed.
Zangrilli (): «Arrampicatore; dicesi di ciclista, forte in salita o di buon alpinista» Cerchiari (): «Dicesi delgi alpinisti abili nelle scalate. // Nel ciclismo gli atleti che hanno doti particolari di arrampicatori» Bascetta (): «(ciclismo): ARRAMPICATORE, scalatore, ciclista abile nei tratti in salita»
SubV
arrampicatore (De Luca , Sassi , Monelli /, Mazzucconi , Jàcono , Palazzi , Natali ): Fachterminus scalatore (De Luca , CIL –): Fachterminus rampicatore (Monelli /, Jàcono ): Fachterminus *crodaiolo (Monelli /, Jàcono , Palazzi : crodaiuolo, Natali : crodajolo): Dialektismus #rocciatore (Monelli /, Palazzi , Natali )
100 % 90 %
25 %
24 %
80 %
34 %
70 % 60 %
79 %
84 %
20 %
14 % 3% 1960-69
50 % 40 %
75 %
69 % 65 %
30 % 20 % 10 % 0% 1920-29
6%
0%
1930-39
1940-49
1% 1950-59
Abbildung 22: Onomasiologisches Profil für KLETTERER (ASLS, 1920–1970).
rampicatore scalatore arrampicatore grimpeur
4.3 Radsport
249
Routier versprachlichte in den 1920er Jahren fast konkurrenzlos das Konzept STRASSENFAHRER. Zudem zeigen die zahlreichen Komposita, wie produktiv das Fremdwort in faschistischer Zeit war (als Hyponyme wurden sie bei der Erhebung nicht berücksichtigt). Während pistard seine onomasiologische Stärke in der Nachkriegszeit sogar noch ausbauen konnte, wurde routier zugunsten der Strukturübertragung und Neuformation stradista aufgegeben, die 1935 erstmals belegt ist.23 Es lohnt sich, diesen unterschiedlichen Ausgang bei vergleichbaren Voraussetzungen genauer unter die Lupe zu nehmen: Ital. routier war bereits seit 1894 in Gebrauch, pistard erst seit 1905, was vermutlich mit der jüngeren Geschichte des Bahnradsports zusammenhängt. Während mehrgliedrige Synonyme wie corridore su pista/ strada vorrangig der stilistischen Variation in der Sportberichterstattung dienten, wie ihre stets unter 20% liegende onomasiologische Stärke zeigt, entwickelten sich die neologischen Strukturübertragungen pistaiolo sowie stradista zu ernsthaften Konkurrenten. Dabei stellte das erst relativ spät (1935) gebildete stradista eine besonders geglückte Substitution dar: Zum einen ist die Italianisierung deutlicher, da sich im Gegensatz zu pistaiolo der Wortstamm ändert, zum anderen ist das Derivationssuffix -ista für Personenbezeichnungen in dieser Zeit besonders produktiv (cf. auch die etwa zeitgleich erfolgten Substitutionen von recordman mit primatista, régisseur mit regista und von chauffeur mit autista).24 Dieses Derivationssuffix bietet sich im Fall von pistard jedoch nicht an, da dies zu einer kakophonischen Wiederholung einer ähnlichen Silbe führen würde (*pistista). Daher wurde das alternative Wortbildungsmorphem -ai(u)olo gewählt, das allerdings unvermeidlich eine Pejorisierung mit sich bringt: Für Migliorini (1990) handelt es sich um «un suffisso di mestiere che allude a occupazione stabile, materiale e per lo più di scarsa considerazione» (245). Die somit leicht lächerlich gemachte Neuformation pistaiolo hatte daher nur vorübergehende Durchsetzungskraft. Aus demselben Grund hatte wohl auch stradaiolo, das von DSCT als Synonym für stradista aufgeführt wird, keinen Erfolg. Seit dem 15. Jahrhundert war es als Adjektiv üblich (NDM), in der Bedeutung ‘Straßenfahrer’ konnte es im ASLS jedoch nicht nachgewiesen werden.25
23 «il nostro ciclismo su pista è rimasto deserto di genuini corridori di velocità. [...] Non ci sono rimasti che gli stradisti, celebri e bravi fin che vuoi [...]» (04/01/1935, 7; NDM: 1939). 24 Cf. Menarini (1941): «il suffisso -ista caro oggi più che mai alla nostra lingua in genere ed a quella sportiva in particolare (ciclista, motociclista, turista, motoscafista, tennista, cestista, stradista, ecc.)» (115) sowie den Artikel Autista e regista von Migliorini (1990 [¹1941], 237–242). 25 Die theoretisch denkbare Alternativform stradiere könnte durch die abweichende Bedeutung ‘Zöllner, Mautbeamter’ ausgeschieden sein.
250
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
STRASSENFAHRER
routier (subst.m.)
Etym.
< frz. routier (, NDM)
Wortb.
routier-sprinter («Sala [...] forse handicappato dall’ottimo stato delel [sic] strade, più favorevoli ai routiers-sprinters che a uomini che spingono di forza», //, ) tourist-routier / tourista-routier («Anche i concorrenti italiani facenti parte della categoria dei touristi-routiers non furono molto fortunati colle gomme», //, ) routier-pistard («traggo solo il giudizio tecnico su questo tipico routier-pistard che, non perfetto su strada, ha doti eccellenti per le corse non eccessivamente dure e non martoriate da salite e per le risoluzioni che richiedono il pronto e totale rendimento della macchina umana negli ultimi duecento metri di esse», //, ) scrittore-routier («ho sempre amato di essere uno ‹scrittore-routier›, se esistesse questa categoria. Una corsa non è un semplice episodio sportivo. É un atto di vita: un dramma: un romanzo» //, )
Erstb.
(«Lo stesso tratto Firenze-Milano verrà coperto da un altro ciclista: Luigi Airaldi, il vincitore della gara del Corriere della Sera e che oggi è ritenuto il nostro miglior routier. Egli partirà da Firenze domani mattina, per cui i due recordmen s’incontreranno», CDS //, ; NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Corridore ciclista specializzato nelle gare su strada» Bascetta (): «STRADISTA, specialista delle corse ciclistice su strada»
SubV
corridore su strada (De Luca , Sassi , Jàcono ): Paraphrase stradista (Jàcono , Palazzi , Panzini ): Strukturübertragung *velocipedista viaggiatore (De Luca ): Paraphrase #camminatore (Palazzi ) #sperimentato (Jàcono ) #praticone (Jàcono ) #navigato (Jàcono ) #volpone (Cicogna : «di uomo sperimentato»)
Syn.
#stradaiolo (cf. DSCT, s.v. stradista)
26 So auch bei Zangrilli (1921). 27 Bei Piazzi (1911) in umgekehrter Reihenfolge umschrieben: viaggiatore velocipedista.
4.3 Radsport
100 %
2%
3%
4%
2%
92 %
94 %
3% 1950-59
4% 1960-69
251
18 %
90 % 80 %
22 %
70 % 60 % 50 %
85 %
98 %
40 % 30 %
corridore su strada stradista routier
59 %
20 % 10 %
13 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 23: Onomasiologisches Profil für STRASSENFAHRER (ASLS, 1920–1970).
4.3.4 Fazit Die untersuchten Konzepte des Radsports weisen ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Fremdworterfolgen (5) und -substitutionen (5) auf. Bei zwei der Substitutionen erfolgte der Verlust der Salienz des Fremdworts bereits in vorfaschistischer Zeit, bei den übrigen drei in den 1930er Jahren. Auffällig ist, dass sich der Gebrauch vieler der untersuchten Fremdwörter nicht auf die Fachsprache des Radsports beschränkt, weil sie auf andere sportliche (surplace, suiveur, coéquipier) oder nicht-sportbezogene Kontexte übertragen wurden (bagarre, pavé, tourniquet). Das überwiegend auf französische Straßen bezogene pavé wurde in der Berichterstattung als Exotismus erhalten, während tourniquet bis 1970 überwiegend durch die assimilierte Entlehnung tornante ersetzt wurde. Die Fremdwörter bagarre und surplace scheinen insbesondere durch ihre semantische Übertragung in allgemeinere Kontexte erhalten worden zu sein. Der unterschiedliche Ausgang für die beiden Kohyponyme routier und pistard deckt auf, wie stark die Ersetzung von Fremdwörtern bei ähnlichen Ausgangsbedingungen (Sportart, semantische Kategorie, Alter, Ausgangssprache) von der Qualität der zur Verfügung stehenden Ausdrucksvarianten abhängt. Für beide Fremdwörter kamen Neuformationen in Gebrauch (stradista und pistaiolo, neben paraphrasierenden Lexemen), von denen sich jedoch nur das mit dem produktiveren Wortbildungssuffix (-ista) behauptete. Daneben waren zur Substitution häufig auch Analogien erfolgreich (scalatore für grimpeur, gregario für coéquipier).
252
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4.4 Fußball Der Fußball hat weltweit viele historische Vorläufer, entwickelte sich aber erst in England während des 19. Jahrhunderts zu seiner modernen Form. Nach der Gründung der Football Association 1863 wurde ein umfangreiches Regelwerk entwickelt, das seit 1871 ein Verbot des Handspiels vorsah. Seit diesem Zeitpunkt verlief die Entwicklung von Fußball (Association football) und Rugby (Rugby football) unabhängig. Der erste Fußballclub in Italien war der Genoa Cricket and Football Club, der 1893 in Genua gegründet wurde, denn zunächst verbreitete sich die neue Sportart von England aus über englische Matrosen, die auf den Molen ausländischer Hafenstädte Fußball spielten.28 Aber auch die Schweiz spielte eine wichtige Vermittlerrolle bei der Einführung der neuen Sportart in Italien. Die erste italienische Fußballmeisterschaft fand 1898 statt, und im selben Jahr wurde die Federazione Italiana di Football gegründet (zur Geschichte der Sportart in Italien siehe v.a. Bortolotti et al. 2002, Schweickard 1987). Das faschistische Regime, das das hohe propagandistische Potenzial des Sports erkannte, investierte intensiv in den Strukturaufbau, die Kadergewinnung und die Medialisierung des Fußballs:29 Fu infatti essenzialmente il calcio a impadronirsi progressivamente del cuore degli italiani e a rappresentarli nelle vittorie all’estero. [...] Il calcio stava trasformandosi tra le due guerre da sport amatoriale, sport tra gli sport, un tempo ritenuto da molti estraneo dalla cultura italiana, a sport per le masse e a sport spettacolo, incoraggiato dal regime e dal padronato industriale. Il calcio è gioco di squadra e corrispondeva bene allo spirito fascista: appariva virile, disciplinato e sottoposto alla volontà di un allenatore (Dogliani 2008, 204).
Das «goldene» Zeitalter des italienischen Fußballs begann in den 1930er Jahren unter der Führung des Nationaltrainers Vittorio Pozzo, als die italienische Nationalmannschaft allein zwischen 1934 und 1938 zwei WM-Siege und ein olympisches Gold erringen konnte. Im Rahmen des FFP wurde dem Fußball regelmäßig seine englische Herkunft abgesprochen und unter Verweis auf den seit der Herrschaft der Medici in der Toskana praktizierten Calcio fiorentino bzw. Calcio
28 Cf. Bortolotti et al. (2002); zur Entwicklung des italienischen Fußballs während des Faschismus siehe auch Martin (2006). 29 Mussolini selbst brachte dem Fußball allerdings «una schietta antipatia» entgegen (Impiglia 2009, 40) und vermied offizielle Spielbesuche weitgehend.
4.4 Fußball
253
storico als italienisch reklamiert,30 so beispielsweise auch bei Cerchiari (1927), s.v. football: Gioco di italianissima origine, che trova le sue orgine nell’antico Harpastum romano e che fu già in grande onore in Toscana nei secoli XII e XIII. Passato nel 1349 in Inghilterra il gioco ebbe molta fortuna e gli inglesi, uomini di sport per antonomasia ne fecero cosa propria dettando regole e norme.
Während der Kriegszeit kam der italienische Fußball beinahe zum Erliegen. 1945 nahmen die Azzurri in Zürich erstmals wieder an internationalen Wettkämpfen teil, ma non era più la grande squadra di prima della guerra. […] Il calcio italiano attraversava una delicata crisi di ordine tattico, stretto fra le nostalgie del metodo, cui doveva le sue vittorie passate, e l’ormai universale affermazione del sistema, al quale pochi suoi giocatori, a eccezione di quelli del Torino, erano addestrati. In questa situazione già critica si verificò, l’anno prima del Mondiale 1950, il disastro aereo di Superga, in cui persero la vita tutti i giocatori del Torino, di ritorno da una partita amichevole giocata a Lisbona. La tragedia fece piombare il calcio italiano (e l’intero paese, che del Torino aveva fatto uno dei simboli della rinascita) nella costernazione (Bortolotti et al. 2002; zum Unglück von Superga 1949 cf. Foot 2019).
Bis zum Sieg bei der EM 1968 blieb die italienische Fußballnationalmannschaft in der Folge international erfolglos. In der Nachkriegszeit erfuhr der nationale Fußball dennoch eine weiter anwachsende Beliebtheit und Kommerzialisierung, die mit der Verbreitung des Fernsehens einherging31 und anderen Sportarten noch unbekannt war. Seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts dominiert der Fußball die Sportberichterstattung und gilt mittlerweile als am besten untersuchte Sportsprache (Rossi 2003). Für Devoto 1939 ist die Sprache des Fußballs eine «lingua tecnica popolare epica» (1972 [1939], 169) – die vielleicht erste Fachsprache, die so weiten Bevölkerungsteilen in Italiens bekannt war. Zudem sind in wahrscheinlich keiner anderen Sportterminologie die Rückkopplungseffekte zur Gemeinsprache so groß: Lo statuto del calcio quale sport di massa e, soprattutto, mediatico ne rende la lingua ad altissima circolazione presso ampie fasce di utenza e ne favorisce il continuo scambio tra canali (scritto, parlato e trasmesso), tra codici (lingue diverse, in qualche caso anche dialetti
30 Für Bortolotti et al. (2002) hat dieser seit dem 18. Jahrhundert nur noch vereinzelt praktizierte Ballsport aber allenfalls «alcune affinità con il calcio moderno e altre con il rugby». Colasante (2002) sieht das Verdienst des Calcio fiorentino v.a. darin, «l’aver coniato e trasmesso fino ai nostri giorni il termine ‹calcio›». 31 So berichten Bortolotti et al. (2002) davon, dass vor einem Spiel der Clubs von Neapel und Florenz im Jahr 1955 30.000 Fernsehapparate verkauft wurden.
254
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
e gerghi), sottocodici (osmosi tra varie lingue settoriali: uso di tecnicismi calcistici nell’economia e viceversa, per es.) e registri (uso di fraseologia burocratica o letteraria nelle cronache calcistiche e, di contro, uso di tecnicismi calcistici per impreziosire o rendere più brillante l’eloquio), consentendo anche una ricca penetrazione di fraseologia settoriale, di forestierismi e di neologismi nella lingua comune (Rossi 2003).
Entsprechend den Regeln des modernen Fußballs stammen die meisten entlehnten Fachtermini aus dem Englischen, auch heute noch.32 Charakteristisch für den italienischen Fußballwortschatz ist einerseits der anfänglich hohe Fremdwortanteil, der sich aus der Notwendigkeit ergibt, den Bezeichnungsbedarf der neu eingeführten Sportart zu decken,33 andererseits die frühe Italianisierung dieser Termini. Die Fremdwortsubstitution in der Fußballsprache hielt Devoto im Jahr 1939 bereits für weitgehend abgeschlossen: [L]a sostituzione dei termini forestieri è stata resa possibile dal tecnicismo, dalla burocratizzazione del giuoco, dalla massa di carta stampata che si accompagna alla colossale organizzazione del giuoco del calcio in Italia. Sono miglialia di relazioni, di reclami, di decisioni del Direttorio, redatte tutte in una terminologia precisa rispondente alla volontà italianizzatrice che irradia dal centro. Lette e rilette sui giornali, inavvertitamente cancellano dalla nostra memoria le forme straniere, un giorno famigliari a tutti noi (1972 [1939], 165).
Auch für Caretti war das normierende Wirken des italienischen Fußballverbandes FIGC sowie die mediale Verbreitung durch Presse und Radio entscheidend für die zunehmende Italianisierung: «la radio attraverso le cui emissioni gli sportivi si sono abituati ad ascoltare dalla viva voce del radiocronista resoconti, commenti e addirittura descrizioni dirette e particolari delle più importanti partite di calcio» (1973, 16). Caretti hält die italianisierende Wirkung von Radio und Fernsehen für die Wortwahl bei Sprechern vom Land sogar für noch bedeutender, da diese zuvor stärker auf Fremdwörter zurückgegriffen hätten: «con il diffondersi della radio [e ora della televisione] nelle campagne, e soprattutto
32 Teilweise ergänzt durch Gallizismen und Hispanismen: «Interessante l’attestazione, talora precoce, di qualche iberismo (caso raro, nel panorama settoriale italiano dominato dall’inglese), quale filtrador, goleada, goleador, matador, ola, picador, anche in seguito alla grande presenza di giocatori latinoamericani nelle squadre italiane» (Rossi 2003). Möglicherweise ist der spanische Einfluss auch auf die Übertragung der Stierkampf-Metaphorik auf den Fußball zurückzuführen (cf. aficionado, Kap. 4.4.3). 33 Weitere Gründe für den hohen Fremdwortanteil der Fußballsprache sieht Caretti (1973) in der journalistischen Tendenz, «a valersi dei termini inglesi in parte per necessità e in parte per gusto di esibizione (una sorta di attestato di competenza), difficoltà di trovare presto e in ogni caso equivalenti italiani veramente efficaci e dotati di spontanee virtù sostitutive, mancanza di un organo direttivo» (15; cf. auch Schweickard 1987, 63).
4.4 Fußball
255
con il domenicale inurbarsi dei villici per le partite cittadine, la diffusione dei termini italiani va sempre più intensificandosi» (17). Die vergleichsweise geringe Anzahl an Fremdwörtern des Fußballs in den Listen der CIL – gegenüber Tennis, Golf und Boxen – hält Di Stefano (2007) für einen Indikator, dass ein Großteil Anfang der 1940er Jahre bereits ersetzt worden war (105). Außerdem entsprächen die Italianisierungsvorschläge weitgehend früheren Quellen des FFP: «più che in qualsiasi altra disciplina, per le voci calcistiche i redattori degli elenchi sembrano avere attinto ad italianizzazioni già da tempo comparse in varie raccolte (e, conseguentemente, in uso anche presso la stampa sportiva)» (ebd.). Der Beitrag des FFP zur Italianisierung der Fußballterminologie wird unterschiedlich bewertet, zumeist wird ihr aber ein entscheidender Beitrag für die definitive Ersetzung vieler Fremdwörter des Fußballs zugestanden. So bringen beispielsweise Migliorini/Baldelli (1969) den Zeitpunkt der weitgehenden Substitution mit dem FFP in Verbindung: La lotta alle parole straniere […] ha ottenuto in molti casi di limitarne l’espansione e di diffondere talora buoni equivalenti italiani. Così, per esempio, la terminologia dello sport più popolare in Italia è andata notevolmente italianizzandosi dopo il 1930: calcio, calcio d’angolo e rete (ancora accanto a corner e goal) (345).
Heute ist die italienische Fußballsprache weniger als die Terminologie anderer Sportarten von Fremdwörtern geprägt (Rossi 2003). Untersucht werden im Folgenden 20 Konzepte der Fußballsprache, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch durch Fremdwörter bezeichnet wurden (auto-goal, back, ball, corner, cross, dribbling, football, footballer, forward, goal, goal average, goal-keeper, half, hands, inside, offside, penalty, plongeon, shoot und supporter).
4.4.1 Fremdworterfolge Nur drei der untersuchten Konzepte können bis 1970 als Fremdworterfolge gelten: goal in der Bedeutung ‘Tor (beim Punktestand)’, das außer in den 1940er Jahren stets salient war, cross ‘Flanke’, das in der Nachkriegszeit (wieder) an onomasiologischer Stärke gewinnt sowie dribbling, das sich zunehmend und erstmals in den 1960er Jahren gegenüber dem konkurrierenden palleggio durchsetzen konnte. Goal ist mit mehr als 65.000 Vorkommen im Zeitraum 1920–1970 im ASLS das häufigste der in dieser Arbeit analysierten Fremdwörter. Allerdings wurden mit dem Fremdwort zwei Konzepte bezeichnet, nämlich einerseits das ‘Tor (Punkt)’ und andererseits das ‘Torgehäuse’, also das Zielobjekt der Spieler. Es handelt sich um eine Mehrfachentlehnung, da beide Bedeutungen bereits in
256
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
engl. goal angelegt waren (OED). Je nach Konzept konkurrierte das Fremdwort mit unterschiedlichen italienischen Synonymen, sodass TOR (BEIM PUNKTESTAND) innerhalb der Untersuchungsstichprobe das dritthäufigste, TOR (ZIELOBJEKT DER SPIELER) das fünfthäufigste Konzept darstellt. Für goal wurden daher zwei onomasiologische Profile erstellt, die in Bezug auf ihren Italianisierungsstatus unterschiedliche Ausgänge zeigen. Ital. goal bezeichnete ab 1897 zunächst das Torgehäuse, ab 1903 auch den Punkt im Fußballspiel (sowie im Hockey und Rugby, wo das Fremdwort weitgehend durch ital. meta ersetzt wurde, cf. Rossi 2003). Welche lexikalischen Schwierigkeiten die Substitution des polysemen Fremdworts mit sich brachte, wurde 1941 in Il Littorale kommentiert: Ma come sostituire goal? Con punto, con rete, con porta? Nacquero bisticci strani perché il punto era quello della classifica, e si lesse che Meazza aveva tirato «in porta segnando una porta» o una rete, ch’era quella dietro la porta. Il pubblico non volle i nuovi termini e seguitò ad urlare «gooool!», sì che noi italianizzammo la grafia lasciando gol (Il Littorale, 14 gennaio 1941, 1; Hinweis aus Di Stefano 2007, 113).
Allerdings zeigt das längsschnittliche Profil in Abbildung 24, dass die Assimilation gol – die im Übrigen von keiner Quelle vorgeschlagen wurde – bis 1970 im ASLS nicht vor goal überwog, zumindest in der gewählten Suchphrase (möglicherweise war gol dagegen zur Verschriftlichung der Interjektion häufiger). Rete erweist sich als stabiles Synonym, während punto in der Nachkriegszeit nicht mehr verwendet wird.
TOR (BEIM PUNKTESTAND)
goal (subst.m.)
Etym.
< engl. goal (OED: a)
Wortb.
zahlreiche (Ad-Hoc-)Komposita, z.B. goal regalo (erstmals //, ), goal lampo (//, ), goal beffa (//, ), goalvittoria (//, ), Derivationen: goleador (//, ), goleada (//, ), goleare (//, )
Erstb.
(«I giocatori della ‹Juventus› riuscirono, nella prima ripresa del giuoco, a marcare un goal [...]. Nella seconda ripresa, pure di minuti, la squadra avversaria cercò di riprendere il vantaggi, ma causa il poco allenamento, venne facilmente battuta dalla ‹Juventus›, che riuscì a marcare altri goals», //, )
Bed.
Bascetta (): «(calcio): RETE, punto, gol; per qualche tempo si adoperò come sinonimo di porta»
4.4 Fußball
257
(fortgesetzt ) TOR (BEIM PUNKTESTAND)
goal (subst.m.)
SubV
porta (De Luca , Sassi , Cerruti/Rostagno , Jàcono , Cicogna , CIL –): Analogie punto (Sassi , DSI, Jàcono , Cicogna , CIL –): Analogie rete (Jàcono , CIL –): Analogie punto segnato (Palazzi , bereits in Cerchiari ): Paraphrase #meta (Cicogna ) (nur für Rugby belegt)
Syn.
gol: Assimilation *but (Schweickard , ): Entlehnung #posta (Cerchiari ): Analogie
100 % 90 %
23 %
1% 3%
5% 19 % 28 %
80 % 42 %
70 %
29 %
1%
60 %
9% 28 % 1%
50 % 40 %
77 %
30 %
51 %
20 % 10 %
43 %
66 %
62 %
1950-59
1960-69
porta gol rete punto goal
9%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 24: Onomasiologisches Profil für TOR (BEIM PUNKTESTAND) (ASLS, 1920–1970).
Im Fall von TOR (BEIM PUNKTESTAND) konkurrierte zunächst punto mit dem Fremdwort (in den 1940er Jahren salient), wurde aber ab 1950 durch das fußballspezifischere rete abgelöst.34 Dennoch blieb das Fremdwort im gesamten Untersuchungszeitraum, außer in den 1940er Jahren, der saliente Ausdruck (Abb. 24).
34 Rete ist in dieser Bedeutung seit mindestens 1936 im ASLS belegt: «La prima squadra ha segnato tre reti contro zero», 29/10/1936, 4. Zur Diskussion um die Italianisierung von goal seit den 1930er Jahren Schweickard (1987, 119, Fn. 223).
258
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Porta wurde für beide Bedeutungen von zahlreichen Quellen zur Ersetzung vorgeschlagen, konnte sich jedoch nur für TOR (ZIELOBJEKT DER SPIELER) behaupten. Die Assimilation gol, die seit den 1940er Jahren (zunächst für beide Konzepte) in Gebrauch kam, aber in keiner der puristischen Quellen erwähnt wird, ist heute laut Rossi (2003) salient, goal fand bereits im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts «nur noch als stilistische Variante Verwendung» (Schweickard 1987, 69). Es ist davon auszugehen – insbesondere, wenn man an Radio- und Fernsehkommentare denkt –, dass das einsilbige Fremdwort goal/gol gegenüber den zweisilbigen Ersetzungsvorschlägen als Exklamation besonders effektiv ist, was die Bevorzugung des Fremdworts stützt, glaubt man einem Kommentar von Leo Pestelli von 1957 in La Stampa: la voce «rete», sebbene quotidianamente inculcata dai giornali e passibile di feroce arrotazione nella prima lettera («rrrrrrrrete!!!»), riesce e riuscirà sempre ostica; dove goal, pronunciato gol, per via della g gutturale e la o aperta le fa il servizio d’una splendida interiezione, ora secca come una fucilata («gol!» quasi un «prendi su e porta a casa!») ora «tenuta» sulla vocale («goooooool») finché dura il fiato (e la pazienza del vicino). La prima maniera di emissione è più propria del tifoso «in trasferta»; la seconda, del tifoso «in sede» (23/07/1957, 3).
Dies war vielleicht bereits 1932 Giuseppe Zanetti bewusst, als er dem Italianisierungsvorschlag punto den Kommentar «lascerei però goal» hinzufügte (DSI). Der am häufigsten verwendete native Ausdruck für TOR (BEIM PUNKTESTAND), rete, findet seine Fortsetzung in den Ersetzungen für die zusammengesetzten Fremdwörter goal-average und auto-goal, nämlich differenza reti und autorete. Anders als bei goal ‘Tor (beim Punktestand)’ haben sich in beiden Fällen jedoch die Italianisierungen erfolgreicher entwickelt (siehe 4.4.3). Es liegt daher die Vermutung nah, dass die Beibehaltung des Fremdworts im Fall von TOR (BEIM PUNKTESTAND) auch sprachökonomisch motiviert ist. Anders hat sich die onomasiologische Stärke von goal beim Konzept TOR (ZIELOBJEKT DER SPIELER) entwickelt (Abb. 25): Hierbei stellt seit den 1930er Jahren porta den salienten Ausdruck dar.35 Auch diese Entwicklung ist kohärent zu der Ersetzung eines zusammengesetzten Fremdworts, nämlich goal-keeper, das bereits sehr früh durch portiere abgelöst wurde (4.4.2). Ein Beispiel für ein «wiedererstarktes» Fremdwort des Fußballs ist cross ‘Flanke’. Der Begriff ist in vielen Sportarten üblich, v.a. im Lauf-, Reit- und Motorsport (kurz für cross country) sowie als Schlagtechnik im Boxsport (siehe 4.6.4).
35 In dieser Bedeutung belegt seit 1915: «La fotografia riproduce un furioso assalto alla porta di Binda» (Lo Sport Illustrato, 30 marzo 1915, 146).
259
4.4 Fußball
TOR (ZIELOBJEKT DER SPIELER)
goal (subst.m.)
Etym.
< engl. goal (OED: )
Erstb.
(«Dopo un’ora (divisa in due ‹half-time› di minuti) la squadra del Foot-ball Club aveva fatto passare due volte il pallone per il ‘goal’ (porta) avversario, vincendo cosi la prima Gara», //)
Bed.
Bascetta (): «(calcio): RETE, punto, gol; per qualche tempo si adoperò come sinonimo di porta»
SubV
porta (De Luca , Sassi , Cerruti/Rostagno , Jàcono , Cicogna , CIL –): Analogie rete (Jàcono , CIL –): Analogie #meta (Cicogna ) (nur für Rugby belegt)
Syn.
gol: Assimilation *but (Schweickard , ): Entlehnung #posta (Cerchiari ): Analogie
100 % 15 %
90 % 80 %
20 %
11 %
5%
47 %
70 % 60 %
60 % 66 %
50 %
70 %
40 % 30 %
82 %
1%
53 %
rete porta gol goal
20 % 10 %
19 %
0% 1920-29
1930-39
28 % 12 %
10 % 1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 25: Onomasiologisches Profil für TOR (ZIELOBJEKT DER SPIELER) (ASLS, 1920–1970).
Die italienische Entsprechung traversone (in dieser Bedeutung seit 1908,37 zuvor bereits als Fachbegriff des Fechtens) fungierte im gesamten Untersuchungszeitraum als wichtigstes Synonym und war zwischen 1930 und 1960 sogar der saliente Ausdruck (cf. auch Schweickard 1987, 119). Seit den 1960er Jahren gewann cross jedoch wieder an Bedeutung und weist im letzten Messzeitraum die höchste
36 Belegt in dieser Bedeutung seit 1909 (13/04/1909, 4). 37 ASLS 09/03/1908, 5.
260
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Bezeichnungsquote auf.38 Der seit 1911 belegte Neologismus centrata (Erstbeleg: ASLS 13/03/1911, 4; NDM: 1913) hatte bis in die 1950er Jahre eine gewisse Verbreitung, scheint aber danach aufgegeben worden zu sein. FLANKE
cross (subst.m.inv.) crosse (Panzini ), cross shot
Etym.
< engl. cross
Wortb.
crossare (//, )
Erstb.
(«La ripresa è brillantissima e movimentata, perché i milanesi attaccano decisi e segnano con Pizzi II su un bellissimo cross di Ghersi II», //, )
Bed.
Cerchiari (): «Nel gioco del calcio la rimessa o passaggio del pallone che il giocatore d’ala manda o rinvia al centro e verso i compagni» Bascetta (): «rinvio del pallone dai margini laterali del campo verso il centro o la porta avversaria» NDM: «nel calcio, tiro, eseguito da un attaccante, diretto da una fascia laterale del campo verso l’area di rigore»
SubV
traversone (De Luca , Cicogna ): Fachterminus centrata (Jàcono , Palazzi ): Neuformation *colpo di traverso (Sassi , DSI): Paraphrase
100 % 90 %
21 %
28 %
80 % 70 %
25 %
51 %
57 %
60 %
4%
86 %
50 % 40 % 30 %
20 %
15 %
68 %
54 %
20 %
28 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
colpo di traverso traversone centrata cross
29 % 11 % 3% 1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 26: Onomasiologisches Profil für FLANKE (ASLS, 1920–1970).
38 Das Ergebnis der Korpusanalyse bis 1970 deckt sich mit Di Stefanos Beobachtung: «In tempi più recenti l’anglicismo sembra […] riprendere piede, senza comunque soppiantare del tutto il corrispettivo italiano [traversone, GS], che resta in uso» (2007, 190–191).
4.4 Fußball
261
Auch dribbling ‘Dribbling, Finte des ballbesitzenden Fußballspielers’ erreicht seine höchste onomasiologische Stärke erst in den 1960er Jahren und setzt sich dann erstmals gegen das konkurrierende palleggio durch, das in allgemeiner Bedeutung seit 1804 (NDM) und auch im Tennis, Rugby, Volleyball und Handball üblich ist (VTO), seit etwa 1911 auch im Fußball.39 Als Substitut fand Monelli (1933) palleggio zu generisch: «si può dire che tutta la partita di calcio è un paleggio» (111), die Nebenbedeutung von ital. dribbling ‘Finte’ hat es offenbar nicht angenommen (cf. VTO), so dass es nicht vollständig synonym ist. Die von Sassi (1927) und DSI vorgeschlagene, spezifizierende Paraphrase palleggio in fuga konnte sich nicht durchsetzen. Der Italianisierungsvorschlag scarto wurde aus dem Reitsport übernommen.40 Es bezeichnet allerdings eher das Ergebnis als die Technik41 und weist bis 1970 nur eine geringe, wenn auch konstante onomasiologische Stärke auf. Für De Luca (1924) und Palazzi (1939) schließlich war dribbling ein tolerierbares Fremdwort.42 Die Assimilation dribblaggio (seit 1913 belegt, aber in keiner Quelle zur Substitution vorgeschlagen) fand im ASLS kaum Anklang. DRIBBLING IM FUSSBALL
dribbling (subst.m.) dribling, drible
Etym.
< engl. dribbling
Wortb.
drib(b)lare (oder < frz. dribler, cf. Venturini , ; seit [//, ]), drib(b)latore (seit , cf. Nichil , ), dribblaggio (seit , Bascetta , )
Erstb.
(«erano gli abitanti di diversi paesi circonvicini che disputavano la conquista del pallone attraverso ai campi. In principio del secolo fu da alcuni ridotto al Dribbling, donde prese origine l’odierno ‹Foot-ball-Association›; altri invece mantennero le vecchie tradizioni, e così sorse il ‹Foot-ball-Rugby›», //, ; «dopo un abile dribbling fra Sardi e Giordano», //, )
39 Siehe ASLS 04/12/1911, 4: «nuovi ripetuti e minacciosi attacchi conducono pure i vercellesi semplicemente meravigliosi di destrezza nel palleggio e nell’aiutarsi l’un altro [sic]». 40 VTO: «in equitazione, disobbedienza del cavallo che evita l’ostacolo che deve saltare, spostandosi di lato», seit 1906 laut NDM. 41 Typisch sind daher Formulierungen wie die folgende: «Nielsen si era attirato addosso tre difensori, scartandoli con un dribbling elegante» (25/05/1964, 7). Zu den semantischen Unterschieden zwischen dribblare und scartare cf. auch Di Stefano (2007, 110–111). 42 Ähnlich Monelli (1933, 111) zu dribblare: «Per indicare il movimento in sè non resta che il deprecato dribblare; di cui l’uso tuttavia, ristretto a questo solo caso, non sarà che scarso e di nessuna influenza sulla purezza della lingua». 43 «Dopo circa 15 minuti di giuoco Agar, con un velocissimo drible, porta la palla sino al segno del goal», Stampa Sportiva 17 (1903), 2.
262
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) DRIBBLING IM FUSSBALL
dribbling (subst.m.) dribling, drible
Bed.
Cerchiari (): «Finta di liberarsi nel gioco del calcio dell’avversario conservando il pallone» Palazzi (): «quella finta che fa il giocatore di calcio per scartare l’avversario senza lasciare il pallone»
SubV
scarto (Monelli /, Mazzucconi , CIL –, Venturini [für Rugby und Hockey]): Fachterminus palleggio (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco, Jàcono , Palazzi , Cicogna , Venturini [für Rugby]): Analogie *destreggio (Mazzucconi , cf. auch Monelli : «altra parola propostasi conviene forse più all’azione vista negli effetti [...]; può servire tuttavia a fare il sostantivo per dribbler, cioè destreggiatore», ): Neuformation *palleggio in fuga (Sassi , DSI): Paraphrase *scavalco (CIL –): Neuformation *azzicchetto (Monelli ): Neuformation
Syn.
dribblaggio (laut Bascetta , seit üblich): morphonologische Assimilation
100 %
2%
90 %
1% 3%
14 %
8%
80 %
30 %
70 % 60 %
6%
77 %
53 % 74 % 70 %
50 % 40 %
63 %
30 % 20 % 10 %
dribblaggio scarto palleggio dribbling
39 % 21 %
21 %
16 %
1920-29
1930-39
1940-49
0% 1950-59
1960-69
Abbildung 27: Onomasiologisches Profil für DRIBBLING IM FUSSBALL (ASLS, 1920–1970).
4.4 Fußball
263
4.4.2 Italianisierungen bis 1920 Die Mehrheit (11) der untersuchten Fremdwörter der Fußballterminologie ist bereits vor 1920 weitgehend durch italienische Entsprechungen ersetzt worden. Es handelt sich um die elf Fremdwörter back, ball, forward, footballer, goal keeper, half, hands, offside, penalty, plongeon und shoot. Aufgrund des Umfangs erfolgt die Analyse hier etwas summarischer. Unter den Italianisierungen bis 1920 befinden sich einige Fremdwörter, die Spielerpositionen bezeichnen: back (< engl. full-back) ‘Verteidiger’, forward ‘Stürmer, Angreifer’ (< engl. forward), half-(back) (< engl. half-back) ‘Außenläufer’, nach 1930 auch inside (< engl. inside) ‘Halbstürmer’. Eine sachliche Begründung dieser Substitutionen dürfte in der Weiterentwicklung der zugrundeliegenden Spielformationen des Fußballs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegen (siehe dazu Bortolotti et al. 2002). Die Positionsbezeichnungen back, forward und half-(back) sind seit 1903 belegt,44 und gehen auf die älteste Spielerformation im Fußball zurück, die «Schottische Furche» bzw. 2–3–5–Formation.45 Für back wurde von fast allen puristischen Quellen terzino empfohlen, das – neben marginalen Verwendungen von difensore laterale in den 1960er Jahren und der grafischen Assimilation bach46 – die konkurrenzlose Bezeichnung für VERTEIDIGER darstellt:
44 forward: «I forwards genovesi con abilissimi passaggi, specie tra Pasteur II e Montaldi, portano continuamente la palla presso il goal Torinese» (La Stampa Sportiva 17, 1903, 2); back und half(-back): «Con un bel rush Canfari passa gli halfsbacks e backs genovesi e porta la palla sino sotto il goal; momento veramente emozionante» (La Stampa Sportiva 17, 1903, 3), in Lo Sport Illustrato 3:1 (1915), 10 auch als «alf-backs». 45 Cf. Bortolotti et al. (2002): «Cambridge adottò e diffuse uno schema a piramide: davanti al portiere si collocavano due difensori (backs); poco più avanti si posiziona un’altra linea, formata da tre giocatori (definiti half-backs, e poi semplicemente halfs), che dovevano raccogliere le respinte dei difensori e tramutarle in suggerimento per la linea degli attaccanti (forwards), composta da cinque uomini che occupavano l’intera larghezza del campo. Quando fu introdotta in Italia, questa impostazione a 2–3-5, portò a definizioni ancora in uso: ‹prima linea› (a partire dall’alto) per gli attaccanti, ‹linea mediana› per quella intermedia (e mediani furono definiti i suoi interpreti), ‹terza linea› per gli ultimi difensori, chiamati quindi terzini» und den Wikipedia-Eintrag unter https://it.wikipedia.org/wiki/Piramide_(calcio) [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 46 «La cattiva giornata degli halves, qualche fallo dei bachs doriani portarono dopo due calci d’angolo al goal» (21/03/1927, 2).
264
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
96 %
100 %
100 %
100 %
100 %
4% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
difensore laterale terzino back
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 28: Onomasiologisches Profil für VERTEIDIGER (ASLS, 1920–1970).
Der Ausdruck terzino bezeichnete zuvor bereits eine Spielerposition in den altitalienischen Sportarten Pallone a bracciale, Pallone elastico und Tamburello (Colasante 2002). In der Fußballberichterstattung konnte das Lexem ab 1905 nachgewiesen werden,47 also bereits zwei Jahre nach dem Erstbeleg des Fremdworts. Offenbar erleichterte die Übertragung aus dem Sportkontext die frühzeitige synonyme Verwendung, so dass terzino das Fremdwort bereits vor 1920 fast vollständig ersetzte. Nur in der 2–3–5–Formation wurden die Spieler der 2. Reihe (ital. linea mediana) im Englischen half-backs genannt, genau wie im Italienischen, dort allerdings bald verkürzt zu half (Plural halves). 1918 wurde als Alternative mediano geprägt48 – abgeleitet aus anfänglichen Formulierungen wie «il trio mediano» oder «la linea mediana» – meist spezifiziert als centromediano ‘Mittelläufer’, mediano sinistro ‘linker Läufer’ und mediano destro ‘rechter Läufer’ (das hier als Suchphrase der Datenerhebung gedient hat). Bereits in der ersten Weiterentwicklung der 2–3–5–Formation in Italien, dem Metodo, das nach 1925 erfolgreich vom Nationaltrainer Vittorio Pozzo angewandt wurde, erfuhr diese 2. Spielerreihe eine Neuaufteilung: Die beiden Außenläufer wurden weiter nach hinten auf das Spielfeld versetzt und mit stärker defensiven Aufgaben ausgestattet.49 Das so ausge-
47 «[…] un poderoso calcio del Bugnon manda nel campo torinese il pallone, che non vi si sofferma molto, data l’energica difesa dei due terzini Armano e Mazzia» (03/04/1905, 2). 48 «[…] gli attaccanti sono ottimamente assecondati dai tre mediani Funk I, Bessmer I e Wütrik I e baluardo quasi inespugnabile è costituito dall’estrema difesa coi due terzini», La Domenica Sportiva 11 (1918), 6. 49 https://it.wikipedia.org/wiki/Metodo_(calcio) [letzter Zugriff: 10.09.2020].
4.4 Fußball
265
bildete «Doppel-W» hatte mit den ursprünglichen drei Linien nicht mehr viel zu tun und die Rollen der einzelnen Spielerpositionen differenzierten sich stärker, so dass das Konzept AUßENLÄUFER obsolet wurde. Diese sachliche Entwicklung spiegelt sich auch sprachlich wider: Im onomasiologischen Profil zeigt sich, das half bereits in den 1920er Jahren, also kurz nach der Prägung von mediano, nur noch eine onomasiologische Stärke von 36% besaß und nach 1940 im ASLS gar nicht mehr auftaucht (allerdings wird es noch von CIL 1941–1943, Panzini 1942 und Venturini 1942 genannt). Der Ersetzungsvorschlag sostegno (De Luca 1924) hatte in dieser Bedeutung nur eine untergeordnete Verbreitung und überlebte die 1940er Jahre nicht, secondo (Sassi 1927) kam gar nicht in Gebrauch. 100 %
5%
2%
91 %
98 %
90 % 80 % 70 %
64 %
60 % 50 %
100 %
99,6%
40 %
sostegno mediano half
30 % 20 %
36 %
10 %
0,4%
4%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 29: Onomasiologisches Profil für AUßENLÄUFER (ASLS, 1920–1970).
Mit ital. forward wurden im Rahmen der in Italien bevorzugten Metodo-Formation die drei STÜRMER bezeichnet. Dabei wird die mittlere Position (engl. centre forward ‘Mittelstürmer’) häufig gesondert erwähnt. Daher schien es sinnvoll, zwei unterschiedliche onomasiologische Profile anzulegen: Zum einen allgemein für STÜRMER, ital. forward,50 zum anderen spezifisch für MITTELSTÜRMER, ital. centro-forward, auch centre-forward.51
50 Erstmals belegt 1903: «I forwards genovesi con abilissimi passaggi, specie tra Pasteur II e Montaldi, portano continuamente la palla presso il goal Torinese», La Stampa Sportiva 17 (1903), 2. 51 Erstbeleg 1906: «Bollinger, che con maggior allenamento nel posto che attualmente occupa diverrà un temibilissimo centro-forward», 02/01/1906, 3.
266
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
STÜRMER wird seit den 1920er Jahren mit den italienischen Begriffen attaccante,52 avanti,53 metonymisch prima linea und seit den 1960er Jahren auch mit punta/punte (Kürzung aus uomini/reparto di punta) bezeichnet. Das relativ unspezifische Konzept lädt offenbar zur lexikalischen Variation ein, auch wenn sich bis 1970 eine gewisse Präferenz für attaccante eingestellt hat. Das Fremdwort forward ist seit Anfang der 1930er Jahre nicht mehr belegt. Die Ersetzungsvorschläge von Cerruti/Rostagno (1939), datore und battitore, wurden von den altitalienischen Ballsportarten Calcio fiorentino bzw. des Pallone elastico entlehnt, kamen für ‘Stürmer’ aber nicht in Gebrauch. 100 % 18 %
90 % 80 %
36 %
33 % 29 %
9%
50 % 40 %
25 %
30 % 30 %
30 % 41 %
20 % 10 %
19 %
52 %
70 % 60 %
4% 10 %
25 % 1%
0% 1920-29
1930-39
67 % 53 %
punta avanti prima linea attaccante forward
17 % 1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 30: Onomasiologisches Profil für STÜRMER (ASLS, 1920–1970).
Für MITTELSTÜRMER (< engl. centre forward) wurden die Strukturübertragung centro avanti (Vorschlag von Sassi 1927, erstmals belegt bereits 1915)54 sowie – in Anlehnung an attaccante für forward – centro attacco (Jàcono 1939)55 und centro d’attacco (Palazzi 1939) zur Substitution vorgeschlagen. Die Salienz des ersten
52 Belegt seit 1913: «Del Novara, Pensotti e Baldi giocarono benissimo ma gli attaccanti non seppero trarre profitto di molte buone occasioni», 17/02/1913, 5. 53 Belegt seit 1909: «ben tre volte i nostri avanti nel campo svizzero ne bombardano il goal» (13/04/1909, 4). Es handelt sich um eine Lehnprägung nach frz. avant (Schweickard 1987, 74). 54 Als centro-avanti in Lo Sport Illustrato, 15/01/1915, 19. Seit 1923 auch als centravanti (Nichil 2018, 220). 55 Seit 1927: «Nella ripresa l’Internazionale si schiera con Porvolny, centro attacco, e Cevenini, interno sinistro» (04/04/1927, 2). Die kontrahierte Variante centrattacco erscheint ab 1938 (Nichil 2018, 219).
4.4 Fußball
267
Vorschlags, später kontrahiert zu centravanti, war bereits in den 1920er Jahren erkennbar:
100 %
2%
90 % 80 %
21 % 33 % 51 %
70 %
12 %
46 %
60 % 50 % 40 %
79 %
57 %
30 % 20 %
49 %
54 %
1930-39
1940-49
88 %
centro d'attacco centrattacco/centro attacco centravanti/centro avanti centro-forward
10 % 0%
8% 1920-29
1950-59
1960-69
Abbildung 31: Onomasiologisches Profil für MITTELSTÜRMER (ASLS, 1920–1970).
Die Spielerposition des TORWART ist diejenige, die in der Geschichte des Fußballs wohl die wenigsten Veränderungen erfahren hat. Das Fremdwort goal-keeper hatte dabei im italienischen Wortschatz nur geringe Bedeutung und wurde in den 1920er Jahren nur noch in 5% der Fälle zur Bezeichnung des TORWART genutzt, bevor es ganz verschwand. Dazu mag beigetragen haben, dass portiere im ASLS bereits vor goal-keeper belegt war: Nella seconda partita il portiere della «Juventus» fece miracoli, ed è merito suo se i milanesi non fecero in questa partita che un solo goal (09/12/1901, 2; man beachte die Kursivierung, die auf einen Neologismus hindeutet). i backs milanesi e il bravo goalkeeper (portiere) Firpi, liberano costantemente il campo (La Stampa Sportiva 48, 1903, 3).
Im zweiten, zwei Jahre später datierten Beispiel, dient portiere bereits als Erklärung des Fremdworts, was die These stützt, dass goal-keeper als nichtkatachrestisches Fremdwort ins Italienische gelangte, nachdem für TORWART bereits portiere geprägt worden war, das im gesamten Untersuchungszeitraum fast konkurrenzlos blieb:
268
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 %
2%
4%
2%
1%
1%
90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
94 %
96 %
98 %
99 %
99 %
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
40 % 30 %
guardia portinaio guardiano portiere goal-keeper
20 % 10 % 0%
5% 1920-29
Abbildung 32: Onomasiologisches Profil für TORWART (ASLS, 1920–1970).
Auch zur Bezeichnung des FUSSBALLSPIELERS konnte sich die entlehnte Ausdrucksvariante kaum etablieren. Dem Fremdwort foot-baller, belegt seit 1902, steht kurze Zeit später (NDM: 1903) die Neuformation calciatore entgegen, in der sich bereits der Erfolg auch von calcio gegenüber football abzeichnet (cf. 4.4.3): FUSSBALLSPIELER footballer (subst.m.) foot-baller, footballeur (< frz.) Etym.
< engl. foot-baller
Erst.
(«Il concorso dei foot-ballers torinesi, che nella stessa riunione di domani disputeranno contro i genovesi l’ultima semifinale del Campionato italiano, varrà a rendere ancor più interessante questa giornata di sport popolare», //, )
Bed.
Cerchiari (): «Sportivo dedito al gioco del calcio» Bascetta (): «(calcio): CALCIATORE»
SubV
calciatore (Sassi , DSI, Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Neuformation *giocatore di palla a calcio (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase #giocatore (De Luca )
Syn.
giocatore del pallone (Cerchiari ): Paraphrase calcista (Panzini ): Neuformation *fuballista (Panzini , s.v. calciatore): morphonologische Assimilation
Andere Fremdwörter, die Regeln und Techniken des Spiels betreffen und ein paar Jahre später (1905–1915) erstmals belegt sind, waren in den 1920er Jahren noch etwas präsenter, aber nicht die salienten Ausdrucksvarianten (penalty, offside,
4.4 Fußball
100 %
1%
4%
5%
4%
269
3%
90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
91 %
96 %
95 %
96 %
97 %
1940-49
1950-59
1960-69
40 % 30 %
calcista giocatore del pallone giocatore di calcio calciatore foot-baller
20 % 10 % 0%
8%
0,5 %
1920-29
1930-39
Abbildung 33: Onomasiologisches Profil für FUSSBALLSPIELER (ASLS, 1920–1970).
hands, plongeon und ball). Daher ist auch bei ihnen von einer präfaschistischen Italianisierung auszugehen. Penalty ‘Strafstoß’, das nicht nur im Fußball verwendet wird, ist seit 1905 belegt.56 In den 1920er Jahren hatte das Fremdwort noch eine onomasiologische Stärke von 32% und wurde zunächst von calcio di rigore ersetzt, das seinerseits bereits seit 1902 belegt war,57 und ab etwa 1930 zunehmend von der Ellipse rigore.58 Für die Ersetzung von penalty in anderen Sportarten schlägt Migliorini (1942) penalità vor (Venturini 1942 für Golf). Zwar wird es in NDM als (unübliches) Synonym für calcio di rigore im Fußball geführt, sein Gebrauch konnte im ASLS jedoch nicht nachgewiesen werden. Auch offside ‘Abseits’ (auch im Rugby und im Hockey) hatte keine Chance gegen die Italianisierung fuorigioco (anfangs getrennt geschrieben: fuori gi(u)oco, teils mit Bindestrich, vorgeschlagen von De Luca 1924, Sassi 1927, Cerruti/Rostagno 1939, Jàcono 1939, Palazzi 1939, CIL 1941–1943, Venturini 1942). Tatsächlich kam der italienische Ausdruck fast zur selben Zeit in Gebrauch59 wie die Entlehnung offside.60 Die von Rossi (2003) genannten umgangssprachlichen Assimilationen 56 NDM. im ASLS seit 1908 (21/04/1908, 4). 57 «[…] in seguito al fallo di un giocatore il Foot-Ball Club è autorizzato dal referee Franzi a dare il calcio di rigore» (18/03/1902, 2). Die Lehnübersetzung wurde vorgeschlagen von De Luca (1924), Sassi (1927), DSI, Cerruti/Rostagno (1939), Jàcono (1939), Palazzi (1939), CIL (1941–1943), Migliorini (1942). 58 Empfohlen von CIL (1941–1943) und Migliorini (1942). Die Ellipse ist laut Nichil im Jahr 1922 erstmals belegt (2018, 317). 59 NDM: 1905, im ASLS 1910: «un terzo [goal] fatto con un bel colpo di testa dal Covenini viene annullato per fuori giuoco», 16/05/1910, 6. 60 1906: «Una discesa che sarebbe stata certamente pericolosa è fermata dal referee per offside», 15/01/1906, 2.
270
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
47 % 68 % 81 %
86 %
85 %
18 %
12 % 2% 1950-59
14 % 1% 1960-69
50 % 40 % 30 % 20 % 10 %
rigore calcio di rigore penalty
47 % 32 % 6%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 34: Onomasiologisches Profil für STRAFSTOSS (ASLS, 1920–1970).
òpsi und orzàit finden sich erwartungsgemäß nicht im Zeitungskorpus. Auch wenn offside in den 1960er Jahren nur noch eine onomasiologische Stärke von 2% aufweist, ist das Fremdwort nicht verschwunden und hat in den Jahrzehnten danach eine leichte Wiederbelebung erfahren (cf. auch Schweickard 1987, 69 und 119). 100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
71 % 96 %
50 %
99,6 %
99 %
98 %
0,4 %
1%
2%
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
fuori gioco offside
30 % 20 % 10 %
29 %
0% 1920-29
4% 1930-39
Abbildung 35: Onomasiologisches Profil für ABSEITS (ASLS, 1920–1970).
Interessant ist der Fall von hands ‘Handspiel’: Während der Ausdruck im Englischen nur umgangssprachlich verwendet wird, handelt es sich im Italienischen um einen Fachterminus. Vielleicht auch aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aussprache – auf die die von Rossi (2003) genannten diatopisch bzw. diastratisch markierten Assimilationen ènz und ènze verweisen – wurde er
4.4 Fußball
271
frühzeitig durch die spezifizierende Paraphrase fallo di mano ersetzt,61 später auch verkürzt zu mani (Singular: un mani), aber nicht etwa durch mano, das die technische Bedeutung nicht mehr wirksam transportiert hätte. HANDSPIEL
hands (subst.m.sg.) hand
Etym.
< engl. hands (kolloquialer Ausdruck für handball, cf. OED, s.v. hand I.)
Erstb.
(«un nostro alf-back tocca involontariamente la palla con le mani, ed in seguito all’hands viene concesso un free-kick ai tedeschi», //, )
Bed.
Cerchiari (): «Fallo di mano nel giuoco del calcio involontario e allora l’arbitro può anche lasciar correre, volontario e allora concede il calcio di punizione» Bascetta (): «(calcio): MANI!, fallo commesso da chi tocca intenzionalmente la palla con le mani»
SubV
mano (De Luca , Sassi , DSI): Strukturübertragung fallo di mani (Jàcono , CIL –): Paraphrase fallo di mano (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase mani (Cicogna , CIL –): Strukturübertragung (subst.m.sg.: «un mani», da elliptisch aus fallo di mani) *ènze, enz (Rossi ): grafische Assimilation *handling (Rossi ): Entlehnung *gioco di mano (VTO, s.v. mano): Paraphrase *contatto di mano: Paraphrase
Syn.
100 %
7%
90 %
3% 8%
20 %
16 %
18 %
13 %
18 %
10 %
80 % 70 % 60 %
75 %
50 %
86 %
40 % 30 %
67%
66 %
72 %
1940-49
1950-59
1960-69
mani fallo di mani fallo di mano hands
20 % 10 %
19 % 2%
0% 1920-29
1930-39
Abbildung 36: Onomasiologisches Profil für HANDSPIEL (ASLS, 1920–1970). 61 Im ASLS erstmals 1920: «I grigi, che dopo il match di Genova, non reclamarono per un fallo di mano del giocatore Brezzi [...]», 27/02/1920, 4. 62 In dieser Form bereits in Zangrilli (1921): «Mani! : grido per segnalare il fallo (Ass.)».
272
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Der einzige Gallizismus unter den hier untersuchten Fußballtermini ist plongeon und bedeutet soviel wie ‘Hechtsprung des Torwarts nach dem Ball’ (cf. Schweickard 1987, 70, der noch in den 1980er Jahren Belege gefunden hat). Cerchiari (1927) erklärt ihn so: «Nel giuoco del pallone il gettarsi per terra e spostarsi a lato che fa il portiere quando il pallone percorre una traiettoria molto tesa e rasente al suolo. Nel nuoto corrisponde al salto o tuffo». Der Terminus wurde aus der Sprache des Schwimmsports übertragen und hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine gewisse Verbreitung (Rossi 2003).63 Im ASLS ist er häufiger in der Fußballberichterstattung als im Kontext von Athletik bzw. Schwimmsport belegt. Tuffo ist auch die Italianisierung, die De Luca (1924), Sassi (1927), DSI, Palazzi (1939) und Jàcono (1939) vorschlagen und die sich erfolgreich gegen plongeon behauptete und seit spätestens 1940 die saliente Ausdrucksvariante ist.64 100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
72 % 99 %
50 %
100 %
100 %
100 %
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
tuffo plongeon
30 % 20 % 10 %
28 % 1%
0% 1920-29
1930-39
Abbildung 37: Onomasiologisches Profil für HECHTSPRUNG DES TORWARTS (ASLS, 1920–1970).
Das Konzept GEWALTSCHUSS weist eine hohe onomasiologische Streuung sowie eine Tendenz zur Metaphorik auf, bei der der Anglizismus shoot oder, seltener, shot (< engl. shot [subst.] bzw. to shoot [Verb])65 nur eine untergeordnete Rolle spielte und nur bis zu Beginn der 1930er Jahre erscheint.66 Als Bedeutung
63 Erstmals in dieser Bedeutung belegt 1911 (CDS, 07/01/1911, 4). 64 Der erste gefundene Beleg für tuffo in dieser Bedeutung datiert auf 1921 (03/01/1921, 4). 65 «Der substantivische Gebrauch der englischen Verbalform (to) shoot ist wohl durch die funktionale Ähnlichkeit der (imperativischen) Verbalform und der (elliptischen) Nominalform bedingt» (Schweickard 1987, 71, Fn. 120). 66 Erster Beleg im ASLS: «La palla viene portata nel centro e subito se ne impadroniscono i torinesi portandola sotto il goal milanese, e in seguito ad un bel shot dell’Armano segnano un secondo punto», 12/03/1906, 4.
4.4 Fußball
273
geben Zangrilli (1921) «Tiro del pallone con un colpo secco e forte; sparata, cannonata» und Cerchiari (1927) «Imprimere al tallone un rapido movimento. Lanciarlo con violenza. Lancio; colpo; sparo» an. Die italienischen Synonyme sind alle aus ballistisch-militärischen Kontexten übertragen, was der Versprachlichung des Konzepts in anderen Sprachen ähnelt.67 Das zunächst dominante staffilata – das von keiner der puristischen Quellen erwähnt wird – verliert zunehmend an Bedeutung zugunsten von cannonata (Ersetzungsvorschlag von Sassi 1927 und CIL 1941–1943). Stangata, ebenfalls in CIL (1941–1943) erwähnt, bleibt konstant in Gebrauch. Es ist davon auszugehen, dass shoot von Anfang an mit italienischen Synonymen in Konkurrenz stand, zumal viele Synonyme bereits etwa zeitgleich erstmals belegt sind.68 100 % 90 %
1% 14 %
80 %
12 % 3% 16 %
70 %
2% 4%
17 %
19 %
18 %
26 %
37 %
19 % 72 %
40 %
16 %
68 %
30 %
19 %
47 %
20 % 10 %
9%
7%
60 % 50 %
1% 8%
29 % 12 %
1%
1%
1%
1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
0%
19 %
bomba calcio violento calcio forte tiro violento sparo cannonata stangata staffilata shoot
0,5 % 1960-69
Abbildung 38: Onomasiologisches Profil für GEWALTSCHUSS (ASLS, 1920–1970).
Auch der Anglizismus ball diente von Anfang an als nichtkatachrestische Entlehnung für das wenig technische Konzept FUSSBALL (SPORTGERÄT). 1914 erstmals belegt,69 wurde ball zuweilen zur stilistischen Variation eingesetzt, um Wiederholungen zu vermeiden, cf. […] cogliendo la palla a parabola Blasevich tira, il ball rimbalza su di un uomo (20/03/ 1930, 5).
67 Z.B. im Deutschen: Hammer, Knaller, Kracher, Pfund, Bombe, Granate, cf. das mehrsprachige Fußballwörterbuch Kicktionary: http://www.kicktionary.de/LUs/Shot/LU_1874.html [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 68 Beispielsweise cannonata: «[…] il calcio di rigore, che si risolve in un’imparabile cannonata di Lang», 13/04/1909, 4. 69 Siehe LEI, s.v. *bal(l)-, 780; Beispiel aus Lo Sport Illustrato: «Il calciatore, l’avanti che ‹dribla› arresta sovente il ball e attira l’avversario come si suol dire, addosso», 15/01/1915, 19.
274
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Palla und pallone stellen die mit Abstand häufigsten Ausdrucksvarianten des Konzepts dar. Als weiteres Synonym werden auch die Umschreibung sfera di cuoio oder schlicht cuoio bzw. sfera verwendet, aber deutlich seltener als palla/ pallone. Nach Devoto [1939] war ball das erste Fremdwort der Fußballterminologie, das ersetzt wurde.
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
1%
48 %
43 %
5%
7%
9%
37 %
38 %
41 %
49 %
54 %
58 %
54 %
50 %
4% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
cuoio sfera sfera di cuoio pallone palla ball
Abbildung 39: Onomasiologisches Profil für FUSSBALL (SPORTGERÄT) (ASLS, 1920–1970).
4.4.3 Italianisierungen nach 1930 Die Ersetzung von goal ‘Tor (als Zielobjekt der Spieler)’ durch porta, die sich nach ca. 1930 vollzog, wurde bereits im vorangehenden Kapitel erwähnt. Auch folgende Fremdwörter der Fußballsprache verloren nach 1930 ihre Salienz: corner, football, inside, supporter sowie die bereits erwähnten Komposita auto-goal und goal average. Football ‘Fußball (Sportart)’, supporter ‘Fußballfan’ und inside ‘Halbstürmer’ waren in den 1920er Jahren salient, standen aber bereits in starker Konkurrenz zu einer oder mehreren italienischen Entsprechungen, die sie in den 1930er Jahren dauerhaft ablösten. Während football und supporter bis 1970 noch marginal Verwendung fanden, wurde inside vollständig aufgegeben. Das seit 1885 in der italienischen Presse belegte football oder football association, anfangs als Exotismus in Spielberichten aus England und den USA, diente noch bis in die 1920er Jahre überwiegend zur Bezeichnung der Sportart. Während mit ital. football anfangs auch die Sportart Rugby bezeichnet wurde (foot-ball rugby), ist es heute nur noch auf die Bezeichnung des American Foot-
4.4 Fußball
275
ball (football americano) beschränkt (Rossi 2003). Die Konkurrenz zu calcio, zunächst in den Paraphrasen gi(u)oco del calcio oder palla al calcio, setzte nach der Jahrhundertwende ein.70 So benannte sich die 1898 gegründete Federazione Italiana Football 1909 in Federazione Italiana Giuoco Calcio um (Rossi 2003). Zur selben Zeit begann die Reklamation der italienischen Herkunft des von Anfang an sehr populären Sports, wie der Eintrag foot-ball in Panzinis erster Ausgabe des Dizionario moderno von 1905 belegt: denominazione inglese usata per indicare un antichissimo giuoco italiano, che si chiamava il Giuoco del Calcio. [...] Era giuoco usatissimo e nobilissimo. [...] Come questo giuoco italiano sia passato in Inghilterra non è qui il caso di ricordare. Le denominazioni del gioco sono in inglese o in ibrido italiano.
Auch Cerchiari (1927) verweist auf die «italianissima origine» des Fußballs (s.u.). Nicht nur auf den Calcio storico wird das moderne englische Fußballspiel zurückgeführt, sondern auch auf eine andere historische Ballsportart – das italienische Ballonspiel, ital. gioco del pallone oder nur pallone.71 Bereits im Erstbeleg von foot-ball von 1885 wird dieser Bezug hergestellt (s.u.; cf. auch Panzini 1931, s.v. pallone, gioco del). Ein Belegbeispiel von 1898 stellt allerdings die Diskontinuität zum modernen Fußball klar: «Vi ha chi vorrebbe far derivare il Foot-ball dal follis dei Romani, che più esattamente corrisponderebbe all’attuale nostro giuoco del pallone» (28/01/1898, 2). Im ASLS wird pallone jedoch nur selten zur Bezeichnung der modernen Sportart verwendet, zumindest in der Kollokation partita di pallone, denn es handelt sich um eine eher umgangssprachliche Ausdrucksvariante (cf. den Schlager von Rita Pavone La partita di pallone von 1962). Um die Vielzahl von Eigennamen mit football (z.B. Namen von Fußballclubs) auszuschließen und der Polysemie von calcio zu begegnen, wurde bei der Frequenzerhebung eine Kollokationssuche mit durchgeführt. Da die mehrfache Subordination mit di tendenziell vermieden wird, fallen die Anteile für gioco di/del calcio und palla a/al calcio somit vermutlich geringer als in anderen Kontexten aus.
70 Ein erster Beleg für den Gebrauch der Bezeichnung calcio in Verbindung mit Fußball findet sich in einem Artikel von 1898 («Come si giuoca al Foot-ball»): «il terreno, inopportuno agli altri sports, si adatta benissimo alle poche esigenze del vecchio, ma per molti nuovo, giuoco del foot-ball (giuoco della palla coi piedi o giuoco del calcio) (28/01/1898, 2). 71 Rossi (2003); Caretti (1973, 18); siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Gioco_del_Pal lone und https://it.wikipedia.org/wiki/Pallone_col_bracciale [letzter Zugriff: 10.09.2020].
276
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
FUSSBALL (SPORTART)
football (subst.m.) foot-ball, football association
Etym.
< engl. foot-ball (association)
Wortb.
footballistico ( [LEI, s.v. *bal(l)-, ]; ASLS: //, )
Erstb.
(«L’inglese è sportman nato: dalla culla alla tomba egli s’occupa di caccia o di pesca, di corse, di lotte, d’equitazione, o di nuoto o della box. Il collegiale ha per sè il foot-ball (il pallone); le fanciulle si divertono col tennis o al cricket», CDS //, )
Bed.
Cerchiari (): «Gioco di italianissima origine, che trova le sue orgine nell’antico Harpastum romano e che fu già in grande onore in Toscana nei secoli XII e XIII. Passato nel in Inghilterra il gioco ebbe molta fortuna e gli inglesi, uomini di sport per antonomasia ne fecero cosa propria dettando regole e norme. Il foot-ball si divide in due giochi ben distinti: Foot-ball Association e Foot-ball Rugby [...] // Il pallone rotondo di cuoio stesso»
SubV
gioco del calcio (De Luca , Sassi , Cerruti/Rostagno , s.v. gioco, Palazzi , Cicogna ): Archaismus calcio (Jàcono ): Archaismus (übertragen von calcio fiorentino) palla a calcio (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase palla al calcio (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco, Jàcono ): Archaismus
Syn.
pallone (Rossi : «più familiarmente»): Archaismus (übertragen von gioco del pallone) *fùball, *fùlber (Rossi ): Assimilation
Die Spielerposition mit der Bezeichnung inside bezog sich in den zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblichen Spielformationen auf die beiden sog. Halbstürmer (im Englischen inside forward, genauer: inside right ‘Halbrechter’ und inside left ‘Halblinker’).73 In der nach dem Zweiten Weltkrieg aufkommenden Sistema-Formation wurden die beiden Halbstürmer der in Italien in den 1930er Jahren so erfolgreichen Metodo-Formation weiter in Richtung Spielfeldmitte ver-
72 Ab 1565 für ‘Calcio fiorentino’, cf. LEI, s.v. *bal(l)-, 764. 73 Der erste Pressebeleg für inside datiert auf 1915: «Garbutt può permettersi il lusso di diminuire o aumentare a piacere l’efficienza del proprio undici in tentativi per migliorarlo: spostando al centro piuttosto che all’ala campioni del valore di Walsingham, e di Berardo, cambiando un inside o un half», Lo Sport Illustrato 7 (1915), 182.
4.4 Fußball
100 %
0,3 %
90 % 80 %
1%
277
1%
44 %
70 % 60 %
90 %
50 %
98 %
96 %
94 %
9%
1%
1930-39
1940-49
4% 1950-59
1960-69
40 % 30 %
56 %
gioco di calcio pallone calcio football
20 % 10 % 0% 1920-29
4%
Abbildung 40: Onomasiologisches Profil für FUSSBALL (SPORTART) (ASLS, 1920–1970).
setzt.74 Es zeigt sich, dass das Fremdwort ab den 1930er Jahren im ASLS verschwindet und stattdessen mit interno (Sassi 1927, aber im ASLS bereits seit 1913 belegt [13/05/1913, 5]) und mezzala (Sassi 1927, Cicogna 1940)75 ersetzt wird (cf. Abb. 41). Das seit 190876 im Italienischen belegte Lexem auto-goal könnte für einen Scheinanglizismus gehalten werden,77 da das ‘Eigentor’ im Englischen als own goal bezeichnet wird, laut OED seit 1922. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts scheint im britischen Englisch jedoch auch auto goal üblich gewesen zu sein.78
74 Zu den Veränderung der Spielerposition in der Sistema-Formation siehe folgenden Wikipedia-Eintrag: «i due interni (o mezze ali), che nella piramide giocavano in linea con gli altri tre attaccanti, vennero arretrati verso il centrocampo. Il loro ruolo mutava: da finalizzatori puri diventavano anzitutto dei ‹suggeritori›: giocatori in grado di formare una cerniera tra il reparto arretrato e quello avanzato; erano cioè gli uomini in grado di effettuare il cosiddetto ‹ultimo passaggio› all’attaccante lanciato a rete. Il reparto di mezzo si trovava così ad essere costituito da quattro giocatori che formavano un quadrilatero: vi erano i due mediani, più arretrati, e le due mezze ali a supporto dei tre attaccanti», https://it.wikipe dia.org/wiki/Sistema_(calcio)#L’evoluzione_tattica [letzter Zugriff: 10.09.2020]. 75 Seit 1909 belegt (Nichil 2018, 231): «l’estrema destra Gubbins porta al centro la palla, che, ricacciata, viene alla mezz’ala destra Crawford [...]» (13/04/1909, 4). 76 NDM, seit 1910 im ASLS («Perdette, è vero, ma che vale una sconfitta patita per un autogoal? Perché fu proprio un auto-goal che all’85.o minuto di giuoco si inflisse la Juventus», 27/ 12/1910, 5). 77 Cf. Humbley (2015, 46). 78 Cf. BNA. Dies erklärt auch, warum das Lexem in so vielen Sprachen erscheint: Üblich ist autogoal noch heute im Französischen der Schweiz und Belgiens, die Form autogol u.a. auch im Spanischen (seit 1916 [Heraldo deportivo 05/10/1916, n.º 50, 11]), Katalanischen, Rumänischen, Kroatischen und Russischen der Lautform nach (siehe die fremdsprachlichen Verweise unter
278
100 % 90 %
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
11 %
3%
3%
95 %
98 %
9%
9%
91 %
91 %
1950-59
1960-69
80 % 70 %
37 %
60 % 50 % 40 % 30 % 20 %
mezzala interno inside
52 %
10 %
2%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 41: Onomasiologisches Profil für HALBSTÜRMER (ASLS, 1920–1970).
Noch in den 1920er Jahren war ital. auto-goal konkurrenzlos, ab 1935 wird ihm die Übersetzung autorete zur Seite gestellt.79 Auch autoporta – bereits in Sassi (1927) und DSI erwähnt – kommt ab 1936 in Gebrauch,80 aber nur marginal (7 Belege von 1936–39), da porta stärker auf die abweichende Bedeutung ‘Torgehäuse’ verweist. Die Substitute rete (für goal ‘Tor (beim Punktestand)’) und autorete dürften sich in der Folge gegenseitig verstärkt haben. Dabei hat das innerhalb des Konzepts TOR (BEIM PUNKTESTAND) erfolgreichere goal/gol möglicherweise dafür gesorgt, dass sich auto-goal bis 1970 mit einer durchschnittlichen onomasiologischen Stärke von 22% – zusammen mit der Assimilation autogol von 27% – erhalten konnte. Autogol wird heute auch – im Unterschied zu autorete – im übertragenen Sinn verwendet («iniziativa che si rivela dannosa per chi l’ha assunta», Zing. 2019). Ital. corner bezeichnet zum einen die ‘Ecke des Fußballfeldes’ (< engl. corner), zum anderen den ‘Eckstoß’ (< engl. corner-kick), im Italienischen ist somit «la stessa riduzione inglese di una polirematica a un unico elemento» erfolgt (Rossi 2003). Hier wurde nur das Konzept ECKBALL / ECKSTOSS untersucht und zwar mit der Suchphrase , sodass die Bedeutung ‘Ecke des Fußballfeldes’ https://en.wikipedia.org/wiki/Own_goal). Die strukturelle und zeitliche Übereinstimmung beim Erscheinen von autogoal in vielen Sprachen machen eine unabhängige Parallelentwicklung sehr unwahrscheinlich. BDLP-Suisse analysiert schweizerfrz. autogoal als Lehnübersetzung von dt. Eigentor, das laut dem DWDS-Kernkorpus seit 1910–19 erstmals nachgewiesen ist (https://www. dwds.de/d/k-referenz; letzter Zugriff auf alle Links: 10.09.2020). Angesichts der englischen Belege für auto goal kann jedoch auch für das Französische eher von einer direkten Entlehnung ausgegangen werden. 79 23/12/1935, 3; NDM: 1942; als Ersatzlexem einzig von CIL (1941–1943) und Migliorini (1942) vorgeschlagen. 80 23/03/1936, 4.
279
4.4 Fußball
100 %
1%
1% 9%
90 %
8%
4%
30 %
80 % 70 % 60 % 50 %
70 %
74 %
23 %
22 %
1950-59
1960-69
81 %
99 %
40 % 66 %
30 %
autogol autoporta autorete autogoal
20 % 10 %
11 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 42: Onomasiologisches Profil für EIGENTOR (ASLS, 1920–1970).
ausgeschlossen werden konnte. Es mag erstaunen, dass sich zur Ersetzung von corner – anders als in ähnlichen Fällen – nicht die kürzeste Variante, also angolo, am besten durchsetzen konnte, sondern calcio d’angolo.81 Allerdings konnte damit die Differenzierung zwischen ECKE und ECKSTOSS – die bei ital. corner wie erwähnt aufgehoben ist – ausdrucksseitig wiederhergestellt werden. Corner weist zwar in den 1960er Jahren nur noch eine Lexikalisierungsrate von 12% auf, ist aber keineswegs aus der italienischen Fußballsprache verschwunden.82 Vital hält den Ausdruck auch, dass er in die Fachsprache der Wirtschaft übertragen wurde, cf. NDM: 2. TS econ. accaparramento di un prodotto o di una materia prima da parte di una o più imprese riunite da un accordo detto ring 3. TS fin. situazione di difficoltà in cui può trovarsi un operatore di borsa allo scoperto.
Der Anglizismus supporter ‘Unterstützter, Fan’ war in vielen Kontexten der Sportsprache üblich und wurde in der Nachkriegszeit vorrangig zur Referenz auf kulturelle Ereignisse (Musik/Kino) verwendet. Der besseren Untersuchbarkeit halber soll er nur im häufigsten Kontext, nämlich dem Fußball, untersucht werden (zum Gebrauch des Fremdworts im Radsport siehe 4.4.3). In der Bedeutung ‘Fußballfan’ wurde supporter ab den 1930er Jahren fast vollständig ersetzt (aber siehe Schweickard 1987, 67).
81 Ebenfalls belegt seit 1903 (La Stampa Sportiva, 26 aprile 1903, 3) 82 Was die Beobachtung von Caretti (1973) stützt: «Corner resiste ancora bene. Negli ultimi anni ‹calcio d’angolo› e soprattutto ‹angolo›, per economia, stanno però guadagnando terreno» (23).
280
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
ECKBALL / ECKSTOSS
corner (subst.m.) *corner-kick
Etym.
< engl. corner (kick) oder < frz. corner (cf. Schweickard , )
Erstb.
(«Spensley con una mossa rapida riesce a caricarlo in tempo e non ne risulta che un corner. Con ciò termina la prima ripresa, senza che nessun altro goal venga fatto», La Stampa Sportiva (), ; NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Nel gioco del calcio i quattro angoli del campo rettangolare. // Quando il pallone esce dall’angolo e si ha il fuori gioco con rimessa in campo a vantaggio degli avversari» Bascetta (): «(calcio): letteralmente ‹angolo›, ma vale anche calcio d’angolo»
SubV
calcio d’angolo (Sassi , DSI, Palazzi ) angolo (Sassi , DSI, Cerruti/Rostagno , Jàcono , Cicogna , CIL –)
100 % 90 %
18 %
4%
14 %
7%
29 %
80 % 70 % 66 %
49 %
60 %
81 %
50 % 40 %
82 %
68 %
30 % 20 %
37 %
30 %
10 %
12 %
3%
0% 1920-29
1930-39
tiro d'angolo angolo calcio d'angolo corner
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 43: Onomasiologisches Profil für ECKBALL / ECKSTOSS (ASLS, 1920–1970).
Bereits angesichts der Vielzahl von Ausdrucksvarianten ist im onomasiologischen Profil keinesfalls von einer «vollständigen» Synonymie auszugehen. Zudem verdeutlichen Belege, dass die verschiedenen Begriffe durchaus abgestuft verwendet werden können, z.B.: «É Juventino: non un tifoso accanito, soltanto un simpatizzante» (03/06/1967, 2). Der anfänglich stärkste Lexemkonkurrent des
83 Kein Beleg für die Variante im ASLS, vollständig ersetzt nach Bascetta (1962) und Schweickard (1987, 65).
4.4 Fußball
281
Fremdworts, appassionato, wurde ab den 1930er Jahren zunehmend von sostenitore und vor allem tifoso verdrängt. Dieses bis heute weit verbreitete Lexem kam in den 1920er Jahren auf, man beachte diesen illustrativen Beleg von 1923: FUSSBALLFAN
supporter (subst.m. und f.inv.)
Etym.
< engl. supporter
Erstb.
(NDM)
Bed.
Cerchiari (): «Simpatizzante per un atleta o per una squadra» Bascetta (): «SIMPATIZZANTE, appassionato» Jàcono (): «colui che si reca ad assistere a una gara, una lotta, un incontro, per far coraggio come può, anche con la sola presenza, ad amici o concittadini o protetti, i quali corrono o fanno ai pugni o sparano calci, e così via»
SubV
fautore (De Luca , Jàcono , Palazzi ): Analogie sostenitore (De Luca , Sassi , Jàcono ): Analogie partigiano (Sassi ): Analogie caldeggiatore (Jàcono ): Neuformation simpatizzante (Palazzi ): Analogie tifoso (Palazzi ): Analogie #protettore (Jàcono ) #compare (Jàcono ) #sozio (Jàcono ) #amico (Jàcono )
Syn.
suiveur: Entlehnung aficionado: Entlehnung fan: Entlehnung
100 % 90 %
4% 5%
28 %
39 %
60 %
1% 8%
1% 4% 15 %
24 %
27 %
50 %
9%
40 %
2%
30 % 20 %
10 %
25 %
80 % 70 %
2% 3%
40 %
10 %
80 % 34 %
60 %
9%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
67 %
0,1 %
0,2 %
1950-59
1960-69
Abbildung 44: Onomasiologisches Profil für FUSSBALLFAN (ASLS, 1920–1970).
aficionado partigiano simpatizzante fautore appassionato sostenitore tifoso supporter
282
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Mentre sono circa 5000 i giovani che a Milano praticano seriamente, in campi regolamentari, il foot-ball, ognuno dei 5000 ha intorno una corte di almeno dieci persone, in media, che s’interessano per riflesso al giuoco: genitori, sorelle, zii, cugine, fidanzate, spose, amici, ex-giuocatori, dirigenti, membri di società. Tutti costoro formano la categoria dei cosidetti tifosi. Soffrono la foot-ball-mania. Assistono immancabilmente alle partite disputate dalla squadra del loro cuore, che accompagnano anche negli incontri fuori residenza (CDS 04/04/1923, 6).
Offenbar wird das durch tifoso eröffnete Sprachbild, dass die Fußballbegeisterung mit einer hochansteckenden Fieberkrankheit vergleicht, als derart passend empfunden,84 dass das gesamte Wortfeld der Sportanhängerschaft im Italienischen heute von tifo/tifoso bestimmt wird. Die Frames der «Leidenschaft» (appassionato, aficionado) und der «Unterstützung» (fautore, sostenitore, supporter, caldeggiatore, partigiano, protettore) scheinen im Zusammenhang mit Sport somit nicht so effektiv wie das des «Fiebers» zu sein. Ab den 1960er Jahren kommt noch der ursprünglich zur Bezeichnung des Musik- bzw. Kinoliebhabers entlehnte Anglizismus fan als Synonym hinzu (und sogar suiveur, cf. 4.3.1). Gegen fan hatte sich schon Monelli 1933 ausgesprochen: «Quest’ultima parola è usata da noi da qualche scrittore di cose del cinema che vuol darsi un sussiego; potrebbe dire con più chiarezza fanatico, o trasportare il tifoso dal calcio al cinema» (166). Auch bei aficionado handelt es sich um eine Übertragung: 1872 aus dem Spanischen entlehnt (NDM), wurde der Begriff zunächst als Exotismus für die spanischen Anhänger des Stierkampfs verwendet. Ab 1910 wird sich der Hispanismus auch mit Bezug auf italienische Referenten verwendet, «[m]a il vero radicamento nell’uso italiano avviene attraverso il linguaggio sportivo, dove il termine penetra fra le due guerre per indicare il ‘tifoso accanito’».85 Die Aussprache des Hispanismus im Italienischen scheint zwischen [afitʃoˈnado] (NDM) und [afisjo ˈnado] (Zing. 2019) zu variieren. In der Fußballsprache hat er sich offenbar noch längere Zeit gehalten (cf. Schweickard 1987, 67 und 70). Auch der entlehnte Terminus goal average ‘Torquotient’ konnte sich nicht durchsetzen und wurde ab den 1940er Jahren fast vollständig durch die Übersetzung quoziente reti ersetzt (vorgeschlagen von CIL 1941–1943, während das
84 Cf. Bortolotti et al. (2002): «è difficile non riconoscere al calcio la capacità di stabilire un rapporto emotivo particolarissimo con larga parte della popolazione in tutti i paesi del mondo: una febbre così alta ed epidemica da venire paragonata al ‘tifo’». 85 Fanfani, Massimo, [Recensione] Ottavio Lurati, 3000 parole nuove. La neologia negli anni 1980–1990, Bologna, Zanichelli, 1990, Lingua nostra 55 (1994), 79–92, hier: 82. In sportsprachlicher Bedeutung siehe Panzini 61931, s.v.: «voce spagnola, affezionato, dilettante (fanatico per le corride); cfr. Tifoso».
