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German Pages 446 Year 2002
Aughafenplanung, Planfeststellungsverfahren, Anforderungen an die Planungsentscheidung
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 149
Flughafenplanung, Planfeststellungsverfahren, Anforderungen an die Planungsentscheidung Vorträge auf den Dritten Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 21. bis 23. März 200 1 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
Herausgegeben von Jan Ziekow
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Flughafenplanung, PlanfeststeUungsverfahren, Anforderungen an die Planungsenfscheidung : Vorträge auf den Dritten
Speyerer Planungsrechtstagen und dem Speyerer Luftverkehrsrechtstag vom 21. bis 23. März 2001 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer I Hrsg.: Jan Ziekow. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer ; Bd. 149) ISBN 3-428-10787-X
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Prlnted in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-10787-X Gedruckt auf alterungsbesländigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 43
Vorwort Der vorliegende Band faßt die Vorträge zusammen, die auf dem erstmals veranstalteten Speyerer Luftv.erkehrsrechtstag am 21. März 2001 und den Dritten Speyerer Planungsrechtstagen vom 21. bis 23. März 2001 an der Deutschen Hochschule filr Verwaltungswissenschaften Speyer gehalten wurden. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Veranstaltungen waren Vertreter aller Ebenen der Verwaltung, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Rechtsanwaltschaft, von Planungsträgern und -büros, der Politik, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Meine Sekretärin, Frau Erika Kögel, hat sachkundig die Formatierung des Bandes übernommen; hierfiir sei ihr gedankt. Darüber hinaus gebührt Frau Kögel, Frau Eisie Medl, meiner Sekretärin, meiner Assistentin Frau Dr. Annette Guckelberger sowie Herrn Wissenschaftlichen Referenten Dr. Thorsten Siegel herzlicher Dank fiir die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchfilhrung der Tagung. Speyer, im November 2001
Jan Ziekow
Inhaltsverzeichnis Festlegung von Flugrouten und Flughafenplanung Von DetlefCzybulka, Rostock .............................. ... ........... .. .............................
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Aktuelle Rechtsfragen des Ausbaus von Verkehrstl ughäfen Von Peter Wysk, Münster ... . . . ..... .... .................... .. ...... ...... ............ .............. .... .
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Ansätze rur eine Neubewertung des FluglärmS Von Ulrich Stöcker, Bonn .... .......... ...... ........ ...... .. .. ...... ...... .. .... ........ .............. ... .
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Mediation in der luftverkehrsrechtlichen Plartfeststellung Von Thorsten Siegel, Speyer ............ .................. ............................................ ....
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Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schienenwegerecht Von U/rich Storost, Berlin ........ .............. .......... .............. .................... .............. 117 Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Straßenfachplanungsrecht Von Jörg Berkemann, Berlin .................. ...... .......... ................ ............................ 139 Ansprüche auf Planfeststellungsverfahren Von Peter Schütz, Stuttgart ............................................................ ... .... ........ .... 285 Planrechtfertigung Von Gerrit Manssen, Regensburg .............. ............ .. ........ .. .. ........ .... ................ 307 Vorbereitende Maßnahmen vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens Von Dietmar Hönig, Freiburg i.Br. ...... ...................................... .............. .... ...... 323
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Inhaltsverzeichnis
Nachträgliche Schutzauflagen im Planfeststellungsrecht Von Jürgen Held. Koblenz .............................................. ................................... 349 Die Berücksichtigung von Baustellenimmissionen in der Planungsentscheidung Von Ingrid Barner. Berlin .................................................................................. 373 Kommunale Verhinderungsplanung gegen Fachplanung? Von Ingo Kraft. München ..... ........................................................ ..................... 389 Aktuelle Probleme der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie. dargestellt am Beispiel des Streits über das sog. Emssperrwerk Von Klaus Füßer. Leipzig ................................................................................. 407 Verzeichnis der Referenten ................ ...... .... ... ....................................................... ... 445
Festlegung von Flugrouten und Flughafenplanung Von Detlef Czybulka Inhaltsverzeichnis I.
Einleitung ..... .... .... ..... ... ... .......... ..... ...... ........ ... ............. .... ........ ........ ......... ... ...........
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11 . Verfassungsrechtliche Einschätzung...................................................................... 11 1lI. Flugrouten und Planung ......................................................................................... 14 IV. Flugrouten und Rechtsschutz. ............ .............. ..... .......... ......... .... ......... ..... ... .... ..... 17 V. Fazit und einige Reformvorschläge .................................... .................................... 23
I. Einleitung Ein Blick auf die Thesen, die diesem Referat zugrunde liegen, zeigt, dass ich das gegenwärtige Luftverkehrsrecht filr wenig geeignet halte, insbesondere die Fluglärmproblematik zu bewältigen. Gerade die zermürbenden Auseinandersetzungen um den gegen die Festlegung sogenannter "Flugrouten" zu gewährenden Rechtsschutz! haben gezeigt, dass dieses Rechtsgebiet in keinem guten Zustand ist, was den Rechtsschutz, die immissionschutzrechtliche und planungsrechtliche Seite anlangt. Der Beitrag gliedert sich in vier Abschnitte: Nach einer verfassungsrechtlichen Einschätzung der Problematik (Il.), gefolgt von Ausführungen zur Einbeziehung der Flugroutenfestlegung in die Flughafenplanung (III.) und der Erörterung der Rechtsschutzproblematik gegen Flugrouten (IV.), sollen einige Reformvorschläge dargelegt werden (V.). Zuvor lassen Sie mich jedoch einleitend etwas zum Gegenstand unserer Betrachtung sagen: Was sind "Flugrouten"? Die Möglichkeiten, Luftfahrzeuge und ihre Luftbewegungen "vom Boden" her zu steuern bzw. zu kontrollieren, sind heutzutage technisch vielfältig und können sehr exakt sein. Juristisch unterscheidet die Luftverkehrs-Ordnung zwischen der (individuellen) Flugverkehrskontrollfreigabe nach § 26 Abs. 2 S. 2 1 Vgl. zuletzt Urt. des BVerwG vom 28.6.2000 (ZUR 2001,266 mit Anmerkung von Czybulka, 268 fT.)
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und den sog. "Flugverfahren" nach § 27a LuftV0 2 • Letztere sind vor allem fiir An- und Abflüge und bei Flügen nach Instrumentenflugregeln (lFR) von Bedeutung, also insbesondere in Verbindung mit Verkehrs flughäfen (Linien- und Charterflug) relevant. Im Umkreis der Verkehrsflughäfen existieren auch die größten Lärmprobleme. Die "Flugverfahren" sind standardisierte Weisungen an den Flugzeugfiihrer, wie er sein Flugzeug insbesondere beim Abflug und bei der Landung zu steuern hat, bis er in der Höhe die "Luftverkehrsstraßen" bzw. am Boden die Start- und Landebahn (Runway) erreicht. Dies sind ganz konkrete "Befehle", z. B. "On Runway track to 800 feet, via FR to 3 DME Frankfurt, right turn, on Radial 194 Metro to 11 DME Frankfurt, left turn to König, right turn on Radial 138 Frankfurt to Nördlingen,,3. Im speziellen Fall ftlhrt diese Abflug-Strecke des Flughafens Frankfurt aus Lärmschutzgründen um Gravenbruch herum und dann zwischen Dreieich und Dietzenbach hindurch. Der Standardwinkel beim Anflug beträgt 3,0 Grad (oder 5,2 %). Die An- und Abflugstrecken werden faktisch von der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) bestimmt, rechtlich ist allerdings im Regelfall das LuftfahrtBundesamt ermächtigt, diese "Flugverfahren" einschließlich der Flugwege, Flughöhen und Meldepunkte durch Rechtsverordnung festzulegen, § 27a Abs. 2 LuftVO. Diese "Flugrouten" sind allerdings keine "Striche". In der Realität ergeben sich vor allem im Abflugverkehr unvermeidbare Streuungsbreiten (z. B. durch Windeinflüsse ) um die "Ideallinien"; deshalb wird jeder Route ein sog. "Flugerwartungsgebiet" zugeordnet. Die Flugerwartungsgebiete von Einflugstrecken sind sehr schmale Bereiche, weil dort - jedenfalls bei Anwendung von Instrumentenflugregeln (lFR) - der sog. ILS-Leitsrahl die "Flugroute" bündelt. Unterhalb dieser Flugerwartungsgebiete ist mit Sicherheit Fluglärm zu erwarten. Dieser Lärm breitet sich in ähnlicher Weise aus wie der eines an feste Verkehrswege gebundenen Fahrzeugs. Die Verbindlichkeit von Flugverfahren beruht unmittelbar auf § 27a Abs. 1 LuftVO, wird allerdings in den RVO nochmals (deklaratorisch) hervorgehoben4 • Die Luftfahrzeugfiihrer sind gehalten, die festgelegten Strecken möglichst genau abzufliegen s.
2 Luftverkehrs-Ordnung i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 27. März 1999, BGB!. I S. 580. 3 Eine der Abflugstrecken am Frankfurter Flughafen, vg!. E. Groeneveld / F. Pleines, NIROS System zur Bestimmung lärmminimaler Abflugrouten, in: Tagungsband zum Wissenschaftlichen Symposium Umweltkapazität von Flughäfen, Aspekte der Lärmwirkungsforschung, Schutzziele und Schutzmaßnahmen, 1999, Berlin-Köpenick, S.l. 4 Vg!. P. Wysk, Ausgewählte Probleme zum Rechtsschutz gegen Fluglärm, Teil II, Rechtsschutz bei der Festlegung sog. Flugrouten, ZL W 1998, 285, 287. 5 Schriftliche Aussage des Ministeriums rur Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2.12.1998.
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11. Verfassungsrechtliche Einschätzung These I: Da Fluglärmbelastungen Umweltbelastungen sind, unterfällt die gesamte Flughafenplanung und der Flugbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland den Anforderungen der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG. Die Staatszielbestimmung enthält ein unmittelbar geltendes Verschlechterungsverbot, dessen konkrete Auswirkungen und Parameter allerdings umstritten sind. Auch bei einer zurückhaltenden Interpretation des Art. 20a GG ist davon auszugehen, dass die tatsächliche und rechtliche Handhabung bei der Festlegung von Flugrouten sich am Rande des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren bewegt und keinen substanziellen Beitrag zur Bewältigung der Fluglärmproblematik leistet.
Nach wie vor wird m.E. die Reichweite der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG unterschätzt6 • Art. 20a GG enthält nach überwiegender Auffassung als "harten Kern" ein allgemeines Verschlechterungsverbot bezüglich der Umweltsituation? Ich möchte nicht die im einzelnen dann streitigen Fragen der Konkretisierungspflichten staatlicher Organe (das betrifft den Gesetzgeber, die Verwaltung und in der "Auffangdimension" auch die Rechtsprechung) bezüglich der gesetzlichen und exekutivischen Umsetzung der Verfassungsnorm behandeln, sondern nur zwei rechtliche Aussagen und ein praktisches Argument zum Thema vorbringen: (I) Es dürfte ganz herrschende Auffassung sein, dass die Verursachung bzw. Vermeidung von Fluglärm dem Schutzbereich von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 20a GG, einer Staatszielbestimmung, unternmt 8 . Seit der Entscheidung des BVerfG zum Flughafen Düsseldorf im 56. Band9 werden die Aussagen der Verfassungsrichter zum effektiven Abwehr- und Schutzanspruch des Bürgers gegen unzumutbaren, belästigenden Fluglärm, der sich aus dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 ergibt, brav zitiert; Auswirkungen auf konkrete Gerichtsverfahren hat das - soweit ersichtlich - ebenso wenig gehabt wie die durch Art. 20a GG eingetretene "Dynamisierung" des Grundrechts. Das stimmt nachdenklich,
6 Vgl. dazu die Ausführungen bei D. Czybulka, Die rechtliche Bewältigung der Fluglärmproblematik, UPR 1999,126 ff. 1 Vgl. statt vieler D. Murswiek, in: M. Sachs (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Art. 20a GG Rn. 44; ders., Staatsziel Umweltschutz (Art. 20a GG), NVwZ 1996,222, 226; M Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rn. 38 u. 45 ("ökologisches Rückschrittverbot"); F. Ekardt, SächsVBI. 1998,49,55; S. Westphal, JuS 2000, 339, 341; D. Czybulka. Ethische, verfassungstheoretische und rechtliche Vorüberlegungen zum Naturschutz, in W. Erbguth, F. Müller, V. Neumann (Hrsg.), Rechtstheorie und Rechtsdogmatik im Austausch, Gedächnisschrift für Bemd Jeand 'Heur, Berlin 1999, S. 83 ff.; VG Frankfurt NVwZ-RR 1997, 92, 95. 8 Vgl. D. Czybulka, Anmerkung zu BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 - 11 C 13.99, ZUR 2001, 268, 270 f.; R. Geulen / R. Klinger, Rechtsschutz Dritter gegen Flughafenlärm, NJW 2001, 1038, 1039. 9 BVertGE 56, 54 fT. - Düsseldorf-Lohhausen-.
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wenn man auf der anderen Seite liest, dass der Flugverkehr ständig wächst und in der Wahrnehmung der Bevölkerung Platz 2 der Belästiger (nach dem Straßenverkehr) einnimmt, wobei eine Bevölkerung von etwa 30 Millionen sich durch eine Doppelbelästigung von Straßenverkehrs- und Fluglärm betroffen sieht lO • (2) Die Konkretisierung des Verschlechterungsverbots erfordert nach hier vertretener Auffassung als Grundlage flächenhafte und räumliche "Vergleichsmessungen" quantifizierter und qualifizierter Art. Diese "Umweltbeobachtung" ist bisher nicht hinlänglich normiert. Die (nur beratenden) Fluglärmkommissionen nach § 32 b LuftVG werden ("isoliert") rur jeden Verkehrsflughafen mit Lärmschutzbereich gebildet. Zur relevanten Fläche bzw. dem relevanten Beobachtungsraum ist zu bemerken, dass hier die "Gretchenfrage" in der Zurechnung des Fluglärms zu politisch-administrativen Grenzen besteht. Kann eine erhöhte Lärmbelastung auf dem Gebiet der Gemeinde / des Landkreises / des Bundeslandes A durch eine Lärmminderung in anderen Gebieten "ausgeglichen" werden? Darüber hat man sich noch wenig Gedanken gemacht II , aber ich denke, das wird erforderlich sein, wenn man Großflughäfen weiter ausbauen will. Der Umweltjurist als Buchwissenschaftier und der Planer lernen derzeit mit großer Verspätung die dritte Dimension (also den Raum) im marinen 12 und im Luftbereich kennen. Es gibt kein tragfllhiges juristisches Argument, weshalb Umweltschutz als staatliche Aufgabe nur in der Fläche, nicht aber in der Höhe und Tiefe zu gewährleisten sei. Für den Lärm in der Höhe sollte das schon deshalb selbstverständlich sein, weil die Luft das durchgängige Übertragunsgmedium ist. Jeder Lärm aus der Höhe kommt im Prinzip am Boden an und ist zu berücksichtigen, soweit er noch meßbar ist. Es gibt überhaupt keinen Grund, Fluglärm nicht zu berücksichtigen, weil er aus einer bestimmten Flughöhe kommt. Die erforderliche Qualifizierung der Lärmmessungen betrifft Bewertungsfragen, z. B. die Frage, inwiefern die Bevölkerungsverteilung unterhalb von "Flugrouten" ein - entscheidender - Messwert sein solll3 oder ob z. B.
10 Vgl. zu den angegebenen Daten H-J. Koch, Aktuelle Probleme des Lärmschutzes, NVwZ 2000, 490, 491 m.w.Nw.; in der Tat hat sich die Verkehrsleistung im Flugpersonenverkehr von 1987 bis 1997 verdoppelt, vgl. Koch, a.a.O., 491 (FN 8) m. w. Nw. II Denkbar wäre - vorn Prinzip her - auch ein "Lärmemissionshandel" (emission Trading) oder eine andere Form der Lärmquotierung. 12 V gl. zu dieser bisher wenig erörterten Problematik W Erbguth, Raumplanung im Meer - unter besonderer Berücksichtigung des Natur- und Umweltschutzrechts, NuR 1999, 491 ff.; D. Czybulka, Ist die nationale Rechtsordnung auf ein integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) vorbereitet?, Z.geoI.Wiss. 2000: 683 ff. 13 So verflihrt z. B. das NIROS System (Noise Impact Reduction and Optimization System), vgl. E. Groeneveld / F. Pleines (Fn. 3) S. 2.
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nach Art der Planungskategorien des Bauplanungsrechts "gewichtet" werden muss. (3) Der Versorgungsgrad der Bevölkerung mit Kraftfahrzeugen, die (theoretische) Leistungsflihigkeit anderer (leiserer) Verkehrssysteme, der technische Fortschritt bei der Lärmminderung an Triebwerken aller Art 14 und der Rückgang der Bevölkerungszahlen in Deutschland lassen die Annahme realistisch erscheinen, dass Fluglärm insgesamt und auf räumliche Einheiten bezogen gesenkt werden kann. Das verfassungsrechtliche Verschlechterungsverbot ist also auch tatsächlich umsetzbar. Nun noch ein kurzer Blick auf das einschlägige Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG: These 2: Die angesichts des hohen Stellenwertes von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erforderliche, angemessene Berücksichtigung der Abwehr-, Lärmminderungs- und Schutzansprüche der Betroffenen kann derzeit weder im Verwaltungsverfahren noch bei der Rechtsschutzgewährung durch die Verwaltungsgerichte festgestellt werden.
Ein Blick in die Standardkommentare zum Grundgesetz zeigt eine weitgehende "Unterbelichtung" des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit. Schon ein quantitativer Vergleil;h etwa mit den Kommentierungen zu Art. 14 GG zeigt, dass hier noch ein erheblicher Forschungsbedarf bestehen muss. Das ist fast nicht verständlich, weil alle Kommentatoren vom hohen Stellenwert des Art. 2 Abs. 2 GG ausgehen. Die Lücken spiegeln in gewisser Weise die Ratlosigkeit der Kommentatoren angesichts weniger höchstrichterlicher Entscheidungen wieder. Betrachtet man die gegen eine effektive Verschärfung des Lärmschutzes vorgetragenen rechtlichen Gegenargumente, so werden Art. 12 und - vor allem filr die Ferienreisenden - Art. 2 Abs .. l GG herangezogen. Die Flughafenuntemehmer argumentieren z.T. auch mit Art. 14 GG. Art. 14 GG ist m.E. kaum einschlägig, weil die bestehenden Flughafenbetriebe sicherlich nicht in grundrechtsrelevanter Weise eingeschränkt werden sollen. Für Art. 12 gilt, dass kein anderes Verkehrsmittel in den letzten 20 Jahren derartige Zuwachsraten erzielte wie der Luftverkehr l5 und es schwerlich überzeugen dürfte, dass Lärmbeschränkungen (i.w.S.) "strangulierend" wirken könnten. Davor steht zunächst noch die derzeitige steuerliche Bevorzugung von Flugbenzin. Argumente, die auf eine Stärkung des "Standorts Deutschlands" zielen und auf wirtschaftspolitischen Forderungen beruhen, sind rechtlich irrelevant. Zu 14 Zu der erfolgten und möglichen Verringerung der Schallemission bei Verkehrsflugzeugen mit Strahltriebwerken vgl. jüngst U. Michel, Möglichkeiten zur kurzfristigen Verringerung von Flugzeug-Geräuschen in: DAL (Hrsg.), Interdisziplinäre Konferenz Fluglärm (2001), S. 71 ff. 15 Vgl. zur Luftverkehrsentwicklung in Deutschland das Diagramm bei K. Oeser / J-H Beckers, Bundesvereinigung gegen Fluglärm BVF (Hrsg.), Fluglärm 2000, 40 Jahre Fluglärmbekämpfung, Forderung und Ausblick, Düsseldorf 1999, S. 68.
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bedenken ist allerdings die internationale Verflechtung des Luftverkehrs, die als solche aber keinen Rechtfertigungsgrund fUr Grundrechtseinschränkungen der Lärrnbetroffenen liefern kann. 16
III. Flugrouten und Planung These 3: Flughafenplanung beginnt zwar nicht mit der Festlegung von An- und Abflugstrecken (Flugrouten), aber sie hat die möglichen Flugrouten von Beginn an planerisch zu integrieren, um rechtmäßige Planungsentscheidungen treffen zu können. Diesem Postulat entspricht die bisherige Praxis nicht.
Die These 3 bezieht sich vor allem auf die Neuanlage von Flughäfen (die allerdings kaum mehr in Frage kommen dürfte), die Anlage oder Erweiterung von Start- und Landebahnen und auch auf sog. Konversionsentscheidungen. Unabhängig von der Einkleidung in unterschiedliche Rechtsforrnen (PIanfeststellungsverfahren, Konversionsgenehmigung) ist die Entscheidung über die Anlage oder die Konversion eines Flughafens eine planerische Entscheidung. Da die Festlegung der Flugrouten eine ganz wesentliche Rolle zumindest bei der "Verteilung" der Lärrnbelastung spielt, während der zugelassene Flugbetrieb sozusagen "die Gesamtmenge" reguliert (besser: regulieren sollte), liegt es auf der Hand, dass die Daten über die durch die Flugrouten mitverursachte Ausbreitung des Fluglärms rur eine dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot unterliegende Planung 17 essentiell sind (oder genauer: sein müssten). Verfahrensrechtlich liegt die Entscheidung über die "Flugrouten" derzeit aber außerhalb der Regelungsgegenstände luftrechtlicher Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren l8 • In der Literatur wird die Auffassung vertreten, die Genehmigungsbehörde habe keine Regelungskompetenz fUr die Nutzung des Luftraums und könne deshalb bestimmte An- und Abflugrouten in der Genehmigung nicht festlegen 19. Dieser Auffassung liegt eine scharfe gedankliche Trennung von Flughafenbetrieb und Flugbetrieb zugrunde, deren Sinnhaftigkeit nicht ohne weiteres einleuchtet. Jedenfalls ist es faktisch so, dass im luftverkehrsrechtlichen (Genehmigungs-)Verfahren (soweit es noch durchgeftlhrt
16 Der militärische Fluglärm bleibt hier ausgeklammert; vgl. dazu und zur verfassungsrechtlichen Problematik jetzt auch J. Berkemann, Verfassungsrechtlicher Schutzanspruch der Bürger versus Förderung des Luftverkehrs und Notwendigkeit der Verteidigung, in: DAL (Hrsg.), Interdisziplinäre Konferenz Fluglärm (Fn. 14), S. 133 ff. 17 Vgl. BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 - II C 13 /99, NJW 2000, 3584 ff. = ZUR 2001,266; vgl. zu dem Urteil auch D. Czybulka (Fn. I). 18 P. Wysk (Fn. 4) 291. 19 H. Delbanco, Die Änderung von Verkehrsflughäfen, Berlin 1998, S. 82 m. w. Nw.
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wird oder wurde, vgl. z. B. filr die neuen Länder § 10 VerkWPIBG20 und Nachfolgebestimmungen) in keiner Weise über Flugrouten entschieden oder auch nur vorentschieden würde. Soweit es um die prognostische Beurteilung der Lärmimmissionsbelastung geht, werden zwar fluglärmtechnische Gutachten eingeholt (vgl. § 6 Abs. 2 S. 1 LuftVG), denen auch ein bestimmtes Flugbetriebsmodell mit bestimmten Flugstrecken zugrunde liegt (es geht technisch gar nicht anders 21 ), aber dieses Modell soll rechtlich in keiner Weise bindend sein. So hatte denn das Flugbetriebsmodell im Falle des Flughafens München 11 nachträglich ganz gravierende Änderungen erfahren. Diese Verlegung der Flugrouten führte in großflächigen Bereichen zu erheblichen Verschiebungen der Schalllast, ohne dass dies zuvor in irgendeiner Form von den nachträglich und deshalb auch erstmalig Betroffenen in das Zulassungsverfahren eingebracht werden konnte. Betroffen waren u.a. mehrere Gemeinden, die weder im luftrechtlichen Genehmigungsverfahren noch im Planfeststellungsverfahren beteiligt worden waren, weil sie nach der ursprünglichen Planung überhaupt nicht überflogen werden sollten. Eine ähnliche Auffassung wird dann auch rur die Plan/eststellung nach § 8 LuftVG vertreten. Hier soll sich die Begrenzung der Kompetenz der Planfeststellungsbehörde aus dem Begriff der - im übrigen weit verstandenen - "Flughafenanlage" ergeben. Dass in solchen Fällen einer nachträglichen Änderung der Flugrouten gegenüber dem Flugbetriebsmodell wohl eine Anwendung des § 75 Abs. 2 bis 4 VwVtD in Frage kommen muss mit der Konsequenz, dass diesen erstmalig Lärmbetroffenen dann Ansprüche auf Schutzanlagen oder Geldentschädigung (wie im Planfeststellungsverfahren) zustehen können, liegt auf der Hand 22 • Allerdings sind dies Sekundäransprüche, eine Überprüfung der primären Rechtmäßigkeit / Rechtswidrigkeit der (Planungs-)Entscheidung kann dies nicht ersetzen, insbesondere nicht bezüglich des entscheidenden Punktes, ob die Festlegung der Flugrouten als solche rechtsfehlerfrei erfolgte. Im übrigen - daran sei erinnert - scheiterten in der Vergangenheit die Kläger mit ihrem Primärrechtsschutz schon an ihrer - angeblich - fehlenden Klagebefugnis (siehe näher unten These 5). Die massiven Unzuträglichkeiten mangelnder Beteiligung und "planerischer Überraschungsentscheidungen" können nur dadurch behoben werden, dass wenigstens in das Planfeststellungsverfahren (bzw. bei dessen Entfallen im Ge-
ff.
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Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesctz vom 16.12.1991, BGBI. I S. 2174
Vgl. näher P. Wysk (Fn. 4) 291 und dort Fn. 21. P. Wysk (Fn. 4) 292 unter Bezug auf BVerwGE 80, 7 (13) u.a.; vgl. jetzt auch BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 - 11 C 13 /99, NJW 2000, 3584, 3586 = ZUR 2001,266, 268 a. E. 2\
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nehmigungsverfahren) die Prüfung und Festlegung der Flugrouten integriert wird. Ich plädiere deshalb in These 7 bei der erstmaligen Festlegung von Flugrouten rur ein integratives Verfahren. Dies entspricht dem Prinzip der umfassenden Konfliktbewältigung im Planfeststellungsverfahren, das an sich Grundlage jeder Planung und Entscheidung mit relevanten Umweltauswirkungen sein müsste, und einem Trend des europäischen Gemeinschaftsrechts. Das UVPG fordert eine Einbeziehung der Umweltverträglichkeitsprufung ,,so früh wie möglich bei allen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit" (eines Vorhabens), § I Nr. 2 UVPG. Inwiefern die Flugroutenfestlegung in diesen Fällen ein "vorgelagertes Verfahren" im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 UVPG ist, ist wohl umstritten, aber nach Sinn und Zweck der dem UVPG zugrundeliegenden gemeinschaftsrechtlichen Regelung ist jedenfalls eine Sonderstellung der Flughafenplanung zu verneinen 23 . Nur die integrative Sicht ermöglicht die Berücksichtigung der Planungshoheit der überflogenen Gemeinden (z. B. von Kurorten). Entscheidend dürfte dabei sein, welche Behörde Träger eines solchen Verfahrens sein sollte 24 • Der Einwand eines sog. Verbotes der Mischverwaltung wegen einer hier erforderlichen Kooperation der zuständigen Landesbehörden mit dem LuftfahrtBundesamt (und der DFS) greift nicht durch. Zum einen hat das BVerwG seine fiilhere Rechtsprechung zum Verbot der Mischverwaltung aufgegeben 2S , zum anderen zeigt das LuftVG selbst Beispiele solcher (erforderlichen) "Mischverwaltung", vgl. z. B. die Einbeziehung der Fluglärmkommission nach § 32 b LuftVG. Auch die Anderung von Flugrouten beinhaltet planerische und Abwägungselemente; sie ist also in ähnlicher Weise eine planerische Entscheidung wie ihre erstmalige Festlegung. Die bisherige Praxis (Festlegung der Flugrouten durch Rechtsverordnung des Luftfahrt-Bundesamtes) ist vor allem unter Rechtsschutzgesichtspunkten höchst problematisch26 • In These 7 schlage ich vor, dass spätere wesentliche Änderungen der Flugrouten in einem getrennten, rechtsstaatlichen und transparenten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, insbesondere ausreichender Beteiligung der Betroffenen und der Gemeinden, beschlossen werden sollten. Mir scheint - insoweit wohl anders als Wysk - die Grundrechtsbetroffenheit unter dem Aspekt des Art. 2 Abs. 2 GG durchaus ähnlich gewichtig zu sein wie in atomrechtlichen Verfahren Gedenfalls bei gröNicht ganz klar Erbguth / Schink, UVPG, § 2 Rn. 53 unter Bezug auf § 6 LuftVG. Jedenfalls müßte sichergestellt sein, dass Lärmschutzbelange ergebnisrelevant optimiert werden. 25 Vgl. dazu D. Czybulka, Das Rechtsregime der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im Spannungsfeld von Nutzungs- und Schutzinteressen, NuR 2001,367,371; P. Lerche, in: T. Maunz, G. Dürig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Art. 83 Rn. 85. 26 Vgl. dazu unten IV . 23
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Beren Verkehrsflughäfen), so dass sich hieraus ein Recht zur Verfahrensbeteiligung ableiten dürfte 27 • . Die Planung und Festlegung von Flugrouten sind hochkomplex 28 . Es sind technische Vorbedingungen zu beachten (so kann ein großes Verkehrsflugzeug nicht dauernd Schlangenlinie fliegen), die Anbindung an die internationalen Luftverkehrsstraßen ist zu gewährleisten usw. Aber auch die Bewertung der Auswirkungen auf die "Bevölkerung" und die nach § 29b LuftVG zu minimierenden Gefahren, erheblichen Nachteile und erheblichen Belästigungen ist nicht einfach. So sollte sicherlich die Bevölkerungsverteilung in den überflogenen Gebieten ein maßgebliches Kriterium bei der Festlegung der Flugrouten sein. Daneben ist aber wohl auch zu berücksichtigen, wie die überflogenen Gebiete genutzt werden bzw. welche Nutzung geplant ist. Möglicherweise sollten - jedenfalls künftig - die Grundsätze, die bei der Lärmminderungsplanung nach § 47 a BlmSchG entwickelt wurden, zugrundegelegt werden. Schon deshalb sollte das Verfahren zur "Problemabschichtung" phasenhaft gegliedert (Grobsteuerung, Feinsteuerung) sein und durch neutrale Sachverständige begleitet werden. Die örtliche Kommission nach § 32b LuftVG ist von Beginn an in geeigneter Form einzubeziehen, was heute schon weitgehend der Praxis entspricht, obwohl nach wie vor umstritten ist, inwieweit der Wortlaut des Gesetzes dies hergibt29 • Es scheint mir unverzichtbar, den lokalen / regionalen Sachverstand der Kommission neben dem Beratenden Ausschuss nach § 32a LuftVG einzubeziehen. Wegen seiner Komplexität sollte das Verfahren auch Raum bieten tUr innovative Elemente der Planung und Konfliktbewältigung.
IV. Flugrouten und Rechtsschutz These 4: Die Entscheidungen über die Festlegung der Flugrouten sind gerichtlich überprtifbar, wie auch immer sie "eingekleidet" werden. Die aktuell geltende Norm des § 29b LuftVG ist eine drittschützende immissionschutzrechtliche Norm 30 . In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte wurde früher bereits das Vorliegen der Klagebefugnis gegen die Änderung bzw. Festlegung von Flugrouten - letztlich wegen deren Einkleidung in die Rechtsform einer BundesRechtsverordnung - verneint, zum anderen kam es aus den eben erwähnten Vgl. P. Wysk (Fn. 4) 288, m. w. Nw. Dies ist allerdings kein Argument für eine Einschränkung des Rechtsschutzes, vgl. insoweit - gegen das BVerwG - D. Czybulka, ZUR 2001, 268, 270 f. und unten IV. (nach These 5). 29 Vgl. P. Wysk (Fn. 4) 288. 30 Vgl. schon D. Czybulka, Verwaltungsprozessuale Probleme bei der Klage gegen die Festlegung von "Flugrouten", DÖV 1991,410,411 fT. 27 28
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Gründen auch nicht zu einer "Inzident-Prüfung" der Flugrouten im Rahmen des Genehmigungs- und / oder Planfeststellungsverfahrens. Dieser von mir schon fiilhzeitig als unhaltbar bzw. "extrem rechtsschutzfeindlich" gekennzeichnete Zustand hatte sich zunächst dogmatisch noch verschärft, weil durch Neufassung des § 27a LuftV0 31 die Festlegung der Flugverfahren eindeutig durch Rechtsverordnung vorgeschrieben wurde und deshalb das Argument mit der "wirklichen Rechtsnatur" der Flugroutenfestlegung als einer Allgemeinverftlgung jedenfalls nicht mit großer Aussicht auf Erfolg aufrechterhalten werden konnte. Die ganz herrschende Auffassung in der Literatur und auch die Rechtsprechung lassen die ilirmliche gesetzliche Qualifikation der Einkleidung maßgeblich sein32 • Früher hatte der BayVGH - unbeanstandet vom BVerwG - Klagen Betroffener des Flughafens München II als unzulässig abgewiesen 33 , weil die VwGO keinen Rechtsschutz gegen Bundes-Rechtsverordnungen zuließe, zugleich aber auf die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde verwiesen; die seinerzeit klagenden Gemeinden (und Bürger) hatten aufgegeben und keine Verfassungsbeschwerde erhoben, wobei die nicht zu unterschätzenden Kosten derartiger Verfahren wohl das ihrige dazu beigetragen haben dürften. In anderen Verfahren ist es dann zur Verfassungsbeschwerde gekommen, die zwar von der 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen wurde, aber nur deshalb nicht, weil eine Klage vor den Verwaltungsgerichten nicht offensichtlich aussichtslos see 4 . Die Entscheidung ist eine schallende Ohrfeige rur die Oberverwaltungsgerichte, insbesondere den BayVGH, die offenbar das Fehlen einer speziell auf die Rechtsform der Flugroutenfestlegung bezogenen Klageart mit der Gewährleistung bzw. Nichtgewährleistung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes verwechselt hatten. Die Erkenntnis, dass die Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO unabhängig von der Rechtsform des Verwaltungshandelns Rechtsschutz gewährt, hatte sich nicht herumgesprochen. Boshafterweise hat das BVerfG den Verwaltungsgerichten auch keine Andeutungen über die in diesen Fällen richtige Klageart gemacht. Damit musste sich nun
Luftverkehrs-Ordnung i.d.F. vom 18. Mai 1993, BGBl. I S. 710, ber. S. 747. Vgl. OVG NRW, Urt. vom 19.8.1999,20 D 120/97. AK., S. 9; BVerwGE 70,77, 82; BVerwGE 11, 14, 16; Schach / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Loseblatt-Kommentar (Stand : März 1999), § 47 Rn. 23 ; Eyermann, VwGO, 10 A. 1998, § 47 Rn. 24; BVerfGE 95, 1, 15 f. )) VGH München, Gerichtsbescheid vom 30.11.1993 - 20 A 93 .40022 u.a., NVwZRR 1995, 114, 115; VGH München, Urt. vom 12.4.1994 - 20 A 93.40022 u.a., NVwZRR 1995, 117. 34 BVerfG, Beschl. vom 2.4.1997, NVwZ 1998,169; P. Wysk(Fn . 4) 290 m. w. Nw. in Fn. 17; A. Kukk, Rechtsschutz von Flughafenanwohnern gegen die Festlegung von Fugrouten: Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, NVwZ 2001, 408, 409. 31
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das BVerwG in seinem Urteil vom 28.6.200035 auf "Vorlage" des OVG Münster befassen. Die Vorlage (durch Zulassung der Revision) ist verdienstvoll, wenn auch spät. Auf der anderen Seite verstehe ich die Entscheidung des OVG Münster primär unter taktischen Gesichtspunkten, weil ich sonst die Auffassung des OVG Münster, eine Schutznorm sei nicht ersichtlich, kaum verstehen könnte. Auch dazu hatte ich zu Beginn der 90er Jahre Grundsätzliches geschrieben36. These 5: Die - längst überflHlige - Anerkennung der Klagebefugnis Betroffener bei der Verlegung von Flugrouten durch das Bundesverwaltungsgericht (Urt. vom 28.6. 2000 - I1 C 13 / 99) stützt sich in erster Linie auf das rechtsstaatliche Abwägungsgebot. Durch die Zuerkennung eines weiten Gestaltungsspielraums für das LuftfahrtBundesamt bei der Festlegung der Flugstrecken und einer - nicht gebotenen - Einschränkung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf "willkürliche" Streckenführungen ist eine Verbesserung des Primärrechtsschutzes der Betroffenen von dieser Rechtsprechung kaum zu erwarten. Das BVerwG hat in dem betreffenden Fall im Ergebnis die Feststellungsklage filr statthaft, dabei aber den Leistungsantrag des Klägers - in Übereinstimmung mit dem OVG - rur unstatthaft angesehen. Mit dem Ergebnis kann man natürlich leben, sofern die in der Feststellung steckende "Verpflichtung,,37 (nämlich die entsprechende Rechtsverordnung bezüglich der beanstandeten Abflugstrecke ggfs. aufzuheben) auch tatsächlich um- und durchgesetzt wird. Das BVerwG hat erneut offengelassen, ob und in welchem Umfang die Ermächtigungsgrundlage filr die angegriffene Rechtsverordnung (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 LuftVO LV.m. § 27a LuftVO) oder zumindest die Vorschrift des § 29b Abs. 2 LuftVG Schutznormen darstellen. Es hat sich auf das rechtsstaatliehe Abwägungsgebot zurückgezogen, eine "moderne" Tendenz in der Rechtsprechung des BVerwG, die in der Entscheidung im 107. Band dogmatisch vertieft wurde 38 . Das BVerwG hat es somit (erneut) vermieden, die Maßstäbe der Unzumutbarkeit von Lärm unterhalb der formal immer bestätigten, aber bislang zu keinerlei Konsequenzen genutzten verfassungsrechtlichen Ebene (Art. 2 Abs. 2, Art. 14 GG) anhand einfachgesetzlicher Normen (vor allem § 29b LuftVG, § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 LuftVG LV.m. § 27a LuftVO) zu entwickeln. Bekanntlich gibt es auch im Fluglärmgesetz keine brauchbaren Maßstäbe. Der Rückzug auf das Abwägungsgebot wird noch weiter aufgeweicht 35 BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 - 11 C 13 /99, NJW 2000,3584 ff. = NVwZ 2001. 71 L = ZUR 2001, 266 mit Anmerkung von D. Czybulka. 36 Vgl. D. Czybulka / T Wandres, Rechtsschutz gegen zivilen Fluglärm bei der Festlegung von "Flugrouten". DÖV 1990, 1033 ff.; D. Czybulka (Fn. 30). 37 Vgl. dazu BVerwG, NJW 2000. 3584. 3585. 38 BVerwGE 107,215; dazu D. Czybulka (Fn. I) 270.
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durch zwei m. E. erhebliche Fehlleistungen des 11 . Senats. Zum einen wird § 29b LufVG als Konkretisierung des Abwägungsgebots bezeichnet (was zutreffend ist), auf der anderen Seite aber sehr stark herausgestellt, dass § 29b LuftVG nicht ausschließe, dass eine Abflugstrecke trotz unzumutbarer Lärmbeeinträchtigung ftlr die betroffene Bevölkerung festgelegt werde. Dies mag zwar - im Einzelfall - das Ergebnis sein, bringt aber sicherlich nicht die Schutznormaussage des § 29b LuftVG ans Licht. Diese liegt darin, dass es sich um ein konkretisiertes Optimierungsgebor 9 im Rechtssinne handelt, also nicht einfach um Schutzaussagen, die "irgendwie" zu berücksichtigen sind oder sogar völlig außer Acht gelassen werden dürften. Es ist gedanklich auch nicht richtig, dass das Lärmpotential durch Flugrouten nicht verändert, sondern nur "verteilt" werde. Denn das Lärmpotential wird durch die Anforderungen des LuftVG / LuftVZO faktisch nicht begrenzt ("Blankettermächtigung,,)4o. Das Lärmpotential wird in Wirklichkeit maßgeblich durch die Betriebsregelungen festgelegt, die einen engen Zusammenhang mit den zur Verftlgung stehenden An- und Abflugstrecken aufweisen41 . Die Anfechtbarkeit einzelner Betriebsregelungen ist kaum möglich, jedenfalls höchst umstritten42 . Technisch ist es derzeit schon möglich, Satelliten-Navigation CGPS / FMS) so einzusetzen, dass keine Korrelation der "Flugpfade" auf die konventionelle Beschreibung der Flugrouten des jeweiligen Flughafens erfolgt. Es liegt auf der Hand, dass derartige Verfahren eine Steigerung der Flugbewegungs zahl ermöglichen können. Das Gericht hätte zumindest andeuten müssen, dass es diese technischen Zusammenhänge versteht; mit der unzutreffenden Formel von der "bloßen Verteilung des Lärmpotentials" im "vorgegebenen Rahmen" der Lage der Start- und Landebahnen hat das Bundesverwaltungsgericht - diese Prognose sei hiermit getan - wiederum Schlupflöcher eröffnet, die nur schwer zu schließen sein werden. Einige Vorschläge zur Verbesserung der Situation finden sich bei These 8.
39 Vgl. zum Begriff des Optimierungsgebotes R. Alexy, Theorie der Grundrechte, Frankfurt am Main 1986, S. 75 ff. 40 Vgl. den Wortlaut von § 42 LuftVZO. 41 Vgl. zum Zusammenhang zwischen Flugbetiebsregelungen und Immissionsschutz E. Bock, Verbesserung des Schutzes gegen Fluglärm - Pro und Kontra planerische Aspekte: Standortsicherheit rur Flughafen und Flugplätze - Berücksichtigung der Lärmbelastung bei der Stadtplanung, in: DAL (Hrsg.), Interdisziplinäre Konferenz Fluglärm (Fn. 14), 125, 128 f. 42 Gern. § 29 Abs. I S. 3 LuftVG ist das LBA befugt im Benehmen mit der zuständigen Landesimmissionsschutzbehörde Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigen durch Fluglärm zu treffen. Die Betriebsregelungen werden vom Flughafenkoordinator festgelegt, dessen Tätigkeit vom LBA als Aufsichtsbehörde überwacht wird.
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Schließlich begegnet die Entscheidung des BVerwG vom 20.6.2000 starken Bedenken, indem sie - ohne Not - die gerichtliche Überprüfung auf die" willkürliche" Nichtberücksichtigung von Flugrouten durch das Luftfahrt-Bundesamt beschränken will. Zunächst bereitet es erhebliche Mühe, den Ansatz des Senates hier dogmatisch überhaupt einzuordnen. Das Willkürverbot hat seine Wurzeln im Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der hier - soweit ersichtlich - nicht einschlägig ist. Insbesondere die Ergänzung des Willkürverbots des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die sogenannte neue Formel 43 , die die Problematik des Art. 3 GG eher als (verfassungs-)rechtliche Abwägung formuliert, filhrt zu einer strengeren Prüfung der Verhältnismäßigkeit44 • Art. 3 Abs. I GG ist auch kein "Supergrundrecht", das etwa Art. 2 Abs. 2 GG, dessen Schutzbereich hier eindeutig berührt ist (vgl. oben 11.), modifizieren könnte. Wenn die "Willkürlichkeit" sich als eine Erläuterung zum vom Senat gleichfalls angenommenen "weiten, allerdings nicht unbegrenzten" Gestaltungsspielraum der Behörde versteht, ist ihre Nennung überflüssig, weil Willkürlichkeit ohnehin verfassungwidrig ist. Wenn schließlich dieser Gestaltungsspielraum in Anlehnung an das "Normsetzungsermessen" als besonders weit charakterisiert werden sollte, wird übersehen, dass es der Sache nach hier nicht um eine echte Normsetzung geht, sondern um konkrete Regelungen mit einer gewissen planerischen Komponente. Schließlich könnte man vermuten - das Urteil selbst enthält insoweit keine Hinweise -, dass der 11. Senat in seinem Urteil vom 28.6.2000 auf ein Urteil des 4. Senats aus dem Jahre 1988 anspielen will, in dem das Bundesverwaltungsgericht eine gerechte Lastenverteilung bei einer Belästigung durch den Lärm von Militärfahrzeugen angemahnt hatte 45 • Auf diesen denkbaren Zusammenhang ist kürzlich J. Berkemann eingegangen 46 • In der Tat spricht gerade die eben behandelte (fehlerhafte) Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, das Luftfahrt-Bundesamt sei letztlich darauf beschränkt, den vorhandenen Lärm zu verteilen, dafilr, dass sich der 11. Senat von derartigen Überlegungen leiten ließ. Insofern läßt sich ja durchaus eine Verbindung zu Art. 3 Abs. I GG ("Anspruch auf gleiche Lastenverteilung") herstellen. Allerdings ist die Entscheidung des 4. Senats aus dem Jahre 1988 hier überhaupt nicht heranzuziehen: Seinerzeit war die mit Verfassungsrang Ständige Rechtsprechung des 1. Senats seit BVerfDE 55, 72, 88. Vgl. Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, München 1996, Art. 3 Rn. 14. 45 BVerwG, Urt. vom 11.11.1988 - 4 C 11/87 = NVwZ 1989, 255 ff. = DVBI. 1989,358. 46 1. Berkemann, Verfassungsrechtlicher Schutzanspruch der Bürger versus Förderung des Luftverkehrs und Notwendigkeit der Verteidigung, in: DAL (Hrsg.), Interdisziplinäre Konferenz Fluglärm (Fn. 14), 133, 138 f. 43
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ausgestattete Funktionsflihigkeit der Bundeswehr die entscheidende verfassungsrechtliche Maßgabe, weshalb es in diesen Fällen "nur" einen Anspruch auf gleiche Lastenverteilung geben konnte. Der zivile Luftverkehr und dessen Förderung besitzt jedoch in verfassungsrechtlicher Hinsicht keine herausgehobene verfassungsrechtliche Dignität, er ist rur eine verfassungsimmanente Begrenzung grundrechtlicher Positionen nicht geeignet47 • In den Urteils gründen wird weiterhin ausgefUhrt, dass es rur Willkür nicht ausreiche, wenn sich das LBA auf die DFS GmbH (vollständig!) verlasse 48 • Weitere Äußerungen betreffen die Tatsache, dass die Flugstreckenplanung im Gegensatz zu Verkehrswegeplanungen keine "parzellenscharfe" Beurteilung der Beeinträchtigung Dritter ermögliche49 • Tatsächlich ist aber eine etwas kompliziertere Tatsachen- und Bewertungsebene kein Grund, den Rechtsschutz und die Bewertungsmaßstäbe zu lockern. Eher drängt sich die gegenteilige Schlussfolgerung auf, wenn man z. B. die Parallele zum Gentechnik- oder Atomrecht zöge. Die dogmatischen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zur "Willkür" bleiben auch bei dem Versuch, sie zu ergründen, weiterhin im Dunkeln. Schließlich fUhrt das BVerwG noch aus, falls die Festlegung der Flugroute nicht willkürlich sei, aber zu einer unzumutbaren Lärmbelastung filhre, könne Rechtsschutz nur gegenüber der Flughafengenehmigungsbehörde erfolgreich seinso. Dies ist die Konsequenz der angenommenen Kompetenzbeschränkung des Luftfahrt-Bundesamtes, fUhrt aber - zu Ende gedacht - in eine Sackgasse. Nach der gegenwärtigen und oben referierten herrschenden AuffassungS 1 hat die Genehmigungsbehörde keine Kompetenzen in Bezug auf die Festlegung der Flugrouten. Wie soll dann ein Betroffener mit einer gegen die Genehmigungsbehörde gerichteten Klage in Bezug auf Flugrouten Erfolgsaussichten haben, ganz abgesehen davon, dass ein derartiger Rechtsschutz nicht dem Klageziel entsprechen würde? Greift die PlanfeststellungsfIktion nach § 71 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ein und ist der Rückgriff auf die Widerrufsvorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 4 LuftVG hierdurch ausgeschlossens 2, gäbe es keinen primären Rechtsschutz in welcher Form auch immer gegen die rechtswidrige Festlegung von Flugrouten. Die nachträglichen SchutzanspTÜche gemäß § 75 Abs. 2 Sätze 2-4 VwVfG (i.V.m. § 9 Abs. 2 LuftVG) geben in diesem Falle nicht mehr her als das vor-rechtsstaatliche "Dulde und Liquidiere".
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Zutreffend J Berkemann (Fn. 46), S. 139; ähnlich D. Czybulka (Fn. 6), S. 127. V gl. BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 - 11 C 13 /99 = NJW 2000, 3584, 3586. Vgl. BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 -11 C 13 /99 = NJW 2000,3584,3586. Vgl. BVerwG, Urt. vom 28.6.2000 - 11 C 13/99 = NJW 2000, 3584, 3586. Vgl. oben III. Vgl. dazu auch BVerwGE 105, S. 6.
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v. Fazit und einige Reformvorschläge These 6: Die gegenwärtige Behandlung der Fluglärmprobleme ist - auch - in juristischer Sicht in Deutschland außerordentlich unbefriedigend filr die (unfreiwillig) Lärmbetroffenen. Die Verwaltungs§erichtsbarkeit ist - aus welchen Gründen auch immer und anders als beim Verkehrslärm 3 - nicht in der Lage gewesen, filr angemessenen Rechtsschutz bei der Festlegung und Änderung von Flugrouten zu sorgen. Deshalb ist der Ruf nach dem Gesetzgeber hier im Prinzip gerechtfertigt. Allerdings hat auch der Gesetzgeber in der Vergangenheit wenig zur Lösung des Problems beigetragen.
Die Schaffung eines "echten" Fluglärmgesetzes wird schon seit Jahrzehnten eingefordert. Vielleicht gelingt es ja noch in dieser Legislaturperiodes4 . These 7: Eine gesetzliche Neuregelung sollte die Entscheidung Ober die erstmalige Festlegung von Flugrouten "integriert" und möglichst frühzeitig, d.h. grundsätzlich im Rahmen des Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahrens treffen; spätere wesentliche Änderungen sollten in einem getrennten, rechtsstaatlichen und transparenten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, insbesondere ausreichender Beteiligung der Betroffenen und der Gemeinden, beschlossen werden. Das Verfahren sollte auch Raum bieten filr innovative Elemente der Planung und Konfliktbewältigung. Das Verfahren sollte phasenhaft gegliedert (Grobsteuerung, Feinsteuerung) und durch neutrale Sachverständige begleitet werden, die Kommission nach § 32b LuftVG in geeigneter Form einbeziehen und ausreichenden Rechtsschutz gewährleisten. These 8: Die technische Entwicklung bei den Navigationssystemen (z. B. GPS 55 ) und lärmmindernden Maßnahmen muss zur Bündelung der Flugpfade (nicht zur "Verschmierung") und Reduzierung des Fluglärms Ober besiedelten Gebieten (und nicht zur verdeckten Kapazitätssteigerung und Ausfilllung von "Lärrnnischen") filhren. Dies muss auch rechtlich durchsetzbar sein.
Die Zahl der Flugbewegungen kann - auf der einen Seite - durch "modeme" Verfahren (GPS, satellitengestützt) technisch erheblich gesteigert werden. Es filhrt zu einer (indirekten) Kapazitätserhöhung des Flughafens, wenn man die Flugrouten "verschmiert" oder aufflichert. Diese Flugverfahren mit unschärferer oder diversifizierter StreckenfUhrung filhren zu einer Verlärmung vorher nicht oder nur geringfilgig Betroffener. Auf der anderen Seite könnten diese Verfahren wegen ihrer großen Genauigkeit aber auch zur besseren "Bündelung" bei Flugrouten genutzt werden. Mehr oder weniger "zuflillige" Lärmbetroffenheit könnte dadurch verhindert oder eingeschränkt werden. Den Betroffenen muß insoweit ein effektiver Rechtsschutz
53 BVerwGE 51, 15,29 ff.; BVerwGE 71, 150 ff.; BVerwGE 77, 285 ff.; danach Erlaß der 16. BImSchV. 54 Zum Stand der Novellierung des Fluglärmgesetzes H. Steinkempner, in: DAL (Hrsg.), Interdisziplinäre Konferenz Fluglärm (Fn. 14), S. 7 ff. 55 GPS steht rur Global Positioning System. Dabei handelt es sich um satellitengesteuerte Anflugverfahren.
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VertUgung stehen, weil ansonsten das Art. 20 a GG immanente Verschlechterungsverbot unterlaufen werden könnte. Infolge der Konversion oder gleichzeitigen Zulassung von zivilem Luftverkehr auf Militärflugplätzen taucht das Phänomen der Nutzung von (angeblichen) "Lärmnischen " auf. Wenn dieser Problembereich auch in erster Linie Fragen der Planrechtfertigung betreffen dürfte s6, so zeigen sich ähnliche Erscheinungen auch hier: In der Gesamtschau lässt eine nur gelegentliche Nutzung zahlreicher schlecht ausgelasteter Anlagen (bzw. Flugrouten) eine unzumutbare Belästigung filr Bürger und Gemeinden befilrchten. Ein Beispiel: Entgegen der oben s7 festgestellten eindeutigen Rechtslage der Bindung der Flugzeugfiihrer an die Flugrouten wird offenbar von dem Luftfahrt-Bundesamt bzw. der Deutschen Flugsicherung (DFS) oder jedenfalls von Regionalstellen s8 die Auffassung vertreten, dass von den Standard-Abflugverfahren bei (ab) einer Flughöhe von 1500 m bei Strahlflugzeugen (5000 Fuß) bzw. 3000 Fuß / 900 m bei PropeJlerflugzeugen aus verschiedenen Gründen, u.a. auch zur "wirtschaftlichen Verkehrs lenkung", abgewichen werden dürfe. Es beruft sich hierbei auf eine Richtlinie Fluglärmminderung der DFS, die mit dem BMVBW abgestimmt sei s9 . Abgesehen von den Umrechnungsungenauigkeiten Meter / Fuß kann diese Auffassung nur Staunen auslösen: So ergeben sich im vollbetankten Langstreckenverkehr 20 km vom Anrollpunkt entfernt in ca. 1380 m Höhe noch ca. 82 dB (A) Maximalpegel, gemessen am Boden, also sicherlich relevante Werte im Bereich der Belästigung. Die "Einzelfreigabe,,60 ist zwar auf Grund des § 26 Abs. 2 Satz 2 LuftVO (aus unbenannten Gründen) zulässig; diese darf aber nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgen und muss den Lärmschutz gegenüber den Standard-Abflugverfahren tendenziell erhöhen (!). Damit komme ich zu meiner abschließenden These 9: These 9: Verkehrspolitik sollte auch Rechtspolitik sein; der Luftverkehr ist kein rechtsfreier Raum. Das Luftverkehrsrecht bedarf eines Modernisierungsschubes, vor allem wirksamer immissionsschutzrechtlicher Regelungen. Die europäische und internationale Verflechtung ist keine Ausrede rur zu erledigende "Hausaufgaben".
S6 Vgl. die (mutigen) Entscheidungen des OVG Koblenz vom 26.9.2000 zum Flugplatz Bitburg (7 C 100088 1 99.0VG und 7 C 10154/99), vgl. auch Pressemitteilung des OVG Koblenz Nr. 32/2000. S. zur Planrechtfertigung auch den Beitrag von G. Manssen in diesem Tagungsband. S7 Vgl. oben I. S8 Vgl. Brief der RegionalsteIle Düsseldorf der DFS vom 26.8.1999 an die Gemeinde Lienen. S9 Schreiben der RegionalsteIle Düsseldorf der DFS vom 26.8.1999 an die Gemeinde Lienen. 60 "Flugverkehrskontrollfreigabe".
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Zur Stützung dieser These kann auch noch die eine oder andere frühere verkehrspolitische Aussage herangezogen werden; so hat die vorige Bundesregierung noch im Sept. 1997 beschlossen, dass eine langfristige Perspektive des Luftverkehrs darauf ausgerichtet sein sollte, dass die Flughäfen vorrangig dem Fernverkehr dienen 61 . Diese Weichenstellung erscheint vernünftig, weil das Lärrnniveau in Deutschland aus Verfassungsgründen zumindest nicht erhöht werden darf (im Vergleich zu 1994)62. Die Förderung der Eisenbahn mit ihrem "Schienenbonus" ist innerhalb Deutschlands zwingend erforderlich, wenn man diese Vorgabe einhalten will, ohne den Reiseverkehr insgesamt zu strangulieren. Der Straßenverkehrslärm - immer noch Problem Nr. I in diesem Bereich ist seinerzeit durch mutige Entscheidungen des BVerwG 63 in die Verantwortung des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers übergeben worden; beim Fluglärm und den Flugrouten ist dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht geschehen. Massiv hinderlich rur die Rechtsentwicklung war dabei sicherlich die Ausnahme nach § 2 Abs. 2 BlmSchG und das "Fluglärmgesetz", welches bislang kein Immissionschutzgesetz ist. Jetzt muss man eben auch in diesem Bereich Farbe bekennen64 • Das europäische Gemeinschaftsrecht eröffnet erhebliche Möglichkeiten fiir nationale "Alleingänge" in diesem Bereich. Weder durch Gemeinschaftsrecht noch durch internationale Vereinbarungen wird die (nationale) Suche nach einer Optimierung von "Flugrouten" und deren Festlegung eingeschränkt. Diese Hausaufgaben sind noch zu erledigen 6s .
6\ Kabinettsbeschluß vom 17.9.1997, wiedergegeben bei K. Oeser / J.-H. Beckers. Bundesvereinigung gegen Fluglärm BVF. (Hrsg.), Fluglärm 2000 (Fn. 15), S. 10, 12 f. 62 Es folgt aus dem absoluten Verschlechterungsverbot des Art. 20a GG, vgl. dazu bereits oben 1.; D. Czybullw (Fn. 7), 105; D. Murswiek (Fn. 7). 63 BVerwGE 51, 15,29 ff.; BVerwGE 71,150 ff.; BVerwGE 77, 28511; danach Erlaß der 16. BImSchV. 64 R. Geulen / R. Klinger, Rechtsschutz Dritter gegen Flughafenlärm, NJW 2000, 1038, 1039, gehen zutreffend davon aus, dass "die gesetzlichen Regelungsdefizite des Schutzes vor Fluglärm die Schwelle der verfassungsrechtlichen Handlungspflicht des Gesetzgebers" erreicht haben. 65 Im Ministerium rur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen erarbeitet. Dieser Entwurf wird derzeit mit den Ressorts abgestimmt. Siehe auch oben Fn. 54.
Aktuelle Rechtsfragen des Ausbaus von Verkehrsflughäfen Von Peter Wysk
Inhaltsverzeichnis I.
Einleitung ........ ............ ........ ..... .............. ...................................... ....... .......... 28
11.
Kapazität ......................................... .... ........................ .................... ,.............. 30 1. Kapazitätsbegriff ..................................................................................... 30 2. Luftseitiges KapazitätsprofiJ ............ ....................................................... 3 1
III. Betriebserweiterungen im Rahmen bestehender Anlagenkapazitäten .......... 1. Technische Ausweitungen des Flugbetriebs ............................................ 2. Anlagenüberwachung .. ......... .................................... ........ ...... ............ ...... 3. Betriebserweiterungen ..............................................................................
32 32 33 37
IV. Ausbau der luftseitigen Anlagenkapazität ..................................................... 1. Vorgehen der Planfeststellungsbehörde ...... ............................................. 2. Der anzunehmende Nutzungsumfang ....................................................... 3. Vorbelastung ..................................................................................... .......
37 37 38 40
V. Neubau und Erweiterung von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände ......... 41 VI. Schrittweiser Ausbau ..................................................................................... 1. Nachfrageorientierte Anpassung .............................................................. 2. Aufspaltung funktional einheitlicher Vorhaben ............ ................ .......... . a) Problemlage .......................................................... ............................... b) Verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz ................................................. aa) Bestandskraft ........................................ .......... ............................... bb) Wahrung subjektiver Rechte ...................................... ................... cc) Fehlerbehebung ............................................................................. dd) Schutzauflagen .............................................................................. ee) LärmvorbeJastung ......................................................................... c) Zivilrechtliche Anspruche ................................................................... aa) Erhöhter Bestandsschutz nach § 9 Abs. 3 LuftVG ....................... bb) § 14 BImSchG i.V.m. § 11 LuftVG ..............................................
44 44 46 46 48 48 48 49 49 49 50 50 50
VII. Ausblick .......................... ................. .... .......................................................... 51
PeterWysk
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I. Einleitung "Einprägsame Orte ... mit Funktionen ähnlich denen mittelalterlicher Marktplätze", so beschrieb vor einigen Jahren eine Verlagsbeilage der FAZ (vom 28.10.1997) das Ergebnis einer erstaunlichen Metamorphose mancher Flughäfen, vor allem der Hubs, von tristen Transiträumen zu quasi-urbanen Orten mit hohen Aufenthaltsqualitäten. In der Tat, auch an deutschen Flughäfen hat sich viel getan und das hat ausschließlich wirtschaftliche Gründe. Dafilr haben diese stadtähnlichen Orte aber nicht nur mit den Problemen großer Unternehmen zu kämpfen, sondern auch reichlich mit Problemen, mit denen es modeme Großstädte zu tun haben. Diese Probleme reichen von "A" wie Abfallbeseitigung bis hin zu "Z" fUr die Bewältigung des Zu- und Abgangsverkehrs; dazwischen gibt es nur wenige Buchstaben des Alphabets, die nicht auf Problempotenzial hindeuteten, so etwa: "L" filr Luftverschmutzung, ,,0" fUr Oberflächenentwässerung, "S" filr Sicherheit und natürlich "V" filr Verlärmung. Man muss sich vor Augen fUhren, dass deutsche Flughäfen statistisch gesehen mehrmals jährlich von der gesamten Bevölkerung einer nahe gelegenen Großstadt aufgesucht werden (bei 15 Mio. Passagieren p.a. sind das im Durchschnitt täglich rund 41.000 Menschen). Das sog. Non-Aviation-Geschäft floriert, und manchem mögen Flughäfen als Einkaufszentren mit internationaler Anbindung erscheinen. Kaum etwas, das man hier nicht noch schnell besorgen könnte; direkte Zugänge zu den Gates sind "out", rücksichtsvoll werden wartende Fluggäste in der "dwell time" zur Befriedigung ihrer Bedürfuisse an üppigen Einkaufsarkaden vorbeigeschleust. Deshalb überrascht mich nicht, wenn behauptet wird, jeder Fünfte, der einen Flughafen aufsucht, habe mit dem Fliegen nichts am Hut. Auch in ihrer Hauptfunktion als Knotenpunkt der Verkehrsräume Boden und Luft bilden Flughäfen "Achillesfersen", die Kapazitätsengpässe zu Verspätungen aggregieren. Die anhaltend wachsende Nachfrage nach Luftverkehrsverbindungen, die nach allen Schätzungen im Passagierbereich derzeit und voraussichtlich weiterhin - die Schätzungen reichen bis zum Jahr 2015 - mit einem jährlichen Plus von 3-5 % zu Buche schlägt, wird diese Probleme weiter verschärfen. Das erzeugt einen hohen, politisch allerdings sehr willkommenen Investitionsdruck, der im Flughafenkonzept der Bundesregierung vom August 2000 1 allein fUr unsere 17 internationalen Verkehrsflughäfen auf 30 Mrd. DM beziffert wird. Regionalflughäfen und Landeplätze werden in eine Sogwirkung geraten, die zusätzlich durch europäische Vorgaben kraftvoll befördert wird.2 So haben die Bestimmungen der "Joint Aviation Authorities" (JAA) fUr den siDazu auch VerJ, ZLW 2001,173 ff. VgI. auch den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates Ober die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ABlEG Nr. L 192 vom 28.7.2000, S. 36 ff. I
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cheren Betrieb von Luftfahrzeugen (hier: JAR-OPS 13) einen mittelbaren Zwang zum Ausbau kleinerer Landeplätze zur Folge. Die von den JAA beschlossenen "Joint Aviation Requirements" sind zwar rechtlich gesehen nur unverbindliche Empfehlungen einer der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC) angeschlossenen Arbeitsgemeinschaft europäischer Luftfahrtverwaltungen; doch werden diese Empfehlungen von den meisten Mitgliedstaaten - so auch von der Bundesrepublik - zügig in nationales Luftrecht eingebaut. 4 Das 3. Jahrtausend beginnt also rur die luftrechtliche Fachplanung mit einem Jahrzehnt weiterer Herausforderungen. Die Belastbarkeit des geltenden Planungsrechts ist dabei durchaus nicht über jeden Zweifel erhaben. Denn der Flugverkehr belastet wegen der funktionalen Affinität von Flughäfen zu Ballungsgebieten auf vielfltltige Weise die Umgebung. Andererseits wächst nicht nur unser kritisches Umweltbewusstsein, sondern auch die Kenntnis von den nachteiligen Wirkungen des Luftverkehrs. Insofern befinden wir uns heute auf einer völlig anderen Stufe als noch in den 70er Jahren, in denen das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (vom 30.3.1971) als rechtspolitische Großtat gefeiert werden durfte. Der Erkenntnisfortschritt wird mindestens längerfristig zu einem deutlichen Sinken der bislang gängigen Grenzwerte filhren. Die sich kompetenzieH ausweitende Europäische Gemeinschaft wird dazu mit neuen umweltpolitischen Zielvorgaben das Ihre beitragen. Die Konfliktlage der nächsten 10 Jahre wird mithin durch zwei Fragen geprägt werden: Wie können die Leistungen der bestehenden Flughäfen gesteigert werden; und welche Belastungen der betroffenen Menschen und der natürlichen Lebensgrundlagen sind verantwortbar? Die planerischen Überlegungen werden damit um zwei Begriffe und ihre Zuordnung zueinander zentriert: um den Begriff der Flughajenkapazität und um den Begriff der Zuinutbarkeit. Es scheint mir durchaus kein Zufall, dass Kritiker der Ausbaubestrebungen den Begriff der Zumutbarkeit neuerdings gern durch denjenigen der "Umweltbelastungskapazität", kurz "Umweltkapazität", ersetzen und damit gezielt zwei Kapazitätsbegriffe aufeinander prallen lassen. In planerischen Zusammenhängen erscheint mir ein "geläuterter" Kapazitätsbegriff durchaus ein Schlüssel zu sein, der Zugang zu wesentlichen rechtlichen Strukturen verschafft. Deshalb möchte ich zunächst hierzu etwas weiter ausholen, zumal im deutschsprachigen Raum nur sehr wenig über den Kapazitätsbegriff zu finden ist:
3 Bestimmungen der JAA über die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen in Flugzeugen vom 4.8.1998 - JAR-OPS 1 deutsch - (BAnz. Nr. 18Ia). 4 Hinsichtlich der JAR-OPS 1 durch die Fünfte Durchftlhrungsverordnung zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (5. DVLuftBO) vom 5.10.1998 (BAnz. S.14993, 16350).
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11. Kapazität 1. Kapazitätsbegriff "Kapazität" ist eine Kennzeichnung (kein Maß) ft1r die Betriebsleistung(en) eines Flughafens. ~ Dazu vfer Präzisierungen: (I) Flughäfen erbringen sehr verschiedene Betriebsleistungen, ft1r die je eigene Kapazitäten bestehen und die mit eigenen Kennwerten beschrieben werden müssen. Die planerisch wichtigsten Größen sind die sog. landseitige Kapazität (die den Durchsatz an Passagieren, Fracht oder Post meint) und die luftseitige Kapazität, also die Zahl der möglichen Flugbewegungen (Starts und Landungen). (2) Gemeint ist stets das Potenzial eines Flughafens, d.h. der maximale Output einer bestimmten Betriebsleistung. Die luftseitige Kapazität kann als theoretisches (grenzwertiges) oder als ein tatsächlich erzielbares Maximum beschrieben werden. Als grenzwertige Größe zielt sie auf die Höchstzahl an Flugzeugen, die auf einern Flughafen unter idealisierten Betriebsbedingungen (nämlich bei gleichmäßigem Zu- und Abfluss) in einer bestimmten Zeiteinheit abgewickelt werden könnten ("End- oder Sättigungskapazität"). Davon scharf zu unterscheiden sind praktische Kapazitätsbegriffe, die realistische Betriebsbedingungen (insbes. Wartezeiten) zugrunde legen. Das Verhältnis der Kapazität zur tatsächlichen Nutzung, die hinter dem Potenzial mehr oder weniger deutlich zurückbleiben kann, beschreibt den Ausnutzungsgrad in einern bestimmten Zeitpunkt. (3) Kapazität ist eine betriebsbezogene Größe, die durch die baulichen Anlagen eines Flugplatzes allein nicht festzulegen ist. Sie ergibt sich erst im Zusammenspiel der Anlagen mit einem genau bestimmten Betriebsszenario, also insbes. einern Flugzeugmix (der über den flugsicherungstechnisch gebotenen Abstand der Starts und Landungen mit entscheidet), den verfilgbaren Flugsicherungsverfahren und den flugklimatologischen Bedingungen am Ort. Daraus folgt, dass die Kapazität eines Flughafens niemals durch einen einzigen, absoluten Wert gekennzeichnet werden kann. Die betrieblichen Parameter sind als Variable zu begreifen; die Kapazität ist demgemäß selbst eine Variable und kann nur durch eine Funktion beschrieben werden, die wiederum auf einen Grenzwert zuläuft. Dessen Lage hängt ab von den planerischen Vorentscheidungen der Luftfahrtbehörde, die sich in Betriebsregelungen niederschlagen, aber auch z.B. in progS Vgl. auch Verf, Umweltkapazität von Verkehrsflughäfen, in: Benkö I Kröll (Hrsg.), Luft- und Weltraumrecht im 2l. Jahrhundert, Festschrift rur Karl-Heinz Böckstiegel, 2001, S. 256 (265-270).
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nostischen Einschätzungen enthalten sein kann, wie dies bei der vertretbaren Wartezeit ft1r startbereite Flugzeuge am Boden und landebereite Flugzeuge in der Luft der Fall ist. 6 Kapazitätserschöpfung kündigt sich daher an durch eine Zunahme von Verkehrsbehinderungen; sie tritt ein, wenn die Behinderungen die planerischen Vorgaben überschreiten. (4) Kompliziert sind die Beziehungen zwischen der landseitigen und der luftseitigen Kapazität. Technisch gesehen sind beide grundsätzlich voneinander unabhängig, weshalb zwischen dem Potenzial der Start- und Landebahnen und dem Potenzial der Abfertigungsanlagen große Ungleichgewichte bestehen können. Die Beanspruchung der Landseite fUhrt allerdings zu einer verstärkten Ausnutzung der Luftseite. Einfach zu beschreibende Relationen bestehen insoweit freilich nicht; insbes. sind unmittelbare Rückschlüsse von der Zahl der Fluggäste auf die Zahl der Flugbewegungen nicht möglich. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Flughafen Dresden mit wünschenswerter Klarheit hervorgehoben, dass es einen verlässlichen Erfahrungswert über den Zusammenhang zwischen der Abfertigungskapazität und den flugbewegungsabhängigen Lärmeinwirkungen nicht gibt. 7 Allerdings ist klar, dass eine kontinuierlich stärkere Auslastung der Landseite früher oder später eine vennehrte Inanspruchnahme der luftseitigen Kapazität und schließlich einen Handlungsdruck zu deren Ausweitung zur Folge haben wird. Ab wann aber ein stärkeres Passagieraufkommen zu einem Mehr an Flugbewegungen filhren wird, lässt sich nur bei Kenntnis der konkreten Abwicklung des Luftverkehrs (etwa dem eingesetzten Fluggerät, dem Sitzladefaktor oder den gewählten Destinationen) vorausschätzen.
2. Luftseitiges Kapazitätsprofil Im Sprachgebrauch der Juristen scheint sich filr die luftseitige Kapazität mittlerweile der Begriff der technischen Kapazität eingebürgert zu haben. Als deren maßgebliche Grundlage erscheinen dem Gesetzgeber die baulichen Anlagen eines Flughafens, genauer: diejenigen Flächen und Baulichkeiten, die durch Luftfahrzeuge genutzt werden. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die kapazitätsbestimmende Verknüpfung dieser Anlagen mit den betrieblichen Gegebenheiten offensichtlich bereits bei Einfiihrung der Planfeststellung in das
6 Vgl. BVerwG, Vrt. vom 5.12.1986 -4 C 13.85-, VA S. 72 (in den Veröffentlichungsfassungen, z.B. BVerwGE 75, 214 tT., nicht abgedruckt). 7 BVerwG, Vrt. vom 15.9.1999 - 11 A 22.98 -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17.
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Luftverkehrsgesetz8 erkannt, was daraus zu ersehen ist, dass die Größenordnung des Flugplatzes, die die Planfeststellungspflicht auslöst, seitdem an das Erfordernis eines Bauschutzbereichs geknüpft ist (§ 8 Abs. 1 S. 1 LuftVG), dessen Notwendigkeit (bei Flughäfen) bzw. Sachdienlichkeit (bei Landeplätzen) wiederum von Art und Umfang des Flugbetriebs abhängt (vgl. § 38 Aps. 1 LuftVZO bzw. § 17 LuftVG). Zu den planfeststellungsbedUrftigen Anlagen zählen in erster Linie die Flugbetriebsflächen, also die Rollflächen (Start- und Landebahnen und Rollwege) und die Vorfelder, d.h. fur die Aufnahme von Luftfahrzeugen zum Ein- und Aussteigen von Fluggästen, Ein- und Ausladen von Fracht und Post, zum Beund Enttanken, zum Abstellen oder zur Wartung bestimmten Flächen. Die Auffassung, die kapazitäts bestimmenden Betriebsflächen beschrankten sich auf das Start- und Landebahn-System, ist planungsrechtlich nicht zu halten. Diese Auffassung vernachlässigt, dass Start- und Landebahnen in die Infrastruktur der sie umgebenden Flächen eingebunden sind, mit ihnen also einen funktionalen Verbund bilden. 9 Dass die (Teil-)Kapazität der Start- und Landebahnen bei der Festsetzung des Koordinierungseckwertes (§ 27a Abs. 2 LuftVG) den entscheidenden Parameter darstellt, ist aus dem Blickwinkel der Slot-Koordinierung (d. h. der Vergabe von Start- und Landezeiten) verständlich. Planerisch ist dies freilich zu eng, weil damit wesentliche zu bewältigende Probleme (z. B. die Gesamtleistung des Systems in Spitzenzeiten oder der Bodenlärm) ausgeblendet würden.
IH. Betriebserweiterungen im Rahmen bestehender Anlagenkapazitäten 1. Technische Ausweitungen des Flugbetriebs Nach gefestigter Rechtsprechung ist die bloße gesteigerte Ausnutzung der Kapazität eines uneingeschränkt genehmigten Flugplatzes kein genehmigungsoder planfeststellungsbedürftiger Tatbestand (Erweiterung oder Änderung i.S. von § 6 Abs. 4 S. 2, § 8 Abs. 1 LuftVG).1O Dieser gedankliche Ausgangspunkt,
8 Durch Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 5.12.1958 (BGBI. I S.899). 9 OVG NRW, Urt. vom 23 .11.2000 - 20 D 115/ 97.AK -, UA S. 16 f. (rechtskräftig nach Zurückweisung der Revisionszulassungsbeschwerde durch BVerwG, Beschl. vom 29.5.2001-9 B 18.01). 10 BVerwG, Urt. vom 21. Mai 1997 - 11 C 1.97 -, NVwZ-RR 1998, 22 (zum Flughafen Köln / Bonn).
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der letztlich auf eine unangreifbare Tautologie hinausläuft (und das eigentliche Problem zu Recht in die Auslegung der Zulassungsgrundlagen verschiebt), stellt es dem Flughafenbetreiber frei, den Flugbetrieb bis zur Grenze des technisch jeweils aktuell Machbaren auszudehnen und dabei auch den kapazitätserweiternden technischen Fortschritt auszunutzen, soweit - was im Einzelfall zu ermitteln ist - die Zulassungs grundlagen keine Einschränkungen enthalten. Dieser Umstand steht im Zentrum verständlicher Kritik. Denn der Fortschritt bei den flugbetrieblichen Möglichkeiten und Flugsicherungsverfahren, also der rein technische Wandel betrieblicher Parameter, hat die Kapazität der Flughäfen im Laufe der Zeit beträchtlich erhöht, ohne dass die Betriebsflächen angetastet oder neue planerische Entscheidungen getroffen worden sind. Und die Entwicklung ist mitnichten abgeschlossen. So wird seit einiger Zeit am Flughafen Frankfurt / Main ein Verfahren erprobt, bei dem der Aufsetzpunkt rur Kurzund Mittelstreckenflugzeuge um 1.500 Meter bahneinwärts verschoben wird; bei gutem Wetter können dadurch die Abstände zwischen anfliegenden Flugzeugen verringert werden, ohne nachfolgende Flugzeuge durch Wirbelschleppen zu geflihrden (HALS I DTOP = High Approach Landing System - Dual Threshold Operation); auch das Wirbelschleppen-Forschungsprogramm des DLR und manch andere neue Technik sind hier anzufilhren (etwa das gerade erprobte "LDSS" - Local Decision Support System, ein Projekt zur betrieblich sinnvollen Aufbereitung, Darstellung und ZurverfUgungstellung der Luftfahrtdaten von DFS, DLH und FAG). Kritisch sehen kann man diese - genehmigungsrechtlich nicht begleiteteEntwicklung generell, vor allem aber bei sog. unbeschränkten Altgenehmigungen aus der ersten Ausbauphase in den 50er und 60er Jahren, in denen schlechthin nicht vorausgesehen werden konnte, welcher Flugbetrieb sich später entwickeln würde. Gerade dies wirft die Frage auf, ob es einem Flughafenbetreiber erlaubt ist, mit derartigen technischen Mitteln, gewissermaßen an den Zulassungsbehörden vorbei, auch den Fluglärm beliebig auszudehnen. Diese Frage ist von Flughafennachbarn wiederholt aufgeworfen und auch in der Rechtsprechung behandelt worden. Ich möchte sie hier mit dem Stichwort der "Anlagenüberwachung" beantworten.
2. Anlagenüberwachung Die Zulassung von Flugplätzen erfolgt durch Dauerverwaltungsakte, die indessen nicht rechtswidrig werden, wenn sich die rur ihre Erteilung maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich ändert. In dieser Hinsicht gilt dasselbe wie im Baurecht oder im Immissionsschutzrecht, wo eine legal aufgenommene Nutzung wie bisher ausgeübt und nicht beanstandet werden kann, selbst wenn 3 Ziekow
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neue Vorschriften entgegenstehen. 11 Selbstverständlich hat es damit aber nicht sein Bewenden. Als Korrektiv ist der Luftfahrtbehörde aufgegeben, die Verträglichkeit ihrer Zulassungsentscheidung fUr die Umgebung des Flughafens fortlaufend unter Kontrolle zu halten, also insbes. die Zumutbarkeit des Flugbetriebs von Amts wegen ständig zu überwachen. Ich möchte dies "Anlagenüberwachung" nennen (oder mit einem älteren Begriff: "Konzessionsaufsicht"). 12 Das luftrechtliche Planungsrecht enthält ein Instrumentarium, das der Luftfahrtbehörde eine wirksame Überwachung solcher Art erlaubt und sie beflihigt, auf Änderungen der Sach- oder Rechtslage - teilweise unter Durchbrechung der Bestandskraft von Genehmigungen usw. - effizient zu reagieren: I.
Sie kann sich jederzeit Informationen beschaffen: sich die Messdaten der Fluglärmüberwachungsanlage vorlegen lassen (§ 19a LuftVG), Auskünfte des Flughafenbetreibers einholen oder möglicherweise sogar die Vorlage von Gutachten verlangen (Auflagenvorbehalte; § 47 Abs. I LuftVZO).
2.
Sie kann nachträglich Schutzvorkehrungen verftlgen. Rechtsgrundlage ist § 75 Abs. 2 S. 2 bis 4 LVwVfG i.V.m. § 9 Abs. 2 LuftVG, die eine nachträgliche Planergänzung ermöglichen. Praktisch handelt es sich ausschließlich um passiven Schal/schutz l ) bei unzumutbarem Lärm, der entgegen der Prognose der Behörde oder nach Ablauf eines in früheren Entscheidungen angesetzten Prognosezeitraums eintritt und als seinerzeit nicht voraussehbare Wirkung des Flugbetriebs zu beurteilen ist. Für kleinere Flugplätze ohne Bauschutzbereich, die durch bloße Genehmigung zuzulassen sind, ist die Möglichkeit nachträglicher Genehmigungsergänzungsansprüche in entsprechender Anwendung der Planfeststellungsvorschriften anerkannt. 14 Die Gewährung individuellen Schallschutzes setzt zwar einen Antrag des betroffenen Anwohners voraus (§ 75 Abs. 3 VwVfG); dies schließt es m.E. jedoch nicht aus, von Amts wegen Schutzgebiete (außerhalb des Fluglärmschutzgesetzes) neu festzulegen, mit denen die Zumutbarkeitsgrenze der aktuellen Daten- und Erkenntnislage (z.B. auch bei Flugroutenänderungen) angepasst wird (dazu 3. und 4.).
3.
Schließlich kann die Behörde aktiven Schallschutz in Gestalt von Betriebsbeschränkungen jeder zulässigen Art durchsetzen, z.B. Nachtflugbe-
11 Gehrkel Brehsan, NVwZ 1999,932 ff. m.w.N.; BVerwG, Urt. vom 25.11.1970IV C 119.68 -, BVerwGE 36, 296 (300 f.). 12 In Abgrenzung insbes. zur Luftaufsicht Lw.S. (§ 29 Abs. 1 S. 1 LuftVG, § 47 LuftVZO), di!: im vorliegenden Zusammenhang nur die Prüfung umfasst, ob der Betrieb dauerhaft in Ubereinstimmung mit den jeweils gültigen Zulassungsgrundlagen stattfindet, deren "Umweltverträglichkeit" in der aktuellen Situation aber nicht einschließt. 13 Vgl. die Gründe bei VerJ, ZLW 1998,456 (463). 14 Nachweise bei BVerwG, Urt. vom 15.9.1999 (oben Fn. 7); Verf., ZLW 1998,456 (465 bei Fn. 33) m.w.N.
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schränkungen, Bewegungskontingente und (nicht unzweifelhaft) Lännkontingente. Rechtliche Grundlage ist insofern ft1r kleinere Flugplätze die Widerrufsvorschrift des § 6 Abs. 2 S.4 LuftVG. Betriebsbeschränkungen sind dann als teilweiser Widerruf der Flugplatzgenehmigung anzusehen. 4.
Unsicherheit über die Widerrufsmöglichkeit bestand lange Zeit bei planfeststellungsbedUrftigen Flugplätzen: Hier schließt es die Konzentration des Rechtsschutzes auf den Planfeststellungsbeschluss - d. h. die in § 75 Abs. I S.2 VwVfG angelegte Gestaltungswirkung gegenüber allen vom Plan Betroffenen - aus, auf die Widerrufsvorschrift des § 6 Abs. 2 S. 4 LuftVG zurückzugreifen; diese gilt nur filr Flugplätze, die ausschließlich auf der Grundlage einer (isolierten) Genehmigung nach § 6 LuftVG betrieben werden. 15 Das Bundesverwaltungsgericht hat aber mittlerweile rur das Luftverkehrsrecht (wie zuvor filr das Atomrecht) geklärt, dass Planfeststellungsbeschlüsse - auch nach § 71 LuftVG fingierte - widerrufen werden können, und zwar nach der allgemeinen Widerrufsvorschrift des § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, die von § 72 Abs. I VwVfG in Bezug genommen wird. In der Presse hat dies das Missverständnis hervorgerufen, der Widerruf sei zwingend vorzunehmen, soweit unzumutbare Lärmwirkungen bestünden (betroffen war der Nachtflug am Flughafen Köln / Bonn). Die Ausfilhrungen des Bundesverwaltungsgerichts lassen aber keinen Zweifel daran, dass es sich um eine theoretische Erwägung handelt und dass der Widerruf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die ultima ratio darstellt. Drittbetroffene können daher einen teilweisen Widerruf - und nur darum geht es praktisch - erst dann verlangen, wenn passiver Schallschutz als Abhilfe nicht ausreicht. In dieser Modifikation der Widerrufsnorm zeigt sich die erhöhte Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses.
Sieht man sich das rechtliche Instrumentarium unter dem Blickwinkel an, wie es die Flughafennachbarschaft im Verhältnis zu Verfahren bei der Neuanlage eines Flughafens schützt, so sind vor allem zwei Unterschiede zu erkennen: 15 Vg!. BVerwG, Besch!. vom 19.8.1997 -11 B 2.97-, Buchholz 442.40 §9 LuftVG Nr. 8; Urt. vom 28.6.2000 - 11 C 13.99 -, NIW 2000, 3584 (3586) unter Hinweis aufBVerwGE 105,6. Ein Widerruf (nur) der Genehmigung verbietet sich bei planfeststellungsbedürftigen Flugplätzen in jedem Falle, gleichgültig, ob eine Einschränkung von Dritten im Rechtsschutzwege verlangt wird oder ob die Behörde von sich aus die Einschränkung betreibt. Der Widerruf der Genehmigung beseitigte zwar die Berechtigung des Flughafenbetreibers, den widerrufenen Teil des Betriebes durchzuftlhren; der Betreiber könnte diese Betriebseinschränkung indes wegen der Betriebspflicht, die weiterhin durch den unveränderten Planfeststellungsbeschluss bestimmt wird, nicht gegenüber den Nutzem seiner Anlage durchsetzen: Im "Außenverhältnis" zu den Luftfahrzeughaltern (Fluggesellschaften) bliebe also alles beim Alten; vgl. zu einer ähnlichen Problematik: Ver! (oben Fn. 13), S. 463 f.
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(1) Eine Abwägung des (ohne Schutzvorkehrungen) zumutbaren Lärms findet nicht mehr statt. Dies ist m.E. zu verschmerzen, nicht nur, weil eine solche Abwägung nach der Behördenpraxis ohnehin eher ein theoretischer Posten ist; es ist auch systematisch konsequent, weil die Entscheidung über den zumutbaren Lärm mit der Erstzulassung bereits gefallen ist und grundsätzlich nicht mehr infrage gestellt werden kann.
(2) Eine wichtigere Verschlechterung gegenüber der Erstzulassung liegt aber darin, dass die Vorbelastung, die durch den Flughafen selbst mitbestimmt wird, wächst und bis zur Grenze des Grundrechtseingriffs anwachsen kann. Denn die fachplanerische Zumutbarkeitsgrenze ist nirgends nummerisch fixiert, sondern ergibt sich aus einer Art Güterabwägung im Einzelfall. Gegen die Korrektunnechanismen wird ferner eingewandt, dass sie letztlich nur auf dem Papier stünden. Dem ist zunächst zu entgegnen, dass von ihnen verschiedentlich Gebrauch gemacht worden ist, etwa zur Einftlhrung von Nachtflugbeschränkungen (Stichwort: Bonusliste). Ob die Eingriffsbefugnisse ausreichend genutzt worden sind, darüber lässt sich natürlich immer trefflich streiten. Aber es gibt jedenfalls eine Erklärung dafür, warum von ihnen trotz des stark gewachsenen Luftverkehrs der letzten 30 Jahre nicht üppiger Gebrauch gemacht worden ist: Dank der Fortschritte im Triebwerksbau ist die emittierte Gesamtlärmenergie des Luftverkehrs außerordentlich stark hinter allen früheren Annahmen zurückgeblieben; dadurch ist bislang die Zunahme der Flugbewegungen überkompensiert worden. Das zeigen Vergleiche der TakeoffNoise-Areas alter und neuer Flugzeugmuster, aber vor allem die zahlreichen Nachberechnungen von Lärmschutzzonen: Am Flughafen Düsseldorf etwa umschloss die Kurve Leq = 67 dB(A) im Jahre 1978 eine Fläche von 32,78 km2 bei 54.420 Flugbewegungen, im Jahre 1991 nur noch 13,35 km2 bei nunmehr 85.650 Flugbewegungen. Der Bereich Leq(4) > 75 dB(A), also die Schutzzone I des Fluglärmschutzgesetzes, beschränkt sich bei dem heutigen Flugbetrieb großer Flughäfen im Wesentlichen auf die Start- und Landebahnen. Man braucht wenig Phantasie, um zu erkennen, dass die Bauverbote in der Schutzzone 1 keine praktische Bedeutung mehr haben. Das Problem hat sich allerdings deutlich verschoben: Wir haben es heute mit einer gänzlich anderen Zeit / PegelStruktur des Fluglärms zu tun, nämlich mit wesentlich leiseren, daftlr aber wesentlich zahlreicheren Einzelschallereignissen, die deutlich heftigere Belästigungsreaktionen in der betroffenen Bevölkerung hervorrufen. Die Bewertung dieses Phänomens und seine adäquate Erfassbarkeit mit den herkömmlichen Lärmbewertungsmaßen gehört ebenfalls auf unabsehbare Zeit zu den großen Themen des Luftverkehrsrechts bzw. der Lärmwirkungsforschung. Man würde sich wünschen, dass Planungsentscheidungen, die auf eine Vermehrung von Flugbewegungen hinauslaufen, sich dieser qualitativen Situationsveränderung
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bewusst sind, sie in den Blick nehmen und jedenfalls nach dem Stand der Erkenntnisse bewerten. 3. Betriebserweiterungen Um eine andere Sorte von Ausdehnungen des Flugbetriebs handelt es sich bei Änderungen, die im Widerspruch zu festgesetzten Betriebsregelungen stehen. Dies kann der Fall sein, wenn in den Zulassungsgrundlagen höchstzulässige Abfluggewichte, Betriebszeiten, die Betriebsstufe des Allwetterflugbetriebs oder gar Flugbewegungszahlen oder Lärmkonturen festgelegt sind. Die Abweichung von derartigen Festlegungen erfordert eine neue Zulassungsentscheidung der Luftfahrtbehörde. Als Entscheidungsformen stellt das Luftverkehrsgesetz zur VerfUgung: die Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs.4 S.2 LuftVG bei wesentlichen Betriebsänderungen, ansonsten das von der Rechtsprechung entwickelte Negativattest, und zwar auch, wenn die zu ändernden Betriebsregelungen in einem festgestellten Plan enthalten sind (§ 8 Abs. 4 S. 2 LuftVG). Denkbar ist auch ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren (§ 8 Abs. 4 S. 1 LuftVG). Die Luftfahrtbehörde wird zunächst eine Prüfung vornehmen, wie sich die Betriebsänderung voraussichtlich auswirken wird, und nach deren Ergebnis das weitere Verfahren ausrichten 16 (s. unten D.). Ergeben sich widerstreitende Belange, so ist eine Abwägungsentscheidung geboten, die fehlerfrei bei großflächiger Betroffenheit nur unter Beteiligung der Öffentlichkeit - also planfeststellungsähnlich - durchgefUhrt werden kann. Der Planungscharakter der zu treffenden Entscheidung und das Abwägungserfordernis ergeben sich objektiv; denn die Geltung des rechtsstaatlichen Abwägungsgebots hängt weder von seiner fachgesetzlichen Normierung noch von einer bestimmten Handlungs- oder Verfahrens form ab.
IV. Ausbau der luftseitigen Anlagenkapazität 1. Vorgehen der Planfeststellungsbehörde
Will der Flughafenunternehmer seine luftseitige (technische) Kapazität ausdehnen oder jedenfalls bauliche Maßnahmen durchfUhren, die die luftseitige Kapazität berühren (Bsp.: Neustrukturierungen des Passagier-, Vorfeld- oder Frachtbereichs; Einbau leistungsstärkerer ILS-Anlagen), so liegt eine "Ände16
s. unten IV.
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rung" des Flughafens LS. der Planfeststellungsvorschriften vor. Die Planfeststellungsbehörde wird ganz ähnlich vorgehen wie bei Betriebserweiterungen, nämlich zunächst die Auswirkungen der Änderungen prüfen. Je nach dem Ergebnis stellt § 8 LuftVG rur das weitere Vorgehen drei Entscheidungs/ormen l7 mit Zulassungswirkung, aber im Übrigen sehr verschiedenen weiteren Wirkungen zur Verftlgung: 1.
die Unterbleibensentscheidung (Abs. 3), d.h. der Verzicht auf Planfeststellung und Plangenehmigung ftlr Vorhaben von unwesentlicher Bedeutung; das sind solche, die nicht einmal einen Abwägungsbedarf erzeugen,
2.
die Plangenehmigung (Abs. 2) bei Berührung abwägungserheblicher Belange, die keine Rechte beeinträchtigen, d.h. keine Schutzvorkehrungen LS. des § 9 Abs. 2 LuftVG erfordern und schließlich
3.
die Planfeststellung (Abs. 1) als Planungsentscheidung mit der Möglichkeit zu umfassender Problembewältigung und Konzentrationswirkung und erhöhtem Bestandsschutz gegenüber allen öffentlich- und privatrechtlichen Ansprüchen (§ 9 Abs. 3 LuftVG).
Auf die Vielzahl formeller und materieller Anforderungen, die jeweils zu beachten sind, kann ich hier nicht eingehen. Ich will mich deshalb auf die kapazitären Aspekte beschränken.
2. Der anzunehmende Nutzungsumfang Für alle planerischen Erwägungen entscheidend ist die Frage, welcher Nutzungsumfang der künftigen Flughafenanlage zugrunde zu legen ist. Denn nach dem Nutzungsumfang bestimmen sich die Vorhabenauswirkungen und diese wiederum bestimmen, in welchem Maße Rechte und Belange betroffen und abzuwägen sind und welcher Schutz zu gewährleisten ist. Betroffene machen stets geltend, der Schutz der Nachbarschaft sei nach der neuen Endkapazität zu bemessen, d.h. nach der höchstmöglichen Verkehrsmenge, die über die Anlage in ihrer neuen Gestalt abgewickelt werden könnte. Demgegenüber ist nach der Rechtsprechung eine differenzierte Betrachtung angebracht: 1. Bei gewerblichen Anlagen stellt die immissionsschutzrechtliche Praxis regelmäßig auf eine Vollauslastung des Betriebes ab. Das macht guten Sinn, weil im gewerblichen Bereich vielfach die Annahme nahe liegt, dass Nutzungspotenziale ausgeschöpft werden. Auch hier kann es freilich Ausnahmen von der Regel geben. 17
Vgl. dazu auch Ver!. ZLW 1998,456 (467-475).
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2. Bei den Verkehrsanlagen Straße und Schiene stellt die 16. BImSchV (Anhang 1) nicht auf die Spitzenbelastung, sondern auf einen Durchschnittswert (die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) ab. Der Verordnungsgeber scheint der - nicht völlig unvernünftigen - Ansicht zu sein, Verkehrswege müssten zwar so dimensioniert werden, dass sie auch Verkehrsspitzen verkraften, dass diese Spitzen aber filr die Dauerbelastung, auf die es insoweit ankommt, nicht aussagekräftig seien, nicht zuletzt deshalb, weil es Zeiten unterdurchschnittlicher Belastung gibt. 18 3. Für Flugplätze lassen sich Angaben über die typische Belastung regelmäßig nicht machen. Dort sind deshalb konkrete Prognosen über den tatsächlichen Nutzungsumfang im Einzelfall anzustellen; die Planungspraxis orientiert sich von vornherein an der Nutzung am Ende des Prognosezeitrahmens. Ist bei einer realistischen Verkehrsprognose von einem geringeren als dem genehmigten Nutzungsumfang (Potenzial) auszugehen, so ist die Abwägung und der Lärmschutz an diesem Nutzungsmaß auszurichten. 19 Dies ist systemgerecht vor allem deshalb, weil der Flughafenunternehmer den Umfang, in dem seine Anlage genutzt wird, nur begrenzt in der Hand hat. Insofern unterscheidet er sich wesentlich. von anderen Gewerbetreibenden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die rur das Nachfrageverhalten ausschlaggebend sind, werden nämlich letztlich von Dritten (u.a. von Fluggesellschaften, Reiseveranstaltern und Fluggästen) gesetzt. Auf die Slot-Vergabe, die den Löwenanteil des Flugbetriebs eines koordinierten Flughafens festlegt, hat der Flughafenunternehmer ohnehin keinen maßgeblichen Einfluss. Die betriebswirtschaftlich wünschenswerte Auslastung von Erweiterungen stellt sich deshalb erfahrungsgemäß allen Bemühungen zum Trotz regelmäßig erst längerfristig ein. Den Schutzumfang gleichwohl unbesehen an der Endkapazität auszurichten, verletzte daher die grundsätzlich gleichberechtigte Position des Flughafenbetreibers, zu dessen Lasten vorzeitige oder überzogene SchutzanspTÜche gehen würden. Abweichenden Entwicklungen ist deshalb durch eine angemessene Aktivierung der oben dargestellten Korrekturmechanismen Rechnung zu tragen. Diese Mechanismen greifen umso eher, je mehr die tatsächliche Entwicklung von einer methodisch einwandfrei getroffenen Prognose abweicht und je kürzer die Behörde den Prognosezeitraum gewählt hat. Gerade mit einer Beschränkung dieses Zeitraums etwa bringt die Behörde die aus ihrer Sicht bestehende "Unvorhersehbarkeit" späterer Entwicklungen zum Ausdruck. Schutz kann also gewährt werden, sobald und soweit er sich als nötig erweist. Die BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 -4 A 10.95 -, NVwZ 1996, 1006. Ebenso BVerwG, Beschl. vom 7.2.2001 - 11 B 61.00 - unter Hinweis auf Urt. vom 21.3.1996 (oben Fn. 18), a.a.O. S. 1008. 18
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Rechtsprechung muss aber sensibel daftlr bleiben, Betroffene nicht dadurch in eine "Prognose falle" laufen zu lassen, dass sie ihnen nachträglich vorrechnet, was alles bei methodisch einwandfreiem Vorgehen ursprünglich "vorhersehbar" im Sinne der Auflagenvorschriften gewesen wäre. 3. Vorbelastung Nach feststehender Rechtsprechung sind sämtliche Überlegungen, insbesondere die Ermittlung und Bewertung der Vorhabenauswirkungen, auf jenen Zustand zu beziehen, der sich infolge der Zulassungsentscheidung ergeben wird, d.h. in betrieblicher Sicht: auf den gesamten tatsächlichen Nutzungsumfang der Anlage im Prognosehorizont. Die von einer zu ändernden Anlage in ihrem bisherigen Zustand ausgehenden Umwelteinwirkungen dürfen nicht mit der Folge als vorgegeben ausgeklammert werden, dass die Abwägung auf die voraussichtliche Zunahme der Umwelteinwirkungen beschränkt bliebe. 20 Andererseits müssen solche Beeinträchtigungen nicht erneut planerisch bewältigt werden, die von einer fiiiheren luftverkehrsrechtlichen Zulassung gedeckt sind und von einer späteren zulassungsbedürftigen Änderung des Flughafens nicht berührt werden. Beide Aussagen nebeneinander gestellt muten fast an wie eine Quadratur des Kreises. Doch ergeben sich aus ihnen jene Grundsätze, die wohl zum heikelsten Kapitel der Flughafenplanung zählen, nämlich die Vorbelastungsgrundsätze, die in meinen Augen von einer hinreichend klaren Gestalt noch weit entfernt sind und manche Überraschung bieten können. Von diesen Grundsätzen kann ich hier nur drei anfUhren: I.
In einer Art "Differenzbetrachtung" ist der Beitrag zu bestimmen, den die Ausbaumaßnahme zu den Beeinträchtigungen der Flughafenumgebung leistet. Hält sich dieser Beitrag im Rahmen der zulassungsrechtlich schon abgedeckten Beeinträchtigungen (d.h. der plangegebenen Vorbelastung), so liegt eine nicht rechtsbeeinträchtigende (§ 8 Abs. 2 LuftVG) oder sogar unwesentliche Maßnahme (§ 8 Abs. 3 LuftVG) vor, die keine zu bewältigenden Probleme aufwirft. Praktisch relevante Fälle können sein: eine Neustrukturierung des Abfertigungs- und Vorfeldbereichs, die zu keinen zusätzlichen Flugbewegungen fUhrt,21 oder die Anlegung eines zusätzlichen Vorfeldes zur Erschließung eines neuen Terminals mit reinen Betriebserleichterungseffekten. 22 Von solchen - eher atypischen - Beispielen
20 Vgl. BVerwG, Urt. vom 15.9.1999 - 11 A 22.98 -, Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 17 (S. 2); Urt. vom 7.7.1978 -4 C 79.76-, BVerwGE 56, 110 (129) = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 2 (S. 18). 2\ BVerwG, Urt. vom 15.9.1999 (wie oben Fn. 19). 22 OVG NRW, Urt. vom 23.11.2000 (oben Fn. 9).
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abgesehen scheint mir aber eine gewisse Indizwirkung daftlr zu sprechen, dass Erweiterungsmaßnahmen nicht nur die technische Kapazität erhöhen, sondern nach unternehmerischem Kalkül auf eine höhere Leistung der Gesamtanlage abzielen. Dies bedarf einer kritischen Betrachtung im Einzelfall . 2.
Ist bei der Differenzbetrachtung ein über die Vorbelastung hinausgehender Immissionsbeitrag festzustellen, so liegt die eigentliche Schwierigkeit in der Bewertung dieser Differenz. Für sie ist in der Rechtsprechung ein Stufenmodell entwickelt worden (geringftlgige / unerhebliche, abwägungserhebliche, unzumutbare, grundrechtsbeeinträchtigende Zunahmen). Nehmen die Beeinträchtigungen gegenüber den abgedeckten Auswirkungen nur unerheblich ZU23, so kann die Erweiterung auch dann noch zumutbar sein, wenn der Flughafen in seiner erweiterten Gestalt eigentlich, d. h. im Falle seiner erstmaligen Anlegung an dieser Stelle, unzumutbar wäre. Hier wirkt sich die Vorbelastung durch den Flughafen in seiner alten Gestalt aus.
3.
Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Lärmbeeinträchtigungen die Grenzen einer Grundrechtsverletzung überschreiten, und zwar (1.) entweder schon durch den Flughafen in seiner bisherigen Gestalt oder (2.) infolge der Erweiterungsmaßnahme oder (3.) auch aufgrund der Summation mit dem Lärm anderer Verkehrsträger. Man darf nicht übersehen, dass zahlreiche Flughafenanlieger nicht nur unter Fluglärm, sondern gleichzeitig unter mehreren Lärmquellen zu leiden haben, etwa unter Bau- und Gewerbelärm, Straßen- und Schienenverkehrslärm. Wann freilich die Grenze zum gesundheitsgeflihrdenden Lärm überschritten wird, das gehört weiterhin zu den streitigsten Themen der Lärmwirkungsforschung.
v. Neubau und Erweiterung von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände
Immer wieder erhebliche Schwierigkeiten bereitet die planungsrechtliche Behandlung von Flugplatz-Hochbauten. Beim Neubau von Terminals, Luftfrachtgebäuden u.ä. verlangen Flugplatznachbarn häufig von der Luftaufsichtsbehörde, sie möge den Bau, jedenfalls aber die Nutzung dieser Gebäude auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 LuftVG unterbinden, weil die erforderliche luftrechtliche Zulassung fehle. Ob und wann eine solche Zulassung nötig ist, harrt weiterhin der Klärung. Aus dem Luftverkehrsgesetz ergeben sich drei Ansatzpunkte: 23
Vgl. dazu unten VI. 2. b) zu Fn. 39).
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1.
Von geringer Aussagekraft sind die §§ 12 ff. LuftVG. Immerhin lässt sich aus ihnen die gesetzgeberische Vorstellung ablesen, dass Bauwerke selbst "auf den Start- und Landeflächen und den Sicherheitsflächen" durch Baugenehmigung zugelassen werden. Die Luftfahrtbehörde muss einer Baugenehmigung für die Errichtung von Bauwerken innerhalb des Bauschutzbereichs - und unter bestimmten Voraussetzungen auch außerhalb - lediglich zustimmen. Die luftrechtliche Prüfung erfolgt hier ausschließlich unter Sicherheitsaspekten; und sie betriffi Hochbauten unabhängig davon, ob sie sich auf dem Flugplatzgelände befinden.
2.
Was Hochbauten auf dem Flugplatzgelände betriffi, so changiert ihre Zulassung in unklarer Weise im Grenzbereich von Baurecht und Luftverkehrsrecht. 24 § 9 Abs. I S.3 LuftVG nimmt das Baugenehmigungsverfahren von der Planfeststellung aus (vgl. § 38 BauGB), versagt Hochbauten also insofern die Rechtswirkungen der Planfeststellung nach § 9 Abs. I S. I und 2 LuftVG. Die Vorschrift, die mit dem 11. LuftVGÄndG 2s mit Wirkung zum 1.3.1999 wegen einer dem Gesetzgeber unliebsamen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts26 neu gefasst worden ist, und die Gesetzesmaterialien dazu lesen sich so, als habe der Gesetzgeber Hochbautenjeder luftrechtlichen Beurteilung entziehen wollen. 27 In dieser Auslegung hätte er jedenfalls die bis dahin gängige Praxis missbilligt, nach der Hochbauten verschiedenster Art entweder direkt in eine luftrechtliche Plan feststellung einbezogen worden waren 28 oder die Bauaufsichtsbehörde jedenfalls vor Erteilung der Genehmigung die Stellungnahme der Luftfahrtbehörde eingeholt hatte, um eine etwaige luftrechtliche Kompetenz nicht zu verletzen; bei fehlendem Zugriffs willen hatten die Luftfahrtbehörden ihre Beurteilung nach Art einer behördeninternen Unterbleibensentscheidung (§ 8 Abs. 3 LuftVG) verlautbart.
3.
Dritter Anhaltspunkt ist § 8 Abs.4 S. I LuftVG, der die Entscheidung über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten auf dem Flugplatzgelände für planfeststellungsflihig erklärt, um etwaige entgegen-
Vgl. bereits VerJ, ZLW 1998,456 (473). Elftes Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 25.8.1998 (BGB!. I S. 2432, ber. S. 3127). 26 BVerwG, Urt. vom 20.7.1990 - 4 C 30.87 -, BVerwGE 85, 251. 27 Vgl. BT-Drucks. 13 /9513 (S. 27 zu Nummer 8): Das Bundesverwaltungsgericht habe die mit § 9 Abs. 1 S. 3 LuftVG in der bisherigen Fassung verfolgte Absicht des Gesetzgebers (BR-Drucks. III 1100, S. 13,22 und III 1478, S. 2) nicht berücksichtigt. 28 Dazu BVerwG, Besch!. vom 31.3.1992 -4 B 210.91- (n.v.): "Südliches Bebauungsband" Flughafen München 11 mit baulichen Anlagen rur Luftpost, Luftfracht, Flugzeugwartung und Tanklager, ferner einem Triebwerkprobelaufstand sowie Bauräumen rur Speditionsbetriebe, einem Flughafenbetriebsgebäude der Deutschen Lufthansa und rur zentrale Versorgungseinrichtungen. 24 25
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stehende kommunale Festsetzungen zu überwinden. M.E. setzt aber die bauplanungsrechtliche Beurteilung von Hochbauten die luftrechtliche zwingend voraus. 4.
Es gibt weitere Anhaltspunkte, darunter Gründe dafUr, dass sich die luftrechtliche Beurteilung von Hochbauten schlechthin nicht generell beseitigen lässt. Dazu ist nach Art und Funktion der Hochbauten zu differenzieren: a) Für Bauten, die durch Luftfahrzeuge genutzt werden (Hangars, Wartungs- und Triebwerksprobelaufstände), drängt sich schon wegen der planerischen Pflicht zur Problembewältigung auf, dass sie neben der bauaufsichtlichen Zulassung einer luftrechtlichen bedürftig oder zumindest flihig sind. Denn sie können die technische Kapazität des Flugplatzes beeinflussen. b) Andere Hochbauten, die einen funktionalen Zusammenhang mit dem Flugbetrieb aufweisen (Betriebsgebäude, Tower, Tanklager u.ä.) oder die landseitige Kapazität bestimmen, sind hingegen allein rur die Auslastung der luftseitigen (technischen) Kapazität von Bedeutung. Die von solchen Bauwerken etwa mitverursachten Beeinträchtigungen der Umgebung werden über die technische Kapazität vermittelt und sollten im Rahmen der Planungsentscheidung zu den Flugbetriebsflächen und den betrieblichen Regelungen bereits abgearbeitet sein. Damit sind auch Attraktivitätssteigerungen abgedeckt, die von Modernisierungen und Erweiterungen von Passagierabfertigungsanlagen ausgehen (nicht anders als eine Aufwertung des Non-Aviation-Bereichs). c) Freilich kann die Erweiterung von Hochbautenein Indiz dafUr sein, dass frühere planerische Annahmen überholt sind. Dann wird die Luftfahrtbehörde in ihrer Überwachungsfunktion Hochbauprojekte zum Anlass nehmen, die neue Gesamtsituation zu analysieren; ggf. wird sie im Rahmen ihrer Anlagenüberwachung29 auf das Bauwerk unter luftrechtlichen Aspekten zugreifen. Insofern macht auch die standardmäßige Beteiligung der Luftfahrtbehörde am Baugenehmigungsverfahren durchaus Sinn.
Für den Rechtsschutz bedeutsam ist die Frage, ob eine wirksame (§ 43 Abs. 1, Abs.3 VwVtD) Baugenehmigung vorliegt. Diese kann nämlich eine Verbindlichkeit entfalten, die sich ordnungsrechtlich als umfassende Legalisierungswirkung auswirkt und ein Einschreiten der Luftaufsicht selbst dann ausschließt, wenn die Baugenehmigung eine luftfahrtbehördliche Sachkompetenz
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s. oben III. 2.
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verletzt hat. 30 Ob eine solche Verbindlichkeit anzunehmen ist, entscheidet die Auslegung der Baugenehmigung und das Landesrecht: Ergibt sich als Genehmigungsinhalt etwa die Erklärung, andere Genehmigungserfordernisse blieben unberührt, so kommt ein Einschreiten der Luftaufsicht in Betracht, wenn neben der Baugenehmigung eine luftrechtliche Zulassung erforderlich oder beabsichtigt ist. Beinhaltet die Baugenehmigung hingegen die Aussage, dem Bauvorhaben stünden Hindernisse aus dem zur Zeit ihrer Erteilung geltenden öffentlichen Recht nicht entgegen, so wäre die Luftfahrtbehörde, die ihre Kompetenzen' berührt sähe, gezwungen, die Baugenehmigung mit Hilfe einer beiden Stellen übergeordneten Behörde aus der Welt zu schaffen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage übrigens jüngst in einem Eilverfahren (betreffend die Erweiterung der Abfertigungsfläche auf dem Flughafen Berlin-Tegel) offen gelassen. 31
VI. Schrittweiser Ausbau 1. Nachfrageorientierte Anpassung Die deutschen Flughäfen und Landeplätze werden seit Jahrzehnten kontinuierlich erweitert. Betroffene Anlieger kritisieren dies ebenso lange als "Salamitaktik" - ein Ausdruck, der den Vorwurf beinhaltet, insgeheim sei etwas anderes beabsichtigt, als was öffentlich gesagt werde, wodurch berechtigte Drittinteressen ausgehebelt werden sollten. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat den Ausdruck "Salamitaktik" schon als Drohmittel bemüht, ohne mit seiner Hilfe bislang freilich Konsequenzen zu ziehen. 32 Mir scheint ft1r das Luftverkehrsrecht Vorsicht im Umgang mit diesem Begriff angebracht. Nicht nur, dass gerade die Varianten der Erweiterung von Flugplätzen im Vordergrund der planungsrechtlichen Vorschriften des Luftverkehrsrechts stehen, wo zur Bewältigung von Ausbaumaßnahmen ein vielschichtiges, nach dem Gewicht der jeweiligen Maßnahme abgestuftes Instrumentarium bereitgestellt und in § 40 Abs. I Nr. 8 und § 41 LuftVZO die Zulässigkeit des Ausbaus in mehreren Stufen bzw. die Erweiterung des (General-)Ausbauplans ausdrücklich vorgesehen bzw. vorausgesetzt ist. Auch jenseits dieser 30 Ebenso Nds. OVG, Urt. vom 25.6.1998 -12 K 2922/97 -, UA S. 37 ff.; OVG NRW, Beseh!. vom 20.2.2001 - 20 B 1667/00. 31 BVerwG, Beseh!. vom 11.1.2001 - 11 VR 16.00 -, DVB!. 200 I, 402. 32 Vg!. BVerwG, Beseh!. vom 27.8.1996 - 11 VR 10.96 -, NVwZ-RR 1997, 208: teilweise Vorwegnahme der in einem anhängigen Planfeststellungsverfahren angestrebten Zulassung eines Vorhabens durch Erteilung einer Plangenehmigung rur die Elektrifizierung vorhandener Gleise.
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- nirgends erkennbar begrenzten - Vorentscheidung ftir den Ausbau verhält sich der Flughafenunternehmer unter den obwaltenden Verhältnissen nach allen rechtlichen, aber auch gesellschaftlich anerkannten Maßstäben legitim, wenn er um eine nachfragegerechte Anpassung seiner Verkehrsanlage bemüht ist und dabei seine Chancen als Unternehmer sucht und wahrnimmt. Richtig gesehen ist der Ausbau der letzten Jahrzehnte mithin eine Konsequenz der seit den 50er Jahren kontinuierlich gewachsenen Nachfrage nach Luftverkehrsverbindungen. Bei der Anpassung der Flughafeninfrastruktur an die Nachfrage folgt der Flughafenunternehmer lediglich den Imperativen wirtschaftlichen HandeIns, und zwar in einer Marktwirtschaft, die nicht nur explizit auf Wachstum angelegt, sondern rur ihr Überleben auf Wachstum angewiesen ist. Allerdings: Der Flughafenunternehmer wird in unserer Rechtsordnung nicht als "normaler" Gewerbetreibender behandelt - die Konsequenzen daraus (etwa die Bindung an das allgemeine Immissionsschutzrecht) wären ihm sicher auch ganz und gar nicht recht; sondern der Flughafenbetreiber unterliegt in seiner unternehmerischen Tätigkeit klaren öffentlich-rechtlichen Bindungen. Diese resultieren daraus, dass (1) die Nutzung eines Flughafengrundstücks "nur eine Art Bezugspunkt rur eine darüber weit hinausgehende Nutzung der Umgebung" des Flughafens ise J und (2) dass der Flughafenunternehmer mit der Bereitstellung der Flughafeninfrastruktur eine öffentliche Aufgabe im Bereich der Daseinsvorsorge wahrnimmt, also den Staat in dessen Gemeinwohlfunktion ein Stück weit vertritt. Nur dies vermag die erheblichen Belastungen der Flughafennachbarn überhaupt zu rechtfertigen. Doch ergeben sich aus derlei Bindungen keine Beschränkungen tur Ausbauentscheidungen. Viel eher streiten sie fil.r eine Pflicht zur Sicherstellung einer nachfragegerechten Luftverkehrsinfrastruktur, zudem mit scheinbar paradoxen Freistellungen von gewerbe- und immissionsschutzrechtlichen Anforderungen. Diese Strukturen können ohne Zweifel mit Fug kritisiert werden - man denke nur an die komplizierten Wechselwirkungen von Nachfragebefriedigung und Nachfrageverschärfung. Doch kann niemand dem Flughafenunternehmer einen Vorwurf daraus machen, wenn er mit der Realisierung von Erweiterungsvorhaben vollzieht, was in unserer Gesellschaft mehrheitlich vorgezeichnet und ihm überdies verkehrspolitisch abverlangt ist, wie nicht zuletzt im eingangs erwähnten Flughafenkonzept der Bundesregierung unmissverständlich nachgelesen werden kann. Die Betroffenen kämpfen letztlich also gegen die mehrheitlich goutierte - und demokratisch legitimierte - Verkehrspolitik. 33 So schon BVerwG, Urt. vom 17.2.1971 -IV C 96.68-, Buchholz 442.40 §6 LuftVG Nr. 3 (S. 9).
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Aus Sicht des Flughafenunternehmers sprechen ftIr einen schrittweisen Ausbau vor allem betriebswirtschaftliehe Maximen. Sie zwingen ihn dazu, auf eine gleichmäßige Auslastung aller Flughafenanlagen zu achten und größere Investitionen möglichst lange zurückzuhalten. Denn nach größeren Erweiterungsmaßnahmen steigen die StUckkosten erheblich an, was durch höhere Abschreibungen und sonstige Kapitalkosten, vor allem aber durch eine stufenilirmige Zunahme der operativen Kosten bedingt ist;34 dabei kann eine Rolle spielen, dass Schutzanlagen u.U. lange vor dem Eintritt der Situation finanziert werden müssen, ftIr die sie gedacht sind. Zwar gibt es gegenläufige Erwägungen: So muss der Flughafen ausreichend freie Kapazitäten vorhalten, um neue Fluggesellschaften oder Destinationen akquirieren und im Bedarfsfall Spielräume ftIr die Heraufsetzung des Koordinierungseckwerts vorweisen zu können; auch sind die extrem langen Planungs- und Realisierungszeiten in der Bundesrepublik zu bedenken; und eingezwängt in dieses Korsett widerstreitender Notwendigkeiten wird der Flughafenunternehmer keine Nacht gut schlafen. Nichtsdestotrotz ist er betriebswirtschaftlieh gut beraten, wenn er eine "kleinschrittige" Erweiterungsstrategie verfolgt, die sich - modulweise und zeitnah - dicht am absehbaren Zuwachs des Luftverkehrs hält. Denn neue Faziliäten werden regelmäßig in den ersten Jahren nicht rentabel ausgelastet, sodass gemessen an der Nachfrage überdimensionierte Erweiterungen - sozusagen "auf Vorrat" - betriebswirtschaftlieh zwangsläufig deutliche Verluste mit sich bringen, die den Flughafengesellschaftern gegenüber möglicherweise schwer zu erklären sind. Auch planungsrechtlich wird er mit einer solchen Strategie besser fahren, denn der Luftfahrtbehörde muss er grundsätzlich (abgesehen vielleicht von gewissen Angebotsplanungen) rur jede Erweiterungsmaßnahme einen Bedarf nachweisen, was einen Ausbau auf Vorrat rechtlich ausschließt.
2. Aufspaltung funktional einheitlicher Vorhaben a) Problemlage Rechtlich problematisch ist also nicht die kontinuierliche, schrittweise Ausdehnung von Flughäfen als solche. Für fragwürdig könnte man vielmehr allein halten, was man Aufspaltung funktional einheitlicher Projekte nennen könnte, gleichgültig, ob eine solche Aufspaltung in verfahrensrechtlichen Teilschritten oder in zulassungsrechtlichen Teilakten erfolgt. Auch nur in diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der "Salamitaktik" verwendet. 3S 34 Vgl. etwa Reiche, Privatisierung der internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland, 1999, S. 132 fI. JS s. oben zu Fn. 32.
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Eine typische Strategie ist die Teilung eines Gesamtprojektes in bauliche und betriebliche Maßnahmen, wobei die baulichen jeweils mit der Begründung als "unwesentlich" qualifiziert werden, sie beeinflussten die Einwirkungen des Flugplatzes auf seine Umgebung nicht (Unterbleibensentscheidung, s. o. IV. 1.); die betrieblichen Änderungen werden gesondert teils durch Änderungsgenehmigung (§ 6 Abs. 4 S. 2 LuftVG), teils sogar durch Negativatteste zugelassen. Beispiele rur solche Aufspaltungen sind: (I) Instandsetzung der Start- und Landebahn unter faktischer Erhöhung der Tragflihigkeit (wobei der Tragflihigkeitskennwert in der Genehmigung unverändert bleibt, aber - rechtlich unzutreffend - als rein "beschreibend" eingestuft wird), Verlegung von Kabeltrassen, Ertüchtigung der Befeuerung, Befestigung der Bahnschultern und -köpfe unter Anlegung von Sicherheitsflächen mit Überflurbefeuerung, später Änderung in Unterflurbefeuerung - Zulassung jeweils durch Unterbleibensentscheidungen;
(2) gesondert genehmigt bzw. als "unwesentlich" attestiert werden: die "Umwidmung" von Sicherheitsflächen in Stoppbahnen, die Einbeziehung der Stoppbahnen in die StartroII- und Landestrecke, SchweIIenverlegung, die Anhebung der Abfluggewichte, die Zulasslmg des Instrumentenflugbetriebs und die Aufstufung des AIIwetterflugbetriebs. Ein weiterer, ebenfalls realer FaII ist, dass ein Teil eines Vorhabens, filr das ein PlanfeststeIIungsverfahren eingeleitet ist, als "Zwischenlösung" vorweg durch Plangenehmigung zugelassen wird. Ein Schelm, wer Böses bei alldem denkt, aber es scheint doch Motive zu geben, z. B.: (I) die Hoffnung auf verfahrens rechtliche Vorteile, vor aIIem beim Faktor Zeit;
(2) die Minimierung der Öffentlichkeitsbeteiligung, insbes. die Vermeidung eines Erörterungstermins mit unliebsamen "Querdiskussionen" zwischen den verschiedenen Sachverständigen- und Interessentengruppierungen; (3) der Versuch einer schleichenden Anhebung der Lärm(vor-)belastung. Mit der übermäßigen Aufspaltung eines Gesamtvorhabens kann sehr wohl die Rechtswidrigkeit einer planerischen Entscheidung einhergehen. PlanfeststeIIung und Plangenehmigung sind ebenso wie "isolierte" Genehmigung und Änderungsgenehmigung nach § 6 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 LuftVG auf grundsätzlich umfassende, einheitliche Konflikt- und Problembewältigung angelegt. Sachfragen, die sachgerecht nur einheitlich gelöst werden können, müssen auch verfahrensrechtJich einheitlich geplant und entschieden werden. Ob aus einer rechtswidrigen Aufspaltung indes ein prozessualer Aufhebungsanspruch (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) eines Planungsbetroffenen folgt, hängt davon ab, ob die
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planerische Zulassung von Teilen eines Gesamtvorhabens objektiv geeignet ist, seine subjektiven Rechte faktisch zu beeinträchtigen bzw. zu vereiteln. 36 Vorgaben hat das Bundesverwaltungsgericht insoweit tllr die Abschnittsbildung bei den linienfbrmigen, bodengebundenen Verkehrsträgern Straße und Schiene entwickelt (Stichworte: der unabgewogene Planungstorso und das Setzen von Zwangspunkten37). Auf den Ausbau von Flughäfen sind diese Ansätze indes schwerlich übertragbar, schon weil Ausbauschritte dort regelmäßig je eigenen Sinn machen. b) Verwaltungsrechtlicher Rechtsschutz
Es ist verständlich, dass Flughafenanlieger regelmäßig betllrchten, durch derartige Aufspaltungen sollten ihre Rechte unterlaufen werden. Dies ist allerdings bei genauer Betrachtung - bis auf eine Ausnahme - unbegründet. Viel eher schwächt ein solches Vorgehen die Rechtsposition des Flughafenunternehmers, weil er seine Anlage auf unabsehbare Zeit einer Vielzahl unkalkulierbarer Risiken aussetzt: aa) Bestandskraft Die erste Schwierigkeit liegt darin, den infrage kommenden Entscheidungen (Plangenehmigung, Unterbleibensentscheidung, Änderungsgenehmigung und Negativattest) umfassende Bestandskraft zu verschaffen. Außer bei der Änderungsgenehmigung (gemäß § 6 Abs.5 LuftVG LV.m. § 74 Abs.4 und 5 VwVfG) gibt es nämlich keine Möglichkeit einer öffentlichen Bekanntmachung, die Anfechtungsfristen zum Laufen bringt; Bestandskraft tritt daher individuell nach den Grundsätzen der Verwirkung ein. bb) Wahrung subjektiver Rechte Was subjektive Rechte von Anliegern angeht, verfolgen die Verwaltungsgerichte konsequent die Linie, dass Betroffene in jedem Fall dasjenige durchsetzen können, was ihnen bei objektiv ordnungsgemäßem, insbes. verfahrensrecht-
36 Vgl. BVerwG, Besehl. vom 27.8.1996 -11 VR 10.96; Besehl. vom 26.6.19924 B 1-11.92 -, Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89. 37 Vgl. BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 -, BVerwGE 104,236; Besehl. vom 29.11.\995 - 11 VR 15.95 -, NVwZ 1997, 165; Besehl. vom 30.8.1994 - 4 B 105.94-, Buehholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31.
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lich einwandfreiem Vorgehen der Behörde möglich gewesen wäre. 38 In der Sache werden Klagebegehren (mindestens auf Plan- oder Genehrnigungsergänzung) daher Erfolg haben, wenn sich irgendwann herausstellt, dass die Behörde zu Lasten eines Klägers nicht alle sich stellenden Probleme abgearbeitet hat, sprich: seine materiellen Rechte übergangen hat. cc) Fehlerbehebung Die rechtlichen Möglichkeiten einer Nachbesserung sind bei der Entdeckung eines solchen Fehlers begrenzt: Die Plangenehmigung ist ohne weiteres aufzuheben, wenn infolge des Vorhabens Rechte Dritter beeinträchtigt werden, d. h. fachplanungsrechtlich unzumutbare Wirkungen eintreten. Plangenehmigungen sind nämlich (scheinbar entgegen § 10 Abs. 8 S. 2 LuftVG) einer Ergänzung um Schutzauflagen nicht zugänglich; ein ergänzendes Verfahren kann zwar durchgefilhrt werden, der dies veranlassende Fehler fUhrt aber zunächst zu einem "Baustopp", d. h. zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Plangenehmigung. Für Negativatteste bzw. Unterbleibensentscheidungen gibt es gar keine Überlebenschance: Sie sind schlichtweg aufzuheben, wenn abwägungserhebliche Positionen eines Klägers ergebnisrelevant berührt werden, mögen diese gesehen worden sein oder nicht. dd) Schutzauflagen Davon abgesehen bleibt Betroffenen die Möglichkeit erhalten, Schutzvorkehrungen, hilfsweise auch Betriebsbeschränkungen, auf der Grundlage der oben erörterten Anspruchsgrundlagen geltend zu machen. ee) Lärmvorbelastung Einzig kritischer Punkt ist die Gefahr einer schrittweisen Intensivierung der Lärmvorbelastung. Die Rechtsprechung hat in der Vergangenheit darauf abgestellt, dass ein Vorhaben zumutbar sei, wenn es zu einer nur unerheblichen Veränderung der Grundstückssituation führe. Als unerheblich galt dabei eine Erhöhung des Dauerschallpegels von bis zu 2-3 dB(A). Diese Rechtsprechung ist ebenso oft kritisiert wie missverstanden worden; allerdings fehlt hier der
J8 Vgl. BVerwG, Urt. vom 5.10.1990-7C 55 und 56.89-, NVwZ 1991,369; Urt. vom 22.2.1980 -4C 24.77-, NJW 1981,239; Urt. vom 14.12.1973 -4C 50.71-, BVerwGE 44,235.
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Raum, dies näher darzulegen.39 Für die Zukunft dürfte bei diesem Argumentationsmuster jedenfalls mit größerer Zurtlckhaltung zu rechnen sein. Denn die Vorbelastungsrechtsprechung ist kein tauglicher Ansatz, um die Grenze des Zumutbaren im Wege vieler kleiner Ausbauschritte zu Lasten betroffener Umlieger hinauszuschieben; in letzter Konsequenz würde dies nämlich an ·die Grundrechtsverletzung heranfUhren. Der wertenden Betrachtung der Vorbelastung lässt sich durch eine verfahrensrechtliche Aufspaltung von Gesamtprojekten ohnehin keine Grenze ziehen. Auch fl1r Schematismus ist dabei nirgends Raum, sondern fl1r eine Orientierung an den funktionalen Zusammenhängen, die nicht an einzelnen Zulassungsvorgängen Halt macht. c) Zivi/rechtliche Ansprüche
Aus unternehmerischer Sicht kaum erfreulicher erscheinen die zivilrechtlichen Ansprüche, die durch schrittweise Zulassungsakte nicht ausgeschlossen, wohl aber erzeugt werden können: aa) Erhöhter Bestandsschutz nach § 9 Abs. 3 LuftVG Erhöhten Bestandsschutz gegenüber allen öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Ansprüchen gewährt allein der Planfeststellungsbeschluss (vgl. § 9 Abs. 3 LuftVG); ansonsten bleiben Abwehr-, Unterlassungs- oder Entschädigungsansprüche aus §§ 906, 1004,862 BGB bestehen. bb) § 14 BlmSchG LV.m. § 11 LuftVG Auch die "Abmilderung" der bürgerlich-rechtlichen Abwehransprüche in solche auf Schutzvorkehrungen nach § 14 BlmSchG i. V. m. § 11 LuftVG hängt wesentlich davon ab, dass eine "große", also planfeststellungsähnliche Öffentlichkeitsbeteiligung L S. des § 10 BImSchG durchgeftlhrt worden ist. 40 39 Die Rechtsprechung hat nie übersehen, dass sich hinter der Erhöhung des äquivalenten Dauerschallpegels, auch wenn sie im Vergleich zweier Dauertöne gleicher Pegel nicht hörbar wäre, sehr wohl wahrnehmbare Veränderungen im Flugbetrieb verbergen gerade dies ist ja die "Botschaft" der Erhöhung. Vielmehr ging es darum, durch die vergleichende Betrachtung einer integrierenden, d.h. die Veränderungen im Betrieb in sich aufnehmenden Größe aus allen wahrnehmbaren Veränderungen die unerheblichen von den erheblichen zu unterscheiden, vgl. OVG NRW, Urt. vom 17.9.1998 -20 A 3482/ 91 -, UA S. 37 f. Ob 3 dB(A) insofern eine richtige Obergrenze ist, muss kritisch überdacht werden, weil sich in einer solchen Steigerung (bei energieäquivalenter Mittelung) eine Verdoppelung der Verkehrsmenge ausdrückt. 40 Vgl. VerJ, ZLW 1998, 18 (22).
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Deshalb können sämtliche anderen Zulassungsentscheidungen, auch die ohne Öffentlichkeitsbeteiligung zu erteilende Plangenehmigung, Anspruche aus § 14 BlmSchG nicht ausschließen. Summa summarum gilt: Wirklich nachteilig ist das "Spiel" der funktionalen Aufspaltung von Projekten nur ft1r den Flughafenunternehmer.
VII. Ausblick Zum Abschluss möchte ich versuchen, eine - fraglos sehr persönlicheAntwort zu geben auf die eingangs aufgeworfene Frage, ob das Fachplanungsrecht belastbar genug ist, um die kommenden Aufgaben zu bewältigen. Ich meine, dies bejahen zu können, wenn vier Hauptforderungen erfUllt werden: 1.
Der Gesetzgeber muss sich zur Festlegung von Grenzwerten und zugehörigen Berechnungsverfahren durchringen, mit denen das individuell Zumutbare der Tages- und Nachtbelastung bestimmt wird. Dabei muss das Ziel sein, zu einer dauerhaften Befriedung beizutragen. Gelingen kann dies nur dann, wenn die Werte schon das Vorfeld der erheblichen Belästigung, insbes. also den präventiv-medizinischen Bereich, abdecken, wenn das Leistungsniveau des Schallschutzes verbessert wird, wenn Entschädigungsregelungen rur den Außenwohnbereich und großzügige Übernahmemöglichkeiten vorgesehen werden. Niemals darf man übersehen, dass Flughafenanliegern mit der Hinnahme der Flughafenauswirkungen ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit abverlangt wird, und zwar auch dann noch, wenn sie im Rauminnern gegen Länn ausreichend geschützt sind.
2.
Finanzierbar erscheint mir dies durchaus, wenn sich die Politik dazu durchringt, marktgerechte Rahmenbedingungen des Luftverkehrs zuzulassen bzw. zu schaffen. Letztlich müssen die Endnutzer des Luftverkehrs und nicht die Lärmbetroffenen - die gesamten Kosten des politisch so hoch eingeschätzten Gutes "Luftverkehr" tragen. Ich übersehe nicht, dass die Durchsetzung einer solchen Forderung wegen der weltweiten Verflechtung des Luftverkehrs auf enonne Schwierigkeiten stößt, die sich im Wesentlichen aus der Furcht vor Wettbewerbsnachteilen nährt. Aber es scheint mir gleichwohl ein erstrebenswertes Ziel, über marktwirtschaftliche Nutzungsbedingungen eine Regulierung der Nachfrage anzusteuern.
3.
Die Flughafenbetreiber müssen eine offene, Vertrauen schaffenden Informationspolitik auch über langfristig angestrebte Entwicklungen betreiben. Dazu gehört, dass sie sich gemeinsam mit den Luftfahrtbehörden im Zweifel zur umfassenderen Verfahrensfonn durchringen und sich dem öffentli-
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chen Diskurs stellen, statt Vorhaben in kleine Zulassungs schritte aufzuspalten, die letztlich nichts eintragen. 4.
Die Gerichte müssen auf eine vorsichtige Handhabung der Vorbelastungsrechtsprechung Bedacht nehmen und sensibel bleiben gegen Prognosen. Das Risiko fehlerhafter Einschätzungen der Behörde darf nicht zu Lasten der Flughafennachbarschaft gehen und die Durchsetzung sachlich berechtigter Abwehr- oder Schutzansprüche erschweren.
Ansätze f"ür eine Neubewertung des Fluglärms Von Ulrich Stöcker Inhaltsverzeichnis I.
Einleitung ............................................................................... ........................ '" ..... 53
II.
