Bayern in der NS-Zeit. BAND II Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt: Teil A 9783486709049, 9783486493719

Was bedeutete NS-Herrschaft für Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark, für die Münchener Kammerspiele, für katholi

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German Pages 542 [544] Year 1979

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Table of contents :
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
VORWORT
Nationalsozialistische Eroberung der Provinzzeitungen
Theater zwischen Anpassung und Widerstand
Verfolgung und Widerstand der Katholischen Jugendvereine
Die bayerische Industrie 1933–1939
Antisemitismus und Volksmeinung
Das Konzentrationslager Dachau
Die bayerische Justiz im politischen Machtkampf 1933/34
Das Konzentrationslager Flossenbürg
Anhang
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Bayern in der NS-Zeit. BAND II Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt: Teil A
 9783486709049, 9783486493719

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Bayern in der NS-Zeit II Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt Teil A Herausgegeben von Martin Broszat und Elke Fröhlich

Mit 52 Abbildungen

R. Oldenbourg Verlag München Wien 1979

Veröffentlichung im Rahmen des Projekts »Widerstand und Verfolgung in Bayern 1 9 3 3 - 1 9 4 5 « im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus bearbeitet v o m Institut für Zeitgeschichte in Verbindung mit den Staatlichen Archiven Bayerns.

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Bayern in der NS-Zeit : [Veröff. im Rahmen d. Projekts »Widerstand u. Verfolgung in Bayern 1933-1945« im Auftr. d. Bayer. Staatsministeriums für Unterricht u. Kultus bearb. vom Inst, für Zeitgeschichte in Verbindung mit d. Staad. Archiven Bayerns.] - München, Wien : Oldenbourg. N E : Institut für Zeitgeschichte < M ü n c h e n > 2. Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt. Teil A. / Hrsg. von Martin Broszat u. Elke Fröhlich. - 1979. ISBN 3-486-49371-X N E : Broszat, Martin [Hrsg.]

© 1979 R. Oldenbourg Verlag G m b H , München Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege sowie der Speicherung und Auswertung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben auch bei auszugsweiser Verwertung vorbehalten. Werden mit schriftlicher Einwilligung des Verlages Vervielfältigungsstücke für gewerbliche Zwecke hergestellt, ist an den Verlag die nach § 54 Abs. 2 Urh.G. zu zahlende Vergütung zu entrichten, über deren Höhe der Verlag Auskunft gibt. Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-49371-X

Inhaltsübersicht

Norbert Frei

Nationalsozialistische Eroberung der Provinzzeitungen. Eine Studie zur Pressesituation in der Bayerischen Ostmark

Friederike Euler

Theater zwischen Anpassung und Widerstand. Die Münchner Kammerspiele im Dritten Reich

Evi Kleinöder

Verfolgung und Widerstand der Katholischen Jugendvereine. Eine Fallstudie über Eichstätt

Fritz Blaich

Die bayerische Industrie 1933-1939. Elemente von Gleichschaltung, Konformismus und Selbstbehauptung

Ian Kershaw

Antisemitismus und Volksmeinung. Reaktionen auf die Judenverfolgung

Günther Kimmel

Das Konzentrationslager Dachau. Eine Studie zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen

Lothar Gruchmann

Die bayerische Justiz im politischen Machtkampf 1933/34. Ihr Scheitern bei der Strafverfolgung von Mordfällen in Dachau

Toni Siegert

Das Konzentrationslager Flossenbürg. Ein Lager für sogenannte Asoziale und Kriminelle

Inhaltsverzeichnis Vorwort

XVII

Norbert Frei Nationalsozialistische E r o b e r u n g der Provinzzeitungen. Studie zur Pressesituation in der bayerischen O s t m a r k

Eine

Einleitung

1

1. Die NS-Presse in der Weimarer Republik

8

Forschungslage (1 f.), Strukturen der Provinzpresse (3 ff.), Gauverlag Bayerische Ostmark (5), Regionale Sonderentwicklungen der NS-Pressepolitik (5 f.), Quellenlage (6 f.)

Der Boden wird bestellt: Hitler macht den Anfang (8), Vorrangstellung des Völkischen Beobachters (8f.), Die Presse als Propagandainstrument (9f.) Vom völkischen Blätterwald zur »Endkampf«-Presse: Die drei Entwicklungsphasen der NS-Zeitungen am Beispiel Ostmark (10), Völkisch-nationale Zeitungen von 1919 bis 1925 (11-14), Der Forchheimer Streiter (14f.), Engagement von Parteileuten für NS-Zeitungen (15 f.), Aufbau der Coburger Nationalzeitung 1930 (17ff.), Konkurrenzkampf innerhalb der NS-Presse (19 f.), Anpassungstendenzen »bürgerlicher« Blätter (20-24) Der Gauleiter als Pressefürst: Hans Schemms Engagement für Kampf und Volk (24), Gründung der NS- Wochenzeitung Kampf 1930 (24 f.), Die Anfänge und der Erfolg der NS-Tageszeitung Fränkisches Volk (26-32), Erscheinungsverbot für das Fränkische Volk zur Märzwahl 1933 (32 f.)

2. Start ins Dritte Reich

34

Die Ostmark-Presse Anfang 1933: Politische und wirtschaftliche Struktur (34), Verbot und Enteignung der »marxistischen« Presse: Chance für den Gauverlag (36), Konzentration der SPD-Presse auf Oberfranken (36f.), Zerschlagung der Fränkischen Volkstribüne (38f.), Enteignung der Hofer Volkszeitung (39ff.), Übernahme der sozialdemokratischen Zeitungsverlage in Coburg und Regensburg durch den Gauverlag (41 f.)

3. Zeitungskrieg zwischen Gauverlag und Privatverlegern

Kampf um Abonnenten und Bekanntmachungen: Beispiel Deggendorfer Donaubote (44), Werbung des Gauverlags (44), Verhalten des Deggendorfer Donauboten gegenüber rüden Abwerbungsmethoden (44-47) Exkurs 1: Staatliche und parteiamtliche Reaktionen auf die Werbeschlachten (48), Werbekampagne 1933 der SA für die NS-Presse (48), Werbeverbot durch die Reichspressekammer (48 f.), Tolerierung der Werbekolonnen durch die Aufsichtsbehörden (50f.), Das Ende des Fränkischen Tagblatts (51 f.), Goebbels und Amann zum NS-Zeitungsterror (53 f.), Anspruch der Bayerischen Ostwacht auf das Monopol für amtliche Veröffentlichungen (54 ff.) Exkurs 2: Das Bekanntmachungswesen als Mittler der NS-Pressepolitik (56), Essers Erlaß vom 23. März 1933 (56 ff.), Finanzielle Verluste als Folge des Entzugs amtlicher Veröffentlichungen (58), Gauzeitungen als Amtsorgane (59 f.), Vergütung der amtlichen Anzeigen (60 ff.)

44

VIII

Inhalt

4. Bayreuther und Berliner Verlagspolitik: Zentralisierung und B ü r o kratisierung d e r P a r t e i p r e s s e Alleinvertretungsanspruch der Bayerischen Ostmark (62 ff.), Beharrungsvermögen verschiedener Heimatblätter (64 f.), Gründung des Gauverlags Bayerische Ostmark GmbH (66), Finanzierung der Gauverlage (67f.), Streichers Fränkische Tageszeitung (69f.), Redaktionelle Arbeit der Bayerischen Ostmark (69-73), Aufbau von Lokalredaktionen (73ff.), Biirokratisierung des Pressewesens (75-79) 5 . K a r r i e r e n a c h den A m a n n - A n o r d n u n g e n : I n d e r O s t m a r k rollen die Zeitungsköpfe Lichtenfelser Tagblatt erstes Opfer der Amann-Anordnungen (79 f.), Verlagsschließungen und Zwangsfusionen (80-83), Monopol des Gau-Verlags (83f.), Die Motive der Gebrüder Schemm für ihr Presse-Engagement (84 f.) Schlußbemerkung Grenzen für Goebbels' Machtdurchsetzung in der Provinz (86f.), Pressekonzentration auf Gauebene (87f.), Tabelle zur Entwicklung der Tagespresse (89)

Friederike

Euler

Theater zwischen Anpassung und Widerstand. Die Münchner Kammerspiele im Dritten Reich Einführung Historischer Rückblick (91 ff.), Bedeutung der Kammerspiele (93f.), Aktenlage (94f.) 1. Zielsetzungen u n d P r a x i s der nationalsozialistischen Theaterpolitik NS-Versuche zur Umgestaltung des Theaters (95-98), Thing-Bewegung (98f.), Reglementierung des Theaterwesens (Reichskulturkammer, Reichsschrifttumskammer, Kritikverbot) (99-102), Materielle und soziale Verbesserungen für die »Bühnenschaffenden« (102f.), Besucherorganisationen (104f.), Bayerisch-münchnerische Variante der NS-Theaterpolitik (105-108) 2 . Die »Inkubationszeit« 1 9 2 9 - 1 9 3 3 Die finanzielle Situation der Kammerspiele (108 ff.), Erste Aufführungsverbote und Selbstzensur (110-113), Hitlers persönliches Interesse an den Kammerspielen (113 f.) 3 . A u s w i r k u n g e n der M a c h t e r g r e i f u n g 1 9 3 3 / 3 4 Frontalangriff des Völkischen Beobachters (114f.), Entlassungen und Emigration (115f.), Otto Falckenberg in Schutzhaft (116f.), Versuche der Spielplanbeeinflussung durch KfdK und NSBO (117-121), Gründung der »Neuen Münchener Kammerspiele GmbH« (121 f.), Tauziehen um die Uraufführung von Hauptmanns »Goldener Harfe« (123ff.), Neuerliche Angriffe auf Theater und Autoren (125f.) 4 . D e r Theateralltag 1 9 3 4 - 1 9 3 8 Wiederaufnahme des Theaterbetriebs (126f.), Ausschaltung jüdischer und »unliebsamer« Schauspieler (127f.), Einflußnahme der NSKG auf die Theaterpolitik (129f.), Auswirkungen restriktiver Kulturpolitik auf den Spielplan 1933-1944 (130-133),

Inhalt Rückgang zeitgenössischer Problemstücke und ausländischer Werke (133), Aufführung von NS-Dramatikern (133ff.), Die Klassiker beherrschen die Szene (135ff.), Programmheftgestaltung (137f.), Renovierungsarbeiten (138), NS-Kritik an der Aufführung »überholter« Stücke (139 f.), »Troilus und Cressida« (140 ff.), Wirkung von Klassikeraufführungen (142 f.), Reichstheaterfestwoche 1936 (143), »Rothschild siegt bei Waterloo« ( 1 4 3 - 1 4 7 ) , Aufführung rassenpolitischer Stücke (147), Prosperität des Theaterlebens (148)

5. Ein Wendepunkt 1938/39 Störung des Theaterbetriebs durch Weberund Wolfrum (149ff.), Falckenbergs Hilferuf a n d a s R M V P ( 1 5 1 f . ) , »Derby« (152 f.), Kompetenzkampf zwischen München und Berlin (153ff.), Die Kammerspiele im Besitz der Stadt München (155f.)

6. »Bühne der Hauptstadt der Bewegung« 1939-1944 Offizielle Ehrung Falckenbergs anläßlich seines 25jährigen Bühnenjubiläums (156f.), Billigung der Umbaupläne durch Hitler (157f.), Vorübergehender Umzug ins »Colosseum«, (158f.), »Kriegseinsatz« der Kammerspiele (159f.), Verschärfte Zensur seit Kriegsausbruch (160f.), Aufführungsverbote für Stücke von Bronnen und Helwig (161 f.), Aufregung um »Maria Stuart« (162 f.), Absetzung von Yeats' »Das Einhorn von den Sternen« (163f.), Patenschaft für den Dichter der »Frontgeneration« Artur Müller (164f.), Zunahme deutscher Werke im klassischen Repertoire (165), Behördliche Eingriffe in die Personalpolitik des Theaters ( 165 ff.), Beendigung der Spielzeit aufgrund von Kriegsschäden (167f.), Anspruch Falckenbergs auf »seine« Bühne (168ff.)

Epilog Die Theaterleute überschätzten ihren Freiraum (169 f.), Verdrängung zeitkritischer und avantgardistischer Stücke (170), Politische Wertung der Kammerspiele (170f.), Neubeginn mit Verwaltungszensur (171 f.), Tabelle der Kammerspielinszenierungen (173)

Evi Kleinöder Verfolgung und Widerstand der Katholischen Eine Fallstudie über Eichstätt

Jugendvereine.

Einleitung

Leitende Fragestellung (175), Das »Katholische Milieu« in Eichstätt (175 f.), Quellenlage (177f.)

1. Eichstätt 1933 Wirtschafts- und Sozialstruktur (178), Eichstätt als Schulstadt und Verwaltungszentrum (178f.), Deprimierende wirtschaftliche Situation um 1933 (179f.) Konfessionelle Struktur (180), Katholische Bischofsstadt im protestantischen Mittelfranken (180), Distanz zum Nationalsozialismus (180 f.) Politische Lage vor 1933 (181), Traditionelle BVP-Hochburg (181), Striktes Vorgehen der Behörden gegen N S D A P (181 f.), Soziale Ächtung von NSDAP-Mitgliedern (182 ff.) Nationalsozialistische Machtübernahme (184), Kein Widerstand (184 f.), Politische und personelle Gleichschaltung (185 f.)

X

Inhalt

2. Entwicklung der Eichstätter Jugendarbeit vor 1933

186

Die Bedeutung der Vereine für das gesellschaftlich-religiöse Leben (186 f.), Die Katholischen Jugendvereine (187 f.), Schulung der katholischen Gruppenführer (189 f.), Nationalistische Erscheinungsformen in den katholischen Jugendgruppen (190), Politische Aktivierung der Jungmännervereine (191 ff.)

3. Die Hitlerjugend in Eichstätt vor 1933

193

Schattendasein der H J bis 1933 (193), Maßregelungen von HJ-Mitgliedern durch die Schulleitungen (193 f.)

4 . Das Jahr 1933

194

Die Situation der Jugendvereine nach der Machtergreifung (194), Politischer Druck auf die konfessionellen Organisationen (194f.), Einbrüche des Nationalsozialismus in das »Katholische Milieu« (195), Aufhebung des Beitrittsverbots zur N S D A P für Katholiken (195 f.), Anpassungstendenzen bei den katholischen Jugendverbänden (196), Ablehnung der NS-Ideologie (196f.) Administrative Verfolgung (198), Repressionen am Arbeitsplatz und bei der Arbeitssuche (198f.), Abbruch des 1. Deutschen Gesellentages in München (199f.), Versammlungs- und Βetätigungsverbot für katholische Verbände (200 ff.), Enttäuschung über die Auswirkungen des Konkordats (202 f.), Aufhebung des Β etätigungs Verbots anläßlich der Saarabstimmung (203f.), Mitgliederverluste (204f.), Gegenoffensive der katholischen Jugendverbände (205 ff.), Ausschluß der H J von der Fronleichnamsprozession (207), Haltung der Polizei (207f.) Situation Ende 1933 (208), Auftreten und Aktivitäten der H J (208 f.), Stärkere Unterstützung der katholischen Jugend durch die Amtskirche (208)

5. Das Jahr 1934

210

Einschränkungen der konfessionellen Jugendvereinsarbeit (210), Uniform-, Abzeichen- und Sportverbot (210f.), Staatsjugendtag (211), Berufliche Nachteile aus der Nichtmitgliedschaft in der D A F (211 f.) Auseinandersetzungen mit der H J (212), Alleinvertretungsanspruch der H J (212 f.), Besetzung des Pfadfinderheims durch die H J (213 ff.), Verweigerung des Rechtsschutzes für die Pfadfinder durch die Behörden (215 f.), Schlägereien und Verdächtigungen (216), Schändung einer Christusfahne durch die H J (217f.) Möglichkeiten der Weiterarbeit (218), Gruppenstunden und Wallfahrten (219 ff.), Pfarrfeierstunden und Christkönigsschwur (221), Religiöse Betätigung und Jugendmission (221 f.)

6. Das Jahr 1935

222

Lage an den Eichstätter Schulen (222), Starker Einfluß der Kirche auf höhere Schulen (222f.), Erfolge der H J an den übrigen Schulen (223f.) Versammlungsverbot für konfessionelle Vereine (224), Beschränkung des Gesellenvereins auf religiöse Aktivitäten (224), Betätigungsverbot für die Pfadfinder (224), Haussuchungen und Verhaftungen (225), Verhaftung des Domkaplans (225 ff.), Polizeiaktionen gegen die Präfekten von K J M V und Sturmschar (227), Zerfall der Gruppen (227)

7. Ausbau der Staatsjugend und Ende der Vereine ab 1936 Totale Erfassung der Jugend im NS-Staat (228), Erlöschen der katholischen Jugendarbeit Ende 1937 (228 f.), Polizeiliche Auflösung katholischer Jugendverbände am 20. Januar 1938 (229)

228

Inhalt

8. Pfarrjugendarbeit Errichtung eines »Bischöflichen Diözesanjugendseelsorgeamts« (229), Aktive Widerstandsgruppe um Dompfarrer Kraus (230), Bibelstunden und Wallfahrten (230 f.), Behinderungen der Pfarrjugendarbeit (231), Genehmigungspflicht für sämtliche Versammlungen (231 f.), Zerfallserscheinungen bei der H J (232f.), Rückgewinne für die Kirche während des Krieges (233)

Schluß

XI

229

234

Verbot nahezu aller Jugendorganisationen bis 1939 (234), »Katholische Aktion« (234 f.), Moralisch-religiöse Motive für den Widerstand (235), Unterschiedliche Haltung der Bischöfe und des Domkapitels (235 f.)

Fritz Blaich D i e bayerische Industrie 1 9 3 3 - 1 9 3 9 . E l e m e n t e v o n Gleichschaltung, K o n f o r m i s m u s u n d Selbstbehauptung Einleitung

:

237

Wunsch der Industriellen nach stabilen politischen Verhältnissen (237 f.), Bayerns später Eintritt ins Industriezeitalter (238), Ausbau von exportabhängigen Wachstumsindustrien (238 f.), Klein- und Mittelbetriebe als Strukturelement der bayerischen Wirtschaft (239 f.), Autarkiebestrebungen, Aufrüstung und Antisemitismus als Hemmschuh der Wirtschaft (240)

1. Möglichkeiten und Grenzen der industriellen Selbstverwaltung und Interessenvertretung nach 1933

240

Antikapitalistische Tendenzen innerhalb der N S D A P (240f.), Personelle Gleichschaltung der Industrie- und Handelskammern (241 f.), Die neuen Präsidenten der Kammern (242 ff.), Beschränkung der Kompetenzen von Industrie- und Handelskammern (244 f.), Angriffe auf den bayerischen Industriellenverband (245), Uberführung des BIV in die Reichsgruppe Industrie (245 f.), Beendigung unabhängiger Verbandspolitik durch D A F und Wirtschaftskammer (246f.)

2. Auseinandersetzungen mit Staat und Partei um die Gestaltung des betrieblichen Personalwesens

247

Eingriffe der N S B O in innerbetriebliche Vorgänge (247f.), Betriebsgemeinschaft statt Mitbestimmung (248 f.), Durchsetzung der Rassenpolitik in den Betrieben (249), Ablehnung der Frauenarbeit durch N S B O und D A F (249f.), Abwanderung von Arbeitskräften in den Staatsdienst (250 f.)

3. Die staatliche Rohstoffbewirtschaftung als Hemmschuh der industriellen Produktion Baumwollemangel in der Textilindustrie (252), Kompensationsgeschäfte (252 f.), Wachsende Zahl von Uberwachungsstellen (253), Entlassungen und Stillegungen als Folge der Einfuhrlenkung (253), Zellwollgarnkontingentierung im Rahmen des Vierjahresplanes (254 f.), Einzelbeispiele für Rohstoffengpässe (255 ff.), Planungsfehler der Lenkungsbehörden (257f.), Die totale Zuteilungswirtschaft (258 f.), Benachteiligung jüdischer Unternehmen nach 1937 (259 f.)

252

XII

Inhalt

4 . Der Absatz am Binnenmarkt im Schatten der Eingriffe von Staat und Partei

260

Verdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben ( 2 5 9 - 2 6 2 ) , Wirtschaftlicher Nationalismus (262), Ausschaltung der Juden aus dem Handelsverkehr (262 f.), Expansionsverbot für bestimmte Betriebszweige (263 f.), Störung des Binnenmarktes durch Autarkiebestrebungen (264), Ersetzung des freien Anzeigenmarktes durch den Werberat (264 f.)

5. Der Kampf um die Exportmärkte im Zeichen der Autarkiebestrebungen und der Rassenpolitik

266

Gleichbleibender Exportanteil bei M A N bis 1938 (266f.), Typenbereinigung beim Lastwagenbau (267), Überwachungsstelle für unedle Metalle (267f.), Beispiele für verhinderte Exportgeschäfte (268 f.), Qualitätsverschlechterung der Roh- und Ersatzstoffe (269 f.), Mißtrauen der N S D A P bei Auslandsgeschäften (270), Werksbesichtigungsverbot für Ausländer durch BPP (270f.), »Arisierung« der Auslandsvertretungen (271), Boykott deutscher Waren als Antwort auf Antisemitismus und Reichskristallnacht (271 ff.)

6. Modernisierung und Ausbau der Betriebe im Widerstreit mit den Zielen von Staat und Partei

274

D A F und N S B O gegen Rationalisierungen und Fusionen (274ff.), Staatliche Investitionslenkung mittels Kartellbildung und Emissionsverbot (276f.), Improvisation bei der Rohstoffbeschaffung (277ff.)

7. Ausblick: Der »gelenkte Unternehmer« und die Staatsgewalt

279

Stufenweise Anpassung der Industrie an die Ziele des Staates (279), Die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel in den Händen der Behörden (279 f.), Vorrang der Rüstungsindustrie (280), Anpassung oder Widerstand: Deckel und Kreutzer (280)

Ian Kershaw A n t i s e m i t i s m u s u n d V o l k s m e i n u n g . R e a k t i o n auf die J u d e n v e r folgung Vorwort

281

Rassismus als Kernpunkt in Hiders Weltanschauung (281), Haltung der Bevölkerung zur Judenfrage (282f.), Methode und Quellenlage ( 2 8 3 - 2 8 7 ) , Regionale Verteilung der Juden (287ff.), Traditioneller und neuer Antisemitismus (289f.)

1. B o y k o t t und Terror 1 9 3 3 - 1 9 3 8 Meinungsüberlieferungen nur anläßlich antisemitischer Ereignisse (291), Judenfrage in Südbayern (292f.), Ablehnung des organisierten Boykotts in München 1935 (293 f.), Radikaler Antisemitismus in Franken (294f.), Pogrom von Günzenhausen (295f.), Keine Kritik an den Ausschreitungen in Franken (296f.), Verbot von Einzelaktionen (297), Breite Zustimmung für die Nürnberger Gesetze (297f.), Äußerungen zum Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zu Juden (298 f.), Verdrängung der jüdischen Viehhändler gegen den Willen der Bauern (300 ff. ), Unterschiedliche Reaktionen auf antisemitische Plakate ( 3 0 2 - 3 0 8 ) , Abwanderung der Juden in die Städte (308)

291

Inhalt

2. Einfluß des Klerus auf die Einstellungen zur »Judenfrage«

XIII 309

Relative Immunität der katholischen Landbevölkerung gegen Rassenantisemitismus (309), Anti-Judaismus und Ablehnung von Rassismus innerhalb der Kirchen (309f.), Einstellung der »Deutschen Christen« (310), Affinität des protestantischen Nationalismus zum Antisemitismus (310), Vertretung der NS-Rassentheorie nur bei wenigen Geistlichen (311 f.), Ablehnung des Judenhasses durch den Klerus ( 3 1 2 - 3 1 5 ) ; Schweigen der Amtskirchen zur Reichskristallnacht (315), Ambivalente Haltung des Klerus (316), Konzentrierung der Interessenswahrung im Kirchenkampf (316f.), Gleichgültigkeit gegenüber der Judenfrage (317)

3. »Reichskristallnacht«

318

Vorgeschichte (318), Terror- und Haßkampagne 1938 (319), Steigende Ab- und Auswanderungszahlen der Juden ( 3 1 9 - 3 2 5 ) , Presseberichterstattung über die Reichskristallnacht (325 f.), Regional unterschiedliche Formen des Novemberpogroms ( 3 2 6 - 3 3 2 ) , Kritik an der sinnlosen Verwüstung materieller Werte (332 ff.), Zustimmung zu gesetzlichen Maßnahmen gegen Juden (334), Mitgefühl und Hilfe für die Juden bei Teilen der Bevölkerung (334 f.), Aggressiver Judenhaß kein Charakteristikum der Volksmeinung (335 f.)

4. Die Haltung der Bevölkerung zur »Judenfrage« während der Kriegsjahre

336

Zunahme der Heimtückeverfahren nach der Reichskristallnacht (336 f.), Das Verschwinden der Juden aus dem Gesichtskreis der Bevölkerung (337), Kennzeichnung mit dem »Davidstern« (337), Kaum Reaktionen auf die Judentransporte 1941 (338), Propagandarichtlinien Bormanns zur Judenvernichtung (338), Gerüchte über Massenvergasungen von Juden im Osten (339 f.), Unterschiedliche Grade der Informiertheit der Bevölkerung (340 f.), Judenfrage während des Krieges ohne Bedeutung für die Volksmeinung (341), In den Luftangriffen sieht die Bevölkerung eine Vergeltung für die Behandlung der Juden (341 f.)

5. Bilanz

343

Weite Verbreitung des Antisemitismus vor der Machtergreifung (343), Verzicht der Kirche auf ihre Meinungsführerrolle in der Judenfrage (343), Keine Tolerierung der Euthanasie durch die Kirchen (344), Antisemitismus als negativer Integrationsfaktor nur auf Funktionärsebene (344 f.), Der NS-Antisemitismus war kein Anziehungsmagnet für die Bevölkerung (345 f.), Antisemitische Radikalisierung der N S D A P ohne Rückhalt in der Bevölkerung (346 f.), Depersonalisierung der Juden (347), »Endlösung der Judenfrage« als Geheimsache (347), Latenter Antisemitismus als Voraussetzung für autonomen Judenhaß des NS-Regimes (347f.)

Günther

Rimmel

D a s Konzentrationslager D a c h a u . E i n e Studie zu den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen 1. Der Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit: Die Notverordnung vom 28. Februar 1933 Die Notverordnungspraxis in der Weimarer Republik als Vorstufe der Reichstagsbrandverordnung (349ff.), Auslegung und Anwendung der Notverordnung vom 28. Februar 1933 (351 f.), Die Verordnung als »Rechtsgrundlage« zur Einweisung ins Konzentrationslager (352 f.)

349

XIV

Inhal:

2. Das Lager Dachau in den ersten Jahren (1933-1934)

353

Erste Verhaftungswelle in Bayern März/April 1933 (353 f.), Ablehnung des Wachdienstes durch die Landespolizei (354), Presseberichte über das Lager (355-358), Übernahme des Wachdienstes durch SS im Mai 1933 (355), Anwachsen der Häftlingszahl und Lagerarbeit (355, 359), Sonderbestimmungen zur Behandlung der Häftlinge (359), Mißhandlungen und Tötungen (359 f.), Lagerkommandant Theodor Eicke (360 f.), Disziplinar-, Straf- und Dienstvorschriften (361 f.), In Dachau geschulte Kommandanten der Kriegs-KL (362ff.), Exekutionen nach dem sogenannten Röhm-Putsch (364-367), SSTotenkopfverbände und Aufbau des KL-Systems (367)

3. Das Lager Dachau in den Jahren 1 9 3 5 - 1 9 3 9

368

Kommandant Heinrich Deubel (368), Kommandant Hans Loritz (369), Das SS-Lagerorganisationsschema (369f.), Ausbau des Lagers 1937/38 und Arbeitseinsatz der Häftlinge (371), Anstieg der Häftlingszahlen und der Todesfälle (371 f.), Vorübergehende Schließung (372)

4. Das Lager in der Kriegszeit

372

Die Kommandanten (372), Axel Piorkowski (372 f.), Martin Weiß (373), Eduard Weiter (373 f.) Häftlingsgruppen (374), Polen als zahlenmäßig stärkste Gruppe (374), Tabelle der Nationalitäten der Häftlinge (374), Geistliche im Lager (375 f.), Prominente Politische Häftlinge (376f.), Nummernzuteilung (377f.) Lagerstrafen (378), Zuständigkeiten bei Todesstrafen (378 f.), Prügelstrafe (379), Arrest, Baumhängen und Strafstehen (380) Arbeitseinsatz und Nebenlager (380), Die Außenkommandos des KL Dachau (380-383), Nebenlager Kaufering (383) Epidemien und Invalidentransporte (384), Häftlinge als Abteilungsleiter des »Reviers« (384), Auftretende Krankheiten (384), Das »Revier« (384f.), Zahl der verstorbenen Häftlinge in Dachau (385), Typhusepidemien (386f.), Euthanasie (387f.), Tabelle der »Invalidenstransporte« (388), Polnische Geistliche im »Invalidentransport« vom 18. Mai 1942 (388 f.), Beispiele für die Fälschung von Totenscheinen (390), Keine Massenvergasungen in Dachau (391 f.) Medizinische Experimente (392), Der Massenmörder Dr. Rascher (392 f.), Unterdruckversuche (393ff.), Unterkühlungsexperimente (395-398), Erprobung von Blutstillmitteln (398f.), Malaria- und Phlegmoneversuche (399ff.), Versuche zum Gebrauch von Meerwasser als Trinkwasser (401 f.), Homöopathische Behandlung von Tuberkulose und Leberpunktionen (403 f.) Exekutionen (404), Exekutionen sowjetischer Kriegsgefangener (404 ff.), Hinrichtungsarten (406), Mordtaten des SS-Oberscharführers Bongartz (406 f.), Ermordungen von Frauen (407f.), Gesamtzahl der Exekutionen (408)

5. Die Endphase

408

Uberfüllung des Lagers (408), Internationales Häftlingskomitee (408f.), Teilevakuierung des KL Dachau (409f.), Befreiung der Häftlinge durch amerikanische Truppen am 29. April 1945 (410 f.)

6. Strafverfolgung Intensive Strafverfolgung der Verbrechen in Konzentrationslagern (411), Amerikanische Verfahren (411 f.), Deutsche Strafverfahren wegen Dachauer KL-Verbrechen (412 f.)

411

Inhalt

XV

Lothar Gruchmann

Die bayerische Justiz im politischen Machtkampf 1933/34. Ihr Scheitern bei der Strafverfolgung von Mordfällen in Dachau

415

Eingreifen der Justiz aufgrund von Leichenbefunden (415 f.), Ergebnislose Ermittlungen bei den ersten Todesfällen im K L Dachau (416), Gerichtliche Voruntersuchung in vier Fällen (416ff.), Innenminister Wagner verhindert Informierung des Ministerrats (419f.), Scheinbares Einlenken Himmlers (420), Das Verschwinden der Ermittlungsakten (420 f.), Die Ermittlungen von drei angeblichen Selbstmordfällen durch die Staatsanwaltschaft (422ff.), Justizminister Frank gegen eine Niederschlagung der Untersuchungsverfahren (424f.), Eingreifen Röhms (425f.), Wende durch Beseitigung Röhms (426), Auftrag zur Fortführung der Ermittlungen (427), Die Exekutive verweigert die Zusammenarbeit mit der Justiz (427), Einstellung der Verfahren am 27. September 1934, Sieg der Polizei über Justiz (427), Verlagerung der Auseinandersetzung auf Reichsebene (427f.)

Toni Siegert

Das Konzentrationslager Flossenbürg. Ein Lager für sogenannte Asoziale und Kriminelle Vorwort

429

Zwangsarbeit für »unerwünschte Elemente« (429 f.), Vergleich des K L Dachau mit Flossenbürg (430), Quellenlage (431 ff.)

1. Mit Granit fing es an

434

Erwerbung des Steinbruchgeländes durch die D E S T (434f.), Anlage des K L (435f.), Gründung im April/Mai 1938 (437), »Schutzhäftlinge« und »Sicherungsverwahrte« (437f.), Entwicklung der Vorbeugehaft und ihre Anwendung auf sogenannte Asoziale (438ff.), Analyse von Häftlingspersonalakten (440f.)

2. Stationen der Lagergeschichte

441

Steinbrucharbeiten unter schwierigsten Bedingungen (441 f.), Lagerkommandant Künstler 1939 (442f.), Überstellung von politischen Häftlingen aus Dachau (443), Schikanen, Folterungen und Strafen (443 f.), Ruhrepidemie im Lager 1939/1940 (444), Abschluß der Aufbauphase 1940 (444), Einlieferung neuer Häftlingsgruppen (446), Erweiterung des Lagers 1941 (446), Das K L als Wirtschaftsbetrieb (447 f.), Sonderlager für sowjetische Kriegsgefangene (448 f.), Personelle Veränderungen in der Lagerführung (449f.), Rüstungseinsatz der Häftlinge für die Messerschmitt G m b H (450f.), Außenkommandos und Nebenlager (451 f.), Häftlingszahlen (453), Kommandant Max Koegel (453 f.)

3. Die innere Verfassung des Lagers: SS-Führung und Häftlings-Kapos, Solidarität und Widerstand der Gefangenen Aufgaben und Funktionen der SS und der Politischen Abteilung im Lager (454 ff.), Schutzhaftlager und Rapportführer (456), Funktionshäftlinge (456 f.), Die Lagerältesten (457 f.), Diskriminierung nicht-deutscher Häftlinge (458), Kapos (459), Sabotage und Widerstand (460)

454

XVI

Inhalt

4. Verschiedene Häftlingsgruppen und ihre Behandlungen Zahlen über die verschiedenen Häftlingsgruppen 1943 (461), Judenmißhandlungen (461 f.), Massenexekutionen von Polen (462 ff.), Erschießungen sowjetischer Kriegsgefangener (464ff.), Sonderlager für Sowjetrussen (466-469), Nationalitäten der Gefangenen; Judentransporte (469f.) 5. D i e T ä t i g k e i t d e r S S - Ä r z t e : Euthanasie, m e d i z i n i s c h e V e r s u c h e , T ö tungen v o n kranken und »unerwünschten« Häftlingen Standortärzte (470f.), Ärztliche Tötungsaktionen (471 f.), Die Mordtaten von Dr. Heinrich Schmitz (472 ff.)

461

470

6. M a s s e n s t e r b l i c h k e i t u n d H i n r i c h t u n g s s e r i e n 1 9 4 4 / 4 5 Uberfüllungen und Typhusepidemie 1944 (475f.), Todesfälle im Hauptlager (476f.), Exekutionen alliierter Offiziere, polnischer Widerstandskämpfer und Männer des 20. Juli (478 ff.)

475

7. D i e l e t z t e Phase d e r Lagergeschichte öffentliche Hinrichtungen (480), Überbelegung und Versorgungsschwierigkeiten (480f.), Vernichtung von Belastungsmaterial (481), Aufstellung einer Lagerpolizei (481), Judenevakuierungen (481 f.), Abtransport prominenter Häftlinge (482 f.), Evakuierungsmärsche (483ff.), Grabstätten (485 f.), Befreiung des Hauptlagers durch die Amerikaner (486f.), Verfahren amerikanischer Militärgerichte (488f.), Deutsche Strafverfahren (489)

480

8. Statistische B i l a n z Häftlingszahlen (489f.), Registrierte und namentlich festgestellte Todesfälle (491 f.), Gesamtzahl der Todesopfer (491 f.)

489

Anhang Bildnachweis

495

Abkürzungsverzeichnis

496

P e r s o n e n - u n d Sachregister

500

VORWORT Mit dieser Veröffentlichung legen die Herausgeber weitere Ergebnisse des im Institut für Zeitgeschichte durchgeführten Forschungsprojekts »Widerstand und Verfolgung in Bayern 1933-1945« vor. Nach der breit angelegten Dokumentation über die Lage, Einstellung und das Verhalten der bayerischen Bevölkerung in den Jahren 1933-1945, die den Gegenstand der ersten Projektveröffentlichung 1 bildete, wird mit diesem zweiten Band der Reihe »Bayern in der NS-Zeit« eine Serie darstellender Beiträge eröffnet. Die umfassende Dokumentation allgemeiner Strukturen des Verhaltens soll nunmehr ergänzt und vertieft werden durch die genauere, exemplarische Untersuchung der Verhältnisse in einzelnen Lebens- und Politikbereichen. Beherrschender Gesichtspunkt bei der Vorbereitung des Bandes war wiederum das Ziel, das Verhalten unterschiedlicher Gruppen innerhalb der deutschen Gesellschaft gegenüber den Einwirkungen und konkreten Maßnahmen des NS-Regimes im Kontext ihrer jeweiligen Situation herauszuarbeiten. Es galt, unter Rückgriff auch auf manche vor das Jahr 1933 zurückreichende entstehungsgeschichtlichen Zusammenhänge die unterschiedlichen Ausdrucksformen und Bedeutungsgehalte nationalsozialistischer Herrschaft unter jeweils andersartigen gesellschaftlichen Bedingungen und Konstellationen und die ihnen entsprechenden unterschiedlichen Reaktionen und Konflikte in ihrer Wechselwirkung beispielhaft durch einzelne Untersuchungen zu erfassen. Die Herausgeber gingen davon aus, daß die wirklichkeitsnahe Rekonstruktion einzelner begrenzter »Situationen« der Herrschafts- und Verhaltensgeschichte der NS-Zeit mehr als die allgemeine Geschichte der »großen« Verhältnisse geeignet ist, mitder wirklichkeitsnahen Abbildung der Bedingungen, Motive und Anlässe politischen Verhaltens auch die konkrete Gestalt der moralisch-politischen Konflikte zu bestimmen, die im Begriff des Widerstandes impliziert sind. In dem Kurztitel »Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt« ist das Programm der mit diesem Band eröffneten Serie von Darstellungen angedeutet. Erst die Beiträge selbst können genauer substantiieren und zeigen, was mit ihm gemeint ist: wie NS-Herrschaft in einzelnen Bereichen der Gesellschaft aussah und fühlbar wurde, welche Konflikte sich aus der Verteidigung von Interessen, Traditionen, politischen, aber auch beruflichen oder künstlerischen Prinzipien, aufgrund nationalsozialistischer Einwirkungen ergaben. Jeweils besondere gesellschaftliche Situationen, Interessen, Traditionen begründeten nicht nur unterschiedliche Arten der Reaktion auf Sanktionen und Zumutungen des Regimes, sondern führten häufig auch dazu, daß nationalsozialistische Machtausübung mit den von ihr gesetzten N o n n e n und Zielsetzungen selbst in Konflikt geriet. Erst die genaue Betrachtung der politischen und gesellschaftlichen Einzelverhältnisse, 1

Bayern in der NS-Zeit. Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte, hrsg. von Martin Broszat, Elke Fröhlich, Falk Wiesemann. München 1977.

XVIII

Vorwort

im Sinne einer »Geschichte von u n t e n « , vermag das ganze A u s m a ß dieser Diversifikation von Herrschaftsausübung und Konfliktaustragung in der N S - Z e i t zu verdeutlichen. Sie mag auch demonstrieren, daß solche Gesellschafts-Geschichte politischen Verhaltens kein spröder Stoff theoretisierender oder quantifizierender Sozialwissenschaft sein m u ß , sondern sich in konkreter ereignisgeschichtlicher Darstellung und in enger A n k n ü p f u n g an die Erfahrungs- und Erlebniswelt des einzelnen plastisch vermitteln läßt, ohne in begriffslose Faktenansammlung z u versinken. Bei der konzeptionellen Planung des Forschungsprojekts w u r d e v o n A n f a n g an das Ziel verfolgt, nicht nur den politischen u n d weltanschaulichen Fundamental-Widerstand gegen das N S - R e g i m e zu dokumentieren 2 , sondern am Beispiel Bayerns einen energischen Vorstoß in das bisher kaum erforschte Terrain der Verhaltensgeschichte in der N S - Z e i t zu unternehmen. D i e Schwierigkeit bestand dabei darin, daß sich D u t z e n d e noch kaum untersuchter interessanter »Felder« und A s p e k t e anboten, die Kapazität des kleinen im Institut für Zeitgeschichte eingerichteten Projekt-Stabes aber nicht ausreichte, u m auf thematisch breiter F r o n t neue A s p e k t e einer Sozialgeschichte politischen Verhaltens in der N S - Z e i t zu setzen. D e s h a l b mußte versucht werden, Hochschullehrer-Kollegen an bayerischen Universitäten und ihre Schüler sowie andere Fachleute, auch aus den Nachbardisziplinen der Geschichtswissenschaft, für die T h e m a t i k zu interessieren und zur Mitarbeit zu gewinnen. D i e Einladung stieß auf erfreuliche Resonanz. Auf Anregung des Projekt-Stabes konnten zahlreiche thematisch einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen, vor allem auch Magister-, Staatsexamensarbeiten und Dissertationen in G a n g gesetzt werden, zumal die Projektmitarbeiter im Institut für Zeitgeschichte und dieBeteiligung der Staatlichen Archive Bayerns eine kooperative Beratung und Betreuung gewährleisteten und die Einbettung der Einzelarbeiten in die umfassende Projekt-Thematik mit der Möglichkeit regelmäßigen gegenseitigen wissenschaftlichen Erfahrungsaustausches auch die Forschungsmotivation günstig beeinflußte. D i e auf diese Weise, besonders in den Fachbereichen Geschichte und Politikwissenschaft an der Universität München, seit 1974/75 entstandene projektbezogene zeitgeschichtliche Forschungsaktivität hatte als Impuls für methodische Quellenarbeit, für die Entwicklung neuer Fragestellungen und für kooperative methodische Reflexionen ihre Bedeutung in sich selbst, unabhängig von der publizistischen »Verwertbarkeit« der Ergebnisse. Galt es doch auch, durch das Projekt wissenschafts-didaktische Anregungen zu geben und mit H i l f e der von den Staatlichen Archiven inventarisierten und besser zugänglich gemachten Q u e l l e n wissenschaftliche Anfänger auf ein bisher noch wenig genutztes Feld empirischer zeitgeschichtlicher F o r s c h u n g hinzulenken. E s war naturgemäß offen und unsicher, in welchem Maße diese Aktivität schon zu publikationsreifen Ergebnissen führen würde. U m dieses R i s i k o zu verringern, wurden auch mehrere schon etablierte wissenschaftliche Fachleute u m ihre Mitwirkung gebeten. Diese war vor allem auf den Nachbargebieten der Rechts-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte unentbehrlich. Bei der Publikationsplanung gingen die Herausgeber von zwei maßgeblichen G e 2

Eine Darstellung der in Bayern relevanten politischen Widerstandsgruppen wird im Rahmen des Projekts vorbereitet.

Vorwort

XIX

sichtspunkten aus: Für eine Veröffentlichung konnten nur Forschungsbeiträge in Frage kommen, die aufgrund ihrer Ergiebigkeit, Interessantheit und methodischen Exaktheit den zu stellenden Ansprüchen voll genügten. Im Interesse der Einheit des Projekts, aber auch des zeitgeschichtlich interessierten Leserpublikums, sollte ferner eine »Verstreuung« der Forschungsergebnisse auf eine Vielzahl von Einzelpublikationen und eine »unverdauliche« Breite der Darstellung unbedingt vermieden werden. Deshalb wurde beschlossen, jeweils nur Beiträge begrenzten Umfangs in die Projektveröffentlichungen aufzunehmen und die Einzelstudien in mehreren Sammelbänden zusammenzufassen. Die vorliegende Veröffentlichung bildet den ersten Band dieser Serie, zwei weitere Bände sollen ihr folgen. Die Herausgeber hoffen, mit den Beiträgen am Ende einen auch thematisch repräsentativen Uberblicküber die wichtigsten im Rahmen des Projekts geleisteten Forschungsarbeiten geben zu können. Das Ziel einer auf drei Bände begrenzten, kompakten Veröffentlichung der Ergebnisse von rund 25 Einzelarbeiten zwang naturgemäß zu einzelnen an sich bedauerlichen Abstrichen. Aus manchen umfangreichen Dissertationen konnten nur größere Abschnitte bzw. Extrakte aufgenommen werden; das gilt in diesem Band für die Beiträge von Norbert Frei und Evi Kleinöder. In anderen Fällen wurden die Autoren gebeten, aus größer angelegten Arbeiten vorzeitig Teile für die Projektveröffentlichung einzurichten; um solche vorweggenommenen Elemente handelt es sich bei den Studien von Ian Kershaw, Lothar Gruchmann und Toni Siegert. Die übrigen Beiträge, von Friedrike Euler, Fritz Blaich und Günther Kimmel, wurden eigens für diese Veröffentlichung in dem hier publizierten Umfang geschrieben. Sämtliche in diesem Band zusammengefaßten Darstellungen und die ihnen zugrundeliegenden Forschungen sind im Rahmen des Projekts »Widerstand und Verfolgung in Bayern 1933 - 1 9 4 5 » in Auftrag gegeben und von den Herausgebern gemeinsam mit den Autoren entworfen worden. Bei einigen Arbeiten konnte der Projekt-Stab im Institut für Zeitgeschichte auch weitergehende Betreuungshilfe leisten. Gemeinsames Ziel war es dabei vor allem auch, eine klare, gut lesbare Darstellung zu erreichen. Daß es gelang, Publizistik-, Theater-, Wirtschaftswissenschaftler und Juristen neben Politologen und Historikern als Autoren zu gewinnen und auf die durchgängige Methode historischer Quellenarbeit und -interpretation zu verpflichten, werten die Herausgeber als Erfolg der gemeinsamen Bemühungen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit konnte unter diesen Umständen der beabsichtigten Veranschaulichung unterschiedlicher Wirklichkeits-Ausschnitte und Konfliktfelder der NS-Zeit nur zugute kommen. Die Zusammenstellung der Themen dieses ersten Sammelbandes ließ sich nur teilweise programmieren, sie war auch abhängig von Zufälligkeiten und Zwängen der rechtzeitigen Fertigstellung bzw. dem Scheitern anderer ursprünglich geplanter Beiträge. Manche zentral wichtige Themen und Bezugsfelder - zum Beispiel die Komplexe industrielle Arbeiterschaft, bäuerliche Interessen, Schule, kommunale Selbstverwaltung, u. a. - werden in den geplanten weiteren Bänden aufgegriffen werden können, und erst dann wird sich die Ausgewogenheit der thematischen Auswahl abschließend bewerten lassen. Beabsichtigt war aber von vornherein, durch eine weitgespannte, variationsreiche Themenfolge die Mannigfaltigkeit der Bezugsfelder des Projekts zum Ausdruck zu bringen und dabei vorrangig bisher in der Forschung vernachlässigte Aspekte der Herrschafts- und Verhaltens-Geschichte in der NS-Zeit in den Blick zu bringen. Der genaueren Erklärung bedarf

XX

Vorwort

aber, was die Herausgeber veranlaßt hat, die einzelnen Beiträge anzuregen, aufzunehmen und in eine bestimmte Reihenfolge zu setzen. Darstellungen über die bayerischen Konzentrationslager Dachau und Flossenbiirg sowie über die Haltung der Bevölkerung zur Judenverfolgung stehen in diesem Band neben Studien, die unter dem Gesichtspunkt »Widerstand und Verfolgung« weit weniger wichtig, ja mit ersteren zunächst unvereinbar zu sein scheinen. Die Nebeneinander-Gruppierung scheinbar so inkommensurabler Beiträge geschah jedoch ganz bewußt. In der terroristischen Gewalttätigkeit der Verfolgung politischer Gegner oder aus ideologischen Gründen »unerwünschter Elemente« kam die radikale Aggressivität des NS-Regimes am schärfsten zum Ausdruck. Dachau, Flossenbürg und die Judenverfolgung bezeichnen auf sehr verschiedene Weise die totalitären Extrem Wirkungen der NS-Herrschaft. An ihnen ist das Wesen des Regimes immer wieder zu messen. Sie charakterisieren aber nur die äußersten Grenzsituationen, nicht die durchschnittliche Lebenswirklichkeit der NSZeit, die vielerlei dosierten Zwänge und Widersprüchlichkeiten der Machtausübung, der Bevormundung und Einschüchterung, die zahlreichen kleinen Widerstände, Abwehrhaltungen, Anpassungsvorgänge oder opportunistischen Erbötigkeiten, die in vielfältiger Variation das tägliche Erfahrungspensum des Dritten Reiches für die meisten Menschen ausmachten. Unter dem Gesichtspunkt verhaltensgeschichtlicher Wirklichkeitserfassung war es deshalb notwendig, nicht nur von Konzentrationslagern und Judenverfolgung zu reden, sondern beispielhaft auch von dem, was zur gleichen Zeit in anderen Lebensbereichen geschah, in der Provinzpresse, an den Münchner Kammerspielen, in einem hochgradig katholischen Milieu (Eichstätt), im Bereich der unternehmerischen Wirtschaft. Es kam darauf an, diese Mittelwerte des politischen Lebensalltags in der NS-Zeit, die verschiedenen Lagerungen und Staffelungen der NS-Herrschaft und der von ihnen konditionierten Reaktionen und Konflikte zu kontrastieren mit den Extremwerten der totalitären Verfolgung und gerade durch solche Kontrastierung auch deutlich zu machen, daß das Dritte Reich keineswegs nur die Wahl ließ zwischen totaler Unterwerfung und alles riskierendem Märtyrertum, sondern trotz oft unausweichlicher Verstrickungen durchaus die Möglichkeit bot, in zumutbarer Weise Widerstand zu leisten. Die vier ersten Beiträge des Bandes sind unter diesem Gesichtspunkt angeregt worden. Als exemplarische Studien, bezogen auf jeweils spezifische gesellschaftliche Situationen in der NS-Zeit, vermögen sie auch die Unterschiedlichkeiten dessen zu kennzeichnen, was dabei jeweils als »Situation« zu verstehen ist: eine öffentlich-institutionelle Verantwortlichkeit (Presse), eine beruflich-künstlerische Verpflichtung (Theater), eine politisch-soziologische Gruppe mit ihrem spezifischen Milieu und ihrer Traditionsgebundenheit (katholische Jugend), eine partielle Interessenlage (wirtschaftliche Unternehmer). Von den jeweils unterschiedlichen Bezugs-Systemen und Bedingungen her erschließt sich auch in sehr konkreter Weise die Beurteilung der »Freiheit« des Verhaltens und Handelns in der NS-Zeit. Die Untersuchung von Norbert Frei über die nationalsozialistische Eroberung der Provinzzeitungen zeigt am regionalen Beispiel der Bayerischen Ostmark, daß der bisher nur in seinen allgemeinen Zügen erfaßte Prozeß der Gleichschaltung der öffentlichen Meinung im Dritten Reich »draußen in der Provinz« keineswegs mit einem Schlage und viel weniger als oft angenommen durch zentrale Einwirkungen des Reichspropaganda-

Vorwort

XXI

ministeriums geschah. Ehrgeizige Kreis- und Gauleiter und andere lokale Machtträger waren hier oft wichtiger. Die Heterogenität ihrer Ambitionen eröffnete zeitweilig auch Freiräume, so daß manche der »bürgerlichen« Lokalzeitungen erstaunlich lange hinhaltenden Widerstand leisten konnten, ehe der Krieg neue Möglichkeiten des Zugriffs schuf. Am Exempel des von den Brüdern Hans und Georg Schemm in Bayreuth aus kleinen Anfängen entwickelten NS-Gau-Pressekonzerns werden elementare politische und wirtschaftliche Faktoren der NS-Presseeroberung sichtbar: die Ausbeutung der Kapazitäten der schon im Frühjahr 1933 beschlagnahmten SPD-Zeitungsverlage für die Nationalsozialisten, die systematische Benutzung des Partei- und Staatsmonopols, um die von »amtlichen Mitteilungen« und überregionalen Nachrichtendiensten abhängigen, wirtschaftlich meist schwachen, organisatorisch obsoleten kleinen Zeitungsverlage in der Provinz in die Knie zu zwingen. Die genaue, konkrete Schilderung einzelner Zeitungs-Situationen vermittelt ein ebenso dichtes wie reales Bild der zunehmenden Anpassungszwänge und der schrumpfenden Möglichkeiten resistenter Verteidigung letzter Bastionen lokaler Presse-Unabhängigkeit. Wie die Lagebeschreibung der Provinzpresse vermag die theatergeschichtliche Untersuchung Friederike Eulers realistisch zu veranschaulichen, daß die Problematik von Widerstand und Anpassung keineswegs nur auf den engeren Bereich des Politischen beschränkt blieb. Am Beispiel der Münchner Kammerspiele, die wegen ihrer experimentierfreudigen Aufführung zeitgenössischer sozialkritischer Stücke den Nazis und manchen bayerischen konservativen Kulturpolitikern schon vor 1933 ein Dorn im Auge gewesen waren, beschreibt die Verfasserin ein Stück des Theateralltags in der NS-Zeit. Die erste Welle parteipolitischen Drucks ließ sich nach empfindlichen Substanzverlusten infolge der Emigration namhafter Spielleiter, Dramaturgen und Schauspieler noch leidlich abwehren, weil sich im Kompetenzgerangel zwischen Berliner und Münchner NS-Kulturämtern und -Organisationen, manche beabsichtigten Gleichschaltungsversuche gegenseitig neutralisierten. Mit knapper Not konnte sich Otto Falckenberg als Intendant des Theaters immer wieder halten. Mehr als andere Theaterleiter vermochte er durch die Art seiner Spielplangestaltung und Inszenierung die künstlerisch-geistige Distanz des renommierten Theaters gegenüber dem Nationalsozialismus spürbar zu machen. Auch Falckenberg blieb aber von dem Dilemma der Anpassungszwänge nicht verschont: Trotz versuchten Widerstandes mußten die Kammerspiele im Mai 1936 das antisemitische Tendenz-Stück eines NS-Schriftstellers zur Aufführung bringen. Im Dezember des gleichen Jahres revanchierte sich Falckenberg auf seine Weise: Die glänzende Neuinszenierung von Shakespeares »Troilus und Cressida« wurde, wie der Theaterkorrespondent der Times berichtete, zu einem Gericht über die braune Kulturbarbarei. Obwohl politisches Denunziantentum und eine kleine NSDAP-Zelle sich auch in den Kammerspielen bemerkbar machten, vermochte sich unter den Theaterangehörigen offenbar mehr Solidarität als in anderen Bereichen der Gesellschaft zu erhalten. Dem Mut einer Sekretärin hatte es Falckenberg schließlich mit zu verdanken, daß der von dem Münchner NS-Stadtrat Christian Weber 1938 ausgehende Versuch, die Leitung der Kammerspiele doch noch in NS-Hände zu bringen, abgewehrt werden konnte. Auch die Münchner Kammerspiele blieben keine ungestörte Kultur-Oase in der NSZeit. Vor allem das zeitkritische Drama, einst eine Domäne des Theaters, verschwand fast

XXII

Vorwort

ganz zugunsten von heiteren Unterhaltungsstücken oder der »Flucht in die Klassik«. Bis auf wenige Ausnahmen gelang es der Leitung des Theaters aber, bei den über 200 in den Jahren 1933-1944 neu inszenierten Stücken, braune Tendenz-Literatur vom Spielplan fernzuhalten. Die theatergeschichtliche Studie verdeutlicht vor allem auch dies: So unpolitisch die Motive von Theaterleuten wie Falckenberg bei ihren Bemühungen um die Aufrechterhaltung künstlerischer Maßstäbe meist waren, angesichts der Diktatur braunen Ungeistes kam diesen Anstrengungen als Element geistigen Widerstandes öffentliche Bedeutung zu. Von einem andersgearteten Defizit der Forschung geht Evi Kleinöder bei ihrer Darstellung über die katholischen Jugendorganisationen in der kleinen mittelfränkischen Bischofsstadt Eichstätt aus. Der Komplex des katholischen »Kirchenkampfes« in der NSZeit, in den die Studie thematisch hineingehört, ist bisher in der Regel entweder biographisch, kirchengeschichtlich oder moraltheologisch abgehandelt worden. Obwohl sich alle Historiker des Kirchenkampfes darin einig sind, daß die katholische Kirche ihre relativ große Eigenständigkeit gegenüber der NS-Führung vor allem infolge ihrer volkstümlichen Massenbasis besonders in ländlich-provinziellen Gebieten mit traditionell kirchenfrommer Bevölkerung bewahren konnte, gibt es kaum Untersuchungen über diese »Rückkoppelung« katholischer Resistenz an das katholische Volks-Milieu. Am Modell Eichstätts und der Situation, die sich hier für die traditionell starken katholischen Jugendorganisationen nach 1933 ergab, veranschaulicht die Verfasserin mit Hilfe staatlicher, kirchlicher und persönlicher Quellen die sozial-kulturelle Bedeutung und Wirkensweise »katholischen Milieus« und seiner Resistenzkraft an zahlreichen ereignisgeschichtlichen Beispielen: Gymnasiasten, die in Eichstätt vor 1933 bei der Hitler-Jugend mitmachten, hatten mit der Entlassung von der Schule zu rechnen und fielen noch lange nach 1933 der Verachtung der »gut-katholischen« bürgerlichen Gesellschaft anheim. Die nazistische Schändung einer Kirchenfahne konnte in Eichstätt noch 1934 gesellschaftlich wirksam dadurch »bestraft« werden, daß die Fronleichnamsprozession demonstrativ abgesagt wurde. An das katholische Milieu gebundene Ortspolizisten führten die von nationalsozialistischer Obrigkeit angeordnete Überwachung katholischer Vereinigungen nur widerwillig aus und drückten dabei mitunter »beide Augen« zu. Die Dichte und Solidarität des katholischen Milieus ermöglichte es auch nach der gewaltsamen Zerschlagung der katholischen Jugendvereine, daß die weibliche und männliche katholische Pfarrjugend von mutigen Seelsorgern jahrelang unbemerkt zu illegalen anti-nationalsozialistischen Flugblattaktionen herangezogen werden konnte. Ähnlich wie in der sozialistischen Arbeiterbewegung lag auch innerhalb des politischen Katholizismus die Haupt-Widerstandsaktivität bei den örtlichen Jugendgruppen. Gegen den vorsichtigen Pragmatismus der Älteren setzten sie oft unbekümmerten jugendtümlichen Aktivismus. Hier liegt der zweite wesentliche Aspekt der Untersuchung, mit der die Verfasserin auch einen Beitrag leistet zur besseren Kenntnis der innerkirchlichen und innerkatholischen Spannungen und Gespaltenheiten in bezug auf das NS-Regime. Auch in Eichstätt gab es neben den namhaften Wortführern katholischer Opposition (Bischof Graf Preysing, Bischof Rackl, Dompfarrer Kraus u.a.) nicht wenige schwache Stellen vorsichtiger Anpassungsbereitschaft, z. B. im Domkapitel. Das katholische Milieu bot manchen exzeptionellen Schutz für Widerstandskräfte, war aber nicht fugenlos dicht und vor Opportunismus gefeit.

Vorwort

XXIII

Die Frage nach den gruppenspezifischen Formen des Verhaltens in der NS-Zeit, die die Studie über Eichstätt, geleitet von dem kultursoziologischen Begriff des »katholischen Milieus«, zu beantworten sucht, nimmt der Regensburger Ordinarius für Wirtschaftsgeschichte Fritz Blaich unter dem Gesichtspunkt industriewirtschaftlicher Interessengruppierungen auf. Angesichts der häufig allzu vorschnell behaupteten Interessenharmonie zwischen dem NS-Regime und dem kapitalistischen Unternehmertum kommt seiner Untersuchung besondere Bedeutung zu. Schon die 1933 eingeleitete, durch manche Selbstanpassung von Unternehmern erleichterte nationalsozialistische Gleichschaltung der Industrie- und Handelskammern und der unternehmerischen Interessenverbände stieß auf Widerstände. Versuche der Partei, hauptsächlich mit Hilfe der nationalsozialistischen Betriebszellenorganisationen, in die Wirtschaft hineinzuregieren, führten besonders in den Jahren 1933/34 zu manch lästiger Beeinträchtigung unternehmerischer Freiheit, auch zu massiven Einschüchterungen einzelner Unternehmer oder Betriebsleitungen, insbesondere jüdischer Firmeninhaber. Wenn auch im ganzen die gewerkschafts- und betriebsratsfeindliche Arbeitsordnungsgesetzgebung des Dritten Reiches eher dem »Betriebsführer« zugute kam, so wurden doch mit der zunehmenden Bindung der gewerblichen Wirtschaft an staadiche Wirtschaftslenkungsstellen, vor allem bei der Devisen-, Rohstoff- und der Arbeitskräfteverteilung, neue gravierende Beschränkungen wirksam. Vor allem große Bereiche der unter autarkie- und kriegswirtschaftlichen Gesichtspunkten dem Regime weniger wichtigen Konsumgüterindustrien bekamen sie zu fühlen. Die Studie Blaichs dokumentiert an zahlreichen Beispielen die produktionshemmende Wirkung der staatlich-bürokratischen Wirtschaftslenkung und macht sichtbar, daß die wachsende Abhängigkeit von der staadichen Wirtschaftsbürokratie die privat-kapitalistische Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel in erheblichem Maße begrenzte. Während vor allem in der Grundstoff-, Schwer- und Maschinenindustrie in Bayern mächtige Unternehmen ab 1935 florierten, ihre Betriebe erheblich vergrößern konnten und sich in enger Verbindung mit staatlichen Stellen relativ weitgehende Autonomie der wirtschaftlichen Entscheidung zu sichern vermochten, wurden viele mittlere und kleinere Unternehmen der Konsumgüter- und Exportindustrie benachteiligt und zu »gelenkten Unternehmern« degradiert. Die zweite Gruppe der Beiträge ist auf die totalitären Grenz- und Extrem-Situationen der Verfolgung bezogen. Sie wird eingeleitet durch die Untersuchung des britischen Historikers Ian Kershaw, der aus der vielfältigen staatlichen und außerstaadichen Berichterstattung über die Meinung und Haltung der bayerischen Bevölkerung in der NS-Zeit einen zentralen Bezugspunkt herausgegriffen hat: das Verhalten der Bevölkerung gegenüber den Juden, dem von der Partei forcierten aggressiven Weltanschauungsantisemitismus und den Judenverfolgungen des Regimes. Das Ergebnis der auf einer breiten Materialfülle basierenden, durch zahlreiche exemplarische Zitate abgestützten Untersuchung ist ebenso überzeugend wie in ihrer Deutlichkeit frappant: Die Doktrin des Rassenantisemitismus, Kernstück der Weltanschauung Hitlers, konnte trotz aller Bemühungen der Partei in der Basis der bayerischen Bevölkerung, vor allem bei den einfachen »kleinen Leuten« in Stadt und Land nie wirklich Fuß fassen. Der Rassenantisemitismus wurde nicht populär, blieb stets eigentlich nur ein - allerdings mit manischer Konsequenz weiterverfolgter - Fixpunkt der Parteiaktivität und -propaganda. Kershaws abgewogene,

XXIV

Vorwort

objektive Bestandsaufnahme, wohl die erste Studie überhaupt, die dieser Frage, gestützt auf eine so breite Quellengrundlage, systematisch nachgeht, erbringt ein wichtiges Stück gesicherter Erkenntnis auf einem in der Diskussion über die NS-Zeit besonders umstrittenen Feld. Sie enthält eindrucksvolle Zeugnisse der Volksreaktion anläßlich der sogenannten Reichskristallnacht und weist ebenso eindringlich auf das Versagen der kirchlichen Gewissens-Autorität anläßlich der NS-Judenverfolgung hin. Die Frage, warum die mörderische Judenverfolgung trotz der wenig fanatisierten Haltung der Bevölkerung gegenüber den Juden dennoch geschehen konnte, läßt sich auch durch diese Studie nicht abschließend beantworten. Aber die unterschiedlichen Grade der Verantwortlichkeit werden klarer. Es wird auch für die Kriegszeit gut belegt, was die Bevölkerung wußte und was sie wohl erst nach 1945 erfuhr. Den Schluß des Bandes bilden die beiden Studien über die bayerischen Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg, erstere ergänzt durch einen Exkurs Lothar Gruchmanns über das zaghaft-vergebliche Bemühen der bayerischen Justiz anläßlich der ersten spektakulären Mordfälle in Dachau eine gerichtliche Untersuchung und Strafverfolgung der Täter einzuleiten. Die juristische Perspektive der Tat-Komplex-Aufklärung bestimmt den Beitrag über Dachau. Gestützt auf die jahrelangen Ermittlungen deutscher Staatsanwaltschaften, liefert Günther Kimmel eine präzise Darlegung aller wichtigen Komplexe gesetzwidriger Verfolgung und Tötung von Häftlingen, die die Geschichte des Lagers Dachau bis zum Ende bestimmten. Der Beitrag bildet ein wichtiges Gerüst für die noch immer ausstehende Darstellung der Lagergeschichte. Am Beispiel Dachaus zeigt er die akkumulative Ausbreitung und Verselbständigung der Gewalttätigkeit, die seit 1938/39 zunehmend den Kurs des NS-Regimes bestimmte und sich vor allem im Kompetenzbereich der Sicherheitspolizei und SS vollzog. Im Jahre 1938, als es längst nicht mehr nur darum ging, politische Gegner in die KZ's zu bringen, sondern diese von Himmler als Zwangserziehungs- und arbeitslager auch für mehrfach vorbestrafte ehemalige Kriminelle, für Arbeitsbummelanten, Homosexuelle, Alkoholiker etc. vorgesehen wurden, kam es bei Flossenbürg in der bayerischen Oberpfalz zur Errichtung eines neuen Konzentrationslagers, speziell für diese Häftlingsgruppen. D e r Weidener Journalist Toni Siegert hat sich zunächst aus primär lokalgeschichtlichem Interesse mit diesem bisher in der zeitgeschichtlichen Literatur nur am Rande erwähnten Lager seit Jahren systematisch befaßt und zahlreiche Quellen erschließen können. Die Geschichte Flossenbürgs macht auch sichtbar, daß die drakonischen NaziZwangsmaßnahmen gegenüber sogenannten Kriminellen und Asozialen, geleitet von der eingängigen Propaganda gegen sogenannte volksschädigende Elemente, an massive Vorurteile gegenüber sozialen Randgruppen und nonkonformen Verhaltensweisen anknüpfen konnte. Daran liegt es wohl auch, daß die Geschichte der sogenannten Asozialen-Bekämpfung in der NS-Zeit als vermeintlich unter politisch-moralischen Gesichtspunkten irrelevant, bis heute ungeschrieben geblieben ist. Wie das K L Dachau entfernte sich das K L Flossenbürg während der Kriegszeit mehr und mehr von den Zielen der Gründung und wurde, mit überwiegend ausländischen Häftlingen und zahlreichen Außenkommandos, zu einem der großen Zwangsarbeitslager für die Kriegsindustrie. Die Zahlenbilanz der Sterblichkeit, aber auch der Massen-Exekutionen, die in beiden Lagern stattfanden und sie zu Hinrichtungsstätten auch für namhafte Widerstands-

Vorwort

XXV

kämpfer machten, gehört zu den bedrückendsten Dokumentationen der Verfolgung, die in Bayern stattfand. Einer Anregung des Verlages folgend, entschlossen sich die Herausgeber, die Beiträge durch eine Reihe von Bildern und Faksimiles zu illustrieren. Es war dabei ihr Bemühen, durch wenig bekannte, zum Teil aus Privatbesitz, zum Teil aus öffentlichen oder privaten Archiven stammende, zeitgenössische Bilder eine ergänzende optische Dokumentation zu schaffen. Allen Personen und Institutionen, die freundlicherweise einschlägige Bildmaterialien ausliehen und Reproduktionen gestatteten, gebührt der besondere Dank der Herausgeber. Namentlich sei hier nur das Stadtarchiv Nürnberg erwähnt, das die in ihrer Art wohl einmalige Serie von Fotos bayerischer antisemitischer Ortsschilder (aus dem ehemaligen Bildarchiv des Stürmer) zur Verfügung stellte. Die Herausgeber hoffen, mit diesem Band das Interesse, das ihrer ersten Veröffentlichung in dieser Reihe in so hohem Maße zuteil wurde, vertiefen zu können. Ihr Dank gilt zunächst vor allem den Autoren der Beiträge. Besondere Anerkennung gebührt den Archivaren der staatlichen und außerstaatlichen Archive in Bayern 3 , ohne deren unermüdliche Hilfe die Quellenarbeit nicht hätte geleistet werden können, und dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, das die finanziellen Mittel für das Projekt aufbrachte. Einzuschließen in den Dank sind besonders auch die vielen an der Fertigstellung der Druckfassung beteiligten Helfer im Institut für Zeitgeschichte, vor allem Herr Dr. Anton Grossmann, der maßgeblich an den Korrekturen, der Anfertigung des Registers, des annotierten Inhaltsverzeichnisses und der Beschaffung des Bildmaterials beteiligt war.