4.4 Fußball
283
alleinige quoziente von Sassi 1927 und DSI empfohlen wurde).86 Übergangsweise werden auch die analytischen Lexeme quoziente delle reti oder di reti sowie die hybriden Paraphrasen quoziente dei oder di goal verwendet (siehe Abb. 45). Allerdings beginnt das Konzept TORQUOTIENT ab 1942, sachlich obsolet zu werden,87 denn seit diesem Zeitpunkt beginnt dieses rechnerische Verfahren zur Bestimmung der Ranglistenposition einer Fußballmannschaft, bei dem die Anzahl der erzielten Tore durch die Zahl der Gegentore dividiert wird, zugunsten der TORDIFFERENZ aufgegeben zu werden, die durch Subtraktion der erzielten Tore von den Gegentoren errechnet wird. Der Terminus für das neue Verfahren war sofort differenza reti (oder auch differenza goals) und nicht etwa eine Entlehnung des entsprechenden englischen Begriffs (goal difference). Davon unabhängig war goal average wohl zu technisch und für italienische Sprecher nicht ausreichend analysierbar, worauf tautologische Beispiele aus den 1930er Jahren hindeuten: Il quoziente goal average – al quale e indispensabile ricorrere in caso di più concorrenti a parità dei tre incontri – è quattro (08/10/1931, 5). più concorrenti si sono trovati in graduatoria a pieno punteggio, per cui è stato necessario ricorrere al quoziente goal average (22/10/1931, 4).
22 %
3% 4% 11 %
11 %
15 %
100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
3% 11 %
1%
16 % 91 %
50 % 40 % 30 %
11 % 4%
83 %
82 %
2%
3%
1940-49
1950-59
67 % 51 %
20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
quoziente delle/di reti quoziente goal quoziente quoziente reti quoziente di/dei goal goal average
7% 1960-69
Abbildung 45: Onomasiologisches Profil für TORQUOTIENT (ASLS, 1920–1970).
86 Der Erstbeleg für goal average ist 1926: «in questo caso il Bologna vincerebbe egualmente poichè il suo rapporto fra goals segnati e subiti (goal average) è migliore» (CDS 30/04/1926, 4). Quoziente reti ist seit 1938 belegt («Il fatto che il ‹quoziente reti› potrà essere decisivo spingerà le due squadre a lottare con tutte le loro forze», 30/04/1938, 7) 87 Siehe https://it.wikipedia.org/wiki/Quoziente_reti#Cenni_storici [letzter Zugriff: 10.09.2020]: «In Italia fu presente per i campionati professionistici (A, B e C) dalla stagione 1938–1939 fino alla stagione 1941–1942, anno dell’abolizione. Ai Mondiali rimase in vigore sino al 1966, per essere poi rimpiazzata dalla differenza reti».
284
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4.4.4 Fazit Die Analyse der Fußballsprache hat gezeigt, dass der Anteil der Fremdwortsubstitutionen hier besonders groß ist: Bei 19 von 22 untersuchten Konzepten (darunter die aufgegebenen bzw. modifizierten Konzepte AUßENLÄUFER und TORQUOTIENT) erwies sich das native Lexem als erfolgreicher, bei der Hälfte war das Fremdwort in der Nachkriegszeit vollständig verschwunden. Die Analyseergebnisse sprechen allerdings keineswegs für die These, dass die Fremdwortsubstitutionen in der italienischen Fußballsprache aufgrund der fremdwortpuristischen Kampagne des Faschismus ersetzt worden seien: Mehrheitlich, nämlich bei 14 der 19 Ersetzungen, fand diese bereits vor 1920 statt und nicht erst in den 1940er Jahren, wie beispielsweise im Itabolario angenommen wird (Arcangeli 2011, s.v. football). Oder das Fremdwort spielte von Anfang an nur eine untergeordnete Rolle, etwa weil das Konzept bereits vor dem Erstbeleg des Fremdworts durch einen italienischen Ausdruck versprachlicht wurde, wie im Fall von ball, goalkeeper und offside. Nur die übrigen fünf Fremdwörter – supporter, inside, goal ‘Tor (als Zielobjekt der Spieler)’ (in der Bedeutung ‘Tor (Punkt)’ allerdings erhalten), auto-goal und goal-average – wurden in faschistischer Zeit (überwiegend) ersetzt.88 Bereits aus chronologischen Gründen ist der These, die faschistische Sprachpolitik sei für die Ersetzung der entlehnten Fußballtermini verantwortlich,89 daher zu widersprechen. Aus der sprachgeschichtlich-lexikalischen Analyse lassen sich dagegen u.a. folgende alternative Erklärungsansätze für Substitution ableiten: – Konzeptfrequenz und Popularität der Sportart: Die Fremdwörter des Fußballs sind deswegen überwiegend ersetzt worden, weil die Fußballsprache im Vergleich zu anderen Sportarten besonders populär und ihre Terminologie hochfrequent ist. – Sprachökonomie: Umfasst ein passendes Synonym mehr Silben als das Fremdwort, wird das Fremdwort bevorzugt, wie bei palleggio für dribbling, traversone für cross und goal für rete, bei silbengleichen Ausdrucksvarianten stellt sich dagegen häufiger ein Italianisierungserfolg ein, wie bei calcio für football, tifoso für supporter und rigore für penalty;
88 Damit kann die Annahme von Di Stefano (2007), die entlehnte Fußballterminologie sei mehrheitlich in den 1920er Jahren ersetzt worden, noch weiter nach vor datiert werden: «Le ricognizioni compiute sulle fonti precedenti all’italianizzazione ufficialmente imposta dal regime non lasciano dubbi, nella maggior parte dei casi analizzati, sul fatto che il processo di assimilazione della terminologia calcistica nella lingua italiana si fosse avviato, seppur in forme più ‹spontanee› (non direttamente stabilite dal governo) già negli anni 20–30» (106). 89 Geäußert z.B. bei Agnello (2006, 48).
4.5 Rugby
285
– Erstbeleg der Italianisierung: höhere Substitutionsneigung bei Konzepten, bei denen neben dem Fremdwort zeitnah auch ein nativer Ausdruck lexikalisiert wurde (wie z.B. bei goal-keeper, offside, shoot, supporter, corner); – semantische Kategorie: in der Fußballsprache wurden Personenbezeichnungen wie half, inside, footballer, forward auffällig häufig ersetzt. Diese alternativen Erklärungsansätze zur Italianisierung werden in Kapitel 5 inferenzstatistisch anhand der gesamten Untersuchungsstichprobe überprüft. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Fremdwörter aus der Anfangszeit der Massensportart Fußball einer besonders starken onomasiologischen Konkurrenz ausgesetzt waren, die sich in einer frühen, überwiegend präfaschistischen Italianisierung einerseits und einer ausgeprägten onomasiologischen Streuung innerhalb der Konzepte andererseits zeigt. So hatten nur 6 der 22 untersuchten Konzepte zwischen 1950 bis 1970 lediglich ein einziges salientes Lexem.
4.5 Rugby Als Geburtsstunde des Rugby gilt das Jahr 1823.90 Der Name der Sportart leitet sich von seinem ersten Spielort in der Grafschaft Warwickshire in England ab, wo er an einer Privatschule entwickelt wurde. Die Entwicklung des Rugby football war bis 1863 eng mit der des Fußball verknüpft und galt zuvor als eine seiner Spielvarianten (siehe 4.4). Bis Ende der 1870er Jahre wurden die Regeln des modernen Rugby mit einer Mannschaftsgröße von 15 Spielern festgelegt. Von 1900 bis 1924 war Rugby eine olympische Disziplin. Nach Italien kam Rugby im Zuge eines franko-italienischen Kulturtransfers. Er verbreitete sich ab 1909 maßgeblich durch das Wirken der beiden Sportler Stefano Bellandi und Pietro Mariani, die die neue Sportart in Frankreich kennengelernt hatten, wo sie bereits seit den 1870er Jahren praktiziert wurde. Der erste RugbyClub wurde in Mailand gegründet. Die Bekanntheit des Sports beschränkte sich zunächst auf Nordwestitalien. Infolge des Ersten Weltkriegs kam die Ausübung der neuen Sportart zum Erliegen. Ab 1927 wird der Rugby in Italien mit Hilfe des Franzosen Henri Desgrange und von in Italien lebenden Franzosen wiederbelebt (Conord/Lehnert 2019, 25). 1929 unterstützten Bellandi und Mariani die Gründung des ersten italienischen Rugby-Verbands, die Federazione italiana rugby (FIR), worauf90 Quellen der folgenden Ausführungen sind Mazzocchi/Pisani (2006), Aprile (2018), https:// it.wikipedia.org/wiki/Rugby_a_15_in_Italia sowie https://it.wikipedia.org/wiki/Federazione_ Italiana_Rugby und http://www.coni.it/it/federazioni-sportive-nazionali/federazione-italianarugby-fir.html [17.02.2018].
286
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
hin eine Nationalmannschaft zusammengestellt und die ersten nationalen Wettkämpfe ausgetragen wurden. Die FIR wurde 1930 aufgelöst – möglicherweise, weil das faschistische Regime die neue Sportart aufgrund ihrer englischen Herkunft zunächst ablehnte und ab 1928 versuchte, sie durch die eigens geschaffene Sportart Volata zu ersetzen, deren Erfolg jedoch ausblieb (Colasante 2002; Dogliani 2008, 203; Nichil 2008, 34–35). Die Beliebtheit des Rugby stieg dagegen weiter. 1932 wurde der Verband mit dem italianisierten Namen Federazione Italiana della Palla Ovale (FIPO) wiedergegründet. Offenbar stieß die Italianisierung des Namens der Sportart jedoch auf Widerstand, denn bereits 1933 wurde sie zurück in Federazione Italiana Rugbi umbenannt, in der Nachkriegszeit dann wieder in die ursprüngliche Schreibweise Federazione Italiana Rugby. Die Ende der 1920er Jahre schnell wachsende Verbreitung und Bedeutung der neuen Sportart in Italien «si spiega con l’atteggiamento del regime fascista, che dapprima fu molto cauto e poi sempre più favorevole, considerando questa disciplina particolarmente adatta alla formazione e allo spirito di combattimento» (Mazzocchi/Pisani 2006).91 Möglicherweise wegen dieser militaristisch-faschistischen Konnotation befand sich der italienische Rugby in der Nachkriegszeit einerseits in einer Krise, andererseits sorgten die in Italien stationierten Soldaten der 8. britischen Armee für die Verbreitung der Sportart, besonders auch in der italienischen Provinz: […] molto nutrita era la rappresentanza neozelandese, australiana e sudafricana; si formarono così club dislocati in buona parte della penisola, da Trieste a Napoli e all’Aquila. Ma fu sempre il rugby delle grandi città ad avere un ruolo fondamentale [...]. Ciò nonostante, il clima della provincia ‒ in particolare quella emiliana e veneta ‒ si mostrava più favorevole, in quanto meglio si riusciva a raccogliere energie e attenzioni e soprattutto a curare i rapporti fra atleti e ambiente sociale (Mazzocchi/Pisani 2006).
Die entlehnte Terminologie des Rugby stammte anfangs überwiegend aus dem Französischen, trotz der englischen Herkunft des Sports, erst später auch aus dem Englischen. Dies erklärt sich damit, dass der italienische Rugby die intensivsten Kontakte zunächst mit Frankreich pflegte und die Trainer, denen im Rugby eine besonders zentrale Rolle zukommt, damals vorrangig aus Frankreich stammten, während die Clubs in der Nachkriegszeit vielfach von britischen Al-
91 Cf. dazu auch das eindrucksvolle und berühmte Rugby-Poster von 1933 mit einem Motiv des Futuristen und Illustrators Ottorino Mancioli (1908–1990), unter https://blog.rugby.it/?p= 1397 [letzter Zugriff: 10.09.2020]. Unter dem Plakat wurde ein Zitat des Parteisekretärs des PNF eingefügt: «...Il giuoco del Rugby, sport da combattimento, deve essere praticato e largamente diffuso tra la gioventù fascista. ACHILLE STARACE». Das Motiv fand über Italien hinaus Verbreitung und wurde 1936 auch in Spanien für ein Rugbyspiel zwischen Katalonien und Frankreich adaptiert und später u.a. vom iranischem Rugbyverband. Bemerkenswert am Poster ist auch der große Schriftzug «rugby» – trotz des Entstehungszeitpunkts ganz ohne .
4.5 Rugby
287
liierten trainiert wurden: «Il rilancio tecnico postbellico fu supportato nei club dai tecnici anglosassoni delle truppe di occupazione» (Mazzocchi/Pisani 2006). Der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich stärkere englische Einfluss auf die italienische Sprache des Rugby macht sich insbesondere seit Beginn der Professionalisierung des italienischen Rugbys in den 1990er Jahren bemerkbar. Den anfänglichen Einfluss Frankreichs für die Entwicklung des Sports in Italien verkennt Paolo Monelli offenbar, wenn er 1933 schreibt: La palla ovale ha cominciato da poco a occupare le colonne dei quotidiani, ed ecco subito i resoconti inquinati di corsivi. E al solito, anche per questo giuoco prettamente inglese e americano s’assiste al fenomeno pacchiano che si usano parole francesi; non le originali inglesi, di cui l’uso potrebbe giustificarsi con la teoria dell’origine e dell’intraducibilità. Al contrario; s’accetta l’idea che questi termini si debbano tradurre; ma in francese, non in italiano; e si adoperano le parole come le hanno tradotte i francesi (s.v. essai).
Rossi (2003) hält die französisch-englische Terminologie des Rugby für überwiegend durch italienische Äquivalente ersetzt, z.B. bar durch traversa ‘Querstange’, croc en jambe durch sgambetto ‘Grätschschritt’, goal durch meta ‘Versuch’; mêlée durch mischia ‘Gedränge’; touche durch rimessa laterale ‘Gasse’. Die Italianisierung der entlehnten Rugby-Termini erfolgte vielfach als Glied-für-Glied-Übersetzung, z.B. drop-kick > calcio di rimbalzo, coup de transformation > calcio di trasformazione, place kick > calcio piazzato (ebd.). Unter den hier untersuchten fünf Fremdwörtern des Rugby, die die Mindesthäufigkeit im ASLS aufwiesen, wurden zwei (rugby, drop-goal) erhalten und drei (die Gallizismen essai, mêlée und arrière) substituiert. 4.5.1 Fremdworterfolge Wie der kurze historische Abriss zeigte, spiegelt sich der Konflikt um die Benennung der Sportart bereits in der Geschichte des italienischen Verbandsnamens wieder: von rugby (1928) über palla ovale (1932) und rugbi (1933) zurück zur ursprünglichen Form nach 1943. In La Stampa blieben diese Umbenennungen jedoch weitgehend unberücksichtigt – auch in den 1930er Jahren wurde der Verband fast durchgängig mit seiner ursprünglichen Bezeichnung benannt (nur ein Beleg für Federazione italiana palla ovale von 1932). Auch änderten die lokalen Rugby-Clubs ihre Namen überwiegend nicht, wie sich beispielsweise in folgender Ankündigung zeigt: «Campionato di palla ovale / Rugby Torino-Amatori Milano» (29/12/1935, 2). Rugby ist 1898 erstmals im ASLS belegt, wobei zunächst nur von der Praxis in anderen Ländern berichtet wird. Dass die Bezeichnung der Sportart – zumindest teilweise – durch das Französische ins Italienische vermittelt wurde, belegen die zwei Varianten der Aussprache (laut DOP): [ˈragbi] und [ˈrεgbi] (< frz., nach
288
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Canepari 1999 auch [ˈrøgbi]). In der Sportberichterstattung konnte sich die anfängliche Ersetzung mit palla ovale (in Gebrauch seit 1928, seit 1932 auch in der Form pall(a)ovale) nicht durchsetzen. Sogar faschistische Sportzeitungen wie Il Littorale sprachen sich für das Fremdwort aus, wie dieser Artikel von 1933: Non siamo convinti che la denominazione palla ovale, che vuole alludere in Italia a uno sport che ha più di un secolo di tradizioni – per il nome e le regole – in Inghilterra, e più di mezzo secolo di larga diffusione nel mondo, sia la migliore. Il termine rugby non è più, adesso, inglese e non significa più la città inglese dove lo studente Ellis, afferando il pallone con le mani e correndo con esso, creò o meglio ritornò a creare, il tratto distintivo del gioco, già introdotto in Britannia dai legionari di Cesare sotto il nome di harpastum. Rugby è un termine internazionale, che in tutte le parti del mondo e presso tutti i popoli, che riconoscono universali le leggi e le regole degli sports, sta a significare la forte contesa di quindici e quindici atleti possenti e veloci per la conquista del territorio avversario (13/09/1933, 4).
Auch die grafische (und zudem vermutlich phonologische)92 Assimilation rugbi war in der Nachkriegszeit nicht mehr vertreten. Nur die Derivationen rugbista und rugbistico haben das anfängliche -y aufgegeben, was sich aber mit der Analyse als rugb- + -ista/-istico erklärt. RUGBY
rugby (subst.m.) rugby football, football rugby (Aprile )
Etym.
< engl./frz. rugby (foot-ball)
Wortb.
rugbysta, später rugbista («Una triplice salva di hip, hip, hip, hurrà! accolse l’atletico stuolo dei rugbysti parrigini all’uscita dalla stazione», //, ), rugbystico, später rugbistico (//, )
Erstb.
(«gli americani s’attaccarono di preferenza al «Rugby», che poteva nello stesso tempo servire come spettacolo di box», //, )
Bed.
Palazzi (): «giuoco simile al calcio; in cui però il pallone è ovale e le due squadre sono di quindici giocatori ciascuna; la palla può esser lanciata anche con le mani; la parola non è altro che il nome di una città inglese, dove il giuoco ha avuto origine; italianamente, pallovàle, palla ovale» Bascetta (): «PALLOVALE, gioco che si esegue con due squadre di giocatori ciascuna: avanti, mediani (di mischia e di apertura), trequarti, estremo»
92 Siehe die von DOP und Canepari (1999) zusätzlich angegebene, heute vermutlich unübliche Variante ['rugbi].
4.5 Rugby
289
(fortgesetzt ) RUGBY
rugby (subst.m.) rugby football, football rugby (Aprile )
SubV
giuoco del pallone ovale (De Luca ): Paraphrase palla ovale (Monelli /, Jàcono , Palazzi , Cicogna , Migliorini , Venturini ): Paraphrase pallovàle (Palazzi ): Neuformation rùgbi (CIL –): Assimilation
Syn.
pallone ovale: Paraphrase
100 %
1%
4%
90 % 24 %
80 %
7% 3% 14 %
5%
3%
70 % 60 % 50 %
99 %
40 % 30 %
71 %
76 %
1930-39
1940-49
95 %
97 %
1950-59
1960-69
20 %
pallone ovale gioco della palla ovale rùgbi pallovale palla ovale rugby
10 % 0% 1920-29
Abbildung 46: Onomasiologisches Profil für RUGBY (ASLS, 1920–1970).
Ein ebenfalls erhaltenes Fremdwort ist drop-goal, verkürzt drop, dessen Konzept SPRUNGTRITT im ASLS zwischen 1920 und 1970 allerdings selten war. Es ist seit 1910 belegt93 und war auch noch in der Nachkriegszeit das saliente Lexem. Calcio di rimbalzo, erwähnt bei Cicogna 1940,94 scheint trotz einer geringen onomasiologischen Stärke in den beiden letzten Messzeiträumen von 21% bis heute üblich zu sein (cf. VTO, Zing. 2019).
93 «Gilbert riesce a marcare un drop-goal, e cioè un goal al volo», 28/03/1910, 4. 94 Belegt seit 1933: «i 21 punti marcati da Hannover nella prima ripresa, furono ottenuti da un solo giuocatore, Blurmeister, con tre mete, una trasformazione, due calci franchi e un calcio di rimbalzo» (Il Littorale, 10 novembre 1933, 3).
290
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4% 21 %
96 % 79 %
1920-39
calcio di rimbalzo drop (goal)
1950-69
Abbildung 47: Onomasiologisches Profil für SPRUNGTRITT (ASLS, 1920–1970).
4.5.2 Italianisierungen nach 1930 Die nicht aus dem Englischen (full-back), sondern aus dem Französischen entlehnte Bezeichnung der Spielerposition SCHLUSSMANN, arrière,95 hat im ASLS nur wenige Belege. Die vollständige Aufgabe seit den 1940er Jahren und die Ersetzung durch estremo (erwähnt in CIL 1941–1943 und Venturini 1942),96 die aus dem onomasiologischen Profil hervorgeht, wird auch durch die völlige Abwesenheit des Fremdworts in Fachartikeln und Wörterbüchern bestätigt: 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
28 %
100 % 72 %
1920-39
estremo arrière
1950-69
Abbildung 48: Onomasiologisches Profil für SCHLUSSMANN (ASLS, 1920–1940 und 1950–70).
95 Erstbeleg 1903: «Il cosidetto arrière ha le stesse mansioni in uso presso i nostri giuocatori», La Stampa Sportiva 2:3 (1903), 8. Im Französischen ist arrière seit 1900 nachgewiesen (GR). 96 Belegt seit 1927: «Le squadre innanzi tutto sono composte di 15 uomini così divisi: Estremo (arrière) ultimo difensore, come dice la parola, della linea di fondo opposta agli attaccanti avversari [...]», 27/12/1927, 4.
4.5 Rugby
291
Auch essai ‘Versuch’ wurde durch französische Vermittlung, nämlich von engl. try entlehnt.97 Try konnte im gesamten Untersuchungszeitraum im ASLS nicht nachgewiesen werden, auch Jàcono (1939) bestätigt: «Il fr. Essai è usato più di frequente che non l’ingl. Try» (338). Essai ist seit 1910 belegt.98 Als frühe Italianisierung existierte prova, wie in diesem Beleg von 1903: «Il guadagno di una prova (trasporto del pallone al di là del campo nemico) vale 3 punti» (La Stampa Sportiva 2:3, 1903, 8). Im Untersuchungszeitraum erschien prova jedoch nicht mehr. Die puristischen Quellen optierten mehrheitlich (Monelli 1933/1943, Jàcono 1939, Palazzi 1939) für limite. Monelli begründet diese Empfehlung mit Änderungen in den Spielregeln: noi che siamo liberi dal rispetto alle origini del giuoco (in principio il try era veramente e solo un tentativo; soltanto col tempo e specialmente nel giuoco americano ha assunto il valore d’un risultato già ottenuto [...]), possiamo cercare un termine più conforme alle regole odierne del giuoco. Poichè si ha un try quando il giocatore raggiunge con la palla la linea di fondo, proponiamo di tradurre try (essai) con limite (Monelli 1933, 119; ähnlich Jàcono 1939, 338–339).
Erfolgreich ist dennoch ein anderes Lexem, nämlich meta, das von Cicogna 1940 und zuvor bereits 1933 in einem Zeitungsartikel vorgeschlagen wird, der in Il Littorale erschien: Era un errore tradurre try o essai con la parola tentativo. Un errore ancora più manifesto la parola caccia, presa dal calcio fiorentino, che è tuttavia manifestamente un rugby, se pure ancora confuso. Sul nostro giornale abbiamo usato la parola meta, che rende esattamente il senso del punto, segnato toccando col pallone oltre il fondo del campo avversario, a significare l’ottenuta conquista del territorio nemico (13/09/1933, 8; im ASLS belegt seit 1934).
97 Dazu Monelli (1933): «I francesi hanno tradotto try nella parola di loro lingua che vuol dire [...] tentativo, e han detto essai. Noi ignorantoni non abbiamo tradotto a nostra volta in tentativo; ma diciamo essai con la sicumera di chi possiede un vocabolario tecnico ignoto ai profani» (119). 98 «I punti si contano così: Essai vale 3 punti; But, 4 punti; But dopo un Essai (ed in questo caso l’Essai non conta), 5 punti», 26/03/1910, 2.
292
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Tatsächlich ist meta seit 1940 fast konkurrenzlos: 1%
100 % 90 %
3%
27 %
80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
40 %
100 %
99 %
97 %
71 %
limite meta essai
30 % 20 % 10 %
1%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 49: Onomasiologisches Profil für VERSUCH (RUGBY) (ASLS, 1920–1970).
Auch mêlée (im Italienischen meist ohne Zirkumflex: melée) ‘Gedränge im Rugby’, dem französischen Terminus für engl. scrum(mage), wurde bis 1940 vollständig durch einen italienischen Begriff, mischia, ersetzt. Monelli beobachtete 1933: «da noi si comincia a dire, bene, mischia; ma molti sono ancora all’‹intraducibile› mêlée» (120). Mêlée war bereits zuvor in der Bedeutung «il serrarsi convulso e disordinato di attaccanti e difensori in prossimità di una delle porte» (VTO) in der Fußballsprache üblich.99 Im Rugby ist der Begriff melée dagegen technischer, da er Teil der Wertung bzw. der Spielregeln ist. In beiden Sportarten wird melée – trotz abweichender Bedeutung – durch mischia ersetzt, das in neun der puristischen Quellen zur Substitution vorgeschlagen wurde (De Luca 1924, Sassi 1927, Monelli 1933/1943, Jàcono 1939, Palazzi 1939, Cicogna 1940, CIL 1941–1943, Venturini 1942; zuvor bereits in Zangrilli 1921 als Entsprechung erwähnt). Monelli (1943) spricht sich zusätzlich für den Archaismus testuggine aus, der jedoch keinen Erfolg zeigt: A questo proposito Bruno Roghi ricorda che il Barni, ordinatore delle regole del calcio fiorentino, usa testuggine per designare «il groviglio caratteristico che i giocatori formano attorno alla palla in determinate circostanze di gara»; ed è bellissimo modo, con quel ricordo delle soldatesche romane che attaccavano le mura della città nemica testudine facta, e descrive veramente lo scrummage caratteristico del gioco di cui parliamo (Monelli 1943, 139–140). 99 Belege dafür seit 1906: «Dopo pochi minuti questi s’impossessano novamente del pallone, vanno all’attacco, e dopo una mêlée davanti al goal vercellese, non l’unica della giornata, segnano un ultimo punto», 15/01/1906, 2.
4.6 Boxen
100 %
1%
2%
1%
1%
98 %
98 %
99 %
1940-49
1950-59
1960-69
293
90 % 80 % 70 %
49 %
60 %
87 %
50 % 40 % 30 % 20 %
testuggine mischia mêlée
51 %
10 %
11 %
0% 1920-29
1930-39
Abbildung 50: Onomasiologisches Profil für GEDRÄNGE (RUGBY) (ASLS, 1920–1970).
4.5.3 Fazit Angesichts der geringen Anzahl untersuchter Konzepte kann für die Fremdwörter des Rugby nur ein vorläufiges Fazit gezogen werden. Dass nur fünf der untersuchten Fremdwörter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Mindestfrequenz im ASLS erreichten, zeigt, dass diese Sportart in Italien nur eine moderate Verbreitung erfuhr. Denn obwohl sich Rugby in Italien seit der Zeit der alliierten Besatzung zunehmend auch im ländlichen Raum und bei verschiedenen Gesellschaftsschichten verbreitete, handelt es sich – insbesondere im Vergleich zu Fußball, Radsport und Boxen – mitnichten um eine Massensportart. Während des Faschismus wurde Rugby teilweise als «typisch» faschistische Sportart dargestellt. Alle drei hier untersuchten Italianisierungen erfolgten in dieser Zeit. Ihnen stehen zwei Fremdworterfolge gegenüber, darunter die besonders resistente Bezeichnung der Sportart selbst. Der Druck zur Italianisierung scheint hierbei stärker bei den Gallizismen als bei den Anglizismen vorzuliegen.
4.6 Boxen Die Ursprünge des moderne Boxsports liegen im England des 17. bis 18. Jahrhunderts.100 Boxen gilt als eine der ältesten Wettkampfarten und hat seine Vorläufer 100 Verwendete Quellen: ETO; De Felice (1941); Rossi (2003); Arcangeli (2011, s.v. pugilato); Beltrami (2013); http://www.fpi.it/fpi/storia-fpi.html sowie die Wikipedia-Artikel https://de.wi kipedia.org/wiki/Boxen und https://it.wikipedia.org/wiki/Pugilato, https://it.wikipedia.org/ wiki/Primo_Carnera [letzter Zugriff: 10.09.2020].
294
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
im antiken Faustkampf, der bereits seit 688 v. Chr. eine der olympischen Disziplinen war. Erste Regeln für (Preis-)Wettkämpfe stellte der Brite James Figg auf, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts in London ein Fecht- und Boxschule betrieb. Diesen beiden Sportarten – Fechten und Boxen – wurde später im Englischen der Beiname noble art (oder: science) of (self-)defence gegeben (OED, s.v. noble, adj. and n.1, S2 und s.v. noble science, n. 2.), da man für deren Ausübung Tugenden wie Mut, Entschlossenheit und Selbstdisziplin für erforderlich hielt. Noble art war auch im Italienischen zeitweise ein gängiger Beiname für den Boxsport (siehe 4.6.4). Die modernen Wettkampfregeln des Sports, die sog. Queensberry-Regeln, die den Einsatz von Boxhandschuhen, die Einteilung des Wettkampfs in Runden, die Knockout-Regeln und die Einteilung der Kontrahenten in Gewichtsklassen (anfangs drei) vorsehen, traten erst Ende des 19. Jahrhunderts in Kraft. Seit 1904 ist Boxen eine olympische Disziplin. Der moderne Boxsport verbreitete sich von England aus zunächst in den USA und dann auf dem europäischen Festland. Ab 1905 sind Boxwettkämpfe in Paris dokumentiert, 1907 bereiste eine Gruppe französisch-amerikanischer Boxer Norditalien und machte den neuen Sport dort bekannt. Das Zentrum des italienischen Boxsports war zunächst Mailand, wo 1916 auch der italienische Boxverband Federazione Pugilistica Italiana (FPI) gegründet wurde. Die Entwicklung des Boxsports in Italien beschrieb De Felice (1941) so: Faticosamente il pugilato si diffuse in Italia fra l’ostilità di molti e l’indifferenza di tutti; tuttavia, benché lenta, la sua diffusione fu costante, tantochè, nel 1916, fu necessaria la costituzione della Federazione Pugilistica Italiana per disciplinare e tutelare l’ormai numerosa schiera di pugili. Durante la guerra mondiale vi fu, naturalmente, un ristagno; dopo di allora il pugilato italiano riprese il suo lento sviluppo, e riuscì a farsi conoscere ed ammirare. Il pugilato in seguito, ebbe periodi di maggiore o minore fortuna, ed attraverso queste oscillazioni ha raggiunto in questi ultimi anni un posto di primo piano nel quadro degli sports (56).
International erfolgreiche Schwergewichts-Boxweltmeister waren im Untersuchungszeitraum v.a. US-Amerikaner wie Jack Dempsey (Weltmeister von 1919–1926), Joe Louis (1937–1949) und Rocky Marciano (1952–1956), neben einzelnen Italienern wie dem Weltmeister von 1933, Primo Carnera, und Deutschen, wie Max Schmeling (1930–1932). Die große Popularität des Boxsports ist auch mit seiner starken Medialisierung, zunächst durch das Radio, seit den 1960er Jahren vorrangig durch das Fernsehen, verknüpft. Im Faschismus wurde Boxen zum Nationalsport erklärt. So hieß es beispielsweise 1934 in der faschistischen Sportzeitung Il Littorale: «la natura stessa dell’italiano, generoso ed esuberante, conferisce al pugilato tutti i titoli perchè assurga a sport nazionale» (11 settembre 1934, 1). Für Benito Mussolini galt die schlagende Faust als «un mezzo di espressione squisitamente fascista» (zit. nach Impiglia
4.6 Boxen
295
2009, 42), der Boxkampf als Metapher für die «Schlagkraft» und Überlegenheit des italienischen Volkes, wie beispielsweise aus einer Rede von 1933 hervorgeht: ho sempre detto che i giovani fascisti devono essere il vivaio dei futuri pugilatori, perché mi sorride l’idea di vedere una generazione di così potenti cazzottatori che sfasci i connotati ai campioni degli altri Paesi, e finalmente allora si dirà: questo è un popolo forte, gagliardo, non un popolo di strimpellatori di mandolino.101
Auch die berüchtigten «tre cazzotti allo stomaco della borghesia» – gemeint war damit die Einführung dreier Maßnahmen des Regimes: Abschaffung des das Anredepronomens Lei, Einführung des Stechschritts und Verschärfung der Rassengesetze –, die Mussolini in einer programmatischen Rede vom 25.10.1938 ankündigte, sind in diesem Sinne zu verstehen. Wohl nicht zufällig lag der Vorsitz des italienischen Boxverbands FPI zwischen 1939 und 1944 bei Mussolinis Söhnen Bruno (1939–1941) und Vittorio (1941–1943). Ab 1935 unternahm der Verband verstärkt Anstrengungen, Fremdwörter in der Boxsprache dauerhaft durch italienische Synonyme zu ersetzen. So sagte Emidio De Felice (1941): «solo in questi ultimi anni si è avuto una completa terminologia pugilistica italiana, soprattutto per la ferma volontà della F.P.I.» (56) – eine Anstrengung, die De Felice für geglückt hielt: Riguardo ai termini di recente adottati dalla F.P.I., dobbiamo riconoscere che, nonostante le grandi difficoltà dovute alle abitudini già prese, essi si sono ampiamente diffusi e nel linguaggio sportivo e nelle cronache pugilistiche, benché per la telegrafica concisione di queste cronache negli ultimi anni vi appaiono con non grande frequenza. Ad ogni modo i termini stranieri salvo qualche rarissima eccezione, sono scomparsi (1941, 60).
Der italienische Boxer Primo Carnera102 wurde nach seinem Sieg bei der Boxweltmeisterschaft 1933 vom faschistischen Regime als Inbegriff des faschistischen Sportlers und als «unbezwingbarer» Nationalheld überhöht. Zugleich nahm es aus rassistischen Beweggründen auf unlautere Weise Einfluss auf Ergebnisse von Boxwettkämpfen, wie das Beispiel des talentierten Boxers Leone Jacovacci zeigt.103 101 Susmel, Edoardo/Susmel, Duilio (edd.), Opera omnia di Benito Mussolini. Appendice VIII. Attività oratoria. 1919–1944, vol. 44, Firenze, La Fenice, 1958, 74. 102 Dessen Name bald zum Metonym wurde, cf. den Eintrag «Carnera» in der 7. Auflage des Dizionario moderno von 1935: «voce effimera popolare data ai giganteschi camion e autotreni stradali (da Carnera il gigante pugilatore)». 103 Von dem Mauro Valeri in Nero di Roma. Storia di Leone Jacovacci. L’invincibile mulatto italico, Roma, Palombi, 2008 und der Dokumentarfilm Il pugile del duce von Tony Sacucci (2016) erzählen. Ein beliebiges Beispiel für den Rassismus in der Sportpresse sei hier aus einem 1929 erschienenen Zeitungsartikel – «La razza nera nella storia del pugilato» von Carlo Volpi – zitiert: «Il boxeur di razza nera è molte volte indifferente ai colpi più duri specialmente
296
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Der neben dem angloamerikanischen zunächst auch französische Einfluss auf den italienischen Boxsport machte sich sprachlich anfangs in einer gemischt französisch-englischen Terminologie bemerkbar, die teilweise auch zu Dubletten führte, z.B. ital. boxe (< frz.) und boxing (< engl.) ‘Boxen’, ital. crochet (< frz.) neben hook (< engl.) ‘Seitwärtshaken’. Eine Ursache für die vergleichsweise hohe Präsenz von Fremdwörtern in der Sprache des Boxsports sah De Felice, seine eigene lexikalische Zeitungsanalyse (1909–1940) resümierend, im italienischen Sportjournalismus: Il vocabolario anglo-francese che aveva fatto irruzione in Italia, insieme con il pugliato, fu accettato non solo dai pugilisti ma anche dal giornalismo, il quale non credette opportuno intraprendere il difficile ed ingrato compito di tradurre o creare termini pugilistici italiani quando era così semplice e comodo usare senza mutamento quelli stranieri. Così proprio il giornalismo fu una delle prime cause per cui la terminologia straniera tanto si diffuse e così a lungo si conservò (De Felice 1941, 56).
Auch die Übertragung zahlreicher Ausdrücke des Boxsports in die Umgangssprache ist vermutlich auf den Journalismus zurückzuführen, der die universelle Metaphorik des Boxwettkampfs wirksam zur Illustration anderer Sachverhalte nutzte, so z.B. gettare la spugna (dt. das Handtuch werfen) ‘aufgeben’, essere k.o. ‘niedergeschlagen/erledigt/geschlagen sein’, essere groggy ‘erschöpft/kraftlos/dem Kollaps nah sein’, colpo basso (dt. Schlag unter die Gürtellinie) ‘Tiefschlag’, colpo proibito ‘Foul, Unanständigkeit’, accusare il colpo ‘seine Betroffenheit nicht verbergen können’, mettere alle corde ‘jemanden in die Enge/Ecke treiben’, essere salvato dal gong ‘nochmal Glück haben, vorübergehend aus einer schwierigen Situation gerettet sein’, mandare al tappetto qualcuno (dt. jemanden auf die Matte werfen) ‘jemanden besiegen/niederstrecken/umhauen’, essere suonato ‘angeschlagen sein; einen Knall haben, spinnen’, essere corpo a corpo (dt. im Clinch liegen), ‘einen erbitterten Streit führen’.104
alla faccia e viene perciò a trovarsi in condizioni di superiorità rispetto al suo avversario. La resistenza alla fatica, ossia il regolare funzionamento dei polmoni e del cuore anche se sottoposti ad un super lavoro, non è una prerogativa dei negri, ma spesso si riscontra, anche da questo lato, che al pugilatore nero è sufficiente un brevissimo riposo per riportare gli organi della respirazione al loro ritmo quasi normale. A queste naturali doti fisiche, più che ad altro, io ritengo debba farsi risalire quella superiorità pugilistica che spesso i negri hanno dimostrato sui bianchi, poichè per il resto il negro sul ring dimostra spesso di essere tutt’altro che intelligente. Tutto al più egli è furbo, trucchista e traditore poichè non conosce cosa sia lealtà. Sul ring l’unico modo di farsi rispettare da un negro, è quello di picchiarlo, di dimostrargli con la forza la sua inferiorità; allora diventa pusillanime; guai se si accorge di essere il più forte; egli è cattivo, nel senso che non risparmia», Lo Sport fascista 6 (giugno 1929), 41–44, hier: 44. 104 In Klammern finden sich die entsprechenden metaphorischen Ausdrücke des Deutschen, sofern üblich. Weitere beliebte Metaphern aus der Boxsprache sind im Deutschen u.a. in den
4.6 Boxen
297
4.6.1 Unentschiedene Fälle Für die Bezeichnung der Sportart BOXEN wurden im ASLS während des Untersuchungszeitraums ausschließlich das Fremdwort boxe – in den 1920er Jahren noch salient – und der Archaismus pugilato verwendet, der zunächst nur den viel älteren Faustkampf bezeichnete.105 Die Bevorzugung von pugilato war innerhalb des FFP beinahe einhellig und wurde von elf Quellen empfohlen (De Luca 1924, Sassi 1927, Monelli 1933/1943, Mazzucconi 1935, Jàcono 1939, Palazzi 1939, Cicogna 1940, Natali 1940, CIL 1941–1943 und Venturini 1942). De Felice zeigte sich 1941 überzeugt, dass boxe durch pugilato ersetzt werde: i termini francesi continuano ad essere usati indifferentemente accanto ai corrisponenti italiani sino a tutto il 1935: da questa data boxe e boxeur diventano sempre più rari fino a scomparire, perdendo ad ogni modo ogni carattere ufficiale, in conseguenza delle disposizioni della F.P.I. per l’abolizione dei termini stranieri (57).
Die von Cicogna 1940 vorgeschlagene Paraphrase giuoco dei pugni blieb ohne Anklang. Zuweilen wurde neben dem Gallizismus boxe106 auch die aus dem Englischen entlehnte Variante box verwendet. Die dauerhafte Bevorzugung des Gallizismus kann damit begründet werden, dass der Anglizismus bereits in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts überwiegend in den Bedeutungen ‘Abteil, Kabine’, und spezifischer u.a. ‘Garage’, ‘Stellplatz’, ‘Pferdebox’, ‘Loge’, verwendet wurde. Dies stärkte offenbar den Gebrauch des – nur in der Schriftsprache differenzierbaren – Gallizismus boxe, um eine Homonymie zu vermeiden. Ab 1940 stellte er die einzige entlehnte Ausdrucksvariante dar (boxing wurde im ASLS bereits zuvor – außer in unberücksichtigten Eigennamen wie International Boxing Union – kaum verwendet). Seine Vitalität verdankte das seit 1847 belegte Fremdwort (Zing. 2019; ASLS: 04/03/1872, 2; NDM: 1894) auch dem zeitgleich üblichen Agens boxe(u)r ‘Boxer’ (NDM: 1826), dem Verb boxare (NDM: seit 1831) und der Derivation boxistico (im ASLS seit 1910). Während boxeur während des Faschismus
Ring steigen, Ring frei!, zu Boden gehen, in den Seilen hängen, über die Runden kommen, mit harten Bandagen kämpfen. 105 Laut NDM seit 1592; im ASLS seit 1897 mit Bezug auf den Boxsport: «Il partito democratico di Boston è riuscito a far eleggere a sindaco della città un famoso campione di boxe, celebre per la robustezza del suo braccio d’acciaio. […] Egli si troverà così a miglior agio e potrà liberamente esplicare il suo programma di governo con quell’energia che gli ha dato tanta celebrità nelle pubbliche lotte di pugilato» (21/09/1897, 2; nach De Felice 1941, 57 seit 1910 in der Boxberichterstattung üblich). 106 Bezüglich der Aussprache schreibt Migliorini (1990 [1938]): «si sentono spessissimo forme di compromesso tra la pronunzia forestiera e la nazionale: non solo il popolo, dalla Toscana in giù, non sa pronunziare boxe altro che bòkkese o bòśe» (84, Fn. 5).
298
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
durch pugile ersetzt wurde (siehe Abschnitt 4.6.4, Abb. 65), blieb boxe erhalten, in den 1960er Jahren sogar salient, möglicherweise auch wegen seiner Kürze. Insgesamt scheinen die beiden Ausdrucksvarianten für BOXEN in der Pressesprache relativ austauschbar zu sein. 100 % 90 %
17 %
80 %
43 %
70 %
58 %
64 %
60 %
86 % pugilato boxe
50 % 40 %
83 %
30 %
57 %
20 %
42 %
36 %
10 %
14 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 51: Onomasiologisches Profil für BOXEN (ASLS, 1920–1970).
Ital. noble art ist ein Sonderfall, da es sich im Gegensatz zu den anderen untersuchten Konzepten nicht um einen spezifischen Fachbegriff handelt, sondern um einen historischen, metonymischen Beinamen für den Boxsport (dt. edle Kunst der Selbstverteidigung), der aus dem englischen Sprachgebrauch entlehnt wurde. Im Englischen wurde die Fechtkunst bereits seit dem 16. Jahrhundert als noble science (of defence) bezeichnet. Dieser Ausdruck wurde zusammen mit noble art (of self-defence) seit etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts auch auf das Boxen bezogen. Das Fremdwort kam mit dem Sport zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch nach Italien. Ein erster Beleg findet sich 1918 in La Domenica Sportiva: Noi riteniamo che molti abbiano provato una emozione ed un entusiasmo forte assistendo al maschio spettacolo di un combattimento corretto e leale di due uomini ben muscolati. E malgrado il primitivo, istintivo senso di ripugnanza, siamo certi che essi hanno «battuto le mani» commossi in cuor loro. Questo è il fascino strano del «noble art» (La Domenica Sportiva 42, 1918, 11).
In diesem Zitat klingt der Widerspruch zwischen dem «edlen» Charakter dieser «Kunst» und der kruden physischen Kraftausübung auf einen menschlichen Körper im Boxkampf an. Vielleicht ist es gerade die körperliche Versehrung, die dieser Sport mit sich bringt – zumal Boxen von Anfang an ein Publikumssport war –, die einen euphemisierenden Beinamen notwendig macht. Im Italienischen wird noble art oft in Anspielung auf die englische Herkunft des Boxsports
299
4.6 Boxen
verwendet – eine Konnotation, die der bereits vor dem Fremdwort belegten italienischen Form nobile arte fehlt.107 Da die italienische Entsprechung nobile arte überwiegend in anderen Zusammenhängen gebraucht wird, während das Fremdwort im ASLS nur auf den Boxsport referiert, ist noble art zudem spezifischer. Die Verwendung des Fremdworts lässt in der Nachkriegszeit leicht nach, wird aber bis heute als Beiname verwendet. 100 % 90 % 80 % 70 %
50 %
39 % 65 %
60 %
61 %
82 % nobile arte noble art
50 % 40 % 30 % 20 %
50 %
61 %
10 %
35 %
39 %
1950-59
1960-69
18 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 52: Onomasiologisches Profil für «EDLE KUNST» (ASLS, 1920–1970).
Auch groggy, das den hart angeschlagenen, halb betäubten Boxer bezeichnet und eins der wenigen Adjektive unter den untersuchten Fremdwörtern ist, findet sich seit 1918 in der Sportberichterstattung. Bascetta (1962) und Rossi (2003) erwähnen seine Verwendung auch zur Bezeichnung des erschöpften Radsportlers. Seit den 1920er Jahren werden die Ausdrücke stordito, intontito und vacillante im Boxsport synonym verwendet, zuletzt zunehmend, sodass das Fremdwort seine Salienz in den 1960er Jahren verlor. Die heute auch in anderen Sportarten übliche Entsprechung cotto (Rossi 2003), die bereits von Palazzi 1939 vorgeschlagen wurde, kam erst nach 1970 in Gebrauch.
GROGGY
(Adj.) groggy
Etym.
< engl. groggy
Erstb.
(«Da gran campione però Fulton si riprese subito mentre un altro, al suo posto, sarebbe apparso groggy (imbastito), come si suol dire in termine pugilistico», La Domenica Sportiva , , ; NDM: , Zing. : )
107 Nur von Sassi (1927) vorgeschlagen; im ASLS bereits 1896 belegt (23/02/1896, 2).
300
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) GROGGY
(Adj.) groggy
Bed.
Cerchiari (): «Il pugile stordito dai colpi dell’avversario che perde il controllo di sé stesso e barcolla come un ubriaco. In questo stato si aggrappa istintivamente all’avversario e molte volte questo lo salva dal k.o.» Bascetta (): «(pugilato, ciclismo): in uso specialmente nella terminologia del ring; derivato da grog (una bevanda alcoolica); vedi cotto»
SubV
stordito (De Luca , Jàcono , Cicogna ): Analogie intontito (Sassi ): Analogie vacillante (Jàcono ): Analogie *cotto (Palazzi ) akzeptiert von Migliorini ()
100 % 90 % 80 %
3% 7% 13 %
5% 11 % 33 %
70 %
17 % 67 %
60 %
30 %
17 %
38 %
50 % 40 %
10 %
77 %
30 %
50 %
20 %
11 %
vacillante intontito stordito groggy
55 % 34 %
22 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 53: Onomasiologisches Profil für GROGGY (ASLS, 1920–1970).
4.6.2 Fremdworterfolge Dauerhaft erhaltene, saliente Fremdwörter der italienischen Boxterminologie sind knock-down/k.d., knock-out/k.o. (Adverb) und punching ball; knock-out/k.o. (Substantiv), ring, jab und welter konnten ihre onomasiologische Stärke in der Nachkriegszeit sogar noch steigern.
108 Bereits in Zangrilli (1921, s.v. groggy): «Lett.: ubriaco. Stordito; stato di inferiortà di un boxer, verificatosi nel corso del combattimento in seguito a colpi ricevuti».
4.6 Boxen
301
Für BOXRING gab es neben dem seit 1881109 im Italienischen belegten Anglizismus ring zunächst kein natives Synonym. Zur lexikalischen Variation in der Sportberichterstattung wurden selten palco (Vorschlag von Sassi 1927, Monelli 1933/ 1943, Mazzucconi 1935, Jàcono 1939, Palazzi 1939, Natali 1940), das archaische lizza (Jàcono 1939, Palazzi 1939, Natali 1940) oder recinto (De Luca 1924, Jàcono 1939, Palazzi 1939) verwendet. Optimismus hegt De Felice für das vom italienischen Boxverband kreierte Substitut quadrato (vorgeschlagen außerdem von Jàcono 1939, Palazzi 1939, Cicogna 1940 und CIL 1941–1943): «Il termine inesatto ring ha avuto una vita lunghissima: solo nel 1935 infatti veniva sostituito dal F.P.I. con il termine italiano quadrato» (De Felice 1941, 59). Bereits vor 1935 lässt sich die Annäherung von quadrato an ring dokumentieren, z.B. mit Belegen wie dem folgenden: «Mai a Torino si era visto un boxeur così abile, così scientifico, così divertente. Una piccola cosa che si muoveva nel quadrato del ring con una velocità spettacolosa» (16/02/1930, 5) und Paraphrasierungen wie quadrato di lotta/di combattimento. Dass quadrato das Fremdwort ring abgelöst habe, wie eine Filmrezension von 1959 nahelegt – «un ex-pugile, Erminio Spalla, ci ricorda la nostra vecchia guardia, di quando il quadrato ancora si chiamava ring» (24/04/ 1959, 4) –, geht aus der Korpusuntersuchung im ASLS nicht hervor: Das onomasiologische Profil weist für quadrato in den letzten beiden Jahrzehnten des Untersuchungszeitraums einen Realisierungsanteil von durchschnittlich nur 9% auf (cf. Abb. 54). Für die Ersetzungsvorschläge piattaforma (Sassi 1927) und arena (Palazzi 1939) konnte keine synonyme Verwendung nachgewiesen werden. 100 %
1%
90 %
2% 15 %
80 %
1%
12 %
6%
41 %
70 % 60 % 50 %
98 %
87 %
82 %
40 % 30 %
94 %
57 %
recinto lizza palco quadrato ring
20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 54: Onomasiologisches Profil für BOXRING (ASLS, 1920–1970).
109 NDM; seit 1903 in der Sportpresse: «avremo di fronte i più famosi re del ring, i quali mentre si disputeranno il vero campionato mondiale, concorreranno pure al premio di 100,000 franchi stabilito dal Club atletico di San Francisco», La Stampa Sportiva 5 (1903), 6.
302
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Ein Kernkonzept ist KNOCKOUT, neben BOXEN und BOXER freilich eins der häufigsten Konzepte der italienischen Boxsprache. Es hat sowohl als Adverb (mettere knock-out) als auch als Substantiv (vittoria per knock-out) weite Verwendung und wurde neben der konkreten Bedeutung ‘Niederschlag, nach dem der Gegner für 10 Sekunden kampfunfähig und damit besiegt ist’ bereits früh auch übertragen im Sinne von ‘völlige körperliche Erschöpfung, Niederlage’ verwendet. In den 1940er Jahren, als vermutlich nur wenige Boxwettkämpfe ausgetragen wurden, überwiegen die übertragenen Verwendungen sogar. Der erste Beleg für knock-out als Adverb findet sich 1910,110 als Substantiv 1911.111 Aufgrund der Kürze, Technizität und vielleicht auch, um Probleme bei der Schreibung des Fremdworts zu umgehen, war die auch im Englischen geläufige Abkürzung k.o. oder KO in der italienischen Presse sehr viel häufiger (obwohl sie in Bezug auf die Silbenanzahl im Italienischen sogar unökonomischer ist: [kappaˈɔ] vs. [nokˈkaut] [Zing. 2019]). Zur Veranschaulichung sei hier das Verhältnis der adverbialen Verwendungen von knock-out und k.o. wiedergegeben: 100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
80 %
84 % 96 %
50 %
96 %
99 %
k.o. knock-out
40 % 30 % 20 % 10 %
20 %
16 %
0% 1920-29
1930-39
4%
4%
1940-49
1950-59
1% 1960-69
Abbildung 55: Verteilung der adverbialen Verwendungen von knock-out gegenüber k.o. (ASLS, 1920–1970).
Die Abkürzung k.o. wurde so üblich, dass sie vereinzelt sogar wieder als cappaò ausgeschrieben wurde, z.B. in diesem Fußballbericht von 1936: «La Juventus 110 «Sullivan si compiaceva di raccontare questa storia del suo match ed osservava: ‹Un attacco mi è bastato per metterla knock out [...]›», CDS 27/07/1910, 3; NDM: 1911. 111 «Nessuno, nemmeno il più forte uomo del mondo, potrebbe premunirsi dal knock-out, altrimenti che colle parate», 17/07/1911, 3.
4.6 Boxen
303
giuoco allora la sua ultima carta, cercando il ‹cappaò› che risolvesse la gara» (01/01/1936, 1). Für die adverbiale Verwendung wurden fuori combattimento (Sassi 1927, Mazzucconi 1935, Jàcono 1939, Palazzi 1939, Cicogna 1940, De Felice 1941, CIL 1941–1943, Migliorini 1942), a terra (Monelli 1933/1943, Cicogna 1940), abbattuto (Monelli 1933/1943, Mazzucconi 1935, Natali 1940) und sconfitto (Monelli 1933/1943, Jàcono 1939) vorgeschlagen, für die substantivische atterramento (Jàcono 1939) und abbattimento (Monelli 1933/1943, Jàcono 1939, Palazzi 1939). Fuori combattimento ist bereits im 19. Jahrhundert in der Militärsprache belegt112 und wurde aus dieser in die Boxterminologie übertragen.113 Nach De Felice (1941) kam der Begriff fuori combattimento zunächst als explikative Bemerkung in der journalistischen Berichterstattung von Boxwettkämpfen auf (58). Er begrüßt die Substitution und gibt zugleich zu: dobbiamo ricordare in questo caso la precisione tecnica di knock-out, precisione difficilmente raggiungibile con altre espressioni; dobbiamo ricordare che questo termine ha avuto non poca diffusione nel nostro linguaggio anche non sportivo, e, soprattutto, dobbiamo considerare il contributo che ha portato alla sua conservazione la formula abbreviata K.O. Questa formula, entrata non solo nel linguaggio sportivo di ogni nazione [...] ha in sé gradi doti: la facilià di pronunzia e di grafia; la fonia ricca di espressività; il grande valore espressivo che ha assunto attraverso un lungo periodo di uso universale. Per queste doti questa formula, è molto resistente, e, a sua volta, ha cooperato alla resistenza della forma intera knock-out (ebd.).
In Panzini (71935, s.v. incassare) wird Mussolini mit einem Zitat erwähnt, in dem er den Anglizismus verwendet: «In senso traslato: «In politica bisogna qualche volta incassare, l’importante è di non cadere knock out» (Mussolini)». Um die tatsächlichen üblichen Konkurrenzlexeme von knock-out/k.o. zu identifizieren, sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Einerseits sind die Vorschläge a terra und atterramento zu unpräzise für das Konzept KNOCKOUT, da sie nur den Knockdown, aber nicht seine Dauer und Konsequenz bezeichnen. Daher wird atterramento nur als Äquivalent für knock-down berücksichtigt (siehe Abb. 58), a terra gar nicht, da knock-down im Italienischen überwiegend als Substantiv verwendet wurde. Zum anderen muss die Korpusanalyse den beiden Wortarten des Konzepts KNOCKOUT Rechnung tragen. Zur Datenerhebung wurde daher als Suchphrase die jeweils häufigste differenzierende Kollokation
112 Z.B. im ASLS 05/08/1870, 2: «Possibile che tre divisioni che occupano una potente posizione, che sono munite di armi eccellenti contrastando ad una divisione non mettano fuori combattimento che 13 combattenti?». 113 Im ASLS seit 1920 belegt: «al quarto round Levinsky è stato messo fuori combattimento dopo una serie velocissima di pugni a destra ed a sinistra», 14/10/1920, 4; Zing. 2019: 1939.
304
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
gewählt: für den substantivischen, für den adverbialen Gebrauch. Diese beiden Kollokationen sind zudem vergleichsweise spezifisch für die Sprache des Boxsports, so dass damit die Interferenz metaphorischer Verwendungen minimiert wird. Erhoben wurden somit die Vorkommen von fuori combattimento sowie die Abkürzung f.c. (akkumuliert wie im Fall von knock-out/ k.o.) für den adverbialen Gebrauch.114 Die von De Felice (1941, 58) erwähnten Synonyme fuori gara, fuori lotta und cappaò konnten im ASLS nicht nachgewiesen werden, cappaò nur in anderen Kontexten. 100 % 90 %
8%
15 %
21 %
85 %
79 %
1930-39
1940-49
2%
6%
98 %
94 %
1950-59
1960-69
80 % 70 % 60 % 50 % 40 %
92 %
f.c. / fuori combattimento k.o. / knock-out
30 % 20 % 10 % 0% 1920-29
Abbildung 56: Onomasiologisches Profil für KNOCKOUT (Adverb) (ASLS, 1920–1970).
Auch in der substantivischen Verwendung ist das Fremdwort salient (außer in den 1940er Jahren). Als native Synonyme wurden fuori combattimento/f.c. (die substantivische Verwendung ist seit mindestens 1933 belegt),115 abbattimento und cappaò berücksichtigt. Fuori combattimento stellt dabei weiterhin, trotz seiner geringen Bezeichnungsquote in der Nachkriegszeit, ein gleichwertiges technisches Synonym dar (cf. ETO; Zing. 2019).
114 In ihrer übertragenen Bedeutung unterscheiden sich essere/mettere k.o. und mettere fuori combattimento dagegen leicht (cf. Di Stefano 2007, 149): Während ersteres in Zing. 2019 mit «in condizioni disastrose, completamente a terra» wiedergegeben wird (s.v. kappaò), bedeutet mettere fuori combattimento «mettere qlcu. nell’impossibilità di nuocere, di reagire o di riprendersi; rendere qlco. inservibile» (s.v. fuori combattimento). 115 «Certo è che Canzoneri, dopo la sconfitta, ha ripreso in pieno l’attività cogliendo belle vittorie fra cui quella clamorosa, per fuori combattimento in soli due assalti, su Kid Chocolate», Il Littorale 13/12/1933, 1.
4.6 Boxen
1%
100 % 90 %
6%
4%
94 %
96 %
1950-59
1960-69
305
21 %
80 % 57 %
70 % 60 % 50 %
100 %
40 %
77 %
30 %
abbattimento cappaò f.c./fuori combattimento k.o./knock-out
43 %
20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 57: Onomasiologisches Profil für KNOCKOUT (Substantiv) (ASLS, 1920–1970).
Das seltenere Konzept KNOCKDOWN – ‘einfacher Niederschlag ohne K.O.’ – ist seit 1919 belegt.116 Die adverbiale Verwendung erscheint im Untersuchungszeitraum nur selten, deshalb wurde nur der substantivische Gebrauch erhoben. Entsprechend wurden auch die Ersetzungsvorschläge abbattuto (Palazzi 1939, Natali 1940), a terra (Monelli 1933/1943, Cicogna 1940), atterrato (De Luca 1924, Sassi 1927, Monelli 1933/1943), buttato giù (Monelli 1933/1943) und finito (De Luca 1924) nicht berücksichtigt, sondern nur die Abkürzung k.d. und atterramento.117 Wie weiter oben erwähnt, wurde atterramento – das bereits aus älteren Kampfsportarten bekannt war, z.B. Ringen118 – von Jàcono (1939) eigentlich als Ersetzung für k.o. empfohlen, entspricht aber in seinem Gebrauch vielmehr dem Konzept KNOCKDOWN. Im onomasiolgischen Profil (cf. Abb. 58) zeigt sich in der Nachkriegszeit eine höhere onomasiologische Stärke für atterramento, während knock-down/k.d. zwischen 1950 und 1970 noch immer salient ist. Die Funktion des PUNCHINGBALLS (ital. punching-ball oder punch-ball, teils auch ohne ) wird in seinem Erstbeleg im ASLS 1911 ausführlich beschrieben: Questo punching-ball, che ha un nome così difficile ed è invece così semplice, è la vittima del boxeur ed è una fortuna per l’umanità. Figuratevi che, se non ci fosse lui, i professionisti della boxe dovrebbero allenarsi su qualcuno dei loro simili, il quale, oltre al costare più caro, si sciuperebbe assai più facilmente che non il punching e dovrebbe esser troppo
116 «Bosetti, duramente colpito fin dall’inizio, non resiste ai continui colpi di Marzorati ed è messo knock-down tre volte per 1, 2 secondi, poi dopo aver cercato rifugio lungo le corde, è trascinato dal suo avversario in mezzo al ring» (07/09/1919, 2; NDM: 1933). 117 Zusätzlich sind auch verbale Synonyme belegt, beispielsweise «Gennaro è stato atterrato con un colpo irregolare». 118 Belegt beispielsweise in CDS 07/04/1886, 3.
306
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
3%
18 %
atterramento knock down
97 % 82 %
1920-39
1950-69
Abbildung 58: Onomasiologisches Profil für KNOCKDOWN (ASLS, 1920–1970). sovente sostituito. Una cosa da nulla, ma seccante. Il punching invece è di gomma: e una grossa palla ad aria compressa come quella del foot-ball, fatta a pera, appesa per l’estremità inferiore ad una robusta asse che dev’esser fissata ad una parete a guisa di tettoia (17/07/1911, 3; NDM: 1927).
Auch wenn es im Zitat so scheint, als sei das Fremdwort sofort der Einfachheit halber zu punching verkürzt worden, findet sich die gekürzte Form danach nur noch selten. Als Substitute wurden pallone di/per allenamento (De Luca 1924; Jàcono 1939), palla d’allenamento (Palazzi 1939; belegt als palla da allenamento) und apparecchi da pugni (Sassi 1927) vorgeschlagen. Bis in die 1950er Jahre ist der Anglizismus katachrestisch und salient, dann kommen vereinzelte Belege für die Paraphrasen pallone/palla/sacco di allenamento im ASLS hinzu, ab 1972 auch für die Assimilation pungiball. 100 %
8%
90 %
6%
5%
19 %
80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
100 %
40 %
95 %
92 % 75 %
30 %
sacco di allenamento palla d'allenamento pallone di allenamento punch(ing)-ball
20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 59: Onomasiologisches Profil für PUNCHINGBALL (ASLS, 1920–1970).
4.6 Boxen
307
Die Gewichtsklasse welter ‘Weltergewicht, mittlere Gewichtsklasse bis 69 kg’ war bereits aus dem Reitsport bekannt,119 bevor sie auch im Boxen üblich wurde. Im internationalen Boxsport wurden die Gewichtsklassen für die Olympischen Spiele 1904 eingeführt, im italienischen Boxsport ist der Anglizismus seit 1915 bekannt.120 Zur Ersetzung schlugen Sassi (1927) und Cicogna (1940) medioleggero (später v.a.: medioleggero) vor, das seit 1928 im ASLS belegt ist und dessen onomasiologische Stärke bis 1950 stark zunahm und welter fast verdrängte. In der Nachkriegszeit eroberte sich das Fremdwort sich die Salienz jedoch zurück, sodass medioleggero in den 1960er Jahren nur noch einen Konzeptanteil von 5% ausmachte. Die Assimilation velter (ohne Quelle) ist nur marginal belegt. Für die Fortdauer von ital. welter sprechen folgende Aspekte: die bereits etablierte Verwendung in einem anderen Kontext, nämlich dem Reitsport, das Fehlen einer bildhafteren Italianisierung (wie stattdessen bei peso gallo für peso bantam, cf. 4.6.3) und die Angleichung an die internationale Terminologie der Boxgewichtsklassen.121 Die Schlagtechnik JAB bezeichnet eine ‘abrupt geschlagene Gerade mit der Führhand’.122 Im Italienischen ist jab seit 1918 belegt.123 Die Substitutionsvorschläge für jab lauteten: accorciato (De Luca 1924, Sassi 1927), diretto (De Luca 1924) und zampata (Jàcono 1939, Palazzi 1939); Cerchiari (1927) erwähnt auch diretto accorciato (im ASLS nicht belegt). Die Übertragung ins Italienische ist terminologisch jedoch nicht immer präzise: Häufig wird jab nur als diretto
119 Cf. OED, s.v. welter weight und der Wörterbucheintrag unter https://www.etymonline. com/word/welterweight [letzter Zugriff: 25.09.2020], der die erstmalige Verwendung im Reitsport im Englischen auf 1831 und im Boxsport auf 1896 datiert. Im Italienischen findet sich ein erster Beleg für die Verwendung im Reitsport im Jahr 1894: «Seconda corsa, premio dei Gentlemen riders (Welter handicap), oggetto d’arte offerto dal duca d’Aosta» (CDS 04/05/1894, 3). 120 «Il match dei welters ha rassomigliato, all’inizio, a quello dei medi fra Volpi e Carcereri», Lo Sport Illustrato 30/01/1915, 50. 121 Bei der Beurteilung des onomasiologischen Profils ist zu berücksichtigen, dass zu den ursprünglich sieben Gewichtsklassen der ersten olympischen Boxweltmeisterschaft von 1904 (Fliegen, Bantam, Feder, Leicht, Welter, Mittel und Schwer) im Laufe der Zeit sechs weitere Gewichtsklassen im olympischen Boxen hinzukamen, u.a. Halbwelter (bis 66 kg, ab 1952), im Profiboxen u.a. auch Superwelter (bis 69 kg). Diese letzte Kategorie wird im Italienischen durch die Begriffe peso superwelter, peso medioleggero und peso medio-junior bezeichnet. Auf das onomasiologische Profil dürften diese Veränderungen dennoch nur geringen Einfluss haben, da sie zum einen nur den Bereich des Profiboxens betreffen und erst ab den 1960er Jahren zum Tragen kamen. 122 https://de.wikipedia.org/wiki/Jab_(Boxen) [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 123 «Schaerrer abbondò in jabs, e doppi crochets, suoi colpi preferiti», La Domenica Sportiva 27 (1918), 10.
308
100 %
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
5%
1%
90 % 80 %
33 %
35 %
70 % 73 %
60 %
95 %
50 %
95 %
40 % 30 %
67 %
64 %
peso velter peso medio-legg(i)ero peso welter
20 % 27 %
10 %
5%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 60: Onomasiologisches Profil für WELTERGEWICHT (ASLS, 1920–1970).
wiedergegeben.124 Genau genommen bezeichnet der diretto aber eine (längere) Gerade der Schlaghand,125 bei der die Arme des Gegners gekreuzt werden (engl. cross, dt. Cross, cf. 4.6.4), was beim Jab nicht der Fall ist. Geht man von Rechtshändigkeit und damit der sog. Normalauslage aus (die linke Hand ist die Führhand),126 wird der Jab mit der Linken ausgeführt. Die in der italienischen Boxberichterstattung häufige Bezeichnung diretto sinistro (Erstbeleg im ASLS: 28/06/1925, 7) bezeichnet daher den JAB. In der Korpusanalyse wurde diretto sinistro somit als Synonym berücksichtigt, nicht aber die unspezifischeren Lexeme diretto oder sinistro, deren tatsächliche referentielle Übereinstimmung schwer überprüft werden kann. Im Vergleich der Frequenzdaten von jab, diretto sinistro, zampata und (diretto) accorciato zeigt sich eine dauerhafte Etablierung von jab, teils alternierend mit diretto sinistro.
4.6.3 Italianisierungen bis 1920 Die Anglizismen bantam und clinch sowie der Gallizismus soigneur waren im gesamten Untersuchungszeitraum nicht salient. Bereits in den 1920er Jahren wurde das Fremdwort nur in weniger als 20% der Fälle zur Versprachlichung des Kon-
124 Siehe z.B. internationale Übersetzungen von jab unter https://en.wikipedia.org/wiki/Jab [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 125 Cf. den Artikel «Pugilato: i colpi diretti» unter http://www.trainingpedia.it/approfondi menti/discipline/pugilato/pugilato-i-colpi-diretti [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 126 Linkshändige Boxer mit Rechtsauslage wurden früher sogar diskriminiert, cf. https://de. wikipedia.org/wiki/Auslage_(Boxen) [letzter Zugriff: 25.09.2020].
4.6 Boxen
309
100 % 90 % 80 %
43 %
33 % 47 %
3%
70 % 75 %
60 % 3%
50 % 40 % 30 %
27 %
57 %
20 %
67 %
70 %
1950-59
1960-69
diretto sinistro zampata jab
50 % 25 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 61: Onomasiologisches Profil für JAB (ASLS, 1920–1970).
zepts genutzt. Dies ist nicht auf eine besonders frühe Entlehnung der Fremdwörter zurückzuführen (Erstbelege soigneur: 1909, clinch: 1910, bantam: 1919), sondern darauf, dass zu diesem Zeitpunkt bereits italienische Lexeme aus anderen Kontexten zur Verfügung standen, die dann synonym verwendet wurden. So waren zum Zeitpunkt der Entlehnung die später erfolgreichsten Synonyme corpo a corpo (für clinch) und peso gallo (für peso bantam) bereits in der Terminologie des Ringens in Gebrauch, secondo (für soigneur) als ‘Sekundant’ eines Duellanten oder Fechters. Die Gewichtsklasse BANTAM liegt zwischen Fliegen- und Federgewicht (ca. 52–53 kg) und wird seit 1894 im Boxsport verwendet.127 Im Italienischen ist die Entlehnung bantam (auch bantan), die auch eine heute Banten genannte javanesische Provinz bezeichnet, zunächst als Name einer kleinen asiatischen Hühnerrasse belegt,128 ab 1919 in Analogie dazu – wie bereits im Englischen (OED: bantam weight 1884) – als Gewichtsklasse.129 Meist wird dafür das Teillehnwort peso bantam (Pl. pesi bantam) ‘Bantamgewicht’, metonymisch auch: ‘Boxer dieser Gewichtsklasse’, verwendet. Die Übertragung peso gallo (De Luca 1924, Sassi 1927, Cicogna 1940, CIL 1941–1943, Migliorini 1942) ist seit 1923 in der Sportberichterstattung belegt130 127 https://en.wikipedia.org/wiki/Weight_class_(boxing)#Professional_boxing [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 128 Erste Datierung dieser Bedeutung: CDS 28/10/1885, 2; NDM: 1913. 129 «Egli non è quello che io chiamerei un peso pesante nato; egli ha percorso metodicamente tutte le categorie, combattendo successivamente come peso bantam, come peso piuma, come peso leggero, come peso mezzo medio, come peso medio e come peso pesante», CDS 07/12/ 1919, 2; Zing. 2019: 1942. 130 «La grande gara di boxe in venti rounds di tre minuti ciascuno tra il campione francese dei pesi gallo Carlo Ledoux ed il campione europeo pesi mosca il belga Montreuil, è finita con la vittoria del primo», CDS 28/02/1923, 5.
310
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
und konnte sich sofort so gut etablieren, dass peso bantam bereits im Zeitraum 1920–29 nur noch 15% der Realisierungen ausmachte (cf. Abb. 62). Dessen Erfolg scheint zum einen daran zu liegen, dass der Ausdruck zuvor bereits in der sehr populären Sportart Ringen terminologischen Wert hatte, zum anderen an der zoologischen Metaphorik der Übertragung – analog zu peso mosca (das etwa zeitgleich [1920] im ASLS und CDS erstmals belegt ist) – die besonders effektiv ist, da sie einprägsam ist und die unterschiedlichen Gewichtsklassen veranschaulicht.131 Bereits in den 1930er Jahren ist bantam fast obsolet, findet sich aber noch heute als Terminus in Lexika und Wörterbüchern (cf. ETO; Zing. 2019), vermutlich wegen seiner internationalen Verbreitung. 100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
85 %
50 %
97 %
100 %
100 %
100 %
3% 1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
peso gallo peso bantam
30 % 20 % 10 %
15 %
0% 1920-29
Abbildung 62: Onomasiologisches Profil für BANTAMGEWICHT (ASLS, 1920–1970).
Für ital. clinch (< engl. clinch [OED: 1875]) gibt De Felice (1941, 57) 1910 als ersten Pressebeleg an. Bereits in diesem und auch im ersten Beleg im ASLS132 wird der Italianisierungsvorschlag corpo a corpo prompt mitgeliefert. Unter ‘Clinch’ versteht man das Umklammern des Gegners, das im Boxen regelwidrig ist (nicht aber im Ringen und einigen anderen Kampfsportarten). Im Ringen und weiteren Sportarten war corpo a corpo zu dem Zeitpunkt bereits ein üblicher Fachbegriff. Auch Albert
131 Andererseits gibt Gusmani (1993) zu bedenken, dass die semantische Motivation von bantam weight von peso gallo nur unzureichend wiedergegeben wird: «al traduttore è sfuggito che tra Bantam, denominazione di una certa razza di galli originari di Giava, e il valore che la parola ha nell’espressione presa a modello, si colloca un impiego metonimico (di cui resta traccia per es. in Bantam battalion, nome di un corpo militare costituito da soldati di statura inferiore alla media) che solo permette di cogliere appieno la motivazione semantica di Bantam weight» (224). 132 «Dopo i due primi rounds di osservazione vicendevole, compresi che mi sarebbe stato impossibile resistere ai suoi attacchi in clinch... — In...? — Clinch: corpo a corpo», 17/07/1911, 3.
4.6 Boxen
311
Cougnet (1911) spricht in seinem Handbuch Pugilato e lotta libera per la difesa personale ausschließlich von corpo a corpo (De Felice 1941, 57). Dieser Ausdruck wurde von De Luca (1924) (bei ihm als a corpo a corpo serrato), Sassi (1927), Palazzi (1939), De Felice (1941) und Migliorini (1942) aufgegriffen. Die Empfehlung nodo (Jàcono 1939, Palazzi 1939) konnte nicht als Synonym nachgewiesen werden (cf. aber VTO, s.v. nodo), dagegen vereinzelte Belege für tenuta (ohne puristische Quelle, aber cf. Rossi 2003, NDM und VTO). Für das onomasiologische Profil bis 1950 bestätigt sich De Felices (1941) Befund zur Ersetzung von clinch: «La voce inglese appare di tanto in tanto fino al 1917–18; dopo questo periodo se ne perde ogni traccia non solo nelle cronache ma anche nel linguaggio pugilistico» (57). Doch nach 1950 erscheint clinch erneut im italienischen Lexikon, wenn auch nur in geringem Umfang. 1%
1%
100 %
95 %
88 %
1940-49
4% 1950-59
100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
86 %
50 %
91 %
40 %
tenuta corpo a corpo clinch
30 % 20 % 10 %
14 %
8%
1920-29
1930-39
0%
11 % 1960-69
Abbildung 63: Onomasiologisches Profil für CLINCH (ASLS, 1920–1970).
Der Gallizismus soigneur ist mindestens seit 1909 für den Radsport belegt,133 seit 1915 für Boxen (dt. Sekundant),134 später auch für den Fußball (Schweickard
133 «A Forlì ci si presenta un altro modello di organizzazione, quivi essendovi il posto di rifornimento ufficiale. Assistiamo ad una specie di aggressione dei molti soigneurs e del numeroso personale delle Case aventi in lizza i propri prodotti ai singoli poulains, cui lavano frettolosamente le faccie, ormai diventate maschero di fanchiglia. Riempiono di cibarie le borsette di viaggio, cambiano magari un palmer, o raddrizzano un manubrio, e tutto ciò in un minuto, nel tempo che il corridore addenta un mezzo pollo od un panino, per rimontare tosto in macchina e proseguire instancabilmente», 17/05/1909, 4. Im Französischen kam soigneur erst wenige Jahre zuvor, nämlich 1903, auf (GR). 134 «Al settimo [secondo], ancora una volta i soigneurs di Jeffries penetrano nel ring e l’arbitro, cessando di contare, appoggia la mano sulla spalla di Johanson e lo dichiara vincitore», Lo Sport Illustrato 7 (1915), 172.
312
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
1987, 66). Zu Beginn des Jahrhunderts bezeichnete das Fremdwort im Italienischen einen Helfer oder begeisterten Unterstützer eines Sportlers oder einer Sportmannschaft.135 Mit der Professionalisierung vieler Sportarten ab Ende der 1920er Jahre konkretisierte und verengte sich die Bedeutung von soigneur. Bei Monelli (1933) bezieht sich soigneur sich nur noch auf den Boxsport: «neologismo francese che quei vocabolari non registrano ancora, che è l’assistente del pugile, colui che lo massaggia, lo incipria, lo unge, e nei riposi gli fa vento con l’asciugamano» (193). Daher wurde die Frequenzanalyse nur für das Konzept SEKUNDANT EINES BOXERS durchgeführt. Als Italianisierungen für soigneur wurden während des FFP curatore (De Luca 1924), assistente (Sassi 1927, Monelli 1933/1943, Jàcono 1939, Natali 1940) und secondo (Jàcono 1939) vorgeschlagen. Secondo war, wie bereits erwähnt, zuvor aus dem Fechten bzw. Duellieren auf den Boxsport übertragen worden. Bereits in den 1920er Jahren war der Aufruf «Fuori i secondi!»136 kurz vor Beginn eines Boxwettkampfs vonseiten der Schiedsrichter üblich. Das onomasiologische Profil zeigt die weitgehende und frühe Aufgabe von soigneur, eine durchgängige Bevorzugung von secondo sowie eine sporadische Alternation mit assistente und – bis 1960 – mit curatore:137 100 % 90 %
7% 7%
9% 6%
69 %
69 %
6% 11 %
3% 9%
4%
80 % 70 % 60 % 50 % 40 %
83 %
88 %
1940-49
1950-59
93 %
30 %
curatore assistente secondo soigneur
20 % 10 %
17 %
17 %
1920-29
1930-39
0%
3% 1960-69
Abbildung 64: Onomasiologisches Profil für SEKUNDANT EINES BOXERS (ASLS, 1920–1970).
135 Cf. die Bedeutungserklärungen von Zangrilli (1921): «Assistente; chi aiuta, chi cura (soigne) un campione nelle pratiche di allenamento» und Cerchiari (1927): «Il secondo, o l’entuasiasta sostenitore di una squadra o di un atleta». 136 Cf. 22/05/1923, 3. 137 Bestätigt auch durch die Lexikografie, siehe VTO, s.v. secondo: «Nel pugilato, l’assistente del pugile il quale, da solo (s. principale) o insieme a un aiutante (s. aiutante), è autorizzato ad
4.6 Boxen
313
4.6.4 Italianisierungen nach 1930 Fremdwörter der Boxsprache, die bis 1970 überwiegend (aber nicht vollständig) durch italienische Begriffe ersetzt wurden, sind boxeur ‘Boxer’ sowie die Schlagtechniken crochet ‘Seitwärtshaken’, cross ‘Cross’, swing ‘Haken, Schwinger’ und uppercut ‘Uppercut, Aufwärtshaken’. Das Konzept BOXER wurde im Italienischen anfangs katachrestisch durch den Gallizismus boxeur versprachlicht (belegt seit 1826 [NDM]).138 Neben dem Gallizismus erwähnen viele der puristischen Quellen auch den polysemen Anglizismus boxer, der im ASLS jedoch fast ausschließlich in anderen Bedeutungen dokumentiert ist (als Hunderasse und im Zusammenhang mit dem «Boxeraufstand» in China von 1899–1901). Im onomasiologischen Profil wird ersichtlich, wie das Fremdwort zu Beginn des Jahrhunderts mit den Latinismen pugilista,139 pugnatore,140 pugil(l)atore141 und, zunächst selten, pugile142 koexistierte. Bereits in den 1930er Jahren ging die Salienz von boxeur auf pugile über, das in der Folge auch die anderen Synonyme zurückdrängte und in den 1960er Jahren eine onomasiologische Stärke von 96% erreichte. Damit konnte sich unter allen aus dem Lateinischen entlehnten Varianten die kürzeste (und zweitälteste) durchsetzen. Der Vergleich mit boxe vs. pugilato (cf. Seiten 297–298) zeigt eine zunächst parallele Entwicklung bis etwa 1950 mit einer allmählichen Aufgabe des Fremdworts zugunsten der italienischen Entsprechung (wobei das onomasiologische Profil von BOXEN im Gegensatz zu BOXER nur zwei Synonyme kannte).
assisterlo, materialmente e psicologicamente, anche dentro il quadrato, durante gli intervalli tra ripresa e ripresa di un incontro, e che ha la facoltà di far cessare l’incontro, gettando l’asciugamano sul quadrato: fuori i s.!, ordine con cui, poco prima dell’inizio dell’incontro o delle varie riprese, l’arbitro intima ai secondi di uscire dal quadrato». 138 Erstbeleg im ASLS als Exotismus in noch nicht sportbezogener Bedeutung: «Gli alloggi delle viuzze vicine alla Place Neuve, della vecchia città dei sobborghi o quartieri eccentrici come Belle-de-Mai, contengono molti italiani in un cattivo stato. Alcuni dovranno soccombere, specialmente quelli che furono colpiti al torace dai boxeurs; altri si trascineranno per un pezzo senza poter lavorare» (02/07/1881, 1). 139 Belegt seit 1831 (NDM), in den puristischen Quellen nur von Palazzi 1939 erwähnt. 140 1342 (terminus ante quem) erstmals belegt (NDM), keine Erwähnung in den puristischen Quellen. 141 Belegt seit 1631 (NDM), vorgeschlagen von Sassi (1927); Monelli (1933/1943); Jàcono (1939); De Felice (1941) und CIL (1941–1943). Für Fabio Rossi (2003) ist es das bis Ende des 20. Jahrhunderts gebräuchlichste Synonym: «fino a qualche anno fa il sostituto italiano più fortunato era pugilatore». 142 Vor 1566 (NDM); als Italianisierung empfohlen von Monelli (1933/1943); Jácono (1939); Palazzi (1939); Cicogna (1940); De Felice (1941); CIL (1941–1943); auch bereits in Cerchiari (1927); im ASLS in der modernen Bedeutung erstmals in einem Artikel vom 16/10/1926, 3.
