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German Pages 508 Year 1995
Schraut · Flüchtlingsaufnahme in Württemberg-Baden
Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland Herausgegeben von Dieter Langewiesche und Klaus Schönhoven
Band 2
R. Oldenbourg Verlag München 1995
Sylvia Schraut
Flüchtlingsaufnahme in Württemberg-Baden 1945-1949 Amerikanische Besatzungsziele und demokratischer Wiederaufbau im Konflikt
R. Oldenbourg Verlag München 1995
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Fakultät für Geschichte und Geographie der Universität Mannheim gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsauftaahme Schraut, Sylvia : Flüchtlingsaufnahme in Württemberg-Baden 1945 -1949 : amerikanische Besatzungsziele und demokratischer Wiederaufbau im Konflikt / Sylvia Schraut. - München : Oldenbourg, 1995 (Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland ; Bd. 1) Zugl.: Mannheim, Univ., Habil.-Schr., 1994 ISBN 3-486-56096-4 NE: GT
© 1995 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Gesamtherstellung: WB-Druck, Rieden ISBN 3-486-56096-4
Inhalt Seite Vorwort
11
1.
Einfuhrung
13
2.
Die Ausgangslage
25
3.
Die amerikanische Militärregierung und die Flüchtlinge
33
3.1.
Planungen vor Potsdam
33
3.2.
Flüchtlingsplanung im Gefolge der Potsdamer Konferenz
40
3.3.
Flüchtlingstransporte und deutsche Flüchtlingsaufnähme unter amerikanischer Überwachung 1946/47
51
3.4.
Diskussionen um die Flüchtlingsassimilation 1947/ 1949
62
4.
Flüchtlingsaufnahme und Eingliederung in der Gesetzgebung der Nachkriegsjahre
75
4.1.
Gesetzgebung in der Besatzungszeit
76
4.2.
Die Besatzer handeln: das Wohnungsgesetz
86
4.3.
Das alliierte Wohnungsgesetz in deutscher Interpretation
90
4.4.
Die Deutschen am Zuge: das Flüchtlingsgesetz
100
4.5.
Zwischen Deutschen und Amerikanern zerrieben: die Bodenreform
114
6 Seite 5.
Die Flüchtlingssonderverwaltung in WürttembergBaden
149
5.1.
Der organisatorische Aufbau der Sonderverwaltung 1945/46
150
5.2.
Die Flüchtlingssonderverwaltung in Aktion
172
5.3.
Ein Jahr Neubürgerbetreuung
199
5.4.
Das Flüchtlingskommissariat und die Medien
204
5.5.
Das Ende der Sonderverwaltung
213
6.
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
225
6.1.
Flüchtlingswohnraum im Spannungsverhältnis zwisehen amerikanischen Vorstellungen und deutschen Reaktionen
225
6.1.1.
Erste Wirren und der Aufbau der Wohnungsverwaltung
226
6.1.2.
Amerikanische Beiträge zur Lösung des deutschen Wohnraumproblems I: das Flüchtlingswohnungsbauprogramm
241
6.1.3.
Amerikanische Beiträge zur Lösung des deutschen Wohnraumproblems Π: die Räumung der Zwischenlager
249
6.1.4.
Amerikanische Beiträge zur Lösung des deutschen Wohnraumproblems III: Assimilationsdiktat versus Wohnqualität
254
6.1.5.
Deutsche Beiträge zur Lösung des Wohnraumproblems I: Sonder- und Regelverwaltung im Kampf um die Kompetenzen
261
7 Seite 6.1.6.
Deutsche Beiträge
zur Lösung
des Wohnraum-
267
problems Π: zwischen allen Fronten - die Suche nach Flüchtlingswohnraum in den Gemeinden 6.1.6.1.
Konfliktfall 1 : eine Landgemeinde wehrt sich
268
6.1.6.2.
Konfliktfall II. Auseinandersetzungen um die Wohn-
277
frage im städtischen Raum 6.1.6.3.
Konfliktfall III: ein Landkreis verweigert sich
286
Deutsche Beiträge
des Wohnraum-
296
6.2.
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem. Die Flüchtlinge und der soziale Wandel der Wohnverhältnisse in Württemberg-Baden
301
7.
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
331
7.1.
Zwischen Assimilationsdiktat und EingliederungsUnterstützung: amerikanische Lösungswege zur Bewältigung der Flüchtlingsnot
332
7.1.1.
Die wirtschaftliche Flüchtlingswesen
das
336
7.1.2.
Berufliche Eingliederung der Flüchtlinge - die Grenzen des Arbeitsmarktes und die Gewerbefreiheit unter amerikanischer Beobachtung
339
7.2.
Zwischen wirtschaftlicher Eingliederung und UnterSchichtung: deutsche Lösungswege zur Bewältigung der Flüchtlingsnot
361
7.2.1.
Die Neubürgermesse
368
6.1.7.
zur Lösung
problems ΙΠ: Hilfe zur Selbsthilfe
Arbeitsgemeinschaft
für
8 Seite 7.2.2.
Die Versorgnung der Flüchtlinge mit Gartenland
372
7.3.
"Gerechte" Verteilung der Flüchtlinge auf die Landkreise versus Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt: der Beginn der -wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge unter soziogeographischen Gesichtspunkten
376
7.4.
Neu- und Altbürger in der politischen AuseinanderSetzung um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
390
8.
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
399
8.1.
Zwischen Assimilation und gleichberechtigter Teilnähme: amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht
399
8.2.
Flüchtlingsbeiräte ohne Kompetenzen: deutsche Konzepte zur Teilhabe der Flüchtlinge an der politischen Macht
412
8.2.1.
Der Landesausschuß für Flüchtlinge
412
8.2.2.
Die Flüchtlingsvertrauensmänner in den Gemeinden Württemberg-Badens
418
8.3.
Das Ringen um die selbständige politische Organisation der Flüchtlinge
426
8.3.1.
Die IDAD - Interessengemeinschaft der ausgesiedelten Deutschen in Nordbaden
429
8.3.2.
Der Hilfsverband der Neubürger in Nordwürttemberg
436
8.3.3.
Zwischen wirtschaftspolitischem Interessenverband und landsmannschaftlicher Flüchtlingsvereinigung: die Ausgestaltung des Zentralverbands
442
9 Seite 8.4.
Neubürger in die Gemeinderäte?
447
8.5.
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei 1949 und die Ergebnisse der ersten Bundestagswahl
455
9.
Bestandsaufnahme Ende 1949 und Ausblick
473
10.
Verzeichnis der Tabellen
479
11.
Verzeichnis der Abbildungen
481
12.
Verzeichnis der Abkürzungen
483
13.
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
485
13.1.
Archivalische Quellen
485
13.2.
Gedruckte Quellen und Literatur
486
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Januar 1994 an der Universität Mannheim als Habilitationsschrift angenommen worden. Für den Druck wurde sie nur geringfügig überarbeitet. Die Studie liefert Teilergebnisse des Forschungsprojekts Die Integration der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in Baden und Württemberg nach 1945, das unter der Leitung von Professor Wolfgang von Hippel am Seminar für Neuere Geschichte der Universität Mannheim angesiedelt ist. Dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Baden-Württemberg und der Stiftung Volkswagenwerk ist für die finanzielle Förderung des Gesamtprojekts, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Bezuschussung der Drucklegung der Studie zu danken. Eine ganze Reihe von Institutionen, Kollegen und Freunden hat darüber hinaus den Entstehungsprozeß der Arbeit hilfreich begleitet. Besonderen Dank schulde ich vor allem dem Leiter des Projekts, Professor Wolfgang v. Hippel, für stete freundliche Unterstützung, und Diskussionsbereitschaft und Dr. Thomas Grosser, der, im Rahmen des Projekts mit ähnlicher Thematik befaßt, kompetent und kollegial die Rolle des "Trainingspartners in Sachen Flüchtlinge" übernahm. Zu danken ist ferner den Mitarbeitern des Bundesarchivs Koblenz, des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und des Generallandesarchivs Karlsruhe für ihre geduldige Hilfe bei der Bearbeitung zahlreicher "Aktenmeter". Stephan Riediger übernahm die mühevolle Arbeit, die EDV-Datei zur Gemeindestatistik Baden-Württembergs zu pflegen und die EDVgestützte Grundkarte für Württemberg-Baden zu erstellen. Gabi Gumbel leistete die schweißtreibende Arbeit der Layout-Gestaltung. Tilde Bayer, Rita Müller, Silke und Stephan Riediger lasen Korrektur. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Zu danken habe ich ferner den Herausgebern der Reihe Nationalsozialismus und Nachkriegszeit in Südwestdeutschland, Professor Klaus Schönhoven und Professor Dieter Langewiesche, sowie dem Oldenbourgverlag, die mit ihrer freundlichen Bereitschaft, die Arbeit in die Reihe aufzunehmen, die schnelle Drucklegung ermöglichten. Sylvia Schraut
1.
Einfuhrung Deutschland
als Wanderungsziel
derer, die draußen drinnen
Alpträume
derer,
ner Mitte des Kontinents,
daß die Fremden
könnten am vermeintlichen
die, wie man sagt, in Deutschland
der Flüchtlinge,2
u m die dritte große
und Ängste:
Träume
kämen, wenn sie könnten,
die fürchten,
kommen und Teilhabe fordern
Im Jahrhundert
weckt Hoffnungen
sind und vielleicht
wecken tatsächlich
Glück in jeliegt.1
mitten in den politischen Auseinandersetzungen
Flüchtlingswelle3
des 20. Jahrhunderts, erlebt auch die For-
schung zur Aufnahme und Eingliederung 4 der deutschen Flüchtlinge 5 nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuen Aufschwung. 6 Denn mit Ausnahme der Tatsache, daß es Deutsche oder Deutschstämmige waren, die infolge des damaligen europäischen Kriegs- und Nachkriegsgeschehens den weiter westlich wohnenden "Einheimischen" buchstäblich vor die Haustüren gespült wurden, ist aus der Perspektive der Aufnahmegesellschaft vieles der heutigen Situation recht ähnlich. Die Flüchtlinge kamen ungerufen und waren unwillkommen. Der Flüchtling
1 2
von 1945 wird
hinein-
Aus dem Vorwort von Klaus J. Bade zu BADE (1992) S. 9. So der Titel des Beitrags von Franz Nuscheier über die historische Einordnung von Flucht und Vertreibung in der Bestandsaufnahme zur Forschung über Flüchtlinge und Vertriebene in der westdeutschen Nachkriegsgeschichte, die Rainer Schulze, Doris von der Brelie-Lewien und Helga Grebing 1987 vorlegten. Vgl. NUSCHELER (1987) S. 6.
3
MESSERSCHMIDT ( 1 9 9 2 ) S. 34.
4
Unter Eingliederung oder Integration wird hier der Prozefi wechselseitiger Annäherung zwischen Alt- und Neubevölkeiung und deren Zusammenwachsen zu einer neuen Bevölkerung verstanden. Davon zu unterscheiden ist der von der amerikanischen Militärregierung in der Regel benutzte Terminus der Assimilation, mit dem die Angleichung oder Anpassung der Neubürger an die Altbevölkerung bezeichnet wird, vgl. LODERWALDT & ESSER (1984) S. 177 ff. Vgl. auch ACKERMANN (1990). Im folgenden werden die Begriffe Flüchtling, Neubürger, Ausgewiesener, Vertriebener etc. ohne jede politische oder wissenschaftliche Implikation synonym gebraucht. Sie beziehen sich auf den Personenkreis, den das Flüchtlingsgesetz der amerikanischen Zone von 1947 betraf. Gemäß dem Gesetz Nr. 303 vom 14.2.1947 galten als Flüchtlinge: alle Personen deutscher Staats- und Volkszugehörigkeit, welche am LI. 1945 ihren dauernden Wohnsitz außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches nach deren Stand vom 1.3.1938 hatten und von dort geflüchtet oder ausgewiesen oder aus der Kriegsgefangenschaft entlassen sind, in ihre Heimat nicht zurückkehren können und ihren ständigen Aufenthalt in Württemberg-Baden genommen haben sowie alle Personen deutscher Staatsangehörigkeit, die am 1.1.1945 in den deutschen Ostprovinzen östlich der Oder und Görlitzer Neiße (Gebietsstand 1.9.1939) beheimatet waren, Regierungsblatt (im folgenden Reg.Bl.) der Regierung Württemberg-Baden vom 26.2.1947. Sowjetzonenflüchtlinge finden definitorisch und inhaltlich nur insoweit Berücksichtigung, als sie von den Flüchtlingsverwaltungen der amerikanischen Zone mitbetreut wurden und zwischen 1946 und 1949 in Württemberg-Baden auch rechtlich der Gruppe der Flüchtlinge insgesamt zugeordnet wurden; vgl. Erlaß des württemberg-badischen Innenministeriums vom 15.7.1948, Generallandesarchiv Karlsruhe (im folgenden GLAK) 466 Zug.1981/47-1837. Dies entspricht dem zeitgenössisch üblichen Sprachgebrauch und den definitorischen Wirrnissen in den Sprachregelung der deutschen Verwaltungsinstanzen, die erst gegen Ende der Besatzungszeit zu konsensfähiger Begrifflichkeit fand.
5
6
Vgl. zum Forschungsstand die neueren Forschungsberichte: BAUER (1987), BRELIE-LEWIEN ( 1 9 8 7 ) , SYWOTTEK ( 1 9 8 9 ) , HAERENDEL ( 1 9 9 0 ) u n d MESSERSCHMIDT ( 1 9 9 2 ) .
14
Die Flüchtlingsaufnahme in Württemberg-Baden
gestoßen in eine Welt, die ihn nicht rief, [...] die seiner Fähigkeiten, seines Fleißes und seiner kolonialen Zähigkeit nicht bedarf. Sie öffnet sich ihm nur auf höheren Befehl und sehr widerwillig. Alle Plätze sind besetzt. Man muß ihm von oben her "Platz schaffen", d. h. daß eigentlich kein Platz für ihn da ist - eine Welt, die vollständig ohne ihn ist, so Elisabeth Pfeil 1948.7 An dem Flüchtlingen entzündeten sich in der Mangelsituation der deutschen Nachkriegszeit beständige Auseinandersetzungen um das Ausmaß von deren Teilhabe an den verbliebenen Ressourcen. Die von den Besatzungsmächten den Deutschen aufgezwungene rechtliche Gleichstellung der deutschstämmigen Zuwanderer mit den deutschen Staatsbürgern und die damit zusammenhängende dauerhafte Öffnung der Bundesrepublik für den kontinuierlich fließenden Wanderungsstrom der Aussiedler aus dem Osten lassen das neue an das alte Flüchtlingsproblem heranrücken.
Forschungsstand Die Eingliederung der Flüchtlinge in der Nachkriegszeit wurde und wird in den meisten einschlägigen Publikationen als erfolgreich abgeschlossen bewertet. Schon vor Ende der Besatzungszeit begann man dem geglückten Ablauf der Aufnahme der Ausgewiesenen den Charakter eines Wunders zuzusprechen,8 eine Überhöhung, die mittlerweile zunehmend in Zweifel gezogen wird. Zwischen "Wunder" und Strukturzwang verortet Bauer die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland.9 Er verweist damit auf die einsetzende Diskussion darüber, welchen Anteil am Gelingen den Bemühungen der Aufnahmegesellschaft um die Eingliederung der Flüchtlinge überhaupt zuzuschreiben ist. Brelie-Lewien schließlich zieht die Erfolgsgeschichte aus der Sicht der Bundesrepublik generell in Zweifel. Die gemeinhin die Forschung durchziehende rückwärtsgewandte, das 'erfolgreiche' Ende der Zuwanderung vorausnehmende Perspektive setze die soziale Befriedung der Flüchtlinge mit Eingliederung gleich und glätte häufig die extreme(n) beiderseitige(n) - Anpassungsschwierigkeiten, wie sie in den ersten Jahren die Regel waren.10 Der Weg zwischen Ankunft und Eingliederung, resümiert Messerschmidt auch noch 1992, ist jedoch in seiner gesamtgesellschaftlichen Perspektive und regionalen Ausprägung noch weitgehend unerforscht, obwohl dieser Prozeß bereits die Aufmerksamkeit der zeitgenössischen Forschung auf sich zog.11 Die Aufnahme und Eingliederung des Stroms der Zwangswanderer aus dem Osten gehört tatsächlich zu den historischen Ereignissen, in denen Aktionen und Geschichtsschreibung unmittelbar aufeinander folgten, zum Teil sich sogar miteinander 7
PFEIL (1948) S. 52.
8
Darauf, daß die Charakterisierung der Flüchtlingsaufnahme als Wunder von der amerikanischen Besatzungsmacht selbst in Umlauf gebracht wurde, wies bereits SIMON (1950) hin. Vgl. Zur Datierung eines Wunders BEER (1991).
9
Vgl. BAUER (1987). BRELIE-LEWIEN (1987) S. 25. MESSERSCHMIDT (1992) S. 35.
10 11
Einführung
15
vermengten. Darstellungen zum Flüchtlingsthema erschienen bereits in den ersten Nachkriegsjahren, noch bevor das eigentliche Geschehen, über das es zu berichten galt, abgeschlossen war. Sie stammten meist aus der Feder direkt betroffener Verwaltungsfachleute, und sie waren geprägt von der Notwendigkeit, die eigene Arbeit, die Tätigkeit der deutschen Verwaltungen gegenüber Besatzungsmacht, einheimischer und Flüchtlingsbevölkerung gleichermaßen zu rechtfertigen. Bereits die erste Veröffentlichung zur Flüchtlingsfrage in der amerikanischen Zone, die der südwestdeutsche Länderrat im Auftrag der Militärregierung 1947 erstellte und 1948 publizierte, trägt deutlich diese Kennzeichen. Man habe die Gelegenheit geme wahrgenommen, um der amerikanischen Militärregierung ein Gesamtbild der Lage zu entwerfen, in der sich sowohl die Ausgewiesenen als auch die einheimische Bevölkerung durch die Notwendigkeit der Aufnahme von rd. 3 Millionen Ausgewiesenen in der US-Zone befinden,12 erläuterte der Flüchtlingsausschuß des Länderrats im Vorwort des Entwurfs der Publikation. Man habe den Bericht möglichst wahrheitsgetreu und ohne Rücksicht auf Licht und Schatten, die dabei auf die einzelnen beteiligten Stellen fallen, verfaßt.13 Das Vorwort sollte in der endgültigen und schließlich zum Druck freigegebenen Fassung fehlen,14 das Bedürfnis, gegenüber amerikanischer Militärregierung und deutscher Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen, aber blieb. Daß man selbst Zeitzeuge und Akteur eines ungeheuren, nach eigener Vorstellung noch nie dagewesenen Vorganges war, den es für die Nachwelt zu dokumentieren galt, durchzieht die zeitgenössischen Beratungen der mit der Bewältigung der Flüchtlingsaufnahme betrauten Instanzen. Bereits 1947 faßten die Vertreter der Flüchtlingsverwaltungen in der amerikanischen Zone Pläne zu einer Dokumentation des Vertreibungsgeschehens, die freilich erst mit der von Theodor Schieder bearbeiteten und zwischen 1954 und 1962 erschienenen Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa tatsächlich vorgelegt werden konnte.15 Früh auch beschlossen die zuständigen Behörden das Eingliederungsgeschehen in den Westzonen archivalisch abzusichern. Die Umsiedlung der aus den Ostgebieten ausgesiedelten Deutschen ist eine Tatsache, die sich auf allen Gebieten des öffentlichen und privaten Lebens in erheblichem Umfange auswirkte und noch auswirken wird. Es ist daher sowie im Hinblick auf die damit zusammenhängenden historischen Forschungsarbeiten notwendig, der Erhaltung des sich auf die Umsiedlung und das Flüchtlingswesen beziehenden Aktenmaterials erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, so ein Erlaß des Präsidenten des Landesbezirks Baden vom Mai 1949, der den Angehörigen der Verwaltungsbehörden der Gemeinden und Kreise besondere Behutsamkeit im Umgang mit dem einschlägigen Verwaltungs-
12
13 14
15
Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebiets, Ausschuß fiir Flüchtlingswesen, Das Flüchtlingsproblem in der amerikanischen Besatzungszone, Stuttgart 1947, zurückgezogene Fassung des Berichts, Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HSTAST) EA1/014-568. Ebd. Die endgültige Version des Berichts, Das Flüchtlingsproblem in der amerikanischen Besatzungszone, wurde im Frühjahr 1948 veröffentlicht. V g l . DOKUMENTATION ( 1 9 5 4 - 1 9 6 2 ) .
16
Die Flüchtiingsaufnahme in Württemberg-Baden
Schriftgut ans Herz legte.16 Vor dem Hintergrund solchermaßen verstandener Geschichtsträchtigkeit des eigenen Handelns sind viele der frühen einschlägigen Veröffentlichungen aus den späten 1940er und den 1950er Jahren zu sehen. Es handelt sich um öffentliche Stellungnahmen, mit denen der Weltöffentlichkeit bewiesen werden mußte, daß ohne internationale Hilfe das deutsche Flüchtlingsproblem nicht zu bewältigen sei.17 Sie sollten zudem den Flüchtlingen vor Augen fuhren, was die Aufnahmegesellschaft schon alles geleistet hatte, und sie sollten freilich auch benennen, was noch zu tun verblieb, möglichst ohne deshalb bei den Einheimischen "Verlustängste" zu wecken. Es erfolgte also sozusagen parallel eine Bestandsaufnahme, die heute bereits Quellencharakter hat.1* Das vorläufige Ende und den ersten Höhepunkt der in diesen Zusammenhang einzuordnenden Flüchtlingsforschung markiert die umfassende Sammlung des Forschungsstands von Edding und Lemberg aus dem Jahre 1959, in der etliche Akteure aus den Anfängen der Flüchtiingsaufnahme zu Wort kamen.19 In den folgenden zwei Jahrzehnten wurde es sichtlich stiller um das Flüchtlingsthema. Zwar erschienen weiterhin zahlreiche Schriften für,20 jedoch nur wenige über Flüchtlinge, über die sozialen, kulturellen und psychologischen Bedingungen ihrer Integration und die politischen/sozialen Auswirkungen auf die Aufnahmegesellschaft der BRD, obwohl Volkskunde und Soziologie durchaus Wege in diese Richtung bahnten.21 Die zeitgeschichtlich orientierte Politikgeschichte rückte die außenpolitischen Konfliktfelder, die Teilung Deutschlands und die Implikationen der Abtrennung der Ostgebiete in den Vordergrund,22 betrieb Besatzungsgeschichte aus der Perspektive der Außenpolitik der Alliierten oder beschäftigte sich im Rahmen der Debatten um die vielbeschworene "Stunde Null" mit den sozialen Weichenstellungen der Nachkriegszeit, so als ob es die großen Wanderungsbewegungen der Kriegs- und Nachkriegszeit gar nicht gegeben hätte.23 Aus der Rückschau, so DoeringManteuffel in seinem vor kurzem erschienenen Rückblick auf die deutsche Zeitgeschichte nach 1945, erweisen sich die 70er Jahre als ein Jahrzehnt, in dem den sozialwissenschaftlichen Trends im Fach Geschichte zum Trotz - der politikgeschichtliche Zugriff in der Zeithistorie dominierte.24 Erst in den 80er Jahren, als der zeitliche Abstand die Nachkriegsjahre auch zum Thema der Geschichtswissenschaft werden ließ und sich eine verstärkte Annäherung zwischen Zeit- und Sozial16
17
Aktenschutz für das Flüchtlingswesen, Erlaß des Präsidenten des Landesbezirks Baden vom 9. Mai 1949, Amtsblatt des Landesbezirks Baden vom 11.5.1949. Stellvertretend für zahlreiche andere seien genannt: DAS DEUTSCHE FLÜCHTLINGSPROBLEM (1950) und EDDINO (1952a).
18
MESSERSCHMIDT ( 1 9 9 2 ) S. 35.
19
EDDING/LEMBERG (1959b). Hier kamen unter anderem mit Nahm, Middelmann und Kornrumpf typische Vertreter auch der Flttchtlingsverwaltungen der amerikanischen Zone zu Wort. Messerschmidt unterscheidet, wie vor ihm FRANTZIOCH ( 1 9 8 7 ) und JOLLES ( 1 9 6 5 ) , Schriften über und Schriften fur Vertriebene. Vgl. MESSERSCHMIDT ( 1 9 9 2 ) S. 36. Vgl. beispielhaft die Arbeiten von PFEIL, BAUSINGER und SCHWEDT im Literaturverzeichnis. Vgl. stellvertretend für andere: VOGELSANG ( 1 9 7 5 ) oder SCHWARZ ( 1 9 6 6 ) . Vgl. den Versuch einer Bilanzierung der Debatte um Restauration und Neubeginn bei KOCKA (1979).
20
21 22 23
24
DOERING-MANTEUFFEL (1993) S. 8 f.
Einführung
17
geschichte abzuzeichnen begann, erhielt auch die Flüchtlingsforschung neue Impulse. Erweiterte Fragestellungen, beeinflußt von Lokal-, Regional-, Alltagsgeschichte und Oral History, zogen in die Untersuchungen zur Flüchtlingsfrage ein, die eine neue, von den frühen politischen Implikationen des Themas nicht mehr belastete Forschergeneration in Angriff nahm. Auch der Ablauf der üblichen 30-JahreSchutzfrist machte endlich die ungeheure Vielfalt des zeitgenössischen Aktenmaterials der Forschung zugänglich und trug zum allgemein beobachteten Aufschwung der Flüchtlingsforschung bei. Binnen weniger Jahre erschien eine Reihe meist regional ausgerichteter Studien, welche die ausgebliebene Radikalisierung der Flüchtlinge,25 den Zusammenhang von Verwaltungsgeschehen und Flüchtlingsaufnahme,26 ihre wirtschaftliche Eingliederung,27 die Rolle der Vertriebenenverbände28 oder den Mythos der schnellen Integration29 thematisierten. Ein Großteil dieser Arbeiten behandelte Städte, Regionen oder Länder der englischen, neuerdings auch der französischen30 und der sowjetischen Zone31. Vergleichsweise unerforscht blieb, mit Ausnahme von Bayern, das Geschehen in der amerikanischen Zone, in den Ländern Hessen32 und Württemberg-Baden. Erst seit kurzem liegen neben einigen Fallstudien aus den 50er Jahren33 auch neuere Forschungsergebnisse und Darstellungen für Württemberg-Baden vor,34 so insbesondere die Studie von Müller über das württembergische Staatskommissariat für das Flüchtlingswesen35 und der Ausstellungskatalog zu Flucht, Vertreibung, Eingliederung. Baden-Württemberg als neue Heimat?6 Zwar tragen die genannten Arbeiten durchaus dazu bei, bestehende Forschungslücken zu schließen, und es scheint an der Zeit, mit einer differenzierten vergleichenden Würdigung des Flüchtlingsproblems über die unterschiedlichen Zonen hinweg zu beginnen, doch einige Forschungsdesiderate, die Grebing 1987 benannte, bestehen noch immer. Nach wie vor ist die so bedeutsame Flüchtlingsverwaltung das Stiefkind der verwaltungsgeschichtlichen Forschung geblieben 37. Dies gilt insbesondere dann, wenn nach dem Zusammenhang zwischen Verwaltungsgeschehen auf deutscher Seite und auf Besatzungsseite gefragt wird. Nach wie vor fehlt es an fimdierten Kenntnissen über die lokalen und die regionalen Organisierungsprozesse
25 26 27 28 29
30 31
32 33 34
SCHMIER ( 1 9 8 2 ) . BAUER (1982). KLEINERT (1988). STEINERT ( 1 9 8 6 ) . LOTTINGER ( 1 9 8 6 ) u n d (1989). Ζ. B. die bereits genannten KLEINERT (1988) und STEINERT (1986), so auch SOMMER (1990). PLATO & MEINICKE (1991). Zu Hessen jetzt neuerdings MESSERSCHMIDT ( 1 9 8 9 ) und (1991). So beispielsweise: BOCK ( 1 9 5 3 ) , Boos ( 1 9 5 8 ) , HUND ( 1 9 5 0 ) , OPITZ ( 1 9 5 5 ) oder PETER ( 1 9 5 5 ) . Als Beispiele für neuere württemberg-badische Fallbeispiele: KOLB ( 1 9 9 0 ) , LIENERT & LIENERT ( 1 9 8 5 ) oder die Ausstellungskataloge LANDKREIS LUDWIGSBURG ( 1 9 8 5 ) und BINDER ( 1 9 8 9 ) be-
züglich des Stadtkreises Nürtingen. 35 36
37
MÜLLER, Roland ( 1 9 9 3 ) . FLUCHT, VERTREIBUNG, EINGLIEDERUNG (1993).
So Grebing in der Einführung zum Symposium, veröffentlicht in SCHULZE u.a. (1987) S. 4.
18
Die Flüchtlingsaufhahme in Württemberg-Baden
der Flüchtlinge38, und auch die Flüchtlingsstatistik, deren Aufgabe es letztlich ist, verläßliches empirisches Material für eine Bewertung des Eingliederungsprozesses der Neubürger zu liefern, hat bisher die Makroebene noch kaum verlassen. Grundsätzlich mangelt es noch immer an einer Verzahnung der allgemeinen zeitgeschichtlichen Forschung, die bisher das Flüchtlingsthema noch wenig aufgegriffen hat, und der eigenständigen Forschung zur Vertriebenenthematik, die ihrerseits bislang die eigenen Ergebnisse nicht ausreichend in die politik-, Institutionen- und verwaltungsgeschichtlichen oder auch in die sozial- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen eingebettet hat. Insbesondere verzichtete die Forschung zur alliierten Besatzungspolitik bisher weitgehend auf eine Behandlung der Flüchtlingsproblematik. Es ist Ziel des von Wolfgang v. Hippel geleiteten Forschungsvorhabens Die Integration der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen in Baden und Württemberg nach 1945 an der Universität Mannheim, einen Beitrag zur Schließung der beschriebenen Forschungslücken für Baden-Württemberg zu leisten. Erste Ergebnisse wurden 1993 veröffentlicht.39
Thema und methodischer Zugriff Die vorliegende Arbeit ist als Teil des genannten Projekts entstanden. Im Rahmen der differenzierenden Analyse des Aufnahme- und Eingliederungsgeschehens in Baden-Württemberg übernahm die Verfasserin die Aufgabe, den Zusammenhang zwischen Besatzungsgeschehen und Flüchtlingsaufhahme im amerikanisch besetzten Teil des Landes zu durchleuchten. Damit waren zeitliche und regionale Gewichtung der Studie ebenso vorgegeben wie der Blickwinkel, von dem ausgehend es die Flüchtlingsfrage zu untersuchen galt. Im Zentrum der Untersuchung stehen Flüchtlingsaufhahme und erste Eingliederung in Württemberg-Baden zwischen 1945 und 1949, wie sie sich in den Aktionen zweier Regierungsinstitutionen, der amerikanischen Militärregierung und der deutschen Landesregierung, niederschlugen - zweier Institutionen, die unter den besonderen Gegebenheiten der Besatzungszeit bei ungleichem Kräfteverhältnis, jedoch parallel und kompetenzenübergreifend organisiert, in ihren Spitzen auch den jeweiligen konkurrierenden einschlägigen Verwaltungen vorstanden und deren Handeln bestimmten. Es entsprach der Vorgehensweise der amerikanischen Militärregierung, die Durchführung der selbst gesetzten Vorgaben zum Flüchtlingsthema der deutschen Regierung und Verwaltung zu übertragen, die amerikanischen Verwaltungsinstanzen jedoch mit der Kontrolle der deutschen Aktionen und mit der "Beratung" oder "Ermutigung" der deutschen Handlungsträger zu betrauen. Daß sich zwei politisch grundsätzlich unterschiedlich zu bewertende Regierungs- und Verwaltungsorgane der Flüchtlingsfrage annahmen oder anzunehmen hatten, läßt die Interaktionen beider Instanzen in den Blickpunkt des Interesses rücken. 38
Ebd.
39
V g l . GROSSER, Christiane u.a. (1993).
Einiìihrung
19
Flüchtlingsgeschichte erscheint in diesem Licht als Geschichte der öffentlichen Verwaltung unter den spezifischen Bedingungen der Besatzungszeit, als Thema deutschen und amerikanischen Verwaltungsgeschehens. Verwaltung ist, bei der historischen Beschäftigung mit der Flüchtlingsfrage, ubiquitàri Verwaltungsgeschehen kann, so Ellwein, unter vier Gesichtspunkten analysiert werden, unter der Dimension der Notwendigkeit, der Politik, des tatsächlichen Verwaltungsgeschehens und aus der Sicht der Betroffenen.41 Was es zu tun galt, welche Ziele dabei verfolgt wurden, wie die Verwaltung die ihr auferlegten Aufgaben erfüllte und auf welche Weise die Neubürger-, aber auch die Altbürgerschaft auf die Verwaltungsaktionen reagierten - diese Aspekte dienen der vorliegenden Studie als roter Faden. Über das reine Verwaltungsgeschehen im Untersuchungsraum hinaus war mithin zu fragen nach den politischen und sozialen Weichenstellungen der Nachkriegszeit für die zukünftige Eingliederung der Flüchtlinge, nach den Zielen der politischen Entscheidungsträger, nach ihren Entscheidungsbefugnissen und Durchsetzungsmöglichkeiten, nach den Verfugungsrechten über Ressourcen und Legitimationskompetenzen, nach den Kontrollinstanzen und nicht zuletzt nach den Interessen,42 die das Handeln der Akteure bestimmten. Interessen, finanzielle und ideelle, nicht: Ideen beherrschen unmittelbar das Handeln der Menschen;43 so der vielfach zitierte Max Weber. Aber: die "Weltbilder", welche durch "Ideen" geschaffen wurden, haben sehr oft als Weichensteller die Bahnen bestimmt, in denen die Dynamik der Interessen das Handeln fortbewegte,44 Wie Lepsius in Anlehnung an Weber formulierte, bedürfen ideenbezogene Interessen und an Interessenlagen konkretisierte Ideen der Institutionen zu ihrer Umsetzung. Institutionen formen Interessen und bieten Verfahrensweisen für ihre Durchsetzung, Institutionen geben Ideen Gestaltung in bestimmten Handlungskontexten. Der Kampf der Interessen, der Streit über Ideen, der Konflikt zwischen Institutionen lassen stets neue soziale Konstellationen entstehen, die die historische Entwicklung offenhalten:45 Die Geschichte der Flüchtlingsaufnahme in Württemberg-Baden wird aus dem Blickwinkel des Verwaltungsgeschehens in diesen Rahmen eingeordnet. In den Auseinandersetzungen um die Weichenstellungen für die zukünftige Flüchtlingseingliederung standen sich auf deutscher und amerikanischer Seite durchaus unterschiedliche Interessen gegenüber. Geleitet von der Idee, Europa auch durch die Beseitigung nationaler bzw. ethnischer Minoritätenkonflikte zu befrieden, drängten die Besatzer auf eine möglichst schnelle Absorption der Flüchtlinge als gleichberechtigte Bürger durch die Aufnahmegesellschaft. Entsprechende Forderungen richteten sie an die von ihnen neu geschaffenen deutschen Regierungen und Verwaltungen, die ihrerseits das amerikanische Konzept keineswegs vorbehaltlos begrüßten. Einerseits in der Rolle 40 41 42
ELLWEIN (1987) S. 208. Ebd. S. 208 f. Zum Begriff des Interesses vgl. GESCHICHTLICHE GRUNDBEGRIFFE, Artikel Interesse, verfaßt von Emst Wolfgang Orth und Reinhart Kosseileck, hiernach: In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundertsfiguriert "Interesse" als eine Art öffentlicher Geheimtip. S. 362.
43
WEBER ( 1 9 2 0 ) S. 2 5 2 .
44
Ebd. LEPSIUS (1990) Einleitung S. 42 f.
45
20
Die Flüchtlingsaufhahme in Württemberg-Baden
von Ausfuhrungsorganen amerikanischen Besatzungswillens, andererseits vor der Notwendigkeit stehend, sich zukünftig in Wahlgängen demokratisch legitimieren zu müssen, betrieben die deutschen Regierungs- und Selbstverwaltungsinstanzen die Flüchtlingsaufhahme primär unter sozialfürsorgerischen Aspekten, möglichst ohne die geringen Nachkriegsressourcen der einheimischen Wählerschaft noch weiter zu belasten. Zum Ort der Auseinandersetzung um das Ausmaß der Teilhabe der Neubürger an den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Gütern Nachkriegsdeutschlands sollten sich Gesetzgebungskörperschaften, Landesverwaltungs- und gemeindliche Selbstverwaltungsorgane gleichermaßen entwickeln. Hier trafen die Interessen der Besatzungsmacht und der deutschen Regierungen, der Regelverwaltung als Repräsentantin der Altbürgerschaft und der Sonderverwaltung als Vertreterin der Flüchtlinge aufeinander. Viele der das einschlägige Aktenmaterial durchziehenden Konflikte lassen sich auf die simple Frage reduzieren: was genau ist unter gleichberechtigter Teilhabe der Flüchtlinge an den Ressourcen des aufzubauenden neuen Deutschlands zu verstehen? Unter dieser Perspektive wird die Geschichte der ersten Aufnahme der Flüchtlinge und der Weichenstellungen zu ihrer Eingliederung auch zu einem Kapitel der Geschichte des demokratischen Wiederaufbaus nach 1945, der Zeit der Ausformung der konkurrierenden Prinzipien des Grundgesetzes: des Demokratie-, Rechtsstaats- und Sozialstaatspostulats. Der Titel der Studie benennt die Handlungsträger und das grundsätzliche gesellschaftliche Spannungsverhältnis, in dem sich Flüchtlingsaufhahme und erste Weichenstellungen zu ihrer Eingliederung vollzogen: Zwischen amerikanischen Besatzungszielen und demokratischem Wiederaufbau. Eine thematische Einschränkung und eine inhaltliche Ausweitung bedürfen noch der Erläuterung: Trotz der Einbettung in den Rahmen des politischen Zeitgeschehens finden die wieder- und neuentstehenden politischen Parteien allenfalls am Rande Berücksichtigung. Dies ist durch den zeitlich gesetzten Rahmen der Arbeit zu erklären. Ohne Zweifel gilt Lepsius' Einschätzung der politischen Ausgangslage nach Kriegsende: In den Gründungsjahren der Bundesrepublik Deutschland hatte die Bildung neuer politischer Institutionen gegenüber der Bildung einer neuen politischen Kultur einen Vorlauf.46 Besondere Bedeutung kam den Spitzen der Landesregierungen zu, den Ministerpräsidenten als Vollzugsorgan der Besatzungsmächte und als Repräsentanten ihres Landes diesen gegenüber, wie Eschenburg formulierte.47 Sie verstanden sich gleichsam als über den Parteienquerelen in ihren Kabinetten stehend. Die neuen Parteien waren das Personalreservoir für die Regierungsbildung. Das war deren Hauptfunktion. Im übrigen beschränkten sich ihre Aufgaben auf die Einrichtung ihres Apparates, Personal- und Sachpatronage sowie Propaganda, außerdem auf die Wahlvorbereitung. Doch bis zu den nächsten Wahlen hatte es noch ZeitAi Diese Bewertungen entsprechen durchaus nicht immer
46
Ebd. S. 63.
47
ESCHENBURG ( 1 9 7 6 ) S. 5 9 .
48
Ebd. S. 65.
Einfühlung
21
dem Selbstverständnis der zeitgenössischen politischen Handlungsträger. Ihre Handlungsspielräume werden meist auch in den Darstellungen der Gründungsjahre der Bundesrepublik überschätzt,49 doch das Beispiel der Flüchtlingsaufnahme und ersten Eingliederung ist dazu angetan, die übergreifend getroffenen Beobachtungen zu bestätigen. Einer Behandlung der Flüchtlingsfrage aus dem Blickwinkel des Verwaltungsgeschehens mag die beobachtete defizitäre Lage der politischen Kultur durchaus zum Nutzen geraten, ermöglicht doch der Befund, die eigenständigen Wirkungen der Institutionen aus dem Geflecht der Wechselbeziehung zwischen politischen Institutionen und politischer Kultur herauszulösen,50 Wie sich bei der Erarbeitung der landesgeschichtlich angelegten Studie, die auch nach den politischen Weichenstellungen zur Flüchtlingsfrage unter dem Einfluß der Besatzungsmacht in den Nachkriegsjahren fragt, schnell zeigte, sprengten die zeitgenössischen Entscheidungsgänge rasch die vorgegebenen Landesgrenzen. Die grundlegenden politischen Entscheidungen auf Seiten der Amerikaner fielen, soweit sie den Kompetenzbereich der Militärregierung betrafen, nicht in Stuttgart, sondern in Berlin, die gesamte amerikanische Zone betreffend. Entsprechendes gilt für die württemberg-badische Landesregierung. In wesentlichen Fragen der Gesetzgebung und Verwaltungsorganisation fielen 1946/47 die Entscheidungen im südwestdeutschen Länderrat, ab 1948 im Frankfurter Wirtschaftsrat für das gesamte amerikanische Besatzungsgebiet. Das Thema der Flüchtlingsaufnahme in WürttembergBaden, verstanden als Teil der politischen Verwaltungsgeschichte der Nachkriegsjahre im Spannungsverhältnis zwischen amerikanischen Besatzungszielen und demokratischem Wiederaufbau, erweiterte sich damit zum Thema der Flüchtlingsaufnahme in der amerikanischen Besatzungszone überhaupt, konkretisiert am Beispiel Württemberg-Badens. Der erste Teil der Studie ist den politischen, rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen der Flüchtlingsaufnahme gewidmet. Hier werden die Entwicklung der amerikanischen Richtlinien zur Flüchtlingsaufnahme (Kapitel 3) und die Gesetzgebungsprozesse thematisiert, die rechtlich die Aufnahme absicherten und Weichen für den Ablauf der Eingliederung der Neubürger stellten (Kapitel 4). In allen deutschen Ländern gibt es jetzt bei den zentralen Verwaltungen staatliche Flüchtlingskommissare mit einem entsprechenden Unterbau in der Mittelinstanz. Sie haben eine schwere Stellung, nicht nur weil sie improvisiert meist mit unzulänglichem Personal und unzureichenden Mitteln eine gigantische Aufgabe lösen müssen, sondern 1 weil sie häufig auf Indolenz, wenn nicht gar auf Widerstände der übrigen Behörden stoßen und es ihnen mit wenigen Ausnahmen bei den Regierungen an Rückhalt fehlt, so Eschenburg 1947.51 Mit dem Aufbau, der Tätigkeit und dem Ende der Flüchtlingssonderverwaltungen in Nordwürttemberg und Nordbaden beschäftigt sich Kapitel 5. Im zweiten Teil der Studie werden grundlegende Probleme der ersten 49
Zum Handlungsspielraum der Verwaltung in der Interaktion mit den Amerikanern vgl. BEYERSDORF (1966) S. 35 ff. Zum geringen Handlungsspielraum der Parlamente vgl. BIRKE (1989).
50
LEPSIUS (1990) S. 63.
51
ESCHENBURG ( 1 9 4 7 ) S. 7 .
22
Die Flüchtlingsauihahme in Württemberg-Baden
Aufnahme der Flüchtlinge zum Gegenstand der Darstellung. Am Beispiel des Wohnens (Kapitel 6), der Maßnahmen zur wirtschaftlichen (Kapitel 7) und zur politischen Eingliederung (Kapitel 8) stehen die Handlungen und Interaktionen der zentralen gesellschaftlichen Kräfte im Vordergrund: amerikanische Besatzungsmacht, deutsche Regierung und Verwaltung, aber auch Alt- und Neubürgerschaft, insoweit ihre Interessenlagen und Konflikte in das Verwaltungsgeschehen auf deutscher und amerikanischer Seite Eingang fanden. Den Kapiteln ist umfangreiches statistisches Material beigegeben, um mit seiner Hilfe unterhalb der Landes-, Regierungsbezirks· oder Kreisebene die sozialen, wohnlichen und wirtschaftlichen Bedingungen für die Aufnahme der Neubürger, aber auch die Konsequenzen der Zuwanderung für die Aufnahmegemeinden näher zu analysieren. Allem vorangestellt, ist eine kurze Einfuhrung in die geographischen, demographischen und verwaltungspolitischen Gegebenheiten des nur wenige Jahre existierenden kleinen Landes, vor allem aber in den Umfang der Ende 1945 anstehenden Aufgabe der Flüchtlingsaufiiahme (Kapitel 1).
Quellen Die vorzustellende Studie hätte ohne die in den 1980er Jahren erfolgte Öfinung der einschlägigen Aktenbestände für Forschungszwecke nicht geschrieben werden können.52 An erster Stelle sind die Akten der zentralen Instanz der amerikanischen Militärregierung, des Office of Military Government in Germany of the United States (OMGUS), des weiteren die Akten der württemberg-badischen Landesmilitärregierung (OMGWB) und des amerikanischen Koordinierungsorgans beim südwestdeutschen Länderrat in Stuttgart, des Regional Government Coordinating Office (OMGRGCO) zu nennen.53 Während das überlieferte Schriftgut der Berliner Zentrale der Militärregierung bereits seit den 70er Jahren wiederholt als Grundlage differenzierter zeitgeschichtlicher Forschung dienten,54 blieben die Akten der Landesmilitärregierung Württemberg-Baden bisher nahezu unberücksichtigt. Auch die Forschung zum Flüchtlingsthema bediente sich bis heute der Militärregierungsakten nur in geringem Maße. 55 Die umfangreichen, mittlerweile für den ersten Zugriff passabel erschlossenen Bestände der Zentrale wie der Landesabteilung der Militär52 53
54
55
Eine Übersicht über die baden-württembergischen Quellen liefert jüngst BEER (1994). Zum Quellenwert der OMGUS-Akten vgl. HASTINGS (1976), SCHÖNTAG (1980) und WEIß (1984). Die Akten von OMGUS liegen wie auch die in OMGUS aufgegangenen Bestände des United States Forces Euorpean Theater (USFET) und die Akten des OMGRGCO auf Microfiches verfilmt im Bundesarchiv Koblenz (BA) vor. Die als OMGWB zitierten Akten der Office of Military Government Württemberg-Baden können auf Microfiches im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HSTAST) und im Generallandesarchiv Karlsruhe eingesehen werden. Erstere werden zukünftig zitiert als RG 260 OMGUS bzw. RG 260 OMGRGCO, letztere als RG 260 OMGWB. Stellvertretend für andere seien einige frühe unter Verwertung von OMGUS-Akten entstandenen Arbeiten genannt: GIMBEL ( 1 9 7 1 ) , NIETHAMMER (1972), HURWITZ ( 1 9 7 2 ) oder neuerdings ENDERS ( 1 9 8 2 ) u n d RUPIEPER (1993). Eine Ausnahme bildet ERKER (1988a), BAUSCH
(1992) und MÜLLER, Roland (1993).
Einführung
23
regierung bergen bisher vernachlässigtes reichhaltiges Material für die Flüchtlingsforschung, auch wenn die breite Streuung der Informationen über viele Militärregierungsabteilungen hinweg den Zugang nicht gerade erleichtert. Weitaus mehr als die deutsche Parallelüberlieferung bieten die amerikanischen Quellen Einblicke in zeitgenössische Reflexionen, Debatten und Auseinandersetzungen um Erstaufnahme, Versorgung und Eingliederungsvorstellungen. Weiterhin sind die Bestände der zuständigen deutschen Landesbehörden, des Landeskommissars für das Flüchtlingswesen in Nordbaden und des Staatskommissars für das Flüchtlingswesen in Nordwürttemberg zu nennen. Der seit 1981 im Generallandesarchiv eingegliederte und noch nicht systematisch ausgewertete Bestand des Landeskommissars für das Flüchtlingswesen liefert differenzierte Informationen zum Ablauf der Flüchtlingsaufnahme aus der Perspektive der nordbadischen Verwaltung.56 Auch die Überlieferung der württembergischen Schwesterorganisation, des Staatskommissariats für das Flüchtlingswesen in Württemberg - Baden, dem formal auch die badische Flüchtlingsverwaltung zugeordnet war, ist nunmehr neu verzeichnet im Hauptstaatsarchiv zugänglich; sie ist jedoch keineswegs so ergiebig wie der zuerst genannte." Eine Vielzahl weiterer kleinerer Aktenbestände und Nachlässe ging in die Studie ein.58 Insbesondere zu erwähnen sind die für die Flüchtlingsforschung wenig genutzten Akten des Flüchtlingsausschusses beim Länderrat59 und vor allem der Nachlaß Bartuneks, des Leiters der nordbadischen Flüchtlingsvereinigung, der Interessengemeinschaft der ausgesiedelten Deutschen (IDAD) 60 . Insgesamt erwies sich die Überlieferung der genannten einzelnen öffentlichen Institutionen zwar als äußerst reichhaltig und vielfältig. Angesichts der Ausstattungsmängel in den Behörden und des in Aktenführung oft mangelhaft ausgebildetem Personals war das Behördenschriftgut jedoch häufig nur lückenhaft und mitunter recht chaotisch geführt. Die Quellenlage erforderte daher, die Entwicklung behördlicher Maßnahmen, gesetzgeberischer Prozesse und die Auswirkungen amerikanischer Einflußnahmen durch das Vernetzen möglichst vieler Quellen unterschiedlicher Herkunft mosaikartig zu erschließen, um so ein relativ lückenloses Bild der Entscheidungsgänge zu erlangen. Es erschien zudem wünschenswert, die in amerikanischen und deutschen Behördenmaterialien vorgefundenen Einschätzungen, Bewertungen und Analysen so weit 56 57
58
59
60
Bestandssignatur GLAK 466 Zug. 1981/47. Bestandssignatur HSTAST EA2/801. Eine erste Auswertung des Bestandes lieferte jüngst MÜLLER, Roland (1993). Genannt seien der Nachlaß von Reinhold Maier im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, der Nachlaß Heinrich Köhlers im Generallandesarchiv Karlsruhe oder der Nachlaß des Mitglieds der Länderratsverwaltung, Dietrich, im Bundesarchiv Koblenz. Zu den bevorzugten Themen der erwähnten Zeitzeugen gehörte die Flüchtlingsfrage allerdings nicht. Aufgeführt sei auch der Nachlaß Werner Middelmanns, des Sekretärs des Flüchtlingsausschusses des Länderrats. Er wird von Frau Vera Middelmann verwaltet und hat bisher nocht nicht das Interesse der zuständigen Archive gefunden. Bestandssignatur BA ZI und die hinsichtlich des Flüchtlingsausschusses häufig reichhaltigere Überlieferung der württemberg-badischen Delegation im Länderrat HSTAST EA1/014. Zitiert als GLAK NLBartunek.
24
Die Flüchtlingsaufhahme in Württemberg-Baden
als möglich einer sozialstatistischen Überprüfung zu unterziehen. Zwar veröffentlichte der "Verein für Socialpolitik" in den 1950er Jahren auf der Ebene der Bundesländer Studien, die sich der publizierten amtlichen Statistik bedienten.61 Sie wiesen jedoch meist keine regionale Differenzierung unterhalb der Regierungsbezirksebene auf und beschränkten sich in der Regel auf die Perspektive der aufnehmenden Gesellschaft. Um die amtlichen Vorgänge mit den Ergebnissen der zeitgenössischen Sozialstatistik neu zu verbinden, wurde daher im Rahmen des Mannheimer Forschungsprojekts ein umfangreicher EDV - Datensatz angelegt, der bis auf Gemeindeebene hinunter Informationen der amerikanischen Militärregierungsstatistik mit der zeitgenössischen veröffentlichten deutschen Wohn-Bevölkerungs- und Wahlstatistik verknüpfte.62 Als besonders fruchtbar erwies sich die EDV-Vernetzung mit zeitgenössisch erstellten soziogeographischen Gemeindetypisierungen, die, angeregt durch die wanderungsbedingten Veränderungen der gemeindlichen Sozialstruktur, die Diskussion der Soziogeographie der 50er Jahre bestimmten. Sie lagen durch die Arbeiten von Hesse zu Württemberg-Baden für die Jahre 1939, 1949 und 1961 veröffentlicht vor, waren jedoch angesichts der geringen Möglichkeiten zur Quantifizierung in den 50er und 60er Jahren noch nicht differenziert ausgewertet worden.63 Verbunden mit den Ergebnissen der solchermaßen erweiterten zeitgenössischen Gemeindestatistik, gestattete die vollständige Durchsicht des mehr als 2.000 Faszikeln umfassenden nordbadischen Materials, der rund 450 Büschel der nordwürttembergischen Überlieferung sowie der einschlägigen OMGUS-Akten und der Länderratsüberlieferung, ein Zeitbild der Nachkriegsjahre zu entwerfen, das die Entscheidungsabläufe, die Weichenstellungen, die Interessen der Entscheidungsträger und die ersten Ergebnisse bezüglich der Flüchtlingsaufhahme in Württemberg-Baden unschließt, ein Zeitbild des Konflikts zwischen amerikanischen Besatzungszielen und demokratischem Wiederaufbau: Die Flüchtlingsaufhahme in Württemberg-Baden 1945 - 1949.
61
Es erschienen u.a. in der von Bernhard Pfister herausgegebenen Reihe die· Untersuchungen zum deutschen Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem·. ESENWEIN-ROTHE ( 1 9 5 5 ) , KOERBER ( 1 9 5 4 ) , KOLLAI ( 1 9 5 9 ) , MÜLLER ( 1 9 6 2 ) , SERAPHIM (1954), SPIETHOFF ( 1 9 5 3 ) , STAHLBERG ( 1 9 5 9 ) u n d WAGNER ( 1 9 5 6 ) . Die fur Baden-Württemberg vorliegende Studie von MÜLLER ( 1 9 6 2 ) ist fur die
62
Besatzungsjahre nur sehr bedingt zu verwenden, da Müller häufig, die Grenzen der Besatzungszonen überschreitend und die gänzlich unterschiedlichen Bedingungen der Flüchtlingsaufhahme in der amerikanischen und französischen Zone nivellierend, das statistische Material von 1950 auf die Ebene von Gesamt-Baden-Württemberg hochaggregiert. In den Datensatz sind die statistischen Informationen folgender zeitgenössischer Veröffentlichungen eingegangen: DIE WOHNUNGSZAHLUNG (1949), ERGEBNISSE DER EINWOHNERZÄHLUNG (1946a), ERGEBNISSE DER EIN WOHNERZÄHLUNG (1946b), FIEDLER (1947), HESSE (1949), HESSE (1957), HESSE (1965), KAISER (1947), PFEIL/BUCHHOLZ (1958), WIE WÄHLTE WÜRTTEMBERG-
63
BADEN? (1947), DIE WAHL (1949), STATISTISCHES LANDESAMT STUTTGART V g l . HESSE ( 1 9 4 9 ) u n d (1957).
(1952).
2.
Die Ausgangslage
Entstehungsgeschichte und Entwicklung des kleinen Landes Württemberg-Baden sind schnell umrissen.1 Die Teilung der beiden eigenständigen Länder Württemberg und Baden in jeweils separate nördliche und südliche Landesteile und ihre Eingliederung in unterschiedliche Besatzungszonen finden ihre Erklärung in der gleichzeitigen Besetzung der beiden Territorien durch amerikanische und französische Truppen während der letzten Kriegsmonate. Nach einigem besatzungspolitisch motivierten Gerangel zwischen Franzosen und Amerikanern um die Begrenzung von amerikanischer und französischer Zone wurden schließlich Baden und Württemberg entlang des Verlaufs der Autobahn Karlsruhe-Tübingen-Ulm in nördliche amerikanische und südliche französische Gebiete aufgeteilt. Blieben in der französischen Besatzungszone (Süd)Baden und Württemberg-Hohenzollern als separate Länder bestehen, so waren im Norden bald amerikanische Bestrebungen erkennbar, trotz beginnendem separaten Verwaltungsaufbau in Nordwürttemberg und Nordbaden die beiden Landesteile zu einem Land zu vereinigen. Im September 1945 gab General Eisenhower mit Proklamation Nr. 2 schließlich auch die Bildung WürttembergBadens bekannt. Die Fusionierung von Nordbaden und Nordwüttemberg lösten die Besatzer reichlich pragmatisch. Der Präsident des badischen Landesbezirks, Heinrich Köhler, mußte als stellvertretender Ministerpräsident der vormals württembergischen, nunmehr württemberg-badischen Regierung unter Reinhold Maier beitreten. Das Verfahren der Regierungsbildung zeigte unmißverständlich, wer das Sagen hatte,2 und es tröstete die Badener nur wenig, daß ihnen innerhalb WürttembergBadens Selbstverwaltung zugestanden wurde. Bis zur Gründung des Landes BadenWürttemberg 1952 aus den vier bzw. drei badischen und württembergischen Landesteilen sollte zum Leidwesen der Besatzungsmacht Nordbaden auf der innnenpolitischen Autonomie bestehen, während im Verkehr mit den anderen Ländern der Zone oder den übrigen Besatzungszonen die württemberg-badische Regierung und Verwaltungsspitze gesamt Württemberg-Baden vertrat. Folgerichtig haben wir es auch in der Flüchtlingsfrage mit einem spannungsreichen Verwaltungs-Dualismus und zwei separaten Flüchtlingsverwaltungen zu tun, die uns noch häufig beschäftigen werden.3 Das besatzungsgeschichtliche Verlegenheitsprodukt Württemberg-Baden vereinigte die Industriezentren Badens um Mannnheim, Heidelberg, Karlsruhe sowie Pforzheim und Württembergs in Heilbronn bzw. im Großraum Stuttgart und trennte sie von den überwiegend agrarisch geprägten Landesteilen im Süden ab. Doch darf man sich das neugegründete Territorium unter wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten keineswegs als einheitliches Gebiet vorstellen (Abb. 1 und 2). Neben die genannten Industrieregionen traten besonders im Nordosten überwiegend landwirtschaftlich geprägte Landkreise (Abb. 3). Insbesondere das nordbadische agrari1
Zur Entstehungsgeschichte Württemberg-Badens vgl. ( 1 9 9 1 ) u n d UFFELMANN ( 1 9 9 1 ) .
2
3
UFFELMANN ( 1 9 9 1 ) S. 7 9 .
Vgl. Kapitel 5.
SAUER ( 1 9 7 7 )
und
( 1 9 7 8 ) , KRAUTKRÄMER
26
Die Flüchtlingsaufnahme in Württemberg-Baden
Abb. 1
C 0
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-Ο OÌ φC "Ο ω CO ο σ —im
305
306
Abb. 12
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
Abb. 13
E D 4— ω _c υ ö
> >
co ö) c D CD
o m o N O s ι o> CO o e s
307
308
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
insbesondere die Bewohner kleiner ländlicher Gemeinden mit einer Einwohnerschaft unter 2.000 Einwohnern mit dem Einzug der städtischen Fremden (Tabelle 33 und 26). Die nun einsetzende zwangsverordnete beispiellose Massenzuwanderung sollte Landkreise und Gemeinden Württemberg-Badens mit zuvor nicht gekannter Dynamik den Bedingungen eines neuen Verstädterungsprozesses unterwerfen (Abb. 12, 13 und 14). Binnen weniger Jahre, zwischen 1939 und 1950, erhöhte sich die Einwohnerschaft Württemberg-Badens um über 20% auf rund 3,9 Millionen Bewohner. Dabei lag das eigentliche Hauptgewicht des Wanderungszuwachses mit über 30% zwischen 1945 und 1950 auf den unmittelbaren Nachkriegsjahren 1946/47. Allein im ersten Halbjahr 1946 mußten die württemberg-badischen Gemeinden mit einem Bevölkerungszuwachs von durchschnittlich über 10% unter den Mangelbedingungen der Notwirtschaft fertig werden. Die gleichmäßige Streuung der Neubürger entsprechend der vorgefundenen Wohnbedingungen sollte den von den Evakuierungsmaßnahmen am meisten betroffenen kleinen Orten mit bis zu 2.000 Einwohnern 1945 noch einmal innerhalb weniger Jahre ein Bevölkerungswachstum von rund 25% bescheren; größere Orte, die während des Krieges weniger durch die Aufnahme Evakuierter belastet waren, waren nun durch die staatlich gelenkten Wanderungsbe-
Tabelle 34: Wachstum der Bevölkerung in Württemberg-Baden nach Gemeindetypen 1939 (%) Gemeindetypus
Gewerbegemeinde Arbeiterwohngem. Mischgemeinden Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem. Summe
Einwohner Einwohner Bevölkerungswachstum 1939/45 1945/50 1939/50 1950 1939
Orte 1939
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
63,7 18,8 3,2 11,4 2,9
11,5 8,5 4,8 13,5 21,2
30,2 29,2 33,4 20,9 24,0
43,5 39,2 33,6 36,2 40,8
59,4 21,2
184 356 104 592 232
100,0
12,6
25,5
38,4
3,5 12,7 3,3
100,0 1.468
(1) und (5): Anteilswerte in % der gesamten Bevölkerung. (2) - (4): Durchschnittliches Bevölkerungswachstum in den Gemeinden des jeweiligen Ortstyps. (6): Zahl der Gemeinden 1939. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50, Ortstypologie nach Hesse. 345 345 zur Ortstypologie vgl. HESSE (1949). Hesse unterscheidet die oben genannten 5 Ortstypen im wesentlichen nach folgenden Kriterien: 1. Bodenverbundenheit der Haushalte (= Anteil der Haushalte mit einem Grundbesitz < 0,5 ha)
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
309
wegungen sogar mit Zuwachsraten von bis zu 37% im Schnitt konfrontiert (Tabelle 33). Es waren, wie die Aufschlüsselung der Wachstumsraten entsprechend der Wirtschaftsstruktur der Orte (Tabelle 34) in Verbindung mit Tabelle 33 zeigt, insbesondere kleine bis mittlere Gemeinden mit gemischter Gewerbestruktur, Arbeiterwohngemeinden und gewerblich ausgerichtete Orte, die in den Nachkriegsjahren die Hauptlast der Zuwanderung zu tragen hatten.346 Mit dem extrem schnellen Bevölkerungswachstum zogen jedoch nicht nur Probleme mit der Wohnraumverteilung in die Gemeinden ein. Die gesamte soziale Zusammensetzung ihrer Einwohnerschaft unterlag einem rapiden Wandel. Beschrieb Hesse im Rahmen seiner wirtschaftsgeographischen Landesbeschreibung Württemberg-Badens 1939 mehr als die Hälfte aller Gemeinden mit den Charakteristika kleinoder großbäuerlicher Wirtschaftsstruktur, so galt dies 1949/50 nur noch für rund ein Drittel der Orte im ganzen Land (Tabelle 35, Abb. 15).347 Der gesellschaftliche Wandel der Nachkriegsjahre führte nicht nur mit einer Vergrößerung der durchschnittlichen Hofgrößen zu ersten landwirtschaftlichen Konzentrationsbewegungen in zahlreichen Gemeinden (Abb. 16). Er machte darüber hinaus binnen weniger Jahre aus landwirtschaftlich geprägten Orten mit kleinbäuerlicher Wirtschaftsstruktur Arbeiterwohngemeinden (fast 24% der betroffenen Kategorie oder 9,5% aller Orte), insbesondere in den gewerbedurchsetzten verstädterten Regionen WürttembergBadens (Abb. 16), und katapultierte den Typus der Arbeiterwohngemeinde mit hohem Pendleranteil und hoher Rate abhängig Beschäftigter zum vorherrschenden Gemeindetypus im Südwesten des kleinen Landes, das zuvor in erster Linie durch eine Vielzahl kleinbäuerlicher Gemeinden gekennzeichnet war (Abb. 16 und 17).348 Es hatte in den ersten Nachkriegsjahren so gut wie jede Gemeinde ihr Flüchtlingsproblem,349 doch in den agrarisch geprägten Regionen der beiden Landesteile dürfte die Altbevölkerung sich stärker noch als die Einwohnerschaft gewerblich orientierter Gemeinden und Regionen bedroht gefühlt haben. Zwar begrüßten die Einheimischen gerade in den Bauerndörfern die Zwangswanderer zuerst durchaus als willkommene Arbeitskräfte. Doch als sich abzuzeichnen begann, daß die Fremden nicht bereit waren, sich mit der ihnen zugewiesenen sozialen Position abzufinden, und statt des-
2. Anteil der Land- und Forstwirtschaftbeschäftigten an der Gesamtzahl der Erwerbspersonen 3. Grad der Industrialisierung anhand des Vergleichs zwischen ortsansässigen Erwerbstätigen außerhalb der Landwirtschaft und örtlichen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen 4. Anteil der bäuerlichen Klein- (< 5ha) Mittel- (< 20 ha) und Großbetriebe (> 20 ha). Zur Ortstypologie vgl. auch RIEDIGER (1993) S. 6 FF. 346 Entsprechende Verschiebungen zwischen Stadt und Land fanden in allen flüchtlingsreichen Ländern Deutschlands statt. Vgl. NAHM (1952). 347 Typisch für kleinbäuerliche Orte ist nach Hesse das Vorherrschen von Agrarbetrieben mit unzulänglicher Ackernahrung; fur großbäuerliche Orte ist kennzeichnend das oftmals erhebliche wirtschaftliche Übergewicht der mittel- und großbäuerlichen Betriebe. HESSE (1957) S. 86 f. 34 " Zum Wandel der Gemeindetypenverteilung in Baden-Württemberg allgemein bis 1960 vgl. HESSE (1963), der erstaunlicherweise den gesellschaftlichen Wandel ohne Berücksichtigung der durch die Flüchtlingsaufnahme bedingten Wanderungsbewegungen zu erklären versucht. 3 4 9
SCHWEDT ( 1 9 6 9 ) S. 28.
310
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Tabelle 35: Entwicklung der Ortstypen in Württemberg-Baden 1939 - 1949 Gewerbeorte
Arbeiterwohnorte
Mischorte
Klein-. bäuerl. Orte
GroO- Summe bäuerl. Orte
1949 1939 Gewerbe- (1) orte (2) (3)
154 83,7 58,8
29 15,8 5,5
1 0,5 0,3
184 100,0 12,5
Arbei(1) terwohn- (2) orte (3)
45 12,6 17,2
280 78,8 53,0
28 7,9 17,1
Mischorte
(1) (2) (3)
18 17,3 6,9
54 51,9 10,2
32 30,8 19,5
Kleinbauer) Orte
0) (2) (3)
39 6,6 14,9
140 23,7 26,5
103 17,4 62,8
146 24,7 95,4
163 27,6 45,4
591 100,0 40,3
Großbäuerl. Orte
0) (2) (3)
6 2,6 2,3
25 10,8 4,7
1 0,4 0,6
5 2,2 3,3
195 84,1 54,3
232 100,0 15,8
Summe
(1) (2) (3)
262 17,9 100,0
528 36,0 100,0
164 11,2 100,0
153 10,4 100,0
359 24,5 100,0
1466 100,0
355 100,0 24,3
2 0,6 1,3
104 100,0 7,1
(1) Anzahl. (2) In Prozent des Ortstyps von 1939. (3) In Prozent des Ortstyps von 1949. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50, Ortstypologie nach Hesse.
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
Abb. 14
311
312
Abb. 15
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Wohnen als soziogeographisches Struktuiproblem
Abb. 16
313
314
Abb. 17
O -Ω
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
315
Tabelle 36: Anteil
der
Alt-
und
Neubürger
an
der
Einwohnerschaft
der
Kreise
Württemberg-Badens Anteil der 1939 Anteil der Altbürger in der U.S. Zone an den Kreiseinwohnern wohnenden Einw. 1945 1946 1948 1950 (2) (3) (4) (1) Nordbaden Stadtkreise Heidelberg Karlsruhe Mannheim Pforzheim Landkreise Bruchsal Buchen Heidelberg Karlsruhe Mannheim Mosbach Pforzheim Sinsheim Tauberbischofsh. Summe Nordwfirttemberg Stadtkreise Stuttgart Heilbronn Ulm Landkreise Aalen Backnang Böblingen Crailsheim Esslingen Göppingen Heidenheim Heilbronn Künzelsau Leonberg Ludwigsburg Mergentheim Nürtingen Öhringen Schwäb. Gmünd Schwäb. Hall Ulm Vaihingen Waiblingen Summe Wfirttemb.-Baden
Verteilung der Alt- u. Neubürger 1950 a.d .Kreise (5)
(«)
89,0 94,5 96,2 96,3
91,6 93,5 98,4 98,6
83,9 89,4 95,2 97,9
86,6 89,2 94,9 96,4
8,0 14,0 18,5 4,1
10,2 7,5 6,0 0,9
96,2 92,9 92,9 96,3 94,5 92,0 96,5 91,5 90,2 94,0
89,6 73,1 81,2 80,9 89,1 73,6 88,9 72,7 73,2 86,6
89,3 72,4 80,8 80,0 88,6 72,1 87,7 71,0 71,9 84,8
89,7 74,1 82,4 81,5 88,1 73,6 88,0 73,2 75,5 85,8
7,4 3,9 8,3 9,1 9,5 3,6 3,9 4,9 4,8 100,0
5,1 8,1 10,7 12,5 7,7 7,8 3,2 10,7 9,4 100,0
95,9 96,6 93,0
98,3 98,6 95,8
94,7 97,3 93,1
91,5 93,4 89,4
22,8 3,0 3,2
9,6 1,0 1,7
89,6 91,4 95,5 90,5 93,5 91,6 89,0 94,3 91,2 95,2 93,6 85,5 94,2 90,3 90,5 88,4 93,1 95,3 95,6 93,1 93,5
77,8 82,8 76,8 84,7 76,5 80,0 80,1 85,3 78,9 81,2 83,1 78,0 74,9 81,4 76,4 84,0 79,4 80,8 77,2 84,2 85,1
74,2 79,3 73,5 79,3 73,9 75,5 76,0 82,9 74,5 77,8 75,3 75,9 71,5 77,9 70,4 79,9 76,7 78,1 73,8 80,6 82,2
75,4 79,6 77,3 81,9 77,8 77,4 80,0 85,0 77,2 80,0 77,3 77,4 75,5 79,3 75,5 80,8 78,0 81,0 80,6 81,9 83,4
4,8 3,0 3,6 2,6 5,7 6,6 3,6 5,9 1,2 2,6 7,2 1,6 4,1 1,7 3,3 2,3 2,9 2,6 5,7 100,0
7,0 3,5 4,8 2,6 7,3 8,7 4,7 4,7 1,6 3,0 9,6 2,1 6,0 2,0 4,9 2,5 3,7 2,7 6,2 100,0
Angaben zur Tabelle in Anmerkung
350
350 Spalte (1) bis (4) Anteilswerte in % der Kreisbevölkerung. Spalte (5) und (6) Anteilswerte in % der Landesteilbevölkerung. Quellen: Spalte (1) Datensatz Gemeindestatistik 1939/50. Spalte
316
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
sen Rechte einzuklagen begannen, schlug die Stimmung um.351 Der frühere hessische Staatskommissar für das Flüchtlingswesen, Peter Paul Nahm, beschrieb 1952 in der Rückschau die Probleme insbesondere der agrarisch geprägten Orte. Dort trafen, so Nahm, schier unüberbrückbare Verhaltensweisen und Einstellungen aufeinander. Aus der Konvention Gelöstes stieß auf familiär und konventionell Gebundenes. [...] Säkularisierte Auffassungen stießen auf Urteile und Verhalten, die aus konservativer wirtschaftlicher, sozialer und religiöser Überlieferung kamen. [...] Es stießen die Entwurzelten, die scheinbar Vergangenheitslosen, auf die Verwurzelten, in der Tradition Ruhenden. [...] Vielleicht das Schlimmste war der Zusammenstoß der Expropriierten, der Beraubten, mit dem intakten, in der Regel stolzen Besitz. [...] Es traf voraussetzungslos Gewordenes auf lokal Sinnvolles. [...] Und schließlich stieß großdeutsches Fühlen auf binnendeutsches Verhalten,352 Wie sehr sich die Bevölkerung der Gemeinden und Kreise nicht nur in ihrer sozialen Zusammensetzung sondern auch in ihrer regionalen Herkunft und damit in ihrer örtlichen Verbundenheit wandelte, verdeutlicht entsprechend Tabelle 36. Um das Ausmaß der über die Grenzen der einzelnen Zonen durchzuführenden Evakuiertenaustauschbewegungen zu berechnen, ermittelten die Alliierten gegen Ende des Jahres 1945 den Anteil der deutschen Bevölkerung, der 1939 seinen Wohnsitz in einer anderen Zone Deutschlands innehatte (Tabelle 36, Spalte 1). Schon diese frühe Erhebung veranschaulicht, daß durchschnittlich mindestens 6% der 1945 ortsanwesenden Einwohnerschaft aus "Fremden" bestand, selbst wenn man von Wanderungen innerhalb der eigenen Besatzungszone absieht. Spätere Berechnungen lassen es nur noch zu, den Anteil der Flüchtlinge und Ausgewiesenen herauszufiltern (Tabelle 36, Spalte 2 bis 4). Legt man diese Zahlen zugrunde, dann kamen 1948 je nach Kreiszusammensetzung auf drei bis vier Altbürger ein Neubürger. Dies ist auch noch 1950 spürbar, als die Flüchtlingserhebungen die Zuwanderung aus der SBZ nicht mehr miterfassen. Berücksichtigt man Wanderungsbewegungen innerhalb der Altbürgerschaft und den Zuzug aus der SBZ, dann ist davon auszugehen, daß in manchen Kreisen wie Tauberbischofsheim, Sinsheim, Schwäbisch Gmünd oder Nürtingen gegen Ende der Besatzungszeit höchstens noch zwei Drittel der Einwohnerschaft schon 1939 dort ansässig war oder von Ortsansässigen abstammte (Abb. 18). Die Auflösung oder Durchmischung des alteingesessenen Gemeindebürgerverbandes und die denkbaren Konsequenzen für die Verteilung der sozialen und politischen Ressourcen erlebten vor allem die kleinen Gemeinden (Tabelle 37).353 Angesichts der Überschaubarkeit ihrer ursprünglichen Einwohnerschaft dürfte man dort den Wandel
(3) errechnet nach Zahlen für die Verteilung der Flüchtlinge, HSTAST EA2/502-822a. Spalte (4) Die Flüchtlinge und Evakuierten in Wü.-Ba., Statistische Monatshefte Württemberg-Baden 1-2/1947. 3 5 1
V g l . ARNS ( 1 9 4 8 ) S. 2.
3 5 2
NAHM ( 1 9 5 2 ) S. 17 f.
3 3
Erste Beobachtungen bezüglich des Brauchtumwandels in den Gemeinden angesichts der großen Neubürgeibevölkerungsanteile beschreibt SCHMIDT-EBHAUSEN (1955).
'
Wohnen als soziogeographisches Stiuktuiproblem
317
Tabelle 37: Anteil der Altbevölkerung 1950 an der Einwohnerschaft der Gemeinden nach Gemeindegrößeklasse 1945 (in Prozent)
Gemeinden mit einer Einwohnerschaft von
-1.000 -2.000 -5.000 -10.000 -50.000 -100.000 -1.000.000 WOrtt.-Baden
Durchschnitt!. Durchschnittl. Anteil der 1939 Anteil der Altin der U.S. Zone bürgerschaft wohn. Einw. a. d. Einwohnern 1945 1950 (2) (1) 92,4 93,2 94,3 92,1 92,6 91,0 95,5 92,8
76,5 79,6 81,5 81,7 81,6 88,0 91,9 79,1
% Verteilung 1950 der Altund Neubürg auf die Gemeindegrößeklassen 1945 (3) (4) 13,9 15,1 15,9 7,7 15,8 5,0 26,6
20,8 19,8 18,3 8,8 17,1 3,6 11,7
100,0
100,0
Spalte (1) und (2): Durchschnittlicher Anteil der "Altbevölkerung" an der Gemeindebevölkerung in %.
Spalte (3) und (4): Anteilswerte in % der gesamten Alt-/Neubürgerschaft 1950. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
in der Zusammensetzung der Dorfbewohner besonders deutlich wahrgenommen haben. Die breit streuenden zwangsverordneten Wanderungsbewegungen der unmittelbaren Nachkriegszeit verliefen geradezu gegenläufig zu den modernen Wanderungsverläufen der Industrialisierung während des 19. und 20. Jahrhunderts; dies verdeutlicht Tabelle 38. Mit dem Einzug der Fremden und der Integration eines Großteils neuer Einwohner hatten sich vor allem die landwirtschaftlich geprägten Gemeinden zu befassen, Gemeinden, die traditionell eher als Abwanderungsorte mit sehr homogener Einwohnerschaft anzusprechen waren und zu deren Erfahrungen die Auseinandersetzung mit den Fremden in ihrer Mitte traditionell nicht gehörte. 354 Die breite Streuung des Wanderungsstromes der Nachkriegsjahre hing unmittelbar mit den amerikanischen Vorgaben zusammen, zwar die kriegszerstörten Städte Stuttgart, Heilbronn, Ulm, Mannheim und Pforzheim als Brennpunkte des Wohnraumbedarfs
Schwedt zeigt auf, daß die Wanderungsbewegungen der 50er Jahre den Wanderungsentwicklungen der letzten Jahrzehnte folgten. Mit dem Instrument der Ausweisung oder der Verweigerung von Bauland hätten gerade traditionelle Abwanderungsgemeinden im agrarischen Raum eine bewußte und konsequente Kommunalpolitik betrieben, die in ganz eindeutiger Weise von einer prinzipiellen Fluchtlingsfeindschaft bestimmt war, SCHWEDT (1969) S. 29.
318
Abb. 18
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
319
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
Tabelle 38: Anteil der Altbevölkerung an der Einwohnerschaft der Gemeinden nach Gemeindetypologie 1939 (in Prozent) Gemeindetypus
Anteil der 1939 in der U.S. Zone wohnenden Einw. 1945 (1)
Anteil der AltVerteilung 1950 bürgerschaft der Alt- und Neua. d. Einwohnern bürger in % auf 1950 Ortstypen 1939 (3) (4) (2)
Gewerbegemeinde Arbeiterwohngem. Mischgemeinden Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
91,7 94,8 96,0 92,7 90,3
79,1 80,5 81,1 78,0 72,4
61,0 20,8 3,4 11,9 2,9
51,2 23,1 3,9 16,7 5,2
Wiirtt.-Baden
92,8
79,1
100,0
100,0
Spalte (1) und (2): Durchschnittlicher Anteil der "Altbevölkerung" an der Gemeindebevölkerung in %. Spalte (3) und (4): Anteilswerte in % der gesamten Alt-/Neub(irgerschaft 1950. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
von Flüchtlingszuweisungen nahezu ganz auszunehmen, ansonsten aber eine gleichmäßige Verteilung der Ankömmlinge zu fordern. Zwar bescherte das politische Kräfteverhältnis im Württemberg-badischen Kabinett dem badischen Landesteil ein vergleichsweise zu großes Flüchtlingskontingent, mit der Folge, daß sich die Wohnsituation in Nordbaden besonders zuspitzte (Abb. 19), doch innerhalb der beiden Landesteile wurde die amerikanische Vorgabe den Planungen der Flüchtlingssonderverwaltungen durchaus zugrunde gelegt. Der Verteilungsschlüssel der Flüchtlingsverwaltung entsprach den frühen Kapazitätsberechnungen der Kreisverwaltungen, die in erster Linie auf dem Verhältnis zwischen im Kreis anwesender Bevölkerung und vorhandenem Wohnraum beruhten. Vage Überlegungen, neben der Wohnraumkapazität auch die Wohndichte von 1939 oder die wirtschaftliche Aufnahmekapazität der Region zu berücksichtigen, hatte die Besatzungsmacht mit ihrem Primat, den Flüchtlingen privaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen, schnell gestoppt.355 Nachweisbar seit dem Frühjahr 1946 stellte die Militärregierung eigene Verteilungsberechnungen an und nahm selbst die Verkündung der Quoten der deutschen
355 vgl. u.a. die Diskussion im Flüchtlingsausschuß des Länderrats, Protokoll vom 4.7.1946, HSTAST EA2/801-556.