München, im Dezember 1978

M. B.

Im Zuge der am 1 . 1 . 1 9 7 8 durchgeführten Neuorganisation des Bay erischen Hauptstaatsarchivs sind die bisherigen Abteilungen I - Allgemeines Staatsarchiv - und II - Geheimes Staatsarchiv - aufgelöst worden. An ihre Stelle traten je eine Abteilung für ältere und für jüngere Bestände (Schnitt um 1800). Diese Gliederung hat jedoch nur innerdienstliche Bedeutung, so daß die Bestände der beiden Abteilungen künftig die einheitliche Lagerungsbezeichnung »Bayerisches Hauptstaatsarchiv« tragen. Im Anmerkungsteil des vorliegenden Bandes werden die Archivalien noch nach der alten Abteilungsgliederung zitiert.

NORBERT FREI

Nationalsozialistische Eroberung der Provinzzeitungen EINE STUDIE Z U R PRESSESITUATION IN DER BAYERISCHEN

OSTMARK

EINLEITUNG

Die inhaltlichen Grundlinien und zentralen Instrumente nationalsozialistischer Pressepolitik sind seit längerem bekannt. Allein schon das durch Effizienz und Abscheu gleichermaßen geprägte, faszinierende Bild des Dr. Joseph Goebbels hat die Stichworte Presse-»Gleichschaltung« und Presse-»Propaganda« selbst historisch weniger interessierten Laien geläufig gemacht. Das große biographische Interesse an dem »kleinen Doktor«, das durch immer wiederkehrende journalistische Aufbereitungen seiner Karriere, seiner Affären und Machenschaften aber eher vergrößert als befriedigt wurde, hat zweifellos auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Propagandatechnik des »Dritten Reiches« beeinflußt, insbesondere in der ersten Phase zeitgeschichtlicher Aufarbeitung 1 . In stärkerem Maße prägend aber wirkte es sich aus, daß das Forschungsinteresse auf diesem thematischen Gebiet bislang vor allem dem Aspekt der zentralen Lenkung und Beeinflussung und den entsprechenden zentralen Akten- und Dokumenten-Gruppen 2 zugewandt war: der Regieführung des Reichspresse-Chefs und des Propagandaministers mit Hilfe

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Beispiel dafür ist die schon früh veröffendichte Darstellung von Hagemann, Walter: Publizistik im Dritten Reich. Ein Beitrag zur Methodik der Massenführung. Hamburg 1948. Es sind dies die Akten der Reichsregierung, besonders des Reichspropagandaministeriums und der Reichskanzlei, einiger höh er Parteistellen und vor allem die als Sammlungen »Sänger« und »Brammer« bekanntgewordenen, alltäglich auf der Reichspressekonferenz verkündeten Sprachregelungen. Im wesentlichen auf diese Bestände stützt sich die jüngste Quellenarbeit von Hagemann, Jürgen: Die Presselenkung im Dritten Reich. Bonn 1970. Die Untersuchung von Abel, Karl-Dietrich: Presselenkung imNS-Staat. Berlin 1968, beruht vor allem auf Akten des Nürnberger Militärgerichtshofes aus dem Prozeß gegen Reichspressechef Dietrich. Den wirtschaftlichen Aspekt der NS-Pressekonzentration betont die faktenreiche Studie von Hale, Oron J . : Presse in der Zwangsjacke. Düsseldorf 1965 ; für Bayern zusätzlich die in vielen Teilen problematische Dissertation von Wurstbauer, Heinrich: Lizenzzeitungen und Heimatpresse in Bayern. Diss. München 1952. Theoretisch interessant ist die Arbeit von Storek, Henning: Dirigierte Öffentlichkeit. Die Zeitung als Herrschaftsmittel in den Anfangsjahren der nationalsozialistischen Regierung. Opladen 1972.

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der umfunktionierten »Pressekonferenzen«, der Bindung von Journalisten und Verlegern durch die Pressekammer und den Reichsverband der Deutschen Presse sowie der Expansion der NS-Zeitungshäuser, insbesondere des Zentralverlags der N S D A P (Eher-Verlag) unter der Leitung von Max Amann. Die Vorrangigkeit der Erforschung dieser konkurrierenden und sich ergänzenden zentralen Instrumente der Lenkung, Gleichschaltung und Monopolisierung der Presse in der NS-Zeit hat den totalitären Anspruch, den das Regime der Presse gegenüber erhob und durchzusetzen versuchte, in den Blick gerückt 3 . Vernachlässigt blieb dagegen der wirkungsgeschichtliche Aspekt. Wie kamen die Versuche zentraler Lenkung, Beeinflussung und Monopolisierung unten an? Wie wirksam waren demgegenüber die auf lokaler und regionaler Ebene in Gang kommenden Interventionen, Manipulationen und Expansionsversuche. Wie sah in der Provinz die Zeitungslandschaft tatsächlich aus und wie veränderte sie sich nach 1933? Von diesen allgemeinen Fragen ist die folgende Studie geleitet, in bezug auf das umfassendere Forschungsprojekt, in dessen Rahmen sie initiiert wurde 4 . Die Forschungssituation, von der wir auszugehen hatten, ist gekennzeichnet durch eine Reihe wichtiger, stark institutionen-orientierter Untersuchungen mit besonderer Abhebung auf die regierungs- und parteiamtliche Pressepolitik 5 . Ihnen stehen verschiedene Einzelstudien gegenüber, die sich der individuellen Geschichte einer kleinen Zahl bedeutender, den Weimarer Staat verteidigender Tageszeitungen annehmen 6 . Beiden Forschungsansätzen gemeinsam ist die vorrangige Behandlung der Großstadtpresse 7 . Daraus resultierende Verzerrungen werden um so deutlicher, je weiter man sich von den prominenten Metropolenblättern und ihrer auf Hochglanz polierten, nicht selten auch verklärten Geschichte entfernt - und in die Provinz begibt, wo es Tausenden von Zeitungen, Verlegern und Redakteuren oft sehr viel schlimmer erging als der zu Recht ob ihrer republikanischen Standhaftigkeit gerühmten, für die Endphase der ersten deutschen Demokratie aber eher untypischen, keinesfalls dominierenden liberalen Publizistik. Fast nur im Kontext dieser intellektuell anspruchsvollen Großstadtpresse wurden wirkungsgeschichtliche Aspekte der NS-Pressepolitik bislang thematisiert- wobei man häu3 4 5

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Vgl. Abel, a.a.O., S.28 und bes. Storek, a.a.O., S. 16-20. Forschungsprojekt »Widerstand und Verfolgung in Bayern 1933-1945«. Dies gilt insbesondere für die Arbeiten, die sich der Untersuchung der »Presselenkung« verschrieben haben; vgl. Anm. 2. Das mit Abstand bekannteste Beispiel ist die Frankfurter Zeitung, deren Position zum und im Nationalsozialismus nicht nur die früheren Redakteure reflektierten, sondern auch eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten provozierte. So u. a. Hepp, Fred : Der geistige Widerstand im Kulturteil der Frankfurter Zeitung gegen die Diktatur des totalen Staates. Diss. München 1950; Diel, Helmut: »Grenzen der Presselenkung und Pressefreiheit« im Dritten Reich untersucht am Beispiel der »Frankfurter Zeitung«. Diss. Freiburg i. Br. 1960; Krejci, Michael: Die Frankfurter Zeitung und der Nationalsozialismus 1923 - 1 9 3 3 . Diss. Würzburg 1965; Werber, Rudolf: Die »Frankfurt er Zeitung« und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus. Untersucht an Hand von Beispielen aus den Jahren 1932-1943. Ein Beitrag zur Methodik der publizistischen Camouflage im Dritten Reich. Diss. Bonn 1965. Bezeichnend der Titel einer - allerdings auch in feuilletonistischer Intention geschriebenen - Monographie von Mendelssohn, Peter de: Zeitungsstadt Berlin. Menschen und Mächte in der Geschichte der deutschen Presse. Berlin 1959. Weil allzusehr im Anekdotisch-Individuellen verhaftet oder die NS-Zeit kaum berührend, tragen auch die wenigen, von der Münchener Zeitungswissenschaft gepflegten Einzelstudien zu Provinzblättern kaum etwas zur Erhellung bei. Vgl. etwa Biesenberger, Hortlof: Der Schwarzwälder Bote in den Jahren 1930-1950. Diss. München 1953; Hoermann, Rolf: Der »Hofer Anzeiger«. Das Werden und Wirken einer Heimatzeitung in der bayerischen Ostmark. Diss. München 1938.

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fig das problemarische »Zwischen-den-Zeilen-Schreiben« überbetonte, das zu rezipieren die Leserschaft der großen, einstmals liberalen Blätter schnell in virtuoser Weise fähig geworden sein soll8 - eine These, die historisch-wissenschaftlicher Nachprüfung weitgehend entzogen ist. Von der skizzierten Forschung weitgehend außer acht gelassen wurden die vielschichtigen, keineswegs von raschem Perfektionismus totalitärer Erfassung bestimmten Wechselprozesse auf mittlerer und unterer Ebene: die Reflexe und modifizierenden Reaktionen im unmittelbaren Bereich der Presse ebenso wie im System ihrer Lenkung. In welchem Ausmaß bzw. gegen welche Widerstände die Konzeptionen der zentralen Staatsund Parteistellen durchgesetzt werden konnten; inwieweit Länderregierungen, Mittelbehörden, Politische Polizei sowie regionale und lokale Verwaltungen und Parteigremien darauf Einfluß hatten; mit welchen konkreten Methoden die Gleichschaltung der Presse erreicht wurde; die Prozeßhaftigkeit der Instrumentalisierung bürgerlicher Blätter für totalitäre Massenkommunikation - solche und ähnliche Fragen sind weithin unbeantwortet, mehr noch: die genannten Forschungsansätze lassen von ihrer Berechtigung kaum etwas ahnen. Die vorliegende empirisch-historische Studie beschäftigt sich - unter Beschränkung auf ein fest umgrenztes Gebiet - mit der Provinzpresse, worunter sämtliche Tageszeitungen verstanden werden, die außerhalb von Groß- und Landeshauptstädten erschienen. Trotz mancher Unterschiedlichkeiten waren in diesem Sinne alle Tageszeitungen Oberfrankens, der Oberpfalz und Niederbayerns Provinzblätter. Darin liegt einer der Gründe, wehalb gerade die drei genannten, vor allem religiös-kulturell keineswegs homogenen Regierungs(teil)bezirke als Untersuchungsgebiet ausgewählt wurden. Ein weiterer Grund ist die parteiamtliche und programmatisch-ideologische Vereinigung dieser Region, wie sie Adolf Hitler am 19. Januar 1933 mit einem pathetisch-historisierenden Kampf-Begriff einleitete: »Bayerische Ostmark« hieß künftig der »Grenzgau« 9 . Nachdem im streng katholischen Niederbayern und in der ebenfalls überwiegend katholischen Oberpfalz ein wenig erfolgreicher Gauleiter abgesetzt und sein Territorium dem von Hans Schemm zugeschlagen worden war 1 0 , der seinen Tatendrang bisher auf das überwiegend protestantische Oberfranken hatte beschränken müssen, glaubte man, daß sich die kranke Region auf dem Wege der Besserung befinde. Hans Schemm war, 41jährig, zum »Vater der Bayerischen Ostmark« 1 1 geworden man hätte ihn auch »Vater des Bayerischen Armenhauses« nennen können, denn das war der weiß-blaue Nordosten, der immerhin zwei Fünftel des Freistaates umfaßte, bereits

Vgl. Hans Stöcker, Heinz Greeven und Peter Herbrand (Hrsg.): Zwischen den Zeilen. Ein Beitrag zur Geschichte des Widerstands der deutschen bürgerlichen Presse gegen die Diktatur des Nationalsozialismus. Düsseldorf 1948. 9 Zur »Grenzgau«-Ideologie vgl. Kahl-Fürthmann, Gertrud (Bearb.): Hans Schemm spricht. Seine Reden und sein Werk. Bayreuth 1935. Einen für Propaganda- und Lehrzwecke verfaßten kurzen Abriß über die Bayerische O s t m a r k - der Name wird im folgenden ohne Apostrophierung als vereinfachte Gebietsbezeichnung verwandt gibt Meier-Benneckenstein (Hrsg.): Bayerische Ostmark, bearb. von der Gauleitung Bayerische Ostmark der N S D A P . Berlin 1940. (Aus der Reihe »Die deutschen Gaue seit der Machtergreifung«.) 1 0 Zu den Vorgängen um Franz Meierhofer vgl. Hambrecht, Rainer: Der Aufstieg der N S D A P in Mittel- und Oberfranken (1925-1933). Nürnberg 1976, S. 392 f. und 472, Anm. 388. 1 1 So ein Biograph Lembeck, Bernd: Hans Schemm. Ein Leben für Deutschland. München 1937, S. 39.

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aus Tradition. Auch heute zeigen sich genügend Spuren davon in der noch ziemlich unterentwickelten, wenig »erschlossenen« Urlaubslandschaft: Tiefe und manchmal auch etwas düstere Wälder gibt es dort; den Bayerischen, den Oberpfälzer und den Frankenwald, das Fichtelgebirge und die Fränkische Schweiz 1 2 . Obschon die fast rein agrarisch strukturierte, nur in Teilen Oberfrankens mit nennenswerter Industrie ausgestattete Ostmark, in der weite Landstriche sich zu regelrechten Hungerleidergegenden ärmsten Bauernproletariats entwickelt hatten, mit (1925) rund 2 , 1 4 Millionen Menschen sehr dünn besiedelt w a r 1 3 , existierten dort 1933 - auf die Fläche bezogen - genauso viele Zeitungen, wie dem bayerischen Durchschnitt entsprach : rund 200. Darunter waren ein paar größere aus den Provinzzentren Regensburg und Passau und dem ökonomisch potenteren Teil Ob erfrankens ; die meisten Blätter aber welkten vor sich hin: Kümmerliche Maternpresse mit einer Auflage von oft weniger als 2000 Exemplaren, die gerade eben ihren Verleger/Drucker/Redakteur (das nämlich war der Buchdruckereibesitzer meist in einer Person) und dessen Familie ernährte. Solche Zeitungen gab es am Ende der Weimarer Republik zu hunderten unter den 544 bayerischen Blättern und zu tausenden unter den rund 3400 im Deutschen Reich 1 4 . Allgemein höherer Wohlstand, ein daher etwas größerer Leserkreis, ein etwas besseres A n zeigen· und Akzidenzgeschäft ließen die strukturellen Schwächen andernorts nicht immer so deutlich werden, aber der überwältigenden Mehrzahl der deutschen Tagespresse eignete eine publizistische Leistungsunfähigkeit, deren verhängnisvolle Folgen die Abhängigkeit von großen Materndiensten war. Die in Bayern freilich weniger verbreiteten Hugenberg-Korrespondenzen 1 5 seien als Stichwort nur erwähnt. Die mit den Strukturproblemen einhergehenden Dysfunktionalitäten waren eine wichtige Voraussetzung für den relativ raschen Erfolg der Nationalsozialisten bei ihrem Bemühen, die Massenkommunikationsmittel - und namentlich die Provinzpresse - nach der

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Vgl. zu deren sozioökonomischer Struktur die durchaus a u f w e i t e Teile Oberfrankens zutreffende Charakterisierung bei Broszat, Martin: Ein Landkreis in der Fränkischen Schweiz. Der Bezirk Ebermannstadt 1929 - 1 9 4 5 , in : Bayern in der NS-Zeit. Soziale Lage und politisches Verhalten im Spiegel vertraulicher Berichte, hrsg. von Martin Broszat, Elke Fröhlich, Falk Wiesemann. München 1977, S. 21 - 3 8 , bes. S. 3 3 f f . ; auch die Angaben für Oberfranken bei Hambrecht, Aufstieg, a . a . O . , S . 6 - 1 1 . Zwar war die Zahl 1939 um etwa 230000 auf rund 2,37 Millionen Einwohner angewachsen, die propagandistisch stark ausgemünzte nationalsozialistische Ostmark-Hilfe hatte dazu aber nur wenig beigetragen : Während in den Jahren zwischen 1925 und 1933, als die Region - wie die Nationalsozialisten zu Recht kritisierten - von der Münchener Regierung weithin vernachlässigt wurde, wenigstens etwa die Hälfte der oberfränkischen und einige oberpfälzische Bezirke ein Bevölkerungswachstum (definiert als überdurchschnittlicher Zuwachs unterhalb des verdoppelten Durchschnittszuwachses) registrieren konnten, konzentrierte sich das Wachstum zwischen 1933 und 1939 nur auf einige Stadtbezirke. Fast alle Landbezirke verzeichneten in dieser Zeit relative, teilweise sogar absolute Bevölkerungsverluste. Vgl. Beiträge zur Statistik Bayerns J g . 1926, H . 110 (Gemeindeverzeichnis nach der Volkszählung vom 1 6 . 6 . 1 9 2 5 ) b z w . J g . 1939, H . 127 (Gemeindeverzeichnis nach der Volkszählung vom 1 7 . 5 . 1 9 3 9 ) ; Kornrumpf, Martin: Bayern-Atlas. Landschaft, Anbau, Wirtschaft, Bevölkerungsbewegung. München 1949, S. 43 f. Die Gesamtzahl der bayerischen Zeitungen nach den Angaben für das Jahr 1932 bei Laschinger, Franz: Die Struktur der Bayerischen Presse am 3. Juni 1934. Diss. München 1936, S . 2 4 . Für das Reichsgebiet vgl. die für 1931 gültige Statistik von Kapfinger, H a n s : Die Struktur der katholischen Presse, in: Naumann, Johann Wilhelm (Hrsg.): Die Presse und der Katholik. Anklage und Rechtfertigung. Handbuch für Vortrag und Unterricht. Augsburg 1932, S. 212 f. Kapfinger, der bereits für 1926 eine Pressestatistik vorgelegt hatte, weist in der detaillierten Aufstellung 3332 Zeitungen nach; zahlreiche andere Autoren gelangen zu ähnlichen Ziffern. Eine Untersuchung zu diesem Thema wurde vor kurzem von Heidrun Holzbach abgeschlossen.

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Machtergreifung zunächst als Instrumente nationalsozialistischer Indoktrination zu nutzen und schließlich auszubauen zu Medien totalitärer Propaganda. Wie und mit welchen Methoden das in der Bayerischen Ostmark geschah, wo in nur drei Jahren die Hälfte und bis Kriegsende 90 Prozent der Tagespresse dem NS-Gauverlag eingegliedert wurde, dies zu zeigen ist unsere Absicht. Nach einer einführenden Untersuchung der nordbayerischen NS-Parteipresse in den zwanziger Jahren 16 bildet die Darstellung der Entstehung und Organisation des »Gauverlags Bayerische Ostmark G m b H , Bayreuth« einen Schwerpunkt der Untersuchung. Dieser Gauverlag, der sich zu einem der größten Pressekonzerne des Dritten Reiches entwickeln sollte, war die gemeinsame Schöpfung Hans Schemms und seines Bruders Georg Schemm in Bayreuth. Der eine, energiegeladener Trommler für den Nationalsozialismus, Gauleiter, Gründer des NS-Lehrerbundes (NSLB) und Bayerischer Kultusminister; der andere, beharrlich-geschäftstüchtig im Hintergrund wirkender Verlagsdirektor und des älteren Bruder treuer Bewunderer. Begründet hatten die beiden ihr Imperium 1931 mit der NS-Wochenzeitung Der Kampf; ein Dutzend Jahre später standen ganze Reedereien im Dienst des oberfränkischen Unternehmens, das zuletzt auch den in Berlin ausgebombten »Deutschen Schulverlag« beherbergte und Papierrohstoff für Bayreuth aus Norwegen heranschaffen ließ 17 . Die detaillierte Rekonstruktion dieser Entwicklung scheint geeignet, die höchst lükkenhaften Kenntnisse über Aufbau, Struktur und regionale Organisation der parteiamtlichen Presse zu erweitern; - sie liefert auch ein Kapitel der vernachlässigten Geschichte der Provinzpresse. Gleichzeitig mußte es ein wichtiges Ziel der Studie sein, die nationalsozialistische Pressepolitik, wie sie von Berlin aus betrieben wurde, stets als »Folie« präsent zu halten, vor der erst eine Unterscheidung zwischen regionalem Sonderverlauf und typischen Entwicklungsprozessen möglich ist. Dabei erfährt nicht nur die »Folie« an manchen Stellen der Konkretion, es ergeben sich auch Erklärungsansätze in umgekehrter als der zunächst verfolgten Richtung: Bürokratische Aktivitäten decouvrieren sich plötzlich als Maßnahmen, mit denen unerwünschte Begleitfolgen einer an der »Basis« verselbständigten Politik korrigiert werden sollten. Auch Erscheinungen dieser Art geht unsere Untersuchung nach; so unter anderem dem »Werbekrieg« zwischen NS-Zeitungen und anderen Blättern nach 1933 und den staatlichen und parteiamtlichen Reaktionen, die er veranlaßte, den Auseinandersetzungen zwischen Partei- und Privatpresse um die amtlichen Bekanntmachungen und schließlich der Tendenz zur Bürokratisierung und Uniformierung des Journalismus im Dritten Reich. Es handelte sich bei alledem großenteils um Begleiterscheinungen der vom NS-Gauverlag so nachdrücklich betriebenen Pressekonzentration, die im Zentrum unserer Betrachtung steht. Die Intentionen nationalsozialistischer Fusionspolitik, wie sie an oberster Stelle vom Reichsleiter für die Presse betrieben wurde, werden durch die Studie auf regionaler Ebene exemplarisch veranschaulicht. Bei allem Erfolg der angewandten Strategien zeigen sich dabei auch die Grenzen ihrer Wirk-

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D e r Situation der N S - P r e s s e in der Weimarer Republik hat sich die Forschung bislang nur wenig angenommen. A n s ä t z e finden sich bei Haie, a . a . O . , S. 4 7 f f . ; vgl. auch Pridham, G e o f f r e y : Hitler's Rise to Power. T h e N a z i M o " c ~ . ~ : n Bavaria 1 9 2 3 - 1 9 3 3 . L o n d o n 1973. Mitteilung von G e o r g Schemm v o m 1 5 . 1 0 . 1 9 7 7 .

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samkeit, die oft weniger »bewußter politischer Gegnerschaft a l s . . . traditioneller Beharrungskraft« der Provinz 1 8 entsprangen, auf Seiten der Kleinverleger häufig - aber keineswegs in jedem Fall - , verstärkt durch die Befürchtung ökonomischer Nachteile. Andere Aspekte des komplexen, ertragreichen Themenfeldes können in der Untersuchung nur angedeutet, manche gar nicht behandelt werden. Die Begrenzung ergibt sich zum Teil daraus, daß die Untersuchung weitgehend dem historischen Ablauf folgt, wie die Nationalsozialisten ihn prägten. Bei der Markierung der Grenzen dieser Studie ist auch darauf zu verweisen, daß wichtige Teil-Aspekte des Themas vom Autor im Zusammenhang seiner schon fertiggestellten größeren Arbeit über die bayerische Provinzpresse 19 in der NS-Zeit an anderer Stelle veröffentlicht werden sollen. Das gilt vor allem für die folgenden Komplexe: Das individuelle Verhalten der Journalisten und Verleger im Spannungsfeld von Unterdrückung und freiwilliger Parteinahme, Resistenz und - oft vorherrschender - Selbstgleichschaltung kann innerhalb der vorliegenden Untersuchung zwar schon verdeutlicht, aber erst in anderem Zusammenhang systematischer dargestellt werden. Auch die Beantwortung weitergehender Fragen nach der Funktion lokaler und regionaler Machtträger von Partei und Staat (Orts- und Kreispressewarte der N S D A P , BPP, Bezirksamtsvorsteher, Presseamtsleiter der Reichspropagandaämter) und nach der Anwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Observierungs- und Sanktionsmittel muß der ausführlicheren Untersuchung vorbehalten bleiben. Ebenso die Darstellung der besonderen Ausformung, die die in Berlin zentral formulierte Pressepolitik in Gestalt der »Pressepolizei« im »Freistaat« Bayern erfuhr, und die damit verbundenen Konflikte, die erneut den Blick freigeben auf das vielfältige Kompetenzchaos im nationalsozialistischen Herrschaftsapparat. Die hier vorgelegte Feld-Untersuchung der NS-Presse im Gau Bayerische Ostmark wird dann auch ergänzt werden durch eine Untersuchung der organisierten Presse des politischen Katholizismus, ihrer wirtschaftlichen Kontrolle durch den Katholischen Presseverein und ihre »Sonderbehandlung« durch die Nationalsozialisten. Im übrigen wurden natürlich die Möglichkeiten und Grenzen dieser Studie auch bestimmt von der Quellensituation. Der im folgenden gewährte Einblick in Geschäftsmethoden und Fusionstechniken parteieigener Verlage, von denen die Kommunikationslandschaft des »Dritten Reiches« am Ende durchzogen war, als sich der Eher-Verlag allein 82,5 Prozent der gesamten deutschen Zeitungsauflage bemächtigt hatte 2 0 , wurde erst ermöglicht durch eine Quellengattung, die der zeitgeschichtlichen Forschung bislang versperrt blieb: die Wiedergutmachungsakten ehemaliger Verleger 21 . Bei ihnen handelt es sich um teilweise recht umfängliche, mit Dokumenten aus der NS-Zeit gut belegte Wiedergutmachungsanträge von etwa 15 Zeitungsverlagen, die sich durch die Ausbreitung der Ostmark-Gauzeitung sei-

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Vgl. Bayern in der NS-Zeit, a . a . O . , S. 17.

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Diss, zum Thema: Nationalsozialistische Eroberung der Provinzpresse. Studien zur publizistischen Gleichschaltung und Selbstanpassung in Bayern. Vgl. Haie, a . a . O . , S. 305 f.

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Die Unterlagen der bayerischen Wiedergutmachungsämter befinden sich in der zentralen Registratur der Wiedergutmachungsbehörde Bayern in Fürth, deren Leiter, Herrn Regierungsdirektor Meyer, und dessen Mitarbeitern mein herzlicher Dank gilt für ihre verständnisvolle Unterstützung.

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nerzeit geschädigt fühlten. Dieses Material, das auch manche betriebsinternen Einzelheiten birgt, konnte ergänzt werden insbesondere durch Ministerialakten der für die Presseaufsicht verantwortlichen Bayerischen Staatskanzlei, die zugleich einen Einstieg in die Lage der gesamten Presse des Freistaates ermöglichten. Das gilt auch für die Lage- und Monatsberichte der Regierungspräsidenten, denen darüber hinaus teilweise Reaktionen der Bevölkerung auf pressepolitische Aktivitäten entnommen werden konnten 22 . Für diese Studie unentbehrliche Bestände waren die Bezirksamts- und Parteiakten (Gau- und Kreisleitungen) der Regierungsbezirke Oberfranken und Oberbayern 23 . Kleinere Aktengruppen stammen aus den Staatsministerien für Inneres, Justiz, Kultus, Wirtschaft und Finanzen24. Den Uberlieferungen aus dem NSDAP-Hauptarchiv, der Reichspressekammer sowie den NSDAP-Drucksachen 25 wurden vereinzelt Informationen abgewonnen, die - ebenso wie zahlreiche andere Bestände und eine kleine Reihe von Interviews zur Abrundung der Darstellung beitrugen. Von großer Wichtigkeit war schließlich, daß in der Staatsbibliothek München auf etliche Zeitungen zurückgegriffen werden konnte, vor allem auf die fast vollständige erhaltenen Jahrgänge der Gauzeitung Fränkisches Volk/Bayerische Ostmark. Für die Untersuchung der NS-Presse der Weimarer Republik bestand dagegen kaum die Möglichkeit, auf dergleichen Sammlungen und Akten zu rekurrieren. Daß die Blätter aus der Frühphase der NSDAP dennoch in die Untersuchung einbezogen werden konnten, ist vor allem einer ihnen gewidmeten Dissertation26 zu danken, die noch im Dritten Reich entstand. Denn anders als dem Völkischen Beobachter, dessen Sonderrolle im folgenden skizziert wird, wurden die ersten NS-Provinzzeitungen in keiner öffentlichen Bibliothek aufbewahrt und geordnet27 - zu kurz und überdies chaotisch war meist ihr Dasein.

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Das Vorstehende im G S t A .

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Sie befinden sich im StA Bamberg bzw. im StA München; die für das Forschungsprojekt »Widerstand und Verfolgung in Bayern 1933 - 1 9 4 5 « über Regesten erschlossenen Materialien des StA München wurden für die beiden Exkurse herangezogen. Im AStA.

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Alles im B A .

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K e m , Ferdinand: Die Kampfpresse der N S D A P im Gau Bayerische Ostmark 1 9 2 3 - 1 9 3 3 . Diss. München 1941.

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Dies beklagte seinerzeit bereits der Leiter des Hauptarchivs der N S D A P , D r . Uetrecht; vgl. Haie, a . a . O . , S. 327. Das von Haie erwähnte Material befindet sich mittlerweile allerdings nicht mehr im B D C , sondern im B A (NS 26/965-1171).

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Norbert Frei 1. D I E N S - P R E S S E IN DER WEIMARER REPUBLIK

Der Boden wird bestellt: Hitler macht den

Anfang

Die Wichtigkeit einer schlagkräftigen Presse bei dem Versuch, politische Macht zu erringen, hatten die Nationalsozialisten schon erkannt, als sie noch eines der vielen unbedeutenden völkisch-antisemitischen Griippchen waren, die sich nach derRevolution von 1918 in München und anderswo zusammenfanden. Bereits 1919, ehe er zum Parteivorsitzenden avancierte, drängte Adolf Hitler darauf, den 1887 gegründeten Münchner Beobachter, der seit Kriegsende von einigen Protagonisten der völkischen Bewegung Süddeutschland finanziert wurde, in Parteibesitz zu bringen. Im Frühwinter 1920 war Hitlers Wunsch erfüllt: Die NSDAP, beziehungsweise treuhänderisch für diese der NS-Arbeiterverein, erwarb - unter anderem mit Hilfe eines 60000-Mark-Darlehens Ritter von Epps - den stark verschuldeten Völkischen Beobachter (VB), wie das Blatt seit zwei Jahren hieß 28 . Hitler war offenbar schon in den Anfängen der Partei das Mitglied ihres Führungszirkels, das am meisten auf Öffentlichkeitswirksamkeit und Propaganda achtete was er darzutun später ja auch nicht müde wurde 29 . Hitlers Aktivitäten in dieser Zeit legten den Grundstein für seinen Ruf als »Propagandagenie«. - Er selbst war und blieb im übrigen stets der Meister nationalsozialistischer Massenbeeinflussung und publizistischer Indoktrination; alle anderen NS-Größen auf diesem Terrain orientierten sich an ihm. Das galt auch für seinen regen Kampfgefährten Hermann Esser, dessen propagandistische Fähigkeiten denen Hitlers noch am wenigsten nachstanden und der deshalb in den früheren Jahren wichtiger Parteiredner war 30 . Viel später betrat der so oft dämonisierte Paul Joseph Goebbels die Propagandabühne - auch er, erst seit 1930 Reichspropagandaleiter und schließlich Minister für Volksaufklärung und Propaganda, war immer nur ein ungemein talentierter Lehrling 31 . »Seinen« Völkischen Beobachter belieferte Hitler, angeblich seit er nach einem darin 1919 veröffentlichten Inserat einen »ersten Versammlungserfolg« hatte feiern können, eine Zeitlang fast täglich mit Artikeln 32 . War er doch wohl damals schon im Besitz der während seiner Haftzeit niedergelegten Erkenntnis, daß »der weitaus gewaltigste Anteil an der politischen >ErziehungVölkischer Beobachten . . . zu einem Programm für sich geworden« 38 . Wenngleich er nicht verhindern konnte und wollte, daß regionale oder lokale Parteigruppen auch außerhalb der Wahlkampfzeiten ihre eigenen Blätter herausbrachten, so sollte doch die Vorrangstellung des Völkischen Beobachters gewahrt bleiben: Das Abbonnement des Zentralorgans, befand Hitler wiederholt, entbinde die Parteigenossen von der Pflicht, die örtliche Parteipresse zu beziehen. Bei den zahlreichen Werbekampagnen für Völkischen und Illustrierten Beobachter kam es darüber häufig zum Streit zwischen den Werbekolonnen des Eher-Verlages 39 und den örtlichen NSDAP-Leitungen 40 . Indem er den gegen Ende der Zwanziger Jahre wild emporschießenden nationalsozialistischen Blätterwald ruhig wachsen ließ, sicherte Hitler die eigene Position - und zwar nicht nur auf dem im Vergleich zu anderen Teilfragen besonders heiklen und konfliktträchtigen 41 Gebiet der NS-Publizistik. Selbst gegen bestehende Parteizeitungen gerichtete Neugründungen verhinderte Hitler nicht; er gab sich auch in dieser Sache vom darwinschen Selektionsprinzip überzeugt: »Der Stärkere setzt sich durch« 42 . Diese Haltung verschaffte ihm in den »Pressekämpfen« - die übrigens keineswegs nur zwischen den Gauleitern ausgetragen wurden 43 - die mit Passion gespielte Rolle des Schiedsrichters, der einem Kampf lange unbeteiligt zusieht und am Ende das überlebende Blatt zum Sieger 34 35 36 37

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Engelking, a.a.O., S. 10. Vgl. Haie, a.a.O., S. 5 0 f f „ S. 54ff. Ebenda. Rundschreiben der Reichsleitung vom 9. 2. 1927 und 2.11.1928, letzteres mit Hitlers Unterschrift, zit. nach Haie, a.a.O., S.51 und 55. Aufruf Hitlers vom Februar 1930, zit. nach Hitler, a.a.O., Anhang. Dessen Direktor, der Reichsleiter für die Presse Max Amann, strebte eine zentralisierte und finanziell solide Parteipresse an; vgl. Broszat, Martin: Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung. München 1974, S.70, und ausführlich Haie, a.a.O., S.25f. Vgl. S. Vgl. Broszat, a.a.O., S.70. Rundschreiben der Reichsleitung vom 2.11.1928, zit. nach Haie, a.a.O., S.55. Wie der Eindruck entstehen könnte durch die Darstellung bei Hütten berger, Peter: Die Gauleiter. Studie zum Wandel des Machtgefüges in der N S D A P . Stuttgart 1969, vgl. S.60 - 65.

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erklärt. Eine solche Taktik 44 förderte zwar die Zersplitterung der Parteipresse in den Gauen, hielt aber andererseits die publizistische Macht der Gaufürsten in Grenzen. Mehr zu wollen, wäre Hitler pressepolitisch wie von den Machtverhältnissen her wohl auch gar nicht bekommen. Diesen alles in allem ja durchaus bequemen Modus vivendi zu verändern, war Hitler denn auch nach der Machtergreifung kaum bemüht - sehr zum Verdruß seines geschäftstüchtigen Reichsleiters für die Presse, Alt-Pg Max Amann 45 . Das Selbstverständnis der Gauzeitungen hingegen wandelte sich nun grundlegend: aus den meisten Kampfblättern wurden sich offiziell gebärdende, den »neuen Staat« tragende Verkündigungsorgane. Uber die von ihm forcierte organisatorische und finanzrechtliche Neustrukturierung46 gelang es Amann in den folgenden Jahren aber schließlich doch noch, seinen Einfluß auf die Gaupresse zu stärken, die in ihrer Gesamtheit publizistisch bald weit bedeutungsvoller war als der Völkische Beobachter, obwohl dieser nach der Machtergreifung als Quasi-Regierungsorgan permanent im Aufwind lag 47 .

Vom völkischen Blätterwald zur »Endkampf«-Presse: Die drei Entwicklungsphasen der NS-Presse am Beispiel Ostmark

Im fränkischen Teil Bayerns, einer der Keimzellen der NSDAP 4 8 , kann die Entwicklung der nationalsozialistischen Publizistik dank einer günstigen Quellenlage vergleichsweise detailreich bis in ihre Anfänge zurückverfolgt werden. Dies zu tun, läßt nützliche Aufschlüsse erwarten, wenn dabei die Geschichte der Parteiorganisation selbst berücksichtigt wird. Eine Analyse in diesem Kontext erlaubt, drei Entwicklungsperioden gegeneinander abzugrenzen: 1) Die nachrevolutionäre Frühzeit. Die NSDAP ragte noch nicht aus der antisemitischrechtsradikalen Gesamtbewegung heraus; in der kleinen völkischen Publizistik gab es kaum spezifisch nationalsozialistische Blätter. Einen kurzfristigen Aufschwung erlebte diese Presse nach dem Hiderputsch. 2) Die goldenen Zwanziger. Mit der Wiedergründung der NSDAP und der Übernahme der Völkischen-Führung durch Hitler begannen im Verlauf des Jahres 1925 Partei-

44

H o r n charakterisiert Hitlers darin deutlich werdende Führungsmethode tendenziell als den Versuch, »ein sich selbst regulierendes System« aufzubauen, das auf den obersten Führer ausgerichtet war, dessen Eingreifen aber nur selten erforderlich machte; vgl. H o r n , a . a . O . , S . 2 9 9 - 3 1 6 , bes. S . 3 0 4 .

45

Haie tituliert den gebürtigen Münchner, der sich als gelernter Anwaltsgehilfe zum Herrscher über ein riesiges Verlagsimperium hocharbeitete, etwas verniedlichend als »Hitlers geschäftigen Kobold«; vgl. Haie, a . a . O . , S.31-42.

46

Dazu weiter unten; vgl. S. 66 ff.

47

1939 betrug der Anteil des Völkischen Beobachters an der Gesamtauflage der parteioffiziellen bzw. -anerkannten Presse mit 740 000 Exemplaren rund 12 % ; Berechnung nach Hartmann, Franz: Statistische und geschichtliche Entwicklung der NS-Presse, 1 9 2 6 - 1 9 3 5 . (München 1936). Unveröffentlichtes Ms. des NSDAP-Hauptarchivs; IfZ, M A 726.

48

Vgl. Hambrecht, Aufstieg, a . a . O .

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

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genossen an verschiedenen Orten regionale NSDAP-Blätter zu gründen: dort, wo die bestehenden Organe des Völkischen Blocks nicht übernommen werden konnten. 3) Die »Endkampf«-Zeit. Jene Phase, die die Nationalsozialisten mit ihren ersten kommunalpolitischen Erfolgen 1929 einläuteten, stellte auch an die Zeitungen der NSDAP größere Anforderungen und brachte den Wandel von der Wochen- zur Tagespresse. Die folgende Drei-Phasen-Darstellung beruht zwar auf dem Quellenmaterial einer klar umgrenzten Region, unter Berücksichtigung aber der Interdependenz von Partei- und Presseentwicklung darf diese Strukturierung allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Idealistisch-kämpferische Grüppchen und Einzelgänger aus dem völkischen Lager Nordbayerns schufen etwa um die Jahreswende 1919/20 die ersten Vorläufer der dortigen NS-Presse. Zwar hatten diese Blättchen, die nur mit größter Mühe eine geregelte, mehrwöchige Erscheinungsweise einzuhalten vermochten, noch keinerlei Wirkung über die engen Grenzen ihrer Verbreitungsgebiete hinaus, aber für die interne Politik der antisemitisch-nationalistischen Organisationen waren sie bedeutsam. Wer etwas werden wollte bei den Alldeutschen, tat gut daran, seinen Führungsanspruch im eigenen Mitteilungsheft zu verkünden 49 . Die erste völkische Publizistik war daher disparat und schillernd wie die Personen, die sich zusammengefunden hatten in der »Bewegung«, die erst noch zu einer werden mußte. Spezifisch nationalsozialistische Periodika gab es in der Bayerischen Ostmark bis Anfang 1925 nicht. Lediglich die Bayreuther NSDAP-Ortsgruppe brachte im Sommer 1923 ein paar Wochen lang den Nationalsozialisten heraus 50 . Nationalsozialistisches Gedankengut- sofern dies überhaupt deutlich abgrenzbar gewesen w ä r e - wurde in den gesamtvölkischen Publikationen mediatisiert; entsprechend dem Rang, den die frühe NSDAP im sich ständig verändernden Dunstkreis 51 völkisch-antisemitischer Organisationen Frankens gerade einnahm. Primitivität und Bedeutungslosigkeit dieser Blätter lassen es kaum zu, von »Publizistik« zu reden. In dieser Phase war die Wirkung konkreter Aktionen, und mochten sie nur in einem samstag-nachmittäglichen »Aufmarsch« einer Handvoll unzulänglich uniformierter Fanatiker auf dem Marktplatz einer größeren Landgemeinde bestehen, wesentlich bedeutsamer - weil beeindruckender - als eine ungeschickt zusammengestellte Broschüre, die allenfalls in Sympathisantenkreisen gelesen wurde.

49

50

51

Der spätere »Frankenführer« Julius Streicher beispielsweise gab sein publizistisches Debüt bereits 1920 mit dem Deutschen Sozialisten, der ab 1921 Deutscher Volkswille hieß; vgl. Hambrecht, Aufstieg, a.a.O., S. 21 f. Daß der »Besitz einer Zeitung, eines Sprachrohrs für die eigenen Auffassungen, kaum zu überschätzen« (ebenda, S. 27) war, rückt aber die Überlegung nicht beiseite, insbesondere in der Provinz mit Journalismus, »Zeitungsschmiererei« in Verbindung gebracht zu werden, habe einem ehrgeizigen Völkischen bei seinen aktivistischen Gesinnungsgenossen nicht unbedingt Prestige einbringen müssen. Jedoch wird man publizistisches Interesse und Können als relativ zuverlässige Indikatoren für Eloquenz und rhetorische Überzeugungskraft, mithin für Führungsqualitäten, annehmen können. Vgl. die gründliche und faktenreiche NS-Dissertation von Kern, a.a.O., S. 2 3 5 - 2 4 9 ; daß die Darstellung für diese frühe Phase retuschiert worden sein könnte, ist nicht anzunehmen, da die Brüder Schemm, denen sich der Doktorand zweifellos verpflichtet fühlte, damals innerhalb der Bayreuth er NSDAP noch keine Rolle spielten. Weil auf die Arbeit im folgenden noch häufiger Bezug genommen wird, sei ausdrücklich festgestellt, daß es sich dabei in der Regel nur um die Übernahme von Fakten aus dem dokumentarischen Anhang handelt, die - w o möglich - auch überprüft wurden und oft nur die Grundlage zu eigenen Berechnungen bildeten. Soweit wörtliche Zitate problematische Bewertungen des NS-Nachwuchsjournalisten enthalten, ist dies angemerkt. Vgl. dazu ausführlich Hambrecht, Aufstieg, a.a.O., S. 1 5 - 8 4 .

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Norbert Frei

» N a z i s p r o p a g a n d a appealed t o the e m o t i o n s n o t t o r e a s o n , and this w a s best achieved t h r o u g h t h e m e d i u m o f a p u b l i c m e e t i n g r a t h e r than t h e t u r g i d p r o s e o f a p a r t y r a g « 5 2 .

Sich der Presse als eines wirkungsvollen Massenmediums zu bedienen, war einer politischen Gruppierung vor allem finanziell nicht möglich, die aus ihrem Abseits erst heraus wollte. Vor 1923 hatte die NSDAP in Nordbayern kaum kommunikative Chancen - was zum einen mit ihrem Erstarken erst nach Streichers Eintritt Ende 1922 zusammenhing53, zum andern aber eine Folge der im wesentlichen noch aus der Vorkriegszeit stammenden Kommunikationsstrukturen war, welche sich nur langsam in Richtung auf universelle Mediatisierung der (politischen) Realität entwickelten, mithin »Forumszeitungen« gedeihen ließen. Dieses Defizit an demokratischer Kommunikationskultur hinderte politische und gesellschaftliche Minderheiten zweifellos Beachtung zu finden. Aber gleichzeitig bewahrte es die erste deutsche Demokratie eine Zeitlang vor der konzentrierten Publikation all jener Verunglimpfungen, mit denen ihre ärgsten Feinde arbeiteten. Ein eigenes kleines Parteiorgan wie der Völkische Beobachter konnte gegen diese strukturell bedingte publizistische Sprachlosigkeit nichts ausrichten, es war nützlich nur für die NS-Binnenkommunikation. Dies zu erkennen und dadurch wettzumachen, daß man eine noch nicht dagewesene »Aktionspropaganda« schuf und die Frage der Öffentlichkeitswirksamkeit aller Aktivitäten zu einer zentralen Kategorie der Parteiarbeit erhob, gehört zu den wenigen wirklich originären »Leistungen« der Nationalsozialisten, insbesondere Hitlers. In diesem Sinne war sogar die Niederlage vom 9. November 1923 eine erfolgreiche »Aktion«: Hitler und den Nationalsozialisten wurde jetzt zum ersten Mal weitreichende Aufmerksamkeit der gesamten Presse zuteil. Der »lebhaften Diskussion«54, welche nach dem Aufstand an der Feldherrnhalle auch in den großen bürgerlichen Blättern über Hitler einsetzte, immer neue Nahrung zu geben - darauf verstanden sich junge, clevere Journalisten wie Hermann Esser, der im selben Jahr Propagandaleiter der NSDAP geworden war. Daß sich die Presse nun ausführlich mit den Nationalsozialisten beschäftigte und sie damit aus der verwirrenden Vielfalt völkischer Vereinigungen heraushob, war ihnen nützlich, selbst wenn negative Urteile mit der Berichterstattung verknüpft waren: Das Interesse an der Partei wurde dadurch geweckt, ein Ansatzpunkt zur Agitation geschaffen, die ja vom nach dem Putsch verhängten Verbot der NSDAP kaum berührt wurde55. Der Völkische Block 56 , Tarnorganisation und Sammelbewegung in einem, erzielte im ersten Halbjahr 1924, durch die Landtagswahl am 6. April und die am 4. Mai stattfindende Reichstagswahl motiviert, einen erstaunlichen Mobilisierungseffekt. Die vielen Gründungen völkischer Presseorgane in der Bayerischen Ostmark, insbesondere in

52

53 54 55 56

Pridham, a . a . O . , S. 253. So treffend diese Bewertung ist, so sind doch Pridhams generalisierende Feststellungen zur NS-Presse recht problematisch, etwa, wenn er Details wie Hitlers Vorliebe für das gesprochene Wort, die Zentralisierungsbestrebungen der Reichsleitung, Rivalitäten und Geldmangel zusammenfaßt und konstatiert, »the Nazis made very litde impact on the press before the »seizure of power< in 1933«; ebenda, S. 244 f. Vgl. dazu, Hambrecht, Aufstieg, a . a . O . , S. 3 1 - 3 5 . Horn, a.a.O., S. 156, Anm. 8. Vgl. ebenda, S . 1 5 6 . Zu dessen Aktivitäten vgl. Hambrecht, Aufstieg, a . a . O . , S . 6 2 - 84.

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

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Oberfranken, stehen in direktem Zusammenhang mit dieser Ausschöpfung der letzten finanziellen und personellen Reserven 57 . Bis zum Hitlerputsch am 9. November 1923 hatte es in Oberfranken, Niederbayern und der Oberpfalz sechs alldeutsch-antisemitische Blätter gegeben, von denen allerdings zwei kaum ein Vierteljahr existierten. Nach dem Verbot der NSDAP wuchs die Zahl noch um fünf an. Tageszeitungen und Wochenschriften des neu gegründeten Völkischen Blocks, die als Partei- oder Privatblätter die Sympathisanten des in Landsberg einsitzenden Adolf Hitler zur Maiwahl 1924 zusammenzuschweißen suchten, gab es in Amberg, Coburg, Landshut, Regensburg, Staffelstein, Hof, Vilsbiburg, Kronach und Bayreuth. Die neun Zeitungen hatten eine Gesamtauflage von rund 18 500 Exemplaren; reichlich die Hälfte davon allerdings mit nur einer Ausgabe pro Woche 5 8 . Statistisch kam damit auf etwa jeden 25. Haushalt im späteren Gaugebiet Hans Schemms eine völkisch ausgerichtete Publikation 59 . Die für einige Jahre dann nicht mehr erreichte Verbreitungsdichte stieg in den letzten Wochen vor den Wahlen noch weiter an 6 0 ; der jetzige Propagandacharakter selbst der schon länger bestehenden Periodika war evident. Ein Großteil der Auflage wurde denn auch als kostenloses Werbematerial verteilt. Mit der Neugründung der N S D A P , die Hitler zwei Monate nach seiner vorzeitigen Haftentlassung Mitte Februar 1925 verkündete, begann die Entwicklung spezifischer NSDAP-Zeitungen. Zunächst aber brachten die wenigen politisch relativ ruhigen, stabilen Jahre der Weimarer Republik den vollständigen Zerfall 61 der bisherigen Organisationsformen des völkischen Lagers. Im Verlaufe ihrer Neugruppierung wurde die NSDAP »praktisch zum Alleinerben« 62 der Rechtsradikalen; ebenso in der völkischen Publizistik. Die Anfang 1925 in der Bayerischen Ostmark noch existierenden Blätter, die von Einzelpersonen oder Ortsgruppen des Völkischen Blocks herausgegeben wurden - drei Wochenzeitungen und ein Tagblatt mit einer Gesamtauflage von 4500 Stück - agitierten gleich nach Hitlers Neubeginn unter dessen Fahne 6 3 . In der zweiten, »goldenen« Hälfte der zwanziger Jahre vornehmlich damit beschäftigt zu »überwintern« 64 , konzentrierte sich die NSDAP stärker auf andere als auf publizistische Propagandaformen 65 . Neugründungen und publizistische Eintagsfliegen wurden in dem Maße seltener, wie sich der

57

Die Völkischen verfügten »im Gegensatz zu den anderen Parteien« dort »über erhebliche Gelder für Wahlpropaganda«; Hambrecht, Aufstieg, a . a . O . , S . 6 5 .

58

Berechnung nach Kern, a . a . O . , S . 2 3 5 - 2 4 9 .

59

In den drei Regierungsbezirken der Ostmark gab es 1925 rund 4 6 0 0 0 0 Haushalte; vgl. Gemeindeverzeichnis 1925, a . a . O . , S . 3 1 2 . Durchschnittlich wird man eine verdoppelte Auflage der Wahlkampfausgaben annehmen können.

60 61

Horn, a . a . O . , S . 2 1 4 .

62

Broszat, a . a . O . , S . 3 6 f .

63

Vgl. die Angaben zu Forchheimer Nachrichtenblatt, Völkischer Presse bzw. Deutscher Wacht (Hof), Sankt Georg (Staffelstein) und Kurier für Niederbayern (Landshut) bei Kern, a . a . O . , S . 2 3 8 , 2 4 0 f . , 244. Broszat, a . a . O . , S . 3 6 .

64 65

Politischen Versammlungen wurde außerordendiche Bedeutung beigemessen; vgl. den instruktiven Überblick bei Hambrecht, Rainer: Nationalsozialistische Propaganda 1 9 2 5 - 1 9 3 2 , dargestellt am Beispiel Oberbayern. München 1977, S . 2 f .

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N o r b e r t Frei

organisatorische Aufbau der NSDAP verfeinerte. Dadurch erlangte das NS-Pressewesen immerhin eine gewisse Kontinuität, wenngleich auf zahlenmäßig niedrigem Niveau. Man war nun publizistisch auf sich gestellt, der bunte Chor zahlloser ähnlich Gesinnter war verstummt, die »reine Lehre« damit aber auch vernehmlicher. Rivalitäten und Eifersüchteleien zwischen den verschiedenen Herausgebern, die sich alle auf den »Führer« be 1 riefen, gab es freilich weiterhin. Charakteristisches Beispiel für die NS-Periodika zwischen 1925 und 1930 ist der Streiter, den die NSDAP-Ortsgruppe Forchheim 1926 als Fortsetzung ihres Nachnchtenblattes aus der Taufe hob 6 6 . Wies bei seinem Vorläufer schon der Name auf die weitgehend parteiinterne Funktion hin, so sollte der Streiter in der Öffentlichkeit des oberfränkischen Bezirksamtssitzes für Gesprächsstoff sorgen. Als Zeitung, der man aktuelle Nachrichten hätte entnehmen können, schied das Samstagsblatt von vorneherein aus; und was unter der Woche an lokal und regional Wichtigem geschehen war, hatten bis zum Wochenende selbst jene Forchheimer Bürger mitbekommen, die nicht Abonnenten einer der beiden örtlichen Tageszeitungen 67 waren. Dem NS-Organ blieb aber der Ausweg in Hetz- und Skandalgeschichten, die die Grenze zum Rufmord nicht selten überschritten, sowie in allgemein gehaltene Agitation. Das war typisch für die NS-Blätter dieser Jahre 68 , keineswegs nur für Streichers vielzitierten Stürmer. Der Glaube an die Wirksamkeit dieser Methode war weitverbreitet: »Man wollte nicht LokalpoYiàk, sondern: lokal Politik betreiben«, um, wie es hieß, »vor die eigenen engen Heimatinteressen die große Not des Vaterlandes zu stellen« 69 . Hinzu kam, daß- abgesehen vom journalistischen Unvermögen der meisten lokalen Parteigrößen, Kommunalpolitik in einer Wochenrückschau ansprechend darzustellen - unter den nationalsozialistischen Publizisten auch die Meinung weitverbreitet war, man könne mit bösartigen Schmutzgeschichten das Publikum eher erreichen als mit Argumenten. Franz Schwede, Coburgs erfolgreicher NS-Führer, berichtet davon im Zusammenhang mit dem Aufbau des Weckruf, der wie der Streiter 1926 entstanden war, in seinen Memoiren: » K o m m u n a l p o l i t i k ist eine allzu ernste u n d nüchterne Sache auf die D a u e r - die >SensationenAngriff< in Berlin, der ihm im Oktober 1927 mehrere Ausgaben der >Flamme< druckte. Das ging nur, weil Dietrich eine Reichstagsfreifahrkarte hatte, mit der er beliebig reisen konnte und dazu, als Schwerkriegsbeschädigter, im Besitz einer Fahrkarte für eine Begleitperson w a r . . . Er f u h r mit Gengier 8 1 als Begleiter nach Berlin, machte dort den U m bruch der >FlammeVerlag, Schriftleitung und P r o d u k t i o n zur Verfügung stellen. Diese Räumlichkeiten waren nicht nur bescheiden, sondern primitiv; im W i n t e r 1930/31 saß der Setzer z . B . mit Mantel, H u t und Handschuhen in einem ungeheizten, mit Brettern verschlagenen Raum an der Maschine; die Büroeinrichtung wurde provisorisch aus Kistenbrettern angefertigt, bis Möbel gespendet wurden. In der Redaktion, in der schließlich vier Mann saßen, konnte sich einer nur erheben, wenn der nächste aufstand und seinen Stuhl wegrückte, der Verlagsleiter mußte mit Regenschirm über dem Schreibtisch arbeiten, da das Dach nicht abzudichten w a r - man denkt unwillkürlich an Spitzwegs >Armen Poetenaugenscheinlichen< und v o n den C o b u r g e r n nachzuprüfenden A r g u m e n t e n u m C o b u r g zu k ä m p fen. V o n vornherein blieb der T o n referierend gemäßigt, in den Stadtratsberichten sogar leidenschaftslos sachlich. D i e stilistischen Waffen wurden für die notwendigen Fälle aufgespart. A u c h das äußere Erscheinungsbild w a r sehr ruhig, fast v e r h a l t e n . . . D e r Inhalt w a r vollständig, es gab nichts, was die Zeitung etwa übersehen hätte . . . E s w u r d e ihre Stärke und verleiht ihr ihren geschichtlichen Rang innerhalb der N S - P r e s s e , ein Vorbild für die A r t v o n Lokaltageszeitungen gewesen zu sein, die so arbeiteten, wie m a n es v o n nationalsozialistischen O r g a n e n verlangte: Weltanschaulich in jeder Spalte geprägt, stets v o m L o k a l e n in die g r o ß e Politik blickend und i m m e r auf die F ü h r u n g der L e s e r bedacht, gleich o b für ihre persönlichen Interessen eine S p o r t - , eine W i r t s c h a f t s - , eine H a n d w e r k s - , eine M o d e - oder eine Theaterseite a u f g e n o m m e n w u r d e « 9 7

Kerns Respekt vor dem Coburger Parteiblatt ist durchaus nicht unbegründet; immerhin war sein Erfolg so groß, daß Ostmark-Gauleiter Schemm noch bis zum Frühjahr 1934 zögerte, es der Bayerischen Ostwacht einzugliedern, deren Herausgeber er war. Eine Konkurrenz für sein Blatt war die Nationalzeitung ohnedies nicht, da sie keine Expansionsgelüste zeigte98. Durch den Auftrieb der NSDAP ermuntert und vielleicht auch angestachelt vom Erfolg der Coburger Nationalzeitung versuchten sich seit Frühjahr 1931 Nationalsozialisten in verschiedenen Orten der Bayerischen Ostmark mit einer eigenen Tageszeitung. Dauerhafter Erfolg war dabei jedoch nur wenigen beschieden. In Regensburg entstand am 1. April 1931, mit »Bausteinen« der Parteigenossen und den Reichstagsdiäten des niederbayerischen Gauführers Franz Meierhofer finanziert, das Schaffende Volk, im Untertitel ausgewiesen als »Kampfblatt für nationale Freiheit und soziale Gerechtigkeit für Oberpfalz und Niederbayern«. Bei einer maximalen, nur temporär erreichten Auflage von 4500 Exemplaren" - die Nebenausgaben für Straubing, Passau und Landshut eingerechnet - war die Verbreitungsdichte des Gaublattes ziemlich gering. Trotzdem dokumentierte damit auch die von Meierhofer nicht besonders kraftvoll geführte oberpfälzisch-niederbayerische NSDAP für die konservativ-katholische Region wenigstens publizistisch ihren politischen Machtanspruch. Aber angesichts ihrer schwachen Position mußten sich Eifersüchteleien und Auseinandersetzungen, wie sie innerhalb der Partei gerade auf dem Gebiet der Presse immer wieder vorkamen, dort besonders negativ auswirken. So war es dem Bemühen um ein Bild der Geschlossenheit natürlich keineswegs förderlich, daß die NSDAP-Ortsgruppe Straubing seit September

97

Ebenda, S. 155, Hervorhebung im Original.

98

Vgl. auch Hambrecht, Aufstieg, a.a.O., S. 165. Vgl. Kern, a.a.O., S . 2 4 4 f .

99

Norbert Frei

20

1932 täglich knapp 1000 Straubinger Beobachter druckte, denn die Regensburger Gauleitung versuchte in der Bezirksstadt schon längst, ihr Schaffendes Volk abzusetzen. Auch mit der Drohung, Nichtabonnenten unter den Mitgliedern als Parteischädlinge zu behandeln 100 , erreichte Meierhof er nicht den erhofften Durchbruch für sein Blatt. Im November 1932 kam es daher zum offenen Konkurrenzkampf: Das Gaublatt erschien mit dem Untertitel Straubinger Wacht. Der Straubinger Beobachter, die Ortsgruppengründung, blieb dennoch bis Ende Mai 1933 bestehen und überlebte damit das MeierhoferTagesblatt 101 . Trotz dieser Reibungsverluste war das Schaffende Volk nach der Coburger Nationalzeitung zunächst die wichtigste der neuen parteieigenen Tageszeitungen - freilich nur deshalb, weil Schemm noch bis in den Herbst 1932 an seinem erfolgreichen Wochenblatt-Konzept festhielt. Eine zur Massenpartei aufgestiegene NSDAP mußte sich allerdings nicht allein áuf zwei relativ solide und eine Handvoll kurzlebiger eigener Tageszeitungen stützen: Jeder neue Wahlsieg Hitlers brachte weitere Verleger in immer stärker werdende Gewissenskonflikte, insbesondere jene, die ihr Blatt bislang auf einer parteipolitisch unabhängigen bürgerlichen Linie gehalten hatten 102 . Mochten es sich viele - vor allem in Oberfranken, wo seit Ende 1930 die nationalsozialistische Penetration staatlicher und gesellschaftlicher Alltagsrealität unaufhaltsam schien 103 - schon längst nicht mehr leisten, die NSDAP zu ignorieren, so bewirkte das Ergebnis der Juliwahl 1932 104 erst recht einen Dammbruch: Für die Partei und ihren starken Mann einzutreten, der sich so sicher vor der Pforte der Reichskanzlei angekommen wähnte, schien nun einer ganzen Reihe von Provinzverlegern nicht nur keine Schande mehr, sondern Verpflichtung - im eigenen Interesse. Drängender »Zuspruch« von den regionalen Führungsspitzen der Partei dürfte manchem Verleger die Entscheidung noch erleichtert haben, sein Heil in der Zusammenarbeit mit Hitlers Mannen zu suchen. NSDAP-Reichspressechef Dietrich jedenfalls hatte die Gauleiter just vor der Juliwahl aufgefordert, in diesem Sinne aktiv zu werden : Durch den Niedergang der rechtskonservativen Parteien, die ihre Wähler an die NSDAP verloren hätten, seien eine ganze Reihe bürgerlicher Blätter politisch heimatlos geworden. Und weil es sowieso nicht möglich sei, die wohl elf bis zwölf Millionen NSDAP-Wähler mit der Parteipresse zu versorgen, sei die Kooperation mit diesen Zeitungen wichtig. Ein Bürgerblatt mit 50000 Auflage als Forum sei allemal besser als ein Parteiorgan, das nur 5000 Parteigenossen in deren Uberzeugung bestärke. Wärmstens empfahl Dietrich die Methode »Zuckerbrot und Peitsche«: Verlegern, die bei einem freundlichen Besuch auf das Angebot, Parteiinformationen kostenlos und komplett abdrucken zu dürfen, nicht einwilligten, sollte mit Boykott gedroht werden 105 .

100

Schreiben vom 17. 10. 1932, zit. nach Pridham, a . a . O . , S . 2 4 9 .

101

Vgl. Kern, a . a . O . , S . 2 4 4 f f .

102

Diesen Aspekt Iäßt Pridham u. a. außer acht, wenn er auch noch für die letzte Phase der Weimarer Republik davon ausgeht, die Nationalsozialisten seien bezüglich der Press epropaganda im Vergleich zu den anderen Parteien »definitely inferior« gewesen; vgl. Pridham, a . a . O . , S . 2 4 4 .

103

Vgl. dazu Hambrecht, Aufstieg, a . a . O . , S . 3 0 9 - 334.

104

Vgl. dazu S. 26.

105

Schreiben Dietrichs an die Gauleiter vom 2 7 . 7 . 1 9 3 2 , zit. nach Pridham, a . a . O . , S . 2 4 9 f .

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

21

Die oberfränkischen Nationalsozialisten beherzigten die Empfehlung des Reichsleiters - und hatten Erfolg : Das Staffelsteiner und das Bamberger Tagblatt, beides ehedem konservative Privatzeitungen, nahmen seit Sommer 1932 derart massiv Stellung zugunsten der Nationalsozialisten, daß sie sich in der Dissertation von 1941 über die Kampfpresse lobend genannt wiederfanden 106 . Wegen der Veröffentlichung eines Aufrufs der N S D A P zur Novemberwahl 1932 und eines »Angriffes auf die damalige Reichsregierung« war das Staffelsteiner Tagblatt im Herbst vor Hitlers Machtantritt zweimal verwarnt worden kaum zehn Jahre später übrigens nacherzählt als ehrende Repressionen, ertragen für den Sieg der Bewegung 107 . Einen interessanten Hinweis darauf, wie sehr sich die Nationalsozialisten der spezifischen Funktion und Möglichkeiten bewußt waren, welche die für sie eintretenden Privatblätter erfüllten, bietet die Charakterisierung des Bamberger Tagblattes, das der Kampfpresse-Doktorand beschrieb als »ein bedeutendes Organ des Bürgertums, das bis dahin (schon vor 1932, der Verf.) öfters sachlich und manchmal recht geschickt Berichte über die NSDAP und ihre Männer, über Versammlungen oder Prozesse veröffentlicht hatte. Es stand auch von 1932 ab natürlich nie für Lokalpolemik zur Verfügung, sondern betrieb, entsprechend seiner Stellung, eine in den Kampfblättern >vornehm< genannte Art der Politik. Damit wurde es, wenigstens in diesem Teil seines Inhalts, auch Parteirichtungsblatt, ohne in Verbindung mit der Bewegung selber zu treten« 108 .

Zwar weniger drastisch als die beiden »anerkanntermaßen« sympathisierenden Tagblätter, dafür aber schon weit früher, schwenkten einige andere Zeitungen der Bayerischen Ostmark auf eine hitlerfreundliche Linie ein; auch aus Rücksicht auf die Abonnenten und Inserenten, unter denen sich immer mehr Nationalsozialisten befanden. Besonders in Orten, wo es größere und wohlorganisierte NSDAP-Gruppen und mehrere Zeitungen gab, glaubte es sich ein Teil der Presse seit den späten 20er Jahren nicht mehr erlauben zu können, eine gesellschaftliche Gruppe zu übergehen, die an »Relevanz« stets hinzugewann. Während sich die Blätter des politischen Katholizismus und der Sozialdemokratie ihrer ideologisch gefestigten Leserschaft relativ sicher sein konnten, mußten die mit ihnen konkurrierenden Generalanzeiger- den Bedürfnissen ihres heterogenen Publikums und dem daraus erwachsenden eher pluralistischen Kommunikationskonzept folgend - dem erstarkenden Nationalsozialismus notgedrungen Aufmerksamkeit widmen und einen gewissen Platz einräumen 109 . Ein solches Blatt war die Oberfränkische Zeitung in Bayreuth. Nachdem Hans Schemm 1928 Reichstagsabgeordneter geworden war, druckte das offizielle »Organ der Mittelstandsvereinigungen in Stadt und Land« Artikel von ihm ab 110 . Der Gauleiter revanchierte sich dafür bei der umfang- und auflagemäßig immer hinter dem traditionsreichen Bayreuther Tagblatt herhinkenden Zeitung später mit dem Druckauftrag für seinen Kampf. Während sich das konservativ-behäbige Tagblatt allenfalls herbeiließ, für eine NSDAP-Versammlung einen einzeiligen »KalenderHinweis« abzudrucken, brachte die Oberfränkische Zeitung in solchen Fällen eine redak-

106 107 108 109 110

Vgl. Kern, Ebenda. Ebenda, S. Dazu auch Vgl. Anm.

a.a.O., S.168f. 169. Hambrecht, Aufstieg, a.a.O., S. 301 f. 88.

22

Norbert Frei

tionelle Vorankündigung und tags darauf eine längere inhaltliche Meldung 111 . Vor der Wiedergabe gröberer Polemiken Schemms schreckte freilich auch die Oberfränkische Zeitung zurück; es sei denn, sie setzten sich mit den Sozialdemokraten und deren verhaßter Volkstribüne auseinander112. Schemm ließ, wie viele Nationalsozialisten, trotz der recht guten Kooperation mit Blättern ähnlich der Oberfränkischen Zeitung keinen Zweifel daran, daß es sich dabei um zeitlich befristete Zweckbündnisse handelte. Als ihm die geplante Gründung seiner eigenen Tageszeitung dies erforderlich zu machen schien, wechselte er zur Bayreuther Tagblatt-Druckerei, die dank einer Rotationsanlage die besseren technischen Voraussetzungen für sein Vorhaben bot. Den Vorrang solcher Zweckmäßigkeitserwägungen vor Loyalität mußten später noch manch andere Verleger erkennen, die ihre Position im nahenden »Dritten Reich« zu sichern hofften, indem sie in den Abgesang auf die Weimarer Republik einstimmten, als diese schon in den letzten Zügen lag. Der Fall des Abensberger Verlegers Josef Kral mag dies illustrieren: Seit März 1932 stellte der frühere Bauernbündler sein Abensberger Tagblatt mit den zeitweilig vier niederbayerischen Nebenausgaben der NSDAP zur Verfügung; einige prominente Parteigenossen wurden Mitarbeiter 113 . Der begeisterungsfähige Katholik aus dem Städtchen zwischen Regensburg und Ingolstadt-zu Ostern 1934 legte er ein 399seitiges Epos vor, in dem er eine harmonische Verbindung von Nationalsozialismus und Katholizismus herbeizuschreiben suchte 114 - bot den Nationalsozialisten die Möglichkeit, in einer ihnen ansonsten schwer zugänglichen Region ihre Politik täglich mehr als 4000fach gedruckt an den Mann zu bringen. Zwar konnte Kral kurz nach der Machtergreifung, sich seiner Verdienste wegen sicher fühlend, Sanktionen der Staatskanzlei gegen seine Preßvereins-Konkurrenz erreichen 115 ; als er sich Anfang 1934 aber erdreistete, beim Reichsleiter für die Presse um Unterstützung seines Verlages nachzusuchen - gegen Schemms Versuch, sein Presse-Imperium auszuweiten - wurde ihm auf Intervention des NSDAP-Kreisleiters seitens der Staatskanzlei »die notwendige Abfuhr erteilt« 116 . An Rationalität und Rationalisierung orientierte Entscheidungen entsprachen Schemms Intentionen wohl am meisten, wenngleich auch seine Pressepolitik nicht völlig frei war von personenbezogenen Beschlüssen. So war beides möglich: daß der eine Helfershelfer (etwa Kral) Undank erntete 117 , während der andere (beispielsweise der Verle-

111

Vgl. beispielsweise Bayreuther Tagblatt vom 9.10.1928, S . 6 , und Oberfränkische Zeitung vom 16.11.1928, S . 4 bzw. vom 17.11.1928, S . 4 .

112

Vgl. Kern, a . a . O . , S . 1 7 5 .

113

Vgl. ebenda, S. 136 und 235.