314
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
In der Nachkriegszeit nehmen die beiden Profile jedoch eine entgegengesetzte Entwicklung: Während boxeur bis 1970 nahezu aufgegeben ist, gewinnt boxe wieder an Boden. Ein Grund dafür, dass boxeur heute nur noch in sehr geringem Maß als stilistische Variante verwendet wird, könnte darin liegen, dass viele italienische Gallizismen auf -eur, also maskuline Berufs- bzw. Personenbezeichnungen, in erstaunlicher Synchronie in den 1930er Jahren ersetzt wurden – man denke an chauffeur (> autista), regisseur (> regista), viveur (> vitaiolo), masseur (> massaggiatore), rouleur (> passista), claqueur (> clacchista), soigneur (> secondo, cf. Seiten 311–312).143 Die Hürde der «korrekten» Aussprache mit dem im Italienischen unbekannten Vokal [ø] (meist realisiert als [ε]) und die markiert französische Herkunft mögen in der frankophoben Atmosphäre des Faschismus zur zunehmenden Ablehnung des Suffixes -eur geführt haben. Das Lexem cazzottatore, das Mussolini versuchte, an BOXER anzunähern (cf. Zitat auf Seite 295), ist im Sprachgebrauch von ASLS während des Untersuchungszeitraums deutlich negativ konnotiert (in etwa: ‘Schlägertyp, Haudrauf’) und wird nicht in Sportkontexten verwendet, weshalb es nicht als Synonym berücksichtigt wurde. 1%
100 % 90 %
13 %
15 %
31 %
9% 8%
80 % 70 % 60 % 50 %
4% 7%
40 %
57 %
10 % 3%
7% 3%
81 %
86 %
4% 1940-49
4% 1950-59
96 %
30 % 20 %
pugnatore pugilista pugil(l)atore pugile boxeur
46 %
10 %
10 %
0% 1920-29
1930-39
3% 1960-69
Abbildung 65: Onomasiologisches Profil für BOXER (ASLS, 1920–1970).
Der Gallizismus crochet (< frz. crochet [GR: 1907]) bezeichnete im Italienischen zunächst die HÄKELNADEL, ab 1914 auch den SEITWÄRTSHAKEN im Boxen.144 Für
143 Was jedoch nicht die neuerliche Entlehnung von Gallizismen auf -eur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verhinderte, z.B. von connaisseur (NDM: 1985) und charmeur (NDM: 1989). 144 «Ora che il gusto per la boxe comincia a svilupparsi, non mancano occasioni per assistere a un knock-out: un ‹direct› o un ‹crochet› alla mandibola, colpi vigorosi certo, ma non d’una violenza estrema» (CDS 07/01/1914, 4). Bei Zangrilli (1921) folgendermaßen beschrieben: «Colpo di
4.6 Boxen
315
diese Schlagtechnik wurde vereinzelt auch der Anglizismus hook verwendet.145 Beide Fremdwörter sind heute kaum noch gebräuchlich. Das zunächst saliente crochet hatte in den 1960er Jahren nur noch eine onomasiologische Stärke von 10%, zu stark war die Konkurrenz von uncino, ab 1950 vornehmlich von gancio. Beide Übersetzungen erklären sich aus der Bedeutung: «il colpo dato tenendo il braccio piegato a uncino» (Palazzi 1939). Uncino war der Ersetzungsvorschlag des Boxverbands FPI und wurde später, neben colpo uncinato, auch von De Felice (1941)146 übernommen (in Jàcono 1939 für hook). Mit dem Vorschlag gancio stellte sich die CIL gegen die Empfehlung des Boxverbands (Di Stefano 2007, 176, Fn. 405).147 Der Substitutionsvorschlag orizzontale oder orizzontale a braccio piegato (De Luca 1924, bei Palazzi 1939 und zuvor bereits in Cerchiari 1927 für hook) konnte nur einmalig im ASLS nachgewiesen werden, colpo trasversale (Sassi 1927) gar nicht. Im onomasiologischen Profil ist crochet zunächst salient und katachrestisch. Zwischen 1940 und 1960 kommt es zu einer onomasiologischen Neuordnung, die schließlich zugunsten von gancio ausfällt. Heute sind sowohl gancio als auch uncino üblich (cf. DSCT, s.v. crochet). Der SCHWINGER ist ein bogenförmig von der Hand vorbereiteter, langer Haken, «[d]ie praktische Einsatzmöglichkeit ist jedoch gering, da die Ausholbewegung bei einem Schwinger sehr groß ist und ihm dadurch sehr einfach ausgewichen werden kann».148 Das Fremdwort swing ist dafür im Italienischen seit 1910 belegt,149 ab den 1930er Jahren bezeichnet es auch einen populäre Stilrichtung des Jazz sowie einen Tanzstil. Im Sportkontext sollte swing während des
box (altrimenti detto hook) portato alla mascella o al corpo col braccio piegato a guisa di crochet; colpo corto (di spalla) gomito infuori, unghie rivolte verso il petto (di chi tira) o in basso». 145 «Il termine francese ha avuto assoluto predominio sul termine inglese hook, il quale è usato rarissimamente (mai nei primi anni)» (De Felice 1941, 58). 146 «Il corrispondente italiano è stato creato dalla F.P.I. traducendo il concetto contenuto in hook ed in crochet con uncino, colpo uncinato» (De Felice 1941, 58). De Felice hält dies jedoch nicht für die gelungenste Übertragung: «Quello che non ci soddisfa del tutto, è il dover prendere uncino come pura metafora dell’oggetto, considerato nella sua forma, escludendo qualunque idea verbale di uncinare» (ebd.). 147 Gancio war zuvor bereits von Sassi 1927 für hook vorgeschlagen worden. Laut Korpusanalyse war gancio in den 1930er Jahren noch nicht üblich, aber in Il Littorale wurde bereits 1934 über die Ersetzung gesagt: «Può darsi, anzi è vero, che chi sente dire… e con un secco crochet al mento mise l’avversario al tappeto… abbia esatta sensazione di come le cose siano andate, mentre se il secco crochet diviene un secco gancio può avere qualche esitazione nell’immaginarsi il gesto ed anche l’effetto. Ma è questione di fare un po’ di abitudine» (04/01/1934, 3). 148 https://de.wikipedia.org/wiki/Schwinger_(Kampfsport) und https://de.wikipedia.org/ wiki/Haken_(Boxen) [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 149 Laut De Felice (1941, 59) in der Gazzetta dello sport; erster Beleg im ASLS: «Al terzo ‹round›, Moir, più fresco, riuscì a dominare, con uno ‹swing› di destra e mise Wells fuori di
316
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 %
4%
90 %
5% 3%
1%
22 %
80 %
12 % 4%
70 % 60 % 50 %
20 %
1% 6%
84 % 96 %
40 %
91 %
36 %
39 %
30 % 20 % 10 %
28 %
32 %
5% 11 %
1940-50
1950-60
1960-70
0% 1920-30
1930-40
colpo uncinato colpo ad uncino hook gancio uncino crochet
Abbildung 66: Onomasiologisches Profil für SEITWÄRTSHAKEN (ASLS, 1920–1970).
FFP mit folgenden Begriffen ersetzt werden: (colpo) orizzontale (De Luca 1924, nicht belegt), colpo oscillante (Sassi 1927, nicht belegt) bzw. oscillante (Jàcono 1939, nicht belegt), colpo bilanciato (Sassi 1927, nicht belegt), mazzata (Jàcono 1939) und sventola (De Felice 1941; Migliorini 1942). Dieser letzte Vorschlag wurde 1939 vom italienischen Boxverband vorgebracht: Non si registra per anni alcun tentativo di traduzione; il termine italiano sventola appare soltanto nel 1939 per iniziativa della F.P.I. Ma bisogna dire che è termine inesatto e povero, infatti, sventola nella lingua usuale indica un colpo vibrato con la mano aperta di diritto o di rovescio, colpendo ossia o col palmo o col dorso della mano; cosicchè sventola non rende quel concetto che è in swing. Deve aver spinto alla sua adozione la somiglianza fonetica della prima sillaba con la prima sillaba di swing, tanto più se si tiene presente che questo termine era pronunziato sving e non suin (De Felice 1941, 59).
Entgegen De Felices Annahme war sventola in der Boxberichterstattung jedoch bereits vor 1939 gebräuchlich, auf seine Fachsprachlichkeit deuten metasprachliche Kommentare und die grafische Markierung mittels Anführungszeichen hin: Un destro del mulatto partito lontano, uno di quei colpi che vengono definiti «sventole», arriva alla mascella del milanese. Bosisio è a terra, gettato contro le corde (17/10/1927, 2). Cavagnoli contro Burgisser, che oltrepassava il peso della categoria, ha ricevuto una «sventola» nel primo round che lo ha stordito (03/12/1927, 9). Jacovacci, che quasi tutti davano per pugilatore «finito» dopo alcune poco brillanti prove all’estero ha dimostrato, guantoni alla mano, di essere tutt’altro che tale nel recente drammatico
combattimento» (13/01/1911, 5). In der englischen Boxterminologie ist swing ebenfalls erst seit 1910 belegt (OED, s.v. swing n.2, 7.b).
4.6 Boxen
317
confronto con Pastor Milànes. Ha dato a vedere d’essere ancora in possesso della famosa e pericolosa «sventola», che tante vittime aveva mietuto (Il Littorale 18/02/1932, 2).
Das von Jàcono (1939) vorgeschlagene mazzata ist durchaus in Boxkontexten belegt, entfaltet jedoch keine spezifische, terminologische Wirkung, die eine Synonymie zu cross belegen könnte,150 so dass swing nur mit sventola in Konkurrenz stand, das sich trotz der von De Felice monierten alltagssprachlichen und leicht irreführenden Bedeutung zunehmend als Terminus durchsetzen konnte. Das onomasiologische Profil zeigt die sukzessive Ersetzung des Fremdworts deutlich: 100 % 90 %
9% 24 %
80 % 70 %
60 %
60 % 50 % 40 %
72 % 97 %
91 % 76 %
sventola swing
30 % 20 %
40 %
10 %
28 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
3% 1960-69
Abbildung 67: Onomasiologisches Profil für SCHWINGER (ASLS, 1920–1970).
Als Gerade ist die Schlagtechnik CROSS dem Jab (s.o.) ähnlich, mit dem Unterschied, dass der Cross mit der Schlaghand ausgeführt wird. Der Anglizismus (< engl. cross, in dieser Bedeutung seit 1906 [OED]) war zunächst als ‘Flanke’ in der Fußballsprache belegt (seit 1913, cf. 4.4.1), ab 1919 auch im Boxen,151 dort aber deutlich seltener. 150 Cf. Beispiele wie «3.o round. Un colpo secco. Bonaglia è nuovamente partito con forza, colpendo col destro il fianco già arrossato di Muller. Questi ha una smorfia dolorosa. La mazzata tremenda dell’italiano ha fatto il suo effetto» (29/06/1929, 5), «Ho picchiato fin che ho potuto e se non considerate immodestia la mia, ho tenuto sotto la minaccia del mio solo pugno sinistro un pugilatore come Paolino, duro, coriaceo, insensibile alle mazzate più potentii» (24/10/1933, 7) oder «la mossa cara ai pugili di grande classe, quando questi piombano sull’avversario e gli infliggono il famoso ‹uno, due›, il colpo di destro, cioè, doppiato da una sventola di sinistro; sono le mazzate classiche con le quali il pugile più abile può spesso mettere sulle ginocchia anche l’avversario più poderoso» (21/08/1941, 3), in denen mazzata allgemein für ‘heftiger Hieb, Schlag’ steht. 151 Erster gefundener Beleg: «Negri di un balzo gli si avventa contro e gli infligge un durissimo cross alla mandibola. Il campione è stordito, barcolla, è a terra», CDS 18/05/1919, 2. Bei Zangrilli 1921 mit folgender Bedeutungserklärung: «Abbreviazione di cross-counter (box) specie di crochet tirato incrociando l’attacco del braccio avversario e schivando».
318
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Zudem erscheint der Begriff – als Kürzung von cross country – häufig im Lauf-, Motor- und Reitsport (dazu die Derivationen crossista und crossistico), daneben auch im Tennis. Die vom FFP vorgeschlagenen Italianisierungen colpo di traverso (Sassi 1927; tatsächlich aber nur im Fußballkontext für cross ‘Flanke’ verwendet), colpo trasversale (Sassi 1927) und incrocio (Jàcono 1939, CIL 1941–1943, hier auch als colpo d’incrocio) kamen nicht, traversone (De Luca 1924, Cicogna 1940) im Untersuchungszeitraum nur in den 30er Jahren in Gebrauch (cf. auch Rossi 2003). Wie bereits im Kommentar zu JAB erwähnt, gilt der Cross als Gerade (ital. diretto) und da die Schlaghand der meisten Boxer die Rechte ist, ist diretto destro synonym zu cross. Belegt war diretto destro bereits seit 1922,152 in den 1960er Jahren war es die saliente Ausdrucksvariante. Während im Fußball traversone das erfolgreichste – aber nicht saliente – Synonym war, erfolgte im Boxsport eine Loslösung von der ursprünglichen Metaphorik (bis auf den nur in den 1960er Jahren belegten Ausdruck colpo incrociato). Die Substitution von cross erfolgte erst vergleichsweise spät, nach 1960. 100 %
3%
3%
3%
90 % 20 %
80 % 70 %
27 % 40 %
60 % 50 %
46 %
94 %
40 %
60 %
30 % 20 %
46 %
colpo incrociato traversone diretto destro cross
20 %
10 %
5%
0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 68: Onomasiologisches Profil für CROSS (ASLS, 1920–1970).
Der AUFWÄRTSHAKEN wurde im Italienischen seit 1910 als uppercut bezeichnet.153 Er wird meist mit der Schlaghand als Aufwärtsbewegung ausgeführt und hat
152 «Carpentier lancia un diretto destro all’occhio di Siki, che mette un ginocchio a terra», CDS 25/09/1922, 4. 153 Zing. 2019, NDM; in CDS seit 1914: «Carpentier fallisce un colpo di destra, ma, ritornando alla carica, mediante un uppercut, mette il suo avversario in difficoltà per qualche tempo lungo le corde», 17/07/1914, 7.
4.6 Boxen
319
häufig das Kinn des Gegners zum Ziel (daher im Deutschen auch umgangssprachlich Kinnhaken). Das Etymon upper cut war im Englischen seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Boxsprache üblich (OED, s.v. upper, adj. 7.b). Der früheste Ersetzungsvorschlag von De Luca (1924), sottosopra, versuchte die Besonderheit der Schlagtechnik bildlich auszudrücken, konnte sich aber – möglicherweise aufgrund der untechnischen Ursprungsbedeutung – nicht durchsetzen. Auch die in Monelli (1933), Jàcono (1939) und Natali (1940, 89) erwähnten Assimilationen appacotto und uppercutto – von denen die Autoren allerdings abrieten – konnten nicht im ASLS nachgewiesen werden. Sassi (1927) schlug colpo montante vor (auch in Palazzi 1939 und Natali 1940), aber nur die zu montante gekürzte Form (nach dem Modell von colpo diretto > diretto oder, im Fechten, colpo fendente > fendente, cf. Jàcono 1939, 403) konnte sich zu einer ernsthaften Konkurrenz des Fremdworts entwickeln (bevorzugte Substitution in Monelli 1933/1943, Mazzucconi 1935, Jàcono 1939, Palazzi 1939, Natali 1940, De Felice 1941). Der früheste Beleg für montante in der Bedeutung ‘Aufwärtshaken’ findet sich als Entlehnung aus der Fechtsprache in einem Fachbuch von Albert Cougnet (1911), der früheste Pressebeleg datiert jedoch erst auf 1934.154 Dank der Aufnahme von montante in die offizielle Nomenklatur der FPI kam De Felice bereits sieben Jahre später zum Urteil, «oggi upper-cut non soltanto non è più usato, salvo rarissime eccezioni, da giornalisti e sportivi, ma, cosa più soddisfacente, è stato sostituito anche nell’uso parlato» (1941, 60). Das onomasiologische Profil weist einen solchen Verlust des Fremdworts nicht aus, allerdings eine zunehmende Konkurrenz durch montante: 100 %
10 %
90 %
34 %
80 %
50 %
70 % 50 %
60 % 1%
60 % 100 %
40 %
montante colpo montante uppercut
90 % 65 %
30 %
50 %
20 %
40 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 69: Onomasiologisches Profil für AUFWÄRTSHAKEN (ASLS, 1920–1970).
154 «Meroni continua a schivare, colpendo raramente. Però, una delle sue schivate a testa bassa non gli riesce e il milanese deve incassare un duro ‹montante› di Thil», 06/08/1934, 4.
320
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4.6.5 Fazit Unter den untersuchten Konzepten der Boxsprache stehen acht ersetzten Fremdwörtern fünf weiterhin saliente Fremdwörter gegenüber. Hinzu kommen drei Konzepte, deren onomasiologische Konkurrenz bis 1970 anhält und keine eindeutige Tendenz erkennen lässt. Auffällig ist der teils erst späte Verlust der Salienz: Nur in der Terminologie des Boxsports kam es noch nach 1960 zu Substitutionen (cf. die Fälle CROSS, GROGGY und AUFWÄRTSHAKEN). Dies hängt eventuell mit der intensiveren Medialisierung des Boxsports durch das Fernsehen ab den 1960er Jahren zusammen, wodurch die Terminologie einem größeren Substitutionsdruck ausgesetzt war. Bei den Fremdworterfolgen finden sich sowohl sehr häufige Konzepte (BOXEN, BOXRING, KNOCKOUT) als auch seltenere (KNOCKDOWN, PUNCHINGBALL, WELTERGEWICHT, JAB). Bei den Fremdwörtern handelt es sich überwiegend um Anglizismen, die Entlehnungen aus dem Französischen wurden bis auf boxe überwiegend substituiert (boxeur, crochet, noble art, soigneur). Besonders stark scheint die Tendenz zur Substitution dann gewesen zu sein, wenn die onomasiologische Konkurrenz früh einsetzte, wie bei bantam, clinch und soigneur, und wenn das Fremdwort weitere, nicht auf das Boxen bezogene Bedeutungen im Italienischen innehatte, z.B. bei cross (Fußball), swing (Musik), bantam (Zoologie), noble art (allgemein).
4.7 Tennis Der moderne Tennis ist die Weiterentwicklung eines Ballspiels, das im 15. und 16. Jahrhundert in Norditalien als palla a corda oder pallacorda und in Frankreich als jeu de paume praktiziert wurde und sich im 19. Jahrhundert in Großbritannien zur heutigen Spielform weiterentwickelte (Colasante 2002).155 Anfangs wurde es mit bloßen Händen, dann mit Handschuhen, schließlich mit einem Holzschläger gespielt. Etymologisch wird engl. tennis meist auf altfranzösisch tenetz zurückgeführt,156 vermutlich als Esklamation (heutig tenez!), um dem Gegner den Aufschlag anzukündigen. 1875 legte der Engländer Walter Clopton Wingfield erstmals die modernen Regeln des Spiels fest. In Italien wurde bereits drei
155 Die Angaben zur Geschichte der Sportarten wurden Colasante (2002), dem italienischen Wikipedia-Artikel Storia del tennis (https://it.wikipedia.org/wiki/Storia_del_tennis) und der Webseite Storia della FIT (http://www.coni.it/it/federazioni-sportive-nazionali/federazioneitaliana-tennis-fit.html) entnommen [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 156 Denkbar ist auch eine Entlehnung aus dem mittellateinischen tenes, «attestato nel fiorentino trecentesco, per designare la ‘pallacorda’» (Rossi 2003).
4.7 Tennis
321
Jahre später in Bordighera (Ligurien) der erste Tennisclub durch eine Gruppe von Engländern gegründet. Der italienische Tennisverband gründete sich wenige Jahre später 1894 in Rom und firmierte zunächst unter dem Namen Federazione Italiana Lawn Tennis (ab 1933 Federazione Italiana Tennis). Am Davis Cup, dem wichtigsten internationalen Wettbewerb im Herrentennis, nahm die italienische Nationalmannschaft erstmals 1922 teil. Tennis gehört zu den ersten modernen Sportarten, an deren Wettkämpfen sich bereits früh auch Frauen beteiligten. Es blieb bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine vergleichsweise elitäre Sportart, die zumeist dem Adel und dem gehobenen Bürgertum vorbehalten war (cf. Caretti 1973, 32). Dennoch widmete sich auch Mussolini dieser Sportart, wenn auch mit beschränktem Erfolg. Impiglia (2009) zufolge kursierte seinerzeit folgender Witz: Monzeglio, maestro del duce, dopo le prime lezioni si accorge che l’allievo si ostina a usare solo il colpo diritto e viaggia in orizzontale vicino alla linea di fondo con scarso profitto. In una pausa di gioco, chiede allora al capo del fascismo: «duce, credo che sarebbe ora che iniziaste a colpire la pallina anche con la mano sinistra, usando il rovescio». E Mussolini, tra il piccato e il divertito: «E noi tireremo diritto!» (43).
Tennis gehört zu den Sportarten, deren italienischer Ursprung besonders vehement, und bereits vor dem Faschismus, hervorgehoben wurde, wie beispielsweise in einem Artikel im Corriere della sera von 1894: Senza star qui ad almanaccare su tutte le etimologie che vennero messe avanti per ispiegare codesto termine inglese, diremo che, poco su poco giù, il Lawn-Tennis è il giuoco della corda, giuoco del tutto italiano, di cui parla lo Scaino nel suo Trattato del giuoco della palla, stampato a Venezia nel 1555, è, per dirla in breve, uno dei tanti antichi ed ahimè! in gran parte disusati giuochi italiani della palla (CDS 24/05/1894, 2).
In diese Kerbe schlugen erst recht die untersuchten puristischen Quellen. De Luca (1924) schreibt unter tennis: «antico giuoco italiano modificato dagli Inglesi». Monelli (1943) meint: «Il gioco venne in Italia nel secolo XIV [...]. Prese presto da noi il nome di pallacorda» und ist sich sicher: «che certamente è la medesima cosa del tennis come si giocava allora» (345). Die hier untersuchten Fremdwörter der Sportart wurden vergleichsweise spät entlehnt: abgesehen von tennis (1828) zwischen 1903 und 1928. Die Tennissprache nahm vorwiegend Anglizismen auf, seltener Entlehnungen aus dem Gallizismen (z.B. manche, volée). In seinem Kommentar zur Substitution der entlehnten Tennistermini (DSI) beschreibt Gaspare Cataldo deren Gebrauch so: Il tennis, di lontana origine italiana, ma di provenienza britannica, è tra gli sport più afflitti da una terminologia esotica che, col volgere degli anni, non accenna a scomparire. Nell’anteguerra, si potè credere che origine del guaio fosse la ben nota esterofilia dei pochi praticanti, tutti aristocratici o giù di lì, spregiudicatissimi, poliglotti e ben decisi a non privarsi neanche in parte del sottile piacere che dànno le parole inglesi e francesi rettamente pronunciate.
322
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Ora che il tennis è penetrato anche nella media borghesia, il malvezzo sopravvive; le parole straniere son pronunziate con minor scrupolo, ma quelle italiane rimangono in disgrazia. A volerle riabilitare tutte quante si rischia di non cavare un ragno dal buco, chè non tutte hanno i necessari requisiti di brevità e di decoro (di eleganza, in questi casi, è inutile parlare) (9).
Für die Substitution der Fremdwörter des Tennis schlägt Cataldo vor: Ritengo, pertanto, che nel tennis come nel calcio, nel pugilato, ecc., il programma totalitario non sia un programma pratico, realizzabile, conviene, pertanto, contentarsi di ridurre la percentuale di parole esotiche al minimo indispensabile, sia creando e imponendo i neologismi, sia assimilando i vocaboli stranieri già italianizzati dell’uso (ebd.).
Zehn Jahre später postuliert Venturini, dass die Italianisierung der TennisTerminologie erst dann schrittweise möglich wurde, nachdem der Tennis in den 1930er Jahren einen größeren Teil der Bevölkerung erreichen konnte (1942, 439). Caretti (1973) und Rossi (2003) halten die Italianisierung der Fremdwörter des Tennis in den 1950er Jahren für weitgehend abgeschlossen. Am längsten konnte die entlehnte Terminologie des Tennis Rossi (2003) zufolge in aristokratischen Gesellschaftsschichten bestehen – «per una sorta di opposizione consapevole all’autarchia linguistica fascista» (ebd.). Dagegen war der Widerstand gegenüber der Italianisierung der Fußballsprache am größten bei der einfachen, ländlichen Bevölkerung (ebd.), vermutlich auch durch die Interferenz der auf dem Land noch weitaus verbreiteteren Dialekte, in die die entlehnten Fußballtermini zuerst aufgenommen worden waren.
4.7.1 Fremdworterfolge Folgende untersuchte Fremdwörter des Tennis sind zwischen 1920 und 1970 salient (abgesehen von den 1940er Jahren, in denen im ASLS kaum über Tennis berichtet wurde): tennis, set-ball, smash, drive. Die Fremdwörter game, set und match ball weisen dagegen eine zunehmende onomasiologische Stärke in der Nachkriegszeit auf. Vom Versuch, das Konzept TENNIS nicht nur auf der Ausdrucks-, sondern auch auf der Bedeutungsebene an den italienischen Vorläufer des Spiels Pallacorda (italienisch auch palla a corda) anzunähern, wurde schon berichtet. Entsprechend wird pallacorda von zehn der puristischen Quellen zur Substitution von tennis vorgeschlagen (bereits auch von Zuccoli 1912, 496). Allerdings sprechen sich einige
4.7 Tennis
323
Quellen auch dafür aus, das Fremdwort beizubehalten. So bevorzugt Cataldo tennis aufgrund der sich bereits etablierten Derivationen: Tennis e non pallacorda. I giocatori di tennis non si rassegneranno mai a diventare dei palla cordisti, ma non hanno difficoltà a chiamarsi tennisti (sing. tennista, che traduce ottimamente il poco usato tennisman e relativa tenniswoman) (DSI, 9).
Monelli (1933) schlägt dagegen vor, pallacorda und racchetta zusätzlich zu tennis zu verwenden: Si comincino ad usare le tre parole come sinonimi (i giornalisti sportivi confessano che si servono di parole straniere accanto alle italiane per evitare le brutte ripetizioni nei loro resoconti); la più vitale a suo tempo prevarrà (313).
1941 scheint die Substitution von tennis durch pallacorda jedoch völlig aussichtslos geworden zu sein, wie ein Kommentar in Il Littorale verrät: facciamo in modo di non cadere nel ridicolo, come avvenne per tennis, che tradotto in pallacorda suscitò la gioia dei giornali umoristici, e oggi, per divertirsi d’uno scadente giocatore, gli si dice che gioca a pallacorda. (Il Littoriale 14/01/1941, 4).
TENNIS
tennis (subst.m.inv.) lawn tennis, lawn-tennis, tennis-ball
Etym.
< engl. (lawn) tennis < altfrz. tenes (VTO, NDM)
Wortb.
tennistico (//, ), tennista (//, ), tennisticamente (//, )
Erstb.
(NDM)
Bed.
Palazzi (): «giuoco di palla, che italianamente si chiama pallacorda; il campo di giuoco è diviso a metà da una rete alta circa un metro; per lanciare la palla si usano le racchette a rete di budello animale ritorto»
SubV
pallacorda (De Luca , Sassi , Monelli /, Mazzucconi , Cerruti/Rostagno , s.v. gioco, Palazzi , Cicogna , Natali , Venturini ): Archaismus gioco della racchetta (Mazzucconi ): Paraphrase racchetta (Monelli /, Jàcono ): Analogie gioco della pallacorda (Venturini ): Paraphrase
157 Cicogna (1940) bemerkt zu pallacorda: «non ostante la similarità del caso con gli altri già visti, questo termine, pur assai proprio, non riesce a divenir d’uso, mentre si avvalora il nome straniero corrispondente». 158 «[P]rendendo esempio dal giuoco del tamburello, in cui il diporto si chiama dallo strumento di esso. Giuoco della racchetta, incontri di racchetta, e così via» (Monelli 1933, 313).
324
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) TENNIS
tennis (subst.m.inv.) lawn tennis, lawn-tennis, tennis-ball
Syn.
incontro di racchetta (Natali ): Paraphrase tennese (Mazzucconi ): Archaismus tennise / tenys (Jàcono ): Assimilation
100 % 90 %
2%
4%
80 % 70 % 60 % 50 %
98 %
1920-29
95 %
100 %
100 %
100 %
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
40 % 30 %
lawn tennis pallacorda tennys tennis
20 % 10 % 0%
Abbildung 70: Onomasiologisches Profil für TENNIS (ASLS, 1920–1970).
Unter den frühesten entlehnten Fachbegriffen des Tennis finden sich ital. set ‘Satz’, belegt seit 1903,159 und game ‘Spiel’, seit 1910.160 Anfangs gibt es teilweise noch terminologische Unsicherheiten, so wird partita sowohl zur Bezeichnung von SATZ (set) als auch von PARTIE (match) und SPIEL (game) verwendet. Für set wurde nicht nur partita,161 sondern auch gi(u)oco vorgeschlagen (Cicogna 1940). Einzig
159 «Nei primi sets si fanno i seguenti punti: 6–8. 7–9, nell’ultimo la signorina Anny Magus supera l’avversaria con 6–1», La Stampa Sportiva 27/12/1903, 4 (NDM: 1905). 160 «[…] poiché i giocatori avevano finalmente concluso l’irraggiungibile game, la signora giocatrice passò sudata e trafelata dinanzi al marito», 15/09/1910, 3 (NDM: 1917). 161 Italianisierungsvorschlag von De Luca (1924); Sassi (1927), DSI, Monelli (1933/1943), Mazzucconi (1935), Jàcono (1939), Cicogna (1940), CIL (1941–1943), Venturini (1942); erwähnt auch in Zangrilli (1921) und Cerchiari (1927).
4.7 Tennis
325
partita konnte sich jedoch etablieren und drängte set während des Faschismus zurück. Nach 1950 war das Fremdwort jedoch wieder salient: 100 % 90 %
28 %
80 %
44 % 60 %
70 %
43 %
70 %
60 % partita
50 % 40 %
set 70 %
30 % 40 %
20 %
56 %
57 %
1950-59
1960-69
30 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 71: Onomasiologisches Profil für SATZ (IM TENNIS) (ASLS, 1920–1970).
Für SPIEL (IM TENNIS) ist das Fremdwort game dagegen erstmalig in den 1960er Jahren salient, anfangs überwiegt die Übersetzung gioco/giuoco (vorgeschlagen von acht puristischen Quellen: De Luca 1924, Sassi 1927, DSI, Monelli 1933/1943, Jàcono 1939, Palazzi 1939, CIL 1941–1943, Venturini 1942). Gemein ist beiden Profilen die stabile Synonymie mit etwas häufigerer Wahl des Fremdworts im letzten Untersuchungszeitraum. Auch die seit 1915 belegten Schlagtechniken des Tennis drive ‘Treibschlag’162 und smash ‘Schmetterball’163 konkurrierten im letzten Untersuchungszeitraum mit italienischen Synonymen. TREIBSCHLAG wird außer mit drive auch mit diritto/dritto (Cicogna 1940) wiedergegeben,164 das sich als Kürzung aus colpo diritto entwickelte (vorgeschlagen von Sassi 1927, Jàcono 1939, Migliorini 1942, Venturini 1942). Venturini war der Ansicht, «la vera traduzione è sventola, pochissimo usata; il
162 «Non si può dire che Backhouse sia uno stilista del tennis, è un giuocatore efficace che vi ritorna il driwe più rapido o il servizio più duro sempre nello stesso modo, facendo rimbalzare altissima la palla», Lo Sport Illustrato 15/05/1915, 200 (NDM: 1930). 163 «Sicuri sul fondo del campo, precisi nel piazzare il servizio e gli smash senza ricorrere ad esagerate battute, infallibili nei lob che arrivano sui rovesci avversari calmissimi in qualunque momento del loro giuoco», Lo Sport Illustrato 15/05/1915, 200 (NDM: 1926). 164 Erster Beleg im ASLS: «questo giocatore, sia sul diritto che sul rovescio, è di una nettezza impeccabile, quasi del tutto assente il taglio, esattissimo il piazzamento», 05/06/1926, 4.
326
100 %
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
8%
90 %
2%
2% 4%
35 %
80 % 70 % 75 %
60 % 50 %
85 %
73 %
83 %
40 % 65 %
30 %
ripresa partita gi(u)oco game
20 % 10 % 0%
8%
11 %
1920-29
1930-39
25 %
25 %
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 72: Onomasiologisches Profil für SPIEL (IM TENNIS) (ASLS, 1920–1970).
vero colpo diritto è il forehand stroke» (1942, 439–440). Sventola war damals im Boxen (für swing) und Fußball (für shoot) üblich, in der Tennissprache konnte es sich nicht durchsetzen. Auch ventola und volata diritta, die Palazzi 1939 nennt, sind im ASLS nicht in diesem Kontext belegt.
100 % 90 % 80 %
8%
18 %
17 %
70 % 60 % 50 % 40 %
75 %
82 %
colpo diritto diritto drive
30 % 20 % 10 % 0% 1920-39
1950-69
Abbildung 73: Onomasiologisches Profil für TREIBSCHLAG (ASLS, 1920–1940 und 1950–1970).
Beim Konzept SCHMETTERBALL, für das zunächst die Paraphrasen colpo schiacciato (Jàcono 1939, Palazzi 1939, Cicogna 1940, CIL 1941–1943, Venturini 1942) und palla schiacciata (CIL 1941–1943) synonym verwendet wurden, entwickelte sich nach 1950 das substantivierte Attribut schiacciata (vorgeschlagen nur von
4.7 Tennis
327
Cicogna 1940) zu einem weiteren lexikalischen Konkurrenten von smash.165 Die Durchsetzungskraft von smash – zu der möglicherweise auch sein onomatopoetisches166 Klangbild beigetragen hat – erkannte bereits Cataldo: «smash, come sostantivo, è di quelli duri a morire» und schlägt als Ersetzung das im ASLS nicht dokumentierte colpo schiacciante vor, von dem er aber selbst nicht recht überzeugt ist: «lungo e brutto, ma sempre preferibile alla ‹schiacciata›» (DSI, 9). Die 1963 von Bruno Migliorini vorgeschlagene Assimilation smecciata im Anhang der herausgegebenen 10. Auflage von Panzinis Dizionario moderno konnte sich ebenfalls nicht durchsetzen. 100 %
3%
14 %
90 % 32 %
80 % 70 %
50 %
22 %
10 % 14 %
60 % 50 %
100 %
40 % 64 %
30 %
25 %
76 %
65 %
palla schiacciata schiacciata colpo schiacciato smash
20 % 25 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 74: Onomasiologisches Profil für SCHMETTERBALL (ASLS, 1920–1970).
Die beiden Spielstandsbezeichnungen set-ball ‘Satzball’ und match ball ‘Matchball, Matchpoint’ sind seit 1928 belegt.167 Set-ball bleibt – außer während der 1940er Jahre – salient, wird aber gelegentlich mit palla decisiva della partita (Cicogna 1940)168 und palla-partita (CIL 1941–1943) variiert. Obwohl beide Varianten
165 Cf. auch aktuelle Wörterbucheinträge: NDM, s.v. smash: «nel tennis, schiacciata» und DSCT, s.v. smash: «[nel tennis, colpo schiacciato] ≈ schiacciata». 166 Cf. OED, s.v. smash v.¹. 167 «[…] i boemi pareggiano e conquistano l’ottavo, il nono e il decimo gioco dopo avere avuto tre sets-balls. […] I boemi arrivano a condurre per 5 a 2; a questo punto pare che gl’italiani si riprendano portandosi 3 a 5 e poi rimontando il match ball per giungere 4 a 5», 15/07/ 1928, 5; cf. auch CDS 23/07/1928, 2: «Ecco il ‹match ball› cioè la palla decisiva dell’incontro». NDM für setball: 1991, für match ball: 1987. 168 Palla decisiva anstelle von set-ball ist belegt seit 1931: «Al 3.o gioco un fallo di piede segnato a Hughes proprio sulla palla decisiva permette ai francesi di linciare in vantaggio per 7 a 6», 26/07/1931, 6.
328
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
eigentlich wörtliche Übersetzungen von match ball sind, wurden sie tatsächlich in der Bedeutung ‘Satzball’ verwendet, z.B. in [...] infine si pareggiava 5 a 5. [...] Su servizio della Sandonnino le azzurre si portavano per la prima volta in vantaggio in questa partita risolutiva, ed infine, dopo due palle partita, alla terza la Sandonnino non falliva il colpo e la vittoria, alla quale non avevamo logicamente più sperato, era nostra (24/08/1942, 2).
100 % 12 %
90 %
17 %
12 % 13 %
80 %
50 %
70 % 60 % 50 %
100 % 88 %
40 % 30 %
83 %
75 %
palla-partita palla decisiva set-ball
50 %
20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 75: Onomasiologisches Profil für SATZBALL (ASLS, 1920–1970).
Die heute üblichere Lehnübersetzung palla set kam erst 1975 auf (ASLS). Für ital. match ball, das auch im Volleyball und im Fußball (als «spielentscheidende Torchance», Schweickard 1987, 69) üblich ist, sind colpo decisivo (Sassi 1927), palla decisiva (Venturini 1942) und die Neuformation pallaincontro (CIL 1941–1943, belegt seit 1951)169 vorgeschlagen worden. Im ASLS ist in den 1950er Jahren jedoch erstaunlicherweise der später entlehnte Anglizismus match point170 der stärkste Konkurrent, im letzten Messzeitraum ist match ball wieder dominant.
169 «L’azzurro passa a condurre per 6–5, ma subito Sturgess gli dà la replica e al 14’ games […] conquista tre punti avendo così a portata di mano la palla-incontro. Cuccelli gliela annulla e proprio sul secondo match-ball gli si rompono le corde della racchetta», Corriere dello sport 22/05/ 1951, 4. 170 Belegt seit 1956 (21/07/1956, 4); synonym laut DSCT.
4.7 Tennis
100 %
2% 5%
90 %
13 %
329
6% 6% 3%
80 % 70 %
40 %
60 % 50 %
100 %
93 %
100 %
40 %
2% 6%
85 %
30 % 20 %
palla-incontro match point colpo decisivo palla decisiva match ball
40 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 76: Onomasiologisches Profil für MATCHBALL (ASLS, 1920–1970).
4.7.2 Italianisierungen nach 1930 Unter den untersuchten Fremdwörtern der Tennissprache wurde nur eins erst nach 1930 ersetzt: Es handelt sich um court ‘Tennisplatz’ (< engl. court, cf. NDM), das durch campo di/da tennis abgelöst wurde. Es ist im ASLS seit 1906 belegt171 und war bis 1940 eins der häufigsten Fremdwörter der generell belegarmen Tennisterminologie. Zur Substitution wurden die semantisch unspezifischen Lexeme campo (Sassi 1927, Palazzi 1939, CIL 1941–1943) und prato (Palazzi 1939) vorgeschlagen. Es wurden daher nur die spezifischeren Kollokationen campo bzw. prato da/di tennis/pallacorda untersucht. Dabei zeigte sich, dass prato als Bezeichnung des Tennisplatzes nie in Gebrauch kam, obwohl tennis da prato die wörtliche Übersetzung von engl. lawn tennis wäre. Doch das spielte bald keine Rolle mehr, da nur in der Anfangszeit des Tennis überwiegend auf Rasen gespielt wurde. Bereits seit den 1930er Jahren war die Kollokation campo di/da tennis salient (cf. Abb. 77).172
4.7.3 Fazit Die Analyse zeigt, dass die Terminologie des Tennis einen deutlich geringeren Anteil an Fremdwortsubstitutionen aufweist als andere Sportarten: Sieben Fremdwörtern, die in der Nachkriegszeit eine konstante oder sogar zunehmende onomasiologische
171 In einer Anzeige für ein Hotel in St. Moritz: «Hall magnifica, Terrazze e Ristorante francese dominanti il lago. - Lawn Tennis, Courts, Croquets, ecc.» (17/05/1906, 6; NDM: 1956). 172 Im ASLS belegt seit mindestens 1913 (29/07/1913, 3).
330
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 %
1%
6%
90 % 80 %
3% 7% 32 %
30 %
57 %
70 % 63 %
60 % 50 % 40 % 30 %
campo di pallacorda campo da tennis campo di tennis court
87 % 61 %
69 %
40 %
20 %
31 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
3% 1940-49
7% 1950-59
3% 1960-69
Abbildung 77: Onomasiologisches Profil für TENNISPLATZ (ASLS, 1920–1970).
Stärke aufweisen, steht nur eine Italianisierung nach 1930 gegenüber (TENNISPLATZ). Damit ist das Verhältnis von Substitutionen zu Fremdworterfolgen in der Sprache des Tennis (13%) spiegelbildlich zu jenem der Fußballsprache (86%). Dieser enorme Unterschied kann mit verschiedenen Faktoren in Zusammenhang gebracht werden. Erstens unterscheiden sich die beiden Sportarten deutlich in ihrer Popularität und Verbreitung: War Fußball von Anfang an ein populärer Massensport, ist Tennis bis weit in die faschistische Zeit vorrangig ein Sport des Adels und gehobenen Bürgertums gewesen. Zudem wurde über Tennis weit weniger als über Fußball in der Presse berichtet. Vergleicht man die Konzeptfrequenzen der untersuchten Termini, zeigt sich, dass die Tennisberichterstattung quantitativ erst in den 1960er Jahren wieder auf dem Niveau der 1930er Jahre war. Dadurch hatte sich die Terminologie in der Nachkriegszeit noch nicht ausreichend stabilisiert, wie auch an der anhaltenden onomasiologischen Variation innerhalb der Konzepte SPIEL, MATCHBALL und SCHMETTERBALL zu erkennen ist. Erst nach 1970 erhielten die italienischen Ausdrucksvarianten terminologischen Wert und somit die Chance, sich dauerhaft zu etablieren. So sind heute zur Bezeichnung der Schlagtechniken die italienischen Termini dominant, cf. etwa ETO, s.v. tennis: «Dal punto di vista tecnico i colpi fondamentali sono il dritto, il rovescio, il servizio, la schiacciata, il pallonetto, la smorzata». Es bestätigt sich damit die Hypothese von Venturini (1942): «Solo da quando il tennis è divenuto sport di masse (cioè da pochissimo tempo), le voci italiane sostituiscono gradatamente quelle inglesi» (439), auch wenn die Popularisierung durch die Kriegsjahre und politischen Umwälzungen zunächst unterbrochen wurde.173
173 Ob Tennis sich tatsächlich zu einem «Massensport» in Italien entwickelt hat, ist fraglich. Unbestritten ist jedoch – angesichts von mehr als 7.000 italienischen Tennisvereinen und
4.8 Wintersport
331
Daher scheint der Einfluss des FFP auf die Fremdwortsubstitution in der Terminologie des Tennis wenig relevant gewesen zu sein.
4.8 Wintersport Auch wenn die Verwendung von (Proto-)Skiern und Schlitten zur Fortbewegung und zum Lastentransport im Gebirge in Italien bereits eine lange Tradition haben (hier und im Folgenden: Baldessari 2006; Manzo/Peirone 2005), kann erst etwa ab der Jahrhundertwende von einem eigenständigen Wintersport in Italien gesprochen werden. Das moderne Skifahren machte erstmals Edoardo Martinori einem breiteren italienischen Publikum bekannt, nachdem er im Jahr 1886 Lappland mit einem Paar Skiern durchquert hatte, das er anschließend dem von ihm gegründeten römischen Ableger des Club Alpino Italiano stiftete. Durch die Grönlanddurchquerung Fridtjof Nansens per Ski im Jahr 1888 und seine weltweit viel beachteten Expeditionsberichte (auf Italienisch erstmals veröffentlicht 1897 in La spedizione polare norvegese, 1893–1896. Fra ghiacci e tenebre) gewann der Ski in der Folge nicht nur in Norwegen an Bekanntheit und Popularität. Als Pionier des Skisports in Italien gilt der Schweizer Adolfo Kind, der ab 1896 erste Fahrversuche im Parco del Valentino in Turin unternahm und mit dem 1901 gegründeten Ski Club Torino den Skisport in den Piemonteser Alpen etablierte. Dieser erste italienische Skiclub wurde somit nur wenige Jahre nach den ersten österreichischen (1891) und französischen Skiclubs (1896) gegründet. Doch nicht nur in den Alpen verbreitet sich der Skisport, auch der Apennin, insbesondere die Abruzzen, und der Ätna174 entwickelten sich zu beliebten Zielen des Wintersports. Der italienische Skiverband Federazione Italiana dello Ski wurde 1913 gegründet und im Jahr 1920 in Federazione Italiana dello Sci umbenannt. Nachdem der Verband 1933 auch die Wintersportarten Eislauf, Eishockey und Bob/Skeleton aufnahm, gab er sich den Namen Federazione Italiana Sport Invernali. 1924 wurden die ersten olympischen Winterspiele in Chamonix ausgetragen, bei denen Italien als beste nicht-skandinavische Nation abschnitt (Baldessari 2006). Der Ski konnte in Italien an die Tradition des
Tennisplätzen in Italien (cf. https://www.volee.it/campi-da-tennis [letzter Zugriff: 25.09.2020]) – seine flächendeckende Verbreitung in Italien. 174 http://www.caicatania.it/SCI/20.html [letzter Zugriff: 25.09.2020]
332
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Alpinismus anknüpfen175 und eröffnete Anhängern des Bergsteigens neue Möglichkeiten: [U]fficialmente li aiutò a raggiungere e a scalare le montagne d’inverno, ma inconsciamente li liberò dal fardello della vetta consentendo loro di giocare sui campi di neve, di «volare» come gli uccelli, di lasciarsi andare. Le azioni infantili che in parete potevano costare facilmente la vita, sugli sci diventavano divertimento, ebbrezza, tecnica, liberazione (Manzo/ Peirone 2005, 70).
Einer der einflussreichsten Protagonisten des faschistischen Fremdwortpurismus, Paolo Monelli, befasste sich bereits 1914 journalistisch mit dem Skisport. In der ersten Ausgabe des Almanacco dello Sport veröffentlichte er einen instruktiven Artikel mit dem Titel Ski e Skiatori (1, 103–109). Während des Ersten Weltkriegs bekam die Fortbewegung auf Skiern durch den militärischen Einsatz in den umkämpften Alpengebieten Aufwind. Auch die faschistische Regierung erkannte das Potenzial des Skisports Ende der 1920er Jahre. So wurde Ski 1928 als offizielle Sportart in der Carta dello sport der faschistischen Freizeitorganisation Opera Nazionale Dopolavoro erwähnt. Ab 1933 ließ Mussolini den etwa 100 km von Rom entfernten Monte Terminillo zum Skiort ausbauen und trat selbst als Förderer und Amateur des Skisports auf: Il messaggio del dittatore comunque era chiaro: egli voleva che gli italiani diventassero buoni sciatori. Per tutti gli anni venti, lo sci era stata una pratica d’élite. Nel decennio seguente la propaganda mise l’accento sulla pratica popolare. Tra il 1930 e il 1940 le stazioni invernali aumentarono da cinque a trenta (Impiglia 2009, 36).
Die Geschwindigkeit der Fortbewegung auf Skiern als Zeichen der Moderne und die «Rückeroberung» des Gebirges waren entscheidende Aspekte für die Förderung des Skisports durch den Faschismus, wie ein 1931 erschienener Artikel von Angelo Manaresi, Staatssekretär im Kriegsministerium, offenbart: [M]entre, sul mare, accorrono, alle asprezze delle difficili prove della vela, come alle oscure insidie ed agli abissali splendori delle navi subacquee, torme di ragazzi, sulle montagne, che furono un tempo incontrastato dominio dei falchi stranieri, si arrampicano i giovani ed i giovanissimi, o ne scendono, inebbriati di velocità, raccolti sulle freccie guizzanti dello sci! Mare, cielo e montagna: capolavori creati da Dio per il tormento e per la gioia degli uomini, sono oggi ideale palestra di ardimento della giovinezza fascista italiana (Gioventù Fascista 3, 1931, 6).
In der Ideologie des Faschismus erschien das «Bezwingen» des Gebirges auf Skiern und analog das Beherrschen der Meere mithilfe des modernen Schiffsbaus
175 Zur Rolle des Alpinismus im Faschismus siehe Pastore, Alessandro, L’alpinismo durante il ventennio, in: Canella/Giuntini (2009), 67–93.
4.8 Wintersport
333
und das Beherrschen des Luftraums durch die Luftfahrt eine Errungenschaft des Faschismus selbst. Unter den weiteren, v.a. in Norditalien populären Wintersportarten sind Eiskunstlauf, Eishockey und Bob/Skeleton zu nennen. Auch der italienische Eiskunstlauf hatte seine Anfänge im Parco del Valentino in Turin und wurde zunächst als Freizeitsport praktiziert (cf. 4.9.3). Die Mannschaftssport Eishockey ist in Italien seit 1911 bekannt. Mit dem 1923 erbauten Palazzo del ghiaccio kann Mailand als wichtigster italienischer Austragungsort für Eishockey gelten. Ein Jahr, bevor Bob erstmals als Disziplin bei den Olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix aufgenommen wurde, wurde 1923 in Cortina d’Ampezzo die erste italienische Bobpiste erbaut. Später, in den 1950er und 60er Jahren, wurde Bob in Italien sehr populär, auch dank des berühmten italienischen Bobfahrers Eugenio Monti. Die ersten Fremdwörter zur Benennung von Wintersportdisziplinen und -techniken erscheinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der italienischen Sprache. Dennoch verbreitete sich die Terminologie des Wintersports erst mit dem Aufbau der entsprechenden Infrastruktur und der beginnenden Berichterstattung ab den 1930er Jahren. So sind Fremdwörter des Wintersports im ansonsten recht umfassenden Ersetzungswörterbuch von De Luca (1924) noch nicht enthalten. Alle untersuchten Fremdwörter, die mit dem Skisport zusammenhängen, sind aus dem Norwegischen entlehnt (ski, slalom, telemark, kristiania), die übrigen Termini des Wintersports bob und hockey su ghiaccio aus dem Englischen.
4.8.1 Fremdworterfolge Unter den untersuchten Fremdwörtern des Wintersports erwiesen sich hockey su ghiaccio, bob, slalom und telemark als stabil gegenüber Substitutionsversuchen. EISHOCKEY ist in der Form hockey su ghiaccio, der Übersetzung von engl. icehockey, seit 1904 belegt.176 Es handelt sich um ein Teillehnwort. Während die Substitutionsvorschläge für hockey ‘Hockey’ kaum in Umlauf kamen (siehe 4.9.1), konkurrierte hockey su ghiaccio mit disco su ghiaccio. Dabei zeigt sich, dass das anfangs noch selten verwendete Fremdwort ab 1931 von der italienischen Übersetzung
176 «[…] non potevo far a meno di ridere pensando a una ragazza americana che dopo una partita di basket-ball o di hockey su ghiaccio, si fosse trovata davanti a quei due versi», CDS 28/07/1904, 1; NDM, s.v. hockey: 1927.
334
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
disco su ghiaccio überlagert wurde.177 Trotz der Salienz des nativen Synonyms in den 1930er Jahren wurde es nach Ende des Faschismus in Italien zugunsten von hockey su ghiaccio wieder aufgegeben. Im Tessin scheint der Ausdruck disco su ghiaccio länger überlebt zu haben, denn im ASLS finden sich im Messzeitraum 1960–1970 immerhin 68 Treffer für disco su ghiaccio, die fast alle auf das Schweizer Fernsehprogramm verweisen (und daher hier nicht mitgezählt wurden). Im Italienischen erhielt sich disco immerhin in der Bedeutung ‘Puck’ (engl. puck). 100 %
5%
90 % 80 % 70 % 75 %
60 % 50 %
65 %
100 %
95 %
100 %
1950-59
1960-69
40 %
disco su ghiaccio hockey su ghiaccio
30 % 20 % 25 %
10 %
35 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 78: Onomasiologisches Profil für EISHOCKEY (ASLS, 1920–1970).
Eine ähnliche Entwicklung hat ital. bobsleigh genommen. Die Kürzung zu bob, der seit den 1930er Jahre überwiegenden Form,178 die im Übrigen auch im Englischen stattfand, hat möglicherweise zum Erfolg des Fremdworts beigetragen. Im ersten gefundenen Beleg wird es mit «gli automobili del ghiaccio» umschrieben.179 Es bezeichnete zunächst nur das Sportgerät, dann vorrangig die Sportart. Zur Substitution wurde 1927 von Sassi slitta a guida empfohlen, das jedoch im ASLS nicht belegt ist. Die erfolgreichere Strukturübertragung guidoslitta erwähnen Jàcono (1939), Palazzi (1939) und CIL (1941–1943). Jàcono (1939) kommentiert: «Neologismo del ‹meno peggio›, malvisto però dai così detti Bobisti 177 Ein erster Beleg findet sich 1931 in der Zeitschrift Gioventù Fascista (3, 1931, 10): «ore 11, incontro di disco sul ghiaccio». Unter den puristischen Quellen wird disco su ghiaccio 1942 von der Accademia d’Italia erwähnt (CIL 1941–1943). 178 Bereits 1921 von Zangrilli als «Abbreviazione corrente di bobsleigh» beschrieben. 179 «Il collega rag. Calmi con un lungo articolo spiega la ultima novità degli sports invernali; tratta con competenza del toboggan e del bobsleigh (gli automobili del ghiaccio), ricordando i campionati mondiali di pattinaggio e le prove cogli skye sul Moncenisio», 06/03/1903, 3 (DELI: 1908; NDM: 1930).
335
4.8 Wintersport
(Slittatori?)» (42).180 Guidoslitta ist erstmals 1931 belegt181 und stellt trotz der geringen postfaschistischen Frequenz ein noch immer übliches, wenn auch seltenes Synonym dar (cf. NDM; VTO; Zing. 2019). 100 %
6%
36 %
90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
100 %
94 %
100 %
guidoslitta bob
40 % 64 %
30 % 20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 79: Onomasiologisches Profil für BOB (SPORTART) (ASLS, 1920–1970).
Als ältester Wettbewerb im alpinen Skisport wurde ital. slalom 1911 aus dem norwegischen slalåm entlehnt. Er bezeichnet eine spezielle Form des Abfahrtrennens, bei dem eine Reihe von Toren durchfahren werden muss. Seit den 1950er Jahren werden Wettkämpfe entweder als slalom speciale (dt. Slalom) oder als slalom gigante (dt. Riesenslalom) ausgetragen182 (bei der Frequenzerhebung blieben die unterschiedlichen Wettkampfsformen unberücksichtigt). Vom FFP wurde slalom wenig beachtet: einzig Jàcono (1939), Palazzi (1939) und CIL 1941–1943 schlugen Ersetzungen vor. Darunter konnte sich sich discesa obbligata am besten durchsetzen – das allerdings schon seit 1931183 belegt ist und in den 1940er Jahren eine onomasiologische Stärke von 74% hatte. Seit den 1960er Jahren wird im ASLS teils auch die verkürzte Form obbligata verwendet
180 Der Bobfahrer wird heute im Italienischen nur bob(b)ista genannt, die Bezeichnung slittinista ist den Rennrodlern vorbehalten (< slittino). 181 «Ci sembra opportuno ricordare che l’Italia, ai giuochi Internazionali del 1928, svoltisi a Cortina d’Ampezzo, ed a quelli di Davos nel 1930, si classificò al primo posto nelle gare di disco su ghiaccio e di guidoslitta», La Gioventù Fascista 20/01/1931, 10; NDM: 1934. 182 https://it.wikipedia.org/wiki/Slalom_gigante#Storia [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 183 Erstbeleg: «Holtzner ha guadagnato all’Italia il primo posto nel fondo; Borletti nella discesa e nella combinata discesa libera ed obbligata; Guarnieri nella discesa obbligata», Gioventù Fascista 20/02/1931, 3.
336
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(belegt seit 1936).184 Weil discesa im alpinen Skirennen überwiegend in kohyponymen Kollokationen verwendet wird (in discesa obbligata und in discesa libera ‘Abfahrtsrennen’), ist discesa allein (Ersetzungsvorschlag von Palazzi 1939) als Substitut für slalom nicht präzise genug, um feststellen zu können, ob die eine oder die andere Disziplin gemeint ist. Daher wurde es hier nicht berücksichtigt. Im onomasiologischen Profil ist slalom stabil und seit der Nachkriegszeit wieder das saliente Lexem. Auch wenn discesa obbligata im ASLS zwischen 1950 und 1970 nur noch selten verwendet wurde (zumindest in Verbindung mit der Suchphrase «gara di discesa obbligata»), ist es heute weiterhin als Synonym bekannt (DSCT; Zing. 2019). Zu bemerken ist außerdem, dass slalom heute auch übertragen verwendet wird, cf. NDM: «comportamento o discorso con cui si tenta di aggirare o evitare una difficoltà: fare lo slalom tra domande incalzanti». SLALOM
slalom (subst.m.inv.)
Etym.
< norw. slalåm
Wortb.
slalomista (Il Littorale //, ), slalom gigante (//, ), slalom speciale (//, ) u.a.
Erstb.
(«Inutilmente tentavano la discesa a slalow [sic], quella discesa a biscia, che traccia dei grandi zig-zag sui pendii troppo ripidi per essere affrontati in volata», CDS //, ; NDM: ).
Bed.
Jàcono (, ): «pista in discesa con andamento serpeggiante e limitato ai lati da bandierine» Bascetta (): «termine norvegese per indicare la gara di discesa obbligata attraverso porte di controllo»
SubV
discesa obbligata (Jàcono ) obbligata (CIL –) #discesa (Palazzi )
Den beiden Skischwungtechniken telemark und kristiania (siehe folgendes Kapitel) ist gemein, dass sie sich als Deonyme aus norwegischen Ortsnamen herleiten. Erstmals wird die TELEMARKLANDUNG im Italienischen 1914 in dem erwähnten Artikel von Paolo Monelli genannt: C’è un modo speciale di arrestarsi durante la corsa, che si chiama, anch’esso, arresto di Telemark, ed è quello che gli skiatori valenti sostituiscono al famigerato arresto di Bergson, che consiste semplicemente nel buttarsi a terra su di un lato, arresto di una semplicità
184 «A Cortina nei recenti ‹Littoriali› egli ha guadagnato la gara di ‹obbligata› con una notevole superiorità di stile», Il Littorale 07/02/1936, 6.
4.8 Wintersport
100 %
337
4%
90 % 80 %
44 %
70 % 74 %
60 % 50 %
100 %
96 %
99 %
1950-59
1960-69
40 % 30 %
obbligata discesa obbligata slalom
56 %
20 % 26 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 80: Onomasiologisches Profil für SLALOM (ASLS, 1920–1970). meravigliosa, che, ripetuto, riduce lo scivolante ad avere un abito tutto fiorito di ghiaccio [...] (Almanacco dello Sport 1, 1914, 105; Erstbeleg in NDM: 1942).
Für telemark konnte im gesamten Untersuchungszeitraum kein Synonym nachgewiesen werden (Palazzi 1939 schlägt die Paraphrasierung arresto con gli sci vor, das aber ohne Beleg bleibt, ebenso wie das von der italienischen Wikipedia185 als synonym vermerkte sci a tallone libero), so dass hier auf eine grafische Darstellung verzichtet wird. Das Konzept ist im ASLS zudem selten (nur 30 Belege im gesamten Untersuchungszeitraum), möglicherweise auch, weil die Technik in den 1940er Jahren an Bedeutung verlor.186
4.8.2 Italianisierungen bis 1920 Bei den zwei vor 1920 erfolgten Italianisierungen aus der Terminologie des Wintersports handelt es sich um minimale, rein grafische Assimilationen: cristiania für kristiania/christiania und sci für ursprünglich ski. Im Fall von
185 https://it.wikipedia.org/wiki/Telemark_(sci) [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 186 «Il telemark subì un netto declino negli anni 40, mentre prendeva invece piede lo sci alpino. La tecnica cominciò a tornare in voga negli Stati Uniti negli anni 70, quando si osservò una tendenza al ‹ritorno alle origini› in risposta allo sviluppo di equipaggiamenti per lo sci alpino sempre più tecnologici» (ebd.). Bereits 1933 schrieb Dino Buzzati im Corriere della sera eine Art «Epilog» auf den Telemarkschwung, der so begann: «Povero ‹Telemark› / L’hanno trattato veramente male il vecchio ‹Telemark›, l’hanno ridotto al lumicino. No, in quanto a morire, non morrà. Ma certo è una pena vederlo: già un dì adulato e potente, ora ridotto a menar una grama vita tra i lazzi irrispettosi delle folle» (21/11/1933, 4).
338
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
KRISTIANA(-SCHWUNG) treten Fremdwort und die italianisierte Variante cristiania (< Christiania/Kristiania, früherer Name der norwegischen Hauptstadt, bevor sie 1924 in Oslo umbenannt wurde) fast zeitgleich auf. In einem ersten Beleg von 1913 findet sich die Variante christiania,187 in einem Artikel von 1915 aber bereits die grafische Variante ohne : […] tenterete uno dei vostri eleganti «Kelemark» [sic] o «Cristiania» per trovarvi a cavalcioni sopra un grosso macigno trascinato dal peso del vostro zaino mentre uno sci, male attaccato, proseguirà la via che vi eravate prefissi di seguire (Lo Sport Illustrato e la Guerra 15/11/1915, 530).
Dagegen kam die Variante mit am Wortanfang erst in den 1930er Jahren auf188 und war bereits zu diesem Zeitpunkt am seltensten. Im ASLS erschienen die drei Varianten zwischen 1930 und 1940 in folgendem Realisierungsverhältnis: kristiania 5%, christiania 23%, cristiania 72%. Für die assimilierte Form sprechen sich Jàcono (1939) und CIL (1941–1943) aus. Die Popularität dieser Skitechnik zeigt sich frühzeitig in der semantischen Übertragung des Begriffs, auf die Renato Venturini 1941 hinweist: In cristiania (che è, come è noto, una speciale frenata sugli sci) si sente ancora molto il nome proprio. Ma segna il trapasso al comune l’uso, frequente tra gli studenti sportivi, di fare un cristiania per «fermare improvvisamente e volgere altrove il passo», per lo più per evitare un seccatore: una volta si diceva virare di bordo, ma gli sci sono ora tra gli sport più popolari, particolarmente in terra ferma e con le vette in vista (Lingua Nostra 3:4, 1941, 112).
Aufgrund des zunächst nur in assimilierter Form auftretenden Lehnworts und der auffällig konstanten onomasiologischen Stärke kann angenommen werden, dass sprecherseitig nur ein geringer Kontrast zwischen der unassimilierten und den assimilierten Formen wahrgenommen wurde und zwischen ihnen eine sonst eher unübliche Oppositionslosigkeit herrschte. Die Entwicklung und Verbreitung des Skisports in Italien lässt sich sehr gut anhand der lexikografischen Beschreibung im entsprechenden Wörterbuchartikel von Panzinis Dizionario Moderno nachvollziehen: 1
1905, s.v. sky: «voce nordica; specie di pàttini di legno, lunghissimi, che si adattano ai piedi per camminar su la neve. Trovo anche il nome sìdatore». 2
1908, s.v. ski: «voce nordica (danese): specie di pàttini di legno, lunghissimi, che si adattano ai piedi per camminar su la neve. In uso presso i soldati alpini (Francia, Italia, ecc.)».
187 «[A]rresto così detto Telemark, oppure di Christiania», in: Chirone. Piccola enciclopedia metodica, Firenze, Bemporad, 1913, 927. Für diesen Hinweis danke ich Massimo Fanfani. 188 «tutta questa gente crede di saper sciare, perchè han fatto un abbozzo di telemark, di Kristiania, od una sciata di una ventna [sic] di metri senza cadere» (28/11/1932, 4).
4.8 Wintersport
339
100 % 90 % 80 % 70 %
72 %
60 % 50 %
86 %
76 %
67 % cristiania christiania/kristiania
100 %
40 % 30 % 20 %
28 %
10 % 0%
14 %
0% 1920-30
1930-40
1940-50
24 % 1950-60
33 %
1960-70
Abbildung 81: Onomasiologisches Profil für KRISTIANA(-SCHWUNG) (ASLS, 1920–1970). 4 1923, s.v. sci: «forma oramai accolta invece di sky (pattini per camminare sopra superfici nevose) [...]». 5 1927, s.v. ski: «voce nordica (danese): specie di pàttini di legno, lunghissimi, che si adattano ai piedi per camminar su la neve. In uso presso i soldati alpini (Francia, Italia, ecc.). Prevale oggi la forma sci, sciare, sciatore [...]». 7 1935, s.v. ski: «(sci) voce nordica (danese): specie di pàttini di legno, lunghissimi, che si adattano ai piedi per camminar su la neve. In uso presso i soldati alpini (Francia, Italia, ecc.). Sport invernale molto comune. Prevale oggi la forma sci, sciare, sciatore e sciismo (!)».
s.v. sciismo: «lo sport con gli sci. «Sport ancora alla sua prima adolescenza in Italia», dicono. Non è colpa nostra se il sole scioglie presto le nevi. Oh, sole d’Italia!». 8
1942, s.v. sci: «Voce norvegese (ski): specie di pàttini di legno, lunghissimi, che si adattano ai piedi per camminar su la neve. In uso presso i soldati alpini (Francia, Italia, ecc.). Sport invernale molto comune. Per qualche anno si scrisse in Italia ski, skiare: prevale oggi la forma sci, sciare, sciatore, e sciismo. Il popolo dice talvolta scivoli e scivolatori. V’è poi la voce strisci (da strisciare) [...]».
Einer der frühesten Belege für die Assimilation sci findet sich ausgerechnet bei Paolo Monelli, welcher 1914 in seinem Artikel Ski e skiatori im Almanacco dello sport zunächst noch durchgängig die unassimilierte Form verwendet hatte (s.o.). Nach dem Krieg möchte Monelli ski durch sci ersetzt wissen und veröffentlicht einen neuerlichen Artikel unter der Unterschrift Sci e non ski (Lo Sport illustrato 8, 1920, 51). Zur grafischen, aber v.a. phonetischen Assimilation von ski – das im Italienischen anfangs auch [ski] ausgesprochen wurde189 – hat nach Bascetta 189 Was die von Panzini 1918 vorgeschlagenen Italianisierungen schi und schiatore verdeutlichen, cf. auch DOP.
340
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(1962, 30) die volksetymologische Annäherung an scia (aus der Seefahrersprache: ‘Kielwasser’) und auch scivolare beigetragen, die bereits Monelli erwähnt: Per fortunata combinazione, la sillaba sci è radicale delle parole che esprimono appunto lo scivolamento, la scia del pattino nella neve, i lisci pendii di neve più adatti per questo diporto. Riteniamo quindi che sci e sciatori abbiano acquistato diritto di cittadinanza in Italia (1933, 292–293).
Dennoch hielt sich nach Cartago (1995) zunächst auch die exotischere Schreibweise: […] l’incertezza grafica durò ancora lunghi anni. Il grafema più esotico e antiquato ma non ancora sopraffatto si prestava a sfumature anche stilistiche all’inizio degli anni ’30: affidandosi a ski due scrittori come Croce e Gadda, per esempio, ne sapevano trarre il primo l’eco di un senso di distanziazione, e il secondo la virtù rievocativa dei tempi di guerra (201).
Während des FFP wurden neben der Assimilation sci die Ersetzung durch scivoli (Monelli 1933: «per i poeti che cerchino una rima a rivoli e a Tivoli», 293) und strisci vorgeschlagen. Für sci sprechen sich gleich neun Quellen aus, für Cicogna (1940) ist «nessuna migliore italianizzazione possibile». Da unter den Suchtreffern für sci im ASLS zahlreiche irreführende OCRFehler auftraten (z.B. Fehltreffer für «sei»), wurde als Suchphrase gewählt. Dabei zeigte sich, dass in dieser Kollokation außer sci keine andere Ausdrucksvariante in Gebrauch kam. Die Italianisierung war mit einer onomasiologischen Stärke von 65% für sci in den 1920er Jahren bereits fortgeschritten, ab 1930 wurden ski und sky fast gar nicht mehr verwendet. SKI
ski (subst.m.inv.) sky, skj, schky, schki
Etym.
< norw. ski < altisländ. skīth ‘Holzstück, Splitter’ (NDM)
Wortb.
skiatore/sciatore (//, ), sciare (NDM: ), skistico/scistico (//, ), sciata (//, ); sowie zahlreiche Komposita wie deposito ski, pantaloni ski, pista ski, dopo-ski, ski nautico, ski lift…
Erstb.
– (NDM; ASLS : «Gli «skjs» per gli alpini. – Essendosi constatato che la locomozione sulle Alpi mediante gli skis può rendere utili servizi alle truppe, il Ministero della guerra ha disposto che ogni compagnia alpina abbia tre paia di skjs per tre militari skiatori», //, )
SubV
sci (De Luca ; Sassi ; Monelli /; Mazzucconi ; Jàcono ; Palazzi ; Cicogna ; Natali ; CIL –): Assimilation strisci (Cerruti/Rostagno ; Panzini ): Archaismus (bereits bei Tasso, cf. Panzini ) scivoli (Monelli /; Mazzucconi ; Palazzi ): Analogie
4.8 Wintersport
341
100 % 90 % 80 % 70 %
65 %
60 % 98 %
50 %
100 %
100 %
98 %
40 %
gara di sci gara di ski/sky
30 % 20 %
35 %
10 %
2%
0% 1920-29
1930-39
2% 1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 82: Onomasiologisches Profil für SKI (ASLS, 1920–1970).
4.8.3 Fazit Zur Substitution der entlehnten Terminologie des Wintersports ergibt sich folgendes Fazit: Fünf der sechs untersuchten Fremdwörter wurden zwischen 1930 und 1950 von nativen Ausdrucksvarianten überlagert (bis auf das seltene Fremdwort telemark). Jedoch war die Ersetzung nicht dauerhaft: Nach Ende des Faschismus wurden disco su ghiaccio (für hockey su ghiaccio), guidoslitta (für bob) und discesa obbligata (für slalom) überwiegend wieder aufgegeben, wobei discesa obbligata und guidoslitta zumindest in der Lexikografie bis heute als Synonyme gelten. Auffällig ist, dass es sich bei all diesen Ausdrucksalternativen um Neuformationen handelt, die erstmals im Jahr 1931 belegt sind. Die einzigen beiden dauerhaften Italianisierungen im Fall von sci und cristiania gehen auf präfaschistische Zeit zurück und waren bereits vor dem FFP üblich. Zudem stellen sie durch ihre nur minimale Assimilation einen Sonderfall dar. Aus den onomasiologischen Profilen lässt sich schlussfolgern, dass der sprachpuristische Einfluss auf den vom faschistischen Regime geförderten und ausgebauten Wintersport während der Zeit seines Einflusses zwar erkennbar auf die Wortwahl im ASLS wirkte, aber nach seinem Ende sofort nachließ. Langfristig bewirkten die Neuformationen keine Fremdwortsubstitution, sondern eine Wortschatzbereicherung. Die beiden stabilen Italianisierungen erfolgten dagegen unabhängig vom FFP, da sie zeitlich vorgelagert waren.
342
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4.9 Weitere Sportkonzepte Im folgenden Kapitel werden einige weitere Sport- und Freizeitkonzepte untersucht, die nicht spezifisch für die Sportarten Radsport, Fußball, Rugby, Boxen, Tennis und Wintersport sind. Wie unter 3.2.4.2 dargestellt, wurden nur Fremdwörter ausgewählt, – für die in den puristischen Quellen des FFP mindestens ein Ersatzlexem vorgeschlagen wurde; – die im Zeitraum 1920 bis 1950 überwiegend sportbezogene Konzepte versprachlichen; – die in dieser Bedeutung mindestens 20 Mal zwischen 1900 und 1950 im ASLS Erwähnung finden. Insgesamt entsprachen 43 weitere Fremdwörter diesen Kriterien. Analysiert wurden davon jedoch nur 12, da es aufgrund der Polysemie der meisten dieser Fremdwörter schwierig war, Synonyme unter den Substitutionsvorschlägen zu finden. Ein Beispiel hierfür ist ital. handicap: Damit wird ein Faktor zur Nivellierung unterschiedlicher Leistungsstärken bezeichnet, der u.a. durch Gewichtsoder Distanzzulagen oder durch Punktumrechnung zum Tragen kommt. Das Fremdwort ging vom Reitsport in viele weitere Sportarten über, u.a. Radsport, Golf und Schwimmen. Die onomasiologische Analyse ist dabei zum einen durch die Vielzahl, zum anderen durch die geringe Austauschbarkeit der insgesamt 21 verschiedenen Italianisierungsvorschläge (u.a. sovrappeso, vantaggio, svantaggio, extradistanza, distanza, corsa proporzionale, corsa a ragguaglio, pareggiamento dei giocatori) erschwert. Eine zuverlässige Analyse bedeutungsgleicher Ausdrucksvarianten ist so kaum möglich. Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass beim Versuch, sportfremde Kontexte aus den Suchergebnissen auszuschließen, einzelne Sportarten stärker als andere berücksichtigt werden, da die Kontextphrasen bei der Suche im ASLS typischerweise nur mit bestimmten Sportarten kookkurrieren. Daher wurden neben 14 Fremdwörtern, die weiteren Sport- und Freizeitkonzepten zuzuordnen sind (alpenstock, base-ball, basket-ball, boy scout, crawl, cricket, crocket, golf, hockey, jiu-jitsu, patinoire, ping-pong, skating sowie water-polo), 11 allgemeine, sportartenübergreifende Sportkonzepte exemplarisch zur Analyse ausgewählt, die aufgrund ihrer semantischen Extension einfacher untersucht werden konnten: atout, challenger, combine, défaillance, footing, gymkhana, outsider, poulain, record, recordman und sprinter. Die Darstellung folgt den vorangegangenen Kapiteln mit Fremdworterfolgen und Italianisierungen bis 1920 sowie nach 1930.
4.9 Weitere Sportkonzepte
343
4.9.1 Fremdworterfolge Unter den Fremdworterfolgen finden sich besonders viele Konzepte, die eine Sportart bzw. eine Freizeitbeschäftigung bezeichnen: GOLF, CRICKET, KROCKET, BASEBALL, PINGPONG/TISCHTENNIS, HOCKEY. Dauerhaft erhalten wurden auch die Fremdwörter gymkhana, boy scout, combine und alpenstock, deren onomasiologische Stärke – abgesehen vom letzten Begriff – in der Nachkriegszeit sogar zunahm. Die Sportarten GOLF, CRICKET und KROCKET gehen vermutlich alle auf ein während der Renaissance in Italien (ital. pallamaglio)190 und Frankreich (frz. mail, paille-maille) verbreitetes Spiel zurück, das später in England (engl. pall-mall) verschiedene Weiterentwicklungen erfuhr.191 Während des 19. Jahrhunderts gelangten die dort entwickelten Mannschaftssportarten Cricket und Hockey sowie die Präzisionssportarten Golf und Krocket von England zurück nach Kontinentaleuropa. In Italien sind die vier Sportbezeichnungen seit Ende des 19. Jahrhunderts bzw. seit Beginn des 20. Jahrhunderts (hockey) in ihrer entlehnten Form unverändert üblich:
GOLF
golf (subst.m.inv.)
Etym.
< engl. golf (NDM)
Wortb.
Golfista (//, ), golfistico (//, ), minigolf (//, ), baby golf (//, ), sci-golf (//, ) u.a.
Erstb.
(NDM)
Bed.
Cerchiari (): «Gioco nazionale olandese, oggi in uso in tutto il mondo; l’antico gioco italiano del trucco a terra» Palazzi (): «giuoco scozzese, che si fa in prato tra più gruppi di giocatori; ogni gruppo dispone di una palla che, colpita con bastoni di varia forma, deve entrare successivamente in certe buche, protette da ostacoli» (seit auch in der Bedeutung ‘Strickjacke, Pullover’, < engl. golf coat ‘Golfjacke’; NDM)
190 VTO, s.v. pallamaglio: «Gioco praticato in passato in Italia e in Francia (poi passato nei paesi anglosassoni e trasformatosi negli odierni sport del golf, del cricket e del croquet), eseguito con una specie di maglio di legno e con una piccola sfera pure di legno: si poteva gareggiare a chi mandava più lontano la palla partendo da un determinato punto, ma entro uno spazio fissato, oppure a chi mandava la palla col minor numero di colpi attraverso un archetto o dentro una buca». 191 Colasante (2002), cf. auch DIFIT.
344
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) GOLF
golf (subst.m.inv.)
SubV
pallabuca (Jàcono ): Neuformation *trucco in terra (Palazzi ): Archaismus *palla alle buche (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase *trucco dagli/cogli ostacoli (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase #palla a maglio (Sassi ) Fremdwort akzeptiert von CIL (–) und Venturini () *golfe (Jàcono , )
Syn.
100 %
1%
90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
100 %
99 %
100 %
100 %
1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
pallabuca golf
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 83: Onomasiologisches Profil für GOLF (ASLS, 1920–1970).
CRICKET
cricket (subst.m.inv.) cricket-ball
Etym.
< engl. cricket (NDM)
Erstb.
(NDM; ASLS: )
Bed.
Cerchiari (): «Antico gioco di origine italiana. Su un campo piano e lungo vengono piantati ad ogni estremità tre bastoni distanti pochi centimetri fra di loro e su cui viene posto in bilico e trasversalmente un quarto bastone. I giocatori divisi in due squadre e muniti di speciale spatole e pallina elastica si sforzano ad abbattere il quarto bastone avversario» Bascetta (): «giuoco inglese che si svolge all’aperto con mazza e palla, diffuso anche in Italia per breve tempo nell’ultimo decennio del secolo scorso»
192 Erwähnt auch in der Rubrik von Giovanni Mosca: «Anche ‹golf› si potrebbe tradurre con ‹pallabuca›. Sono così pochi in Italia coloro che praticano questo sport che posso benissimo affrontarne lo sdegno» (22/01/1941, 3).
345
4.9 Weitere Sportkonzepte
(fortgesetzt ) CRICKET
cricket (subst.m.inv.) cricket-ball
SubV
trucco (De Luca , Sassi , Jàcono , : «E forse potremmo tornare a chiamarlo così, col nome medesimo con cui lo insegnammo agli altri»; Palazzi ): Archaismus *giuoco del bastone (Cicogna ): Paraphrase #pallamaglio (Palazzi )
Syn.
crichet: grafische Assimilation
100 %
6%
7%
1%
93 %
99 %
100 %
1940-49
1950-59
1960-69
90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
94 %
100 %
1920-29
1930-39
40 %
trucco crichet cri(c)ket
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 84: Onomasiologisches Profil für CRICKET (ASLS, 1920–1970).
Im Fall von KROCKET kam außer den beiden entlehnten Varianten croquet und crocket im ASLS kein natives Lexem in Gebrauch, wohl auch aufgrund der geringen Konzeptfrequenz: KROCKET
croquet (subst.m.inv.) crocket
Etym.
< engl. croquet (NDM)
Erstb.
(«Il sole di luglio batteva sui vetri della finestra e i giuocatori di ‹crocket› che facevano la partita nei giardini circostanti empivano l’aria delle loro grida», //, ; Zing. : ; NMD: )
193 So bereits auch schon in Piazzi (1911): «giuoco del trucco» und in Zuccoli (1912, 496), der zusätzlich auch pallamaglio zur Ersetzung vorschlägt. 194 Erster Beleg in La Stampa Sportiva 05/04/1903, 12.
346
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) KROCKET
croquet (subst.m.inv.) crocket
Bed.
Cerchiari (): «Antico gioco di origine italiana detto del pallamaglio assai in voga attualmente in Inghilterra» ETO : «Giuoco sportivo all’aperto, venuto dall’Inghilterra all’Europa continentale, nella sua configurazione tecnica moderna, verso il , per quanto i Francesi lo facciano derivare dal pallamaglio e in Italia possano ritrovarsi antichi giuochi simili» NDM: «gioco consistente nel far compiere a una palla di legno colpita con una mazza, un percorso segnato da piccoli archi piantati nel terreno, facendola giungere alla meta col minor numero possibile di colpi» #pallamaglio (Jàcono ) *palla al maglio (De Luca , Palazzi ): Paraphrase *palla al martello (Sassi ): Paraphrase
SubV
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
9%
5%
91 %
95 %
1920-39
1950-69
crocket croquet
Abbildung 85: Onomasiologisches Profil für KROCKET (ASLS, 1920–1940 und 1950–70).
Das Konzept von EISHOCKEY wurde bereits unter 4.8.1 untersucht. Ab 1906 ist ital. hockey auch in den Bedeutungen ROLLHOCKEY (ital. hockey a rotelle oder su pista) und dem jüngeren FELDHOCKEY (ital. hockey su prato oder su terreno) belegt. Da die genaue Referenz in den historischen Pressebelegen meist nicht spezifiziert ist, wird auf eine Unterscheidung der Konzepte FELD- und ROLLHOCKEY verzichtet. Stattdessen wurden alle Vorkommen von hockey und Synonymen, die nicht auf EISHOCKEY (und auf Eigennamen) referieren, gezählt. Das Italianisierungsbestreben
195 http://www.treccani.it/enciclopedia/croquet_%28Enciclopedia-Italiana%29/ [letzter Zugriff: 25.09.2020].