Regelwerke zur Begrenzung der Fluglännemissionen ........................................... 55 1. Die Lärmminderungspotenziale seitens des Standes der Technik ..................... 55 2. Internationale und nationale Regelwerke ................................. ,........................ 56 3. Aktuelle Ergebnisse der Sitzung des Umweltkomitees der ICAO ................... 57
IH. Die Lännwirkungen ............................................................................................... 59 IV. Das Fluglänngesetz ................. ............... ............. .................................................. 61 V. Bedeutende Eckwerte fllr eine Novellierung des Fluglänngesetzes ...................... 62 1. Ausweitung des Anwendungsbereichs .. ........................................................... 62 2. Modernisierung des Berechnungsverfahrens ............................................. ....... 63 3. Absenkung der Grenzwerte rur die Tagesschutzzone bei Verkehrsflughäfen .. 64 4. Absenkung der Grenzwerte rur die Schutzzonenfestlegung bei Militärflugplätzen ................. ............... ............ .............................. ......... ......... ............ 65 5. Verbesserung des Schutzes der Nachtruhe .................................... ................... 66 6. Weitergehende Regelungen fllr den Neubau ...... ......... .................. ................... 67 7. Verbesserung der Bürgerbeteiligung .................................... ............. :............... 67 8. Weitere Diskussionspunkte ............................ ........ .......................................... 68 VI. Einige grundsätzliche verkehrspolitische Erwägungen rur eine Novellierung des Fluglänngesetzes mit Bezug auf den Referentenentwurf .. ............... ......... ..... 69 VII. Die Kosten rur eine Novellierung .......................................................................... 70 VIII. Zusammenfassung, Ausblick ...... .............. ...................... ...... ....... ................. .. ..... 71
I. Einleitung Der Luftverkehr ist in den zurückliegenden Jahren wesentlich stärker (Verkehrsaufkommen Fluggäste 1999/2000 +4,5%) als anderer öffentlicher Verkehr gewachsen. 1999 erbrachte der Luftverkehr in Deutschland etwa 3% der Personentransportleistung. Prognosen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organi-
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sation (ICAO) lassen erwarten, dass der Luftverkehr weiter zunimmt. Wirtschaftliches Wachstum im eigenen Land und in vielen Exportländern und zunehmender politischer Wandel und Stabilität waren die Schrittmacher ft1r einen hohen Bedarf an Mobilität. Schnelle und zuverlässige Verkehrsverbindungen sind filr die Leistungs- und Wettbewerbsfilhigkeit der exportorientierten deutschen Industrie unverziChtbar. Der Luftverkehrsmarkt (Fluggesellschaften, Flughäfen, Luftfahrtindustrie) ist darüber hinaus ein bedeutender Arbeitgeber mi~ hochqualifizierten Arbeitsplätzen. Deutsche Fluggesellschaften und technisches know how genießen weltweite Anerkennung. Wie der Verkehr insgesamt, belastet auch der Luftverkehr die Umwelt. Eine verantwortungsvolle Luftverkehrspolitik hat daher die Auswirkungen auf die Umwelt stets im Auge. Regelungen zur Minderung der Auswirkungen greifen als aktive Maßnahme zur Minderung des Quelllärms (geregelt in der Lärmzertifizierung von Flugzeugen [LSL]) oder als passive Maßnahmen wie z.B. durch den Einbau von Schallschutzfenstern (geregelt im Fluglärmgesetz). International (ICAO, ECAC, EU, JAA) wie national sind hierzu zahlreiche Regelwerke in Kraft. Eines der ersten Regelwerke war das "Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm" (Fluglärmgesetz) von 1971. Zur fac·hlich und politisch notwendigen Novellierung wurde im Februar 2000 vom Bundesminister filr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ein Eckpunktepapier vorgelegt und im Dezember 2000 ft1r die Abstimmung unter den Ressorts ein Referentenentwurf präsentiert. In die Diskussion um eine Novellierung des Fluglärmgesetzes ist vor dem Hintergrund, dass es politische Zielsetzung ist, die Novellierung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg zu bringen, Bewegung gekommen. Seitens der Industrie, der Verbände und der Luftfahrtunternehmen wird zur Zeit ausgelotet, wo mögliche Kompromisslinien liegen könnten, um den zum Teil weitgehenden Vorstellungen einzelner Vorlagen in Teilbereichen entgegen kommen zu können. Diese sind zu sehen im Einsatz leiseren Fluggerätes und der konsequenten Umsetzung der Forschungsziele aus dem DLR-Projekt "Leiser Flugverkehr". Einen Kompromiss zu erreichen, erscheint bei der Diskussion um Grenzwerte, besonders ft1r die Tagschutzziele, am ehesten möglich. Die Diskussion ist jedoch noch zu wenig konkret, als dass eine Bewertung, wie eine endgültige Struktur aussehen könnte, zum jetzigen Zeitpunkt möglich wäre. Das Ziel eines verbesserten Schutzes vor Fluglärm ist eng verknüpft mit der technischen Entwicklung bei den Flugzeugen und der Verbesserung der operationellen Verfahren. Bei der Reduzierung des Fluglärms wurden in der Vergangenheit wesentliche Fortschritte erzielt. Der Quelllärm von Flugzeugen ist eine Mischung aus den Anteilen, die aus der Vortriebserzeugung mit Propeller oder Strahlantrieb und aus der Umströmung des Flugzeugkörpers resultieren. Bei heutigen Flugzeugen mit Strahlantrieb dominiert als Hauptlärmquelle zwar
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noch der Lärm des Triebwerks; mit der Entwicklung leiserer neuer Triebwerksgenerationen wird der Abstand zum Lärm, der aus der Umströmung resultiert (Zellenlärm) jedoch ständig verringert. Im Grenzbereieh des Anfluges mit weit ausgefahrenen Klappenstellungen ist diese Differenz zum Zellenlärm bereits geringer als 5 dB. Das hat zur Folge, dass in Forschungsansätzen der Reduzierung des Zellenlärms heute eine hohe Priorität eingeräumt wird.
11. Regelwerke zur Begrenzung der Fluglärmemissionen Die Begrenzung des Lärms an der Quelle wurde von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) aufgegriffen und als technisches Regelwerk im Annex 16, Volume I "Aircraft Noise" zusammengefasst. National wurden diese Rahmenbedingungen in den Lärmschutzforderungen fUr Luftfahrzeuge (LSL) definiert.
1. Die Lärmminderungspotenziale seitens des Standes der Technik
In den letzten 40 Jahren sind die Flugzeuge bezüglich der Lärmemissionen kontinuierlich leiser geworden. Fortschritte nach Maß und Zahl bei der Reduzierung des Lärms zeigt Bild I in der Übersicht. Die alten Strahltriebwerke ohne zweiten Kreis, wie sie z.B. fUr den Antrieb der Comet oder fUr die B 707 100 eingesetzt wurden, waren um 15 bis 20 dB lauter als heutige Konzepte. Hauptlärmquelle von reinen Strahlantrieben ist der Strahllärm als Folge der generierten Turbulenz zwischen ruhender Luft und dem Abgasstrahl hoher Geschwindigkeit. Die Geräuschentwicklung in der Scherströmung hat die Entwicklung von Zweikreistriebwerken mit niedrigeren Austrittsgeschwindigkeiten und hohem Massenstrom beflügelt. Gleichzeitig hat sich mit der Verringerung der Schergeschwindigkeit die Hauptlärmquelle vom ursprünglichen Strahllärm auf den Fan verlagert. Entsprechend dem technischen Fortschritt hat sich auch der LärmFußabdruck eines startenden Flugzeuges verändert. Bild 2 demonstriert dies in eindrucksvoller Weise. So beschallt beispielsweise eine BOEING 737 /200 mit nur 47 Tonnen Abflugmasse mit seinem Lärm-Fußabdruck eine neun mal größere 80 dB Fläche als ein mit 140 Tonnen dreimal so schwerer Airbus A 310.
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2. Internationale und nationale Regelwerke Das Regelwerk zur Begrenzung des Quelllärms wurde international von der ICAO im April 1971 im ANNEX 16, Volume I umgesetzt und national in den Lärmschutzforderungen rur Luftfahrzeuge (LSL) veröffentlicht. Die Gliederung erfolgt in einzelnen Kapiteln: Kapitel 2: setzt die Lärmgrenzwerte filr die zweite noch laute Generation von Flugzeugen mit Strahlantrieb,
Kapitel 3: setzt Lärmgrenzwerte rur modeme Flugzeuge mit Strahlantrieb und zusätzlich rur die größeren und modemen Flugzeuge mit PropeIlerantrieb (über 9 Tonnen), Kapitel 4: wird die beim Umweltkomitee der ICAO (CAEP) im Januar 2001 verabschiedeten Grenzwerte auf der Basis einer kumulativen Absenkung von 10 dB (Kapitel 3) über alle drei Messpunkte enthalten, Kapitel 5: setzt Lärmgrenzwerte Tonnen,
rur ältere PropeIlerflugzeuge größer 5,7
Kapitel 6 und 10: leichte Propellerflugzeuge und Motorsegler bis 9 Tonnen, Kapitel 8 und 11 (leichte): Hubschrauber. Um die frequenzabhängige Empfindlichkeit des menschlichen Ohres zu berücksichtigen, wurde filr große Flugzeuge die Beurteilung des Lärms, die "empfundene Lautstärke" mit der Maßeinheit EPNdB von der ICAO eingefi1hrt und auch in die nationalen Bestimmungen filr die Zertifizierung von Flugzeugen übernommen. Dieser Messwert wird durch die Einteilung des breitbandigen Mess-Signals in Frequenzbereiche ermittelt, deren Einzelpegel gemessen und mit einem "Lästigkeitsgrad" gewichtet werden. In den Prozess der Berechnung fließen ebenfalls die Einwirkzeit des Fluggeräusches und auch der Effekt hervortretender diskreter Einzeltöne mit ein. Gemessen wird bei den großen Flugzeugen an verschiedenen Punkten (Bild 3). Der Seitenlärm wird am Boden im Abstand von 450 m während des Starts gemessen. Der Startüberfluglärm wird am Boden in der verlängerten Mittellinie in 6500 m vom Startpunkt entfernt gemessen. Landeanfluglärm wird am Boden auf der verlängerten Mittellinie der Landebahn 2000 m vor der Landeschwelle gemessen; das Flugzeug befindet sich dabei auf einem Gleitpfad von 3 Grad in 120 m Höhe. Der
Ansätze fiir eine Neubewertung des Fluglärms
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Punkt ist so gewählt, dass das Flugzeug dann 300 m hinter der Landeschwelle aufsetzt. Messergebnisse filr den Startfall zeigt filr verschiedene Flugzeugmuster (Bild 4). Die Grenzkurven variieren mit der Zahl der Triebwerke. Die Arbeitsgemeinschaft europäischer Luftfahrtverwaltungen (JAA) ist das europäische Gremium zur Vorschriftenentwicklung filr die Zulassung im Lärmsektor. Über eine Harrnonisierungsverordnung sind die EG und die Arbeitsgemeinschaft mit 30 Mitgliedern eine enge Verbindung eingegangen. Diese Verordnung macht die erarbeitete Vorschrift JAR 36 (1997), die tur Neuzertifizierungen mit dem mit dem ICAO Annex 16 (abgesehen von nationalen Varianten) identisch ist, wenn sie in den Anhang der VO 3922 aufgenommen ist (Bedingung: keine nationalen Varianten), tur alle Mitgliedstaaten verbindlich. Die EU hat im Bereich zur. Begrenzung des Länns zahlreiche Richtlinien (Bild 5) oder Verordnungen erlassen, um die Bevölkerung über zusätzliche operationelle Beschränkungen vor überproportionaler Belästigung durch Länn zu schützen. Diese folgen einem Zwei-Schritt-Schema: Begrenzung der Verkehrszulassung lauter Flugzeuge (non addition rule), Ausphasung lauter Flugzeuge aus dem Betrieb im Hoheitsbereich der EU. Beispiele tur das Schema sind: die verbindliche Einfiihrung eines Lännnachweises (Lännzeugnis) RL 80/51,83/206; die Ausphasung der Kapitel 2 Flugzeuge in den Jahren 1995-2002, RL 89/624,92/ 14,98/20; die Beschränkung der lauten Kapitel 3-Flugzeuge (hush kits), VO 925/ 1999. 3. Aktuelle Ergebnisse der Sitzung des Umweltkomitees der ICAO Vom 8. bis 17. Januar 2001 fand in Montreal bei der Internationalen Ziviluftfahrt-Organisation (lCAO) das 5. Treffen des Umweltkomitees (CAEP Committee on A viation Environmental Protection) statt. Das Komitee verabschiedete insgesamt 15 Empfehlungen. Entscheidungen von politischer Tragweite fUr die ICAO (z.B.: Neuer Standard) werden dem Rat der ICAO oder der Vollversammlung der ICAO zur Entscheidung vorgelegt, so z.B. im Lännbereich:
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Verschärfung des technischen Standards Annex 16, Vol. I der Kapitel 8 und Kapitel 11 zur Lännmessung von Hubschraubern, Definitionen zur harmonisierten Vorgehensweise bei der Rezertifizierung von Flugzeugen (ANNEX 16, Vol. I, Kapitel 3 nach Kapitel 4), Vorschläge ft1r länngeminderte Abflugverfahren (NAP 1, NAP 2), Verabschiedung der Grenzwerte filr ein neues Kapitel 4 im ANNEX 16, Vol. I mit einem kumulativen Wert von -10 EPNdB. Diese Vereinbarung war wohl der größte Erfolg. Dass die Möglichkeit bestand, sich auf einen zweistelligen Wert filr eine kumulative Verschärfung zu einigen, war aus den Beratungen im Vorfeld nicht zu erwarten, zumal auch einige europäische Mitgliedstaaten nur filr eine Verschärfung von -8 EPNdB eintraten (Frankreich, Spanien). Eine Einigung über grundsätzliche Ziele der Anwendung eines umfassenden Ansatzes (balanced approach) wurde erreicht mit den Elementen: Lännstandard (Standard), planerische Ansätze fiir die Flughafenumgebung (land use planning), lännmindernde operationelle Verfahren (operational procedures), operationelle Beschränkungen (operational restrictions). Das Komitee (CAEP) erzielte keine Einigkeit darUber, ob operationelle Beschränkungen rur "laute" Kapitel 3-Flugzeuge in Form einer "phase-out"-Lösung global, regional oder flughafenbezogen jetzt schon konkretisiert werden sollten. Widerstand kam vor allem von den Entwicklungsländern, aber auch von anderen wichtigen Mitgliedstaaten wie USA oder Kanada. Bis zur Vollversammlung der ICAO im September 2001 sollte eine Lösung wie bei den Kapitel 2-Flugzeugen in Form einer Resolution angestrebt werden. Weitere Schritte in die Richtung werden bei dem Umweltseminar der ICAO im April 2001 vorbereitet. Eine Lösung ist deshalb fiir Deutschland und filr die Staaten der EU von großer Bedeutung, da mit der Möglichkeit, operationelle Beschränkungen filr "laute" Kapitel 3-Flugzeuge über die ICAO einzufUhren, der "hush-kit"Konflikt (Beschwerde der USA vor dem ICAO-Rat gegen die EG-Verordnung Nr. 925/1999 EG) mit dem Rückzug der EG-Verordnung gütlich beigelegt werden könnte.
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111. Die Lärmwirkungen In diesem Sektor bestehen bezüglich des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes wohl die größten Defizite. Die Festlegung von Grenzwerten im gesetzlichen Rahmen ist nicht unabhängig von diesen Erkenntnissen, da neben der Einordnung des Grades der Belästigung ein ausreichender Abstand zu einer möglichen Gesundheitsgeflihrdung gewährleistet sein muss. Dies gilt besonders filr lärmsensible Zeiten wie die Nacht. Zwei Gruppen von Wirkungen sind zu unterscheiden: Aurale, d.h. das Gehör betreffende Wirkungen, die sich darstellen in: einer vorübergehenden leichten Verminderung des Hörvermögens, einer Verminderung des Hörvermögens, einem Verlust des Hörvermögens (Taubheit); Extraaurale Wirkungen auf Psyche oder auf physische, vegetative, soziale oder geistige Funktionen (mit Erscheinungen wie Gefilhl der Belästigung, Beeinträchtigung von Schlaf, verminderte körperliche und geistige Leistungsfiihigkeit, Kopfschmerz, Störung der Umweltorientierung), auf Krankheitsbilder oder als Auslöser von Krankheitsbildern (wie z. B. angenommen auf Herz-Kreislauferkrankungen). Im Bereich der auf das Gehör bezogenen Wirkungen gibt es in der Literatur einen bewertbaren Erkenntnisstand, wann die Grenze zur Gesundheitsgeflihrdung erreicht wird, in Form der Defmition, dass bleibende Schädigungen des Gehörs ausgeschlossen werden, die in einer Tieffiuglärrnstudie ermittelt wurden. Abstand zur Schädigung ist gewährleistet, wenn: die Anstiegssteilheit des Schalldruckpegels unter 60 dB (A) / s liegt und ein Maximalpegel von 115 dB (A) am Ohr nicht überschritten wird (gültig filr seltene Überflüge), bei Überflügen hoher Pegelanstiegssteilheit Maximalpegel von 105 dB (A) am Ohr nicht überschritten werden (gültig rur häufige Überflüge), der auf 24 h bezogene Mittelungspegel den Wert von 70 dB (A) nicht erreicht (gültig filr anhaltenden Fluglärm). Die als Maß genannten Lärmgrenzwerte der Tieffiugstudie filr militärische Flugzeuge können nur eingeschränkt auf zivile Luftfahrzeuge mit grundsätzlich anderem Pegelanstieg übertragen werden, zeigen aber, dass erst relativ hohe Pegelwerte filr häufige Überflüge die Grenze zur Gesundheitsgeflihrdung ausweisen.
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Im Bereich der extraauralen Wirkungen gibt es einen breiten Fächer von Erkenntnissen / Aussagen, die nach einem Fazit des im Januar 2001 stattgefundenen DLR-Workshops noch nicht ausreichen, um Schlussfolgerungen ft1r Grenzwerte hieraus abzuleiten. Auf dem Workshop wurden wichtige Aussagen, zusammenfassende Bewertungen, vom wissenschaftlichen Leiter Prof. Weyer wie folgt vorgetragen: •
Belästigung durch Lärm (Aussagen von Vortragenden beim Workshop) Belästigung ist wichtigste Lärmwirkung (Guski); objektive Störung und emotionale Bewertung sind gleichrangig (Guski); Prognose über akustische Belastungen ist möglich, Prognose der Belästigungsreaktion kaum möglich (Guski); Häufigkeit definierter Pegelüberschreitung eher Störkriterium als Mittelungspegel (Kastka).
•
Lärm und kognitive Leistungen, Aussagen Hellbrück Fortschritte in kognitiver Psychologie und Neuropsychologie; Verständnis ft1r Informationsverarbeitungsprozesse unter Lärm; Standardisierte systematische Testunterlagen fehlen.
•
Lärm und Gesundheit, Aussagen verschiedener Vortragender Vegetative Übersteuerung bei Pegeln 10 dB unter Jansen-Kriterium (Maschke); Akutwirkungen auf vegetative und Herz-Kreislauf-Parameter vorhanden (Weber); Zusammenhang zwischen extraauralern Lärm und Herzerkrankungen in Langzeitstudien bisher nicht nachweisbar (Weber).
Als generelles Fazit lässt sich festhalten: Grenzwertfestlegungen sind aus der Wirkungs forschung zur Zeit nicht begrüDdbar. Die zusammenfassenden Bemerkungen unterstreichen: Es besteht akuter Bedarf an systematischer Wirkungsforschung infolgenden Feldern:
=> Lärmereignisparameter, insbesondere Frequenz, => Bewertung von Tages- und Nachtzeiten, => Reaktion auf Lärmpegeländerungen, Bewertung kombinierter Belastungen,
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=:> Bewertung von Fluglärm (Schlafstörungen, Belästigung am Tage, u. a.
DLR-Studie über Nachtfluglärmkriterien [Dr. Samei, laufend, Ergebnisse in ca. 2 Jahren]).
Die unbefriedigende Situation des Standes der Wissenschaft, besonders wenn der sensible Bereich des Nachtflugs bewertet wird, soll ein praktisches Beispiel zeigen. Der Vorschlag, beim Fluglärm den nächtlichen Grenzwert auf 50 dB(A) festzulegen, bedeutet 35 dB(A) "am Ohr des Schläfers". Dies entspricht einem "Blätterrauschen bei mäßigem Wind". Solche Werte, bei deren Bestimmung auch eine Berücksichtigung der Emissionen aus anderen Lärmquellen (z. B. des Straßenverkehrs) unabdingbar ist, werden entsprechend schon durch wenige, relativ leise Geräusche erreicht. Gesundheitliche Beeinträchtigungen sind bei diesem Wert in jedem Falle ausgeschlossen. Umstritten ist in der Lärmwirkungsforschung, inwiefern 50 dB außen eine (erhebliche) Belästigung und Beeinträchtigung des Schlafes darstellen, sollten Aufweckreaktionen nicht erwartet werden (bei einem hohen Percentil von Betroffenen). Die Festsetzung eines Schutzwertes von 50 dB kann daher nicht als eine wissenschaftliche Konsensmeinung gelten. Es besteht in der Literatur auch häufig die Tendenz, extrem niedrige Richtwerte zu verwenden und diese in der Bewertung in anzustrebende Schutzziele umzufunktionieren. Ein Beispiel ist der von der WHO angegebene Wert von 30 dB als energieäquivalenter Dauerschallpegel. Erst eine Verknüpfung mit der Definition ergibt den Sinngehalt: Unter Gesundheit ist nicht nur das Freisein von Krankheiten zu verstehen, sondern ein Zustand vollkommenen physischen, psychischen und sozialen Wohlbefindens. Diese Definition ist eine Idealvorstellung und filr eine Realitätsbetrachtung unsachgemäß (Isermann). Denn im wahren Leben kann die Belästigung durch das Umfeld nicht ausgeschlossen werden. Es bleibt dann die Schwierigkeit der Definition, wann eine Belästigung beeinträchtigend wirkt (erhebliche Belästigung).
IV. Das Fluglärmgesetz Am 3. April 1971 trat das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in Kraft. Kernstück des Gesetzes bildet die Festsetzung von Lärmschutzbereichen filr alle Flughäfen, die Liniendienste haben, und bei militärischen Flugplätzen, die Betrieb mit Flugzeugen mit Strahlantrieb haben. Zwei Schutzzonen sind definiert. Schutzzone 1 wird durch einen äquivalenten Dauerschallpegel von 75 dB und Schutzzone 2 durch einen Dauerschallpegel von 67 dB umschlossen. Maßgebend für die Bewertung ist nicht der Ist-Zustand, sondern der zu erwartende Ausbauzustand. Der äquivalente Dauerschallpegel berücksichtigt den höchsten Schallpegel ftlr jeden Vorbeiflug und die Dauer des Geräusches. Die zugrunde
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liegende Rechtsvorschrift als Anleitung zur Berechnung ist die AzB von 1975 mit einem update der repräsentativen Gruppen von 1984, in welche die aktuellen Flugzeugmuster einzuordnen sind. Bezugszeitraum sind die sechs verkehrsreichsten Monate des Jahres. Wegen ihrer höheren Störqualität werden Nachtflüge mit einen Zuschlag versehen. Erstattungen ftIr lärmmindemde Maßnahmen wie Schallschutzfenster sind bei Wohnungen auf einen Betrag von 130 DM pro m2 (bis 1977: 100 DM) begrenzt. Der Bedarf rur eine Novellierung des Fluglärmgesetzes besteht sowohl aus politischer als auch aus fachlicher Sicht. Das Gesetz trägt der im Luftverkehrsbereich veränderten Belastungssituation (geringere Maximalpegel, aber deutliche Zunahme der Zahl der Lärmereignisse, Anstieg des Nacht- und Tagesrandflugbetriebs) nicht mehr in ausreichendem Maße Rechnung. Das Ergebnis der öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages im November 1997 hat dies verdeutlicht. Die Bilder 6 bis 8 veranschaulichen am Beispiel Düsseldorf, wie sich die Änderungen im fleet-mix durch neue leisere Flugzeuge auf die Entwicklung des äquivalenten Dauerschallpegels ausgewirkt haben. Heute ragt die Zone 1 nicht mehr über den Flughafenzaun hinaus - dies vor dem Hintergrund einer deutlich gestiegenen Bewegungszahl. Das heißt aber gleichzeitig, dass die Bevölkerung in der Umgebung in Bezug auf den äquivalenten Dauerschallpegel eine deutliche Entlastung erfahren hat. Die verbesserte, leisere Technik in Kombination mit Erkenntnissen der Wirkungsforschung sollte die Grundlage bilden filr einen neuen Ansatz in Form einer Novellierung des Fluglärmgesetzes. Zusätzlich wird der besonders sensible Bereich des Nachtfluges betrachtet. Bei den fehlenden gesicherten Erkenntnissen aus der Lärmwirkungsforschung ist dies eine schwierige Gratwanderung.
V. Bedeutende Eckwerte für eine NovelIierung des Fluglärmgesetzes 1. Ausweitung des Anwendungsbereichs Eckpunkt 1: Zivile und militärische Flugplätze, an denen mehr als 5.000 Starts motorgetriebener Luftfahrzeuge in den sechs verkehrsreichsten Monaten stattfinden, und Luft- / Boden-Schießplätze sollen mit erfasst werden.
Grundsätzlich sollte der Anwendungsbereich des Fluglärmgesetzes erweitert werden. Eine alleinige Beschränkung auf Flugplätze mit Liniendiensten erscheint nicht mehr zeitgemäß. Vor einer Erweiterung des Anwendungsbereichs sollten zunächst folgende Punkte überprüft werden:
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Ist die Lännbelastung z. B. an Landeplätzen seitens der Wirkungsforschung (sofern es überhaupt Erkenntnisse gibt) gleich einzustufen wie die Belastung im Umfeld von Verkehrsflughäfen? Ist das benutzte Berechnungsverfahren in allen Fällen anwendbar (z. B. hinsichtlich der notwendigen Datenerfassung)? Wie hoch ist der finanzielle und organisatorische Aufwand, wenn am Ende nur festgestellt wird, dass sich die relevanten Zonen innerhalb des Flughafenzauns befinden? Der Anwendungsbereich sollte auf solche Flugplätze erweitert werden, bei denen sich gesichert unter Anwendung des novellierten Fluglänngesetzes praktisch relevante Lännschutzbereiche ergeben, wobei die "praktische Relevanz" bei kleineren Plätzen zunächst einmal in einem kostengünstigen Vortest ennittelt werden müsste, um den Betreibern keine zu hohen Kosten aufzubürden. Im Rahmen der Landeplatz-Lännschutz-Verordnung ist ein Ansatz bei 15 000 jährlichen Bewegungen festgelegt. Darüber hinaus können die Länder entscheiden, ob sie aus Sicht der Gegebenheiten vor Ort weitere Landeplätze einbeziehen oder auch von den Bedingungen freistellen. Eine Bewegungszahl von 20 000 Bewegungen dürfte filr den größeren Ansatz im Rahmen der Einbeziehung - mit praxisrelevantem Test - in das Fluglänngesetz eine untere Grenze darstellen.
2. Modernisierung des Berechnungsverfahrens Eckpunkt 2: Wesentlicher Ansatz in den Vorarbeiten ist hier, den Äquivalenzparameter von q = 4 auf q = 3 zu ändern. Zur wichtigen und notwendigen AzB-Änderung fehlt jeder Ansatz.
Was unter dieser These vorgelegt worden ist, kann nicht als Modernisierung des Berechnungsverfahrens verstanden werden. Es wird ausschließlich die Wahl des Bewertungsmaßes diskutiert. Hierzu ist anzumerken, dass grundsätzlich nichts gegen die Einfilhrung eines energieäquivalenten Dauerschallpegels Leq mit einem Äquivalenzparameter von drei spricht. Allerdings sollten die EU-Aktivitäten filr die Definition nicht außen vor gelassen werden als Parameter filr den Tag und die Nacht (LEU bzw. LOEN ). Tatsache ist, dass alle Parameter in Grenzen ineinander umgerechnet (von hochgradiger Korrelation kann gesprochen werden) werden können, allein der direkte Vergleich des Einzelwertes ist nicht möglich. In der Diskussion über Harmonisierungsansätze verloren gegangen ist auch, dass sie zur Beschreibung der Störwirkung als gleichwertig eingestuft werden können (Isermann). Auch die Sinnhaftigkeit der Frage einer kumulativen Betrachtung verschiedener verkehrlicher Lännquellen hat bisher keiner ausreichend gewürdigt, denn auch
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hier wird von vorgenannten Experten festgestellt, dass der intermittierende Charakter mit hohem Einzelschallpegel bei der Ermittlung eines äquivalenten Dauerschallpegels dominieren könnte mit der Folge, dass andere Lärmarten mit unterschiedlicher Charakteristik in der kumulativen Betrachtung keine ausreichende Berücksichtigung finden könnten. Die AzB ist zu verbessern, besonders in Bezug auf neue existierende Muster (A 340) und im Hinblick auf neu zu erwartende Luftfahrzeugmuster wie der A 380; Gegenüber der gültigen AzB von 1984 sind filr die praxisgerechte Berechnung bereits Verbesserungen vorgenommen, jedoch nicht gesetzlich umgesetzt worden. Dies ist, bei Betrachtung der weitgehenden Konsequenzen auf die mögliche Bebauung des Flughafennahfeldes, ein unmöglicher Zustand. In ausreichender Würdigung der Bedingungen hätte dann eine Überarbeitung und Veröffentlichung (einschließlich des Gesetzes) bereits vor mehr als 10 Jahren angegangen werden müssen. Die AzB in ihrer jetzigen Form beschreibt nur den Lärm, der vom fliegenden Verkehr ausgeht. Eine umfassende Betrachtung muss den Lärm durch Rollvorgänge, Standläufe, den Betrieb von Hilfsaggregaten (power units), aber auch die Vorfeld verkehre und die Beladungsvorgänge mit integrieren. Hierzu liefert die Vorlage (bisher gibt es keinen offiziellen AzB-Vorschlag) keinerlei Beitrag. Damit geht in diesem Punkt der Referentenentwurf grundsätzlich fehl. Besonders ftIr Neubau und Erweiterung gewinnen diese Ergänzungen an Bedeutung.
3. Absenkung der Grenzwerte für die Tagesschutzzone bei Verkehrsflughäfen Eckpunkt 3: Die Vorschläge hier umfassen die Absenkung der gültigen Grenzwerte filr die Schutzzone 1 von 75 auf 65 bis 67 dB und ftIr die Schutzzone 2 von 67 auf 60 bis 62 dB.
Entsprechend der Entwicklung und dem Einsatz von leiseren Flugzeugen in den letzten drei Jahrzehnten sind die um die Flughäfen ermittelten Zonen nach Fluglärmgesetz drastisch kleiner geworden. Eine Absenkung der Grenzwerte von 75 dB auf 65 oder 67 dB ftIr die Zone 1 kann aus Resultaten der Lärmwirkungsforschung genauso begründet werden wie eine Absenkung von 67 auf 62 oder 60 dB rur die Zone 2 - wobei anhand der Vorschläge zu prüfen ist, auf welchen Deskriptor sich diese Werte beziehen (rein energieäquivalent oder mit tageszeitbezogenen Zuschlägen). Festzustellen ist, dass der Vorteil einer solchen Absenkung von der verbesserten Technik mit der Verringerung des Quelllärms geprägt ist. Eine vorgeschlagene periodische Anpassung der Grenzwerte kann natürlich nur auf der Basis von gesicherten Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung
Ansätze für eine Neubewertung des Flugllinns
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durchgeführt werden. Hier sollte aber auch berücksichtigt werden, dass derartige Erkenntnisse mit wissenschaftlicher Begründung bisher nicht vorliegen und nur durch umfangreiche Untersuchungen gewonnen werden können. Der Vorschlag für die Anpassung des Schutzzieles für den Tagbereich erscheint nicht kritisch (wenn auch festzuhalten ist, dass ein Dezibel Lärmanstieg einer Steigerung der Verkehrsmenge von 25 % entspricht), da hier der Grenzwert in Bezug auf die Nähe zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach vorliegender Literatur einen ausreichenden Abstand hat. 4. Absenkung der Grenzwerte für die Schutzzonenfestlegung bei Militärflugplätzen Eckpunkt 4: Besondere Behandlung von militärischen Flugplätzen und Luft- / Boden-Schießplätzen durch Festlegung von um 3 dB(A) höhere Grenzwerte für die Tagesschutzzonen in den nächsten 10 Jahren.
Eine einheitliche Festlegung der Grenzwerte für zivile und militärische Flughäfen auf 67 dB(A) für die Tagesschutzzone 1, auf 62 dB(A) für die Tagesschutzzone 2 und auf 55dB(A) für die neue Nachtschutzzone würde sich hier anbieten. Mit dieser Regelung würde dem Prinzip der Gerechtigkeit Genüge getan und die finanziellen Auswirkungen der Grenzwertabsenkungen auf die Betreiber ziviler wie militärischer Flughäfen in vertretbaren Grenzen gehalten. Die Begründung zur Notwendigkeit einer Behandlung des militärischen Fluglärms im Rahmen des Fluglärmgesetzes ist sinnvoll und nachvollziehbar. Dies trifft allerdings nicht auf die anschließende Wabl differenzierter Grenzwerte zu. Schutzziele können nicht grundsätzlich anders definiert werden, besonders dann nicht, wenn beide Lärmarten in einem Gesetz vereinigt nebeneinander stehen. Eine Absenkung der Grenzwerte kann nicht über die tageszeitbezogenen Zuschläge auf den äquivalenten Dauerschallpegel und die zeitliche Verteilung des Flugbetriebs begründet werden, es sei denn, diese Zuschläge wären für militärischen und zivilen Fluglärm anders anzusetzen. Andernfalls müsste man - als logische Konsequenz - fiir zivile Flughäfen ohne Nachtflugbetrieb die Grenzwerte ebenfalls erhöhen. Die Ableitung eines Bonus von 3 dB ist nicht nachvollziehbar. Geht man allein von der unterschiedlichen zeitlichen Verteilung - also unter Vernachlässigung der Effekte unterschiedlicher Einzelereignispegel - aus, so würden sich fiir den Zivilverkehr aufgrund der Anteile in den kritischen Tageszeiten höhere Mittelungspegel als für den militärischen Verkehr ergeben (nach Isermann). Das würde jedoch implizieren, dass die Grenzwerte für militärischen Fluglärm ohne weiteres unter diejenigen des zivilen Fluglärms abgesenkt werden könn5 Ziekow
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ten. Allerdings ist ein Vergleich auf einer derartigen Basis nicht sachgerecht, da hier vernachlässigt wird, dass militärischer Fluglärm andere physikalische Charakteristika als ziviler Fluglärm hat (z. B. höhere Maximalpegel, rasche Pegelanstiegszeiten, Impulsgehalt). Aus dem Kontext ·geht der eigentliche Grund ftlr den Vorschlag unterschiedlicher Grenzwerte recht klar hervor, nämlich die Abschätzung der auf den Bundeshaushalt zukommenden Kosten von ca. 1,5 Mrd. DM. Vor allem den Betroffenen dürfte die Differenzierung der Grenzwerte in der vorliegenden Form nach außen nicht vermittelbar sein. Üblicherweise werden unterschiedliche Lärmarten über einen Pegelzuschlag wirkungsbezogen miteinander vergleichbar gemacht ("Schienenbonus"). Dadurch können sie auf gleiche Grenzwerte bezogen werden. Der Vorschlag von um 3 dB höheren Grenzwerten ftlr militärischen Fluglärm suggeriert dementsprechend die EinfUhrung eines "Militärbonus" fUr Fluglärm - was jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Vor allem Sachkundige werden die angefUhrten Begründungen nicht akzeptieren - ihnen ist allerdings ohnehin klar, dass das finanziell vertretbare Absenkungspotential ftlr Lärmgrenzwerte im militärischen Bereich wesentlich geringer ist als im zivilen Sektor.
S. Verbesserung des Schutzes der Nachtruhe Eckpunkt 5: Als Kriterien ftlr den Nachtschutz werden zwei Zielvorstellungen diskutiert. Werte ftlr den äquivalenten Dauerschallpegelliegen zwischen 50 und 55 dB. Zusatzkriterium sind Überschreitungshäufigkeiten von 6 mal 75 dB außen (Jansen Kriterium) bzw. 4 mal 55 dB im Innenraum.
Die EinfUhrung von Nachtschutzzonen sollte generelles Ziel sein. Hier zeigt das bestehende Fluglärmgesetz Defizite. Die Ausweisung von Nachtschutzzonen auf der Basis eines äquivalenten Dauerschallpegels entspricht dem von der EU gewählten Ansatz. Ob allerdings der äquivalente Dauerschallpegel wie bei den ersten EU-Definitionen vorgeschlagen als alleiniges Kriterium ausreicht, ist fraglich. Bisher wurden ftlr die Beurteilung von nächtlichem Fluglärm in der Praxis ftlr Einzelereignisse immer wieder Kriterien benutzt, die auf Überschreitungshäufigkeiten von Maximalpegeln beruhen (Jansen, Griefahn). Vor einer endgültigen Festlegung sollten auf jeden Fall neuere Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Vorschläge durch die EU ist anzumerken, dass diese die Benutzung zusätzlicher Kriterien zur Bewertung des nächtlichen Fluglärms (neben dem äquivalenten Dauerschallpegel) nicht ausschließen. Ein Grenzwert von 50 dB ist - wie bereits unter der Überschrift Lärmwirkungen beschrieben - nicht sinnvoll. Er würde in etwa einem Innen-Leq von 35
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dB entsprechen - ein solcher Wert kann aber schon durch wenige relativ leise Geräusche hervorgerufen werden. Wenn derartig niedrige Werte angesetzt werden, muss auch die Vorbelastung (z. B. durch Straßenverkehr, Schienenverkehr oder andere Umweltgeräusche) mit berücksichtigt werden. Für den Neu- oder Ausbau soll dieser Wert dann nochmals auf 45 dB abgesenkt werden, wasfiir einen großen Flughafen einem faktischen Nachtflugverbot gleichkommt. 6. Weitergehende Regelungen für den Neubau Eckpunkt 6: Für den Neu- und Ausbau wird ein zusätzlicher Malus von 5 dB gefordert.
Eine derartige Absenkung der Grenzwerte ist durch Einfilhrung neuer Technologien (Flugzeugmuster, operationelle Verfahren) innerhalb der nächsten 15 - 20 Jahre nicht erreichbar. Es besteht auf dem Triebwerkssektor zwar noch ein beträchtliches Lärmminderungspotential; dies dürfte jedoch aufgrund der Tatsache, dass das Durchschnittsalter der zivilen Luftflotten (z. B. DLH 8 Jahre) gering ist, erst relativ spät voll ausgeschöpft werden. Insofern besteht bei der vorgeschlagenen Absenkung die Gefahr, dass Neu- oder Ausbauprojekte, die ja in der Regel durch die Notwendigkeit der Abwicklung größerer Verkehrsaufkommen begründet werden, im vorhinein zum Scheitern verurteilt sind. Die nochmalige Absenkung des Grenzwertes um 5 dB(A) eines Flughafens auf einen äquivalenten Dauerschallpegel von 45 dB(A) sowie eine nochmalige Herabsetzung des Einzelschallpegel-Kriteriums auf 4 mal 52 dB(A) ist völlig unverhältnismäßig, durch die Lärrnwirkungsforschung nicht gedeckt und erscheint gegenüber anderen Verkehrsträgern diskriminierend. Die Verschärfung entspricht - bei gegebenem Verkehrsaufkommen - einer Vergrößerung der als Schutzzonen auszuweisenden Flächen um mindestens das Zweieinhalbfache. Damit werden Ausbauvorhaben an den meisten Flughäfen de facto unbezahlbar. Alternativ müsste - bei konstanter Schutzzonengröße - das Verkehrsaufkommen auf etwa 30 % gesenkt werden. Damit wird ein Ausbau oder Neubau von Flughäfen in Deutschland verhindert. 7. Verbesserung der Bürgerbeteiligung Vorschläge sehen erstmalig im Luftrecht unter der Überschrift filr bessere Bürgerbeteiligung ein Beteiligungs- und Klagerecht von Betroffenenvertretern wie der Bundesvereinigung gegen Fluglärm vor (Verbandsklagerecht). Die Klage kann auch von anderen nach § 29 Abs. 1 BNatSchG anerkannten Ver-
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bänden bei luftrechtlichen Plan feststellungen selbst dann gefllhrt werden, wenn sie in ihren Rechten nicht verletzt sind. Unter dem gleichen Ansatz soll die Festlegung von An- und Abflugrouten unter Beteiligung des Umweltbundesamts an dem Genehmigungsverfahren erfolgen, um die ökologischen Belange besser einbringen zu können. Eine Verbesserung der BUrgerbeteiligung bei Änderung der verkehrlichen Rahmenbedingungen (Neu- / Ausbau von Flughäfen, Flugroutenänderungen etc:) ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings erscheint das existierende Instrumentarium, in dem Verbesserungen vorgenommen und Beteiligungen verstärkt werden können, ausreichend (im Plan feststellungs verfahren, Luftverkehrsgesetz § 32b Kommission).
8. Weitere Diskussionspunkte
Der in den Eckpunkten vorgelegte Katalog ist natürlich nicht vollständig. Wichtige, hier nicht ausftlhrlich diskutierte Fragen umfassen: Entschädigung von Außenwohnbereichen Erste Ansätze hierzu gibt es bereits in NRW. Um den Flughafen Düsseldorf wird auf der Basis eines äquivalenten Dauerschallpegels von 65 dB der Außenwohnbereich (Terrassen, Balkone) auf der Basis von 2% des Verkehrswertes entschädigt. Der Umfang der Leistungen wird nach ersten Ansätzen auf ca. 10 Mio. DM abgeschätzt. Grundsätzlich könnte hier die Frage gestellt werden, ob hierfllr gesetzlicher Regelungsbedarf besteht oder ob dies nicht besser auf der Basis einer freiwilligen Vereinbarung vor Ort zwischen BUrgern und Flughafen zur Verbesserung der gutnachbarschaftl~chen Beziehungen zu regeln wäre. Das Instrument freiwilliger Mehrleistungen (fllr Schallschutzmaßnahmen) existiert ja auch heute bereits. 100/ 100-Berechnung Hier wird ein worst case-Szenario fllr die Berechnung herangezogen, das weit von den realen Verhältnissen entfernt ist. Die entschädigungsrelevanten Flächen werden durch eine solche Anwendung erheblich (um 40% und mehr) vergrößert, ohne dass ein Anlass aus Belastungsgründen vorliegt. Extreme Nutzungsunterschiede wie das Bahnsystem in Hamburg (4% zu 96%) ftlhren dann auch zu erheblichen Vergrößerungen der Zonen.
Ansätze rur eine Neubewertung des Fluglärms
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VI. Einige grundsätzliche verkehrspolitische Erwägungth f"ür eine Novellierung des Fluglärmgesetzes mit Bezug auf den Referentenentwurf Die Situation der deutschen Flughäfen in ihrer internationalen wie nationalen Bedeutung als Teil des Verkehrssystems Luftfahrt muss in das Endprodukt Fluglärmgesetz mit einfließen. Hier scheint der Referentenentwurf zu weitgehende Ziele gesteckt zu haben. Ein weit ausgelegtes, rein auf Umweltaspekte gerichtetes Vorsorgeprinzip kann und darf nicht die Triebfeder des Handelns sein. Fiughäfen sind auch Wirtschaftsunternehmen, bei Wahrung grundsätzlicher Schutzziele filr den Bürger muss auch die Beeinträchtigung durch ein Verkehrssystem hingenommen werden. Straßen werden auch nicht nachts geschlossen. Grenzwerte filr die Nacht mit einem Dauerschallpegel von 50 dB und ein Einzelschallkriterium von 4 mal 55 dB kommen, besonders wenn sie mit geplanten Neubaumaßnahmen oder Erweiterungen verknüpft sind und die dann gültigen Zusatzbedingungen die Grenzwerte nochmals auf 45 dB und 4 mal 52 dB Einzelschallkriterium senken, faktisch einem Nachtflugverbot gleich. Hier stellt sich die Frage der Hub-Funktion, die dann nicht aufrecht erhalten werden kann, weil durch die internationalen Umläufe bedingt auch ein großer Teil in der Nacht abgewickelt werden muss. Die Funktion des Frachtverkehrskonzepts von Köln / Bonn ist hierfUr ein Beispiel. International ist es nur schwer vermittelbar (die Frage der ICAO-Konformität ist zu prüfen), dass Deutschland filr den internationalen Luftverkehr nicht mehr zu erreichen ist. Wesentliche Einschränkungen ftlr die Nacht sind heute bei allen deutschen Verkehrsflughäfen in Kraft. Nur wenige haben bedeutenden Nachtflugverkehr (FRA, CGN). Zusätzliche, überproportionale Maßnahmen ohne Begründung in der Lärmwirkungsforschung, die weit über ein moderates Nachtschutzziel hinausragen, stellen ein luftverkehrliches Gesamtkonzept in Frage. Kapazitätserweiterungen des Flughafens sind unter der Zusatzforderung minus 5 dB bei Neu- und Ausbau auch nahezu unmöglich, da die technologischen Möglichkeiten, Flugzeuge leiser zu machen, wie zu Anfang dargelegt, mit den existierenden modemen Konzepten nahezu ausgereizt sind, d. h. es kommen zwar in nächster Zeit neue Flugzeuge auf den Markt (Airbus A 380), diese werden aber schon wegen ihrer Größe keine "leisen" Flugzeuge sein. Aktuell betroffen sind die Flughäfen Berlin und Frankfurt. Das novellierte Fluglärmgesetz soll nach dem Referentenentwurf um einen Ansatz Vorsorge / Planung erweitert werden. Diese Zielrichtung wurde von den Bundesländern bereits seit einiger Zeit im Rahmen einer eigenen Verordnung "Fluglärmschutzverordnung" mit Anbindung an das Luftrecht diskutiert. Aus verkehrspolitischer Sicht ist dieser Weg der Anbindung zielftlhrender, zumal
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Ulrich Stöcker
hier alle Fragen einer Genehmigung (Erweiterung / Neubau) unter dem Dach des Luftrechts zusammengeftlhrt werden. Ein Votum der Verkehrsministerkonferenz der Länder (VMK) mit dem Ziel der Verankerung im LuftVG liegt bereits vor. Im Referentenentwurf :wird das Umweltbundesamt (UBA) genannt, um die Festlegung der Flugrouten mit zu genehmigen. Lärmrelevante Routen im Sinne des Fluglärmgesetzes sind die An- und Abflugrouten. Die letztendliche Festlegung von An- und Abflugrouten, welche die kritischsten Flugphasen sind, muss Sicherheitsaspekten folgen. Umweltfragen werden dabei nicht vernachlässigt, sondern bereits in den beratenden Gremien wie der örtlichen Kommission nach § 32b LuftVG mit einbezogen. Hier ist die BOrgerbeteiligung durch Vertreter von umliegenden Gemeinden oder der Bundesvereinigung gegen Fluglärm gesichert. Eine zusätzliche direkte Beteiligung des UBA an dem Genehmigungsverfahren ist deshalb entbehrlich.
VII. Die Kosten für eine Novellierung Die Kosten filr die Novellierung sind deshalb sehr wichtig, da das Fluglärmgesetz die militärischen und zivilen Entschädigungsleistungen unter einem Dach vereinigt. FOr den militärischen Bereich ist der Bund Nettozahler, die Kosten filr den zivilen Bereich sind vom Luftverkehr aufzubringen. Die entstehenden Kosten filr den einzelnen Flughafen sind sehr stark von den Verkehrskonzepten filr den Flughafen und den örtlichen Gegebenheiten bezüglich der Bebauung abhängig. Die ersten Kostenschätzungen des Umweltbundesamtes (UBA) filr den vorgelegten Referentenentwurf weisen bundesweit ca. 1,5 Mrd. DM filr den militärischen Bereich und ca. 1,3 Mrd. DM filr den zivilen Bereich aus. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) hat eine eigene Studie erstellt. Demnach ist mit einem etwa vier bis fünffach höheren Kostenansatz im zivilen Bereich zu rechnen. Gründe filr die gravierenden Unterschiede sind die vom UBA angenommenen mittleren Bebauungsdichten um die Flughäfen. Vergrößern sich die Zonen aufgrund zusätzlicher Annahmen wie verschärfte Bedingungen filr den Nachtflug oder WO/WO-Regelung, dann wachsen diese Zonen in Bereiche erheblich dicht bebauter städtischer Gebiete hinein, filr die die angenommene mittlere Bebauungsdichte nicht mehr repräsentativ ist. Am Beispiel eines Flughafens, an dem Nachtflugverkehr stattfindet, sollen die Zusatzkosten, wenn 55 dB äquivalenter Dauerschallpegel filr die Nacht und 6 mal 75 dB (Jansen) Einzelschallkriterium der Ausgangswert (keine Kosten) ist, einmal dargestellt werden, wenn einzelne Parameter variiert werden. Diese
Ansätze
rur eine Neubewertung des Fluglärms
71
reinen Zusatzkosten enthalten nicht die Leistungen zur Erftlllung des Ausgangskriteriums.
Nachtkriterium: Bei der Absenkung von 55 auf 50 dB: Bei der Forderung 4 mal 55 dB innen:
160 Mio. DM zusätzlich. 35 Mio. DM zusätzlich.
Nachtkriterium und JOO / JOO-Regelung: Bei 55 dB äqui. Dauerschallpegel aber 100/100: Bei der Absenkung von 55 auf 50 dB aber 100/100: Bei der Forderung 4 mal 55 dB innen aber 100/100:
15 Mio. DM zusätzlich. 260 Mio. DM zusätzlich. 55 Mio. DM zusätzlich.
Die Zahlen demonstrieren, dass erhebliche Unterschiede bei den Kosten zu erwarten sind, wenn Zusatzkriterien, die von der Realität weit entfernt sind (100/100), in die Rechnung eingefilhrt werden.
VIII. Zusammenfassung, Ausblick Der technische Fortschritt und Erkenntnisse aus der Lärmwirkungsforschung sind treibende Elemente fur eine Neubewertung des Fluglärms. Integriert werden müssen in eine Gesamtschau auch die ökonomische Bedeutung des Luftverkehrssystems bei einer Festlegung von Schutzzielen ebenso wie das bis dato gesprochene Recht, wenn das Produkt die Novellierung des Fluglärmgesetzes ist. Die Ergebnisse der Forschungen aus dem technischen Programm "Leiser Verkehr" des DLR und dem Ansatz zur Lärmwirkungsforschung im Schlaflabor des DLR stehen fur eine optimale Anpassung der Zielvorstellungen erst in ein bis zwei Jahren zur Verfügung. Der Bedarf aus dem politischen Raum, aktuell eine Anpassung des Fluglärmgesetzes vorzulegen, kann dazu fUhren, dass die Entscheidungsfindung mehr politisch und nicht wissenschaftlich geprägt ist. Die vorgelegten Vorstellungen zeigen einen Fächer von möglichen Grenzwerten für einen Novellierungsansatz. Hierbei kann festgestellt werden, dass die niedrigeren Werte fast ausschließlich Umweltvorstellungen folgen - mit deutlichen Einschränkungen fur das Verkehrssystem und Vermeidung von Ausund Neubaumaßnahmen durch gesetzlich vorgegebene restriktive Einschränkungen (Malus von 5 dB). Sie folgen damit nicht dem von der Kommission in der Mitteilung "Luftverkehr und Umwelt" vorgestellten Ziel eines nachhaltigen Wachstums und sind somit nicht konform mit den Gemeinschaftszielen. Die geplanten Ausbauprojekte Berlin und Frankfurt sind damit gefiihrdet, zum al auch fur das Tagschutzziel dann die Regelung von - 5 dB greift.
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Die Kosten fUr die weitgehenden Vorstellungen sind letztlich kaum kalkuIierbar, dürften aber höhere Mrd. Beträge ausmachen, als in einer UBA-Studie vorgelegt. Aus der Praxis letztendlich nicht zu begründende Forderungen im Berechnungsverfahren (100/1 OO-Regelung generell) verursachen überproportionale Zusatzkosten (abhängig natürlich von der Situation am einzelnen Flughafen). Die Schutzziele lassen sich schließlich umreißen in ein Tagschutzziel mit zwei Zonen von 65-67 dB bzw. 62-60 dB. Hier sind die Vorstellungen nicht so weit auseinander und auch fUr den Luftverkehr nicht so pressierend. Die Nachtschutzziele mit 50-55 dB äquivalentem Dauerschallpegel mit den Zusatzkriterien filr Einzelschallpegel treffen den Lebensnerv einzelner Flughäfen, die erweiterte Konzepte haben, den Betrieb in der Nacht in erträglichen Grenzen aufrechtzuerhalten. Ein Ansatz rur einen Kompromiss könnte darin zu sehen sein, dass die Ergebnisse der technischen Untersuchungen zur Lärmreduzierung am Flugzeug und die Ergebnisse der Schlaflaboruntersuchungen zum Fluglärm seitens der Wirkungsforschung abgewartet werden (ca. zwei Jahre werden hierrur veranschlagt). Die NoveIlierung des Fluglärmgesetzes könnte zwischenzeitlich auf der Basis der moderateren Ansätze durchgefUhrt werden, um dann nach einem Zeitraum von fUnf Jahren die neu gewonnenen Erkenntnisse aus der Wissenschaft in eine Überarbeitung einfließen zu lassen. Das hätte auch den Vorteil, dass dann die europäischen Vorstellungen rur entsprechende Regelwerke, die bisher im Entwurfsstadium sind, ebenfalls integriert werden könnten.
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Ansätze für eine Neubewertung des Fluglänns
=
120 ....- -
•
8-52
"0
Z
~
110
S.ltenllnle.Llrmpegel für FlugzeugfTrlebwerkkonflguratlonen
Com.t4
normiert auf 100,000 Ib Schub
•
Turbofan 2. Generation
Turbofan 1. Generation 90~--------~--
1950
1960
-,1970
==:=====~~~90 I I 1980
1990
Jahr der Erstzulassung
Bild I: Lännentwicklung - Flugzeuge
Bild 2: "Fußabdruck" der 80 dB Kontur - zwei Flugzeuge im Vergleich-
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LÄRM - MESSPUNKT - ABFLUG
LÄRM - MESSPUNKTE - SEITE
LÄRM - MES5PUNKT - ANFLUG
Bild 3: Lännrnesspunkte Kapitel 3
110 ~----------------------.---,--.--------.-----r---r-,
80
704---------------------~~--~------~~~~~~
10
20
40
60
08 100
ST ARTMASSE
(t
I
200
Bild 4: Zertifizierungswerte der Flugzeugmuster
Ansätze für eine Neubewertung des Fluglänns
Regelung
ICAO
EU
JAA
National
Lärmzulassung
Annex 16 Volume 1
RILI 80/51 RILI 83/206
JAR36
LSL
Lärm am Boden
AC 205 Berechnung
Vorbereitung
FluglärmGesetz
Ausphasung Kapitel 2
Res. A 28 1990
RILI 89/624 RILI 92/14 RILI 98/20
LuftVO § llc
Ausphasung Kapitel 3
Res. A IX 9/2001
V092S/1999
Unmittelbar LuftVO
Bild 5: Lännvorschriften für Luftfahrzeuge und Schutz am Boden
Rahmenbedingung 106 000 Bewegungen Bild 6: Lännschutzbereich 1974 DUS, Konturen 75 dB und 67 dB
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Rahmenbedingung 121 000 Bewegungen Bild 7: Lärmschutzbereich 1998 DUS, Konturen 75 dB und 67 dB
nach Isermann, mit Flugstrecken Bild 8: Lärmschutzbereich, Einfluss Mix, Beispiel Leq = 67 dB
DUS
Mediation in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung Von Thorsten Siegel Inhaltsverzeichnis I.
Mediation als Konfliktmittlung .... ................... ............ ........ ...... ....... ... ............... ... 1. Der Begriff der Mediation.. .................................. .................................. .......... a) Definition ......................................................................... ..... ....................... b) Abgrenzung............................................... ................................................ 2. Die Phasen der Mediation .................................................... .................... ........ a) Die Initiierungsphase .............. ....................... .............................................. b) Die Vorbereitungsphase .............................................................................. c) Die Verhandlungsphase .................... ........................................................... d) Die Umsetzungsphase .................................................................................. 3. Rechtspolitische Bewertung ............................................................................. a) Vorteile ........................................................................................................ b) Risiken ............................................. ............................................................ c) Zwischenergebnis ...................... ..................................................................
81 81 81 82 84 84 86 87 89 89 90 90 92
H.
Mediation und Planfeststellungsrecht .................................................................... 92 I. Die Initiierungsphase ........................................................................................ 92 a) Zulässigkeit der Mediation: Integrationsmodelle de lege lata ..................... 92 aa) Ersetzung des Planfeststellungsverfahrens? .......................................... 92 bb) Anreicherung des Planfeststellungsverfahrens? .................................... 93 cc) Ergänzung des Planfeststellungsverfahrens ............................ .............. 94 b) Bewertung der Erfolgsbedingungen ............................................................ 96 c) Wahl des richtigen Zeitpunktes ................................................................... 99 d) Benennung des Mediators ........................................................................... 100 2. Die Vorbereitungsphase ................................................................................... 101 a) Gesetzesbindung der Verwaltung ............................................................... 101 aa) Direkte Geltung des Planfeststellungsrechts? ....................................... 10 1 bb) Analoge Geltung des Planfeststellungsrechts? ..................................... 102 cc) Umfang des Analogieschlusses ............................................................ 103 b) Gesetzesbindung des Mediators .................................................................. 105 aa) Unmittelbare Bindungswirkung? .......................................................... 105 bb) Mittelbare Bindungswirkung? .............................................................. 106 3. Die Verhandlungsphase .......................................... ................................ ......... 107
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Thorsten Siegel a) Wichtige fonnell-rechtliche Anforderungen .............................................. 107 b) Wichtige materiell-rechtliche Anforderungen ............................................ 108 4. Die Umsetzungsphase ...................................................................................... 109 a) Bindungswirkung ................................................................... ..................... 109 aal Rechtliche Bindungswirkung? .............................................................. 109 bb) Faktische Bindungswirkung ............................. .................... ................ 111 b) Kontrollpflichten der Anhörungs- und der Planfeststellungsbehörde ........ 112 c) Art der Umsetzung ....................................................................... ............... 112
IH. Schluß ........................ .................... ........................... '" ................ ......................... 113
Komplexe Lebenssachverhalte, wie sie typischerweise auch luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren zugrunde liegen, sind von einem multipolaren Beziehungsgeflecht geprägt. Dabei gilt es, gegenläufige Interessen und Positionen miteinander in Einklang oder zumindest in angemessenen Ausgleich zueinander zu bringen I. Steht etwa die Erweiterung eines Flughafens zur Debatte, so wird die jeweilige Flughafenbetreibergesellschaft regelmäßig auf die DurchfUhrung einer solchen Maßnahme drängen. Unterstützung erfiihrt sie oftmals von der jeweiligen politischen Spitze, sofern es sich hierbei um ein politisches Prestigeobjekt handelt. Andererseits werden erstmalig oder zusätzlich betroffene Anwohner Gesundheitsbelange, insbesondere solche des Lärmschutzes, anmelden. Von den Einflugschneisen berührte Gebietskörperschaften werden auf Überflugverboten bestehen. Schließlich werden Naturschützer ft1r den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen eintreten. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortfUhren. Ein eindrucksvolles Beispiel filr die Vielfalt der eingebrachten Interessen, aber auch filr die Konfliktträchtigkeit lieferte in der Vergangenheit die Auseinandersetzung um die "Startbahn West" des Flughafens Frankfurt2 • Aus der jüngeren Vergangenheit ist an die noch lange nicht beendeI Hierzu etwa Wolfgang Hoffmann-Riem, Verhandlungslösungen und Mittlereinsatz im Bereich der Verwaltung: Eine vergleichende Eintuhrung, in: Hotfmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Infonnelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 13 (16 f.); Bernd Holznagel, Die Einschaltung Dritter in Verwaltungsverfahren, in: Ziekow (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, Berlin 1998, S. 279 f.; Philip Kunig / Susanne Rublack, Aushandeln statt Entscheiden? - Das Verwaltungsverfahrensrecht vor neuen Herausforderungen, JURA 1990, S. I; Ulrich Ramsauer, Mediation im Umweltrecht, in: Breidenbach / Henssler (Hrsg.), Mediation tur Juristen - Konfliktbehandlung ohne gerichtliche Entscheidung, Köln 1997, S. 161 f.; Rudolf Steinberg, Kritik von Verhandlungslösungen, insbesondere mittlerunterstützten Entscheidungen, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Infonnelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 295 (296 f.). 2 Zu dem in diesem Zusammenhang anvisierten Volksbegehren vgl. HessStGH, Beschl. vom 15. Januar 1982, Az.: P. St. 947; NJW 1982, S. 1141 tf.; hierzu wiederum
Mediation in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung
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te Debatte um die erneute Erweiterung des Frankfurter Flughafens zu denken, auf welche im folgenden noch mehrfach zurückzukommen sein wird. Der Bewältigung der in einem solchen Interessengeflecht geradezu vorprogrammierten Konflikte dient auch das Planfeststellungsverfahren. So entscheidet gemäß § 74 Abs. 2 S. 1 Vwvro 3 im Planfeststellungsbeschluß die Planfeststellungsbehörde über die Einwendungen, über die bei der Erörterung vor der Anhörungsbehörde keine Einigung erzielt worden ist. Der Gesetzgeber setzt somit voraus, daß im Erörterungstermin ein weitestgehender Konsens erzielt oder zumindest angestrebt wird. Auf eine zumindest vertretbare Konfliktlösung zielt das in § 8 Abs. I S. 2 LuftVG 4 statuierte Abwägungsgebot ab. Auch das sich gegebenenfalls anschließende Gerichtsverfahren dient - unter anderem der KonfliktbeilegungS . Es stellt sich jedoch die Frage, ob man es bei diesen herkömmlichen Methoden der Konfliktvermittlung belassen soll6. Denn zum einen beschränkt sich die Konsenssuche hierbei typischerweise auf rechtlich geschützte Positionen7 • Zum anderen - dies vor allem - greifen behördlich und erst recht gerichtliche Aus" die Anmerkungen von Werner Ernst, DVBI. 1982, S. 495 tT.; Hansgeorg Frohn, DÖV 1982, S. 322 f; Karllhmels, DÖV 1982, S. 59!! tl. Zur insoweit verworfenen Verfassungsbeschwerde vgl. BVerfG, Beschl. vom 24.3.1982, Az.: 2 BvH 1/82, NJW 1982, S. 1579 ff.; hierzu wiederum die Anmerkung von Michael Sachs, DÖV 1982, S. 592 ff. Vg\. zum ganzen auch Karl Ender, Richterspruche in Sachen Großdemonstration der Startbahngegner am 14. November 1981 in Wiesbaden sowie zum Antrag auf ein Volksbegehren, Die Polizei 1982, S. 143 ff.; Christian Pestalozza, Startbahn frei filr das Verwaltungs(akt)referendum, NJW 1982, S. 1571 ff; RudolfSteinberg, Standortplanung umweltbelastender Großvorhaben durch Volksbegehren und Volksentscheid?, ZRP 1982, S. 113 ff.; Uwe Wesei, "Offenbar unbegrundet" - Zur Verfassungsmäßigkeit des Volksbegehrens gegen den Bau der Startbahn West, KJ 1982, S. 117 ff. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) Ld.F. der Bek. vom 21.9.1998 (BGB\. I S. 3050). Zur Anwendbarkeit des § 74 VwVfG im luftverkehrsrechtlichen PIanfeststellungsverfahren vg\. Max Hofmann I Edwin Grabherr, Luftverkehrsgesetz, Kommentar, München 1998, § 8 Rn. 4. 4 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) Ld.F. der Bek. vom 27.3.1999 (BGB\. I S. 550). S Zur Konfliktmittlung im Verwaltungsprozeß vgl. etwa Karsten-Michael Ortloff, Richterauftrag und Mediation, in: Breidenbach / Henssler, Mediation filr Juristen: Konfliktbehandlung ohne gerichtliche Entscheidung, Berlin 1997, S. 111 ff.; derselbe, Rechtspsychologie und Verwaltungsgerichtsbarkeit - Das Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung, NVwZ 1995, S. 28 ff. Bei der Konfliktmittlung im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens handelt es sich jedoch nicht um eine Mediation im klassischen Sinne, s.u. I 1 b. 6 Hierzu etwa Herbert Grziwotz, Einfilhrung in die Vertragsgestaltung im Öffentlichen Recht, JuS 1999, S. 145 (I46); Hans J WolfflOtto Bachofl RolfStober, Verwaltungsrecht, Band I, 11. Auf}. München 1999, § 15 Rn. 5. 7 Zum in diesen formellen Verfahren beschränkten Konfliktbewältigungspotential vg\. Hans-Heiner Gotzen, Mediation, VR 1998, S. 245; Wolfgang HofJmann-Riem, Konfliktbewältigung in einer angebotsorientierten Rechtsschutzordnung, ZRP 1997, S. 190 (194 f).
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handlungsprozesse zu einem relativ späten Zeitpunkt ein, in dem die Positionen oftmals bereits verhärtet sind8 • Als eine zusätzliche Möglichkeit der Konfliktbeilegung kommt die sogenannte Mediation in Betracht. Diese Strategie ist insbesondere im nordamerikanischen Raum entwickelt worden 9 und hat zuletzt auch im deutschen Raum vermehrt Beachtung gefunden, insbesondere im Zivilrecht lO, aber auch im StrafrechtlI. Mit ihr soll eine von allen Parteien filr tragflihig befundene Übereinkunft erzielt werden 12. Aus der Perspektive des Planfeststellungsrechts stellt sich jedoch die Frage, ob und inwieweit eine solche 8 Hierzu etwa Winfried Brohm, Beschleunigung der Verwaltungsverfahren - Straffung oder konsensuales Verwaltungshandeln?, NVwZ 1991, S. 1025 (1030); Wolfgang HofJmann-Riem (Anm. 1) S. 24; derselbe, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen, Heidelberg 1989, S. 43; Bernd Holznagel, Konfliktlösungen durch Verhandlungen - Aushandlungsprozesse als Mittel der Konfliktverarbeitung bei der Ansiedlung von Entsorgungsanlagen rur besonders überwachungsbedilrftige Abflille in den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1990, S. 84 ff. und S. 198; Oliver Passavant, Mittlerunterstiltze Kooperation in komplexen Verwaltungsprojekten, DÖV 1987, S. 516 (522); Helmuth Schulze-Fielitz, Der Konfliktmittler als verwaltungsverfahrensrechtliches Problem, in: HofTmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band 11: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 55 (63). 9 Johannes Caspar, Schlichten statt Richten - Möglichkeiten und Wege außergerichtlicher Streitbeilegung, DVBI. 1995, S. 996 (998); HofJmann-Riem (Anm. 1) S. 21 f.; derselbe (Anm. 8) S. 26 ff.; Holznagel (Anm. 1) S. 281 ff.; derselbe (Anm. 8) S. 109 ff.; Kunig / Rublack (Anm. 1) S. 1 f.; Passavant (Anm. 8) S. 516 ff. ; Hildegund Sünderhauf, Mediation bei der außergerichtlichen Lösung von Umweltkonflikten in Deutschland, Berlin 1997, S. 31 ff. 10 Vgl. etwa Gisela Mähler / Hans-Georg Mähler, Mediation bei Familienkonflikten, in: Breidenbach / Henssler (Hrsg.), Mediation rur Juristen: Konfliktbehandlung ohne gerichtliche Entscheidung, Berlin 1997, S. 121 ff.; Tilmann Metzger, Mediation im Nachbar-, Miet- und Verbraucherrecht, in: Breidenbach / Henssler, a.a.O., S. 183 ff.; Jörg Risse, Wirtschaftsmediation, NJW 2000, S. 1614 ff.; Jochen Schneider, Mediation im Wirtschaftsrecht, in: Breidenbach / Henssler, a.a.O., S. 171 ff.; Eckart Stevens-Bartol, Mediation im Arbeitsrecht, in: Breidenbach / Henssler, a.a.O., S. 141 ff. Allgemein zur Mediation aus juristischer Sicht Dagmar von Hoyningen-Huene, Mediation - Eine Alternative zum gerichtlichen Verfahren, JuS 1997, S. 352; Hans-Georg Mähler / Gisela Mähler, Streitschlichtung - Anwaltssache, hier: Mediation, NJW 1997, S. 1262 ff.; Katharina Sobota / Ste/an Kracht / Lars Oliver Michaelis, Mediation - alternative Konfliktmittlung, JA 1999, S. 261 (262). Zu den Möglichkeiten der Mediation im Zusammenhang mit der anstehenden Reform der Zivilprozeßordnung vgl. Christian Duve, Chance rur Mediation? ZPO-Reform zu eng angelegt, Anwalt - Das Magazin (Beilage zur NJW) 2001, S. 16 ff. Aus rechtssoziologischer Sicht vgl. Dieter Strempel, Außergerichtliche Konfliktlösung (Mediation), ZRP 1998, S. 319 ff. 11 Hier ist insbesondere an den sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich zu denken, hierzu etwa Michael Walter / Elke Hassemer und Lutz Netzig / Frauke Petzold, Täter-OpferAusgleich, in: Breidenbach / Henssler (Hrsg.), Mediation rur Juristen: Konfliktbehandlung ohne gerichtliche Entscheidung, Berlin 1997, S. 201 ff. 12 Zu dieser Zielsetzung der Mediation vgl. Holznagel (Anm. 1) S. 281; Ferdinand 0. Kopp / U/rich Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, München 2000, Einruhrung Rn. 88.
Mediation in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung
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Vorgehensweise übernommen werden darf und soll. Nach einer einfilhrenden Darlegung der Wirkungsweise der Mediation (u. I.) wird im zweiten Abschnitt das Verhältnis zum Planfeststellungsrecht durchleuchtet werden (u. II.). Schließlich folgt ein kurzer Ausblick (u. III.).
I. Mediation als Konßiktmittlung 1. Der Begriff der Mediation a) Definition
In einem weiteren Sinne können jegliche Formen der konsensualen Lösungssuche unter den Begriff der Konfliktbeilegung gefaßt werden. Der Begriff der Mediation ist jedoch enger: Unter Mediation im klassischen Sinne versteht man lediglich die freiwillige und eigenverantwortliche Konfliktbeilegung durch einen neutralen, von den Beteiligten einvernehmlich bestellten Dritten, der die Verantwortung fi1r das Mediationsverfahren trägt, jedoch mit keinen inhaltlichen Entscheidungsbefugnissen versehen ist 13 • Dieser klassische engere Begriff wird den folgenden Ausfilhrungen zugrunde liegen. Je nach Ausgestaltung der Verfahrensrolle des Mediators wird darüber hinaus üblicherweise zwischen passiver und aktiver Konfliktmittlung unterschieden 14 • Im ersteren Falle beschränken sich die Aufgaben des Dritten auf das Verfahren 15. Der aktive Konfliktmittler ist darüber hinaus auch dazu berufen, auf die Lösung des Konflikts in der Sache hinzuwirken, dabei insbesondere fi1r die 13 Vgl. hierzu etwa Rüdiger Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 231 (236); Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 20 f.; Sobota / Kracht / Michaelis (Anm. 10) S. 261; Sünderhauf(Anm. 9) S. 66 ff. (insbes. S. 68 f.). 14 Breuer (Anm. 13) S. 236; Winfried Brohm, Verwaltungsverhandlungen mit Hilfe von Konfliktmittlern?, DVBI. 1990, S. 321; Caspar (Anm. 9) S. 998; Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 21; Holznagel (Anm. 1) S. 281; derselbe (Anm. 8) S. 110; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) Einfilhrung Rn. 90; Ramsauer (Anm. 1) S. 163; Michael Ronellenfitsch, Konfliktmittlung aus Anlaß von Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band II: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 185 (189); Sünderhauf (Anm. 9) S. 67. Zu den möglichen Rollen eines Mediators anhand eines Beispielsfalles vgl. Bemd Holznagel/ Ulrich Ramsauer, Konsensuale Sachverhaltsermittlung als Mediationsziel- Data-Mediation am Beispiel der Verhandlungen über den Hamburger Autobahndecke1, Forschungsjournal NSB (Neue Soziale Bewegungen), 1997, S. 65 (70 f.). 15 V gl. etwa Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 21; Holznagel (Anm. 8) S. 110. 6 Ziekow
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Thorsten Siegel
angemessene Berücksichtigung der beteiligten Interessen zu sorgen l6 . Allerdings könnte die Bezeichnung als "passiv" zu dem Mißverständnis fUhren, ein passiver Mediator würde lediglich reagieren, obwohl er das Verfahren aktiv gestaltet. Daher erscheint diejenige Terminologie vorzugswürdig, nach welcher der "passive" Mediator als Verfahrensmittler, der "aktive" als Konfliktmittler im eigentlichen Sinne bezeichnet wird I'. Da die Aufgaben einzelfallbezogen zugeschnitten werden können, wird es in der Praxis häufig zu Mischformen kommen l8 • b) Abgrenzung
Neben den Merkmalen der Freiwilligkeit und der Eigenverantwortlichkeit kommt es zentral auf die Zuweisung der Rolle des Mediators an einen neutralen Dritten an l9 . Hierdurch unterscheidet sich die Mediation von der Negotiation, bei welcher die Konsenssuche alleine unter den Beteiligten erfolgt20. Aus diesem Grunde kann der Anhörungsbehörde (bzw. den bei ihnen Bediensteten) nicht die Funktion eines klassischen Mediators zukommen 21 • Denn auch bei dem Bestreben zur Wahrung größtmöglicher Neutralität tritt die Verwaltung bei multipolaren Aushandlungsprozessen selbst als Verhandlungspartei auf, so daß sie von den sonstigen Beteiligten nicht als "neutrale Instanz" akzeptiert werden
Vgl. etwa Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 21; Holznagel (Anm. 8) S. 110. So auch Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 21; Holznagel (Anm. 8 ) S.lto. A.A. Sünderhauf(Anm. 9) S. 66. 11 Vgl. etwa Kopp / Ramsauer (Anm. 12) Einfilhrung Rn. 90. 19 Gotzen (Anm. 7) S. 245; Ronellenjitsch (Anm. 14) S. 189; Schu/ze-Fielitz (Anm. 8) S. 61 f.; Gunnar Fo/ke Schuppert, Konfliktmittlung bei Verhandlungen und Verwal· tungsverfahren, in: Hoffmann-Riem I Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band 11: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, BadenBaden 1990, S. 29 (43); Sünderhauf(Anm. 9) S. 48 ff.; Hubert Treiber, Über mittlerunterstützte Verhandlungen bei umstrittenen Standortentscheidungen, in: HoffmannRiem I Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Infonnelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, BadenBaden 1990, S. 267. 20 Zu dieser Unterscheidung zwischen Mediation und Negotiation vgl. Passavant (Anm. 8) S. 517 und 519; Eberhard Schmidt-Aßmann, Konfliktmittlung in der Dogmatik des deutschen Verwaltungsrechts, in: Hoffmann-Riem I Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band II: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 9 (18); Rolf Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht - Grundlagen und Prinzipien. Wirtschaftverfassungsrecht, 12. Aufl. Stuttgart u.a. 2000, S. 377; Treiber (Anm. 19) S. 267. 21 Dieter Kostka, Öffentliches Konfliktmanagement, Die Vw. 26 (1993), S. 87 (105); Dongsoo Song, Kooperatives Verwaltungshandeln durch Absprachen und Verträge beim Vollzug des Immissionsschutzrechts, Berlin 2000, S. 113 f. 16
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wird22 • Zumindest wird die Verwaltung ein Eigeninteresse dahingehend haben, daß sie den Konflikt schnellstmöglich beilegen möchte, um sich der Öffentlichkeit in einem guten Lichte zu präsentieren23 • Selbstverständlich ist es der Anhörungsbehörde aber nicht verwehrt und unter Umständen sogar geboten, im fbrmlichen Planfeststellungsverfahren einzelne Methoden der Konfliktbeilegung heranzuziehen. Nur handelt es sich dabei um Mediation im weiteren Sinne, nicht jedoch im klassischen, engeren Sinne. Der Mediator muß weiterhin die Verantwortung filr das Mediationsverfahren tragen, das er zu strukturieren hat24 • Hierdurch unterscheidet er sich vom theoretischen Ansatz aus vom Moderator'. Praktisch wird ein Moderator aber kaum von jeglicher Verfahrensverantwortung befreit sein. Dies spricht rur einen allenfalls quantitativen Unterschied der beiden Rollen 26 • Andererseits kommen dem Mediator keine inhaltlichen Entscheidungskompetenzen ZU 27 • Durch dieses Merkmal unterscheidet sich die Mediation von der Arbitration, wie sie filr gerichtliche, auch schiedsgerichtliche Verfahren typisch ises. Denn es widerspräche dem von Freiwilligkeit geprägten Wesen der Medi22 Hierzu Holznagel (Anm. 8) S. 208. D~ Merkmal der Unabhängigkeit wird ausdrücklich erwähnt in § 89 Abs. 3 S. I des Entwurfs der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum UBG (UGB-KomE), in: Bundesministerium fiir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE), Berlin 1998, S. 141, mit Begründung auf S. 641 . AhnIich § 54 Abs. 4 UGB-ProfE, vgl. Michael Kloepfer / Eckhard Rehbinder / Eberhard Schmidt-Aßmann unter Mitarbeit von Philip Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil - Umweltforschungsplan des Bundesministers filr Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin 1990, S. 60. Derzeit wird das Umweltgesetzbuch aus Kompetenzgründen jedoch nicht weiterverfolgt, hierzu Matthias Schmidt-Preuß, Integrative Anforderungen an das Verfahren der Vorhabenzulassung - Anwendung und Umsetzung der IVU-Richtlinie, NVwZ 2000, S. 252 ff.; Heribert Schmitz, Moderner Staat - Modernes Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 2000, S. 1238 (1242 f). Zum Stand des anstelle des von der Bundesregierung gegenüber dem UGB bevorzugten Artikelgesetzes vgl. den DVBI. Report, DVBI. 2001 S. A 22 fund S. A55 . 23 Kostka (Anm. 21) S. 105. 24 Hierzu etwa Gotzen (Anm. 7) S. 245; Sünderhauf(Anm. 9) S. 68. 2S SO Sünderhauf (Anm. 9) S. 68 f Ähnlich Sobota / Kracht / Michaelis (Anm. 10) S.262. 26 Von einer Synonymität gehen offenbar auch Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 97 und Holznagel / Ramsauer (Anm. 14) S. 66 und 68 aus. 27 Gotzen (Anm. 7) S. 245; Grziwotz (Anm. 6) S. 146; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) Einfiihrung Rn. 90; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 62; Sobota / Kracht / Michaelis (Anm. 10) S. 261 f.; Song (Anm. 21) S. 113; Sünderhauf(Anm. 9) S. 69; Treiber (Anm. 19) S.267. 28 Hoffmann-Riem (Anm. 7) S. 194; von Hoyningen-Huene (Anm. 10) S. 352. Zu den möglichen Auswirkungen des Mediationsverfahrens auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit s.u. A.llI.1. und vgl. Heidi Alm-Merk, Das Verhältnis zwischen Exekutive und der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie zu Inhalt und Grenzen der Mediation im Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren, NdsVBI. 1997, S. 245 (248).
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ation, könnte der Verhandlungsleiter gegen den Willen der Beteiligten Entscheidungen in der Sache treffen. Da aber auch die Planfeststellungsbehörde über inhaltliche Entscheidungsmacht verfUgt, scheidet auch sie als Mediator im klassischen Sinne aus. 2. Die Phasen der Mediation Die klassische Mediation wird nicht in einem Akt vollzogen. Vielmehr kann zwischen vier Phasen unterschieden werden, der Initiierungs-, der Vorbereitungs-, der Verhandlungs- und der Umsetzungsphase 29 : a) Die Initiierungsphase
In der Initiierungsphase wird zunächst über das "Ob" einer Mediation entschieden und der Mediator bestimmt. Auch gilt es bereits hier, die Finanzierungsfrage zu klären. Zunächst muß der Aushandlungsprozeß in Gang gesetzt werden. Der Anstoß hierzu kann etwa von der Anhörungsbehörde, aber auch von anderen Beteiligten kommenJ o. Allerdings ist nicht jeder Konflikt zur Beilegung im Wege der Mediation geeignet. Vielmehr müssen bestimmte Erfolgsbedingungen erfUllt sein, bei deren Nichtvorliegen von einer Mediation abgesehen werden sollte. Zunächst einmal muß der Konflikt kompromißflihig sein J1 • Die Situation darf nicht derart beschaffen sein, daß nur bestimmte Beteiligte gewinnen können oder daß ein Vorteil auf der einen Seite automatisch mit einem Nachteil auf der anderen korrespondiert. Vielmehr müssen alle Beteiligten das Ergebnis zumindest in Teilbereichen als Erfolg verbuchen können (sogenannte "win-winSituation"). Dies bereitet in stark ideologisch geprägten Konflikten besondere Schwierigkeiten. Als Beispiele ftlr solche AusnahmeflilIe sind insbesondere
29 So auch Hartmut Gaßner / Bernd Holznagel/ Uwe Lahl, Mediation - Verhandlungen als Mittel der Konsensfindung bei Umweltstreitigkeiten, Bonn 1992, S. 34; Holznagel (Anm. I) S. 284 f. Teilweise werden die Initiierungs- und die Vorbereitungsphase ohne Unterschiede in der Sache zu einer Vorverhandlungsphase zusammengefaßt, so etwa von Kopp/ Ramsauer (Anm. 12) Einfiihrung Rn. 91; Ramsauer (Anm. I) S. 167 fT. Gerade bei Planfeststellungsverfahren bereitet jedoch die Initiierung besondere Schwierigkeiten, so daß es zumindest insoweit gerechtfertigt ist, diese als gesonderte Phase zu benennen. JO Hierzu etwa Holznagel (Anm. 1) S. 284 f. JI ZU diesem Merkmal HojJmann-Riem (Anm. 8) S. 31 f.; Holznagel (Anm. 1) S. 283 f.; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) Einfiihrung Rn. 89; Ramsauer (Anm. 1) S. 164.
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Auseinandersetzungen um Kernkraftwerke zu benennen32 • Aber auch bei umstrittenen Verkehrsgroßprojekten bedarf es einer kritischen Überprüfung dieser Erfolgsvoraussetzung (s.u. 11. 1. b)33. Weiterhin müssen filr alle Beteiligten Verhandlungsanreize bestehen34 • Denn ohne die Möglichkeit, von anderen einen Vorteil zu erlangen, wird sich kaum jemand auf einen Komprorniß einlassen. Dies setzt wiederum voraus, daß alle Beteiligten über eine Tauschmacht verfilgen, die sie selbst in die Waagschale einwerfen können. In Betracht kommen dabei nicht nur rechtlich geschützte, sondern auch anderweitige Positionen, wie zum Beispiel ein politisches Protestpotential. Schließlich müssen die Beteiligten an das Verhandlungsergebnis gebunden sein35 . Hierbei geht es neben einem Anknüpfungspunkt filr die rechtliche Umsetzbarkeit darum, daß sich die Beteiligten auch nach dem Verhandlungsergebnis richten. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß es sich hierbei um eine rechtliche Bindungswirkung handeln muß (s.u. 11.4. a). Sodann ist der Mediator, gegebenenfalls auch mehrere, zu bestimmen. Dieser muß von allen involvierten Parteien akzeptiert werden. Deshalb empfiehlt es sich in einfach gelagerten Lebenssachverhalten, ihn direkt durch die Beteiligten benennen zu lassen. Gerade in komplexen Lebenssachverhalten, wie sie typischerweise auch Planfeststellungsverfahren zugrunde liegen, sollte jedoch die Benennung des Mediators der Auswahl der Verhandlungsteilnehmer vorgezogen werden. Denn in solchen Situationen ist regelmäßig bei der Einleitung des Mediationsverfahrens noch nicht genau absehbar, welche Interessen in welcher Art und in welchem Umfange tangiert sind. Deren Ermittlung gehört sodann zu den zentralen Aufgaben des Mediators. Im Hinblick auf das letztlich unverzichtbare Einvernehmen über dessen Person scheiden jedoch von vornherein solche Personen aus, die voraussichtlich von einigen Beteiligten abgelehnt werden. In Betracht kommen auf dem Gebiet des Planfeststellungsrechts professionelle Mediatoren, insbesondere Umweltberatungsfirmen, aber auch anerkannte Personen des öffentlichen Lebens 36 • So wurden etwa im Media-
32 Vgl. etwa Holznagel / Ramsauer (Anm. 12) S. 66; Ramsauer (Anm. I) S. 164; Sünderhauf(Anm. 9) S. 214. 33 Ronellenfitsch (Anm. 14) S. 199. Allgemein zu großen Verkehrsprojekten Paul Sleikens / Heriberl Schmilz, in: Stelkens / Bonk / Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. München 1998, § 9 Rn. 179. 34 Zu diesem Merkmal Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 32; Holznagel (Anm. 1) S. 284; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) Einfilhrung Rn. 89; Ramsauer (Anm. 1) S. 164 f. 35 Zu diesem Merkmal Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 32; Holznagel (Anm. 1) S. 284; Kopp/ Ramsauer (Anm. 12) Einfilhrung Rn. 89; Ramsauer (Anm. 1) S. 165. 36 Hierzu etwa Holznagel (Anm. 1) S. 284 f., der insoweit Professoren und Vertreter der Kirchen als Beispiele benennt.
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tionsverfahren über den Hamburger Autobahndeckel zwei Hochschulprofessoren benanne'. Schließlich ist zu bedenken, daß ein Mediationsverfahren Kosten verursacht38 • Je komplexer der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ist und je mehr Einzelfragen abzuarbeiten s,ind, umso höher liegen diese 39 • Daher ist bereits in der Initiierungsphase die Finanzierungsfrage zu klären40 . b) Die Vorbereitungsphase
In der Vorbereitungsphase gilt es, die Verhandlungsteilnehmer auszuwählen und den Verhandlungsrahmen zu bestimmen. Eine zentrale Aufgabe des Mediators ist es, die möglicherweise von einem Vorhaben tangierten Interessen zu ermitteln und danach die Verhandlungsteilnehmer zu bestimmen41 . Angesichts der ft1r die luftverkehrsrechtliche Planfeststellung typischen Komplexität bereitet dies besondere Schwierigkeiten. Denn einerseits zielt das Mediationsverfahren auf ein umfassendes Interessenclearing ab, was ft1r einen eher großen Teilnehmerkreis spricht 42 . Andererseits ist gerade in dem oftmals anvisierten frühen Verfahrens stadium noch nicht detailgenau absehbar, welche Interessen berührt sind43 • Zudem läßt eine zu große Teilnehmerzahl aus gruppendynamischen Gründen den Verhandlungserfolg fraglich
Holznagel / Ramsauer (Anm. 14) S. 66. Allerdings werden sich diese Investitionen bei erfolgreicher Konfliktbeilegung regelmäßig lohnen, da die Folgekosten typischerweise geringer ausfallen, vgl. Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 84 und s.u. I 3 b. 39 So sollen sich die Kosten rur das Mediationsverfahren im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens bereits nach vorheriger Schätzung auf" vier bis fiinf Millionen Mark" belaufen haben, vgl. hierzu den Artikel "Eine Million Mark rur Flughafengutachten" , F AZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) vom 21.4.1999, Rhein-Main-Zeitung S. 59. 40 Hierzu Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 36 f.; Sünderhauf(Anm. 9) S. 223 ff. 41 Hierzu etwa Holznagel (Anm. I) S. 285; derselbe / Ramsauer (Anm. 14) S. 68. 42 Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 43; Hoffmann-Riem (Anm. I) S. 26; Holznagel (Anm. I) S. 285. Ebenso speziell zur Mediation im Zusammenhang mit dem Ausbau des Frankfurter Flughafens Christian Duve, "Kontroverse um Frankfurter Flughafen ist nicht aussichtslos", Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 9.8.1998, S. 4 f. Für eine Ausweitung der Beteiligung über die gesetzlichen Anforderungen insbesondere des § 13 VwVfG hinaus plädiert zu Recht Hoffmann-Riem (Anm. I) S. 34. S. u. 11 2 a cc. 43 So allgemein zum informellen Verwaltungshandeln Carl Eugen Eberle, Arrangements im Verwaltungsverfahren, Die Vw. 17 (1984), S. 439 (457 f.). 3'
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erscheinen44 . Ziel muß es also sein, so wenige Beteiligte wie möglich, so viele wie nötig miteinzubeziehen4s . Speziell aus Sicht des Planfeststellungsrechts wirft dies zudem die Problematik der Einschlägigkeit des § 13 Abs. 2 VwVtG auf'6. Daher wird auf diesen Aspekt im Zusammenhang mit den rechtlichen Ausführungen zurückzukommen sein (s. u. 11. 2. a) cc). Zur Festlegung des Verhandlungsrahmens gehört zunächst die Konkretisierung des Verhandlungsgegenstandes. Dabei sollten die abzuarbeitenden Themen und Problemstellungen möglichst breit gehalten werden, da dies die Chance erhöht, ein filr alle Beteiligten akzeptables Gesamtpaket zu schnUren47 . So wäre es etwa kontraproduktiv, im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau eines Flughafens die Verhandlung auf eine schlichte "Ausbau ja oder nein"Position zu beschränken. Vielmehr sollte eine möglichst große Bandbreite vermittelnder Lösungen auf der Agenda stehen, etwa die Befilrwortung eines Ausbaus in Verbindung mit einer geringeren Dimensionierung, eingeschränkten Flugzeiten oder besonderen Lärmschutzmaßnahmen. Ebenfalls noch in der Vorbereitungsphase sind die Verhaltensmodalitäten festzulegen 48 : Hierzu gehören organisatorische Maßnahmen, wie etwa Bestimmung von Zeit und Ort der Verhandlungstermine, aber auch die Statuierung von Verhaltensspielregeln, wie etwa die Information der Medien und etwaige Verschwiegenheitspflichten49 . Dabei empfiehlt sich die Erstellung einer Verfahrensübereinkunftso. c) Die Verhandlungsphase
Hieran schließt sich die Verhandlungsphase an sl . Dabei folgt auf die gemeinsame Gewinnung der Informationsgrundiagen S2 das Kernstück der Kon44 Gaßner ! Holznagel ! Lahl (Anm. 29) S. 43 f.; Schulze-FielUz (Anm. 8) S. 79. Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 51 und Holznagel (Anm. 8) S. 196 f betonen in diesem Zusammenhang, daß am Erörterungstermin im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens meist zu viele Personen beteiligt sind. 45 Sünderhauf(Anm. 9) S. 235. 46 Zur grundsätzlichen Einschlägigkeit des § 13 VwVfG im Pianfeststellungsverfahren vgl. Heinz Joachim Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Autl München 1998, § 72 Rn. 105 m.w.N. 47 Hierzu etwa Holznagel ! Ramsauer (Anm. 14) S. 67 f., jedoch mit einer Ausnahme für den dort erwähnten Beispielsfall, in dem es von vornherein lediglich um die Finanzierung eines Projekts ging. 48 Hierzu etwa Gaßner ! Holznagel ! Lahl (Anm. 29) S. 44 ff. 49 Hierzu etwa Holznagel (Anm. I) S. 285 f.; derselbe! Ramsauer (Anm. 14) S. 68 f; Kopp! Ramsauer (Anm. 12) Einfilhrung Rn. 91; Ramsauer (Anm. 1) S. 167 f 50 Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 47 ff. 51 Holznagel (Anm. 1) S. 286 f; Kopp ! Ramsauer (Anm. 12) Einfilhrung Rn. 91; Ramsauer (Anm. 1) S. 168 f 52 Hierzu Gaßner ! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 50 f.
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fliktmittlung, die kooperative Problemlösungssuche s3 • Diese kann weiter untergliedert werden in die Fonnulierung der vorhandenen Positionen, die Ennittlung der Interessen, die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten und deren Bewertung54 . Abgeschlossen wird die Verhandlungsphase von der Unterzeichnung der Verhandlungsübereinkunft55 • Dabei kommt der Unterscheidung zwischen Positionen und Interessen entscheidende Bedeutung ZUS6 : Erstere verkörpern die jeweiligen konkreten Standpunkte und bauen damit auf letzteren als dem letztlich verfolgten Ziel auf. Ein und dasselbe Interesse kann somit grundsätzlich durch verschiedene Positionen durchgesetzt werden. Beschränken sich etwa die Positionen auf das "Für und Wider" eines Flughafenausbaus, so sind die dahinter stehenden Interessen häufig nicht damit identisch. Bezogen auf einen in Frage stehenden Flughafenausbau, wird das wirklich Gewollte der Flughafengesellschaft letztlich in der Sicherung oder Steigerung der Konkurrenzflihigkeit des Flughafens liegen. Mit diesem Interesse kann durchaus die Position "Ausbau" verknüpft sein; sie muß es indessen nicht, da der wahre Wille je nach den Einzelfallumständen auch auf andere Weise verwirklicht werden kann, etwa durch interne Umstrukturierungen oder Verbundlösungen mit anderen Flughäfens7 • Ebenso wird es einer beteiligten Bürgerinitiative in Wirklichkeit um die Venneidung von Lännbelästigungen (= Interesse) gehen, mit welcher die Ablehnung eines Ausbaus (= Position) zwar häufig, nicht jedoch notwendigerweise korrespondiert58 • Soweit dies realisierbar ist, kommen vielmehr auch aktive oder passive Lännschutzmaßnahmen in Betracht. Die Erkundung der eigentlichen Interessen ist eine besonders wichtige Aufgabe des Mediators; denn auf diese Weise kann es gelingen, trotz einander widersprechender Positionen eine "win-win-Situation" zu ennitteln S9 •
Hierzu Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 51 ff. Zu dieser Untergliederung der Verhandlungsphase Duve (Anm. 42) S. 4 f. 55 Hierzu etwa Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 54 f. 56 Al\gemein zu dieser wichtigen Differenzierung im Rahmen der Mediation Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 52 f. ; Hoffmann-Riem (Anm. 7) S. 195; derselbe (Anm. 8) S. 31; Holznagel (Anm. I) S. 286 f. 57 Vgl. zu diesem Beispiel Duve (Anm. 42) S. 4. 58 Vgl. zu diesem Beispiel Duve (Anm. 42) S. 4. 59 Hierzu etwa Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 53 f. 53
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d) Die Umsetzungsphase
Die Unterzeichnung der Verhandlungsübereinkunft bildet zugleich den Übergang zur Umsetzungsphase 60 : Die erzielte Einigung muß in den außermediativen Sektor transformiert werden, um den Konflikt auch tatsächlich zu beseitigen. So erfaßte etwa die bei der Konfliktmittlung zum Frankfurter Flughafenausbau erzielte Übereinkunft funf Komponenten, nämlich die Optimierung des vorhandenen Systems, die Beftlrwortung eines Ausbaus, ein Nachtflugverbot, einen Lärmschutzpakt und schließlich ein Regionales Dialogforum zur Umsetzung des Beschlusses 61 • Gerade die zuletzt genannte Komponente verdeutlicht im übrigen das Erfordernis der Kontinuität des Umsetzungsprozesses. So kann es notwendig sein, die Transformation zu überwachen, gegebenenfalls sind auch Nachverhandlungen anzuberaumen 62 • Dies gilt insbesondere dann, wenn die Umsetzung auf nicht vorhergesehene Schwierigkeiten stößt. So wurde etwa das in dem zuvor benannten Mediationsverfahren vereinbarte Nachtflugverbot durch ein Rechtsgutachten nachträglich in Frage gestellt63 . 3. Rechtspolitische Bewertung Nachdem die Mediation bereits in viele Bereiche der Rechtsordnung, vor allem auf dem Gebiet des Zivilrechts 64 , Einzug gehalten hat und auch im Bereich der Planfeststellung erste Erfahrungen vorliegen, stellt sich die Frage, wie eine verstärkte Einfuhrung der Mediation in das luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsverfahren rechtspolitisch zu bewerten ist6s .
60 Holznagel (Anm. I) S. 287; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) EinfUhrung Rn. 91; Ramsauer (Anm. 1) S. 169. 61 Vgl. hierzu den Artikel "Präferenz rur eine Start- und Landebahn im Süden" in der F AZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) vom 1.2.2000, Rhein-Main-Zeitung, S. 59. 62 Holznagel (Anm. 1) S. 287; Kopp/ Ramsauer (Anm. 12) EinfUhrung Rn. 91; Ramsauer (Anm. I) S. 169; Sünderhauf(Anm. 9) S. 65. 63 Vgl. hierzu den Artikel "Gutachter stellt Nachtflugverbot in Frage" in der FR (Frankfurter Rundschau) vom 6.3.2001, abrufbar unter www.fr-aktuell.de/archiv/ fr30tlh 1200 103050 13 .htm. Verständlicherweise beharren die Mediatoren auf einem Nachtflugverbot, vgl. den Artikel "Flughafen-Mediatoren beharren aufNachtflugverbot" in der FR (Frankfurter Rundschau) vom 07.03.2001, abrufbar unter www.fr-aktuell.de/ archiv/fr30tlh22001 0307079.htm. Das Gutachten selbst ist abrufbar unter www.hessen.de/wirtschaft. 64 s.o. Anm. 10. 6S Eingehend hierzu Holznagel (Anm. 8) S. 258 ff.
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a) Vorteile
Ein zentraler Pluspunkt erfolgreicher Konfliktmittlung liegt in einem Gewinn an FlexibiIität66 . Denn durch eine solche Methodik können neue, bislang unbekannte Alternativen aufgezeigt werden, die sich nicht auf eine Orientierung an der Kategorie der Rechtmäßigkeit beschränken67 • Eine einvernehmlich erzielte Lösung wird zudem auch zur Akzeptanzförderung der verfahrensabschließenden Entscheidung beitragen68 . In verfahrensbezogener Hinsicht kann Mediation zur VerkUrzung des Planfeststellungsverfahrens ftlhren 69 . Denn ausgehandelte Lösungen verringern typischerweise den Diskussionsbedarf im eigentlichen Anhörungsverfahren, und auch der Bescheidungs- und BegrUndungsaufwand könnte sich reduzieren. Ist ein Konflikt außergerichtlich erfolgreich beigelegt, so müssen sich schließlich auch die Gerichte nicht mehr damit beschäftigen, Rechtstreitigkeiten wUrden also verrnieden 70 • b) Risiken
Demgegenüber werden häufig Bedenken angemeldet, nämlich der zusätzliche Aufwand an Zeit und Kosten 71 , die mangelnde Transparenz72, die Gefiihr66 Alm-Merk (Anm. 28) S. 247; Breuer (Anm. 13) S. 238; Brohm (Anm. 14) S. 325; Rainer Funke, Konfliktbewältigung aus Anlaß von Genehmigungsverfahren, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band 11: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 209; Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 38; derselbe, Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts als Aufgabe - Ansätze am Beispiel des Umweltschutzes, AöR 115 (1990), S. 401 (424). Allgemein zum Flexibilitätsgewinn durch informelles Verwaltungshandeln Hartmut Bauer, Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch 78 (1987), S. 241 (253). 67 Vgl. hierzu die instruktiven Beispiele bei HofJmann-Riem (Anm. 7) S. 195 . 68 Alm-Merk (Anm. 28) S. 247; Brohm (Anm. 8) S. 1033; Joachim Jens Hesse, Verhandlungslösungen und kooperativer Staat - Plädoyer rur einen erweiterten Blick in die Praxis, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 97; Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 82 f.; HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 37; Steinberg (Anm. 1) S. 313. 69 Alm-Merk (Anm. 28) S. 247; Brohm (Anm. 8) S. 1033; Caspar (Anm. 9) S. 993; Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 80; HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 58; Stober (Anm. 20) S. 375 (377). 70 Alm-Merk (Anm. 28) S. 247; Breuer (Anm. 13) S. 238; Caspar (Anm. 9) S. 993; Hesse (Anm. 68) S. 97; Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 80; HofJmann-Riem (Anm. 1) S. 23; derselbe (Anm. 8) S. 58 und S. 77; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 70 f. Ebenso allgemein zum informellen Verwaltungshandeln Bauer (Anm. 66) S. 252. 71 Hierzu Breuer (Anm. 13) S. 240. Diese können im Einzelfall beträchtliche Ausmaße annehmen. So sollen sich die Kosten rur das Mediationsverfahren im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens bereits nach vorheriger
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dung von Drittpositionen73, die besondere BerUcksichtigung stark vertretener Interessen74 und schließlich die Relativierung der Gesetzesbindung der Verwaltung7~. Bei genauerem Hinsehen sind diese abstrakten Gefahren bei einer "richtig" durchgeftlhrten Mediation aber nur bedingt einschlägig bzw. zumindest handhabbar. Was den zusätzlichen Aufwand anbelangt, so mögen zwar die "Anfangsinvestitionen" an Aufwand, Zeit und Kosten höher sein, als bei den klassisch durchgeftlhrten Verfahren; wird eine Konfliktvermittlung erfolgreich betrieben, so steht dem nach der Übernahme des Ergebnisses jedoch ein entsprechend geringerer Aufwand gegenüber76 : Erörterungen können sich reduzieren, bei Entfallen einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird das Verfassen von Schriftsätzen an das Gericht entbehrlich usw. Die mangelnde Transparenz kann von vornherein durch eine korrekte Auswahl der Verhandlungsteilnehmer, die alle berührten Interessen repräsentieren müssen, minimiert werden 77 • Was die Geflihrdung von Drittpositionen und die beftlrchtete Bevorzugung besonders stark repräsentierter Interessen anbelangt, so ist zu betonen, daß es gerade die Aufgabe eines geschulten Mediators ist, alle berUhrten Interessen zu erfassen und dabei auch die nicht artikulierten zu ermitteln und zu berUcksichtigen78. Einer Relativierung der - in Planfeststellungsverfahren ohnehin durch die Einräumung von Handlungsspielräumen im Sinne einer finalen Programmierung geprägten 79 - Gesetzesbindung kann schließlich durch ordnungsgemäße Kontrolle bei der Übernahme des Mediationsergebnisses vorgebeugt werden 80 •
Schätzung auf "vier bis filnf Millionen Mark" belaufen haben,. vgl. hierzu den Artikel "Eine Million Mark filr Flughafengutachten", FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) vom 21.4.1999, Rhein-Main-Zeitung, S. 59. 72 Hierzu Breuer (Anm. 13) S. 239. 73 Hierzu Breuer (Anm. 13) S. 239; Winfried Brohm, Alternativen zum einseitigen hoheitlichen Verwaltungshandeln - 11 Thesen zur "Mediation", in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 253 (255 f.); Hoffmann-Riem (Anm. I) S. 24 und 26; derselbe (Anm. 66) S. 424; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 67 f. 74 Brohm (Anm. 8) S. 1029; derselbe (Anm. 73) S. 255; Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 28; Song (Anm. 21) S. 114. 75 Hierzu Breuer (Anm. 13) S. 239; Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 26 f.; derselbe (Anm. 66) S. 424. 76 Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 84; Kostka (Anm. 21) S. 107. 77 Zu diesem wichtigen Verfahrensschritt s.o. A.II.2. und vgl. Holznagel (Anm. 1) S.285. 78 So zu Recht Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 26. 79 Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 27; derselbe (Anm. 8) S. 37. 80 Zur Prüfungspflicht bei der Umsetzung s. u. 11 4 b.
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c) Zwischenergebnis
Auch wenn die dargelegten Risiken stets im Auge behalten werden müssen, so stehen sie einer "lege artis" betriebenen Mediation in rechtspolitischer Hinsicht nicht schlechthin entgegen. Angesichts der dargelegten Vorteile wäre es daher grundsätzlich zu begrüßen, die Konfliktmittlung in verstärktem Umfang in das Planfeststellungsrecht zu integrieren.
11. Mediation und Planfeststellungsrecht Nachdem die Mediation bislang aus sozial- und verwaltungswissenschaftlicher Sicht beleuchtet worden ist, gilt es nunmehr, diese Technik aus der Perspektive des Planfeststellungsrechts zu bewerten. Dabei wird an die einzelnen Phasen des Mediationsverfahrens angeknüpft, nämlich die Initiierungsphase (u. 1.), die Vorbereitungsphase (u. 2.), die Verhandlungsphase (u. 3.) und die Umsetzungsphase (u. 4.). 1. Die Initiierungsphase a) Zulässigkeit der Mediation: Integrationsmodelle de lege lata
In der Initiierungsphase stellt sich aus der Perspektive des Planfeststellungsrechts zunächst die Frage nach der Zu lässigkeit einer solchen Vorgehensweise. Dabei kommen drei Möglichkeiten einer Integration der Mediation in das Planfeststellungsverfahren in Betracht: Die (zumindest teilweise) Ersetzung, die Anreicherung und die Ergänzung des Planfeststellungsverfahrens. aa) Ersetzung des Planfeststellungsverfahrens? Eine - zumindest teilweise - Ersetzung des Planfeststellungsverfahrens, insbesondere des Erörterungstermins, scheidet allerdings nach derzeitiger Rechtslage aus 81 • Abgesehen davon, daß weder de lege lata noch de lege ferenda die
81 Vgl. hierzu etwa Brohm (Anm. 14) S. 326 und 328; Caspar (Anm. 9) S. 997; Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 65 f.; Holznagel (Anm. I) S. 288; Stelkens! Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 179. Zur Situation de lege ferenda s.u. III. Vgl. insoweit aber auch die Regelung des § 4b BauGB, wonach in der Bauleitplanung einem Dritten, und damit gerade auch einem Mediator, nicht nur die Vorbereitung, sondern auch die Durchführung bestimmter Verfahrensschritte übertragen werden kann; hierzu etwa Ulrich Bat-
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staatliche Letztverantwortung in Frage gestellt werden darf'2, steht der Ersetzung gegenwärtig der Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes entgegen 83 • Der Gesetzgeber hat die Verfahrensherrschaft der Verwaltung - genauer gesagt der Anhörungsbehörde - zugewiesen. Es widerspräche dieser Wertung, könnte diese auf einen Dritten übertragen werden. Darüber hinaus stünde einer solchen Radikallösung aber auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes entgegen84 : Denn die Übertragung der Verfahrensfilhrung auf Dritte wäre letztlich als Beleihung einzustufen, welche ihrerseits einer gesetzlichen Grundlage bedürfte. bb) Anreicherung des Planfeststellungsverfahrens? Als sanfteste Integrationsmethode käme die Anreicherung des Planfeststellungsverfahrens mit mediativen Elementen in Betracht. Zwar mag es zweifelsohne sinnvoll und in gewissem Umfang auch geboten sein, insbesondere im Erörterungstermin einen Konsens zu erzielen. Aber abgesehen davon, daß die Verfahrensleitung hier vollumtanglich bei der Anhörungsbehörde verbleibt und mangels Einschaltung eines neutralen Dritten hier nicht von einer Mediation im klassischen Sinne gesprochen werden kann (s. o. I. 1. b)85, können auf diese Weise die der Konfliktmittlung immanenten Vorteile nur in beschränktem Umfang aktiviert werden: Denn zum einen ist zu bezweifeln, ob ein letztlich gesetzlich angeordneter Termin einen wirksamen Ansatz zur Verständigung bietet86 • Zum anderen setzt der Erörterungstermin sehr spät ein, nämlich zu einem tis, in: Battis / Krautzberger / Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl. München 1999, § 4b Rn. 1 und 4; Grziwotz (Anm. 6) S. 146. 82 Brohm (Anm. 8) S. 1032; Caspar (Anm. 9) S. 997; Hoffmann-Riem (Anm. I) S. 35 und 40; Philip Kunig, Alternativen zum einseitig-hoheitlichen VerwaItungshandein, in: Hoffinann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.) Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band 1: Informelle und mittlergesetützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 43 (58); Steinberg (Anm. 1) S. 306 ff. In diesem Sinne auch die Formulierung in § 54 Abs. 4 UGB-ProfE (Anm. 22) S. 60. 83 Brohm (Anm. 14) S. 324 und 326; Caspar (Anm. 9) S. 998; Holznagel (Anm. 1) S. 288. 84 Brohm (Anm. 14) S. 328; Caspar (Anm. 9) S. 997; Gaßner / Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 66; Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 50; Holznagel (Anm. 8) S. 209 f. Aus diesem Grunde dürfte auch der Regelung des § 4b BauGB im Hinblick auf die Durchführung bestimmter Verfahrensschritte durch private Dritte nicht nur klarstellende Bedeutung zukommen; a.A. die wohl h.M. zu § 4b BauGB, etwa Battis (Anm. 81) § 4b Rn. I m.w.N. Was die Vorbereitung anbelangt, so bedarf es hingegen keiner gesetzlichen Grundlage, da es sich hierbei um eine ergänzende Mediation handelt. 8S Hierzu Holznagel (Anm. 8) S. 208. Das Merkmal der Unabhängigkeit wird ausdrücklich erwähnt in § 89 Abs. 3 S. I UGB-KomE (Anm. 22) S. 141 mit Begründung aufS. 641. Ähnlich § 54 Abs. 4 UGB-ProfE (Anm. 22) S. 60. 86 Hoffmann-Riem (Anm. 66) S. 433; Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 21.
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Zeitpunkt, in dem viele Vorfragen bereits mit den direkt Beteiligten abgeklärt sind87 • Eine ursprünglich vorhandene Kompromißflthigkeit kann zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Frage gestellt sein. cc) Ergänzung des Planfeststellungsverfahrens Will man sich die Vorteile einer "echten" Mediation zunutze machen und andererseits die gesetzlichen Bindungen beachten, so verbleibt nach derzeitiger Rechtslage von vornherein lediglich die Ergänzung des Planfeststellungsverfahrens: Die Konfliktmittlung wird außerhalb des Planfeststellungsverfahrens durchgefilhrt, deren Ergebnisse sodann in dieses implantiert 88 • Zwar ist die Mediation dem kooperativen, informellen Handeln der Verwaltung zuzuordnen, da sie zum einen auf die Erzielung eines Konsenses gerichtet89, zum anderen die genaue Vorgehensweise auf dem Gebiet des Planfeststellungsrechts zumindest bislang nicht gesetzlich geregelt ist90 • Die damit grundsätzlich auf den Plan gerufenen Risiken dieser Handlungsformen, insbesondere die Gefahr einer Lockerung der Gesetzesbindung und der Geflihrdung von Drittpositionen, sind jedoch bei einer "lege artis" durchgefilhrten Mediation nur bedingt einschlägig und im übrigen sttmerbar (s. o. I. 3. b). Abgesehen davon stehen diese Grenzen nicht dem "Ob" und damit der Zulässigkeit schlechthin, sondern allenfalls dem "Wie" entgegen 91 • Daher ist allgemein anerkannt, daß
87 Hierzu Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 24; derselbe (Anm. 8) S. 43 und S. 51; Holznagel (Anm. 8) S. 84 ff. und S. 198; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 63; Steinberg (Anm. 1) S.311. 88 So auch Breuer (Anm. 13) S. 234 und 252; Brohm (Anm. 14) S. 324; Caspar (Anm. 9) S. 997; Gaßner I Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 65; Holznagel (Anm. 1) S. 288; Schuppert (Anm. 19) S. 39. 89 Brohm (Anm. 8) S. 1030; Hoffmann-Riem (Anm. 66) S. 423; Schuppert (Anm. 19) S. 30 ff.; Paul Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl. München 1998, Einleitung Rn. 31. Zum Kooperationsprinzip vgl. zuletzt Christoph Gusy, Kooperation als staatlicher Steuerungsmodus, ZUR 2001, S. 1 ff.; Dietrich Murswiek, Das sogenannte Kooperationsprinzip - ein Prinzip des Umweltschutzes?, ZUR 2001; S. 7 ff.; Moritz Reese, Das Kooperationsprinzip im Abfallrecht, ZUR 2001, S. 14 ff.; Andreas Voßlcuhle, Das Kooperationsprinzip im Immissionsschutzrecht, ZUR 2001, S. 23 ff.; Joachim Wieland, Das Kooperationsprinzip im Atomrecht, ZUR 2001, S. 20 ff. 90 Breuer (Anm. 13) S. 235; Hans-Uwe Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: derselbe (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. Berlin u.a. 1998, § 32 Rn. 3; Sleikens (Anm. 89) Einleitung Rn. 31. 91 So zu Recht Wolffl Bachofl Stober (Anm. 6), Band 1, § 31 Rn. 33. Ebenso allgemein zum informellen Verwaltungshandeln Bauer (Anm. 66) S. 260.
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die Vorschriften des Planfeststellungsrechts die Durchftlhrung einer Mediation nicht schlechthin ausschließen92 • Denn abgesehen davon, daß im Modell der ergänzenden Mediation das Planfeststellungsverfahren als solches unberührt bleibt, stünden auch die Eigenheiten des Planfeststellungsrechts der Konfliktmittlung nicht entgegen. Zwar ist es gemäß §§ 72 ff. VwVfG i.V.m. § 10 LuftVG llirmlich ausgestaltet. Soweit keine entsprechenden Regelungen existieren, gilt jedoch der Grundsatz der Nichtllirmlichkeit93 • Darüber hinaus räumt das Planfeststellungsrecht sowohl in verfahrensmäßiger als auch in inhaltlicher Sicht Handlungsspielräume ein, wie sie für die Erzielung einer Verständigung notwendig sind94 • Dies gilt auch für das luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsverfahren, und zwar nicht nur im Hinblick auf Verkehrsflughäfen und Verkehrslandeplätze mit ihrem typischerweise gemeinnützigen Charakter, sondern auch auf regelmäßig als privatnützig einzustufende Sonderflughäfen und Sonderlandeplätze95 . Denn das Abwägungsgebot verleiht auch insoweit inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten96 • Darüber hinaus existieren stets, also sogar bei gebundenen Entscheidungen, Spielräume bei der verfahrensmäßigen Handhabung eines Zulassungs vorgangs 97. Letztendlich ist die Erzielung einer Verständigungslösung und damit indirekt auch die Konfliktmittlung im Gesetz angelegt. So ist nach § 10 VwVfG das Verwaltungsverfahren "einfach und zweckmäßig" durchzuftlhren 98 • Selbst wenn damit die Herbeifiihrung einer kooperativen Lösung nicht schlechthin ge92 Alm-Merk (Anm. 28) S. 248; Brohm (Anm. 73) S. 258; Casper (Anm. 9) S. 998; Christoph Gusy, Konfliktmittlung beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Ve:handlungen, Band 11: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 109 (120); Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 33; derselbe (Anm. 8) S. 41 f.; Holznagel (Anm. 1) S. 288; Passavant (Anm. 8) S. 522; Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 15; Wolffl Bachofl Stober (Anm. 6), Band 1, § 31 Rn. 33 . 93 Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 33; derselbe (Anm. 8) S. 41 ff. 94 Brohm (Anm. 14) S. 321; Gaßner I Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 103; HoffmannRiem (Anm. 8) S. 64. Vgl. hierzu allgemein Jan Ziekow (Hrsg.), Handlungsspielräume der Verwaltung, Berlin 1999. 95 Hierzu Hofmann I Grabherr (Anm. 3) § 8 Rn. 10m. w.N. zur Rechtsprechung. 96 Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 14. A.A. offenbar Ronellenfitsch (Anm. 14) S. 199 f. i.V .m. S. 203, indem er luftverkehrsrechtliche Planfeststellungen als "Unternehmergenehmigungen" einordnet; diese Terminologie vermag an der Geltung des Abwägungsgebots nichts zu ändern. 97 In diesem Sinne auch Brohm (Anm. 14) S. 321 f.; Gaßner I Holznagel I Lahl (Anm. 29) S. 100 ff.; Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 41; Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S.15. 98 Diesen Ansatzpunkt betonen auch Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 33; Holznagel (Anm. 1) S. 288; Passavant (Anm. 8) S. 522. Zum Zweck des § 10 VwVfG vgl. Hermann Hill, Rechtsstaatliche Bestimmtheit oder situationsgerechte Flexibilität des Verwaltungshandelns, DÖV 1987, S. 885 (891).
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boten sein mag99, so trägt doch eine einvernehmliche Lösung typischerweise zur Vereinfachung bei. Darüber hinaus legitimieren §§ 73 Abs. 6, 74 Abs. 2 VwVfG, wonach über Einwendungen nach Möglichkeit im Erörterungstermin eine Einigung zu erzielen ist, die Suche nach einer Einigung lOo •
Eine Einschränkung wird man jedoch machen müssen. Selbst wenn mari das einfach-gesetzliche Zügigkeitsgebot des § 10 S. 2 VwVfG im Planfeststellungsverfahren nicht ftlr einschlägig hielte lOI , ist zu bedenken, daß das Beschleunigungsgebot letztlich verfassungsrechtlich fundiert ist in einem formell verstandenen Rechtsstaatsprinzip lO2. Hierzu stünde es in Widerspruch, würde man dem ohnehin durchzufilhrenden Planfeststellungsverfahren eine von vornherein völlig aussichtlose Mediation vor- oder nebenschalten. Denn dies würde in der Tat lediglich einen zusätzlichen Aufwand an Zeit, aber auch an Arbeit und Kosten, bedeuten. Sind also die sogleich zu besprechenden notwendigen Erfolgsbedingungen ersichtlich nicht gegeben, so steht dies mittelbar auch der rechtlichen Zulässigkeit entgegen. Allerdings wird man angesichts des prognostischen Charakters eine solche Ausnahme auf eindeutige Fälle beschränken müssen. b) Bewertung der Erfolgsbedingungen
Auch wenn damit die grundsätzliche rechtliche Zulässigkeit einer Mediation im Zusammenhang mit der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung geklärt ist, so ist damit noch nicht entschieden, ob eine solche Vorgehensweise auch sinnvoll ist. Hierzu müssen die drei notwendigen Erfolgsfaktoren vorliegen, nämlich die Kompromißfithigkeit, das Vorhandensein von Verhandlungsanreizen und die Bindung an das Verhandlungsergebnis (s. o. I. 2. a). Dabei werden die ersten beiden bereits in der Vorbereitungsphase aktuell. Liegen sie nicht vor, so
Kunig (Anm. 82) S. 49 f.; derselbe / Rublack (Anm. I) S. 4 f. HojJmann-Riem (Anm. I) S. 33; derselbe (Anm. 8) S. 43 f.; derselbe (Anm. 66) S. 423; Holznagel (Anm. I) S. 288; derselbe (Anm. 8) S. 195 f.; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 62; Steinberg (Anm. I) 312. 101 In diesem Sinne aber Bonk (Anm. 46) § 72 Rn. !OS. Daß das Zügigkeitsgebot durch die im Zusammenhang mit dem Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 12.9.1996 (BGB!. I S. 1354) erfolgten Änderungen der §§ 72 ff. Vwvro eine abschließende Normierung durch den Gesetzgeber erfahren hat, wird sich aber nur schwerlich behaupten lassen. Für eine grundsätzliche Einschlägigkeit auch des § 10 Vwvro auch Kopp / Ramsauer (Anm. 12) § 72 Rn. 18. 102 Grundlegend BVerfU, Besch!. vom 8.7.1982, Az.: 2 BvR 1187/80 ("Sasbach"), BVerfUE 61, S. 82 (114 ff.). Hierzu Thorsten Siegel, Die Verfahrensbeteiligung von Behörden und anderen Trägem öffentlicher Belange - Eine Analyse der rechtlichen Grundlagen unter besonderer Berücksichtigung der Beschleunigungsgesetzgebung, Berlin 2001, S. 210 ff. m.w.N. 99
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scheidet eine Konfliktmittlung von vornherein als unzweckmäßig aus 103. Die Problematik der Bindung stellt sich hingegen erst in der Umsetzungsphase (s. u. 11.4.). Die Frage der Kompromißfähigkeit hängt von den Einzelfallumständen ab. Grundsätzlich sind auch in luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren sogenannte "win-win-Situationen" denkbar 104 • Denn gerade die einer Planfeststellung zugrundeliegenden Sachverhalte sind regelmäßig derart komplex, daß schlichte "Ja- oder Nein"-Positionen die Ausnahme sein werden. Angesichts der Vielschichtigkeit lassen sich typischerweise zumindest bei der konkreten Ausgestaltung, also dem "Wie", Situationen finden, die möglichst vielen Beteiligten einen Vorteil bringen 105. So kann sich beispielsweise eine Mediation auf einzelne Aspekte eines Projektes, wie etwa dessen Finanzierung, beschränken 106 • Anders verhält es sich hingegen, wenn ein Vorhaben von einem grundlegenden Wertkonflikt und damit stark ideologisch geprägt iseo 7 • Hier konzentrieren sich die Positionen häufig auf die Beftlrwortung oder die strikte Ablehnung eines Projekts. Auch in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung können solche Grundsatzkonflikte vorkommen lO8 • Ob der im Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung des Frankfurter Flughafens durchgeftlhrten Mediation eine solche "win-win-Situation" zugrunde lag, darf zumindest bezweifelt werden. Jedenfalls im Nachhinein deuten die Äußerungen der Beteiligten auf eine Einstufung als - nicht mit den Mitteln der Konfliktmittlung lösbare - Fundamentalauseinandersetzung hin. So konnten von Beginn an viele in ihrem Aufgabenbereich bzw. Interessen berührte Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen nicht an den Tisch gebracht werden 109. Gegen die DurchfUhrung einer Mediation spricht zudem die rigide Ablehnung, weIche der Ausbau in manchen betroffenen Kommunen erfahren hae lO • Aber 103
Die Frage der Bindung wird hingegen erst zu einem späteren Zeitpunkt aktuell, s.
u. II. 4. a).
Ronellenfitsch (Anm. 14) S. 199. Es müssen also noch Alternativen offenstehen, vgl. Rainer Wahl, Erweiterung des Handlungsspielraums: Die Bedeutung von Kompensationen und Entscheidungsverknüpfungen, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band I: Informelle und mittlerunterstützte Verhandlungen in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 283 (284). 106 Vgl. das Beispiel bei Holznagel / Ramsauer (Anm. 14) S. 66. 107 Ramsauer (Anm. I) S. 164; Steinberg (Anm. I) S. 305; Stelkens / Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 179. 108 Ronellenjitsch (Anm. 14) S. 199. Allgemein zu großen Verkehrsprojekten Stelkens / Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 179. 109 Vgl. hierzu etwa den Artikel "Eine Million Mark rur Flughafengutachten" in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) vom 21.4.1999, Rhein-Main-Zeitung, S. 59 (60). 110 Vgl. hierzu den Artikel "Präferenz rur eine Start- und Landebahn im Süden" in der F AZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) vom 1.2.2000, Rhein-Main-Zeitung, S. 59: 104
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auch in weiten Gesellschaftskreisen ist der geplante Ausbau auf entschiedenen Widerstand gestoßen!ll. In denjenigen Fällen, in denen die Kompromißflihigkeit gegeben ist, werden typischerweise auch Verhandlungsanreize vorliegen, da die Beteiligten über eine entsprechende Tauschmacht verftlgen. Dabei kommen als Tauschmacht nicht nur Rechtspositionen, sondern auch anderweitige Faktoren in Betracht, etwa ein politisches Widerstandspotential 112 . Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Tauschmacht ein unterschiedliches Gewicht haben kann, rechtlich abgesicherte Positionen ein grundsätzlich größeres Durchsetzungspotential aufweisen als sonstige 113. Zu beachten ist, daß die Rechtsordnung bisweilen der Tauschmacht Grenzen auferlegt: So muß nach dem insbesondere in §§ 36 Abs. 3, 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG verankerten Koppelungsverbot ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Leistungen bestehen" 4 • Auch kann auf grundrechtlieh abgesicherte Positionen nicht in unbeschränkter Weise verbindlich verzichtet werden" s. Unmittelbar im Anschluß an die Vorstellung des Abschlußberichts durch die Mediatoren hatte die von der Süd-Variante besonders betroffene Stadt Neu-Isenburg an die Journalisten einen Pressetext zum Ergebnis mit der Überschrift "Ein Skandal" verteilen lassen. 111 Nicht von ungeflihr ist daher der JahresrUckblick in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 31.12.2000, S. B6, überschrieben mit "Die Region im Kampf um den Flughafen-Ausbau". Vgl. hierzu auch den Artikel "Katholischer Sydonalrat aus ,ethischen GrUnden' gegen Flughafenausbau" in der FR (Frankfurter Rundschau) vom 5.2.2001, abrufbar unter www.fr-aktuell.de/archiv/fr30tlh220010204062.htm. Darüber hinaus haben sich bei einer Internetbefragung der Hessischen Landeszentrale ftlr politische Bildung (HLZ) 70 % der Teilnehmer gegen einen Ausbau des Frankfurter Flughafens ausgesprochen, vgl. hierzu den Artikel "Internetbefragung der HLZ; BUND: Stimmung gegen Ausbau des Flughafens" in der FR (Frankfurter Rundschau) vom 12.2.2001, abrufbar unter www.fr-aktuell.de/archiv/fr30tlh220010211082.htm. 112 Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 37; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) Einftlhrung Rn. 89; Ramsauer(Anm. 1) S. 165. m Nach Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 37 ist deshalb Vorsorge dafiir zu treffen, daß "alle an den Verhandlungen Beteiligten über eine angemessene Tauschmacht verfUgen". Schulze-Fielitz (Anm.8) S. 81 benennt als Möglichkeit zur Stärkung strukturell schwach repräsentierter Interessen die Einftlhrung der eigentlichen Verbandsklage. Eingehend zur uneigentlichen Verbandsklage auf dem Gebiet des Naturschutzrechts Jan Ziekow / Thorsten Siegel, Anerkannte Naturschutzverbände als ,,Anwälte der Natur" - Rechtliche Stellung, Verfahrensbeteiligung und Fehlerfolgen, Berlin 2000, S. 95 ff. 114 Hierzu Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 65 f. und Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 24 f., die jedoch ftlr eine Lockerung dieses Gebots plädieren, um die Tauschmacht entsprechend zu erweitern. 115 Hierzu Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 25, der jedoch insoweit vor "bevormundenden Ängstlichkeiten" warnt. Zur Frage des Rechtsmittelverzichts vgl. Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 74 f.; Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 62 f.; Sünderhauf (Anm. 9) S. 246 ff. Zu beachten ist jedoch, daß ein echter "Verzicht" wegen der typischerweise nicht gewollten rechtlichen Bindungswirkung an das Verhandlungsergebnis nur selten vorliegt, s. u. II 4 a aa.
Mediation in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung
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c) Wahl des richtigen Zeitpunktes
Soweit die Erfolgsbedingungen gegeben sind, ist der richtige Zeitpunkt auszuwählen. Häufig greift man in der Praxis erst dann zur Mediation, wenn die Verhandlungen zwischen den Beteiligten festgefahren sind l16 • Allerdings können zu diesem Zeitpunkt die Positionen bereits derart verhärtet sein, daß eine ursprünglich vorhandene Kompromißflihigkeit nicht mehr gegeben ist. Daher empfiehlt es sich häufig, eine Mediation nicht neben, sondern vor dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren durchzuftlhren 117. Andererseits darf der Zeitpunkt aber nicht dermaßen vorverIagert werden, daß sich die involvierten Interessen noch nicht herausarbeiten lassen l18 . Die Wahl des richtigen Zeitpunktes ist somit letztlich eine Frage des Einzelfalls, die dem Fingerspitzengeftlhl der federftlhrenden Behörde vorbehalten bleibt l19 . Im Zweifelsfalle sollte jedoch eher ein früherer Zeitpunkt gewählt werden 120. d) Benennung des Mediators
Sodann gilt es, einen geeigneten Mediator, gegebenenfalls auch mehrere, zu bestimmen 121. Auch wenn der Gesetzgeber zumindest bislang keine spezielle Berufsausbildung fUr eine solche Tätigkeit statuiert hat J22 , müssen die in Betracht kommenden Personen bestimmte Anforderungen erftlllen: Generell muß ein Mediator beträchtliche kommunikative und sozialpsychologische Fähigkeiten aufweisen 123 • Da er nämlich eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen ausBrohm (Anm. 8) S. 1031; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 74. Hierzu etwa Brohm (Anm. 8) S. 1033 ; Gaßner / Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 102; Hoffmann-Riem (Anm. I) S. 37; derselbe (Anm. 8) S. 51; Holznagel (Anm. 8) S. 198 f.; Passavant (Anm. 8) S. 523; Ramsauer (Anm. 1) S. 166. 118 So zu Recht Ramsauer (Anm. 1) S. 166; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 74. 119 Ramsauer (Anm. I) S. 166. 120 Brohm (Anm. 8) S. 1033; Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 37; Passavant (Anm. 8) S. 523; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 74; Steinberg (Anm. 1) S. 314. 121 Zur Frage der Finanzierung des Mediators vgl. etwa Jens-Peter Schneider, Kooperative Verwaltungsverfahren - Problemebenen der Kooperation in multilateralen Interessenstrukturen, aufgezeigt am Beispiel von Nachvollziehender Amtsermittlung, Vorhaben- und Erschließungsplan sowie Konfliktmittlung, VerwArch 87 (1996), S. 38 (64 f.). 122 Kostka (Anm. 21) S. 105; Song (Anm. 21) S. 114. Allerdings haben sich professionelle Konfliktmittler teilweise bereits zu Berufsvereinigungen zusammengeschlossen, wie etwa dem Bundesverband Mediation. Ein einschlägiges Adressenverzeichnis findet sich etwa bei Horst Zil/eßen (Hrsg.), Mediation - Kooperatives Konfliktmanagement in der Umweltpolitik, Opladen 1998, S. 225 ff. 123 Hierzu etwa Brohm (Anm. 8) S. 1033; Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 63 ; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 76; Sobota / Kracht / Michaelis (Anm. 10) S. 262. 116
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findig machen und letztlich in Einklang miteinander bringen soll, bedarf es eines beachtlichen Verhandlungsgeschicks. Gerade in komplexen Sachverhalten, wie sie typischerweise luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungen zugrunde liegen, empfiehlt sich deshalb die Einschaltung von professionellen Mediatoren l24 • Daruber hinaus ist zu bedenken, daß das Ergebnis der Konfliktmittlung letztlich in die Planfeststellung implantiert werden soll. Um juristisch unvertretbare und damit nicht übernehmbare Ergebnisse zu vermeiden, sollten zumindest grundlegende Kenntnisse auf dem Sektor des Planfeststellungsrechts und der zugehörigen Rechtsgebiete vorhanden sein l2S • Weiterhin spielen in luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungen oftmals technische Fragen eine Rolle. Daher sind auch einschlägige naturwissenschaftliche Vorkenntnisse zumindest ilirderlich l26 • Aufgrund dessen ist der Kreis möglicher Mediatoren in der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung stark eingeschränkt 127 • Allerdings müssen sich nicht sämtliche Fähigkeiten in einer Person vereinigen. Zu denken ist auch an die Bildung eines Mediatoren-Teams 128 . Unabhängig von der fachlichen Qualifikation muß der Mittler von den Konfliktparteien akzeptiert werden. Zwar empfiehlt sich in einfach gelagerten Konfliktsituationen mit nur wenigen Involvierten, die Bestimmung der Person des Mediators diesen zu überlassen. Gerade in komplexen Situationen mit multipolaren Interessengeflechten, wie sie typischerweise einem Planfeststellungsverfahren zugrunde liegen, sollte jedoch der Mediator bereits vor der Benennung der (sonstigen) Verhandlungsteilnehmer bestimmt werden, da in diesen Situationen zunächst die berUhrten Interessen - und damit der Kreis der möglichen Teilnehmer - zu ermitteln sind 129 . Er muß dann aber nachträglich bestätigt werden, so daß "inakzeptable" Mittler von vornherein ausscheiden l30 . Auch wenn Förderlich ist dabei in jedem FaJle eine entsprechende Schulung, so Brohm a.a.O. S. 1033 und Sobota / Kracht / Michaelis aa.O. S. 262. 124 Auch diesem Gedanken ist bei der Mediation im Zusammenhang mit dem Frankfurter Flughafen wohl nicht hinreichend Rechung getragen worden, vgl. die SteJlungnahme des Bundesverbandes Mediation im Artikel "Gutes Wort rur falsche Sache" in der FAZ (Frankfurter AJlgemeine Zeitung) vom 4.8.2000, Hochtaunus Main-Taunus, S. 69, und der Leserbrief des Geschäftsfiihrers des Fördervereins Umweltmediation, Gerd Fuchs, Bonn, in der SZ (Süddeutsche Zeitung) vom 19.5.2000, S. 47. 12S Hierzu etwa Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 64; Sobota / Kracht / Michaelis (Anm. 10) S. 262. 126 Hierzu etwa Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 64; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 76 f.; Sobota / Kracht / Michaelis (Anm. 10) S. 262; Song (Anm. 21) S. 113 f. 127 So auch Ronellenfitsch (Anm. 14) S. 200; Steinberg (Anm. 1) S. 308 f. 128 Vgl. hierzu Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 64. )29 Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 52; Holznagel (Anm. 8) S. 211. Auch in dem Praxisbeispiel von Holznagel / Ramsauer (Anm. 14) S. 67 erfolgte zunächst die Bestimmung der Mediatoren. 130 Vgl. Schneider (Anm. 121) S. 62.
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infolge des erforderlichen Sachverstandes positive oder negative Beziehungen zu einzelnen Teilnehmern nicht auszuschließen sind, muß dem Erfordernis der Neutralität weitest möglich Genüge getan werden l31 • Deshalb empfiehlt es sich nicht, Vertreter der involvierten Interessen zu benennen. Auch insoweit darf bezweifelt werden, ob die Mediation im Zusammenhang mit dem Frankfurter Flughafen "lege artis" durchgefilhrt worden ist 132 • Können bestimmte Interessen nur durch die Benennung entsprechender Vertreter in das Mediationsverfahren einbezogen werden, so spricht dies im übrigen indirekt filr die Fundamentalität eines Konfliktes und damit gegen dessen Kompromißflihigkeit. 2. Die Vorbereitungsphase Nach erfolgreicher Durchschreitung der Initiierungsphase folgt die Vorbereitungsphase, in welcher neben der Festlegung des Verhandlungsrahmens die sonstigen Verhandlungsteilnehmer auszuwählen sind (s. o. I. 2. a). Auch wenn die Frage der Gesetzesbindung vornehmlich in der Verhandlungs- und Umsetzungsphase eine Rolle spielt (s. u. 11. 3.), wird sie bereits zuvor aktuell. Denn bereits in der Vorbereitungsphase taucht aus Sicht des Planfeststellungsrechts die Problematik der Einschlägigkeit des § 13 Abs. 2 VwVfG auf. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Bindung der Verwaltung (u. a) und derjenigen des Mediators (u. b). a) Gesetzesbindung der Verwaltung
aa) Direkte Geltung des Planfeststellungsrechts? Bei einer das Planfeststellungsverfahren zumindest teilweise ersetzenden Mediation flinden die Vorschriften des Planfeststellungsrechts unmittelbare Anwendung, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich Ausnahmen statuiert hätte. Nach gegenwärtiger Rechtslage ist eine solche ersetzende Konfliktmittlung aber nicht zulässig (s. o. 11. 1. a) aa). Oe lege lata ist somit nur die Situati\3\ Zum Erfordernis der Neutralität vgl. Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 19; Song (Anm. 21) S. 114. 132 Die drei leitenden Mediatoren waren dort der SPD-Europapolitiker Klaus Hänsch aus Köln, der damalige Präsident der Frankfurter Industrie- und Handelskammer, Frank Niethammer und schließlich der Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirche, Pfarrer Kurt Oeser aus Mörfelden-Walldorf. Vgl. die kritischen Anmerkungen zu deren Neutralität, etwa die Stellungnahme des Bundesverbandes Mediation im Artikel "Gutes Wort filr falsche Sache" in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) vom 4.8.2000, Hochtaunus Main-Taunus, S. 69, und den Leserbrief des Geschäftsfilhrers des Fördervereins Umweltmediation, Gerd Fuchs, Bonn, in der SZ (Süddeutsche Zeitung) vom 19.5.2000, S.47.
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on bei einer ergänzenden Mediation, welche neben, idealerweise vor dem Planfeststellungsverfahren stattfmdet, zu analysieren. Eine direkte Geltung des Planfeststellungsrechts, also insbesondere des VwVfG und des LuftVG, scheidet im Falle der nur ergänzenden Mediation jedoch aus 133. Findet die Mediation vor dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren statt, so ergibt sich dies bereits daraus, daß letzteres erst mit der Antragsteilung eingeleitet wird I34 . Aber auch unabhängig von der zeitlichen Lage sind die Anforderungen des § 9 VwVfG bei einer das Planfeststellungsverfahren ergänzenden Mediation nicht erfilllt. Denn zum einen ist das Verhandlungsergebnis typischerweise weder als Verwaltungsvertrag noch als Verwaltungsakt anzusehen 13S • Vor allem aber kommt dem Sinn und Zweck des Mediationsergebnisses entscheidende Bedeutung zu: Es soll typischerweise keine rechtliche Bindungswirkung entfalten, ist vielmehr bei der Einbringung in das Planfeststellungsverfahren auf seine Vereinbarkeit mit der Rechtsordnung zu überprüfen (s. u. II. 4. b)\36. Dieser Integrationsakt bildet somit eine Zäsur auf dem Weg zum Planfeststellungsbeschluß. bb) Analoge Geltung des Planfeststellungsrechts? Andererseits ist zu bedenken, daß die Ergebnisse der Konfliktmittlung - soweit dies die besagte "Übernahmekontrolle" zuläßt - in den Planfeststellungsbeschluß Eingang finden sollen. Dies rechtfertigt es, mit dieser "Nachwirkung" der Mediation eine "Vorwirkung" der rechtlichen Anforderungen korrespondieren zu lassen. Den Ansatzpunkt ftIr eine entsprechende Anwendung zumindest bestimmter Rechtsvorschriften bildet die Figur des schlichten Verwaltungsrechtsverhältnisses J37 , welches bereits durch einen sozialen Kontakt zwischen
IJJ So auch Kopp I Ramsauer (Anm. 12) § 9 Rn. 5; Stelkens I Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 169. Ebenso allgemein zu infonnalen Vorverhandlungen Ulrich Beyerlin, Schutz-
pflicht der Verwaltung gegenüber dem Bürger außerhalb des formellen Verwaltungsverfahrens? Überlegungen zu Problemen der heutigen Umweltschutzpraxis, NJW 1987, S. 2713 (2716). A.A. Gaßner I Holznagel I Lahl (Anm. 29) S. 65; Holznagel (Anm. 8) S. 203 ff. IJ4 Im diesem Sinne etwa Beyerlin (Anm. 133) S. 2716; Stelkens I Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 169. m Vgl. hierzu Beyerlin (Anm. 133) S. 2717; StelkenslSchmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 169. Dem könnte man allerdings eine weite Auslegung des Begriffs der "Vorbereitung" entgegenhalten, in diesem Sinne auch Holznagel (Anm. 8) S. 199 fI. (203 f.). IJ6 SO zu Recht Kopp I Ramsauer (Anm. 12) § 9 Rn. 5. m So auch Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 60; Kunig I Rublack (Anm. 1) S. 6. Ebenso allgemein zum Drittschutz bei infonnalen Vorverhandlungen Beyerlin (Anm. 133) S. 2719. Allgemein zum schlichten Verwaltungsrechtsverhältnis Hans J Wo/ffIOtto BachofI RolfStober, Verwaltungsrecht, Band 2, 6. Aufl. München 2000, § 57 Rn. 22a.