320
Abb. 19
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
321
Verwaltung zu deren Erleichterung aus der Hand. 356 Die zum Zeitpunkt der Quotenfestlegung aktuell vorhandene Wohndichte, verstanden als Personen pro Raum mit mehr als 10 qm, wurde endgültig zur einzigen Grundlage des Verteilungsschlüssels.357 Auch diese Vorgabe mußte freilich eine durchgängige gleichmäßige Verteilung der Aufzunehmenden nicht bewirken. Es lag letztlich im Ermessen der einzelnen Gemeindeverwaltung, wie genau sie den vorhandenen Wohnraum an die Kreisverwaltung weitermeldete. Zwar wurden die jeweiligen gemeindlichen Wohnraumerfassungen von den Nachbargemeinden mit "intensiver Anteilnahme" kritisch begleitet, was allzu große Ungenauigkeiten hätte verhindern müssen. Doch je größer und unübersichtlicher die Gemeinde war, desto leichter konnte sie sich einer solchen öffentlichen Kontrolle entziehen. Nicht zuletzt bestimmte die Amtsauffassung des jeweiligen Landrats, wie exakt die Wohnraumerfassungen in den einzelnen Orten vorgenommen wurden. Auch die nur schwer einzuschätzenden und voraussehbaren Wanderungsbewegungen innerhalb der Alt- und Neubevölkerung infoge von Familienzusammenführungen, infolge der Rückkehr von Kriegsgefangenen oder des bisweilen sehr erwünschten und unter Sonderbedingungen ablaufenden Zuzugs von Fachkräften trugen dazu bei, die Kapazitätsberechnungen zu erschweren. Die Militärregierung beschloß daher, sich mittels einer umfassenden Wohnraumzählung Ende 1946 ein aussagekräftiges Bild der Wohnsituation in Württemberg-Baden zu verschaffen (Abb. 19). Zur Verteilung der organisierten Flüchtlingstransporte konnten die Ergebnisse der Erhebung freilich nicht mehr herangezogen werden, da sie erst im Sommer 1947 zur Verfügung standen. Bei der regionalen Streuung der im Zuge des Kalten Krieges verstärkt eintreffenden Zuwanderer aus der SBZ scheint man jedoch die Ergebnisse der Wohnraumzählung durchaus berücksichtigt zu haben. Wie der Vergleich der Kreisaufhahmequoten und ihre Entwicklung von Ende 1945 bis Ende 1946 veranschaulicht (Tabelle 39), sorgten die amerikanischen Interventionen hinsichtlich zukünftiger Verteilungen in Nordbaden im wesentlichen dafür, daß das städtische Hinterland um Karlsruhe, Heidelberg und Mannheim entlastet wurde, wo sich der Widerstand gegen die Zwangseinquartierungen am lautesten Luft machte. Die neuen Quoten vergrößerten die Kontingente der Stadt- und Landkreise Bruchsal und Pforzheim, also von Kreisen mit hoher Gewerbedichte im ländlichen Umfeld, und sie bewirkten planerisch eine gewisse Umverteilung innerhalb der ländlichen Kreise Tauberbischofsheim, Sinsheim und Mosbach, wobei die hohe Belastung des badischen Hinterlandes mit Ausnahme des Landkreises Buchen grundsätzlich bestätigt, ja sogar noch verstärkt wurde. Die amerikanischen Berechnungen bekräftigten damit im Grunde das Verteilungskonzept der nordbadischen Flücht-
356 vgl. Unterredung zwischen Campbell und dem Staatskommissariat für das Flüchtlingswesen: Herr Ascher warf die Frage auf, wer diese neue Quote bekanntgeben wird. Erst meinte Major C. die deutschen Behörden, doch führte Herr Ascher die erheblichen Schwierigkeiten auf und den Sturm der Beschwerden, der die deutsche Seite ausgesetzt würde und der sie, da sie im internen Staatsverwaltungswesen noch nicht restlos gefestigt sei, wohl nicht gewachsen sein dürfte. Er schlug deshalb vor, die neue Auflage als Befehl der Militärregierung zu erlassen; GLAK 481-610. Kleinkinder unter einem Lebensjahr wurden nur zur Hälfte gezählt.
322
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Tabelle 39: Entwicklung der amtlich vorgesehenen Flüchtlingsverteilung und der tatsächlichen Flüchtlingsaufnahme 1945/46 in den Kreisen vorgesehene Flüchtlingszahl 11.1945 4./6.1946 (2) (1)
Nordbaden Stadtkreise a Heidelberg a Karlsruhe Mannheim 0 Pforzheim 0 Landkreise 6.000 Bruchsal Buchen 21.000 a Heidelberg 38.000 a 48.000 Karlsruhe 21.000 Mannheim 15.000 Mosbach Pforzheim 6.000 Sinsheim 21.000 24.000 Taübeibischh. Summe Nordbaden200.000 Nordwürttemberg Stadtkreise a Heilbronn 0 Stuttgart a Ulm Landkreise 16.500 Aalen Backnang 12.000 28.000 Böblingen 8.000 Crailsheim Esslingen 37.500 38.000 Göppingen 15.000 Heidenheim a Heilbronn 20.000 2.500 Künzelsau Leonberg 11.000 15.000 Ludwigsburg 6.500 Mergentheim Nürtingen 24.000 5.000 (Dehlingen 16.000 Schwäb. Gmünd 7.500 Schwäb. Hall a l 5.000 Ulm Vaihingen 11.000 28.500 Waiblingen 317.000 Summe Württemb.-Baden 517.000
aufgenommene Flüchtlinge 9.1946 1.11.1946 1950 (3) (4) (5)
a a 0 0
9.000 13.600 2.000 500
9.492 11.058 3.353 640
15.629 21.444 12.552 1.931
6.000 21.000 38.000 a 48.000 21.000 15.000 6.000 21.000 24.000 200.000
10.500 18.800 24.000 27.000 16.000 16.500 8.000 25.700 22.000 193.600
10.254 18.695 22.650 25.466 13.708 16.444 6.075 23.395 22.010 183.240
10.779 17.033 22.378 26.205 16.151 16.318 6.712 22.429 19.751 209.312
a 0 a
800 25.000 2.300
737 6.811 2.547
4.248 42.053 7.548
22.000 12.000 19.000 10.000 30.000 30.000 15.000 a 20.000 5.000 11.000 30.000 8.500 22.000 7.000 16.000 7.500 a 15.000 11.000 26.000 317.000 517.000
31.700 14.200 22.600 10.800 46.600 50.000 18.000 20.000 7.000 12.000 51.000 9.000 38.400 7.600 30.200 8.500 16.600 12.700 33.200 468.200 661.800
26.107 12.352 20.012 9.142 31.479 31.418 16.350 19.615 6.376 10.993 28.186 9.075 25.106 7.591 19.615 8.642 14.472 11.580 29.522 347.726 530.966
30.947 15.500 21.231 11.265 32.244 38.416 20.908 20.840 6.910 13.046 42.286 9.462 26.293 8.676 21.673 10.861 16.417 12.041 27.420 440.285 649.597
a
a Stadtkreis nicht gesondert ausgewiesen. Quellen in Anmerkung 358 . 358
Quellen: (1) bis (3) Expellee Allocation by Kreis vom 23.9.1946, RG 260 OMGWB 12/63-1/7, (4) Die Flüchtlinge und Evakuierten in Württemberg-Baden, Statistische Monatshefte Württemberg-Baden 1-2/1947, (5) Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
323
lingsverwaltung, das die rein agrarisch strukturierten Landkreise des nordbadischen Hinterlandes als Hauptaufnahmegebiet der Flüchtlingsströme vorsah. In Nordwürttemberg führten die amerikanischen Kontingentsberechnungen dagegen zu einer Entlastung der überwiegend ländlich geprägten Landkreise auf Kosten von Kreisen mit hoher Gewerbedichte wie Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg, Nürtingen und Schwäbisch Gmünd, allesamt Landkreise, deren Renitenz in der Offenlegung ihrer Wohnraumkapazitäten von Seiten der nordwürttembergischen Flüchtlingsverwaltung häufig und offenbar zu Recht gerügt worden war. Gegen Ende des Jahres 1946 bestätigt ein Vergleich der aufgenommenen Flüchtlinge mit den Flüchtlingsquoten, daß man in der Belegung der Kreise offenbar tatsächlich entsprechend den Kapazitätsberechnungen vorging. Auch die 1950 angesichts der neuen Bevölkerungszählung festgestellte Verteilung der Neubürger zeigt noch Nähe zu den ehemaligen Kontingentsberechnungen, selbst wenn das Ende der 1940er Jahre sich vergrößernde Wohnraumangebot der Städte allmählich zu einer Abwanderung in erster Linie der Altbevölkerung, aber auch der Flüchtlinge aus den ländlch geprägten Kreisen in die Städte zu fuhren begann. 359 Berechnungen der Landesflüchtlingskommissariate bestätigen die behördlichen Versuche, die Wohnverhältnisse hinsichtlich der Wohndichte überall im Land einander anzugleichen (Tabelle 40). Schwankten die Belegungsdichten in den nordbadischen Landkreisen 1939 immerhin um rund 33% zwischen 1.11 Personen pro Raum im Landkreis Pforzheim und 1.48 Personen pro Raum in den Landkreisen Bruchsal und Karlsruhe, so reduzierte sich die Schwankungsbreite bis 1948 auf knapp 24 Prozent zwischen den niedrigsten Belegungsraten mit 1.61 Personen pro Raum im Landkreis Tauberbischofsheim und 1.99 Personen in den Kreisen Bruchsal und Heidelberg. Hinter den trockenen Zahlen, die in Kreisen wie Sinsheim aufzeigen, daß sich die durchschnittliche Belegung einer Wohnung mit Küche und drei Zimmern von weniger als fünf auf rund acht Bewohner erhöhte, verbergen sich in Nordbaden durchschnittliche Wachstumsraten der Wohndichte von über 36% zwischen 1939 und 1948, die in den ländlich strukturierten Landkreisen mitunter sogar über die 50% Marke klettern konnten. Welch massive Eingriffe in das alltägliche Leben mit der Zwangsbewirtschaftung des Wohnraums verbunden waren, läßt sich daran veranschaulichen, daß in den am dichtesten belegten nordbadischen Landkreisen Buchen, Mosbach, Sinsheim und Tauberbischofsheim durchschnittlich auf jeden dritten Raum eine Flüchtlingseinweisung fiel. Derart massive Wachstumsraten hatte der württembergische Landesteil nicht zu verzeichnen. Die auf der Ebene der württemberg-badischen Landesregierung vorgenommene grundsätzliche Aufteilung der Zwangswanderer zwischen Württemberg und Baden begünstigte ganz offensichtlich den württembergischen Landesteil, ein Umstand, den die nordbadische Landesverwaltung beständig monierte (Abb. 19). Die "ungerechte" Aufteilung zwischen den Landesteilen suchte die Militärregierung
359 Für die Altbürgerschaft wurden die Wanderungsbeschränkungen sehr viel schneller als fur die Neubürgerschaft aufgehoben.
324
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Tabelle 40: Flüchtlingsbevölkerung und Wohndichte in Württemberg-Baden 1939, 1946 und 1948 im Vergleich Kreise
Nordbaden Karlsruhe Heidelb. Stadt Mannheim Stadt Pforzh. Stadt Bruchsal Buchen Heidelberg Karlsruhe Mannheim Mosbach Pforzheim Sinsheim Tauberb. Summe Nordwürttemberg Stuttgart Heilbronn Stadt Ulm Stadt Aalen Backnang Böblingen Crailsheim Esslingen Göppingen Heidenhein Heilbronn Künzelsau Leonberg Ludwigsburg Mergentheim Nürtingen Öhringen Schw. Gmünd Schw. Hall Ulm Vaihingen Waiblingen Summe Wü.-Baden
Pers./ Raum 1939
Flfichtl.
Pers./ Raum 11.46
FlQchtl.
11.46
pro Raum 11.46
(1)
(2)
(3)
3.1948
Pers./ Raum 3.1948
Wohnd. Steig. %
(4)
(5)
(6)
(7)
1,25 1,25 1,53 1,21 1,48 1,21 1,42 1,48 1,46 1,24 1,11 1,18 1,14 1,35
11.058 9.492 3.353 640 10.254 18.695 22.650 25.466 13.708 16.444 6.075 23.395 22.010 183.240
0,092 0,067 0,020 0,017 0,136 0,355 0,250 0,239 0,130 0,363 0,130 0,375 0,328 0,164
1,43 1,52 1,91 1,74 1,93 1,73 1,91 1,79 1,75 1,86 1,66 1,92 1,61 1,73
15.327 11.315 9.025 962 10.828 18.787 24.108 27.649 14.966 17.174 6.600 24.651 22.731 204.123
1,55 1,64 2,11 1,90 1,99 1,74 1,99 1,85 1,83 1,86 1,69 1,93 1,61 1,84
24,0 31,2 37,9 57,0 34,5 43,8 40,1 25,0 25,3 50,0 52,3 63,6 41,2 36,3
1,16 1,22 1,26 1,09 1,13 1,26 1,08 1,12 1,07 1,08 1,16 1,03 1,12 1,23 1,11 1,08 1,00 1,10 1,07 1,08 1,19 1,12 1,14 1,21
6.811 737 2.547 26.107 12.352 20.012 9.142 31.479 31.418 16.350 19.615 6.376 10.993 28.186 9.075 25.106 7.591 19.615 8.642 14.472 11.580 29.522 347.726 530.966
0,015 0,016 0,048 0,251 0,187 0,275 0,169 0,255 0,204 0,213 0,162 0,246 0,197 0,178 0,256 0,279 0,200 0,261 0,179 0,224 0,213 0,233 0,168 0,167
1,31 1,53 1,53 1,44 1,43 1,63 1,40 1,46 1,32 1,41 1,48 1,50 1,42 1,35 1,47 1,50 1,40 1,39 1,38 1,40 1,50 1,35 1,40 1,51
16.926 1.367 4.063 31.468 15.071 23.384 12.134 36.076 38.851 20.076 22.709 7.677 13.185 41.533 10.244 29.128 9.023 24.380 10.725 16.618 13.417 34.660 432.735 636.858
1,46 1,65 1,66 1,52 1,47 1,69 1,47 1,52 1,40 1,49 1,54 1,52 1,48 1,48 1,58 1,54 1,45 1,50 1,49 1,46 1,54 1,43 1,50 1,61
25,9 35,2 31,7 39,4 30,1 34,1 36,1 35,7 30,8 38,0 32,8 47,6 32,1 20,3 42,3 42,6 45,0 36,4 39,3 35,2 29,4 27,7 31,6 33,1
Spalte (2) und (5): Zahl der Flüchtlinge. Spalte (1),(3),(4) u. (6): Durchschnittliche Personenzahl pro Ratini. Spalte (7): Steigerung der Wohndichte zwischen 1939 und 1948 in %. Quellen in Anmerkung 3 6 0 . 360
(1) Zahlen für die Verteilung der Flüchtlinge, HSTAST EA2/502-822a, (2) Flüchtlinge am 1.11.1946, in: Die Flüchtlinge und Evakuierten in Württemberg-Baden, Statistische Monats-
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
325
mit der neu festgesetzten Quote im September 1946 zwar zu korrigieren, an den bis dahin geschaffenen Fakten änderte das planerische neue Soll freilich wenig. Schon 1939 wies Nordwürttemberg offenbar eine geringere Wohndichte als Nordbaden auf, und dabei sollte es bleiben. Um "lediglich" knapp 32% erhöhte sich dort bis 1948 durchschnittlich die Belegung des vorhandenen Wohnraums. Kein Kreis erreichte annähernd den Verdichtungsgrad, den die ländlichen Kreise Nordbadens verzeichneten. Doch auch für Nordwürttemberg läßt sich das Bemühen belegen, die Kreise möglichst gleichmäßig mit den Wohnraumbeschlagnahmungen zu belasten. Schwankte die Anzahl der Personen pro Raum 1939 in den einzelnen Kreisen zwischen einer Person pro Raum im Landkreis Öhringen und 1.26 Raumbewohnern im Landkreis Böblingen und damit insgesamt um 26%, so reduzierte sich die relative Bandbreite bis 1948 auf knapp 21% zwischen dem am wenigsten verdichteten Kreis Göppingen (1.40) und dem am stärksten in Anspruch genommenen Kreis Böblingen (1.69). In der Regel war aber in Württemberg selbst in den Kreisen mit hohen Flüchtlingskontingenten durchschnittlich nicht mehr als ein Neubürger auf jeden vierten Raum unterzubringen. Somit darf man grundsätzlich davon ausgehen, daß die Wohnprobleme und damit wohl auch die Wohnkonflikte in Württemberg nicht das Ausmaß der badischen erreichten. Berücksichtigt man weiter, daß in Nordwürttemberg keineswegs die rein agrarisch strukturierten Landkreise mit besonders hohen Flüchtlingskontingenten belastet waren, so findet sich dann bereits ein erstes Indiz auch für die wirtschaftlich günstigeren Ausgangsbedingungen in Nordwürttemberg zu einem erfolgreichen Start der Heimatvertriebenen in der zwangsverordneten neuen Heimat. Auf welche Wohnverhältnisse trafen die Neuankömmlinge in den unterschiedlichen Ortstypen? Die württemberg-badischen Gemeinden wiesen auch im 20. Jahrhundert noch größtenteils die typischen Kennzeichen traditioneller Realteilungsgebiete auf. Weitaus mehr als in anderen Regionen Deutschlands verband sich hier außerlandwirtschaftliche Gewerbe- oder Industriearbeit mit Bodenbesitz. Auch das Ideal des Einfamilienhauses war in Württemberg-Baden vor Ausbruch des Krieges für breite Schichten verwirklicht,361 Für die Unterbringung der Flüchtlinge hatte die traditionelle Wohnstruktur vielfache Konsequenzen. Die Wohnverhältnisse galten insgesamt als relativ gut. 362 Doch ein Großteil der Wohngebäude war für die Wohnbedürfnisse einer Familie konzipiert und ließ sich nur schwer auf mehrere Haushalte aufteilen.
hefte 1-2/1947, S.12-14. (3) errechnet aus (2) und Datensatz Gemeindestatistik 1939/50, (4), (5), und (6) Aufstellung des Staatskommissariats für Flüchtlingswesen in Württemberg-Baden vom 25.5.1948, HSTAST EA2/801-71. (7) errechnet aus (1) und (6). Die in der Quelle befindlichen Rechenfehler wurden beibehalten. 3 6 1
MÜLLER/SIMON ( 1 9 5 9 ) S. 336.
362
Müller/Simon verleitete dieser Umstand zu dem Fehlurteil, nicht der Druck der Landesmilitärregierung, sondern die vergleichsweise günstigen räumlichen Bedingungen hätten die private Unterbringung der Flüchtlinge ermöglicht. Vgl. ebd. Beide kommen in ihrer Bewertung der württemberg-badischen Situation zum Ergebnis: Das Verständnis der Landbevölkerung für die Not der Vertriebenen schließlich hat dazu beigetragen, daß von katastrophalen Wohnverhältnissen der Flüchtlinge in diesem Lande nie etwas in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Ebd.
326
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Tabelle 41: Wohneigentum und Mietverhältnisse in Württemberg-Baden 1950 nach Ortstypen 1939 Gemeindetypen 1939 Gewerbe- Arbeiter- Misch- Klein- Grofigem. wohngem. gem. bäuerl. bSuerl. Gem. Gem. Haushalte/Wohnung Haushalte/Haus Miet-/Eigentümerwohnungen Eigentümerwohnungen/ Haus Wohnungen/Haus
Summe
1,48 2,57 2,23
1,44 2,13 1,73
1,41 1,87 1,49
1,50 1,80 1,36
1,72 1,96 1,31
1,51 2,01 1,56
0,74
0,84
0,88
0,87
0,86
0,85
1,73
1,49
1,32
1,21
1,15
1,34
Alle Angaben als Durchschnittswerte des jeweiligen Gemeindetypus. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
Wie Tabelle 41 zeigt, waren selbst 1950, auf dem Höhepunkt der räumlichen Verdichtungsprozesse, durchschnittlich nur 1.6 Wohnungen bzw. 2 Haushalte pro Haus für Württemberg-Baden kennzeichnend. Dies konfrontierte viele Neubürgerfamilien in ihren beengten Wohnverhältnissen gerade in den ländlichen Gemeinden nicht einfach nur mit den weniger beengten Wohnbedingungen anderer Wohnungsinhaber, sondern führte häufig zu einer harschen Zweiteilung der Haushalte in kleine geduldete Flüchtlingsbehelfswohnungen innerhalb großzügiger bemessener Eigentümerwohnungen und -häuser. Deren Besitzer dürften mit größe-rem Selbstbewußtsein, als dies bei Mietern zu vermuten wäre, den Eingewiesenen ihre Stellung verdeutlicht haben: den Status des Eindringlings. Natürlich hingen derartige Erfahrungen vom Grad der Verstädterung bzw. von der Größe der jeweiligen Gemeinde ab. Besonders eng waren "besitzende" Altbürger und besitzlose Neubürger in den kleinen Orten miteinander konfrontiert (Tabelle 42). Solche "verschärften" Wohnverhältnisse prägten immerhin die Erfahrungen von mehr als einem Drittel der Neubürger, die in Orten mit weniger als 2.000 Einwohnern lebten. Lediglich rund 15% der Flüchtlinge erlebte eine vergleichsweise anonymisierte Wohnsituation in den größeren Städten des Landes. Deutliche Konfrontation mit den besseren Wohnverhältnissen der Einheimischen, verstanden als räumliche Nähe zum Hausbesitzer im Einfamilienhaus, dies kennzeichnete überdies besonders die Erfahrungen der Neubürger in den agrarisch geprägten Regionen des Landes, die für die wirtschaftliche Eingliederung besonders
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem Tabelle 42: Wohneigentum und Mietverhältnisse Gemeindegrößeklasse 1945
327
in Württemberg-Baden
1950
nach
GemeindegrSBeklasse 1945 -1000 -2000 -5000 -10000 -50000 -100000 >100000 Summe Einw. Einw. Einw. Einw. Einw. Einw. Einw. Haushalte/Wohnung Haushalte/Haus Miet-/Eigentümerwohnungen Eigentümerwohnungen/ Häuser Wohnungen/Haus
1,55 1,87 1,39
1,45 2,01 1,59
1,43 2,23 1,88
1,47 2,78 2,43
1,55 3,56 3,22
1,57 4,67 5,17
1,54 5,01 5,53
1,51 2,01 1,56
0,86
0,86
0,83
0,72
0,60
0,26
0,32
0,85
1,22
1,39
1,61
1,89
2,29
2,97
3,27
1,34
Alle Angaben als Durchschnittswerte der jeweiligen Gemeindegrößeklasse. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
Tabelle 43: Wohnverhältnisse in den Regionen Württemberg-Badens 1950 Vertriebene Haus./ wohn. mit Regelmietvertrag % (2) (1)
Eigent./ Haus
Wohn./ Haus
(3)
Miet./ Eigent.wohn. (4)
(5)
(6)
Haush./ Haus
Nordwurttemberg Großstadt. Reg. Stadtumland Industrieregion Mischregion Ländl. Region
23,5 22,5 24,2 26,7 28,3
1,50 1,43 1,52 1,49 1,55
4,37 2,10 2,01 1,96 1,91
4,23 1,66 1,59 1,55 1,44
0,55 0,88 0,83 0,84 0,86
2,28 1,46 1,35 1,34 1,25
Nordbaden Großstadt. Reg. Stadtumland Mischregion Ländl. Region
27,6 31,1 28,3 22,1
1,56 1,48 1,38 1,60
4,85 2,25 1,98 1,95
5,45 1,87 1,70 1,43
0,26 0,81 0,84 0,85
3,12 1,55 1,45 1,24
Summe
25,2
1,51
2,01
1,56
0,85
1,34
Alle Angaben als Durchschnittswerte der Gemeinden der jeweiligen Region. Quelle: 1939/50.
(1) STATISTISCHES BUNDESAMT ( 1 9 5 3 )
S.
130FF.
Sonst.: Datensatz Gemeindestatistik
328
Abb. 20
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
Wohnen als soziogeographisches Strukturproblem
329
ungünstig waren (Tabelle 43 und Abb. 20).363 Bildet man nach dem Grad der gewerblichen Durchmischung Wirtschaftsregionen in Württemberg-Baden, dann wird augenscheinlich, wie auf dem flachen Land berufsfremde Arbeit in der Landwirtschaft oder Arbeitslosigkeit und Wohnungsmisere den Alltag der Neubürger prägten.364 Über alle regionalen Unterschiede hinweg erscheint das Wohnungsproblem der Flüchtlinge bis 1950 auch im rechtlichen Sinne als wenig gelöst. Tabelle 43 belegt, daß bis 1950 bestenfalls ein Viertel der Flüchtlingshaushaltungen mit dem Abschluß eines Mietvertrags ein geregeltes Mietverhältnis fur eine sogenannte Normalwohnung erreichte; über den vorhandenen Platz wie über die Arbeitsmöglichkeiten vor Ort sagt freilich auch ein Regelmietvertrag wenig aus. Zu Beginn des Jahres 1949 zog die Intelligence und Reports Division Bilanz über das bisher Geleistete in der Wohnungsfrage: Im Vergleich mit 1939 habe das Land Württemberg-Baden vermutlich 30% weniger Wohnraum und 20% mehr Bevölkerung. This situation has created the most serious social problem facing the Germans today.365 Man empfahl zur Lösung außer radikalen Änderungen in den Baumethoden, der sofortigen Einstellung aller Exporte und der Aufnahme von Importen an Baumaterialien sowie der Erleichterung des Kreditwesens vor allem zwei Maßnahmen: Vigorous but fair application of all provisions of housing law No. 18 by the German authorities und active, direct and forceful supervision of German authorities by Military Government in the execution of this program}66 Es liege im direkten Interesse der Militärregierung, das Wohnungsproblem grundlegend zu lösen. Inadequate housing is today producing increases in tuberculosis, increases in juvenile and adult delinquency and immorality, serious psychological barrieres which depress German morale and are negatively affecting the productive capacity of workers. The ineffective application of democratic concepts seeking an adequate solution in the housing problem is a direct reflection upon the integrity and good will of the Occupation Forces and as such is not in the best interest of US government,367 Die vorgeschlagenen Maßnahmen - insbesondere die geforderten Wohnraumumsetzungen zum Zwecke der gleichmäßigeren Wohnraumverteilung und verstärkte Interventionen seitens der Besatzer - waren 1949 jedoch längst nicht mehr durchsetzbar. Wieviel Optimismus die Einschätzungen der einschlägigen Experten 1948 dennoch prägte, läßt sich an Bettingers Prognosen ablesen. Er ging von einer Lösung des Wohnungsproblems innerhalb von 5 Jahren aus.368 Mit den Sonderwohnungsbauprogrammen der 50er Jahre erfolgte ein erster Schritt zumindest für die wohnliche Ent-
363 Zur Definition der Wirtschaftsregionen vgl. Kapitel 7.3. 364 V g l a u c h Tabelle 55 und 58. 365 TrendSl Conditions & Problems in Wuerttemberg-Baden, A Special Dossier vom 17.1.1949, RG 260 OMGWB 3/411-3/10. 366 Ebd.
367
Ebd.
368 Diary R & DP Section vom 6.1.1948, Konferenz Campbells mit Bettinger, RG 260 OMGWB 12/76-2/4.
330
Die Flüchtlinge und das Wohnungsproblem
lastung der Gemeinden und Flüchtlinge. Von einer "Lösung" des Wohnungsproblems wie der aufgeworfenen sozialen und wirtschaftlichen Folgeerscheinungen der Zwangswanderung war man indes auch Ende der 50er Jahre noch weit entfernt.
7.
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederang der Flüchtlinge
Die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge, so Uwe Kleinert, umfaßt drei Komponenten: Erstens stellt sie einen zweiseitigen Prozeß dar, der vom Eingliederungsverhalten der Flüchtlinge und den Aktivitäten der aufnehmenden Gesellschaft, vor allem dem Eingliederungsverfahren des Staates abhängig ist. Zweitens beschreibt sie ein Ziel, nämlich einen gleichwertigen Einbau in den Wirtschaftsund Arbeitsprozeß, der sich an den früheren Verhältnissen der Flüchtlinge und den gegenwärtigen Bedingungen der Einheimischen orientiert. Drittens umfaßt der Gegenstand der wirtschaftlichen Eingliederung aber auch die Wirkung der Flüchtlinge auf die wirtschaftliche Entwicklung der aufnehmenden Gesellschaft.1 Die einschlägige Forschung hat bisher nur wenige Studien vorgelegt, welche die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Zwangswanderung auf Aufhahmegesellschaft und Flüchtlingsbevölkerung, auf Anpassung und Eingliederung im Wechselspiel zwischen Einheimischen und Flüchtlingen1 in den Mittelpunkt rücken.3 Die meisten einschlägigen Arbeiten stammen aus den 1950er Jahren, aus der Zeit mithin, in der diese "Integration" erst im Sinne der beruflich-sozialen "Eingliederung" und auch hier zum Teil erst in sehr äußerlichen, mehr den selbstgefälligen Vorstellungen der Aufnahmegesellschaft als der sozialökonomischen Bedürfnisstruktur der erwerbsfähigen Flüchtlingsbevölkerung entsprechenden Formen als "abgeschlossen" gelten konnte.4 Ihr Hauptgewicht legte insgesamt die Forschung zur ökonomischen Eingliederung der Neubürger auf die aus dem Blickwinkel der Aufhahmegesellschaft gestellte Frage nach der Bedeutung des Flüchtlingsstroms für die wirtschaftliche Entwicklung der BRD, eine Fragestellung, die angesichts des westdeutschen Wirtschaftswachstums allzuschnell die Sicht auf die wirtschaftliche Lage der Flüchtlinge im ersten Jahrzehnt nach der Vertreibung verstellte.5 Forschungsergebnisse zum ökonomischen Eingliederungsprozeß aus der Perspektive der Flüchtlinge fehlen nahezu ganz.6 Insbesondere die neuerdings wieder aufgegriffene Frage, inwieweit es sich bei der wirtschaftlichen Integration der Neubürger um einen Unterschichtungsprozeß handelte, bei dem die einheimische Bevölkerung quasi per Unterschichtung durch die Flüchtlingsbevölkerung einen sekundären Aufstieg vollzog, ist bisher, empirisch gesichert, gerade für die hauptsächlich mit der Flüchtlingsaufnahme belasteten Länder unbeantwortet7. 1
2 3
4
^ 6 7
KLEINERT (1988) S. 10. Kleinert legte die erste detaillierte Studie zur wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge am Beispiel eines Bundeslandes (Nordrhein-Westfalen) vor. BREUE-LEWIEN (1987) S. 25. Zum Forschungsstand vgl. AMBROSIUS (1987), WIESEMANN (1985) und KLEINERT (1988) S. 9 -16 und die grundlegenden Arbeiten von ARNDT (1954) und ABELSHAUSER (1975). BADE (1987) S. 146. Zum neueren einschlägigen Forschungsstand BAUER (1987). Als Grundlage für die Einschätzung der wirtschaftlichen Konsequenzen der Zwangswander u n g g e l t e n EDDINO (1952) u n d EDDING (1959). BREUE-LEWIEN ( 1 9 8 7 ) S. 29. KLEINERT (1988) bekräftigt
die These von der Unterschichtung, obwohl die seiner Studie zugrunde liegende Region eher ein Ziel der Sekundärwanderung der Flüchtlinge darstellte, damit ein Bundesland, das überwiegend die wanderungswilligen und
332
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Deutlicher als die rechtliche und wohnliche Eingliederung der Neubürger ist die wirtschaftliche Integration des neuen Bevölkerungsteils als Prozeß zu beschreiben, der eigentlich mit Macht erst nach 1948 einsetzte. Die hier vorgelegte Studie, die sich nur mit den ersten Jahren nach Kriegsende beschäftigt, kann daher zu den mittel- und langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Zwangswanderung auf Flüchtlinge, Einheimische und Aufnahmegesellschaft letztlich nur wenig beitragen. Um so mehr rücken administrative Vorgaben und Steuerungsmaßnahmen auf deutscher und amerikanischer Seite in den Vordergrund, mit deren Hilfe Startbedingungen fur die Aufnahme in die bundesdeutsche Gesellschaft geschaffen wurden. Wie noch zu zeigen sein wird, handelte es sich um Weichenstellungen, die letztlich prägend für die Diversifizierung der Neubürger in den 50er Jahren in mobile, schnell eingliederungsfähige Junge und in das agrarische Hinterland "verbannte" Ältere, alleinstehende Frauen und Familien ohne traditionellen Ernährer waren - Weichenstellungen, die um den Preis der Unterschichtung zumindest großer Teile der älteren Neubürger die Assimilation der Flüchtlinge an die Aufhahmegesellschaft und die Vermeidung politisch offen ausgetragener Umverteilungskämpfe in den Vordergrund stellten.8
7.1.
Zwischen Assimilationsdiktat und Eingliederungsunterstützung: amerikanische Lösungswege zur Bewältigung der Flüchtlingsnot
Die wirtschaftliche Lage der Flüchtlinge und ihre beruflichen Eingliederungsbedingungen in die deutsche Gesellschaft der Nachkriegszeit gehörten keineswegs zu den bevorzugten Themen der Besatzer. Überlegungen zur ökonomischen Lage der Flüchtlinge ordnete man grundsätzlich dem Assimilationsdiktat unter. Den Berliner Vorstellungen zur Verhinderung jeglicher Separierungstendenzen folgend, waren die OMGUS-Vorgaben eindeutig:9 1. Räumliche Flüchtlingsballungen galt es zu verhindern. Dies führte unter der Verantwortung Campbeils in Württemberg-Baden dazu, daß der regionalen Streuung der Flüchtlinge stets mehr Gewicht als ihrer Eingliederung in den Arbeitsprozeß beigemessen wurde. 10
8
9 Ό
wanderungsfáhigen Flüchtlinge, also wirtschaftlich leicht Einzugliedernde aufnahm. Karl Martin Bolte stellte 1959 in seiner soziologischen Untersuchung zu sozialem Aufstieg und Abstieg fest, es mute seltsam an, daß nach 1945 nur vereinzelt Versuche unternommen wurden, die ablaufenden Mobilitätsvorgänge systematisch zu erforschen. Mehr als einmal wurde von ausländischen Wissenschaftlern die Frage gestellt, warum in einem Lande mit nahezu Laboratoriumsbedingungen im Bereich gesellschaftlicher Bewegungen - man denke an den über Jahre sich hinziehenden Zustrom von Menschen und die Umsiedlung - diesem Forschungsgebiet so wenig Beachtung gewidmet wurde. BOLTE (1959) S. 1. Vgl. die entsprechenden Stichprobenergebnisse bei BOLTE (1959). Zu den grundsätzlichen Vorgaben vgl. Kapitel 3.3. Vgl. hierzu die Auseinandersetzung um den Fliegerhorst Wertheim, Kapitel 6.1.4. Die hier verordnete "Zwangsentmischung" der Flüchtlingssiedlung brachte zumindest auch weitere Wege an den Arbeitsplatz mit sich, wenn sie nicht sogar den Ausbau der dort bereits angesiedelten Flüchtlingsbetriebe erschwerte.
Zwischen Assimilationsdiktat und Eingliederungsunterstützung
333
2. Die Flüchtlinge waren durch keinerlei Sonderprogramme von der übrigen Bevölkerung abzutrennen. Bedurfte es wirtschaftlicher Stützungsmaßnahmen, dann sollten sie keinesfalls als Flüchtlingsprogramme ausgewiesen werden. Angesichts der begrenzten ökonomischen Ressourcen und des weitverbreiteten Desinteresses an der Flüchtlingsfrage in der deutschen Öffentlichkeit stießen die Besatzer mit dieser Vorgabe auf wenig Widerstand. 3. Den Neubürgera war jedoch die gleichberechtigte Teilnahme am Wirtschaftsleben zu gewährleisten. Für die rechtliche Absicherung dieser Vorgabe sorgte die Militärregierung;11 um ihre faktische Umsetzung sollten zahlreiche kleinere Auseinandersetzungen zwischen Besatzern und Besetzten die wenigen Jahre bis zur Gründung der Bundesrepublik kennzeichnen. Erst mit den Auswirkungen der Währungsreform und der steigenden Arbeitslosigkeit der Neubürger 1948 entwickelte sich die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge allmählich zum eigenständigen Beobachtungs- und Diskussionsgegenstand innerhalb der Militärregierungsinstanzen. Es bedurfte jedoch der drohenden separaten politischen Organisation der Neubürger, um der Frage ihrer wirtschaftlichen Eingliederung entsprechendes Gewicht zu verschaffen. Tatsächlich deutete zu Beginn der organisierten Ausweisungstransporte nichts darauf hin, daß sich im Laufe der Jahre die wirtschaftliche Einbindung der Flüchtlinge zum Problem entwickeln könnte. Alle Anstrengungen der Sonderflüchtlingsbehörden wie der Public Welfare & DP Branch der Landesmilitärregierung waren vorderhand darauf gerichtet, die unmittelbare Aufnahme der Ankömmlinge, ihre Versorgung mit privatem Wohnraum und den grundlegenden Bedarfsgütern organisatorisch zu bewältigen. Den Assimilationsvorgaben der Berliner Zentrale entsprechend, sorgte die Landesmilitärregierung fur die möglichst gleichmäßige Streuung der Zwangswanderer. Ob die neue Bevölkerung an den Aufnahmeorten auch Arbeit finden könne, schien angesichts des akuten Arbeitskräftebedarfs eher zweitrangig zu sein und beschäftigte die Zentrale der amerikanischen Militärregierung in Berlin, aber auch die Landesmilitärregierung bis Anfang 1947 nur am Rande. Als sich nach Ende der Transporte abzuzeichnen begann, daß von einer schnellen Eingliederung der Ankömmlinge in den Arbeitsprozeß keine Rede sein konnte, reagierte die Militärregierungsbürokratie eher irritiert und ohne Lösungskonzepte. Daß der eingeschlagene Weg zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Flüchtlinge nicht ausreiche, konstatierte auch der engagierte für Württemberg-Baden zuständige Refugee-Officer Campbell erst Ende 1946, als die meisten Flüchtlinge bereits auf die Kreise und Gemeinden verteilt waren. Die soziale Lage der Flüchtlinge sei äußerst angespannt, berichtete er nach Berlin. In spite of Military Government insistance that the minimum basic necessities of living be provided all of these new citizens on a standard no less than available to the local populations, the extremely limited material resources, the lack of time and in some cases inefficient administrators have complicated this problem to the point, where it may become the major factor in preventing the development of a stable and Vgl. die Auseinandersetzungen um das Flüchtlingsgesetz, Kapitel 4.4.
334
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
peaceful Germany.12 Die Kosten der Fürsorgeinstanzen stiegen beträchtlich due to the movement of expellees, infiltrees, and refugees into this Land, the majority of which were dependent people and the inability of industry and agriculture to absorb all of the available unemployedI13 Die Flüchtlinge seien nicht nur schlechter ausgestattet als die übrige Bevölkerung, auch ihre Arbeitsverhältnisse gestalteten sich sehr viel unsicherer als die der Altbürger. Für den Winter erwarte er eine weitere Verschlechterung der Lage. Farmers and other employers find less use for laborers and are therefore less tolerant of unproductive strangers in their communities.14 Und er warnte, the social assimilation of these people and their activity as citizens will be the final measure of success of the policy developed by Military Government,15 Campbell begleitete auch 1947 die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge mit wachen Augen. Er berichtete, daß häufig der Ernährer der Familie fehle und die Altbürger wenig Bereitschaft zeigten, die Neubürger gleichberechtigt in das Berufsleben zu integrieren. Insgesamt sei Arbeitslosigkeit bei den Flüchtlingen weitaus häufiger als bei den Altbürgern anzutreffen. Complaints of discrimination by labor offices and licensing bureaus have frequently been filed by expellees artisans and trademen. In general there is evidence of opposition to the policy of giving the new citizens an equal opportunity with indigenous workers. Flagrant cases referred to the proper supervising Military Government offices,16 Angesichts des Assimilationsdiktats wußte indes auch Campbell keine Lösung für die anstehenden wirtschaftlichen Probleme, und in Berlin scheint man die Einschätzung des württembergbadischen Flüchtlingsoffiziers auch nicht geteilt zu haben. Dort trafen ähnliche Berichte aus Bayern und Hessen ein. Sie führten zu den bereits beschriebenen Interventionen Clays beim Länderrat,17 ließen aber in Berlin keinerlei Zweifel an den Vorgaben zur wirtschaftlichen Eingliederung der Neubürger entstehen. Die Nachrichten zur ökonomischen Lage der Flüchtlinge dienten jedoch im Sommer 1947 Murphy zu einem umfassenden Bericht an das State Department zum Eingliederungsstand. Murphy empfand die Informationen aus den Ländern unter ökonomischen Gesichtspunkten keineswegs alarmierend, obwohl die Flüchtlinge Mitte 1947 trotz des herrschenden Arbeitskräftemangels fast die Hälfte aller Arbeitslosen stellten. Den geringen Fortschritt in der Eingliederung der Flüchtlinge in den Arbeitsprozeß erklärte er sich zu Recht durch die ungünstige Verteilung der Ankömmlinge and also because the German economy has not revived sufficiently to absorb them in greater numbers.18 Bauern und Landarbeiter stellten die größte Gruppe unter den Neubürgern, und es sei entmutigend, daß sie den Großteil der Arbeitslosen aus12
13 14 15 16 17
Summary and Synopsis für den Zeitraum vom 1.7.-31.12.1946 der Public Welfare Branch, RG 260 OMGWB 12/27-1/1. Ebd. Ebd. Ebd. Halbjahresbericht für das 1. Halbjahr 1947, RG 260 OMGWB 12/17-1/15. Vgl. Kapitel 3.3. Memo Murphys on the situation of ethnic German expellees from Cechoslovakia and Hungary vom 25.6.1947, RG 260 OMGUS POLAD 458/3.
Zwischen Assimilationsdiktat und Eingliederungsunterstützung
335
machten. Mit sichtlicher Distanz bemängelte er die fehlende Bereitschaft der ehemaligen selbständigen Bauern, sich nunmehr als Landarbeiter ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wo immer möglich, habe man die Flüchtlinge zum Aufbau eigener Industriebetriebe ermutigt, doch es fehle grundsätzlich an Rohstoffen. Gänzlich unbefriedigend sei die berufliche Eingliederung der Freiberufler geblieben, die am Widerstand der einheimischen einschlägigen Berufsverbände scheitere despite the theoretical equality of opportunity guaranteed them in the Expellee Law.19 Im Bereich des Groß- und Kleinhandels verhindere eine restriktive deutsche Zulassungspolitik die Eingliederung der Flüchtlinge. Insgesamt war er jedoch mit dem bisher Erreichten recht zufrieden. Despite the unfavorable unemployment statistics, a better beginning towards absorption has been made than was originally anticipated20 Die gegenwärtigen deutschen Regierungen der amerikanischen Zone hätten sich damit abgefunden, daß die Flüchtlinge im Lande bleiben würden. Das kurzfristige Problem der Unterbringung und Erstaufnahme sei erfolgreich gelöst. Auch erscheine es wahrscheinlich, daß die geforderte Assimilation, the task of material absorption, letztlich erreicht werde. Doch Murphy warnte auch vor den politischen Konsequenzen der generell sich abzeichnenden wirtschaftlichen Misere und der Verarmung der Flüchtlinge. Absorption has come to mean approximation in an equal sharing of hardships,21 Man habe sich vergebens bei den Ausweisungsländern darum bemüht, den Besitz der Flüchtlinge zumindest teilweise freizugeben. It is left open to the German authorities or later German Government to compensate the expellees for their losses, but it remains to be seen whether any German authority would be able to put forth the necessary funds beyond those which they are at present expending to insure the expellees a minimum existence.22 Man müsse sich grundsätzlich über eines im klaren sein: Die Zwangseinweisung einiger Millionen zusätzlicher Menschen in eines der überbevölkerten Länder Europas könne die politisch explosive deutsche Situation nur verschärfen. Die Flüchtlinge würden sich zukünftig politisch den Gruppierungen zuwenden, die ihnen am meisten hinsichtlich einer Entschädigung ihrer Verluste versprächen. It is true that the Germans brought upon themselves the misfortune of the forced transfers but at the same time there can be no certain guarantee that they will be the only ones to bear the ultimate consequences,23 Damit wies Murphy schon im Sommer 1947 auf eine drohende Entwicklung hin, die im folgenden Jahr die Berichte der von der Militärregierung eingeladenen "visiting experts" bestätigen sollten.24 Es ist den Militärregierungsakten nicht zu entnehmen, ob und inwieweit Murphys Einschätzung Amerikas Bereitschaft, Deutschland im Marshallplan zu berücksichtigen, beinflußte.25 Auswirkungen auf die 19 Ebd. 20 Ebd. 21 Ebd. 22 Ebd. 23 Ebd. 24 Vgl. Berichte der "visiting experts", Kapitel 3.4. 25 Zur Klärung wäre die Einsicht der einschlägigen Akten des State Departments von Nöten; dies war im Rahmen dieser Studie nicht zu leisten.
336
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Richtlinien der Militärregierung zur wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge innerhalb der amerikanischen Besatzungszone zeigte die Analyse des Verbindungsmanns zwischen Militärregierung und State Department mit Sicherheit nicht. Zwar häuften sich 1948/49 die Informationen über die wachsenden wirtschaftlichen Probleme der Neubürger,26 was die Besatzungsmacht zu akribisch geführten statistischen Erhebungen über die Flüchtlingsarbeitslosigkeit veranlaßte.27 Doch bis nahezu zum Ende der Besatzungszeit blieb die Militärregierung in den selbst gesetzten Beschränkungen gefangen. Am Beispiel eines von deutscher Seite aufgelegten Sonderprogramms und anhand der württemberg-badischen Flüchtlingsberufstätigkeit und -arbeitslosigkeit sei der enge Handlungsspielraum, den die Besatzer der wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge setzten, genauer veranschaulicht.
7.1.1.
Die wirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft für das Flüchtlingswesen
Die Diskussion über die Notwendigkeit etwaiger Sonderprogramme zur wirtschaftlichen Unterstützung und Eingliederung der Flüchtlinge entzündete sich innerhalb der Landesmilitärregierung anläßlich des vom württembergischen Staatskommisariat eingeforderten "Flüchtlingsplans" im Frühsommer 1946.28 Wie Stockinger der Militärregierung im Rahmen seines allgemeinen Rechenschaftsberichtes mitteilte, war man in Württemberg schon seit einigen Monaten bemüht, die dringend benötigten Arbeitskräfte aus Flüchtlingskreisen zu requirieren. Doch der normale Arbeitseinsatz als landwirtschaftliche Arbeiter oder in Industrie, Gewerbe und Handel usw. durch die Arbeitsämter war nicht mit dem gewünschten Erfolg im Gange.29 Dies schien dem Flüchtlingskommissar angesichts der seiner Meinung nach in Flüchtlingskreisen schlummernden Potentiale insbesondere auf dem Gebiet von Heimarbeit und Handwerk recht unbefriedigend. Um die Eingliederung der Flüchtlinge in den Arbeitsprozeß zu erleichtern, hatte Stockinger das Konzept einer genossenschaftlich organisierten wirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft entwickelt, die gleich mehrere Ziele verfolgte:30 Sie sollte die Wiederbeschäftigung der Flüchtlinge im erlernten Beruf und die Gründung selbständiger Flüchtlingsbetriebe erleichtern, daneben aber auch für die Produktion rarer Bedarfsgüter auf genossenschaftlicher Basis sorgen. Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft sei es, in Produktionsgemeinschaften oder sonstigen Gesellschaften mit gemeinnützigem Charakter eine bodenständige HeimGewerbe-Industrie zu schaffen, die bisher in diesem Lande nur schwach oder nicht
26 27
28 29
Vgl. die Berichte der "visiting experts", Kapitel 3.4. Seit Anfang 1947 erstellte die amerikanische Militärregierung eine monatliche Arbeitsmarktstatistik. Vgl. Kapitel 5.1. Deutscher Flüchtlings-und Ausgewiesenenplan vom 10.5.1946, RG 260 OMGWB 12/22-1/31. Zu den Hintergründen seines diesbezüglichen Gedankenguts und der einschlägigen internen Diskussion in den Ministerien vgl. MÜLLER, Roland (1993) S. 360 ff. Vgl. auch Bericht Stockingers: Die wirtschaftliche Seite des Flüchtlingsproblems, HSTAST EA2/801-86.
Die wirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft für das Flüchtlingswesen
337
vertreten waren.31 Innenminister Ulrich hatte im April 1946 offiziell die Gründung der von evangelischem Hilfsverband und Caritas unterstützten wirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für das Flüchtlingswesen GmbH bekannt gegeben und den Landkreisen die Mitarbeit empfohlen.32 Wie er die württembergischen Landräte und Oberbürgermeister wissen ließ, trug er damit den vielseitigen Wünschen aus Flüchtlingskreisen und mithelfenden Verbänden Rechnung.33 Kapital für die Genossenschaft hatte das Innenministerium allerdings nicht zur Verfügung gestellt. Auch die formale Gründung ließ angesichts interministerieller Kompetenzstreitigkeiten auf sich warten. Stockinger besorgte sich inzwischen recht einfallsreich, aber eigenmächtig und rechtlich nicht abgesichert die notwendigen Mittel durch den Einzug von Verwaltungsgebühren für das Erstellen von nirgends legitimierten Flüchtlingsausweisen, die er der Wirtschaftsgemeinschaft zuführte.34 Trotz der keineswegs gesicherten Finanzierung der Genossenschaft und des noch fehlenden Gesellschaftsvertrags war ihr Aufbau im Frühsommer 1946 schon zügig vorangeschritten, ohne daß die Konstruktion den Besatzern sonderlich aufgefallen wäre. Innerhalb eines Vierteljahres hatte Stockinger Waren im Wert von über 600.000 Reichsmark zur Ausstattung der Kreisflüchtlingslager und Erstausstattung der Flüchtlinge bei über 50 Firmen im Großraum Stuttgart erstanden und mit 20% Aufschlag an die württembergischen Landratsämter verkauft, angesichts des herrschenden Mangels an Gütern und Ressourcen eine erstaunliche Leistung. Den Überschuß von knapp 150.000 Reichsmark gedachte er zusammen mit den eingezogenen Gebühren für die Flüchtlingsausweise zum Aufbau von Flüchtlingsbetrieben zu verwenden.35 Damit hatte die reichlich unkonventionell organisierte Institution bereits recht tatkräftig zumindest in die Versorgung der Flüchtlinge eingegriffen. Nunmehr im Rahmen des erwarteten Konzepts zur Flüchtlingseingliederung offiziell mit der Arbeitsgemeinschaft konfrontiert, erhob die Militärregierung sofort Widerspruch. The creation of special employment such as establishment of manufacturing should not be undertaken. Existing production facilities should be increased thru public contract utilizing unemployed reasons, erklärte Major Starr, Director der Interior Division der Landesmilitärregierung, kategorisch36, und in diesem Sinne fiel auch ein Schreiben an Ministerpräsident Maier aus, in dem die Landesmilitärregierung ihre Vorstellungen differenzierter, als bisher üblich, offenlegte:37 Ausgehend von dem grundlegenden Zweck der Flüchtlingsarbeit, to have these German expellees and refugees absorbed by the present population, accepted and cm equal basis without prejudice or discrimination so that there shall be no differentiation between these Germans and the general population, sei auch keiner-
31 32 33 34
36 37
Ebd. Erlaß des Innenministeriums Nr. 32 vom 23.4.1946, RG 260 OMGWB 12/22-1/7. Ebd. Vgl. Kontrollberichte 4.1. Vgl. Niederschrift über die Prüfung der Betätigung des Flüchtlingsreferats beim Innenministerium, HSTAST EA2/801-97. Schreiben Starrs an Col. Winning vom 11.6.1946, RG 260 OMGWB 12/22-1/31. Vgl. Kapitel 5.1.
338
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
lei Sonderbehandlung der Flüchtlinge im Arbeitsbereich erwünscht.38 Mit Ausnahme der Organisation von Heimarbeit in Flüchtlingskreisen no special cooperative societies for expellees should be forster ed.^9 Es sei keine gesonderte Flüchtlingsindustrie zu etablieren, und auf spezielle Stützungsprogramme zur Integration der Flüchtlinge sei sowieso zu verzichten. Das Schreiben führte explizit aus, wie die Eingliederung der Neubürger in den Arbeitsprozeß dennoch unterstützt werden könne. Existing facilities should be increased through public contract utilizing unemployed expellee labor.40 Wenn es darüber hinaus spezieller training programs bedürfe, dann seien diese eben nicht als gesonderte Flüchtlingsprogramme auszuweisen. So far as possible expellees should be included in appropriate programs established for the general population,41 Damit begann sich das Ende der Arbeitsgemeinschaft abzuzeichnen.42 Stockinger versuchte zwar noch mit Unterstützung des Wirtschaftsministeriums ein Einlenken der Besatzer zu erreichen.43 Doch die Militärregierung war nicht verhandlungsbereit. Innerhalb der Landesmilitärregierung ließ Campbell untersuchen, was von der Arbeitsgemeinschaft zu halten sei. Die Economic Division empfahl ihm, das Unternehmen genauestens zu prüfen. It is suggested that the work of the organization be reviewed by your Branch in coordination with the Ministry of Interior. Such a review would afford proper basis for a policy decision as to whether: a) The organization is performing valuable work which cannot be properly carried out by preexisting governmental agencies. b) Operational emphasis is upon assimilation or separation,44 Campbell hielt sich angesichts der sichtbaren Verletzung des Assimilationsdiktats mit einer intensiveren Untersuchung nicht mehr auf. Im Oktober notierte der Refugee Officer befriedigt, daß die Arbeitsgemeinschaft, die nie offiziell etabliert worden sei, nun endgültig ihre Arbeit aufgegeben habe. Ca. 50 bis 60 kleine Firmen, die Einrichtungsgegenstände herstellten, seien aus der Verantwortung des 38
39 40 41
43
44
Erste Fassung des Schreibens von Dawson an Reinhold Maier, RG 260 OMGWB 12/22-1/31. Die Endfassung vom 22.6.1946 ist in den Zitaten gleichlautend; vgl. RG 260 OMGWB 12/631/7. Ebd. Ebd. Ebd. Stockinger versuchte die Arbeitsgemeinschaft zwar noch mit Unterstützung des vormaligen Wirtschaftsministers André zu retten, doch vergeblich. Vgl. Gespräch Stockinges mit Campbell vom 16.7.1946, HSTAST EA2/801-86, Gesellschaftsvertragsentwurf und Schreiben Andrés vom 15.7.1946, RG 260 OMGWB 12/22-1/7. Vgl. Schreiben des Innenministeriums an OMGUS vom 15.7.1946 unter Beilage eines Briefes des Wirtschaftsministers vom 2.5.46; vgl. auch Schreiben Busses, Mitarbeiter des Staatskommissariats, vom 16.7.1946, RG 260 OMGWB 12/22-1/7. Vgl. Schreiben Aschers, eines Mitarbeiters des Staatskommissariats, an Stockinger vom 1.7.1946: Der tägliche Geschäftsgang in der wirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft zeigt immer deutlicher, daß eine Weiterarbeit ohne Bestehen eines rechtsgültigen Fundaments nicht mehr möglich ist. [...] Wir stehen seit Ende März 1946 mit Flüchtlingen, die zur Beschaffung von Arbeitsmöglichkeiten Flüchtlingsproduktionsstätten einrichten wollen, in Unterhandlungen. [...] Die Füchtlinge drängen nunmehr auf Einlösung der ihnen gegebenen Versprechen. HSTAST EA2/801-86. Schreiben der Econ. Division an Campbell vom 13.8.1946, OMGWB 12/22-1/7.
Die Grenzen des Aitoeitsmarktes und die Geweibefreiheit
339
Flüchtlingskommissariats genommen und unter Aufsicht des Wirtschaftsministeriums gestellt worden. All of these companies are privately financed and draw the labor from the Arbeitsamt, where refugees and expellees have priority only to the extent of their individualized skill.45
7.1.2.
Berufliche Eingliederung der Flüchtlinge - die Grenzen des Arbeitsmarktes und die Gewerbefreiheit unter amerikanischer Beobachtung
Mit dem Ende der organisierten Ausweisungstransporte begann sich das Interesse der amerikanischen Besatzungsmacht von der räumlichen Unterbringung allmählich auf das Thema der beruflichen Eingliederung der Flüchtlinge zu verlagern. Seit 1947 forderte OMGUS von den Landesarbeitsämtern regelmäßig Daten zur beruflichen Beteiligung der Neubürger am Arbeitsgeschehen ein. Angesichts des allgemein beobachteten Fehlens qualifizierter Arbeitskräfte und der herrschenden Arbeitspflicht stand dabei die Frage im Vordergrund, ob und wieviele Flüchtlinge in den Arbeitsprozeß überhaupt eingegliedert waren. Die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse, der Zusammenhang zwischen vormaligem beruflichem Status in den Ausweisungsländern und jetziger Beschäftigung oder Überlegungen zum aktuellen und zukünftigen Einkommen konnten nach Auffassung der Besatzer durchaus vernachlässigt werden, was angesichts der noch herrschenden wirtschaftlichen Restriktionen allerdings keineswegs als besondere Diskriminierung der Neubürgerschaft durch die Besatzer mißverstanden werden sollte. Wie der berufliche Vergleich von Alt- und Neubürgerschaft der Erwerbstätigenstatistik in Württemberg-Baden zeigte (Tabelle 44), standen im Herbst 1947 rund 30% der aufgenommenen Zwangswanderer dem Arbeitsmarkt als abhängig Beschäftigte zur Verfügung. Lediglich 4% von ihnen (Altbürger 2,7%) waren arbeitslos.46 Das schien den Besatzern ganz zufriedenstellend. Auch der Anteil der als berufsfremd ausgewiesenen Beschäftigten war eher dazu angetan, die herrschende Situation zu beschönigen. Lediglich knapp 14% waren von der Arbeitsamtsstatistik als solche gekennzeichnet, ein Phänomen, das allerdings in erster Linie durch die Definition von "berufsfremd" zu erklären war, die den Arbeitnehmer nach einer halbjährigen berufsfremden Tätigkeit nicht mehr dazu zählte und auch die Stellung im Beruf nicht berücksichtigte. Bei einer genaueren Analyse der Beschäftigungsdaten der Flüchtlinge hätte die Statistik durchaus Grund zur Beunruhigung gegeben. Nahezu jeder zweite Flüchtling (43,8%) arbeitete als Landarbeiter oder Hilfsarbeiter
45 46
Diaiy der P O W & D P Branch vom 9.10.1946, RG 260 OMGWB 12/76-2/4. Die relativ geringe Zahl arbeitsloser Flüchtlinge beschäftigte OMGUS weitaus mehr, als die wesentlich höhere verdeckte Arbeitslosigkeit, die sich hinter den eingegangenen Beschäftigungsverhältnissen verbarg. Vgl. Population Changes, 1947, U.S. Zone Germany zitiert nach Carey: Assimilation of Expellees and Refugees in Germany, RG 260 OMGUS CAD 3/1601/37.
340
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Tabelle 44: Beschäftigung von Alt- und Neubürgern in Württemberg-Baden nach Wirtschaftszweigen 194747
Branche
Beschäftigte 30.09.1947 Altbürger Neubürger Zahl in % davon Zahl in % in % davon davon in % der arbeitsder der berufs- in % arb.- aller AB Bran. NB los fremd los Arbl. (10) (3) (4) (5) (8) (1) (2) (6) (7) W
Landw. Forstw. Forstber. Bergleute Stein/Glasarb. Metallarbeiter Musik/Spielw. Chemie Gummi Textil Papier Leder Holz Nahrung Bekleidung Friseure Baugewerbe Graph. Berufe Reinigung Bühne/Film Gaststätten Verkehr Haushalt Hilfsarbeiter Masch./Heizer Kaufm.B./Verw. Ingen./Techn. Sonst. O. f. Beruf
44.546 6.991 946 4.167 157.523 537 3.666 1.056 11.636 3.892 7.509 30.859 30.677 38.613 7.492 36.322 7.284 3.452 22 14.112 70.223 55.876 98.793 6.962 199.369 27.813 45.869 2.830
Summe
919.037 100,0 25.200 191.460
4,8 0,8 0,1 0,5 17,1 0,1 0,3 0,1 1,3 0,4 0,8 3,4 3,3 4,2 0,8 4,0 0,8 0,4 0,0 1,5 7,6 6,1 10,7 0,8 21,7 3,0 5,0 0,3
633 78 23 63 2.389 10 70 13 140 58 161 392 709 725 174 589 160 48 1 636 1.243 1.146 2.699 78 6.764 1.334 2.053 2.811
38.741 3.603 171 1.475 16.103 108 176 65 5.064 408 764 5.286 4.022 8.994 1.429 11.199 591 379 2 2.448 6.459 13.392 45.102 532 16.985 2.151 5.431 380
46,5 34.0 15,3 26,1 9,2 16,6 4,6 5,8 30,3 9,5 9,2 14,6 11,6 18,9 16,0 23,6 7,5 9,9 8,5 14,8 8,4 19,3 31,3 7,1 7,9 7,2 10,6 11,7
20,2 1,9 0,1 0,8 8,4 0,1 0,1 0,0 2,6 0,2 0,4 2,8 2,1 4,7 0,7 5,8 0,3 0,2 0,0 1,3 3,4 7,0 23,6 0,3 8,9 1,1 2,8 0,2
5.769 697 53 268 2.480 16 57 10 746 80 177 720 2.073 906 297 834 155 64
14,9 19,3 31,0 18,2 15,4 14,8 32,4 15,4 14,7 19,6 23,2 13,6 51,5 10,1 20,8 7,4 26,2 16,9
-
617 1.107 1.309 1.666 150 4.412 527 978 74
17,2 100,0 26.242
25,2 17,1 9,8 3,7 28,2 26,0 24,5 18,0 19,5
809 56,1 95 54,9 8 25,8 61 49,2 506 17,5 4 28,6 6 7,9 6 31,6 147 51,2 8 12,1 35 17,9 156 29,0 234 24,8 353 32,7 76 30,4 233 28,3 37 18,8 15 23,8 1 50,0 164 20,5 270 17,8 344 23,1 1.145 29,8 22 22,0 1.433 17,5 261 16,4 506 19,8 979 25,8
13,7 7.914
23,9
(1) Beschäftigte Altbürger am 30.9.1947, (2) Anteilswerte in % der beschäftigten Altbürger, (3) arbeitslose Altbürger am 30.9.1947, (4) beschäftigte Neubürger am 30.9.1947, (5) Anteilswerte in % aller Beschäftigten der Branche, (6) Anteilswerte in % der beschäftigten Neubürger, (7) berufsfremd beschäftigte Neubürger, (8) Anteilswerte in % der beschäftigten Neubürger, (9) arbeitslose Neubürger, (10) arbeitslose Neubürger in % der Arbeitslosen insgesamt. Quelle: berechnet nach HSTAST EA2/801-442 und GLAKNL Bartunek Nr. 12.
47
Die Tabelle vereint Ergebnisse der Beschäftigtenstatistik der Arbeitsverwaltung, die die Beschäftigten nach ihrer Tätigkeit gruppiert, und Ergebnisse der Arbeitslosenzählungen, die die Arbeitslosen nach ihrem erlernten Beruf erfaßt; vgl. BEYER (1950) S. 139. Rechenfehler der Quelle wurden beibehalten.
Die Grenzen des Arbeitsmarktes und die Gewerbefteiheit
341
Tabelle 45:"« Beschäftigung von Alt- und Neubürgern in Württemberg-Baden nach Wirtschaftszweigen 1948
Branche
Beschäftigte 30.09.1948 Altbürger Neubürger Zahl in % davon Zahl in % ίη°/ θ davon davon in % der arb.der der ber.- in % arb.- aller AB Bran. NB los fremd Ios Arbl. (10) (3) (4) (5) (6) (7) (9) (1) (2) (8)
Landw./Gärtn. Forstberafe Bergleute Stein/Glasarb. Metallarb. Musik/Spielw. Chemie Gummi Textil Papier Leder Holz Nahrung Bekleidung Friseure Baugewerbe Graph. Berufe Reinigung Bühne/Film Gaststätten Verkehr Haushalt Hilfsarb. Masch/Heizer Kaufm./Verw. Ingen./Techn. Sonst. O. f. Beruf
37.490 6.309 904 4.760 164.229 533 3.507 1.464 13.337 4.302 8.346 33.811 27.862 41.499 7.584 40.183 7.653 3.513 12 12.456 74.445 50.335 95.613 6.688 206.740 28.248 47.943 135
4,0 0,7 0,1 0,5 17,7 0,1 0,4 0,2 1,4 0,5 0,9 3,6 3,0 4,5 0,8 4,3 0,8 0,4 0,0 1,3 8,0 5,4 10,3 0,8 22.2 3,0 5,2 0,0
1.133 226 13 210 2.266 41 61 13 412 74 104 464 1.980 1.043 394 586 173 61 1 785 1.196 1.487 5.788 72 6.843 866 1.550 3.271
30.251 3.391 149 2.099 19.407 190 362 131 7.441 497 962 6.673 4.377 10.986 1.447 13.295 620 472 2 2.591 7.659 13.558 46.877 629 18.035 2.442 5.811 81
Summe
929.971 100,0 31.113 200.215
44,7 35,0 14,2 30,6 10,6 26,3 9,4 8,2 35,8 10,4 10,3 16,5 13,6 20,9 16,0 24,9 7,5 11,8 14,3 17,2 9,3 21,2 32,9 8,6 8,0 8,0 10,8 37,5
15,1 1,7 0,1 1,0 9,7 0,1 0,2 0,1 3,7 0,2 0,5 3,3 2,2 5,5 0,7 6,6 0,3 0,2 0,0 1,3 3,8 6,8 23,4 0.3 9,0 1,2 2,9 0,0
3.945 495 27 234 2.371 16 43 15 819 72 190 758 2.437 837 402 1.094 123 65
549 142 3 153 472 18 8 2 209 32 27 187 194 294 124 231 34 14
48,5 62,8 23,1 72,9 20,8 43,9 13,1 15,4 50,7 43,2 26,0 40,3 9,8 28,2 31,5 39,4 19,7 23,0
420 1.029 907 1.487 122 3.851 589 728 704
16,2 131 13,4 266 6,7 318 3,2 2.142 19,4 13 21,4 1.299 24,1 156 12,5 303 21,5
16,7 22,2 21,4 37,0 18,0 19,0 18,0 19,5
17,7 100,0 22.976
11,5 7.965
25,6
-
13,0 14,6 18,1 11,1 12,2 8,4 11,9 11,5 25,5 14,5 19,8 24,7 55,7 7,6 27,8 8,2 19,8 13,8 -
-
(1) Beschäftigte Altbürger am 30.9.1948, (2) Anteilswerte in % der beschäftigten Altbürger, (3) arbeitslose Altbürger am 30.9.1948, (4) beschäftigte Neubürger am 30.9.1948, (5) Anteilswerte in % aller Beschäftigten der Branche, (6) Anteilswerte in % aller beschäftigten Neubürger, (7) berufsfremd beschäftigte Neubürger, (8) Anteilswerte in % der beschäftigten Neubürger, (9) arbeitslose Neubürger, (10) arbeitslose Neubürger in % der Arbeitslosen insgesamt. (1) und (9) errechnet nach: Der Arbeitsmarkt in Württemberg-Baden, in: Arbeits- und Sozialrecht, Mitteilungsblatt des Arbeitsministeriums Württemberg-Baden 1/1949, S. 20. Quelle: errechnet nach HSTAST EA2/801-442.
4** Rechenfehler der Quelle wurden beibehalten.
342
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
(Altbürger 15,5%), weitere 20% im Haushalt, Bau-, Bekleidungs- und Textilgewerbe, auch dort vermutlich häufig in untergeordneter Stellung. In der Landwirtschaft stellten die Neubürger sogar annähernd die Hälfte aller abhängig Beschäftigten. Angesichts der dringend benötigten Arbeitskräfte in der durch nationalsozialistisches "Pflichtjahr" und Zwangsarbeiter "verwöhnten" Landwirtschaft schien diese Entwicklung im agrarischen Sektor vorderhand den Bedürfnissen des Nachkriegsarbeitsmarkts zu entsprechen. Doch, wie Middelmann im Flüchtlingsausschuß des Länderrats zu bedenken gab, waren in der Landwirtschaft der drei süddeutschen Länder [...] heute 625.000 Kräfte mehr tätig als 1939, insgesamt, nach Meinung des Flüchtlingsausschusses, eine Arbeitskräftereserve, die nach der Währungsreform und dem Anlaufen des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft zur Verfügung stand.49 An der tatsächlichen beruflichen Eingliederung der in der Landwirtschaft beschäftigten Flüchtlinge waren daher durchaus Zweifel angebracht, ebenso wie an einer ihrer beruflichen Herkunft adäquaten Beschäftigung. Überlegungen in diese Richtung lagen bei den ausgewiesenen ehemals selbständigen Bauern auf der Hand, sie waren jedoch auch für die sonstigen Neubürger durchaus angebracht.50 Wie bereits der Bericht der Länderregierungen an Clay im Frühjahr 1947 feststellte, zeigten die Beschäftigungszahlen in allen Ländern der Besatzungszone ein Abgleiten der Aus-
gewiesenen in die weniger begehrten Berufe, was sicher nicht allein aus ihrer Unterbringung auf dem Lande zu erklären war 51. Insbesondere bei Landarbeitern und Hilfsarbeitern handelte es sich um die Berufe, die innerhalb der deutschen Nachkriegsgesellschaft denkbar geringes Prestige genossen.52 Aber auch Neubürger mit qualifizierten Berufen fanden meist nicht die Arbeitsstellen, die ihrer Ausbildung entsprachen. Wie die Flüchtlingsverwaltungen aller Länder der westlichen Zonen beobachteten, überließen bei gleichem Qualifikationsstand die Einheimischen in der Regel den Neuankömmlingen die unbeliebteren und schlechter bezahlten Tätigkeiten.53
49
50
51
52 53
Protokoll der Sitzung des Flüchtlingsausschusses beim Länderrat vom 24.2.1948, HSTAST EA1/014-558. Nach einer badischen Erhebung vom Frühjahr 1947 gehörten die Flüchtlinge aus der CSR, die in der amerikanischen Zone die Mehrheit der Ausgewiesenen stellten, folgenden Berufsgruppen an: 30% Industrie und Handwerk, 30% Handel und Verkehr, 15% intellektuelle Berufe; vgl. ebd. Das Flüchtlingsproblem in der amerikanischen Besatzungszone, ein Bericht des Länderrats an General Clay, HSTAST EA1/014-568. Recht anschaulich ist auch im Ton ein Bericht des Landkreises Bruchsal vom 11.2.1947: Im übrigen ist, was die Beschaffung von Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge betrifft, zu sagen, daß die berufliche Unterbringung der Neubürger in Fabrik und Handwerksbetrieben z.Zt. eine beschränkte ist. Die Handwerksmeister nehmen nicht gerne Flüchtlinge an, weil dieselben sich an geordnete Arbeitsverhältnisse nicht recht gewöhnen wollen. Für ledige Landarbeiter ist die Landwirtschaft aufnahmefähig. In hohem Maß können Hilfsarbeiter für den Wiederaufbau benötigt werden. Für weibliche Kräfte besteht in beschränkter Zahl eine Unterbringungsmöglichkeit als Heimarbeiterinnen. Landarbeiter mit Familien können außerhalb ihres derzeitigen Wohnortes schwer unterkommen. Angestellte, die keine Eignung besitzen, sind als Bauarbeiter kaum unterzubringen. GLAK 466 Zug. 1981/47-1386. Vgl. die von BOLTE (1959) veröffentlichten Berufsprestigeskalen S. 42 ff. Vgl. WALDMANN (1979) S. 177 ff.
Die Grenzen des Aibeitsmarktes und die Geweibefreiheit
343
Die sich abzeichnende "Unterschichtung", auch die Schwierigkeiten der Neubürger, sich als Selbständige in Gewerbe und Industrie niederzulassen, interessierten OMGUS vorerst jedoch nicht. Ohnehin lagen 1946/47 angesichts der mitunter noch vorhandenen "Morgenthauplanrelikte" Überlegungen zum etwaigen Berufsprestige der gesamten deutschen Bevölkerung nicht im Trend. Dem Primat der räumlichen Unterbringung gemäß entsprach die Beschäftigten-Statistik durchaus den Erwartungen der amerikanischen Wirtschaftsexperten. As the original distribution of refugees was made only in accordance with availability of housing, possibilities for the employment of qualified and skilled refugees and expellees were limited.54 Es sei offensichtlich, daß momentan viele Leute auf dem Lande lebten, die fur ein Leben in der Landwirtschaft nicht ausgebildet seien. Aber eine allmähliche Abwanderung in die Städte habe bereits eingesetzt. With the increase in employment coming as part of the rise in German industrial and economic conditions, there has been an increase in the number of employed and a decrease in the number of unemployed refugees.55 Zwar sei die regionale Verteilung der Flüchtlinge nach wie vor unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten fehlerhaft, aber: As the number of people of working age among the expellees and refugees is somewhat larger than among the native population, the newcomers offer important potentialities for help in German reconstruction and industrial development,56 Die Berufsstatistik fur die Flüchtlinge Württemberg-Badens ein Jahr später zum 30.9.1948 bestätigte die beginnende Abwanderung der Neubürger aus der Landwirtschaft (Tabelle 45); ähnliche Entwicklungen wurden auch aus den anderen Ländern der Zone berichtet. Sie schienen eine allmähliche Absorbierung der Flüchtlinge in anderen Wirtschaftsbereichen zu bestätigen. Actually, when all the unfavorable circumstances are taken into consideration, the employment picture for ablebodied male refugees is extremely good, konnte daher auch noch Betty Barton in ihrer 1949 veröffentlichten, auf den Statistiken von 1948 beruhenden, durchaus von Sympathie für die Flüchtlinge getragenen Studie feststellen.57 Grundsätzlich sprach daher nach Meinung aller englischen und amerikanischen Sachverständigen, die OMGUS im Verlaufe des ersten Halbjahres 1948 um Gutachten zur Eingliederung der Flüchtlinge bat, auch weiterhin nichts für spezielle Sonderprogramme zur wirtschaftlichen Assimilierung der Neubürger.58 Unter den Bedingungen des Assimilationsdiktats der Besatzungsmächte war Unterstützung der wirtschaftlichen Eingliederungsleistung der Bizone bzw. des Vereinigten Wirtschaftsgebiets im Rahmen des Marshallplans einzig denkbar als Hilfe für Gesamtdeutschland, keineswegs jedoch als gesonderte Unterstützung eines Teils der Bevölkerung. Zwar erläuterte beispielsweise der "visiting expert" McCartney, the immediate problem of the expellee is obviously and
54
55 56 57 58
Aus dem Report The Assimilation of Expellees and Refi/gees in Germany, den die amerikanische Professorin für Sozialwesen, Jane Perry Clark Carey, 1948 tìir OMGUS erstellte und der wohl Grundlage ihrer entsprechenden Artikel darstellte, RG 260 OMGUS CAD 3/160-1/37. Ebd. Ebd. BARTON (1949) S. 28. Vgl. zum Bericht Betty Bartons Kapitel 3 .4. Vgl. zu den Reports der Wirtschaftsexperten Kapitel 3.4. und GROSSER (1993a).
344
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
admittedly cm economic one.59 Er führte aus, daß die wirtschaftliche Lage der Flüchtlinge weitaus schlechter als die der Einheimischen sei und die Neubürger häufig mit minderqualifizierten Arbeitsplätzen zufrieden sein müßten. Nevertheless, it did seem to me quite clear that the expellee as a whole not only started from conditions even less favourable than those of most indigenes, having even fewer resources behind them, but were also on the whole less favourably situated as regards present employment.60 Seiner Meinung nach hing das Gelingen der Assimilationspläne von der tatsächlichen Gleichberechtigung der Flüchtlinge in der Wirtschaft ab. Er versprach sich, abgesehen von zukünftigen neuen Umverteilungen der Flüchtlinge, wirtschaftliche Hilfe jedoch nur von einer Stärkung der gesamten deutschen Ökonomie. If Allied policy towards Germany cannot give its population as a whole some degree of economic satisfaction, the expellees, as a component of that population, cannot obtain that economic satisfaction which is in fact condition of assimilation,6! Auch der "visiting expert" Isaac konstatierte die vergleichsweise geringe Arbeitslosigkeit unter den Flüchtlingen, but that does not mean their 'organic incorporation into the resident population', or full utilization of their capabilities.62 Im übrigen glichen seine Empfehlungen, die er etwa zeitgleich zur Währungsreform formulierte, sehr denen McCartneys. Der Einbezug Deutschlands in internationale wirtschaftspolitische Programme, ja selbst der notwendige zukünftige Flüchtlingsbevölkerungsausgleich zwischen den Zonen, dies waren Forderungen, fur die OMGUS in ihren Aktionen innerhalb der amerikanischen Zone nicht zuständig war; es gab also vorerst für die Militärregierung wenig Neues zu tun, um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge zu stützen. Das sollte sich in den Monaten nach der Einführung der neuen Währung schnell ändern. Die nunmehr "teuer" zu bezahlende Arbeitskraft zwang Arbeitgeber in Landwirtschaft und Gewerbe gleichermaßen zum Abbau unrentabler Arbeitskräfte. Innerhalb kurzer Zeit erhöhten sich die Arbeitslosenzahlen drastisch (Tabelle 46). Wie deutsche und amerikanische Beobachter gleichermaßen feststellten, trafen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung die Flüchtlinge besonders hart (Tabelle 47). The currency reform hit the refugees and expellees a hard blow.63 Aus allen Regionen der amerikanischen Zone trafen Berichte über die Auswirkungen der Währungsreform ein, welche die bisher festgestellten wirtschaftlichen "Eingliederungserfolge" in Zweifel zogen. Die katastrophalen Auswirkungen der Währungsreform in Mudau haben ein solches Ausmaß erreicht, daß die Not und das zum Himmel schreiende Elend unter den Vertriebenen einfach nicht mehr ertragbar ist und
59
60 61 62
63
McCartney, C.A., The Expellee Problem in the American Zone of Germany, RG 260 OMGUS 15/99-1/5. Ebd. Ebd. Isaac, Juius, The Expellee Problem in the US Area of Control in Germany, RG 260 OMGUS 15/99-1/5. Report von Jane Perry Clark Carey, RG 260 OMGUS CAD 3/160-1/37.