4.9 Weitere Sportkonzepte
347
des Regimes machte auch vor dem Hockeysport nicht Halt: Die seit 1933 gültige Verbandsbezeichnung Federazione Italiana Hockey e Pattinaggio a Rotelle (FIHPR; ab 1939 nur noch Federazione Italiana Hockey Pattinaggio = FIHP) lautete zwischen 1940 und 1945 Federazione Italiana Ochei e Pattinaggio (FIOP).196 Auch beim FELDHOCKEY ging Jàcono (1939) von italienischen Ursprüngen aus: «oltre cinquant’ anni fa si giocava da noi con una palla di legno e un bastone ricurvo a un’estremità, detto, in quel di Alessandria, ‹minoia› (si chiamava ‹pitò› se era in forma di martello). Può darsi che giocatori nostri, emigrati in America, abbiano insegnato il gioco ai Canadesi che ce lo hanno rimandato» (215). HOCKEY
hockey (subst.m.inv.)
Etym.
< engl. hockey (NDM)
Wortb.
hockeysta/hockeista/hocheista (//, ), hockeystico/hockeistico (//, )
Erstb.
(«Per i dilettanti di statistiche, ci piace riportare la seguente che dimostra quanto spendano le grandi università americane per lo sviluppo dei loro sports favoriti, foot-ball, hockey, basket-ball, ecc.», //, ; NDM/Zing. , )
Bed.
De Luca : «palla al maglio; si giuoca coi pattini (v. Crocket)» Palazzi : «giuoco di palla che italianamente si chiama palla al maglio; la palla viene lanciata su un terreno erboso mediante un bastone ricurvo, e deve entrare nella porta dell’avversario»
SubV
palla a maglio (Sassi ): Archaismus *palla al maglio (De Luca , Palazzi ): Archaismus *palla sul prato (Jàcono ): Paraphrase *palla a mazza (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase
Syn.
hochey/hochei: grafische Assimilation ockey/ochei: grafische Assimilation pallamaglio: Archaismus
196 Siehe historische Notizen auf der Webseite des Verbands: http://www.fisr.it/lafederazione/storia-della-federazione.html [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 197 Hier fällt ins Auge, dass die grafische Assimilation des -ck- zu -ch- (hochey) beim ursprünglichen Fremdwort deutlich seltener auftritt als bei den Derivationen. Für die bereits assimilierte Spielerbezeichnung ocheista schlug CIL (1941–1943) das Kompositum giocadisco vor, das im ASLS jedoch gänzlich unbelegt bleibt. 198 Erstbeleg: Lo Sport Illustrato 15/12/1915, 614.
348
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 %
3%
1%
90 %
3%
2%
1%
9% 6%
80 % 70 % 60 % 50 %
96 %
95 %
1920-29
1930-39
40 %
98 %
99 %
1950-59
1960-69
85 %
30 %
palla a maglio pallamaglio ockey/ochei hochey hockey
20 % 10 % 0% 1940-49
Abbildung 86: Onomasiologisches Profil für HOCKEY (ASLS, 1920–1970).
Es fällt auf, dass der Archaismus pallamaglio bzw. die Varianten palla a maglio, palla al maglio in den puristischen Quellen teilweise undifferenziert zur Substitution sowohl von croquet (De Luca 1924; Jàcono 1939; Palazzi 1939) als auch von hockey (De Luca 1924; Sassi 1927; Palazzi 1939), golf (Sassi 1927) und cricket (Palazzi 1939) empfohlen wurden. Darin drückt sich ein mangelndes technisches Verständnis für die Besonderheiten der verschiedenen Sport- und Spielvarianten aus, das der Behauptung einer italienischen Herkunft geopfert wird. Tatsächlich wurde pallamaglio etc. im ASLS – außer zur Referenz auf das historische Spiel – einzig als Alternative für hockey verwendet und das auch nur während der 1930er Jahre.199 Bei GYMKHANA handelt es sich um einen Geschicklichkeitswettbewerb, der Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Motorsport aufkam und meist als Parcours zu Fuß oder mit Kraftfahrzeugen, Fahrrädern oder Pferden ausgeübt wird. Das häufig zu wohltätigen Zwecken veranstaltete Gymkhana umfasst sportliche und ludische, teils komische Wettkämpfe: neben dem Hindernislauf beispielsweise Sackhüpfen, Kerzenlauf und ein Radrennen, bei dem der Langsamste gewinnt (eine Fortsetzung findet das heute selten gewordene Format beispielsweise in den Berliner Slowlympics). Am Beispiel dieses Konzepts lässt sich dokumentieren, dass eine bereits von Anfang an erfolgte grafisch-phonologische Assimilation des
199 So beispielsweise in Il Littorale: «c’è il caso di vedere nel campo della palla a maglio (l’italianissimo nome dell’Hockey) due squadre già in pieno giuoco» (07/08/1931, 3). Dass Zweifel an der Eignung der historischen Spielbezeichnung zur Ersetzung von hockey bestanden, zeigt die Überschrift «L’hockey su terra ammesso alle Olimpiadi di Los Angeles» auf derselben Seite, dort ohne Angabe eines nativen Synonyms.
4.9 Weitere Sportkonzepte
349
Fremdworts (erste Belege des Konzepts finden sich bereits 1894 in den Formen Gimcana und Gimkana) später in der Pressesprache teilweise zurückgenommen und wieder stärker an das englische Original angenähert wurde (durch die Schreibung mit den dem Italienischen fremden Grafemen und ).200 Möglicherweise diente diese Schreibweise auch dazu, den «exotischen» Charakter dieser Sportveranstaltung hervorzuheben. Dies zeigt sich auch daran, dass unter den in der Nachkriegszeit verbreiteten Assimilationen die «vollständig» assimilierte Form gincana, auf die die puristischen Quellen drängten, hinter der dem Original stärker angelehnten Form gimcana zurücksteht. Noch heute scheint gimkana die geläufigste Form zu sein, die im Zeitraum 2000–2006 im ASLS deutlich (662 Vorkommen) vor gimcana (156), gincana (17) und gymkana (4) überwiegt. GYMKHANA
gymkhana (subst.f.) gymkhan, gymkana, gimkana
Etym.
Zing. : «dall’anglo-indiano gymkhana, comp. dell’ingl. colloquiale gym (abbr. di gymnastics ‘ginnastica’) e dell’indù khana ‘campo da gioco’ (dal persiano khāneh ‘casa’)»
Wortb.
gimkana-cross (//, ), ciclogimkana (//, ), microgimkana (//, )
Erstb.
(«In tale occasione verranno pure indette delle corse a piedi, sia piane, sia con ostacoli e Gimkana con premi offerti dal Corriere della Sera», CDS //, ; NDM/Zing. : )
Bed.
Cerchiari (): «Voce e gioco d’origine indiana. Nacque in India ai tempi dell’occupazione inglese e incontrò poi un largo favore presso gli europei. È una riunione mondano-sportiva per lo più a scopo benefico. Consta di esercizi strani e comici come: la corsa nei sacchi; la corsa lenta in bicicletta; la corsa con le candele accese; la corsa con i bicchieri pieni d’acqua» Natali (): «speciale spettacolo di giuochi d’agilità e di destrezza a cavallo, in automobile, a piedi, connessi a feste di beneficenza e a riunioni campestri» ()
SubV
gincàna (Monelli /; Jàcono ; Palazzi ; Natali ): morphonologische Assimilation
200 Gusmani (1993) spricht in solchen Fällen von «integrazione regressiva» (85). Angewandt auf die Optimalitätstheorie wird dabei die Treue-Beschränkung ausnahmsweise höher gewertet als die Markiertheitsbeschränkung. 201 «Chi voglia dir tutto in una parola sola s’attenga pure a gymkhana, facendone di una parola anglo-indiana una parola italo-indiana; con la radice gin della nostra ginnastica e la riduzione fonetica cana possiamo foggiare anche noi un’accettabile gincana per gli usi degli organizzatori» (Monelli 1933, 164).
350
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) GYMKHANA
gymkhana (subst.f.) gymkhan, gymkana, gimkana gara di ostacoli (Monelli / [gara d’ostacoli]; Natali ): Paraphrase giochi di agilità (Monelli /; Natali ): Paraphrase *gara multipla (Sassi ): Paraphrase *gara-giuoco (Sassi ): Neuformation *giuochi della cuccagna (Monelli /: «nelle fiere dei paesi si chiamano ancora ~ perché culminano nell’ascensione dell’albero della cuccagna», , ): Analogie *giostra (Jàcono ): Analogie gimcana: morphonologische Assimilation
Syn.
1% 2% 2% 8% 9%
100 % 90 % 80 %
10 % 20 %
0,4 % 19 %
11 % 1%
3%
70 % 60 % 50 %
100 %
40 %
79 %
30 %
70 %
76 %
1940-49
1950-59
88 %
20 %
gara di agilità giuochi di agilità gara di ostacoli gimcana gincana gymk(h)ana/ gimkana
10 % 0% 1920-29
1930-39
1960-69
Abbildung 87: Onomasiologisches Profil für GYMKHANA (ASLS, 1920–1970).
Base-ball gehört zu den Spielbezeichnungen, die im Italienischen zwischen 1920 und 1970 fast völlig konkurrenzlos blieben. Die ersten Baseball-Veranstaltungen in Italien fanden 1889 in Rom statt, von denen auch La Stampa berichtet: Sabato alla Villa Borghese moltissima gente è accorsa per assistere al divertimento Base Ball, giuocato da una ventina di yankees vigorosi e gagliardi. [...] Il Base Ball non è certo la cosa più divertente per noi dei vecchio mondo, che non conosciamo le regole del giuoco: lo sarà certamente per quelli del nuovo. Si tratta di un giuoco eminentemente ginnastico e di destrezza, che non ha nulla a che fare col nostro giuoco al pallone col bracciale o alla palla col tamburello (25/02/1889, 2).
202 Erstbeleg: CDS 29/05/1894, 2.
4.9 Weitere Sportkonzepte
351
Während des Faschismus etablierten sich erste eigene Mannschaften und Wettkämpfe, doch die eigentliche Sportorganisation erfolgte erst in der Nachkriegszeit. Der erste italienische Baseball-Verband wurde 1948 als Lega Italiana Baseball in Mailand gegründet. 1950 nahm er nach der Fusion mit der Federazione Italiana Baseball Softball (FIBS) den italianisierten Namen Federazione Italiana Palla a Base (FIPAB) an. Allerdings deuten die Untersuchungsergebnisse nicht auf eine besondere Verbreitung der übersetzten Formen palla a base oder pallabase zu dieser Zeit hin.203 Der Verband wird erst 1970 wieder in Federazione Italiana Baseball Softball (FIBS) umbenannt.204 Es kann vermutet werden, dass die Umbenennung weniger der Italianisierung des Fremdworts diente, als der Kreation eines neuen Oberbegriffs für Baseball und Softball, um der doppelten Nennung im Verbandsnamen zu entgehen.
BASEBALL
base-ball (subst.m.inv.) baseball
Etym.
< engl. baseball (NDM)
Erstb.
(Nichil , ; NDM/Zing. , )
Bed.
Jàcono (): «un gioco degli Stati Uniti, che consiste nel lancio d’una pesante palla di cuoio o di legno. I diciotto giocatori, divisi in due squdre, sono protetti contro la violenza del gioco da uno speciale casco e da una sorta di corazza» Bascetta (): «gioco della pallabase»
SubV
pallabase (Jàcono ): Strukturübertragung *palla a basi (Jàcono ; Palazzi ): Strukturübertragung
Syn.
*gioco delle basi (Cerchiari ): Paraphrase
203 Erste Belege für eine italianisierte Form finden sich 1933 in Il Littorale: «Il base-ball / Una novità quasi assoluta è stata quella dell’esibizione della palla a base, lo sport tanto in auge negli Stati Uniti e che l’O.N.D. sta diffondendo fra gli Avanguardisti» (22/04/1933, 4). Allerdings verschwinden palla a base bzw. pallabase dann zunächst völlig und tauchen erst in den 1950er Jahren wieder in der Sportberichterstattung auf (Corriere dello Sport: 1950; CDS: 1954, ASLS: 1959). 204 Cf. Schiroli, Riccardo, La storia della FIBS, URL: https://www.fibs.it/it/storia/la-storiadella-fibs.html [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 205 Die italienische Baseball-Terminologie greift auffällig oft auf Lehnübersetzungen dieser Art aus dem Englischen zurück: «Quasi tutta la terminologia del baseball è fatta di simili calchi: battuta radente da line drive; casa-base da home-base; doppio gioco da double play; lancio illegale da illegal pitch; linea dei tre piedi da 3 foot line; palla morta da dead ball; il primabase da first baseman» (Rossi 2003).
352
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 % 90 %
1%
1%
80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
100 %
100 %
99 %
99 %
1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
base base-ball
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 88: Onomasiologisches Profil für BASEBALL (ASLS, 1920–1970).
Auch im Fall von PINGPONG/TISCHTENNIS zeigt sich eine Abweichung zwischen der salienten Bezeichnung im ASLS und der Bezeichnung im Verbandsnamen: In den Pressebelegen dominiert bis 1970 der seit 1902 belegte, umgangssprachliche und onomatopoetische Anglizismus ping-pong gegenüber tennis da tavolo und anderen Synonymen. Der 1945 gegründete Verband nannte sich jedoch bis 1969 Gruppo Italiano Tennis Tavolo (GITeT), seit 1969 Federazione Italiana Tennistavolo (FITeT). Auch hierbei haben wahrscheinlich weniger puristische Tendenzen eine Rolle gespielt als vielmehr die ludische Konnotation von ping-pong, das wie viele andere Sportarten zunächst eine in Mode gekommene Freizeitbeschäftigung war, bevor diese sich zu einer normierten und organisierten Sportart entwickelte. Zudem ist die diaphasisch-diatechnische Opposition bereits im Englischen angelegt, wo table-tennis seit 1891 und das synonyme ping-pong seit 1900 belegt sind (OED). Allerdings ist ping-pong seit Ende des 19. Jahrhunderts auch ein eingetragener Markenname, tennis da tavolo dagegen nicht, was auf die Produktbezeichnung zurückwirkte: Essendo quest’ultimo [ping-pong] un marchio registrato già alla fine del diciannovesimo secolo, i vari produttori che non possono utilizzare il nome ufficiale mettono in commercio fin da quell’epoca confezioni con i materiali di gioco necessari chiamandole «table tennis» e affini, o per lo meno utilizzando tale dicitura come sottotitolo o spiegazione (DG, s.v. tennis da tavolo).
Die Anlehnung des Verbandsnamens an ital. tennis bzw. an engl. table-tennis in Form der Lehnübersetzungen tennis da tavolo / tennistavolo kam dem Bestreben des Verbands, den Sport zu professionalisieren, daher sicherlich mehr entgegen als die Verwendung des onomatopoetischen ping-pong. Darauf weist auch ein früher Beleg von 1902 hin: Der Autor spricht von pin-pon und erklärt:
4.9 Weitere Sportkonzepte
353
«Siccome però il vocabolo sa alquanto di gergo popolare, i più schizzinosi amatori del giuoco hanno già proposto di sbattezzarlo e di consacrarlo negli annali olimpici col nome di tennis da tavola o di racchetta a sonaglio» (CDS 04/01/ 1902, 1). Die Anzahl der Belege zeigt, dass Tischtennis erst in den 1930er Jahren in Italien zur Modeerscheinung wurde: Neben einem einzigen Treffer in den 1920er Jahren ist ping-pong im Folgejahrzehnt bereits 262 Mal im ASLS belegt, wobei ein Großteil auf Werbeanzeigen (von Lokalen) zurückgeht. PINGPONG/ TISCHTENNIS
ping-pong (subst.m.inv.) pingpong, ping pong
Etym.
< engl. ping-pong (NDM)
Wortb.
pongista (Zing. : ; ASLS: //, ), selten: ponghista (//, ) und pingpongista (//, )
Erstb.
(«Il ping-ping è il nuovo sport ideato dagli inglesi. É semplicemente un giuoco da sala, cui prendono parte uomini e donne. Il ping-pong è, in altre parole, il giuoco del lawn-tennis, che si svolge sopra una larga tavola, che ha un rialto laterale di centimetri. Alla palla di cuoushouc [sic] è sostituita quella di celluloide, e la racchetta in uso per il lawn-tennis anzichè avere le corde incrociate è ricoperta di una pergamena»; //, ; NDM/Zing. : )
Bed.
Cerchiari (): «Giuoco di società che assomiglia al tennis ma che si giuoca sopra una tavola con piccole palline di celluloide e piccole racchette o spatole di legno»
SubV
tennis da tavolo/-a (Palazzi ): Strukturübertragung (von engl. tabletennis) pallacorda da tavolo/-a (Jàcono ; Cicogna ): Paraphrase *palla a corda da sala (Cerruti/Rostagno ): Paraphrase
Syn.
tennis da salotto (//, ): Paraphrase tennistavolo (//, ; Zing. : ): Neuformation (bzw. Strukturübertragung von engl. table-tennis) pingo pongo (//, ): morphonologische Assimilation *table-tennis (Jàcono ): Entlehnung *racchetta a sonaglio (cf. CDS //, ): Paraphrase *pin-pon: Assimilation
206 Zum Erstbeleg für tennis da tavola s.o. (CDS 04/01/1902, 1), tennis da tavolo ist seit 1929 belegt (CDS 14/12/1929, 2). 207 Auf ironische Weise diskutiert Giovanni Mosca die Assimilation von ping-pong in seiner Rubrik Fuori il barbaro 1941: «Eccoci al ‹ping pong›, cioè al tennis da tavola; ma se non vogliamo tennis, dobbiamo respingere anche il ‹tennis da tavola›. Dunque, «pallacorda da tavola›? Ah, no, signori miei! Est modus in rebus, non bisogna esagerare, si deve tener conto dei limiti
354
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 %
7%
90 % 80 %
4% 2% 16 %
0,3 % 18 %
22 %
50 %
70 % 60 % 50 %
93 %
40 % 30 %
78 %
82 %
77 %
1940-49
1950-59
1960-69
50 %
20 %
pingo pongo tennis da salotto palla a corda da sala pallacorda da tavolo tennistavolo tennis da tavolo ping-pong
10 % 0% 1920-29
1930-39
Abbildung 89: Onomasiologisches Profil für PINGPONG/TISCHTENNIS (ASLS, 1920–1970).
Bei ital. alpenstock handelt es sich um einen der wenigen Germanismen in der Stichprobe – auf den ersten Blick, denn offenbar wurde er erst durch die Vermittlung des Englischen in die italienische Sprache entlehnt.208 Insgesamt sind neben dem Fremdwort fünf Synonyme konstant im ASLS üblich. Das saliente Lexem ist zunächst bastone ferrato, ab 1950 kann alpenstock seine saliente Position ausbauen:
ALPENSTOCK
alpenstock (subst.m.inv.) alpenstok, Alpen-stock, alpenstoch, alpenstoc, alpestoc u.a. (cf. Morlicchio , –)
Etym.
< engl. alpenstock () < dt. Alpenstock
Erstb.
vor (Zing. ; NDM: ; ASLS: )
di pazienza dei pubblico! Lasciamo ‹ping-pong›: più che un vocabolo, è una voce onomatopeica che imita abbastanza bene il rumore della palla rimbalzante sulla tavola. Non c’è il tic tac dell’orologio? Il din don delle campane? Il drin drin del campanello? Dante (perdonatemi la cultura) dice nel X canto del paradiso, dell’orologio: ‹Tin tin sonando son si dolce nota...› C’è chi ha proposto, per rendere italiano ping pong, pingo pongo. Ma allora dovremmo dire ticco tacco, dinne donne, drinno drinne, tinno tinne... Le quali sarebbero cose disonorevoli. Le voci onomatopeiche non sono né inglesi, né francesi, ne italiane. Seguitiamo a dire ping pong, ma giochiamolo quanto meno se è possibile perché è un gioco che a lungo andare abbrutisce i giocatori e fa venire il torcicollo agli spettatori» (22/01/1941, 3). 208 Cf. Morlicchio (2012, 213–214). 209 Cf. Morlicchio (2012, 209).
4.9 Weitere Sportkonzepte
355
(fortgesetzt ) ALPENSTOCK
alpenstock (subst.m.inv.) alpenstok, Alpen-stock, alpenstoch, alpenstoc, alpestoc u.a. (cf. Morlicchio , –)
Bed.
Cerchiari (): «Bastone da montagna lungo m. circa, ferrato in basso, spesso munito di un manico in corno di camoscio per facilitare la presa, oppure semplicemente curvato a fuoco» (s.v. bastone ferrato) Morlicchio (): «attrezzo di cui gli abitanti di un’area alpina (probabilmente ristretta) della Svizzera si servivano quando si muovevano per portare animali al pascolo o per cacciare selvaggina [...]. Da oggetto ‘povero’ e poco noto, diventa poi attrezzo sportivo e di grande diffusione con la nascita dell’interesse naturalistico e scientifico per le regioni alpine, e quindi l’escursionismo e l’alpinismo» ()
SubV
bastone alpino (Monelli /; Mazzucconi ; Cerruti/Rostagno , s.v. gioco; Jàcono ; Palazzi ): Strukturübertragung bastone ferrato (Monelli /; Mazzucconi ; Cerruti/Rostagno , s.v. gioco; bereits in Cerchiari ): Paraphrase pistocco (Monelli /; Mazzucconi ): morphonologische Assimilation/Dialektismus bastone da montagna (Sassi ; Jàcono ): Paraphrase #bastone (Monelli /)
Syn.
alpestocco (Mazzucconi : «se ne ode non di rado la forma italianizzata di alpestocco»; VLI ): morphonologische Assimilation
210 Dazu Monelli (1933): «gli alpini lo chiamano pistocco. [...] Pistocco è evidentemente deformazione della parola tedesca; ma per quella confessata parzialiatà che noi abbiamo per il gergo della guerra e degli alpini riconosciamo diritto di vita a questa parola, in discorsi e scritture di montagne e di guerra alpina» (5). NDM und Zing. 2019 markieren pistocco als (mittlerweile obsoletes) norditalienisches Dialektwort, das seit 1905 belegt sei (NDM). 211 Für das Konzept ist bastone semantisch zu unspezifisch und wird daher nicht berücksichtigt. Mit spezifizierenden Ergänzungen wird das Lexem im ASLS dennoch teilweise synonym verwendet, z.B. «prima d’entrare bisogna consegnare alla gentile custode il sigaro acceso, il cane con la museruola, l’ombrello chiuso e il bastone con punteruolo per gite in montagna» (11/08/1931, 3), «in montagna il più valido aiutò sarà proprio lui, il solido generoso bastone dal puntale d’acciaio che non sa tradire» (26/03/1935, 3).
356
100 % 90 %
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
2% 2% 5%
16 %
80 % 70 %
1% 5%
3% 6% 3%
3% 21 %
3% 3% 3% 38 %
50 %
60 %
59 %
33 %
51 %
50 % 40 % 30 % 20 %
55 % 42 %
42 %
10 %
27 %
29 %
1930-39
1940-49
alpestocco bastone alpino pistocco bastone da montagna bastone ferrato alpenstock
0% 1920-29
1950-59
1960-69
Abbildung 90: Onomasiologisches Profil für ALPENSTOCK (ASLS, 1920–1970).
Eine eher ungewöhnliche Entwicklung nahm das Konzept PFADFINDER. Ital. boy-scout (später häufig verkürzt zu scout und damit geschlechtsneutral)212 hat gegenüber (giovane) esploratore in den 1920er Jahren eine onomasiologische Stärke von nur 10%. In der Nachkriegszeit steigt der Anteil – zusammen mit scout – auf etwa 80%.213 Die Pfadfinderbewegung wurde nach ihrer Gründung 1908 in England 1912 in Italien eingeführt. Der dafür gegründete Verband nannte sich Corpo Nazionale dei Giovani Esploratori Italiani oder auch Boy-scouts d’Italia. Ein Zeitungsbeleg zeigt, dass alle drei italienischen Äquivalente – giovane esploratore, ragazzo esploratore und das alleinige esploratore (zunächst nur in Anführungsstrichen) – seit 1910 verwendet wurden (CDS 07/11/1910, 2). 1916 wurde ein katholischer Ableger gegründet, die Associazione Scautistica Cattolica Italiana oder Esploratori d’Italia. Beide gingen 1928 in der Opera Nazionale Balilla auf, die die Bezeichnung giovani esploratori bzw. esploratori zunächst beibehielt. Im Vorfeld und während des Zweiten Weltkriegs überwiegen im ASLS jedoch die militärischen Verwendungen von esploratore, bei denen es den ‘Angehörigen eines Aufklärungstrupps’ oder das ‘Aufklärungsschiff’ bezeichnet. Um semanti-
212 Wobei die lexikografischen Quellen für boy-scout sowohl das maskuline als auch das feminine Genus angeben (NDM; Zing. 2019), denn boy- wurde nicht unbedingt als maskulin analysiert, wie folgender Beleg zeigt: «il cappello a larghe falde delle ‹guide›, i ‹boy scouts› femminili» (08/01/1966, 9). 213 Bei der Frequenzerhebung wurden sämtliche Eigennamen ausgeklammert, also nicht nur Organisationsnamen wie Corpo nazionale dei giovani esploratori oder Associazione dei giovani esploratori cattolici italiani, sondern auch alle Verwendungen mit weiteren Attributen, also z.B. boy-scouts cattolici oder giovani esploratori nazionali, da die Referenz auf Organisationsnamen nicht immer eindeutig war.
4.9 Weitere Sportkonzepte
357
sche Interferenzen zu vermeiden und möglicherweise zur Annäherung an die internationale Bezeichnung setzt sich in der Nachkriegszeit das Fremdwort durch (siehe Abb. 91). Der 1944 neugegründete Verband blieb seiner ursprünglichen Bezeichnung allerdings treu und nannte sich Federazione Esploratori Italiani (FEI) (heute: Federazione Italiana dello Scautismo mit den Unterverbänden Associazione Guide e Scouts Cattolici Italiani und dem Corpo Nazionale Giovani Esploratori ed Esploratrici Italiani). PFADFINDER
boy-scout (subst.m. und f.inv.) scout
Etym.
< engl. boy-scout
Wortb.
scoutistico (//, ), scoutismo (//, ; scautismo: //, )
Erstb.
(«Il movimento del boy-scouts ha preso un’estensione enorme, che non si era osato sperare nei primi anni della sua esistenza; mila boys sono attualmente arroulati in Inghilterra», //; NDM: )
Bed.
VTO: «Giovane esploratore, membro del movimento educativo internazionale dei Boy-Scouts, fondato in nel da sir Robert S. S. Baden-Powell»
SubV
giovane esploratore (Palazzi ): Strukturübertragung ragazzo esploratore (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco; auch in Cerchiari ): Strukturübertragung
Syn.
esploratore/esploratrice: Analogie bzw. Kürzung aus giovane esploratore
100 % 90 % 80 %
8% 30 %
20 %
24 %
70 %
42 %
60 % 54 %
48 %
29 %
7%
17 %
39 %
2% 8%
19 %
13 %
1920-29
1930-39
1940-49
50 % 40 %
60 %
30 % 20 % 10 % 0%
9%
22 %
1950-59
49 %
esploratore/ esploratrice giovane esploratore scout boy-scout
1960-69
Abbildung 91: Onomasiologisches Profil für PFADFINDER (ASLS, 1920–1970).
358
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Abschließend soll noch ein weiteres Profil vorgestellt werden, bei dem sich die Untersuchung aufgrund der geringen Technizität der Ersetzungen als schwierig erwies, das aber ebenfalls als Fremdworterfolg gelten kann: Der Gallizismus combine erscheint in der Sportberichterstattung des Untersuchungszeitraums recht häufig.214 Es bezieht sich auf die (vermutete) Einflussnahme auf Wettkampfergebnisse durch Geheimabsprachen bzw. illegale Übereinkünfte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird combine fast ausschließlich mit Bezug auf Sport verwendet, danach zunehmend auch in anderen, u.a. politischen Kontexten. Aufgrund der geringeren Fachsprachlichkeit des Konzepts erwies sich die Datenerhebung als schwierig. Die Kontextsuche ergab jeweils nur wenige Treffer. Die Ergebnisse (cf. Abb. 92) weisen jedoch auf eine stabile Verwendung von combine hin.
GEHEIMABSPRACHE combine (subst.f.inv.) SPORT
IM
Etym.
< frz. combine < engl. (USA) combine (seit in dieser Bedeutung, cf. OED) (NDM)
Erstb.
(«Si dice che la Casa Peugeot intende presentare reclamo contro Petiva per una combine fatta con Corlaita», //, ; Bezug auf Radsport in La Domenica Sportiva , , ; NDM: )
Bed.
Jàcono (): «nel gergo dello sport serve a indicare l’intesa segreta per la quale due concorrenti avversari stabiliscono chi di loro dovrà vincere la gara» Palazzi (): «accordo segreto in una gara tra due concorrenti avversari che stabiliscono chi dovrà riuscire vincitore, salvo poi a dividersi il premio»
SubV
collusione (Jàcono ): Analogie trucco (Jàcono ; Palazzi ; Cicogna ; auch in Cerchiari ): Analogie imbroglio (De Luca ; Jàcono ): Analogie pastetta (Jàcono ; Palazzi ): Dialektismus combutta (CIL –): Archaismus *intelligenza segreta (Jàcono ): Paraphrase #intesa (Jàcono ; Cicogna ; nicht berücksichtigt, da in den Belegen nur positiv konnotiert)
Syn.
accordo illecito: Paraphrase
214 Die Aussprache scheint stark zu variieren: /komˈbin/ (NDM), /kɔ̃ˈbin/ (Zing. 2019) und /komˈbain/ (Canepari 1999) sind möglich.
4.9 Weitere Sportkonzepte
100 % 90 %
6% 6%
80 % 70 %
4% 8% 4% 12 %
31 % 18 %
60 % 50 % 40 % 30 %
359
56 %
54 %
1920-39
1950-69
20 %
accordo illecito collusione combutta pastetta trucco combine
10 % 0%
Abbildung 92: Onomasiologisches Profil für GEHEIMABSPRACHE IM SPORT (ASLS, 1920–1940 und 1950–1970).
4.9.2 Italianisierungen bis 1920 Die Konzepte (SPORT-)ASS, TITELHERAUSFORDERER und KRAULEN (SCHWIMMTECHNIK) wurden bereits vor dem Faschismus überwiegend durch native Synonyme versprachlicht und nicht durch die Fremdwörter atout, challenger und crawl. Der Gallizismus atout ist in der italienischen Presse 1881 erstmals belegt, erstaunlicherweise bereits in übertragener, metonymischer Verwendung (s.u.). Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die spielsprachliche Bedeutung ‘Trumpf(karte)’ schon vor diesem Zeitpunkt im Italienischen bekannt war. Ab 1905 wird atout zunehmend in der Bedeutung ‘(Sport)-Ass’ verwendet,215 die heute nicht mehr üblich ist. In der Nachkriegszeit erfuhr atout einen doppelten Bedeutungswandel: Zum einen wurde es auch außerhalb der Spiel- und Sportsprache, bevorzugt im politischen Kontext, verwendet, z.B. la figura di una vittima del fascismo e, insieme, di un «atout» di riserva della monarchia […] (01/11/1956, 3).
Während der Sportkontext in den 1930er Jahren noch ein Drittel aller Vorkommen im ASLS ausmachte, waren es in den 1960ern nur noch ca. 6%. Zum anderen fand während des Faschismus ein Bedeutungswandel hin zur heute noch 215 Der erste Beleg dieser Art referiert auf zwei Rennpferde: «La scuderia del principe Doria si presenta con due atout di primo ordine, e crediamo che Onorio e Campidoglio non vorranno lasciarsi sfuggire la bella moneta», CDS 03/09/1905, 2. Zugleich war die Spielbedeutung noch üblich, cf. Piazzi (1911, s.v. atout): «la carta migliore del giuoco».
360
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
üblichen Bedeutung ‘Vorzüge; gute Gewinnchancen’ statt (essere un atout > avere degli atouts; cf. Venturini 1942 und Bascetta 1962); einige Beispiele: É una donna che ha ancora i suoi atouts (27/08/1949, 3). […] malgrado tutto, la laurea rappresenti ancora un atout nel furioso poker della vita (09/06/1954, 3). Inutile, almeno oggi, sottolineare gli atouts dei nostri corridori (10/04/1953, 5).
Ersetzt wurde der Gallizismus in der Bedeutung ‘Sport-Ass’ von dem ebenfalls aus der Spielsprache entlehnten asso (nicht etwa briscola) sowie zuletzt zunehmend von fuoriclasse.216 In der ursprünglichen Spielbedeutung sowie in der übertragenen Bedeutung ‘Vorzüge; gute Gewinnchancen’ ist atout in der italienischen Sprache bis heute erhalten. (SPORT-)ASS
atout (subst.m.inv.)
Etym.
< frz. atout
Erstb.
(«la casa Rizzoli ha nel suo giuoco un atout impareggiabile: il maestro Verdi», CDS //, ; NDM/Zing. : )
Bed.
Cerchiari (): «Campione di sicuro avvenire affermatosi più volte vittoriosamente» (s.v. fuori classe) Bascetta (): «nel linguaggio sportivo è voce usata per indicare le possibilità di successo di un atleta»
SubV
fuori classe (Jàcono ; bereits in Cerchiari ), fuoriclasse: Analogie asso (CIL –): Analogie *coefficiente di vittoria (Sassi ): Paraphrase *concorrente quotato (Sassi ): Paraphrase *trionfatore (Jàcono ): Analogie #campione (Jàcono ) #giuocatore (Sassi ) #qualità principale (Venturini )
Als Gattungsname trat challenger im Italienischen erstmals im Zusammenhang mit der weltältesten Segelregatta America’s Cup auf, die seit 1851 rings um die britische Isle of Wight ausgetragen wird. Dabei trat jeweils ein herausfordernder Yachtclub (challenger) gegen den zuvorigen Titelverteidiger an. Im Zuge der Ausbreitung des Yachtsports in Italien wurde diese Bedeutung auf andere Regatten übertragen (siehe Erstbeleg) und schließlich in den 1920er Jahren auf Box- und an-
216 Erstbeleg: 1911 (NDM; Nichil 2018, 154).
361
4.9 Weitere Sportkonzepte
100 % 90 %
12 %
9%
10 % 29 %
80 %
47 %
70 % 60 % 50 %
76 %
fuori classe asso atout
85 %
89 %
40 %
68 %
30 %
50 %
20 % 10 %
12 %
2%
5%
1920-29
1930-39
1940-49
0%
3% 1950-59
3% 1960-69
Abbildung 93: Onomasiologisches Profil für (SPORT-)ASS (ASLS, 1920–1970).
dere Sportwettkämpfe. Die allgemeinsprachliche Übersetzung sfidante verdrängte challenger zunehmend und ist bereits in den 1920er Jahren etwas häufiger belegt.217 Das von Jàcono 1939 zusätzlich vorgeschlagene campione hat nicht dieselbe Referenz, wie Beispiele wie folgendes zeigen: Il match per il titolo di campione europeo dei pesi gallo, fra il detentore Bernasconi, campione italiano, e lo sfidante Flix, campione spagnuolo (19/09/1929, 7),
und wurde daher ausgeschlossen. TITELHERAUSFORDERER challenger (subst.m.inv.) Etym.
< engl. challenger ‘Herausforderer’ (OED)
Erstb.
(«si è varato l’yacht Marmar, challenger della Coppa di Nizza», //, ; NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Pretendente al campionato di qualsiasi categoria. Detentore di un premio challenge obbligato a raccogliere le sfide dei singoli pretendenti» Bascetta (): «detentore del titolo, o chi concorre alla gara detta challenge» VTO: «Nel linguaggio sport., sfidante, aspirante a un titolo, concorrente di un challenge; in partic., nel pugilato, il pugile detentore di un titolo in palio (es., il ch. europeo dei pesi medî) o, anche, chi lo sfida»
SubV
sfidante (Jàcono ; CIL –; zuvor bereits in Cerchiari ): Strukturübertragung *sfidatore (De Luca ; Sassi ): Archaismus #campione (Jàcono )
217 Im ASLS erstmals 1920 im Kontext des Boxsports belegt (06/09/1920, 4). 218 Auch bereits in Zangrilli (1921).
362
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 % 90 % 80% 70 %
53 % 72 %
60 %
89 %
50 %
93 %
97 %
11 %
7%
1940-49
1950-59
3% 1960-69
40 %
sfidante challenger
30 % 20 %
47 % 28 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
Abbildung 94: Onomasiologisches Profil für TITELHERAUSFORDERER (ASLS, 1920–1970).
Nach Meinung von Fabio Rossi (2003) ist die anfänglich aus dem Englischen entlehnte Terminologie des Schwimmsports mittlerweile durch italienische Lexeme ersetzt worden: Nel nuoto e nella pallanuoto sono decaduti molti forestierismi rispetto al periodo iniziale delle discipline e anche rispetto al testo del regolamento: [...] over arm stroke ‘sistema di nuoto’; planche ‘nuotata sul dorso’; scratches ‘gare in linea’; water-polo ‘pallanuoto’. È tuttora utilizzato almeno crawl ‘stile di nuoto’.
Ital. crawl ist neben water-polo in der Tat auch das einzige Fremdwort aus dem Schwimmsport, das in der ersten Jahrhunderthälfte mehr als 20 Belege im ASLS aufwies.219 Neben dem seit 1915 belegten Anglizismus crawl wird das Konzept KRAULEN im Italienischen durch das Lexem stile libero ausgedrückt (cf. hierzu NDM; Zing. 2019, s.v. nuoto; VTO und ETO: «crawl, oggi universalmente adottato nel n. stile libero»). Der ‘Freistil’ ist eigentlich eine Wettkampfform, bei der jeder Schwimmstil erlaubt ist. Da aber Kraulen als schnellste Schwimmart gilt, wird es in der Wettkampfpraxis praktisch immer bevorzugt.220 Unter Berücksichtigung dieses Sprachgebrauchs wurde in der Frequenzerhebung stile libero als Synonym von crawl behandelt. Der Begriff war vor seiner Verwendung im
219 Des Schwimmens war während des Faschismus tatsächlich nur sehr wenige Italiener mächtig, nach Schätzungen gerade einmal 0,1% (Impiglia 2009, 38). 220 Siehe auch https://it.wikipedia.org/wiki/Stile_libero [letzter Zugriff: 25.09.2020]: «Quello che nell’immaginario comune erroneamente si ritiene lo ‘stile libero’ in realtà è il crawl [...]. Il fatto che nelle gare di stile libero venga usato il crawl è a discrezione del nuotatore, anche se essendo lo stile più propulsivo al minor costo energetico praticamente è l’unico usato in questo tipo di gara. Oltre al crawl, nel passato per le prove a stile libero veniva adottato lo stile overarm o trudgen.»
4.9 Weitere Sportkonzepte
363
Schwimmsport seit etwa 1923221 u.a. im Fechten, Ringen und der Gymnastik üblich. Der ‘Krauler’ wird im Italienischen entsprechend crawlista (NDM: 1905, noch immer üblich) oder stilliberista (Zing. 2019: 1960) genannt. KRAULEN crawl (subst.m.inv.) Etym.
< engl. crawl
Wortb.
crawlista (NDM: ; ASLS: //, ; Zing. : )
Erstb.
(«Come mai un uomo può compiere una impresa così straordinaria, vincendo con soli mezzi muscolari la resistenza dell’acqua, avanzando in uno specchio di acqua ferma alla velocità media oraria di sei chilometri ed oltre? La risposta è abbastanza semplice: nuotando il crawl, che oggi è reputato giustamente il metodo natatorio più redditizio per i percorsi brevi», Lo Sport Illustrato , , ; NDM: )
Bed.
Sassi (): «nuoto di velocità sul petto, e colle gambe» Jàcono (): «modo di nuotare sul petto a testa immersa (di origine australiana)» () Bascetta (): «(nuoto): sistema di nuoto australiano, modificazione del trudgeon; fatto conoscere da Dick Cavill nel »
SubV
*un di petto (Sassi ): Paraphrase *nuoto a chiglia (Jàcono ): Paraphrase *nuoto a striscio (Jàcono ): Paraphrase *striscio (CIL –): Strukturübertragung Fremdwort akzeptiert von Sassi () und Palazzi ()
Syn.
stile libero: Fachterminus
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
96 %
94 %
95 %
97 %
96 %
4% 1920-29
6%
5%
1930-39
1940-49
3% 1950-59
4% 1960-69
40 %
stile libero crawl
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 95: Onomasiologisches Profil für KRAULEN (ASLS, 1920–1970). 221 So belegt im ASLS: «Metri 60 a rana [...] Metri 60 over [...] Metri 60 stile libero [...]» (27/08/ 1923, 4).
364
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4.9.3 Italianisierungen nach 1930 Unter den allgemeinen und sportartenübergreifenden Fremdwörtern, die nach 1930 dauerhaft – wenn auch nicht immer vollständig – ersetzt wurden, finden sich neben drei Lexemen aus dem Eislauf- und Rollschuhsport, patinoire, skating-rink und skating, die Sportartenbezeichnungen water-polo, ju-jitsu und die Personenbezeichnungen recordman, sprinter und poulain sowie das Lexem defaillance. Die Fremdwörter patinoire ‘Eislaufbahn’, skating(-rink) ‘Rollschuhbahn’ und skating ‘Rollschuhlauf’ erinnern an die Zeit, als Eis- und Rollschuhlauf in Italien vor allem ein Freizeitvergnügen war. Im Nordwesten Italiens war der Eiskunstlauf seit den 1870er Jahren bekannt und im Turiner Parco del Valentino entstand die erste patinoire Italiens (Manzo/Peirone 2005, 50):
EISLAUFBAHN
patinoire (subst.m.inv.)
Etym.
< frz. patinoire (Monelli , : «neologismo anche in francese, e di data recentissima: il Petit Larousse ha cominciato a registrarlo solo dopo il »; TLF: )
Erstb.
(«Una Società di distinti cittadini si è assunto di costrurre, con spesa di lire, una ghiacciaia, patinoire, nel detto giardino; dopo anni quella ghiacciaia diventerà proprietà del Municipio. Così, senza spesa, si avrà un nuovo abbellimento», //, )
Bed.
Monelli (): «luogo dove si pattina» () Bascetta (): «campo di pattinaggio»
SubV
campo di pattinaggio (Sassi ): Paraphrase pattinatoio (Monelli /; Palazzi ; Jàcono ): Strukturübertragung
Syn.
ghiacciaia (ASLS; cf. auch Erstbeleg): Analogie pista di/da/per pattinaggio (ASLS //, ): Strukturübertragung (von frz. piste de patinage)
222 Jàcono (1939, s.v. patinoire): «allora non è male ricavare un Pattinatoio (per analogia con Trottatoio, Galoppatoio, Corridoio) da quel Patinoire che è neologismo anche in francese («luogo dove si pattina»). Sarebbe strano, in verità, che, avendo già ridotto a forma italiana Patin e i suoi derivati, continuassimo a lasciar francese nudo e crudo soltanto Patinoire»; im ASLS seit 1924 belegt (02/02/1924, 6).
4.9 Weitere Sportkonzepte
365
Abbildung 96: Onomasiologisches Profil für EISLAUFBAHN (ASLS, 1920–1970).
Die Frequenzdaten im ASLS sind möglicherweise in besonderem Maße für die Region Piemont charakteristisch. Die Nähe zu Frankreich und die besondere Beliebtheit des Eislaufens in Turin, dem Erscheinungsort der Gazzetta Piemontese bzw. ab 1895 von La Stampa, mögen zur relativ langen Lebensdauer von patinoire im ASLS beigetragen haben. In modernen Wörterbüchern des Italienischen sucht man vergeblich nach dem Fremdwort, obwohl seine Verwendung konstant bis 2005 im ASLS nachgewiesen ist. Das Fremdwort skating hatte zwischenzeitlich vier Bedeutungen: ‘Rollschuhlauf, Rollschuhfahren’, ‘Rollschuhbahn’ (als Ellipse für skating-rink,223 siehe das
223 Zur Variation von -rink und -ring und damit der korrekten Etymologie der Entlehnung fand in der Gazzetta Piemontese eine interessante laienlinguistische Diskussion statt, die hier wiedergegeben werden soll. Nachdem die Zeitung am 19.05.1876 auf Seite 2 über die Eröffnung einer Rollschuhbahn in Turin unter der Überschrift «Skating Ring (Ring e non Rink)» berichtet hatte (cf. Erstbeleg), wurde am 21.05.1876 ein Leserbrief eines gewissen Carlo Rochat abgedruckt: «Pregmo Signore, Lessi ieri sulla Piemontese, dalla S. V. Pregma diretta, le parole Skating-Rink con g finale a Rink invece di k. Mi permetta, pregmo signor Direttore, farle osservare che Rink è parola proveniente dall’America e si scrive effettivamente con k. Invece che Ring scritto con g sarebbe parola inglese che significa anello, e non ha nissun significato unito alla parola Skating.» (1). Es folgte ein weiterer, anonymer Leserbrief, der dagegen die Legitimität einer Anlehnung an engl. ring betonte: «G e non K. - Ci scrivono: Noi non sappiamo se in inglese vi sia la parola rink, almeno non l’abbiamo trovata nei dizionarii. Vi trovammo invece la parola ring, la quale non ha solo il suo significato primitivo di anello, ma, per estensione, anche quello di circolo di persone. E vi troviamo pure la locuzione di ring leader, per indicare il capo di una fazione. Può quindi stare, crediamo, benissimo quella di skating ring per indicare un’accolta di persone che si adunino collo scopo di pattinare, e skating ring si chiamano
366
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Beispiel «un campo di rugby, un campo di tennis e pallacanestro, un teatro romano, piste per corse, salti e lanci, uno skating, due piscine», 23/07/1929, 3), ‘Rollschuhe’ (siehe Beispiel: «Londra senza trams / I cittadini a piedi, in bicicletta, in skating […]», 23/03/1924, 6) und ‘Technik im Skilanglauf’ (ital. auch [passo] pattinato). Die häufigsten224 (und ältesten) Verwendung betreffen die ROLLSCHUHBAHN sowie das ROLLSCHUHLAUFEN. ROLLSCHUHBAHN skating-rink (subst.m.) skating-ring, skating Etym.
< engl. skating-rink (NDM; OED, s.v. skating n.: ), evtl. vermittelt durch frz. skating(-rink) (GR: )
Wortb.
skatineggiare («anche i pattinatori e le pattinatrici milanesi potranno cavarsi il gusto di scivolare sullo Skating Rink, o di skatingeggiare [sic], come dicono, a un di presso, i francesi», CDS //, )
Erstb.
(«Skating Rink. - Giovedì prossimo nella ex-palazzina Borani presso Piazza d’Armi sarà aperto questo nuovo stabilimento; quasi tutto il pian terreno di quell’edifizio non forma più che un salone solo con un pavimento lucidissimo e tersissimo alla veneziana, sul quale con pattini a rotelle ingegnosamente combinate, si potranno fare tutti quei graziosi giri, quelle ardite evoluzioni che finora erano riservate solo ai freddi giorni di gennaio», //, )
in fatti, con locuzione inglese, anche in Francia quelle società. Crediamo con ciò rispondere all’osservazione del sig. Rochat che difende il K affisso sulle mura di Torino» (22/05/1876, 2). Daraufhin meldete sich erneut Carlo Rochat zu Wort, dessen Leserbrief am 23.05.1876 abgedruckt wurde: «Ancora (e per l’ultima volta) sul k o sul g. - Riceviamo la seguente lettera: Torino, 22 maggio 76. Egregio sig. Direttore, Poichè è alla moda lo Skating-Rink e si fa questione sulla parola Rink se debbasi scrivere col k o col g, credo non sarà discaro a V. S. di conoscere la derivazione di detta parola. Da un vivace e giudizioso libricino pubblicato dai signori Rautledge, intitolato Rinks and Rollers, risulta che ‹la parola Rink fu importata negli Stati Uniti dalla Scozia, dove essa è applicata ai circoli tracciati sul ghiaccio attorno il segno a cui i curlers (*) mirano. Essa è semplicemente la vecchia parola ring (circolo, anello), l’anglo-sassone hrineg, e lo scozzese ha un verbo to rink, che significa far strepito, far rumore (meaning to rattle, to make a noise), un frequentativo del verbo to ring (suonare).› È superfluo aggiungere che skating deriva dal verbo to skate, che vuol dire: ballare sul ghiaccio, pattinare» (2). Dennoch waren beide Varianten bis in die 1930er Jahren üblich, allerdings mit einer Bevorzugung des (eigentlich unetymologischen) skating-ring (772 gegenüber 540 Treffern für skating-rink bis 1920), vielleicht als Folge einer Annäherung an das seit 1881 im Italienischen belegte ring ‘Boxring’, ‘Führring einer Pferderennbahn’. 224 Die Kürzung ist 1876 erstmals belegt: «presa esatta conoscenza del modo con cui si eseguirono in Londra gli Skating» (CDS 15/09/1876, 3).
4.9 Weitere Sportkonzepte
367
(fortgesetzt ) ROLLSCHUHBAHN skating-rink (subst.m.) skating-ring, skating Bed.
De Luca (): «recinto per corrervi sui pattini» Cerchiari (): «Sala o pista per lo skating costituito da una superficie perfettamente levigata e diritta» Monelli (): «luogo artificialmente allagato e fatto ghiacciare, o pavimento preparato per pattinare in un modo o nell’altro» ()
SubV
pattinatoio (Jàcono ; CIL –): Analogie (ursprünglich für ‘Eislaufbahn’, s.o.) #pattinaggio a rotelle (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Analogie *sdrucciolatoio (De Luca ): Neuformation *scatinatoio (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Neuformation *sala da scatinare (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase
Syn.
pista da/di/per pattinaggio: Strukturübertragung (von frz. piste de patinage) sala di pattinaggio (Cerchiari ): Paraphrase *schetinoire (Monelli /; Jàcono ): Neuformation (Kontamination aus der assimilierten Form von skating und patinoire)
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
2% 3% 3% 9%
12 % 6%
80 %
79 %
1920-39
3% 1950-69
sala di pattinaggio pattinatoio pista per pattinaggio pista da/di pattinaggio skating(-rink)
Abbildung 97: Onomasiologisches Profil für ROLLSCHUHBAHN (ASLS, 1920–1970).
Die Popularität des Rollschuhlaufens um die Jahrhundertwende scheint während des Faschismus und in der Nachkriegszeit deutlich nachgelassen zu haben, berücksichtigt man die Konzeptfrequenz für ROLLSCHUHBAHN von 94 für den gesamten Zeitraum 1920–1970 (gegenüber den 1.312 Belegen zwischen 1876 und 1920 allein für das Fremdwort skating-ring / skating-rink im ASLS). Besonders in der Nachkriegszeit tritt das Konzept kaum noch in Erscheinung.
368
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Zur Bezeichnung des ROLLSCHUHLAUFENS diente zunächst nicht das seit 1882 (Zing. 2019) belegte skating, sondern das aus dem frz. patinage entlehnte pattinaggio. Für eine Entlehnung von skating durch die Vermittlung des Französischen spricht, dass der Rollschuh- und Eislauf zunächst im Piemont und in der Lombardei aus Frankreich eingeführt wurde und neben patinoire ‘Eislaufbahn’ auch die Scheinentlehnung schetinoire ‘Rollschuhbahn’ (cf. Monelli 1933, 291; Jàcono 1939, 353) in Umlauf kam. Jedenfalls bezeichnete ital. pattinaggio sowohl das EIS- als auch das ROLLSCHUHLAUFEN und bedurfte daher alsbald einer lexikalischen Spezifizierung. Zudem erwies sich die Polysemie von skating (‘Aktivität’, ‘Ausübungsort’ und ‘Sportgerät’) als ungünstig. Für das gegenüber dem EISKUNSTLAUF seltenere und als Sportart weniger professionalisierte Konzept ROLLSCHUHLAUFEN setzte sich daher als Alternative zu skating ab ca. 1930 pattinaggio a rotelle durch:225
ROLLSCHUHLAUFEN skating (subst.m.inv.) Etym.
< engl. roller-skating (NDM; OED: ) oder vermittelt durch frz. skating (cf. Monelli , und GR)
Wortb.
schettinare (obsolet: skatinare, scattinare) ‘Rollschuhfahren, Eislaufen’ (Zing. : )
Erstb.
(Zing. ; NDM: )
Bed.
Jàcono (): «pattinaggio, ma noi, seguendo i francesi, l’usiamo per indicare il pattinaggio con rotelle»
SubV
pattinaggio a rotelle (Sassi ; Monelli /; Palazzi ): Strukturübertragung (von frz. patinage à roulette, cf. Monelli , ) pattinaggio (Jàcono ; Palazzi ): Analogie *pattinare a rotelle (subst.m.) (Natali ): Paraphrase *pattinaggio con le rotelle (Monelli /; Palazzi ): Paraphrase
Syn.
schet(t)inaggio/scatinaggio (Jàcono , ; Palazzi ; Monelli ): morphonologische Assimilation
225 Erstmals belegt im ASLS in der Ausgabe vom 23/12/1878, 3. 226 Entlehnt von frz. patinage (cf. NDM; Monelli 1933, 291), Erstbeleg 1876: «Una Società inglese sta trattando coll’amministrazione d’uno dei nostri teatri per istituire uno Skating-Ring (Circolo di pattinaggio sopra rotelle). Il Circolo sarà formato di maestri e di soci d’ambo i sessi, così vedremo fiorire anche fra noi una bella schiera di pattinatori e di pattinatrici gentili», CDS 15/04/1876, 2; NDM: 1880.
4.9 Weitere Sportkonzepte
100 % 90 %
1% 10 % 2%
1% 4%
2% 2%
74 %
81 %
89 %
12 % 2% 1950-59
9% 2% 1960-69
369
80 % 70 % 60 %
90 %
50 % 40 %
88 %
30 %
pattinaggio su rotelle scatinaggio/schettinaggio pattinaggio a rotelle pattinaggio skating
20 % 17 %
10 % 0% 1920-29
7% 3% 1930-39
4% 1940-49
Abbildung 98: Onomasiologisches Profil für ROLLSCHUHLAUFEN (ASLS, 1920–1970).
Die Frequenzdaten dieses onomasiologischen Profils deuten nicht nur auf die Substitution des Fremdworts, sondern auch auf die offenbar sinkende Beliebtheit des Rollschuhsports hin. In den 1950er Jahren wurde das Fremdwort nicht mehr als zeitgemäß empfunden, wie folgender Beleg zeigt: Intanto si era sviluppata un’altra passione: la bicicletta. Poi venne la scherma. Poi il tennis. Poi il pattinaggio (o «skating», come si diceva allora [gemeint ist der Beginn des 20. Jahrhunderts; GS]) (30/11/1954, 2).
Der Erstbeleg von ital. water-polo ‘Wasserball’ von 1898 (s.u.) lässt vermuten, dass auch dieses Fremdwort nicht direkt aus dem Englischen, sondern durch Vermittlung des Französischen entlehnt worden sein könnte. Fast die Hälfte aller Referenzen auf diese in Italien bald populäre Sportart ist in den 1920er Jahren bereits durch das seit 1899227 übliche, analytische Lexem palla a nuoto italianisiert. Ab 1930 setzt sich die synthetische Form pallanuoto durch (seit 1927 belegt, cf. NDM). Interessant ist dabei, dass die Ersetzung der Derivation waterpolista durch pallanuotista erst zeitlich versetzt erfolgte und waterpolista noch in den 1940er Jahren häufiger verwendet wurde (siehe Abb. 100), wie auch folgendes Beispiel illustriert: Si prepararono a Torino i nostri waterpolisti [Überschrift] La squadra di palla a nuoto italiana [...] (03/08/1948, 4).
Ein Grund für die schnelle, wenn auch nicht vollständige Ersetzung von waterpolo liegt vielleicht in der wahrgenommenen Nähe zum semantisch devianten 227 Siehe CDS: «Domani, domenica, si aprirà il Bagno di Diana, nel quale quest’anno le gare di nuoto e salti in acqua, nonchè il giuoco della «Palla a nuoto» (Water Polo) che la Società milanese di nuoto Nettuno eseguirà per la prima volta in Italia» (13/05/1899, 2).
370
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Anglizismus water (closet), der bereits seit 1830 im Italienischen üblich war (Zing. 2019). WASSERBALL
water-polo (subst.m.inv.) water polo, waterpolo
Etym.
< engl. water-polo (OED: ), eventuell durch Vermittlung des frz. waterpolo (GR: )
Wortb.
waterpolistico (//, ), waterpolista (//, )
Erstb.
(«Ora leggiamo nel Figaro che a Parigi, dopo il polo a cavallo e dopo il water-polo, ossia il polo in acqua, in uno dei principali Circoli parigini, nel Nouveau-Cirque, si è impiantato il polo in bicicletta, nel quale la palla è lanciata dalla routa direttrice o motrice della bicicletta», CDS //, ; Zing. : ; NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Giuoco del pallone nell’acqua con regole comuni al foot-ball» Palazzi (): «una specie di giuoco del calcio che si fa nell’acqua; ed è chiamato italianamente palla-nuoto»
SubV
palla a nuoto (Sassi ; Jàcono ; Palazzi ; Cicogna ): Paraphrase pallanuoto (Jàcono ; Migliorini ): Neuformation palla in acqua (Sassi ): Paraphrase *giuoco della palla nell’acqua (De Luca ): Paraphrase *gioco del calcio in acqua (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase *palla a calcio in acqua (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Paraphrase
Syn.
*polo nautico (Zangrilli ): Strukturübertragung
Fremdwörtern aus dem asiatischen Raum wurde von den puristischen Quellen eher geringe Beachtung geschenkt (cf. auch das Beispiel mahjong unter 4.10.1). Dies lässt sich auf deren Seltenheit und ihre häufig ausschließliche Verwendung als Exotismen zurückführen, möglicherweise aber auch auf mangelnde politische Motivation, die den Purismus gegenüber Anglizismen und Gallizismen mitbegründete. Die japanische Kampfkunst Jiu-Jitsu, die im Italienischen seit 1905 in verschiedenen Varianten belegt ist, erwähnt nur Monelli 1943 und schlägt zur Substitution lotta giapponese vor. Diese Umschreibung lässt sich im ASLS bereits seit 1906 nachweisen: Per ultima si svolge la lotta giapponese jiu-jiutsu (08/03/1906, 2). […] la difficoltà di lotta giapponese (jiu-jitsu) (27/08/1936, 4).
228 In CDS erstmals 1929 (19/08/1929, 2). 229 Seit 1908 belegt (Nichil 2018, 22, Fn. 52).
4.9 Weitere Sportkonzepte
371
100 % 90 % 80 %
46 %
44 %
70 % 60 %
90 %
50 %
97 %
98 %
1% 2% 1950-59
1% 1% 1960-69
40 % 30 %
54 %
47 %
palla in acqua pallanuoto palla a nuoto water-polo
20 % 10 %
9%
0% 1920-29
1930-39
6% 4% 1940-49
Abbildung 99: Onomasiologisches Profil für WASSERBALL (ASLS, 1920–1970).
100 % 90 %
22 %
80 %
48 %
70 % 60 % 50 % 40 %
96 %
99 %
4% 1950-59
1%
78 %
30 %
pallanuotista waterpolista
52 %
20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1960-69
Abbildung 100: Onomasiologisches Profil für WASSERBALLSPIELER (ASLS, 1920–1970). Soltanto due colpi di Jiu-jutsu, la lotta giapponese appresa alla Legione Allievi di Roma (08/02/1938, 2).
Auch wurde der 1924 gegründete Jiu Jitsu-Verband Federazione Ju-Jitsuista Italiana 1927 in Federazione Italiana Lotta Giapponese umbenannt. Costa (1999) merkt jedoch an: «Di fatto [...] l’insegnamento del Ju-Jitsu era spesso abbinato a quello del Judo, tanto che le federazioni appena citate contemplavano entrambe le discipline» (83). Lotta giapponese fungiert im ASLS schließlich zunehmend als Oberbegriff auch für andere Kampfsportarten wie Sumo, Judo, Aikido, ab den 1960er Jahren auch für Karate, cf. die Beispiele
372
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Il «sumon» lotta giapponese non teme concorrenza (09/11/1937, 2) oder nella palestra della Società Ginnastica di Torino, avranno luogo i primi campionati regionali di Judo (lotta giapponese) […] (13/01/1955, 5).
In der Datenerhebung blieben daher alle Treffer für lotta giapponese, die im Zusammenhang mit anderen Kampfsportarten erwähnt werden, unberücksichtigt. Die übrigen Vorkommen, teilweise mit nicht vollständig geklärter Referenz, wurden im onomasiologischen Profil berücksichtigt. Tendenziell könnte die onomasiologische Stärke von lotta giapponese daher geringer sein als in Abb. 101 dargestellt. JIU JITSU
jiu-jitsu (subst.m.inv.) ju-jutsu, jiujitsu, jiujutsu, jujitzu
Etym.
< japan. jūjutsu (NDM)
Erstb.
(«Se il freddo non è troppo intenso, si tengono sul ponte dei tornei di jujitzu – una singolare lotta giapponese, nella quale la forza è spesso un elemento negativo», CDS //, [Reisebericht]; NDM: )
Bed.
Monelli (): «il giùgizu fu una delle diciotto arti insegnate ai Samurai, e consisteva nel comattere ed offendere sfruttando a proprio vantaggio la forza dell’avversario, senza l’uso delle armi» VTO: «Metodo di lotta giapponese di offesa e di difesa personale senza armi (anche contro un avversario armato), da cui è derivato il judo»
SubV
lotta giapponese (Monelli ): Paraphrase
Syn.
giu-gitsu: grafische Assimilation
100 %
2%
2%
90 % 80 % 70 %
45 % 61 %
60 %
76 %
50 %
89 %
83 %
11 %
15 %
1950-59
1960-69
40 % 30 % 20 %
55 % 39 % 22 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 101: Onomasiologisches Profil für JIU JITSU (ASLS, 1920–1970).
giu-giutsu lotta giapponese j(i)u-jitsu
4.9 Weitere Sportkonzepte
373
Ein Scheinanglizismus, der wahrscheinlich über das Französische in die italienische Sprache gelangt ist, ist recordman ‘Rekordhalter’, das sich an andere Anglizismen der Sportsprache auf -man (sportsman, gentleman, tennisman, rugbyman, yachtsman) anlehnt.230 Da record bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts in der Sportsprache in Konkurrenz zu seinem Synonym primato stand, lag die Derivation primatista nah, die sich seit 1934 in der Pressesprache findet.231 Das Teillehnwort recordista blieb dagegen erfolglos. Die sperrigeren Phrasen detentore bzw. possessore di record (bzw. di un/del record bzw. primato) haben insbesondere nach 1940 nur einen geringen Einfluss und dienten vermutlich vorrangig der lexikalischen Variation. Seit 1940 stabilisiert sich das Fremdwort mit einer onomasiologischen Stärke von ca. 15% neben dem salienten primatista. In die Erhebung wurden aufgrund der hohen Konzeptfrequenz auch Treffer einbezogen, die sich nicht auf den Sport beziehen. REKORDHALTER recordman (subst.m.inv.) recordmann, record-man Etym.
< frz. recordman (GR: ) < engl. record + man (Scheinanglizismus)
Erstb.
(«Il colonnello Cody sopranominato dai suoi compatrioti il re dei cowboys del Far-West assistendo all’arrivo trionfale di Terroat reduce in bicicletta da Pietroburgo, ebbe l’idea di lanciare la seguente sfida al recordman di Pietroburgo-Parigi: Una corsa di dodici ore tra il ciclista senza allenatore e lui, Cody, a cavallo», CDS //, ; NDM: )
Bed.
De Luca (): «vincitore di una gara, chi compie un’impresa per primo e non è ancora sorpassato da altri» Palazzi (): «detentore di record; primatista»
230 Cf. Winter-Froemel (2011, 60, Fn. 34). 231 In folgendem Beispiel aus dem Motorbootssport: «l’importanza e l’interesse di così larga partecipazione sta soprattutto nelle altissime velocità ormai raggiunte in tutte le serie della categoria ‹corsa› e ne è luminoso esempio l’atuale [sic] primato della più piccola cilindrata – il litro e mezzo – che è oggi il più veloce dei migliori dei dodici litri, di appena tre anni fa, il ‹Sadi› del franco-argentino Etchegoin che per lungo tempo fu primatista mondiale alla media di 106», Il Littorale 11/09/1934, 4; NDM/Zing. 2019: 1941.
374
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) REKORDHALTER recordman (subst.m.inv.) recordmann, record-man SubV
detentore del primato (Sassi ; Venturini : detentore di un primato): Paraphrase detentore di record (Palazzi ): Paraphrase primatista (Palazzi ; CIL –; Panzini ): Strukturübertragung possessore d’un primato (Jàcono ): Paraphrase #primeggiante (Jàcono ) #vincitore (Cerruti/Rostagno ) #campione (Monelli /: «Inutile dire che dobbiamo uccidere definitivamente recordman; c’è campione che non vuol dire altro e ci sono altri giri di frase chiari e nostri», , ; Cerruti/Rostagno ; Jàcono ) Fremdwort akzeptiert von De Luca ()
Syn.
detentore d’un/di un record (cf. Jàcono : «orribile locuzione» []): Paraphrase recordista (cf. CIL –): Strukturübertragung detentore di un primato (cf. Venturini ): Paraphrase possessore di un/del primato: Paraphrase possessore di un/del record: Paraphrase
1%
100 % 90 %
17 %
12 %
1% 6%
5% 5%
12 %
80 % 70 %
18 %
60 % 50 % 40 %
4% 3%
79 %
74 %
78 %
13 %
16 %
15 %
1940-49
1950-59
1960-69
83 %
30 %
57 %
20 % 10 %
possessore di/del primato possessore di/del/ di un record recordista detentore di/del/ di un record detentore di/del/ di un primato primatista recordman
0% 1920-29
1930-39
Abbildung 102: Onomasiologisches Profil für REKORDHALTER (ASLS, 1920–1970).
232 Kritik an detentore für recordman kommt von Paolo Monelli: «Brutto è il verbo detenere detto a questo proposito, e detentore; detenere da noi significa impedire, trattenere, tener prigione, tenere indebitamente; e detentore è generalmente il possessore di cosa rubata o vietata. [...] detentore è possessore, anche titolare» (Monelli 1943, 295).
4.9 Weitere Sportkonzepte
375
Der Anglizismus sprinter war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Sportarten gebräuchlich: Anfangs v.a. im Rad- und Reitsport sowie in der Leichtathletik, später auch im Motorsport. Velocista, eine Italianisierung, die in den 1920er Jahren aufkam,233 setzte sich sofort erfolgreich gegenüber sprinter in allen Kontexten durch. In der Nachkriegszeit kam allerdings noch die Neuformation scattista hinzu.234 Vermutlich in Analogie zur Ersetzung von sprint durch scatto (als Ersatzlexem von Sassi 1927 sowie von Palazzi 1939, CIL 1941–1943, Migliorini 1942 und Venturini 1942 empfohlen) und mithilfe des produktiven Wortbildungssuffixes -ista gebildet, wurde diese Neubildung nach Ende des FFP zum «Selbstläufer». Die Entwicklung des onomasiologischen Profils seit 1940 zeigt auch, dass eine hohe lexikalische Streuung – ähnlich zu anderen Konzepten mit Personenreferenz in dieser Untersuchung, z.B. FUSSBALLFAN, MANNSCHAFTSKAMERAD, REKORDHALTER – offenbar dem in der Sportberichterstattung typischen Bedürfnis nach lexikalischer Variation entspricht. So erklärt sich möglicherweise auch die leichte Wiederbelebung von sprinter. SPRINTER
sprinter (Sost.mask. und fem.inv.)
Etym.
< engl. sprinter (NDM; Caretti , vermutet zusätzlich frz. Herkunft, cf. frz. sprinter [GR])
Wortb.
routier-sprinter (cf. ..)
Erstb.
(«Per coloro che, senza essere sprinters aspiranti alla celebrità, desiderano, tuttavia, sgranchirsi le gambe in una breve corsa su strada, il nostro Biciclettisti-Club organizza una gara pel mattino di domenica», //, ; NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Cavallo di velocità per corse brevi. // Corridore specializzato nelle corse di breve tratto // Sforzo finale presso il traguardo» Venturini (): «colui che ha attitudini speciali per le corsi brevi» Bascetta (): «VELOCISTA, chi ha lo scatto finale, il guizzo» VTO: «Nel linguaggio sport., atleta o cavallo dotato di molto sprint; in corse podistiche e ciclistiche, corridore specializzato in gare su pista o di breve percorso, velocista»
233 Der erste Beleg datiert auf 1920: «É senza dubbio vivissima l’attesa per conoscere i vincitori della gara di velocità. I nostri sprinters alle Olimpiadi non hanno fatto in complesso ottima figura, nei riguardi dei famosi specialisti esteri. In questa categoria vi è in parte nostra una netta e decisa inferiorità di classe, ma non è detto che i velocisti italiani non debbano migliorare» (18/08/1920, 2; NDM: 1939). Zangrilli gibt velocista in seinem Sportwörterbuch von 1921 bereits als Erklärung für sprinter an: «Corridore di velocità. Velocista». 234 Erstmals belegt 1948: «La prova [...] varrà a mettere in rilievo le doti formidabili di scattista del chierese», 04/09/1948, 4; NDM: 1953.
376
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) SPRINTER
sprinter (Sost.mask. und fem.inv.)
SubV
velocista (De Luca ; Sassi ; Jàcono ; Palazzi ; Cicogna ; CIL –; Venturini ): Neuformation corridore velocista (Migliorini ): Paraphrase
Syn.
scattista (DSC; VTO: «Atleta particolarmente dotato di scatto; nell’atletica leggera, specialista dei e metri piani»): Strukturübertragung (analog zur Ersetzung sprint → scatto)
1%
100 % 90 % 80 %
1%
5%
96 %
90 %
75 %
3% 1940-49
6%
11 %
1950-59
1960-69
13 %
47 %
70 % 60 %
84 %
50 % 40 % 30 %
scattista corridore velocista velocista sprinter
53 %
20 % 10 %
16 %
0% 1920-29
1930-39
Abbildung 103: Onomasiologisches Profil für SPRINTER (ASLS, 1920–1970).
Der Gallizismus poulain ‘Zögling eines Sportlers/Trainers’ war in vielen Sportarten üblich, besonders in den Indivialsportarten Radrennen und Boxen. Zur Substitution wurden vorgeschlagen: principiante (nicht synonym), pupillo und allievo (semantisch allgemeiner und weniger affektiv als poulain und pupillo). Bei der Frequenzerhebung für allievo fiel die Tendenz zur Idiomatisierung der von den puristischen Quellen nicht erwähnten Kollokation allievo prediletto ins Auge. Bascetta (1962) hielt poulain für ersetzt durch allievo. Die Untersuchung bestätigt die Annahme der Substitution, zeigt aber für die Nachkriegszeit eine vergleichbare onomasiologische Stärke für pupillo. Poulain ist bis heute, auch außerhalb des Sportkontexts, im italienischen Wortschatz präsent.
4.9 Weitere Sportkonzepte
377
ZÖGLING EINES SPORTLERS/ TRAINERS
poulain (subst.m.inv.)
Etym.
< frz. poulain, ursprünglich ‘Fohlen’; GR: «( [...]) Sportif débutant (cosidéré par rapport à son entraîneur)»
Erstb.
(«il trainer della Milano, con una calma inglese ci assicura che i suoi poulains da Gaggiano ad Abbiategrasso guadagneranno un minuto», CDS //, [Rudern]; in Lo Sport Illustrato [Radsport]; NDM: )
Bed.
Zangrilli (): «Cavallo di meno di anni; in ogni sport: allievo di un trainer» Cerchiari (): «Termine generico per indicare gli allievi di un atleta affermatosi» Palazzi (): «in senso sportivo, allievo che viene preparato per un dato sport» NDM: «giovane atleta molto promettente spec. in quanto allievo prediletto di un allenatore | estens., in ambito politico, artistico, ecc., giovane molto promettente, che lascia ben sperare per il suo futuro»
SubV
allievo (De Luca ; Sassi [«allievo di un allenatore»]; Jàcono ; Palazzi ): Analogie pupillo (CIL – [Radsport]): Fachterminus #principiante (Jàcono )
Syn.
allievo prediletto: Paraphrase
100 %
11 %
90 % 80 %
50 %
5%
43 %
46 %
41 %
70 % 60 %
6%
52 %
70 %
allievo prediletto allievo pupillo poulain
9%
40 % 30 % 20 %
38 % 50 %
46 % 33 %
25 %
3% 1930-39
5%
10 % 0% 1920-29
1940-49
13 % 1950-59
3% 1960-69
Abbildung 104: Onomasiologisches Profil für ZÖGLING EINES SPORTLERS/TRAINERS (ASLS, 1920–1970).
378
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Der Gallizismus défaillance (der offenbar direkt aus der französischen Sportpresse übernommen wurde)235 bezeichnet eine ‘plötzliche körperliche Schwäche eines Sportlers oder einer Mannschaft’. Anfangs wurde das Lexem v.a. im Zusammenhang mit dem Radsport verwendet (Rossi 2003), ab den 1940er Jahren auch in metaphorischen Verwendungen: Numerosi partiti della nuova democrazia hanno già traversato la dura, qualche volta sconcertante esperienza di rivedere la propria linea, le proprie contraddizioni e deviazioni. La «defaillance», se così può chiamarsi, colpisce adesso i mastodonti politici, i «partitoni» che alle elezioni ultime balzarono sopra i loro piccoli concorrenti come gigantesche locomotive sulle erbe dei binari (23/08/1946, 1).
Défaillance ist in der Untersuchungsstichprobe das Fremdwort, für das in den puristischen Quellen die meisten Ersetzungsvorschläge vorgebracht wurden, nämlich 18. Nur für einen kleinen Teil dieser Ersatzlexeme konnte im ASLS jedoch tatsächlich Bedeutungsäquivalenz festgestellt werden. Monelli (1933) weist zurecht darauf hin, dass sich das Fremdwort auch mit verbalen Paraphrasen gut ersetzen lässt: La sostituzione dell’espressione straniera è più facile se si lascia da parte anche il verbo; invece di dire avere una défaillance si può dire perdersi d’animo, avere un momento di debolezza, d’abbandono, di fiacchezza, di abbattimento, mancare (così assolutamente), ecc. (100).
Untersucht wurden in der onomasiologischen Untersuchung nur nominale Ausdrucksvarianten, die zusätzlich zu ihrer Anzahl von der Schwierigkeit, einheitliche und eindeutige Suchbegriffe für die Kontextsuche zu bestimmen, geprägt war (gewählt wurde schließlich ). Die heute noch üblichen Synonyme scoppiatura236 und cotta237 weisen im Profil nur wenige Treffer auf, häufiger sind weniger fachsprachliche, allgemeine Begriffe wie (momento di debolezza) und (momento di) rilassamento. Letzteres weist in der Sportberichterstattung häufig
235 Cf. Monelli (1933): «Parola francese che da noi non esce generalmente dalla pratica e dalla cronaca sportiva; ove però impera, penetratavi con la lettura dell’Auto, giornale sportivo francese; ed ha cacciato di sede molte altre espressioni nostre ugualmente o più efficaci» (99). 236 Seit 1929 belegt (ASLS 27/07/1929, 3). 237 Das von keiner der puristischen Quelle erwähnt wird, obwohl es seit Mitte der 1930er Jahre belegt ist (09/06/1934, 5). Dass es sich in den Belegen um eine fachsprachliche Verwendung handelt, zeigen die Anführungszeichen: «Ha portato la maglia rosa dal momento in cui, tra la ‹cotta› di Valetti nella Torino-Genova e la sfortuna di Bartali nella Genova-Pisa, ha fatto l’improvvisata parte del terzo incomodo» (16/11/1939, 4), «É la sorte che tocca al ciclista che ha preso la ‹cotta› e che riesce ancora a celarla, quando gli scoppia un tubolare. La sua corsa finisce li» (26/02/1940, 4).
4.9 Weitere Sportkonzepte
379
eine negative Konnotation auf und wird damit synonym zu défaillance verwendet, wie aus Beispielen wie folgenden hervorgeht: Da questo momento il Milan ha la percezione che la partita sia perduta e si accascia in un inesplicabile rilassamento generale (17/10/1921, 4). I nostri spadisti hanno tirato in modo lodevolissimo. Minoli ha avuto qualche momento di rilassamento. Al momento opportuno però si è ripreso brillantemente (17/08/1928, 4). Il Napoli, per il quale si profila ormai una sconfitta catastrofica, parte alla riscossa e sorprende il Torino in un momento di inspiegabile rilassamento (07/12/1931, 4). La Roma ha tentato di reagire verso la mezz’ora, ha ottenuto uno dopo l’altro tre calci d’angolo, ma riesce solo al 44’ ad accorciare la distanza in seguito ad un momentaneo rilassamento della difesa rossonera che permetteva a Coscia di rovesciare in rete una palla insidiosa avuta da Bernardini (26/09/1938, 4).
SCHWÄCHE(ANFALL) EINES SPORTLERS
defaillance (subst.f.inv.) défaillance
Etym.
< frz. défaillance
Erstb.
(«Registriamo in ogni modo questa poco sportiva defaillance del Milan Criket dal nostro Torneo», //, )
Bed.
Cerchiari (): «Debolezza improvvisa di un atleta causata da stanchezza o da super allenamento. È un termine elegante per definire la propria inferiorità» Venturini (): «quel mancare improvviso di forze che si verifica talvolta negli atleti» Bascetta (): «debolezza improvvisa in un atleta o in una squadra»
SubV
(momento di) debolezza (De Luca ; Monelli /; Palazzi ; Jàcono ; CIL –): Analogie mancamento (Jàcono ; Natali ): Analogie rilassamento (Jàcono ): Analogie scoppiatura (Venturini ): Neuformation (von scoppiare ‘nel linguaggio sportivo, non avere più fiato, essere sopraffatto dalla stanchezza’, NDM) #abbandono (Mazzucconi ) #breve svenimento (Natali ) #collasso (CIL –) #crisi (CIL –) #difetto (Mazzucconi ) #fiacchezza (Sassi ; Monelli /; Natali )
380
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
(fortgesetzt ) SCHWÄCHE(ANFALL) EINES SPORTLERS
defaillance (subst.f.inv.) défaillance #difetto (Mazzucconi ) #fiacchezza (Sassi ; Monelli /; Natali ) #fiaccona (Natali ) #mancanza (Mazzucconi ; zuvor bereits Cerchiari ) #momento di abbattimento (Monelli /; Jàcono ) #momento di fiacchezza (Monelli /; Jàcono ) #momento di prostrazione (Jàcono ) #scoraggiamento (Jàcono ) #smarrimento (Jàcono ) #svenimento (Mazzucconi )
Syn.
100 % 90 % 80 % 70 %
cotta (DSCT): Neuformation
10 % 32 %
14 % 42 %
43 % 29 % 63 %
60 % 50 %
14 %
20 %
33 %
40 % 30 %
3% 3%
58 %
20 %
43 %
15 %
10 % 1920-30
1930-40
11 % 26 %
13 %
9%
0%
3% 16 %
fiacchezza scoppiatura mancamento rilassamento momento di debolezza cotta défaillance
1940-50
1950-60
1960-70
Abbildung 105: Onomasiologisches Profil für SCHWÄCHE(ANFALL) EINES SPORTLERS (ASLS, 1920–1970).
4.9.4 Unentschiedene Fälle Bei den Konzepten REKORD, AUSSENSEITER, BASKETBALL und LAUFTRAINING zeigen sich weniger eindeutige Verläufe der onomasiologischen Stärke, sei es, weil die Fremdwörter im letzten Untersuchungszeitraum seltener verwendet wurden (AUSSENSEITER), sei es, weil die Salienz eines nativen Ersatzlexems in der Nachkriegszeit teilweise wieder «rückgängig» gemacht wurde (BASKETBALL und LAUFTRAINING).
4.9 Weitere Sportkonzepte
381
Nach einer in den 1920er Jahren noch deutlichen Salienz für ital. record stabilisiert sich das Fremdwort in der Nachkriegszeit auf etwa gleichem Niveau wie das zur Substitution herangezogene primato, das in sportbezogener Bedeutung seit mindestens 1885 belegt ist.238 Das Lexem primato war jedoch auch außerhalb des Sportkontextes einer der Schlüsselbegriffe des italienischen Faschismus, der v.a. dazu diente, die nationale Überlegenheit zu inszenieren.239 So nannte sich beispielsweise eine faschistische Kulturzeitschrift, die zwischen 1940 und 1943 erschien, Il primato. 1940 ersetze das italienische Luftfahrtministerium nach Informationen von Cicioni (1984, 94) offiziell record und recordman mit primato bzw. primatista. Auch Mussolini verwendete primato, als er sich am 28. Oktober 1934 in einer Rede an italienische Athleten wandte: Ricordatevi che quando combattete oltre i confini, ai vostri muscoli e soprattutto al vostro spirito è affidato in quel momento l’onore e il prestigio sportivo della nazione. Dovete quindi mettere tutta la vostra energia, tutta la vostra volontà per raggiungere il primato in tutti i cimenti della terra, del mare e del cielo (nach Impiglia 2009, 21–22).
Ein weniger besetztes italienisches Synonym ist limite, das von keiner puristischen Quelle erwähnt wird, aber als einzige weitere native Entsprechung eine gewisse Verbreitung erlangt hat. Unter den Substitutionsvorschlägen sind einige komplementäre Kohyponyme wie minimo und massimo. Da sich REKORD im Sportkontext naturgemäß sowohl auf Höchstwerte (z.B. Sprunghöhe) als auch auf Minimalwerte (z.B. Zeit) beziehen kann, wurden beide Lexeme im onomasiologischen Profil zusammengefasst. Als native Synonyme für record sind sie allerdings nur selten belegt, wenngleich sie bereits von Zuccoli (1912, 496) empfohlen wurden. Die von Jàcono (1939) vorgeschlagene morphonologische Assimilation ricordo hat – sicherlich bedingt durch die Homonymie mit einem Lexem des Kernwortschatzes – keinerlei Anklang gefunden. Unter allen untersuchten Konzepten erscheint REKORD am häufigsten im ASLS (geschätzte Konzeptfrequenz: rund 85.900 Treffer zwischen 1920 und
238 Siehe CDS 20/06/1885, 3: «L’ultima corsa per bicicli e Safety fu la più interessante perchè obbligatorio per i vincitori del primo premio delle corse più importanti. [...] Dopo vivacissima lotta, ove si ebbe campo di ammirare i muscoli di acciaio del signor Mazza, che in tutte queste corse riportò il primato, anche in quest’ultima ebbe il primo premio». 239 Cf. De Grazia/Luzzato (2003), vol. 2, s.v. primato.