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Verwaltung und Bürger entstehen kann 138. Da die Mediation von vornherein daraufhin angelegt ist, in das Planfeststellungsverfahren einzufließen, ist bereits zuvor der Kontakt zwischen der Verwaltung und den Betroffenen derart intensiviert, daß er über das nonnale "Staat-Bürger-Verhältnis" hinausgeht 139 • Somit besteht grundsätzlich die Möglichkeit, zumindest bestimmte Vorschriften des Planfeststellungsrechts anzuwenden 140. cc) Umfang des Analogieschlusses Da das Ergebnis der Mediation nicht automatisch und insbesondere nicht ohne Prüfung in das Planfeststellungsverfahren übernommen werden kann, ist der Analogieschluß allerdings auf die grundlegenden fonnellen und materiellen Anforderungen zu beschränken 141. Diese 'Aussage bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Vorbereitungs- und die Verhandlungsphase. Hingegen ist das Verhandlungsergebnis bei der Übernahme in das Planfeststellungsverfahren genau auf die Vereinbarkeit mit allen rechtlichen Anforderungen zu überprüfen (s. u. 11. 4. b). Zu den besagten grundlegenden Vorschriften gehört auch § 13 Abs. 2 VwVfG, da diese Nonn eine Gefiihrdung von Drittpositionen verhindern SOll142. Praktisch folgt hieraus eine Einteilung in drei Gruppen: Beteiligte im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG, rur die der Ausgang des fönnlichen Verfahrens also rechts gestaltende Wirkung haben kann, müssen individuell informiert werden und auf Wunsch beteiligt werden 143. Über die Beteiligung der le138 Erichsen (Anm. 90) § 11 Rn. 8 m.w.N .; Hermann Hili, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, Heidelberg 1986, S. 281 und 316 f. 139 Zu diesen Abgrenzungskriterien vgl. Bauer (Anm. 66) S. 264 m.w.N. 140 Zu Recht eine nur analoge Anwendung in solchen infonnellen Vorphasen beftlrwortend Eberhard Bohne, Infonnales Verwaltungs- und Regierungshandeln als Instrument des Umweltschutzes, VerwArch 75 (1984), S. 343 (350). A.A. offenbar Kunig I Rublack (Anm. 1) S. 6, indem sie die analoge Anwendung und die Lösung über das schlichte Verwaltungsrechtsverhältnis als Alternativen darstellen. 141 So auch Caspar (Anm. 9) S. 997. Auch Kunig I Rublack (Anm. I) S. 6 sprechen lediglich - von "bestimmten" Vorwirkungen. Ebenso allgemein zum Drittschutz bei informalen Vorverhandlungen Beyerlin (Anm. 133) S. 2719. Für eine solche Beschränkung allgemein zum infonnalen Verwaltungshandeln auch Bohne (Anm. 140) S. 350. Vgl. hierzu auch Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 70. 142 So auch Holznagel (Anm. I) S. 288; Stelkens I Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 175 i.V.m. Rn. 179. Ebenso allgemein zum infonnellen Verwaltungshandeln Bohne (Anm. 140) S. 353. Vgl. hierzu auch Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 63. 143 So auch HojJmann-Riem (Anm. 8) S. 44; Holznagel (Anm. 1) S. 288; derselbe (Anm. 8) S. 205 und S. 211; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 79; Stelkens I Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 175 i.V .m. Rn. 179. Ebenso allgemein zum informellen Verwaltungshandeln Bohne (Anm. 140) S. 353 .
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diglich in ihren rechtlichen Interessen Berührten im Sinne des § 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG ist errnessensfehlerfrei zu entscheiden l44 • Schließlich können auch die nur in ihren sonstigen, also nicht rechtlichen, Interessen Berührten hinzugezogen werden 145. Zwar knüpft § 13 Abs. 2 VwVfG zumindest an die mögliche Beeinträchtigung rechtlicher Interessen an 146. Da durch die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift jedoch lediglich ein Mindeststandard gesichert werden soll, ist diese Regelung zumindest in diesem Zusammenhang nicht abschließend. Denn das Ziel der Mediation liegt gerade in einern umfassenden Clearing aller berührter Interessen ohne Rücksicht auf deren Beschaffenheit. Andererseits ist gerade hier zu bedenken, daß durch einen allzu großen Teilnehmerkreis der Verhandlungserfolg geflihrdet würde (s. o. I. 2. b). Daher empfiehlt es sich, in den Fällen des § 13 Abs. 2 S. I VwVfG und erst recht im Falle einer Berührung von sonstigen Interessen die Einbeziehung durch Repräsentanten sicherzustellen 147. Auch insoweit muß der Mediator besonderes Geschick beweisen 148 . Welche Interessenvertreter sind nun im Einzelfalle zu beteiligen? Zu denken ist dabei zunächst an Vertreter der in ihrem Aufgabenbereich tangierten Behörden, insbesondere der Anhörungs- und der Planfeststellungsbehörde 149. Gerade im Zusammenhang mit luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren sollten zudem Repräsentanten der von dem Vorhaben voraussichtlich betroffenen Kommunen und Anwohner an1 Tisch sitzen, gegebenenfalls über mittlerweile gebildete Bürgerinitiativen 150. Allgemeininteressen können über entsprechende Interessenvertretungen miteinbezogen werden, also etwa die Belange des Umweltschutzes über anerkannte Naturschutzverbände15 I . Maßgebend sind letztlich die Umstände des Einzelfalls 152 . 144 So auch HojJmann-Riem (Anm. 8) S. 44 f; Holznagel (Anm. 8) S. 206; SchulzeFielitz (Anm. 8) S. 80. Ebenso allgemein zum informellen Verwaltungshandeln Bohne (Anm. 140) S. 353. 145 HojJmann-Riem (Anm. 8) S. 44 f; Holznagel (Anm. 8) S. 206; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 80. 146 Zum Begriff des rechtlichen Interesses im Sinne des § 13 VwVfG vgl. Bonk (Anm. 46) § 13 Rn. 32; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) § 13 Rn. 36, beide m.w.N. 147 HojJmann-Riem (Anm. 8) S. 52; Holznagel (Anm. 1) S. 285; derselbe (Anm. 8) S. 211 f.; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 79 f 141 Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 79. Skeptisch insoweit Wahl (Anm. 105) S. 285. 149 Dies erscheint im Hinblick auf die geplante Umsetzung besonders wichtig, vgl. HojJmann-Riem (Anm. 8) S. 54. 150 Vgl. hierzu das Praxisbeispiel bei Holznagel / Ramsauer (Anm. 14) S. 68. 151 Bernd Holznagel, Mediation im Umwelt- und Planungsrecht, Jura 1999, S. 71 (74). Dies gilt erst recht, wenn die eigentliche naturschutzrechtliche Verbandsklage auf Bundesebene eingefilhrt sein wird, vgl. zum Stand den NJW-Wochenspiegel, Heft 9/ 2001, S. XLV. Zu den derzeit bestehenden Beteiligungs- und Klagemöglichkeiten der Naturschutzverbände vgl. Ziekow / Siegel (Anm. 113).
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b) Gesetzesbindung des Mediatars
aa) Unmittelbare Bindungswirkung? Eine unmittelbare rechtliche Bindung des Mediators an die einschlägigen Normen des Planfeststellungsrechts scheidet jedoch aus 153. Als neutrale und damit auch von der Anhörungsbehörde unabhängige Privatperson käme eine Gesetzesbindung ohnehin nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht, die jedoch im Falle einer das Planfeststellungsverfahren lediglich ergänzenden Konfliktmittlung nicht vorliegen: Eine Beleihung läge nur dann vor, wenn dem Mediator die Verfahrensherrschaft zumindest in Teilbereichen des Planfeststellungsverfahrens übertragen worden wäre. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn letzteres durch den Gesetzgeber - im Bereich der Beleihung besteht ein Gesetzesvorbehalt 154 - partiell durch die Mediation ersetzt worden wäre. De lege lata ist bislang aber nur eine Ergänzung des Planfeststellungsverfahrens durch die Konfliktmittlung möglich (s. o. II. 1. a)\SS. Und selbst wenn man der Figur des Verwaltungshelfers als solcher eine unmittelbare Gesetzesbindung auferläge l56 , so schiede eine unmittelbare Geltung des Planfeststellungsrechts auf diesem Wege aus. Denn der Mediator ist bei genauer Betrachtung nicht als Verwaltungshelfer einzustufen 1S7 • Zwar wird ein Mediator im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren typischerweise auf Veranlassung der Anhörungsbehörde tätig. Die Figur des Verwaltungshelfers zeichnet sich aber dadurch aus, daß das Handeln nicht nur im Auftrag, sondern auch nach Weisung
Schneider (Anm. 121) S. 62 f. In diesem Sinne auch Brohm (Anm. 14) S. 328 ("nur letztere"); Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 48 ("gilt zwar nicht fI1r ihn, soweit er nicht Teil der Behörde ist."); Holznagel (Anm. 1) S. 288 ("rein rechtlich nicht"); derselbe (Anm. 8) S. 210 ("keine unmittelbare Anwendung"); Ramsauer (Anm. I) S. 165 ("nur sinnvoll"). 154 Hierzu etwa Kopp / Ramsauer (Anm. 12) § 1 Rn. 58; Stelkens / Schmitz (Anm. 33) § 1 Rn. 232, beide m.w.N. auch aus der Rechtsprechung. 155 Zu Recht formuliert daher Brohm (Anm. 14) S. 328 konjunktivisch, daß die Übertragung der Verhandlungsftlhrung auf den Mediator eine "Beleihung darstellte". 156 Zur Erstreckung des sogenannten Verwaltungsprivatrechts auch auf nicht beliehene Personen des Privatrechts vgl. WoljJ/ Bachof/ Stober (Anm. 6), Band 1, § 23 Rn. 31 mit Beispielen. Im Falle des Verwaltungshelfers erscheint jedoch die Beschränkung der unmittelbaren Gesetzesbindung auf die Verwaltung selbst vorzugswürdig, die dann ihrerseits den in ihre Struktur eingegliederten Verwaltungshelfer entsprechend anzuweisen hat, so auch Christoph Brüning, Der Verwaltungsmittler - eine neue Figur bei der Privatisierung kommunaler Aufgaben, NWVBl. 1997, S. 286 (291 f.) m.w.N. 157 Vgl. insoweit § 89 Abs. 3 S. I UGB-KomE (Anm. 22), Berlin 1998, S. 141. AA offenbar Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 63, allerdings eher beiläufig. A.A. zu § 4b BauGB mit der darin enthaltenen Konfliktmittlung Battis (Anm. 81) § 4 b Rn. 6; Hartwig Lüers, Die Bauleitplanung nach dem BauROG, OVBI. 1998, S. 433 (444). 152
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der betrauenden Behörde erfolgtls8. Gerade letzteres ist jedoch mit der neutralen und damit auch gegenüber der Anhörungsbehörde unabhängigen Position des Konfliktmittlers nur schwerlich vereinbar. Ebensowenig fUhrt schließlich der Gedanke der Verfahrensprivatisierung zu einer unmittelbaren Bindung des Mediators an die öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Im Falle einer - derzeit alleine zulässigen - Ergänzung des Planfeststellungsverfahrens wird nämlich nicht das Planfeststellungsverfahren als solches privatisiert, sondern lediglich dessen Vorbereitung ls9 . Es handelt sich damit lediglich um die funktionale Privatisierung einer einzelnen Verwaltungsaufgabe, nicht um eine Privatisierung des Verwaltungs verfahrens 160. Letzteres ist nur dann anzunehmen, wenn nicht nur die Vorbereitung, sondern auch die Durchftlhrung bestimmter Verfahrensschritte auf Dritte übertragen werden kann, wie etwa im Falle des § 4b BauGB I61 . Aber auch eine analoge Anwendung der Vorschriften des Planfeststellungsrechts auf den privaten Mediator kommt nicht in Betracht. Denn der Gesetzgeber hat die verfahrensrechtlichen Anforderungen des Verwaltungsverfahrensrechts bewußt auf den öffentlich-rechtlichen Sektor beschränkt, so daß es insoweit an einer planwidrigen Lücke fehlt l62. bb) Mittelbare Bindungswirkung? Eine Bindung an rechtliche Vorgaben kann jedoch auch mittelbar erzielt werden. So kann etwa ein von der Anhörungsbehörde mit dem Mediator geschlossener Vertag entsprechende Klauseln enthalten 163. Unabhängig von der Ausgestaltung eines etwaigen Vertrages wäre ein Verhandlungsergebnis, das in fonneller oder materieller Hinsicht nicht mit der Rechtsordnung in Einklang stünde, nicht in die Planfeststellung übertragbar und damit letztlich unbrauch-
ISB Brüning (Anm. 156) S. 291; Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. München 1999, § 23 Rn. 60 m.w.N. Auch in § 89 Abs. 3 S. 1 UGB-KornE (Anm. 22) wird ausdrücklich erwähnt, daß der Mediator "in seiner Tätigkeit unabhängig und an Weisungen nicht gebunden ist". 159 Zu den einzelnen Formen der Privatisierung vgl. Jan Ziekow, Auswirkungen der Modernisierung der Verwaltung auf das Verwaltungsverfahrensrecht, VM 2000, S. 202 (208) m.w.N. 160 Vgl. insoweit Werner Hoppe I Herbert Bleicher, Rechtsprobleme bei der Verfahrensprivatisierung von Standortauswahlverfahren im Abfallrecht, NVwZ 1996, S. 421 (422) zur Einschaltung von privaten Gutachtern. 1~1 Hierzu etwa Battis (Anm. 81) § 4b Rn. 7. 162 Vgl. hierzu WolfflBachoflStober (Anm. 6) Band 1, § 23 Rn. 33 m.w.N. auch zur Gegenansicht. 163 Vgl. insoweit zu § 4b BauGB Battis (Anm. 81) § 4 Rn. 6 a.E.
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bar l64 . Aus diesem Grunde wird der Mediator grundlegende rechtliche Anforderungen faktisch beachten müssen, um den Transformationserfolg nicht zu beeinträchtigen 16S. Dem Umfang nach bietet sich also eine Orientierung an der Gesetzesbindung der beteiligten Behörden an (s. o. 11. 2. a) cc) und s. u. 11. 3.)166.
3. Die Verhandlungsphase Die Frage der Gesetzesbindung wird ZWar bereits in der Vorbereitungsphase aktuell (s. o. 11. 2.), entfaltet jedoch in der Verhandlungsphase ihre zentrale Bedeutung. Denn gerade in diesem Stadium können sich die benannten Risiken realisieren. Bei der Frage, welche Anforderungen die beteiligten Träger öffentlicher Belange und der Mediator zu beachten haben, ist vornehmlich an solche mit verfassungsrechtlichem Fundament zu denken. a) Wichtige formell-rechtliche Anforderungen
In formeller Hinsicht ist zunächst die Wahrung der Zuständigkeitsordnung zu benennen l67 • Dies betrifft vor allem die Kompetenzen der Anhörungs- und der Planfeststellungsbehörde, aber auch die der sonstigen beteiligten Träger öffentlicher Belange, da sie auf diese Weise der ihnen zugewiesenen Verantwortung rur den betreffenden Belang gerecht werden müssen 168. Zu den sich vornehmlich in dieser Phase aktualisierenden verfahrensmäßigen Anforderungen gehört das Gebot der Transparenz l69 • Damit soll sichergestellt werden, daß etwaig übersehene Interessen miteinbezogen werden können und die Öffentlichkeit informiert wird. Die genaue Art und Weise einer Information der Öffentlichkeit kann jedoch in den zu vereinbarenden Verhandlungsmodalitäten geregelt werden (s. o. I. 2. b). Ebenfalls als grundlegende verfahrensrechtliche An-
Ramsauer (Anm. 1) S. 165. SO auch Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 48; Holznagel (Anm. I) S. 288; derselbe (Anm. 8) S. 210. 166 So auch Brohm (Anm. 14) S. 328 ("nur reduziert"); Ramsauer (Anm. I) S. 165 (" verfahrensrechtliche Mindeststandards"). 167 Stelkens / Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 173 i.V.m. Rn. 179. Ebenso allgemein zum informellen Verwaltungshandeln Bauer (Anm. 66) S. 262. 168 Zum Begriff der Träger öffentlicher Belange eingehend Siegel (Anm. 102) S. 18 ff. 169 Ramsauer (Anm. I) S. 165; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 61; Song (Anm. 21) S. 116. 164
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forderung zu beachten ist ganz allgemein das Gebot der Fairneß des Verfahrens, insbesondere zur unparteiischen Amtsfilhrung 170 • b) Wichtige materiell-rechtliche Anforderungen
Weiterhin sind in der Verhandlungsphase stets besonders wichtige materielle Bindungen zu beachten. So wird das formell-rechtliche Gebot der Drittbeteiligung flankiert durch das Verbot einer Absprache zulasten Dritter l71 • Aber auch der in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichheitssatz, wonach wesensmäßig Gleiches nicht ohne sachlichen Grund ungleich und wesensmäßig Ungleiches nicht ohne Rechtfertigung gleich behandelt werden dürfen, verlangt stets Beachtung 172• Danach ist es insbesondere unzulässig, besonders stark artikulierte Interessen gegenüber anderen objektiv gleich gewichtigen zu bevorzugen. Hat sich etwa von zwei in gleichem Umfang von zusätzlichen Lärmbelastungen betroffenen Zonen in der einen eine Bürgerinitiative gebildet, in der anderen hingegen nicht, so wäre es nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar, erstere nur im Hinblick auf ihre stärkere Präsenz zu privilegieren. Darüber hinaus verbietet es das Koppelungsverbot, nicht in sachlichem Zusammenhang zueinander stehende Leistungen zu vereinbaren 173. Um eine faktische Bindung der beteiligten Träger öffentlicher Belange an das Verhandlungsergebnis nicht zu vereiteln, sind diese darüber hinaus gehalten, auf eine sachgerechte Vorabwägung hinzuwirken 174.
170 Brohm (Anm. 14) S. 328; derselbe (Anm. 73) S. 257; Caspar (Anm. 9) S. 997; Kunig (Anm. 82) S. 52; derselbe I Rublack (Anm. I) S. 5 f; Ramsauer (Anm. I) S. 165; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 61; Song (Anm. 21) S. 117; Stelkens I Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 177 LV.m. Rn. 179. 171 Brohm (Anm. 14) S. 328; Kunig I Rublack (Anm. 1) S. 6; Ramsauer (Anm. 1) S. 165. Ebenso allgemein zum informellen Verwaltungshandeln Bauer (Anm. 66) S. 262. 172 Brohm (Anm. 14) S. 328; Caspar (Anm. 9) S. 997; Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 41; Holznagel (Anm. 1) S. 288; Kunig (Anm. 82) S. 61; derselbe I Rublack (Anm. 1) S. 10; Ramsauer (Anm. I) S. 165; Schulze-Fielitz (Anm. I) S. 61; Stelkens l Schmitz (Anm. 33)§ 9 Rn. 177 i.V.m. Rn. 179. 173 Brohm (Anm. 14) S. 328; derselbe (Anm. 73) S. 257; Caspar (Anm. 9) S. 997 (dort Fn. 35); Hoffmann-Riem (Anm. I) S. 38 f.; Kunig (Anm. 82) S. 54 f; derselbe I Rublack (Anm. I) S. 6; Steinberg (Anm. 1) S. 302 f. Für eine Lockerung de lege ferenda Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 39; Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 24. 174 In diesem Sinne auch Holznagel (Anm. 8) S. 217; Stelkens I Schmitz (Anm. 33) § 9 Rn. 178 iV.m. Rn. 179. Ein solches Erfordernis ist - neben der sachlichen Rechtfertigung und der Wahrung der Zuständigkeitsordnung - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die zentrale Rechtmäßigkeitsanforderung rur faktische Vorabbindungen der Verwaltung, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1974, Az.: IV C 50.72, BVerwGE 45, S. 309 (320 f) und s.u. 11 4 a bb. Auf diese Weise kann ein "an sich" gegebenes Abwägungsdefizit ausgeglichen werden.
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Schließlich darf das Mediationsergebnis nicht in Widerspruch zur Rechtsordnung stehen 17S , eine Relativierung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist nicht statthaft. Da das Verhandlungsergebnis jedoch nicht automatisch in das Planfeststellungsverfahren übernommen wird, sondern von der Anhörungsbehörde zuvor eingehend zu kontrollieren ist, besteht zu einer umfassenden Prüfung der Rechtsmäßigkeit in diesem Verfahrensstadium - noch! keine Notwendigkeit. Denn die staatliche Letztverantwortung bleibt gewahrt, wenn das Verhandlungsergebnis bei der Übernahme in das Planfeststellungsverfahren umfassend auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit hin überprüft wird (s. u. II 4 b). Allerdings ist ein jeder prognostizierte Gesetzesverstoß, auch soweit er nicht grundlegende Prinzipien betrifft, zu vermeiden. Denn es wäre untragbar, sehenden Auges ein letztlich nicht übertragbares Ergebnis zu kreieren 176. Je stärker allerdings das Verhandlungsergebnis der Mediation auf seine Rechtmäßigkeit hin kontrolliert worden ist, um so einfacher kann es bei der Transformation in das Planfeststellungsverfahren übernommen werden. 4. Die Umsetzungsphase Ist ein zumindest partieller Konsens gefunden, so wird die Verhandlungsphase abgeschlossen durch die Fixierung des Verhandlungsergebnisses (s. o. I. 2. c) und d). Für die Umsetzungsphase taucht zunächst einmal die Frage der Bindung an dieses Ergebnis auf (u. a). Eng damit zusammen hängt die Pflicht der Anhörungs- und der Planfeststellungsbehörde zur Prüfung des Ergebnisses (u. b). Schließlich gilt es zu erörtern, auf welche Art und Weise eine Umsetzung erfolgen kann (u. c). a) Bindungswirkung
Zu den notwendigen Erfolgsbedingungen der Mediation gehört nach dem oben Gesagten auch die Bindung an das Verhandlungsergebnis (s. o. I. 2. a). aa) Rechtliche Bindungswirkung? Eine rechtliche Bindungswirkung könnte insbesondere durch Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne der §§ 54 ff. VwVfG erzielt werden.
175 Caspar (Anm. 9) S. 997; Ramsauer (Anm. 1) S. 165. Vgl. hierzu auch Bohne (Anm. 140) S. 351. 176 In diesem Sinne auch Ramsauer (Anm. I) S. 165. Vgl. hierzu auch HoffmannRiem (Anm. 8) S. 57.
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Der Rechtsnatur nach wäre zwar grundsätzlich auch der Abschluß eines zivilrechtlichen Vertrages möglich, in dem etwa die Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung vereinbart wird 177. Bedenkt man jedoch, daß es in der Konfliktmittlung zentral um den Ausgleich planfeststellungsrelevanter Positionen geht, so spricht dies regelmäßig ftlr eine öffentlich-rechtliche Natur 178 • Selbst wenn jedoch das Verhandlungsergebnis schriftlich niedergelegt werden sollte und damit dem Formerfordernis des § 57 VwVfG Genüge getan worden ist, scheidet die Annahme eines Verwaltungs vertrages typischerweise aus 179. Ein die Planfeststellung aussprechender oder hierzu zumindest verpflichtender Vertrag wäre ohnehin unwirksam : Ein Verfilgungsvertrag wäre nicht mit den gesetzlich festgelegten Anforderungen des Planfeststellungsrechts, wonach der Planfeststellungsbeschluß nach Abschluß des ilirmlichen Planfeststellungsverfahrens ergeht, vereinbar 180• Und einem entsprechenden Verpflichtungsvertrag stünde die abwägungsterminierende Wirkung entgegen l81 • Abgesehen davon müßten wegen der Regelung des § 58 Abs. 1 VwVfG alle Dritten, in deren Rechte der Vertrag eingreift, diesem - gegebenenfalls über eine Vertretung 182 - ihre Zustimmung erteilen 183 • Unabhängig von diesen rechtlichen Erwägungen kann seitens der beteiligten Behörden grundsätzlich kein entsprechender Rechtsbindungswille angenommen werden 184 • Denn durch eine zu weitgehende Bindungswirkung würde sich die Verwaltung ihrer unverzichtbaren Fähigkeit zur einseitig-hoheitlichen Entscheidung entiedigen 185 • Im übrigen stünde eine zwingende Übernahme zumindest in einem Spannungsverhältnis zum auf Flexibilität angelegten Wesen der Mediation 186. Das Fehlen eines Rechtsbindungswillens steht auch der Einstu-
177 Hierzu etwa Edmund Brandt, Umsetzung von Ergebnissen infonneller Aushandlungen in fonnelle Entscheidungen, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Konfliktbewältigung durch Verhandlungen, Band 11: Konfliktmittlung in Verwaltungsverfahren, Baden-Baden 1990, S. 239 (247 ff.); HofJmann-Riem (Anm. I) S. 41; Holznagel (Anm. I) S. 289. 178 Hierzu HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 60 f. Zur Abgrenzung öffentlich-rechtlicher Verträge von zivilrechtlichen vgl. allgemein Bonk (Anm. 46) § 54 Rn. 73 ff. m.w.N. 179 Schlechthin ausgeschlossen ist dies hingegen nicht, so auch HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 60 f., ruft jedoch die nachfolgenden Bedenken auf den Plan. 180 Brandt (Anm. 177) S. 245 f.; Gaßner ! Holznagel ! Lahl (Anm. 29) S. 71 . 181 Brandt (Anm. 177) S. 245; Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 71 f. 182 Hierzu Bonk (Anm. 46) § 54 Rn. 12 m.w.N. 183 Hierzu Brandt (Anm. 177) S. 246; Breuer (Anm. 13) S. 244. 184 HofJmann-Riem (Anm. I) S. 40 f. Ebenso allgemein zu Verwaltungsarrangements Eberle (Anm. 43) S. 444. 185 Hierzu HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 57. Zu den Grenzen rechtlicher Bindungen seitens der Verwaltung vgl. Holznagel (Anm. 8) S. 213 f. 186 Ramsauer (Anm. I) S. 166.
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fung als Zusicherung i.S.d. § 38 Vwvro seitens der Planfeststellungsbehörde entgegen 187. bb) Faktische Bindungswirkung Eine Bindungswirkung kann jedoch nicht nur in rechtlichen Kategorien erzielt werden. Zwischen dieser und der absoluten Unverbindlichkeit ist eine Zwischenstufe anzusiedeln, die als faktisch bezeichnet werden kanniss. Diese ermöglicht es, einerseits die fUr eine erfolgreiche Mediation notwendige Bindung zu erreichen, andererseits eine starre rechtliche Bindung zu vermeiden ls9 . Eine solche faktische Bindung an das Verhandlungsergebnis ist daher ausreichend, aber auch erforderlich l90 . Faktische Vorabbindungen sind im Hinblick auf ihre abwägungsprägenden Wirkungen allerdings nicht schlechthin zulässig. Vielmehr filhren sie typischerweise zu einem Abwägungsdefizit. Nach dem Flachglas-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts l91 kann dies jedoch dann ausgeglichen werden, wenn die faktische Bindungswirkung sachlich gerechtfertigt war, die planungsrechtliche Zuständigkeitsordnung gewahrt wurde und die vorgenommene Entscheidung inhaltlich nicht zu beanstanden ist l92 . Bedenkt man nun, daß die mit der Mediation zu erreichenden Vorteile (s. o. I. 3. a) eine sachliche Rechtfertigung bilden, so müssen bei der Vorabbindung lediglich, aber immerhin doch die jeweiligen Kompetenzen beachtet werden; zudem muß eine sachgerechte VorBrandt (Anm. 177) S. 247. Zu den Fehlerfolgen solcher Absprachen vgl. etwa Philip Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, DVBI. 1992, S. 1193 (1200). 189 Zu den möglichen praktischen Auswirkungen einer solchen faktischen Bindungswirkung vgl. HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 55. 190 Hierzu Brandt (Anm. 177) S. 251 f.; Breuer (Anm. 13) S. 247; Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 72; HofJmann-Riem (Anm. 1) S. 19 und S. 41; derselbe (Anm. 66) S. 430; Holznagel (Anm. 1) S. 289; Kopp / Ramsauer (Anm. 12) Einfilhrung Rn. 91; Ramsauer (Anm. 1) S. 166. A.A. Sünderhauf(Anm. 9) S. 261 ff., die eine rechtliche Bindungswirkung filr erforderlich hält. Durch ein Abrücken von dieser faktischen Bindungswirkung kann im Nachhinein ein zunächst erzielter Mediationserfolg wieder in Frage gestellt werden. So gehörte etwa zu den Ergebnissen der Mediation im Zusammenhang mit der Erweiterung des Frankfurter Flughafens unter anderem auch ein Nachtflugverbot (s. o. 12 d). Unmittelbar nach Abschluß des Verfahrens erklärte jedoch eine beteiligte Fluggesellschaft, daß ein solches rur sie nicht akzeptabel sei. Vgl. hierzu den Artikel "Oeser: Minister Posch blockiert das Nachtflugverbot", FR (Frankfurter Rundschau) vom 30.1.2001, abrutbar unter www.fr-aktuell .de/archiv/fr30tJh22001 0 13 0032.htm. 191 BVerwG, Urt. vom 5.7.1974, Az.: IV C 50.72, BVerwGE 45, S. 309 (320 f.). 192 Hierzu etwa Brandt (Anm. 177) S. 251; Breuer (Anm. 13) S. 247; Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 72; HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 55 f.; derselbe (Anm. 66) S. 430; Holznagel (Anm. I) S. 289; derselbe (Anm. 8) S. 215 f. 187 188
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abwägung stattfinden. Auch dies gilt es bereits in der Verhandlungsphase zu beachten (s. o. 11. 3. b). b) Kontrollpflichten der Anhörungs- und der Planfeststellungsbehörde Nach dem eingangs zu den möglichen Nachteilen der Mediation Gesagten besteht eine abstrakte Gefahr in der Lockerung der Gesetzesbindung (s. o. I. 3. b): Das Verhandlungsergebnis der Mediation kann aber nur dann und insoweit in das Planfeststellungsverfahren übernommen werden, wie es den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Seitens der Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde besteht somit eine umfassende Prüf- und Kontrollpflicht, die Ausdruck der staatlichen Letztverantwortung ist l93 . Soweit in der Verhandlungsphase noch nicht allen gesetzlichen Anforderungen Genüge getan wurde (s. o. 11. 3.), ist dies - soweit noch möglich - entsprechend nachzuholen l94 . Dies verdeutlicht zugleich, wie wichtig es ist, bereits in der Verhandlungsphase ein möglichst in Einklang mit der Rechtsordnung stehendes Ergebnis zu erzielen. Bei der Übernahme des Mediationsergebnisses unterliegen diejenigen Betroffenen und Behörden, die nicht an der Mediation teilgenommen haben, keiner materiellen Präklusion J9S • Denn eine solche inhaltliche Ausschlußwirkung wäre nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage möglich, und zwar sowohl im Falle der Betroffenen- 196 , als auch im Falle der Behördenpräklusion J97 • Im übrigen sollte eine solche Ausschlußwirkung auch de lege ferenda nicht angeordnet werden 198. Denn damit würde man letztlich einen "Zwang zur Freiwilligkeit" statuieren, was dem Wesen der Mediation zuwiderliefe. c) Art der Umsetzung
In welcher Art und Weise nun das Verhandlungsergebnis in den Planfeststellungsbeschluß implantiert wird, hängt vom jeweiligen Inhalt ab199~ Geht das Mediationsverfahren dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren voraus, so er193 Gaßner! Holznagel! Lahl (Anm. 29) S. 68; Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 40; derselbe (Anm. 8) S. 57 f.; Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 27. 194 Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 27. 195 Brohm (Anm. 8) S. 1032 f.; a.A. ohne nähere Begründung Ronellenjitsch (Anm. 14)S.199. 196 Hierzu etwa Kerstin Brandt, Präklusion im Verwaltungsverfahren, NVwZ 1997, S. 233 m.w.N. 197 Hierzu etwa Siegel (Anm. 102) S. 214 f. m.w.N. 198 So aber Steinberg (Anm. 1) S. 305. 199 Entbehrlich wird das Planfeststellungsverfahren insgesamt aber keineswegs, so zu Recht Brand! (Anm. 177) S. 249 f.
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scheint zunächst denkbar, daß infolge des Konsenses derursprUnglieh anvisierte Antrag des Projektträgers unter Bezugnahme auf das Mediationsergebnis modifiziert wird2°O. Findet das Ergebnis nicht von vornherein Eingang in den Antrag, so ist es zunächst in verfahrensmäßiger Hinsicht zu implantieren, etwa durch einen zusätzlichen Hinweis in der öffentlichen Bekanntmachung, und durch eine Verlesung zu Beginn des Erörterungstermins. Was die Verankerung in den Planfeststellungsbeschluß anbelangt, so ist an Nebenbestimmungen, insbes,ondere in Form von Auflagen, zu denken 201 • Allerdings können nicht alle vereinbarten Ergebnisse in eine Auflage umgesetzt werden 202 . So sieht etwa § 9 Abs. 2 LuftVG vor, daß dem Unternehmer nur die Errichtung und Unterhaltung solcher Anlagen auferlegt werden können, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig sind203 • Weiterhin können auch Ausgleichszahlungen in den Planfeststellungsbeschluß aufgenommen werden, wobei jedoch der Vorrang des realphysischen Ausgleichs zu beachten ise04 • Wirkt sich eine Vereinbarung auch auf bereits nach § 6 LuftVG genehmigte bzw. planfestgestellte Bereiche aus - etwa ein umfassendes Nachtflugverbot -, so kommt zudem ein rechtlich allerdings problematischer - Teilwiderruf dieser Entscheidungen in Betracheo5 . Eine mittelbare Absicherung der Mediationsergebnisse kann zudem durch eine Aufnahme in den Landesentwicklungsplan erreicht werden 206 •
200 Brandt (Anm. 177) S. 252; Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 57 f.; Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 61. 201 HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 61; Holznagel (Anm. I) S. 289; derselbe (Anm. 8) S. 218 f. Zu den möglichen Inhalten vgl. Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 58 f1 202 Zur Behandlung sogenannter modifizierender Auflagen im luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren vgl. Hofmann / Grabherr (Anm. 3) § 9 Rn. 29. 203 Hierzu Hofmann / Grabherr (Anm. 3) § 9 Rn. 34 ff. Ebenso zu § 74 Abs. 2 S. 2 und 3 VwVfG HofJmann-Riem (Anm. 8) S. 45. Ebenso zu § 8 Abs. I AbfG a.F. Brandt (Anm. 177) S. 252 f. 204 Hierzu etwa Gaßner / Holznagel / Lahl (Anm. 29) S. 59 f1; Steinberg (Anm. I) S.303. 205 V gl. hierzu Ziffer 15 f. der Zusammenfassung des am 5.3.200 I vorgestellten rechtlichen Gutachtens zum Nachflugverbot, welches unter anderem im Mediationsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens vereinbart wurde (Anm. 63). Allgemein zum Widerruf nach § 6 Abs. 2 S. 3 LuftVG a.F. (nunmehr § 6 Abs. 2 S. 4 LuftVG n.F.) Hofmann / Grabherr (Anm. 3) § 6 Rn. 127 f. 206 In entsprechender Weise wurde im Falle des geplanten Ausbaus des Frankfurter Flughafens verfahren, vgl. hierzu die Verordnung über Landesentwicklungsplan Hessen 2000 vom 13.12.2000, GVBI. 200 I, S. 2 (5 und 31). Dabei statuiert Ziffer 7.4 der Anlage zu dieser Verordnung insoweit einen raumordnerischen Grundsatz (a.a.O. S. 31: "Dabei sind die Ergebnisse des Mediationsverfahrens zu berücksichtigen."). Vgl. allgemein zur Abgrenzung von raumordnerischen Grundsätzen und Zielen Peter Runkel, in: Bielenberg / Erbguth / Runkel, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Berlin 2000, Band 2, K § 3 Rn. 9 ff.
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111. Schluß Das Fazit ist ein verhalten positives 207 : Sofern eine Konfliktmittlung nicht wegen der Fundamentalität eines Streits ausscheidet und soweit die dargelegten rechtlichen Grenzen beachtet werden, handelt es sich bei der Integration der Mediation um einen durchaus erfolgversprechenden Ansatzpunkt zur Erlangung eines ausgewogenen Planfeststellungsbeschlusses. Um einerseits die möglichen Vorteile nutzbar zu machen, andererseits die möglichen Risiken zu beschränken oder gar auszuschließen, bedarf es jedoch einer entsprechenden Übung. Im Schrifttum wird zur Förderung dieses Anliegens häufig eine Institutionalisierung durch den Gesetzgeber postulierf°8 , wie sie auf anderen Rechtsgebieten teilweise bereits erfolgt ist, etwa in § 4b BauGB 209 oder § 5 S. 2 UVPG 2IO • Auch das derzeit aus Kompetenzgrilnden nicht weiterverfolgte UGB sollte eine entsprechende Regelung enthalten2l1 . Dem stehen einige Stimmen, gerade auch aus der Praxis, skeptisch gegenüber 2l2 . Zwar wäre eine komplette Durchnormierung der Konfliktmittlung problematisch, da auf diese Weise deren flexibler Charakter beeinträchtigt würde213 und damit zugleich die Gefahr neuer "Ausweichstrategien" heraufbeschworen würde 214 . Andererseits ist davor zu warnen, das Verwaltungsverfahrensrecht ausschließlich in seiner Begrenzungsfunktion wahrzunehmen. Dieser gleichsam negativ wirkenden Funktion steht auch eine positive gegenüber, nämlich die in der Vergangenheit oftmals unbeachtet gebliebene Bereitstellungsfunktion21S • Gerade bei der EinfUhrung neuer Methoden 207 Ähnlich auch Breuer (Anm. 13) S. 234 und 252; Caspar (Anm. 9) S. 999 und 1003; Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 31; Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 22. 208 So etwa Schmidt-Aßmann (Anm. 20) S. 25 f.; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 64 f. und 73. Diese Stimmen halten darüber hinaus sogar eine Normierung filr verfassungsrechtlich angezeigt, ohne jedoch im Umkehrschluß auf die Unzulässigkeit der Mediation ohne gesetzliche Regelung im Sinne des Gesetzesvorbehalts zu schließen. V gl. hierzu auch Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 39 f. 209 Hierzu etwa Battis (Anm. 81) § 4b Rn. 1 ff. 210 Hierzu etwa Peter-Christoph Storm I Thomas Bunge, Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung (HdUVP), Berlin 2001, 1. Band, Ordnungsziffer 0600, § 5 Rn. 26 f. 211 Vgl. § 89 Abs. 2-6 UGB-KomE (Anm. 22) S. 141 f. Zurückhaltender insoweit § 54 Abs. 4 UGB-ProfE (Anm. 22) S. 60 mit Begründung auf S. 275, wo die Einfilhrung der Mediation den Ländern vorbehalten bleibt. Zu letzterer Vorschrift eingehend Sünderhauf(Anm. 9) S. 189 ff. 212 So etwa Brohm (Anm. 14) S. 328; derselbe (Anm. 73) S. 257; Funke (Anm. 66) S.220. m Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 46; Passavant (Anm. 8) S. 523. 214 Hoffmann-Riem (Anm. 66) S. 433. 21S Vgl. insoweit Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 22, indem er von einer Möglichkeit bzw. einem Angebot spricht. Allgemein zur Bereitstellungsfunktion der Rechtsordnung
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kann sich die Rechtsordnung als eine Art "Starthilfe" fU.r deren Verbreitung erweisen. Daher ist eine - zurückhaltende - Nonnierung durch den Gesetzgeber durchaus empfehlenswert216 . Welche konkrete Ausgestaltung könnte nun eine solche Regelung haben?217 So wird bisweilen vorgeschlagen, de lege ferenda den Erörterungstennin im Sinne der Mediation umzugestalten 218 . Hiergegen spricht jedoch der bereits betonte sehr späte Zeitpunkt, zu dem das runnliche Anhörungsverfahren einsetzt (s. o. vor 1.)219. Zu bevorzugen ist daher die EinfUhrung einer Experimentierklausel, welche die Durchftlhrung einer Konfliktmittlung nach Möglichkeit vor dem eigentlichen Anhörungsverfahren offeriert, ohne jedoch hierzu zu verpflichten 220 . Flankiert werden könnte eine solche Klausel durch ein allgemeines Mediationsgesetz, in dem die Grundzüge des Verfahrens geregelt sind und das - in Entsprechung zum Signaturgeseti21 - je nach Bedarf abgerufen werden kann 222 . Abgerundet werden könnte eine Institutionalisierung durch ergänzende Rahmenregelungen 223 , wie etwa ein die Vertraulichkeit der Verhandlung wahrendes umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht des Mediators 224 .
Gunnar Falke Schuppert, Verwaltungswissenschaft - Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre, Baden-Baden 2000, S. 976 ff. Zur Bereitstellungsfunktion des Verwaltungsvertragsrechts vgl. Hartmut Bauer, Die negative und die positive Funktion des Verwaltungsvertragsrechts, in: Merten / Schmidt / Stettner (Hrsg.), Der Verwaltungsstaat im Wandel, Festschrift fllr Franz Knöpfte zum 70. Geburtstag, München 1996, S. 11 (14 ff.). 216 In diesem Sinne auch Passavant (Anm. 8) S. 523. Auch Schneider (Anm. 121) S. 63 f. warnt vor allzu detaillierten gesetzlichen Vorgaben. 217 Eingehend hierzu Holznagel (Anm. 8) S. 239 fT. 21& So etwa Schuppert (Anm. 19) S. 51; Steinberg (Anm. 1) S. 312 f. 219 So auch Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 51; Holznagel (Anm. 8) S. 84 fT. und S. 198; Schulze-Fielitz (Anm. 8) S. 84. 220 In diesem Sinne auch Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 35; Schulze-Fie/itz (Anm. 8) S. 86; Steinberg (Anm. 1) S. 314. 221 Zur vom Bundestag in seiner Sitzung vom 15.2.2001 verabschiedeten Neufassung des Signaturgesetzes vgl. den DVBI.-Report 2001, S. A 70. Der Gesetzestext ist abrufbar unter www.sicherheit-im-internet.de. Zum Stand und zum Inhalt der in diesem Zusammenhang geplanten Änderung des VwVfG vgl. Hans-Jose! Rosenbach, Erläuterungen und Anmerkungen zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, DVBI. 2001, S. 332 fT.; Heribert Schmitz, Moderner Staat - Modernes Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 2000, S. 1238 fT. (1243 f.). Der Gesetzestext sowie die die Begründung sind abrufbar unter www.im.nrw.de (dort unter "Gesetze, Verordnungen, Erlasse", dort unter "Informationen", dort unter "News"). 222 Vgl. den Gesetzesvorschlag Sünderhau!(Anm. 9) S. 269 fT. 221 Hierzu Hoffmann-Riem (Anm. 8) S. 53. 224 Zur Situation de lege lata vgl. Klaus-Martin Groth / Daniela von Bubnoff, Gibt es "gerichtsfeste" Vertraulichkeit bei der Mediation?, NJW 2001, S. 338 fT.
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Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung müßte. sich eine gesetzliche Regelung - selbstverständlich - innerhalb der verfassungsrechtlichen Rahmenvorgaben bewegen 225 , insbesondere darf sich der Staat seiner im Demokratieprinzip verankerten Letztverantwortung nicht entziehen226 • Aber auch ansonsten wUrde ein prinzipieller Instrumentenwechsel von einseitigem staatlichen Handeln zu konsensualen Verhandlungs lösungen letztlich auf einen Systembruch hinauslaufen 227 • Damit scheiden Radikallösungen in jedem Falle aus. Unter Berücksichtigung all dieser Vorgaben kann der - zurückhaltenden - gesetzlichen Einfilhrung der Mediation im Zusammenhang mit dem Planfeststellungsverfahren jedoch eine positive Zukunft prognostiziert werden.
225 Eingehend hierzu Kunig (Anm. 82) S. 55 ff.; derselbe / Rublack (Anm. I) S. 7 ff.; Sünderhauf (Anm. 9) S. 97 ff. Vgl. auch Brohm (Anm. 8) S. 1032; Schulze-Fie/Uz (Anm. 8) S. 61; Steinberg (Anm. 1) S. 309. 226 Brohm (Anm. 14) S. 326 und 328; Hoffmann-Riem (Anm. I) S. 40; derselbe (Anm. 8) S. 57 f.; Kunig (Anm. 82) S. 62; derselbe / Rublack (Anm. I) S. 9; SchulzeFielitz (Anm. 8) S. 60; Schuppert (Anm. 19) S. 50; Song (Anm. 21) S. 118; Steinberg (Anm. 1) S. 306 f 227 Zu diesen systematischen Erwägungen Breuer (Anm. 13) S. 252; Gusy (Anm. 92) S. 121 f.; Hoffmann-Riem (Anm. 1) S. 21 f; derselbe (Anm. 8) S. 34; Holznagel (Anm. 8) S. 286; Song (Anm. 21) S. 114.
Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schienenwegerecht Von Ulrich Storost Inhaltsverzeichnis Einleitung: Schwerpunkte der Rechtsprechung .................................................... 117 Versuche der Problembewältigung ....................................................................... 118 l. Probleme des Lärmschutzes ............................................................................. 118 a) Aktiver Lärmschutz durch besondere Gleisüberwachung .......................... 119 b) Unverhältnismllßigkeit der Kosten aktiven Lärmschutzes ......................... 121 c) Schutzmindernde Berücksichtigung der Vorbelastung ............................... 122 2. Probleme des Erschütterungsschutzes ............................................................. 126 a) Sachverhalt ............................................................................................. ..... 127 b) Entscheidung ............................................................................................... 129 c) Würdigung .................................................................................................. 133 3. Probleme von Naturschutz und Landschaftspflege .......................................... 133 III. Schluß: Zusammenfassende Würdigung ............................................................... 137
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I. Einleitung: Schwerpunkte der Rechtsprechung Nach den Höhenflügen zum Luftverkehrsrecht würde ich Sie gern auf ähnlich hohen Wellen des Wasserstraßenrechts surfen lassen, um den Speyerer Planungsrechtstagen richtig exotisches Flair zu verleihen. Leider fehlt jedoch der nötige Wind, um diese Wellen zu erzeugen. Das Wasserstraßenrecht spielt in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nämlich keine Rolle, über die sich hier zu berichten lohnte. Ich kann Ihnen deshalb statt einer eleganten Wasserlandung nur anbieten, Sie mittels der Schwerkraft auf den Boden des Binnenlandes zurückzuholen und mich bei meinem Bericht auf das Schienenwegerecht zu beschränken. Dieser Boden ist, wie Sie gleich sehen werden, allerdings keineswegs trocken, sondern durchaus schwankend, mitunter sogar geradezu morastig. Auf diesem Untergrund fUhlt sich das Bundesverwaltungsgericht zunehmend in die Rolle des Vaters in der Ballade vom Erlkönig gedrängt. Grund daftir ist das weiterhin geltende Verkehrswegeplanungsbe-
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schleunigungsgesetz l . Dieses Gesetz weist nämlich in § 5 sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren filr Verkehrswege der Eisenbahnen des Bundes in den neuen Bundesländern und den Anschlußstrecken im übrigen Bundesgebiet betreffen, im ersten und letzten Rechtszug dem Bundesverwaltungsgericht zu. So werden zahlreiche Fragen rechtlicher und tatsächlicher Art, die· sich auf diesem schwierigen Terrain stellen, ohne Vorklärung durch den feinen Filter der Oberverwaltungsgerichte unvermittelt glei(,:h in die höchste Instanz getragen, die - damit alleingelassen - der Pflicht und dem Risiko der Entscheidung nicht ausweichen kann. Im Mittelpunkt dieses schwierigen Geschäfts stehen naturgemäß Entscheidungen zu Schienenwegen, die aufgrund der deutschen Teilung jahrzehntelang ganz oder teilweise stillgelegt waren und jetzt reaktiviert werden sollen. Mensch und Natur haben sich seit Jahrzehnten auf den durch die Stillegung eingetretenen Zustand eingestellt und sehen sich jetzt mit erheblichen Lärmund Erschütterungsprognosen einerseits, mit der geplanten Beseitigung reichhaltiger Biotope im Bereich der alten Trassen andererseits konfrontiert. Daraus folgen gewichtige Interessenkonflikte, denen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts möglichst salomonisch Rechnung tragen muß. Daß dabei im Soft-Law-Bereich des Fachplanungsrechts auch im Richterkollegium nicht immer Eintracht herrscht, werden Sie sich vorstellen können. Ich möchte Ihnen anband einiger weniger Fälle beispielhaft zeigen, wie das Bundesverwaltungsgericht versucht hat, diese Konflikte zu bewältigen.
11. Versuche der Problembewältigung 1. Probleme des Lärmschutzes Anders als der Schutz vor Erschütterungen, auf den ich noch kommen werde, scheint der Lärmschutz vom Gesetz- und Verordnungs geber geradezu beispielhaft durchnormiert. § 41 Abs. 1 BImSchG schreibt vor, daß bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von Eisenbahnen sicherzustellen ist, daß durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden kö.nnen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Zur Durchfllhrung dieser Vorschrift enthält die Verkehrslärmschutzverordnung 2 Bestimmungen über Grenzwerte, die zum Schutz der Nachbarschaft vor I Gesetz zur Beschleunigung der Planungen rur Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin vom 16. Dezember 1991 (BGBI. I S. 2174), zuletzt geändert durch das Zweite Änderungsgesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBI. I S. 2659). 2 Sechzehnte Verordnung zur Durchftlhrung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (16. BlmSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBI. I S. 1036).
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schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche nicht überschritten werden dürfen, sowie über das Verfahren zur Ennittlung der Emissionen und Immissionen. Der Teufel steckt jedoch auch hier im Detail. Zum einen läßt die Dynamik der technischen Entwicklung ausreichend Raum ft1r Kontroversen, welche Geräuscheinwirkungen nach dem Stand der Technik venneidbar sind (a). § 41 Abs. 2 BImSchG schließt zudem die Geltung des Abs. 1 und damit auch die Pflicht zur Einhaltung der darauf bezogenen Immissionsgrenzwerte aus, "soweit die Kosten der Schutzmaßnahme außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen wUrden". Bei der Entscheidung, wann diese Voraussetzungen vorliegen, lassen Gesetz und Verordnung die Behörden und Gerichte im Stich. Die vielen daraus folgenden Zweifelsfragen hat das Bundesverwaltungsgericht seit Jahren hin und her gewendet, ohne daß man sagen könnte, es sei jetzt völlige Rechtsklarheit erreicht (b). Schließlich hat eine restriktive Auslegung des Begriffs der "wesentlichen Änderung" durch den Verordnungsgeber, dem die Gerichte gefolgt sind, zu einem Bereich vorhabenbedingter schädlicher Umwelteinwirkungen außerhalb des Anwendungsbereichs der Verkehrslännschutzverordnung gefUhrt, den das Bundesverwaltungsgericht zur Venneidung einer Rechtsschutzlücke durch unmittelbare Anwendung des fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebots 3 abdecken mußte (c). a) Aktiver Lärmschutz durch besondere Gleisüberwachung
Herkömmlich wird der in § 41 Abs. 1 BImSchG vorgeschriebene aktive Lännschutz den Nachbarn von Schienenwegen der Eisenbahn in Fonn von Schallschutzwänden gewährt. Die Kosten derartiger Anlagen haben die privatrechtlieh organisierten Rechtsnachfolger der Deutschen Bundesbahn veraniaßt, nach Alternativen zu suchen. Seit Jahren bemühen sie sich deshalb um die Anerkennung eines zusätzlichen Schallpegelabzugs von 3 dB(A) bei Zusicherung einer besonderen Gleisüberwachung, die sicherstellen soll, daß die lännverursachende Verriffelung der Gleise durch bei Bedarf durchgefUhrte Schleifmaßnahmen in entsprechenden Grenzen bleibt. Grundlage dieser Bemühungen ist eine Fußnote zur Tabelle C der Anlage 2 zur Verkehrslännschutzverordnung. Danach können ft1r Fahrbahnen, bei denen aufgrund besonderer Vorkehrungen eine weitergehende dauerhafte Lännminderung nachgewiesen ist, die der Lännminderung entsprechenden Korrekturwerte zusätzlich berücksichtigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat zunächst zurückhaltend hierauf reagiert. Noch im März 1997 hat es im Anschluß an entsprechende Untersuchungsergebnisse des Umweltbundesamtes festgestellt, daß seinerzeit weder nachgewiesen war, daß aufgrund des Gleispflegeverfahrens eine weitergehende 3 Hier § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG. Allgemein dazu: Starost, Fachplanung und Wirtschaftsstandort Deutschland, NVwZ 1998, S. 797 (800 f.).
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dauerhafte Lärmminderung nachgewiesen war noch daß diese einen Korrekturwert von 3 dB(A) rechtfertigte, der immerhin einer Halbierung des Verkehrs entspricht4 • Nachdem das Eisenbahn-Bundesamt 1998 gegen den Widerstand des Umwelt-Bundesamtes den von. der Deutschen Bahn AG verlangten Pegelabschlag anerkannt hatteS, hat sich das Bundesverwaltungsgericht umstimmen lassen und es im März 2000 als nachgewiesen erachtet, daß durch die besondere Gleisüberwachung eine dauerhafte Lärmminderung erzielt werden könne, die zusätzlich zu berücksichtigen sei. 6 Grundlage dafür war die Rechtsauffassung des Gerichts, daß für den anzusetzenden Korrekturwert nicht auf die ungünstigsten Zugarten (Nahverkehrs- und Güterzüge) und ihren Anteil an der konkreten Streckenbelastung abgestellt werden dürfe, sondern - wie auch sonst bei Anwendung der Tabelle C - der Korrekturwert gemittelt über alle Zugarten festzulegen sei? Im konkreten Fall anerkannt wurde allerdings nur ein Pegelabschlag von 2 dB(A). Nachträglich hat sich zudem herausgestellt, daß dem Gericht von der Deutschen Bahn AG zu ihren Gunsten fehlerhafte Berechnungen vorgelegt worden waren, die kein Beteiligter beanstandet hatte und die deshalb der Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Hier zeigt sich an einem praktischen Beispiel die Fragwürdigkeit einer Reduzierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle auf eine einzige Instanz. Im einzelnen bleibt also die Anerkennung des von der Deutschen Bahn AG gewünschten Gleispflegeabschlags der Höhe nach durchaus unsicher. Auch die Auffassung des Eisenbahn-Bundesamtes, bei der Überwachung des Gleiszustandes und der Festlegung einer "Eingriffsschwelle" für das Nachschleifen der Gleise reiche es aus, daß die Schallpegelreduktion um den zugrunde gelegten Korrekturwert im Mittel eingehalten werde 8, kann sich auf die Entscheidung vom März 2000 nicht berufen. Denn diese Entscheidung geht - möglicherweise irrtümlich - davon aus, daß bei Erreichen der vorgeschriebenen Eingriffsschwelle rur das Nachschleifen der Gleise noch ein rechnerischer Lärmminderungseffekt von mehr als 3 dB(A) verbleibt9 .
4 Urt. des 11. Senats vom 5.3.1997 - BVerwG 11 A 25.95 -, BVerwGE 104, 123 (136) m.w.N. 5 Verfiigung des Eisenbahn-Bundesamtes vom 16. März 1998 (VkBl. S. 262). 6 Urt. des 11. Senats vom 15.3.2000 - BVerwG 11 A 42.97 -, BVerwGE 110,370 (373 ff.). 1 Anm. 6, S. 375 f. I Vgl. Tz. 3.1.1 der Verfiigung vom 16.3.1998 (Anm. 5). 9 Urt. vom 15.3.2000 (Anm. 6), S: 379.
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b) Unverhältnismäßigkeit der Kosten aktiven Lärmschutzes
In dem bereits erwähnten Urteil vom 5. März 1997 10 hat der 11. Senat im Einklang mit dem Oberbundesanwalt, der Praxis des Eisenbahn-Bundesamtes und der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte den Standpunkt vertreten, die VerhältnismäßigkeitspTÜfung nach § 41 Abs. 2 BlmSchG sei untrennbar mit der allgemeinen fachplanerischen Abwägung verbunden. Dementsprechend dürfe und müsse die Planungsbehörde sämtliche öffentlichen und privaten Belange, die einer Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten aktiven Schallschutzes entgegenständen, bei der Verhältnismäßigkeitsprilfung berilcksichtigen. Der der Planungs behörde insoweit zustehende Abwägungsspielraum sei vom Gericht nur auf die Einhaltung seiner rechtlichen Grenzen hin Zu überwachen. Der 4. Senat hat sich in einem Urteil vom Januar 1999 11 gegen diese Sichtweise ausgesprochen. § 41 Abs. 2 BlmSchG eröffne keinen planerischen Gestaltungsspielraum. Inwieweit Maßnahmen des aktiven Schallschutzes zu ergreifen seien, sei vielmehr als Ergebnis einer gebundenen Entscheidung davon abhängig, ob die in dieser Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale errullt seien. In seinem ebenfalls bereits erwähnten Urteil vom 15. März 2000 12 hat der 11. Senat daraufhin versucht, seine Auffassung mit in Richtung des 4. Senats gehenden Klarstellungen zu erläutern. Die Ergebnisoffenheit, die rur die fachplanerische Abwägung kennzeichnend sei, gilt auch nach seiner Auffassung rur die Verhältnismäßigkeitsprilfung nach § 41 Abs. 2 ImSchG nicht. Allerdings müsse sich diese Prilfung auf der Grundlage einer planerischen Abwägung vollziehen. Der Träger des Vorhabens sei gehalten, mit planerischen Mitteln ein Lärmschutzkonzept zu entwickeln, das den konkreten örtlichen Gegebenheiten angemessen Rechnung trage. Dabei lasse sich kein bestimmter Punkt ausmachen, an dem verhältnismäßige in unverhältnismäßige Kosten umschlagen. Es sei auch nicht zulässig, das Ergebnis der Lärmschutzplanung generell an einer "Verhältnismäßigkeitsschwelle" zu messen, die sich aus einem Vergleich der Kosten des aktiven und des passiven Lärmschutzes errechne. Ebensowenig könnte in dieser Beziehung allein der überproportionale Anstieg der Kosten rur über 2 m hohe Lärmschutzwände (sog. Sprungkosten) bei gleichzeitigem deutlichen Rückgang des dadurch erzielbaren zusätzlichen Lärmminderungseffekts entscheidend sein. Den Ausschlag müsse vielmehr geben, ob bei einer wertenden Betrachtung der Gesamtumstände das Lärmschutzkonzept dem in § 41 Abs. 2 BlmSchG normierten Vorrang des aktiven Lärmschutzes in ausAnm. 4, S. 139 m.w.N. Urt. des 4. Senats vom 28.1.1999 - BVerwG 4 CN 5.98 -, BVerwGE 108,248 (256 fI). 12 Anm. 6, S. 381 ff. \0
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gewogener Weise Rechnung trage. Hierbei verbleibe ein Abwägungsspielraum, der einer gerichtlichen Überprüfung nicht mehr zugänglich sei. Etwaige Abwägungsfehler könnten dementsprechend unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG unschädlich sein. Diese Auffassung trägt .m.E. in flexibler Weise den berechtigten Erwartungen aller Beteiligten an die Berücksichtigung des Lärmschutzes bei staatlich verantworteten Fachplanungen angemessen Rechnung. Es entspräche weder den 'Bedürfuissen der Praxis noch der funktionalen Leistungsflthigkeit der Gerichte, hier in dogmatischem Purismus die Fiktion einer vollständig gebundenen Entscheidung zu vertreten, die mangels inhaltlicher Vorgaben des Gesetzund Verordnungsgebers tatsächlich voluntative Dezision bleiben muß. Damit, daß statt der zuständigen Fachverwaltung das viel weniger fachkundige Gericht diese Dezision trifft oder die Verantwortung filr sie übernimmt, wäre nichts gewonnen, sondern viel verloren. Zu fordern ist statt dessen, daß die Planungsbehörde den ihrer Entscheidung zugrundeliegenden Abwägungsprozeß nachvollziehbar darlegen und die in ihn eingeflossenen Annahmen und Wertungen nur auf ihre Übereinstimmung mit dem tatsächlichen Sachverhalt und den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem Schutzzweck des § 41 BlmSchG, messen lassen muß. Auch hierüber ist allerdings im Bundesverwaltungsgericht das letzte Wort noch nicht gesprochen. c) Schutzmindernde Berücksichtigung der Vorbelastung
Voraussetzung filr die Anwendung der Lärmschutzregelungen der §§ 41 ff. BlmSchG ist, daß Schienenwege neu gebaut oder wesentlich geändert werden. Werden Streckenabschnitte, die aufgrund der deutschen Teilung ganz oder teilweise außer Betrieb gestellt und abgebaut oder in einer dem Abbau gleichkommenden Weise verfallen waren, wieder in Betrieb genommen, fehlt es an dieser Voraussetzung oft deshalb, weil das Bundesverwaltungsgericht in dem Bestreben, die Überwindung der deutschen Teilung nicht zu einer unbezahlbaren Angelegenheit werden zu lassen, die Tatbestandsmerkmale eines Neubaus oder einer wesentlichen Änderung äußerst restriktiv interpretiert. Dabei geht es ohne jede - an sich notwendige - Problematisierung davon aus, daß die ohnehin schon enge Definition des gesetzlichen Begriffs der "wesentlichen Änderung" durch den Verordnungs geber in § 1 Abs. 2 der 16. BlmSchV l3 der Geset-
13 "Die Änderung ist wesentlich, wenn I. ,.. ein Schienenweg um ein oder mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert wird oder 2. durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder
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zeslage entspricht, und engt den Anwendungsbereich dieser Regelung durch restriktive Auslegung der Begriffe "bauliche Erweiterung" und "erheblicher baulicher Eingriff' sowie durch die Annahme, eine wesentliche Änderung wegen erheblicher Erhöhung der Beurteilungspegel könne immer nur gegenüber den einzelnen derart Betroffenen vorliegen, zusätzlich ein. Die Wiederherstellung eines in den Nachkriegsjahren abgebauten zweiten Gleises kann hiernach nur dann als Erweiterung des Schienenweges LS. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 der 16. BlmSchV angesehen werden, wenn es sich bei der nach dem Abbau des Gleises betriebenen Bahnlinie nicht nur tatsächlich, sondern auch planungsrechtlich nur noch um eine eingleisige Strecke gehandelt hat l4 . War ein Schienenweg einmal als zweigleisige Eisenbahnstrecke gewidmet, verliert er diese planungsrechtliche Zweckbestimmung nur durch einen - als Entwidmung anzusehenden - eindeutigen Hoheitsakt, der rur jedennann klare Verhältnisse darüber schafft, ob und welche Flächen künftig wieder rur andere Nutzungen offenstehen ls . Eine Ausnahme von diesem strengen Erfordernis, ftir das eine betriebsbezogene Stillegungsanordnung nicht ausreicht und das deshalb so gut wie nie erfilllt sein wird, soll nur dann gelten, wenn die bestehende fachplanerische Bindung einer Fläche als Bahnanlage infolge der tatsächlichen Entwicklung funktionslos und dadurch obsolet wird, d.h. wenn die Verhältnisse tatsächlich einen Zustand erreicht haben, der die Verwirklichung der planungsrechtlichen Zweckbestimmung auf unabsehbare Zeit ausschließt l6 . Auch diese Voraussetzungen werden nur in seltenen Ausnahmefällen vorliegen. Ein erheblicher baulicher Eingriff kann nach der Rechtsprechung des Bundes verwaltungs gerichts nur dann Lärmschutzansprüche nach den § § 41 ff. BlmSchG auslösen, wenn er sich auf die Substanz des Schienenweges, d.h. der Gleisanlage als solcher mit ihrem Unter- und Überbau einschließlich einer Oberleitung bezieht, nicht etwa nur auf Bahnsteige oder auf den Bahndamm 17, und auch in diesem Falle nur zugunsten solcher Lärmbetroffener, zu deren Nachteil durch diesen Eingriff eine gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Satz 2 auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird. Eine Änderung ist auch wesentlich, wenn der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms von mindestens 70 dB(A) am Tage oder 60 dB(A) in der Nacht durch einen erheblichen baulichen Eingriff erhöht wird; dies gilt nicht in Gewerbegebieten." 14 Urt. des 7. Senats vom 31.8.1995 - BVerwG 7 A 19.94 -, BVerwGE 99, 166 (168), und des 11. Senats vom 28.10.1998 - BVerwG 11 A 3.98 -, BVerwGE 107, 350 (352 f.). 15 Urt. vom 31.8.1995 (Anm. 14), S. 168 f., und vom 28.10.1998 (Anm. 14), S. 353. 16 Urt.vom3\.8.1995(Anm. 14),S.169,undvom28.1O.1998(Anm. 14),S.3 53. 17 Urt. des 11. Senats vom 20.5 .1998 - BVerwG 11 C 3.97 -, Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 18, S. 49.
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der 16. BImSchV relevante Erhöhung der Beurteilungspegel verursacht wird l8 • Die Wiederertüchtigung einer - nicht entwidmeten - Bahnanlage, die wegen einer jahrzehntelangen Nutzungsunterbrechung infolge der deutschen Teilung in bauflUligem Zustand ist, stellt zudem auch dann keinen erheblichen baulichen Eingriff LS. von § 1 Abs. 2 der 16. BlmSchV dar, wenn die Bauarbeiten aus technischer Sicht einem Neubau nahekommen l9 . Die Wiederherstellung und grundlegende Rekonstruktion des Bahndamms wird vom Bundesverwaltungsgericht lediglich als Nachholung jahrzehntelang versäumter Erhaltungsund Unterhaltungsmaßnahmen bewertet, auch wenn die dabei eingebauten neuen Anlagenteile einem neueren Stand der Technik entsprechen und den aktuellen Sicherheits- und VerkehrsbedUrfuissen Rechnung tragen20 • Maßgeblich ist also insoweit nur, ob sich der zukünftige Zustand der Trasse wesentlich von demjenigen Zustand unterscheidet, der - fiktiv - bestanden hätte, wenn die Trasse bei einem "Hinwegdenken der deutschen Teilung" in stand gehalten worden wäre. Wenn diese hohe Hürde überwunden wird, ist der Lärmbetroffene jedoch immer noch nicht am Ziel. Denn filr die Frage, ob ein erheblicher baulicher Eingriff zu einer Lärmerhöhung i.S. von § 1 Abs. 2 Satz 1 Ne. 2 oder Satz 2 der 16. BlmSchV filhrt, ist bei der Wiederinbetriebnahme teilungsbedingt bauflilliger Bahnanlagen der nach dem baulichen Eingriff prognostizierte Lärm zu vergleichen mit dem Lärm, der zum gleichen Zeitpunkt zu erwarten wäre, wenn der Bahnbetrieb nicht durch die deutsche Teilung unterbrochen und die Bahnanlage im plangegebenen Rahmen laufend instand gehalten und modernisiert worden wäre 2l . Damit scheidet die Anwendung der §§ 41 ff. BlmSchG und der 16. BImSchV in den meisten Fällen der Wiederinbetriebnahme teilungsbedingt stillgefallener Gleise oder Strecken aus. Mit dieser durch die eigene Rechtsprechung herbeigefilhrten Rechtslage, die die Immissionsfolgen der bis 1989 jahrzehntelang von keiner staatlichen Stelle ernsthaft ins Kalkül gezogenen Wiedervereinigung einseitig den Anwohnern aufgebUrdet hätte, hat sich das Bundesverwaltungsgericht allerdings nicht zufriedengegeben. Denn damit hätte es den Anwohnern auch solche Lärmeinwirkungen zugemutet, die die Schwelle einer Eigentums- oder Gesundheitsgeflihrdung überschritten und die die Planfeststellungsbehörde deshalb unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Schutzpflicht filr die Grundrechte der BUrger nicht unbeachtet lassen durfte. Als Anknüpfungspunkt fiir die Effektivierung dieser Schutzpflicht bot sich das in § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG normierte Gebot an, unter 18 Urt. des 11. Senats vom 3.3.1999 - BVerwG II A 9.97 -, Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 26, S. 19. 19 Urt. des 11. Senats vom 17.11.J999 - BVerwG 11 A 4.98 -, BVerwGE 110,81 (85). 20 Anm.19. 21 Anm. 19, S. 85 f.
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Beachtung gesetzlicher Wertungen alle von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange gerecht gegen- und untereinander abzuwägen. Hieraus ergab sich die Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, auch bei solchen planfeststellungsbedÜfftigen Änderungen von Betriebsanlagen der Eisenbahn, die keine wesentlichen Änderungen i.S. des § 41 BImSchG waren, in eine neue Abwägung einzutreten, die tatsächliche oder plangegebene Vorbelastungen nicht von vornherein ausblendet, sondern in den Blick nimmt und bewertend berücksichtigt22. Insoweit sei zwar anerkannt, daß SchutzwUrdigkeit und SchutzbedÜfftigkeit der von solchen Vorbelastungen betroffenen Belange grundsätzlich geringer seien als bei nicht derart vorbelasteten Belangen. FUhre eine tatsächliche Vorbelastung der Umgebung dazu, daß von dem Vorhaben selbst keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen ausgingen, dann bestehe mangels Schutzwürdigkeit des Interesses am Unterbleiben des Vorhabens kein Anlaß, Schutzvorkehrungen zu treffen oder einen Ausgleich in Geld zu gewähren. Anders sei es jedoch, wenn - wie in den in Rede stehenden Fällen - eine solche tatsächliche Vorbelastung fehle. In diesem Fall könne dem zum notwendigen Abwägungsmaterial gehörenden Interesse von Anwohnern an der Vermeidung einer Zunahme des Verkehrs und des damit verbundenen Lärms die SchutzWÜfdigkeit nicht stets schon deshalb abgesprochen werden, weil sich diese Zunahme im Rahmen der bereits bestehenden planungsrechtlichen Situation halte. Vielmehr ergebe sich die Grenze der Berücksichtigung der bisherigen planungsrechtlichen Situation als schutzmindernde Vorbelastung jedenfalls dort, wo die zu erwartenden Einwirkungen Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen darstellen könnten und dies substantiiert geltend gemacht wird oder sich der Planfeststellungsbehörde angesichts der konkreten Situation aufdrängen muß 2). Dem Einwand, diese Argumentation übersehe, daß die prognostizierte Lärmbelastung nicht durch das plan festgestellte Vorhaben verursacht werde, weil die Deutsche Bahn AG den Schienenweg mit gleicher Lärmentwicklung auch ohne Plan feststellung instand setzen und wieder in Betrieb nehmen könne, ist das Bundesverwaltungsgericht mit Hilfe der juristischen Methodenlehre entgegengetreten: Die Feststellung, daß der Lärm nicht zunehme, beruhe im Kern auf einem Vergleich des nach der Planfeststellung zu erwartenden tatsächlichen Zustandes mit einem unterstellten Zustand des zuvor vorhandenen Schienenweges, der der Wirklichkeit offensichtlich nicht entspreche. Es handele sich mithin um eine juristische Fiktion, d.h. die gewollte Gleichsetzung von Zuständen, deren tatsächliche Ungleichheit bekannt ist. Eine solche Gleichsetzung dürfe nicht über das sachlich vertretbare Maß hinaus ausgedehnt werden. Vielmehr sei die Reichweite der Fiktion aus ihrem Zusammenhang und Zweck her22 23
Urt.vom28.IO.1998(Anm.14),S.356. Anm. 22, S. 357.
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aus zu bestimmen. Hintergrund jener Fiktion sei die wertende Erwägung, daß die durch die Wiedervereinigung bedingten Belastungen nicht allein dem Träger des Vorhabens auferlegt werden dürften, wenn die zur Befriedigung der aktuellen Sicherheits- und Verkehrsbedürfnisse der Allgemeinheit notwendige Rekonstruktion eines durch die deutsche Teilung jahrzehntelang unterbrochenen, teilweise abgebauten und im übrigen heruntergekommenen Schienenweges nicht nachhaltig verzögert und verteuert werden solle. Vielmehr würden mit dem Ausschluß von Ansprüchen nach den §§ 41 ff. BlmSchG auch der anwohnenden Nachbarschaft zusätzliche Belastungen aufgebürdet. Den damit verbundenen weitreichenden Lärmschutz erhielten sie anders als die Anwohner von Neubau- oder Erweiterungsstrecken nicht, obwohl ihre tatsächliche Vorbelastung jahrzehntelang ebenso gering war wie bei jenen und auch der tatsächliche Umfang der baulichen Maßnahmen sich kaum von einem Neubau oder einer Erweiterung unterscheidet. Dies stehe ihrem Anspruch auf Einstellung und angemessene Berücksichtigung ihrer grundrechtlich geschützten Interessen in der Abwägung und einem sich daraus ergebenden weniger weitreichenden Schall schutz jedoch nicht entgegen 24 • Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht auch auf Erschütterungsimmissionen angewandf5 . Eine Erstreckung auf Gemeinden hat es dagegen abgelehnt, weil die kommunale Planungshoheit den Stand der Fachplanung so hinzunehmen habe, wie er sich entwickelt habe 26 • Sie werden sich vorstellen, daß die Entwicklung dieser Rechtsprechung nicht ohne Kontroversen innerhalb des zuständigen Spruchkörpers vonstatten gehen konnte. Wie weit die dahinter stehenden Rechtsgedanken auch bei nicht teilungsbedingten Fällen stillgelegter Eisenbahnstrecken in den alten Bundesländern fruchtbar gemacht werden können, ist offen. Auch insoweit bleibt Raum fiIr eine wissenschaftliche Diskussion, derer das Bundesverwaltungsgericht auf dem schwankenden Boden des Fachplanungsrechts in besonderem Maße bedarf
2. Probleme des Erschütterungsschutzes Anders als bei Verkehrsgeräuschen fehlt es an normativen Regelungen darüber, welche Erschütterungen durch den Schienenverkehr den Anwohnern eines neu gebauten oder wesentlich geänderten Schienenweges zuzumuten sind. Die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gelten gemäß § 2 Abs.
24 25 26
Urt. vom 17.11.1999 (Anm. 19), S. 88. Urt. vom 12.4.2000 - BVerwG 11 A 18.98 -, BVerwGE 111, 108 (116). Anm. 25, S. 115.
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1 Nr. 4 dieses Gesetzes insoweit nicht. Macht ein Anwohner mit der Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluß filr den Bau oder die Änderung eines Schienenweges geltend, daß das Vorhaben zu unzumutbaren Erschütterungsimmissionen durch den Schienenverkehr filhren werde, bleibt den Gerichten deshalb nur der unmittelbare Rückgriff auf das allgemeine Fachplanungsrecht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht kürzlich in einem noch nicht veröffentlichten Urteil vom 31. Januar 2001 - BVerwG 11 A 6.00 - durchexerziert. a) Sachverhalt
Kläger war der Eigentümer eines über 100 Jahre alten, fiinfgeschossigen Wohn- und Geschäftshauses an einer Bundesstraße in Berlin-Wedding etwa 10m südlich des Berliner Innenrings. In dem betreffenden Abschnitt bestanden die Bahnanlagen seit etwa 1890 aus vier auf einem ca. 5 m hohen Damm gefiihrten Gleisen, von denen die beiden nördlichen seit 1929 durch die damals elektrifizierte S-Bahn und die beiden südlichen ft1r den Güterverkehr genutzt wurden. Nach der Teilung Berlins wurden Teile der Strecke nur noch mangelhaft oder überhaupt nicht mehr instand gesetzt, und der Verkehr ging erheblich zurück. Der S-Bahn-Verkehr wurde 1980 eingestellt. 1998 beantragte die Deutsche Bahn AG beim Eisenbahn-Bundesamt die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens fUr das Vorhaben, den Innenring in dem betreffenden Abschnitt in geänderter Form wieder aufzubauen und dabei zugleich eine neue, bisher nicht vorhandene Fernbahnverbindung ("Nordostkurve", neudeutsch "Overfly") über die Gleise der bisherigen Ringgüterbahn vom und zum geplanten neuen Lehrter Zentralbahnhof herzustellen. Nach dem eingereichten Plan waren im Bereich des Grundstücks des Klägers an baulichen Maßnahmen im wesentlichen lediglich Gleislageverschiebungen vorgesehen, die gegenüber dem Vorkriegszustand zu einem Heranrücken der südlich gelegenen Gleise der Ringgüterbahn um etwa 1 m an sein Gebäude filhrten. Aus einem erschütterungstechnischen Gutachten ergab sich, daß dieses Gebäude wegen seiner alten Holzbalkendecken eine besonders schwingungsempfindliche Bausubstanz aufwies und deshalb bei Zugrundelegung der bestehenden Übertragungsfunktionen zwischen Bahnkörper und Gebäude mit Erschütterungen zu rechnen war, deren maximale bewertete Schwingstärke bei Vorbeifahrt eines IC-Zuges auf dem südlichen Fernbahngleis einen Wert von KB«SSTI»Fmax = 3,78 im Schlafzimmer des 4. Obergeschosses erreicht. Dieser Wert liegt nach dem ft1r Erschütterungen im Bauwesen einschlägigen technischen Regelwerk DIN 4150-2 (Juni 1999) im mittleren Bereich stark spürbarer Erschütterungen. Unter Berücksichtigung aller ft1r 2010 prognostizierten Züge (täglich 462 S-Bahnen, 196 Regionalzüge, 40 GüterzUge, 84 ICE-Züge und 72 IC- / IR- / DZüge) sind als Beurteilungs-Schwingstärken nach diesem Regelwerk im seIben Schlafzimmer Werte von KB«SSTI»FTr tags = 1,17 und nachts = 0,75 zu er-
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warten. Diese Werte liegen deutlich mehr als siebenmal so hoch wie der zum Vergleich damit filr Gewerbegebiete festgesetzte Anhaltswert des genannten Regelwerks, bei dessen Einhaltung erwartet werden kann, daß in der Regel erhebliche Belästigungen von Menschen in Wohnungen und vergleichbar genutzten Räumen vennieden werden. In dem antrags gemäß ergangenen PIanfeststellungsbeschluß lehnte es die Planfeststellungsbehörde gleichwohl ab, Vorkehrungen zum Schutz des klägerischen Hauses gegen Erschütterungen oder die Zahlung einer Geldentschädigung anzuordnen. Die zu erwartenden Erschütterungen seien nämlich keine schädlichen Umwelteinwirkungen, weil der Kläger die bestandsgeschützte viergleisige Bahnanlage als Vorbelastung dulden müsse. Eine Veränderung gegenüber der bisherigen planungsrechtlichen Situation ergebe sich nur durch das Heranrücken der beiden südlichen Gleise. Ein Anspruch auf erschütterungsmindernde Maßnahmen bei Änderung bestehender Bahnanlagen setze voraus, daß die Zumutbarkeits- und Erheblichkeitsschwelle, die bei einer maximalen bewerteten Schwingstärke von KB«SSTI»Fmax = 0,4 liege, überschritten sei dies war hier der Fall - und durch das Vorhaben die Erschütterungseinwirkungen um 25 % erhöht würden. An einer derartigen Steigerung der Vorbelastung fehle es hier. Durch die Verschiebung der südlichen Gleise sei nämlich nur eine Steigerung der maximalen bewerteten Schwingstärke von bisher KB«SSTI» Fmax = 3,42 (im 4. OG bei Vorbeifahrt eines Ie-Zuges auf dem südlichen Fernbahngleis in bisheriger Lage) um höchstens 10 % zu erwarten. Selbst wenn aber ein Anspruch auf erschütterungsmindernde Maßnahmen bestände, käme der hier als einzig wirksame Maßnahme anzusehende Einbau eines brUckenähnlichen Feder-Masse-Systems unter den Gleisen nicht in Betracht, weil er Mehrkosten von ca. 10 Mio. DM verursachen würde, erhebliche Auswirkungen in schalltechnischer, städtebaulicher und betriebstechnischer Hinsicht hervorriefe und wegen der niedrigen Eigenfrequenzen des Gebäudes dort trotzdem Erschütterungswerte im gut spürbaren Bereich verblieben. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger beantragt, den Planfeststellungsbeschluß aufzuheben, hilfsweise festzustellen, daß der PIanfeststellungsbeschluß rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf, weiter hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, der beigeladenen Trägerin des Vorhabens die Übernahme seines Grundstücks gegen Enteigungsentschädigung aufzugeben, weiter hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den PIanfeststellungsbeschluß um die Anordnung aktiver Vorsorgemaßnahmen gegen Erschütterungen zu ergänzen, höchst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihm ftlr die Erschütterungsimmissionen auf sein Grundstück eine angemessene Entschädigung in Geld zu bewilligen.
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b) Entscheidung
Das Bundesverwaltungsgericht hat nach einer Beweisaufuahme und ergänzenden erschütterungstechnischen Berechnungen die Beklagte verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluß dahingehend zu ergänzen, daß dem Kläger gegen die Beigeladene ein Anspruch auf Geldentschädigung fUr die Minderung des Verkehrswerts seines Grundstücks zusteht, die durch die vorhabenbedingte Erhöhung von Art, Stärke und Zahl der Erschütterungsimmissionen eintritt; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es folgendes ausgefilhrt: Mit dem auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag oder dem auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit gerichteten ersten Hilfsantrag sei die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet. Denn der Planfeststellungsbeschluß leide an keinem Rechtsfehler, der seine - vollständige oder teilweise - Aufhebung oder zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit auf die vorliegende Klage hin rechtfertigen könnte. Ein Mangel bei der durch § 18 Abs. I Satz 2 AEG gebotenen Abwägung könne nur dann zur Aufhebung oder Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auch zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit filhren, wenn er gemäß § 20 Abs. 7 Satz I AEG erheblich - also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen - ist und nicht durch Planergänzung behoben werden kann. Ein derartiger Mangel liege hier nicht vor. Zu den öffentlichen und privaten Belangen, die im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen seien, gehöre auch das Interesse an einer kostengünstigen Lösung27 • Auf diesem Hintergrund stelle es keinen Abwägungsmangel dar, wenn die Planfeststellungsbehörde davon absehe, zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer eine wesentliche Änderung des Planvorhabens zu verlangen, die vom Träger des Vorhabens unverhältnismäßige, nicht mehr vertretbare Aufwendungen erfordern würde. Bei welcher Höhe dies anzunehmen sei, könne grundsätzlich nicht losgelöst von der objektiven Gewichtigkeit der zu schützenden, vom Vorhaben nachteilig betroffenen Belange beurteilt werden und bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalles. Die Kostenerwägungen, aus denen sich die Beklagte gegen eine Anordnung des Einbaus des Feder-Masse-Systems entschieden habe, seien anhand dieses Maßstabs nicht zu beanstanden. Aus dem Erschütterungsgutachten ergebe sich, daß im betreffenden Bereich kein Nachbargrundstück von derart hohen Erschütterungsbelastungen betroffen sei, wie sie der Kläger in seinem Hause befiirchten müsse. Daß es außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit der vom Vorha27 Vgl. Beschl. des 4. Senats vom 30.9.1998 - BVerwG 4 VR 9.98 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142, S. 291 m.w.N. 9 Ziekow
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ben nachteilig betroffenen Belange stände, der Beigeladenen im wesentlichen nur zum Schutze eines einzelnen Gebäudes Aufwendungen in Höhe eines Vielfachen des Gebäudewertes zuzumuten, ohne daß damit sichergestellt wäre, daß erhebliche Belästigungen der Bewohner durch Erschütterungen nicht mehr auftreten, sei ohne weiteres nachvollziehbar. Mit dem zweiten Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zu einer Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, durch die der Beigeladenen die Übernahme des Grundstücks gegen Enteignungsentschädigung aufgegeben wird, sei die Klage ebenfalls zulässig, jedoch unbegründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Übernahme seines Grundstücks gegen Entschädigung nicht zu. Ein solcher Anspruch sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur gegeben, wenn die von dem planfestgestellten Vorhaben zu erwartenden Immissionen ihrer Intensität nach die Grenze zur faktisch "enteignenden" Planauswirkung überschritten, also die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig veränderten und dadurch das Grundstück so schwer und unerträglich träfen, daß seine sinnvolle Nutzung praktisch ausgeschlossen sei 2s . Wann dies anzunehmen sei, bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalles. Hiernach lägen die Voraussetzungen eines Übernahmeanspruchs nicht vor. Der Kläger selbst habe nur geltend gemacht, sein Haus werde in Zukunft noch schwerer zu vermieten sein als bisher, so daß ihm eine Verringerung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit seines Grundstücks drohe. Daß die Privatnützigkeit seines Eigentums - insbesondere auch hinsichtlich der gewerblichen Nutzung - nahezu vollständig beseitigt wäre, sei damit nicht dargetan. Auch der dritte Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Anordnung aktiver Vorsorgemaßnahmen gegen Erschütterungsimmissionen sei zulässig, jedoch unbegründet. Die insoweit allein in Betracht kommende Anordnung des Einbaus einer auf Stahlfedern gelagerten BahnbTÜcke sei nur im Wege einer wesentlichen Änderung des geplanten Vorhabens möglich und scheide damit als Gegenstand eines auf schlichte Planergänzung um eine Schutzauflage nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gerichteten Klageantrags aus. Abgesehen davon habe die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf jene Anordnung, wie bereits beim Hauptantrag ausgeftlhrt worden sei, rechtsfehlerfrei mit der selbständig tragenden Hilfserwägung verneint, daß der Einbau jenes Systems unverhältnismäßig und damit untunlich sei. Mit dem letzten Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Anordnung, dem Kläger ft1r die Erschütterungsimmissionen auf seinem Grundstück eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen, sei die Klage ebenfalls zulässig. Daß sie nur auf eine 28
Vgl. BVerwGE 61, 295 (303 ff.); 75, 214 (260); 77, 295 (298).
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Entschädigungsanordnung "dem Grunde nach" gerichtet sei, stehe dem nicht entgegen. Denn eine Entscheidung der Plan feststellungs behörde zunächst nur dem Grunde nach komme in Betracht, wenn die möglichen Schäden im einzelnen noch nicht hinreichend überschaubar und bezifferbar seien. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Insoweit sei die Klage auch begründet. Der Kläger habe gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 Vwvro Anspruch auf die Entschädigungsanordnung. Denn das planfestgestellte Vorhaben würde an sich gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 Vwvro Vorkehrungen oder Anlagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen der zu erwartenden Erschütterungsimmissionen auf Rechte des Klägers erfordern; solche Vorkehrungen oder Anlagen seien jedoch entweder mangels Effektivität untunlich oder aber - wie das Feder-Masse-System - mit dem Vorhaben, so wie es geplant worden sei, unvereinbar und zudem noch unverhältnismäßig teuer. Auszugleichen seien die zu erwartenden Erschütterungsimmissionen, wenn sie dem Kläger mit Rücksicht auf die durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit seines Grundstücks nicht zugemutet werden können 29 • Schutzwürdig und mit Hilfe der im Rahmen des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG möglichen Schutzeinrichtungen schutzflihig sei sein Grundstück nur insoweit, als es nicht bereits unter der tatsächlichen oder plangegebenen Einwirkung anderer Erschütterungsquellen liege. 30 Dabei seien in diesem Sinne als vorbelastend grundsätzlich auch solche Erschütterungseinwirkungen zu erfassen, die von der Anlage selbst schon vor ihrer durch die Planfeststellung zugelassenen Änderung ausgegangen seien 31 • Die Grenze der schutzmindernden Berücksichtigung dieser Vorbelastung sei allerdings dort erreicht, wo die Erschütterungseinwirkungen der Anlage schon vor deren Änderung das Maß des Zumutbaren überschritten. In solchen Fällen müsse - gewissermaßen - nicht "wegen", sondern "aus Anlaß" der notwendigen PlanfeststelJung eine erforderliche Schutzmaßnahme angeordnet werden 32 • Hielten sich die anJagebedingten VorbeJastungen dagegen noch innerhalb dieser Zumutbarkeitsgrenze, so könnten die Betroffenen bezüglich dieser Erschütterungsvorbelastungen keine - sanierenden - Schutzmaßnahmen in der Änderungsplanfeststellung verlangen; einen Anspruch auf Erschütterungsschutzmaßnahmen hätten sie dann nur insoweit, als die durch die Anlagenänderung verursachte Verstärkung der Erschütterungsbelastung diese in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche, ihnen billigerweise nicht zuzumu-
29 30
31 32
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
zu Schallimmissionen BVerwGE 51, 15 t1 BVerwGE 51, 15 (32). zu Schallimmissionen BVerwGE 59, 253 (265). BVerwGE 56, 110 (132); 59, 253 (265 f.).
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tende Belastung liege 3• Dabei könne freilich fi1r die Beurteilung, ob eine solche Erhöhung beachtlich und ob sie billigerweise nicht mehr zumutbar ist, eine Rolle spielen, daß die betroffenen Grundstücke einer zwar nicht schon unzumutbaren, aber doch beträchtlichen Vorbelastung ausgesetzt waren und deshalb gegenüber auch einer nur geringen Erschütterungszunahme in besonderem Maße empfindlich sein könneri 34 . Ob die von der zu ändernden Anlage ausgehende plangegebene Erschütterungsvorbelastung des Grundstücks des Klägers schon vor der Änderung die Zumutbarkeitsgrenze überschritt und, wenn nein, ob jedenfalls in der durch die Anlagenänderung verursachten Erhöhung der Erschütterungsimmissionen eine dem Kläger nicht zuzumutende Belastung liegt, könne nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilt werden 3s • Dabei seien insbesondere die historische Entwicklung der Belastungssituation sowie Höhe und Häufigkeit der schon bisher zu erwartenden und der erst aufgrund des Änderungsvorhabens zu erwartenden Erschütterungen zu berücksichtigen36 . Insoweit begegne die Behandlung dieser Fragen im Planfeststellungsbeschluß durchgreifenden Bedenken: Der Planfeststellungsbeschluß gehe vereinfachend davon aus, daß bei der Ermittlung der fiktiv als Vorbelastung anzusetzenden Zugzahlen auf der unveränderten Strecke das Betriebsprogramm zugrunde gelegt werden könne, das zukünftig fUr die neue Strecke vorgesehen sei. Eine derartige Vereinfachung verbiete sich jedenfalls dann, wenn das Verkehrsgeschehen dadurch beeinflußt werde, daß die Wiederertüchtigung der vorhandenen Strecke in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Errichtung einer neuen Netzanknüpfung erfolge. Das sei hier der Fall. Angesichts der daraus folgenden Unwägbarkeiten könnten die Streckenanlieger eine Abschätzung der Vorbelastung beanspruchen, der im Zweifel ihnen günstige Annahmen zugrunde gelegt würden. Ob dabei im vorliegenden Fall die prognostisch auf dem Abzweig zum neuen Lehrter Bahnhof verkehrenden Züge einfach ersatzlos aus der Vorbelastung herausgerechnet werden dürften, könne dahinstehen. Selbst wenn dieses Vorgehen mit einem zu starken Realitätsverlust einherginge und deshalb zu beanstanden wäre, würde dies nicht zu dem Ergebnis filhren, daß der Kläger sich eine Vorbelastung entgegenhalten lassen müßte, die auch nur annähernd an das neue Betriebsprogramm heranreicht. Vielmehr wäre allenfalls davon auszugehen, daß sich die Zugzahlen, die sich bei Streichung der fUr den Abzweig zum neuen Lehrter Bahnhof vorgesehenen Züge ergeben, in etwa verdoppeln würden. 33 Vgl. BVerwGE 51, 15 (32); 59, 253 (267 f.); Urt. vom 12.4.2000 (Anm. 25), S. 116. 34 Vgl. BVerwGE 59, 253 (268). 35 Vgl. BVerwGE 97,367 (374). 36 So auch Tz. 6.5.3.4 Buchst. c DIN 4150-2 (Juni 1999).
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Von dieser Vorbelastung ausgehend sei prognostisch damit zu rechnen, daß sich zwar die maximale bewertete Schwingstärke, die nur von der Höhe der Erschütterungen abhänge, nur unwesentlich erhöhe, weil sich insoweit im wesentlichen nur das geringfilgige Heranrücken der Gleislage an den Immissionsort auswirken könne. Anders verhalte es sich aber mit der BeurteilungsSchwingstärke KB«SSTl»FTr nach Tz. 6.4 DIN 4150-2, in die auch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Erschütterungsereignisse eingingen. Insoweit sei nach den genannten Maßstäben von einer Steigerung der Belästigungswirkung des Schienenverkehrs auszugehen, die entschädigungslos nicht mehr hinnehmbar sei. Dies gelte um so mehr, als sich die Vorbelastung, was die maximale bewertete Schwingstärke angehe, bereits dem kritischen Bereich annähere, wo die Fühlschwelle deutlich überschritten und deswegen die Erschütterungen stark spürbar seien. c) Würdigung
Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die vor Inkrafttreten der 16. BImSchV filr Schall immissionen entwickelten fachplanungsrechtlichen Grundsätze wieder aufgegriff\~n und erstmals mit filr einen Anwohner positivem Ergebnis auf Erschütterungsimmissionen übertragen. Es bleibt damit in der Kontinuität einer die betroffenen Belange ausgewogen berücksichtigenden Rechtsprechung, was eigentlich niemanden überraschen sollte. Überraschend war vielmehr nur die im Planfeststellungsbeschluß vertretene Auffassung, es komme bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Erschütterungseinwirkungen auf deren Häufigkeit nicht an. So hatte das Bundesverwaltungsgericht immerhin eine der seltenen Gelegenheiten, einer Nachbarklage gegen einen eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluß teilweise stattzugeben. 3. Probleme von Naturschutz und Landschaftspflege Die Reaktivierung teilungsbedingt stillgelegter Streckenabschnitte mit mehr oder weniger umfangreichen planfeststellungsbedürftigen Änderungen wirft nicht nur Probleme des Immissionsschutzes auf, sondern bedarf auch besonderer Betrachtung aus der Sicht von Naturschutz und Landschaftspflege. Der soeben behandelte Abschnitt des Berliner Innenrings war Gegenstand eines weiteren bisher unveröffentlichten Urteils, in dem das Bundesverwaltungsgericht am 22. November 2000 (BVerwG 11 A 4.00) über eine Klage der Vorhabenträgerin gegen ihr im Planfeststellungsbeschluß auferlegte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu entscheiden hatte. Zur Durchfilhrung der planfestgestellten Baumaßnahmen, zu denen insbesondere die Errichtung von Stützwänden, Lärmschutzwänden und Oberleitungsmasten gehört, muss nämlich die gesamte
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auf der bisherigen Bahndammböschung seit Jahrzehnten angesiedelte Vegetation beseitigt werden. Über den Umfang der daftlr nach dem Naturschutzrecht erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bestanden zwischen der Vorhabenträgerin und der Planfeststellungsbehörde unterschiedliche Rechtsauffassungen: Nach Auffassung der Vorhabenträgerin unterliegen Eingriffe in die Vegetation, die innerhalb der Eisenbahninfrastruktur i.S. des § 2 Abs. 3 AEG stattfmden; nicht der Ausgleichsregelung des § 8 BNatSchG. Wenn eine Abgrenzung danach nicht möglich sei, gelte mindestens ein Streifen von jeweils 6 m von der äußeren Gleisachse als von der Ausgleichsregelung freigestellt. Bei Einschnittsoder Dammböschungen, die diesen Streifen berührten, gelte die gesamte Böschung als Anlage der Eisenbahninfrastruktur. Ein ausgleichsptlichtiger Eingriff könne nur dort vorliegen, wo die bisherige Grenze der Eisenbahninfrastruktur überschritten werde. Demgegenüber sah die Planfeststellungsbehördejeden Eingriff in die Vegetation als ausgleichsptlichtig an, der außerhalb eines Bereichs von 6 m von der äußeren Gleisachse einer bestehenden Bahnanlage stattfindet, und ordnete Ersatzrnaßnahmen in entsprechend großem Umfang an. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage gegen diese Anordnung abgewiesen. Die Festsetzung der Ersatzrnaßnahmen finde ihre Grundlage im Berliner Naturschutzgesetz37 i.V.m. § 8 Abs. 8 und 9 BNatSchG. Die dieser Festsetzung zugrunde liegende Annahme der Planfeststellungsbehörde, ausgleichsptlichtig sei grundsätzlich jeder Eingriff in die Vegetation, den die Vorhabenträgerin im Rahmen des planfestgestellten Vorhabens außerhalb eines Bereichs von 6 m von den äußeren Gleisachsen der bisher planungsrechtlich bestehenden Bahnanlagen vornehme, stehe mit der sich aus jenen Vorschriften ergebenden Rechtslage in Einklang. Aufgrund der Ermächtigung in § 8 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG habe das Land Berlin in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NatSchGBin bestimmt, daß die Errichtung oder wesentliche Änderung von Anlagen, die einem Planfeststellungsverfahren unterliegen, als Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne dieses Gesetzes gilt. Das mit umfangreichen Veränderungen der planungsrechtlich bestehenden Bahnanlagen einhergehende planfestgestellte Vorhaben erftllle die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift. Tatsächlich seien bau- und anlagebedingt umfangreiche Verluste wertvoller Vegetationsflächen zu erwarten, die auch die Fauna und das Kleinklima negativ verändern würden. Da dieser Eingriff bei Realisierung des Vorhabens unvermeidbar sei und seine Folgen nicht im erforderlichen Maße ausgeglichen werden könnten, habe die Planfeststellungsbehörde gemäß § 14 Abs. 5 Sätze 3 und 4 NatSchGBln Ersatzrnaßnahmen an anderer Stelle fordern können. 37 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege von Berlin (NatSchGBln) Ld.F. vom 10. Juli 1999 (GVBI. S. 390).
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Die Planfeststellungsbehörde habe davon abgesehen, auch ft1r Vegetationseingriffe innerhalb des 6-m-Bereichs Ersatzrnaßnahmen anzuordnen, weil die innerhalb jenes Bereichs entstandene Vegetation nur die Folge unterlassener Unterhaltung der Gleisanlagen sei; diese Unterhaltung hätte die Vorhabenträgerin unter Entfernung jener Vegetation ohne Kompensation nachholen können, weil es für die Wiederinbetriebnahme der planungsrechtlich vorhandenen Altanlagen keines Planfeststellungsverfahrens bedurft hätte und deshalb die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG nicht vorgelegen hätten 38 • Danach sei zu entscheiden gewesen, ob die mit Verlusten rur Natur und Landschaft verbundenen Baurnaßnahmen jeweils durch die Planfeststellung verursacht worden seien oder ob sie bei einer reinen Instandsetzung ebenso angefallen wären. Im Rahmen dieser hypothetischen Kausalitätserwägung sei die Grenzziehung bei einem Abstand von 6 m entlang der äußeren Gleisachsen der Altanlagen nicht zu beanstanden. Die Vorhabenträgerin selbst gehe in ihren technischen Regelwerken davon aus, daß in der Regel ein Streifen von ca. 6 m Breite parallel zur äußeren Gleismitte von Anpflanzungen frei gehalten werden müsse, um die Verkehrssicherheit nicht zu beeinträchtigen. Da ft1r die Praxis der Planfeststellung eine handhabbare Regelung der Kausalitätsfrage erforderlich sei, sei es sachgerecht, ft1r die Abgrenzung zwischen kompensationsbedürftigen und nicht kompensationsbedürftigen Maßnahmen in typisierender Weise an den sich hieraus ergebenden Mittelwert von 6 m Abstand anzuknüpfen. Daß dieser Mittelwert nach den örtlichen Geländeverhältnissen und der Art der in Rede stehenden Vegetation hier zu knapp bemessen sei, sei nicht ersichtlich. Auch § 38 Nr. 3 BNatSchG stehe der Anordnung von Ersatzrnaßnahmen fIlr die Beseitigung von Vegetationsbeständen außerhalb eines Sicherheitsabstands von 6 m entlang der äußeren Gleisachsen der Altanlagen hier nicht entgegen. Nach dieser Übergangsbestimmung dürfen Flächen, die bei Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes am 24. Dezember 1976 ausschließlich oder überwiegend Zwecken des öffentlichen Verkehrs als wichtige öffentliche Verkehrswege dienten oder in einem verbindlichen Plan ft1r diese Zwecke ausgewiesen waren, durch Naturschutz und Landschaftspflege in ihrer bestimmungs38 Auf die weitergehende landesrechtliehe Vorschrift des § 15 Abs. 2 NatSchGBln ist das Bundesverwaltungsgericht nicht eingegangen. Danach hat dann, wenn rur einen Eingriff in Natur und Landschaft in anderen Rechtsvorschriften keine behördliche Entscheidung oder Anzeige an eine Behörde vorgeschrieben ist, derjenige, der den Eingriff vorzunehmen beabsichtigt, dies der zuständigen Behörde rur Naturschutz und Landschaftspflege mindestens zwei Monate vorher schriftlich anzuzeigen; diese Behörde trifft dann die nach § 14 NatSchGBln erforderlichen Entscheidungen. Insoweit dürfte jedoch davon auszugehen sein, daß die Entfernung der innerhalb der verfallenen Gleisanlagen und des 6-m-Bereichs entstandenen Spontanvegetation im Zuge nachgeholter Unterhaltungsarbeiten die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNatSchG bzw. § 14 Abs. 1 Satz 1 NatSchGBln nicht erfilllt hätte. Die Vermutung des § 14 Abs. 1 Satz 2 NatSchGBln rur das Vorliegen eines Eingriffs hätte hier nicht gegriffen.
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gemäßen Nutzung nicht beeinträchtigt werden. Damit werde keine Anwendungssperre ft1r bestimmte Vorschriften des Gesetzes normiert, sondern nur eine bestimmte Wirkung des Gesetzesvollzugs ft1r besondere Fälle ausgeschlossen: Es sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob und inwieweit eine Maßnahme des Naturschutzes oder der Landschaftspflege die bestandsgeschützte Nutzung beeinträchtigen würde. Selbst wenn zugunsten der Vorhabenträgerin unterstellt werde, daß schon die Anknüpfung einer Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmeptlicht an Eingriffe in die Vegetation, die der bestimmungsgemäßen Nutzung der Altanlagen entgegengestanden hätte, stets eine "Beeinträchtigung" der bestandsgeschützten Nutzung darstellt, sei die hier in Rede stehende Anordnung nicht zu beanstanden. Denn bei der zulässigen typisierenden Betrachtungsweise hätte die Vegetation außerhalb des Sechs-Meter-Abstands der bestimmungsgemäßen Nutzung der planungsrechtlich vorhandenen Altanlagen nicht entgegengestanden. Daß auch zur bloßen Instandsetzung und Wiederinbetriebnahme dieser Altanlagen die Böschungsvegetation vollständig hätte abgeräumt werden müssen, habe die Vorhabenträgerin selbst nicht behauptet. Deren Auffassung, durch § 38 Nr. 3 BNatSchG bestandsgeschützt sei jede Nutzung einer als solche gewidmeten Fläche rur Bahnzwecke, auch wenn die konkreten baulichen Anlagen durch eine Umplanung verändert würden, stehe mit der sich bei sachgerechter Auslegung der Vorschrift ergebenden Rechtslage nicht in Einklang. Nach der Zielsetzung der Vorschrift solle bundesrechtlich ein "Altbestand" an Nutzung vor neuen, d.h. mutmaßlich zusätzlichen Anforderungen des Naturschutzrechts geschützt werden. Dieser Altbestand definiere sich auch durch die Anlagen, in denen sich jene Nutzung konkretisiert. Das schließe "überwirkenden" Bestandsschutz nicht aus, wenn ein gegebener Bestand ohne quantitativ oder qualitativ wesentliche Veränderungen seiner bei Inkrafttreten des Gesetzes gegebenen Funktion und ihrer Bedeutung ft1r die Gesamtsituation der Umgebung allein dadurch geschützt werden könne, daß damit in untrennbarem Zusammenhang stehende Änderungsmaßnahmen vorgenommen werden. Davon könne nach Lage der Dinge hier jedoch keine Rede sein. Mit diesem Urteil wird die hypothetische Kausalitätsbetrachtung, die das Bundesverwaltungsgericht ft1r teilungs bedingt vorübergehend stillgelegte und deshalb nicht unterhaltene Schienenwege beim Immissionsschutz ft1r maßgeblich hält, auch auf den Natur- und Landschaftsschutz ausgedehnt. Die Frage, ob dies ft1r entsprechende Strecken in den alten Bundesländern nicht genauso gesehen werden muß, bleibt auch hier offen.
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111. Schluß: Zusammenfassende Würdigung Ob es dem Bundesverwaltungsgericht gelungen ist, die ihm durch die erstinstanzliche Zuständigkeit zugefallene Entscheidungslast hinsichtlich der einigungsbedingten Probleme bei der Reaktivierung von Schienenwegen nicht nur kasuistisch, sondern in Einklang mit der hergebrachten Dogmatik des Fachplanungsrechts auch systematisch befriedigend zu lösen, müssen die Praktiker und Wissenschaftler beurteilen, zu denen zu sprechen ich hier die Ehre habe. Ich kann Sie nur ermuntern, das Gericht bei seiner Aufgabe nicht sich selbst zu überlassen, sondern kritisch und - soweit notwendig - korrigierend zu begleiten. Denn wie die Ballade vom Erlkönig sollte das Experiment des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes nach Möglichkeit nicht enden. DafUr ist das Fachplanungsrecht rur die Zukunft unseres Landes zu wichtig.
Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Straßenfachplanungsrecht Von Jörg Berkemann
Inhaltsverzeichnis A. Fachplanungsrecht - Abgrenzungen ................................ ........................ .......... 145 I. Formeller und materieller Planungsbegriff ...................................................... 145 II. Rechtsquellen des Straßenfachplanungsrechts ............... ........................ .... ...... 146 B. Verfahren der Planfeststellung ........................................................................... 147 I. Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde ... .............. .. .. ......... ........ .............. . 147 1. Originäre sachliche Zuständigkeit....................................................... ....... 147 2. Zuständigkeit bei Zusammentreffen mehrerer Vorhaben (§ 78 VwVfD) ....................................................... ..... ...... ................. ......... .. 148 3. Funktionale Zuständigkeit .... ........... ........................................ .............. ..... 149 a) Allgemeine Zuständigkeit (Verfahrenskonzentration) ................... ........ 149 b) Zuständigkeit rur Folgemaßnahmen (§ 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG) ..... ...... 149 11. Auslegungs- und Anhörungsverfahren (§ 73 VwVfD) .............................. .. ..... 151 1. Behördenstellungnahme (§ 73 Abs. 2 VwVfG) .......... ............. ... .. ............. 151 2. Beteiligung der Öffentlichkeit und von Privaten ....... .............. ................... 152 a) Auslegung der Unterlagen (§ 73 Abs. 3 VwVfG) .. .......... ........... ....... .. . 152 b) Einwendung und Erörterung (§ 73 Abs. 4-6 VwVfG) .................... ....... 153 aa) Auslegung und Einsichtnahme (§ 73 Abs. 5 VwVfD .................... 153 bb) Begriff und Inhalt der Einwendung ............................................. ... 153 cc) Fristgebundene Einwendung ........................................................... 154 dd) Mitwirkung des Naturschutzverbandes (§ 29 Abs. 1 BNatSchG) .. 155 ee) Erörterungstermin (§ 73 Abs. 6 VwVfD) ................ .................. .... . 156 c) Erneute Auslegung (§ 73 Abs. 8 VwVfD) ............................................. 156 3. Besonderheiten nach dem VerkPBG ................ ........................................... 156 4. Grundsatz des fairen Verwaltungsverfahrens ........ .................. ... ...... ..... ..... 157 III. Fehlerbeseitigung ............... .................. ............................................................. 158
C. Materiell-rechtliche Anforderungen der Plan feststellung ................................ I. Behördeninterne Bindungen ............ ............................................................... .. 1. Raumordnung ....... ..... ... ............. ....... ....... .................................... ............. ... 2. Linienbestimmung (§ 16 FStrG) ......... ........................................................ 3. Ausbau- und Bedarfsgesetz ................................ .............. .................... ..... .
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11. Strikte (materiell-rechtliche) Rechtsbindungen ................. ,............................... 161 1. Planrechtfertigung .................................. .................................................... 161 a) Allgemeine Zielsetzung ......................................................................... 161 b) Planrechtfertigung durch gesetzliche Bedarfsplanung ........................... 162 c) Kontrolle der gesetzlichen Planrechtfertigung ....................................... 163 2. Gesetzliche Bedarfsfestsetzung ................................................................... 164 a) Allgemeines ........................................................................................... 164 b) Umfang und Relativität der Bindung ....... .............................................. 165 3. Gebot der Realisierungsfähigkeit ................................................................ 166 III. Allgemeines Abwägungsmodell ..... ............ ................................ .... ................ 167 IV. Abwägungsbereich: Planungsalternativen ...................................................... 168 1. Vorzeitiges "Ausscheiden" von Planungsalternativen (Varianten) ............ 168 2. Variantenabwägung (Trassen wahl) ............................................................. 169 3. Sog. Nullvariante ........................................................................................ 171 V. Abwägungsbereich: Abschnittsbildung ........... ....................... .................... ..... 171 1. Voraussetzungen einer Abschnittsbildung .................................................. 171 2. Einfluß des Umwelt- und Naturschutzrechts .............................................. 173 3. Zwangspunkt - Rechtsschutz ...................................................................... 173 VI. Belange und allgemeine Abwägungsgrundsätze .............................................. 175 1. Rücksichtnahme auf schützenswerte Individualinteressen ........ ................. 175 a) Schutzwürdige und schutzbedürftige Interessen .................................... 175 b) Grundeigentum ....................................................................................... 176 c) Gefährdung oder Vernichtung der betrieblichen Existenz ..................... 177 d) Bergwerkseigentum ............................................................................... 178 e) Zufahrt - Zugänglichkeit ........................................................................ 179 f) Enteignungsnotwendigkeit als Belang................................................... 180 2. Schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG) .......................... 182 a) Lärmimmissionen ................................................................................... 182 b) Abgasimmissionen ................................................................................. 182 c) Lichtimmissionen ................................................................................... 183 d) Elektromagnetische Felder ..................................................................... 183 3. Naturschutz - EG-Habitatschutz ................................................................. 183 a) Abgrenzungen - Regelungsbereiche ................................. ..................... 183 b) Allgemeine Belange des Naturschutzes ................................................. 184 4. Umweltschutz - Umweltverträglichkeit ..................................................... 185 5. Belange der Gemeinde (§ 38 BauGB) ........................................................ 186 6. Weitere öffentliche Belange (Auswahl) ...................................................... 187 VII. Ermittlung der Belange ................................................................................... 188 1. Zusammenstellung des Abwägungsmaterials ............................................. 188 2. Gutachten............ ........... .................. ........... .......... .......... ............ .......... ...... 188 3. Kausalität des Ermittlungsfehlers ............................................................... 189 VIII. Ungeschriebene Abwägungsgrundsätze ...... ............ ...... ...... ........ .................. 190
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D. Besondere Anforderungen: Umweltverträglichkeit .......................................... 190 I. Allgemeines...... ............. .......................... ............ ...... ...................................... 190 II. Sachlicher Anwendungsbereich: UVP-pflichtige Verfahren ........................... 191 III. Verfahren der UVP .......................................................................................... 192 1. Vorlage der Unterlagen (§ 6 UVPG) .......................................................... 192 2. Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 9 UVPG) ................................................ 194 IV. Wirkung der UVP ............................................................................................ 195 1. Bewertungsrahmen (§ 12 UVPG) ............................................................... 196 2. Kriterien der Bewertung .............................................................................. 197 3. Bewertung von Alternativen ....................................................................... 197 4. Berücksichtigung der Bewertung ................................................................ 199 5. Bedeutung der neueren Bedarfsgesetzgebung ............................................ 199 V. Prozeßrecht ....................................................................................................... 200 1. Klagebefugnis ............................................... .............................................. 200 2. Klageerfolg .................................................................................................. 201 a) Präklusion ............................................................................................... 201 b) Kausalität ................................................................................................ 202
E. Besondere Anforderungen: Verkehrslärmschutz ............................................. 203 I. Rechtsgrundlagen ............................................................................................ 203 11. Anwendungsbereich (§ 41 BImSchG - 16. BImSchV) ................................... 204 1. Sachlicher Anwendungsbereich .................................................................. 204 a) Lärmvorsorge ......................................................................................... 204 b) § 41 BImSchG als lex specialis .............................................................. 204 c) Unmittelbare Anwendungsvoraussetzungen .......................................... 205 d) Vorbelastung - Kausalität ...................................................................... 206 2. Zeitlicher Anwendungsbereich ......... .......................................................... 206 III. Bedeutung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV ................................ 207 1. Rechtliche Bedeutung der Immissionsgrenzwerte ...................................... 207 2. Die bauplanerische Feststellung nach § 2 Abs. 216. BImSchV ................. 208 a) Bauplangebiete (BauNVO) - § 2 Abs. 2 S. 1 16. BImSchV .................. 208 b) Sonstige Gebiete - § 2 Abs. 2 S. 216. BImSchV .................................. 208 aa) Ermittlung: Gebietsqualität und Schutzniveau ................. ........ ..... 208 bb) Insbesondere: Außenbereich .......................................................... 209 IV. Berechnung des konkreten Grenzwertes .......................................................... 210 I. Berechnungsmodell ..................................................................................... 210 2. Berechnungsfaktoren ................................................................................... 211 a) Prognose der Verkehrsmenge ................................................................. 211 b) Prognosezeitraum ................................................................................... 212 c) Straßenbelag ........................................................................................... 212 d) Geschwindigkeitsannahmen ................................................................... 213 3. Nachbesserung ............................................................................................ 213 V. Maßnahmen bei Überschreiten des Grenzwertes ............................................. 213 1. Erste Prüfungsstufe: Trennung der Nutzungsweisen (§ 50 BImSchG) ...... 214
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2. Zweite Prüfungsstufe: Aktiver Lärmschutz (§ 41 BImSchG) .................... 214 a) Begriff des ..aktiven" Lärmschutzes ...................................................... 214 b) Umfang des aktiven Lärmschutzes ........................................................ 215 c) Gründe rur das Scheitern des effektiven aktiven Lärmschutzes ............ 215 aa) Mangelnde Effektivität des Lärmschutzbaus ................................. 215 bb) Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (§ 41 Abs. 2 BlmSchG) ....... 216 (1) "Reguläre" Auslegung des § 41 Abs. 2 BlmSchG ............ ....... 216 (2) Auslegungskontroverse ........................................................... 217 (3) Mögliche Selbstbeteiligung des Betroffenen? ........................ 218 3. Dritte Prüfungsstufe: Passiver Lärmschutz ................................................. 218 a) Schutzniveau des passiven Schallschutzes: Innenwohnbereich ....... ...... 219 b) Berechnung des Innenpegels .................................................................. 219 c) Qualität der Schallschutzfenster ............................................................. 220 4. Abwägung trotz Beachtung der 16. BImSchV ............................................ 220 5. Konkrete bautechnische Umsetzung ........................................................... 221 VI. Verkehrslärm außerhalb des Anwendungsbereichs der 16. BImSchV ............ 221 I. Verkehrsverlagerung ....................... ....... .............. ....................................... 221 2. Summation - Vorbelastung - Lärmsanierung ............................................. 222 a) Summationseffekte ............................................... .................................. 222 b) Vorbelastung .......................................................................................... 223 c) Lärmsanierung ....................................................................................... 224 VII. "Nachträgliche" Verkehrsimmissionen .......................................................... 225 F. Besondere Anforderungen: EU-Habitatschutz .................................................. 225 I. Allgemeines........ ............................................................................................. 225 1. Zielsetzung des EU-Habitatrechts ............................................................... 225 2. Umsetzung der EG-Richtlinien ................................................................... 226 3. "Übergangsrecht" ................................................................................. ....... 227 4. Allgemeine Bedeutung rur die Fachplanung ........................ ...................... 228 11. Schutzstatus - Geschützte Gebiete (Objekte des Schutzes) ............................. 228 1. Gebiete nach Maßgabe der Vogelschutz-RL .............................................. 228 a) Erklärte oder anerkannte Vogelschutzgebiete ....................................... 228 b) Faktische Vogelschutzgebiete ................................................................ 229 aa) Deutsche (formale) Rechtslage ....................................................... 229 bb) Rechtsprechung des EuGH .............................................................. 229 cc) Kein Einfluß der FFH-RL ................................................................ 230 dd) Schutzstatus des faktischen Vogelschutzgebietes ........................... 231 ee) Feststellung eines faktischen Vogelschutzgebietes ......................... 231 2. Gebiete nach Maßgabe der FFH-RL ........................................................... 232 a) Reguläres Bestimmungsverfahren ........................................................ . 232 b) Potentielle FFH-Gebiete .................................. ...................................... 233 aa) Begriffund Problemstellung ........................................................... 233 bb) Ansätze zur Problemlösung ............................................................ 233 3. Umgebungsschutz ....................................................................................... 236
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IH. Habitat-Schutzregime ....................................................................................... 236 I. Vogelschutzgebiet ............................... ........................................................ 237 a) Erklärte oder anerkannte Vogelschutzgebiete ........................................ 237 aa) Schutzregime nach Art. 4 Abs. 4 VRL ........................................... 237 bb) Schutzregime nach Art. 7 FFH-RL ............................................. .... 237 b) Faktische Vogelschutzgebiete ................................................................ 238 2. FFH-Gebiet .......................... ... .......... ........ ........ ................ ...... .............. ...... 238 a) Verschlechterungs- und Störungsverbot (Art. 6 Abs. 2 FFH-RL) ......... 238 b) Verträglichkeitsprüfung (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL) .................................. 238 aa) Anlaß der Prüfung ........................................................................... 238 (I) Gegenstand der Verträglichkeitsprüfung .................................. 238 (2) Möglichkeit der Beeinträchtigung ............................................ 239 (3) Intensität der Beeinträchtigung ................................................. 239 (4) Bedeutung des Umgebungsschutzes ....................................... 239 bb) Verfahren der Prüfung ......................................... ............................ 240 cc) Inhalt der Prüfung ............................................................................ 240 dd) Ergebnis der Prüfung ......... .................. ................................ ............ 241 c) Ausnahmeentscheidung .......................................................................... 241 aal Alternativlösung ............................................................................. 241 bb) Prioritäres Schutzgebiet (Alt. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL) ............ 242 (I) Grundsatz ........ ......................................................... ..... ...... ..... 242 (2) Ausnahmegrund: Gesundheit ...................... ............................. 243 (3) Weitere Ausnahmegründe ....................................................... 243 cc) Nicht-prioritäres Schutzgebiet ....................................................... 244 d) Ausgleichsmaßnahmen ................................ .......................................... 244 e) Potentielles FFH-Gebiet ......................................................................... 245 G. Besondere Anforderungen: Naturschutz ........................................................... 246 I. Naturschutz- und Landschaftsschutzverordnung ............................................. 246 H. Eingriffsregelung (§ 8 BNatSchG) .................................................................. 246 l. Begriff des Eingriffs (§ 8 Abs. 1 BNatSchG) ................................ ............. 246 a) Naturhaushalt ......................................................................................... 246 b) Landschaftsbild ...................................................................................... 247 2. Vermeidungsgebot ...................................................................................... 248 3. Ausgleichsmaßnahme ............................................. .................................... 248 4. Naturschutzrechtliche "Abwägung" (§ 8 Abs. 3 BNatSchG) ..................... 249 a) Abgrenzung zwischen Fachplanung und "Abwägung" ......................... 249 b) Rechtscharakter der "Abwägung" .......................................................... 250 c) Inhalt der naturschutzrechtlichen "Ab wägung" ..................................... 250 5. Ersatzmaßnahme ......................................................................................... 251 H. Ausgleichsmaßnahmen - Ausgleichsleistungen ........... ...................................... 252 I. Verkehrsimmissionen: Ausgleichsleistungen - "Entschädigung" ................... 252 I. Aufwendungsersatz .......... .......................................................... ............. .... 252
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2. "Echte" Entschädigung ............................................................................... 11. Sonstige Schutzanordnungen ............. ,............................................................. I. Anspruch auf Schutzanordnung .......... ........ ............. ........... ................... ..... 2. Anspruch auf Ausgleichsleistung ................................................................ a) Materielle Voraussetzungen ................................................................... b) Verfahren und Entscheidungszuständigkeit ...........................................
252 254 254 255 255 256
I. PIanfeststellungsbeschluß - Plangenehmigung .................................................. 256 I. PIanfeststellungsbeschluß (§ 74 VwVfG) ........................................................ 256 I. Formelle Voraussetzungen .......................................................................... 256 2. Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses - Regelungsgehalt ........................ 257 11. Vorbehalt (§ 74 Abs. 3 VwVfG) ..................................................................... 258 III. Rechtswirkung der Planfeststellung (§ 75 VwVfG) ........................................ 259 IV. Nachbesserung (§ 75 Abs. 2 VwVfG) ............................................................. 259
J. Spezielles Straßenfachplanungsrecht ................................................................. 260 I. Planersetzender Bebauungsplan ....................................................................... 260 11. Plandurchflihrung (§ 17 Abs. 7 FStrG) ............................................................ 261 III. Enteignung und Naturschutz ............................................................................ 262
K. Rechtsschutz in der Straßenfachplanung ........................................................... 262 I. Erstinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG (§ 5 Abs. 1 VerkPBG) .............. 262 11. Allgemeines Rechtsschutzverfahren - Zulässigkeit ......................................... 264 I. Klage- und Klagebegründungsfrist ...... ......... ...... ............. ....................... .... 264 2. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) ........................................................... 264 a) Mögliche Rechtsverletzung .................................................................... 264 b) Klagebefugnis "natürlicher Personen" ................................................... 265 aa) Klagebefugnis des Eigentümers ..................................................... 265 bb) Klagebefugnis obligatorisch Berechtigter ...................................... 265 cc) Klagebefugnis bei Verfahrensbetroffenheit (UVP) ........................ 266 c) Klagebefugnis der Gemeinde ................................................................. 267 aa) Rechtspositionen der Gemeinde ...................................................... 267 bb) Fallbereiche ..................................................................................... 268 cc) Problembereich: Gemeindliches Eigentum .................................... 270 d) Klagebefugnis von Naturschutzverbänden ............................................. 270 aa) Bundesrechtliche Verbandsklage (§ 29 BNatSchG) ...................... 270 bb) Landesrechtliche Verbandsklage .................................................... 271 cc) Sperrgrundstück .............................................................................. 272 dd) Klagebefugnis nach Gemeinschaftsrecht? ...................................... 273 e) Rechtsschutzinteresse - Verwirkung ..................................................... 273 3. Klageanträge ........................................................................................... 273 III. Allgemeines Rechtsschutzverfahren - Begründetheit ..................................... 274 I. Beschränkte gerichtliche Prüfung ............................................................... 274 a) Verwaltungsverfahrensrechtliche Präklusion ........................................ 274 b) Prozessuale Präklusion ............................................ .................... ........... 275
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c) Zeitpunkt der maßgeblichen Rechtslage ........................... ......... ............ 276 Rechtsverletzung (§ 113 Abs. I S. 1, Abs. 5 S. 1 VwGO) ......................... 277 Kausalität des Rechtsfehlers ....................................................................... 277 Beweiserhebung .......................................................................................... 280 Fachplanerische Kausalitätsregelungen - Planerhaltung ............................ 281 a) Erheblichkeitsprufung ............................................................................. 281 b) Planergänzung und ergänzendes Verfahren ............................................ 282 6. Entscheidungsformel ............................................................ ....................... 283 IV. Vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 VwGO .................................................... 283 2. 3. 4. 5.
A. Fachplanungsrecht - Abgrenzungen I. Formeller und materieller Planungsbegriff Planung ist ein konfliktbezogener, bewertender, risikobezogener, prognostischer, schöpferischer Vorgang der Gestaltung; er unterliegt sachimmanenten Gesetzlichkeiten und "vernünftiger" Rationalität. Diese Eigengesetzlichkeit der Planung ist sektoral und situativ, weil sowohl auf bestehende Zustände reagierend (also reaktiv) als auch zielbezogen auf neue Zustände ausgerichtet. Der rechtliche Rahmen, in dem sich das planerische Verhalten zu vollziehen hat, wird durch eine Fülle von Verfahrensnormen, Zielvorgaben, Bewertungsvorgaben, Regelungsverbote und Regelungsinhalte konstituiert. Die Rechtsprechung des BVerwG hat erkannt, daß die "Sachlogik" eine Planung verlangen kann, in der Grundprinzipien formeller und materieller Abwägung anzuwenden sind. 1 Das gilt etwa für "Entscheidungen" im Landbeschaffungsrecht oder im Energieversorgungsrecht. 2 Die Judikatur zum "materiellen" Planungsbegriff ist sporadisch. Die Problemstellung kann hier nicht vertieft werden. Sie hat im Straßenfachplanungsrecht keine eigene Bedeutung erlangt. Es besteht die rechtsstaatliehe Pflicht zu gerechter Abwägung privater und öffentlicher Belange. Die Abwägung der von einem Vorhaben berührten Belange besteht im wesentlichen gerade darin, diese Belange in ihrem Verhältnis zueinander zu gewichten. Diese Gewichtung ist grundsätzlich Ausdruck der
1 Vgl. jüngst BVerwG, Urt. vom 7.12.00 - 4 C 13.99 - Buchholz 11 Art. 28 GG = DVB12001, 395 - Wittstocker Heide (Truppenübungsplatz). 2 Vgl. BVerwG, Urt. vom 21.3.1986 - 4 C 51.83 - BVerwGE 74, 109 (Landbeschaffungsgesetz); Urt. vom 21.3.1986 - 4 C 48.82 - BVerwGE 74, 109 (Enteignungsverfahren).
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planerischen Gestaltungsfreiheit. Auch die Plangenehmigung erfordert die Beachtung des Anspruches auf gerechte Abwägung. 3 Anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses kann gemäß § 74 Abs. 6 VwVfG unter näheren (formellen) Voraussetzungen eine Plangenehmigung treten. Die Fachplanungsgesetze sehen inzwischen zumeist entsprechende Möglichkeiten vor. Die Voraussetzungen weichen im Detail voneinander ab. Das Verfahren soll der Beschleunigung dienen. Hinsichtlich materiell-rechtlicher Bindungen besteht zwischen PIanfeststellungsbeschluß und Plangenehmigung kein Unterschied. Gegen ein Vorhaben eines öffentlichen Planungsträgers, das weder in einem vorgesehenen Planfeststellungsverfahren noch in einem anderen Genehmigungsverfahren behördlich geprüft wurde, stehen dem Betroffenen ein Unterlassungsanspruch und ggf. auch Leistungsanspruche anderer Art zur VerfUgung. 4 Ein Grundeigentümer muß Beeinträchtigungen, die eine Straße durch ihre bestimmungs mäßige Nutzung auslöst, nur dann hinnehmen, wenn für die Herstellung der Straße und die bestimmungsgemäße Nutzung eine ausreichende Rechtsgrundlage gegeben ist. 5
11. Rechtsquellen des Straßenfachpianungsrechts6 Gesetzliche Rechtsquellen sind: Bundesfernstraßengesetz (FStrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.4.1994 (BGB!. I S. 854), zuletzt geän-
3 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 31.10.2000 - 11 VR 12.00 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 51 = NVwZ 2000, 90. 4 BVerwG, Beschl. vom 5.10.1990 - 4 CB 1.90 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10 = NVwZ-RR 1991, 129 (Flughafenausbau Stuttgart); ebenso BVerwG, Urt. vom 14.4.1989 - 4 C 21.88 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 21 = NVwZ 1990, 260 = DVBI 1989, 1051 (Heeresflugplatz). 5 BVerwG, Urt. vom 26.8.1993 -4 C 24.91 - BVerwGE 94, 100 = NVwZ 1994,275 (Bargteheide ). 6 Darstellungen des Fachplanungsrechts sind: H Johlen, Planfeststellungsrecht, Hoppenberg (Hrsg.), Handbuch des öffentlichen Baurechts, Kap. L (Stand: 1999); B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 1998 (mit Nachtrag 1999); E. A. Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 5. Aufl. 1998, S. 409-726; K. Kodal/ H Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, S. 903 ff.; J Kühling / N. Hermann, Fachplanungsrecht, 2. Aufl. 2000; R. Steinberg / Th. Berg / M. Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2000; W Hoppe I H Schlarmann IR. Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl. 2001; ergänzend vgl. die Kommentierungen zu §§ 72 ff. VwVfG.
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dert durch das 4. FStrGÄndG vom 18.6.1997 (BGB\. I S. 1452); das Fernstraßenausbaugesetz (FStrAbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.11. 1993 (BGB!. I S. 1878), ergangen aufgrund Art. 2 des 4. Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes vom 13.11.1993 (BGB!. I S. 1877) und das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (VerkPBG) vom 16.12.1991 (BGB\. I S. 2174), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.12.1999 (BGB!. I S. 2659). Das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz betrifft Bundesstraßen und Schienenwege in den neuen Bundesländern (einschließlich Berlin). Für den Rechtsschutz ist erst- und letztinstanzlich das BVerwG als Tatsachengericht zuständig. Die im VerkPBG enthaltenen "Beschleunigungsregelungen" hat der Bundesgesetzgeber inzwischen weitgehend in das allgemeine Fachplanungsrecht übertragen. Das Gesetz ist auf das Jahr 2004 befristet. Ergänzend sind als Verwaltungsvorschrift die "Richtlinien filr die Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz" - Planfeststellungsrichtlinien [PlafeR 1999] (VkB\. 1999, 511), die "Hinweise zu § 16" (VkB\. 1996,223) und die "Hinweise zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege beim Bundesfernstraßenbau" - HNL-S 99 - (VkB\. 1999,237) zu beachten. Lärmschutzfragen sind durch die Verordnung zur Durchfiihrung des BundesImmissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BlmSchV) vom 12.6.1990 (BGB\. I S. 1036) geregelt. Die Verordnung ergänzt §§ 41,42 BlmSchG. Ergänzt wird die 16. BlmSchV ihrerseits durch die VerkehrswegeSchallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImSchV) vom 4.2.1997 (BGB\. I S. 172), geändert durch Verordnung vom 23.9.1997 (BGB\. I S. 2329). Ergänzend sind die "Richtlinien filr den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes" - VLärrnSchR 97 - (VkB!. 1997, 434) heranzuziehen. Diese sind auch für den Bereich der Lärmsanierung maßgebend.
B. Verfahren der Planfeststellung I. Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde 1. Originäre sachliche Zuständigkeit Die Planfeststellungsbehörde ist nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwVfG zuständig, den Plan festzustellen (Planfeststellungsbeschluß). Die Fachplanungsgesetze enthalten dazu in aller Regel keine näheren Angaben. Daneben sieht das Gesetz eine Anhörungsbehörde vor (vgl. § 73 Abs. 1 VwVfG).
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2. Zuständigkeit bei Zusammentreffen mehrerer Vorhaben (§ 78 VwVfG) § 78 VwVfG eröffnet die Möglichkeit der verfahrensmäßigen Konzentration. Das Ziel ist es, zu einer einheitlichen Entscheidung zu gelangen. Die Notwendigkeit einer nur "einheitlichen Entscheidung" im Sinne des § 78 Abs. 1 VwVfG besteht nicht, wenn planerisch erhebliche Belange des einen Verfahrens· im anderen durch Verfahrensbeteiligung und durch Berücksichtigung etwa im Rahmen planerischer Abwägung - angemessen erfaßt werden. Ein nur materielles Interesse an der planerischen Koordination verschiedener Belange rechtfertigt filr sich nicht, die gesetzliche Verfahrenszuständigkeit zu ändern. 7 Indem die Planfeststellungsbehörde gemäß § 78 VwVfG planerische Aufgaben eines anderen Planungsträgers in zulässiger Weise übernimmt, trifft sie insoweit auch die rechtliche Verantwortung ft1r eine sachgerechte Abwägung. 8 Durch die vom Vorhabenträger mitzuerledigenden Folgernaßnahmen darf die originäre Planungskompetenz ft1r die anderen Anlagen nicht in ihrem Kern angetastet werden. Umgestaltungen dieser Anlagen, die ein eigenes Planungskonzept voraussetzen, müssen daher der eigenverantwortlichen Planung des zuständigen Hoheitsträgers überlassen bleiben. 9 Soweit ein Planungsträger im Rahmen der planerischen Bewältigung der Folgen seines Vorhabens Planungen eines ft1r die Folgernaßnahmen an sich zuständigen anderen Planungsträgers zu berücksichtigen hat, gilt diese Pflicht zur Rücksichtnahme gegenüber hinreichend konkretisierten und verfestigten Planungsabsichten, auch wenn diese noch nicht in rechtsverbindlicher Weise abschließend niedergelegt worden sind. lo
7 BVerwG, Beschl. vom 23.12.1992 - 4 B 188.92 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 20 = NVwZ 1993, 980. 8 Beschl. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 13 = NVwZ 1993,565. 9 BVerwG, Urt. vom 12.2.1988 - 4 C 54.84 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 3 = NVwZ 1989, 153 = DVBI 1988, 843. 10 BVerwG, Beschl. vom 19.12.1989 - 4 B 224.89 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 5 = NVwZ 1990, 463 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 12.2.1988 - 4 C 54.84 Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 3.
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3. Funktionale Zuständigkeit a) Allgemeine Zuständigkeit (Verjahrenskonzentration)
Regelungsbedürftig in einem Planfeststellungsverfahren sind alle Fragen, ohne deren Beantwortung nicht sicher beurteilt werden kann, ob das Vorhaben allen rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen entspricht, einschließlich der Anforderungen, die sich daraus ergeben, daß mit der Feststellung des Plans gegebenenfalls auch weitere öffentlich-rechtliche Gestattungen erteilt werden. 11 b) ZuständigkeitJür Folgemaßnahmen (§ 75 Abs. I S. I VwVjG)
Die in § 75 Abs. 1 S. 1 VwVtG angeordnete Konzentrationswirkung ist nur verfahrensbezogen im Sinne der Konzentration der behördlichen Zuständigkeit (fonnelle Konzentrationswirkung). 12 Die Planfeststellungsbehörde ist nach § 75 Abs. 1 S. 1 VwVtG daher auch befugt, etwa erforderliche bergrechtliche Entscheidungen zu treffen. 13 Ein Unterschied zwischen Bundes- und Landesrecht besteht dabei nicht. 14 Die Planfeststellungsbehörde bleibt - unbeschadet der fonnellen Konzentrationswirkung - an alle Rechtsvorschriften, die außerhalb des engeren Fachplanungsrechts bestehen und einen materiellen Gehalt haben, gebunden. Materiellrechtliche Vorschriften, welche strikte Gebote oder Verbote enthalten, filhren bei ihrer Mißachtung ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Bei anderen materiellrechtlichen Vorschriften, die selbst die Möglichkeit der Ausnahme, der Befreiung oder ähnlich nonnierter Abweichungen eröffnen, ist die Planfeststellungsbehörde befugt, innerhalb der ihr zugewiesenen Zuständigkeit eine entsprechende Entscheidung zu treffen. 15 Die Planungskompetenz der Planfeststellungsbehörde erstreckt sich auf notwendige Folgernaßnahmen an anderen, nicht in die originäre Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde fallenden Anlagen (§ 75 Abs. I S. I VwVtG). NotJ I BVerwG, Urt. vom 26.11.1991 - 7 C 16.89 - Buchholz 45 \.22 AbfG Nr. 45 = NVwZ 1992, 787. 12 BVerwG, Besch!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-1\.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435 zu § 18 b Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. FStrG a.F. 13 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 30.7.1998 - 4 A \.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrGNr. 140 = NVwZ-RR 1999,162. 14 BVerwG, Besch!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 3 I-Ost zwischen Freiburg und Kirchzarten. IS BVerwG, Besch!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-1\.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31-0st zwischen Freiburg und Kirchzarten.