114

Vgl. Kral, Josef: Deutsche Katholiken und Nationalsozialismus. Versuch einer Synthese. Abensberg 1934, bes. S. 12. Esser ließ den Hallertauer Generalanzeiger am 18.7.1933 für acht Tage verbieten, weil sich dieser gegen Angriffe Krals auf den Katholischen Preßverein zur Wehr gesetzt hatte; G S t A , M A 106 462/11. G S t A , M A 106 460/1, Schreiben des Kehlheimer Kreisleiters Dr. Donderer an Esser vom 12.1.1934 und die Antwort der Staatskanzlei vom 26.2.1934. Ganz ähnlich erging es dem Verleger des in Regensburg erscheinenden Boten vom Bayerischen Wald; vgl. Kern, a . a . O . , S. 138.

115

116

117

1. Hans Schemm auf Versammlungsfahrt 1925. Auf dem zweiten Motorrad Ludwig Ruckdeschel

2. Gauleiter und Kultusminister Hans Schemm mit Franz Xaver Schwarz, dem Reichsschatzminister, auf dem Nürnberger Parteitag

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44

Norbert Frei 3 . ZEITUNGSKRIEG ZWISCHEN GAUVERLAG UND PRIVATVERLEGERN

Kampf um Abonnenten und Bekanntmachungen: Deggendorfer Donaubote

Beispiel

Im Gegensatz zu anderen N S D A P - Z e i t u n g e n konnte sich das Fränkische

Volk von der

ersten N u m m e r an durchaus sehen lassen; nach ein paar Wochen, etwa seit Februar 1933, brauchte es den Vergleich mit den privaten Provinzblättern nicht mehr zu scheuen. Warum zum Beispiel sollte aber ein Bayreuther Bürger, der nicht Nationalsozialist war und fürs erste auch nicht werden wollte (ohne daß er deshalb schon Hitler mit dem U n tergang Deutschlands gleichsetzte) - warum sollte er seinem Leib- und Magenblatt plötzlich den Rücken kehren? Zwingenden Anlaß gab es dafür auch nach der Machtergreifung zunächst nicht: Die Lokalberichterstattung der Gauzeitung wareher dürftiger, jedenfalls nicht besser als die der Heimatblätter; deren Nachrichtenfassungen vom gleichgeschalteten Wölfischen Telegraphenbüro noch immer prägnanter als die der Parteiagentur N S K ; ganzseitige Reportagen oder »Lebenshilfe«-Artikel, wie das Volk sie der Großstadtpresse endehnte, war man in der Provinz zu lesen nicht gewohnt. Parteiamtliche Mitteilungen mußten (noch) nicht jedermann interessieren - und ein Teil davon war auch noch in der Privatpresse zu finden. Mithin: kaum Gründe, alten Abonnements zu kündigen. Ein paar Behördenbestellungen und die Zweitabonnements politischer Rückversicherer, aus der Geschäftswelt zumeist, durften den ambitionierten Absatzmanagern im Gauverlag aber nicht genügen; die Karriere der NS-Zeitung sollte ja steil nach oben führen - und schnell. Dafür konnte nur eine aggressive Werbe- und Verdrängungsstrategie sorgen, die neue Leser notfalls durch Einschüchterung herbeischaffen würde. Mit einem großangelegten Werbefeldzug im Sommer 1933, dem für NS-Blätter ersten bedeutenden überhaupt in Bayern, brach der Bayreuther-Gauverlag einen handfesten Pressekrieg vom Zaun. Werbung für Fränkisches

Volk in Oberfranken und Bayerische

Ostwacht

im Rest

des Gaugebietes - das bedeutete massive Verunglimpfung und Bedrohung der Konkurrenzzeitungen. Hatten sich Redaktion und Verlag des Parteiblattes erst einmal auf eine Heimatzeitung eingeschossen, schreckten sie vor kaum einer gedruckten Bosheit oder Unterstellung zurück. Bewußt wurden aber nicht nur Verlegerund Journalisten der mißliebigen Presse, sondern auch deren Leser zeitweise wüst beschimpft und genötigt. D i e vom Schemm-Verlag angeheuerten, aufgehetzten, hohe Prämien witternden S A - W e r b e r taten sich besonders negativ hervor - monatelang tauchten in den Berichten der Regierungspräsidenten immer wieder Beschwerden selbst aus den entlegensten O s t m a r k - G e meinden auf; manche Eingabe beschäftigte gar die Bayerische Staatskanzlei. Im August 1933 war der Bezirk Deggendorf, im Herzen Niederbayerns gelegen, Schauplatz einer F u r o r e machenden Auseinandersetzung. Uniformierte Ostwachtber waren in das Verbreitungsgebiet des früher BVP-treuen Deggendorfer

Wer-

Donauboten

Provinzzeitungen in der Bayerischen O s t m a r k

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eingezogen. Das mit rund 5000 Abonnenten 2 1 8 recht solide Unternehmen dachte jedoch nicht daran, die A b Werbung seiner Leser still mitanzusehen. Im Donauboten vom 23. August 1933 erschien eine ganzseitige Eigenanzeige, in der zwar der N a m e Bayerische Ostwacht vermieden, ansonsten aber ziemlich deutliche Kritik geübt wurde: » A n unsere L e s e r ! Kein Z w a n g z u m B e z u g v o n Parteizeitungen. U n s e r e n verehrlichen A b o n n e n t e n wird vielfach v o n aufdringlichen Werbern vorgetäuscht, der N i c h t b e z u g der neuen Zeitung, f ü r die sie w e r b e n , könne Nachteile zur F o l g e haben. U m diese Ä u ßerung noch zu bekräftigen, werden N a m e u n d H a u s n u m m e r aufgeschrieben. Anderen wird vorgemacht, wenn sie den D e g g e n d o r f er D o n a u b o t e n behalten u n d nicht ihre Zeitung bestellen, helfen sie nicht mit a m nationalen A u f b a u . Wieder andere sagen, der D e g g e n d o r f e r D o n a u b o t e wird in nächster Zeit sein Erscheinen einstellen. D i e s e B e h a u p t u n g e n der Werber entsprechen nicht den Tatsachen«219.

Der unmittelbaren Verteidigung schlossen sich klug ausgewählte Zitate des Staatssekretärs im Reichswirtschaftsministerium, des Reichspressechefs und zweier Reichsstatthalter an, deren gemeinsamer Tenor war, »daß es eine Pflicht zum Privatbezug einer Zeitung nicht gibt und daß demnach ein Zwang unzulässig ist« 2 2 0 . Neuerlichen Zusammenstößen mit dem Gauverlag aus dem Wege zu gehen - der Streit um die amtlichen Bekanntmachungen der Deggendorf er Stadtverwaltung war von den Ratsherren kurz davor zugunsten der Ostwacht entschieden worden 2 2 1 - , beeilte sich das Verleger-Duo d e s D o nauboten, seinem Aufruf hinzuzufügen, daß weiterhin mit »verbotenen« Mitteln arbeitende Werber dies »nur aus Eigennutz, gegen den Willen ihres Verlages«, täten. Die Empfehlung an die Leser: » . . . solche Werber unter B e z u g n a h m e auf vorliegende B e k a n n t g a b e , die wir a u f z u b e w a h r e n bitten, auf das U n z u l ä s s i g e ihres Verhaltens hinzuweisen, die N a m e n derselben festzustellen u n d d e m D e g g e n d o r f e r D o n a u b o t e n , d e m bodenständigen H e i m a t b l a t t , der ehrlich a m Wiederaufbau unseres deutschen Vaterlandes mitarbeiten will, die T r e u e zu b e w a h r e n « 2 2 2 .

Die Empörung im Gauverlag über den kühlen Mut des Donauboten, sich zur Wehr zu setzen, war ungleich stärker als die Perfektion je hätte sein können, mit der sich das Heimatblatt bei seinem Appell an die Leser abzusichern versuchte. Fast scheint es, als habe die kenntnisreiche Argumentation der Deggendorf er - die sich offensichtlich beim Bayerischen Zeitungsverlegerverein Rat und Rückhalt besorgt hatten 2 2 3 - den Zorn der Bayreuther Blattmacher erst richtig provoziert. Für neun Uhr vormittags am Tag nach der Veröffentlichung zitierte deren Regensburger Zweigbetriebs-Geschäftsführer und Werbeleiter D r . Wendlinger den Mitinhaber des Donauboten, J a k o b Adler, samt sechs Zeugen in die Räumlichkeiten der Deggendorfer NSDAP-Kreisleitung, wo es zu einer regelrechten Vernehmung kam. D e m Ganzen möglichst offiziellen Anstrich zu geben, fertigte

218 219 220 221 222 223

Vgl. Ala-Katalog Jg. 1933. Deggendorfer Donaubote vom 23 . 8. 1933, S.5. Ebenda. WB, Ia 5783, Stadtratsbeschluß vom 31. 7. 1933. Deggendorfer Donaubote vom 23. 8. 1933, S.5. Wie schon zuvor bei den Bekanntmachungs-Streitigkeiten; WB, Ia 5783, Beschluß des Stadtrats von Deggendorf vom 18. 8. 1933.

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Norbert Frei

der Geschäftsführer höchstselbst eine Niederschrift, vier Gauverlags-Briefbögen lang. Das Protokoll ist ein komisch wirkendes Dokument kleinkrämerischer Borniertheit, aber auch erschreckendes Indiz der fanatischen Kompromißlosigkeit, mit der die Mitarbeiter des Gauverlags dessen Sache dienen zu müssen glaubten. Auszug eines Verhörs: »Zeuge Fuchs, Mietzing: Am 14. August kamen zwei Werber zu mir und sagten, der Donaubote kommt ab, wir kennen eure Gesinnung, wir haben es erfahren und wenn ihr eure Gesinnung nicht ändert, werden wir Gewalt anwenden. Er schimpfte noch weiter . . . Fuchs erklärte . . . , daß er auf Grund der Revolution und seiner Einstellung zum Donauboten (30jähriger Abonnent) das Gefühl hatte, daß der Donaubote vernichtet wird« 2 2 4 .

Die Werber stritten diese wie alle anderen Anschuldigungen natürlich ab; die Vernehmung diente einzig dem Zweck der Einschüchterung. Bei den als Zeugen geladenen Lesern und Austrägern des Donauboten verfehlte sie die beabsichtigte Wirkung nicht. Verständlich, daß auch der Mitinhaber des Heimatblattes im Zimmer des Kreisleiters am Ende keine sonderlich selbstbewußten Worte mehr fand und zur Veröffentlichung vom Vortag fast entschuldigend meinte: »Die Leute haben eine gewisse Treue durch die langjährige Verbundenheit mit unserem Verlag und liefen zu uns mit der Frage, ob denn der Donau bote wirklich nicht mehr erscheint, da die Werber der Ostmark dies sagen« 22S .

Von einem harten Urteilsspruch konnte Adler die selbsternannten Richter damit nicht abhalten: Das Vernehmungsprotokoll in der Tasche, eilten Dr. Wendlinger und der Regensburger Ostwacht-Schriitleiter Ludwig Alwens ins Bezirksamt. Den stellvertretenden Vorsteher zu überrumpeln, bedurfte es nur des Hinweises, ein Verbot des Deggendorfer Anzeigers sei »im Sinne der Staatsregierung«. Die Drohung der beiden, notfalls das Münchner Ministerium einzuschalten, fegte des Bürokraten letzte Zweifel hinweg 226 - er verhängte ein sofort wirksames zweitägiges Verbot und befahl dem Donauboten, der Verbotsbekanntmachung eine Berichtigung aus der Feder der Ostwacht-Vertreter anzufügen, worin deren Vorgehen als »einwandfrei« bestätigt und der Ostwacht zugestanden werden sollte, »als alleiniges Amtsblatt unseres Verbreitungsgebietes ihre Werbung in der vorgesehenen Weise rechtmäßig und ungestört« durchzuführen. Zur Begründung mußte die zwei Tage alte Eigenanzeige des Donauboten herhalten. In deren Kritik an den Ostmark- Werbern sei »ein Angriff gegen das Gesetz vom 1. August 1933 über die Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen zu erblicken und damit indirekt ein Angriff gegen die Staatsregierung, welche dieses Gesetz erlassen hat« 2 2 7 .

Im hektischen Bemühen, den Männern vom Parteiverlag seine Beflissenheit zu dokumentieren, war der Nachwuchsbeamte ins Fettnäpfchen getreten. Sich dessen gewiß und sicher, die Staatsregierung würde an einem Verbot mit solch offensichtlich weit hergehol-

224 225 226

227

GStA, MA 106 460, Protokoll vom 24. 8. 1933, S.2. Ebenda, S.4. U m Verständnis dafür warb das Schreiben des Amtsvorstehers an den Chef der Staatskanzlei vom 25. 8. 1933, ebenda. Ebenda, Beschluß des Stadtkommissärs für die unmittelbare Stadt Deggendorf vom 24. 8. 1933.

Provinzzeitungen in der Bayerischen O s t m a r k

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ter Begründung nicht festhalten, alarmierte der Verlag des Donauboten die Staatskanzlei. N o c h am selben Tag hob Esser den Bezirksamts-Beschluß »wegen gänzlich unzureichender Begründung« telegraphisch auf. »Behördliche Eingriffe in den Konkurrenzkampf der Zeitungen«, so seine knappe Erklärung, »sind auf Weisung der Reichsregierung strikte zu unterlassen.« Kein Wort der Kritik allerdings an den Vertretern des Gauverlags, die den kleinen Beamten in Konfusion gebracht hatten; im Gegenteil: in seiner Nachricht an den Donauboten stellte Esser fest, ihm sei » d u r c h ausreichende Unterlagen dargetan w o r d e n , daß die B e h a u p t u n g Ihres Blattes, die Werbemethoden der Werber für die >Bayerische Ostwacht< seien nicht einwandfrei, nicht zutrifft. Ich erwarte daher, daß Sie eine Berichtigung in der nächsten N u m m e r Ihrer Zeitung bringen, und z w a r in ausführlicher F o r m , f ü r welche die v o m B e z i r k s a m t D e g g e n d o r f entworfene Erklärung als Richtlinie dienen k a n n « 2 2 8 .

Die Gefahr, zwei Tage nicht zu erscheinen und dadurch bei ohnedies verunsicherten Abonnenten möglicherweise in den riskanten Ruch einer gewissen Illegalität zu kommen, hatte das verschwägerte, noch immer selbstbewußt-souveräne niederbayerische Verlegergespann also erfolgreich abgewendet. Mit dem Hinweis, daß dies »auf Anordnung« geschehe, brachte der Donaubote in den nächsten Tagen auch die von Esser geforderte Erklärung, allerdings deutlich abgeschwächt gegenüber der Gauverlags-Fassung. Die knapp 50zeilige Meldung endete mit den wenig überzeugt klingenden Worten: » E s k o n n t e der Beweis nicht erbracht werden, daß die W e r b u n g f ü r die >Bayerische Ostwacht« mit unerlaubtem D r u c k ausgeübt wird. Wir konnten uns ü b e r z e u g e n , daß die Propagandaleitung der >Ostwacht< ihre Werber mit allem N a c h d r u c k z u r gesetzlich zulässigen W e r b u n g a n h ä l t « 2 2 9 .

Alfons Nothaft und Jakob Adler, Anfangsdreißiger der eine, Endvierziger der andere, widerstanden dem fusionssüchtigen Bayreuther Verlagsmoloch weitere zehn Jahre - allen Schwierigkeiten, von denen noch die Rede sein wird, zum Trotz. Wie die beiden, versuchten auch noch andere, meist BVP-nahe Provinzverleger - selten jedoch in solcher Entschiedenheit-, ihre Zeitung zu verteidigen 230 . Die weitaus überwiegende Mehrheit der Ostmark-Verleger aber fügte sich dem Fusionsdruck bald - und wurde daher auch kaum »aktenkundig« 2 3 1 .

228 229

Ebenda, Schreiben der Staatskanzlei an die Schriftleitung des Deggendorfer Donauboten vom 26. 8. 1933. Deggendorfer Donaubote vom 29. 8. 1933, S.5.

230

So etwa die Eigentümer von Chamer Volksblatt (WB, Ia 6067), Kulmbacher Tagblatt (WB, lila 5741), Hofer Anzeiger (WB, lila, 4838 ; GStA, MA, 106503 und MA 106462/12), Oberpfälzer Kurier (vgl. S. 81 ff.). Ähnliches trifft auch für die großen katholischen Blätter in Passau, Regensburg, Würzburg und Bamberg zu.

231

Für das gesamte Gaugebiet wurde von bürgerlichen Verlegern denn auch nur etwa ein Dutzend Rückerstattungsanträge gestellt.

48

N o r b e r t Frei

Staatliche und parteiamtliche

Exkurs 1: Reaktionen

auf die

Werbeschlachten

Es war kein Zufall, daß die erste große Werbeschlacht im Hochsommer 1933 geschlagen wurde - zu einer Zeit, in der man auf dem flachen Land mitten in den Erntearbeiten steckte: Am 1. August war das Bekanntmachungsgesetz in Kraft getreten, mit welchem die Bayerische Staatsregierung die NSDAP-Presse zu fördern suchte; nur an sie durften die Behörden künftig Veröffentlichungsaufträge geben 2 3 2 . Ein schlagkräftig organisiertes Unternehmen wie der Gauverlag Bayerische Ostmark glaubte diese Chance nicht lange ungenutzt lassen zu können, mochte es auch noch so schwierig sein, gerade jetzt neue Leser zu gewinnen, wo sogar interessierte bäuerliche Abonnenten aus Zeitmangel pausierten. Weniger hektisch als der Schemm-Verlag, mobilisierten sämtliche NS-Zeitungshäuser Bayerns in den nächsten Wochen Werbetrupps - durchaus wörtlich zu verstehen: Häufig traten die Werber in SA-Uniformen auf, und nicht ohne Grund. Die Verlage versprachen sich von Mitarbeitern in brauner Arbeitskleidung mehr Erfolg; zu Recht, denn zweifellos nahmen sich die SA-Leute ihrer Sache mit mehr »Nachdruck« an, als es Zivilisten jemals möglich gewesen wäre. In den Berichten der Regierungspräsidenten fand die Verärgerung der Bevölkerung über die Methoden der nationalsozialistischen Werbesoldaten die folgenden Monate über fast regelmäßig Ausdruck. » W i e d e r u m laufen Klagen ein, daß in aufdringlicher Weise versucht wird, Bestellungen auf nationalsozialistische Zeitungen u n d Zeitschriften zu erhalten; s o haben in A l t o m ü n s t e r zwei L e u t e in S A - U n i f o r m , als eine Bestellung abgelehnt w u r d e , den fraglichen Familienangehörigen erklärt, daß ihnen eine B o m b e hineingeworfen g e h ö r e 2 3 3 . D a s B e z i r k s a m t K u l m b a c h berichtete, daß die dortige B e v ö l k e r u n g daran Anstoß g e n o m m e n habe, daß Werber für die >Neue National-Zeitung< in A u g s b u r g in S A - U n i f o r m e n sehr aufdringlich aufgetreten sind. N a c h den E r h e b u n g e n des Bezirksamtes hat ein Werber einem L a n d w i r t Schutzhaft angedroht, ein anderer behauptete, daß der >Krumbacher BoteMühldorfer A n z e i g e n g e w o r b e n . Bei seiner W e r b u n g hat er versucht, unsere Zeitung - das >Mühldorfer Tagblatt« - herabzusetzen, indem er behauptete, nur der >Mühldorfer A n z e i g e n sei die nationale Tageszeitung, welche heute jedermann, der richtig eingestellt sein will, abonnieren müsse. Z u m Teil hat er auch L e u t e zur Abbestellung u n seres Blattes b e w o g e n . Dieses V o r g e h e n ist ein Vergehen gegen die gesetzlichen B e s t i m m u n g e n des Werberates der deutschen Wirtschaft sowie der Reichspressekammer. W i r erstatten Strafanzeige u n d bitten, die entsprechenden E r h e b u n g e n in der Gegend v o n F l o s sing-Oberneukirchen a n z u o r d n e n . D i e einschlägigen Pressegesetze werden wir in den nächsten T a gen v o r l e g e n . «

Die Reaktion der Behörde auf diese Beschwerden war typisch: »Bis auf weiters z. Akt« 2 5 0 . Was Wunder, daß die Abonnentenwerber sich trotz der zahlreichen Anordnungen kaum Zurückhaltung auferlegten. In der Erkenntnis, daß Hinweisen auf amtliche Vorschriften wenig Erfolg beschieden war, versuchten manche Verleger, »moralisch« zu argumentieren: Eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Beschwerde vom Herausgeber des Fränkischen Tagblatts, Millizer, bei Gauleiter Streicher. Anlaß war das Auftreten einer Werbekolonne der parteioffiziellen Fränkischen Tageszeitung im mittelfränkischen Bezirk Hilpoltstein, in welchem das Mil-

247

GStA, M A 106 694, Lagebericht der Regierung von Oberfranken vom 9. 12. 1934.

248

»Auf dem Gebiet der Presse hat ebenfalls die >Katholische Aktion« sich mit Nachdruck gegen die Werbung für nationalsozialistische Zeitungen eingesetzt. Auch hier ist das Konkordat wieder zum Angelpunkt geworden« ; GStA, MA 106 677, Monatsbericht der Regierung von Oberfranken vom 6. 10. 1933.

249

Vgl. den Fall des Deggendorfer Donauboten, S. 44 ff. StA München, LRA 54451.

250

52

Norbert Frei

lizer-Blatt erschien. Der Verleger wehrte sich gegen die Werbung für die Partei-Konkurrenz mit dem Argument, das Fränkische

Tagblatt

habe schon in schwierigen Zeiten

»wohl als einzige Provinzzeitung in ganz Mittelfranken alle Konsequenzen aus dem Eintreten für die N S D A P auf sich genommen«. Die Vertretung nationalsozialistischer Politik durch das Tagblatt

schon vor der Machtergreifung wurde als Argument gegen die

Werbemaßnahmen angeführt, indem Millizer an das »Gerechtigkeitsgefühl« Streichers appellierte 251 . Offenbar sollte die Agitation gegen die örtliche BVP-Konkurrenz seine nationalsozialistische Parteinahme noch unterstreichen: Am 1. O k t o b e r - z e h n Tage, bevor er den Brief an Streicher schrieb - erschien im Fränkischen

Tagblatt

eine achtseitige

»Dokumentation«, in welcher der Kampf des Volkspartei-Blattes gegen den Nationalsozialismus angeprangert wurde. Unter dem Titel »So verleumdete die dinger Volkszeitung«

Hilpoltstein-Gre-

attackierte Millizer darin die »haßerfüllten Artikel, die tagtäglich

von dieser Presse über Adolf Hitler und seine Bewegung herausgebracht wurden« 2 5 2 . Die Argumentation Millizers war angesichts der wirtschaftlichen Interessen des mittelfränkischen Gaublattes Fränkische

Tageszeitung,

die eindeutige Priorität besaßen vor etwaigem

Dank für die publizistische Unterstützung der N S D A P durch den Privatverleger, freilich ebenso wirkungslos wie die Berufung auf juristische Regelungen. D e r früh begonnene Kampf gegen die »schwarze Konkurrenz« wurde nicht honoriert 2 5 3 . Knapp zweieinhalb Jahre später mußte Millizer sein Blatt zwangsweise aufgeben. Auf verdiente Privatverlage nach der Machtergreifung noch Rücksicht zu nehmen, war den Gaupresse-Unternehmen prinzipiell fremd; ihr Monopolanspruch innerhalb ihres Territoriums führte nicht selten sogar zu Spannungen mit anderen parteieigenen Verlagen. Beispielsweise bezichtigte der auf das Streicher-Gaublatt eingeschworene Kreisleiter von Fürth eine Werbekolonne des NSDAP-Zentralverlags, sie habe »unserer Sache ungeheuren Schaden zugefügt«. Empört und ohne Umschweife meldete er an die Staatskanzlei, mindestens 30 Personen hätten sich in seiner Geschäftsstelle über die Werber des Völkischen

Beobachters

beschwert und das »unter Zwang abgeschlossene Abonnement

rückgängig« machen wollen 2 5 4 . Wie die Beispiele zeigen, bestimmten nahezu ausschließlich Inhaber von Parteiämtern, was auf dem Gebiet der Pressewerbung geschah. Trotz vielerlei Anordnungen, deren sich die untere Staatsbürokratie dann hätte bedienen können, änderte sich daran nur wenig, als von Seiten der Reichsregierung und der Parteispitze seit Sommer 1933 der Impulse immer mehr wurden: Die entscheidende Phase, in der die Auswüchse erfolgreich zu beschneiden noch möglich gewesen wäre, war versäumt: die Tage und Wochen gleich nach der Machtergreifung nämlich, als die »marxistischen« Verlage mit Hilfe der SA bereits zerschlagen waren, die nach dem monatelangen Dauerwahlkampf nun am Ende angekommene NS-Presse dort aber noch nicht Einzug gehalten und sich zu konsolidieren begonnen hatte. Die Probleme, wie in anderen Bereichen der Politik, dadurch zu lösen, daß

251

GStA, M A 106 466, Durchschrift des Schreibens an Esser vom 10. 10. 1933.

252

G S t A , M A 106 467.

253

Ebensowenig wie der Hinweis der Fürther Zeitung, den sie einer Beschwerde über die Parteipresse-Werbung hinzufügte: Sie selbst sei ein »rechtsradikales« Blatt; G S t A , Reichsstatthalter 459/8.

254

GStA, M A 106 464/18, Schreiben vom 16. 10. 1933.

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

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man das »allgemeine Ende der NS-Revolution« proklamierte 2 5 5 , war jetzt nicht mehr möglich. Die Genesis des hier etwas ausführlicher behandelten Werbekrieges wirft, exemplarisch für den gesamten NS-Zeitungsterror, die Frage auf, ob dessen Ende zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon gewollt wurde - und von wem. Die anfangs weitgehende Untätigkeit der Berliner Stellen, was das Schicksal der Privatpresse im Nationalsozialismus betraf, war Folge interner Differenzen rivalisierender NS-Größen, mit der beispielsweise auch die schwierige Geburt des Schriftleitergesetzes 2 5 6 zusammenhängt: zuviele uneinige Hebammen. Wenngleich mit ihr nicht alle Fragen geklärt werden können, so ist die Annahme doch berechtigt, daß die Nutznießer des Zeitungsterrors auch seine Befürworter waren; zuvorderst die Gauleiter also, denen die Duldsamkeit der Reichsregierung erlaubte, teilweise immense Verlagsvermögen zusammenzuschachern. Kein Gauverlag wäre zu seiner späteren Größe emporgestiegen, hätte er sich einem fairen Konkurrenzkampf mit der Privatpresse stellen müssen. Goebbels hatte anfänglich nichts dagegen, daß aufgestachelte Parteiunterführer und am Revolutionmachen Gefallen findende SA-Trupps die Privatverleger in Angst und Schrecken versetzten; sie erleichterten ihm schließlich sein Geschäft: Wem erst einmal eine Sturmabteilung Besuch in der Redaktionsstube oder im Rotationssaal abgestattet hatte, dem kam kaum noch in den Sinn, sich der Goebbelsschen Anweisungen zu erwehren, die im Vergleich zu rüden SA-Befehlen geradezu höflich abgefaßt waren. Nachdem allerdings des Propagandaministers subtiles Indoktrinationssystem aufgebaut war, begann dieser sich immer öfter an den brutalen Methoden der NS-Basis zu stören. Später glaubte er sogar, dem Zeitungsterror in den Gauen die Schuld an der »Uniformierung der deutschen Presse« - Folge seines immer dichter werdenden Sprachregelungsnetzes - zuschieben zu können 2 5 7 . Auch für das Verhalten Amanns, des Reichspressekammer-Präsidenten und ersten Verlegers im Dritten Reich, müssen zwei Phasen unterschieden werden, jedoch, weil im Gegensatz zu dem Goebbels' mit umgekehrter Richtung. Amann spielte zunächst den Verlegerfreund - wenngleich mit der einem NSDAP-Reichsleiter anstehenden großen Bereitschaft, unschöne Terrorszenen als vorübergehende Begleiterscheinungen der »nationalen Revolution« zu bagatellisieren. Seine Sorge, die Bedeutung des Eher-Verlages und des Völkischen Beobachters könne durch rasch aufblühende Gauverlage geschmälert werden, bewog ihn zur Skepsis gegenüber allzuviel pressepolitischer Eigeninitiative sprich: Drangsalierung der Privatzeitungen - seitens der Gaufürsten. Nachdem er aber im Januar 1934 Hitler zur Umstrukturierung der Parteipresse überreden und dadurch

255

Vgl. B r o s z a t , a . a . O . , S. 175.

256

Vgl. H a i e , a . a . O . , S. 9 0 - 9 7 , bes. S. 95 ff.

257

In einem Rundschreiben v o m 24. 4. 1935 sorgte sich der Propagandaminister um die »freie Entfaltung der geistigen Arbeit«. Alle Dienststellen sollten von unnötigen Belastungen der Zeitungen absehen. G o e b b e l s ' Zynismus gipfelte in der Bemerkung, »auch bei Behandlung der Presse [sei] die nationalsozialistische Welt-, Staats- und Kulturanschauung« dank des Schriftleitergesetzes »keinerlei Gefahr ausgesetzt«; I f Z , Fa 199, vgl. auch H a i e , a . a . O . , S. 152; H a g e m a n n , J . , a . a . O . , S . 2 9 5 ; H e i b e r , a . a . O . , S . 155ff.

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Einfluß auf die Gaublätter hatte gewinnen können, wurden seine Sorgen, den verbliebenen privaten Zeitungsverlegern könne Unrecht geschehen, zusehends weniger 258 . So summarisch auch die Motive der verschiedenen Akteure hier nur genannt werden können, zeigt sich doch, daß die scheinbare Planlosigkeit der Revolution von unten als Element der Herrschaftssicherung sich trefflich einfügte in die Konzepte der Reichsregierung (vertreten durch Goebbels) und der bisherigen Führungsschicht der NSDAP (personifiziert in den Gauleitern). Daß Goebbels den Zeitungsterror bald nicht mehr wollte, ist evident und durchaus kein Widerspruch zu seinem umfassenden Presselenkungsanspruch: Zu dem Zeitpunkt aber hatte sich Amann mit den Gauleitern zusammengerauft und sichergestellt, daß die wirtschaftliche Zusammenführung der Presse weitergetrieben wurde, als Goebbels' ideologische praktisch abgeschlossen war. - Schon diese knappen Anmerkungen übrigens weisen darauf hin, wie wenig simple Modelle totalitärer Massenkommunikationsführung (die meist nicht als solche, sondern als Goebbels' »Teufelswerk« ausgedacht werden 259 ) geeignet sind, das auch im Nationalsozialismus dynamische Machtsystem »Presse« zu erfassen. Der Ansturm der SA-Werber auf ihre Leserschaft war beileibe nicht das einzige, was die Privatblätter der Bayerischen Ostmark im Ringen mit der Gauzeitung aushalten mußten. Wie an manch anderen Orten hatte sich das Schemm-Blatt auch in Deggendorf im Juli 1933 gleich mit der Forderung eingeführt, zum alleinigen Veröffentlichungsorgan der Stadtverwaltung bestellt zu werden. Der Stadtrat entsprach dem Antrag, der - wie es in dem Beschlußprotokoll fast entschuldigend heißt - »von der Kreisleitung Deggendorf der NSDAP bestens unterstützt war«. Mehr noch: künftig sollte dieBayerische Ostwacht »als einzige Tageszeitung mit amtlichen Nachrichten bedient werden« 260 . Das bisherige Amtsblatt Deggendorfer Donaubote sowie die kleinere Bauernbund-Zeitung Niederbayerischer Anzeiger/ Deggendorf er Volksblatt hätten also keinerlei Rathaus-Informationen mehr erhalten. Die Verleger des Donauboten legten gegen diese Entscheidung, in der sie zu Recht eine existentielle Bedrohung ihrer Zeitung erblickten, förmliche Beschwerde ein und alarmierten neben ihrer Standesorganisation, dem Verein Bayerischer Zeitungsverleger (VBZV), auch gleichzeitig den Deutschen Arbeiterverband des graphischen Gewerbes. Beide Verbände teilten die Auffassung der Donauboten-Inhaber, der Stadtratsbeschluß sei eine »Boykottmaßnahme«, die schon aus Gründen der Arbeitserhaltung und -beschaffung sozial »nicht vertretbar« sei. Als die Ratsherren der Donaugemeinde wenig später von dem gerade verabschiedeten »Gesetz über die Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen« erfuhren, sahen sie darin eine elegante Möglichkeit zum Rückzug. Das neue Gesetz, so stellten sie fest, bilde »in der Frage der Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen . . . die einzige und ausschließliche Grundlage« - und es war ihnen guter Anlaß, sich vor »weitere[n] Ausführungen zu den vorgebrachten Be-

258

Für die von Haje, a . a . O . , S. 102, ventilierte Behauptung, Amann habe mit den Gaublättern »am liebsten nichts . . . zu tun gehabt«, gibt es keinerlei Beweise - abgesehen von dem Interview, das der amerikanische Professor 1945 als Vernehmungsoffizier mit dem Internierungshäftling Amann führte; vgl. ebenda, S . 7 .

259

Vgl. die Kritik an der Dämonisierung Goebbels' bei Schulz in Karl Dietrich Bracher, Wolfgang Sauer und Gerhard Schulz: Die nationalsozialistische Machtergreifung. Studien zur Errichtung des totalitären Herrschaftssystems in Deutschland 1933/34. Köln 1962, S. 546. W B , Ia 5783, Beschluß vom 31. 7. 1933.

260

Provinzzeitungen in der Bayerischen O s t m a r k

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schwerden« zu drücken 2 6 1 . Mit der laut Gesetz möglichen Auflage, Stadtratsbekanntmachungen erst einen Tag nach deren Veröffentlichung in der Ostwacht (dann natürlich ohne Vergütung) bringen zu dürfen, mußte sich der Verlag des Donauboten nun abfinden 2 6 2 . U n d auch dies war nur ein im Ermessen der Stadtväter liegendes Zugeständnis, zu dem sie sich vor allem wohl deshalb aufrafften, weil wegen der geringen Auflage der Deggendorfer Ostwacht-Ausgabe263 sonst nur ein kleiner Teil der Bevölkerung von den Amtsnachrichten erfahren hätte. Als der Gauverlag bereits im Mai 1933 mit Formulierungen, die bisweilen an Verbalinjurien grenzten, die niederbayerischen Land- und Amtsgerichte dazu bewegen wollte, ihre Bekanntmachungen künftig ausschließlich in der Bayerischen Ostwacht zu publizieren, stieß er auf wenig Verständnis. Der Wirbel, den das Unternehmen des bayerischen Kultusministers dabei entfachte, veranlaßte schließlich den Präsidenten des Oberlandesgerichts München, seine drei niederbayerischen Landgerichte zu detaillierter Berichterstattung anzuweisen, deren Ergebnis er Schemms für die Justiz zuständigen Kabinettskollegen Frank vorlegte 2 6 4 . Trotz volltönend-aggressiver Forderungen - in einem Ostwacht-Schrdhtn an ein Amtsgericht hieß es beispielsweise, man sei »nicht wenig überrascht«, daß sich das Gericht entschlossen habe, »die größte Zeitung in Deutschland und weitverbreitetste in ganz Niederbayern und der Oberpfalz« zu übergehen, was »in beiderseitigem Interesse« rückgängig gemacht werden müsse 2 6 5 - hatten aber nur zwei von 29 Gerichten das Parteiblatt zu ihrem Veröffentlichungsorgan ernannt 2 6 6 . Die Meldungen der einzelnen Justizbehörden unterscheiden sich kaum voneinander: Man sah in der Regel keinen Grund, den eingeführten Heimatblättern die Bekanntmachungsaufträge zugunsten eines Blattes zu entziehen, das noch über keinen festen oder einen nur kleinen Leserstamm verfügte und Auflageziffern für die jeweiligen Bezirke nicht nennen konnte oder wollte. Typisch die Begründung des Landgerichtspräsidenten von Deggendorf, weshalb der Donaubote auch weiterhin sein Veröffentlichungsorgan und das der Amtsgerichte Deggendorf und Hengersberg bleiben werde: » D e r D e g g e n d o r f e r D o n a u b o t e war bisher u n d ist wohl auch jetzt noch das weit- u n d gleichmäßigst verbreitete Blatt im Gerichtsbezirk; seine nationale Einstellung steht fest. Eine Ä n d e r u n g wird weder f ü r notwendig noch z w e c k m ä ß i g g e h a l t e n « 2 6 7 .

Nachdem auch massive »Bitten« und selbst von in Pressesachen unkundigen Juristen erkennbare Ubertreibungen wie jene, die Ostwacht sei »größte Zeitung Bayerns mit über 1 Million Auflage« nicht gefruchtet hatten, stellte der Gauverlag »für das heurige Jahr diesen Wunsch zurück« - mit dem Vorbehalt freilich, »im November sich für das nächste Jahr zu bewerben« 2 6 8 . 261 262 263

264 265 266 267 268

Ebenda, Beschluß des Stadtrats von Deggendorf vom 18. 8. 1933. Ebenda, Rückerstattungsantrag beim Zentral-Anmeldeamt vom 21. 12. 1948. Die einzige vorliegende Zahl nennt für Ende 1937 cirka 1800 Abonnenten, allerdings für den Bezirk Deggendorf und den kleineren Nachbarkreis Grafrath zusammen. Die in Deggendorf-Stadt seinerzeit verteilte - nicht verkaufte - Auflage dürfte 1000 Exemplare schwerlich überschritten haben; vgl. Zeitungs-Katalog Jg. 1938. AStA, MJu 11 512, Schreiben des O L G München an das Justizministerium vom 9. 6. 1933. Ebenda, Schreiben des Gauverlags an das Amtsgericht Landau vom 6. 5. 1933. Ebenda, Übersichten der Landgerichtspräsidenten Deggendorf, Passau und Landshut vom 29./30. 5. 1933. Ebenda, Ubersicht des Landgerichtspräsidenten Deggendorf vom 30. 5. 1933. Ebenda, Schreiben des O L G München an das Bayerische Justizministerium vom 9. 6. 1933.

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Bei den kühler als die meisten Bezirksamtsvorsteher abwägenden Juristen hatte sich der Parteiverlag fürs erste also nicht durchsetzen können. Etwas Glanz vom Bild der noch relativ souverän-sachlich entscheidenden Richter nimmt jedoch die Tatsache, daß es der niederbayerischen Gauverlags-Filiale möglich war, mit ein paar unverschämten, frechen Briefen die Vertreter der dritten Gewalt zur eilfertigen Rückversicherung bei der nächsthöheren Stelle zu bewegen und schließlich gar das Ministerium zu beschäftigen. Das Bekanntmachungswesen der staatlichen Behörden und gemeindlichen Selbstverwaltung war längst zu einem Thema für den bayerischen Ministerrat sowie die Innere Verwaltung geworden. D a ß man mißliebige Zeitungen ökonomisch schädigen konnte, indem man ihnen die bezahlten Bekanntmachungen entzog oder den Druckauftrag für das eigenständige Amtsblatt kündigte - diese »Chance« hatten die Nationalsozialisten praktisch schon am Tag ihrer Machtergreifung erkannt. Weil davon dann die gesamte N S - Z e i t hindurch ausgiebig Gebrauch gemacht worden ist, lohnt dieser Teilaspekt totalitärer Pressepolitik eine ausführlichere Betrachtung.

Das Bekanntmachungswesen

Exkurs 2: als Mittel nationalsozialistischer

Pressepolitik

Amtliche Bekanntmachungen waren in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik von erheblich höherem Interesse als heute, was mit dem wenig ausgeprägten Lokaljournalismus in unmittelbarer Wechselwirkung stand. Amtsblatt zu sein, war für eine Provinzzeitung eine wertvolle Auszeichnung ; gut für das Image und im Konkurrenzkampf von einigem Vorteil. D a ß auch vor 1933 Bekanntmachungsaufträge nicht selten nach politischen Gesichtspunkten vergeben wurden, muß kaum besonders betont werden: Ein B V P - B ü r germeister tat sich schwer, ausgerechnet das sozialdemokratische Lokalblatt mit den Amtsanzeigen zu bedenken. D i e systematische politische Instrumentalisierung des Bekanntmachungswesens jedoch begann erst unter den Nationalsozialisten, in Bayern mit einem Erlaß des Chefs der Staatskanzlei vom 23. März 1933. Darin hieß es, die »vielfach« noch bestehenden Verträge über die Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen mit Verlagen, die gegen die Regierung eingestellt seien und den Nationalsozialismus bisher offen oder versteckt bekämpft hätten, seien aufzulösen. D i e Begründung dieser »außerordentlichen Kündigungen« wurde den Bezirksämtern und Gemeindevorständen gleich mitgeliefert, sie war besonders zynisch: Weil die nicht-nationalsozialistischen Blätter der Gefahr ausgesetzt seien, verboten zu werden, ihr regelmäßiges Erscheinen also keineswegs sicher sei, müßten die Verträge widerrufen werden. Künftig sollten nur mehr jene Zeitungen mit Bekanntmachungen betraut werden, die für die Regierung eintreten. W a r dies nicht möglich - etwa, weil eine solche vor O r t (noch) nicht existierte - , so sollten gemeindeeigene Amtsblätter herauskommen 2 6 9 .

269

Vgl. Bekanntmachung vom 23. 3. 1933, Staatsanzeiger N r . 71.

P r o v i n z z e i t u n g e n in der B a y e r i s c h e n O s t m a r k

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Das Bezirksamt in Fürstenfeldbruck beispielsweise reagierte prompt: Noch am Tage, als der Erlaß veröffentlicht wurde, teilte sein Vorstand der Schriftleitung der örtlichen Zeitung mit, daß »im Fürstenfeldbrucker Wochenblatt amtliche Bekanntmachungen aller Behörden bis auf weiteres nicht mehr aufgenommen werden (dürfen) und . . . dementsprechend der Vordruck 2 7 0 >Veröffentlichungsorgan aller Bezirksbehörden und des Marktgemeinderates Fürstenfeldbrucks >Anzeigeblatt für den Markt und den Bezirk Fürstenfeldbruck wegbleiben« müsse 2 7 1 . Wegen seiner unklaren Formulierungen war der Esser-Erlaß in den folgenden Monaten Anlaß für Willkür und Verunsicherung : ob ein Blatt »gegen die Regierung« eingestellt sei oder sie gar bekämpft habe, darüber entschieden untere Partei- und Staatsstellen in eigenem Ermessen und nach zweifelhaften Kriterien. Eine Rechtfertigung konnte man nach wie vor für alles finden. So begründete beispielsweise die Kreisleitung von Eichstätt gegenüber der Staatsregierung mit folgenden Worten, warum künftig der Eichstätter Anzeiger »als Organ der hinter der nationalen Regierung stehenden Kreise« die Amtsanzeigen erhalten sollte: »In Eichstätt erscheint als Tageszeitung die >Eichstätter Volkszeitungsystemtreu< gewesen sind, n u n m e h r plötzlich offizielles Parteiorgan werden u n d ihr Geschäft auf diese Weise m a c h e n . «

In der Tat war die Politik der Bekanntmachungs-Vergabe in diesem Fall besonders widersprüchlich, denn noch am 1. April hatte man dem katholischen Blatt die Amtsanzeigen entzogen . Im Herbst 1933 beschwerte sich der stets sehr forsch auftretende Zeitungsblock bei der Staatsregierung, das Bekanntmachungswesen sei vielerorts in Oberbayern noch nicht in

271

Gemeint ist die Unterzeile im Zeitungskopf. StA München, L R A 11 118, Schreiben des Bezirksamts an das Fürstenfeldbrucker Wochenblatt vom 25. 3. 1933.

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AStA, M F 68 129, Brief von Kreisleiter Dr. Krauß an das Bayerische Finanzministerium vom 24. 3. 1933.

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GStA, Reichsstatthalter 31/1, Schreiben des Bayerischen Zeitungsblocks an den Adjutanten des kommissarischen Ministerpräsidenten Epp vom 11. 4. 1933.

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seinem Sinne gelöst - und das, obwohl die rund 20 Blätter des Müller-Verlags doch als einzige im Regierungsbezirk von Reichsleiter Amann zu Parteiorganen erhoben worden seien 2 7 4 . Wenn sich das Buchgewerbehaus trotz seines Rückhalts bei führenden Nationalsozialisten schwerer tat als etwa der Osimar^-Gauverlag, seine Interessen in der Provinz durchzusetzen, so lag dies vor allem daran, daß hinter dem Münchner Unternehmen kein Gaufürst stand, der seine Kreis- und Ortsgruppenleiter hätte in die Pflicht nehmen können. D e r unmittelbare finanzielle Verlust, den Privatblätter durch den Entzug der Amtsveröffentlichungen erlitten, wirkte sich unterschiedlich stark aus; er dürfte jedoch 3000 Reichsmark jährlich kaum überschritten haben. Für den mit reichlich 10 000 Exemplaren schon zu den großen Provinzzeitungen zählenden Hofer Anzeiger

bedeutete das eine

Gewinnminderung um etwa zwei Prozent. Die sekundären Folgen allerdings (Abonnentenverluste, notwendige Preisrücknahmen etc.) schmälerten den Ertrag des Unternehmens wesentlich stärker; gemäß dem Untersuchungsbericht einer Wirtschaftsberatungsfirma für das Rückerstatttngsverfahren nach 1945 um immerhin rund 20 Prozent 2 7 5 . Diese Zahlen ermöglichen zwar keine repräsentativen Aussagen, können aber doch verdeutlichen, wie wichtig insbesondere für kleine, ohnehin kaum gewinn trächtige Blätter der Verlust des Amtsblatt-Charakters war. Indiz dafür ist auch das Bemühen etlicher Zeitungen, von den Behörden wenigstens eine Erlaubnis zu erhalten, die Bekanntmachungen ohne Vergütung nachdrucken zu dürfen. Ging damit zugleich der Versuch einher, einschlägige Bezeichnungen beizubehalten, löste dies freilich nachhaltige Reaktionen aus - was wiederum den Stellenwert der Problematik im Verständnis aller Beteiligten beweist. Das Bezirksamt Landsberg/Lech beispielsweise machte viel Aufhebens davon, daß die Ammersee-Post

die Worte »Verkündigungsblatt des Bezirksamts« noch im Titel

führte, als die Behörde bereits ein eigenes Amtsorgan herausgab 2 7 6 . Die Beispiele belegen es : Anstatt daß nun rasch klare Regelungen getroffen worden wären, griffen Chaos und Willkür nach der Esser-Verfügung von Ende März 1933 erst richtig Platz. So sehr, daß sich die Staatskanzlei in einem Schreiben an die Regierungspräsidenten am 1. Juni 1933 gezwungen glaubte, alle - durch ihre Anweisung oft erst provozierten - Entscheidungen für die nächste Zeit aussetzen zu lassen: Weil man gerade mit einer Neuregelung beschäftigt sei, sollte bis auf weiteres der »Charakter als Amtsblatt . . . Zeitungen gleich welcher Richtung« weder neu verliehen noch aberkannt werden 2 7 7 . Die »Neuregelung« trat am 1. August 1933 in Kraft; das Problem allerdings wurde dadurch nicht beseitigt. Künftig mußten die behördlichen Bekanntmachungen einer im Bezirk erscheinenden und vom NSDAP-Reichsleiter für die Presse anerkannten Parteizeitung übertragen werden. W o es mehrere offizielle Blätter gab, sollten die Ämter »nach dem 274

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StA München, L R A 101161, Schrei ben des Zeitungsblocks an die Amtliche Bayerische Pressestelle und anden Sonderkommissar der Obersten SA-Führung bei der Regierung von Oberbayern vom 28. bzw. 27. 9. 1933. Dazu auch B A , N S 26/975. Daß Amann den Müller-Verlag besonders wohlwollend behandelte, hatte einen höchst eigennützigen Hintergrund: Er war daran privat finanziell beteiligt, vgl. Haie, a . a . O . , S. 35. W B , IIa 4229, Anmeldung des Hofer Anzeigers beim Zentralmeldeamt Bad Nauheim vom 8. 11. 1948; Berechnung des Verf. nach dem Gutachten der Witreu-GmbH vom 2. 10. 1947. StA München, L R A 45 871, Schreiben des Bezirksamts Landsberg an die Schriftleitung der Ammersee-Post vom 5. 4. 1933. StA München, L R A 101 161.

Provinzzeitungen in der Bayerischen O s t m a r k

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pflichtmäßigen Ermessen« jenes mit der größten Auflage innerhalb des Amtsbereichs wählen; auch, wenn es außerhalb des Bezirks erschien. Damit wurde die Privilegierung der großen Gauzeitungen gesetzlich verankert. Sie konnten nunmehr an allen Orten des von ihnen beanspruchten Territoriums zu Amtsorganen ernannt werden. Falls keine parteioffiziellen Blätter existierten, sollte jeweils dasjenige ausgewählt werden, das den Nationalsozialismus vor 1933 nicht bekämpft hatte. Nach diesen vagen Kriterien zu befinden - was war Kampf, was nur neutrale Reserviertheit gegenüber der »Bewegung«? - blieb den örtlichen Beamten überlassen; ebenso wie die Entscheidung, ob den Konkurrènten des Amtsorgans eine Nachdruckerlaubnis erteilt werden sollte oder nicht 278 . Der Verdacht, das Gesetz könnte in einigen Punkten bewußt unklar formuliert worden sein, auf daß die Verwaltungsbasis im Zweifelsfall nach machtpolitischen Gegebenheiten - also im Interesse der Partei - habe entscheiden müssen, drängt sich geradezu auf. Die Möglichkeiten politischer Manipulation jedenfalls verringerten sich kaum, wie eine Intervention des Bayerischen Zeitungsverlegervereins bei Staatsminister Esser zeigte. Zwar mochte dessen Vorsitzender Wilhelm Leupold den offiziellen Parteiblättern (notgedrungen) zugestehen, sich anstelle der Privatzeitungen um die Anerkennung als Amtsorgane zu bewerben, sofern sie - wie im Gesetz intendiert wegen höherer Auflage eine bessere Verbreitung der Bekanntmachungen garantierten. » D i e B e m ü h u n g e n der amtlichen O r g a n e gehen aber offensichtlich noch weiter u n d zeitigen Ergebnisse, die die Existenz d e r U n t e r n e h m u n g e n gefährden, die nicht mehr z u m M i t a b d r u c k der amtlichen V e r f ü g u n g e n zugelassen w e r d e n . «

Leupold suchte natürlich die Interessen der Verleger hinter der Sorge für die Arbeitnehmer zu verbergen. Aber seine Argumentation läßt zugleich auf die schon erwähnte Bedeutung schließen, welche die Leserschaft den amtlichen Bekanntmachungen beimaß: »Ich kenne sehr wohl die Einstellung der nationalsozialistischen B e w e g u n g z u den Blättern, die früher der Bayerischen Volkspartei nahegestanden sind u n d habe auch Verständnis d a f ü r , daß angesichts der H a l t u n g dieser Blätter selbst noch nach d e m 5. M ä r z 1933 Ressentiments bestehen, die sich erst im L a u f e einer gewissen B e w ä h r u n g s f r i s t f ü r diese Blätter abschleifen werden. A b e r ich denke als Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes bei diesen F r a g e n d o c h auch an die wirtschaftliche Seite, u n d hier besteht die große G e f a h r , daß abgesehen v o n der E x i s t e n z des Verlages die Existenz vieler Arbeitnehmer auf d e m Spiele steht.«

Der Verlegerpräsident plädierte deshalb für eine »allgemein gültige Erläuterung zu dem Gesetz über die amtlichen Anzeigen . . . , die die Frage des Mitabdrucks . . . regelt« 2 7 9 . Leupolds Bemühen, den Ermessensspielraum der Bezirksämter zu verringern, blieb erfolglos. Trotz mancher Anstrengungen gelang es der Bayerischen Staatsregierung auch in den folgenden Jahren unter Ministerpräsident Sieberts 280 Führung nicht, die Querelen um die amtlichen Bekanntmachungen zu beenden. Denn das Interesse unterer Parteistellen und nationalsozialistischer Verlage war in diesem Punkt zu vital, als daß nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden wären, die ungeliebte Privatpresse wirtschaftlich einzu278 279 280

Vgl. BGBl. 1933, S.209f. GStA, MA 106 458, Brief Leupolds an die Staatskanzlei vom 29. 8. 1933. Esser war Ende Februar 1934 als Chef der Staatskanzlei ausgeschieden.

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schränken und, in letzter Konsequenz, zu beseitigen. Dagegen mit Vehemenz vorzugehen, wagte Siebert offenbar schon deshalb nicht, weil er einen im Ostmark-Pressewesen stark engagierten Kultusminister im Kabinett hatte - ungeachtet der Wünsche vieler Bezirksvorsteher nach Ruhe auch an der Pressefront. Insbesondere im Verbreitungsgebiet der Bayerischen Ostwacht und der Fränkischen Tageszeitung hielten denn auch die Auseinandersetzungen an: »In Mallersdorf wurde der Druck des Bezirksamtsblattes auf Antrag des Kreisleiters . . . dem Verlag des Mallersdorf er Anzeigers entzogen und dem Verlag der Bayerischen Ostwacht in Regensburg übertragen. Der Verleger des Mallersdorfer Anzeigers hat Beschwerde eingelegt, da auch das Erscheinen des Mallersdorfer Anzeigers selbst, des Heimatblattes im Bezirk Mallersdorf, in Frage gestellt ist« 281 .

Selbst während des Krieges hörten die Bemühungen nicht auf, den wenigen noch verbliebenen Privatzeitungen die Bekanntmachungen zu entziehen 282 . Hatte die Staatsregierung schon in den Jahren zuvor versucht, sich ein klares Bild über das Amtsanzeigenwesen zu verschaffen 283 , so wurde dies jetzt noch wichtiger: Die Bevölkerung mußte gerade im Krieg über amtliche Regelungen ausreichend informiert sein 284 . Außerdem bemühte sich der Reichsverband der Deutschen Zeitungsverleger (RDZV) zu diesem Zeitpunkt darum, die Bezahlung aller Bekanntmachungen durchzusetzen 2 8 5 , was mit neuen Kosten für die Behörden verbunden war. Für Kempten im Allgäu errechnete der Stadtrat beispielsweise eine Mehrbelastung von 150 Prozent 2 8 6 . Aus diesen Gründen organisierte der Leiter der Nachrichtenstelle der Staatsregierung Anfang 1940 eine breit angelegte Umfrage bei den Bezirksämtern. Die Diskussion über die Vergütung der Amtsanzeigen wurde erst seit Kriegsbeginn heftiger geführt, als deren wachsende Zahl an den Finanzen der ohnedies zur Sparsamkeit gezwungenen Gemeinden zehrte, die Zeitungen sich aber gleichzeitig wegen des vor allem flächenmäßigen Anzeigen-Rückgangs um neue Finanzquellen bemühen mußten. Während noch 1937 Göring in seinem Vierjahresplan-Erlaß über »Grundsätze für die Zusammenarbeit mit der deutschen Tagespresse« besonders dafür »Sorge zu tragen (bat), daß die Verwaltung in ihrem Etat ausreichende Beträge für die Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen in der Tagespresse einsetzen« 287 , versuchte der Reichsinnenminister kostenpflichtige Veröffentlichungen in der Folgezeit einzuschränken 288 . 281 282

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GStA, MA 106 691, Lagebericht der Regierung von Niederbayern vom 6. 9. 1934. In dieser Absicht ein Schreiben des Bezirksamts Landsberg an die Bürgermeister von Diessen, Rieden, Utting und Dettenhofen vom 22.10.1941, Bekanntmachungen künftig in der Landsberger Zeitung zu veröffentlichen und in den Ammersee-Nachrichten höchstens gelegentlich einen Hinweis auf Bekanntmachungen in der Landsberger Zeitung zu veranlassen; StA München, LRA 45 876. Vgl. die entsprechenden M E im StA München, LRA 101 161, M E vom Oktober 1933; LRA 45 875, ME vom Juli 1935; LRA 48 871, ME vom Mai 1938. D e r Bürgermeister von Töging/Inn verpflichtete in einem Rundbrief alle Einwohner dazu, die Amtsanzeigen zu kennen. Daraufhin registrierte der Verlag des Heimatblattes 40 neue Abonnenten; Schreiben des Bürgermeisters an das Bezirksamt vom 2. 10. 1939, StA München, LRA 65 996. In einer Verlautbarung des Reichsverbandes der Deutschen Zeitungsverleger vom 22. 12. 1939 war davon die Rede, daß amtliche Bekanntmachungen jeder Art nur mehr als Anzeigen veröffentlicht werden dürfen; StA München, LRA 101152. GStA, MA 106 693, Lagebericht der Regierung von Schwaben vom 7. 4. 1935. StA München, LRA 101152, Runderlaß des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 26. 4. 1937. Ebenda, Schreiben des Reichsinnenministeriums an die Regierungen vom 28. 12. 1938.

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

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Das Eintreten des Vierjahresplan-Beauftragten aus dem Propagandaministerium, aber auch vieler Parteistellen für die Belange der Presse 289 sowie die recht unverblümt vorgebrachten Forderungen des Verlegerverbandes 290 verwundern nicht mehr, bedenkt man, daß zu diesem Zeitpunkt der weitaus überwiegende Teil der Presse sich bereits in Parteibesitz befand 2 9 1 . Der finanzielle Gewinn aus einer konsequent durchgesetzten Pflicht, die Bekanntmachungen zu bezahlen, wäre also fast ausschließlich der Parteipresse zugute gekommen, weil diese den privaten Konkurrenzzeitungen als Amtsblätter durchwegs vorgezogen wurden. Als Ergebnis seiner Umfrage bei den Bezirksämtern konstatierte der Leiter der Nachrichtenstelle am 25. Mai 1940, »daß in einzelnen Pressefragen Unklarheiten bestehen«. Er versuchte, sie durch »Erläuterungen zur Zusammenarbeit mit der Presse« auszuräumen. Danach sollten sich die unteren Staatsbehörden bei ihrem Wunsch, zu einer Bekanntmachung möge ein Hinweis auch im redaktionellen Teil der Zeitung erscheinen, auf die erklärte Bereitschaft des Verlegerverbandes berufen, dies insbesondere bei kriegswirtschaftlichen Bekanntmachungen tun zu wollen. Vor allem aber drängte der Leiter der Nachrichtenstelle die Behörden um Mühe, möglichst viele Informationen im redaktionellen Teil der Tagespresse unterzubringen: Es sei daran festzuhalten, »daß Pressenotizen allgemeinen Inhalts, die nicht behördenwichtig sind, keine Termine enthalten und auch der Form nach nicht den Bekanntmachungscharakter tragen, nicht anzeigenpflichtig sind und darum auch im Textteil - und nicht im Anzeigenteil - der Zeitungen gebracht werden müssen. «

Den Versuchen, »nunmehr grundsätzlich jede Verlautbarung des Landrats« als Anzeige in Rechnung zu stellen - was übrigens einen bezeichnenden Hinweis auf das Journalismusverständnis gerade der Parteipresse gibt - , sei »nachdrücklichst entgegenzutreten«. Die Aufklärung der Bevölkerung im Kriege mache es besonders notwendig, daß behördliche Pressenotizen kostenfrei veröffentlicht würden. Außerdem müßten die bezahlten Bekanntmachungen zu einem Sondertarif berechnet werden, der durchschnittlich 25 Prozent unter dem normalen Preis liege 292 . Daß solche Rückenstärkung für die Bezirksämter seitens der Landesregierung überhaupt notwendig war, deutet auf die Machtstellung der nationalsozialistischen Gauverlage und Zeitungsgesellschaften, die sich nicht scheuten, ihre ökonomischen Interessen auch gegenüber den Staatsbehörden massiv zu demonstrieren und so meist auch durchzusetzen . 289

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Göring in seinem Erlaß: »Von Ansuchen an die Verlageund Redaktionen, den Text der amtlichen Bekanntmachungen wörtlich im redaktionellen Teil der Blätter abzudrucken, ist wegen der damit verbundenen journalistischen und wirtschaftlichen Belastung abzusehen«; Runderlaß vom 26. 4. 1933, ebenda. So imSchreiben der Reichspressekammer an das Bezirksamt Mühldorf vom 10.12.1937, in dem die Bezahlung von Terminveröffentlichungen gefordert und angeboten wurde, das Bezirksamt »in Zweifelsfällen« zu beraten ; StA München, LR A 54 448. Ähnlich auch das Schreiben des Verlags des Wolfratshausener Tagblatts an das dortige Bezirksamt vom 5. 6. 1939, StA München, LRA 41 748. Insofern wird auch das Plädoyer f ü r die »privatwirtschaftliche Grundlage« des Zeitungswesens in einem Erlaß des RMVP vom 25. 8. 1938 verständlich; StA München, LRA 101152. StA München, LRA 10066, Schreiben der Nachrichtenstelle der Bayerischen Landesregierung an die Bezirksämter vom 25. 5. 1940, Hervorhebung im Original. Der NS-Zeitungsblock Oberbayern etwa berief sich gegenüber dem Bezirksamt Fürstenfeldbruck auf die Anweisung des bayerischen Verlegervereins, trotz der Einwände des Innenministeriums alle Bekanntmachungen nur gegen Bezahlung zu veröffentlichen; Briefwechsel vom Juni 1940, StA München, LRA 11747.

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Die »Erläuterungen« der Nachrichtenstelle des Münchner Kabinetts wurden gedeckt von einem nur wenig später seitens des Reichsinnenministeriums vertraulich an den Präsidenten der Reichspressekammer gerichteten Schreiben, in dem einerseits Verständnis für das Bemühen der Verlage geäußert wird, die durch den Rückgang der Anzeigenerträge entstandenen Ausfälle über bessere Bezahlung der Bekanntmachungen abzugleichen. Dann aber heißt es: » E i n e weitere finanzielle B e l a s t u n g der G e m e i n d e n und G e m e i n d e v e r b ä n d e ist untragbar, d a ihre F i n a n z k r a f t durch den Kriegsbeitrag u n d die Beteiligung an dem Familienunterhalt schon bis z u m äußersten angespannt i s t « 2 9 4 .

Zwar waren auch nach der breiten Diskussion von 1940 die Meinungsverschiedenheiten nicht ganz ausgeräumt, eine von der Nachrichtenstelle im Mai 1941 durchgeführte weitere Befragung der Bezirksämter 295 hatte jedoch keine allgemeinen Anordnungen mehr zur Folge. Auch die zum Teil überlieferten Antworten der Bezirksämter 296 lassen den Schluß zu, daß die Probleme weitgehend gelöst waren, wenngleich die Diskussion insgesamt bis zum Kriegsende nicht verebbte 297 .

4 . BAYREUTHER UND BERLINER VERLAGSPOLITIK: ZENTRALISIERUNG U N D B Ü R O K R A T I S I E R U N G DER PARTEIPRESSE

Wiewohl sich der Kampf des Gauverlages gegen die Privatblätter im Jahr der Machtergreifung auf Streits um Abonnenten und Amtsanzeigen konzentrierte, war das Repertoire der Feindseligkeiten, mit dem die Bayreuther Zeitungsmacher aufwarteten, noch größer. In Deggendorf - und nicht nur dort - war es Ziel der Ostwacht- Mitarbeiter, die örtlichen Informationsträger auf ihre Zeitung einzuschwören. Die Worte des Geschäftsstellenleiters an »die Herren Vorstände der Behörden« in der Donaustadt geben zugleich einiges vom Selbstverständnis der Gauverlags-Führung wieder, das auch Beschäftigten fernab der Zentrale erfolgreich zu vermitteln bis August 1933 man verstanden hatte: » D i e R e v o l u t i o n ist in das Stadium der Evolution getreten. D a m i t tritt auch unsere Zeitung in eine neue Phase ihrer imposanten E n t w i c k l u n g . V o m unterdrückten K a m p f b l a t t der B e w e g u n g zur mächtigen nationalsozialistischen T a g e s z e i t u n g f ü r die Bayerische O s t m a r k , steht sie nun vor d e m entscheidenden Schritt, in der H e i m a t zu verwurzeln u n d Heimatblatt in allen Kreisen u n d Städten der Bayerischen O s t m a r k zu werden. Staat und Partei sind eins g e w o r d e n u n d ergreifen nun das ganze V o l k mit ihrer Idee. Diese Entwicklung f o r d e r t von uns die restlose V e r s c h m e l z u n g mit den örtlichen Verhältnissen und die Z u s a m m e n a r b e i t mit den B e h ö r d e n in den einzelnen Bezirken. N u r

' 2 9 4 StA 2 9 5 StA ' 2 9 6 StA 2 9 7 StA

München, München, München, München,

LRA LRA LRA LRA

101152, Schreiben vom 18. 6. 1940. 11 742, Schreiben der Nachrichtenstelle an die Bezirksämter vom 13. 5. 1941. 45876, LRA 30869, LRA 5448, LRA 41 748. 10066.

Provinzzeitungen in der Bayerischen O s t m a r k

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die nationalsozialistische Tageszeitung für die O s t m a r k , im Lokalteil ausgebaut, ist v o n jetzt ab das Nachrichten- u n d A m t s b l a t t f ü r alle amtlichen und halbamtlichen Bekanntmachungen und N a c h richten. Wir erwarten daher von allen B e h ö r d e n , daß sie . . . unsere Zeitung besonders sorgfältig behandeln u n d mit allen Nachrichten so f r ü h als irgend möglich versorgen . . . E r s t nachdem sie in der >Bayerischen Ostwacht< erschienen sind, k ö n n e n eventuell die übrigen Zeitungen diese Nachrichten u n d B e k a n n t m a c h u n g e n kostenlos a b d r u c k e n . Keine N a c h r i c h t darf der übrigen Presse mehr direkt übergeben w e r d e n « 2 9 8 .

Wohlgemerkt: es ging dem Ostwacht-Angestellten nicht nur um offizielle Bekanntmachungen, die ja schon per Gesetz an die Gauzeitung übergegangen waren, sondern: sämtliche Lokalinformationen aus den Ämtern sollten künftig am besten nur noch, mindestens aber zuerst, im Parteiblatt erscheinen. In derselben Diktion teilte der Deggendorf er Ostwacht-Vertreter allen Vereinsvorständen mit, »daß nun auch für sämtliche Vereine die N o t w e n d i g k e i t besteht, in Z u s a m m e n a r b e i t mit unserer Presse uns Ihre Nachrichten so f r ü h als möglich zu übermitteln u n d Ihre Inserate u n d A n k ü n d i g u n gen in unserer Zeitung a u f z u g e b e n . Wir sind gerne bereit, mit Ihnen z u s a m m e n z u a r b e i t e n u n d hoffen, daß auch Sie die Z u s a m m e n a r b e i t mit uns, als dem R e g i e r u n g s o r g a n der O s t m a r k stets angenehm e m p f i n d e n werden. Sollte es nötig sein, bitten wir Sie, in Ihrem Verein einen Beschluß herbeizuführen, w o n a c h Ihre B e k a n n t m a c h u n g e n nur noch in unserer Zeitung erscheinen. D i e allgemeine Verbreitung unserer Zeitung, auch in diesem Gebiet, mit einer ständig wachsenden A u f l a g e , sichert Ihnen den größten E r f o l g . A u ß e r d e m handeln Sie i m Sinne unserer B e w e g u n g und arbeiten dadurch an erster Stelle am Wiederaufbau unseres V o l k e s m i t « 2 ' 9 .

Auch bei (noch) wenig nationalsozialistisch penetrierten Vereinen konnten solch einschüchternde Wiederaufbau-Formeln ihre Wirkung kaum verfehlen, ebensowenig in der Geschäftswelt, die mit denselben Methoden um Inserate angegangen wurde 3 0 0 . Die Einbußen, die den Deggendorfer Privatblättern durch die vielfältigen Gauverlags-Anfeindungen erwuchsen, waren zweifelsohne beträchtlich : D a s im Vergleich zum Donau-Boten schon immer schwache bauembündlerische Volksblatt ging daran 1935 zugrunde, der BVP-Bote verlor etwa 1000 Abonnenten, also ein Fünftel seines ehemaligen Leserstammes 3 0 1 . U n d doch muß in Erstaunen setzen, mit welchem Beharrungsvermögen der Deg-

gendorfer

Donaubote

dem Generalangriff widerstand. Man muß daraus schließen: we-

nigstens ein Teil der 4000 Abonnenten, die dem Heimatblatt bis zu dessen Schließung und der Übernahme des Verlagsrechts durch den Gauverlag anläßlich der zweiten großen »kriegsbedingten Stillegungsaktion« am 25. Februar 1943 3 0 2 die Treue hielten, hatte darin auch ein Bekenntnis zum Ausdruck gebracht: Wäre es anders - was hätte sie dann veranlassen sollen, weiterhin eine offiziell mißbilligte 3 0 3 und benachteiligte, im lokalen inaktuelle und im übrigen Redaktionsangebot wie im Anzeigenteil weit hinter der Gaupresse zurückbleibende Zeitung zu abonnieren? Daß der nur um zehn Pfennige im Monat

298 299 300 301 302 303

WB, Ia 5783, Schreiben der Ostwacht-Geschäftsstelle Deggendorf an alle Behörden, o. D . , (August 1933). Ebenda, Schreiben der Ostwacht-Geschäftsstelle Deggendorf an alle Vereine, o. D., (August 1933). Ebenda, Rückerstattungsantrag Deggendorfer Donaubote vom 21. 12. 1948. Zahlen nach Ala-Katalog Jg. 1933-1935. WB, Ia 5783, Rückerstattungsantrag Deggendorfer Donaubote vom 21. 12. 1948. Dafür steht ein Schreiben des Deggendorfer Bürgermeisters an einen Beamten der Stadtverwaltung vom 21. 5. 1937, in dem dieser scharf gerügt wurde, weil er dem Donauboten zur gleichen Zeit wie der Ostwacht eine Information hatte zukommen lassen; ebenda.