382
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
1970). Die Frequenzerhebung erfolgte mithilfe der Suchphrase . Dabei wurden Treffer, die sich nicht auf Sportkontexte bezogen, allerdings aufgrund des enormen Aufwands einer manuellen Prüfung nicht ausgeschlossen.
REKORD
record (subst.m.inv.) récord
Etym.
< engl. record (seit in sportbezogener Bedeutung, cf. OED), teilweise auch vermittelt über frz. record (, GR); cf. dazu auch Monelli (, ): «oggi ben pochi pronunciano esattamente, e molti anzi accentuano alla francese»
Wortb.
recordista (cf. ..), recordistico (//, ); viele Komposita wie: corsarecord, tempo-record, cifra-record, pareggio-record, incassi-record
Erstb.
(NDM; Zing. : ; CDS: )
Bed.
Zangrilli (): «La migliore performance compiuta in una esplicazione sportiva; da individuale a mondiale» Cerchiari (): «Il record è il tempo minimo stabilito in una qualsiasi gara, cronometrato e omologato da appositi commissarî» Palazzi (): «il massimo raggiunto, il risultato massimo in una prova sportiva [...], un primato»
SubV
primato (Tribuna ; Monelli /; Mazzucconi ; Cerruti/ Rostagno ; Jàcono ; Palazzi ; Cicogna ; Natali ; CIL –; Venturini ): Analogie massimo (Tribuna ; Monelli /; Mazzucconi ; Cerruti/ Rostagno , s.v. corsa; Jàcono ; Natali ): Analogie minimo (Tribuna ; Monelli /; Jàcono ; Cerruti/Rostagno , s.v. corsa): Analogie tempo (Natali ): Analogie *massimo raggiunto (Sassi ; Palazzi ; Venturini ): Paraphrase *risultato massimo (Palazzi ): Paraphrase #storia (Sassi ) #prova massima (De Luca ) #ricordo (Jàcono ) #campionato (Cerruti/Rostagno ) #vittoria (Cerruti/Rostagno ) Fremdwort akzeptiert in DSI
Syn.
limite (ASLS): Analogie
4.9 Weitere Sportkonzepte
100 %
1% 7%
90 %
2%
1% 1%
2%
1% 7%
56 %
44 %
383
80 % 48 %
70 %
74 %
60 % 50 %
93 %
40 % 30 %
49 %
20 %
40 %
tempo limite massimo/minimo primato record
48 %
24 %
10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 106: Onomasiologisches Profil für REKORD (ASLS, 1920–1970).
Ital. outsider ‘Außenseiter’ kam zunächst im Kontext der Pferdewetten (‘Pferd, dessen Siegeschancen als gering eingeschätzt werden’) in die Sportsprache und bezeichnete dort bald auch generell Sportler mit geringer Gewinnerwartung (cf. VTO). Typischerweise wird das Konzept zur Bezeichnung eines unerwarteten Erfolgs verwendet; daher wurden für die Frequenzerhebung und die Kontextsuchbegriffe gewählt. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird das Fremdwort auch in kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Kontexten auf einen ‘Außenseiter’ bezogen. In der Datenerhebung zeigt sich, dass outsider im Untersuchungszeitraum zwar konstant salient war, aber sein durchschnittlicher Anteil bis 1970 um 40 Prozentpunkte zugunsten der synonym verwendeten Lexeme sconosciuto, meno quotato und sfavorito gesunken ist – Ersetzungen, die allerdings einen geringeren terminologischen Wert haben und eher der stilistischen Variation dienen.240 Outsider ist auch heute noch – und weit über die Sportsprache hinaus – gebräuchlich (NDM; Zing. 2019).
240 Der von Rossi (2003) angegebene Begriff fuoriclasse wird im ASLS nicht synonym verwendet.
384
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
AUSSENSEITER
outsider (subst.m. und f.inv.)
Etym.
< engl. outsider (seit in der Bedeutung ‘Pferd, dessen Siegeschancen als gering eingeschätzt werden’, cf. OED) («Sul turf come al teatro ed al Bois essa [la donna parigina] recita sempre una parte, e la prima; tutto il Jockey guizza, più che nel garrett in mezzo ai cavalli, tra le signore; e lo spettacolo dei lautissimi lunch che esse vi offrono ha forse un interesse maggiore per molti del sapere quale sia l’outsider e chi lo starter», //, ; NDM: )
Erstb.
Bed.
Cerchiari (): «L’atleta di cui non si conosce il grado di forma e che è perciò un pericolo oscuro per gli altri. // Il cavallo che vince inaspettatamente» Palazzi (): «atleta o cavallo da corsa che, pur non avendo probabilità palesi di vincere, può dar luogo a sorprese» Bascetta (): «l’atleta o il cavallo che, non godendo il favore del prognostico, mette in forse la vittoria del favorito»
SubV
sconosciuto (Sassi ): Analogie *corridore meno apprezzato (De Luca ): Paraphrase *poco quotato (Sassi ): Paraphrase *non designato (Jàcono ): Paraphrase *non favorito (Cerruti/Rostagno , s.v. corsa; Jàcono ): Paraphrase *fuori parte (Jàcono ): Paraphrase #non classificato (Jàcono ) Fremdwort akzeptiert von DSI und Palazzi ()
Syn.
meno quotato: Paraphrase sfavorito (Diz. SC): Analogie
100 % 90 %
2% 4%
4% 12 %
10 %
12 %
5% 10 %
20 %
80 %
29 %
70 %
32 %
60 % 50 %
94 %
40 %
sfavorito meno quotato sconosciuto outsider
85 % 70 %
30 %
59 %
54 %
1950-59
1960-69
20 % 10 % 0% 1920-29
1930-39
1940-49
Abbildung 107: Onomasiologisches Profil für AUSSENSEITER (ASLS, 1920–1970).
4.9 Weitere Sportkonzepte
385
Einige Jahre nach der Jahrhundertwende erreichte der Basketball Italien. Zwischen 1920 und 1970 waren zwar palla al cesto241 und, ab etwa 1930, pallacanestro242 salient, jedoch erlebte das Fremdwort in der gekürzten Form basket243 zwischen 1950 und 1970 eine angesichts der frühzeitigen und fast vollständigen Ersetzung unerwartete Renaissance. Die Italianisierung der Bezeichnung spiegelt sich im Verbandsnamen wider: Der erste italienische Verband gab sich 1921 noch den Namen Federazione Italiana Basket-Ball, wurde 1925 in Federazione Italiana Palla al Cesto und bereits fünf Jahre später in Federazione Italiana Palla al Canestro umbenannt. Seit den 1930er Jahren trägt er unverändert den Namen Federazione Italiana Pallacanestro.244 Das in den 1920er Jahren noch überwiegende native Synonym palla al cesto setzt sich bis heute in der Bezeichnung für den ‘Basketballspieler’, nämlich cestista, fort.245 Die wechselhafte Geschichte der Sportart in Italien hat ein Sportjournalist 1969 in bemerkenswerter Übereinstimmung zu den Ergebnissen der onomasiologischen Korpusanalyse beschrieben: La «vita italiana» del basket è solitamente divisa in tre fasi. Quella detta della «palla al cesto», relativa al periodo d’anteguerra, quella della «pallacanestro», per il dopo-guerra con i primi contatti con il grosso pubblico, e quella del basket, giocato e sempre più apprezzato negli ultimi anni in tutta Italia (17/12/1969, 4).
Die erst späte Ausbreitung der Mannschaftssportart in Italien führt der Autor v.a. auf den zuvor herrschenden Mangel an geeigneten Sportstätten zurück. Für die zunächst geringe Popularität des Sports in Italien sieht Fabio Rossi auch sprachliche Anzeichen: Si noti [...] la preferenza accordata al più ricercato (e d’antica attestazione) canestro rispetto al più comune cesta o al più diffuso e recente cesto (peraltro usato, anche se ormai poco comune, come sinonimo di canestro per designare tiri e punti: «un cesto fatto vale due punti se è segnato su azione di gioco, un punto quando è realizzato mediante un tiro
241 Belegt im ASLS seit 25/05/1920, 2, 1919 bereits als Glossierung des Anglizismus (Nichil 2018, 12). 242 im ASLS erstmals 09/04/1923, 4 («palla-canestro»). Laut Nichil (2018, 12–13) erscheint palla al canestro erstmals mit dem Band Regole per la Palla al canestro (basket ball) e per la Palla a volo (volley ball) von 1920. 243 Laut Nichil ist die Ellipse des Anglizismus seit 1928 belegt (im ASLS erstmals: 15/05/1948, 4). 244 Siehe https://it.wikipedia.org/wiki/Federazione_Italiana_Pallacanestro und http://www. coni.it/it/federazioni-sportive-nazionali/federazione-italiana-pallacanestro-fip.html [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 245 Noch ignoriert in der puristischen Rubrik von Giovanni Mosca: «BASKET-BALL. – Ormai non si usa più, perché si dice da tempo ‹Pallacanestro›. Naturalmente, dobbiamo contentarci di dire ‹giocatori di pallacanestro›: non possiamo dire, con una parola sola, ‹pallacanestristi› o ‹pallacanestrieri›» (22/01/1941, 3).
386
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
libero» [Medici 1965, p. 38], e anche nel derivato cestista), e la mancata resa grafica del raddoppiamento fonosintattico (nell’italiano centromeridionale si pronuncia, in effetti, pallaccanestro, come del resto anche pallammano, pallannuoto e pallavvolo, scritti senza raddoppiamento), entrambi segnali della scarsa popolarità dello sport (Rossi 2003).
BASKETBALL
basket-ball (subst.m.inv.) basket ball, basket
Etym.
< engl. basket-ball
Wortb.
minibasket (Zing. : ; ASLS //, ), scarpe da basket (//, )
Erstb.
(«non potevo far a meno di ridere pensando a una ragazza americana che dopo una partita di basket-ball o di hockey su ghiaccio, si fosse trovata davanti a quei due versi», CDS //, ; NDM: )
Bed.
Cerchiari (): «Il gioco italiano della palla al cesto» Jàcono (): «Nome inglese [...] di un gioco forse originario d’America ()»
SubV
palla al cesto (De Luca ; Sassi ): Strukturübertragung pallacanestro (Jàcono ; Palazzi ; Cicogna ; CIL –): Strukturübertragung *palla al paniere (Cerruti/Rostagno , s.v. gioco): Strukturübertragung
Syn.
palla a(l) canestro (cf. Rossi ): Strukturübertragung *cesto palla (Cerchiari ): Strukturübertragung *palla al cerchio (LEI, s.v. *bal(l)-, : seit ): Paraphrase
100 %
3%
90 % 80 % 70 %
57 %
54 %
60 %
94 %
50 %
85 % 98 %
40 % 30 % 20 %
43 %
42 %
10 % 0% 1920-29
6% 0,5 % 1930-39
1% 1% 1940-49
14 % 1% 1950-59
0,4 % 1960-69
Abbildung 108: Onomasiologisches Profil für BASKETBALL (ASLS, 1920–1970).
246 Zuvor auch schon in Zangrilli (1921). 247 Palla al canestro ist belegt seit 1920 (LEI, s.v. *bal(l)-, 764).
palla a canestro pallacesto pallacanestro palla al cesto basket basket ball
4.9 Weitere Sportkonzepte
387
Einen interessanten Fall stellt das Fremdwort footing dar, das einen Ausdauerlauf bezeichnet, wie ihn u.a. Boxer und Fußballer zu Trainingszwecken ansetzen. Ital. jogging tritt sowohl sprachlich als auch sachlich erst später auf. Heute wird mit ital. footing auch das JOGGEN (SCHNELLER AUSDAUERLAUF) bezeichnet (cf. Zing. 2019), jedoch trat diese Bedeutungserweiterung nicht vor 1970 ein. Entgegen dem Anschein handelt es sich bei footing um einen Gallizismus, der im Französischen seit 1885 diese Bedeutung trägt. Nicht geklärt ist die Frage, ob engl. footing diese Bedeutung zeitweise auch trug oder ob es sich um einen Bedeutungswandel während der Entlehnung ins Französischen handelt, da die Bedeutung im Englischen üblicherweise durch jogging ausgedrückt wird.248 Neben den in den puristischen Quellen vorgeschlagenen Paraphrasen passeggiata ginnastica und passeggiata d’allenamento, von denen nur letztere (selten) im ASLS belegt ist, zeigen Beispiele, dass eine bedeutungsgleiche Verwendung von passeggiata im Kontext der Berichterstattung über das Trainingsprogramm von Sportlern nicht ausgeschlossen werden kann: Il manager di Spalla, Celestino Caverzasio, ha così riassunto il metodo di allenamento del suo poulain: «Esercizi fisici all’aperto, lunghe passeggiate intramezzate da breve riposo; corsa su 80 o 100 metri, pancing ball [sic] e sparrings con allenatore […] (27/01/1923, 2). Il tempo non ha soverchiamente favorito i lavori di allenamento. A Jugenheim i calciatori hanno soltanto compiuto delle passeggiate collettive di salute, non potendo disporre di un terreno di gioco adatto (31/07/1930, 5). I nostri hanno fatto stamane una passeggiata di salute per collaudare il materiale e per sgranchirsi le gambe. Per una quarantina di chilometri sul circuito di Saint Germain si sono sbizzarriti in veloci tirate, in scatti, in volate; l’ultimo vero allenamento sarà fatto domattina (02/07/1938, 4). In campo italiano una discreta soddisfasione per la «passeggiata» a Sesto S. Giovanni. Gli azzurri non dovevano sostenere un allenamento molto impegnativo e si sono limitati a fare del fiato (22/01/1954, 5).
Die Anführungszeichen im letzten Beispiel deuten auf eine beginnende Terminologisierung des Lexems hin. Allerdings kommt es auch zu nicht-synonymischen Ver-
248 Zu historischen Belegen für engl. jogging in der Bedeutung ‘Lauftraining’ cf. WinterFroemel (2011, 58). Doch auch im Falle eines Bedeutungswandels bei frz. footing dürfte es sich nach Winter-Froemels Definition des Allogenismus um eine echte Entlehnung handeln (63). Gusmani hält footing für eine Kontamination des Anglizismus training mit der dem Französischen und Italienischen bereits bekannten Wurzel foot- (durch ital./frz. football) (1993, 107).
388
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
wendungen, bei denen passeggiata von footing abgegrenzt wird und damit eher die Bedeutung ‘Gehen, Walking’ annimmt: Baldini e il preparatore atletico Bernicchi svolgono gradualmente i piani del loro lavoro: al mattino passeggiate e footing, al pomeriggio atletica e palleggi (30/07/1965, 11).
Da zudem keins der temporär auftretenden Attribute – (passeggiata) di salute / sportiva / salutare / atletica / ginnastica / d’allenamento – dauerhaft idiomatischen Wert annehmen konnten, wurden die Belege für passeggiata einzeln geprüft und bei (mutmaßlicher) Synonymie mitgezählt. LAUFTRAINING
footing (subst.m.inv.)
Etym.
< frz. footing (GR: ) < engl. footing
Erstb.
(«un giorno ritarda solo di pochi lustri sul movimento generale dell’idee e un altro giorno rimonta a ritroso l’evoluzione del pensiero sino alle spère della scolastica medievale. Questo footing all’indietro è il suo sport preferito e si confà mirabilmente alla sua salute», CDS //, ; NDM: ; Zing. : )
Bed.
Zangrilli (): «Allenamento a piedi, complementare negli sports di combattimento» Cerchiari (): «Passeggiata ginnastica particolarmente adatta ai pugilatori. Questa parte dell’allenamento è necessaria per ottenere il ‹fiato› e per abituare i polmoni allo sforzo prolungato che, sul ringe, si richiede al pugilatore» Jàcono (): «si tratta delle passeggiate che gli atleti in genere, e specialmente i pugilisti, fanno, osservando speciali norme, per allenarsi al ‹fiato›» () Bascetta (): «(pugilato): esercizio di allenamento a piedi, alternando corsa e marcia»
SubV
calcistica (Sassi , DSI): Neuformation passeggiata d’allenamento (Jàcono ): Paraphrase passeggiata (Jàcono ): Analogie #passeggiata ginnastica (De Luca )
Syn.
*corsa leggera #marcia leggera (Cerchiari )
249 Bei dem Artikel handelt es sich um eine Art antibritischer Glosse mit vielen englischen Exotismen. Ein ähnliches Beispiel findet sich 1914 in einem mit Il Galanteo überschriebenen Artikel von Concetto Pettinato im ASLS: «Fra la colazione, il pranzo e l’aperitivo bisogna tuttavia ricordarsi che esiste anche lo sport. Una partita di polo sotto l’alto patronato del duca di Doudecauville, o almeno di footing o di tennis è necessaria. Beninteso, occorre prima passare da Ström a provvedersi del costume di circostanza: tacchi alti per il footing, lo sweater col taschino visibile a distanza per il tennis, il golf per il golf, e via di seguito», 10/02/1914, 3.
4.9 Weitere Sportkonzepte
389
100 % 90 % 80 % 70 % 60 %
30 %
38 %
43 % 67 %
10 %
67 %
12 %
50 %
4%
40 % 30 %
60 %
20 %
3% 50 %
20 %
passeggiata passeggiata d'allenamento footing
53 %
30 %
10 %
13 %
0% 1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 109: Onomasiologisches Profil für LAUFTRAINING (ASLS, 1920–1970).
4.9.5 Fazit In Bezug auf Popularität, Häufigkeit und Alter sind die untersuchten Sportkonzepte dieses Kapitels besonders heterogen. Das Verhältnis von Fremdworterfolgen und -substitutionen präsentiert sich indes ausgeglichen: Elf dauerhaft erhaltenen Fremdwörtern stehen zwölf Italianisierungen gegenüber, von denen drei vor dem Faschismus und neun währenddessen erfolgten. In keiner anderen Gruppe kam es zu mehr Substitutionen zwischen 1920 und 1950. Vier Konzepte wiesen bis 1970 eine anhaltende Lexemkonkurrenz auf. In diesem Kapitel wurde die Tendenz zur Fremdwortsubstitution bei Konzepten, die auf Personen referieren, besonders deutlich: Bei den Konzepten (SPORT-) ASS, REKORDHALTER, SPRINTER, TITELHERAUSFORDERER und ZÖGLING wurde das Fremdwort weitgehend ersetzt oder wies eine stark sinkende onomasiologische Stärke auf (AUSSENSEITER). Zudem konnte beobachtet werden, dass Fremdwörter zur Bezeichnung von Sportarten in den meisten Fällen erhalten wurden, siehe die Fälle GOLF, CRICKET, KROCKET, BASEBALL, PINGPONG/TISCHTENNIS, HOCKEY, GYMKHANA. In vier Fällen wurde eine Sportartenbezeichnung jedoch überwiegend ersetzt (ROLLSCHUHLAUFEN, WASSERBALL, JIU JITSU und BASKETBALL). Der Einfluss der semantischen Kategorie auf die Tendenz zur Ersetzung zeigt sich besonders gut auch beim Vergleich der onomasiologischen Profile von REKORD und REKORDHALTER: Während das Fremdwort record in der Nachkriegszeit etwa ebenso üblich ist wie das zuvor erfolgreichere Synonym primato, wird die Personenbezeichnung recordman dagegen bis 1970 fast vollständig durch die italienische Form primatista ersetzt.
390
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4.10 Spiele Zur Ergänzung und Erweiterung der Stichprobe werden abschließend einige Konzepte aus dem Sachbereich Spiel analysiert. Die Spielsprache weist grundsätzliche Ähnlichkeiten zur Sprache des Sports auf: Entlehnungen denotieren auch hier insbesondere Spielarten, (Spieler-)Rollen, Techniken/Regeln und (Spiel-)Material. Tatsächlich gelten viele Freizeitspiele zugleich als Sportarten (z.B. Schach), da sie als Wettkampf ausgeübt werden können. Zur Spielsprache werden Termini aller nicht bereits in den vorherigen Kapitel berücksichtigten Freizeitaktivitäten gezählt, bei denen das Spiel im Vordergrund steht. Der Siegeszug des Sports in den europäischen Gesellschaften des ausgehenden 19. Jahrhunderts geht einher mit der zunehmenden internationalen Verbreitung vieler Gesellschaftsspiele, die zu dieser Zeit durch die Printmedien und die sich entwickelnde Vereinskultur breiten Gesellschaftsschichten bekannt werden. Viele dieser Spiele haben zu diesem Zeitpunkt bereits eine längere Geschichte, wie beispielsweise die Kartenspiele Whist und Bridge, aber auch Poker und Roulette, andere kommen neu aus Übersee hinzu, z.B. das chinesische Legespiel Mah-jongg oder das US-amerikanische Geschicklichkeitsspiel Jo-Jo. Luigi Barzani beschrieb 1908 in einem Artikel für den Corriere della sera die nach Italien hinüberschwappende «Puzzle-Epidemie»: L’ultima frenesia elegante consiste nel prendersi un mal di capo sul picture puzzle – letteralmente l’ «enigma pittorico». Il giuoco è vecchio; tutti conoscono quei disegni tagliati a scacchi alla ricostruzione dei quali s’è esercitata la nostra infanzia. Adesso la società fashionable americana si dedica alla ricostruzione di quadri segati in centinaia di minutissimi pezzi irregolari. È una fatica che se fosse pagata sarebbe giudicata crudele. [...] Chi non ballava, chi non suonava, chi non giuocava al bridge era quasi considerato un essere inutile al mondo, un infelice degno di pietà, e si trovava esiliato nei paraggi delle portiere. Ora il puzzle lo salva. [...] Forse essa [la «febbre dell’enigma», GS] è dovuta al fatto che il puzzle è l’unico sport adatto ad ogni età. Finora s’era pensato soltanto a divertire i giovani che, dopo tutto, sono al mondo le persone che hanno meno bisogno d’essere incitate a divertirsi. Gli altri stavano a vedere: stavano a veder ballare, a veder giuocare il lawvn-tennis [sic], a veder nuotare, a veder galoppare. Basta ora; è sorto il giuoco universale, buono per i belli e per i brutti, per gli uomini e per le donne, per i grandi e per i piccoli, per gl’intelligenti e per gl’imbecilli. Poteva non aver fortuna? [...] Ma, poiché il gran mondo si è dedicato così alla pazienza, perchè non unire la moda all’utilità mettendo insieme, che so, degli orologi per esempio? Forse è meglio così... per gli orologi. E poi non sarebbe più uno sport. La prima caratteristica dello sport è la sua perfetta inutilità. E il picture puzzle è certamente ora il più accreditato indoor sport (sport da interiore) (CDS 06/12/1908, 1).
4.10 Spiele
391
Abgesehen von Barzanis treffsicherer Ironie besticht der Artikel durch die Erkenntnis, dass Sport und Gesellschaftsspiel250 zu Beginn des Jahrhunderts nicht mehr nur als elitäre soziale Praxis existierten, sondern immer mehr Teil der modernen Gesellschaftskultur wurden – als scheinbar «nutzlose», aber gleichwohl beliebte Freizeitbeschäftigungen. Es scheint daher folgerichtig, dass der Faschismus nicht nur sportliche, sondern auch ludische Freizeitaktivitäten zu vereinnahmen versuchte und für Gesellschaftsspiele sogar eine eigene Autarkie-Kampagne anstrebte (cf. DG, s.v. autarchia), die wiederum nicht nur die Ersetzung von Wörtern, sondern auch die Ersetzung bzw. die Überlagerung von deren Referenten mit «autarken» Inhalten zum Ziel hatte.251 Programmatisch für diesen Zweig der Autarkie-Bewegung ist ein 1940 erschienener Artikel von Filippo Tommaso Marinetti, dem Begründer des italienischen Futurismus: Viva la matta. Abasso il bridge e i giochi stranieri: […] denunciamo tedioso e dannoso l’uso dei giochi stranieri poiché tutti più o meno inadatti ad arricchire di piacevolezza e giocondità spensierata la nostra vita quotidiana. Giocondamente riprendere ringiovanire e se mai perfezionare o infuturare tutti i nostri giochi italiani perché rispondono tutti al modo di rallegrare il tempo italiano non confondibile con qualsiasi altro tempo ritmato dal genio politico di Mussolini e da conquiste militari rivoluzioni e realizzazioni vittoriose […]. Simultaneamente venire dalle battaglie d’Africa prepararsi alle battaglie di Spagna e predisporre una propria funzione sociale nella penisola tra un’ora di ginnastica e un’ora di volo con uno Scopone un Tressette e un Settemmezzo dove sul tavolo alla donna preferita si offrono i propri meriti di poeta d’aviatore o d’agricoltore patriota. E questo valga per i salotti eleganti come per le trattorie di buon vino pesce e carne arrosto come sotto il ten250 Bei Rossi (2003) als «attività ricreative parasportive» bezeichnet. 251 Illustrativ ist hierzu ein 1936 staatlich produziertes Gänsespiel mit dem Titel La conquista dell’Abissina, das die symbolische «Einnahme» Addis Abebas zum Spielziel hat. In der Beschreibung des Spiels von Adrian Seville (2019, 309–311) heißt es: «The game was authorised by the Departmento [sic] Ministero Corporazioni 1936-XIV, was designed by the Officine Istituto Italiano d'Arti Grafiche in Bergamo and is dated 13 June 1936. It was therefore a production of the Italian State. However, it was used as an advertising sheet by several Italian firms, who added images of their products and issued the sheet as a promotional gift. One of these versions given away by the Genoese Fabbrica Prodotti Chimici Tecnici of A.Sutter, promoted polishes and cleaning products. Another promoted the baby food (Farina Lattea ‘Erba’) of the Milanese firm of Carlo Erba, which might be thought to sit badly with a representation of a war in which Italy used mustard gas against the population. Incidental illustrations of racial stereotypes add to the controversial nature of this game. Incidential illustrations of racial stereotypes add to the controversial nature of this game. The game was issued with eight tokens, representing the eight armed forces on the Italian side: Camice nere; Fanteria; Alpini; Carri Armati; Aviazione; Genio; Ascari and Dubat. Each player chooses one of these and ‹follows its fate›» (ebd.). Eine Abbildung des Spiels findet sich in Seville (2019, 110) und unter http:// www.giochidelloca.it/scheda.php?id=387 [letzter Zugriff: 25.09.2020].
392
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
done di soldati serenamente pronti all’attacco. Gloria alla Morra e allo Scalzaquindici tutti muscolari esplodenti inventivi allenatori della spavalda mediterranea intuizione italiana (Marinetti 1940, 12–13).
Diese Aufladung an sich harmloser Gesellschaftsspiele mit nationalistischen und militaristischen Konnotationen hatte jedoch offenbar keine Auswirkungen auf die Spielgewohnheiten der Italiener: «lo spirito autarchico non prende piede, almeno nel settore dei giochi, e la gente gioca imperterrita a poker e a bridge, a chemin de fer e a mahjong, incurante delle loro origini forestiere», sind die Autoren des Dizionario dei giochi, Andrea Angiolino und Beniamino Sidoti, überzeugt (DG, s.v. autarchia). Kurz vor Kriegsbeginn kommt auch der Tischfußball auf, dessen Ursprünge in Frankreich und Großbritannen liegen. In Italien wurde das neue Spiel calciobalilla getauft. La Stampa erwähnt es erstmals 1935: nel pomeriggio, dalle 16 alle 18, seguiranno i concorsi per giocattoli e un torneo di calcio «Balilla», riservati entrambi ai bambini (17/11/1935, 4).
Das Spiel verbreitete sich schnell und diente bald insbesondere den Kriegsversehrten als Alternative zum echten Fußball. Auch wenn die Bezeichnung auf den Namen der faschistischen Jugendorganisation Opera Nazionale Balilla zu referieren scheint, stand offenbar schon seit seiner Erstbenennung nicht das Sem [faschistisch], sondern [Miniatur] im Vordergrund, wie ab 1932 nach dem jugendlichen Helden des Risorgimento benannte Industrieprodukte zeigen: das Radio Balilla und das Automodell FIAT 508 Balilla.252 Daneben wurden die Synonyme biliardino und calcetto geprägt, aber der Verband heißt nach wie vor Federazione Italiana Calcio Balilla. Die Protagonisten des FFP legitimieren die Italianisierung der Fremdwörter auch der Spielsprache häufig mit der vermeintlich italienischen Herkunft des Referenten. So wendet sich Malfatti (1940) in Lingua nostra gegen ponte als Übersetzung von ital. bridge: «Escludiamo senz’altro ponte che è la traduzione dall’inglese di una parola che inglese non è. Perché regalare agli Inglesi l’invenzione di questo gioco, quando noi Italiani vi abbiamo, come si è visto, qualche diritto di priorità?» (94). Zwar nimmt Malfatti an, dass es sich sprachlich um einen Slawismus handele (cf. auch OED), führt aber an, dass das Spiel 1873 in Istanbul von Italienern erfunden worden sei. Bei den untersuchten Spieltermini handelt es sich überwiegend um Spielbezeichnungen (BRIDGE, ROULETTE, WHIST, JO-JO, POKER, MAH-JONGG, KREUZWORTRÄTSEL), neben zwei Fachbegriffen des Roulette (HAUPTGEWINN IM ROULETTE, CROUPIER).
252 DG, s.v. calcio balilla; VTO; cf. auch Arcangeli (2011, 147–148).
4.10 Spiele
393
Dass Spielbezeichnungen sich lexikalisch eher wie Eigen- als wie Gattungsnamen verhalten, meint zumindest Malfatti: I nomi dei giochi sono un po’ come i nomi di persone o di paese: i più non si formano secondo i tipi usuali di formazione delle parole, ma subiscono alterazioni d’origine dialettale, o di creazione arbitraria e capricciosa per cui gli esiti sono talora strani e originali, e forse devono appunto a questa originalità la loro fortuna (1940, 95).
4.10.1 Fremdworterfolge Dauerhaften Erfolg hatten die Fremdwörter roulette, croupier, bridge, yo-yo und die seltenen, und daher nur summarisch ausgewerteten Begriffe en plein, whist und mahjong. Das Glücksspiel Roulette und seine französische Terminologie erreichte Italien zu Beginn des 19. Jahrhunderts, nachdem es erstmals 1796 in Paris Einzug in den Spielhallen hielt (DG). Allerdings geht das Glücksspiel offenbar auf den italienischen Vorläufer girella (auch girello) zurück (ETO), auch das in Italien im 17. Jahrhundert populäre Glücksspiel Biribi (ital. biribissi)253 ist dem Roulette ähnlich. Besonders charakteristisch für das Casinospiel ist die bis heute international übliche Spielsprache Französisch (außer beim amerikanischen Roulette). So werden die unterschiedlichen Spielphasen von den Croupiers mit den Formeln faites vos jeux, les jeux sont faits, rien ne va plus eingeleitet – Phrasen, die aufgrund ihrer Bekanntheit sprichwörtlich in viele Sprachen eingegangen sind. Der während dem FFP unternommene Versuch, die Roulette-Terminologie zu ersetzen, mag daher wenig aussichtsreich gewesen sein.254 Dies hatte wohl auch Monelli erkannt, als er in der zweiten Auflage seines Barbaro dominio (1943) vermerkte: «per conto nostro continueremo [...] a dire roulette e croupier, ci basterà che gli impiegati ci dicano in italiano ben chiaro che numero è uscito e se facciamo ancora a tempo a puntare» (77). Der Gallizismus roulette ist erstmals 1846 belegt (Zing. 2019). Im Untersuchungszeitraum wird das Konzept außer zwischen 1930 und 1950 ausschließlich durch das Fremdwort versprachlicht. Unter den vorgeschlagenen Ersatzlexemen und den tatsächlich im ASLS verwendeten Synonymen zeigt sich eine interessante Diskrepanz: Während sich die seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlichen Assimila-
253 https://it.wikipedia.org/wiki/Biribissi [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 254 Zumal Roulette seit dem 19. Jahrhundert nur in wenigen autorisierten Casinos Norditaliens erlaubt ist (Sanremo, Saint-Vincent im Aostatal, Campione d’Italia und Venedig; cf. ETO, s.v. roulette).
394
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
tionen roletta255 und ruletta256 in den 1930er und 1940er im ASLS nachweisen lassen, die in keiner der untersuchten Quellen Erwähnung fanden, blieben die vom FFP vorgeschlagenen Begriffe weitgehend wirkungslos für den Sprachgebrauch im ASLS: Nur der Venezianismus rollina,257 vorgeschlagen von Jàcono (1939), findet zwei Erwähnungen im Untersuchungszeitraum, während girella (CIL 1941–1943), ein erwartbarer Italianisierungsvorschlag, der auf den gleichnamigen italienischen Vorläufer des Roulette referiert, und der offenbar aus dem Romanesco stammende Ausdruck rosina258 (Cerruti/Rostagno 1939) nicht nachgewiesen werden konnten. 100 %
4%
90 %
3% 8%
80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
96 %
1920-29
1930-39
40 %
89 %
100 %
100 %
1950-59
1960-69
30 %
rollina roletta ruletta roulette
20 % 10 % 0% 1940-49
Abbildung 110: Onomasiologisches Profil für ROULETTE (ASLS, 1920–1970).
Die Bezeichnung des Spielbankmitarbeiters am Roulettetisch, croupier,259 ist als Fremdwort ebenfalls seit 1807 im Italienischen belegt (NDM). Dem Croupier kommt im Roulette besondere Bedeutung zu: Il fascino della roulette risiede [...] in gran parte proprio nelle caratteristiche tecniche dell’oggetto e nei rituali che accompagnano il gioco, affidati in gran parte alla bravura del
255 Laut DELI erstmals 1807 belegt und damit älter als das Fremdwort. Erstbeleg ASLS: «La roletta è respinta dovunque. Ben presto essa non regnerà più che nella capitale del principe di Monaco» (20/11/1871, 2). 256 «Stanotte la Polizia prese d’assalto una delle tante case da giuoco esistenti alla galleria Umberto, denominata: ‹Circolo elettorale Roma›. [...] Si sequestrò una ruletta di valore e danari» (18/01/1899, 2). 257 Siehe Boerio (1829), s.v.: «rolìna, s.f. Rollina, Voce dell’uso nostro, dal Franz. Roulette, Sorta di giuoco di pura sorte insegnatoci da’Francesi [...]. Ora questo giuoco è proscritto». 258 DG: «Altro nome, registrato a Roma, per il gioco del frullino effettuato con un bottone». 259 Beim klassischen französischen Roulette sind mindestens vier Croupiers mit unterschiedlichen Aufgaben beteiligt: Wurfcroupier, Saladier, Kopfcroupier und Tischcroupier (https://de. wikipedia.org/wiki/Croupier#Roulette [letzter Zugriff: 25.09.2020]).
4.10 Spiele
395
croupier, che governa il gioco con precise formule, aprendo le puntate [...] e chiudendole [...], controllando le puntate, avviando il giro della roulette e lanciando la boule in direzione opposta alla rotazione, annunciando la chiusura definitiva di ogni gioco quando la palla sta per rallentare il suo andamento (DG, s.v. roulette).
Zur Substitution wurden von Jàcono (1939) tenitore und assistente vorgeschlagen, von Palazzi (1939) biscazziere und die seltene Assimilation gruppiere.260 Biscazziere, das nur in der Bedeutung ‘Spiellokalbetreiber’ (häufig abwertend) üblich ist,261 kann nicht als Synonym verstanden werden, tenitore, eigentlich ‘Bank-/Spielhalter’,262 und assistente (als assistente al gioco) nur gelegentlich. 100 %
4% 6%
3%
3%
95 %
90 %
95 %
97 %
100 %
1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
5%
90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 %
gruppiere assistente tenitore croupier
20 % 10 % 0%
Abbildung 111: Onomasiologisches Profil für CROUPIER (ASLS, 1920–1970).
Der Roulette-Terminus en plein wird im Italienischen sowohl adverbial (fare en plein) als auch substantivisch (fare un en plein) verwendet und bezeichnet im Roulette den Maximalgewinn, wenn die gespielte und die gezogene Zahl zwischen 0 und 36 übereinstimmen. Erstmals belegt 1908 (NDM), wurde das Substantiv ab den 1950er Jahren auch übertragen im Sport (z.B. im Fußball für ‘doppelter Punktgewinn, Sieg’, cf. Schweickard 1987, 70) und in allgemeiner Bedeutung für ‘Hauptgewinn, (maximaler) Erfolg’ verwendet.263 Bereits in den 1960er Jahren machte die
260 Das zuvor bereits im Kartenspiel Faraone üblich war, siehe Bognolo (1839), s.v.: «gruppière s.m. o add. Croupier [...]. Colui che, nel giuoco del faraone o simile, assiste al tagliatore e ritira e paga il danaro». 261 Wie in diesem Beleg: «poi c’è il biscazziere che assolutamente rivuole al suo banco il celebre croupier» (06/03/1956, 6). 262 Belegt mindestens seit 1923 in dieser Bedeutung (05/04/1923, 4). 263 NDM; Beispiel vom 17/02/1955, 3: «in tutte le provincie d’Italia le ultime leve degli istituti magistrali tenteranno l’en plein, vincere cioè la loro piccola cattedra di scuola elementare».
396
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
ursprüngliche Bedeutung ‘Hauptgewinn im Roulette’ nur noch 13% aller Verwendungen von en plein im ASLS aus (gegenüber der Verwendung in der Sportsprache mit 70% und in allgemeiner Bedeutung mit 17%). Als Synonym für HAUPTGEWINN IM ROULETTE wurde von Jàcono (1939) die Übersetzung in pieno vorgeschlagen, das im ASLS auch teils zu pieno verkürzt wurde. Für das insgesamt seltene Konzept wird konstant das Fremdwort bevorzugt. 100 % 90 %
7% 7%
10 % 2%
80 % 70 % 60 % 50 % 40 %
86 %
88 %
1920-39
1950-69
pieno in pieno en plein
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 112: Onomasiologisches Profil für HAUPTGEWINN IM ROULETTE (ASLS, 1920–1970).
Das Fremdwort bridge wurde während des Faschismus zur besonderen Zielscheibe antibritischer Ressentiments. Beispielhaft seien zwei der insgesamt sechs von Marinetti vorgebrachten «Mängel» des Kartenspiels erwähnt: Il Bridge sostituisce ai variegati duelli di sguardi e alle deliziose moine una polverosa divergenza di sistemi filosofici puntigli teologici definizioni lambiccate e borie barbute e come unico dinamismo scatena un’antitaliana quantità di male parole e grosse ingiurie […] (11). […] il bridge è una somma maleaugurante di antisolari malinconie nordiche che tentano di suicidarsi sulle tavole da gioco (12).
Etymologisch ist die Bezeichnung für das seit dem 19. Jahrhundert populäre Kartenspiel BRIDGE nicht genau geklärt. Vermutet wird ein slawischer oder türkischer Ursprung,264 von einer Vermittlung des Englischen für das im Italienischen seit 1906265 erstmals belegten bridge kann jedoch ausgegangen werden, da das Spiel 264 Cf. NDM; OED; DG. Siehe auch Monelli (1943): «il nome del gioco è di origine slava, e scende immediatamente da ‹biric› (nella trascrizione inglese biritch), parola con cui il gioco era designato in Levante intorno al 1870» (45). 265 «Più o meno la Francia intera è diventata semplice di spirito e leggera di cuore [...]. L’onore e forse la fortuna e la vita del Paese sono in gioco sulle tavole, dove i diplomatici della Conferenza giocano il loro bridge alla sera» (15/02/1906, 1).
4.10 Spiele
397
zunächst in England, den USA und Indien populär wurde.266 Die im Rahmen des FFP vorgeschlagene Übersetzung (gioco del) ponte (Jàcono 1939, Cicogna 1940) beruht daher vermutlich auf einer falschen Etymologie, wie bereits von Zeitgenossen bemängelt wurde: Außer bei Malfatti (1940; cf. Zitat auf Seite 393) auch im Vocabolario della lingua italiana der Accademia d’Italia267 und bei Monelli (1943): si vede come sia arbitrario ed errato l’uso invalso da noi di chiamare il gioco ponte; quando gli inglesi dicono bridge intendendo il gioco non pensano affatto ad un ponte, come noi quando diciamo un bicchiere di vino non pensiamo affatto alla divinità. Consigliamo quindi i lettori di continuare a dire bridge o fare più casalingo il nome dicendo brigge (45).
Tatsächlich wurde ponte nur während des Faschismus (marginal) verwendet (aber cf. noch Pillon 1969). Üblicherweise sind Wortbildungen Indikatoren der Lexikalisierung, aber die Derivation pontarolo (im ASLS nicht belegt) steht durch ihre abwertende Konnotation eher für die Ablehnung des Substituts.268 Als deutlich produktiver erwies sich bridge mit Wortbildungen wie bridgistico, bridgista, bridgeur und bridgerama. Malfatti (1940) zeigte sich dennoch optimistisch, dass sich die grafische Assimilation brigge (auch bei Monelli 1943) gegenüber dem unassimilierten Fremdwort durchsetzen könne: noi Italiani possiamo scrivere come pronunziamo: brigge. Questa grafia del resto appare già sovente nei derivati briggista e briggistico, e ciò si spiega osservando che mentre bridge è ancora sentito come parola internazionale e quindi scritto con grafia internazionale, i suoi derivati briggista, ecc. sono di formazione italiana [...], e quindi vien naturale di scriverli con grafia italiana. Così, affermatasi la forma italiana nei derivati, è naturale che essa si estenda anche al vocabolo originario (Malfatti 1940, 95).
Wie Abbildung 113 zeigt, blieb die internationale Bezeichnung jedoch fast konkurrenzlos. Auch der etymologisch «korrektere» Ersetzungsvorschlag (gioco del) taglio – «riprendendo l’idea contenuta nella parola birić (Tagliare, nel linguaggio dei giocatori, è sinonimo di alzare.)» (Monelli 1943, 45) – blieb ohne Erfolg. Der englische Vorläufer des Bridge war WHIST. Im Italienischen ist es seit 1768 belegt (NDM) und gehört zu den wenigen hier vorgestellten Konzepten, die im gesamten Untersuchungszeitraum katachrestisch bleiben. Allerdings
266 https://de.wikipedia.org/wiki/Bridge_(Kartenspiel)#Geschichte [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Ausgehend vom italienischen Erstbeleg wäre auch eine französische Vermittlung plausibel. Im Französischen ist bridge seit 1892 belegt (GR). 267 «La denominazione di ‹giuoco del ponte› risale, con falso accostamento ad altra voce omofona inglese: bridge, ponte» (VLI, s.v. brigge). 268 Siehe DG, s.v. pontarolo: «Termine non privo di irrisione e disprezzo con cui i fautori dell’autarchia anche ludica, come l’Accademico d’Italia Lucio D’Ambra, indicavano alle soglie della Seconda guerra mondiale il giocatore di ponte, ovvero di bridge».
398
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
1%
100 %
2%
90 %
2% 3% 4%
80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
96 %
91 %
1920-29
1930-39
1940-49
100 %
100 %
1950-59
1960-69
40 % 30 %
brigge gioco del ponte ponte bridge
20 % 10 % 0%
Abbildung 113: Onomasiologisches Profil für BRIDGE (ASLS, 1920–1970).
weist das Konzept nur eine geringe Frequenz im ASLS auf (35 Vorkommen zwischen 1920 und 1970), was mit der Verdrängung durch das neuere und populäre Bridge zusammenhängt. Immerhin gibt es auch eine Adjektivderivation: whistleriano (04/10/1949, 3). Die von Jàcono (1939) vorgeschlagene Übersetzung zitto blieb folgenlos. Wie beliebt das Kartenspiel POKER war (und ist), zeigt sich in der häufigen Verwendung von ital. poker außerhalb des Spielkontextes und in seiner bereits frühen Übertragung in die Populärkultur, z.B. in Filmtiteln wie I cavalieri del poker von 1919, Poker d’amore von 1929 (italienischer Titel des US-amerikanischen Films The Mississippi Gambler) und L’ultimo poker von 1930 (italienischer Titel des USamerikanischen Films Big Money) sowie in der Operette Poker di dame von Ettore Bellini (1929). Machte der Anteil der spielbezogenen Verwendungen in den 1940er Jahren noch 94% aus, waren es zwischen 1950 und 1970 nur noch 72% (neben sportbezogenen Verwendungskontexten im Umfang von 22%, v.a. in der Fußballsprache). Eine ähnliche Entwicklung hat der ebenfalls aus dem Poker entlehnte Begriff bluff ‘bewusste Irreführung des Gegners (beim Pokerspiel)’ genommen. Ital. poker entwickelte bald drei – bis heute gültige – Bedeutungen: 1. «gioco d’azzardo a carte d’origine americana, in cui vince chi ha la combinazione di valore maggiore e più alta» 2. «nel gioco stesso, combinazione di quattro carte uguali» 3. «(est.) nel linguaggio giornalistico, insieme di quattro persone o elementi» (Zing. 2019).
4.10 Spiele
399
Faszination für den Poker und Schmähung des Spiels kamen während des Faschismus häufig zusammen, wie aus diesem Beleg von 1929 hervorgeht: il poker, gioco crudele e giustamente bandito, però nervoso, virile, avvicendato e avvincente (13/12/1929, 3).
Noch 1949 ließ sich ein Journalist zur Aussage hinreißen: La donna adora il poker, perchè soddisfa, nello stesso tempo, la sua passione per le bugie, e per la curiosità (10/12/1949, 3).
Die von Jàcono (1939) als Alternative vorgeschlagenen Bezeichnungen goffo und goffetto waren eigentlich Toskanismen für ital. primiera269 – ein Kartenglücksspiel, das als einer der Vorläufer des Poker gilt (DG, s.vv. primiera², goffi, a’). Der Versuch, das aus den USA importierte Kartenspiel an lokale Traditionen zu knüpfen, blieb jedoch erfolglos. Auch der Versuch, zumindest die Schreibweise mit durch pocher (ebenfalls bei Jàcono 1939) zu ersetzen, war nicht von Erfolg gekrönt. POKER
poker (subst.m.inv.)
Etym.
< engl. (U.S.) poker ?< frz. poque/poquer (NDM, OED)
Wortb.
pokerista (CDS //, ), pokerino (//, ), auch: pocherino (//, ), pokerissimo (CDS //, ), strip-poker (CDS //, ), telepoker (//, )
Erstb.
(«il colonello Mapleson che stava giuocando a poker al New York Hotel», CDS //, ; NDM: )
Bed.
Palazzi (): «giuoco misto d’abilità e d’azzardo, che consiste nel combinare con cinque carte una delle varie figure del giuoco; e vince colui che riesce a formare la maggiore || una delle figure maggiori nel giuoco omonimo, e consiste nell’avere quattro carte uguali»
SubV
pocher (Jàcono ): grafische Assimilation #goffo (Jàcono ): Dialektismus #goffetto (Jàcono ): Dialektismus
Das Legespiel MAH-JONGG entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in China und entwickelte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Japan, den USA
269 Cf. DEG; Zing. 2019.
400
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 %
2%
90 % 80 % 70 % 60 % 50 %
100 %
100 %
98 %
100 %
100 %
1920-29
1930-39
1940-49
1950-59
1960-69
40 %
pocher poker
30 % 20 % 10 % 0%
Abbildung 114: Onomasiologisches Profil für POKER (ASLS, 1920–1970).
und auch in Europa zu einem beliebten Modespiel. Bereits die ersten italienischen Belege für mah-jong von 1924 beziehen sich auf das Spielfieber: Il «Mah-Jong» è precisamente un giuoco di dadi che furoreggia ora – è la parola dei fogli francesi! – a Parigi. La sua voga ha soltanto un precedente: quello del bridge venti anni fa (Artikel von Marco Ramperti vom 07/02/1924, 3; Erstbeleg: CDS 05/01/1924).
Im selben Artikel heißt es, im Italienischen sei bereits das Verb mahjongare abgeleitet worden – das zwar nicht erhalten blieb, aber für die Popularität des Spiels in dieser Zeit spricht. Im Übrigen wird es auch in Tommaso Tittonis Artikel «La difesa della lingua italiana» von 1926 erwähnt (Tittoni 1926). In Italien wurde das Spiel ab 1923 durch chinesische Händler bekannt, insbesondere in Ravenna, wo es bis heute sehr populär ist.270 Auch dieses Spiel war in faschistischer Zeit geschmäht, wie erneut in einem Artikel von Marco Ramperti zum Ausdruck kommt: Il ramì, se non è cinese, merita di esserlo. Esso è stupido quanto il mah-jong, con la differenza di non essere più, come il mah-jong, riposante e cerimonioso [...]. Baloccagine, invero, idiotissima e immeritevole d’una generazione che ha visto Serajevo e il Piave, Mussolini e Lenin. [...] non ci sono dei giochi paesani, paesanissimi, in grado di darci venti volte più palpiti, più ansia o più guadio d’uno squallido ramì o d’un languido mah-jong [...]? (13/12/1929, 3).
Die Frequenzerhebung bestätigt, dass MAH-JONGG eine Modeerscheinung blieb: Neben den 59 Vorkommen des Fremdworts zwischen 1920 und 1930 wird es zwischen 1940 und 1970 nur noch sieben Mal erwähnt. Der Substitutionsvorschlag
270 Siehe DG und https://it.wikipedia.org/wiki/Mah_Jong#Il_Mah_Jong_nel_mondo_occiden tale [letzter Zugriff: 25.09.2020].
4.10 Spiele
401
domino cinese (Jàcono 1939) fand anstelle von mahjong keinerlei Anklang. Nur ein einziges Mal ist die Assimilation magiong 1937 belegt (03/07/1937, 3). Auch beim JO-JO. ital. yo-yo, handelt es sich um eine Modeerscheinung.271 Das Geduldspiel wurde vermutlich von den Philippinen in den 1920er Jahren in den USA importiert272 und von dort weltweit verbreitet. im ASLS wird erstmals 1932 aus Frankreich mit einem gewissen Sarkasmus über das Spiel berichtet: Yo-yo è un gioco semplice, non occorre saper leggere e scrivere per far danzare con un po’ di garbo quel piccolo pulcinello legato ad un elastico; yo-yo è consigliato dai medici perchè riposa il sistema nervoso, dai sociologi perchè aiuta la pazienza, insegna la calma e la rassegnazione; yo-yo è un gioco democratico perchè il prezzo minimo è un franco ed il massimo venti. Yo-yo potrà essere il prossimo inverno un’occupazione provvisoria per venticinque milioni di disoccupati che attendono pane e lavoro. Attenderanno con maggior calma, maggior pazienza, maggior rassegnazione (13/09/1932, 1).
Häufig wurde die Erwähnung des neuen Spielzeugs in der faschistischen Presse dazu verwendet, Moden und Gewohnheiten anderer Länder abzuwerten, so auch in einem Artikel von Riccardo Bacchelli: Stava per ricadere nella dannazione del flirt, del jazz, del cocktail e del yo-yo (CDS 05/11/ 1932, 3).
Wie bereits in anderen Fällen erwähnt, sahen die puristischen Quellen trotz ihrer Substitutionsbestrebungen teilweise die Verwendung eines markierten Fremdwortes anstelle eines italianianisierten bzw. italienischen Synonyms als wirksamer an, um eine Abwertung des Referenten zu erzielen. So erklärt sich, dass für yo-yo im Rahmen des FFP kein einziger Ersetzungsvorschlag gemacht wurde. Im ASLS findet sich einzig in den 1950er Jahren zuweilen die Variante jo jo, während die von VTO erwähnte Assimilation iò-iò nicht im ASLS dokumentiert ist. Insgesamt lässt die Konzeptfrequenz nach 1940 deutlich nach, wobei die Erfolgsquote des unassimiliertem Fremdworts (unter Einbezug der noch immer als Fremdwort erkennbaren Form jo jo) über den gesamten Untersuchungszeitraum konstant bei 100% bleibt. An die Jo-Jo-Mode der 1930er Jahre erinnerte man sich jedoch auch noch 1964: La sigla EU è una mania, non dissimile da quella dello Jo-jo, in voga negli anni trenta o da quella attuale dei dischi dei «Beatles» (06/08/1964, 11).
271 Ähnliche Spielzeuge sind seit der Antike bekannt, allerdings unter anderen Namen, u.a. ital. bandalore; hier wird nur das moderne, kommerzielle Jo-Jo betrachtet. 272 Cf. https://en.wikipedia.org/wiki/Yo-yo [letzter Zugriff: 25.09.2020], darauf deuten auch die ersten Belege im Englischen von 1915 hin, die auf die Philippinen referieren (OED).
402
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
4.10.2 Italianisierungen nach 1930 Ein eindeutiger Substitutionserfolg ist KREUZWORTRÄTSEL, das im Italienischen zunächst mit dem Fremdwort (cross word) puzzle bezeichnet wurde. Das erste moderne Kreuzworträtsel Italiens erschien am 8. Februar 1925 in der neu eingerichteten Rubrik «L’indovinello delle parole incrociate» des Domenica del Corriere (das weltweit erste Kreuzworträtsel wurde 1913 in der US-amerikanischen Zeitschrift Fun veröffentlicht; Boccardo 2015; Bartezzaghi 2007). Der Ausdruck indovinello a/ delle parole incrociate ist eine Lehnübersetzung des englischen Originalbegriffs cross-word puzzle, der im Italienischen ebenso Verwendung fand, allerdings meist verkürzt zu puzzle. Dieses Fremdwort, puzzle, war dem italienischen Wortschatz jedoch nicht neu, sondern bereits seit 1889273 in der Bedeutung ‘Geduldspiel’ bzw. ‘Puzzle’ belegt (cf. auch den bereits zitierten Artikel von Luigi Barzani von 1908 auf Seite 390). Im Erstbeleg wird der Begriff so erklärt: Sapete che cos’è il puzzle? è un giuoco inglese in Italia, traducendo liberamente il vocabolo, si potrebbe chiamare il giuoco dell’imbarazzo. Ed è anche un imbarazzo per me darvene la spiegazione. Si tratta di una scatoletta coperta di cristallo con entro sette scompartimentini colorati con sette diversi colori; si introducono in questa scatoletta sette piccole palle colorate anch’esse con sette colori corrispondenti ai sette delle sette caselline [...]. La bravura del giuocatore consiste nel far andare le palle, muovendo la scatola, ognuna nella casella del proprio colore. [...] Il puzzle è penetrato in tutte le classi della società inglese; lo si trova tanto sulle tavole nelle sale dorate, quanto sul tavolo dell’uomo d’affari, lo si contende alla Borsa, lo si concede ai convalescenti; e i membri più gravi del Parlamento non sdegnano di divertirsi col puzzle durante i discorsi noiosi dei colleghi (28/11/1889, 2).
Bereits früh erfolgte eine semantische Generalisierung von ‘Puzzle, Geduldspiel’ auf ‘schwer lösbares Problem, Rätsel’.274 Möglicherweise hat das Italienische diese zweite Bedeutung jedoch auch aus dem Englischen übernommen, wo sie seit 1655 belegt ist (OED) und der konkreten Bedeutung (‘Geduldspiel, herausforderndes Spielzeug’) vorausgeht. Als das Kreuzworträtsel 1925 in italienischen Zeitungen aufkam, war ital. puzzle also bereits polysem. Wie Abbildung 115 zeigt, liegt der Anteil der Bedeutung ‘Kreuzworträtsel’ nur in den 1920er Jahren bei über 50% aller Okkurrenzen von puzzle, der übertragene Gebrauch für ‘kompliziertes Problem, Rätsel’ nimmt hingegen mit der Zeit zu und bleibt für ‘Puzzle’ relativ konstant. In den 1960er Jahren referiert ital. puzzle nur
273 Zing. 2019: 1914; NDM: 1927. 274 Siehe folgendes Beispiel: «Il giorno in cui l’on. Turati saprà finalmente quale è il pensiero dell’on. Turati sarà un bel giorno per lui e per tutti quelli che si sono incuriositi in un puzzle così complicato», CDS 13/02/1913, 3.
4.10 Spiele
100 %
5%
90 % 80 %
25 %
29 %
33 %
32 % 52 %
70 % 60 % 50 % 40 % 30 %
403
59 %
40 %
'kompliziertes Problem' 'Puzzle' 'Kreuzworträtsel'
35 %
70 % 38 %
20 % 27 %
10 %
32 %
12 %
0% 1920-29
1930-39
9% 1940-49
1950-59
1960-69
Abbildung 115: Semasiologisches Profil für puzzle (ASLS, 1920–1970).
noch gelegentlich – meist metasprachlich – auf ‘Kreuzworträtsel’. Welche italienischen Synonyme wurden dafür also verwendet? Das von Anfang an synonym verwendete parole incrociate (nur anfangs noch spezifiziert als indovinello/enigma/gioco delle bzw. a parole incrociate) erweist sich als das stärkste und dauerhafteste Äquivalent und wurde zudem am häufigsten zur Substitution vorgeschlagen. Schon in den 1930er Jahren hatte parole incrociate das Fremdwort weitgehend ersetzt, wie auch die Enciclopedia Treccani von 1935 unter dem Eintrag «puzzle» erkennen lässt: Impropriamente sono stati chiamati puzzles (cross-word puzzles) i moderni giuochi delle ‘parole incrociate’.275
Während sich die onomasiologische Stärke von parole incrociate auch damit erklärt, dass dieser Ausdruck bis in die 1950er Jahre als Legende des über längere Zeit täglich abgedruckten Kreuzworträtsels in La Stampa della sera verwendet wurde,276 setzt sich ab Mitte der 1950er Jahre zunehmend cruciverba durch. Bereits Monelli (1933) nahm dieses Kunstwort als übliche Italianisierung wahr: L’importazione di puzzle fra i nostri malparlanti è recente, e coincide con l’introduzione del giuoco delle parole incrociate (crosswords puzzle), ora chiamato cruciverba, e per il quale gli enigmisti d’Italia si sono divisi in due campi. Gli uni sostenendo l’origine ita-
275 http://www.treccani.it/enciclopedia/puzzle_%28Enciclopedia-Italiana%29/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. 276 Arcangeli (2011, 144) und Boccardo (2015) führen den Erfolg von parole incrociate auch auf die populäre Wochenzeitschrift Settimana Enigmistica von Giorgio Sisini zurück, die den Ausdruck seit ihrer ersten Ausgabe im Jahr 1932 verwendete.
404
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
liana la bellezza e l’eleganza del gioco, gli altri affermando che è un grottesco perditempo, appartenente all’enigmatica commerciale (256–257).
Es geht zurück auf das 1925 bei Mondadori erschienene Buch Cruciverba. 50 problemi scelti e inediti di parole incrociate, composti da valenti enigmisti. Die beiden Herausgeber Valentino Bompiani und Enrico Piceni hatten cruciverba als beste Variante277 einer Reihe von selbstkreierten, neoklassischen Neologismen ausgewählt (chiasmatògrifo, chiasmògrifo, staurògrifo, storògrifo, onomàstoro, crucenigma, storenigma und cruciverba), da sie Assimilationen des Fremdworts zur Bezeichnung des neuen Freizeitvergnügens erklärtermaßen ablehnten. Auch wenn cruciverba mehr Zeit zur Verbreitung benötigte, scheint es aufgrund seiner relativen Kürze und seiner Eignung zur Wortbildung (vgl. cruciverbista278 und cruciverbismo, im Gegensatz zu den anderen Substitutionsvorschlägen)279 langfristig erfolgreicher zu sein.280 Die aus parole incrociate gekürzte Form parole crociate konnte sich ab 1930 etablieren und war in den 1950er Jahren sogar salient im ASLS.281 KREUZWORTRÄTSEL puzzle (subst.m.inv.) cross word puzzle Etym.
< engl. cross-word puzzle
Erstb.
(«Dopo aver trionfato in America, dove pare sia nato, e dopo aver conquistato l’Inghilterra, ecco che è giunto in Italia il Cross word puzzle, o ‹indovinello della parole incrociate›, e ha preso dimora nella Domenica del Corriere. Infatti nel numero , in vendita questa settimana, è pubblicato un primo indovinello che tutti indistintamente i lettori possono tentare di risolvere [...]. I lettori possono anche partecipare a una seconda collaborazione che consiste nell’inviare Indovinelli a parole incrociate da sottoporre al pubblico. Ogni lavoro accettato viene compensato con L. », CDS, //, )
Bed.
Jàcono (): «Pare che i Mots croisés di alcuni giornali francesi abbiano preceduto nel tempo il Puzzle, o, più esattamente, il Cross-word puzzle degli Americani. Certo è che non pochi dei nostri hanno creduto all’origine americana del gioco, immemori o ignari delle antiche ingegnose difficili ‹parole angolari› e ‹parole quadrate›, fiorite abbondantemente nella latina Italia sotto il segno della magía. Dunque l’origine del gioco non è nemmeno francese»
277 Für Bartezzaghi (2007) vermittelt der Ausdruck cruciverba «il senso del tormento provato dal solutore quando stenta a trovare la soluzione giusta» (123). 278 Erstbeleg: 20/09/1932, 3. 279 Erstbeleg: 30/08/1955, 5. 280 DG (s.v. cruciverbista) zufolge war die Derivation cruciverbista (1963, NDM) sogar Modell für das gleichbedeutende engl. cruciverbalist (1971). OED geht allerdings von einem Latinismus aus. 281 Erstmals belegt in CDS 15/08/1930, 5.
4.10 Spiele
405
(fortgesetzt ) KREUZWORTRÄTSEL puzzle (subst.m.inv.) cross word puzzle SubV
parole incrociate (Monelli /; Mazzucconi ; Jàcono ; Palazzi ; Natali ; CIL –; Panzini ): Strukturübertragung cruciverba (Monelli /; Jàcono ; Palazzi ; Natali ): Neuformation parole in croce (Panzini ): Strukturübertragung *verbo messo in croce (Natali ): Paraphrase #sciarada (Jàcono ) #rebus (Jàcono ) #gi(u)oco di pazienza (Jàcono ; Palazzi ) #incastro (CIL –)
Syn.
parole crociate (cf. Panzini ; Boccardo ): Strukturübertragung puzzola (cf. ASLS //, ): morphonologische Assimilation #puzzo (cf. Monelli , ; Natali , ): morphonologische Assimilation
2% 1% 1%
100 % 90 % 80 %
30 %
2% 14 %
16 % 28 %
70 % 47 %
60 % 50 % 40 % 30 %
11 %
96 % 83 % 70 %
59 %
cruciverba parole in croce parole crociate parole incrociate puzzle
34 %
20 % 10 % 0% 1920-29
0,4 %
1%
1930-39
1940-49
3% 1950-59
2% 1960-69
Abbildung 116: Onomasiologisches Profil für KREUZWORTRÄTSEL (ASLS, 1920–1970).
Im Gegensatz zu anderen aus anderen Ländern übernommenen «Moden» im Bereich der Freizeitbeschäftigung wurde das Kreuzworträtsel in der italieni-
282 DG, s.v.: «Termine in uso durante l’autarchia con cui il regime fascista proponeva di sostituire l’anglicismo puzzle. Il termine era già affermato in enigmistica, ed è tuttora in uso, per indicare un gioco in cui una parola si inserisce in un’altra per ottenerne una terza».
406
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
schen Presse zum Teil positiv aufgenommen. Der Artikel L’epidemia dell’indovinello von 1925 hebt beispielsweise seine didaktischen Effekte hervor: I giornali di lingua italiana [...] hanno dovuto, come quelli di lingua inglese, aprire la loro brava rubrica del «Cross Word Puzzles», che nel feroce gergo coloniale, si chiamano «puzzole». Il giuoco ha avuto effetti che nessuno poteva immaginare. Improvvisamente si è volgarizzato un esercizio di lingua e di vocabolario, che ha reso familiari a molti emigrati il Tommaseo, il Fanfani, il Rigutini, il Petrocchi, il Melzi, e testi letterari e libri di coltura che si usano appena per prepararsi al componimento italiano alla licenza liceale. I dizionari sono La Bibbia dei «puzzlers»: per trovar parole e imparare sinonimi, cercare nomi e ricordare la storia, studiare combinazioni e risolvere indovinelli (06/03/1925, 3).283
Andererseits mangelte es in den Quellen des FFP nicht an den üblichen Schmähungen: Dopo la grande guerra avemmo l’invasione di cavallette del puzzle: in ferrovia, al caffè, dal barbiere, nell’anticameri del dentista, per la strada, c’imbattevamo in gente che con una rivista e un lapis in mano, stringendo le mascelle, stralunando gli occhi e pigliando ispirazione dall’empireo, t’inchiodava con la domanda a bruciapelo: - Chi era Cassio Longino? Bè, quello era un infelice che cercava di demolirsi il cervello con l’idea fissa di risolvere la tremdenda questione di Cassio Longino per mezzo di un perditempo chiamato dagli inglesi puzzle e da qualcuno di noi puzzo (Natali 1940, 70–71).
In der Nachkriegszeit büßte das Kreuzworträtsel an Popularität ein: Ein Artikel vom 30.08.1955 (Troppo facili i cruciverba dicono i maestri di enigmistica, 5) spricht von der größten Krise des Kreuzworträtsels seit seiner Entstehung. Auch ein Vergleich der Konzeptfrequenzen bestätigt die nachlassende Bedeutung und zeigt, dass die Blütezeit des Kreuzworträtsels – zumindest in La Stampa – in den 1930er Jahren lag. Zusammenfassend ist KREUZWORTRÄTSEL Beispiel für den ansonsten eher seltenen Fall, dass eine entlehnte Spielbezeichnung ersetzt wird und das sogar durch italienische Äquivalente, die weniger ökonomisch sind (4–7 Silben gegenüber dem zweisilbigen Fremdwort). Zur Erklärung der erfolgreichen Substitution von puzzle können drei Aspekte herangezogen werden: 1. Durch die Bedeutungserweiterung von ital. puzzle um ‘Kreuzworträtsel’ (zusätzlich zu den beiden affinen Bedeutungen ‘Puzzle, Geduldspiel’ bzw. ‘kompliziertes Problem’) wurde das Fremdwort semantisch zu unspezifisch. Die etymologische Vollform cross-word puzzle schied im Italienischen dagegen wegen übermäßiger phonologischer und morphologischer Komplexität aus. Die Ersetzung ist somit im Sinne der Homonymievermeidung funktional. 283 Zu weiteren Reaktionen cf. Arcangeli (2011, 143–144).
4.10 Spiele
2.
3.
407
Die Übersetzung des Fremdworts in parole (in)crociate und in cruciverba erfolgte unverzüglich. Noch im Entlehnungsjahr (1925), also ohne zeitliche Verzögerung, standen somit zwei potenzielle italienische Ausdrucksvarianten zur Verfügung. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich puzzle ‘Kreuzworträtsel’ bis zur Substitution außerhalb seines hauptsächlichen Übertragungsmediums, nämlich der Zeitung, ausgebreitet hatte. Somit konnte die Substitution direkt «an der Quelle» und ohne konkurrierende Entwicklungen in anderen Kanälen (z.B. in der gesprochenen Sprache) erfolgen.
Die Entwicklung des onomasiologischen Profils von KREUZWORTRÄTSEL ist auch deswegen besonders, weil es zeigt, wie schnell Bezeichnungswandel im Sprachgebrauch erfolgen kann, wenn eine lexikalische Innovation sich noch nicht außerhalb einer spezifischen Domäne (Freizeitgestaltung/Denksport) und eines spezifischen Mediums (in diesem Fall: Zeitung) verbreitet hat.
4.10.3 Fazit Die Untersuchung hat gezeigt, dass Fremdwörter der italienischen Spielsprache besonders resistent waren (acht Fremdworterfolge gegenüber nur einer Substitution während des Faschismus), im Speziellen, wenn sie eine in Italien neu eingeführte Freizeitbeschäftigung bezeichnen. Keine besondere Rolle scheint dabei die Konzeptfrequenz zu spielen, die in der Spielsprache ohnehin stärker variiert als in jener des Sports, da sie häufiger gesellschaftlichen Moden unterworfen zu sein scheint. Auffällig ist, dass unter den Ersetzungsvorschlägen nicht nur Archaismen und Dialektalismen – die ein Versuch waren, an frühere italienische Spieltraditionen anzuknüpfen, wie z.B. rosina und rollina für roulette, goffo und goffetto für poker – erfolglos blieben, sondern auch grafische oder morphonologische Assimilationen (pocher, brigge, ruletta, puzzola/puzzelo). Damit liegt die Vermutung nah, dass Fremdwörter als äußerlich «exotische», unmotivierte Neologismen besonders einprägsam und prägnant sind, was sie zu besonders geeigneten Spielbezeichnungen macht. Der Ersetzung von Fremdwörtern wirkt hierbei zudem entgegen, wenn eine Fremdsprache die international anerkannte Spielsprache darstellt, wie im Fall des Französischen für das Roulette. Ein illustratives Gegenbeispiel stellt ital. (cross-word) puzzle dar, das unmittelbar nach seinem ersten Erscheinen dauerhaft durch italienische Neubildungen (zunächst parole (in)crociate, dann cruciverba) ersetzt wurde. Dabei scheinen drei Faktoren zur Substitution beigetragen zu haben: semantische Unschärfe des
408
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Fremdworts (Homonymie), unverzügliche Verfügbarkeit italienischer Neuformationen und die beschränkte Verbreitung des Konzepts zunächst nur in einem Medium bzw. einer Domäne.
4.11 Auswertung der Ergebnisse In den vorangegangenen Kapiteln wurden insgesamt 104 Konzepte in ihrer onomasiologischen Variation und ihrer diachronen Entwicklung zwischen 1920 und 1970 beschrieben. Die Darstellung war nach Sportarten und nach dem Ergebnis der Lexemkonkurrenz bis 1970, also dem Italianisierungsstatus, gegliedert. Die Zusammenfassung der Ergebnisse ist anders aufgebaut: Unter 4.11.1 wird die Entwicklung der onomasiologischen Variation in der Stichprobe quantitativ zusammengefasst, unter 4.11.2 werden einzelne lexikologische Aspekte des Sprachwandels herausgegriffen, die in den Daten gehäuft auftreten und unter 4.11.3 werden auswertende Anmerkungen zu den Substitutionsstrategien der Quellen des FFP angestellt.
4.11.1 Entwicklung der onomasiologischen Variation zwischen 1920 und 1970 Nicht alle untersuchten Konzepte der Sport- und Spielsprache wiesen im Untersuchungszeitraum eine nennenswerte onomasiologische Variation mit mindestens zwei Ausdrucksvarianten auf. Hat ein Lexem im gesamten Untersuchungszeitraum eine onomasiologischen Stärke von über 95% (ausgenommen der systematisch abweichende Messzeitraum 1940–1950), hat die Lexemkonkurrenz nur marginale Bedeutung. In der Stichprobe war dies bei zwölf Konzepten der Fall.284 Alle anderen Konzepte wiesen eine mehr oder weniger starke onomasiologische Variation auf. Bei 44% aller Konzepte blieb das Fremdwort dauerhaft salient, bei 49% der Konzepte kam es zu einer Ersetzung (Abb. 117). Bei den verbleibenden 7% ist bis 1970 keine eindeutige Tendenz festzustellen, denn bei ihnen ist bis 1970 kein Lexem dauerhaft salient. Von der Substitution eines Fremdworts zu unterscheiden sind Historismen bzw. aufgegebene Referenten. In der Untersuchung betraf das die Konzepte AUßENLÄUFER und TORQUOTIENT, die beide im Fußball geläufig waren. Während die Fremdwörter half(-back) sowie goal average und quoziente reti zusammen
284 Es handelt sich um die zwölf Sport- und Spielbezeichnungen baseball, croquet, golf, hockey, telemark, tennis sowie bridge, mahjong, poker, roulette, whist und yo-yo.
4.11 Auswertung der Ergebnisse
409
7%
49 % 44 %
Italianisierung Fremdworterfolg Koexistenz
Abbildung 117: Ergebnisse der lexikalischen Entwicklung der Untersuchungsstichprobe bis 1970 (N=104).
mit ihren Denotaten obsolet geworden sind, trifft dies nicht auf das anfängliche Synonym für half, mediano, zu, da es die allgemeine Bedeutung ‘Mittelfeldspieler’ annahm. Eine zentrale Frage der Untersuchung bezog sich auf den Ersetzungszeitpunkt: Fand die Ersetzung während des Faschismus oder zuvor bzw. danach statt? Mithilfe der onomasiologischen Profile kann diese Frage gut beantwortet werden. War das Fremdwort bereits im ersten Messzeitraum und auch danach nicht salient, wird eine präfaschistische Ersetzung angenommen. Verringerte sich die onomasiologische Stärke eines in den 1920er Jahren noch salienten Fremdworts bis 1950 um mindestens 20 Prozentpunkte, ist von einer Ersetzung während des Faschismus auszugehen. Ein späterer Verlust der Salienz des Fremdworts gilt als postfaschistische Substitution. Unter den lexikalischen Substitutionen in der Stichprobe erfolgten 26 während des Faschismus, fast ebenso viele (23) erfolgten jedoch schon in präfaschistischer Zeit (cf. Abb. 118). Nur bei zwei Konzepten der Boxterminologie vollzog sich die Ersetzung erst in der Nachkriegszeit (CROSS und AUFWÄRTSHAKEN). Etwa bei der Hälfte der untersuchten Sportkonzepte gelang somit eine Italianisierung (siehe Abb. 117). Diese erfolgte wiederum bei 46% vor 1920, bei 50% während des Faschismus, jedoch nur selten in postfaschistischer Zeit (4%). Unter allen untersuchten Sportkonzepten kam es also bei etwa bei einem Viertel während des Faschismus zu einer dauerhaften Substitution. In den 1930ern und besonders in den 1940er Jahren lässt sich an vielen der onomasiologischen Profile ein deutliches Nachlassen des Fremdwortgebrauchs zugunsten italienischer Ausdrucksvarianten beobachten. Dies ist an
410
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
30 26 25
23
20 15 10 5
2
0 präfaschistisch
faschistisch
postfaschistisch
Abbildung 118: Anzahl der lexikalischen Substitutionen nach Ersetzungszeitpunkt.
den Einzelprofilen, aber auch an der durchschnittlichen onomasiologischen Stärke der Fremdwörter abzulesen:285
1920-29
64 %
1930-39
52 % 30 %
1940-49 1950-59
45 %
1960-69
44 % 0%
10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 %
Abbildung 119: Durchschnittliche onomasiologische Stärke der untersuchten Fremdwörter nach Zeitraum.
Zwischen 1920 und 1970 sinkt die durchschnittliche onomasiologische Stärke der Fremdwörter über alle Konzepte hinweg somit um 20 Prozentpunkte auf einen Durchschnittswert von 44%. Während der 1940er Jahre liegt er nur bei 30%, was die systematische Abweichung im Fremdwortgebrauch während dieses Zeitraums im ASLS erneut hervorhebt. Da dieser Rückgang bei vielen Konzepten nur vorübergehend war und das jeweilige Fremdwort in den letzten
285 Die Konzepte, die zu 100% bzw. zu 0% durch ein Fremdwort versprachlicht wurden, sind dabei enthalten. Errechnet wurde der Mittelwert. Der Median des Fremdwortanteils zwischen 1920 und 1940 betrug 53%, zwischen 1950 bis 1970 lag er bei 39%.
411
4.11 Auswertung der Ergebnisse
beiden Untersuchungszeiträumen (1950 bis 1970) wieder salient wurde, kann die Vermeidung des Fremdwortgebrauchs zumindest auch auf die Pressekontrolle und die Sprachgesetzgebung des Faschismus zurückgeführt werden. Zugleich zeichnet sich in der Stichprobe jedoch auch in der Nachkriegszeit ein allmählicher Rückgang der durchschnittlichen onomasiologischen Stärke der Fremdwörter ab. Diese Entwicklung kann auch als Indikator einer zunehmenden «Normalisierung» der nach 1950 bereits einige Jahrzehnte alten Fremdwörter gesehen werden, der dadurch bedingt ist, dass sie ihren Status als Neologismus verloren und zunehmend eine Ausdrucksvariante dauerhaft lexikalisiert wurde. Zur weiteren Exploration dieser Annahme soll die Entwicklung des Fremdwortanteils – also die onomasiologische Stärke des Fremdworts innerhalb eines Konzeptes – in der Stichprobe differenzierter untersucht werden. Hierfür wird der Fremdwortanteil der 104 Konzepte etwas feiner skaliert mit den Kategorien < 5% / 5–50% / 50–95% / > 95%. Bei einer onomasiologischen Stärke von weniger als 5% kann das Fremdwort als praktisch ersetzt gelten, bei mehr als 95% als Salienz ohne onomasiologische Konkurrenz. Dazwischen liegen mittel-hohe («50–95%») und mittel-niedrige («5–50%») Fremdwortanteile. Im Zeitraum 1920 bis 1940, der sich größtenteils mit der Zeit des Faschismus deckt, weist die Stichprobe eine Art Normalverteilung in Hinblick auf den prozentualen Fremdwortanteil der Konzepte auf (siehe Abb. 120): 45 40
40
39
35
32
30
26
26
25 20
20 15
15
> 95% 50% - 95% 5% - 50% < 5%
10
10 5 0 1920-1940
1950-1970
Abbildung 120: Anzahl der Konzepte mit niedrigem / mittel-niedrigem / mittel-hohem und hohem Fremdwortanteil (in Prozent) im historischen Vergleich.
Bei den meisten Sportkonzepten wird das Fremdwort überwiegend (Anteile von 50–95%) oder zumindest als Ausdrucksalternative (Anteile von 5–50%) gewählt. Die beiden Extreme – beinahe ausschließliche (über 95%) oder feh-
412
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
lende (unter 5%) Versprachlichung durch das Fremdwort – sind in diesem Zeitraum deutlich seltener anzutreffen. In der Nachkriegszeit weisen dieselben Konzepte eine andere Verteilung des Fremdwortanteils auf. Die Verteilung ähnelt nun eher einer ansteigenden Kurve. Die Anzahl der Konzepte mit quasi ausschließlichem Fremdwortanteil (> 95%) ist gegenüber 1920–1940 gestiegen. Die beiden zuvor größten Gruppen mit 5–50% bzw. 50–95% Fremdwortanteil sind deutlich kleiner geworden, während nun die Gruppe mit den obsoleten/substituierten Fremdwörtern am größten ist. Der Kontrast der beiden Verteilungskurven illustriert anschaulich den vermuteten Ablauf kontaktinduzierten lexikalischen Sprachwandels: Nach ihrer Entlehnung konkurrieren Fremdwörter als Neologismen häufig mit einheimischen Synonymen. Nach dieser Phase des «Wettbewerbs» um das geeignetste Lexem, die sich durch mittlere Fremdwortanteile auszeichnet (siehe rote und gelbe Datenreihe in Abb. 120), entwickelt sich im Sprachgebrauch allmählich eine Präferenz für eine Ausdrucksvariante, die anderen Varianten werden im weiteren Verlauf verdrängt. Die Verdrängung kann entweder in der völligen Aufgabe des Lexems, einer reduzierten Bezeichnungsquote (bei der es zu einer Koexistenz mit anderen Lexemen kommt) oder der semantischen Differenzierung und dem «Recycling» des Lexems für spezifischere oder übertragene Bedeutungen dienen.286 Im Ergebnis führt dieser Prozesses zu einer Polarisierung in Bezug auf den Fremdwortanteil des Konzepts: Entweder verschwindet das Fremdwort weitgehend aus dem Sprachgebrauch (siehe Anstieg der grünen Datenreihe) oder es entwickelt sich zum salienten, ggf. auch ausschließlichen Ausdruck des Konzepts (siehe leichter Anstieg der blauen Datenreihe). Daneben hat die Untersuchung aber auch gezeigt, dass bei bestimmten Konzepten eine solche Katachrese vermieden wird (z.B. bei GEWALTSCHUSS, BOXEN, REKORD, GEHEIMABSPRACHE IM SPORT, SCHWÄCHE(-ANFALL) EINES SPORTLERS). Möglicherweise ist bei diesen Konzepten speziell in der Pressesprache eine dauerhafte onomasiologische Konkurrenz zwischen zwei oder mehreren gleichberechtigten Synonymen zur stilistischen Variation funktional.
286 Der unter 2.1.5.3 erwähnten polarizzazione. Einige Beispiele dafür nennt Di Stefano (2007): «Cambiamenti nel corso del tempo, spesso dovuti all’introduzione di nuove discipline, giocano un ruolo decisivo nel ‹riciclaggio› di alcune parole straniere che avevano subìto forte concorrenza da parte delle relative italiane: se l’inglese rally era stato efficacemente affiancato da raduno, è poi tornato in auge, incontrastato questa volta, per designare un particolare tipo di corsa automobilistica a tappe e su terreni impervi; l’anglicismo boxing, passato in secondo piano nei confronti del francese boxe come dell’italiano pugilato, è ricomparso ultimamente nel composto kick-boxing, che indica uno sport da combattimento inventato negli anni 80 in Giappone e da noi importato dagli Stati Uniti» (175).