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wendig sind Folgemaßnahmen, wenn ohne sie nachhaltige Störungen der Funktionsflihigkeit anderer Anlagen zu erwarten sind. 16 Wo die Grenze zwischen zulässiger notwendiger Folgemaßnahme und unzulässigem Eingriff in die Kompetenz anderer Planungsträger im einzelnen zu ziehen ist, läßt sich nach Ansicht des BVerwG nicht generell festlegen. Im Planfeststellungsverfahren werden die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden überbrückt. Im Wege der Planfeststellung kann daher je nach den Umständen des Einzelfalls über die Anordnung der zur Ausstattung der Straßen notwendigen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen entschieden werden. Das gilt insbesondere dann, wenn das Straßenbauvorhaben nur zusammen mit einer entsprechenden Beschilderung oder einer Lichtsignalanlage seiner baulichen Bestimmung entsprechend sicher und abwägungsgerecht benutzt werden kann. Die Planfeststellungsbehörde hat bei der Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen die hinreichend konkretisierten und individuell erfaßbaren schutzwürdigen Einzelinteressen der Planbetroffenen zu berücksichtigen. Die Kostentragung ftlr die Leitungsverlegung einer Telekommunikationslinie als notwendige Folgemaßnahme einer Planfeststellung ist in §§ 50, 53, 55, 56 TKG gesondert geregelt. Danach gilt: §§ 55 und 56 TKG regeln Anpassungs- und Folgepflichten sowie Folgekosten nur im Verhältnis zwischen dem Betreiber einer Telekommunikationslinie als Nutzungsberechtigtem und Betreibem "sonstiger Anlagen" als sonstigen Nutzungsberechtigten an dem Verkehrsweg. Die Folgepflichten und -kosten im Verhältnis zwischen dem Wegeunterhaltungspflichtigen und dem Betreiber einer Telekommunikationslinie (Nutzungsberechtigter) bestimmen sich hingegen allein nach § 53 TKG. Eine "Änderung des Verkehrsweges" im Sinne des § 53 Abs. 1 TKG, die eine Folgepflicht zu Lasten einer in der Straße verlegten Telekommunikationslinie auslöst, liegt immer dann vor, wenn in den Bestand des Verkehrsweges baulich eingegriffen wird. Darauf, ob der Verkehrsweg auf Dauer verlegt wird oder sonst einen anderen Zustand erhält, kommt es nicht an. Die Änderung des Verkehrsweges ist von dem Wegeunterhaltungspflichtigen auch dann "beabsichtigt" im Sinne des § 53 Abs. 1 TKG, wenn sie aufgrund einer Planfeststellung ftlr einen anderen Verkehrsweg als notwendige Folgemaßnahme gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG festgestellt und von dem Vorhabenträger dieses Verkehrsweges durchzuftlhren ist!7
16 BVerwG, Urt. vom 12.2.1988 - 4 C 54.84 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 3 = NVwZ 1989, 153 = DVB11988, 843. 17 BVerwG, Urt. vom 1.7.1999 - 4 A 27.98 - BVerwGE 109, 192 = NVwZ 2000, 316=DVBI1999,1519.
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Die formelle Konzentrationswirkung bewirkt, daß die Planfeststellungsbehörde die Befreiung von den Veränderungsverboten einer landesrechtlichen Landschaftsschutzverordnung erteilen kann, wenn dies zur Verwirklichung des Vorhabens nach Landesrecht erforderlich sein sollte. Daß der Planfeststellungsbeschluß keine ausdrückliche Befreiungsentscheidung enthält, ist unschädlich. 18 Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung gemäß § 75 Abs. I S. 1 VwVfG umfaßt die Befreiung von den in einem Landschaftsschutzgebiet geltenden Veränderungsverboten. Sie entbindet nicht von der Beachtung der materiellrechtlichen Befreiungsvoraussetzungen. 19 Der Befreiungsregelung des § 31 Abs. 1 BNatSchG, soweit sie sich auf flächenbezogene Schutzgebietsausweisungen bezieht, liegt die Annahme zugrunde, die Schutzgebietsausweisung werde auch bei Erteilung einer Befreiung fUr ein Einzelvorhaben ihre Funktion jedenfalls fUr den übrigen Bereich des Schutzgebiets weiterhin erftHlen können. Normbezogene Befreiungsregelungen bedingen mithin im Falle ihrer Anwendung den Fortbestand der Norm im übrigen. 20 Die Befreiung darf nicht zur Funktionslosigkeit der Festsetzung filhren.
11. Auslegungs- und Anhörungsverfahren (§ 73 VwVfG) Im Planfeststellungsverfahren ersetzt das in § 73 VwVfG vorgesehene Anhörungsverfahren die in § 28 Abs. 1 VwVfG vorgesehene Beteiligtenanhörung. Abweichende Regelungen können sich im jeweiligen Fachplanungsrecht ergeben. Für das Femstraßenrecht ist dies nicht der Fall. Das Verfahren beginnt mit einem Antrag des Trägers des Vorhabens (§ 73 Abs. 1 VwVfG). Der Antrag enthält einen ausgearbeiteten Plan. Soweit eine UVP erforderlich ist, gilt § 6 UVPG.
1. Behördenstellungnahme (§ 73 Abs. 2 VwVfG) Die Anhörungsbehörde hat die zu beteiligenden Behörden so weit von dem V orhaben zu unterrichten, daß diese erkennen können, ob ihre Zuständigkeit berührt wird und ob es angezeigt ist, sich aus diesem Grunde näher um den In18 BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 = NVwZ-RR 1998,292. 19 BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998, 382 im Anschluß an BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131. 20 BVerwG, Besch!. vom 23.3.1992 - 4 B 218.91 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr.6.
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halt der beabsichtigten Planung zu kümmern. § 73 Abs. 2 VwVfG besagt dagegen nicht, daß die Anhörungsbehörde - von sich aus und damit gleichsam unaufgefordert - den zu beteiligenden Trägem öffentlicher Belange, deren Zuständigkeiten berührt sein könnten, sämtliche Planunterlagen zu übersenden hat. 2 I Soweit ein Träger öffentlicher Belange durch das Vorhaben zugleich in eigenen Rechten betroffen ist, muß er im Rahmen der Betroffenenbeteiligung fristgerecht Einwendungen erheben. Eine Stellungnahme im Rahmen der Behördenbeteiligung reicht dazu jedenfalls dann nicht aus, wenn diese Stellungnahme erst nach Ablauf der Einwendungsfrist bei der Anhörungsbehörde eingeht. 22 2. Beteiligung der Öffentlichkeit und von Privaten a) Auslegung der Unterlagen (§ 73 Abs. 3 VwVjG)
Nach § 73 Abs. 3 S. 1 VwVfG müssen nicht alle Unterlagen, die möglicherweise zur umfassenden Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planung erforderlich sind, ausgelegt werden. Auszulegen sind nur solche, die - aus der Sicht der potentiell Betroffenen - erforderlich sind, um den Betroffenen gerade "ihr" Interesse, Einwendungen zu erheben, bewußt zu machen?3 Ob dazu Gutachten gehören, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls. 24 "Einschlägige Sachverständigengutachten", in die anerkannten Naturschutzverbänden gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 BNatSchG Gelegenheit zur Einsicht zu geben ist, sind nur solche, die unmittelbar naturschutzrechtliche oder landschaftspflegerische Fragen behandeln. 25
21
BVerwG, Besehl. vom 11.4.1995 - 4 B 61.95 - Buehholz 316 § 73 VwVfG Nr. 8
= NVwZ-RR 1997,212.
22 BVerwG, Besehl. vom 9.2.1996 - 11 VR 45.95 - NVwZ 1996, 1021 = DÖV 1996,514 unter Bezug auf BVerwG, Geriehtsbeseheid vom 27.12.1995 - II A 24.95 Buehholz 442.09 § 20 AEG Nr. 4 = NVwZ 1995,895 m.w.N. 23 BVerwG, Urt. vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214; Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buehholz 406.401 § 8 BNatSehG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386. 24 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = NVwZ 1996,381 = DVB11995, 1012 - B 16 (neu) - Regensburg-Roding. 25 BVerwG, Urt. vom 12.11.1997 - II A 49.96 - BVerwGE 105, 348 = NVwZ 1998, 395 = DVBI 1998, 334.
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b) Einwendung und Erörterung (§ 73 Abs. 4 - 6 VwVjG) aa) Auslegung und Einsichtnahme (§ 73 Abs. 5 VwVfG) Die Gemeinden, in denen der Plan auszulegen ist (§ 73 Abs. 3 VwVfG), haben die Auslegung ortsüblich bekanntzumachen. Was als ortsübliche Bekanntmachung im Sinne des § 73 Abs. 5 S. 1 VwVfG anzusehen ist, ergibt sich primär aus den dafiir maßgeblichen Normen des Landes- oder auch des Ortsrechts. Weder das Bundesrecht noch z. B. das Hamburger Landesrecht enthalten übrigens eine Bestimmung, die es ausschließt, daß die Gemeinde bei der ihr obliegenden ortsüblichen Bekanntmachung der Planauslegung den von ihr bekanntgemachten Text als Bekanntmachung der Anhörungsbehörde bezeichnet. bb) Begriffund Inhalt der Einwendung Einwendungen sind "sachliches, auf die Veränderung oder Modifizierung des Vorhabens, flir das die Plan feststellung beantragt ist, abzielendes Gegenvorbringen". Ein bloßes "Nein" genügt danach nicht. Die fiir Fachplanung derzeit zuständigen Senate des BVerwG handhaben allerdings die konkrete Tragweite der Einwendung wohl etwas unterschiedlich. Der 4. Senat (Straßenrecht) scheint in der Deutung der jeweiligen Einwendung zumeist großzügiger als der 11. Senat (Eisenbahnrecht, Luftverkehrsrecht und Wasserrecht). Eine Einwendung - etwa im Sinne des § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG - muß erkennen lassen, in welcher Hinsicht Bedenken gegen die in Aussicht genommene Planfeststellung - aus der Sicht des Einwendenden - bestehen könnten. Das Vorbringen muß so konkret sein, daß die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen sol1. 26 So begibt sich ein Pächter, der im Anhörungsverfahren geltend macht, durch naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen übermäßig belastet zu werden, des Rechts, die Frage nach Standortaltemativen aufzuwerfen, nicht dadurch, daß er keine oder nur einzelne Flächen nennt, die hierfiir in Betracht kommen. Bringt er zum Ausdruck, daß er eine bestimmte Maßnahme auf dem von ihm genutzten Grundstück fiir unzulässig hält, so reicht dies aus, um die Planungsbehörde zu Überlegungen dazu zu veranlassen, ob ein geeigneterer Standort zur Verftlgung steht. Etwas anderes mag gelten, wenn der Betroffene von ihm selbst bewirtschaftete Flächen aus Gründen, die sich der planenden Behörde nicht aufdrängen, ftlr geeigneter hält. 27 Vergreift sich der Grundeigen26 BVerwG, Urt. vom 12.2.1996 - 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 109 = NVwZ 1997, 171 = DVB11996, 684. 27 BVerwG, Urt. vom 1.9.1997 - 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 = NVwZ 1998, 504 = DVB11998, 44.
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tümer in seinem Einwendungsschreiben, was die Flurstücksbezeichnung betrifft, in der Nummer, ist aber aus den Umständen eindeutig ersichtlich, welches Grundstück er meint, ist er hinsichtlich dieses Grundstücks nicht mit den erhobenen Einwendungen ausgeschlossen. 28 Legt der Grundstückseigentümer über die bloße Tatsache der Eigentumsbetroffenheit keine konkrete Interessenbeeinträchtigung dar, so kann er (im Planfeststellungsbeschluß) auch nur eine entsprechend pauschale Auseinandersetzung mit seinen privaten Belangen erwarten. Im gerichtlichen Verfahren beschränkt sich die Prüfung auf die Frage, ob der Beklagte das Interesse des Klägers, von einer Eigentumsinanspruchnahme verschont zu bleiben, abwägungsfehlerhaft hinter die fUr das Vorhaben ins Feld gefUhrten Belange zurückgesetzt hat. 29 cc) Fristgebundene Einwendung Einwendungen gegen den Plan, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, sind ausgeschlossen (§ 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG). Entsprechende fachplanungsgesetzliche Regelungf!n enthalten nahezu wortgleich u. a. § 17 Abs.4 S. 1 FStrG, § 20 Abs. 2 S. 1 AEG, § 17 Nr. 5 S. 1 HS. 1 WaStrG; § 10 Abs.4 S. 1 LuftVG. Der Ausschluß der Einwendung nach § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG tritt gemäß § 17 Abs. 4 S. 2 FStrG nur ein, wenn in der Bekanntmachung der Auslegung oder der Einwendungsfrist auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde. Entscheidet sich eine Gemeinde fUr die Bekanntmachung durch Anschlag an der Verkündungstafel (Aushang an der Tafel des Rathauses), so wird die sich daran anknüpfende Rechtsfolge der Präklusion nicht dadurch in Frage gestellt, daß zugleich ein verkürzter Hinweis auf den Aushang im Amtsblatt der Gemeinde veröffentlicht wird. 30 Die Bestätigung einer Gemeinde, sie habe den Hinweis nach § 17 Abs. 4 S. 2 FStrG bekanntgemacht, ist beweisrechtlich in tatsächlicher Hinsicht nach § 98 VwGO, §§ 417,418 Abs. 1 ZPO zu beurteilen. ll Einwendungen nach Ablauf der Auslegungsfrist müssen nicht berücksichtigt werden (materielle Präklusion). Es gibt keinerlei subjektives Recht auf ihre Beachtung. Auslegungsfrist im Sinne des § 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG ist gemäß § 73 Abs.3 S. 1 VwVfG gerade die in der jeweiligen Gemeinde, in der der BetroffeBVerwG, Urt. vom 23.8.1996 - 4 A 30.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 122. BVerwG, Urt. vom 23.8.1996 - 4 A 30.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 122. 30 BVerwG, Urt. vom 14.6.1996 -4 A 3.96 - NVwZ-RR 1997,340 -Auerswalde an der Autobahn A 4. 31 BVerwG, Urt. vom 24.5.1996-4 A 38.95- Buchholz407.4 § 17 FStrG Nr. 119= NVwZ 1997,489 = DVB11997, 51 mit Bespr. D. So/veen, DVB11997, 803-809. 28 29
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ne ortsansässig ist oder in der sein Grundstück liegt, vorgesehene und durch Bekanntmachung ausgelöste konkrete Frist. 32 Die Planfeststellungsbehörde ist nicht gehindert, eine verspätete Einwendung von Amts wegen als Anregung aufzufassen. Die Anhörungsbehörde ist nicht befugt, die gesetzlichen Auslegungs- und Einwendungsfristen abweichend zu bestimmen.33 Der Einwendungsausschluß erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren. 34 Auf die Wirkung des gesetzlichen Einwendungsausschlusses kann die Anhörungsbehörde nicht mit der Folge verzichten, daß die verspätet erhobenen Einwendungen klageflihig werden. 35 Bei unverschuldeter Fristsäumnis und zur Vermeidung ungewöhnlicher Härten kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erwogen werden. 36 Wer z. B. auf eine fehlerhaft zugestandene Fristverlängerung vertraut, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten. Nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses ist ein derart Betroffener im gerichtlichen Verfahren so zu stellen, wie er mit seinen verspäteten Einwendungen stünde, wenn er nicht präkludiert wäre. Nach einer frühen Entscheidung des BVerwG kann der Betroffene, der durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zuftllle an der Einhaltung der Einwendungsfrist verhindert war, nach Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses nur noch erreichen, daß im Planfeststellungsbeschluß nachträglich Schutzauflagen festgesetzt werden. 37 dd) Mitwirkung des Naturschutzverbandes (§ 29 Abs. I BNatSchG) Das Beteiligungsrecht eines anerkannten Naturschutzverbandes gemäß § 29 Abs. I S. I Nr. 4 BNatSchG ist nicht nur dann verletzt, wenn eine gebotene Beteiligung unterblieben ist, sondern auch dann, wenn der Verband nicht ausreichend beteiligt worden ist. 38 Die anerkannten Naturschutzverbände sind erneut 32 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 16.3.1998 - 4 A 31.97 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 27 = NuR 1998, 647 zu § 17 Abs. 4 FStrG. JJ BVerwG, Gerichtsbescheid vom 30.7.1998 - 4 A 1.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 140 = NVwZ-RR 1999, 162 zu § 17 Abs. 4 FStrG. 34 BVerwG, Urt. vom 12.2.1996 - 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 109 = NVwZ 1997,171 = DVBI 1996,684. JS BVerwG, Beschl. vom 18.9.1995 - 11 VR 7.95 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 13 = NVwZ 1996,399 unter Bezug auf BVerwG, Beschl. vom 13.3.1995 - 11 VR 2.95 - Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 3 = NVwZ 1995,905. 36 BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119 = NVwZ 1997,489 = DVB11997, 51 mit Bespr. D. So/veen, DVB11997, 803-809. 37 BVerwG, Urt. vom 6.8.1982 - 4 C 66.79 - BVerwGE 66,99 = NVwZ 1984,441 zu § 19 Abs. 3 WaStrG. 38 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 19.95 - BVerwGE 102,358 = NVwZ 1997, 905 = DVB11997, 714.
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zu beteiligen, wenn es die Planfeststellungsbehörde fUr notwendig erachtet, neue, den Naturschutz betreffende Untersuchungen anzustellen, die Ergebnisse in das Verfahren einzufilhren und die Planungsentscheidung darauf zu stützen. 39 ee) Erörterungstermin (§ 73 Abs. 6 VwVfG) Die Planfeststellungsbehörde kann verspätet erhobene Einwendungen ohne weiteres als "Anregung" auffassen. Dadurch eröffnet sie aber keine Klagemöglichkeit. c) Erneute Auslegung (§ 73 Abs. 8 VwVjG)
§ 73 Abs. 8 VwVfG erfaßt nur solche Änderungen eines ausgelegten Plans, die das Gesamtkonzept der Planung nicht berühren und die Identität des Vorhabens wahren. 40 Im vereinfachten Planänderungsverfahren nach § 73 Abs. 8 VwVfG müssen Dritte beteiligt werden, wenn sie von den Folgen der beabsichtigten Planänderung unmittelbar betroffen werden. 41 Werden erst nach Abschluß des gemäß § 73 Abs. 4 VwVfG durchgefilhrten Anhörungsverfahrens z. B. neue Planungs alternativen bekannt, so ist ein weiteres Anhörungsverfahren nur dann geboten, wenn es geeignet ist, den Umfang oder die Art der Betroffenheit von Beteiligten in von dem Vorhaben berührten Belangen und die Möglichkeiten der Abhilfe in einem grundlegend anderen Licht erscheinen zu lassen. 42 3. Besonderheiten nach dem VerkPBG Für alle Vorhaben, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, findet die Einbeziehung der Öffentlichkeit im Planfeststellungsverfahren statt (§ 2
39 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 19.95 - BVerwGE 102,358 = NVwZ 1997, 905 = DVB11997, 714 -Autobahn A 7. 40 BVerwG, Urt. vom 2.2.1996 - 4 A 42.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 108 = UPR 1996, 235 = NVwZ 1996, 905; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buehholz 406.401 § 8 BNatSehG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386. 41 BVerwG, Besehl. vom 12.6.1989 - 4 B 101.89~ Buehholz 316 § 73 VwVfG Nr. 3 = NVwZ 1990, 366. 42 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = DVB11997, 708.
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Abs. 2 S. 1 VerkPBG). Das gilt auch fiIr eine UVP oder fiIr ein Raumordnungsverfahren, das dem Planfeststellungsverfahren vorausgeht. 43 Eine Anhörung der ortsansässigen Planbetroffenen durch individuelle Benachrichtigung ist gemäß § 3 Abs. 2 VerkPBG nicht erforderlich. Diese speziellere Bestimmung geht gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG dem § 28 VwVfG vor. § 3 Abs. 2 VerkPBG geht davon aus, daß die ortsübliche Bekanntmachung der Planauslegung ausreicht, um die ortsansässigen Betroffenen auf die Planung hinzuweisen; eine individuelle Benachrichtigung ist daneben nicht erforderlich. 44 Nach § 3 Abs. 2 S. 3 VerkPBG sollen nicht ortsansässige Betroffene, deren Person und Aufenthalt bekannt ist, auf Veranlassung der Anhörungsbehörde von der Auslegung mit dem Hinweis auf § 73 Abs. 5 S. 2 VwVfG benachrichtigt werden. § 3 Abs. 2 S. 3 VerkPBG schränkt die Pflicht zur gesonderten Benachrichtigung nicht ortsansässiger Betroffener von der Auslegung des Plans auf diejenigen Betroffenen ein, deren Person und Aufenthalt der Anhörungsbehörde oder der Gemeinde bekannt sind; daß sich diese Daten innerhalb angemessener Frist ermitteln lassen, reicht nicht aus. 4S Eine unterbliebene Benachrichtigung kommt einem nicht ortsansässig betroffenen Kläger nicht zugute, wenn er während des Laufs der Einwendungsfrist jedenfalls Einsicht in die Planungsunterlagen genommen hat. 46 4. Grundsatz des fairen Verwaltungsverfahrens Das BVerwG hat unabhängig von Ausschluß- und Befangenheitsgrilnden den Grundsatz des fairen Verwaltungsverfahrens entwickelt. 47 Die Mitwirkung eines ausgeschlossenen Amtsträgers am Zustandekommen eines Planfeststellungsbeschlusses hat, soweit eine konkrete Möglichkeit eines Einflusses des Fehlers auf die Sachentscheidung besteht, zugleich auch eine Verletzung der
43 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVB12001, 386. 44 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 28.95 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 7 = NJW 1996,2113 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 16.8.1995 - 11 A 2.95 - RdL 1995,315. 45 BVerwG, Beseht. vom 27.10.1997 -11 VR 4.97 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr.17=DÖV 1998,341. 46 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 16.3.1998 - 4 A 31.97 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 27 = NuR 1998,647. 47 BVerwG, Urt. vom 5.12.1996 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 = NVwZ 1987, 578.
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bei der Abwägung zu berücksichtigenden naturschutzrechtlichen Belange zur Folge. 48
III. Fehlerbeseitigung Die Planfeststellungsbehörde kann - unter Wiederholung früherer Verfahrensabschnitte - jederzeit einen von ihr erkannten oder auch nur als möglich unterstellten Mangel beseitigen. Das gilt sowohl fi1r formelle als auch fi1r materielle Mängel. 49 Hält die Planfeststellungsbehörde einen noch nicht bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluß fi1r fehlerhaft und nimmt sie das Verfahren deshalb wieder auf und fUhrt es (erneut) zu Ende, so liegt ein einheitliches Planfeststellungsverfahren vor. so
C. Materiell-rechtliche Anforderungen der Planfeststellung Die Planfeststellungsbehörde hat zunächst zu prüfen, ob der beantragten Planfeststellung zwingende Versagungsgründe entgegenstehen. Bindungen können sich fiir sie insoweit nicht nur aus den Bestimmungen des Fachplanungsrechts, sondern auch aus sonstigen Rechtsvorschriften ergeben. Aus dem Kreis der im Zeitpunkt der Entscheidung gültigen materiellen Vorschriften können nicht bloß diejenigen Regelungen Verbindlichkeit beanspruchen, die vor der Auslegung der Plan unter lagen in Kraft getreten sind. Beispielsweise ist die nachträgliche rechtsilirmliche Erklärung eines Waldes zu Erholungswald, die nach § 33 LWaldG Rechtsnormqualität besitzt, gleichviel, ob sie in der Form einer gemeindlichen Satzung oder einer forstbehördlichen Rechtsverordnung erfolgt, zu beachten. sl
48 BVerwG, Urt. vom 18.12.1987 - 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 = NVwZ 1988, 527 = DVBI 1988, 492. 49 BVerwG, Urt. vom 31.3.1995 - 4 A 1.93 - BVerwGE 98, 126 = NVwZ 1995, 901 = DVBI 1995, 1007 in Ergänzung zu BVerwG, Urt. vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 BVerwGE 75, 214 (218 f., 227). so BVerwG, Urt. vom 12.12.1996-4C 19.95-BVerwGE 102, 358 = NVwZ 1997, 905 = DVBI 1997,714 - Autobahn A 7. SI BVerwG, Besehl. vom 22.6.1993 - 4 B 45.93 - VkBl 1995,210.
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I. Behördeninterne Bindungen 1. Raumordnung Die Planfeststellung hat Ergebnisse eines Raumordnungsverfahrens zu berücksichtigen. Enthält eine fachrechtliche Zulassungsnorm eine Raumordnungsklausei, so erstreckt sich die Prüfung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen auch darauf, ob die raumordnungsrechtlichen Vorgaben wirksam sind. 52 Das ist im Straßenrecht fiir die Bestimmung der Linienfiihrung der Fall (vgl. § 16 Abs. 2 S. 1 FStrG). Die raumordnerische Beurteilung besitzt keine Außenrechtsverbindlichkeit. Sie hat regelmäßig keine rechtliche Außenwirkung auf den Vorhabenträger. Daher ist eine Gemeinde, deren Planungshoheit durch die geplante Errichtung verletzt sein kann, nicht befugt, die in einem Raumordnungsverfahren ergehende positive raumordnerische Beurteilung mit der verwaltungsgerichtlichen Klage anzugrel'fien. 53 Ist auf der Ebene der Raumordnung oder der Landesplanung zu einem Problemkreis eine Letztentscheidung nicht getroffen worden, so entsteht keine Bindung. Um als Ziel im Sinne des ROG eine Beachtenspflicht auszulösen, bedarf es zudem einer Festlegung, die hinreichend konkret und bestimmt ist. Bereits aus der Formulierung muß sich ergeben, daß es sich um eine verbindliche Handlungsanweisung mit Letztentscheidungscharakter und nicht um eine bloße Anregung oder eine Abwägungsdirektive handelt, die einer weiteren abwägenden Konkretisierung und Ausformung durch den zuständigen Planungsträger zugänglich ist. 54 2. Linienbestimmung (§ 16 FStrG) Die Linienbestimmung (§ 16 FStrG) ist ein behördeninterner Vorgang, mit dem der Bundesminister ftlr Verkehr planerischen Einfluß auf die Wahrnehmung der den Ländern in Auftragsverwaltung obliegenden Aufgabe der bundesgesetzlichen Ausbauplanung nimmt. Sie geht inhaltlich in die nachfolgende Planfeststellung ein und unterliegt nur mit ihr der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Der Bedarfsplan des Fernstraßenausbaugesetzes enthält noch keine Bestimmung der Linienftlhrung der Fernstraßen im Sinne von § 16 FStrG, son52 BVerwG, Beschl. vom 7.11.1996 - 4 B 170.96 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 13 = NVwZ-RR 1997, 523 = DVBI 1997, 434. 53 BVerwG, Beschl. vom 30.8.1995 - 4 B 86.95 - Buchholz 406.13 § 6a ROG Nr. 1 = NVwZ-RR 1996, 67. 54 BVerwG, Beschl. vom 22.6.1993 - 4 B 45.93 - VkBI 1995, 210.
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dem lediglich die Darstellung des zusammenhängenden Verkehrsnetzes, das einem weiträumigen Verkehr dienen soll.55 Durch die Linienbestimmung wird die LinienfUhrung der Straße nur im allgemeinen bestimmt, "nämlich nur in ihrem grundsätzlichen Verlauf zwischen den vorgesehenen Anfangs- und Endpunkten und daher auch nur in ihrer ungeflihren Lage zu berührten und benachbarten Ortschaften und Grundstücken". 56 Im Verfahren der Linienbestimmung ist mit einem dieser Planungsebene angemessenen Maßstab gesamtvorhabenbezogen zu prüfen, ob die Gründe, die ftIr die Planung sprechen, so gewichtig sind, daß sie die Beeinträchtigung der entgegenstehenden Belange unter Einschluß der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege rechtfertigen. 57 Der Planfeststellungsbehörde bleibt daher noch ein (weiter) Spielraum filr die konkrete Trassenführung und die Festlegung der Ausbaumerkmale. 58 Die Linienbestimmung gehört weder formal noch materiell zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Planfeststellung. 59 Die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde muß vielmehr aus sich selbst heraus den rechtlichen Anforderungen genügen. 60 Der Planfeststellungsbeschluß ist daher nicht allein deshalb fehlerhaft, weil ihm kein Linienbestimmungsverfahren vorausgegangen ist oder weil die Planfeststellungsbehörde von der festgelegten Linie abgewichen ist. Abwägungsmängel auf der Stufe der Linienbestimmung schlagen auf ein nachfolgendes Planfeststellungsverfahren durch und können, sofern sie nicht intern durch Remonstration der Planfeststellungsbehörde behoben werden, von Planbetroffenen geltend gemacht werden. 61 Umgekehrt läßt sich die Planung Dritten gegenüber nicht allein damit rechtfertigen, daß sie den ministeriellen Vorgaben der Linienbestimmung entspricht.
55 BVerwG, Besch!. vom 22.9.1997 - 4 B 147.97 - Buchholz 406.251 § 2 UVPG Nr. 5 =NVwZ-RR 1998,300. 56 BVerwG, Urt. vom 26.6.1981 - 4 C 5.78 - BVerwGE 62,342 = NJW 1981,2592 = DVBI 1981,936. 57 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVB11997, 1115. 58 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 = NVwZ 1996, 1011. 59 BVerwG, Besch!. vom 15.5.1996 - 11 VR 3.96 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 13 = NVwZ-RR 1996, 557 = DVBI 1996, 925. 60 BVerwG, Besch!. vom 29.11.1995 - 11 VR 15.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7 = NVwZ 1997, 165 unter Bezug auf BVerwG, Besch!. vom 22.6.1993 - 4 B 45.93 - VkB11995, 210. 61 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVB11997, 1115.
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3. Ausbau- und Bedarfsgesetz Der Bundesgesetzgeber hat 1993 fUr den Straßenverkehr ein Bedarfsgesetz erlassen, das textuell und zeichnerisch einen "vordringlichen Bedarf" festlegt. Das Gesetz enthält teilweise behördeninterne, teilweise materiell-rechtlich strikte Bindungen. Sie werden erst nachfolgend behandelt. Die gesetzliche Bedarfsplanung konkretisiert vor allem den Gemeinwohlbezug in Form politischer Leitentscheidung. 62
11. Strikte (materiell-rechtliche) Rechtsbindungen Fälle einer strikten Rechtsbindung, die jedenfalls durch plarierische Abwägung nicht oder nur teilweise "überwunden" werden kann, sind in den nachfolgenden Bereichen enthalten: I. Planrechtfertigung, 2. Bedarfsgesetze, 3. Gebot der Realisierungsflihigkeit, 4. Verkehrs lärm schutz, 5. EG-Habitatschutz, 6. Naturschutz (§ 8 BNatSchG). Daran ändert nichts, daß im Lärmschutz, im Habitatschutz und im Naturschutz teilweise auch "weiche" Lösungen möglich sind.
1. Planrechtfertigung a) Allgemeine Zielsetzung
Jede Fachplanung bedarf nach ungeschriebenem Recht der "PIanrechtfertigung". Diese ist nach einer klassischen Formel gegeben, wenn das projektierte Vorhaben "vernünftigerweise geboten" ist. 63 Die Ausdrucksweise fUhrt immer wieder zu Mißverständnissen. Was im einzelnen gemeint ist, ist in der Tat kritisch. Im Schrifttum ist bezweifelt worden, ob dieses Erfordernis überhaupt ein sinnvolles Kriterium sei. Die neuere Rechtsprechung des BVerwG thematisiert 62
1060.
Vgl. BVerfG (Kammer), Beschl. vom 8.6.1998 - I BvR 830 / 98 - NVwZ 1998,
63 BVerwG, Urt. vom 14.2.1972 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48,56; Urt. vom 6.12. 1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282. 11 Ziekow
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diese Frage kaum noch. Das BVerwG eröffnet sich mit der Prüfung der "Planrechtfertigung" einen nicht abwägungsbezogenen Kontrollmaßstab. 64 Es geht der Sache nach um eine Kontrolle legitimer Ziele. Als Planrechtfertigung kann - sinnvoll - daher die Frage verstanden werden, ob das Vorhaben der Zielsetzung des jeweiligen Fachplanungsgesetzes entspricht. So ist beispielsweise der Bau einer Autobahnanschlußstelle fernstraßenplanungsrechtlich gerechtfertigt dann, wenn er zur Deckung des mit den landesplanerischen Zielsetzungen Hand in Hand gehenden verkehrsmäßigen Aufschließungsbedürfuisses "vernUnftigerweise geboten" ist. Die zu berücksichtigende planerische Vorentscheidung filr den Bau einer aus regionaler Sicht filr erforderlich gehaltenen Autobahnanschlußstelle kann auch aus dem regionalen Raumordnungsprogramm eines Landkreises hervorgehen. 65 b) Planrechtfertigung durch gesetzliche Bedarftplanung
Die Aufuahme von Bau- oder Ausbauvorhaben in einen gesetzlichen Bedarfsplan konkretisiert mit bindender Wirkung auch filr die VerwaItungsgerichte die sog. Planrechtfertigung. 66 Der Gesetzgeber entscheidet allerdings verbindlich nicht nur über die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Zielsetzungen des § lAbs. 1 FStrG, sondern auch über das Bestehen eines Bedarfs. 67 Der Bedarfsplan nach dem Fernstraßenausbaugesetz bindet mit der Feststellung der Zielkonformität und des Bedarfs (§ 1 Abs. 2 S. 1 und 2 FStrAbG) auch, soweit er Einzelheiten bestimmt. 68 Daß beispielsweise eine Anschlußstelle im Bedarfsplan filr die Bundesfernstraßen nicht ausgewiesen ist, darf allerdings
64
Vgl. Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2000, S. 196 ff.; H. D. Ja-
rass, Die materiellen Voraussetzungen der Planfeststellung in neuerer Sicht, DVBI
1998, 1201 (1204). 65 BVerwG, Beschl. vom 14.4.1997 - 4 B 30.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 129 = NVwZ 1997,992. 66 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98,339 = NVwZ 1996, 381 - B 16 (neu) - Regensburg-Roding; Beschl. vom 5.12.1996 - 11 VR 8.96 - NVwZ-RR 1997, 339 zum Bundesschienenwegegesetz (BSWAG) unter Bezug auf BVerfD (Kammer), Beschl. vom 19.7.1995 - 2 BvR 2397 / 94 - NVwZ 1996,261. 67 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100,388 = NVwZ 1997, 169 = DVBI 1996,914. 68 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVBI 1996,915 = NVwZ 1997,493 (hier: Trennung des Verkehrs auf einem Autobahnring durch eine zusätzliche Tangentialverbindung zu einer auf den Ring filhrenden Autobahn; Autobahnring München mit Eschenrieder Spange); Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100,370 = NVwZ 1996, 1016 = DVBI 1996,907 mit Anm. B. W Wegener, ZUR 1996, 324-326; W Erbguth, Das Bundesverwaltungsgericht und die Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 1997,261-267.
Die neuere Rechtsprechung des BVerwG zum Straßenfachplanungsrecht
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umgekehrt nicht als Anhaltspunkt dafilr gewertet werden, dem Vorhaben fehle es an der erforderlichen Planrechtfertigung. 69 c) Kontrolle der gesetzlichen Planrechtfertigung
Die Bindungswirkung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung filr ein in den Bedarfsplan nach dem Fernstraßenausbaugesetz aufgenommenes Straßenbauvorhaben schließt es aus, im Planfeststellungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren die zugrundeliegende Kosten-Nutzen-Analyse unbeachtet zu lassen und eine erneute PrUfung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses zu fordern. 70 Der Gesetzgeber kann das Instrument des verkehrlichen Ausbaus auch benutzen, um die wirtschaftliche Infrastruktur eines Gebietes zu fördern. 71 Es ist z. B. verfassungsrechtlich zulässig, mit dem Bau einer Bundesautobahn nicht nur einen vorhandenen oder erwarteten Verkehrsbedarf zu befriedigen. Bestehen deutliche Zweifel daran, daß mit der Aufuahme eines Vorhabens in den Bedarfsplan die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens überschritten sind, hat ein Verwaltungsgericht dem nachzugehen und - im Falle der Bestätigung - die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Aufuahme des Vorhabens in den Bedarfsplan dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. 72 Das BVerwG ist äußerst zurUckhaltend mit einer derartigen Annahme: Der Bundesgesetzgeber hat mit § 4 Abs. I FStrAbG zur ÜberprUfung der gesetzlichen Bedarfsfeststellungen eigene Kontroll- und Anpassungsregeln geschaffen. Der dabei begründete Turnus von fünf Jahren schließt ein richterliches Eingreifen im Grundsatz aus. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn die Ausgangslage sich zwischenzeitlich so gravierend verändert hat, daß das angestrebte Planungsziel unter keinen Umständen auch nur annähernd noch erreicht werden kann. 73 Das BVerwG hat dies bislang in keinem Falle angenom-
69 BVerwG, Besch!. vom 14.4.1997 - 4 B 30.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 129 = NVwZ 1997,992. 70 BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 = NVwZ-RR 1998, 292. 71 BVerwG, Besch!. vom 17.2.1997 - 4 VR 17.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127 = NuR 1998, 305; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. vom 22.3.1985 - 4 C 15.83 - BVerwGE 70, 242; Urt. vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123; Urt. vom 26.3.1998 - 4 C 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137; ferner BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998, 382. 72 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = NVwZ 1996,381 (388) = DVBI 1995, 1012 - B 16 (neu) - Regensburg-Roding. 73 BVerwG, Urt. vom 27.11.1996 - 11 A 99.95 - Buchholz 316 § 78 VwVfG Nr. 8 = NVwZ 1997,684.
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men. Der Verkehrs bedarf fllr ein in den Bedarfsplan aufgenommenes Vorhaben (z. B. fllr eine Ortsumgehung) wird nicht bereits dadurch in Zweifel gezogen, daß auf Landesebene entwickelte zusätzliche Zielvorstellungen fllr das Straßenbauvorhaben nachträglich wegfallen. 74 Werden der Planrechtfertigung auf der Grundlage teilweise abweichender Prognosen über die Entwicklung ·der Verkehrsströme Bedenken insbesondere in bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme, die sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln und die hohe Umweltbelastung entgegenhalten, so ist dies noch nicht geeignet, ausreichende Anhaltspunkte rur eine Überschreitung des gesetzgeberischen Ermessens bei der Aufnahme der Projekte in die Bedarfspläne zu liefern.7s Der Bedarfsplan fllr den Fernstraßenausbau wie auch die Aufnahme eines Fernstraßenausbauvorhabens in den Bedarfsplan bedarf nicht der UVP nach Maßgabe des UVPG. Auch die UVP-RL verlangt dies nicht. 76 Die Bindungswirkung des § 1 Abs. 2 S. 1 FStrAbG ist vielmehr mit der UVP-RL vereinbar. 77 2. Gesetzliche Bedarfsfestsetzung a) Allgemeines
Der Bundesgesetzgeber hat den Bedarf mit bindender Wirkung auch fllr die zur Rechtmäßigkeitskontrolle von Planfeststellungen berufenen Gerichte konkretisiert. 78 Dabei gilt: Auch eine in den Bedarfsplan nicht aufgenommene Maßnahme kann den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG entsprechen, aber eben nicht in der nach dem Willen des Gesetzgebers nach dem Fernstraßenausbaugesetz (FStrAbG) vorrangig in Betracht zu ziehenden und nur aufgrund entgegenstehender Belange zu überwindenden Weise. 79 Auch aus § 6 FStrAbG folgt nicht, daß eine im Bedarfsplan nicht (so) enthaltene Maßnahme stets einer 74 BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 = NVwZ-RR 1998, 292. 75, BVerwG, Besehl. vom 9.9.1996 - 11 VR 31.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 17 = NVwZ-RR 1997,210 unter Bezug auf BVerwG, Beschl. vom 26.4.1996 - 11 VR 47.95 - Buchholz 316 § 78 VwVfG Nr. 7 = NVwZ 1996, 1103. 76 BVerwG, Besehl. vom 22.9.1997 - 4 B 147.97 - Buchholz 406.251 § 2 UVPG Nr. 5 = NVwZ-RR 1998,300. 77 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998-4 C 1 1.96-Buehholz 407.4 § 17 FStrGNr. 138 = NVwZ 1999, 528 zu VGH München, Urt. vom 14.6.1996 - 14 8 A 94.40129 - NuR 1997,45. 78 BVerwG, Besehl. vom 5.12.1996 - 11 VR 8.96 - NVwZ-RR 1997, 339 zum Bundesschienenwegegesetz (BSWAG) unter Bezug auf BVerfG (Kammer), Besehl. vom 19. Juli 1995 - 2 BvR 2397 / 94 - NVwZ 1996,261. 79 BVerwG, Besehl. vom 26.8.1996 - 4 B 67.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.120=NVwZ-RR 1997,84.
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Planrechtfertigung entbehrt. § 6 FStrAbG bezieht sich, wie sich aus § 5 FStrAbG ergibt, auf die Straßenbaupläne des Straßenbau finanzierungs gesetzes und hat daher Bedeutung fUr die Finanzplanung, nicht aber ftlr die materielle Zulässigkeit einer Maßnahme. 80 b) Umfang und Relativität der Bindung
Die zeichnerische Darstellung, die einem Bedarfsplan eines verkehrlichen Bedarfsgesetzes beigefUgt ist, legt eine bestimmte Bedarfsstruktur fest, etwa hinsichtlich des Verkehrsbedarfs und hinsichtlich der Netzverknüpfungen. 8i Die im Bedarfsplan festgestellte Art der NetzverknUpfung darf auf den nachfolgenden Planungsstufen nicht ignoriert werden. Eine weitergehende Bindungswirkung besteht allerdings nicht. 82 Das BVerwG schwankt hinsichtlich des Grades der Bindung gerade an die zeichnerisch dargestellte Trassenwahl: Das Gericht meint zum einen, die in der zeichnerischen Darstellung erkennbare Bedarfsstruktur sei als gesetzgeberische Wertung in der planerischen Abwägung der Trassenwahl zu berücksichtigen. 83 Zum anderen fUhrt das Gericht aus, die Darstellung nehme - auch wenn sie detailgetreu ennittelbar sei - nicht (unbedingt) an der Bindung des Bedarfsgeserzes tei1. 84 Die Bindungswirkung der gesetzlichen Feststellung eines Verkehrsbedarfs durch den Bedarfsplan nach dem Fernstraßenausbaugesetz (§ lAbs. 2 FStrAbG) erstreckt sich auch auf die im Bedarfsplan vorgesehene Dimensionierung der Straße. 85 Die Aufnahme eines zweistreifigen Ausbaus in den Bedarfsplan bedeutet demnach, daß insoweit der Bedarf vom Gesetzgeber verbindlich festgelegt ist. 86 Die Aufnahme einer bestimmten Straßenbaumaßnahme in den Bedarfsplan des Fernstraßenausbaugesetzes hindert die Planfeststellungsbehörde nicht dar80 BVerwG, Beschl. vom 26.8.1996 - 4 B 67.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 120 = NVwZ-RR 1997,84. 81 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996-4 C 29.94-BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = DVB11997, 708. 82 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVB12001, 386. 83 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996-4C29.94-BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = DVBI 1997, 708 - Autobahn A 7. 84 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 = NVwZ 1997, 908 = DVB11997, 708 - Autobahn A 7. 8S BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998,382 im Anschluß an BVerwGE 100,370 (385) = NVwZ 1996, 1016 = DVBI 1996,907. 86 BVerwG, Beschl. vom 26.8.1996 - 4 B 67.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 120 = NVwZ-RR 1997,84.
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an, sich im Rahmen einer ordnungsgemäßen AbwägungfUr eine vom Bedarfsplan abweichende Maßnahme zu entscheiden. 87 Mit der Aufnahme z. B. eines zweistreifigen Ausbaus in den Bedarfsplan ist nicht die - gesetzliche - Aussage verbunden, daß fUr einen vierstreifigen Ausbau der Sache nach kein Bedarf besteht. Entscheidet sich die Planfeststellungsbehörde nach sachgerechter Abwägung im Einzelfall fUr einen vom Bedarfsplan abweichenden Ausbau, dann verstößt sie damit nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. 88 Die Bindungswirkung schließt nicht aus, daß das Vorhaben als Ganzes oder in der vorgesehenen Dimensionierung an Belangen scheitert, die nach den Anforderungen des Abwägungsgebots größeres Gewicht haben als die Erftlllung des festgestellten Bedarfs. 89 Die Aufnahme eines Vorhabens in den Bedarfsplan hindert die Planungsbehörde daran, den Verkehrsbedarf im Rahmen des Abwägungsgebots zu verneinen, entbindet sie aber nicht von der Prüfung entgegenstehender öffentlicher oder privater Belange. 9O Daß fUr den Bau einer Bundesfernstraße nach der Wertung des Gesetzgebers ein Verkehrsbedarfbesteht, enthebt die Planungsbehörden auf den nachfolgenden Planungsstufen ferner nicht der Prüfung, ob in der Abwägung unüberwindliche Belange dazu nötigen, von der Planung Abstand zu nehmen ("Null-Variante ).91 U
3. Gebot der Realisierungsfähigkeit Einer Planung, die nicht verwirklicht werden kann, fehlt es an der erforderlichen Rechtfertigung; sie ist rechtswidrig. 92 So verfehlt eine straßenrechtliche Planung, die sich im nachfolgenden Streckenabschnitt objektiv vor nicht über-
87 BVerwG, Beseht. vom 26.8.1996 - 4 B 67.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 120 = NVwZ-RR 1997, 84. 88 BVerwG, Beseht. vom 26.8.1996 - 4 B 67.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 120 = NVwZ-RR 1997,84. 89 BVerwG, Urt. vom 26.3 .1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998, 382 im Anschluß an BVerwGE 98, 339 (353) = NVwZ 1996,381 = OVBI 1995,1012; BVerwGE 100,238 (254) = NVwZ 1996,788 = OVB11996, 677. 90 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = OVBI 1996, 677 in Fortfilhrung BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 102; Urt. vom 20.5.1999 - 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = OVB12001, 386. 91 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = OVBI 1997, 1115; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = OVB12001, 386. 92 BVerwG, Urt. vom 20.5.1999-4 A 12.98 -Buchholz407.4 § 17 FStrGNr. 154 = NVwZ 2000, 555 = OVB11999, 1514 unter Bezug aufBVerwG, Urt. vom 24.11.19894 C 41.88 - BVerwGE 84,123 (128) = NVwZ 1990,860.
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windbaren Hindernissen sieht, ihren gestaltenden Auftrag. Die damit aufgeworfene Frage der Realisierungsfllhigkeit ist dabei nicht aus der subjektiven Sicht der Planfeststellungsbehörde, sondern anhand objektiver Gegebenheiten zu beantworten. 93 Beispiele: Als ein mögliches rechtliches Hindernis der Planverwirklichung sind auch die Vogelschutz-RL und die FFH-RL zu beachten. 94 Auch der Mangel der Finanzierbarkeit des Straßenbauvorhabens kann die fehlende Realisierungsfllhigkeit begründen. 95 Ein Vorhaben, das im gesetzlichen Bedarfsplan filr die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf ausgewiesen ist, muß allerdings nicht deshalb unrealisierbar sein, weil die - bisher - vorgesehene Privatfinanzierung scheitern könnte. Die Entscheidung des Bundes als Träger der Straßenbaulast filr die Privatfinanzierung einer Bundesfernstraße ist ihrer Art nach eine finanz- und haushaltspolitische Entscheidung, die haushaltsrechtlichen Bindungen unterliegt. 96
111. Allgemeines Abwägungsmodell Der Planfeststellungsbehörde ist in aller Regel aufgetragen, eine planerische Abwägung vorzunehmen (vgl. § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG). Die Behörde hat dazu Vor- und Nachteile zu ermitteln und verantwortlich abzuwägen. Kennzeichnend filr die Art von Abwägung ist eine bilanzierende Betrachtungsweise. Dies schließt im allgemeinen einen Anspruch auf ein bestimmtes Abwägungsergebnis aus, weil Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich selbst wäre. 97 Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob der PIanfeststellungsbehörde oder dem Träger des Vorhabens die materielle Gestaltungsfreiheit zugewiesen ist. Das BVerwG neigt ersichtlich dazu, das Planfeststellungsverfahren 93 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998, 961 DVB1 1998, 900. 94 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961 = DVB1 1998,900 mit Bespr. St. Stüber, NuR 1998, 531-534; Chr.-W Otto, NJ 1998, 606-607; W Zeichner, NVwZ 1999,32-35; H.-W Renge/ing, UPR 1999,281-287. 95 BVerwG, Urt. vom 20.5.1999 - 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 = NVwZ 2000, 555 = DVB11999, 1514 (Privatfinanzierung von Straßenbauvorhaben). 96 BVerwG, Urt. vom 20.5.1999 -4 A 12.98-Buchholz407.4 § 17 FStrG Nr. 154 = NVwZ 2000,555 = DVB11999, 1514. Sachlicher Geltungsbereich und Adressatenkreis der haushaltsrechtlichen Normen sind begrenzt. Das Haushaltsrecht begründet vornehmlich organschaftliche Bindungen tUr die mit der Haushalts- und Wirtschaftsfilhrung sowie ihrer Kontrolle befaßten Organe und Behörden des Staates; es entfaltet dagegen grundSätzlich keine materiellrechtliche Außenwirksamkeit zwischen Verwaltung und Bürger. 97 Vgl. BVerwGE 34, 301 (304); 56, 110 (116); 75, 214 (232).
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nicht als kontrollierende Genehmigungsentscheidung, sondern als gestaltende, autonome Zulassungsentscheidung zu verstehen. 98 Die Planfeststellungsbehörde macht von der planerischen Gestaltungsfreiheit daher einen fehlerhaften Gebrauch nicht bereits dadurch, daß sie sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen rur die Bevorzugung des einen und damit notwendig rur die Zurückstellung eines anderen entscheidet. 99 Die Rechtmäßigkeit einer Planungsentscheidung hängt insbesondere nicht davon ab,ob die Behörde anders hätte planen können. Es ist aus diesem Grund nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, durch eigene Ennittlungen ersatzweise zu planen und sich hierbei von den Erwägungen einer "besseren" Planung leiten zu lassen. 100 Demgemäß kommt es bei der Anfechtung eines fernstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses rechtlich nicht allein darauf an, daß eine Trassenwahl in Betracht gekommen wäre, die das Grundeigentum des Klägers unberührt gelassen hätte.
IV. Abwägungsbereich: Planungsalternativen 1. Vorzeitiges "Ausscheiden" VOll Planungsalternativen (Varianten)
Bei der Ennittlung und Würdigung vorhandener Planungsvarianten besteht keine Verpflichtung, alle denkbaren Möglichkeiten der Trassenfi1hrung einer gleich intensiven Prüfung zu unterziehen. Kommen Alternativen in Betracht, ist ein gestuftes Vorgehen bei der Sachverhaltsennittlung im Sinne einer ersten Vorprüfung statthaft. Die Planfeststellungsbehörde darf Planungsalternativen, die nach einer Art Grobanalyse nicht in Betracht kommen, in einem frühen Verfahrensstadium rur die weitere Detailprüfung ausscheiden. 101 In einem derart gestuften Verfahren erfolgt eine schrittweise Reduzierung der Anzahl der Varianten unter gleichzeitiger Intensivierung der Untersuchung der verbleibenden Alternativen.
98 Vg!. differenzierend BVerwG, Urt. vom 24.11.l994 -7 C 25.93 - BVerwGE 97, 143 = NVwZ 1995,598 = DVB11995, 238 (zur abfallrechtlichen Planfeststellung). 99 BVerwG, Urt. vom 31.3.1995 - 4 A 1.93 - BVerwGE 98, 126 = NVwZ 1995,901 = DVBI 1995, 1007. 100 BVerwG, Urt. vom 31.3.1995 - 4 A 1.93 - BVerwGE 98, 126 = NVwZ 1995, 901 = DVB11995, 1007. 101 BVerwG, Beseh!. vom 16.8.1995 - 4 B 92.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104 = NVwZ-RR 1996, 68; Beseh!. vom 10.10.1995 - II B 100.95 - NVwZ-RR 1997, 336; Beseh!. vom 30.12.1996 - II VR 25.95 - NVwZ-RR 1997, 525; Beseh!. vom 24.9. 1997 - 4 VR 21.96 - NVwZ-RR 1998,297 - Neubau BAB 14 (Westumfahrung des Petersberges nördlich von Halle).
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Die Planfeststellungsbehörde ist also nicht verpflichtet, von ihr erwogene Trassenvarianten in jeder Beziehung gleich intensiv zu prüfen wie die planfestgesteIlte Trasse. 102 Die Ermittlung des Abwägungsmaterials braucht dazu jeweils nur so konkret zu sein, daß eine sachgerechte Entscheidung der "Abwahl" einer Variante möglich ist. \03 Auch Trassenvarianten brauchen nur so weit untersucht zu werden, bis erkennbar wird, daß sie nicht eindeutig vorzugswürdig sind. 104 Die engere Auswahl mehrerer Trassenvarianten erfordert nicht stets die Entwicklung und Gegenüberstellung ausgearbeiteter Konzepte filr naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. lOS Das jeweilige Abwägungsmaterial muß in diesem Stadium der Planerarbeitung "nach Lage der Dinge" nur so genau und vollständig sein, daß es eine erste vorauswählende Entscheidung auf der Grundlage grober Bewertungskriterien zuläßt. 106 Die ausgeschiedene Variante braucht daher auch nicht zuvor einer UVP unterzogen zu werden. 107 Verfährt die Planfeststellungsbehörde in dieser Weise, so handelt sie (erst) dann abwägungsfehlerhaft, wenn sich ihr die ausgeschiedene Lösung als die vorzugswürdige hätte aufdrängen müssen. 108 2. Variantenabwägung (Trassenwahl)
Die Auswahl der konkreten Trasse ist abwägungsbezogen. Die Planfeststellungsbehörde hat in Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach Möglichkeit rechtsmindernde Eingriffe zu vermeiden. Dies kann es erfordern, Alternativen auf ihre jeweilige Eingriffsintensität bei gleicher planerischer Zieierfilliung zu prüfen. Das Abwägungsgebot schließt die Prüfung ein, ob sich das planerische Ziel mit geringerer Eingriffsintensität auf andere Weise errei-
102 BVerwG, Beschl. vom 24.9.1997 - 4 VR 21.96 - NVwZ-RR 1998,297 - Neubau BAB 14 (Westumfahrung des Petersberges nördlich von Halle). 103 BVerwG, Beschl. vom 26.6.1992 - 4 BI-lI. 92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG NT. 89 = NVwZ 1993, 572 = OVBI 1992, 1435 - Neubau B 31-0st zwischen Freiburg und Kirchzarten. 104 BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 im Anschluß an BVerwGE 100,238 (249 f.) = NVwZ 1996,788 = OVB11996, 604. lOS BVerwG, Urt. vom 12.12.1996-4 C 29.94-BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = OVBI 1997, 708. 106 BVerwG, Beschl. vom 26.6.1992 - 4 BI-li /92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG NT. 89 = NVwZ 1993,572 = OVBI 1992, 1435 - Neubau B 31-0st zwischen Freiburg und Kirchzarten. 107 BVerwG, Beschl. vom 16.8.1995 - 4 B 92.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104 = NVwZ-RR 1996, 68. 108 BVerwG, Beschl. vom 24.9.1997 - 4 VR 21.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG NT. 134 = NVwZ-RR 1998, 297.
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chen läßt. Unterschiedliche Gründe können ft1r die Auswahl ausschlaggebend sein. So verbietet Fernstraßenrecht keineswegs die Beachtung lokaler Verkehre. Vielmehr liegt eine derartige Gewichtung bei einer Trassierung einer Bundesautobahn im Einzugsbereich einer Großstadt besonders nahe. 109 Die ErforderIichkeit einer Ersatzzufahrt kann zu einer Frage des PIanfeststellungsbeschlusses werden, wenn diese Frage die Gesamtkonzeption der Planung berührt, weil die' erforderliche Zufahrt etwa fUr die Trassenwahl und die Ablehnung einer AItemativplanung ausschlaggebend ist. Bei der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung gehört zu den abwägungserheblichen öffentlichen Belangen auch das Interesse an einer kostengünstigen Lösung. Die kostenmäßige Belastung kann fUr die Auswahl also unter mehreren Trassenvarianten sogar ausschlaggebend sein. liD Das Interesse des Eigentümers von Grundstücken, nicht enteignend in Anspruch genommen zu werden, hat keinen generellen Vorrang. \11 Ein Abwägungsmangel kann also nicht schon darin gesehen werden, daß die Planfeststellungsbehörde eine kleinräumige Trassenverschiebung ablehnt, durch die zwar das Grundstück eines einzelnen Grundstückseigentümers verschont werden könnte, durch die dann aber auf der anderen Seite ein erheblicher Teil eines Kirchhofs in Anspruch genommen werden müßte und die Umbettung zahlreicher GrabsteIlen notwendig wÜTde. 112 Die planerische Abwägung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Planfeststellungsbehörde nicht besondere wirtschaftliche und finanzielle Gegebenheiten eines nur durch Betriebsverlagerung zu erhaltenden Betriebs geprüft hat, die nach den einschlägigen Vorschriften (z. B. nach den auf §§ 95, 96 BauGB verweisenden Landesenteignungsgesetzen) bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nicht zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch dann, wenn
109 BVerwG, Urt. vom 18.12.1998 - 4 A 10.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 144 zu Bundesautobahn A 20 (Lübeck). 110 BVerwG, Besehl. vom 30.9.1998 - 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142 = NVwZ-RR 1999,164. 111 BVerwG, Besehl. vom 30.9.1998 - 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142 = NVwZ-RR 1999, 164; vgl. ferner BVerwG, Urt. vom 30.5.1984 - 4 C 58.81 BVerwGE 69, 256 = NVwZ 1984, 718 = OVBI 1984, 1075; Urt. vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 = NVwZ 1987,578 = OVBI 1987,573; Urt. vom 31.3.1995 - 4 A 1.93 - BVerwGE 98, 126; Urt. vom 9.11.2000 - 4 A 51.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 159 = NVwZ 2001, 682 = OVB12001, 644. 112 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 = NVwZ 1996, 1011 - Ausbau der Stadtautobahn A 100 (Stadtring) in Berlin-Tempelhof und Neukölln (Abwägung zwischen Eigentumsinteressen und Totenruhe).
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daran die Betriebsverlagerung auf ein angebotenes geeignetes Ersatzgrundstück scheitern könnte. 1 \3 3. Sog. Nullvariante Bei der Beurteilung einer "Null-Variante" sind in der Abwägung auch die Folgen in Betracht zu ziehen, die sich in einer großräumigen Perspektive über den planfestgestellten Abschnitt der Straße hinaus ftlr die Gesamtplanung ergeben wUrden. 114
v. Abwägungsbereich: Abschnittsbildung Eine Planung in Abschnitten ist grundsätzlich zulässig. 11S Die Rechtsfigur der planungsrechtlichen Abschnittsbildung stellt eine richterrechtliche Ausprägung des allgemeinen rechtsstaatlichen Abwägungsgebotes dar. Ihr liegt die Erwägung zugrunde, daß angesichts vielflUtiger Schwierigkeiten, die mit einer detaillierten Streckenplanung verbunden sind, ein planerisches Gesamtkonzept häufig nur in Teilabschnitten verwirklicht werden kann. 116 1. Voraussetzungen einer Abschnittsbildung
Die Bildung von Teilabschnitten einer Bundesfernstraße ist nur gerechtfertigt, wenn sie auf der Grundlage einer konzeptionellen Gesamtplanung vorge-
113 BVerwG, Beseh!. vom 30.9.1998 - 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142 = NVwZ-RR 1999, 164. 1\4 BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998, 382 = NuR 1998,605. 1!5 BVerwGE 62, 342; BVerwG, Beseh!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = DVBI 1992, 1435; Beseh!. vom 2.11.1992 - 4 B 205.92NVwZ 1993,887 = DVBI 1993, 1611; Urt. vom 21.3 .1996 - 4 C 19.94 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 113 = DVBI 1996, 907; Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 BVerwGE 100, 388 = NVwZ 1997, 169; Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997,914; Beseh!. vom 24.4.1998 - 4 VR 13.97 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 136 = NVwZ 1998, 1178. 116 BVerwG, Beseh!. vom 5.6.1992 - 4 NB 21.92 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG / BauGB Nr. 55 = NVwZ 1992, 1093; Beseh!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435; Beseh!. vom 29.11.1995 -11 VR 15.95 - Buehholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7 = NVwZ 1997, 165.
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nommen wird. 117 Jeder Abschnitt, der einer eigenständigen Planung unterworfen wird, muß ft1r sich allein genommen eine Verkehrsfunktion erftlllen. Damit soll gewährleistet werden, daß die Teilplanung auch dann nicht sinnlos wird, wenn sich das Gesamtplanungskonzept nachträglich als nicht realisierbar erweist (sog. Torsogedanke).118 Die Planung muß daher in jedem Abschnitt dem Einwand standhalten, daß ' eine andere Planungsvariante bei einer auf die Gesamtplanung bezogenen Betrachtung gegenüber dem der Planfeststellung zugrunde liegenden Planungskonzept vorzugswürdig sei. 119 Auch eine etwa 700 m lange Brucke im Zuge des Neubaus der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße, die an jedem Abschnittsende an vorhandene Straßen angebunden ist, kann Gegenstand eines selbständig planfeststellungsflihigen Straßen abschnitts sein. 120 Die Teilplanung darf sich dabei nicht so weit verselbständigen, daß Probleme, die durch die Gesamtplanung ausgelöst werden, unbewältigt bleiben. 121 Der jeweilige Abschnitt muß mithin grundsätzlich eine selbständige Verkehrsfunktion erfilllen. Eine abschnittsweise Straßenplanung kann den Anforderungen des Abwägungsgebotes auch dann genügen, wenn zwar eine Verbindung zum vorhandenen Straßennetz (noch) fehlt, die Gefahr der Entstehung eines Planungstorsos aber ausgeschlossen werden kann, weil ein Lückenschluß sichergestellt ist. 122 Eine Abschnittsbildung leidet auch nicht schon deshalb an einem Fehler, weil es ft1r die Weiterfl1hrung des Fernstraßenvorhabens über den planfestgestellten Abschnitt hinaus (noch) keine hinreichend verfestigte Planung gibt. 123
117 BVerwG, Beseh!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11,92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993,572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31-0st zwischen Freiburg und Kirehzarten. lJ8 Vg!. BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 = NVwZ 1996,788 = DVBI 1996,677; Urt. vom 7.3 .1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914 = DVB11997, 838; Urt. vom 28.1.1999-4 CN 5.98-BVerwGE 108, 248 = NVwZ 1999, 1222 = DVBI 1999, 1288; Beseh!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993,572 = DVBI 1992, 1435; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386. 119 BVerwG, Beseh!. vom 2.11.1992 -4 B 205.92 -NVwZ 1993,887= DVB11993, 161. 120 BVerwG, Urt. vom 2.2.1996 - 4 A 42.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 108 = UPR 1996, 235 = NVwZ 1996,905. 121 BVerwG, Urt. vom 27.\0.2000 - 4 A 18.99 - NVwZ 2001, 673 = DVBI 2001, 386. 122 BVerwG, Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914 = DVB11997, 838. 123 BVerwG, Beseh!. vom 14.10.1996 - 4 VR 14.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 123.
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2. Einfluß des Umwelt- und Naturschutzrechts
Ob im Fernstraßenrecht eine Abschnittsbildung zulässig ist, bestimmt sich nicht nach dem UVP-Recht, sondern nach den Anforderungen des Abwägungsgebots. 124 Auch die UVP-RL verbietet nicht die Planfeststellung einer Bundesfernstraße in Abschnitten. 125 Bei der abschnittsweisen Planfeststellung einer Fernstraße ist die ilirmliche UVP nur ftir den jeweiligen Abschnitt durchzuilihren. Für die nachfolgenden Abschnitte bedarf es keiner vorgezogenen ilirmlichen UVP. Ausreichend ist vielmehr die Prognose, daß der Verwirklichung der Fernstraße in den nachfolgenden Abschnitten keine von vornherein unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen. 126 Bei einem in mehrere Streckenabschnitte "aufgeteilten" Vorhaben ist gesamtvorhabenbezogen zu prüfen, ob die Gründe, die ft1r die Planung sprechen, so gewichtig sind, daß sie die Beeinträchtigung der entgegenstehenden Belange unter Einschluß der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege rechtfertigen. 127
3. Zwangspunkt .- Rechtsschutz Dritte, die nicht unmittelbar durch den planfestgestellten Abschnitt betroffen werden, können durch die Abschnittsbildung dann in ihren Rechten verletzt sein, wenn ein früherer Abschnitt rur einen späteren Abschnitt einen "Zwangspunkt" setzt. 128 Im Falle abschnittsweiser Verwirklichung eines Straßenbauvorhabens kann daher ein Grundeigentümer im Sinne einer "vorgezogenen" Klage den Planfeststellungsbeschluß rur einen vorangehendenStraßenabschnitt anfechten, wenn er geltend machen kann, daß sein Grundstück im weiteren Planungsverlauf zwangsläufig betroffen sein wird. 129 Dieser zur Bildung von Teil124 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVB11997, 1115. 125 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = NVwZ 1996, 381 = DVBI 1995, 1012 - B 16 (neu) - Regensburg-Roding. 126 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 = NVwZ 1996, 1011. 127 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 C 11.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 = NVwZ 1999,528 zu VGH München, Urt. vom 14.6.1996 - 148 A 94.40129 - NuR 1997,45 im Anschluß an BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 = NVwZ 1998, 508 = DVBI 1997, 1115. 128 Vg!. BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 = NVwZ 1997,491; Besch!. vom 24.2.1998 - 4 VR 13.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 136 = NVwZ 1998,1178. 129 BVerwG, Besch!. vom 26.6.1992 - 4 BI-lI. 92 - Buchholz 407 .4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31 - Ost zwischen Freiburg
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abschnitten bei der Planfeststellung einer Bundesfernstraße entwickelte Grundsatz ist auf den Rechtsschutz gegen eine Plangenehmigung übertragbar, in der Teile (z. B. Brückenbauwerk) eines der Planfeststellung unterliegenden Gesamtbauvorhabens vorweg zugelassen werden. 130 Eine Abschnittsbildung kann rechtswidrig sein, wenn sie dazu ftlhrt, daß die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann, oder wenn ein dadurch gebildeter Streckenabschnitt der eigenen sachlichen Rechtfertigung vor dem Hintergrund der Gesamtplanung entbehrt. 131 Sie kann ferner rechtswidrig sein, wenn sie objektiv geeignet ist, die nach Art. 19 Abs. 4 S. I GG gewährleisteten Rechtsschutzmöglichkeiten wegen übermäßiger "Parzellierung" des Planungsvorhabens faktisch unmöglich zu machen. 132 Der Eigentümer, der die Planfeststellung eines Abschnitts einer Bundesfernstraße mit der Begründung angreift, sein Grundstück werde bei einer Fortftlhrung der Straße im nachfolgenden Abschnitt zwangsläufig in Anspruch genommen, kann allerdings nur solche Rechtsfehler geltend machen, die fiIr die Setzung des Zwangspunktes kausal sind. 133 Das ist nicht bereits der Fall, wenn eine andere Trassenfilhrung im späteren Abschnitt lediglich "unvernünftig" wäre. 134 Wer sich auf bloß mögliche zukünftige Rechtsgutbeeinträchtigungen beruft, muß sich dagegen auf die Möglichkeit verweisen lassen, vorbeugenden Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, sofern die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein solcher Rechtsschutz gewährt werden kann. Für eine Anfechtungsklage ist in diesem Falle (noch) kein Raum. l3S
und Kirchzarten; BVerwG, Besch!. vom 2.11.1992 - 4 B 205.92 - NVwZ 1993,887 = DVBI 1993, 161 im Anschluß an BVerwG, Urt. vom 26.6.1981 - 4 C 5.78 - BVerwGE 62, 342 = NJW 1981, 2592 = DVBI 1981, 936; Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 = NVwZ 1997,491. 130 BVerwG, Besch!. vom 24.2.1998 - 4 VR 13.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 136 = NVwZ 1998, 1178 (Anschlußstelle einer Bundesautobahn mit Anbindung an das untergeordnete Straßennetz). 131 BVerwG, Besch!. vom 29.11.l995 - 11 VR 15.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7 = NVwZ 1997, 165. 132 BVerwG, Besch!. vom 26.6.1992 - 4 BI-lI / 92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993,572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31 - Ost zwischen Freiburg und Kirchzarten; BVerwG, Besch!. vom 29.11.1995 - 11 VR 15.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7 = NVwZ 1997, 165. 133 Vg!. BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVBI 1996, 915 = NVwZ 1997, 493. 134 BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 = NVwZ 1997,491. l3S BVerwG, Besch!. vom 2.11.1992-4 B 205.92-NVwZ 1993,887 = DVB11993, 161.
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VI. Belange und allgemeine Abwägungsgrundsätze Bei der Planfeststellung sind die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu "berücksichtigen" (vgl. § 17 Abs. I S. 2 FStrG). Praxis und Rechtsprechung haben eine gewisse Typologie wichtiger öffentlicher und privater Belange herausgebildet. 1. Rücksichtnahme auf schützenswerte Individualinteressen a) Schutzwürdige und schutzbedürJtige Interessen
Die Planfeststellungsbehörde hat nur die hinreichend konkretisierten und individuell erfaßbaren schutzwürdigen und schutzbedUrftigen Einzelinteressen der Planbetroffenen zu berücksichtigen. Nicht schutzwürdig sind Belange, deren Beeinträchtigung geringfilgig ist. Das ist etwa bei dem Interesse eines Bewohners der Fall, von der Zunahme des Anliegerverkehrs verschont zu bleiben. Auch ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung einer ruhigen Außenbereichslage gibt es nicht. 136 Bauliche Verhältnisse, die sich erst in der Entwicklung befinden, muß der Planungsträger nur dann berücksichtigen, wenn sie einen Grad der Verfestigung erreicht haben, der die weitgehend sichere Erwartung ihrer Verwirklichung rechtfertigt. Dies kann der Fall sein, wenn ein Bebauungsplan zwar noch nicht als Satzung beschlossen worden ist, aber bereits ein Anhörungsverfahren stattgefunden hat, oder wenn filr Bauvorhaben schon Baugenehmigungen vorliegen. 137 Die Planfeststellungsbehörde braucht eine Grundstücksnutzung, die nicht genehmigt ist und auch nicht genehmigt werden kann, da sie dem materiellen Baurecht widerspricht, bei ihrer planerischen Abwägung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. \38 Ein noch nicht durch eine behördliche Baugenehmigung konkretisiertes Baurecht darf mit Blick auf Art. 14 Abs. I GG nicht mit demselben Gewicht in die Abwägung eingestellt werden wie ein bereits bebautes Grundstück.
\36 Vgl. BVerwG, Urt. vom 21.10.1999 - 4 CN 1.98 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 136 = NVwZ 2000,807 = DVB12000, 793. 137 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 A 11.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 14 = NVwZ 1996, 1008. \38 BVerwG, Beschl. vom 20.10.1993 - 4 B 170.93 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 95 = NVwZ-RR 1994, 373.
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b) Grundeigentum
Das durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Eigentum gehört in hervorgehobener Weise zu den abwägungserheblichen Belangen, mit denen sich die Planfeststellungsbehörde auseinanderzusetzen hat. 139 Es gibt indes keinen "absoluten" Vorrang des Eigentums. Eine Zurückstellung des Eigentums gegenüber anderen abwägungserheblichen Belangen ist um so leichter möglich, je weniger gewichtig die betroffene Eigentümerposition und je bedeutsamer die ihr entgegenstehenden planstützenden Belange sind. Die Planfeststellungsbehörde muß sich im Rahmen der Abwägung Klarheit darüber verschaffen, ob die Nutzungsinteressen der Eigentümer bebauter Grundstücke, die den mit der Planung verfolgten Zielen zuwiderlaufen, so gewichtig sind, daß sie im Range den übrigen Belangen vorgehen. 140 Das kann erkennbare Bestandserweiterungsinteressen der Eigentümer einschließen. Der Eigentümer muß jedoch im allgemeinen Beschränkungen - entschädigungslos - hinnehmen. So ist ein neuer öffentlicher Weg (z. B. Geh- und Radweg) als solcher in der Regel keine unzumutbare Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit der - zukünftigen - Anliegergrundstücke. Dadurch bedingte Veränderungen ihres "Wohnmilieus" haben die betroffenen Grundeigentümer grundsätzlich als Ausfluß der Sozialbindung des Eigentums ebenfalls hinzunehmen. Bei einem im Außenbereich belegenen Grundstück muß der Eigentümer damit rechnen, daß außerhalb seines Grundstücks öffentliche Verkehrswege gebaut werden. 141 Ansprüche auf Aufrechterhaltung einer bestimmten vorteilhaften Verkehrsverbindung können aus dem "Recht auf Anliegergebrauch" grundsätzlich nicht hergeleitet werden. 142 Ob es überhaupt ein "Anliegerrecht" gibt, erscheint zweifelhaft. Der 4. Senat des BVerwG verneint dies. Danach vermittelt der Anliegergebrauch keine aus Art. 14 Abs. I S. I GG ableitbare Rechtsposition. Wie weit er gewährleistet ist, richtet sich nach dem einschlägigen Straßenrecht, das insoweit im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums am "Anliegergrundstück" bestimmt. 143
\39 BVerwG, Beseh!. vom 16.6.1993 - 4 B 90.93 - juris unter Hinweis auf BVerwG, Vrt. vom 12.7.1985 - 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15 = NVwZ 1985, 736 = DVBI 1985, 1141. 140 BVerwG, Vrt. vom 21.3.1996 - 4 A 11.95 - Buehholz 406.25 § 41 BImSehG Nr. 14=NVwZ 1996,1008. 141 BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 -4 A 39.95 - Buehholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 = VPR 1996, 388 = NJW 1997, 142. 142 BVerwG, Beseh!. vom 15.5.1996 - 11 VR 3.96 - Buehholz 442.09 § 18 AEG Nr. 13 = NVwZ-RR 1996, 557 = DVBI 1996, 925. 143 BVerwG, Besehl. vom 11.5.1999 - 4 VR 7.99 - Buehholz 407.4 § 8a FStrG Nr. ll = NVwZ 1999, 1341 = DVBI 1999, 1513.
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Bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der durch eine Straßenbegradigung anstelle einer bloßen Straßenverbreiterung erreichbaren Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und dem privaten Interesse eines Grundeigentümers an der möglichst ungeschmälerten Erhaltung der Eigentumssubstanz hat indes letzteres keinen absoluten Vorrang vor dem Interesse an der Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Ob es sich durchsetzt, richtet sich danach, mit welchem Gewicht es zu Buche schlägt. Dies hängt von einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls ab. l44 Eine Grundstückswertminderung stellt - fUr sich gesehen - grundsätzlich keinen "eigenständigen" Abwägungsposten dar; es kommt vielmehr auf die Auswirkungen an, die von dem geplanten Vorhaben faktisch ausgehen. 14S Es genügt also nicht, lediglich die "Kausalität" des Vorhabens auf die eintretende Minderung des Verkehrswertes darzustellen. Nicht jede Wertminderung eines Grundstücks, die auf ein staatliches Verhalten zurückzuführen ist, begründet auch im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. I GG eine Pflicht zu einem finanziellen Ausgleich. § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG eröffnet jedenfalls keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Ausgleich aller Vermögensnachteile, welche eine Straßenplanung auslöst. 146 c) Gefährdung oder Vernichtung der betrieblichen Existenz
Das wirtschaftliche Interesse und Erwerbschancen eines Betriebes sind stets zu berücksichtigende Belange. Bei einer unvermeidbaren Konkurrenz mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe stellt es eine zulässige Gewichtung der Belange dar, einen landwirtschaftlichen Nebenerwerhsbetrieb zugunsten der Existenzfiihigkeit eines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebes gleichsam zu "opfern". Das gilt namentlich fUr eine Erwerbssituation, die nach den Vorstellungen der Kläger zu einem erheblichen Teil erst noch geschaffen werden soll.147 Denn ungesicherte künftige Markt- und Erwerbschancen fallen in aller Regel aus dem Kreis der abwägungsbeachtlichen privaten Belange heraus. 148 Die Existenzgefiihrdung landwirtschaftlicher Betriebe durch Landverluste für ein geplantes Straßenbauvorhaben kann ausgeglichen und als entgegensteBVerwG, Beschl. vom 16.6.1993 - 4 B 90.93 - juris. Vgl. BVerwG, Beschl. vom 9.2.1995 - 4 NB 17.94 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 102 = NVwZ 1995, 895. 146 BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 = UPR 1996, 388 = NJW 1997, 142. 147 BVerwG, Urt. vom 18.3.1999-4 A 31.98- Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 150. 148 BVerwG, Urt. vom 28.4.1999 - 4 A 24.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 152 - Neubau einer Kreuzung mit möglicher Verbesserung der Erreichbarkeit einer Tankstelle. 144 145
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hender Belang in der Planfeststellung abwägend (auch) dadurch überwunden werden, daß den Betroffenen ein bindendes Angebot zur Bereitstellung geeigneten Ersatzlandes gemacht wird. 149 Es kann nach Lage des Einzelfalles geboten sein, die Möglichkeit der Ersatzlandbeschaffung in die planerische Abwägung aufzunehmen, um die Folgen einer planerischen Entscheidung genauer berücksichtigen zu können'. ISO Ist die Frage der Existenzvernichtung eines Betriebs ftlr das Abwägungsergebnis der konkreten Planung ausschlaggebend, muß die Planfeststellungsbehörde klären, ob eine Existenzvernichtung eintritt oder sich durch die Bereitstellung von Ersatzland vermeiden läßt. ISI Wird in der Begründung eines Planfeststellungsbeschlusses die Einwendung eines Betroffenen, ihm stehe ftlr die Inanspruchnahme seines Grundeigentums die Beschaffung von Ersatzland zu, mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen rur einen Anspruch auf Ersatzlandbeschaffung seien nicht gegeben, so liegt darin noch keine inhaltliche Entscheidung über das Bestehen dieses Anspruchs; Regelungsgehalt hat diese "Entscheidung" im Sinne des § 74 Abs. 2 S. I Vwvro nur insoweit, als die Einwendung der Planfeststellungsbehörde keine Veranlassung gab, die Planung zu ändern. ls2 d) Bergwerkseigentum
§ 124 Abs. 3 BBergG begründet ftlr den Fall, daß der gleichzeitige Betrieb einer öffentlichen Verkehrsanlage und eines bergrechtlichen Gewinnungsbetriebes ohne eine wesentliche Beeinträchtigung der öffentlichen Verkehrsanlage ausgeschlossen ist, den Vorrang der Errichtung, Erweiterung, wesentlichen Änderung und des Betriebes der öffentlichen Verkehrsanlage vor der Gewinnung von Bodenschätzen, es sei denn, daß das öffentliche Interesse an der Gewinnung der Bodenschätze überwiegt.ls3 Aus § 124 Abs. 1 S. 1 BBergG ergibt sich ferner, daß bei der Planung von Bundesfernstraßen die Belange von Gewinnungsbetrieben nicht nur in die planerische Abwägung eingestellt, sondern im Ausgleich mit dem konfligierenden Interesse an der Errichtung des Verkehrs-
149 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98,339 = NVwZ 1996,381 = DVB1 1995, 1012 - B 16 (neu) - Regensburg-Roding, vgl. bereits BVerwG, Urt. vom 18.12.1987 - 4 C 32.84 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 70 = DVBI 1988, 536 = NVwZ 1989, 145 (Flurbereinigung und Straßenplanung). ISO BVerwG, Urt. vom 18.3.1999 - 4 A 31.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 150. ISI BVerwG, Urt. vom 28.1.1999 - 4 A 18.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 146 = NVwZ-RR 1999,629. lS2 BVerwG, Urt. vom 27.8.1993 - 4 A 2.93 - Buchholz 316 § 74 Vwvro Nr. 24. m BVerwG, Gerichtsbescheid vom 30.7.1998 - 4 A 1.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrGNr. 140=NVwZ-RR 1999,162.
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weges im Sinne eines Optimierungsgebots, das eine möglichst weitgehende Beachtung erfordert, maximiert werden müssen. 154 Die Verwirklichung des in § 124 Abs. 3 BBergG enthaltenen Vorranges löst als solche auch keine Entschädigungspflicht aus. Die Regelung verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG. lSS Verläuft etwa die planfestgestellte Trasse einer öffentlichen Straße durch das Gewinnungsfeld eines Bergwerkseigentümers mit der Folge, daß in einem Teil des Feldes (hier: ca. 11 % der Gesamtfläche) die Bodenschätze faktisch nicht abgebaut werden können, hat der Bergwerkseigentümer keinen Anspruch auf Entschädigung oder Ausgleich in Geld oder durch Übernahme des Bergwerkseigentums. lS6 e) Zufahrt - Zugäng/ichkeit
Der "Anliegergebrauch" vermittelt - wie erwähnt - keine aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ableitbare Rechtsposition. 157 Ungesicherte künftige Markt- und Erwerbschancen fallen in aller Regel aus dem Kreis der abwägungsbeachtlichen privaten Belange heraus, z. B. bei Neubau einer Kreuzung die mögliche Verbesserung der Erreichbarkeit einer Tankstelle. 1s8 Die Erforderlichkeit einer Ersatzzufahrt kann allerdings zu einer Frage des Planfeststellungsbeschlusses werden, wenn diese Frage die Gesamtkonzeption der Planung berührt, weil die erforderliche Zufahrt etwa für die Trassenwahl und die Ablehnung einer Alternativplanung ausschlaggebend ist. Die Belegenheit eines Grundstücks zum öffentlichen Wegenetz ist hinsichtlich der Bundesstraßen in § 8 a FStrG näher geregelt. Danach sichert das Gesetz einem Grundeigentümer grundsätzlich den Zugang zum öffentlichen Wegenetz zu. Auf die Art und Weise des Zugangs zum öffentlichen Wegenetz hat der einzelne Grundeigentümer jedoch keinen Rechtsanspruch. Die nähere Durchftlhrung der Anbindung darf ein Planfeststellungsbeschluß daher nach pflichtgemäßem Ermessen dem Vorhabenträger überlassen. 159
154 BVerwG, Besch\. vom 14.10.1996 - 4 VR 14.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 123 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 22.3.1985 - BVerwG 4 C 73.82 - BVerwGE 71, 163 = NJW 1986,82 = DVBI 1985, 899. 155 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 30.7.1998 - 4 A 1.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 140 = NVwZ-RR 1999, 162. 156 BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 - 4 A 2.97 - BVerwGE 106,290 = NVwZ 1998, 1180 = DVB11998, 895. 157 BVerwG, Besch\. vom 11.5.1999 - 4 VR 7.99 - Buchholz 407.4 § 8a FStrG Nr.ll = NVwZ 1999,1341 = DVBI 1999, 1513. 158 BVerwG, Urt. vom 28.4.1999 -4 A 24.98- Buchholz407.4 § 17 FStrG Nr. 152. 159 BVerwG, Urt. vom 29.4.1997 - 4 A 46.96 - NVwZ-RR 1998,89.
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§ 8 a Abs. I S. 2 FStrG verweist mit seiner gesetzlichen Erläuterung dessen, was als Änderung im Sinne des § 8 a Abs. I S. I FStrG anzusehen sei, auf einen objektiven Zustand. Danach ist maßgeblich eine näher bezeichnete Veränderung des bisherigen Verkehrs. Die Gründe, die zu dieser Änderung gefilhrt haben, sind nach der insoweit eindeutigen Gesetzeslage unerheblich. l60 § 8 a FStrG bietet keine Gewähr dafilr, daß ein Grundstück ohne jegliche Einschränkung angefahren werden kann. Der Schutzbereich der Norm ist z. B. nicht berührt, wenn infolge der Anlegung eines Mittelstreifens das Grundstück nunmehr im Richtungsverkehr angefahren werden kann und der sonstige Zu- und Abgangsverkehr Umwege in Kaufnehmen muß. 161 Der gesetzliche Anspruch aus § 8 a Abs. 4 FStrG ist "grundstücksbezogen"; sein inhaltlicher Bestand ist nicht davon abhängig, daß ein Wechsel des Eigentümers stattgefunden hat. 162 Die Ablehnung einer Zufahrt eines anderweitig erschlossenen Grundstücks zur freien Strecke einer Bundesstraße mit der Begründung, es werde dadurch das eigentliche Planungsziel der Erhöhung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs geflihrdet, ist nicht abwägungsfehlerhaft. 163 Auch allgemeine Anliegerinteressen unterhalb der in § 8 a FStrG bezeichneten Schwelle sind, sofern sie nicht als geringfügig ausnahmsweise außer Betracht zu bleiben haben, im Rahmen der Planfeststellung in die Abwägung einzustellen; sie können jedoch durch überwiegende Gemeinwohlbelange zurückgedrängt werden. 164
f) Enteignungsnotwendigkeit als Belang Anlieger sind bei den für den Bau von Straßen erforderlichen Grundabtretungen möglichst gleichmäßig zu belasten. Der Grundsatz bedeutet indes nicht, daß die von der Planung betroffenen Grundeigentümer stets gleich zu behandeln seien: Die berührten privaten Belange dürfen lediglich nicht ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden. Ob eine derartige sachliche
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Nr.7.
BVerwG, Beseht. vom 31.3.1992 - 4 B 66.92 - Buehholz 407.4 § 8 a FStrG
161 BVerwG, Beseht. vom 11.5.1999 - 4 VR 7.99 - Buehholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 11 = NVwZ 1999, 1341 = DVBI 1999, 1513 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 8.10.1976 -7 C 24.73 - NJW 1977,2367. 162 BVerwG, Beseht. vom 20.7.1993 - 4 B 91.93 - Buehholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 8. 163 BVerwG, Beseht. vom 31.10.1997 - 4 VR 11.97 - Buehholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 10 = NVwZ-RR 1998, 541. 164 BVerwG, Beseht. vom 11.5.1999 - 4 VR 7.99 - Buehholz 407.4 § 8a FStrG Nr. 11 = NVwZ 1999, 1341 = DVBI 1999, 1513.
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Rechtfertigung gegeben ist, läßt sich jedoch nicht generalisierend festlegen. 165 Eine sachliche Rechtfertigung fi1r die ungleiche Behandlung kann in einer sinnvollen und übersichtlichen LinienfUhrung der neuen Straße gesehen werden, so daß eine derartige Zielsetzung eine ungleichmäßige Inanspruchnahme von Nachbarn bei einer Straßenplanung rechtfertigen kann. Die Enteignungsennächtigung des § 19 Abs. 1 S. 1 FStrG erstreckt sich auf Flächen, auf denen nach den Vorschriften eines Landesnaturschutzrechts Ersatzrnaßnahmen durchzufUhren sind. l66 Wird rur ein Straßenbauvorhaben im Wege der Teilenteignung Grundeigentum in Anspruch genommen, so richtet sich gemäß § 19 FStrG nach den rur öffentliche Straßen geltenden Enteignungsgesetzen der Länder, inwieweit fiir enteignungsbedingte Nutzungsbeeinträchtigungen auf dem Restgrundstück eine Entschädigung zu gewähren ist. 167 Ein Entschädigungsvorbehalt muß nicht in den PIanfeststellungsbeschluß aufgenommen werden. Nicht stets ist eine Vollenteignung erforderlich. Wird wegen der Tunnelftlhrung einer Straße eine private Grundstücksfläche - dauerhaft - nur unterirdisch in Anspruch genommen, reicht zur Verwirklichung des Enteignungszwecks regelmäßig die Belastung des privaten Grundstücks mit einer Dienstbarkeit aus. 168 Zur Erreichung des Zieles der naturschutzrechtIichen Ausgleichsmaßnahme, auf dem in Anspruch genommenen Grundstück Obstbäume und Hecken zu pflanzen, bedarf es in aller Regel keiner Vollenteignung. Auch hier genügt die Belastung mit einer Grunddienstbarkeit. Der Vorhabenträger ist nicht verpflichtet, unabhängig von den enteignungsrechtlichen Vorschriften auch solche Flächen "freihändig" zu erwerben, die fi1r die Verwirklichung des Vorhabens nicht notwendig sirui. 169 Es kann abwägungserheblich sein, ein derartiges "Angebot" im Planfeststellungsbeschluß auszusprechen.
165 BVerwG, Beschl. vom 19.4.2000 - 4 BN 16.00 - NVwZ-RR 2000, 532 zu § 123 BauGB. 166 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 10.9.1998 - 4 A 35.97 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG NT. 25 = NVwZ 1999, 532. 167 BVerwG, Urt. vom 14.5.1992 - 4 C 9.89 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 88 = NVwZ 1993,477. 168 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 28.95 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 7 = NJW 1996,2113. 169 BVerwG, Beschl. vom 31.10.1997 - 4 VR 11.97 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 10 = NVwZ-RR 1998, 541 - Bundesstraße B 103 - Rostock.
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2. Schädliche Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1 BImSchG)
a) Lärmimmissionen Vgl. dazu unten die gesonderte Darstellung zum Lärmschutz (E). Der Gesetzgeber mutet jedem Anwohner einer Bundesstraße zu, bei Änderungen der Verkehrsverhältnisse Nachteile (z. B. Lärmimmissionen) in begrenztem Maße hinzunehmen. Die jeweiligen als zumutbar hinzunehmenden Grenzen bestimmen die §§ 41, 42 BlmSchG in Verbindung mit der 16. BlmSchV. 170
b) Abgasimmissionen Es ist zulässig und geboten, die mit einem Straßenbauvorhaben verbundene Zunahme der Abgas- und Schadstoffbelastungen und die damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Ermangelung normierter Werte prognostisch zu beurteilen. l7I Die Rechtsprechung beginnt erst zögerlich, sich mit Fragen der Luftverunreinigung zu befassen. Grundsätzliche Zweifel an der Eignung der TA Luft, im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Maß der gesetzlich gebotenen Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu konkretisieren, bestehen nicht. Dies gilt auch ft1r ihre Heranziehung zur Beurteilung der Schädlichkeit von Emissionen, die von Verkehrsanlagen ausgehen. 172 Es gilt als derzeit rechtlich unbedenklich, wenn die das Straßenbauvorhaben zulassende Behörde sich bei der Abschätzung gesundheitlicher Risiken und der damit verbundenen Toleranzgrenzen unter anderem an Werten orientiert, die unterhalb der Konzentrationswerte in § 2 der 23. BlmSchV vom 16. Dezember 1996 (BGBI I S. 1962) liegen und den vom Länderausschuß fi1r Immissionsschutz (LAI) entwickelten Beurteilungsmaßstäben fi1r kanzerogene Luftverunreinigungen ft1r Ruß und Benzol entsprechen. 173
BVerwG, Urt. vom 29.4.1997 - 4 A 46.96 - NVwZ-RR 1998, 89. BVerwG, Urt. vom 26.2.1999 - 4 A 47.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148 = NVwZ 2000, 560. 172 BVerwG, Urt. vom 14.6.1996 - 4 A 3.96 - NVwZ-RR 1997,340 unter Bezug auf BVerwG, Beseh!. vom 10.1.1995 - 7 B 112.94 - DVBI 1995, 516 (517). Das ist nicht zweifelsfrei, da der 7. Senat des BVerwG die These der "normkonkretisierenden" Verwaltungsvorsehrift verfolgt. 173 BVerwG, Urt. vom 26.2.1999 - 4 A 47.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148 = NVwZ 2000, 560. 170 171
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c) Lichtimmissionen Der Einfluß der Beleuchtung einer Rastanlage (12 m hohe Lichtmasten) ist in mehr als 130 m Entfernung so gering, daß eine Rechtsverletzung dort wohnender Anlieger (Nachbarn) nicht angenommen werden kann. Entsprechendes gilt filr den Lichtkegel der Gesamtanlage, wenn er - wie hier - zu einem erheblichen Teil durch die vorgesehenen Lärmschutzwälle nebst Bepflanzung abgeschirmt wird. 174 d) Elektromagnetische Felder
Ein Anwohnerschutz gegen die Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder einer Bahnstromleitung ist im Grundsatz nicht umstritten. Den § 22 Abs. I BImSchG zu entnehmenden Anforderungen des Nachbarschutzes gegenüber elektromagnetischen Feldern einer Bahnstromfernleitung wird allerdings bei Beachtung der diesbezüglichen Grenzwertempfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) genügt.17S
3. Naturschutz - EG-Habitatschutz a) Abgrenzungen - Regelungsbereiche Das Fachplanungsrecht wird von naturschutzrechtlichen Regelungsbereichen beherrscht. Das BVerwG geht hierzu von folgenden PTÜfungsbereichen aus: (1) gemeinschaftsrechtliches Habitatschutzrecht (Vogelschutz-RL, FFH-RL, §§ 19 a ff. BNatSchG); (2) förmliches Naturschutzverordnungsrecht (festgesetzte Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete); (3) naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 8 BNatSchG); (4) sonstiges materielles Naturschutzrecht (§§ 1, 2 BNatSchG) als öffentlicher Belang. Das EG-Habitatschutzrecht und das ilirmliche Naturschutzrecht gelten als leges speciales gegenüber der Eingriffsregelung. Das EG-Habitatschutzrecht bricht das deutsche ilirmliche Naturschutzrecht. Das Naturschutzrecht und das EG-Habitatschutzrecht werden gesondert dargestellt. Es ist teilweise striktes Recht, teilweise nur abwägungserheblicher Be174 BVerwG, Urt. vom 14.6.1996 -4 A 3.96- NVwZ-RR 1997,340. 175 BVerwG, Besch!. vom 9.2.1996 - II VR 46.95 - Buchholz 406.25 § 22 BlmSchG Nr. 13 = NVwZ 1996, 1023 = DVBI 1996,682; ähnlich BVerwG, Besch!. vom 2.8.1994 - 7 VR 3.94 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 2 = NVwZ 1994, 1000; vg!. auch Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BlmSchV) vom 16.12.1996 (BGBI I S. 1966).
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lang. Das BVerwG hat zunächst angenommen, daß § 1 BNatSchG ein Optimierungsgebot enthalte. Ob den einzelnen naturschutzrechtlichen Belangen der Charakter eines Optimierungsgebotes zuzuweisen ist, ist sehr zweifelhaft. Das setzt ohnedies voraus, daß über den Rechtscharakter eines Optimierungsgebotes Gewißheit besteht. Das BVerwG hat diesen Ausdruck zwar 1985 benutzt. 176 Das Gericht hat die VerWendung des Ausdrucks wegen dauernder Mißverständnisse seit einigen Jahren weitgehend aufgegeben. 177 Der Natur- und Landsch,aftsschutz hat jedenfalls nicht den Charakter eines "Planungsleitsatzes", der geeignet ist, andere öffentliche oder private Belange zu verdrängen. 178 b) Al/gemeine Belange des Naturschutzes
Unabhängig von der jeweiligen formal-rechtlichen Ausformung im Bundesoder Landesrecht stellt der Natur- und Landschaftsschutz jedenfalls einen Belang dar, der bei einer Planfeststellung stets im Rahmen der Abwägung zu beachten ist. 179 Welches Gewicht den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zukommt, ist über die Vorgabe des § 1 Abs. 2 BNatSchG hinaus einer generalisierenden Bewertung nicht zugänglich, sondern ebenfalls eine Frage der Abwägung im Einzelfall. uo Einen öffentlichen Belang des Natur- und Landschaftsschutzes, wie er gemäß §§ 1 Abs. 2, 4 S. 3 BNatSchG im besiedelten Bereich normiert ist, hat die Planfeststellungsbehörde als unmittelbar geltendes Recht bei der Abwägung zu beachten. Diese Pflicht entflillt nicht deshalb, weil ein anderer öffentlicher Planungsträger bestimmte Vorstellungen entwickelt hat. Indem die Planfeststellungsbehörde etwa gemäß § 78 VwVfG planerische Aufgaben eines anderen Planungsträgers in zulässiger Weise übernimmt, trifft sie insoweit daher auch die rechtliche Verantwortung rur eine sachgerechte Abwägung. 181
176 Vgl. BVerwG, Urt. vom 22.3 .1985 - 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 = DVBI 1985, 900 = NJW 1986, 80. 177 Vgl. zuletzt wohl BVerwG, Besehl. vom 20.8.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90,329 = DVB11992, 1438 = NVwZ 1993, 167. 178 Vgl. BVerwG, Besehl. vom 31.1 .1997 - 4 NB 27.96 - BVerwGE 104,68 = NVwZ 1997, 1213 = DVB11997, 1112. 179 BVerwG, Besehl. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435; Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997,914 = DVB11997, 838 zu § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG. 180 BVerwG, Besehl. vom 23 .3.1992 - 4 B 218.91 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr.6. 181 BVerwG, Besehl. vom 30.10.1992 -4 A 4.92- Buchholz406.401 § 8 BNatSehG NT. 13 = NVwZ 1993, 565.
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In der Rechtsprechung des BVerwG ist die Bedeutung und der methodische Stellenwert der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG umstritten und immer noch mit Unsicherheiten behaftet. Das BVerwG nahm 1992 an, daß naturschutzrechtlich gebotene Ausgleichs- und Ersatzrnaßnahmen im Rahmen der allgemeinen fachplanerischen Abwägung nur dann abwägungserheblich sind, wenn sie die Gesamtkonzeption der Planung zu berühren geeignet sind. 182 Die Auffassung änderte sich. Später (1997) sprach das Gericht aus, daß die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung die fachrechtlichen Zulassungstatbestände "nur" ergänze; die in § 8 Abs. 2 S. I BNatSchG normierten Verpflichtungen knüpften an die im Rahmen der fachrechtlichen Abwägung getroffene Trassenwahl an. 183 Die Planfeststellungsbehörde ist im Rahmen der rechtlichen Vorgaben des § lAbs. 3 BNatSchG in Verbindung mit § 8 BNatSchG nicht gehalten, allein naturschutzkonservierende Maßnahmen zu treffen. Sie kann - um des naturschutznäheren Endziels willen - auch Maßnahmen ergreifen, die zunächst eine Beeinträchtigung des bestehenden naturhaften Zustandes darstellen, sich indes in der naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig erweisen. l84 Landschafts- und Artenschutzprogramme hindern die Planfeststellungsbehörde rechtlich nicht, einen straßenrechtlichen Plan fUr ein Vorhaben festzustellen, das mit diesen in Widerspruch steht, wenn diesen Programmen nach Landesrecht keine Rechtsverbindlichkeit zukommt. 185 4. Umweltschutz - Umweltverträglichkeit Der Belang des Umweltschutzes ist zu einem Sammelbegriff geworden. Wasser, Luft, Boden und das Klima gelten als geflihrdete Schutzgüter. Die Umweltverträglichkeit hat im UVPG in Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Regelung der UVP-RL eine gesetzliche Regelung erfahren. Der Bereich wird gesondert dargestellt (unten D). Art. 20 a GG hat den Umweltschutz als Staatsziel verfassungsrechtlich festgeschrieben. Die anthropozentrische Sicht der Verfassung legt ein Verständnis nahe, auch die Staatszielbestimmung des 182 BVerwG, Besch!. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 13 = NVwZ 1993, 565. 183 BVerwG, Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914 = DVBI 1997,838. 184 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 10.9.1998 - 4 A 35.97 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 25 = NVwZ 1999, 532 - Moorrenaturierung durch Vemässung des Rustow-Randow Polders (Mecklenburg-Vorpommem) als geeignete Kompensationsmaßnahme. 185 BVerwG, Besch!. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 13 = NVwZ 1993, 565 - Sachsendamm.
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Art. 20 a GG in diesem Kontext auszulegen. Das BVerwG hat in der Deutung des Art. 20 a GG bislang nur erste Ansätze entwickelt. 186 5. Belange der Gemeinde (§ 38 BauGB)
Die Gemeinde kann ihre Planungshoheit nur als abwägungserheblichen Belang verteidigen. Sie muß grundsätzlich hinnehmen, daß ihre Belange im Wege der Abwägung "überwunden" werden. § 38 BauGB ist gesetzlicher Ausdruck des Vorrangs der (überörtlichen) Fachplanung gegenüber der kommunalen Bauleitplanung. § 38 BauGB schließt nicht aus, daß das insoweit aus der Sicht des bundesrechtlichen Bauplanungsrechtes zunächst berufene Fachplanungsgesetz seinerseits unter näheren Voraussetzungen im Sinne einer Rückverweisung wiederum das Bundesbaurecht ganz oder teilweise fUr maßgebend erklärt. 187 Ob die Gemeinde letztlich überhaupt eine "wehrhafte" Rechtsposition innehat, wird näher im Rahmen der Klagebefugnis in dieser Darstellung behandelt. Im Planfeststellungsverfahren muß eine Gemeinde, die dadurch ihre Planungen ftlr weitere Wohngebiete gefährdet sieht, darlegen, welche Pläne berührt sind, welchen Inhalt sie haben, in welchem Planungsstadium sie sich befinden, worin die möglichen Konflikte liegen und warum trotz Abstimmung der Bauleitplanung auf die vorgegebene Situation bauleitplanerische Mittel nicht ausreichen, die Konflikte zu lösen. Die Planfeststellungsbehörde handelt nicht abwägungsfehlerhaft, wenn sie auf den bloßen Einwand, die Verwirklichung geplanter Neubaugebiete sei in Frage gestellt, eigene Ermittlungen über den Stand der Bauleitplanung nicht anstellt und die Planungen der Gemeinde in der Abwägung nicht berücksichtigt, weil sie nicht hinreichend konkret seien. 188 Scheitert die Absicht einer Gemeinde, Festsetzungen ihres rechtswirksamen Flächennutzungsplans in einem Bebauungsplan umzusetzen, bereits an Umständen, die mit der überörtlichen Fachplanung nichts zu tun haben, so ist es nicht Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, im Rahmen ihrer Abwägung Altemativplanungen zu berücksichtigen, die die Gemeinde unabhängig von dem bisher erarbeiteten Bebauungsplanentwurf zur Realisierung des Flächennutzungsplans noch entwickeln könnte. 189 Auch einer Gemeinde, deren Entwicklungsmöglichkeiten bereits durch andere Flächeninanspruchnahmen erheblich eingeschränkt sind, 186 BVerwG, Beseh!. vom 13.4.1995 - 4 B 70.95 - Buehholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 309 = NuR 1995, 253 = DVBI 1995, 1008. 187 BVerwG, Beseh!. vom 5.10.1990 - 4 B 249.89 - Buehholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 = NVwZ-RR 1991, 118 (Flughafen Stuttgart). 118 BVerwG, Urt. vom 30.9.1993 - 7 A 14.93 - Buehholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23 = NVwZ 1994, 371. 189 BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 11 A 65.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 27 = UPR 1997,470.
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kann zugemutet werden, sich bei ihrer weiteren Planung auf eine wichtigen Uberörtlichen Belangen dienende Bundesautobahn einzustellen. 190 6. Weitere öffentliche Belange (Auswahl) Das Interesse, den finanziellen Aufwand filr den Straßenbau gering zu halten, gehört zu den öffentlichen Belangen, denen die Planfeststellungsbehörde Rechnung zu tragen hat. 191 Der in § 7 Abs. I der Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 - BGBI I S. 1284 - (BHO) niedergelegte Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist ein (ausschließlich) öffentlicher Belang; dem Privaten steht keine drittschützende Norm zur Verfilgung, auf die er sich berufen könnte, um unter diesem Aspekt eine gerichtliche Überprüfung der Planrechtfertigung zu • 192 erzwmgen. Die Verwaltungspraxis, die BauausfUhrung aus der Planfeststellung auszuklammern, ist rechtlich nicht zu beanstanden, soweit der Stand der Technik filr die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfilgung stellt und die Beachtung der entsprechenden technischen Regelwerke sichergestellt ist. Je nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalles kann bei einer straßenrechtlichen Planfeststellung auch eine bestimmte Bauausfilhrung abwägungsrelevant sein. 193 Der Träger der Straßenbaulast hat bei der Errichtung von Bauten in Konkretisierung des § 4 FStrG eigenverantwortlich zu bestimmen, weIcher Sicherheitsstandard angemessen ist, um im Einzelfall Sicherheitsrisiken auszuschließen. 194 Läßt sich erst anband detaillierter Pläne feststellen, ob eine Anlage die Gewähr rur die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen, z. B. zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, bietet, müssen derartige Pläne
BVerwG, Urt. vom 11.1.2001 - 4 A 12.99 - UPR 2001, 189 = ZtBR 2001, 279. BVerwG, Urt. vom 9.11.2000 - 4 A 51.98 - Buchholz 409.4 § 17 FStrG Nr. 159 = NVwZ 2001, 682 = DVB12001, 644 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 22.3.19854 C 73.82 - BVerwGE 71, 163 = NJW 1986,82 = DVBI 1985,899; Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 = NVwZ 1996, 1011; Beschl. vom 20.12.1988 - 4 B 211.88 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 79 = NVwZ-RR 1989, 458; Beschl. vom 30.9.1998 - 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142 = NVwZ-RR 1999,164. 192 BVerwG, Urt. vom 8.7.1998 -11 A 30.97 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 21 = NVwZ 1999,70. 193 BVerwG, Beschl. vom 23.3.1992 - 4 B 218.91 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr.6. 194 BVerwG, Urt. vom 9.11.2000 - 4 A 51.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 159 = NVwZ 2001, 682 = DVB12001, 644. 190 191
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allerdings bereits Gegenstand der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens sein. 195 Schutz- und AusgleichsansprUche sind - trotz ihres subjektiv-rechtlichen Charakters - zugleich abwägungsrelevante "öffentliche" Belange. Ein Abwägungsmangel kann hinsichtlich berechtigter, aber nicht gewährter Schutzauflagen nach § 74 Abs. 2 S. 2 Vwvro allerdings nur dann zu einem Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen, wenn die Auflagen für die Planungsentscheidung insgesamt von so großem Gewicht wären, daß dadurch die Ausgewogenheit der Gesamtplanung oder zumindest eines abtrennbaren Planungsteils überhaupt in Frage gestellt würde.
VII. Ermittlung der Belange 1. Zusammenstellung des Abwägungsmaterials Welchen Umfang das von der Plallungsbehörde zu ennittelnde Abwägungsmaterial und welchen Regelungsgehalt ein von ihr erlassener Planfeststellungsbeschluß aufweisen muß, richtet sich "nach Lage der Dinge" im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem Vorhaben selbst, das Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses iSt. 196 Das BVerwG läßt es angesichts des Umfangs eines Vorhabens genügen, wenn eine repräsentative, aber aussageflUlige Befundennittlung vorgenommen wird.
2. Gutachten Fachgutachterliche Stellungnahmen im Planaufstellungsverfahren sind für das spätere gerichtliche Verfahren von erheblicher prozessualer Bedeutung. Grundsätzlich kann ein behördliches Fachgutachten nur unter denselben Voraussetzungen angegriffen werden wie ein gerichtliches Gutachten. 197 Die behördliche Prognose der Verkehrs belastung einer öffentlichen Straße genügt den sich aus § 41 Abs. 1 BlmSchG in Verbindung mit der 16. BlmSchV für Immissionsprognosen ergebenden rechtlichen Anforderungen, wenn sie zum Teil auf 195 BVerwG, Urt. vom 26.11.1991 - 7 C 16.89 - Buchholz 451.22 AbfG Nr. 45 = NVwZ 1992,787. 196 BVerwG, Beseh!. vom 23.3.1992 - 4 B 218.91 - Buehholz 316 § 75 VwVfG Nr. 6. 197 Vg!. BVerwG, Urt. vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 = NVwZ 1987,578 = DVBI 1987, 573 .
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ein projektbezogenes Verkehrsgutachten und zum anderen Teil auf eine allgemeine Trendprognose gestützt wird. 198 Der Planfeststellungsbehörde ist es unbenommen, bei ihrer Entscheidung auch Gutachten zu berücksichtigen, die nicht von ihr, sondern von Verfahrensbeteiligten oder von anderen Behörden eingeholt worden sind. 199 Je unzweifelhafter ein Gutachten als Ausdruck der Sachkundigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität zu qualifizieren ist, desto unbedenklicher eignet es sich als maßgebliche StUtze für die gebotene Abwägungsentscheidung. 20o Angesichts der Komplexität der Lärmschutzberechnungen wird die Planfeststellungsbehörde in aller Regel eine sachkundige Beratung benötigen. 201 Diese bezieht sich auf Verkehrs untersuchungen und auf akustische (schalltechnische) Berechnungen. Ähnliches wird man inzwischen fl1r die Beurteilung der naturschutzrechtlichen Eingriffslage (§ 8 BNatSchG) anzunehmen haben.
3. Kausalität des Ermittlungsfehlers Hat die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren Ermittlungen unterlassen, die sich ihr hätten aufdrängen müssen, so liegt hierin ein Verfahrensfehler, der fl1r das Abwägungsergebnis ursächlich sein kann. 202 Der Fehler ist nicht ursächlich, wenn die (erforderliche) gerichtliche Aufklärung ergibt, daß die Ermittlung nicht zu dem vom Kläger angenommenen günstigen Ergebnis gefilhrt hätte. Das ist stets der Fall, wenn sich der Befund nicht bestätigen läßt. Hat die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren Ermittlungen unterlassen, die sich ihr hätten aufdrängen müssen, so braucht das Tatsachengericht seinerseits insoweit den Sachverhalt nur von Amts wegen zu erforschen, wenn sich ihm eine Ermittlung aufdrängen muß; das ist in aller Regel nur der Fall, wenn dazu aufgrund der entstandenen Prozeßlage Anlaß besteht. 203 198 BVerwG, Besch\. vom 1.4.1999 - 4 B 87.98 - Buchholz 406.25 § 43 BlmSchG Nr. 12 = NVwZ-RR 1999,567. 199 Vg\. BVerwG, Urt. vom 23.2.1994-4 B 35.94-Buchholz407.4 § 17 FStrGNr. 97 = NVwZ 1994, 688 = DVBI 1994, 763 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 5.12.1986 - 4 C 13.85 - BVerwGE 75, 214 = NVwZ 1987, 578 = DVBI 1987, 573. 200 Vg\. BVerwG, Urt. vom 23.2.1994 - 4 B 35.94 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 97 = NVwZ 1994, 688 = DVBI 1994, 763 94 zu § 17 Abs. 1 S. 3 FStrG. 201 So auch OVG Münster, Urt. vom 16.10.1997 - Ila D 116/ 96.NE - NVwZ-RR 1998,632 = BRS 59 Nr. 255 (1997) - Eignung eines Lärmgutachtens als Grundlage der Abwägungsentscheidung. 202 BVerwG, Besch\. vom 9.3.1993 - 4 B 190.92 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 23 = NVwZ-RR 1993,330. 203 BVerwG, Besch\. vom 9.3.1993 - 4 B 190.92 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 23 = NVwZ-RR 1993, 330.
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VIII. Ungeschriebene Abwägungsgrundsätze Die Rechtsprechung hat weitere Teilnonnen zugunsten einer "guten" Abwägung entwickelt. Dies sind u. a.: Das Gebot der (inhaltlichen) Abwägungsbereitschaft, das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung, das Gebot der Beachtung überörtlicher Planung, das Gebot der Beachtung berührter grundrechtsbezogener Positionen, das Gebot des "fairen" Lastenausgleichs, das Gebot der realisierungsfllhigen Planung, das Gebot der zukunfts orientierten Planung und das Gebot der kommunalen Rücksichtnahme. Das ist hier nicht näher darzustellen.204 Der Planer hat alles zu berücksichtigen, was "nach Lage der Dinge" zu berücksichtigen ist. Neben (gesetzlich) geschriebenen Regeln hat die Rechtsprechung eine Fülle "ungeschriebener" Regeln entwickelt. Sie lassen sich alle auf den rechts staatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit alles, was als vernünftig und rational zu gelten hat, zurückfUhren. Dies kann hier nicht einmal im Ansatz dargestellt werden. Das Gebot der Problembewältigung hat drei Teilaspekte, nämlich das Gebot, vorhandene Konflikte durch Maßnahmen der Planfeststellung zu beseitigen, mindestens zu verringern, das Verbot, vorhandene Konflikte durch die Bauleitplanung "weiterzugeben", also an andere Entscheidungsverfahren zu verweisen (Verbot des Konflikttransfers) und das Verbot, durch die Bauleitplanung erst neue (andere) Konflikte zu schaffen, die dann "ungelöst" bleiben.20s
D. Besondere Anforderungen: Umweltverträglichkeit I. Allgemeines Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen bedarf neben sektoral wirksamen Handlungsmitteln, wie es etwa die naturschutzrechtlichen Venneidungsund Ausgleichsgebote oder die bauplanerischen Festsetzungen darstellen, integrativer, sektorenübergreifender und wirkungsbezogener Instrumente. Das ist ein umweltpolitischer Gemeinplatz. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach gemeinschaftsrechtlichem und nationalem Recht sieht sich einem derarti204 Vg!. umfassend R. Steinberg I Th. Berg I M. Wickel, Fachplanungsrecht, 3. Aufl. 2000, S. 202 ff.; W Hoppe I H. Schlarmann IR. Buchner, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 3. Aufl. 2001, S. 211 ff. 205 Vgl. OVG Lüneburg, Urt. vom 4.1.1983 - BRS 40 Nr. 34 = ZfBR 1983, 281; ahn!. BVerwG, Urt. v. 28.4.1978 - 4 C 53.76 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 150 = DVBI 1979, 622.
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gen integrativen, medienübergreifenden Ansatz zur Konkretisierung des urnweltpolitischen Vorsorgeprinzips und einem kooperativen Umweltschutz verpflichtet. Auf der Ebene des EU-Rechtes ist ein erheblicher Konfliktstoff zu verzeichnen. Das Recht der UVP besitzt eine inner-nonnative Problemebene insofern, als ein erheblicher Koordinierungsbedarf zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem nationalen deutschen Recht besteht. Bereits die zögerliche und verspätete Umsetzung der UVP-RL in nationales Recht deutete dies an. In der Rechtsprechung ftlhrte dies dazu, daß gleichsam doppeigleisig eine Konfliktlage stets sowohl nach dem UVPG als auch nach der UVP-RL untersucht wurde. Zugleich war das UVPG Prüfungsgegenstand im Verhältnis zur UVP-RL, die als Prüfungsmaßstab fungierte?06 Das war und ist möglich, da die UVP-RL im Sinne eines "effet utile" weitgehend als unmittelbar anwendbares Recht gilt. 207
So bietet die UVP-RL keine Anhaltspunkte dafür, daß die in Ziffer 10 lit. e des Anhangs II zu Art. 4 Abs. 2 aufgeführten Straßen pauschal von einer UVP freigestellt werden dürften. 2os Durch die UVP-RL werden die materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des nationalen Rechts für UVP-pflichtige Vorhaben nicht verschärft. 209
11. Sachlicher Anwendungsbereich: UVP-pflichtige Verfahren Die UVP-RL regelt die UVP grundsätzlich nur projektbezogen (vgl. § 3 Abs. 1 S. I UVPG), nicht indes planbezogen. 2lO Dazu legt § 2 Abs. 2 UVPG den Gegenstand der UVP allgemein fest. Einzelheiten ergeben sich dann u.a. aus der Anlage zu § 3 UVPG. Der deutsche Gesetzgeber spricht von "Vorhaben", während die UVP-RL den Begriff des Projektes benutzt (sog. VorhabenUVP). Als Vorhaben in diesem Sinne sieht § 2 Abs. 2 Nr. 4 UVPG auch jede wesentliche Änderung vorhandener baulicher Anlagen an, soweit sie erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Planfeststellungsbeschlüsse und die
206 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 = NVwZ 1996, 788 = DVBI 1996, 677. 207 Vgl. EuGH, Urt. vom 11.8.1995 - Rs. C-431 /91 - EuGHE 1995,1-2189 - NuR 1996, 102 - Großkrotzenburg; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVBI 1996,677. 208 BVerwG, Beschl. vom 30.8.1995 - 4 B 185.95 - Buchholz 451.90 Europ. Wirtschaftsrecht Nr. 141 = NVwZ-RR 1996, 253 = DVBI 1996, 49. 209 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVB11996, 677. 210 BVerwG, Urt. vom 14.5.1997 - 11 A 43.96 - BVerwGE 104,367 = NVwZ 1998, 279 = DVB11997, 1123.
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. verbindliche Bauleitplanung gelten - vorbehaltlich der Anlage zu § 3 UVPG gemäß § 2 Abs. 3 UVPG als UVP-pflichtige Entscheidungen. Hingegen stellt eine auch grundlegende Änderung der Abwägungsstruktur keine wesentliche Änderung der Anlage im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 4 UVPG dar?11 Eine derartige Änderung setzt wegen der Projektbezogenheit der UVP vielmehr voraus, daß das Vorhaben selbst in seiner äußeren Gestalt und damit auch in seinen Auswirkungen auf die Umwelt verändert wird. 212 Auch vorgelagerte Verfahren sind grundsätzlich UVP-pflichtig (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 15 UVPG). Nach deutschem Recht ist verwaltungsrechtlich auch bedeutsam, ob ein vorverlagertes Verfahren gegenüber einer nachfolgenden Stufe präjudizierende Wirkung besitzt. Das BVerwG hat dies filr die Aufstellung eines Abfallentsorgungsplans verneint. Das gilt auch dann, wenn gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AbfG grundstücksgenaue Standorte filr neue Abfallentsorgungsanlagen festgelegt und filr verbindlich erklärt werden. Aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 UVP-RL folgt nichts anderes. 213
III. Verfahren der UVP 1. Vorlage der Unterlagen (§ 6 UVPG) Die fbrmliche UVP strukturiert filr planfeststellungsbedürftige Vorhaben den Abwägungsvorgang in der Weise, daß zunächst eine auf die Umwelt beschränkte Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens stattzufinden hat. 214 Der Träger des Vorhabens hat die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens der zuständigen Behörde zu Beginn des Verfahrens vorzulegen, in dem die Umweltverträglichkeit geprüft werden soll (§ 6 Abs. 1 UVPG). In welcher Form der Vorhabenträger die erforderlichen Angaben über die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt dem Antrag .auf Planfeststellung beizufilgen hat, bestimmt weder das UVPG noch die UVP-RL. 21S Ein zwingen211 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996-4 C 29.94-BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = DVBI 1997,708. 212 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = DVB11997, 708. 213 BVerwG, Besch!. vom 14.5.1996 - 7 NB 3.95 - BVerwGE 101, 166 = NVwZ 1997, 494 = DVBI 1997, 48. 214 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVBI 1996, 677. 215 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 C 11.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 = NVwZ 1999,528 zu VGH München, Urt. vom 14.6.1996 - 148 A 94.40129 - NuR
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des Gebot, dem Antrag auf Planfeststellung gerade eine Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) beizuftlgen, besteht nicht. Eine derartige Pflicht folgt insbesondere nicht aus § 6 UVPG. § 6 Abs. 3 und 4 UVPG enthalten nur Mindestangaben?16 Das bedeutet nicht, daß es nicht sehr naheliegend ist, eine Umweltverträglichkeitsstudie und gegebenenfalls auch eine Raumempfindlichkeitsanalyse vorzulegen. Das UVP-Recht nötigt nicht dazu, den räumlichen Umgriff der Prüfung in der Planfeststellung weiter auszudehnen als er vom materiellen Planungsrecht gefordert wird.2\? Ob eine UVP im Vorfeld eines konkreten Zulassungsverfahrens tUr das Gesamtstraßenbauvorhaben oder rur einen "beträchtlichen Abschnitt" hiervon geboten ist, richtet sich nach den insoweit für die Bestimmung der Linienführung bzw. das Raumordnungsverfahren einschlägigen Vorschriften (vgl. §§ 15 und 16 UVPG).2\8 Weder die UVP-RL noch das UVPG verbieten die Planfeststellung einer Bundesfernstraße in Abschnitten nach Maßgabe der dazu in der Rechtsprechung des BVerwG entwickelten Grundsätze. 219 Maßgebend sind auch hier die Anforderungen des Abwägungsgebots. Daher ist bei einer abschnittsweisen Planfeststellung einer Fernstraße die ilirntliche UVP nur fiir den jeweiligen Abschnitt durchzuführen. Für die nachfolgenden Abschnitte bedarf es mithin keiner vorgezogenen ilirmlichen UVp.220 Ausreichend ist vielmehr die Prognose, daß der Verwirklichung der Fernstraße in den nachfolgenden Abschnitten keine von vornherein unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen.221 Die UVP-RL und das UVPG gebieten ferner nicht, Umweltauswirkungen eines Vorhabens anband standardisierter Maßstäbe oder in standardisierten oder schematisierten
1997,45; Beschl. vom 17.2.1997 - 4 VR 17.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127 = LKV 1997, 328; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001 , 673 = DVB12001, 386. 216 Vgl. BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 C 11.96 - Buchholz407.4 § 17 FStrG Nr. 138; Urt. vom 22.7.1999 - 4 A 52.98 - n.v.; Beschl. vom 17.2.1997 - 4 VR 17.96Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127. 217 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVB11997, 1115. 218 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVB11997, 1115. 219 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98,339 = DVB11995, 1012 = NVwZ 1996,381. 220 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 = NVwZ 1996, 1011. 221 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 = NVwZ 1996, 1011 = NuR 1996,517; Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 = NVwZ 1998, 508 = DVBI 1997, 1115. 13 Zickow
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und rechenhaft handhabbaren Verfahren zu ermitteln und zu bewerten. 222 Mängel der ausgelegten Unterlagen nach § 6 UVPG können im Laufe des weiteren Verfahrens der UmweltverträglichkeitsprUfung ausgeglichen werden. 223 2. Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 9 UVPG) Die zuständige Behörde hat die Öffentlichkeit zu den Umweltauswirkungen des Vorhabens auf der Grundlage der ausgelegten Unterlagen nach § 6 UVPG anzuhören. Das Anhörungsverfahren muß den Anforderungen des § 73 Abs. 3 bis 7 VwVfG entsprechen (§ 9 Abs. I UVPG). Der Begriff der "Öffentlichkeit" ist nicht ganz eindeutig. § 9 Abs. 1 S. 1 und 2 UVPG gebietet, daß die allgemeine Öffentlichkeit in die UVP zur "Unterrichtung" (Art. 6 Abs. 2 erster Teilstrich, Abs. 3 UVP-RL) durch ortsübliche Bekanntmachung einbezogen wird.224 Das erfordert nach allgemeiner Ansicht ein Auslegen der Planunterlagen zur Einsichtnahme filr jedermann. Ist die Bekanntmachung der Auslegung des Plans allein im Amtlichen Anzeiger ortsüblich, so verstößt es nicht gegen Art. 6 der UVP-RL, wenn sich die Unterrichtung der Öffentlichkeit von dem Projekt auf diese Bekanntmachung und die anschließende Auslegung beschränkt. 22S Dagegen kann die "Anhörung" im Sinne eines Gelegenheitgebens zur Äußerung (Art. 6 Abs. 2 zweiter Teilstrich, Abs. 3 UVP-RL) auf die "betroffene" Öffentlichkeit beschränkt werden. 226 Ob das Konsultationsverfahren des UVPG in jeder Hinsicht der UVP-RL entspricht, ist im Schrifttum bezweifelt worden. 227 Bislang hatte das BVerwG keinen Anlaß gesehen, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Der Hinweis auf das befristete Einwendungsrecht potentiell Planbetroffener (§ 9 Abs. 1 S. 2 UVPG in Verbindung mit § 73 Abs. 4 S. 1 VwVfG) in der ortsüblichen Be-
222 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996-4 C 1.95 -Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVBI 1996,915 = NVwZ 1997,493; Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 = NVwZ 1996, 1016= DVBI 1996,907. 223 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = NVwZ 1996,381 = DVB11995, 1012 - B 16 (neu) - Regensburg-Roding. 224 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381. 22S BVerwG, Urt. vom 23.4.1997 - 11 A 7.97 - BVerwGE 104,337 = NVwZ 1998, 847 = DVBI 1997, 1119. 226 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381. 227 V gl. A. Weber / U. Hel/mann, Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprufung(UVP-Gesetz), NIW 1990, 1625-1633.
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kanntmachung der Planauslegung schränkt die nach UVP-RL gebotene Öffentlichkeitsbeteiligung jedenfalls nicht unzulässig ein. 228 Nach § 2 Abs. 2 S. 1 VerkPBG ist § 15 UVPG in den neuen Bundesländern indes mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Einbeziehung der Öffentlichkeit erst im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren stattfindet. Dies ist mit Art. 6 UVP-RL vereinbar. 229 Nach Art. 6 Abs. 2 UVP-RL haben die Mitgliedstaaten dafUr Sorge zu tragen, daß der Öffentlichkeit jeder Genehmigungsantrag zugänglich gemacht wird und daß der "betroffenen" Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben wird, sich vor DurchfUhrung des Projekts zu äußern. Dazu genügt die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme. § 2 Abs. 2 S. 1 VerkPBG ist mit dieser Vorgabe verträglich?30
IV. Wirkung derUVP Auf der Grundlage der Unterlagen nach § 6 UVPG, der behördlichen Stellungnahmen nach den §§ 7 und 8 UVPG sowie der Äußerungen der Öffentlichkeit nach § 9 UVPG erarbeitet die zuständige Behörde eine zusammenfassende Darstellung. Im Streit der Meinungen steht, ob und ggf. in welcher Weise die Bewertung auch materiell-rechtlichen Einfluß auf die Zulassungsentscheidung hat. Das BVerwG nimmt hier einen sehr restriktiven Standpunkt ein, den man am besten als "verfahrensbezogene" Interpretation der §§ 11, 12 UVPG kennzeichnen kann. UVP-RL und UVP-Gesetz haben in Bezug auf die Ermittlung und Bewertung von Umweltauswirkungen zwar ein bestimmtes Verfahren verbindlich vorgeschrieben. Beide haben indes nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG die Anforderungen an die Abwägung materiellrechtlich nicht in der Weise verschärft, daß Umweltbelange generell höheres Gewicht als bisher oder generell Vorrang vor anderen Belangen hätten. 231 § 11 S. 1 UVPG fordert mit der zusammenfassenden Darstellung der Umweltauswirkungen des Vorhabens "einschließlich der Wechselwirkungen" nicht ohne weiteres auch eine rechenhafte und saldierende Gegenüberstellung der 228 Vgl. BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381. 229 BVerwG, Beschl. vom 17.2.1997 - 4 VR 17.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127 = LKV 1997,328. 230 Vgl. bereits BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 (359 ff.) = DVBI 1995, IOI2=NVwZ 1996,381. 23\ BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 -4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVB11996, 915 = NVwZ 1997,493.
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von dem Vorhaben zu erwartenden Einwirkungen auf die verschiedenen Umweltschutzgüter nach standardisierten Maßstäben. 232 Die Darstellung ist von der "zuständigen Behörde" zu erarbeiten.
1. Bewertungsrahmen (§ 12 UVPG) I;)urch die UVP-RL werden die materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des nationalen Rechts fUr UVP-pflichtige Vorhaben nicht verschärft. 233 Der UVP-RL kommt also "nur" eine verfahrensrechtliche Zielsetzung ZU. 234 Aus dieser Beurteilung erklärt sich die Zurückhaltung des BVerwG, Mängel in der UVP im Klageverfahren als wirklich durchgreifend anzusehen. Wurde das Verfahrensrecht der UVP nicht beachtet, so handelt es sich um einen Verfahrensfehler, der - ftlr sich genommen - keine "höhere Qualität" besitzt als andere. Ein inhaltlicher Mangel entsteht erst, wenn die fehlerhafte UVP zu einem planerischen Abwägungsfehler geführt hat. In der Praxis der UVP ist die Ermittlungstiefe und folglich auch die Methodik der Ermittlung umstritten. Hier ist das BVerwG - wie erörtert - außerordentlich zurückhaltend. 235 Ein vollständiges Erfassen der betroffenen Tier- und Pflanzenarten ist regelmäßig nicht erforderlich. Eine "Verrechnung" einzelner Ermittlungsergebnisse wird allgemein als nicht notwendig abgelehnt. Zur Ermittlung der im Plangebiet lebenden Tierarten darf auf vorgefundene Vegetationsstrukturen und außerdem auf einschlägige Fachliteratur zurückgegriffen werden. Die UVP zielt auf das Erfassen der erheblichen Auswirkungen, nicht jedoch auf ein allumfassendes Such- und Prüfverfahren. 236 Es kann daher ausreichen, wenn ftlr den Untersuchungsraum besonders bedeutsame Repräsentanten an Tier- und Pflanzengruppen festgestellt werden und die Bewertung der Beeinträchtigung auf bestimmte Indikationsgruppen abstellt. 237
2J2 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 (359 ff.) = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381. 233 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVBI 1996, 677. 234 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVB11996, 915 = NVwZ 1997,493. 235 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 21.2.1997 - 4 B 177.96 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 20 = NVwZ-RR 1997,607. 236 Vgl. auch BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100,370 = NVwZ 1996, 1016 = DVB11996, 907. 237 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 21.2.1997 - 4 B 177.96 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 20 = NVwZ-RR 1997,607.
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2. Kriterien der Bewertung Die UVP-RL ist nicht geeignet, fehlende Umweltstandards zu ersetzen oder Defizite im Bereich der Untersuchungsmethoden und der Bewertungsmaßstäbe zu kompensieren. 238 Nach den Vorgaben der UVP-RL genUgt es, die erhobenen Umweltdaten so aufzubereiten, daß sie als zuverlässige Grundlage filr die Bewertung der Umweltauswirkungen dienen können. 239 Ein formalisiertes "Bewertungsverfahren" besteht nicht. UVP-RL und UVPG gebieten insbesondere nicht, daß Umweltauswirkungen eines Vorhabens anhand standardisierter Maßstäbe oder in standardisierten oder schematisierten und rechenhaft handhabbaren Verfahren ermittelt und bewertet werden. 240 3. Bewertung von Alternativen Die UVP betrifft keine Planungsalternative. 241 Die Planfeststellungsbehörde ist daher nicht verpflichtet, von ihr erwogene Trassenvarianten in jeder Beziehung gleich intensiv zu prUfen wie die planfestgestellte Trasse. Sie ist - wie erörtert - befugt, eine Alternative, die ihr auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheint, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden. Bei der AlternativenprUfung ist es der Planungsbehörde daher nicht verwehrt, die UVP auf diejenige Variante zu beschränken, die nach iem aktuellen Planungsstand noch ernstlich in Betracht kommt. 242 Verflihrt die Planfeststellungsbehörde in dieser Weise, so handelt sie erst dann abwägungsfehlerhaft, wenn sich ihr die ausgeschiedene Lösung als die vorzugswUrdige hätte aufdrängen müssen. 243
238 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVB11996, 677. 239 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVBI 1997, 1115 . 240 BVerwG, Urt. vom 21.3 .1996 - 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVBI 1996,915 = NVwZ 1997,493; ebenso BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 = NVwZ 1996, 1016 = DVBI 1996, 907 mit kritischer Bespr. W Erbguth, NuR 1997, 261-267. 241 BVerwG, Besch\. vom 16.8.1995 - 4 B 92.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104 = NVwZ-RR 1996, 68. 242 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVB11996, 677 unter Bezug auf BVerwG, Besch\. vom 16.8.1995 - 4 B 92.95Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104. 243 BVerwG, Besch\. vom 24.9.1997 - 4 VR 21.96 - NVwZ-RR 1998,297 = NZV 1998, 44 = UPR 1998, 72 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 134.
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Die Planfeststellungsbehörde darf Planungsalternativen, die nach einer Art Grobanalyse in einem frühen Planungsstadium nicht in Betracht kommen, auch im Detail ohne vorherige tbrmliche UVP ausscheiden.244 Das BVerwG hat diese Auffassung präzisiert. Nach seiner Ansicht ergeben weder das UVPG noch die UVP-RL eine Verpflichtung der Behörde, eine Alternativenprüfung im Rahmen von planerischeri Zulassungsentscheidungen vorzunehmen. Ob eine solche Prüfung geboten ist, bestimmt sich allein nach den Umständen des Einzelfalls und den sich daraus ergebenden Anforderungen des Abwägungsgebots?4S Daraus folgert das BVerwG, daß es filr die Auswahl sich anbietender Alternativen nicht geboten ist, für die zur Auswahl stehenden Alternativen jeweils getrennte UVP durchzuführen. Etwaige, auch ernsthafte Alternativen seien kein "Projekt" im Sinne der UVP-RL. Nur auf diese beziehe sich die Pflicht zur förmlichen UVP. 246 Daher sei es der Planfeststellungsbehörde auch nicht verwehrt, die UVP auf diejenige Variante zu beschränken, die nach dem aktuellen Planungsstand noch ernstlich in Betracht komme. Bislang hat das BVerwG nicht entschieden, ob der Vorhabenträger gemäß § 6 Abs. 1 UVPG verpflichtet werden könne, für jede ernsthaft in Betracht kommende Alternative eine förmliche UVP vorzulegen. Der zentrale Gesichtspunkt des BVerwG ist es, daß die UVP projektbezogen ist und die Wahl des Projektes allein beim Vorhabenträger liegt.
Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL hat die Suche nach einer Alternativlösung ausdrücklich aufgenommen. Zu fragen ist daher, ob sich auch eine nur verfahrensmäßig verstandene Ermittlungsintensität des UVPG zugunsten der Rationalität einer Auswahlentscheidung auswirken sollte. Der inneren Logik der UVPRL und des UVPG könnte es wohl besser entsprechen, daß die ernsthaft zur Auswahl stehenden Alternativen auf der Grundlage desselben UVP-Ermittlungsniveaus zu beurteilen sind. Bei einem strikt verfahrens bezogenen Verständnis der UVP wird man sich kaum vorstellen können, daß eine gerichtliche
244 BVerwG, Beseh\. vom 16.8.1995 - 4 B 92.95 - UPR 1995,445 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104 = NVwZ-RR 1996,68; Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVB11996, 677; Beseh\. vom 15.9.1995 -lI VR 16.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 6; Beseh\. vom 14.5.1996 -7 NB 3.95BVerwGE 101, 116 = NVwZ 1997,286 = DVBI 1996, 1147; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz § 8 BNatSehG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386. 245 BVerwG, Beseh\. vom 14.5.1996 - 7 NB 3.95 - BVerwGE tOl , 166 = NVwZ 1997, 494 = DVB11997, 48; ebenso BVerwG, Beseh\. vom 10.10.1995 -lI B 100.95NVwZ-RR 1997,336. 246 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVB11996, 677 im Anschluß an BVerwG, Beseh\. vom 16.8.1995 - 4 B 92.95Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104 = NVwZ-RR 1996, 68.