Die Grenzen des Arbeitsmarktes und die Gewerbefreiheit
345
Tabelle 46: Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den Westzonen nach der Währungsreform 44 Arbeitslose in % der Erwerbspersonen 30.6.1949 30.6.1948 30.12.1949 Schleswig-Holstein Hamburg Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Bremen Hessen Württemberg-Baden Bayern Rheinland-Pfalz Baden Württemb.-Hohenz.
2,7 2,5 2,9 3,1 3,7 3,4 2,6 5,4 0,8 1,0 0,4
22,6 8,2 13,7 4,2 8,3 7,9 4,7 12,6 4,6 2,0 1,5
26,3 11,1 17,3 4,5 8,5 9,9 5,4 14,5 7,0 3,0 3,5
Summe
3,2
8,7
10,3
Quelle: CONNOR (1989b) S. 189. Ei geht von 1.558.469 Arbeitslosen aus.
Tabelle 47: Arbeitslose Flüchtlinge (31.10.1949) Anteil der arbeitslosen Flüchtlinge an den Arbeitsan der vertr. losen insges. % Bevölkerung % Schleswig-Holstein Niedersachsen Bayern Württemberg-Baden Hessen Nordrhein-Westfalen Bremen Baden Hamburg Rheinland-Pfalz Württemb.-Hohenz.
58,5 42,4 40,4 33,1 27,8 12,1 7,8 5,4 2,1
Summe
35,6
11,7 7,0 7,4 2,7 3,6 2,0 4,3 -
Einheimischen an der einh. Bevölkerung % 4,5 3,4 2,8 1,2 2,1 1,4 3,1 -
1,5 keine Angaben keine Angaben
4,3
6,2
2,4
Quelle: Spalte 1 - 3 BUES (1950) S. 82.
64
Das Zahlenmaterial zur Arbeitslosigkeit für die frühe Nachkriegszeit ist rar und, wie Tabelle 46 und 47 zeigen, oft recht unterschiedlich.
346
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
der Großteil dieser hungernden Leute nicht weiß, von was er morgen leben wird, da er außerstande ist, sich die ohnedies karg berechneten Lebensmittelrationen auf seine Lebensmittelkarten zu kaufen, so der Flüchtlingsausschuß in einem Hilferuf an die Kreismilitärregierung Buchen.65 In Mudau waren von vormals 141 beschäftigten Flüchtlingen sieben Wochen nach der Währungsreform 85 arbeitslos. Von 412 Flüchtlingshaushalten waren 127 ohne eigenen Verdienst, und über 50% der Familien waren nicht mehr imstande, sich die ihnen zustehenden Lebensmittel auch zu kaufen. Nicht überall in Württemberg-Baden war die Lage so schlecht wie im nordbadischen agrarischen Hinterland. Verglichen mit den "flüchtlingsreichen" agrarisch geprägten Ländern der westlichen Zonen waren die Auswirkungen in WürttembergBaden insgesamt noch relativ erträglich, doch auch hier stellten die Neubürger einen im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil zu hohen Prozentsatz an den Arbeitslosen. Insbesondere die von der Arbeitsamtsstatistik als Hilfsarbeiter geführten Arbeitskräfte - meist handelte es sich um Landarbeiter, die im Rahmen ihrer statistischen Erfassung nunmehr die Gruppierung wechselten - waren nach der Währungsreform von der Arbeitslosigkeit bedroht (Tabelle 48). Doch die Flüchtlinge traf nicht nur das Mißgeschick, gerade in den krisenanfälligen Sparten besonders häufig tätig zu sein und nunmehr arbeitslos zu werden, auch von qualifizierten Arbeitsplätzen wurden sie offenbar schneller als die einheimische Bevölkerung verdrängt.66 Die Arbeitsamtsstatistik des Frühjahres 1949 über die Beschäftigung der Neubürger in Württemberg-Baden liefert ein deutliches Bild der Misere (Tabelle 49). Noch immer ernährte sich ein Viertel der Neubürger als Hilfsarbeiter, gefolgt von weiter abnehmenden Beschäftigungsverhältnissen in der Landwirtschaft, meist unqualifizierten Tätigkeiten als Metallarbeiter, beim Bau, in der Bekleidungs- und Textilindustrie. Jeder zwölfte Neubürger war arbeitslos. Der Weg aus der Landwirtschaft - allzu oft hatte er zum Wechsel in die Arbeitslosigkeit als Bau- und Hilfsarbeiter geführt. Es waren die politischen Implikationen der Entwicklung, der mittlerweile immer sichtbarer werdende Wille der Neubürger zur eigenständigen politischen Organisation, der die Abteilungen der Berliner Zentrale der Militärregierung gegen Ende 1948 dazu bewegte, sich neuen Überlegungen zur wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge zu stellen.67 Unemployment has risen to a level which must cause some concern and undoubtedly the new citizens have been harder hit by this trend than the old citizens, bestätigte auch der "visiting expert" Isaac bei seinem zweiten Besuch in Deutschland, ein Jahr nach Einführung des neuen Geldes.68 A number of reasons account for the greater incidence of new employment among the 65
67 68
Schreiben des Office of Military Government, Landkreis Buchen, an die Landesmilitärregierung vom 3.9.1948, RG 260 OMGWB 12/77-3/9. Nach Umfrageergebnissen der Opinion Surveys Branch im Herbst 1948 standen im August/September 1948 44% in mittleren bis gehobenen Berufen tätigen Altbürgern 35% Neubürger gegenüber. Im November/Dezember 1948 rechneten die amerikanischen Soziologen 42% der beschäftigten Altbürger zu dieser Gruppierung und nur noch 28% der Neubürger. Vgl. Report Nr. 162 vom 4.3.1949, Charakteristics of Natives and Refugees in Amzon in 1948, RG 260 OMGUS CAD 5/324-2/49. Vgl. Kapitel 8.3. Isaac, German Refugees in the U.S. Zone 1948/49, RG 260 OMGUS 3/165-1/15.
347
Die Grenzen des Aibeitsmaiktes und die Gewerbefreiheit
newcomers. The employer, who is, in most cases, an old citizen, is inclined to protect his fellow citizens with whom he has often worked for many years and the old slogan often applied to the situation of the Negro in the U.S.: 'The last hired, the first fired' has some validity for the refugees in Western Germany.69 Isaac
Tabelle 48: Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit Baden 1947-1949
31.12.47 Zahl %
30.6.48 Zahl %
Berufsgruppen in Württemberg-
Arbeitslose 31.12.48 Zahl %
31.12.49 Zahl %
Wachstum 12.47/12.4 ύ
/ο
Berufsgruppe Landw. Gärtner Forstberufe Bergleut Stein/Glas. Metall Musik/Spielw. Chemie Gummi Textil Papier Leder Holz Nahrung Bekleidung Friseure Baugewerbe Graph. Berufe Reinigung Bühne/Film Gaststätten Verkehr Haushalt Hilfsarbeiter Maschin./Heizer Kaufm. Büro Ingen./Techniker Sonst. O. festen Beruf Summe
1.467 231 17 128 3.159 17 78 21 306 67 185 604 989 1.071 258 820 188 61 1 815 1.325 1.508 3.519 87 8.379 1.581 2.682 3.712
4,4 0,7 0 0,4 9,5 0 0,2 0,1 0,9 0,2 0,6 1,8 3,0 3,2 0,8 2,5 0,6 0,2 0 2,4 4,0 4,5 10,6 0,3 25,2 4,8 8,1 11,2
1.234 156 13 116 3.274 17 67 11 345 53 170 606 868 1.085 259 895 185 63 1 746 1.417 1.440 3.525 75 6.974 1.354 2.165 2.858
4,1 0,5 0 0,4 10,9 0,1 0,2 0 1,2 0,2 0,6 2,0 2,9 3,6 0,7 3,0 0,6 0,2 0 2,5 4,7 4,8 11,8 0,3 23,3 4,5 7,2 9,5
33.276 100,0 29.972 100,0
1101 240 6 166 1.733 19 26 11 274 58 85 371 981 724 268 995 119 60 1 689 1.096 1.051 5.384 54 5.755 746 1.261 1.762
4,4 1,0 0,0 0,7 6,9 0,1 0,1 0 1,1 0,2 0,3 1,5 3,9 2,9 1,1 4,0 0,5 0,2 0 2,8 4,4 4,2 21,5 0,2 23,0 3,0 5,0 7,0
25.036 100,0
2.130 1.124 58 815 6.633 54 202 96 1.142 174 392 1333 5.202 3.019 591 3.136 184 163 3 1.661 2.936 2.161 19.317 245 8.829 1.279 2.226 2.893
3,1 1,6 0,1 1,2 9,7 0,1 0,3 0,1 1,7 0,3 0,6 2,0 7,6 4,4 0,9 4,6 0,3 0,2 0 2,4 4,3 3,2 28,3 0,4 12,9 1,9 3,3 4,2
45,2 386,5 241,2 536,7 110,0 217,6 159,0 357,1 273,2 159,7 111,9 120,7 426,0 181,9 129,1 282,4 -2,1 167,2
68.298 100,0
105,25
-
103,8 121,6 43,3 448,9 181,6 5,4 -19,1 -17,0 -22,1
Quelle: Statistische Monatshefte, Württemberg-Baden, 3/1950, Die Entwicklung der Arbeitstage in Württemberg-Baden im Jahre 1949, Additionsfehler 1949 wurde beibehalten.
69
Ebd.
348
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Tabelle 49: Beschäftigung der Neubürger in Württemberg-Baden nach Wirtschaftszweigen 1949
Branche Landw./Gärtn. Forstberufe Bergleute Stein/Glasarb. Metallarb. Musik/Spielw. Chemie Gummi Textil Papier Leder Holz Nahrung Bekleidung Friseure Baugewerbe Graph. Berufe Reinigung Bühne/Film Gaststätten Verkehr Haushalt Hilfsarb. Masch/Heizer Kaufm./Verw. Ingen./Techn. Sonst. O. fest. Beruf
Summe
Beschäftigte Neubürger am 30.3.1949 davon in % davon in % Zunahme % d. ber. arb. Besch. / Arbl. los fremd zu 9.1948
Zahl der NB
in %
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
24.823 2.779 150 2.131 21.426 203 287 137 8.336 574 1.031 7.002 4.425 11.133 1.467 12.655 482 454 1 2.512 7.761 13.158 49.734 693 18.898 2.505 5.847 23
12,4 1,4 0,1 1,1 10,7 0,1 0,1 0,1 4,2 0,3 0,5 3,5 2,2 5,5 0,7 6,3 0,2 0,2 0,0 1,3 3,9 6,6 24,8 0,3 9,4 1,2 2,9 0,0
3.252 380 36 236 2.090 7 50 14 738 62 165 649 2.230 931 467 983 115 67 1 408 785 983 1.330 111 3.856 561 807 11
13,1 13,7 24,0 11,1 9,8 3,4 17,4 10,2 8,9 10,8 16,0 9,3 50,4 8,4 31,8 7,8 23,9 14,8 100 16,2 10,1 7,5 2,7 16,0 20,4 22,4 13,8 47,8
612 653 7 337 926 14 21 3 511 46 70 314 402 682 174 1.642 36 25 0 164 383 345 6.087 38 1.736 223 346 567
2,5 23,5 4,7 15,8 4,3 6,9 7,3 2,2 6,1 8,0 6,8 4,5 9,1 6,1 11,9 13,0 7,5 5,5
11,5 359,9 133,3 120,3 96,2 -22,2 162,5 50,0 144,5 43,8 159,3 67,9 107,2 132,0 40,3 610,8 5,9 78,6
-
-18,0 -18,0 0,7 1,5 10,4 6,8 -20,7 4,5 12,0 15,0 7,2 4,9 1,1 1,3 1,4 -4,8 -22,3 -3,8 -50,0 -3,0 1,3 3,0 6,1 10,2 4,8 2,6 0,6 -71,6
200.627
100,0
21.325
10,6
16.364
8,2
0,2
105,4
-
6,5 4,9 2,6 12,2 5,5 9,2 8,9 5,9
-
25,2 44,0 8,5 184,2 192,3 33,6 42,9 -14,2 -19,5
(1) Beschäftigte Neubürger am 30.3.1949. (2) Anteilswerte in % aller beschäftigten Neubürger. (3) Berufsfremd beschäftigte Neubürger. (4) Anteilswerte in % der beschäftigten Neubürger. (5) Arbeitslose Neubürger. (6) Arbeitslose Neubürger in % der beschäftigten Neubürger. (7) Wachstum der beschäftigten Neubürger in % im Vergleich zu 9.1948. (8) Wachstum der arbeitslosen Neubürger in % im Vergleich zu 9.1948. Quelle: Spalte (1) bis (6) errechnet nach Neubürger Statistik, Landesarbeitsamt WürttembergBaden, RG 260 OMGWB 17/137-2/3.
Die Grenzen des Aibeitsmarktes und die Gewerbefreiheit
349
sprach sich nunmehr dafür aus, zukünftig Flüchtlingsbetriebe im Rahmen der ERPMittel zu berücksichtigen. Die Einsicht, daß die Unterstützung selbständiger Flüchtlingsexistenzen nicht nur unter Wohlfahrtsaspekten sondern durchaus auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein könne, begann sich jedoch erst gegen Ende 1949 in den zuständigen Gremien durchzusetzen. Vorerst suchte OMGUS auch weiterhin nach Möglichkeiten, die wirtschaftliche Eingliederung der Neubürger ohne Sonderprogramme zu betreiben. Den Weg in eine Richtung, die für die Militärregierung akzeptabel war und Clays Vorstellungen über die "richtige" Ausgestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik entsprach, wies der Bericht des "visiting experts" Williams bereits im Frühjahr 1948: Attention should be called to the valuable contribution which these individuals are already making to the economy in the U.S. Zone, by setting up industries in lines in which they were engaged in their places of former residence. This potential contribution can be maximized by a liberal and imaginative policy on the part of German officials authorized to issue new business licenses. There is an understandable tendency on the part of local officials to take the point of view of the small local tradesman or handicraftsman, against disturbing his established monopoly in his own line.70 Doch angesichts des Bevölkerungswachstums könne die deutsche Wirtschaft durchaus auch ein Anwachsen selbständiger Betriebe vertragen. Die Militärregierung solle daher, wann immer möglich, die deutschen Verwaltungsinstanzen ermutigen, den Flüchtlingen gegenüber eine freundliche Lizenzierungspolitik zu betreiben. Die Absorbierung des neuen Bevölkerungsteils könne letztlich nicht ohne den zukünftigen wirtschaftlichen Aufbau Deutschlands geleistet werden. Dabei könne Deutschland auf die qualifizierten Flüchtlinge als Arbeitskräfte und insbesondere als selbständige Gewerbetreibende nicht verzichten. Auch Carey hatte in ihrem Report zur Flüchtlingsfrage den bestehenden Lizenzierungszwang fur neu zu errichtende Gewerbebetriebe als rechtes Ärgernis moniert: The writer has been told many times that there is discrimination in the issuance of such licenses as against the newcomers, for fear of their competition.11 Und mit dem herrschenden "Zunftzwang" sollten sich auch die OMGUS-internen Diskussionen zur wirtschaftlichen Lage der Flüchtlinge nach der Währungsreform häufig befassen. In einer ausfuhrlichen Expertise zur ökonomischen Lage empfahl die Manpower Division schließlich, die schädlichen monopolistischen Praktiken der Deutschen zu knacken. Seit Mitte 1948 zielten die einschlägigen Aktivitäten der Militärregierung in diese Richtung. Zum Dreh- und Angelpunkt der Überlegungen zur wirtschaftlichen Stützung der Flüchtlinge entwickelte sich die Frage der Gewerbefreiheit. Doch so eilig wie die Besatzer 1948 hatten es die Besetzten mit der entsprechenden gesetzlichen Regelung nicht.
71
Williams, The Resettlement of Transferred Population in the U.S. Zone of Germany, RG 260 OMGUS CAD 5/324-2/49. Ebd.
350
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Man mag sich fragen, ob die von OMGUS empfohlene Lockerung des Gewerberechts tatsächlich die wirtschaftliche Eingliederung der Neubürger so einschneidend, wie erwartet, beschleunigt hätte - angesichts der herrschenden Produktionsbeschränkungen und des Mangels an Rohstoffen, Produktionsräumen und Krediten fur Flüchtlinge stellten die Zulassungsbedingungen schließlich nur ein Hindernis unter anderen dar -, doch der von den Amerikanern konstatierte "Zunftgeist" der Deutschen war in den Nachkriegsjahren durchaus nachweisbar. Tatsächlich wirkte sich die herrschende Rechtslage nach Kriegsende äußerst ungünstig auf die geplante Neuzulassung von Flüchtlingsbetrieben aus. Schon im Januar 1946, vor Beginn der organisierten Flüchtlingstransporte, hatte die Industrieund Handelskammer Mannheim den badischen Landesflüchtlingskommissar auf die weitgehenden Sperrgesetze hingewiesen, die Neuzulassungen und Neuerrichtungen von Betrieben nur unter ganz bestimmten Umständen zuließen.72 Die gängige Prüfung von Bedürfnis, Sachkunde und persönlicher Zuverlässigkeit ließ nach Meinung der Industrie- und Handelskammer erwarten, daß eine Zulassung von Ostflüchtlingen zu diesen Gewerben [...] nach den bestehenden Vorschriften [...] so gut wie ausgeschlossen sei.73 Wir gestatten uns, Ihnen die Anregung vorzutragen, doch zu erwägen, ob man nicht eine Möglichkeit für besondere Behandlung der Ostflüchtlinge ins Auge fassen kann.1'· Die badische Flüchtlings Verwaltung und ihr Vorgesetzter, Landesdirektor Zimmermann, waren durchaus bereit gewesen, die Anregung aufzugreifen. Wie Zimmermann im März 1946 dem Präsidenten der badischen Landesverwaltung, Heinrich Köhler, erläuterte, waren unter den Flüchtlingen Handwerker und Gewerbetreibende aller Art zu finden. Es müsse diesen Kräften ermöglicht werden, sich soweit wie nur irgend möglich in ihren bisherigen Berufen zu betätigen. Die Handwerker und Gewerbetreibenden unter den Ostflüchtlingen sind die einzigen, die die Bedürfnisse und Gewohnheiten ihrer Landsleute kennen, und es geht nicht an, generell eine Sperre über die Ostflüchtlinge zu verhängen, da sie sich ja in unsere Bevölkerung eingliedern sollen und keinesfalls zum Fremdkörper werden dürfen,75 Zimmermann plädierte für eine entsprechende Behandlung des Themas beim Länderrat. In diesem Sinne verwandte sich auch Köhler im ersten Halbjahr 1946 bei der württemberg-badischen Landesregierung. Dort allerdings verschwanden
73 74 75
Schreiben der Industrie- und Handelskammer Mannheim an den Landeskommissar vom 18.1.1946, GLAK 466 Zug.1981/47-1409. Genannt wurden: das Einzelhandelsschutzgesetz vom 12.5.1933, die Anordnung zum Schutze des Großhandels vom 15.1.1940, die Anordnung zum Schutze des Handelsvertreter- und Handelsmaklergeweibes vom 1.4.1941, die Anordnung zum Schutze des Versicherungsvertreter und Versicherungsmaklergewerbes vom 14.2.1942, die Anordnung zum Schutze der Bauindustrie vom 12.12.1942. Ebd. Ebd. Schreiben Zimmermanns an Köhler vom 29.3.1946, GLAK 481-610.
Die Grenzen des Arbeitsmarktes und die Geweibefreiheit
351
die badischen Initiativen in den Schubladen des Staatsministeriums,76 denn Reinhold Maier gehörte zu den entschiedenen Gegnern der Gewerbefreiheit. 77 Solchermaßen gestoppt, mußte sich die nordbadische Landesverwaltung 1946/47 auf wohlmeinende Appelle an die Kreisverwaltungen beschränken, die Ansiedlung von Flüchtlingsbetrieben zu unterstützen. 78 Zwar schuf das Flüchtlingsgesetz formal die Gleichberechtigung der Neu- mit der Altbevölkerung auch im wirtschaftlichen Sinne, und die Ausfuhrungsverordnungen zum Flüchtlingsgesetz forderten die gleichberechtigte Eingliederung der Flüchtlinge entsprechend ihres Bevölkerungsanteils in alle Bereiche des wirtschaftlichen Lebens; doch um die Flüchtlinge bei den Gewerbezulassungen wirklich entsprechend berücksichtigen zu können, hätte es ergänzender Anordnungen durch die Landesregierung bedurft. Zu diesem Ergebnis kam auch der erste, in der Folge zurückgezogene Bericht an General Clay im Frühjahr 1947, den die Länderchefs der Flüchtlingsverwaltungen verfaßt hatten. Nach dem Bericht machte sich ein gewisser Zunftgeist der Einheimischen geltend, die sich
gegen die drohende Konkurrenz zu verteidigen suchten.19 Der Flüchtlingsausschuß kündigte entsprechende gesetzgeberische Schritte an, die darauf zielten, die in den
Interessenvertretungen und Kammern bestehenden Widerstände gegen die Neuerrichtung von Betrieben durch eine paritätische Beteiligung der Flüchtlinge an den
77
Am 18.7.1946 teilte Köhler dem Landesbezirksdirektor der inneren Verwaltung mit, daß auf seinen Antrag vom 6.4.1946 Nr. 1913 und seine Erinnerung vom 1.6.1946 Nr.2867 noch keine Entschließung des Staatsministeriums erfolgt sei. Er habe neuerdings erneut nachgefragt. GLAK 481-610. Vgl. zur Rolle Reinhold Maiers MATZ (1989) S. 219 - 221. Mit Erlaß Nr.83 vom 4.2.1947 fragte Middelmann in Nordbaden nach den bisher erteilten Zulassungen für Flüchüingsbetriebe. Aus den Antworten: Betriebe
79
Beschäftigte
davon Industrie 4 6
Handw. Handel sonst. Bruchsal 1 Buchen 144 183 18 HD SK 18 HD LK 48 117 4 38 6 KA SK 47 MALK 96 PF SK 8 PF LK 42 29 Mosbach ? 9 7 Sinsheim 6 18 461 Tauberb. GLAK 466 Zug 1981/47-1386. Vgl. Schreiben des Landesdirektors für Wirtschaft, Ernährung und Verkehr, Kaufmann, vom 16.7.1946 an die Herren Landräte und Obelbürgermeister betreffs der Neuzulassung von Flüchtlingsunternehmen: Ich ersuche deshalb, Wünsche, die ft)r die Neueinrichtung von Betrieben des Handwerks, des Handels und der Wirtschafl von Flüchtlingen geltend gemacht werden, dort, wo die Voraussetzungen ßir eine Zulassung gegeben sind, diese wohlwollend zu stützen. GLAK 466 Zug 1981/47-1409. Das Flüchüingsproblem in der amerikanischen Besatzungszone, zurückgezogene Fassung, S. 31, HSTAST EA1/014-568. Auch in der endgültigen Fassung blieb diese Aussage stehen.
352
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Selbstverwaltungsorganen der Wirtschaft abzubauen.80 Es muß sichergestellt werden, daß Ausgewiesene auch dann in angemessenen Prozentzahlen Gewerbebetriebe gründen können, wenn der betreffende Gewerbezweig für Einheimische zunächst noch gesperrt ist.n Doch es blieb bei den Absichtserklärungen. Bis 1948 ergingen in Württemberg-Baden keine gewerberechtlichen Instruktionen, die in irgendeiner Weise die Zulassung von Flüchtlingsgewerbebetrieben erleichtert hätten. Zu welchen Ergebnissen die selbstgenügsame Beschränkung der Administration letztlich in der gesamten amerikanischen Zone führte, beschäftigte den Flüchtlingsausschuß des Länderrats im Frühjahr 1948. Die Ländervertreter waren sich in der Beschreibung der herrschenden Misere einig. Ihre Beobachtungen entsprachen durchaus den amerikanischen Ergebnissen. Überall beklagte man die mangelnde Bereitschaft der Innungen, bei der Zulassung von Flüchtlingsbetrieben mitzuarbeiten. Darüber hinaus ergaben sich außergewöhnliche Schwierigkeiten, die lizenzierten Neubürgerbetriebe mit Werkzeugen und Betriebsmitteln zu versehen. Auch die Möglichkeiten der Kreditbeschaffung seien, so Middelmann, in den einzelnen Ländern keineswegs ausreichend ausgeschöpft worden.82 In Württemberg-Baden versuchte die Landesregierung schließlich mit einer Quotierung der Neuzulassungen entsprechend der Bevölkerungszusammensetzung der in Gemeinden und Kreisen herrschenden Abwehrhaltung gegen Neubürgerbetriebe zu begegnen, ohne das Gewerberecht anzutasten.83 Doch mit solchen halbherzigen Aktionen wollte sich OMGUS nicht zufrieden geben. 1948, etwa zeitgleich mit der Währungsreform, ergriff die amerikanische Militärregierung schließlich selbst die gesetzgeberische Initiative zur Wiedereinführung der Gewerbefreiheit.84 Den traditionellen Lizenzierungsverfahren, denen als Entscheidungsvoraussetzung vor Ort vorhandenes Bedürfnis, beim Antragsteller Sachkunde und persönliche Zuverlässigkeit zugrunde lagen, sollte endgültig der Garaus gemacht werden. Ausdrücklich wies Clay darauf hin, daß die bestehende Praxis lokalen Sonderinteressen erlaube, die Konkurrenz auszuschalten, indem Neubewerbern mit der Begründung, sie verfügten nicht über die notwendige Qualifikation, untersagt wurde, ein neues Geschäft aufzumachen.si Ein entsprechender Auftrag erging an den Wirtschaftsrat im Juni 1948; 80
81 82
83
84
Das Flüchtlingsproblem in der amerikanischen Besatzungszone, ein Bericht des Länderrats an General Clay, 1947, endgültige Fassung, HSTAST EA1/014-568. Ebd. Vgl. Protokoll der Sitzung des Flüchtlingsausschusses beim Länderrat vom 24.2.1948, HSTAST EA1/014-558. Vgl. Erlaß des Wirtschaftsministeriums vom 22.3.1948, Amtsblatt vom 18.4.1948. Auch Bayern war diesen Weg gegangen. Geppert feierte den Erlaß als ersten Schritt fur die wirtschaftliche Gleichstellung der Flüchtlinge; vgl. Protokoll der Arbeitstagung der badischen Flüchtlingsreferenten vom 31.5 .1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-70. Daß man in WürttembergBaden nicht eben gerne Flüchtlingsbetriebe lizenzierte, hatte auch McCartney festgestellt: The degree of economic absorption has hitherto been relatively favourable, although the number of independent existence founded here seems much smaller than in Hessen. McCartney, C.A., The Expellee Problem in the U.S. Area of Control in Germany, RG 260 OMGUS 15/99-1/5. An dieser Stelle ausführlich auf die Debatten um die Gewerbefreiheit einzugehen, würde den Rahmen des hier vorgegebenen Themas sprengen. Vgl. zur Entwicklung den knappen Abriß b e i UFFELMANN ( 1 9 8 8 ) S. 6 7 - 6 9 .
85
CLAV (1950) S. 365.
Die Grenzen des Arbeitsmarktes und die Geweibefreiheit
353
noch im gleichen Monat trat dieser zur ersten Lesung des Gesetzes über die Aufhe-
bung und Lockerung von Gewerbebeschränkungen zusammen.86 Die Debatte zeigte, daß sich der Kreis der bizonalen deutschen Entscheidungsträger in Wirtschaftsfragen durchaus des Zusammenhangs mit der Flüchtlingsfrage bewußt war. Wie Ludwig Erhard, Direktor der Verwaltung für Wirtschaft beim Wirtschaftsrat in Frankfürt, anläßlich der ersten Lesung des Gesetzes ausdrücklich betonte, zielte der Entwurf grundsätzlich zwar auf die während des Nationalsozialismus aufgebauten Gewerbebeschränkungen, hinsichtlich des Handwerks sollte jedoch vor allem die sog.
Bedürfhisprüfung weggefallen. Ich kenne eine Unzahl von Beispielen dafür, so
Ludwig Erhard, daß Leute, die zweifellos ihre fachliche Eignung haben nachweisen können, im deutschen Reichsgebiet keine Berufsmöglichkeit bekommen haben, wenn sie als Flüchtlinge aus dem Sudetenland gekommen sind, sich im freien Gewerbebetriebe oder auch als Handwerker niederzulassen, weil das durch diese engherzige Auslegung des Begriffs "Bedürftigkeit und Bedürfnis" unterbunden wurde.87 Doch in den weiteren Verhandlungen des Wirtschaftsrats rückte der wirtschaftliche Eingliederungsbedarf der Flüchtlinge angesichts massiver Proteste der einheimischen Gewerbetreibenden schnell wieder in den Hintergrund. Der Wirtschaftsrat verabschiedete im August 1948 ein Gesetz zum Gewerberecht, das von der Wiederher-
stellung der Gewerbefreiheit beherrscht war%% und auch durchaus der Eingliederung der Flüchtlinge in die Wirtschaft Rechnung tragen wollte. Während bislang durch
die Zulassungsbestimmungen weitgehend die Handhabe gegeben war und auch ausgenutzt wurde, die Heimatvertriebenen aus der gewerblichen Wirtschaft fernzuhalten, so der Abgeordnete Oellers für die FDP, eröffne das Gesetz ihnen die Möglichkeit, sich eine neue Existenz zu gründen 89 Ausdrücklich gestattete das Gewerbezulassungsgesetz vom 19.8.1948, daß jedermann Gewerbebetriebe errichten, verlegen, erweitern und übernehmen könne, allerdings nur soweit nicht durch dieses
Gesetz, durch die Gewerbeordnung und durch die aufgrund der Gewerbeordnung erlassenen Vorschriften Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind.90 Das Gesetz, das den im Länderrat des Wirtschaftsrats versammelten Ländervertretern bereits viel zu weit ging 9 ', erfüllte damit die Erwartungen der
86 87
88
89
90 91
Vgl. Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Bd. 4., S. 1011-1013. Erste Lesung des Gesetzes über die Aufhebung und Lockerung von Gewerbebeschränkungen; Wörtlicher Bericht über die 18. Vollversammlung am 17. und 18. Juni 1948 in Frankfurt am Main, S. 648. Köhler anläßlich der 1. Lesung des Rahmengesetzes über die Gewerbefreiheit, Wörtlicher Bericht über die 31. Vollversammlung des Wirtschaftsrats am 19.1.1949, S. 1382. Wörtlicher Bericht über die 22. Vollversammlung des Wirtschaftrsrats am 27 /28.9. und 30.9/1.10.1948, S. 999. Drucksache Nr. 406 des Wirtschaftsrats. Der Länderrat legte sein Veto gegen das Gesetz ausdrücklich deshalb ein, weil seiner Meinung nach ein starker Zustrom von sachlich und persönlich ungeeigneten Elementen in alle Stufen des Handels eintreten werde. Wörtlicher Bericht über die 20. Vollversammlung des Wirtschaftsrats am 17./19. und 20. August 1948, S. 819.
354
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Besatzer nicht. Durch Schreiben vom 17.9.1948 verweigerte das Zweimächtekontrollamt die Genehmigung der Vorlage.92 Schließlich nahm mit Direktive vom 29.11.1948 OMGUS fur die amerikanische Zone die Zulassung der Gewerbefreiheit in die eigene Hand und gab den Ländern der amerikanischen Zone entsprechende Regelungen in Auftrag. Nunmehr hatte gemäß dem amerikanischen Dekret die Zulassung von Gewerbebetrieben in der amerikanischen Zone zu entfallen, außer bei Tätigkeiten, die die öffentliche Gesundheit, Sicherheit und Wohlfahrt berühren.93 Ein entsprechender Befehl erging seitens der Landesmilitärregierung im Dezember an Reinhold Maier. Zwar versuchten Maier und sein Kabinett in bewährter Manier, die amerikanischen Direktiven zu umgehen. Doch diesmal blieb die Militärregierung hart. Im Januar 1949 erklärte sie eine eben vom Landesparlament erlassene Regelung für nichtig und setzte endgültig auch in Württemberg-Baden die Gewerbefreiheit durch. Mit entsprechenden Richtlinien vom 28.3.1949 wurden die Landesmilitärregierungen mit Informationen zur Kontrolle der diesbezüglichen Länderarbeit versehen: Die Zulassungspolitik der Militärregierung ist ausführlich durch Presse und Rundfunk sowie durch öffentliche Form und Diskussion weitestgehend in die Öffentlichkeit hineingetragen. Es ist besonders zu betonen, daß diese Politik gewährleisten soll, daß die größtmögliche Anzahl Handwerker, Facharbeiter und Geschäftsleute Gelegenheit haben, ihre Fähigkeiten anzuwenden und dadurch in größerem Maße zur wirtschaftlichen Gesundung Deutschlands beizutragen. Femer sollen die Verbindungs- und Sicherheitsoffiziere ausführlich bekanntgeben, daß sie bereit sind, Beschwerden von Deutschen gegen die Zulassungsbehörden bezüglich der tatsächlichen Durchführung der neuen Zulassungsgrundsätze zu untersuchen und notfalls bei der Abstellung von Mißbräuchen behilflich zu sein.9* Die Flüchtlinge begrüßten die Haltung der Besatzungsmacht euphorisch. In zahlreichen Resolutionen appellierte man an die Amerikaner, auf der Durchsetzung der Gewerbefreiheit zu bestehen. Die Gewerbetreibenden und selbständigen Kaufleute aus Flüchtlingskreisen sind an der Gewerbefreiheit besonders interessiert. Dies schon deshalb, weil durch ihre Einführung wesentliche Schwierigkeiten entfallen. Es ist jedoch bekannt, daß aus dem einheimischen Handwerk und Handel und aus der politischen Vertretung dieser Wirtschaftszweige starke Widerstände kommen und daß mit allen Mitteln versucht wird, die Militärregierung zu einer Änderung ihrer Haltung zu bewegen. Gegen dieses Vorgehen erheben wir Flüchtlinge schärf-
92
93 94
Meines Erachtens wird von den Rezipienten des Vorgangs viel zu sehr auf die formale Begründung der Genehmigungsverweigerung (die Frage der zukünftigen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern) Bezug genommen, obwohl die Richtlinien von OMGUS klarlegen, daß man sich von dem Gesetz in der vorliegenden Form unerwünschte weitere Beschränkungen der Gewerbefreiheit erwartete. Vgl. UFFELMANN (1988) S. 67 ff. und 141 ff. Wirtschaftsverwaltung 2/1949, Heft 10, S. 280 - 282, zitiert nach UFFELMANN (1988) S. 144. Richtlinien der U.S. Militärregierung vom 28.3.1949, Wirtschaftsverwaltung 2/1949, Heft 10, S . 2 8 0 - 2 8 2 , a b g e d r u c k t b e i UFFELMANN ( 1 9 8 8 ) S. 143 - 147.
Die Grenzen des Aibeitsmarktes und die Gewerbefreiheit
355
siens Protest und bitten die Militär-Regierung, den einmal eingeschlagenen Weg unbeirrt weiter zu verfolgen,95 In der britischen und der französischen Zone blieb die restriktive Gesetzgebung von 1935 gültig. Erst 1953 wurde im Rahmen des Erlasses der Bundes-Handwerksordnung auch das Gewerbezulassungsrecht der ehemaligen Länder der amerikanischen Zone im Sinne der deutschen Tradition erneut geregelt96. Uffelmann bewertet den Erfolg der amerikanischen Intervention kurz vor Ende der Besatzungszeit positiv: Während im ersten Quartal 1948 14.888 Geschäftsunternehmen eröffnet worden waren, entstanden im entsprechenden Zeitraum 1949 96.172 Betriebe. Bis 1951 wurden ca. 250.000 Unternehmungen gegründet, die überwiegend mit Erfolg arbeiteten.97 Eine kirchliche Studienkommission, die sich im Herbst 1949 mit den Problemen selbständiger Flüchtlingsbetriebe in Westdeutschland beschäftigte, ging davon aus, daß sich insgesamt von rund 150.000 ehemals selbständigen Handwerkern ein Drittel mittlerweile wieder selbständig niedergelassen habe. Von vormals 25.000 Kleinindustriellen seien 5.000 bereits wieder dabei, ihre Unternehmen erneut zu etablieren.98 Verglichen mit den allgemeinen Daten schien die Startbasis für Flüchtlingsbetriebe in Württemberg-Baden relativ gut. Von rund 9.700 ehemals selbständigen Handwerkern, die in Württemberg-Baden eingewiesen worden waren, gelang es bis 1949 immerhin etwa 4.000 eine, wenn auch bescheidene, selbständige Existenz zu finden." Aber, so Kornrumpf, alle ehemals selbständigen Handwerker konnte die Wirtschaft nicht eingliedern, da der Bedarf bei der starken Besetzung des einheimischen Handwerks gering ist.100 Die durchgedrückte Gewerbefreiheit änderte jedoch an der sich früh schon abzeichnenden Tendenz zur "Unterschichtung" letztlich wenig, obwohl seit Ende 1948 verstärkt öffentliche Kredite an Flüchtlingsbetriebe vergeben wurden.101
Resolution der gewerbetreibenden Flüchtlinge des Landkreises Waiblingen vom 13.3.1949, RG 260 OMGWB 12/77-9/3. 9 6
UFFELMANN (1988) S. 69.
97
Ebd.
9 8
V g l . VORSCHLÄGE (1949). KORNRUMPF (1950) S. 99.
9 9
100
Ebd. S. 99 f. O l Seit der Währungsreform bis zum 1.4.1950 nahm das Land 26 Mill. DM Flüchtlingskredite unter Staatsbürgschaft. Weitere 5 Mill. DM wurden als Staatsdarlehen und 560.000 DM als Staatszuschüsse ausgezahlt. Entwicklung der Vergabe staatsverbürgter Kredite in Nordbaden durch den zentralen Kreditausschuß, der im Januar 1948 seine Arbeit aufnahm: 1. Sitzung am 19.1.1948
Monat
1/2.1948 3/4.1948 5/6.1948
Zahl der Kredite ca. 9 4 14
Summe ? 45.000 R M 127.000 R M
356
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Tabelle 50: D i e berufliche Gliederung der Alt- u n d N e u b ü r g e r 1939/50
Berufe
Land- u. forstwirtschaftliche Berufe Industr., handw., techn.Berufe Handels- u. Verkehrsberufe Sonstige Berufe Summe
in % der Erwerbspersonen Neubürger Altbürger BRD BRD 1939 1950 1939 1950
Neub. Altb. Württ.-Baden 1950 1950
39,6
14,5
25,2
25,7
35,1
26,5
33,2
52,4
37,8
40,7
39,1
44,6
17,4
14,0
17,9
18,4
14,0
15,6
9,8
19,1
19,1
15,2
11,8
13,3
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
Quelle: Bethlehem S. 42 nach REICHLING (1958) S. 208. Zahlen für Württemberg-Baden: Staatsbeauftragter für das Flüchtlingswesen (Hg.): Die Heimatvertriebenen in Württemberg-Baden und ihre wirtschaftliche Eingliederung, Stuttgart 1950. Die Zahlengrundlage dieser Veröffentlichung ist unbekannt.
Im April 1949 z o g e n die Flüchtlingskommissare der drei Länder der amerikanischen Z o n e und der Leiter der Zentralstelle f ü r Flüchtlingswesen beim Wirtschaftsrat, O t t m a r Schreiber, in einer bizonalen Konferenz z u m Flüchtlingsproblem k u r z vor E n d e der Besatzungszeit noch einmal eine eigene düstere Bilanz der wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge und der daraus folgenden politischen Implikationen. D e r hessische Flüchtlingskommissar N a h m f a ß t e seine Beobachtungen zusammen: Infolge der allgemeinen Geldknappheit durch die Währungsreform werden durch die Ausgewiesenen und Flüchtlinge Anträge auf Gewährung von staatsverbiirgten Krediten und Staatsdarlehen in erhöhtem Maße in Vorlage gebracht. 176.000 DM 7/8.1948 18 9/10.1948 18 249.500 DM 11/12.1948 10 102.500 DM 1/2.1949 11 95.500 DM 3/4.1949 11 68.500 DM 13 5/6.1949 122.100 DM 9 83.000 DM 7/8.1949 Entwicklung der Staatsdarlehen zur Existenzgründung in Nordbaden: 51 11/12.1948 153.000 DM 1/2.1949 82 332.100 DM 34 3/4.1949 115.000 DM 5/6.1949 4 16.000 DM 7/8.1949 ca.29 ca. 83.900 DM 165 9/10.1949 569.200 DM 11/12.1949 193 600.255 DM Quelle: Monatsberichte des Landeskommissars für das Flüchtlingswesen, GLAK 466 Zug. 1981/47-2013.
Die Grenzen des Arbeitsmarktes und die Geweifoefreiheit
357
The refugees did not benefit from the economic progress in Western Germany. Only 5% of the refugees have an income of 200 DM or over. An enormous number of refugees are dependent on welfare benefits. [...] The attempt to integrate the refugees into the cultural and economic life has been a failure. Refugees blame Military Government, the German administration and the native population for this situation. 102 Die Flüchtlinge hätten wirtschaftlich im Vergleich zu den Einheimischen eindeutig eine schlechtere Stellung. Nahm fand Zustimmung bei seinen Kollegen aus den anderen Ländern. Yet the Situation today is more difficult than it was in the beginning of '46 (Jaenicke).103 Bettinger betonte die generelle Diskriminierung der Flüchtlinge in allen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens. Seine Eindrücke von der Konferenz übermittelte der OMGUS-Ansprechpartner der Flüchtlingsverwaltungen, George Weisz, an die Civil Administration Division nach Berlin. During the two days the conference lasted, not one thing was said about the refugee problem that has not been stated over and over again in the last three years. However the grievances are now crystallized and the issues are clear.104 Die Situation sei heute schlechter als 1946, und die Flüchtlinge hätten das Vertrauen in die Länderregierungen, politischen Parteien und die Militärregierung verloren. Sie seien dabei, sich politisch im rechten Lager zu organisieren. Auch Mr. Memrek, anwesender Experte der ECA Mission für Deutschland, sei zum Ergebnis gekommen, daß die Flüchtlinge wirtschaftlicher Sonderprogramme bedürften: The refugee problem needs, at least in the economic field, special and timely invention.105 Den besonderen Kontinuitätsbruch, dem viele Flüchtlinge unterlagen, verdeutlicht Tabelle 50.106 Auch nach Boites Stichprobenergebnissen waren 1953 nur 35,3% der Flüchtlinge in der gleichen Berufsgruppe tätig, in der sie 1939 beschäftigt gewesen waren, dagegen von den Einheimischen 65,9%.107 Alle statistischen Ergebnisse, erklärte Trömel im November 1949, bestätigen die besondere Lage der Heimatvertriebenen im Arbeitsmarkt. Sie sind zu einem erheblichen Teil (20%) berufsfremd eingesetzt, viele (75%) der ehemals Selbständigen sind in abhängigen Arbeitsverhältnissen, und endlich haben sich die Auswirkungen der Währungsreform in stärkerem Maße bei den Gewerbezweigen gezeigt, in denen Vertriebene Beschäftigung gefunden haben.108 Die wirtschaftliche Eingliederung der rund 7,1 Millionen Heimatvertriebenen im Vereinigten Wirtschaftsgebiet, resümierten auch Reichling / Betz, ist vier Jahre nach den Potsdamer Beschlüssen, der rechtlichen Grundlage für die Ausweisung, immer noch eine im wesentlichen ungelöste Frage. [...] Um die einzelnen Berufsgruppen innerhalb des Arbeitsmarktes wird zwischen den Einheimi-
102
Bericht von Weisz über die Conference CAD 3/159-2/10.
on Refugee Affairs 21- 22.4.1949,
RG 260 OMGUS
103 Ebd. Ebd. 105 Ebd. 106 Man kann vermuten, daß die Zahlen des württemberg-badischen "geschönt" waren, eine zeitgenössisch durchaus vorfindbare Praxis. 107 BOLTE (1959) S. 127. 108 TRÓMEL (1949) S. 554.
Flüchtlingsreferats
358
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Tabelle 51: Berufliche Gliederung und soziale Stellung der Alt- und Neubürger in der B R D nach der Berufszählung v o m 13.9.1950 (Zahlen in 1000) Bernfszugehörige Berufliche/soziale Stellung Landwirtschaft Selbständige landwirtschaftl. Betriebe < 2 ha 2 - 9 ha 10 - 29 ha 30 ha und mehr Mith. Familienangeh. Altenteiler Landwirtschaiti. Gesinde und Arbeiter
Neubörger Anzahl %
auf 100 d. Sonstigen
Sonstige Anzahl %
3 13 11 3 39 2 506
0,0 0,2 0,1 0,0 0,5 0,0 6,4
1,6 1,1 1,5 1,4 1,4 0,6 67,1
187 1.187 729 207 2.821 318 754
0,5 3,0 1,8 0,5 7,1 0,8 1,9
Selbständige Gewerbetreibende Alleinschaffende mit 2 bis 4 Beschäftigten mit 5 bis 9 Beschäftigten mit 10 bis 49 Beschäftigten mit 50 u. mehr Beschäftigten Mithelfende Familienangeh.
227 122 21 12 3 27
2,9 1,6 0,3 0,2 0,0 0,3
12,9 7,3 4,4 4,5 5,3 5,7
1.763 1.668 479 268 57 473
4,4 4,2 1,2 0,7 0,1 1,2
Beamte des einf. u. mittl. Dienstes des gehobenen Dienstes des höheren Dienstes in Ruhestand
174 111 37 108
2,2 1,4 0,5 1,4
16,0 18,5 16,6 15,8
1.086 599 223 682
2,7 1,5 0,6 1,7
Angest. (o.häusl.Dienst.)
848
10,8
15,7
5.392
13,5
Arbeiter (häusl.Dienst.) u. Angest. Arbeiter (ohne Landw. u. häusl. Dienst.) Renter Sozialhilfeempfänger Sonstige
168
2,1
36,4
462
1,2
3.769
47,8
25,7
14.671
36,8
1.033 508 131
13,1 6,5 1,7
22,5 105,4 17,7
4.587 482 739
11,5 1,2 1,9
7.876
100,0
19,8
39.834
100,0
Summe
Quelle: berechnet nach HORSTMANN (1952) S. 114f. Horsünanns Zahlen enthalten etliche Rechenfehler, die hier so weit möglich beseitigt wurden..
359
Die Grenzen des Aibeitsmarktes und die Geweibefreiheit
schert und den Heimatvertriebenen ein stiller, aber erbitterter Kampf geführt.109 Dies zeige sich besonders an den beliebten Berufen im Büro und im Bereich der Technik sowie bei Post und Bahn, bei denen die Heimatvertriebenen stark unterrepräsentiert seien. Nach wie vor seien weit über die Hälfte der Heimatvertriebenen in wenig beliebten Berufen wie dem des Landarbeiters, Bauarbeiters, Gaststättenarbeiters, Hausgehilfen und Hilfsarbeiters beschäftigt. Jeder siebte sei berufsfremd eingesetzt. Lediglich 60%, schätzen Reichling/Betz, könne man jenseits von beruflichen Statusüberlegungen als beruflich eingegliedert bezeichnen. Tabelle 51 und 52 bestätigen solche Aussagen.110
Tabelle 52: Stellung im Beruf der Alt- und Neubürger 1939/50
BRD 1939 (1)
in % der Neubörger WB WB BRD 1947 1948 1950 (4) (2) (3)
Erwerbspersonen Altbürger WB BRD WB BRD WB 1947 1950 1939 1950 1950 (5) (4) (5) (1) (2)
16,0 20,6 4,3 9,5 49,6
2,8 0,4 96,8 a a
3,6 0,4 96,0 a a
5,2 1,8 3,7 14,3 75,0
16,2 21,2 62,4 a a
14,9 18,4 5,2 13,2 48,3
16,5 16,4 67,1 a a
16,3 16,7 4,0 16,3 46,5
15,2 19,3 65,4 a a
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
100,0
Stellung im Beruf
Selbständige Mith. Fam. Angeh. Beamte Angestellte Arbeiter Summe
WB = Württemberg-Baden a = Fiir Württemberg-Baden liegen nur summarische Angaben für Beamte+Angestellte+Aibeiter vor. Quelle: Spalte (1) und (4) und Bethlehem S. 43 nach REICHLJNG (1958) S. 210, Spalte (2) HSTAST EA6/001-249, Spalte (3) 30.9.48 BA Zl/835.
Des Problems der beruflichen Deklassierung der Flüchtlinge war sich die deutsche Seite auch in den nächsten Jahren durchaus bewußt. Wenn die Eingliederung der Vertriebenen in die Wirtschaft auch an erster Stelle ein Arbeitsmarktproblem ist, so darf darüber doch nicht die Bedeutung des Problems verkannt werden, das sich mit der verständlichen Forderungen der ehemals selbständigen Vertriebenen nach Wiederherstellung ihrer alten Position stellt111, so eine Verlautbarung des Kölner Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts 1950. Es ist dies nicht nur ein wirtschaftliches, sondern mindestens ebenso auch ein soziales und politisches Problem. Vom Standpunkt des einzelnen Vertriebenen stelle sich die Frage eben anders als unter gesamt109 110 111
REICHLING/BETZ (1949) S. 18 f. Ebd. S. 41. Zitiert nach KORNRUMPF (1950) S. 97.
360
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
volkswirtschaftlicher Perspektive. Doch die Sympathie für die beobachteten Flüchtlingsbedürfhisse hielt sich in Grenzen. Eines sei klar: Es muß verhindert werden, daß eine Konkurrenz um jeden Preis auftritt, durch die im Endeffekt nur Kapital verschwendet wird. Der Einsatz neuer "Flüchtlingsbetriebe" müßte sich auf eine sehr sorgfältige Planung stützen, die von den vorhandenen Kapazitäten und Marktmöglichkeiten ausgeht, aber auch die Standortbedingungen genauestens untersucht,112 Auch Versuche, dem beobachteten Deklassierungsphänomen "sinnstiftende" Wirkung zuzuschreiben, finden sich durchaus bei den Kommentatoren des Geschehens. Man liest und hört von Proletarisierung, von einem Fünften Stand, der sich aus den Flüchtlingen und Vertriebenen gebildet habe, so Ludwig Neundörfer über die Auswirkungen der Flüchtlingsfrage auf die westdeutsche Sozialstruktur 1950.113 Doch davon könne eigentlich keine Rede sein. Die freiwillige oder erzwungene Aufgabe einer wirtschaftlichen Existenz sei jetzt für viele eine sich schnell realisierende Chance des Wiederanfangs. [...] Die Geschwindigkeit des Prozesses verhindert, daß sich eine geschlossene Gruppe mit einheitlichen Daseinsformen bildet, die man im soziologisch exakten Sinn als Schicht bezeichnen könnte.114 Überdies glichen sich die Lebensgewohnheiten von Teilen der Arbeiterschaft, der Angestelltenschaft und der Beamtenschaft einander immer mehr an. Wenn denn überhaupt von sozialer Schichtung zu reden sei, dann müsse man von traditionellen Modellen abweichen und den allgemein Diensttuenden die Rentner gegenüberstellen. Man hat mit einem gewissen Recht von einem sozialen Abstieg vieler Heimatvertriebener gesprochen. Die Ausweise der Arbeitsämter beweisen, daß vor allem in der ersten Phase des Hierseins die Vertriebenen vor allen Dingen mit den Berufen vorlieb nehmen mußten, die wenig beliebt sind, sei es, weil sie nur geringe Entlohnung abwerfen, sei es, daß sie mit besonderen Beschwerlichkeiten verbunden sind.115 Man werde jedoch den Leistungsstarken den erneuten Einstieg in die alte Berufssparte sicher ermöglichen können. Im Ausland reagiere man ohnehin befremdet auf die deutsche Eigenart, am einmal erlernten Beruf festzuhalten. Auch viele Flüchtlinge, die in der ersten Not Arbeit unter ihrem Ausbildungsniveau ergriffen hätten, erfuhren mittlerweile mit Erstaunen, daß ein qualifizierter Arbeiter mehr verdient und sich deshalb einen höheren Lebensstandard leisten kann als mancher kleine Beamte und Angestellte, ja auch als mancher Akademiker.116 Ganz ähnlich äußerten sich noch 1959 Lemberg/Edding: Zwar kamen sie zum Ergebnis, daß auch 1957 die Tendenz zum sozialen Abstieg bei den Flüchtlingen nicht gebrochen sei. Es liegt nahe, auf Grund dieser Zahlen von anhaltender Deklassierung der Vertriebenen zu sprechen. Doch wäre ein solches Urteil voreilig. Es ist zuerst zu fragen, welcher Wertmaßstab anzuwenden ist. Kann Selbständigkeit im Durchschnitt als Ausweis einer höheren oder gar höchsten sozialen Stellung gelten? Ist der Arbeiter im Durchschnitt auf einer niedrigeren Stufe des gesellschaftlichen Ansehens als der Angestellte oder etwa der » 2 Ebd. 113
NEUNDÖRFER ( 1 9 5 0 ) S. 29.
114
Ebd. S. 30. Ebd. S. 31.
115
116
Ebd.
Zwischen wirtschaftlicher Eingliederung und Unterschichtung
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Handwerker? Die soziologische Forschung hat auf die Fragwürdigkeit der herkömmlichen gesellschaftlichen Klassierung oft hingewiesen. Aus vielen Beispielen geht hervor, daß sich große Teile der Arbeiterschaft in neuerer Zeit weiten Kreisen der Angestellten- und Beamtenschaft gesellschaftlich überlegen fühlen.117 Für die bleibende Unterschichtung der Neubürger sprach schließlich eine Auswertung Bohnsacks 1966. Anhand einer Befragung der Lastenausgleichsbank kam sie zum Ergebnis, daß lediglich 31 % der Vertriebenen 1965 die gleiche Rangstufe wie 1945 einnahmen.118 7.2.
Zwischen wirtschaftlicher Eingliederung und Unterschichtung: deutsche Lösungswege zur Bewältigung der Flüchtlingsnot
Nichts sprach mit dem Beginn der organisierten Flüchtlingstransporte dafür, daß sich die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge zum Problem entwickeln könnte. Welche Schwierigkeiten es mit sich bringen würde, die Flüchtlinge in privatem Wohnraum unterzubringen, war schon früh abzusehen gewesen. Anders verhielt es sich mit der Frage des Arbeitseinsatzes der Neubürger. Nach dem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft am Kriegsende herrschte angesichts der Kriegstoten, des Fehlens der noch in Kriegsgefangenschaft Verbliebenen und des abrupten Ausfalls der Zwangsarbeiter großer Mangel an Arbeitskräften. Es wurden vor allem körperlich einsatzfähige Menschen für die Landwirtschaft und das Baugewerbe gebraucht. Für solche Tätigkeiten geeignete Arbeitssuchende gab es jedoch kaum.119 Auch die verordnete Arbeitspflicht trug nur wenig dazu bei, den bestehenden Arbeitskräftemangel zu lindern. Entsprechend betriebsam reagierte das Landesarbeitsamt auf die anvisierten Flüchtlingstransporte: Der in den nächsten Monaten zu erwartende Flüchtlingsstrom aus dem Osten wird die Arbeitsämter vor verantwortungsvolle und schwere Aufgaben stellen. Es gilt nicht nur, diesen heimatlosen Menschen wieder Arbeit und Brot zu verschaffen, sondern auch den gewaltigen Bevölkerungszuwachs in Bahnen zu lenken, die unserem schwerbelasteten Land wenigstens einigermaßen zu Nutzen gereichen. Ich denke dabei in erster Linie an die Abdeckung des landwirtschaftlichen Kräftebedarfs sowie des Bedarfs der Forst- und Bauwirtschaft und der Hauswirtschaft.120 Die Experten des Landesarbeitsamts beschäftigten sich mit der Aufstellung eines Planes, der dazu fuhren sollte, die ankommenden Arbeitskräfte unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten möglichst effektiv auf das Land zu verteilen. Das ideale Ziel wäre eine Verständigung mit der Tschechischen Regierung mit Unterstützung der Militärregierung zwecks Einschaltung von Fachleuten der amerikanischen Region zur sinngemäßen, rechtzeitigen Zusammenstellung der Züge
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LEMBERG/EDDING ( 1 9 5 9 ) S. 163.
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BOHNSACK ( 1 9 6 6 ) S. 4 9 .
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Von den Arbeitssuchenden zählten 1/3 zu den Angestellten; 22% waren Schwerbeschädigte; vgl.: Der Arbeitseinsatz in Württemberg-Baden im Jahre 1946, Statistische Monatshefte Württemberg-Baden, Heft 3, 1947, S. 76 - 78. 120 Vg] Schreiben des Landesarbeitsamtes Nordwürttemberg-Nordbaden an die Leiter der Arbeitsämter Nr. 68 vom 7.12.1945, GLAK 466 Zug.1981/47,-1387.
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bereits auf tschechischem bzw. ungarischem Gebiet. [...] Innerhalb der amerikanischen Region sollte so rasch als möglich eine Verständigung zwischen den einzelnen Landesarbeitsämtern bzw. Arbeitsministerien und den Innenministerien über die Verteilung der zu erwartenden Züge mit Spezialarbeitern erzielt werden, um sie nach den jeweiligen Metall-, Textil-, Kunstgewerbe-, Holzverarbeitungsindustriezentren in der amerikanischen Region zu verteilen. Es müßte erreicht werden, daß die Gablonzer Bijouteriefacharbeiter nach Gmünd und Pforzheim kämen, die Textilarbeiter nach Kulmbach, Kolbermoor, Augsburg, Backnang, die Chemiearbeiter nach Nordbaden und Hessen gelangen.121 Um eine möglichst schnelle und reibungslose Eingliederung der willkommenen Arbeitskräfte zu gewährleisten, wurden eigens Angestellte des Arbeitsamtes als Verbindungsleute in die Flüchtlingslager entsandt; die Vermittlung von Arbeit und Arbeitskräften galt als ihr Monopol.122 Aber die erwarteten Facharbeiter trafen keineswegs in so hoher Zahl wie erhofft ein, und die deutschen Behörden erhielten ohnehin keinen Einfluß auf die Zusammensetzung der Transporte.123 Was blieb, war die Unterbringung der Flüchtlinge in der Landwirtschaft, die dringend Arbeitskräfte benötigte,124 die Beschäftigung der Frauen in Baumwollspinnereien und Webereien, die Vermittlung von Heimarbeitsbeschäftigungsverhältnissen im Bekleidungs- und Kunstgewerbe,125 ja sogar die Beschäftigung mit dem Sammeln von Heilkräutern in den württemberg-badischen Wäldern126. Der erste Flüchtlingskommissar Württembergs gedachte in reichlich romantischer Verklärung vorindustrieller Verhältnisse, aus der Not eine Tugend zu machen. Wie er dem Landesarbeitsamt noch vor dem Eintreffen des ersten regulären Transportes mitteilte, beabsichtigte er den weniger günstigen Tatsachen, durch eine verschärfte Verstärkung der Heimarbeitergründungen Rechnung zu tragen, wobei ich sogar stark auf Jugendliche zurückgreifen
121 Vorschlag des Landesarbeitsamts zur Aufstellung eines Planes für die sinngemäßeste Verteilung der zu erwartenden Ostflüchtlinge zur Ausnutzung ihrer Spezialkenntnisse vom 10.12.1945, HSTAST EA2/801-24. 122 Ausdrücklich wies der Runderlaß Nr. 56 des Innenministeriums Württemberg-Baden vom 2.8.1946 daraufhin, daß es keineswegs angehe, Arbeitgeber und arbeitspflichtiger Flüchtling selbständig Verhandlungen aufnehmen zu lassen. HSTAST EA2/801-9. 123 Bj s Ende der 40er Jahre finden sich immer wieder Anfragen nach Fach-, insbesondere Baufachaibeitern in den Akten des Flüchtlingskommissars, so z.B. Anfrage nach Baufacharbeitern am 22.3.1946, HSTAST EA2/801-9 oder Anfrage nach Arbeitern für Gips-, Zement- u. Ziegelwerke am 17.5.1946. Der Landeskommissar suchte beispielsweise landesweit nach 15 Maurern und bekam keine positive Rückmeldung, Anfrage vom 30.9.1946; Suche nach Steinhauern durch den Flüchtlingskommissar am 1.11.46, Anfrage des Sekretariats des Länderrats vom 18.11.1946; es wurden Eisenfacharbeiter aus den Eisenwerken Tothau und Neudeck im Erzgebirge bei Karlsbad oder Feinblechwalzwerk Königshof bei Berau und Prag für die Maxhütte dringlich gesucht; 13 wurden aus Nordbaden gemeldet, GLAK 466 Zug.1981/471391. 124 Schreiben aus dem Wirtschaftsministerium, Abteilung Landwirtschaft und Ernährung an den Staatskommissar für Flüchtlingswesen, Stockinger, vom 8.3.1946, HSTAST EA2/801-22. 125 Vgl. u.a. Schreiben Stockingers vom 18.12.1945 an Dr. Vogel, Landesarbeitsamt, HSTAST EA2/801-24. 126 vgl. Schreiben des Angestellten beim badischen Landeskommissar, Herbst, vom 4.4.1946, HSTAST EA2/801-9.
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werde. Nach reiflicher Überlegung und fachlichen Untersuchungen kommt auf die Dauer nur noch die Heimarbeit als Selbsterhaltungsorgan in Frage.127 Bei den Flüchtlingen waren gerade die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft äusserst unbeliebt. Sehen wir von den Deklassierungsproblemen einmal ab, mit denen ein ehemals selbständiger Bauer zweifellos zu kämpfen hatte, wenn er nun als Landarbeiter arbeiten sollte, so waren die vielfach kleinen Agrarbetriebe in den nordbadischen und nordwürttembergischen Realteilungsgebieten oft gar nicht in der Lage, einen Landarbeiter, womöglich mit Familie, wirtschaftlich mitzutragen. Entsprechend niedrig waren die Löhne. Viele Flüchtlinge wurden unter Tarif bezahlt, manche arbeiteten nur für das Essen.128 Mit Verfugung vom 15. April 1946 geißelte die badische Landeszentrale der Flüchtlingsverwaltung das Verhalten der einheimischen Arbeitgeber auf dem Lande: Es ist unvertretbar, daß den im Arbeitseinsatz befindlichen Flüchtlingen nach ihrer Unterbringung in den Gemeinden nicht die festgesetzten Lohnsätze gezahlt werden. Es wird den Arbeitgebern zur Pflicht gemacht, den von ihnen beschäftigten Flüchtlingen für verrichtete Landarbeit den nach dem Lohntarif zustehenden Arbeitslohn zu zahlen.129 Doch Karlsruhe und Stuttgart waren weit.130 Wie die Beamten der Arbeitsämter verärgert beobachteten, reagierten die Flüchtlinge mit "Arbeitsdienstverweigerung".131 Im Herbst 1946 schließlich gingen die einheimischen Landwirte vielfach dazu über, die nutzlosen Esser wieder zu entlassen. Zwar überschüttete die Landesregierung die Bauern mit wohlgemeinten Appellen, die Flüchtlinge über den Winter weiter zu beschäftigen; viel genützt scheint dies jedoch nicht zu haben.132 In der Konsequenz bemühten sich die Flüchtlinge verstärkt um Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft, und sie suchten allmählich in die Großstädte abzuwandern, in die auch die Evakuierten zurückzukehren bestrebt waren.133 Doch einfach war dies angesichts der Zerstörung der Städte und der dort herrschenden Wohnungsnot nicht. Bei der bisherigen vorläufigen Ansiedlung der Flüchtlinge hat sich ergeben, daß in den Zuteilungsorten geeignete Arbeit nicht zugewiesen werden konnte, während anderwärts Mangel bestand, kommentierte bereits im Mai 1946 ein Mitarbeiter des nordbadischen Flüchtlingskommissars die sich besonders in Nordbaden abzeichnende Misere.134 Die Arbeitsfähigen an dem für sie am besten geeigneten Arbeitsplatz unterzubringen, wird infolge der zu-
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Schreiben Stockingers an Vogel, Landesaibeitsamt, vom 18.12.1945, HSTAST EA2/801-24. Bericht des Hilfswerks für evangelische Umsiedler vom Februar 1946, HSTAST EA2/801-39. Verfügung vom 15.4.1946 Nr.127, HSTAST EA2/801-9. vgl. Schreiben Middelmanns an das Evangelische Hilfswerk vom 23.8.1946: Bedauerlicherweise wird diese Anordnung (Tariflohn d. A.) nicht überall durchgefiihrt, was das Einleben der Flüchtlinge bedeutend erschwert und dauernd zu Unzuträglichkeiten fithrt. GLAK 466 Zug. 1981/47-1391. Ygi Schreiben der Abteilung Albeit und Wohlfahrt der nordbadischen Landesregierung an den Landeskommissar für das Flüchtlingswesen, GLAK 466 Zug.1981/47-1387. Vgl. u.a. Schreiben von Zimmermann (badischer Landesdirektor für Inneres) am 31.10.1946 an die Landräte, GLAK 466 Zug. 1981/47-1391. Die Arbeitsämter hängten entsprechende Aufrufe aus; vgl. GLAK 481-610. vgl. Schreiben des Landesdirektors für Arbeit, Baden an den Präsidenten des Landesbezirks Baden vom 15.10.1946; vgl. GLAK 481/610. Herbst an die Flüchtlingsreferenten der Kreise am 6.5.1946, HSTAST EA2/801-9.
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nehmenden Auffüllung der einzelnen Gemeinden immer schwieriger. Wenn der Arbeitsamtbezirk Heilbronn, dessen Aufnahmequote (...] zu 96% erfüllt ist, noch einen Bedarf von nicht weniger als 4.000 voll einsatzfähigen Arbeitskräften meldet, so sind diese gesuchten Kräfte angesichts der ungünstigen Zusammensetzung der Transporte aus den Ostflüchtlingen nur zum geringsten Teile zu gewinnen. [...] Schon hat in manchen Bezirken das starke Angebot an Arbeitskräften durch die Flüchtlinge zu einem sichtbaren Absinken der Löhne in der Landwirtschaft geführt.135 Und im Juli erläuterte das Flüchtlingsreferat, daß es im Moment nicht möglich sei, die Flüchtlinge unter Berücksichtigung ihrer Berufe unterzubringen. Es wird in Zukunft in Deutschland nicht so sein, daß jeder seinen Beruf weiter ausüben kann, viele Menschen werden sich umstellen müssen. Eine Feinsortierung läßt sich z.Zt. noch nicht durchführen. Das wichtigste Problem ist z.Zt. die Unterbringung.136 Zwar führte der Flüchtlingsstrom zu einer gewissen Entspannung des Arbeitsmarktes,(137 doch auch 1947 nahm der Arbeitskräftemangel weiter zu; die offenen Stellen überstiegen bei weitem die Zahl der Arbeitssuchenden, und so beschäftigte sich im September 1947 schließlich der sozialpolitische Ausschuß des Länderrats in einem Bericht an General Clay mit dem Arbeitskräftemangel und der Frage, wie aus den Kreisen der Neubürger weitere Arbeitskräfte zu gewinnen seien: Die Häufung der einlaufenden Transporte von Ausgewiesenen in die US-Zone im Sommer und Herbst 1946 und der sehr beschränkte Wohnraum in den Städten und Industriegemeinden machte die Unterbringung der Neubürger auf dem Lande notwendig. Die Schwierigkeiten in der Auswertung dieser Kräftereserven auch für den nichtlandwirtschaftlichen Arbeitseinsatz wuchsen jedoch mit der Entfernung der Wohnunterkünfte der Neubürger von den industriellen Einsatzgebieten, namentlich in großräumigen landwirtschaftlichen Bezirken. [...] Von einsatzmäßiger Bedeutung ist die volle Ausschöpfung der noch nicht oder noch nicht endgültig zum Arbeitseinsatz gelangten Neubürger. Dies setzt jedoch eine rechtliche Handhabe zu Umsetzungen ganzer Neubürgerfamilien unter Anweisung einer Wohngelegenheit am Beschäftigungsort voraus. Diese rechtliche Handhabe ist zur Zeit noch nicht gegeben, obwohl durch sie erst ermöglicht wird, daß z.B. betriebseigener Wohnraum sowohl von landwirtschaftlichen als auch gewerblichen Betrieben, der bisher von Neubürgern belegt ist, ohne daß diese Wohnungsinhaber im Betrieb ihres Wohnungsgebers arbeiten (sei es mangels Eignung oder Überalterung oder Abkehr von ihrem ursprünglichen Beschäftigungsbetrieb), mit Arbeitskräften belegt werden kann, die zur Beschäftigungsaufnahme beim Wohnungsgeber bereit und geeignet sind. Nach Schaffung einer entsprechenden Rechtshandhabe könnten dringende Kräfteanforderungen sowohl von landwirtschaftlichen als auch gewerblichen Betrieben, nament-
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Bericht zur Arbeitsmarktlage des Landesarbeitsamtes Württemberg-Baden, BA Zl/847. Aus dem Protokoll der Sitzung der Referenten für das Flüchtlingswesen in Nordbaden in Heidelberg am 24.6.1946, GLAK 466 Zug.1981/47-70. •37 D e r Arbeitseinsatz in Württemberg-Baden im Jahre 1946, Mitteilungen des württembergischen und badischen Statistischen Landesamtes 3/1947, S. 76 ff.
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lieh der Textilindustrie, gedeckt und die Zahl der noch nicht voll im Arbeitseinsatz stehenden Neubürger weiter fühlbar gesenkt werden.138 Die Idee, Flüchtlinge entsprechend den Erfordernissen des Arbeitsmarktes umzusetzen, verfolgte man weiter, stieß jedoch bei den Betroffenen nur bedingt auf Gegenliebe. Wie schwierig sich die Umsetzung selbst innerhalb der einzelnen Landkreise gestaltete, ist aus einem Erfahrungsbericht des Flüchtlingsreferenten des Sinsheimer Landkreises vom 11.12.1947 zu entnehmen: Eine größere Anzahl Umsetzungen von Flüchtlingsfamilien wurde geplant. Hiervon kam jedoch nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz zur Durchführung, da die Umquartierung von Flüchtlingsfamilien rrur auf freiwilliger Basis durchgeführt werden kann, wenn z.B. eine Umsetzung von einer Gemeinde zur anderen Gemeinde erforderlich ist, so muß eine Einverständniserklärung der beiden betreffenden Wohnungsämter bzw. Bürgermeister eingeholt werden, außerdem natürlich auch die Einverständniserklärung der umzusetzenden Flüchtlingsfamilien. Diese 4 Einverständniserklärungen zu erhalten, gestaltet sich sehr schwierig, da eine der Parteien irgend etwas naturgemäß einzuwenden hat,139 Entsprechend spärlich blieben die Erfolgsmeldungen aus den Landkreisen. Ahnliche Erfahrungen machte man auch in Bayern und Hessen, und so kam die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Flüchtlingsverwaltungen im November 1947 zum Ergebnis: Im Zuge der Einschleusungen sind Fehlleistungen in nicht unerheblichem Umfang dadurch eingetreten, daß z.B. Industriearbeiter auf das Land und Bauern und Landarbeiter in die Stadt gerieten. [...] Es ist dadurch zwingend notwendig geworden, zur Förderung des Wirtschaftslebens und zur Förderung des besseren arbeitsmäßigen Einsatzes Einzelpersonen und Personengruppen je nach Beruf, Vorbildung und Arbeitseinsatzfähigkeit sowohl innerhalb der Gemeinden und Kreise als auch über diese hinaus innerhalb der Länder umzusetzen. Es hat sich gezeigt, daß diese Umsetzungen im Wege der Freiwilligkeit in befriedigendem Ausmaß nicht zu erreichen sind. Die z.Zt. vorhandenen gesetzlichen Ermächtigungen reichen nicht aus, derartige Umsetzungen im Zwangswege durchzuführen.140 Bis zur Währungsreform im Juni 1948 machte das angestrebte, politisch sensible Gesetzeswerk nur wenig Fortschritte. Was blieb, war in den agrarisch strukturierten Landesteilen die Arbeit in der Landwirtschaft und häufig nach der Währungsreform die Arbeitslosigkeit. Ende 1949 konstatierte das Statistische Landesamt: Trotz der starken Verluste an Menschenleben während des Krieges hat die Bevölkerung des Landes Württemberg-Baden durch den Zustrom von Evakuierten, Flüchtlingen und Vertriebenen sowie durch die Heimkehr der Vermißten und entlassenen Kriegsgefangenen derart zugenommen, daß die Möglichkeiten der durch Kriegseinwirkungen geschwächten Wirtschaft, die Vielzahl der zum Broterwerb drängenden Men-
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Bericht des sozialpolitischen Ausschusses des Länderrats vom 15.9.1947 an General Clay, HSTAST EA1/014-531. GLAK 466 Zug.1981/47-1392. Aus dem Sitzungsprotokoll der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen vom 11. und 12. November 1947, GLAK 466 Zug.1981/47-26.
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sehen aufzunehmen, rasch ausgeschöpft waren, somit nahezu zwangsläufig eine industrielle Reservearmee entstehen mußte.m Schwierig gestaltete sich von vornherein auch die staatliche finanzielle Unterstützung von Flüchtlingen, die sich in ihrer aufgezwungenen Heimat wieder selbständig machen wollten. Die ersten Probleme ergaben sich, als es darum ging, den ehemals Selbständigen unter den Neubürgern Kredite für den Neuaufbau ihrer Betriebe und Unternehmen zu beschaffen. Die Rolle des Wegbereiters innerhalb WürttembergBadens übernahm der badische Landesflüchtlingskommissar Middelmann. Bereits im August 1946 wies er das Finanzministerium auf den entstehenden Bedarf hin. Es häufen sich die Fälle, daß von Ausgewiesenen aus der Tschechoslowakei und Ungarn der Antrag auf Kreditgewährung gestellt wird. Zum Teil verfügen die Ausgewiesenen über Unterlagen über ihren seitherigen Vermögensstand in den Ausweisungsländern, und es wird geltend gemacht, daß diese zurückgelassenen Vermögenswerte gegen die Reparationsforderungen der Alliierten aufgerechnet werden, so daß eine Forderung an das Deutsche Reich von Seiten der Ausgewiesenen erhoben wird. [...] Die derzeitig geltenden Bestimmungen erlauben es der Bez.Sparkasse nicht, den gewünschten Kredit einzuräumen. Es ist dringend erforderlich, daß diese Kreditgewährungsfrage schnellstens geregelt wird.142 In Nordbaden bemühte sich Middelmann im Rahmen einer zu gründenden "Badischen Kredithilfe" darum, daß Flüchtlinge neben anderen Bevölkerungsgruppen unter erleichterten Bedingungen entsprechende Kredite erhalten konnten.143 Auf zentraler Ebene drangen die Flüchtlingsdienststellenleiter der britischen und amerikanischen Zone anläßlich ihrer gemeinsamen Konferenz Ende Dezember 1946 darauf, für eine gesetzliche Regelung der Flüchtlingskredite zu sorgen.144 Denn daß Bedarf fur eine staatliche Unterstützung der Flüchtlinge auf dem Kreditmarkt bestand, bestätigten alle Beobachter des Geschehens, da die vorhandenen Kreditinstitute auf Grund der bindenden Richtlinien nicht in der Lage sind, Personalkredite ohne Sicherheit zu leisten [...]. Die Kreditausschüsse bei den ländlichen Kreditinstituten sind sämtlich durch personelle und familiäre Bindungen aller Art von vornherein gebunden und stemmen sich gegen die Zulassung selbst geeigneter Kreditbewerber.145 Der nordbadische Flüchtlingskommissar erreichte für "seinen" Landesteil, daß Flüchtlingskredite ab 1948 nicht mehr vor Ort, sondern auf Landesebene entschieden wurden, und entzog sie so etwaigen "Rücksichtnahmen" auf die Altbevölkerung.146 Doch insgesamt blieben bis Ende 1949 die Maßnahmen, die in Württemberg-Baden zur finanziellen Stützung neuer Flüchtlingsbetriebe getroffen wurden, wenig erfolgreich. Beschränkungen bei der wirtschaftlichen Eingliederung der Vertriebenen bestehen theoretisch Die Entwicklung der Arbeitstage in Württemberg-Baden im Jahre 1949, Statistische Monatshefte Württemberg-Baden, 3/1950, S. 82 - 87. 142 Schreiben Middelmanns an das Finanzministerium GLAK 466 Zug.1981/47-1446. 143 vgl. Protokoll der Tagung der Flüchtlingsdienststellenleiter der Bizone vom 20.12.1946, Mitteilung Middelmanns anläßlich der Tagung der Flüchtlingsdienststellenleiter der britischen und der amerikanischen Zone am 18.12.1946, GLAK 466 Zug.1981/47-1446. 144 Ebd. 145 Bericht Middelmanns vom 10.1.1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1446.