4.11 Auswertung der Ergebnisse
413
Die Fallanalysen der Sportkonzepte hat gezeigt, wie unterschiedlich der «Lebenszyklus» von Fremdwörtern aussehen kann. Dabei laufen Wandelprozesse teilweise allmählich über mehrere Jahrzehnte ab (z.B. bei TITELHERAUSFORDERER, AUSSENSEITER, SCHWINGER), mitunter aber auch innerhalb nur weniger Jahre (cf. KREUZWORTRÄTSEL, SERPENTINE, VERSUCH (IM RUGBY), ROLLSCHUHLAUF). Sprachwandel scheint auch dadurch beeinflusst zu sein, wie populär das jeweilige Konzept ist und wie häufig es damit versprachlicht wird. Während es bei seltenen Konzepten häufig nur zu geringem onomasiologischem Wandel kam (wie bei KROCKET, SCHMETTERBALL, TELEMARKSCHWUNG, BOXBALL, MAH-JONGG, HAUPTGEWINN IM ROULETTE), variierte die Versprachlichung von Konzepten mittlerer bis hoher Häufigkeit stärker (cf. REKORD, STRAFSTOSS, TOR (BEIM PUNKTESTAND)). Dieser Aspekt soll in Kapitel 5.2 und 5.3 geprüft werden. Die onomasiologische Stärke der Fremdwörter variiert nicht nur zeitlich, sondern auch sachlich – je nach Sportart – erheblich. Abbildung 121 stellt den Fremdwortanteil für den Zeitraum 1920 bis 1940 nach Sportarten gegliedert dar. Während die meisten Konzepte der Fußballterminologie nur noch einen geringen Fremdwortanteil aufweisen, überwiegen im Rugby, in der Spielsprache, im Boxen und im Tennis Konzepte mit hohem Fremdwortanteil. Bei den Konzepten des Rad- und Wintersports sowie den weiteren Sportkonzepten hat die Hälfte zwischen 1920 und 1940 hohe Fremdwortanteile. 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % hoch (50-100%) gering (0-49%)
50 % 40 % 30 % 20 % 10 % Rugby
Spiel
Boxen
Tennis
Wintersp.
andere
Radsp.
Fußball
0%
Abbildung 121: Durchschnittlicher Fremdwortanteil in unterschiedlichen Sportarten im Zeitraum 1920–1940.
Der Vergleich mit Abb. 122 für den Zeitraum 1950 bis 1970 zeigt, dass die onomasiologische Stärke der Fremdwörter in den Sportarten Rugby, Boxen und weiteren
414
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % hoch (50-100%) gering (0-49%)
50 % 40 % 30 % 20 % 10 % Spiel
Tennis
Wintersp.
Radsp.
Boxen
Rugby
andere
Fußball
0%
Abbildung 122: Durchschnittlicher Fremdwortanteil in unterschiedlichen Sportarten im Zeitraum 1950–1970.
Sportarten («andere») sinkt. Bei Fußball, Radsport und Spiel verändert sich der Fremdwortanteil im historischen Vergleich dagegen nicht mehr. Bei diesen Konzepten war der Italianisierungsprozess im Faschismus bereits größtenteils abgeschlossen. Dagegen steigt die Anzahl der Konzepte mit hohem Fremdwortanteil bei Tennis und Wintersport in der Nachkriegszeit sogar wieder, was bedeutet, dass in diesen beiden Sportarten (wieder) stärker auf Fremdwörter zurückgegriffen wurde. Diese Unterschiede werden hier nur beschrieben. Erklärungsversuche sollten die Verbreitung und Popularität der Sportarten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg berücksichtigen (hierzu siehe 5.2), aber auch, inwiefern die Terminologie der jeweiligen Sportart insgesamt auf Fremdwörter zurückgriff (dieser Aspekt wird hier nicht weiter untersucht).
4.11.2 Muster lexikalischen Wandels in den Daten In der onomasiologischen und semasiologischen Untersuchung der Sportkonzepte erschienen einige Phänomene des lexikalischen Wandels wiederkehrend. Dazu zählen folgende Aspekte: Assimilation, semantische Übertragung, onomasiologische Streuung, sprachökonomische Kürzung und Fremdwortbildung. Assimilationen bzw. formbasierte Ersetzungen stellten nur in wenigen Fällen den erfolgreichsten Substitutionstyp dar (sci gegenüber ski/sky, cristiania gegenüber christiania/kristiania). Fasst man Ellipsen mehrgliedriger Fremdwörter ebenfalls als eine Form der Assimilation auf, wären zusätzlich folgende Fälle
4.11 Auswertung der Ergebnisse
415
erfolgreicher Assimilation zu nennen: basket gegenüber basket ball, scout neben boy-scout, drop gegenüber drop goal, bob gegenüber bobsleigh. Meist waren die grafisch-morphologisch integrierten Ausdrucksvarianten dagegen weniger erfolgreich als das Fremdwort, cf. pistocco/alpestocco gegenüber alpenstock, brigge gegenüber bridge, crichet gegenüber cricket, gimcana/gincana gegenüber gymkhana/gimkana, hochey und ochey/ochei gegenüber hockey, giu-giutsu gegenüber j(i)ujitsu, pocher gegenüber poker, ruletta/roletta gegenüber roulette, rugbi gegenüber rugby, peso velter gegenüber peso welter. Es fällt auf, dass unter den Fremdworterfolgen zahlreiche Bezeichnungen für Sport- bzw. Spielarten sind. Daher soll unter 5.6 die Hypothese geprüft werden, ob der Italianisierungsstatus mir der semantischen Kategorie korreliert. Auffällig ist, dass unter den Fremdworterfolgen zwischen 1920 und 1970 kein wesentlicher Abbau von grafischen Fremdheitsmerkmalen stattgefunden hat und viele der untersuchten Fremdwörter mit der Grafemkombination (alpenstock, hockey, cricket, knock out) keine Anpassung (z.B. in , ) erfahren haben, ebenso Fremdwörter mit der exogenen Grafemkombination (boy-scout, roulette, croupier). Eine teilweise und erst späte grafische Assimilation ist dagegen bei > zu beobachten (goal/gol, auto-goal/autogol), die möglicherweise mit der hohen Frequenz speziell dieses Lexems zu tun hat. Nach Winter-Froemel (2011) ist bei formal markierten Formen von einer relativ schnellen Abnutzung auszugehen, wenn die Formen häufig verwendet werden. Nach Keller kann hier ein typischer Effekt der unsichtbaren Hand gesehen werden: Je häufiger die Sprecher der ZS die entsprechenden Formen – gerade wegen ihrer pragmatischen Wirkung – verwenden, umso schneller nutzen sich entsprechende Effekte ab (488).
Tatsächlich wurden die katachrestischen Entlehnungen, deren Konzepte im Untersuchungszeitraum am häufigsten erschienen (penalty, football, record, goal, centro-forward, back, footballer, goal-keeper, supporter, boxeur, forward, ski), überwiegend ersetzt oder assimiliert (siehe gol und sci). Auch wurden bei den Fremdworterfolgen die exogenen Grafeme , , , und selten oder nur teilweise ersetzt, cf. die noch heute rekurrierenden Formen boxe, basket, gimkana (ursprünglich gymk(h)ana, Abbau von , allerdings Beibehaltung von ), hockey, jab, knock out/k.o., poker, rugby, welter, yo-yo (abgesehen von den seltenen Fremdwörtern mahjong, whist und telemark). Die ausbleibende grafische Assimilation kann auch als Spezifikum der Mediensprache angesehen werden: Es ist anzunehmen, dass Journalisten durch eine möglichst getreue Wiedergabe der AS-Zeichen Bildung und internationale Orientierung auszudrücken versuchen.
416
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Das Phänomen der semantischen Übertragung betrifft nicht nur die bedeutungsbasierte Substitution, wenn das Signifikatum eines Lehnworts auf ein natives Lexem übertragen wird, sondern auch die Nutzung von Fremdwörtern in verwandten Kontexten, also in anderen Sportarten wie im Fall von plongeon (Schwimmen, dann Fußball), grimpeur (Klettern, dann Radsport), suiveur und surplace (beide Radsport, dann Fußball) oder in sachfremden Kontexten wie Politik und Wirtschaft. In einigen Fällen scheint die semantische Übertragung in nicht-sportbezogene Sachbereiche den Erhalt des Fremdworts in der Pressesprache unterstützt zu haben, wie etwa bei ital. bagarre, das die allgemeine Bedeutung ‘Tumult, Durcheinander’ annahm, bei groggy ‘erschöpft, kraftlos’, k.o. ‘außer Gefecht, geschlagen’, autogoal ‘Handlung, die zum eigenen Schaden führt’, défaillance ‘mentale oder moralische Schwäche’, ping-pong ‘Wortgefecht’, slalom ‘Hindernislauf, Zickzackkurs’ und atout ‘Vorzüge; gute Gewinnchancen’. Derselbe Effekt kann eintreten, wenn das Fremdwort in anderer Bedeutung neuentlehnt wird, wie bei swing ‘Musik-/Tanzstil’ und corner ‘Aufkauf aller verfügbaren Ware durch einen Großhändlerring’. Beispiele zeigten, dass der Journalismus die (entlehnte) Sportterminologie gern als lexikalisches Reservoir nutzt, um die Berichterstattung durch Metaphern und Frames des sportlichen Wettkampfes und durch lexikalisch-stilistische Varianten zu beleben.287 Unter den einzelnen Sportarten haben die Terminologien des Fußball- und Boxsports die Gemeinsprache am meisten bereichert (z.B. auto-goal, groggy). In der onomasiologischen Untersuchung fiel auf, dass sich die Konzepte in der Anzahl der konkurrierenden Synonyme und dem Umfang der onomasiologischen Variation teilweise erheblich unterschieden – ein Phänomen, das hier als onomasiologische Streuung bezeichnet werden soll und das in Zusammenhang mit Katachrese steht. Auf der einen Seite finden sich Konzepte mit zwei oder mehr Synonymen vergleichbarer onomasiologischer Stärke, unter denen das Fremdwort eine der möglichen lexikalische Varianten darstellt. Dazu zählen u.a. die Konzepte GEWALTSCHUSS, SCHWÄCHE(ANFALL) EINES SPORTLERS, GEHEIMABSPRACHE IM SPORT, MANNSCHAFTSKAMERAD BEI RADRENNEN, ZÖGLING EINES SPORTLERS/TRAINERS, GROGGY, ALPENSTOCK, SERPENTINE. Auf der anderen Seite gibt es Konzepte, die fast ausschließlich durch ein einziges Lexem bezeichnet werden, in der Stichprobe beispielsweise BASEBALL, GOLF, HOCKEY, TENNIS (siehe 4.11.1).
287 Thomas (1991) spricht dabei von determinologisation: «it should be noted that one of the major trends in modern standard languages is towards determinologisation, that is the use of technical terms in everyday discourse without their specialist signification» (122).
4.11 Auswertung der Ergebnisse
417
Wie ist diese unterschiedlich ausgeprägte onomasiologische Streuung zu erklären? Was charakterisiert Konzepte mit einer hohen onomasiologischen Streuung gegenüber Konzepten, bei denen diese gering ausfällt oder ganz ausbleibt? In der Stichprobe sind Konzepte mit anhaltender onomasiologischer Streuung zum einen semantisch unschärfer, haben geringeren terminologischen Wert und sind kontextabhängiger als Konzepte mit geringer onomasiologischer Streuung. Zum anderen sind gerade journalistische Spielberichte auf lexikalisch-stilistische Variation angewiesen, um nicht monoton zu werden und die Aufmerksamkeit des Lesers aufrecht zu erhalten. Auf den für eine Fachsprache untypischen Synonymenreichtum speziell der Fußballsprache hat Schmid (2010) hingewiesen: Über Fußball wird viel und häufig gesprochen und geschrieben, und das in den verschiedensten Medien unter Beteiligung von Personen mit unterschiedlichsten Fachkenntnissen, sprachlichen Hintergründen und persönlichen oder beruflichen Beziehungen zum Gegenstand. Dieser Umstand in Verbindung mit der Tatsache, dass ein eigentlich immer gleiches Ereignis (eben ein Fußballspiel) immer wieder aufs Neue beschrieben und für den Leser oder Zuhörer interessant gemacht werden muss, dürften dafür verantwortlich sein, dass die Fußballsprache äußerst reich an bedeutungsgleichen oder -ähnlichen Ausdrücken ist (19–20).
Der Vergleich der genannten Beispiele lässt außerdem vermuten, dass Konzepte, die (Sport-)Disziplinen bezeichnen, eher katachrestisch sind und eine geringere onomasiologische Streuung aufweisen als andere semantische Kategorien. Um dies zu überprüfen, wurde für alle Konzepte die onomasiologische Stärke des Zeitraum 1950–1970, die nach Abzug der Anteile des Fremdworts und des stärksten Synonyms übrig bleiben, auf die semantische Kategorie bezogen. So wird beispielsweise das Konzept GEWALTSCHUSS zwischen 1950 und 1970 nach Abzug der onomasiologischen Stärke des Fremdworts shoot von 1% und des stärksten Synonyms cannonata von 32% zu insgesamt 66% durch weitere Ausdrücke wie staffilata, sparo, stangata und tiro violento u.a. versprachlicht. Der Wert von 66% gilt hierbei als Maß der onomasiologischen Streuung und ist in diesem Fall besonders hoch. Die Verteilung des Maßes in der gesamten Stichprobe ist in Abb. 123 dargestellt. Ihr zufolge weisen die Bezeichnungen für Sport- und Spielarten tatsächlich die geringste onomasiologische Streuung auf, eine mittlere und hohe Streuung ist dagegen bei Bezeichnungen für Sportgeräte und Sportstätten sowie bei Personenbezeichnungen zu finden. Eine hohe onomasiologische Streuung kann aber auch vorübergehender Natur sein: Beispielsweise sind die beiden Konzepte FUSSBALLFAN und PFADFINDER in den 1920er und 1930er Jahren durch eine hohe Variation und Austauschbarkeit unter den Synonymen gekennzeichnet, seit der Nachkriegszeit ist aber ein einziges Lexem salient (tifoso bzw. boy-scout → scout). In einigen
418
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
35 %
36 %
58 % 89 %
27 % 46 % 28 %
gering (< 3%) moderat (3-20%) hoch (> 20%)
36 % 19 % 15 % 7% 4% Disziplin Technik/Regelwerk Person (N=27) (N=40) (N=26)
Ausübungsort/ -gegenstand (N=11)
Abbildung 123: Verteilung der onomasiologischen Stärke der nativen Lexeme (abzüglich des stärksten Synonyms) im Zeitraum 1950–1970 nach semantischen Kategorien.
Fällen wird durch einen solchen Prozess Katachrese (wieder)hergestellt. Auch die gegenläufige Tendenz, also die Zunahme der onomasiologischen Streuung innerhalb eines Konzepts ist in einigen Fällen zu beobachten, z.B. bei EISLAUFBAHN, AUSSENSEITER und KREUZWORTRÄTSEL, teilweise nur temporär. So wurde das Konzept SEITWÄRTSHAKEN bis 1940 vorwiegend durch das Fremdworts crochet bezeichnet und weist zwischen 1940 und 1960 eine hohe onomasiologische Streuung auf, bis ab 1960 gancio salient wird. Ein solche, temporär ausgeprägte Streuung kann Indikator einer grundlegenden lexikalischen Umstrukturierung des Konzepts sein. Die diachronische Analyse hat vielfach das Wirken von sprachökonomischen Tendenzen offenlegen können. Dies gilt zum einen für mehrgliedrige Fremdwörter, bei denen ein Element mit der Zeit wegfallen kann, wie etwa bei boy-scout → scout basket-ball → basket penalty kick → penalty drop-goal → drop.
Laut Blank (1997, 282) können bei der Ellipse «bestimmte explizierende Versprachlichungen entfallen [...], weil durch den Frame ein Konzept bereits eindeutig aktiviert und das Produkt der Ellipse damit desambiguiert ist». Wie die letzten drei Beispiele zeigen, kann im Italienischen bei mehrgliedrigen Anglizismen sogar das Determinatum (also die zweite Konstituente) statt des Determin-
4.11 Auswertung der Ergebnisse
419
ans wegfallen.288 Typisch ist dabei der stete Rückgang der Vollform nach dem erstmaligen Auftreten der Ellipse. Aber auch die italienischen Ersatzlexeme veränderten sich nach ihrer Lexikalisierung unter sprachökonomischem Druck. So wurden mehrgliedrige Ersatzlexeme der Sport- und Spielsprache häufig elliptisch gekürzt, z.B. gioco del ponte > ponte (für bridge), gioco del calcio > calcio (für football) (cf. Jàcono 1939, 55). Gerade für Fachsprachen werden komplexe Lexien angesichts ihrer Motiviertheit gern genutzt (Blank 1997, 284). Hinzu kommt im Italienischen die nur eingeschränkte Möglichkeit zur Komposition, ohne auf Mehrwortlexeme zurückzugreifen. Andererseits erweisen sich solche motivierten Mehrwortlexeme langfristig häufig als erfolgreicher, wenn sie gekürzt werden. Die Ellipse kann auch durch Wegfall des Determinatums und Substantivierung des Attributs erfolgen, sobald das Lexem soweit konventionalisiert ist, dass das Determinatum als bekannt vorausgesetzt wird, z.B.: smash → palla schiacciata → schiacciata palmer → gomma tubolare → tubolare drive → colpo diritto → diritto penalty → calcio di rigore → rigore
Diese Form von Bezeichnungswandel mit Ellipse und Konversion ist nach Blank relativ aufwändig, zudem führt sie zur Schaffung neuer Polysemien (siehe diritto, rigore). Daher tritt sie nur bei häufigen Mehrwortlexemen auf, die unter stärkerem sprachökonomischem Druck stehen: Ist ein Konzept in einem bestimmten Frame […] relativ zentral oder wird es in einer bestimmten Gruppe häufig versprachlicht, so wird dieses Mißverhältnis von den Sprechern als unökonomisch empfunden. Wir tendieren nämlich universell dazu, häufig gebrauchte Konzepte auch durch morphologisch einfache sprachliche Zeichen auszudrücken. Die Verbindung eines kognitiv unmarkierten, weil für seine Kategorie prototypischen Konzeptes mit einem komplexen, also ‹markierten› sprachlichen Zeichen ist kommunikativ besonders ineffizient. Durch elliptischen Wandel wird dieses Mißverhältnis beseitigt: Das (zentralere) Konzept wird dann durch eine einfache Lexie (oder eine reduzierte komplexe Lexie) versprachlicht (Blank 1997, 283–284).
Sobald Sprecher den Kontext eines komplexen Lexems ausreichend eindeutig zuordnen können – dabei spielt die Häufigkeit der Verwendung eine wichtige
288 Diese Form der Ellipse von entlehnten Komposita betrachtet Vogel (1990) als typisch italienische Form der Lehnwortintegration: «when Italian borrows a particular type of compound from English, typically only one of its members is retained» (99). Allerdings erscheint diese Form von Ellipse auch in anderen ZS (Winter-Froemel 2011, 48–50).
420
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
Rolle –, kann sie nach und nach durch eine einfachere ersetzt werden (ders., 284). Dies gelingt allerdings selbst bei hoher Frequenz nur begrenzt, wenn die Ellipse bereits eine andere Bedeutung im selben Kontext hat oder auf deviante Kontexte verweist, wie bei corner → calcio d’angolo ‘Eckstoß’, aber nicht: angolo ‘Eckstoß’, auch ‘Ecke des Fußballfelds’ (weniger erfolgreich nach 1950) hands → fallo di mani ‘Handspiel’, aber nicht: mani ‘Handspiel’, auch allgemein ‘Hände’ (bis 1970 weniger erfolgreich). coéquipier → compagno di squadra ‘Mannschaftskamerad’, aber nicht: compagno ‘Mannschaftskamerad’, neben der devianten Bedeutung ‘Genosse’ (weniger erfolg reich nach 1950) boy-scout → (giovane) esploratore, insbesondere in der Ellipse nach 1950 rückläufig, eventuell aufgrund der militärischen Nebenbedeutung von esploratore ‘Angehöriger des Aufklärungstrupps’, ‘Aufklärungsfahrzeug’.
Es ist davon auszugehen, dass Polysemien dieser Art in der Nähesprache jedoch weniger als in der Pressesprache vermieden werden. Entsprechend dürfte ihr Anteil in der (mündlichen) Umgangssprache höher sein. Bei ersetzenden Mehrwortlexemen, die mit a gebildet werden, wird die gesamte Paraphrase bei häufiger Verwendung bevorzugt elliptisch zu einem Wort zusammengezogen, z.B. bei water-polo → palla a nuoto → pallanuoto basket-ball → palla a canestro → pallacanestro.
In einzelnen Fällen erwiesen sich auch Abkürzungen als erfolgreicher, sogar dann, wenn sie (im Italienischen) ein phonetisches Wort bilden, das mehr Silben umfasst als das Original: knock down → k.d. ([kappaˈdi]) knock out → k.o. ([kappaˈɔ]), sowie die Italianisierung dafür: fuori combattimento → f.c. ([εffeˈtʃi])
Eine weitere Beobachtung betrifft Fremdwortbildungen: Derivationen, wie auch Komposita von Fremdwörtern sind Indikatoren dafür, dass Fremdwörter ihren Status als Neologismen verlieren und in der Zielsprache lexikalisiert und damit produktiv werden. Vielleicht auch deswegen bemühten sich die Akteure des FFP oft auch um die Ersetzung entsprechender Fremdwortbildungen. Dass sich die Schwierigkeit der Substitution durch bereits gebräuchliche Wortbildungen häufig verstärkte, war z.B. Cataldo bewusst, der ital. tennis aufgrund der Derivation tennista für nicht mehr ersetzungsfähig hielt (DSI, 9; siehe Zitat auf Seite 323). Kommt es trotz bereits lexikalisierter Derivationen zu einer Ersetzung des Fremdworts, ist zu beobachten, dass der Substitutionsdruck auch auf die etablierte Derivation wirkt,
4.11 Auswertung der Ergebnisse
421
aber nicht direkt, sondern erst zeitversetzt wirkt, wie am Beispiel der Ersetzung von waterpolista durch pallanuotista zu sehen war (cf. Seiten 369–371). Trotz der etymologischen Verknüpfung kann also davon ausgegangen werden, dass für jedes Lexem von einem eigenständigen Ersetzungsprozess auszugehen ist. Die Abneigung der Puristen gegenüber Fremdwortbildungen war also durchaus begründet. Die Ergebnisse belegen damit die Wirksamkeit zweier grundsätzlicher Prinzipien sprachlicher Kommunikation, die durch Sprachwandel immer wieder neu in ein optimales Verhältnis gesetzt werden: dem Bedürfnis nach Expressivität, also semantischer Präzision und dem Bedürfnis nach sprachlicher Ökonomie.289
4.11.3 Substitutionsstrategien des faschistischen Fremdwortpurismus Unter 4.2 konnte gezeigt werden, dass der FFP deutlich mehr Fremdwörter zu bekämpfen versuchte, als «notwendig» gewesen wäre: Nur ein Drittel der zu ersetzenden Fremdwörter war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im ASLS üblich, während ein weiteres Drittel selten verwendet wurde (unter 20 Treffer zwischen 1900 und 1944) und der Rest gar nicht im Zeitungskorpus auftauchte. Desweiteren wurden Fremdwörter in die Ersetzungslisten aufgenommen, die – zumindest im ASLS – bereits in den 1920er Jahren überwiegend ersetzt waren (u.a. ski, football, back, footballer, plongeon, crawl, soigneur). Dem lag eine expansionistische Ausrichtung der meisten Quellen des FFP zugrunde, die die Notwendigkeit der puristischen Intervention rechtfertigen sollte. Zugleich konnten damit aber auch lexikalische Substitutionen als «Erfolg» der puristischen Intervention dargestellt werden, obwohl sie gar nicht darauf zurückgingen. Es ist daher Vorsicht geboten, ohne genaue Prüfung der Umstände von «Erfolgen» der campagna per l’autarchia linguistica zu sprechen, wenn Fremdwörter aus den Quellen des FFP heute nicht mehr üblich sind. Für die untersuchten Fremdwörter der Sportsprache machten die Quellen des FFP eine Vielzahl von Substitutionsvorschlägen – für jedes der untersuchten Konzepte durchschnittlich vier, bei einer Spanne von einem bis max. 18 Vorschlägen. Öfter als dass eine vorgeschlagene Neuformation nicht in Gebrauch kam, kam es dabei vor, dass ein bereits existierendes Lexem des Italienischen, dass um die Bedeutung des Fremdworts erweitert werden sollte, diese nicht annahm. Dem Vor-
289 Cf. Geeraerts (1997): «[T]he ‘general function’ that language has to support is precisely the communicative expressivity that triggers individual language use. Expressivity and efficiency, in short, are complementary sides of the same coin rather than principles that compete with each other. Expressivity factors specify what kind of instrument natural language is; efficiency factors involve the optimization of that instrument» (108).
422
4 Onomasiologische Variation in der italienischen Sportsprache
teil, zur Substitution auf ein bereits bekanntes Wort zurückzugreifen, steht dabei der Nachteil geringer semantischer Präzision gegenüber. So wurden manche Ersatzlexeme für mehrere unterschiedliche Fremdwörter vorgeschlagen. Nimmt man die Vorschläge aller berücksichtigten Quellen zusammen, wurden manche Substitute geradezu als Passepartoutwort eingesetzt, z.B. campione (als Substitut für atout, challenger, crack, leader, recordman), campo (für court, field, ground, link, pelouse, turf), assistente (für croupier, manager, soigneur, suiveur) und secondo (für half, manager, second und soigneur). Die Bedingungen einer Übernahme in den Sprachgebrauch – eine einfach herzustellende Verknüpfung zwischen Referent und Ausdruck, semantische Eindeutigkeit, relative Kürze, angemessene Fachsprachlichkeit – konnten die Quellen des FFP damit oft nicht erfüllen. Andererseits erwiesen sich einige Lexeme als erfolgreiche Konkurrenten von Fremdwörtern, die in den puristischen Quellen gar nicht erwähnt worden waren, z.B. blieben die Synonyme gregario und compagno di fuga für coéquipier unerwähnt, ebenso wie tornante und curva a gomito für tourniquet, die Assimilation gol für goal ‘Tor (beim Punktestand)’, stile libero als einziger echter Lexemkonkurrent von crawl, pista di/da pattinaggio für patinoire und skating sowie cotta für défaillance. Eine Deckung zwischen Italianisierungsvorschlägen des FFP und tatsächlichen Synonymen der Fremdwörter ist daher nur zum Teil gegeben. Dennoch ist anzuerkennen, dass die fachterminologisch orientierten Quellen mit ihrer Arbeit den Ausbau des italienischen Wortschatzes und die Terminologiearbeit vorantrieben und zu Wortschatzbereicherungen beitrugen, z.B. De Luca (1924), Marinetti/ Azari (2015 [¹1929]) und Migliorini (1942).
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus 5.1 Methodik und Vorgehensweise An die sprachgeschichtlichen Untersuchungen von 104 onomasiologischen Profilen in Kapitel 4 schließt dieses Kapitel mit bivariaten, inferenzstatistischen Analysen an. Ziel dieser weiteren Analysen ist es, Merkmale zu identifizieren, die in Zusammenhang mit dem Fortbestand bzw. der Substitution von Fremdwörtern innerhalb der Stichprobe zusammenhängen. Konkret soll geprüft werden, ob sich statistische Zusammenhänge zwischen dem Italianisierungsstatus und verschiedenen sprachinternen und sprachexternen Variablen feststellen lassen. Die statistische Untersuchung baut in zweierlei Hinsicht auf den Ergebnissen von Kapitel 4 auf: Zum einen bilden die für die onomasiologische Analyse erhobenen Sprachdaten die statistische Datengrundlage, zum anderen wurden aus den qualitativen Beobachtungen Prüfhypothesen für unabhängige Variablen abgeleitet. Unter anderem wurde vermutet, dass folgende Faktoren die Fremdwortsubstitution in der Sportsprache begünstigen: – semantische Kategorie: Bezeichnungen für Personen werden häufiger substituiert als Bezeichnungen für Sport-/Spielarten (cf. 4.4.4 und 4.9.5); – hohe Konzeptfrequenz und hohe Verbreitung der jeweiligen Sportart (cf. 4.4.4); – frühe erste Verwendung des nativen Lexems (cf. 4.4.4, 4.6.5 und 4.10.3); – Sprachökonomie/Kürze des nativen Lexems (cf. 4.4.4); – Ausgangssprache Französisch: Gallizismen scheinen häufiger ersetzt worden zu sein (cf. 4.5.3). Die Korrelation zwischen dem Italianisierungsstatus, der die abhängige Variable (AV) der Untersuchung darstellt und diesen Faktoren soll über bivariate Analysen erfolgen. Wie in Kapitel 3.2.7 dargestellt wurde, eignet sich dafür der χ2-(Chi-Quadrat-)Unabhängigkeits-Test. Damit werden Häufigkeitsverteilungen zweier Variablen in sog. Kontingenztabellen dargestellt und anschließend der statistische Zusammenhang zwischen ihre Verteilungen auf statistische Unabhängigkeit geprüft. Für den χ2-Unabhängigkeits-Test gelten folgende Voraussetzungen (Bortz/Schuster 2010, 141 und 150): – Die einzelnen Beobachtungen sind voneinander unabhängig. Jedes beobachtete Objekt kann eindeutig einer Merkmalskategorie bzw. einer Kombination von Merkmalskategorien zugeordnet werden.
https://doi.org/10.1515/9783110713657-005
424
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
– Die erwarteten Häufigkeiten pro Zelle der Kontigenztabellen sollten größer als 5 sein, da sonst die Zuverlässigkeit des Testergebnisses eingeschränkt ist. Der χ2-Test sollte an Stichproben von mindestens 60 Datensätzen durchgeführt werden. Da die Datenerhebungen iterativ erfolgten und jede Beobachtung einzeln erfasst wurde, kann die Voraussetzung der Unabhängigkeit der Einzelbeobachtungen als gegeben angenommen werden. Die erwarteten Häufigkeiten pro Zelle werden mit der Statistiksoftware IBM SPSS Statistics 25 geprüft. Häufigkeiten unter 5 konnten bei keinem der durchgeführten χ2-Tests festgestellt werden. Im Falle einer mäßigen Stichprobe im Umfang von 20–60 Datensätzen wird die Kontinuitätskorrektur nach Yates angewandt, die meist zu konservativeren Schätzungen kommt (Bortz/Lienert/Böhnke 2008, 91). Dies bedeutet, dass im Falle kleiner Stichproben eher auf den Nachweis eines realen Unterschieds verzichtet wird als einen nicht bestehenden Unterschied als real anzuerkennen (ebd.). Die Voraussetzungen zur Durchführung des χ2-Tests können somit als erfüllt angesehen werden. Im Folgenden werden die Variablen der Untersuchung genauer beschrieben. Die abhängige Variable (AV) der Untersuchung ist der Italianisierungsstatus. Gemäß der unter 3.2.2.2 beschriebenen Operationalisierung umfasst sie die Merkmalsausprägungen «Fremdworterfolg», «Italianisierung» oder, bei keiner eindeutigen Tendenz der Lexemkonkurrenz bis 1970, «Koexistenz». Die Variable ist somit nominalskaliert. Um die Aussagekraft der Ergebnisse zu verbessern, wird der neutrale Wert «Koexistenz», der in der ursprünglichen Stichprobe von 104 Konzepten sieben Fälle ausmacht, beim Signifikanztest vernachlässigt. Tabelle 15: Übersicht über die abhängige Variable ‹Italianisierungsstatus›. Skala
Werte
Operationalisierung
nominal Fremdworterfolg Entwicklung der Italianisierung onomasiologischen Stärke im Untersuchungszeitraum
Erhebung Wertzuweisung auf der Grundlage der Kriterien Salienz im Zeitraum – und Entwicklung der onomasiologische Stärke – vs. –
Insgesamt werden elf unabhängige Variablen (UV) auf ihre Korrelation mit dem Italianisierungsstatus geprüft. Ihre Operationalisierung, Erhebung, Skalierung und die jeweiligen Prüfhypothesen werden genauer in den Kapiteln 5.2 bis 5.10 erläutert. Fünf der elf unabhängigen Variablen verfügen über ein kategoriales, sechs über ein ordinales Datenniveau. Tabelle 16 liefert einen Überblick:
ordinal
ordinal
Konzeptfrequenz
Sprachökonomie
Silbengleichheit + Silbe + – Silben + – Silben
selten verbreitet häufig sehr häufig
kategorial elitär populär
Popularität der Sportart
Werte
Skala
Variable
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und Popularität der Sportart. Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und Konzeptfrequenz.
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen «populären» und «elitären» Sportarten.
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen «seltenen», «verbreiteten», «häufigen» und «sehr häufigen» Konzepten. Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen Synonymen mit gegenüber dem synonymen Fremdwort gleicher vs. höherer Silbenzahl.
interpretierende Zuweisung: Sportart – Popularität
Auszählung bzw. Schätzung und Berechnung
Auszählung und Berechnung
Verbreitung der dem Konzept zugehörigen Sportart in Italien bis
Gesamtsumme aller Vorkommen eines Konzepts
Silbendifferenz zwischen Fremdwort und seinem stärksten Konkurrenten innerhalb eines Konzepts
(fortgesetzt )
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und Sprachökonomie.
Nullhypothese (H)
Alternativhypothese (H)
Erhebung
Operationalisierung
Tabelle 16: Übersicht über die elf unabhängigen Variablen der Untersuchung.
5.1 Methodik und Vorgehensweise
425
ordinal
vor – – nach
kategorial Disziplin Technik/Regel Person Ausübungsort/ gegenstand
Semantische Kategorie
Alter des Fremdworts
kategorial Englisch Französisch andere
Ausgangssprache
Werte
Skala
Variable
Tabelle 16 (fortgesetzt ) Erhebung
Zeitraum des Erstbelegs
semantische Untergruppen für Sport- und Spielkonzepte
lexikografische bzw. korpusbasierte Recherche
semantische Analyse
AS des Fremdworts bei lexikografische / Entlehnung etymologische Recherche
Operationalisierung
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen vor vs. nach entlehnten Fremdwörtern.
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und dem Alter des Fremdworts.
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und der semantischen Kategorie.
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und AS des Fremdworts.
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen Fremdwörtern «englischer» vs. «anderer» Herkunft.
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen «Disziplin», «Technik/Regel», «Person» und «Ausübungsort/ gegenstand».
Nullhypothese (H)
Alternativhypothese (H)
426 5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
ordinal
ordinal
Quelleneinigkeit
keine Quelle Quelle – Quellen > Quellen
vor – nach
kategorial bedeutungsbasiert strukturbasiert formbasiert frei
Erstbeleg der Italianisierung
Substitutionstyp
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen Konzepten, deren erfolgreichstes Synonym «vor », zwischen «–» und «nach » erstmals belegt ist. Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen Konzepten, deren erfolgreichstes Synonym von keiner, einer oder von mehreren Quellen vorgeschlagen werden.
Auszählung
Anzahl der puristischen Quellen, die das erfolgreichste Substitut nennen
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen dem «bedeutungsbasierten» vs. anderen Substitutionstypen.
lexikografische bzw. korpusbasierte Recherche
lexikologische Analyse
Zeitraum des Erstbelegs des erfolgreichsten Synonyms in Konzeptbedeutung
Substitutionsmodus des Lexems mit der größten onomasiologischen Stärke neben dem Fremdwort
(fortgesetzt )
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und Quelleneinigkeit.
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und Erstbeleg des nativen Synonyms.
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und Substitutionstyp.
5.1 Methodik und Vorgehensweise
427
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen «bestätigten» und «abweichenden» Substitutionsprognosen sowie «unberücksichtigten» Fremdwörtern in CIL (–).
lexikografische Recherche
Prognose für Substitution in den offiziellen Ersetzungslisten der CIL
kategorial bestätigt abweichend unberücksichtigt
Prognose in CIL (–)
Die Verteilung der AV variiert signifikant zwischen Konzepten, für die die puristischen Quellen «–», «–», «–» oder «über » Substitutionsalternativen nennen.
Auszählung
Anzahl der Ersetzungsvorschläge, die für das jeweilige Konzept in den puristischen Quellen genannt werden
Alternativhypothese (H)
– Alternativen – Alternativen – Alternativen > Alternativen
ordinal
Substitutions alternativen
Erhebung
Operationalisierung
Werte
Skala
Variable
Tabelle 16 (fortgesetzt )
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und der Prognose in CIL (–).
Es bestehen keine signifikanten Verteilungsunterschiede zwischen Italianisierungsstatus und der Anzahl der Alternativvorschläge.
Nullhypothese (H)
428 5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
5.2 Popularität der Sportart
429
Bei dichotomer Merkmalausprägung der unabhängigen Variable wird eine Vierfelder-Tafel berechnet und neben dem Chi2-Wert ( χ2) der Phi-Koeffizient (φ) als Zusammenhangmaß bestimmt. Umfasst die UV dagegen mehr als zwei Ausprägungen, wird entsprechend der Anzahl der Ausprägungen k eine k×2-Feldertafel berechnet und als Zusammenhangmaß Cramérs V bestimmt, das auf beliebig große Kontingenztabellen angewendet werden kann. Zu jedem χ2-Unabhängigkeitstest werden der Chi2-Wert ( χ2), die Freiheitsgrade, der Wahrscheinlichkeitswert p, das Zusammenhangmaß φ (bei einer 2×2-Kontingenztabelle) bzw. Cramérs V und die Gesamtstichprobenumfang (N) berichtet. Das Signifikanzniveau wird bei α = p < 0.05 festgelegt. Dabei wird p grundsätzlich zweiseitig getestet. Die Stichprobe der statistischen Untersuchung setzt sich aus den untersuchten 104 Konzepten abzüglich der sieben Fälle von Koexistenz zusammen. Sie reduziert sich zudem um die beiden bis 1970 obsolet gewordenen Konzepte TORQUOTIENT und AUßENLÄUFER (cf. 4.4.3 und 4.4.2), da sie Störvariablen der Untersuchung darstellen (cf. 3.2.5). Die Stichprobe umfasst somit 95 Datensätze. Es wirkt sich positiv auf die Teststärke des χ2-Tests aus, dass beide Merkmalsausprägungen der AV (Fremdworterfolg / Italianisierung) annähernd gleich häufig in dieser Stichprobe verteilt sind (46 vs. 49) (cf. Bortz/Lienert/Böhnke 2008, 103). Zu Einschränkungen in Bezug auf die Repräsentativität der Stichprobe cf. 3.2.7.
5.2 Popularität der Sportart Mit dieser Variable ist die Verbreitung der Sportart in Italien gemeint, auf die sich ein Konzept bezieht. Zwei Merkmalsausprägungen sind vorgesehen: «elitär» und «populär». Als «populär» gelten Sportarten, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Italien weithin bekannt und praktiziert waren. Indikatoren dafür sind: nationale Wettkämpfe werden als Massenereignis organisiert, Verbreitung als Amateursportart, gekoppelt an relativ einfache Möglichkeiten der Ausübung, wie z.B. Fußball, Boxen und Radsport. Als «elitär» gelten Sportarten, die nur von kleinen, gehobenen Teil der italienischen Gesellschaft bis zum Ende des Faschismus in Italien ausgeübt wurden, etwa weil sie kostenintensiv oder aufwändiger in der Ausübung sind. Dazu zählen Tennis, die Wintersportarten, Rugby und Golf. Über die Zugehörigkeit der weiteren Konzepte wurde unter Berücksichtigung der o.g. Indikatoren, ihrer Sachgeschichte und ihres häufigsten Verwendungskontexts einzeln entschieden. Zu den elitären Sportarten wurde beispielsweise das Konzept BASKETBALL (aufgrund der Geschichte der Sportart in Italien bis 1970, cf. Seite 385) gezählt, das Konzept
430
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
SCHWÄCHE(ANFALL) EINES SPORTLERS aufgrund seiner häufigen Verwendung in der Radsportberichterstattung zu den populären Sportarten. Die Hypothese, dass die zunehmende Verbreitung bzw. die Popularität einer Sportart stärker zur Italianisierung der jeweiligen Terminologie führe, wurde u.a. von Venturini (1942) vertreten.1 Entsprechend wird hier die Hypothese geprüft, ob der Anteil der Italianisierungen unter den «populären» Sportkonzepten signifikant höher ist als der der «elitären» Konzepte. Hintergrund ist die Annahme, dass Fremdwörter in der Terminologie der Massensportarten häufiger und früher ersetzt wurden als jene weniger verbreiteter Sportarten, wenn die entsprechenden Konzepte also zum Repertoire einer größeren Sprechergruppe gehörten. Bei den Einzelsportarten zeigen sich in der Verteilung der Fremdworterfolge und der Italianisierungen in der deskriptiven Statistik deutliche Unterschiede (siehe Abb. 124): Während die Ersetzungsquote für Fremdwörter des Fußballs in der Stichprobe sehr hoch ist (85%), ist sie für Fremdwörter des Rugby, des Rad- und des Boxsports relativ ausgeglichen (50–60%) und für 100 % 90 %
15 %
80 %
40 %
45 %
47 %
70 %
50 % 67 %
60 %
88 %
89 %
50 % 40 % 30 % 20 %
Fremdworterfolg
85 % 60 %
Italianisierung 55 %
53 %
50 % 33 %
10 % 0%
13 %
t t l re al or or by en sp ßb 0) u g 5) nde 22) ox 15) dsp ) r u R = a = B = a 0 te F =2 R =1 in 6) (N (N (N (N (N W N= (
is nn ) e T =8 (N
11 %
le ie ) p S =9 (N
Abbildung 124: Italianisierungsstatus nach Einzelsportarten.
1 «Solo da quando il tennis è divenuto sport di masse (cioè da pochissimo tempo), le voci italiane sostituiscono gradatamente quelle inglesi» (439, ähnlich 431). Tennis wird hier dennoch zu den elitären und nicht zu den populären Sportarten gezählt – zwar verbreitete sich Tennis nach 1930 in Italien schnell, blieb aber auf bestimmte Gesellschaftsgruppen beschränkt und hat bis heute nicht dieselbe Popularität wie die Mannschaftssportarten Fußball, Handball oder Volleyball.
5.2 Popularität der Sportart
431
Fremdwörter des Tennis und der Spielsprache nur gering (11–13%). Allerdings ist die Aussagekraft der Grafik durch die teils kleinen Fallzahlen gemindert. Die Beobachtung einer variierenden Verteilung setzt sich bei der Übertragung auf die UV Popularität der Sportart fort: Wie aus Abb. 125 hervorgeht, sind die Anteile von Fremdworterfolgen und -substitutionen bei Konzepten der elitären vs. populären Sportarten unterschiedlich verteilt. Fremdwörter der populären Sportarten haben mit 65% eine deutlich stärkere Tendenz zur Italianisierung als jene der elitären Sportarten mit 29%.
Abbildung 125: Italianisierungsstatus nach Popularität der Sportart.
Anhand des χ2-Vierfeldertests kann geprüft werden, ob der Zusammenhang zwischen der Popularität der Sportart und dem Italianisierungsstatus signifikant ist. Dabei wurde eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 1% für die Annahme der Alternativhypothese und eine mittlere Effektstärke festgestellt ( χ2 (1) = 11.746; p = .001; φ = ‒.352; N=95). Die Nullhypothese kann also zurückgewiesen werden. Dieses Ergebnis legt den Schluss nah, dass die Italianisierung von Fremdwörtern der Sportsprache mit der sachlichen Verbreitung/Bekanntheit der jeweiligen Sportart assoziiert ist, sodass Fremdwörter populärer Sportarten tendenziell häufiger ersetzt werden.
432
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
5.3 Konzeptfrequenz Während sich die UV ‹Popularität der Sportart› auf sachliche Verbreitung bezieht, zielt die UV ‹Konzeptfrequenz› auf die sprachliche Verbreitung. Sie ist operationalisiert als die Gesamtfrequenz aller Ausdrucksvarianten eines Konzepts, also die Summe aller im Zeitraum 1920–1970 im ASLS gefundenen Tokens, die ein- und dasselbe Konzept bezeichneten. Da die Daten nicht normalverteilt vorliegen und zahlreiche Ausreißer aufweisen, wurde die Skalierung ordinal mit folgenden Werten angelegt: selten (unter 200 Vorkommen), geläufig (200–1.000 Vorkommen), häufig (1.000–10.000 Vorkommen) und sehr häufig (über 10.000 Vorkommen). Für viele Konzepte konnten die Frequenzdaten nur für einen Ausschnitt erhoben werden, nämlich bei der Kollokationssuche und der Kontextsuche (siehe 3.2.6). In diesen Fällen ist es nötig, die Konzeptfrequenz zu schätzen. Dafür wurde die Gesamtzahl der Fremdwort-Tokens im Messzeitraum in ein Verhältnis zu den Ergebnissen der Kollokations- bzw. Kontextsuche für das Fremdwort gesetzt. Der sich ergebende Faktor wurde mit den summierten Okurrenzen der übrigen Ausdrucksvarianten multipliziert, um einen Schätzwert für die Gesamtfrequenz des Konzepts im Messzeitraum zu ermitteln. Das Beispiel FLANKE verdeutlicht das Vorgehen: Tabelle 17: Schätzung von Konzeptfrequenzen am Beispiel FLANKE. Erhobene Tokens cross ‘Flanke’ (insges.)
– – – – – Summe
.
.
su cross
su centrata
su traversone
su colpo di traverso Konzeptfrequenz für die Kollokationssuche mit
Aus dem quantitativen Verhältnis der Gesamtfrequenz für cross (2.673) und der Kollokation su cross (391) ergibt sich ein Quotient (6,84), der mit der Summe weiterer Ausdrucksvarianten aus der Kollokationssuche (770) multipliziert wird. Es ergibt sich eine geschätzte Konzeptfrequenz von 5.284 Okkurrenzen für FLANKE. Die Schätzwerte können damit nur orientierenden Wert haben.
5.3 Konzeptfrequenz
433
Die Alternativhypothese geht davon aus, dass eine hohe Konzeptfrequenz die Substitution von Fremdwörtern begünstigt. Seltene Konzepte sollten also häufiger Fremdworterfolge zur Folge haben, häufige Konzepte eher Italianisierungen. Ein Zusammenhang zwischen hoher Konzeptfrequenz und der Tendenz zur Fremdwortsubstitution wurde auch von Zenner et al. (2012) postuliert: «the higher the entrenchment of a concept, the more it can be considered to be part of our core vocabulary, and the more resistance will occur to using foreign language material to lexicalize the concept» (769, mit weiteren Literaturhinweisen). Im Vergleich der Sportarten weisen die Konzepte der Fußballsprache die mit Abstand höchste durchschnittliche Frequenzrate im ASLS auf, gefolgt von jenen des Wintersports (unter denen einige hochfrequente Konzepte wie SKI und SLALOM sind) und sportartenübergreifenden Konzepten, z.B. REKORD. 35000 30000
29439
25000 20000 15000 10000 5414
5538
5000
3573
3052
2108
1264
1254
0 F
b uß
al
l
W
in
t
s er
po
rt
re te te p ei nze ./w o lg tk a l por S
x Bo
en
n Te
ni
s R
a
p ds
or
t R
ug
by
Sp
ie
l
Abbildung 126: Durchschnittliche Konzeptfrequenz (Mittelwert) nach untersuchten Sportarten im ASLS (z.T. geschätzt, Messzeitraum: 1920–1970).
Folgende Konzepte der Stichprobe kommen am häufigsten im ASLS vor: STRAF(penalty / rigore), FUSSBALL (football / calcio), TOR (BEIM PUNKTESTAND) (goal / rete), REKORD (record / primato) und TOR (ALS ZIELOBJEKT DER SPIELER) (goal / porta). Es ist bemerkenswert, dass gerade die zwei häufigsten Konzepte – STRAFSTOSS und FUSSBALL – heute nicht mehr durch das originäre Fremdwort versprachlicht werden, während für TOR (BEIM PUNKTESTAND), REKORD und TOR (ALS ZIELOBJEKT DER SPIELER) weiterhin auch die Entlehnungen üblich sind (cf. 4.4.1). Abbildung 127, die die vier Merkmalsausprägungen der UV mit ihrem Anteil an Italianisierungen und Fremdworterfolgen zeigt, deutet eine fast lineare Beziehung zwischen Konzeptfrequenz und Fremdwortsubstitution an: Je häufiger ein STOSS
434
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
100 % 18 %
90 % 80 % 52 %
70 % 60 %
46 %
78 %
50 % 82 %
40 % 30 % 20 % 10 %
48 %
54 %
verbreitet (N=21)
häufig (N=39)
Fremdworterfolg Italianisierung
22 %
0% selten (N=18)
sehr häufig (N=17)
Abbildung 127: Italianisierungsstatus nach durchschnittlicher Konzeptfrequenz (Mittelwert, teilweise geschätzt).
Konzept im ASLS erscheint, desto größer ist der Anteil der Italianisierungen und desto geringer der Anteil der salienten Fremdwörter. Der Italianisierungsanteil variiert zwischen 22% für seltene Konzepte und 82% für sehr häufige Konzepte. Zur Überprüfung dieser Beobachtung wurde der χ2-Test anhand einer 4×2Kontingenztafel durchgeführt. Die Irrtumswahrscheinlichkeit für eine fälschliche Annahme der Alternativhypothese liegt mit 5% gerade an der Grenze des akzeptierten Signifikanznivaus. Da die Effektstärke vergleichsweise hoch ist ( χ2 (3) = 12.870, p = .005; Cramérs V = .368, N = 95), soll die Nullhypothese zurückgewiesen und ein signifikanter Zusammenhang angenommen werden. Dass gerade innerhalb der Fußballsprache eine so hohe Ersetzungsquote für Fremdwörter vorliegt (siehe Abb. 124), kann also nicht nur mit der Popularität des Fußballs erklärt werden, sondern auch damit, dass im ASLS über keinen anderen Sport mehr berichtet wurde und die untersuchten Konzepte überdurchschnittlich häufig sind (Abb. 126). Unter den 17 häufigsten Konzepten sind allein 13 der Fußballsprache zuzurechnen. Die UV ‹Popularität der Sportart› und ‹ Konzeptfrequenz › stehen also miteinander in Verbindung. Daraus kann geschlossen werden, dass frequente und populäre Sportkonzepte mit onomasiologischer Konkurrenz, bei denen Sprecher also häufig eine Entscheidung für oder wider den Gebrauch des Fremdworts fällen müssen, die Fremdwortsubstitution begünstigen. Allerdings ist sie auch bei hochfrequenten Konzepten keineswegs
5.4 Sprachökonomie
435
zwangsläufig, wie die Beständigkeit von Fremdwörtern wie sport,2 goal ‘Tor (beim Punktestand)’, tennis, slalom, k.o. und ring zeigt.
5.4 Sprachökonomie Diese UV betrachtet das Verhältnis von Fremdwort und nativem Lexem aus sprachökonomischer Perspektive: Sie geht davon aus, dass zwischen zwei Varianten die kürzere und damit effizientere Variante bevorzugt, also häufiger gewählt wird. Operationalisiert ist die Variable als Differenz der Silbenanzahl des im Zeitraum 1950–1970 stärksten Lexemkonkurrenten und des Fremdworts. Beispielsweise beträgt die Differenz beim Konzept BOXEN 3 Silben: 4 (pugilato) minus 1 Silbe (boxe). In der qualitativen Analyse wurde beobachtet, dass unter den Fremdworterfolgen der Stichprobe die Italianisierungsvorschläge regelmäßig länger und somit weniger ökonomisch waren als das sich behauptende Fremdwort. Somit lag die Hypothese nah, dass diejenigen nativen Synonyme erfolgreicher sind, die sich in der Anzahl ihrer Silben am wenigsten vom Fremdwort unterscheiden. Zur Überprüfung dieser Hypothese soll bei der Berechnung der Silbendifferenz nur das im Zeitraum 1950–1970 jeweils am häufigsten verwendete Synonym berücksichtigt werden. Die Alternativhypothese lautet demnach: Der Italianisierungsstatus ist beeinflusst von der Silbendifferenz zwischen Fremdwort und seinem jeweils stärksten Konkurrenten. Die kleinste Differenz aus der Silbenanzahl des erfolgreichsten Synonyms und der Silbenanzahl des Fremdworts aller 95 daraufhin untersuchten Konzepte betrug 0. Keins der erfolgreichsten Synonyme weist also weniger Silben als das Fremdwort auf. Die größte Differenz in der Stichprobe lag bei 6 Silben. Aus Abb. 128 kann abgelesen werden, dass der Anteil der Fremdworterfolge in der Stichprobe bei zunehmender Silbendifferenz höher ist. Während es in der Gruppe der Konzepte mit silbengleichen Paaren in 72% der Fälle zu einer Italianisierung kam, sinkt der Anteil der Fremdwortsubstitutionen mit zunehmender Silbendifferenz sukzessive bis auf 33% bei der Gruppe, die eine Differenz von drei Silben aufweist. Allerdings ist der Italianisierungsanteil bei den längsten Ausdrucksalternativen mit 4–6 zusätzlichen Silben gegenüber dem Fremdwort nicht am niedrigsten, wie man erwarten könnte, sondern mit 44% wieder etwas höher. Es handelt sich dabei ausschließlich um Paraphrasen wie 2 Das wohl häufigste Konzept des gesamten Wortfelds wurde hier nicht untersucht. Unbestritten ist jedoch seine konstante Salienz gegenüber dem bis 1920 noch gelegentlich verwendeten Archaismus diporto; cf. dazu Lieber (2008) und Zoppetti (2017, 14–16) mit vergleichenden Korpusanalysen im ASLS und Google Ngram Viewer.
436
100 % 90% 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
28 % 45 % 59 %
59 % Fremdworterfolg Italianisierung
72 % 55 %
Silbengleichheit (N=25)
+ 1 Silbe (N=20)
41 %
41 %
+ 2-3 Silben (N=29)
+ 4-6 Silben (N=17)
Abbildung 128: Italianisierungsstatus nach Silbendifferenz von Fremdwort und erfolgreichstem nativen Synonym.
pattinaggio a rotelle für skating, discesa obbligata für slalom oder giovane esploratore für boy-scout, die als gekürzte Variante ohne Determinans (pattinaggio, esploratore) bzw. durch Substantivierung (obbligata) zwar auch belegt sind, aber weniger erfolgreich waren. Zur Signifikanzprüfung dieses Zusammenhangs wurde eine Modellierung der Sprachökonomie mit zwei Merkmalsausprägungen («Silbengleichheit» vs. «Silbendifferenz» von 1–6 Silben) und der χ2-Vierfelder-Test gewählt. Dabei zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang mit moderater Effektstärke ( χ2 (1) = 4.571; p = .033; φ = ‒.224; N=91), die Nullhypothese kann folglich zurückgewiesen werden. Die Annahme, wonach die Wortlänge eines nativen Lexems beeinflusst, ob es sich gegenüber einem Fremdwort durchsetzen kann, konnte anhand des Unabhängigkeitstests somit teilweise bestätigt werden. Die o.g. Beispiele für Substitutionserfolg trotz größerer Silbendifferenz – pattinaggio a rotelle (gegenüber pattinaggio), discesa obbligata (gegenüber obbligata) und giovane esploratore (gegenüber esploratore) – verdeutlichen, dass der sprachökonomische Einfluss dort seine Grenze erreicht, wo Kürze zulasten der semantischen Genauigkeit geht (und bestätigen damit die Befunde aus 4.11.2, Seiten 418–420). Die Beispiele deuten daraufhin, dass im Zweifelsfall die eindeutigere, nicht die kürzere Ausdrucksvariante erfolgreicher war.
5.5 Ausgangssprache Die UV ‹Ausgangssprache› bezieht sich auf diejenige Sprache, aus der das Fremdwort eines Konzepts ins Italienische übernommen wurde. Dazu zählen
5.5 Ausgangssprache
437
Englisch, Französisch, außerdem Norwegisch und Japanisch, die als «weitere Ausgangssprachen» zusammengefasst wurden. Datengrundlage waren zumeist die etymologischen Angaben der Wörterbücher NDM und Zing. 2019. Teilweise konnten die Etymologien gegenüber den lexikografischen Quellen präzisiert werden. So scheint ital. alpenstock nicht direkt aus dem Deutschen, sondern durch die Vermittlung des Englischen ins Italienische entlehnt worden zu sein (Seite 354). Keine der vier in der Stichprobe vermuteten Scheinentlehnungen – auto-goal ‘Eigentor’, tourniquet ‘Serpentine’, footing ‘Lauftraining’ und recordman ‘Rekordhalter’ – konnte als Allogenismus (cf. 2.1.2) bestätigt werden. Bei footing und tourniquet liegt ein semantic shift gegenüber den entsprechenden AS-Ausdrücken vor, die durch den Begriff des Allogenismus nicht abgedeckt sind (Winter-Froemel 2011, 62) – bei footing erfolgte der Bedeutungswandel bei der Entlehnung ins Französische, bei tourniquet bei der Entlehnung ins Italienische. Bei recordman handelt es sich um einen Allogenismus im Französischem, aus dem das Italienische das Wort «regulär» entlehnte. Allerdings lässt die schließlich erfolgreiche Ersetzung durch primatista – in Anlehnung an primato aus record – darauf schließen, dass das Fremdwort im Italienischen als Anglizismus analysiert wurde und nicht als Gallizismus. Das verdeutlicht die bedeutende Rolle des Französischen als Geber- und Vermittlersprache der italienischen Sportterminologie und das Prestige des Englischen als internationaler Quellsprache der modernen Sportarten. Die Alternativhypothese geht davon aus, dass Anglizismen im Vergleich zu Fremdwörtern anderer AS resistenter gegenüber Italianisierungsversuchen waren, da der Einfluss der angloamerikanischen Kultur und Sprache auf Italien spätestens mit dem Ende des Faschismus stark zunahm. Der Anteil der Fremdworterfolge sollte gemäß der Alternativhypothese bei Anglizismen also signifikant größer sein als bei Gallizismen und Fremdwörtern anderer AS. Blickt man auf die deskriptive Statistik zu den AS der untersuchten Fremdwörter fällt der hohe Anteil der Anglizismen (69%) ins Auge. Gallizismen machen 26% und Entlehnungen weiterer Sprachen (vier aus dem Norwegischen und eine aus dem Japanischen) nur 5% aus. Das Englische war also bereits vor dem Ende des Faschismus – das im Allgemeinen als Beginn des starken angloamerikanischen Einflusses auf die italienische Sprache gesehen wird (cf. Zoppetti 2017, 76) – die dominante AS der entlehnten italienischen Sportterminologie. Im Vergleich der AS wurden Anglizismen etwas seltener (46%) als Gallizismen (64%) und sonstige Fremdwörter ersetzt (60%) (cf. Abb. 129). Statistisch konnte ein Zusammenhang zwischen Ausgangssprache und Italianisierungsstatus jedoch nicht nachgewiesen werden. Der χ2-Unabhängigkeitstest, der für zwei Gruppen modelliert wurde (AS Englisch vs. andere AS), ergab kein signifikantes Ergebnis ( χ2 (1) = 2.426; p = .119; φ = .160, N=95). Daher ist von der
438
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
36 % 54 %
64 %
60 %
Französisch (N=24)
andere (N=5)
46 %
Englisch (N=65)
40 %
Fremdworterfolg Italianisierung
Abbildung 129: Italianisierungsstatus nach Ausgangssprachen der Fremdwörter.
Nullhypothese auszugehen: Die Substitution von Fremdwörtern der Sportsprache ist im Zeitraum 1920 bis 1970 nicht davon abhängig gewesen, aus welcher Sprache sie entlehnt wurden. Damit kann auch nicht eine ideologisch motivierten Bevorzugung bestimmter AS bei der Konservierung vs. Substitution von Fremdwörtern im Untersuchungskorpus nicht nachgewiesen werden.3
5.6 Semantische Kategorie Die UV ‹semantische Kategorie› gruppiert die untersuchten Konzepte in vier Bedeutungsfelder: – Disziplin für alle Sport- und Spielbezeichnungen, wie BASEBALL, ROULETTE etc.; – Person für Nomina Agentis, z.B. AUßENLÄUFER, CROUPIER; – Technik/Regelwerk für sämtliche Konzepte des sportartenspezifischen Regelwerks, (wie STRAFSTOSS, CLINCH) und für sportliche Techniken wie KRAULEN; – Ausübungsort/-gegenstand, z.B. TENNISPLATZ, EISLAUFBAHN, PUNCHINGBALL.
3 Kolb (1990, 42) ging von einer politisch motivierten stärkeren Bekämpfung der Gallizismen und Anglizismen gegenüber den Germanismen durch den FFP aus. Eine solche These hatte bereits Menarini (1941) geäußert: «[Q]uesta animosità è sempre rivolta quasi esclusivamente verso la lingua del nemico, e raramente verso quella dell’alleato; per esempio, ora si adopera più di rado Premier di cui sarebbe, nell’ora attuale più che qualche anno fa, giustificato l’uso agli effetti pratici, ma si utilizza liberamente, poniamo, Gauleiter. Comprensibilissimo, ma poco autarchico» (116). Da die untersuchte Stichprobe keine (direkten) Germanismen enthielt, kann hierzu keine Aussage getroffen werden.
5.6 Semantische Kategorie
439
Die Alternativhypothese lautet, dass der Anteil der Substitutionen unter den vier semantischen Kategorien signifikant mit der AV ‹Italianisierungsstatus› variiert. Bei der qualitativen Analyse wurde beobachtet, dass Fremdwörter zur Bezeichnung neuer Sportarten und Techniken nur selten ersetzt wurden. Dagegen scheinen Fremdwörter zur Personenbezeichnungen häufig durch native Lexeme ersetzt worden zu sein. Tatsächlich sind in der deskriptiven Statistik zur Stichprobe insbesondere Unterschiede in der Italianisierungsquote für Konzepte zur Bezeichnung von Disziplinen und von Personen zu erkennen: Während für Sport- und Spielbezeichnungen überwiegend Fremdwörter erhalten geblieben sind (in 78% der Fälle), kam es bei den Personenbezeichnungen überwiegend zu Substitutionen, der Anteil der Fremdworterfolge beträgt hier nur 26%. Bei Konzepten, die sich auf den Bereich Technik/Regelwerk beziehen, ist das Verhältnis zwischen Fremdworterfolgen und -substitutionen relativ ausgeglichen, bei Ausstattung/Ausübungsort überwiegen die Italianisierungen mit einem Anteil von 60%. 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
22 % 40 % 56 % 74 % Fremdworterfolg Italianisierung
78 % 60 % 44 % 26 % Person (N=23)
Ausübungsort/ -gegenstand (N=10)
Technik/ Regelwerk (N=36)
Disziplin (N=23)
Abbildung 130: Italianisierungsstatus nach semantischen Kategorien.
Dass die Toleranz für Fremdwörter zur Bezeichnung von Sport- und Spielarten generell höher ist – Ähnliches gilt im Übrigen auch für Bezeichnungen von Musikund Tanzstilen –, spiegelt sich auch in den puristischen Quellen des FFP wider, die entlehnte Sport- und Spielbezeichnungen häufiger akzeptierten (z.B. im Fall von golf und tennis sowie roulette, poker, bridge, whist). Bei Fremdwörtern dieser Kategorie scheint der Neologismus auf der Ausdrucks- und der Inhaltsseite besonders günstig zusammenzutreffen, so dass die Verknüpfung von Signifikat und Signifikant schwerer als bei anderen semantischen Kategorien wieder aufzulösen ist
440
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
(mit wenigen Ausnahmen, wie calcio für football und pallanuoto für water-polo). Ganz anders bei Personenbezeichnungen: Diese Fremdwörter werden deswegen als besonders markiert wahrgenommen, weil sie ein (Personenreferenz markierendes) Derivationsmorphem der AS konservieren (z.B. frz. -ier in routier und croupier, frz. -ard in pistard, frz. -eur in boxeur, grimpeur und soigneur oder engl. -er in footballer, sprinter, supporter, outsider) oder ein lexikalisches Morphem der AS (engl. -man wie in sportsman). Offenbar um diese Markierung zu neutralisieren, ist die Übertragung des fremdsprachlichen Morphems ins Italienische besonders häufig zu beobachten. So machen die ersetzten Personenbezeichnungen unter den strukturbasierten Ersetzungen der Stichprobe die größte Gruppe aus (4 von 9 Fällen): Es handelt sich um die Ersetzungen centravanti für centro-forward, sfidante für challenger, compagno di squadra für coéquipier, primatista für recordman und stradista für routier. Die Unterschiede in der Verteilung des Italianisierungsanteils unter den vier semantischen Kategorien wurden mithilfe des χ2-Tests überprüft. Der Zusammenhang wird durch ein signifikantes Ergebnis mittlerer Effektstärke nahe gelegt ( χ2 (3) = 14.409; p = .002; Cramérs V = .389, N=95). Die Alternativhypothese wird daher angenommen. Der Italianisierungserfolg variiert in der Stichprobe somit systematisch in Abhängigkeit von der semantischen Kategorie des Konzepts – mit einem besonders hohen Anteil an Fremdwortsubstitutionen bei der Referenz auf Personen und einem geringen Anteil bei der Referenz auf Sportarten und Spiele. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass Fremdwörter besonders erfolgreich sind, wenn sie neue Disziplinen bezeichnen.
5.7 Alter des Fremdworts Die UV ‹Alter des Fremdworts› bezieht sich auf den Erstbeleg des Fremdworts in der italienischen Schriftsprache, also auf das Jahr des frühesten Belegs (bei polysemen Fremdwörtern: in der Bedeutung des untersuchten Konzepts). Datengrundlage für den Erstbeleg sind zum einen die einschlägigen Wörterbücher des Italienischen (zumeist NDM und Zing. 2019) sowie Vordatierungen durch eigene Recherchen im ASLS, CDS und Biblioteca dello sport. Die Variable ist in vier ordinale Kategorien skaliert: «vor 1875», «1875–1900», «1900–1925», «nach 1925», da die Stichprobe deutlich zu klein ist, um mit der präzisen Jahresangabe
5.7 Alter des Fremdworts
441
eine ungefähre Normalverteilung der Daten zu erzielen. Innerhalb der Untersuchungsstichprobe verteilen sich die Entlehnungszeiträume wie folgt: 70
66
60 50 40 30 19
20 10
9 5
3
0 vor 1850
1850-1875
1875-1900
1900-1925
nach 1925
Abbildung 131: Entlehnungszeiträume der untersuchten Fremdwörter.
Die weitaus meisten Fremdwörter der Stichprobe wurden erst zwischen 1900 und 1925 entlehnt, nur wenige Fremdwörter vor 1875 bzw. nach 1925.4 Diese Verhältnisse stehen freilich in direktem Zusammenhang mit der Stichprobenwahl, die nur Fremdwörter der Sportsprache berücksichtigte, die von 1900 bis 1950 eine Mindestfrequenz von 20 Vorkommen im ASLS aufwiesen – ältere und jüngere Entlehnungen sind dadurch weniger stark vertreten. Mithilfe der UV soll der folgenden Hypothese nachgegangen werden: Je älter das Fremdwort, desto wahrscheinlicher ist es, dass es bis 1970 nicht ersetzt wurde. Fremdwörter würden gemäß der Hypothese eher nach kürzerer Zeit aufgegeben/ersetzt, als wenn sie mehr Zeit hatten, sich gegenüber nativen Lexemkonkurrenten durchzusetzen. Zur Überprüfung des Zusammenhangs wird wieder der χ2-Unabhängigkeitstest angewandt. In Bezug auf den Italianisierungsstatus weisen die Konzepte, deren Fremdwörter am ältesten sind, also schon vor 1875 erstmals belegt sind, einen vergleichsweise geringen Anteil an Ersetzungen auf (20%, cf. Abb. 132). Den höchsten Anteil an Italianisierungen haben dagegen Konzepte, deren Fremdwörter im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts entlehnt wurden: 59% (gegenüber 41% Fremdworterfolgen).
4 Das jüngste untersuchte Fremdwort, yo-yo, wurde 1932 entlehnt.
442
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
41 %
44 %
73 %
80 % Fremdworterfolg Italianisierung 59 %
56 %
27 % vor 1875 (N=11)
20 % 1875-1900 (N=17)
1900-1925 (N=62)
nach 1925 (N=5)
Abbildung 132: Italianisierungsstatus nach Erstbeleg des Fremdworts (je Konzept).
Aufgrund der geringen Fallzahlen für die ältesten und die jüngsten Fremdwörter haben bei der Durchführung eines χ2-Tests anhand einer 4×2Kontingenztafel mehr als 80% der Zellen eine erwartete Häufigkeit unter 5, so dass eine der Voraussetzungen des χ2-Tests nicht erfüllt ist. Daher wurden die Werte gebündelt zu «bis 1900» und «nach 1900» und der Vier-Felder-Test durchgeführt. Dabei konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden ( χ2 (1) = .421; p = .516; φ = .07; N=95). Die Alternativhypothese, das Alter des Fremdworts beeinflusse die Italianisierungsquote in der Stichprobe, wird folglich zurückgewiesen.
5.8 Substitutionstyp Die UV ‹Substitutionstyp› bezieht sich auf die vier grundlegenden Optionen der Fremdwortsubstitution, die in der Typologie unter 2.1.5.4 genauer beschrieben wurden. Unter den 99 untersuchten Konzepten, bei denen es zu einer sprachkontaktbedingten Lexemkonkurrenz kam,5 hatten folgende Ersetzungsformen die jeweils größte onomasiologische Stärke. Die häufigste Ersetzungsform ist – wie aus Abb. 133 hervorgeht – mit Abstand die Analogie, gefolgt von der Strukturübertragung und der Paraphrase. Die einzige Ersetzungsform, die gar nicht erscheint, da sie bei keinem Konzept den stärksten
5 Enthalten sind auch die Datensätze mit dem Italianisierungsstatus «Koexistenz», nicht aber die beiden aufgegebenen Konzepte AUßENLÄUFER und TORQUOTIENT sowie KROCKET, WHIST und JO-JO, für die zwischen 1950 und 1970 im ASLS kein Synonym belegt ist.
443
5.8 Substitutionstyp
40 35 30 25 20 15 10 5 0
35
19
17 8
A
l na
og
ie
ra r- n g tu g u ph k a a r ru t r Pa St b e r ü
se As
si
m
ila
tio
8
n c Fa
ht
m er
in
5
us Ar
ch
s ai
m
5
us N
eu
fo
rm
at
io
2
n En
tl
nu eh
ng
Abbildung 133: Anzahl der jeweils erfolgreichsten Ersetzungsformen je Konzept.
Lexemkonkurrenten des Fremdworts darstellte, ist der Dialektismus (möglicherweise auch wegen der dialektfeindlichen Sprachpolitik des Faschismus). Für die weitere Analyse wurden die Ersetzungsformen zu den vier unter 2.1.5.4 beschriebenen Substitutionstypen – bedeutungsbasiert, strukturbasiert, formbasiert und frei – zusammengefasst. Unter allen 99 Konzepten entsprach das jeweils häufigste native Synonym des Fremdworts in 48 Fällen einem bedeutungsbasierten Ersatzlexem, in 24 Fällen einem freien, in 19 einem strukturbasierten und nur in acht Fällen einem formbasiertem. Analogiebildungen (mittels Rückgriff auf bereits existierende Ausdrücke) waren somit fast ebenso häufig wie ausdrucksseitige Neologismen (mittels Assimilation und Derivation/Komposition). Beschränkt man die Analyse auf die Fälle, bei denen das native Ersatzlexem am Ende des Untersuchungszeitraumes tatsächlich salient war (49 Konzepte), zeigt sich, dass der bedeutungsbasierte Substitutionstypus durch Bedeutungserweiterung/Analogiebildung mit 55% häufiger als die anderen drei Typen und somit die erfolgreichste Form der Ersetzung in der Stichprobe war (Abb. 134). Diese Form der lexikalischen Substitution verstärkt die Polysemie im Kernwortschatz. Dadurch nimmt zwar die semantische Ambiguität von Lexemen zu, sie verhindert aber eine unübersichtliche Vergrößerung des Wortschatzes und trägt damit zur sprachlichen Ökonomie bei (cf. dazu Winter-Froemel 2011, 313–314). Der zweithäufigste Ersetzungsform stellen die Paraphrasen und Neuformationen mit 22% dar. Die Paraphrase scheint immer dann besonders wirksam zu sein, wenn eine Analogie nicht möglich ist, da das zu ersetzende Fremdwort auf ein so neuartiges Konzept referiert, dass metaphorische oder metonymische Anknüpfungspunkte fehlen. Daher ist sie auch der typische Ersetzungstyp für kulturell fremde Konzepte wie jiu-jutsu (→ lotta giapponese) und mah-jong (→ domino cinese). Polylexematische Ausdrücke erwiesen sich zur Ersetzung von
444
4%
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
18 %
55 % 22 %
bedeutungsbasiert frei strukturbasiert formbasiert
Abbildung 134: Häufigste Substitutionstypen der erfolgten Ersetzungen (N=49).
Sportartbezeichnungen als besonderes erfolglos, obwohl sie von den Akteuren des FFP hierfür häufig vorgeschlagen wurden, cf. palla a(l) calcio (für foot-ball), giuoco del pallone ovale/pallone ovale (für rugby), gioco della racchetta/pallacorda (für tennis), giuoco del bastone (cricket), palla a(l) maglio (für croquet bzw. hockey), gara di ostacoli (für gymkhana), pallacorda da tavolo/-a (für ping-pong). Dennoch stellt die Paraphrase im Italienischen teilweise die einzige Option dar, um eine notwendige Bedeutungsdifferenzierung vorzunehmen, z.B. bei pattinaggio a rotelle ‘Rollschuhlauf’ : pattinaggio su ghiaccio ‘Eislaufen’ hockey ‘Hockey’ : hockey su ghiaccio ‘Eishockey’ discesa obbligata ‘Slalom’ : discesa libera ‘Abfahrtsrennen’.
Den dritten Platz unter den häufigsten Substitutionstypen nehmen die strukturbasierten Ersetzungen mit einem Anteil von 19% ein. Besonders häufig tritt die Strukturübertragung zur Ersetzung von Personenbezeichnungen auf, bei denen Wurzel und personenreferentielles Derivationssuffix separat analysiert und übertragen werden (cf. 5.6), z.B. bei recordman → primatista (gebildet aus primato zu ital. record + -ista ↔ engl. man) routier → stradista (aus strada ↔ frz. route + -ista ↔ frz. -ier) sprinter → scattista (aus scatto zu ital. sprint + -ista ↔ engl. -er) challenger → sfidante (aus sfida ↔ engl. challenge + -ante ↔ engl. -er).
Auffällig ist das nur geringe Gewicht der formbasierten Ersetzungen unter den erfolgreichen Italianisierungen. Assimilationen sind in der entlehnten Sportterminologie des Italienischen somit selten. In der Stichprobe stellen einzig sci für ski und cristiania Ersetzungserfolge durch Assimilation dar.
5.8 Substitutionstyp
445
Für die Annahme, dass die puristische Intervention an sich mitbestimmend sei, «in welcher Form Entlehnungen ggf. realisiert werden: Formal stark integrierte Formen werden in der Regel – auch von Sprachpflegeinstitutionen – eher akzeptiert als schwach integrierte Formen» (Winter-Froemel 2011, 219), findet sich im ASLS für die Untersuchungsstichprobe kaum Hinweise (wobei die phonologische Integration hier keine Berücksichtigung findet). Allerdings stand die Fremdwortassimilation als Ersetzungsform im FFP auch in der Kritik (cf. die Kommentare von Tittoni und Mosca auf den Seiten 85 und 109). Es wurde auch geprüft, ob vor und während des Faschismus unterschiedliche Substitutionstypen erfolgreich waren. Dabei konnten außer einer leichten Bevorzugung strukturbasierter Ersetzungen und dem ausbleibenden Erfolg von Assimilationen in faschistischer Zeit keine Unterschiede festgestellt werden:
100 % 90 % 80 % 70 %
8% 13 %
23 %
21 %
23 %
60 % 50 % 40 % 30 %
58 %
55 %
formbasiert strukturbasiert frei bedeutungsbasiert
20 % 10 % 0% in präfaschistischer Zeit (N=24)
in faschistischer Zeit (N=22)
Abbildung 135: Substitutionstypen erfolgreicher Italianisierungen nach Zeitraum.
Inwiefern ist der Italianisierungsstatus nun vom Substitutionstyp abhängig? Um diese Frage zu prüfen, wurde der Anteil der Fremdworterfolge und -substitutionen unter den vier Substitutionstypen der jeweils erfolgreichsten Ausdrucksvarianten des Fremdworts verglichen (bei 92 Konzepten, denn drei Konzepte wurden ausschließlich durch das Fremdwort versprachlicht). Die deskriptive Statistik in Abb. 136 zeigt, dass es unter den bedeutungsbasierten Ersetzungen zur höchsten Italianisierungsquote kam (63%), unter den formbasierten Ersetzungen zur geringsten (25%). Dieser Befund könnte aber auch schlicht damit in Zusammenhang stehen, dass der bedeutungsbasierte Typ am häufigsten erscheint. Genauere Befunde zum Einfluss des Substitutionstyps auf die Ersetzung von Fremdwörtern soll daher der Hypotesentest liefern.
446
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
37 %
47 %
54 % 75 %
63 %
Fremdworterfolg Italianisierung 53 %
46 % 25 %
bedeutungsbasiert strukturbasiert (N=43) (N=17)
frei (N=24)
formbasiert (N=8)
Abbildung 136: Italianisierungsstatus nach Substitutionstyp (N=92).
Der χ2-Vierfelder-Test mit einer dichotomen Modellierung der UV mit den Werten «bedeutungsbasierter Substitutionstyp» vs. «andere Substitutionstypen» weist dabei eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 10,5% für die Annahme der Alternativhypothese und eine geringe Effektstärke auf ( χ2 (1) = 2.624; p = .105; φ = ‒.170; N=91). Entsprechend dem Signifikanzniveau von 5% wird die Alternativhypothese daher zurückgewiesen. Entgegen der Erwartung kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Italianisierungsstatus vom Substitutionstyp des erfolgreichsten Synonyms des Fremdworts abhängt.
5.9 Erstbeleg der Italianisierung Neben dem Alter des Fremdworts soll auch der ‹Erstbeleg der Italianisierung› als UV geprüft werden, also der Zeitraum, in dem das erfolgreichste Synonym der untersuchten Fremdwörter erstmals verwendet wurde. Bei den Substitutionstypen Strukturübertragung, Neuformation und Paraphrase war die Erhebung des Erstbelegs aus Zeitungskorpora unproblematisch (teilweise wurde der Erstbeleg auch aus NDM und Zing. 2019 bezogen); bei bedeutungsbasierten Ersetzungen war es dagegen aufwändiger, den ersten synonymen Beleg zu bestimmen, da die entsprechenden Korpusbelege wiederum semantisch disambiguiert werden mussten. Als Alternativhypothese wird angenommen, dass der Italianisierungsstatus auch vom Zeitraum des Erstbelegs abhängt, genauer: Die jeweils erfolgreichsten Ausdrucksvarianten jedes Konzepts hatten größere Chancen, das Fremdwort zu ersetzen, je früher sie erstmals belegt sind.
447
5.9 Erstbeleg der Italianisierung
Wie die Übersicht zur Verteilung der Erstbelege in Abb. 137 zeigt, kam fast die Hälfte der erfolgreichsten Synonyme (42 von 99) bereits vor 1923, also vor Beginn des Faschismus, erstmals in Gebrauch. Sechs der später erfolgreichsten Ausdrucksalternativen sind bereits vor 1897 belegt (selciato für pavé, bastone ferrato für alpenstock, pattinaggio a rotelle für skating, primato für record und nobile arte für noble art), das erfolgreichste Synonym von match ball, die Entlehnung match point, erst 1956. Die meisten Erstbelege finden sich in den Jahren 1927 (8), 1923 (7), 1915 und 1924 (je 6). Während die Bildung nativer Synonyme mit Beginn des 20. Jahrhundert zunächst zunimmt, ist infolge des Ersten Weltkriegs ein leichter Knick festzustellen. Die nominell meisten Italianisierungen wurden erstmals zwischen 1920 und 1925 verwendet (22).
vor 1885 1885-1889 1890-1894 1895-1899 1900-1904 1905-1909 1910-1914 1915-1919 1920-1924 1925-1929 1930-1934 1935-1939 1940-1944 nach 1945
3 1 1 6 6 6 12 6 22 14 10 10 1 1
Abbildung 137: Chronologie der Erstbelege der jeweils erfolgreichsten Ausdrucksvarianten pro Konzept (N=99).
Mit Blick auf die Verteilung der Erstbelege erschien eine Modellierung mit den drei Werten «vor 1920», «1920–1930» und «nach 1930» sinnvoll, um wenige und möglichst gleichgroße Gruppen zu erhalten. In der deskriptiven Statistik zeigt sich, dass der Anteil der Italianisierungen – konform mit der Alternativhypothese – sinkt, je später das native Synonym erstmals belegt war (siehe Abb. 138). Allerdings sinken auch die Fallzahlen. Die höchste Ersetzungsquote weisen Konzepte auf, deren erfolgreichste Ausdrucksvariante erstmals vor 1920 belegt war (66%). Ersatzlexeme, die nach 1930 erstmals in Gebrauch kamen, führten dagegen deutlich seltener zum Erfolg (32%). Dabei scheint das Jahr 1930 bzw. der Zeitraum um 1930 eine Art Grenze zu markieren.
448
100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
34 %
42 % 68 %
66 %
Fremdworterfolg Italianisierung 58 % 32 %
vor 1920 (N=35)
1920-1930 (N=31)
1930-1956 (N=25)
Abbildung 138: Italianisierungsstatus nach Erstbeleg der jeweils erfolgreichsten Ausdrucksvariante pro Konzept.
Im χ2-Unabhängigkeitstest ergibt sich ein signifikanter Zusammenhang mittlerer Effektstärke ( χ2 (2) = 13.874; p = .001; Cramérs V = .390; N=91). Die Alternativhypothese, wonach Synonyme des Fremdworts, die früher in Gebrauch kamen, zu einer Fremdwortsubstitution führten, kann also angenommen werden. Die festgestellte Abhängigkeit zwischen Italianisierungsstatus und dem Erstbeleg der erfolgreichsten Italianisierung kann sowohl als Effekt des Alters als auch als Effekt des besonderen Klimas bis 1930 interpretiert werden. Italianisierungen, die vor 1930 erstmals belegt sind, konnten sich besser durchsetzen als Italianisierungen, die erstmals zwischen 1930 und 1956 und somit weniger als 40 Jahre Zeit zur Verbreitung hatten. Zudem kann angenommen werden, dass die gesellschaftlich-politischen Umwälzungen zu Beginn des Faschismus (Popularisierung und «Verstaatlichung» des Sports, Beginn der Pressekontrolle, Verschärfung der fremdwortpuristischen Gesetze) eine stärkere Wirkung auf die Sportterminologie entfalten und länger auf den Sprachgebrauch wirken konnten als auf später in Gebrauch gekommene Italianisierungen, die nach Ende des Faschismus möglicherweise noch als «faschistisch forcierte» Neologismen wahrgenommen und daher abgelehnt wurden.