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Kontrolle der Anwendung des UVPG jemals zur Feststellung eines kassationswürdigen Fehlers filhren wird. 247 4. Berücksichtigung der Bewertung Das Fachplanungsrecht selbst - also unabhängig von den Vorgaben des UVPG - bestimmt vielfach ausdrücklich, daß eine "Umweltverträglichkeit" im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sei (vgl. § § 16 Abs. 2, 17 Abs. 1 S. 2 FStrG). Eine zusammenfassende Darstellung, wie sie § 11 UVPG filr den Bereich der UVP vorsieht, schreibt das Gesetz auf der Stufe des § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG nicht vor. 248 § 17 Abs. I S. 2 FStrG verlangt lediglich, daß die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Wie die Behörde bei der Erfilllung dieser Verpflichtung methodisch vorzugehen hat, legt das Gesetz nicht fest. Das UVPG kennt grundsätzlich nur eine "Vorhaben-UVP", nicht jedoch eine "PlanUVp".249
5. Bedeutung der neueren Bedarfsgesetzgebung Der Bundesgesetzgeber hat mit § 1 Abs. 2 FStrAbG den Bedarf verbindlich festgelegt. Der Bedarfsplan filr den Fernstraßenausbau wie auch die Aufnahme eines Fernstraßenausbauvorhabens in den gesetzlichen Bedarfsplan bedarf nicht der UVP nach Maßgabe des Gesetzes über die UVP. Auch die UVP-RL verlangt dies nicht. 250 Aus diesem Grunde ist es in der Tat immerhin rechtlich möglich, daß Belange des deutschen oder des gemeinschaftsrechtlichen Umweltschutzrechtes dem projektierten Vorhaben entgegenstehen können. 2S1 Das konkrete Vorhaben kann daher trotz der gesetzlichen Bedarfsfestlegung in der fachplanerisch gebotenen Abwägung der übrigen öffentlichen und privaten Be241 Vg!. E. Hien, Die UmweltverträglichkeitsprUfung in der gerichtlichen Praxis, NVwZ 1997,766-769. 248 BVerwG, Besch!. vom 14.10.1996 - 4 VR 14.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 123 =zm 1997, 131. 249 Vg!. näher J. Wagner, UmweltverträglichkeitsprUfung in der Bauleitplanung und im Raumordnungsverfaheen. Änderungen durch das Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz, DVB11993, 583-589. 250 BVerwG, Besch!. vom 22.9.1997 - 4 B 147.97 - Buchholz 406.251 § 2 UVPG Ne. 5 = UPR 1998,72 = DÖV 1998, 160. 251 BVerwG, Beseh!. vom 26.6.1996 - 4 B 67.96 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Ne. 120 = NVwZ-RR 1997,84; Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996,788= DVBII996, 677; Urt. vom 8.6.1995 -4 C 4.94 -BVerwGE 98,339 (359ff.)=NuR 1995, 537 = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381.
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lange noch scheitern. Ein derartiger Fall ist allerdings bislang noch nicht eingetreten. So bleibt die Auffassung des BVerwG einstweilen von theoretischer Bedeutung.
V. Prozeßrecht 1. Klagebefugnis
Selbständig durchsetzbare Verfahrenspositionen vermittelt das UVPG einem von einem UVP-pflichtigen Vorhaben Betroffenen ebensowenig, wie dies nach der Rechtsprechung des BVerwG bei Verfahrensvorschriften anderer Fachgesetze der Fall ist. 2S2 Die UVP-RL enthält auch keinen Anhalt dafilr, daß der nationale Gesetzgeber verpflichtet ist, privaten Dritten eine weitergehende Klagemöglichkeit zu eröffnen, als sie das nationale Recht allgemein bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften eröffnet. 2S3 Das gilt selbstverständlich dann nicht, wenn der Gesetzgeber eine Verbandsklage anerkannter Naturschutzverbände wegen Verletzung statuierter Mitwirkungsbefugnisse zuläßt. Die UVPRL äußert sich jedenfalls nicht darüber, ob und in welcher Hinsicht dies zu geschehen hat und ob beispielsweise einem Naturschutzverband eine Klagebefugnis gegen eine objektiv fehlerhafte Unterschutzstellung einzuräumen ist. 2s4 Das Versagen einer kausalitätsunabhängigen Klagemöglichkeit stellt die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Verfahrensanforderungen der UVP-RL vor deutschen Gerichten den entsprechenden nationalen Verfahrensanforderungen gleich. Dies erschwert nach Ansicht des BVerwG allerdings die Geltendmachung von Verstößen gegen die UVP-RL nicht übermäßig, da bei möglichen Ermittlungs- und Bewertungsdefiziten in bezug auf Umweltauswirkungen infolge des Verfahrens verstoßes die Berufung des enteignend Betroffenen darauf Erfolg hat. Mehr fordere auch das Gemeinschaftsrecht nicht. 2SS Eine Pflicht zur Nachkontrolle sieht die UVP-RL ebenso wie das UVPG nicht vor.
252 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 (359 ff.) = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381. 253 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98,339 (359 ff) = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381. 254 BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 = NVwZ 1997,491- A 4 Bautzen / Görlitz. 255 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = DVBI 1995, 1012 = NVwZ 1996,381 unter Bezugnahme auf EuGH, Urt. vom 19.11.1991, Rs. C-6/90 und C-9 / 90 -, EuGHE 1991,1-5357 (5416) - Francovich.
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2. Klageerfolg a) Präklusion
Aus der UVP-RL ergibt sich nicht, daß im gerichtlichen Verfahren unabhängig von einem gesetzlich angeordneten Einwendungsausschluß in der Sache geprüft werden muß, ob ein planfestgestelltes Vorhaben die Gesundheit der Kläger geflihrdet. 256 Eine Beliebigkeit in der Regelung materieller Präklusionen ist dem nationalen Gesetzgeber allerdings nicht erlaubt. Es bedarf sachgerechter GrUnde. 257 Das Gemeinschaftsrecht steht einer Handhabung entgegen, welche die Durchsetzung des EU-Rechts im nationalen Recht praktisch unmöglich macht. 2S8 Es gelten die Prinzipien der Effektivität und der Nichtdiskriminierung des Gemeinschaftsrechts. Diese Grenze dürfte mit dem derzeit geltenden materiellen Präklusionsrecht, mit dem verspätete Einwendungen ausgeschlossen werden, noch nicht überschritten sein. Zu bedenken ist, daß eine kurze Einwendungsfrist bei hochkomplexen Darstellungen, wie sie etwa eine Umweltverträglichkeitsstudie, eine. Raumempfindlichkeitsanalyse oder ein landschaftspflegerischer Begleitplan sind, die Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß Art. 6 Abs. 2 und 3 UVP-RL an substantieller Kraft verliert. b) Kausalität
Das BVerwG verfolgt bei Mißachtung des UVP-Rechts einen strikten "Kausalitätskurs". Die Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften fUhrt fiir sich genommen nicht zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses. Hinzukommen muß vielmehr, daß sich der formelle Mangel auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt haben kann. Der danach erforderliche Kausalzusammenhang ist nur dann gegeben, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, daß die Planungsbehörde ohne den Verfahrensfehler anders entschieden hätte. 2S9 Wenn im Planfeststellungsverfahren ein Fehler bei der Ermittlung, Be-
256 BVerwG, Urt. vom 23.4.1997 - 11 A 7.97 - DVBI 1997, 1119 = Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 16 zu § 20 Abs. 2 S. I AEG. 257 Vgl. BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119 = NVwZ 1997, 489 = DVBI 1997, 51; vgl. auch krit. D. Solveen, Zur materiellen Präklusion im Femstraßenplanungsreeht, DVBI 1997, 803-809. 258 EuGH, Urt. vom 20.3.1997 - Rs. C-24 195 - EuGHE 19971-1591 Rn. 37,42,46 -Alcan. 259 BVerwG, Besehl. vom 24.6.1993 - 4 B 114.93 - VkBI 1995,210.
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wertung und Darstellung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens auf Natur und Umwelt darin liegen sollte, daß einzelne Verfahrensbestimmungen des Gesetzes über die UVP nicht eingehalten worden sind, dann ist die Planfeststellung nicht allein wegen der verfahrensfehlerhaften Anwendung dieser Bestimmungen aufzuheben, wenn in der Sache den Anforderungen des Gesetzes entsprochen ist. 260 Das gilt jedenfalls dann, wenn auszuschließen ist, daß die Einhaltung dieser Bestimmungen sowohl inhaltlich als auch in der räumlichen Abgrenzung zu einer anderen Entscheidung geftlhrt hätte. 261 Wer als Eigentümer eines in Anspruch zu nehmenden Grundstücks den Planfeststellungsbeschluß mit der Begründung angreift, es habe entgegen § 22 UVPG einer UVP bedurft, weil die öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens in dem vor Inkrafttreten des UVPG begonnenen Planfeststellungsverfahren erst erfolgt sei, nachdem die Frist ft1r die Umsetzung der UVP-RL bereits abgelaufen sei, kann mit einem solchen Einwand dann keine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses erreichen, wenn es keinerlei Anhaltspunkte dafllr gibt, daß die Durchfilhrung einer UVP zu einer anderen als der planfestgestellten Trasse hätte filhren können. 262 Aber auch dieser Nachweis wird dem klagenden Eigentümer schwer gemacht. Denn fllr die Frage, ob bei der Planfeststellung eines UVP-pflichtigen Vorhabens die gebotene UVP durchgeftlhrt worden ist, kommt es darauf an, ob das Verfahren so, wie es tatsächlich durchgeftlhrt worden ist, materiell den Anforderungen des UVPG und der UVP-RL genügte. 263 Dies gilt zumindest dann, wenn ein Verfahren eingehalten worden ist, das de facto den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügen kann. Es ist also weiter zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafllr vorhanden sind, daß als Folge der Unterlassung abwägungserhebliche Umweltbelange außer acht gelassen oder fehlgewichtet worden sind. 264 Um die Ursächlichkeit einer unterlassenen UVP fllr das Planungsergebnis darzutun, muß aufgezeigt werden, inwiefern bei Durchfiihrung einer ilirmliehen UVP ein bisher unberücksichtigt gebliebener Gesichtspunkt geeignet ge-
260 BVerwG, Besehl. vom 21.7.1994 - 4 VR 1.94 - BVerwGE 96, 239 = DVBI 1994,1197 = NVwZ 1995,383 unter Bezug auf BVerwG, Beseht. vom 30.10.1990 - 4 A 4.90 - Buehholz 406.401 § 8 BNatSehG Nr. 13 = NVwZ 1993,565. 261 BVerwG, Beseht. vom 21.7.1994 - 4 VR 1.94 - BVerwGE 96, 239 = DVBI 1994, 1197 = NVwZ 1995,383. 262 BVerwG, Beseht. vom 23.2.1994 - 4 B 35.94 - DVBI 1994,763 = NVwZ 1994, 688. 263 BVerwG, Urt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98, 339 = DVB11995, 1012 = NVwZ 1996,381. 264 BVerwG, Urt. vom 25.1.1996 - 4 C 5.95 - BVerwGE 100,238 = NVwZ 1996, 788 = DVBI 1996,677.
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wesen wäre, eine andere als die im Planfeststellungsverfahren getroffene Entscheidung herbeizufUhren. 265 Eine zusammenfassende Darstellung nach § 11 UVPG stellt nach Ansicht des BVerwG zwar ein hervorragend geeignetes Mittel dar. Die zusammenfassende Darstellung ist jedoch keine conditio sine qua non fUr die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung. Das Ziel, die Umweltfolgen eines Vorhabens zutreffend abzuschätzen, läßt sich nach Auffassung des Gerichts auch bei anderer Vorgehensweise erreichen. Maßgebend sei, ob die Planungsbehörde die fUr die Abwägung erheblichen Belange berücksichtigt habe?66 Fehlt eine "zusammenfassende Darstellung" nach § 11 UVPG und wird die gegen einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß gerichtete Klage hierauf gestützt, so kann sie danach nur Erfolg haben, wenn die sachliche planerische Entscheidung in rechtserheblicher Weise davon beeinflußt sein kann, daß anstelle der Einzelerörterungen eine "zusammenfassende" Darstellung unterblieben ist. 267 Das wird sich zumeist schwerlich nachweisen lassen.
E. Besondere Anforderungen: Verkehrslärmschutz I. Rechtsgrundlagen Öffentliche Verkehrswege (Straßen und Schienenwege) unterliegen nicht dem allgemeinen Immissionsschutzrecht. Statt dessen gelten fUr sie Sonderregelungen, die sowohl in der Lärmermittlung als auch der Lärmbeurteilung einem anderen Maßstab folgen (§§ 41 ff. BlmSchG). Die. 16. Verordnung zur DurchfUhrung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung (16. BlmSchV) vom 12.6.1990 (BGB!. I S. 1036) ergänzt §§ 41, 42 BlmSchG. Der § 41 BlmSchG oder die 16. BlmSchV sagen nicht, auf welcher planerischen Grundlage der Straßenbau erfolgen muß, um ihre Anwendung auszulösen. Wird eine öffentliche Straße aufgrund einer nach § 9 Abs. I Nr. 1I BauGB getroffenen Festsetzung gebaut, so ist daher die 16. BlmSchV ebenfalls anzuwenden. 268 265 Vgl. BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100,370 = NVwZ 1996, 1016 = DVBI 1996,907; Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 1.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVBI 1996,915 = NVwZ 1997,493; Beschl. vom 23.2.1994 - 4 B 35.94 - DVBI 1994, 763 = NVwZ 1994, 688. 266 BVerwG, Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVB11997, 1115. 267 BVerwG, Beschl. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 13 = NVwZ 1993, 565. 268 BVerwG, Beschl. vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 - DVB11995, 1010 = NVwZ 1995,1098 =NJW 1995,2572.
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11. Anwendungsbereich (§ 41 BlmSchG -16. BlmSchV) 1. Sachlicher Anwendungsbereich
a) Lärmvorsorge
Die 16. BlmSchV betrifft nur die Lärmvorsorge, nicht aber die Lärmsanierung. Fragen der Lärmsanierung sind bislang nicht gesetzlich geregelt. Dieser Zustand ist äußerst unbefriedigend, in Teilbereichen des Schutzgebotes des Art. 2 Abs. 2 GG vermutlich grundgesetzwidrig. 269 Die Lärmvorsorge wird durch Grenzwerte typisiert. Dies ist bei Verkehrslärmimmissionen leichter möglich als bei anderen schädlichen Umwelteinwirkungen, weil es sich um Standardsituationen handelt. Der Gesetzgeber mutet jedem Anwohner einer Bundesstraße zu, bei Änderungen der Verkehrsverhältnisse Nachteile (z. B. Lärmimmissionen) in begrenztem Maße hinzunehmen. Die §§ 41, 42 BlmSchG in Verbindung mit der 16. BlmSchV bestimmen die jeweiligen als zumutbar hinzunehmenden Grenzen. 270 b) § 41 BlmSchG als lex specialis
§ 41 Abs. 1 BlmSchG schließt, soweit es um Lärmschutz geht, grundsätzlich die Anwendung des § 74 Abs. 2 S. 2 Vwvro aus. Das gilt allerdings nicht, wenn eine zwecks Lärmsanierung an einer vorha~denen Straße einseitig errichtete Schallschutzwand durch Reflexion des vorhandenen Verkehrslärms zu einer zusätzlichen Lärmbeeinträchtigung von Anwohnern auf der gegenüberliegenden Straßenseite ftlhrt. 271 Neben dem durch §§ 41 ff. BlmSchG normierten Lärmschutzsystem kommt daher ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 74 Abs. 2 S. 2 Vwvro inhaltlich nur nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 S. 2 BImSchG in Betracht. Das gilt auch dann, wenn § 41 Abs. 1 BlmSchG nur deshalb nicht anzuwenden ist, weil seine tatbestandlichen Voraussetzungen zu
269 Andeutung BVerwG, Vrt. vom 21.3.1996 - 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 = DVBI 1996,916 = NVwZ 1996, 1003 zur Frage der Summation verschiedener Lärmimmissionen; ähnlich BVerwG, Beschl. vom 27.12.1993 -7 B [21.93 - UPR 1994, 261 = NuR 1994,391; kritisch H. Schulze-Fielitz, Lärmschutz bei der Planung von Verkehrsvorhaben, 1. Ziekow (Hrsg.), Planung 2000 - Herausforderungen fiir das Fachp[anungsrecht, 2001, S. 105 (128). 270 BVerwG, Vrt. vom 29.4.1997 -4 A 46.96- NVwZ-RR 1998, 89. 271 BVerwG, Vrt. vom 9.2.1995 - 4 C 26.93 - BVerwGE 97, 367 = DVBI 1995,750 = NVwZ 1995,907.
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verneinen sind. Der in §§ 41 ff. BlmSchG enthaltene kodiflkatorische Anspruch des Gesetzgebers ist auch in diesem Falle zu beachten. 272 c) Unmittelbare Anwendungsvoraussetzungen
Die 16. BlmSchV gilt "fUr den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen, von Eisenbahnen und Straßenbahnen" (vgl. § 41 Abs. I BImSehG). Was als wesentliche Änderung im Sinne des § 41 Abs. I BlmSchG gelten soll, ist in § 1 Abs. 2 16. BlmSchV durch eine Änderung der Immissionslage näher nonniert. Besteht bereits ein Lärmwert von 70 dB(A), so ist jede Erhöhung durch einen erheblichen baulichen Eingriff eine wesentliche Änderung. 273 Eine Änderung im Sinne des § 41 Abs. 1 BImSchG muß stets eine bauliche Änderung sein. Eine Änderung der Straße im Sinne des § 41 Abs. 1 BlmSchG verlangt dazu einen inneren Bezug der beabsichtigten Maßnahme zu der bereits vorhandenen Verkehrsfunktion der Straße. Die bauliche Änderung der Straße muß sich auf deren vorausgesetzte und planerisch gewollte Leistungstahigkeit beziehen. Dazu ist notwendig, daß die vorgesehene Maßnahme zu einer vermehrten Aufnahme des Straßenverkehrs fUhrt. In der beabsichtigten Steigerung der Leistung der Straße als aufnehmender Verkehrsweg liegt der gesetzgeberische Grund, nunmehr erneut sicherzustellen, daß durch die Änderung keine nach dem Stand der Technik vermeidbaren "schädlichen Umwelteinwirkungen" durch Verkehrs geräusche hervorgerufen werden. 274 Daher ist z. B. die Errichtung einer Schallschutzwand zur Lärmsanierung an einer vorhandenen Bundesfernstraße - fi1r sich genommen - noch keine Änderung im Sinne des § 41 Abs. 1 BlmSchG. 275 Die Änderung des Verkehrsaufkommens auf einem baulich unverändert gebliebenen Straßenabschnitt, die auf dem Neubau oder der Änderung einer anderen Straße oder eines anderen Straßenabschnitts beruht, also Länn, der nicht gerade auf der zu bauenden oder zu ändernden Strecke entsteht, löst mithin keinen 272 BVerwG, Urt. vom 9.2.1995 - 4 C 26.93 - BVerwGE 97,367 = DVBI 1995,750 NVwZ 1995,907. 273 Die Pegelhöhe von etwa 70 dB(A) gilt in der Rechtsprechung des BGH als Beginn jenes kritischen Bereichs, in dem eine "faktische Enteignung" entstehen kann, vgl. BGH, Urt. vom 25.3.1993 -III ZR 60 / 91 - BGHZ 122,76 = NJW 1993, 1700 = DVBI 1993, 1089; Urt. vom 16.3.1995 -III ZR 166/93 - BGHZ 129, 124 = NJW 1995, 1823 = DVBI 1995,739; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 28.10.1998 -11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 = NVwZ 1999, 539 = DVBI 1999, 861. 274 BVerwG, Urt. vom 9.2.1995 - 4 C 26.93 - BVerwGE 97, 367 = DVBI 1995,750 = NVwZ 1995,907. 275 BVerwG, Urt. vom 9.2.1995 -4 C 26.93 - BVerwGE 97, 367 = DVB11995, 750 = NVwZ 1995,907.
=
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Anspruch auf Lärmschutz aus. Lärmimmissionen, die· durch die baulichen Maßnahmen an anderen Verkehrswegen hervorgerufen werden, werden durch diese Vorschrift nicht erfaßt. 276 Eine nur "mittelbare" Lärmentwicklung - die durch § 41 Abs. 1 BImSchG in Verbindung mit der 16. BImSchV tatbestandlich nicht erfaßt ist - kann gleichwohl abwägungserheblich sein. Dies setzt voraus, daß die Verkehrs- und Lärmsteigerung schutzwUrdige Interessen beeinträchtigt.277 Trifft z. B. eine Erweiterung eines Fahrstreifens mit einer wesentlichen Änderung des bestehenden Verkehrsweges zusammen und halten beide Änderungen jede fllr sich die Immissionsgrenzwerte - nicht aber in ihrer Summe - ein, so regelt die 16. BImSchV nicht ausdrUcklich, wie nunmehr zu verfahren ist. 278 Es fehlt an einer "Summationsregelung". Das BVerwG hat hierfilr bislang nur eine äußerste Grenze in der Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 GG gesehen. 279 d) Vorbelastung - Kausalität
Zwischen der baulichen Maßnahme und den Verkehrsimmissionen muß ein Wirkungszusammenhang bestehen. Ist dieser zu verneinen, ist § 41 Abs. 1 BImSchG und damit auch die 16. BImSchV nicht anzuwenden. Erforderlich ist also, daß die Verkehrs- und Lärmsteigerung schutzwUrdige Interessen des Klägers beeinträchtigt.280 Lärm, der also nicht gerade auf der zu bauenden oder zu ändernden Strecke entsteht, wird von der Verkehrslärmschutzverordnung nicht berUcksichtigt. 2. Zeitlicher Anwendungsbereich Die 16. BImSchV trat am 21. Juni 1990 in Kraft. Die 16. BImSchV ist als Konkretisierung der Voraussetzungen der durch §§ 41 und 42 BImSchG be276 BVerwG, Beseh!. vom 26.1.2000 - 4 VR 19.99 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.156. 277 Vgl. BVerwG, Besehl. vom 19.2.1992 - 4 NB 11.91 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 63 = DVB11992, 1099. 278 Vgl. W Hendlmeier, Zwei Jahre Erfahrung mit der Verkehrslärmsehutzverordnung (16. BlmSehV), NuR 1992, 463 (466). 279 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 = DVBI 1996,916 = NVwZ 1996, 1003; Urt. vom 5.3.1997 - 11 A 25.97 - BVerwGE 104, 123 = NVwZ 1998,513 = DVBI 1997,831; vg!. auch BVerwG, Beseh!. vom 19.1.1996 -11 B 90.95 - Buchholz 11 Art. 2 GG Nr. 75 = NJW 1996, 1297 (betrf. Rauchverbot in Linienflugzeugen). 280 Vg!. BVerwG, Beseh!. vom 19.2.1992-4 NB 11.91-Buehholz 310 § 47 VwGO Nr. 63 = DVB11992, 1099.
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gründeten Ansprüche auch dann anzuwenden, wenn über Lärmschutzansprüche erst nach ihrem Inkrafttreten materiell zu entscheiden ist, obwohl die - zu errichtende oder wesentlich zu ändernde - Straße vor Inkrafttreten der Verordnung, aber bereits unter Geltung der §§ 41 und 42 BImSchG planfestgestellt worden ist. 281 Führt bereits der Verkehr auf einer erst teilweise fertiggestellten Straße zu Störungen der Wohnruhe, die mit denen der gesamten Anlage qualitativ vergleichbar sind, so wird schon der Teilabschnitt der Straße regelmäßig nicht ohne die ftlr ihn festgesetzten Lärmschutzmaßnahmen gebaut werden dürfen. 282
111. Bedeutung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImScbV 1. Rechtliche Bedeutung der Immissionsgrenzwerte Die Grenzwerte des § 2 Abs. 1 16. BImSchV sind striktes Recht. Bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung einer öffentlichen Straße besteht ein Anspruch auf Lärmschutz grundsätzlich nur, wenn der von der neuen oder geänderten Straße ausgehende Verkehrslärm den nach § 2 Abs. 1 16. BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwert überschreitet. Der hierftlr maßgebende Beurteilungspegel ist grundsätzlich nicht als "Summenpegel" unter Einbeziehung von Lärmvorbelastungen durch bereits vorhandene Verkehrswege zu ermittein. 283 Ein immer wieder festzustellender Irrtum ist die Annahme, daß bereits das Einhalten des Grenzwertes - rur sich gesehen - stets abwägungsgerecht ist. Die Immissionsgrenzwerte sind "äußerste" Werte, die nicht tiberschritten werden dürfen. Auch unterhalb der Grenzwerte kann - nach Lage der Dinge - bei Atypik durchaus eine abwägungsrelevante Schutzwürdigkeit bestehen. Die Planfeststellungsbehörde darf sich im Rahmen der Abwägung also nicht einfach mit der Feststellung begnügen, durch Maßnahmen des aktiven und I oder des passiven Lärmschutzes würden die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV eingehalten. 284 Zu den eigenen Belangen eines Anwohners, die bei einem Straßenbauvorhaben berücksichtigt werden mtissen, gehören auch Geräuschbelästigungen unterhalb der Belastungsgrenze, die ohne Ausgleichsmaßnahmen nicht 281 BVerwG, Beseht. vom 22.9.1999 - 4 B 68.98 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 30 = NVwZ 2000, 565. 282 BVerwG, Beseht. vom 2.11.1988 - 4 B 157.88 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 32 = BRS 48 Nr. 13. 283 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 = NVwZ 1996, 1003 = DVB11996, 916. 284 BVerwG, Beseht. vom 21.10.1994 - 4 B 209.94 - juris.
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überschritten werden darf. 2BS Die Verpflichtung, unzumutbare Beeinträchtigungen benachbarter Grundstücke zu vermeiden, ergibt sich dann nach Maßgabe des allgemeinen Abwägungsgebots. 286 2. Die bauplanerische Feststellung nach § 2 Abs. 216. BImSchV a) BaupJangebiete (BauNVO) - § 2 Abs. 2 S. I 16. BlmSchV
Die 16. BlmSchV folgt typisierend der Baugebietstypik der BauNVO. Die 16. BlmSchV typisiert die Grenzwerte nach der Gliederung des § lAbs. 3 S. I BauNVO nach vier Kategorien. Maßgebend sind primär die in einem Bebauungsplan enthaltenen Festsetzungen, nicht also die tatsächlich vorhandene Nutzung. Die in § 2 Abs. I 16. BlmSchV vorgenommene Stufung der Immissionsgrenzwerte in vier Schutzkategorien enthält allerdings keinen numerus clausus des Lärmschutzes fi1r die in dieser Regelung genannten Gebiete und Anlagen. 287 Weicht die tatsächliche bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich der Straße erheblich von der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung ab, so bleibt dennoch die Festsetzung maßgebend. b) Sonstige Gebiete - § 2 Abs. 2 S. 2 16. BlmSch V
Bei ungeregelten Gebieten - wie häufig im Fachplanungsrecht - entscheidet die Schutzwürdigkeit des Gebietes. Ob ein Gebiet oder eine Anlage unter Ver: kehrslärmschutzgesichtspunkten schutzbedürftig ist, bestimmt sich danach, ob gerade die Art der Nutzung Lärmschutz verlangt.288 aa) Ermittlung: Gebietsqualität und Schutzniveau Für das Schutzniveau ist grundsätzlich die tatsächliche Gebietsqualität maßgebend. Ob ein Gebiet oder eine Anlage unter Verkehrslärmschutzgesichtspunkten schutzbedürftig ist, bestimmt sich danach, ob die Art der Nutzung Lärmschutz verlangt. Welches Maß an Lärmschutz der Planungsträger bei An285 BVerwG, Urt. vom 4.5.1988 - 4 C 2.85 - Buehholz 407.57 LStrGNW Nr. 1 = NVwZ 1989, 151. 286 Vg!. BVerwG, Urt. vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE \07,215 = NVwZ 1999,414 = DVB11999, 100 = NJW 1999, 592. 287 BVerwG, Beseh!. vom 17.3.1992 - 4 B 230.91 - Buehholz 406.25 § 43 BImSehG Nr. 3 = NVwZ 1992, 885 = DVBI 1992, 1103. 288 BVerwG, Beseh!. vom 17.3.1992 - 4 B 230.91 - Buehholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 3 = NVwZ 1992,885 = DVB11992, 1103.
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wendung des § 2 16. BImSchV zu gewährleisten hat, bestimmt sich grundsätzlich nach der baulichen Qualität, die dem betroffenen Bereich im Zeitpunkt der Planfeststellung zukommt. 289 Eine Wohnnutzung ist keine Voraussetzung dafUr, die Schutzbedürftigkeit eines bestimmten Gebietes überhaupt zu begrUnden. 290 Da § 2 Abs. 2 S. 1 16. BImSchV rur die Art der in Abs. 1 bezeichneten Anlagen und Gebiete auf die Festsetzungen in den jeweiligen Bebauungsplänen verweist und somit einen Bezug zum Bauplanungsrecht ausdrücklich herstellt, ist kein Grund ersichtlich, der es geböte, bei einem nach § 2 Abs. 2 S. 2 16. BImSchV zu beurteilenden Gebiet nicht auf das bauplanungsrechtliche Instrumentarium einschließlich der Gebietskategorien der BauNVO zurückzugreifen. 291 Bauliche Verhältnisse, die sich erst in der Entwicklung befinden, muß die Planfeststellungsbehörde nur dann berücksichtigen, wenn sie einen Grad der Verfestigung erreicht haben, der die weitgehend sichere Erwartung ihrer Verwirklichung rechtfertigt. Dies kann der Fall sein, wenn ein B-Plan zwar noch nicht als Satzung beschlossen worden ist, aber bereits ein Anhörungsverfahren stattgefunden hat, oder wenn rur Bauvorhaben schon Baugenehmigungen vorliegen. 292 bb) Insbesondere: Außenbereich Im Außenbereich (§ 35 BauGB) sind bauliche Anlagen nur nach § 2 Abs. 1 Nm. I, 3 und 4 16. BImSchV, also nicht auch nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 16. BImSchV zu beurteilen. Der Begriff ist entsprechend § 35 BauGB zu bestimmen. Zum Schutz von Wohnhäusern im Außenbereich vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche kann nicht die Einhaltung der gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV rur Wohn- und Kleinsiedlungsgebiete geltenden Grenzwerte verlangt werden. 293
289 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 A 11.95 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 14 = NVwZ 1996, 1008. 290 BVerwG, Besch!. vom 17.3.1992 - 4 B 230.91 - Buchholz 406.25 § 43 BlmSchG Nr. 3 = NVwZ 1992, 885 = DVBI 1992, 1103. 29\ BVerwG, Besch!. v. 13.3.1992 -4 B 39.92- NVwZ 1993,268 (269). 292 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 A 11.95 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 14 = NVwZ 1996, 1008. 293 BVerwG, Urt. vom 1.1 0.1997 - 11 A 10.96 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 32 = DVBI 1998,330 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 26.5.1994 -7 A 21.93 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 30. 14 Ziekow
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IV. Berechnung des konkreten Grenzwertes § 2 Abs. 1 BImSchV schließt eine Differenzierung innerhalb des jeweiligen Gebietstypus aus. Damit scheidet auch die Berücksichtigung einer tatsächlichen Vorbelastung grundsätzlich aus. 1. Berechnungsmodell
Die tatsächliche (und insoweit auch rechtliche) Bedeutung der Immissionsgrenzwerte ist von dem Berechnungsmodell abhängig. Dieses ist in Anlage 1 und 2 zu § 3 16. BImSchV dargestellt. Das Berechnungsverfahren ist konstitutiver Teil der 16. BImSchV und in gleicher Weise rechtsverbindlich wie die übrigen Vorgaben der Verordnung. Nach Ansicht des BVerwG verstößt das in der 16. BlmSchV verwirklichte Lärmschutzkonzept nicht gegen § 41 Abs. 1 BlmSchG, weil die Immissionsgrenzwerte den Charakter von Mittelungspegeln haben. Der Lärmschutz im Straßenbau brauche sich grundsätzlich nicht an möglichen Spitzenbelastungen, sondern nur an der vorausschätzbaren Durchschnittsbelastung auszurichten. 294 Das Berechnungsverfahren ist "abstrakt". Auf konkrete Lärmmessung kommt es grundsätzlich nicht an. Das gilt auch dann, wenn Vorhaben bereits verwirklicht sind und daher einer Messung an sich zugänglich wären. 29S Der Beurteilungspegel ist mithin grundsätzlich auch dann nach der 16. BlmSchV zu berechnen, wenn Vorhaben bereits verwirklicht sind und daher einer Messung an sich zugänglich wäre. 296 Berücksichtigt werden zudem nur Verkehrsgeräusche, die Folge des Baus oder der wesentlichen Änderung der öffentlichen Straße sind. Das BVerwG hat bislang nur einzelne Elemente des Berechnungsmodells einer Prüfung unterzogen. 297 Der Normgeber nimmt es hin, daß der tatsächliche Lärmpegel zu bestimmten Zeiten höher, zu anderen Zeiten niedriger liegt.298 Die Rechtsprechung ist offenkundig zurückhaltend, die Maßgeblichkeit des energieäquivalenten Dauerschallpegels zugunsten eines Spitzenpegels in 294 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 13 = NVwZ 1996, 1006. 295 BVerwG, Beschl. vom 6.2.1992 - 4 B 147.91 - Buchholz 406.25 § 43 BlmSchG Nr. I. 296 BVerwG, Beschl. vom 6.2.1992 - 4 B 147.91 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 1. 291 BVerwG, Urt. vom 18.3.1998-11 A 55.96-BVerwGE 106,241 = NVwZ 1998, 1071 = DVBI 1998, 1181 (Eisenbahnausbaustrecke Zapfendorf - Ebensfeld) zur Festlegung des Immissionsort bei Eisenbahnen nach Anlage 2 zu § 3 der 16. BlmSchV. 298 BVerwG, Urt. vom 5. März 1999 - 4 A 7.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 149 = NVwZ-RR 1999,556.
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Zweifel zu ziehen. Das würde aber im Einzelfall nicht ausschließen, signifikante Spitzenpegel als abwägungserheblich anzusehen. 2. Berechnungsfaktoren
Das Gericht hat wertende Einschätzungen, Prognosen und Abwägungen als rechtmäßig nur hinzunehmen, soweit sie methodisch einwandfrei zustande gekommen und in der Sache vernünftig sind. 299 Das Gericht kann daher nur prüfen, ob die Prognose methodengerecht erstellt wurde. 3OO Maßgebend ist der Zeitpunkt der Beschlußfassung des Planfeststellungsbeschlusses. Für Bundesstraßen gibt es ein zentrales System der täglichen Datenerhebung (DTV). Die Behörde kann optimistisch oder pessimistisch sein. Das ist ihr nicht vorzuhalten. Die Planfeststellungsbehörde braucht auch nicht alle einzelnen Objekte detailliert zu untersuchen. Das darf sie dem nachfolgenden Verfahren des § 42 Abs. 2 BlmSchG in Verbindung mit der 24. BlmSchV überiassen. 301 Die Behörde darf sich in diesem Stadium der Planung also mit einer Prognose begnügen, daß Maßnahmen des passiven Schallschutzes möglich und ausreichend sein werden. a) Prognose der Verkehrsmenge
Maßgebend ist die Verkehrsmenge (DTV = durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) und die Zusammensetzung des Verkehrs (LKW-Anteil). Die prognostische Ermittlung der von einer nicht (endgültig) ausgefilhrten Straße zu erwartenden Verkehrsgeräusche muß von dem Straßenbauvorhaben in seiner nach der Planung festgelegten Gestalt und seiner in der Planung vorausgesetzten Verkehrs funktion ausgehen. 302 Die behördliche Prognose der Verkehrsbelastung einer öffentlichen Straße genügt den sich aus § 41 Abs. 1 BlmSchG in Verbindung mit der 16. BlmSchV ftIr Immissionsprognosen ergebenden rechtlichen Anforderungen dann, wenn sie zum Teil auf ein projektbezogenes Ver-
299 BVerwG, Beschl. vom 14.9.1987 - 4 B 179.87 und 180.87 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 68 = NVwZ 1988, 363. 300 BVerwG, Urt. vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 (335) = NVwZRR 1991,601 = DVB11991, 1143 - Flughafen München II (Lärmschutz). 301 Vgl. BVerwG, Beseht. vom 17.5.1995 -4 NB 30.94 - NVwZ 1995, 1098 = NJW 1995,2572 = DVB11995, 1010. 302 Vgl. BVerwG, Urt. vom 21.5.1976 - 4 C 50.74 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr.23 S. 46 = DVBI 1976, 788; ebenso Urt. vom 5.3 .1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 = NVwZ 1998,513 = DVB11997, 831.
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kehrsgutachten und zum anderen Teil auf eine allgemeine Trendprognose gestützt wird. 303 b) Prognosezeitraum
Der Gesetzgeber und der Verordnungsgeber haben einen Prognosezeitraum nicht normativ festgelegt. Das ist angesichts des übrigen Präzisionsgrades der Berechnung der Grenzwerte vielleicht ungereimt. Die Planfeststellungsbehörde muß selbst die Verkehrsentwicklung prognostizieren. Das ist indes nicht wirklich schwierig, da der Staat über vielfältige Gesamtdaten verftlgt. In der Praxis wird ein Zeitraum von etwa 15 Jahren als methodisch angemessen angesehen. Das BVerwG hat dies bislang als Prognosehorizont ft1r die Lärmberechnung im Rahmen der Fachplanung nicht beanstandet. 304 Das BVerwG anerkennt, daß bei einem Vorhaben, das im gesetzlich festgelegten Bedarfsplan des Bundes (1993) als "vordringlicher Bedarf" dargestellt ist, auf das Jahr 2010 als Prognosehorizont ft1r die Lärmberechnung abgestellt werden darf. 30s c) Straßenbelag
Bestimmungen über den Ausbaustandard (Materialien) sind abwägungserheblich. Der Planungsträger kann Anlaß haben, die Art und Weise der bautechnischen Umsetzung bereits im Rahmen der Abwägung zu bedenken. So enthält die Fußnote zur Tabelle B der Anlage 1 zu § 3 16. BlmSchV eine ausreichende und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage, um hierauf gestützt fUr die Verwendung des lärmmindernden Straßenbelags 'Splittmastixasphalt, nicht abgesplittet' den Korrekturwert 'D-StrO' von -2 dB(A) in Ansatz zu bringen. Ob der Straßenbelag allerdings aufgrund neuer bautechnischer Entwicklungen zu einer dauerhaften Lärmminderung von 2 dB(A) fUhrt, ist nach Ansicht des BVerwG keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage. 306
303 BVerwG, Besch\. vom 1.4.1999 - 4 B 87.98 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 12 = NVwZ-RR 1999, 567. 304 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 13 = NVwZ 1996, 1006; ebenso Urt. vom 5.3.1997 - II A 25.95 - BVerwGE 104, 123 = NVwZ 1998,513 = DVB11997, 831. 30S BVerwG, Urt. vom 1.10.1997 -11 A 10.96 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 32 = UPR 1998, 147 = DVB11998, 330 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. vom 21.3.19964 A 10.95 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 13 = NVwZ 1996, 1006. 306 BVerwG, Besch!. vom 1.4.1999 - 4 B 87.98 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 12 = NVwZ-RR 1999, 567; ebenso BVerwG, Urt. vom 11.1.2001 - 4 A 13.99BauR 200 I, 900 - Bundesautobahn A 71.
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d) Geschwindigkeitsannahmen Das Rechenmodell der 16. BImSchV legt Annahmen fUr die zulässige Geschwindigkeit des PkW-Verkehrs und des LkW-Verkehrs zugrunde. Eine Änderung durch einschränkende Verkehrszeichen ist im PIanfeststellungsbeschluß möglich, und zwar aufgrund der Konzentrationswirkung (§ 75 Abs. 1 Vw'" VtG).307
3. Nachbesserung § 75 Abs. 2 S. 2 VwVtG erfaßt im Sinne einer Nachbesserung nachteilige Entwicklungen, mit denen die Betroffenen im Zeitpunkt der Planfeststellung verständigerweise nicht rechnen konnten. 30s Diese in der Fachplanung in § 75 Abs. 2 S. 2 bis 4 VwVtG vorgesehene "nachbessernde" Korrekturmöglichkeit besteht im BauGB nicht. Insoweit kann die Verkehrsplanung mittels Bebauungsplans rur den Bürger materiell nachteiliger sein als durch PIanfeststellungsbeschluß.
V. Maßnahmen bei Überschreiten des Grenzwertes Die Ausgewogenheit der Planung wird trotz Überschreiten der Grenzwerte der 16. BImSchV dann nicht berührt, wenn eine Planungsalternative nicht besteht und die Betroffenheit von Menschen abwägungsfrei durch Anordnung von aktivem oder passivem Lärmschutz ausgeglichen werden kann. 309 Das Verhältnis von aktivem und passivem Schallschutz ist seinerseits abwägungserheblich. Die Planfeststellungsbehörde hat dazu das in § 41 BImSchG vorgesehene dreistufige Lärmschutzkonzept "abzuarbeiten".310 Das Verhältnis von aktivem und passivem Lärmschutz hat in § 41 BImSchG fUr Straßen und Schienenwege
Vg!. BVerwG, Besch!. vom 7.7.2000 - 4 B 94.99 - juris. BVerwG, Vrt. vom 23.4.1997 - 11 A 17.96 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 13 = NVwZ 1998, 846 unter Bezug auf BVerwG, Vrt. vom 1.7.1988 - 4 C 49.86 BVerwGE 80, 7 (13) = NVwZ 1989, 253 = DVBI 1988, 964. 309 Vg!. BVerwG, Vrt. vom 16.12.1983 - 4 C 11.93 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 96; Vrt. vom 5.3.1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 = NVwZ 1998,513 = DVBI1997,831. 310 BVerwG, Vrt. vom 28.1.1999 - 4 CN 5.98 - BVerwGE 108,248 = NVwZ 1999, 1222 = DVB11999, 1288 mit Anm. E. Hofmann, ZVR 1999, 272-273. 307 308
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eine spezielle Ausgestaltung erfahren.3Il Im Einzelfall berechtigte Lärmschutzansprüche gehen grundsätzlich nur dahin, daß Lärmimmissionen auf ein zumutbares Maß reduziert werden. Wie dies technisch zu erreichen ist und welche Maßnahmen des aktiven oder passiven Lärmschutzes daftlr am besten geeignet sind, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls. 312
1. Erste Prüfungsstufe: Trennung der Nutzungsweisen (§ 50 BImSehG) Das Trennungsprinzip des § 50 BImSchG, auf das § 41 Abs. 1 BImSchG verweist, enthält eine "Abwägungsdirektive". Die Behörde hat zu prüfen, ob und wie sie widersprechende Nutzungsweisen trennen kann. Trassenvarianten brauchen auch hinsichtlich der Verkehrslärmimmissionen nur so weit untersucht zu werden, bis erkennbar wird, daß sie nicht eindeutig vorzugswürdig sind.313
2. Zweite Prüfungsstufe: Aktiver Lärmschutz (§ 41 BImSehG) a) Begriff des .. aktiven" Lärmschutzes
Der Ausdruck "aktiver Lärmschutz" ist euphemistisch. Die Lärmentwicklung wird nicht verhindert. Das wäre nur bei einer Lärmunterdrilckung "an der Quelle" der Fall. Als Maßnahmen des sog. aktiven Lärmschutzes kommen nach dem Stand der Technik die Errichtung von Lärmschutzwällen oder Lärmschutzwänden in Betracht, auch Troglage oder Untertunnelung. Im Einzelfall berechtigte Lärmschutzansprüche gehen grundsätzlich nur dahin, daß Lärmimmissionen auf ein zumutbares Maß reduziert werden. Wie dies technisch zu erreichen ist und welche Maßnahmen des aktiven oder passiven Lärmschutzes daftlr am besten geeignet sind, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.
311 BVerwG, Beschl. vom 20.2.1998 - 11 B 37.97 - Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 29 = NVwZ 1998,850. 312 BVerwG, Beschl. vom 30.8.1989 - 4 B 97.89 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr.5. m BVerwG, Urt. vom 26.3 .1998 - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998,382 unter Bezug auf BVerwGE 100,238 (249 f.).
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b) Umfang des aktiven Lärmschutzes
Mit dem aktiven Lärmschutz soll erreicht werden, daß durch technische Maßnahmen eine Immission auf den konkreten Grenzwert abgesenkt wird. Liegt eine wesentliche Änderung vor, so umfaßt er auch den "Sanierungsanteil". § 41 Abs. 2 BImSchG verbietet es, beim Ausbau einer vorhandenen Strecke die aktiven SchalIschutzmaßnahmen generelI so zu bemessen, daß sie nur den Lärmzuwachs kompensieren, der durch das planfestgestelIte Vorhaben verursacht wird. 314 Es gibt keinen Rechtssatz, daß aktiver Lärmschutz für beide Straßenseiten stets gleichzeitig anzuordnen ist. Daß die Behörde auf der einen Straßenseite aktiven, auf der anderen passiven Lärmschutz festlegt, kann vielmehr durchaus berechtigte Gründe haben. Es ist nicht sachfremd, wenn sie sich bei ihrer Entscheidung unter anderem von der Zahl der Anwohner leiten läßt. Dies entspricht dem in § 41 BImSchG enthaltenen Schutzzweck. 3ls c) Gründe für das Scheitern des effektiven aktiven Lärmschutzes
Ein aktiver Lärmschutz kann aus vier Gründen scheitern, also den erhoffien Erfolg eines effektiven Lärmschutzes verfehlen: (1) Es besteht keine rechtliche Möglichkeit des Lärmschutzes, (2) es besteht keine tatsächliche Möglichkeit des Lärmschutzbaus, (3) der Lärmschutzbau ist nicht effektiv und (4) die mögliche Lärmschutzmaßnahme ist unverhältnismäßig. Der aktive Lärmschutz erfordert Fläche, selbst eine Lärmschutzwand muß fundiert werden. Eine Nutzungsausweisung, die dies ermöglicht, kann eine Enteignung erfordern. Die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen sind hierfür vorhanden (vgl. z. B. § 19 FStrG). Ein aktiver Lärmschutz (Lärmschutz, LärmschutzwalI, Trog, Tunnelung) kann aus technischen Gründen ganz oder teilweise ausgeschlossen sein. aa) Mangelnde Effektivität des Lärmschutzbaus Selbst durch den aktiven Lärmschutz muß es nicht gelingen, die maßgebenden Grenzwerte (volIkommen) einzuhalten. Aus naturwissenschaftlicher Sicht ergibt sich, daß die Ausbreitung bei einem LärmschutzwalI nicht (immer) linear erfolgt, vielmehr von zahlreichen örtlichen Faktoren abhängt. Der Schallschatten hinter einer Lärmschutzanlage ist (zumeist) in etwa kuppelilirmig. Die An314 BVerwG, Urt. vom 15.3.2000 - 11 A 42.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG NT. 33 = UPR 2000, 352 = DVBI 2000, 1342 mit Anm. R. Geulen, ZUR 2000, 393-395. 31S BVerwG, Urt. vom 29.4.1997 - 4 A 46.96 - NVwZ-RR 1998, 89 zur straßenrechtlichen Planfeststellung.
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nahme einer gradlinigen, horizontalen und vertikalen Lärmausbreitung ist daher nur grob zutreffend. Es ist im Rahmen der VerhältnismäßigkeitspTÜfung nach § 41 Abs. 2 BlmSchG auch zulässig, die weitere Erhöhung einer Lärmschutzwand mit der Begründung abzulehnen, hiermit könne die Lärmbelastung nur noch unwesentlich verringert werden. bb) Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (§ 41 Abs. 2 BImSchG) Die Nachteile des aktiven Lärmschutzes stehen außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck (vgl. § 41 Abs. 2 BImSchG). Aus § 41 Abs.2 BlmSchG folgt kein an die Planfeststellungsbehörde gerichteter Forschungsauftrag, der sich auf alle auch nur theoretisch möglichen Lärmminderungseffekte erstreckt. 316 (1) "Reguläre" Auslegung des § 41 Abs. 2 BImSchG
Stehen die Kosten der möglichen Schutzmaßnahme (aktiver Lärmschutz) "außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck", dann ist die aktive Schutzmaßnahme nicht geboten. Die Berechnung der Kostenlast beginnt mit einem Bilanzierungsversuch: Die Kosten der "angedachten" aktiven Schutzmaßnahme sind der Aufwendungsbetrag. Dieser ist zunächst zu ermitteln. Zulässig ist es, hierbei Pauschbeträge anzusetzen. Diesem Betrag sind die (hypothetischen) Kosten des anderenfalls gebotenen passiven Lärmschutzes und "Entschädigungen" filr den sog. Außenwohnbereich gegenüberzustellen. Übersteigen die Kosten filr Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes die Kosten und die "Entschädigung" bei passivem Lärmschutz deutlich, spricht dies gegen Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes. Dieser Schutz ist gleichwohl naheliegend, wenn er ein größeres Gebiet vor einer Verlärmung bewahrt und dort eine sachgerechte Nutzung ermöglicht. Das BVerwG vermeidet - verständlicherweise -, ft1r die Kostenstruktur des § 41 Abs. 2 BlmSchG absolute oder auch nur relative Angaben zu machen. Bei welcher Höhe der Beträge die Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes ft1r aktiven Lärmschutz anzunehmen ist, bestimmt sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles. 317 Wenn dem Schutzzweck des § 41 BImSchG beispielsweise
316 BVerwG, Urt. vom 21.4.1999 - 11 A 50.97 - Buehholz 406.25 § 41 BlmSehG Nr. 28 = NVwZ-RR 1999, 725. 317 BVerwG, Beseh!. vom 30.8.1989 - 4 B 97.89 - Buehholz 406.25 § 41 BlmSehG Nr. 5; vg!. aueh BVerwG, Urt. vom 15.3.2000 - 1I A 42.97 - BVerwGE 110,370 = NVwZ 2001,71 = DVBI2000, 1342 zu Maßnahmen des aktiven SchaIlsehutzes an einer Eisenbahnstreeke.
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durch passiven Lärmschutz (insbesondere Schallschutzfenster) und Entschädigungen rur die Beeinträchtigung im Außenwohnbereich mit einem Aufwand von 20.020 DM bzw. 20.920 DM Rechnung zu tragen ist, ist ein Aufwand filr eine Lärmschutzwand in Höhe von 316.800 DM sachlich nicht zu rechtfertigen. Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Schallschutz durch eine Schutzwand umfassender sein mag, kann - im Beispielsfall - eine Einsparung von ca. 260.000 DM öffentlicher Mittel es rechtfertigen, sich mit dem durchaus beachtlichen Schutz der Innenwohnbereiche durch Schallschutzfenster etc. zu begnügen. Dies ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn die Ersparnis im Verhältnis zu dem Gesamtaufwand fiir das Straßenbauvorhaben nur einen geringeren Anteil ausmacht. 318 (2) Auslegungskontroverse Die Auslegung des § 41 Abs. 2 BImSchG ist zwischen 4. und 11. Senat des BVerwG außerhalb des Kostenrahmens umstritten. Die Kontroverse zeichnet seit 1997 ab. Der 11. Senat sieht in § 41 Abs. 2 BImSchG einen herausgehobenen Fall einer allgemeinen Abwägung. 319 Der 4. Senat hat die Frage bislang nicht endgültig entschieden, neigt aber zu einer restriktiven Auslegung. Nach seiner Ansicht eröffnet § 41 BImSchG keinen planerischen Gestaltungsspielraum. Inwieweit Maßnahmen des aktiven Schallschutzes zu ergreifen sind, ist als das Ergebnis einer gebundenen Entscheidung davon abhängig, ob die in dieser Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale erfilllt sind. Offen bleibt, ob § 41 Abs. 2 BImSchG es zuläßt, in die Verhältnismäßigkeitsprüfung neben Kostengesichtspunkten auch sonstige öffentliche Belange unter Einschluß der Landschafts- und der Stadtbildpflege einzubeziehen.320 Ob die Entscheidung, gemäß § 41 Abs. 2 BImSchG passiven anstelle aktiven Lärmschutzes festzusetzen, weil die Kosten aktiver Schallschutzmaßnahmen außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen würden, Bestandteil der planerischen Abwägung ist und nicht rechtlich (strikt) gebunden ist, unterliege jedenfalls Zweifeln. 321
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Nr. 5.
BVerwG, Besch!. vom 30.8.1989 - 4 B 97.89 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG
319 BVerwG, Urt. vom 5.3.1997 -li A 25 .95 - BVerwGE 104, 123 = NVwZ 1998, 513 = DVBI 1997, 831 (Eisenbahnrecht); Urt. vom 15.3.2000 - 11 A 42.97 - ZUR 2000, 390 mit Anm. Geu[en / Klinger. 320 BVerwG, Urt. vom 28.1.1999 - 4 CN 5.98 - BVerwGE 108,248 = NVwZ 1999, 1222 = DVB11999, 1288 mit Anm. von E. Hofmann, ZUR 1999,272-273. 321 BVerwG, Besch!. vom 22.9.1999 - 4 B 68.98 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 30 = NVwZ 2000, 565 = UPR 2000, 71.
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Erheblich ist die Auslegungskontroverse u. a., wenn die Höhe einer Lärmschutzwand zugleich den Belang der Stadtbildpflege erfaßt. Bei diesem Belang handelt es sich um einen Belang öffentlichen Interesses. Ob der Belang der Stadtbildpflege durch die Schallschutzmaßnahme beeinträchtigt ist, kann zwar nicht von der subjektiven Sichtweise der unmittelbaren Anwohner der geforderten Schallschutzwand abhängen. Dennoch bleibt die Frage, ob der Belang der Stadtbildpflege geeignet ist, eine mögliche Maßnahme des aktiven Schallschutzes im Rahmen des § 41 Abs. 2 BImSchG auszuschließen. 322 (3) Mögliche Selbstbeteiligung des Betroffenen? Die Überlegung liegt nahe, ob sich der von Lärmwirkungen künftig Betroffene .an den Kosten der Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes "freiwillig" beteiligen kann und ob insoweit den Planungsträger eine Annahmeverpflichtung triffi. Der 11. Senat des BVerwG läßt diese Frage derzeit noch offen. Eine erst im Prozeß erklärte Bereitschaft, die Kosten fi1r eine Wanderhöhung und -verlängerung mit zu finanzieren, kann nicht nachträglich zur Rechtswidrigkeit der VerhältnismäßigkeitsprUfung nach § 41 Abs. 2 BImSchG filhren. 323 Der 4. Senat des BVerwG hat dazu bislang keine Entscheidung getroffen. Das mag auf seinen erstinstanzlich ausgeübten VergleichsbemUhungen beruhen.
3. Dritte Prürungssture: Passiver Lärmschutz § 41 Abs. 1 BImSchG besagt nicht, daß eine Planung zu unterbleiben hat, wenn es nicht möglich ist, die Beachtung der Immissionsgrenzwerte gerade durch aktiven Schallschutz zu gewährleisten. Vielmehr sind dann Maßnahmen des passiven Schallschutzes zu treffen. 324
322 Vg!. die "Kompromißangebote" bei W. Rieger, Das Verhältnis zwischen aktivem und passivem Lärmschutz im Lärmschutzsystem des § 41 BImSehG, VBlBW 1998,41 (43); H. D. Jarass, Aktuelle Rechtsprobleme des Lärmschutzes an Straßen und Schienenwegen, UPR 415 (420): Optimierungsgebot. J2J BVerwG, Urt. vom 15.3.2000 - 11 A 31.97 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 32 = UPR 2000, 351. 324 BVerwG, Besch!. vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 - NVwZ 1995, 1098 = NJW 1995,2572 = DVBI 1995, 1010; vg!. auch BVerwG, Besch!. vom 29.11.1995 - 11 VR 15.95 - NVwZ 1997, 165 = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7.
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a) Schutzniveau des passiven Schal/schutzes: Innenwohnbereich
Ist aktiver Schallschutz nicht möglich, muß sichergestellt sein, daß durch Maßnahmen des passiven Lärmschutzes unzumutbare Beeinträchtigungen durch Verkehrs lärm vermieden werden. Aus der Systematik der §§ 41, 42 BlmSchG ergibt sich, daß das Schutzniveau sich alsdann nur auf den Bereich bezieht, der durch Maßnahmen des passiven Schallschutzes bautechnisch geschützt werden kann. 325 Das ist nur der Innenwohnbereich. Schutzgüter sind hier vor allem die Gesundheit und die ungestörte Kommunikation. Maßnahmen des passiven Schallschutzes erfiHlen die gebotenen Schutzanforderungen, wenn sie Innenpegel gewährleisten, die verkehrslärmbedingte Kommunikations- oder Schlafstörungen ausschließen. 326 Der sog. nächtliche Aufweckwert liegt zwischen 30 bis 35 dB(A). Da ein spaltbreit geöffnetes Fenster ftlr den Innenschallpegel bis zu 15 dB(A) schallmindernd ist, wird der Nachtwert von 49 dB(A) filr reine und allgemeine Wohngebiete nach dem Stand der Lärmwirkungsforschung in aller Regel noch nicht erreicht. b) Berechnung des Innenpegels
§ 2 Abs. 1 16. BImSchV kennt die Unterscheidung von Innenpegel und Außenpegel selbst nicht. Die Verordnung spricht statt dessen vom Beurteilungspegel. Die Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung (24. BImschV) vom 4.2.1997 (BGBI. I S. 172) hat nunmehr hier genauere Regelungen geschaffen. Ermächtigungsgrundlage ist § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BImSehG. Vor Erlaß der 24. BlmSchV hat die Rechtsprechung angenommen, daß der Innenraumpegel bei Schlafräumen 30 dB(A) - am Ohr des Schläfers -, bei Räumen, welche der Kommunikation dienen (z. B. Wohnräume, Behandlungs- und Untersuchungsräume in Arztpraxen, Operationsräume, wissenschaftliche Arbeitsräume, Leseräume in Bibliotheken, Unterrichtsräume) 40 dB(A) nicht überschreiten dOrfe. 327 Ein nächtlicher Außenpegel jedenfalls über 60 dB(A) filhrte nach der Rechtsprechung - ohne Maßnahmen des passiven Lärmschutzes - zur unzumutbaren Gesundheitsgefährdung. 328 32S BVerwG, Beschl. vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 - NVwZ 1995, 1098 = NJW 1995,2572 = DVBI 1995, 1010; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 5.3 .1997 -11 A 25.95BVerwGE 104, 123 = NVwZ 1998,513 (518); Beschl. vom 29.11.1995 - 11 VR 15.95 - NVwZ 1997, 165 = Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7. 326 BVerwG, Beschl. vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 - NVwZ 1995, 1098 = NJW 1995, 2572 = DVBI 1995, 1010. 321 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 - NJW 1995, 2572 (2573) = DVBI 1995, 1010. 328 Vgl. BVerwG, Urt. vom 23.4.1997 - 11 A 17.96 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 13 = NVwZ 1998,846 (847).
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c) Qualität der Schallschutzfenster
Kann der Träger der Straßenbaulast den zu Recht beanspruchten Lännschutz aus technischen Gründen nur erreichen, wenn er hierzu Maßnahmen ergreift, deren Wirkung über das rechtlich gebotene Maß hinausgeht, so darf sich dies nicht zum Nachteil der Betroffenen in der Weise auswirken, daß diese sich an den Kosten zur Vermeidung des Eingriffs beteiligen müssen.329 4. Abwägung trotz Beachtung der 16. BlmSchV Ergebnis einer sachgerechten Abwägung kann die Festsetzung einer Kombination von aktiven und passiven Schallschutzmaßnahmen zur Abwehr von Lännbeeinträchtigungen sein. Vermeidet der vorgesehene Lännschutz zwar nachteilige Länneinwirkungen und ist er im Sinne der §§ 39 ff. BImSchG ausreichend, dann können gleichwohl andere Folgen, die mit den durchgeftlhrten Lännschutzmaßnahmen verbunden sind, abwägungserheblich sein. Die Beachtung des § 41 BImSchG dispensiert die Planfeststellungsbehörde also nicht von dem Gebot, andere, sich ggf. aufdrängende Folgen zu ermitteln und über ihre Erheblichkeit im Rahmen der Gesamtplanung abwägend nachzudenken. 33o Auch die Außenflächen eines WohngrundstUcks (Außenwohnbereich) sind gegen Verkehrslänn schutzwürdig.33\ Wird der maßgebende Innenpegel eingehalten, so hindert das Überschreiten des Grenzwertes im Außenwohnbereich (Lärm-Außenpegel) zwar die planerische Festsetzung nicht. 332 Die Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs bleibt indes bestehen. Damit liegt unverändert ein abwägungserheblicher Belang vor. Die Planfeststellungsbehörde hat dies abwägend zu berücksichtigen. Die Behörde darf sich im Rahmen der Abwägung mithin nicht mit der Feststellung begnügen, durch Maßnahmen des aktiven und / oder des passiven Lännschutzes wUrden die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV eingehalten. Der Plangeber ist nicht davon befreit, über die Zumutbarkeit der von der Gesamtplanung ausgelösten Immissionen im Rahmen einer nach Lage der Dinge gebotenen einzelfallbezogenen Gesamtabwägung auch dann zu befinden, wenn die Grenzwerte der 16. BImSchV eingehalten
329 BVerwG, Urt. vom 9.2.1995 - 4 C 26.93 - BVerwGE 97,367 = NVwZ 1995, 907 = DVBI 1995, 750. 330 BVerwG, Beschl. vom 21.10.1994 - 4 B 209.94 - juris - zur Fachplanung. 331 BVerwG, Beschl. vom 20.8.1990 - 4 B 146.89 u.a. - NVwZ-RR 1991, 8 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 9. 332 BVerwG, Beschl. vom 29.11.1995 - 11 VR 15.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7 = NVwZ 1997, 165; Urt. vom 5.3.1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE \04, 123 = NVwZ 1998, 513 (516) = DVBI 1997,831.
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werden. 333 Im Ausnahmefall kann sogar eine Rechtspflicht bestehen, im Rahmen des allgemeinen planerischen Abwägungsgebots Lärmschutzmaßnahmen anzuordnen, die zu einer Absenkung des Beurteilungspegels unter die Grenzwerte des § 2 Abs. 1 16. BImSchV fUhren (sog "Lärmminimierungsanspruch"). Die Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, unzumutbare Beeinträchtigungen benachbarter Grundstücke zu vermeiden, ergibt sich dazu nach Maßgabe des allgemeinen Abwägungsgebotes. 334 5. Konkrete bautechnische Umsetzung Bestimmungen über den Ausbaustandard (Materialien) sind festsetzungsflihig. Der Planungsträger kann Anlaß haben, die Art und Weise der bautechnischen Umsetzung bereits im Rahmen der Abwägung zu bedenken. 33S So kann z. B. die Lärmbelästigung, die durch eine bestimmte Pflasterung entstehen kann, abwägungserheblich sein. Eine Lärmminderung im Innenwohnbereich kann durch bautechnische Maßnahmen erreicht werden. Dazu gehört eine Schalldämmung durch dämmende Baumaterialien. Dazu können auch nachträgliche Maßnahmen wie z. B. lärmdämmende Vorsatzschalen an der Außenfassade gehören. Die 24. BImSchV nimmt offenbar an, daß alle dort genannten lärmmindernden Möglichkeiten festsetzungsflihig sind.
VI. Verkehrslärm außerhalb des Anwendungsbereichs der 16. BImSchV 1. Verkehrsverlagerung
Führt eine durch die Umsetzung der Planung bewirkte Verkehrsverlagerung auf eine andere Straße dort zu einer Erhöhung der Verkehrslärmbelastung, ist der dadurch ausgelöste Konflikt abwägungserheblich. Die Betroffenen können in diesem Fall zwar nicht auf §§ 42, 41 Abs. 1 BImSchG verwiesen werden, da eine Veränderung der Verkehrsbelastung durch Verlagerung eines Verkehrsstromes die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 BImSchG nicht erfUlIt. Es ist indes eine Frage der Abwägung von Lärmschutzbelangen bei der Änderung einer 333 BVerwG, Urt. vom 5. März 1999 - 4 A 7.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 149 = NVwZ-RR 1999,556; Beschl. vom 21.10.1994-4 B 209.94-juris. 334 Vgl. BVerwG, Urt. vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107,215 = NVwZ 1999,414 = DVB11999, 100 =NJW 1999, 592 zur Bauleitplanung. 33S BVerwG, Beschl. vom 1.4.1999 - 4 B 87.98 - Buchholz 406.25 § 43 BlmSchG Nr. 12 = NVwZ-RR 1999, 567 zum sog. Spliumastixasphalt (Straßenbelag).
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vorhandenen Straße, durch die eine Gefahrensituation beseitigt, zugleich aber die Lärmbelastung von Anwohnern infolge höherer Fahrgeschwindigkeiten erhöht wird. 336 Es ist auch durchaus denkbar, daß die Entscheidung, einem bestimmten öffentlichen Belang den Vorrang vor privaten Belangen einzuräumen, zwar nicht zu beanstanden ist, dem Gebot gerechter Abwägung jedoch nur dann genügt, wenn die Beeinträchtigung der zurückgestellten Belange durch Schutzauflagen ausgeglichen wird.
2. Summation - Vorbelastung - Lärmsanierung a) Summationseffekte
Die Fragestellung der Summation hat bei Verkehrs lärm eine besondere Bedeutung, wenn sich der hinzutretende neue Verkehrsträger filr sein eigenes Vorhaben "an sich" noch innerhalb der Grenzwerte der 16. BImSchV hält, indes die "Vorbelastung" durch einen anderen Verkehrsträger bereits erheblich ist. Die Fragestellung ist stark umstritten. Für den Verkehrs lärm, der von mehreren Verkehrsträgern gemeinsam "produziert" wird, gibt es nach bestehender Gesetzes- und Verordnungslage keine eindeutige Lösung. Nach Ansicht des BVerwG besteht bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung einer öffentlichen Straße ein Anspruch auf Lärmschutz grundsätzlich nur, wenn der von der neuen oder geänderten Straße ausgehende Verkehrs lärm den nach § 2 Abs. I der 16. BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwert überschreitet. Der hierfilr maßgebende Beurteilungspegel ist grundsätzlich nicht als "Summenpegel" unter Einbeziehung von Lärmvorbelastungen durch bereits vorhandene Verkehrswege zu ermitteln. 337 Immer kritisch ist, ob die Planfeststellungsbehörde im Rahmen ihrer Planung "zumindest" eine zu erwartende Lärmbelastung einer erst in Planung befindlichen Verkehrsanlage eines anderen Planungsträgers als abwägungserheblich zu beachten hat. Das kann etwa bei der Planung eines ohnehin stark verkehrsbelasteten Wohngebietes durchaus kritisch sein. Ein bereits vorhandener Verkehrslärm und die durch den Bau oder durch die wesentliche Änderung einer öffentlichen Straße entstehende zusätzliche Lärmbeeinträchtigung dürfen jedenfalls zu keiner Gesamtbelastung fUhren, die eine Gesundheitsgefl1hrdung darstellt. Das folgt aus der Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Dieser kann sich die 336
BVerwG, Urt. vom 16.12.1993 - 4 C 11.93 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 96
Jl7
BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 = DVBI 1996,916
= NVwZ 1994,691.
= NVwZ 1996, 1003.
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öffentliche Hand nicht dadurch entziehen, daß sie die Frage der Summation ungeregelt läßt. Ein bereits vorhandener Verkehrslärm (Vorbelastung) und die durch den Bau oder durch die wesentliche Änderung einer öffentlichen Straße entstehende zusätzliche Lärmbeeinträchtigung dürfen zu keiner Gesamtbelastung fUhren, die eine Gesundheitsgeflihrdung darstellt. 338 b) Vorbelastung
Aus der gesetzlich vorgeschriebenen Notwendigkeit einer Planfeststellung ergibt sich die rechtliche Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde, in eine Abwägung einzutreten, welche tatsächliche oder plangegebene Vorbelastungen nicht von vornherein ausblendet, sondern in den Blick nimmt und bewertend berücksichtigt. Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der von solchen Vorbelastungen betroffenen Belange sind jedoch grundsätzlich geringer als bei nicht derart vorbelasteten Belangen. Eine plangegebene Vorbelastung liegt vor, wenn ein Anwohner aufgrund einer zwar noch nicht verwirklichten, aber bereits verfestigten Planung mit erhöhten Immissionen rechnen muß. 339 Diese Wirkung kann auch von einer noch nicht abgeschlossenen Planung ausgehen. Jedoch muß die Planung soweit konkretisiert sein, daß der betroffene Grundeigentümer mit dem Abschluß und der Verwirklichung der Planung und den daraus folgenden Belastungen rechnen muß. 340 Ein Grundstück wird durch eine sich verfestigende Planung dann nicht mehr vorbelastet, wenn die Planung ihrerseits auf eine vorhandene verfestigte Situation trifft. Eine solche Situation ist z. B. anzunehmen, wenn das Grundstück zum Zeitpunkt der Verfestigung der Fachplanung bebaut oder baulich nutzbar iSt. 341 Dabei ist unerheblich, ob die mögliche bauliche Nutzung in absehbarer Zeit verwirklicht werden soll.342 Führt eine tatsächliche Vorbelastung dazu, daß nachteilige Auswirkungen des Vorhabens die Anwohner nicht mehr erreichen, dann besteht kein Anlaß fUr einen Ausgleich. Eine Pflicht zur Verbesserung der vorgefundenen Situation
338
BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 9.95 - BVerwGE lOl, 1 = DVBI 1996,916
= NVwZ 1996, 1003.
339 Vgl. BVerwG, Urt. vom 23.9.1999 - 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 = DVBI 2000, 192; Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 9.95 - BVerwGE 101, 1 = DVBI 1996,916 = NVwZ 1996, 1003. 340 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 5.10.1990 - 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 = NVwZ-RR 1991,118. 341 BVerwG, Urt. vom 22.3.1985 - 4 C 63 .80 - BVerwGE 71, 150 (157) = NVwZ 1986,39 = DVB11985, 896. 342 BVerwG, Urt. vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 = NVwZ-RR 1991,601 = DVB11991, 1143.
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obliegt der Planungsbehörde grundsätzlich nicht. 343 Auch im Falle eines erheblichen Eingriffs in die vorhandene Verkehrsanlage werden SchutzansprUche der Lärmbetroffenen nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 2 der 16. BlmSchV nur ausgelöst, wenn zu ihrem Nachteil eine relevante Erhöhung der Beurteilungspegel eintritt. 344 Das BVerwG verneint allerdings eine Schutzwürdigkeit, wenn eine tatsächliche Vorbelastung so stark ist, daß das neue zu beurteilende Vorhaben keine zusätzliche Auswirkung hat. Das Gericht orientiert sich also an einer lokalen Gesamtbelastung. Vorhandene Fremdgeräusche sollen danach AnsprUche hinsichtlich des neuen Vorhabens ausschließen. Unklar bleibt bei dieser "Kausalitätsbetrachtung" allerdings, was zu geschehen hat, wenn die Fremdgeräusche (später) vermindert werden und damit die zuvor vorhandene überlagernde Gesamtbelastung sinkt. Folgerichtig müßte dann ein planungsrechtlicher Anspruch aufNachbesserung gemäß § 75 Abs. 2 VwVfG bestehen.
c) Lärmsanierung Eine (einfachrechtliche) Pflicht zur Lärmsanierung aus Anlaß einer Planfeststellung besteht nach Ansicht des BVerwG nicht. Eine vorhandene Lärmsituation löst im Sinne einer Lärmsanierung bei Gelegenheit einer Planfeststellung keine PlanergänzungsansprUche etwa im Sinne des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG aus. Entscheidet sich die Planfeststellungsbehörde zu einer Lärmsanierung, so unterliegt sie hierbei dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung. 345 Dieses Gebot läßt ihr einen erheblichen Spielraum. Sofern sie aus vernünftigen GrUnden zu sachangemessenen Entscheidungen gelangt, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Das Gebot der Gleichbehandlung würde aber verletzt werden, wenn die staatliche Maßnahme, die zum Vorteil des einen bestimmt ist, dem anderen zusätzliche Nachteile aufbürdet. Das planerische Prinzip, daß ein vorhandener städtebaulicher Mißstand nicht auch filr die Zukunft festgeschrieben werden soll, muß in die Abwägung eingehen. Vorhandene Vorbelastungen berechtigen nicht zu einer Festschreibung bestehender Konfliktsituationen. 346 Der Grundsatz, daß ein städtebaulicher Mißstand nicht auch rur die Zukunft festgeschrieben werden soll, muß also in die 343 BVerwG, Beseh\. vom 23.6.1989 - 4 B 100.89 - Buehholz 316 § 74 Vwvro Nr. 8 = NVwZ 1990,263 (Fluglärm). 344 BVerwG, Urt. vom 3.3.1999 - 11 A 9.97 - Buehholz 406.25 § 41 BImSehG Nr. 26 = NVwZ-RR 1999,720. 345 BVerwG, Urt. vom 9.2.1995 - 4 C 26.93 - BVerwGE 97, 367 = DVBI 1995, 750 = NVwZ 1995,907. 346 BVerwG, Beseh\. vom 18.12.1990 - 4 N 6.88 - NVwZ 1991,881 = DVBI 1991, 442.
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Abwägung eingehen. Das BVerwG hat bislang keinen Fall zu entscheiden gehabt, in dem ein lärmbetroffener Bürger - gestützt auf Art. 2 Abs. 2 S. I GG eine Pflicht zur Lärmsanierung durchsetzen wollte.
VII. "Nachträgliche" Verkehrsimmissionen Überschreiten die Verkehrslärmimmissionen einer Straße die Grenzwerte der 16. BlmSchV, so besteht im Falle der Planfeststellung ein Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen durch Planergänzung gemäß § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG, wenn eine zur Überschreitung der Grenzwerte ruhrende Verkehrsentwicklung seinerzeit nicht vorhersehbar war. 347 Der lärmbetroffene Anwohner kann nach der Rechtsprechung auch des BVerwG unter näheren Voraussetzungen einen Anspruch auf Übernahme seines Grundstücks gegen Entschädigung haben. Die in den Richtlinien des Bundesministeriums rur Verkehr ruf den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VlärmschR 97) festgesetzten Immissionsgrenzwerte rür den Lärmschutz an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) dürften Orientierungsfunktion filr die Feststellung einer den Anspruch auf Übernahme des Grundstücks gegen Entschädigung durch den Straßenbaulastträger begründenden unzumutbaren, die bisherige Grundstücksnutzung beeinträchtigenden Lärmbelastung besitzen.
F. Besondere Anforderungen: EU-Habitatschutz I. Allgemeines 1. Zielsetzung des EU-Habitat rechts Die Europäische Gemeinschaft verfolgt das ehrgeizige Ziel, ein europäisches Biotopverbundsystem zu entwickeln. Es handelt sich um ein Netz, das bestimmte Vögel, Fauna und Flora schützen soll. Mit der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/ EWG) - Vogelschutz-RL (VRL) - (ABI EG Nr. L 103/1 vom 25. April 1979) sollen bestimmte Vogelschutzgebiete erfaßt werden. Die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden 347 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 24.8.1999 - 4 B 58.99 - Buchholz 406.25 § 41 BlmSchG Nr. 29 = NVwZ 2000, 70 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 12.9.1980 - 4 C 74.77 - BVerwGE 61, 1 = NJW 1981,835. 15 Ziekow
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Tiere und Pflanzen (92 /43 / EWG) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFHRL) - (ABI EG Nr. L 206 / 7 vom 22. Juli 1992) will Gebiete und Arten schützen. 348 In dieser Weise soll durch die EU-Kommission das ökologische Netz "Natura 2000" geschaffen werden. Nach Art. 3 Abs. 1 UAbs. 2 FFH-RL umfaßt das Netz Natura 2000 auch die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Vogelschutz-RL ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete. 2. Umsetzung der EG-Richtlinien EG-Richtlinien wenden sich an die Mitgliedstaaten. Sie bedürfen grundsätzlich der innerstaatlichen Umsetzung, die fristgebunden ist. Deutschland hat die Fristen über Jahre hin nicht eingehalten. Der EuGH hat auf Antrag der EGKommission mehrfach festgestellt, daß Deutschland wegen fehlender innerstaatlicher Umsetzung der VRL und der FFH-RL den EG-Vertrag verletzt habe. 349 Die VRL war bis zum 6. April 1981 umzusetzen, die FFH-RL bis zum 4. Juni 1994, die Meldefrist nach der FFH-RL liefam 4. Juni 1995 ab. Der Bundesgesetzgeber hat mit der 2. Änderung des BNatSchG 1998 vorn 30. April 1998 (BGBl. I S. 823) eine Umsetzung der beiden Richtlinien "begonnen". Die Änderungen sind arn 9. Mai 1998 in Kraft getreten. Dazu ordnet der Bundesgesetzgeber die unmittelbare Geltung des BNatSchG durch Änderung des § 4 S. 3 BNatSchG in Verbindung mit §§ 19 a ff. BNatSchG an. Ob dem Bundesgesetzgeber die rechtliche Umsetzung in vollem Umfange gelungen ist, wird vielfach im Detail bezweifelt. 350 Der Text der §§ 19 a ff. BNatSchG ist jedenfalls ohne Rückgriff auf die VRL und die FFH-RL nicht zu interpretieren. Das BNatSchG 1998 hat das ökologische Netz "Natura 2000" noch nicht perfektionieren können. Das BVerwG sieht in der rechtlichen Umsetzung auf der Grundlage der §§ 19 a ff. BNatSchG 1998 noch keine "Umsetzung" im Sinne des Richtlinienrechts. Zur Umsetzung der FFH-RL gehöre nämlich außer der Schaffung der filr die Anwendung notwendigen gesetzlichen Grundlagen durch den nationalen Gesetzgeber auch die vollständige Meldung 348 Die FFH-RL wurde zuletzt geändert durch die Richtlinie 97 I 62 EG vom 27.10.1997 (ABI EG Nr. L 305 S. 42). 349 EuGH, Urt. vom 17.8.1987 - NuR 1988, 53 zur VRL; EuGH, Urt. vom 3.7.1990 - Rs. C-288 1 88 - EuGHE I 1990, 2721 = NVwZ 1990, 955 = NJW 1990, 3072 = NuR 1991,97 zur VRL; EuGH, Urt. vom 11.12.1997 - Rs. C-83/97 (Kommission 1 Deutschland) - EuGHE I 1997, 7119 ff. = NV wZ 1998, 721 = NuR 1998, 194 zur FFHRL; EuGH, Urt. vom 11.12.1997-Rs. C-83 197 -EuGHE 11997,7191 = NVwZ 1998, 721 = NuR 1998,194. 350 Vgl. umfassend M GeIlermann, Natura 2000,2. Aufl. 2001, S. 129 ff.; vgl. auch T Rödiger-Vorwerk, Die Fauna-F1ora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union und ihre Umsetzung in nationales Recht. Analyse der Richtlinie und Anleitung zu ihrer Anwendung, 1998.
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der zu schützenden Gebiete nach den Maßstäben der FFH-RL fUr die ganze Bundesrepublik Deutschland. 35 I
3. "Übergangsrecht" Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH können auch nicht umgesetzte EG-Richtlinien innerstaatliche Verbindlichkeit entfalten. Das setzt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH voraus, daß die Richtlinie - jedenfalls der zu betrachtende Teil - unbedingt und inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Die genannten Kriterien sind nach Ansicht des BVerwG fUr die Frage des Schutzregimes der beiden Richtlinien zweifelsfrei gegeben. 3S2 Das BVerwG hat im Fall der Ostseeautobahn A 20 eine Vorwirkung insbesondere der FFH-RL vor Ablauf der Umsetzungs frist angenommen. Das Gericht hat sich dazu auf Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 189 Abs. 3 EGV (Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 249 Abs. 3 EG [Amsterdamer Fassung]) gestützt. Danach haben die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrages geflihrden könnten. 353 In diese Ziele hat das BVerwG die nach Maßgabe des EG-Vertrages erlassenen und erst noch umzusetzenden Richtlinien eingeschlossen. Ein Mitgliedstaat dürfe durch verbindliche Planungen in Gebieten, die als spätere FFH-Gebiete in Betracht kommen, keine vollendeten Tatsachen schaffen, die ihm später die ErfiHlung der aus der Richtlinie erwachsenden Vertragspflichten unmöglich machen. Die FFH-RL kann also auch bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist Vorwirkungen entfalten, dies allerdings nur unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 EG. Es handelt sich also um einen anderen rechtlichen Grund und eine andere Vorwirkung als bei der unmittelbaren Anwendung einer nicht fristgemäß umgesetzten Richtlinie. 354
351
BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = DVBI 1998,900
= NVwZ 1998,961.
m BVerwG, Urt. vom 19.5.1998-4 A 9.97-BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961 DVBI 1998,900; ebenso BVerwG, Beschl. vom 21.1.1998 - 4 VR 3.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 135 = NVwZ 1998,616 = NuR 1998,261 = DVBI 1998, 589Ostseeautobahn A 20. 353 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961 = DVB11998, 900. 354 Das BVerwG konnte sich insoweit auf eine Entscheidung des EuGH zur AbfallRichtlinie (Richtlinie 75 /442 EWG vom 15. Juli 1975, ABl.EG L 194, 39 in der Fassung der Richtlinie 91/156 vom 18.3.1991, ABl.EG L 78,32) berufen; vgl. EuGH, Urt. vom 18.12.1997 - Rs. C-129 / 96 - NVwZ 1998, 385.
=
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4. Allgemeine Bedeutung für die Fachplanung Das EU-Habitatschutzrecht ist abwägungsrestistent. Die Vorgaben der VRL und der FFH-RL sind grundsätzlich nicht abwägungsbezogen. Soweit eine Abwägung erforderlich sein sollte, richtet sich diese nur nach dem Gemeinschaftsrecht oder nach dem darauf bezogenen Umsetzungsrecht, hier also nach dem BNatSchG 1998. Eine zusätzliche fachplanerische Abwägung ist ausgeschlossen .. Nach Ansicht des BVerwG sind die VRL und die FFH-RL vielmehr ein mögliches rechtliches Hindernis der Planverwirklichung. m Eine Planfeststellungsbehörde sollte daher bei einer Planung im Einzugsbereich eines (potentiellen) FFH-Gebietes oder im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlich gebotenen Umgebungs schutz genauestens prüfen, ob sich aufdrängt, daß das Gebiet nach Maßgabe des Art. 4 FFH-RL Aufuahme in die Gemeinschaftsliste finden würde. Das gilt auch dann, wenn die Planfeststellungsbehörde im Rahmen des § 19 d S. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 19 c Abs. 5 BNatSchG 1998 aus Gründen der Kompensation eine Ausgleichsmaßnahme schaffen will. Auch diese Maßnahme darf - selbstverständlich nicht gegen FFH-Recht verstoßen. Bejaht die Planfeststellungsbehörde den "potentiellen" Schutzcharakter, sollte sie zunächst prüfen, ob ihre Zwecke der Fachplanung überhaupt geeignet sind, das Schutzregime des Art. 6 Abs. 4 VRL aufzugeben. Bestehen Zweifel, sollte sie in jedem Fall in eine Verträglichkeitsprüfung eintreten (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL in Verbindung mit § 19 c Abs. I BNatSchG 1998). Die Pianfeststellungsbehörde steht rechtlich dann so da, als würde ihre Planung ein ausgewiesenes Schutzgebiet betreffen.
11. Schutzstatus - Geschützte Gebiete (Objekte des Schutzes) 1. Gebiete nach Maßgabe der Vogelschutz-RL a) Erklärte oder anerkannte VogelschutzgelJiete
Der Begriff des "Vogelschutzgebietes" wird in Art. 4 VRL bestimmt. Die Richtlinie kennt zwei Gruppen: Nach Art. 4 Abs. 1 VRL erklären die Mitgliedstaaten Gebiete zu Schutzgebieten, die zum Schutz der im Anhang I genannten 175 Vogelarten notwendig sind. Zu den geschützten Gebieten nach Art. 4 Abs.2 VRL gehören Vermehrungsgebiete, Mausergebiete, Überwinterungsge3SS
BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961
= DVBI 1998, 900.
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biete sowie Rastplätze, deren Schutz ftir die nicht im Anhang I aufgefUhrten Zugvogelarten erforderlich ist. b) Faktische Voge/schutzgebiete
aa) Deutsche (formale) Rechtslage Die VRL war bis zum 6. April 1981 umzusetzen. Eine allgemeine gesetzliche Umsetzung im Sinne des EG-Rechts unterblieb. Die Bundesländer haben nur sehr zögernd das landesgesetzliche Naturschutzrecht benutzt, um Naturschutzgebiete als Vogelschutzgebiete auszuweisen. Die Ausweisung als Naturschutzgebiet (§ 13 BNatSchG) oder als Landschaftsschutzgebiet (§ 15 BNatSchG) läßt zudem nicht ohne weiteres erkennen, ob damit zugleich ein Vogelschutzgebiet im Sinne des Art. 4 Abs. I und 2 VRL festgesetzt werden sollte. bb) Rechtsprechung des EuGH Art. 4 Abs. I und 2 VRL verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, die dort behandelten besonderen Schutzgebiete mit einem rechtlichen Schutzstatus auszustatten. Der Schutzstatus muß geeignet sein, u.a. das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I der Richtlinie aufgefUhrten Vogelarten sowie die Vermehrung, die Mauser und die Überwinterung der nicht in diesem Anhang aufgefUhrten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten sicherzustellen. 356 Umstritten und nach der Rechtsprechung des EuGH anfangs nicht sehr deutlich war, ob und in welcher Hinsicht die Mitgliedstaaten bei der Auswahl des Vogelschutzgebietes ein "Ermessen" oder einen "Beurteilungsspielraum" haben. Der EuGH hat dies zunächst etwas großzügiger beurteilt, ist dann immer restriktiver geworden. 357 Zwar verfUgen die Mitgliedstaaten über einen gewissen Beurteilungsspielraum, wenn sie die gemäß Art. 4 Abs. I VRL zu besonderen Schutzgebieten geeignetsten Gebiete bestimmen. Dagegen kann ihnen nicht der gleiche Beurteilungsspielraum zustehen, wenn sie derartige Gebiete, in denen die geeignetsten Lebensverhältnisse fUr die in Anhang I aufgefUhrten Arten bestehen, flächenmäßig ändern oder verkleinern wollen; anderenfalls könnten sie sich einseitig ihren Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie entzie-
356 EUGH, Urt. vom 18.3.1999 - Rs. C-166/97 - EuGHE 1999,1-1719 = ZUR 1999, 148=NuR 1999,501. 357 Vgl. auch A. Epiney, Vogel- und Habitatschutz in der EU. Mitgliedstaatliche Beurteilungsspielräume bei der Ausweisung von Schutzgebieten und der Anwendung der Schutzregime, UPR 1997, 303-309.
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hen. 358 Bei der Einstufung als besonderes Schutzgebiet verftlgen die Mitgliedstaaten über einen gewissen Ermessensspielraum. Dieser wird dadurch begrenzt, daß die Ausweisung dieser Gebiete bestimmten in der Richtlinie festgelegten ornithologischen Kriterien gehorcht wie etwa dem Vorkommen der in Anhang I der Richtlinie aufgefilhrten Vögel und der Einstufung eines Lebensraums als Feuchtgebiet. Dagegen steht den Mitgliedstaaten im Rahmen von Art. 4 Abs. 4 VRL nicht der gleiche Ermessensspielraum zu, wenn sie die Fläch~ derartiger Gebiete ändern oder verkleinern. 3S9 Insbesondere bezieht sich der Ermessensspielraum bei der Auswahl der geeignetsten Gebiete nicht darauf, diejenigen Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären, die nach ornithologischen Kriterien arn geeignetsten erscheinen, sondern nur auf die Anwendung dieser Kriterien ftlr die Bestimmung der Gebiete, die ftlr die Erhaltung der betreffenden Arten am geeignetsten sind. 36O Für das eingerichtete besondere Schutzgebiet müssen ferner geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um ihm einen ausreichenden Rechtsstatus zu verschaffen. 361 cc) Kein Einfluß der FFH-RL Die FFH-RL (1992) hat an der Pflicht, filr Vogelschutzgebiete den ihnen gemäßen Schutzstatus zu begründen, nichts geändert. Das hat der EuGH zuerst in der Santofta-Entscheidung (1993) und nochmals in der Lappel BankEntscheidung (1996) ausgesprochen. 362 Der Gerichtshof hat diese Auffassung 1998 wiederholt. 363 Der EuGH beharrt dabei darauf, daß sorgsam zwischen Begründung des Schutzstatus und dem Schutzregime zu trennen sei. Ein Mitgliedstaat darf bei der Begründung des Schutzstatus wirtschaftliche Erfordernisse auch dann nicht berücksichtigen, wenn sie zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses darstellen, wie sie in Art. 6 Abs. 4 FFH-RL genannt 3S8 EuGH, Urt. vom 28.2.1991 - Rs. C-57 / 89 - EuGHE 1991,1-883 = NVwZ 1991, 559 = NuR 1991,249. m EuGH, Urt. vom 2.8.1993 - Rs. C-355 / 90 - EuGHE 1993, 1-4221 = ZUR 1994, 305 = NuR 1994, 521. 360 EuGH, Urt. vom 19.5.1998 - Rs. C-3 /96 - EuGHE 1998, 1-3031 = DVBI 1998, 888 = UPR 1998,379 = NuR 1998, 538 - Niederlande-Fall- mit Anm. K. [yen, NuR 1998, 528-531. 36\ EuGH, Urt. vom 18.3 .1999 - Rs. C-166 / 97 - EuGHE 1999,1-1719 = NuR 1999, 501; EuGH, Urt. vom 25.11.1999 - Rs. C-96 / 98 - EuGHE 1999,1-8531 = NuR 2000, 206 - Sumpfgebiet Poitou. 362 EuGH, Urt. vom 2.8.1993 - Rs. C-355 / 90 - EuGHE 1993,1-4221 = ZUR 1994, 305 = NuR 1994,521; EuGH, Urt. vom 11.7.1996 - Rs. C-44/95 - EuGHE 1996, 1-3805 = ZUR 1996, 251 = DVBI 1997, 38 = NuR 1997, 36. 363 EuGH, Urt. vom 19.5.1998 - Rs. C-3 /96 - EuGHE 1998, 1-3031 = DVBI 1998, 888 = UPR 1998, 379 = NuR 1998, 538 - Niederlande-Fall - mit Anm. K. [yen, NuR 1998, 528-531.
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sind. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL hat zwar das Spektrum der Gründe, die eine Beeinträchtigung eines besonderen Schutzgebiets rechtfertigen können, durch ausdrückliche Aufnahme der Gründe sozialer oder wirtschaftlicher Art erweitert, aber fUr die Anfangsphase der Klassifizierung nach Art. 4 Abs. 1 und 2 VRL keine Änderung eingefilhrt. Die Klassifizierung als besondere Schutzgebiete hat daher in jedem Fall anband der Kriterien zu erfolgen, die nach Art. 4 Abs. 1 und 2 VRL maßgebend sind. 364 dd) Schutzstatus des faktischen Vogelschutzgebietes Beachtet ein Mitgliedstaat die materiellen Anforderungen der Klassifizierung eines Gebietes nach Art. 4 Abs. 1 und 2 VRL nicht, liegt ein "faktisches Vogelschutzgebiet" vor. Der EuGH stellte in der Santofl.a-Entscheidung (1993) die faktischen Vogelschutzgebiete den erklärten oder anerkannten Vogelschutzgebieten im Schutzstatus rechtlich gleich. 36s Der Gerichtshof hat dies 1999 nochmals bestätigt. 366 Das BVerwG folgt der Rechtsprechung des EuGH. Das Gericht hat 1998 insbesondere betont, daß die FFH-RL den Schutzstatus des "faktischen" Vogelschutzgebietes nicht beeinflußt habe. 367 Die Entscheidung betrim äußerlich nur den Schutzstatus, nicht die Frage des maßgebenden Schutzregimes. Das faktische Vogelschutzgebiet genießt gleichwohl alle verfahrensrechtlichen Sicherheiten wie dies fUr erklärte oder anerkannte Vogelschutzgebiete vorgesehen ist. ee) Feststellung eines faktischen Vogelschutzgebietes Das faktische Vogelschutzgebiet muß zu den zahlen- und flächenmäßig fUr die Erhaltung geschützter Arten geeignetsten Gebieten im Sinne von Art. 4 Abs. 1 UAbs. 4 VRL gehören. 368 Die bloße Tatsache, daß ein Gebiet vom Mitgliedstaat in ein Verzeichnis der Gebiete von Bedeutung fUr die Erhaltung der EuGH, Urt. vom 11.7.1996 - Rs. C-44 / 95 - EuGHE 1996, 1-3805 = ZUR 1996, DVBI 1997,38 = NuR 1997,36. 365 EuGH, Urt. vom 2.8.1993 - Rs. C-355 /90 - EuGHE 1993,1-4221 = ZUR 1994, 305 = NuR 1994, 521. 366 EUGH, Urt. vom 18.3.1999 - Rs. C-166 / 97 - EuGHE 1999, 1-1719 = ZUR 1999, 148 = NuR 1999, 501 mit Anm. C. A. Maaß, ZUR 1999, 150-153; ebenso EuGH, Urt. vom 7.12.2000 - C 374/98 - Kommission / Frankreich (Basses Corbieres) - derzeit n.v. 367 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 C 11.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 = NVwZ 1999,528 = UPR 1998,388. 368 Vgl. EuGH, Urt. vom 18.3.1999 - Rs. C-166 / 97 - EuGHE 1999,1-1719 = ZUR 1999,148 = NuR 1999,501. 364
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Vögel aufgenommen wurde, beweist noch nicht, daß es zum besonderen Schutzgebiet erklärt werden mußte. 369 Als Voraussetzung ftlr die Annahme eines "faktischen Vogelschutzgebietes" wird man daher annehmen müssen, daß in aller Regel nur ein größerer räumlich zusammenhängender Bereich einen Lebensraum oder ein Verbreitungsgebiet von einigem Gewicht fUr die in Anhang 1 der VRL genannten Arten darstellt. Ein gewichtiges Indiz ftlr die Zuordnung ist nach Ansicht des EuGH die !BA-Liste (Inventory oflmportant Bird Area,s in the European Community) des Internationalen Rats fi1r Vogelschutz. 370 Das BVerwG hat sich zu dieser Frage bislang nicht äußern müssen.
2. Gebiete nach Maßgabe der FFH-RL a) Reguläres Bestimmungsverfahren
Das Meldeverhalten der Bundesländer (Art. 4 Abs. 1 FFH-RL) ist unverändert kritisch. Die Beteiligung anderer Behörden, der Kommunen sowie von Grundstückseigentilinern und Naturschutzverbänden behandelt das BNatSchG nicht näher. Nach Ansicht des BVerwG ist es höchst zweifelhaft, ob einem Mitgliedstaat der EU bei der Auswahl der der EU-Kommission gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL zu meldenden Schutzgebiete ein politisches Ermessen zusteht. Art. 4 FFH-RL - in Verbindung mit den Anhängen I bis III - gibt fi1r die Annahme eines nationalen Auswahlermessens nach Maßstäben politischer Zweckmäßigkeit keinen Anhalt. 371 Das BVerwG entwickelt aus diesem Befund seine Auffassung, daß es "potentielle FFH-Gebiete" geben kann. Einen Beurteilungsspielraum gesteht die FFH-RL den Mitgliedstaaten nur insofern zu, als der im Anhang III aufgefUhrte Kriterienkatalog so formuliert ist, daß er im Einzelfall unterschiedliche fachliche Wertungen zuläßt. 372
369 EuGH, Urt. vom 18.3.1999 - Rs. C-166 / 97 - EuGHE 1999, 1-1719 = ZUR 1999,148 = NuR 1999, 501. 370 EuGH, Urt. vom 19.5.1998 - Rs. C-3 / 96 - EuGHE 1998,1-3031 (Rn. 69, 79) = DVB11998, 888 = UPR 1998,379 = NuR 1998,538 - Niederlande-Fall; erneut EuGH, Urt. vom 7.12.2000 - Rs. C-374 / 98 - Fall Basses Corbieres (Frankreich) - derzeit n.v. (Rn.25). 371 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998-4A9.97-BVerwGE 107, I = NVwZ 1998,961 = DVBI 1998,900; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386. 312 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - noch n.v.
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b) Potentielle FFH-Gebiete
aa) Begriff und Problemstellung Art. 4 Abs. 4 FFH-RL sieht als Endzustand die innerstaatliche Ausweisung besonderer Schutzgebiete vor, die in der gemeinschaftlichen Liste aufgetuhrt sind. Der genannte Zeitrahmen wäre regulär spätestens 2004 beendet. Allerdings besteht nach der FFH-RL in zwei Fällen ein "vorgezogenes" Schutzregime. Das in Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL vorgesehene Schutzregime entsteht bereits mit der Aufuahme des gemeldeten Gebietes in die gemeinschaftliche Liste (Art. 4 Abs. 5 FFH-RL). Das wäre regulär tur Deutschland am 5.6.1998 gewesen. Denselben Schutz erreicht ein nicht gemeldetes Gebiet, dessen Aufnahme in die gemeinschaftliche Liste die EG-Kommission aufgrund näherer Kriterien fUr unerläßlich erklärt hat und damit ein Konzertierungsverfahren mit dem Mitgliedstaat auslöst (sog. Konzertierungsgebiet - Art. 5 Abs. 1 und Abs. 4 FFH-RL in Verbindung mit § 19 a Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG 1998). bb) Ansätze zur Problem lösung
Im Schrifttum und in der Rechtsprechung wird die Frage kontrovers erörtert, welchen Status und welches Schutzregime ein Gebiet, das die inhaltlichen Kriterien des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL ertullt und gegenüber der Kommission meldepflichtig ist, in der Zwischenzeit bis zur Aufuahme in die gemeinschaftliche Liste hat. Das Schrifttum verneinte bis 1998 überwiegend ein Schutzregime fiir nicht gemeldete, aber meldefähige FFH-Gebiete. 373 Das BVerwG erhielt im Fall der Ostsee-Autobahn A 20 (Querung Wakenitz) die Möglichkeit, zur Frage eines "faktischen" oder "potentiellen" FFH-Gebietes Stellung zu nehmen. Das Gericht hat aus der allgemeinen Pflicht der Mitgliedstaaten, sich vertragskonform zu verhalten, ein "Stillhaltegebot" entwickelt. Es hat sich gefragt, wie die Rechtslage im Zeitpunkt vor Ablauf der Umsetzungsfrist zu beurteilen ist. Aus dem Gemeinschaftsrecht folge die Pflicht eines Mitgliedstaates der EU, bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer EU-Richtlinie die Ziele der Richtlinie nicht zu unterlaufen und durch eigenes Verhalten keine gleichsam vollendeten Tatsachen zu schaffen, welche später die Ertullung der aus der Beachtung der Richtlinie gemäß Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 373 Vgl. K. Iven, Schutz natürlicher Lebensräume und Gemeinschaftsrecht, NuR 1996, 373-380; A. Schink, Auswirkungen der Fauna-F1ora-Habitat-Richtlinie (EG) auf die Bauleitplanung, GewArch 1998,41-53; W Schrödter, in: H. Schrödter (Hrsg.), BauGB, 6. Aufl. 1998, § 1a Rn. 123; R. Wahl, Europäisches Planungsrecht - Europäisierung des deutschen Planungsrechts, Planung - Recht - Rechtsschutz (Festschrift rur Willi Blümel), 1999, S. 617-646.
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189 Abs. 3 EGV a.F. erwachsenen Vertragspflichten nicht mehr möglich machen würde - Pflicht zur "Stillhaltung".374 Aus dieser Beurteilung hat das BVerwG dann den weiteren Gedanken entwickelt, daß nach Ablauf der Umsetzungs frist und nach Ablauf der Meldefrist "erst recht" ein Mitgliedstaat das Ziel der Richtlinie nicht durch eigenes Hlimdein vereiteln dürfe. Alles andere sei treuwidrig. Danach komme die rechtliche Möglichkeit eines sog. potentiellen FFH-Gebietes in Betracht, wenn ft1r ein Gebiet die sachlichen Kriterien nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL erftlllt sind, die Aufnahme in ein kohärentes Netz mit anderen Gebieten sich aufdrängt und der Mitgliedstaat der EU die FFH-RL noch nicht vollständig umgesetzt hat. Dem Mitgliedstaat der EU sei es nämlich versagt, bereits während der Phase der Gebietsauswahl nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL seinen Interessen der wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Entwicklung den Vorrang vor dem Lebensraum- und Artenschutz einzuräumen. 375 Auch der Umstand, daß ein Gericht nicht in der Lage sei, ein kohärentes europäisches System im Sinne des Art. 3 Abs. 1 FFHRL zu bestimmen, schließe es nicht aus, ein Gebiet als ein potentielles FFHGebiet einzustufen, wenn die sachlichen Kriterien nach Art. 4 Abs. I FFH-RL erftlllt sind, die Aufnahme in ein kohärentes Netz im Zusammenhang mit anderen, bereits unter fi>rmlichen Schutz gestellten Gebieten nahe liegt oder sich geradezu aufdrängt und die FFH-RL noch nicht vollständig umgesetzt ist. 376 Auch wenn das BVerwG 1998 noch vorsichtig formulierte, entschied es sich der Sache nach ftlr die rechtliche Möglichkeit potentieller FFH-Gebiete. In seiner weiteren Entscheidung vorn 27. Januar 2000 gilt dies bereits als nahezu selbstverständlich. Ein Gebiet, das die Merkmale des Art. 4 Abs. I FFH-RL erftlllt und dessen Meldung ftlr die Aufnahme in das kohärente Netz "Natura 2000" sich aufdränge, sei vor vollständiger Umsetzung der Richtlinie als potentielles FFH-Gebiet zu behandeln. Berührt ein Straßenbauvorhaben ein derartiges Gebiet, sei seine Zulässigkeit an den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zu messen. 377 Das BVerwG verfolgt erkennbar den Gedanken, daß eine Prognose dahin zu stellen sei, ob ein nach Anhang III der FFH-RL meldepflichtiges Gebiet mit gewisser Wahrscheinlichkeit in die von der Kommission aufzustellende Liste (Art. 4 Abs. 2 FFH-RL) aufgenommen werden wird. 374 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1= NVwZ 1998,961 = DVBI 1998,900 im Anschluß an EuGH, Urt. vom 18.12.1997 - Rs. C-129 196 EUGHE 1997, 1-7411 = NVwZ 1998, 385 Rn. 44 - Inter-Environnement Wallonie - mit Anm. W. Weiß, DVBI 1998, 568 ff.; U. Gassner, NVwZ 1998, 1148 ff. 375 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961 = DVBI 1998,900 im Anschluß an EuGH, Urt. vom 11.7.1996 - Rs. C-44/95 - EuGHE 1996,1-3805 = DVBI 1997,38 = NuR 1997,36 - Lappel Bank. 376 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998-4 C 11.96-NVwZ 1999,528 =NuR 1998,649. 377 BVerwG, Urt. vom 27.1.2000 - 4 C 2.99 - DV8I2000, 814 = UPR 2000,230 = NuR 2000, 448 = DÖV 2000, 687.
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Das BVerwG umschreibt dies mit dem Gesichtspunkt, ob sich die Aufnahme in die gemeinschaftliche Liste "aufdrängt".378 Das wird allerdings nicht ohne weiteres angenommen. Dazu muß sich zunächst einmal die Meldung an die Kommission "aufdrängen". Ein FFH-Gebiet dürfte sich regelmäßig zur Meldung und zur Aufnahme in die "Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung" (§ 19 b Abs. 2 BNatSchG 1998) aufdrängen, wenn das Gebiet prioritäre natürliche Lebensraumtypen und / oder eine prioritäre Art einschließt (vgl. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL, § 19 c Abs. 4 S. 1 BNatSchG 1998). Soll davon abgesehen werden, dürfte der Planfeststellungsbehörde zum Nachweis einer atypischen Situation die BegrUndungslast filr eine gleichwohl sachgerechte Beurteilung auferlegt sein. Bei prioritären Gebieten kann zwar angesichts des hohen Schutzregimes regelmäßig eine Aufnahme in das globale kohärente System erwartet werden. Diesen Gebieten wird vielfach BTÜckenfunktion zukommen. Ausnahmen in atypischen Fällen sind aber möglich. Das ist etwa bei sehr kleinräumigen Flächen denkbar.379 Die Annahme eines "potentiellen" Schutzgebietes drängt sich z. B. auf, wenn ftlr das Gebiet die sachlichen Kriterien nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL erfilllt sind und die Aufnahme in ein kohärentes ökologisches Netz in Zusammenhang mit anderen, bereits unter llirmlichen Schutz gestellten Gebieten bestimmend sein kann. 38o Den Mitgliedstaaten steht bei der Aufnahme der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der FFH-Richtlinie in die nationale Vorschlagsliste ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum zu. Das Vorkommen prioritärer natürlicher Lebensraumtypen oder Arten zwingt nicht ohne Ausnahme zur Aufnahme des Gebiets in die nationale Liste. 381 Die Entscheidung des BVerwG von 1998 hat eine gewisse Meinungsänderung, zumindest eine "Nachdenklichkeit" bewirkt. Eine Meldung an die EUKommission dürfte als Beweisanzeichen zu werten sein. Die Kritiker der Rechtsprechung des BVerwG verweisen unverändert auf die Notwendigkeit der einstimmigen Entscheidung des Rates. 382 Sie meinen auch, die FFH-RL habe in Art. 4 Abs. 4 FFH-RL selbst angegeben, zu welchem Zeitpunkt frühestens der Habitatschutz eintrete. Als einzige inhaltliche Schwierigkeit ist anzuerkennen, 378 Vg!. erneut BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVB12001, 386; Besch!. vom 24.8.2000 - 6 B 23 .00 - Buchholz 451 .91 Europ UmweltR Nr. 4 = NVwZ 2001, 92 = DVB12001, 375. 379 Vg!. BVerwG, Besch!. vom 24.8.2000 - 6 B 23.00 - Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 4 = NVwZ 2001,92 = DVBI 2001,375. llO BVerwG, Besch!. vom 21.1.1998 - 4 VR 3.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 135 = NVwZ 1998,616 = NuR 1998,261 = DVBI 1998,589 mit Anm. A. Fisahn, ZUR 1998,34-38. 381 BVerwG, Besch!. vom 24.8.2000 - 6 B 23.00 - Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 4 = NVwZ 2001,92 = DVB12001, 375. 312 Vg!. etwa Th. Koch, NuR 2000,374 (376); SI. Stüber, NuR 1998, 531-534.
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daß bei nur potentiellen FFH-Gebieten Schwierigkeiten bestehen, die "festgelegten" Erhaltungsziele im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL festzustellen. 383 Das BVerwG hat aber an seiner Auffassung·in Kenntnis dieser Kritik festgehalten. 384 3. Umgebungsschutz Art. 4 Abs. 4 S. 2 VRL verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Beeinträchtigung der Lebensräume außerhalb des Schutzgebietes zu vermeiden. Dieser sog. Umgebungsschutz ist dem deutschen Naturschutzrecht fremd. Das BVerwG hat einen Umgebungsschutz ft1r Vogelschutzgebiete anerkannt. Das Gericht hat je nach Vogelart - pauschal einen Umgebungsschutz von 400 bis 500 m in Betracht gezogen. 38S Das Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 VRL erfaßt danach auch erhebliche Auswirkungen (Beeinträchtigungen), die Ursachen außerhalb des Gebietes haben. Auch ft1r ein FFH-Gebiet kommt ein Umgebungsschutz nach Art. 6 Abs. 3 S. I FFH-RL in Betracht.
III. Habitat-Schutzregime Mit der Feststellung des Schutzstatus ist eine wichtige erste Voraussetzung filr den Habitatschutz gegeben. Der Inhalt des Schutzes wird allerdings erst durch das zugeordnete Schutzregime bestimmt. Dieses ist in der VogelschutzRL und in der FFH-RL sowohl verfahrensmäßig als auch materiell unterschiedlich. Als problematisch hat sich die Frage erwiesen, in welcher Weise das Europäische Habitatschutzrecht die Schutzregime beider Richtlinien zu einem einheitlichen zusammengefaßt hat.
Zutreffend Th. Koch, NuR 2000, 374 (377). BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVB12001, 386. 385 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 -4 A 9.97 - BVerwGE 107, I = NVwZ 1998, 961 = DVBI 1998, 900. 383
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Die neuere Rechtsprechung des BVerwG zum Straßenfachplanungsrecht
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1. Vogelschutzgebiet
a) Erklärte oder anerkannte Vogelschutzgebiete
aa) Schutzregime nach Art. 4 Abs. 4 VRL Das deutsche Recht sieht keine spezifischen Regelungen der UnterschutzsteIlung von Vogelschutzgebieten vor. Art. 4 Abs. 4 VRL sieht in der Auslegung des EuGH einen fast absoluten Schutz vor. Die Mitgliedstaaten dürfen danach besondere Schutzgebiete nur dann flächenmäßig verkleinern, wenn dafilr außerordentliche Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die Vorrang vor den mit der Richtlinie verfolgten Umweltbelangen haben. In diesem Zusammenhang können die in Artikel 2 genannten wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernisse nicht in Betracht kommen, da diese Bestimmung keine eigenständige Abweichung von der durch die Richtlinie geschaffenen allgemeinen Schutzregelung darstellt. 386 Das BVerwG hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Art. 4 Abs. 4 VRL ist also dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat der EU nicht befugt ist, die wirtschaftlichen Erfordernisse als Gründe des Gemeinwohls zur Durchbrechung des Schutzregimes eines Vogelschutzgebietes zugrunde zu legen.387 bb) Schutzregime nach Art. 7 FFH-RL Art. 7 FFH-RL hat das fast absolute Schutzregime filr Vogelschutzgebiete geändert. Danach gilt für erklärte oder anerkannte Vogelschutzgebiete das "weichere" Schutzregime des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL. Ob und zu welchem Zeitpunkt Art. 7 FFH-RL überhaupt aufVogelschutzgebiete anzuwenden ist, ist stark umstritten. Das BVerwG hat sich bislang zur Anwendung des Art. 7 FFHRL auf faktische Vogelschutzgebiete noch nicht abschließend geäußert. Es hat die vorgelagerte Frage problematisiert, ob bei existierenden Vogelschutzgebieten derzeit das geminderte Schutzregime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL Oberhaupt anwendungsflihig ist. Das hat das Gericht für zumindest zweifelhaft angesehen. 388 Die Problemfrage ist, ob bereits die "weichere" Ausnahmemöglichkeit des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL anzuwenden ist, obwohl ein kohärentes ökologi386 EuGH, Urt. vom 28.2.1991 - Rs. C-57 / 89 - EuGHE 1991,1-883 = NVwZ 1991, 559 = NuR 1991, 249; EuGH, Urt. vom 2.8.1993 - Rs. C-355 / 90 - EuGHE 1993, 1-4221 = ZUR 1994, 305 = NuR 1994, 521 - Santoi'la. 387 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961 = DVBI 1998, 900. 388 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998-4A9.97-BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961 = DVBl 1998, 900.
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sches Netz noch nicht besteht und dies auf dem gemeinschaftswidrigen Verhalten der Bundesländer beruht. b) Faktische Voge/schutzgebiete
Der EuGH hat nunmehr entschieden, daß auf faktische Vogelschutzgebiete jedenfalls das geminderte Schutzregime des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL nicht anzUwenden sei. 389 Es gelte insoweit unverändert das Regime des Art. 4 Abs. 4 VRL. Der Gerichtshof sieht in dieser Differenzierung einen Anreiz fUr den Mitgliedstaat, den formalen Schutzstatus des Vogelschutzgebietes herbeizufUhren. Die Frage ist offen, ob Art. 7 FFH-RL auf ausgewiesene Vogelschutzgebiete anzuwenden ist, solange das kohärente Netz noch nicht errichtet ist.
2. FFH-Gebiet a) Versch/echterungs- und Störungsverbot (Art. 6 Abs. 2 FFH-RL)
Art. 6 Abs. 2 FFH-RL enthält das allgemeine Gebot, Verschlechterungen oder Störungen ausgewiesener besonderer Schutzgebiete zu verhindern. § 19 b Abs. 5 BNatSchG 1998 unternimmt es, das Gebot in das innerstaatliche Recht umzusetzen. § 19 e BNatSchG 1998 ergänzt dies dahin, daß die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Störungsverbots fi1r Anlagen umgesetzt werden, die nach § 4 BImSchG genehmigungsbedÜTftig sind. b) Verträg/ichkeitsprüjung (Art. 6 Abs. 3 FFH-RL)
aa) Anlaß der PTÜfung (1) Gegenstand der VerträglichkeitspTÜfung Art. 6 Abs. 3 S. 1 FFH-RL bezeichnet "Pläne oder Projekte", die nicht gerade der Verwaltung des Schutzgebietes dienen, als Gegenstand der VerträglichkeitspTÜfung. Planfeststellungsbeschlüsse sind "Pläne" im Sinne des Art. 6 Abs. 3 S. 1 FFH-RL in Verbindung mit § 19 a Abs. 2 Nr. 9 BNatSchG 1998. Auch die Linienbestimmung nach § 16 FStrG erfordert eine VerträglichkeitspTÜfung (§ 19 d S. 1 Nr. 1 BNatSchG 1998). Nach deutschem Recht ist fUr das Verfahren der Linienbestimmung eine Beteiligung der Öffentlichkeit nicht vorgese-
389 EuGH, Urt. vom 7.12.2000 - Rs. C-374 / 98 - Fall Basses Corbieres (Frankreich) - derzeit n.v.
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hen. Danach kann zweifelhaft sein, ob eine Verträglichkeitsprüfung im Verfahren der Linienbestimmung bereits den Erfordernissen des Art. 6 Abs. 3 FFHRL genügen kann. (2) Möglichkeit der Beeinträchtigung Die (bloße) Möglichkeit der Beeinträchtigung der Erhaltungsziele durch einen Plan oder ein Projekt löst die Notwendigkeit der Prüfung aus. Dazu bedarf es der Feststellung, welche Erhaltungsziele festgelegt wurden. Nur Projekte, die ein Schutzgebiet gewichtig und nachhaltig beeinträchtigen, sind nach § 19 c Abs. 2 BNatSchG 1998 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 3 FFH-RL mit den Erhaltungszielen des Gebiets unverträglich. Der EuGH verlangt fUr die Verträglichkeitsprüfung eine klare innerstaatliche Regelung. 39o Da fUr "potentielle" FFH-Gebiete derartige Erhaltungsziele nicht normativ festgelegt sind (vgl. § 19 b Abs. 3 S. 1 BNatSchG 1998), erweist sich eine "vorwirkende" Verträglichkeitsprüfung durchaus als problematisch. (3) Intensität der Beeinträchtigung Die Inanspruchnahme von Flächen eines europäischen Vogelschutzgebietes kann zu einer "erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele" fUhren (vgl. § 19 c Abs. 2 BNatSchG 1998). Was als "erheblich" anzusehen ist, entzieht sich einer generellen Festlegung. Es bedarf wohl einer wechselbezüglichen Befundaufnahme zwischen dem Schutzgut und dem mutmaßlichen Störpotential. Es ist außerordentlich schwierig, bestimmte allgemeingUltige Grenzwerte oder Grenzabstände zu entwickeln. Maßgebend ist eine schutzorientierte Betrachtungsweise. 391 Danach muß zwischen der tatsächlichen Schutzbedürftigkeit und der Schutzwürdigkeit unterschieden werden. (4) Bedeutung des Umgebungsschutzes Wie bei Vogelschutzgebieten ist Art. 6 Abs. 3 FFH-RL dahin auszulegen, daß auch der sog. Umgebungsschutz die Verträglichkeitsprüfung auslösen kann. Das kann fUr eine Fachplanung von Bedeutung sein. Der Vorhabenträger und die Planfeststellungsbehörde können sich also nicht darauf verlassen, daß
390
565.
EuGH, Urt. vom 6.4.2000 - Rs. C-256/ 98 - EUGHE 2000, 1-2487 = NuR 2000,
391 V gl. C. A. Maaß, Schutz der natürlichen Lebensräume und Böden vor stofflichen Immissionen, ZUR 2000, 308 (311).
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sie die Gebietsgrenzen eines fönnlich unter Schutz gestellten Naturschutz- oder Landschaftsschutzgebietes beachtet haben. bb) Verfahren der Prüfung Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL unterscheidet zwei Verfahrensabläufe: Die zuständige einzelstaatliche Behörde stimmt dem Plan oder dem Projekt nur zu, wenn sie festgestellt hat, daß das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird und nachdem sie ggf. die Öffentlichkeit angehört hat. Daraus folgt immanent, daß der Zustimmung eine bereits durchgefUhrte Verträglichkeitsprüfung zugrunde liegt und damit vorausgesetzt wird. In welchem Verfahren die Verträglichkeitsprüfung durchzuftlhren und im einzelnen zu gestalten ist, bleibt nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL offen. Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL sieht eine Anhörung der Öffentlichkeit vor. Umstritten ist, ob der Mitgliedstaat die Öffentlichkeitsbeteiligung durch Gesetz generell ausschließen kann. 392 Rechtsprechung des BVerwG liegt noch nicht vor. Nach allgemeiner Meinung steht indes nichts entgegen, die Verträglichkeitsprüfung mit einer UVP zu verbinden oder die UVP zu integrieren. 393 Allerdings muß die materielle Eigenständigkeit der Zielsetzung der Verträglichkeitsprüfung gewahrt bleiben.
§ 19 c BNatSchG nimmt zum Verfahren der Verträglichkeitsprüfung keine Stellung. Nach dem Gesetzentwurf des Bundesrates zur Umsetzung der FFHRL sollte die Verträglichkeitsprüfung in dem ,jeweiligen Verwaltungsverfahren" durchgefUhrt werden. 394 Man ist deshalb darauf angewiesen, aus den vorhandenen gesetzlichen Regelungen die "Umsetzungslücke" zu schließen. cc) Inhalt der Prüfung Die Prüfung hat die Erhaltungsziele und den Schutzzweck des Gebietes und der zu schützenden Arten zu ennitteln. Die Zielsetzung der Prüfung läßt z. B. § 19 c Abs. 2 BNatSchG erkennen. Ob eine (erhebliche) Beeinträchtigung vermieden werden kann und / oder auszugleichen ist, hat auf dieser Stufe der Prüfung außer Betracht zu bleiben. Dies ist nach der Systematik des Art. 6 Abs. 4 392 Bejahend K. Iven, Schutz natürlicher Lebensräume und Gemeinschaftsrecht, NuR 1996,373 (378); wohl auch A. Epiney, Vogel- und Habitatschutz in der EU. Mitgliedstaatliche Beurteilungsspielräume bei der Ausweisung von Schutzgebieten und der Anwendung der Schutzregime, UPR 1997, 303 (308). 393 W Frenz, Europäisches Umweltrecht, 1997 Rn. 389; M Ge//ermann, Rechtsfragen des europäischen Habitatschutzes, NuR 1996, 548 (551); a.A. K. Iven, Schutz natürlicher Lebensräume und Gemeinschaftsrecht, NuR 1996, 373 (378), der es filr genügend hält, schutzgebietsrelevante Projekte der allgemeinen UVP zu unterwerfen. 394 BR-Drucks. 118/96 zu § 19 c.
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FFH-RL und des § 19 c BNatSchG allein eine Frage, ob eine Ausnahme möglich ist. Die Prüfung kann daher nicht "vorverlagert" werden. dd) Ergebnis der Prüfung Art. 6 Abs. 3 FFH-RL eröffnet drei Entscheidungsvarianten. Das gilt auch rur die Bauleitplanung. Die Verträglichkeitsprüfung kann zu dem Ergebnis fUhren, daß das Gebiet (genauer: der Schutzstatus des Gebietes) als solches nicht erheblich beeinträchtigt wird, dann kann der Fachplan erlassen werden. Führt die Verträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, daß das Gebiet oder die zu schützende Art als solche erheblich beeinträchtigt wird, kann der Fachplan grundsätzlich nicht erlassen werden. Der Plan ist unzulässig. Trotz Unzulässigkeit des Plans darf dieser nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL (§ 19 c Abs. 3 und 4 BNatSchG 1998) ausnahmsweise zugelassen werden. c) Ausnahmeentscheidung Art. 6 Abs. 4 FFH-RL und dem folgend § 19 c Abs. 3 und 4 BNatSchG 1998 ermöglichen trotz des negativen Ergebnisses der Verträglichkeitsprufung ausnahmsweise eine Zulassung des Projekts oder des Planes. aa) Alternativlösung Die Planfeststellungsbehörde hat zunächst zu prüfen, ob eine Alternative möglich ist. § 19 c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG 1998 spricht von "zumutbarer" Alternative. Das Gesetz umschreibt dies näher. Bei standortbezogenen Projekten ist danach insbesondere zu prüfen, ob der mit dem Projekt verfolgte Zweck an anderer Stelle ohne oder doch mit geringeren Beeinträchtigungen realisiert werden könnte. Das ist der Sache nach ein "Vermeidungsgebot". Eine Alternativlösung ist im Sinne des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL nicht vorhanden, wenn sich diese nur mit einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand verwirklichen ließe. Die Beurteilung unterliegt nicht der fachplanerischen Abwägung z. B. gemäß § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG oder einer anderweitigen Ermessensentscheidung der Planfeststellungsbehörde. 395 Das BVerwG läßt Kostengründe als "Einwand" gegen eine an sich mögliche Alternativlösung zu. Das Gericht verneint aber eine hierauf bezogene Abwägung. Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL ist danach als striktes Recht anzusehen. 395 BVerwG, Urt. vom 27.1.2000 - 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302 = NVwZ 2000, 1171 = DVB12000, 814 mit Anm. A. Fisahn, ZUR 2000,335 ff.
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bb) Prioritäres Schutzgebiet (Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL) ( 1) Grundsatz Befinden sich in dem Schutzgebiet prioritäre Biotope (Lebensraumtypen) oder prioritäre Arten, dann können nur bestimmte zwingende GrUnde des überwiegenden öffentlichen Interesses eine Ausnahme rechtfertigen. Art. 6 Abs.· 4 UAbs. 2 FFH-RL nennt vier GrUnde: (1) GrUnde der Gesundheit des Menschen, (2) GrUnde der öffentlichen Sicherheit, (3) GrUnde des Umweltschutzes und (4) zwingende GrUnde anderer Art, nach Stellungnahme der Kommission. Ob Vogelschutzgebiete "automatisch" als Gebiete prioritärer Art zu gelten haben, ist stark umstritten. Die Kommission hat die Frage bislang verneint. 396 Ihre Begründung stützt sich auf einen Umkehrschluß: In den Anlagen I und 11 zur FFH-RL seien prioritäre Biotope oder prioritäre Arten jeweils durch besondere Kennzeichnung ausgewiesen, nämlich durch ein Sternchen (*). Eine derartige Kennzeichnung fehle in der Vogelschutz-RL. Der Bundesgesetzgeber scheint dieser Ansicht gefolgt zu ~,ein. Er hat nämlich in seiner Definition der "prioritären Biotope" oder der "prioritären Arten" jeweils auf die Kennzeichnung durch ein Sternchen verwiesen (vgl. § 19 a Abs. 2 Nm. 5 und 6 BNatSchG). Diese Auffassung wird von der wohl herrschenden Auffassung im Schrifttum abgelehnt. 397 Jedenfalls sind Differenzierungen naheliegend. Der EuGH neigt wohl der Auffassung zu, daß unter Schutz gestellte Vogelschutzgebiete bei Begründung des fonnalen Schutzstatus nicht per se prioritäre Gebiete im Sinne des Art. 6 Abs. 4 UAbs, 2 FFH-RL sind. 398 Es bleibt derzeit 396 Antwort der Kommission auf die schriftliche Anfrage P-07555 / 96 - ABI. EG 1996, Nr. C 280, S. 74; wohl ebenso D. Apfelbacher / U. Adenauer / K. [yen, NuR 1999, 63 (76); R. Müller-Terpitz, NVwZ 1999,26 (29); T Rödiger-Vorwerk, Die Fauna-FloraHabitat-Richtlinie der Europäischen Union und ihre Umsetzung in nationales Recht, 1998, S. 22 f.; B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 1998, R. 2034; B. Thyssen, DVBI 1998, 877 (884); Th. Koch, NuR 2000, 374 (378) mit Fn. 50; a. A. A. Epiney, UPR 1997,303 (307); T Freytag/ K. [yen, NuR 1995, 109 (114); M GelIermann, Natura 2000, 2. Aufl. 2001, S. 101 f.; K. [yen, NuR 1996, 373 (376); H. W Louis, DÖV 1999,374 (378); A. Schink, GewAreh 1998,41 (52); G. Winter, ZUR 1994, 308 (309); ders., ZUR 1996,254 (255). 391 Vgl. etwa Chr. Freytag / K. [yen, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben rur den nationalen Habitatschutz, NuR 1995, 109 (114); G. Winter, Zur Rechtsprechung des EuGH zur Vogelschutzrichtlinie, ZUR 1996,254 f.; M GelIermann, Rechtsfragen des europäischen Habitatschutzes, NuR 1996, 548 (555); ders., Natura 2000, 1998, S. 74, 143; A. Fisahn / W Cremer, Ausweisungspflicht und Schutzregime nach Fauna-Flora-Habitatund der Vogelschutzrichtlinie, NuR 1997,268; Chr. A. Maaß, ZUR 2000,162-165. 398 EuGH, Urt. vom 7.12.2000 - Rs. C-374 /98 - Fall Basses Corbieres (Frankreich) - derzeit n.v.
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offen, ob das bereits dann gilt, wenn das Schutzregime ftlr FFH-Gebiete noch nicht vollen Inhalts maßgebend ist. Diese Frage wird man zumindest kritisch zu beurteilen haben. Das BVerwG hatte bislang noch keinen Anlaß, zu der Streitfrage Stellung zu nehmen. (2) Ausnahmegrund: Gesundheit Der Begriff der Gesundheit ist "kritisch". Das BVerwG hat sich ftlr eine engere Auslegung entschieden. Es muß sich um "zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses" handeln. Dies soll dem naheliegenden Versuch vorbeugen, "alles und jedes" unter Hinweis auf gesundheitliche Erwägungen rechtfertigen zu können. Sollen z. B. mit dem Bau einer Ortsumgehungsstraße innerörtliche Unfall schwerpunkte entschärft und weitere Verkehrsunflille mit Todes- und Verletzungs folgen vermieden werden, so können diesem Ziel "Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen" im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL zugrunde liegen. Gleiches gilt, wenn bestehende schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm und Autoabgase zugunsten der Anwohner der Ortsdurchfahrtsstraße vermieden oder erheblich verringert werden sollen. 399 Auch "Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen" im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL können eine erhebliche Beeinträchtigung eines (hier: potentiellen) FFH-Gebiets nur rechtfertigen, wenn es sich bei ihnen um "zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses" im Sinne des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL handelt. Das BVerwG begrenzt die "Ausnahme" also dadurch, daß es erhebliche Anforderungen an Ermittlung und Bewertung der Befunde stellt. Damit soll gewährleistet werden, daß das "Gesundheitsargument" nicht mit einer gewissen Beliebigkeit eingesetzt werden kann. (3) Weitere Ausnahmegrilnde Zu den weiteren in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL genannten Ausnahmegründen liegt bislang keine Entscheidung des BVerwG vor. Bei einem Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp (Biotop) und / oder eine prioritäre Art einschließt, können nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL "nach Stellungnahme der Kommission" andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses als Ausnahme geltend gemacht werden. Es ist derzeit stark umstritten, ob die Stellungnahme der Kommission nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL "nur" eine Verfahrensvoraussetzung ist, um auch andere wichtige 399 BVerwG, Urt. vom 27.1.2000 - 4 C 2.99 - BVerwGE 110,302 1171 = DVBI 2000, 814 - Ortsumgehung Hildesheim.
=
NVwZ 2000,
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zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses als Ausnahmegrund anzuerkennen. Der Bundesgesetzgeber legt Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFHRL in § 19 c Abs. 4 S. 2 BNatSchG 1998 wohl dahin aus, daß "sonstige Gründe im Sinne des Absatzes 3 Nr. 1 BNatSchG" berücksichtigt werden können, wenn die zuständige Behörde zuvor eine Stellungnahme der Kommission eingeholt hat. Das BVerwG hat die Frage bislang unentschieden gelassen, weil in den von ihm behandelten Fällen eine Stellungnahme der Kommission jeweils nicht eingeholt worden war. 4oo Die Kommission verweigert - dem Vernehmen nach - inzwischen Stellungnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL, solange der Mitgliedstaat seiner Meldepflicht nicht vollständig nachgekommen ist. Ob ein derartiges Verhalten zulässig ist, läßt sich unterschiedlich beurteilen. cc) Nicht-prioritäres Schutzgebiet Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL läßt zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses genügen, um eine Ausnahme zu ennöglichen. Die Richtlinie stellt klar, daß dazu auch solche sozialer oder wirtschaftlicher Art zählen. § 19 c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG 1998 folgt dem. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht verlangt die Feststellung "zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses" (§ 19 c Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG) eine Abwägung widerstreitender Belange. 401 Rechtsprechung des BVerwG ist hierzu bislang nicht entstanden.
d) Ausgleichsmaßnahmen Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL sieht zwingend vor, daß der Mitgliedstaat die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen ergreift. Die Ausgleichsmaßnahme muß sich gerade auf die Sicherstellung der globalen Kohärenz beziehen. § 19 c Abs. 5 BNatSchG 1998 fonnuliert dies ähnlich, wenngleich sprachlich unscharf. Der dort enthaltene Bezug auf "ein Projekt nach Absatz 3 in Verbindung mit Absatz
400
BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998,961
= DVBI 1998, 900; Urt. vom 19.5.1998 - 4 C 11.96 - NVwZ 1999, 528 = Buchholz
407.4 § 17 FStrG Nr. 138; BVerwG, Urt. vom 27.1.2000 - 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302 = NVwZ 2000, 1171 = DVB12000, 814 - Ortsumgehung Hildesheim. 401 So etwa D. Apfelbacher I U Adenauer I K. Iven, NuR 1999, 63 (76); C. Freytag I K. Iven, NuR 1995, 109 (114); M GelIermann, Natura 2000,2. Aufl. 2001, S. 93; A. Epiney, UPR 1997, 303 (309); K. Iven, NuR 1996, 373 (379); Th. Koch, NuR 2000, 374 (377); ders., Europäisches Habitatschutzrecht, 2000, S. 35; F. Niederstadt, NuR 1998,515 (524); H W. Louis, DÖV 1999,374 (380); A. Schink, GewArch 1998,41 (51); so wohl auch VG Oldenburg, Beschl. vom 26.10.1999 - 1 B 3319/99 - NdsVBI 2000, 36 = NuR 2000, 398; undeutlich VG Gera, Beschl. vom 16.8.1999 - 1 E 2355 /98 - NuR 2000, 393 (395).
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4" könnte den Eindruck erwecken, daß Ausgleichsrnaßnahmen nur in Fällen der prioritären Gebiete geboten sind. Eine derartige Auslegung wäre offenkundig gemeinschaftswidrig. 402 Für eine Entscheidung des BVerwG bestand bislang kein Anlaß. e) Potentielles FFH-Gebiet
Das BVerwG hat sich noch nicht abschließend festgelegt, welches Schutzregime es bei potentiellen FFH-Gebieten letztlich zugrunde legen will. Es hat das Schutzregime eines potentiellen FFH-Gebietes bislang zumeist nur so geprüft, "als ob" das Gebiet bereits fl>rmlich unter Schutz gestellt wäre. Das hat allerdings jeweils prozeßstrategische GrUnde der "Unterstellung". Der Mitgliedstaat habe die Pflicht, vor Ablauf der Umsetzungsfrist einer EU-Richtlinie die Ziele der Richtlinie nicht zu unterlaufen und durch eigenes Verhalten keine gleichsam vollendeten Tatsachen zu schaffen, welche später die Erfilllung der aus der Beachtung der Richtlinie gemäß Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 189 Abs. 3 EGV a. F. erwachsenen Vertragspflichten nicht mehr möglich machen wUrden. 403 In einem Urteil vom 27. Januar 2000 legt das BVerwG aus revisionsprozessualen Gründen die vorinstanzliehe Annahme zugrunde, das zu beurteilende Gebiet sei prioritär und unterfalle Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH_RL. 404 In einer neueren Entscheidung vom 27. Oktober 2000 hebt das BVerwG hervor, daß filr ein potentielles FFH-Gebiet nicht automatisch das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL gilt. Das Schutzregime in einem potentiellen FFHGebiet werde grundsätzlich nicht durch Art. 6 FFH-RL, sondern durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorwirkungen bestimmt, durch die verhindert werde, daß Gebiete, deren SchutzwUrdigkeit nach der FFH-RL auf der Hand liegt, zerstört oder so nachhaltig beeinträchtigt werden, daß sie filr eine Meldung nicht mehr in Betracht kommen. 4os Das Gericht schließt damit zwar eine Art Veränderungssperre aus, die einer Vorwegnahme des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL gleich käme. Es läßt aber letztlich offen, wie die gemeinschaftsrechtliche Vorwirkung im Einzelfall umzusetzen ist, damit Gebiete, deren Schutzwürdigkeit nach der FFH-RL gegeben ist, meldefähig und auswahlflihig bleiben.
Wie hier M. GelIermann, Natura2000, 2. Aufl. 2001, S. 179 f. BVerwG, Urt. vom 19.5.1998-4A9.97-BVerwGE 107,1 "'NVwZ 1998,961 '" DVBI 1998, 900. 404 BVerwG, Urt. vom 27.1.2000 - 4 C 2.99 - BVerwGE 110, 302 '" NVwZ 2000, 1171 '" DVBI 2000, 814 - Ortsumgehung Hildesheim. 405 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 '" NVwZ 2001, 673 '" DVBI 200 1, 386. 402 403
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G. Besondere Anforderungen: Naturschutz I. Naturschutz- und Landschaftsschutzverordnung Die Fachplanung ist als exekutivisches Handeln an die landesrechtlichen Naturschutz- und Landschaftsschutzverordnungen als striktes Recht gebunden. Daran ändert die Konzentrationsmaxime des § 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG nichts. Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG allerdings umfaßt die Befreiung von den in einem Landschaftsschutzgebiet geltenden Veränderungsverboten. Sie entbindet nicht von der Beachtung der materiellrechtlichen Befreiungsvoraussetzungen. 406 Im übrigen unterliegen die allgemeinen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege dem Abwägungsvorbehalt des § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG. 407
11. EingritTsregelung (§ 8 BNatSchG) 1. Begriff des Eingriffs (§ 8 Abs. 1 BNatSchG) Eingriffe in Natur und Landschaft sind Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsflthigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeinträchtigen können. Der bundesrechtliche Begriff des Eingriffs in Natur und Landschaft steht grundsätzlich nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers. 408 a) Naturhaushalt
In welchem Ausmaß die Leistungsflthigkeit des Naturhaushaltes beeinträchtigt wird, läßt sich nur auf der Grundlage zuverlässiger Feststellungen über den vorhandenen Zustand von Natur und Landschaft sachgerecht beantworten. 409 406 BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 - 4 A 7.97 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998,382 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 = NVwZ-RR 1998, 292. 407 BVerwG, Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914 = DVB11997, 838. 408 BVerwG, Urt. vom 31.8.2000 - 4 CN 6.99 - Buehholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 14 = NVwZ 2000, 197 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 27.9.1990 - 4 C 44.87BVerwGE 85, 348 (356 f.) = NVwZ 1991,364 = DVB11991, 209. 409 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSehG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVBI 2001, 386 unter Bezug auf BVerwG, Besehl. vom 31.1.1997 - 4 NB 27.96 - BVerwGE 104,68 = NVwZ 1997, 1213 = DVBI 1997, 1112.