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billigere Bezugspreis des Donauboten für eine größere Zahl von Lesern Anlaß gewesen sein könnte, ihn. der Ostwacht vorzuziehen, ist nicht anzunehmen 3 0 4 . Dem Gauverlag blieb trotz der großen Intensität, mit welcher er den Kampf gegen die bürgerliche Presse führte, 1933 noch der entscheidende Durchbruch verwehrt. Der Monatsbericht des oberfränkischen Regierungspräsidenten verdeutlicht - ausgehend von einerallgemeinen Lagebeurteilung-, wie sich die publizistisch-politische Situation Anfang 1934 in den Augen der Nationalsozialisten ausnahm: » D i e Tatsache, daß keine besonderen politischen Ereignisse die äußere R u h e und O r d n u n g gestört h a b e n , d a r f n i c h t d a r ü b e r h i n w e g t ä u s c h e n , d a ß d i e in d e r S y s t e m z e i t h e r r s c h e n d e n K r e i s e , allen v o r a n d e r f r ü h e r p o l i t i s i e r e n d e K l e r u s , e i f r i g a m W e r k e s i n d , in m e h r o d e r w e n i g e r h a r m l o s e r s c h e i n e n d e r W e i s e i h r e a u s e i n a n d e r g e s t o b e n e n R e i h e n w i e d e r z u s a m m e n z u s c h l i e ß e n . . . A u c h in d e n Z e i t u n g e n d i e s e r K r e i s e s u c h t m a n i m m e r w i e d e r v e r g e b l i c h n a c h einer Z e i l e , a u s d e r s i c h eine f r e u n d l i c h e E i n s t e l l u n g z u r n e u e n R e g i e r u n g e r g i b t ; d a g e g e n k a n n m a n hier i m m e r w i e d e r b e o b a c h t e n , d a ß bei W i e d e r g a b e v o n an s i c h e i n w a n d f r e i e n Ä u ß e r u n g e n p o l i t i s c h e r P e r s ö n l i c h k e i t e n d u r c h Herausstellung einzelner R e d e w e n d u n g e n versucht wird, d e m nationalsozialistischen Staat A b bruch zu tun«305.

Die private Konkurrenz durch die genannten Methoden tiefgreifend zu verunsichern, war dem Parteiverlag zweifellos gelungen. Jedoch fehlten noch einige monetäre, machtpolitische und auch juristische Mittel, die eine größere Zahl von Heimatblatt-Besitzern von der Aussichtslosigkeit ihrer Situation hätten letztlich überzeugen können. So waren immer wieder einmal Verbote der Konkurrenzpresse, die Gauverlags-Mitarbeiter oder Parteifunktionäre beantragt hatten, denen das Schemm-Blatt am Herzen lag, durch die Staatsbürokratie (weniger von den SA-bedrängten unteren Rängen als der Staatskanzlei) zurückgewiesen oder abgekürzt worden. Was am Beispiel des Deggendorf er Donauboten ausgeführt wurde, trifft in ähnlicher Weise etwa für die niederbayerischen Blätter Straubinger Tagblatt und Regensburger Anzeiger sowie die Coburger Zeitung zu: In allen Fällen wurden Verbotsbeschlüsse aufgehoben. In Straubing gelang es der örtlichen Parteileitung aber, durch eine »spontane Massendemonstration« mit wohlvorbereiteten Reden des Kreisleiters und seines Stellvertreters am 30. Mai 1933 doch noch durchzusetzen, was Mitte März mißlungen war: Esser von der Richtigkeit eines Verbots zu überzeugen 3 0 6 . Einen Verbotsantrag für den Regensburger Anzeiger, dem besonderen Feindseligkeiten ausgesetzten Blatt des letzten BVP-Ministerpräsidenten Held, lehnte Esser am 7. August 1933 ab - es wäre allerdings auch das zweite Verbot des Anzeigers innerhalb von drei Monaten gewesen 3 0 7 . Auch der kleinen deutschnationalen Konkurrenz zur parteieigenen Coburger Nationalzeitung stand Esser am 20. März 1933 bei 3 0 8 , ebenso dem BVP-nahen Nabburger Volksboten zwei Wochen darauf. Solche relativ seltenen Entscheidungen, auch wenn ihnen allein in Bayern 1933 insge-

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Das Abonnement des Donauboten kostete 1,65 Mark zuzüglich 15 Pfennig Trägerlohn, das der Ostwacht 1,90 Mark inklusive. G S t A , M A 106677, Monatsbericht vom 19. 1. 1934. GStA, GStA, GStA, 20. 3.

M A 106464/16, Beschluß der Staatskanzlei vom 22. 3 . 1 9 3 3 und Bayerische Ostwacht vom 31. 5. 1933. M A 106462/10, Beschluß der Staatskanzlei vom 7. 8. 1933 und vom 9 . 5. 1933. M A 106 460/27 und M A 106463/12, Schreiben der Staatskanzlei an die Regierung von Oberbayern vom 1933 bzw. an die Regierung von Niederbayern vom 3. 4. 1933.

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samt 52 Presseverbote entgegenstanden 3 0 9 , waren den Verlegern, zusammen mit offiziellen, beschwichtigenden Erklärungen der Führungsspitzen von Partei und Staat, offensichtlich Anlaß, eine Milderung des politischen Klimas und eine Mäßigung der Forderungen auch in der radikalisierten Provinz zu erwarten. Das Gros der konservativen Kleinverleger hoffte noch immer, die Gemüter würden sich beruhigen und wenigstens ihren traditionsreichen, und - wie sie empfanden - ja schon immer den Interessen des Vaterlands dienenden Heimatblättern ein Weiterleben im »neuen« deutschen Staat gestatten. Bescheiden wollte man dann sein und den Führungsanspruch der Parteipresse akzeptieren. Ganz typisch für diese Haltung ist das von der BVP-nahen Grenzzeitung im oberpfälzischen Waldsassen in der ersten Ausgabe nach einem Verbot pathetisch-pointiert zur Schau gestellte gute Gewissen: »Die Grenzzeitung hat nach wie vor ihre grundsätzliche Einstellung, die immer geheißen Gott und Vaterland. Wir haben uns in der neuen Zeit nicht umzustellen, das Grundsätzliche bleibt. Unsere Arbeit für Volk und Staat aus einem christlich-nationalen Willen heraus« 310 .

Das in kaum 1000 Exemplaren erscheinende Blatt konnte sich noch bis 1936 halten 3 1 1 . Zwischen März und Dezember 1933 war es dem Gauverlag zwar geglückt, die Gesamtauflage seiner beiden Titel von nur 22 000 Exemplaren bis an die EinhunderttausenderSchwelle hochzudrücken; die massiven Methoden aber, mit denen das geschehen war, ließen keine Stabilität der Zahlen erwarten für den Fall, daß dem auf Einschüchterung und Repression beruhenden Erfolg nicht bald konkrete organisatorische Veränderungen folgen würden. D e n n reichlich ein Drittel der jetzigen Parteiblatt-Auflage dürfte unmittelbar Abwerbungen entsprungen sein; dies bedeutete f ü r die ostmärkische Privatpresse in den ersten neun Monaten der NS-Herrschaft Leserverluste von durchschnittlich etwa zehn Prozent 3 1 2 . Während die Überlegungen hinter den Kulissen weitergingen, blieb die Entwicklung der Presse - soweit von außen erkennbar - zunächst einige Zeit auf der bis dahin erreichten Stufe stehen. N o c h im H o c h s o m m e r 1934 konstatierte der niederbayerische Regierungspräsident: »Soweit kein Zwang zur Haltung der nationalsozialistischen Presse ausgeübt wird, hat auf dem Land und in den kleineren Städten die gleichgeschaltete lokale Presse nach wie vor die weiteste Verbreitung, vor allem wohl, weil nur sie hinreichend über die lokalen Verhältnisse unterrichtet. Im übrigen wird vielfach berichtet, daß das Interesse an der Presse und namentlich ihr Ansehen stark gesunken ist. Infolge davon scheint die Bevölkerung in weitem Umfang ihren Nachrichtenhunger durch Anhören der auswärtigen Sender zu befriedigen; durch bessere Berichterstattung durch die inländische Presse könnte diese vielfach unlautere Quelle wohl unschädlich gemacht werden« 313 .

Der latent fortdauernden Gefahr, die bürgerlichen Verlage könnten verlorenes Terrain zurückgewinnen, war - so jedenfalls stellte sich die Situation für die Gauleitung dar - nur durch deren konsequente Ausschaltung zu begegnen. Sie mußten entweder aufgekauft

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310 311 312 313

Diese Zahl ist das Ergebnis der Auswertung aller einschlägigen Akten, insbesondere jener der Bayerischen Staatskanzlei. GStA, MA 106462/8, Grenzzeitung vom 19. 5. 1933, S. 3. Vgl. Zeitungs-Katalog Jg. 1936 und 1938. Berechnung nach Tabelle 1, S. 89. GStA, M A 106691, Lagebericht vom 8. 8. 1934.

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oder für immer geschlossen werden; oder, und das war eine v o m Bayreuther Verlagsleiter G e o r g Schemm mit großer Perfektion ausgestaltete dritte Möglichkeit, durch k o m b i nierte Pacht- u n d Druckverträge dem Gauverlag fest angegliedert werden. F ü r den ersten und den dritten Weg freilich brauchte es neben aktueller Liquidität auch eine ausreichende Kapitaldecke, über die der v o n H a n s Schemm im Alleingang und praktisch ohne Stammkapital gegründete N S - K u l t u r v e r l a g nicht verfügte. O b w o h l man ohne hohe A u f w e n d u n g e n die ehemaligen S P D - D r u c k e r e i e n hatte übernehmen können, dürften die Geschäftsgewinne 1933 für organisatorische A u f b a u - und technische Erweiterungsinvestitionen aufgebraucht worden sein. D a traf es sich nicht schlecht, daß der Reichsleiter für die Presse, A m a n n , seinen » F ü h r e r « gerade v o n der N o t w e n d i g k e i t einer umfassenden Neuorganisation des NS-Pressewesens hatte überzeugen k ö n n e n 3 1 4 . D e r Bayreuther Parteiverlag war einer der ersten, der jetzt nach Amanns Vorstellungen unternehmensrechtlich umstrukturiert wurde: Drei T a g e vor dem ersten Heiligen A b e n d , den Hitler als Reichskanzler feiern konnte, bescherte ihm H a n s Schemm den »Gauverlag Bayerische O s t m a r k G m b H , B a y r e u t h « 3 1 5 - ein vielleicht nicht ganz freiwilliges, aber durchaus zukunftsträchtiges Geschenk des jungen Gauführers an die Partei, die ihm schon viel und der er seinen Aufstieg v o m derangierten Volksschullehrer z u m bayerischen Kultusminister verdankte. A u s dem bisherigen Alleinbesitzer des Kulturverlages w u r d e ein »Treuhänder der N S D A P « , der 50 Prozent der Gesellschaftsanteile verwaltete. D i e andere H ä l f t e ging in das Eigentum der »Standarte Druckerei- und Verlagsgesellschaft G m b H « über, einer eigens für die Z u s a m m e n f a s s u n g der Gauverlage geschaffene Holdinggesellschaft des E h e r - K o n z e r n s 3 1 6 . Besonderer Genialität bedurfte es zur G r ü n d u n g der Parteipresse-Holding nicht: D i e Nationalsozialisten konnten sich die 1925 entstandene und 1933 von ihnen zerschlagene »Konzentration A G « , die Dachgesellschaft der S P D - P r e s s e , z u m V o r b i l d nehmen. Viele Parallelen in den Aufgabenbereichen der beiden Unternehmen zeigen, daß sie dies auch ungeniert taten. H a n s Schemm hatte seit der U m o r g a n i s a t i o n keinerlei Gewinnansprüche mehr, was für ihn persönlich jedoch k a u m eine Veränderung gebracht haben mag, da auch bisher schon alle Gewinne, soweit sie nicht reinvestiert worden waren, der Partei in der O s t mark zugute g e k o m m e n sein sollen 3 1 7 . K ü n f t i g mußte sich die ostbayerische Gauleitung allerdings mit anteilmäßigen Gewinnzuweisungen aus dem Gemeinschaftstopf der Eher-Holding begnügen, über die A m a n n s Verwaltungsamt aufgrund genauer Ertragsberechnungen im Alleingang entschied. D a die meisten Gauverlage anfangs noch defizitär arbeiteten, alle Unternehmen Investitionsmittel benötigten und der Verwaltungs-

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315 316 3,7

Die den Ablauf ansonsten sehr plausibel schildernde Darstellung Haies geht von der Behauptung aus, Hitler habe Amann zu dieser Arbeit regelrecht zwingen müssen; vgl. Haie, a.a.O., S. 101 ff. Tatsächlich ist kein Dokument zu finden, das Amanns Initiative eindeutig beweist; alle Anzeichen, besonders die späteren streng vertraulichen Rundschreiben des Reichsleiters für die Presse an die Gauleiter, die Haie offenbar seinerzeit nicht gesehen hat, deuten jedoch darauf hin, daß der Anstoß zur Zusammenfassung der Parteizeitungen nicht von Hitler, sondern vom macht- und selbstbewußten Eher-Verlagsdirektor gekommen ist; B A , R 56 IV/16 und B A , N S D 14/2. Zweifelsfrei ist, daß Amann sein umfassendes Zentralisierungskonzept gegen zum Teil erhebliche Widerstände seitens der Gauleiter nur dank der vollen Billigung Hiders etablieren konnte. Vgl. Lochmüller, a.a.O., S.446. Vgl. Haie, a.a.O., S.102 und 105. Mitteilung von Georg Schemm vom 15. 10. 1977.

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amts-Stabsleiter Rolf Rienhardt die Bildung eines »Zentralreservefonds« durchsetzte, wurde bis zum Abschluß der Bilanz 1936 nicht ein einziger Reichspfennig Gewinn ausgeschüttet 3 1 8 . Den Tag, als das Werk der Gebrüder Schemm nicht mehr allein machtpolitisch, sondern auch finanziell Früchte brachte, erlebte nur noch der Verlagsdirektor: Gauleiter Hans Schemm war beim Absturz seines Dienstflugzeuges am 5. März 1935 ums Leben gekommen 3 1 9 . Den kenntnisreichen Verlagschef Georg Schemm auszuboten, wagte der bei den vielen Anhängern des Verunglückten bis zuletzt unbeliebte neue Gauleiter Fritz Wächtler bei seinem lange hinausgezögerten Amtsantritt nicht. G e o r g Schemm blieb bis 1945 auf dem Posten. Erstes Geld erhielten die rentabel arbeitenden Gauverlage im Herbst 1937; insgesamt rund 600000 Reichsmark »als Erstattung für geleistete Werbehilfe«. Das waren 20 Prozent des 1936 angefallenen Reingewinns, der, aufgerechnet mit dem Verlust des Jahres 1934 und einem kleinen Plus 1935, seit Amanns Zentralisierungsaktion insgesamt knapp zwei Millionen Reichsmark erreicht hatte. Allerdings deutete der Geschäftsbericht für 1936 bereits auf kommende fette Jahre hin, denn trotz zahlreicher Zukäufe im Zusammenhang mit der von Amann verordneten »Bereinigung des Pressewesens« waren auf die in der Parteipresse (ohne den Eher-Verlag) investierten 43 Millionen Reichsmark 6,5 Prozent Profit entfallen - die von Rienhardt für die Zukunft angestrebten zehn Prozent zu erreichen, war da nicht mehr so schwer 3 2 0 . Daß der Gauverlag zu jenen Unternehmen gehörte, die »Werbehilfe-Vergütung« erhielten, geht zwar nicht aus dem Verwaltungsamts-Schreiben hervor, kann aber sicher angenommen werden: Immerhin zählte die Bayerische Ostmark, wie das Gauorgan seit Oktober 1934 einheitlich genannt wurde, zu den nur sechs von 139 parteiamtlichen Zeitungen mit über 90000 Abonnenten. Indiz dafür ist auch, daß Verlagsleiter Schemm seit 1934 bei der Standarte stetig Geld hatte locker machen können für Ankäufe oder Investitionen, die wegen Pachtabkommen erforderlich wurden - obwohl Amann und sein Stabsleiter generell viel Energie darauf verwendeten, »Sonderwünsche« und Kapitalanforderungen für Betriebserweiterungen »bis zur Herstellung einer gesunden Finanzlage« abzublocken 3 2 1 . Mit seiner auf Abtragung der außerordentlich hohen »Fremdeinlagen« (1936 rund 35,5 Millionen Reichsmark bei einem Eigenkapital von 7,6 Millionen) ausgerichteten Sparpolitik stieß Amann immer wieder auf Kritik der Gauleiter, die bare Münze sehen wollten und wohl schon deshalb wenig für Amanns Ansinnen übrig hatten, weil sie wußten, der Standarte-Hauptkreditgeber würde Langmut zeigen: Es war ja der Staat, der die

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Insofern ist die pauschale Feststellung unzutreffend, die Gauleiter hätten aus der Presse »Gelder« gewinnen können, die der Kontrolle der Reichsleitung entzogen waren; vgl. Hüttenberger, a.a.O., S. 121: Bis zur Zentralisierung der Parteipresse machte fast kein Gauverlag Gewinne; danach aber standen sie unter strenger finanzieller Kontrolle. Daß ein Gauleiter trotzdem noch größere Transaktionen vornehmen konnte, ist unwahrscheinlich. Vgl. dazu in aller Ausführlichkeit Lochmüller, a.a.O., S.608-662. BA, N S D 14/2, Rundschreiben des Reichsleiters für die Presse an die Gauleiter, einschließlich Geschäftsbericht 1936. Ebenda. - Trotz aller Bemühungen ist es nicht gelungen, Umsatz- oder Gewinnzahlen des Gauverlages für die Zeit nach 1933 zu ermitteln. Auch in den Finanzamtsakten des Eher-Verlages sind keine Angaben enthalten; Mitteilung des Finanzamts München an den Verf. vom 2. 8. 1978.

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zwangsweise geschlossenen und enteigneten Verlage an die Partei weiterverkauft hatte. Als NSDAP-Finanzchef Franz Xaver Schwarz Anfang 1939 für seine Gauschatzmeister bei Amann um höhere Ausschüttungen nachsuchte, bekam er das alte Lied über den Zentralreservefonds zuzüglich der Eigenkapitalbildungs- und Investitionsstrophen zu hören - und eine Abfuhr. Die 1,2 Millionen Reichsmark, die 1937 verteilt worden seien, markierten die »äußerste Grenze«, eine »nennenswerte Erhöhung« sei auch in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Trotz der »erfreulichen Verbesserung der Finanzlage der Gauzeitungen« in den letzten Jahren hielt Amann den Daumen fest auf der Kasse und bat seinen Reichsleiterkollegen, die Gauschatzmeister aufzuklären, auf daß die Gauleiter nicht zu »falschen Ansprüchen« bewogen würden 322 . Parteidespoten wie dem rheinpfälzischen Gauleiter Josef Bürckel, deren chaotische Verlagspolitik von wahren Exzessen der Korruption und des Eigennutzes begleitet waren 323 , blieb Amanns feste Führung, die wiederholt mit sorgfältigen Buchprüfungen durch Max Winklers Wirtschaftsprüfungsgesellschaft »Cura« untermauert wurde 324 , natürlich immer ein Dorn im Auge. Vergleichsweise straff und auf organisatorische Effizienz angelegte Gauverlage hingegen profitierten vom Amannschen Holding-Uberbau. Der ehemalige Schemm-Betrieb gehörte in diese anfangs eher kleine Gruppe. Die Holding versorgte die Gaupresse nicht nur mit Krediten, sondern auch mit betriebswirtschaftlichem und organisatorischem Know-how; und neben Dampferfahrten für die Verlagsleiter nach Norwegen organisierte sie gemeinsame redaktionelle Auslandsvertretungen und Werbeaktionen für die Parteipresse 325 . Die Förderung der Parteiblätter wurde fortgesetzt vom Münchner Amt des Reichspressechefs der NSDAP, Otto Dietrich, das neben der Nationalsozialistischen Parteikorrespondenz (NSK) zeitweise vier weitere Dienste anbot, nicht gerechnet die »Wochensprüche«, Reichsring-Artikeldienste und Sonderempfehlungen der Reichspropagandaleitung 326 . Außerdem veranstaltete Dietrich gelegentlich journalistische Sonderaktionen ; Anfang 1937 etwa versorgte sein Pressepolitisches Amt die Gauorgane zwei Monate lang unter dem Thema »Die Partei im Kampf für Deutschland« mit vorgefertigten Berichten, die nur mehr mit ein paar lokalen Meldungen und Fotos garniert zu werden brauchten 327 . Was dabei Artikel mit so »reißerischen« Arbeitstiteln wie »Unser Gau« oder »Partei und Vier jahresplan« drastisch offenbarten, nämlich die der Parteipresse in besonderem Maße innewohnende Tendenz zu langweilig-trockener, weil quasi-amtlicher Berichterstattung, soll hier für die Bayerische Ostmark zumindest kursorisch dargestellt werden. Am Redaktionsprogramm der Gauzeitung, wie es Ende 1932 für Ass Fränkische

Volk

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B D C , Personalakten Amann, Schreiben Amanns an Schwarz vom 15. 2. 1939.

323

Zur extrem selbstbewußt-eigensinnigen, teilweise nicht einmal von Goebbels wirklich zu beeinflussenden Pressepolitik Biirckels, die dieser auf dubiose Weise mit seiner »volkssozialistischen Selbsthilfe« verknüpfte, mehrere Hinweise in G S t A , M A 106675 und M A 106466; s. auch Hüttenberger, a.a.O., S. 130 und 140. So lautete etwa der Auftrag des Parteipresse-Verwaltungsamtes vom 4. 7. 1934 »auf Prüfung der sämtlichen parteiamtlichen Zeitungs- und Zeitschriften-Verlage«; B A , R 55/771. B A , R 56 IV/16, hektographierte Rundschreiben des Verwaltungsamts für die Presse, 1934 f. ; vgl. auch Haie, a . a . O . , S. 105. B A , N S D 13/12, N S D 13/69, N S D 13/92, N S D 13/101, N S D 13/105, NS 18/44, N S 18/86. B A , N S 26/1171, vertrauliche Anweisung vom 20. 1. 1937.

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325

326 327

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konzipiert worden w a r 3 2 8 , änderte sich im ersten Jahr der NS-Herrschaft nur wenig, dafür um so mehr an ihrem Selbstverständnis, erkennbar an Stil und Aussehen; man war schließlich Organ einer zur Regierungspartei avancierten N S D A P und verfügte obendrein über einen leibhaftigen Staatsmann als Herausgeber. Seinen Einzug ins Münchner Kultusministerium ließ Hans Schemm - die in den Augen vieler »Ostmärker« zweifellos gegebene persönliche Verehrungswürdigkeit nun mehrend mit Ministermacht - aber auch im eigenen Blatt gebührend feiern. Sein in die Kapitale geeilter Hauptschriftleiter Hans Roder, als er bei einem Blick in die »Werkstatt des Kultusministers« viel, viel Arbeit erspäht und von »bis in die tiefe Nacht« währenden Empfängen erfahren hatte, mußte sich denn doch die allerletzten Worte versagen: die sollten für den obersten und führenden Nachtarbeiter vorbehalten bleiben 3 2 9 . Nachdem die Gaublatt-Redaktion dem frischgebackenen Minister gegeben, was ihm zu gebühren schien, wurde tags darauf, am 1. April, der bei der Regierungsbildung leer ausgegangene Julius Streicher mit einem beeindruckend großen Porträtfoto auf der Titelseite getröstet. Daß der danebenstehende Artikel kein Scherz zum Monatsanfang war, sondern bitterer Ernst des Judenhassers, wurde sehr schnell klar: Die Boykottaktionen gegen »jüdische Geschäfte, Rechtsanwälte und Ärzte« stand unter dem Motto »Schlagt den Weltfeind!«. Von der Staatsführung sanktioniert, wurde sie zwar im ganzen Reich durchgeführt 3 3 0 , war mithin Pflichtthema für die Gauzeitung; der Grund für die besondere Herausstellung ihres Initiators Streichers im Fränkischen

Volk lag jedoch darin, daß

der Führer von Schemms Nachbargau in dem Bayreuther Blatt angemessen repräsentiert sein mußte, wollte man es auch weiterhin in dessen »Hoheitsgebiet« verkaufen können. Trotz solcher Bemühungen, die das Fränkische Volk durch die Übernahme von Parolen und Hetzartikeln zeitweise in die Nähe der antisemitischen Aggressivität des Streicher-Wochenblatts Stürmer brachte, kündigte der »Frankenführer« kaum ein Vierteljahr später das - natürlich nicht uneigennützige - publizistische »Entwicklungshilfeprojekt« der Schemm-Brüder. Statt der geforderten 100000 R M , die die Brüder Schemm in die Nürnberger Teilauflage ihres Blattes mindestens investiert haben wollten, zahlte Streicher nur 20000 R M 3 3 1 . Inwieweit Forderung und Zahlung berechtigt waren, wird wohl ungeklärt bleiben 3 3 2 . Die Schemm-Version, Streicher habe den Bayreuther Gauverlag rüde unter Druck gesetzt, paßt freilich durchaus in das Bild des vom außerhalb seines Gaues abgehalfterten, neben dem Aufsteiger Schemm längst glanzlosen 3 3 3 und dafür kleinliche Rache nehmenden Julius Streicher. Das eigentlich Erstaunliche in diesem Zusammenhang ist freilich weniger, daß sich Streicher bald nach der Machtergreifung mit der Fränkischen

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ein eigenes Hausblatt schuf. Verwunderlich ist vielmehr,

Vgl. S. 28.

329

Vgl. Fränkisches Volk vom 31. 3. 1933, S . 2 f .

330

Vgl. Broszat, a . a . O . , S. 210.

331

Mitteilung Georg Schemms vom 1 5 . 1 0 . 1 9 7 7 . Sie wird sinngemäß bestätigt von Hans Retsch, der sich erinnert, die Nürnberger Parteiblatt-Druckerei habe nur eine geringe »Anerkennungsgebühr« für die Übernahme des Verlagsrechts geleistet; Mitteilung vom 21. 7. 1978. Dazu auch Kern, a . a . O . , S . 2 5 9 . Auch Hüttenberger, a . a . O . , S . 6 3 f., der im Zusammenhang mit Gauleiter-»Pressekämpfen« nur von einem Streit zwischen Gottfried Feder und Streicher berichtet, geht über die Feststellungen Haies, a . a . O . , S. 52, nicht hinaus. Vgl. Hambrecht, Aufstieg, a . a . O . , S . 3 8 5 f f .

332

333

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wie lange er - und noch länger der mainfränkische Gauleiter Dr. Otto Hellmuth, der Schemms Würzburger und Schweinfurter Nebenausgaben (gemeinsamer Titel: Nationale Stimme) erst am 1. April 1934 unter seine Kontrolle nahm 3 3 4 - in einer so prestigeträchtigen und nicht zuletzt auch wirtschaftlich interessanten Angelegenheit auf seinem Terrain einen anderen Gauführer schalten und walten ließen. Bei Streicher mögen taktisch-finanzielle Gründe sowie die Konzentration auf den Stürmer ausschlaggebend gewesen sein 3 3 5 . Und auch das Argument, im Fränkischen Volk werde die verwaltungspolitische Zusammengehörigkeit Mittel- und Oberfrankens dokumentiert, wird eine Rolle gespielt haben, so daß dem durch seinen langen Konflikt mit dem SA-Gruppenführer Stegmann 336 geschwächten Gauleiter ein Zuwarten geraten schien. Hellmuth hingegen scheint die Unterstützung aus Bayreuth lange Zeit nicht nachteilig empfunden zu haben, da er seine persönlichen pressepolitischen Aktivitäten zunächst auf den westlichsten Zipfel Mainfrankens beschränkte: In Aschaffenburg firmierte er seit 1. Juli 1933 als Herausgeber der mit einem unbedeutenden NS-Blatt nach langwierigen Besetzungs- und Bedrohungsaktionen fusionierten Aschaffenburger Zeitung331, die bald 13000 Abonnenten zählte. Mit den Unterausgaben für Main- und Mittelfranken verlor der Gauverlag Bayreuth einen beträchtlichen Teil seiner Gesamtauflage - die mainfränkischen Nebenblätter waren zuletzt mit rund 35000 Exemplaren täglich erschienen 338 , die Nürnberger Ausgabe lag bei angeblich 20 000 Stück 3 3 9 . Die gleichzeitig damit ausgeschalteten Anzeigenmärkte der ökonomisch deutlich höher entwickelten Regionen außerhalb der »hungernden Ostmark« dürften sich ebenfalls nicht unerheblich auf die Verlagsfinanzen ausgewirkt haben, denn immerhin hatten die Schemm-Brüder in dem dort erfolgversprechenderen Anzeigengeschäft seinerzeit wohl einen wesentlichen Anreiz dafür gesehen, die Gaugrenzen überhaupt zu überschreiten. Allerdings hatte auch die Reduktion ihre positiven Seiten, denn in einer Zeitung, die nur mehr auf das Gaugebiet beschränkt (dessen Namen sie bald darauf auch einheitlich trug) Wirkung zu erzielen brauchte, konnten die Schemmschen Ideologeme natürlich ungehemmter vermittelt werden, als wenn auf - möglicherweise gar konträre - Lieblingsideen der benachbarten Amtskollegen Rücksicht genommen werden mußte. Vor allem der aus realen wirtschaftlichen Strukturproblemen, »Blubo«-Mystik und Bolschewismus-Panik zusammengebraute Grenzmark-Schwulst wurde nun auch auf den vorderen Seiten des Blattes pathetisch zelebriert, während er bislang weitgehend im Lokal- und Regionalteil beschworen worden war. Das Ostmark-Thema sollte, indem es das Sonderbewußtsein der Schemm-Untertanen stärkte 3 4 0 , integratorische Effekte mobilisieren: auf

334

Vgl. Kern, a . a . O . , S . 2 5 9 .

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Daß Schemm Streicher einfach zuvorgekommen sein soll, weilStreicher sich mit dem Nürnberger NS-Drucker Willy Liebel um die Herausgabe einer Tageszeitung stritt, klingt unwahrscheinlich. So aber die Auskunft des ehemaligen Nürnberger Volk-Redakteurs Franz Weinert an Hambrecht, a . a . O . , S. 167. Vgl. Hambrecht, Aufstieg, a . a . O . , S . 3 7 0 - 3 9 3 .

336 33

' Dazu Hartmann, a . a . O . , S. 144; G S t A , M A 106460/16 und B A , NS 26/970.

338

Hartmann, a . a . O . , o.S.

339

B A , NS 26/972.

340

Vgl. Broszat, a . a . O . , S. 148f.

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G a u e b e n e t r a n s f o r m i e r t e V o l k g e m e i n s c h a f t s i d e o l o g i e . A n g e s i c h t s d e r traditionellen R e serviertheit d e s e v a n g e l i s c h e n O b e r f r a n k e n g e g e n ü b e r d e m z w a r a u c h d u r c h den M ü n c h ner Z e n t r a l i s m u s b e n a c h t e i l i g t e n , a b e r k a t h o l i s c h e n N i e d e r b a y e r n w a r dieses U n t e r f a n gen s o g r u n d l o s nicht. I n der G a u z e i t u n g k a m es e t w a d u r c h eine s t ä n d i g e R u b r i k der » O s t m a r k - W e r b e s t e l l e « z u m A u s d r u c k , die A u f t r ä g e f ü r H a n d w e r k s - u n d Industrieleis t u n g e n z u v e r m i t t e l n s u c h t e 3 4 1 . D i e s e Z u s a m m e n s t e l l u n g n a c h z u d r u c k e n , w u r d e den K o n k u r r e n z z e i t u n g e n explizit v e r b o t e n - w i e d e n n ü b e r h a u p t das B e s t r e b e n , die mark

Ost-

z u e i n e m o f f i z i ö s e n , e x z e p t i o n e l l e n R e g i e r u n g s - u n d P a r t e i o r g a n z u stilisieren,

i m m e r w i e d e r a u c h in d e r Z e i t u n g s e l b s t n a c h z u l e s e n d e D i s k r i m i n i e r u n g e n u n d B e l e h r u n g e n d e r b ü r g e r l i c h e n P r e s s e nach sich z o g . M a n s c h e u t e sich n i c h t , k o n k r e t e W a r n u n g e n a n die G e s c h ä f t s w e l t a b z u d r u c k e n , als ein R e g e n s b u r g e r V e r l a g b e i s p i e l s w e i s e » v e r b o t e n e A n z e i g e n w e r b u n g « f ü r eine B r o s c h ü r e ü b e r die O s t m a r k - U n t e r n e h m e n b e t r i e b 3 4 2 . A u f die seit d e m G e s e t z ü b e r W i r t s c h a f t s w e r b u n g v o m 12. S e p t e m b e r 1933 u n d d e r d a m i t v e r b u n d e n e n G r ü n d u n g d e s »Werberats der deutschen W i r t s c h a f t « 3 4 3 bestehenden Genehmigungspflicht solcher A k q u i s i t i o n s g e s c h ä f t e h i n z u w e i s e n , w ä r e m a n e b e n s o g u t d u r c h ein S c h r e i b e n an die b e t r e f f e n d e F i r m a in der L a g e g e w e s e n . A b e r d e m G a u v e r l a g g i n g es h ö c h s t e n s in z w e i t e r L i n i e u m das m ö g l i c h e r w e i s e » u n g e s e t z l i c h e « V o r g e h e n des R e g e n s b u r g e r U n t e r n e h m e n s ; w i c h t i g e r w a r d i e d a m i t v e r b u n d e n e G e l e g e n h e i t , die eigene A u t o r i t ä t u n d Q u a si-Amtlichkeit herauszustellen. D i e s m a c h t e sich, t r o t z des w e i t e n R e d a k t i o n s a n g e b o t s , d a s v o n H a n s

Schemms

G r ü n d u n g s k o n z e p t ü b e r n o m m e n u n d bis e t w a 1936 n o c h w e i t e r a u s g e b a u t w u r d e , a u c h i m J o u r n a l i s t i s c h e n b e m e r k b a r . N i c h t , daß der L o k a l - u n d R e g i o n a l b e r i c h t e r s t a t t u n g n o c h i m m e r z u w e n i g P l a t z e i n g e r ä u m t w o r d e n w ä r e - einschließlich d e r K l e i n a n z e i g e n in der B a y r e u t h e r A u s g a b e n u n n o r m a l e r w e i s e drei S e i t e n , w ä h r e n d sich die ö r t l i c h e K o n k u r r e n z m e i s t m i t k n a p p einer Seite b e g n ü g t e - , a b e r die D o m i n a n z v o n P a r t e i t h e m e n w u r d e d u r c h die s t ä n d i g u n m ä ß i g e r w e r d e n d e S u c h t nach S e l b s t d a r s t e l l u n g ihrer u n zähligen G r u p p e n und Fachorganisationen im »eigenen Blatt« dermaßen übersteigert, daß es selbst d e m a u f r i c h t i g interessierten Z e i t - u n d a u c h P a r t e i g e n o s s e n gelegentlich z u viel g e w o r d e n sein d ü r f t e . D a s k a u m z u stillende B e d ü r f n i s n a c h E i g e n p r ä s e n t a t i o n w a r z w a r kein s p e z i f i s c h n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e s P h ä n o m e n , s o n d e r n scheint g e n u i n e s M e r k mal j e d e r m e d i a t i s i e r t e n G r u p p e n k o m m u n i k a t i o n z u s e i n ; die B r i s a n z dieses S a c h v e r halts f ü r d e n N a t i o n a l s o z i a l i s m u s j e d o c h lag i m A n s p r u c h der P a r t e i p r e s s e auf B e f r i e d i g u n g d e r K o m m u n i k a t i o n s b e d ü r f n i s s e eines a l l g e m e i n e n L e s e r p u b l i k u m s . Seit e t w a 1936 v e r s u c h t e m a n , d e m v o n G o e b b e l s e r k a n n t e n u n d m i t d e m die U r s a c h e n v e r s c h l e i e r n d e n Stichwort »Uniformierung« gekennzeichneten Strukturproblem entgegenzuwirken. W e r , außer d e n M i t a r b e i t e r n eines x - b e l i e b i g e n m i t t e l s t ä n d i s c h e n O s t m a r k - U n t e r n e h m e n s u n d vielleicht n o c h d e r e n A n v e r w a n d t e n , m o c h t e sich i m E r n s t auf einer h a l b e n Z e i t u n g s s e i t e i n f o r m i e r e n , in w e l c h e r S t ä r k e d e n n n u n g e n a u der » n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e G e i s t « d u r c h eine F i r m a w e h t e u n d w a s die N S B O - B e t r i e b s l e i t u n g z u d i e s e m g r a n d i o s e n

341 342 343

Vgl. etwa Bayerische Ostmark Bayreuth vom 6. 10. 1934, S. 12. Vgl. Bayerische Ostmark Bayreuth vom 5. 10. 1934, S. 12. Vgl. dazu ausführlich Haie, a.a.O., S. 119f.

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Norbert Frei

Arbeitsklima noch alles schön trocken zu formulieren wußte 3 4 4 . Eine andere Frage ist, was solche Propagandaartikel, randvoll mit NS-Ideologie, bei den Rezipienten bewirkten. Auf Spekulationen darüber wird verzichtet. Hatten solche Berichte wenigstens noch einen lokalen Bezug und für den Gauverlag den Vorteil, daß sie das porträtierte Unternehmen gelegentlich zu einem aus Dankbarkeit oder nach Aufforderung bestellten Inserat bewogen, so war im täglich ganzseitigen, vorfabrizierten »Unterhaltungsteil«, der offenbar die breit ausgewälzten politischen Texte kompensieren sollte, nichts enthalten, das spezifischen Zuschnitt auf die Interessen eines kleinen Ostmark-Bauern oder -Arbeiters erkennen ließ - von dem im übrigen anzunehmen nahe liegt, er habe das für Provinzverhältnisse bis zum Kriegsanbruch außergewöhnlich umfangreiche Parteiblatt ohnehin öfter abonniert als gelesen 345 . Bei einer Stichtags-Untersuchung 346 zeigt sich, daß der Seitenumfang der Zeitung von durchschnittlich knapp unter zwölf Seiten in der ersten Oktoberwoche 1933 bis 1936 auf den Höchstwert von über 14 Seiten anstieg. Die anschließende Einpendelung etwa auf den Umfang von 1934 wich sofort nach Kriegsbeginn einer empfindlichen Abnahme zunächst auf etwa neun, später auf fünf und weniger Seiten. Gleichzeitig zeigt die Entwicklung des Anzeigenaufkommens bis 1939 eine Phasenverschiebung um etwa zwei Jahre, wobei der Spitzenwert des Jahres 1937 mit einem Anzeigenanteil von über 23 Prozent am Zeitungsvolumen sich wesentlich langsamer abbaute als die Gesamtseitenzahl. Noch im vorletzten Kriegsjahr lag er mit reichlich 15 Prozent um zwei Punkte über dem Wert von 1934. In absoluten Zahlen sank die Anzeigenfläche natürlich seit Kriegsausbruch, jedoch erforderten die vermehrten Todesanzeigen für die Gefallenen, die bis zu 40 Prozent des Anzeigenraumes einnahmen, eine relativ stärkere Kürzung des Redaktions- als des Insertions teils. Der Grund für die bis 1936/37 anhaltende Ausweitung des redaktionellen Teils der Bayerischen Ostmark ist zweifelsfrei im erst zu dieser Zeit nachlassenden Konkurrenzkampf mit den Privatblättern zu suchen : Jede zusätzliche Textspalte sollte ein Argument mehr sein für die Parteipresse-Werber. Etwa Mitte 1937, als die Zwangsfusionen aufgrund der Amann-Anordnungen weitgehend abgeschlossen waren und die Gauzeitung über 50 Prozent der Ostmark-Auflage druckte, ließen diese Anstrengungen nach, der Umfang ging zurück. Dabei lag nur ein scheinbarer Widerspruch darin, daß der Inseratenteil zu einer Zeit anwuchs, als der Gesamtumfang im Abnehmen begriffen war; es hatte nämlich über zwei Jahre gedauert, bis das nach der Weltwirtschaftskrise völlig daniederliegende Werbewesen, das Anfang 1934 nur noch die Hälfte des Umsatzes von 1932 erzielte 347 , einigermaßen saniert war. Die Bürokratisierung durch den Werberat hatte diesen Prozeß nicht eben gefördert. Nun aber begünstigte auch der Einsatz moderner Marketingmethoden die Verlagsexpansion.

344

Vgl. zum Beispiel Bayerische Ostmark Bayreuth vom 7. 9. 1935, S. 13.

345

Ein ehemaliger Regensburger Ostmark-Schriftleiter bestätigte ausdrücklich diese Vermutung, Mitteilung von Ludwig Alwens vom 12. 7. 1978. Ausgewertet wurden die Bayreuther Ausgaben von Fränkischem Volk bzw. Bayerischer Ostmark, 1 9 3 3 - 1 9 4 4 , jeweils in der dem ersten Oktobersonntag vorausgehenden Woche. Vgl. Haie, a . a . O . , S. 120.

346

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P r o v i n z z e i t u n g e n in der Bayerischen O s t m a r k

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Der Aufschwung im Reklameteil der Ostmark gleich nach der Machtergreifung, hatte sich dagegen bald als Scheinblüte erwiesen. Nachdem sich auch Unternehmen, die zu früheren Zeiten niemals Werbung betrieben hatten, beispielsweise Gaststätten, durch ein, zwei mit den Prädikaten »christlich« oder »deutsch« versehene Inserate von ihren Verpflichtungen gegenüber den neuen Machthabern freigekauft zu haben glaubten, gaben sie ihr Geld lieber wieder für nützlichere Dinge aus oder legten es für die nächste NSV-Sammlung zurück, der sie sich kaum entziehen konnten. Die vielen Anzeigen im Frühjahr 1933 waren im Verständnis ihrer Auftraggeber Spenden mit symbolischer Gegenleistung; Wohlverhaltensbezeugungen der Selbständigen, die.den Fortgang ihrer Geschäfte nun mit dem Hinweis auf ihre arische Abstammung zu legitimieren hatten. Inserate jüdischer Unternehmer wurden von der Bayerischen Ostmark selbstverständlich nicht aufgenommen. Ebenso wie die Zentralisierung des Anzeigenwesens forderte auch die Stilisierung des Gaublattes zum allgegenwärtigen »Regierungsorgan der Ostmark« ihren Preis: Immer stärker wurde Kommunikation verwaltet statt vermittelt, Bürokratie trat an die Stelle von Journalismus. In ihrem Bemühen, der lokal verankerten Heimatpresse ernsthafte Konkurrenz zu sein, hatte die Verlagsleitung schon bald auf intensivere Berichterstattung aus den einzelnen Bezirken und Ortschaften hinwirken müssen. Im rein katholischen Niederbayern und in der Oberpfalz kam die Notwendigkeit hinzu, religiös begründete Vorbehalte auszuräumen. Die Gauzeitung schaffte dies erstaunlich problemlos, indem sie die kirchlichen Nachrichten schon frühzeitig besonders pflegte. Ende 1934 konnte der niederbayerische Regierungspräsident feststellen: » D a ß die Zeitung >Bayerische Ostmark< die Angelegenheiten der katholischen Kirche n u n m e h r ausführlicher und wohlwollend behandelt, wird v o n der katholischen B e v ö l k e r u n g aufrichtig begrüßt«348.

Wo die meist dem gebildeten Bürgertum entstammenden freien Mitarbeiter der Lokalzeitungen nicht abgeworben werden konnten (und das war oft der Fall), verpflichtete man so ziemlich jeden auch nur entfernt in Frage kommenden Parteigenossen; er war schon oder wurde dann zugleich Orts- bzw. Kreispressewart der Partei. Besonders in den Jahren bis 1936, als die Bayerische Ostmark über noch relativ wenige Pacht- bzw. Lokalseiten-Druckverträge mit örtlichen, ehemals selbständigen Verlegern verfügte, kam diesen Amateur-Korrespondenten große Bedeutung zu. Sie übermittelten ihre Informationen an die verschiedenen Regionalredaktionen, von denen Anfang 1934 neun existierten, die Bayreuther Zentrale mitgerechnet349. Jede dieser Außenredaktionen hatte täglich mehrere Seiten zu gestalten, die in den einheitlichen Mantel eingehängt wurden. Den ihnen zur Verfügung stehenden Platz auszufüllen, war insbesondere für die abgelegenen Regionalredaktionen am Rand von Oberpfälzer und Bayerischem Wald oftmals keine 348

GStA, M A 106672, Monatsbericht der Regierung von Niederbayern vom 9. 11. 1934. Die von Goebbels im ganzen Reich provozierte Kampagne gegen den katholischen Klerus, bekannt als »Priesterprozesse«, waren auch für Abonnenten der Gauzeitung Anlaß zu Mißfallenskundgebungen. Allerdings erwuchsen daraus für das Schemm-Blatt keine größeren Probleme als für die gesamte Presse, für die die angeblichen Sittlichkeitsverbrechen von Geistlichen »Pflichtthema« war. In der Gesamtarbeit des Verf. werden die Auswirkungen dieser Inszenierung auf die Glaubwürdigkeit der Zeitungen näher behandelt.

349

StA Bamberg, M 30/772, Gauverlagsprospekt für 1934.

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Norbert Frei

leichte Aufgabe - nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine interessante Berichterstattung 3 5 0 . So wohlüberlegt und - je dichter sich in den folgenden Jahren das N e t z der Außenredaktionen zog, um so perfekter - gegliedert die Organisation war: Ihre entscheidende Prüfung hatte sie stets vor O r t abzulegen, und da gab es auch die eigentlichen Schwierigkeiten. Viel zuoft waren die zu Berichterstattern gekürten Parteigenossen überfordert, als daß sich ein flexibles Informationssystem hätte entwickeln können. Befehlsähnliche Anweisungen an die Ortspressewarte, »allwöchentlich mindestens zwei Berichte . . . einzusenden«, wie sie etwa der Kreispressewart von Viechtach im Bayerischen Wald 3 5 1 aus der Sorge erteilte, sein Gebiet könnte in der in Straubing für acht Bezirke gemeinsam herausgegebenen Ausgabe unterrepräsentiert sein, gingen zwangsläufig zu Lasten des Inhalts: Nicht was, sondern daß etwas aus ihrem Amtsbereich erschien, war solchen Lokalgrößen der Partei wichtig. D i e schon dem Selbstverständnis der berichtenden Funktionäre entsprechende Hervorhebung parteipolitischer Aktivitäten und die Vernachlässigung des wenigen, was sonst noch passierte, wurde von den Ostmark-Redakteuren, sicher unbeabsichtigt, dadurch gefördert, daß sie nur zu Terminen, denen in der NS-Feiergestaltung besondere Bedeutung zukam, ihren Laien-Mitarbeitern Erklärungen und Hilfestellung zuteil werden ließen. U n d wenn, dann geschah dies auch schon einmal direkt in der Zeitung - was auf ein selbst bei den professionellen Schreibern durch starkes Parteiengagement teilweise getrübtes Journalismusverständnis schließen läßt. Gelegentliches »Training« in Sachen Journalismus, das von zwei aus Berlin entsandten Großstadt-Blattmachern vermittelt wurde, konnte nur kurzzeitig Abhilfe schaffen: Der frische Wind, der aus Richtung der Boulevardpresse kam, wich bald wieder provinziellem Parteimief 3 5 2 . In der Woche vor dem ersten Oktobersonntag 1934 erschien im Gaublatt ein zweispaltiger, auffälliger Kasten: »Achtung Pressewarte und Berichterstatter! Wir berichten vom Erntedankfest!«. Mit dem Hinweis, daß die Berichte aus »großen Orten« in der Montagsausgabe erscheinen sollten und deshalb bereits am Sonntagnachmittag »aufgegeben« werden müßten, »auch wenn die Feiern noch nicht ganz abgeschlossen sind!«, wurde die Bitte verbunden, möglichst knapp zu schreiben. Es war dies wohl der zaghafte Versuch, den Gesamtumfang der Feier-Meldungen einigermaßen bezwingbar zu halten, von denen aus Gründen der Gleichbehandlungen aller Ortsgruppen natürlich keine weggelassen werden durfte; dies zu tun, wäre die journalistisch einzig richtige Lösung gewesen. Immerhin wurde vorsorglich klargestellt, daß nach dem auf das Fest folgenden Mittwoch keine Berichte mehr abgedruckt würden 3 5 3 . N o c h wichtiger als die Bauern- und Boden-, war stets die »Blutfeier« zum 9. N o v e m ber; die Berichterstattung darüber nahm der Gaupresseamtsleiter höchstpersönlich in die

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351

352 353

Mitteilung des ehemaligen Ostmark-Mitarbeiters Armin Eichholz vom 2. 6. 1978. D e r ständige Stoffmangel führte beispielsweise d a z u , daß Eichholz während seiner Volontärszeit versuchte, für die tägliche Lokalspitze selbst dem R u m m e l u m Marlene Dietrich einen lokalspezifischen A s p e k t abzugewinnen. StA B a m b e r g , M 33/346, Schreiben der Ostwacht-Schriftleitung Straubing an die Kreispressestelle Viechtach v o m 18. 4. 1934. Mitteilung von L u d w i g Alwens vom 12 . 7. 1978. Vgl. Bayerische O s t w a c h t , A u s g a b e Weiden, vom 28. 9. 1934, S. 10.

Provinzzeitungen in der Bayerischen O s t m a r k

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Regie: Auf Weisung aus Bayreuth hatten sämtliche Kreispresseleiter für einen »zusammenfassenden Bericht« - der detailreiche Einzelschilderungen auf der Lokalseite freilich keineswegs ausschloß - »Mitteilung zu machen« 3 5 4 . Angesichts der - wenigstens auf der unteren Ebene - nie eindeutig erfolgten Klärung dessen, was Zweck und Aufgabe der Gauzeitung sei, konnten Mißverständnisse nicht ausbleiben. Mußte ein Blatt, weil offizielles Organ der N S D A P , in ihrer Bedeutung noch so sehr lokal begrenzte oder schlicht unwichtige Details veröffentlichen, die ein subalterner Parteifunktionär gerne gedruckt gelesen hätte? Die ungelenke Klage einer Ortsgruppe aus dem Bayerischen Wald gründet in einem solchen Streit, an dem sich die gegenseitige Verärgerung dann hochschaukelte: » U n s e r e N S - B a y e r i s c h e O s t m a r k - Z e i t u n g n i m m t H i n w e i s e auf Parteiveranstaltungen seit einiger Zeit nicht mehr auf. Sie meint w o h l , wir sollten Inserate aufgeben. D a s ist bei der finanziellen L a g e der O r t s g r u p p e gänzlich ausgeschlossen. D a m i t fällt aber ein wichtiges Propagandamittel der N S D A P aus. Wir beliefern nun die A u s g a b e Viechtach auch nicht mehr mit Veranstaltungsberichten«355.

Je weitverzweigter das Lokalredaktions-System der Ostmark wurde, desto schwieriger wurde auch die Überwachung ihrer journalistischen und organisatorisch-technischen Qualität. Auf den von Bayreuth aus nicht im voraus kontrollierbaren Lokalseiten kamen ideologische Ausrutscher mitunter schon vor: Wenn etwa ein Mitarbeiter die tiefe Empörung der niederbayerischen Dorfbevölkerung über die Kruzifixschändung »gemeiner Kerle« im Jugendheim sorglos-naiv als solche bezeichnete, war das ein Fall für die Bayerische Politische Polizei, die darin »hinterhältige Stimmungsmache« gegen die H J erblickte - und den Hauptschriftleiter verwarnte, der von allem keine Ahnung hatte 356 . Wie manche von Heimatblättern übernommene Lokalkorrespondenten, waren auch einstmals selbständige Drucker und Zeitungsverleger nicht immer willens oder in der Lage, sich in jeder Einzelheit auf die Usancen der Kommandozentrale im fernen Bayreuth einzustellen. Gegen Bequemlichkeiten, Schiuderei und persönliche Animositäten hatten Gaupresse- und Verlagsleitung stets anzukämpfen: » S o legt z . B . die Schriftleitung C o b u r g die sonderbare Ansicht zutage, daß die V e r ö f f e n d i c h u n g eines A u f r u f e s oder einer A n k ü n d i g u n g in der nächstfolgenden N u m m e r nach der A u s h ä n d i g u n g mit jüdischer H a s t z u vergleichen sei. Wir stehen natürlich auf d e m Standpunkt, daß A u f r u f e u n d A n k ü n d i g u n g e n nicht geschrieben werden, damit sie tagelang bei den Schriftleitungen herumliegen und gelegendich einmal als Füller verwendet w e r d e n « 3 5 7 .

In ihrem Bemühen, perfekte Pannensicherungen zu konstruieren und Fehlentwicklungen umzukehren, bewirkten die mit Pressefragen beschäftigten Parteifunktionäre durch immer neue Anweisungen und Befehle das genaue Gegenteil: Das anfänglich noch einigermaßen flexible Kommunikations system der Partei erstarrte in bürokratischer Schwerfälligkeit; aus einem dynamischen, an der Mediatisierungswürdigkeit von Ereig-

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356 357

StA Bamberg, M 33/120, Rundschreiben des Gaupresseamts an die Kreispresseamtsleiter vom 2. 11. 1934. StA Bamberg, M 33/323, Tätigkeitsbericht der Ortsgruppe Teisnach für die Kreisleitung Cham-Viechtach, Februar 1939. BA, R 58/1017, Lagebericht der BPP für September 1936 (Auszug). StA Bamberg, M 30/616, Schreiben des Gauwalters Bayreuth an die Kreisleitung Hof vom 28. 12. 1934.

5. Max Amann, Verlagsdirektor und Präsident der Reichspressekammer

6. Hermann Èsser, Chef der Bayerischen Staatskanzlei und Wirtschaftsminister

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

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nissen orientierten Geflecht sachbezogener Informationsträger-Verbindungen wurde ein hierarchisierter, auf Kompetenzfixierungen verpflichteter Institutionenfilz. Das galt auf allen Ebenen der Partei, wie zwei Rundschreiben einer Kreis- und der Gauleitung illustrieren sollen. Im ersten verpflichtet der Viechtacher Kreisleiter-Adjutant die Funktionäre seines niederbayerischen Bezirks, sämtliche geplanten Presseveröffentlichungen zur Genehmigung vorzulegen: »Es ist dies erforderlich, um alle politischen Veröffentlichungen genau überwachen zu können. Die Zeitungsverleger sind von der Kreisleitung angewiesen, alle eingesandten Notizen, welche Stempel und Unterschrift der Kreisleitung nicht tragen, zurückzuweisen« 3 5 8 .

Ganz ähnlich auch die Anordnung der Bayreuther Gauleitung, in der » . . . das Gau-Presseamt die Gauämter der Gauleitung wie auch die Gaudienststellen der Gliederungen und Organisationen erneut darauf hinweist, daß Pressedurchgaben an die gauamtliche und an die Gesamtpresse nur über das Gau-Presseamt erfolgen können. Diese Anordnung ist der Gesamtpresse bereits bekannt, so daß bei direkten Durchgaben unter Ubergehung des Gau-Presseamtes zu befürchten steht, daß dieselben nicht aufgenommen werden« 3 5 9 .

Bürokratisierungssucht und Versuche, die eigene Existenz zu legitimieren, waren freilich keineswegs Spezialitäten der O s t m a r k - N S D A P ; wichtige Anstöße zu ihrer Ausbreitung kamen im journalistischen Bereich von O t t o Dietrichs Reichspresseleitung, als dieser ein Gegengewicht zu der durch die verlegerische Zentralisierung der Parteipresse entstandenen Machtfülle Amanns aufzubauen trachtete. D i e Schwere seiner Aufgabe, die »inhaltliche Lenkung« der NS-Blätter, dokumentierte sich zunächst durch viel zu wenige Amtsstuben und Verwaltungsangestellte - um Amann Paroli bieten zu können, mußte ein ordentlicher Unterbau her, pin großer »Apparat«. Dietrichs im Frühjahr 1935 an die Gauleitungen ergangener Befehl, Gaupressedienste einzurichten, muß auch unter solch machtpolitischen Aspekten gesehen werden. Jedenfalls spricht die Tatsache, daß der Ostmark-Gaupressedienst nach schleppenden Vorbereitungen erst im November 1935 debütierte 3 6 0 , nicht für dessen dringende Notwendigkeit. Seine Etablierung-unter völliger Verkennung der geringen Rekrutierungsmöglichkeiten von Provinz-Mitarbeitern am grünen Tisch beschlossen - wirkt im Rückblick wie ein Schildbürgerstreich : Die Gaukorrespondenz wurde just in jener Zeit aufgebaut, als die Privatpresse schon stark zurückgedrängt war - deren Unvermögen, »ihre Berichterstattung über Veranstaltungen . . . der Partei und ihrer Gliederungen den Anforderungen des Nationalsozialismus anzupassen« durch den Dienst hätte korrigiert werden sollen 3 6 1 . Daß der Dienst den mit ihm verfolgten Intentionen nicht gerecht wurde, beweisen die vielen darin enthaltenen unspezifischen Propagandatexte, die durchschnittlich etwa die Hälfte aller Seiten einnahmen; die geforderten substantiellen Berichte und nicht Rahmenerzählungen zu schreiben, fanden sich an der Basis zu wenig fähige Mitarbeiter 3 6 2 . 358

S t A B a m b e r g , M 33/346, Rundschreiben der Kreisleitung Cham-Viechtach vom 6. 3. 1934.

359

StA B a m b e r g , M 30/174, Gaupresseamt-Rundschreiben v o m 9. 4. 1935.

360

D i e erste N u m m e r des hektographierten, werktäglich erscheinenden H e f t s von fünf bis z w ö l f Seiten U m f a n g datiert v o m 14. 11. 1934; StA B a m b e r g , M 30/152.

361

StA B a m b e r g , M 30/174, vertrauliche Richtlinien für den Gau-Pressedienst für die Bayerische O s t m a r k , Rundschreiben an die Kreispresseleiter v o m 9 . 4. 1935.

362

Ebenda und StA B a m b e r g , M 3 0 / 1 5 2 - 1 7 6 .

78

Norbert Frei Daß die Gaupressestelle die Kreisleiter ausdrücklich anzuweisen sich gezwungen sah,

keinesfalls dürften Mitarbeiter der Parteizeitung für den Gaudienst verpflichtet werden, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Mangel an Persönlichkeiten in der Provinz, die solche Aufgaben zu übernehmen fähig und willens waren 3 6 3 . Nicht viel besser war die Situation ja auch bezüglich politisch einwandfreier Berufsjournalisten 3 6 4 , weswegen Goebbels eine nationalsozialistische Journalistenschule gründete. Es war diese allfällige N o t , die den Typ des »Ungelernten«, durch seine politischen Aktivitäten in die Pressearbeit gekommenen Schriftleiters gebar, der zwar nicht brillant, aber für die Bedürfnisse einer Oit»wr&-Bezirksdirektion gut genug zu schreiben verstand. Im Gegensatz zu diesem Typus waren die Mitglieder der Bayreuther Zentralredaktion sowie der größeren Zweigbetriebe (etwa Regensburg) professionelle Journalisten, deren an großstädtischen Zeitungsvorbildern orientierter Ehrgeiz mit der Auflage wuchs. Ohne deshalb ideologisch im geringsten zu zweifeln, sahen diese Routiniers bei ihrer Arbeit wenigstens zum Teil noch das Umfeld der unabänderbaren Fixpunkte »Parteiwille« und »Staatsräson«, auf die sich für die unteren Chargen - je näher an der Basis, desto stärker, alles konzentrierte. Ausdruck dafür sind die Zusammenstöße der Osfm¿jr&-Hauptschriftleitung mit Vertretern der Obrigkeit, die besonders in den Jahren bis 1936 immer wieder einmal vorkamen. So schritt beispielsweise die Bayerische Staatskanzlei ein, nachdem das Fränkische

Volk

Ende September 1933 angekündigt hatte, demnächst eine »Liste der in Bayreuth befindlichen Rassenmischlinge« zu veröffentlichen. Als die Redaktion aufgefordert wurde, die Liste erst in München vorzulegen, hieß es, an eine Realisierung des Plans sei nicht gedacht, es habe sich nur um einen »Schreckschuß« gehandelt - mit dem man offenbar auf die Verunsicherung der jüdischen Bevölkerung abzielte 3 6 5 . Ein halbes Jahr später ging es nicht so glimpflich ab, als die Bayreuther Redaktion, sich ihres parteioffiziellen Status' wegen wohl besonders sicher fühlend, in der Berichterstattung über die geplante Zusammenkunft Hitler-Mussolini zu weit vorpreschte: Weil das Volk über vage Mutmaßungen hinausgegangen war und einen genauen Termin des Treffens genannt hatte, wurde es von der Staatskanzlei für drei Tage verboten. Der zornige Protest des Verlagsdirektors bei der Bayerischen Amtlichen Pressestelle nutzte nichts. Auch im Blick zurück konnte sich die Staatsregierung nicht entschließen, die großen Konkurrenzblätter der Gauzeitung zu verbieten, wie dies Georg Schemm gefordert hatte. Offenbar hatte der Gauleiter-Bruder in wüster Weise mit »Parteiaktionen« gedroht, denn Kanzlei-Staatsrat Dr. Joseph Bleyer ermutigte die Bezirksämter vorsorglich zum Eingreifen für den Fall, die von Schemm (zu Unrecht) des gleichen Vorgehens wie sein Blatt beschuldigten Zeitungen würden »am Erscheinen behindert« 3 6 6 . Eine gewisse Unbekümmertheit eignete der Ostmark-Redaktion

im - unter dem Na-

tionalsozialismus nicht grundlos stark ausgeweiteten - Bereich von Fragen, die das militärische Geheimhaltungsbedürfnis tangierten. War Ende 1934 schon unangenehm aufgefallen, daß die Gauzeitung im Zusammenhang mit der allgemeinen Wehrpflicht von ei363

364

Zu den generellen Schwierigkeiten der N S D A P , auf dem Lande qualifizierte Amtsträger zu rekrutieren, vgl. Bayern in der NS-Zeit, a . a . O . , S . 2 7 . Vgl. Haie, a . a . O . , S . 2 4 3 .

365

G S t A , M A 106458, Schreiben des Stadtkommissars von Bayreuth an die Staatskanzlei vom 7. 10. 1933.

366

G S t A , M A 106 467, Aktenvermerk Bleyers vom 21. 6. 1934.

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

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nem »großen Bedarf an Warmblutpferden für neue Kavallerieregimenter« gesprochen hatte 367 , scj rief ein Bericht über neue Reichsbahn-Bauten gar die Bayerische Politische Polizei auf den Plan: Eine Reportage über Vergrößerungsarbeiten am Bahnhof im oberfränkischen Lichtenfels war ausgerechnet zwei Tage, nachdem alle Bayreuther Hauptschriftleiter im Stadtpolizeiamt über militärische Geheimhaltungsvorschriften instruiert worden waren, erschienen. Zwar nahm die BPP den Ostmark-Chef Hans Freiherr von Esebeck nun gründlich unter die Lupe, Konsequenzen hatte der Fauxpas für den langjährigen Redaktionsleiter allerdings nicht 368 . Bei solchen Gelegenheiten wurde klar, daß es keineswegs dasselbe war im Nationalsozialismus, wenn zwei Zeitungen das gleiche taten. Das Parteiorgan und seine »politisch einwandfreien« Mitarbeiter durften sich schon einiges herausnehmen, ehe ihnen die Bürokratie mit Konsequenzen zu kommen wagte - immerhin war der Staatsapparat mit dem Gauverlag in entscheidenden Bereichen verquickt: Das Reichspropagandaamt für die Ostmark, eine der Außenstellen des Goebbels-Ministeriums, die über das ganze Reichsgebiet verteilt waren, hatte seinen Sitz im Bayreuther Parteipressehaus und arbeitete mit Gaubürokratie und Redaktion freundschaftlich-reibungslos zusammen. Die Einträchtigkeit war allein deshalb kaum gefährdet, weil das Presseamt praktisch nicht in Erscheinung trat und sich darauf beschränkte, die Berliner Anweisungen und Sprachregelungen weiterzuleiten. Auch mit Amanns Apparat gab es keine Probleme: Georg Schemm, Verlagsdirektor und Gaupresseleiter, war gleichzeitig noch »Vertrauensmann der Reichspressekammer für den Gau Bayerische Ostmark« 3 6 9 .

5 . KARRIERE NACH DEN AMANN-ANORDNUNGEN: IN DER OSTMARK ROLLEN DIE ZEITUNGSKÖPFE

Nachdem sich der Bayreuther Gauverlag 1933 noch im wesentlichen damit begnügt hatte, die »marxistischen« Pressehäuser zu schlucken, nahm sein Fusionshunger im folgenden Jahr deutlich zu. Bei allem Druck, mit dem die Verlagsstrategen dabei ihre anvisierte Beute gefügig zu machen suchten, fehlte aber auch 1934 noch ein leicht nutzbares juristisches Werkzeug. Wenn trotzdem Fusionen oder Pachtverträge zustande kamen, dann deshalb, weil die daran beteiligten Privatverleger der Zermürbungstaktik nicht länger standzuhalten vermochten oder willens waren - oder man sich aus beiderseitigem Interesse handelseinig geworden war. Fälle letztgenannter Art gingen freilich ohne öffentliches Aufheben über die notarielle Bühne; sie an dieser Stelle zu quantifizieren, ist daher

367 368 369

GStA, M A 106691, Lagebericht der Regierung von Niederbayern vom 8. 1. 1935. AStA, MInn 80198, Tagesmeldung der BPP vom 1. 9. 1936. BDC, Personalakten Georg Schemm, Mitteilung Schemms vom 15. 10. 1977.

80

Norbert Frei

nicht möglich. Auf ein Beispiel solch einvernehmlicher Fusionen jedoch sei verwiesen; es ist deshalb in Form eines sehr differenzierten und auch interessante Nebenaspekte beleuchtenden Bezirksamtsbericht überliefert, weil der ursprünglich kooperationsbereite Verleger des oberfränkischen Lichtenfelser Tagblatts in einer kurzen Periode der Zusammenarbeit mit der Gauzeitung einen Sinneswandel erfahren hatte 370 . Als der Schemm-Verlag nach der Vertragskündigung in der Bezirksstadt für das Fränkische Volk werben ließ, kam es zum Streit. Das Parteiunternehmen versuchte mit den bekannten Methoden, das Privatblatt in den Ruch der Illegalität zu bringen. Dessen Verleger aber gab keineswegs klein bei, sondern verlangte vom Bezirksamt eine Erklärung, das Tagblatt sei nicht, wie das Fränkische Volk behauptete, »staatsfeindlich«. Ob solchen Anersuchens ratlos, tat der redlich um Abwiegelung und Abwägung bemühte Amtsvorsteher das unter Provinzbürokraten in diesen Fällen Naheliegenste - und er tat gut daran : Er reichte die Akte nach oben weiter. Hätte er so taktisch unklug entschieden, wie dann Ministerpräsident Siebert höchstpersönlich, er hätte sich mit Sicherheit den Zorn der Gauleitung zugezogen. Siebert nämlich ließ auf des Verlegers Ansinnen, er möge sich zum Lichtenfelser Tagblatt erklären, in der Antwort an das Bezirksamt folgende Formulierung durchgehen: » N a c h d o r t i g e m B e r i c h t ist der Inhalt des >Lichtenfelser Tagblatt< polizeilich nicht z u b e a n s t a n d e n u n d ein V e r b o t dieser Z e i t u n g w e d e r b e a b s i c h t i g t n o c h v e r a n l a ß t . B e i dieser Sachlage entfällt eine Entscheidung der

Staatskanzlei«371.