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zwar nicht, erläuterte 1950 die badische Landesdirektion für Wirtschaft und Arbeit, jedoch führen die Flüchtlinge nicht zu Unrecht auch heute noch lebhaft Klage über die Benachteiligung, die ihnen von Seiten der Geldinstitute bei der Beschaffung von Krediten widerfährt. Das zeigt sich sowohl bei dem Verlangen nach Investitionen als auch erst recht bei dem Bedarf an Betriebsmitteln. Der Mangel an Sicherheiten und die Fremdheit der Person des Kreditnehmers sind die Gründe der Zurückhaltung der Kreditinstitute. Hinzu kommt, daß die Banken in ihren Mitteln lange nicht so flüssig sind, wie dies notwendig wäre [...], um den Kreditbedarf ihrer alten einheimischen Stammkunden zu erfüllen. [...] Die wohlgemeinte Absicht der Vertriebenen-Bank, durch Hergabe von Bürgschaften für Betriebsmittelkredite den Geschäftsbanken einen Ersatz für die fehlenden Sicherheiten der Heimatvertriebenen zu geben, konnte deswegen auch im wesentlichen nicht verwirklicht werden: Solange nicht eine Refinanzierungszusage der Bank deutscher Länder damit verbunden ist, stellen die Hausbanken keine Gelder für diesen Zweck zur Verfugung.147 Der württemberg-badischen Administration blieben in den ersten Jahren nach Kriegsende im Grund wenig Möglichkeiten, um die soziale Lage der Flüchtlinge zu verbessern. Zum einen versuchte man, die Arbeitsplätze dort zu installieren, wo die Neubürger wohnten. Die nordbadischen Landkreise Buchen, Sinsheim, Mosbach und Tauberbischofsheim sowie die wirtschaftlich ähnlich strukturierten nordwürttembergischen Landkreise wurden zu Notstandsgebieten erklärt, in denen sowohl die Ansiedlung von Gewerbebetrieben wie die Vergabe öffentlicher Notstandsarbeiten mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Aber die Programme liefen nur mühsam an. Zum anderen beschäftigte sich die Flüchtlingsverwaltung verstärkt mit dem Thema der erneuten Zwangsumsiedlung. Doch die einmal in Wohnraum eingewiesenen Neubürger noch einmal zu versetzen, erwies sich trotz aller wirtschaftlichen Probleme im Gefolge der Währungsreform als äußerst schwierig. Mitte 1948 ergriff Bayern die Initiative zu einem Gesetzesentwurf über zwangsweise Umquartierung aus Arbeitslenkungsgründen. Er sollte gemeinsam von den Ländern der amerikanischen Zone verabschiedet werden und sich jedoch nicht auf Vertriebene (Flüchtlinge) alleine beziehen, um einer Ungleichbehandlung von Neu- und Altbürgern zumindest dem Buchstaben nach vorzubeugen.148 Das Vorhaben wurde jedoch gerade von den 147
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Landesbezirksdirektion für Wirtschaft und Albeit, auf Anfrage des Bundesministers für Vertriebene vom 7.10.1950, GLAK 466 Zug. 1981/47-5. Bis Ende 1949 waren im Landesbezirk Württemberg insgesamt 237.000 DM an unmittelbarer Kredithilfe gegeben worden, davon 37% an Flüchtlinge, 676.000 DM an staatsverbürgten Darlehen, davon 45% an Flüchtlinge und 34% an Umsiedler. Baden hatte 609.000 DM im Wege der unmittelbaren Gewerbeförderung an 24 Antragsteller vergeben, weitere 330.000 DM an staatsveibürgten Krediten in 31 Fällen. Man konnte jedoch keine Zahlen vorlegen, in welchem Anteil Flüchtlinge berücksichtigt worden waren. Hinzu kamen Kleinkredite durch die württembergische Kredithilfe von insgesamt 2.800.000 DM an 2.650 Antragsteller und 257 Kleinkredite in einer Gesamthöhe von 1.578.000 DM in Nordbaden; Besprechung im Wirtschaftsministerium vom 10.1.1950, GLAK 466 Zug.1981/47-30. Schreiben Middelmanns im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der deutschen FlüchUingsverwaltungen an die jeweiligen Landeskommissare für Flüchtlingswesen vom 16.6.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-1392.
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Flüchtlingen wegen seiner flüchtlingsfeindlichen Haltung attackiert und schließlich von den Initiatoren wieder aufgegeben.149 Offensichtlich war eine erneute zwangsweise Umsiedlung 1948 nicht mehr durchsetzbar. Dem trug das Nordbadische Flüchtlingsreferat im Oktober 1949 Rechnung und beschloß, Familien aus den Sorgenkreisen in die Stadtkreise umzusetzen, selbstverständlich auf freiwilliger Basis. Die Umsetzung von 285 Familien wurde für 1950 ins Auge gefaßt. Im Grunde war dies ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal die aufnehmenden Städte großen Einfluß auf die Auswahl der Aufzunehmenden ausübten und, wenig an der Aufnahme von Sozialfällen interessiert, statt Arbeitslosen eher Pendler umsiedelten.150 Auch die Umsiedlung von nordbadischen Neubürgern in das wirtschaftlich bessergestellte Nordwürttemberg lief nur sehr zögerlich an. 24 Dauerarbeitslose oder Pendler habe man 1951 von Baden nach Württemberg versetzt, vermeldete das Landesarbeitsamt Württemberg-Baden Ende 1951 stolz und zeigte damit auf, welch geringer Handlungsspielraum der öffentlichen Verwaltung zur Verfugung stand.151 Letztlich blieb die Lösung des Problems der Privatinitiative überlassen. Der Wirtschaftsaufschwung der 50er Jahre schließlich trug kräftig dazu bei, die individuelle Wanderungsbemühungen zu den Arbeitsplätzen der Städte zu erleichtern; freilich um den Preis der Binnendifferenzierung der Ausgewiesenen in soziale Problemfälle auf dem Land und wirtschaftlich Integrationsfähige in der Stadt.152 Doch diese Entwicklung war 1947/48 noch nicht absehbar. Im Rahmen ihrer begrenzten Möglichkeiten und mit bescheidenem Erfolg belohnt, setzten sich Bettinger und Geppert gleichermaßen, wenn immer möglich, fur die wirtschaftliche Unterstützung der Flüchtlinge ein. Zwei "Lieblingsprojekte" der Leiter der beiden Flüchtlingsverwaltungen, die württembergische Neubürgermesse 1947 und die Gartenlandaktion, der sich Geppert besonders verschrieb, sollen dies abschließend verdeutlichen.
7.2.1.
Die Neubürgermesse
Unmittelbar nach seinem Dienstantritt als württembergischer Staatskommissar fur das Flüchtlingswesen begann Bettinger sich mit einer speziellen Aktion zu befassen, die der wirtschaftlichen Integration der Neubürger dienen sollte. Er plante eine Leistungsschau der gewerblichen Tätigkeit der Flüchtlinge, die sogenannte Neubürgermesse, die dann vom 15.5. bis 30.6.1947 in Stuttgart abgehalten wurde. Es war beabsichtigt, sie später auch in anderen Städten Nordbadens wie Buchen oder
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So der Flüchtlingsbeirat der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen, Protokoll vom 9.7.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-26. Schreiben der Abteilung Inneres der badischen Landesverwaltung an die betroffenen badischen Landräte vom 14.1.1950, GLAK 466 Zug. 1981/47-297. Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamts Württemberg-Baden an den Präsidenten des Landesbezirks Baden vom 13.11.1951, GLAK 481/611. Vgl. GROSSER (1993a) S. 81 ff.
Die Neubürgennesse
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Heidelberg zu zeigen.153 Erste grundsätzliche Aussprachen wegen der geplanten Neubürgermesse fanden bereits im Dezember 1946 beim Staatskommissariat fur das Flüchtlingswesen statt.154 Im neuen Jahr suchte Bettinger die Unterstützung der Stadt Stuttgart und des Wirtschaftsministeriums.155 Doch die Landesverwaltung zeigte wenig Interesse am Vorhaben der Flüchtlingssonderverwaltung. Es bedurfte, wie so häufig, der Unterstützung der Landesmilitärregierung, um das geplante Projekt durchführen zu können. Bettingers Vorhaben, to show the industrial and cultural activities of the returned (sic!) ethnic Germans and their integration with the activities of the home land, wurde von Campbell euphorisch begrüßt.156 However, so der Refugee Officer, the various responsible branches of the German Government did not, at first, grasp the importance of the idea,157 Mitte April, rund 4 Wochen vor dem geplanten Eröftnungstermin, hatten das Wirtschafts- und das Arbeitsministerium erst 10% der benötigten Bau- und sonstiger Materialien genehmigt. Ende April hielt daher ein Offizier der Militärregierung den versammelten deutschen Entscheidungsträgern eine flammende Rede über den Nutzen der Veranstaltung. Unter sozialen, erzieherischen, industriellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei die Messe von großem Nutzen. Sie informiere die Altbürger über die Leistungen der Neubürger. This would reduce opposition to them and increase their own feeling of confidence in the future.158 Sie zeige neue handwerkliche und industrielle Fertigkeiten - thus stimulating industrial and economic recovery in Germany, und sie biete Gelegenheit, Aufträge zu erteilen und zu erhalten.159 Der amerikanischen Argumentation mochte oder durfte sich die deutsche Seite nicht entziehen, die Messe konnte tatsächlich stattfinden. Als Ausstellungsort wurde ein Cannstätter zehnstöckiger Bunker gewählt und in den Gärten am Stuttgarter Killesberg ein kulturelles Begleitprogramm ausgerichtet.160 Mit großem Engagement suchte Bettinger Neubürgerbetriebe an der Ausstellung zu interessieren. Wie die Presse berichtete, bewarben sich über 700 Firmen um einen Ausstellungsplatz; über 500 Anträgen wurde stattgegeben. Auf den ersten Blick wirkt die Zahl von 500 selbständigen Neubürgern beeindruckend; doch es handelte sich keineswegs nur um Neubürgerbetriebe. Der Staatskommissar für das Flüchtlingswesen hatte die Refe-
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157 158 159 160
s 0 lautete jedenfalls eine Information auf einer Tagung der nordbadischen Flüchtlingsreferenten am 20.6.1947; diese Idee wurden jedoch nicht umgesetzt. GLAK 466 Zug. 1981/47-70. Monatsbericht der Pressestelle für den Monat Dezember 1946, HSTAST EA2/801-378. Besprechung unter Teilnahme des Oberbürgermeisters von Stuttgart am 18.2.1947; vgl. Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat Februar 1947, HSTAST EA2/801-87. In einer Sitzung am 21.3.1947 mit den zuständigen Behörden wurden alle grundsätzlichen Fragen zu ihrer Durchführung besprochen; vgl. Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat März 1947, HSTAST EA2/801-87. Im April wandte sich Bettinger verstärkt an das Wirtschaftsministerium; vgl. Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat April 1947, HSTAST EA2/801-87. Halbjahresbericht von Campbell, RG 260 OMGWB 12/27-1/15. Ebd. Ebd. Ebd. Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat Mai 1947, HSTAST EA2/801-87.
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Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
renten fur Flüchtlingsfragen angewiesen, Neubürgerbetriebe sowie Betriebe, die in der Hauptsache Flüchtlinge beschäftigen, zu veranlassen, die in ihren Betrieben gefertigten Erzeugnisse auf der Neubürgermesse auszustellen,161 Später forderte er auch Künstler auf, sich an der Ausstellung zu beteiligen, und Altbürger, soweit sie in ihrem Betrieb eine größere Anzahl von Neubürgern beschäftigen.162 Entsprechend gesellten sich zu den Ausstellungsständen der Gablonzer Glas- und Schmuckwarenindustrie nicht nur die erzgebirgische Holz- und Spielwarenherstellung, die Graslichter Musikinstrumentenerzeugung oder die Textilindustrie aus dem Riesengebirge und dem Altvaterbergland, sondern auch die Spitzenklöppelei aus dem Böhmerwald und die Volkskunst aus Siebenbürgen, aber auch die alteingesessenen Maulbronner Lederwerke und einige andere bedeutende Altbürgerbetriebe.163 Wie Bettinger im Rahmen seiner wöchentlichen Rundfunksendungen, die er mehrere Wochen in erster Linie der Werbung für die Neubürgermesse widmete, den Hörern mitteilte, handelte es sich bei 140 Antragstellern um Firmen aus anderen Ländern der britischen und amerikanischen Zone, und angesichts der herrschenden Platznot konnte die Hälfte aller Betriebe sich nur mit Werbeanzeigen im Messefuhrer beteiligen.164 Bettinger selbst maß dem Projekt dennoch größte Bedeutung für die wirtschaftliche Integration der Flüchtlinge zu. Es war mir klar, daß diese Messe besondere Vorteile und Fortschritte für die Eingliederung bringen werde, daß die Ausstellungsstücke der Ausgewiesenen von den Einheimischen erfolgreich aufgenommen würden, daß die württembergische Kleinindustrie eine wesentliche Bereicherung erfahren werde und daß auch exportfähige Artikel gezeigt werden müßten, damit die gesamte Ausstellung nicht nur das Interesse der deutschen Behörden, sondern auch dasjenige der amerikanischen und der anderen Besatzungsmächte werde finden können.165 Der Staatskommissar wertete das Zustandekommen der Messe als Beweis dafür, daß die ehrlichen, fortschrittlichen und demokratischen Kräfte aus einer bitteren Gegenwart heraus wollen in eine bessere Zukunft.166 Campbell verstieg sich sogar im Vorwort zum Messekatalog zu der Feststellung, daß die Messe die beträchtlichen Erfolge der guten Zusammenarbeit, von der die Ansiedlung der Neubürger gekennzeichnet sei, bestätige.167 Welche Bedeutung die Militärregierung der Aktion für die Eingliederung der Flüchtlinge beimaß, läßt sich am Staatsakt zur Eröffnung der Messe ablesen. Der Direktor der Militärregierung, Sewall, hielt eine einleitende Rede, Campbell sprach einfuhrende Worte zur Messe, ihnen folgten Ansprachen des Innenministers, des Staatskommissars für das Flüchtlingswesen und des Stuttgarter 161
GLAK 466 Zug.1981/47-70. HSTAST EA2/801-416. Willy Bettinger, Manuskript für die Rundfunksendung vom 30.4.1947, Die Neubürgermesse 1947, SDR Nr. 625, SDR Archiv. 164 Vg[ u a auch Radiomanuskript Bettingers vom 14.5.1947 Die Neubürgermesse und die Kulturveranstaltungen, HSTAST EA2/801-392, Radiomanuskript Bettingers vom 4.6.1947 Gedanken und Erfolge der ersten Neubürgermesse ebd.; vgl. auch Kapitel 5.4. "'S Willy Bettinger, Manuskript für die Rundfunksendung vom 30.4.1947, Die Neubürgermesse 1947, SDR Nr.625, SDR Archiv. 166 Ebd. 167 Willy Bettinger, Manuskript fur die Rundfunksendung vom 7.5.1947, Die Neubürgermesse und andere wichtige Probleme, SDR Nr. 625, SDR Archiv.
162 163
Die Neubürgermesse
371
Oberbürgermeisters. Sewall kam zum Ergebnis, daß die Messe das schönste und erregendste Ereignis einer deutschen Regierung sei, das er seit seinem Aufenthalt in Europa erlebt habe.168 Offenbar werteten die Besatzer die Messe als Bestätigung des gelungenen Ablaufs der Zwangsumsiedlungsaktionen und der nachfolgenden Eingliederungsmaßnahmen gemäß den amerikanischen Vorgaben. Bettinger betonte darüber hinaus die große wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens. The exposition was one of the first major German activities since the war and seems to have been well timed psychologically. The number ofpersons attending, from outside the land, exceeded expectations and the original objectives are considered to have been amply achieved.169 Der tatsächliche Wert fur die wirtschaftliche Integration der Flüchtlinge ist schwer zu ermessen. Bettinger wußte in seinen Rundfunk ansprachen zu berichten, daß die Aussteller mit Aufträgen derart überhäuft werden, daß sie noch nicht wissen, wie sie damit fertig werden sollen.170 Bereits nach drei Wochen Laufzeit vermeldete er ein Auftragsvolumen von 400.000 RM.171 Inwieweit angesichts der herrschenden Zwangsbewirtschaftung der Rohstoffe durch zusätzliche Aufträge tatsächlich eine Produktionssteigerung erfolgen konnte, sei dahingestellt. Ohnehin scheiterten die Möglichkeiten der Neubürger, sich selbständig zu machen, 1947 eher an den restriktiv befolgten Zulassungsbeschränkungen und am Fehlen von Raum und Produktionsmitteln als an fehlenden Aufträgen. Wie auch immer die wirtschaftliche Bedeutung der Messe fur die Neubürger zu bewerten ist, große Aufmerksamkeit in der württemberg-badischen Öffentlichkeit wurde ihr geschenkt. Ja selbst über die württemberg-badischen Grenzen hinaus fand sie und damit auch das Flüchtlingsthema Beachtung. Angesichts der üblichen Vernachlässigung der Flüchtlingsfrage in Politik und Medien sollte die Bedeutung allein der Tatsache, daß über mehrere Wochen hinweg häufig öffentlich über die Flüchtlingsfrage gesprochen wurde, nicht unterschätzt werden. Die zweite Hälfte des Monats Mai sei angefüllt gewesen, so Bettinger in seinem Monatsbericht, durch ständige Besuche auswärtiger Regierungen und Wirtschaftsdienststellen in der Neubürgermesse Bad Cannstatt und Killesberg.172 Im Monat Juni habe die Tätigkeit des Staatskommissars sogar ganz im Zeichen der Neubürgermesse gestanden.173 Zahlreiche Führungen von Vertretern der Militärregierung, der Ministerien, der Kreise, anderer Länder und Zonen durch die Messe wurden vom Staatskommissar und seinem Stellvertreter durchgeführt.174 Bettinger organisierte zusammen mit den Kreisflüchtlingskommissaren Flüchtlingsausflüge in Sonderzügen aus den einzelnen Land168 Willy Bettinger, Manuskript für die Rundfunksendung vom 21.5.1947, Die erste deutsche Neubürgermesse, SDR Nr. 625, SDR Archiv. 169 Halbjahresbericht von Campbell, RG 260 OMGWB 12/27-1/15. 170 Willy Bettinger, Manuskript für die Rundfunksendung vom 25.6.1947, SDR Nr. 625, SDR Archiv. 171 Willy Bettinger, Manuskript für die Rundfunksendung vom 4.6.1947, SDR Nr. 625, SDR Archiv. 172 Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat Mai 1947, HSTAST EA2/801-87. 173 Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat Juni 1947, ebd. 174 Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat Juni 1947, ebd.
372
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
kreisen zum Besuch der Messe. Schließlich verlängerte man diese sogar um einen ganzen Monat. Wie Bettinger abschließend stolz berichtete, hatten 120.000 Menschen die Neubürgermesse besucht.175 Durchschnittlich 1.600 Messebesucher pro Tag - aus heutiger Sicht kann diese Zahl angesichts der hohen Einwohnerzahl allein von Stuttgart und der außerordentlichen überregionalen Werbemaßnahmen für das Unternehmen nicht weiter beeindrucken. Ob nun viel oder wenig - es waren 120.000 Menschen, die sich anläßlich der Neubürgermesse mit der Flüchtlingsfrage und ihren Auswirkungen konfrontiert sahen. Zu dieser Einschätzung gelangte auch Bettinger. Wie er bereits 14 Tage nach Beginn der Ausstellung im Rundfunk erläuterte, war der mögliche wirtschaftliche Erfolg der Messe als eher zweitrangig zu bewerten. Wenn es dem Staatskommissariat gelingt, in die Neubürgermesse und ihre Kulturveranstaltungen nur 5% der einheimischen Bevölkerung einzuschleusen, dann ist der ideelle Wert der Gesamtaktion bei weitem wertvoller als der materielle Erfolg.176 In dieser Hinsicht scheint dem Staatskommissar nicht der erhoffte Erfolg beschieden gewesen zu sein, doch Bettinger wußte sich und seine Zuhörer zu trösten: Wenn es bisher auch in der Mehrzahl die Neubürger gewesen sind, die in der Messe zu sehen waren, so hat sich doch andererseits ein beachtlicher Kreis von Altbürgern davon überzeugt, daß die Ausgewiesenen nicht nur ein beachtliches Können und Wissen auf allen Gebieten mitgebracht haben und dadurch sehr wohl in der Lage sind, zur Bereicherung des Lebens auch der Altbürger einen wesentlichen Beitrag zu leisten,177
7.2.2.
Die Versorgung der Flüchtlinge mit Gartenland
Die Gartenlandaktion in Württemberg-Baden hatte zwei Wurzeln: Angesichts der kritischen Ernährungslage und des befürchteten Hungerwinters 1947 leitete OMGUS im Sommer 1946 ein umfassendes Gartenlandprogramm ein. Clay [...] instructed all Laender Offices of Military Government [...] of the necessity for a vigorous garden program in 1947. The cable established basic policies to follow in maximizing the availability of landfor gardens, and the optimum use of available needs, fertilizers, equipment, and pesticides.™ Das Programm zielte darauf, möglichst viel bisher noch nicht landwirtschaftlich erfaßtes Land für den Anbau von Obst und Gemüse nutzbar zu machen, und traf mit den Auseinandersetzungen zwischen Besatzern und Besetzten um die Bodenreform zusammen. So wenig schmackhaft der württembergbadischen Landesregierung eine Enteignung des im Lande vorhandenen Großgrundbesitzes zu machen war, so leicht konnte sie sich mit den Besatzern darauf einigen, im Rahmen des Bodenreformprojektes umfangreiche Verpachtungen von Gartenland
176
177
178
Geschäftsbericht des Staatskommissars für den Monat Juli 1947, ebd. Willy Bettinger, Manuskript fur die Rundfunksendung vom 28.5.1947, SDR Nr. 625, SDR Archiv. Willy Bettinger, Manuskript fur die Rundfunksendung vom 25.6.1947, SDR Nr. 625, SDR Archiv. Bericht Raups vom 18.4.1947, OMGWB 12/67-3/15.
Die Versorgung der Flüchtlinge mit Gartenland
373
speziell auch an Flüchtlinge vorzusehen, da solche Aktionen die Eigentumsverhältnisse nicht angriffen.179 Gedacht war daran, öffentliches Gemeindeland, staatliche Ländereien, aber auch vom Großgrundbesitz abgetretenes Ackerland als Gartenland in einem Umfang von 2 ar pro Familie an die Bedürftigen zu verteilen. Ein Garten dieses Umfangs war keineswegs dazu geeignet, die wirtschaftliche Existenz einer Familie abzusichern. Er stellte jedoch angesichts der herrschenden Ernährungskrise eine gewichtige Möglichkeit dar, durch Selbstversorgung die kargen, öffentlich abgesicherten Hungerrationen aufzubessern. Daß es den Flüchtlingsfamilien 1946/47 schwerfiel, in den Gemeinden bereits schon vorhandene Gärten zu pachten, bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung. Angesichts des örtlichen Gerangeis um die privat nutzbare Anbaufläche bot daher die Gartenlandaktion den Neubürgern eine gute Möglichkeit, ihre Standortnachteile zu verringern. Im Rahmen der Verhandlungen um die Bodenreform entschied sich der zuständige Ausschuß des Länderrats im Oktober 1946 dafür, die Gartenlandaktion vorzuziehen.180 Bereits am 4. November erging an sämtliche Bürgermeisterämter von Nordwürttemberg-Nordbaden die Aufforderung, alle Flüchtlingsfamilien, die Gartenland wünschten, mit einem Garten von 2 ar Größe auszustatten. Wie eifrig man in den Orten die diesbezüglichen "Wünsche" der Neubürgerfamilien erfragte, blieb indes den Gemeindeverwaltungen überlassen. Die einschlägigen Erfahrungen mit dem Eifer der örtlichen Behörden veranlaßten den nordbadischen Landeskommissar für das Flüchtlingswesen, Middelmann, die Kreisflüchtlingsreferenten in die Ermittlung der Flüchtlingswünsche einzuschalten.181 Durch Erlaß vom 17.1.1947 wurde überdies jede Gemeinde bereits vor Inkrafttreten der ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform aufgefordert, einen Ortssiedlungsausschuß bis zum 5. Februar 1947 zu bilden; ihm sollten auch die zwei örtlichen Flüchtlingsvertrauensleute angehören.182 Insbesondere Geppert, der Nachfolger Middelmanns als Leiter der nordbadischen Flüchtlingsverwaltung, machte sich die Versorgung der Neubürger mit Gärten zu eigen. Mit großer Ausdauer überwachte er das Verhalten der jeweiligen Ortsausschüsse und versorgte Kreisflüchtlingsreferenten und Flüchtlingsvertrauensleute mit den notwendigen Informationen: 1.) Welche Aufgaben kommt den zwei Flüchtlingsvertrauensleuten im Ortssiedlungsausschuß zu? Sie haben vor allem die Interessen der Flüchtlinge bei der Zuteilung von Gartenland zu wahren. Falls diese Interessen nicht gewahrt werden können, müssen sich diese beiden Flüchtlinge beschwerdeführend an den Kreisflüchtlingsausschuß [...] wenden. [...] 3.) Wieviel Gartengelände muß an die Flüchtlinge zugeteilt werden? Der Umfang der Gartenlandzuteilung ist bisher nicht gesetzlich festgelegt. Die Gemeinden haben deshalb verschiedentlich mehr oder weniger Land zugeteilt, je nach Vorhandensein von Grundstücken. In der Regel wurden jeder Familie - ohne Rücksicht auf die 179 180 181 182
Zur Bodenreform vgl. Kapitel 4.5. Kurzprotokoll vom 26.10.1946, BA NL 4 Dietrich Bd. 504, Bl.39-41. Schreiben Middelmanns vom 2.12.1946, GLAK466Zug.l981/47-1458a. KOLB (1990) S. 142.
374
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Anzahl der Köpfe - 2 ar Land zugewiesen. Sollten die beiden Vertrauensleute im Ortssiedlungsausschuß der Meinung sein, daß die Gemeinde [...] in der Lage ist, den Flüchtlingen mehr Gartenland zur Verfiigung stellen zu können, so wird es zweckmäßig sein, den Kreissiedlungsausschuß um Vermittlung beim Bürgermeisteramt zu bitten.183 Im Sommmer 1947 begann der Landeskommissar schließlich, von den Kreisen genaue Statistiken einzufordern, wieviele Neubürger mit Gartenland versehen seien und wieviele noch auf Gartenland warteten.184 Über die Kreisbeauftragten für das Flüchtlingswesen organisierte er zusätzlich Treffen der Flüchtlingsvertrauensleute auf der Ebene der Kreise. Wie auf der letzten Arbeitstagung besprochen wurde, so Geppert, mag der Grundfür die oft unbefriedigende Durchführung der Gartenlandaktion zu einem Teil in der mangelhaften Instruktion der dem Ortssiedlungsausschuß angehörenden Flüchtlingsvertreter liegen.185 Er schlug vor, zu diesen Treffen Vertreter des Landessiedlungsamtes direkt einzuladen. Durch Ihre Einladung wird einem möglichen Vorwürfe vorgebeugt, daß sich das Landessiedlungsamt von sich aus in besonderer Weise für die Interessen der Neubürger einsetze.186 Als weiteren Kontrollmechanismus führte er im August schließlich ein, daß auch die Vertreter der Neubürger im Kreissiedlungsausschuß die Berichte der Kreise mitunterschreiben mußten.187 Denn: Es hat sich leider gezeigt, daß eine Berichterstattung durch die Bürgermeister allein ein überaus einseitiges Bild zu Ungunsten der Flüchtlinge ergibt und daß selbst das Erfordernis der Flüchtlingsvertreterunterschrift noch nicht einmal genügt, die Dinge wirklich zu durchleuchten und ein wahrheitsgemäßes Bild zu erhalten.188 Den Stand, den die Landverteilung im August 1947 erreicht hatte, veranschaulicht Tabelle 53. Vermutlich dürfte bereits zu diesem Zeitpunkt jeder zweite badische Neubürger von der Gartenlandaktion profitiert haben. Bettinger ließ sich schließlich von Geppert motivieren, auch in Württemberg Druck auf die Gemeinden auszuüben, "ihre" Flüchtlingsfamilien mit Gartenland zu versorgen. Wie er den Landräten und Oberbürgermeistern im Dezember 1947 mitteilte, gehe aus den Berichten von Flüchtlingsvertrauensmännern und von Neubürgem selbst hervor, daß trotz des Gesetzes Nr. 65 zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform vom 30.10.1946 es immer noch Gemeinden gibt, die ihren Neubürgern Gartenland entweder gar nicht oder aber in ungenügendem Maße
183
Anläßlich eines Schreibens des Flüchtlingsausschusses des LK Bruchsal über die rechtliche Lage der Gartenlandverteilungen wurden vom Landesflüchtlingskommissariat obige Auskünfte erteilt, GLAK 466 Zug.1981/47-1353. 184 Schreiben Gepperts vom 18.7.1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1460. 185 Schreiben Gepperts an die Kreisbeauftragten vom 25.7.1947,GLAK 466 Zug. 1981/47-1460. 186 Ebd. 187 Schreiben vom 1.8.1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1460. I" 8 Schreiben Gepperts vom 14.7.1947 an den Kreisbeauftragten im LK Bruchsal, GLAK 466 Zug. 1981/47-1480. So sorgfältig und akribisch verfolgte der badische Landeskommissar die Gartenlandabgabe, daß sich schließlich sogar das Landessiedlungsamt seiner Unterlagen bediente. Mit Schreiben vom 10.11.1947 bedankte sich das Landessiedlungsamt bei Geppert für die Überlassung seines Erhebungsmaterials zur Gartenlandfirage. GLAK 466 Zug. 1981/471460.
375
Die Versorgung der Flüchtlinge mit Gartenland
zugeteilt haben.189 Auch er forderte nunmehr fur die Zukunft entsprechende Berichte an.
Tabelle 53: Stand der Gartenlandaktion im August 1947 in Nordbaden
BR
BU
davon haben GL erhalten 2.817 kein GL erhalten 238 zugeteiltes GL (ar) im Schnitt wollen noch GL 645
6.656 1.093 2.689 0,40 329
Fiechtlingsfamilien in den Kreisen HD» KA MA MO PF
367
1.119 3.551
4.056
1.105
3.918 144 2.318 0,59 ?
3.989 406 7.346 1,90 426
1.275 432 1.942 1,55 510
SI
TB
4.411 1.202 8.907 2,00 1.095
3.481 1.031 4.996 1,35 860
a
Stand vom Januar 1947 GLAK 466 Zug. 1981/47-1461. BR = Bruchsal, BU = Buchen, HD = Heidelberg, KA = Karlsruhe, MA = Mannheim, MO = Mosbach, PF = Pforzheim, SI = Sinsheim, TB = Tauberbischofsheim. Quelle: GLAK 466 Zug. 1981/47-1485ff.
Die Gartenlandaktion sollte sich in Württemberg-Baden dank der konzertierten Aktion von Flüchtlingsverwaltung und Landessiedlungsamt zum einzigen vorzeigbaren Erfolg der Bodenreform im Land entwickeln. Wie das Staatsministerium im Oktober der Militärregierung mitteilte, wünschten von den etwa 146.000 in Nordwürttemberg-Nordbaden untergebrachten Flüchtlingsfamilien [...] 77.922 Gartenland Anfang Oktober 1947 waren etwa 90.000 Flüchtlingsfamilien mit etwa 1.900 ha Gartenland ausgestattet. Wenn auch die Beschaffung des Gartenlandes in den meisten Fällen auf freiwilliger Grundlage erfolgen konnte, so mußte doch in einigen Fällen zu dem Mittel der Zwangspacht gegriffen werden.190 OMGUS schätze, daß rund 360.000 bzw. 60% der Neubürger von der Verteilung in WürttembergBaden profitierten.191 Die Durchführung der Gartenlandaktion habe das Landessiedlungsamt sehr stark in Anspruch genommen, so das Staatsministerium; ohne den intensiven Einsatz Gepperts wäre das Projekt jedoch sicher nicht so erfolgreich abgeschlossen worden.
189 190 191
GLAK 466 Zug.1981/47-1460. Bericht des Staatsministeriums vom 13.10.1947, HSTAST EA4/001-633. Progress Report vom 6.10.1947, OMGWB 12/67-3/3.
376 7.3.
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge "Gerechte" Verteilung der Flüchtlinge auf die Landkreise
versus
Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt: der Beginn der wirtschaftlichen Eingliederung der Flüchtlinge unter soziogeographischen
Ge-
sichtspunkten Welche wirtschaftlichen Konsequenzen brachte die regionale Verteilung der ankommenden Neubürgerschaft mit sich und welche Schwierigkeiten ergaben sich aus den wirtschaftlichen Standortbedingungen für die Integration der Ausgewiesenen? Befassen wir uns zunächst mit der Wirtschaftsgeographie Nordwürttembergs:
Tabelle 54: Verteilung der Alt- und Neubürger auf die Regionen in Nordwürttemberg Bevölkerung 12.1945 η % (1) (2) Region 1: Region 2: Region 3: Region 4: Region 5: Summe
449.954 461.824 344.446 212.819 378.786
24,4 25,0 18,6 11,5 20,5
1.847.829 100,0
Flüchtlinge 1.1.1948 η % (3) (4) 21.486 146.627 110.489 59.531 87.496
5,0 34,4 26,0 14,0 20,6
Bevölkerung 3.1950 η % (5) (6) 633.452 631.434 457.608 265.436 447.395
26,0 25,9 18,8 10,9 18,4
425.629 100,0 2.435.325 100,0
Vertriebene 3.1950 η % (7) (8) 53.849 136.227 107.290 58.488 84.431
Bevw. 39/50 in % (9)
12,2 30,9 24,4 13,3 19,2
-2,0 39,8 43,6 43,1 32,4
440.285 100,0
25,4
(2), (4), (6) und (8): Verteilung der Bevölkerung/Flüchtlinge in % auf die Regionen. (9) Bevölkerungswachstum in %. Region 1: Großstädtische Region. Region 2: Städtisches Umland, hohe Gewerbedichte. Region 3: Ländliche Region, hohe Gewerbedichte. Region 4: Agrar./geweibl. Mischregion. Region 5: Agrarische Region. Quellen zu Tabellen 54, 55, 57 und 58: Spalte (1), (2): Mitteilungen des württembergischen und badischen statistischen Landesamtes, Stuttgart Nr.l und 2, Juli/August 1946. Spalte (3), (4), (17), (14), (15): errechnet nach: Statistisches Landesamt Stuttgart (Hg.): Statistisches Handbuch Württemberg-Baden 1950, S. 22, S.59, und S.253. Spalte (5), (7) (11), (12),(13): errechnet nach: Statistisches Landesamt Stuttgart (Hg.) (1952): Gemeinde- und Kreisstatistik Baden-Württemberg 1950. Spalte (6), (8), (11), (12), (9): Datensatz Gemeindestatistik 1939/50. Spalte (10) berechnet nach: Die Bevölkerung der Gemeinden und Kreise von Württemberg-Baden auf Grund der Volks- und Berufszählung vom 29.10.1946, Statistische Monatshefte WürttembergBaden 7-9/1947. Spalte (18): errechnet nach: Die Wanderungsbewegung in Württemberg-Baden im Jahre 1949, Statistische Monatshefte Württemberg Baden 7/1950, S.234-237. Spalte (19): errechnet nach: Die Binnenwanderung in Württemberg Baden im Jahr 1950, Statistische Monatshefte Württemberg-Baden 10/1951, S.294-296. Spalte (16): e r r e c h n e t n a c h : STATISTISCHES BUNDESAMT (1953) S . 1 3 0 - 1 3 3 .
"Gerechte" Verteilung versus Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt
377
Tabelle 55 192 : Soziale Lage, Wanderung und Wohnverhältnisse in den Regionen Nordwürttembergs Landw. Aus- Einauf Pendler Besch. (10) (11) Cn) Region Region Region Region Region
1: 2: 3: 4: 5:
Württemb.
Steu. sum. Einw. (13)
Fürsorgeaufwend. Summe p/F. (15) (14)
Norm. Wand.wohn. gewinn Fifi. 1949 (16) (17)
Binnenwanderung 1950 1949 (18) (19)
5,6 30,7 29,6 46,5 59,0
3 34 24 22 18
28 22 21 18 11
96,0 54,1 53,1 41,6 35,2
135.520 443.299 313.481 306.220 405.359
2,5 3,3 2,9 5,2 4,8
23,5 18.632 22,5 4.513 24,2 3.044 26,7 -383 28,3 -2.515
9.378 -1.142 -599 -2.293 -5.344
12.372 -1.464 -1.267 -2.547 -5.674
31,9
19
21
59,9
1.603.879
3,6
24,6 23.291
79.183 a
91.572 a
(10): Land und Forstwirtschaftbeschäftigte auf 100 Erwerbstätige. (11): Auspendler auf 100 Beschäftigte. (12): Einpendler auf 100 Beschäftigte. (13): Steuersumme pro Einwohner. (14): Aufwendungen der öffentlichen Fürsorge im 2.Vierteljahr 1950 für Flüchtlinge, Angaben in DM. (15): Durchschnittliche Fürsorgeaufwendung pro Flüchtling in DM. (16): Von 100 Flüchtlingswohnparteien 1950 wohnten .. in Normalwohnungen, (abgeschlossene Wohneinheiten). (18), (19): Binnenwanderung in Nordwürttemberg, Wanderungssaldo. a Wanderungsumsatz insgesamt.
Der Landesteil Nordwürttemberg umfaßte mit Stuttgart, Heilbronn und Ulm drei Stadtkreise und des weiteren 19 Landkreise (Abb. 20). Neben den drei durchindustrialisierten Stadtkreisen (Region 1) bildete der Ballungsraum um Stuttgart mit den Landkreisen Böblingen, Leonberg, Ludwigsburg, Waiblingen und Esslingen das wirtschaftliche Zentrum des Landes (Region 2). Aber auch die an diese Region angegliederten Landkreise Vaihingen und Backnang im Norden sowie Aalen im Nordosten (Region 4) mit einem größeren Anteil agrarischer Arbeitskräfte und die eigenständige Industrieregion im Osten mit den Landkreisen Nürtingen, Göppingen, Heidenheim, Schwäbisch Gmünd (Region 3) weisen Nordwürttemberg als hochindustrialisiertes Gebiet mit hoher Bevölkerungskonzentration auf. Lediglich in der Randzone im Norden zu Baden hin lassen sich überwiegend agrarisch geprägte Landkreise (Künzelsau, Mergentheim, Öhringen und Crailsheim) finden (Region 5), zu denen bedingt auch die Landkreise Schwäbisch Hall, Heilbronn und Ulm zu rechnen sind, obwohl letztere mit den Stadtkreisen in ihren Zentren Arbeitsplätze in erreichbarer Nähe versprachen (Tabelle 55, Spalte 10). Vier von fünf Einwohnern Nordwürttembergs lebten und arbeiteten Ende 1945, bevor der große Flüchtlingsstrom das Land 192
Quellen siehe Tabelle 54.
378
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
erreichte, in den Kreisen mit dichtem Gewerbesatz, mehr als zwei Drittel von ihnen in den deutlich industrialisierten Gebieten (Tabelle 54, Spalte 1 und 2). Zieht man Ende 1947, nach dem Abebben der großen Flüchtlingseinweisungen, Zwischenbilanz (Tabelle 54, Spalte 3 und 4), dann zeigt sich, daß zwei von drei Ausgewiesenen in Regionen mit hoher Gewerbedichte untergebracht worden waren. Es waren die Regionen, die außer den zuzugsgesperrten Großstädten am ehesten den Flüchtlingen die Chance boten, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Wie auch Abb. 21 und 22 bestätigen, fanden sich dort innerhalb Württembergs die meisten Gemeinden mit einem hohen Arbeitsplatzangebot in Handwerk und Industrie. Insbesondere die Einwohner der Gemeinden im erweiterten Großraum um Stuttgart waren in der Lage, zu den Arbeitsplätzen im Nahbereich zu pendeln (Abb. 23). Hier hatte die Einweisung der Neubürger in die Kreise unter dem Gesichtspunkt des vorhandenen Wohnraums keine Standortnachteile in Hinsicht auf die wirtschaftlichen Eingliederungschancen mit sich gebracht. Tabelle 56 veranschaulicht das hohe Ausmaß, mit dem die württembergische Arbeitsverwaltung die Flüchtlinge in den Arbeitsprozeß eingliedern konnte. Angesichts der herrschenden Arbeitspflicht ist letztlich nicht zu klären, wie sehr die Arbeitsverhältnisse den Bedürfnissen der Neubürger entsprachen, doch kann man wohl davon ausgehen, daß in gewerblich orientierten und Mischregionen die Vielfalt der Arbeitsplätze größere Chancen versprach, auch adäquate Berufspositionen für die Zwangswanderer zu finden. Die Arbeitsamtsbezirksgrenzen nahmen freilich keine Rücksicht auf die Wirtschaftsstruktur der jeweiligen Kreise, so daß sich Unterschiede in der Beschäftigungsstruktur zwischen den einzelnen Regionen in Tabelle 56 verwischen. Im Zuge der Währungsreform wurde indes trotz der relativ günstigen Ausgangslage erkennbar, daß auch die gewerblich erschlossenen ländlichen Regionen Nordwürttembergs mit dem zwangsweise einwandernden Bevölkerungsstrom überfordert waren. Die Spalten 17-19 (Tabelle 55) veranschaulichen die große Sogkraft, welche die Städte auf das Hinterland trotz aller Wanderungs- und Zuzugsbeschränkungen ausübten. Doch an diesen Wanderungsbewegungen waren die Flüchtlinge nur in geringem Maße beteiligt. Für 1950 registrierte das Statistische Landesamt lediglich 3.681 binnenwandernde Flüchtlinge in Nordwürttemberg und 1.935 in Nordbaden.193 Trotz dieser Einschränkungen bleibt für Nordwürttemberg festzuhalten, daß die regionale Verteilung der Ausgewiesenen relativ günstige Voraussetzungen für die Integration der Neubürger in den Arbeitsprozeß versprach. Diese Vermutung bestätigt sich auch, wenn man die Wirtschaftsstruktur der Wohnorte von Altund Neubürgerschaft vergleicht. Drei von vier Neubürgern lebten 1950 in Gewerbeoder Arbeiterwohngemeinden. Überproportionale Flüchtlingsbevölkerungsanteile hatten dort häufig die Gemeinden, die über Pendelmöglichkeiten Verbindung zum Arbeitsplatzangebot der Region schaffen konnten (Abb. 24). Und selbst in der keineswegs mit Flüchtlingen überbesetzten agrarischen Region Nordwürttembergs
Die Binnenwanderung in Württemberg-Baden im Jahre 1950, Statistische Monatshefte Württemberg-Baden 10/1951, S. 295.
"Gerechte" Verteilung versus Chancengleichheit auf dem Aibeitsmarkt
Abb. 21
379
380
Abb. 22
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
"Gerechte" Verteilung versus Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt
Abb. 23
381
382
Abb. 24
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
"Gerechte" Verteilung versus Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt
383
Tabelle 56: Berufliche Situation der Neubürger in den Arbeitsamtsbezirken WürttembergBadens (31.5.1947) Arbeitsamtsbezirk
Erwerbsfähige NB (1)
Erwerbslose NB % (3) (2)
Unselbst Besch. NB % (4) (5)
SelbstSnd. NB % (6) (7)
Berufsfremd Besch. NB % (8) W
22.751 26.994 16.798 11.340 30.113 21.633 22.227 21.645 9.981
1.294 991 963 299 1.007 1.028 764 1.188 189
5,7 3,7 5,7 2,6 3,3 4,8 3,4 5,5 1,9
13.808 16.930 12.911 8.166 21.386 12.698 15.487 15.637 6.597
60,7 62,7 76,9 72,0 71,0 58,7 69,7 72,2 66,1
373 1.008 594 450 896 809 586 504 248
1,6 3,7 3,5 4,0 3,0 3,7 2,6 2,3 2,5
3.057 2.913 2.822 1.014 4.020 2.596 1.964 2.255 760
22,1 17,2 21,9 12,4 18,8 20,4 12,7 14,4 11,5
Summe NW
183.482
7.723
4,2
123.620
67,4
5.468 3,0
21.401
17,3
Heidelberg Karlsruhe Bruchsal Mosbach Pforzheim
23.949 20.215 9.190 26.765 2.582
1.172 756 246 886 85
4,9 3,7 2,7 3,3 3,3
15.534 13.463 6.597 14.253 2.046
64,9 66,6 71,8 53,3 79,2
300 349 143 1.263 107
1,3 1,7 1,6 4,7 4,1
3103 1.600 2.077 3.515 359
20,0 11,9 31,5 24,7 17,5
Summe NB
82.701
3.145
3,8
51.893
62,7
2.162 2,6
10.654
20,5
Summe insg.
266.183
10.868
4,1
175.513
65,9
7.630 2,9
32.055
18,3
Aalen Esslingen Göppingen Heilbronn Ludwigsburg Schw. Gmünd Schw. Hall Stuttgart Ulm
Arbeitsamtsbezirke: Aalen = LK Aalen, LK Heidenheim / Esslingen = LK Esslingen, LK Nürtingen / Göppingen = LK Göppingen / Heilbronn = SK und LK Heilbronn / Ludwigsburg = LK Ludwigsburg, LK Backnang, LK Vaihingen / Schwäb. Gmünd = LK Schwäbisch Gmünd, LK Waiblingen / Schwäb. Hall = LK Schäbisch Hall, LK Crailsheim, LK Künzelsau, LK Mergentheim, LK Öhringen / Stuttgart = SK Stuttgart, LK Böblingen, LK Leonberg / Ulm = SK und LK Ulm / Heidelberg = SK und LK Heidelberg, LK Sinsheim / Karlsruhe = SK und LK Karlsruhe, LK Bruchsal / Mannheim = SK und LK Mannheim / Mosbach = LK Mosbach, LK Buchen, LK Tauberbischofsheim / Pforzheim = SK und LK Pforzheim (1) Erwerbsfähige Neubürger am 31.5.1947. (2) davon arbeitslos. (3) in % von (1). (4) Unselbständig beschäftigte Neubürger am 31.5.1947. (5) in % von (1). (6) Selbständige Neubürger am 31.5.1947. (7) in % von (1). (8) Berufsfremd beschäftigte Neubürger am 31.5.1947. (9) in % von (4). Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
3 84
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
war fast die Hälfte der Neubürger nicht in rein kleinbäuerlichen oder bäuerlichen Gemeinden angesiedelt, die nur wenig gewerbliche Arbeitsplätze boten. Dort allerdings machten häufig weite Wege zu den nächsten Bahnstationen (Abb. 25) ein tägliches Wandern an den Arbeitsplatz unmöglich. Ahnlich günstige Bedingungen fanden die Flüchtlinge in Nordbaden nicht vor (Abb. 20). Neben den vier Stadtkreisen Mannheim, Heidelberg, Pforzheim und Karlsruhe (Region 1), die aufgrund ihrer großen Belastung durch Zerstörung und amerikanische Besatzung von der Flüchtlingsaufhahme nahezu ganz befreit waren, bestand das Land fast zur Hälfte aus den rein agrarisch strukturierten Landkreisen Buchen, Sinsheim, Tauberbischofsheim und Mosbach (Region 5). Auch die industrialisierteren Landkreise im Umland der Städte Heidelberg und Mannheim Land (Region 2) waren längst nicht so krisenstabil wie die nordwürttembergischen (Tabelle 57 und 58). Die übrigen Landkreise Karlsruhe, Pforzheim und Bruchsal (Region 4) waren noch nicht so stark durchindustrialisiert, wie dies in Stadtnähe eigentlich zu erwarten wäre194 (Tabelle 58, Spalte 10).
Tabelle 57 1 »: Verteilung der Alt- und Neubiirger auf die Regionen in Nordbaden
Region 1: Region 2: Region 4: Region 5:
Bevölkerung
Flüchtlinge
Bevölkerung
12.1945
1.1.1948
1950
η (1) 459.786 206.517 238.999 224.501
%
(2)
η (3)
% (4)
η (5)
40,7 18,3 21,2 19,9
35.204 38.798 44.813 82.800
17,5 19,2 22,2 41,1
615.105 263.618 301.928 291.872
Nordbaden 1.129.803 100,0
201.615 100,0
%
Vertriebene
1950
39/50
(6)
η (7)
(8)
in % (9)
41,8 17,9 20,5 19,8
51.556 38.529 43.696 75.531
24,6 18,4 20,9 36,1
-4,1 36,4 23,8 48,4
209.312 100,0
15,5
1.472.523 100,0
%
Bevw.
(2), (4), (6) und (8): Verteilung der Bevölkerung/Flüchtlinge in % auf die Regionen. (9) Bevölkerungswachstum in %. Region 1: Großstädtische Region. Region 2: Städtisches Umland, hohe Gewerbedichte. Region 4: Agrar./geweibl. Mischregion. Region 5: Agrarische Region.
194 o ¡ e Entwicklung der Arbeitslage in Württemberg-Baden im Jahre 1949, Statistische Monatshefte Württemberg-Baden 3/1950, S. 86. 195
Quellen siehe Tabelle 54.
"Gerechte" Verteilung versus Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt
Abb. 25
385
386
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Tabelle 5819«: Soziale Lage, Wanderung und Wohnverhältnisse in den Regionen Nordbadens Landw. Aus- EinPendler auf Besch. (10) (11) (12) Region 1: Region 2: Region 4: Region 5:
Steu. sum./ Einw. (13)
Fürsorgeaufwend. Summe p/F. (15) (14)
Norm. Wand.Binnenwohn. gewinn wanderung Flu. 1949 1949 1950 (16) (17) (18) (19)
5,6 27,5 43,5 56,8
3 37 35 15
34 17 11 8
77,8 41,5 32,4 29,9
174.907 211.508 179.475 668.314
3,4 5,5 4,1 8,8
27,6 13.672 31,1 496 28,3 -345 22,1 -5.072
5.314 -854 -1.222 -3.238
6.534 -738 -1.469 -4.324
Nordbaden 29,9
18
21
52,5
1.234.204
5,9
26,5
29.177
35.898"
8.751
(10): Land und Forstwirtschaftbeschäftigte auf 100 Erwerbstätige. (11): Auspendler auf 100 Beschäftigte. (12): Einpendler auf 100 Beschäftigte. (13): Steuersumme pro Einwohner. (14): Aufwendungen der öffentlichen Fürsorge im 2.Vierteljahr 1950 für Flüchtlinge, Angaben in DM. (15): Durchschnittliche Fürsorgeaufwendung pro Flüchtling in DM. (16): Von 100 Flüchtlingswohnparteien 1950 wohnten .. in Normalwohnungen, (abgeschlossene Wohneinheiten). (18), (19): Binnenwanderung in Nordbaden, Wanderungssaldo. a
Wanderungsumsatz insgesamt.
Zieht man auch für Nordbaden Ende 1947 eine Zwischenbilanz der Neubürgerverteilung (Tabelle 57, Spalte 3 und 4), dann ergibt sich eine weitaus ungünstigere Plazierung der Neubürger auf dem Arbeitsmarkt, als dies in Nordwürttemberg der Fall war (Tabelle 54). Vier von zehn Ausgewiesenen waren in agrarisch strukturierten Landkreisen untergebracht, die angesichts der geringen Hofgrößen nur wenige Arbeitsplätze für die Neuankömmlinge in der Landwirtschaft boten, von gewerblichen Arbeitsplätzen ganz zu schweigen. Auch noch 1950, nach dem Einsetzen der individuellen Wanderungsbewegungen, läßt sich die ungünstigere regionale Plazierung der Neubürger in Nordbaden anhand der Verteilung von Alt- und Neubürgerschaft auf Wirtschaftsregionen und Ortstypen nachvollziehen.197 Ein großes Arbeitsplatzangebot in Handwerk und Industrie, dies fand sich in Nordbaden überwiegend in den Ballungszentren um Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe und Pforzheim (Abb. 21 und 22), und die Sogkraft auf das mit Flüchtlingen stark besetzte agrarische Hinterland im Norden war gering (Abb. 23). Wie ungünstig sich die 1946 vorgefundene Wohnraumstruktur auf die wirtschaftliche
196 197
Quellen siehe Tabelle 54. Vgl. auch Kapitel 6.2.
"Gerechte" Verteilung versus Chancengleichheit auf dem Aibeitsmarkt
387
Eingliederung der Flüchtlinge auswirkte, bestätigt auch Abb. 24. In typischen Pendlergemeinden waren die Neubürger eher unterrepräsentiert. Daß die Wohnraumstruktur und die wirtschaftliche regionale Ausgestaltung des nordbadischen Raumes der beruflichen Integration der Neubürger größere Hindernisse entgegenstellte, als dies in Nordwürttemberg der Fall war, bestätigte sich nach der Währungsreform mit dem Hochschnellen der Arbeitslosigkeit; die wirtschaftlichen Folgen der Währungsumstellung belasteten ohnehin Nordbaden mehr als Nordwürttemberg und trafen im badischen Landesteil die Neubürger ganz besonders (Tabelle 59).
Tabelle 59: Entwicklung der Flüchtlingsarbeitslosigkeit 1947 - 1949 in den Arbeitsamtsbezirken Württemberg-Badens
Arbeitsamtsbezirk
31.5. 1947 η %
Arbeitslose Neubürger 30.Î>.1948 31.3 .1949 η η Veränd. Veränd. zu (3) zu(l) zu(l) (3) (4) (5) (7) «0
% aller Arbl. (8)
(1)
(2)
Aalen Esslingen Göppingen Heilbronn Ludwigsburg Schw. Gmünd Schw. Hall Stuttgart Ulm
1.294 991 963 299 1.007 1.028 764 1.188 189
5,7 3,7 5,7 2,6 3,3 4,8 3,4 5,5 1,9
640 398 414 201 804 1.009 574 775 128
-50,5 -59,8 -57,0 -32,8 -20,2 -1,8 -24,9 -34,8 -32,3
1.511 576 442 328 982 987 1.359 819 560
136,1 44,7 6,8 63,2 22,1 -2,2 136,8 5,7 337,5
16,8 -41,9 54,1 9,7 -2,5 -4,0 77,9 -31,1 196,3
58,4 54,1 45,4 23,7 41,6 58,6 60,3 17,6 42,5
Summe NW
7.723
4,6
4.943
-36,0
7.564
53,0
-2,1
41,4
Heidelberg Karlsruhe Bruchsal Mosbach Pforzheim
1.172 756 246 886 85
4,9 3,7 2,7 3,3 3,3
977 773 137 1.034 101
-16,6 2,2 -44,3 16,7 18,8
3.070 2.314 212 2.966 238
214,2 199,4 54,7 186,8 135,6
161,9 206,1 -13,8 234,8 180,0
35,9 29,3 6,3 67,2 11,8
Summe NB
3.145
3,9
3.022
-3,9
8.800
191,2
179,8
33,5
Summe insg.
10.868
4,4
7.965
-26,7
16.364
105,4
50,6
36,7
(1) Arbeitslos gemeldete Neubürger am 31.5.1947. (2) In % der Erwerbstätigen. (3) Arbeitslos gemeldete Neubürger am 30.9.1948. (4) Wachstum in % zu (1). (5) Arbeitslos gemeldete Neubürger am 31.3.1949. (6) Wachstum in % zu (3). (7) Wachstum in % zu (1). (8) Anteil in % der Arbeitslos Gemeldeten überhaupt. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
388
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederang der Flüchtlinge
Insgesamt sollte sich Nordwürttemberg wesentlich krisenfester als Nordbaden erweisen. Erreichte dort 1949 die Flüchtlingsarbeitslosigkeit trotz gewachsener Flüchtlingsbevölkerung nicht einmal das Ausmaß von 1947, so verdreifachte sie sich in den nordbadischen Krisengebieten. Wie ungünstig sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten Nordbadens fur die Flüchtlinge auswirkten, beobachtete auch das Statistische Landesamt: Die statistischen Materialien lassen erkennen, daß Nordwürttemberg trotz des etwas höheren Landesbezirksdurchschnitts doch eine weit glücklichere Stellung als Nordbaden bei der Eingliederung der Neubürger in den Wirtschaftsprozeß innehat, wenn gleichzeitig der Grad der Industrialisierung zum Vergleich herangezogen wird. [...] Trotz der Zusammenballung der Industrie in den Stadtkreisen Stuttgart, Heilbronn und Ulm finden sich in den nordwürttembergischen Landkreisen in breiter Streuung bedeutende Industriewerke, so daß die Vonhundertsätze in den Landkreisen Göppingen, Heidenheim, Nürtingen, Böblingen, Schwab. Gmünd, Esslingen und Ludwigsburg nicht sehr unter denen der Stadtkreise liegen. Anders verhält es sich in Nordbaden. Die Masse der Flüchtlinge wurde hier in die industriearmen Landkreise Buchen, Mosbach, Tauberbischofsheim und Sinsheim hineingeschleust. In den weiteren Landkreisen Bruchsal, Heidelberg und Mannheim nimmt innerhalb der dort ansässigen Industrie die gegen Konjunkturrückschläge sehr anfällige Tabakindustrie einen bedeutenden Platz ein, so daß auch hier keine allzu stabilen Verhältnisse gegeben sind. [...] Bis auf Mannheim weisen die nordbadischen kreisfreien Städte einen erheblich niedrigeren Industrialisierungsgrad auf als die Stadtkreise in Nordwürttemberg, aber sie haben mit Ausnahme der stark zerstörten Städte Pforzheim und Mannheim mehr Flüchtlinge als diese aufnehmen müssen.198 Die allmähliche Eingliederung der Neubürger in den Arbeitsprozeß sollte erst im Rahmen des Wirtschaftswunders geleistet werden. Vorderhand jedoch traf die Flüchtlinge insbesondere im agrarisch geprägten nordbadischen Landesteil ein wirtschaftlich weitaus härteres Los als die in Nordwürttemberg angesiedelten Neubürger. Dies spiegeln auch die Fürsorgeleistungen im Jahre 1950 (Tabelle 55 und 58, Spalte 14 und 15). Tendenziell stiegen sie mit der Entfernung zur Industrie. In der nordbadischen agrarischen Region, die 1950 immerhin noch 36% der Neubürger beherbergte, erreichten sie mit 8,8 DM/pro Kopf im zweiten Vierteljahr 1950 annähernd das Zweifache der Leistungen, die im nordwürttembergischen agrarischen Raum aufzuwenden waren. Erschwerend mag fur die Flüchtlinge hinzugekommen sein, daß die Alteinwohnerschaft keineswegs im gleichen Maße von der Umstrukturierungskrise im Gefolge der Währungsreform betroffen war. Vergleicht man, wie Elisabeth Pfeil, die Erwerbstätigenquote der Neubürger mit der der Altbürger 1949/50, dann schneidet mit Ausnahme des Großraums Mannheim Nordbaden gänzlich unbefriedigend ab (Abb. 26). Auch die Wohnsituation der nordbadischen Flüchtlinge im agrarischen Raum war wenig dazu angetan, über die wirtschaftlichen Schwierigkeiten hinwegzutrösten. Läßt sich fur Nordwürttemberg aufzeigen, daß sich mit der Entfer-
198
Ebd. S. 86.
"Gerechte" Verteilung versus Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt
Abb. 26
389
390
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
nung zu Stuttgart die Chance, zumindest einen Regelmietvertrag für eine abgeschlossene Wohnung zu erreichen, leicht vergrößerte (Tabelle 55 und 58, Spalte 16), so war dies in Nordbaden eher umgekehrt.199
7.4.
Neu- und Altbürger in der politischen Auseinandersetzung um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Von den Altbürgern alleingelassen fühlte sich ein Großteil der Flüchtlinge endgültig seit den wirtschaftspolitischen Entscheidungen 1948/49 zu Währungsreform und Lastenausgleich. Es kennzeichnete die politische und wirtschaftliche Entwicklung seit 1948, daß immer mehr gesellschaftspolitische Entscheidungen zum Wirtschaftsrat nach Frankfurt verlegt wurden.200 Die wirtschaftliche Bizonenverwaltung brachte für die Verwaltungsfachleute und Länderregierungsvertreter der amerikanischen Zone, die bisher im südwestdeutschen Länderrat oftmals an den Landesparlamenten vorbei "Reichsersatzpolitik" zu betreiben gewohnt waren, einen beträchtlichen Einflußrückgang zu Gunsten der überregional ausgerichteten Parteien- und der Kommunenvertreter der Bizone.201 Dies galt nicht nur für die Flüchtlingsverwaltungen. Angesichts der Tatsache, daß sich Wirtschaftsrat und Besatzer erst im Frühjahr 1949 darauf einigen konnten, die Flüchtlingsfrage überhaupt als Thema der bizonalen Einrichtung zu begreifen, traf die neue Entwicklung die Flüchtlingsverwaltungen jedoch besonders hart. Die hier nur knapp skizzierte Entwicklung zeigte insbesondere wirtschaftspolitisch beträchtliche Konsequenzen. Weder auf die im Prinzip ohne deutsche Beteiligung ablaufende Währungsreform noch auf die ersten Bemühungen um einen Lastenausgleich konnten die in der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen (AdDF) zusammengeschlossenen einschlägigen Landesressortvertreter der Bizone nennenswerten Einfluß gewinnen. Entsprechend gering blieb auch der Einfluß der 1948 in Württemberg-Baden und Hessen bereits bestens durchorganisierten Selbsthilfeverbände der Flüchtlinge auf die wirtschaftspolitische Entwicklung gegen Ende der Besatzungszeit. Ohnehin waren sie in der Öffentlichkeit kaum als Repräsentanten der Flüchtlinge akzeptiert und ihre geringen Interventionsmöglichkeiten schmolzen mit dem kontinuierlich betriebenen Abbau der Flüchtlingssonderverwaltungen noch weiter zusammen. Schon die von deutscher Seite im Herbst 1947 eingerichtete und vom Wirtschaftsrat übernommene "Sonderstelle Geld und Kredit" in Bad Homburg setzte sich ausschließlich aus Altbürgern zusammen, obwohl der enge Zusammenhang von Wäh199
Freilich sagt die Einordnung einer Wohnung als sog. Normalwohnung nichts über Größe und Qualität des vorhandenen Wohnraums aus; doch kann man in der Regel davon ausgehen, daß sie einen eigenen Abschluß hatte und größeren Kündigungsschutz als ein Untermietverhältnis bot. 200 Zur Gesetzgebung vgl. Kapitel 4. 201 YGI z u m allmählichen Machtwechsel von den Ministerpräsidenten und Länderverwaltungen zu den überlandesweit organisierten Parteizentralen BIRKE (1989).
Neu- und Altbürger in der politischen Auseinandersetzung
391
rungsreform und anstehendem Lastenausgleich offensichtlich war.202 Angesichts des engen Handlungsspielraums der deutschen Seite, die ihre Hauptaufgabe darin sehen mußte, die alliierten Entwürfe auf die konkreten deutschen Verhältnisse abzustimmen203> wäre eine Vertretung der Flüchtlinge im deutschen Expertenkreis zwar möglicherweise ohne Bedeutung geblieben, sie hätte jedoch zumindest für größere Transparenz der Entscheidungsgänge sorgen können. Da dies unterblieb, fühlten sich die neuen mehr noch als die alten Bürger der Westzonen vom Gang der Dinge gänzlich überrollt. In vielen Kreisen Nordwürttembergs und Nordbadens kam es im Gefolge der Währungsreform zu Großveranstaltungen der Flüchtlinge, bei denen die eigenständigen Flüchtlingsorganisationen, württembergische Hilfsverbände und badische IDAD, den Neubürgern Resolutionen gegen die Währungsreform zur Abstimmimg vorlegten. Zehntausende Protestunterschriften sammelte allein die IDAD in Nordbaden. Die Neubürger bringen ihre bittere Enttäuschung darüber zum Ausdruck, daß mit der durchgeführten Währungsreform der seit langem fällige Lastenausgleich nicht mitverbunden, sondern seine Durchführung um ein halbes Jahr hinausgeschoben wurde, ferner die Enttäuschung darüber, daß bei der Währungsreform soziale Gesichtspunkte überhaupt nicht berücksichtigt wurden, worunter wieder in erster Linie die Neubürger einseitig zu leiden haben.20* Man forderte angesichts der zu befürchtenden Arbeitslosigkeit in der nächsten Zeit gesetzliche Maßnahmen zum Schutze der Neubürger vor ungerechten und unsozialen Entlassungen [...], wobei darauf hingewiesen wird, daß ja ähnliche Kündigungsschutzbestimmungen für Schwerbeschädigte und politisch Verfolgte bereits bestehen,205 Weiter verlangten die Resolutionen spezielle Flüchtlingskredite, vor allem aber Beteiligung von Neubürgervertretern bei den Verhandlungen zum Lastenausgleich der im Flüchtlingsgesetz festgelegte Grundsatz der Gleichberechtigung kann nicht durch eine formale Gleichheit vor dem Gesetz erschöpft werden, sondern erfordert zweckmäßige Maßnahmen, um den entsprechenden qualifizierten Neubürgern gleiche wirtschaftliche Startbedingungen für den Wiederaufbau ihrer wirtschaftlichen Existenz sicherzustellen.1·06
202 D e n Vorsitz hatte der spätere Direktor der Verwaltung für Wirtschaft, Ludwig Erhard. Mitglieder waren: der Münchner Stadtkämmerer Erwin Hielscher, Direktor Karl Bernard vom Vorstand der Frankfurter Hypothekenbank, der Präsident der Stuttgarter Landeszentralbank Fritz Cahn-Gamier, der Hamburger Finanzsenator Walter Dudek, der Vizepräsident der bayerischen Landeszentralbank Heinrich Hartlieb, der Hauptabteiltungsleiter der Verwaltung für Wirtschaft Günther Keiser, der Abteilungsleiter der Präsidialabteilung des Hamburger Wirtschaftssenators Viktor Wrede, des weiteren Ministerialrat im Finanzministerium Württemberg-Baden, Otto Pfleiderer, und der Treuhänder für das Vermögen der Deutschen Bank, Rudolf Harmening; vgl. PÜNDER (1966) S. 357. Zu den deutschen Konzepten zur Währungsreform vgl. MÖLLER (1961). 2 0 3
PONDER ( 1 9 6 6 ) S. 3 5 7 .
Resolution, eingebracht vom Hilfsverband der Neübürger auf einer Großkundgebung im Kreis Ludwigsburg im Juli 1948, auf der mehr als 10.000 Menschen teilnahmen. HSTAST EA2/801-400. Gleichlautende Resolutionen wurden im ganzen Land beschlossen und nach Karlsruhe und Stuttgart weitergeleitet. 205 Ebd. 206 Ebd.
392
Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Aber auch bei den frühen Verhandlungen des Wirtschaftsrats um den Lastenausgleich, die hier nur am Rande gestreift werden können, blieben Flüchtlinge und Flüchtlingssonderverwaltungen mehr oder minder ausgeschlossen.207 Die Diskussion um einen Vermögensausgleich zwischen den von Kriegsfolgen unterschiedlich betroffenen Bevölkerungsgruppen hatte auf deutscher Seite bereits 1945 eingesetzt, war aber keineswegs sehr heftig gefuhrt worden. Wenn überhaupt, dann wurde ein etwaiger Lastenausgleich im Zusammenhang mit der notwendigen Stabilisierung der Währung erörtert. Zwar befürworteten die Länder der Bizone und die Organe des Länderrats eine Koppelung von geplanter Währungsreform und Lastenausgleich, doch den deutschen Plänen war gemeinsam, daß sie den Lastenausgleich grundsätzlich der Geldwertbereinigung unterordneten. In diese Richtung deutete bereits auch der alliierte Colm-Dodge-Goldsmith Plan vom Mai 1946, der Währungsbereinigung und Lastenausgleich voneinander trennte und zur Grundlage der Währungsreform wurde. Noch wenige Monate vor Einfuhrung der neuen Währung hatte die Verwaltung der Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets einen ohne Mitwirken der Flüchtlingsverwaltungen ausgearbeiteten Plan vorgelegt, der noch einmal Währungsreform und Lastenausgleich miteinander verband, aber die Militärregierungen der englischen und amerikanischen Zone entschieden sich dagegen, führten die neue Währung in eigener Regie ein und überließen die Lastenausgleichsgesetzgebung den Deutschen. Am 18. Juni 1948, zwei Tage vor Erlaß der Währungsreform, beauftragten Engländer und Amerikaner den Wirtschaftsrat mit der Konzeption eines Lastenausgleichs binnen eines halben Jahres. Mit dieser engen zeitlichen Begrenzung sollte zumindest eine allzu lange Abkoppelung der Währungssanierung von der finanziellen Entschädigung der Flüchtlinge und ihnen im Zuge des Lastenausgleichs gleichzustellenden Bevölkerungsgruppen verhindert werden.208 Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen drückte ihr Bedauern darüber aus, daß eine derartige Entscheidung gefällt wurde, die nicht dazu beitragen dürfte, die Lage der zwangsweise nach Deutschland zugeführten Bevölkerung zu erleichtern, da die Gefahr besteht, daß in den Parlamenten nicht die besondere Notlage der Ausgewiesenen entsprechende Berücksichtigung finden wird209, und suchte auf den weiteren Gang der Dinge so weit wie irgend möglich Einfluß zu nehmen. Nachdem die Währungsreform die Erwartungen der Flüchtlinge nicht erfüllt hat, sondern auf den von den deutschen Regierungen zu gestaltenden Lastenausgleich verweist, bat die Arbeitsgemeinschaft, Vertreter zu den einschlägigen Verhandlungen entsenden zu dürfen, um die gerade den FlüchtlingsverwaltunDer Lastenausgleich berührt zeitlich und thematisch die hier vorgelegte Studie nur am Rande. Die Entwicklung kann daher nur ganz knapp und ausschließlich unter dem Aspekt der Flüchtlingsbeteiligung und -reaktion skizziert werden. Zum Lastenausgleich vgl. die umfassende Arbeit von SCHILLINGER (1985) und die dort genannte Literatur, im gleichen Sinne zusammenfassend: UFFELMANN (1988) S. 58 - 62, des weiteren NEUHOFF (1975). 208 Deutsche Politiker waren nicht die eifrigsten Propagandisten des Lastenausgleichs, die Militärregierung, besonders nicht die amerikanische, keineswegs dessen Verhinderer. SCHILLINGER ( 1 9 8 5 ) S. 9. 209
Schreiben Middelmanns für die AdDF bezüglich der amerikanischen Vorgehensweise an die Landesflüchtlingsverwaltungen vom 2.6.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-1769.
Neu- und Altbürger in der politischen Auseinandersetzung
393
gen der Länder vertrauten Anliegen der Flüchtlinge bei der Abfassung der Gesetzestexte rechtzeitig zu Gehör bringen zu können. 210 Die Flüchtlingsverwaltungen der amerikanischen Zone delegierten anläßlich ihrer Länderrats-Flüchtlingsausschußsitzung im August den Leiter der hessischen Flüchtlingsverwaltung, Nahm, den Leiter der bayerischen Flüchtlingsverwaltung, Staatssekretär Jaenecke, und Middelmann fur den beratenden Ausschuß. Aber wieder beriet man ohne echte Beteiligung der Betroffenen oder der Flüchtlingsexperten in den Verwaltungen.2" Es kam lediglich zu einer Anhörung eingeladener Vertreter der Flüchtlingsverwaltungen und einzelner Akteure der entstehenden Flüchtlingsbewegung, die Bucerius dahingehend befragte, ob man eine Individualentschädigung oder eine Eingliederungshilfe befürworte.212 Doch die sehr heterogenen Standpunkte der Geladenen Middelmann, Nahm und Kather (CDU) als Flüchtlingsvertreter plädierten beispielsweise für einen quotalen Lastenausgleich, Minister Albers, von ManteufFel, Mitglied des Flüchtlingsbeirats der AdDF, oder Leber (Flüchtling und CDU) eher dagegen machten es dem Ausschuß letztlich leicht, es bei dieser einen Anhörung zu belassen.213 Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen versuchte dennoch auch weiterhin Einfluß auf den Gang der Dinge zu nehmen. Zwei grundsätzliche Positionen standen zur Debatte: Quotale, individuelle und in der Diskussion oft als "restaurativ" bezeichnete Wiederherstellung verlorenen Vermögens oder bedarfsorientierte Wiedereingliederungsunterstützung, die den Flüchtlingen unabhängig von ihrer vormaligen Vermögenssituation eine verbesserte Startbasis im neuen Deutschland bereiten wollte. Die AdDF entschied sich fur eine Kombination von beidem, vorderhand unter Betonung der Wiedereingliederungshilfen, und erarbeitete ein grundsätzliches Papier mit ihren Vorschlägen zu einem Lastenausgleich. Die Forderungen der Flüchtlingsverwaltungen gingen weit über die Pläne des Wirtschaftsrats hinaus, der das Ausmaß der geplanten Entschädigung grundsätzlich am vormals vorhandenen Besitz, wenn auch verbunden mit Eingliederungshilfen, favorisierte. Vergleichsweise waren die Pläne der AdDF weit weniger auf eine spätere Besitzentschädigung als auf eine aktuelle kräftige Eingliederungserleichterung
212
213
Protokoll der Sitzung des neu konstituierten Flüchtlingsbeirats der AdDF vom 9.7.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-26. Am 26.8.1948 konstituierte sich in Bad Homburg der sog. Fünfzehner-Ausschuß, eine Gutachterkommission für den Lastenausgleich, die aus je 3 Parlamentariern und je 2 Finanzministern der westlichen Besatzungszonen gebildet und später zu einem 21 Personen umfassenden Ausschuß des Wiitschaftsrats erhoben wurde. Zwei Mitglieder der Gutachterkommission, die SPD-Abgeordnete Krahnstöver und der CSU-Vertreter Schütz, waren Flüchtlinge; angesichts des Mißtrauens, das der größte Teil der Flüchtlinge den "Parteillüchtlingen" entgegenbrachte, kann man sie wohl nicht als Repräsentanten der herrschenden Flüchtlingsmeinungen betrachten. Vgl. SCHILLINGER (1985) S. 124. Als Flüchtlingsvertreter waren selbstverständlich Abgesandte der Parteien geladen; die württemberg-badischen Flüchtlinge vertrat Leber (CDU). Vgl. Protokoll der AdDF vom 14. und 15.9.1948, Landtagsarchiv, Abt. Flüchtlinge. Auch in der Sitzung des Ländeiratsflüchtlingsausschusses vom 24.8.1948 wurde der Lastenausgleich besprochen; vgl. GLAK 466 Zug. 1981/47-1772. Kurzprotokoll über die Tagung der Vertreter der Flüchtlingsverwaltungen, der von den Flüchtlingsbeiräten nominierten Flüchtlinge mit dem Unterausschuß Anspruchsberechtigte der Fünfzehnerkommission zum Lastenausgleich vom 1.9.1949, abgedruckt in: DIE LASTENAUSGLEICHSGESETZE Bd. 1/1 (1962), S. 72 ff.
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Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
gerichtet, eine Gewichtung, die von der einschlägigen Forschung oft übersehen wird. Aufbauend auf dem postulierten Rechtsanspruch, den der Einzelne aus einem durch Kriegsereignisse oder Kriegsfolgen erlitteten Schaden an die Gesamtheit hat, wenn auch begrenzt durch das volkswirtschaftlich Machbare, forderte die AdDF für die Betroffenen Unterstützung entsprechend ihrer jetzigen sozialen Lage, im einzelnen die Sicherstellung der wirtschaftlichen Existenz der Arbeitnehmer durch Schaffung einer gesetzlichen Einstellungspflicht für jeden Betrieb (entsprechend dem Schwerbeschädigten-Schutzgesetz). [...] Existenzgründung für die wirtschaftlich Selbständigen, die auf eigene Rechnung und Gefahr gearbeitet haben, durch Bereitstellung der notwendigen Betriebsmittel, eine Finanzierung erforderlicher Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, des weiteren die Reservierung eines Anteils der produzierten Bedarfsgüter in Anlehnung an das bereits bestehende Jedermannprogramm, Zuschüsse zu Baukosten und bei Bedarf Zuschüsse zum Unterhalt214. Auch die frühen Flüchtlingsvereinigungen und Selbsthilfeverbände suchten eigenständig auf den Lastenausgleich Einfluß zu nehmen.215 Im Oktober 1948 konstituierte sich ein Lastenausgleichsausschuß der Vertriebenenverbände als gemeinsame Gründung regionaler autonomer Flüchtlingsvereinigungen, an dessen Forderungen vorerst jedoch die offiziell mit dem Lastenausgleich befaßten Instanzen wenig Interesse zeigten.216 In den Beratungen des Flüchtlingskreises, zu dem auch Vertreter der nordbadischen IDAD gehörten, sollte sich mehrheitlich die Position des quotalen Lastenausgleichs durchsetzen.217 Doch der entscheidende Gesichtspunkt blieb auch für die unabhängig von den lizenzierten Parteien tagenden Flüchtlingsvertreter die massive Unterstützung der Neubürger in ihrem wirtschaftlichen Eingliederungsprozeß. Gerade dieser Forderungsbereich sollte sich in den nächsten Monaten zum Hauptgegenstand der Lastenausgleichsberatungen entwickeln, denn wie die Verhandlungen der Finanzdirektion des Wirtschaftsrats und des Gutachterkreises bald zeigten, sahen sich die Experten außerstande, den Auftrag der Besatzer termingerecht durchzufuhren. Man beschloß daher, den eigentlichen Lastenausgleich zurückzustellen und angesichts der Tatsache, daß die Notlage eines großen Teils der Geschädigten, insbesondere seit der Währungsreform, immer deutlicher zu Tage trat, alle weiteren Arbeiten auf ein Sofortprogramm zu konzentrieren.218 Diese Entscheidung verschob zwar den Lastenausgleich und damit auch die Angleichung der 214
Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen über die bevorstehende weitere Gesetzgebung über den Lastenausgleich, GLAK 466 Zug. 1981/47-1672. 215 Allgemein vgl. SCHILLINOER (1985) S. 146 - 152. Zu den Flüchtlingsvereinigungen vgl. Kapitel 8.3. 216 Zu seiner Arbeit vgl. NEUHOFF (1975). 217 vgl. Entschließung der am 22.10.1948 in Wiesbaden zusammengekommenen Vertriebenenverbände, unterzeichnet für Nordbaden von Bartunek und Golitschek (IDAD), fur Nordwürttemberg von Holübar und Mocker (Hilfsverband der Neubürger), für die britische Zone von Lukaschek, Göbel, Kather und Schapper, des weiteren von bayerischen und hessischen Flüchtlingsrepräsentanten, abgedruckt in: DIE LASTENAUSGLEICHSGESETZE (1962) Bd 1/1, S. 77 f. Drucksache Nr. 687, 1948 des Wirtschaftsrats, veröffentlicht in: Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947 -1949 Bd. 4, Drucksachen, Wien 1977, S. 1029 - 960 - 1060c.