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Ein gesetzlich vorgeschriebenes Bewertungsverfahren filr die erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushaltes gibt es nicht. Die Planfeststellungsbehörde ist daher an Ergebnisse eines (fehlerfrei durchgeführten) standardisierten Verfahrens zur Eingriffsbewertung nicht gebunden. Dies gilt um so mehr, als es in der Praxis verschiedene Bewertungsverfahren gibt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, weil es auch an allgemein anerkannten einheitlichen rechtlichen Bewertungskriterien fehlt. Es ist vielmehr Aufgabe der PIanfeststellungsbehörde, in eigener Verantwortung die zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft zu bewerten und über Vermeidung, Ausgleich und Ersatzmaßnahmen abwägend zu entscheiden. 410 Erfolgt die naturschutzfachliche Bewertung planungsbetroffener Grundstücke nach einer mit den Naturschutzfachbehörden im einzelnen abgestimmten Wertigkeitsskala, so kann ein Fehler bei der Einstufung nur dann zur Pianaufhebung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Pianfeststellungsbeschlusses führen, wenn seine Vermeidung im Plan feststellungs verfahren nicht lediglich zu einer Veränderung der Kompensationsflächenberechnung geführt hätte. 41l Die im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung anzustellenden Ermittlungen sind in dem Umfang durchzuführen, daß eine sachgerechte Planungsentscheidung möglich ist. Eine vollständige Erfassung der betroffenen Tier- und Pflanzenarten ist regelmäßig nicht erforderlich. Es kann vielmehr ausreichen, wenn filr den Untersuchungsraum besonders bedeutsame Repräsentanten an Tier- und Pflanzengruppen festgestellt werden und wenn filr die Bewertung des Eingriffs auf bestimmte Indikationsgruppen abgestellt wird. 412 b) Landschaftsbild Eine in Natur und Landschaft erstmals gebaute Landesstraße löst im Landschaftsbild regelmäßig dauernde Beeinträchtigungen des zuvor vorhandenen Landsehaftsbildes aus, die wegen ihrer Intensität nicht wirklich ausgleichsflihig sind. Das versiegelte Straßenband bleibt bestehen. Dieser dauerhafte Zustand kann - insbesondere aus der Sicht der von einer Enteignung betroffenen Grundstücke - nicht wirklich in dem Sinne ausgeglichen werden, daß ein zuvor
410 Vg!. BVerwG, Beseh!. vom 23.4.1997 - 4 NB 13.97 - Buehholz 406.401 § 8a BNatSehG Nr. 4 = NVwZ 1997, 1215 zu § 8 a BNatSehG (Bauleitplanung). 411 BVerwG, Urt. vom 27.8.1997 - 11 A 61.95 - Buehholz 442.09 § 18 AEG Nr. 30 = NuR 1998, 138. 412 BVerwG, Beseh!. vom 21.2.1997 - 4 B 177.96 - Buehholz 406.401 § 8 BNatSehG Nr. 20 = NVwZ-RR 1997,607; Urt. vom 27.\0.2000 - 4 A 18.99 - Buehholz 406.401 § 8 BNatSehG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVBI2001, 386.
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bestehender "sinnlich" wahrnehmbarer Eindruck wirksam durch ein anderes Landschaftsbild ausgeglichen oder substituiert wird. 413 2. Vermeidungsgebot Das naturschutzrechtliche Gebot, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch Eingriffe zu unterlassen (vgl. § 8 Abs. 2 S. 1 BNatSchG in Verbindung mit der jeweiligen landesrechtlichen Regelung) ist striktes Recht. 414 § 8 Abs. 2 S. 1 (erster Halbsatz) BNatSchG verpflichtet dazu, aus dem Kreis der mit einem Eingriff verbundenen erheblichen oder nachhaltigen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft diejenigen zu unterlassen, die vermeidbar sind. Die durch die Inanspruchnahme von Natur und Landschaft am Ort des Eingriffs selbst zwangsläufig hervorgerufenen Beeinträchtigungen nimmt das Naturschutzrecht als unvermeidbar hin. m Das Vermeidungsgebot des § 8 Abs. 2 S. 1 BNatSchG zwingt die Planungsbehörde insbesondere nicht zur Wahl der ökologisch günstigsten Planungsaltemative. 416
3. Ausgleichsmaßnahme Striktes Recht und damit nicht Gegenstand planerischer Abwägung ist das Gebot, im Falle der Unvermeidbarkeit des Eingriffs mögliche Ausgleichsrnaßnahmen zu schaffen. 417 Der Ausgleichsbedarf bestimmt sich nach der Art und der Intensität des Eingriffs. Zwischen den Ausgleichsrnaßnahmen und den mit dem Vorhaben verbundenen Beeinträchtigungen muß ein funktionaler Zusammenhang bestehen. 418
413 BVerwG, Besch\. vom 4.10.1994 - 4 B 196.94 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchGNr.14. 414 BVerwG, Besch\. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. \3 = NVwZ 1993, 565 im Anschluß an BVerwG, Besch\. vom 21.8.1990 - 4 B 104.90 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 8 = NVwZ 1991, 69 = DVB\. 1990, 1185. 415 BVerwG, Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914 = DVBI 1997,838. 416 BVerwG, Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914 = DVBI 1997, 838; Urt. vom 27.8.1997 - 11 A 61.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 30 = NuR 1998, 138. 417 BVerwG, Besch\. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 13 = NVwZ 1993,565 - Sachsendamm zu § 8 Abs. 2 S. I BNatSchG in Verbindung mit § 14 Abs. 4 S. I NatSchG BIn. 418 BVerwG, Urt. vom 27.9.1990 - 4 C 44.87 - DVB11991, 209 = NVwZ 1991,364 = DÖV 1991,294 (Fischteiche); Urt. vom 23.8.1996 - 4 A 29.95 - Buchholz 407.4 § 19
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Für Ausgleichs- oder Ersatzrnaßnahmen kommen nur solche Flächen in Betracht, die aufwertungsbedürftig und -flihig sind. Diese Voraussetzung erftlllen sie, wenn sie in einen Zustand versetzt werden können, der sich im Vergleich mit dem früheren als ökologisch höherwertig einstufen läßt. 419 Bezeichnet die Planfeststellungsbehörde eine Fläche als Ersatzfläche, obwohl ihr objektiv die Funktion einer Ausgleichsfläche zukommt, dann kann das Gericht diesen Rechtsfehler korrigieren. 42o Erfolgt die naturschutzfachliche Bewertung planungsbetroffener Grundstücke nach einer mit den Naturschutzfachbehörden im einzelnen abgestimmten Wertigkeitsskala, so kann ein Fehler bei der Einstufung nur dann zur Planaufhebung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses fUhren, wenn seine Vermeidung im Planfeststellungsverfahren nicht lediglich zu einer Veränderung der Kompensationsflächenberechnung gefuhrt hätte. 421 Die Ausgeglichenheit des Eingriffs gemäß § 8 Abs. 2 BNatSchG verlangt nicht, daß der Eingriff in das Landschaftsbild optisch nicht mehr wahrnehmbar ist. Der Ausgleich durch landschaftsgerechte Neugestaltung muß auch nicht genau an der Stelle des Eingriffs vorgenommen werden. Die Enteignungsermächtigung des § 19 Abs. 1 S. 1 FStrG erstreckt sich auf Flächen, auf denen nach den Vorschriften eines Landesnaturschutzrechts Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen durchzuführen sind. 422
4. Naturschutzrechtliche "Abwägung" (§ 8 Abs. 3 BNatSchG) a) Abgrenzung zwischen Fachplanung und "Abwägung" Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung ergänzt die fachrechtlichen Zulassungstatbestände; die in § 8 Abs. 2 S. 1 BNatSchG normierten Verpflichtungen knüpfen an die im Rahmen der fachrechtlichen Abwägung getroffene Trassenwahl an. 423 Die Anordnung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen wird FStrG Nr. 8 = NVwZ 1997, 486 = DVBI 1997, 68; Beschl. vom 18.12.1996 - 11 A 4.96 - juris zu § 7 Abs. 2 NatSchVorlG TH. 419 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 10.9.1998 - 4 A 35.97 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 25 = NVwZ 1999, 532. 420 BVerwG, Beschl. vom 4.10.1994 - 4 B 196.94 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 14. 421 BVerwG, Urt. vom 27.8.1997 - 11 A 61.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 30 = NuR 1998, 138. 422 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 10.9.1998 - 4 A 35.97 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 25 = NVwZ 1999, 532. 423 BVerwG, Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997, 914 = DVBI 1997,838.
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nicht durch das planungsrechtliche Abwägungsgebot des § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG gesteuert. Nach der Rechtsprechung des BVerwG hat der Gesetzgeber die Frage, ob und in welchem Umfange planungsbedingte Eingriffe in Natur und Landschaft zu kompensieren sind, aus dem planungsrechtlichen Abwägungsmodell "ausgeklammert" und zum Gegenstand einer eigenständigen Regelung gemacht. 424 Maßgebend sind dazu die Vorgaben des jeweiligen Landesrechts. Bei einem Zugriff auf einzelne Grundstücke ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der sämtliche Elemente des Übermaß verbots einschließt. 42S b) Rechtscharakter der "Abwägung"
Ein Eingriff, der weder vermeidbar ist noch ausgeglichen werden kann, darf nur zugelassen werden, wenn überwiegende andere Belange der Allgemeinheit den Eingriff erfordern. 426 Bei der naturschutzrechtlichen Abwägung im Rahmen der Eingriffsregelung des § 8 Abs. 3 BNatschG handelt es sich nicht um eine lediglich nachvollziehende, uneingeschränkt der gerichtlichen Kontrolle zugängliche, sondern um eine echte planerische Abwägung. Das Gericht hat (daher) im Streitfall nicht selbst abzuwägen, sondern "nur" nachzuprüfen, ob die behördliche Abwägung den rechtlichen Anforderungen entspricht, die sich aus dem Abwägungsgebot ergeben. 427 c) Inhalt der naturschutzrechtlichen "Abwägung"
Die Abwägungsentscheidung bildet nach der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG gleichsam den Schlußpunkt der bundesrechtlich vorgeformten Eingriffsregelung. Für sie ist von zentraler Bedeutung, mit welchem Ergebnis die Kompensation auf der ihr jeweils vorgelagerten Stufe abgearbeitet wurde. Eingriffsvermeidung, Ausgleich und Ersatz sind dabei nicht gleichwertig; ihre
424 Vg!. BVerwG, Urt. vom 7.3.1997 - 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 = NVwZ 1997,914 = DVB11997, 838; Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386. 425 BVerwG, Urt. vom 1.9.1997 - 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 = NVwZ 1998, 504 zum Thüringischen Naturschutzrecht. 426 Besch!. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 13 = NVwZ 1993, 565 - Sachsendamm. 427 BVerwG, Besch!. vom 22.5.1995 - 4 B 30.95 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 16 = NVwZ-RR 1997, 217; vg!. mit dogmatischer und praxisbezogener Kritik hierzu R. Steinberg/Th. Berg/ M Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2000, S. 186 ff.; andere Sichtweise auch bei 1. Berkemann, Rechtliche Instrumente gegenüber Eingriffen in Natur und Landschaft, NuR 1993, 97 (103 ff.).
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"Verrechnung" im Verhältnis zueinander ist grundsätzlich verfehlt. 428 Je größer das Ausgleichsdefizit im Verhältnis zur Schwere des Eingriffs ist, desto mehr spricht dafUr, daß die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Range vorgehen. Tendiert die Ausgleichsbilanz gegen Null, so wächst die Wahrscheinlichkeit, daß der Eingriff zu untersagen ist. 429 Überwiegen dagegen im Rahmen der nach § 8 Abs. 3 BNatSchG gebotenen Abwägung die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, so ist der Eingriff zwingend zu untersagen. 430 Bei der Bilanzierung im Rahmen des § 8 Abs. 3 BNatSchG, dürfen nur Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden, die den Charakter von Ausgleichsmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 2 S. I BNatSchG haben. Ersatzmaßnahmen sind außer Acht zu lassen. 431 Die Planfeststellungsbehörde hat daher wegen der erforderlichen naturschutzrechtlichen "Abwägung" sorgflUtig zwischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme zu unterscheiden. Zu einer sachgerechten Abwägung ist die Behörde nicht in der Lage, wenn sie die Ausgleichsbilanz nicht kennt.
5. Ersatzmaßnahme Jedenfalls dann, wenn der Bereich, in dem Ersatzmaßnahmen durchgefUhrt werden sollen, durch bioökologische Wechselbeziehungen unmittelbar mit dem Eingriffsort verbunden ist, ist dem Erfordernis des räumlichen Bezuges - des Orts der Ausgleichsmaßnahmen zum Eingriffsort - auch bei größeren Entfernungen genügt.432 Auch naturschutzrechtliche Ersatzmaßnahmen kommen nur auf Flächen in Betracht, die ökologisch aufwertungstahig sind. 433 Werden Ersatzmaßnahmen fUr einen Eingriff in Natur und Landschaft als "Gesamtmaßnahme" fUr mehrere Abschnitte einer zu errichtenden Bundesfernstraße geplant, kann es zulässig sein, die Entscheidung über die Ersatzmaßnahmen rur einen
428 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 -4 C 29.94- BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = DVBI 1997,708. 429 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVB12001, 386. 430 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVB12001, 386. 431 BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386. 432 BVerwG, Urt. vom 23.8.1996 - 4 A 29.95 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 8 = NVwZ 1997,486 = UPR 1997, 36 = DVB11997, 68. 433 BVerwG, Urt. vom 28.1.1999 - 4 A 18.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 146 = NVwZ-RR 1999,629.
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einzelnen planfestgestellten Straßenabschnitt der Planfeststellung fi1r den nachfolgenden Abschnitt vorzubehalten. 434
H. Ausgleichsmaßnahmen - Ausgleichsleistungen I. Verkehrsimmissionen: Ausgleichsleistungen - "Entschädigung" 1. Aufwendungsersatz Die Ausgleichsleistungen sind fi1r Schallschutzmaßnahmen an den baulichen Anlagen "in Höhe der erbrachten notwendigen Aufwendungen" zu leisten (§ 42 Abs. 2 S. I BlmSchG). § 42 Abs. I S. I BlmSchG bezeichnet dies - vorkritisch - als "Entschädigung". Es handelt sich um einen Erstattungsbetrag. Die in der 16. BlmSchV enthaltenen Grenzwerte gelten auch rur die Ausgleichszahlung nach § 42 BlmSchG. 435 § 42 BlmSchG war übrigens auch ohne eine auf der Grundlage des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BlmSchG erlassene Rechtsverordnung (nunmehr 24. BlmSchV) anwendbar.436 Die Durchfiihrung des Antragsverfahrens nach Maßgabe der Landesenteignungsgesetze ist Prozeßvoraussetzung. 437 Zuständig sind die ordentlichen Gerichte.
2. "Echte" Entschädigung Es handelt sich um AnsprUche, die nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 S. 2 BlmSchG "unberührt" bleiben. Für das Fachplanungsrecht enthält § 74 Abs. 2 S. 3 Vwvro einen Ausgleichsanspruch, soweit technische Maßnahmen nicht möglich oder "untunlich" sind (Entschädigungsanordnung). Verfassungsrechtlich handelt es sich um Ausgleichsansprüche, die nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG 434 BVerwG, Beschl. vom 30.8.1994 - 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 Vwvro Nr. 31 = NuR 1995, 139 = NVwZ-RR 1995,322. m Vgl. obiter dictum in BGH, Urt. vom 25.3.1993 - III 60/91 - BGHZ 122, 76 = NJW 1993, 1700 = OVBI 1993, 1089 (zum Fluglärm); vgl. auch H-P. Michler, Rechtsprobleme des Verkehrsimmissionsschutzes, 1993, S. 129 f.; H Alexander, Aktuelle Fragen des Verkehrslärmschutzes unter besonderer Berücksichtigung der Verkehrslärmschutzverordnung, NVwZ 1991, 318 (320); a.A. wohl nur seinerzeit H D. Jarass, BImSchG, 2. Aufl. 1993, § 43 Rn. 4; vgl. umfassend nunmehr H Schulze-Fielitz, in: Koch / Scheuing (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar BImSchG, 1994, § 42 Rn. 18 ff. 436 BVerwG, Beschl. vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 - NVwZ 1995, 1098 = NJW 1995, 2572 = OVBI 1995, 1010; Urt. vom 1.10.1997 - 11 A 10.96 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 32 = OVB11998, 330. 437 Vgl. BGH, Urt. vom 21. Februar 1989 - III ZR 132/88 - BGHZ 110, 12 = NJW 1990, 898 = OVBI 1990, 362.
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zu beurteilen sind. 438 Besteht keine Kausalität zwischen angegriffener Maßnahme und befürchteter Beeinträchtigung, dann liegen die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen rur planerische Ausgleichsmaßnahmen ohnedies nicht vor. 439 Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, daß der einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht. 440 Insoweit besteht lediglich ein Billigkeitsanspruch. Dieser muß sich nicht einmal an einer Änderung des Verkehrswertes ausrichten. Praktisch kommt nur ein Ausgleich für Nachteile im Außenwohnbereich in Betracht. 441 Voraussetzung flir einen Ausgleich in Geld ist, daß die gebietsspezifische Zumutbarkeitsgrenze rur den Verkehrs lärm überschritten wird und die konkrete Fläche wegen ihrer besonderen Funktion und Lärmbetroffenheit schutzWÜTdig ist. Der Ausdruck "Außenwohnbereich" ist mißverständlich. Die Schutzbedürftigkeit derartiger Freiflächen ist nach Lage und bestimmungsgemäßer Nutzung konkret festzustellen. 442 Bei betrieblicher Nutzung (z. B. "Ferien auf dem Bauernhof") kann die SchutzbedUrftigkeit anders als bei einer bloßen "Vordergartennutzung" sein. 443 Es muß sich also um eine unzumutbare Beeinträchtigung der für das "Wohnen im Freien" geeigneten und auch bestimmten Flächen durch Verkehrs lärm handeln. Einige Hinweise zur Berechnung lassen sich auch aus der Rechtsprechung des BVerwG entnehmen: Danach ist der Entschädigungsanspruch Surrogat flir die in erster Linie geforderten technisch-realen Ausgleichsmaßnahmen nach § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG. Mit diesem Grundsatz ist es unvereinbar, eine lärmbedingte Minderung des Verkehrswerts eines Grundstücks mit einer unzumutbaren Lärmbelastung im Außenwohnbereich gleichzusetzen. Die lärmbe438 Vgl. BVerwG, Urt. vom 22.5.1987 - 17-19/84 - BVerwGE 77, 295 = NVwZ 1987, 1080 = DVBI 1987, 1011; BVerwG, Urt. vom 9.3.1990 - 7 C 21.89 - BVerwGE 85,44 = NVwZ 1990,969 = DVBI 1990,589; BGH, Urt. vom 17.12.1992 - III ZR 112/91 - BGHZ 121, 73 = NJW 1993, 1255 = DVB11993, 430; BGH, Urt. vom 18.2.1993 - III ZR 20/92 - BGHZ 121,328 = NJW 1993,2095 = DVB11993, 1085; BGH, Beschl. vom 15.12.1994 -III ZB 49/94 - BGHZ 128,204 = NJW 1995,964 = DVBI 1995,234; E. Rinne, Der Rechtsweg fiir Ausgleichsansprüche im Rahmen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, DVBI 1994, 24 ff. 439 BVerwG, Beschl. vom 4.10.1991-4 B 162.91- juris. 440 BVerwG, Urt. vom 25. Mai 1996 - 4 A 39.95 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 39 = NJW 1997, 142. 441 Vgl. BVerwG, Urt. vom 11.1.1988 - 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr.6 = DVBI 1989,358; Urt. vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 (380, 384 ff.) = NVwZ-RR 1991, 601 = DVBI 1991, 1143; Beschl. vom 17.3.1992 - 4 B 230.91- Buchholz 406.25 § 43 BlmSchG Nr. 3 = DVB11992, 1103. 442 BVerwG, Urt. vom 16.9.1991 - 4 C 9.91- Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 94 = NJW 1994, 1233 = DVB11994, 338. 443 BVerwG, Urt. vom 16.9.1993 - 4 C 9.91 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG NT. 94 = NVwZ 1994, 682 = DVBI 1994, 338.
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dingte Minderung des Verkehrswerts eines Grundstücks ist ferner nicht identisch mit der Höhe der nach § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG zu leistenden Entschädigung. Als Bemessungsfaktor stellt sie allerdings ein wichtiges Indiz filr die Schwere und Nachhaltigkeit der Beeinträchtigung dar. Eine ausschließlich wirtschaftliche Betrachtungsweise, die im Wege des sogenannten Vorteilsausgleichs die vorhabenbedingte Wertsteigerung des Grundstücks gegen die lärmbedingte Wertminderung aufrechnet, ist ebenfalls mit § 74 Abs. 2 S. 2 und 3 VwVfG nicht vereinbar. Ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen wegen unzumutbarer Lärmeinwirkung auf den Außenwohnbereich ist allerdings nicht schon dann von vornherein ausgeschlossen, wenn die Lärmbelastung des Innenwohnbereichs infolge des Einbaus entsprechender Schallschutzvorrichtungen auf ein zumutbares Maß gesenkt worden ist. Die Frage der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit eines Grundstücks kann nämlich filr Innen- und Außenwohnbereich nicht einheitlich beantwortet werden. Für die Ermittlung dessen, was an Entschädigung im Einzelfall als "angemessen" zu gelten hat, ist danach eine Gesamtbetrachtung des Grundstücks anzustellen. Bei dieser Gesamtbetrachtung kann als Anhaltspunkt filr die Schwere und Nachhaltigkeit der Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch die Praxis der Bewertung von Grundstücken bei der Enteignungsentschädigung bzw. bei der steuerrechtlichen Ermittlung des Einheitswerts herangezogen werden.444 Anders als bei der fachplanerischen Festsetzung (vgl. § 19 a FStrG) handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, filr den grundsätzlich die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gegeben sein dürfte (str.).44S
11. Sonstige Schutzanordnungen 1. Anspruch auf Schutzanordnung
Anspruchsgrundlage ist § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG. Der Begriff der "Vorkehrung" ist nach der Rechtsprechung des BVerwG extensiv zu verstehen. Neben dem durch §§ 41 ff. BImSchG normierten Lärmschutzsystem kommt ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG inhaltlich nur nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 S. 2 BImSchG in Betracht. Das gilt auch dann, 444 Vgl. BVerwG, Urt. vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 = NVwZRR 1991,601 = DVB11991, 1143 zum Flughafen München 11. 445 BVerwGE 77, 295 = NJW 1987, 2884: Verwaltungsrechtsweg. Vgl. auch die Kontroverse zum naturschutzrechtlichen (denkmalschutzrechtlichen) Ausgleichsanspruch, BVerwGE 94, 1 - Herrschinger Moos (Verwaltungsrechtsweg); BGHZ 128,204 - Naturschutz (ordentlicher Rechtsweg).
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wenn § 41 Abs. 1 BlmSchG nur deshalb nicht anzuwenden ist, weil seine tatbestand lichen Voraussetzungen zu verneinen sind. Der in § § 41 ff. BlmSchG enthaltene kodifikatorische Anspruch des Gesetzgebers ist auch in diesem Falle zu beachten. 446 § 41 Abs. I BlmSchG schließt daher, soweit es um Lärmschutz geht, zwar grundsätzlich die Anwendung des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG aus. Das gilt indes nicht, wenn eine zwecks Lärmsanierung an einer vorhandenen Straße einseitig errichtete Schallschutzwand durch Reflexion des vorhandenen Verkehrslärms zu einer zusätzlichen Lärmbeeinträchtigung von Anwohnern auf der gegenüberliegenden Straßenseite führt. 447 Es kann im Einzelfall geboten sein, auch die Art der BauausfUhrung als Schutzauflage auszugestalten. 448
2. Anspruch auf Ausgleichsleistung a) Materielle Voraussetzungen
Sind technisch-reale Vorkehrungen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen des Vorhabens untunlich oder mit ihm unvereinbar, kommt "ersatzweise" gemäß § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG eine angemessene "Entschädigung" (Ausgleich) in Geld in Betracht. 449 Greift § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG, der den Anspruch auf Schutzvorkehrungen regelt, tatbestandlieh nicht ein, ist auch tUr die Anwendung von § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG kein Raum. 4so Voraussetzung tUr einen Ausgleich in Geld ist, daß die gebietsspezifische Zumutbarkeitsgrenze tUr den Verkehrslärm überschritten wird und die konkrete Fläche wegen ihrer besonderen Funktion und Lärmbetroffenheit schutzwürdig ist. Die Verwaltungsgerichte müssen die tatsächlichen Voraussetzungen, unter denen Ansprüche nach § 74 Abs. 2 VwVfG gegeben sind, abschließend klären. Wegen der Höhe der geltend gemachten Ansprüche können sie sich auf die Bestimmung der Berechnungsgrundlagen beschränken. 4S1
446
BVerwG, Urt. vom 9.2.1995 - 4 C 26.93 - BVerwGE 97,367 = DVBI 1995,750
= NVwZ 1995,907.
441 BVerwG, Urt. vom 9.2.1995 - 4 C 26.93 - BVerwGE 97, 367 = DVBI 1995,750 NVwZ 1995,907. 448 Vgl. BVerwG, Urt. vom 5.3.1997 - 11 A 5.96 - Buchholz 316 § 74 Vwvro Nr. 44 = NVwZ-RR 1998, 92. 449 Vgl. BVerwG, Urt. vom 11.11.1988 - 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 Vwvro Nr. 6 = NVwZ 1989, 255 = DVBI 1989, 358. 450 BVerwG, Urt. vom 27.11.1996 - 11 A 27.96 - Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 7 = NVwZ 1997,917. 451 BVerwG, Urt. vom 11.11 .1988 - 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 Vwvro Nr. 6 = NVwZ 1989,255 = DVBI 1989,358.
=
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b) Verfahren und Entscheidungszuständigkeit Über den Ausgleichsanspruch nach § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG war früher grundsätzlich im PIanfeststellungsbeschluß dem Grund und der Höhe nach zu entscheiden. 452 Hinsichtlich der Höhe kann die Entscheidung auf die Angabe der filr die Berechnung maßgeblichen Faktoren beschränkt bleiben. Diese Ansicht ist durch § 19 a FStrG obsolet geworden. Die frühere Judikatur des BVerwG ist mithin überholt. Entscheidet die Planfeststellungsbehörde mit dem Erlaß des Pianfeststellungsbeschlusses, daß die bei der Realisierung des Projekts eintretende Bedrohung der Existenz eines landwirtschaftlichen Betriebes unvermeidlich und wegen vorrangiger anderer Interessen hinzunehmen ist, so kann die Regelung eines Ausgleichs filr diesen Eingriff - insbesondere auch in bezug auf die Frage, ob eine Entschädigung in Land oder Geld zu erfolgen hat - einem sich anschließenden Enteignungsverfahren überlassen bleiben. 453
I. Planfeststellungsbeschluß - Plangenehmigung I. PIanfeststellungsbeschluß (§ 74 VwVfG) 1. Formelle Voraussetzungen Zu den inhaltlichen Erfordernissen eines Planfeststellungsbeschlusses gehört es u. a., daß die Flächen, auf die sich die enteignungsrechtliche Vorwirkung (vgl. § 19 Abs. 1 und 2 FStrG) erstreckt, eindeutig bestimmbar dargestellt und umgrenzt sind. 454 Der PIanfeststellungsbeschluß ist zu begründen (vgl. § 74 Abs. 1 S. 2 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 S. I VwVfG). Ein Beschluß kann trotz eines BegrUndungsmangels indes rechtmäßig sein. Erst wenn feststeht, daß eine Abwägung nicht oder auf der Grundlage eines nur unzureichend ermittelten Abwägungsmaterials stattgefunden hat, ist als Schlußfolgerung die Feststellung der materiellen Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses gerechtfertigt.
452 BYerwG, Urt. vom 22.3.1985 - 4 C 15.83 - BYerwGE 71, 166 = DYBl 1985, 900 = NJW 1986, 80. 453 BYerwG, Urt. vom 5.11.1997 - 11 A 54.96 - Buehholz 442.09 § 18 AEG Nr. 34 = UPR 1998,149 = NuR 1998,604. 454 BYerwG, Beseh\. vom 12.1.1994 - 4 B 163.93 - Buehholz 407.4 § 19 FStrG Nr.6.
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Ein Begründungsmangel kann allerdings von indizieller Bedeutung filr das Fehlen einer sachgerechten Abwägung sein. 4SS 2. Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses - Regelungsgehalt
Kern des Planfeststellungsbeschlusses ist die Feststellung des Planes selbst. Das geschieht zunächst durch Bezugnahme auf die vom Vorhabenträger vorgelegten Planunterlagen, soweit diese nicht durch Tekturen geändert worden sind (GrUnstift). Soll durch den Planfeststellungsbeschluß der unmittelbare Zugriff auf das Grundeigentum ermöglicht werden, so ist die Regelung der damit verbundenen Entschädigungsfragen dem gesondert durchzufilhrenden Enteignungsverfahren (vgl. § 19 Abs. 5 FStrG) vorbehalten. 456 Schutzanordnungen und Ausgleichsanordnungen sind zu treffen und etwaige Befreiungen auszusprechen. Ferner weist der Planfeststellungsbeschluß die nach durchgefilhrter Erörterung nicht erledigten Einwendungen aus (vgl. § 74 Abs. 2 S. 1 VwVfG) und bestimmt ggf. Vorbehalte (§ 73 Abs. 3 VwVfG). Wird in der Begründung eines Planfeststellungsbeschlusses die Einwendung eines Betroffenen, ihm stehe filr die Inanspruchnahme seines Grundeigentums die Beschaffung von Ersatzland zu, mit der Begründung zurückgewiesen, die (gesetzlichen) Voraussetzungen filr einen Anspruch auf Ersatzlandbeschaffung seien nicht gegeben, so liegt darin noch keine inhaltliche Entscheidung über das Bestehen dieses Anspruchs; Regelungsgehalt hat diese "Entscheidung" im Sinne des § 74 Abs. 2 S. 1 VwVfG nur insoweit, als die Einwendung der Planfeststellungsbehörde keine Veranlassung gab, die Planung zu ändern. 457 Die Art der Finanzierung eines Straßenbauvorhabens ist nicht Regelungsgegenstand des Planfeststellungsbeschlusses. 458
455 BVerwG, Besch!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993,572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31 - Ost zwischen Freiburg und Kirchzarten. 456 Vg!. BVerwG, Urt. vom 27.8.1993 - 4 A 2.93 - Buchholz 316 § 74 VwVfD Nr.24. 457 BVerwG, Urt. vom 27.8.1993 - 4 A 2.93 - Buchholz 316 § 74 VwVfD Nr. 24. 458 BVerwG, Urt. vom 20.5.1999 - 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 = NVwZ 2000, 555 = DVBI 1999, 1514 (Privatfinanzierung eines Fernstraßenabschnitts). 17 Ziekow
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11. Vorbehalt (§ 74 Abs. 3 VwVfG) Bei einer Planfeststellung können Einzelfragen einer späteren Entscheidung vorbehalten bleiben, wenn der Vorbehalt seinerseits dem Abwägungsgebot gerecht wird. Das ist der Fall, wenn ohne Abwägungsfehler ausgeschlossen werden kann, daß eine Lösung des offengebliebenen Problems durch die bereits getroffenen Feststellungen in Frage gestellt wird. Ein Vorbehalt ist nur zulässig, wenn sich im Zeitpunkt der Entscheidung die fUr die Bewältigung des Problems notwendigen Kenntnisse nicht mit vertretbarem Aufwand beschaffen lassen. 4S9 Teilfragen, die ihrer Natur nach von der Planungsentscheidung abtrennbar sind, sind grundsätzlich einer nachträglichen Lösung zugänglich. 460 Die nachfolgende Problemregelung, die im hierfUr vorgesehenen Planungsverfahren zwar noch aussteht, muß bei vernünftiger Betrachtungsweise nach den Umständen des Einzelfalles objektiv zu erwarten sein. 461 Ein "Transfer" von Problemlösungen aus dem Planungsverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln ist zulässig, wenn der Planungsträger davon ausgehen darf, daß der ungelöst gebliebene Konflikt im Zeitpunkt der Plandurchfilhrung in einem anderen Verfahren in Übereinstimmung mit seiner eigenen planerischen Entscheidung bewältigt werden wird. Für den Vorbehalt muß die Planfeststellungsbehörde ohne Abwägungsfehler ausschließen können, daß eine Lösung des offengehaltenen Problems durch die bereits getroffenen Feststellungen in Frage gestellt wird. 462 Das BVerwG läßt zu, daß die Planfeststellungsbehörde gewisse Unsicherheiten in der Beurteilung von zu erwartenden Lärmwirkungen einem Entscheidungsvorbehalt unterwirft. Bedenken gegen diese Vorgehensweise bestehen dann, wenn mit dem Vorbehalt bereits "vollendete" Tatsachen zugelassen werden. Dann kann ggf. die gebotene oder abwägungserhebliche Lärmvorsorge die etwa eine andere Trassierung nahe gelegt - nicht mehr oder nur unter erheblichen Kosten möglich sein. 463 Gegenstand eines Planergänzungsvorbehalts können grundsätzlich auch Maßnahmen bilden, die der Verursacher eines Ein4S9 BVerwG, Beschl. vom 27.1.1988 - 4 B 7.88 - Buchholz 442.01 § 29 PBefG Nr. 1 =NVwZ 1988, 534. 460 BVerwG, Besehl. vom 30.8.1994 - 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 = NuR 1995, 139 = NVwZ-RR 1995, 322 zu OVG Lüneburg DVBI 1994, 770. 461 BVerwG, Besehl. vom 30.8.1994 - 4 B 105.94 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 31 = NuR 1995, 139 = NVwZ-RR 1995,322 zu OVG Lüneburg DVBI 1994,770; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 5.3.1997 - 11 A 25.95 - BVerwGE 104, 123 = NVwZ 1998,513 = DVB11997, 831. 462 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102,331 = NVwZ 1997, 908 = DVB11997, 708. 463 Vgl. BVerwG, Urt. vom 16.12.1998 - 11 A 44.97 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 24 (Eisenbahnstrecke Hamburg - Büehen - Berlin).
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griffs in Natur und Landschaft im Rahmen des Stufenmodells der Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG zu treffen hat. 464
111. Rechtswirkung der Planfeststellung (§ 75 VwVfG) Die (verfahrensrechtliche) Konzentrationswirkung der Planfeststellung gemäß § 75 Abs. I S. I VwVfG umfaßt u. a. auch die Befreiung von den in einem Landschaftsschutzgebiet geltenden Veränderungsverboten. Sie entbindet dagegen nicht von der Beachtung der materiellrechtlichen Befreiungsvoraussetzungen. 465
IV. Nachbesserung (§ 75 Abs. 2 VwVfG) § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG erfaßt als Nachbesserungspflicht nachteilige Entwicklungen, mit denen die Betroffenen im Zeitpunkt der Planfeststellung verständigerweise nicht rechnen konnten. Überschreiten die Verkehrslärmimmissionen einer Bundesfernstraße, die vor dem 7. Juli 1994 planfestgestellt worden ist, die Grenzwerte der 16. BImSchV, so besteht auch dann kein Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen durch Planergänzung gemäß § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG (vormals § 17 Abs. 6 S. 2 FStrG 1974), wenn eine zur Überschreitung der Grenzwerte führende Verkehrsentwicklung seinerzeit nicht vorhersehbar war. 466 "Recht eines anderen" im Sinne des § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG ist jede Rechtsposition eines Betroffenen, welche diesem bei Vorhersehbarkeit der nachteiligen Wirkungen des Vorhabens einen Anspruch auf Vorkehrungen nach § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG vermittelt hätte. Auch die Gemeinden können als Träger öffentlicher Interessen in diesem Sinne zugleich Träger eigener Rechte sein. 467 Wirkungen des planfestgestellten Vorhabens müssen nicht voraussehba-
464 BVerwG, Beseht. vom 22.5.1995 - 4 B 30.95 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 16 = NVwZ-RR 1997, 217. 465 BVerwG, Urt. vom 26.3.1998 -4 A 7.97 - Buchholz407.4 § 17 FStrG Nr. 137 = UPR 1998,382 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 = NVwZ-RR 1998,292. 466 BVerwG, Beseht. vom 24.8.1999 - 4 B 58.99 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 29 = NVwZ 2000, 70 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. vom 12.9.1980 - 4 C 74.77BVerwGE 61,1 = NJW 1981,835. 467 BVerwG, Urt. vom 12.8.1999 - 4 C 3.98 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 18 = NVwZ 2000, 675 = DVB12000, 791 (Trinkwasseranlage).
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re gewesen sein, konnten oder wurden also nicht prognostisch erfaßt. Überschreiten z. B. die (nunmehrigen) Verkehrslärmimmissionen einer Straße die Grenzwerte der 16. BImSchV, so besteht im Falle der Planfeststellung ein Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen durch Planergänzung gemäß § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG, wenn eine zur Überschreitung der Grenzwerte filhrende Verkehrsentwicklung seinerzeit nicht vorhersehbar war. 468 Auch nachträgliche SchutzansprUche wegen unvorhersehbarer Folgen ein~s Vorhabens können grundsätzlich verwirkt werden. 469 Für eine Verpflichtungsklage, mit der der Kläger nach Unanfechtbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses filr ein Vorhaben nach § 1 VerkPBG nachträgliche Schutzauflagen verlangt, die gemäß § 75 Abs. 2 S. 2 bis 4 VwVfG dem Träger des Vorhabens außerhalb eines Planfeststellungs- oder PIangenehmigungsverfahrens auferlegt werden können, ist weder die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts noch des Oberverwaltungsgerichts gegeben. 470
J. Spezielles Straßenfachplanungsrecht I. Planersetzender Bebauungsplan Nach § 1 Abs. 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB ist eine Gemeinde befugt, im Wege "isolierter" Straßenplanung Verkehrsflächen als Inhalt des B-Plans festzusetzen. § 17 Abs. 3 S. I FStrG ermächtigt die Gemeinde, auch Bundesstraßen im Wege der Bauleitplanung zu planen, z. B. bei Ortsdurchfahrten. Allerdings muß die Gemeinde filr ihre Planung eigene städtebauliche Gründe haben. Verfährt die Gemeinde in dieser Weise, bestimmen sich die inhaltlichen Anforderungen an die Festsetzung nach den Regeln des BauGB. 471 In jedem Falle ist die 16. BImSchV anzuwenden (unstr.). Ein anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses erlassener Bebauungsplan verstößt nicht dadurch gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz und das Abwägungsgebot, daß er eine Vielzahl von technischen Detailregelungen und -aussagen enthält, die 468 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 24.8.1999 - 4 B 58.99 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 29 = NVwZ 2000, 70 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 12.9.19804 C 74.77 - BVerwGE 61, 1 = NJW 1981,835. 469 BVerwG, Urt. vom 10.8.2000 - 4 A 11.99 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 158 = NVwZ 2001,206 = DVB12000, 1862. 470 BVerwG, Urt. vom 18.5.2000 - 11 A 6.99 - Buchholz § 5 VerkPBG Nr. 11 = NVwZ 2000, 1168. . 471 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 17.5.1995 - 4 NB 30.94 - NVwZ 1995, 1098 = NJW 1995, 2572 = DVBI 1995, 1010.
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ebensogut einem ergänzenden straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren vorbehalten werden könnten. 472 Ein Bebauungsplan, der einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß ersetzt, ist bei unterbliebener UVP nach den gleichen Grundsätzen wie ein Planfeststellungsbeschluß auf seine materielle Wirksamkeit hin UberprUtbar. 473 Auch wenn ein die Planfeststellung ersetzender Bebauungsplan aufgestellt wird, kommt zur Sicherung und Durchfilhrung von nach § 8 BNatSchG 1993 erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzrnaßnahmen grundsätzlich ein öffentlichrechtlicher Vertrag in Betracht. 474 Dem Gebot des § 8 Abs. 4 BNatschG, die zum Ausgleich des Eingriffs erforderlichen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in einem landschaftspflegerischen Begleitplan darzustellen, ist jedenfalls in diesem Fall durch einen die Ausgleichsrnaßnahmen darstellenden GrUnordnungsplan entsprechend den Vorschriften des Landesnaturschutzrechts genUgt. 47S Wird eine Verkehrsanlage zulässigerweise auf der Grundlage eines Bebauungsplans gebaut und sind im Plan als (bauliche und sonstige technische) Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen Maßnahmen des (passiven) Schallschutzes an vorhandenen Gebäuden festgesetzt, so besteht auf der Grundlage der zu seinem Schutz getroffenen Festsetzung ein Anspruch des GebäudeeigentUrners auf Ersatz seiner Aufwendungen filr die Ausfilhrung solcher Maßnahmen schon aus einem allgemeinen Rechtssatz über den notwendigen Ausgleich zwischen störender und gestörter Nutzung im öffentlich-rechtlichen Nachbarschaftsverhältnis. 476
11. Plandurchrdhrung (§ 17 Abs. 7 FStrG) § 17 Abs. 7 S. 1 FStrG gibt einen Anhaltspunkt filr die Dauer des Zeitraumes, in dem die Unsicherheiten einer Plandurchfilhrung längstens als zumutbar erscheinen und von den Planbetroffenen hinzunehmen sind. Dieser Zeitrahmen 472 BVerwG, Beschl. vom 22.3.1999 - 4 BN 27.98 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 103 = NVwZ 1999, 989. 473 BVerwG, Beschl. vom 22.3.1999 - 4 BN 27.98 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 103 = NVwZ 1999, 989. 474 BVerwG, Beschl. vom 5.1.1999 - 4 BN 28.97 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 26 = NVwZ-RR 1999,426 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 9.5.19974N 1.96-BVerwGE 104,353 = NVwZ 1997, 1216=DVBI1997, 1121. 475 BVerwG, Beschl. vom 5.1.1999 - 4 BN 28.97 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 26 = NVwZ-RR 1999, 426. 476 BVerwG, Beschl. vom 7.9.1988 - 4 N 1.87 - BVerwGE 80, 184 = NJW 1989, 467 = DVB11988, 1167.
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kann auch auf das planungsrechtliche Vollzugshindernis der mangelnden Finanzierbarkeit des Vorhabens übertragen werden. 477
111. Enteignung und Naturschutz Die Enteignungsennächtigung des § 19 Abs. 1 S. 1 FStrG erstreckt sich auch auf Flächen, auf denen nach den Vorschriften des Landesnaturschutzrechts Ersatzmaßnahmen im Sinne des § 8 Abs. 9 BNatSchG durchzuftlhren sind. 478 Um als Grundlage filr eine Enteignung dienen zu können, setzt die Anordnung von Ersatzrnaßnahmen voraus, daß sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und keinen Nachteil herbeiftlhrt, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht. 479 Grund und Boden, dessen ökologischer Wert ebenso hoch oder gar höher zu veranschlagen ist als derjenige, der zur Verwirklichung eines raumbedeutsamen Vorhabens in Anspruch genommen wird, ist aus dem Kreis der filr die Durchfilhrung von Kompensationsmaßnahmen potentiell geeigneten Flächen von vornherein auszusondern. Für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kommen nur solche Flächen in Betracht, die aufwertungsbedürftig und -flihig sind. Diese Voraussetzung erftlllen sie, wenn sie in einen Zustand versetzt werden können, der sich im Vergleich mit dem früheren als ökologisch höherwertig einstufen läßt. 48o
K. Rechtsschutz in der Straßenfachplanung I. Erstinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG (§ 5 Abs. 1 VerkPBG) § 5 Abs. 1 VerkPBG erfaßt alle Verwaltungsstreitverfahren, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmi-
477
BVerwG, Urt. vom 20.5.1999 - 4 A 12.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154
= NVwZ 2000, 555 = DVB11999, 1514.
478 BVerwG, Urt. vom 23.8.1996 - 4 A 29.95 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 8 = NVwZ 1997,486 = DVB11997, 68. 479 BVerwG, Urt. vom 23.8.1996 - 4 A 29.95 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 8 = NVwZ 1997,486 = DVB11997, 68. 480 BVerwG, Urt. vom 23.8.1996 - 4 A 29.95 - Buchholz 407.4 § 19 FStrG Nr. 8 = NVwZ 1997,486 = DVBI 1997,68.
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gungsverfahren filr Vorhaben nach § 1 VerkPBG haben.481 Die erstinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG erfaßt auch Verwaltungsstreitverfahren, welche die Zulässigkeit nicht planfestgestellter Baurnaßnahmen zum Gegenstand haben, die Teil eines planfeststellungsbedürftigen Vorhabens nach § I VerkPBG sind. 482 Für eine Verpflichtungsklage, mit der der Kläger nach Unanfechtbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses rur ein Vorhaben nach § 1 VerkPBG nachträgliche Schutzauflagen verlangt, die gemäß § 75 Abs. 2 S. 2 bis 4 VwVfG dem Träger des Vorhabens außerhalb eines Planfeststellungs- oder PIangenehmigungsverfahrens auferlegt werden können, ist weder die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts noch des Oberverwaltungsgerichts gegeben.483 Zuständig ist das jeweils örtliche Verwaltungsgericht. Das Oberverwaltungsgericht ist als Normenkontrollgericht nach Maßgabe des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zuständig, über die Gültigkeit einer Rechtsverordnung nach § 9 a Abs. 3 FStrG auch dann zu entscheiden, wenn das von der Rechtsverordnung erfaßte Planungsgebiet einen Streckenabschnitt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 VerkPBG betrifft. 484 Bei Straßen, für deren Planung das VerkPBG gilt, ist das gerichtliche Verfahren zur Überprüfung von Entscheidungen der Enteignungsbehörde über die vorzeitige Besitzeinweisung (§ 7 VerkPBG 1991 , jetzt § 18 f FStrG) gemäß § 9 Abs. 3 VerkPBG in Verbindung mit § 217 BauGB den ordentlichen Gerichten (Baulandgerichten) zugewiesen.485 Dies gilt gemäß § 9 Abs. 3 VerkPBG n.F. vorbehaltlich einer anderweitigen landesrechtlichen Regelung. 486 Nach Ansicht des BVerwG liegt es zudem nahe, daß das zuständige Gericht im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung bei Straßen, filr deren Planung das VerkPBG gilt, die Zulässigkeit der Enteignung aus Gründen, die Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung des Plan feststellungs beschlusses und dessen enteignender Vorwirkung durch das BVerwG sind, nicht (mehr) zu prüfen hat.
481 BVerwG, Beseh!. vom 7.7.1995 - 11 VR 11.95 - Buehholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 7 = NVwZ 1996, 393 unter Bezug auf BVerwG, Besch!. vom 21.1.1994 - 7 VR 12.93 - NVwZ 1994,370. 482 BVerwG, Besch!. vom 21.1.1994 -7 VR 12.93 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 1= NVwZ 1994,370. 483 BVerwG, Urt. vom 18.5.2000 - 11 A 6.99 - Buchholz 407.3 § 5 VerkPBG Nr. 11 = NVwZ 2000, 1168. 484 BVerwG, Beseh!. vom 17.10.1994 - 4 N 1.94 - BVerwGE 97, 45 = NVwZ 1995, 381. 485 BVerwG, Beseh!. vom 1.4.1999 - 4 B 26.99 - Buchholz 407.3 § 9 VerkPBG Nr. 1 = NVwZ-RR 1999, 485. 486 BVerwG, Besch!. vom 30.3.2000 - 4 B 23.00 - Buchholz 407.3 § 9 VerkPBG Nr. 2 = DVB12000, 1462.
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11. Allgemeines Rechtsschutzverfahren - Zulässigkeit 1. Klage- und KlagebegrOndungsfrist
Die Frist beginnt nach den durchgehend novellierten Fachplanungsgesetzen (vgl. z. B. § 5 Abs. 3 VerkPBG, § 17 Abs. 6 FStrG) mit Klageerhebung (Eingang der Klageschrift bei Gericht). Innerhalb dieser Frist muß der Kläger die ihn ·beschwerenden Tatsachen so konkret angeben, daß der Lebenssachverhalt, aus dem er den mit der Klage verfolgten Anspruch ableitet, unverwechselbar feststeht. Das schließt späteren vertiefenden Vortrag nicht aus. 487 Einer Belehrung Ober die Möglichkeit der ZurUckweisung (Präklusionswirkung) bedarf es nicht. Es handelt sich nicht um eine im Einzelfall, also richterlich gesetzte Frist, sondern um eine solche kraft Gesetzes. Das jedem Kläger gemäß § 100 Abs. I VwGO zustehende prozessuale Recht auf Akteneinsicht fUhrt nicht dazu, die gesetzlich festgelegte Begründungsfrist zu erweitern. 488 Es kann im Einzelfall aber gerichtliche Nachsicht gewährt werden, wenn die Planfeststellungs behörde rechtswidrig die Einsicht verweigert oder verzögert hat. 2. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)
a) Mögliche Rechtsverletzung Die geltend gemachte Rechtsverletzung muß auch im konkreten Falle möglich sein (sog. Möglichkeitstheorie). Das gesetzlich normierte Abwägungsgebot verleiht allerdings ein subjektives öffentliches Recht auf eine gerechte Abwägung grundsätzlich nur hinsichtlich der rechtlich geschützten eigenen Belange (Interessen) des von der Planung Betroffenen. Eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO besteht nicht, wenn z. B. der geltend gemachte Rechtsfehler gerade fUr die Rechtsbetroffenheit des klagenden Grundeigentümers aus verfahrensrechtlichen oder materiellrechtlichen Gründen unerheblich ist.
487 BVerwG, Urt. vom 30.9.1993 - 7 A 14.93 - Buehholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 23 = NVwZ 1994, 371. 488 BVerwG, Beseh!. vom 17.2.1997 - 4 VR 17.96 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 127 = LKV 1997,328 zu § 5 Abs. 3 S. 1 VerkPBG .
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b) Klagebefugnis "natürlicher Personen"
aa) Klagebefugnis des Eigentümers Der Eigentümer eines durch eine straßenrechtliche Planfeststellung mit enteignender Wirkung betroffenen Grundstücks kann die Verletzung des Abwägungsgebots auch mit der Begründung geltend machen, öffentliche Belange seien nicht hinreichend beachtet worden. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß der Planfeststellungsbeschluß die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Enteignung mitumfaßt, daß Art. 14 Abs. 3 GG aber vor einem Eigentumsentzug schützt, der nicht zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich oder nicht gesetzmäßig ist. Bei dieser Sicht kommt es ausschlaggebend auf die Eigentumsbeeinträchtigung an. Demgegenüber tritt die personale Zuordnung des Eigentumsobjekts in den Hintergrund. 489 Der enteignungsbetroffene Grundeigentümer kann sich auf die Mißachtung der Vogelschutz-RL berufen. 490 Dem Eigentümer gleichzustellen ist nach langjähriger Rechtsprechung nur, wer in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich berechtigt ist, wie etwa der Inhaber eines Erbbaurechts oder der Nießbraucher, ferner auch der Käufer eines Grundstücks, auf den der Besitz sowie Nutzungen und Lasten übergegangen sind und zu dessen Gunsten eme Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen ist. 491 Eine Plan feststellung kann neben dem Nießbrauchs berechtigten zugleich auch vom Eigentümer eines betroffenen Grundstücks angefochten werden. Im Prozeß haben beide die Stellung einfacher Streitgenossen. 492 bb) Klagebefugnis obligatorisch Berechtigter Die Rechtsprechung des BVerwG verneint grundsätzlich, daß ein nur obligatorisch Berechtigter an einem Grundstück gegen einen Planfestste!lungsbeschluß ein öffentlich-rechtliches Abwehrrecht besitzt. Er ist vielmehr darauf
489 BVerwG, Urt. vorn 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104,236 = NVwZ 1998, 508 = DVB11997, 1115. 490 BVerwG, Urt. vorn 19.5.1998 - 4 C 11.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 138 = NVwZ 1999,528 zu VGH München, Urt. vorn 14.6.1996 - 8 A 94.40129 - NuR 1997,45 = UPR 1997, 337. 491 BVerwG, Urt. vorn 16.9.1993 -4 C 9.91- Buchholz407.4 § 17 FStrG Nr. 94 = NVwZ 1994,682 = DVB11994, 338. 492 BVerwG, Urt. vorn 14.5.1992 - 4 C 9.89 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 88 = NVwZ 1993,477.
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beschränkt, seine Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer geltend zu machen (sog. Repräsentationsthese).493 Das BVerwG hat zugunsten langjähriger Pachtverhältnisse seine bisherige Judikatur aufgegeben. Ein Pächter, der sich dagegen zur Wehr setzt, daß sein Pachtgrundstück auf der Grundlage des Bundesfernstraßengesetzes fUr ein Straßenbauvorhaben unter Einschluß der damit verbundenen naturschutzrechtlichen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommen wird, ist klagebefugt.494 Nach der Rechtsprechung des BVerwG zur Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan kann auch ein Mieter einer Wohnung antragsbefugt sein, wenn er sich gegen unzumutbaren Verkehrslärm wenden will.49S Erwägenswert ist, dies auf die Fachplanung zu übertragen. Auch der Mieter kann übrigens durch eine Enteignung, die der Planfeststellungsbeschluß zuläßt, selbst betroffen sein (vgl. § 86 Abs. 1 Nr. 3 BauGB). cc) Klagebefugnis bei Verfahrensbetroffenheit (UVP) Nach der Rechtsprechung des BVerwG vermitteln Verfahrensvorschriften keine selbständig durchsetzbare Verfahrenspositionen. Das gilt auch fiir das UVPG fUr UVP-pflichtige Vorhaben.496 Die UVP-RL enthalte nämlich keinerlei Anhalt dafUr, daß der nationale Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, privaten Dritten eine weitergehende Klagemöglichkeit zu eröffuen, als sie das nationale Recht allgemein bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften eröffnet. Nach Ansicht des BVerwG ist dies auch mit EG-Recht vereinbar. 497
493 BVerwG, Besch!. vom 28.11.1995 - 11 VR 38.95 - Buchholz 316 § 78 VwVfD Nr. 5 = NVwZ 1996, 389 zur eisenbahnrechtliche Planfeststellung. 494 BVerwG, Vrt. vom 1.9.1997 - 4 A 36.96 - BVerwGE 105, 178 = NVwZ 1998, 504 = DVBI 1998, 44 unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung. 495 BVerwG, Vrt. vom 21.10.1999-4 CN 1.98 -Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 136 = NVwZ 2000,807 = DVB12000, 793. 496 BVerwG, Vrt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98,339 = NVwZ 1996,381 = DVBI 1995, 1012-B 16 (neu)-Regensburg-Roding. 497 BVerwG, Vrt. vom 8.6.1995 - 4 C 4.94 - BVerwGE 98,339 = NVwZ 1996,381 = DVBI 1995, 1012 - B 16 (neu) - Regensburg-Roding unter Bezug auf EuGH, Urt. vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen Rs. C-6 / 90 und C-9 / 90, Francovich u.a., EuGHE 1991,1-5357 (5416) = NJW 1992, 165 = DVB11992, 1017.
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c) Klagebefugnis der Gemeinde
aa) Rechtspositionen der Gemeinde Die gemeindliche Planungshoheit vermittelt als solche grundsätzlich eine schutzfl1hige Rechtsposition. Das allgemeine Interesse, das Gemeindegebiet vor einem Vorhaben der Fachplanung zu verschonen, reicht filr die Geltendmachung einer Verletzung der Planungshoheit nicht aus. 498 Vielmehr ist eine Konkretisierung erforderlich. Das verlangt im Klageverfahren eine substantiierende Darlegung. Die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG beschränkt sich nicht auf die gemeindliche Planungshoheit. Die Gemeinden sind unabhängig von einer Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit auch gegenüber solchen Planungen und Maßnahmen überörtlicher Verwaltungsträger rechtlich geschützt, welche die Entwicklung der Gemeinde nachhaltig beeinflussen. Allerdings erfordert auch dies eine hinreichende Substantiierung. Eine rechtserhebliche Beeinträchtigung der gemeindlichen Planungshoheit liegt vor, (1) wenn das Vorhaben eine hinreichend bestimmte (konkretisierte) Planung der Gemeinde nachhaltig stört und dies die Planfeststellungsbehörde unberücksichtigt ließ, (2) wenn das Vorhaben wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht, also eine im einzelnen noch nicht konkretisierte gemeindliche Planung durch die angegriffene Fachplanung gänzlich verhindert oder grundlegend und nachhaltig behindert werden würde, oder (3) wenn eine gemeindliche Einrichtung in ihrer Funktionsflihigkeit erheblich in Mitleidenschaft gezogen wird. 499 Eigene "wehrflihige" Rechte der Gemeinde bestehen dagegen nicht, (1) wenn öffentliche oder private Belange geflihrdet werden, deren Wahrnehmung nicht der Gemeinde als Teil der ihr zugewiesenen Selbstverwaltungsaufgaben obliegt, oder (2) Gemeindebürger betroffen sind, denen es freisteht, sich selbst vor rechtswidrigen Eingriffen zu schützen. soo Die Gemeinde ist "weder berechtigt, sich über die Anrufung des Verwaltungs gerichts als Kontrolleur der zur Wahrung öffentlicher Belange jeweils berufenen staatlichen Behörden zu betä-
498 BVerwG, Besehl. vom 17.4.2000 - 11 B 19.00 - UPR 2000,357 = NuR 2000, 581 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 14.95 - Buehholz II Art. 28 GG Nr. 107 = NVwZ 1997,904. 499 Vgl. BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 = NVwZ 1997,169 = DVB11996, 914; Beschl. vom 5.12.1996 -11 VR 8.96 - NVwZ-RR 1997, 339; Beschl. vom 30.8.1995 - 4 B 86.95 - Buehholz 406.13 § 6a ROG Nr. 1 = NVwZRR 1996,67 mit Bespr. W Blümel, VerwAreh 88 (1997), 353-388. soo Vgl. BVerwG, Beschl. vom 30.8.1995 - 4 B 86.95 - Buehholz 406.13 § 6a ROG Nr. 1 = NVwZ-RR 1996,67.
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tigen, noch befugt, sich zum Sachwalter privater Interessen aufzuschwingen".SOI bb) Fallbereiche (1) Bau/eitp/anung. Bei der Anwendung des Prioritätsgrundsatzes im Rahmen des Zusammentreffens eines Fachplanungsvorhabens mit einer entgegenstehenden gemeindlichen Bauleitplanung markiert für die Fachplanung in der Regel die Auslegung der Planunterlagen den Zeitpunkt einer hinreichenden Verfestigung. so2 Die Planfeststellungsbehörde muß auch auf noch nicht verfestigte, aber (anderweitig) konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend so weit wie möglich Rücksicht nehmen, nämlich in der Weise, daß durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden. sol
Von einer hinreichend bestimmten Planung, die der gemeindlichen Planungshoheit eine abwägungsrelevante Position vermittelt, kann z. B. in aller Regel dann keine Rede sein, wenn eine Außenbereichsfläche im Flächennutzungsplan als Fläche für die Forstwirtschaft dargestellt wird. Denn die planerische Aussage, die sich aus einer solchen Darstellung ergibt, geht nicht über den § 35 Abs. 2 BauGB eigenen Regelungsgehalt hinaus. Knüpft der Flächennutzungsplan lediglich an die Funktion an, die dem Außenbereich nach dem Willen des Gesetzgebers ohnehin zukommt, so fehlt es an einer qualifizierten Standortzuweisung, über die sich die Planfeststellungsbehörde in einem Verfahren der Fachplanung nur im Wege der Abwägung hinwegsetzen darf. s04 Planerische Erschwernisse und planerischen Anpassungsbedarf für die Bauleitplanung wie auch mögliche Reduzierungen der als Wohnbauland geeigneten Fläche muß die Gemeinde als Folge des Umstands hinnehmen, daß sie mit ihrer Planung auf eine schon vorher konkretisierte und verfestigte Fachplanung trifft. sos Eine Gemeinde kann - gestützt auf ihre Planungshoheit - die Aufhe-
SOl BVerwG, Beschl. vom 15.4.1999 - 4 VR 18.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 151 = NVwZ-RR 1999,554. S02 Vgl. BVerwG, Urt. vom 22.3.1985 - 4 C 61.80 - BVerwGE 71, 150 (156) = DVBI 1985,896; Urt. vom 22.5.1987 - 4 C 33-35.83 - BVerwGE 77, 285 (292 f.) = DVB11987, 907 = NJW 1987, 2886. S03 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100,388 = NVwZ 1997, 169 = DVBI 1996,914. S04 BVerwG, Beschl. vom 22.6.1993 - 4 B 45.93 - VkBl 1995,210 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 4.5.1988 - 4 C 22.87 - BVerwGE 79, 318 = NJW 1989,242 = DVBI 1988, 960. sos BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100,388 = NVwZ 1997, 169 = DVB11996, 914.
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bung der Planfeststellung rur einen Autobahnabschnitt, dessen Fortsetzung zwangsläufig durch einen räumlichen Bereich ruhren wird, in dem die Gemeinde Siedlungsabsichten verfolgt, nicht verlangen, wenn die im einzelnen noch nicht konkretisierte gemeindliche Planung durch die Fachplanung nicht gänzlich verhindert oder grundlegend behindert wird. 506 (2) Daseinsvorsorge. Die gemeindliche Selbstverwaltungsbefugnis vermittelt ein Abwehrrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen gemeindlicher Einrichtungen. 507 Dazu kann auch eine gemeindliche Trinkwasserversorgungsanlage zählen. 508 (3) Wirtschaftsstruktur. Auswirkungen eines Autobahnbaus können die Wirtschaftsstruktur und Leistungsfl!higkeit einer durch Landwirtschaft und Fremdenverkehr geprägten Gemeinde so massiv und nachhaltig verschlechtern, daß die Verletzung des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts in Betracht zu ziehen ist. 509 Die Möglichkeit einer Entwicklung einer Gemeinde zu einem Ort der Naherholung und des Fremdenverkehrs stellt dann einen abwägungsbeachtlichen Belang der Gemeinde dar, wenn sich diese Entwicklungsmöglichkeit nach der Eigenart von Natur und Landschaft, dem Ortsbild oder sonstigen Faktoren abzeichnet oder ernsthaft in Betracht kommt. 510 Im allgemeinen berühren übliche Auswirkungen eines planfestgestcllten Vorhabens auf die "Wirtschaftsstruktur" einer Gemeinde deren Planungshoheit nicht. S 11 Die Beeinträchtigung landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betriebe durch ein Vorhaben der Fachplanung fUhrt als solche auch dann nicht zu einem gemeindlichen Abwehrrecht, wenn sich diese Beeinträchtigung nur in irgendeiner - die Planungshoheit nicht berührenden - Weise auf die "Wirtschaftsstruktur" der Gemeinde auswirkt. S12 (4) Ortsbild. Gewisse ästhetische Einbußen als Folge für das Ortsbild nachteiliger, aber kostengünstigerer Planungsmaßnahmen hat die Gemeinde allerdings hinzunehmen. 5 13 506 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 = NVwZ 1997, 169 = DVBI 1996,914. 507 BVerwG, Urt. vom 12.8.1999 - 4 C 3.98 - NVwZ 2000, 675 = DVB12000, 791. 508 BVerwG, Urt. vom 12.8.1999 - 4 C 3.98 - NVwZ 2000,675 = DVB12000, 791. 509 BVerwG, Urt. vom 26.2.1999 - 4 A 47.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148 = NVwZ 2000, 560. 510 BVerwG, Urt. vom 26.2.1999 - 4 A 47.96 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 148 = NVwZ 2000, 560. 511 BVerwG, Urt. vom 27.7.1998 - 11 A 10.98 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 119 = UPR 1998,459 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 14.95 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 107 = NVwZ 1997,904. 512 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 14.95 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 107 = NVwZ 1997,904 - Autobahn A 7. 513 BVerwG, Besch!. vom 15.4.1999 - 4 VR 18.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 151 = NVwZ-RR 1999, 554; ebenso BVerwG, Besch!. vom 5.12.1996 - II VR 8.96
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(5) Wesentliche Teile des Gemeindegebiets. Eine Veränderung der verkehrlichen Infrastruktur eröffnet die Klagebefugnis nur, wenn das Gemeindegebiet oder Teile hiervon nachhaltig betroffen sind. s14
cc) Problembereich: Gemeindliches Eigentum Ob die Gemeinden gegen die Inanspruchnahme ihres Eigentums Rechtsschutz beanspruchen, nämlich geltend machen können, die betreffende Maßnahme entspreche nicht dem Gesetz, ist (zunächst) eine Frage des einfachen materiellen Rechts. Die Gemeinde kann hierzu die sich aus § 903 BGB ergebende Rechtsposition verfolgen. S\S Erhebt eine Gemeinde Einwendungen gegen Eingriffe der Planfeststellung in ihr Grundeigentum, so entfällt danach im Anfechtungsprozeß die umfassende objektiv-rechtliche Planprüfung, die ein privater Eigentümer auf der Grundlage von Art. 14 GG beanspruchen könnte. Der 4. Senat des BVerwG verneint, daß eine Gemeinde eine Planfeststellung im Hinblick auf deren enteignende Vorwirkung mit der Begründung angreifen kann, öffentliche, sie nicht in ihrer Planungshoheit schützende Belange seien nicht oder nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden. 516 Der 11. Senat des BVerwG hat die Frage wohl bislang unentschieden lassen wollen.S\7 d) Klagebefugnis von Naturschutzverbänden
aa) Bundesrechtliche Verbandsklage (§ 29 BNatSchG) Ein anerkannter Verband (im Sinne des § 29 Abs. 2 BNatSchG) kann im gerichtlichen Verfahren nur die Verletzung seines Beteiligungsrechts geltend machen (§ 42 Abs. 2 VwGO).518 Das Beteiligungsrecht eines anerkannten Natur- NVwZ-RR 1997, 339 unter Bezug auf BVerwGE 77, 134 (138); Besehl. vom 8.1.1997 - 11 VR 30.95 - NuR 1998,221. 514 BVerwG, Besehl. vom 18.9.1998 - 4 VR 11.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 141; ebenso BVerwG, Urt. vom 23.4.1997 - 11 A 28.96 - juris. 515 BVerwG, Besehl. vom 13.3.1995 - 11 VR 2.95 - Buchholz 445.5 § 14 WaStrG Nr. 3 = NVwZ 1995, 905 im Anschluß an BVerwGE 90, 96 (101) = NVwZ 1993, 364 = DVBI 1992, 1233. 516 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94 - BVerwGE 100,388 = NVwZ 1997, 169 = DVBI 1996,914; BVerwG, Urt. vom 11.1.2001 - 4 A 12.99 - UPR 2001, 189 = ZfBR 2001 , 279. 517 BVerwG, Besehl. vom 3.9.1997 - 11 VR 20.96 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 31 = NVwZ-RR 1998, 289. m Vgl. BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSehGNr. 10 = NVwZ 1997,491.
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schutzverbandes ist nicht nur dann verletzt, wenn eine gebotene Beteiligung unterblieben ist, sondern auch dann, wenn der Verband nicht ausreichend beteiligt worden ist. 519 Das ist u. a. der Fall, wenn "einschlägige Sachverständigengutachten" nicht zur Einsicht gegeben wurden. Dies sind allerdings nUr solche, die unmittelbar naturschutzrechtliche oder landschaftspflegerische Fragen behandeln. 520 Dagegen kann er z. B. nicht geltend machen, die behördliche Ermittlungstätigkeit in einem Verfahren der Planfeststellung sei unzureichend gewesen und darauf beruhe eine nicht sachgerecht vorgenommene Abwägung. Der Verband ist insoweit darauf beschränkt, im Verfahren der Plan feststellung eine weitere Ermittlung anzuregen. S21 Der Naturschutzverband ist erneut zu beteiligen, wenn es die Planfeststellungsbehörde rur notwendig erachtet, neue, den Naturschutz betreffende Untersuchungen anzustellen, die Ergebnisse in das Verfahren einzuruhren und die Planungsentscheidung darauf zu stützen. Wenn durch Plangenehmigung zugelassen wird, entfallt nach Ansicht des BVerwG eine Mitwirkung der anerkannten Naturschutzverbände nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG. 522 Die Entscheidung, anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung zu erteilen, bedarf keiner Zustimmung durch den anerkannten Naturschutzverband. bb) Landesrechtliche Verbandsklage Eine von § 42 Abs. 2 VwGO abweichende Regelung über die Klagebefugnis anerkannter Naturschutzverbände kann auch der Landesgesetzgeber treffen. 523 Er darf dabei die Reichweite der Verbandsklage auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen naturschutzrechtliche Vorschriften begrenzen und sie auch gegen solche Verwaltungsakte zulassen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verwaltungsverfahren ergehen. 524 Das BVerwG hat Entscheidungen als
519 BVerwG, Urt. vorn 12.12.1996 - 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 = NVwZ 1997, 905 = DVB11997, 714. 520 BVerwG, Urt. vorn 12.11.1997 - II A 49.96 - BVerwGE 105, 348 = NVwZ 1998, 395 = DVBI 1998, 334. 521 Vg\. BVerwG, Urt. vorn 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchGNr. 10=NVwZ 1997,491. 522 BVerwG, Urt. vorn 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001, 673 = DVB12001, 386; ebenso BVerwG, Urt. vorn 22.3.1995II A 1.95 - BVerwGE 98, 100 = NVwZ-RR 1996, 237 = DVBI 1995, 1006 hinsichtlich des Ausbaus einer Bundeswasserstraße auf der Grundlage von § 14 Abs. I a WaStrG. 52) BVerwG, Besch\. vorn 14.9.1987 - 4 B 178.87 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 149 = NVwZ 1988,364 = DVB11987, 1278. 524 BVerwG, Urt. vorn 18.12.1987 - 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 = NVwZ 1988, 527 = DVBI 1988, 492.
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erstinstanzliches Gericht bislang nur rur die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schieswig-Hoistein getroffen. 525 cc) Sperrgrundstück Der Erwerb eines "Sperrgrundstücks" zu Eigentum mit dem Ziel, planerische Defizite im Bereich abwägungsrelevanter öffentlicher Belange rügen zu können, ist rechtlich zulässig. 526 § 29 Abs. 1 BNatSchG hindert einen anerkannten Naturschutzverband nicht daran, mit Hilfe eines sog. Sperrgrundstücks geltend zu machen, der PIanfeststellungsbeschluß verstoße durch seine enteignungsrechtliche Vorwirkung gegen Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG. 527 Allerdings kann es Grenzen geben. Wie jede Rechtsposition kann auch eine Klagebefugnis dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung unterliegen. In diesem Falle ist das Klageinteresse nicht schutzwürdig. 528 Das ist etwa dann der Fall, wenn konkrete Umstände vorhanden sind, die ohne weiteres erkennen lassen, daß an der erworbenen Rechtsstellung, welche die Klagebefugnis vermitteln soll, kein über das Führen eines erwarteten Rechtsstreits hinausgehendes Interesse gegeben ist. 529 Eine auf das Eigentum an einem Grundstück gestützte Klagebefugnis fehlt, wenn die EigentümersteIlung rechtsmißbräuchlich begründet worden ist. Dies ist anzunehmen, wenn das Eigentum nicht erworben worden ist, um die mit ihm verbundenen Gebrauchsmöglichkeiten zu nutzen, sondern als Mittel dafilr dient, die formalen Voraussetzungen filr eine Prozeß-
525 Sachsen: BVerwG, Urt. vom 5.10.1993 - 4 A 9.93 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 3 = DVBI 1994, 341; Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr 10 = NVwZ 1997,491; Sachsen-Anhalt: BVerwG, Urt. vom 6.11 .1997 - 4 A 16.97 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 250 = NVwZ 1998, 398 = DVBI 1998,338; Schleswig-HolsteBVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1= NVwZ 1998,961 = DVBI 1998,900; Beschl. vom 21.1.1998 - 4 VR 3.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 135 = NVwZ 1998,616 - vorläufiger Rechtsschutz - Bundesautobahn (Ostseeautobahn) A 20. 526 BVerwG, Urt. vom 12.7.1985 - 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15 = NVwZ 1985, 736 = DVBI 1985,373; Urt. vom 10.4.1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 = NVwZ 1998,508 = DVB11997, 1115 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 12.7.1985 - 4 C 40.83 - BVerwGE 72, 15; Urt. vom 27.7.1990 - 4 C 26.87 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 18; Urt. vom 27.8.1997 - 11 A 61.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 30. 527 BVerwG, Urt. vom 29.4.1993 - 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 = NVwZ 1993, 891 = DVBI 1993,888; Urt. vom 18.4.1996 - 11 A 86.95 - BVerwGE 101,73 = NVwZ 1996,901 = DVB11996, 921. 528 Vgl. BVerwG, Urt. vom 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107,215 = NJW 1999, 592 = DVBI 1999, 100. 529 BVerwG, Gerichtsbescheid vom 16.3.1998 - 4 A 31.97 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 27 = NuR 1998, 64.
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fUhrung zu schaffen, die nach der Rechtsprechung dem Eigentümer vorbehalten ist. 530 dd) Klagebefugnis nach Gemeinschaftsrecht? Im Schrifttum wird die Frage erörtert, ob das EG-Recht eine Erweiterung der Klagebefugnis verlangt oder verlangen könnte. S31 Entscheidungen des BVerwG liegen bislang nicht vor. Die FFH-RL äußert sich nicht darilber, ob und in welcher Hinsicht einem anerkannten Naturschutzverband gegen eine objektiv fehlerhafte Unterschutzstellung ein Klagerecht einzuräumen ist. 532 e) Rechtsschutzinteresse - Verwirkung
Es gelten die allgemeinen Grundsätze hinsichtlich Rechtsschutzinteresse und Rechtsschutzbedürfnis. Wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkung muß der Kläger den Planfeststellungsbeschluß anfechten, wenn er die Enteignungslage verneint. Das Klagerecht unterliegt der Verwirkung. Die prozessuale Verwirkung beruht auf der unredlichen, Treu und Glauben zuwider laufenden Verzögerung der Klageerhebung. Auch das Klagerecht gegenüber einem Planfeststellungsbeschluß kann verwirkt sein. 533
3. Klageanträge Die Anfechtungsklage zielt auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung. Verhältnismäßig häufig wird nicht erkannt, daß ein Kassationsantrag "über das Ziel hinausschießt". Für Maßnahmen des Lärmschutzes genügt fast stets eine Planergänzung. Sind bei der Planfeststellung z. B. unzumutbare Belastungen der Anwohner durch Staub und Lärm zu erwarten, so hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens die Errichtung und Unterhaltung geeigneter Schutzanlagen aufzuerlegen. Sind solche An-
530
385.
BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 10.99 - NVwZ 2001, 427
=
DVBI 2001,
531 Vgl. M Sauthoff, Die Klagebefugnis drittbetrotTener Privater gegen Fachplanungen, BauR 2000, 195-225; 1. Ziekow, Klagerecht von Naturschutzverbänden gegen Maßnahmen der Fachplanung, VerwArch 2000, 483-506. sn BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 = NVwZ 1997, 491. 533 BVerwG, Urt. vom 10.8.2000 - 4 A 11.99 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 158 = NVwZ 2001,206 = DVB12000, 1862; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 27.11.1996 - 11 A 100.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 18 = NVwZ 1997,994.
18 Ziekow
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lagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, können die Betroffenen daftlr einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen (§ 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG). Ein Anspruch nur auf Planergänzung kommt auch dann in Betracht, wenn der Behörde bei der Festlegung der zusätzlichen Schutzmaßnahmen noch ein Ermessensspielraum verbleibt. s34 Wer eine Beeinträchtigung geltend macht, die durch eine Schutzanlage oder - ersatzweise - eine Geldentschädigung auszugleichen ist, kann in der Regel nur· diese Anspruche im Wege einer Verpflichturigsklage geltend machen, nicht aber den PIanfeststellungsbeschluß durch eine Anfechtungsklage im Ganzen anfechten. Im Falle unzulänglicher Lärmvorsorge besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf Planergänzung, nicht auf Planaufhebung. Eine (teilweise) Planaufhebung kommt nur in Betracht, wenn das Fehlen einer Schallschutzauflage ausnahmsweise von so großem Gewicht ist, daß die Ausgewogenheit der Planung insgesamt in Frage gestellt wird. Eine Anfechtungsklage ist daneben nur zulässig, wenn das Fehlen einer notwendigen Schutzauflage ftlr die Planungsentscheidung insgesamt von so großem Gewicht ist, daß dadurch nicht nur der einzelne Betroffene benachteiligt, sondern die Ausgewogenheit der Gesamtplanung bzw. eines abtrennbaren Planungsteils überhaupt in Frage gestellt wird. Außerdem kommt ein Anspruch auf Planaufhebung in Betracht, wenn sich eine an sich notwendige Schutzmaßnahme nicht nachholen läßt, ohne daß dadurch die Gesamtkonzeption der Planung in einem wesentlichen Punkt berührt und ohne daß in dem Interessengeflecht der Planung nunmehr andere Belange nachteilig betroffen werden.
III. Allgemeines Rechtsschutzverfahren - Begründetheit 1. Beschränkte gerichtliche Prüfung a) Verwaltungsverfahrensrechtliche Präklusion
Der Kläger ist mit im Aufstellungsverfahren nicht erhobenen Einwendungen auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren materiell präkludiert.m Die in § 17 Abs. 4 S. 1 FStrG enthaltene materielle Verwirkungspräklusion ist verfas-
SJ4
BVerwG, Besehl. vom 3.4.1990 - 4 B 50.89 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 86
= NVwZ-RR 1990,454 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 20.10.1989 - 4 C 12.87-
BVerwGE 84,31 = NJW 1990,925. S3S BVerwG, Urt. vom 12.2.1996 - 4 A 38.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 109 = NVwZ 1997, 171 = DVB11996, 684 zu § 17 Abs. 4 FStrG.
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sungsgemäß auch dann, wenn sie sich im Ergebnis auf Einwendungen gegen eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG erstreckt. 536 Die Anhörungsbehörde kann auf die materiell-rechtliche Präklusionswirkung nicht mit der Folge verzichten, daß die Einwendungen klageflihig werden. Maßgebend bleibt, ob und welche Einwendungen im Aufstellungsverfahren fristgerecht erhoben wurden. Eine Einwendung muß erkennen lassen, in welcher Hinsicht Bedenken gegen die in Aussicht genommene Planfeststellung aus der Sicht des Einwendenden - bestehen könnten. Das Vorbringen muß so konkret sein, daß die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll. Der Einwendungsausschluß trifft nach Ansicht des 11. Senates des BVerwG auch planbetroffene Gemeinden trotz Stellungnahme im Rahmen der Behördenbeteiligung. 537 Ob auch ein nach § 29 Abs. 2 BNatSchG anerkannter Naturschutzverband präkludiert werden kann, hat das BVerwG bislang nicht entschieden. Sieht man in dem Verband funktional einen "Verwaltungshelfer", dürfte dies eher zu verneinen sein.538 Fristgemäß erhobene Einwendungen, die sich nur gegen die Anwendung des Rechts durch die Planfeststellungsbehörde wenden, erhalten dem Einwender die Möglichkeit einer gerichtlichen Übeiprüfung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen der Planfeststellungsbehörde.539 Die Anfechtungsklage gegen einen unter der Annahme eines materiellen Einwendungsausschlusses ergangenen Planfeststellungsbeschluß ist zulässig, wenn der Kläger gerade die Rechtmäßigkeit dieses Ausschlusses in Frage stellt. 540 b) Prozessuale Präklusion Die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses prüft das Gericht unbeschadet der sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebenden Aufklärungsptlicht grundsätzlich nur innerhalb des Rahmens der vorgetragenen Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksich536
BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119
537
BVerwG, Urt. vom 27.12.1995 - 11 A 24.95 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 4
= NVwZ 1997,489 = DVBI 1997,51 mit Bespr. D. Solveen, DVBI 1997,803-809.
= NVwZ 1996, 895; Besch!. vom 13 .3.1995 - 11 VR 2.95 - Buchholz 445.5 § 14
WaStrG Nr. 3 = NVwZ 1995, 905. 538 HierfUr tendenziell BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 19.95 - BVerwGE 102, 358 = NVwZ 1997,905 = DVBI 1997, 714. 539 BVerwG, Urt. vom 24.5.1996 - 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 119 = NVwZ 1997, 489 = DVBI 1997, 51 mit Bespr. D. Solveen, DVBI 1997,803-809. 540 BVerwG, Urt. vom 6.8.1982 - 4 C 66.79 - BVerwGE 66, 99 = NVwZ 1984, 441 .
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tigung im Planaufstellungsverfahren sich der Kläger beschwert ruhlt. 541 Die Versäumung der KlagebegrUndungsfrist verzögert den Rechtsstreit im Sinne des § 87 b Abs. 3 S. 1 Nr. 1 VwGO, wenn der Prozeß bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Ob der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen ebenso lange gedauert hätte, istunerheblich, es sei denn, dies wäre offenkundig.542 Die verwaltungsprozessuale Präklusionswirkung des § 5 Abs. 3 S. 1 VerkPBG (vgl. § 17 Abs. 6 b FStrG) in Verbindung mit § 87 b Abs. 3 VwGO gilt auch rur Tatsachenvortrag hinsichtlich der Beeinträchtigung eines (potentiellen) FFH-Gebiets durch das mit der Anfechtungsklage angegriffene planfestgestellte Vorhaben. Auch der prozessuale Vortrag, ein Projekt beeinträchtige ein (potentielles) FFH-Gebiet, muß substantiiert sein; die allgemeine Behauptung genügt nicht. Es müssen konkrete naturschutzfachliche Tatsachen vortragen werden, die das Vorhandensein eines solchen Gebiets möglich erscheinen lassen. 543 c) Zeitpunkt der maßgeblichen Rechtslage
Maßgeblich rur die Begründetheit ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses (entsprechend § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB). Das gilt z. B. auch rur die Begründetheit einer auf § 74 Abs. 2 VwVfG gestützten Verpflichtungsklage auf Planergänzung. Späteres ("nachgeschobenes") Vorbringen der Planfeststellungsbehörde in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat zumeist nur erläuternde Bedeutung. Geht es darüber hinaus, bleibt es ftlr die gerichtliche Überprüfung des PIanfeststellungsbeschlusses unbeachtIich. 544 Ob § 114 S. 2 VwGO anzuwenden ist, hat das BVerwG bislang nicht entschieden. Von nachgeschobenen Ermessenserwägungen ist das tatsächliche Vorbringen zu unterscheiden, mit dem eine tatsächliche, aber nur unvollkommen begründete Annahme des Planfeststellungsbeschlusses gestützt oder bewiesen werden soll.
BVerwG, Urt. vom 31.3.1995 - 4 A 1.93 - BVerwGE 98, 126 = NVwZ 1995, DVBI 1995, 1007. 542 BVerwG, Urt. vom 18.2.1998 - II A 6.97 - Buehholz 310 § 87b VwGO Nr. 3 = NVwZ-RR 1998, 592. 543 BVerwG, Urt. vom 19.5.1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 = DVBI 1998,900 = NVwZ 1998,961. 544 BVerwG, Beseh!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31 - Ost zwischen Freiburg und Kirchzarten. 541
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2. Rechtsverletzung (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 VwGO) Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob rechtsfehlerfrei hätte geplant werden können, sondern nur, ob rechtsfehlerfrei geplant worden ist. Hierbei kommt es auf den Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses an. 545 Die Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften ftir sich genommen fUhrt nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG nicht zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses. Hinzukommen muß vielmehr, daß sich der formelle Mangel auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt haben kann. Ein von der Planfeststellung mit enteignender Vorwirkung betroffener GrundstUckseigentUmer hat keinen Anspruch auf ein schlechthin fehlerfreies Verfahren. Vielmehr sind etwaige Mängel rechtlich unerheblich, wenn sich auch im Falle ihrer Vermeidung an der Eigentumsinanspruchnahme nichts geändert hätte. 546 Einen Belang, der sich der Planfeststellungsbehörde bei ordnungsgemäß durchgeftihrtem Planfeststellungsverfahren nicht aufdrängen mußte, braucht sie in ihrem PIanfeststellungsbeschluß nicht abwägend zu behandeln. 547 Eine derart mittelbare Präklusion tritt auch ein, wenn der Betroffene im Aufstellungsverfahren seine Mitwirkung ausdrücklich verweigert.548 Das ist z. B. der Fall, wenn ein Eigentümer auf seinem Grundstück keine Lärmmessungen zuläßt. Eine Planung leidet nicht an einem Abwägungsfehler, wenn private Belange nicht berücksichtigt worden sind, die der Betroffene - obwohl ihm möglich - nicht vorgetragen hat und diese Belange sich dem Plangeber auch nicht aufdrängen mußten.549 3. Kausalität des Rechtsfehlers Es gelten - vorbehaltlich der gesetzliche Regelungen zur "Plane:haltung" die allgemeinen Grundsätze: Der erforderliche Kausalzusammenhang ist nur gegeben, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Mög545 BVerwG, Beschl. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993,572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31 - Ost zwischen Freiburg und Kirchzarten. 546 BVerwG, Beschl. vom 19.3.1998 - 11 VR 10.97 - juris unter Bezug auf BVerwGE 100,370 (382) = NVwZ 1996, 1016 = DVBI 1996,907. 547 BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 11 A 65.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 27 = UPR 1997,470 = unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 13.9.1985 - 4 C 64.80 - Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 11. 548 BVerwG, Beschl. vom 5.10.1990 - 4 CB 1.90 - NVwZ-RR 1991, 129 = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10. 549 BVerwG, Urt. vom 13.9.1985 - 4 C 64.80 - Buchholz 407.4 § 18 FStrG Nr. 11 = NVwZ 1986, 740.
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lichkeit besteht, daß die Planfeststellungsbehörde ohne den Verfahrensfehler anders entschieden hätte (vgl. § 46 VwVfG).550 Auch ein Mangel in der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials fUhrt gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO nur zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn dieser Mangel filr die planerische Entscheidung ursächlich sein konnte. Das Gericht· hat aus diesem Grunde zu prüfen, ob nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, daß die angegriffene Entscheidung ohne diesen Mangel and~rs ausgefallen wäre.SS1 Beschränkt sich die Klage gegen eine straßenrechtliche Planfeststellung auf die ganz allgemeine Annahme, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß sich die Planfeststellungsbehörde bei gebotener Anwendung der UVP-RL filr eine andere Trasse entschieden hätte, so kann mit dieser lediglich allgemeinen Betrachtungsweise der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Verfahrensfehler und Entscheidungsergebnis nicht dargelegt werden. Die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung käme hier vielmehr nur dann in Betracht, "wenn sich auf Grund erkennbarer und naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet", daß bei Durchfilhrung einer UVP die Trassenwahl anders ausgefallen wäre. SS2 Das gilt auch dann, wenn zum Schutz der Anwohner zusätzliche, das Interessengeflecht der Planung berührende Auflagen erforderlich werden. SS3 In aller Regel ist dies der Fall, wenn eine im Planfeststellungsbeschluß unerörtert gebliebene Planungsaltemative aus fachlichen Gründen substantiell zu beurteilen war. SS4 Fehlt eine "zusammenfassende Darstellung" im Sinne des § 11 UVPG und wird die gegen einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß gerichtete Klage hierauf gestützt, so kann sie nur Erfolg haben, wenn die sachliche planerische Entscheidung in rechtserheblicher Weise davon be-
550 BVerwG, Besehl. vom 24.6.1993 - 4 B 114.93 - VkBl 1995,210; BVerwG, Urt. vom 20.5.1998 - 11 C 3.97 - Buehholz 406.25 § 41 BlmSehG Nr. 18 = NVwZ 1999, 67 = UPR 1998, 449 unter Bezug auf BVerwG, Besehl. vom 30.8.1995 - 4 B 185.95 Buehholz 451.90 Europ Wirtsehaftsreeht Nr. 141 = NVwZ-RR 1996, 253 = DVBI 1996, 49. 551 BVerwG, Besehl. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993,572 = DVB11992, 1435 - Neubau B 31 - Ost zwischen Freiburg und Kirehzarten. 552 BVerwG, Besehl. vom 22.6.1993 - 4 B 257.92 - juris unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. vom 30.5.1984 - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 (269 f.) = NVwZ 1984, 718 = DVB11984, 1075. 553 BVerwG, Besehl. vom 3.4.1990 - 4 B 50.89 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 86 = NVwZ-RR 1990,454. 554 BVerwG, Besehl. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435 - Neubau B 31 - Ost zwischen Freiburg und Kirehzarten.
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einflußt sein kann, daß anstelle der Einzelerörterungen eine "zusammenfassende" Darstellung unterblieben ist. 5SS Der durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses betroffene Grundstückseigentümer kann sich auf die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs dann nicht berufen, wenn auch die Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks filhren würde. ss6 Der durch die Planfeststellung einer Straße enteignend betroffene Eigentümer eines Grundstücks kann die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht aus Gründen verlangen, die nur zu einer teilweisen, durch Planergänzung behebbaren Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses filhren könnten und filr die enteignende Inanspruchnahme seines Grundstücks nicht kausal sind. SS7 Der Eigentümer eines Grundstücks, das von einer Straßenplanfeststellung in Anspruch genommen wird, kann nicht die Aufhebung der Planfeststellung wegen einer geringeren Dimensionierung des Ausbaus (dreispurig) als im Fernstraßenausbaugesetz vorgesehen (vierspurig) verlangen, wenn der Minderausbau zu einer geringeren Grundstücksinanspruchnahme filhrt als ein Ausbau entsprechend dem FStrAbG. SS8 Der Eigentümer, der die Planfeststellung eines Abschnitts einer Bundesfernstraße mit der Begründung anficht, sein Grundstück werde bei einer Fortfilhrung der Straße im nachfolgenden Abschnitt zwangsläutig in Anspruch genommen, kann nur solche Rechtsfehler geltend machen, die rur die Setzung des Zwangspunkts kausal sind. ss9 Auch ein Verstoß gegen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung filhrt auf die Klage eines durch die enteignende Vorwirkung der straßenrechtlichen Planfeststellung betroffenen Grundstückseigentümers nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn der Verstoß kausal rur die Eigentumsinanspruchnahme ist. S60
555 Besch\. vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 13 = NVwZ 1993,565. 556 BVerwG, Urt. vom 28.2.1996 - 4 A 27.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 110 = NVwZ 1996, 1011. 557 BVerwG, Beseh\. vom 10.7.1995 - 4 B 94.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 103 = NVwZ-RR 1996,188. 558 BVerwG, Urt. vom 2.2.1996 - 4 A 42.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 108 = UPR 1996, 235 = NVwZ 1996,905. 559 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 1.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVB11996, 915 =NVwZ 1997,493. 560 BVerwG, Urt. vom 21.3 .1996 - 4 C 1.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 115 = DVBI 1996,915 = NVwZ 1997,493; Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 = NVwZ 1996, 1016 = DVBI 1996, 907; vg\. aueh BVerwG, Beseh\. vom 10.7.1995 - 4 B 94.95 - Buehholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 103 = NVwZ-RR 1996, 188 = NuR 1996,287.
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4. Beweiserhebung
Hat die Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren Ermittlungen unterlassen, die sich ihr hätten aufdrängen müssen, so braucht das Tatsachengericht den Sachverhalt insoweit nur von Amts wegen zu erforschen, wenn sich ihm eine Ermittlung aufdrängen muß; das ist in aller Regel nur der Fall, wenn dazu aufgrund der entstandenen Prozeßlage Anlaß besteht. s61 Die Aufgabe des Tatsachengerichts hat sich in Verfahren gegen einen Planfeststellungsbeschluß in tatsächlicher Hinsicht darauf zu beziehen, ob die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Abwägung von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist oder ob sich der Planfeststellungsbehörde eine andere Abwägung aufgrund von ihr nicht ermittelter tatsächlicher Umstände hätte aufdrängen müssen.562 Ein Gericht ist dabei nicht gehindert, dem Ergebnis einer fachbehördlichen Begutachtung zu folgen oder es auch anders zu würdigen. Mit der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte bei behördlichen Prognoseentscheidungen ist es unvereinbar, wenn ein Verwaltungsgericht auf der Grundlage einer "Aktualisierung" der tatsächlichen Vorgaben eine eigene Prognose entwickelt. 563 Auch bei nachträglichen Veränderungen der Prognosedaten ist es nicht Aufgabe des Gerichts, den prognostizierten Verkehrsbedarf selbst einer erneuten Beurteilung in Form einer Kosten-Nutzen-Analyse zu unterziehen. s64 Die Verwertung eines (behördlichen) Sachverständigengutachtens ist unzulässig, wenn das Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend ist, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn der Sachverständige erkennbar nicht über die notwendige Sachkunde verfUgt oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen, wenn sich durch neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag der Beteiligten oder durch eigene Ermittlungstätigkeit des Gerichts die Bedeutung der vom Sachverständigen zu klärenden Fragen verändert, wenn ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegene Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfUgt oder wenn das Beweisergebnis durch substanti-
561 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 9.3.1993 - 4 B 190.92 - Buchholz 316 § 74 VwVG NT. 23 = NVwZ-RR 1993,330. 562 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 5.10.1990 - 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG NT. 6 = NVwZ-RR 1991, 118. S63 BVerwG, Urt. vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 - BVerwGE 87, 332 = NVwZ-RR 1991,601 = DVB11991, 1143. S64 BVerwG, Urt. vom 5.11.1997 -11 A 54.96 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 34 = UPR 1998, 149 unter Bezug auf BVerwG, Urt. vom 18.6.1997 - 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG NT. 131 = NVwZ-RR 1998,292.
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ierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. 565 5. Fachplanerische Kausalitätsregelungen - Planerhaltung
Die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses kommt auf der Grundlage der neueren Gesetzgebung praktisch nur als ultima ratio in Betracht, wenn Gefahren fllr subjektive Rechtspositionen Dritter auf andere Weise nicht begegnet werden kann. Der Gesetzgeber verfolgt den sog. Grundsatz der Planerhaltung (§ 17 Abs. 6 c FStrG). a) Erheblichkeitsprüfung
Mängel "bei der Abwägung" der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind (§ 17 Abs. 6 c Satz 1 FStrG). Für die Beurteilung, ob im Sinne des § 17 Abs. 6 c S. 1 FStrG Mängel bei der Abwägung "offensichtlich" und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind, sind keine anderen Maßstäbe anzuwenden, als sie in der Rechtsprechung des 4. Senats des BVerwG zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB angewandt werden. 566 Einen Schutz des Vertrauens dahin, daß sich ein "öffentlicher" Kläger in vorangegangenen Verfahrensabschnitten habe darauf verlassen können, noch im gerichtlichen Verfahren Fehler geltend zu machen, die nicht "offensichtlich" sind, gibt es nicht. 567 Der 4. Senat des BVerwG hat § 17 Abs. 6 c S. 1 FStrG gewiß aus pragmatischen Gründen auf Mängel bei der Festsetzung naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen erstreckt. 568
565 BVerwG, Besch!. vom 26.6.1992 - 4 B 1-11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = NVwZ 1993, 572 = DVBI 1992, 1435 zum gerichtlichen Sachverständigenbeweis. 566 BVerwG, Besch!. vom 16.8.1995 - 4 B 92.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 104 = NVwZ-RR 1996,68 unter Bezug auf BVerwG, Besch!. vom 20.1.1992 - 4 B 71.90 - Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 5 = NVwZ 1992, 663 ; Besch!. vom 29.1.1992 - 4 NB 22.90- Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr. 6 = NVwZ 1992,662; Besch!. vom 20.1.1995 - 4 NB 43.93 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 76. 567 BVerwG, Besch!. vom 11.4.1995 - 4 B 61.95 - Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 8 = NVwZ-RR 1997,212. 568 BVerwG, Urt. vom 26.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 200 I, 673 = DVBI 2001 , 386.
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b) Planergänzung und ergänzendes Verfahren
Eine Planergänzung nach § 17 Abs. 6 c S. 2 FStrG kann in Betracht kommen, um einen wegen Verstoßes gegen § 8 BNatSchG fehlerhaften Planfeststellungsbeschluß, ergänzt um die erforderlichen Festsetzungen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft, ergänzend zu beschließen. s69 Erfolgt z. B. die naturschutzfachliche Bewertung planungsbetroffener Grundstücke nach einer mit den Naturschutzfachbehörden im einzeinen abgestimmten Wertigkeitsskala, so kann ein Fehler bei der Einstufung nur dann zur Planaufhebung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses fUhren, wenn seine Vermeidung im Planfeststellungsverfahren nicht lediglich zu einer Veränderung der Kompensationsflächenberechnung geftlhrt hätte. s7o Das gilt auch ganz allgemein fiir Schutzauflagen. Eine Verletzung des Beteiligungsrechts eines anerkannten Naturschutzverbandes aus § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG fUhrt gemäß § 17 Abs. 6 c S. 2 FStrG nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil ein solcher Fehler in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann. m Schwieriger ist die Frage zu sehen, ob bei einem Verstoß gegen das Habitatschutzrecht der VRL und der FFH·RL eine Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren in Betracht kommt. Das Gesetz knüpft auch hier wiederum an den Fall des "Mangels bei der Abwägung" an. Bei einer wörtlichen Auslegung käme ein ergänzendes Verfahren nicht in Betracht, da die Beachtung des Habitatschutzrechtes abwägungsfeindlich ist. Das dürfte aber dem Ziel des Gesetzes wenig entsprechen. Genügt die Abwägung nicht den Anforderungen des § 8 Abs. 3 BNatSchG, so kommt im Straßenplanungsrecht ein ergänzendes Verfahren im Sinne des § 17 Abs. 6 c S. 2 FStrG in Betracht, wenn der Mangel nicht von solcher Art und Schwere ist, daß die Planung als Ganzes von vornherein in Frage gestellt erscheint. sn
569 Vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.5.2000 - 4 BN 17.00 - RdL 2000, 194 betr. Bebauungsplan; ähnl. im Anschluß an BVerwG, Urt. vom 8.10.1998 - 4 CN 7.97 - DVBI 1999,243; Urt. vom 16.12.1999 - 4 CN 7.98 - BVerwGE 1l0, 193 = DVB12000, 804 = NVwZ 2000, 815. 570 BVerwG, Urt. vom 27.8.1997 - II A 61.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 30 = NuR 1998, 138. 571 BVerwG, Urt. vom 12.12.1996 - 4 C 19.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr.12. m BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - Buchholz 406.401 § 8 BNatSchG Nr. 29 = NVwZ 2001,673 = DVB12001, 386.
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6. Entscheidungsformel Die begründete Anfechtungsklage fUhrt - außer in Fällen der Planergänzung oder eines ergänzenden Verfahrens - zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Das BVerwG hat bislang nicht entschieden, ob sich die Rechtskraft dieser Entscheidung nur auf den jeweiligen Kläger bezieht. m Ein im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Streitverfahrens geänderter Planfeststellungsbeschluß darf nicht allein wegen eines der Änderung anhaftenden Rechtsfehlers insgesamt aufgehoben werden, wenn nach dem Willen der Planfeststellungsbehörde ftir diesen Fall der Planfeststellungsbeschluß in seiner ursprünglichen Fassung fortgelten soll. 574 Dem Gericht ist in Fällen der Planergänzung oder eines ergänzenden Verfahrens eine (kassatorische) Planaufhebung untersagt (§ 17 Abs. 6 c S. 2 FStrG). Das Gesetz sagt indes nichts darüber aus, welche Rechtsfolge das Gericht statt dessen auszusprechen hat. Diese Regelungslücke hat das BVerwG inzwischen geschlossen: Darf ein Planfeststellungsbeschluß nicht aufgehoben werden, weil erhebliche Mängel der Abwägung durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können, so hat das Gericht statt der beantragten Aufhebung die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses und dessen NichtvoIIziehbarkeit festzustellen. S7S
IV. Vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 VwGO Die Anfechtungsklage hat kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zudem befristet. Soweit der Träger des Vorhabens trotz Anhängigkeit eines entsprechenden Klageverfahrens unter Ausnutzung der Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses das Vorhaben ins Werk setzt und ihm deshalb infolge einer der Klage danach stattgebenden Entscheidung nutzlose Aufwendungen entstehen, handelt er - wirtschaftlich gesehen - auf eigenes Risiko. Auch bei dem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug muß ein konkretes Sofortvollzugsinteresse bestehen. Die Planfeststellungsbehörde hat dieses Interesse im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO konkretisierend zu be573 So Steinberg ! Berg! Wickel, Fachplanung, 3. Autl 2000, S. 467 Rn. 467 unter Hinweisauf§ 121 VwGO. 574 BVerwG, Urt. vom 21.2.1992 - 7 C 11.91 - BVerwGE 90, 42 = NVwZ 1993, 366 = DVB11992, 713. 575 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 19.94 - BVerwGE 100,370 = NVwZ 1996, 1016 = DVB11996, 907 zu § 17 Abs. 6 c S. 2 FStrG.
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gründen. 576 Kann sie dies nicht, ist dem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben. Die Interessenabwägung entfällt auch dann nicht, wenn das Vorhaben durch das FStrAbG als "vordringlicher Bedarf" ausgewiesen wurde. 577 Ratsam wäre übrigens, wenn die Planfeststellungsbehörde in ihrem Pl~feststellungsbescliluß bereits überlegt, ob ein sofortiger Vollzug überhaupt erforderlich ist. Verneint sie dies, sollte sie den Sofortvollzug selbst aussetzen.
576 BVerwG, Besehl. vom 21.7.1994 - 4 VR 1.94 - BVerwGE 96,239 (241 f.) = DVBI 1994, 1197 = NVwZ 1995,383 zu § 17 Abs. 6 a FStrG, bestätigt durch BVerwG, Besehl. vom 4.7.1995 - 4 VR 9.95 - n.v., berichtet bei W Vallendar, UPR 1996, 121 (126); vgl. auch J Berkemann, DVBI 1998, 446 (449). m BVerwG, Besehl. vom 27.8.1996 - 11 VR 10.96 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 14 = NVwZ-RR 1997, 208 (209 f.).
Ansprüche auf Planfeststellungsverfahren Von Peter Schütz Inhaltsverzeichnis I.
Einleitung ...................... ....................... ................................................................. 285
11.
Vorhabenträger .... ......................................................... ........................................ 1. Typologie der Vorhabenträger ........................................................................ 2. Anspruch auf Durchfilhrung eines Planfeststellungsverfahrens ..................... 3. Anspruch auf Durchfilhrung eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens in einem anderen Fachplanungsbereich ...... ................................... .................
286 287 287 291
111. Drittbetroffene ...... ........................... ............................ .............................. ........... 293 1. Kein Anspruch auf Durchfilhrung planfeststellungsbedürftiger Vorhaben .... 293 2. Anspruch auf Wahl des richtigen Verfahrens ............................ .... ........... .. .... 293 a) Bewertung der Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht .......................................................................... 295 b) Kompensatorische Funktion des Verwaltungsverfahrens .......... ................ 297 3. Rechtsschutzmöglichkeiten des Drittbetroffenen ................................ .. ......... 299 a) Vorhabenverwirklichung ohne Durchfilhrung eines Verfahrens ...... .. ....... 299 b) Durchfilhrung eines Plangenehmigungsverfahrens oder Absehen von Planfeststellung und Plangenehmigung ....................... ................... ........... 300 c) Anspruch auf Folgenbeseitigung oder Anordnung von Schutzauflagen? .. 300 IV. Verbände ................................................................................................... ........... 302 1. Beteiligungsrecht nach § 29 BNatSchG .................... ...................................... 302 2. Landesrechtliche Verbandsklage ................ .................................................... 305 Fazit ...................... .... ................ ..... .. ....... .............. ............... ..... ...... ............ .......... 306
V.
I. Einleitung Nach deutscher Verwaltungsrechtstradition sind Verfahrensvorschriften keine subjektivrechtlichen Selbstläufer ' . Der Rechtsschutz zielt auf die Verteidi-
I
Vgl. Breuer, in: FS filr Sendler, 1991, S. 357 (387).
286
Peter Schütz
gung materieller Freiheit. Mit den Kriterien der Schutznonntheorie2 werden Vorschriften auf ihren materiellen Schutzgehalt zu Gunsten des einzelnen hin befragt. Nur wenn ein solcher nachweisbar ist, verleiht die Vorschrift dem einzelnen Rechtsrnacht zur Durchsetzung des in der Vorschrift geschützten materiellen Interesses 3• Fragt man demgegenüber nach "Ansprüchen auf Planfeststellungsverfahren", so ist die Frage nach dem subjektivrechtlichen Selbstzweck des Verwaltungsverfahrens notwendig aufgeworfen. Dieser Frage soll im folgenden aus drei verschiedenen Perspektiven nachgegangen werden, nämlich I. der Perspektive des Vorhabenträgers (unten H.), 2. der Perspektive des Drittbetroffenen (unten III.) und 3. der Perspektive eines Naturschutzverbandes im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr.4 BNatSchG (unten IV.). Dabei wird sich zeigen, daß gerade nicht ein vom materiellen Recht abgekoppelter Selbstzweck des Verfahrensrechts in Rede steht, der Grund filr "Ansprüche auf Planfeststellungsverfahren" vielmehr stets im materiellen Recht selbst und seiner Angewiesenheit auf das Verfahrensrecht zu suchen ist. Es geht mithin um den Eigenwert des Verfahrensrechts filr die auch subjektivrechtliche Verwirklichung des Verwaltungsrechts. Insoweit mag der nachfolgende Beitrag zu den Strömungen des Zeitgeistes 4 ein wenig quer stehen.
11. Vorhabenträger Die Frage nach den Ansprüchen des Vorhabenträgers auf DurchfUhrung eines Planfeststellungsverfahrens stellt sich einmal dann, wenn die Planfeststellungsbehörde ein Planfeststellungsverfahren nicht durchfUhrt, sondern stattdessen einen Planverzicht wegen unwesentlicher Bedeutung des Vorhabens ausspricht. Relevant ist ferner die Konstellation, daß die Planfeststellungsbehörde statt des beantragten Planfeststellungsverfahrens ein Plangenehmigungsverfahren durchfilhrt.
2 Zur Schutmonntheorie Wahl/Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdnr. 45 ff. 3 Vgl. hier nur Wahl, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietmer, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 Rdnr. 46 ff. m.w.N. 4 Zum Zeitgeist im Planungsrecht Berkemann, in: FS rur Schlichter, 1995, S.27 (29).
Anspruche auf Planfeststellungsverfahren
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1. Typologie der Vorhabenträger Dabei ist von vornherein zwischen öffentlich-rechtlich konstituierten Vorhabenträgern - regelmäßig im Recht der straßenrechtlichen Planfeststellung und privaten Vorhabenträgern zu unterscheiden. Subjektiv-öffentliche Rechte gegenüber den staatlichen Behörden können nur privaten Vorhabenträgern zustehen. Im staatlichen Binnenbereich existieren solche Rechte, die der Vorhabenträger vor den Verwaltungsgerichten geltend machen könnte, nichtS. Etwas anderes gilt dann, wenn es sich beim Vorhabenträger etwa um eine kommunale Gebietskörperschaft oder um einen Zweckverband handelt. Insoweit sind klagbare Rechtspositionen im organschaftlichen Rechtskreis 6 denkbar'. 2. Anspruch auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens Was die - im folgenden näher zu betrachtenden - privaten Vorhabenträger angeht - also z. B. das Eisenbahninfrastrukturunternehmen (§ 2 Abs. 1 und Abs. 3 AEG) oder den Ausbauunternehmer nach § 31 WHG -, so steht in den geschilderten Fallkonstellationen ein Anspruch auf Einleitung und Durchfilhrung seines Planfeststellungsverfahrens inmitten. Dieser hängt davon ab, welche materielle Rechtsstellung der Vorhabenträger im Planfeststellungsverfahren innehat. Dabei ist zunächst festzuhalten, daß es sich bei Entscheidungen im Planfeststellungsverfahren um abwägungsdirigierte Entscheidungen handelt, weil diese stets ein raumplanerisches Element enthalten. Sieht das Gesetz jedoch das Antragsrecht privater Vorhabenträger vor, so gewinnt die fachplanerische Entscheidung notwendig auch den Charakter einer Unternehmergenehmigung. Diese unterscheidet sich von der klassischen Unternehmergenehmigung, wie wir sie im Immissionsschutzrecht finden, dadurch, daß sie nicht auf der Grundlage einer gebundenen Entscheidung ergeht, mithin auch kein strikter Zulassungsanspruch filr den Fall besteht, daß die Voraussetzungen bestimmter konditional programmierter Genehmigungstatbestände vorliegen. Das raumplanerische Element der Planfeststellung bedingt eine vom Abwägungsgebot gesteuerte, in planerischer Gestaltungsfreiheit ergehende Zweckentscheidung der Planfeststellungsbehörde. Die unternehmerische Freiheit des privaten Vorhabenträgers kann sich daher auch nur im Modus dieser Abwägungsentscheidung verwirklichen. Er hat Anspruch auf eine - wie häufig unpräzise gesagt wird - er5 Vgl. Dürr, in: Kodal / Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 35 Rdnr. 27.2; Küh/ing / Herrmann, Fachplanungsrecht, 2. Aufl. 2000, Rdnr. 691. 6 Vgl. hier nur Wahl (0. Fußn. 3), Vorb § 42 Abs. 2 Rdnr. 118 ff. 7 Kühling / Herrmann (0. Fußn. 5), Rdnr. 691 a.E.
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Peter Schütz
messensfehlerfreie, genauer: abwägungsfehlerfreie Entscheidung der Planfeststellungsbehördel . Der Zulassungsanspruch des privaten Unternehmers begegnet daher nur in der Gestalt des Anspruchs auf fehlerfreie Betätigung der planerischen Gestaltungsfreiheit. Der Vorhabenträger hat Anspruch darauf, daß sein Vorhaben Zugelassen wird, wenn diesem weder zwingend zu beachtende Rechtsvorschriften noch im Hinblick auf das Abwägungsgebot rechtliche Hindernisse entgegenstehen9 . Der Zulassungsanspruch des privaten Vorhabenträgers ist mithin ein Anspruch auf Verwirklichung einer unternehmerischen Entscheidung, freilich in planifizierter Form. Es ließe sich nun erwägen, ob dieser materiellrechtliche Anspruch nicht immer schon dann erfilllt ist, wenn die Planfeststellungsbehörde das Vorhaben überhaupt zuläßt. Es stellt sich daher die Frage, ob der private Vorhabenträger auch einen Anspruch auf die Zulassung des Vorhabens in einer bestimmten Form haben kann. Als Beispiel soll der Fall betrachtet werden, daß die Planfeststellungsbehörde, statt den beantragten Planfeststellungsbeschluß zu erlassen, entscheidet, daß Planfeststellung und Plangenehmigung wegen der unwesentlichen Bedeutung des Vorhabens entfallen können (vgl. z. B. § 18 Abs. 3 AEG; ferner §§ 74 Abs. 7 VwVfG, 17 Abs. 2 FStrG). Läge in einer solchen Verzichtsentscheidung der Planfeststellungsbehörde keine Zulassung des Vorhabens lO , so wäre durch die rechtswidrige Verzichtsentscheidung bereits der materielle Zulassungsanspruch des Vorhabenträgers verletzt. Die Auffassung, daß es sich um eine bloße Freistellungsentscheidung handele, die gleichsam deklaratorisch das kraft Gesetzes eintretende Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung ausspricht, trifft indes nicht ZUIl. Dies würde nämlich bedeuten, daß der Gesetzgeber bei den in den Verzichtstatbeständen normierten Fällen auf eine staatliche Präventivkontrolle von InfraVgl. zum Ganzen BVerwGE 97, 143 (147 ff.). BVerwGE 97, 143 (149); VGH Bad.-Württ., NVwZ 2001, 101 (102); Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 74 Rdnr. 31; Dürr (0. Fußn. 5), Kap. 35 Rdnr. 27.2; Kopp / Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 73 Rdnr. 12; Kühling / Herrmann (0. Fußn. 5), Rdnr. 690; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2000, § 1 Rdnr.l1. 10 So z. B. Ronellenfitsch, DVBI. 1994, 441 (447); Schmitz / Wessendorf, NVwZ 1996, 955 (960); Jarass, DVBI. 1997, 795 (796); Wahl/Dreier, NVwZ 1999, 606 (608). 11 So auch Timmermans, VBIBW 1998,285 (290 f.); Kopp/ Ramsauer (0. Fußn. 9), § 74 Rdnr. 179; Dürr, in: Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 74 Rdnr. 174; Steinberg / Berg / Wickel (0. Fußn. 9), § 5 Rdnr. 52; Bender / Sparwasser / Engel, Umweltrecht, 4. Aufl. 2000, Kap. 3 Rdnr. 89; vgl. ferner bereits BVerwGE 64,325 (330); offen lassend VGH Bad.-Württ., NVwZ 2001, 101 (103). Die Zulassungsfunktion einer Entscheidung zu unwesentlichen Planänderungen nach Art. 76 Abs. 2 BayVwVfG bejahend Bayerischer VGH, UPR 1999, 280 (LS). 8 9
AnsprUche auf Planfeststellungsverfahren
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strukturvorhaben verzichten wollte. Hierfiir ist nichts ersichtlich. In § 29 Abs. I Satz 2 PBefG ist sogar ausdrücklich geregelt, daß die Planfeststellungsbehörde den Plan feststellt, die Plangenehmigung erläßt oder die Entscheidung nach § 28 Abs. 2 PBefG trifft. Der Gesetzgeber geht hier also ausdrücklich von einer zu treffenden Entscheidung aus, obwohl § 28 Abs. 2 PBefG nur bestimmt, daß Planfeststellung und Plangenehmigung unter bestimmten Voraussetzungen entfallen. Gleiches gilt im Eisenbahnrecht: § 18 Abs. 3 AEG spricht ebenfalls nur vom "Entfallen" von Planfeststellung und Plangenehmigung; § 3 Abs. 3 S. 2 EVerkVerwG bestimmt jedoch, daß das Eisenbahn-Bundesamt auch die "Entscheidung nach § 18 Abs. 3 AEG" trifft. Hat aber auch die Verzichtsentscheidung Zulassungsfunktion, läßt sich in dem hier interessierenden Fall die Frage formulieren, ob der Vorhabenträger einen Anspruch auf die verfahrensrechtlich qualifizierte Form der Zulassung hat. Denn klar ist, daß die in der Verzichtsentscheidung liegende Zulassung nicht mit den verfahrensrechtlichen Vorzügen von Planfeststellung und Plangenehmigung (Konzentrationswirkung, Duldungswirkung etc.) ausgestattet sein kann. Im Hinblick auf Widerstände gegen ein Vorhaben wird es dem Vorhabenträger aber regelmäßig auf diese Rechtswirkungen ankommen 12. Diese verfahrensrechtlichen Rechtswirkungen stehen mithin im Mittelpunkt des Rechtsschutzinteresses des Vorhabenträgers. Der VGH Baden-WUrttemberg geht in seiner Entscheidung vom 13.4.2000 davon aus, daß ein rechtswidriges Absehen von Plan feststellung und Plangenehmigung geeignet sei, den materiellen Anspruch des Vorhabenträgers auf fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens zu verletzen 13 • In diesem Verständnis ist der planifizierte materiell-rechtliche Zulassungsanspruch des Vorhabenträgers durch verfahrensrechtliche Schutzaspekte angereichert. Es geht im Hinblick auf die verfahrensrechtlichen Rechtswirkungen von Planfeststellung und Plangenehmigung nicht nur um die Zulassung des Vorhabens überhaupt, sondern um die verfahrensrichtige Zulassung, die der Vorhabenträger einfordern kann. Der Auffassung des VGH Baden-Württemberg ist zuzustimmen. Ein derartiger Anspruch auf Durchfiihrung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens läßt sich aus der Erwägung rechtfertigen, daß sich der materielle Anspruch nur im Modus des Verwaltungsverfahrens verwirklicht 14. Die auf der Grundlage der planerischen Abwägung ergehende Zulassungsentscheidung der Planfeststellungsbehörde ist materiell-rechtlich in ihrem Bestand unsicher, weil die Abwägungsentscheidung nach den Kriterien der AbwägungsSo auch in dem Fall VGH Bad.-WUrtt., NVwZ 2001, 101 (103). VGH Bad.-WUrtt., NVwZ 2001, 101 (103); die auch nachteiligen Wirkungen des Absehens von der Planfeststellung fllr den Vorhabenträger hat bereits BVerwG, NJW 1977,2367 erkannt. 14 Vgl. Wahl, VVDStRL41 (1983), 151 (153 fI). 12 13
19 Ziekow
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Peter SchUtz
fehlerlehre vielfach angreifbar ist. In ihr sind vielgestaltige öffentliche und private Belange verschmolzen, die gegen den vorgenommenen Ausgleich wieder in Anschlag gebracht werden können. Die Konzentrations-, Gestaltungs- und Duldungswirkungen von Planfeststellung und Plangenehmigung kompensieren diese materiell-rechtliche Ungewissheit auch im Interesse des Vorhabenträgers, indem sie die Auseinandersetzung um die zu leistende Konfliktbewältigung auf ein Verwaltungsverfahren konzentrieren und das Ergebnis dieses Verfahrens durch eine umfassende öffentlich-rechtliche Regelungswirkung sowie eine Abschottungswirkung gegen AnsprUche Dritter sichern. Der Vorhabenträger hat auf diese Rechtswirkungen einen Anspruch, nicht um ihrer selbst Willen, sondern zur Verwirklichung seines materiell-rechtlichen Zulassungsanspruches. Es ist daher der materiell-rechtliche Zulassungsanspruch des Vorhabenträgers, der einen Anspruch auch auf Einleitung und Durchftlhrung eines Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahrens vermittelt. In prozessualer Hinsicht ist anzumerken, daß es sich bei der Entscheidung über den Planverzicht nach hier vertretener Auffassung um einen Verwaltungsakt handelt 1S , so daß der Vorhabellträger sich nicht auf einen Verpflichtungsbzw. Bescheidungsantrag auf Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses bzw. einer Plangenehmigung beschränken kann, sondern zugleich die Aufhebung der Verzichtsentscheidung beantragen muß l6 . Eine isolierte Anfechtungsklage gegen die Verzichtsentscheidung dürfte demgegenüber nicht in Betracht kommen 17 • Der VGH Baden-Württemberg hat offen gelassen, ob die Zulässigkeit einer Klage des Vorhabenträgers die Durchführung eines Vorverfahrens voraussetzt, oder ob dieses nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 70 Vwvro bzw. i.V.m. § 18 Abs. 1 Satz 4 AEG entbehrlich war. Es spricht jedoch alles daftlr, auch in der geschilderten Fallkonstellation dem Vorhabenträger unmittelbar den Weg zu den Verwaltungsgerichten zu eröffnen.
IS BVerwGE 64, 325 (329 f.); VGH Bad.-Württ., NVwZ 1997, 594; VGH Bad.WUrtt., NVwZ 2001, 101 (102). 16 So auch VGH Bad.-WUrtt., NVwZ 2001, 1001 (102). 17 Vgl. hierzu allgemein Pietzcker, in: Schoch I Schmidt-Aßmann I Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 Rdnr. 107 ff.
Ansprüche auf Planfeststellungsverfahren
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3. Anspruch auf Durchführung eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens in einem anderen Fachplanungsbereich Bisher war nur von dem Anspruch des Vorhabenträgers auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens im "eigenen" Fachplanungsbereich die Rede. Gesonderter Betrachtung bedarf die Frage, ob ein Vorhabenträger auch die Durchführung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens in einem "fremden" Fachplanungsbereich beanspruchen kann. Dies wird in der folgenden Konstellation relevant: Bekanntlich interpretiert das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der notwendigen Folgemaßnahme nach § 75 Abs. 1 VwVfG sehr restriktiv. Ist also beispielsweise bei der Herstellung einer Eisenbahnneubaustrecke die Verlegung einer Straße erforderlich, so ist die Kompetenz des Eisenbahn-Bundesamts, die Veränderung dieser Straße im eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren mitzuerledigen, auf Fälle der notwendigen Anpassung beschränkt. Der Planfeststellungsbehörde wächst keine umfassende Kompetenz zur möglicherweise notwendigen Problembewältigung zu. Das Gesetz will nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem anderen Planungsträger vielmehr seine originäre Planungskompetenz bewahren. Maßnahmen, die ein eigenerderun.g festgestellt werden kann, wenn diese filr die Verwirklichung des Vorhabens ausschlaggebend ist80 • Aus diesem Grund darf der Untersuchungsbereich nicht zu eng gefaßt werden. Als Faustformel dient, daß die Grundstücke im Planungsbereich liegen müssen.
VII. Verhältnismäßigkeit Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sind die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit der Vorarbeiten vor dem Hintergrund ihres Zweckes zu untersuchen. Vorarbeiten sind demnach geeignet, wenn der mit der Durchfilhrung der Vorarbeiten verfolgte Zweck erreicht werden kann, also die Arbeiten der Zusammenstellung der Antragsunterlagen und des Abwägungsmaterials dienen. Daran fehlt es naturgemäß, wenn bereits endgültig feststeht, daß die betreffenden Grundstücke filr die Errichtung einer Anlage nicht (mehr) benötigt werden oder wenn die Standorteignung bereits aufgrund anderer Erkenntnisse hinrei-
78 Art. 7 EG Bayern; § 6 LEntG BW; § 9 HEG; § 9 NEG; § 6 EntG Sachsen-Anhalt; § 8 LEnteigG Rheinland-Pfalz; § 36 Thür EG. 79 BayVGH, Beschl. vom 19.5.1993 - 30 es 93.1426 u. a. -, BayVBI. 1994,502; zur Problematik des Art. 7 Bay EG ausfilhrlich Decker, BayVBI. 1994,481 tr. 80 BayVGH, Beschl. vom 19.5.1993 -20 es 93.1426 u. a. -, BayVBI. 1994,502.
Vorbereitende Maßnahmen vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens
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chend sicher beurteilt werden kann 8l bzw. Standortalternativen schon von vornherein ausscheiden. Zudem wird in diesem Punkt die schon angesprochene Abgrenzung zu den das Projekt ausftlhrenden Maßnahmen relevant. Diese haben es gerade nicht zum Ziel, die Geeignetheit des Geländes im Rahmen der Vorbereitung eines Projektes festzustellen, sondern dienen schon der BauausfUhrung. Sie sind von daher schon ungeeignet. Der mit der DurchfUhrung der Vorarbeiten verfolgte Zweck der Feststellung der Eignung des Geländes darf weiterhin nicht auf andere Art und Weise ermittelbar sein, so daß ein Eingriff nur "erforderlich" ist, wenn das Ziel nur auf diesem Wege erreichbar ist. An der Erforderlichkeit würde es demnach fehlen, wenn eine Vermessung auch ohne das Betreten des Grundstücks möglich wäre 82 • Ebenso würde es an der Erforderlichkeit fehlen, wenn eine Vermessung anband von Luftbildern oder anband detaillierter Karten ausreichend wäre. Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Planungsstadium und die Prüfungsdichte. So bedarf es im Rahmen eines aufzustellenden Abfallwirtschaftsplans 83 , der Linienbestimmung bzw. des Raumordnungsverfahrens einer anderen PrUfungsintensität als rur den konkreten Planungsentwurf. Jede Planungsphase hat einen eigenen Planungsauftrag bzw. eine eigene Planungsaufgabe. Dementsprechend ist es im Rahmen des Raumordnungsverfahrens noch nicht erforderlich, detaillierte Vermessungen oder andere Untersuchungen, die nicht von entsprechend grundsätzlicher Bedeutung sind, vorzunehmen. Anders liegt der Fall bei Ermittlungen filr das konkrete Planfeststellungsverfahren, wenn der Standort schon feststeht. Hier kann es notwenig werden, entsprechend den örtlichen Gegebenheiten Vermessungen auch vor Ort durchzuftlhren und entsprechende Boden- und Grundwasseruntersuchungen zu nehmen. Von daher besteht eine Abhängigkeit vom jeweiligen Abwägungsraum und der damit verbundenen Ermittlungstiefe, aber ebenso von den Erfordernissen des jeweiligen Geländes und der zur Verfilgung stehenden Technik 84 • Insoweit betrifft die Erforderlichkeit immer die Frage, "ob" eine Duldungspflicht überhaupt ausgelöst werden muß und in welchem Umfang. Das Verhältnis von Zweck und dem eingesetzten Mittel muß sich die Waage halten und so für den Betroffenen "zumutbar" sein. Aus diesem Grund ist es die Priorität der vorbereitenden Maßnahmen soweit wie möglich die Interessen der 8\ HessVGH, Beschl. vom 4.11.1988- 5 TH 4140/ 88-, ZfW 1989,161 ; VGH BW, Beschl. vom 22.7.1994 - 10 S 1017/94 -, NVwZ-RR 1994,625; Beschl. vom 21.1.1986 - 10 S 3029 / 85 -, VBIBW 1987,26 (27). 82 NdsOVG, Urt. vom 23.9.1969 - IA 105/68 -, NJW 1970,1142 (1143). 83 Brandt, in: Brandt / Ruchay / Weidemann, KrW- / AbfG, Stand: 2000, § 30 Rn . 19. 84 Die privaten Ingenieur- und Architektenbüros, die größtenteils die Planung übernehmen, verfUgen heute schon über eine weitreichende Technik, so daß die erforderlichen Eingriffe minimiert werden können.
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Dietmar Hönig
Betroffenen zu schonen Bs • Es sind rur Erkundungsbohrungen bevorzugt Wegparzellen zu benutzen, um die land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke zu schonen 86 . Die Inanspruchnahme für vorbereitende Maßnahmen sollte dabei immer so kurz wie möglich sein. Die Einhaltung dieser Grundsätze stellt den Idealfall dar. Macht der Kläger die Unzumutbarkeit von Vorarbeiten geltend, so muß er fühlbare Beeinträchtigungen darlegen können, um diese zu begründenB7 • Ein bis zwei Sondierungsbohrungen mit Löchern von wenigen Zentimetern können daher nicht die Unzumutbarkeit der Maßnahme begründen BB •
VIII. Bestimmtheit der Vorarbeiten Der Inhalt der Benachrichtigung muß so bestimmt sein, daß sich die Adressaten auf Art, Umfang und Dauer der Arbeiten einstellen können B9 • Als klassisches Beispiel für eine unbestimmte Benachrichtigung wird auf ein altes Urteil des VG Bremen in der Kommentarliteratur verwiesen 90 • Danach ist "die Benachrichtigung über die Inanspruchnahme eines Grundstückes, um die Achse der geplanten ... Straße abzustecken und für die Herstellung dieser Straße erforderlichen Probebohrungen durchzuführen", zu unbestimmt, da es für einen Laien nicht erkennbar ist, welche Arbeiten für das Abstecken und wie viele Probebohrungen in welchem Ausmaß erforderlich sind. Allerdings dürfen auch die Anforderungen nicht überspannt werden, weil sich die Erforderlichkeit mancher Arbeiten erst vor Ort ergeben kann 91 • Aus diesem Grund werden metergenaue Angaben von Bohrpunkten meist rur unpraktikabel gehalten, weil diese von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten abhängig sind92 • Deshalb soll hier die Angabe des Durchmessers von mehreren Metern ausreichen. Das BVerwG hat sogar in seiner Begründung darauf abgestellt, ob dem Betroffenen mit näheren Angaben gedient wäre. Insofern seien nur genauere Angaben gebo-
HessVOH, Beseh!. vom 14.I.I992-14 TH2504/91-, NVwZ 1992,803. BVerwO, Beseh!. vom 1.7.1993 -7 ER 308.93 -, NVwZ 1994,368 (369). 87 BVerwO, Beseh!. vom 3.3.1994-7 VR4,5 und 6.94-NVwZ 1994,483 f. 88 BVerwO, Beseh!. vom 1.4.1999 - 4 VR 4.99 -. 89 Baltis, in: Banis / Krautzberger / Löhr, BauOB, 7. Aufl. 1999, § 209 Rn. 3; FislaIre, in: Schlichter / Stich, BauOB, 2. Aufl. 1995, § 209 Rn. 11; Kalb, in: Ernst / Zinkhahn / Bielenberg / Krautzberger, BauOB, Stand: 2000, § 209 Rn. 16. 90 VO Bremen, Beseh!. vom 21.1 0.1966 - I V 113 / 1966 - mitgeteilt von Kalb, in: Ernst / Zinkhahn / Bielenberg / Krautzberger, BauOB, Stand: 2000, § 209 Rn. 16. 91 Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbfG, 1998, § 30 Rn. 8. 92 BVerwO, Beseh!. vom 1.7.1993 -7 ER 308.93 -, NVwZ 1994,368 (369); Beseh!. vom 3.3.1994 -7 VR 4,5 und 6.94 -, NVwZ 1994,483 f. 85
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Vorbereitende Maßnahmen vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens
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ten, wenn daraus weitergehende Schlüsse auf Art und Maß der Betroffenheit des Grundstückseigentümers zu ziehen sind 93 •
IX. Entschädigungspßicht Alle fachgesetzlichen Regelungen sehen eine Pflicht zur Entschädigung filr die durch die Vorarbeiten entstandenen Schäden vor. Nach § 249 BGB ist vorrangig die Wiederherstellung des früheren Zustands anzustreben. Auf diese Pflicht zur Naturalrestitution wird in einigen Vorschriften sogar ausdrücklich hingewiesen 94 • Der vorherige Zustand ist wiederhergestellt, wenn keine Beeinträchtigungen der Nutzungsmöglichkeiten mehr vorliegen, also alle äußeren Veränderungen durch Verftllien der Bohrlöcher und Abgrabungen oder dem Rückbau sonstiger Veränderungen ausgeglichen werden. Diese Maßnahmen sind unverzüglich nach Abschluß der Arbeiten vorzunehmen 9s , also ohne schuldhaftes Zögern i.S.v. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB. Es können aber noch Anlagen fur längerfristige Untersuchungen bestehen bleiben96 . Als Schaden auszugleichen sind die noch verbleibenden Vermögensschäden. Der § 30 Abs. 3 KrW- / AbfG drückt sich insoweit mißverständlich aus, wenn er sich nur auf die Schäden durch die Wiederherstellung nach Absatz 2 bezieht. Nach dem Normzweck muß sich die Regelung auf sämtliche Vermögensschäden erstrecken97 • Das ist auch filr die Regelungen anzunehmen, die keine nähere Konkretisierung des Schadens vorsehen 98 , während sich andere Fachgesetze ausdrücklich nur auf unmittelbare Vermögensschäden beziehen 99 • Insoweit geht die Literatur bei Regelungen, die sich nicht ausdrücklich nur auf unmittelbare Vermögens schäden beziehen, davon aus, daß auch mittelbare Vermögensschä-
BVerwG, Beschl. vom 1.7.1993 -7 ER 308.93 -, NVwZ 1994,368 (369). In einem selbständigen Absatz regelt es § 9f Abs. 2 AtG; § 30 Abs. 2 KrW- / AbfG. Nach § 9 Abs. 5 LuftVG ist die Wiederherstellung des früheren Zustand auf Verlangen des Geschädigten vorzunehmen. 95 So ausdrUcklieh im AtG, KrW- / AbfG und LuftVG. 96 Streitig ist, inwieweit Einrichtungen auch zum Zwecke der Verwendung für die zukünftige Anlage selbst aufrechterhalten werden können, ablehnend Brandt, in: Brandt / Ruchay / Weidemann, KrW- / AbfG, Stand: 2000, § 30 Rn. 53, zustimmend Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbfG, 1998, § 30 Rn. 16. 97 Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbfG, 1998, § 30 Rn. 18. 98 § 32 Abs. 4 PBefG; § 30 Krw- / AbfG; § 16 WaStrG; § 6 Abs. 5 LuftVG; nicht differenzierend deshalb Giemulla, LuftVG, Stand: 2000, § 7 Rn. 35; FrieseeIre, BWaStrG, 4. Aufl. 1999, § 16 Rn. 4. 99 § 9f Abs. 3 AtG; § 16a Abs. 3 FStrG; § 17 Abs. 3 AEG. 93
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Dietmar Hönig
den, wie der entgangene Gewinn, als Schaden auszugleichen sind 100 • Dem ist zuzustimmen, zumal der Gesetzgeber hier keine ausdrückliche Regelung geschaffen hat. Allerdings erscheint fraglich, warum eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Fachgesetzen vorgenommen wird. Hintergrund könnte sein, daß im Rahmen des Fernstraßen- und Eisenbahnrechts die meisten Vorhaben verwirklicht werden und insoweit eine Haftungsbeschränkung eingefilhrt wurde. In diesem Gesamtzusammenhang muß wohl auch der Streit gesehen werden, ob sich die "Zu lässigkeit" in § 30 Abs. 3 KrW- / AbfG auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahme bezieheo l oder lediglich die Maßnahmen kennzeichnet, die unter Berufung auf das jeweilige Gesetz nach vorheriger Bekanntgabe zum Zwecke der Erkundung des Geländes durchgefilhrt werden 102 • Denn wenn angenommen wird, daß im Rahmen von § 30 Abs. 3 KrW- / AbfG alle Vermögenseinbußen erfaßt sind, dann ist es im Endeffekt filr den Betroffenen nur umständlicher, bei rechtswidrigen Vorarbeiten auf Anspruche auf Folgenbeseitigung oder aus Amtshaftung zurückzugreifen. Andersherum könnte der Betroffene bei Amtshaftungsansprüchen natürlich auch mittelbare Vermögensschäden geltend machen 103. Geht man aber davon aus, daß generell alle Vermögenseinbußen auszugleichen sind, weil filr eine Einschränkung keine Rechtfertigung ersichtlich ist, dann können auch ordnungsgemäß bekannt gegebene rechtswidrige Vorarbeiten eine Entschädigungspflicht nach den Fachgesetzen auslösen.
x. Zusammenfassende Thesen Der Zweck der vorbereitenden Maßnahmen ist in allen Fachgesetzen der Gleiche: Es geht um die Beseitigung der Ungewißheit hinsichtlich bestimmter filr die Erstellung der Planungsunterlagen notwendiger Faktoren, um die Ge100 Auch mittelbare Schäden Brandt, in: Brandtl Ruchay / Weidemann, KrW- / AbtU, Stand: 2000, § 30 Rn. 58; Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbtU, 1998, § 30 Rn. 17; ablehnend Kalb, in : Ernst / Zinkhahn / Bielenberg / Krautzberger, BauGB, Stand: 2000, § 209 Rn. 23; Fislake, in: Schlichter / Stich, BauGB, 2. Aufl. 1995, § 209 Rn. 16; weil das BauGB auch ausdrücklich von unmittelbaren Vermögensschäden spricht. Insofern kann auch nicht von einem wirklichen Streitstand gesprochen werden. 101 Die Maßnahme muß formell wie auch materiell rechtmäßig sein, Kalb, in: Ernst / Zinkhahn / Bielenberg / Krautzberger, BauGB, Stand: 2000, § 209 Rn. 22; Fislake, in: Schlichter / Stich, BauGB, 2. Aufl. 1995, § 209 Rn. 16. 102 Paetow, in: Kunig / Paetow / Versteyl, KrW- / AbtU, 1998, § 30 Rn. 18; Schink / Schmeken / Schwade, LAb tU NW, § 20 Anm. 3.5. 103 Keine Regelung dazu enthalten § 9f AtG; § 17 AEG; § 16 WaStrG; § 7 LuftVG; § 16a FStrG; § 32 PBetU.