5.10 Einfluss des faschistischen Fremdwortpurismus Der Einfluss des FFP auf den Italianisierungsstatus ist methodisch nicht ohne Weiteres zu operationalisieren und gegenüber anderen Variablen zu isolieren. Zwar konnte nachgewiesen werden, dass die Verwendung von Fremdwörtern
5.10 Einfluss des faschistischen Fremdwortpurismus
449
im ASLS während des Faschismus und besonders in den 1940er Jahren deutlich nachließ (siehe 4.11.1), jedoch lässt sich der Einfluss des FFP nur schwer als Variable erfassen, da zur Messung bzw. als Datengrundlage nur die puristischen Quellen des FFP verwertet werden können. Doch inwiefern lässt die präskriptive Fremdwortkritik in den Ersetzungslisten und der tatsächliche Erfolg oder Misserfolg von Italianisierungsvorschlägen im Sprachgebrauch Rückschlüsse auf den Einfluss des FFP zu? Ein positiver Zusammenhang erlaubt kein Urteil darüber, ob es Italianisierungsvorschläge puristischer Quellen waren, die den Sprachgebrauch beeinflussten, oder ob die bereits laufenden oder abgeschlossenen Substitutionsprozesse von den puristischen Quellen lediglich realistisch eingeschätzt wurden. Unter Berücksichtigung beider Interpretationsmöglichkeiten erscheint es dennoch lohnenswert, zu überprüfen, ob ein Zusammenhang zwischen Italianisierungsstatus und den Quellen des FFP nachweisbar ist. Dazu werden zu explorativen Zwecken drei Eigenschaften der puristischen Quellen getestet. Sie werden hier als ‹Quelleneinigkeit›, ‹Substitutionsalternativen› und ‹Prognose in CIL (1941–1943)› bezeichnet. (1) Quelleneinigkeit Die UV ‹Quelleneinigkeit› erfasst, wieviele puristische Quellen die letztlich erfolgreichste Italianisierung vorschlugen, also dasjenige Synonym zur Ersetzung, das – neben dem Fremdwort – im Zeitraum 1950–1970 über die größte onomasiologische Stärke verfügte. Dafür wurden vier Merkmalsausprägungen gewählt: Erwähnung in keiner Quelle, Erwähnung in einer Quelle, in 2–3 Quellen oder in mehr als drei Quellen. Mithilfe dieser UV soll die Frage beantwortet werden, ob eine größere «Einigkeit» der Quellen in Bezug auf eine bestimmte Italianisierung in Zusammenhang mit dem tatsächlichen Erfolg dieses Substitutionsvorschlags steht. Konnten sich also unter den Italianisierungsvorschlägen diejenigen besser etablieren, die mehr Zustimmung fanden als jene, die seltener erwähnt wurden? Die Alternativhypothese lautet: Je mehr Quellen das im onomasiologischen Profil jeweils erfolgreichste native Lexem nennen, desto häufiger tritt im Sprachgebrauch eine Fremdwortsubstitution ein. Dabei wird davon ausgegangen, dass die häufigere Nennung entweder einen größeren Substitutionsdruck ausübt oder einen bereits laufenden/abgeschlossenen Italianisierungsprozess dokumentiert. Ein Beispiel hierfür wäre das Fremdwort boxe, für das 13 Quellen die Ersetzung pugilato vorschlagen, die sich schließlich durchsetzte. Es mangelt jedoch nicht an Gegenbeispielen, wie etwa calcio ‘Fußball’, das trotz seiner frühen Salienz gegenüber foot-ball lediglich von einer Quelle genannt wurde. Die meisten Quellen schlugen gioco del calcio vor, das jedoch – zumindest in der hier durchgeführten Frequenzerhebung mittels Kollokationssuche – deutlich seltener verwendet wurde.
450
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
Tatsächlich kam es in 65% der Fälle, in denen das erfolgreichste Synonym von mehr als drei der 18 Quellen genannt wurde, tatsächlich zu einer Italianisierung (siehe Abb. 139). Geringer fällt der Anteil der Italianisierungen aus, wenn der Ersetzungsvorschlag nur in einer einzigen Quelle genannt wurde (41%), oder wenn das Lexem in keiner Quelle erwähnt wurde (47%). 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
38 % 53 %
35 %
59 %
47 %
41 %
0 (N=15)
1 (N=29)
63 %
65 %
2-3 (N=24)
über 3 (N=23)
Fremdworterfolg Italianisierung
Abbildung 139: Italianisierungsstatus nach der Anzahl der puristischen Quellen, die das jeweils erfolgreichste native Lexem zur Ersetzung vorschlugen.
Der Zusammenhang zwischen Quelleneinigkeit und Italianisierungsstatus wurde mithilfe des χ2-Tests geprüft. Dieser ergab eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 21% für die Annahme der Alternativhypothese ( χ2 (3) = 4.045; p = .257; Cramérs V = .211; N=91), die somit zurückgewiesen wird. Die Verteilungsunterschiede zwischen nicht und unterschiedlich oft in den puristischen Quellen genannten Italianisierungen geht nicht über das Zufallsniveau hinaus und ist somit nicht signifikant. (2) Substitutionsalternativen Die UV ‹Substitutionsalternativen› gibt die Summe aller Lexeme an, die zur Ersetzung eines Fremdworts (je Konzept) in allen 18 puristischen Quellen vorgeschlagen wurden. Die Summe der Substitutionsalternativen variiert stark: In der Stichprobe von 104 Konzepten reichte sie von einem bis zu 18 Vorschlägen, bei einem Mittelwert von 4 (cf. Abb. 140). Beispiele für nur eine Substitutionsalternative sind SCHLUSSMANN, ABSEITS und MAH-JONGG, Beispiele für zahlreiche Vorschläge sind FUSSBALLFAN (10), GEWALTSCHUSS (11) und SCHWÄCHE(ANFALL) (18).
451
5.10 Einfluss des faschistischen Fremdwortpurismus
25 20 15 10 5 0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
Abbildung 140: Anzahl der in den puristischen Quellen genannten Substitutionsalternativen pro Konzept (N=99).
Eine geringere Anzahl von Substitutionsalternativen kann zum einen auf eine größere Fachsprachlichkeit bzw. semantische Eindeutigkeit hindeuten, zum anderen auf eine sich im Sprachgebrauch bereits abzeichnende Präferenz zur Substitution, so dass weitere Vorschläge unnötig erscheinen. Beides erleichtert die Ersetzung des Fremdworts potenziell. Daher lautet die Alternativhypothese zu dieser UV: Je weniger Substitutionsalternativen für ein Konzept genannt werden, desto höher ist der Anteil der erfolgreichen Italianisierungen. Als Merkmalsausprägungen wurden entsprechend der Häufigkeiten die Werte «eine Substitutionsalternative», «2–3 Substitutionsalternativen», «4–5 Substitutionsalternativen» und «mehr als 5 Substitutionsalternativen» gewählt. 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
40 %
41 %
60 %
59 %
1 (N=10)
2-3 (N=29)
51 %
50 %
Fremdworterfolg Italianisierung 49 %
50 %
4-5 (N=37)
über 5 (N=16)
Abbildung 141: Italianisierungsstatus der untersuchten Konzepte nach der Anzahl der in den puristischen Quellen angegebenen Substitutionsalternativen.
452
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
In der deskriptiven Verteilung der Substitutionsanteile (siehe Abb. 141) weisen die Konzepte mit bis zu drei Alternativvorschlägen einen geringfügig höheren Substitutionsanteil auf (Ø 57%) als Konzepte mit mehr als drei Alternativen (Ø 49%). Der χ2-Test ergibt jedoch, dass die Verteilungsunterschiede nicht über das zufällige Maß hinausgehen ( χ2 (3) = .872; p = .832; Cramérs V = .096; N=95) und die Alternativhypothese abzuweisen ist. (3) Prognose in CIL (1941–1943) Mithilfe dieser letzten UV soll geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen den Substitutionsvorschlägen bzw. Prognosen der staatlichen Commissione per l’italianità della lingua, also der mutmaßlich einflussreichsten Quelle des FFP mit ihren zwischen 1941 und 1943 veröffentlichten rund 1.500 offiziellen Ersetzungsvorschlägen und dem tatsächlichen Substitutionserfolg nachweisbar ist. Die UV gibt an, ob das letztlich erfolgreichste Synonym aller 95 untersuchten Konzepte in CIL (1941–1943) Erwähnung fand. Dabei sind drei Merkmalsausprägungen vorgesehen: «Prognose bestätigt» heißt, das Synonym mit der größten onomasiologischen Stärke in der Nachkriegszeit wurde von CIL (1941–1943) als Ersatzlexem empfohlen. «Prognose abweichend» bedeutet, dass die Quellen für das Fremdwort ein anderes als das letztlich erfolgreichste Synonym angibt. Der dritte Wert «unberücksichtigt» bezieht sich auf Fremdwörter, die in CIL (1941–1943) gar nicht erwähnt sind. Diese dritte Gruppe kann als eine Art «Kontrollgruppe» gewertet werden, da ein Zusammenhang hierbei ja ausgeschlossen werden kann. Die Alternativhypothese nimmt an, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Vorschlag des jeweils erfolgreichsten nativen Lexems in CIL (1941–1943) und dem Italianisierungsstatus in der Stichprobe gibt. Es sollte demnach also unter den Prognosen der Kommission, die sich bestätigten, zu mehr Ersetzungen gekommen sein als unter den abweichenden Prognosen bzw. unter den von der Kommission gar nicht berücksichtigten Konzepten. Rund die Hälfte der Fremdwörter aus der Stichprobe finden sich in CIL (1941–1943) wieder (51), 44 sind dagegen nicht in der Quelle enthalten. Zunächst ist festzustellen, dass von der CIL für 32 der 51 Fremdwörter dasjenige Lexem genannt wird, das sich tatsächlich als saliente oder zumindest stärkste Ausdrucksvariante herausstellte («Prognose bestätigt»). Hinzugezählt wurden dabei auch zwei von der CIL als akzeptabel eingestufte Fremdwörter (golf und tennis), da sich auch bei diesen beiden Fremdworterfolgen die Prognose bestätigte. Auch wenn sich das prognostizierte Ersatzlexem also bei mehr als der Hälfte der behandelten Fremdwörter als zutreffend herausstellte, gelang die Substitution dennoch nur in 59% dieser Fälle, in den verbleibenden blieb das Fremdwort salient. Demgegenüber stehen 19 Fälle, in denen CIL ein anderes
5.10 Einfluss des faschistischen Fremdwortpurismus
453
Lexem vorschlug, als das, das unter den Synonymen des Fremdworts schließlich die größte onomasiologische Stärke aufwies. Doch auch hierbei beträgt der Anteil der Italianisierungen immerhin noch 53%. In der Kontrollgruppe der von der CIL nicht genannten Fremdwörter («unberücksichtigt») liegt er mit 45% nur etwas darunter. 100 % 90 % 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0%
41 %
47 %
55 %
Fremdworterfolg Italianisierung 59 %
53 %
45 %
Prognose bestätigt Prognose abweichend unberücksichtigt (N=32) (N=19) (N=44) Abbildung 142: Italianisierungsstatus nach übereinstimmenden oder abweichenden Prognosen für das jeweils erfolgreichste native Synonym in CIL (1941–1943).
Im χ2-Test konnte die Alternativhypothese nicht bestätigt und kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Prognose in CIL (1941–1943) und der Italianisierung bis 1970 festgestellt werden ( χ2 (2) = 1.448; p = .485; Cramérs V = .123; N=95), auch diese Alternativhypothese wird also verworfen. Es liegt also kein belastbares Ergebnis dafür vor, dass Italianisierungsvorschläge signifikant häufiger erfolgreich waren, wenn sie zuvor von der staatlichen Ersetzungskommission empfohlen worden waren, als wenn sie andere Ersatzlexeme empfahl oder das entsprechende Fremdwort gar nicht berücksichtigte. Dafür spricht auch eine andere Beobachtung: Betrachtet man die Erstbelege der erfolgreichsten nativen Synonyme (Abb. 137), wird deutlich, dass die Commissione per l’italianità della lingua dem FFP in Bezug auf die Sportterminologie (die in CIL 1941–1943 immerhin ein Viertel aller zu ersetzenden Fremdwörter ausmacht) keine neuen Impulse mehr hinzuzufügen vermochte, die erfolgreich gewesen wären. Die einzigen beiden Lexemkonkurrenten in der untersuchten Stichprobe, die nach 1939 in die italienische Sprache gelangten und das jeweilige Fremdwort erfolgreich ersetzten – schiacciata für smash und der als Fremdwort eher ungewöhnliche Lexemkonkurrent match point für match ball – waren nicht von der CIL vorgeschlagen worden. Zwar lassen sich in CIL (1941–1943) durchaus Italianisierungsvorschläge finden, die die Fremdwörter letztlich verdrängten,
454
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
jedoch waren diese bereits in älteren Quellen des FFP genannt worden bzw. schon vor 1940 im Sprachgebrauch üblich. Unter den untersuchten Konzepten findet sich also keine erfolgreiche Italianisierung, die auf die Arbeit der CIL zurückginge. Im Ergebnis können die drei Unabhängigkeitstests keinen Zusammenhang zwischen der Fremdwortsubstitution in der Sportterminologie und dem Einfluss der puristischen Quellen des FFP herstellen. Das gilt jedoch explizit nur für die gewählte Stichprobe, die modellierten Variablen und das gewählte Testverfahren.
5.11 Zusammenfassung Der χ2-Unabhängigkeitstest konnte auf alle UV gemäß den unter 5.1 genannten Voraussetzungen des Tests angewandt werden. Die bivariaten Analysen ergaben einen signifikanten Zusammenhang mittlerer Effektstärke zwischen den UV ‹Erstbeleg der Italianisierung›, ‹semantische Kategorie›, ‹Konzeptfrequenz› und ‹Popularität der Sportart›. Für die UV ‹Sprachökonomie› wurde eine Signifikanz mit geringer Effektstärke ermittelt. Tabelle 18: Effektstärken der fünf signifikanten UV. Erstbeleg der semantische Italianisierung Kategorie Koeffizient φ (Betrag)
.
.
Konzeptfrequenz Popularität Sprachökonomie der Sportart .
.
.
Dagegen ergab der χ2-Test keine signifikanten Zusammenhänge des Italianisierungsstatus mit den UV ‹Ausgangssprache›, ‹Alter des Fremdworts›, ‹Substitutionstyp›, ‹Quelleneinigkeit›, ‹Substitutionsalternativen› und ‹Prognose in CIL (1941–1943)›. Während zwischen den Prädiktorvariablen ‹Popularität der Sportart› und ‹Konzeptfrequenz› eine gewisse Nähe besteht (sachliche vs. sprachliche Verbreitung), sind die übrigen signifikanten UV unabhängig voneinander. Somit können v.a. innersprachliche Faktoren mit der dauerhaften Ersetzung von Fremdwörtern in Verbindung gebracht werden. Allein die Anzahl der UV, für die sich ein signifikanter Zusammenhang mit dem Italianisierungsstatus feststellen ließ, verdeutlicht die Komplexität von Substitutionsprozessen und die Notwendigkeit multifaktorieller Erklärungen für die dauerhafte Ersetzung von Fremdwörtern. Dafür spricht auch, dass die Effektstärke der Signifikanztests nur geringe bis mittlere, aber keine hohen Werte erreicht.
5.11 Zusammenfassung
455
Aus den Ergebnissen der statistischen Auswertung kann geschlossen werden, dass ein Fremdwort der italienischen Sportterminologie zwischen 1920 bis 1970 besonders dann durch ein natives Lexem ersetzt wurde, wenn das native Lexem – möglichst früh gebildet und verbreitet wurde (UV ‹Erstbeleg der Italianisierung›); – nicht eine Disziplin (Sport- oder Spielbezeichnung) oder ein Konzept des technischen Regelwerks bezeichnete (UV ‹semantische Kategorie›); – ein allgemein bekanntes und häufig verwendetes Konzept bezeichnete (UV ‹Popularität der Sportart› und ‹Konzeptfrequenz›); – nicht mehr Silben als das Fremdwort umfasste (UV ‹Sprachökonomie›). Ein Fremdwort dagegen konnte sich tendenziell umso besser behaupten, wenn – das (später) stärkste Synonym erstmals nach 1930 belegt war, also vergleichsweise spät (UV ‹Erstbeleg der Italianisierung›); – es ein eher seltenes Konzept bezeichnet und einer elitären Sportart zuzuordnen ist (UV ‹Konzeptfrequenz› und ‹Popularität der Sportart›); – es eine Disziplin oder Elemente des Regelwerks bezeichnet (UV ‹semantische Kategorie›); – die existierenden Ausdrucksvarianten mehr Silben umfassen (UV ‹Sprachökonomie›). Diese Schlussfolgerungen geben jedoch nur Tendenzen wieder, denn für alle Postulate lassen sich in der Stichprobe Gegenbeispiele finden, auf die diese Schlussfolgerungen nicht zutreffen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass weitere, hier nicht untersuchte Faktoren den Italianisierungsstatus beeinflussten. Zudem können die Befunde nicht auf andere Zeiträume, andere Sprachkorpora und andere Sachbereiche übertragen werden. Dennoch liefern sie wichtige Anhaltspunkte für Einflussgrößen der Fremdwortsubstitution und des lexikalischen Wandels im Allgemeinen. Offenbar spielen dabei vielfältige Faktoren eine Rolle, die weder einseitig erklärt noch vorhergesagt werden können. Betrachtet man nur die signifikanten Zusammenhänge, wird deutlich, wie gering der Einfluss der ideologisch motivierten FFP sein musste, sofern die puristischen Initiativen nicht auch Gebrauchsaspekte und individuelle Ablehnungsgründe (cf. die gescheiterte Ersetzung von routier auf Seite 249) berücksichtigten. Ein wichtiges Ergebnis der bivariaten Analyse ist, dass Hypothesentests und inferenzstatistische Verfahren – die allerdings repräsentative (Zufalls-)Stichproben erfordern – neue und umfassendere Erkenntnisse in Bezug auf die Frage ermöglichen, wie lexikalische Sprachwandelprozesse funktionieren. Dennoch kann auf korpusbasierte, historische Fallanalysen nicht verzichtet werden, um onomasiologische Variation im Einzelfall erklären zu können. Denn zum einen erfordert die
456
5 Einflussfaktoren des Italianisierungsstatus
Berücksichtigung von Einflussgrößen der onomasiologischen Variation sprachund sachgeschichtlicher Datenerhebungen (etwa um das Jahr des Erstbelegs zu ermitteln). Zum anderen ermöglichen es Einzelfallanalysen, Sprachwandelprozesse genauer zu rekonstruieren und weitere Einflussfaktoren (induktiv) zu identifizieren. Schließlich hat Sprachwandel neben universellen auch individuell-historische Komponenten, so dass bei jeder historischen Einzelsprache gegebenenfalls andere Prädiktoren eine Rolle spielen. Am Beispiel der unterschiedlichen Ersetzungstendenz der semantisch ähnlichen Fremdwörter routier und pistard ließ sich zeigen, dass auch idiosynkratische Faktoren die Substitution beeinflussen können, die statistisch nur schwerlich aufzudecken sein dürften. Nur bedingt können aus den Ergebnissen Antworten auf die Frage abgeleitet werden, wie Fremdwörter der Sportterminologie durch den FFP effektiver hätten ersetzt werden können. Die puristische Intervention hätte unter den signifikanten Faktoren einzig das Alter der Italianisierung und die Sprachökonomie beeinflussen können, nämlich durch die frühzeitige Prägung und Verwendung möglichst kurzer und präziser italienischer Entsprechungen. Auf die semantische Kategorie hätten puristische Initiativen dagegen keinen Einfluss nehmen können, auf die sachliche und sprachliche Verbreitung (UV ‹Popularität der Sportart› und ‹Konzeptfrequenz›) allenfalls politische. Die Fremdwortsubstitution scheint bei häufigen und populären Konzepte sowie bei Personenbezeichnungen unabhängig von puristischen Bestrebungen vollzogen worden zu sein, wie insbesondere die Analyse zur Substitution der Fremdwörter des Fußballs nahelegte (4.4).
6 Synthese Ziel der Studie war es, Sprachwandel und die Wirkung von Fremdwortpurismus auf den italienischen Wortschatz in der politisch und gesellschaftlich wechselhaften Zeit zwischen 1920 und 1970 explorativ zu untersuchen und den Fragen nachzugehen, wie sich der italienische Fremdwortschatz am Beispiel des Sprachgebrauchs im ASLS veränderte und inwiefern die Ersetzung von Fremdwörtern auf die Intervention des faschistischen Fremdwortpurismus zurückzuführen ist. Die wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse der Studie werden hier noch einmal zusammengeführt. Die Bildung von Neologismen – beispielsweise durch die Entlehnung von Fremdwörtern – in Kommunikationssituationen mit spezifischem Ausdrucksbedürfnis ist ein alltägliches Phänomen von Sprachen. Sofern diese Neubildungen von weiteren Sprechern übernommen und verbreitet werden, entwickeln sich Neologismen zu stabilen, lexikalisierten Bestandteilen des Wortschatzes. Vorteil von Fremdwörtern ist, dass sie durch ihre in der ZS meist fehlende Motiviertheit semantisch intransparent sind und Sprecher die Neuheit des Zeichenausdrucks als neuen Zeicheninhalt interpretieren. Daher eignen sich Fremdwörter besonders gut zur Bezeichnung sachlich neuer Referenten, was ihren Erfolg gerade in der Sprache der Werbung und der Wirtschaft erklärt: Die fremde Gestalt dient dabei dazu, auch bereits bekannte Produkte, Verfahren und Techniken als etwas «Neues» inszenieren zu können. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Ersetzung einmal lexikalisierter Lexeme. Widerstände sind dabei die Regel, da Kommunikation nur dann gelingen kann, wenn die Ausdrucksmittel überwiegend bekannt und konventionalisiert sind. Puristische Intervention strebt in erster Linie die Substitution von Fremdwörtern durch native Lexeme an, also einen kontrollierten Bezeichnungswandel. Allerdings können solcherlei Sprachwandelprozesse in einer großen Sprechergemeinschaft nur angestoßen, aber nicht direkt gesteuert werden. Vielmehr ist Sprachwandel nach Rudi Keller als Invisible-Hand-Prozess zu verstehen, der über die Zeit von der Menge der individuellen Sprecherentscheidungen bestimmt und dessen Ergebnis nicht vorherzusagen ist. Konkret besteht der Beitrag puristischer Intervention daher zunächst einmal nur im Bereitstellen von Neologismen. Diese Form von Korpusplanung war charakteristisch für den FFP. Die meisten der 24 zwischen 1924 und 1943 erschienenen Quellen des FFP, die in dieser Arbeit berücksichtigt wurden, verfolgten allerdings eher ideologische als sprachliche und terminologische Ziele. So ist es zu erklären, dass nur ein Drittel aller bekämpften Fremdwörter während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zeitungsarchiv von La Stampa geläufig https://doi.org/10.1515/9783110713657-006
458
6 Synthese
war, da der Fokus vieler Quellen eher auf Quantität als auf Qualität der Ersetzungsforderungen lag. Auch wurden Fremdwörter in die Ersetzungslisten aufgenommen, die zu Beginn des Faschismus bereits überwiegend durch native bzw. assimilierte Ausdrucksvarianten versprachlicht worden waren. Mit dieser expansionistischen Ausrichtung konnte die Notwendigkeit der puristischen Intervention legitimiert werden. Zudem konnten die Akteure des FFP damit auch solche Substitutionen als eigene «Erfolge» darstellen, die im Sprachgebrauch bereits vor 1920 vollzogen worden waren. Ein Befund der Quellenanalyse war, dass viele Ersetzungsvorschläge zu wenig an Gebrauchskriterien orientiert und semantisch zu wenig differenziert waren, um tatsächlich als wirksames Äquivalent des jeweiligen Fremdworts fungieren zu können. Zitate aus den puristischen Quellen und Beispiele aus der zeitgenössischen Presse zeigten zudem, dass der Gebrauch von Fremdwörtern durchaus als opportun galt, wenn er zur Diskreditierung der Ausgangskultur diente. Dem erklärten Ziel der Ersetzung der Fremdwörter in der italienischen Sprache fehlte es somit an Kohärenz in der Umsetzung. Bei einigen Akteuren war die stereotyp vorgebrachte Fremdwortkritik auch eine Form der proaktiven Demonstration politischer Gesinnung. Die staatlich eingesetzte Commissione per l’italianità della lingua, einige fachsprachliche Beiträge (u.a. De Luca 1924; Marinetti/Azari 2015 [¹1929]; Meano 1936; Cataldo in DSI) sowie die Arbeiten des Neopurismus (cf. De Felice 1941; Migliorini 1942) leisteten dagegen einen Beitrag zur Terminologiearbeit, indem sie sich – neben der Fremdwortkritik – um die Vereinheitlichung von Fachterminologien bemühten und ihre Verbreitung förderten. Ideologisch gründete sich der faschistische Fremdwortpurismus auf die Ideen des Nationalismus, die Gleichsetzung von Sprache und Nation und die politischwirtschaftliche Autarkie. Er wurde von einer intellektuellen Elite getragen und zur Stärkung der sozialen Kohäsion genutzt. Die vorrangig ideologische Motivation des FFP führte in postfaschistischer Zeit zu Gegenreaktionen, so dass die zuvor harsch bekämpften und negativ aufgeladenen Fremdwörter, sofern deren native Synonyme noch nicht lexikalisiert worden waren, ihre kommunikative Funktion zurückerhielten und ihr Gebrauch zu einem Symbol wiedererlangter Weltoffenheit und Freiheit wurde, und sie gegenüber Italianisierungen, die in der Sprecherwahrnehmung nach 1943 teilweise zu faschistischen «Artefakte» gerieten, bevorzugt wurden. Im theoretischen Teil wurde festgestellt, dass onomasiologische Variation zwischen Fremdwörtern und synonymen Lexemen in Konflikt zum sprachlichen Prinzip der Isomorphie steht und daher einen potenziell instabilen Zustand darstellt. Dieser Konflikt kann durch lexikalische Substitution, Bedeutungswandel oder Aufgabe von Lexemen aufgelöst werden. Auch eine Koexistenz synonymer Lexeme ist jedoch möglich, bei der die onomasiologische Variation fortbesteht
6 Synthese
459
und funktionalisiert wird. Die Wirkung puristischer Intervention ist daher keineswegs gewiss: Fremdwörter können ersetzt bzw. assimiliert werden, ihre Bedeutung verändern, uneingeschränkt fortbestehen, mit einem oder mehreren Synonymen koexistieren oder zusammen mit dem Konzept aufgegeben werden. Damit eine lexikalische Ersetzung wirksam werden kann, bedarf es eines konkreten Motivs. Ein solches Motiv können beispielsweise sein: – Mangel an sprachlicher Ökonomie oder kognitiver Verankerung, beispielsweise durch artikulatorische Ineffizienz (schwierige Aussprache, unverhältnismäßige Wortlänge), Polysemie oder semantische Vagheit. Je häufiger der Referent versprachlicht werden muss, desto eher wird das Lexem artikulatorisch oder kognitiv ökonomischer gestaltet (z.B. durch Assimilation, Volksetymologie) oder durch ein geeigneteres Lexem ersetzt, cf. basket-ball → basket, penalty → (calcio di) rigore, puzzle → cruciverba / parole incrociate. – Sachlicher Wandel: Der Referent verändert sich stark oder existiert nicht mehr, wie etwa bei ital. chauffeur → autista: Das ursprüngliche Berufsbild des Technikers, der das Auto mittels Kurbel anlässt und den (Dampf-)Motor vorheizt (frz. chauffeur) wurde nach und nach ersetzt durch den «Selbstfahrer» (ital. automobilista, dann autista) bzw. den Berufsfahrer (ital. conduttore / conducente, dann auch autista). – Negative Konnotation bzw. deviante Assoziation: Eine ggf. durch gesellschaftlichen Wandel bedingte semantische Abwertung oder Fehlassoziation soll vermieden werden. Dieses Motiv wurde bei der Ersetzung von water-polo vermutet (wegen der Assoziation zu ital. water ‘Toilette’). Gleiches dürfte in der Nachkriegszeit auch für politische Assoziationen gegolten haben, etwa bei compagno für ‘Mannschaftskamerad’ oder bei Ersatzlexemen, die für die Sprecher noch einen faschistischen «Stempel» trugen, wie cialdino für cachet oder volpina für foxtrott, und deshalb gemieden wurden. Unter der Annahme, dass Sprachwandel als Invisibile-Hand-Prozess zu verstehen ist, wurde in der Arbeit dafür plädiert, tatsächlich erfolgte Fremdwortsubstitutionen im italienischen Wortschatz, die den Vorschlägen der Akteure des FFP entsprachen, nicht ungeprüft als «Erfolg» der puristischen Intervention zu deuten, wie es in der Forschungs- und Lehrbuchliteratur zum Thema teilweise getan wurde. Stattdessen sollten, im Sinne einer Invisibile-Hand-Erklärung, die Rahmenbedingungen, der Prozess und die Ergebnisse des Sprachwandels analysiert und das Konzept von Erfolg genauer definiert werden, um historisch und politisch sensible Wirksamkeitsurteile auf ein empirisch begründetes Fundament zu stellen.
460
6 Synthese
Diesem Anspruch versuchte die vorliegende Studie mit einem Mixed-MethodsDesign gerecht zu werden. Dabei wurde eine Stichprobe von 104 Konzepten der Sportsprache korpusanalytisch anhand des historischen Zeitungsarchivs von La Stampa untersucht. In die Untersuchung flossen eine historische Erörterung des faschistischen Fremdwortpurismus und seiner Quellen, onomasiologische und sachgeschichtliche Profilanalysen sowie Signifikanztests zu den Einflussfaktoren der Fremdwortsubstitution in der Stichprobe ein. Insbesondere die Lösung von der ausschließlich semasiologischen Perspektive und die Hinwendung zu einem konzept- und korpusbasierten Ansatz ermöglichten dabei zahlreiche neue Erkenntnisse in Bezug auf Sprachwandel im italienischen (Fremd-)Wortschatz. So konnten die onomasiologische Variation und der «Erfolg» von Lexemen quantifiziert und damit valide bestimmt werden, ob und wann Fremdwörter ersetzt wurden, fortbestanden oder mit weiteren Synonymen koexistierten. Wort- und sachgeschichtliche Entwicklungen konnten so präzise nachvollzogen werden. Mithilfe bivariater Analysen wurde zudem der Einfluss von insgesamt elf sprachinternen und -externen Variablen geprüft und gewichtet. Dabei trat insbesondere zutage, dass diachrone, funktionale und formale Einflussfaktoren bei lexikalischen Wandelprozessen zusammenwirken. Da die Studie vorrangig explorative Zwecke verfolgte und für die statistischen Analysen keine repräsentative Stichprobe zugrunde gelegt wurde, sind die Befunde allerdings nicht über die Stichprobe, das verwendete Korpus und die modellierten Variablen hinaus generalisierbar. Sie sollten daher in weiteren Studien überprüft werden. Die empirischen Untersuchungen ergaben, dass die Fremdwörter bei rund der Hälfte der untersuchten Konzepte bis 1970 ersetzt wurden. In den 1930er und besonders in den 1940er Jahren lässt sich bei vielen der untersuchten onomasiologischen Profile ein deutlicher Rückgang des Fremdwortgebrauchs beobachten. Dieser Rückgang ist zumindest auch auf die Pressekontrolle und – ab 1941 – das gesetzliche Verbot des Fremdwortgebrauchs zurückzuführen und war somit vielfach nur temporär wirksam. (Die Frage, ob die Zurückdrängung der Fremdwörter spezifisch für staatlich kontrollierte Domänen wie die Mediensprache war oder ob sie sich auch auf die italienische Umgangssprache erstreckte, konnte die Studie allerdings nicht beantworten.) Bei rund einem Viertel der untersuchten Sportkonzepte wurde das Fremdwort während des Faschismus dagegen dauerhaft durch native Synonyme ersetzt. Das spricht durchaus für einen Einfluss des FFP auf den Fremdwortschatz. Andererseits erfolgte die Italianisierung bei einer etwa ebenso großen Zahl von Fällen (22% aller Konzepte) bereits vor der faschistischen Machtübernahme im Jahr 1922, unabhängig also vom fremdwortpuristischen Klima des Faschismus und damit früher als bisher angenommen. Es ist davon auszugehen, dass der Substitutionsprozess in diesen Fällen ohne politischen Druck geschah, was
6 Synthese
461
zeigt, dass die Assimilation und Ersetzung von Fremdwörtern eine üblicher Form von Sprachwandel ist. Außerdem waren die wenigsten nativen Synonyme, die Fremdwörter schließlich ersetzten, erstmals in den puristischen Quellen belegt, sondern in der Presse. Auch unter allen hier untersuchten Ersatzlexemen, die die CIL vorschlug und die sich schließlich erfolgreich durchsetzen konnten, war keines, das nicht schon zuvor Teil des zeitungssprachlichen Repertoires gewesen wäre. Dass die langfristige Ersetzung von Fremdwörtern generell eher mit sprachinternen Faktoren verknüpft ist, ging aus den Unabhängigkeitstests hervor. Diese wiesen das Alter des Ersatzlexems, die semantische Kategorie, die Häufigkeit und Popularität des Konzepts sowie die Wortlänge als signifikante Einflussfaktoren aus. Allerdings lassen sich in der Stichprobe für all diese Prädiktoren auch Gegenbeispiele finden. Allgemeingültige Schlüsse sind somit nicht zulässig, da immer wieder individuelle lexikalische Details eine Rolle spielen – beispielsweise die Silbenstruktur und die Produktivität alternativer Derivationsmorpheme beim missglückten Substitutionsversuch von pistard durch pistaiolo, oder ungünstige semantische Assoziationen und Konnotationen bei der Ersetzung von water-polo durch pallanuoto –, die sich nur am Einzelfall erklären lassen. Damit scheinen sich historische Einzelsprachen der erzwungenen lexikalischen Substitution zumindest teilweise zu entziehen. Da für die Variable ‹Alter der Italianisierung› der größte Effekt festgestellt werden konnte, kann allerdings postuliert werden, dass der Erfolg einer Substitution in besonderem Maß davon abhängt, wie zügig eine geeignete (!) native Ausdrucksvariante zur Verfügung steht. Diese Schlussfolgerung würde dem Ansatz der 2015 gegründeten Arbeitsgruppe «Incipit» (siehe Seiten 153–154) Recht geben, die sich die Aufgabe stellt, für Anglizismen des öffentlichen Sprachgebrauchs direkt nach ihrem Aufkommen Ausdrucksalternativen bereitzustellen. Ein spezifischer Einfluss des FFP auf die Substitution von Fremdwörtern – über deren während der 1930er und insbesondere 1940er Jahre deutlich gesunkenen Gebrauch hinaus – konnte anhand der Unabhängigkeitstests dagegen nicht nachgewiesen werden. So spielte es offenbar für den Erfolg eines Italianisierungsvorschlags keine Rolle, ob er in einer, keiner oder mehreren puristischen Quellen erwähnt wurde, und auch nicht, wenn der Vorschlag von der staatlichen CIL kam. Zur Wirkung des FFP ist festzustellen, dass er nicht folgenlos blieb. Die Spuren, die er im italienischen Sprachgebrauch hinterließ, sehen allerdings oft anders aus als beabsichtigt. So kamen nicht wenige Ersetzungsvorschläge zwar in Gebrauch, aber nicht in ersetzender, sondern in ergänzender (als Synonym) oder differenzierender Funktion (in anderer Bedeutung). Eine weitere Folge des FFP war, dass der Paradigmenwechsel nach 1943 für eine Phase der lexikalischen Verunsicherung und Ambivalenz sorgte. Das ist u.a. an der größeren onomasiologischen
462
6 Synthese
Streuung im Sprachgebrauch der 1940er bis 1960er Jahre sowie an Zeitzeugenaussagen erkennbar. Es ist anzunehmen, dass die puristische Intervention zu deutlicheren Ergebnissen geführt hätte, wenn sie länger als 20 Jahre angehalten hätte – insbesondere nachdem der Fremdwortgebrauch im Handel 1940 gesetzlich verboten worden war. «Any puristic movement may be judged on the extent to which its reform programme is translated into a new value-system in the community and concrete changes in the repertoire of the language itself», meint Thomas (1991, 190). Bei der Bewertung des FFP sind also einerseits die Gegenreaktionen zu berücksichtigen, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer erneuten Hinwendung zu sprachlicher Fremdheit und Entlehnung führten, andererseits die vom FFP angestoßenen bzw. verstärkten Italianisierungsprozesse, wenn sie die semantische Präzision und die sprachökonomische Effizienz optimierten. Ihnen zugrunde liegen immer auch die kreativen und kommunikativen Funktionen von Sprache und die konkreten Kommunikationsbedürfnisse der Sprecher (cf. Winter-Froemel 2011, 489–490). Als Gesamturteil soll daher postuliert werden, dass der FFP als Katalysator lexikalischen Wandels wirkte – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nicht mehr, weil er hinter seinen Zielen deutlich zurückstand und bei vielen Fremdwörtern der Sportsprache jeder Ersetzungsversuch auf Dauer fehlschlug (z.B. bei tennis, hockey, golf, ring, pistard, gimkana, (boy-)scout) und weil zur Erklärung für Substitution vorrangig sprachinterne Faktoren identifiziert wurden. Nicht weniger, weil der FFP zur Beschleunigung der Lehnwortintegration durch Assimilation, zur sprachkontaktbedingten Lexemkonkurrenz sowie zur Erweiterung des italienischen Wortschatzes durch Neologismen beitrug (cf. 5.8). Dies zeichnet den FFP gegenüber dem Purismus des 19. Jahrhunderts aus, der sich nicht nur gegen Fremdwörter, sondern auch gegen Neologismen im Allgemeinen wandte und daher fast ausschließlich auf bedeutungsbasierte Formen der Substitution zurückgriff (cf. Nichil 2017). Lexikalische Substitution ist – ebenso wie Entlehnung, Lehnwortintegration und Bedeutungswandel – daher vorrangig als Prozess des Sprachwandels und weniger als Ergebnis bewusster sprachpolitischer Intervention zu verstehen. Die vorliegende Studie hat versucht zu zeigen, wie dynamisch und vielfältig solche Prozesse ablaufen und wie differenziert sie dementsprechend betrachtet werden müssen. Wissenschaftliche Analyse ist das eine, die identitätsstiftende und affektive Bindung von Muttersprachlern an ihre Sprache etwas anderes, das aber keinesfalls vernachlässigt werden sollte. Daher gehört das Schlusswort dieser Arbeit – ebenso wie der Anfang – einem Zeitzeugen, nämlich Leo Pestelli (1909–1976), einem langjährigen Journalisten von La Stampa. Mit Nostalgie,
6 Synthese
463
Ironie und ideologiefreier Klarheit zeichnete er 1957 die Entwicklung der italienischen Sportsprache nach:1 Nell’età aurea del calcio, oggi tanto rimpianta, i forestierismi trionfavano su tutta la linea. Si diceva da tutti football; e chi voleva fare l’inglesino diceva anche goal-keeper per «portiere», back per «terzino» e forward per «avanti». Half e l’ibrido centro-half, per «mediano» e «centro-mediano», ricordo ch’erano per noi termini familiari; mentre lo stesso free-kick (calcio libero) non ci faceva paura. E shoot e cross ci erano voci piane, elementari. Intervenute le «masse», cresciuta a «tifo» la passione, caduto lo spirito di pionierismo che basta da sé a sostenere gli esotismi, si è poi man mano addivenuti a una giudiziosa sistemazione, soltanto in minima parte determinata dalla caccia alla parola straniera apertasi sotto il fascismo. Il popolo ha fatto il comodo suo; e se ha ripudiato per ostico gran parte di quell’inglese del calcio, ne ha conservato una discreta porzioncella e se la tien cara come lingua di setta. Innamorato della radice che poi gli serve anche contro l’arbitro, continua a dire corner per il più lungo «calcio d’angolo», e dove le vecchie generazioni non sono affatto spente, ripete con esse penalty per «calcio di rigore», offside per «fuori gioco» e hands per «fallo di mano», per lo più pronunciando con l’appassionata ignoranza con cui i semplici pronunciano il latino della chiesa. Anche nel popolarissimo sport della bicicletta ci rimangono, se non altro, sprint, surplace e l’elegante finisseur, per colui che sa risolvere una situazione nella fase finale della corsa e nel pugilato, ring e gong. Mentre non fa meraviglia che la terminologia di sport aristocratici, quali l’ippica e il tennis, vada ancora macchiata, in pratica almeno, da parecchi barbarismi. Quello che il popolo fa per ragioni di comodo (goal) o per amore di tradizione (corner), le classi signorili generalmente fanno per affettazione (set, drive, steeplechase); ma nell’un caso e nell’altro il linguista di buon senso ha da pigliare pochissimo scandalo della parola straniera. Quando il tessuto del discorso rimanga italiano, il forestierismo, o crudo o adattato, non ci fa niente [...]. Coloro che dannano le parole dello sport, si guardino essi piuttosto dallo sport delle parole, ossia dal brutto vizio di gettarle a caso o stravolgerne il significato (ASLS, 23/07/1957, 3).
1 Aus seiner Sprachrubrik La lingua pura e impura – einer von insgesamt fünf, die Pestelli zwischen 1953 und 1976 führte. Eine Auswahl von Artikeln analysiert Schwarze (2017).
7 Bibliografie 7.1 Primärquellen Bianchi, Icilio, In difesa della lingua italiana, L’Albergo in Italia 15 (1939), 252–255. Cerruti, Francesco/Rostagno, Luigi Andrea, Vocabolario della lingua italiana con ricca nomenclatura figurata e non figurata e la nomenclatura fascista, Torino, Società editrice internazionale, 1939. CFPA = Confederazione fascista dei professionisti e artisti, Autarchia nel vocabolario. Gli esotismi nella terminologia tecnica. Proposte di sostituzione con le parole italiane, Bibliografia fascista. Rassegna mensile del movimento culturale fascista in Italia e all’estero suppl. 10:9, 1941. Cicogna, Adelmo, Autarchia della lingua. Contributo ideale e pratico alla santa battaglia e prontuario delle parole straniere da sostituire con le corrispondenti italiane esistenti, Roma, A. Cicogna, 1940. CIL (1941–1943) = Esotismi, Bollettino di informazioni della Reale Accademia d’Italia 1 (maggio 1941: Neologismi e forestierismi); 2 (giugno 1941: Forestierismi); 3 (luglio 1941: Forestierismi); 4 (agosto-ottobre 1941); 5 (dicembre 1941); 6 (gennaio 1942); 7 (febbraio 1942); 8 (aprile 1942); 9 (maggio 1942); 10 (giugno 1942); 11 (luglio 1942); 12 (agosto-ottobre 1942); 13 (gennaio 1943); 14 (marzo 1943); 15 (maggio 1943). Repr. in Raffaelli, Alberto, Le parole straniere sostituite dall’Accademia d’Italia (1941–1943), Roma, Aracne, 2010. De Felice, Emidio, La terminologia del pugilato, Lingua nostra 3 (1941), 56–60. De Luca, Pasquale, Le principali voci italiane dello sport. Milano, Varietas, 1924. DSI = Dizionario sportivo italiano, Bollettino del sindacato nazionale fascista dei giornalisti 4 (1932), n. 1, 2–3; n. 2, 9. Jàcono, Antonio, Dizionario di esotismi. Voci e locuzioni forestiere attinenti all’arte, alla letteratura, alla scienza, allo sport, all’industria, al commercio, alla banca, alla borsa, alla casa, alla pace, alla guerra. Commentate a uso di ogni persona, e recate in italiano con particolare riguardo alla lingua viva, Firenze, Marzocco, 1939. Jàcono (1940–43) = Jàcono, Antonio, Gli esotismi nel linguaggio dell’ingegneria e dell’architettura, L’Ingegnere. Rivista tecnica del Sindacato nazionale fascista ingegneri (in 16 Serien zwischen Juni 1940 und Juni 1943 erschienene Rubrik). Malfatti, Stefano, Il nome italiano del bridge, Lingua nostra 2 (1940), 94–95. Marinetti, Filippo Tommaso/Azari, Fedele, Primo dizionario aereo italiano. Ristampa anastatica del vol. pubbl. nel 1929 da Editore Morreale, Milano, Sesto Fiorentino, Apice, 2015 (¹1929). Mazzucconi, Ridolfo, Guida allo scrivere corretto, Milano, Lingue estere, 1935. Meano, Cesare, Commentario dizionario italiano della moda, Torino, Ente Nazionale della Moda, 1936. Meano, Cesare, Commentario dizionario italiano della moda. 2. ed. interamente riveduta e completata, Torino, Ente Nazionale della Moda, ²1938. Migliorini, Bruno, Parole nuove. Appendice di dodicimila voci al «Dizionario moderno», in: Schiaffini, Alfredo/Migliorini, Bruno (edd.), Dizionario moderno delle parole che non si trovano nei dizionari comuni. Ottava edizione, postuma, Milano, Hoepli, 1942.
https://doi.org/10.1515/9783110713657-007
466
7 Bibliografie
Monelli, Paolo, Barbaro dominio. Cinquecento esotismi esaminati, combattuti e banditi dalla lingua con antichi e nuovi argomenti, storia ed etimologia delle parole e aneddoti per svagare il lettore, Milano, Hoepli, 1933. Monelli, Paolo, Barbaro dominio. Seicentocinquanta esotismi esaminati, combattuti e banditi dalla lingua con antichi e nouvi argomenti, storia ed etimologia delle parole e aneddoti per svagare il lettore. 2. ed., riveduta ed ampliata, Milano, Hoepli, ²1943. Natali, Franco, Come si dice in italiano. Vocabolarietto autarchico, Bergamo, Edizioni di Bergamo fascista, 1940. Palazzi, Fernando, Novissimo dizionario della lingua italiana etimologico, fraseologico, grammaticale, ideologico, nomenclatore e dei sinonimi, Milano, Ceschina, 1939. Panzini, Alfredo, Dizionario moderno. Supplemento ai dizionari italiani. Parole scientifiche, tecniche, mediche, filosofiche, etc. Neologismi e parole straniere, entrate nel uso. Linguaggio della politica, curiale, giornalistico, etc. Parole dello sport, della moda, del teatro, della cucina, etc. Gergo familiare e dialettale. Voci internazionali. Modi latini e greci. Curiosità del linguaggio. Folklore. Voci omesse. Note grammaticali. Storia, etimologia e filosofia delle parole, Milano, Hoepli, 1905 (21908, 31918, 41923, 51927, 6 1931, 71935). Panzini, Alfredo, Dizionario moderno delle parole che non si trovano nei dizionari comuni. Con un’appendice di cinquemila voci e gli elenchi dei forestierismi banditi dall’Accademia d’Italia. 8. ed. postuma, a cura di Alfredo Schiaffini e Bruno Migliorini, Milano, Hoepli, 81942. PVNF = [anon.], Piccolo vocabolario dei neologismi e forestierismi da «risciacquare in Arno» consigliato dalla R. Accad. d’Italia, Tip. La Gazzetta Dello Sport, Milano, S. A. C. S. E., 1941. Rivetta, Pietro Silvio, Preferite i prodotti nazionali! Curiosità linguistiche stravaganti e sagge, Milano, Ceschina, 1938. Sassi, Giovanni, Siamo italiani! Dizionarietto con traduzione in lingua italiana dei termini stranieri usati nel parlare e nello scrivere di diporti, Bologna, A. Azzoguidi, 1927. Silvagni, Umberto, Il vitupèro dell’idioma e l’adunata de’ mostri. Roba da far piangere e ridere, Milano, Bocca, 1938. Tribuna 1932 = La scelta delle parole italiane da sostituire a quelle straniere, La Tribuna (7 luglio 1932), 3. Venturini, Renato, Dizionarietto italiano degli sports, Almanacco italiano. Piccola Enciclopedia popolare della vita pratica e Annuario diplomatico, amministrativo e statistico 47 (1942), 431–445.
7.2 Sprachkorpora ALECI = Ferrigni, Nicola/Iadicicco, Antonio/Raffaelli, Alberto, Archivio Linguistico e Cinematografico Italiano, 2010, URL: http://www.cartedautore.it/archivi/aleci/aleci.html [letzter Zugriff: 25.09.2020]. ASLS = Editrice La Stampa S.p.A., Archivio Storico La Stampa dal 1867 online, 2010, URL: http://www.archiviolastampa.it/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Biblioteca dello sport = Comitato Olimpico Nazionale Italiano, Biblioteca digitale, URL: http://dlib.coninet.it/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. BNA = The British Newspaper Archive, URL: https://www.britishnewspaperarchive.co.uk/ [letzter Zugriff: 25.09.2020].
7.3 Sekundärliteratur
467
CDS = Archivio del Corriere della Sera dal 1876 ad oggi, URL: http://archivio.corriere.it/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Google Ngram Viewer, URL: http://books.google.com/ngrams [letzter Zugriff: 25.09.2020]. BDLP-Suisse = Base de données lexicographiques de la Suisse, edd. Kristol, Andres/Knecht, Pierre, URL: http://www.bdlp.org/accueil.asp?base=SU [letzter Zugriff: 25.09.2020].
7.3 Sekundärliteratur Agnello, Giuseppe, Madre Itàlia. Made in Italy; il purismo di ieri, le paure di oggi, gli auspicî futuri, Firenze, L’autore libri, 2006. Ainis, Michele, Politica e legislazione linguistica nell’Italia repubblicana, in: Nesi, Annalisa/ Scotti Morgana, Silvia/Maraschio, Nicoletta (edd.), Storia della lingua italiana e storia dell’Italia unita. L’italiano e lo stato nazionale. Atti del IX Convegno ASLI (Firenze, 2–4 dicembre 2010), Firenze, Franco Cesati, 2011, 39–52. Aprile, Marcello, Parole e storia del rugby, in: Treccani, Speciale ‘Lingua italiana’, 2018, URL: http://www.treccani.it/magazine/lingua_italiana/speciali/Calcio/5Aprile.html [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Arcangeli, Massimo (ed.), Itabolario. L’Italia unita in 150 parole, Roma, Carocci, 2011. Bacci, Andrea, Lo sport nella propaganda fascista, Torino, Bradipolibri, 2002. Backus, Ad, A usage-based approach to borrowability, in: Zenner, Eline/Kristiansen, Gitte (edd.), New perspectives on lexical borrowing. Onomasiological, methodological and phraseological innovations, Berlin/Boston, De Gruyter, 2014, 19–40. Baggio, Serenella, L’Italia nelle grammatiche scolastiche del 1941, Rivista italiana di dialettologia 33 (2009), 219–258. Bartezzaghi, Stefano, L’orizzonte verticale. Invenzione e storia del cruciverba, Torino, Einaudi, 2007. Bascetta, Carlo, Il linguaggio sportivo contemporaneo, Firenze, Sansoni, 1962. Beck-Busse, Gabriele, «Autarchia linguistica». Contestualizzazione di un termine in «rispondenza alle necessità del tempo», in: Schafroth, Elmar/Wirtz, Nora (edd.), La lingua italiana dal Risorgimento a oggi. Unità nazionale e storia linguistica. Das Italienische nach 1861, Studia Romanica et linguistica, Frankfurt am Main, Lang, 2014, 153–164. Beisswenger, Michael/Storrer, Angelika/Runte, Maren, Modellierung eines Terminologienetzes für das automatische Linking auf der Grundlage von WordNet, LDV Forum 19 (2004), 113–125. Bellina, Massimo, Purismo, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2010. Beltrami, Francesco A., Pietro Boine, pioniere del pugilato. I Primi passi della Boxe italiana, InStoria. Rivista online di storia & informazione 66 (2013), URL: http://www.instoria.it/ home/pietro_boine_nascita_pugilato.htm [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Bernardi, Alberto De, Una dittatura moderna. Il fascismo come problema storico, 2. ed. riv. e ampl. Milano, Mondadori, 2006. Bernhard, Patrick/Klinkhammer, Lutz (edd.), L’uomo nuovo del fascismo. La costruzione di un progetto totalitario, Roma, Viella, 2017. Bertoni, Giulio, A proposito di «ouverture» e di «suite», Lingua nostra 1 (1939), 166.
468
7 Bibliografie
Betz, Werner, Lehnwörter und Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen, in: Maurer, Friedrich/Stroh, Friedrich (edd.), Deutsche Wortgeschichte, vol. 1. Berlin, De Gruyter, 1959, 127–147. Betz, Werner, Lehnwörter und Lehnprägungen im Vor- und Frühdeutschen, in: Maurer, Friedrich/Rupp, Heinz (edd.), Deutsche Wortgeschichte, vol. 1, Berlin/New York, De Gruyter, 1974, 135–163. Bigiaretti, Libero/Ossola, Carlo/Fornero, Elena, Scritture di fabbrica. Dal vocabolario alla società, Torino, Scriptorium, 1994. Blank, Andreas, Prinzipien des lexikalischen Bedeutungswandels am Beispiel der romanischen Sprachen, Berlin/New York, De Gruyter, 1997. Boccardo, Giovanni Battista, 1925: Cruciverba, in: Treccani 90° - 1925/2015, 90 anni di cultura Italiana, 2015, URL: http://www.treccani.it/90anni/parole/1925-cruciverba.html [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Boerio, Giuseppe, Dizionario del dialetto veneziano, Venezia, Andrea Santini, 1829. Bognolo, Marco (ed.), Panlessico italiano, ossia Dizionario Universale della lingua italiana, Parte seconda, Venezia, Girolamo Tasso, 1839. Bolioli, Andrea/Marchioni, Eleonora/Ventaglio, Raffaella, Errori di OCR e riconoscimento di entità nell’Archivio Storico de La Stampa, in: Basili, Roberto/Lenci, Alessandro/Magnini, Bernardo (edd.), The First Italian Conference on Computational Linguistics CLiC-it 2014 (Pisa, 9–10 dicembre 2014), Pisa, Pisa University Press, 2014, 78–82. Bonadonna, Maria Francesca, Il fascismo contro i francesismi della moda. Il «Commentario Dizionario» di Cesare Meano, L’analisi linguistica e letteraria 21 (2013), 191–206. Bonomi, Ilaria, L’ italiano giornalistico. Dall’inizio del ’900 ai quotidiani on line, Firenze, Cesati, 2002. Bonomi, Ilaria, La lingua dei giornali del Novecento, in: Serianni, Luca/Trifone, Pietro (edd.), Storia della lingua italiana, vol. 2: Scritto e parlato, Torino, Einaudi, 1994. Bortolini, Umberta/Tagliavini, Carlo/Zampolli, Antonio, Lessico di frequenza della lingua italiana contemporanea, Milano, Garzanti, 1971. Bortolotti, Adalberto, et al., La storia del calcio, in: Enciclopedia dello sport, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2002. Bortz, Jürgen/Schuster, Christof, Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler, 7., vollst. überarb. und erw. Aufl., Berlin/Heidelberg, Springer, 2010. Caccia, Patrizia, Editori a Milano (1900–1945), Milano, Franco Angeli, 2013. Caffarelli, Enzo/Fanfani, Massimo (edd.), Lo spettacolo delle parole. Studi di storia linguistica e di onomastica in ricordo di Sergio Raffaelli, Roma, Società Editrice Romana, 2011. Canella, Maria/Giuntini, Sergio (edd.), Sport e fascismo, Milano, Franco Angeli, 2009. Canepari, Luciano, Manuale di pronuncia italiana, 2. ed., Bologna, Zanichelli, 1999. Cardia, Nicola, Il Neopurismo e la politica linguistica del fascismo, Écho des études romanes. Revue semestrielle de linguistique et littératures romanes 4:1 (2008), 43–54. Caretti, Lanfranco, Lingua e sport, Firenze, Vallecchi, 1973. Carrera Díaz, Manuel, Forestierismi. Norma italiana e norme europee, in: Vanvolsem, Serge (ed.), L’italiano Oltre Frontiera. Atti del V Convegno Internazionale del Centro di Studi Italiani, Leuven, Leuven University Press, 2000, 19–29. Cartago, Gabriella, ‹Sciare› sui vocabolari, Acme – Annali della Facoltà di Lettere e Filosofia dell’Università degli Studi di Milano 48:2 (1995), 201–206. Cartago, Gabriella, Stranierismi e sostituti autarchici nei romanzi italiani degli anni ’30, Studi linguistici italiani 27:1 (2001), 58–68.
7.3 Sekundärliteratur
469
Castellani, Arrigo, Neopurismo e glottotecnica. L’intervento linguistico secondo Migliorini, in: Fanfani, Massimo (ed.), L’opera di Bruno Migliorini. nel ricordo degli allievi con una bibliografia dei suoi scritti, Firenze, Accademia della Crusca, 1979, 23–32. Castellani, Arrigo, Morbus anglicus, Studi Linguistici Italiani 13 (1987), 137–153. Cerchiari, Aldo Libertario, Vocabolario dello sport. Grafia, pronuncia figurata corrispondente italiano definizione e note deila terminologia sportiva, Milano, Sonzogno, 1927. Cicioni, Mirna, La campagna per l’«autarchia della lingua». Una «bonifica» fallita, in: Jocteau, Gian Carlo (ed.), Parlare fascista. Lingua del fascismo, politica linguistica del fascismo (Genova, 22–24 marzo 1984), Movimento operaio e socialista 7:1 (1984), 87–95. Colasante, Gianfranco, Antichi giochi italiani, in: Enciclopedia dello sport, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2002. Coletti, Vittorio, Eccessi di parole, Firenze, Cesati, 2012. Conord, Fabien/Lehnert, Joris, Über die soziale und kulturelle Bedeutung eines auch romanischen Sports, apropos [Perspektiven auf die Romania] 2 (2019), Dossier: Rugbykultur (in) der Romania, 12–33. Consales, Ilde/Pelo, Adriana, Il «Nuovo Dizionario della Lingua Italiana» di Francesco Cerruti tra tradizione e innovazione, in: Nesi, Annalisa/Scotti Morgana, Silvia/Maraschio, Nicoletta (edd.), Storia della lingua italiana e storia dell’Italia unita. L’italiano e lo stato nazionale. Atti del IX Convegno ASLI (Firenze, 2–4 dicembre 2010), Firenze, Franco Cesati, 2011, 201–213. Cortelazzo, Manlio, Migliorini e il lessico contemporaneo, in: Santipolo, Matteo/Viale, Matteo (edd.), Bruno Migliorini, l’uomo e il linguista: Rovigo 1896-Firenze 1975, Rovigo, Accademia dei Concordi, 2009, 249–256. Costa, Cosimo, Ju-Jitsu. La Dolce Arte dalle origini al Mizu Ryu, Roma, Edizioni Mediterranee,1999. Cougnet, Alberto, Pugilato e lotta libera per la difesa personale. Con l’aggiunta della difesa contro gli aggressori, della donna contro I prepotenti, ed altre difese desunte specialmente dalla applicazione del jiu-jitsu, 2. ed. completamente rimodernata e considerevolmente ampliata, Milano, Hoepli, 1911. Cruse, D. Alan, Lexical Semantics, Cambridge, Cambridge University Press, 1986. Cruse, D. Alan/ Lutzeier, Peter Rolf, Paradigmatic relation of inclusion and identity III. Synonymy, in: Cruse, D. Alan/Hundsnurscher, Franz/Job, Michael (edd.), Lexicology. A international handbook on the nature and structure of words and vocabularies, vol. 1, Berlin/New York, de Gruyter, 2002, 485–497. Dardano, Maurizio, La lingua della nazione, Roma/Bari, Laterza, 2011. DBI = Dizionario biografico degli italiani, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 1961–, URL: http://www.treccani.it/biografico [letzter Zugriff: 25.09.2020]. De Grazia, Victoria/Luzzato, Sergio (edd.), Dizionario del fascismo, Torino, Einaudi, 2003. De Mauro, Tullio, Storia linguistica dell’Italia unita, Roma/Bari, Laterza, ²1993. De Mauro, Tullio, La fabbrica delle parole. Il lessico e problemi di lessicologia, Torino, UTET, 2005. De Mauro, Tullio, Storia linguistica dell’Italia repubblicana. Dal 1946 ai nostri giorni, Bari/ Roma, Laterza, 2014. De Mauro, Tullio, È irresistibile l’ascesa degli anglismi?, Internazionale (2016), URL: http://www.internazionale.it/opinione/tullio-de-mauro/2016/07/14/irresistibile-l-ascesadegli-anglismi [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Della Valle, Valeria/Patota, Giuseppe, L’italiano. Biografia di una lingua, Sperling & Kupfer, ²2007.
470
7 Bibliografie
Della Valle, Valeria, Introduzione, commento alle relazioni della giornata in relazione all’Onli e visione del documentario «Me ne frego! Il fascismo e la lingua italiana», in: Marazzini, Claudio/Petralli, Alessio (edd.), La lingua italiana e le lingue romanze di fronte agli anglicismi, Firenze, Accademia della Crusca, 2015, 65–69. Dell’Anna, Maria Vittoria, Lingua italiana e politica, Roma, Carocci, 2010. DELI = Cortelazzo, Manlio/Zolli, Paolo, Il nuovo etimologico. Dizionario etimologico della lingua italiana, Bologna, Zanichelli, ²1999. Demuru, Cecilia, [Rezension] Alberto Raffaelli, Le parole straniere sostituite dall’ Accademia d’Italia (1941–1943), Roma: Aracne, 2010, Italica 88:1 (2011), 153–155. Devoto, Giacomo, Cinque ventenni nella storia della lingua italiana, Lingua nostra 22:2 (1961), 41–45. Devoto, Giacomo, Le lingue speciali. Il calcio, in: Ders., Scritti minori, vol. 3, Firenze, Le Monnier, 1972 (¹1939), 165–169. Devoto-Oli = Devoto, Giacomo/Oli, Gian Carlo, Il Devoto-Oli. Vocabolario della lingua italiana, Milano, Mondadori, 2010. DIDO 1940 = Formiggini, Angelo Fortunato, Chi è? Dizionario degli Italiani d’oggi, Roma, Cenacolo, 1940. DIFIT = Stammerjohann, Harro, et al. (edd.), Dizionario di italianismi in francese, inglese, tedesco, Firenze, Accademia della Crusca, 2008. Di Marco, Giampiero, In mezzo al guado. Pasquale De Luca (1865–1929), Napoli, Paolo Loffredo, 2016. Di Stefano, Giulia, La terminologia sportiva negli elenchi della Reale Accademia d’Italia (1941–1943). Tesi di laurea in Linguistica italiana, Roma, Università degli studi Roma Tre, 2007. DISC = Sabatini, Francesco/Coletti, Vittorio, Dizionario della lingua italiana, con allegato CD-rom, Milano, Sansoni, 2012. Dogliani, Patrizia, Il fascismo degli italiani. Una storia sociale, Torino, UTET, 2008. DOP = Migliorini, Bruno/Tagliavini, Carlo/Fiorelli, Piero, Dizionario italiano multimediale e multilingue d’ortografia e di pronunzia. Riveduto, aggiornato, accresciuto da Piero Fiorelli e Tommaso Francesco Borri. Versione multimediale ideata e diretta da Renato Parascandolo, Roma, 2007, URL: http://www.dizionario.rai.it/index.aspx [letzter Zugriff: 25.09.2020]. D’Oria, Domenico, Fascisme et autarcie linguistique, Mots 11:1 (1985), 81–90. Döring, Nicola/Bortz, Jürgen, Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften, 5. vollst. überarb., aktualisierte und erw. Aufl., Berlin/Heidelberg, Springer, 2016. DSC = Dizionario dei Sinonimi e dei Contrari, Milano, Rizzoli Larousse, 2005, URL: http://dizionari.corriere.it/dizionario_sinonimi_contrari/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. DSCT = Dizionario dei Sinonimi e Contrari Treccani, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2011, URL: http://www.treccani.it/sinonimi/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Duggan, Christopher, A concise history of Italy, Cambridge etc., Cambridge Univ. Press, ²2014. Edmonds, Philip/Hirst, Graeme, Near-Synonymy and Lexical Choice, Computational Linguistics 28:2 (2002), 105–144. Eisenberg, Peter, Das Fremdwort im Deutschen, 3., akt. u. erw. Aufl., Berlin/Boston, De Gruyter, 2018 (¹2011). EIT = Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011, URL: https://www.treccani.it/enciclopedia/elenco-opere/Enciclopedia_dell%27Italiano [letzter Zugriff: 25.09.2020].
7.3 Sekundärliteratur
471
EST = Enciclopedia dello sport, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2002–, URL: http://www.treccani.it/enciclopedia/elenco-opere/Enciclopedia_dello_Sport [letzter Zugriff: 25.09.2020]. ETO = Enciclopedia Treccani online, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2009–. URL: http://www.treccani.it/enciclopedia/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Fanfani, Massimo, Sulla terminologia linguistica di Bruno Migliorini, in: Orioles, Vincenzo (ed.), Idee e parole. Universi concettuali e metalinguistici, Roma, Il Calamo, 2002, 251–298. Fanfani, Massimo, Per un repertorio di anglicismi in italiano, in: Sullam Calimani, Anna Vera (ed.), Italiano e inglese a confronto. Problemi di interferenza linguistica, Firenze, Cesati, 2003, 151–176. Fanfani, Massimo, La prima stagione di «Lingua nostra», in: Santipolo, Matteo/Viale, Matteo (edd.), Bruno Migliorini, l’uomo e il linguista. Rovigo 1896-Firenze 1975, Rovigo, Accademia dei Concordi, 2009, 25–96. Fanfani, Massimo, Anglicismi, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011 (= 2011a). Fanfani, Massimo, Calchi, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011 (= 2011b). Fanfani, Massimo, Forestierismi, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011 (=2011c). Fanfani, Massimo, Lingua e politica per Raffaelli, in: Caffarelli, Enzo/Fanfani, Massimo/ Gualdo, Riccardo/Mazzei, Luca (edd.), In ricordo di Sergio Raffaelli, Roma, Arti Grafiche di Cossidente, 2011, 7–8, URL: http://www.sergioraffaelli.it/Ricordo_Raffaelli.pdf [letzter Zugriff: 25.09.2020] (= 2011d). Fanfani, Massimo, Neopurismo, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011 (= 2011e). Fanfani, Massimo, Prestiti, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011 (= 2011f). Fanfani, Massimo, Un forestierismo ben conservato, in: Caffarelli, Enzo/Fanfani, Massimo (edd.), Lo spettacolo delle parole. Studi di storia linguistica e di onomastica in ricordo di Sergio Raffaelli, Roma, Società Editrice Romana, 2011, 217–236 (= 2011g). Fanfani, Massimo, L’ideologia nei vocabolari dell’epoca fascista, in: Baldi, Benedetta (ed.), La delegittimazione politica nell’età contemporanea, vol. 2. Parole nemiche. Teorie, pratiche e linguaggi, Roma, Viella, 2017, 51–131. Foot, John, Ein Erinnerungsort des italienischen Sports. Die Superga-Katastrophe von 1949 und der Mythos von Il Grande Torino, in: Bremer, Thomas/ Winkler, Daniel (edd.), Sport und Gesellschaft, Tübingen, Stauffenburg, 2019, 31–47 (= Zibaldone, 67). Foresti, Fabio, Proposte interpretative e di ricerca su lingua e fascismo. La ‹politica linguistica›, in: Leso, Erasmo (ed.), La lingua italiana e il fascismo, Bologna, Consorzio Provinciale Pubblica Lettura, 1978, 111–148. Foresti, Fabio, Premessa: Le varietà linguistiche e il ‹language planning› durante il fascismo. Un bilancio degli studi (1977–2001), in: ders. (ed.), Credere, obbedire, combattere. Il regime linguistico nel Ventennio, Bologna, Pendragon, 2003, 11–26 (= 2003a). Foresti, Fabio, La politica linguistica, in: ders. (ed.), Credere, obbedire, combattere. Il regime linguistico nel Ventennio, Bologna, Pendragon, 2003, 35–66 (= 2003b). Franchi, Marianna, Studi sul «Dizionario Moderno» di A. Panzini e B. Migliorini (1905–1963). Supplementi, deonomastica, linguaggio di cucina. Tesi di dottorato di ricerca in Studi
472
7 Bibliografie
italianistici, Università di Pisa, 2012, URL: https://etd.adm.unipi.it/theses/available/etd05282012-202354/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Furiassi, Cristiano, False Anglicisms in Italian, Monza, Polimetrica, 2010. Furiassi, Cristiano/Gottlieb, Henrik, Getting to grips with false loans and pseudo-Anglicisms, in: Furiassi, Cristiano/Gottlieb, Henrik (edd.), Pseudo-English, Studies on False Anglicisms in Europe, Berlin/Boston, De Gruyter Mouton, 2015, 3–34. Galassi, Stefania, Pressepolitik im Faschismus. Das Verhältnis von Herrschaft und Presseordnung in Italien zwischen 1922 und 1940, Stuttgart, Franz Steiner, 2008. Geeraerts, Dirk, Diachronic Prototype Semantics. A Contribution to Historical Lexicology, Oxford, Oxford University Press, 1997. Geeraerts, Dirk/Grondelaers, Stefan/Bakema, Peter, The Structure of Lexical Variation. Meaning, Naming, and Context, Berlin/New York, De Gruyter, 1994. Geeraerts, Dirk/Grondelaers, Stefan, Purism and fashion. French influence on Belgian and Netherlandic Dutch, Belgian Journal of Linguistics 13 (2000), 53–68. Geeraerts, Dirk, Vagueness’s puzzles, polysemy’s vagaries, in: Hanks, Patrick (ed.), Lexicology. Critical concepts in linguistics, London/New York, Routledge, 2008, 282–327. Geeraerts, Dirk, How words and vocabularies change, in: Taylor, John R. (ed.), The Oxford Handbook of the Word, New York, NY, Oxford University Press, 2015, 416–430. Ghinassi, Ghino, Ricordo di Bruno Migliorini dal ‹laboratorio› di «Lingua nostra», in: Fanfani, Massimo (ed.), L’opera di Bruno Migliorini nel ricordo degli allievi con una bibliografia dei suoi scritti, Firenze, Accademia della Crusca, 1979, 41–49. Ghinassi, Ghino, Migliorini contemporaneista, in: Migliorini, Bruno, La lingua italiana nel Novecento, ed. Fanfani, Massimo, Firenze, Le Lettere, 1990, VII–XCVI. Giannini, Benedetta, Gli anglicismi nel linguaggio politico. Analisi dei resoconti di alcune sedute della Camera dei Deputati, Tesi di laurea in Linguistica italiana, Università di Bologna, 2017, URL: https://amslaurea.unibo.it/12691/ [letzter Zugriff: 10.09.2020]. Gigli, Torquato, [Rezension] Monelli Paolo, «Barbero Dominio», Processo a 500 parole esotiche. Milano (Ulrico Hoepli) 1933; Pag. 358, L’Italia dialettale. Rivista di dialettologia italiana 9 (1933), 251–261. Giovanardi, Claudio/Gualdo, Riccardo, Inglese – italiano 1 a 1. Tradurre o non tradurre le parole inglesi?, Lecce, Manni, ²2008. Giuntini, Sergio, Sport und Futurismus zwischen Weltkrieg und Faschismus, in: Bremer, Thomas (ed.), Der Erste Weltkrieg. Kultur und Krieg in Italien, Tübingen, Stauffenburg, 2014, 91–106 (= Zibaldone, 57). Gneuss, Helmut, Lehnbildungen und Lehnbedeutungen im Altenglischen, Berlin, Erich Schmidt, 1955. Golino, Enzo, Parola di Duce. Il linguaggio totalitario del fascismo, Milano, Rizzoli, 1994. GR = Robert, Paul, Le grand Robert de la langue française, Paris, Le Robert, ²2001. Gramsci, Antonio, Quaderni dal carcere, Torino, Einaudi, 1975. Gregori, Claudio, Ciclismo, in: Enciclopedia dello sport, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2005. Grzega, Joachim, Borrowing as a word-finding process in cognitive historical onomasiology, Onomasiology Online 4 (2003), 22–42. Grzega, Joachim, Bezeichnungswandel. Wie, Warum, Wozu? Ein Beitrag zur englischen und allgemeinen Onomasiologie, Heidelberg, Winter, 2004.
7.3 Sekundärliteratur
473
Grzega, Joachim, Lexical-semantic Variables, in: Hernández-Campoy, Juan Manuel/CondeSilvestre, Juan Camilo (edd.), The Handbook of Historical Sociolinguistics, Chichester/ Malden, Wiley-Blackwell, 2012, 607–625. Gualdo, Riccardo, Giornata in ricordo di Sergio Raffaelli, in: Caffarelli, Enzo/Fanfani, Massimo/ Gualdo, Riccardo/Mazzei, Luca (edd.), In ricordo di Sergio Raffaelli, Roma, Arti Grafiche di Cossidente, 2011, 9–13, URL: http://www.sergioraffaelli.it/Ricordo_Raffaelli.pdf [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Gusmani, Roberto, Typologie des «Ersatzwortes» im Deutschen, Incontri Linguistici 15, 1992, 99–106. Gusmani, Roberto, Saggi sull’interferenza linguistica, 2. ed., accresciuta, Firenze, Le Lettere, 1993. Harm, Volker, Einführung in die Lexikologie, Darmstadt, WBG, 2015. Haspelmath, Martin, Against Markedness (And What to Replace It With), Journal of Linguistics 42:1 (2006), 25–70. Haspelmath, Martin, Loanword typology. Steps toward a systematic crosslinguistic study of lexical borrowability, in: Stolz, Thomas/Bakker, Dik/Salas Palomo, Rosa (edd.), Aspects of Language Contact. New Theoretical, Methodological and Empirical Findings with Special Focus on Romancisation Processes, Berlin, De Gruyter, 2008, 43–62. Haspelmath, Martin/Tadmor, Uri (edd.), World Loanword Databaser, Leipzig, Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology, 2009, URL: http://wold.clld.org [letzter Zugriff: 10.09.2020] (= 2009a). Haspelmath, Martin/Tadmor, Uri (edd.), Loanwords in the World’s Languages. A Comparative Handbook, Berlin/New York, De Gruyter Mouton, 2009 (= 2009b). Haspelmath, Martin, Lexical borrowing. Concepts and issues, in: Haspelmath, Martin/Tadmor, Uri (edd.), Loanwords in the World’s Languages. A Comparative Handbook, Berlin/ New York, De Gruyter, 2009, 35–54. Humbley, John, Allogenisms. The major category of «true» false loans, in: Furiassi, Cristiano/ Gottlieb, Henrik (edd.), Pseudo-English, Studies on False Anglicisms in Europe, Berlin/ Boston, De Gruyter Mouton, 2015, 35–58. Iannaccaro, Gabriele, Ammaliare per confondere. Sulla lingua del fascismo, in margine ad una recente riproposta, Rivista italiana di dialettologia 27 (2003), 261–267. Ille, Karl, Zur Sprachpolitik des historischen Faschismus. Konstanten und Variablen im europäischen Vergleich, in: Bott-Bodenhausen, Karin (ed.), Unterdrückte Sprachen. Sprachverbote und das Recht auf Gebrauch der Minderheitensprachen, Frankfurt am Main/New York, Lang, 1996, 33–55. Impiglia, Marco, Mussolini sportivo, in: Canella, Maria/Giuntini, Sergio (edd.), Sport e fascismo, Milano, Franco Angeli, 2009, 19–45. Ioli, Giovanna, Alfredo Panzini e il purismo perplesso, in: Grassi, Ennio/Bo, Carlo (edd.), Alfredo Panzini nella cultura letteraria italiana fra ’800 e ’900, Rimini, Maggioli, 1985, 309–326. Jansen, Silke, Sprachliches Lehngut im world wide web, Tübingen, Narr, 2005. Jespersen, Otto, Nature and Art in Language, American Speech 5 (1929), 89–103. Junker, Albert, Wachstum und Wandlungen im neuesten italienischen Wortschatz, Erlangen, Universitätsbund Erlangen, 1955. Keller, Rudi, Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in der Sprache, Tübingen/Basel, Francke, ³2003 (¹1994).
474
7 Bibliografie
Klein, Gabriella, Tendenzen der Sprachpolitik des italienischen Faschismus und des Nationalsozialismus in Deutschland, Zeitschrift für Sprachwissenschaft 3:1 (1984), 100–113. Klein, Gabriella, La politica linguistica del Fascismo. Studi linguistici e semiologici, Bologna, Mulino, 1986. Koch, Peter, Bedeutungswandel und Bezeichnungswandel, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 31:1 (2001), 7–36. Kolb, Susanne, Sprachpolitik unter dem italienischen Faschismus. Der Wortschatz des Faschismus und seine Darstellung in den Wörterbüchern des Ventennio (1922 – 1943), München, Vögel, 1990. Kolb, Susanne, Dizionari e Enciclopedie nel Ventennio Fascista, in: Schafroth, Elmar/Wirtz, Nora (edd.), La lingua italiana dal Risorgimento a oggi. Unità nazionale e storia linguistica = Das Italienische nach 1861. Studia Romanica et linguistica, Frankfurt am Main, Lang, 2014, 127–152. Krome, Sabine/Roll, Bernhard, Fremdwörter zwischen Isolation und Integration. Empirische Analysen zum Schreibusus auf der Basis von Textkorpora professioneller und informeller Schreiber, Studia Germanistica 18 (2016), 5–40. Kuckartz, Udo, Mixed Methods. Methodologie, Forschungsdesigns und Analyseverfahren, Wiesbaden, Springer, 2014. Langer, Nils/Nesse, Agnete, Linguistic Purism, in: Hernández-Campoy, Juan Manuel/CondeSilvestre, Juan Camilo (edd.), The Handbook of Historical Sociolinguistics, Chichester/ Malden, Wiley-Blackwell, 2012, 607–625. LEI = Pfister, Max/Schweickard, Wolfgang, Lessico Etimologico Italiano, Wiesbaden, Reichert, 1979–. Leitner, Julia, Die Folgewirkungen der Sprachpolitik des italienischen Faschismus in der Nachkriegszeit. Diplomarbeit, Universität Wien, 2008. DOI: https://doi.org/10.25365/ thesis.2947 [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Lepschy, Anna Laura/Lepschy, Giulio C., La lingua italiana. Storia, varietà dell’uso, grammatica, Milano, Bompiani, 1998. Leso, Erasmo, Aspetti della lingua del fascismo. Prime linee di una ricerca, in: Gnerre, Maurizio/Medici, Mario/Simone, Raffaele (edd.), Storia linguistica dell’Italia del Novecento. Atti del V Convegno internazionale di studi della Società di Linguistica italiana (Roma, 1–2 giugno 1971), Roma, Bulzoni, 1973, 139–158. Leso, Erasmo, Osservazioni sulla lingua di Mussolini, in: Leso, Erasmo (ed.), La lingua italiana e il fascismo, Bologna, Consorzio Provinciale Pubblica Lettura, 1978, 15–62. Levinson, Stephen C., Presumptive Meanings. The Theory of Generalized Conversational Implicature. Language, speech, and communication, Cambridge, Mass./London, MIT Press, 2000. Lieber, Maria, Zur Verbreitung von frz. sport in der Romania. Etymologie und Wortgeschichte, in: Born, Joachim/Lieber, Maria (edd.), Sportsprache in der Romania, Wien, Praesens, 2008, 13–26. Lonigro, Ilaria, 25 aprile, la Liberazione del vocabolario. In un doc su History il fascismo e le parole straniere, Il Fatto Quotidiano 23.04.2015, URL: http://www.ilfattoquotidiano.it/ 2015/04/23/25-aprile-liberazione-lingua-italiana-in-doc-history-fascismo-parole-straniere /1613515/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Maiocchi, Roberto, Gli scienziati del Duce. Il ruolo dei ricercatori e del CNR nella politica autarchica del fascismo, Roma, Carocci, 2003. Malfatti, Stefano, Il nome italiano del bridge, Lingua nostra 2:4 (1940), 94–95.