Neu- und Altbüiger in der politischen Auseinandersetzung
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wirtschaftlichen Chancen von Neu- und Altbürgern nach der Währungssanierung auf einen nicht abzusehenden Zeitpunkt; sie trug aber der sich abzeichnenden wirtschaftlich desolaten Situation der Flüchtlinge Rechnung. Die Flüchtlingsverwaltungen stimmten daher der neuen Marschrichtung grundsätzlich zu. In zum Teil leidenschaftlicher Aussprache, so das Protokoll der AdDF-Sitzung vom September 1948, habe man eine Entschließung erarbeitet, die auf die besondere Notlage der Flüchtlinge innerhalb der Notleidenden hinweist.119 In der Tat belegten neueste Erhebungen aus den Kreisen der Flüchtlingsverwaltung, daß ein wesentlicher Teil der Flüchtlinge nicht einmal über die Einkünfte verfugte, die erforderlich waren, die bewirtschafteten Lebensmittel zu kaufen. An die Entwickler der sog. Soforthilfe richtete die Arbeitsgemeinschaft entsprechend konkrete Forderungen: Die Höhe der später auf den Lastenausgleich anzurechnenden Soforthilfe müsse für den Haushaltsvorstand 50 DM monatlich betragen, für jedes weitere Familienmitglied 25 DM bei einer Einkommensobergrenze pro Familie von 200 DM.220 Kredite für Flüchtlingsgewerbebetriebe seien bereitzustellen. Vor allem aber dürfe die Soforthilfe nicht die öffentlich-rechtlichen Fürsorgeverpflichtungen berühren: Insbesondere muß jede Anrechnung dieser Zahlungen auf Fürsorgeleistungen ausgeschlossen werden.221 Gerade letzteres wollte der Wirtschaftsrat jedoch auf keinen Fall berücksichtigen. Der im November beim Wirtschaftsrat vorgelegte Entwurf eines Ersten Gesetzes zum Ausgleich von Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (Erstes Lastenausgleichsgesetz) konnte daher die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen. Wie Nahm in der Dezembersitzung der AdDF berichtete, bedauerte die Arbeitsgemeinschaft, daß ihr und den Mitgliedern des Flüchtlingsbeirates nur zu Beginn der Ausarbeitung des Gesetzes zum Lastenausgleich Nr. 1 (Soforthilfe) Gelegenheit gegeben wurde, ihre Ansichten zu vertreten 222 Nach Einschätzung Nahms ließ die Regelung der Soforthilfe eine Verschleppung des eigentlichen Lastenausgleiches erwarten, es besteht die Gefahr, daß die Soforthilfemaßnahmen dazu benutzt werden, die Länder von den Wohlfahrtsleistungen zu entlasten. Durch Verlegung des Schwergewichtes auf die Unterhaltshilfe droht eine Benachteiligung der besonders wichtigen Gemeinschaftshilfe, der Ausbildungshilfe und der Hausrathilfe, die durch die soeben erfolgte Herstellung der Gewerbefreiheit von besonderer Bedeutung für die Flüchtlinge sind und eine wesentliche Verbesserung der Startbedingungen für die Ausgewiesenen bedeutet haben würden.223 In die von Nahm aufgezeigte Richtung sollte sich das Gesetzeswerk tatsächlich entwickeln. Der Gesetzentwurf, der dem Wirtschaftsrat vorlag, benannte vier Formen der später auf den Lastenausgleich anzurechnenden Soforthilfe: Unterhaltshilfe und im Rahmen des Verfugbaren Aufbauhilfe, Hausratshilfe sowie Gemeinschaftshilfe. Das Hauptgewicht lag auf der Unterhaltshilfe. Sie wurde ausdrücklich auf den 219
Protokoll der AdDF vom 14. und 15.9.1948, Landtagsarchiv, Abt. Flüchtlinge. 220 Das Waren Sätze, welche die 1947/48 in württemberg-badischen Großstädten gezahlten Fürsorgeleistungen kaum (ibertrafen; vgl. EDDING u.a. (1949) Tabelle XI. 221 Ebd. 222 Protokoll der Sitzung der AdDF vom 1.12.1948, GLAK 466 Zug.1981/47-26. 223 Ebd.
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Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
Personenkreis der Berufsunfähigen und im Rentenalter Stehenden beschränkt, die sich den notwendigen Lebensunterhalt nicht selbst beschaffen konnten. Später wurde der Entwurf um die Personengruppe alleinstehender Frauen ergänzt, die mindestens drei Kinder zu versorgen hatten.224 Eigene Einkünfte waren voll in Abzug zu bringen, Fürsorgeleistungen sollten zukünftig entfallen.223 Man wolle, so die Begründung des Entwurfs, den in Frage kommenden Personenkreis der hilfsbedürftigen Alten oder Berufsunfähigen im Hinblick auf die von ihnen erlittenen Schäden aus dem Bereich der Fürsorge herausheben, zumal bei vielen von ihnen gegen die Inanspruchnahme der öffentlichen Wohlfahrtsunterstützung eine verständliche Scheu besteht226 Damit war der Gesetzentwurf, der im wesentlichen den Vorlagen der Verwaltung der Finanzen des Wirtschaftsrats entsprach, in erster Linie geeignet, die staatlichen Fürsorgekassen zu entlasten. Gezielte Hilfe zum Aufbau einer neuen Existenz für einen Personenkreis, der von den Kriegsfolgen besonders hart getroffen worden war, stellte der Entwurf nicht in Aussicht. Mit den Stimmen von CDU und SPD verabschiedete der Wirtschaftsrat am 14.12.1948 das 1. Lastenausgleichsgesetz.227 Doch bis die ohnehin nur mager ausfallende Unterstützungsleistung zum Tragen kam, sollte noch über ein halbes Jahr verstreichen. Angesichts des Widerstands der Regierungen in Washington und London gegen einen individuellen Lastenausgleich konnte das Gesetz, nunmehr abgekoppelt von der eigentlichen Lastenausgleichsgesetzgebung, erst zum 8. August 1949 als Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notlagen (Soforthilfegesetz) in Kraft treten.228 Die fuhrenden Repräsentanten der Flüchtlingsbewegung auch in WürttembergBaden lehnten das Soforthilfegesetz als unzureichend ab. Insbesondere die Dominanz der Unterhaltshilfe erregte bitteren Widerstand. Die Flüchtlingsverwaltungen jedoch reagierten schnell. Bereits Ende 1949 hatten in Nordbaden die Ämter für Soforthilfe und das Landesamt voll ihre Tätigkeit aufgenommen.229 In den Monaten September/Oktober gingen hier 41.157 Anträge auf Unterhaltshilfe und 40.759 Anträge auf Haushaltshilfe ein; die Zahl belegt, daß nahezu jede in Nordbaden angesiedelte Flüchtlingsfamilie versuchte, Mittel aus dem Soforthilfefonds zu beziehen.230 224 Drucksache Nr. 750, 1948 des Wirtschaftsrats, veröffentlicht in: Wörtliche Berichte und Drucksachen des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1947 - 1949, Bd. 4, Drucksachen, Wien 1977, S. 1163. 225
Drucksache Nr. 673, 1948 des Wirtschaftsrats, a.a.O., S. 949 - 960. Drucksache Nr. 687, 1948 des Wirtschaftsrats, a.a.O., S. 1047 22 ^ Nach dem Gesetz erhielten rückwirkend auf 1.10.1948 Flüchtlinge, Kriegsgeschädigte, Währungsgeschädigte, politisch Verfolgte und Geschädigte eine Soforthilfe in Form von Renten, die als Unterhalts-, Ausbildungs-, Ausbau-, Hausrats- oder Gemeinschaftshilfe gewährt wurden. Unterhaltshilfe wurde Männern über 65 und Frauen über 60 oder dauernd Erwerbsunfähigen gewährt, wenn sie sich und ihre Angehörigen nicht ausreichend versorgen konnten: 70 DM + 30 DM für die Ehefrau + 20 DM fur jedes Kind. 228 Es wurden belastet: die nach dem steuerlichen Einheitswert veranschlagten, 3.000 DM übersteigenden Vermögen mit einer jährlichen Abgabe von 3 Prozent, land- und forstwirtschaftlicher Besitz mit 2%, Warenvorräte mit 4 % und Hamsterbestände mit 15%. 229 Mit Erlaß vom 4.6.1949 war die Einrichtung der Soforthilfeämter bereits vorab geregelt worden; vgl. Amtsblatt der Landesverwaltung Baden vom 7.6.1949, S.10. 230 Erbrachte Leistungen 1.9.1949 - 31.12.1949: Unterhaltshilfe: 4.208.378 DM,
226
Neu- und Altbürger in der politischen Auseinandersetzung
397
In der Bewertung des Soforthilfegesetzes lagen Flüchtlinge und Altbürger indes weit auseinander. Die Hilfe, die aus dem Soforthilfegesetz erwachse, erklärte der zukünftige Bundesminister für Vertriebene, Lukaschek, im Herbst 1949, ist leider nur recht klein und muß - an dem Umfang der ungeheuren Notlage gemessen - als verschwindend gering bezeichnet werden.231 Sie sei geeignet, die dringendste Not der Bedürftigsten und Ärmsten unter den Flüchtlingen zu mildern, sie kann die Not nicht beseitigen und sie kann erst recht nicht eine wirtschaftliche Existenzfähigkeit sichern.232 Auch Nahm, der hessische Flüchtlingskommissar und Staatssekretär im Bundesvertriebenenministerium, gab zu, daß das Soforthilfegesetz den eingliederungsfördernden und den die Fürsorge ablösenden Maßnahmen den Vorrang habe einräumen müssen. Dennoch bewertete er die Wirkung des Soforthilfegesetzes im Nachhinein positiv. Die Unterhaltshilfe, die später als eine Form der Kriegsschadenrente fortgeführt wurde und damit den letzten Rest des Fürsorgegeruchs abstreifte, förderte nicht nur psychologisch, sondern auch praktisch die gesellschaftliche Integration: Die Empfänger lagen nicht mehr den Wohlfahrtsverbänden auf der Tasche, sie brachten Geld aus einer eigens erschlossenen Quelle in die Aufnahmegemeinden und errangen damit gerade in ländlichen Gebieten eine das soziale Klima verbessernde Wertung233 Wie Uffelmann feststellte, wirkte das Soforthilfegesetz trotz aller Kritik beruhigend auf die erregten Gemüter. Der Effekt des Soforthilfegesetzes war ein ausgleichender, indem er der befürchteten Radikalisierung der Flüchtlinge entgegenwirkte 234 Neben der Finanzierung durch eine Hypothekengewinnabgabe235 erbrachte die Soforthilfeabgabe der abgabepflichtigen Altvermögen 6 Milliarden DM bis zum August 1952. Dies war unter den Bedingungen der Zeit eine beträchtliche sozialpolitische Leistung, blieb aber weit von jenen Maßstäben sozialer Gerechtigkeit entfernt, nach denen die Lasten des Kriegs verteilt werden sollten236 Die endgültige Regelung des Lastenausgleichs erfolgte mit dem Lastenausgleichsgesetz von 1952. Vor 1959 wurden jedoch keine Hauptentschädigungen ausgezahlt. Viele Leistungen, mit denen bis 1979 rund 22 vH der anerkannten Ver-
Unterhaltszuschuß : 149.180 DM, Hausratshilfe: 1.062.798 DM, Ausbildungshilfe: 11.374 DM; vgl. Monatsberichte der Abteilung innere Verwaltung, HSTAST EA6/001-230. Zum Vergleich hierzu: Im Rechnungsjahr 1947/48 schätzte man die Fürsorgeaufwendungen im Rahmen der offenen Fürsorge in Württemberg-Baden auf 38.708.000 Reichsmark. Vgl. EDDING U a. (1949) S. 46. 2 3 1
VORSCHLÄGE ( 1 9 4 9 ) G e l e i t w o r t .
232 Ebd. 233 NAHM (1974) S. 821. In seinem Beitrag zum ersten Resümee der Flüchtlingsaufnahme, hg. von LEMBERG/EDDING (1959), stellte auch Nahm fest, daß das Soforthilfegesetz die Gemeinden entlastete. 2 3 4
NAHM ( 1 9 5 9 ) S. 150.
UFFELMANN ( 1 9 8 8 ) S. 6 1 .
235 Mit ihrer Hilfe wurden die Währungsumstellungsgewinne belastet, die durch die Abwertung der Grundschulden entstanden waren. 236 ABELSHAUSER (1987) S. 231.
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Das Ringen um die wirtschaftliche Eingliederung der Flüchtlinge
mögensverluste von Vertriebenen ausgeglichen werden konnten, gingen deshalb schon an die Erben der eigentlich Betroffenen.2*1
237
Ebd. S. 233.
8.
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
8.1.
Zwischen Assimilation und gleichberechtigter Teilnahme: amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht
Bereits im März 1946 beschäftigte sich ein ausfuhrlicher Artikel im amerikanischen Weekly Information Bulletin mit den sozialen und politischen Problemen der Flüchtlinge am Beispiel Bayerns.1 Der Autor der Reportage mit dem Titel The Refugee Speaks bemängelte das Fehlen einer öffentlichen Diskussion der Flüchtlingsprobleme außerhalb der Verwaltung und wollte sich als Sprachrohr der Flüchtlinge verstanden wissen. Aus Flüchtlingskreisen werde der Ruf nach Gründung sozialer Hilfsvereine laut. Einige politische Führer hätten bereits ihrer Furcht Ausdruck gegeben, that such a movement might very well come into existence unless these people are completely assimilated into the German population.11 Mit sparsamen Kommentaren versehen, reihte der Artikel eine Reihe von als Zitate gekennzeichneten Flüchtlingsstellungnahmen zum Thema auf. Die ausgewählten oder den Flüchtlingen in den Mund gelegten "Statements" teilten die Deutschen in Haves und Have-Nots ein und stellten etwa zeitgleich mit den gerade in der amerikanischen Zone stattfindenden Gemeinderats- und Kreistagswahlen bezüglich der politischen Ausdrucksmöglichkeiten der Flüchtlinge fest: They have no opportunity of making their opinions known. They cannot safeguard their interests through elections or through the press. There is no one to represent them with the public authorities or in legislative bodies. They are marooned in the truest sense of the word3 Die zahllosen und entwurzelten Massen bedürften einer politischen Interessenvertretung; schon jetzt zeige sich, daß die existierenden politischen Parteien dieser Aufgabe nicht Rechnung trügen. Die Reportage endete mit einer ausdrücklichen Warnung: In the interests of all that are affected, but also in the name of justice and humanity, immediate and effective action is necessary lest, sooner or later, the natural instinct of self-preservation of the millions of exiles create a new Spartacus movement.4 Der frühe amerikanische Artikel zur Frage der politischen Interessenartikulation der Flüchtlinge benannte bereits drei Monate nach Beginn der organisierten Ausweisungstransporte das Spannungsfeld, in dem sich die Haltung der Besatzungsmacht zum politischen Koalitionsrecht der Ausgewiesenen bewegte: 1. Die Neuankömmlinge waren gleichberechtigt in das politische Leben der neuentstehenden Demokratien auf Länderebene zu integrieren. Τhese persons will be absorbed integrally into the German communities, formulierten die Military
1 2 3 4
The Refugee Speaks, WIB Nr. 32 vom 9.3.1946; der Name des Autors blieb ungenannt. Ebd. Ebd. Ebd.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Government Regulations.5 Diese Richtlinie Schloß auch die Fordemng nach Aufnahme der Flüchtlinge in die zugelassenen Parteien grundsätzlich ein, auch wenn erst gegen Ende des Jahres 1946 das Flüchtlingsgesetz aus Zwangswanderern den Deutschen gleichgestellte, mit Wahlrecht versehene Neubürger machte und ein solches Konzept die prinzipielle Aufnahmebereitschaft seitens der "Altbürgerparteien" voraussetzte.6 2. Den Zuwanderern war gleichzeitig eine eigenständige politische Interessenartikulation zu verweigern, sollte dem zweiten Auftrag der Militärregierung, der Verhinderung von minority cells, Rechnung getragen werden.7 Angesichts der voraussehbaren gesellschaftlichen Deklassierung der Flüchtlinge erwarteten die amerikanischen Analysen politisch eigenständige Flüchtlingsbewegungen vor allem auf der linken Seite des politischen Spektrums. Es sprachen daher nach Meinung der Besatzer gewichtige Gründe dafür, den erwarteten Spartacus movements der Flüchtlinge erst dann eigenständigen öffentlichen Raum zu verschaffen, wenn, so der oben angeführte Artikel, these people are completely assimilated into the German population.8 3. Um den Neuankömmlingen bis zu ihrer erfolgten Assimilation dennoch eine eigenständige Interessenartikulation zu gewährleisten, befürwortete die Militärregierung die Schaffung von "unpolitischen" Flüchtlingsbeiräten auf allen Ebenen des öffentlichen Lebens, in der Gemeinde ebenso wie in allen Instanzen der Verwaltung.9 Der eingeschlagene Weg setzte stillschweigend die Bereitschaft voraus, den Flüchtlingen gewichtige Mitspracherechte einzuräumen, und zwar gleichermaßen bei den politischen Interessenvertretungen der Altbürger wie innerhalb der Verwaltungsinstanzen. Wie sich jedoch bereits 1946 abzuzeichnen begann, war auf Seiten der Altbürger wenig Bereitwilligkeit zur diesbezüglich geforderten Mitarbeit vorhanden. Auf die daher nach und nach entstehenden eigenständigen politisch motivierten Flüchtlingsvereinigungen reagierten die Besatzer eher irritiert. Im Spannungsverhältnis zwischen Assimilationsdiktat und demokratischem Aufbau des neuen Deutschland entschied sich die Militärregierung zwar nicht für ein gänzliches Verbot eigenständiger Flüchtlingsinteressenartikulation, sie suchte jedoch die Beteiligung von selbständigen Flüchtlingsgruppierungen an den politischen Wahlen so weit wie möglich zu verhindern. Erst nach Gründung der Bundesrepublik und nach dem sichtbaren Scheitern des amerikanischen Assimilationskonzepts sollte die Besatzungsmacht ihren Widerstand gegen eine eigenständige Flüchtlingspartei aufgeben. In der ersten Hälfte des Jahres 1946 jedoch war diese Entwicklung noch nicht vorhersehbar. Wenige Wochen nach Erscheinen des Artikels zur politischen Organisationsfrage der Flüchtlinge im Weekly Information Bulletin bestätigte ein Bericht der IntelliMilitary Government Regulations, Title 20, Displaced Persons Dislodged Germans and Expellees, RG 260 OMGUS CO 5/353-3/16. Vgl. Kapitel 3.2. Zur Entwicklung des Flüchtlingsgesetzes vgl. Kapitel 4.4. Military Government Regulations, Title 20, Displaced Persons Dislodged Germans and Expellees, RG 260 OMGUS CO 5/353-3/16. The Refugee Speaks, WIB Nr. 32 vom 9.3.1946. Vgl. zu den im Flüchtlingsgesetz vorgesehenen Beiräten Kapitel 4.4.
Amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht 4 0 1
gence Control Division die amerikanischen Befürchtungen.10 Die Unzufriedenheit bei den Flüchtlingen sei mittlerweile so angewachsen, daß sie begännen, eigene Flüchtlingsorganisationen politischen Charakters zu gründen. Wie der Berichterstatter am Beispiel Bayerns ausführte, seien letztlich die Altbürger dafür verantwortlich, da sie die Neuankömmlinge wenig freundlich aufnähmen. The political isolation of the evacuees and refugees in Bavaria is increased by the studied disinterest in them as shown by the CSU and the SPD.11 Die genannten Parteien hielten eine zu große Unterstützung der Flüchtlinge nicht für ratsam, da dies die einheimischen Bürger nur befremden könne. Einzig die KPD zeige größeres Interesse an den Flüchtlingen. Military Government is thus faced with the problem of deciding whether to license separate parties for expellees or whether, rather, to encourage the regular political parties to show more interest in the needs of the expellees.12 Der Bericht brachte innerhalb der Militärregierung eine erste Debatte über das Koalitionsrecht der Flüchtlinge ins Rollen. Dem Verbindungsmann zum State Department, Robert Murphy, schien die Sache so wichtig, daß er beide Artikel dem amerikanischen Außenministerium zuleitete.13 Die Frage sollte auch auf dem ersten Treffen der Arbeitsgruppe for Solution of Refugee Problems in Berlin zur Diskussion stehen.14 Wie Col. Messec, POW & DP Division ausführte, seien die Flüchtlinge grundsätzlich als Deutsche zu behandeln. However, there is the question of citizenship and voting privileges, which must be watched because in all probability they will form their own political party.15 Dem Expertenkreis schien die schnelle gesetzliche Regelung der Staatsbürgerschaft der Flüchtlinge und damit das Erlangen des Wahlrechts der sicherste Weg, eine rasche Eingliederung der Ankömmlinge zu gewährleisten. Die Bedenken des Vertreters des Regional Government Coordinating Office, Guradze, that it would be bad for people to vote in the elections before they are absorbed in the population, and that they should know the language and fulfill a reasonable residence requirement before they are made citizens, fanden vorderhand wenig Zustimmung.16 Anläßlich des Lizenzierungsantrags der Wirtschaftspartei der Flüchtlinge, Mainburg Bayern, mußte die Besatzungsmacht im Juni 1946 schließlich eine grundsätzliche Entscheidung über das Koalitionsrecht der Flüchtlinge treffen. Clay und Murphy kamen überein, die Partei vorerst nicht zu genehmigen.17 Ob die gewählte Strategie auch in Zukunft weiter verfolgt werden solle, scheint innerhalb der amerikanischen Führungsspitze dennoch umstritten gewesen zu sein, denn Clay gab die Entscheidung 10
Information Control Intelligence Summary (ICIS) Nr.39 vom 27.4.1946, RG 260 OMGUS POLAD 757-6. Ebd. 12 Ebd. 1 3 Schreiben von Murphy vom 13.5.1946, ebd. 14 Vgl. Kapitel 3.3. Minutes of Meeting of Division Heads to Organize a Working Group for Solution of Refugee Problems vom 6.5.1946, RG 260 OMGUS CAD 5/324-1/29. Minutes of Meeting of Working Group for Solution of Refugees Problems vom 24.5.1946, RG 260 OMGUS CAD 5/324-1/29. 17 Schreiben von Heath ODPA an CAD OMGUS vom 24.6.1946, RG 260 OMGUS AG 194546/1-4. 11
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
zur nachträglichen internen Diskussion und Festlegung weiterer Vorgehensweise an die Civil Administration Division (CAD) weiter. CAD befürwortete das politische Koalitionsrecht der Flüchtlinge uneingeschränkt. Wie der Direktor von CAD, Henry Parkman, ausführte, sei in dieser Frage das grundlegende Recht der Vereinigungsfreiheit betroffen; diese aber beschneide die Militärregierung lediglich im Falle undemokratischer, militaristischer, subversiver, besatzungsfeindlicher oder sicherheitsgefährdender Gruppierungen. The party does propose to care for the needs of refugees, but this is no different from a farmers' party looking after the interests of farmers or an workers' party looking after the interests of workers. There is no present provision in Military Government directives which requires disapproval of a party whose purpose is to assist a group of people very much in need of organizing to protect themselves,18 Auch die Tatsache, daß in manchen bayerischen Kreisen die Mehrheit der Bevölkerung aus Flüchtlingen bestehe und eine Majorisierung der politischen Entscheidungen durch die Ausgewiesenen zu erwarten sei, könne an deren grundlegendem Vereinigungsrecht nichts ändern. In Zukunft sollten daher politische Flüchtlingsparteien auf Kreisebene zugelassen werden, ohne daß dies eine grundsätzliche Berücksichtigung der Weimarer Erfahrungen verhindere. As a general policy, Military Government should discourage the formation of a large number of parties at Land level, since this reproduce the multiplicity of parties characteristic of the Weimarer Republik, and will hamper the effective functioning of the parliamentary form of government. This policy could be upheld while at the same time allowing complete freedom in the formation of purely local parties for local purposes.19 Clay mochte sich dieser Sichtweise nicht anschließen. In seiner Antwort an Parkmann erläuterte er sein grundsätzliches Flüchtlingsassimilationskonzept, aber auch sein Demokratieverständnis, das sich deutlich am amerikanischen Parteienbegriff orientierte und sich aus dem idealtypischen Bild der amerikanischen "meltingpot-society" speiste: The refugees must be absorbed in our zone as citizens. They shouldjoin and press politically for their needs within the established parties. Following your thought, each large group of migrants to America would have been justified in forming political parties. Nothing could have been more injurious to their cause - nor to democracy. I think we must say no - that their political recourse is through joining and presenting their views in established parties. I do not object to their formation of a non-political organization altho I am aware they are strongly Nazi.10 Clays Überlegungen sollten als Richtlinie die Haltung der Militärregierung zum politischen Koalitionsrecht der Flüchtlinge in den nächsten Jahren prägen. Unter wörtlicher Anlehnung an Clays Vorgabe erließ CAD im Juli 1946 eine prinzipielle Regelung der politischen Rechte der Flüchtlinge und leitete sie den Landesmilitärregierungen zu.21 Politische Parteien der Flüchtlinge seien generell zu verbieten. Expellees and refugees should express their political needs by joining the 18
Schreiben von Parkman, CAD, vom 25.6.1946, ebd. Ebd. Memorandum von Clay an Parkman vom 27.6.1946, RG 260 OMGUS CAD 3/175-3/15. 21 Schreiben von CAD an die Direktoren der Landesmilitärregierungen vom 5.7.1946, RG 260 OMGUS AG 1945-46/1-4. 19
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Amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht 4 0 3
established political parties and political groups rather than by seeking to create their own separate parties and groups.2'1 Dagegen seien sozial und wirtschaftlich ausgerichtete Flüchtlingsvereinigungen auf Kreisebene zu gestatten.23 Daß man sich innerhalb von CAD inzwischen über Clays Position hinaus weiterführende Gedanken gemacht hatte, wie denn die Flüchtlinge in ihren politischen Einflußmöglichkeiten zu stützen seien, wenn man im Interesse ihrer Assimilation ihr Vereinigungsrecht beschneide, belegt der letzte Absatz der Richtlinie: In order to protect expellees and refugees from discriminatory treatment by German govermental agencies, you will direct the Minister President to take measures to insure their direkt representation on committees related to refugee affairs and on administrative and advisory committees connected with housing, welfare, labor and other govermental offices which are of immediate concern to the expellees and refugees themselves.2* In der Folge benutzten die Landesmilitärregierungen die Direktive als Grundlage zum Verbot von Flüchtlingsparteien. Über ihren Wortlaut und Clays Vorgabe hinausreichend, interpretierten sie die Anweisung zudem als Richtlinie, amtliche Flüchtlingsbeiräte in jedem Falle auch sozialen und wirtschaftlichen Flüchtlingsvereinigungen vorzuziehen. In diesem Sinne beeinflußte das Regional Government Coordinating Office die Debatten des Länderrats um das Flüchtlingsgesetz und drückte die Aufnahme von Flüchtlingsbeiräten auf allen Ebenen der Verwaltung im Gesetzestext durch.25 In die gleiche Richtung zielten die Anweisungen der Landesmilitärregierung an Reinhold Maier im Gefolge der CAD-Richtlinie,26 und auch Campbell machte sich die Unterstützung der Flüchtlingsbeiräte zur Aufgabe.27 Wie sich in den nächsten Jahren jedoch herausstellen sollte, betrieben die württemberg-badische Landesregierung und die Selbstverwaltungsorgane auf Kreis- und Gemeindeebene die Einrichtung der geforderten Beiräte nur sehr zögerlich.28 Eifriger war man bemüht, das ergangene Koalitionsverbot zu befolgen. Ganz im Sinne der 22
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Ebd. Die Zulassung von nicht politischen Selbsthilfegruppen erfolgte am 2.8.1946; vgl. RG 260 OMGUS 5-324/2-49. Schreiben von CAD an die Direktoren der Landesmilitärregierungen vom 5.7.1946, RG 260 OMGUS AG 1945-46/1-4. Vgl. Kapitel 4.4. Ein im Wortlaut nahezu der Richtlinie folgendes Schreiben bezüglich des Flüchtlingsparteienverbots und der geforderten Einrichtung von Flüchtlingsbeiräten erging durch den Direktor der Landesmilitärregierung, Dawson, an Reinhold Maier am 23.7.1946, RG 260 OMGWB 12/76-2/4; vgl. Vorlage hierzu vom 15.7.1946, RG 260 OMGWB 12/63-1/7. Vgl. Kapitel 5.1. So war pikanterweise der württemberg-badische Innenminister Ulrich mit Hinweis auf das Koalitionsverbot darum bemüht, auch die Beiräte klein zu halten: Sonderorganisationen und Vertretungen der Flüchtlinge widersprechen auch den Anordnungen der Militärregierung. Deren Pläne haben eine rasche Verschmelzung der Flüchtlinge mit der eingesessenen Bevölkerung zum Ziel. Sie wirken besonders aufdringlich und störend, wenn sie sich, um demokratisch zu erscheinen, durch ein willkürliches ungeregeltes Wahlverfahren berufen lassen. Es muß genügen, wenn die Landräte bzw. die Bürgermeister aus dem Kreis der Flüchtlinge vertrauenswürdige Männer und Frauen bestimmen, die ihnen die Wünsche der Flüchtlinge übermitteln. Schreiben Ulrichs an das Staatsministerium vom3.9.1946, HSTASTEA2/801-113.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
amerikanischen Direktive verweigerte das württembergische Staatskommissariat im September die Genehmigung eines Flüchtlingsbundes, der im Kreis Böblingen beantragt worden war. Wie Ascher, der stellvertretende Staatskommissar, den Antragsteller Fritz Rudray in Tailfingen eilfertig wissen ließ und in Übersetzung der Militärregierung mitteilte, the expellee shall thorougly be assimilated with the other citizens and -will participate on their social life but shall not set up own organizations of whatever kind. [...] A particular Bund For Expellees is therefore neither desired nor within the limited possibilities.19 Auch dem Antrag eines Kreises von 14 nicht näher bezeichneten Flüchtlingen, ähnlich wie in Bayern einen Hauptausschuß für Flüchtlingsfragen bilden zu dürfen, wurde unter Hinweis auf die einzurichtenden Flüchtlingsbeiräte nicht stattgegeben.30 Ausdrücklich bestätigte Campbell noch einmal am 9.12.1946 dem württemberg-badischen Innenministerium: Keine solche (Flüchtlings) Organisation wird von diesem Hauptquartier in Württemberg-Baden für die nächste Zukunft vorgesehen. Jeder Kreis hat ein Komitee, das die Interessen der Neubürger vertritt, oder aber [es] sind Flüchtlinge in den örtlichen Komitees. Es scheint doch, daß eine genügende Anzahl politischer Parteien die verschiedenen Interessen vertritt, und die Flüchtlinge werden aufgefordert, der Partei ihrer Wahl beizutreten.31 Doch mit dem Inkrafttreten der neuen Landesverfassungen Ende 1946, die explizit auch die Vereinigungsfreiheit aller Bürger garantierten, begann sich vermehrt Widerstand gegen das Flüchtlingskoalitionsverbot auch auf Seite der Altbürger zu regen. In seiner Sitzung im Januar 1947 beschäftigte sich der Flüchtlingsausschuß des Länderrats erst einmal mit der Frage, ob sich die einzelnen Landesregierungen mit dem politischen Koalitionsrecht der Flüchtlinge auseinandersetzen sollten. Es lag ein Antrag vor, das Direktorium des Länderrats förmlich zu beauftragen, bei den Kabinetten zu klären, ob auf Grund der Verfassungen der Länder an die Militärregierung ein Antrag zu stellen ist, nunmehr Organisationen von Flüchtlingen zuzulassen. [...] Es erscheint dabei zweckmäßig, den Flüchtlingen ein Sprachrohr ihrer Wünsche und Begehren zu geben, da die im Flüchtlingsgesetz vorgesehene Regelung von Beiräten diesem Bedürfnis offensichtlich nicht vollkommen Rechnung trägt; sind diese Beiräte , die einen anderen Zweck haben, doch aus gutem Grunde nicht allein aus den Flüchtlingen zusammengesetzt. Es werden von den Flüchtlingen immer wieder Anträge an die Länderregierungen und den Länderrat gestellt, solche Flüchtlingsvereinigungen zuzulassen. Auf Grund der Verfassungen kann diesem Begehren grundsätzlich kaum widersprochen werden,32 Wie umstritten das Koalitionsrecht aber auch in den Reihen der flüchtlingsfreundlichen Sonderverwaltung war, belegt die erneute Diskussion im Flüchtlingsausschuß eine Woche später. Für die Zulassung politischer Flüchtlingsparteien sprach nach Meinung des Ausschusses neben dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit vor allem die besondere Interessenlage der Flüchtlinge. Es handele sich um [...] Sonder-Gruppeninteressen, die von 29 30 31 32
Ascher an Campbell am 17.9.1946, RG 260 OMGWB 12/63-1/7. Vgl. Diaiy der Refugee Section vom 3.12.1946, RG 260 OMGWB 12/76-1/18. Schreiben Campbeils vom 9.12.1946, HSTAST EA2/801-U3. Protokoll vom 24.1.1947, BA Zl/957.
Amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht 405
niemand sonst so gut als von reinen Flüchtlingsorganisationen selbst M / a h r g e n o m men werden können. Die erfolgreiche Wahrnehmung dieser Interessen würde zur Beschleunigung der materiellen Eingliederung der Flüchtlinge in die eingesessene Bevölkerung dienen und somit nach und nach den wesentlichen Zweck solcher Organisationen erßllen und sie selbst überflüssig machen.33 In der Verwaltung tauche immer wieder das Bedürfnis auf, von Flüchtlingen selbst gewählte Vertreter als Ansprechpartner zu haben. Und schließlich: Auf Dauer würde das Verbot der Flüchtlingsorganisationen angesichts der Demokratisierung Deutschlands unhaltbar sein und seine Aufhebung von den Flüchtlingen erzwungen werden. Es wäre daher ratsamer, es erst nicht so weit kommen zu lassen, sondern ohne Druck die Organisationen zu genehmigen, womit die Möglichkeiten gegeben wären, darauf hinzuwirken, daß ihre Führung in gute Hände gerät.34 Gegen die Freigabe von Flüchtlingsparteien spreche allerdings der zu erwartende außenpolitische Druck und eine mögliche Verschärfung des Gegensatzes zwischen Alt- und Neubürgern. Nach einer langen Debatte entschied sich der Ausschuß, die Zulassung von Flüchtlingsvereinigungen zu befürworten. Doch zu einer entsprechenden Intervention bei der Militärregierung sollte die Diskussion des weitblickenden Expertenkreises nicht fuhren. Das Direktorium des Länderrats folgte der Argumentation des Flüchtlingsausschusses nicht und lehnte den Antrag ab, sich in diesem Sinne bei den Amerikanern zu verwenden.35 Obwohl die deutschen Regierungen der amerikanischen Zone darauf verzichteten, solchermaßen für die politischen Rechte der Flüchtlinge einzutreten, entbrannte die Diskussion um das Koalitionsrecht der Neubürger auch innerhalb der amerikanischen Militärregierungsinstanzen etwa zeitgleich erneut. In Berlin trafen sich im Februar 1947 unter dem Vorsitz von Weisz (POW & DP Division), Vertreter der interessierten Abteilungen der Militärregierung, um zwei Fragen zu besprechen: Zum ersten, so Weisz, müsse man sich mit der herrschenden "Gerüchteküche" beschäftigen.36 In Flüchtlingskreisen gehe die Mär um, daß man durch entsprechende Eingaben den Kontrollrat und die amerikanische Militärregierung dazu bewegen könne, die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren zu lassen. These people write petitions flooding refugee offices and Laenderrat offices.37 33 34 35
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Protokoll der Sitzung des Flüchtlingsausschusses zum Thema Vereinsrecht der Flüchtlinge vom 30.1.1947, HSTASTEA1/014-557. Ebd. Vgl. Protokoll der Direktoriumssitzung vom 20.2.1947, HSTAST EA1/014-557. Aufkommende Rückkehrpropaganda verfolgte die Militärregierung stets äußerst wachsam. Vor dem Einsetzen des Kalten Krieges befürchtete man vor allem, daß die Rückkehrforderungen verbunden mit dem Anspruch, die vorgenommene Grenzziehung zu revidieren, das Verhältnis zur UdSSR verschlechtem könnten. Vgl. Report on Propaganda Leaflets found in Occupied Germany vom 16.7.1946, RG 260 OMGUS CAD 3/175-1/11, oder die interne Auseinandersetzung mit schlesischer Progaganda vom 8.1.1947, ebd. Protokoll der Konferenz vom 12.2.1947, RG 260 OMGUS 3/168-3/5. Als Beispiel für die einschlägigen Petitionen sei eine sudetendeutsche Petition des Komitees zur Erhaltung des Sudetenlandes (Deutschböhmen) für Deutschland vom 14.1.1947 genannt, in der die Sudetendeutschen die amerikanische Besatzungsmacht darum bitten, sich für ihre Rückkehrmöglichkeiten einzusetzen. Das Komitee hatte in Flüchtlingskreisen die Petition mit einem Begleitschreiben
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Zum anderen stehe das Recht der Flüchtlinge zur Debatte, politische Parteien zu gründen. Ever since expellees have been coming in organized movements, they have been clamoring to form organizations, expellee organizations, so that they can bring their grievances to the authorities,38 Man habe bisher die Politik verfolgt, jegliche Flüchtlingsvereinigung zu verbieten. Andererseits gelte das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit. We are confronted with the desire of organizations. At the same time it would defeat our policies if we allowed these people to form organizations.39 Die folgende ausführliche Debatte erbrachte keine Lösungen für die aufgeworfenen Probleme. Sie veranschaulichte indes die Hilflosigkeit der Führungselite der Militärregierung im Umgang mit den Widersprüchen der eigenen Zielvorstellungen. Die unhaltbaren und außenpolitisch höchst unwillkommenen Gerüchte entstünden, darin war man sich einig, aus den Schwierigkeiten der Flüchtlinge, in der Aufnahmegesellschaft Fuß zu fassen. Der beste Weg, den Neubürgern die benötigten größeren politischen Einflußmöglichkeiten zu verschaffen, sei die Zulassung von Flüchtlingsorganisationen. Von diesen könne man andererseits nur erwarten, daß sie sich letztlich im Sinne der Rückkehr in die alte Heimat betätigten. The long-range purpose of these organizations is to get Silesia etc., erläuterte Weisz, and the immediate objective is to express themselves in a group for more housing, land, for Silesian teachers to be allowed to teach on the same basis as a native teacher, etc. Those are short-range objectives. They are not illegal,40 Der Kreis gab die Frage, ob nunmehr politische oder Flüchtlingsorganisationen mit wirtschaftlichen und sozialen Zielen zugelassen werden sollten an alle interessierten Branches zur Diskussion weiter.41 Mit dem Weg, den OMGUS schließlich beschritt, versuchte man zwei Absichten zu vereinbaren: die Kanalisierung, gleichzeitig aber auch die Beschränkung der politischen Artikulationsmöglichkeiten separater Flüchtlingsgruppierungen. Generell behielt OMGUS das Flüchtlingskoalitionsverbot bei, ließ jedoch ab März 1947 wirtschaftlich und sozial motivierte Gruppierungen zu. Wohl wissend, daß der Übergang zwischen wirtschaftlichen und sozialen Interessen auf der einen Seite und politischen Interessen auf der anderen Seite fließend war, beschloß man, etwaige Flüchtlingsorganisationen genauestens zu überwachen und gleichzeitig den Rückkehrgerüchten energisch entgegenzutreten.42 Höchst offiziell teilte Guradze dem Flüchtlingsaus-
verteilt, in dem es hieß:/...] Es ist vom Alliierten Kontrollrat in Berlin hingewiesen worden, wenn alle Sudetendeutschen den Wunsch äußern, in ihre Heimat zurückzukehren, bei der bevorstehenden Friedenskonferenz den Zustand Deutschland-Tschechoslowakei wie ¡937 zu belassen. RG 260 OMGWB 12/63-1/13. 38 Ebd. 39 Ebd. 40 Ebd. 41 Insbesondere CAD hielt nach wie vor daran fest, daß den Flüchtlingen aus demokratischen Überlegungen heraus das Koalitionsrecht nicht verweigert werden dürfe. Vgl. Memorandum vom 20.3.1947, RG 260 OMGUS POLAD 782/41. Den nunmehr erreichten Stand in der inneramerikanischen Diskussion um das Vereinigungsrecht der Flüchtlinge faßte Campbell in seinen Auswirkungen auf der Länderebene im Sommer 1947 zusammen: The problem of expellee organizations had been presentated from numerous part of the land. After the new constitution went into effect, greater freedom was approved. An interpretation from OMGUS finally ruled that expellee organizations are being
Amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht 407
schuß des Länderrats im März 1947 mit, daß die Militärregierung keine Verhandlungen führe, auf Grund derer die Ausgewiesenen aus der CSR und den Balkanländem Aussichten hätten, in ihre Heimat zurückzukehren,43 Er "bat" den Flüchtlingsausschuß, allen derartigen Gerüchten scharf entgegenzutreten,44 Ähnlich offiziell informierte Guradze den Sekretär des Länderrats, Rossmann, daß sich OMGUS nunmehr entschlossen habe, Flüchtlingsvereinigungen mit sozialen oder wirtschaftlichen Zielen auf Kreisebene zuzulassen.45 Doch innerhalb der Landesverwaltung war man keineswegs sehr eifrig darum bemüht, diese generelle Entscheidung zu verbreiten.46 Noch im Sommer 1947, als die nordbadische Interessengemeinschaft der ausgewiesenen Deutschen (IDAD) ihre Lizenzierung auf Kreisebene beantragte, suchte die Sonderverwaltung deren Genehmigung zu verzögern, wenn nicht sogar zu verhindern.47 Man wundere sich darüber, erklärte Lindner für die antragstellende IDAD, daß in der US-Zone anscheinend nicht nach gleichen Richtlinien verfahren werde.48 In Hessen habe sich am 14.7. die erste Neubürgervereinigung der U.S. Zone, die Betreuungs- und Wirtschaftsgemeinschaft e.V., mit Genehmigung der Militärregierung gegründet, in Bayern habe am 10.7. die konstituierende Hauptversammlung der Landsmannschaftlichen Vereinigung der Ostsudetendeutschen stattgefunden. Jetzt müsse gleiches Recht auch für die IDAD gelten. Doch nicht nur die württemberg-badische Sonderverwaltung beobachtete die sich formierenden Flüchtlingsverbände mit Mißtrauen, auch der Refugee Officer der Landesmilitärregierung, Campbell, war ihnen nicht sonderlich wohlgesinnt. Die IDAD sollte zwar unter den wachsamen Augen Campbells zugelassen werden; die weitere Entwicklung der Vereinigung und aller noch entstehenden Flüchtlingsverbände jedoch beschloß der für Flüchtlingsfragen zuständige Vertreter der Landesmilitärregierung genauestens zu überwachen. It is the opinion of this branch that all expellee organizations should be considered unter Title 3/500 MGR as such be treated as political groups which if organised on another than Kreis basis require the approval of OMGUS.49 Für die Überwachung auf Kreisebene solle die Landesmilitärregierung selbst sorgen. It is further our opinion that the economic, political and
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reported. Some of these require investigation. Civil Administration Branch is interested in these. Halbjahresbericht PW & DP 1.1.-30.6.1947, RG 260 OMGWB 12/27-1/15. Protokoll des Flüchtlingsausschusses beim Länderrat vom 5.3.1947, HSTAST EA1/014-557. Ebd. Schreiben Guradzes an Rossmann vom 10.3.1947, RG 260 OMGUS 11-38/3-8. Mit Erlaß Nr. 228 vom 22.3.1947 gab die Landesflüchtlingsverwaltung Nordbaden die Information an die Kreisverwaltungen weiter. GLAK 466 Zug.1981/47-1994. Vgl. Schreiben des Flüchtlingsreferenten von Sinsheim, Nething, an Geppert vom 27.5.1947 und Gepperts Schreiben an den Präsidenten des Landesbezirks Baden, Abt. Innere Verwaltung, vom 7.6.1947, GLAK 466 Zug.1981/47-1664. Dort hieß es: Es ist aber auch die Frage aufzuwerfen, ob diese Gründung neben dem inzwischen erlassenen Gesetz Nr. 303 (Flüchtlingsgesetz vom 14.2.1947) und der bereits im Länderratsausschuß im Entwurf angenommenen Durchführungsverordnung zum Flüchtlingsgesetz noch zweckmäßig oder gar notwendig erscheint. Die Interessen der Ausgewiesenen sind durch die Bestimmungen des Flüchtlingsgesetzes - weitgehendst gewahrt. Ebd. Schreiben Lindners an Geppert vom 20.7.1947, Ebd. Schreiben Campbells am 13.6.1947 an die Interior Division der Landesmilitärregierung, RG 260 OMGWB 12/77-3/7. MGR = Military Government Regulations.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
social situation in Germany at the present time is "ripe" for the development of many radical organizations and ideas which iffostered and not carefully observed, defined and directed may led to serious unrest and disorder.50 Vereinigungen über die Kreisebene hinaus seien auf jeden Fall zu vermeiden. In addition a close working relationship must be developed between the LSOs and the leaders of these expellee groups in order that their "political dynamites" will not explode in such a manner as to undermine the constituted German authorities as established by the government.51 Im übrigen solle man seine Mahnungen nicht als Versuch verstehen, die bürgerlichen Freiheiten zu beschränken, vielmehr als Ausdruck der Sorge über ein äußerst schwieriges und gewichtiges Problem. Die Diskussion um die Stellung der sich gründenden, per Definition sozialen und kulturellen Flüchtlingsvereinigungen entzündete sich erneut am ersten württembergischen Lizenzierungsgesuch, der Eingabe des Hilfsvereins in Stuttgart.52 Dem Antrag hatte wohl Ende September 1947 LSO Stuttgart ohne Rückfrage bei der Landeszentrale stattgegeben.53 Diese Entscheidung stieß im nachhinein auf den Widerstand Campbeils. Er traf sich mit den Gründungsmitgliedern des Hilfsverbands in Stuttgart und unterzog ihre Vorstellungen einer eingehenden Prüfung. Ausdrücklich wies er sie darauf hin, daß er die Vereinigung nur dulden werde, wenn sie sich in ihrem Aktionsradius auf Stuttgart beschränke, und vom Wohlverhalten des Verbandes machte er es abhängig, ob in Zukunft auch andere Kreisverbände eine Lizenz erhielten.54 Intern führte die bereits erfolgte Lizenzierung des Stuttgarter Hilfsverbands zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Campbell und dem zuständigen Stuttgarter Vertreter der Militärregierung, Col. Harlow. Politisch dem Konzept der Grass Roots democracy verhaftet, beanspruchte Harlow für sich größere Nähe zu den aktuellen Problemen der Flüchtlinge als sie in seinen Augen die Stabsoffiziere, so auch Campbell, besaßen. Nach seiner Meinung lebten die Stabsoffiziere allesamt in a rose colored fish-bowl,55 Wenn der Refugee Officer davon ausgehe, daß die Flüchtlinge mittlerweile mit den Altbürgern gleichberechtigt seien und sie keiner speziellen Pressure-groups bedürften, dann irre er sich. Nach seiner eigenen unmittelbaren Erfahrung im Kreis Stuttgart seien die Neubürger nach wie vor in allen Lebensbereichen benachteiligt, und es sei eine eigenständige Flüchtlingsinteressenartikulation
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Ebd. Ebd. Campbell schaltete die deutschen Instanzen aus dem Zulassungsverfahren ausdrücklich aus. Nach der Entscheidung der POW & DP Branch der Landesmilitärregierung vom 19.8.1947 waren alle Anträge auf Neuzulassung von Flüchtlingsvereinigungen allein der örtlich zuständigen Militärregierung einzureichen, welche sie nach Überprüfung der Civil Administration Division der Landesmilitärregierung weiterleitete. RG 260 OMGWB 12/219-1/1-4. Vgl. Kapitel 8.3.2. Der Gründung der IDAD machte OMGWB keine entsprechenden Schwierigkeiten. In der Person des regional zuständigen Col. Harlow hatte der Hilfsverband einen sich intensiv für die Sache einsetzenden Förderer gefunden; vgl. Protokoll des Treffens vom 2.10.1947, RG 260 OMGWB 12/77-3/8. Ebd. Schreiben Harlows an die Landesmilitärregierung vom 21.10.1947, RG 260 OMGWB 12/773/8.
Amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht 4 0 9
dringend nötig.56 Campbell mochte sich dieser Sichtweise nicht anschließen. In seiner abschließenden Bewertung des Treffens mit dem Hilfsverband kam er zum Ergebnis, daß die Genehmigung durch LSO Stadtkreis Stuttgart voreilig gewesen sei. After reading the statutes and spending two hours discussing them with the temporary board, this Branch is of the opinion that this organisation definitely falls under the classification of an expellee and refugee political group and as such has been licensed to operate contrary to the provisions of MGR 3-210 and 3-50057 in that they are attempting to accure aid and assistance to members of their association by bringing pressure upon responsible government officials,58 Es zeichne sich darüber hinaus jetzt bereits ab, daß mit gleichlautenden Anträgen aus anderen Kreisen zu rechnen sei. Er stimme zwar der Ansicht zu, daß Flüchtlinge und Ausgewiesene stärkere Mitspracherechte in der Politik bräuchten, aber das Flüchtlingsgesetz biete mit den dort eingerichteten Beiräten genügend Möglichkeit dazu.59 Ganz sicher scheint sich jedoch Campbell nicht gewesen zu sein, ob die OMGUSLinie bezüglich politischer Flüchtlingsparteien tatsächlich der aktuellen Lebenssituation der Neubürger angemessen war. Er nutzte daher den Anlaß, um in den eigenen Reihen eine erneute Diskussion über das politische Koalitionsrecht der Flüchtlinge anzuregen. Zu klären sei nun: a) What criterion should be applied to differentiate a cultural, economic and social group who are authorized under MGR 8-710.3 from a political group which are governed by MGR 3-500 and an expellee political party governed by MGR 3-210. b) Recognizing the failure of German officials to give the expellee adequate representation in local government is this the time to authorize the formation of a new expellee political party? If so, under what conditions?60 Eine entsprechende Anfrage leitete das RGCO wenige Wochen später nach Berlin weiter.61 Doch dort herrschte noch immer die altbekannte Unsicherheit darüber, ob eine eigenständige politische Flüchtlingsgruppierung die Assimilation der Neubürger eher fördere oder verhindere, ganz zu schweigen von den außenpolitischen Problemen, die mit der Zulassung von Flüchtlingsparteien verbunden waren. However such a party might well become the focal point for irridendist movements which would again menace the peace of Central Europe.61 OMGUS hielt daher an der bisherigen Linie fest, und auch die sich mehrenden Berichte, daß das bisher verfolgte Assimilationskonzept nicht die gewünschten Erfolge zeige, führten nicht zu einer Korrektur der eingeschlagenen Linie. 56 57
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Vgl. Schreiben Harlows vom 6.10.1947, ebd. Military Government Regulations zur Gründung politischer Parteien und zum Koalitionsverbot der Flüchtlinge. Campbell am 17.10.1947 an Legal Division und Civil Administration, RG 260 OMGWB 12/77-3/8. Im Laufe des Herbstes gab OMGWB die Lizenzierung von sozialen und wirtschaftlichen Gruppierungen an die deutschen Behörden ab; vgl. die diesbezügliche Anfrage vom 22.9.1948, RG 260 OMGWB 12/77-3/9. Ebd. Vgl. Schreiben der PW Branch OMGUS vom 5.12.1947, RG 260 OMGUS 17/55-2/9. Ebd.
410
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Wenige Wochen nach der Währungsreform schlug Campbell erneut Alarm.63 Aus allen Kreisen Württemberg-Badens seien Massendemonstrationen von Flüchtlingen und die Verabschiedung scharfer Resolutionen zu vermelden. Expellees in all Kreise are currently aggressively organizing 'sozial fraternal, and cultural groups'.6* We have here, so Campbell, the nucleus of a potentially strong, well organized political group who have been galvanized into action by the currency reform, but whose plight has been well documented for many months. In addition the expellees are now forming a 'temporary' association with the Bombed-Out persons, the Physically Handicapped and the Persecutees to demand a voice in the drafting of the equalization statutes under the currency reform law.6S Die Initiative hierzu sei von den Kommunisten innerhalb der Organisation der Verfolgten des Naziregimes ( W N ) ergriffen worden. This communist infiltration may constitute a real threat to our democratic German government if the events in the next six months should tum against the interests and needs of the expellees,66 Zwar sollte sich in den nächsten Wochen die befürchtete kommunistische Infiltration der Flüchtlingsverbände nicht bestätigen, doch die württemberg-badischen Landesmilitärregierung bewertete auch ohne diese zusätzliche "Gefahr" die Lage als äußerst gefährlich.67 Expellees groups, berichtete Chester Β. Lewis, Chief Governmental Affairs Division, nach Berlin, after two years of failure as regards assimilation in community life and equal treatment in governmental and economic life, are dissatisfied with the recognized political parties as agencies to represent and protect their interests,68 Die Flüchtlingsorganisationen seien auf Landesebene dabei, ihre Organistionsstrukturen zu vervollkommnen, Landesverbände zu bilden und Verbündete zu suchen. Erschwerend komme hinzu, daß sich die Führer der Ausgewiesenenverbände zunehmend einer Propaganda bedienten, which are giving encouragement and hope to the idea of returning home.69 Solche Propaganda sei bei den Flüchtlingen äußerst populär, finde die Unterstützung der Altbürger, verhindere die Assimilation der Neubürger und führe zu Konflikten mit der UdSSR. Die Landesmilitärregierung beobachte diese Entwicklung mit großer Besorgnis und gehe von einer Gefährdung der politischen Strukturen der gesamten Bizone aus. OMGUS solle nunmehr abklären, inwieweit sich die Landesmilitärregierung mit der Politisierung der Flüchtlinge zu beschäftigen habe und im übrigen erläutern, what positive action is suggested by OMGUS relative to negating the development of subversive political propaganda among expellees, the
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Er regte eine Konferenz aller interessierten Abteilungen auf Landesebene an, that a long term policy be established which wilt be consistent with our objectives and operating policies relative to these matters. RG 260 OMGWB 12/77-3/9. Monatsbericht Campbells fur den Zeitraum vom 25.7. bis zum 26.8.1948, RG 260 OMGWB 12/76-1/18. Ebd. Ebd.
Daß die Flüchtlinge angesichts ihrer "Vermassung" zur KPD tendieren würden, vermutete man auch in Bayern; vgl. CONNOR ( 1 9 8 6 ) . Unter Mitarbeit von Campbell entstandenes Schreiben an CAD vom 21.9.1948, RG 260 OMGWB 12/77-3/7. Ebd.
Amerikanische Konzepte zur Beteiligung der Flüchtlinge an der politischen Macht 411
continuation of which is considered detrimental to the best interest of Military Government,70 Die Berliner Zentrale wiegelte jedoch ab. Your study [...] is welcomed, ließ Litchfield, der Direktor der zuständigen Abteilung die württemberg-badische Landesmilitärregierung wissen, as it provides a carefully documented report on a problem that is too often overlooked or misunderstood71 Aber es gebe keinen Wechsel in der amerikanischen Politik hinsichtlich der Lizenzierung politischer Flüchtlingsparteien zu vermelden. Im übrigen sei es auch nicht leicht, Vorschläge zur Verhinderung subversiver Propaganda zu unterbreiten. Eigentlich sei es ja auch die Aufgabe der deutschen Parteien, sich um die Flüchtlingsfrage zu kümmern. Denn daß diese einen solch großen Bevölkerungsteil schlechtweg ignorierten, könne man sich gar nicht vorstellen. Campbell unternahm keine weiteren Schritte, Berlin für die Koalitionsfrage der Flüchtlinge zu interessieren. Auf Landesebene wurden gegen Ende 1948 landesweite Zusammenschlüsse der Flüchtlingsorganisationen genehmigt; ihre Aktionen überwachte man ansonsten genauestens.72 Die Berliner Zentrale der Militärregierung sollte bis zur ersten Bundestagswahl am Flüchtlingskoalitionsverbot festhalten.73 Erst die große Zahl der Stimmen, welche die nicht lizenzierte Flüchtlingspartei, die Notgemeinschaft, in Württemberg-Baden auf sich vereinigte, scheint die Einstellung von OMGUS gegenüber eigenständigen Flüchtlingsorganisationen verändert zu haben.74 Die heikle Frage, ob denn nun in Zukunft Flüchtlingsparteien zu lizenzieren seien, beschloß man, in Zukunft den Deutschen zu überlassen. Den generellen Kurswechsel erläuterte Campbell den Vertretern des württemberg-badischen Innenministeriums im November 1949. Wie er seinen Gesprächspartnern mitteilte, beschäftigte er sich in letzter Zeit stärker mit den bestehenden Flüchtlingsorganisationen und versucht einen engeren Kontakt mit allen Gruppen zu gewinnen, was seither versäumt worden sei. Er habe festgestellt, daß die Zusammenarbeit auf der Kreisbasis recht gut sei, während sie auf der Landesbasis noch viel zu wünschen übrig lasse. Wenn auch unter den Gruppen politisch ehrgeizige, neofaschistische, nazistische und nationalistische Elemente zu finden wären, so sei doch eine Zusammenarbeit mit den guten Kräften sehr erwünscht undförderungsbedürftig.''5
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73 74 75
Ebd. Schreiben Litchfields (CAD) vom 1.10.1948 an OMGWB, RG 260 OMGUS AG 1948/145-5. Gesprächsnotiz Militärregierung/Staatskommissariat für das Flüchtlingswesen vom 9.11.1948: Oberst C. eröffnet, daß die Arbeitsgemeinschaft der Hilfsverbände einen Antrag auf "gesellschaftliche und kameradschaftliche Vereinigung" gestellt habe, die wahrscheinlich Genehmigung erhalten werde. Sollte sich diese Vereinigung aber politisch betätigen, erfolgt nach einmaliger Warnung ihre Auflösung. Ein Verbot der Arbeitsgemeinschaft wird nicht als förderlich erachtet. HSTAST EA2/801-2. Vgl. Kapitel 3.2. Zur Notgemeinschaft vgl. Kapitel 8.5. Auszug aus der Aktenniederschrift über die Besprechung bei der US-Landeskommission am 10.11.1949 zwischen Campbell und Min. Direktor Kiefer, HSTAST EA2/801-400.
412
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
8.2.
Flüchtlingsbeiräte ohne Kompetenzen: deutsche Konzepte zur Teilhabe der Flüchtlinge an der politischen Macht
Wenn auch die Besatzungsmacht im Frühsommer 1946 entschieden hatte, daß die separate politische Interessenartikulation der Flüchtlinge weitestgehend zu unterdrücken sei, so beabsichtigte sie deshalb nicht, die neue deutsche minority ohne politische Einflußmöglichkeiten zu belassen. Die grundlegende Direktive zum politischen Koalitionsrecht der Flüchtlinge vom Juli 1946 hatte daher ausdrücklich bestimmt, daß zum Schutz der Neubürger vor Diskriminierungen their direct representation on committees related to refugee affairs and on administrative and advisory committees connected with housing, welfare, labor and other governmental offices abgesichert werden müsse.76 Entsprechende Weisungen und "Ermahnungen" ergingen kontinuierlich an die deutschen Instanzen, die sich jedoch die amerikanische Vorstellung der Flüchtlingsbeteiligung am politischen und Verwaltungsgeschehen nur begrenzt zu eigen machten. Mit kräftiger "Unterstützung" der Besatzer sollte es dennoch u. a. zur Einrichtung von Flüchtlingsvertrauensleuten in Nordbaden bzw. von Flüchtlingsobmännern in Nordwürttemberg auf Gemeindeebene, von Ausschüssen zur Flüchtlingsfrage auf Kreisebene und zur Etablierung eines Landesflüchtlingsausschusses kommen.77 Wie noch zu zeigen sein wird, blieben die aufgezwungenen Beiräte auf Landesebene faktisch wirkungslos. Dies läßt sich am Beispiel des sog. Landesausschusses für Flüchtlinge und Vertriebene, des Beirats des Staatskommissariats, auf Landesebene veranschaulichen und gilt für die Kreisflüchtlingsausschüsse in Württemberg und Baden gleichermaßen.78 Auch den württembergischen Flüchtlingsobmännern räumten die württembergischen Gemeinden offenbar nur wenig Einflußmöglichkeiten ein. Einzig die nordbadischen Flüchtlingsvertrauensleute scheinen einige Jahre die Rolle gespielt zu haben, die OMGUS den Beiräten zuschrieb.
8.2.1.
Der Landesausschuß für Flüchtlinge
Ein erster Landesausschuß für Flüchtlinge entstand in Württemberg Ende 1946 infolge der im September 1946 erlassenen vorläufigen Richtlinien für die Betreuung
76 77
Schieiben von CAD an die Direktoren der Landesmilitärregiemngen vom 5.7.1946, RG 260 OMGUS AG 1945-46/1-4. Vgl. auch MÜLLER, Roland (1993). Beiräte zur Flüchtlingsfrage wurden auch in anderen Ministerien gebildet. Hier jedoch werden nur die Ausschüsse behandelt, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Flüchtlingssonderverwaltung unter der Obhut des Innenministeriums entstanden. Die Kreisflüchtlingsausschüsse setzten sich aus den an der Flüchtlingsfrage interessierten Verwaltungsinstanzen und aus den freien Wohlfahrtsveibänden sowie aus hinzugezogenen Flüchtlingsvertretern zusammen; sie trafen sich in den meisten Kreisen bestenfalls zweimal im Jahr. Selbst diese Treffen kamen nur auf Drängen der Besatzungsmacht zustande. Den Flüchtlingen boten sie so gut wie keine Möglichkeit, Einfluß auf die Flüchtlingspolitik der Kreise zu nehmen.
Der Landesausschuß für Flüchtlinge
413
der Flüchtlinge und Vertriebenen. 79 Die Richtlinien sahen wie die zeitgleich beim Länderrat diskutierten Entwürfe des Flüchtlingsgesetzes einen Flüchtlingsbeirat vor 80 , dem die Beratung
und Unterstützung
des Staatskommissars
als Aufgabe
zugewiesen wurde. Satzungsgemäß gehörten dem Gremium die durch den Innenminister berufenen Vertreter der Ministerien und Behörden, der anerkannten freiwilligen Wohlfahrtsorganisationen, der Gewerkschaften, der Industrie- und Handelskammern, der Handwerkskammern und acht vom Innenminister berufenen Vertreter der Flüchtlinge an.81 Man sei sich wohl darin einig, erklärte der CDU-Landtagsabgeordnete Theiß, der Abgesandte der Caritas, beim ersten Treffen des Ausschusses 1947, daß das Flüchtlingsproblem mit Ausschüssen nicht gelöst werden könne. Der Sinn unseres Zusammenseins sprechungen Hauptausschuß
gisch-badische
Fühlung zu nehmen. Bei den was vorteilhafter
wie etwa in Bayern, in dem nur die Ausgewiesenen
oder ein Gremium, werkschaften,
ist, miteinander
ist immer wieder die Frage aufgetaucht, zusammengesetzt
aus den Ministerien,
den Wohlfahrtsverbänden Lösung
ist die günstigere,82
bestimmte, erstreckten sich die Aufgaben
einen
vertreten
sind,
der Industrie,
und den Flüchtlingen.
Vorbe-
wäre,
Die
den
Ge-
württember-
Wie die Satzung des Ausschusses
des Landesausschusses
[...] auf alle Fragen, die das Neubürgerproblem
betreffen,83
für
Flüchtlinge
ohne daß im einzelnen
geregelt wurde, wie sich die geforderte Beratungs- und Unterstützungsleistung auf die Arbeit des Staatskommissars auswirken sollte. Ausdrücklich jedoch erläuterte man die Haltung, die von den Mitgliedern erwartet wurde: Die sind gehalten,
sachlich, überparteilich
beraten. Insbesondere unparteiisch
an
den
sind die Vertreter der Flüchtlinge Beratungen
Ausschußmitglieder
und tolerant die Probleme und
der Neubürger
dazu berufen, objektiv
Entschließungen
teilzunehmen,84
zu und Als
"tolerante", "objektive" und "unparteiische" Flüchtlingsvertreter erwählte sich das Innenministerium vorerst drei, das SPD-Mitglied Alfred Herbig aus Esslingen, Dr. Ludwig Leber (CDU) aus Fellbach und den Angestellten des Evangelischen Hilfs-
Vorläufige württemberg-badische Richtlinien fiir die Betreuung der Flüchtlinge und Vertriebenen vom 26.9.1946, GLAK 466 Zug.1981/47-1. Vgl. Erlaß zur Einrichtung des Beirats vom 10.12.1946, HSTAST EA2/801-425. Eine entsprechende vorläufige Gründung scheint man in Nordbaden auch vorgenommen zu haben. Nach dem Erlaß des Flüchtlingsgesetzes ging die badische Landesverwaltung jedoch davon aus, daß die Bildung des Beirates alleinige Sache des Innenministeriums sei, und hielt sich im Betreiben eigener Landesbeiräte zurück, freilich ohne daß der württemberg-badische Rat tatsächlich badische Vertreter entsprechend berücksichtigte. Daß man in anderen Fragen innerhalb der nordbadischen Verwaltung gemeinhin auf die innere Autonomie größten Wert legte, mag ein bezeichnendes Licht darauf werfen, welches Gewicht man der Frage des Flüchtlingsbeirats beimaß. 8 ® Vgl. zum Flüchtlingsgesetz Kapitel 4.4. Satzungen des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg vom 12.2.1947, HSTAST EA2/801-326. Ursprünglich waren nur drei Flüchtlingsvertreter vorgesehen, in der ersten Sitzung des Landesausschusses einigte man sich jedoch darauf, fünf weitere Flüchtlingsvertreter zuzuziehen. Protokoll über die konstituierende Sitzung des Landesausschusses für Flüchtlinge am 20.1.1947, ebd. Protokoll über die konstituierende Sitzung des Landesausschusses für Flüchtlinge am 20.1.1947, ebd. 83 Satzungen des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg vom 12.2.1947, ebd. 84 Ebd.
414
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
werks, Rueb, aus Stuttgart.85 Später kamen fünf weitere Flüchtlingsvertreter hinzu. Sie waren, wie die drei Genannten, in der Regel Repräsentanten der parteigebundenen Flüchtlinge oder der Flüchtlingsressorts der Wohlfahrtsverbände und damit Vertreter eines Flüchtlingstyps, dem die Eingliederung in die Aufnahmegesellschaft bereits gelungen schien.86 Wie sich jedoch schon in der ersten Sitzung des Landesausschusses im Januar 1947 zeigte, warteten die Flüchtlingsvertreter trotz aller vorausgegangenen Versuche, sie zu domestizieren, dennoch mit allerhand Forderungen zur Flüchtlingsintegration auf. 87 Das Auftreten der Flüchtlingsrepräsentanten hatte zwar angesichts der Funktion des Rates keinerlei Konsequenzen, sorgte jedoch für eine etwas angespannte Stimmung, die sich Innenminister Ulrich vorab verständnisvoll geprägt gewünscht hatte.88 Neunmal sollte der Landesausschuß 1947 zusammentreten.89 Insgesamt scheinen die Treffen in erster Linie den amtlich mit der Flüchtlingsfrage befaßten Verwaltungsfachleuten und Wohlfahrtsverbändevertretern als Möglichkeit zum Informationsaustausch gedient zu haben. Die Bedeutung solcher Kontaktmöglichkeiten formeller und informeller Art sollte nicht unterschätzt werden; eine Chance, den Flüchtlingsinteressen entscheidend Gehör zu verschaffen, stellte der Ausschuß indes mit
88 89
Herbig, A. (SPD), 1896 in der Tschechoslowakei geb., Mitglied des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg-Baden seit 1947 und des Flüchtlingsbeirats in der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen 1948 und 1949, vermutl. beschäftigt beim Wohlfahrtsbund. Leber, Ludwig, Dr. (CDU), in Ungarn 1903 geb., Mitglied des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg-Baden seit 1947, Mitglied des Flüchtlingsbeirats in der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen seit 1948. Landtagsabgeordneter 1950. Rueb, Ing. parteilos, geb. 1896 in Lichtental, Mitglied des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg-Baden seit 1947. 1945/46 bis 14.1.1947 Leiter des Hilfswerks der Evang. Umsiedler im Hilfswerk der Evang. Landeskirche in Württemberg, später Leiter des unlizenzierten Verbands der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen. Die zusätzlich aufgenommenen Flüchtlingsvertreter waren: Birkner, Anton, Flüchtlingsvertreter im Landesflüchtlingsausschuß Württemberg von 2.1947 bis 6.1947, Mitarbeiter des Ministeriums für politische Befreiung, ab 7.1947 als Repräsentant des Ministeriums im Beirat. Fiedler, E. (CDU), Mitglied des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg-Baden seit 1947, Mitarbeiter der Caritas. Hess., G. (CDU), geb. 1885, Mitglied des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg-Baden 1947, dort Vertreter des Hilfswerks der Evangelischen Landeskirche, Kuttner, Dr. parteilos, Rechtsanwalt, Mitglied des Landesausschusses für Flüchtlinge in Württemberg-Baden seit 1947, Mitglied des Flüchtlingsbeirates in der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen 1948, wohl Repräsentant des paritätischen Wohlfahrtsbundes, Radek, Josef, Dr. parteilos, geb. 1909 in Neckartenzlingen, als Flüchtlingsvertreter Mitglied des Landesflüchtlingsausschusses seit 1947; über ihn ist ansonsten nichts Näheres bekannt. Protokoll über die konstituierende Sitzung des Landesausschusses für Flüchtlinge am 20.1.1947, HSTAST EA2/801-326. Zur gleichen Sitzung vgl. auch das ausfuhrlichere Protokoll, ebd. Vgl. Protokoll der 2. Sitzung des Landesausschusses vom 24.2.1947, Protokoll der 3. Sitzung des Landesausschusses für Flüchtlinge am 24.3.1947, Protokoll der 4. Monatstagung am 12.5.1947, Protokoll der 5. Monatstagung am 16.6.1947, Protokoll der 6. Sitzung des Landesausschusses am 30.7.1947, Protokoll der 7. Sitzung am 17.9.1947, Protokoll der 9. Monatstagung am 4.12.1947, HSTAST EA2/801-326.
Der Landesausschuß für Flüchtlinge
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Sicherheit nicht dar. Im Zentrum der Sitzungen standen die Rechenschaftsberichte des Staatskommissars Bettinger.90 Danach blieb relativ wenig Raum für Fragen und Diskussionen. Die Flüchtlingsvertreter nutzten die geringe Zeit, so weit irgend möglich auf Mißstände in der Flüchtlingsaufhahme hinzuweisen. Bettinger blieb es überlassen, ob und inwieweit er die Beanstandungen weiterverfolgte. Ansonsten hielt er den Einfluß der Flüchtlinge weitgehend beschränkt. Wie die Flüchtlingsvertreter beispielsweise im Juni 1947 monierten, war ihnen bisher nicht die geringste Möglichkeit geboten (worden), mit den Flüchtlingen in den Kreisen Fühlung zu nehmen.91 Bei der steigenden Unzufriedenheit werde die persönliche Fühlungsnahme jedoch immer dringender. Sie scheitere daran, so das Memorandum der Flüchtlinge im Beirat, daß den Flüchtlingsvertretern privat ebenso die Beförderungsmöglichkeiten wie die notwendigen Geldmittel fehlten. Einen entsprechenden Antrag auf Unterstützung wies Bettinger zurück. Bezeichnend fur den höchst beschränkten Handlungsspielraum der Flüchtlingsmitglieder des Beirats war dessen Begründung: Wenn der Staatsbeauftragte es für richtig halte, daß die Mitglieder des Landesausschusses die Außenstellen des Staatskommissariats unterstützen, könne er sie dazu heranziehen. Eine Entschließung, daß das unbedingt sein müsse, könne der Landesausschuß nicht fassen,92 Gegen Ende des Jahres 1947 drohte das Gremium allmählich gänzlich an Bedeutung zu verlieren. Verbindliche Rechtsnormen über den den Amerikanern geforderten Landesbeirats für Flüchtlinge sollte das Flüchtlingsgesetz bzw. die Ausfuhrungsbestimmungen zum Flüchtlingsgesetz Ende 1947 bringen. Wie das lang erwartete, im Frühjahr 1947 endlich erlassene Flüchtlingsgesetz gleichlautend zu den vorläufigen Richtlinien bestimmte, war zur Unterstützung und Beratung des Staatsbeauftragten ein Beirat zu schaffen.93 Ihm sollten neben dem Staatsbeauftragten für das Flüchtlingswesen Vertreter der Ministerien, die Präsidenten der Landesarbeitsämter, die Leiter der anerkannten freien Wohlfahrtsverbände und in gleicher Zahl zu den bisher Genannten Personen, die auf Grund ihrer Tätigkeit, ihrer Kenntnisse und besonderen Eignung durch den zuständigen Minister berufen werden, angehören.94 Mindestens zur Hälfte waren die zusätzlich Aufgenommenen aus dem Kreis der Flüchtlinge zu wählen.95
Einem Antrag der Flüchtlingsvertreter, die sehr wichtigen Ausfiihrungen des Herrn Staatskommissars vorab schriftlich zu versenden, damit mehr Zeit für die Diskussion bleibe, folgte Bettinger offenbar nicht. Memorandum der Flüchtlingsvertreter vom 28.6.1947, HSTAST EA2/801-327 MemorandumderFlüchtlingsvertretervom28.6.1947, ebd. 92 Protokoll der 6. Sitzung des Landesausschusses für Flüchtlinge am 30.7.1947, HSTAST EA2/801-326. 93 § 12 des Gesetzes Nr. 303 über die Aufnahme und Eingliederung deutscher Flüchtlinge, Reg.Bl. Nr. 3/1947. 94 Ebd. Die Mitte 1946 vom Flüchtlingsausschuß dem Rechtsausschuß zur Begutachtung zugeleitete Version des Gesetzes war noch davon ausgegangen, daß die zusätzlich zu den Amtsvertretern aufgenommenen Mitglieder zu 75% aus Flüchtlingen bestehen müßten. HSTAST EA1/014569/2. Im Vergleich dazu hatten die vorläufigen württemberg-badischen Richtlinien für die Betreuung der Flüchtlinge und Vertriebenen vom 26.9.1946 nur die Aufnahme von 3 Flüchtlingen vorgesehen, GLAK 466.Zug 1981/47-1.
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Damit bestand der Aussschuß mindestens zu einem Viertel maximal immerhin zur Hälfte aus Neubürgern; auf Vorschlag des Staatskommissars ernannt, sollten sie sich monatlich treffen.96 Das Innenministerium benannte nach Erlaß der Ausfuhrungsbestimmungen den vormaligen "Landesausschuß für Flüchtlinge in Württemberg" um in "Landesbeirat fur das Flüchtlingswesen" und legte die Mitgliederliste neu fest. Formal gehörten dem Beirat nunmehr bis zu 36 Personen an. Neben Innenminister Ulrich und Staatskommissar Bettinger waren weitere Abgeordnete aller betroffenen Ministerien97, des Landesarbeitsamts, der Wohlfahrtsverbände98, des württembergischen Gemeindetags und des Verbands württemberg-badischer Landkreise, sogar des Bauernverbands und des Gewerkschaftsbundes Mitglied. Dazu gehörten weiterhin 12 Flüchtlingsvertreter, bis auf zwei allesamt Angehörige der lizenzierten Parteien.99 Faktisch jedoch besuchten nie mehr als 20 bis 25 Angehörige des Landesbeirats dessen Sitzungen. Zum ersten Treffen des sich kaum vom alten unterscheidenden Beirats kamen die Mitglieder im Juni 1948 zusammen. Bis Ende 1949 folgten 12 weitere Sitzungen.100 Zwar brachte Innenminister Ulrich beim ersten Treffen, an dem sogar der im Auftrag von OMGUS im Lande weilende Isaac teilnahm101, die Hoffnung zum Ausdruck, daß sich der neugebildete Landesbeirat beim Staatsbeauftragten für das Flüchtlingswesen intensiver, als es bisher der Fall war, mit den aktuellsten Flüchtlingsfragen befassen werde102, doch auch der umbenannte Flüchtlingsbeirat blieb, was der Landesausschuß zuvor gewesen war: ein Informationsorgan der mit Flüchtlingsfragen beschäftigten Instanzen ohne jegliche Bedeutung für die Flüchtlingspolitik. Die Flüchtlingsvertreter konnten keinen wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung der Sitzungen nehmen; auch die Gelegenheit, die erhaltenen Informationen an die Flüchtlingsausschüsse der Kreise und Flüchtlingsvertreter der Gemeinden weiterzuleiten, blieb ihnen letztlich versagt. Das Klima im Landesbeirat wendete sich erst nach der Bundestagswahl 1949 deutlich zugunsten der Flüchtlingsvertreter. Dem wiederholt vorgebrachten Antrag, Möglichkeiten zur Fühlungsnahme mit den Kreisflüchtlingsverwaltungen einzurich-
Die erste Verordnung Nr. 337 des Innenministeriums zur Ausftihrung des Flüchtlingsgesetzes vom 2.12.1947, Reg.Bl. 1/1948 bestimmte, daß die Mitglieder des Beirats durch den Innenminister auf Vorschlag des Staatsbeauftragten berufen werden. 97 Staats-, Innen-, Arbeits-, Finanz-, Justiz-, Landwirtschafts-,Verkehrs-, Wirtschafts-, Kultusministerium, Ministerium für politische Befreiung. 98 Rotes Kreuzes, Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Wohlfahrtsbund, Evangelisches Hilfswerk, Innere Mission. Im wesentlichen handelte es sich um die Flüchtlingsvertreter des alten Landesausschusses. 100 Protokoll der 8. Sitzung des Landesbeirats am 11.3.1949, HSTAST EA2/801-359. Protokoll der 1. Sitzung des Landesbeirats am 16.6.1948, der 2. Sitzung des Landesbeirats am 30.6.1948, der 3. Sitzung am 12.8.1948, der 4. Sitzung des Landesbeirats am 20.9.1948, der 5. Sitzung am 26.10.1948, der 6. Sitzung am 13.12.1948, der 9. Sitzung am 29.4.1949, der 10. Sitzung am 31.5.1949, der 11. Sitzung am 6.7.1949, der 12. Sitzung am 20.9.1949, der 13. Sitzung am 29.11.1949, HSTAST EA2/801-358. 101 Vgl. Kapitel 3.4. 102 Protokoll der 1. Sitzung des Landesbeirats am 16.6.1948, HSTAST EA2/801-358.