Vorbereitende Maßnahmen vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens
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eignetheit oder Ungeeignetheit des Geländes fi1r das Vorhaben. Zu diesem Zweck sollen Daten gewonnen werden, welche sich einerseits nicht schon aus Karten, vorhandenen Gutachten oder Luftbildern entnehmen lassen, sondern eine Untersuchung auf den Grundstücken fremder Eigentümer erforderlich machen und andererseits fiir die Erstellung der Planungs unterlagen notwendig sind. Vorbereitende Maßnahmen können generell vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens durchgefiihrt werden. Die rechtlichen Grundlagen bilden die einzelnen Fachgesetze und ergänzend die Landesenteignungsgesetze. Aber auch im Rahmen des LuftVG müssen vorbereitende Maßnahmen fiir das Planfeststellungsverfahren möglich sein, denn der Zweck der Maßnahmen bleibt derselbe. Die einzelnen Naturschutz-, Wald- und Flurgesetze können demgegenüber nicht als Rechtsgrundlage dienen. Der Begriff der duldungspflichtigen Vorarbeiten ist durch die ausdrückliche Erstreckung auf "sonstige" oder "ähnliche" Arbeiten sehr weit und wird nur durch das Korrektiv der "Notwendigkeit" bzw. "Erforderlichkeit" eingegrenzt. Nur im Bereich des Wasserrechts besteht eine Beschränkung auf das Betreten und die Benutzung, weIche aber durch die Weite des Begriffs der Benutzung relativiert wird. Grundsätzlich besteht eine gesetzliche Duldungsptlicht, nur im LuftVG und PBefG ist fiir die Vorhabenträger ein Gestattungs- bzw. Zustimmungserfordernis eingeräumt. Im LuftVG könnte das Gestattungserfordernis mit der Zulassung rein privatnütziger Vorhaben zusammenhängen und auch so begründet werden. Die Bekanntgabe ist wegen ihres Regelungsgehaltes als VA zu sehen. Sie ist grundsätzlich gegenüber dem Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigten vorzunehmen. Ausnahmsweise kann bei linienförmigen Vorhaben auch eine öffentliche Bekanntmachung erfolgen, diese Regelung läßt sich auch auf die anderen Regelungen übertragen. Nicht in allen Fachgesetzen ist eine Frist fiir die Bekanntgabe enthalten, jedoch erscheint es sinnvoll, die Zwei-Wochenfrist der Vorschriften zu den linienförmigen Vorhaben zu übernehmen. Nach allen Regelungen besteht nur eine Duldungspflicht und keine Mitwirkungspflicht. Berechtigt, dieses Recht wahrzunehmen, ist der Vorhabenträger oder von ihm Beauftragte sowie nach § 7 Abs. 3 LuftVG auch die Genehmigungsbehörde. Die Duldungspflicht besteht gegenüber dem Eigentümer und Nutzungsberechtigten. Im Wasserstraßenrecht wird diese Verpflichtung durch die Begriffe des Anliegers und des Hinterliegers nach der Nähe zum Gewässer modifiziert, was sich aber auch durch das Kriterium des erforderlichen Kausalzusammenhangs zur Planung in gleicher Weise erreichen läßt. Es müssen Informationen erlangt werden, die über die Eignung des möglicherweise in Anspruch zu nehmenden Grundstücks Auskunft geben.
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Dietmar Hönig
Nach Abschluß der Vorarbeiten ist vorrangig die Wiederherstellung des früheren Zustands anzustreben. Ist das nicht möglich, sind generell alle Vermögenseinbußen auszugleichen. Davon sehen das Fernstraßen-, Eisenbahn- und Atomrecht eine Ausnahme vor, indem sie auf die Unmittelbarkeit der Vermögenseinbußen abstellen. FUr eine solche Einschränkung der Entschädigungspflicht ist aber keine Rechtfertigung ersichtlich. Anhand dieser zusammenfassenden Thesen erscheint es Uberlegenswert, den Versuch zu unternehmen, einen Vorschlag ftir eine einheitliche Regelung zu entwerfen. Eine einheitliche Regelung könnte folgendermaßen lauten: (I.) Eigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte haben zur Vorbereitung der Planung notwendige Vorarbeiten durch den Vorhabenträger oder die von ihm Beauftragten zu dulden. Bei privatnützigen Vorhaben kann die zuständige Genehmigungsbehörde die notwendigen Vorarbeiten gestatten, wenn eine Prüfung ergeben hat, daß die Voraussetzungen filr die Erteilung eines Planfeststellungsbeschlusses voraussichtlich vorliegen.
(11.) Die Absicht, solche Arbeiten auszuftihren, ist dem Eigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten mindestens zwei Wochen vorher unmittelbar bekanntzugeben. Ist eine unmittelbare Bekanntmachung nicht möglich, kann diese durch eine ortsübliche Bekanntmachung in den Gemeinden, in deren Bereich die Vorarbeiten durchzufilhren sind, ersetzt werden. (III.) Entsteht durch eine zulässige Maßnahme nach Absatz 1 dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten ein Schaden, so ist dieser auszugleichen.
Nachträgliche Schutzauflagen im Planfeststellungsrecht Von Jilrgen Held
Inhaltsverzeichnis l.
Einführung ............................ ............... ................................................................. 350
11.
(Vorherige) Schutzauflagen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ..... ....... 352 I. Grundsatz der Problembewältigung ................................................................ 352 2. Gesetzlich zwingende Schutzauflagen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) .......... ... 353 a) Umfang der gesetzlich zwingenden Schutzpflicht ..................................... 354 aa) Wirkungszusammenhänge (normative Standards) ............. ........... ..... . 355 bb) Ausmaß der Emissionen (Prognose) .................................................... 355 b) Inhalt der Schutzauflagen .......................................................................... 359 3. Schutzauflagenjenseits gesetzlich zwingender Gebote .................................. 360 a) Zumutbarkeitsschwelle ............................................................................... 360 b) Emissionsprognose ....................... ....................... ....................................... 361
III. Nachträgliche Schutzauflagen ohne Auflagenvorbehalt im PIanfeststellungs-
beschluss ................. ...................................................... ........................................ 362 I. Nachträgliche Schutzvorkehrungen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf Antrag ........................................................................................................ 363 a) Materielle Voraussetzungen .... ................ ............................... .................... 363 b) Verfahren ............................................................................................. ....... 364 2. Nachträgliche Schutzauflagen von Amts wegen ............................................. 364 a) Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses ............................. ........... 364 b) Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG im Planfeststellungsrecht ...... .... .... 365
IV. Nachträgliche Schutzauflagen aufgrund eines Auflagenvorbehalts ................. .... 367 1. Vorbehalt gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG ............................................................ 367 2. Vorbehalt gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG .......... ... ............................ .......... 368 3. Entscheidung des BVerwG vom 22. November 2000 .................................... 369 V.
Fazit ....................................... ............... ....... ....... .......... ............ .... ....... ...... ... ........ 370
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Jürgen Held
I. Einführung Wer als Richter mit eisenbahnrechtlichen Planfeststellungen befasst ist, wird in aller Regel mit Drittanfechtungsklagen von unmittelbar oder mittelbar Betroffenen konfrontiert. In piesen Verfahren stellt sich dann die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die ihr zwingend auferlegten Pflichten erftlllt hat, mit anderen Worten, ob sie aus Sicht der Betroffenen genug getan hat. Die Privatisierung der Bahn hat es mit sich gebracht, dass jetzt auch die umgekehrte Frage an die Gerichte herangetragen wird, ob die Planfeststellungsbehörde nämlich ohne zureichenden Grund über das ihr zwingend auferlegte Regelungsprogramm hinausgegangen ist, mit anderen Worten, ob die Behörde aus Sicht des Vorhabenträgers nicht zuviel getan hat. Konkreter Hintergrund filr diesen Vortrag ist eine Klage der DB Netz AG vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gegen eine Nebenbestimmung in einem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschluss, die das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) selbst als "Schallschutzgarantie" bezeichnet hat. Das EBA hatte sich im Planfeststellungsbeschluss vorbehalten, der DB Netz AG "Nachbesserungen" hinsichtlich des Lärmschutzes aufzuerlegen, wenn eine wegen "berechtigter Zweifel" erfoigende Nachberechnung solche Nachbesserungen erforderlich mache. Das EBA hatte diese Nebenbestimmung vor allem damit gerechtfertigt, dass mit ihr Unsicherheiten bei der Prognose der künftigen Verkehrsentwicklung begegnet werden solle. Diese Unsicherheiten rührten daher, dass das der Prognose zugrunde gelegte Betriebsprogramm der DB AG wegen des liberalisierten Zugangs zum Schienennetz eine nicht hinreichend zuverlässige Grundlage darstelle, und zwar nicht nur wegen der angesetzten Zugzahlen, sondern vor allem auch wegen des angenommenen Fahrzeugmaterials2. Der Auflagenvorbehalt war also inhaltlich beschränkt. Es ging nicht um einen "offenen" Vorbehalt, der etwa auch die Anpassung an zukünftige Lärmstandards und neue Erheblichkeitsschwellen erfasste, sondern um Unsicherheiten bei der Emissionsprognose. Diese "Schallschutzgarantie" war dem Senat bereits aus Verfahren zur Planfeststellung der ICE-Strecke Köln / Frankfurt a.M. bekannt. Sie diente der DB AG dort als zusätzliche Verteidigungsposition gegenüber den geltend gemachten Zweifeln an den der Prognose zugrunde liegenden Zugzahlen und Zuggeschwindigkeiten.
I Als "Nachbesserungen" dürften Ergänzungen des aktiven Schallschutzes, vor allem aber Verbesserungen des passiven Schallschutzes in Betracht kommen. 2 Vgl. das aktuelle Zitat von Bundesverkehrsminister Bodewig: "Wir wollen bis zum Jahr 2015 eine Verdoppelung des Verkehrs auf der Schiene", FAZ vom 13.3.2001.
Nachträgliche Schutzauflagen im Planfeststellungsrecht
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Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die so genannte "Schallschutzgarantie" im Urteil vom 15. Dezember 19993 als rechtmäßig angesehen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat sie fast zeitgleich mit Urteil vom 7. Dezember 1999 - 2 A 2341 / 98 - als rechtswidrig aufgehoben und die Behörde zur Neubescheidung verpflichtet. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des OVG Rheinland-Pfalz abgeändert und die genannte Nebenbestimmung ohne Verpflichtung zur Neubescheidung aufgehoben. Bei diesem Urteil vom 22. November 2000 - 11 C 2.00 -, über das ich anschließend berichten werde, handelt es sich um eine wichtige Entscheidung, die wesentliche Fragen zum Planfeststellungsrecht klärt. Denn das BVerwG hat seine Rechtsauffassung nicht etwa mit Besonderheiten des Verkehrslärmschutzes und der Auslegung der §§ 41 fI BlmSchG begründet, sondern mit sehr grundlegenden Erwägungen zur Auslegung der §§ 74 Abs. 2 und Abs. 3 und 75 Abs. 2 VwVfG und zum Umfang der planerischen Gestaltungsfreiheit der Planfeststellungsbehörde in diesem Bereich der Schutzvorkehrungen. Entsprechend diesem Urteil beschränke ich mich bei den nachfolgenden Ausftlhrungen ebenfalls auf die rein planfeststellungsrechtlichen Aspekte, wobei sich die Frage nach dem Umfang des der Planfeststellungsbehörde eingeräumten Planungsermessens wie ein roter Faden hindurchziehen wird. Konkret wird zu fragen sein, ob der Befund von Kühling aus dem Jahr 1988 noch zutrifft, wonach die Rechtsstellung des Vorhabenträgers wegen des weiten Handlungsspielraums der Planfeststellungsbehörde schwach ist4 • Die Beschränkung auf das Planfeststellungsrecht ist auch deshalb gerechtfertigt, weil sich das angesprochene Problem zwar hier nun einmal bei einer Lärmschutzauflage gestellt hat, rur die sich Besonderheiten aus den §§ 41 ff. BlmSchG LV.m. der 16. BlmSchVergeben mögen, es jedoch auch im Zusammenhang mit anderen Schutzauflagen auftreten kann, so etwa bei Vorkehrungen wegen der von einem (Verkehrs-)Vorhaben ausgehenden LuftverunreinigungenS , Erschütterungen oder elektromagnetischer Felder6 . Meine Ausführungen, die immer wieder um die Frage kreisen werden, nicht was die Planfeststellungsbehörde regeln muss, sondern was sie regeln darf, gliedern sich in drei Abschnitte. Zunächst gehe ich der Frage nach, was muss und was kann die Behörde bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses an sozusagen "vorherigen" Schutzauflagen vorsehen. Die Beantwortung dieser Frage
UPR 2000, 152. Küh/ing, Fachplanungsrecht, 1988, Rdnr. 14. 5 Vgl. BVerwG, Urt. vom 26.2.2000, NuR 2000,627,631 - Aufl. zur Überwachung der Schadstoflkonzentration -; VGH BW, Urt. vom 4.7.1991, VBlBW 1991,453,464Verlängerung eines Tunnels wegen Schadstotlbelastung-. 6 Hierzu: BVerwG, Urt. vom 1.9.1999, NVwZ 2000, 68 . 3
4
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ist wichtig fiir die nachfolgenden Erörterungen 7 , die sich dann in einem zweiten Abschnitt damit befassen, welche Möglichkeiten die Planfeststellungsbehörde hat, ohne Auflagenvorbehalt im Planfeststellungsbeschluss nachträgliche Schutzauflagen zu erlassen. Im dritten Abschnitt wende ich mich schließlich der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen die Behörde im Planfeststellungsbeschluss nachträgliche Schutzauflagen vorbehalten kann. Klarstellend sei noch angemerkt, dass sich mein Referat nur mit nachträglichen Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses auf Initiative der Planfeststellungsbehörde hin befasst, hingegen nicht mit den von dem Vorhabenträger beabsichtigten nachträglichen Planänderungen, die nach § 76 oder § 74 VwVfG zu beurteilen sind.
11. (Vorherige) Schutzaußagen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses Bevor die Frage nach der Notwendigkeit und Zulässigkeit nachträglicher Schutzauflagen behandelt wird, soll zunächst auf Umfang und Grenzen der "vorherigen", d.h. der von vornherein dem Planfeststellungsbeschluss beigefilgten Schutzauflagen eingegangen werden. Von dem Verständnis über den Umfang dieser primären Schutzaufgabe der Planfeststellungsbehörde hängt viel filr die Beurteilung nachträglicher Anordnungsmöglichkeiten ab. Außerdem werden in diesem Abschnitt Alternativen zum Auflagenvorbehalt beleuchtet (Stichworte: kommerzieller Zuschlag bei der Verkehrsprognose, Betriebsregelungen). 1. Grundsatz der Problembewältigung
Die Planfeststellungsbehörde hat nicht die freie Wahl zwischen vorherigen und nachträglichen Schutzauflagen. Zwar steht ihr aufgrund der Ermächtigung zur Planfeststellung planerisches Ermessen und damit planerische Gestaltungsfreiheit ZUH. Die Fachplanung soll dazu dienen, ein bestimmtes Vorhaben so in die - von ihm beeinflusste - Umwelt rechtlich einzubinden, dass die dadurch berührten öffentlichen und privaten Belange zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden 9 • Das Planungsermessen ist jedoch nicht unbeschränkt. Zunächst einmal kommt der Planfeststellungsbehörde keine originäre - etwa mit der 7
gen.
S
27.
9
Je weniger vorheriger Schutz, desto größer das Bedürfuis nach späteren ErgänzunVgl. BVerwG, Urt. vom 14.2.1975, BVerwGE 48,56,59. Bonk, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG-Kommentar. 5. Aufl. 1998, § 74 Rdnr.
Nachträgliche Schutzauflagen im Planfeststellungsrecht
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Bauplanungshoheit einer Gemeinde vergleichbare - planerische Gestaltungsfreiheit zu. Vielmehr besteht ihre Aufgabe darin, die ihr vorgelegte Planung des Vorhabenträgers "abwägend nachzuvollziehen"lO. Eine eigenständige planerische GestaItungsfreiheit wird der Pianfeststellungsbehörde aber gerade bei der Entscheidung über Schutzanordnungen zuerkannt ll . Das so bereits begrenzte Planungsermessen der PIanfeststellungsbehörde unterliegt aber neben den zwingenden gesetzlichen Bindungen vor allem den Schranken des Abwägungsgebots und damit insbesondere dem Abwägungsgrundsatz der ProblembewäItigung. Die durch das Vorhaben aufgeworfenen Probleme sollen grundsätzlich im Plan feststellungs beschluss bewältigt werden; d.h. den durch ein Vorhaben ausgelösten nachteiligen Wirkungen soll im Planfeststellungsbeschluss durch Schutzauflagen begegnet werden. Die Schutzauflagen dienen der Bewältigung der von dem Vorhaben ausgelösten Konflikte; sie schaffen einen (Eingriffs-)Ausgleich filr die in der Abwägung zurückgestellten Belange 12 • Weil der Grundsatz der Problembewältigung im Abwägungsgebot wurzelt, sind Ausnahmen hiervon und damit ein Abweichen von der Einheitlichkeit der Planungsentscheidung jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern dann erlaubt, wenn dies mit den Anforderungen an eine gerechte Abwägung vereinbar ist 13 • Das Problembewältigungsgebot verlangt daher soviel vorherige Auflagen wie möglich, ohne nachträgliche Auflagen gänzlich auszuschließen. Auf der normativen Ebene des Abwägungsgebots bleibt noch vage, wann eine Schutzauflage einerseits geboten, andererseits noch zulässig ist, d. h. wo die Grenze zum übermäßigen Schutz verläuft. Hinsichtlich der ersten Frage nach dem zwingend gebotenen Schutz enthält § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG eine gesetzliche Konkretisierung. 2. Gesetzlich zwingende Schutzauflagen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verpflichtet die Planfeststellungsbehörde, dem Träger des Vorhabens im Planfeststellungsbeschluss Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Die Vorschrift wird als "spezielle Ausprägung des plaBVerwG, Urt. vom 17.1.1986, BVerwGE 72, 365, 367. V gl. Bender / Sparwasser / Engel, Umweltrecht, 4. Aufl. 2000, Kapitel 3 Rdnr. 54; Allesch/ Häußler, in: Obermayer, VwVfG-Kommentar, 3. Aufl. 2000, § 74 Rdnr. 18. 12 V gl. Allesch / Häußler (Anm. 11), § 74 Rdnr. 79; Bonk (Anm. 9), § 74 Rdnr. 84. \3 So BVerwG, Urt. vom 23.1.1981, BVerwGE 61,307,311 - Straßenplanung -. \0
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nungsrechtlichen Abwägungsgebotes" (etwa in § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG) angesehen 14. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG enthält einen Planungsleitsatz, also zwingendes Recht, insoweit sie hinsichtlich des "Ob" der Schutzmaßnahmen kein Entschließungsermessen der Planfeststellungsbehörde zulässt. Sind Vorkehrungen zum Wohl der Allgemeinheit oder zum Nachbarschutz erforderlich, so hat die Behörde - vorbehaltlich des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG - die entsprechenden Anordnungen zu treffen 15. a) Umfang der gesetzlich zwingenden Schutzpj1icht
§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG bestimmt nicht näher, wann eine Maßnahme "erforderlich" ist. Das "Erforderliche" ist deshalb anhand einer wertenden Beurteilung der jeweils besonderen Umstände des Einzelfalles zu bestimmen l6 , sofern nicht spezielle normative Vorgaben existieren. Für den Bereich des Verkehrslärmschutzes enthalten die §§ 41 ff. BImSchG LV.m. der 16. und der 24. BImSchV eine solche spezialgesetzliche Bestimmung. Das darin normierte Lärmschutzsystem verdrängt die allgemeine Regelung des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG in inhaltlicher (materieller) Hinsicht 17 . Dabei entspricht der Normgehalt des § 41 Abs. 1 BImSchG mit der Pflicht sicherzustellen, dass durch die Verkehrswege keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden, durchaus der Pflicht zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Um herleiten zu können, was zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen erforderlich ist, müssen grundsätzlich zwei Aspekte geklärt werden: (1) Welche Emissionen werden mit welcher Intensität von dem Vorhaben ausgehen (bb)?
(2) Welche Wirkungen entfalten diese Emissionen auf die zu berücksichtigenden Schutzgüter (aa)?
14 So BVerwG, Urt. vom 5.3.1997 - 11 A 5.96 -, Buchholz 316 § 74 Nr. 44; Bonk (Anm. 9), § 74 Rdnr. 89. 15 Vgl. BVerwG, Urt. vom 11.11.1988, NVwZ 1989,255,256. 16 BVerwG, Urt. vom 9.2.1995, BVerwGE 97, 367, 373 f. 11 So BVerwGE 97, 367, 371 mit Hinweis auf den in den §§ 41 ff. BlmSchG enthaltenen "kodifikatorischen Anspruch" des Gesetzgebers; im Fall war lediglich die Frage zu entscheiden, ob ein Schutzanspruch aus § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hergeleitet werden kann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 BlmSchG zuvor verneint worden sind.
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aa) Wirkungszusammenhänge (normative Standards) Hinsichtlich des zweiten Aspekts, d.h. insbesondere hinsichtlich der Wirkungszusammenhänge und der Erheblichkeitsschwelle finden sich häufig Vorgaben in spezial gesetzlichen Regelungen. Die Verantwortung ftlr die Richtigkeit dieser normativen Standards triffi in erster Linie den Normgeber. Die normanwendende Behörde oder der Vorhabenträger können diese Vorgaben zur Grundlage ihrer Entscheidung machen l8 . Nachträgliche Schutzanordnungen in diesem Bereich würden auf die Anpassung an neuere Standards zielen und damit auf eine Sanierung hinauslaufen. Darum ging es bei der oben angesprochenen "Schallschutzgarantie" nicht; sie betraf vielmehr den ersten Aspekt, die Emissionsprognose. bb) Ausmaß der Emissionen (Prognose) Die Beurteilung des Ausmaßes der vorhabenbedingten Emissionen ist die Aufgabe der Planfeststellungsbehörde im jeweils einzelnen Fall. Nur in Detailfragen unterliegt sie dabei normativen Bindungen 19. Denn dieses Maß hängt wesentlich von der besonderen Dimensionicrung des konkreten Vorhabens ab, bei Verkehrswegen also vor allem von der Zahl und der Zusammensetzung des zugelassenen Verkehrs. Auf welches Ausmaß von Emissionen, konkret - bei einem Verkehrsvorhaben - auf welches Verkehrsaufkommen ist nun ftlr die Frage der "Erforderlichkeit" von Schutzmaßnahmen abzustellen? Wie wahrscheinlich müssen bestimmte Wirkungen sein 20? Ist etwa von der Vollauslastung des Verkehrswegs mit den emissionsstärksten Verkehrsmitteln auszugehen, weil nur so nachteilige 18 Neue Erkenntnisse etwa über die Lärmentstehung und -wirkung sind in erster linie vom Verordnungsgeber umzusetzen, sei es durch eine Änderung des in der 16. BImSchV bestimmten Berechnungsverfahrens oder durch die Modifizierung der Lärmgrenzwerte. Für die Normanwender ist diese Vorgabe erst dann unbeachtlich, wenn der Verordnungsgeber die ihm durch das höherrangige Recht aufgegebene Pflicht zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit erkennbar verletzt hat, was erst dann angenommen wird, wenn er gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse negiert oder in unvertretbarer Weise fehlgewichtet hat (vgl. BVerwG, Urt. vom 5.3.1997, BVerwGE 104, 123, 130 - Eisenbahn -; auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 11 .2.1997, NuR 1997, 394 - Elektrosmog -). 19 Normative Vorgaben finden sich in diesem Zusammenhang etwa hinsichtlich des maßgebenden Lkw-Anteils auf öffentlichen Straßen in Tabelle A der Anlage I zu § 3 der 16. BImSchV; zu Vorgaben zur Beschaffenheit der auf den Schienenwegen eingesetzten Züge vgl. Tabelle B der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV, jeweils mit dem Vorbehalt abweichender Daten. 20 Vgl. zu dem rur die Prognose wesentlichen Wahrscheinlichkeitsgrad Ossenbüh/, FS fiir Menger, 1985, S.731,733.
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Wirkungen sicher ausgeschlossen werden? Wenn ja, würden sich nachträgliche Schutzauflagen womöglich bereits von vornherein erübrigen. Umgekehrt: je eingeschränkter die Pflicht zu vorherigem Schutz, desto eher stellt sich das Bedürfnis nach späteren Ergänzungen. In einem frühen Urteil vom 21. Mai 1976 hat das BVerwG zu einer straßenrechtlichen Planfeststellung ausgefilhrt, die insofern notwendige Prognose habe sich "an dem durch die Planfeststellung rechtlich festgelegten Umfang [des Planvorhabens] auszurichten,,21. Dieses Zitat könnte man als Beleg dafilr ansehen, auf die volle Auslastung des Vorhabens abzustellen, so wie dies im Anlagenimmissionsschutzrecht geschieht 22 . In der Richtlinie des BundesbahnZentralamtes München aus dem Jahr 1990 zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen (Schall 03) heißt es denn auch in Abschnitt 4 über die Ausgangsdaten: "Bei Neu- und Ausbaustrecken ist mit den Zugzahlen zu rechnen, die der Vollauslastung der Strecke entsprechen."
Das BVerwG hat aber bereits in dem oben zitierten Urteil vom 21. Mai 1976 - zur straßenrechtlichen Planfeststellung - klargestellt, dass sich die Prognose auf das "voraussichtliche Verkehrsaufkommen" stützen muss. Nicht zu berücksichtigen seien "in der Zukunft nur mögliche Entwicklungen, deren etwaiges späteres Eintreten vom Betroffenen gegebenenfalls als unvorhersehbare Wirkungen im Sinne des § 17 Abs. 6 Satz 2 FStrG [a.F.] .... [auch nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses] geltend gemacht werden" könnten 23 . Dieser Ansatz, nur auf die "konkret mögliche" und nicht auf die "abstrakt denkbare" Auslastung des Verkehrswegs abzustellen, entspricht inzwischen der ständigen Rechtsprechung des BVerwG sowohl hinsichtlich der straßenrechtlichen als auch der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung24 . Danach hat die Planfeststellungsbehörde nicht auf den "worst case", d.h. die technisch mögliche Vollauslastung der Strecke, sondern nur auf deren voraussichtliche Auslastung abzustellen, wobei ein Prognosehorizont von 15 Jahren akzeptiert wird25 . Die Schall 03 ändere an diesem Ergebnis nichts, denn der oben zitierte Abschnitt 4 21 DVBI. 1976, 788. 22 Vgl. zu Letzterem die Hinweise in BVerwG, Urt. vom 21.3.1996, Buchholz
406.25 § 41 BlmSchG Nr. 13 S. 37. 23 Vgl. BVerwG, DVBI. 1976,788. 24 Zur wasserrechtlichen Planfeststellung vgl. BVerwG, Besch!. vom 2.8.1996, Buchholz 445.4 § 10 WHG Nr. 5; OVG Hamburg, Urt. vom 22.3.2000, DVBI. 2000, 1868, 1869. 2S Vg!. BVerwG, Urt. vom 5.3.1997, NVwZ 1998, 513, 516 f.; Urt. vom 3.3.1999, UPR 1999, 388 - beides Eisenbahn -: Die Verkehrslärmschutzverordnung statuiere ein von dem anlagenbezogenen Lärmschutzrecht abweichendes System, das Kapazitätsreserven zulasse, ohne dass diese in die Lärmprognose einbezogen werden müssten.
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sei in der Anlage 2 zu § 3 der 16. BlmSchV nicht in Bezug genommen worden26 •
Lassen Sie mich trotz dieser gefestigten Rechtsprechung den Gründen rur das Abrücken von einer "worst-case"-Betrachtung nachgehen. Ich halte dies hier deshalb für wesentlich, weil sich dahinter ein Vorverständnis verbergen kann, das auch die Beurteilung nachträglicher Schutzauflagen beeinflusst. Wie lässt sich die Zurücknahme der Schutzpflicht mit dem Vermeidungsziel in § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG (resp. der Sicherstellungspflicht in § 41 Abs.l BlmSchG) vereinbaren? Zunächst könnte man einwenden, dass das Vermeidungsziel als solches gar nicht berührt wird, weil es sich um rein tatsächliche Erwägungen im Rahmen der Prognose von Verkehrsvorhaben handelt. Die dahinter stehende Annahme lautet, dass Verkehrswege - im Unterschied zu Gewerbeanlagen - nicht auf eine vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten angelegt sind 27 • Gegenüber dieser TatsachenwUrdigung müsste man dann lediglich kritisch fragen, ob sie realistisch ist28 • Die neuere Rechtsprechung des BVerwG deutet allerdings darauf hin, dass es sich insoweit nicht um Besonderheiten der Verkehrswegeplanung, sondern um eine allgemeine Beschreibung des gesetzlich zwingenden Schutzprogramms gern. § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG handelt29 . Für diese grundsätzliche Zurücknahme der Schutzpflicht gern. § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG lassen sich zwei unterschiedliche Begründungen finden: Einmal könnte man argumentieren, das Vermeidungsziel als solches bleibe wiederum unangetastet, § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG nehme lediglich Einschränkungen auf der "Maßnahmeseite" (d.h. bei dem Umfang der Schutzanordnungen) vor, und zwar aus Gründen der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Als gesetzlich zwingendes Minimum an Schutzmaßnahmen solle es zunächst einmal genügen, der konkret abschätzbaren Entwicklung zu begegnen. Überflüssige Maßnahmen sollten tunlichst vermieden werden. Diese Erklärung ließe es zu, den Schutzauftrag, der dem § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG zugrunde liegt, d.h. das der Behörde gesetzte finale Ziel, durchaus in einem weiten Sinne zu verstehen. Lediglich die zwingenden Handlungspflichten wären beschränkt. Die Behörde bliebe dann grundsätzlich in der Verantwortung dafür Sorge zu t.·agen, dass BVerwG, Urt. vom 3.3.1999, UPR 1999,388. So der 4. Senat des BVerwG rur das Recht der Straßenplanung, Urt. vom 21.3.1996, Buchholz406.25 § 41 BlmSchGNr.13, S. 36-38. 28 Eventuell müsste zwischen den verschieden Verkehrsträgern differenziert werden. 29 Vgl. BVerwG, Urt. vom 22.11.2000 -11 C 2.00 -, S. 12 f. d.U.: Pflicht zu vorherigen Schutzvorkehrungen gern. § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfD nur hinsichtlich der konkret möglichen und abschätzbaren Wirkungen. 26
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nachteilige Wirkungen des Vorhabens vennieden werden, mit anderen Worten, dass von dem zugelassenen Vorhaben keine nachteiligen Wirkungen (resp. schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 41 Abs. 1 BImSchG) ausgehen werden, und zwar auf Dauer3o • Eine nachträgliche Schutzauflage wegen der Veränderung der Emissionslage würde sich dann als notwendige Ergänzung im Rahmen der Erftlllung dieses umfassenden Schutzauftrags darstellen und nicht etwa als Sanierung. Man könnte den § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG aber auch als Ausdruck daftlr interpretieren, dass schon das Venneidungsziel nicht so umfassend zu verstehen ist. Nicht nur die konkreten Handlungspflichten wären eingeschränkt, sondern bereits das von der Planfeststellungsbehörde zu verfolgende Schutzziel. Ihr Auftrag würde sich dann darin erschöpfen, das nach dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Planfeststellung vernünftigerweise Gebotene anzuordnen. Für das Erfassen des Nonnbefehls des § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG, d.h. ftlr die Bestimmung der gesetzlich zwingenden Schutzpflicht, ist der Unterschied zwischen dieser zielorientierten und der maßnahmebezogenen Sichtweise unerheblich. Er wirkt sich jedoch dann aus, wenn man über Handlungsmöglichkeiten der Behörde jenseits der gesetzlich zwingenden Schutzpflicht nachdenkt. Sieht man bereits das von der Behörde zu verfolgende Schutzziel als eingeschränkt an, so bleibt wohl wenig Raum ftlr einen über den gesetzlich zwingend geregelten Kern hinausgehenden Schutzauftrag, der etwa im Rahmen der planerischen Abwägung Berücksichtigung finden könnte. Der von vornherein beschränkte Schutzauftrag würde sich zeitlich nur einmal stellen, nämlich bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. Nachträgliche Schutzauflagen wären dann etwas Zusätzliches, ftlr das es der besonderen Rechtfertigung bedürfte. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG stellte sich dann nicht als zwingende Ausprägung eines umfassenden planerischen Schutzauftrags, sondern als zusätzliche Ergänzung des zunächst beschränkten Schutzprogramms der Planfeststellungsbehörde dar. Auf diese beiden unterschiedlichen Sichtweisen werde ich noch zurückkommen. Das Gesetz lässt meines Erachtens beide Deutungen zu. Der Rechtsprechung lässt sich hierzu keine eindeutige Stellungnahme entnehmen.
JO V gl. zu dem Verständnis des § 41 Abs. 1 BImSchG als materieller Grundpflicht des Vorhabenträgers: Jarras, BImSchG-Kommentar, 4. Aufl. 1999, § 41 Rdnm. 3 und 17; Hansmann, in: Landmann / Rohmer, Umweltrecht, BImSehG, § 41 Rdnr. 5; Czajka, in: Feldhaus, BImSehG, § 41 Rdnr. 14; zum Verständnis als "Dauerpflicht": Jarras, a.a.O., Rdnr. 27; Czajka, a.a.O., Rdnm. 59 und 67; a. A.: Stich I Parger, BImSehG, 1976, § 41 Rdnr. 9.
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b) Inhalt der SchutzaujIagen Die dem Vorhabenträger zulässigerweise aufzuerlegenden Schutzmaßnahmen beschränken sich nicht auf die Anordnung physisch-realer Schutzeinrichtungen. § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nennt - zurückgehend auf den Ursprung des Planfeststellungsrechts in § 14 des Preußischen Eisenbahngesetzes31 - die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen 32 , daneben aber auch (Schutz-)Vorkehrungen. In der (Kommentar-)Literatur wird der Begriff der Vorkehrungen in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG zur luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung weit ausgelegt; die in § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG genannten Anlagen und Vorkehrungen sollen das gesamte Spektrum der in Betracht kommenden sachdienlichen Maßnahmen erfassen, wozu auch Einschränkungen der Benutzung des planfestgestellten Vorhabens etwa durch Betriebsregelungen gehören könnten33 • Blümel meldet demgegenüber Bedenken an und ist der Auffassung, die nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zugelassenen Schutzvorkehrungen seien zum Gegenstand der Planfeststellung akzessorisch; ihr Inhalt könne nicht weiter reichen als der Gegenstand der Planfeststellung selbst; dies bedeute, dass nicht sämtlichen Planfeststellungsbeschlüssen Betriebsregelungen beigefilgt werden dUrften 34 • Betriebsregelungen bzw. verkehrslenkende Maßnahmen seien in einem Planfeststellungsbeschluss daher nur insoweit zulässig, als nach den jeweiligen Fachplanungsgesetzen nicht allein der Bau, sondern auch der Betrieb einer Anlage Gegenstand der Planfeststellung ise s. Die oben genannte Rechtsprechung zu dem grundsätzlich weiten Verständnis der in Betracht kommenden Schutzauflagen ist von dem 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in 3 Urteilen zum Flughafen München 11 entwickelt
Vgl. das Zitat bei Blümel, VerwArch. 1992, 146, 152. Hierzu zählen etwa: aktive Schutzeinrichtungen wie Geländer, Stützmauern, Schallschutzwände oder auch passive Schutzeinrichtungen wie Schallschutzfenster. 33 Vgl. Knacki Dürr, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 75 Rdnm. 60 f.; Kopp I Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 74 Rdnr. 107; U1e I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 41 Rdnr. 28; ebenso: Kühling, Fachplanungsrecht, 1988, Rdnrn. 293 f. und 296; einschränkend: Bonk (Anm. 9) § 74, Rdnr. 88: "alle technisch-realen Schutzeinrichtungen und -vorkehrungen". 34 Blümel, VerwArch. 1992, 146, 158, aufbauend auf der Analyse von 3 Gruppen von Planfeststellungen: (1) "reine Bauplanfeststellung" - § 17 Abs. 1 Satz 1 FStrG [auch: § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG] -; (2) Bauplanfeststellungen, die mit einer Genehmigung für den Betrieb gekoppelt sind - §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,28 Abs. 4 PBefG, §§ 6 und 8 LuftVG -; (3) Planfeststellungen für den Bau und den Betrieb - § 9 b Abs. 1 AtG [auch: § 31 Abs. 2 KrW- / AbfG] -. 3S Anm. 31, S. 163. 31
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worden 36 • Diese Rechtsprechung hat der mittlerweile ftlr das Luftverkehrsrecht zuständige 11. Senat in seinem Urteil vom 27. Oktober 1998 zur Erweiterung des Flughafens Erfurt ausdrücklich bestätigt. Interessant dabei ist, dass als Rechtsgrundlage fiir die Entscheidung über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung nicht nur auf § 9 Abs. 2 LuftVG und § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, sondern auf die Ermächtigung zur luftverkehrsrechtlichen Fachplanung (§ 8 Abs. 1 LuftVG) als solche abgestellt wird. Schon aufgrund der damit eingeräumten planerischen Gestaltungsfreiheit ergebe sich, dass auch betriebliche Regelungen Gegenstand der Planfeststellung sein könnten, wenn diese auch regelmäßig bereits in der Genehmigung nach § 6 LuftVG getroffen würden. Auf die - die Bedenken von B/ümel ausräumende - Neufassung des § 8 Abs. 4 LuftVG, wonach auch betriebliche Regelungen Gegenstand der (luftverkehrsrechtlichen) Planfeststellung sein können, wird nur erläuternd hingewiesen 3'. Im Ergebnis neige ich der Auffassung von dem umfassenden Verständnis der möglichen Schutzmaßnahmen zu. Auch wenn sich der Gegenstand der Planung nicht auf den Betrieb der Anlage erstreckt, verbietet dies meines Erachtens der Planfeststellungsbehörde nicht, bei der Problembewältigung auch betriebsbezogene Auflagen zu erwägen, allerdings nur dann, wenn der Vorhabenträger als Adressat der Auflage in der Lage ist, diese auch umzusetzen 38 • 3. Schutzauflagen jenseits gesetzlich zwingender Gebote Versteht man § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als Konkretisierung der gesetzlich zwingend zu gewährleistenden Konfliktbewältigung, so sind damit weitergehende Anordnungen - natürlich in den Grenzen zulässigen Planungsermessens - nicht ausgeschlossen. a) Zumutbarkeitsschwelle
Das BVerwG hat denn auch fiir die luftverkehrsrechtliche Planfeststellung festgestellt, dass sich die Pflicht zur Problembewältigung nicht darin erschöpfe, die gesetzlich zwingende Pflicht zur Vermeidung unzumutbarer Beeinträchtigungen (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) zu erfiillen. Im Rahmen einer "gerechtenplanerisch gestaltenden - Abwägung" müssten auch Lärmbeeinträchtigungen 36 BVerwG, Urt. vom 30.5.1984, BVerwGE 69, 256, 277; Urt. vom 5.12.1986, BVerwGE 75, 214 - Leitsatz-; Urt. vom 29.1.1991, BVerwGE 87, 332, 344. 37 Vgl. BVerwG, NVwZ 1999,644. 38 Vgl. Jarras (Anm. 30), § 41 Rdnr. 47; zur Möglichkeit des Eisenbahn-Infrastrukturuntemehmens zur Nutzungsregelung: § 14 Abs. 4 AEG; hierzu zuletzt: Frotscher / Kramer, NVwZ 2001,24,30.
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unterhalb der nonnativ festgelegten Zumutbarkeitsschwelle berücksichtigt wer-· den39 • Auch in eisenbahnrechtlichen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht Schutzauflagen als zulässig angesehen, die über das nach § 41 Abs. 1 BlmSchG zwingend verlangte Lärmschutzniveau hinausgehen. Eine mehr als nur geringfUgig zunehmende Lännbetroffenheit müsse bei der Abwägung der Planfeststellungsbehörde auch dann berücksichtigt werden, wenn sie unterhalb der Schwelle der Unzumutbarkeit bleibe und deshalb keine Schutzansprüche auslöse 40 • Diese Rechtsprechung ist im Urteil vom 17. November 1999 betreffend die Wiedererrichtung einer Bahnanlage nach teilungsbedingter jahrzehntelanger Nutzungsunterbrechung bestätigt worden. Dabei hat der 11. Senat des BVerwG die Bedeutung des Abwägungsgebotes auch gegenüber dem vom 4. Senat des BVerwG hervorgehobenen kodifikatorischen Anspruch der §§ 41 ff. BImSchG betont, jedenfalls dann, wenn Eigentums- oder Gesundheitsbeeinträchtigungen im Raum stünden 41 •
b) Emissionsprognose Im Anschluss an diese Rechtsprechung ist zu fragen, ob ein Abwägungsspielraum der Planfeststellungsbehörde nur hinsichtlich der Bestimmung der individuellen Zumutbarkeitsschwelle besteht oder ob die Behörde nicht auch bei der Beurteilung der Emissionslage und bei der Anwendung des der Prognose zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeitsgrades ein Planungsennessen zusteht. Mit anderen Worten: Darf die Behörde - natürlich in den Grenzen ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit - etwa bei der Feststellung der Ausgangsparameter für die Immissionsberechnung einen "Sicherheitszuschlag" in Ansatz bringen 42 ? Diese Frage spielte bislang in der Rechtsprechung keine Rolle, kommt es bei Drittanfechtungsklagen doch nur darauf an, was die Planfeststellungsbehörde bei ihrer Immissionsprognose zwingend zu berücksichtigen hat, und nicht darauf, was sie eventuell noch zusätzlich in ihre Überlegungen einstellen darf. Die Beantwortung dieser Frage hängt letztlich VOn dem grundsätzlichen Verständnis VOn der Planungsaufgabe der Planfeststellungsbehörde und davon ab, ob und in welchem Umfang ihr ein Gestaltungsspielraum zusteht.
39 BVerwG, Urt. vom 29.1.1991, BVerwGE 87, 332, 342 u. Leitsatz - Flughafen München II -; ferner Urt. vom 27.10.1998, NVwZ 1999, 644 - Flughafen Erfurt. 40 BVerwG, Urt. vom 20.5.1998, NVwZ 1999, 67, 68, mit dem Hinweis, dass sich die Behörde im Ergebnis ihrer Abwägung freilich an der normativen Vorgabe orientieren dürfe; vgl. hierzu auch Vallendar, UPR 1999,121,123. 41 NVwZ 2000, 567, 569. 42 Vgl. hierzu BVerwG, Urt. vom 3.3.1999, UPR 1999,388, wo ein "kommerzieller Zuschlag" erwähnt wird.
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Das BVerwG hat die aufgeworfene Frage meines Erachtens nun im Urteil vom 22. November 2000 verneint und ausgefilhrt: "Eine Anordnung nach [§ 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 Vwvro LV.m. §§ 41 ff. BlmSchG] kann die Planfeststellungsbehörde nur zum Ausgleich rur solche Beeinträchtigungen treffen, deren Eintritt im Zeitpunkt der Entscheidung gewiss ist oder sich prognostisch abschätzen lässt,,43.
Daruber hinausgehende Anordnungen seien dem Vorhabenträger gegenüber nicht gerechtfertigt und auch nicht mit planerischem Ermessen zu begründen, wenn sich die Planfeststellungsbehörde auf das Lärmschutzniveau der 16. BImSchV festgelegt habe 44 • Es gilt festzuhalten: Das Urteil vom 22. November 2000 trim also nicht nur Aussagen zur Zulässigkeit eines Auflagenvorbehalts filr nachträgliche Schutzauflagen, sondern auch zu dem Spielraum der Planfeststellungsbehörde bei der Anordnung der (vorherigen) Schutzauflagen bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. Im Ergebnis dürfte das BVerwG so zu verstehen sein, dass der Planfeststellungsbehörde bei der Einschätzung des Ausmaßes der von dem Vorhaben zu erwartenden Emissionen kein Spielraum zusteht: Ein "Zuschlag" zu dem - nach den gesetzlich zwingenden Regeln - prognostizierten Maß dürfte also nicht zulässig sein. Zwingende Verpflichtung und rechtliche Möglichkeit stimmen überein. Für ein Ermessen ist insofern kein Raum.
111. Nachträgliche Schutzauflagen ohne Auflagenvorbehalt im Planfeststellungsbeschluss Im folgenden Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, welche Möglichkeiten das Gesetz einräumt, trotz der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nachträglich Schutzauflagen anzuordnen, ohne dass diese im Planfeststellungsbeschluss bereits vorbehalten worden sind. Dabei ist zu unterscheiden, inwiefern die Behörde solche ergänzenden Regelungen von Amts wegen treffen darf oder sie solche Regelungen gar - auf Veranlassung eines Betroffenen hin - treffen muss. Meist wird das Problem unter letzterem Aspekt diskutiert, konkret geht es um die Voraussetzungen des Planergänzungsanspruchs gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Diese allgemeine Bestimmung steht natür-
43 BVerwG, Urt. vom 22.11.2000 - 11 C 2.00 -, S. 11 f. d.U. 44 Anm.43 .
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lich unter dem Vorbehalt spezieller Regelungen in den jeweiligen Fachplanungsgesetzen 45.
1. Nachträgliche Schutzvorkehrungen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf Antrag § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG räumt den Betroffenen einen Anspruch auf nachträgliehe Schutzvorkehrungen ein, sofern "nicht voraussehbare Wirkungen" des Vorhabens nach Unanfechtbarkeit des Plans auftreten. Zwischen § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG und § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG besteht ein inhaltlicher Zusammenhang. Der von der Planung Betroffene soll nicht schlechter stehen als er stünde, wenn im Zeitpunkt der Planfeststellung die eingetretene nachteilige Wirkung bereits vorhergesehen worden wäre 46 . a) Materielle Voraussetzungen
Bei der Frage, ob die Wirkungen "nicht voraussehbar" waren, legt das BVerwG allerdings einen strengen, nämlich "objektiven Maßstab" an. Dass die Auswirkungen "faktisch nicht vorhergesehen worden sind", genügt nicht. Eine fehlerhafte Berechnung der zu erwartenden Lärmimmissionen begründet nicht die mangelnde Vorhersehbarkeit. Diese hätte vielmehr bereits zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses gemacht werden müssen. Auf die (subjektive) Fähigkeit, die möglichen nachteiligen Wirkungen sachkundig einzuschätzen, kommt es grundsätzlich nicht an 47 . Das BVerwG hat jetzt im Urteil vom 22. November 2000 gewisse Unschärfen im Verständnis des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG erfreulicherweise ausgeräumt. Danach sind auch solche nachteiligen Wirkungen "nicht voraussehbar" im Sinne von § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG, "deren zukünftiger Eintritt zwar theoretisch denkbar ist, sich aber mangels besonderer Anhaltspunkte noch nicht konkret absehen lässt. Denn verständigerweise ist nur mit solchen Wirkungen zu rechnen, deren Eintritt sich nicht nur als abstrakte, sondern als konkrete Möglichkeit abzeichnet,,48. 45 Vgl. etwa § 21 WaStrG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz I WHG - Ausschluss des Anspruchs auf nachträgliche Herstellung von Schutzeinrichtungen -, hierzu Mich/er, in: FS filr Blümel, 1999,357 tT. 46 Vgl. BVerwG, Urt. vom 1.7.1988, BVerwGE 80, 7, 11. 47 BVerwGE 80, 7, 13 f.; zur Kritik an diesem objektiven Maßstab: Knacki Dürr, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 75 Rdnr. 87; Kopp I Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 75 Rdnr. 25 a. 48 BVerwGE 80, 7, 12 d. U.
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b) Verfahren
Obwohl § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG als Anspruchsnorm formuliert ist, wird die Bestimmung zusammen mit § 75 Abs. 2 Satz 3 VwVfG zugleich als Ermächtigungsgrundlage zur Anordnung nachträglicher Schutzauflagen angesehen 49 • Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 75 Abs. 3 VwVfG wird man jedoch schließen müssen, dass ein Gebrauchmachen von dieser Ermächtigung nur bei Vorliegen der dort geregelten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zulässig ist, also insbesondere einen Antrag des Betroffenen voraussetzt50 • Der Antrag muss innerhalb von 3 Jahren ab Kenntniserlangung von den nachteiligen Wirkungen gestellt werden; er ist ausgeschlossen nach Ablauf von 30 Jahren ab Herstellung des plangemäßen Zustandes51 . 2. Nachträgliche Schutzaußagen von Amts wegen
Es fragt sich, ob die Planfeststellungsbehörde unabhängig von § 75 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG befugt ist, von Amts wegen nachträgliche Änderungen des Planfeststellungsbeschlusses zu verfiigen. a) Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses
Als Ermächtigungsgrundlagen rur ein Vorgehen der Planfeststellungsbehörde von Amts wegen kommen die Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten in Betracht (§§ 48, 49 VwVfG). Zwar bedeutet das nachträgliche Beiftlgen einer Schutzauflage nicht die vollständige Rücknahme oder den vollständigen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses, es kann aber als teilweise Autbebung des Verwaltungsakts aufgefasst werden, wozu die §§ 48 und 49 VwVfG ebenfalls ermächtigen. Die nachträgliche Auflage modifiziert in aller Regel den ursprünglichen Genehmigungstatbestand, der das Vorhaben ohne diese Schutzvorkehrungen ftlr zulässig erklärt hat. Diese nachträgliche Einschränkung des hisherigen Genehmigungsumfangs bedingt
49 Vgl. Knacki Dürr (Anm. 47), § 75 Rdnr. 85; Kopp I Ramsauer (Anm. 47), § 75 Rdnr.20. 50 So Knacki Dürr (Anm. 47), § 75 Rdnr. 88 - keine Anordnung der Schutzauflage gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 von Amts wegen -; Ule I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 42 Rdnr. 4; unklar Bonk (Anm. 9), § 75 Rdnr. 56 - behördliches Einschreiten von Amts wegen nicht ausgeschlossen -. 51 Zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die 30 lahre-Frist im Falle des späteren Bekanntwerdens von Gesundheitsgefahren: Kopp I Ramsauer (Anm. 47), § 75 Rdnr. 31.
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die teilweise Aufhebung der ursprunglichen GestattungS2 • Stimmt man diesem Ansatz nicht zu und ist die Anwendung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ausgeschlossen, so bleibt der Planfeststellungsbehörde, die eine nachträgliche Planänderung fUr erforderlich hält, nur die Möglichkeit, gegenüber dem Vorhabenträger auf die Einleitung eines Planänderungsverfahrens hinzuwirken s3 • b) Anwendbarkeit der §§ 48,49 VwVjG im Planfeststellungsrecht Hält man hingegen die §§ 48, 49 VwVfG rur eine taugliche Rechtsgrundlage fUr nachträgliche Anordnungen von Nebenbestimmungen zu einem bestandskräftigen Verwaltungsakt, so stellt sich die weitere grundsätzliche Frage, ob diese Bestimmungen im Planfeststellungsrecht überhaupt Anwendung finden. Dies wird zum Teil sehr grundsätzlich und gerade unter Hinweis auf den speziellen und abschließenden Charakter des § 75 Abs. 2 VwVfG vemeintS4 • Die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG im Planfeststellungsrecht beurteilt sich wiederum danach, ob sich aus den §§ 73 bis 78 (und den jeweiligen Fachplanungsgesetzen) nichts Abweichendes ergibt (§ 72 Abs. 1 1. Halbsatz VwVfG). Hierbei ist zwischen dem objektiv-rechtlichen und dem subjektiv-rechtlichen Regelungsgehalt zu trennen. Einerseits fragt sich, ob die Planfeststellungsbehörde (objektiv-rechtlich) zur nachträglichen (vollständigen oder teilweisen) Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen ermächtigt ist; andererseits ist zu klären, ob dieser objektiv-rechtlichen Befugnis ein subjektiver Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung korrespondiertSs . § 72 Abs. 1 VwVfG enthält lediglich eine Aussage dahin, dass eine Pflicht der Behörde zum Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG im Planfeststellungsrecht ausgeschlossen ist. § 51 VwVfG lässt jedoch die andere Frage~ ob die Behörde das Verfahren gemäß § 48 oder § 49 VwVfG wiederaufgreifen kann, unberilhrt (§ 51 Abs. 5 VwVfG).
52 Vgl. zu diesem Verständnis der nachträglichen Nebenbestimmung als teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses: Kopp/ Ramsauer (Anm. 47), § 75 Rdnr. 21; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 575; wohl unterstellt von BVerwG, Urt. vom 14.9.1992, BVerwGE 91, 17,21 f. - Änderung einer Schutzauflage als nachträgliche Änderung des Planfeststellungsbeschlusses im Sinne von §§ 48, 49 VwVtD -; wohl auch OVG Berlin, Urt. vom 2.5.1996, DVBI. 1997,73,77 - Begehren auf Reduzierung des Flugbetriebs gemäß § 49 VwVtD -; a.A.: Knacki Henneke, VwVtD, 7. Aufl., § 36 Rdnr. 45; auch Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVtD, 5. Aufl, § 36 Rdnr. 41, vgl. aber Bank (Anm. 9), § 75 Rdnr. 56 - nachträgliche Schutzvorkehrungen von Amts wegen möglich, ohne Angabe einer Ermächtigungsgrundlage -. 53 So Knack / Dürr (Anm. 47), § 75 Rdnr. 88. 54 Vgl. Kügel, in: Obermayer, VwVtD, 3. Aufl. 2000, § 75 Rdnr. 86. 55 So zu Recht HessVGH, Beschl. vom 17.6.1992, DVBI. 1992, 1446, 1447; OVG Berlin, Urt. vom 2.5.1996, DVBI. 1997,73,77.
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Die Rechtsprechung hat sich bislang - soweit ersichtlich - nur mit der subjektiv-rechtlichen Bedeutung der §§ 48, 49 VwVfG im Planfeststellungsrecht befasst. Die Obergerichte haben einen Anspruch auf ermessensfehlerfreies Gebrauchmachen von diesen Ermächtigungen zum Teil uneingeschränkt bejaht56, überwiegend jedoch unter Hinweis auf die Ausschlusswirkung des § 75 Abs. 2 Satz I VwVfG grundsätzlich vemeint 57 und allenfalls ftlr besonders gelagerte AusnahmeflilIe unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Schutzpflichten zur Abwehr von Gesundheitsgefahren fUr möglich gehaltens8 . Das BVerwG hat sich in einem Urteil vom 14. September 1992 beiläufig zu der objektiv-rechtlichen Frage dahingehend geäußert, dass eine von Amts wegen eingeleitete nachträgliche Änderung einer bestandskräftigen Pianfeststellung zu Lasten des Vorhabenträgers unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG zulässig sein mag 59 • Im Urteil vom 21 . Mai 1997 hat das Bundesverwaltungsgericht dann zu einem atomrechtlichen Planfeststellungsverfahren60 entschieden, dass sich der einen Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses begehrende Kläger auf einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Widerrufsmöglichkeit gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG berufen könne. Diese Vorschrift werde durch die planfeststellungsrechtlichen Spezialregelungen der §§ 73 ff. VwVfG nicht verdrängt. Dies gelte auch hinsichtlich § 75 Abs. 2 VwVfG. Wörtlich heißt es: "Die Vorschrift beschränkt sich auf die Regelung der Auswirkungen der Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen; sie enthält keine Aussage der in § 49 VwVfG geregelten Durchbrechung der Bestandskraft selbst." § 75 Abs. 2 VwVfG beschränke sich darauf, den Umfang der besonderen, insbesondere privatrechtlichen Duldungswirkung bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse zu regeln. Auch der Charakter von Planfeststellungsbeschlüssen als einer Gestaltung eines komplexen Interessengeflechts stehe der Anwendung des § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nicht entgegen. Auch in subjektiv-rechtlicher Hinsicht komme § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG keine Ausschlusswirkung zu. Allerdings sei die Widerrufsmöglichkeit nach § 49 VwVfG entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer nachrangig. Ein Widerruf könne von Dritten nur verlangt werden, wenn Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht als Abhilfe ausreichten. In dieser Modifikation der Widerrufsnorm, nicht hingegen im Ausschluss des § 49 VwVfG zeige sich VGH BW, Urt. vorn 27.8.1987 - 5. Senat-, UPR 1988,77,79. HessVGH und OVG Berlin (Anm. 55); BayVGH, Besch!. vorn 12.10.1995, NVwZ 1996, 1125, 1128; VGH BW, Urt. vorn 12.9.1996 - 8. Senat - , NVwZ-RR 1997,682. 58 Vg!. OVG Berlin (Anm. 55) und BayVGH (Anm. 57). 59 BVerwGE 91, 17,22. 60 BVerwG, NVwZ 1998, 281 - AtomendIager Morsleben; die ursprünglich nach DDR-Recht erteilte Genehmigung galt nach § 57a AtomG als Planfeststellungsbeschluss gemäß § 9 b AtomG fort. 56
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die erhöhte Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses. Abschließend heißt es, dass für einen strikten Vorrang der Betreiberinteressen auch eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht erkennbar sei, zumal im Hinblick auf die Entschädigungsregelung des § 49 Abs. 6 VwVfG 61 • Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die planfeststellungsrechtlichen Bestimmungen in den §§ 73 ff. VwVfG die nachträgliche Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen gemäß §§ 48, 49 VwVfG (ganz oder teilweise) nicht grundsätzlich ausschließen 62 . Das Gebrauchmachen von dieser Ermächtigung wird jedoch praktisch eher selten sein. Zum einen sind die hier in Frage kommenden Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG (Gefiihrdung des öffentlichen Interesses) und § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG (schwere Nachteile fllr das Gemeinwohl) streng. Zum anderen wird die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung die Folgen einer (vollständigen oder teilweisen) Aufhebung bedenken, insbesondere die Entschädigungspflicht gern. § 49 Abs. 6, § 48 Abs. 3 VwVfG.
IV. Nachträgliche Schutzaußagen aufgrund eines Außagenvorbehalts Im letzten Abschnitt möchte ich mich nun der Frage zuwenden, inwiefern die Planfeststellungsbehörde sich im Planfeststellungsbeschluss (neben oder unabhängig von den Voraussetzungen des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG) vorbehalten kann, nachträgliche Ergänzungen des Planfeststellungsbeschlusses von Amts wegen anzuordnen. Die Beantwortung dieser Frage hängt natürlich von der Existenz einer Rechtsgrundlage fllr einen solchen Auflagenvorbehalt und damit zugleich fUr die vorbehaltene Auflage ab. In Betracht kommen § 36 Abs. 2 Nr. 5 und § 74 Abs. 3 VwVfG.
1. Vorbehalt gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG § 74 Abs. 3 VwVfG erlaubt es, Einzelfragen einer nachträglichen Regelung vorzubehalten, soweit im Planfeststellungsbeschluss eine abschließende Entscheidung noch nicht möglich ist. Es fragt sich, ob dieser Entscheidungsvorbehalt nicht nur auf solche Prilfungspunkte abzielt, die in überschaubarer Zeit nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses abschließend beurteilt werden BVerwG NVwZ 1988,281,283. Ebenso: Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl. 1995, § 39 Rdnr. 32; Schulze-Fielitz, in: Koch / Scheuing, GK-BlmSchG, § 41 Rdnr. 78. 61
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können. Dann würde § 74 Abs. 3 Vwvro als Rechtsgrundlage fi1r einen Auflagenvorbehalt ausscheiden, bei dem noch ungewiss ist, ob und wann die Voraussetzungen fi1r das Gebrauchmachen von dem Vorbehalt eintreten werden. Für dieses enge Verständnis des § 74 Abs. 3 Vwvro spricht dessen Wortlaut, wenn es im zweiten Halbsatz heißt, dass dem Vorhabenträger (zusammen mit dem Vorbehalt) die Vorlage noch fehlender Unterlagen aufzugeben ist. Denn damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die vorbehaltene Teilentscheidung alsbald nachgeholt werden so11 63 • Nach diesem Verständnis ermächtigt § 74 Abs. 3 Vwvro zu einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens als solches und lässt die Nachholung einer abtrennbaren, die Gesamtkonzeption nicht berührenden und im Moment noch nicht entscheidungsreifen Teilregelung ZUM. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist § 74 Abs. 3 Vwvro bislang ebenfalls als Ermächtigung dazu aufgefasst worden, Einzelfragen fi1r einen überschaubaren Zeitraum einer nachträglichen Regelung vorzubehalten 65. 2. Vorbehalt gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG Ein Auflagenvorbehalt für den Fall des noch ungewissen Eintritts bestimmter Umstände könnte aber möglicherweise auf § 36 Abs. 2 Nr. 5 Vwvro gestützt werden. Dies setzt die Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Planfeststellungsrecht voraus. Sie ist wiederum gegeben, soweit sich aus den §§ 73 bis 78 Vwvro nichts Abweichendes ergibt (§ 72 Abs. 1 1. Halbsatz Vwvro). Eine abweichende Regelung könnte in § 74 Abs. 3 Vwvro gesehen werden, wenn man sie als abschließende Vorschrift fi1r Vorbehalte in Planfeststellungsbeschlüssen und nicht nur als Sonderregelung fi1r Vorabentscheidungen begreift. In den Gesetzesmaterialien zu § 74 Vwvro wird von der Anwendbarkeit des § 36 Abs. 2 Nr. 5 Vwvro im Planfeststellungsrecht ausgegangen. Dort
63 V gl. zu der Pflicht zur zügigen Entscheidung der offen gelassenen Frage Allesch / Häußler, in: Obermayer, VwVfD, 3. Aufl., § 74 Rdnr. 113. 64 Vgl. zu diesem Verständnis: BegrUndung des Regierungsentwurfs zu dieser Regelung, BT-Drucks. 7/910, S. 89; Allesch / Häußler (Anm. 63), § 74 Rdnr. 107; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 568 - Recht zur einstweiligen Planfeststellung -; auch Bank (Anm. 9), § 74 Rdnr. 101. 6S Vgl. BVerwG, Urt. vom 11.11.1988, Buchholz 316, § 74 Nr. 6 S. 9 - Klärung, ob Gelegenheitsverkehr mit Kettenfahrzeugen zu unzumutbaren Belastungen ftlhrt -; Urt. vom 5.3.1997, BVerwGE 104, 123, 138 - Verfahren "Besonders überwachtes Gleis"-; Urt. vom 27.10.1998, NVwZ 1999, 644, 645 - Flughafen Erfurt -; Urt. vom 10.8.20004 A 11.99 -, S. 15 d.U. - Vorbehalt ftlr den Fall ungünstiger Ergebnisse von Lärmmessungen 6 Monate nach Inbetriebnahme der BAB -.
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heißt es - interessanterweise im Zusammenhang mit der Regelung in § 74 Abs. 2 VwVfG - wörtlich: "Die Schutzauflagen "sind die wichtigsten Mittel der Planfeststellungsbehörde, um einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen herbeizufilhren. Die Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange kann einmal zu dem Ergebnis führen, dem Vorhaben die Zustimmung zu verweigern. In aller Regel wird die Planfeststellungsbehörde aber zu dem Ergebnis kommen, das Vorhaben filr zulässig zu erklären, weil sie die Berücksichtigung der von ihm betroffenen öffentlichen und privaten Belange durch entsprechende Auflagen an den Träger des Vorhabens sicherstellen kann ..... Der Begriff "Anlagen" ist dabei ... weit auszulegen. Er kann danach alles umfassen, was geeignet ist, die Auswirkungen des Vorhabens auf die Belange der Allgemeinheit oder Rechte Dritter aufzuheben oder zu vermindern ..... Die Möglichkeit von nachträglichen Auflagen ist nicht besonders erwähnt, weil im Planfeststellungsbeschluss ein entsprechender Vorbehalt gemacht werden kann (vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 5 [des Entwurfs = § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG)),,66. Neben den systematischen und historischen Auslegungserwägungen wird man auch auf den Sinn und Zweck der Regelung abstellen müssen. Dann beurteilt sich die Anwendbarkeit des § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG im Planfeststellungsrecht wiederum danach, welche Rechtsstellung man der Planfeststellungsbehörde speziell hinsichtlich der Frage notwendiger Schutzvorkehrungen zuerkennt. Gesteht man ihr insofern einen planerischen Gestaltungsspielraum, d.h. Planungsermessen zu, spricht dies fUr die Anwendbarkeit des § 36 Abs. 2 VwVfG. Dabei braucht nicht näher ausgefllhrt zu werden, dass das Gebrauchmachen von dieser Ermächtigung ebenso wie der spätere Erlass der (zulässigeiweise vorbehaltenen) Auflage nur nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgen darf. Dies bedeutet insbesondere, dass der Vorbehalt nicht ohne plausiblen Grund ("ins Blaue hinein") beigefUgt werden darf, vielmehr ein hinreichend konkreter Anlass hierfUr gegeben sein muss. Verneint man hingegen einen solchen Abwägungsspielraum der Planfeststellungsbehörde - jedenfalls hinsichtlich der Frage der notwendigen Schutzvorkehrungen -, dann folgt aus dem so verstandenen Wesen des Planfeststellungsrechts etwas "Abweichendes" im Sinne von § 72 Abs. 1 1. Halbsatz VwVfG und damit die Unanwendbarkeit des § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG. Das BVerwG hat sich nun fllr diese Auffassung entschieden.
3. Entscheidung des BVerwG vom 22. November 2000 In seinem Urteil vom 22. November 2000 stellt das BVerwG fest, dass der Vorbehalt einer nachträglichen Ergänzung der Lärmschutzauflagen im Planfeststellungsrecht nur unter den Voraussetzungen des § 74 Abs. 3 VwVfG zu66 BT-Drucks. 7/910, S. 89. 24 Ziekow
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lässig ist. Dies ergebe sich aus dem im Planfeststellungsrecht geltenden Grundsatz der umfassenden Problembewältigung. Bei § 74 Abs. 3 VwVfG handele es sich um eine spezielle Regelung der Zulässigkeit eines Auflagenvorbehalts. Damit sei gemäß § 72 Abs. I VwVfG ein Rückgriff auf § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG ausgeschlossen 67 . Zusätzlich hat das BVerwG der Vorstellung, in diesem Zusammenhang stünde der Planfeststellungsbehörde ein Spielraum planerischen Ermessens zu, eine deutliche Absage erteilt68 . Nach dieser Entscheidung des BVerwG kennt das Planfeststellungsrecht für die Behandlung nachteiliger Wirkungen eines planfestgestellten Vorhabens ein System von 3 abgrenzbaren Bereichen, wobei die Zuordnung eines Sachverhalts zu einem dieser 3 Bereiche uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegen so1l69: (1) § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verpflichtet als Ausprägung des Grundsatzes umfassender Problembewältigung, Vorkehrungen für diejenigen nachteiligen Wirkungen zu schaffen, deren Eintritt konkret möglich und deren Ausmaß abschätzbar ist;
(2) § 75 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 VwVfG erfasst diejenigen "Wirkungen, deren zukünftiger Eintritt zwar theoretisch denkbar ist, sich aber mangels ~esonde rer Anhaltspunkte noch nicht konkret absehen lässt"; (3) § 74 Abs. 3 VwVfG ist anwendbar, "wenn sich aufgrund besonderer Anhaltspunkte [zwar] die konkrete Möglichkeit abzeichnet, dass nachteilige Wirkungen in absehbarer Zeit eintreten werden, ihr Ausmaß sich jedoch noch nicht abschätzen lässt". Das allgemein jeder Prognose innewohnende Risiko, die spätere Entwicklung könne von der Prognose abweichen, reiche dafür nicht aus 70•
V. Fazit Nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Möglichkeit für eine nachträgliche Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses von Amts wegen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch deutlich eingeschränkt. Die soeben vorgestellte ,,3-Bereiche-Lehre" ist im Kern eine modifizierte 2-BereicheLehre: Der eine Bereich betriill die voraussehbaren nachteiligen Wirkungen, denen bereits im Planfeststellungsbeschluss durch entsprechende Vorkehrungen 67
68 69
70
BVerwG, Urt. vom 22.11.2000 - 11 C 2.00 -, S. 10 f. d.U. Anm. 67, S. 11 und 13 d.U. Anm. 67, S. 13 d.U. Anm. 67, S. 12. f. d.U.
Nachträgliche Schutzauflagen im Planfeststellungsrecht
371
begegnet werden soll. Der andere Bereich betrifft die nicht voraussehbaren Wirkungen. Diese sind dem § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG zuzuordnen. Letzteres bedeutet, dass die Behörde nur auf Antrag tätig werden kann. Ein Vorgehen in eigener Verantwortung von Amts wegen ist danach ausgeschlossen. Lediglich filr einen - auch zeitlich - kleinen Zwischenbereich soll ein amtswegiges nachträgliches Vorgehen der Behörde möglich sein. Ein dahingehender Vorbehalt ist jedoch auf die nachteiligen Wirkungen beschränkt, die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bereits konkret möglich, aber in ihrem Ausmaß noch nicht abschätzbar sind, jedoch in absehbarer Zeit eintreten werden. Ein Vorbehalt zugunsten einer Entwicklung, die zwar durchaus denkbar, aber noch nicht konkret wahrscheinlich ist, ist damit ausgeschlossen. Das BVerwG hat denn auch im entschiedenen Fall die Vorbehalte des EisenbahnBundesamtes hinsichtlich des möglichen Hinzutretens fremder Eisenbahnunternehmen und dadurch bedingte Änderungen der Zugzahlen sowie - vor allem - des Zugmaterials nicht als Rechtfertigung filr einen Auflagenvorbehalt angesehen. Der Vorteil dieser ,,3-Bereiche-Lehre" liegt sicher in der Klarheit und der Berechenbarkeit, insbesondere filr den Vorhabenträger. Andererseits schränkt diese Rechtsprechung das Planungsermessen der Behörde doch stark ein mit der Folge, dass filr den Bereich der Schutzauflagen der Unterschied zur Kontrollerlaubnis schrumpft. Wenn das entwickelte Schutzsystem mit einem eingeschränkten vorherigen Schutz und der Möglichkeit nachträglicher Ergänzungen bei unvorhersehbaren Entwicklungen auch theoretisch lückenlos sein mag, bleibt doch die Befilrchtung, dass es in der praktischen Umsetzung Defizite aufweist. Insgesamt erweckt die Entscheidung den Eindruck von starken Vorbehalten gegenüber den Planfeststellungsbehörden vor zuviel planerischer Bevormundung des - privaten - Vorhabenträgers. Dabei muss sich eine großzügigere Vorbehaltspraxis nicht zwingend zum Nachteil des Vorhabenträgers auswirken. So könnte durch eine flexiblere Handhabung des Instrumentariums der Schutzauflagen einerseits eine Überdimensionierung von Schutzvorkehrungen oder gar die Beschränkung des Betriebsprogramms - sofern man sie filr zulässig hält - vermieden werden; andererseits könnte die Akzeptanz des Vorhabens dadurch gesteigert werden, dass die Behörde die nachträgliche Anpassung des Vorhabens bei einem Fehlschlagen der Prognose zu ihrer eigenen Angelegenheit erklärt. Dieser Effekt dürfte nicht nur im Interesse der Betroffenen, sondern auch im Interesse des Vorhabenträgers liegen.
Die Berücksichtigung von Baustellenimmissionen in der Planungsentscheidung Von Ingrid Barner Inhaltsverzeichnis I.
Einleitung ............... ............................................ ...... .... ......................................... 374
11.
V orschriften über den Schutz vor Baustellenimmissionen ................................... 374 1. Bundesimmissonsschutzrecht ................................... ... ...................... .............. 375 a) Bundes-Immissionsschutzgesetz ......................... ....................................... 375 aa) Baustellen als nicht genehmigungsbedürftige Anlagen ....................... 376 (1) Baustellenverkehr ................ ......................................... ................. 376 (2) Baugrundstück .... ...... .............. ............. .................... ... ........... ....... . 376 (3) Verkehrswege ................................................................................ 376 bb) Anforderungen an Errichtung und Betrieb der nicht genehmigungsbedürftigen Anlage Baustelle ............................................................... 377 (1) Schädliche Umwelteinwirkung ...................................................... 378 (2) Erheblichkeit ...... ........................ ...... ................................. .. ..... ...... 378 (3) Maßnahmen .... ......................... ......... ..... ........................................ 378 (4) Schutzgutträger..... ........................................................ .......... ...... 379 b) Untergesetzliche bundesrechtliche Immissionsschutzahforderungen ........ 379 aa) Rechtsverordnungen ............................................................................. 380 bb) Verwaltungsvorschriften ...................................................................... 380 cc) Anordnung ........................................................................................... 381 2. Landesimmissionsschutzrecht ......................................................................... 381 3. Kommunales Immissionsschutzrecht .............................................................. 381
III. Schutzautlagen gegen Baustellenimmissionen in der Planungsentscheidung ..... 382 I. Deklarl!torische Aufnahme von Immissionsschutzvorschriften ...................... 382 2. Abwägungsprozess ......................... .......................... ................. ... ................... 382 3. Anordnung im Einzelfall ..................... ............................................................ 383 4. Entschädigungsverptlichtung .................................. ........................................ 383 5. Verfahrensrechtliche Grundlage ..................................................................... 384 IV. Rechtsmittel gegen die Nichtberücksichtigung von Baustellenimmissionen in der Planungsentscheidung .................................................................................... 385 1. Rechtsmittel zur Abwehr baustellen immanenter Immissionen ....................... 385 2. Präklusion von Ansprüchen ............................................................................ 386
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Ingrid Bamer
V. Rechtsfolgen fiir den Vorhabenträger bei Nichteinhaltung von Immissionsschutzanforderungen .................. ................... ....................................................... 386 VI. Schlussbemerkung ...... ... .... ... ...... ................ ..... .... ..... .......... .............. ................... 387
I. Einleitung Rechtssicherheit der Planung - daran sind alle Beteiligten interessiert: die Planer und deren Abnehmer, die Vorhabenträger und nicht zuletzt die bauausruhrenden Firmen. Es ist daher äußerst wichtig, dass bei der Planungsentscheidung sämtliche einschlägigen Normen Berücksichtigung finden. Das bedeutet, dass die Planungsbehörde das vom Vorhabenträger unterbreitete Projekt von Amts wegen auf sämtliche möglichen Auswirkungen "abzuklopfen" hat, die unter den Tatbestand von Gebots- oder Verbotsnormen fallen. Dabei wird häufig nur auf das Ergebnis - hier der Planung - geschaut und nicht berücksichtigt, dass bereits auf dem Weg zum (Planungs-)Ergebnis eine Reihe von Vorschriften verletzt werden können, rur deren Einhaltung die Planungsbehörde Sorge zu tragen hat und deren Nichteinhaltung ihr entgegengehalten werden kann. Die Planungsbehörde hat mithin auch dafiir Sorge zu tragen, dass von dem Baustellenbetrieb ausgehende nachteilige Auswirkungen ausgeschlossen oder zumindest vermindert werden. Ist das nicht möglich, muss sie dem Vorhabenträger auferlegen, die aus seinem Baustellenbetrieb entstehenden schädlichen Auswirkungen gegenüber den Betroffenen zu kompensieren. In der Regel wird diese Kompensation in Form einer Geld- oder Sachentschädigung vorgenommen werden. Das bedeutet, dass die Planungsbehörde - will sie sich gegen die Angreifbarkeit ihrer Planungsentscheidung absichern - gehalten ist, sich im Planrechtsverfahren nicht nur Gedanken über mögliche vom - vollendeten Planungsobjekt ausgehende schädliche Auswirkungen zu machen, sondern auch über solche, die sich bereits auf dem Wege dorthin, nämlich bei der Realisierung des Planungsobjekts, ergeben können.
11. Vorschriften über den Schutz vor Baustellenimmissionen Nachfolgend soll daher zunächst eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten einschlägigen Normen vorgenommen werden, unter Berücksichtigung des einschlägigen Bundesrechts, des Landesrechts und des Kommunalrechts.
Die Berücksichtigung von Baustellenimmissionen
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1. Bundesimmissionsschutzrecht Das Immissionsschutzrecht erweitert den polizeirechtlichen Gefahrenbegriff durch die Gleichstellung von Gefahren mit erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen. I Es umfasst alle Rechtsvorschriften, die unmittelbar oder mittelbar dem Schutz des Menschen und seiner Güter vor "nicht wägbaren" schädlichen Umwelteinwirkungen, "Immissionen" genannt, dienen. "Immissionen" unterscheiden sich von "Emissionen" dadurch, dass sie sich an dem Schutzgut orientieren, auf das eingewirkt wird Für die konkrete Beurteilung der sich aus einer schädlichen Einwirkung (Immission) ergebenden Gefahr kommt es auf das Maß der Einwirkung beim Schutzgutträger an. Emissionen werden dagegen an der Emissionsquelle gemessen. Das BImschG zählt zu den Immissionen gleichlautend wie zu den Emissionen folgende Belästigungen: Luftverunreinigungen, Geräusche, Wärme, Lichteinwirkungen und Erschütterungen sowie Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen / Erscheinungen. Alle Emissionen / Immissionen können auch von einer Baustelle ausgehen. Das ergibt sich aus § 3 Abs. 2 BImSchG rur die Emissionen und aus § 3 Abs. 3 BImSchG fUr die Immissionen. Der Planungsbehörde obliegt es deshalb, in ihrer Planungsentscheidung auch die zu erwartenden Baustellenimmissionen an den Schutzvorschriften des Immissionsschutzrechtes zu messen und in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. a) Bundes-Immissionsschutzgesetz
Vom Schutzzweck des BImSchG ist der Schutz aller drei Umweltmedien, nämlich der Schutz der Atmosphäre, des Wassers und des Bodens umfasst. In diese Bereiche wird regelmäßig auch durch Baustellentätigkeit eingegriffen. 2 Die von einer Baustelle ausgehenden Immissionen werden in der Regel von Anlagen, d.h. von Baumaschinen und ähnlichen Vorrichtungen hervorgerufen. Sie sind aber auch verhaltensbedingt, d.h. Art und Umfang der Baustellenimmissionen hängen auch davon ab, wie und wann die Baustellenvorrichtungen von ihren Betreibem eingesetzt werden.
Jarass, BlmSchG, 3. Aufl. 1995, § 1 Rn. 9. Das Gesetz zum Schutz gegen Baulänn vom 9.9.1965 (BGB!. I 1214) wurde durch das BlmSchG aufgehoben. I
2
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aa) Baustellen als nicht genehmigungsbedürftige Anlagen Wie und wo finden die Baustellenimmissionen im BlmSchG Berücksichtigung? Zunächst haben wir uns insoweit mit § 3 BlmSchG auseinander zu setzen, der den Begriff der Anlage definiert. Danach zählen Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge zu Anlagen im Sinne dieses Gesetzes. Wenn nun bereits einzelne Maschinen, Geräte·usw. als "Anlage" zählen, muss das erst recht filr ein Zusammenspiel derartiger Vorrichtungen zutreffen. Was ist eine Baustelle? Sie ist eine funktionale Zusammenfassung von Maschinen, Geräten u.ä. Einrichtungen. (1) Baustellenverkehr Nun gibt es allerdings Sonderregelungen im BlmSchG, die §§ 38 ff., die sich u.a. mit dem Schutz von Emissionen von Fahrzeugen befassen. Zum Baustellenbetrieb gehört häufig ein umfangreicher Kraftfahrzeugbetrieb. Ergibt sich doch aus dem An- und Abtransport von Material, dem Be- und Entladen usw. ein nicht unbeträchtlicher Fahrzeugverkehr. Dennoch finden hier die Sonderregelungen der §§ 38 ff. BlmSchG keine Anwendung, da der Kraftfahrzeugbetrieb, der in einem funktionalen Zusammenhang mit der Baustelle steht, nicht unter dem Gesichtspunkt von Fahrzeugimmissionen, sondern unter dem von Baustellenimmissionen zu werten ist. (2) Baugrundstück Wie sieht es mit dem Grundstück aus, auf dem die Baustelle betrieben wird? Auch das Baugrundstück selbst kommt als Anlage im Sinne des BlmSchG in Betracht. Dafilr spricht der Wortlaut von § 3 Abs. 5 Nr. 3 BlmSchG. Danach sind Grundstücke, auf denen Arbeiten durchgefilhrt werden, die Emissionen verursachen können, Anlagen im Sinne des BlmSchG. J (3) Verkehrswege Schließlich stellt sich die Frage, ob etwas anderes gelten kann, wenn der Planungsentscheidung ein Verkehrswegeprojekt zugrunde liegt. Handelt es sich um den Neu- oder Ausbau eines Verkehrsweges, befindet sich die Baustelle zwangsläufig auf öffentlichem Straßen land oder auf einem Schienenweg. Aber auch dann handelt es sich um eine Anlage im Sinne des BlmSchG. Dass öffentJ
Henkel, Der Anlagenbegriff des BImSehG, 1988, S. 79.
Die Berücksichtigung von Baustellenimmissionen
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Iiche Verkehrswege in ihrer Eigenschaft als Verkehrsweg vom Anlagenbegriff des BImSchG ausgenommen sind, spielt insoweit keine Rolle. Für den "Bau" oder die wesentliche "Änderung" von Straßen- und Schienenwegen enthält § 41 BImschG zwar eine Sonderregelung. Diese stellt jedoch auf Umwelteinwirkungen ab, die sich aus dem "Produkt" des "Baus" bzw. der "wesentlichen Änderung" ergeben. Das bedeutet, dass § 41 BImSchG lediglich vor verkehrstypischen Immissionen schützen will. Für sich unmittelbar aus der Bautätigkeit ergebende Immissionen bietet § 41 BImSchG dagegen keinen Schutz. Nach alledem handelt es sich bei einer Baustelle um eine Anlage im Sinne von § 3 V BImSchG. Der Betrieb von Baustellen gehört allerdings nicht zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen gern. § 4 BImSchG i.V.m. der 4. BundesImmissionsschutzverordnung (4. BImSchV), d.h. der Verordnung über genehmigungsbedÜTftige Anlagen, denn der in der 4. BImSchV enthaltene Katalog genehmigungsbedürftiger Anlagen umfasst keine Baustellen. Damit sind die Bestimmungen, die sich mit dem Betrieb nicht genehmigungsbedÜTftiger Anlagen befassen, d.h. die §§ 22 ff. BImSchG, filr Baustellenimmissionen maßgebend. Dabei spielt es keine Rolle, ob auf der Baustelle eine genehmigungsbedürftige Anlage entsteht. Die im BImschG in Bezug auf genehmigungsbedÜTftige Anlagen enthaltenen Anforderungen beziehen sich nur auf die umweltschädlichen Folgen, d.h. die künftigen Auswirkungen, die von einer solchen Anlage hervorgerufen werden. Auch hier ist zu unterscheiden zwischen dem eigentlichen Errichtungsvorgang, nämlich dem Baustellenbetrieb, und dem späteren Anlagenbetrieb. Nach alledem flillt der Baustellenbetrieb unter die §§ 22 ff. BImSchG, d.h. unter die Vorschriften über nicht genehmigungsbedürftige Anlagen und das un~ abhängig davon, ob eine genehmigungsbedürftige Anlage oder keine genehm igungsbedürftige Anlage oder gar keine Anlage errichtet werden sol1.4 bb) Anforderungen an Errichtung und Betrieb der nicht genehmigungs bedürftigen Anlage Baustelle Nach § 22 Abs. I BImschG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen und damit auch Baustellen so zu errichten und zu betreiben, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden und
4
Bodanowitz, NJW 1997,2352.
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nach dem Stand der Technik unvenneidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. (I) Schädliche Umwelteinwirkung Als schädlich gelten Umwelteinwirkungen gern. § 3 Abs. 1 BImSchG dann, wenn sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen fUr die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Von Gefahr spricht man dann, wenn ein Sachverhalt in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen kann. Zu Nachteilen werden vor allem Vennögensschäden oder Einschränkungen des persönlichen Lebensraumes gezählt. Unter Belästigungen werden Einwirkungen auf das körperliche und seelische Wohlbefinden verstanden, die noch nicht die Schwelle des Gesundheitsschadens überschreiten. 5 (2) Erheblichkeit Belästigungen und Nachteile können allerdings nur dann AnsprUche auslösen, wenn sie erheblich sind. 6 Wie wird das Kriterium der Erheblichkeit bestimmt? Man geht vom Grad der Betroffenheit eines "verständigen Durchschnittsmenschen" aus. 7 Andere Kriterien mögen fUr Unternehmen gelten. Wirken sich doch Immissionen, die fiir das eine Unternehmen kaum ins Gewicht fallen, fUr ein anderes als eine empfindliche Belastung aus. Ein Beispiel dafür sind Staubeinwirkungen auf "sensible" Geräte, wie sie sich u.a. in Arztpraxen befinden oder Erschütterungen, die den Ablauf von Maschinen beeinträchtigen. (3) Maßnahmen Was kann nun die Planungsbehörde zur Verhinderung / Beschränkung der schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen? Um derartigen Einwirkungen entgegenzuwirken, kann die Behörde z.B. Anordnungen zur Wahl des Aufstellungsortes fUr Maschinen treffen, die derartige Emissionen hervorbringen. 8 Bei Baulärm wird sie insbesondere ihr Augenmerk auf die Intensität, die Dauer und die zeitliche Lage der Arbeiten richten (Nachtzeit, Wochenende). Hier kann die Planungsbehörde über die Anordnung zeitlicher Beschränkungen die Venninderung schädlicher Einwirkungen bewirken. Eine wesentliche Rolle spielt auch 5 6 7
8
Kloepfer. Umweltrecht, 2. Aufl. 1998, § 14 Rn. 44. Jarass, BImSehG, 3. Aufl. 1995, § 3 Rn. 11, 13, 16. Bodanowitz (Anm. 4). Bodanowitz (Anm. 4).
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die Vorbelastung und bauordnungsrechtliche Qualifizierung des Gebietes, in dem sich die Baustelle befindet. (4) Schutzgutträger Die Schutzgutträger werden im Immissionsschutzrecht und im Genehmigungsrecht unterschiedlich bezeichnet. Die durch das BImSchG geschützten Rechtssubjekte werden mit "Nachbarschaft" und "Allgemeinheit" (§ 3 Abs. 1 BImSchG) bezeichnet. Im Planungs- bzw. Genehmigungsrecht haben wir es mit dem Begriff der "Betroffenen" (§ 74 VwVfG und Fachgesetze) zu tun. Nachbarn LS.d. Immissionsschutzrechts sind alle Personen, die in ihrem engeren Lebensbereich von den Einwirkungen einer Anlage betroffen sein können. Die Personen, die nicht bereits als Nachbarn anzusehen sind, aber dennoch von den Einwirkungen einer Anlage betroffen sein können, gehören zur Allgemeinheit. 9 Betroffene LS. d. Genehmigungsverfahrens sind Rechtssubjekte, in deren eigene Rechte oder schützenswerte Interessen eingegriffen wird oder die durch das Vorhaben in tUr sie (objektiv) negativer Weise in ihrer individuellen, rechtlich anerkannten eigenen Sphäre beeinträchtigt werden. 10 Wie sich aus der Definition der Schutzgutträgerbegriffe ergibt, dürfte der hinter diesen Begriffen stehende Personenkreis identisch sein. b) Untergesetzliche bundesrechtliche Jmmissionsschutzanjorde!'ungen
Der weit angelegte Schutzzweck des BImschG und die Vielzahl der dort enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe bedingt, dass für den konkreten Einzelfall detaillierte Bestimmungen heranzuziehen sind bzw. auf den Einzelfall abgestellte individuelle Entscheidungen getroffen werden müssen. Umfassende Schutzanordnungen enthalten die zur Aus- und Durchführung des BImSchG erlassenen bzw. nach dessen Inkrafttreten fortgeltenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (VV).
Jarass (Anm. 6), § 3 Rn. 18. Bonk, in: Ste1kens I Bonk I Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. 1993, § 73 Rn. 50. 9
10
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aa) Rechtsverordnungen Zu den einschlägigen Rechtsverordnungen zählt filr die Thematik der Baustellenimmissionen insbesondere die 15. BImSchV, die aufgrund des BImSchG erlassene Baumaschinenlärm-Verordnung. Wie der Name bereits anklingen lässt, enthält sie Geräuschemissionswerte, die von jedem zu beachten sind, der Baumaschinen gewerbsmäßig oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen in den Verkehr bringt Es dürfte insoweit ausreichen, dass die Planungsbehörde in ihrer Entscheidung auf die Einhaltung dieser Rechtsverordnung hinweist. Allein durch die Einhaltung der in der 15. BImSchV vorgegebenen Schallleistungspegel ist jedoch nicht automatisch der Schutz der Betroffenen vor schädlichen Umwelteinwirkungen gesichert. Auch wenn die einzelnen Baumaschinen den ihnen vorgegebenen Geräuschpegel einhalten, können die insgesamt von einer Baustelle auf die Schutzgutträger einwirkenden Immissionen dennoch die Zumutbarkeitsgrenze überschreiten. 11 bb) Verwaltungsvorschriften Weiterhin sind Bauimmissionsstandards in Verwaltungsvorschriften (VV) enthalten. Gern. § 48 BImSchG können VV zur Durchfilhrung dieses Gesetzes und der auf Grund des BImSchG erlassenen Recht~verordnungen ergehen. Sie enthalten vorwiegend Richtwerte rur Emissionen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind sowie Maß- und Beurteilungsverfahren. Ihre fehlende ,.Drittwirkung" kann dadurch kompensiert werden, dass die Planungsbehörde dem Vorhabenträger auferlegt, ihre Einhaltung zu gewährleisten. Die Auflage, Verwaltungsvorschriften einzuhalten ist umso empfehlenswerter, als die Gerichte dazu neigen, VV den Charakter vorweggenommener Sachverständigengutachten zuzusprechen. 12 Beispielhaft sei hier auf die in Bezug auf Baustellenimmissionen besonders bedeutsame "Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm-Geräuschimmissionen (VVBaulärmG)13 verwiesen. Diese VV enthält neben gebietsspezifisch abgestuften Immissionsrichtwerten und Messverfahren insbesondere umfangreiche fachtechnische Hinweise filr Maßnahmen zur Minderung des Baulärms.
Bodanowitz(Anrn. 4), S. 2353. Schlemminger / Martens, Deutsches Umweltrecht in der Praxis, 2. Kap. Abschnitt DVn. 13 Vom 19.8.1970 (Beilage BAnz. NT. 160 vom 1.9.1970)/Fortgeltung gern. § 66 BIrnSchG. 11
12
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Vom Anwendungsbereich der "Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm" (TA Lärm)14, auch eine VV zum BImSehG, sind Baustellen nicht erfasst. Auch die "Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft" (TA Luft)15 ist eine VV. Sie findet auf Baustellen jedoch ebenfalls keine Anwendung, da sie nur für genehmigungsbedürftige Anlagen gilt. ce) Anordnung Schließlich ist die zuständige Behörde über § 24 BlmschG auch ermächtigt, zur Durchftlhrung von § 22 BImSehG, d.h. zur Verhinderung bzw. Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen, erforderliche (Einzelfall-)Anordnungen zu treffen. Häufig stellt sich die Notwendigkeit für derartige Anordnungen bereits vor Erlass der Planrechtsentscheidung heraus. Sollte sich die Notwendigkeit für eine Einzelfall-Anordnung erst später ergeben, kann sie jedoch auch noch im nachhinein erteilt werden.
2. Landesimmissionsschutzrecht Immissionsschutzanforderungen können sich auch aus Landesrecht ergeben. Aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 2 BImSehG, wonach "weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt bleiben", ergibt sich, dass sich Landesrecht darauf zu beschränken hat, das Bundesimmissionsschutzrecht zu konkretisieren oder Anforderungen zu setzen, die über Bundesrecht hinausgehen. Diese Kompetenzregelung wird daher von den Ländern zur Normsetzung rur den vom BlmSchG nicht erfassten verhaltensbezogenen Immissionsschutz genutzt. Für die nicht genehmigungsbedUrftigen Anlagen - zu denen wie ausgeruhrt auch Baustellen zählen - sind dabei insbesondere die landesrechtlichen Lärmschutzvorschriften relevant. 16 Diese regeln insbesondere den Schutz der Nachtruhe sowie anderer Ruhezeiten.
3. Kommunales Immissionsschutzrecht Schließlich ist die Planungsbehörde auch gehalten, Besonderheiten zu berücksichtigen, die sich aus ortsrechtlichen Vorschriften ergeben. Die Elle, an 14 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BlmSchG vom 26.8.1998 (GMBI.
S.503). IS
Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BlmSchG vom 27.2.1986 (GMBI.
S. 95, her. S. 202). 16 Bodanowitz (Anm. 4), S. 2354.
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der die Normsetzungsbefugnis der Gemeinden zu messen ist, ist der "Schutz der Bevölkerung vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche" (§ 49 Abs. 3 BImSehG). Die Planungsbehörde wird sich daher in erster Linie mit erhöhten Lärrn- und Luftschutzanforderungen aufgrund gemeindespezifischer Besonderheiten wie Kur- oder Erholungseinrichtungen, Krankenhäuser u.!t. konfrontiert sehen.
III. Schutzauflagen gegen Baustellenimmissionen in der Planungsentscheidung 1. Deklaratorische Aufnahme von Immissionsschutzvorschriften
Zunächst einmal besteht die Möglichkeit, Immissionsschutzvorschriften rein deklaratorisch in die Planungsentscheidung aufzunehmen. Gesetzliche oder auf Rechtsverordnungen beruhende Gebote oder Verbote sind vom Vorhabenträger in der Regel auch dann einzuhalten, wenn auf ihre Einhaltung in der Planungsentscheidung nicht gesondert hingewiesen worden ist. Die Aufnahme eines Gebotes, einschlägige Normen einzuhalten, dient jedoch der Rechtssicherheit, auch wenn ein solches Gebot nur deklaratorische Funktion hat. Eine entscheidendere Wirkung kann dagegen dem Gebot zukommen, VV zwingend zu beachten, da es diesen - wie bereits ausgefilhrt - an einer "Drittwirkung" fehlt.
2. Abwägungsprozess Eine weitere Möglichkeit der Umsetzung immissionsschutzrechtlicher Vorschriften bietet der planungsrechtliche Abwägungsprozess. Soweit die bloße Normierung von Immissionsschutzstandards allein nicht ausreichend ist, um den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu sichern, wird sich die Planungsbehörde über Art und Umfang der Baustellenimmissionen im Rahmen der ihr obliegenden Abwägung auseinander setzen müssen. 17 Das bedeutet, dass die Auswirkungen von Baustellenimmissionen zu den Belangen gehören, die von der Planungsbehörde zu ermitteln sind, um sodann in den Abwägungsprozess eingestellt und berücksichtigt zu werden. Dazu muss sie den Umfang der Baustelle, deren technischen Schwierigkeitsgrad sowie - wie bereits erwähnt - die Vorbelastung des Geländes und seine
17
Stüer, Handbuch des Bau- u. Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 1998, Rn. 2173 .
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bauordnungsrechtliche Qualifikation bewerten. Voraussetzung ist, dass diese Belange mehr als geringftlgig, schutzwürdig und auch erkennbar sind. 18
3. Anordnung im Einzelfall Das wirksamste Instrument zum Schutz der Betroffenen vor Baustellenimmissionen dürfte jedoch die bereits erwähnte Anordnung im Einzelfall gern. § 24 BImSchG sein. Mit ihrer Hilfe können die immissionsschutzrechtlichen Vorgaben konkretisiert und durchgesetzt werden. Anordnungen aufgrund anderer gesetzlicher Ermächtigungen sind - sofern sie dem Immissionsschutz dienen - ebenso möglich wie Anordnungen aufgrund der ordnungsbehördlichen Generalklausel. 19 Die über Anordnungen erteilten Auflagen unterliegen dem verwaltungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit. Das Gebot des geringst möglichen Eingriffs - hier: in Bezug auf die Gestaltungsfreiheit des Vorhabensträgers - korrespondiert mit dem Kriterium der Erforderlichkeit der (Schutz-)Auflage für die von den Baustellenimmissionen nachteilig Betroffenen. 2o
4. Entschädigungsverpßichtung Wo schädliche Einwirkungen von Baustellen weder über den Verweis auf Ge- oder Verbotsnormen bzw. über Anordnungen im Einzelfall ausgeschlossen oder zumindest angemessen vermindert werden können, bleibt der Planungsbehörde nur die Alternative, Festsetzungen auf angemessene Entschädigung in Geld zu treffen. Diese Ausgleichspflicht entspricht dem im gesamten öffentlichen Planungsrecht bestehenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach unzumutbare Beeinträchtigungen durch ein öffentlicher Planung bedürftiges Vorhaben im nachbarschaftlichen Austauschverhältnis nicht ohne Ausgleich hingenommen werden müssen. 21 Diesem Rechtsgrundsatz entspricht die im § 906 BGB enthaltene Regelung, nach der im Nachbarschaftsverhältnis bei nicht nur unwesentlicher, über das zumutbare Maß hinausgehender Beeinträchtigung "ein angemessener Ausgleich in Geld" verlangt werden kann.
18 19
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Stüer (Anm. 17), Rn. 2156. Jarass (Anm. 6), § 24 Rn. 1. Bonk (Anm. 10), § 74 Rn. 31. Bonk (Anm. 10), § 74 Rn. 28.
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Voraussetzung ist, dass konkrete Vorkehrungen gegen Baustellenimmissionen untunlich oder mit dem Bauablauf unvereinbar sind. Untunlich sind Schutzvorkehrungen dann, wenn der Aufwand filr den Träger des Vorhabens außer Verhältnis zum angestrebten Zweck steht. Häufiger wird es jedoch darum gehen, dass Schutzvorkehrungen mit dem Bauablaufunvereinbar sind. Vielfach geht es deshalb gerade darum, die belästigenden Auswirkungen des unvermeidbaren Einsatzes von technischen Geräten zu entschädigen. Unabhängig davon, ob die Vorkehrungen untunlich oder mit dem Bauablauf unvereinbar sind, ist fUr einen Entschädigungsanspruch Voraussetzung, dass die zugrunde liegende Situation mit nachteiligen Immissionen verbunden ist, die die Grenze des Zumutbaren überschreiten und deren Abwehr durch technisch-reale Maßnahmen nachweislich nicht in Frage kommt. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Auszurichten ist sie an den Nachteilen, die trotz des Einsatzes aller verfUgbaren Mittel filr die Betroffenen verbleiben. Am plastischsten ist das Beispiel der gestörten Nachtruhe durch Bauarbeiten, die auch während der Nachtzeit durchgefUhrt werden müssen. Wenn es dabei zu Lärm-, Licht- und / oder Erschütterungseinwirkungen kommt, durch die die Nachtruhe nachhaltig gestört wird, wird ein Ausgleich nur in Geld möglich sein, und zwar in Form der Kosten fUr einen Hotelaufenthalt.
S. Verfahrensrechtliche Grundlage Verfahrensrechtlich ist sowohl die Anordnungs- als auch die Entschädigungsverpflichtung - soweit sie sich nicht bereits aus fachplanungsrechtlichten Vorschriften ergibt - in § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG geregelt. Danach sind dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind. Gern. § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG haben die Betroffenen einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn solche Vorkehrungen oder Anlagen - wie soeben aus gefUhrt - untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. 22 Die durch einzelfallbezogene Anordnungen verfUgten inhaltlichen Einschränkungen der Planungsrechtsentscheidung sind ihrem Inhalt nach Nebenbestimmungen im Sinne des VwVfG. Das in § 36 Abs. I VwVfG enthaltene grundsätzliche Verbot, Verwaltungsakte mit Nebenbestimmungen zu versehen, kann hier vernachlässigt werden, da auf Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses im Hinblick auf die planerische Gestaltungsfreiheit kein Anspruch besteht. 22 Vergleichbare Regelungen z.B. § 9 Abs. 2 LuftVG; § 31 Abs. 2 WHG; § 19 Nr.l WaStrG; § 9 b Abs. 4 AtomG.
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Da Auflagen und Schutzmaßnahmen einen Anspruch der Betroffenen gegen den Vorhabenträger begründen, sind sie nach Möglichkeit bereits in die Planrechtsentscheidung aufzunehmen und nur in Ausnahmefiillen nachträglich zu erlassen. 23 Aus dem anspruchsbegrundenden Charakter der Auflagen ergibt sich ein Rechtsanspruch der Betroffenen auf Tätigwerden der Behörde. Daraus folgt, dass die von der Behörde zu treffenden Anordnungen nicht in deren Ermessen stehen, jedenfalls dann nicht, wenn sie wegen Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung erforderlich sind?4 In einem solchen Fall sprechen wir von einer Ermessensreduzierung auf Null.
IV. Rechtsmittel gegen die Nichtberücksichtigung von Baustellenimmissionen in der Planungsentscheidung 1. Rechtsmittel zur Abwehr baustellenimmanenter Immissionen
Formal betrachtet müssen die Betroffenen Ansprüche auf Schutzmaßnahmen bzw. auf Geldentschädigung gern. § 74 Abs. 2 S. 2, 3 VwVfG - so sie denn nicht bereits mit der Planungsentscheidung erfillit wurden - bis zur Bestandsbzw. Rechtskraft dieser Entscheidung durch einen Antrag auf Planergänzung im Wege einer Verpflichtungsklage geltend machen.25 Bis der verfahrensrechtliche Weg durchschritten ist, dürfte die Baustelle jedoch regelmäßig bereits wieder geräumt sein. Auch kann der Fall eintreten, dass die Baustelle erst nach Bestands- bzw. Rechtskraft der Planungsentscheidung eingerichtet wird. Die gegen Planungsrechtsentscheidungen im Übrigen gegebenen Rechtsbehelfe, wie der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie die Anfechtungsklage dürften aus dem gleichen Grund filr Ansprüche auf Schutz vor Baustellenimmissionen ebenso wenig geeignet sein. Abgesehen davon ist die Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses im Ganzen nur zulässig, wenn durch das Fehlen einer an sich gebotenen Schutzauflage die Ausgewogenheit der Planung insgesamt bzw. eines abtrennbaren Teils davon in Frage gestellt wÜTde. 26 Als verwaltungsrechtliches Instrument bleibt damit nur der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gern. § 123 VwGO übrig. Unbenommen bleiben natÜTlich zivilrechtliche Schritte.
2S
Bank (Anm. 10), § 74 Rn. 29. Bank (Anm. 10), Rn. 31 . Bank (Anm. 10).
26
BVerwG, Buchholz 442.01, § 29 PBefG Nr. 1.
23
24
25 Zickow
386
Ingrid Barner
2. Präklusion von Ansprüchen
Bekanntermaßen werden die verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten, Belange gegen ein planfestzustellendes Vorhaben vorzubringen, von den Betroffenen auch genutzt. Einwendungen gegen mögliche Baustellenimmissionen können potenziell Betroffene jedoch nur dann erheben, wenn sie wissen, was auf sie zukommt. Mangels Kenntnis der Art und Umstände des Bauablaufs werden sie deshalb kaum in der Lage sein, entsprechende Einwände vorzubringen. Diese Tatsache könnte dagegen sprechen, dass PlanergänzungsansprUche einschließlich etwaiger EntschädigungsansprUche in Bezug auf Baustellenimmissionen präkludieren. Präklusion hin oder her: In der Praxis neigen die Betroffenen ohnehin dazu, sich unmittelbar an den zu halten, der "vor Ort buddelt". Je nach Größe und Umfang des Vorhabens wird das der Vorhabenträger sein, wenn er identifizierbar ist. Noch naheliegender ist es ftlr die Betroffenen, sich direkt an den Bauleiter der bauausfUhrenden Firma zu halten. Nach alledem dürften die gegen eine Planungsrechtsentscheidung gegebenen Rechtsmittel ftlr den Komplex Baustellenimmissionen weitgehend leer laufen. Vorstellbar ist allenfalls, dass nachträglich - unter Verneinung der Präklusion etwaiger AnsprUche - auf einen Ausgleichsanspruch in Geld erkannt wird. Dies könnte durch einen von der Planungsbehörde positiv beschiedenen Antrag oder über eine zugunsten der Betroffenen ausgehende Verpflichtungsklage geschehen. In beiden Fällen müsste die Planungsbehörde dem Vorhabenträger die Verpflichtung zu einer Geldentschädigung auferlegen, und zwar in Form eines Planergänzungsbeschlusses.
V. Rechtsfolgen f"ür den Vorhabenträger bei Nichteinhaltung von Immissionsschutzanforderungen Unabhängig davon, ob Betroffene Rechtsmittel einlegen oder - formlose Beschwerden - mit welchem Adressaten auch immer - vorbringen, hat die Planungsbehörde bei Verstößen gegen immissionsschutzrechtliche Schutzvorschriften von Amts wegen das Recht, gegen Baustellenimmissionen vorzugehen. Dazu ist sie berechtigt, wenn gegen eine im Rahmen der Planungsrechtsentscheidung erlassene Anordnung oder generell gegen immissionsschutzrechtliehe Vorschriften verstoßen wird. Wird einer nach § 24 BImSchG erlassenen vollziehbaren Anordnung nicht nachgekommen, besteht gem. § 25 Abs. 1 BImSchG die Möglichkeit, den Baustellenbetrieb bis zur ErfiHlung der Anordnung ganz oder teilweise zu untersa-
Die Berücksichtigung von Baustellenimmissionen
387
gen. Als Adressaten einer derartigen UntersagungsverfUgung kommen neben den Bauunternehmen auch die Bauherren respektive die Vorhabenträger in Betracht, wenn ihnen bestimmender Einfluss auf den konkreten Ablauf der Baustelle zukommt. 27 Während § 25 Abs. 1 BImSchG lediglich eine "Kann"-Vorschrift ist, ordnet § 25 Abs. 2 BlmSchG an, dass die zuständige Behörde den Anlagenbetrieb d.h. in unserem Fall den Baustellenbetrieb - ganz oder teilweise untersagen soll. Dazu bedarf es einer Gefllhrdung von Leben oder Gesundheit von Menschen oder bedeutender Sachwerte. Außerdem muss die Möglichkeit ausgeschlossen sein, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft auf andere Weise ausreichend zu schützen.
VI. Schlussbemerkung Den Belästigungen der Allgemeinheit und Nachbarn durch Baustellenimmissionen wird bei weitem nicht so viel Augenmerk beigemessen, wie den immissionsschutzrechtlichen und sonstigen Folgen, sprich künftigen Auswirkungen, einer planfestgestellten Anlage. Sicherlich sind Baustellenimmissionen nur eine vorUbergehende Erscheinung. Für die Dauer des Baustellenbetriebes können sie der Nervenkraft der Betroffenen jedoch erheblich zusetzen und schlimmstenfalls auch zu Gesundheitsschäden oder Sachschäden fUhren. Da den Betroffenen in der Regel konkret gar nicht klar ist, was auf sie zukommt, nehmen entsprechende Einwendungen im Planungsrechtsverfahren nur einen geringen Raum ein. Den Planungsbehörden obliegt daher die wichtige Aufgabe, sich vom Vorhabenträger detailliert über den Bauablauf, den Einsatz technischer Hilfsmittel, die gewählten Bauverfahren sowie über die örtliche Lage der Baustelle und den gewählten Zeittakt zu informieren. Nur unter dieser Voraussetzung ist es möglich, in der Planungsentscheidung alle zum Schutz der Betroffenen notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
27
Bodanowitz (Anm. 4), S. 2354, Fn. 6.
Kommunale Verhinderungsplanung gegen Fachplanung? Von Ingo Kraft Inhaltsverzeichnis I.
Einfiihrung .......................................... ......................................... ... ...................... 390 I. Unterschiede zwischen Bauleitplanung und Fachplanung .............................. 390 a) Perspektive des Planers .............................................................................. 390 b) Kompetenzen ....................................... ................................................... .... 391 c) Rechtsform ................................................................................................. 391 2. Konflikte und Lösungsanslltze .............................................................. .... ...... 392
II.
Konkurrenz von Fillchennutzungs- und Fachplanung ........ .................................. 393
III. Konkurrenz von Bebauungs- und Fachplanung ................................................... 395 1. Abwllgungsrelevanz kommunaler Planungsvorstellungen in der Fachplanung ....................................................................................................... 395 a) Bebauungsplanung trifft auf Fachplanung (Zeitlich vorlaufende Fachplanung) ...... ........................................ ......................................... .... ........... 396 b) Fachplanung trifft auf Bebauungsplan (Zeitlich vorlaufende Bauleitplanung) ............................ ...... ................. ................................................... 397 aa) Anwendungsbereich nach der Neufassung des § 38 BauGB ............... 397 bb) Rechtsfolge ........................................................................................... 398 c) Gleichzeitigkeit von Bauleit- und Fachplanung ......................................... 399 2. Gewichtung bauleitplanerischer Belange in der fachplanerischen Abwllgung ............................................................................................................ 401 a) Kriterien rur die Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit durch Fachplanung ......................... ............................................................ 401 b) Kommunale Verhinderungsplanung .......................................................... 402 aa) Grenze der Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB) .............. .................. 402 bb) Konsequenzen ...................................................................................... 404 3. Sperrwirkung gemeindlicher Verllnderungssperre gegenüber Fachplanungsvorhaben? ............................................. ........................................................... 405 IV. Fazit ....................... ... ............................................................................................ 406
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Ingo Kraft
I. Einführung Hinter mancher kommunalen Bauleitplanung steckt (unter anderem) die Absicht der Abwehr der Gemeinde missliebiger Fachplanungsvorhaben. 1 So verstanden ist Verhinderungsplanung in der Praxis ein nicht seltenes Phänomen, aber erweist sie sich auch als rechtlich wirksames Abwehrinstrument? Der Titel dieses Beitrags löst vermutlich gegensätzliche Geftlhle bei den angesprochenen Akteuren aus: Auf Stadtplaner wirkt er wie eine Verheißung, auf Fachplaner wie ein rotes Tuch. Die rechtliche Fundierung des angesprochenen Konflikts ist Ziel dieses Beitrags, der zunächst einen Überblick über das Themenfeld konkurrierender raumbezogener Planungskompetenzen gewährt, um sodann die Verhinderungsplanung in den abgesteckten normativen Rahmen einzuordnen.
1. Unterschiede zwischen Bauleitplanung und Fachplanung a) Perspektive des Planers
Während die Bauleitplanung ihrer Blickrichtung nach eine Gesamtplanung ist, die prinzipiell an dem ihr zugewiesenen Planungsraum, dem Gemeindegebiet ansetzt, ist die Fachplanung eindimensional angelegt.2 Sie hat im Ansatz die optimale Realisierung der ihr vom Gesetzgeber überantworteten fachlichen Aufgabe im Auge. Bereits von dieser Zielsetzung her, die sich in der primär fachlichen Orientierung der Fachplaner fortsetzt, neigt diese Art der Planung zu einer eher einseitigen Sichtweise und nicht unbedingt zu einem gesamträumliehen Interessenausgleich, wie er die raumbezogenen Gesamtplanungen kennzeichnet. Die Bereitschaft der Fachplaner, Abstriche von fachlichen Standards wie Kurvenradien, Höhengradienten oder Fahrbahnbreiten zu machen, tendiert
1 Der Begriff der Fachplanung ist umfassend und erstreckt sich im Ansatz von der Krankenhausbedarfsplanung über die Abfallwirtschaftsplanung (§ 29 Krw- / AbfG) bis hin zu wasserwirtschaftlichen Rahmenplänen (§§ 36 ff. WHG). Im Folgenden wird ein engerer Fachplanungsbegriff zugrunde gelegt, der die sektorale Planung und Zulassung einzelner bodenbeanspruchender Projekte der Infrastruktur betrifft; vgl. Paetow, Zum Verhältnis von Fachplanung und Bauleitplanung, UPR 1990, 321. Zur kommunalen Abwehrplanung vgl. Langer, Gemeindliches Selbstgestaltungsrecht und überörtliche Raumplanung, VerwArch. 80 (1989), 352 (353); Grigoleit, Gemeindliche Abwehrplanung gegen fachplanerische Inanspruchnahme, NJ 1998,356. 2 Zu den Begriffen der Gesamt- und Fachplanung vgl. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968, S. 42; Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung?, Gutachten 50. DJT 1974, S. B 28; Hoppe, Planung und Pläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, FS Menger, 1985, S. 747 (753).
Kommunale Verhinderungsplanung gegen Fachplanung?
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gegen Null. 3 Dieses in sich geschlossene System fachspezifischer Standards als geronnener Fach- bzw. Sachverstand erweist sich in der Auseinandersetzung mit gegenläufigen Einzelbelangen als kaum überwindbares technokratisches Rationalitätspotential. Bei linienilirmigen Planungen kommt hinzu, daß zumeist mehrere Gemeindegebiete berührt werden, so daß die Belange der einzelnen Gemeinde im Hinblick auf die innere Logik einer Trassenfilhrung automatisch in den Hintergrund treten (Zwangspunkte). b) Kompetenzen
Die Kompetenzen sind unterschiedlich verteilt: Der Gemeinde obliegt die Bauleitplanung; aber sie ist in den seltensten Fällen Fachplanungsträgerin bzw. Plangenehmigungs- oder Planfeststellungsbehörde. 4 Die bauleitplanerische Gestaltungskompetenz eines Gemeinderates birgt in der Verwaltungswirklichkeit allerdings nicht selten die Versuchung der Flucht aus der Gesetzesbindung, weil die direktdemokratische Legitimation von den Gemeinderäten subjektiv oftmals hypertroph empfunden wird. Dieses Phänomen, der ,.psychologische Legitimationsüberhang-', manifestiert sich zuweilen bei Kommunalpolitikern anlässlich dezenter Hinweise auf die Rechtslage und den in Art. 28 Abs. 2 GG enthaltenen Rechtsvorbehalt C..• im Rahmen der Gesetze ... ) in erbosten Reaktionen wie: "Das müssen wir doch politisch entscheiden können!" Dieses autokratische Selbstverständnis vieler Gemeinderäte sollte man auch bei dem Zusammentreffen von Bauleit- und Fachplanung als Realfaktor gemeindlichen Handeins nicht unterschätzen. c) Rechtsform
Auch die Rechtsform, in die das jeweilige Planungsergebnis gegossen wird, ist unterschiedlich: Der Bebauungsplan wird als Satzung beschlossen (§ 10 Abs. 1 BauGB), die aber keine abschließende Zulassungsfunktion filr Einzelvorhaben besitzt (vgl. §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 29 Abs. 2 BauGB).s Demgegenüber ordnet § 75 Abs. 1 VwVfG rur den als Verwaltungsakt ergehenden Planfeststellungsbeschluß eine umfassende Zulassungs- und Konzentrationswirkung an.
3 Gaentzsch, Bauleitplanung, Fachplanung, Landesplanung - Zur Kontliktbewältigung zwischen verschiedenen Planungsträgern, WiVerw. 1985,239 (240). 4 Zu den einzelnen Fachplanungsträgern nach altem Recht: Schlarmann, Das Verhältnis der privilegierten Fachplanungen zur kommunalen Bauleitplanung, 1980, S. 19
fT.
S V gl. aber § 17 Abs. 3 Satz I FStrG und § 28 Abs. 3 Satz I PBefG rur den planfeststellungsersetzenden Bebauungsplan.
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2. Konflikte und Lösungsansätze Konkurrierende Kompetenzen markieren immer auch Spannungsfelder konkurrierender Interessen. Neben der unmittelbaren Konkurrenz um Raumnutzungsvorstellungen verschiedener Planungsträger fi1r dieselbe Fläche bedürfen auch Nutzungspläne fUr unterschiedliche, aber benachbarte Flächen zur Vermeidung von Gemengelagen der Abstimmung. Beide Varianten der Kollision von· Raumnutzungsabsichten verschiedener Planungsträger treten zwischen gemeindlicher Bauleitplanung und raumbezogener Fachplanung auf. Die Unterschiede der materiellen Zwecksetzungen verbunden mit dem Auseinanderfallen der Kompetenzen, die innerhalb der Exekutive keine Binnenharmonisierung im Rahmen des Hierarchieprinzips über gemeinsame vorgesetzte Stellen gestatten, fUhren zwangsläufig zu Konflikten zwischen gemeindlichen Planungsvorstellungen und der Fachplanung. Zudem ist gemeindliche Betroffenheit durch Fachplanung kein seltenes Phänomen: Die Rechtstatsachenforschung belegt, dass die Zahl der Gemeinden betreffenden Fachplanungen ungeflthr so hoch ist wie die Zahl der von den Gemeinden aufgestellten Bebauungspläne. 6 Das Konfliktpotential in der Praxis ist beträchtlich und virulent; demgegenüber sind gesetzliche Regelungen zur Konfliktlösung singulär und zeichnen sich nicht durch besondere Klarheit aus. Daher ist die Versuchung, den gordischen Knoten dogmatisch durchzuhauen, groß, aber eine Pauschallösung zur Koordination von Bauleit- und Fachplanung - mittels einer Vorschrift oder eines umfassenden Grundsatzprinzips existiert nicht. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, diesem Mangel durch einen Rückgriff auf allgemeine Kollisionsregeln abzuhelfen. Derartige dogmatische Ansätze knüpfen an den oben entwickelten unterschiedlichen Charakteristika von Bauleit- und Fachplanung an: a) Planerische Perspektive: Vorrang der überörtlichen vor der örtlichen Planung,7 Vorrang der spezielleren (= Fachplanung) vor der generellen Planung (= Bauleitplanung). b) Kompetenz: Bundesplanung hat Vorrang vor Landes- oder Ortsplanung (§ 16 Abs. 3 Satz 3 FStrG, § 13 Abs. 3 Satz 1 WaStrG zur LinienfUhrung). c) Rechts/arm: Satzung bricht VA. Derartige Regeln können nicht einmal in Teilbereichen Geltung beanspruchen, 8 geschweige denn ein umfassendes Prinzip belegen. Der Gesamtbestand 6 Schäfer / Schmidt-Eichstaedt, Praktische Erfahrungen mit dem Bundesbaugesetz, 1984, S. 281 ff. (284). 7 So beispielsweise Ronellenfitsch, Das Zusammentreffen von qualifizierten Straßenbauplänen (isolierten Bebauungsplänen) mit Fachplanungen, DVBI. 1998,653 (655).
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der einzelnen Kollisionsnormen läßt vielmehr zwei Techniken der Koordination erkennen: Prozedurale Koordination durch wechselseitige Beteiligung in dem jeweiligen Planungsverfahren und die materielle Harmonisierung durch inhaltliche Berucksichtigungspflichten, Bindungen oder Vorrangregelungen. 9 Die weiteren Betrachtungen lassen die verfahrensrechtliche Koordination (§ 73 Abs. 2 I. Hs., Abs. 4 VwVfG einerseits und § 4 BauGB andererseits) außen vor und wenden sich sofort den materiellrechtlichen Koordinationsregelungen zu: Die Ebene der Flächennutzungsplanung (§ 7 BauGB) wird hier nur kurz beleuchtet, um sodann zu der fachplanungsrechtlichen Relevanz kommunaler Planungen und Planungsvorstellungen anhand des § 38 BauGB überzugehen. Bei der Vorstellung der Kriterien zur Gewichtung kommunaler planerischer Belange in der fachplanungsrechtlichen Abwägung ist dann auf das Stichwort der Verhinderungsplanung näher einzugehen.
11. Konkurrenz von Flächennutzungs- und Fachplanung Neben den generellen gegenseitigen BeTÜcksichtigungspflichten von Bauleit- und Fachplanung in der Abwägung, die sowohl auf der Ebene der Flächennutzungsplanung wie des Bebauungsplans auftreten können und erst auf der Stufe des Bebauungsplans abgehandelt werden sollen, betrifft die Präklusionsregelung des § 7 BauGB spezifisch die Konkurrenz von Flächennutzungsund Fachplanung. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber fiIr im Planaufstellungsverfahren beteiligte Fachplanungsträger eine Anpassungspflicht an die Darstellungen des Flächennutzungsplans statuiert. Ohne die Vorschrift käme dem Flächennutzungsplan, der keine Außenrechtsnorm mit genuinem Verbindlichkeitsanspruch gegenüber Dritten ist,IO keine Bindungswirkung zu. Hinter der Norm steht der gesamträumliche Ansatz der Flächennutzungsplanung (§ 5 Abs. I Satz I BauGB) mit dem integrativen Ziel eines abgestimmten Gesamtkonzepts rur die Gemeinde. 11 Realitätsnah vermag die Flächennutzungsplanung nur zu werden, wenn die Gemeinde tiber die Absichten der Fachplanungsträger
8 Paetow (Fn. I), S. 321 (322); Langer (Fn. I), S. 352 (361); Schma/tz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 38 Rdnr. I; Roeser, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995, § 38 Rdnm. 6 ff. 9 V gl. Gaentzsch (Fn. 3), S. 235 f.; Paetow (Fn. I), S. 321 (322). 10 So schon BVerwG, Urt. vom 15.3.1967 - 4 C 206.65, BVerwGE 26, 287 (290); BVerwG, Urt. vom 20.1.1984 - 4 C 32.81, BayVBI. 1984,471; BVerwG, Beschl. vom 20.7.1990 - 4 N 3.88, OVBI. 1990, 1352 (1353). 11 V gl. Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 2. Aufl. 1995, § 7 Rdnr. I.
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informiert wird und diese zu koordinieren und in den Flächennutzungsplan einzuarbeiten vermag. Das Prinzip des § 7 BauGB beruht auf dem römischen Rechtsgrundsatz: Qui tacet, consentire videtur, ubi loqui potuit atque debuit. Damit wird eine Obliegenheit der im Bauleitplanverfahren beteiligten Fachplanungsträger normiert, sich mit dem Planungsentwurf der Gemeinde im Hinblick auf die eigenen Planungsvorstellungen auseinanderzusetzen. Gesetzgeberisches Ziel ist eine frühzeitige Koordination der kommunalen Gesamtplanung mit den Sektoralplanungsvorstellungen der Fachplanungsträger. Die - vielen Juristen unbekannteV orschrift hat aus mehreren GrUnden in der Rechtspraxis keine große Bedeutung erlangt: 1. Die gesetzgeberische Vorstellung einer frühzeitigen verbindlichen Koordinierungsmöglichkeit der verschiedenen Planungen erweist sich aus der Perspektive der Fachplaner als realitätsfremd, wenn Stadtplaner und Fachplanungsträger im konkreten Fall ihre jeweiligen Vorstellungen nicht (zuflUlig) bis zum gleichen Reifegrad entwickelt haben. Trifft ein ausgereifter Flächennutzungsplanentwurf auf noch unausgegorene fachplanerische Vorstellungen, erweisen sich diese asynchronen Konkretisierungsgrade der Planungen derzeit als nicht koordinierbar. 2. Die zumeist vorliegende Ungleichzeitigkeit der Entwicklung planerischer Vorstellungen erklärt, weshalb die Fachplanungsträger im Zweifel auch eher prophylaktisch widersprechen, um sich nicht einer von ihnen als kaum kalkulierbar empfundenen Bindung auszusetzen. 12 Rechtssoziologisch betrachtet ist der Widerspruch rur die Fachplanungsträger "zu billig"; ftlr sie ist keinerlei Nachteil damit verbunden, so daß es ftlr sie - um sich alle Möglichkeiten offenzuhalten - nahe liegt, sich der Bindung zu entziehen und zu versuchen, gegenüber der Ebene der Bauleitplanung das Fachplanungsprivileg (§ 38 BauGB) in Anspruch zu nehmen. Ob ein nicht substantiiert begründeter Widerspruch rechtlich überhaupt die Bindung vermeiden kann, steht auf einem anderen Blatt. 3. Vielleicht schwingt in den Köpfen der Fachplaner auch die (Fehl-)Vorstellung mit, daß sie bei einem Widerspruch gegenüber der Gemeinde nicht nur ungebunden sind, sondern sie die Gemeinde bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans zu binden vermögen. Dieser Umkehrschluß aus § 7 BauGB wäre allerdings zu weitgehend und falsch, denn der Widerspruch hält nur "das Spiel offen", bringt aber keinen automatischen inhaltlichen Vorrang ftlr die Fachplanung. Die Konfliktentscheidung wird nur vertagt bis zum zukünftigen Planfest-
12
Gaentzsch (Fn. 3), S. 235 (244); Langer (Fn. 1), S._ 352 (358).
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stellungsverfahren, in der sich die Fachplanung mit den im Flächennutzungsplan manifestierten kommunalen Vorstellungen auseinandersetzen muß. 13
IH. Konkurrenz von Bebauungs- und Fachplanung Unter Anknüpfung an die Ausfilhrungen zu § 7 BauGB ist eine wichtige Klarstellungen des Gesetzgebers der im BauROG 1998 neugefaßte § 38 Satz 2 BauGB: "Eine Bindung nach § 7 bleibt unberilhrt." Ein Fachplanungsträger, der der Flächennutzungsplanung der Gemeinde nicht wirksam widersprochen hat, kann die eingetretene Bindung nicht über § 38 BauGB abschütteln. 14 Die folgenden Aussagen zum Verhältnis von Bebauungs- und Fachplanung, die an der 2. und 3. Stufe der Abwägungs(fehler) lehre (Ermittlung abwägungsrelevanter Belange und Gewichtung der ermittelten Belange) anknüpfen, sind demnach nur für Fälle ungebundener Fachplanungsträger relevant.
1. Abwägungsrelevanz kommunaler Planungsvorstellungen in der Fachplanung Die (Abwägungs-)Relevanz von mit dem Fachplanungsvorhaben unvereinbaren Festsetzungen in Bebauungsplänen bestimmt sich nach dem Prioritätsprinzip. In zeitlicher Aufeinanderfolge sind drei Konstellationen des Zusammentreffens von Bebauungs- und Fachplanung denkbar: - Vorlaufende Fachplanung. - Vorlaufende Bauleitplanung. - Gleichzeitige Fach- und Bauleitplanung.
13 Gaentzsch (Fußn. 11), § 7 Rdnr. 11; ders. (Fn. 3), S. 235 (244); Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr, Baugesetzbuch, 7. Aufl. 1999, § 7 Rdnr. 15. 14 Eine Umgehungsstrategie stünde den Fachplanungsträgern offen, wenn es ihnen gelänge, ihre Planvorstellungen - soweit dies raumordnungsrechtlich möglich ist - als bindendes Ziel in die Ebene der Landesplanung einzubringen. In der Regionalplanung würde die Gemeinde mit ihren im Flächennutzungsplan niedergelegten Planungsvorstellungen zwar über das Gegenstromprinzip (vgl. § lAbs. 3 ROG) bedingten Einfluß geltend machen können, aber letztlich wäre sie über § lAbs. 4 BauGB an die Ziele des Regionalplans gebunden und müßte die Bauleitplanung entsprechend anpassen.
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Zeitliches Zusammentreffen von Bauleitplanung und Fachplanung:
Planfeststellungsverfahren:
Antrag Auslegung ErOrtcrungstcnnin PlanfeststellunpbescbluB
I
Zeitpfeil
I
~
..
+
•
••
Bauleitplanverfahren - Variantk a)
Aufstellungsbeschluß Partizipation Satzun2sbcschluß Inkrafttreten
Bauleitplanverfahren - Variante b)
Aufstellungsbeschluß Partizipation Satzungsbeschluß Inkrarttreten
Bauleitplanverfahren - Variante c)
Aufstcllungsbeschluß Partizipation Satzungsbeschluß Inkrafttreten
I
a) Bebauungsplanung trifft aufFachplanung (Zeitlich vorlaufende Fachplanung)
Die Gemeinde ist an die fachplanerische Entscheidung gebunden, wenn der Planfeststellungsbeschluß (Plangenehmigung) auch ihr gegenüber in Bestandskraft erwachsen ist. Wenn man dieses Ergebnis nicht bereits aus der Bestandskraft des Verwaltungsaktes ableiten Will,IS mag man auch auf einen Erst-rechtSchluß aus § 38 BauGB zurOckgreifen. 16 Die Konfliktlösung folgt allein dem Prioritätsprinzip ohne materiellrechtliche Gewichtung der gegenseitigen Interessen. 17 Die Kommunen können - nicht im Widerspruch zu der planfestgestellten und gewidmeten Anlage, sondern in Ausfüllung ihrer fachplanungsrechtlichen Zweckbestimmung - für die noch verbleibenden städtebaulich relevanten Freiräume Regelungen treffen. Konkret geht es u.a. um die Steuerung der Zulässig-
So Schlarmann (Fußn. 4), S. 40. Erbguth, Auswirkungen des Planfeststellungsverfahrens auf die Bauleitplanung, NVwZ 1989,608 (610). 17 So auch BVerwG, Beschl. vom 9.5.1989 - 7 B 185.88, NVwZ 1989, 967 f. angesichts des rur die gerichtliche Prüfung maßgeblichen Relevanzzeitpunktes des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses. IS
16
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keit von Vergnügungsstätten (Spielhallen etc.).18 Im Hinblick auf Bahnhöfe, die in innerstädtischer zentraler Lage hochattraktive Standorte sind und durch gewerbliche Nutzungen immer stärker zu verkehrs unabhängigem Umsatz rur die Bahn beitragen, ist ein Konfliktpotential zwischen den Planungskonzeptionen der Gemeinden und dem Rentabilitätsinteresse der Bahn entstanden. 19 b) Fachplanung trifft aufBebauungsplan (Zeitlich vorlaufende Bauleitplanung)
Wenn die Fachplanung auf einen (inhaltlich mit dem Vorhaben widersprechenden) Bebauungsplan trifft, wäre der Fachplanungsträger prinzipiell an das bestehende örtliche Satzungsrecht gebunden?O Der materielle Konflikt zwischen geltendem Bebauungsrecht und den mit der Fachplanung verfolgten öffentlichen Interessen ist in § 38 BauGB, dem sog. Fachplanungsprivileg, geregelt. 21 aal Anwendungsbereich nach der Neufassung des § 38 BauGB Der Gesetzgeber hat die Vorschrift im BauROG stark gestrafft und auf die Aufzählung der einzelnen Fachplanungsgesetze verzichtet. Gleichzeitig wurde der Anwendungsbereich auf Plangenehmigungsverfahren erweitert. Privilegiert werden nach Bundes- bzw. Landesrecht geregelte Fachplanungsvorhaben überörtlicher Bedeutung. Unter § 38 Satz 2 BauGB a.F. hatte der Gesetzgeber an "überörtliche Planungen" angeknüpft und diese Voraussetzung hatte das Bundesverwaltungsgericht zuerst an die (landesrechtlieh geregelte) überörtliche Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde angeknüpft. Später stellte es im Einzelfall darauf ab, ob das Vorhaben das Gebiet von mindestens zwei Gemein-
BVerwG, Urt. vom 16.12.1988 - 4 C 48.86, BVerwGE 81, 111 (116). Vgl. dazu Kraft, Bauleitplanung auf Bahnflächen, DVBI. 2000, 1326; Kuschnerus, Kommunale Planungshoheit und die Bahn, ZfBR 2000, 300. 20 So das Verhältnis von Bauleitplanungs- und Bergrecht im Hinblick aufübertägige Bergbauanlagen, die bei entgegenstehenden planerischen Festsetzungen nur über eine Befreiung (mit dem Rückenwind der Rohstoffsicherungsklausel) zugelassen werden können: BVerwG, Urt. vom 4.7.1986 - 4 C 31.84, BVerwGE 74, 315 = DVBI. 1986, 1273; vgl. auch OVG Saarlouis, Urt. vom 24.11.1998 - 2 N 1 /97 zu den daraus resultierenden BerUcksichtigungspflichten in der bauleitplanerischen Abwägung rur ein vom bereits zugelassenen Rahmenbetriebsplan (Absinkweiher rur Bergwerk) abweichendes Nutzungskonzept; zu der genereH bestehenden Bindung der Fachplanungsträger an das Bauleitplanungsrecht vgl. auch Stüer, Bauleitplanung und Fachplanung, UPR 1998, 408 (412). 21 Diese Vorschrift trifft zugleich die FäHe, daß kein Bebauungsplan vorliegt und das Vorhaben im unbeplanten Innenbereich bzw. im Außenbereich liegt. 18
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den tatsächlich berührte, weil in einem derartigen Fall die städtebauliche Steuerungsfunktion der einzelnen Gemeinde überfordert sei. 22 Anlllßlich der gesetzlichen Neuformulierung durch das BauROG hat das Bundesverwaltungsgericht eine Trendwende in Richtung auf eine abstrakt-typisierende Betrachtung des von dem jeweiligen Fachgesetz geregelten planfeststellungsbedürftigen Vorhabens eingeleitet. 23 DafUr spricht, daß Z.B. ein Großprojekt wie ein Verkehrsflughafen auch dann, wenn es im Flächenumgriff vollständig auf dem Gebiet einer Gemeinde geplant wird, generell und typischerweise ein "Vorhaben von überörtlicher Bedeutung" darstellt und das Fachplanungsprivileg nicht von dem eher zuflUlig wirkenden Umstand der Berührung des Sprengels einer Nachbargemeinde abhängen sollte. 24 Weitere Voraussetzung fUr das Greifen des Fachplanungsprivilegs ist die Beteiligung der Gemeinde in dem jeweiligen Fachplanungsverfahren, die qua Fachplanungsrecht geregelt ist, denn auch die Einvemehmensregelung des § 36 BauGB wird von § 38 BauGB ebenfalls derogiert?S Soweit Regelungen zur Beteiligung der Kommune fehlen sollten, folgt ein Anhörungsrecht der Gemeinde unmittelbar aus der verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie in der Ausprägung der Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG).26 bb) Rechtsfolge Die früher normierte Rechtsfolge " ... bleiben von den Vorschriften ... unberührt." hat der Gesetzgeber im BauROG präzisiert: " ... sind die §§ 29 bis 37 nicht anzuwenden, ... ; städtebauliche Belange sind zu berücksichtigen." Sinn und Zweck des § 38 BauGB erschließen sich, wenn man ft1r einen Augenblick seine Existenz ausblendet: Die meisten Fachplanungsvorhaben wären wegen Verstoßes gegen die materiellrechtlichen bauplanungsrechtlichen Vorgaben un22 BVerwG, Urt. vom 4.5.1988 - 4 C 22.87, BVerwGE 79, 318 (320 f.) in Abkehr vom Urt. vom 3.4.1981- 4 C 11.79, Buchholz 406.11 § 38 BBauG Nr. 1 = DVBI. 1981, 930. Kritisch gegenüber dieser Trendwende Jäde, Die neue Überörtlichkeit - Zur Auslegung des § 38 Satz 2 BBauG / BauGB, BayVBI. 1989, 459. 23 BVerwG, Beschlüsse vom 31.7.2000 - 11 VR 5.00 und 3l.l0.2000 - 11 VR 12.00, NVwZ 2001, 90 (91) betreffend die Plangenehmigung für eine FunksystemBasisstation als Betriebsanlage der Eisenbahn. So schon zum alten Recht Gaentzsch, Baugesetzbuch - Kommentar, 1991, § 38 Rdnr. 21; Jäde (Fn. 22), S. 459. 24 Gaentzsch, Rechtsfragen des Abbaus von Sand und Kies, NVwZ 1998, 889 (896). 25 BVerwG, Urt. vom 4.5.1988 - 4 C 22.87, BVerwGE 79, 318 (319); Urt. vom 3.4. I 981 - 4 C 11.79, Buchholz 406.11 § 38 BBauG Nr. 1; Beschluss vom 31. 7.2000 11 VR 5.00. 26 VgI. BVerfGE 56, 298 (320 f.). Das BVerfG läßt aufS. 312 f. die Zugehörigkeit der Planungshoheit zum Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie offen, prüft aber die angegriffenen Regelungen an der "Planungshoheit als Bestandteil des Selbstverwaltungsrechts" (S. 317 / 318).
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zulässig. Eine Straßentrasse bedürfte z.B. in einem beplanten Gebiet einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB als öffentliche Verkehrsfläche. Unter einer Bindung an bauplanungsrechtliche Vorgaben als strikte Rechtsnonnen wäre nahezu jede Fachplanung zum Scheitern verurteilt und allenfalls über Befreiungen gern. § 31 Abs. 2 BauGB durchsetzbar. Der Gesetzgeber hat aber mit § 38 BauGB - auch nach bisherigem Verständnis 27 - die Fachplanung von städtebaulichen Anforderungen nicht völlig freigestellt (Exemtion), was die denkbare gegensätzliche Radikallösung wäre. Die Vorschrift weicht die zwingenden städtebaulichen Zulassungstatbestände in der fachplanerischen Abwägung unterliegende öffentliche Belange auf. 28 Rechtstechnisch fungiert § 38 BauGB als "Weichmacher", der zwingendes Recht auf Abwägungsbeachtlichkeit abschwächt. 29 Weitere Folge des § 38 BauGB ist die Überlagerung des Bebauungsplans mit seinen dem Vorhaben entgegenstehenden Festsetzungen durch den Planfeststellungsbeschluß. 30
c) Gleichzeitigkeit von Bauleit- und Fachp/anung Das bisher rur die Abwägungsreleva:lz herangezogene Prioritätsprinzip versagt bei gleichzeitigem Bauleitplan- und Planfeststellungsverfahren. Unter Anknüpfung an die zuletzt betrachtete Fallgruppen der zeitlich vorlaufenden Bauleitplanung stellt sich die Frage, ob die fachplanerische Berücksichtigungspflicht gemeindlicher Planungsvorstellungen davon abhängt, daß diese bereits in die Rechtsfonn eines Bebauungsplans gegossen worden sind. Anders gefragt: Welche Bedeutllng haben konkrete, aber (noch) nicht nonnativ verfestigte Planungsabsichten einer Kommune in der fachplanerischen Abwägungsent-
27 Vgl. Gaentzsch (Fn. 3), S. 235 (242); Paetow (Fn. I), S. 321 (324); BVerwG, Urt. vom 9.11.1984 - 7 C 15.83, BVerwGE 70, 242 (244); Urt. vom 4.5.1988 - 4 C 22.87, BVerwGE 79, 318 (321 f., 322: " ... fachplanerisch zu berUcksichtigende Orientierungshilfen von unterschiedlicher Intensität."). 28 BVerwG, Urt. vom 9.11.2000 - 4 A 51.98 mit dem Hinweis (DA S. 9), dass es dem Planungsträger nicht verwehrt ist, die in einem in Kraft getretenen Bebauungs- oder Vorhaben- und Erschließungsplan besonders augenscheinlich ihren Niederschlag findenden Belange des Städtebaus unter Beachtung der durch das Abwägungsgebot gezogenen Schranken zu Uberwinden. 29 Kraft, Bauleitplanung und Fachplanung, BauR 1999, 829 (835) auch zu den Friktionen mit der gebundenen Zulassungsentscheidung gern. § 6 BlrnSchG bei öffentlich zugänglichen Abfallbeseitigungsanlagen. 30 Überwiegend wird vertreten, daß der Bebauungsplan insoweit funktionslos wird und bei Aufhebung oder Außerkrafttreten des Planfeststellungsbeschlusses (vgl. § 75 Abs. 4 VwVfG) wieder auflebt; vgl. Paetow (Fn. I), S. 321 (325); Koch. Zur Konkurrenz zwischen Fachplanung und Bauleitplanung, in: Planung und Plankontrolle, FS Schlichter, 1995, S. 461 (474); Schmaltz (Fn. 8), § 38 Rdnr. 17.