Nachdem der Ministerpräsident auf ein Mahn-Telegramm (die Unterrichtung des Verlages über die Entschließung der Staatskanzlei war vom Bezirksamt verzögert worden) gerade noch hatte antworten lassen, das verlangte »Zeugnis« auszustellen sei »nicht Sache der Behörden«, druckte der Unverdrossene just den zitierten Teil des ersten Regierungsschreibens - kunstvoll gekürzt als »Feststellung« der Staatskanzlei. Damit hatte sich der selbstbewußte, von seinen Verdiensten für den Nationalsozialismus restlos überzeugte Verleger 372 den Unterbau für eine triumphierende Schlagzeile doch noch zurechtgezimmert: Die »größere Erklärung«, die er schon gegenüber dem Bezirksamtsvorsteher angekündigt hatte, erschien am 12. Juni 1934 und war als ganzseitiger Titelblatt-Artikel überschrieben: »Das Lichtenfelser Tagblatt ist nicht staatsfeindlich!« So sehr der Lokalverleger diesen Teilerfolg auch genossen haben mochte, am Ende siegte doch der Gauverlag. Im Oktober 1935 hatte der 68 jährige Einzelkämpfer schließlich verloren, denn der schon lange einflußreiche Bayreuther Verlagsdirektor Schemm nutzte eine neue Waffe, die ihn gegenüber den Provinz Verlegern nun schier allmächtig machte: die Amann-Anordnungen, von denen die zur »Schließung von Zeitungsverlagen zwecks Beseitigung ungesunder Wettbewerbsverhältnisse« etlichen Ostmark-Blättern zum Verhängnis wurde. Die Argumentation Georg Schemms war schlicht, aber der Reichsleiter für die Presse hatte sie seinen »Vertrauensmännern« ausdrücklich empfohlen: Man sprach von »über-

370

G S t A , M A 106 4 6 0 / 2 8 , B e r i c h t des B e z i r k s a m t s Lichtenfels an die Staatskanzlei v o m 2 9 . 5. 1 9 3 4 .

371

G S t A , M A 1 0 6 4 6 0 / 2 8 , S c h r e i b e n der Staatskanzlei an das B e z i r k s a m t Lichtenfels vom 2 . 6 . 1 9 3 4 .

372

S o in seiner Selbststilisierung anläßlich eines V e r b o t s wegen militärischen G e h e i m n i s v e r r a t s , das er durch allerlei A r g u m e n t e von drei auf einen T a g a b z u k ü r z e n die Staatskanzlei kaum ein V i e r t e l j a h r z u v o r hatte b e w e g e n k ö n n e n ; ebenda.

P r o v i n z z e i t u n g e n in der Bayerischen O s t m a r k

81

spitzten Wettbewerbsverhältnissen« und zwang die Kleinverleger, ihre Zeitungen für wenig Geld herzugeben. Es war böse Perfidie auf Kosten der Kleinen, wenn Amann per vertraulichem Rundschreiben bei den Gauleitern für seine Anordnungen warb und sich mit den Worten einzuschmeicheln suchte, die »parteiamtliche Presse [habe] schwer zu leiden« unter dem Konkurrenzdruck: Immerhin hatten die Gaufürsten diesen ja selbst heraufbeschworen. Die Willkür zu komplettieren, sicherte Amann den Gauleitern zu, ihr Urteil werde bei der Uberprüfung der Verleger für die Aufnahme in die Reichspressekammer im Zweifelsfall den Ausschlag geben 373 . Damit besaßen die Gauverlage äußerst weitgehende Mitbestimmungsrechte darüber, welche Zeitungen sie sich einverleiben durften. Insbesondere die erste Welle von Fusionierungsvorschlägen scheint die Reichspressekammer ohne nennenswerte Einschränkungen akzeptiert zu haben. DerBayreuther Verlagsleitung mußte mangelnde Tüchtigkeit auch in dieser Beziehung niemand nachsagen: Die kurzfristigen Auswirkungen der Amann-Anordnungen allein in Niederbayern faßte der dortige Regierungspräsident im November-Bericht 1935 zusammen: » D e r Gauverlag Bayerische O s t m a r k . . . hat in acht Bezirken 17 Zeitungen mit einer Gesamtauflage v o n 2 2 3 0 0 ü b e r n o m m e n ; weitere Verhandlungen schweben n o c h « 3 7 4 .

Die Verlagsschließungen und Fusionen dauerten noch bis Ende 1936 an; insgesamt verschwanden in Deutschland zwischen 500 und 600 Zeitungen aufgrund der Anordnungen des Präsidenten der Reichspressekammer 375 . Wieviele es in der Bayerischen Ostmark waren, ist nicht mehr genau festzustellen. Die Liste der Erwerbungen von Verlagsrechten und -titeln durch den Ostmark-Ga.uver\ng in den Jahren 1935 bis 1941 umfaßt 58 Zeitungen 376 . Je kleiner die Blätter waren, um so schneller fanden sich ihre Verleger in der Regel mit dem Schicksal ab. Und es kam wohl auf das Verhandlungsgeschick des einzelnen an, welche Ablösungssumme er bei Verlagsdirektor Schemm herausschlug; die Beträge schwankten zwischen zwei und fünf Mark pro Abonnent. Größere und vor allem strategisch wichtige Verlage, mit denen das Gauunternehmen gleichzeitig einen Druckvertrag abschließen wollte, konnten mit den höchsten Abfindungen rechnen. Sie verstanden es dann auch, die Entscheidungen etwas hinauszuziehen. Ein Beispiel, das für viele steht: der Oberpfälzische Kurier, als BVP-Blatt seit der Machtergreifung von den Nationalsozialisten traktiert, sollte die kümmerliche Weidener Ausgabe der Bayerischen Ostmark sanieren. Da die Besitzer des bei rund 5400 Abonnenten gutgehenden Blattes einem freiwilligen Verkauf natürlich nicht zustimmten, veranlaßte die Ojiwwrk-Verlagsleitung im Herbst 1936 durch gezielte Hinweise deren Ausschluß aus der Reichspressekammer. Die Begründung ist ein Musterbeispiel für zynisch-beliebige Argumentation: Zwar habe das Blatt nach dem 5. März 1933 seinen »gehässigen Kampf« gegen die NSDAP nicht mehr fortgesetzt, doch könne dies

373

374 375 376

B A , R 56 IV/16, Rundschreiben Nr. 46 des Reichsleiters für die Presse an die Gauleiter vom 25. 4. 1935 mit streng vertraulicher Darlegung zu den Amann-Anordnungen. GStA, MA 106672, Monatsbericht vom 9. 12. 1935. Vgl. Haie, a.a.O., S. 157. Vgl. ebenda, S. 221. Die Akte der W B , auf die Haie sich stützt, war dort 1977 nicht mehr zu finden.

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Norbert Frei

»nicht als Beweis für eine Gesinnungsänderung der Verlagsinhaber gewertet werden, da die inzwischen eingetretene Ä n d e r u n g in der Auffassung des Staates über die Aufgaben der Presse solche V e r öffentlichungen ohnehin nicht m e h r zugelassen hätte. G e g e n die Wahrscheinlichkeit einer inneren Meinungsänderung und eines vorbehaltlosen Anschlusses an die nationalsozialistische Idee, wie ich ihn v o n jedem Verleger erwarten m u ß , spricht aber auch, daß in einer Prüfung Ihres Blattes keine freudige u n d innerlich an teilnehmende Mitarbeit festgestellt werden k o n n t e , sondern daß es sich bei den positiv zu wertenden Beiträgen u m recht vereinzelte Erscheinungen handelt.«

Letztes Indiz in der Kette der » U n Z u v e r l ä s s i g k e i t e n « war dem Präsidenten der Reichspressekammer die Tatsache, daß der Oberpfälzische Kurier »über die sittlichen Verfehlungen in dem katholischen Studienseminar Weiden« nur sehr vorsichtig berichtet habe, obwohl doch der »nationalsozialistische Staat« eine »Aufdeckung und Würdigung derartiger Zustände . . . aus einem staatspolitisch höchst bedeutsamen Interesse für dringend notwendig« halte 377 . Als die beiden Verlegerbrüder auch nach vergeblichen Einsprüchen keine Anstalten machten, ihr Verlagsrecht zu verkaufen, ordnete die Reichspressekammer am 28. Juli 1937 die polizeiliche Schließung des Betriebes an. Nun war Schemm am Zuge; für rund 27000 Reichsmark, das waren fünf Mark pro Abonnement, handelte er den mit Berufsverbot belegten Besitzern das Verlagsrecht378 ab. Das war noch kein Zwanzigstel des Gewinns, den der Gauverlag aus der Nutzung der Rechte bis 1945 zog, nämlich fast 615000 Reichsmark 379 . Der gleichzeitig mit dem Gauverlag abgeschlossene Druckvertrag für die Weidener Lokalseiten der Bayerischen Ostmark konnte den Ex-Verlegern kein großer Trost sein: Gewinn war angesichts der kargen Vergütung damit nicht zu machen 380 , doch hatte die Druckerei wenigstens einen festen Lohndruckauftrag, der Schwankungen im Akzidenzgeschäft etwas abmildern mochte. Die neue Flut von Zwangsfusionen, die etwa vier Jahre nach der durch die Amann-Anordnungen ausgelösten Welle über die deutschen Zeitungsverleger hereinbrach, verursachte kaum mehr als ein kurzes Aufbrausen - es war Krieg. Im Mai 1941 erhielten 24 kleine und kleinste Ostmark-Zeitungen mit einer Auflage von zusammen rund 27 000 Exemplaren von der Reichspressekammer den Stillegungsbescheid381. Zwar wurde die Ostmark von den Beschlüssen nicht stärker getroffen als andere Teile Bayerns, nur waren durch die intensiven Fusionsbestrebungen des Gauverlags schon in den Jahren zuvor kaum noch »Kräfte« vorhanden, die hätten »konzentriert« werden können. Im zweiten Kriegsjahr vereinigte der Gauverlag mit täglich 218 000 Exemplaren rund 70 Prozent der Gesamtauflage jener etwa 50 Zeitungen auf sich, die zwischen Coburg und Passau noch feilgeboten wurden382. Weitere drei Jahre später, nach einer zweiten kriegsbedingten

377

378

379 380

381 382

W B , Ia 6088, Schreiben der Reichspressekammer an den Verlag des Oberpfälzischen Kurier vom 2. 10. 1936; vgl. auch Anm. 348. W B , IIa 1183, Kaufvertrag vom 30. 6. 1937; W B , Ia 6088, Rückerstattungsanmeldung Gebrüder Nicki vom 20. 12. 1948. W B , IIa 1183, Untersuchungsbericht der Witreu-GmbH Coburg vom 19. 12. 1948. Die von einem Sachverständigen nachträglich festgestellte »laufende . . . erhebliche Kostenunterdeckung« erscheint jedoch etwas zu sehr im Blick auf das Wiedergutmachungsverfahren formuliert; Gutachten vom 12. 4. 1951, W B , Ia 6088. Berechnung nach einer Liste für Gesamtbayern in AStA, MWi 6712. Vgl. Tabelle 1, S. 89.

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

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Konzentrationsaktion, druckte der Gauverlag 90 Prozent aller Zeitungen. Die Zahl der Titel war von einstmals 200 auf 32 zusammengeschrumpft 383 : Es ging dem Ende zu. Was von Hans Schemm seit 1932 unter dem Ν amen Fränkisches Volk aufgebaut wurde, war nach der Gründung des Nationalsozialistischen Lehrerbundes 384 die wohl bedeutenste Leistung des oberfränkischen Parteiführers. In beiden Fällen wirkte der Gauleiter dank seiner nicht zu bezweifelnden organisatorischen und integrativen Fähigkeiten über seinen eigentlichen Machtbereich hinaus und legte die Fundamente für politische Gebäude, deren Solidität später den Weiterbau auch ohne den Architekten erlaubte. Zwar wären die Erfolge des Gauverlages nach 1935 ohne Amanns Zentralregie nicht in der beschriebenen Weise erreicht worden, zumindest nicht so schnell, - an der Grundidee änderte sich nach der Machtergreifung jedoch nichts mehr: Das auf Gauebene zentralgesteuerte kombinierte Regionalausgaben- und Lokalblatt-System blieb erhalten und wurde ausgebaut. Gegründet zum Zweck, die bereits erworbene persönliche und parteipolitische Macht zu sichern und die Herrschaftsübernahme zu befördern, wurden Funktion und Anspruch der Gauzeitung nach dem 9. März 1933 modifiziert; so kühn dies im Frühjahr 1933 auch noch erschienen sein mag - in den Köpfen der führenden Funktionäre war nun die Vorstellung geboren, mit der Gauzeitung ein Pressemonopol zu errichten. Tendenziell war dies andernorts ähnlich, aber in der Bayerischen Ostmark waren die Voraussetzungen, diesen Anspruch einzulösen, in bestimmter Weise exzeptionell: Die noch weit unter dem schlechten Durchschnitt liegende wirtschaftlich-strukturelle Gesamtsituation der dortigen Presse setzte die Mehrheit der privaten Verleger dem Druck einer NSDAP aus, die aus ihrer schon »traditionellen« Bastion Oberfranken mit Souveränität auch in die katholischen Regionen Oberpfalz und Niederbayern hineinzuwirken sich erlaubte. Die schon früh erkennbare Bemühung um straffe Organisation und klare Zielkonzeption ermöglichten im Machtbereich eines Hans Schemm, was bei vielen seiner Gauleiterkollegen in dieser Zweckrationalität nicht möglich war: das aggressiv-revolutionäre Potential an der Basis in Bahnen zu lenken, die für den Gauverlag nutzbringend waren - so lange jedenfalls, wie andere, administrative Mittel noch nicht zur Verfügung standen. Bei aller Entschiedenheit, mit der insbesondere Georg Schemm die Interessen des Gauverlags verfocht, zeigte sich das Unternehmen insgesamt doch von erstaunlicher Flexibilität und - der Rekurs auf systemtheoretische Modellbegriffe bietet sich geradezu an - Lernfähigkeit bezüglich des selbstgesetzten Monopolisierungsgebots 385 . Indem man längerfristig terminierten Strukturänderungen dabei den Vorzug gab vor spektakulären Einzelaktionen, ersparte man sich nicht nur größere Frustrationen, sondern unterstrich auch die Vorstellung vom Gauverlag als einer offiziellen, quasi-staatlichen Institution. Gerade die in Bayreuth gepflegte Kombination aus Flexibilität und Beharrlichkeit erlaubte nach 1935 den wirkungsvollen, doch lautlos-unauffälligen Einsatz der neuen Amann-Anordnungen. Mit der eleganten Methode der »Kriegsstillegungen« schließlich 383

Ebenda.

384

Den N S L B hatte Schemm im April 1929 gegründet. Zur Bedeutung des Lehrerbundes vgl. den Uberblick in: Bayern in der NS-Zeit, a . a . O . , S. 5 2 7 - 5 3 2 .

385

Die Fähigkeit zur Zielmodifikation wird etwa deutlich an der Gauverlags-Politik gegenüber dem Deggendorfer Donauboten; vgl. S. 44 ff. und S. 54 ff.

84

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wurden systematisch noch jene Unternehmen ausgeschaltet oder dem Gauverlag einverleibt, die bis dahin nur unter größeren Komplikationen mit dem Parteiblatt hätten fusioniert werden können: Dort nämlich hätte die Amann-Anordnung zur Schließung unrentabler Unternehmen allzu evident auf die im Vergleich zur OsimRottenburger A n z e i g e n mit sofortiger W i r k u n g eingestellt. D a s Verlagsrecht geht auf den Gauverlag B a y r e u t h . . . über. Bereits ab sofort w e r d e n die A b o n n e n t e n des >Rottenburger Anzeigers« durch den Gauverlag B a y r e u t h , Zweigstelle Regensburg, beliefert. U n t e r der Voraussetzung der Z u s t i m m u n g der R e i c h s p r e s s e k a m m e r erklären wir uns bereit, mit Ihnen einen Kaufvertrag abzuschließen . . . Sie erklären sich durch Ihre U n t e r s c h r i f t ausdrücklich mit dieser Regelung einverstanden« 3 8 9 .

In der letzten Phase nationalsozialistischer Herrschaft war die Gauzeitung im Bayreuther Verlagskonzern nur noch Teil des umfassenden Kommunikationspools, der selbst wiederum als Teilkomplex des Systems gesehen werden muß. Kaum ein Zufall, daß der mächtige »Deutsche Schulverlag«, als er wegen Kriegseinwirkungen aus Berlin verlagert werden mußte, in Bayreuth seinen Platz fand. Georg Schemm, der Bruder des NSLB-Gründers, übernahm mit der Gauverlags-Führungsmannschaft zusätzlich das Management dieses Unternehmens 390 , das - allein wegen der ideologischen Neuorientierung der Lernmittel in den besetzten Gebieten - große Aufträge bewältigen mußte.

3ββ Tjjrg^ Ia6104, Rückerstattungsantrag Theodor Herzog vom 23. 12. 1948 und sein Schreiben an die Militärregierung in Rottenburg vom 10. 6. 1945. 389

390

Ebenda, Schreiben des Gauverlags an Verleger Max Herzog vom 30. 3. 1944, Abschrift im Rückerstattungsantrag vom 23. 12. 1948. Mitteilung Georg Schemms vom 15. 10. 1977.

Norbert Frei

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SCHLUSSBEMERKUNG

In dieser Studie wurde präziser » N a h s i c h t « regionaler Verhältnisse Priorität einzuräumen versucht vor rascher Generalisierung. Angesichts der Existenz vielfältiger, zumeist aber auf stark eingegrenzter Quellenbasis beruhender, o f t auch an einem vereinfachten Totalitarismus-Begriff orientierter » G e s a m t « - D a r s t e l l u n g e n war es Absicht, empirisch-historische A b l ä u f e nicht durch »glatte« Darbietung z u entproblematisieren, sondern möglichst weitgehend offenzuhalten für neue Erklärungs- und Bewertungsansätze, die durch zusätzliche, diese Studie regional, methodisch und quellenmäßig ergänzende Untersuchungen zu einer revidierten Beurteilung nationalsozialistischer Pressepolitik führen können. D i e folgenden Bemerkungen sind denn auch nicht gedacht als allgemeingültige Ergebnisformulierungen: Sie möchten vor allem Diskussionsstoff bieten und hätten ein wesentliches Ziel erreicht, könnten sie Interesse an weiteren Forschungen im Bereich der Presse begründen. Nationalsozialistische Pressepolitik in der Provinz, das war weniger noch als in den publizistischen Zentren unmittelbare u n d ausschließliche Herrschaft der in ihren M ö g lichkeiten noch immer überschätzten Propagandamaschinerie des Paul J o s e p h G o e b b e l s . Z w a r ist - durch die Erforschung der wirtschaftlichen Kontrolle der P r e s s e 3 9 1 und der H e r v o r h e b u n g der Tätigkeit des Reichspressechefs O t t o Dietrich 3 9 2 - die Vorstellung v o m Reichspropagandaminister als dem absoluten Herrscher über die Presse im Dritten Reich in wichtigen Bereichen längst relativiert; daß aber er vor allem die Presse inhaltlich lenkte, ist noch immer, von einer zeitlichen Einschränkung abgesehen 3 9 3 , unwidersprochene Prämisse der F o r s c h u n g 3 9 4 . Angesichts ihrer Konzentration auf »reichswichtige« V o r g ä n g e und Institutionen kann dies kaum verwundern. Eine im regionalen Q u e l l e n material verankerte Untersuchung, die die Bedeutung der Reichspropagandaämter, G o ebbels' Außenstellen, zu überprüfen erlaubt, gelangt allerdings zu abweichenden Ergebnissen: Jener Teil der Pressepolitik, der die wirtschaftliche Umstrukturierung umfaßte, w u r d e entscheidend von den unteren Organisationen der Partei geprägt. Sofern ein G a u leiter diese Aktivitäten verantwortete, waren selbst die Eingriffsmöglichkeiten A m a n n s (NSDAP-Reichsleiter f ü r die Presse u n d Präsident der staatlichen Reichspressekammer) begrenzt, zumindest bis zur Z u s a m m e n f a s s u n g der Parteipresse unter seiner Regie. A b e r auch nach diesem Zeitpunkt (1935) wurden insbesondere Fusionsmaßnahmen v o n den Gauverlagen initiiert. A m a n n nahm auf die folgenreiche Pressekonzentration fernab der Großstädte wenig Einfluß und G o e b b e l s hatte dazu keine Gelegenheit. Selbst an der lokalen und regionalen

' 3 9 1 Zu der sich, wie erwähnt, H a i e aufgrund seines Zusammentreffens mit ihrer Symbolfigur Amann veranlaßt sah, vgl. Haie, a . a . O . , S . 7 f . 3 9 2 Zu der sich Abel durch das Material veranlaßt sah, auf das sich seineStudie überwiegend stützt: die Dietrich betreffenden Dokumente aus dem »Wilhelmstraßen-Prozeß« vor dem Militärgerichtshof IV in Nürnberg, vgl. Abel, a . a . O . , S . I X und 1. 3 9 3 H eiber stellt fest, Goebbels habe 1942 offiziell »jedes Recht zum direkten Eingriff in die Presse« verloren, vgl. Heiber, a . a . O . , S. 157. 3 9 4 So z . B . Abel, a . a . O . , S . 5 .

Provinzzeitungen in der Bayerischen Ostmark

87

inhaltlichen Lenkung der Presse, die wegen der zentralen Überwachung der einzigen verbliebenen Nachrichtenagentur (DNB) und der Materndienste kaum auf den allgemeinpolitischen, wohl aber auf die vor Ort formulierten Teile der Zeitungen abzielte, waren die - eigens zu diesem Zweck errichteten - Presseabteilungen der Reichspropagandaämter nur in seltenen Ausnahmefällen beteiligt. Goebbels' Arm reichte nicht in die Provinz. Wohl war die Inferiorität der Goebbels-Provinzbehörden nicht allenthalben so evident wie in der Bayerischen Ostmark, wo die Landesstelle des Reichspropagandaministeriums, als sie (wie überall) mit dem Gaupropagandaamt zusammengelegt wurde, gar im Ostmark-Verlagsgebäude ihren Platz fand; ihr Einfluß auf die Inhalte der Provinzpresse aber war generell unerheblich im Vergleich zu dem regionaler und lokaler Parteistellen. Für die Vermutung, diese Bedeutungslosigkeit sei durch direkten Einfluß der Goebbels-Beamten auf die Gauleitungs-Bürokratie gemildert worden, gibt es keine Anhaltspunkte - eher dürften gelegentliche Verstöße der Gauzeitung gegen offizielle Sprachregelungen die Einflußlosigkeit noch unterstreichen. Die vielfältigen Aktivitäten der Ostmark-Verlagsleitung dagegen, die von untergeordneten Verlagsmitarbeitern und Parteifunktionären in erstaunlicher Schnelligkeit übernommen und von ihnen oft noch verschärt wurden, sind unübersehbare Indizien für die Machtkonzentration auf Gauebene. Die spezifischen Eingriffsmöglichkeiten von Ortsgruppen- und Kreisleitern bzw. deren Pressewarte sind Thema einer ergänzenden Studie des Verfassers 395 . In deren Vergleich mit dem vorliegenden Beitrag wird noch deutlicher werden, wie effizient die Konzentrationsstrategie des Gauverlages tatsächlich gewesen ist: Ihm gelang es, anders als den nur von einer Ortsgruppen- oder Kreisleitung getragenen Parteiblättern, seinen offiziellen, amtlichen Charakter sowohl zur Stärkung der Verhandlungsposition gegenüber Privatverlegern, deren Zeitungen man habhaft werden wollte, als auch gegenüber der staatlichen Bürokratie zu nutzen. In der Art, wie das »Amtlichkeits«-Argument bei der Abonnentenwerbung eingesetzt wurde, unterschied sich der Gauverlag noch am wenigsten von den kleineren Parteiblättern. Hier wie dort wurden die Abonnenten konkurrierender Privatzeitungen von SAWerbern massiv bedrängt. Diese wie andere Willkürmaßnahmen unterer Parteistellen waren zweifellos entscheidende Gründe dafür, daß der nationalsozialistische Monopolanspruch auf die zentrale politische Steuerung der Massenkommunikation von Verlegern und Journalisten praktisch bereits im Zuge der Machtergreifung respektiert wurde und bald auch der Widerstand gegen die verlagswirtschaftlichen Konzentrationsmaßnahmen schwand. Darin ist allerdings weniger ein planvolles Wechselspiel zwischen der sich gemäßigt gebenden Regierung oder Parteiführung und einer radikaleren Basis zu sehen, als das Resultat eines langandauernden Lernprozesses und daraus erwachsender Effektivität: Die nationalsozialistische Parteibasis hatte die Bedeutung publizistischer Macht und die damit verbundenen Möglichkeiten, den politischen Gegner zu bekämpfen, während der Weimarer Republik an sich selbst erfahren. Die Auseinandersetzung mit den ihnen feindlich gesonnenen Verlagen gehörte, nachdem die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus gehißt war, deshalb zu den ersten Tätigkeiten lokaler NSDAP-Gruppen. 395

Im Rahmen der Dissertation am Beispiel einer oberbayerischen Region.

88

Norbert Frei

Ihr Zorn entlud sich keineswegs nur auf die Pressehäuser der »marxistischen« Parteien und aus diesem Grunde wären Gewaltaktionen auch bei bürgerlichen Blättern möglicherweise zur Regel geworden, hätte nicht der »Führer und Reichskanzler« bei Aggressionen, die über die SPD- und KPD-Presse hinausgingen, zunächst Zurückhaltung verlangt und sie, im Rahmen des Verbotes von Eingriffen in die Wirtschaftsstrukturen, schließlich untersagt. Damit ist implizit die Frage der Homogenität nationalsozialistischer Pressepolitik berührt. In bezug auf das Verhältnis Partei - Staatsführung - Basis wurden Divergenzen bereits dargelegt. Im Gegensatz zu den führenden Parteigenossen, die die Notwendigkeit einer sukzessiven Konzentrationspolitik sahen und die Fortexistenz der zersplitterten bürgerlichen Provinzpresse f ü r eine Übergangszeit durchaus anerkannten, überschätzten untere Parteifunktionäre vielfach ihre Möglichkeiten und Talente. U n d dies - so will es scheinen - ist um so eher der Fall gewesen, je unbedeutender die Stellung eines Funktionärs innerhalb der Parteihierarchie gewesen ist. Regional noch stärker eingegrenzte, detailliertere Untersuchungen werden diese These zu prüfen haben. Gleiches gilt für die Frage nach der Einheitlichkeit der inhaltlichen Lenkung durch Kontrolle, wie sie gerade in der Frühphase der NS-Herrschaft den unteren Behörden der Inneren Verwaltung oblag. Auch diese Studie hat Divergenzen auf der unteren Ebene deutlich werden lassen, wenngleich weniger im staatlichen als im Parteibereich: Von monolithischem pressepolitischen Willen innerhalb der Ostmark-NSDAP konnte weder vor noch nach der Machtergreifung die Rede sein. Trotz der starken Integrationskraft und des kaum weniger entwickelten Durchsetzungswillens des Bayreuth er Gauleiters dauerte es bis Ende 1932, ehe er für seinen damals nur Oberfranken umfassenden Machtbereich eine eigene Tageszeitung zu etablieren wagte - wobei er sich einer Ausdehnung ihres Verbreitungsgebietes in Nachbarterritorien nicht enthalten konnte. Nach der Machtübernahme wurde dann deutlich, daß auch keineswegs in seinem Gaugebiet alle Kreis- und Ortsgruppenleitungen die Gauzeitung zu unterstützen bereit waren: Gewachsene Verbindungen zwischen örtlicher NS-Prominenz und sympathisierenden Privatverlegern standen dem teilweise menate· und jahrelang entgegen 396 - und waren, obschon Einzelfälle, mitunter auch für andere Anlaß, sich den Fusionsbestrebungen des Gauverlages entgegenzustellen. Die oft vielschichtigen Hintergründe dieser Resistenz können nur durch weitere detaillierte Untersuchungen eruiert werden; aber auch in der vorliegenden Studie lassen sich Schwierigkeiten der »Bewegung« erkennen, ihren totalitären Machtanspruch im Provinzalltag einzulösen . Dies gilt vielleicht stärker noch als für die Haltung der Privatverleger für die Reaktionen der Bevölkerung, die sich selbst durch uniformierte Werbetrupps oft zu keinem Parteizeitungs-Abonnement »überreden« ließ - was sicher nicht in toto als bewußte Demonstration politischer Opposition gewertet werden darf, sondern vielfach prononcierter Traditionspflege und dem sozial fundierten Selbstbewußtsein eines »freien« Bauerntums entwuchs: Man las seit Generationen das angestammte Heimatblatt und mochte sich davon nicht durch die lautstarken Anwürfe fragwürdiger Gestalten abbringen lassen.

396

Beredtes Beispiel dafür ist die Entwicklung in Lichtenfels; vgl. S. 80.

P r o v i n z z e i t u n g e n in der B a y e r i s c h e n O s t m a r k

89

H i e r w e r d e n Resistenzmuster ansichtig, Teile jener komplizierten Lebenswirklichkeit des D r i t t e n R e i c h e s , w e l c h e a u s z u b r e i t e n ein p r i m ä r e s Ziel des F o r s c h u n g s p r o j e k t e s ist, a u f das a u c h d i e s e S t u d i e z u r ü c k g e h t . I n d i e s e m S i n n e w a r es e i n e i h r e r A b s i c h t e n , a u f d e n reichen Erfahrungsgehalt hinzuweisen, der in d e r - v i e l e andere Teilbereiche gesellschaftlicher Realität der N S - Z e i t widerspiegelnden - Pressegeschichte steckt. E i n wesentlicher Teil v o n ihr w i r d u n e r k a n n t bleiben, s o lange die F o r s c h u n g nicht v o n den - gewiß einmal m i t guten G r ü n d e n g e w ä h l t e n - S c h w e r p u n k t e n verlagert w i r d : in die P r o v i n z .

Die

Tagespresse

der Bayerischen

Monat/Jahr

A n z a h l der T i t e l " G e s a m t a u f l a g e '

März 1933

ca.

Ostmarka Auflage Gauverlagc Gesa 22000

200

-

Juni 1934

166

344000

106000

September 1935

117

304000

122000d

40,1

September 1936

-

297000

144000

48,5

104

September 1937 Durchschnitt 1938 Januar 1939 Durchschnitt 1944 a

b

c d e

ca.

80 -

32

-

30,8

290000

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366000e

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Die Tabelle beruht auf Berechnungen des Verf. anhand des Ala-Kataloges, Jg. 1933 und des Zeitungs-Kataloges Jg. 1936 und 1938 sowie auf den Angaben bei Laschinger, a . a . O . , S . 4 6 ; Wurstbauer, a . a . O . , S . 9 f . und S. X X X V I ; den Impressen von Fränkischem Volk und Bayerischer Ostwacht, Jg. 1 9 3 4 - 1 9 3 7 ; Hartmann, a . a . O . ; Lochmüller, a . a . O . , S . 3 4 6 und 455; B A , NS 26/970; B A , NS 26/1102; 50 Jahre Verband Bayerischer Zeitungsverleger, a . a . O . , S. 39 ff.; Deutscher Verlag (Hrsg.): Die Tagespresse des Großdeutschen Reiches 1944, o. O . , o. J . , Gau Bayreuth. Die letztgenannte, von Haie, a . a . O . , S. 329, besonders hervorgehobene Quelle muß mit Vorsicht genannt werden : Die Auflagezahlen weichen von allen Vergleichszahlen ab und sind unzureichend aufgeschlüsselt. Haupt- und Nebenausgaben getrennt berücksichtigt. Dies gilt auch für die verschiedenen Gauzeitungs-Ausgaben, deren Zahl ziemlich konstant bei 32 lag. Auf Tausender-Einheiten gerundet. Jahresdurchschnitt, da für September nur Teilangaben vorhanden; vgl. Hartmann, a.a.O. Die sieben verbliebenen Privatblätter druckten insgesamt 19 000 Exemplare, die restlichen 2 4 0 0 0 erschienen in einem zur Herold-Holding gehörigen und damit auch von Amann kontrollierten Verlag. Faktisch lag der Anteil der NS-Presse also bei 96 Prozent; der Reichsdurchschnitt bei 82,5 Prozent.

FRIEDERIKE EULER

Theater zwischen Anpassung und Widerstand D I E M Ü N C H N E R K A M M E R S P I E L E IM D R I T T E N R E I C H

» T r a u r i g e Schauspielbeamte werdet ihr, der G e m e i n heit gleichgeschaltet, >geführt< v o n H e n k e r n , eure Arbeit verrichten, die darin bestehen wird, W o r t brüchigen Vertrauen z u schenken, u n d die z u einflußlos sein w i r d , u m als U n t a t bezeichnet zu w e r d e n . « (Bertolt Brecht: O f f e n e r Brief an den Schauspieler Heinrich G e o r g e , 1933).

EINFÜHRUNG

Darstellende Kunst ist immer auf Öffentlichkeit angewiesen. Für Theaterschaffende, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland bleiben wollten, waren Berufsausübung und »innere Emigration« in letzter Konsequenz nicht vereinbar. Jede Betrachtung des Theaters in diesem Zeitabschnitt impliziert die Frage nach der Relation zwischen kunstpolitischen Intentionen des nationalsozialistischen Regimes und theaterhistorischer Realität. Diese Frage ist bis jetzt nur partiell beantwortet worden. Eine umfassende und systematische Geschichte des Theaters in der NS-Zeit kann erst dann geschrieben werden, wenn Detailanalysen in ausreichender Anzahl erarbeitet worden sind 1 . Unter diesem Aspekt will die vorliegende Studie das Problem anhand eines ausgewählten Objektes exemplarisch behandeln; nicht zuletzt versteht sich diese Untersuchung auch als ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Nationalsozialismus in Bayern. Die grundsätzliche Entscheidung, sich auf das Sprechtheater zu beschränken, beruht auf der Überlegung, daß inhaldiche Veränderungen im Rückbezug auf die zeitgeschichtlichen Verhältnisse in diesem Bereich generell deutlicher sichtbar werden als etwa beim Musiktheater. Die Auswirkungen der nationalsozialistischen Kulturpolitik auf bayeri-

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Zur grundlegenden Information über dieses Thema vgl. u. a. Pitsch, Ilse: Das Theater als politisch-publizistisches Führungsmittel im Dritten Reich. Diss, (masch.) Münster 1952; Haider-Pregler, Hilde: Das Dritte Reich und das Theater, in: Maske und Kothurn Jg. 17 (1972); August, Wolf-Eberhard: Die Stellung der Schauspieler im Dritten Reich. Diss. München 1973. Als Materialsammlung vgl. Wulf, Joseph : Theater und Film im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh 1964.

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Friederike Euler

sehe Regionalbühnen sind weitgehend unerforscht 2 , ebensowenig liegen entsprechende Untersuchungen über das Provinztheater außerhalb Bayerns vor. U m zumindest in Teilbereichen Vergleiche ziehen zu können, war es naheliegend, sich auf eine Bühne in der Landeshauptstadt zu konzentrieren 3 . Für die Wahl der Münchner Kammerspiele als Untersuchungsgegenstand waren sowohl Charakter und Struktur dieses Theaters als auch die Quellenlage ausschlaggebend. U m zu erkennen, was die Bedeutung der Kammerspiele ausmachte, ist ein kurzer Rückblick auf die Münchner Theaterszene unerläßlich 4 . Seit der Jahrhundertwende hatte das Königliche Hofschauspiel (später Bayerisches Staatsschauspiel) seine Monopolstellung verloren. Ebenbürtige Konkurrenz war ihm 1901 mit der Neueröffnung des >Schauspielhauses< in der Maximilianstraße erwachsen, das an der Durchsetzung des Naturalismus in München maßgeblich beteiligt gewesen war. Die Pflege des modernen Dramas stellte eine kontinuierliche Aufgabe des Schauspielhauses dar 5 . Ein Jahrzehnt später etablierte sich an der südwestlichen Peripherie Schwabings eine weitere Bühne, die sich der literarischen Avantgarde verschrieben hatte und seitdem 11. Oktober 1912 die Bezeichnung M ü n c h ner Kammerspiele< trug 6 . Schon der N a m e deutet darauf hin, daß diese Bühne mehr dem Experiment als der Repräsentation verpflichtet war 7 . Die Produktionen des kleinen Privattheaters in der Augustenstraße, die mit einem Minimum an technischer Ausstattung und einem Maximum an Improvisationsgeschick zustande kamen, erweckten rasch öffentliche Aufmerksamkeit. Das Stammpublikum der Kammerspiele, zu denen man sich »wie zu einer Weltanschauung« 8 bekannte, rekrutierte sich vornehmlich aus den Kreisen der Münchner Intellektuellen, der Künstler und der Studentenschaft. 1926 wagte man es, in das mittlerweile führungslose Schauspielhaus an der Maximilianstraße überzusiedeln 9 . Von nun an gab es als einzige Bühne, die mit dem Staatsschauspiel ernsthaft konkurrieren konnte, die >Kammerspiele im Schauspielhaus«. Trotz der gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen neuhinzugekommener Besucherschichten 1 0 und ungeachtet der häufig

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Mitbehandelt wird dieses Problem bei Parchwitz, Rolf P . : D i e Bayerische Landesbühne, Münchener Beiträge zur Theaterwissenschaft, B d . 3, hrsg. von Klaus L a z a r o w i c z , München 1974.

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Zur Situation einzelner Großstadtbühnen in der N S - Z e i t vgl. Lüth, Erich: H a m b u r g e r Theater 1 9 3 3 - 1 9 4 5 , hrsg. von der Theatersammlung der Hamburgischen Universität, H a m b u r g 1962 ; Rischer, Walter: D i e nationalsozialistische Kulturpolitik in Düsseldorf 1 9 3 3 - 1 9 4 5 . D i s s . Düsseldorf 1972, S . 3 1 - 5 5 und 1 6 5 - 1 7 9 . R u p p e l , K a r l - H e i n z : Großes Berliner Theater. Velber 1962 (Vorwort). Vgl. Wagner, H a n s : 200 Jahre Münchner Theaterchronik 1 7 5 0 - 1 9 5 0 . München 1958.

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D a s Gärtnerplatztheater, das Volkstheater und das Deutsche Theater widmeten sich vorzugsweise der leichten M u s e , während beim Hofschauspiel die Klassiker den Schwerpunkt der Repertoires bildeten. D a s Prinzregententheater fungierte als Festspielhaus.

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N a m e n s g e b e r und Leiter des Theaters war Eugen R o b e r t , der das bereits bestehende >Lustspielhaus< im Januar 1911 übernommen hatte und ihm als erster eine literarisch ambitionierte Richtung zu geben suchte.

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D i e programmatische Bezeichnung >Kammerspiele< war nach der Jahrhundertwende a u f g e k o m m e n und wurde gebräuchlich für eine Theaterform, die vorzugsweise dem zeitgenössischen D r a m a gerecht zu werden versuchte. Kennzeichnend sind der intime, schmucklose Zuschauerraum und ein nach psychologischer Genauigkeit strebender Schauspielstil. (Bedeutendste Beispiele: Kammerspiele des Deutschen Theaters Berlin 1905, Münchner Kammerspiele 1912, H a m b u r g e r Kammerspiele 1918).

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Vgl. Gebhart, H a n s : 25 Jahre Münchener Kammerspiele, in: D i e N e u e Zeitung vom 29. 5. 1951. H e r m i n e K ö r n e r , die 1919 die N a c h f o l g e Stollbergs angetreten hatte, legte nach finanziellen Mißerfolgen 1925 die Direktion nieder. A m 19. 9. 1926 wurde die erste Spielzeit der Kammerspiele im Schauspielhaus eröffnet.

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D i e traditionellen Theaterbesucher in der Maximilianstraße gehörten eher dem Bildungsbürgertum als der Schwabinger B o h e m e an.

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auftretenden finanziellen Engpässe konnte das Theater, aufs Ganze gesehen, seine literarisch und schauspielerisch progressive Linie beibehalten. Ihren beinahe legendären Ruf, der weit über die Grenzen Münchens hinausreichte, hatten die Kammerspiele in ihrer Frühzeit besonders mit Uraufführungen von Werken Strindbergs, Wedekinds, Georg Kaisers, Bronnens und Brechts erworben. Zahlreiche neuere deutsche und ausländische Dramen kamen an diesem Theater zur Münchner Erstaufführung. Doch blieb der Spielplan nicht auf die Pflege der zeitgenössischen Literatur beschränkt. Schon in der Augustenstraße waren auch einzelne klassische Schauspiele - vornehmlich Shakespeare - in Szene gesetzt worden. Das Unterhaltungsstück 1 1 , dem man sich teils aus finanziellen Gründen, teils aus Freude an der Entfaltung von schauspielerischer Virtuosität widmete, umfaßte etwa ein Drittel des Repertoires. Mit Auftritten von Karl Valentin und Liesl Karlstadt erhielten die Kammerspiele auch eine spezifisch münchnerische Note. Die Entwicklung dieses nach vielen Richtungen offenen, in seinem künstlerischen Elan jedoch beharrlichen Theaters war eng verknüpft mit der Person Otto Falckenbergs 12 . Der vormalige Literat entwickelte sich zum bedeutendsten Schauspielregisseur Münchens und führte zugleich die Kammerspiele als künstlerischer Leiter von Ì917 bis 1944 13 . Falckenbergs atmosphärische, dem Dichter und dem Schauspieler dienende Inszenierungen haben den Gesamtstil des Hauses entscheidend geprägt. Dank seiner Aufgeschlossenheit und seiner liberalen Grundhaltung eröffnete sich Mitarbeitern und Gästen ein reiches Betätigungsfeld 14 . Falckenbergs Fähigkeit, schauspielerische Talente zu entdecken und zu fördern, verhalf dem Privattheater, das keine verlockenden Gagen zahlen konnte und seine arrivierten Darsteller des öfteren nach Berlin ziehen lassen mußte, zu einem Ensemble von kontinuierlich hohem Niveau 1 5 . Während der künstlerisch so fruchtbaren Jahre der Weimarer Republik hatten sich die Kammerspiele zum interessantesten Sprechtheater Münchens entwickelt. Einen Vergleich mit den führenden Bühnen im deutschsprachigen Raum brauchten sie nicht zu scheuen. Leistungen, die hier erbracht wurden, übertrafen nicht selten die Darbietungen des Staatsschauspiels, das sowohl in seiner Spielplangestaltung als auch mit dem dort gepflegten Darstellungsstil in der Regel eine konventionellere Haltung einnahm 16 . Der na11 12

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Boulevardstücke, Lustspiele und Possen im Gegensatz zur literarischen Komödie. Zu Person und Werk Falckenbergs vgl. Euler, Friederike: Der Regisseur und Schauspielerpädagoge O t t o Falckenberg, Münchener Beiträge zur Theaterwissenschaft, Bd. 5, hrsg. von Klaus Lazarowicz. München 1976, und die dort angeführte Literatur. Vorausgegangen waren ihm in dieser Funktion Eugen Robert, Erich Ziegel und Hermann Sinsheimer. U m nur einige Beispiele zu nennen: Die Dramaturgen O t t o Zoff, O t t o Zarek und Heinrich Fischer, die Regisseure Rudolf Frank und Julius Gellner waren langjährige Mitglieder des Hauses. 1923/24 gab Bertolt Brecht ein Intermezzo als Dramaturg und Spielleiter. Gastweise inszenierten Erwin Piscator, Berthold Viertel, Erich Engel, Gustav Härtung und Richard Weichert in den zwanziger Jahren an den Kammerspielen. Stellvertretend seien einige Darsteller genannt, die zwischen 1917 u n d 1933 an den Kammerspielen engagiert waren: die Damen Maria Bard, Elisabeth Bergner, Ehmi Bessel, Sybille Binder, Lina Carstens, Berta Drews, Therese Giehse, Käthe Gold, Ruth Hellberg, Marianne Hoppe, Grete Jacobsen, Margarethe Koeppke, Maria Koppenhöfer, Edith Schultze-Westrum, Annemarie Seidel, Dorothea Wieck; die Herren Ewald Baiser, Will D o h m , Ludwig Donath, Erwin Faber, O t t o Framer, Ernst Ginsberg, O . E . Hasse, Kurt Horwitz, Erwin Kaiser, Christian F. Kayssler, Hans Leibelt, Wolfgang Lieben einer, Arnold Marié, Erich Riewe, Heinz Rühmann, Hans Schweikart, Adolf Wohlbrück. Eine Ausnahme bildete die kurze Aufbruchszeit unter Karl Zeiss, der das Staatsschauspiel vom Herbst 1920 bis zum Februar 1924 leitete. Vgl. Feiler, Christian Max: Kleine Geschichte des Bayerischen H o f - und Staatsschauspiels, in: Die Münchner Theater, hrsg. von Freunde des Nationaltheaters e.V. München 1957.

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tionalsozialistische Herrschaftsbeginn mußte sich an den Kammerspielen vermutlich anders auswirken als an einem Theater, das schon immer die Pflege des traditionellen Kulturerbes als seine eigentliche Aufgabe betrachtet hatte und zugleich der jeweiligen Regierung als Repräsentationsmittel diente. Wissenschaftlich-kritische Untersuchungen über die Kammerspiele gibt es nur für Detailbereiche, doch kann man sich über Geschichte und Entwicklung dieses Theaters anhand der einschlägigen Publikationen relativ gut informieren 17 . Einen umfassenden Überblick gibt Wolfgang Petzet, dessen Buch einem breiten, am Theater interessierten Leserkreis zahlreiche Anregungen vermittelt 18 . Der Verfasser widmet den Jahren 1933-45 zwei nach politischen und künstlerischen Ereignissen getrennte Kapitel, wobei er sich besonders auf persönliche Erinnerungen stützt. Seine Darstellung dieses Zeitabschnitts greift auch auf Originalmaterialien zurück, die sich heute im Privatbesitz des Autors befinden 19 . Der Hauptteil des Aktenbestandes der Kammerspiele muß als verloren angesehen werden; er wurde im Zuge der einsetzenden Entnazifizierung durch die Amerikaner beschlagnahmt 20 . Weder im Archiv des Theaters noch im Document Center in Berlin sind Unterlagen über die Kamm erspiele aus der NS-Zeit erhalten geblieben 21 . Als ergiebigste Quelle können die Kulturamtsakten im Münchner Stadtarchiv bezeichnet werden. Die Kammerspiele betreffend, enthält dieser Bestand eine Fülle von Informationen über dienstliche Vorgänge, Finanz- und Spielplanfragen, personelle Angelegenheiten und die politischen Hintergründe bei einzelnen Konfliktfällen. Daneben bietet die zeitgeschichtliche Sammlung des Stadtarchivs auch Pressematerial zum Thema. Außerdem wurden die Akten des Kultusministeriums im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Abteilung I) durchgesehen 22 . Hieraus ergeben sich vor allem Aufschlüsse über den Einfluß der Ministerialbürokratie, die Beziehungen zwischen Kammerspielen und Staatsschauspiel, die Haltung der verschiedenen Kulturinstanzen, die Besucherorganisationen sowie das allgemeine

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Vgl. u. a. Bergold, Werner (Hrsg.): 50 Jahre Schauspielhaus-25 Jahre Kammerspiele im Schauspielhaus. Festschrift München 1951; Falter, Konrad: Das literarische Gesicht der Münchner Kammerspiele. Diss, (masch.) München 1953; Braun, Hanns: Die Münchener Kammerspiele, in: Die Münchner Theater, a.a.O. Seit kurzem liegt eine weitere wissenschaftliche Untersuchung vor, die einen Teilaspekt unseres Themas behandelt: Lück, Monika: Die Programmhefte des Bayerischen Staatsschauspiels und der Münchner Kammerspiele aus den Jahren 1933/34 bis 1940/41. Magisterarbeit, München 1978. Vgl. Petzet, Wolfgang: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911-1972. München 1973. Petzet konnte in seiner Funktion als Chefdramaturg einen Teil der Akten aus dem brennenden Haus retten. In seinen Anmerkungen und Quellenhinweisen findet die summarische Bezeichnung »Archiv« Verwendung für dieses Material. Laut Auskunft des IfZ handelt es sich hierbei um einen Splitterbestand aus der Registratur der Kammerspiele, der neben einigen Schreiben zu organisatorisch-politischen Fragen (Briefe der NS-Funktionäre Adolf Wagner und Christian Weber, Briefe und Entwürfe der Theater lei tung) vor allem Unterlagen der Dramaturgie enthält (Sitzungsprotokolle über Spielplanfragen, stenographische Aufzeichnungen und die Korrespondenz mit der Reichsdramaturgie). Dieser Vorgang ist von ehemaligen Angehörigen der Kammerspiele mehrfach bezeugt worden und läßt sich auch aktenmäßig belegen; vgl. StdM, Ka 772, Bericht des Kulturamts betr. Kammerspiele im Schauspielhaus vom 22. 6. 1945. Auskunft von Verwaltungsdirektor Lehrl (Kammerspiele) und Director Daniel P. Simon (Berlin Document Center). Die vergleichsweise weniger ergiebige Kammerspiel-Akte im Hauptstaatsarchiv überschneidet sich mit Teilen der umfangreicheren Akten des Stadtarchivs.

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Theaterwesen in B a y e r n 2 3 . Aufführungskritiken sowie einzelne D o k u m e n t e aus den Beständen des Instituts für Zeitgeschichte, des Staatsarchivs München, des Geheimen Staatsarchivs München und aus Privatbesitz 2 4 wurden ergänzend herangezogen. D i e Programmhefte der Kammerspiele sind so gut wie vollständig 2 5 , Bildmaterial ist dagegen nur in sehr geringem U m f a n g erhalten 2 6 . D e r gesamte Quellenbestand weist zwar L ü k ken auf, doch reicht das vorhandene Material aus, u m ein differenziertes Bild über die Situation der Kammerspiele im Dritten Reich zu gewinnen. W o immer es möglich war, wurden die in dieser Arbeit genannten Fakten nach D o k u m e n t e n und Pressemeldungen vergleichend überprüft u n d verifiziert. Auf schriftlich fixierte Erinnerungen und Selbstzeugnisse sowie auf mündliche A u s k ü n f t e w u r d e nur dann zurückgegriffen, wenn bestimmte Sachverhalte nicht anders belegt waren oder einer Ergänzung bedurften. Ausgehend von der anfangs skizzierten Fragestellung sollen in der vorliegenden Studie Schwerpunkte der Entwicklung in ihrem chronologischen Ablauf gezeigt werden. Hierbei geht es in erster Linie u m die konkret nachweisbaren Veränderungen, die sich an den Kammerspielen aufgrund der historisch-politischen Bedingungen ergaben und u m das Verhalten der Betroffenen. Als Rahmenorientierung werden im ersten Kapitel einige grundlegende Informationen über nationalsozialistische Theaterpolitik vorangestellt. Anpassungsbereitschaft oder Resistenz gegenüber den Forderungen der nationalsozialistischen Machthaber werden bei Spielplangestaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Personalpolitik besonders deudich. Hinsichtlich des Darstellungsstils und der Inszenierungspraxis kann dieser A s p e k t allenfalls am R a n d e berührt werden. Quellenmaterial, das die Detailanalyse einer einzelnen A u f f ü h r u n g erlauben würde, ist nicht vorhanden. Premierenberichte können generell nur indirekte Aufschlüsse über die jeweilige Inszenierung geben, was u m so mehr für diese Zeit einer gleichgeschalteten Presse gilt. F ü r sich selbst betrachtet, ist die Reaktion der Kritik jedoch ein außerordentlich interessantes zeitgeschichtliches D o k u m e n t u n d wird daher in dieser Arbeit entsprechend berücksichtigt.

1. Z I E L S E T Z U N G E N U N D P R A X I S DER N A T I O N A L S O Z I A L I S T I S C H E N

THEATERPOLITIK

»Wenn eine Weltanschauung zur Macht g e k o m m e n ist, k o m m t ihre künstlerische M i s s i o n « 2 7 . Dieser Glaubenssatz ist kennzeichnend für das Sendungsbewußtsein des N a tionalsozialismus, dessen totalitärem Herrschaftsanspruch der gesamte Bereich der K ü n -

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Es konnte nicht der gesamte Bestand eingesehen werden, da für einen Teil der Akten des Kultusministeriums noch Geheimhaltungspflicht besteht. Es handelt sich um persönliche Dokumente aus dem Nachlaß Falckenbergs. Zur Auswertung dieses Materials vgl. Euler a.a.O. Theatermuseum München, Institut für Theaterwissenschaft der Universität Köln und Privatbesitz. Ebenda. Ausspruch Hitlers auf einer Tagung der R K K , zit. nach Schramm, Wilhelm von: Die Theaterkritik im neuen Deutschland, Berlin O.J., S. 12.

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ste untergeordnet und damit für politisch-propagandistische Zwecke nutzbar gemacht werden sollte 28 . Die Gleichsetzung von Kultur und Propaganda 29 kam in äußerst vielfältigen kunstpolitischen Bestrebungen zum Ausdruck, deren Hauptziel die Durchsetzung und Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts war. Hierbei wurde dem Theater eine besondere Bedeutung beigemessen. Nicht von ungefähr suchte sich die Kulturführung dieses Mediums als eines politischen Führungs- und Erziehungsmittels zu bedienen : »Die Theaterkunst steht durch den öffentlichen Charakter ihres Kunstschaffens und Kunsterlebens den Lebensform en und Problemen der völkischen Gemeinschaft besonders nahe. Daraus ergibt sich die Größe ihrer Aufgabenstellung, die immer zugleich eine politische und eine führende ist und die letzten Endes darin besteht, den Sinn und die Werte der völkischen Gemeinschaft zum unmittelbaren und allgemeinen Erlebnis werden zu lassen« 30 .

Ausgangspunkt der theater- wie der kunstpolitischen Aktivitäten überhaupt war die pauschale Abwertung und Diffamierung des Kulturlebens der Weimarer Republik. Schon frühzeitig hatte Hitler selbst mit den Schlagworten vom »Bolschewismus der Kunst« oder vom »Verfall des Theaters« operiert und zum kulturellen »Reinemachen« aufgerufen: »Theater, Kunst, Literatur, Kino, Presse, Plakat und Auslagen sind von den Erscheinungen einer verfaulenden Welt zu säubern und in den Dienst einer sittlichen Staats- und Kulturidee zu stellen« 31 .

Auch nachdem sich das NS-Regime bereits etabliert hatte, wurden seine Kulturfunktionäre nicht müde, immer wieder mit Nachdruck auf die zurückliegenden Gefahren der »Geistesanarchie« und auf die »marxistisch-liberalistischen« bzw. jüdischen »Zersetzungstendenzen« hinzuweisen, mit denen nach ihrer Auffassung das Theater der »Systemzeit« erschöpfend charakterisiert werden konnte 3 2 . Ansätze zu einer nationalsozialistischen Gegenoffensive auf dem Gebiet des Theaters hatte es schon vor der Machtergreifung gegeben. Zu erinnern wäre beispielsweise an die 1927 ins Leben gerufene >NS-VolksbühneKampfbunds für deutsche Kultur< (KfdK) 3 4 . Diese Organisation war im Dezember 1928 unter der Führung von Alfred Rosenberg in München gegründet worden und erhielt nicht nur von Seiten der NSDAP, sondern auch aus bürgerlich-konservativen Kreisen Unterstützung. Seit 1930/31 waren ihre Ortsgruppen im gesamten Reichsgebiet vertreten. Laut § 1 seiner Satzung hatte sich der KfdK das Ziel gesetzt, »inmitten des heutigen Kulturverfalls die Werte des deutschen Wesens zu verteidigen und jede arteigene Äußerung deutschen kulturellen Lebens zu fördern« 3 5 . Das Hauptgewicht der Öffentlichkeitsarbeit lag bei den einzelnen Fachgruppen, die innerhalb des KfdK für die verschiedenen Kunstsparten aufgebaut wurden. Der Fachgruppe Theater (Leitung Walter Stang) waren ein Dramaturgisches Büro und ein Bühnenvertrieb angeschlossen. Eine >Kampfbund-Bühne< mit eigener Besucherorganisation etablierte sich 1932 im Münchner Gärtnerplatztheater, Sonderaufführungen gab man auch im Prinzregen ten theater. Angestrebt wurde eine allgemeine Steigerung des Theaterbesuchs; neuen Schichten, besonders den »minderbemittelten Volksgenossen«, sollte hierdurch der Zugang zum Theater erschlossen werden. Neben dieser vordergründig idealistischen Zielsetzung stand, langfristig gesehen, jedoch eine andere Absicht hinter solchen theaterpolitischen Aktivitäten: Die Ausrichtung der Spielpläne auf die NS-Ideologie und die Entfernung von »undeutschen und marxistischen Persönlichkeiten« sollten zu einer »völligen Umgestaltung« des herkömmlichen Theaterwesens führen 3 6 . Nach der Machtübernahme setzte eine verstärkte publizistische Diskussion über Inhalte und Formen des Theaters aus nationalsozialistischer Sicht ein. Schon im Titel der verschiedenen zeitgenössischen Veröffentlichungen ist das »Programm« mehr oder weniger enthalten 37 . Zwar gab es Nuancen hinsichtlich der Ausgangspunkte und der Argumentationsweisen, doch waren sich die NS-Theatertheoretiker im Grundsätzlichen einig : An die Stelle einer »bürgerlichen Luxusbühne«, deren »artfremde« Elemente es samt und sonders zu eliminieren galt, sollte das »völkisch-heldische«, im NS-Mythos verankerte Theater treten. Diese Vorstellungen mündeten in die Forderung nach dem Wiederaufbau eines »deutschen Nationaltheaters« 38 , von dessen Existenz man auch entscheidende Impulse für die Herausbildung eines »neuen Dramas« erwartete.

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Vgl. hierau Brenner, a.a.O., S. 7 - 2 1 . Mitteilungen des Kampfbundes für deutsche Kultur Jg. 1, N r . 1, S. 5 f. Vgl. IfZ, MA 697, Denkschrift betr. Zusammenarbeit zwischen der Abteilung Volksbildung der Reichsleitung der N S D A P und dem Kampfbund für deutsche Kultur vom 21. 6. 1932. Vgl. Stang, Walter (Hrsg.): Bausteine zum deutschen Nationaltheater. Organ der Gruppe Theater im Kampfb u n d f ü r deutsche Kultur Jg. 1933-1937; H a r t z , Erich von: Wesen und Mächte des heldischen Theaters. Berlin 1934; Schramm, Wilhelm von: Neubau des deutschen Theaters. Berlin 1934; Stumpfl, Robert: Unser Kampf u m ein deutsches Nationaltheater, Berlin 1935; Schlösser, Rainer: Das Volk und seine Bühne. Berlin 1935; Emmel, Felix: Theater aus deutschem Wesen. Berlin 193*7· Die Idee des Nationaltheaters, in dem ein Volk sich als Gefühls- und Gesinnungsgemeinschaft erlebt, hatte ihren Ursprung im 18. Jahrhundert (1767 - 69 Deutsches Nationaltheater in Hamburg mit Lessing als Dramaturg). Wie viele andere aus der deutschen Kulturtradition stammende Wertbegriffe wurde der Nationaltheater-Gedanke von den NS-Ideologen usurpiert und für propagandistische Zwecke nutzbar gemacht.

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Dieses »neue D r a m a « 3 9 wurde mit dem Adjektiv »heroisch« charakterisiert und hatte in erster Linie die A u f g a b e , ein nationalsozialistisches Weltbild zu vermitteln. Maßgeblich waren hierbei weniger die Interessen des herkömmlichen Theaterbesuchers als vielmehr die emotionelle Ansprechbarkeit eines künftigen Massenpublikums. D i e Idee v o m Theater als »Kultstätte der N a t i o n « , deren früher Verfechter H a n n s J o h s t gewesen w a r 4 0 , brachte es mit sich, daß nicht nur inhaltlich, sondern auch formal neue Wege beschritten werden sollten. Mi t dem Thingspiel glaubte man die Begrenzung der Guckkastenbühne und den »Individualismus« des traditionellen literarischen Theaters überwinden und statt dessen ein kultisches Massentheater institutionalisieren zu k ö n n e n 4 1 . Initiiert und getragen w u r d e die Thingbewegung v o n der G r u p p e um Alfred R o s e n b e r g u n d v o m >Reichsbund der deutschen Freilicht- und Volksschauspiele< 4 2 . Seit E n d e 1933 hatte ein ausgedehnter Werbefeldzug für das Thingspiel eingesetzt. In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnete >Thing< die altgermanische V o l k s - oder Gerichtsversammlung; nicht von ungefähr sollten die Spielplätze an »historisch geweihten« O r t e n errichtet werden. D e m architektonischen A u f b a u - amphitheatralisch ansteigende Sitzreihen mit zentralem kreisförmigen Spielplatz - lagen antike Vorbilder zugrunde. Chorische Szenen u n d Massenaufmärsche konnten hier v o r zwanzig- bis dreißigtausend Zuschauern ihre Wirkung entfalten. Ein aufwendiger technischer A p p a r a t ermöglichte alle nur denkbaren Licht- und Toneffekte. In der Thingdramatik mischten sich altgermanische Vorstellungen und mißverstandenes Theater der Antike mit Elementen des mittelalterlichen Passionsspiels z u einem eklektischen Durcheinander. Mit der Übertragung christlicher Erlösungsmotive auf den N S - M y t h o s erhielt das Thingspiel seine pseudoreligiöse Weihe. D o c h wich die anfängliche Euphorie rasch der Ernüchterung. O b w o h l der Plan bestand, im gesamten

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Hoffnungen, die in den literarischen Nachwuchs gesetzt wurden, blieben jedoch weitgehend unerfüllt. Laut Goebbels marschierten die NS-Klassiker »noch in der Hitlerjugend« (Zit. nach Brenner, a.a.O., S. 116). Die Vertreter des »neuen Dramas« brachten keine genuinen Leistungen hervor. Sie bezogen ihre Vorbilder beispielsweise aus der Geschichtsdichtung des 19. Jahrhunderts und aus der Heimat- und Bauerndichtung, oder folgten den Spuren derjenigen Autoren, die als Wegbereiter der völkisch-nationalen (Adolf Bartels) bzw. der neoklassizistischen (Paul Ernst) Richtung geschätzt wurden. Es gab zwei Hauptströmungen in der NS-Dramatik: Autoren wie Johst, Kolbenheyer, Bethge, Graff oder E . W . Möller wollten »symbolhafte Realität« auf die Bühne bringen, während eine zweite Gruppe sich mit dem Versuch einer Wiederbelebung der Tragödienform um »überhöhte Typik« bemühte; dies waren u. a. kangenbeck, Bacmeister und später auch E. W. Möller, die zugleich dramaturgische Abhandlungen verfaßten. Zur Dramatik und Dramentheorie des N S vgl. Ketelsen, Uwe-Karsten: Heroisches Theater. Bonn 1968; derselbe: Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890-1945. Stuttgart 1976; Bumm, Peter H . : Drama und Theater der konservativen Revolution. Diss. München 1971. Zur Steuerung der literarischen Produktion vgl. auch Wulf, Joseph: Literatur und Dichtung im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh 1963. Vgl. Johst, Hanns: Ich glaube. München 1928, S . 2 2 - 3 1 . Vgl. hierzu Schramm, a.a.O., S. 3 3 - 5 7 und Braumüller, Wolf; Freilicht- und Thingspiel. Berlin 1935. Zum Thingexperiment vgl. Brenner a.a.O., S. 9 5 - 1 0 6 und Pitsch, a.a.O., S . 6 9 - 7 8 . Zu Bauformen und Inszenierungspraxis vgl. Petsch, Joachim: Baukunst und Stadtplanung im Dritten Reich. München 1976, S. 113-119 und Hoffmann, Peter: Die Entwicklung der theatralischen Massenregie in Deutschland von den Meiningern bis zum Ende der Weimarer Republik. Diss. Wien 1965, S . 2 2 8 - 2 3 7 . Diese Organisation wurde 1934 ins Leben gerufen und unterstand dem RMVP.

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Reichsgebiet 400 Thingstätten zu errichten 43 , war der Höhepunkt der Thingbewegung schon 1936 überschritten. Es fehlte trotz einer lautstarken Propaganda an qualitativ überzeugenden Stücken 44 . Das Interesse des Publikums erlahmte, zumal die Aufführungen mehr politischen Großveranstaltungen als einer theatralen Darbietung ähnelten. Auch die klimatischen Verhältnisse trugen dazu bei, den Reiz des völkischen Festspiels unter freiem Himmel zu mindern. Goebbels, der das Experiment von Anfang an nicht ohne Skepsis betrachtet hatte, ließ 1937 die »Reichswichtigkeit« von Freilichtspielen aufheben und setzte damit der Thingbewegung ein offizielles Ende. Obgleich man in der Theorie versucht hatte, das traditionelle Kulturtheater zu überwinden, wußte.man sich seiner in der Praxis zu bedienen. Ohne direkte Propagierung der NS-Ideologie ließ sich mit scheinbar zweckfreien Aufführungen eine »Kulturfassade« errichten, die das Bildungsbürgertum täuschen und den ausländischen Beobachter beeindrucken konnte. Im Wettstreit mit anderen Nationen hob man die Pflege der Klassiker nachdrücklich hervor und legitimierte auf diese Weise die NS-Theaterpolitik. Der »fanatische Kulturwille der Regierung« 45 gehörte zum propagandistischen Credo der Führungselite. Ihre Vertreter gefielen sich in der Rolle des »Schirmherrn« und sahen im Theater ein Repräsentationsmittel, dessen Glanz sich auf die eigene Person übertrug. Nicht zuletzt eignete sich das Theater dazu, Unterhaltungsbedürfnisse zu befriedigen und von unerfreulichen Realitäten abzulenken. Vor allem in den Kriegsjahren trat die circensische Funktion deutlich in Erscheinung 46 . Auf zweierlei Weise bekamen die nationalsozialistischen Machthaber das Theater unter Kontrolle: mittels einer großzügigen wirtschaftlichen Förderung 4 7 , vor allem aber durch gesetzliche und administrative Regelungen. Das gesamte Theaterwesen wurde bereits durch eine Verordnung vom 30. 6. 1933 dem neu geschaffenen >Reichsministerium für Volks aufklärung und Propaganda« (RMVP) unterstellt und fiel damit in den Kompetenzbereich von Joseph Goebbels 48 . Das Reichskulturkammergesetz vom 22. 9. 1933 ermächtigte den Propagandaminister dazu, mit der Errichtung der Reichskulturkammer (RKK) und ihrer Einzelkammern die Angehörigen der künstlerischen Berufe »in Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammenzufassen« 49 . Ungeachtet der kunstpolitischen

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Am 5. 6. 1934 war der erste Thingplatz bei Halle geöffnet worden, der Bau von ca. 60 Thingstätten wurde im gleichen Jahr begonnen. Den größten Erfolg konnte Richard Euringers >Deutsche Passion 1933< erzielen. Uraufführung 1934 bei den Heidelberger Reichsfestspielen. Laubinger, O t t o : Aufgaben des Theaters im Dritten Reich, in: Die Deutsche Bühne Jg. 25 (1933), H . 13, S. 215. Auch die Truppenbetreuung durch Fronttheater spielte in diesem Zusammenhang eine Rolle. U m nur einige Beispielefür materielle Aufwendungen im »Altreich« zu geben: Der Jahreszuschuß der öffentlichen Hand betrug 1936 rund 80 Millionen RM. Bis 1937 waren 35 Theater renoviert und ausgebaut worden. Zwei Theaterneubauten (Saarbrücken und Dessau) konnten 1938 ihrer Bestimmung übergeben"werden; zahlreiche weitere Bauvorhaben (u. a. waren für Berlin und München neue Opernhäuser geplant) kamen wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr zur Ausführung. Vgl. Pitsch, a.a.O., S. 5 5 - 6 0 und Petsch, a.a.O., S. 119-123. Besonders intensiv wurden die Bühnen im Grenzland gefördert. Nach der territorialen Ausdehnung kam es zur Übernahme und Neugründung von weiteren Theatern. Vgl. hierzu die statistischen Angaben in DBJ 1942, S.2-9. Eine Ausnahme bildeten lediglich die preußischen Staatstheater, für die Hermann Göring verantwortlich war. §1 des RKK-Gesetzes, zit. nach Brenner, a.a.O., S.57.