Der Landesausschuß fur Flüchtlinge
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ten, wurde im September stattgeben.103 Ab diesem Zeitpunkt tagte der Landesbeirat zusammen mit den Kreisbeauftragten für das Flüchtlingswesen und den Vertretern der Flüchtlinge im württemberg-badischen Landtag. Es habe in den vergangenen Monaten, erklärte Minister Ulrich, an der ganzen Flüchtlingspolitik und der Flücht-
lingsverwaltung heftige Kritik gegeben.104 Er müsse hierzu bemerken, daß ein Teil der Kritik als berechtigt angesehen werden dürfe, ζ. T. jedoch auch sachlich unbegründet wäre. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß die nunmehrige Tagung des Lan-
desbeirats zur Beruhigung der Kritik beitragen möge und nützliche und sachliche Arbeit für unsere Flüchtlinge geleistet werden könne.105 Wohl auch auf die Ergebnisse der ersten Bundestagswahl zurückzufuhren war der Beschluß der Landesregierung, nunmehr die autonomen Flüchtlingsverbände zur Kenntnis zu nehmen. Immerhin zwei Sitze gestand das Innenministerium dem Landesverband der Heimatvertriebenen im November 1949 zu. Wie der Repräsentant des Landesverbands, Dr. Schäffer, anläßlich seiner ersten Teilnahme an einer Sitzung des Beirats erklärte, sei man sich der rein beratenden Funktion des Landesbeirats für das Flüchtlingswesen bewußt. Gleichwohl bedauere der Landesverband, daß er nicht schon früher zur Mitarbeit herangezogen wurde. Schließlich stelle er die einzige,
über das ganze Land verbreitete, vom einheitlichen Willen der Vertriebenen getragene und nach demokratischen Prinzipien aufgebaute Organisation der Vertriebenen in Württemberg dar.106 Man wolle keine Chance zur Zusammenarbeit mit den Behörden auslassen. Der Verband gebe seiner Hoffnung Ausdruck, daß seine Mitar-
beit im Landesbeirat die Möglichkeit, endlich eine Vertrauensphäre zwischen dem Innenministerium als der maßgeblichen Landesbehörde und dem Landesverband der vertriebenen Deutschen als der großen Organisation der Vertriebenen im Lande herstellen und einen Kontakt mehr für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Faktoren im Interesse der Vertriebenen im besonderen und des Landes Württemberg im allgemeinen schaffen möge.107 Der Vertreter des Innenministeriums Kiefer glaub(t)e, daß wir von dieser Erklä-
rung Kenntnis nehmen können.108
103 zu ersten solchen Treffen war es im Oktober 1948 und März 1949 gekommen; vgl. Protokoll der 5. Sitzung am 26.10.1948 und der 8. Sitzung des Landesbeirats am 11.3.1949, HSTAST EA2/801-359. 1° 4 Protokoll der 12. Sitzung des Landesbeirats für das Flüchtlingswesen am 20.9.1949, HSTAST EA2/801-358. 105 Ebd. 1° 6 Protokoll der 13. Sitzung des Landesbeirats f. d. Flüchtlingswesen am 29.11.1949, ebd. 107 Ebd. 108 Ebd.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
8.2.2.
Die Flüchtlingsvertrauensmänner in den Gemeinden WürttembergBadens
Die Kreisbeauftragten für das Flüchtlingswesen haben sich zur Verbindung mit den Flüchtlingen des Kreises der Flüchtlingsvertrauensleute zu bedienen, soweit solche in den Gemeinden von den Flüchtlingen aufgestellt sind.109 Mit diesen dürren Worten kommentierten die im Dezember 1947 endlich erlassenen württembergbadischen Ausführungsbestimmungen zum Flüchtlingsgesetz eine Einrichtung der Sonderverwaltung, die seit dem Frühjahr 1946 in Württemberg und Baden bestand und in den ersten Nachkriegsjahren ein wesentliches Bindeglied zwischen Verwaltung und Flüchtlingen darstellte.110 Als Flüchtlingsvertrauensmänner oder Flüchtlingsobmänner wurden die von der Flüchtlingsbevölkerung der jeweiligen Gemeinde gewählten Repräsentanten bezeichnet. Ihnen oblag die Vertretung der Neubürger bei den gemeindlichen Behörden. Sie waren Mitglied in den von den Besatzern geforderten lokalen Flüchtlingsbeiräten oder Ausschüssen. Kreisverwaltungen und Gemeindebehörden bedienten sich ihrer gleichermaßen, wenn es galt, mit den Flüchtlingen amtlich in Verbindung zu treten. In den ersten Monaten des Jahres 1946 in den Gemeinden eingesetzt und von der Militärregierung wohlwollend unterstützt, entwickelten sich die Flüchtlingsvertrauensleute 1946/47 angesichts des Koalitionsverbots zu der einzigen erlaubten Flüchtlingsvertretung, die sich auch offiziell so nennen durfte und öffentlich anerkannt wurde. Wie schwer sich gemeindliche Selbstverwaltungskörper und Sonderverwaltung trotz der regen Zusammenarbeit mit den Vertrauensmännern grundsätzlich mit dem amerikanischen Konzept der Flüchtlingsbeiräte taten, ist daran abzulesen, daß es in Württemberg-Baden bis Ende 1949 nicht zu einer klaren Beschreibung der Aufgaben und Kompetenzen der Vertrauensleute kam.111 Faktisch jedoch erfüllten sie auch 109
1
111
Erste Verordnung Nr. 337 des Innenministeriums zur Ausführung des Flüchtlingsgesetzes vom 3.12.1947, Reg.Bl. 1/1948. Die Institution des Flüchtlingsvertrauensmanns gab es auch in Hessen und Bayern; angesichts der grundsätzlich ähnlichen Organisation des Flüchtlingswesens innerhalb der amerikanischen Zone braucht es nicht zu verwundern, daß sie in Hessen und Bayern ähnlich wie in Württemberg-Baden organisiert und mit gleicher Aufgabenbeschreibung versehen waren. Zu Bayern vgl. BAUER (1982) S. 295 ff. Bauer geht jedoch für Bayern davon aus, daß es sich bei den Obleuten um eine von den Vertrauensleuten zu unterscheidende Einrichtung handelte. Dies trifft für Württemberg-Baden jedoch nicht zu. Zu Baden vgl. die Berichte der einzelnen nordbadischen Kreisflüchtlingskommissare über die Nutzung des Amts des Flüchtlingsvertrauensmannes, GLAK 466 Zug.1981/47-1366, für Württemberg vgl. als Beispiele die Protokolle der Tagungen der Vertrauensmänner in den Faszikeln HSTAST EA2/801-113, 326, 328, 328b, 355, 393, 400, 409, 436, 437 und 455. Hessen regelte die Aufgaben und Kompetenzen der Vertrauensleute mit Erlassen im April 1948 und Februar 1949; vgl. GLAK 466 Zug. 1981/47-1348. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Flüchtlingsverwaltungen trat Middelmann im Mai 1948 an die Landesflüchtlingsverwaltungen mit der Aufforderung heran, die Stellung der Flüchtlingsvertrauensleute und der Kreisflüchtlingsausschüsse ähnlich wie in Hessen zu klären, falls noch nicht geschehen; vgl. GLAK 466 Zug. 1981/47-1358. Bis Februar 1949 wurde dieser Aufforderung jedoch nicht Folge geleistet. Leider ließ sich bisher nicht eine einheitliche Abgrenzung der Rechte und Pflichten der Vertrauensleute in den einzelnen Ländern herbeifiihren. Jedes der Länder hat unterschiedliche Wahlmethoden, und darüber hinaus wurde den Flüchtlingsver-
Die Flüchtlingsvertrauensmänner in den Gemeinden Württemberg-Badens
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in Württemberg-Baden die gleichen Funktionen, die der hessische Staatsbeauftragte für das Flüchtlingswesen den Vertrauensleuten per Erlaß übertragen hatte. Nach der hessischen Vorgabe nahmen die Flüchtlingsvertrauensleute die Belange der Flüchtlinge gegenüber den Gemeindeverwaltungen [...] wahr.111 Sie waren zur Beratung in den Ausschüssen und Kommissionen zuzuziehen, und ihnen oblag darüber hinaus die Beratung und Betreuung der Flüchtlinge.113 Die Gemeinden hatten den Vertrauensleuten Räume fur abzuhaltende Sprechstunden zur Verfugung zu stellen. Verwaltung und Flüchtlingsvertreter waren sich wechselseitig auskunftspflichtig. Entsprechend der hessischen Regelung hatten die rein ehrenamtlich tätigen Flüchtlingsvertrauensleute die Pflicht, die Flüchtlinge über die bestehenden Gesetze, Verordnungen und Erlasse aufzuklären und ihnen in allen sie betreffenden Fragen bei den Behörden helfend beizustehen mit dem Ziele, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit herbeizuführen,114 Nicht nur in Hessen erwartete die Verwaltung in erster Linie Kooperationsbereitschaft von den Flüchtlingsvertretern. Angesichts des Fehlens einer entsprechenden formalen Regelung in Württemberg-Baden hing es in beiden Landesteilen sehr von den örtlichen Gegebenheiten, von den Persönlichkeiten und Einstellungen der Bürgermeister, Gemeinderäte, lokalen Honoratioren und gewählten Vertrauensleuten selbst ab, wieviel Einfluß den Flüchtlingsvertretern auf die öffentliche Verwaltung in Flüchtlingsfragen zugestanden wurde. Der ungeklärte Rechtszustand sollte sich gleichermaßen als Stärke und Schwäche der Flüchtlingsvertreterfiinktion erweisen. In "flüchtlingsfreundlichen" Gemeinden gelangten die Vertrauensleute zu weitaus mehr Einfluß, als dies im Rahmen einer gesetzlichen Aufgabenregelung möglich gewesen wäre. In Orten mit flüchtlingsfeindlicher Stimmung aber, und um solche dürfte es sich häufig gehandelt haben, blieb der Spielraum der Vertrauensleute beschränkt. Bereits bei der Auswahl der Flüchtlingsrepräsentanten schlug sich die herrschende Rechtsunsicherheit nieder. Wie Middelmann in seiner Funktion als badischer Landeskommissar 1946 erläuterte, befürwortete er zwar grundsätzlich die Wahl von Vertrauensleuten durch die Flüchtlinge. Er forderte jedoch die Flüchtlingsreferenten auf, größte Vorsicht walten zu lassen bei der Auswahl des Vertrauensmannes, und forderte somit eine Beeinflussung der Wahl durch die Sonderbehörden.115 In Württemberg scheinen die Gemeindeverwaltungen 1946 ohnehin zum größten Teil "konsensfähige" Flüchtlinge einfach ernannt zu haben. Noch im Februar 1947 beschwerte sich einer der wenigen Flüchtlingsvertreter im württembergischen Landesausschuß, daß die in die Orts- und Kreisausschüsse berufenen Flüchtlingsvertreter oft nicht die geeigneten Leute seien, sondern daß die Bürgermeister bei diesen Berufungen Leute ihrer eigenen Parteitrauensleuten unterschiedliche Kompetenz gewährt. In allen Fällen ist eine enge Zusammenarbeit mit den Gemeindeverwaltungen und mit den Kreisverwaltungen sichergestellt worden. Middelmann empfahl, sich an den in Hessen und Nordrhein-Westfalen getroffenen Regelungen zu orientieren. Auch diese Aufforderung blieb ohne Folgen; vgl. ebd. 112 Hessischer Erlaß über die Aufgaben der Flüchtlingsvertrauensleute in den Gemeinden vom 15.2.1949, GLAK 466 Zug.1981/47-1348. » » Ebd. 114 Ebd. H 5 Schreiben Middelmanns vom 16.7.1946, GLAK 466 Zug.1981/47-1350.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
richtung bevorzugen bzw. nur solche Flüchtlingsvertreter ernennen, die ihnen selbst angenehm sind116 Und auch in Nordbaden waren zu diesem Zeitpunkt keineswegs alle Flüchtlingsvertreter durch ein Wahlverfahren legitimiert.117 Bis Mitte 1947 setzte sich jedoch als einheitliche Regelung offenbar die Wahl der Vertrauensleute in Württemberg und Baden durch. Pro tausend Neubürger war nunmehr in den Gemeinden durch die Flüchtlinge ein Vertrauensmann in geheimer Wahl zu ermitteln.118 Dennoch versuchte die Verwaltung, Einfluß auf das Wahlverfahren und die Auswahl des Flüchtlinge zu behalten. Wie Bettinger im Frühjahr 1949 erläuterte, legte das Flüchtlingsgesetz keinen besonderen Wahlmodus für die Bestimmung der Vertrauensleute fest, doch deren Tätigkeit setze voraus, daß der Vertrauensmann von der Gemeindeverwaltung, also besonders auch von dem Bürgermeister anerkannt werde.119 Infolgedessen ist es erforderlich, daß die Wahl der Vertrauensleute im Einvernehmen mit der Gemeindeverwaltung durchgeführt wird, von der dann auch die Anerkennung der gewählten Kandidaten als Vertrauensleute vorzunehmen ist. Das beste Verfahren ist deshalb die Einberufung einer allgemeinen Flüchtlingsversammlung durch den Bürgermeister mit dem Hinweis auf die vorzunehmende Wahl des Vertrauensmannes und die Durchführung der Wahl unter Vorsitz des Bürgermeisters. Die so gewählten Vertrauensleute [...] dürften auch das Vertrauen der Flüchtlinge in der Gemeinde genießen.120 Nicht anzuerkennen seien die Wahlen, die von einzelnen Gruppen der Neubürger ohne Einvernehmen mit der Gemeindeverwaltung, beispielsweise von dem Hilfsverband der Neubürger, veranlaßt und durchgeführt sind
116
Protokoll über die 2. Sitzung des Landesausschusses für Flüchtlinge am 24.2.1947, HSTAST EA2/801-326. Bettinger empfahl den Bürgermeistern, sich von den Kreisflüchtlingskommissaren Flüchtlingsvertreter vorschlagen zu lassen. 117 Aus Karlsruhe berichtete beispielsweise im Februar 1947 der Flüchtlingsreferent: Da dieser Ausschuß der Vertrauensleute aus Männern besteht, die wohl eigene Initiative in der Flüchtlingsbetreuung zeigten, jedoch von den Flüchtlingen ihres Stadtkreises nicht gewählt wurden, ». keine Vollmachten besitzen, so wird in nächster Zeit im Einvernehmen mit den zuständigen Bezirksvorstehern die Wahl der Flüchtlingsvertrauensleute durchgeßhrt. Schreiben des Flüchtlingsreferenten Karlsruhe vom 7.2.1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1357. Im Landkreis Mosbach dagegen konnten im Sommer 1946 die Flüchtlinge bis zu drei Personen aus ihren Reihen erwählen, von denen einer wieder durch den Gemeinderat erwählt wird. Schreiben des Flüchtlingsreferenten Mosbach vom 17.8.1946, GLAK 466 Zug. 1981/47-1350. Wie der Flüchtlingsreferent des Kreises Mosbach jedoch dem Landeskommissar am 5.2.1947 mitteilte, nahmen die Bürgermeister des Kreises oft recht massiven Einfluß auf die Wahl der Vertrauensleute. Im hiesigen Kreis ist es bereits mehrmals vorgekommen, daß die Bürgermeister auf Grund des Gemeinderatsbeschlusses die Zusammenarbeit mit dem Flüchtlingsvertrauensmann abgelehnt haben und ihn als Vertrauensmann absetzten. Die Annahme bzw. Ablehnung des Vertrauensmanns geschieht hier auf Grund des § 45 Ziffer 3 der deutschen Gemeindeordnung in der Fassung des Anwendungsgesetzes Nr.30 vom 20.12.45, Regierungsblatt 1946, Seite 5. GLAK 466 Zug. 1981/47-1362. 118 vgl. Protokoll des Landesausschusses vom 16.6.1947, HSTAST EA2/801-326. Eine entsprechende Wahlordnung erließ die nordbadische Flüchtlingsverwaltung im April 1948. Nach ihr stand in Gemeinden mit weniger als 1.000 Flüchtlingseinwohnern diesen dennoch ein Vertreter zu, GLAK 466 Zug.1981/47-1349. In Bayern war im Dezember 1947 eine Wahlordnung für die Vertrauensleute erlassen worden; vgl. Aktennotiz Gepperts vom 23.12.1947, GLAK 466 Zug.1981/47-1349. 119 Stellungnahme Bettingers zur Wahl der Vertrauensleute am 3.3.1949, HSTAST EA2/801-117. 120 Ebd.
Die Flüchtlingsvertrauensmänner in den Gemeinden Württemberg-Badens und infolgedessen
als einseitig angesehen werden müssen.121
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Es ist daher anzuneh-
men, daß in der Regel 1946/1947 Neubürger mit dem Vertretungsamt betraut wurden, deren Eingliederungswilligkeit und -prozeß bereits seinen Anfang genommen hatte und die den lizenzierten Parteien nahestanden. 122 Daß kaum Hinweise auf örtliche Konflikte über die Vertrauensleutewahlen in die Landeszentralen der Sonderverwaltung gelangten, kann als zusätzliches Indiz für eine gewisse gemeindliche "Vorauswahl" des konsensfähigen Flüchtlingspersonenkreises gelten. 123 Aber auch nach ihrer Bestallung entließ die Sonderverwaltung die Flüchtlingsvertrauensleute nicht in die Selbständigkeit. Geppert regte im Sommer 1947 in den Kreisen Vorträge der Kreisflüchtlingskommissare an, denen als Thema die Rechte und Pflichten des Obmannes vorgegeben wurde. 124 Er selbst besuchte von der Sonderverwaltung einberufene Treffen der Kreisflüchtlingsvertrauensleute, um geeignete sen.
Referate
die Tätigkeit der Vertrauensleute
in gutem Sinne zu
durch
beeinflus-
125
Zwar veranlaßten Geppert und Bettinger auf amerikanische Initiative hin kreisweite Treffen der Flüchtlingsvertreter, 126 an denen häufig auch die beiden Leiter der
121 Ebd. 122 Entsprechende Wahlbeeinflussungen lassen sich mitunter auch nachweisen. So berichtete der Kreiskommissar des Landkreises Karlsruhe im September 1947 an Geppert: [...] Es kam dann der Fall Langensteinbach, wo erstmals die Gefahr bestand, daß die Neubürgerwahlen auf das parteipolitische Geleise geraten könnten, f...]. Von da an habe ich mich mit den Bürgermeistern in Verbindung gesetzt und durch sie die Vorbereitungen zu den Wahlen der Obmänner treffen lassen. Die Wahlen wurden durch die Bürgermeister in Verbindung mit den schon bestehenden, allerdings noch damals nicht gewählten Obmännern einberufen. Ich stellte mich dabei jeweils den Neubürgern in einer Ansprache vor und wies stets in eindringlichen Worten auf die Einbürgerung, die Rechte und Pflichten der Vertrauensleute und die Bedeutung der Wahlen hin. Vgl. GLAK 466 Zug. 1981/47-78. Geppert versuchte den Mißstand abzustellen, der Landrat stellte sich jedoch vor den Kreisflüchtlingskommissar; vgl. Schreiben vom 23.9.1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-52. 123 zu einer Beschwerde beim Landeskommissar über die Auswahl kam es beispielsweise im April 1947 in Leimen, Landkreis Heidelberg; vgl. GLAK 466 Zug.1981/47-1356. Der beschwerdeführende Flüchtlingskreis behauptete, der Bürgermeister habe einen vorgefertigten Wahlvorschlag mitgebracht und nur über diesen abstimmen lassen. Der Gegendarstellung des Bürgermeisters folgend, entschied das Landeskommissariat, eine Neuwahl bis nach der Veröffentlichung der Ausfuhrungsbestimmungen zum Flüchtlingsgesetz zu verschieben. Als weiteres Beispiel sei ein Konflikt in der Gemeinde Waibstadt, Landkreis Sinsheim, erwähnt. Dort gab es im Oktober 1946 Schwierigkeiten wegen des eigenmächtigen Verhaltens des Vertrauensmanns der Flüchtlinge, der selbständig Wohnungsbeschlagnahmungen vornehmen wollte. Nach Meinung des Bürgermeisters sollte er abgesetzt werden, da er Schlesier sei und eigentlich gar nicht rechtmäßig zum Flüchtlingskontingent gehöre. Vgl. Schreiben vom 17.10.1946, GLAK 466 Zug.1981/47-1368. 1 2 4 Vgl. Schreiben Gepperts vom 14.7.1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1613. 125 Schreiben Gepperts vom 22.10.1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1356. 126 Zu den Treffen der Vertrauensleute, die im Juli und August 1947 unter Beteiligung der Landesflüchtlingsverwaltung in württembergischen Kreisen durchgeführt wurden vgl. Aktennotiz Schromms vom 30.7.1947, HSTAST EA2/801-328. Middelmann forderte den Flüchtlingsreferenten bereits im Januar 1947 auf, eine Vertrauensleutesitzung unter Beteiligung der Verwaltungsspitzen der Kreise abzuhalten und den Kreisflüchtlingsausschuß einzuberufen; an beidem wollte er teilnehmen. Vgl. Schreiben Middelmanns vom 16.1.1947, GLAK 466 Zug.1981/471353.
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Landesflüchtlingsverwaltungen teilnahmen,127 doch die Landesleitung der Sonderverwaltung legte ausdrücklich fest, daß sich die Vertrauensleute nur nach Einberufung durch die Kreisflüchtlingskommissare versammeln durften128, und die Behörden hielten die formal festgeschriebenen Rechte der Vertrauensleute gemeinhin sehr beschränkt. Bis 1949 konnten die Flüchtlingsvertreter beispielsweise das Recht, an Gemeinderatssitzungen teilzunehmen, nicht erwirken.129 Im Rahmen der solchermaßen eng abgesteckten Grenzen scheinen Sonder-, Regelverwaltung und Flüchtlingsvertreter recht erfolgreich zusammengearbeitet zu haben.130 Wie beispielsweise der Landrat des Kreises Buchen mitteilte, hatte sich die Einrichtung der Vertrauensmänner im allgemeinen gut bewährt. Das Verhältnis zwischen ihnen und den Bürgermeistern ist zumeist ein gutes. [...] Für arbeitsunlustige Bürgermeister bildet diese Einrichtung eine Versuchung, alle Arbeit auf die Vertrauensmänner abzuladen. Von den Vertrauensmännern selbst wird allgemein darüber geklagt, daß sie die stark anfallende Arbeit auf die Dauer nicht ehrenamtlich machen können.131 Manchenorts übernahmen sie die Rolle eines Puffers zwischen Verwaltung, Alt- und Neubürgerschaft. Vielfach ist zu beobachten, so der Landrat des Kreises Sinsheim, daß der Bürgermeister die Arbeiten, welche eigentlich zu seinem persönlichen Amtsgeschäft gehören, dem Flüchtlingsvertrauensmann seiner Gemeinde überträgt, um hierdurch zunächst entlastet zu werden und zweitens auch, um sich in seiner Gemeinde keine Feinde zu schaffen. Dies ist vor allem in Wohnungsangelegenheiten der Fall.132 Über die lokale Mitarbeit hinaus benutzte die württembergische Landesflüchtlingsverwaltung die Obmänner, um sich ein von der Selbstverwaltung ungefiltertes Bild über die Stimmung der Flüchtlinge zu verschaffen.133 Insbesondere in Nordba127 vgl. beispielsweise die außerordentliche Flüchtlingsobmännertagung im Landkreis Esslingen unter Teilnahme von Bettínger vom 4.12.1947, HSTAST EA2/801-409. 128 vgl. Schreiben Sieberts, Landeskommissariat Nordbaden, vom 16.6.1947 an den Flüchtlingsreferenten von Tauberbischofsheim: Der Kreis Tauberbischofsheim ist der einzige Kreis von dem wir erfahren, daß die Flüchtlingsvertrauensleute selbständig Versammlungen einberufen. Ich bin der Ansicht, daß es bei der durch das Staatskommissariat gewünschten Vertretung der Flüchtlinge durch Vertrauensleute Aufgabe des Flüchtlingsreferenten ist, diese Versammlungen selbst einzuberufen. Anders wäre die Sachlage bei einer durch die Flüchtlinge gegründeten Organisation. Es wird zweckmäßig sein, daß Sie nun selbst, wie es beispielsweise im LK Buchen geschieht, hin und wieder Versammlungen der Flüchtlingsvertrauensleute einberufen und dabei auch selbst den Vorsitz übernehmen. Dadurch beugen Sie der Einberufung durch irgendeinen Flüchtlingsvertrauensmann vor. GLAK 466 Zug.1981/47-1366. 129 vgl. Schreiben Aschers, Mitarbeiters des württembergischen Staatskommissariats, an Gescháñsteil IV, Innenministerium vom 30.12.1946: Von zahlreichen Vertrauensleuten des Kreises Ludwigsburg wird dringend gebeten, daß die Vertrauensleute an den Gemeinderatssitzungen teilnehmen dürfen, da eine neue Wahl der Gemeinderäte erst im Frühjahr 1948 zu erwarten ist. Der Antrag wurde abgelehnt. HSTAST EA2/801-113. 130 Middelmann regte schließlich sogar, soweit finanziell möglich, die Übernahme eines Vertrauensmanns in die Gemeindeverwaltung an. Runderlaß Middelmanns vom 15.10.1946, GLAK 466 Zug.1981/47-1370. 131 Bericht aus dem Landkreis Buchen vom 22.10.1946, ebd. Bericht vom 20.10.1946 des Landkreises Sinsheim, ebd. 133 Mit Rundbrief Nr.6 vom 30.7.1947 des Landesausschusses für Flüchtlinge wurden die Ortsvertrauensleute gebeten, monatlich einmal einen kurzen Stimmungsbericht einzureichen. Diese Stimmungsberichte sollten das seelische Zusammenleben zwischen Alt- und Neubürgern schil-
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den aber sollten sich 1947/48 die Flüchtlingsvertrauensleute trotz der Beschränkungsversuche der Sonderverwaltung zu einer gut vernetzten Vertretergemeinschaft entwickeln. Demokratisch legitimierte Kreisflüchtlingsvertrauensleute trafen sich unter der Leitung der Sonderverwaltung zu entsprechenden Landestreffen der Kreisvertreter und wählten sich ein Sprechergremium, das für sich in Anspruch nehmen konnte, für die Vertrauensleute Nordbadens zu sprechen. Damit stellten die nordbadischen überregionalen Gremien der Vertrauensleute informell die Vorform einer landesweiten halbstaatlichen Flüchtlingsorganisation dar, die über das im Flüchtlingsgesetz verordnete Vertretungsprinzip weit hinausging und zunehmend mit der Landessonderverwaltung gegen die Regelverwaltung zu kooperieren begann. Vom steigenden Selbstbewußtsein der Vertrauensleute zeugen dann auch die öffentlichen Verlautbarungen der badischen Flüchtlingsvertreter zu allen, die Neubürger betreffenden, Belangen, in denen die amtlich bestallten Vertrauensmänner nicht mit Kritik an der deutschen Verwaltung und den deutschen Regierungen sparten.134 So verabschiedeten die nordbadischen Vertrauensleute zu Beginn des Jahres 1948 beispielsweise harsch formulierte Resolutionen zu den Ausfuhrungsbestimmungen zum Flüchtlingsgesetz: Diese Ausfuhrungsbestimmungen sind nach dem von mit der Materie vertrauten Fachkräften aufgestellten und vorgelegten Entwurf so verwässert, daß sie mit dem Flüchtlingsgesetz nahezu zur Bedeutungslosigkeit herabgemindert sind.135 Vom Selbstbewußtsein der nordbadischen Vertrauensleute zeugt auch ihre Resolution gegen den geplanten Abbau der Flüchtlingssonderverwaltung, die anläßlich des landesweiten Treffens der Flüchtlingsvertreter im April 1948 verabschiedet wurde:136 Es müsse mit Verwunderung und Entrüstung festgestellt werden, wie das wichtigste und schwierigste Problem der Gegenwartsnot, welches das Weltgewissen aufzurütteln im Stande ist, von verantwortlichen Dienststellen in so eigenartiger Weise verkannt wird. Eine derartige, geschichtlich einmalige Aufgabe, die Millionen vertriebener, um Milliardenwerte beraubter, heimatloser und seelisch entwurzelter Menschen eine neue materielle und geistige Heimat schaffen muß, erfordert Maßnahmen, die weit über die bisher vorliegenden hinausgehen. Angesichts dieser unumstößlichen Tatsache erscheint es geradezu unverständlich, daß an diesen an sich bescheidenen Grundlagen und Vorkehrungen gerüttelt wird und ein-
dern und wichtige, sich aus dem täglichen Leben entwickelnde Probleme der Neubürger behandeln. HSTAST EA2/801-331. Zahlreiche entsprechende Berichte gingen über mehrere Monate hinweg beim Landesausschuß ein. 134 vgl. beispielsweise Mahnung des Kreisausschusses für Flüchtlingswesen im Landkreis Bruchsal vom 16.6.1947, eine Sitzung der Vertrauensleute einzuberufen, GLAK 466 Zug. 1981/471353, oder die Resolution vom 30.12.1948 der Ortsvertrauensmänner der Gemeinden des Altkreises Herrenberg an den Herrn Landrat des Kreises Böblingen, dem Staatsbeauftragten zur Kenntnis, mit der Mahnung, endlich den nach dem Flüchtlingsgesetz vorgesehenen Kreisflüchtlingsausschuß einzurichten, HSTAST EA2/801-355. Vgl. auch die Stellungnahme vom 1.3.1948 der Flüchtlingsvertrauensmänner auf einer Tagung der Kreisbeauftragten fur das Flüchtlingswesen in Nordbaden zu allen anstehenden Fragen, GLAK 466 Zug. 1981/47-70. Resolution der Neübürger des Landkreises Mannheim, die im gleichen Wortlaut auch aus anderen Landkreisen beschlossen wurde, GLAK 466 Zug. 1981/47-2. 136 zu den Auseinandersetzungen zwischen EDAD und Vertrauensleuten über die Rolle der Sonderverwaltung vgl. Kapitel 5.5.
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gespart werden soll.137 Grundsätzlich seien die Flüchtlinge darum bemüht, die Eingliederung auf dem schnellsten Wege vollziehen zu helfen, um wirklich Gleiche unter Gleichen zu sein.13* Man habe mit größtem Einsatz die politische Eingliederung maßgeblich gefördert. Dies beweise die mehr als 80%ige Beteiligung an den Gemeinderatswahlen und die Eingliederung der Flüchtlinge in die politischen Parteien. Die Not der Flüchtlinge fordere gebieterisch, daß die besonderen Dienststellen zur gründlichen Durchführung des (Flüchtlings-)Gesetzes nicht nur beibehalten, sondern mit weit größeren und exekutiven Vollmachten ausgestattet werden. Ihre Zusammenarbeit mit den nach demokratischen Prinzipien gewählten und zu wählenden Vertrauensmännern der Flüchtlinge muß im Gesetz- und Verordnungswege zur Pflicht gemacht werden. Jedwede andere Lösung wäre nicht im Stande, die Not zu lindern, würde vielmehr das Gefühl der Aussichtslosigkeit steigern und letzten Endes den Weg zu einem Staat im Staate vorbereiten.139 Auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung sollte die rechtlich nicht abgesicherte einflußreiche Stellung der nordbadischen Vertrauensleute durch den Abbau der Mittelinstanzen der Sonderverwaltung Mitte 1948 eine entscheidende Schwächung erfahren. Ohne die gängelnde, aber auch schützende Hand der Sonderverwaltung war hier die halbamtliche Flüchtlingsvertretung nicht mehr zu halten. Die Regelverwaltung entzog den mittlerweile renitent auftretenden Flüchtlingsrepräsentanten die öffentliche Unterstützung. Anläßlich einer Zusammenkunft der nordbadischen Landräte im Oktober 1948 forderten diese die Abschaffung der gewählten Flüchtlingsvertreter.140 Doch auch in Flüchtlingskreisen verringerte sich im Zuge der zunehmenden Konflikte zwischen Alt- und Neubürgerschaft und angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Probleme im Gefolge der Währungsreform die Anerkennung, welche die Vertrauensleute genossen. Die Erkenntnis, daß letztlich die von Rücksichtnahmen auf die öffentlichen Amtsträger freien Flüchtlingsverbände über einen größeren Handlungsspielraum zum Durchsetzen der Flüchtlingsinteressen verfugten, scheint sich bereits gegen Ende des Jahres 1948 bei den Neubürgern Badens und Württembergs durchgesetzt zu haben. Mehr und mehr geriet die grundsätzlich auf Kooperation mit der Regelverwaltung ausgerichtete Organisation der Vertrauensleute in das Kreuzfeuer der Kritik von ID AD und Hilfsverbänden.141 Wie der zuständige Sachbearbeiter des württembergischen Staatskommissariats in der Auswertung einer Reihe seiner 13' Resolution der nordbadischen Flüchtlingsvertrauensleute zur Beibehaltung der Sonderverwaltung vom 25.4.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-2. 138 E b d . 13' Ebd. 1949 nahmen die württembergischen Vertrauensleute auch gegen den Abbau der württembergischen Sonderverwaltung Stellung. Vgl. Resolution der Flüchtlingsvertrauensmänner des Kreises Heidenheim gegen den Erlaß des Innenministers vom 31.12.1949, HSTAST EA2/801-355. 1 4 0 Vgl. Schreiben Gepperts vom 11.12.1948, GLAK 466 Zug.1981/47-1349. 141 Als Beispiel sei eine Forumsveranstaltung im Landkreis Karlsruhe im Juli 1949 genannt, in der eine Vertreterin der Notgemeinschaft die Kooperationswilligkeit der Vertrauensleute und Flüchtlings-Stadträte der lizenzierten Parteien massiv kritisierte. Protokoll der Forumsveranstaltung für Neubürger vom 25.7.1949, GLAK 466 Zug.1981 /47-15. Vgl. auch die Niederschrift über die Tagung der Flüchtlingsvertrauensleute des Kreises Ludwigsburg, HSTAST EA2/801-455.
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Besuche von Kreisvertrauensmännertagungen feststellte, verloren die amtlich bestellten Flüchtlingsvertreter allmählich selbst das Vertrauen zur Flüchtlingsverwaltung}*1 Hatten die Vertrauensleute bis zum Frühjahr 1948 versucht, die um die Gunst der Neubürger konkurrierenden selbständigen Flüchtlingsvereinigungen in ihrer Tätigkeit auf kulturelle Gebiete zu beschränken,143 so begannen sie nun schlagkräftigere Selbsthilfeorganisationen zu fordern. Zunehmend sollten die nordbadische IDAD und die württembergischen Hilfsverbände die öffentliche Artikulation der Flüchtlingsbedürfnisse übernehmen. Wie der Landrat von Buchen in einer ausführlichen Bewertung der Rolle der Vertrauensleute erläuterte, hatte die Bestellung von Vertrauensleuten in den Monaten nach der Einschleusung der Heimatvertriebenen ohne Zweifel ihre große Bedeutung sowohl für die Vertriebenen selbst als auch für die Behörden, die sich der Vertrauensleute in zahlreichen Fällen als Mittler bedienen konnten.144 Das Ansehen der Vertrauensleute sei jedoch mit der Währungsreform und der Auflockerung der Zwangsbewirtschaftung nahezu über Nacht geschwunden. Dies kommt vor allem darin zum Ausdruck, daß die Vertrauensleute kaum noch bei den Dienststellen des Landratsamtes vorsprechen und daß, wo es nötig wird, der Neubürger seine Interessen selbst wahrnimmt oder aber durch die Kreisvertretung der IDAD wahrnehmen läßt. Welch geringes Interesse die Neubürger selbst aber an der Bestellung eines Vertrauensmannes haben, zeigte deren Beteiligung an den im Oktober 1948 im Landkreis Buchen durchgeführten Wahlen. Diese betrug: in 4 Gemeinden unter 20% in 38 zwischen 21 und 50%. Nur in 40 Gemeinden lag sie darüber.145 Als sich 1949 auch noch abzeichnete, daß die Vertrauensleute sich in wachsendem Maße aus den Reihen der Flüchtlingsverbände zu rekrutieren begannen, beschloß Geppert, das offiziös geprägte Amt des Vertrauensmanns in Nordbaden abzuschaffen. Bereits im Sommer 1949 plädierte er dafür, die Verpflichtung der Gemeinden, Vertrauensleute wählen zu lassen, aufzuheben.146 Ende August erging ein entsprechender Erlaß an die Landräte. Nachdem nun die Flüchtlinge an der Bundestagswahl teilgenommen hätten, erläuterte Geppert, sei das Amt des Flüchtlingsvertrauensmanns überflüssig. Man solle es in Zukunft den Flüchtlingen überlassen, ob sie solche überhaupt noch wählen wollten.147 Damit hatte zumindest in Nordbaden die letzte Stunde der von den Besatzern so sehr befürworteten Flüchtlingsbeiräte geschlagen;
142
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Vgl. Aktennotiz Schromms vom 30.7.1947, HSTAST EA2/801-328. Zum Verhältnis der Kreisflüchtlingsvertrauensmänner zu den Hilfsverbänden aus der Sicht der ersteren: Bestehende oder noch entstehende Verbände der Flüchtlinge zu wirtschaftlichen, kulturellen oder anderen Zwecken müssen sich auf diese Sondergebiete beschränken und zur Unterstützung der Eingliederungsarbeit auswirken. In diesem Sinne ist eine Zusammenarbeit erwünscht. Die politische Eingliederung der Flüchtlinge wird, bei Vermeidung jedweder Beeinflussung durch beide verschiedene, doch in ihrer Zielsetzung einheitlichen Stellen, im Sinne der Kundgebung des politischen Wollens der Ausgewiesenen empfohlen. GLAK 466 Zug.1981/47-2. Schreiben des Landrats von Buchen an Geppert vom 6.7.1949, GLAK 466 Zug. 1981/47-1349. Ebd. Schreiben Gepperts vom 22.7.1949 an Referat I, Inneres, GLAK 466 Zug.1981/47-1359. Schreiben Gepperts vom 31.8.1949, ebd.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
auch in Württemberg hatten sie mittlerweile ihren ohnehin schwächeren Einfluß in Flüchtlingsfragen an die Hilfsverbände abgetreten.148
8.3.
Das Ringen um die selbständige politische Organisation der Flüchtlinge
Zu den Desideraten der Forschung über das Flüchtlingsproblem in der unmittelbaren Nachkriegszeit gehört zweifellos eine Untersuchung über die Anfänge der landsmannschaftlichen Vereinigungen, Flüchtlingsinteressengruppen, Wahlvereinigungen und über Parteigründungsversuche auf regionaler und Länderebene.149 Eine Durchsicht der einschlägigen Literatur liefert nur wenige Informationen über einschlägige Bestrebungen vor Gründung der Bundesrepublik.150 Überdies entsteht der Eindruck, als habe es nennenswerte Organisationsversuche in erster Linie in der britischen Zone, bisweilen auch in Bayern, in jedem Falle jedoch hauptsächlich im Umfeld parteipolitisch oder landsmannschaftlich gebundener Kreise gegeben.151 Eine Darstellung der nicht landsmannschaftlich orientierten Flüchtlingsorganisationen fehlt bis heute.152 Die Geschichtsschreibung der Flüchtlingsorganisationen orientiert sich damit bisher an den historisch "erfolgreichen" Gruppierungen, die den Charakter der Vertriebenenvereinigungen in den 50er Jahren prägen sollten. Dem Einfluß der überparteilichen, sich nicht an der Herkunft, sondern am aktuellen Wohnsitz orientierenden Flüchtlingsgemeinschaften auf die Politik und die Eingliederungsversuche in der amerikanischen Zone, insbesondere in Hessen und Württemberg-Baden, wird eine solche aus der Sicht der 50er Jahre geprägte Behandlung der Flüchtlingsorganisationen jedoch nicht gerecht. Zwar entwickelten sich auch in der amerikanischen Besatzungszone die ersten Ansätze einer eigenständigen Organisation der Flüchtlinge während der unmittelbaren Nachkriegszeit von den mit der Familien- und Nachbarschaftszusammenfuhrung beschäftigten Heimatgruppen, kirchlichen oder Rote-Kreuz-Suchdiensten, die oft in den späteren Landsmannschaftsorganisationen mündeten.153 Doch schob das sog. Koalitionsverbot der amerikanischen wie der britischen Militärregierung im Frühjahr 148 149
In Württemberg wurden die Vertrauensleute offiziell 1949 noch beibehalten. So auch BRELIE-LEWIEN (1987) S. 30 f. Seit 1987 sind keine einschlägigen neuen Erkenntnisse veröffentlicht worden. Für die Landsmannschaften und Vertriebenenverbände liegen die Studien von WAMBACH (1971), IMHOF (1975) und SONNEWALD (1975) vor. Für die amerikanische Zone liefert Sonne-
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152 153
wald speziell Material fur die bayerischen Landsmannschaften, STEINERT (1986) für die britische Zone ausführlich für Nordrhein-Westfalen. So auch die häufig zitierte Autobiographie von KATHER (1964/65) oder auch Brües, Erfahrungen der britischen Zone verallgemeinernd: Das Koalitionsverbot bewirkte vor allem einen zeitigen Zusammenschluß der Vertriebenen mehr unter landsmannschaftlichen als unter politischen und interessenpolitischen Gesichtspunkten; BRÜES (1972) S. 20. Hier wird auch die Gesamtvertretung der Ostvertriebenen vom August 1948 als erste überregionale Flüchtlingsorganisation beschrieben, ebd. S. 21. Zu den informativsten Darstellungen gehört noch immer CAREY/ PERRY (1951). Vgl. hierzu insbesondere für Bayern SONNEWALD (1975) S. 159 ff.
Das Ringen um die selbständige politische Organisation der Flüchtlinge
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1946 solchen Vereinigungsversuchen, zumindest offiziell, einen Riegel vor. Bereits im Frühjahr 1947 erlaubte die amerikanische Militärregierung jedoch grundsätzlich, daß sich "soziale" Interessengruppierungen auf Kreisebene formierten - ein Beschluß, der im Sommer 1947 auch zu Lizenzierungsgesuchen von Flüchtlingsorganisationen in Württemberg und Baden und deren Genehmigung bis zum Herbst 1947 führte. Damit setzte die offizielle Organisation der Flüchtlinge in der amerikanischen Zone gut ein Jahr vor der entsprechenden Bewegung in der britischen Zone ein, auch wenn sich die Interessen der Flüchtlingsgruppierungen der amerikanischen Zone formal auf wirtschaftliche und soziale Fragestellungen beschränkten. Manches spricht dafür, daß die vergleichsweise "lockere" Haltung der amerikanischen Besatzungsmacht in der Folge unterschiedliche politische Strategien der Neubürger in der britischen und amerikanischen Zone bewirkte. Während es in der britischen Zone den Flüchtlingen nahezu unmöglich war, sich außerhalb der lizenzierten Parteien politisch zu organisieren, entwickelten sich seit 1947 in den amerikanisch besetzten Ländern bei Kommunalwahlen freie Flüchtlingslisten zum deutlich die Wahlen beeinflussenden Faktor.154 Der Zeitvorsprung der Flüchtlingsvereinigungen in der amerikanischen Zone, den die Forschung häufig übersieht,155 führte darüber hinaus frühzeitig zu einem flächendeckenden Ausbau der nicht landsmannschaftlich gebundenen Flüchtlingsgruppierungen insbesondere in Württemberg-Baden.156 Der sog. Interessengemeinschaft der ausgesiedelten Deutschen in Nordbaden (IDAD) und dem Hilfsverband der Neubürger in Nordwürttemberg kommt für die Entwicklung der Flüchtlingsvereinigungen in Württemberg-Baden wesentlich mehr Bedeutung zu als den hier bis 1949 nur rudimentär entwickelten landsmannschaftlichen Verbänden.157 I 5 4 In Württemberg-Baden erreichten freie Flüchtlingslisten bei den Gemeinderatswahlen im Dezember 1947 19,4%, in Hessen 18%, einen Monat später in Bayern 13% der gültigen S t i m m e n ; vgl. CAREY/PERRY (1951) S. 198.
Von einer Lizenzierung entsprechender Gruppierungen erst 1948 gehen beispielsweise NEUMANN (1968) S. 13 u n d WAMBACH (1971) S. 28 aus. Völlig a n d e n württemberg-badi-
schen Verhältnissen vorbei kommt Wambach anhand von Material der britischen Zone zu folgender generellen Bewertung der Aibeitsmöglichkeiten der nicht landsmannschaftlich gebundenen Vereinigungen: Insofern diese Organisationen imstande waren, auf die Behörden und Parteien Einfluß zu nehmen, handelten sie ganz und gar aus der jeweiligen lokalen Ausprägung der Interessenlage der Vertriebenen heraus. Zu einer organisatorischen Qualifizierung und Politisierung fehlten die Voraussetzungen; es mangelte an Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Gruppen, es fehlte an Öffentlichkeit für das Vertriebenenproblem und an Vertriebenenöffentlichkeit selbst. Ebd. S. 29. Einschlägige Forschungen fur Bayern und Hessen, die den nicht landsmannschaftlich gebundenen Flüchtlingsvereinigungen nachgehen, liegen bisher nicht vor. 157 Landsmannschaftliche Gruppierungen fanden sich in Württemberg-Baden im Schatten des Evangelischen Hilfswerks als sog. Hilfskomitees (meist donauschwäbische Gruppen) und in der Caritas (Sudetendeutsche und Ungarndeutsche unter Leitung des CDU-Mitglieds und späteren Abgeordneten Leber); in beiden Fällen handelte es sich aber nicht um eigenständige Organisationen. Das CDU-Mitglied Herbert Czaja gründete 1948 den Stuttgarter Kreisveiband der Landsmannschaft der Oberschlesier, von denen es in Stuttgart allerdings nicht sehr viele gab; vgl. CZAJA (1989) S. 284 f. Ein landesweiter Zusammenschluß der Landsmannschaften erfolgte im August 1949 in der Hauptvereinigung der Heimatvertriebenen; vgl. Auskunft Bettinger vom 8.10.1949. HSTAST EA2/801-400. Ende 1949 wurde auch die Existenz eines Ostdeutschen Heimatbundes, Sitz Stuttgart, vermerkt, der unter landsmannschaftlichen Gesichtspunkten die reichsdeutschen Flüchtlinge aus den Gebieten östlich der Oder-Neisse-Linie ver-
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Als "Flüchtlings-pressure-groups" betrieben die württemberg-badischen Organisationen eine konsequente Politik der Einflußnahme auf die einschlägigen Aktionen der Regel- und Sonderverwaltung. Doch nicht nur sozial- und wirtschaftspolitische Beteiligung innerhalb Württemberg-Badens, sondern eine um zonale und bizonale Einigung bemühte Flüchtlingspolitik charakterisiert die Haltung der führenden Vertreter der württemberg-badischen Flüchtlingsvereinigungen. Insbesondere der in der Forschung so gut wie nie genannte Leiter der nordbadischen ID AD, Karl Bartunek, gehörte zu den Initiatoren des Zentralverbands der vertriebenen Deutschen (ZVD). Daß im Zuge der bizonalen Vereinigung 1949 parteipolitisch gebundene Vertreter, dem landsmannschaftlichen Gedankengut Nahestehende wie Lukaschek oder Repräsentanten der landsmannschaftlichen Verbände wie Ottmar Schreiber sich an die Spitze der Flüchtlingsbewegung setzten oder gesetzt wurden, 158 sollte der notwendigen hohen Gewichtung des württemberg-badischen Modells der Flüchtlingsorganisation keinen Abbruch tun. Dafür spricht nicht zuletzt, daß es den Flüchtlingsvereinigungen in Württemberg-Baden als einziger Flüchtlingslandesvertretung der Bundesrepublik gelang, entgegen dem Koalitionsverbot der Alliierten als unlizenzierte Partei zu den Wahlen anzutreten. 159 Wohl wissend, daß die für die sog. Notgemeinschaft abgegebenen Stimmen auf Landesebene nicht berücksichtigt werden würden, entschieden sich über 15% der Wähler bei einem Bevölkerungsanteil der Neubürger von 20% für die Interessenvertretung. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf den
I58
einigte. Die Vereinigung scheint jedoch nicht sehr aktiv gewesen zu sein; vgl. Aufstellung des Staatskommissars für Flüchtlingswesen vom 10.11.1949, ebd. Der schwache Organisationsgrad der Landsmannschaften in Württemberg-Baden mag auch damit zusammenhängen, daß in der amerikanischen Zone in erster Linie Ausgewiesene aus der Tschechoslowakei und Ungarn aufgenommen wurden, die später besonders einflußreichen westpreußischen, ostpreußischen und pommerschen Landsmannschaften also kaum Mitglieder in der amerikanischen Zone rekrutieren konnten. Die in Frage kommende Sudetendeutsche Landsmannschaft wurde unter Rudolf Lodgman von Auen in Bayern landeseinheitlich erst am 12.3.1949 gegründet. Sie war, geht man vom bisherigen Forschungsstand aus, in Bayern einflußreicher als die regionalen Interessenvertretungen, die sonst in der amerikanischen Zone vorherrschten. Zu Interessengemeinschaften, die an den aktuellen Wohnsitzen ausgerichtet waren, kam es jedoch auch in Bayern bei den Kommunalwahlen. Die erste allgemeine Darstellung zu den landsmannschaftlichen Vereinigungen lieferte BOEHM (1959). Schreiber wurde 1949 zum Leiter des Amts für Fragen der Heimatvertriebenen des Frankfurter Wirtschaftsrats ernannt. Lukaschek wurde der erste Bundesvertriebenenminister, Schreiber unter ihm Staatssekretär; beide waren parteipolitisch gebundene Vertreter landsmannschaftlichen Gedankenguts (Landsmannschaft Ostpreußen), die überdies aus Gebieten innerhalb des ehemaligen Deutschen Reiches stammten und traten mit der 1948 in der britischen Zone gegründeten sog. Gesamtvertretung in Erscheinung. Schreiber war innerhalb Ostpreußens Präsident des Memelgebiets, Lukaschek Oberpräsident von Oberschlesien gewesen. Sie verdankten ihre Karrieren den lizenzierten Parteien, die landsmannschaftlich orientierte Flüchtlingsvereinigungen nicht als Konkurrenz empfanden, wohl aber die am gegenwärtigen Wohnort orientierten Flüchtlingsgruppierungen. Obwohl die Notgemeinschaft landesweit nicht lizenziert wurde, traten ihre Vertreter unter diesem Namen zur Wahl an. In Bayern erreichten die Flüchtlingsvertreter in Verhandlungen mit der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung (WAV) eine paritätische Besetzung der Landesliste. Die WAV erzielte in Bayern bei der ersten Bundestagswahl 14% der Stimmen; vgl. NEUMANN (1968) S. 16 f. In Hessen erzielten freie Flüchtlingskandidaten 12% der Stimmen, die, da ihnen eine Landesliste verweigert wurde, nicht gerechnet wurden.
Die ID AD
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1949 erreichten Nicht-Integrationsstand und auf die weitreichende Unterstützung der württemberg-badischen Flüchtlingsvereinigungen innerhalb der eigenen Reihen.
8.3.1.
Die ID AD - Interessengemeinschaft der ausgesiedelten Deutschen in Nordbaden
Das früheste Zeugnis eines Versuchs, in Nordbaden eine eigenständige Flüchtlingsgruppierung ins Leben zu rufen, stammt aus Eutingen, Landkreis Pforzheim. Dort bemühte sich bereits im Sommer 1946 eine Flüchtlingsgruppe um den aus Prag stammenden Ingenieur und Verwaltungsbeamten und späteren Landtagsabgeordneten des BHE, Dr. Karl Bartunek, 160 die Genehmigung fur eine Flüchtlingsselbsthilfegruppe auf Kreisebene, die "Interessengemeinschaft der ausgesiedelten Deutschen" (IDAD), zu erlangen.161 Das Vorhaben stieß auf den entschiedenen Widerstand gleichermaßen der deutschen Regel- und Sonderverwaltung wie der Militärregierung.162 Erst im Frühsommer 1947 erhielt die IDAD, Kreis Pforzheim, ihre offizielle Lizenz. 163 Inoffiziell jedoch war die Gruppierung, die maßgeblich von der Persönlichkeit und den Vorstellungen Bartuneks geprägt wurde, schon zuvor äußerst aktiv.164 Die Bruchsaler Lizenzierung wirkte als Initialzündung zu weiteren Gründungen in ganz Nordbaden. Binnen weniger Monate hatte die IDAD ein Netz über ganz Nordbaden gezogen. 165 Einzig der Stadtkreis Mannheim besaß keinen IDAD-Kreisverband. 166 Dem beständig wachsenden Einfluß der IDAD in Flüchtlingskreisen entsprach ihr konsequenter Ausbau zum nordbadischen Landesverband 1948 und das nachfolgende Bemühen Bartuneks, über die Landesgrenzen hinaus innerhalb der amerikanischen Zone und schließlich in der Bizone eine Einigung der Flüchtlingsorganisationen zu erzielen.167 Innerhalb Nordbadens ohne nennenswerte Konkurrenz, stellte die IDAD 160
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Dr. Dipl. Ing. Karl Bartunek, geboren am 7.9.1906 in Prag, dort Schulbesuch, Studium, Wissenschaftslaufbahn, seit 1937 im tschechoslowakischen Staatsdienst, nach Anschluß des Sudetenlands in den deutschen Staatsdienst als Regierungsrat übernommen, nach Ausweisung im Sommer 1946 in Eutingen bei Pforzheim angesiedelt, im Oktober 1946 im badischen Gewerbeaufsichtsamt in Karlsruhe angestellt. Vgl. Lebenslauf, GLAK NL Bartunek Nr. 3. Im September 1946 reichte die IDAD einen Satzungsentwurf in Karlsruhe ein, der vorderhand jedoch nicht genehmigt wurde. Zu den massiven Querelen, die es in der Anfangszeit zwischen IDAD und dem Flüchtlingsreferenten des Kreises Pforzheim kam; vgl. GLAK 466 Zug. 1981/47-1365. Am 4.5.1947 erfolgte die offizielle Gründung der IDAD in Eutingen. Vgl. Rede von Bartunek auf der Gründungsversammlung der IDAD, GLAK 466 Zug.1981/47-1664. Di e Gründung eines provisorischen Vorstandes erfolgte im November 1946. 31.5.1947 Gründung in Bruchsal, 7.6.1947 in Ettlingen fur den Landkreis Karlsruhe, 21.6. Landkreis Buchen, 26.7. Landkreis Mannheim, 20.9.1947 Landkreis Sinsheim, 14.2.1948, Landkreis Mosbach, 28.2. Stadt- und Landkreis Heidelberg, 12.6.1948 Stadtkreis Karlsruhe, zwischenzeitlich Anschluß des zuvor eigenständigen Vereins im Landkreis Tauberbischofsheim. Mannheim war der Sitz des landsmannschaftlich geprägten Landesflüchtlingsverbands Mannheim. 4.10.1947 Verhandlungen Bartuneks mit Vertretern hessischer Vertriebenenorganisationen in Frankfurt zwecks Gründung einer Dachorganisation. 15.11.1947 erste Besprechung von Ver-
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
den ersten auf Landesebene lizenzierten Verband der Vertriebenen Westdeutschlands dar,168 einen Verband, der überdies nicht unter landsmannschaftlichen Gesichtspunkten die Ausgewiesenen vereinigte, sondern sie ähnlich wie in Bayern und Hessen und im Gegensatz zu den Verbandsgründungen in der britischen Zone allein nach ihrem neuen Wohnsitz organisierte. Mitte 1948 zählte er nach eigenen Angaben rund 15.000 Mitglieder in 150 Ortsgruppen. Rechnet man die Familienangehörigen der Mitglieder hinzu, dann dürfte die Gruppierung bereits zu diesem Zeitpunkt rund ein Drittel der Neubürger Nordbadens erfaßt haben.169 Im Januar 1949 gehörten der ID AD sogar 25.000 Mitglieder an.170 Im Frühjahr 1949 schließlich besaß die Vereinigung mit 300 Ortsgruppen in mindestens jedem zweiten nordbadischen Ort eine Niederlassung.171 Wie einflußreich in Flüchtlingskreisen die Organisation 1948/49 tatsächlich war, läßt sich daran ablesen, daß es ihr keine große Mühe bereitete, innerhalb weniger Tage 30.000 bis 60.000 Unterschriften fur Resolutionen im Flüchtlingsinteresse zu sammeln.172 Ende 1949 vereinigte sich die IDAD mit den in Nordbaden keineswegs sehr kräftig entwickelten landsmannschaftlichen Verbänden zum LVD (IDAD-Landesflüchtlingsverband-Landsmannschaften),173 1952 mit den übrigen Verbänden im Südweststaat. Ereignisse wie die Stellungnahme der IDAD gegen die Sonderverwaltung im Frühjahr 1948,174 die Heidelberger Kulturtage 1948, die Bildung der Notgemeinschaft zur Bundestagswahl 1949 oder das Eintreten für den Südweststaat 1951 charakterisieren die kurze Geschichte der Organisation. Ihren letzten Landesverbandstag beging die IDAD am 17. Oktober 1954. Der LVD (IDAD) löste sich nach eigenen Angaben auf, zum Zweck des Zusammenschlusses der Landesverbände (Baden-Württembergs) zu einem einheitlichen Verband.175 Ob
tretern der Flüchtlingsorganisationen aus Baden, Bayern, Hessen und Württemberg in Heidelberg, 23.10.1948 Gründung eines Zonenverbandes der Vertriebenenverbände der amerikanischen Zone in Heidelberg unter dem Vorsitz von Bartunek. 31.10.1948 erster ordentlicher Landesverbandstag der IDAD in Heidelberg, zum Landesvorsitzenden wird Bartunek gewählt. 18.12.1948 erste Besprechung der Vertreter des Zonenvetbandes der amerikanischen Zone unter Führung von Bartunek mit Vertretern der Vertriebenenverbände in der britischen Zone unter Führung von Lukaschek in Wiesbaden, Vorsitz: Bartunek. 5.3.1949 Bildung einer Gesamtvertretung der Vertriebenenorganisationen der Bizone: Sprecher: Bartunek und Lukaschek. 9.4.1949 Gründung des Zentralveibandes der vertriebenen Deutschen in Frankfurt, 1. Vorsitzender Lukaschek, Stellvertreter Bartunek. Zumindest warb die IDAD mit dieser Feststellung für sich selbst. 169 GLAK NL Bartunek Nr. 3. 170 Diaiy Campbell vom 12.1.1949, RG 260 OMGWB 12/77-3/9. 171 vgl. Protokoll über den außerordentlichen Landesveibandstag in Heidelberg am 6.2.1949, GLAK NL Bartunek Nr. 3. So geschehen beispielsweise im Falle des Abbaus der Flüchtlingssonderverwaltung; vgl. Kapitel 5.5. und anläßlich einer Resolution zum Lastenausgleich im Sommer 1948; vgl. GLAK NL Bartunek Nr. 5. 173 Vereinigung am 13.11.1949 mit den Landsmannschaften in Baden zum Landesverband der vertriebenen Deutschen (LVD), Protokoll siehe GLAK NL Bartunek Nr. 10. 174 Vgl. Kapitel 5.5. 175 Acht Jahre IDAD, GLAK NL Bartunek Nr. 1.
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diese offizielle Begründung den Tatsachen entsprach oder den schnellen Niedergang der Interessengemeinschaft signalisierte, mag offen bleiben.176 Es ist kennzeichnend für den badischen Flüchtlingsverband, daß er sich stets als landsmannschaftlich und politisch neutrale Interessenorganisation der Flüchtlinge verstand. Die mit der Ausweisung zusammenhängenden Probleme und Belange sind für alle Vertriebenen die gleichen, sie können daher weder landsmannschafllich noch parteipolitisch gebunden sein, so v. Göll,177 der Autor des Leitartikels der ersten Ausgabe der IDAD Nachrichten, des Mitteilungsblattes des Landesverbands.178 Eine wahre Interessenvertretung der Vertriebenen muß daher auf streng überlandsmannschaftlicher und überparteilicher Grundlage stehen.179 Die Ziele des Verbandes orientierten sich daher von Anbeginn an der Aufhahmegesellschaft. Entsprechend geringen Raum nahmen die Forderungen nach Rückkehr in die alte Heimat ein. Es ist unsere Pflicht, uns mit beiden Füßen in die neue Heimat zu stellen, mitzuarbeiten für uns und an unserer neuen Heimat, nicht mit dem Grübeln, ob es eine Rückkehr in die alte Heimat gibt, kostbare Zeit zu vergeuden, erläuterte Bartunek auf der Gründungsversammlung der IDAD.180 Ob es eine Rückkehr einmal geben wird, das wissen wir nicht, und daß diese aufgrund eines friedfertigen Übereinkommens einmal stattfinden könnte, daran kann wohl nur der glauben, der die Vergangenheit vergessen hat. [...] Wir müssen mit der Vergangenheit vollständig brechen und versuchen, ein neues Leben, soweit es für uns noch möglich sein sollte, zumindest aber für unsere Nachkommen aufzubauen.181 Zwar forderte und bejahte Bartunek und mit ihm die IDAD eine eigenständige starke Flüchtlingsorganisation. Ihr Ziel jedoch war die gleichberechtigte Integration der Flüchtlinge in die westdeutsche Gesellschaft. Um dieses Ziel zu erreichen, bedürften die Flüchtlinge einer kraftvollen Interessenvertretung, deren Ziel und Tragik es letztlich sein mußte, sich in naher oder ferner Zukunft überflüssig zu machen. Durch eine eigene wirtschaftliche und kulturelle Organisation der Vertriebenen sollen auch nicht die Gegensätze zwischen den Vertriebenen und Einheimischen vergrößert oder gar verewigt werden, sondern sie stellt nur eine neue Form des Wunsches nach Zusammenarbeit - als gleichberechtigte Partner - dar. Es muß daher die vordringlichste Aufgabe einer Vertriebenen-Organisation sein, die bestehenden Gegensätze durch sinnvolle Zusammenarbeit mit den einsichtsvolltsten Kräften der Einheimischen zu mildern, aber - wenn es nottut - auch Widerstände aus Kleingeist, Egoismus oder Unfähigkeit zu überwinden.182
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Rede von Bartunek auf der Gründungsversammlung der IDAD im Mai 1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1664. VermuÜich handelt es sich um ein Pseudonym des Wirtschaftsexperten, stellvertretenden Vorsitzenden der IDAD und späteren Bundestagsabgeordneten der DVP von Golitschek. Warum Selbsthilfeorganisation der Vertriebenen? v. Göll, IDAD Nachrichten 1/1949. Ebd. Rede von Bartunek auf der Gründungsversammlung der IDAD im Mai 1947, GLAK 466 Zug. 1981/47-1664. Ebd. Warum Selbsthilfeorganisation der Vertriebenen? v.Goll, IDAD Nachrichten 1/1949.
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Der grundsätzlichen Zielsetzung der Vereinigung gemäß war das Programm und die Satzung der IDAD ausgestaltet. Wie die Gruppierung um Bartunek in ihrem ersten Antrag zur Erlangung einer Vereinsgenehmigung an die Amerikaner formulierte, verfolgte die IDAD zwei wesentliche Ziele: a) für die Ausgewiesenen: Förderung und Unterstützung der Mitglieder in sozialer und beruflicher Hinsicht, bei Gründung einer selbständigen Existenz und Eingliederung in den Arbeitsprozeß, sowie Beratung in Fürsorgeangelegenheiten, kulturelle und erzieherische Lenkung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen, Erhaltung und Wahrung der heimatlichen Volkstumsitten. b) für die Behörden: Vereinfachung des Parteienverkehrs, [...] Unterstützung der amtlichen Dienststellen bei Überwindung der aus dem Flüchtlingsproblem sich ergebenden Schwierigkeiten und Fragen.183 Die Vereinigungsziele benannte die Satzung etwas ausfuhrlicher: a) Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden, Dienststellen und wirtschaftlichen Organisationen, insbesondere in Fragen der Arbeits- und Verdienstmöglichkeit, der Wohnungsbeschaffung sowie der allgemeinen Fürsorge. b) Förderung und Unterstützung genossenschaftlicher Unternehmungen, bei Gründung von Handwerksbetrieben sowie Betreuung und Beratung von Heimarbeitern. c) kostenlose Beratung in obigen Belangen, Rechtsauskunft und Vertretung in vermögensrechtlichen Fragen sowie in Ruhestand-, Renten-, Versicherungs-, und Fürsorgeangelegenheiten. d) Förderung des gemeinnützigen Wohnungs- und Siedlungswesens und in Fragen der Pachtung von Schrebergärten. e) Gemeinschaftspflege und gesellschaftlichen Verkehr, Veranstaltung von fachlichen und belehrenden Vorträgen, fi Pflege der heimatlichen Sitten und Gebräuche.184 Damit beanspruchte die EDAD Mitspracherechte in allen Arbeitsbereichen der Sonderverwaltung, ja gab indirekt zu verstehen, daß die Behörden, um diese Aufgaben zu lösen, der Unterstützung von "Pressure-groups" außerhalb der Verwaltung bedürften, eine zweifellos realitätsnahe Einschätzung, zu der auch ihre spätere Weigerung paßte, der drohenden Auflösung der Sonderverwaltung entgegenzuarbeiten. Der Leiter der badischen Flüchtlingsverwaltung reagierte auf diese Botschaft äußerst verschnupft.185 Ein Grund, der Interessengemeischafi die Lizenz zu verweigern, 183
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Antrag zur Erlangung einer Vereinsgenehmigung vom 12.4.1947, RG 260 OMGWB 12/2191/1-4. Satzung der IDAD, GLAK 466 Zug. 1981/47-1664. Anläßlich des Antrags auf Lizenzierung des Kreisverbands Sinsheim bemerkte am 27.5.1947 der Referent fur Flüchtlingswesen Sinsheim: Es handelt sich hier also um eine Flüchtlingsorganisation in einem groß angelegten Stil, welche nach meiner Auffassung alle die Aufgaben erledigen möchte, welche z.Zt. die staatl. Fürsorgestellen erledigen, nur mit dem Unterschied, daß die Organisation die Fragen, welche von einer staatl. Stelle genehmigt werden müssen, nicht selbst genehmigen kann. Wenn diese Organisation in dieser Form genehmigt wird, so sind die Ortsflüchtlingsausschüsse bzw. so ist das Arbeiten des Flüchtlingsvertrauensmannes in jeder Gemeinde vollkommen illusorisch, da die Ortsgruppe der IDAD die Wünsche der Flüchtlinge genau so gut an den Bürgermeister herantragen kann wie der Flüchtlingsvertrauensmann. [...] Es handelt sich hier aber nicht allein um eine Organisation kultureller und
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stellte aus Sicht der Amerikaner die von Geppert konstatierte Interessenüberschneidung jedoch nicht dar. Es entsprach dem Selbstverständnis der Organisation, sich nicht nur als überparteiliche Gruppierung zu generen, sondern sich darüber hinaus deutlich nach links und rechts gegen sog. radikale Elemente abzugrenzen. So wurde beispielsweise ein im Landkreis Heidelberg deutschnational ausgerichteter Kreis um Lasseker, Lill und Malzahn aus der Organisation vertrieben. Man habe nachdrücklichst darauf gesehen, daß die leitenden Posten nur mit Personen besetzt wurden, die [...] nach Möglichkeit bereits wieder berufstätig, also eingeliedert waren.186 Damit sollte erreicht werden, daß die führenden Personen [...] ihre Stellung in der IDAD nicht zu Radikalismus und Demagogie ausnützen - so die Selbsteinschätzung der IDAD -, da dies unter Hinblick auf die soziale Lage der Vertriebenen - als entwurzelte Menschen als größte Gefahr angesehen wird.187 Um die Verbandsziele umzusetzen, betrieb die ID AD zahlreiche lokale und regionale Aktivitäten. Regelmäßig verabschiedete sie auf lokalen und regionalen Verbandstreffen öffentliche Stellungnahmen, Eingaben an Landesregierung, Wirtschaftsrat und Militärregierung zu allen aktuellen, die Flüchtlinge betreffenden Fragen. Wichtiger jedoch scheint die individuelle Unterstützungsarbeit der IDAD fur die Flüchtlinge in den Gemeinden gewesen zu sein. Immer dann, wenn sich einzelne Flüchtlinge in Wohnraum-, politischen und wirtschaftlichen Fragen diskriminiert fühlten und sich an die IDAD wandten, nahmen sich regionale IDAD-Vertreter der Sache an, stellten Verbindungen zu den örtlichen oder regionalen Verwaltungen her, und scheuten auch nicht den Weg nach Karlsruhe in die Landesflüchtlingsverwaltung.188 Bartunek pflegte darüber hinaus informelle Kontakte zum Landeskommissar für Flüchtlingswesen und vor allem zur Militärregierung, die er im Interesse der Flüchtlingssache zu nutzen suchte.189 Damit dürfte die IDAD den frühen Flüchtlingsinteressenverband darstellen, der seine Tätigkeit am deutlichsten - soweit die bisherige rudimentäre Forschung ein solches Urteil zuläßt - an der Mitarbeit in den bestehenden Instanzen des neu aufzubauenden Deutschland ausrichtete, wenn auch als häufig ungebetener und nur ungern akzeptierter "aufmüpfiger" Partner der Sonderverwaltung. Am treffendsten formulierte Bartunek selbst den gemäßigten Ansatz der IDAD anläßlich seiner Grabrede für die IDAD 1954: I. nur wenn wir uns eng zusammenschließen, einig sind, können wir unsere Belange durchsetzen, und einen Erfolg erreichen.
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wirtschaftlicher Art, sondern um eine Landesorganisation, mit der fast gleichen Organisation der staatl. Flüchtlingsfürsorgestellen und mit den fast gleichen Aufgaben. Schreiben vom 27.5.1947 an Geppert, GLAK 466 Zug. 1981/47-1664. Radikale Elemente in der IDAD, 16.7.1948, Autor vermutlich Bartunek, GLAK NL Bartunek Nr. 3. Ebd.
188 Vgl. als Beispiel den Briefwechsel zwischen Geppeit, dem Pforzheimer Landrat, dem örtlichen Flüchtlingskommissar und der IDAD vom Frühjahr 1947 über dortige Beschwerdefalle, GLAK 466 Zug. 1981/47-1365. 189 Vgl. als Beispiel den informellen Besuch Bartuneks bei Campbell am 12.1.1949, OMGWB 12/77-3/9.
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2. unsere Forderungen müssen den gegebenen Verhältnissen entsprechen und damit realisierbar sein. 3. es müssen sich immer wieder Sprecher und Vertreter der heimatvertriebenen Menschen finden, die immer nur in erster Linie das Wohl der Menschen, die sie zu vertreten haben, sehen und nicht in der Organisation einen Selbstzweck. 4. Es ist notwendig, über größere Zeiträume hinaus eine einheitliche und klare Politik zu verfolgen, die auch einen Kompromiß nicht ausschließt, zu gegebener Zeit mit Kraft und Energie seine Belange und Rechte zu vertreten, die jedoch eine Politik ausschließt, in den Zeiten der Schwäche zu bitten und in den Zeiten der Stärke zu drohen.190 Ihre Ziele sollte die IDAD in ihrem aktivsten Jahren 1948/49 mehrgleisig verfolgen. Neben der internen Flüchtlingsarbeit innerhalb der Flüchtlingsbewegung, von der eher wenig nach außen drang, und der sich meist informeller Wege bedienenden Arbeit als "Flüchtlings-pressure-group" bemühte sie sich beständig um ihre Anerkennung als halbstaatliche Organisation. In diesen Zusammenhang ist ihre "unrühmliche" Haltung gegenüber dem Abbau der Flüchtlingssonderverwaltung einzuordnen. Neue Spielräume für die eigene Gruppierung erwartend, fiel die IDAD der einzigen Verwaltungsinstanz in den Rücken, die sich rückhaltlos der gleichberechtigten Eingliederung der Neubürger verschrieben hatte. 191 In dem Maße, in dem solche Bestrebungen ins Leere liefen, sollte Bartunek seine Bemühungen um eine über Baden hinausreichende Vereinheitlichung der Flüchtlingsverbände verstärken. Von der Erwartung geleitet, daß einem zoneneinheitlichen Flüchtlingsverband mehr politisches Gewicht zugemessen werden würde als der auf Nordbaden beschränkten, vergleichsweise kleinen IDAD, verschrieb sich Bartunek bereits Ende 1947 solchen Bestrebungen. Angesichts der heiklen Rechtslage, die eine landesweite und erst recht eine länderübergreifende Organisation von der Zustimmung der Amerikaner abhängig machte, verliefen die entsprechenden Verhandlungen im rechtsfreien Raum zwar erfolgreich, wurden aber von der Öffentlichkeit kaum bemerkt.192 Im Blickpunkt des öffentlichen Interesses stand dagegen die eigenständige Flüchtlingskulturarbeit, welche die badische Flüchtlingsorganisation als weiteren Schwerpunkt betrieb. In diesem Sinne war sie 1948 vor allem mit den sog. IDAD-Festspielen in den Medien präsent. 193 Bartunek verfolgte mit der geplanten Kulturwoche im Grunde die gleichen Absichten, die Bettinger 1947 mit der Neubürgermesse verband. In dem Kampf um die wirtschaftliche Eingliederung, so Bartunek, erschien es notwendig zu beweisen, daß wir nicht irgendwer sind, keine Fremden, sondern Deutsche, Europäer und -
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Acht Jahre IDAD, GLAK NL Bartunek Nr. 1. 191 vgl. Kapitel 5.5. Vgl. auch Gesprächsnotiz Geppert/Bartunek vom 16.3.1948, in dem Bartunek davon ausging, daß die Sonderverwaltung auf jeden Fall gekippt würde und jetzt die Flüchtlingsorganisationen zu retten hätten, was noch zu retten sei. GLAK 466 Zug. 1981/471664. 192 Vgl. Kapitel 3.3. und 3.4. l 9 -' Ende 1948 wurden beispielsweise Verbindungsmänner zu den einzelnen Parteien und karitativen Vereinigungen bestellt; vgl. IDAD Rundschreiben 4/1948, GLAK NL Bartunek Nr. 4.
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Flüchtlinge, die etwas mitbringen, eine kulturelle Tradition nämlich, die bei uns bis in die Gegenwart hinein lebendig undfruchtbar geblieben ist /.../.194 Er habe, so Bartunek in gebührender Hervorhebung der eigenen Person, auch die Öffentlichkeit, Presse und Rundfunk durch eine wahrhaft kulturelle Tat dazu zwingen wollen, sich mit dem gesamten Flüchtlingsproblem zu befassen.195 Eine solche, mit dem amerikanischen Assimilationsdiktat durchaus vereinbare Konzeption fand auf Seiten der Amerikaner und deutschen Behörden offene Ohren. Mit öffentlichen Geldern hoch subventioniert und offiziös wohlgelitten, konnte die erste Kulturwoche, die ursprünglich nur den Auftakt zu jährlich wiederkehrenden Festspielen bilden sollte, in Heidelberg im Oktober 1948 stattfinden.196 In Opern-, Schauspiel- und Konzertauffuhrungen bot sie Ausschnitte aus dem kulturellen Schaffen der Deutschstämmigen aus dem Osten bzw. Beispiele der deutschen Ostkultur, auf die sich die EDAD oder ihr Leiter Bartunek beziehen mochten.197 Die Veranstaltung, die an die Tradition der Prager Maifestspiele anknüpfen wollte, erregte große öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland und wurde von zahlreichen regionalen und überregionalen Zeitungen äußerst unterschiedlich kommentiert.198 Wie die Durchsicht der Presse erweist, entzündete sich gerade an der Auswahl der aufgeführten Komponisten und Autoren eine Debatte, die bereits die meisten Charakteristika der Diskussionen der folgenden Jahre um die Beurteilung der Politik der Flüchtlingsverbände trug. Galten die Festspiele in den Kommentaren der linken Medien als nationalistisch, militaristisch und antisemitisch,199 begrüßte die Presse der politischen Mitte den Reichtum der mitgebrachten Kultur aus dem Osten,200 so war die Kulturwoche in den Augen rechter oder konservativer Flüchtlingskreise nicht deutsch genug ausgestaltet. Die öffentlichen Reaktionen brachten die Veranstalter der ersten überregionalen Kulturwoche der Flüchtlinge Nordbadens in eigener Regie unter vehementen Rechtfertigungsdruck; doch das war nicht das schlimmste. Die Besucherzahlen blieben weit
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Bartunek, Rückblick auf die IDAD-Festspiele, ID AD Nachrichten 3/1949, GLAK NL Bartunek Nr. 1. Ebd. Heinrich Köhler übernahm die Schirmherrschaft, der frühere hessische Ministerpräsident, nun Rektor der Heidelberger Universität, hielt eine Begrüßungsrede. Aufgeführt wurden u. a. Johannes von Saaz, Der Ackermann und der Tod, eine Bearbeitung fur die Bühne von Franz Werfeis, Der veruntreute Himmel, und die 1. Sinfonie von Gustav Mahler. Geboten wurden weiter eine Reihe von Lichtbildvorträgen über die alte Heimat, GLAK NL Bartunek Nr. 40. Bartunek zählte 32 Zeitungen, die über das Ereignis berichtet hätten. Ebd. [...] wenn neben allerlei obskuren Schreibern der Hitlerfreund Kolbenmeyer gepriesen wird, während man Männer wie Brod, Kafka, Kisch und Weiskopf nicht erwähnt findet, dann dürften alle freundlich lobenden Worte über die Juden ebenso wie die betonte Aufnahme deutscher Werke jüdischer Herkunft in das Programm der Festspiele den wahren Charakter der Veranstaltung nur schlecht verschleiem.[...J Festspiele im Geiste des Mittlertums zwischen den Völkern - nichts könnte man mehr begrüßen. Wo aber aufs neue zu nationalistischer Ueberheblichkeit, zu wahrhaftig unbegründeter, und zu Volksdeutschen Aspirationen angereizt wird, da kann es nur ein entschiedenes und empörtes Nein geben. Der veruntreute Himmel, Frankfurter Rundschau vom 26.10.1948. go beispielsweise Wir sind nicht irgendwer, Mannheimer Morgen vom 10.11.1948.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
hinter den Erwartungen zurück.201 Angesichts der eben erst erfolgten Währungsreform und des herrschenden Geldmangels in Flüchtlingskreisen war die Bereitschaft, für ein kulturelles Ereignis in die Tasche zu greifen, kaum vorhanden. Die IDAD Festspiele schlossen mit einem hohen Defizit ab, das die Kasse des Flüchtlingsverbandes enorm belastete und schließlich von der nordbadischen Landesverwaltung übernommen wurde. Von der ursprünglich geplanten jährlichen Wiederholung war nach solchen unerfreulichen Erfahrungen nicht mehr die Rede. Trotz dieser eher als Fehlschlag zu bewertenden Großaktion der IDAD begann sich der badische Flüchtlingsverband nach Auflösung der Mittelinstanzen der Flüchtlingssonderverwaltung in Nordbaden mehr und mehr öffentlicher Akzeptanz zu erfreuen. Zwar erreichte der Verband seine Anerkennung als halbstaatliche Organisation nicht, doch Geppert arrangierte sich schließlich mit der Konkurrenzorganisation zur fehlgeschlagenen Sonderverwaltung und ging 1949 sogar dazu über, den Verband als "legitimen" Ansprechpartner in allen Flüchtlingsbelangen zu behandeln. Solchermaßen innerhalb Badens "befriedet", sollte die weitere politische Arbeit der "unpolitischen" IDAD und insbesondere Bartuneks 1949 ganz im Banne der landesübergreifenden Einigung der Flüchtlinge und der kommenden Wahlen zum ersten Bundestag stehen.