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scheidung? Das sind die Fälle der Gleichzeitigkeit von Bauleitplanung und Fachplanung, aber auch bewußter Nicht-Planung einer Kommune. Die Fachplaner würden wohl ein Alles-oder-Nichts-Modell favorisieren, so daß die Fachplanung nur Bebauungspläne als außenrechtswirksam verfestigte Manifestation gemeindlicher Planungsvorstellungen in der Abwägung als erheblich ansehen müßte und alles andere spekulativer gemeinde interner WBlensbildung zuweisen könnte. Die kommunale Seite wUrde rur das Gegenmodell plädieren, demzufolge die Frage der rechtlichen Form irrelevant wäre; die Gemeinden könnten sich auch auf einen noch unbeplante Flächen betreffenden "Freihaltebelang" berufen. Für Außenstehende ist indes nicht erkennbar, ob der gemeindlichen "Nichtplanung" eine bewußte Entscheidung als beredtes Schweigen zugrunde liegt. Bei kommunaler Opposition zur sich abzeichnenden Fachplanung würde ersteres selbstverständlich von der Gemeinde behauptet werden und die Stadtplaner würden mit blumigen Worten aufzeigen, welches städtebauliche Gesamtkonzept hinter einer unbeplanten Freifläche steckt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt keiner der aufgezeigten Extremauffassungen, sondern verlangt rur die fachplanerische Abwägungsrelevanz kommunaler planerischer Vorstellungen, daß die gemeindliche Planung konkret und verbindlich oder in sonstiger Weise hinreichend verfestigt ist. 3 ! Das richterrechtliche Merkmal der "Verfestigung" als Zäsur, das seinerseits auch ftlr die bauleitplanerische Berücksichtigung fachplanerischer Vorstellungen relevant ist und dort in der Regel mit der Auslegung der Planunterlagen erreicht wird,32 setzt nicht das Inkrafttreten eines Bebauungsplans voraus, was in der Praxis zu willkürlichen zeitlichen Wettläufen zwischen Bauleit- und Fachplanung fUhren könnte. 33 Es reichen auslegungsreife Bebauungsplanentwürfe aus. 34 Die Ge-
31 Grundlegend BVerwG, Urt. vom 11.2.1970 - 4 C 55.67, DVBI. 1970, 186 (187 f.); Urt. vom 13.2.1970 - 4 C 104.68, DÖV 1970, 387 (388); BVerwG, Urt. vom 11.4.1986 - 4 C 51.83, BVerwGE 74, 124 (132): Rechtsverletzung (§ 113 Abs. 1 Satz I VwGO) einer Kommune durch rechtswidrige Bezeichnung nach dem LBG infolge vorhandener und konkret geplanter Wohngebiete im Einwirkungsbereich eines Standortübungsplatzes. 32 BVerwG, Urt. vom 22.3.1985 - 4 C 63.80, BVerwGE 71, 150 (156); Urt. vom 22.5.1987 - 4 C 33-35.83, BVerwGE 77, 285 (292 f.); Urt. vom 27.8.1997 -11 A 18.96, BayVBI. 1998, 472. Zu diesem Zeitpunkt treten auch die Wirkungen der gesetzlichen Veränderungssperren (§ 9a FStrG, § 19 AEG) ein. 33 So ausdrücklich Urt. vom 11.2.1970 - 4 C 55.67, DVBI. 1970, 186 (188). 34 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94, DVBI. 1996,914 (915). Ob bereits der Aufstellungsbeschluß zum Erlaß oder zur Veränderung eines Flächennutzungsplanes eine ausreichende Konkretisierung bedeutet, hat das BVerwG offen gelassen: Urt. vom 27.8.1997 - 11 A 18.96, BayVBI. 1998,472.
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meinde muß sich aber auch nicht an Bauleitplänen festhalten lassen, sondern sie vermag sich auf gewandelte planerische Vorstellungen zu berufen, auch wenn diese noch nicht bis zu einer ilirmlichen Planänderung gediehen sind. 3s Die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung künftiger Planungen genügt indes nicht. 36 Aber auch noch nicht verfestigte konkrete Planungsabsichten sind filr die Planfeststellungsbehörde nicht völlig irrelevant, sondern auf sie ist abwägend so weit wie möglich Rücksicht zu nehmen. Von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten sollen von der Fachplanung nicht unnötigerweise verbaut werden. 37 Allerdings kann eine Fachplanung nur so konkret auf gemeindliche Planungsabsichten Rücksicht nehmen, wie diese ihrerseits konkret entwickelt sind. Globale Absichten können nur global berücksichtigt werden, nämlich allenfalls in der Weise, daß deren Realisierbarkeit nicht schlechterdings verhindert wird. Der Konkretisieru~gsgrad der Planungsvorstellungen bestimmt also auch deren Gewicht in der fachplanerischen Abwägung.
2. Gewichtung bauleitplanerischer Belange in der fachplanerischen Abwägung a) Kriterien!ür die Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit durch Fachplanung
Diese Bemerkungen leiten über zu der Kernfrage der Gewichtung der bauleitplanerischen Belange in der fachplanerischen Abwägung. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Verletzung der kommunalen Planungshoheit als Ausfluß des verfassungsrechtIich garantierten Selbstverwaltungsrechts durch Fachplanung dann filr möglich erachtet, wenn -
"eine bereits in Bauleitplänen zum Ausdruck gekommene gemeindliche Planung nicht mehr verwirklicht werden könnte oder infolge unterlassener
BVerwG, Urt. vom 11.2.1970 - 4 C 55.67, DVBI. 1970, 186 (I 87f.). BVerwG, Urt. vom 30.5.1984 - 4 C 58.81, BVerwGE 69,256 (261 f.); Urt. vom 1.7.1988 - 4 C 15.85, NVwZ 1989, 247 (249). Bejaht wurde eine hinreichend bestimmte Planung bei Vorliegen des Entwurfs eines Flächennutzungsplans vom VGH Kassel, Besch!. vom 28.8.1986 - 5 TH 3071 /84, NVwZ 1987, 987 (989); VGH Mannheim, Urt. vom 26.10.1989 -10 S 2177 / 88, NVwZ 1990,487 (488). 37 BVerwG, Urt. vom 21.3.1996 - 4 C 26.94, DVBI. 1996, 914 (915); Urt. vom 11.1.2001 - 4 A 12.99. 35
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Schutzanlagen nachträglich geändert werden müsste,,,38 eine hinreichend bestimmte vorliegende Planung nachhaltig gestört würde 39 bzw. -
durch ein großräumiges Vorhaben wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde gänzlich entzogen würden. 40
b) Kommunale Verhinderungsplanung Wenn eine Gemeinde ihr Gebiet betreffende fachplanerische Überlegungen zum Anlaß rur die Einleitung eigener planerischer Maßnahmen nimmt, flUIt auf der Seite der Fachplaner schnell das Verdikt der bloßen "Verhinderungsplanung". Dahinter steckt die Annahme, eine in zeitlichem Zusammenhang mit der Fachplanung eingeleitete prohibitive Bauleitplanung könne jener per se nicht entgegengehalten werden. aa) Grenze der Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB) Rechtlich läßt sich der damit verbundene Vorwurf über § lAbs. 3 BauGB fassen, der Schranke der ErforderHchkeit jeder Bauleitplanung. Wenn dazu in der Vergangenheit im Verhältnis Bauleitplanung - Fachplanung keine Judikatur vorliegt, dann liegt das vor allem an der früher bestehenden Genehmigungsbedürftigkeit von Bebauungsplänen und der oftmals anzutreffenden Identität von Genehmigungsbehörde nach dem 8auGB und Planfeststellungsbehörde: In der Praxis wurde bei Neuplanungen, die Trassen bzw. Standorte fachplanerischer Vorhaben betrafen, die erforderliche Genehmigung rur den Bebauungs-
3B BVerwG, Urt. vom 11.12.1970- IV C 55 .67, DVBI. 1971, 186 (187 f.); Urt. vom 21.5.1976 - 4 C 38.74, BVerwGE 51, 6 (15). 39 BVerwG, Urt. vom 14.2.1969 - 4 C 82.66, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 2 = DÖV 1969, 428; Urt. vom 22.6.1979 - 4 C 40.75, Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 11 = DÖV 1980, 135; Urt. vom 29.6.1983 - 7 C 102.82, DVBI. 1984, 88; Urt. vom 11.5.1984 - 4 C 83.80, NVwZ 1984, 584; Urt. vom 11.4.1986 - 4 C 51.83, BVerwGE 74, 124 (132); Urt. vom 16.12.1988 - 4 C 40.86, BVerwGE 81, 95 (106); Urt. vom 27.3.1992 7 C 18.91, BVerwGE 90, 96 (100); Urt. vom 30.8.1993 -7 A 14.93, NVwZ 1994,371; Urt. vom 27.10.1998 - 11 A 10.98, UPR 1999, 146 f.; vgl. dazu Steinberg/Berg/ Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2000, § 6 Rdnm. 78 ff. mit dem Hinweis auf die mögliche
Rechtswidrigkeit infolge eines Gewichtungsdefizits zu Lasten der kommunalen Belange in der Abwägung (ebd. Fn. 279). 40 BVerwG, Urt. vom 11.4.1986 - 4 C 51.83, BVerwGE 74, 124 (132) unter Berufung auf BVerfGE 56, 298; Urt. vom 16.12.1988 - 4 C 40.86, BVerwGE 81, 95 (106); Urt. vom 27.3.1992 -7 C 18.91, BVerwGE 90, 96 (100); Urt. vom 27.10.1998 - 11 A 10.98, UPR 1999, 146 f. zur dogmatischen Fundierung dieses Ansatzes Langer (Fn. 1), S. 352 (376 ff.).
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plan verzögert, verweigert bzw. es wurde auf eine einvernehmliche Lösung gedrängt. 41 Die zu § lAbs. 3 BauGB vorliegende Judikatur unter dem Stichwort der "Negativplanung", die planerische Festsetzungen gegen einzelne, zuvor bauplanungsrechtlich zulässige Bauvorhaben betrifft, läßt sich aber auch ft1r unser Konfliktfeld fruchtbar machen. Die Gemeinde ist nicht gezwungen, ihr gesamtes Gebiet zu verplanen, sondern kann intendierte Vorhaben zum Anlaß ft1r eine (Um-)Planung nehmen. 42 Die zeitliche Koinzidenz der Planungen allein indiziert keine AnrUchigkeit der Bauleitplanung. 43 Zur Beantwortung der Frage, wann eine unzulässige Verhinderungsplanung vorliegt, ist auch der Gegensatz von positiven und negativen Planungszielen letztlich wenig hilfreich, da jede planerische Festsetzung sowohl eine positive wie eine negative Seite enthält: Das positive Element gestattet eine bestimmte Nutzung, die negative Wirkung schließt andere, mit dem Festsetzungsinhalt unvereinbare Nutzungen aus. 44 Ein Bebauungspan bzw. eine einzelne Festsetzung scheitert nur dann mangels Erforderlichkeit, wenn kein wirklicher planerischer Gestaltungswille der Gemeinde dahinter steht, sondern die Festsetzung nur vorgeschobenes Mittel zur Durchkreuzung eines Vorhabens ist. 4s Die getroffene Festsetzung muß auch in positiver Hinsicht von dem kommunalen Planungskonzept gedeckt sein; die konkrete Planung muß von einem legitimen städtebaulichen Motiv getragen werden. 46 Dieser enge Begriff einer rechts unwirksamen Verhinderungsplanung liegt auch dem Normenkontrollurteil des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Mai 2000 zugrunde, das die Rechtmäßigkeit einer im Zusammenhang mit einem Planfeststellungsverfahren fur eine Sehlackedeponie erlassenen Veränderungssperre betraf. 47 Der 26. Senat hat - unter dem Maßstab schlechterdings nicht behebbarer Mängel - die planerisehen Vorstellungen der Festsetzung Vgl. auch den Befund von Grigoleit (Fn. I), S. 356 (359). BVerwG, Urt. vom 7.2.1986 - 4 C 43 .83, BayVBl. 1986,729 (730); Urt. vom 10.8.1988 - 4 C 20.84, BauR 1988,694; Besehl. vom 20.7.1990 - 4 B 156.89, NVwZ 1991,62. 43 Vgl. auch BVerwG, Beschl. vom 18.12.1990 - 4 NB 8.90, DVBl. 1990, 445 (446): " ... lassen sich deshalb aus dem Umstand, daß ein Bebauungsplan ,nach seiner Entstehungsgeschichte einen ad-hoc-Bezug auf ein zu verhinderndes Vorhaben' aufweist und räumlich auf den Grundbesitz eines einzelnen begrenzt ist, keinerlei Schlüsse auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Planung herleiten." 44 BVerwG, Beschl. vom 18.12.1990-4 NB 8.90, DVBl. 1990,445 (446). 45 BVerwG a.a.O. 46 So treffend Grigoleit (Fn. 41), S. 356 (357 f.). 47 Az. 26 N 99.969, BauR 2000, 1718. 41
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landwirtschaftlicher Flächen einschließlich einer Konzentrationszone fUr Aussiedlungen inzident geprüft und befunden, daß § 38 BauGB einer derartigen Planung nicht entgegenstehe: Der Vorrang der Fachplanung reiche nicht so weit, daß eine mit den Zielen der Fachplanung unvereinbare Bauleitplanung allein wegen der Anhängigkeit des Planfeststellungsverfahrens unterbleiben müsse.48 bb) Konsequenzen Dieses Judikat hat auf der Seite der Fachplaner eine gewisse Unruhe ausgelöst, die nicht zuletzt durch die Konsequenz genährt wird, daß zwei Stellen eine Abwägungsentscheidung über dieselbe Fläche treffen und aller Voraussicht nach Gemeinde und Planfeststellungsbehörde zu miteinander unvereinbaren Ergebnissen kommen werden. Kann das richtig sein? Läßt sich nicht dem Rechtsstaatsprinzip das Gebot eindeutiger Zuweisung von Kompetenzen zur Venneidung widersprüchlicher Entscheidungen entnehmen? Man ist versucht, das Szenario zweier aufeinanderzurasender Züge zu verhindern, aber ein Eingriff von außen ist m.E. nicht notwendig, da das Gesetz in § 38 BauGB schon die Weiche gestellt hat: Unterstellen wir doch ruhig einmal, daß Gemeinde und Planfeststellungsbehörde am gleichen Tag zu unterschiedlichen Abwägungsergebnissen kämen. Diese Abwägungsentscheidungen könnten angesichts der Qualität der Abwägung als gestaltender, notwendigerweise ein gewisses Maß an planerischer Gestaltungsfreiheit voraussetzender Entscheidung sogar rechtmäßig sein, wenn die jeweilige Stelle die Belange auch des anderen Planungsträgers in die Abwägung eingestellt hätte. Anders als bei der Subsumtion hat bei der Rechtsgestaltung noch nie das Dogma der nur einen richtigen Entscheidung gegolten. Aus § 38 BauGB ergibt sich aber letztendlich, daß es filr die Frage der Realisierbarkeit des Fachplanungsvorhabens allein auf die fachplanungsrechtliche Abwägungsentscheidung ankommt, da das Fachplanungsprivileg striktes Bauleitplanungsrecht der Abwägung zufilhrt und ggf. überwindbar macht. Die Vorrangregelung des § 38 BauGB verhindert eine direkte Kollision der miteinander unvereinbaren Abwägungsergebnisse, indem sie die Wirksamkeit der bauplanungsrechtlichen Festsetzung gegenüber dem Fachplanungsvorhaben zurücktreten läßt.
48 A.A. Stüer (Fn. 20), S. 408 (411): Sperrwirkung von Großvorhaben filr die Bauleitplanung, selbst wenn das llirmliche fachplanerische Sperrinstrumentarium mangels Planreife noch nicht genutzt werden könne.
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Einer formellen Sperre des Bauleitplanverfahrens zur Verhinderung einer Kollision bedarf es nicht und zudem würde dabei der Gemeinde die Möglichkeit entzogen, ihre planerischen Wünsche - auch mit Blick auf das Fachplanungsvorhaben - einer Verfestigung zuzuftlhren. Dem Fachplanungsvorhaben widersprechende Bauleitplanung ist aber auch nach Beginn des Planfeststellungsverfahrens mit ungewisser Dauer und ungewissem Ausgang nicht apriori illegitim, da die bauleitplanerische Verfestigung die gemeindlichen Interessen in der fachplanerischen Entscheidung an Gewicht gewinnen läßt. 49 Wie bei der vorlaufenden Bauleitplanung kann auch im Falle gleichzeitiger Bauleit- und Fachplanung entscheidend nur die Überlegung sein, welcher Planung unter Abwägung aller in Betracht kommenden Belange der Vorzug gebührt. 50 Das Forum zur Ermittlung ist aber - wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 38 BauGB vorliegen - die fachplanerische Abwägung. Im Rahmen der Gewichtung der von der Gemeinde eingebrachten planerischen Belange mag es dann im konkreten Einzelfall gerechtfertigt sein, eine rein reaktive Bauleitplanung, deren Scheitern an § lAbs. 3 BauGB mangels eines echten Gestaltungswillens nicht evident ist, analog der Behandlung von Eigentümerbelangen bei Sperrgrundstücken51 geringer zu gewichten. 3. Sperrwirkung gemeindlicher Veränderungssperre gegenüber Fachplanungsvorhaben? Da § 38 BauGB die Fachplanung als Forum auch zur Abarbeitung der kommunalen planerischen Belange einsetzt und einen Bebauungsplan als Endprodukt der Bauleitplanung zurücktreten läßt, kann hinsichtlich des akiessorischen Sicherungs instruments der Veränderungssperre nichts anderes gelten. Nachdem 49 BVerwG, Beschl. vom 26.2.2001 - 4 B 15.01, A.U. S. 4. Deshalb entfällt die Erforderlichkeit der laufenden Bauleitplanung nicht allein im Hinblick auf ihre eventuell später eintretende Überlagerung durch § 38 BauGB. Die Kollision von Bauleit- und Fachplanung ist in § 38 BauGB abschließend geregelt und die Dominanz der Fachplanung kann der Bauleitplanung nicht erneut über § lAbs. 3 BauGB entgegengehalten werden. 50 So bereits explizit BVerwG, Urt. vom 11.12.1970 - IV C 55.67, DVBl. 1971, 186 (188); im Urt. vom 11.1.200 I - 4 A 12.99 hat der Senat der behördlichen Einschätzung im streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss, dass ,vorliegend dem Grundsatz der zeitlichen Priorität wegen der Überschneidung der Verfahren [PIanfeststellungsverfahren und Flächennutzungsplanänderung] nicht das entscheidende Gewicht zukomme, sondern maßgeblich vielmehr das Gewicht der jeweils vertretenen öffentlichen Belange sei .. .' bescheinigt, dass dies keine Rechtsfehler erkennen lasse (UA S. 16); vgl. auch Roeser (Fn. 8) Rdnr. 11 a.E. 51 Vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.1985 - 4 C 40.83, BVerwGE 72,15 (16); Urt. vom 27.7.1990 - 4 C 26.87, NVwZ 1991, 781 (784); Urt. vom 10.7.1997 - 4 C 5.96, BVerwGE 104, 236; jetzt enger BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 10.99.
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eine Veränderungs sperre mit Inkrafttreten des Bebauungsplans außer Kraft tritt (§ 17 Abs. 6 BauGB), der Bebauungsplan seinerseits aber angesichts des Fachplanungsprivilegs zurUcktreten müßte, vermag die Veränderungs sperre - jedenfalls mit Wirksamwerden des Planfeststellungsbeschlusses ~ ein Fachplanungsvorhaben nicht zu sperren. Die Rechtsfolgeseite des § 38 BauGB ist aus systematischen und teleologischen GrUnden auf § 14 Abs. I BauGB zu erstrecken. s2
IV. Fazit Planfeststellungsverfahren sind typische Beispiele fUr das langsame Bohren dicker Bretter. Aus der Perspektive der Fachplaner erscheint es daher psychologisch durchaus nachvollziehbar, wenn alle gegenläufigen Interessen erst einmal als Verhinderung des eigenen Vorhabens angesehen werden und instinktiv eine Abwehrhaltung eingenommen wird. So ist es erklärbar, daß eine mit dem Fachplanungsvorhaben unvereinbare kommooale Planung (zu) schnell in den Verruf einer Verhinderungsplanung kommt. Den Fachplanern sei jedoch angesichts des in § 38 BauGB verankerten Privilegs Gelassenheit empfohlen; das ist allerdings keine Aufforderung zum Wegwägen kommunaler Belange, sondern eher ein Appell an die damit verbundene Verantwortung. Die Abwägung als Entscheidungsstruktur ist geradezu auf Kompromisse angelegt, die wiederum der Akzeptanz der Fachplanungsentscheidung bei allen Betroffenen nur zugute kommen können.
S2 In dem Urteil des VGH Mannheim vom 23.8.1996 - 8 S 269/98, NVwZ-RR 1997, 395 (396) kam es auf diese Frage nicht an, weil der Satzungstext unter § 38 BauGB fallende Vorhaben von der Veränderungssperre ausgenommen hatte. Vgl. aber BVerwG, Urt. vom 16.12.1988 - 4 C 48.86, BVerwGE 81, 111 (120 f.) rur Bauvorhaben im Falle absehbarer Entwidmung einer Bahnfläche.
Aktuelle Probleme der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie, dargestellt am Beispiel des Streits über das sog. Emssperrwerk Von Klaus Füßer*
Inhaltsverzeichnis I.
Einleitung ............................................................................................................. 408
11.
Das Emssperrwerk ................................................................................................ 410
III. "Faktische VogeJschutzgebiete" und der Übergang vom Schutzregime nach der Vogelschutzrichtlinie auf die sog. "Verträglichkeitsprüfung" nach der FFH-RL ................................................................................................................ 413 I. Art. 7 FFH-RL und das Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2000 (C-374 198) - "Basses Corbieres" - ............................................................. 413 a) Der Entscheidungsinhalt des Basses-Corbieres-Urteils ............................. 415 b) Pflichterftlllung: Ausweisung und loder UnterschutzsteIlung von Vogelschutzgebieten? .......................................................................................... 415 c) Umfang der Ausweisungspflicht ................................................................ 416 d) Emssperrwerk: Reichen Raumordnungsprogramme und Vertragsnaturschutz? ......................................................................................................... 417 e) Heilungsmöglichkeiten bei ungenügender Ausweisung im Rahmen der Planfeststellung .......................................................................................... 418 2. Die Vogelschutz-Verträglichkeitsuntersuchung nach der Rechtsprechung .... 419 a) Der unklare Befund in der Rechtsprechung des EuGH; der - begrenzte Aussagegehalt der Entscheidungen Leybucht, Santofta, Basses Corbieres .420 b) "Erhebliche Beeinträchtigungen" bei Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL, Berücksichtigung von Ausgleichsrnaßnahmen ...................................................... 423 c) Der Gutachterstreit im Fall des Emssperrwerkes; Populationsentwicklung der interessierenden Vogelarten als Kenngröße ........................................ 424 IV. Das sog. "potenzielle FFH-Gebiet": Die A-20-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das Sevem-Urteil des EuGH und der problematische Umfang von Schutz- und Vorwirkungspflichten während des Meldeverfahrens .............. 426 1. Eine gangbare Lösung: Das "abgestufte Modell" in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts? .......................................................... 427 a) Die Präzisierung der Rechtsfigur zum "potenziellen FFH-Gebief' ........... 427 b) Verträglichkeit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit dem Sevem-Urteil des EuGH ..................................................................... 429
408
Klaus Füßer c) Der unklare dogmatische Bezugspunkt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Schutz des Melde- oder des Auswahlverfahrens ..... d) Handhabung der Rechtsfigur im Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg zum Emssperrwerk ............................................................................ aa) Überprüfung des fachbehördlichen Urteils, Probleme der Repräsentativität ................................................................................................ bb) Tiere mit großen Lebensräumen, Art. 4 Abs. 1 1. Unterabs. S. 2 und 3 FFH-RL .................................................................................... cc) Berücksichtigung von Entwicklungspotenzialen und Summationseffekten ............................................................................................... 2. Das verbleibende grundsätzliche Problem: Sekundärrechtliche und primärrechtliche Umsetzungs-, Duldungs- und Unterlassungspflichten ................... a) Die "politisierte" Struktur des Auswahlverfahrens .................................... b) Ableitung von Stillhalteverpflichtungen nach der Richtlinie .................... c) Stillhaltepflichten nach Primärrecht ..........................................................
V.
430 431 432 434 435 436 436 438 439
Schlussbetrachtung: Vergemeinschaftung des Naturschutzrechts und die Kooperation zwischen EuGH und nationaler Fachgerichtsbarkeit ...................... 440
I. Einleitung Umstrittene Planungsprojekte und die darüber gefUhrten gerichtlichen Auseinandersetzungen wirken wie ,juristische Brenngläser": Der Blick wird auf - meist: heikle - nicht vollständig ausgeleuchtete Stellen eines neuen Rechtsgebiets gelenkt, die fokussierten Probleme werden mit besonderer Präzision und häufig: Verbissenheit - diskutiert. . Der - inzwischen zu einem vorläufigen Abschluss gekommene - Streit über das sog. Emssperrwerk l bildet hier keine Ausnahme: Neben einer Reihe von verwaltungs- und verwaltungsprozessrechtlicher Marginalien und dem Problem der Reichweite des in Niedersachsen den anerkannten Naturschutzverbänden • Stand August 2001. Der Verf. vertritt in allen anhängigen Verfahren zum Emssperrwerk die Meyer-Werft. I Nachweise zu den zahlreichen Beschlüssen von VG Oldenburg und OVG Lüneburg in den - zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossenen - Eilverfahren bei Schrödter NuR 2001,8 (9 Fn. 5), sowie bei Stüer NdsVB12000, 25 (27 Fn. 11 und 12). Das in Sachen des bis zuletzt streitenden Umweltverbandes im Frühling 2001 ergangene Urteil des VG Oldenburg liegt in vollständig begründeter Form seit Mitte August 2001 vor (VG Oldenburg, Urt. vom 16.5.2001, - 1 A 3558 / 98 - veröffentlicht unter http://www. verwaltungsgericht-oldenburg.niedersachsen.de/entsch 160501). Bei Abschluss des Manuskriptes (Mitte August 2001) war noch offen, ob Antrag auf Zulassung der Berufung durch den klagenden B.U.N.D. gestellt wird. Sämtliche Hauptsacheverfahren anderer Privatpersonen, Unternehmen, Gemeinden oder anderer Gebietskörperschaften haben sich durch Klagerücknahme, Vergleich oder auch auf sonstige Weise erledigt.
Aktuelle Probleme der FFH- und der Vogelschutz-Richtlinie
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gewährten sog. "materiellen Verbandsklagerechts" sind im zu Grunde liegenden Planfeststellungsverfahren sowie in den nachfolgenden Gerichtsverfahren vertieft Fragen im Zusammenhang mit den Rechtswirkungen der sog. Vogelschutz-Richtlinie (im Folgenden "VS-RL,,)2 sowie der Flora-Fauna-HabitatRichtlinie (im Folgenden "FFH-RL,,)3 behandelt worden. Die durch einen zunächst verfUgten gerichtlichen Baustopp4 erzeugte Spannung wurde noch dadurch gesteigert, dass während der laufenden Verfahren immer wieder neue "einschlägige" Urteile des EuGH sowie eine Sequenz durchaus changierender Judikate in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere zu den sog. "potenziellen FFH-Gebieten" zu verzeichnen waren.s Der Streit um das Emssperrwerk ist insofern ein Lehrstück fUr die Wirkungsmacht des europäischen Naturschutzrechts in laufenden Planfeststellungsverfahren, zumal wenn diese unter den wachsamen Augen eines anerkannten Naturschutzverbandes stattfinden, weIcher zudem über das scharfe Schwert eines materiellen Verbandsklagerechts gemäß § 60c Abs. I NdsNatSchG verfUgt, um notfalls seine Kritik auch gerichtlich wirkungs mächtig werden zu lassen. Weitgehend schulmäßig sollen deshalb die in dem Verfahren behandelten Probleme im Hinblick auf die VS- und FFH-Richtlinie durchgegangen, diese Probleme in kritischer Auseinandersetzung mit den erwähnten Judikaten diskutiert werden. Hierzu wird zunächst das Projekt - in stark vereinfachter und fur die Zwecke der nachstehenden Überlegungen gleichsam als "Dummy" gerechtfertigter Form - vorgestellt (nachstehend [I.). Sodann werden die im Rahmen des Streits über das Projekt erörterten Fragen des europäischen Vogelschutzes (nachfolgend III.) und des europäischen Habitatschutzes (unten IV.) diskutiert. Der Beitrag schließt (unten V.) mit einer Betrachtung der Probleme, die sich im Hinblick auf die Vergemeinschaftung des Naturschutzrechts und der deshalb erforderlichen Kooperation zwischen nationaler Gerichtsbarkeit und EuGH bei
2 Richtlinie 79/409/ EWG des Rates vom 2.4.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABI. EG L 103, S. I, zuletzt geändert durch Richtlinie 97/49/ EG der Kommission vom 29.7.1997, ABI. EG L 233, S. 9. 3 Richtlinie 92 / 43 des Rates zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen vom 21.5.1992, ABI. EG L 206, S. 7, geändert durch Richtlinie 97 /62 des Rates vom 8.11 .1997, ABI. EG L 305, S. 62. 4 Nachweise bei Schrödter (Fn. I) und Stüer (Fn. I). 5 EuGH, Urt. vom 7.12.2000 - C-371 / 98 - (Vorabentscheidung zur MeIdewürdigkeit des sog. "Severn"-Mündungsgebiet und der Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Belange bei der Gebietsauswahl); vgl. auch jüngst Schlussantrag GA Leger vom 23 .5.2000, verb. Rs. C-67 /99 u.a. (Kommission / Irland u.a., Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Meldung von FFH-Gebieten); BVerwG, Urt. vom 27.1. 2000 - 4 C 2.99 -, DVBI. 2000, 814 (Ortsumgehung Hildesheim); BVerwG, Beschl. vom 24.8.2000 - 6 B 23 .99 - (Flugplatz im Naturschutzgebiet "Monbijou"), NVwZ 2001,92; BVerwG, Urt. vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - (BAB A71), DVBI. 2001, 386.
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Klaus Füßer
der Vennessung eines neuen - zudem äußerst grundrechts sensiblen - Gebiets des Gemeinschaftsrechts ergeben.
11. Das Emssperrwerk6 Es ist unmöglich, eine umfassende Darstellung des Projektes Emssperrwerk zu geben, insbesondere im Hinblick auf die auch im tatsächlichen höchst umstrittenen Auswirkungen. Für die hier verfolgten Zwecke genügen folgende notwendigerweise stark vereinfachenden - Angaben: Zunächst ist auch der historische Hintergrund von Interesse: Die Ems ist seit langer Zeit ein Schifffahrtsweg, Bundeswasserstraße und im Tidebereich (bis Herbrum, oberhalb von Papenburg) Seewasserstraße. Mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der an der Unterems angesiedelten Werftbetriebe - zuletzt nur noch die Meyer-Werft - wurde der Unterlauf der Ems seit 1957 kontinuierlich Vertiefungsmaßnahmen (Unterhaltsbaggerungen) zur Vorhaltung zunehmender Tiefenprofile zugefilhrt. Der letzte Planfeststellungsbeschluss zur Erhöhung der sog. Basistiefe auf 5,70 m erging im Mai 1994; zugleich wurde die Möglichkeit der bedarfsweisen Vertiefung der Ems auf ein Tiefenprofil planfestgestellt, das die Überfilhrung von Schiffskörpern mit einem Tiefgang von bis zu 7,30 m ermöglichen sollte. Dieser Planfeststellungsbeschluss wurde nach umfangreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen gegenüber einzelnen Klägern erst 1999 bestandskräftig. Schon im Rahmen dieser Planfeststellungsverfahren waren ökologische Auswirkungen höchst streitig, insbesondere wegen der möglichen Schädigung der am Emsgrund siedelnden Kleinstiebewesen (sog. Makrozoonbenthos), weiterhin im Hinblick auf Auswirkungen auf die Fischfauna im Unterlauf der Ems. Seit Ende 1996 gab es innerhalb der niedersächsischen Landesverwaltung vertiefte Überlegungen zur Errichtung eines Emssperrwerkes, welches einerseits die Sturmflutsicherheit erhöhen, andererseits aber auch den Aufstau der Ems zur Überführung vom Schiffen ennöglichen sollte. Im August 1997 begann das Planfeststellungsverfahren filr das Emssperrwerk. Nach den Plänen soll das Sperrwerk kurz vor dem Dollart zwischen Gandersum im Norden und Nendorp im Süden hergestellt werden und hat eine Länge von 477 m. Der Anschluss an die entlang der Ems vorhandenen Hauptdeiche erfolgt durch Flügeldeiche. Der südliche Anschlussdeich, der eine Länge von 600 m aufweisen soll,
6 Eine anschauliche und auch über die weiteren Hintergründe informierende Darstellung der Auseinandersetzungen über das Emssperrwerk gibt Stüer (NdsVBI 2000, 2S ff.).
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filhrt durch das der Europäischen Kommission gemeldete Vogelschutzgebiet "Ems-Außendeichsflächen und Sände von Terborg bis Emden".
Das Emssperrwerk soll der Kehrung der über bestimmte Höhe auflaufenden Sturmfluten dienen sowie dem Aufstau der Ems, insbesondere um die ÜberfUhrung von Kreuzfahrtschiffen von der Meyer-Werft in Papenburg über den Dollart in die Nordsee zu ermöglichen, dies mit einem Tiefgang von bis 8,50 m. Begleitend zur Errichtung des Projektes sollen Liegeplätze oberhalb und unterhalb fUr die zu überfUhrenden Schiffe geschaffen werden, weiterhin ein Schöpfwerk an der Einmündung der Leda in die Ems am Ledasperrwerk verstärkt werden, um im Staufall durch Zupumpen fUr eine schnellere Erreichung des Stauziels zu sorgen. Da mit der Errichtung der Flügeldeiche unmittelbar fUr Zwecke des Vogelschutzes nach niedersächsischem Naturschutzrecht festgesetzte Flächen beansprucht werden, sieht der Planfeststellungsbeschluss in der - bisherigen - Endfassung die Entwicklung entsprechender Ausgleichsflächen rur Zwecke des Vogelschutzes vor, des Weiteren zahlreiche Restriktionen fUr die sog. Einleitbedingungen des Staufalls, um einer - von den Naturschutzverbänden befUrchteten - Versalzung der im Staufall überschwemmten Deichvorländer ebenso vorzubeugen wie einer zu starken - fischkritischen - Sauerstoffzehrung während der DurchfUhrung des Staufalls. Von den Naturschutzverbänden wurde im Planfeststellungs-, später im Klageverfahren unter anderem 7 vorgebracht, dass schon alleine wegen der flächenmäßigen Inanspruchnahme eines anerkannten Vogelschutzgebietes im Sinne der VS-RL zwingend eine erhebliche Beeinträchtigung dieses Gebiets vorliege; ein solcher Eingriff schon aus prinzipiellen Gründen nicht - zumal jedenfalls fUr die betroffenen Flächen kein wirksames Schutzregime mit entsprechend ausgewiesenen Schutzzielen normiert sei - ausgeglichen werden könnte, im Übrigen konkret durch die festgelegten Ausgleichsrnaßnahmen und ergänzend bestimmten Ausgleichsflächen nicht ausgeglichen sei;8 7 Zur Venneidung unnötiger Missverständnisse sei klargestellt, dass die Naturschutzverbände eine Vielzahl weiterer Argumente vorgebracht haben, deren Darstellung allerdings den vorliegenden Beitrag bei weitem sprengen würde (das VG Oldenburg setzt sich in seiner Hauptsacheentscheidung (Fn. 1) auf immerhin 127 Seiten (!) mit zahlreichen Verweisen auf den zu Grunde liegenden 80-seitigen Beschluss im Eilverfahren mit diesen Argumenten auseinander). B Besonders spannend war insofern die Auseinandersetzung über die Argumentation der Naturschutzverbände, dass selbst wenn entsprechende Ausgleichsmaßnahmen rur bestimmte Vogelarten sogar über den vorherigen Zustand hinaus positive Wirkungen zeitigten, diese jedenfalls rur andere Vogelarten von Nachteil seien. Hier zeigen sich auch durchaus interessante intem-naturschutzfachliche Optimierungsprobleme, kann es schnell passieren, dass die zuständige Behörde bei dem Versuch des Ausgleichs von
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mangels umfassender Ausweisung eines rechtsverbindlichen Schutzgebietes nach nationalem Recht eine Rechtfertigung des Eingriffs nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht komme, insbesondere Art. 7 FFHRL nicht anwendbar sei; eine Rechtfertigung des Projektes gemessen am europäischen Vogel- und Naturschutzrecht schon deshalb nicht in Betracht komme, weil es - jedenfalls am konkreten Standort - alleine durch beide filr seine Rechtfertigung angefilhrten Zwecke und damit jedenfalls auch mit wirtschaftlichen Gründen zu begründen sei; spezifisch der Staufall durch Versalzung und Sauerstoffzehrung zu einer Beeinträchtigung des - auch von den zuständigen Fachbehörden des Landes Niedersachsen als solches anerkannten - potenziellen FFH-Gebietes "Unteres Emstal" (gemeint ist die tidebeeinflusste Ems unterhalb von Herbrum bis zum Dollart) filhre, nämlich sowohl im Hinblick auf die Funktion dieses Flussabschnitts filr derzeit nicht vorfindliche, aber langfristig wieder ansiedelbare Wanderfischarten wie Lachs, Meer- und Fiussneunauge etc., im Übrigen durch Schädigung der an der Ems vorfindlichen Auenwaldbestände, die als prioritärer Lebensraumtyp anzuerkennen seien, ebenso wie die Unterems als Ganzes als sog. Ästuar. Anzumerken ist noch, dass durch entsprechende Erklärung der zuständigen Bundesbehörden schon seit längerem ein großer - den Dollart und angrenzende Flächen umfassender - Bereich als Vogelschutzgebiet gemäß VS-RL gegenüber der Europäischen Kommission anerkannt und durch entsprechende Aussagen im Rahmen der Landesplanung gesichert ist, aber nur ein Teil der hiervon betroffenen Flächen nach einschlägigem Naturschutzrecht mit Schutzgebietsstatus versehen wurde (das Wattenmeer). Im Rahmen des Gebietsauswahlverfahrens war im Übrigen ursprünglich der gesamte Flusslauf der Ems von der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen bis zur Mündung in den Dollart vom Fachamt (dem Niedersächsischen Landesamt filr Ökologie) zur Meldung vorgeschlagen worden. Nach Beteiligung der betroffenen Gebietskörperschaften und fachlichen Diskussionen innerhalb der koordinierenden Bezirksregierungen sowie dem zuständigen Ministerium wurde sodann aber nur die Ems oberhalb des Wehres Herbrum (der letzten Staustufe vor der Mündung in den Dollart) gemeldet. Möglichen Entwicklungspotenzialen der Unterems filr Wanderfischarten sollte durch ein entsprechendes Entwicklungsziel im Rahmen der Schutzgebietsausweisung der gemeldeten Teile nach Durchfilhrung des gesamten Auswahlverfahrens gemäß FFH-RL Rechnung getragen werden.
Eingriffen in die Situation gerät, von den Lobbyisten verschiedener Tier- und Pflanzenarten gleichsam "in die Zange" genommen zu werden!
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III. "Faktische Vogelschutzgebiete" und der Übergang vom Schutzregime nach der Vogelschutzrichtlinie auf die sog. "Verträglichkeitsprüfung" nach der FFH-RL Nach dem Vorstehenden ist deutlich geworden: Einerseits betrifft das Emssperrwerk jedenfalls flächenmäßig unzweifelhaft ein Gebiet, welchem kaum der Status eines Schutzgebiets im Sinne des Art. 4 Abs. I VS-RL verweigert werden kann. Andererseits ist diesem Gebiet nur in Teilbereichen ein entsprechendes rechtlich bindendes Schutzregime nach einschlägigem bundesdeutschem und niedersächsischem Naturschutzrecht zur Seite gestellt, sind im Übrigen nur Schutzmaßnahmen im Sinne des sog. Vertragsnaturschutzes vorgesehen. FOr die Beurteilung des Projekts ist damit die Rechtsfrage bedeutsam, in welchem Umfang der betreffende Mitgliedsstaat seine Pflichten nach Art. 4 VS-RL bereits erfilllt haben muss, damit bei der Rechtfertigung eines möglichen Eingriffs in das Gebiet durch die Realisierung eines beeinträchtigenden Projekts die Ober Art. 7 FFH-RL erleichterten Rechtfertigungsvoraussetzungen der sog. FFH-Verträglichkeitsprufung i.S.d. Art. 6 III ff. FFH-RL zur Anwendung kommen (dazu nachstehend 1.). Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage, wie genau - und ob ggf. auch schon unter Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen - die Erheblichkeit der Beeinträchtigung im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des EuGH zu beurteilen ist und wie sodann - liegt eine erhebliche Beeinträchtigung vor - filr den hier vorliegenden Fall einer Rechtfertigung des Vorhabens sowohl aus Zwecken der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als auch der Verfolgung von wirtschaftlichen Belangen die Rechtfertigungsprufung zu gestalten ist (unten 2.).
1. Art. 7 FFH-RL und das Urteil des EuGH vom 7. Dezember 2000 (C-374 / 98) - "Basses Corbieres" Bekanntlich enthält die VS-RL keine ausdrückliche Regelung fur die Rechtfertigung von Eingriffen in gemäß Art. 4 Abs. 1 VS-RL ausgewiesene oder auszuweisende - m.a.W. sog. "faktische" - oder gemäß Art. 4 Abs. 2 VS-RL anerkannte Vogelschutzgebiete. Dennoch hat der EuGH unter Rückgriff auf allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts in verschiedenen Entscheidungen deutlich gemacht, dass Eingriffe in bzw. Beeinträchtigungen solcher Gebiete nur dann zulässig sind, wenn sie zum Schutz von erheblichen Gemeinschaftsrechtsgütern (z. B. dem Schutz von Leben und Gesundheit) unternommen werden und auf das absolut notwendige Maß filr die Verfolgung des legitimen Zwecks beschränkt sind (ständige Rechtsprechung seit der sog. Ley-
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bucht-Entscheidung).9 In Art. 7 FFH-RL ist geregelt, dass die Verpflichtungen nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 der FFH-RL ab dem Datum ftlr die Anwendung der FFH-RL bzw. danach ab dem Datum, zu dem das jeweilige Vogelschutzgebiet von einem Mitgliedsstaat nach Art. 4 Abs. 1 VS-RL zum Schutzgebiet erklärt bzw. nach Art. 4 Abs. 2 VS-RL als Schutzgebiet anerkannt wurde, an die Stelle der Schutzpflichten treten, die sich aus Art. 4 Abs. 4 S. I der VS-RL ergeben. Damit ist insbesondere über Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL unter im Vergleich zur. Rechtsprechung zur VS-RL erleichterten Anforderungen der Eingriff in ein bzw. die Beeinträchtigung eines Vogelschutzgebietes möglich, z. B. auch aus sozialen oder wirtschaftlichen Gründen. Gerade im Hinblick darauf, dass allerdings die Mitgliedsstaaten auch lange nach Ablauf der Umsetzungsfrist in Art. 23 Abs. 1 FFH-RL immer noch mit der Ausweisung entsprechender wirksamer Schutzregime nach nationalem Recht in Verzug sind,lo wundert es nicht, dass die Auslegung des Art. 7 FFH-RL sehr umstritten ist: Auf der einen Seite des Meinungsspektrums steht die vogelschutzfreundliche Auffassung, wonach Art 7 FFH-RL nur nach der vollständigen ErfUllung der Pflichten aus Art. 4 VS-RL anwendbar ist. 11 Den Gegenpol bildet die eingriffsfreundliche Extremvariante, wonach Art. 7 FFH-RL auch auf alle bloß "faktischen Vogelschutzgebiete" Anwendung findet, selbst wenn sich der betroffene Mitgliedsstaat in keinster Weise um eine rechtsllirmliche Benennung bzw. ein nach nationalem Recht verbindliches und auch implementiertes Schutzregime mit ausgewiesenen Schutzzielen und diesen flankierenden Ge- und Verboten gekümmert hat. 12
9
Text.
Siehe dazu im Einzelnen mit Rechtsprechungsnachweisen unter III. 2. sogleich im
10 Zur ersten Verurteilung wegen säumiger Umsetzung EuGH NVwZ 1998, 721. Nach Klageerhebung im Februar 1999 ist derzeit ein zweites Vertragsverletzungsverfahren anhängig (Rs. C-71 /99), der Schlussantrag des GA Leger vom 3.5.2001 befilrwortet die Verurteilung der Bundesrepublik. Vgl. in einem weiteren Verfahren das Ersuchen der EU-Kommission um Stellungnahme der Bundesregierung vom 4.4.2000 - SG (2000) D 102823, abgedruckt in NuR 2000, 625 ff. 11 Am prononciertesten vertreten von GeIlermann, NATURA 2000,2. Aufl., Boston usw. 2001, S. 113 f. m.w.N. 12 Vgl. die Darstellung in EuGH, Urt. vom 7.12.2000 (Fn. 5), Rz. 8 ff., 32, sowie 48 f; vgl. auch schon die ausfilhrliche Darstellung im zu Grunde liegenden Schlussantrag des GA Alber vom 15.2.2000, Rz. 74 f, sowie 90 ff.; ähnlich OVG Münster ZUR 2000, 155 (157 f.); ApfelbacherlAdenauerllven NuR 1999,71 f; Jarass ZUR 2000,190; entsprechend auch noch im Eilverfahren zum Emssperrwerk VG Oldenburg NuR 2000, 295 tf.
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a) Der Entscheidungsinha/t des Basses-Corbieres-Urtei/s
Vordergründig ist dieser Streit mit dem Urteil des EuGH in einem gegen Frankreich gefilhrten Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission (im Folgenden "Basses-Corbieres-Urteil") entschieden worden. 13 Der EuGH verwirft ausdrücklich die auch von der Kommission im Verfahren vertretene - eingriffs freundliche - Auffassung, schließt sich vielmehr der von Genera/anwa/t A/ber (im Folgenden GA A/ber) vertretenen Auffassung l4 an, die Mitgliedsstaaten dürften keine Vorteile aus der Verletzung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten ziehen. ls Der EuGH verweist insofern auch darauf, es komme darauf an, dass die Kommission wie auch natürliche und juristische Personen, die befugt seien, vor den nationalen Gerichten Interessen geltend zu machen, die mit dem Schutz zusammenhängen, - vor allem Umweltschutzorganisationen - in die Lage versetzt werden, durch die in einem - so der EuGH wörtlich "llirmlichen Akt" erfolgende Ausweisung von Vogelschutzgebieten die Implementation der Ziele der Vogelschutzrichtlinie überprüfen zu können. 16 b) Pflichterfüllung: Ausweisung und / oder Unterschutzstellung von Vage/schutzgebieten?
Freilich ist mit dieser Aussage des EuGH über die Erforderlichkeit eines formellen Ausweisungsaktes noch nicht gesagt, dass damit zugleich der betreffende Mitgliedsstaat auch sämtliche der sich aus Art. 4 VS-RL ergebenden Pflichten erfilllt haben muss, wie die extrem vogelschutzfreundliche Auffassung fordert. 17 Denn immerhin ist sowohl in der VS-RL als auch in der ihr nachfolgenden FFH-RL systematisch gerade die Unterscheidung der zwei getrennt voneinander bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Pflichten der materiell- wie formell-rechtlich genügenden Ausweisung (im Sinne der Benennung) eines nach fachlichen Kriterien unzweifelhaften Schutzgebietes einerseits und die davon logisch wie ggf. wegen der betreffenden Rechtsakte abtrennbare Statuierung eines filr das betreffende Gebiet materiell-rechtlich hinreichenden Schutzregimes angelegt. Für die VS-RL ergibt sich dies aus einem Vergleich von Art. 4 Abs. I 2. Unterabs. und Abs. 4 VS-RL. Für die FFH-RL ist diese Differenzierung sogar eindeutig in dem zeitlich abgestuften Procedere von GeEuGH, Urt. vom 7.12.2000 (Fn. 5). GA Alber (Fn. 12), Rz. 90 ff. (insbesondere 93 ff.). 15 EuGH (Fn. 5), Rz. 51; vgl. schon GA Alber (Fn. 12), Rz. 99 f. 16 EuGH (Fn. 5), Rz. 54 f. 17 So hervorragend jüngst von Nettesheim (NATURA 2000 - Grundprobleme des Europäischen Habitatschutzrechts, Tübingen I Princeton 2001 (bisher unveröffentlichtes Rechtsgutachten), S. 52 ff., 54 f.) herausgearbeitet. 13
14
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bietsvorschlag (durch die Mitgliedsstaaten, Art. 4 Abs. 1 FFH-RL), Gebietsauswahl (durch die Kommission zusammen mit den Mitgliedsstaaten, Art. 4 Abs. 2 und 3 FFH-RL) sowie sodann die Errichtung adäquater Schutzgebiete (durch die Mitgliedsstaaten, Art. 4 Abs. 4 FFH-RL) vorgezeichnet. Diese Differenzierung . lässt sich auch nicht etwa durch einen wohlfeilen Verweis auf den sog. "effet utile" beiseite schieben: Immerhin ist unbestreitbar, dass der in Art. 7 FFH-RL als "Iex posterior" geronnene Wille des Gemeinschilftsrechtsgebers gerade dahin geht, selbst bei vollständiger ErfUllung der Schutzpflichten fUr ein bestimmtes Vogelschutzgebiet dieses ab der Anwendbarkeit der FFH-RL unter erleichterten Voraussetzungen zur Disposition zu stellen. Die Frage ist insofern nur, welche "Überbevorteilung" der im Hinblick auf die VS-RL säumigen Mitgliedsstaaten nach der von GA Alber und dem EuGH zurecht skizzierten Logik genau verhindert werden soll. Die besseren Gründe sprechen hier wohl dafUr, dass der in Art. 7 FFH-RL insofern hineinzulesende "Sanktionszweck" alleine darin bestehen kann, die Mitgliedsstaaten dazu anzutreiben, die sofortige Integration der existierenden Vogelschutzgebiete im Hinblick auf die Errichtung des kohärenten ökologischen Netzes Natura 2000 (Art. 3 Abs. 1 FFH-RL) beim Netzaufbau (Art. 3 Abs. 1 2. Unterabs. FFH-RL) nicht zu behindern. Dies s.pricht dafUr, es nach Art. 7 FFH-RL alleine darauf ankommen zu lassen, dass fUr das in Rede stehende Vogelschutzgebiet der Mitgliedsstaat sich schon genügend - durch eine entsprechende "förmliche Gebietsausweisung" (nicht eben Schutzgebietsausweisung) - "bekannt" hat, das Gebiet damit zwanglos in das Netz Natura 2000 eingeknüpft werden kann, zumal nun der bisherige Schutzstatus ohnehin über Art. 7 FFH-RL durch das Regime nach Art. 4 Abs. 2 bis 4 FFH-RL ersetzt werden sol1. 18 c) Umfang der Ausweisungspjlicht
In kleiner Münze ausgegeben läuft die vermeintliche endgültige "Klarstellung" des EuGH in der erwähnten Basses Corbieres-Entscheidung also auf die Folgefrage hinaus, was eigentlich die Adäquanzbedingungen dafUr sind, wann der Ausweisungspjlicht aus Art. 4 Abs. J 2. Unterabs. VS-RL genügt ist. Hier
18 Das VG Oldenburg (Fn. I), S. 35 f. hat in dem die Klage des B.U.N.D. betreffenden Endurteils die Frage offen gelassen, tendiert aber erkennbar zur Gegenauffassung. Diese (vgL nochmals GelIermann (Fn. 11), S. 114) verstellt sich allerdings durch die undifferenzierte Rede vom "faktischen Vogelschutzgebiet" die Möglichkeit dieser Einsicht. Denn mit diesem Begriff wird terminologisch - vorschnell - die Frage übergangen, ob im konkreten Einzelfall das betreffende Gebiet als "bloß faktisches" Vogelschutzgebiet nur eines ausreichenden Schutzregimes ermangelt oder auch der - hiervon logisch zu trennenden und grundSätzlich in einem getrennten Rechtsakt möglichenSchutzgebietsausweisung.
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geht es darum, welche spezifisch fti.r den Ausweisungsakt zu beachtenden formelle und materiell-rechtliche Rechtmäßigkeitsanforderungen gelten. Richtigerweise wird man wohl annehmen müssen, dass bei teleologischem Verständnis der Ausweisungsptlicht materiell-rechtlich nur die Bezeichnung eines konkreten Teils der Erdoberfläche, dies weiterhin unter Beigabe einer Begründung im Hinblick auf die fachliche Werthaltigkeit rur den Vogelschutz und sodann formell eine hinreichend nachhaltige Äußerung - ggf. über national anerkannte Bekanntmachungsmittel (Gesetzes- und Verordnungsblätter, Amtsblätter) - zu fordern ist. Schließlich wird man weiterhin verlangen können, dass rur ein aus fachlicher Sicht integriertes Gebiet auch eine einheitliche Ausweisung zur Berücksichtigung der gesamten schutzgebietswürdigen Fläche vorgenommen wird. 19
d) Emssperrwerk: Reichen Raumordnungsprogramme und Vertragsnaturschutz? Kommt man insofern auf das Emssperrwerk zurück, scheint allerdings in der Tat die von dem Verwaltungsgericht Oldenburg im Eilverfahren vertretene gegenüber der Anwendung des Art. 7 FFH-RL ablehnende - Rechtsauffassung zumindest diskussionswürdig: Das "Bekenntnis" zu dem über die nach Landesnaturschutzrecht unter Schutz gestellten kleinräumigen Flächen hinausgehenden Gesamtgebiet besteht im Wesentlichen aus der Notifizierung des gesamten Gebiets gemäß Art. 4 Abs. 3 VS-RL gegenüber der Europäischen Kommission, im Übrigen in der Benennung entsprechender Entwicklungsziele in den einschlägigen Raumordnungsplänen. Ob dies von den hiermit befassten Gerichten als ausreichend angesehen wird, erscheint zweifelhaft. Kritisch ist insofern zu bemerken, dass zumindest die erwähnte Notifizierung kein nach nationalem Recht rechtsilirmlicher Akt ist, im Übrigen auch nicht öffentlicher Bekanntmachung in den üblichen Formen unterliegt. Die Benennung eines Vogelschutzgebietes im Rahmen von Raumordnungsplänen erscheint problematisch. Denn der - rechtsilirmigen - Bekanntmachung einschlägiger raumordnungsrechtlicher Vorgaben fehlt die spezifische Bezeichnung der Zwecke rur den Vogelschutz und damit die vom EuGH der Sache nach geforderte "Anstoßwirkung,,20 rur die nach dem Konzept des EuGH und GA Alber mit der kritischen Beglei-
19
Vgl. im Einzelnen Nettesheim (Fn. 17), S. 20 ff.
20 Erkennbar hat der EuGH mit diesem Mechanismus eine ähnliche Signalfunktion
im Auge, wie sie im nationalen Recht bei Planaufstellungsverfahren mit der Veröffentlichung der Auslegung der Planunterlagen verbunden sein soll (vgl. §§ 3 Abs. 2 S. 1 u. 2 BauGB, § 73 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, Abs. 5 S. 1 u. 2 VwVfG). 27 Ziekow
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tung des Handeins der Mitgliedstaaten betrauten Nichtregierungsorganisationen (Umweltverbände).21
e) Heilungsmöglichkeiten bei ungenügender Ausweisung im Rahmen der Planfeststellung Häufig wird es hierzulande derzeit an genügenden ilirmlichen Ausweisungsakten in dem im "Basses-Corbieres-Urteil" geforderten Sinne fehlen bzw. wird ein solcher zumindest zweifelhaft sein. Kann dieses Problem auch noch während eines laufenden Planfeststellungsverfahrens oder sogar nach dessen Abschluss während der hierüber gefilhrten gerichtlichen Auseinandersetzungen gelöst bzw. "geheilt" werden? In laufenden Planfeststellungsverfahren bestehen keine großen Probleme, muss nur dafilr gesorgt werden, dass der ilirmliche Ausweisungsakt bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nachgeholt wird. Bei abgeschlossenen Verfahren stellt sich die Frage als ein Problem der Anwendung des § 75 Abs. la VwVfG dar. Zwar handelt es sich bei dem Rechtsverstoß um keinen Abwägungsmangel im engeren Sinne, da Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL zwingendes Recht ist; als Teil der Abwägungsentscheidung ist aber nach zutreffender Rechtsauffassung und herrschender Meinung auch ein solcher Verstoß gegen bei der Planfeststellung zu beachtende zwingende naturschutzrechtliche Vorgaben - hier: des Europäischen Gemeinschaftsrechts - mit der hiervon infizierten Gesamtentscheidung grundsätzlich heilungs fähig. Fraglich ist alleine, ob der ggf. in dem Verstoß gegen Art. 4 Abs. 4 S. 1 VSRL liegende Mangel gemäß § 75 Abs. la S. 2 VwVfG durch Planergänzung oder ergänzendes Verfahren geheilt werden kann. Liegt tatsächlich eine erhebliche Beeinträchtigung LS.d. Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL vor, stellt sich die Frage, ob "durch ergänzendes Verfahren" LS.d. § 75 Abs. la S. 2 VwVfG auch die fehlende Ausweisung als Schutzgebiet nachgeholt werden kann, damit nachträglich Art. 7 FFH-RL und darüber Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL zur Anwendung kommen. Im Rahmen des ergänzenden Verfahrens selbst ist dies sicherlich nicht möglich, wenngleich durchaus daran zu denken ist, dass die Planfeststellungsbehörde bei gleichzeitiger Zuständigkeit filr Schutzgebietsausweisungen nach dem jeweils einschlägigen Landesnaturschutzrecht eine europarechtlich genügende Ausweisungserklärung abgibt. Geschieht dies oder erfolgt die Ausweisungserklärung durch die ansonsten kompetente Stelle, dürfte der Weg zu einer wiederholenden Bestätigung des Abwägungsbeschlusses mit ergänzter BegrUndung im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Art. 7 FFH-RL und die damit mögliche Direktanwendung von Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL freilich 21 So denn auch VG Oldenburg im Endurteil B.U.N.D. (Fn. 1), S. 36.
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durchaus offen sein. Für das im Bauplanungsrecht geläufige Parallelproblem des Satzungsbeschlusses der Gemeinde über den Bebauungsplan (im Folgenden "B-Plan") unter Missachtung einer vorrangigen Landschaftsschutzverordnung ist es nach zutreffender Auffassung nämlich durchaus möglich, dass die Gemeinde den Fehler dadurch behebt, dass sie die Teilautbebung der zuständigen Schutzgebietsverordnung rur den Anwendungsbereich des B-Plans oder eine entsprechende Befreiung beantragt und nach - positiver - Entscheidung hierüber den Satzungsbeschluss - bestätigend - wiederholt. 22 Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Weg im Rahmen der Anwendung der Schwestervorschrift des § 75 Abs. la S. 2 VwVfG nicht gangbar sein sollte. 2. Die Vogelschutz-Verträglichkeitsuntersuchung nach der Rechtsprechung
Gemäß Art. 4 Abs. 4 S. I der FFH-RL treffen die Mitgliedsstaaten geeignete Maßnahmen, um die Verschmutzung oder Beeinträchtigung der Lebensräume sowie die Belästigung der Vögel in den in Absätzen I und 2 genannten Schutzgebieten zu venneiden, soweit sich die:; auf die Zielsetzungen erheblich auswirken kann. Aus dem Wortlaut der Vorschrift wird deutlich, dass die Erheblichkeit der Auswirkung rur die Ziele des Vogelschutzes sowohl filr die Alternative der Belästigung als auch der Verschmutzung bzw. Beeinträchtigung der Lebensräume Tatbestandsvoraussetzung rur die den Mitgliedsstaat treffende Pflicht ist. 23 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eindeutig geklärt, dass die in Art. 4 Abs. 4 S. I VS-RL statuierte Pflicht zur Errichtung eines materiellrechtlich ausreichenden Schutzregimes auch dann gilt, wenn der Mitgliedstaat es versäumt hat, das betreffende Gebiet gemäß Absatz I auszuweisen bzw. Absatz 2 anzuerkennen; Gebiete mit diesen Schutzstatus sind die sog. "faktischen Vogelschutzgebiete".24 So klar diese Regelung scheint, so diffizil sind allerdings - wie gerade auch der vorliegende Beispielsfall zeigt - die sich hieraus ergebenden Anwendungsprobleme:
22 Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB-Kommentar, 7. Aufl., München 1999, Rn. 3 zu § 215a BauGB. 23 Dies wird verkannt z. B. von Baumann u.a. NuR 1999, 463 (469); Beckmann / Lamprecht ZUR 2000, 1 (2). Wie hier VG Oldenburg, B.U.N.D.-Urteil (Fn. I), S. 37 ff. 24 EuGH, Slg. 1993, 1-4221 ff. (Kommission / Spanien, "Santoi\a") und mit näherer Darstellung GelIermann (Fn. 12), S. 110 f. m.w.N.
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a) Der unklare Befund in der Rechtsprechung des EuGH; der - begrenzte - Aussagegeha/t der Entscheidungen Leybucht. Santona. Basses Corbieres
Die VS-RL enthält weder in Art. 4 noch anderer Stelle einen Erlaubnistatbestand, der steuert, wann Mitgliedstaaten ausnahmsweise Maßnahmen entgegen Art. 4 Abs. 4 S. I VS-RL ins Werk setzen oder deren Realisierung durch Private nach nationalem Recht zulassen dürfen. Entgegen einer recht weit verbreiteten Auffassung2S kann auch keineswegs davon die Rede sein, dass der EuGH diese Frage bereits abschließend geklärt hat. Zwar werden insofern verbreitet die Urteile Leybucht/6 Santofta27 , Lappel-Bank28 und neuerdings auch das schon erwähnte Basses Corbieres-Urteil 29 angefUhrt. Hierzu ist aber festzuhalten, dass sich keine dieser Entscheidungen explizit mit der Frage möglicher Ausnahmetatbestände von dem Gebot des Art. 4 Abs. 4 S. I VS-RL befasst hat: In den Fällen Santofta und Leybucht sprach der EuGH vielmehr nur aus, dass trotz des gewissen Spielraumes bei der Ausweisung von Schutzgebieten gemäß Art. 4 Abs. I VS_RL 30 im Hinblick auf Art. 4 Abs. 4 VS-RL dieflächenmäßige Verkleinerung eines besonderen Schutzgebietes nur gerechtfertigt durch außerordentliche Gründe des Gemeinwohls in Betracht kommt, die Vorrang vor den mit der Richtlinie verfolgten Umweltbelangen haben. Auch das BassesCorbieres-Urteil sowie das in einem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die Niederlande ergangene Urteil zur Relevanz der sog. IBAListe]! enthalten keine entsprechenden direkten AusfUhrungen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Eingriffe in ein - unverändert - ausgewiesenes Schutzgebiet zulässig sind. Freilich ist zuzugeben, dass der EuGH zumindest im Leybucht-Urteil seine AusfUhrungen zu den eine Verkleinerung eines Schutzgebietes rechtfertigenden Ausnahrnegründen recht pauschal auf die Frage bezogen hat, unter welchen Voraussetzungen generell Abweichungen von den Schutzzielen des Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL gerechtfertigt sein können. So spricht der EuGH u.a. auch davon, die Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange - hier das Ziel, einer bestimmten V gl. GeIlermann (Fn. 11), S. 110 f., 120; Winter NuR 1992, 23. EuGH, Urt. vom 28.2.1991 - Rs. C-57/89 - (Kommission 1 Bundesrepublik Deutschland), Sig. 1991,1-883 ff. 27 EuGH, Urt. vom 2.8.1993 - Rs. C-355 190 - (Kommission 1 Spanien), Sig. 1993, 1-4221 ff. 28 EuGH, Urt. vom 11 .7.1996 - Rs. C-44 195 - (Vorabentscheidungsersuchen House ofLords), Sig. 1996,1-3807 ff. 29 EuGH, Urt. vom 7.12.2000 (Fn. 1). ]0 EuGH, Urt. vom 28.2.1991 (Fn. 26), Rz. 20. ]1 EuGH, Urt. vom 19.5.1998 - Rs. C-3 196 - (Kommission 1 Niederlande), Sig. 1998, 1-3031 ff. 25
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Fischereiflotte den Zugang zum betreffenden Hafen im Rahmen einer Küstenschutzmaßnahme zu erhalten - sei "mit den Erfordernissen dieser Richtlinie grundsätzlich unvereinbar".32 Dies lag aber im Ergebnis recht nahe, wenn man den zu Grunde liegenden Sachverhalt betrachtet. Im Vertragsverletzungsverfahren ging es auch um die begehrte Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland wegen der Durchführung der betreffenden Eindeichungs- bzw. Aufspülungsmaßnahmen im Vogelschutzgebiet. Selbst wenn es durchaus erneuter Erwähnung würdig erscheint, dass im Ergebnis der EuGH die Klage abgewiesen hat und die einleitende Passage zur inhaltlichen Würdigung des Klagevorbringens das Problem alleine bei der Frage einer möglicherweise unzulässigen Verkleinerung der Fläche des geschützten Gebiets rubriziert/ 3 wird aus den folgenden Ausfiihrungen doch recht deutlich, dass Gegenstand der Beurteilung im Leybucht-Urteil weniger die Problematik der Flächenverkleinerung als die Frage der Rechtfertigung der Durchfiihrung des Vorhabens als solches war. 34 Der Sache nach kann damit festgehalten werden, dass eine Abweichung von der Schutzpflicht gemäß Art. 4 Abs. 4 S. I VS-RL in der Tat nur dann und insofern in Betracht kommt, als es sich - auch im Kontext der gesamten Gemeinschaftsrechtsordnung - um gewichtige Gründe handelt, wie z. B. den Lebensoder Gesundheitsschutz sowie andere hochrangige ordnungsrechtliche Belange (bspw. Küstenschutz); dies gilt allerdings nur, soweit sich diese Maßnahmen auf das Allernotwendigste beschränken und die "geringstmögliche Verkleinerung des besonderen Schutzgebietes bewirken",35 nämlich - wie man im Lichte der vorstehenden AusfUhrungen ergänzen muss - entweder durch die Variante der gänzlichen Entwertung eines bestimmten Gebiets durch "legale Totalentwertung" (= Verkleinerung) und / oder in der Handlungsform der erheblichen Beeinträchtigung oder Zulassung einer solchen im schutzwürdigen Gebiet. Soweit sich eine Maßnahme in ihrem konkreten Umfang vollständig auf eine entsprechende Rechtfertigung stützen kann, ist nach der Auffassung des EuGH eine Durchbrechung der Schutzpflicht gemäß Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL zulässig. Dem gemäß hatte - jedenfalls insofern - der EuGH auch wenig Bedenken, die Rechtfertigung der Bundesrepublik Deutschland im Fall Leybucht anzuerkennen und die Klage der Kommission abzuweisen. Wenn es demgegenüber im Fall Santofta recht unproblematisch zu einer Verurteilung kam, ist anzumerken, dass im zu Grunde liegenden Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Spanien unstreitig war, dass die von EuGH (Fn. 26), Rz. 24. EuGH (Fn. 26), Rz. 19 f. 34 EuGH (Fn. 26), Rz. 24 f.; vgl. auch Schlussantrag GA van Gerven, Rz. 18 tf., 37 tT., der sich ausflihrIich getrennt mit der Rechtfertigung der durchgeflihrten "Bauarbeiten" unabhängig von der vorgenommenen rechtlichen Schritten auseinandersetzt. 35 EuGH (Fn. 26), Rz. 23. 32
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der Kommission gerügten und letztlich die Verurteilung tragenden Maßnahmen - Bau einer Straße in einem sonst sehr abgeschiedenen und unzweifelhaft gemäß Art. 4 Abs. I VS-RL schutzwürdigen Gebiet, Einrichtung zweier Industriegebiete, Genehmigung einer Venusmuschelzucht im zentralen Teil des betroffenen Sumpfgebietes sowie Pläne zur Einrichtung von Aquakulturanlagen, schließlich Einleitung von Abwässern mit giftigen und gefllhrlichen Stoffenzu ganz erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf das Gebiet bzw. die dort siedelnde Vogelwelt filhrten. J6 Interessant ist insofern, dass in dem dem Basses-Corbieres-Urteil zu Grunde liegenden Verfahren jedenfalls der Sache nach auch um die Frage gestritten wurde, ob Frankreich seine Pflichten neben der fehlenden Ausweisung des Gebietes Basses Corbieres als besonderes Schutzgebiet gemäß Art. 4 Abs. 1 VSRL dadurch verletzt habe, dass in dem Gebiet dem Betreiber eines Kalksteinabbaus die Erlaubnis filr eine erhebliche Ausdehnung seines Betriebs erteilt worden war. Zwar stellte sich dem EuGH selbst diese Frage im Ergebnis nicht: Da die Kommission - im Ergebnis nach dem Urteil zu Unrecht - über Art. 7 von der Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL ausgegangen war, wies der Gerichtshof den auf die Verletzung dieser Vorschriften bezogenen Antrag als unbegründet zurück. sah andererseits offensichtlich verfahrensrechtlich keine Grundlage dafilr, über eine mögliche Verletzung von Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL zu judizieren. 37 Freilich hatte GA A/ber im Rahmen seines Schlussantrages die Prüfung nicht abgebrochen, sondern gleichsam eventualiter auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL weiter geprüft. J8 Es ist durchaus interessant, zu welchem Ergebnis GA A/ber gekommen ist: Zwar liegen nach seiner Auffassung erhebliche Beeinträchtigungen des Jagdreviers der im Gebiet siedelnden Raubvögel (Habichtsadler) durch die Lärmbelästigungen des Kalksteinabbaus nahe. J9 Freilich dürfte es - so GA A/ber - im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes von Art. 4 Abs. 4 VS-RL zulässig sein, gewisse Kompensierungsmaßnahmen schon bei der Prüfung der Erheblichkeit der Auswirkungen zu berücksichtigen.40 Unter dieser Voraussetzung - so GA Alber weiter - dürften die von den französischen Behörden im Ausgangsfall getroffenen Kompensierungsmaßnahmen (Errichtung und Begrunung eines Landschaftsschirms, Bewirtschaftung von Wiesen, die Einrichtung von Wasserstellen, die Ansiedlung bzw. Vermehrung von Kleinwild sowie die Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Erscheinungsbildes der Landschaft) im Ergebnis dazu fuhren, dass die Lebensräume der ansässigen Vögel jedenfalls
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EuGH (Fn. 27), Rz. 36, 38 ff., 44 ff. EuGH (Fn. 5), Rz. 57 ff. GA Alber (Fn. 12), Rz. 105 ff., insbesondere 107 ff. GA Alber (Fn. 12), Rz. 113. GA Alber (Fn. 12), Rz. 116 f.
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nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt wÜTden. 41 Aus diesem Grunde schlug GA Alber trotz auch der von ihm verneinten Anwendbarkeit von Art. 7 FFHRL insofern die Abweisung der Klage vor. 42 Berücksichtigt man den allgemeinen Trend, dass der EuGH regelmäßig den Schlussanträgen des plädierenden Generalanwalts folgt, hätte damit auch dieser - der zweite klar zu Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL vorliegende - Fall mit einer Abweisung der Vertragsverletzungsklage gegen den betreffenden Mitgliedsstaat geendet. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass erkennbar die Rechtsprechung des EuGH im Hinblick auf Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL durchaus von einer gewissen "Doppelbödigkeit" geprägt ist: Einerseits duldet das strikte Verschlechterungsverbot Durchbrechungen nur zum Zwecke hochrangiger Gemeinsschaftsbelange, gilt damit sehr strikt. Andererseits ist der EuGH bereit, bei der Prüfung der Verletzung der Schutzpflicht aus Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL im Einzelfall selbst bei Projekten, filr die bzw. soweit diese nicht mit entsprechenden Gründen zu rechtfertigen sind, die konkret mit dem Projekt verbundenen positiven Auswirkungen auf Aspekte des Vogelschutzes bzw. entsprechende flankierende Maßnahmen großzügig beim Merkmal "erhebliche Auswirkungen" zu berücksichtigen. 43 b) .. Erhebliche Beeinträchtigungen" bei Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL, Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen Damit ist zugleich das zweite Problem angeschnitten, das - entgegen mancherlei Äußerung in der Literatur44 - systematisch weniger die Frage der Rechtfertigung einer Ausnahme von der Erfililung der Schutzpflicht aus Art. 4 Abs. 4 S. I VS-RL betrifft, als vielmehr die Ausfüllung des Tatbestandes: Richtig verstanden läuft nämlich die Würdigung der mit dem Küstenschutzprojekt zugleich verfolgten wirtschaftlichen Zwecke und der insofern begründeten Teilaspekte des Vorhabens - hier Offenhalten eines Hafens filr die Fischereiflotte - im Fall Leybucht bzw. die Argumentation von GA Alber im Basses Corbieres-Fall auffolgende einfache Überlegung hinaus: Sind die den wirtschaftlichen Gründen zuzuschreibenden negativen Folgen filr den Vogelschutz im Hinblick auf die materiel1en Vogelschutzziele filr das betreffende Gebiet zumindest weitgehend kompensiert und im Ergebnis bei Betrachtung des Gesamtprojektes damit unerheblich, bedarf das Projekt überhaupt nicht der RechtGA Alber (Fn. 12), Rz. 118. GA Alber (Fn. 12). 43 Dies wird verkannt von GelIermann (Fn. 11), S. 117 sowie S. 120 ff., im Übrigen mit verfehlter rechtsdogmatischer Verortung dieses Problems bei der Formulierung des Ausnahmetatbestands rur die Abweichung von Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL. 44 GelIermann (Fn. 11), S. 121. 4\
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fertigung, weil es nämlich gerade nicht zu der gemeinschaftsrechtlich gemäß Art. 4 Abs. 4 S. I VS-RL allein verbotenen erheblichen Beeinträchtigung filhrt. 4S Ausdrücklich formuliert insofern GA Alber, nach seiner Ansicht "dürfte es zulässig sein, daß gewisse Kompensierungsmaßnahmen bei der Prüfung der Erheblichkeit der Auswirkungen Berücksichtigung finden können. Denn die Regelung des Artikel 4 Absatz 4 der Vogelschutz-Richtlinie ist zum einen nicht als ein absolutes Verbot jeglicher Veränderungen zu betrachten. Zum anderen ist Erheblichkeit der Auswirkungen des Vorhabens in ihrer Gesamtheit zu sehen. Unter dieser Voraussetzung dürfen von den französischen Behörden vorgeschriebene oder angeregte Kompensierungsmaßnahmen bei der Gesamtbewertung mit berücksichtigt werden".46
Dies gilt - auch dies ist besonderer Betonung würdig - im Übrigen nicht nur fllr solche möglichen Beeinträchtigungswirkungen, die ihre Quelle außerhalb des Schutzgebietes haben. In beiden Fällen - Leybucht wie Basses Corbieres wurde vom EuGH bzw. von GA Alber vielmehr gerade filr möglich gehalten, dass die Verwirklichung einer Maßnahme mit Flächenverbrauch im betreffenden Vogelschutzgebiet durch entsprechende Kompensationsmaßnahmen aufgefangen wird. Damit dürfte insbesondere der sehr weitgehenden Rechtsauffassung die Grundlage entzogen sein, wonach jedenfalls im Falle eines Flächenverbrauchs im schutzwürdigen Gebiet regelmäßig von einer nicht kompensierbaren erheblichen Beeinträchtigung auszugehen sei. c) Der Gutachterstreit im Fall des Emssperrwerkes; Populationsentwicklung der interessierenden Vogelarten als Kenngröße
Der Streit um das Emssperrwerk hatte im Anschluss an die vorstehend zitierte Rechtsprechung einen spitzfindigen Streit darüber ausgelöst, wie die Vogelschutz-Verträglichkeitsprüfung in Fällen auszusehen habe, bei denen vielleicht die Gestalt des in einem Vogelschutzgebiet realisierten Vorhabens alleine oder wesentlich im Hinblick auf gemeinschaftsrechtlich hinreichend gewichtige Zwecke (hier des Küstenschutzes) gerechtfertigt werden könne, die Auswahl des konkreten Standortes des Vorhabens freilich im Hinblick auf mögliche AIternativstandorte ausschließlich, hauptsächlich oder jedenfalls in erheblichem Umfang nur mit einem anderen - wirtschaftlichen - Zweck begründet werden könne, den das Vorhaben zugleich fördern solle (hier die Aufstaumöglichkeit filr Schiffsüberfllhrungen). Für den konkreten Fall mag offen bleiben, ob die sodann gefilhrte Diskussion über die Prüfung der das Projekt im Planfeststellungsbeschluss rechtfertigenden Haupt- und Nebenzwecke und die filr die entsprechende Zuschreibung notwendigen Indikatoren sinnvoll möglich ist. Denn 45 So auch im Ergebnis VG Oldenburg im Hauptsacheurteil (Fn. 1), S. 39 m.w.N. 46 GA Alber (Fn. 12), Rz. 118.
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nach den vorstehenden Ausführungen dürfte jedenfalls auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts eine Konstellation dieser Art wie folgt zu betrachten sein: Soweit die Ausgestaltung bzw. die Wahl des Standortes des Vorhabens durch ein als gewichtiger Gemeinwohlbelang legitimiertes Ziel gerechtfertigt ist, ist auch eine erhebliche Beeinträchtigung der substanziellen Ziele des Vogelschutzes im betreffenden Gebiet gerechtfertigt, wenn sich insofern das Maß der Beeinträchtigungen auf das Notwendige beschränkt. Soweit darüber hinaus die Gestalt bzw. der Standort des Vorhabens nicht mit dem hochrangigen Ziel gerechtfertigt werden können, sondern spezifisch der Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke zuzurechnen sind, kommt die Rechtfertigung einer Beeinträchtigung nicht in Betracht. Fraglich ist dann alleine, ob die insofern zuzurechnenden Beeinträchtigungsaspekte erheblich sind, dies unter Berücksichtigung ggf. entsprechend dem Vorhaben beigegebener Kompensationsmaßnahmen. Hierbei kommt es nicht auf eine flächenbezogene Betrachtung an, sondern darauf, ob substanziell die Ziele betroffen sind, derentwegen das betreffende Gebiet aus fachlicher Sicht als Vogelschutzgebiet schutzwürdig erscheint. Für die gerichtliche Auseinandersetzung über das Emssperrwerk bedeutete dies letztlich einen Gutachterstreit darüber, ob die für das Gebiet charakteristischen Vogelarten durch den Bau oder den Betrieb des Emssperrwerkes einschließlich der betriebsbegleitenden Folgen (Besucherverkehr etc.) in ihrer Bestandsentwicklung erheblich gehemmt werden. 47 Der Bereich zur Realsatire dürfte insofern mit dem Streit über die Frage erreicht sein, ob charakterliche Eigenheiten, die für bestimmte Vogelarten oder jedenfalls die im betreffenden Gebiet siedelnden Individuen typisch sind, dergestalt berücksichtigt werden müssen, dass es eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen könnte, wenn die betroffenen Nonnengänse - bzw. so ein Vogelsachverständiger wörtlich im Rahmen der mündlichen Verhandlung "Nonnenganspersönlichkeiten" - von einer traditionellen "IA-Fressfläche" auf ungewohnte benachbarte ,,2B-Lagen" umsiedeln müssen. 48
47 Dem VG Oldenburg lagen hierzu umfangreiche naturschutzfachliche Gutachten vor, die Befragung der Sachverständigen dazu nahm einen Verhandlungstag in Anspruch. In den Entscheidungsgründen arbeitet das Gericht ausführlich die Frage für die jeweiligen potenziell betroffenen Vogelarten (in alphabetischer Reihenfolge: Blässgans, Blaukelchen, Goldregenpfeifer, Graugans, Kampfläufer, Nonnengans, Pfeifente, Säbelschnäbler, Regenbrachvogel, Rohrweihe, Tüpfelsumpfhuhn) auf immerhin elf Druckseiten ab, s. VG Oldenburg (Fn. I), S. 43 ff. 48 Dazu VG Oldenburg (Fn. I), S. 48 f.
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IV. Das sog. "potenzielle FFH-Gebiet": Die A-20-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das Severn-Urteil des EuGH und der problematische Umfang von Schutzund Vorwirkungspflichten während des Meldeverfahrens Einen Schwerpunkt der Auseinandersetzung um das Emssperrwerk bildet die Frage, ob die Realisierung dieses Projekts bzw. konkret der Staufall zu einer Beeinträchtigung der Ems als durchgängiger Flusslauf und damit Lebensraum fi1r Fische fUhrt; immerhin war - wie die klagenden Naturschutzverbände betonten - im Rahmen der Vorbereitung des Auswahlverfahrens gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-RL der gesamte Flusslauf von zuständigen Fachbeamten u.a. auch im Hinblick darauf als meldewürdig angesehen worden, dass die Ems historisch ein wichtiger Lebensraum fUr mehrere im Anhang 11 der FFH-RL genannten Wanderfische und auch anderer dort genannter nicht wandernder Fischarten ist. Weiterhin geht es um die Frage, ob insofern auch in der Unterems befindliche einfache Lebensraumtypen nach Anhang I zur FFH-Richtlinie bzw. sogar in Gestalt an der Unterems vorkommender Weidenauwälder Vorkommnisse eines prioritären Lebensraumtyps geschädigt werden. Hierbei wurde bald deutlich, dass es bei der Beurteilung durchaus auch um ganz grundsätzliche - man könnte durchaus auch sagen ideologische - Fragen bzw. Alternativen geht: Ist - erstens - bei der Beurteilung einer möglichen "Beeinträchtigung" des potenziellen FFH-Gebietes alleine auf den derzeit gegebenen Zustand und seine durch das Projekt mögliche negative Veränderung abzustellen oder kommt es vielleicht zudem auf die Beeinträchtigung möglicher Entwicklungspotenziale des betreffenden Gebietes im Lichte entsprechend festzusetzender Entwicklungsziele an? Inwieweit - zweitens - sind hierbei ggf. nachträglich in der Vergangenheit realisierte Beeinträchtigungen dahingehend zu berücksichtigen, dass es ggf. fi1r die Frage der Beeinträchtigung auf eine "summierende Betrachtungsweise" ankommt? Ganz grundsätzlich - drittens -: Was sind eigentlich die Randbedingungen, unter denen im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung ggf. vom Fall eines "potenziellen FFH-Gebietes" auszugehen ist, dass die Bejahung entsprechender Schutzpflichten rechtfertigt? Was sind - hinreichende - Indikatoren dafi1r, dass von einem die materiellrechtlichen Schutzpflichten auslösenden Gebiet in fachlicher Hinsicht ausgegangen werden kann? Ob die - deutlich auf Rückzugskurs befindliche - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hier wirklich eine auch in der Praxis handhabbare Linie vorgibt, ist durchaus fraglich (dazu sogleich 1.). Im Übrigen bestehen nach wie vor grundsätzliche Bedenken gegen diese Rechtsprechung (unten 2.)
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I. Eine gangbare Lösung: Das "abgestufte Modell" in der neu esten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts?
Bekanntlich ist die Bundesrepublik - immer noch49 - mit der Umsetzung der FFH-RL säumig. Das BVerwG vertritt seit der bekannten A 20-EntscheidungSO unter direktem Rückgriff auf das Primärrecht in Anlehnung an Rechtsprechung des EuGH zu sog. Stillhalteverpflichtungen der MitgliedsstaatenSI die Auffassung, die Behörden der Bundesrepublik Deutschland seien im Falle von sog. faktischen Vogelschutzgebieten bzw. potenziellen FFH-Gebieten S2 verpflichtet, zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen bis zur Errichtung des ökologischen europäischen Netzes Natura 2000 die Verträglichkeit von Plänen oder Projekten mit den Schutzbedürfnissen solcher Gebiete gleichsam im Sinne "vorbeugenden Gehorsams" zu prüfen. s3 a) Die Präzisierung der Rechtsfigur zum "potenziellen FFH-Gebiet"
Diese sog. "Vorwirkungsrechtsprechung" wird zwischenzeitlich kontrovers diskutiert, neben einer Schar von Anhängern S4 finden sich zunehmend Kritiker,55 die die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dem Grunde nach oder wegen der Reichweite der Vorwirkungspflichten ablehnen. S6 Gerade im Hinblick auf die mit solchen Vorwirkungspflichten verbundenen Einschränkungen der Nutzungsbefugnisse der davon betroffenen Grundeigentümer stellt sich die Frage, ob diese Rechtsprechung - auch im Hinblick auf das gemeinschaftsrechtlich anerkannte Eigentumsgrundrecht - so aufrechterhalten werden kann. Dies gilt um so mehr, als Versuche, im Wege vorbeugenden Rechtsschutzes
Vgl. dazu schon die Nachweise bei Fn. 10. BVerwGE \07, I tT., zuvor schon im Eilverfahren BVerwG NVwZ 1998,616. 51 EuGH NVwZ 1998,385 (386) - Inter-environmental Wallonie -; vgl. auch schon EuGH Sig. 1997,1-1591, Rz. 37 tT. -Alcan-. 52 Zu den Begriffiichkeiten Apfelbacher I Adenauer I [yen NuR 1999, 63 (71 f). 53 BVerwGE \07, I (21 tT.), 4. Senat. Dem nachfolgend die bei Fn. 5 zitierten Entscheidungen des BVerwG. 54 GelIermann (Fn. 11), S. 112 m.w.N.; ders. NuR 1996, 548 (555 ff.); Polenzv. Hahn VBIBW 1998, 2\0 (212); Ottol Krakis NJ 1998, 579 (580 ff.); Maaß NuR 2000, 121. 55 Freytag I [yen NuR 1995, 109 (116); Stüber NuR 1998, 531 (534); Goppel, Raumordnung bei der Gebietsauswahl, in: Jarass (Hrsg.), EG-Naturschutzrecht und räumliche Gesamtplanung, 1999, S. 81 f. 56 Ewer NuR 2000, 361 (365); Zeichner NVwZ 1999, 32 (34 f.). 49
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Klarheit über entsprechende Belastungen des jeweiligen Grundeigentums zu bekommen, bislang erfolglos geblieben sind. 57 Freilich wird - als authentischer Interpret zumindest des 4. Senats weist das Senatsmitglied Halama hierauf neuerdings hin 58 - man auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts differenzierter betrachten müssen, jedenfal1s was den Gehalt dieser Rechtsprechung im Einzelnen angeht. 59 Klarzustellen ist auch, dass die pauschale Rede vom "potenziel1en FFH-Gebiet" schon rechtsdogmatisch unglücklich ist, suggeriert die Verwendung des einheitlichen Begriffs doch, aus einem naturschutzfachlich geprägten Tatbestand ließe sich undifferenziert eine immer gleichilirmige - aus vorwirkenden Schutzpflichten der Mitgliedstaaten bestehende - Rechtsfolge ableiten. ledenfal1s was die Tatbestandsebene angeht, lässt sich nämlich schon in der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine vorsichtige einschränkende Präzisierung konstatieren: Zwar heißt es in der A 20-Entscheidung, entsprechende Schutzpflichten entstünden schon, wenn die Meldung des betreffenden Bereichs gemäß Art. 4 Abs. I 1. Unterabs. mit Anhang III, Phase 1 FFH-RL "ernsthaft in Betracht komme".6o In derselben Entscheidung ist anderseits auch schon davon die Rede, die Unterschutzstel1ung müsse nahe liegen oder sich geradezu aufdrängen. 61 In der späteren Rechtsprechung wird nur noch dieses engere Kriterium verwendet. 62 Entscheidend kommt es hierbei auf die in Anhang III Phase I FFH-RL genannten fachlichen "Auswahl-" - terminologisch besser wäre "Bestimmungs-" - Kriterien an. Freilich billigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts inzwischen ständig den Mitgliedsstaaten regelmäßig ein fachlich nicht mehr auszuräumendes Auswahlermessen im Hinblick auf die Bestimmung der nach den Kriterien gemäß Anhang III Phase 1 der FFH-RL jeweils geeigneten Gebiete ZU. 63 Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommen damit Schutzwirkungen im Sinne einer unmittelbaren Anwendung von Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL schon tatbestandlich nur dann in Betracht, wenn auch unter Beachtung der gemäß Anhang III Phase I FFH-RL maßgeblichen Kriterien kein naturschutzfachlicher 57 VG Oldenburg, Beschl. vom 2.2.2000 - 1 B 82/00 - (unveröffentlicht, vgl. www.verwaltungsgericht-oldenburg.niedersachsen.de); VG Oldenburg NuR 2000, 295; VG Lüneburg NuR 2000, 396; skeptisch zu Rechtsschutzmöglichkeiten auch Ewer (Fn.56). 58 Ha/ama NVwZ 2001,506 (507). 59 Vgl. dazu auch den Tagungsbericht von Köck ZUR 2001, 106 (108 f.) zum Vortrag Halamas und der diesbezüglichen Diskussion. 60 BVerwGE 107, 1 (23). 61 BverwGE 107, 1 (21). 62 BVerwG ZfBR 2000, 343 (344); BVerwG NVwZ 2001, 92 f.; BVerwG DVBI. 2001,386 (389 f.). 63 BVerwG NVwZ 2001, 92 (93); BVerwG DVBI. 2001,386 (390).
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Spielraum mehr besteht, das Gebiet gewählt werden muss. Beim Vorkommen sog. prioritärer Lebensraumtypen oder Arten (Art. 1 lit. d und h FFH-RL) spricht regelmäßig viel filr die Aufnahme in die nationalen Vorschlaglisten; eine Verbindlichkeit in jedem Einzelfall besteht nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber selbst dann nicht. 64 b) Verträglichkeit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit dem Severn-Urteil des EuGH
Wenn der EuGH im Severn-Urteil 6S klarstellt, jedenfalls wirtschaftliche und soziale Belange dürften bei der Bestimmung von Meldegebieten durch den Mitgliedsstaat keine Rolle spielen, dürfte die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hiermit - bei gebotener Vorsicht im Hinblick auf das Verständnis dessen, was mit "fachlichem Spielraum" gemeint ist - verträglich sein. Ambivalent ist insofern das Schlussplädoyer von GA Leger im derzeit anhängigen Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland. 66 Zwar spricht auch dieser im Hinblick auf die in Anhang III, Phase 1 FFH-RL genannten Kriterien von einer "Auswahl". Dem Verteidigungsvorbringen der beklagten Mitgliedsstaaten zugunsten bestehender Auswahlspielräume setzt Leger aber mehrfach die These entgegen, sie seien verpflichtet, ein umfassendes "Verzeichnis" der in ihrem Hoheitsgebiet gelegenen Gebiete zu erstellen, in denen die natürlichen Lebensraumtypen und die einheimischen Arten der Anhänge I und lIder Habittatrichtlinie "vorkommen". Weiterhin betont er in diesem Zusammenhang, dass nach seiner Auffassung der "Auswahl" im Rahmen des mehrstufigen Verfahrens filr die Bestimmung der letztlich durch die Gemeinschaft zu besonderen Schutzgebieten erklärten Gebiete vor allem eine Sammelfunktion zukomme. Um einen Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung erstellen zu können, müsse die Kommission nämlich über ein "umfassendes Verzeichnis" der Gebiete verfUgen, denen auf nationaler Ebene erhebliche ökologische Bedeutung filr das Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im Sinne der FFH-RL zukomme. Auch weist GA Leger darauf hin, dass ein Mitgliedsstaat im Rahmen der Erstellung der nationalen Liste nicht genau im Einzelnen wissen könne, wie die Situation der Habitate in den anderen Mitgliedsstaaten sei und schlussfolgert daraus die Unbeachtlichkeit von Überlegungen im Hinblick auf Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur bei der Ge-
BVerwG NVwZ 2001, 92 (93). EuGH, Vrt. vom 7.11.2000 (Fn. 5), Rz. 23; vgl. hierzu auch Schlussantrag GA Leger vom 3.5.2001 in verb. Rs. C-67 / 99 (Fn. 5), Rz. 111 ff. 66 GA Leger (Fn. 5). 64 6S
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bietsauswahl. 67 Das wird man zumindest dahingehend verstehen müssen, dass nach Auffassung Legers im Hinblick auf Anhang III (Phase 1) ABuehstabe a) und c) bzw. B Buchstabe b) und d) FFH-RL von jeder der in Anhang I enthaltenen Lebensraumtypen und der in Anhang II enthaltenen Arten bei noch akzeptablem Erhaltungszustand fllr den betreffenden Mitgliedsstaat zumindest ein Gebiet gemeldet werden muss, in dem die betreffenden Arten vorkommen. c) Der unklare dogmatische Bezugspunkt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Schutz des Meldeader des Auswahlverfahrens
Zugleich zeigt allerdings die Auseinandersetzung mit den Überlegungen von GA Leger, wie die Grundlage der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Schutzpflichten je danach mehr oder minder brüchig wird, welche Funktion man dem sog. Gebietsmeldeverfahren gemäß Art. 4 Abs. 1 FFH-RL zuzuweisen geneigt ist: Je stärker dieser Verfahrensabschnitt als ein reines Sammelverfahren zur Erstellung einer die Auswahl auf Gerneinschaftsebene vorbereitenden Liste angesehen wird, je extensiver insofern die Meldepflicht der Mitgliedsstaaten im Sinne einer möglichst umfangreichen Sammlung potenziell geeigneter Gebiete gesehen wird, desto schwächer wird die Argumentationsbasis fllr die Ableitung der wegen der rechtswidrigen Nichtmeldung geschlussfolgerten Stillhalte- und Schutzpflichten. Diese können sich dann nämlich eigentlich nur darauf beziehen, entweder - im Sinne einer strengen Auffassung - das den zuständigen Organen im eigentlichen Auswahlverfahren (Art. 4 Abs. 2 FFH-RL) eröffnete Ermessen bei der Auswahl aus dem Fundus der gemeldeten Gebiete zu schützen, indem verhindert wird, das zu meldende Gebiete vollständig entwertet werden, bevor es filr sie nach der eigentlichen Auswahl zur Errichtung eines Schutzregimes kommt. Oder es geht im Sinne einer weniger strengen Auffassung darum, die auch im Auswahlverfahren nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL anhand der in Anhang III, Phase 2 FFH-RL unzweifelhaft - im Sinne einer Ennessensreduzierung auf Null- in das Netz NATURA 2000 einzuknüpfenden Gebiete solange zu schützen, bis diese Gebiete ggf. nach Durchfilhrung entsprechender Vertrags verletzungs verfahren von den Mitgliedsstaaten gemeldet wurden und das Auswahlverfahren mit Errichtung entsprechender Schutzregime durchlaufen haben. Vielleicht ist dies auch der Grund, warum in der Rechtsprechung des Bundesverwaitungsgerichts - und den authentischen Interpretationen der Mitglieder
67
GA Leger (Fn. 5), Rz. 112 f.
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ihrer Spruchkörper68 - bei der Ausgestaltung der Rechtsfigur des potenziellen FFH-Gebiets auf der Rechtsfolgenseite deutliche Abmilderungstendenzen zu erkennen sind. So heißt es in der neuesten Entscheidung zum Thema, das Schutzregime in einem potenziellen FFH-Gebiet werde grundsätzlich nicht durch Art. 6 FFH-RL bestimmt, sondern durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorwirkungen, die allein verhindern sollen, dass Gebiete, deren Schutzwürdigkeit nach der FFH-RL auf der Hand liegt, zerstört oder so nachhaltig beeinträchtigt werden, dass sie filr eine Meldung nicht mehr in Betracht kommen. 69 Begleitet wird dies vom Vorschlag Halamas, ggf. so zu differenzieren, dass "einfache" potenzielle FFH-Gebiete (ohne prioritäre Lebensraumtypen oder Arten) in diesem Sinne bloß "schwach geschützt" seien, Gebiete mit unzweifelhaften Vorkommen von schützenswerten prioritären Lebensraumtypen oder Arten hingegen den vollen Schutz gemäß Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL genießen. 7o d) Handhabung der Rechtsfigur im Urteil des Verwaltungsgerichts O/denburg zum Emssperrwerk
Anwendungsbezogen ergibt sich damit im konkreten Fall zunächst die methodische Frage, anhand welcher Indikatoren - und mit welcher Gewichtung dieser - festzustellen ist, ob es sich beim betroffenen Kandidaten rur ein potenzielles FFH-Gebiet um ein aus fachlicher Sicht nach jeder möglichen Betrachtungsweise meldewUrdiges Gebiet handelt. Es scheint naheliegend, hier vor allem auf das Urteil der zuständigen Fachbehörden bzw. deren zuständigen Mitarbeiter abzustellen; nach allgemeiner Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist entsprechendes in anderen Fällen ständige Übung, bei denen rur die Beurteilung der in der strittigen Materie typischerweise auftauchenden Fachfragen entsprechende Fachämter eingerichtet sind.7! Besonders spannend wird dies allerdings, wenn - wie im vorliegenden Fall- die zuständige Fachbehörde die Aufnahme eines bestimmten Gebiets in die Meldeliste gefordert hatte, das rur die Auswahlentscheidung letztlich zuständige Ministerium dieses fachliche Votum jedoch überging. In der Hauptsacheentscheidung zum Emssperrwerk fUhrt das
Halama (Fn. 58), vgl. dazu auch eindrücklich Köck (Fn. 59), S. 108. BVerwG DVBI. 2001, 386 (390). 70 Jedenfalls so nach dem Bericht von Köck (Fn. 58), S. 108 f.; im abgedruckten Tagungsbeitrag von Halama (NVwZ 2001, 506) findet sich ein entsprechender Vorschlag auf Seite 509 allerdings nur in sehr tastender Form. 71 Vgl. rur die Beurteilung der fachlichen Grundlagen des Vorliegens der Denkmaleigenschaft durch die Denkmalfachbehörden OVG Münster BRS 52 Nr. 123; VGH Mannheim DVBI. 1988, 1219 (1220); OVG Berlin NJW 1990,2019 (2020); OVG Bautzen SächsVBI 1998, 12 (13). 68
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Verwaltungsgericht Oldenburg insofern methodisch mustergültig vor, wie angesichts dieser Konstellation richtig zu verfahren ist: 72 aa) Überprüfung des fachbehördlichen Urteils, Probleme der Repräsentativität Zwar muss die Auffassung der Fachbehörde gehörig gewürdigt werden. Da es sich jedoch bei der Frage der Reduzierung des Auswahlennessens auf Null nicht um ein rein fachliches Urteil handelt, die Entscheidung über die Anwendung des Art. 4 Abs. 1 mit Anhang III (Phase 1) FFH-RL vielmehr eine rechtlich aufgeladene Entscheidung auf fachlicher Grundlage ist, kommt den Aussagen entsprechender Fachbehörden nur bezogen auf die tatsächlichen Grundlagen dieses Werturteils ein Vertrauensvorschuss zu. Dies ist insofern bedeutsam, als bei der Auseinandersetzung um die Anwendung der Rechtsvorschrift Art. 4 Abs. I mit Anhang III (Phase 1) FFH-RL die Vertreter der ökologischen Fachdisziplin in einschlägigen Publikationen zuweilen durchaus gleichsam "über die Stränge schlagen", sich auch filr die Entscheidung rechtlicher Fragen bei der Systematisierung der Anwendung der genannten Nonn zuständig filhlen. Ein beredtes Beispiel ist insofern die Frage, ob - wie von Vertretern des Bundesamtes filr Naturschutz gefordert - ftlr jede der sog. naturräumlichen Haupteinheiten (diese fassen auf regionaler Ebene anhand geographischer Kriterien Biotopverbände großräumig zusammen) auf der Grundlage des in Anhang III (Phase 1) enthaltenen Grundsatzes der Repräsentativität jeder in Anhang I genannte Lebensraumtyp bzw. jede in Anhang 11 genannte Art zumindest einmal filr die jeweilige sog. naturräumliche Haupteinheit73 gemeldet werden muss. Anzumerken ist insofern, dass dieser Vorschlag jedenfalls in der von der EG zum Meldeverfahren erlassenen Entscheidung74 keine Grundlage findet. AuffiUIig ist vielmehr, dass dort - vom Standpunkt des Gemeinschaftsrechts aus völlig konsequent - die Binnenstruktur der Mitgliedsstaaten - in der Bundesrepublik Deutschland: insbesondere die Einteilung in Bundesländer - übergangen wird und alleine die von der Kommission selbst eingefilhrte Unterteilung des gesamten Gemeinschaftsgebiets in biogeografische Regionen auf der obersten Stufe (in sechs verschiedene Typen)75 rur ver-
Vgl. VG Oldenburg, B.U.N.D.-Hauptsacheentscheidung (Fn. I), S. 54 (59 ff.). Vgl. Bundesamt fUr Naturschutz (Hrsg.), Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000, Bonn-Bad Godesberg 1998, S. 27, 34. 74 Entscheidung der Kommission vom 18. Dezember 1996 über das Formular fUr die Übermittlung von Informationen zu den im Rahmen von NATURA 2000 vorgeschlagenen Gebieten, ABI. EG L 107, 1 ff. 75 Borial, kontinental, atlantisch, alpin, makaronesisch sowie mediterran, vgl. Kommission (Fn. 74), S. 27. 72 73
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bindIich erklärt wird. Die weitere Unterteilung der Mitgliedsstaaten auf der Grundlage juristischer Kriterien (Gebietskörperschaften)76 hat rein verwaltungstechnische Bedeutung rur die in der Entscheidung geregelten Ausrullung des sog. Standard-Datenbogens 77 , dient nämlich einfach der Bezeichnung des vorgeschlagenen Gebiets anhand der jeweiligen Binnenstruktur des Mitgliedsstaats nach Verwaltungsgebieten (sog. NUTS-Kennziffer). Dieser Überlegung folgend hat das Verwaltungsgericht Oldenburg im vorliegenden Fall dementsprechend entgegen der Auffassung der Fachbehörde es rur möglich gehalten, rur die Frage der Repräsentativität der Ems zwischen Herbrum und Dollart rur die dortigen Vorkommnisse von Lebensraumtypen nach Anhang I und Arten nach Anhang 11 der FFH-RL eine vergleichende Betrachtung mit der - großflächig gemeldeten - UntereIbe anzustellen, obgleich beide Flussästuarien jedenfalls nach der Auffassung des Bundesamts rur Naturschutz in verschiedene naturräumliche Haupteinheiten gehören. Weiterhin sah sich das Verwaltungsgericht Oldenburg in der Lage, auf Grund spezifizierten Gegenvorbringens anderer Beteiligter auch die fachlichen (Daten-)Grundlagen des Urteils des Landesamtes rur Ökologie bzw. des zuständigen Sachbearbeiters zu überprüfen, insbesondere nämlich im Hinblick auf die rur die Ems als Fischgewässer insbesondere rur sog. Wanderfische maßgeblichen Parameter wie Wasserqualität, Durchgängigkeit des Flusslaufes etc. Auf dieser Grundlage kommt das Verwaltungsgericht Oldenburg zutreffenderweise zu dem Urteil, dass die Ems zwischen Herbrum (bzw. Papenburg) und Dollart tatbestandlieh kein potenzielles FFH-Gebiet ist. Interessant ist insofern noch der - im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts präzisierendeObersatz, eine Pflicht zur Gebietsmeldung bestehe im Hinblick auf Anhang III (Phase I) der FFH-RL nur bei Arealen, denen schon auf nationaler Ebene ein hoher relativer Wert beizumessen sei, etwa weil sie über eine erhebliche Fläche, bedeutende Vernetzungsfunktion, viele Arten oder sonstige besonders seltene Komponenten verrugten. 78 Auch den Hinweis der Fachbehörde auf den naheliegenden Lückenschluss mit Rücksicht auf die Meldung des restlichen Flusslaufes der Ems lässt das Verwaltungsgericht Oldenburg nicht gelten: Dieser Lückenschluss komme ökologisch vor allem ftlr die Ems als Fischgewässer in Betracht, im Rahmen der Beweisaufnahme habe sich aber gezeigt, dass die Ems insofern eben in dem betreffenden Abschnitt in einem so schlechten Zustand sei, dass in absehbarer Zeit eine Wiederaufwertung der Ems nicht absehbar sei. 79 76 Vgl. Kommission (Fn. 74), S. 48 ff. 77
Fn. 74 S. 4 ff.
78 VG Oldenburg (Fn . I), S. 56 mit Verweis auf GelIermann NdsVBI 2000, 157
(163). 79
VG Oldenburg (Fn. I), S. 58 f.
28 Zicko",
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Klaus Füßer bb) Tiere mit großen Lebensräumen, Art. 4 Abs. 1 1. Unterabs. S. 2 und 3 FFH-RL
Dies ist zutreffend, wirft im Übrigen aber noch ein ergänzendes Rechtsproblem auf, das zugleich gewisse Schwierigkeiten bei der Koordinierung des sog. medienbezogenen und artenbezogenen Naturschutzes aufzeigt: Bekanntlich steht die FFH-RL im Kontext des artenbezogenen Naturschutzes, soll nämlich durch die Ausweisung von Schutzgebieten und in diesen geltenden auf den Schutz der betreffenden Arten und ihrer Habitate bezogenen Schutzzielfestsetzungen ein kohärentes ökologisches Netz NATURA 2000 schaffen (vgl. 5. bis 7. BegrUndungserwägung FFH-RL, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 FFH-RL). Hingegen ist es nicht Aufgabe der FFH-RL, zugleich umfassend medienbezogen die Lebensgrundlage filr erhaltenswerte Arten und ihre Habitate zu schützen. Dies soll in auf diese Schutzziele bezogenen Programmen der Gemeinschaft erfolgen. Problematisch wird dies dann, wenn einzelne Arten von bestimmten Umweltmedien im Hinblick auf ihre Habitate besonders abhängig sind, zugleich große Lebensraumansprüche haben wie z. B. Wanderfische. Dem Problem trägt - im konkreten Fall von den Fachbehörden völlig übersehen - Art. 4 Abs. 1 1. Unterabs. S. 2 und 3 FFH-RL Rechnung. Dort wird bestimmt, dass bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, nur solche Orte im natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Art als Meldegebiet benannt werden sollen, welche die filr das Leben und die Fortpflanzung der betreffenden Art ausschlaggebenden physischen und psychologischen Elemente aufweisen. Dieser Grundsatz wird filr aquatische Lebewesen, die große Lebensräume beanspruchen, dahingehend verschärft, dass ftlr diese Tierarten (wenngleich einige von ihnen in Anhang 11 FFH-RL aufgeftlhrt werden) nur dann Gebiete vorgeschlagen werden sollen, wenn sich ein Raum klar abgrenzen lässt, der die ftlr das Leben und die Fortpflanzung dieser Arten ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweist. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen stellt sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts Oldenburg gleichsam als doppelt richtig dar: Betrachtet man nämlich insofern typische Wanderfischarten, ergibt sich, dass diese einen großen Teil ihres Lebenszyklus im Meer verbringen, nur für die Zwecke der Fortpflanzung in ein bestimmtes Flussgebiet heimkehren und dort an - meist durch bestimmte morphologische Vorgaben qualifizierten - eng umgrenzenten kleinräumigen Gebieten ablaichen, dies häufig ohne Nahrungsaufnahme bis zum Laichort. Dann liegt es aber nahe, ftlr entsprechende aquatische Tierarten mit großflächigen Lebensraumansprüchen - z. B. Wanderfische - allenfalls die in ihrem Lebenszyklus kleinräumig verortbaren "hot spots" im Rahmen der FFH-RL als Meldegebiete zu bezeichnen bzw. sodann unter Schutz zu stellen. Dies gilt umso mehr, als ergänzend Art. 10 FFH-RL - wenngleich außerhalb
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der Errichtung des Schutzgebietes NATURA 2000 - vorsieht, dass die Mitgliedsstaaten sich bemühen sollen, die Pflege solcher Landschaftselemente zu fördern, die auf Grund ihrer linearen, fortlaufenden Struktur (z. B. Flüsse mit ihren Ufern) oder ihrer Vernetzungsfunktion ft1r die Wanderung, die geografische Verbreitung und den genetischen Austausch wildlebender Arten wesentlich sind. cc) Berücksichtigung von Entwicklungspotenzialen und Summationseffekten Was im Übrigen das Problem angeht, inwieweit mögliche Entwicklungspotenziale ft1r die Ansiedlung bestimmter Tierarten zum einen aus fachlicher Sicht die Meldung eines bestimmten Gebiets als FFH-Meldegebiet als sich aufdrängend erscheinen lässt bzw. zum anderen, in weIchem Umfang dann entsprechende Potenziale geschützt werden müssen, dürfte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - jedenfalls in der präzisierten Version des jetzt erreichten Standes - deutlich sein, dass "Potenzialstörungen" insofern allenfalls eine nachrangige Funktion zukommt: Soweit überhaupt eine entsprechende "Stillhalteverpflichtung" begründbar ist, können diese sich - konsequent auf der Grundlage des dogmatischen Ansatzes des Bundesverwaltungsgerichts - nur darauf beziehen, dass der Mitgliedsstaat nicht gleichsam sein ökologisches Tafelsilber am Vorabend zur Errichtung des ökologischen Netzes NATURA 2000 noch zu Gunsten der Verfolgung industriepolitischer Zwecke veräußert, auf seinem Territorium die Errichtung und das Funktionieren entsprechender Netzbestandteile unmöglich macht. 80 Dann kann es aber nur um den Schutz solcher Gebiete und ihrer fachlichen Schutzansprüche gehen, die zum jetzigen Zeitpunkt (noch und weiterhin) ökologisches Edelmetall sind. 81 Aus denselben Gründen liegt es im Übrigen nahe, dass vergangene Vorschädigungen eines Gebietskandidaten jedenfalls insofern unberücksichtigt bleiben müssen, als sie vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 23 Abs. 1 FFH-RL wirksam genehmigt worden sind.
80 Auf diesen Zusammenhang weist völlig zutreffend Nettesheim (Fn. 17), S. 129 ff. hin, nämlich insbesondere darauf, dass Stillhalteverpflichtungen sich allenfalls darauf beziehen könnten, dass der Mitgliedsstaat die Errichtung entsprechender Netzbestandteile auf seinem Staatsgebiet zumindest für erhebliche Teile Oberhaupt hintertreibt. 81 So denn auch VG Oldenburg (Fn. I), S. 59 f.
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2. Das verbleibende grundsätzliche Problem: Sekundärrechtliche und primärrechtliche Umsetzungs-, Duldungs- und Unterlassungspßichten Ist mit dem jetzigen Stand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den sog. potenziellen FFH-Gebieten eine Konsolidierung erreicht, die kritischer Befragung standhält? Es würde den Umfang des vorliegenden Beitrags sprengen, hier umfassend Stellung zu nehmen. Dies würde insbesondere eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage des Verhältnisses der in Art. 10 Abs. 2 EG enthaltenen Unterlassungs- und Stillhalteverpflichtungen mit den konkreten Umsetzungspflichten gemäß Art. 249 Abs. 3 EG erfordern. a2 Es spricht aber einiges dafUr, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiterhin grundSätzlich überdacht werden sollte. Das Konzept der FFHRL selbst war darauf angelegt, es gerade nicht zu umfangreichen Vorwirkungspflichten selbst in der gemäßigten Form nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommen zu lassen. Dies zeigt die nähere Betrachtung der Detailstruktur des Auswahlverfahrens fUr die Netzbestandteile, welches - ganz im Gegensatz zur VS-RL und vermutlich absichtsvoll im Lichte der beim Erlass der FFH-RL schon bekannten Rechtsprechung hierzu - nicht als rein fachliches Verfahren ausgestaltet worden ist, sondern als solches des "politischen Kompromisses", der den Mitgliedsstaaten im Extremfall Möglichkeiten belässt, die Errichtung des Netzes letztlich zu blockieren. a) Die "politisierte" Struktur des Auswahlverfahrens Die Mitgliedsstaaten sind gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 1 FFH-RL innerhalb der recht knappen Frist von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie nur gehalten, die erforderlichen Rechts- und Verwaltungs vorschriften zu erlassen, um der Richtlinie "nachzukommen". Angesichts der längeren Fristen insbesondere fUr die Errichtung des Europäischen ökologischen Netzes "NATURA 2000" gemäß Art. 3 ff. FFH-RL kann dies nur so verstanden werden, dass die Mitgliedsstaaten binnen zwei Jahren zunächst gleichsam die allgemeine rechtliche Infrastruktur zur VerfUgung stellen sollen, die es ermöglicht, sodann gestuft die jeweils weiteren Rechtspflichten "anzuschalten". Zugleich sollen im Rahmen der Errichtung dieses Netzes die rechtlichen Voraussetzungen fUr die Umsetzung des Art. 7 FFH-RL binnen zwei Jahren geschaffen werden, ebenso wie
82 Vgl. zum begrenzten - und umstrittenen - Gehalt von Art. 10 Abs. 2 EG im Hinblick auf Richtlinienrecht Kahl, in: Callies I Ruffert (Hrsg.), EU I EG-Vertrag, Kommentar, Neuwied 1999, Art. 10 Rn. 20 m.w.N.
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zur Umsetzung der ansonsten in der Richtlinie enthaltenen Schutzvorschriften. 83 Soweit allerdings das zu errichtende Europäische ökologische Netz "NATURA 2000" über den schon gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen - und bloß in das Netz "NATURA 2000" zu integrierenden - Schutz rur Vogelschutzgebiete hinausgeht, enthält die Richtlinie selbst ein zeitlich weiter abgestuftes und politisch aufgeladenes Procedere. Das durch Art. 4 FFH-RL angelegte System ist nämlich erkennbar darauf angelegt, dass im Rahmen des Meldeverfahrens gemäß Art. 4 Abs. I FFH-RL von den Mitgliedsstaaten nach den Kriterien des Anhangs III (Phase I) der Richtlinie Gebiete in einem Umfang zu melden sind, der alles einschließt, was fachlich anhand der in Anhang III (Phase 1) genannten Kriterien als möglicher Bestandteil des letztlich zu errichtenden Europäischen ökologischen Netzes "NATURA 2000" auch nur bloß naheliegend in Betracht kommt. 84 Dem hingegen ist das eigentliche Auswahlverfahren gemäß Art. 4 Abs. 2 mit Anhang III (Phase 2) der FFH-RL darauf angelegt, aus diesem "Angebot" von Meldegebieten - im Übrigen durchaus unter Berücksichtigung auch wirtschaftlicher Erwägungen85 - besonders wertvolle bzw. geeignete Bestandteile auszuwählen. Dieser Prozess weist, was vom Bundesverwaltungsgericht nicht genügend gewürdigt worden ist, im Übrigen - offenbar absichtsvoIl - wesentliche Elemente eines politischen Aushandeins zwischen der Kommission einerseits und den Mitgliedsstaaten andererseits auf, das die venneintlich strikten fachlichen Vorgaben in Art. 1 bis 3 FFH-RL relativiert: So sieht die Richtlinie allein fUr Gebiete mit prioritären natürlichen Lebensraumtypen oder prioritären Arten ein einseitig von der Kommission in Gang zu setzendes Konzertierungsverfahren mit einem - aIlerdings gegenüber dem endgültigen Schutzstatus abgeschwächten - vorläufigen Schutz fUr den Zwischenzeitraum vor,86 das seinerseits aIlerdings bei scheiternden Einigungsbemühungen am Ende von einer nicht ohne den betreffenden Mitgliedsstaat möglichen konsensualen Entscheidung im Rat 87 abhängt. Im Übrigen ist die Errichtung des Europäischen ökologischen Netzes NATURA 2000 einem Prozess überantwortet, der von vornherein über das gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL bei der Gebietsauswahl im engeren Sinne erforderliche Einvernehmen zwischen Kommission und Mitgliedsstaat selbst wesentlich durch einen Verhandlungsprozess gesteuert ist. Der eigentliche AusVgl. Art. 12 ff. FFH-RL. Vgl. in diese Richtung auch deutlich EuGH, Urt. vom 7.11.2000 - C-371 /98(Fn. I), Rz. 22 ff.; prononciert entsprechend auch Schlussanträge GA Leger vom 3.5.2001 in verb. Rs. C-67 / 99 u.a. (Fn. I), Rz. 111 ff. 85 Vgl. Art. 2 III, 4 II 2. Unterabs. FFH-RL. 86 Art. 5 I, IV FFH-RL. 87 Art. 5 III FFH-RL. 83
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wahlprozess ftlr die Aufnahme der gemeldeten Gebiete in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung soll folglich erkennbar zumindest auch von politischen Erwägungen determiniert 88 werden. 89 Man mag insofern weiterhin darüber streiten, ob auch die Entscheidung der Mitgliedsstaaten über die Erteilung des Einvernehmens selbst rechtlich jedenfalls insofern gesteuert ist, als sie legitimerweise zumindest nicht die Aufnahme solcher Meldegebiete in die Vorschlagsliste verweigern können, die über Art. 3 Abs. 1 2. Unterabs. bzw. Art. 4 Abs. 2 mit Anhang III (Phase 2) Ziff. 1 FFH-RL als Vogelschutzgebiet i.S.d. Art. 4 Abs. 1 VS-RL oder wegen des Vorkommens prioritärer natürlicher Lebensraumtypen bzw. -arten notwendig in das zu errichtende Europäische ökologische Netz "NATURA 2000" aufzunehmen sind. 90 Jedenfalls im Hinblick auf solche Gebiete, die nicht unter spezielle zwingende Aufnahmekriterien fallen und gleichsam bloß sog. "einfache FFH-Gebiete" sind, verbleibt selbst bei der Annahme solcher Bindungen ein nicht ausräumbarer politischer Spielraum, der erkennbar im Rahmen der Verabschiedung der Richtlinie durch die in Art. 4 Abs. 2 FFH-RL getroffene Regelung bewusst eröffnet worden ist. 91
b) Ableitung von Sti//halteverpjlichtungen nach der Richtlinie Wenn aber in der Tat selbst nach einer weitreichenden Meldung anhand der Kriterien nach Anhang III (Phase 1) ftlr solche einfache FFH-Gebiete bei der Gebietsauswahl gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL ein Bereich des durch politische Aushandlungsprozesse zu steuernden Ermessens verbleibt, können sich mögliche Stillhalteverpflichtungen hierauf nicht erstrecken. Entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen und in der Literatur und Rechtsprechung positiv aufgenommenen Auffassung lässt sich mithin eine StilIhalteverpflichtung weder fi1r solche einfache gemeldeten oder potenziellen FFHGebiete noch fi1r Gebiete mit Vorkommnissen prioritärer Arten oder Lebensräurne ableiten. Denn was der Mitgliedsstaat durch einfache Ausübung seines politischen Wollens an gemeinschaftsrechtlichen Schutzwirkungen dauerhaft verhindern kann, kann nicht durch kreative Auslegung der bloß subsidiären allgemeinen Treuepflicht aus Art. 10 EG (bzw. frUher Art. 5 EGV) gleichsam 88 V gl. im Übrigen die .gemäß Anhang 11 (Phase 2) FFH-RL dort zulässigen wirtschaftlichen und sozialen Uberlegungen (vgl. Art. 2 III FFH-RL). 89 Ähnlich wie hier - wenngleich bloß apodiktisch - Goppel (Fn. 55), S. 16,24; ausfiihrlich Spannowsky, in: Jarass (Hrsg.), EG-Naturschutzrecht (Fn. 55), S. 26 (46 ff.), zusammenfassend S. 57; Erbguth, in: Jarass (Hrsg.), EG-Naturschutzrecht (Fn. 55), S. 58 (81 f.). 90 V gl. hierzu und den sich insofern möglicherweise fiir die Kommission ergebenden prozessualen Möglichkeiten Fisahn / Cremer NuR 1997, 268 (275); ähnlich Spannowsky (Fn. 89), S. 46. 91 Vgl. Goppel, Erbguth, Spannowsky Geweils Fn. 89).
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"über die Hintertür" wieder eingeftlhrt werden. Auch der so gerne und viel beschworene Grundsatz über den "effet utile" kann nicht helfen: Bei dieser Argumentationsfigur handelt es sich nicht um ein Zauberrnittel, mit dem von jeweils interessierter Seite Rechtswirkungen abgeleitet werden können, die deutlich über den dem betreffenden Rechtsakt zu Grunde liegenden politischen Willen hinausgehen, insbesondere in ihn hineingeschriebene Vorbehalte der Mitgliedsstaaten in ihr Gegenteil verkehren. Die Argumentationsfigur des effet utile wUrde bei einer solchen Auslegung von einer - legitimen - juristischen Überlegung zu einer politischen Kampfformel, um in Händen integrationsbegeisterter Juristen zu dem Zweck benutzt zu werden, selbst in solchen Fällen Ergebnisse zu erreichen, die von den im Rat vertretenen und einen Akt des sekundären Gemeinschaftsrechts stützenden Mitgliedsstaaten eindeutig nicht gewollt waren. Einem solchen Missbrauch juristischer Argumente ist ein Riegel vorzuschieben. 92
c) Stillhaltepflichten nach Primärrecht Wurde in der Richtlinie - was durchaus nahe gelegen hätte - schon eine allgemeine Stillhaltepflicht rur die Errichtungsphase des Netzes nicht statuiert, kann eine solche aus Art. 10 Abs. 2 EG (= Art. 5 Abs. 2 EGV) allenfalls mit dem Inhalt entnommen werden, dass der vorhandene Zustand der Natur bis zum Einsetzen der durch die Errichtung des ökologischen Netzes begründeten Pflichten jedenfalls nicht global deutlich verschlechtert werden so1l93. Erkennbar ist hierbei als Stichtag rur die Betrachtung der Richtlinie diese frühestens auf den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens angelegt. M. a. W.: Die nach dem jeweiligen nationalen Verwaltungsrecht vor der Bekanntgabe der Richtlinie wirksam genehmigten Projekte und Pläne scheiden gleichsam apriori ftlr die Einbeziehung aus dem Betrachtungshorizont aus, stellen sie doch den nach dem jeweiligen nationalen Verwaltungsrecht gegebenen - und vom Richtliniengeber hingenommenen - "Stand der Dinge" an Belastungen filr die Natur dar. Auch kann es insofern nicht etwa darauf ankommen, ob mögliche naturschutzfachliche Entwicklungspotenziale gestört werden könnten. Diese Betrachtung ist einer erst nach vollständiger Gebietsauswahl gebotenen VerträglichkeitsprUfung anhand der Erhaltungs- und Entwicklungsziele i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL vorbehalten, ist vorher mangels explizit und rechtlich verbindlich festgelegter Erhaltungs- und ökologischer Bewirtschaftungsziele überhaupt nicht oder nur mit größerem Aufwand möglich.
92 So auch der mahnende Hinweis des Bundesverfassungsgerichts im sog. Maastricht-Urteil in BVerfGE 89, 155 ff. 93 Ähnlich Erbguth (Fn. 89).
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V. Schlussbetrachtung: Vergemeinschaftung des Naturschutzrechts und die Kooperation zwischen EuGH und nationaler Fachgerichtsbarkeit Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hatten in den Auseinandersetzungen um das Emssperrwerk die Naturschutzverbände kontinuierlich gefordert, der Fall möge möglichst bald dem EuGH zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt werden, da insbesondere die Reichweite der sich aus Art. 4 Abs. 4 S. I VS-RL sowie der aus Art. 10 Abs. 2 EG sowie der FFH-RL abzuleitenden Schutzpflichten ftlr die hier betroffenen Gebiete und das sich hieraus ergebende fachliche PrUfprogramm problematisch sei. Das Verwaltungs gericht Oldenburg hat dies sowohl im Eilverfahren als auch im Hauptsacheverfahren abgelehnt. In der Begründung seines Urteils in der Hauptsache war das Gericht insofern in der komfortablen Lage, den Streit zu den jeweiligen Rechtsfragen regelmäßig durch Unterstellung einer weitestgehend zu Gunsten den Naturschutzverbänden entgegenkommenden Rechtsauffassung direkt oder im Wege entsprechender Hilfsbegründungen offen lassen zu können. 94 Denn das Verwaltungsgericht Oldenburg hat nach der - insgesamt 6-tägigen - Beweisaufnahme festgestellt, dass wesentliche Beeinträchtigungen der maßgeblichen Bestandteile bzw. Arten im betroffenen Gebiet durch das Vorhaben im Rahmen der festgelegten Nebenbestimmungen nicht erheblich betroffen seien. Allerdings macht der vorliegende Fall deutlich, dass es - um das Mindeste zu sagen - durchaus erfreulich gewesen wäre, wenn zumindest das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Rechtsprechungstätigkeit den einen oder anderen Fall genutzt hätte, um die Rechtsfigur des potenziellen FFH-Gebiets im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens einer Beurteilung durch den EuGH zuzufUhren. Es ist durchaus erstaunlich, wie das Bundesverwaltungsgericht sich berufen ftlhlt, in Fragen des europäischen Umwelt- und Naturschutzrechts auf europarechtlicher Grundlage zu judizieren, obgleich nach der Konzeption des Gemeinschaftsrechts nicht es zuvörderst daftlr zuständig ist, die kniffeligen europarechtliche Fragen - ftlr die gesamte Gemeinschaft verbindlich - zu lösen, sondern der EuGH. Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst im Rahmen einer anderen Sachmaterie das Bundesverwaltungsgericht in scharfer Form auf die Vorlagepflicht gemäß Art. 234 Abs. 3 EG hingewiesen. Besonders beachtlich ist insofern der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts, dass angesichts der zurückgenommenen eigenen Prüfung von Grundrechtsverletzungen durch das Gemeinschaftsrecht es von größter Wichtigkeit sei, dass der EuGH Gelegenheit habe, bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts die Einstrahlungen der Ge94 VG Oldenburg, B.U.N.D.-Hauptsacheentscheidung (Fn. 1), S. 36 f., 39 f., 64 f., 66,81, 101.
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meinschaftsgrundrechte zu würdigen und hierzu auch durch entsprechende Vorlagen der nationalen Fachgerichte Gelegenheit bekornme. 9s Schaut man sich insofern die Auswirkungen gerade der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den sog. potenziellen FFH-Gebieten an, flUIt auf, dass sich häufig in letzter Zeit Grundstückseigentümer zwar einerseits den auf Grund der unklaren Tatbestandlichkeit der Rechtsfigur des potenziellen FFH-Gebiets völlig unabsehbaren Beschränkungen ihrer aus Art. 14 Abs. 1 GG fließenden Eigentumsbefugnisse gegenübersehen. Andererseits scheint es geradezu unmöglich, solche Rechtswirkungen außerhalb - kostenträchtiger - konkreter Genehmigungsverfahren einer rechtlichen Prüfung zuzufilhren. Nach meiner Auffassung wäre das Bundesverwaltungsgericht hier aufgerufen, bei nächster sich bietender Gelegenheit dem EuGH seine Rechtsprechung zu potenziellen FFH-Gebieten in der vorliegenden - konsolidierten - Variante zur Vorabentscheidung vorzulegen, damit der EuGH ftlr das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaft die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kritisch prüfen und bestätigen oder anderenfalls korrigieren kann. % Ganz grundsätzlich zeigt der Streit um das Emssperrwerk und die Berücksichtigung der laufend neuen "Einstrahlungen" durch die höchstrichterliche fachgerichtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie neuere Judikate des Europäischen Gerichtshofs ziemlich deutlich, welche Probleme auftauchen, wenn - wie hier - ein bislang den Mitgliedsstaaten vorbehaltener Bereich, hier das Naturschutzrecht, dem Prozess der Vergemeinschaftung zugefUhrt wird. Gerade angesichts der Standortkonkurrenz zwischen den Mitgliedsstaaten und ihren Untergliederungen wird es entscheidend darauf ankommen, dass durch rechtzeitige Einschaltung des EuGH der Prozess der Umsetzung der FFH-RL und in diesem Zusammenhang der Errichtung und Pflege des gemeinschaftlichen ökologischen Netzes NA TURA 2000 wettbewerbsneutral verläuft. Hierzu sollten die nationalen Fachgerichte schon dadurch einen Beitrag leisten, dass sie möglichst rasch fUr maßstabsbildende höchstrichterliche Judikate - was in diesem Kontext all eine heißen kann: Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs - sorgen. Es macht keinen Sinn, wenn im Rahmen einer bestimmten Rechtskultur spitzfindige rechtliche Konstruktionen erfunden werden, zugleich aber ungewiss bleibt, ob sich diese auch als konsolidierte Struktur europaweit durchsetzen können. Im Zweifel sollten die Fachgerichte hier frühzeitig vorlegen. Engherzig verstandene Auslegungen des Begriffs der Entscheidungserheblichkeit stehen dem nicht im Wege, der EuGH legt den Begriff der Erforderlichkeit der Vorabentscheidung fUr die Entscheidung der nationalen Rechtssache i.S.d. Art. 234 Abs. 2 EG bei Fragen der Auslegung des primären (Art. 234 BVerfG, Beschl. vom 9.1.2001 - 1 BvR 1036/99-. Vgl. dazu sowie den Implikationen des erwähnten Beschlusses des BVerfG (Fn. 95) Ver! DVBl. 2001,1574. 95
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Klaus Füßer
Abs. I lit. a EG) oder sekundären (Art. 234 Abs. I lit. bEG) Gemeinschaftsrechts sehr großzügig aus. Insbesondere ein Abschluss einer vor dem nationalen Gericht anstehenden Beweisaufnahme ist - ganz im Gegensatz zu der Entscheidungserheblichkeit LS.d. Art. 100 Abs. I GG - gerade nicht erforderlich. 97 Bedeutend ist der Umstand, dass damit zukünftig erhebliche Belastungen bzw. in der neueren Diktion zu Art. 14 Abs. I GG Ausgestaltungen des Grundeigentums in einem bei der EG angesiedelten Verfahren stattfinden werden, der Sache nach nämlich bei den Verhandlungen im Habitat-Ausschuss bzw. der Herstellung des Einvernehmens gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL mit den Mitgliedsstaaten über die Auswahl der in das kohärente ökologische Netz NA TURA 2000 einzustellenden Gebiete sowie der hierfUr festzulegenden Schutzziele. Soweit es nachfolgend zu Umsetzungsakten nach jeweiligem Landesnaturschutzrecht durch Ausweisung entsprechender Schutzgebiete kommen wird, werden sich die Betroffenen entgegenhalten lassen müssen, die UnterschutzsteIlung nach nationalem Recht sei durch die entsprechende Entscheidung über die Ausweisung als besonderes Schutzgebiet (Art. 4 Abs. 3 FFH-RL) und die darin enthaltenen Vorgaben rur die Schutzziele determiniert. Berücksichtig man nun, dass ab der Aufuahme in die Gemeinschaftsliste kraft Gemeinschaftsrechts auch unabhängig von der Umsetzung in das nationale Recht über Art. 4 Abs. 5 FFH-RL die Maßgeblichkeit der FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß Art. 6 Abs.2 bis 4 FFH-RL vorgeschrieben ist, tauchen auch insofern interessante Rechtsschutzfragen auf. Ob - wie von manchen angenommen98 - gegen die Entscheidung zu Gunsten der Ausweisung eines besonderen Schutzgebiets (Art. 4 Abs. 3 FFH-RL) gemäß Art. 230 Abs. 4 EG die Nichtigkeitsklage statthaft und auch fUr die einzelnen im Einzugsbereich des Schutzgebiets liegenden Eigentümer zulässig ist, wird sich zeigen müssen. 99 Insofern ist es durchaus angezeigt, in näherer Zukunft vertieft darüber nachzudenken, inwiefern ggf. aus Art. 14 Abs. I GG fUr die betroffenen Grundeigentümer bzw. Art. 28 GG (bzw. entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Normen) zu Gunsten der betroffenen Gebietskörperschaften klagbare Rechte auf die Verweigerung des Einvernehmens der Bundesrepublik Deutschland im eigentlichen Auswahlverfahren gemäß Art. 4 Abs. 2 FFH-RL bestehen könnten. In diesem Zusammenhang wird dann auch die Frage zu klären sein, in welchem Umfang im Hinblick auf das gemeinschaftsrechtliche Eigentumsgrundrecht auch dieses Auswahlverfahren Restriktionen hinsichtlich der räumlichen Weite der Festsetzung bei Schutzgebieten unterliegt, ebenso aber auch ggf. im Hierzu demnächst Ver! / Höher in Europarecht. Vgl. Ewer (Fn. 56), S. 363. 99 Zur wechselvollen Rechtsprechung des EuGH zu dem gemäß Art. 230 Abs. 4 EG erforderlichen Merkmal der "individuellen Betroffenheit" vgl. Cremer, in: Callies / Ruf[ert (Fn. 81) Art. 230 Rn. 48 ff. m.w.N. 97 98
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Hinblick auf die Festsetzung von Schutzzielen - bspw. Entwicklungszielen -, die sich nicht konkret anhand schon vorhandener wertvoller Biotope im vorfindlichen Zustand rechtfertigen lassen. 100
100 Vgl. insofern zu Beschränkungen extensiver Schutzgebietsausweisungen auf Grundlage des jeweiligen Landesrechts im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG, BVerwG NVwZ-RR 1998,225 (226 f1); BVerwG, Besch!. vom 10.9.1999 - 6 BN 1/99 - (zitiert nach juris), "Elbtalaue"; OVG Bautzen SächsVBI 1997, 58 f.; OVG Lüneburg NdsVBI 1999, 139 ff. (Verordnung über den Nationalpark "Elbtalaue" wird für nichtig erklärt).
Verzeichnis der Referenten Ingrid Barner, Projektjuristin, DB Projekt Verkehrsbau GmbH, Berlin Dr. Dr. Jörg Berkemann, Prof., Richter am Bundesverwaltungsgericht, Berlin Dr. DetlefCzybulka, Univ.-Prof., Universität Rostock Klaus Füßer, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, LeipzigIBeriin Dr. Jürgen Held, Richter am Oberverwaltungsgericht, Koblenz Dr. Dietmar Hönig, Universität Freiburg LBr. Dr. Ingo Kraft, Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, München Dr. Gerrit Manssen, Univ.-Prof., Universität Regensburg Dr. Peter Schütz, Rechtsanwalt, Stuttgart Dr. Thorsten Siegel, Wissenschaftlicher Referent am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Deutschen Hochschule rur Verwaltungswissenschaften Speyer Dr. Ulrich Stöcker, Bundesministerium rur Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bonn Dr. Ulrich Storost, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin Dr. Peter Wysk, Richter am Oberverwaltungsgericht, Münster