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Richtungskämpfe innerhalb der Partei 5 0 wurde G o e b b e l s in seiner D o p p e l f u n k t i o n als Reichsminister und Präsident der R K K oberster Dienstherr aller »Kulturschaffenden«. D i e Reichstheaterkammer ( R T K ) - eine Unterorganisation der R K K - wurde die maßgebliche berufsständische Gesamtorganisation der Bühnenangehörigen 5 1 . N a c h A b schluß ihres organisatorischen A u f b a u s gliederte sich die R T K in acht Fachbereiche, die ihrerseits wieder in Fachgruppen b z w . Referate unterteilt waren. Sämtliche bisherigen Einzelverbände, die die Interessen ihrer Mitglieder nach dem Prinzip der freiwilligen Selbstverwaltung b z w . nach gewerkschaftlichen Grundsätzen vertreten hatten, wurden mit ihrer körperschaftlichen Ü b e r f ü h r u n g in die R T K personell und politisch gleichgeschaltet. N o m i n e l l e Selbständigkeit hatten sich die G D B A , der >Deutsche Bühnen-Verein< u n d der >Deutsche Chorsängerverband u n d Tänzerbund< eine Zeitlang bewahrt. N a c h A u f l ö s u n g dieser Verbände wurden deren Mitglieder in der >Fachschaft Bühne< vereinigt, die als Abteilung IV der R T K am 6. 9. 1935 errichtet worden war. Zu dieser Zeit fand auch die regionale Gliederung der R T K ihre abschließende F o r m . Entsprechend der Gaueinteilung wurden 31 Landesleitungen errichtet, die den örtlichen Dienststellen der Landeskulturwalter ( R K K ) und später auch den Landesstellen des R M V P , den Reichspropagandaämtern angeschlossen waren. Dieser zentralistische A u f b a u und die F ö r d e r u n g der Personalunion in der Ämterverteilung 5 2 gewährleisteten eine unbeschränkte Herrschaftsausübung. Ihrem Charakter nach war die R T K ein staatlich und politisch gelenktes Zwangsorgan. J e d e r , der einen theaterkünstlerischen Beruf ausüben wollte, war zur Mitgliedschaft verpflichtet. E s versteht sich fast von selbst, daß (abgesehen von zweckdienlichen A u s n a h m e n ) politisch »Unzuverlässige« und »Nichtarier« keine A u f n a h m e fanden b z w . ausgeschlossen wurden und damit automatisch Berufsverbot erhielten 5 3 . A u c h die Tatsache, daß die führenden Männer der R T K selbst aus Theaterberufen kamen u n d somit neben politischer Loyalität wenigstens fachliche K o m p e t e n z

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Ein bekanntes Beispiel für Kompetenzstreitigkeiten ist der Rivalitätskampf zwischen Rosenberg und G o e b b e l s . (Vgl. hierzu Brenner, a . a . O . , S. 7 8 - 8 2 ) . Rosenberg vertrat in kulturpolitischen Fragen eine doktrinäre Linie. D i e »Reinerhaltung der Lehre« war ihm oberstes G e b o t . D a g e g e n spielten für G o e b b e l s von Anfang an Repräsentationsmotive eine nicht unbeträchtliche Rolle. E r erwies sich als gewiegter Taktiker im U m g a n g mit Berufskünstlern, die er durch die Vergabe v o n Ämtern zu gewinnen suchte und bewahrte sich ein realistisches Urteil in Qualitätsfragen. Bezeichnend ist seine folgende Äußerung anläßlich der E r ö f f n u n g der R K K am 15. 11. 1933: » N i e m a n d befiehlt, daß die neue Gesinnung über die Bühne oder Leinwand marschiert. W o sie aber darüber marschiert, da müssen wir eifersüchtig dafür sorgen, daß sie auch in ihrer künstlerischen F o r m u n g der Größe des historischen Prozesses entspricht, den wir in der deutschen Revolution durchgeführt haben«. Zit. nach: D i e Bühne J g . 1937, H . 11/12, S . 2 7 4 .

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Schon am 1. 8. 1933 hatten sich die Spitzenverbände des deutschen Theaters zusammengeschlossen, vgl. D B J 1934, S. 118. N a c h Inkrafttreten des R K K - G e s e t z e s brauchte diese Organisation, die bereits den N a m e n R T K führte, lediglich ihren Rechtsstatus zu ändern. Z u A u f b a u und B e d e u t u n g der R T K vgl. H a n d b u c h der Reichskulturkammer, hrsg. von H a n s Hinkel. Berlin 1937, S . 2 4 5 - 2 6 2 ; Pitsch , a . a . O . , S . 3 6 - 3 9 ; A u g u s t , a . a . O . , S.69-77.

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Bis April 1938 bestand beispielsweise eine Personalunion zwischen dem Präsidium der R T K und der Leitung der Theaterabteilung im R M V P .

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U b e r A u f n a h m e b z w . Nichtaufnahme entschied der Präsident der R T K b z w . in letzter Instanz G o e b b e l s selbst. J ü d i s c h e Künstler durften anfangs noch an Privatbühnen beschäftigt werden; später konnten sie der Arbeitslosigkeit dadurch entgehen, daß sie innerhalb des »Kulturbunds deutscher JudenReichsdramaturgen< geschaffen und in die Abteilung VI des R M V P eingegliedert worden. Nach offizieller Lesart durfte diese neue Einrichtung »nicht mit dem Begriff der >Zensur< im alten Sinne verwechselt werden« - der >Reichsdramaturg< habe lediglich »anregend oder korrigierend« in Streitfragen der Spielplangestaltung einzugreifen und zu entscheiden 6 0 . Dies führte jedoch dazu, daß die Richtlinien der Spielplangestaltung von den Machthabern bestimmt wurden, wobei die Reichsdramaturgie wechselnden politischen Intentionen Rechnung trug und im Zweifelsfall nach der mehrdeutigen Maxime entschied, daß erlaubt sei, was den Zielen des NS-Regimes nicht entgegenstehe 6 1 . Ähnlich verhielt es sich mit dem >Kritikverbot< (27. 11. 1936), das auf Anordnung von Goebbels die Theaterkritik herkömmlicher Art untersagte und an ihre Stelle die nationalsozialistische >Kunstbetrachtung< setzte 6 2 . Angeblich geschah dies im Interesse der Theaterschaffenden, denen subjektive Fehlurteile von Seiten der Kritik erspart bleiben sollten: » D e r künftige Kunstbericht setzt die A c h t u n g vor d e m künstlerischen Schaffen u n d der künstlerischen Leistung voraus. E r verlangt B i l d u n g , T a k t , anständige G e s i n n u n g u n d R e s p e k t vor d e m künstlerischen Wollen. N u r Schriftleiter werden in Z u k u n f t Kunstleistungen besprechen k ö n n e n , die mit der Lauterkeit des H e r z e n s u n d der G e s i n n u n g des Nationalsozialisten sich dieser A u f g a b e unterziehen«63.

V o m Recht der freien Meinungsäußerung hatte schon seit Beginn der NS-Herrschaft und besonders nach Inkrafttreten des >Schriftleitergesetzes< (4. 10. 1933) kein Rezensent mehr in vollem U m f a n g Gebrauch machen können; jetzt blieb jedem, der auf seine Berufsausübung nicht verzichten wollte, nur die Möglichkeit der sprachlichen Anpassung. Bestenfalls konnte man sich eines »Stils der Tarnung« 6 4 befleißigen. Die bisher beschriebenen Regelungen bewirkten eine tiefgreifende strukturelle Veränderung im gesamten Theaterbereich, sie waren auch für arglose Gemüter als ein Bestandteil staatlicher Machtausübung erkennbar. Anders verhielt es sich dagegen bei Maßnahmen, die den Betroffenen nicht unwillkommen sein konnten, weil sich ihre materielle Lage dadurch besserte. Nach der vorangegangenen Depression erfuhren erwerbslose Schauspieler besondere Förderung 6 5 . Im Zuge der allgemeinen wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung und der Steigerung von staatlichen Subventionen für die Theater hatten sich Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Bühnenkünstler bis 1935/36 weitgehend 59

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Aus der Ansprache zur Eröffnung der Landesleiter-Tagung der RTK im Oktober 1936, zit. nach D B J 1937, S.3. Handbuch der R K K , a.a.O., S.247. Zur grundsätzlichen Haltung der Reichsdramaturgie vgl. Schlösser, Rainer: Fragen und Aufgaben der Spielplangestaltung, in: Der neue Weg Jg. 63 (1934), Nr. 13, S. 282 ff. Prinzipiell galt für jeden Theaterveranstalter die verbindliche Vorschrift, den Jahresspielplan bei der Reichsdramaturgie zur Genehmigung vorzulegen. Seit April 1934 bestand zusätzlich die Pflicht, das an Feiertagen vorgesehene Programm drei Wochen vor dem jeweiligen Termin zu melden. Als Feiertage galten u. a. der 30. Januar (Machtübernahme), der >Volkstrauertag< (5. Sonntag vor Ostern), der Karfreitag, der 20. April (Geburtstag des >FührersVersorgungsanstalt Deutscher Bühnen, Münchens eine korporative Institution der R T K . Daneben hatte man weitere soziale Einrichtungen geschaffen für alte, erwerbsunfähige Künstler und für solche, die in wirtschaftliche Not geraten waren 69 . Auch Urlaubs- und Arbeitszeitregelungen sowie der Kündigungsschutz wurden verbessert. Die soziale Absicherung der Theaterschaffenden war seit jeher mehr als unzulänglich gewesen. Unbestreitbar haben die Förderungsmaßnahmen des NS-Regimes in dieser Hinsicht einen beträchtlichen Fortschritt gebracht. Doch muß dabei berücksichtigt werden, daß die Initiatoren keineswegs aus rein altruistischen Motiven handelten. Zum einen war der Empfang von sozialen Leistungen an die Mitgliedschaft in der R T K , im Prinzip also an politisches Wohlverhalten und Zugehörigkeit zur »arischen Herrenrasse« gebunden; zum anderen gehörte die propagandistische Wirkung mit zum politischen Kalkül 70 . Während dabei auf die Dankbarkeit derjenigen spekuliert werden konnte, die keine hervorragende berufliche Position erreicht hatten, suchte man sich die Theaterprominenz auf andere Weise zu verpflichten. Berühmte Schauspieler erhielten hohe Gagen und durften mit Nachsicht rechnen, wenn die Ahnentafel kleine Schönheitsfehler aufwies. Auch die Frage der politischen Zuverlässigkeit wurde in solchen Fällen großzügiger gehandhabt. Namhaften Regisseuren und Bühnenleitern stellte man weitgehende »künstlerische Freiheit« und beste Arbeitsbedingungen in Aussicht. Goebbels und andere Repräsentanten des Regimes liebten es, sich bei gesellschaftlichen Anlässen mit Bühnen- und Filmstars zu umgeben. Bei der Vergabe von Titeln und Ehrungen an die Größen des Theaters zeigte man sich nicht kleinlich 71 . Der gesamte Berufsstand erfuhr hierdurch einen beträchtlichen Prestigezuwachs 72 . Damit ist deutlich geworden, daß sich die Kulturführung in der theaterpolitischen Praxis nicht auf den Ausbau eines formalen Lenkungs- und Überwachungssystems beschränkte, sondern auch von den Möglichkeiten der »informalen Kontrolle« 73 Gebrauch zu machen wußte. 66

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Hierbei darf nicht vergessen werden, daß auch durch die Emigration von Angehörigen dieser Berufsgruppe Arbeitsplätze frei wurden. Ansprache von Goebbels auf der Reichstheaterfestwoche in Wien 1938, zit. nach: D B ] 1939, S.6. Diese Sozialversicherung war mit der Tarifordnung für die deutschen Theater< am 27. 10.1937 eingeführt worden. Laut §4 der Tarifordnung wurden die Beiträge »je zur Hälfte vom Theaterunternehmer und vom Bühnenschaffenden getragen«. Die Anordnung Nr. 60 der R T K vom 27. 11. 1937 bestimmte weiter, daß die Theaterveranstalter »von jeder ausgegebenen Theatereintrittskarte einen Betrag von 5 Rpf. für die Altersversorgung« abzuführen hatten. StdM, Ka 290, Abdrucke der Verordnungen. Beispielsweise die >Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende« oder die >Spende KünstlerdankDeutsche Bühne< - eine korporative Einrichtung des KfdK, die im März 1933 geschaffen worden war - die Nachfolge der bisherigen Volksbühnenvereine und des Bühnenvolksbunds angetreten. Nachdem Alfred Rosenberg bestrebt war, der Goebbelsschen Kunstpolitik und ihren staatlichen Institutionen ein ideologisches Korrektiv entgegenzusetzen, erfolgte im Juni 1934 die Zusammenlegung der >Deutschen Bühne< mit dem KfdK zur Nationalsozialistischen Kulturgemeinde< (NSKG). Diese neue Dachorganisation war in das >Amt für Kunstpflege< (Leitung Walter Stang) und damit in die Rosenbergsche Dienststelle innerhalb der Reichsleitung der NSDAP eingegliedert worden. Die Theaterabteilung der NSKG sah ihre Hauptaufgabe in der ideologischen Steuerung des gesamten deutschen Theaterlebens; damit eng verbunden war das Ziel einer wirtschaftlichen Stärkung der Bühnen durch den Ausbau des Besucherrings auf 1 - 1 V 2 Millionen Mitglieder 75 . Für einen Jahresbeitrag von 1 RM wurden in der Regel zehn Vorstellungen zur Hälfte des regulären Eintrittspreises geboten, wobei Stücke und Vorstellungstermine für die Mitglieder nicht frei wählbar waren, sondern von der NSKG festgelegt wurden. Ähnliche Ziele verfolgte die NS-Gemeinschaft >Kraft durch Freude< (NSG-KdF), eine im November 1933 ins Leben gerufene Unterorganisation der d e u t schen Arbeitsfront (DAF) 7 6 , die ihre eigenen Besucherringe eingerichtet hatte. Es wurden jedoch unterschiedliche Taktiken angewandt: während die NSKG bestrebt war, für möglichst viele Aufführungen an verschiedenen Theatern bestimmte Platzkontingente zu erhalten, tendierte die NSG-KdF zum System der geschlossenen Vorstellungen mit eigener Preisgestaltung. Die Mitglieder zahlten zwischen 0,75 und 1,75 RM pro Karte - ein Entgelt, das weit unter dem Normalpreis lag 77 . Außerdem suchte man einzelne Bühnen selbst zu erwerben, zu pachten oder durch Exklusiwerträge für die eigenen Mitglieder zu reservieren 78 . Da eine de facto bestehende Konkurrenz zwischen den NS-Besucherorganisationen zumindest nicht nach außen sichtbar werden sollte, und die NSG-KdF quantitativ die größeren Erfolge vorzuweisen hatte, kam es 1937 schließlich zu einer weiteren Demonstration »einheitlichen Kulturwillens« - NSKG und NSG-KdF wurden innerhalb der D A F vereinigt 79 .

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Vgl. im folgenden Pitsch, a.a.O., S. 52; Wulf, Theater und Film, a.a.O., S. 6 2 - 6 6 ; August, a.a.O., S. 8 1 - 8 7 . Zum Grundsatzprogramm der N S K G , Abteilung Theater vgl. IfZ, M A 697. Die D A F wurde die nationalsozialistische Nachfolgeorganisation der früheren Gewerkschaften; sie war nach Besetzung der Gewerkschaftshäuser durch die N S B O im Mai 1933 gegründet worden; ihr Leiter war Dr. Robert Ley. Die Tagespreise des bayerischen Staatsschauspiels lagen beispielsweise in einer Bandbreite von 1,80-6,30 RM. StdM, Ka 290, Preisliste vom 1. 1. 1938. Letzteres war ζ. B. beim Münchner Prinzregententheater der Fall. Auf Veranlassung der N S G - K d F hatte man dieses Haus zum >Theater des Volkes< deklariert und 1934 wieder den vollen Spielbetrieb aufgenommen. Mit dem Personal der Bayerischen Staatstheater gab man Vorstellungen, die en bloc abgenommen wurden. Vgl. DBJ 1935, S.441. Diese Zusammenlegung erfolgte auf Betreiben Leys und mit Billigung von Goebbels. Rosenbergs Einfluß auf die Theaterpolitik wurde hierdurch zurückgedrängt.

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Daß die Bühne dem »Volk« gehören und jeder, » o b reich ob arm, gebildet oder ungebildet. . . der Beglückung und Begnadung durch das theatralische Ereignis teilhaftig werden« 8 0 solle, war als kulturpropagandistische Parole fester Bestandteil der allgemeinen Vereinnahmungsmanöver. D i e psychologische Wirkung auf das Selbstwertgefühl des sogenannten »einfachen Volksgenossen«, der sich somit dem »Bildungsbürger« gleichgestellt sehen durfte, läßt sich zwar nicht exakt bemessen, doch erlebten in den KdF-Vorstellungen tatsächlich viele Menschen erstmals eine Theateraufführung. Statistisch schlug diese organisierte Kulturbetriebsamkeit ebenfalls zu Buche; die allgemeinen Besucherzahlen stiegen hierdurch kontinuierlich an 8 1 . Von Jahr zu Jahr erhöhte sich auch die Zahl der Festspiele, Festwochen und Sonderveranstaltungen. Die Teilnahme an derartigen Theaterereignissen erhielt zunehmend den Charakter einer Belohnung für besondere Leistungen und gute Führung 8 2 . Zu guter Letzt erhob man den Theaterbesuch nachgerade zur Pflicht »vor Gott und unserem geliebten Führer« 8 3 . D o c h blieben offizielle Erklärungen, die auf den Theaterbesucher abzielten, letztlich reine Rhetorik. Eine echte Erziehung der Massen zur Kunst war gar nicht beabsichtigt; indirekt sollten durch die Aktivierungsbemühungen der Besucherorganisationen Anhänger für das NS-Regime geworben werden. Diejenigen, die auf diese Weise ins Theater geschleust wurden, bildeten theatersoziologisch gesehen - ein Zufallspublikum. Nach allem bisher Gesagten interessiert im Zusammenhang mit unserem Thema noch die bayerisch-münchnerische Variante der nationalsozialistischen Theaterpolitik. Voraussetzung für das Selbstverständnis der regionalen Kulturführung war die Tatsache, daß München als >Hauptstadt der Bewegung< von Anfang an eine Sonderstellung eingenommen und darüber hinaus von Hider die Ehrenbezeichnung >Hauptstadt der deutschen Kunst< verliehen bekommen hatte. Im Zweifelsfall urteilte man hier, wie später noch gezeigt wird, »päpstlicher als der Papst«. Auf kommunaler und landespolitischer Ebene gaben nach der Machtergreifung Männer wie der Oberbürgermeister und >Reichsleiter< Karl Fiehler, oder Adolf Wagner - seines Zeichens Gauleiter, Staatsminister des Innern und ab November 1936 zugleich Kultusminister - den T o n an 8 4 . Diese beiden Altparteigenossen waren von der Kultursendung Münchens und der Notwendigkeit besonderer Anstrengungen auf dem Theatersektor ebenso überzeugt 8 5 , wie von der Wichtigkeit ihrer eigenen Person. So verwundert es nicht, daß man die »Neugestaltung« des bayerischen

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Laubinger, Otto: Zu Beginn!, in: DBJ 1934, S.58f. Zur Steigerung des Theaterbesuchs vgl. Pitsch, a.a.O., S . 8 4 - 8 8 ; ζ. B. registrierte man 1935 rund 10 Millionen Theaterzuschauer. Seit Kriegsbeginn wurden Festspielkarten bevorzugt an Frontsoldaten und Rüstungsarbeiter abgegeben. Zur allgemeinen Festspielpolitik vgl. Pitsch, a.a.O., S.78-83. Ansprache von Rainer Schlösser auf der Landesleiter-Tagung der RTK im Oktober 1936, zit. nach D B J 1937, S.7. Zu Fiehler und Wagner vgl. Stockhorst, Erich (Hrsg.): Fünftausend Köpfe. Wer war was im Dritten Reich. Velbert 1967. Vgl. u. a. : »Die Kultursendung der Münchner«, in: Die Deutsche Bühne. Münchner Monatsschrift für Kunst und Theater, hrsg. von der Theatergemeinde München e. V., November/Dezember 1933, S. 4 f. (Bericht über eine Ansprache von Karl Fiehler); »Hauptstadt der deutschen Kunst«, in: Kölnische Zeitung (Reichsausgabe) vom 26. 4. 1936. (Bericht über eine kulturpolitische Rede von Adolf Wagner).

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Theaterwesens nicht allein dem R M V P überlassen wollte. D i e Möglichkeit zusätzlicher Kontrollen im regionalen Bereich wurde institutionell verankert. A m 1. 6. 1934 war ein städtisches >Kulturamt< geschaffen worden, dessen A u f t r a g darin bestand, Konzeptionen für die k o m m u n a l e Kulturarbeit zu entwickeln und die D u r c h f ü h r u n g städtischer A n ordnungen in der Praxis zu überwachen; diese A u f g a b e n wurden »der weltanschaulichen Festigung halber« in die H a n d »bewährter Parteigenossen« gelegt 8 6 . N a c h einer kurzen Anlaufphase betraute Fiehler den Ratsherrn M a x Reinhard mit der Leitung des Kulturamts. D e s s e n »direkter F ü r s o r g e « unterstanden die Kammerspiele im Schauspielhaus; daneben behielt sich die Stadt aufgrund ihrer finanziellen Leistungen noch bei anderen Münchner Bühnen ein gewisses Mitspracherecht v o r 8 7 . V o n der G r ü n d u n g einer weiteren Institution waren sämtliche bayerischen Theater betroffen: K r a f t seiner Autorität als Gauleiter und Staatsminister hatte Adolf Wagner mit Verordnung v o m 15. 8 . 1 9 3 6 die Theaterangelegenheiten v o m Kultus- auf das Innenministerium übertragen und dort eine Spezialabteilung bilden lassen, die die Bezeichnung >Oberste Theaterbehörde in Bayern< ( O T b B ) erhielt 8 8 . Z u m Leiter der neuen Dienststelle wurde O s k a r Walleck ernannt, der sich als Generalintendant der Bayerischen Staatstheater bereits durch besondere Rücksichtnahme auf die Belange der N S - I d e o l o g i e hervorgetan hatte 8 9 . D a Walleck sein bisheriges A m t beibehielt, konnte das Führerprinzip im Bereich der Staatstheater uneingeschränkt zur A n w e n d u n g gebracht werden. Außerdem ergaben sich aufgrund einer weitgefaßten Aufgabenstellung der O T b B zahlreiche Interventionsmöglichkeiten bei internen Angelegenheiten anderer Bühnen, wobei es sich weniger u m die » F ö r d e r u n g « als um eine zusätzliche Reglementierung des bayerischen Theaterwesens handelte 9 0 . Wallecks eigenem Vorschlag z u f o l g e sollte die O T b B »in engster F ü h lungsnahme« mit dem R M V P arbeiten, doch blieben Kompetenzstreitigkeiten in der Praxis nicht aus. Anlaß zu derartigen Auseinandersetzungen gab (abgesehen von persönlichem Geltungsbedürfnis und politischem Machtstreben der Kontrahenten) häufig der doktrinäre Ubereifer, den Vertreter der Münchner Kulturführung an den T a g legten, während man im U m k r e i s v o n G o e b b e l s in der Regel eher eine pragmatische Grundhal-

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Zur Einrichtung und Aufgabenstellung des Kulturamts vgl. S t d M , K a 12, K a 13.

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Bereits vor Ü b e r n a h m e der Kammerspiele in städtische Regie war die K o m m u n e als Anteilseigner der K a m m e r s p i e l e - G m b H und als Geldgeber an diesem Theater beteiligt. Städtische Subventionen erhielten auch das Gärtnerplatztheater, das Volkstheater, die Marionettenbühne, die Staatsoper und das Staatsschauspiel.

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Vgl. A S t A , M K 40977, V e r o r d n u n g über das Theaterwesen in Bayern v o m 15. 8. 1936. Z u Walleck vgl. Wulf, Theater und Film, a . a . O . , S. 113 ff. Seit 1932 war WaUeck Mitglied der N S D A P und der S S ; er gehörte dem Präsidialrat der R T K an. N a c h seinem Weggang von C o b u r g hatte Walleck 1934 die Generalintendanz in München übernommen und dem Kultusministerium bei seinem Amtsantritt Vorschläge zur »künstlerischen Neugestaltung der Bayerischen Staatstheater« unterbreitet. N e b e n der strikten Einhaltung von rassenpolitischen Grundsätzen strebte er eine Effizienzsteigerung durch Neuengagements, verbunden mit der Entlassung von »verkalkten« und »weltfremden« Betriebsangehörigen, an.

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Vgl. A S t A , M K 40977, Aufgaben der Obersten Theaterbehörde in Bayern, Entwurf Wallecks v o m 3 . 8 . 1936. Zur » F ö r d e r u n g der bayerischen Theater« sollten von der O T b B vor allem A u f g a b e n wahrgenommen werden, die »nicht im Reichstheatergesetz verankert« waren. Unter P u n k t III (Theaterwirtschaftliche A u f g a b e n ) waren auch die »Beratung und Begutachtung in Zuschuß- und Personalfragen« sowie die »Zwischenschaltung« der O T b B »bei Gesuchen um Reichszuschüsse« und die Beratung bei » A b k o m m e n mit Besucherorganisationen« aufgeführt.

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tung einnahm 9 1 . Auch die Tatsache, daß Berlin als Theaterstadt bislang eine unbestrittene Vormachtstellung eingenommen hatte, spielte in diesem Zusammenhang eine Rolle. Was immer in München der N S - Z e i t an theaterpolitischer Eigeninitiative entwickelt wurde, erfolgte unter B e r u f u n g auf das » F ü h r e r w o r t « von Münchens R a n g als Kunststadt. Vieles deutet darauf hin, daß Hitler seinerseits versucht hat, den überkommenen Minderwertigkeitskomplex durch besondere Protektion des Münchner Theaters zu kompensieren 9 2 . Wenn die ehemalige K ö n i g s l o g e im Nationaltheater, die ab April 1935 prophylaktisch bei allen Vorstellungen für ihn freigehalten w u r d e 9 3 , auch meistens leer blieb, so bezeugte der >Führer< doch aus der Ferne und selbst unter außergewöhnlichen U m s t ä n d e n stets seine Verbundenheit mit dem Münchner Theaterleben 9 4 . Versucht man, Zielsetzungen und Praxis der nationalsozialistischen Theaterpolitik als Ganzes zu sehen, so bleibt folgendes festzustellen: D i e starke Anziehungskraft des M e diums Theater auf die Größen des Regimes ist eine unbestrittene Tatsache. Hieraus erklärt sich die inoffizielle Sonderstellung, die Bühnenschaffenden teilweise eingeräumt wurde. E b e n s o unverkennbar ist das Bestreben der N S - K u l t u r f ü h r u n g , das Theater parteipolitisch zu steuern, als Träger des N S - M y t h o s zu nutzen und mit H i l f e von direkten und indirekten Lenkungsmitteln verfügbar zu machen. V o n der Repräsentation zur Repression war es nur ein kleiner Schritt. D i e Rigorosität der gesetzlichen und organisatorischen Maßnahmen legt davon Zeugnis ab. Welche Reaktionsmöglichkeit blieb den Betroffenen? Ließ sich unter U m s t ä n d e n

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Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wird des öfteren von Spannungen zwischen Münchner und Berliner Parteigenossen die Rede sein. Ein prägnantes Einzelbeispiel mag einen ersten Eindruck vermitteln: In diesem Fall ging es um die Pensionierung eines »kleinen« Mannes, des Musikkritikers Paul Ehlers (Pg). Während Schlösser aus sozialen Erwägungen darum bat, Ehlers irgendwie am Staatstheater weiterzubeschäftigen, hielt Walleck dieZeit für gekommen, »jungen Kräften den Weg freizumachen« und setzte hinzu : »Sowohl Herr Reichsminister Dr. Goebbels wie Ministerpräsident Göring negieren das Theater als Zufluchtsstätte Sozialbedürftiger, wir deutschen Theaterleiter waren glücklich, daß der einzig mögliche Standpunkt endlich klar ausgesprochen wurde«. Schlösser dankte für diese »außerordentlich belehrenden Ausführungen« und schlug vor, man möge ihn weiterhin darüber informieren »welches die kulturpolitischen Ansichten« seines »Herrn Reichsministers« seien. »Zur neuerlichen Beleuchtung des angenehmen Verhältnisses zur Berliner Zentralstelle« gab Walleck dem Kulturamtsleiter Reinhard von diesem Briefwechsel Kenntnis - es sei »unglaublich«, daß der Präsident der R T K »eine Angelegenheit, die allein die Rechtsträger der Bayerischen Staatstheater« angehe, »in einer solchen Form beantwortet« habe. Man müsse »in all diesen Dingen Sturmzeichen sehen . . . « . StdM, Ka 288/2, Schriftwechsel Schlösser-Walleck vom 21., 24. und 29. 4. 1936; Schreiben Wallecks an Reinhard vom 2 . 5. 1936.

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Es würde zu weit führen, diesen Aspekt in allen Einzelheiten zu verfolgen. Hinsichtlich der Kammerspiele wird von Hiders Mäzenatentum ohnehin ausführlich gesprochen werden. U m wenigstens eine Vorstellung von der Vielfalt der Pläne zu geben, seien einige Beispiele in Stichworten angeführt: Die Staatsoper sollte zu einem »führenden Spitzeninstitut« ausgebaut werden und in einen monumentalen Neubau einziehen. Für den Neubau eines Operettenhauses anstelle des Gärtnerplatztheaters wollte Hitler persönlich 1000000 R M zur Verfügung stellen. Kostspielige Umbauten (neues Foyer) sollten das Residenztheater »verschönern«. Nach Vorschlägen Hitlers beabsichtigte man außerdem, in München ein >Reichsinstitut für Theaterforschung< verbunden mit einem >Reichstheaterarchiv< und einem >Reichstheatermuseum< zu errichten. Zu diesen »Führerplänen« vgl. StdM, Ka 288/1, Ka 360, Ka 427; IfZ, M A 234; StAM, N S D A P 28; Petsch, a.a.O., S. 90 und 123.

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Vgl. AStA, M K 41043, Schreiben des BStMUuK an die Adjutantur des Führers vom 30. 3. 1935. An den Kammerspielen ging es bescheidener zu. Nur für den Fall, daß man tatsächlich mit einem Besuch Hitlers zu rechnen hatte, wurde die rechte Orchesterloge reserviert. Vgl. Petzet, a.a.O., S.259. Folgender »Führerwunsch« ist aktenmäßig belegt: »Es ist dafür Sorge zu tragen, daß von jeder Neuinszenierung der Münchner Theater Farbaufnahmen gemacht werden, die die schönsten . . . Stellen der Aufführungen festhalten. Diese Aufnahmen sind bestimmt für das Führerhauptquartier und sollen dort bei Gelegenheit mit dem . . . Projektionsapparat vorgeführt werden«. StdM, Ka 295, Aktennotiz vom 15 . 4. 1942.

94

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Nutzen aus der chaotischen Vielfalt der zuständigen Dienststellen ziehen, die trotz der engen Bindung der Theaterpolitik an das Führerprinzip bestand? Konnten sich traditionsgebundene künstlerische Intentionen den Zielen der Machthaber produktiv widersetzen? Eine Minderheit der Theaterschaffenden emigrierte aus politischer Überzeugung, die Mehrheit der Emigranten gehörte zu den rassisch Verfolgten. Namhafte Künstler, die in Nazideutschland blieben, glaubten die Kontinuität wahren und das Theater vor dem Zugriff des NS-Regimes »retten« zu können. So war Gründgens überzeugt, es ließe sich »viel Gutes durchsetzen und viel Schlechtes verhindern« 9 5 ; Heinz Hilpert argumentierte gegenüber Erich Engel, den er als Gastregisseur ans Deutsche Theater in Berlin holen wollte, auf ähnliche Weise 9 6 . In München war es Otto Falckenberg, der sich 1933 die Frage stellte, ob er die Kammerspiele, sein Lebenswerk, aufgeben und weiterführen sollte - im Alter von sechzig Jahren konnte ihm dieser Einfluß nicht leicht fallen. »Ich machte es mir als antinationalsozialistisch Gesinntem zuhalten, solange man mich meiner Gesinnung entsprechend ständige konzessionslose Kulturarbeit des Einzelnen konnte drohung durch den Nationalsozialismus vielleicht wirksam

zur Aufgabe, an meinem Posten auszu arbeiten nicht hindern würde. Ansich, so sagte ich mir, der Massenbeentgegenstellen« 9 7 .

Wie die Mehrzahl seiner Berufskollegen war Falckenberg ein unpolitischer Mensch. Der romantische und sensible Grundzug seiner Persönlichkeit befähigte ihn zu künstlerischer Arbeit, verstellte ihm jedoch den Blick für Alltagsrealitäten und politische Entwicklungen. Erzogen nach den humanistischen Bildungsidealen des 19. Jahrhunderts und geprägt von der Tradition eines bürgerlichen Elternhauses, konnte er die Illusion von der »konzessionslosen Kulturarbeit« im totalitären Staat nähern. Aus dem gleichen Grund war Falckenberg auch nicht in der Lage, jene Vorfälle in ihrer ganzen Tragweite zu begreifen, die im Münchner Theaterleben schon während der »Inkubationszeit« auf die spätere Entwicklung hindeuteten.

2 . D I E »INKUBATIONSZEIT«

1929-1933

Für die späten zwanziger und frühen dreißiger Jahre sind Wirtschafts- und Finanzkrise, anhaltende Arbeitslosigkeit und eine zunehmende Radikalisierung der innenpolitischen Auseinandersetzungen kennzeichnend. Hiervon wurde auch die Situation des Theaters entscheidend bestimmt. V o r allem die Verarmung weiter Kreise des bürgerli-

95

G r ü n d g e n s , G u s t a f : Briefe, A u f s ä t z e , Reden, hrsg. v o n R o l f Badenhausen und Peter G r ü n d g e n s - G o r s k i . M ü n chen 1970, S. 15.

96

» J e d e wertvolle A u f f ü h r u ng sei schon durch ihren Kunstwert ein Protest gegen die Zeit. Wir müßten für bessere Zeiten wenigstens weiterreichen, was wir an neuer K u n s t f o r m erreicht hätten, wenn wir auch nicht frei an ihrem Weiterbau arbeiten könnten«. S t d M , K a 773, Lebenslauf von Erich Engel, S . 2 (in Verbindung mit dem Dienstvertrag als Intendant der Städtischen Bühnen vom 1. April 1946).

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Falckenberg, O t t o : »Rechenschaftsbericht über meine Tätigkeit in den Jahren 1933-45Theater< teilte Falckenberg mit der Mehrzahl derjenigen Kollegen, die sowohl in ihrer Selbsteinschätzung als auch in der Realität keine Nationalsozialisten geworden waren. Sie alle warteten auf das Kriegsende, um da fortfahren zu können, wo sie aufgehört hatten - mit dem Spiel auf den Brettern, »die die Welt bedeuten«.

EPILOG

Eine im Hinblick auf das Hamburger Theater der NS-Zeit getroffene Feststellung hat auch für die Münchner Kammerspiele Gültigkeit: » U n d dennoch w u r d e weiter Theater g e s p i e l t . . . fast so gutes Theater, als o b das R e g i m e des U n geistes außerstande wäre, das N i v e a u zu senken. M e r k w ü r d i g genug, b e k l e m m e n d , ja makaber, daß sich w ä h r e n d des N a z i r e g i m e s . . . die >Autonomie der Bühnenkunst< bestätigt h a t « 4 7 5 .

Nach Auffassung von Theaterschaffenden, denen die Machthaber Ehrenplätze zugewiesen hatten, um die künstlerischen Leistungen des Theaters kulturpropagandistisch nützen zu können, vollzog sich das »eigentliche« Bühnengeschehen jener Jahre wie auf einer »Insel«. Diese Insider-Bezeichnung führte laut Gründgens das Preußische Staatsschauspiel 4 7 6 , während Willy Maertens das Thalia-Theater in Hamburg rückblickend als »eine Oase« bezeichnete 4 7 7 ; Petzet schließlich berichtet von »Falckenbergs Naturschutzpark der Entarteten« 4 7 8 . Den Begriffen »Insel«, » O a s e « und »Naturschutzpark« eignet die gemeinsame Bedeutung eines in sich abgeschlossenen Raums, der von einer andersartigen, als bedrohlich empfundenen Welt umgeben ist. Wenn die Bühne auch manchem Zuflucht gewährt haben mag, der innerlich nicht auf seiten des NS-Regimes stand, so kennzeichnet dieses Selbstverständnis der am Theater Tätigen doch vor allem eine kontinuierliche Flucht aus der Realität. Der Glaube an die Aufrechterhaltung der »reinen Kunst« gegen den Geist der Zeit beruhte auf einer Selbsttäuschung. Von Anfang an

474

StdM, Ka 297, Schreiben Falckenbergs an Kulturamtsleiter Reinhard vom 16. 10. 1944. Der Brief ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil er von Reinhard am Rand mit mehreren Ausrufungs- und Fragezeichen versehen wurde. An der Stelle, wo sich Falckenberg auf sein unveräußerliches Recht beruft, die »Oberleitung« über die Kammerspiele zu behalten, findet sich folgende handschriftliche Anmerkung von Reinhard: »In der jetzigen Lage allerhand! So! F. kann dochH. nicht überall hineinreden!« (Mit »H.« kann wohl nur Hitler gemeint gewesen sein).

475

Lüth, a.a.O., S.15. Vgl. Gründgens, a.a.O., S. 16. Lüth, a.a.O., S.78. Petzet, a.a.O., S.328.

476 477 478

170

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wurde von Theaterkünstlern, die zumeist aus dem liberalen Bürgertum hervorgegangen waren, das nationalsozialistische Machtpotential unterschätzt. Traditionelles politisches Desinteresse wird noch an nachträglichen Rechtfertigungsversuchen evident, die an der Vorstellung festhalten, das Theater habe die NS-Ära unbeschadet überdauert. Vergegenwärtigt man sich die Geschichte der Münchner Kammerspiele, so wird deutlich, daß mit dem Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft eine Entwicklung in Gang gekommen war, die zwar zu einer finanziellen Konsolidierung führte, zugleich aber den Verlust des früheren konzeptionellen Schwerpunkts mit sich brachte. Unter dem Einfluß der NS-Kulturpolitik wurden die Kammerspiele ihrer spezifischen Aufgabe beraubt, zeitkritisches und literarisch-progressives Theater zu machen. Echte künstlerische Experimente konnte es nicht mehr geben; dies wird unter anderem daran deutlich, daß sich im Vergleich zur vorangegangenen Zeit die Zahl der Uraufführungen und der deutschen Erstaufführungen während der Dauer des NS-Regimes prozentual um die Hälfte vermindert hatte 4 7 9 . Bei der Spielplangestaltung, die in ihren wesentlichen Zügen charaktierisiert worden ist, verfolgte man zwangsläufig eine Strategie des Eskapismus (Unterhaltungs- und Volksstücke, Historien) und des Rückzugs auf die Klassiker. Die hieraus resultierende Nivellierung des ehemals ausgeprägten Unterschieds zwischen dem Angebot der Kammerspiele und dem des Staatsschauspiels zählt ebenfalls zu den Auswirkungen der nationalsozialistischen Herrschaft, die zu einer generellen Verarmung der Münchner Theaterkultur führte. Nicht zuletzt beraubten Emigration und Verfolgung die Kammerspiele langjähriger Mitarbeiter, die einen wichtigen Beitrag zum künstlerischen Niveau dieses Theaters geleistet hatten. Zwar haben Zurückgebliebene und Neuhinzugekommene weiterhin qualitativ hochstehende Aufführungen erarbeitet, doch konnte den Kammerspielen gerade hierdurch die kulturpolitische Funktion eines Aushängeschildes oktroyiert werden. Die Grenzen zwischen Widerstand und Anpassung waren fließend. Politisch organisierten Widerstand konnte das Theater eo ipso nicht leisten; es blieb aber ein Rest von Entscheidungsfreiheit, der es ermöglichte, zumindest in Teilbereichen den Forderungen der NS-Kulturpolitik auszuweichen. Wie wir gesehen haben, bewirkte die legitime Angst vor gewaltsamen Zugriffen Außenstehender auch an den Kammerspielen Konzessionsbereitschaft. Dies gilt besonders für den Umgang mit Repräsentanten des NS-Regimes 4 8 0 , für sprachliche Anpassung bei der Öffentlichkeitsarbeit (Programmhefte, Pres479

1 911 - 1 9 3 2 / 3 3 betrug der Anteil d e r U r - und Erstaufführungen 1 7 % vom Gesamtspielplan, in den Spielzeiten 1 9 3 3 / 3 4 - 1 9 4 3 / 4 4 waren es dagegen nur noch 9 % . Die Namen der betreffenden Autoren sprechen für sich selbst. V o r 1933 waren es Wedekind, Romain Rolland, Klabund, Strindberg, Feuchtwanger, Georg Kaiser, Bruno Frank, Brecht und Klaus Mann (um nur diejenigen zu nennen, von denen mehr als ein Werk erstmals an den Kammerspielenin Szeneging; nach 1933 folgten beispielsweise Stücke von Alfons Teuber, W . E . Schäfer, Lippl, Billinger, Paul Verhoeven, Friedrich Forster, Artur Müller, Hans Georg Brenner; die Durchsetzung der Uraufführung eines Spätwerks von Hauptmann und die deutsche Erstaufführung eines Dramas von W . B . Yeats bleiben rühmliche Ausnahmen.

480

Fiehler und sein Kulturamtsleiter Reinhard wurden zumeist als »Freunde der Kammerspiele« apostrophiert. Glückwunsch- und Dankschreiben, die aus offiziellem Anlaß an Hitler und andere Größen des Dritten Reiches gerichtet worden waren, sollten Falckenberg, der selbst nie Parteimitglied wurde, zum Verhängnis werden. Vor allem hierauf basierte das Inszenierungsverbot, das ihm 1945 von den Amerikanern erteilt wurdeund die Anklage im Spruchkammerverfahren. Vgl. StdM, Ka 772, Bericht des Kulturamts betr. Kammerspiele im

Die Münchner Kammerspiele

171

seerklärungen) und auch für die Annahme verschiedener »Ehrungen«. Die partielle Akzeptation des Gegebenen führte jedoch nicht zur völligen Unterwerfung. Weder wurde dieses Theater eine NS-Bühne - Parteigenossen gab es nur in verschwindend geringer Anzahl und am wenigsten beim künstlerischen Personal - noch versagte man gefährdeten Ensemblemitgliedern praktische Hilfe und menschliche Solidarität. Unbestreitbar existierten hinsichtlich der Grundhaltung graduelle Unterschiede zwischen verschiedenen Bühnen, die dem gleichen kulturpolitischen Anspruch ausgesetzt waren. Eine weitaus stärkere Abstinenz gegenüber Zielsetzungen der Machthaber konnte vor allem im Vergleich mit dem Bayerischen Staatsschauspiel für die Kammerspiele in mehrfacher Hinsicht nachgewiesen werden. Die Bereitschaft, nationalsozialistische Tendenzdramatik in Szene zu setzen, war beispielsweise an den Kammerspielen - soweit sich das aufgrund bisher vorliegender Untersuchungen feststellen läßt— auch im Verhältnis zu außerbayerischen Theatern besonders gering. Ilse Pitsch, die vier Spielzeiten für zwei Berliner Bühnen und zwei Häuser in der Provinz (Lübeck und Bochum) ausgewertet hat, kommt zu dem Ergebnis, daß »bei einer Gesamtanzahl von 309 Sprechwerken nur 29 Stücke auf die Gesinnungsdramatik des Dritten Reiches« 481 entfielen, was einem Anteil von knapp 8 Prozent entspricht. Für sechs Spielzeiten des Düsseldorfer Schauspielhauses wird von Walter Rischer ein weitaus höherer Prozentsatz (»ca. 29,5%«) verzeichnet 482 . Dagegen waren Werke mit besonderem ideologischem Indikationscharakter am Spielplan der Kammerspiele von 1933/34 bis 1943/44 mit weniger als 5 Prozent beteiligt 483 . Berücksichtigt man, daß das ideologische »Plansoll« zum Teil nur mit dem Namen der Autoren 4 8 4 erfüllt worden ist, so fällt dieser Vergleich für die Kammerspiele noch günstiger aus. Andererseits kamen auch ausgesprochene »Ausweichdramen« (zeitgenössische Volksstücke und Historien), Unterhaltungsstücke und klassische Werke der NS-Kulturführung nicht ungelegen. Der unlösbare Zwiespalt, in dem sich die Kammerspiele seit 1933 befanden und das hierdurch bedingte Pendeln zwischen Anpassung und Widerstand waren erst mit dem Untergang des Dritten Reiches beendet. 1945 glaubte man sich in der Lage, wieder eine eindeutige Position beziehen zu können. Mit »Opfer und Dank. Eine Gedenkstunde für die deutschen Toten des Widerstandes gegen Hider« beabsichtigte der neue Intendant Erich Engel die erste Nachkriegsspielzeit im Schauspielhaus zu eröffnen. Der vollständige, von Eduard Claudius und Wolfgang Petzet verfaßte Text, der als Grundlage für eine szenische Collage dienen soll-

481 482 483

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Schauspielhaus vom 22. 6. 1945; Schreiben von Bürgermeister D r . Stadelmayer an Falckenberg vom 26. 7. 1945. Gleiches geht aus dem abschließenden Bescheid der Spruchkammer München VII hervor, mit dem Falckenberg als »vom Gesetz nicht betroffen« entlastet wurde. Abschrift des Spruchkammerbescheids vom 30. 5. 1947, Privatbesitz Bettina Falckenberg-Titt (Essen). Pitsch, a.a.O., S.205. Vgl. Rischer, a.a.O., S.52. Vgl. hierzu die Tabelle, S. 173, Tendenzstücke und Frühwerke späterer NS-Autoren (9 von 206 Werken; wie bei den bisherigen prozentualen Angaben werden Kinder- und Jugendstücke nicht in Rechnung gestellt). Bei Johst und Langenbeck wählte man, wie bereits dargelegt wurde, Werke, die der NS-Ideologie noch nicht verhaftet waren, im Fall Eckharts dessen literarische Bearbeitung eines Dramas von Ibsen.

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te, ist erhalten 4 8 5 . Es handelt sich hierbei u m eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Woher und dem Wie der faschistischen Barbarei; das N S - R e g i m e wird keineswegs beschönigt, auch falsches Pathos k o m m t nicht auf. O b die vielzitierte »Stunde N u l l « eine grundlegende geistige Wende mit sich brachte, muß jedoch in Zweifel gezogen werden: N a c h amtlicher P r ü f u n g des Textes beim Referat 8, Abteilung Kultur, gab man der » Ü b e r r a s c h u n g « A u s d r u c k , »daß hier . . . ein rein politisches Elaborat vorgelegt worden sei, das künstlerisch weithin anfechtbar w ä r e . . . « 4 8 6 . Deutsche Verwaltungsbeamte machten geltend, daß Schwierigkeiten mit der amerikanischen Zensurbehörde zu erwarten seien: man habe »den in F o r m eines dringenden Wunsches gekleideten Befehl erhalten, bei gesellschaftlichen . . . Veranstaltungen politische Darlegungen zu vermeiden«. D a r ü b e r hinaus wurde zu dem befremdlichen Argument gegriffen, daß die namentliche N e n n u n g der O p f e r politisch »unüberlegt« sei - die Familie Scholl könne Einspruch erheben, z u d e m sei »der N a m e des B a r o n s von Harnier gänzlich unbek a n n t « 4 8 7 . M a n z o g es vor, Selbstzensur zu üben und die beabsichtigte Gedenkstunde kurzerhand zu verbieten 4 8 8 . Z w a r fand zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Feier »mit Lorbeerbäumen aus der Stadtgärtnerei, Reden und Beethoven-Symphonie« statt 4 8 9 wiedereröffnet wurden die Münchner Kammerspiele jedoch a m 12. O k t o b e r 1945 mit Shakespeares >Macbethwenn sie nur bald alle draußen wären !< Einzig und allein vom Standpunkt der Schwächung der Steuerkraft und damit der Schädigung der gemeindlichen Finanzen betrachtet man noch in Unsleben den A b z u g der Juden als mißlich« 4 6 .

Wenn im übrigen in den Berichten von Gendarmerie-Stationen und Bezirksämtern aus Unterfranken aus den Jahren 1933-1937 von der »Judenfrage« kaum die Rede ist, obwohl die Juden hier ähnlich zahlreich wie in Mittelfranken waren, so kann das - mit aller Vorsicht - doch dahin gedeutet werden, daß in diesem katholischen Gebiet Antisemitismus und antijüdische Ausschreitungen eine weniger große Rolle spielten. Es kann freilich auch als Zeugnis dafür gelten, daß Empörung über den Antisemitismus der NS-Organisationen auch in Unterfranken kaum laut wurde. D e r rassistische NS-Antisemitismus stieß bei der Bevölkerung, auch in Mittelfranken, jedoch dort auf deutlich erkennbaren Widerstand, wo er der bäuerlichen Bevölkerung den Abbruch geschäftlicher Beziehungen zu jüdischen Landhändlern zumutete und damit gegen ihre wirtschaftlichen Interessen verstieß. Seit 1936/37 suchten die Partei und die gleichgeschaltete Selbstverwaltungsorganisation des Handels und der Landwirtschaft verstärkten D r u c k auf den Abbruch solcher Geschäftsbeziehungen mit Juden auszuü-

4Sb

G S t A , M A 106670, Bericht des Regierungspräsidenten von Oberbayern v o m 1 1 . 6 . 1935, S . 2 f .

45c

G S t A , M A 106680, Bericht des Regierungspräsidenten von Unterfranken v o m 8 . 1 0 . 1935, S. 1; S t A Würzburg, L R A B a d N e u s t a d t vorl. 125/3, Bericht des Bezirksamts vom 2 9 . 9 . 1935.

46

47

S t A W ü r z b u r g , L R A B a d N e u s t a d t vorl. 125/4, Bericht des Bezirksamts v o m 1 . 1 2 . 1936. Bei der Reichspräsidentenwahl im M ä r z 1932 gewann Hitler nur 14,3 % der Stimmen im A m t s b e z i r k B a d N e u s t a d t ; bei den zwei Reichstagswahlen jenes Jahres kamen 1 3 , 8 % der Stimmen auf die N S D A P ; selbst bei der Reichstagswahl im M ä r z 1933 erhielten die Nationalsozialisten nur 2 7 , 6 % der Stimmen (Reichsdurchschnitt 4 3 , 6 % ) . Angaben nach L R A B a d N e u s t a d t vorl. 125/1, Bericht des Bezirksamts v o m 1 5 . 3 . 1932; H a g m a n n , Meinrad: D e r Weg ins Verhängnis. Reichstagswahlen 1 9 1 9 - 1 9 3 3 . München 1946, S . 2 6 . H a g m a n n , a . a . O . , S. 18 f. und 26. Bei der März-Wahl 1933 gewann die N S D A P 2 5 , 2 % der Stimmen (Durchschnitt in unterfränkischen Amtsbezirken 3 3 , 5 % ) . Dagegen entfielen 4 6 , 7 % der Stimmen auf die B V P , 2 0 , 0 % auf die S P D und 7 , 2 % auf die K P D .

Reaktionen auf die Judenverfolgung

299

ben. Der verstärkte Boykott stieß selbst in Streichers Gau auf mangelndes Verständnis bei Teilen der Bevölkerung. Diejenigen, die selber wirtschaftliche Vorteile durch Kontakte mit Juden hatten - sei es durch günstige Einkäufe in jüdischen Geschäften, durch geschäftliche Beziehungen mit jüdischen Viehhändlern, durch jüdische Gäste in Fremdenverkehrsorten oder durch Arbeit bei jüdischen Firmen - , waren nicht ohne weiteres bereit, den Kontakt abzubrechen und die Juden zu boykottieren. Wirtschaftlicher Vorteil hatte den klaren Vorrang vor weltanschaulicher Korrektheit. Hier zeigen sich deutlich die Grenzen der ideologischen Durchsetzungskraft des Nationalsozialismus. Alzenau, ein Landkreis an der bayerischen Grenze im Nordwesten von Unterfranken mit relativ starker Industrie, vor allem Zigarrenfabriken, bietet ein anschauliches Beispiel dafür, daß die von der Partei gepredigte ideologische N o r m an dem durch wirtschaftliche Interessen der arbeitenden Bevölkerung bestimmten Pragmatismus scheiterte. Obwohl die Nationalsozialisten vor der Machtergreifung in dieser Gegend, wo BVP, SPD und KPD den Löwenanteil der Stimmen unter sich geteilt hatten, keinen großen Fortschritt gemacht hatten 4 7 , initiierten sie nach der Machtergreifung nicht selten Ausschreitungen gegen die ansässigen Juden 4 8 . Die Boykottbewegung richtete sich insbesondere gegen die jüdischen Besitzer der Zigarrenfabriken. Fast alle der 29 Zigarrenfabriken im Amtsbezirk Alzenau mit einer Gesamtbelegschaft von 2206 weiblichen und 280 männlichen Arbeitern waren in jüdischem Besitz 49 . In seinem Monatsbericht über den August 1935 klagte der Amtsvorstand von Alzenau über die Boykottbewegung, die »die Tabakfirmen in Kahlgrund und somit auch die dortige arbeitsuchende Bevölkerung« bedrohe. Der Regierungspräsident von Unterfranken, Hellmuth, in Personalunion Gauleiter, ersuchte daraufhin um weitere Auskunft über die Firmen, ihren Absatz und ihre Wichtigkeit für die arbeitende Bevölkerung Alzenaus. Die Meldungen der Gendarmerie-Stationen an das Bezirksamt ergaben ein ziemlich einheitliches Bild: Die Bevölkerung von Geiselbach, so hieß es in einem der Gendarmerieberichte, enthalte sich jeder Stellungnahme hinsichtlich der Rassenzugehörigkeit der Inhaber des Betriebes. Die Leute seien »froh, etwas Verdienst zu haben und fragen deshalb nicht danach, ob die Arbeitgeber Arier oder Juden sind«. Gegen einen jüdischen Unternehmer, so hieß es in einem anderen Bericht, seien bisher »keinerlei Klagen laut geworden« und sie seien »noch nie belästigt« worden. Der Bezirksamts vorstand faßte die Meldungen in einem eigenen Bericht an den Regierungspräsidenten folgendermaßen zusammen: »Die Bevölkerung weiß diese Arbeitsgelegenheit zu schätzen und legt kein Gewicht darauf, ob der Unternehmer Arier oder Jude ist. Das Verhältnis zwischen den Betrieben und der Einwohnerschaft ist ein durchaus gutes und friedliches; Klagen gegen die Unternehmer sind bisher nicht laut geworden« 50 .

48

49 50

Siehe z . B . StA Würzburg, LRA Alzenau Bd. 5 (o. Sign.), Bericht des Bezirksamts vom 26.10. 1934. Am 1.4. 1934 waren 239 Juden im Amtsbezirk ansässig = 0,74% der Gesamtbevölkerung (32218) nach dem Stand vom 16.6. 1933. StA Würzburg, GL Mainfranken XII/1, Bericht des Bezirksamts Alzenau vom 13.6.1934; Volkszählung 1933 in: GStA, Reichsstatthalter 578. StA Würzburg, G L Mainfranken XII/1, Bericht des Bezirksamts Alzenau vom 18.10. 1935. Ebenda. Vgl. dazu die Berichte der Gendarmerie-Station Geiselbach vom 2.10. 1935, Schöllkrippen vom 2.10. 1935 und der Gendarmerie-Hauptstation Alzenau vom 7.10. 1935.

300

Ian K e r s h a w

Besonders schwer hatten es die Nationalsozialisten, die Juden aus dem Viehhandel und anderen Geschäften mit den Bauern auszuschalten, obwohl dies der »arischen« Konkurrenz sehr erwünscht war. Die Juden hatten seit jeher im Viehhandel in Bayern eine starke Stellung, sie wurden vielfach von den Bauern bevorzugt, weil sie relativ gute Preise und mit Bargeld zahlten, Kredit anboten und immer Absatz für das Vieh der Bauern finden konnten. In vielen Gegenden gab es nur wenige »arische« Viehhändler. Sie verfügten häufig nur über geringes Kapital und boten meistens keine vergleichbaren Preise für das Vieh an. Typisch für viele Gegenden waren die Verhältnisse im Amtsbezirk Ebermannstadt (Oberfranken). Der Großviehhandel wurde hier 1935 »zu gut 90 %« von den Juden ausgeübt. Noch im Herbst 1936 wurde festgestellt, daß die jüdischen Viehhändler im Amtsbezirk trotz der nationalsozialistischen Aktivitäten »in großem Umfang . . . ihrem Gewerbe nachgehen«. Aus den Erhebungen des Bezirksamts ergab sich »die bedauerliche Feststellung, daß tatsächlich im B e z i r k der Pferdehandel fast ausschließlich und auch der Viehhandel in sehr starkem U m f a n g noch in jüdischen H ä n d e n ist. Dies trifft insbesonders für die Juragemeinden z u . H i e r verkehrt der Viehjude nach wie vor n o c h in den Bauernhäusern. A u f Zuredestellung erklären die Bauern fast übereinstimmend, der J u d e zahle gut und zahle auch gegen bar, was bei den arischen H ä n d l e r n nicht der Fall sei; z u m Teil k ä m e n auch gar keine arischen H ä n d ler in die weitendegenen G e m e i n d e n « 5 1 .

Auch Parteimitglieder und Bürgermeister verkehrten mit jüdischen Händlern. Der Bürgermeister von Egmating im Amtsbezirk Ebersberg (Oberbayern) berichtete im August 1935, daß die Judenbekämpfung in der Gemeinde nicht durchdringen könne, weil auch der bisherige Stützpunktleiter und der Ortsbauernführer mit einem jüdischen Händler verkehrten 52 . Ein unterfränkischer Jude verglich die Belästigungen, die ihm in Rimpar (BA Würzburg) begegnet waren, mit der ruhigen Lage in seiner Heimat Gerolzhofen und sagte: »Ich weiß nicht, was Ihr wollt, hier in Rimpar geht man allein so gegen die Juden vor, bei uns merkt man das überhaupt nicht. Bei mir kauft sogar der Bürgermeister von Gerolzhofen ein« 53 . Selbst im Amtsbezirk Günzenhausen betonte ein Gemeinderatsmitglied, wie unersetzlich der Handel mit Juden sei. Er leugnete zwar, geäußert zu haben »die Juden sind unser Glück«, gab aber zu, gesagt zu haben: »Die Juden brauchen wir, weil ich heute noch mein Vieh ohne Juden nicht an den Mann bringen kann. Die christlichen Händler wollen nämlich das Vieh stets unter dem Preis kaufen, was bei den Juden nicht der Fall ist« 5 4 . Durch allerlei Schikanen, vor allem aber die Verweigerung der Gewerbelegitimationen, gelang es dennoch, die jüdischen Händler in Mittelfranken schon bis Ende 1934 fast völlig auszuschalten 55 . Das war aber nur in Streichers Gau möglich und wurde auch dort 51

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53 54 55

StA Bamberg, Κ 8/III/18 472, Bericht des Bezirksamts Ebermannstadt vom 2 9 . 1 2 . 1 9 3 6 . Die Berichte der neun Gendarmerie-Stationen liegen bei. Zum jüdischen Viehhandel im Bezirk Ebermannstadt vgl. auch Κ 8/IV/l 476. Bezüglich der Ausschreitungen gegen die dortigen jüdischen Viehhändler siehe Κ 8/III 18470, Bericht des Bezirksamts vom 2 7 . 6 . 1934; 18471, Bericht des Bezirksamts vom 1.11. 1935; 18 4 72, Bericht des Bezirksamts vom 30.11. 1936. StA München, L R A 76887, Bericht des Bgm. von Egmating vom 3 1 . 8 . 1935, und der Gendarmerie-Station Egmating vom 3 1 . 8 . 1935. StA Würzburg, G L Mainfranken 11/41, Bericht der NSDAP-Kreisleitung Würzburg vom 2 0 . 7 . 1936. StA Nürnberg, B A Günzenhausen 4241, Bericht der Gendarmerie-Station Heidenheim vom 15.11. 1934. Siehe Ophir 1972, a.a.O., S . X X I f .

Reaktionen auf die Judenverfolgung

301

von den Bauern nicht unbedingt gutgeheißen 5 6 . Im übrigen Bayern konnten die Juden ihre Vorherrschaft im Viehhandel trotz der Belästigungen und Schikanen bis E n d e 1937 weitgehend aufrechterhalten. Eine nicht untypische Meldung des Bürgermeisters der Gemeinde Dittlofsroda aus Unterfranken an das Bezirksamt H a m m e l b u r g lautete: »Das Bezirksamt verlangt von den Bürgermeistern die Namhaftmachung derjenigen Bauern, welche noch ihre Viehhandelsgeschäfte mit jüdischen Händlern abschließen; dies ist insofern schwierig, als anzunehmen ist, daß außer Parteigenossen sehr wahrscheinlich noch alle Bauern, vielleicht mit einigen verschwindend geringen Ausnahmen, mit jüdischen Viehhändlern Geschäfte machen, da die Erkenntnis der Notwendigkeit der Vermeidung des Verkehrs mit Juden noch wenig durchgedrungen i s t . . . Bei den aufgeführten Bauern und Landwirten ist also die heute erwartete ablehnende Haltung gegenüber dem Juden zu vermissen. Einige fallen durch ihre Judenfreundlichkeit besonders auf...«57. Mitte 1937 führte die Gestapo neue Erhebungen durch, um festzustellen, welche Bauern noch Handel, insbesondere Viehhandel, mit Juden trieben, m i t d e m Z i e l , diese durch Organisationen des Reichsnährstandes zur Rechenschaft zu ziehen, d . h . selbst unter wirtschaftlichen D r u c k zu setzen 5 8 . Im Monatsbericht vom 1. August 1937 faßte die Gestapo München die Meldungen aus den verschiedenen Regierungsbezirken zusammen: »Diese Erhebungen führten zu erschreckenden Feststellungen. Sie zeigten, daß noch ein großer Prozentsatz der Bauern mit Juden Geschäfte betreibt. So konnte u. a. festgestellt werden, daß allein im Regierungsbezirk Schwaben-Neuburg noch über 1500 Bauern in den Jahren 1936/37 mit jüdischen Viehhändlern in Geschäftsverbindung gestanden haben. Als Ursache dieser Mißstände wird angegeben, daß auf dem Lande ein Mangel an verlässigen, kapitalkräftigen, arischen Viehhändlern bestände, so daß die Bauern gezwungen seien, ihre Viehhandelsgeschäfte mit Juden abzuschließen. So liege z . B . der Viehhandel auf dem Markte in Nördlingen zu 8 0 - 9 0 % in jüdischen Händen. Dies ist nur z . T . richtig... Die tiefere Ursache liegt jedoch in der Einstellung der Bauern, die jegliches Rassebewußtsein vermissen läßt.. .« 5 8 a . Die Gestapo führte die umfangreichen Geschäfte mit Juden darauf zurück, »daß zahlreiche Bauern und Landwirte, die v o m Rasseproblem meist keine Ahnung haben, der Ansicht sind, daß sie mit Juden in Geschäftsverbindung stehen dürfen, da diesen ja von den Staatsbehörden die Handelserlaubnis erteilt werde«. E s bedürfe deshalb einer unermüdlichen Aufklärungsarbeit von den Bezirks- und Ortsbauernführern, um den Bauern immer wieder klarzumachen, »daß es z w a r aus verschiedenen, insbesondere außenpolitischen Rücksichten unmöglich ist, den Juden grundsätzlich die Handelserlaubnis zu entziehen, daß es aber Pflicht der Bauern und Landwirte ist, die Juden v o m Handel auszuschalten und dadurch ihnen überhaupt den Boden für ihr Gewerbe zu entziehen« 5 9 .

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57

58 58a 59

Siehe z . B . StA Nürnberg, B A Schwabach 8444, Bericht des Gendarmerie-Bezirksführers vom 2 . 3 . 1936 über Äußerungen des Bedauerns, weil es wegen der fehlenden jüdischen Tabakhändler keine Konkurrenz mehr und daher niedrige Preise gebe. StA Würzburg, G L Mainfranken X I I / 6 , Bericht des Bgm. von Dittlofsroda vom 1 9 . 6 . 1937; vgl. auch im gleichen Akt den Bericht des Bgm. von Schwärzelbach vom 1 8 . 6 . 1937 und den Kommentar des Regierungspräsidenten; GStA, M A 106680, Bericht des Regierungspräsidenten von Unterfranken vom 8 . 2 . 1937, S . 3 . GStA, M A 106689, Bericht der Gestapo München vom 1 . 6 . 1937, S . 5 4 . GStA, M A 106 690, Bericht der Gestapo München vom 1 . 8 . 1937, S . 4 3 f. G S t A , M A 106690, Bericht der Gestapo München vom 1 . 9 . 1937, S . 4 0 .

302

Ian Kershaw

In den letzten Monaten des Jahres 1937 führten die neuen Anstrengungen, die Juden aus dem Viehhandel auszuschalten, jedoch zu erheblicher Wirkung. Durch die namentliche Anprangerung der mit Juden noch in Geschäftsverbindung stehenden Bauern im Stürmer, durch Entzug von Gewerbelegitimationskarten, die Weigerung, von Juden gekauftes Vieh zu versichern, und durch Verweisungen aus dem Viehwirtschaftsverband erreichten die Nationalsozialisten in Bayern schließlich doch ihr Ziel 60 . Die Reaktionen der Bauern aus dem unterfränkischen Bischofsheim an der Rhön spiegeln die Klage vieler Landwirte wider, daß sich dadurch ihre wirtschaftliche Lage verschlechtert habe, »daß niemand da sei, der das Vieh abkaufe. Die Juden dürften keinen Viehhandel mehr treiben und sonst seien keine nennenswerten Viehhändler in hiesiger Gegend wohnhaft« 6 1 . Die Haltung der Bauern war fast ausschließlich durch wirtschaftliche Interessen bestimmt. Wenn die Gestapo feststellte, daß die Bauern »vom Rasseproblem meist keine Ahnung« hätten 62 , so bedeutete das nicht, daß die Bauern Judenfreunde waren, sondern lediglich, daß es ihnen gleichgültig war, ob Arier oder Juden ihnen das Vieh abkauften. Hauptsache war, der Käufer zahlte einen guten Preis. Auch die in vielen Berichten registrierte, zum Teil ablehnende Reaktion auf die antijüdischen Plakate, die an den Ortseingängen angebracht wurden, hatte wohl hauptsächlich wirtschaftliche Motive. Selbst Nationalsozialisten erkannten, daß die Schilder mit antijüdischen Parolen, wie z . B . »Juden sind unser Unglück«, »Juden sind hier nicht erwünscht« geeignet waren, der Fremdenverkehrswirtschaft zu schaden. Ein anonymer Brief an Reichsstatthalter Epp vom August 1934, angeblich von einem alten Parteigenossen stammend, der wohl selbst ein wirtschaftliches Interesse an der Sache hatte, machte geltend, daß auf Ausländer, die auf der »Romantischen Straße« durch Franken zum Passionsspiel nach Oberammergau reisten, diese Schilder einen durchaus schlechten Eindruck machten, und daß dadurch der Fremdenverkehr in Städten wie Rothenburg, Dinkelsbühl, Nördlingen und Ansbach sehr zu leiden habe 6 3 . Im Frühjahr 1935 wurden auch in Südbayern antijüdische Plakate - bislang weitgehend eine fränkische Spezialität - an den Ortseingängen schwäbischer und oberbayerischer Dörfer angebracht 64 . Diese Plakate wurden in oberbayerischen Fremdenverkehrsgebieten als unzweckmäßig kritisiert, weil man wirtschaftliche Ausfälle befürchtete 65 . In einigen ländlichen Gegenden drückten die Bauern ihre Abneigung gegen die Judentafeln sehr deutlich aus, indem sie diese entfernten oder ihren Inhalt änderten. In Glonn (BA Ebersberg) wurden die Schilder mit der Aufschrift »Juden sind hier unerwünscht« wiederholt von Unbekannten weggerissen. In zwei Ortschaften im Amtsbezirk München wurde durch Uberstreichen der Vor-

60 61

62 63

64

65

Siehe Ophir 1972, a . a . O . , S . X X I I f . StA W ü r z b u r g , L R A Bad Neustadt vorl. 125/5, Bericht der Gendarmerie-Station Bischofsheim vom 2 8 . 1 . 1938. GStA, M A 106 690, Bericht der Gestapo München vom 1.9. 1937, S . 4 0 . GStA, M A 106410, Bl. 91, anonymer Brief an Epp vom 10.8. 1934. Das Reichswirtschaftsministerium hatte eigentlich schon im Juli 1934, »im Interesse der Verhütung weiterer Beunruhigung in der Wirtschaft«, die A n bringung von Schildern unterbunden (ebenda, Bl. 2 8 , 2 7 . 7 . 1934), aber solche Verbote blieben in der Tat ziemlich belanglos. GStA, Reichsstatthalter 447, Bericht über Ausschreitungen in München von Ende Mai 1935, Bl. 2; M A 106 411, Bl. 394, Schreiben des Regierungspräsidenten von Schwaben an den Bgm. der Stadt Lindau vom 15.5. 1935. GStA, M A 106670, Bericht des Regierungspräsidenten von Oberbayern vom 11.6. 1935, S . 2 f .

21, Serie von Aufnahmen antisemitischer Parolen und Ortsschilder. Die Originalfotos hatten »Volksgenossen« unaufgefordert an den Stürmer gesandt, der sie zum Teil auch veröffentlichte.

Aufnahme vom 31. Juli 1935

Oberstdorf

Am 31. Juli 1937 wurden diese Tafeln im Rahmen einer Feierstunde an den Stadttoren Rothenburgs angebracht, die linke am Spitaltor, die rechte am Klingentor Eschenbach, Landkreis Hersbruck, Aufnahme vom 29. Juli 1935

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Oberasbach, Landkreis Fürth, Aufnahme vom 7. Oktober 1936

Dudb.vennsí fl'egn willst brachst tins boss song: ziech \ mein Kittel aus, nehm die beim Krong

Ruften flllèlirailttHUMiià uneprounitfet.

Altershausen, Landkreis Neustadt an der Aisch

Geslau bei Rothenburg ob der Tauber, Pfingsten 1936

Τ Trilli,-Irl 1 τ ml 1< rp¡ Staatsfeinde< als Rechtsgrundlage angesehen werden durfte, konnte sie der Gestapo keinen Freibrief zur Verletzung jenes Kernbereichs des Rechts geben, den nach dem Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit kein Gesetz und kein obrigkeitlicher Akt antasten darf.«

21

Broszat, a.a.O., S. 17. Zu der Verhaftungsaktion vom 9 . / 1 0 . 3 . 1933 siehe Aronson, Shlomo: Reinhard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD. Stuttgart 1971, S. 103.