8.3.2.
Der Hilfsverband der Neubürger in Nordwürttemberg
Daß der Kampf um die Lizenzierung einer württembergischen Flüchtlingsvereinigung später als in Nordbaden einsetzte, erleichterte offenbar deren Durchsetzung. Als erster Kreisverband erhielt die Stuttgarter Kreisorganisation im Herbst 1947 ihre amtliche Genehmigung.202 Zwar beobachtete Campbell die Gründung mit Mißtrauen, doch regionale amerikanische und deutsche Instanzen zeigten sich gleichermaßen leutselig.203 Reinhold Maier übernahm die Schirmherrschaft der württembergischen Flüchtlingsvereinigung, wohl auch deshalb, weil der Hilfsverband in den Gründungsmonaten stark unter dem Einfluß der Caritas stand. Bettinger räumte dem neugegründeten Hilfsverband der Neubürger in seiner Rundfunkserie Unsere Neubürger sogar Raum fur eine Selbstdarstellung ein, die dank der öffentlichen Förderung des Unternehmens erstaunlich moderat und um Verständnis heischend verlief.204 Als vorläufiger Vorsitzender der Stuttgarter Flüchtlingsvereinigung erläuterte Hruby, warum es überhaupt zu der Gründung gekommen sei. Wer unser hartes Dasein kennt und weiß, wie sehr wir noch abseits zu stehen gezwungen sind, wird die Notwendigkeit keine Minute bezweifeln.205 Doch stellte er klar, daß der Hilfsverband Genaue Zahlen sind nicht aufzufinden. Zwischen 5.000 und 8.000 Besucher werden genannt; viele Veranstaltungen scheinen die vorgesehenen Räume nur halb gefüllt zu haben. Antrag auf Erlangung einer Vereinsgenehmigung vom 15.8.1947, OMGWB 12/77-3/8. LSO Stuttgart gab dem Antrag statt, Campbell kritisierte diese Entscheidung im nachhinein; siehe Kapitel 8.1. 204 Gespräch mit dem vorläufigen Vorsitzenden des Hilfsveibands der Neubürger am 16.9.1947, SDR Nr. 625, SDR Archiv. 205 Ebd. 202
Der Hilfsverband der Neubürger in Nordwürttemberg
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keineswegs gegen die Altbürger, sondern mit ihnen zusammen das Los der Flüchtlinge verbessern wolle. Im übrigen definierte sich der Verein, der in Stuttgart mit Plakaten neue Mitglieder werben konnte, ähnlich wie die IDAD als überparteilich ausgerichtete Interessenorganisation der Flüchtlinge. Wie die nordbadische Parallelorganisation begriff sich der Hilfsverein als überlandsmannschaftlich. Doch die Protokolle der ersten Sitzungen zeigen, daß diese Haltung in Stuttgart keineswegs so fraglos akzeptiert wurde wie in Nordbaden; vorerst freilich setzte sich die überlandsmannschaftliche Richtung durch.206 Die Wirksamkeit der örtlichen Neubürgerausschüsse, so Hruby, erschöpft sich im allgemeinen in Alltagssorgen, die wir gewiß nicht unterschätzen wollen. Darüber hinaus aber müssen grundsätzliche Fragen von allgemeiner Bedeutung erarbeitet, behandelt und einer Lösung nähergebracht, tiefgreifende Mißstände und ihre Ursachen erkannt und beseitigt werden. Dies ist nur in einem zentralen Verband und durch die Mitarbeit der Neubürger, die jetzt hier mehr als ein Viertel der Bevölkerung betragen, möglich.20'' Ähnlich wie die IDAD beschrieb der Hilfsverband die sachliche Teilung, die zwischen Landsmannschaften und Hilfsverband vorzunehmen sei: Aufgabe des Hilfsverbands sei das Engagement fur die Durchsetzung der Gleichberechtigung von wirtschaftlichen und sozialen Rechten. Darüber hinaus aber werden sich die Landsmannschaften bestimmter Aufgabengebiete selbst annehmen müssen. Verschiedenartigkeit der kulturellen Entwicklung, Sitten, Gebräuche, Liedgut, Unterricht und Erziehung in der Heimat sind große Teilgebiete, die einer besonderen Berücksichtigung bedürfen.20% Als Aufgaben benannte die Satzung im einzelnen: a) die Zusammenarbeit mit den Wohlfahrts- und Fürsorgebehörden, den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege, den Stiftungen, Gewerkschaften usw. zur Erweiterung und Vertiefung der Fürsorge und des sozialen Schutzes der Neubürger b) die Beratung über rechtliche Fragen im Alltag [...] c) Maßnahmen der Arbeits- und Wirtschaftsfürsorge für Jugendliche und Erwachsene zur Eingliederung in das Berufs- und Wirtschaftsleben [...] d) Mitarbeit bei der Ansiedlung der Neubürger durch enge Zusammenarbeit mit den Behörden und Verbänden.209 Damit geriet der württembergische Hilfsverband ähnlich wie die badische Schwesterorganisation zumindest theoretisch in eine Konkurrenzstellung zur Flüchtlingssonderverwaltung. Deren Bedenken suchte die Vereinigung jedoch sogleich auszuräumen.210 Man hielt ausdrücklich in der Satzung fest, daß der Verband nicht selb206
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Niederschrift über die Vorstandssitzung des Kreisveibandes Stuttgart des Hilfsverbandes der Neubürger am 3.10.1947, RG 260 OMGWB 12/77-3/8. Gespräch mit dem vorläufigen Vorsitzenden des Hilfsverbands der Neubürger am 16.9.1947, SDR Nr. 625, SDR Archiv. Ebd. Satzung des Hilfsverbandes der Neubürger, HSTAST EA2/801-428. Mit zunehmender Schwächung der Sonderverwaltung Württembergs 1949 mehrten sich die Versuche des Hilfsverbands, eine halbstaatliche Position zu erhalten; vgl. Versuch vom Juni 1949, die öffentlichen Instanzen, als Verteiler- und Dienstleistungsorgan für eine eigene statistische Erhebung zu nutzen, OMGWB 12/77-9/3.
43 8
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
ständige Maßnahmen einleiten oder durchführen (wolle), wenn die Interessen der Neubürger auch auf andere Weise durch Behörden, gemeinnützige Vereinigungen usw. ausreichend gewahrt sind.211 Erst im Verlaufe des Jahres 1948 scheint sich der Hilfsverband nach eigenem Selbstverständnis gegenüber der Sonderverwaltung zum Konkurrenzorgan entwickelt zu haben, ohne deshalb freilich die Auflösung der Flüchtlingsverwaltung zu fordern. Er bot vielmehr der von Auflösungstendenzen bedrohten Flüchtlingsverwaltung Unterstützung an, wenn die staatliche Flüchtlingsverwaltung auf den Willen der Mehrheit der Neubürger mehr Rücksicht (nähme) als bisher.212 Die politische Ausrichtung sowie den Einfluß des Hilfsverbands innerhalb württembergischer Flüchtlingskreise während der ersten Zeit nach seiner Gründung genauer zu bestimmen, fällt schwer. Es fehlte dem Verband zumindest anfangs eine so durchsetzungsfähige Leitfigur, wie Bartunek sie in Nordbaden darstellte.213 Zeugnisse politischer Interventionsversuche, wie sie von Bartunek auf allen denkbaren Ebenen der deutschen und amerikanischen Verwaltung vorzufinden sind, lassen sich seitens des Hilfsverbands nur in weitaus geringerem Umfang ausmachen. Obwohl später und damit unter günstigeren Bedingungen als der badische Verband gegründet, reichte der Hilfsverband in der Anfangszeit wohl kaum über Stuttgart hinaus - eine Stadt, die zudem angesichts der Verteilungsmodalitäten keineswegs eine besonders große und typische Flüchtlingsbevölkerung aufwies.214 Der Wortlaut mancher Resolutionen oder die Stellungnahme des württembergischen Flüchtlingsverbands zum Abbau der Sonderverwaltung lassen die Vermutung zu, daß der Hilfsverband im ersten Jahr nach seiner Gründung im Fahrwasser der IDAD schwamm. Erst Mitte bis Ende des Jahres 1948, rund ein Jahr später als in Baden, scheint der innere Aufbau der Kreishilfsverbände in ganz Württemberg abgeschlossen gewesen zu sein und die Vereinigung zunehmend ein eigenes Profil erworben zu haben.215 Doch das Ausmaß, in dem es den einzelnen Kreisverbänden gelang, die ansässigen
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Satzung des Hilfsverbandes der Neubürger, HSTAST EA2/801-428. 212 Vgl. Aktennotiz des Staatskommissariats vom 22.7.1948, ebd. 213 Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Personen wie Rueb, der Leiter des unlizenzierten Verbands der Bessarábien- und Dobrudschadeutschen, oder Leber, der Leiter der ungarndeutschen Hilfsstelle der Caritas. 214 Qaß der Hilfsverband jedoch von Anfang an bemüht war, eine landesweite Organisation aufzubauen, belegt die Zusammensetzung des sogenannten Beirats des Stuttgarter Flüchtlingsverbands: In ihm wurden auch Flüchtlinge aus den Kreisen Esslingen, Leonberg, Nürtingen, Schwäbisch Gmünd, Vaihingen und Waiblingen aufgenommen. Vgl. Schreiben des Hilfsverbands vom 21.11.1947 an die Militärregierung, RG 260 OMGWB 12/77-3/8. Gerade diese Konstruktion rief den Widerstand Campbells hervor; vgl. Kapitel 8.1. Zeitgleich bemühten sich offenbar Kreisverbände in Leonberg, Ludwigsburg, Schwäbisch Hall und Waiblingen um eine Lizenz; vgl. Protokoll des Treffens zwischen Campbell und dem Hilfsverband Stuttgart vom 2.10.1947, RG 260 OMGWB 12/77-3/8. 215 Noch 1947 gründeten sich die Kreisverbände von Schwäbisch Gmünd, Öhringen und Esslingen; bis zum März/April 1948 waren die Kreishilfsveibände von Künzelsau, Leonberg, Ludwigsburg, Mergentheim, Nürtingen und Waiblingen lizenziert. Aktionen von Hilfsverbänden sind spätestens seit Sommer 1948 für die Kreise Aalen, Göppingen, Heidenheim, Schwäb. Hall, Ulm und Vaihingen belegt. Gegen Ende 1949 besaßen alle württembergischen Landkreise einen eigenen Kreisverband.
Der Hilfsvetband der Neubürger in Nordwürttemberg
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Flüchtlinge zu rekrutieren, war recht unterschiedlich. Galt beispielsweise der Verband des Kreises Künzelsau als bestorganisierter Verein, der drei von vier erwachsenen Neubürgern erfasse, so konnte der Kreisverband Waiblingen während der Hochphase der Hilfsverbände 1949 lediglich 472 Mitglieder vorweisen.216 Als koordinierendes Organ schuf die württembergische Hilfsorganisation eine Arbeitsgemeinschaft der Neubürgerhilfsverbände in Stuttgart, der die einzelnen Kreisverbände jedoch nicht die gleiche Richtlinienkompetenz einräumten, wie sie die badische Zentrale Bartuneks nahezu unwidersprochen fur sich beanspruchte.217 Erst 1949 schlossen sich die Hilfsvereine zum "Landesverband der heimatvertriebenen Deutschen" zusammen. Im allgemeinen war 1948 die Zusammenarbeit zwischen den Kreisverbänden wohl wesentlich lockerer als in Nordbaden. Dies mag mit der anfänglich recht heterogenen politischen Ausrichtung der einzelnen Hilfsverbände zu erklären sein, die sich im ersten Jahr nach der Gründung der Hilfsvereine keineswegs wie die IDAD-Kreisverbände insgesamt auf eine als unpolitisch verstandene, politisch gemäßigte Linie der Mitte einschwören ließen. War beispielsweise der Künzelsauer Verein in den Augen des amerikanischen Überwachungsoffiziers SPD-dominiert,218 der Ulmer nach Meinung der Besatzer sogar in der "Gefahr", kommunistisch infiltriert zu werden,219 so galten andere Kreisverbände als unpolitisch und kooperativ im Umgang mit den Behörden220 oder der CDU nahestehend wie der Hilfsverein des Kreises Schwäbisch Hall.221 Insbesondere die Hilfsverbände Esslingens und Schwäbisch Gmünds waren mit ihrer Führungsgruppe, die sich aus ehemaligen NSDAPMitgliedern zusammensetze, den amerikanischen Beobachtern äußerst suspekt.222 Doch gerade der Esslinger Verein sollte sich 1948/49 zum schlagkräftigsten Kreisverbands Württembergs entwickeln. Er umfaßte 1949 rund 4.000 Mitglieder, war straffstens und offenbar mit Rückgriff auf einschlägige Erfahrungen aus der NSZeit durchorganisiert worden223 und leistete über gewählte Vertrauensleute als Ansprechpartner von jeweils 10 bis 15 Familien intensive persönliche soziale Betreu216
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223
Mitglieder: Esslingen März 1949 4.000 Mitglieder, in 27 der 29 Orte organisiert, 5 bezahlte Angestellte, OMGWB 12/77-3/6, Künzelsau: Januar 1949 1.500 Mitglieder, wahrscheinlich sind drei Viertel der erwachsenen Flüchtlinge Mitglieder des Vereins, mit Ausnahme von 2 Orten haben alle Orte Ortsgruppen; LSO-Bericht vom 12.1.1949, OMGWB 12/76-2/25, Ludwigsburg: Mitgliedsstand Juli 1948: 1.000, OMGWB 12/77-3/7, Schwäb. Gmünd: Mitgliedsstand August 1948: 3.240, OMGWB 12/77-3/3 Schwäb Hall: August 1948, 2.200 Mitglieder, OMGWB 12/77-3/3, Ulm: August 1948 937 Mitglieder, OMGWB 12/77-3/8, Mitglieder März 1949 2.600, OMGWB 12/77-3/5, Vaihingen: Januar 1949 1.600 Mitglieder, OMGWB 12/762/26, Waiblingen: März 1949 472 Mitglieder, OMGWB 12/76-2/25. Vom Künzelsauer Hilfsverband berichtete der Beobachter der Militärregierung im August 1948, daß der Verein sich bisher weigere, dem Arbeitskreis beizutreten; OMGWB LSO 12/773/7. LSO-Bericht vom 11.8.1948, ebd. LSO-Bericht vom 19.8.1948, OMGWB LSO 12/77-3/8. Als Beispiele seien genannt: LSO-Bericht vom 9.6.1949 über Aalen, OMGWB LSO 12/773/1; LSO-Bericht vom 26.8.1948 über Vaihingen, OMGWB LSO 12/76-2/26. LSO-Bericht vom 11.8.1948, OMGWB LSO 12/77-3/7. LSO-Bericht Schwäbisch Gmünd vom 25.8.1948, OMGWB LSO 12/77-3/3; zu Esslingen vgl. RG 260 OMGWB 12/77-3/6. 80 % der Aktiven waren laut amerikanischer Beobachtung ehemalige NSDAPMitglieder, ebd.
440
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
ungsarbeit.224 Der ursprünglich unter CDU-Einfluß stehende Kreisverband wandelte sich im Laufe des Jahres 1948 zur rechtsextremistischen deutschnationalen Vereinigung.225 Zur weit über die Grenzen des Kreises bekannt werdenden Gallionsfigur sollte sich der Flüchtling und katholische Pfarrer Ott entwickeln. Den später einzigen direkt gewählten Bundestagsabgeordneten der Notgemeinschaft, Ott, charaktersierten die amerikanischen Beobachter als charge of HdN (Hilfsverband der Neubürger) "cultural matters", rabid anticommunist, but extreme nationalist, dessen Reden mit nationalistic attitude and theatrical approach stark agitatorischen Charakter besaßen.226 His favored expression: "Im Glaube stark, deutsch bis ins Mark. "[...] By his speaking abilities, he has always drawn large audiences and has been the center of considerable controversy regarding his personal life and his nationalistic tendency.211 Die amerikanischen Protokolle von Otts Reden können eine derartige Einschätzung nur bestätigen.228 Neben Ott traten gegen Ende des Jahres 1948 und insbesondere 1949 der spätere erste Vorsitzende des Landesverbands, Dr. Mocker229, ein Rechtsanwalt aus Schwäbisch Gmünd, sowie der erste Vorsitzende 1948 und spätere zweite Vorsitzende, Prof. Holubar aus Geislingen, in den Vordergrund.230 Holubar übernahm den Vorsitz des Arbeitskreises in Stuttgart und entfaltete während des letzten halben Jahres vor der ersten Bundestagswahl eine rege Tätigkeit als Redner auf Flüchtlingsversammlungen im ganzen Land231, bisweilen auch über die Grenzen Württembergs hin-
224
LSO-Berichtvom 13.1.1949, ebd. LSO-Berichtvom 20.3.1948, OMGWB 12/77-3/7. Nach eigenem Selbstverständnis verteidigte der Kreisverband Esslingen eher die Demokratie gegen die aufkommende Rechtslastigkeit der Flüchtlinge, so die Daxstellung in einem Unterstützungsgesuch an die Militärregierung vom 16.8.1948, OMGWB 12/77-3/9. 226 LSO-Berichtvom 23.3.1949, OMGWB 12/77-3/6. 227 LSO-Berichtvom30.3.49,ebd. 22i * Ausschnitte aus einer Rede Otts, LSO-Bericht vom 25.August 1948: The misery of the expellees is great. Daily many come asking for help. Many actives say, we expellees are instigators. They are those who have nice positions with salaries of600.- marks a month. They tell us that the Landrat himself is a refugee and that most of his employees are refugees. We know them, we were expelled by their parties, by the proletarian parties (meaning the SPD). [...] We were the frontline fighters of the Germanic people. We have fought for you natives here, so that you could live in peace. [...] When the war was over, I heard of crimes and cruelties that I have not seen. I was in Russia and all I know is that the German soldiers werde decent. I have seen no cruelties committed by them, but what I have seen in Prague is inpossible to describe. [...] If you make an equalization of burdens, then send us back home again. [...] We want to be Germans, and stay Germans, strong in our belief, German to the marrow. (Im Glaube stark, Deutsch bis ins Mark.) OMGWB 12/77-3/5. Ott stammte aus Ottenreuth, Kreis Dachau, hatte in Prag studiert und die Priesterweihe empfangen. Nach der deutschen Besetzung des Sudetenlandes wurde er Mitglied der NSDAP, seit 1940 Soldat in einem Sanitätskorps der Wehrmacht. Im September 1947 wurde er der Gemeinde Esslingen als Pfarrvikar zugewiesen; vgl. STRÜBER (1990) S. 322. 229 Dr. Karl Mocker, geboren in Horatitz am 22.11.1905, Rechtsanwalt und Staatssekretär a.D., 1950-1954 Landtagsabgeordneter fur den BHE. 230 Über Heinrich Holubar ist wenig bekannt. Er kandidierte erfolglos für die Notgemeinschaft im Wahlkreis Göppingen, gehörte zu den Feindbildern Bartuneks. 231 Wahlkampfreden Holubars in Esslingen, RG 260 OMGWB 12/77-3/6, Heidenheim und Künzelsau, RG 260 OMGWB 12/77-3/7, Mergentheim, Nürtingen RG 260 OMGWB 12/77-3/4, 225
Der Hilfsverband der Neubürger in Nordwürttemberg
441
aus.232 Sein wenig überparteiliches Engagement brachte ihm offenbar, ähnlich wie Bartunek, in den eigenen Reihen so viel Kritik ein, daß er im August 1949 mit knapper Mehrheit auf den zweiten Platz in der Hierarchie der Hilfsverbände verwiesen wurde. 233 In seiner Ausdrucksweise zwar nicht so militant wie Ott, aber politisch wohl ähnlich ausgerichtet wie der aggressiv auftretende rechtsradikale Flüchtlingspfarrer, versäumte er in keiner Rede, als politisches Ziel der Flüchtlinge das Recht auf Heimkehr in die alte Heimat zu formulieren. Konsequenterweise waren alle auf die Aufhahmegesellschaft ausgerichteten Forderungen diesem Ziel unterzuordnen. Die Militärregierung begegnete Ott und Holubar mit großer Skepsis und befürchtete negative Auswirkungen für die geforderte Flüchtlingsassimilation durch die Politik der Hilfsverbände. The leadership's open promise to the masses of expellees that they will be allowed to return home in addition to other impossible promises, has lead to rapid expansion of the organization and consequently exploitation of the refugee in the street. While the organization claims to have united the expellees and aided in their assimilation, the facts indicate quite to the opposite.234 Auch die EDAD pflegte ein eher distanziertes Verhältnis zu den Hilfsvereinen und fühlte sich politisch und in Aktionen dem hessischen Flüchtlingsverband näher als der Nachbarvereinigung im eigenen Land. Bartunek scheint sogar inoffiziell Versuche unternommen zu haben, eine württembergische Opposition gegen Ott und Holubar im Stuttgarter Arbeitskeis zu stärken. Doch angesichts der Auswirkungen der Währungsreform, des Ausbleibens des Lastenausgleichs, der herrschenden Wohnkonflikte und einer umsichgreifenden Ernüchterung in den Zukunftserwartungen dürften Ott und Holubar 1949 der Stimmung zahlreicher in Württemberg angesiedelten Flüchtlinge Ausdruck verliehen haben. Anders als in Baden bedurfte es dann auch in Württemberg innerhalb der Flüchtlingsvereinigungen keiner längeren Debatte um die Art der eigenen Wahlbeteiligung an der ersten Bundestagswahl. Holubar und Ott befürworteten von vornherein die Gründung einer eigenen Flüchtlingspartei. Es war der Hilfsverein des Kreises Göppingen, der schließlich die Lizenzierung der Notgemeinschaft für Württemberg-Baden beantragte.235 Den massiven Zulauf, den die Vereinigung 1949 erlebte, und die rege Tätigkeit im Sinne einer politisch eigenständigen Partei verstärkten die amerikanischen Bedenken gegen die Vereinigung. Der zuständige Überwachungsoffizier im Kreis Esslingen brachte auf den Punkt, was mehr oder weniger alle amerikanischen Beobachter an die Landeszentrale weiterleiteten: The HdN from the start advocated the immediate return home of all expellees and has continued its agitation on this point up to the present. While it is true that they assisted many expellees with their problems, their methods most of the time were such as to further alienate the expellee in his assimilation into the native Schwäbisch Gmünd und Schwäbisch Hall, RG 260 OMGWB 12/77-3/3, Vaihingen RG 260 OMGWB 12/76-2/26. Er intervenierte offensichtlich im hessischen Gemeindewahlkampf und erreichte dort, daß die NDP (Nationaldemokratische Partei) eine große Zahl ihrer Sitze den Flüchtlingen einräumte, LSO-Bericht vom 27.4.49, RG 260 OMGWB 12/77-3/2. 233 Ygi Einfluß der Parteien im Neubürgerverband, Die Neue Zeitung vom 23.8.1949. 234 LSO-Bericht vom 1.9.1948 über den Hilfsverband Esslingen, RG 260 OMGWB 12/77-3/5. 235 Vgl. Kapitel 8.5.
232
442
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
population.™ Zu einem Vorgehen gegen die Vereinigung konnte sich die Militärregierung indes nicht durchringen.
8.3.3.
Zwischen wirtschaftspolitischem Interessenverband und landsmannschaftlicher Flüchtlingsvereinigung: die Ausgestaltung des Zentralverbands
Es war offenbar vor allem Bartunek, der sich in der amerikanischen Zone dem Ziel verschrieb, die gleichgesinnten Flüchtlingsverbände zusammenzuschließen. Bereits im November 1947, noch bevor der badische Flüchtlingsverband offiziell die Lizenz als Landesverband besaß, initiierte die EDAD ein erstes überparteiliches Treffen der Flüchtlingsorganisationen der amerikanischen Zone in Heidelberg, an dem neben Vertretern der IDAD der "Hilfsdienst der Vertriebenen" (Hessen), der "Hilfsverband der Neubürger" (Württemberg), der Selbsthilfeverband "Neue Heimat" (Bayern),237 alle überlandsmannschaftlich organisiert, aber auch die "Landsmannschaftliche Vereinigung der Ostsudetendeutschen" (Bayern) teilnahmen.238 Die Abgeordneten der einzelnen Verbände verabschiedeten bei dieser Gelegenheit ein Grundsatzpapier mit 23 Punkten, um die einzelnen Gruppierungen auf eine einheitliche Einschätzung der gesellschaftlichen Ziele der Neubürger zu verpflichten.239 Im einzelnen forderte man die Besetzung von öffentlichen Ämtern im Flüchtlingsbereich mit Flüchtlingen, eine staatliche Förderung der Selbsthilfeorganisationen und vor allem die Gleichberechtigung der Neubürger mit den Altbürgern in allen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere einen gerechten Lastenausgleich, die paritätische Gleichstellung in allen Berufen und selbständigen Gewerben, Anerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen, beschleunigten Siedlungsbau und Beseitigung der Untermietverhältnisse. Es dürfte den einzelnen Gruppierungen nicht schwer gefallen sein, bei diesen Themen Einigkeit zu erzielen. Doch in dem Papier unternahmen die Selbsthilfegruppen auch den Versuch, ihr Verhältnis zu den Altbürgern, den Parteien und Landsmannschaften zu klären. Aufgabe der Selbsthilfeverbände, die unter allen Umständen überparteilich bleiben müßten, sei es, bei den Vertriebenen und Einheimischen den versöhnlichen Willen zum Zusammenleben zu fördern [...]. Hierzu ist anzustreben, möglichst große Verbände im Landesmaßstab zu bilden, die einerseits den Vertriebenen gegenüber, andererseits den Behörden gegenüber Ansehen und Achtung genießen. Es sollen alle Vertriebenen erfaßt werden, wobei ein gegenseitiger Wettbewerb unbedingt zu vermeiden ist, um nicht Verwirrung in die Reihen der Vertriebenen zu tragen.240 Offenbar 236
LSO-Bericht vom 30.3.1949, OMGWB 12/77-3/6. Diese Vereinigung nahm zwar auch Altbürger auf, definierte sich selbst aber als Flüchtlingsvereinigung. 238 GLAK NL Bartunek Nr. 4. 23 ® Ergebnis der Heidelberger Aussprache der kulturellen und wirtschaftlichen Selbsthilfeorganisationen in Baden, Bayern, Hessen und Württemberg, 15.11.1947, GLAK NL Bartunek Nr. 5. 2 *0 Ebd. 237
Die Ausgestaltung des Zentralveibands
443
hatte Bartunek die Vertreter der anderen Verbände auf seine gemäßigte, an dauerhafter Eingliederung orientierte Haltung und damit auch auf den stillschweigenden Verzicht auf einen Rückkehranspruch verpflichten können. Intern scheint es darüber wenig Diskussion gegeben zu haben; am letztlich erhobenen Alleinvertretungsanspruch der Flüchtlingsinteressen sollten sich indes die Landsmannschaften zukünftig reiben. Das Papier betonte zwar ausdrücklich, daß die freie kulturelle Betätigung und Pflege landsmannschaftlicher Sitten und Gebräuche sichergestellt sein müsse, doch wurde den Landsmannschaften auch gleich eine eindeutige Interpretation ihrer Aufgabe mit auf den Weg gegeben: Die Pflege dieser Gebräuche soll jedoch so gehalten sein, daß der Blick nicht in die Vergangenheit gerichtet bleibt, sondern der Lebensmut für die Gegenwart und die Zukunft gestärkt wird Es muß der Mut gefunden werden zur Wahrheit und zur "Desillusion".241 Wie sich in den nächsten Jahren abzeichnete, waren die Landsmannschaften in der amerikanischen Zone wenig bereit, sich auf diese Art einbinden zu lassen. Ihrem eigenen Selbstverständnis dürfte die Aufgabendefinition, die Lukaschek im November 1949 vorlegte, wesentlich mehr entsprochen haben. Ihre Aufgabe ist es, die heimatlichen Zusammenhänge zu wahren, die Erinnerung an die Heimat und den Anspruch auf die Heimat zu pflegen und die Vertriebenen in kultureller Hinsicht zu leiten. Auch sind sie selbstverständlich überparteilich.242 Zum ersten Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Standpunkte kam es beim zweiten zonenweiten Treffen im März 1948, das in Heidelberg unter Beteiligung Badens,243 Hessens244 und Bayerns,245 aber ohne Teilnahme Württembergs246 stattfand.247 Der hessische Verband Schloß sich in allen Punkten der Position der IDAD an. Widerspruch kam aus Bayern. Nach Meinung eines Teils der Repräsentanten der bayerischen sudetendeutschen Landsmannschaft stellte die einzig denkbare Vertriebenenorganisation die Zusammenfassung unter landsmannschaftlichen Gesichtspunkten dar. Sie böte den Vertriebenen ein Ventil für die aufgestauten Gefühle. Nur bei Wahlen sei an überlandsmannschaftliche Organisationsformen zu denken. Mehrheitsfahig war diese Position in Heidelberg nicht. Vor einer spalterischen, gefühlsbetonten Politik warnten Vertreter Hessens, Badens und Bayerns gleichermaßen. Zunächst seien die Zentralverbände aufzubauen, dann erst sei an kulturelle Untergliederungen zu denken. Die kontroverse Grundsatzfrage, ob es in erster Linie die Aufgabe der Flüchtlingsverbände sei, innenpolitisch für die Rechte der Vertriebenen innerhalb der 241 Ebd. 242 Lukaschek, Die Organisationen der Vertriebenen, in: Archiv, Nr. 22, Jg. 1949. 243 IDAD. Aus Hessen kam ein Vertreter des sogenannten Zwölferausschusses der Flüchtlingsverbände; die hessischen Verbände waren offenbar gerade dabei, eine einheitlichen Landesveiband zu schaffen. 245 Landsmannschaftliche Vereinigung der Ostsudetendeutschen, Hilfs- u. Kulturverein der Sudetendeutschen, Bayreuth, Sudetendeutsche Landsmannschaft, Memmingen, Selbsthilfeverband Neue Heimat. 246 D e r württembergische Verein scheint zu diesem Zeitpunkt noch voll mit dem Aufbau der eigenen Organisation beschäftigt gewesen zu sein. 247 Protokoll über die 2. Zonentagung der Vertreter der Flüchtlingsorganisationen in der U.S. Zone vom 6.3.1948, GLAK NL Bartunek Nr. 5.
444
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Aufnahmegesellschaft zu kämpfen, oder ob zukünftig vor allem außenpolitisch um die Rücknahme der Potsdamer Beschlüsse gerungen werden solle, schwang zwar in den Aussprachen mit, offen ausdiskutiert wurde das brisante Thema jedoch nicht. Vorderhand begrub man den Konflikt. Beim nächsten Treffen im Juni 1948, wie gewohnt in Heidelberg, fehlten jedoch die landsmannschaftlich geprägten bayerischen Verbände. Sie waren 1948 hauptsächlich damit beschäftigt, um einen bayerischen landsmannschaftlichen Zusammenschluß auf Landesebene zu ringen.248 Stattdessen hatte die IDAD an den offiziell um Erlaubnis zu bittenden Besatzern vorbei Kontakte zu den Flüchtlingsverbänden in der britischen Zone geknüpft. 249 Die Vertiefung dieser Kontakte sollte dann auch die Juni-Sitzung bestimmen und im Oktober zur Bildung eines Koordinierenden Ausschusses als Dachorganisation fuhren. Als alleinige Interessenvertretungen der jeweiligen Landesflüchtlingsverbände erkannten sich die IDAD (Nordbaden), die "Arbeitsgemeinschaft der Hilfsverbände der Neubürger" (Nordwürttemberg), die "Arbeitsgemeinschaft der Ostvertriebenen" (Hessen), die "Landesarbeitsgemeinschaft der Ostvertriebenen" (Nordrhein-Westfalen), die "Arbeitsgemeinschaft der Heimatvertriebenen" (Schleswig-Holstein), die "Landesgemeinschaft der Ostvertriebenen" (Niedersachsen) und die "Arbeitsgemeinschaft der Ostvertriebenen" (Hamburg) gegenseitig an und beschlossen fur die Zukunft eine engere Zusammenarbeit als Dachorganisation der überparteilichen, überkonfessionellen und überlandsmannschaftlichen Heimatvertriebenenlandesverbände. 250 Die IDAD wurde mit der vorläufigen Wahrung der Geschäfte betraut. An die bayerischen Vertreter richtete man den Appell, möglichst schnell für eine landesweite Organisation zu sorgen. Wie die Sitzungsprotokolle zeigen, hatte die IDAD den Zusammenschluß vehement und offenbar im Gefühl des Zeitdrucks angesichts drohender Konkurrenz seitens der sich in Bayern und der britischen Zone abzeichnenden landsmannschaftlich geprägten Gründungen vorangetrieben. Um eine erneute interne Debatte über die "richtige" Organisationsweise der Flüchtlinge - primär landsmannschaflich, dann erst übergeordnet, oder umgekehrt - kam man auch in den Gesprächen mit den Repräsentanten der britischen Zone nicht herum. Dort, das sollte sich schnell erweisen, waren die landsmannschaftlich geprägten Verbände im Vormarsch. Auch waren in der britischen Zone die landesweiten Zusammenschlüsse keineswegs so weit gediehen wie in Hessen und Württemberg-Baden, und somit war der junge bizonale Koordinierungsausschuß in seiner geplanten Form nicht haltbar. 251 Man reduzierte daher in Heidelberg anläßlich des Novembertreffens den
249
250 251
In Heidelberg waren vertreten die IDAD, die Arbeitsgemeinschaft der Ostvertriebenen, Hessen, als nunmehriges Zentralorgan der hessischen Flüchtlingsvereinigungen, zum ersten Mal der Hauptausschuß der Flüchtlinge und Ausgewiesenen in Bayern; die Arbeitsgemeinschaft der Kreishilfeverbände der Neubürger, Württemberg, fehlte entschuldigt. Vgl. Protokoll über die 3. Zonentagung der Vertreter der Flüchtlingsorganisationen in der Bizone am 12.6.1948 in Heidelberg, GLAK NL Bartunek Nr. 5. Für den Hauptausschuß der Ostvertriebenen in der britischen Zone, den Koordinierungsausschuß der überlandsmannschaftlich organisierten Kreisflüchtlingsverbände, war Siegfried Kahler, Westfalen, angereist. Entschließung der Versammlung vom 23.10.1948, GLAK NL Bartunek Nr. 5. Zeitgleich zum von der IDAD beeinflußten Einigungsversuch in der amerikanischen Zone liefen entsprechende Bestrebungen um die von Lukaschek und Göbel gegründete und lands-
Die Ausgestaltung des Zentralveibands
445
Koordinierungsausschuß auf ein Organ des Meinungsaustausche mit den Verbänden der britischen Zone und gab den Alleinvertretungsanspruch notgedrungen wieder auf. In den nächsten Monaten verstand sich der Koordinierungsausschuß unter der Führung Bartuneks dann auch in erster Linie als Organ der Flüchtlingsverbände der amerikanischen Besatzungszone mit dem Ziel, den Lastenausgleich zu beinflussen und das öffentliche Auftreten der Flüchtlinge zu vereinheitlichen. Nachdem wohl unter dem maßgebenden Einfluß Lukascheks auch in der britischen Zone die Bildung von Landesflüchtlingsverbänden große Fortschritte gemacht hatte, ging die Flüchtlingsfunktionäre im Frühjahr 1949 endgültig daran, einen einheitlichen Bizonenverband zu schaffen. Die offizielle Gründung des Zentralverbands der vertriebenen Deutschen (ZVD) erfolgte schließlich im April 1949. Seine Organisationsstruktur war ursprünglich auf eine paritätische Beteiligung der Zonenverbände der britischen und der amerikanischen Zone unter ihren Vorsitzenden Kather und Bartunek ausgerichtet.252 Das Plenum, bestehend aus den 22 Vertretern der einzelnen Landesverbände, sollte in vierteljährlichen Abständen tagen. Monatliche Treffen waren für den Vorstand geplant, der sich aus den jeweiligen vier Landesverbandsvorsitzenden der britischen und amerikanischen Zone bildete. Zwischen den Treffen bestimmte der engere Ausschuß, bestehend aus dem ersten Vorsitzenden, dem späteren Vertriebenenminister Hans Lukaschek (BZ), dem ersten Stellvertreter, Bartunek (AZ) und dem zweiten Stellvertreter, Rudolf Winter (BZ), die Politik des Verbandes. Und die dortige Gewichtung zwischen britischen und amerikanischen Zonenverbänden von 2 : 1 dürfte dem tatsächlichen Kräfteverhältnis weitaus näher gekommen sein als die formale Gleichgewichtung der Verbände, auch wenn der ZVD Bartunek ermächtigte, von der IDAD-Geschäftsstelle aus Eingaben zu fertigen und zu unterschreiben, und die Führung der Geschäfte des ZVD der IDAD-Geschäftsstelle vorläufig übertrug. 253 mannschaftlich geprägte Gesamtvertretung, eine nach Meinung der Flüchtlingsvertreter der amerikanischen Zone "spalterische" Organisation, der jedes Recht fehle, für die Flüchtlinge zu sprechen. Vgl. Sitzungsprotokolle der Bizonentagung in Heidelberg vom 23.10.1948 und 27.11.1948, GLAK NL Bartunek Nr. 5. Zur Person Göbels und zur Entwicklung in der britischen Zone vgl. STEINERT (1990a) und (1990b). 252 D e r Zentralverband gliederte sich 1. in den Zonenverband der vertriebenen Deutschen im amerikanischen Besatzungsgebiet Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände, Vorsitzender Bartunek, Baden: 2 Mitglieder Bayern: 5 Mitglieder Hessen: 2 Mitglieder Württemberg: 2 Mitglieder 2. in den Zonenverband der vertriebenen Deutschen im britischen Besatzungsgebiet - Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände Vorsitzender: L. Kather (CDU) Hamburg: 2 Mitglieder Niedersachsen: 4 Mitglieder Nordrhein-Westfalen 3 Mitglieder Schleswig-Holstein 2 Mitglieder. ID AD Nachrichten 5/1949, GLAK NL Bartunek Nr. 1. 253 Protokoll über die 8. ordentliche Landesvorstandssitzung am 22. Mai 1949 in Neckargemünd, GLAK NL Bartunek Nr. 10.
446
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Vorderhand sollte die mit der Kräfteverteilung eng verwobene Frage nach dem Stellenwert des landsmannschaftlichen Gedankenguts jedoch nur eine untergeordnete Rolle für die Arbeit des neuen Bizonenverbandes spielen. 254 Im Mittelpunkt der Treffen des ZVD-Vorstandes standen die geplanten Wahlen zum ersten Bundestag. 2 5 5 Bis zu diesem Zeitpunkt schien es den Teilnehmern der ZVD-Sitzungen offenbar durchaus noch möglich, kurz- bis mittelfristig eine Einigung der über- und landsmannschaftlich geprägten Verbände unter dem Dach und Konzept des Z V D zu erreichen. Erst im Herbst 1949, nach der Ernennung der CDU-Mitglieder Lukaschek zum ersten Vertriebenenminister und des ebenfalls landsmannschaftlich geprägten Ottmar Schreiber z u m Staatssekretär zeichnete sich für den Z V D das Scheitern des Plans ab, die Landsmannschaften auf die Kulturarbeit im Rahmen einer Flüchtlingspolitik zu beschränken, die als Eingliederungspolitik verstanden wurde. 2 5 6 Bartunek z o g relativ schnell die Konsequenzen. Bereits Ende 1949 gab er seinen Vorsitz und seine Mitarbeit im Z V D auf, offiziel, da [...] meine Staatsstellung notwendigen
254
Sitzungen
und Besprechungen
es nicht ermöglichte,
in Bonn teilzunehmen
an den
257
Bartuneks Einschätzung des Organisationsstands der Flttchtlingslandesveitiände in der Bizone zu diesem Zeitpunkt: Niedersachsen: bestehen keine Schwierigkeiten, klare Verhältnisse, Schleswig-Holstein: ebenfalls. Hamburg: noch nicht ganz klar, der Vorsitzende Dr. Kather ist verstimmt, da er nicht zum Vors.Stellvertreter im ZVD gewählt wurde. Rheinland-Westfalen: Einigung zwischen Flü-Organisation (Göbel) und dem staatl. Flüchtlingsverband ist erfolgt. Mit der Genehmigung des Landesverbandes dürfte zu rechnen sein. Amerikanische Zone: Hessen - durch Aktion Holubar ziemlich angeschlagen. Württemberg: Klärung mit Holubar noch nicht erfolgt, aus taktischen Gründen. Bayern: Eine Einigung immer noch nicht erfolgt. Neubürgerbund Passau (Goetzendorff) erhebt primären Anspruch darauf, allein berechtigt zu sein, für die Vertriebenen Bayerns zu verhandeln. Protokoll über die 8. ordentliche Landesvorstandssitzung am 22. Mai 1949 in Neckargemünd, GLAK NL Bartunek Nr. 10. 255 Vgl. Kapitel 8.5. 256 vgl. Protokoll der ZVD-Sitzung vom 2.10.1949, GLAK NL Bartunek Nr. 22. Das Scheitern kommentierte Bartunek grollend später: Die Notwendigkeit der Landsmannschaften habe ich nie geleugnet und mich mit dieser Tatsache schon 1949 abgefunden, jedoch seinerzeit als Vorsitzender des ZVD mich bemüht, eine gemeinsame Basis zu finden und diese gemeinsame Basis glaubte ich in Göttingen in den Gesprächen mit Verhandlungen mit den Landsmannschaften gefunden zu haben, nachdem die Landesverbände die wirtschaftlichen Belange und die Landsmannschaften die kulturellen Belange der Heimatvertriebenen vertreten sollen. Bartunek, Acht Jahre ¡DAD, GLAK NL Bartunek Nr. 1. 257 Bartunek, Acht Jahre IDAD, GLAK NL Bartunek Nr. 1. Noch im Oktober war Bartunek in einer Kampfabstimmung mit 13 Stimmen zum ersten Vorsitzenden gewählt worden. Der spätere Vorsitzende, Kather, erhielt nur 9 Stimmen und mußte sich mit der Position des 2. Vorsitzenden zufriedengeben. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt gab Bartunek bekannt, daß er sich aus der Arbeit des ZVD demnächst zurückziehen wolle. Vgl. Protokoll der ZVD-Sitzung vom 2.10.1949, GLAK NL Bartunek Nr. 22.
Neubürger in die Gemeinderäte?
8.4.
447
Neubürger in die Gemeinderäte?
Wohl um der neuen Zusammensetzung der württemberg-badischen Bevölkerung Rechnung zu tragen,258 hatte der Landtag im Oktober 1947 beschlossen, sämtliche Gemeinderäte, Bürgermeister, Kreistage und Landräte Württemberg-Badens ab Dezember 1947, rund zwei Jahre nach der letzten Wahl, neu wählen zu lassen.259 Zwar knüpfte das Gesetz - wie gewohnt - die Wahlberechtigung an einen einjährigen Aufenthalt in der Gemeinde, doch weitaus der größte Teil der Neubürger hielt sich bereits entsprechend lange im Lande auf, so daß die Gemeinderatswahlen vom Dezember 1947 die ersten Wahlen in Württemberg-Baden darstellten, in denen der Wählerwille der neuen Einwohner Berücksichtigung finden konnte. Angesichts der vorgegebenen Wahlmodi waren die Kreistagsmitglieder nach dem Mehrheitswahlrecht, die Gemeinderäte jedoch in der Regel nach dem Verhältniswahlrecht entsprechend den auf Listen vereinigten Stimmenanteilen zu wählen.260 Nach dem Mehrheitswahlrecht war bei der Gemeinderatswahl allein in solchen Gemeinden zu verfahren, in denen nur eine Vorschlagsliste eingereicht wurde. So sprach einiges dafür, daß neben der Beteiligung von Flüchtlingen auf den Listen der zugelassenen Parteien261 auch die Bildung unabhängiger Flüchtlingslisten die Repräsentanz der Neubürger in den Gemeinderäten und damit ihr politisches Gewicht in den Gemeinden verstärken würde. Militärregierung, Regel- und Sonderverwaltung begleiteten und beobachteten daher mit großem Interesse die Wahlvorbereitungen der Neubürger. Wie die internen Diskussionen in Flüchtlingskreisen schnell zeigten, war man durchaus daran interessiert, die Chance zu nutzen, den politischen Einfluß der Neubürger in den Gemeinden zu verstärken. Seitens der zugelassenen Parteien und lokalen angestammten Wählervereinigungen bestand jedoch wenig Bereitschaft, Flüchtlinge
Man mußte aufgrund der Ergebnisse der Wahlen zum Landtag in einer großen Zahl von Gemeinden und Kreisen die Überzeugung gewinnen, daß die Ergebnisse der Wahlen der ersten Monate des Jahres 1946 nicht mehr ihre volle Gültigkeit hatten. [...] Weite Kreise konnten damals ihr Wahlrecht nicht ausüben, denen es heute zugefallen ist, so ein Teil der früheren Parteigenossen, die Neubürger, die Evakuierten, zurückgekehrte Kriegsgefangene. Oberbürgermeister Brandenburg (DVP, Pforzheim) in einer Rundfunkrede am 14.11.1947 über die anstehenden Kommunalwahlen, SDR Nr. 851, SDR Archiv. 259 Gesetz Nr. 328 über die Neuwahl der Gemeinderäte und Bürgermeister, Kreistage und Landräte vom 23.10.1947, Reg.Bl. vom 30.10.1947. 260 V g l Verordnung Nr. 105 vom 7.3.1946, Kreiswahlordnung, Reg.Bl. 1946, S. 51 f., fiir Württemberg die Deutsche Gemeindeordnung in der Fassung des Anwendungsgesetzes Nr.30 vom 20. Dezember 1945, Reg.B1.1946, S. 55 ff., für Baden 1. Verordnung, Gemeindewahlordnung vom 20.12.1945, Amtsblatt der Landesverwaltung Baden 1946, S. 58 ff. 261 vgl. Schreiben Bartuneks vom 2.1.1948 an Geppert, aus dem hervorgeht, daß die 1DAD auch das Kandidieren auf Parteilisten unterstützte. [...] Es heißt, die Vertriebenen sollen unpolitisch bleiben bzw. in den bestehenden pol. Parteien aufgehen. Ich habe daher vor den Wahlen den V. nahegelegt, bei den einzelnen pol. Parteien sich aufstellen zu lassen, jedoch als Parteilose, sofern möglich. In Eutingen haben wir den pol. Parteien vorgeschlagen Kraupner der DVP, Dr. Wager der CDU und Baumeister Grass! der SPD; die Personen hatten nichts mit den Parteien zu tun, die Reihenfolge hätte auch anders lauten können, sondern wir haben uns nur von den örtlichen Verhältnissen leiten lassen. Nebenbei haben CDU und SPD abgelehnt.^..] GLAK 466 Zug.1981/47-56.
448
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
auf den eigenen Wahlvorschlagslisten zu berücksichtigen. 262 Die Neubürger gingen in der Folge mehr und mehr dazu über, eigene Listen zu präsentieren, ein Verfahren, das dem politischen Assimilationsdiktat der Besatzer widersprach, aber letztlich von ihnen nicht verhindert werden konnte. Zwar versuchte die Militärregierung, die sich abzeichnende Separierung mit dem Verbot, Flüchtlingslisten als solche zu kennzeich-
Tabelle 60: Neubürger in den Gemeinderäten und Kreistagen Nordbadens 1948 Gemeindedavon räte Neubürger °/ύ
η (1)
η (2)
(3)
Stadtkreise: Mannheim Karlsruhe Heidelberg Pforzheim Summe:
48 48 36 30 162
1 4 4 0 9
2,1 8,3 9,0 0 5,6
Landkreise: Bruchsal Buchen Heidelberg Karlsruhe Mannheim Mosbach Pforzheim Sinsheim Tauberbh. Summe:
460 698 614 664 386 554 366 586 768 5.096
22 151 105 87 42 101 23 143 123 797
4,8 21,6 17,1 13,1 10,9 18,2 6,3 24,4 16,0 15,6
Kreisratsmitgl.
davon Neubürger
η (4)
η (5)
% (6)
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Neub. 12/47
Wirtschaftsregion
% (7)
Nordbaden:
34 28 40 42 40 28 26 32 32 302
I I I I
-
3,6 7,8 9,6 1,8 6,0
1 2,9 1 3,6 1 2,5 3 7,1 1 2,5 4 14,3 0 3 9,4 10 31,3 24 7,9
10,1 27,5 19,3 20,3 11,1 27,1 11,6 28,7 27,6 19,7
III V II III II V III V V
(7) Anteil der Neubürger an der Bevölkerung. Quellen: Daten zusammengestellt von der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen, 24.6.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-1684 Spalte (3) und (6) errechnet.
262 Wahlabkommen zwischen Flüchtlingen und lizenzierten Parteien, wie sie beispielsweise Messerschmidt für Hessen belegt, über grundsätzlich den Flüchtlingen einzuräumende Listenplätze gab es in Württemberg-Baden nicht. Vgl. MESSERSCHMIDT (1991) S. 233 f.
Neubürger in die Gemeinderäte?
449
nen, noch so weit wie möglich einzuschränken,263 doch die angemahnte "Verschleierung" besaß wenig Erfolgschancen. Ohnehin waren die meisten Gemeinden Württemberg-Badens so klein und ihre Bevölkerung so überschaubar, daß über die Zugehörigkeit der Kandidaten zur Alt- oder Neubürgerschaft kaum Zweifel aufkommen konnten. Die Mitte 1948 von der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen schließlich vorgelegte Analyse der Wahlen zeigte insgesamt recht unterschiedliche Wahlerfolge der Neubürger in den einzelnen Landesteilen und Kreisen (Tabellen 60 und 64). In Nordbaden errangen die Flüchtlinge immerhin rund 80% der Mandate, die ihnen statistisch entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil "zustanden", im Sinne der Flüchtlinge und Besatzer ein recht erfreuliches Ergebnis, das sogar an Bedeutung gewinnt, wenn man berücksichtigt, daß ein gewisser Teil der Neubürgerschaft noch nicht wahlberechtigt gewesen sein dürfte und die Alterszusammensetzung der Neubürger einen geringeren Erwachsenenanteil als bei der Altbürgerschaft auswies. Vergleicht man den Anteil der Neubürger an der Bevölkerung mit ihrem Anteil an den Gemeinderäten in den einzelnen Kreisen und Orten (Abb. 27, Tabelle 60), dann zeigen sich erstaunlich hohe Unterschiede. Kamen beispielsweise im Landkreis Bruchsal nur halb so viele Gemeinderäte aus Neubürgerkreisen wie es dem Bevölkerungsanteil der Flüchtlinge gemäß zu erwarten gewesen wäre, so gelang es den Neubürgern im Landkreis Heidelberg und Sinsheim, den Landesdurchschnitt deutlich übertreffend viele Flüchtlingsvertreter in den örtlichen Gemeinderäten zu piazieren. Im Landkreis Mannheim erreichten die Flüchtlingswähler sogar eine Repräsentanz in den Räten, die ihrem Bevölkerungsanteil in etwa entsprach. Es wäre dennoch trügerisch, davon auszugehen, daß mit steigender Nähe zur Großstadt in den Gemeinderäten eine höhere Repräsentanz der Flüchtlinge in den Gemeinderäten eher zu erreichen gewesen sei. Wie Abb. 27 deutlich veranschaulicht variierten die politischen Beteiligungschancen der Neubürger innerhalb der einzelnen Kreise recht beachtlich; letztlich dürften die jeweiligen örtlichen sozialen und politischen Gegebenheiten ausschlaggebend gewesen sein. Gerade in einem Teil der stadtfernen, nahezu durchweg agrarisch geprägten Gemeinden der Landkreise Tauberbischofsheim und Buchen brachten die Flüchtlinge, gemessen an ihrer Einwohnerzahl, verhältnismäßig viele der Ihren in den Gemeinderäten unter (Tabelle 61, II). Dies gilt insbesondere für die etwas größeren Gemeinden. Eine angemessene Beteiligung zu erringen, war offenbar in Orten mit einer Einwohnerschaft von 1.000 bis 2.000 Personen wesentlich leichter als in den kleineren Gemeinden. Dort mag die enge Gemeinschaft der Alteingesessenen besonders wirksam die aufgedrängten unerwünschten "Eindringlinge"
Unabhängige oder nicht parteigebundene Kandidaten oder Listen von Kandidaten sind auf dem Wahlvorschlag oder dem Stimmzettel von den zuständigen deutschen Behörden dann nicht zuzulassen, wenn aus der Bezeichnung des betreffenden Kandidaten oder [der] betreffenden Liste von Kandidaten hervorgeht, daß es sich bei Kandidaten oder der Liste um Flüchtlinge oder ausgewiesene Personen oder Personengruppen handelt. HSTAST EA1/014554. Dagegen war es im Rahmen der parteigebundenen Listen durchaus möglich, Flüchtlinge als solche kenntlich zu machen, ebd.
450
Abb. 27
CO c o ίο o > fl> -Ω
O)
00 o 1— c ω "Ό ö -Ώ ω ~σ ι δι- o Ο) Ζ -σ c c "55 E ω CD 10.000 η
Landkreise: Bruchsal Buchen Heidelberg Karlsruhe Mannheim Mosbach Pforzheim Sinsheim Tauberbischh. Stadtkreise Summe:
-
(61) (19) (18) (4) (35) (Π) (13) (60) -
-
(14) (13) (18) (2) (19) (14) (29) (18)
-
17,5 (143) 73,8
(6) (10) (16) (12) (3) (8) (10) (3)
-
12,1 62,0
(1) (8) (5) (6) (1)
12,1 66,5
(1)
-
-
25,0 136,3 12,0 49,7 8,9 118,7
(2)
-
-
(1) (3)
-
(1)
-
-
-
(1)
-
-
-
(2)
-
-
-
-
(82)
0 0
(27)
5,4 68,8
(4)
10,0 86,7
(Π)
η = Anzahl der Gemeinden I = Anteil der Flttchtlingsgemeinderäte an den Gemeinderäten II = Quotient aus Flüchtlingsgemeinderäten in % : Flüchtlingsbevölkerung 1948 Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50
auszuschließen gewußt haben, wenn man den Neubürgern nicht unterstellen will, daß sie gerade dort weniger Interesse als in größeren Orten an der politischen Mitbestimmung gezeigt hätten. Insbesondere in den ländlich strukturierten Kreisen stieg die Chance der Flüchtlinge zur Teilhabe am Gemeinderat mit der Gemeindegröße deutlich an. In die gleiche Richtung deutet die Analyse der Flüchtlingsrepräsentanz in den Gemeinderäten, wenn die Wirtschaftsstruktur der Gemeinden mit berücksichtigt wird. In traditionellen Bauerndörfern, gerade in Orten, deren agrarische Struktur sich zwischen 1939 und 1949 eher noch verfestigt hatte, waren die Flüchtlinge in den Räten nur unterdurchschnittlich repräsentiert (Tabelle 62 (2)). Aber auch in sog.
452
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Mischorten, in denen schon vor der Flüchtlingswanderung agrarische und gewerbliche Elemente oft konfliktreich aufeinandergeprallt waren, zogen unterdurchschnittlich viele Flüchtlingsrepräsentanten in die Gemeinderäte. Letztere gehörten einem Ortstypus an, dem ohnehin der Ruf geringer Flüchtlingsakzeptanz anhaftete, so daß es zulässig sein dürfte, auch in diesen Fällen von einem politischen Klima auszugehen, daß den Neubürgern den Einzug in den Gemeinderat nicht gerade erleichterte.« 4 Auch der mit Hilfe des Pearsonschen Korrelationskoeffizienten gemessene Zusammenhang zwischen Flüchtlingsbevölkerung in % und FlüchtlingsgemeinderäTabelle 62: Repräsentanz der Neubürger 1948 in den Gemeinderäten Nordbadens nach Ortstyp 1939 und 1949 1939
1949
Ortstyp
FlüchtL- Fl-Räte. % räte% /Fl-Bev. % (1) (2)
η
Flüchtl.- Fl.-Räte% räte% /Fl.-Bev% (2) (1)
η
16,5 11,3 10,3 18,4 20,8
0,74 0,65 0,52 0,68 0,61
61 113 52 209 53
Gewerbegemeinde Arbeiterwohng. Mischgemeinde Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
16,0 13,9 14,3 17,9 18,8
0,74 0,66 0,65 0,66 0,57
94 177 45 82 91
15,9
0,66
488
Summe
15,9
0,66
489
η = Anzahl (1) Flüchtlingsgemeinderäte in % der Gemeinderäte (2) Flüchtlingsgemeinderäte in % : Flüchtlingsbevölkerung 1948 in % Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50
Tabelle 63: Zusammenhang von Flüchtlingsbevölkerung (%) und Flüchtlingsgemeinderäten (%) in Nordbaden 1948
Pearson Corr:
Gewerbegemeinde
Arbeiterwohngem.
Gemeindetypus 1939 Mischgem.
0,60
0,42
0,52
Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 264
Vgl. ARNS (1948).
Kleinbäuerl. Gemeinden
Großbäuerl. Gemeinden
0,30
0,15
Neubiirger in die Gemeinderäte?
453
ten in % (Tabelle 63) veranschaulicht die günstigeren Bedingungen fur eine politische Integration in den nicht agrarischen Gemeinden, vorausgesetzt, die Flüchtlinge strebten grundsätzlich in allen Orten eine angemessene Repräsentanz der eigenen Gruppierung an.
Tabelle 64: Neubürger in den Gemeinderäten und Kreistagen Nordwiirttembergs 1948 Gemeinderäte
davon Neubürger
η (1)
η (2)
% (3)
60 36 36 132
1 0 0 1
0,8
Landkreise: 694 Aalen Backnang 399 Böblingen 466 Crailsheim 550 Esslingen 362 Göppingen 588 Heidenheim 396 Heilbronn 1007 358 Künzelsau Leonberg 302 Ludwigsburg 590 Mergentheim 446 Nürtingen 530 Öhringen 182 Schw. Gmünd 406 Schwab. Hall 436 Ulm 840 Vaihingen 422 Waiblingen 658 9.632 Summe:
92 28 56 35 55 93 56 72 23 38 63 66 80 24 49 21 121 32 70 1.074
13,3 7,0 12,0 6,4 15,2 15,8 14,1 7,1 6,4 12,6 10,7 14,8 15,1 13,2 12,1 4,8 14,4 7,6 10,6 11,1
Kreisratsmitglieder
davon Neubürger
η (4)
η (5)
% (6)
1,7
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
-
Neub. 12.47
Wirtscl regii
% (7)
Nordwürttemb. Stadtkreise: Stuttgart Heilbronn Ulm Summe:
38 30 32 25 42 46 32 42 22 26 48 24 36 24 32 26 30 28 40 623
2 1 2 4 3 4 3 3 3 3 5 2 6 1 4 2 6 3 5 62
5,3 3,3 6,3 16,0 7,1 8,7 9,4 7,1 13,6 11,5 10,4 8,3 16,7 4,2 12,5 7,7 20,0 10,7 12,5 10,0
3,6 2,2 5,9 3,7
I I I
25,5 20,2 26,3 19,3 25,1 22,9 22,7 16,3 24,5 21,3 23,4 24,1 27,5 20,9 27,3 19,9 22,2 21,5 25,4 23,2
IV IV II V II III III V V II II V III V V III V IV II
(7) Anteil der Neubürger an der Bevölkerung. Quellen: Daten zusammengestellt von der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen, 24.6.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-1684 Spalte (3) und (6) errechnet.
454
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Seit der Industrialisierung an Zuwanderung gewöhnt, mag sich die einheimische Bevölkerung in gewerblich geprägten Orten weniger gegen die politische Beteiligung der Zuwanderer gewehrt haben als die agrarische, von Abwanderung geprägte Einwohnerschaft sozial relativ homogener Bauerndörfer. Angesichts bisher noch fehlender einschlägiger regional differenzierter Analysen, die neben der Sozialstruktur des Ortes die Einstellung der lokalen Elite, wie der Kirchenvertreter, mitberücksichtigen, sollten die Daten zum Wahlverhalten jedoch nicht überinterpretiert werden. Fakt bleibt jedoch, daß nach den Gemeindratswahlen 1947/48 das politische Gewicht der Flüchtlinge in den Gemeinden insgesamt deutlich stieg. Mit durchschnittlich knapp 16% der Gemeinderäte, in bäuerlichen Orten mit nahezu 20% der Ratsmitglieder konnte sich die Flüchtlingsbevölkerung durchaus zum "Zünglein an der Waage" entwickeln, vorausgesetzt die Altbürgerschaft zerfiel grundsätzlich oder von Fall zu Fall in politische Frakionen, die auf die Neubürgerräte zur Mehrheitsfindung nicht verzichten konnten. Weniger erfolgreich hatten die Neubürger in Württemberg abgeschlossen. Dort waren ihnen bezogen auf ihren Bevölkerungsanteil rund 40% der möglichen Mandate "verlorengegangen". Und die Wahlergebnisse der einzelnen Landkreise zeigten eine erstaunliche Bandbreite. Wie Tabelle 64 belegt, schwankte der Wahlerfolg der Flüchtlinge über alle Wirtschaftsregionen hinweg. Auch lassen sich keine konfessionellen Zusammenhänge nachweisen. Die Aktenlage für Württemberg erlaubt keine statistische Analyse der Wahlergebnisse auf Gemeindeebene. Doch eine innerhalb der Flüchtlingsvereinigungen selbst vorgenommene Untersuchung der Wahlen, die auf der Auszählung von über 500 Gemeinden beruhte, zeichnete ein recht unfreundliches Bild der Wahlkämpfe und Wahlverfahren im württembergischen Landesteil.265 Rund ein Viertel der rein rechnerisch nicht erlangten Mandate erklärte sich die Analyse daraus, daß ein Teil der Flüchtlinge noch nicht ein Jahr in den betreffenden Gemeinden ansässig gewesen sei, aber auch dadurch, daß Wählerlisten mangelhaft geführt worden waren. Weitere 10% der statistisch errechneten Verluste seien in solchen Gemeinden entstanden, in denen zwar nach dem Verhältniswahlrecht gewählt wurde,
2 6 5 Feststellungen und Lehren aus den Wahlergebnissen vom 7.12.1947 in Nordwürttemberg ausgewertet unter besonderer Berücksichtigung der Flüchtlingsbelange. HSTAST EA1/014-554. Der Untersuchung lag die Auswertung von 522 Gemeinden zugrunde, in denen ein Drittel der Gesamteinwohnerschaft Württembergs lebte. Sie war nicht namentlich gekennzeichnet, dürfte jedoch auf die Erhebung von Karl Rüb zurückzuführen sein, der einen Fragebogen an alle Flüchtlingsobmänner in den Gemeinden von Württemberg versandte; vgl. diesbezügliches Schreiben von Middelmann an Bettinger am 31.12.1947. Dort heißt es: Es erscheint zweifelhaft, ob eine derartige Erhebung genehmigt ist. Ebd. Middelmann verbreitete die Analyse innerhalb der Flüchtlingsverwaltungen; vgl. Schreiben Middelmanns vom 8.4.1948 an Staatssekretär Jaenicke, Landrat Dr. Nahm, Direktor Bettinger Stuttgart, ORR Geppert, Karlsruhe: Ein einflußreicher Flüchtlingsvertreter, Mitglied des Landesbeirats in Württemberg, hat die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen in Nord-Württemberg vom Flüchtlingsstandpunkt aus ausgewertet und zieht die Schlußfolgerungen, die ftlr die Arbeit der politischen Parteien nicht ohne Bedeutung sind. Die "Lehren" werden von uns richtig gewertet. Sie zeigen aber eine Entwicklung an, die fir das politische Leben in den Ländern der US-Zone von besonderer Bedeutung werden können. GLAK 466 Zug. 1981/47-26.
Neubürger in die Gemeinderate?
455
die Flüchtlinge jedoch keine eigenen Listen eingereicht hatten.266 Es habe sich in den Wahlen in Württemberg eindeutig gezeigt, daß die Flüchtlinge nur durch eigene Listen zum Zuge kämen. Wir sind heute nicht mehr so naiv zu glauben, daß die politischen Parteien uns zu Mandaten in größerem Maße verhelfen können. Selbst wenn sie den guten Willen dazu haben, so folgt die Masse der Wähler den Intentionen der politischen Parteien nicht. Die Bevölkerung ging ihre eigenen Wege, indem sie die Flüchtlingskandidaten fast restlos auf den Wahlvorschlägen strich.161 Weitaus der größte Teil der Verluste aber war, so die Untersuchung, auf die Anwendung des Mehrheitswahlrechts auch bei den Gemeinderatswahlen zurückzufuhren. Mehrheitswahlen fanden in 206 der untersuchten 522 Gemeinden statt. Einheimische strebten mit aller Energie Mehrheitswahlen an, da sie wußten, daß damit die Flüchtlinge nicht zum Schuß kommen konnten. Um das zu erreichen, wurde seitens der Bürgermeister und Vertreter der einheimischen Bevölkerung viel gesündigt. Wahltricks bösester Art wurden durchgeführt. Z.B. gab es Gemeinden, in denen man den Flüchtlingen sogar zugeredet hat, ihre Listen einzureichen, was diese auch taten. Auch die Einheimischen reichten ihre Listen ein. Aber 5 Minuten vor Termin für Einreichung der Listen zogen die Einheimischen ihre Listen zurück, und da nur noch eine Liste der Flüchtlinge blieb, mußten nach dem Gesetz Mehrheitswahlen stattfinden, in welchen die Flüchtlinge fast restlos durchfielen.26* Für Flüchtlinge, so die abschließende Wertung, lohne sich das Zusammengehen mit den lizenzierten Parteien und das Vertrauen auf den guten Willen der Altbürger nicht. Einzig eine separate Organisation der Flüchtlingsinteressen auf eigenen Listen diene dem Interesse der Neubürger. Die vorgenommene Bewertung der Gemeinderatswahlen entsprach offenbar in weiten Teilen den Erfahrungen der Neubürger in den Gemeinden.269 An den Feststellungen und Lehren aus den Wahlergebnissen der Gemeinderatswahlen sollte sich die Politik der Neubürgervereinigungen noch eineinhalb Jahre später bei der Wahl zum ersten Bundestag 1949 ausrichten.
8.5.
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei 1949 und die Ergebnisse der ersten Bundestagswahl
Das Wahlgesetz zum ersten Bundestag, das vom Parlamentarischen Rat Ende 1948 erarbeitet, von den Ministerpräsidenten modifiziert und auf Geheiß der Militärgouverneure am 18. Juni 1949 erlassen wurde, kombinierte in der auch heute noch üblichen Weise Mehrheitswahlrecht in den Wahlkreisen mit dem Verhältniswahlrecht auf
In einer Stichprobe von 41 aus 522 Gemeinden, die nach dem Verhältniswahlrecht gewählt hatten, war von den Flüchtlingen keine eigenen Listen aufgelegt worden. Statistisch hätten ihnen dort 87 Mandate zufallen müssen, faktisch seien jedoch nur 33 Sitze erreicht worden. Ebd. 267 Ebd. 268 Ebd. 269 Auch Middelmann, der Sekretär des Flüchtlingsausschusses beim Länderrat, stimmte der Analyse grundsätzlich zu.
456
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Landes- bzw. Bundesebene.270 Es bot einer Flüchtlingspartei, der es wohl kaum gelingen konnte, Direktmandate zu erzielen, theoretisch die Grundlage, eigenen Kandidaten über die Landesliste entsprechend den für sie abgegebenen Stimmen zu Mandaten zu verhelfen. Dem stand jedoch einerseits das Verbot der Militärregierung von politischen Flüchtlingsparteien im Wege, andererseits der Beschluß des Parlamentarischen Rats, nur für Parteien, nicht jedoch für freie Wählerlisten Landeslisten zuzulassen. Einen Vorstoß gegen das amerikanische und das deutsche Diktat unternahm der Hilfsverband des Kreises Ludwigsburg im Mai 1949. Man habe mit den Parteien darüber verhandelt, bei den kommenden Wahlen vom Hilfsverband gewählte Heimatvertriebene in ihre Liste mit aufzunehmen271 Diese Verhandlungen seien gescheitert. Der Hilfsverband beantrage daher beim Landtag Württemberg-Baden die Zulassung einer freien Wählerliste für die Heimatvertriebenen bei der kommenden Wahl des Bundestags auf Landesebene und die Einrichtung von Flüchtlingswahlkreisen,272 ein Antrag, den der Landtag mit Hinweis auf die noch nicht erfolgte Verabschiedung des Wahlgesetzes erst einmal abwiegelte.273 Und bei der Nichtzulassung einer freien Wählervereinigung der Flüchtlinge auf Landesebene blieb es dann auch. Auch der Versuch Bartuneks, in seiner Eigenschaft als zweiten Vorsitzender des ZVD zusammen mit seinem Vorstandskollegen Winter (Hannover) in der Frage etwaiger Flüchtlingswahlkreise direkten Einfluß auf den Parlamentarischen Rat zu nehmen, zeigte keinen Erfolg.274 Eigens zur Diskussion der Flüchtlingswahlkreise sei er im Mai mit Winter nach Bonn gereist, berichtete Bartunek. Nach Rücksprache mit den Fraktionen der Parteien und mit dem Wahlausschuß des Parlamentarischen Rates und Besprechung aller Einzelheiten über die Art der Durchführung sei ihnen versichert worden, daß der Bildung von eigenen Flüchtlingswahlkreisen nichts im Wege stehe und unser Antrag im Plenum bestimmt angenommen werde.215 Dem war jedoch nicht so. Der von der CDU/CSU eingebrachte Antrag erhielt nicht die erforderliche Stimmenzahl. FDP und insbesondere SPD hatten von der Einrichtung eigener Flüchtlingswahlkreise eine sich vertiefende Spaltung zwischen Alt- und Neubürgerschaft erwartet; zumindest lehnte die SPD mit diesem Argument den Antrag ab während sich die Abgeordneten der FDP der Stimme enthielten.276 270 Ygi Bekanntmachung Nr. 1051 des Ministerpräsidenten betreffend das Wahlgesetz zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland, Reg.Bl. vom 12.7.1949. 27 1 Resolution der Vertreterversammlung des Hilfsverbands der Neubürger, Kreisverband Ludwigsburg, Landtagsarchiv, Büschel: Wahlgesetz. 272 Ebd. 273 vgl. Landtagsprotokoll vom 19.5.1949, Sitzung Nr. 122, Landtagsarchiv, Büschel: Wahlgesetz. 274 Bartuneks Versuche, direkt mit leitenden Mitgliedern der Militärregierung wie Clay oder Hays über die Flüchtlingsfrage und die bevorstehenden Wahlen ins Gespräch zu kommen, wurden von den amerikanischen Instanzen boykottiert. Vgl. Schreiben von Kelly, Chief Displaced Persons Branch OMGUS an Bartunek vom 1.6.1949, GLAK NL Bartunek Nr. 37. 275 Bartunek, Radikalismus oder Recht, ID AD Nachrichten 7/1949. 276 ygi Schreiben von Willibald Mücke, Flüchtling und Abgeordneter der SPD beim Parlamentarischen Rat vom 11.5.1949 an den ZVD, GLAK NL Bartunek Nr. 37. Von den 60 Abgeordneten des Parlamentarischen Rats waren nur zwei Flüchtlinge (Mücke SPD und Kroll CSU, beide Bayern). Insbesondere Kroll wurde die Legitimation, als Sprecher
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
457
Wie wenig im Grunde die meisten Altparteien, unterstützt vom amerikanischen Assimilationsdiktat, bereit waren, für eine paritätische Beteiligung von Flüchtlingsabgeordneten am neuen Bundesparlament zu sorgen, veranschaulicht die sich in Bayern und Württemberg-Baden auf Länderebene noch einmal entzündende Debatte um Flüchtlingswahlkreise. Eine Vorlage, die von der bayerischen Staatsregierung im Verfassungs-Ausschuß des bayerischen Landtags eingebracht wurde, sah vor, neun bayerische Bundeswahlkreise fur Neubürger zu reservieren. In solchen Wahlkreisen sollten von den Parteien ausschließlich Kandidaten aus Neubürgerkreisen aufgestellt werden, um damit eine Mindest-Repräsentanz von Neubürgern im Bundesparlament abzusichern. Zwar stimmte der bayerische Landtag zu, doch verbot die bayerische Militärregierung eine solche Regelung, ohne daß sich nennenswerter Protest erhob. Eine entsprechende Anfrage des Landtagsabgeordneten Theiss (CDU), ob man in Württemberg-Baden nicht ähnlich, wie in Bayern geplant, verfahren könne, beantwortete Innenminister Ulrich unter Hinweis auf das amerikanische Verbot abschlägig.277 Es lag zwar in der Macht der Militärregierung, eine derartige Regelung auf dem Gesetzesweg zu unterbinden, einschlägige einvernehmliche Absprachen zwischen den Parteien hätte die Besatzungsmacht jedoch nicht verhindern können. Doch wie Innenminister Ulrich erläuterte, waren die württemberg-badische Regierung und die in ihr vertretenen Parteien ohnehin gegen das Modell der Flüchtlingswahlkreise eingestellt. Die Schaffung besonderer Wahlkreise flir die Heimatvertriebenen, wie sie nach Zeitungsberichten in Bayern zunächst geplant war, hätte nach Auffassung des Innenministeriums der Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 des Grundgesetzes, wonach die Abgeordneten des Deutschen Bundestags in gleicher Wahl und somit in einem für sämtliche Staatsbürger gleichen Wahlverfahren zu wählen sind, sowie dem § 9 und §11 des Wahlgesetzes widersprochen, nach denen in jedem Wahlkreis nur ein Abgeordneter gewählt werden kann und derjenige Bewerber gewählt ist, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt.™ Damit blieb es den einzelnen Parteien selbst überlassen, wieviel Gewicht sie bei der Kandidatenauswahl auf die Repräsentanz der Neubürger legten. Der ZVD, der wie die Landesvertriebenenverbände die strikte Überparteilichkeit der Flüchtlingsorganisation betonte, scheiterte schließlich auch mit dem Versuch, die zugelassenen Parteien zu motivieren, Flüchtlinge in ausreichender Zahl auf ihren Listen zu nominieren. Obwohl auch das Koordinierungsorgan aller westdeutschen Flüchtlingsbehörden, die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen, in diesem Sinne an die Parteien und die Öffentlichkeit appellierte279, zeigten sich der Flüchtlinge aufzutreten, freilich von deren Organisationen in Abrede g e s t e l l t . SÖRGEL (1969) S. 386. 277 Landtagsprotokoll vom 20.7.1949, Sitzung Nr. 134, Landtagsarchiv, Büschel: Wahlgesetz. 278 Ebd. 279 vgl. Protokoll der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen vom 7.8.1949: Auf Anraten des Flüchtlingsbeirats wurde folgende Entschließung einstimmig gefaßt: "Die Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Flüchtlingsverwaltungen und ihr Flüchtlingsbeirat weisen daraufhin, daß bei den nächsten Wahlen zum Bundesparlament Flüchtlinge in einem ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechenden Verhältnis an sicherer Stelle als Kandidaten aufge-
4S8
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
einzig die liberalen Parteien geneigt, an zweiter, vierter und sechster Stelle ihrer Landeslisten Neubürger aufzunehmen; 280 durchsetzbar war dieser Entschluß jedoch keinesfalls in allen Ländern. Insgesamt sechs Kandidaten aus Flüchtlingskreisen schickte die SPD ins Rennen u m die 33 Mandate Württemberg-Badens. 281 Den Sozialdemokraten, die an vornationalsozialistischen Traditionen anknüpften, gelang es offenbar leichter als den neugegründeten Parteien, sich regional fremden, aber in der gemeinsamen politischen Vergangenheit verbundenen Personen zu öffnen. Immerhin Platz vier und sieben der Landesergänzungsliste räumte die SPD Flüchtlingen ein. 282 A u f Platz vier der Liste der C D U kandidierte Robert Lichtblau, Mitarbeiter der Caritasberatungsstelle für Heimatvertriebene und Mitglied der IDAD, die D V P hatte Golitschek, 2 8 3 dem zweiten Vorsitzenden und Wirtschaftsexperten der IDAD, immerhin hinter Theodor Heuss den zweiten Listenplatz reserviert und auf Platz acht den Leiter der Flüchtlingszeitschrift "Dein Weg", Axel de Vries, piaziert. D i e schwierigen Verhandlungen mit den politischen Parteien ließen bei den Flüchtlingsverbänden der amerikanischen Zone,
insbesondere in Württemberg-
Baden, mehr und mehr Stimmen dafür lautwerden, separate W e g e zu gehen. 2 8 4 D e n Repräsentanten der britischen Flüchtlingsverbände, Lukaschek und Kather (beide CDU), sagte diese Entwicklung nicht zu. 2 8 5 D o c h angesichts der geringen Ergebnisse der Verhandlungen mit den Parteien überließ es der Z V D ab Juli 1949 schließlich
28°
282
283
284
285
stellt werden sollten. Dies wäre eine der gerechtesten und erfolgversprechendsten Maßnahmen, um den Flüchtlingen das Gefühl wirklicher Gleichberechtigung zu vermitteln. GLAK 466 Zug.l981/47-26a. in diesem Sinne äußerte sich auch die FDP in: Beschluß Nr. 14 zu den Fragen der Heimatvertriebenen, gefaßt auf dem Parteitag am 10./11.6.1949, Archiv Deutsches Büro für Friedensfragen, Bl/552, Pressearchiv Bonn. Oskar Matzner, Dr. Mathias Annabring, Eberhard Funke über die Landesliste, als weitere Kandidaten über die Wahlkreise Böblingen-Leonberg-Vaihingen, Aalen-Gmünd und Mergentheim-Künzelsau-Crailsheim-Öhringen Ernst Paul, Dr. Günther und Karl Michel. Paul wurde zusätzlich über die Landesliste abgesichert. Oskar Matzner, vormals Vorsitzender der Landesvertretung der nordbadischen Vertrauensleute, 1898 in der Tschechoslowakei geb., nunmehriger Oberlehrer in Karlsruhe, und Ernst Paul, bis 1938 an führender Stelle der sudetendeutschen Sozialdemokratie in der Tschechoslowakei, wurden dann auch gewählt. Dr. Hubertus Golitschek, geb. 1910 in Schlesien, 1945 in Prag interniert, 1946 ausgewiesen, neuer Wohnsitz Heidelberg, ausgeübter Beruf: Wirtschaftsberater, Mitorganisator der IDAD, Mitglied des Lastenausgleichsausschusses der Heimatvertriebenen-Verbände und neben Bartunek badischer Delegierter im ZVD, seit 1948 Stadtrat in Heidelberg, seit 1949 Flüchtlingsvertreter in württemberg-badischen Landtagsausschüssen. Eine interne Abstimmung innerhalb der IDAD, wohl bei einem Treffen des Landesvorstands im Mai 1949, erbrachte folgendes Meinungsbild auf die Fragen: 1. Sind Sie dafilr, mit den politischen Parteien zu verhandeln, um dort unsere Kandidaten durchzusetzen. 2. Sind Sie dafilr, daß versucht wird, eine eigene Partei ins Leben zu rufen. 3. Sind Sie dafiir, eine eigene Partei zusammen mit den Fliegergeschädigten zu gründen. [...] zu 1. 16 Punkte, zu 2. 26 Punkte, zu 3. 8 Punkte. Ablehnende Stimmen nicht bekannt. Sitzungsprotokoll ohne Datum, GLAK NL Bartunek Nr. 10. Von 20 Kreisverbänden des württembergischen Hilfsverbands sprachen sich 19 für eigene Flüchtlingslisten aus, Protokoll über die Sitzung des Zonenverbandes der amerikanischen Zone in Heidelberg am 28.5.1949, GLAK NL Bartunek Nr. 22. Lukaschek hielt eine Flüchtlingspartei für ein staatspolitisches Unglück·, vgl. Protokoll über die Plenarsitzung des Zentralverbandes am 8.6.1949 in Frankfurt, GLAK NL Bartunek Nr. 22.