7.3 Sekundärliteratur
475
Manzo, Luciana/Peirone, Fulvio (edd.), Sport a Torino. Luoghi, eventi e vicende tra Ottocento e Novecento nei documenti dell’Archivio Storico della Città, Torino, Archivio storico della Città di Torino, 2005, URL: http://www.museotorino.it/resources/pdf/books/120/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Marazzini, Claudio/Petralli, Alessio (edd.), La lingua italiana e le lingue romanze di fronte agli anglicismi, Firenze, Accademia della Crusca, 2015. Marazzini, Claudio, Perché in Italia si è tanto propensi ai forestierismi?, in: Marazzini, Claudio/Petralli, Alessio (edd.), La lingua italiana e le lingue romanze di fronte agli anglicismi, Firenze, Accademia della Crusca, 2015, 14–26. Marchesini, Daniele, Fascismo a due ruote, in: Canella, Maria/Giuntini, Sergio (edd.), Sport e fascismo, Milano, Franco Angeli, 2009, 85–97. Marinetti, Filippo Tommaso, Viva la matta. Abasso il bridge e i giochi stranieri, in: La matta. Almanacco dei giochi letterario, storico, geografico, umoristico, artistico, tecnico, pratico, Firenze, Scena Illustrata, 1940, 11–13. Marszałek-Kowalewska, Katarzyna, Iranian language policy. A case of linguistic purism, Investigationes Linguisticae 22 (2011), 90–103. Martin, Simon, Calcio e fascismo. Lo sport nazionale sotto Mussolini, Milano, Mondadori, 2006. Matard-Bonucci, Marie Anne, Lingua, fascismo, razza. Considerazioni su un disegno totalitario, in: Gentili, Sonia (ed.), Cultura della razza e cultura letteraria nell’Italia del Novecento, Roma, Carocci, 2010. Mazzocchi, Giacomo/Pisani, Laura, Rugby, in: Enciclopedia dello sport, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2006. McColl Millar, Robert, Language, Nation and Power. An Introduction, Hampshire/New York, Palgrave Macmillan, 2005. Menarini, Alberto, A proposito di «bar», «barista». Lingua Nostra 3 (1941), 113–118. Menarini, Alberto, Appunti sull’autarchia della lingua, Lingua Nostra 22 (1943), 18–22. Michel, Andreas, Italienische Sprachgeschichte, Hamburg, Kovac, 2005. Migliorini, Bruno, La sostituzione dei forestierismi: improvvisa o graduale?, Lingua Nostra 6 (1941), 138–139. Migliorini, Bruno, Parole nuove. Appendice di dodicimila voci al «Dizionario moderno», Milano, Hoepli, 1963. Migliorini, Bruno, La lingua italiana nel Novecento, ed. Fanfani, Massimo, Firenze, Le Lettere, 1990. Migliorini, Bruno, Storia della lingua italiana, introd. di Ghino Ghinassi, Milano, Bompiani, 2001. MLA (2009) = van den Berg, Hubert/Fähnders, Walter (edd.), Metzler Lexikon Avantgarde, Stuttgart/Weimar, Metzler, 2009. MLS (2016) = Glück, Helmut/Rödel, Michael (edd.), Metzler Lexikon Sprache, Stuttgart, J.B. Metzler, 52016. Morgana, Silvia, L’influsso francese, in: Serianni, Luca/Trifone, Pietro (edd.), Storia della lingua italiana, vol. 3: Le altre lingue, Torino, Einaudi, 1994, 671–719. Morlicchio, Elda, La strana storia di «Alpenstock». Una «Wanderung» nei sentieri della lessicografia, in: Cinato, Lucia/Costa, Marcella/Ponti, Donatella/Ravetto, Miriam (edd.), Intrecci di lingua e cultura. Studi in onore di Sandra Bosco Coletsos, Roma, Aracne, 2012, 207–221. Murialdi, Paolo, Storia del giornalismo italiano. Dalle gazzette a internet, Bologna, Mulino, 2006. Murphy, M. Lynne, Lexical Meaning, Cambridge, Cambridge University Press, 2010.
476
7 Bibliografie
Myers-Scotton, Carol, Contact linguistics. Bilingual encounters and grammatical outcomes, Oxford, Oxford University Press, 2002. NDM = De Mauro, Tullio, Il Nuovo De Mauro, 2014, URL: https://dizionario.internazionale.it/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Nichil, Rocco Luigi, «Si dispone che...». Sulla politica linguistica del fascismo. Dal «Foglio di disposizioni» a «Lingua nostra», in: Nesi, Annalisa/Scotti Morgana, Silvia/Maraschio, Nicoletta (edd.), Storia della lingua italiana e storia dell’Italia unita. L’italiano e lo stato nazionale. Atti del IX Convegno ASLI (Firenze, 2–4 dicembre 2010), Firenze, Franco Cesati, 2011, 439–450. Nichil, Luigi Rocco, Il purismo linguistico fascista dal «Foglio di disposizioni del P.N.F.» al «Bollettino di informazioni della Reale Accademia d’Italia», in: Bianchi, Patricia/De Blasi, Nicola/De Caprio, Chiara/Montuori, Francesco (edd.), La variazione nell’italiano e nella sua storia. Varietà e varianti linguistiche e testuali, Firenze, Franco Cesati, 2012, 85–94. Nichil, Rocco Luigi, Starace e Mussolini. Lessico fascista e retoria di regime nell’anno XVI E.F. (29 ottobre 1937–28 ottobre 1938), in: Casanova, Emili/ Calvo Rigual, Cesáreo (edd.), Actas del XXVIé Congreso Internacional de Lingüística y de Filología Románicas (Valencia, 6–11 de septiembre de 2010), Berlin/Boston, De Gruyter, 2013, 4632–4644. Nichil, Rocco Luigi, «Per alfine abolire il grido barbarico...». Frammenti di xenofobia linguistica e onomaturgia nella prima metà del Novecento, La lingua italiana 13 (2017), 119–136. Nichil, Rocco Luigi, Il secolo dei palloni. Storia linguistica del calcio, del rugby e degli altri sport con la palla nella prima metà del Novecento, Strasbourg, ÉLiPhi, 2018. OED = Oxford English Dictionary Online, Oxford, Oxford University Press, URL: http://oed. com/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Onelli, Corinna/Proietti, Domenico/Seidenari, Corrado/Tamburini, Fabio, The DiaCORIS project. A diachronic corpus of written Italian, in: Proceedings of LREC-2006, the fifth international conference on language resources and evaluation (Genoa, May 24–26 2006), 2006, 1212–1215. Onysko, Alexander, Anglicisms in German, Borrowing, Lexical Productivity, and Written Codeswitching, Berlin/New York, De Gruyter, 2007. Orgeldinger, Sibylle, Standardisierung und Purismus bei Joachim Heinrich Campe, Berlin/ New York, De Gruyter, 1999. Özen, Ümit, Internationalismen in türkischen Tageszeitungen, in: Braun, Peter/Schaeder, Burkhard/Volmert, Johannes (edd.), Internationalismen II. Studien zur interlingualen Lexikologie und Lexikographie, Tübingen, Niemeyer, 2003, 203–233. Palazzi, Fernando, Novissimo dizionario della lingua italiana etimologico, fraseologico, grammaticale, ideologico, nomenclatore e dei sinonimi, 2. ed. riv., aggiornata e corretta, Milano, Ceschina, 1957. Panzini, Alfredo/Migliorini, Bruno, Dizionario moderno delle parole che non si trovano nei dizionari comuni. Con un proemio di Alfredo Schiaffini e con un app. di 8000 voci nuovamente comp. di Bruno Migliorini, Milano, Hoepli, 91950. Paulicelli, Eugenia, Italian Fascism and Fashion, in: Southerton, Dale (ed.), Encyclopedia of Consumer Culture, London, Sage, 2011, 816–819. Peene, Michiel, Die Sprache im Nationalsozialismus und im italienischen Faschismus im Vergleich. Der Umgang mit Fremdwörtern, Master of Arts in Linguistics and Literature, Universiteit Gent, 2011, Permalink: https://lib.ugent.be/catalog/rug01:001786553 [letzter Zugriff: 25.09.2020].
7.3 Sekundärliteratur
477
Perkuhn, Rainer/Keibel, Holger/Kupietz, Marc, Korpuslinguistik, Paderborn, Fink, 2012. Piacentini, Luca, «Parole nostre a casa nostra, fino all’estremo limite del possibile». Le italianizzazioni gastronomiche della Reale Accademia d’Italia (1941–1943), Studi di Lessicografia Italiana 33 (2016), 151–186 (= 2016a). Piacentini, Luca, La deonomastica anglo-tedesca negli elenchi della «Commissione per l’italianità della lingua» (1941–1943), in: Arpioni, Maria Pia/ Ceschin, Arianna/ Tomazzoli, Gaia (edd.), Nomina sunt...? L’onomastica tra ermeneutica, storia della lingua e comparatistica. Atti delle giornate di studio (Venezia 3–4 marzo 2016), Venezia, Ca’ Foscari, 2016, 183–193 (= 2016b). Piacentini, Luca, «E sì che nel mio libro deve aver spigolato a man salva». Monelli, Jàcono e l’ipotesi di un plagio, Studi di Lessicografia Italiana 34 (2017), 307–323 (= 2017a). Piacentini, Luca, «Etiamsi omnes, ego non». Lettere di ribellione dei soci al doppio cambiamento di denominazione del Touring Club Italiano (1937–1946), Rivista Italiana di Onomastica 23:1 (2017), 129–148 (= 2017b). Piazzi, Giovanni, Vocabolario tascabile della lingua italiana. Con le appendici dei termini principali della marina e dello sport e le frasi straniere più usate in Italia, Milano, Selga, 1911. Pierno, Loredana, Il rapporto tra le arti in Pasquale De Luca. La parola dipinta, tesi di dottorato, a.a. 2013/2014, Salerno, Universita degli studi di Salerno, 2017. Pillon, Ernesto, Lingua italiana pura. Parole, modi ed esotismi da evitare, Firenze, Il Fauno, 1969. Plewnia, Albrecht/Witt, Andreas, Sprachverfall? Dynamik – Wandel – Variation, Berlin/Boston, De Gruyter Mouton, 2014. Polverosi, Alberto, ARPINATI, Leandro, in: Enciclopedia dello sport, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2002. Prince, Alan/Smolensky, Paul, Optimality. From Neural Networks to Universal Grammar, Science 275 (1997), 1604–1610. Puccio, Nelson, «Un uomo è solo al comando ...». Der mythische Diskurs der italienischen Radsportberichterstattung, Heidelberg, Winter, 2011. Puccion Nelso, Der Radsport und seine epische Berichterstattung. Vom Entstehen und Fortbestehen eines Mythos, in: Bremer, Thomas/Winkler, Daniel (edd.), Sport und Gesellschaft, Tübingen, Stauffenburg, 2019, 85–96 (= Zibaldone, 67). Raffaelli, Alberto, La deonomastica francese negli elenchi della Commissione per l’italianità della lingua (1941–1943), in: D’Achille, Paolo/ Caffarelli, Enzo (edd.), Lessicografia e onomastica, Roma, Società Editrice Romana, 2008, 337–348. Raffaelli, Alberto, Forestierismi e italianizzazioni di ambito gastronomico della Reale Accademia d’Italia, in: Robustelli, Cecilia/Frosini, Giovanna (edd.), Storia della lingua e storia della cucina, Firenze, Franco Cesati, 2009, 349–363. Raffaelli, Alberto, Le parole straniere sostituite dall’Accademia d’Italia (1941–1943), Roma, Aracne, 2010. Raffaelli, Alberto, Lingua del Fascismo, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011 (= 2011a). Raffaelli, Alberto, Barbarismi, in: Simone, Raffaele (ed.), Enciclopedia dell’Italiano Treccani, Roma, Treccani, 2011 (= 2011b). Raffaelli, Sergio, Le parole proibite. Purismo di stato e regolamentazione della pubblicità in Italia (1812 – 1945), Bologna, Mulino, 1983. Raffaelli, Sergio, «Si dispone che...». Direttive fasciste sulla lingua. Antiregionalismo e xenofobia, Lingua nostra 58 (1997), 30–45.
478
7 Bibliografie
Raffaelli, Sergio, Neologismi del Duce. Panzini, il Dizionario Moderno e Mussolini, in: Bongrani, Paolo/Dardi, Andrea/Fanfani, Massimo/Tesi, Riccardo (edd.), Studi di storia della lingua italiana offerti a Ghino Ghinassi, Firenze, Le Lettere, 2001, 413–433. Raffaelli, Sergio, La vicenda dei neologismi a corso forzoso nell’Accademia d’Italia, in: Adamo, Giovanni/Della Valle, Valeria (edd.), Che fine fanno i neologismi? A cento anni dalla pubblicazione del «Dizionario moderno» di Alfredo Panzini, Firenze, Olschki, 2006, 91–104 (= 2006a). Raffaelli, Sergio, 127. Normalizzazione, pianificazione e tutela istituzionalizzata della lingua. Italiano e sardo, in: Ernst, Gerhard (ed.), Romanische Sprachgeschichte/Histoire linguistique de la Romania. 2. Teilband, Berlin/New York, De Gruyter, 2006, 1463–1472 (= 2006b). Rando, Gaetano, Anglicismi nel Dizionario moderno dalla quarta alla decima edizione, Lingua Nostra 30 (1969), 107–112. Rando, Gaetano, Influssi inglesi nel lessico italiano contemporaneo, Lingua Nostra 34 (1973), 111–120. Reutner, Ursula, Sprache und Tabu. Interpretationen zu französischen und italianischen Euphemismen, Berlin/New York, De Gruyter, 2009. Riehl, Claudia M., Besondere Wörter I. Lehnwörter, NeuWörter, in: Haß, Ulrike/Storjohann, Petra (edd.), Handbuch Wort und Wortschatz, Berlin/Boston, De Gruyter, 2015, 344–370. Risk, Mirna, La campagna per l’autarchia della lingua in Italia (1923–1943), MA thesis, Leeds, University Library, 1976. Rosiello, Luigi, Introduzione, in: Leso, Erasmo (ed.), La lingua italiana e il fascismo, Bologna, Consorzio Provinciale Pubblica Lettura, 1978, 5–13. Rossi, Fabio, La lingua dello sport, in: Enciclopedia dello sport, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, 2003. Rovere, Giovanni, Zur lexikographischen Darstellung der zeitgenössischen Germanismen, in: Schierholz, Stefan J./Gouws, Rufus Hjalmar/Hollós, Zita/Wolski, Werner (edd.), Wörterbuchforschung und Lexikographie, Berlin/Boston, De Gruyter, 2016, 131–152. Rundle, Christopher, Publishing translations in fascist Italy, Bern, Peter Lang, 2010. Rundle, Christopher, Translation and fascism, in: Fernández, Fruela/Evans, Jonathan (edd.), The Routledge handbook of translation and politics, London, Routledge, 2018. Russo, Valentina, Le lingue estere. Storia, linguistica e ideologia nell’Italia fascista. Scienze storiche, filosofiche, pedagogiche e psicologiche, Roma, Aracne, 2013. Scavuzzo, Carmelo, L’ideologia linguistica di Bruno Migliorini giornalista, Circula. Revue d’idéologies linguistiques 2 (2015), 1–17. Scerbanenco, Giorgio, Patria mia. Riflessioni e confessioni sull’Italia, a cura e con un saggio introduttivo di Andrea Paganini, Torino, Aragno, 2011. Schafroth, Elmar, Crisi nelle lingue – lingue in crisi, in: Schafroth, Elmar/Schwarzer, Christine/Conte, Domenico (edd.), Krise als Chance aus historischer und aktueller Perspektive, Oberhausen, Athena, 2010, 145–177. Schmidt, Thomas, Beziehungen im Wortschatz am Beispiel der Fußballsprache. Das Kicktionary, Der Deutschunterricht 62:3 (2010), 17–25. Schrodt, Richard, Von den Kräften der deutschen Sprachkritik, in: Plewnia, Albrecht/Witt, Andreas (edd.), Sprachverfall?, Dynamik – Wandel – Variation, Berlin/Boston, De Gruyter Mouton, 2014, 243–272. Schwarze, Sabine, «Che lingua fa, oggi, in Italia? ... Risponde il linguista». La divulgazione del sapere linguistico nelle cronache linguistiche fra gli anni 1950 e il Duemila, Circula 5 (2017), 108–132.
7.3 Sekundärliteratur
479
Schweickard, Wolfgang, Die «cronaca calcistica». Zur Sprache der Fußballberichterstattung in italienischen Sporttageszeitungen, Berlin/New York, De Gruyter, 1987. Schweickard, Wolfgang, Glanz und Elend der Sprachpflege. Der Umgang mit Anglizismen in Frankreich, Italien und Deutschland, in: Dahmen, Wolfgang, et al. (edd.), Englisch und Romanisch. Romanistisches Kolloquium XVIII, Tübingen, Narr, 2005, 177–191. Schweickard, Wolfgang, Quellen zur Geschichte der italienischen Sportsprache, in: Dahmen, Wolfgang/Winkelmann, Udo (edd.), Tübinger Beiträge zur Linguistik. Historische Pressesprache. Romanistisches Kolloquium XIX, Tübingen, Narr, 2006, 63–76. Schweickard, Wolfgang, Italienische Sportsprache im Wörterbuch, in: Born, Joachim/Lieber, Maria (edd.), Sportsprache in der Romania, Wien, Praesens, 2008, 27–39. Serianni, Luca, La lingua nella storia d’Italia, Roma, Società Dante Alighieri, ²2002. Serianni, Luca, Panzini lessicografo tra parole e cose, in: Adamo, Giovanni/Della Valle, Valeria (edd.), Che fine fanno i neologismi? A cento anni dalla pubblicazione del «Dizionario moderno» di Alfredo Panzini, Firenze, Olschki, 2006, 55–78. Serianni, Luca, Monelli, Jàcono, Silvagni. Gli ultimi repertori di esotismi, in: Caffarelli, Enzo/ Fanfani, Massimo (edd.), Lo spettacolo delle parole. Studi di storia linguistica e di onomastica in ricordo di Sergio Raffaelli, Roma, Società Editrice Romana, 2011, 269–282. Serianni, Luca/Antonelli, Giuseppe, Manuale di linguistica italiana. Storia, attualità, grammatica, Milano, Mondadori, 2011. Seville, Adrian, The Cultural Legacy of the Royal Game of the Goose. 400 years of Printed Board Games, Amsterdam, Amsterdam University Press, 2019. Società Dante Alighieri, Per la difesa della nostra lingua, in: La «Dante» a Fiume. Atti del XXIX Congresso (8–11 settembre 1924). Supplemento alle Pagine della Dante, Roma, Società Nazionale Dante Alighieri, 1924, 43–48. Speelman, Dirk/Grondelaers, Stefan/Geeraerts, Dirk, Profile-Based Linguistic Uniformity as a Generic Method for Comparing Language Varieties, Computers and the Humanities 37:3 (2003), 317–337. Stefanelli, Stefania, Il mito dell’aeroplano. Una storia italiana, in: Marinetti, Filippo Tommaso/ Azari, Fedele, Primo dizionario aereo italiano. Ristampa anastatica del vol. pubbl. nel 1929 da Editore Morreale, Sesto Fiorentino, Apice, 2015, V–XL. Storjohann, Petra, Sinnrelationale Wortschatzstrukturen. Synonymie und Antonymie im Sprachgebrauch, in: Haß, Ulrike/Storjohann, Petra (edd.), Handbuch Wort und Wortschatz, Berlin/Boston, De Gruyter, 2015, 248–273. Tappolet, Ernst, Die alemannischen Lehnwörter in den Mundarten der französischen Schweiz. Kulturhistorisch-linguistische Untersuchung, Basel, Universitäts-Buchdruckerei Ernst Reinhardt, 1913. Tesi, Riccardo, Storia dell’italiano. La lingua moderna e contemporanea, Bologna, Zanichelli, 2005. Thomas, George, Linguistic Purism, London/New York, Longman, 1991. Thomason, Sarah G., Social and Linguistic Factors as Predictors of Contact-Induced Change, Journal of Language Contact 2:1 (2008), 42–56. Tittoni, Tommaso, La difesa della lingua italiana, Nuova antologia 248, 1926, 377–387. TLFi = Imbs, Paul (ed.), Le Trésor de la Langue Française informatisé, Paris, Centre national de la recherche scientifique/Gallimard, 1971–1994, URL: http://atilf.atilf.fr/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Tosi, Arturo, Language and Society in a Changing Italy, Clevedon, Multilingual Matters, 2001.
480
7 Bibliografie
Tosi, Arturo, Dictionaries of Neologisms and the History of Society, in: Lepschy, Anna (ed.), Languages of Italy. Histories and Dictionaries, Ravenna, Longo, 2007, 249–265. Vitale, Maurizio, L’oro nella lingua. Contributi per una storia del tradizionalismo e del purismo italiano, Milano/Napoli, Riccardo Ricciardi, 1986. van der Sijs, Nicoline, Purism, in: ó Riagáin, Dónall/Stolz, Thomas (edd.), Purism, Second helping. Papers from the conference on «Purism in the age of globalisation; (Bremen, September 2001), Bochum, Universitätsverlag Brockmeyer, 2004, 1–24. VLI 1941 = Reale Accademia d’Italia (ed.), Vocabolario della lingua italiana, vol. 1: A-C, Milano, Società anonima per la pubblicazione del V.L.I., 1941. Vogel, Irene, English compounds in Italian. The question of the head, in: Dressler, Wolfgang U./Luschutzky, Hans C./Pfeiffer, Oskar E./Rennison, John R. (edd.), Contemporary Morphology, Berlin/New York, Mouton De Gruyter, 1990, 99–110. Vuolo, Emilio, Linguistica profana (o profanata?). Monelleria in due tempi, Roma, Edizioni italiane, s.a. [1943]. VTO = Della Valle, Valeria (ed.), Vocabolario Treccani online, Roma, Istituto della Enciclopedia Italiana, ³2008–, URL: http://www.treccani.it/vocabolario/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Wegera, Klaus Peter, Language data exploitation. Design and analysis of historical language corpora, in: Bennett, Paul/Durrell, Martin/Scheible, Silke/Whitt, Richard J. (edd.), New Methods in Historical Corpora, Tübingen, Narr, 2013, 55–73. Winter-Froemel, Esme, Entlehnung in der Kommunikation und im Sprachwandel. Theorie und Analysen zum Französischen, Berlin/Boston, De Gruyter, 2011. Winter-Froemel, Esme, Formal variance and semantic changes in borrowing. Integrating semasiology and onomasiology, in: Zenner, Eline/Kristiansen, Gitte (edd.), New Perspectives on Lexical Borrowing. Onomasiological, Methodological and Phraseological Innovations, Berlin/Boston, De Gruyter, 2014, 65–100. Winter-Froemel, Esme, Reanalysis in language contact. Perceptive ambiguity, salience, and catachrestic reinterpretation, in: Zenner, Eline/Backus, Ad/Winter-Froemel, Esme (edd.), Cognitive Contact Linguistics. Placing Usage, Meaning and Mind at the Core of ContactInduced Variation and Change. Berlin/Boston, De Gruyter Mouton, 2018, 81–126. Wisniewski, Katrin, Ideologie im Wörterbuch. Politische Sprache des italienischen Faschismus in zweisprachigen Wörterbüchern des Ventennio, Saarbrücken, VDM, 2009. Wolf, Norbert Richard, Korpora in der Korpuslinguistik, in: Kratochvílová, Iva/Wolf, Norbert Richard (edd.), Kompendium Korpuslinguistik. Eine Bestandsaufnahme aus deutschtschechischer Perspektive, Heidelberg, Winter, 2010, 17–25. Zangrilli, Romano, Il vocabolario dello Sport. Raccolta dei Termini tecnici stranieri usati in ogni esplicazione sportiva, Grottaferrata, Tip. Italo-Orientale, 1921. Zenner, Eline/Speelman, Dirk/Geeraerts, Dirk, Cognitive Sociolinguistics meets loanword research. Measuring variation in the success of anglicisms in Dutch, Cognitive Linguistics 23:4 (2012), 749–792. Zenner, Eline/Kristiansen, Gitte, Introduction. Onomasiological, methodological and phraseological perspectives on lexical borrowing, in: dies. (edd.), New Perspectives on Lexical Borrowing. Onomasiological, Methodological and Phraseological Innovations, Berlin/Boston, De Gruyter, 2014, 1–17. Zenner, Eline/Backus, Ad/Winter-Froemel, Esme (edd.), Cognitive Contact Linguistics, Placing Usage, Meaning and Mind at the Core of Contact-Induced Variation and Change, Berlin/ Boston, De Gruyter Mouton, 2018.
7.3 Sekundärliteratur
481
Zhang, Sarah, The Pitfalls of Using Google Ngram to Study Language, Wired 10 (2015), URL: https://www.wired.com/2015/10/pitfalls-of-studying-language-with-google-ngram/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Zimmermann, Clemens, Medien im Nationalsozialismus. Deutschland, Italien und Spanien in den 1930er und 1940er Jahren, Wien, UTB, 2007. Zing. 2019 = lo Zingarelli 2019. Vocabolario della lingua italiana di Nicola Zingarelli, ed. Cannella, Mario/ Lazzarini, Beata, Bologna, Zanichelli, 2018, URL: http://dizionari.zani chelli.it/dizionarionline/online.php/ [letzter Zugriff: 25.09.2020]. Zolli, Paolo/Ursini, Flavia, Le parole straniere. Francesismi, anglicismi, iberismi, germanismi, slavismi, orientalismi, esotismi, Bologna, Zanichelli, ²1991. Zoppetti, Antonio, Diciamolo in italiano. Gli abusi dell’inglese nel lessico dell’italia e incolla, Milano, Hoepli, 2017. Zuccoli, Luciano, Caccia alle parole, Rivista mensile del Touring Club Italiano 28 (1912), 493–497.
Personenindex Dieser Index umfasst die wesentlichen Verweise auf Personen, die in dieser Arbeit erwähnt werden. Referenzen zu den Autoren der Primärquellen werden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht für Kapitel 4 angegeben. Amicucci, Ermanno 131–132 Arpinati, Leandro 103, 133 Artusi, Pellegrino 34, 171, 231 Azari, Fedele 99, 101, 104–106, 144, 200, 422, 458 Bartali, Gino 233 Barzani, Luigi 390–391, 402 Bellandi, Stefano 285 Berlusconi, Silvio 198 Bertoni, Giulio 98, 121, 143 Bianchi, Icilio 136–137, 200 Bompiani, Valentino 404 Bontempelli, Massimo 107 Boselli, Paolo 102 Buzzati, Dino 232, 337 Camuncoli, Ezio 109, 142 Canestrini, Giovanni 133–134 Carnera, Primo 294–295 Carusone, Renato 148 Castellani, Arrigo 4, 80, 91, 153,155 Cataldo, Gaspare 131, 133–134, 145, 321–323, 327, 420, 458 Cecchi, Emilio 198 Cerchiari, Aldo Libertario 99, 101, 199, 203–204 Cerruti, Francesco 118–119, 146, 201 Cesareo, Giovanni Alfredo 102 Cicero 43 Cicogna, Adelmo 119–120, 127–129, 145, 201 Cicognani, Bruno 89 Coceva, Giuseppe 84, 102 Cortelazzo, Michele 92, 154 D’Achille, Paolo 153–154 D’Annunzio, Gabriele 104, 110
https://doi.org/10.1515/9783110713657-008
Dante Alighieri 86, 127, 129, 147, 246, 354 De Felice, Emidio 68, 70, 134, 155, 196, 200–201, 294–296 De Luca, Pasquale 2, 84, 97, 99, 101–102, 123, 164, 196, 201 Della Valle, Valeria 3, 89, 150, 153–154, 156 Dempsey, Jack 294 Desgrange, Henri 285 Devoto, Giacomo 2, 18, 92,162, 166, 196, 253–254 Egger, Jean-Luc 154 Ercole, Francesco 98 Fedele, Pietro 97, 102 Federzoni, Luigi 90, 98, 108–109, 139 Figg, James 294 Folena, Gianfranco 116 Formichi, Carlo 126 Gentile, Giovanni 83 Gigli, Torquato 84, 114, 121, 136, 145 Giovanardi, Claudio 39, 153–154 Gramsci, Antonio 52 Grifoni, Clara 149 Jàcono, Antonio 2, 107, 117, 119–120, 125–127, 129–130, 138, 144–145, 165–166, 200–201, 230 Jacovacci, Leone 295, 316 Junker, Ernst 2, 149, 159–160 Keller, Rudi 29, 32, 47, 57–58, 415, 457 Kind, Adolfo 331
484
Personenindex
Lombardo-Radice, Giuseppe 79 Louis, Joe 294 Machiavelli, Niccolò 109, 129 Malfatti, Stefano 200–201 Manaresi, Angelo 332 Mancioli, Ottorino 286 Marazzini, Claudio 19, 39, 82, 153–154 Marciano, Rocky 294 Mariani, Pietro 285 Marinetti, Filippo Tommaso 2, 99, 101, 104–106, 114, 127, 144, 198, 200, 391–392, 396, 422, 458 Martinori, Edoardo 331 Mazzucconi, Ridolfo 113, 120, 122–124, 129, 145–146, 201 Meano, Cesare 2, 98, 115, 135, 144, 146, 164, 200, 458 Meda, Ugo 133–134 Melzi, Giambattista 112, 151, 166 Migliorini, Bruno 2, 13, 19, 25, 43, 57, 59, 64, 76, 81, 87–89, 91–95, 98, 108, 113, 115–116, 120, 126, 130–131, 138, 141, 143–145, 149–140, 152–156, 159–162, 201, 208, 458 Monelli, Paolo 2–3, 91, 99, 107–108, 119–123, 126–131, 134, 137, 144–146, 150, 166, 236, 246, 332, 336, 339–340, 378, 201, 241, 393, 397 Montanelli, Indro 232 Monti, Eugenio 333 Morreale, Giuseppe 104, 106 Mosca, Giovanni 108–109, 142, 344, 353, 385, 445 Mussolini, Benito 1–2, 7–8, 81, 83, 86–89, 96, 98, 112, 114, 129, 135, 139–140, 147, 198, 232, 252, 294–295, 303, 314, 321, 332, 381, 391, 400 Mussolini, Bruno 295 Mussolini, Vittorio 295 Nadi, Nedo 133–134 Nansen, Fridtjof 331 Natali, Franco 88, 119–120, 128–130, 144–145, 201 Negri, Ada 102
Ojetti, Ugo 198 Palazzi, Fernando 112–113, 116–117, 145–146, 198, 201, 218 Panzini, Alfredo 2, 84, 98, 102, 105, 113–115, 137, 139, 141, 145, 165, 231 Pavone, Rita 275 Pestelli, Leo 147, 258, 462–463 Petralli, Alessio 39, 153–154 Pettinato, Concetto 388 Piazzi, Giovanni 99, 101 Piceni, Enrico 404 Pillon, Ernesto 151–152, 397 Pozzo, Vittorio 252, 264 Pratolini, Vasco 232 Praz, Mario 198 Raffaelli, Sergio 4, 79–80 Ramperti, Marco 110–111, 400 Rivetta, Pietro Silvio 2, 107, 119–120, 124, 130 Rochat, Carlo 365–366 Rostagno, Luigi Andrea 113, 117–119, 146, 201 Sassi, Giovanni 50, 99, 101, 103–104, 132, 134, 144–145, 196, 201 Saussure, Ferdinand de 27, 61 Scerbanenco, Giorgio 1–2, 149 Schiaffini, Alfredo 113, 115, 141 Schmeling, Max 294 Scola, Ettore 158 Serianni, Luca 69, 82, 120–121, 126, 145, 148, 153–154, 157, 166–167 Silvagni, Umberto 2, 119, 125, 129, 166, 201 Smith, Adam 57 Soldati, Mario 232 Spada Potenziani, Ludovico 133–134, 145 Starace, Achille 8, 86, 89, 96, 98, 286 Tappolet, Ernst 43 Testa, Annamaria 154 Tittoni, Tommaso 3, 80, 85–86, 98, 109, 115, 161, 400, 445 Toddi (Pseud.). Siehe Rivetta, Pietro Silvio
Personenindex
Tolomei, Ettore 3 Treves, Eugenio 116–117
Whites, Ycil. Siehe Bianchi, Icilio Wingfield, Walter Clopton 320
Venturini, Renato 134, 162, 201 Volpi, Carlo 295 Vuolo, Emilio 121
Zanetti, Giuseppe 133–134, 144, 258 Zavattini, Cesare 232 Zuccoli, Luciano 100–101, 103, 322, 381
485
Sachindex Accademia della Crusca 4, 83, 134, 153–155 Accademia d’Italia 2, 83, 85, 88, 90, 94, 106, 108–109, 112, 125–126, 136, 139, 140, 142–143, 146, 149, 150, 152, 154, 157–158, 165, 169–171, 175, 199, 334, 397 Allgemeiner Deutscher Sprachverein Siehe Deutscher Sprachverein Allogenismus 25–27, 62, 77, 193, 387, 437 Alpinismus Siehe Bergsteigen Analogie (als Substitutionstyp) 68–73, 75–76, 236, 242, 243, 244, 245, 251, 257, 259, 262, 281, 300, 323, 340, 350, 357, 358, 360, 364, 367, 368, 377, 379, 382, 384, 388, 442–443 Anglizismus 2, 8, 20, 21, 24, 30, 39, 43, 47, 53, 54, 88, 111, 118, 119, 125, 148, 153–155, 161, 171, 172, 176, 178, 186, 187, 207, 214, 233, 241, 260, 272, 273, 277, 279, 282, 293, 297, 301, 303, 306, 313, 315, 317, 320, 321, 328, 352, 362, 370, 373, 375, 385, 387, 405, 412, 418, 437, 438, 461 Anredepronomen 1, 89, 90, 96–97, 149, 158, 295 Anti-Lei-Kampagne Siehe Anredepronomen Archaismus (als Substitutionstyp) 69, 73, 75–76, 276, 292, 297, 301, 323, 324, 340, 344, 345, 347, 348, 358, 361, 407, 435, 443 Assimilation – (als Integrationsprozess) 5, 16, 18, 19, 25, 28, 29–31, 34, 39, 54, 67–68, 78, 124, 134, 145, 151, 195, 284, 322, 341, 347, 348, 353, 404, 414–415, 459, 461, 462 – (als Lexem) 34, 81, 85, 92, 106, 109, 144, 153, 156, 168, 194, 230–231, 246, 367, 422, 458 – (als Substitutionstyp) 46, 68, 70–72, 74–76, 142, 161, 171–172, 191, 192, 229, 247, 251, 256–259, 261–262, 263, 268, 269, 270–271, 276, 278, 288–289, 306, 307, 319, 324, 327, 337, 338–340, 345,
https://doi.org/10.1515/9783110713657-009
347, 349–350, 353, 355, 368, 372, 381, 393–394, 395, 397, 399, 401, 405, 407, 443–445 Ausgangssprache 5, 12, 15–17, 20, 23–29, 31, 36, 67, 148, 164, 182, 227, 251, 423, 426, 436–438, 454 Autarkie 2, 83, 85, 87–95, 96, 124–125, 127, 135–136, 144, 391–392, 458 – sprachliche ~ Siehe Fremdwortpurismus, faschistischer autarchia linguistica Siehe Fremdwortpurismus, faschistischer Baseball (Sportart) 350–352 Basketball (Sportart) 198, 385–386, 429 Bedeutungswandel Siehe lexikalischer Wandel Bergsteigen 247–248, 331–332, 354–356, 416 Bezeichnungswandel Siehe lexikalischer Wandel bivariate Analysemethoden 177, 183–184, 202, 224–225, 226, 423–424, 454–456, 460 bonifica linguistica Siehe Fremdwortpurismus, faschistischer Boxen (Sportart) 7, 8, 132, 134, 198, 203, 233, 255, 293–320, 326, 342, 376, 412, 413–414, 429–430, 433 Bridge Siehe Gesellschaftsspiel Calque Siehe Entlehnung → Lehnprägung Comitato Olimpico Nazionale Italiano 8, 133 campagna per l’autarchia della lingua Siehe Fremdwortpurismus, faschistischer Commissione per l’italianità della lingua 2, 4, 5, 84, 88, 90–91, 94, 98, 108–109, 112, 115, 125, 129, 138–143, 145–146, 157, 159, 165, 170–172, 173–175, 196, 201, 255, 315, 428, 449, 452–454, 458, 461 Corriere della sera 1, 89, 101, 107, 109, 167, 204, 206, 209–211, 213, 321, 337, 390
488
Sachindex
Cricket (Sportart) 100, 343–345, 389 Croquet (Sportart) 343, 345–346, 389 Deutscher Sprachverein 82 Dialekt 53, 69, 79, 89, 95, 98, 122, 144, 148, 159, 253, 160, 194, 206, 322, 443 Dialektismus 50, 54, 71, 75–76, 126, 165, 247, 248, 355, 358, 393, 399, 407, 443 Disambiguierung, semantische 174, 179, 184, 202, 217, 221–224, 226, 446 Eishockey Siehe Hockey Ente Nazionale della Moda 87, 98, 130–131, 135–136 Entlehnung – Bedürfnislehnwort Siehe Katachrese – Lehnbedeutung 12, 15, 35–36, 41, 67, 68–73, 125, 171–172 – Lehnprägung 28, 36–37, 41, 54, 65–66, 109, 126, 201, 266 – Lehnschöpfung 12–13, 15, 28, 35–36, 58, 67, 74 – Lehnübersetzung 12, 20, 28, 29, 33–36, 48, 67–68, 70–74, 85, 106, 171, 269, 278, 328, 351, 352, 402 – Lehnwort 12–14, 19, 25, 28, 29–30, 33, 35, 36, 39, 45, 47–48, 52, 67, 68, 75, 77, 81, 95, 108, 119, 126, 129, 165, 168, 176, 186, 193, 338, 416 Siehe auch Teillehnwort – integration 11–12, 14, 15, 18, 22, 25–26, 29–31, 32, 34, 37–39, 62, 64, 68, 77, 92, 125, 129, 168, 193, 229, 415, 419, 445, 462 – Luxuslehnwort Siehe Katachrese – Teillehnwort 12, 74, 245, 309, 333, 373 Entlehnungstypologie 13, 37, 65–76, 183, 191, 442 Erster Weltkrieg 7, 83, 100, 120, 195, 231, 285, 294, 332, 406, 447 Euphemisierung / Euphemismus 16–17, 48–49, 54, 83, 178, 298 Exotismus 92, 110, 195, 235, 251, 274, 282, 313, 370, 388
Fachsprache 69, 81, 84, 92, 100, 105, 130, 138, 140, 145, 148, 175, 196–197, 208, 211, 234, 243, 251, 253, 279, 316, 358, 378, 417, 419, 422, 451 Fachterminologie 8, 92, 99, 101, 125, 130–140, 171, 199, 207–208, 218–219, 422, 458 Siehe auch Sportterminologie, Besonderheiten der faschistischer Fremdwortpurismus Siehe Fremdwortpurismus Fechten (Sportart) 133, 134, 198, 159, 294, 298, 312 Fremdwort – Definition 12, 14–25, 29–30, 35–38, 192–195 – anteil 178, 188–189, 192, 221, 236, 254, 356, 383, 410–414 – bildung 16, 24, 25, 27, 77, 125, 129, 144, 414, 420–421 – erfolg (Begriff und Operationalisierung) 174, 179, 190–192, 224, 227 – substitution / Italianisierung (Begriff und Operationalisierung) 4–7, 54–55, 62–68, 74–78, 93, 109, 129, 138, 156–162, 166, 180–182, 184, 188–192, 224 Fremdwortpurismus – allgemein 50–56, 60–62, 64–65, 78, 457 – faschistischer ~ 2–8, 34, 78–147, 149–153, 155–160, 181, 184–185, 199–201, 229–230, 421–422, 448–454, 457–462 – heute 8–9, 53, 151–155 – im 19. Jahrhundert 51, 69, 81, 82–83, 91, 95, 114, 462 Frequenz, lexikalische 17, 18, 29, 34, 49, 78, 161, 167, 168, 170, 172, 174, 177–178, 186–189, 192, 195, 198, 202–205, 214–217, 221–224, 229–230, 415, 420, 432 Fußball (Sportart) 7, 8, 103, 133–134, 162, 198, 203, 233, 252–255, 263–265, 275–277, 285, 293, 330, 387, 392, 414, 417, 429, 430, 463
Sachindex
Fußballsprache 102, 188, 196, 253, 158, 173–174, 222, 253–255, 279, 282, 284–285, 292, 317, 322, 330, 398, 416, 417, 430, 433, 434 Futurismus 2, 104, 198, 286, 391 Gallizismus 8, 23, 88, 105–106, 119, 125, 131, 134, 140, 144, 148, 198, 208, 233–234, 235, 240, 241, 254, 272, 287, 293, 297, 308, 311, 313, 314, 321, 358, 359–360, 370, 376, 378, 387, 393, 423, 437–438 Germanismus 23, 354, 438 Gesellschaftsspiele 390–402, 407, 439 glottotecnica 71, 91, 93–95, 154 Golf (Sportart) 255, 342, 343–344, 348, 388 Historismus 69, 195, 197, 241, 408 Hockey (Sportart) 134, 256, 269, 333–334, 343, 346–348, 389 Hyperonymie 29, 66, 75–76, 145 Hyponymie / Kohyponymie 28, 66, 75–76, 238, 249, 251, 336, 381 Implikaturen, Theorie der generalisierten konversationellen ~ 45–46 Inferenzstatistik Siehe bivariate Analysemethoden Innovation, sprachliche / Neologismus 12–16, 21–29, 31–33, 35–38, 40, 42–49, 54, 56–68, 71, 73–76, 81, 82, 91, 93, 95, 99, 102, 113, 115, 119, 121, 122, 132, 133, 134, 151, 157, 164, 181, 196, 201, 207, 219, 228, 249, 254, 260, 267, 312, 322, 334, 364, 404, 407, 411, 412, 420, 439, 443, 448, 457, 462 Invisible-Hand-Prozess 29, 32, 57–60, 64, 78, 415, 457, 459 Irredentismus 83 Isomorphie, Prinzip der ~ 39, 63–64, 458 Italianisierung Siehe Fremdwortsubstitution Italianisierungsstatus 184, 190–192, 224–226, 256, 408, 423–456
489
Jo-Jo 390, 401, 442 Kampfsportarten, asiatische 370–372 Katachrese 28, 31, 42–48, 58, 61, 63, 65, 66, 67, 69, 77, 92, 113, 145, 154, 160, 161, 178, 196, 267, 273, 306, 313, 315, 397, 412, 415, 417–418 Koexistenz 39, 45, 62, 64, 77, 157, 174, 190, 191, 224, 227, 313, 409, 412, 424, 429, 442, 458–459 Kognitive Kontaktlinguistik 6, 15, 43, 163, 176 Kohyponymie Siehe Hyponymie Konnotation (von Fremdwörtern) 16, 37, 38, 54, 57, 62, 64, 77, 78, 81, 111, 121, 218, 299, 314, 352, 358, 379, 392, 397, 459, 461 Konzeptfrequenz 221, 224, 240, 284, 330, 345, 367, 373, 381, 401, 406, 407, 423, 425, 432–435, 454–456 Korpora Siehe Sprachkorpora korpusanalytische Methoden 3, 34–35, 41–42, 155–156, 163, 165, 168–174, 176–179, 180, 182–184, 205–207, 210, 213, 221–224, 226, 426–427, 446, 455–456, 460 Korrespondenz 25–26, 62, 77, 126, 144, 193 Kreuzworträtsel 402–408 La Stampa 6, 99, 107–109, 110, 151, 186, 189–190, 204–206, 209–217, 221–222, 226, 229–230, 365, 403, 406, 457, 460, 462 Lehnbedeutung Siehe Entlehnung Lehnprägung Siehe Entlehnung Lehnübersetzung Siehe Entlehnung Lehnwort Siehe Entlehnung Lexemerfolg 176–178, 182, 184–186, 188–190 Siehe auch onomasiologische Stärke lexikalischer Wandel 4, 6–8, 11, 13, 18, 23, 26, 29, 31–39, 44, 48, 53, 56–61, 63–65, 77–78, 91, 113, 148–149, 455, 163, 165, 168, 176, 180, 189, 190, 196, 199, 228, 245, 359, 387, 407, 412–421, 437, 455–456, 457–463
490
Sachindex
Lexikalisierung 13, 28, 29, 30, 33, 44–46, 59, 63, 73, 106, 118, 163, 164, 178, 192, 219, 285, 397, 411, 419, 420, 457, 458 Luxuslehnwort Siehe Katachrese Markiertheit 30–32, 34, 35, 42, 45–46, 77, 78, 165, 270, 314, 349, 401, 415, 419, 440 Mediensprache Siehe Pressesprache Meliorisierung 64, 78 Siehe auch Konnotation Mixed-Methods-Ansatz 6, 180–184, 226, 460 Motorsport 99, 195, 197, 203, 258, 318, 348, 375 Nationalismus 51–52, 80, 81, 85, 100, 392, 458 natives Lexem (Begriff) 2, 6, 16, 17, 18, 31, 33–49, 56, 59, 61, 63–69, 74, 81, 176, 179, 182, 191–193 Neologismus Siehe Innovation, sprachliche Neopurismus 2, 19, 80, 91–95, 114, 125, 144, 153, 154, 458 Neuformation (als Substitutionstyp) 70–72, 74–76, 106, 238–239, 244, 246, 249, 251, 260, 262, 268, 281, 289, 328, 341, 344, 350, 353, 367, 370, 375, 376, 379, 380, 388, 405, 408, 421, 443, 446 onomasiologische Konkurrenz 6, 31–39, 41, 42, 44–46, 48, 61, 63–64, 66, 67, 74, 77, 78, 174, 176, 185–190, 200, 226, 227, 285, 320, 408, 411–412, 424, 434, 442, 462 onomasiologische Stärke 184–192, 226, 408–414, 416–418, 424, 442, 449, 452–453 onomasiologische Streuung 190, 244, 272, 285, 375, 414, 416–418, 461–462 onomasiologische Variation 16, 32–41, 43, 60–65, 67, 77, 177–178, 182–184, 189, 196, 199, 202, 205, 226, 229, 330, 408, 416–418, 455–460 Optimalitätstheorie 31, 77, 349
Paraphrase (als Substitutionstyp) 70–76, 238, 242, 243, 244, 245, 246, 247, 250, 257, 260, 261, 262, 268, 271, 276, 289, 297, 323, 324, 344, 345, 346, 347, 350, 351, 353, 355, 358, 360, 363, 364, 367, 368, 370, 372, 374, 376, 377, 382, 384, 386, 388, 405, 420, 442–444, 446 Pejoration 49, 62, 78, 130, 218, 249, 395, 397, 401, 459 Siehe auch Konnotation Pferderennen Siehe Reitsport Plesionymie Siehe Synonymie → Nahe-~/Fast-~ Poker Siehe Gesellschaftsspiel Polysemie 12, 28, 38, 39, 41, 65, 139, 170, 172, 174, 176–179, 196, 203–204, 217, 221–223, 256, 275, 313, 342, 368, 402, 419–420, 440, 443, 459 polarizzazione 63, 412 Presseanweisung (während des Faschismus) 86–87, 88, 98, 99, 106, 110 Pressesprache 44, 46, 49, 109–111, 195, 207–209, 219, 231, 298, 349, 373, 412, 416, 420, 461 Pseudoentlehnung Siehe Scheinentlehnung puristische Intervention Siehe Fremdwortpurismus, allgemein Radsport (Sportart) 8, 203, 231–234, 241, 251, 293, 342, 414, 429–431, 433 Reitsport 7, 133, 134, 198, 238, 258, 261, 307, 318, 342, 348, 375, 383 Ringen (Sportart) 134, 198, 305, 310 Rollschuhlauf 364–369 Roulette 390, 393–396, 407 Rugby (Sportart) 132, 157–158, 173, 198, 203, 252–253, 256, 261, 269, 274, 285–289, 292, 293, 413–415, 429, 430, 433 Salienz (onomasiologische) 186–192, 227, 408, 409, 411, 412, 417, 418, 424, 434, 435, 443, 449, 452 Scheinentlehnung 16, 20–27, 77, 193, 277, 368, 373, 437
Sachindex
Schwimmen 132, 342, 362–363, 272 semantische Übertragung 23, 36, 66, 203–204, 208, 224, 228, 240, 247, 251, 254, 264, 272, 273, 278, 279, 282, 296, 302, 303, 304, 309, 310, 312, 336, 338, 359, 360, 395, 398, 402, 412, 414, 416 Ski (Sportart) Siehe Wintersport Società Dante Alighieri 83–84, 97, 102, 136 Sport im Faschismus 7–8, 81, 99–101, 103–104, 131, 190, 196–198, 232–234, 252–253, 286, 293, 294–295, 321–322, 332–333, 381, 385, 391–392, 430 Sportberichterstattung 7–8, 100, 131, 190, 196–198, 220–221, 249, 253, 296, 375 Sportterminologie, Besonderheiten der (verschiedene Sportarten) 7, 75, 99–106, 161–162, 170–171, 173, 182, 196–198, 199, 203–204, 233–234, 251, 286–287, 295–296, 320, 321–322, 329–331, 333, 341, 351, 413–414, 416–417, 430, 437, 448, 453–456, 463 Sportverbände 8, 99, 103, 131–134, 252, 254, 275, 285–287, 294–295, 301, 315, 316, 321, 331, 347, 351, 352, 356–357, 371, 385, 392 Sprachgesetzgebung 2, 56, 81, 83–84, 86, 88, 90, 95, 97–98, 107, 110, 116, 139, 147–149, 158, 159, 169, 180, 411, 448, 460, 462 Sprachkontaktbedingte Konkurrenz Siehe onomasiologische Lexemkonkurrenz Sprachkorpora 4–6, 186–187, 189, 199, 201, 204–217 – Zeitungsarchive als ~ 197, 204–214, 222, 226, 228, 457–458 Sprachökonomie 47, 63–65, 74, 160–161, 178, 207, 225, 258, 284, 302, 406, 418–421, 425, 435–436, 443, 454–455, 456, 459, 462 Sprachpolitik 37, 47, 51, 57, 462 – faschistische ~ 1–5, 8, 79–80, 88, 92, 94–95, 98, 144, 148, 153, 155, 158–159, 169, 180, 185, 284, 443 Sprachwandel Siehe lexikalischer Wandel
491
Sprecherbefragung 163, 165, 175–176, 180, 226 Sprechereinstellung 17, 41, 60, 75, 78, 176 Sprecherwahrnehmung 14, 16, 19, 25, 81, 149, 458 Stierkampf 198, 224, 254, 282 struktural-synchronisches Kriterium 15–16, 18–20, 193 Strukturübertragung (als Substitutionstyp) 68, 70–76, 234, 238, 239, 249, 250, 266, 271, 334, 351, 353, 355, 357, 361, 363, 364, 367, 368, 370, 374, 376, 386, 405, 442–444, 446 Substitution Siehe Fremdwortsubstitution Substitutionsangabe 102, 112, 117, 146, 218 Synonymie (Begriff) 31, 33–34, 37, 39–42, 49, 61, 63–65, 69, 75, 179, 219 – Nahe-~/Fast-~ 40, 49, 69, 186 – absolute ~ 39–40, 69, 261, 280 Teillehnwort 12, 74, 245, 309, 333, 373 Tennis (Sportart) 7–8, 131, 133–134, 203, 232, 320–324, 329–331, 413–414, 429–431, 433 Tischfußball 392 Tischtennis 352–354 Toponym 3, 22, 79, 336 Transferenz 25–26, 36, 62, 67, 73–74, 193 Unsichtbare Hand Siehe Invisible-HandProzess uomo nuovo 7, 96, 135, 185 veline Siehe Pressenanweisung Verbände Siehe Sportverbände Volata (Sportart) 157, 286 Volksetymologie 12, 34, 57, 340, 459 Wintersport 132, 198, 331–333, 338–341, 413–414, 429–430, 433 Wortbildung 13, 17, 21, 24, 25, 32, 35, 58, 68, 74, 75, 93, 129, 161, 193, 228, 249, 251, 375, 397, 404, 420
492
Sachindex
Zeitungsrubrik (puristische) 2, 99, 101, 104, 107–109, 146, 344, 353, 385, 406, 463 Zielsprache 12–18, 23–31, 35–47, 50, 53, 59, 60–69, 73, 74, 77, 93, 176, 178, 193, 195, 199, 419, 420, 457
Zweiter Weltkrieg 1, 3, 4, 87, 110, 120, 127, 140, 146–150, 159, 190, 214, 232–233, 253, 276, 330, 356, 392, 414, 462
Wortindex Dieser Wortindex verweist auf die wesentlichen Lexeme des Italienischen, die im Text diskutiert bzw. zitiert werden, darunter Fremdwörter, Fremdwortbildungen, Ersetzungsvorschläge und Synonyme sowie Lexeme, die zur Exemplifizierung herangezogen werden. Verzichtet wird auf Verweise unbelegter bzw. nicht-synonymer Ersetzungsvorschläge (die im Text mit den Zeichen * und # gekennzeichnet sind) sowie auf Okkasionalismen. a corpo a corpo serrato 311 abat-jour 108, 149 abbattimento 303–305 absynthe 157 accappatoio 90 accentramento 119 accidentato 126 acclamatore 145 accorciato 307, 308 accordo illecito 358–359 ad hoc 19 addetto 160 aeroplano 105, 106, 144 aficionado 75, 204, 224, 227, 254, 281, 282 aftershave 172 aigrette 157 al tegamino 157 albergo 157 allenatore 157 allibratore 146, 157 allievo 171, 218, 219, 376–377 allievo favorito 219, 220 allievo prediletto 218, 219, 220, 376, 377 allievo preferito 219, 220 alpenstock 342, 343, 354–356, 415, 437, 447 alpestocco 354–356, 415 amateur 203 amatore 126 ancestrale 126 angolo 47, 157, 170, 171, 219, 279, 280, 420 appassionato 241, 242, 281, 282 applauditore 145 applique 116 arbitraggio 125 arbitro 119, 224, 240, 271, 311, 463 aria condizionata 20–21 arlecchino 46, 72, 76, 152
https://doi.org/10.1515/9783110713657-010
arrampicatore 247, 248 arresto 118, 157 arrière 287, 290 ascenseur 156, 160 ascensore 157, 160 ascensorista 142 ascisc 194 asprì 194 assassino 46 assegno 3, 69, 70, 157 assenzio 157 assistente 145, 223, 242, 312, 395, 422 asso 360–361 atout 102, 117, 221–222, 342, 359–361, 416, 422 attaccante 73, 102, 260, 263, 264, 266, 277, 290, 292 attentiste 194 atterramento 303, 305–306 auditorium 19 autarchia 3, 87–88, 93, 107, 127, 128, 137, 150, 156, 322, 397, 405 autista 3, 97, 118, 131, 138, 149, 156, 159, 160, 166, 249, 314, 459 auto-goal 277–279, 284, 415, 416, 437 autobus 118 autocontrollo 3, 157 autogol 277–279, 415 autogrill 22 automobilista 131, 459 autoporta 278–279 autorete 157, 258, 278–279 autorimessa 3, 118, 157, 159 autostrada 102 avanspettacolo 74 avanti 119, 266, 273, 288, 463
494
Wortindex
babà 194 baby 24 babykiller 24 back 102, 157, 170, 255, 263–264, 267, 415, 421, 463 bagarre 151, 194, 234, 235, 240–241, 251, 416 baguette 194 balise 194 ball 255, 263, 269, 273–274, 284 balsamella 12, 34–35, 186 balsamo 13, 34 bambinaia 64, 94 bandillero 198 banjo 194 bar 115, 121, 129, 137, 140, 152, 287 basci-bagli 194 base-ball 342, 350–352, 408 basket 22, 157, 385–386, 415, 418, 459 basket-ball 12, 22, 73, 333, 342, 347, 385–386, 415, 418, 420, 459 bastone alpino 355–356 bastone da montagna 355–356 bastone ferrato 354–356, 447 bâti 194 bâtons rompus 110 batsman 110 battage 203 batterie 194 batteuse 194 battitore 119, 266 battuta 223, 351 batyk, batik 194, 230 bauxite 194 bazar 119, 140 beauty (case) 21, 148 beauty engineering 21 beauty point 21 bébé 194 béchamel 12, 34–35, 186 beef-steak, beefstek, bifsteak, bifteck 25, 26–27, 70, 230–231 beignet 137, 171, 230–231 beniamino 219, 220 berceau 194 besciamella 12, 34–35, 186 best seller 152
biberon 129 bigliettaio 157 bigné, bignet 137, 171, 231 bijouterie 194 bilancio 122, 157 biscazziere 152, 395 biscuì 143 bistecca 25, 70, 231 blague 194 blasé 120, 128, 152 bluff 110, 203, 398 bob 152, 221, 333, 334–335, 341, 415 bobista 334, 335 bobsleigh 152, 334, 415 bomba 273 bonne 64, 94 boogie woogie 149, 152 bookmaker 157 boom 110 bootlegger 121 bordeaux 124, 144, 194 bordò 124, 194 bordura 125 botte 106 bow window 125 box 23, 202, 203, 297, 315, 317 boxe 41, 232, 296, 297–298, 305, 309, 313, 314, 320, 412, 415, 435, 449 boxer 186, 187, 300, 313 boxeur 186–189, 192, 210, 295, 297, 301, 305, 313, 314, 320, 415, 440 boxing 194, 202, 296, 297, 412 boy-scout 342, 343, 356–357, 415, 417, 418, 420, 436, 462 break 9, 202 bridge 111, 121, 152, 200, 224, 390, 392, 393, 396–398, 400, 408, 415, 419, 439 brigge 121, 152, 397–398, 407, 415 brillantine 194 budget 157 buffet 115, 157 bureau 157 cachet 1, 149, 152, 459 caffè 84, 130, 152, 406 cagnotte 194, 202 calciatore 118, 268–269, 273, 387
Wortindex
calcio 3, 103, 118, 133, 157, 214–215, 223, 253, 255, 268, 273, 275–277, 282, 284, 419, 433, 440, 444, 449 calcio d’angolo 47, 102, 170, 219, 255, 279, 280, 420, 463 calcio di rigore 102, 157, 269–270, 273, 419, 459, 463 calcio di rimbalzo 287, 289–290 calcio di trasformazione 287 calcio forte 273 calcio piazzato 287 calcio violento 273 calcista 268–269 calcistica 104, 388 calcolatore elettronico 46 caldeggiatore 281, 282 cambuse 194 camion 140, 167, 295 campo da/di tennis 330, 366 campo di/da pattinaggio 364 cannonata 192, 221, 273, 417 canoe 194 canter 202 capannone 106 capote 106 cappaò 302–305 caravan 148 carro armato 73, 161 carte 146 cartella 138 cartellone 146 carter 194 case 194 casino, casinò 194 caso di studio 20 catgut 116 cauchemar 157 cellophane 194 centralizzazione 119 centrata 260, 432 centrattacco, centro (d’)attacco 266–267 centravanti, centro avanti 266–267, 440 centro-forward, centre-forward 119, 265, 415, 440 centrocampista 188 cestista 249, 385, 386 chalet 157
495
challenge 204, 361 challenger 342, 359, 360–362, 422, 440, 444 champion 202 charter 202 chartreuse 124 chauffeur 3, 97, 115, 118, 124, 131, 138, 149, 156, 166, 249, 314, 459 check 3, 69, 157 chèque 3, 70, 157 cherry brandy 124 chewing-gum 111 chiave inglese 127, 144 chic 124, 149 choc 114, 115, 149 christiania 337–339, 414 cialdino, cialdina 1, 149, 152, 459 cincillà 90 circolo 133, 365, 366, 368 clacchista 314 clacson 194 claque 194 claqueur 145, 314 clinch 308, 309, 310–311, 320 cloche 194 clou 203 club 18, 94, 100, 133, 134, 136, 149, 203, 215, 224, 252, 259, 269, 331, 375 cob 202 coccotello 46, 76 cocktail 46, 72, 76, 111, 149, 152, 401 coda di gallo 46, 76 coéquipier 234, 243–245, 251, 420, 422, 440 cofano 106 cognac 110, 137, 140 collusione 358–359 colpo ad uncino 316 colpo decisivo 328–329 colpo di traverso 260, 318, 432 colpo diretto 319 colpo diritto 223, 319, 321, 325, 326, 419 colpo fendente 319 colpo incrociato 318 colpo montante 319 colpo schiacciato 326, 327 colpo uncinato 315, 316 combine 342, 343, 358–359
496
Wortindex
combutta 358–359 comfort 115 command 194 commissionario 157 compagno 243, 244–245, 420, 459 compagno d’équipe 245 compagno d’inseguimento 245 compagno di corsa 245 compagno di fuga 244, 245, 422 compagno di squadra 244, 245, 420, 440 comptable 194 computer 46 computerizzare 24 conducente 459 conduttore 118, 459 confiture 194 confusione 240–241 consociazione 94, 136, 146, 149 contagiri 106 controkippe 194 corner 157, 170, 171, 219, 255, 274, 278–280, 285, 416, 420, 463 corner-kick 102, 170, 280 cornetto 157 corpo a corpo 296, 309, 310–311 corrída 198, 282 corridore in pista 237, 238 corridore su pista 236, 237, 238, 249 corridore su strada 250–251 corridore velocista 376 corsage 194 côte 202 cotta 378, 380, 422 cotto 299, 300 coupe 194 court 329–330, 422 coutil 157 crack 203, 422 crawl 117, 171, 342, 359, 362–363, 421, 422 crawlista 363 crèpe 110, 136, 137 crespo 90, 110 cretonne 136 crichet 345, 415 cricket, criket 100, 152, 276, 342, 343–345, 348, 415, 444 cristiania 337–339, 341, 414, 444
croc en jambe 287 crochet 75, 296, 307, 313, 314–316, 317, 320, 418 crocket 342, 345–346 croquet 329, 343, 345–346, 348, 408, 444 cross 102, 171, 227, 255, 258, 259–260, 284, 308, 313, 317–318, 320, 432, 463 cross word puzzle 402–407 crossare 260 crossista 318 crossistico 318 croupier 152, 393, 394–395, 415, 422, 440 cru 194 cruciverba 403–407, 459 cruciverbismo 404 cruciverbista 404 cuoio 274 curatore 223, 312 curling 202 curva a gomito 246–247, 422 cutter 109 datore 119, 266 daumont 197 débâcle 194 decollare 106 décolleté 194 défaillance 342, 364, 378–380, 416, 422 demi-vierge 121 dentelle 194 derby 149, 151 detective 71, 149 detentore di/del un primato 373–374 detentore di/del un record 373–374 difensore laterale 263, 264 diporto 1, 50, 103, 104, 119, 131, 132, 323, 340, 435 diretto destro 318 diretto sinistro 308–309 diritto, dritto 223, 325–326, 330, 419 discesa libera 335, 336, 444 discesa obbligata 335–337, 341, 436, 444 disco su ghiaccio 146, 333–335, 341 domino cinese 401, 443 dopobarba 172 dossier 138 drap 136
Wortindex
dreadnought 195, 197 drib(b)lare 261 drib(b)latore 261 dribblaggio 261–262 dribbling 174, 255, 261–262, 284 drive 223, 322, 325–326, 419, 463 drop 202, 289–290, 415, 418 drop-goal 287, 289–290, 415, 418 drop-kick 287 ducking 171 eja, eja, eja, alalà 104 embarcadero 194 en plein 393, 395–396 end 202 enfant gâté 119 enfant prodige 119 escamotage 203 espada 198 esploratore, esploratrice 356–357, 420, 436 essai 287, 291–292 essere all’altezza 126 estocada 194, 198 estremo 288, 290 étagère 110 f.c. 304–305, 420 fadé 108 fair-play 203 fallo di mani 271, 420 (fallo di) mano 173, 271, 420, 463 fan 75, 202, 204, 227, 281, 282 fascicolo 138 fautore 145, 281, 282 fellow 202 fence 202 fendente 220, 319 fermarello 238–239 ferribotto 1, 109, 123 ferry-boat 109, 123 festa 9, 138 festival 121, 240 fiaccheraio 109 fiche 203 field 202, 422 file 25, 194 film 71, 109, 115, 140
497
filme, filmo 109 flirt 149, 401 flou 138 fonoriproduzione 159 foot-baller, footballe(u)r 118, 255, 263, 268–269, 285, 415, 421, 440 football 3, 100, 110, 157, 214–215, 252, 255, 268, 274–277, 282, 284, 306, 347, 370, 387, 415, 419, 421, 433, 440, 463 footing 16, 21, 104, 342, 387, 388–389, 437 forfeit 133, 203 forward 73, 102, 119, 223, 227, 255, 263, 265, 266, 285, 415, 463 foulard 110, 149 foxtrott 195, 459 freddo 19 free trade 138 frigido 19 fuori classe 360–361 fuori combattimento 70, 303–305, 420 fuorigioco, fuori gi(u)oco 102, 157, 269–270, 280, 463 furgone 102 gabardine 136 gag 138 game 322, 324–326, 328 ganadería 198 gancio 220, 315–316, 418 gangster 121 gara di agilità 350 gara di ostacoli 350, 444 garage 3, 69, 110, 118, 124, 151, 157, 159, 167 garagista 151, 160 gaucho 194, 195 gentleman 9, 373 ghiacciaia 364–365 giaz(zo) 109, 143 gilé 161 gimcana, gimkana 229, 349–350, 415 gin 111, 124, 126, 349 gincana 229, 349–350, 415 gineprino 126 ginepro 124, 126 giocatore del pallone 268–269 giocatore di calcio 262, 269 gioco dei pugni 297
498
Wortindex
gioco del calcio 3, 100, 118, 133, 162, 254, 275–276, 419, 449 gioco del ponte 397–398, 419 gioco della palla ovale 289 gioco della pallacorda 323 gioco della racchetta 323, 444 giostra 146, 350 giovane esploratore 356–357, 420, 436 girella 1, 393–394 girls 125 giro 9, 157 giu-giutsu 372, 415 giuochi di agilità 350 glissade 106 goal 134, 204, 223, 227, 255–259, 261, 263, 265, 266, 267, 272, 274, 278, 283, 284, 287, 292, 415, 422, 433, 435, 463 goal average 255, 258, 274, 282–283, 284, 408 goal-keeper, goalkeeper 102, 118, 157, 255, 258, 263, 267–268, 284, 285, 415, 463 godet 135 goffo, goffetto 399, 407 gol 256–259, 278, 415, 422 goleada 254, 256 goleador 254, 256 goleare 256 golf 117, 136, 140, 342, 343–344, 348, 388, 408, 439, 452, 462 golfista 343 golfistico 343 gomma tubolare 243–244, 419 gong 140, 296, 463 gouter 69, 157, 166 great event 202 gregario 241, 244–245, 251, 422 grido 114 grillroom 130 grimpeur 234, 245, 247–248, 251, 416, 440 groggy 296, 299–300, 416 grue 110 gruppiere, groppiere 152, 395 guardia 118, 268 guardiano 1, 102, 118, 268 guardiano della porta 102 guasto 118 guichet 3, 69, 157
guichetier 157 guidatore 97, 118 guidoslitta 152, 334–335, 341 gymk(h)ana 146, 229, 342, 343, 349–350, 415, 444 hack 202, 218 half 73, 188, 255, 263–265, 276, 285, 408, 409, 422, 463 halfback 119, 263, 264 hall 125, 329 hands 173, 255, 263, 269–271, 420, 463 hangar 106 happy end 22 head 202 hinterland 73, 110 Hip! hip! hip! hurrah 104 hochey 347–348, 415 hockey 134, 146, 333, 342, 343, 346–348, 408, 415, 444, 462 hockey su ghiaccio 333–334, 341, 386, 444 hockeysta, hockeista, hocheista 347 hockeystico, hockeistico 347 holidays 138 hook 75, 202, 296, 315–316 hotel 130, 157 hublot 109 iceberg 110 imbarcadero 194 imbroglio 358 impermeabile 160 in camicia 157 in pieno 396 incarto 138 incollare 12 insalata russa 127, 144 inside 119, 255, 263, 274, 276, 278, 284, 285 interno 266, 277–278 intontito 299–300 j(i)u-jitsu 342, 364, 370–372, 415 jab 300, 307–309, 415 Jager 202 jazz 109, 121, 401 jersey 22, 144
Wortindex
jo jo 401 jockey 133, 134, 224, 384 k.d. 300, 305, 420 k.o. 296, 300, 302–305, 415, 416, 420, 435 k(h)aki 110 kellerina 157 killer 24, 46 kipfel 142 knock down 300, 303, 305–306, 420 knock out 204, 300, 302–305, 314, 415, 420 Krapfen 142 kristiania 333, 336, 337–339, 414 kursaal 110, 130 lad 202 landau 195, 197 lastricato 235–237 lastrico 235 latte bulgaro 72, 73 lawn tennis 100, 131, 321, 323–324, 329, 353 leader 26, 109, 110, 149, 203, 422 Lei 89–90, 96, 97, 149, 158, 295 lento 157 lever de rideau 74 libero cambio 138 liberty 194 lìdero 109 lift 20, 156, 160 liftier 142 limite 291–292, 381–383 lingotto 125 lista 94 lista delle vivande 146 lizza 301 lob 202, 223, 325 locale notturno 48 looping (the loop) 203 lorgnette 197 lotta giapponese 370–372, 443 magiong 401 mahjong, mah-jong 370, 392, 393, 400–401, 408, 415, 443 mahjongare 400 maiden 202
499
manager 111, 145, 178, 204, 387, 422 mancamento 379–380 manchette 202 mani 271, 420 manicure 135, 194 mannequin 148 mano 271, 420 Siehe auch (fallo di) mano marker 202 marron 202 martelles 198 massacrare 125 massaggiatore 314 masseur 204, 314 masseuse 203 massimo 381–383 match 25, 204, 271, 302, 307, 324, 361 match ball 322, 327–329, 447, 453 match point 328–329, 447, 453 mazzata 316, 317 mediano 73, 188, 264–265, 277, 288, 409, 463 meet 202 meeting 120, 125, 161, 203, 204 mêlée 287, 292–293 meno quotato 383–384 menu 94, 167, 194 merci 194 merenda 69, 157, 166 messa a punto 85 mestiere 19 meta 256, 257, 259, 287, 289, 291–292, 346 mezzala 277–278 mi-moyen 202 military 202 minimo 381–383 ministero 19 misce 46, 76 mischia 287, 288, 292–293 mise 25, 194 mister 21, 22, 23 misto di liquori 46, 76 mistura 46, 76 mitingo 161 mixage 116 momento di debolezza 378–380 mongolfiera 106 montante 319
500
Wortindex
morgue 194 mossiere 146 moto-football 202 muro 171 nave-traghetto 123 nécessaire 148 net 202 new jersey 22 night (club) 47, 48 no decision 202 nobile arte 73, 299, 447 noble art 73, 294, 298–299, 320, 447 nodo 311 noir 202 nourrice 106 nurse 107 obbligata 69, 335–337, 436 obitorio 146 ockey, ochei 347–348 offender 202 offside 157, 255, 263, 268, 269–270, 284, 285, 463 open 202 orizzontale 315, 316 oscillante 316 Osten 202 out 69, 202 outsider 117, 342, 383–384, 440 ouverture 109, 161 over 202 palace 130 palco 301 palla 273–274, 277 palla a base, palla a basi 351 palla a corda 320, 322 palla a maglio 344, 347–348 palla a nuoto 369–371, 420 palla a spatola 152 palla a(l) calcio 118, 268, 275, 276 palla a(l) canestro 385–386, 420 palla al cesto 385–386 palla al maglio 346–348 palla d’allenamento 117, 306
palla decisiva 327–329 palla in acqua 370–371 palla ovale 134, 173, 174, 287–289 palla schiacciata 326–237, 419 palla set 328 palla-incontro 328–329 palla-partita 327–328 pallabase 351 pallabuca 344 pallacanestro 12, 73, 157, 66, 385–386, 420 pallacorda 71, 100, 131, 132, 134, 320, 321, 322–324, 329–330 pallacorda da tavolo 353–354, 444 pallamaglio 100, 103, 343, 345, 346, 347–348 pallanuotista 369, 371, 421 pallanuoto 157, 362, 369, 370–371, 420–421, 440, 461 palleggio 255, 261–262, 284, 388 pallone 259, 260, 261, 262, 264, 272, 273–277, 280, 288, 291, 350 pallone di allenamento 306 pallone elastico 264, 266 pallone ovale 289, 444 pallovale 288–289 palmer 140, 194, 233, 234, 243–244, 311, 419 panfilo, panfilio 146 panne 118, 203 parabrezza 157, 161 parabrise 157 pardon 108, 109 parking 20, 23 parole crociate 404–405 parole in croce 405 parole incrociate 402, 403–405, 459 parquet 146 partigiano 281, 282 partita 173, 253, 261, 267, 275, 324–326, 327, 328, 333, 345, 379, 386, 388 partner 203 pass 202 passeggiata 387–389 passeggiata d’allenamento 387–389 passista 314 pastetta 358–359
Wortindex
patinoire 342, 364–365, 367, 368–369, 422 pattinaggio 334, 347, 368, 436 pattinaggio a rotelle 347, 367, 368–369, 436, 444, 447 pattinaggio su ghiaccio 444 pattinaggio su rotelle 369 pattinatoio 364, 367 pavé 234, 235–237, 251, 447 pavimento in legno 146 pedicure 135 peignoir 90 pelliccia 90 pellicola 71, 109 penalità 269 penalty 151, 157, 255, 263, 268, 269–270, 284, 415, 418, 419, 433, 459, 463 penalty-kick 102 peso bantam 307, 308, 309–310, 320 peso gallo 307, 309–310, 361 peso medio-legg(i)ero 307–308 peso mi-moyen 202 peso velter 307–308, 415 peso welter 300, 307–308, 415 piattaforma 301 picadòr 198, 254 picchiata 171 pieno 396 ping-pong 342, 352–354, 416, 444 pingo pongo 353–354, 444 piquet 202 pista da/di pattinaggio 364, 367, 422 pista per pattinaggio 367 pistaiolo 234, 236, 237, 238, 249, 251, 461 pistard 234, 236–238, 249, 251, 440, 456, 461, 462 pistocco 355–356, 415 planare 106 play 202 play(-)back 138, 159 plaza 198 plongeon 255, 263, 269, 272, 416, 421 plum-pudding 142 poché 157 poker 360, 398–400, 407, 408, 415, 439 pokerino, pocherino 399 pokerista 399 polo 126, 370, 388
501
pomodoro 43–44 pompiere 119 pompom 158 ponce 109, 118 pong(h)ista 353 ponte 121, 152, 392, 397–398, 419 popeline 136 poppatoio 129 porta 223, 256–259, 260, 274, 278, 347, 433 portiere 102, 118, 157, 219, 258, 263, 267–268, 272, 390, 463 portinaio 118, 268 possessore di (un)/del primato 374 possessore di/del un record 373–374 poulain 171, 218–220, 311, 342, 364, 376–377, 387 prato di/da pallavolo 329 prato di/da tennis 329 prima linea 119, 263, 266 primatista 45, 249, 373–374, 381, 389, 437, 440, 444 primato 94, 104, 373, 381, 382–383, 389, 433, 437, 444, 447 primiera 399 principiante 218, 220, 376 protégé 219, 220 prova 291 pugil(l)atore 187, 189, 192, 295, 296, 313, 316, 317, 388 pugilato 41, 68, 134, 200, 294, 295, 297–298, 312, 313, 322, 361, 412, 435, 449, 463 pugile 186, 187, 189, 192, 294, 298, 300, 301, 312, 313–314, 317, 361 pugilista 186, 187, 189, 192, 296, 313–314, 388 pugnatore 186, 187, 189, 192, 313–314 pullman 22, 151 punch 202, 203 punching-ball 117, 300, 305 pungiball 306 punta 266 punto 134, 223, 256–259, 272, 291, 292, 385 punto segnato 257 pupillo 171, 218, 219, 220, 376, 377 putt 203 puttanambolo 218
502
Wortindex
puzzle 218, 390, 402–407, 459 quadrato 301, 313 quoziente 283 quoziente (di/dei) goal 283 quoziente (di/delle) reti 282–283, 408 racchetta 323–324, 328, 353 racer 203 ragazzo esploratore 356–357 ragù 161 raid 203 rampicatore 247, 248 raptus 19 raso 110 ready 203 recinto 301 réclame 114, 115, 142 record 94, 342, 373–374, 381–383, 389, 415, 433, 437, 444, 447 recordista 373–374, 382 recordistico 382 recordman 16, 21, 23, 27, 44–45, 249, 250, 342, 364, 373–374, 381, 389, 422, 437, 440, 444 referee 119, 203, 269 régisseur 3, 94, 138, 142, 156, 166, 249, 314 regista 3, 94, 137, 138, 156, 166, 249, 314 remisier 157 reps 135 restaurant 22, 130 rete 43, 255–259, 277, 278, 284, 323, 379, 433 retroterra 73 revers 203 rhum 84, 110 right 203 rigole 194 rigore 157, 260, 269–270, 284, 419, 433, 459 rilassamento 378–380 rimessa 69, 118, 146, 157, 159 rimessa laterale 287 rimmel 22 rinfresco 157
ring 149, 279, 296, 300, 301, 305, 311, 365–367, 388, 435, 462, 463 ripresa 256, 260, 266, 280, 289, 313, 326 ristorante 161, 329 roletta 394, 415 rollina 394, 407 rosina 394, 407 rouge 203 rough 203 roulette 1, 393–395, 407, 408, 415, 439 rouleur 314 roulotte 148 routier 73, 74, 234, 238, 245, 249–250, 440, 444, 455, 456 routier-pistard 238, 250 rùgbi 286–289, 415 rugbista 288 rugbistico 288 rugby 25, 134, 173, 174, 252, 253, 261, 274, 276, 285–289, 291, 366, 415, 444 ruletta 394, 407, 415 rumba 144 rush 203, 263 sabottaggio 85 sacco di allenamento 306 sala di pattinaggio 367 satin 110 sbassata 171 scalatore 234, 248, 251 scarto 261, 262 scatinaggio, schettinaggio 368–369 scattista 375–376, 444 scatto 157, 232, 239, 375, 376, 444 schetinoire 367, 368 schettinare 368 schi 339 schiacciata 134, 220, 326–327, 330, 419, 453 schivata 171, 319 schuss 171, 203 sci 145, 192, 331, 332, 337–341, 414, 415, 444 sci a tallone libero 337 sciare 338, 339, 340 sciata 338, 340
Wortindex
sciatore 332, 339, 340 scistico 340 scivolata d’ala 106 scivoli 106 sconosciuto 383, 384 scoppiatura 378, 379–380 scotch 18 scout 356, 357, 415, 417, 418, 462 scoutismo 357 scoutistico 357 scrittoio 157 scrum(mage) 292 scudiero 245 season 203 second 203, 422 secondo 223, 265, 309, 312, 313, 314, 422 seguace 234, 242 selciato 235, 236–237, 447 self-control 3, 157 séparé 149 serbatoio supplementare 106 serpentina 246–247 server 203 set 138, 223, 322, 324–325, 463 set-ball 322, 327–328 sfavorito 383–384 sfera 274, 343 sfera di cuoio 274 sfidante 361–362, 440, 444 sgambetto 287 shoot, shot 220, 255, 263, 272–273, 285, 326, 417, 463 shopping 64 sicario 46 simpatizzante 280–281 skatineggiare 366 skating(-rink) 204, 342, 364–369, 422, 436, 447 ski, sky 145, 192, 331, 332, 333, 334, 337–341, 414, 415, 421, 444 slalom 69, 333, 335, 336–337, 341, 416, 435, 436 slalomista 24, 336 slam 203 slang 111 slice 203
503
slogan 124 slow 157 smash 134, 322, 325, 327, 419, 453 smecciata 327 smoking 121, 129 snob 115, 123, 143 soigneur 145, 223, 241, 308, 309, 311, 312, 314, 320, 421, 422, 440 solitaire 203 sostegno 188, 265 sostenitore 145, 240, 281, 282, 312 souplesse 203 sparo 192, 221, 273, 417 spin 203 spleen 121 sport 1, 18, 103, 115, 121, 123, 132, 140, 204, 435 sportello 3, 69, 157 sprint 157, 204, 240, 375, 376, 444, 463 sprinter 233, 237, 342, 364, 375–376, 440, 444 squasso 114 staffilata 192, 221, 273, 417 stand 203 stangata 192, 221, 273, 417 starter 203, 204, 384 stato assistenziale 48 stayer 204, 238 steadycam 26 stemm 203 stile libero 171, 362–363, 422 stilliberista 363 stivale 14 stop 125, 157, 174, 203 stordito 299–300, 316, 317 storta 247 strada a svolte 246–247 strada a zig-zag 246–247 stradaiolo 249, 250 stradiere 249 stradista 73, 237, 238, 249–251, 440, 444 straight 203 strisci 339, 340 suèrte 198 suite 203
504
Wortindex
suiveur 75, 117, 145, 204, 227, 234, 235, 240–242, 251, 281, 282, 416, 422 sul posto 238–240 supporter 204, 227, 241–242, 255, 274, 279, 281, 282, 284, 285, 415, 440 sur le plat 157 surmenage 203 surplace, sur place 234, 238–240, 251, 416, 463 sventola 70, 220, 223, 224, 316–317, 325, 326 swing 313, 315–317, 320, 326, 416 tabarin, tabarino 1, 117, 218 taglio 325, 397 tango 25, 144 tank 73, 161 tea room 130 team 21, 118, 204 telemark 333, 336–337, 338, 341, 408, 415 tempo 382–383 tenitore 395 tennese 324 tennis 18, 26, 71, 121, 129, 132, 134, 140, 232, 276, 321, 322–324, 325, 327, 329, 330, 352, 353, 366, 369, 388, 408, 420, 430, 435, 439, 444, 452, 462, 463 tennis da salotto 353–354 tennis da tavolo 352–354 tennista 249, 323, 420 tennistavolo 352, 353–354 tennistico 323 tennys 26, 324 tentativo 291 tenuta 258, 311 terzino 102, 118, 157, 170, 263–264, 463 testuggine 292–293 tifoso 151, 241, 242, 258, 280–282, 284, 417 time 203 tipo 90 tiro violento 273, 417 toboggan 203, 334 toilette 124 tonneau 106, 203 top model 148
toreador 198 tornante 234, 245–247, 251, 422, 437 tornichetto 246–247 toss 203 touche 203, 287 tour 9, 157, 203 tournée 203 tourniquet 234, 245–247, 251, 422, 437 traghetto 123 trainer 22, 157, 204, 377 training 203, 387 tramvai 84 traversa 287 traversone 102, 171, 259–260, 284, 318, 432 trincare 28 trip 203 trotter 203 trucco 100, 117, 152, 343–345, 358–359 try 203, 291 tubolare 243–244, 378, 419 tuffo 272 tulle 135 turf 149, 422 uncino 70, 315–316 uomo vissuto 90 uppercut 313, 318–319 vacillante 299–300 vafer 142, 143 vaquero 198 veilleuse 197 velocista 74, 236, 237, 238, 375–376 ventola 223, 326 vermouth 121 vernice 94 vernissage 94 vezzo 19 villetta 157 vitaiolo 1, 71, 314 viveur 71, 90, 314 vizio 19 voi 1, 89, 97, 158 volata diritta 223, 326 volée 203, 217, 321
Wortindex
volley 203, 385 volpina 459 wafer 142 water 370, 459 water-polo 342, 362, 364, 369–371, 420, 440, 459, 461 waterpolista 369, 370–371, 421 waterpolistico 370 week(-)end 18, 64 welfare state 48 whist 393, 408, 415, 439
whistleriano 398 wing 203 wisky 111, 118 yo-yo 393, 401, 408, 415, 441 yoghourt 72, 73 zampata 220, 307, 308–309 zéphir 136 zozza 46, 76
505