22

354

Günther Kimmel

Insgesamt verhängte die Polizei in der Zeit vom 9. März 1933 bis zum 13. April 1933 in 5400 Fällen Schutzhaft 2 3 . Allerdings wurden viele Personen bald wieder freigelassen; von den Festgenommenen befanden sich am 13. April 1933 nur noch etwa 3770 in H a f t 2 4 . Die Gefängnisse waren schon bald überfüllt. Daher entschloß sich die Bayerische Politische Polizei noch im März 1933, in einer stillgelegten Pulver- und Munitionsfabrik bei Dachau ein Lager für Schutzhäftlinge einzurichten. A m 2 0 . M ä r z 1933 kündigte Heinrich Himmler, der Polizeipräsident von München, auf einer Pressekonferenz die Eröffnung dieses Lagers für den 22. März 1933 an 2 5 . Zum Wachdienst im Lager wurde eine Hundertschaft der Landespolizei abgestellt, die unter dem Befehl des Hauptmanns Schlemmer stand 2 6 . Sie trat am Abend des 21. März 1933 den Wachdienst an 2 7 . Die ersten Gefangenen wurden am 22. März 1933 in das Lager eingeliefert; sie kamen aus den Gefängnissen Stadelheim und Landsberg 2 8 . D e r Polizeihauptmann Schlemmer war der erste Kommandant des Konzentrationslagers Dachau 2 9 . Er erfüllte von Anfang an seine Aufgabe nur widerwillig; dazu schreibt ein ehemaliger Häftling: »Der Polizeihauptmann Schlemmer, dem die Hundertschaft unterstand, leistete alsbald gegenüber den Auftraggebern offenen Widerstand. Er erklärte in einem Telefongespräch, dem der Verfasser zufällig beiwohnte, dem Gauleiter Wagner, er werde seine Hundertschaft zurückziehen; er halte die Gefangennahme der Häftlinge für ungesetzlich; er habe auch keine Lust mehr, aus den eigenen Verpflegungsbeständen und aus der eigenen Finanzkasse das Lager zu unterhalten. Er machte dem Gauleiter darüber hinaus den Vorwurf, daß die Landespolizei zu einer Maßnahme mißbraucht werde, die weder eine gesetzliche Grundlage habe noch in irgendeiner Verlautbarung verankert sei. Auch eine Polizeiverordnung für die sogenannte Schutzhaft existiere in diesem Umfang und Ausmaß nicht. Wenn schon politische Maßnahmen dieser Art ergriffen werden würden, dann gehöre es zum billigsten Anstand, daß zumindest die finanziellen Mittel dafür und für die Verpflegung usw. bereitgestellt werden. Von der Landespolizei könne man das nicht verlangen 3 0 .« Die Landespolizei behandelte die Gefangenen korrekt 3 1 ; zu Mißhandlungen, wie sie später üblich waren, dürfte es unter dem Kommando des Polizeihauptmanns Schlemmer nicht gekommen sein. Jeder Häftling erhielt bei seiner Einlieferung eine Nummer; bis Ende März 1933 wurden 170 Häftlingsnummern ausgegeben 3 2 . Über die Unterbringung der Häftlinge, ihre Arbeit und die Wachmannschaften berichtete die Bayerische Staatszeitung,

deren Kor-

23

Smikalla, Heinrich: Dachau, o . D . , masch. M s . , IfZ, S . 2 .

24

Ebenda, S . 2 .

25

Ebenda, S . 3 ; vgl. dazu auch die Frankfurter Zeitung vom 2 1 . 3 . 1933.

26

Konicsek, Karl-Heinz: Aufbau und Organisation des Konzentrationslagers Dachau. Zulassungsarbeit München 1976, S. 10, 15, 22, 75f. Ebenda, S . 7 5 .

27 28

Siehe dazu den Bericht von Dr. ßastian: 22. März 1933 - Der Tag der Errichtung des Konzentrationslagers Dachau, Archiv des KZ-Museums Dachau, N r . 3276.

29

Siehe dazu Konicsek, a . a . O . , S. 1 7 f . , 76.

30

Dr. Bastian, a . a . O .

31

Behning, Bernd: Soziale Gruppenbildung im Konzentrationslager Dachau 1933 - 1 9 3 8 . Diplomarbeit München 1974, S. 16. Siehe dazu: Häftlingsnummernzuteilung in Konzentrationslagern, hrsg. vom ITS. Arolsen 1965, S. 11.

32

Das Konzentrationslager Dachau

355

respondent das Lager offenbar vor dem Eintreffen der ersten Häftlinge besichtigt hatte: » . . . Das Lager Dachau umfaßt insgesamt über 20 ein- bis zweistöckige Steinbauten, die jeweils 200 bis 250 Mann aufnehmen können. Die Besetzung des Lagers wird zunächst langsam auf 2500 Mann gesteigert, um später ev. auch auf 5000 Mann erweitert zu werden. Die Baracke für die ersten 200 Mann wurde in den letzten Tagen von einem Arbeitsdienstkommando hergerichtet und zunächst einmal mit einem dreifachen Stacheldrahtverhau gesichert. Erste Arbeit der Lagerinsassen wird sein, die weiteren Steinbauten, die sich in recht heruntergekommenem Zustand befinden, selber wieder herzurichten. Ist dies einmal geschehen, dann wird man sie in kleineren Trupps von vielleicht je 50 Mann ins Moos hinausführen, wo umfangreichere Kultivierungsarbeiten der Durchführung harren. Hier wird sich später vielleicht einem Teil der Lagerinsassen auch die Möglichkeit eigenen Siedeins bieten. - Die Bewachungsmannschaft besteht zunächst aus einer H u n dertschaft Landespolizei, die durch SA-Hilfspolizei noch verstärkt werden soll 33 .« Am 2. April 1933 unterstellte Himmler, der inzwischen »Politischer Polizeikommandeur Bayerns« geworden war, das Lager dem Führer der politischen Hilfspolizei 34 . Dieser Führer war er selbst; seine Anordnung bewirkte, daß das Lager nunmehr aus dem Machtbereich der Polizei in den der SS überging, die neben der SA als politische Hilfspolizei verwendet wurde 3 5 . SS-Verbände übernahmen dann auch am 11. April 1933 die Bewachung des Lagers, allerdings wurden sie beim Wachdienst von Beamten der Landespolizei geführt und geschult 36 . Im April 1933 wurde wahrscheinlich auch der erste SS-Lagerkommandant Wäckerle eingesetzt 37 , aber erst am 30. Mai 1933 übergab die Polizei die Führung der Wachtruppe sowie den Wach- und Sicherungsdienst den SS-Führern 38 . Die Zahl der Häftlinge nahm ständig zu, obwohl es auch zu größeren Entlassungsaktionen kam 3 9 . Ende Dezember 1933 wurde die Häftlingsnummer 4821 ausgegeben 40 . Die Häftlinge waren jetzt in Baracken untergebracht, die jeweils fünf Räume enthielten; jeder Raum war mit 54 Mann - einer »Korporalschaft« - belegt. Die fünf Korporalschaften ei33

Zitiert nach einem teilweisen N a c h d r u c k im A m p e r b o t e n , der Lokalzeitung f ü r Dachau, v o m 2k.Hl.

34

Konicsek, a . a . O . , S . 1 8 f f . , 77.

35

Ebenda, S. 20.

36

Ebenda, S. 81, 83 f. D i e erste SS-Einheit, die in das Lager einrückte, w u r d e von dem S S - O b e r f ü h r e r von Malsen-Ponickau geführt. Dessen A u f t r e t e n im Lager war bezeichnend f ü r die Behandlung, welche die Häftlinge von der SS zu erwarten hatten. D e r ehemalige Häftling D r . Bastian berichtete später: » . . . Zwei Sätze dieses H e r r n vor seiner SS-Hundertschaft prägten sich den Gefangenen f ü r die Zeit ihres Lebens ein. N a c h den einleitenden W o r t e n nämlich schrie er die Leute an, w e n n einer dabei wäre, der kein Blut sehen k ö n n e , w ü r d e er f ü r die vorgesehene Aufgabe untauglich sein u n d solle sofort links z u r Ablösung raustreten. Das gleiche gelte f ü r denjenigen, der sich der falschen Meinung hingäbe, daß die zu bewachenden H ä f t l i n g e Menschenantlitz trügen. E r Schloß mit dem in schnarrendem T o n gesprochenen Satz: >Wenn einer unter euch ist, der glaubt, es sind M e n schen wir ihr, der soll sofort nach links raustreten. an5efê< unb 3nbuflne Reifung, 5ÍÍP Taê

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(befangene

3 n der Tläfje t>on © o d j o a 3 n einer $reffeBcfbred)ung teilte ber fom= miifarifche ^oltjeibräftbent bon SJÍündjeu f ü m m l e r mit: Sim OTitttonrf) h>irb tit ber 9lälje bon Φαφαη baê e r ft e ft o tt j e it t r a t i a η é l α β e r er» öffnet. &é hot ein gaffunaâbertnûgen bon 5000 Smenf(Çftt. ,6ier Werben bie gefamten I o n > n t u t t t f t t f d j e n unb — fotoeit notwenbig — 9teid>¿banner» unb m a r r i ft i f r t j e n g η η 11 i ο η o r e, bie bie Sidjerbeit bei Stente« flefnljrben, jiifammengejogen, bo tè ouf bie Stauer nitfit mopltiii ift,toeη η ber S t a a t s a p p a r a t ntdit fo felir beloftet werben foil, bie einjelnen lomntuniftiírfjen S u n f t i o n ä r e in ben ©eridjtó» ßefängniffen j n lofíen, Wäljrenb ed enbererfeitê CM?:!«' ntdjt angängig ift, biefe g u n f t i o n ä r e toieber in bie Sjreiljeit j u Iaffen. » e i einjelnen ©er« fucilen, bie Wir gemadjt hoben, toar ber ©rfolg ber, bofe fie Weiter befcen unb *u oraonifleren berfuebeu. «3ir íoben biefe 9Jíaf¡naÍ¡me obne jebe 9tiirfftd»t ouf Heinli^e «ebenlen getroffen in ber lteberjeugnng, bomit j u r ©erubigung ber nationalen »ebölferung unb in tarent ©inn SU bonbeltt. SBeitcr berfidEjertc ^olijeibräftbent ftimmïer, baft bie S t h u f c b a f t in ben einjelnen gälten nirfjt langer aufredjterhalten werbe, aïê not» toenbig fet. Macht euch fertig, ich rufe euch gleiche Dabei wies er uns an, bei der Tür stehen zubleiben... Dann ging Bongartz weg, in die Nähe des Rondells... Daneben stand bereits der Schutzhaftlagerführer R u p p e r t . . . Gleich darauf winkte, wie verabredet, Bongartz mich und den Häftling G. . . . zu sich, und stellten wir uns so auf, wie in der Skizze angeführt. Bald darauf ging das Tor Β bei der Umzäunung auf, und herein kam ein älterer Mann, gut angezogen, den ich damals auf ca. 60 Jahre Alter schätzte. Er trug in seiner Hand ein kleines Köfferchen. Hinter ihm kam ein SS-Oberscharführer, der zwei weitere Koffer t r u g . . . Derselbe stellte bei Punkt C die Koffer nieder, erstattete dem Ruppert Meldung, worauf dieser ihm sagte, daß er wieder gehen k ö n n e . . . Der SS-Mann ist sogleich weg, während Ruppert den angekommenen Häftling sehr lebhaft und entgegenkommend begrüßte. Im Laufe des kurzen Gesprächs fragte der Häftling, wo er seine Endassungspapiere bekomme. Ruppert erklärte ihm, daß er diese Papiere im Büro (gemeint war offensichtlich das Krematoriumsgebäude, der Verf.) bekommen werde, und wies ihm mit der Hand den W e g . . . Der Häftling drehte sich daraufhin um und wollte den bezeichneten Weg gehen. Er hatte jedoch nur wenige Schritte getan, als Bongartz seine Schußwaffe zog und von hinten den Mann niederschoß. Ich habe diesen Vorfall auf eine Entfernung von ca. 10 Schritten gesehen. Der Angeschossene stürzte kopfüber zu Boden. Bongartz befahl uns, den Mann zu nehmen und ins Krematorium zu tragen. Wir schafften ihn in den Ofenraum, wo ich feststellte, daß der Mann noch lebte. Ich machte den Bongartz darauf aufmerksam, worauf dieser ihm den Gnadenschuß gab. Wir wollten der Leiche, wie in allen Fällen, die Kleider ausziehen. Der mitanwesende Ruppert hat dies jedoch verboten, und mußten wir den Toten mit den Kleidern in den brennenden Ofen schieben. Vorher waren ihm von Ruppert und Bongartz die Wertsachen (Ringe) abgenommen worden.. ,« 2 8 0 .« Bongartz exekutierte im April 1945 auch Dr. Rascher und den Bürgerbräu-Attentäter Georg Elser 2 8 1 . Dr.Rascher wurde von ihm am 26. oder 27. April 1945 in Zelle 73 des Arrestgebäudes erschossen 282 . Im K L Dachau sind auch nicht selten Frauen hingerichtet worden. U m ein Beispiel zu nennen: A m 15. September 1944 wurde im Krematoriumshof die Jüdin Fritzi K. gehängt. Ihr war vorgeworfen worden, in einem Kauferinger Nebenlager »Rassenschande« mit einem deutschen Häftling begangen zu haben. Der Henker M. hat später einem amerikanischen Offizier die Hinrichtung folgendermaßen geschildert 2 8 3 : »Die Angeklagte wurde gezwungen, sich in der Gaskammer vollständig zu entkleiden. Sie hat sich erst gesträubt, ausgekleidet in die Gegenwart dieser vielen Männer zu kommen, und wurde dann von den Hauptscharführern Kuhn und Böttger aus der Gaskammer mit Gewalt herausgebracht. Sie hat versucht, ihren Körper mit ihren Händen zu bedecken, dies hat Lachen und unflätige Witze von Böttger, Kuhn und den anderen, die an der Hinrichtung teilnahmen, darunter auch Sturmbannführer Hintermayer, hervorgerufen. Sie wurde dann auf die Falle gestellt, und ich habe ihr die Schlinge um den Kopf gelegt... «

280 281

282

283

Zentrale Stelle Ludwigsburg, IV 410 AR-Z 105/76, S.947f. Ebenda, S. 954 ff. Elser hatte im Jahre 1939 im Münchner Bürgerbräukeller ein fehlgeschlagenes Attentat auf Hitler unternommen. Er war zunächst im KL Sachsenhausen und später im KL Dachau inhaftiert. Siehe zu Elser die Arbeit von Hoch, Anton: Das Attentat auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller 1939, VfZ Bd. 17 (1969), S. 383 f., sowie das Buch von Gruchmann, Lothar (Hrsg.): Autobiographie eines Attentäters. Johann Georg Elser. Stuttgart 1970. Zentrale Stelle Ludwigsburg, a.a.O., S. 231 und 955. - Im amerikanischen Militärgerichtsverfahren gegen Weiß und andere hat M. nach einer von der Zentralen Stelle angefertigten teilweisen Übersetzung des Protokolls der Hauptverhandlung ausgesagt: » . . . Am 26. oder 27. April um etwa 7 Uhr erschoß Bongartz Dr. Rascher in Zelle Nr. 73 . . . « Zentrale Stelle Ludwigsburg, a.a.O., S.931.

408

Günther Kimmel

Manchmal verrichtete auch ein SS-Arzt die Arbeit des Henkers. Als im Dezember 1944 oder im Januar 1945 das Reichssicherheitshauptamt die Hinrichtung zweier schwangerer Russinnen befohlen hatte, injizierte ein Lagerarzt den beiden Frauen eine Überdosis des Betäubungsmittels Evipannatrium, um sie zu töten. Später erhielt M . den Auftrag, die Russinnen ins Leichenschauhaus zu bringen. D e r Arzt hatte jedoch schlecht gearbeitet; M . stellte fest, daß die Frauen noch lebten. Sie wurden schließlich durch Kopfschüsse getötet284. Es ist nicht zu übersehen, wieviel Einzelexekutionen in der Kriegszeit im K L Dachau durchgeführt worden sind. F ü r die Zeit vom Mai 1944 bis zum 27. April 1945 hat der SS-Hauptscharführer E . , der die mit den Exekutionen verbundenen Schreibarbeiten zu erledigen hatte, die Zahl von 200 Hinrichtungen genannt. Darin ist die Massenexekution der sowjetischen Offiziere am 4. September 1944 enthalten, so daß in den letzten zwölf Monaten vor Kriegsende etwa 110 Einzelexekutionen vorgenommen worden wären 2 8 5 . Diese Angaben erscheinen kaum zutreffend, wenn man berücksichtigt, daß der Henker M . während seiner »Dienstzeit« - er war seit dem Jahre 1943 im Krematoriumskommando und seit Juli 1944 dessen Kapo - an ungefähr 800 bis 1000 Erhängungen teilgenommen haben w i l l 2 8 6 .

5.

DIE

ENDPHASE

Im April 1945 näherte sich die F r o n t dem Lager Dachau. Zu dieser Zeit nahm das K L wie schon seit Monaten - noch Evakuierungstransporte auf, die aus schon geräumten Lagern kamen und oft tagelange, manchmal auch wochenlange Irrfahrten auf dem teilweise zerbombten Liniennetz der Reichsbahn hinter sich hatten. D i e Häftlinge, die mit diesen Transporten Dachau erreichten, waren meist völlig erschöpft oder krank; in vielen W a gen fand man bei der Ankunft T o t e . So wurden Zehntausende von Menschen in einem Lager zusammengepfercht, in dem bereits seit November 1944 eine Flecktyphusepidemie herrschte. In diesen Tagen gewannen die Kräfte des Widerstandes im K L erstmals eine feste O r ganisationsform, die für das ganze Lager Bedeutung hatte; es bildete sich ein Internationales Häftlingskomitee, das nichts anderes als eine Lagerleitung im Untergrund war. Zu dieser Maßnahme mag nicht wenig die im Lager weitverbreitete Befürchtung beigetragen haben, daß die SS sich zur Vernichtung aller Häftlinge entschließen könnte. Dahinge-

284

E b e n d a , S. 935 f.

285

Z e n t r a l e Stelle L u d w i g s b u r g , D o k u m e n t e n s a m m l u n g , O r d n e r 4 5 8 , eidesstattliche E r k l ä r u n g E . v o m 2 9 . 1 0 .

286

Z e n t r a l e Stelle L u d w i g s b u r g , a . a . O . , eidesstattliche E r k l ä r u n g M . v o m 3 . 1 1 . 1 9 4 5 .

1945.

Das Konzentrationslager Dachau

409

hende Pläne scheinen bestanden zu haben; zu ihrer Ausführung ist es jedenfalls nicht gek o m m e n 2 8 7 . Vielmehr wurde mit den folgenden Maßnahmen eine teilweise Evakuierung des Lagers durchgeführt: Die Teilevakuierung des KL Dachau288 1. Die prominenten Häftlinge wurden in ein Nebenlager in Innsbruck (offizielle Bezeichnung: SS-Sonderlager Innsbruck) geschafft. Dies geschah mit mehreren Transporten. So brachte man am 17. April 1945 Bischof Gabriel Piquet, Prinz Xavier von Bourbon-Parma, Prinz Leopold von Preußen, Pastor Niemöller und andere Personen nach Innsbruck 2 8 9 . Am 24. April 1945 folgten mit anderen der ungarische Ministerpräsident von Kailay, der griechische Feldmarschall Papagos, der holländische Minister Dr. van Dyk sowie der Münchner Rechtsanwalt Dr. Josef Müller 2 9 0 . Mit einem noch späteren Transport gelangte der ehemalige österreichische Bundeskanzler Dr. Kurt von Schuschnigg, der von seiner Ehefrau begleitet wurde, nach Innsbruck. 2. Am 23. April 1945 stellte man aus 2000 Häftlingen einen Evakuierungstransport zusammen. Die Häfdinge mußten bis zu dem westlich von München gelegenen Ort Emmering marschieren, dort wurden sie auf die Reich sbahn verladen. Der Marsch nach Emmering war wegen der amerikanischen Tiefflieger, die die Dachauer Bahnanlagen immer wieder angriffen, notwendig geworden. Der Transportzug fuhr über München, Wolfratshausen sowie Mittenwald nach Seefeld in Tirol und schließlich nach Mittenwald zurück, wo die Häftlinge am 4. Mai 1945 von den Amerikanern befreit wurdçn. 3. Am 25. April 1945 wurden im Lager etwa 3000 Häftlinge in Marsch gesetzt, die gleichfalls erst in Emmering auf die Bahn verladen werden konnten. Dieser Transport gelangte über München, Wolfratshausen und Kochel nach Seeshaupt am Starnberger See; hier wurden die Häftlinge am 30. April 1945 befreit. 4. Am 26. April 1945 verließen 1759 Juden das Lager. Sie waren bereits seit Tagen in Eisenbahnwaggons untergebracht gewesen; ihr Zug hatte jedoch wegen der Tiefflieger nicht abfahren können 2 9 1 . Die Juden mußten ebenfalls nach Emmering marschieren, wo sie verladen werden konnten. Dieser Bahntransport fuhr über München, Wolfratshausen und Penzberg nach Staltach; hier konnten die Amerikaner die Häftlinge am 30. April 1945 befreien. 5. Am 26. April 1945 begann in Dachau ein Evakuierungsmarsch, an dem 6887 Häftlinge-darunter 1524 Juden — teilnahmen. Um den Marsch zu ermöglichen, hatte die Kommandantur des KL in Königsdorf, Kreis Wolfratshausen, ein Lebensmitteldepot angelegt, das jedoch bald erschöpft war 2 9 2 . In Pasing schlossen sich diesem Marsch etwa 1200 Häftlinge an, die am 23. April 1945 das

287

Im Nürnberger Prozeß vor dem Internationalen Militärgerichts'hof wurden zwei Planungen erörtert, die angeblich auf Weisung des R S H A - C h e f s Kaltenbrunner vorgenommen worden waren und die die Decknamen »Wolke A l « und »Wolkenbrand« trugen. Nach »Wolke A l « war vorgesehen, die Nebenlager in Landsberg und Mühldorf von der Luftwaffe vernichten zu lassen; »Wolken brand« bedeutete die Vergiftung der Häftlinge im Dachauer Hauptlager mit Ausnahme der »arischen« Staatsangehörigen der Westmächte. Kaltenbrunner bestritt, Weisungen zu solchen Planungen erteilt oder gar deren Ausführung angeordnet zu haben. - Siehe zu diesen Vorhaben I M T , Bd. I V , S . 3 3 9 f . ; B d . X I , S. 3 1 5 f f . ; Bd. X V I I , S . 4 3 8 ; B d . X X , S. 336; B d . X X I , S. 582, sowie das Nürnbg. D o k . 3462-PS.

288

Die folgenden Angaben beruhen vor allem auf einer Auswertung der Karte »Evacuation C C Dachau April 1945«, die 1950 vom ITS hergestellt wurde, Archiv des KZ-Museums Dachau, N r . 737, sowie auf zwei Aufstellungen über Evakuierungsmaßnahmen aus Dachauer KL-Akten, ebenda, N r . 1008 und 1011 und dem Bericht des ehemaligen DachauerHäftlingsHeinrichPakullis: Verschleppungs-Todesmarsch nach Tirol, ebenda, N r . 233.

289

Weiler, a . a . O . , S. 1080, Bericht von Johann Steinbock: Das Ende von Dachau.

290

Müller, a . a . O . , S . 2 6 6 .

291

Dieser Transport hatte nach Schätzungen des ITS etwa 2000 Häftlinge. Aus den erwähnten KL-Akten (Archiv des KZ-Museums Dachau, N r . 1008) ergibt sich jedoch, daß es sich um einen Transport von 1759 Juden gehandelt haben muß.

292

Zentrale Stelle Ludwigsburg, Ordner 458, Eidesstattliche Erklärung des Fritz Degelow vom 4 . 1 1 . 1945.

410

Günther Kimmel

Nebenlager T ü r k h e i m verlassen hatten und über Landsberg nach Pasing marschiert w a r e n . Die M a r s c h k o l o n n e vergrößerte sich in W o l f r a t s h a u s e n noch einmal u m e t w a 2 0 0 0 Häftlinge, die mit einem Bahntransport gekommen w a r e n (siehe unten N r . 6). Ü b e r Bad T ö l z und W a a k i r c h e n marschierten die Häftlinge z u m Tegernsee. U n t e r w e g s w u r d e n immer wieder größere oder kleinere G r u p p e n v o n den nachrückenden A m e r i k a n e r n befreit, z . B . am 3 0 . A p r i l 1 9 4 5 in Beuerberg etwa 5 0 0 0 Häftlinge. D e n Rest der M a r s c h k o l o n n e , etwa 3 6 0 Häftlinge, erreichten die A m e r i k a n e r in Dürnbach. 6. A m 27. A p r i l 1 9 4 5 w u r d e im Lager eine letzte G r u p p e v o n etwa 2 0 0 0 Häftlingen in Marsch gesetzt, die in Emmering auf die Bahn verladen w u r d e . Eine Bahnfahrt w a r f ü r diesen Transport n u r bis W o l f r a t s h a u s e n möglich, d o r t mußten sich die Häftlinge dem großen Evakuierungsmarsch anschließen.

Die Evakuierungstransporte erfaßten neben den Prominenten nur Deutsche, Russen, Polen und Juden, und von diesen Gruppen sicherlich auch nicht alle Häftlinge. Zunächst hatte Himmler allerdings in einem an die Kommandanten der KL Dachau und Flossenbiirg gerichteten Funkspruch vom 14. April 1945 befohlen, daß die beiden Lager sofort zu evakuieren seien und kein Häftling lebend in die Hand des Feindes fallen dürfe 293 . Später war jedoch - zumindest hinsichtlich des Lagers Dachau - ein Gegenbefehl ergangen; Himmler hatte angeordnet, daß nur Deutsche, Russen, Polen und Juden fortzuschaffen seien 294 . Ziel aller Evakuierungstransporte war offensichtlich ein Gebirgstal in Tirol; kein Transport konnte es jedoch erreichen. Im Verlauf der Evakuierungsmaßnahmen verloren noch Hunderte von Häftlingen das Leben. Viele starben in den Transportzügen, und auf dem großen Evakuierungsmarsch wurden nochzahlreiche Häftlinge von SS-Männern erschossen. Die von Hunger und Krankheiten geschwächten Häftlinge waren den Strapazen eines solchen Marsches kaum gewachsen; wer aber aus Erschöpfung hinter der Marschkolonne zurückblieb, wurde sofort getötet. Für die nachrückenden Amerikaner war der Weg zu den Überlebenden mit den Leichen erschossener Häftlinge markiert, die rechts und links neben der Straße lagen. Im Lager befanden sich indessen noch mehr als 32 000 Häftlinge 295 . Der Kommandanturstab war mit dem Gros der Wachmannschaften abgerückt, die Aufsicht über das Lager hatte eine Einheit der SS-Division »Wiking« übernommen 296 . Am Nachmittag des 29. April 1945 - dieser Tag war ein Sonntag - wurden die Dachauer Häftlinge von amerikanischen Truppen befreit, welche die »Wiking«-Einheit, die offenbar nur schwachen Widerstand leistete, bald überwältigen konnten. Auf einem Gleisanschluß des KL stand noch ein Transportzug, in dem die Amerikaner viele tote und ster293 294

295

296

Der Befehl ist wiedergegeben bei Schnabel, Reimund: Macht ohne Moral. Frankfurt a. M . 1957, S.203. Zentrale Stelle Ludwigsburg, a . a . O . , Eidesstattfiche Erklärung des Fritz Degelow: » . . . Er, Weiter (gemeint ist der Dachauer Kommandant, der Verf.), hatte in Dachau einen Befehl des Reichsführers-SS verlesen, daß nur die angegebenen Nationalitäten: Russen, Polen, Deutsche, Juden, nach einem abgelegenen Gebirgstal in Tirol abtransportiert werden s o l l t e n . . . « In diesem Zusammenhang ist das Nürnbg. Dok. NO-254 von Bedeutung, in dem der Buchenwalder Lagerkommandant Pister über ein Gespräch mit Himmler kurz vor Kriegsende folgendes berichtet: » . . . Er erklärte mir, daß er befohlen habe, daß die Häftlinge von den KL Flossenbürg, Mauthausen und Dachau nach einem Tal in Tirol zu verlagern seien, und wenn keine Bahntransportmöglichkeit, zu Fuß (sie!). Dort hätten sich die Häftlinge selbst Unterkünfte zu bauen, und wenn es seinmüßte, E r d l ö c h e r . . . « Der am Morgen des 2 9 . 4 . 1945 durchgeführte Zählappell ergab die Zahl von 32 335 Häftlingen; siehe dazu das im Katalog des KZ-Museums Dachau, S. 193, wiedergegebene Dokument aus dem Institut Slaski in Opole. Domagala, a . a . O . , S . X X X V .

Das Konzentrationslager Dachau

411

bende Häftlinge fanden. Möglicherweise war das ein Evakuierungstransport aus einem anderen Lager, der weder ausgeladen noch weitergeleitet wurde, weil der Kommandanturstab das Lager bereits verlassen hatte. Nach der Befreiung übernahm das Internationale Häftlingskomitee die Verwaltung des Lagers. Wegen der Typhusepidemie sahen sich jedoch die Amerikaner gezwungen, eine Quarantäne zu verhängen. Trotz guter Versorgung durch die amerikanischen Militärbehörden starben im Mai 1945 noch 2226 Häftlinge 2 9 7 .

6.

STRAFVERFOLGUNG

Die Gewalttaten in den Konzentrationslagern haben in der Öffentlichkeit stets mehr Beachtung und Aufmerksamkeit als andere nationalsozialistische Verbrechen gefunden. Das liegt sicher nicht nur an ihrer großen Zahl, sondern wohl auch an der Bedeutung, welche die öffentliche Meinung dem Konzentrationslagersystem für die Diktatur Hitlers beimaß. Für viele waren diese Lager wesentliches Element der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, wenn nicht überhaupt das Fundament dieses totalitären Staates 298 . O b diese Ansicht richtig ist, soll dahingestellt bleiben; jedenfalls waren die Konzentrationslager zum Symbol der Verbrechen des Nationalsozialismus geworden. Bei den Gewalttaten in den Konzentrationslagern war die Strafverfolgung denn auch offensichtlich intensiver als bei den anderen NS-Verbrechen. Dies zeigte sich schon sofort nach Kriegsende, als die amerikanischen Militärbehörden in einem umfassenden Zugriff SS-Personal der KL Dachau, Buchenwald, Flossenbürg und Mauthausen festnahmen und in Hunderten von Militärgerichtsverfahren zur Verantwortung zogen. In vielen Fällen wurden die Angeklagten zum Tode verurteilt und hingerichtet. Der größte Prozeß, der das Lager Dachau betraf, war das Verfahren gegen den ehemaligen Lagerkommandanten Weiß und 40 andere SS-Angehörige sowie einen Kapo 2 9 9 . Die Hauptverhandlung fand vom 15.November 1945 bis zum 13.Dezember 1945 in Dachau statt. Den Angeklagten warf man »Verletzung der Gesetze und Gebräuche des Krieges« vor, durch die Staatsangehörige der alliierten M ä c h t e - Zivilisten und Kriegsgefangene - geschädigt worden waren 3 0 0 . Straftaten zum Nachteil deutscher Staatsangehöriger waren nicht Gegenstand des Ver-

297 298

299

300

Siehe dazu die Tabelle über die im K L Dachau verstorbenen Häftlinge. So z. B . die Auffassung von Hannah Arendt, die meint, mit der Existenz der Konzentrations- und Vernichtungslager falle die Existenz der totalen Herrschaft, denn diese Lager seien die eigentliche zentrale Institution des totalen Macht- und Organisationsapparates; Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Frankfurt a . M . 1975, Bd. 3, S.211. Siehe dazu die im Katalog des Dachauer KZ-Museums, S. 208, wiedergegebene Anklageschrift. Sie enthält 42 Namen. Gegen Aumeier und Bayer wurde das Verfahren jedoch nicht durchgeführt; die Gründe dafür sind unbekannt. Siehe ebenda.

412

Günther Kimmel

fahrens. 28 Angeklagte, darunter Weiß, der ehemalige Schutzhaftlagerführer Ruppert und Professor Schilling, wurden zum Tode verurteilt. Gegen die anderen Angeklagten wurden Freiheitsstrafen verhängt. Sämtliche Todesurteile wurden am 28. und 29.Mai 1946 in Landsberg am Lech vollstreckt 301 . Nach diesem ersten großen Prozeß führten die amerikanischen Militärbehörden gegen SS-Personal und Häftlinge aus Dachau weitere 118 Verfahren durch, in denen es zu zahlreichen Verurteilungen kam 3 0 2 . In einem dieser Verfahren wurde im Januar 1947 der frühere Dachauer Kommandant Piorkowski zum Tode verurteilt 303 . Bei der Intensität der Strafverfolgung durch die amerikanischen Besatzungsbehörden war zu erwarten, daß für deutsche Strafverfahren wegen Dachauer KL-Verbrechen wenig Raum bleiben würde. In der Tat gab es vor deutschen Gerichten neben verschiedenen kleineren Verfahren, in denen verhältnismäßig kurze Freiheitsstrafen ausgesprochen wurden, nur die folgenden bedeutenderen Dachau-Prozesse: Die wichtigsten deutschen

Dachau-Verfahren

Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft

Angeklagter

Strafe

8 KL s 42/47 StA München II

Maximilian S.

10 Jahre Zuchthaus

Ks 1/50 StA Augsburg 12 Ks 5/51 StA München II

Franz Xaver T.

lebenslanges Zuchthaus

Karl W.

6 Jahre Zuchthaus

Ks 9 - 1 0 / 5 1 StA München II

Hans S.

lebenslanges Zuchthaus

Johann U . Egon Z.

6 Jahre Zuchthaus

12 KLs 10/56 StA München II

Willy B.

6 Jahre Zuchthaus

2 Ks 2/60 StA München II

Wolf gang S.

lebenslanges Zuchthaus

2 Ks 8/61 StA München II

Franz Johann H .

lebenslanges Zuchthaus

12 Ks 1/72 StA München II

Dr. Heinrich S.

10 Jahre Freiheitsstrafe

12 Ks 13/54 StA München II

301

302

303

15 Jahre Zuchthaus

Zentrale Stelle Ludwigsburg, Dokumentensammlung Verschiedenes, Bd. 32, Liste der amerikanischen Verurteilungen. Zentrale Stelle Ludwigsburg, a.a.O., Case 000-50-2-1 bis Case 000-50-2-121; der Hauptprozeß hatte die N u m m e r 000-50-2. Zentrale Stelle Ludwigsburg, a.a.O., Case 000-50-2-23. Piorkowski wurde am 22.10.1948 in Landsberga. L. hingerichtet. Sein Tod ist im Sterberegister des Standesamtes Landsberg unter der Registemummer 247/1948 beurkundet.

Das Konzentrationslager Dachau

413

Ein zentrales deutsches Strafverfahren, wie es für das Lager Auschwitz der Prozeß gegen Mulka und andere - 4 Ks 2/63 StA Frankfurt - darstellt, hat es im Fall Dachau nicht gegeben. Der Grund dafür ist in dem umfassenden ersten Zugriff der amerikanischen Militärbehörden zu sehen.

LOTHAR

GRUCHMANN

Die bayerische Justiz im politischen Machtkampf 1933/34 IHR SCHEITERN BEI DER STRAFVERFOLGUNG V O N MORDFÄLLEN IN DACHAU

Als Kommandeur der Bayerischen Politischen Polizei besaß Himmler 1933 bei weitem noch nicht jene Machtfülle, die es ihm in späteren Jahren ermöglichte, ohne große Rücksicht auf die Justiz zu handeln. So war auch das Konzentrationslager Dachau in dieser Zeit für die Justiz noch keineswegs »exterritorial«, seine Mauern und Stacheldrahtzäune symbolisierten noch nicht jene zuständigkeitsmäßige »Impermeabilität«, die sie später beinhalteten. Immerhin kamen Mißhandlungen oder ähnliche im Lager begangene Straftaten an Gefangenen schon damals nicht mehr vor den Staatsanwalt, da die Häftlinge kaum die Möglichkeit zu einer Anzeige hatten, aber auch nach etwaiger Entlassung Angaben gegenüber der Justiz aus Angst vor Repressalien seitens ihrer früheren Peiniger unterließen. Nur die Toten »sprachen für sich«, und so waren es auch die Todesfälle im Lager, mit denen sich die Justiz vornehmlich befaßte. Obwohl sie dabei anfänglich noch durch keine normativen Vorschriften eingeschränkt war, stieß die Justiz 1 bei ihren Ermittlungen schon damals auf erhebliche faktische Schwierigkeiten: auf die Unmöglichkeit, Zeugen unter den Häftlingen zu finden die aus verständlichen Gründen schwiegen, und auf das dichte Geflecht der Kameraderie unter den SS-Wachmannschaften, die durch besonderes Treuegelöbnis an die Befehle ihrer Vorgesetzten gebunden waren und nach außen eine verschworene Gemeinschaft bildeten. Nur die »Aussagen« der Toten selbst, d. h. die Feststellung, daß der Befund der Leichen mit der Ursache oder den näheren Umständen beim Eintreten des Todes, die die Bewacher angaben, nicht übereinstimmten, führten zu einem Eingreifen der Justiz. Die personenstandsrechtlichen Vorschriften über Anzeige und Registrierung von Todesfällen, vor allem die Pflicht der Polizei- und Gemeindebehörden zur Anzeige aller Fälle nicht natürlichen Todes bei der Staatsanwaltschaft oder dem Amtsrichter (§ 159 StPO), ferner der Umstand, daß den Angehörigen eine Bestattung des Toten schlechterdings nicht verweigert werden konnte - Fakten, die dem Regime auch bei der Euthanasie Schwierigkeiten bereiten sollten - gaben später Anlaß, entprechende Maßnahmen zu

1

Vorliegender Beitrag ist ein Vorabdruck aus der Arbeit über Geschichte und Politik der deutschen Justizverwaltung 1 9 3 3 - 1 9 4 5 , die der Verf. im Auftrag des IfZ vorbereitet.

416

Lothar Gruchmann

treffen 2 und organisierte Tötungen in fernliegende Territorien zu verlegen, die sich aufgrund der Kriegsereignisse in einem »rechtsfreien« Ausnahmezustand befanden oder noch nicht wieder mit einem engmaschigen Normengeflecht überzogen waren. Die Frage des Dachauer Lagerarztes an die Justizbehörden im Mai 1933, ob nicht wenigstens »verhindert werden könnte, daß die Leichen der Juden den Angehörigen ausgehändigt werden« 3 , ist für diese Problematik bezeichnend. Damals mußte diese Frage verneint werden; erst Jahre später sollten die Bedingungen gegeben sein, daß der »Mülleimer des Reiches«, wie Heydrich einmal die Sicherheitspolizei bezeichnete 4 , von solchen Behinderungen ungestört arbeiten konnte. Erstmals wurde die Justiz mit den Vorgängen im Lager Dachau befaßt, als am 12. April 1933 drei Häftlinge von SS-Posten - angeblich auf der Flucht - erschossen wurden; ein vierter, der »ihnen in das Feuer gelaufen« war, wurde schwer verletzt und starb vier Tage später. Die für Dachau zuständige Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II, die offenbar durch die Polizeidirektion München von den Todesfällen benachrichtigt wurde, sandte am nächsten Tag eine Gerichtskommission ins Lager. D a der Gerichtsarzt den Befund der Leichen mit den Angaben der Wachposten über den Hergang der Tat in Einklangstehen sah, wurde auf eine Obduktion verzichtet und die Ermittlung eingestellt : die Behauptungen des Lagerpersonals hatten nicht widerlegt werden können 5 . Bei weiteren Todesfällen, die sich im Mai ereigneten 6 , erhob die Staatsanwaltschaft hingegen in vier Fällen öffentliche Klage und beantragte gerichtliche Voruntersuchung. Diese im folgenden geschilderten Fällen sollten einen bezeichnenden Verlauf nehmen. A m 16. Mai übersandte der Lagerkommandant, SS-Oberführer Wäckerle, der Staatsanwaltschaft einen Bericht, daß sich der Nürnberger Kaufmann Schloss in einer Einzelhaftzelle mit seinem Hosenträger erhängt habe. Die diesmal sofort an den Tatort eilende Gerichtskommission stellte jedoch fest, daß die Leiche ausgedehnte Blutunterlaufungen aufwies, der T o d wahrscheinlich durch eine Fettembolie - hervorgerufen durch die Zer-

2

S o wurde die G e s t a p o befugt, die Leichen v o n Schutzhäftlingen vor U b e r g a b e an die Angehörigen einäschern zu lassen; vgl. z . B . die Verfügung der Stapo H a m b u r g im Falle B u h k vom 17. 9. 1934, N ü r n b g . D o k . N G 2489; unveröffentlichter Runderlaß d e s R F S S und Chef der Deutschen Polizei vom 21. 5 . 1 9 4 2 , Allg. Erlaß-Sammlung des R S H A , 2 F V I I I f.

3

StA München, Staatsanw. 7014, Vermerk des Landgerichtsarztes v o m 1. 6. 1933.

4

H e y d r i c h , Reinhard: Politisches Soldatentum in der Polizei, R e d e z u m » T a g der Deutschen Polizei«, in: V B vom 17. 2. 1941, S . 2 .

5

S t A München, Staatsanw. 7014, zeitgen. N o t i z , O.D., des damaligen E S t A beim Landgericht München II und seine Zeugenaussage vom 27. 3. 1951 im Untersuchungsverfahren gegen Steinbrenner. Es handelte sich u m die Häftlinge D r . Bernario, G o l d m a n n , Arthur Kahn und Erwin Kahn. D i e N a m e n aller in Dachau Getöteten sind aufgeführt in dem G e d e n k w e r k : D i e Toten von Dachau. Deutsche und Österreicher, hrsg. v o m Staatskommissariat für rassisch, religiös und politisch Verfolgte in Bayern. München 1947. Sie können daher ohne persönlichkeitsschutzrechtliche Bedenken genannt werden.

6

In folgenden, hier nicht näher behandelten Fällen kam es nicht zur Anklageerhebung: am 7. 5. 1933 wurde der frühere kommunistische Landtagsabgeordnete Dressel mit geöffneter Pulsader aufgefunden; die Leiche wies bei der Untersuchung Prügelspuren auf. Einen T a g später wurde^der Schlosser G ö t z aus München von einem SS-Mann im G a n g des Zellenbaus »aus N o t w e h r « durch K o p f s c h u ß getötet; die Leichenschau vom 9. 5. stellte zusätzlich Verletzungen und auch schon in der Zelle des Getöteten Blutspuren fest. StA München, Staatsanw. 7014, Vermerk des E S t A der Staatsanwaltschaft München II v o m 30. 5.1933 und Vermerk, o . D . ; ferner Zeugenaussage des damaligen leitenden O S t A dieser Staatsanwaltschaft v o m 7. 3. 1951 im Untersuchungsverfahren gegen Steinbrenner. A m 19. 5. 1933 starb der jüdische Gerichtsreferendar A r o n aus Bamberg an den Folgen v o n Mißhandlungen. I f Z , G m 07.19, Urteil des Landgerichts München II v o m 10. 3. 1952.

J u s t i z u n d politische M o r d e in D a c h a u

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trümmerung des Gewebes - eingetreten war und der Tote erst nachträglich aufgehängt wurde, u m einen Selbstmord vorzutäuschen. Als sich der Verdacht durch die am nächsten Tag vorgenommene Leichenöffnung verstärkte, erhob der Erste Staatsanwalt beim Landgericht München II am 1. Juni Klage beim zuständigen Untersuchungsrichter gegen unbekannte Täter wegen Verbrechens der Körperverletzung mit Todesfolge, ferner gegen Wäckerle, den Lagerarzt und einen Angehörigen der Lagerkanzlei wegen Begünstigung. Er beantragte die Durchführung der gerichtlichen Voruntersuchung und Erlassung eines Haftbefehls gegen die bekannten Beschuldigten wegen Verdunkelungsgefahr 7 . Bereits einen Tag nach der Tötung Schloss' wurde am 17. Mai der Hilfsarbeiter Hausmann aus Augsburg von einem SS-Scharführer bei Außenarbeiten in einer Fichtenschonung »auf der Flucht« erschossen. D a die noch am selben Tage tätig werdende Gerichtskommission feststellte, daß der Schuß nicht auf die angegebene Entfernung von 10 bis 12 Meter abgegeben worden war, sondern daß es sich um einen Nahschuß aus weniger als einem Meter handelte, wurde eine genauere gerichtsmedizinische Untersuchung angeordnet. Als sie ergab, daß die Entfernung sogar weniger als 30 Zentimeter betrug, wurde auch in diesem Falle am 1. Juni gerichtliche Voruntersuchung und Haftbefehl beantragt 8 . Als Dritter in dieser Serie wurde der Münchner Rechtsanwalt D r . Strauss am 24. Mai »auf einem Spaziergang, der ihm vom Lagerarzt verordnet worden war«, von dem begleitenden SS-Mann durch zwei Schüsse in den Hinterkopf getötet, da er angeblich flüchten wollte. Die Untersuchung der Gerichtskommission vom selben Tag ergab, daß der mit Pantoffeln bekleidete Tote außer den Einschüssen am Körper Striemen und Blutunterlaufungen, eine offene Wunde am Gesäß und eine Fußverletzung aufwies. D a es äußerst zweifelhaft war, daß der Getötete in diesem körperlichen Zustand, mit dieser Fußbekleidung und angesichts der Begleitung durch einen besonderen Wächter einen Fluchtversuch unternehmen konnte, wurde auch hier gegen den SS-Mann Klage wegen Mordes erhoben und gerichtliche Voruntersuchung beantragt 9 . Schon der nächste Tag brachte ein neues Opfer: der Kaufmann Lehrburger aus Nürnberg wurde in einer Einzelhaftzelle von einem SS-Mann durch einen Schuß in die Stirn getötet, weil er eine Bewegung machte, die dieser »als Angriff auffaßte«. D a das Vorbringen des Wachmannes durch die Leichenschau nicht widerlegt werden konnte, stellte die Staatsanwaltschaft in diesem Falle das Verfahren ein 1 0 .

StA München, Staatsanw. 7014, Schreiben Wäckerles und Protokoll der Gerichtskommission vom 16. 5. 1933, Vermerk des EStA vom 30. 5. 1933, Klageerhebung des EStA vom 1. 6. 1933; Nürnbg. Dok. PS-644, IMG Bd. XXVI, S. 178, Protokoll über die Leichenöffnung vom 17. 5. 1933. 8 StA München, Staatsanw. 7014, Bericht der politischen Abteilung des Lagers vom 17. 5. 1933, über die Kommandantur der Staatsanwaltschaft München II zugeleitet; Protokoll der Gerichtskommission vom 17. 5. 1933 und ihrer Vernehmung des Scharführers vom 18. 5. 1933; Klage des EStA vom 1. 6. 1933. 9 StA München, Staatsanw. 7014, Vermerk des EStA vom 30. 5. 1933, seinen zeitgen. Bericht, o.D., und seine Aussage vom 13. 7. 1933; Aussage des leit. OStA vom 7. 3. 1951 sowie dessen Bericht an den GenStA vom 1.6. 1933 (Nürnbg. Dok. PS-641, IMG Bd. XXVI, S. 171). 10 StA München, Staatsanw. 7014, Vermerk des EStA vom 30. 5.1933 und BA, R 22/20383, Bericht des leit. OStA an den GenStA vom 1.6. 1933. Wie die Nachkriegsermittlungen ergaben, war L. auf Befehl des Lagerkommandanten Wäckerle (als angeblicher, für den Bakterienkrieg ausgebildeter sowjetrussischer Agent) erschossen worden, weil er verheimlicht hatte, daß er Jude war. IfZ, Gm 07.19, Urteil des Landgerichts München II vom 10. 3. 1952. 7

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Lothar Gruchmann

Der vierte Fall, der bis zum Antrag auf gerichtliche Voruntersuchung gedieh, betraf den Tod des Kaufmanns Nefzger aus München in der Nacht zum 26. Mai. U m die Einschaltung der Justiz zu umgehen, hatte sich die Lagerverwaltung diesmal einen besonderen »Dreh« ausgedacht. Sie setzte ein Protkoll auf, wonach sich Nefzger in seiner Arrestzelle zuerst mit dem Riemen seiner Beinprothese zu erhängen versucht, und als dieser riß, die Pulsadern aufgeschnitten habe. »Da nach Feststellung des Lager- und Leichenschauarztes Dr. N . « , so endete das Protokoll, »die Todesursache einwandfrei feststeht, wurde von einer Verständigung der Gerichtskommission abgesehen« 11 . Das Amtsgericht Dachau erhielt von der politischen Abteilung des Lagers lediglich eine Bescheinigung des Lagerarztes, »daß eine Tötung durch Einwirkung fremder Personen auszuschließen ist. Der Tod ist ohne Zweifel ein Verblutungstod durch Öffnung der Pulsader der linken Hand« 1 2 . Die vom Amtsgericht verständigte Staatsanwaltschaft München II ordnete für den 27. Mai dennoch die gerichtliche Leichenschau an. Da der Landgerichtsarzt den Tod durch Verbluten für zweifelhaft hielt, wurde zwei Tage später die Obduktion vorgenommen, die die Schnittwunde als Selbstverletzung und als Todesursache ausschloß. Als Todesursache wurde vielmehr Erwürgen und Erdrosseln angenommen, da der Verlauf der Strangmarke am Hals nicht den beim Erhängungstod beobachteten Befunden entsprach. Daraufhin beantragte die Staatsanwaltschaft am 1. Juni auch hier gerichtliche Voruntersuchung und Haftbefehl gegen die drei bereits erwähnten Personen 1 3 . Unter welchen Bedingungen die Justiz derartige Fälle bearbeiten mußte, geht aus dem Bericht des damaligen Ersten Staatsanwalts über die Einreichung seiner vier Anträge auf Voruntersuchung und Haftbefehl hervor: » D a m i r einige mittlere und untere B e a m t e der Staatsanwaltschaft nicht zuverlässig erschienen, hielt ich eine Schreibkraft, die ich als einwandfrei betrachtete, für die Zeit nach B ü r o s c h l u ß a m A b e n d z u r ü c k u n d diktierte ihr meine A n t r ä g e . Ich brachte die A k t e n am nächsten M o r g e n unter U m g e h u n g des sonst üblichen W e g e s persönlich d e m U n t e r s u c h u n g s r i c h t e r D r . K . , mit d e m ich die Angelegenheit bereits v o r h e r besprochen hatte.«

Dieser Untersuchungsrichter beim Landgericht München II begab sich am 1. Juni zur Münchner Polizeidirektion, um die Verhaftung der Angeschuldigten mit Hilfe der Mordkommission durchzuführen. Die Mordkommission lehnte jedoch ihre Mitwirkung ab, weil es sich um eine politische Strafsache handelte, für die allein die politische Polizei zuständig sei. Dort aber wurde der Richter »mit einem Lächeln abgewiesen« 14 : es zeigte sich, daß die »dritte Gewalt« ohne die Exekutive machtlos war. Am selben 1. Juni berichtete der leitende Oberstaatsanwalt beim Landgericht München II über die vier Anträge dem Generalstaatsanwalt München, der die Berichte sofort an das bayerische Justizministerium weiterleitete 15 . Der Generalstaatsanwalt hatte be-

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StA München, Staatsanw. 7014, Protokoll der Lagerkanzlei vom 26. 5. 1933. Ebenda, Schreiben vom 27. 5. 1933. Ebenda, Protokoll der Gerichtskommission vom 29. 5. 1933 und Anklageerhebung des EStA vom 1. 6. 1933. Ebenda, Schreiben des früheren EStA bei der Staatsanwaltschaft München II an den Landgerichtspräsidenten Amberg vom 13. 7. 1949 auf Anfrage der Staatsanwaltschaft München I. Nürnbg. Dok. PS-641 (Schloss), PS-642 (Hausmann), PS-641 (Strauss) und PS-645 (Nefzger), sämtl. I M G Bd. XXVI.

Justiz und politische Morde in Dachau

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reits einen Bericht des Oberstaatsanwalts vom 22. Mai zum Fall Schloss weitergereicht und dadurch die Aktivität des Ministeriums ausgelöst. Am 29. Mai wurde der Oberstaatsanwalt zum mündlichen Vortrag ins Justizministerium gebeten und übergab dabei dem Strafrechtsreferenten Ministerialrat Döbig neben einem schriftlichen Bericht Abschriften der »Lagerordnung« von Dachau, die ihm Wäckerle auf sein Verlangen mit der Erläuterung übergeben hatte, »daß er [Wäckerle] diese Bestimmungen auf Befehl seiner vorgesetzten Stelle selbst verfaßt habe und daß diese Bestimmungen vom Herrn Polizeikommandeur genehmigt seien« 16 . Diese »Sonderbestimmungen« besagten nichts weniger, als daß über das Lager Dachau »das Standrecht verhängt« sei, daß die Wachmannschaft bei Fluchtversuchen »ohne Anruf von der Schußwaffe Gebrauch machen« dürfe und daß als Lagerstrafen außer abgestuftem Einzelarrest die »Todesstrafe« verhängt werden dürfe. Mit Arrest bis zu drei Monaten Dunkelzelle konnte u. a. bestraft werden, wer einen Angehörigen der Wachtruppe »beleidigt oder verleumdet« oder »eine Beschwerde auf unwahre Behauptungen stützt oder [ !] unter Abweichung von dem vorgeschriebenen Dienstweg . . . vorzubringen versucht«, mit der Todesstrafe, wer tätlichen Widerstand leistete oder auch nur den Gehorsam verweigerte oder dazu verleitete. Strafen sollten generell durch den Lagerkommandanten verhängt, die Todesstrafe aber durch ein Lagergericht ausgesprochen werden, dem der Kommandant, ein oder zwei von diesem bestimmte Offiziere und ein SS-Mann der Wachtruppe angehörten; die Anklage wurde gleichfalls von einem SS-Mann übernommen 1 7 . Döbig informierte noch am selben Tage den bayerischen Justizminister Hans Frank 1 8 . Frank rief sofort Ministerpräsident Siebert an und erreichte, daß die Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Ministerratssitzung vom 31. Mai gesetzt wurde, da derart schwerwiegende Anordnungen über Leben und Tod nur von der Regierung getroffen werden könnten. Döbig wurde beauftragt, noch vorher am 30. Mai Innenminister Wagner sowohl über die vier Straffälle, deren Ermittlung »im Interesse des Staates gelegen« sei, als auch über die rechtliche Problematik der Lagerordnung zu berichten. Bei dieser Unterredung am nächsten Tag erklärte Wagner, »daß der Sachverhalt noch zu wenig geklärt sei, um die Angelegenheit zum Gegenstand einer Beratung im Ministerrat zu machen und daß zunächst der Herr Politische Polizeikommandeur Bayerns, der z. Zt. erkrankt sei, sowie der Lagerkommandant gehört werden müßten«. Wagner rief nun ebenfalls Siebert an und setzte durch, daß dieser Punkt von der Tagesordnung des Ministerrats wieder abgesetzt wurde. Dafür schlug er vor, daß »unverzüglich« eine Besprechung zwischen einem Vertreter seines Ministeriums, Himmler, dem Lagerkommandanten, dem Lagerarzt, zwei Vertretern des Justizministeriums, dem zuständigen Oberstaatsanwalt und dem Landgerichtsarzt stattfinden sollte. Döbig berichtete am nächsten Tag Frank über dieses Ergebnis der Unterredung mit Wagner und erhielt die Weisung, bei der in Aussicht genommenen Besprechung insbesondere »auf die aus § 346 StGB sich ergebende Verpflichtung der StAschaft und der Polizeibehörde zur Ermittlung des Sachverhalts hinzuweisen«. Am Nachmittag des selben

16 17 16

BA, R 22/20379, Bericht des leit. OStA an das BStMdJ vom 29. 5. 1933. Ebenda; vgl. auch Nürnbg. D o k . D-922, I M G Bd. XXXVI, S.6. Zum folgenden vgl. Vermerk Ministerialrat Döbig vom 1. 6. 1933, BA, R 22/20 379.

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Lothar G r u c h m a n n

Tages, während Frank in der Ministerratssitzung weilte, teilte der Polizeireferent des Innenministeriums dem Justizministerium im Auftrag Wagners mit, »daß die in Aussicht genommene Besprechung unterbleibe, weil jeder Anschein des Eingreifens in das schwebende Verfahren vermieden [!] werden solle«. Wegen der strafrechtlichen Behandlung der Einzelfälle sollte sich der leitende Oberstaatsanwalt mit Himmler direkt »ins Benehmen setzen« 1 9 . A m gleichen Tage schickte das Innenministerium als einzige Reaktion auf den am 29. Mai vom Justizministerium übersandten Bericht einschließlich Protokoll der Leichenschau im Falle Schloss eine schriftliche Beschwerde Wagners, »daß die Zuschrift mit den in offenem Umschlag befindlichen Lichtbildern durch die Post« zugegangen und damit einer Reihe von Personen bekannt geworden war, da sie »den normalen Geschäftsgang durchlief, bis sie in die Hände des zuständigen Referenten gelangte« 2 0 . Der Oberstaatsanwalt war bereits nach seinem Bericht im Falle Schloss angewiesen worden, »die Frage der Weiterbehandlung der Sache mit dem Herrn Polizeikommandeur persönlich zu besprechen« 2 1 ; er bekam nun den erweiterten Auftrag, auch die anderen drei Fälle in die Besprechung einzubeziehen. In dieser Unterredung, die am Mittag des 1. Juni mit dem angeblich erkrankten Himmler in der Polizeidirektion München stattfand, betonte nunmehr der Oberstaatsanwalt weisungsgemäß, daß die Staatsanwaltschaft und übrigens auch die Polizeibehörden »bei Meidung schwerer Strafandrohung verpflichtet seien, ohne Rücksicht auf irgend welche Personen die strafrechtliche Verfolgung der genannten Vorkommnisse durchzuführen«, und daß er daher in den vier Fällen gerichtliche Voruntersuchung und Haftbefehle beantragen werde. Zu den Ermittlungen werde er »die allein geeigneten Beamten der Kriminalabteilung der Polizeidirektion« heranziehen. Auf seine Bitte um Unterstützung sagte Himmler erstaunlicherweise zu, daß dem Untersuchungsrichter bei den notwendigen Erhebungen im Lager Dachau keine Schwierigkeiten bereitet würden 2 2 . Himmler vermied die offene Konfrontation, wahrscheinlich hatte er längst einen anderen Ausweg im Auge, um die Sache in seinem Sinne aus der Welt zu schaffen. A m nächsten Tag bekam die Staatsanwaltschaft vom Justizministerium fernmündlich den Auftrag, die vier Ermittlungsakten einzureichen, da sie für eine am Nachmittag stattfindende Besprechung mit Reichsstatthalter von Epp benötigt wurden. Da Wagner eine Diskussion der Angelegenheit im Ministerrat verhindert hatte, wählte Frank offenbar diesen Weg, um die Sache auf oberster bayerischer Ebene zur Sprache zu bringen. Als Ergebnis dieser Besprechung, an der außer Siebert, Frank und Wagner auch die Minister Schemm und Esser sowie Himmler teilnahmen, mußte sich Himmler bequemen, im Lager Dachau »personelle Veränderungen« zuzugestehen, d . h . den unhaltbar gewordenen Wäckerle als Kommandanten abzulösen 2 3 . Die vorgelegten Ermittlungsakten sollten zu19 20 21 22 23

Ebenda. Niirnbg. Dok. PS-644, IMG Bd. XXVI, S. 186, Schreiben Wagners an das B S t M d J vom 31. 5. 1933. Erwähnt im Schreiben des BStMdJ an das BStMdl vom 29. 5. 1933, ebenda. BA, R 22/20 383, Bericht des OStA an das BStMdJ vom 2. 6. 1933. Wäckerle wurde am Monatsende durch SS-Oberführer Eicke ersetzt, der anstelle der erwähnten Lagerordnung neue Dienstvorschriften erließ, die zum Modell für die Konzentrationslager der SS wurden; vgl. Broszat, Martin: Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933-1945, in: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2, Ölten 1965, S. 53 ff. Broszat bezeichnet es als unbekannt, aber wohl mit Recht als fraglich, ob das von Wäckerle niedergelegte Verfahren zur Verhängung von Todesurteilen in Dachau tatsächlich angewendet wurde; a . a . O . , S.55.

Justiz und politische Morde in Dachau

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nächst dem Innenministerium »zur Stellungnahme« übergeben werden 2 4 . Das Justizministerium rechnete dabei mit einer baldigen Rückgabe, denn die Staatsanwaltschaft wurde angewiesen, die Ermittlungen fortzuführen, »sobald sie die Akten zurückerhalten habe, was in Kürze zu erwarten sei« 2 5 . D a die Fälle ohne Akten nicht weiterbearbeitet werden konnten, bat der Oberstaatsanwalt in der Folge nach wiederholten vergeblichen Rückfragen beim Ministerium den Generalstaatsanwalt um Intervention, dem Frank am 13. Juni zunächst versicherte, daß die Akten vom Innenministerium zurückverlangt wurden, um ihn zehn Tage später auf eine »demnächst« stattfindende Besprechung hinzuweisen 2 6 . Eine persönliche Rücksprache des Generalstaatsanwalts bei Himmler brachte lediglich dasselbe Ergebnis 2 7 . Als die angekündigte Besprechung zwischen Himmler, dem Generalstaatsanwalt und den Vorständen der Staatsanwaltschaften München I und II am 24. Juli endlich stattfand, erklärte Himmler, daß er die Akten vom Innenministerium erhalten und »inzwischen weitere Ermittlungen gepflogen habe, die noch nicht abgeschlossen seien« ; danach würden die Akten der Staatsanwaltschaft wieder zugehen. Voraussichtlich aber »werde in Bälde eine weitere Amnestie kommen, die zur Niederschlagung der einschlägig. Verfahren führen werde« 2 8 . Nachdem die Staatsanwaltschaft die Akten drei Wochen später erneut angemahnt hatte, um die Anwendung der unterdessen ergangenen bayerischen Amnestieverordnung vom 2. August 1933 auf die Fälle prüfen zu können 2 9 , forderte Staatsrat Spangenberger Ende August die Akten abermals schriftlich vom Innenministerium zurück 3 0 . Mehrmals sagten Vertreter der politischen Polizei die Rückgabe auch zu; am 9. Oktober versprach Heydrich in einem persönlichen Gespräch D ö big, er werde »sich bemühen, die Akten beizuschaffen« 3 1 . A m 12. Oktober ging jedoch ein Schreiben Heydrichs im Justizministerium ein, daß die vier Ermittlungsakten beim Politischen Polizeikommandeur/Staatsministerium des Innern »nicht im Einlauf gebucht« seien und »trotz eingehender Nachforschungen . . . über den Verbleib der Akten hier nichts ermittelt werden« konnte. Er »werde jedoch die Nachforschungen fortsetzen und gegebenenfalls sofort Mitteilung machen« 3 2 . Diese »Nachforschungen« sollten auch nach Einschaltung des Verbindungsmannes der Justiz bei der politischen Polizei, Dr. Stepp, - der bei Auflösung des bayerischen Justizministeriums Anfang 1935 überwechselte und als Oberregierungsrat die stellvertretende Leitung der Bayerischen Politischen Polizei übernahm - erfolglos bleiben 3 3 : um dem Risiko zu entgehen, daß die Morde von der Justiz etwa als »aus niedrigen Beweggründen begangen« beurteilt und daher nicht amnestiert werden könnten, hatte Himmlers Polizei das Problem auf ihre Weise gelöst.

24

B A , R 22/20 379, Vermerk D ö b i g s über die Ergebnisse der Besprechung vom 2.6. 1933; die Teilnehmer gehen

25

B A , R 22/20 379, Unterredung des l e i t . O S t A mit D ö b i g vom 3. 6. 1933, Vermerk des O S t A vom 21. 6. 1933.

26

Ebenda, Vermerk d e s O S t A v o m 21. und 23. 6. 1933.

27

E b e n d a , Vermerk des O S t A v o m 14. 7. 1933.

aus dem Itinerar E p p s hervor, G S t A , Reichsstatthalter 63.

28

Ebenda, Vermerk des O S t A v o m 24. 7. 1933.

29

Β A , R 22/20 383, Schreiben des O S t A an das B S t M d J vom 11. 8. 1933. Text der bayer. V O über die Gewährung von Straffreiheit vom 2. 8. 1933 im GVB1. 1933, S . 2 1 1 .

311

Ebenda, Schreiben vom 28. 8. 1933.

31

Ebenda, Vermerk D ö b i g s v o m 23. 9. und 9. 10. 1933.

32

Ebenda, Schreiben datiert vom 6. 10. 1933.

33

Ebenda, die Wiedervorlagevermerke reichen durch das Jahr 1934 hindurch bis z u m Januar 1935.

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Lothar Gruchmann

Es ist auffallend, daß in den Wochen nach Anfang Juni 1933 - d. h. während der Zeit, in der die Verfolgung der drei genannten Fälle zur Diskussion stand - aus Dachau keine neuen Fälle gewaltsamen Todes gemeldet wurden. Offensichtlich hatte Himmler das Wachpersonal zur Vorsicht gemahnt. Nachdem sich Innenminister Wagner in den Ministerratssitzungen verschiedentlich Klagen seitens des Reichsstatthalters und des Ministerpräsidenten über das eigenmächtige Vorgehen der politischen Polizei hatte anhören müssen, ohne daß er selbst von den entsprechenden Maßnahmen Himmlers immer unterrichtet worden war 3 4 , hatte er »bestimmten Befehl gegeben, . . . daß ihm tägliche Rapporte über die wesentlichen Ereignisse und über geplante größere Maßnahmen vorgelegt würden« 3 5 . O b w o h l Wagner die Schritte Himmlers im allgemeinen deckte, wollte er die Dinge besser in den Griff bekommen. Als sich am 22. August der nächste Fall einer Tötung in Dachau ereignete, wurde Wagner daher diesmal nicht erst auf dem U m w e g über die Justiz, sondern durch ein Schreiben Himmlers direkt informiert, von dem er sofort auch von Epp und Siebert Kenntnis gab 3 6 : der Bahnarbeiter Stenzer aus Pasing war »auf einem Spaziergang in der N ä h e des Lagers von dem ihn begleitenden SS-Scharführer« angeblich bei einem Fluchtversuch - durch einen Genickschuß getötet worden. Die sofort verständigte Staatsanwaltschaft ordnete die Einholung eines gerichtsmedizinischen Gutachtens an. O b w o h l sich hinsichtlich der Entfernung, aus der der Schuß angeblich abgefeuert worden war, Unklarheiten ergaben, stellte der leitende Oberstaatsanwalt das Verfahren im Dezember ein, da dem Scharführer nicht widerlegt werden konnte, daß er den Häftling auf der Flucht erschossen hatte, »wozu er nach den für ihn geltenden Dienstvorschriften berechtigt war« 3 7 . D i e nächste Serie von drei Fällen, die zur entscheidenden Kraftprobe zwischen Justiz und politischer Polizei führen sollte, ereignete sich im September und Oktober 1933, wobei der erste Fall nicht einmal dem Konto der Dachauer Lagermannschaft zugerechnet werden kann. Die Mutter des Kunstgewerblers Handschuch aus München erhielt vom Lager die Nachricht, daß ihr Sohn am 2. September in Dachau verstorben sei; auf dem Totenschein war als Todesursache »Herzschwäche nach vorausgegangener Gehirnerschütterung« angegeben worden. Der Wunsch, den Toten noch einmal zu sehen, wurde den Angehörigen ausdrücklich verweigert, vielmehr wurde der Sarg vernagelt vom Lager auf den Friedhof Dachau überführt, wo die Beerdigung stattfand. Am 18. September erstattete die Mutter bei der Staatsanwaltschaft München II Anzeige und begehrte gerichtliche Leichenschau, um Identität und Todesursache feststellen zu lassen. Die Einvernahme der Braut des Verstorbenen, die zusammen mit ihrem Verlobten am 23. August verhaftet, nach sechs Tagen aber wieder entlassen worden war, ergab, daß Handschuch nach seiner Verhaftung im Braunen H a u s in der Briennerstraße derartig mißhandelt worden war, daß er bereits nach seiner Überführung in die Polizeidirektion in der Ettstraße leblos zusammenbrach 3 8 . Daraufhin wurde von der Staatsanwaltschaft Exhumierung der Leiche an-

34 35 36 37 38

Vgl. z . B . GStA, MA 99 526, Protokolle der Ministerratssitzungen vom 16. 5., 4. 7., 26. 7. 1933. Ebenda, Sitzung vom 26. 7. 1933. StA München, Staatsanw. 7014, Schreiben Himmlers an Wagner vom 23. 8. 1933. Ebenda, Bericht des OStA an den GenStA vom 21. 12. 1933 mit Weitergabevermerk vom 23. 12. 1933. Nürnbg. Dok. D-926, IMG Bd. X X X V I , S.45, Niederschrift der Vernehmung vom 21. 9. 1933.