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
459
seinen einzelnen Landesabteilungen, dort, wo die Verhandlungert mit den bestehenden Parteien endgültig gescheitert sind, unabhängige Kandidaten aufzustellen,286 In Württemberg-Baden ging man über diese Empfehlung noch hinaus. Hier setzte sich angesichts des Scheiterns der zuvor eingeschlagenen Wege der Entschluß durch, über das bestehende amerikanische Verbot eigenständiger Flüchtlingsparteien hinweg zwar keine reine Flüchtlingspartei ins Leben zu rufen, aber eine Parteigründung zusammen mit den Fliegergeschädigten vorzunehmen, einer Gruppierung, mit der man seit 1948 insbesondere im Rahmen der Lastenausgleichspolitik häufiger zusammenarbeitete.287 Die Flüchtlingsverbände Württemberg-Badens hielten zwar grundsätzlich an ihrer überparteilichen Ausrichtung fest, dennoch unterstützten Bartunek in Nordbaden und Holubar in Nordwürttemberg die sogenannte Notgemeinschaft maßgeblich.288 Man wolle, so Bartunek, eine Spaltung zwischen Alt- und Neubürgerschaft vermeiden. Das Recht, zusammen mit den Flieger- und Währungsgeschädigten eine Notgemeinschaft für die Wahrung unserer gemeinsamen Ansprüche zu bilden, nehmen die Vertriebenen jedoch im Hinblick auf das Grundgesetz und die demokratische Freiheit in Anspruch.2*9 Und was die neue Bundesrepublik zu erwarten habe bei Ablehnung dieses natürlichen Menschenrechtes, erläuterte Bartunek vorausschauend auf die Entwicklung der Vertriebenenverbände gleich mit: Wenn wir die Erwartungen und berechtigten Forderungen der Masse (der Vertriebenen) nicht erfüllen können, dann wird sie uns immer mehr entgleiten, und wir, die wir aus innerster Überzeugung konstruktiven Willens sind, werden zwangsweise abgelöst werden durch Personen destruktiven Wollens.290 Vor der Wahl war jedoch noch die Hürde zu nehmen, eine Lizenzierung der Notgemeinschaft durch die Besatzungsmacht zu erreichen. Erste Vorstöße in Württemberg-Baden unternahm der Hilfsverband im Juni.291 Sie veranlaßten den Direktor der Militärregierung, General P. Gross, sogleich zu einer öffentlichen ablehnenden Stellungnahme. Wie er in einer Presseerklärung erläuterte, war er sicher, daß die Bildung einer politischen Partei aus den Verbänden der Flüchtlinge, der Fliegergeschädigten und Kriegsopfer nicht die Billigung der Militärregierung finden
286
287 288
289 290 291
Bartunek, Der 14. August, Tag der Entscheidung, IDAD Nachrichten 8/1949. Nach Meldung des Deutschen Presse Dienstes vom 10.7.1949 ging der ZVD bereits zu diesem Zeitpunkt davon aus, daß in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg keine eigenen Flüchtlingskandidaten aufgestellt werden würden. Archiv Deutsches Büro für Friedensfragen, Β1/552, Pressearchiv Bonn. z u einem analogen Zusammengehen Göbels mit den Fliegergeschädigten in der britischen Zone vgl. STEINERT (1990a). Bartunek trug sein Eintreten fur die Notgemeinschaft innerhalb der IDAD beträchtliche Kritik ein; sie bewog ihn zur zeitweisen Niederlegung des Landesvorsitzes bis nach der Bundestagswahl; vgl. Protokolle über die 8. und 9. ordentliche Landesveibandsvorstandssitzung am 22. Mai und 11. Juni 1949 in Neckargemünd und Ladenburg, GLAK NL Bartunek Nr. 10. Bartunek, Radikalismus oder Recht, IDAD Nachrichten 7/1949. Ebd. Der Hilfsverband der Neubürger, Göppingen, stellte am 24.6.1949 einen formellen Antrag bei der Kreismilitärregierung auf Lizenzierung der Notgemeinschaft, der von dort an die Landesmilitärregierung weitergeleitet wurde. RG 260 OMGWB LSO Göppingen, 12/77-3/2.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
werde.292 Nach seiner Ansicht waren die Ziele dieser Gruppen, die sich zu einer Notgemeinschaft zusammengeschlossen haben, zu eng und selbstsüchtig, um die Billigung der Militärregierung zu erhalten,293 Auf die Frage, wie sich das Koalitionsverbot mit dem Grundgesetz vereinbaren ließe, benannte der Militärregierungsvertreter den tatsächlich vorhandenen Spielraum. Die Militärregierung erkenne das Grundgesetz als Ganzes in ursächlichem Zusammenhang mit dem Besatzungsstatut an. In letzterem seien gewisse Vorbehalte durch die Besatzungsmächte gemacht worden, die zum Teil nicht buchstabenmäßig fixiert seien, aber unter der Definition der auf Ordnung und Sicherheit basierenden Grundrechte zu verstehen sind. Ein Einschreiten gegen solche politische Gruppenbildungen wie die Notgemeinschaft, würde voraussichtlich aus dieser Definition abgeleitet werden können.29* Bei der Verweigerung einer Lizenz sollte es dann auch bleiben. Offiziell benachrichtigte Gross die Notgemeinschaft im Juli vom bleibenden Verbot.295 Doch bis wenige Tage vor der Wahl hoffte die aus der Not geborene Vereinigung noch auf einen amerikanischen Gesinnungswandel. Die Notgemeinschaft sollte in Württemberg unter Beibehaltung dieses Namens trotz des Ausbleibens der Lizenz in allen Wahlkreisen kandidieren.296 Einzige Ausnahme bildete der Wahlkreis Waiblingen, wo der Selbsthilfeverband der Flüchtlinge nur schwach organisiert war. Wie der vorläufige Vorstand der Partei, Siegfried Fischer, der Presse mitteilte, hoffte die Notgemeinschaft, in vier bis sechs Wahlkreisen Württemberg-Badens eigene Kandidaten in der Direktwahl durchzubringen, auch wenn die Partei auf Landesebene nicht lizenziert werde.297 Die Verteilung der Kandidaturen zwischen Fliegergeschädigten und Flüchtlingen bot sich ohne große Probleme durch die ungleichmäßige Kriegszerstörung von selbst an. In Stuttgart und Ulm wurden Fliegergeschädigte aufgestellt, in den Landkreisen Flüchtlinge. In Nordbaden kandidierten im Wahlkreis Karlsruhe Land, der Pforzheim einschloß, Heidelberg und Karlsruhe Stadt und Mannheim Stadt Fliegergeschädigte, in Bruchsal, Sinsheim-Mosbach, und Buchen-Tauberbischofsheim Flüchtlinge. Lediglich im Wahlkreis Mannheim Land war die Notgemeinschaft nicht zum Tragen gekommen.298 Ob es hier an geeigneten Kandidaten oder an einer entsprechenden Unterstützung innerhalb des IDAD-Kreisverbandes fehlte, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Entsprechend der Devise "getrennt marschieren, vereint für die Flüchtlinge kämpfen", gelang es der Notgemeinschaft bemerkenswerterweise, mit den meisten Flüchtlingskandidaten auf den Listen der lizenzierten Parteien einen "fairen" Wahl-
292
293 294
297
Eine Stellungnahme des Direktors der US-Militärregierung Württemberg-Baden zur politischen Parteibildung, Archiv Deutsches Büro für Friedensfragen, Β1/552, Pressearchiv Bonn. Ebd. Ebd. Stuttgarter Zeitung vom 14.7.1949, Lizenzierung der Notgemeinschaft abgelehnt. Protokoll über die Besprechung des Zonenverbandes mit Mattes (Fliegergeschädigte) in Heidelberg am 28.5.1949; vgl. GLAK NL Baitunek Nr. 22. Deutscher Presse Dienst 158 Inland vom 25.6.1949, Pressearchiv Bonn. Zumindest vereinbarte man eine entsprechende Besetzung in den Vereinbarungen zwischen Fliegergeschädigtenverband und Flüchtlingsvertretern.
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
461
kämpf zu vereinbaren.299 Es spricht dafür, daß die Flüchtlingseigenschaft über den jeweils parteipolitisch eingeschlagenen Weg hinaus 1949 noch konsensstiftend wirkte. Als Partei im üblichen Sinn war die Notgemeinschaft ohnehin nicht zu begreifen. Die Vereinigung stellte vielmehr eine "Notgemeinschaft" im wörtlichen Sinne dar, eine Vereinigung von Gruppierungen, denen es vor allem darum ging, den zukünftig zu erwartenden Lastenausgleich zu beeinflussen, ohne daß in weltanschaulicher Hinsicht oder auch nur in der Frage der einzuschlagenden Wege in der Flüchtlingspolitik Einigung bestand. Demgemäß heterogen waren die Wahlkampauftritte der Kandidaten, die letztlich nur in der Gemeinsamkeit, die bestehenden etablierten Parteien in ihrer Flüchtlingspolitik abzulehnen, übereinstimmten.300 In den wenigen Treffen zwischen Flüchtlingsvertretern und Mitgliedern des Verbands der Fliegergeschädigten hatte man sich zwar auf ein gemeinsames Zehnpunkteprogramm zu einigen versucht,301 doch von großer Bedeutung fur die politischen Reden der Notgemeinschaftskandidaten war dieses Papier wohl genausowenig wie fur die sich in erster Linie aus Flüchtlingen zusammensetzenden zukünftigen Protestwähler der Vereinigung. Flüchtlingssonderverwaltung und etablierte Parteien reagierten gleichermaßen unzufrieden auf die Entwicklung. Noch in letzter Minute hatte der badische Landeskommissar für Flüchtlingswesen, Geppert, versucht, die drohende Notgemeinschaft zu verhindern. Auf der Landesverbandstagung der ID AD im Juni hielt er ein Grundsatzreferat zur politischen Beteiligung der Flüchtlinge. Wir haben die Chance, uns einen demokratischen Staat aufzubauen, wir dürfen daher auch nicht von den Spielregeln der demokratischen Einrichtungen abweichen.302 Und im Sinne des amerikanischen Parteiverständnisses führte er aus: Denken Sie an die Zeiten, die uns reif gemacht haben für das Jahr 1933. Vor lauter Interessengruppen, die sich als "Partei" auftaten, kam kein politisches Leben in Fluß. [...] Und auf dieser schiefen Ebene konnte jener verbrecherische Diktator wachsen, der die Deutschen ins Unglück stürzte und Euch z.B. um die Heimat brachte,303 Der einzig richtige Weg führe über den Anschluß an die bestehenden politischen Parteien. In den Parteien selbst müfiten sich Ihre Leute eben durchsetzen, um den Einfluß zu gewinnen, der
299
Einen sauberen Wahlkampf vereinbarten unter Federführung der IDAD: Greiner (NG), Golitschek (DVP), Haupt (NG), Hennings (NG), Kremling (DVP), Lichtblau (CDU) und Matzner (SPD) unter Berücksichtigung des Zehnpunkte-Programms der IDAD, GLAK NL Bartunek Nr. 13. 300 Redner, wie der später direkt gewählte Ott, führten den Wahlkampf unter der Forderung nach Recht auf Rückkehr in die alte Heimat; vgl. LSO-Report Stuttgart vom 22.6.1949, RG 260 OMGWB 12/77-2/40. 301 Zehnpunkte-Programm: 1. Gerechte Vertretung in Landtag und Bundestag! [...] 2. Mitbestimmung in allen Fragen, die uns angehen! [...] 3. Den sofortigen und endgültigen Lastenausgleich! [...] 4. Kontrolle über alle Mittel, die für uns bestimmt sind! [...] 5. Menschenwürdiges Wohnen! 6. Anerkennung der wohlerworbenen Rechte! [...] 7. Arbeit im erlernten Beruß [...] 8. Land für unsere Bauern! [...] 9. Existenzen ßir unsere Gewerbetreibenden ! [...] 10. Betreuung alleinstehender Frauen und bevorzugte Ausbildung unserer Jugend! GLAK NL Bartunek Nr. 12. 302
Vortragstext Gepperts vom 17.6.1949, GLAK 466 Zug. 1981/47-1664. 303 Ebd.
462
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
erforderlich ist, um Ihre bürgerliche Eingliederung zu erreichen. Und für die Eingliederung überhaupt ist ein solches Verhalten grundlegend und entscheidend.304 Doch die Weichen waren bereits in eine andere Richtung gestellt. Das grundsätzliche Dilemma der "Altbürgerparteien" im Umgang mit den Flüchtlingen verdeutlichen die Rundfunkwahlreden der einzelnen Parteien zur ersten Bundestagswahl recht anschaulich. Zwischen dem 5. Juli und dem 14. August, dem Tag der Wahl, übertrug der SDR 45 Sendungen zur Wahl mit einer durchschnittlichen täglichen Sendezeit von rund 20 Minuten.305 Neben allgemeinen Rundfunkbeiträgen, die in erster Linie die Wahlbereitschaft der Bürger vergrößern sollten,306 wie Kleine Betrachtung zum Thema 'Wahlen™1, ein Vortrag von Hermann Dietrich über die Unpolitischen308 oder der Kommentar von Hans Küfther: Jeder soll von seinem Wahlrecht Gebrauch machen309, kamen in erster Linie die Vertreter der Parteien direkt zu Wort. Insgesamt 17 Sendungen teilten sich die großen Parteien, SPD, KPD, CDU und DVP relativ gleichmäßig untereinander auf. Nur eine Sendung war für die Notgemeinschaft und die Radikal Soziale Freiheitspartei (RSF) reserviert. Weitere Reportagen stellten die Kandidaten einzelner Wahlbezirke vor. Inwieweit hier die Notgemeinschaft noch einmal Berücksichtigung fand, ist nicht mehr zu klären.310 Auch den Flüchtlingskandidaten der Altparteien wie Robert Lichtblau (CDU), Wenzel Jaksch (SPD), Ernst Paul (SPD), Emanuel Wiedermann (DVP) oder dem KPD-Kandidaten und Staatsflüchtlingskommissar, Willi Bettinger, wurde nur jeweils einmal Sendezeit eingeräumt.311 Durch alle Parteien hindurch äußerten sich die übrigen Parteienvertreter zum Flüchtlingsproblem recht karg. Wenn überhaupt, dann erschöpften sich die Stellungnahmen von CDU und DVP meist in allgemeinen Erklärungen zum Anspruch auf die polnisch besetzten Gebiete oder in der Forderung nach einer internationalen Lösung des Flüchtlingsproblems, insgesamt also Statements, auf die sich auch Alt- und Neubürger einigen konnten.312 Gerstenmeier (CDU) brachte
Ebd.; vgl. auch Protokoll über den außerordentlichen Landesverbandstag in Ladenburg am 12.6.1949, GLAK NL Bartunek Nr. 10. 305 Aufstellung im SDR-Archiv, Bestand 2862. 306 Insgesamt 9 solcher Sendungen wurden ausgestrahlt, ebd. 307 Sendung vom 27.7.1949, 17.50 Uhr-18.00 Uhr, ebd. 308 Sendung vom 1.8.1949, 22.00 Uhr - 22.30 Uhr, ebd. 309 Sendung vom 13.8.1949, 19.30 Uhr -19.45 Uhr, ebd. 310 In der Sendung vom 13.8.1949 beispielsweise, die eine Diskussion der Karlsruher Bundestagskandidaten in Ausschnitten aufzeichnete, kam der Vertreter der Notgemeinschaft kein einziges Mal zu Wort, ebd. 311 Robert Lichtblau und Willi Bettinger am 19.7., Wenzel Jacksch am 6.8., ebd., Ernst Paul am 12.7.1949, ebd., Emanuel Wiedermann am 15.7.1949, ebd. 3 S o Adenauer am 12.8.1949: Deutschland kann natürlich das Vertriebenenproblem nicht aus eigener Kraft lösen. Es handelt sich um eine internationale Aufgabe, die allein in der Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat, in der Beseitigung auch der Oder/Neisse-Linie ihre letzte Lösung finden kann. [...] So unbeirrbar wir dieses Ziel auch im Auge halten werden, unmittelbare Hilfe ist noch notwendig. Ihr galt schon bisher unsere unablässige Arbeit ftir einen gerechten Lastenausgleich, für das Soforthilfegesetz und für eine vernünftige Siedlungsgesetzgebung mit dem Ziel der Wiedereingliederung der Vertriebenen in die deutsche Wirtschaft. Ebd. Heuss am 11.8.1949: Die Besatzungsmächte blicken an diesem Problem der Vertriebenen gern vorbei. Heute stehen wir vor den Problemen des Wohnungsbaus, der Frage der
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
463
die übliche Haltung auf den Punkt: Viele Jahre schlagen wir uns innerhalb und außerhalb der deutschen Grenzen nun mit der Flüchtlings- und Vertriebenen/rage herum. Ohne ihre energische gesamtdeutsche, ja internationale Behandlung und Lösung können wir daran ersticken. Die Flüchtlingsfrage ist die Existenzfrage von Millionen von Brüdern und Schwestern. Sie ist unteilbar verbunden mit der Einheit Deutschlands und der Wiedergewinnung von deutschen Reichsgrenzen, in denen ein 60-Millionen-Volk unter menschenwürdigen Bedingungen leben kann.313 Zwar äußerten sich SPD-Vertreter, wie der Neubürger Wenzel Jaksch, zu den Rückkehrmöglichkeiten der Flüchtlinge skeptischer, die KPD verneinte sie ganz, doch die Flüchtlingsfrage gehörte insgesamt auch in den Parteien auf der linken Seite des Spektrums nicht zu den bevorzugten Themen.314 Im herrschenden Verteilungskampf für eine innerdeutsche Stärkung der Position der Neubürger zu votieren, das lag offenbar außerhalb der Vorstellungswelten der Parteienvertreter und hätte unzweifelhaft die Wählerschaft aus Altbürgerkreisen verprellt. Dies ließ jedoch die wenigen Flüchtlingskandidaten der Altparteien in den Rundfunkreden nicht zögern, die Flüchtlinge aufzufordern, sich in die Wählerschaft der vier großen Parteien einzuordnen und keine eigenen parteipolitischen Wege zu gehen. Die Beauftragten der Heimatvertriebenen aber, so Ernst Paul (SPD), werden ihre Aufgabe nur dann erfüllen können, wenn sie eine große Partei an ihrer Seite wissen, eine Partei, die immer für die sozial Schwachen gekämpft hat und von der bekannt ist, daß sie auch für das harte Los der heimatlosen Menschen volles Verständnis besitzt.315 Robert Lichtblau (CDU) plädierte im Rahmen des durch die Besatzer vorgegebenen Verbots einer Flüchtlingspartei, mit dem man sich abzufinden habe, ob wir das nun für richtig halten oder nicht, für den Weg des Konsenses mit der Altbürgerschaft. Und wenn man Politik als die Kunst des Möglichen bezeichnet, muß man der Tatsache Rechnung tragen, daß wir Heimatvertriebenen eine Minderheit von 20 gegen 80 sind und daß die Zusammenfassung und Radikalisierung auf der einen die Gegenkräfte auf der anderen Seite mobilisiert, daß das Ergebnis kein anderes sein kann als eine Verschärfung der Gegensätze, die für uns nur verhängnisvoll sein könnte,316 Robert Wiedermann erläuterte für die DVP, daß eine eigene Flüchtlingspartei überhaupt nicht nötig sei, wenn der Forderung der DVP Rechnung getragen würde, die Neubürger prozentual zu ihrem Bevölkerungsanteil in allen politischen Gremien zu berücksichtigen - freilich ohne zu belegen, ob dies
Ansiedlung der Flüchtlinge, der Arbeitsbeschaffung. Ob die Welt uns helfen wird dabei? Es ist ftir Deutschland schwer, es der Welt richtig zu machen. Ebd. 313 Gerstenmeier am 29.7.1949, ebd. 3 S o verschob Wenzel Jaksch am 6.8.1949 die Rückkehrmöglichkeiten visionär auf die Zeit nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, dann wird die Zeit ftir eine friedliche Neuordnung Europas angebrochen sein, ftir eine friedliche Neuordnung Europas, in der auch das unverlierbare Heimatrecht der Vertriebenen in Rechnung gestellt werden muß. Ebd. 315 Ernst Paul in der Sendung vom 12.7.1949, ebd. 316 Robert Lichtblau in der Sendung am 19.7.1949, ebd.
464
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
wenigstens innerhalb der DVP bereits geschehe.317 Und Bettinger präsentierte die KPD als Vertreterin der Besitzlosen und insbesondere der Flüchtlinge schlechthin.318 Die angemessene Vertretung der Neubürger durch die etablierten Parteien bestritt der Vertreter der Notgemeinschaft, Wilhelm Heinzelmann, in seiner Rundfunkansprache am 8.8.1949. Obwohl die Notgemeinschaft erst seit einigen Wochen existiere, habe sie in mehr als 150 Wahlkreisen Westdeutschlands eigene Kandidaten aufstellen können, erläuterte Heinzelmann, großzügig sämtliche einschlägigen Wahlvereinbarungen in den einzelnen Ländern unter dem Oberbegriff Notgemeinschaft fassend. Die Notgemeinschaft setze sich zum Ziel, das Schicksal der aus ihrer Heimat vertriebenen 12 Millionen Deutschen und das Problem einer gerechten Verteilung der Lasten des vergangenen Krieges zum entscheidenden Programmpunkt der bevorstehenden Wahlen zu machen,319 Die Vertreter der alten Parteien hätten in den letzten Jahren zu Genüge bewiesen, daß sie nicht in der Lage seien, die mit dem notwendigen Ausgleich zusammenhängenden Fragen mit der gebotenen Eile und Tatkraft zu meistern. [...] Wir sind der Überzeugung, daß nur das gesonderte und unabhängige Auftreten der "Notgemeinschaft" als neuer politischer Organisation die alten Parteien und darüber hinaus jeden deutschen Mann oder Frau dazu zwingt, sich gegenüber den von uns zur Debatte gestellten Fragen zu entscheiden.™ Die Ergebnisse der ersten Bundestagswahl bestätigten die Einschätzungen der Flüchtlingsvertreter. Keineswegs ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend fanden die Neubürger über die zugelassenen Parteien Eingang in den Bundestag. Von den 54 Flüchtlingsabgeordneten auf Bundesebene stellten CDU/CSU 9 (von 139), SPD 21 (von 131), FDP 11 (von 52), Loritzpartei 6 (von 12), DP 4 (von 17), Zentrum 1 (von 10), Bayernpartei 1 (von 17), KPD 0 (von 15) und DKP/DRP 0 (von 5). Dazu kam der direkt gewählte Kandidat der Notgemeinschaft, Ott. In Württemberg-Baden waren lediglich 4 von 33 Mandaten an Neubürger gegangen (2 SPD, 1 DVP, 1 Notgemeinschaft).321 Die eigentliche Überraschung war jedoch das gute Abschneiden der Notgemeinschaft. 268.806 bzw. 15,4% der gültigen Stimmen konnte sie bei einem Bevölkerungsanteil der Neubürger von 17,8% auf sich vereinigen.322 In nahezu allen Wahlkreisen, in denen die Notgemeinschaft angetreten war, erreichte sie annähernd dem Bevölkerungsanteil der Flüchtlinge entsprechende Stimmengewinne. In den Großstädten errang das Notbündnis mit den Fliegergeschädigten sogar Stimmenanteile, die den Flüchtlingsbevölkerungsanteil übertrafen. Hier hatte das Wahlbündnis Fliegergeschädigte aufgestellt, und in den bombenzerstörten Städten suchte und fand der Verband der Fliegergeschädigten durchaus ein gewisses Wählerpotential innerhalb der Altbürgerschaft. Dagegen kann man wohl in den Landkreisen
Emanuel Wiedemann in der Sendung am 15.7.1949, ebd. Bettinger in der Sendung am 19.7.1949, ebd. 3 1 9 Dr. Wilhelm Heinzelmann in der Sendung am 8.8.1949, ebd. 320 Ebd. 321 Vgl. Bartunek, Die Bundestagswahlen, IDAD Nachrichten 9/1949. 322 Es ist erstaunlich, daß Arbeiten zur ersten Bundestagswahl wie z.B. die von FALTER (1981) das Phänomen der Notgemeinschaft ausklammern. 318
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
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Tabelle 65: Abgegebene Stimmen für die Notgemeinschaft in den Bundestags-Wahlkreisen Württemberg-Badens 1949 Nr./Wahlkreis
Stimmen der NG η % (1) (2)
Fl.bev. in NG-Stimmen % Herkui % 1950 / Fl.bev. ύ/α (3) (4) (5)
Nordwürttemberg 01 Stuttgart I 02 Stuttgart II 03 Ludwigsburg 04 Heilbronn 05 Böblingen 06 Esslingen 07 Göppingen 08 Ulm 09 Aalen 10 Backnang 11 Crailsheim 12 Waiblingen Summe
14.117 13.170 19.601 12.898 19.726 27.069 20.508 16.656 20.427 10.850 15.542
13,0 11,4 23,2 14,6 21,5 28,0 20,1 16,3 20,2 19,7 20,3
-
-
zus. 6,5 6,5 3,9 7,1 7,4 7,6 7,0 8,1 4,1 5,6 4,2
190.564
17,6
68,0
8.555 5.411 4.637 15.930 9.510
9,3 5,5 4,0 15,8 16,1
zus. 1,44 1,03 1,03 1,43 1,26 1,03 0,84 0,87 1,06 1,00
Flie Flie Flü FIü Flü Flü Flü Flie Flü Flü Flü
0,87 1,08 0,19 1,07 1,15
Flie Flie Flie Flie Flü
1,07 0,91
Flü Flü
Nordbaden 13 Karlsruhe SK 14 Mannheim SK 15 Heidelberg 16 Karlsruhe LK 17 Bruchsal 18 Mannheim LK 19 Sinsheim 20 Tauberbh.
-
-
17.647 16.552
27,7 22,9
3,3 1,9 5,9 4,3 2,7 2,5 5,7 5,7
Summe
78.242
11,7
32,0
268.806
15,4
100
Summe WB
(1) (2) (3) (4) (5)
1,01
Anzahl der Stimmen für die Notgemeinschaft Stimmen für die Notgemeinschaft in % der gültigen Stimmen Verteilung der Flüchtlingsbevölkerung auf die Wahlkreise 1950 in % Notgemeinschaftsstimmen in % 1949 : Flüchtlingsbevölkerung in % 1950 Zugehörigkeit des Kandidaten der Notgemeinschaft zur Gruppe der Flüchtlinge (FLü) oder Fliegergeschädigten (Flie)
Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
466
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Tabelle 66: Verhältnis von Notgemeinschafts-Stimmen (NG) in Prozent 1949 und Flüchtlingsbevölkerung (FL) in Prozent nach Ortstypen Pearson NG%:FL% (1)
Orte η (2)
NG % (3)
Flüchtl. % (4)
Württemberg-Baden Gewerbegemeinde Arbeiterwohngem. Mischgem. Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
0,49 0,62 0,45 0,47 0,44
174 308 101 568 228
19,7 18,5 20,7 21,6 24,7
20,9 19,8 18,9 22,2 27,6
Alle Gemeinden
0,52
1.380
21,1
22,1
Nordbaden Geweibegemeinde Arbeiterwohngem. Mischgem. Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
0,63 0,48 0,24 0,51 0,41
59 91 52 209 50
17,4 13,2 17,0 23,8 24,4
20,9 17,0 17,1 24,4 31,9
Alle Gemeinden
0,55
462
20,2
22,5
Nordwürttemberg Geweibegemeinde Arbeiterwohngem. Mischgem. Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
0,38 0,63 0,54 0,41 0,51
115 217 49 359 178
20,8 20,7 24,8 20,4 24,8
20,9 21,0 20,8 20,9 26,3
Alle Gemeinden
0,50
918
21,6
22,0
Spalte (1): Spalte (2): Spalte (3): Spalte (4):
Pearson Con für den Zusammenhang von Stimmen für die Notgemeinschaft 1949 in % und Vertriebenenbevölkerungsanteil in % 1950. Anzahl der Orte. Durchschnitt! Anteil der Notgemeinschaftsstimmen an den gültigen Stimmen bei der Bundestagswahl 1949. Durchschnittl. Bevölkerungsanteil der Heimatvertriebenen an der Gemeindebevölkerung 1950.
Als Ortstypen wurde die Klassifikation von 1939 zugrunde gelegt, da sie wohl am deutlichsten die Sozialstruktur der Altbürger spiegelt. Es wurden nur die Wahlkreise berücksichtigt, in denen die Notgemeinschaft kandidierte. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
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Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
Tabelle 67: Verhältnis von Notgemeinschafts-Stimmen (NG) in Prozent 1949 und Flüchtlingsbevölkerung (FL) in Prozent nach Ortstypen in den Wahlkreisen mit Flüchtlingskandidaten der NG Pearson NG%:FL%
(1)
Orte η (2)
NG %
Flüchtl. in %
(3)
(4)
Württemberg-Baden 136 22,2 223 21,2 69 23,0 505 22,3 185 25,0
Geweibegemeinde Aibeiterwohngem. Mischgem. Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
0,48 0,76
Alle Gemeinden
0,56
1.119
Geweibegemeinde Aibeiterwohngem. Mischgem. Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
0,60 0,93 0,75 0,52 0,36
36 33 20
18,6 18,8
187 48
Alle Gemeinden
0,56
325
Geweibegemeinde Aibeiterwohngem. Mischgem. Kleinbäuerl. Gem. Großbäuerl. Gem.
0,38 0,69 0,54 0,43 0,61
NordwSrttemberg 100 21.5 190 21.6 49 24.8 318 20,4 137 24.9
20,4 26,3
Alle Gemeinden
0,54
794
21,7
0,62
0,51 0,49
21,9 20,5 20,1
22,1
27,8
22,5
22,6
24.2
25,4 25.3
24.0 18.1 18,4 24,9 32,3
24,2
24,8
Nordbaden
Spalte (1): Spalte (2) : Spalte (3): Spalte (4):
21,9
21,2 21,0 20,8
Pearson Corr für den Zusammenhang von Stimmen fur die Notgemeinschait 1949 in % und Vertiiebeneribevölkerungsanteil in % 1950. Anzahl der Orte. Durchschnittl. Anteil der Notgemeinschaftsstimmen an den gültigen Stimmen bei der Bundestagswahl 1949. Durchschnittl. Bevölkerungsanteil der Heimatvertriebenen an der Gemeindebevölkerung 1950.
Als Ortstypen wurde die Klassifikation von 1939 zugrunde gelegt, da sie wohl am deutlichsten die Sozialstruktur der Altbürger spiegelt. Es wurden nur die Wahlkreise berücksichtigt, in denen die Notgemeinschaft Flüchtlingskandidaten und keine Fliegergeschädigten aufstellte. Quelle: Datensatz Gemeindestatistik 1939/50.
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davon ausgehen, daß sich die Wählerschaft der Notgemeinschaft nahezu ausschließlich aus Neubürgern zusammensetzte. Wie das schlechte Ergebnis im Stadt- und Landkreis Heidelberg zeigt - hier war wohl wegen des nahezu flüchtlingsfreien Wählerpotentials Heidelbergs, ein Kandidat der Fliegergeschädigten aufgestellt worden - legten die Neubürger durchaus Wert darauf durch einen Repräsentanten der eigenen Herkunftsgruppe vertreten zu werden. Dies bestätigen Tabelle 65 und 66. Über alle Ortstypen hinweg ist der Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der lokalen Stimmen für die Notgemeinschaft und dem Umfang der Flüchtlingsbevölkerung relativ gut sichtbar. Keine der üblicherweise zur Analyse des Wahlverhaltens herangezogenen Strukturdaten, wie die lokalen konfessionellen, sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren, wiesen annähernd so viel Bedeutung für den Stimmenanteil der Notgemeinschaft auf wie der reine Flüchtlingsstatus selbst. Der enge Zusammenhang zwischen Flüchtlingsbevölkerung und Stimmenanteil der Notgemeinschaft bestätigt sich insbesondere dann, wenn nur die Wahlkreise und Gemeinden berücksichtigt werden, in denen ein Flüchtlingskandidat sich für die Notgemeinschaft zur Wahl stellte (Tabelle 67). Besonders in nordbadischen Arbeiterwohn- und Mischgemeinden erreichte der diesbezügliche Pearsonsche Korrelationskoeffizient erstaunliche Höhen. Interpretiert man grundsätzlich eine deutliche Verbindung zwischen Flüchtlingseigenschaft und Wahl der Notgemeinschaft als Indiz dafür, daß von einer lokalen Integration der Neubürger 1949 noch kaum die Rede sein konnte, dann stellten Arbeiterwohngemeinden in Nordbaden und Nordwürttemberg, in Nordbaden des weiteren die Mischgemeinden eine besonders integrationsfeindliche Umgebung dar. Wie anläßlich erster "Feldforschungen" des Kölner soziologischen Seminars Leo Arns bereits 1948 beschrieb, war die Alteinwohnerschaft gerade "gemischter" sozialer Kommunen, deren ursprüngliches soziales Gefüge schon sichtbare Auflösungstendenzen aufzeigte, wenig bereit, den neuen Bevölkerungsteil mit offenen Armen zu empfangen. 323 Mit dieser Beobachtung läßt sich das als Opposition zur Aufhahmegesellschaft verstandene Wahlverhalten der Neubürger durchaus verbinden. Abb. 28 veranschaulicht die regionale Verteilung der Gemeinden mit einer Stimmenzahl für die Notgemeinschaft, die den Bevölkerungsanteil der Neubürger deutlich übertraf. Insbesondere im Umland um das stark zerstörte Pforzheim, im Hinterland Heilbronns scheinen evakuierte Fliegergeschädigte und Flüchtlinge am gleichen Strang gezogen zu haben. Typisch für die Erfolge des Wahlbündnisses waren solche Schulterschlüsse jedoch nicht. Da die Stimmen der Notgemeinschaft auf Landesebene nicht gerechnet wurden, führte der hohe Stimmengewinn des Bündnisses nicht zu entsprechenden Mandaten. Lediglich im Landkreis Esslingen hatte eine etwa gleich starke Verteilung der Stimmen auf SPD und CDU und eine hohe Stimmenabgabe für die Flüchtlingspartei dem Vertreter der Notgemeinschaft eine relative Mehrheit der Stimmen beschert. Er zog als einziger, direkt gewählter Kandidat der Notgemeinschaft in den Bundestag ein. Der Rest der Stimmen ging verloren. Rein rechnerisch hätten der Flüchtlingspartei fünf Abgeordnete zugestanden. 323
ARNS (1948).
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
Abb. 28
469
470
Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
Die guten, wenn auch wirkungslosen Ergebnisse der Notgemeinschaft überraschten nicht nur die bundesdeutschen Parteien, sondern auch die Amerikaner. Auf das Gewicht ihrer Wählerstimmen pochend, suchte die Notgemeinschaft bei der Landesmilitärregierung um eine nachträgliche Lizenzierung nach. Man beschied der Flüchtlingspartei jedoch, daß die Militärregierung auf Landesebene in dieser Sache keine Befugnisse habe. Doch teilte der politische Berater der Landesmilitärregierung für Württemberg-Baden, Chester Lewis, der Presse mit, daß die Notgemeinschaft die Möglichkeit (habe), bei einer "höheren Dienststelle" vorstellig zu werden,324 Es sollte zwar nicht zu einer nachträglichen Lizenzierung kommen, einen Kurswechsel innerhalb der Militärregierung leiteten die Wahlergebnisse dennoch ein. Wie Campbell in seiner Rückschau auf das Jahr kommentierte, stellte nach Meinung der Militärregierung das 'coming of age' as a legally recognized political force der Flüchtlinge die wichtigste Entwicklung in Flüchtlingsfragen 1949 dar.325 Following the election the Notgemeinschaft applied again for recognition as a political party and HICOG subsequently changed its policy and made the licensing of political parties a function of the Federal German Government. Zwar habe bisher die deutsche Seite die Notgemeinschaft noch nicht lizenziert, doch zeige der hohe Wahlerfolg der Notgemeinschaft durchaus seine Folgen. The Government and the political parties, now conscious of the rapidly increasing political potency of the expellees began to reorganize and to take counter-offensive actings. Die erste nachweisbare einschlägige Aktion in Württemberg-Baden sei die Schaffung eines Hauptausschusses für Flüchtlingsfragen gewesen, in dem die Repräsentanten der ethnischen Flüchtlingsgruppen und Flüchtlingsorganisationen vertreten seien. Faktisch stelle der Hauptausschuß nur eine Umbenennung des bisher bereits vorhandenen Flüchtlingslandesbeirats dar; er werde bisher auch nicht von den politischen Führern der Flüchtlinge außerhalb der traditionellen Parteienlandschaft akzeptiert. Doch, so Campbell, other moves are expected by the Government and the political parties in counteract the growing political force of the expellees. Das grundsätzliche Versagen der lizenzierten Parteien, die Flüchtlinge und ihre Interessen zu integrieren, konstatierte 1950 schließlich der Untersuchungsausschuß des US-Kongresses in seinem als WalterBericht bekannt gewordenen Gutachten. Ihre Bemühungen um die Flüchtlinge seien über formale Solidaritätsbekundungen nicht hinausgegangen. Kritisiert wurde von den Mitgliedern der Untersuchungskommission auch die starre Haltung der Militärregierung. Sie habe am Koalitionsverbot noch festgehalten, als längst absehbar war, daß die Flüchtlinge zur Wahrung ihrer Interessen eigener Organisationen bedürften.326 Zu den Konsequenzen des Wahlergebnisses ist auch der Versuch der betroffenen Notgemeinschaften der Bundesrepublik zu rechnen, die erste Bundestagswahl anzu-
325
Frankfurter Rundschau vom 18.8.1949, Archiv Deutsches Büro für Friedensfragen DI, Pressearchiv Bonn. Highlights on Refugees 1949, RG 260 OMGWB 12/17-1/5. Hieraus auch die folgenden Zitate.
3 2 6 v g l . VERTRIEBENE UND FLÜCHTLINGE ( 1 9 5 0 ) .
Der Kampf um eine eigenständige Flüchtlingspartei
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fechten. 327 Nach Meinung der Einspruch Erhebenden verstieß das Übergehen der Notgemeinschaft gegen das Bonner Grundgesetz. Doch gegen die Flüchtlingspartei arbeitete die Zeit. Es dauerte noch zwei Jahre, bis überhaupt Wahlprüfiingsausschüsse beim Bundestag eingerichtet wurden. 328 Zur Halbzeit der ersten Legislaturperiode sollte der nunmehr eingerichtete zweite Wahlprüfungsausschuß schließlich darüber entscheiden, wie die Ausgrenzung der Flüchtlingspartei zu bewerten sei. Der Ausschuß erklärte sich nach längerer Debatte für nicht zuständig, über die grundsätzliche Rechtmäßigkeit des Wahlgesetzes von 1949 zu befinden. Er verortete die Zuständigkeit für die Klage beim neu geschaffenen Bundesverfassungsgericht und ließ den Klägern offen, den vorgezeigten Weg zu beschreiten, wobei freilich nicht mehr zu erwarten war, daß eine positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überhaupt noch Auswirkungen auf die erste Legislaturperiode zeigen konnte. 329 Wie brisant die Bewertung des Koalitionsverbots für die Flüchtlinge aus dem Jahr 1949 auch 1951 noch war, mag man daran ermessen, daß das Innenministerium intensiv bemüht war, den Wahlprüfungsausschuß dahin zu bewegen, selbst über die Anfechtungsklage zu entscheiden und damit eine mögliche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu verhindern.330 Der Nachfolgeorganisation und ersten offiziellen Flüchtlingspartei, dem Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) war auch in Württemberg-Baden nur eine kurze Blütezeit beschieden. 1950 gerade gegründet, erreichte der BHE anläßlich der Landtagswahl 1950 immerhin 14,7% der Stimmen. Die Führer der Flüchtlingsselbsthilfeorganisationen, Bartunek und Mocker, zogen für ihn in den Landtag. Die bald sinkende Bedeutung der separaten Flüchtlingsorganisation mag als Indiz für die mittlerweile erfolgte wirtschaftliche und politische Integration eines großen Teils der Flüchtlinge zu interpretieren sein. Gerade in Württemberg und Baden waren in den ersten Nachkriegsjahren die Flüchtlingsorganisationen besonders einflußreich, die sich in erster Linie an diesem Ziel orientierten. Als sich mit dem Wirtschaftswunder der 50er Jahre die erfolgreiche Teilhabe auch der Neubürger am wachsenden Wohlstand abzuzeichnen begann, verschwanden die Gründe, die den Flüchtlingen eine 327 Für j i e Notgemeinschaft Bayern focht der Oberingenieur und Stadtrat August Hofmann, Bamberg die Wahl zum ersten Bundestag an; vgl. Bericht des WaWprüfungsausschusses vom 26. Oktober 1951, AZ 106a/49, Drucksache Nr. 2813; weitere Wahlanfechtungen lagen aus Hessen fur den Bund der Fliegergeschädigten und andere hessische Notgemeinschaften vor, z.B. AZ 125/49, Drucksache Nr. 2816. Landtagsarchiv, Büschel; Wahlgesetz. Eigene Anträge aus Württemberg-Baden wurden im Wahlprüfungsausschuß offenbar nicht behandelt, obwohl die Notgemeinschaft im September 1949 angekündigt hatte, daß sie die Wahl anfechten werde. Vgl. Die Neue Zeitung vom 20.9.1949. Möglicherweise einigte man sich darauf, stellvertretend für alle entsprechenden Flüchtlingsvereinigungen einzelne Vereinigungen die Wahl anfechten zu lassen. o b hierfür Anfangsschwierigkeiten der neuen Bundesrepublik verantwortlich sind oder ob man von bewußter Hinhaltetaktik des ersten Parlaments ausgehen kann, ist letztlich nicht zu klären. 329 vgl. Bericht des Wahlprüfungsausschusses, Drucksache Nr. 2813 und Erläuterung von Ewers (DP) als Berichterstatter des Wahlprüfungsausschusses, Sitzungsprotokoll des Bundestags Nr. 179 vom 6.12.1951, S. 7407 u. 7410 ff. Landtagsarchiv, Büschel: Wahlgesetz. 330 vgl. Sitzungsprotokoll des Bundestags Nr. 179 vom 6.12.1951, Stellungnahme von Bundesinnenminister Lehr, S. 7409 f.
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Auseinandersetzungen um die politische Organisation der Flüchtlingsinteressen
separate Flüchtlingsinteressenartikulation notwendig erscheinen ließen. Dennoch sollte die Bedeutung der frühen Flüchtlingsvereinigungen fur die weitere Entwicklung nicht unterschätzt werden. Ihre sichtbar gesetzten Signale, daß an den Flüchtlingen vorbei in der neuen Bundesrepublik keine Politik zu machen sei, setzte die lizenzierten Parteien dem Druck aus, sich für die neue Bevölkerungsgruppe öffnen zu müssen, für eine ansehnliche Minderheit, die man in den Jahren zuvor stets mitzuvertreten beanspruchte, ohne ihr die Möglichkeit zum Mitgestalten einzuräumen.331
331
Insofern ist der Meinung Beyers/Holtmanns zu widersprechen, wenn sie die Entwicklung eigenständiger Flüchtlingsinteressenvertretungen mehr durch die Wirtschaftskrise im Gefolge der Währungsreform als durch das Versagen der Parteien zu erklären versuchen; vgl. BEYER/HOLTMANN ( 1 9 8 7 ) .
9.
Bestandsaufnahme Ende 1949 und Ausblick
Welche Schlußfolgerungen lassen sich aus dem Dargestellten zum Stand der Flüchtlingseingliederung und zum Ausmaß der diesbezüglichen Weichenstellungen für die Zukunft Ende 1949 ziehen? Zum Jahreswechsel 1949/50 hatten die Neubürger in Württemberg-Baden bzw. in der amerikanischen Zone Soll und Haben gleichermaßen aufzuweisen. Die Flüchtlinge und Ausgewiesenen Volksdeutschen Ursprungs waren rechtlich den deutschen Staatsbürgern gleichgestellt. Sie genossen zumindest auf dem Papier gleiche Rechte, Pflichten und gleichen Anspruch auf staatliche Unterstützung wie die einheimische Bevölkerung. Ihre Familien waren größtenteils zusammengeführt. Gerade in Württemberg-Baden wohnten die meisten von ihnen in privatem Wohnraum, wie unzureichend ihre Wohnverhältnisse im Vergleich zu denen der Altbürgerschaft auch immer gewesen sein mögen. Auch wenn die Arbeitslosigkeit unter den Neubürgern größer als unter der Altbevölkerung war, so konnte doch ein Großteil von ihnen als in den Arbeitsprozeß eingegliedert gelten, läßt man Überlegungen über die vielfach geringe Qualität ihrer Arbeitsplätze beiseite. Die rechtlich abgesicherte politische Gleichberechtigung bescherte den Neubürgern früh schon das Wahlrecht und damit die Teilhabe an den politischen Entscheidungsprozessen der neuen Länder und der entstehenden Bundesrepublik, auch wenn ihnen die Formierung als eigenständige politische Kraft vorenthalten wurde. Dies mag aus der rückschauenden, den erfolgreichen Abschluß des Eingliederungsprozesses vorwegnehmenden Perspektive nicht sonderlich bemerkenswert sein. Eine solche Einschätzung verkennt jedoch das Ausmaß der Widerstände, das der rechtlichen, sozialen, ökonomischen und politischen Gleichberechtigung der Neubürger in der Aufnahmegesellschaft der ersten Nachkriegsjahre entgegengebracht wurde. Als düstere Alternative wäre die Ansammlung zahlreicher Flüchtlinge in Flüchtlingslagern längs der Grenzen zum Osten, auch verstanden als deutsche politische Mahnung an den Anspruch auf die abgetrennten Ostgebiete, zeitgenössisch durchaus denkbar gewesen, vorausgesetzt die Entscheidung darüber hätte allein in den Händen deutscher Verwaltungs- und Regierungsinstanzen gelegen. Daß die Entwicklung der Erstaufnahme in der amerikanischen Zone anders verlief, ist zu großen Teilen auf das Engagement der amerikanischen Besatzungsmacht zurückzufuhren, deren flüchtlingsbezogene Politik längst nicht so reaktiv ausgerichtet war, wie die unter dem Einfluß des Kalten Krieges entstandenen amerikanischen Selbstdarstellungen glauben machen möchten. Das amerikanische Eingliederungskonzept, dessen beiden Schwerpunkte mit den Begriffen Assimilation und Gleichberechtigung zu benennen sind, setzte die Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich die Aufnahme und erste Eingliederung der Flüchtlinge vollzog. Auf die Widerstände der Aufnahmegesellschaft nicht vorbereitet, stellte die Besatzungsmacht die angestrebte gleichberechtigte Teilhabe der Neubürger an den Ressourcen des neuen Deutschland dem Assimilationsziel hintan und legte das Hauptgewicht ihrer Interventionen auf eine staatlich verordnete Mindestbeteiligung der Neubürger an
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Die Flüchtlingsaufnahme in Wüittemberg-Baden
den knappen Gütern sowie auf die rechtliche Absicherung der gleichberechtigten Aufnahme. Auf das Erreichen dieser Ziele verwandten die Besatzer beträchtliche Mühen. Das vielfach beschriebene Wunder der Flüchtlingseingliederung entpuppt sich in seiner ersten Phase damit als verordnetes Wunder. Die Bemühungen der Neubürger, als eigenständige gesellschaftliche und politische Kraft auf ihre Eingliederungsbedingungen Einfluß zu nehmen, suchten die Besatzer indes im Kontext des Assimilationsdiktats so weit als irgend möglich zu unterbinden. Der in der Studie häufig zitierte Flüchtlingsoffizier der amerikanischen Landesmilitärregierung Württemberg-Badens, Campbell, brachte die hieraus folgenden, aus dem Spannungsverhältnis zwischen amerikanischen Vorstellungen und deutscher Wirklichkeit entstehenden Probleme bereits 1947 auf den Punkt: It is not yet certain whether the processes of assimilation or of estrangement and discrimination are making the most headway. [...] A definite dilemma with implications for Military Government policy presents itself. Rapid assimilation within a generation demands ruthless, probably inhumane, scattering of these expellees over Germany and checking out of all cultural traits foreign to Germany. Some cultural and economic loss will be involved. This means loss of social and economic status for this generation of expellees. On the other hand, arty grouping for social satisfactions or political and economic protection from discrimination may perpetuate minority groups and identify classes considered socially and economically inferior, if not centers of trouble.1 Erst 1949 begann sich auch in den Augen der Militärregierung abzuzeichnen, daß die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen der Eingliederung einer so großen Bevölkerungsminderheit in Deutschland angesichts der begrenzten Ressourcen mehr Probleme verursachten, than is good for the future tranquility of Europe,1 daß die neue Bundesrepublik bei dieser Aufgabe finanzielle Unterstützung benötigte, aber auch, daß die politische Formierung der Flüchtlingsinteressen nicht mehr zu verhindern war. In diesem Zusammenhang bedürfen die weiteren Bemühungen Amerikas um die wirtschaftliche Gesundung Westdeutschlands, die von der Forschung in erster Linie in enger Anlehnung an den außenpolitischen Blockbildungsprozeß beschrieben werden, einer erweiterten Bewertung. Das Wunder der Eingliederungsleistung der Aufhahmegesellschaft mag sich unter diesem Blickwinkel angesichts amerikanischer Wirtschaftshilfe für die Bundesrepublik als "subventioniertes" Wunder darstellen. Inhalt der Studie ist jedoch nicht nur das Agieren der Besatzungsmacht, sondern auch das Handeln der beteiligten deutschen Kräfte, wie es sich im Schriftgut von Regierung und Landesverwaltung niederschlug. Viele Kapitel thematisieren am Beispiel der Flüchtlingsaufnahme die herrschenden Verteilungskämpfe in den Notzeiten Nachkriegsdeutschlands. Sie beleuchten den Mangel an Kooperationsbereitschaft in weiten Teilen von Verwaltung und Regierung, wenn es um schmerzhafte Einschränkungen der Altbevölkerung ging. Angesichts von der Militärregierung 1
^
Halbjahresbericht der PW Branch, Campbell für den Zeitraum Januar 1947- Juni 1947, RG 260 OMGWB 12/27-1/15, S. 70. The Refugees and the Demographic Problem Presented by Western Germany. RG 260 OMGUS CAD 3/159-2/10.
Bestandsaufnahme Ende 1949 und Ausblick
475
diktierter Aufgaben bei gleichzeitig von der Wählerschaft zu erzielender demokratischer Legitimation ist das Verhalten der deutschen Entscheidungsträger durchaus nachvollziehbar; inwieweit deren Einstellungen auch als indirekte Kritik an den Bevölkerungsausweisungen infolge alliierter Beschlüsse verstanden werden kann, ist letztlich nicht zu klären. Daß solche Verteilungskämpfe nach den Vorgaben der Besatzer per definition eigentlich nicht stattzufinden hatten, gibt der Flüchtlingseingliederung der ersten Jahre ihr besonderes Gepräge. Im Rahmen des Assimilationspostulats wurde seitens der amerikanischen Militärregierung weder den Flüchtlingsinteressen noch den diesbezüglichen Interessen der Altbürgerschaft und den unvermeidlich entstehenden lokalen Konflikten öffentlicher Raum zugebilligt. Die Tabuisierung der zeitgenössischen Auseinandersetzungen hat viel dazu beigetragen, den Mythos der schnellen Integration3 entstehen zu lassen. Trotz aller offiziellen Erfolgsmeldungen blieb jedoch die Bezeichnung "Flüchtling" in den Gemeinden hinter vorgehaltener Hand lange Zeit ein Schimpfwort für einen Bevölkerungskreis, der mit seinen Ansprüchen den Besitz der Einheimischen zu bedrohen schien. Viele der unterdrückten Konnotationen der Flüchtlingsaufhahme während der Nachkriegszeit scheinen heute in den Debatten um die Aufnahme der neuen vielbeschworenen "Flüchtlingsströme" mitzuschwingen. Ein abschließender Blick ist auf die Rolle der Flüchtlingssonderverwaltung und ihrer Repräsentanten zu werfen. Hier waren plötzlich in die Aufgabe hineingestellte, zufällig ausgewählte Mitglieder der neuen Landesregierungen und Verwaltungen, aber auch Fachleute am Wirken, die sich häufig mit ihrer Aufgabe identifizierten und angesichts der begrenzten Ressourcen Nachkriegsdeutschlands mitunter Erstaunliches leisteten. Ihrem Tun setzten Regierungs- und Regelverwaltungsinstanzen, die Vorstellung von der dezentral wieder aufzubauenden demokratisch legitimierten Selbstverwaltung, aber auch der allerorten herrschende Mangel wirksame Grenzen. Angesichts der zunehmenden Verringerung ihrer Handungsspielräume bis zur Gründung der Bundesrepublik verlagerten sich die Aufgaben der Flüchtlingsverwaltung mehr und mehr auf die kulturelle Betreuung der Neubürger. Im Rahmen der als weltliche Seelsorge verstandenen kulturellen Flüchtlingsbetreuung begannen sich von der Flüchtlingsverwaltung veranstaltete Heimatabende, Lichtbildervorträge, Weihnachtsveranstaltungen etc. 1948/49 zu häufen. 4 Wie der Landesflüchtlingskommissar für Nordbaden, Geppert, 1948 erläuterte, kam aus seiner Sicht der kulturellen Betreuung der Neubürger großes Gewicht zu: Die Vertriebenen sollen hier heimisch werden.5 Doch davon könne im Moment noch keine Rede sein. Meist werde die Eingliederung von den Einheimischen so verstanden, daß sich der Vertriebene in die hiesigen Verhältnisse einfügen und in jeder Hinsicht angleichen müsse. Diese Art der
Eingliederung wird von den Vertriebenen abgelehnt. [...] Sie wollen auch durch die Assimilierung nicht ganz ihr eigenes Gepräge verlieren. Keinesfalls wolle der 1
'
LÜTTINGER (1986).
Protokoll der Tagung der nordwürttembergischen Flüchtlingsreferenten in Maulbronn vom 25.2.1947, G L A K 466 Zug. 1981/47-70.
'
Schreiben Geppeits vom 3.3.1948, GLAK 466 Zug. 1981/47-1613, hieraus auch die folgenden
Zitate.
476
Die Fliichtlingsaufiiahme in Württemberg-Baden
Neubürger auch noch das Letzte, das er sich wenigstens an immateriellen Werten gerettet, durch einen falsch verstandenen Assimilierungsprozeß nehmen lassen. Wohl ist dieser Prozeß ein natürlicher Vorgang, der nicht aufgehalten werden kann. Nur darf nicht übersehen werden, daß es sich nicht um einen einseitigen, sondern um einen zweiseitigen Vorgang handelt, bei welchem Einheimische und Vertriebene mit ihrem Einsatz an Werten ein Risiko eingehen. Jeder Teil wird dabei gewinnen und verlieren. Am Ende des Prozesses soll aus dem beiderseitigen Einsatz ein "reicheres Drittes, etwas Neues, Ganzes" stehen. Die Vertriebenen sind bei diesem Prozeß der zahlenmäßig kleinere Teil. Deshalb ist es auch unsere Sorge, daß deren geistige Substanz, deren eigenes Gepräge, nicht ganz verloren geht. Ein gewisses Selbstbewußtsein muß erhalten bleiben. Die Eigenart der Vertriebenen muß erhalten bleiben. Die Eigenart der Vertriebenen muß an dem entstehenden Neuen mitbestimmend sein. Die Assimilierung würde bei vollem Verlust der Eigenwerte zu einer Vermassung mit allen Gefahren einer Radikalisierung werden. Die kulturelle Aufgabe der Flüchtlingsbehörde ist hiermit begründet. "6 Gegen eine solchermaßen zur Schau gestellte kulturelle Identität der Flüchtlinge hatten amerikanische Militärregierung, Regelverwaltung und Altbürgerschaft nichts einzuwenden. Das "Flüchtlingskulturprogramm" als einziges offizielles Ventil, das Besatzer und Aufnahmegesellschaft der öffentlichen Selbstdarstellung der Neubürger als ebensolche zubilligten, sollte gegen Ende der Besatzungszeit einen kräftigen Aufschwung erleben. Hier mögen die ersten Wurzeln für eine Entwicklung gelegt worden sein, die dem öffentlich zur Schau gestellten Selbstverständnis der Flüchtlingsverbände noch in den folgenden Jahrzehnten jenseits aller Auseinandersetzungen um die Teilhabe an den Gütern der jungen Republik eigen war.
Ebd. Unterstreichungen in der Quelle.
10.
Verzeichnis der Tabellen Seite
Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5:
Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8:
Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11 : Tabelle Tabelle Tabelle Tabelle
12: 13: 14: 15:
Tabelle 16:
Tabelle 17:
Tabelle 18:
Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen 19461949 mit Gültigkeit fur die U.S.-Zone Verteilung des Landbesitzes in den Besatzungszonen (in 100ha) Privater Landbesitz in der U.S.-Zone (Flächenangaben in ha) Stand des für die Bodenreform erfaßten Landes in Württemberg-Baden Oktober 1947 Regionale Herkunft der Personen, die bisher Land erhalten haben, und Art der Landabgabe (a Anzahl der neuen Besitzer, b abgegebene Fläche in ha) Kirchlicher Grundbesitz in der amerikanischen Besatzungszone (ha) Stand der Bodenreform in Württemberg-Baden nach dem Gesetz Nr.65 Mitte 1949 Geschaffene oder im Bau begriffene Neusiedlungen in Württemberg-Baden auf durch die Bodenreform gewonnenem Land Flüchtlingsaufnahme in Nordbaden und Nordwürttemberg (1946-1949) Organisierte Flüchtlingstransporte nach WürttembergBaden Flüchtlingstransporte über Grenzübergang Passau nach Württemberg-Baden (Januar bis Juli 1946) Kreisflüchtlingslager in Württemberg-Baden Flüchtlingsaufnahme in nordbadischen Kreislagern Lagerstatistik des Kreislagers Backnang 1946 Zusammensetzung der in Württemberg-Baden eintreffenden Flüchtlinge Durch württemberg-badische Flüchtlingslager geschleuste Kriegsgefangenentransporte (Alt- und Neubürger) Evakuiertenaustausch Württemberg-Baden mit der französischen, englischen und sowjetischen Besatzungszone Waren zur Versorgung der Flüchtlinge, die von der württembergischen Flüchtlingsverwaltung bis Ende 1946 beschafft wurden
81 117 118 133 134
137 143 144
176 177 178 180 181 182 184 185
186
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Seite Tabelle 19 Tabelle 20 Tabelle 21 Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25: Tabelle 26 Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29 Tabelle 30 Tabelle 31 Tabelle 32: Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 35: Tabelle 36: Tabelle 37:
Tabelle 38:
Beschäftigungsschwerpunkte der LandesflüchtlingsVerwaltung Nordbaden Beschäftigungsschwerpunkte der LandesflüchtlingsVerwaltung Nordwürttemberg Rundfunksendungen bei Radio Stuttgart zum Flüchtlingsproblem, 1946 - 1949 Entwicklung von Wohnbevölkerung und Wohndichte 1945/49 in Württemberg-Baden Kriegsbedingte Wohnraumzerstörung in der amerikanischen und britischen Zone Wohndichte (Personen pro Raum) und Wohnungsgroße in Württemberg-Baden im Oktober 1946 Wohnungsbausonderplanung und Ergebnisse in NordWürttemberg Bevölkerungswachstum und Wohnungsbau in der amerikanischen Zone 1946/48 Wohnungszerstörung und Bautätigkeit in Württemberg-Baden 1945/1948 Flüchtlinge in Massenunterkünften in der Bizone (Stand: Ende 1948) Wohnungskontrolle in Nordwürttemberg 1949 Wohnverhältnisse in Esslingen Bevölkerungsentwicklung in den Kreisen Württemberg-Badens 1939- 1950 Bevölkerungswachstum in den Kreisen WürttembergBadens 1939 - 1950 (%) Wachstum der Bevölkerung in Württemberg-Baden nach Gemeindegrößeklassen 1945 Wachstum der Bevölkerung in Württemberg-Baden nach Gemeindetypen 1939 (%) Entwicklung der Ortstypen in Württemberg-Baden 1939 - 1949 Anteil der Alt- und Neubürger an der Einwohnerschaft der Kreise Württemberg-Badens Anteil der Altbevölkerung 1950 an der Einwohnerschaft der Gemeinden nach Gemeindegrößeklasse 1945 Anteil der Altbevölkerung an der Einwohnerschaft der Gemeinden nach Gemeindetypologie 1939
192 193 211 228 229 238 246 247 248 253 266 280 302 303 304 308 310 315 317
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Seite Tabelle 39:
Tabelle 40: Tabelle 41 : Tabelle 42: Tabelle 43: Tabelle 44: Tabelle 45: Tabelle 46: Tabelle 47: Tabelle 48: Tabelle 49: Tabelle 50: Tabelle 51:
Tabelle 52: Tabelle 53: Tabelle 54: Tabelle 55: Tabelle 56: Tabelle 57:
Entwicklung der amtlich vorgesehenen FlüchtlingsVerteilung und der tatsächlichen Flüchtlingsaufnahme 1945/46 in den Kreisen Flüchtlingsbevölkerung und Wohndichte in Württemberg-Baden 1939, 1946 und 1948 im Vergleich Wohneigentum- und Mietverhältnisse in WürttembergBaden 1950 nach Ortstypen 1939 Wohneigentum- und Mietverhältnisse inWürttembergBaden 1950 nach Gemeindegrößeklassen 1945 Wohnverhältnisse in den Regionen Württemberg-Badens 1950 Beschäftigung von Alt- und Neubürgern in Württemberg-Baden nach Wirtschaftszweigen 1947 Beschäftigung von Alt- und Neubürgern in Württemberg-Baden nach Wirtschaftszweigen 1948 Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den Westzonen nach der Währungsreform Arbeitslose Flüchtlinge (31.10.1949) Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit nach Berufsgruppen in Württemberg-Baden 1947 - 1949 Beschäftigung der Neubürger in Württemberg-Baden nach Wirtschaftszweigen 1949 Die berufliche Gliederung der Alt- und Neubürger 1939/50 Berufliche Gliederung und soziale Stellung der Altund Neubürger in der BRD nach der Berufszählung vom 13.9.1950 (Zahlen in 1000) Stellung im Beruf der Alt- und Neubürger 1939/50 Stand der Gartenlandaktion im August 1947 in Nordbaden Verteilung der Alt- und Neubürger auf die Regionen in Nordwürttemberg Soziale Lage, Wanderung und Wohnverhältnisse in den Regionen Nordwürttembergs Berufliche Situation der Neubürger in den Arbeitsamtsbezirken Württemberg-Badens (31.5.1947) Verteilung der Alt-und Neubürger auf die Regionen in Nordbaden
324
324 326 327 327 340 341 345 345 347 348 356 358
359 375 376 377 383 384
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Verzeichnis der Tabellen
Seite Tabelle 58 Tabelle 59 Tabelle 60 Tabelle 61 Tabelle 62 Tabelle 63 Tabelle 64 Tabelle 65 Tabelle 66
Tabelle 67
Soziale Lage, Wanderung und Wohnverhältnisse in den Regionen Nordbadens Entwicklung der Flüchtlingsarbeitslosigkeit 1947 1949 in den Arbeitsamtsbezirken Württemberg-Badens Neubürger in den Gemeinderäten und Kreistagen Nordbadens 1948 Repräsentanz der Neubürger in den Gemeinderäten nach Gemeindegrößen 1948 in Nordbaden Repräsentanz der Neubürger 1948 in den Gemeinderäten Nordbadens nach Ortstyp 1939 und 1949 Zusammenhang von Flüchtlingsbevölkerung (%) und Flüchtlingsgemeinderäten (%) in Nordbaden 1948 Neubürger in den Gemeinderäten und Kreistagen Nordwürttembergs 1948 Abgegebene Stimmen für die Notgemeinschaft in den Bundestags-Wahlkreisen Württemberg-Badens 1949 Verhältnis von Notgemeinschafts-Stimmen (NG) in Prozent 1949 und Flüchtlingsbevölkerung (FL) in Prozent nach Ortstypen Verhältnis von Notgemeinschaftsstimmen (NG) in Prozent 1949 und Flüchtlingsbevölkerung (FL) in Prozent nach Ortstypen in den Wahlkreisen mit Flüchtlingskandidaten der NG
386 387 448 451 452 452 453 465 466
467
11.
Verzeichnis der Abbildungen Seite
Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung
1: 2: 3: 4: 5: 6:
Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10 : Abbildung 11 : Abbildung 12: Abbildung 13 : Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18 : Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23: Abbildung 24: Abbildung 25:
Württemberg-Baden 1945 Gemeinden in Württemberg-Baden 1945 Landwirtschaftliche Erwerbspersonen 10.1946 Kriegszerstörte Wohnräume Mai 1945 Bevölkerungsdichte Dezember 1945 Der Organisationsaufbau der Flüchtlingssonderverwaltung Der Aufbau der Flüchtlingssonderverwaltung in Württemberg-Baden (bis Ende 1946) Wohndichte 1946 nach Ortstypen 1939. Heidelberg und seine Umgebung Wohndichte 1946 nach Ortstypen 1939. Esslingen und seine Umgebung Wohndichte 1946 nach Ortstypen 1939. Karlsruhe und seine Umgebung Bevölkerungswachstum Mai 1939 - Dezember 1945 Bevölkerungswachstum Dezember 1945 - März 1950 Bevölkerungswachstum März 1939 - März 1950 Bevölkerungswachstum in den Gemeinden 1939 1950 Soziogeographische Veränderungen 1939 bis 1949 Entwicklung der kleinbäuerlichen Gemeinden 1939 bis 1949 Entwicklung der Arbeiterwohngemeinden 1939 bis 1949 Anteil der Vertriebenen an der Bevölkerung 1950 Wohndichte in den Gemeinden Württemberg-Badens 1946 Wirtschaftsregionen in Württemberg-Baden 1950 Arbeitsplatzangebot in den Gemeinden 1950. Industrie und Handwerk Einpendler in den Gemeinden Württemberg-Badens 1950 Auspendler in den Gemeinden Württemberg-Badens 1950 Anteil der Neubürger und Auspendler im Vergleich 1950 Entfernungen zu den Bahnstationen in Nordwürttemberg 1949
26 27 28 29 30 106 160 271 278 288 305 306 307 311 312 313 314 318 320 328 379 380 381 382 385
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Verzeichnis der Abbildungen Seite
Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28:
Engliederung der Flüchtlinge 1950 Flüchtlingsgemeinderäte und Flüchtlingsbevölkerung im Nordbaden 1948 Stimmen fur die Notgemeinschaft (%) und Neubürger (%) 1949 im Vergleich
389 450 469
12.
Verzeichnis der Abkürzungen
ACA ACTS AdDF AFL AG AGTS ΑΖ BA BHE Bl. BZ CAD CDPX CDU CO CRALOG CRX CSU DECO DMAN DKP/DRP DP DP DVP EA EAC ERP FA F&A FDP FRUS GLAK HdN HSTAST IA IA&C ICD ICIS ID AD KPD
Allied Control Authority Allied Control Top Secret Arbeitsgemeinschaft der deutschen Flüchtlingsverwaltungen American Federation of Labor Adjutant General Adjutant General Top Secret Amerikanische Zone Bundesarchiv Koblenz Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten Blatt Britische Zone Civil Administration Division Combined Transportation Committee Christlich Demokratische Union Controll Office Council of Relief Agencies Licensed to Operate in Germany Combined Reparations Executive Christlich Soziale Union Economics Directorate (ACA) Manpower Directorate (ACA) Deutsche Konservative Partei/Deutsche Rechtspartei Displaced Persons Deutsche Partei Deutsche Volkspartei Economics Adviser European Adivsory Commission European Recovery Program Food and Agriculture Branch Food and Agriculture Branch Freie Demokratische Partei Foreign Relations of the United States Generallandesarchiv Karlsruhe Hilfsverband der Neubürger Hauptstaatsarchiv Stuttgart International Affairs International Affairs and Communications Division Information Control Division Information Control Intelligence Summary Interessengemeinschaft der ausgewiesenen Deutschen Kommunistische Partei Deutschlands
484
Verzeichnis der Abkürzungen
LAKRA LD
Landeskreditanstalt Legal Division
LK LSO LVD (IDAD) MD
Landkreis Liaison and Security Office Landesverand der vertriebenen Deutschen (IDAD) Manpower Division
MGR NDP NG NL
Military Government Regulations Nationaldemokratische Partei Notgemeinschaft Nach! aß
NSDAP ODPA OMGRGCO OMGUS
POLAD POW & DP PWB
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei Office of the Director of Public Information (ODPI) Regional Government Coordinating Office Office of Military Government in Germany of the United States Office of Military Government in Germany WuerttembergBaden Office of the Political Adviser Prisoner of War and Displaced Persons Division Public Welfare Branch
PWC R & DP Reg.Bl.
Committee on Post-War Programs Refugees and Displaced Persons Regierungsblatt der Regierung Württemberg-Baden
RGCO SBZ SDR Archiv SHAEF SK
Regional Government Coordinating Office Sowjetische Besatzungszone Archiv des Süddeutschen Rundfunks Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force Stadtkreis
SOP SPD UNRRA US USFET VO WN WAV WIB ZVD
Standard Operating Procedure Sozialdemokratische Partei Deutschlands United Nations Relief and Rehabilitation Administration United States United States Forces Euorpean Theater Verordnung Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Wirtschaftliche Aufbauvereinigung (Bayern) Weekly Information Bulletin Zentralverband der vertriebenen Deutschen
OMGWB
13.
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
13.1.
Archivalische Quellen
Bundesarchiv Koblenz (BA) B150 Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen ZI Länderrat der amerikanischen Besatzungszone Z4 Länderrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Dietrich Nachlaß Nachlaß Roßmann RG 260 OMGUS Office of Military Government Generallandesarchiv Karlsruhe (GLAK) 466 Zug. 1981/47 Regierungspräsidium Karlsruhe, Referat 14: Vertriebenenverwaltung: Landeskommissar für das Flüchtlingswesen 481 Präsident des Landesbezirks Baden 537 Zug. 1985/37 Justizministerium Württemberg-Baden, Nebenstelle Karlsruhe Nachlaß Bartunek Köhler Nachlaß RG 260 OMGWB Office of Military Government Wuerttemberg-Baden Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HSTAST) EA1/014 Staatsministerium, Vertretung von Württemberg-Baden beim Länderrat 1945-1948 EA1/920 Staatsministerium, Abi. 1964, 1965, 1969 EA2/801 Staatskommissar für das Flüchtlingswesen EA2/502 Innenministerium, Abteilung V, Wohnungs- und Siedlungswesen 1945-1971 EA2/801 Innenministerium, Staatsbeauftragter für das Flüchtlingswesen 1945-1953 EA6/001 Ministerium fur Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr, allg. Verwaltungsakten 1945-1950 EA8/001 Arbeitsministerium 1945-1972 Q3/27 Landkreistag RG 260 OMGWB Office of Military Government Wuerttemberg-Baden Archiv des baden-württembergischen Landtags, Stuttgart Bestand Flüchtlinge Notaufnahme 1 : Flüchtlinge 1: Flüchtlinge Landtag 1
486
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
Pressearchiv des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Bonn Presseausschnittsammlung des Deutschen Büros für Friedensfragen Zeitungsausschnitte: "Deutschland unter alliierter Besatzung" Süddeutscher Rundfunk Stuttgart (SDR), Historisches Archiv Bestand 2862 Sendungen zur 1. Bundestagswahl Bestand 625 Neubürger-Sendungen
13.2.
Gedruckte Quellen und Literatur
Abelshauser, Werner (1975): Wirtschaft in Westdeutschland 1945 - 1948. Rekonstruktion und Wachstumsbedingungen in der amerikanischen und britischen Zone, Stuttgart ders. (1976): Die verhinderte Neuordnung? Wirtschaftsordnung und Sozialstaatsprinzip in der Nachkriegszeit, in: Politische Bildung, 9, H. 1, S. 53 -72 ders. (1987): Der Lastenausgleich und die Eingliederung der Vertriebenen und Flüchtlinge - Eine Skizze, in: Schulze u.a. (Hg.) (1987), S. 229 - 238 ders. (1989): Hilfe und Selbsthilfe. Zur Funktion des Marshallplans beim westdeutschen Wiederaufbau, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 37, S. 85 113 Ackermann, Volker (1990): Integration: Begriff, Leitbilder, Probleme. Integration ein abgenutzter Begriff, in: Bade (Hg.) (1990), S. 14 - 36 Ambrosius, Gerold (1987): Flüchtlinge und Vertriebene in der westdeutschen Wirtschaftsgeschichte - Methodische Überlegungen und forschungsrelevante Probleme, in: Schulze u.a. (Hg.) (1987), S. 216 - 228 Arndt, Helmut (1954): Die volkswirtschaftliche Eingliederung eines Bevölkerungszustromes. Wirtschaftstheoretische Einfuhrung in das Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem, Berlin Arns, Leo (1948): Das Verhältnis zwischen Flüchtlingen und Einheimischen in den verschiedenen Dorftypen, in: Kölner Universitätszeitung ( = Sondernummer vom 1.1.1948), S. 2 - 3 Backer, John H. (1983): Die deutschen Jahre des General Clay. Der Weg zur Bundesrepublik 1945 - 1949, München Bade, Klaus J. (1987): Sozialhistorische Migrationsforschung und Tlüchtlingsintegration', in: Schulze u.a. (Hg.) (1987), S. 126 - 162 ders. (Hg.) (1990): Neue Heimat im Westen. Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler, Münster ders.: (Hg.) (1992): Deutsche im Ausland - Fremde in Deutschland. Migration in Geschichte und Gegenwart, München
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
487
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488
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
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Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
489
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490
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
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Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
491
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492
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
Ergebnisse der Einwohnerzählung und Wohnsitzermittlung am 31. Dezember 1945 in Nordbaden (1946b), in: Mitteilungen des Württembergischen und Badischen Statistischen Landesamtes, 1, (1946), S. 69 - 120 Erker, Paul (1988a): Vom Heimatvertriebenen zum Neubürger. Sozialgeschichte der Flüchtlinge in einer agrarischen Region Mittelfrankens 1945 - 1955, Stuttgart ders. (1988b): Revolution des Dorfes? Ländliche Bevölkerung zwischen Flüchtlingsstrom und landwirtschaftlichem Strukturwandel, in: Broszat, Martin u.a. (Hg.) (1988), S. 3 6 7 - 4 2 5 Eschenburg, Theodor (1947): Politische und organisatorische Überlegungen zum Flüchtlingsproblem, in: Die Besinnung, 2, S. 6 - 1 1 ders. (1976): Regierung, Bürokratie und Parteien 1945 - 1949. Ihre Bedeutung fur die politische Entwicklung der Bundesrepublik, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 24, S. 58 - 74 ders. (1983): Jahre der Besatzung 1945 - 1949, Stuttgart Esenwein-Rothe, Ingeborg (1955): Die Eingliederung der Flüchtlinge in die Stadtstaaten Bremen und Hamburg ( = Schriften des Vereins für Socialpolitik N. F. 7/4), Berlin Esser, H. (1980): Aspekte der Wanderungssoziologie, Darmstadt Europa und die deutschen Flüchtlinge (1952). ( = Wissenschaftliche Schriftenreihe des Instituts zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten e. V., Bd. 11), Frankfurt a.M. Falter, Jürgen W. (1981): Kontinuität und Neubeginn. Die Bundestagswahl 1949 zwischen Weimar und Bonn, in: Politische Vierteljahreschrift, 22, S. 236 -262
Fiedler, Emil (1947): Die Bevölkerung der Gemeinden und Kreise von Württemberg-Baden auf Grund der Volks- und Berufszählung vom 29. Oktober 1946, in: Statistische Monatshefte Württemberg-Baden, 1, (1947), S. 171 - 2 5 0 Flucht, Vertreibung, Eingliederung (1993). Baden-Württemberg als neue Heimat. Begleitband zur Ausstellung, herausg. vom Innenministerium BadenWürttemberg, bearbeitet von Immo Eberl, Sigmaringen Foelz - Schroeter, Marie Elise (1974): Föderalistische Politik und nationale Repräsentation 1945 - 1947, Stuttgart Fonk, Friedrich (1969): Die Problematik der Sonderbehörden. Zum Verhältnis von allgemeiner und Sonderverwaltung, Köln Foschepoth, Josef (1985): Potsdam und danach - Die Westmächte, Adenauer und die Vertriebenen, in: Benz, Wolfgang (Hg.) (1985), S. 70 - 90 Frantzioch, Marion (1987): Die Vertriebenen. Hemmnisse, Antriebskräfte und Wege ihrer Integration in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin Frantzioch, Marion, Ratza, Odo, Reichert Günther (1989) (Hg.): 40 Jahre Arbeit für Deutschland - die Vertriebenen und Flüchtlinge, Ausstellungskatalog, Berlin
Verzeichnis der verwendeten Quellen und Literatur
493
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494
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