Justiz und politische Morde in Dachau

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geordnet. Die gerichtliche Leichenschau vom 23. September ergab, daß der Tod durch Gehirnlähmung infolge von Blutungen eingetreten war, die von einer Schädelverletzung herrührten. Obwohl auf Forderung der SS diesmal ein Arzt ihres Vertrauens zusätzlich hinzugezogen worden war, war der Befund unbestritten. Die Staatsanwaltschaft ersuchte die Bayerische Politische Polizei um die Vornahme der notwendigen Ermittlungen 39 . Die beiden weiteren Todesfälle dieser Serie wurden der Staatsanwaltschaft am 19. O k tober telefonisch mitgeteilt: am 17. Oktober nachmittags hätten sich der kaufmännische Angestellte Franz aus München und in der Nacht zum 18. Oktober der praktische Arzt Dr. Katz aus Nürnberg in ihren Einzelhaftzellen erhängt. Wie der von Himmler unterzeichnete Tagesrapport an Siebert ergänzend berichtete, sei am 17. Oktober in Dachau ein Kassiberschmuggel mit Nachrichten aufgedeckt worden, die angeblich dazu dienten, in der Tschechoslowakei »einen Greuelpropagandafilm über die angeblichen Vorkommnisse« im Lager herzustellen. Franz, dessen in einer Konservenbüchse verwahrtes und im Lagergelände vergrabenes - aber noch nicht aufgefundenes - Tagebuch die Grundlage für die Nachrichten abgegeben haben sollte, wurde daraufhin in eine Einzelhaftzelle gebracht, wobei er heftigen Widerstand leistete und »in gehöriger Weise zurechtgewiesen werden mußte«. Eine halbe Stunde später habe man ihn an seinem Leibriemen erhängt aufgefunden. Da sich der »jüdische Kommunist« Katz als »geistiger Urheber« der Greuelpropaganda entpuppt habe, der die Nachrichten für das Tagebuch geliefert habe, wurde auch er in Einzelhaft gebracht, wo man ihn gegen Morgen »mit seinem Hosenträger an der Zugvorrichtung zur Oberlichtöffnung aufgehängt« entdeckt habe 4 0 . Da der neue Lagerkommandant Eicke am 1. Oktober 1933 eine »Disziplinar- und Strafordnung« erlassen hatte, wonach »kraft revolutionären Rechts als Aufwiegler gehängt« werden sollte, wer »wahre [!] oder unwahre Nachrichten zum Zwecke der gegnerischen Greuelpropaganda über das Konzentrationslager oder dessen Einrichtungen . . . hinausschmuggelt« 41 , ist es sehr wahrscheinlich, daß diese Vorschriften gegen Franz und Katz tatsächlich angewendet, die Vorgänge jedoch nach außen hin als Selbstmord getarnt worden waren 4 2 . Die am 18. Oktober vorgenommene Leichenschau und die daraufhin zwei Tage später erfolgte Obduktion - bei der diesmal bezeichnenderweise auch der Lagerarzt und der Lageradjutant zugegen waren - stellten in beiden Fällen »Erstickungstod durch Erwürgen

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Zum Voranstehenden siehe Bericht des OStA an das BStMdJ vom 26. 9. 1933, Niirnbg. D o k . D-926; Bericht Franks an Siebert vom 2. 12. 1933, GStA, MA 107 200; zeitgen. Notiz des EStA bei der Staatsanwaltschaft München II, o . D . , und seine Zeugenaussage vom 27. 3. 1951 ; ferner Zeugenaussage des leit. OStA vom 7. 3. 1951; StA München, Staatsanw. 7014.

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GStA, M A 105 490, Bericht Himmlers an Ministerpräsident Siebert vom 19. 10. 1933. Er wurde ergänzt durch den Bericht vom 20. 10. 1933 (ebenda), daß bis zur Klärung des Kassiberschmuggels »zunächst auf die Dauer von 6 Wochen keine Entlassungen« aus Dachau erfolgten. Nürnbg. D o k . PS-778, I M G Bd. XXVI, S. 291, dort im Auszug auch die neue Dienstvorschrift für die Begleitpersonen und Gefangenenbewachung vom 1.10. 1933, in der es u. a. hieß: »Versucht ein Gefangener zu entfliehen, dann ist ohne Anruf auf ihn zu schießen. D e r Posten, der in Ausübung seiner Pflicht einen fliehenden Gefangenen erschossen hat, geht straffrei aus. « Beide Vorschriften kamen auf nicht ersichtlichem Wege auch der Justiz zur Kenntnis, BA, R 22/20 379. Der Häftling Altmann, der laut Himmlers Rapport den Kassiber aus dem Lager zu schmuggeln versucht hatte, wurde am 12. 2.1934 gleichfalls »erhängt aufgefunden« ; die Obduktion ergab diesmal »keine Anhaltspunke für ein fremdes Verschulden«, ebensowenig in einem weiteren Fall (Hutzelmann) v o m 2 5 . 2. 1934, StA München, Staatsanw. 7014, zeitgen. Notiz des EStA, o . D .

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und Erdrosseln« von fremder Hand fest; im Falle Franz wurde als konkurrierende Todesursache auch Fettembolie durch ausgedehnte Zertrümmerung des Gewebes nicht ausgeschlossen. Vergeblich hatte die Staatsanwaltschaft schon am 18. Oktober die Aushändigung des Leibriemens bzw. Hosenträgers verlangt, mit denen sich die beiden Gefangenen angeblich aufgehängt hatten; auch eine Beschlagnahmeverfügung durch das Landgericht Dachau konnte eine Ubergabe dieser Beweisstücke nicht bewirken 4 3 . Himmler stellte am 18. November im bayerischen Innenministerium den Antrag, die Ermittlungsverfahren in Sachen Handschuch, Franz und Katz »aus staatspolitischen Gründen« niederzuschlagen. In einem Schreiben an Frank vom 29. November Schloß sich Wagner diesem Antrag an, da » d u r c h die D u r c h f ü h r u n g der Ermittlungsverfahren d e m A n s e h e n des nationalsozialistischen Staates großer A b b r u c h deswegen getan würde, weil diese Verfahren sich gegen A n g e h ö r i g e der SA u n d SS richten und s o m i t die S A und SS, also H a u p t t r ä g e r des nationalsozialistischen Staates, unmittelbar betroffen w ü r d e n « . Z u r Beruhigung fügte er hinzu, er hoffe, »daß dies die letzten Fälle sind, die den H e r r n Reichsstatthalter und den Ministerrat z u m Eingreifen im Staatsinteresse zwingen. D e n O r g a n e n der Politischen Polizei gegenüber habe ich eindeutigst z u m A u s d r u c k gebracht, daß ich mich künftig in ähnlichen Fällen nicht mehr zur Antragstellung auf Niederschlagung der E r m i t t lungsverfahren bereit erklären k a n n « 4 4 .

Frank wollte jedoch diesmal fest bleiben, zumal er im Ministerrat mit den anderen Vertretern des Staatsapparats als Verbündeten rechnen konnte. Formelle Handhabe, die Sache im Kabinett zu behandeln, bot ihm der Beschluß des Ministerrats vom 10. Oktober, daß der Justizminister Niederschlagungsfälle, die nicht mehr unter die bayerische Amnestieverordnung vom 2. August 1933 fielen, diesem Gremium zur vorbereitenden Beschlußfassung unterbreiten konnte 4 5 . Frank legte dem Ministerpräsidenten am 2. Dezember einen detaillierten und ungeschminkten Bericht über die drei Fälle vor. Er bat, den Antrag Wagners in die Tagesordnung der nächsten Ministerratssitzung aufzunehmen, betonte aber, daß er »davon ausgehe, daß der Herr Staatsminister des Innern den Antrag im Ministerrat selbst vertreten« werde. Zur Vorbereitung der Sitzung erhielten die anderen Kabinettsmitglieder und über Siebert auch von Epp Abdrucke des Schreibens 4 6 . Als Wagner am 5. Dezember 1933 dem Ministerrat seinen Antrag unterbreitete, erwiderte ihm Frank, er halte in den vorliegenden Fällen eine Niederschlagung für »rechtspolitisch äußerst gefährlich; er müsse als Justizminister auf den Ernst der Situation hinweisen«. Er könne daher die Verantwortung für einen entsprechenden Antrag an den Reichsstatthalter »nicht allein übernehmen und lege deshalb entsprechend früheren Ministerratsbeschlüssen die Verhandlungen vor«. Daraufhin erklärte von Epp,

43

Ebenda und GStA, MA 107 200, Schreiben Franks an Siebert vom 2. 12. 1933.

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GStA, MA 105 487, Schreiben Wagners an Frank vom 29. 11. 1933. Am Vortag hatte sich ein neuer Fall ereignet: der Häftling Biirk war auf der Lagerlatrine von einem SS-Scharführer durch drei Schüsse getötet worden, angeblich weil er ihn tätlich angegriffen hatte. Da die Ermittlungen die Behauptung des Täters nicht widerlegen konnten, wurde das Verfahren Mitte Dezember eingestellt. AStA, MInn 73 690, Schreiben des OStA beim Landgericht München II an den GenStA vom 2. und 16.12. 1933. StA München, Staatsanw. 7014, zeitgen. Notiz des EStA beim Landgericht München II, o.D., und seine Zeugenaussage vom 27. 3.1951 im Untersuchungsverfahren gegen Steinbrenner. GStA, MA 107 200, Protokoll der Ministerratssitzung vom 10. 10. 1933.

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Ebenda, Schreiben Franks an Siebert vom 2. 12. 1933.

J u s t i z u n d politische M o r d e in D a c h a u

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»ein B e g n a d i g u n g s a k t k o m m e gegenwärtig deshalb nicht in F r a g e , weil die Täter nicht festgestellt, Tatbestand u n d M o t i v e der H a n d l u n g e n nicht untersucht seien. Bei dieser Sachlage werde die N i e derschlagung nicht N u t z e n , sondern Schaden stiften. A u c h f ü r die Staatsregierung m ü s s e es erwünscht sein, ihre Beschlüsse nur auf G r u n d genauer Unterlagen zu fassen, da dies die Verantwortung verringere. N o t w e n d i g sei, die dem A n t r a g z u g r u n d e liegenden tatsächlichen Verhältnisse z u bessern u n d die Autorität des Staates nach allen Seiten zu wahren. Wenn ein G n a d e n a k t geschehe, m ü s s e Sicherheit bestehen, daß sich ähnliche Vorfälle nicht wiederholten; auch m ü s s e man wissen, wie mit den Leuten verfahren werde, die an den Taten beteiligt w a r e n . «

Nach weiterer Aussprache stimmte schließlich auch Wagner dem Beschluß zu, »daß die schwebenden Untersuchungsverfahren mit Beschleunigung weiterzuführen seien«. Nach ihrem Abschluß sollte die Angelegenheit nochmals aufgegriffen werden, »wenn feststeht, welche Garantien gegen die Wiederholung der Vorfälle gegeben sind und was mit den beteiligten Personen geschehen ist« 4 7 . Das war ein deutlicher Warnschuß vor den Bug der politischen Polizei. Offensichtlich hatte Frank diesmal einen Sieg für die Justiz errungen, - er sollte sich als Pyrrhussieg erweisen. Am nächsten Tag wies Frank seinen Strafrechtsreferenten an, daß die drei Verfahren »mit aller Entschiedenheit« und »größter Beschleunigung« weitergeführt werden sollten und gegebenenfalls »zur Unterstützung die Landespolizei heranzuziehen« sei 48 . Der leitende Oberstaatsanwalt beim Landgericht München II wurde durch Ministerialrat Döbig von der Entscheidung unterrichtet und angewiesen, daß er »in den Fällen Franz und Katz sofort und im Fall Handschuch nach Eintreffen der von der politischen Polizei zurückgeforderten Akten gerichtlich6 Voruntersuchung beantragen« und das Ministerium über den Gang der Verfahren laufend informieren solle 49 . Als jedoch der Verbindungsmann des Ministeriums zur Bayerischen Politischen Polizei, Staatsanwalt Dr. Stepp, den Beschluß des Ministerrats am 6. Dezember weisungsgemäß Himmler vortrug, erklärte dieser, seine Meinung erst nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten, dem Stabschef der SA Röhm, äußern zu können. Beide fuhren daher zur Reichsstatthalterei, in der Röhm nominell als »Staatssekretär« residierte; dort mußte der Oberstaatsanwalt im Vorzimmer Röhms warten, bis ihn Himmler hereinrief. Röhm, der einige Tage vorher gerade zum Reichsminister ohne Geschäftsbereich ernannt worden war, ersuchte ihn, Frank in seinem Namen folgende Antwort zu übermitteln: » D a s L a g e r D a c h a u ist ein L a g e r für Schutzhaftgefangene, die aus politischen G r ü n d e n festgen o m m e n wurden. D i e in F r a g e stehenden V o r g ä n g e sind politischer N a t u r u n d m ü s s e n unter allen U m s t ä n d e n zunächst von den politischen Stellen entschieden werden. Sie scheinen mir f ü r eine Behandlung durch die J u s t i z b e h ö r d e n vorerst nicht geeignet. D a s ist meine Ansicht als Stabschef u n d als Reichsminister, der ein Interesse daran hat, daß das Reich nicht politisch durch die in F r a g e stehenden Verfahren geschädigt [!] wird. Ich w e r d e durch den Reichsführer SS anordnen lassen, daß zunächst irgendwelche U n t e r s u c h u n g s b e h ö r d e n das L a g e r nicht betreten dürfen u n d auch A n g e h ö rige des Lagers zunächst nicht einvernommen werden dürfen. M o r g e n w e r d e ich mit dem Führer die Angelegenheit besprechen u n d ihn u m seine Entscheidung b i t t e n « 5 0 .

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GStA, MA 99 526, Protokoll der Ministerratssitzung vom 5. 12. 1933. Nürnbg. Dok. D-926, IMG Bd. X X X V I , S.53, Vermerk Döbigs vom 6. 12. 1933. Ebenda, übereinstimmend mit Vermerk des OStA vom 6. 12. 1933, StA München, Staatsanw. 7014. So durch Stepp im Vermerk vom 6. 12. 1933 festgehalten, Nürnbg. Dok. D-926, IMG Bd. X X X V I , S. 54f.

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In Erfüllung seines Auftrages rief am 7. Dezember der leitende Oberstaatsanwalt, der von diesem Vorgang nichts ahnte, Heydrich an, um wegen der Fortsetzung der Ermittlungsverfahren eine Besprechung zu vereinbaren. Heydrich teilte ihm mit, daß Himmler und Röhm am Morgen »aus Anlaß des Min. Ratsbeschlusses« zu Hitler nach Berlin gefahren seien. Bis zu deren Rückkunft habe er Befehl, »jede Besprechung und jede Auskunft in den fraglichen Dachauer Fällen abzulehnen und das Betreten des Lagers Dachau durch einen Richter oder Staatsanwalt in diesen Fällen zu verhindern«. Der Oberstaatsanwalt setzte sich sofort mit dem Generalstaatsanwalt und dem Justizministerium in Verbindung und erhielt die Weisung, »von dem Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung bis auf weiteres abzusehen« und sich darauf zu beschränken, die seit Ende September bei der politischen Polizei liegenden Ermittlungsakten zum Fall Handschuch zurückzufordern 51 . Eine klare Stellungnahme hatte aber wohl auch Röhm von Hitler nicht erhalten: das Jahr ging zu Ende, ohne daß eine Entscheidung über Weiterführung oder Niederschlagung der drei Fälle fiel 52 . Ende Februar 1934 wurde dem Oberstaatsanwalt von Döbig mitgeteilt, daß die Akten mit Bericht an das Reichsjustizministerium gingen; Mitte April erfuhr er, die Akten würden dem Reichsstatthalter zur Entscheidung über eine Niederschlagung zugeleitet 53 . Aber der General in der Reichsstatthalterei, der über einen bereits wieder neu gemeldeten Fall zweifelhaften Selbstmordes durch Erhängen verärgert war 5 4 , blieb in dieser Hinsicht offenbar starrköpfig. Die Beseitigung Röhms brachte dann plötzlich eine Wende: am 11. Juli 1934 erhielt der Oberstaatsanwalt die Akten mit dem Auftrag zurück, die Ermittlungen in den Fällen Franz und Katz mit Hilfe der politischen Polizei fortzusetzen und die Akten Handschuch zuständigkeitshalber an die Staatsanwaltschaft München I abzugeben, da offensichtlich nunmehr feststand, daß Handschuch nicht in Dachau, sondern in der Polizeidirektion München zu Tode gekommen war 5 5 . Der Oberstaatsanwalt sollte jedoch sofort belehrt werden, wie die »Mitwirkung« der politischen Polizei bei der Aufklärung der beiden Fälle aussah: Auf die Übersendung der Akten und sein Ersuchen, die als Täter verdächtigen Personen und die gerichtlich beschlagnahmten »Selbstmordwerkzeuge« (Leibriemen und Hosenträger) auffinden zu helfen, bekam er ein Schreiben der politischen Abteilung des Lagers, das mit folgenden Sätzen begann:

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StA München, Staatsanw. 7014, Vermerk des leit. OStA vom 7. 12. 1933; Nürnbg. Dok. D-926, IMG Bd. X X X V I , S.55, Vermerk Döbigs vom 7. 12. 1933. Vgl. Vermerke des OStA vom 9., 14., 23. 12. 1933, StA München, Staatsanw. 7014. Ebenda, Vermerk des OStA vom 26. 2. und 12. 4. 1934. Die Akten waren offensichtlich deswegen zunächst nach Berlin geschickt worden, da mit dem Gesetz vom 16. 2. 1934 (RGBL I, S. 91) das Niederschlagungsrecht auf den Reichspräsidenten übergegangen war. Da dieser das Recht am 21. 3. 1934 für alle vor diesem Stichtag aufgetretenen Straftaten den Reichsstatthaltern wieder übertrug, blieb von Epp für die hier behandelten Fälle zuständig. Am 9. 4. 1934 (Fall Stiebel); die Obduktion ergab den »Verdacht, dal? der festgestellte Erstickungstod durch Einwirkung Dritter hervorgerufen wurde«. Anläßl. dieses Falles folgende undatierte Notiz (offenbar für eine Ministerratssitzung) in den Akten des Reichsstatthalters: »Mit Mißhandlungen und sonstigen des national. Staates unwürdigen Dingen in Konzentrationslagern... ist immer noch nicht Schluß [urspriingl. : muß endgültig Schluß gemacht werden]«, es müsse »darauf hingearbeitet werden, daß die Berichterstattung der Polizeibehörden ein Bild der wahren Sachlage geben, daß die Erhebungen der Polizei der Erforschung der Wahrheit dienen«. GStA, Reichsstatthalter 446. StA München, Staatsanw. 7014, Vermerk des OStA vom 11. 7. 1934.

Justiz und politische Morde in Dachau

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»Der neuerliche Beweiserhebungsantrag durch die Staatsanwaltschaft München II zeigt, mit welchen an den Haaren herbeigezogenen Mitteln gearbeitet wird, um dem Konzentrationslager Dachau angeblich ausgeführte Verbrechen in die Schuhe zu schieben«.

Nach dem Bedauern, daß sich die beiden Häftlinge ihrer zu erwartenden Bestrafung wegen Kassiberschmuggels durch Selbstmord hätten entziehen (!) können, nahm das Schreiben mit folgenden Worten auf die beschlagnahmten Beweisstücke Bezug: »Nachdem nun nach durchgeführter gerichtlicher Sektion der Leichen die Beiden freigegeben waren, bestand für die Kommandantur kein Interesse mehr, die Gegenstände mit denen sich die Beiden aufhängten, noch aufzuheben. Die Kommandantur zählt nicht zu jenen widerlichen Kulturmenschen, die derartige Gegenstande, wie es in letzter Zeit in Amerika sich bei dem Fall Dillinger gezeigt hat, als Amulett in Verwahrung nehmen« 56 .

Da ihm die Bayerische Politische Polizei die Akten mit diesem Schreiben der Lagerkommandantur ohne weitere Äußerung wieder zustellte, hielt es der Oberstaatsanwalt für notwendig, daß SS und Polizei »von höherer Stelle« Weisung erteilt werden müßte, wenn die Ermittlungen fortgesetzt werden sollten; ebenso sollten wegen der in dem Schreiben enthaltenen »unerhörten Anwürfe« gegen die Justiz höheren Orts Verfügungen getroffen werden 57 . Zwar wurde der fragliche Brief nach Intervention Franks von der Lagerkommandantur »zurückgenommen« 58 , aber Weisungen der obersten Führung, die einen Fortgang der Verfahren ermöglicht hätten, blieben aus. Andererseits erfolgte aber auch keine Niederschlagung, zu der das am 7. August 1934 erlassene Straffreiheitsgesetz bei entsprechender Interpretation seiner einschränkenden Bestimmungen formell eine Handhabe geboten hätte. U m diesen Schwebezustand, bei dem die Polizei ohnehin faktisch Sieger blieb, zu beenden, stellte der Anfang August zum Leiter der Staatsanwaltschaft München II berufene Oberstaatsanwalt Barnickel schließlich am 27. September 1934 das Verfahren ein, »da die Erhebungen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines fremden Verschuldens am Ableben der beiden Schutzhaftgefangenen ergeben« hätten 59 . Die Kraftprobe war zum Nachteil der Justiz ausgegangen. Da sie am »Modellfall Dachau« ausgetragen worden war, der für den Ausbau von Himmlers Konzentrationslagersystem als Muster diente, kam ihrem Ausgang zugleich überregionale Bedeutung zu. Nachdem Himmler bis Frühjahr 1934 die politischen Polizeien aller Länder unter seine Befehlsgewalt gebracht hatte und Heydrich als Chef des Geheimen Staatspolizeiamtes und Nachfolger Diels' in Berlin saß, begannen sie, ihren Machtbereich von dieser Zentrale aus zu festigen und den Polizeiapparat zu vereinheitlichen. Wie der bayerische In-

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57 58 59

Schreiben vom 25. 7. 1934, i.V. des Lagerkommandanten unterzeichnet von SS-Obersturmbannführer Lippert, zit. im Bericht des leit. OStA an das BStMdJ über den GenStA vom 30. 7.1934, Nürnbg. Dok. D-926, I M G Bd. X X X V I , S. 55 ff. Der amerikanische Gangsterboss John H . Dillinger, dessen Bande 1933/34 zahlreiche Morde und Raubüberfälle begangen hatte, war am 22. 7. 1934 bei seiner Festnahme in Chicago erschossen worden. Nürnbg. Dok. D-926, a.a.O., Bericht des OStA vom 30. 7. 1934. Ebenda, S.55, Vermerk Stepps vom 7. 9. 1934. Ebenda, S . 5 7 f . , Bericht an den GenStA vom 27. 9. 1934. B. wurde 1938 Reichsanwalt beim V G H und im Nürnbg. Juristenprozeß angeklagt, aber freigesprochen.

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Lothar Gruchmann

nenminister Wagner seinen Regierungskollegen im Oktober 1935 bekennen mußte, war die von Berlin aus geleitete Bayerische Politische Polizei »tatsächlich keine Landesbehörde mehr« ; »ein Teil der Berliner Anordnungen werde auch ihm erst nachträglich bekannt« 60 . Damit verlagerte sich die Auseinandersetzung zwischen Polizei und der unterdessen gleichfalls »verreichlichten« Justiz über die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten ai\ch für den Bereich der Konzentrationslager - auf die Reichsebene. Die einheitlichen Richtlinien für Todesfälle von Schutzhäftlingen, die das Geheime Staatspolizeiamt für die Lagerkommandanten erließ und dem Reichsjustizministerium im Oktober 1935 übersandte, schrieben bei ungeklärter Todesursache oder gewaltsamem Tod auch weiterhin Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft vor 61 . Hier blieb auch in der Folgezeit ein Reibungspunkt zwischen Justiz und Polizei bestehen; er verlor jedoch insofern an Bedeutung, als sich die Fälle willkürlicher Tötungen durch die straffere innere Ordnung der Lager in den Jahren von 1935 bis zum Kriegsausbruch verringerten 62 . Schon vor der Schaffung einer eigenen SS- und Polizeigerichtsbarkeit im Oktober 1939 sollten sich die Konzentrationslager mehr und mehr zu Territorien eigenen Rechts entwickeln, an deren Grenzen die Zuständigkeit der Justiz endete und die sie nur mit Genehmigung ihres Souveräns Himmler überschreiten durfte 63 .

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61 62 63

GStA, Reichsstatthalter 446, Niederschrift über die Besprechung des Reichsstatthalters mit den Mitgliedern der bayer. Landesregierung am 8. 10. 1935. BA, R 22/1089, Diensttagebuch des RJM, Eintrag vom 21. 10. 1935. Vgl. Broszat, a.a.O., S.64. Schon im Dezember 1934 lehnte die Kommandantur Dachau die Vernehmung von Zeugen durch das Amtsgericht Dachau mit der Begründung ab, daß »hierzu die Genehmigung des Reichsführers der SS erforderlich sei«. BA, R 22/131, Diensttagebuch des R J M , Eintrag vom 4. 1. 1935.

TONI SIEGERT

Das Konzentrationslager Flossenbürg GEGRÜNDET FÜR S O G E N A N N T E ASOZIALE U N D KRIMINELLE

VORWORT

Außer Dachau existierte in Bayern sieben Jahre lang zwischen 1938 und 1945 bei Flossenbürg in der Oberpfalz ein weiteres Konzentrationslager. Zehntausende von Häftlingen gingen durch dieses Lager oder seine in Bayern, Sachsen und Böhmen/Mähren seit Anfang 1942 errichteten Nebenlager. Rund 30000 von ihnen kamen dabei ums Leben. Das K L Flossenbürg wurde erst zu einem Zeitpunkt gegründet, als die Anwendung der Schutzhaft und die Entwicklung der Konzentrationslager über die anfängliche Funktion politischer Gegnerbekämpfung längst hinausgewachsen waren. Die Masse von Zwangsarbeitern, über die die SS in den Konzentrationslagern verfügte, hatte schon vor Beginn des Krieges sowohl als Instrument des Arbeitseinsatzes wie als Wirtschaftspotential ein eigendynamisches Interesse der SS-Führung am Ausbau der Konzentrationslager und der Ausweitung der Schutzhaft begründet. Neben politischen Gegnern boten sich Arbeitsscheue, Vorbestrafte, Homosexuelle u. a. »unerwünschte Elemente« als weiteres Rekrutierungsfeld für die Konzentrationslager an, Personen, bei denen es sich nach nationalsozialistischem »gesunden Volksempfinden« empfahl, ohne Einschaltung der Justiz durch »vorbeugende« Einweisung in Konzentrationslager »kurzen Prozeß« zu machen und durch harte Zwangsarbeit in diesen Lagern wenn nicht erzieherische, so doch wenigstens abschreckende Wirkung zu erzielen und die »Volksgemeinschaft« ohne viel Federlesens von Müßiggängern, Sonderlingen, Arbeitsverweigerern oder rückfälligen Gesetzesbrechern zu »befreien«. Die Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager ist bisher überwiegend von ehemaligen politischen Häftlingen dieser Lager oder von den Historikern - primär aus der Perspektive der politischen Verfolgung - geschrieben worden. Deshalb blieb vielfach außer Betracht, daß die in den Konzentrationslagern auch gegen Vorbestrafte und sogenannte Asoziale angewandten Zwangsmaßnahmen ebenso außerrechtliche und rechtswidrige Formen der Verfolgung darstellten wie die - während des Krieges - massenhafte Konzentrationslagereinweisung von ausländischen Zivilarbeitern und Kriegsge-

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Toni Siegert

fangenen, die bei der ihnen zugemuteten Arbeit in Landwirtschaft oder Industrie negativ aufgefallen waren oder gegen Beschränkungen ihrer Freizügigkeit verstoßen hatten. Anders als Dachau, das vor allem als Konzentrationslager für politische Häftlinge berüchtigt und zum Symbol wurde, spielten die nichtpolitischen Häftlingsgruppen in Flossenbürg von Anfang an die vorherrschende Rolle. Nach der einheitlichen Zusammenfassung sowohl der Geheimen Staatspolizei wie der Inspektion der Konzentrationslager als zentrale Behörden im Befehlsbereich des Reichsführers der SS und Chef der Deutschen Polizei, fungierte das 1938 gebildete KL Flossenbürg von vornherein nicht als bayerisches, sondern als Reichs-Konzentrationslager. Anders als Dachau war Flossenbürg mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne nach dem 20. Juli 1944 - nie Aufnahmelager speziell oder überwiegend für bayerische Verfolgte, sondern Zielstation für Häftlingstransporte aus den verschiedensten Teilen des Reiches und - während des Krieges - der besetzten Gebiete. Auch von den mindestens 5000 Direkt-Einweisungen durch bayerische Gestapo-Stellen waren primär ausländische Zivilarbeiter und russische Kriegsgefangene betroffen. Gleichwohl bildete Flossenbürg - neben Dachau - das zweite Zentrum massiver polizeilicher Verfolgung in Bayern, wenn die bayerische Bevölkerung davon auch wenig betroffen war und wenig davon wußte. Mit dem Charakter des KL Flossenbürg hing es wohl zusammen, daß die Geschichte dieses Lagers bisher ungeschrieben blieb 1 , daß die zeitgeschichtliche Literatur zwar einzelne Aspekte oder Ereigniskomplexe dieser Lagergeschichte berührte 2 , Flossenbürg aber bisher nicht Gegenstand einer systematischen und selbständigen Darstellung geworden ist. Aufgrund des ungesicherten Kenntnisstandes konnten sich Legenden und Falsch-Darstellungen über Flossenbürg, vor allem bei den Angaben über die Zahl der La-

1

2

Einen freilich unzulänglichen Versuch unternahm aufgrund von Zeugenbefragungen Kiesl, Hermann : Das Konzentrationslager Flossenbürg. Zulassungsarbeit Regensburg 1968. Einzelne Aspekte wurden vor allem in der Geschichtsschreibung der UdSSR, der Volksrepublik Polen, der D D R und CSSR behandelt. Zu nennen sind hier vor allem: Brodski, J. Α.: Im Kampf gegen den Faschismus. Sowjetische Widerstandskämpfer im Hitlerdeutschland 1941 - 1 9 4 5 . Berlin 1975 (hierin u. a. Angaben über das Schicksal prominenter russischer Kriegsgefangener im KL Flossenbürg). In tschechischer Sprache: Machácek, Fridolin: P l z e n - T e r e z i n - F l o s s e n b ü r g . Praha 1946; H o f m a n n , Josef und Josef Fahrner: Zìvot za pravdu. Památník Chodského Hrdinství. Mosty 1949. Weitgehend zuverlässig informiert der ehemalige Wiener Häftling Walleitner, H u g o : Zebra. Ein Tatsachenbericht aus dem Konzentrationslager Flossenbürg. Bad Ischl, o. J.; Galas, Jan und Sylwester Newiak: Flossenbürg. Nieznany O b ó z Zaglady. Katowice 1975. Die Autoren beschreiben mangels geeigneter Primärquellen verallgemeinernd und teilweise ungenau: Am 23. 1. 1941 seien 700 Mitglieder der Widerstandsbewegungen aus Lublin/Warschau in Flossenbürg hingerichtet worden. Außerdem beziffern sie die Gesamthäftlingszahl auf »über 142000« und die Zahl der ums Leben Gekommenen auf »fast 80000« (S. 158 ff.). Diese Angaben sind nicht haltbar. Zur Aufhellung von Einzelheiten, vor allem der Evakuierungstransporte bei Kriegsende, hat auch die fleißige Kleinarbeit einiger Heimatforscher beigetragen; vgl. Klitta, Georg: Das Finale des Zweiten Weltkrieges in Schwandorf. Schwandorf 1970; Klitta, Helga: Das Ende eines ideologischen Krieges, dargestellt an den Ereignissen in der Oberpfalz Januar bis Mai 1945. Schwandorf 1970; Ettelt, Rudibert: Kelheim 1939-1945. Kelheim 1975.

D a s Konzentrationslager F l o s s e n b i i r g

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gerinsassen und Toten, einschleichen 3 , andererseits apologetische Leugnungen zu Wort kommen 4 . Ursache der schwach gesicherten zeitgeschichtlichen Kenntnis über Flossenbiirg war die außerordentlich mangelhafte Quellenlage. Die Masse der Lagerakten wurde bei Kriegsende von der Kommandantur vorsorglich verbrannt. Andere Schlüsseldokumente, besonders die Unterlagen der amerikanischen Kriegsverbrecher-Prozesse, die 1946/47 in Dachau gegen SS-Funktionäre und Häftlingskapos von Flossenbürg durchgeführt wurden (Hauptprozeß und 6 Nebenprozesse), waren für deutsche Historiker lange Zeit nicht benutzbar. D e m Verfasser gelang es, wohl als erstem nicht-amerikanischen Forscher, Zutritt zu den umfangreichen Materialien zu erhalten (allein das Protokoll des von einem amerikanischen Kriegsgericht durchgeführten Flossenbürg-Hauptprozesses umfaßt rd. 9000 Seiten), die in einem Außendepot der National Archives in Suitland/Washington aufbewahrt werden 5 . Bei der Bewertung der Feststellungen des amerikanischen Flossenbürg-Prozesses, die 1946 ff. in Dachau zweifellos nicht immer »sine ira« durchgeführt wurden, wird der Historiker gleichwohl vorsichtig sein müssen. Es ist bekannt und geht auch aus den verfügbaren amerikanischen Unterlagen hervor, daß bei Vernehmungen von SS-Funktionären durch amerikanische Untersuchungsführer in einzelnen Fällen handgreiflich nachgeholfen wurde und es auch sonst bei der vorgerichtlichen Beweisaufnahme gelegentlich zu Unregelmäßigkeiten kam, die später zum Teil Gegenstand amerikanischer Nachprüfun-

3

Ein Beispiel sind die Angaben von Bornstein, Ernst Israel (Die lange Nacht. Ein Bericht aus sieben Lagern. Frankfurt 1967) über Einzelheiten des Selektionsverfahrens durch den Lagerarzt zur Tötung von Häftlingen (S. 202 ff.), die der Nachprüfung bei einem Untersuchungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Weiden im Jahre 1975 (la Js 54 10/75) nicht standhielten.

4

Huscher, Klaus: Die Flossenbürg-Lüge. Vom Zweifel zum Beweis. Nürnberg 1974. In der 52seitigen Schrift werden in wirrer Form uninteressante Briefe und Auszüge aus Werken des rechtsnationalen Rechtsanwalts Manfred Roeder zitiert. Huscher bezieht sich ferner auf Aussagen eines »Generalstaatsanwalts« und »führenden US-Beauftragten« sowie »Heeresrichters« Stephen F. Pinter aus den USA, der eine Zahl von nur 300 Toten nannte. Tatsächlich führte Pinter keinen der angegebenen Titel. Wohl war er im Flossenbürger NachkriegsHauptprozeß in Dachau in der amerikanischen Anklagebehörde tätig, nahm aber nur wenige Male an den Sitzungen teil, weil er in der Regel die vorgerichtlichen Zeugenvernahmen für die Anklagebehörde durchführte. Warum Pinter wider besseres Wissen die Zahl 300 angab, bleibt ein Rätsel. Die Briefe an Huscher, auf die sich dieser bezieht, hat Pinter als weit über Achtzigjähriger verfaßt. Huscher hat dies wohl »geflissentlich« übersehen; vgl. auchBroszat, Martin: Zur Kridk der Publizistik des antisemitischen Rechtsextremismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung »Das Parlament« vom 8. 5. 1976.

5

In den National Archives Washington (NA), Record Group (RG) 338, wurden folgende Flossenbürg-Prozeßmaterialien benutzt: 000-50-46 (künftig zit. als Hauptprozeß), 000-50-46-1 bis 000-50-46-6 (Nebenprozesse 1 bis 6) sowie einige Teilprozesse. In den Boxen 48 bis 53 befinden sich die Akten mit den Beweisstücken der Anklage (P.-Exh.) bzw. Verteidigung (D.-Exh.), ferner die Personalakten (records) der Verurteilten mit nach der Verhandlung eingereichten Petitionen und Zusatzerklärungen. N A , Box 52/1/45 heißt also: Box 52 in der R G 338, file 1, S. 45. Aus den Prozeßprotokollen wird künftig folgendermaßen verkürzt zitiert. N A , Nebenprozeß 3, R. 5678, heißt: Prozeß 000-50-46-3, Seite 5678 des Protokolls. Janet L. Harget und Bruce Ashkenas im N W R C Suitland ist für die Unterstützung zu danken. Unbezahlbare Hilfe bei der Aufarbeitung des ca. 80 000 Seiten umfassenden Aktenberges leistete die Frau des Verf., Elfriede Siegert.

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T o n i Siegert

gen wurden. Auch unter diesem Vorbehalt kommt dem Bestand aber vorrangige Bedeutung für eine historische Rekonstruktion der Lager-Geschichte zu 6 . Die Nachforschungen des Verfassers ergaben aber auch, daß originales, Flossenbiirg betreffendes oder aus dem Schriftverkehr des Lagers stammendes Dokumenten-Material in beträchtlichen Fragmenten überliefert ist und an verschiedenen Stellen in der Bundesrepublik verwahrt wird. Neben den Akten der Bauleitung des Lagers kamen andere wertvolle Einzelstücke der Lagerakten, die von den Amerikanern aufgefunden und beschlagnahmt worden waren, 1962 in das Bundesarchiv nach Koblenz 7 . Wesentliche Ergänzungen boten die dort ebenfalls vorhandenen Dokumente aus der Provenienz der »Inspektion der KL« im Wirtschaftsverwaltungshauptamt ( W V H A ) der SS sowie verschiedener Reichsministerien. Uber eine Sammlung von Flossenbürg-Material verfügt auch der Internationale Suchdienst (ITS) in Arolsen 8 . Nicht unwichtig ist außerdem der kleine, das Lager betreffende Bestand des Gemeindearchivs in Flossenbürg, wo insbesondere für die Zeit von der Gründung des Lagers bis zum September 1942 die Sterbefälle im Lager lük-

6

Details über Evakuierungsmärsche von Buchenwald nach Flossenbürg enthalten die Akten der BuchenwaldProzesse in den N A . Zum gleichen Komplex wie für die militärische Lage bei Kriegsende boten die Divisionsreports der 3. und 7. US-Armee wertvolle Daten. Angaben über die Messerschmitt-GmbH Regensburg, die bei den Deutschen Erd- und Steinwerken (DEST = ein SS-Unternehmen) in Flossenbürg Häftlinge beschäftigte, lieferten Reports aus U . S . Strategie Bombing Survey. Auch das Original des beim I M T verwendeten Nürnberger Dokumentes 23Q9-PS konnte der Verf. in den NA ausfindig machen. Die 250 Seiten umfassenden Dokumente Hegen in den Akten des Flossenbürger Hauptprozesses. Es handelt sich um amtliche Untersuchungsberichte sowie Darstellungen von Häftlings- und SS-Seite. Sie entstanden unmittelbar nach der Befreiung des Hauptlagers im April 1945 und wurden durch Fotos und originale Dokumente komplettiert. Der NA-Ordner enthält außerdem einige hundert Seiten von Zeugen berichten, die offenbar für 2309-PS angefertigt, aber nicht mehr verwendet wurden. Im StA Nürnberg liegt eine teilweise unleserliche Kleinkopie des Hauptteiles. - Einige der in den Dachau· Trials verwendeten Exhibits deutscher Provenienz sind auf der NA-Mikrofilmpublikation T-1021 greifbar. Ferner wurden folgende NA-Mikrofilme ausgewertet: T-175 (Reich Leader SS and Chief of German Police), T-71 (Reich Ministry of Economics), T-81 (NSDAP Records), T-84 (Misc. German Records Collection), T-321 (Milch Collection), T-976 (SS-WVHA), T-176 (Datasheets), T-580 (Berlin Document Center), T-611 (Sammlung Schumacher). Die Akten des Buchenwald-Hauptprozesses (000-50-9) liegen im N W R C (National Washington Records Center, ein Außendepot der N A Washington). Hier weiterhin in R G 407 (WW II Operation Reports) die Divisionsberichte »After Action Reports« folgender amerikanischer Einheiten: 65., 71., 90., 99. Inf. Div. sowie 11. Arm. Division. In der R G 243 liegen die Reports von U.S. Strategie Bombing Survey mit Details über die Messerschmitt-GmbH, Erla-Maschinen werke, ferner mit Bombardierungsplänen von Bahnanlagen in Bayern, in R G 238 (War Crimes Records) die Interrogationsserieprominenter Deutscher, in R G 338 (Records of U.S. Army Commands 1942) die von deutschen Militärs in amerikanischer Kriegsgefangenschaft formulierten Erinnerungen, hier u. a. den Wehrkreis X I I I (Nürnberg) betreffend. Für die Nachforschungen in den NA schuldet der Verf. besonderen Dank Johanna und Georg Wagner, Robert Wolfe und John Mendelsohn in der Modern Military Branch.

7

BA, NS 4; darunter u. a. Nachweise über Häftlingsanforderungen von Außenlagern des K L Flossenbürg aus dem Jahre 1944, Krankenberichte des Lagerarztes, Urnen-Bestellisten. Besonders wichtig die 1062 Häftlingspersonalakten, die zahlreichen Transportlisten des Lagers (rd. 30 Bände), Häftlingsnummernbücher, Flucht- und Veränderungsmeldungen, ein Rapport-Buch u. a. Die Dokumentenabteilung des ITS besitzt rund 90 Ordner mit Flossenbürg-Material; darunter auch Reste der Zweitschrift des seit 1. 10.1942 eingerichteten lagereigenen Standesamtes mit Sterbebüchern für die Zeit vom 1. 10.1942 - 3 1 . 1 2 . 1943, die die Lagerleitung dem Landratsamt in Neustadt an der Waldnaab überlassen hatte. Die freilich lückenhaften Eintragungen der Sterbezweitbücher wie auch die Sterbefallanzeigen wurden 1956 beim Sonderstandesamt Arolsen amtlich beurkundet. Das Standesamt verwahrt dazu auch die Originalakten. Daß die Zweitausführung der Sterbebücher aus dem lagereigenen Standesamt »Flossenbürg II« lediglich bis Ende 1943 an das Landratsamt übergeben wurde, könnte daraufhindeuten, daß im Laufe des Jahres 1944 die entsprechende Übergabeverpflichtung von der SS unterlaufen wurde. Ein entsprechender amtlicher Erlaß konnte nicht festgestellt werden.

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D a s Konzentrationslager Flossenbiirg

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kenlos erfaßt sind 9 . Ferner konnten dank einer Sondererlaubnis des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und des Generalstaatsanwalts in Nürnberg auch die Unterlagen deutscher NSG-Verfahren gegen ehemalige Angehörige des K L Flossenbiirg, die von Landgerichten in Nürnberg und Weiden/Oberpfalz durchgeführt wurden, eingesehen werden. Da es das Ziel des Verfassers war, in einer späteren, über die hier vorgelegte Kurzdarstellung hinausgehenden Untersuchung auch das verwaltungsorganisatorische und rüstungswirtschaftliche »Umfeld« des K L Flossenbürg darzustellen, wurden auch umfangreiche Akten staatlicher Mittel- und Unterbehörden, vor allem in bayerischen Staatsarchiven sowie die hierfür einschlägigen Dokumentensammlungen des Instituts für Zeitgeschichte durchgesehen 10 . Weitere Anhaltspunkte ergaben sich im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in Wien, im Museum der KZ-Gedenkstätte Dachau, der Gedenkstätte Terezin/CSSR, im Archiv des Verbandes der tschechischen Widerstandskämpfer (CSPB) in Prag. Darüber hinaus leiteten viele, hier ungenannte Institute, Bibliotheken, Behörden und auch Privatleute dem Verfasser Anregungen und Materialien zu. Ihnen fühlt sich der Autor zu besonderem Dank verpflichtet. Trotz dieser schließlich doch zusammengebrachten Fülle von Informationen und Quellen ist festzuhalten: Die Lücken unserer Kenntnis über die Geschichte des Lagers bleiben noch immer beträchtlich. Das gilt z . B . für die Anfänge des Lagers, besonders auch für die innere Situation im Lager, da die Opfer dieser wie anderer K L meist stumm blieben und — sofern sie überlebten - nur selten Zeugnisse hinterließen. Der Verfasser hofft, in seiner späteren Untersuchung noch einige dieser Lücken schließen zu können. Die hier vorgelegte Skizze kann gleichwohl beanspruchen, die erste, systematisch aus den Quellen erarbeitete Geschichte dieses bisher in der Forschung vernachlässigten Konzentrationslagers darzustellen. Die endgültige Fassung des Textes wurde in enger Zusammenarbeit mit dem im Rahmen des Projekts »Widerstand und Verfolgung in Bayern 1933-1945« im Institut für Zeitgeschichte tätigen Forschungsstab hergestellt.

Im April 1945 beschlagnahmten amerikanische Kampfverbände Bestände der Gemeinderegistratur, die später nie mehr aufgetaucht sind und möglicherweise das K L Flossenbürg betrafen. 1 0 In den Kriegsverbrecher-Verteidigungsakten im StA Nürnberg befindet sich eine vom Flossenbürger Lagerarzt Dr. Schmitz gefertigte Graphik zur Todesrate 1944/45. Die geheimen Berichte der bayerischen Regierungspräsidenten im GStA enthalten u. a. Details über Hinrichtungen von Ostarbeitern und Kriegsgefangenen sowie über Einweisungen arbeitsvertragsbrüchiger »Fremdarbeiter« in Konzentrationslager, ohne daß dabei freilich immer klar hervorgeht, ob die Betreffenden nach Flossenbürg kamen. Lediglich die Berichte des Regierungspräsidenten von Niederbayern und der Oberpfalz vermerken in den Monaten Mai, September, Oktober und Dezember des Jahres 1943 die Namen von polnischen Arbeitern, welche im K L Flossenbürg hingerichtet wurden.

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T o n i Siegert 1.

M I T G R A N I T FING ES AN

Entlang der Grenze zur Tschechoslowakei erstreckt sich vom Fichtelgebirge im Norden Bayerns über den Steinwald und Oberpfälzer Wald bis in den Bayerischen Wald hinein ein durchgängiges Granitmassiv. Seine Existenz sollte entscheidend sein für die Gründung des Lagers Flossenbürg dicht bei dem gleichnamigen kleinen Ort (1939:2281 Einwohner), ca. 13,5 Kilometer nordöstlich von Weiden im Oberpfälzer Wald gelegen, im Kreisgebiet des Bezirksamts Neustadt an der Waldnaab. Seit 1937 waren in der geologisch interessanten Zone neue Steinbruch-Prospektionen durchgeführt worden. Seit Jahrhunderten fand in diesem Teil des Oberpfälzer Waldes schon Granitabbau statt. Die vorhandenen, meist kleineren Werke waren jedoch nicht in der Lage, den Bedarf an Granitquadern zu decken, der durch die Bevorzugung dieses Bausteins für Autobahnbrükken und monumentale Parteibauten in der Hitler-Zeit entstanden war. Albert Speer, der in Berlin und anderswo mit der Planung und Errichtung der neuen Kolossal-Architektur ehrgeizig beschäftigt war, hatte sich wegen der nötigen Arbeitskräfte mit Himmler in Verbindung gesetzt 11 . Daraus war der im Frühjahr 1938 verwirklichte Plan entstanden, bei Flossenbürg - wie fast gleichzeitig in Mauthausen bei Linz - in der Nähe lohnender Steinbrüche neue Konzentrationslager anzulegen und mit Hilfe der Arbeitskraft der Häftlinge eine SS-eigene Baustoff-Firma, die Deutschen Erd- und Steinwerke (DEST) ins Leben zu rufen 12 . Für die schwere Steinbrucharbeit waren vor allem solche Häftlinge aus den schon bestehenden großen Konzentrationslagern (Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen) vorgesehen, die in der SS-Terminologie pauschal als »Kriminelle« und »Asoziale« figurierten und für die harte »Erziehung durch Arbeit« den zynischen Pädagogen der SS gerade das Rechte zu sein schienen. Am 24. März 1938 besuchte eine Expertenkommission Flossenbürg 13 , bestehend aus den SS-Gruppenführern Theodor Eicke (Chef der SS-Totenkopfverbände) und Oswald Pohl (Chef des Verwaltungsamtes-SS), dem Bauingenieur Hubert Karl vom Verwaltungsamt-SS, dem Regensburger Regierungspräsidenten Freiherr von Holzschuher, dem örtlichen Forstamtsvorstand Freiherr von Waidenfels sowie dem zuständigen Bezirksamtmann Otto Fürnrohr (Bezirksamt Neustadt an der Waldnaab). Die SS-Führer waren von dem besichtigten Gelände angetan. Die Entscheidung fiel positiv aus. Für die kurz danach gegründeten Deutschen Erd- und Steinwerke sollte vom bayerischen Staat Forstgelände am Wurmstein, einem 820 m hohen Granitmassiv am nördlichen Ortsausgang von Flossenbürg, angepachtet werden. Hier befand sich bereits ein kleinerer, aber kaum aufgeschlossener Steinbruch. Per 1. Juli 1938 wurde das Steinbruchgelände vom Land

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Vgl. die Aussagen des damaligen Chefs des Verwaltungshauptamtes der SS, Oswald Pohl, im Nürnberger Prozeß gegen Pohl u.a. (Fall IV), R. 1548, sowie (ebenda) die Aussagen Mummentheys, R. 5498f. Georg, Enno: Die wirtschaftlichen Unternehmungen der SS. Stuttgart 1963, S. 42 ff. Dieses Datum stützt sich auf den Terminkalender des Flossenbürger Forstamtsdirektors. Die Angabe des Bauingenieurs Hubert Karl, der Besuch sei im Mai erfolgt (Nürnbg.Dok. NO-4007), ist offenbar irrig, da bereits am 3. Mai die ersten Häftlinge überstellt wurden; vgl. auch Rabitsch, Gisela: Das K L Mauthausen, in: Studien zur Geschichte der Konzentrationslager. Stuttgart 1970, S. 50.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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Bayern auf vorerst 30 Jahre gepachtet. In der Folgezeit wurden hier insgesamt drei Brüche mit zusammen 5,2 ha Abbaufläche eingerichtet. Später erwarb die DEST noch weitere Geländeflächen und eröffnete 1941 den vierten und größten Steinbruch mit 10,5 ha Betriebsfläche. Insgesamt sollte das Granitwerk jährlich 12 000 cbm Werksteine erzeugen. Der Abfall war für Straßenbaumaterial bestimmt 14 . Im Sommer 1938 lief der Betrieb mit einigen hundert Häftlingen an.,Schon nach einem Jahr zeigte sich die Profitträchtigkeit des Flossenbürger Steinbruchbetriebes mit seinen billigen Häftlingsarbeitern. Als einziges der fünf DEST-Werke (3 Ziegeleibetriebe in Weimar, Hamburg und Oranienburg, Granitwerke in Mauthausen und Flossenbürg) hatte das Oberpfälzer Werk bis August 1939 einen Uberschuß von 70000 Mark zu verzeichnen 15 . Knapp 300 Meter vom Steinbruchgelände entfernt wurde das Konzentrationslager angelegt. Zwischen Plattenberg, Wurmstein, Brückelberg und anderen, bis zu 900 Meter aufragenden Erhebungen, lag es in einer leichten Talsenke. Die Blocks, wie die Häftlingsbaracken im Lagerjargon hießen, wurden terrassenförmig an den Berghang gebaut. Im Talkessel entstanden später Küche, Bad, Häftlingskrankenbau sowie der als »Bunker« bezeichnete Arrestbau. Die terrassenförmige Anlage verursachte erhebliche Schwierigkeiten bei der Wasserzufuhr und Kanalisation. Selbst nach der Errichtung eines Wasserhochbehälters auf einem nahegelegenen Hügel, der nach der extremen Trockenperiode des Sommers 1938 installiert wurde, gab es nicht selten Wassermangel. Vor allem die oberen Blocks litten im Winter und Hochsommer tagelang unter schlechter Wasserversorgung, was die Hygiene in diesen Blocks stark beeinträchtigte. Im Laufe der späteren Lagererweiterung wurde 1940 damit begonnen, einen Teil des Hügels, an dem die Blocks lagen, abzutragen. Die Häftlinge gaben dem Hügel, aus dem sie eine riesige Flanke Granitmaterial herausbrechen mußten, den Namen »ölberg«. Dieser Steinbruch gehörte nicht zu den Unternehmen der DEST, sondern zum lagerinternen Betrieb und diente zeitweise dazu, die Strafkompanie zu beschäftigen. In die ausgebrochene Bergschneise wurden weitere Baracken hineingebaut. In den gleichen Berghang mußten die Häftlinge weitere Terrassen für das SS-Lager hineinbrechen, das - anfangs nur durch Stacheldraht - ab 1942 durch einen mit Hochspannung geladenen Zaun von dem sich unmittelbar anschließenden Schutzhaftlager getrennt war. Der Zugang zum Häftlingslager war nur durch das SS-Lager möglich. Nach den drei anderen Seiten versperrten Bergwände den Zugang; außerdem zog sich nach Osten hin ein etwa drei Kilometer breiter, durch keinerlei Besiedlung mehr unterbrochener Waldgürtel bis an die deutsch-tschechische Grenze hin. So lag das Konzentrationslager in der tiefen Abgeschiedenheit des Oberpfälzer Waldes, weit entfernt von den größeren Ortschaften im Westen. Ort und K L Flossenbürg waren nur durch eine kleine Nebenbahnlinie sowie unbedeutende Straßen erreichbar.

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Dazu und für die folgenden Angaben siehe auch B A , NS 3/109, Anlage des Prüfungsberichtes über die Jahre 1941-1943 sowie Nürnbg.Dok. N I D - 1 4 5 8 3 . Auch in den folgenden Jahren erwies sich das DEST-Werk in Flossenbürg als das lukrativste aller 15 DESTWerke. Zwischen 1940 und 1943 erwirtschaftete es den größten Gewinn. 1940 wies Flossenbürg 39,2 % des gesamten DEST-Gewinnaufkommens auf, 1941 24,6%, 1942 20,5% und 1943 2 7 % . Diese Sätze wurden von keinem anderen Betrieb der deutschen Erd- und Steinwerke G m b H erreicht.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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Für die SS-Führer entstand schon im Sommer 1938 auf der dem Lager abgewandten Seite des Plattenberges eine eigene Siedlung mit Blockhäusern. Von den Terrassen dieser Anlage sah man hinunter auf den kleinen O r t und zum gegenüberliegenden Schloßberg, wo seit den Schwedenkriegen die Schloßruine in den Himmel ragte. Die Gründung des Lagers ist auf Ende April oder Anfang Mai 1938 anzusetzen 1 6 . Bereits am 11. Mai 1938 verwandte der nach Flossenbürg abkommandierte SS-Bauleiter Otto Bestie in einem Schreiben an das Verwaltungsamt-SS den Briefkopf »Konzentrationslager Flossenbürg« 1 7 . Als Kommandant des Lagers wurde der aus Frankfurt am Main stammende, 47-jährige SS-Sturmbannführer J a k o b Weiseborn bestellt, der vorher im Konzentrationslager Buchenwald tätig gewesen war. Die Funktion des Schutzhaftlagerführers, des »eigentlichen Gebieters des Häftlingslagers« 1 8 , übernahm der aus der berüchtigten Dachauer Schule Theodor Eickes hervorgegangene 32-jährige SS-Hauptsturmführer Hans Aumeier. Aus Dachau kamen zwischen 3. Mai und 1. Juli 1938 auch die ersten Transporte mit 421 Häftlingen'. Weitere Transporte aus Buchenwald zwischen 8. August und 4. November (mit 460 Häftlingen) und aus Sachsenhausen in der zweiten November-Hälfte (mit 578 Häftlingen) folgten und brachten den »Häftlingsstand« 1 9 zum Jahresende auf rund 1500 Personen. Bei sämtlichen Häftlingen dieser ersten Transporte, die den Stamm des neuen Lagers bildeten, handelte es sich um Personen, die entweder als sogenannte »Asoziale« oder »Kriminelle« von der Gestapo in Schutzhaft genommen oder - das gilt für die sogenannten Kriminellen - von der Kriminalpolizei als polizeiliche Vorbeugehäftlinge in die Konzentrationslager des Reiches eingewiesen worden waren. Wir wissen wenig über das vorangegangene Schicksal dieser Personengruppe und über die individuellen Gründe ihrer Verhaftung. Zu vermuten ist, daß die meisten von ihnen vor der Uberstellung nach Flossenbürg sich erst einige Wochen oder Monate in Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald aufgehalten hatten. Wahrscheinlich war die Mehrzahl von ihnen im Laufe der umfassenden, im ganzen Reichsgebiet durchgeführten polizeilichen Sonderaktionen zur Festsetzung von »Asozialen« und »Kriminellen« 1937/38 verhaftet worden. Die internen polizeilichen Erlasse in bezug auf diese Aktionen bieten auch Anhaltspunkte dafür, um welchen Personenkreis es sich vor allem handelte und daß dieser weit heterogener war als es die Pauschalbegriffe »asozial« und »kriminell« nahelegen. Zur engeren Kategorie kriminell vorbelasteter Häftlinge gehörte der erste Transport mit 100 sogenannten »Polizeilichen Sicherungsverwahrten« (PSV-Häftlinge) aus Dachau. Polizeiliche Sicherungsverwahrung, die in Konzentrationslagern vollzogen wurde, ordneten die Dienststellen der Kriminalpolizei (gemäß den einschlägigen Richtlinien des 16

Schon für den 26. 4. 1938 ist die Uberstellung eines Häftlings von Buchenwald nach Flossenbürg nachweisbar; vgl. I T S , Veränderungsmeldungen Buchenwald.

17

B A , N S 4 Fl. vorl. 59.

16

K o m m a n d a n t in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen des Rudolf H ö ß , hrsg. v o n Martin Broszat. München 1978, S . 9 3 .

19

Aufgrund der Datenblätter (auf der Basis der Überstellungslisten erarbeitete Übersichten im ITS) des K L Flossenbürg und der Veränderungsmeldung des K L Dachau vom 3 . 3 . 1938 (im I T S ) lassen sich für 1938 folgende Transporte nach Flossenbürg nachweisen: aus Dachau am 3. 5 . : 100 Häftlinge, am 9. 5 . : 90, am 16. 5.: 65, am 10. 6 . : 78, am 1. 7 . : 128; aus Buchenwald am 8. 8 . : 60, am 12. 9 . : 100, am 4. 11.: 300; aus Sachsenhausen am 17. 11.: 256, am 26. 11.: 328.

32. Das Schutzhaftlager von Flossenbürg bei Kriegsende

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Reichskriminalpolizeiamtes vom 4. 4. 1938) 20 in der Regel an, wenn mehrfach vorbestrafte Kriminelle, sogenannte Berufsverbrecher (BV) oder Gewohnheitsverbrecher aus der Strafhaft oder Sicherungsverwahrung der Justiz 2 1 entlassen worden waren, die Polizei aber der Auffassung war, die Entlassenen bildeten auch weiterhin eine Gefährdung der Gemeinschaft. Es ist anzunehmen, daß die Kriminalpolizei vor allem dann zusätzliche polizeiliche Sicherungsverwahrung (in Konzentrationslagern) anordnete, wenn ein Gerichtsbeschluß über Entlassung aus der Sicherungsverwahrung nicht dem Antrag des Staatsanwalts bzw. der Auffassung der Polizei entsprochen hatte 213 . Es kann aber keineswegs ausgeschlossen werden, daß die Polizei bei der Verhängung von polizeilicher Sicherungsverwahrung auch ganz unabhängig von der staatsanwaltschaftlichen Beurteilung nach eigenem Gutdünken verfuhr. In jedem Fall handelte es sich um ein außerrechtliches Verfahren, das der gesetzlichen Grundlage entbehrte, um eine polizeiliche Korrektur vorangegangener andersartiger gerichtlicher Entscheidungen, das heißt um eine polizeistaatliche Unrechtsmaßnahme. In den genannten Richtlinien vom 4. April 1938 hieß es ausdrücklich, diese sollten »der Kriminalpolizei eine größere Handlungsfreiheit« geben und ihr ermöglichen, alle wegen ihrer Vorstrafen und Lebensgewohnheiten als Gefährdung der Gemeinschaft anzusehenden Personen festzusetzen, »ohne daß es dazu noch eines besonderen Auftrags oder einer besonderen Vorschrift bedarf«. Uber den Kreis der Sicherungsverwahrten hinaus war aufgrund eines Erlasses des Preußischen Landeskriminalpolizeiamtes vom 27. Januar 1937 22 schon am 9. März 1937 im gesamten Reichsgebiet eine schlagartige Aktion zur Festnahme sogenannter Berufsund Gewohnheitsverbrecher durchgeführt worden. Bereits damals ging es offenbar auch um den Nebenzweck, für die veränderten und erweiterten Aufgaben der Konzentrationslager neue Häftlinge durch solche Aktionen zu beschaffen. Darauf deutet der Erlaß, den der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei am 23. Februar 1937 in bezug auf diese Aktion der Kriminalpolizei übermittelte 23 . Dort heißt es: » A u s der Zahl der mir v o n den Kriminalpolizeistellen namhaft gemachten gemeingefährlichen Sittlichkeitsverbrechern und nicht in A r b e i t befindlichen Berufs- und G e w o h n h e i t s v e r b r e c h e r ersuche ich etwa 2 0 0 0 auszuwählen, schlagartig an einem Tage im ganzen Reichsgebiet festzunehmen und in den Konzentrationslagern unterbringen zu lassen.«

Vertraul. Erlaß-Sammlung über vorbeugende Verbrechensbekämpfung in: Schriftenreihe des Reichskriminalamtes. Berlin Dezember 1941, Bl. 65 ff. 2 1 Durch das nationalsozialistische Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Berufsverbrecher vom 24. 11. 1933 (RGBl I, S. 9 9 5 - 1 0 0 8 ) war den Gerichten die Möglichkeit gegeben, in Fällen von mehrfach vorbestraften Rechtsbrechern anschließend an die befristete Strafhaft neubefristete Sicherungsverwahrung in Justizanstalten anzuordnen, wenn die Gefahr der Rückfälligkeit bestand. 2 1 a Vgl. zu der Problematik auch Hellmer, Joachim: Der Gewohnheitsverbrecher und die Sicherungsverwahrung 1934-1945. Berlin 1961, insbes. S. 371 ff. Hellmer hat seiner empirischen Untersuchung aus verschiedenen Teilen Deutschlands ausgewählte Gerichtsakten über die Praxis der Sicherungsverwahrung, darunter auch Akten bezüglich der bayerischen Sicherungsverwahrungsanstalt Straubing, zugrunde gelegt. Er kommt aufgrund seiner Auswahl zu dem Ergebnis, daß in 24,8 % der von ihm untersuchten Fällen zunächst in der Sicherungsverwahrung der Justiz befindliche Häftlinge an Konzentrationslager überstellt wurden. 22 Vertraul. Erlaß-Sammlung, a . a . O . , Bl. 27. 2 3 Ebenda, Bl. 28. 20

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Schon bevor überhaupt ermittelt werden konnte, wie viele als gemeinschaftsgefährdend geltende Vorbestrafte nach Auffassung der lokalen Polizeibehörden für eine weitere Festnahme in Frage kamen, war vom Chef der Deutschen Polizei die Gesamtzahl der zu Verhaftenden, offenbar in Rücksprache mit der SS-Inspektion der Konzentrationslager, festgelegt worden. Es ist evident, daß ein solches, an vorgegebenen Festnahme-Sollzahlen orientiertes Verfahren keinerlei Gewähr bot, daß im Einzelfall eine gewissenhafte Abwägung und Prüfung der Gründe stattfand, zumal außer-kriminelle Gesichtspunkte (Stellungslosigkeit, kein fester Wohnsitz der Betreffenden) eine wesentliche Rolle spielten. Der »Grundlegende Erlaß« des Reichs- und Preußischen Innenministers »über die Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei« vom 14. Dezember 1937 2 4 eröffnete außerdem die Möglichkeit, kriminalpolizeiliche Vorbeugehaft über Vorbestrafte hinaus auch auf andere Gruppen auszudehnen: Verhaftet werden könne auch, so hieß es dort, »wer, ohne Berufs- oder Gewohnheitsverbrecher zu sein, durch sein asoziales Verhalten die Allgemeinheit gefährdet«. Als Haftgrund konnte auch der bloße polizeiliche Verdacht genügen, z . B . wenn jemand »keine oder offensichtliche falsche Angaben über seine Person macht und den Verdacht erweckt, daß er frühere Straftaten verdecken will oder neue Straftaten unter falschem Namen zu begehen beabsichtigt«. Auf der Grundlage dieses Erlasses waren am 31. März 1938 Weisungen des Reichskriminalpolizeiamtes zur Vorbereitung einer weiteren schlagartigen Festnahmeaktion im Rahmen der »Vorbeugenden Verbrechensbekämpfung« ergangen 25 . Es seien, »neben Dieben, Betrügern und dergleichen, in erster Linie Sittlichkeitsverbrecher, darunter auch Zuhälter, einzubeziehen. Auch gewerbs- und gewohnheitsmäßige Wilderer können in Frage kommen«. Die bereits erwähnten Richtlinien des Reichskriminalpolizeiamtes vom 4. April 1938, definierten auch noch genauer die Ausdehnung der kriminalpolizeilichen Vorbeugehaft auf Personen ohne kriminelles Strafregister 26 , denen allenfalls ordnungswidriges Verhalten zur Last gelegt werden konnte: »a) Personen, die durch geringfügige, aber sich immer wiederholende Gesetzesüberschreitungen, sich der in einem nationalsozialistischen Staat selbstverständlichen Ordnung nicht fügen wollen ( z . B . Bettler, Landstreicher [Zigeuner], Dirnen, Trunksüchtige, mit ansteckenden Krankheiten, insbesondere Geschlechtskrankheiten behaftete Personen, die sich den Maßnahmen der Gesundheitsbehörden entziehen); b) Personen, ohne Rücksicht auf etwaige Vorstrafen, die sich der Pflicht zur Arbeit entziehen und die Sorge für ihren Unterhalt der Allgemeinheit überlassen ( z . B . Arbeitsscheue, Arbeitsverweigerer, Trunksüchtige).«

Vor allem in bezug auf die letztgenannte Kategorie überschnitt sich die kriminalpolizeiliche »vorbeugende Verbrechensbekämpfung« mit den gleichzeitig von der Geheimen Staatspolizei durchgeführten Maßnahmen gegen »Asoziale«. Eine umfangreiche Sonderaktion gegen Asoziale war schon im März 1938 durch die Staatspolizeistellen des Reiches

24 25 26

Ebenda, Bl. 41 ff. Ebenda, Bl. 63 ff. Ebenda, Bl. 70 f.

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in die Wege geleitet worden. Eine erneute, verschärfte und erweiterte Aktion wurde am 1. Juni 1938 angeordnet, mit der - bezeichnenden - Begründung: »Die straffe Durchführung des Vierjahresplans erfordert den Einsatz aller arbeitsfähigen Kräfte und läßt es nicht zu, daß asoziale Menschen sich der Arbeit entziehen und somit den Vierjahresplan sabotieren« 2 7 . Unter schärfster Anwendung des Erlasses vom 14. Dezember 1937 seien in der Woche vom 13. bis 18. Juni 1938 in jedem Kriminalpolizeistellenbezirk des Reiches »mindestens 200 männliche arbeitslose Personen (asoziale) in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen«. Dabei seien zu berücksichtigen: »a) Landstreicher, die zur Zeit ohne Arbeit von O r t zu O r t ziehen; b) Bettler, auch wenn diese einen festen Wohnsitz haben; c) Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen, wenn sie keinen Willen zur geregelten Arbeit gezeigt haben oder straffällig geworden sind; d) Zuhälter, die in ein einschlägiges Strafverfahren verwickelt waren - selbst wenn eine Uberführung nicht möglich w a r - und heute noch in Zuhälter- und Dirnenkreisen verkehren, oder Personen, die im dringenden Verdacht stehen, sich zuhälterisch zu betätigen; e) solche Personen, die zahlreiche Vorstrafen wegen Widerstandes, Körperverletzung, Raufhandels, Hausfriedensbruchs und dergleichen erhalten und dadurch gezeigt haben, daß sie sich in die Ordnung der Volksgemeinschaft nicht einfügen wollen.«

Sämtliche im Rahmen der Aktion vom Juni 1938 festgenommenen Asozialen sollten in das K L Buchenwald überführt werden, während nach Sachsenhausen, teilweise auch nach Dachau, vor allem kriminelle Vorbeugehäftlinge eingewiesen wurden. Aus diesen Personengruppen, vor allem den sogenannten Kriminellen und Asozialen, rekrutierten sich die ersten Häftlingstransporte, die 1938/39 nach Flossenbürg kamen. Ein umfangreicher, wenn auch fragmentarischer Bestand von Flossenbürger Häftlingspersonalakten, der sich im Archiv des Internationalen Suchdienstes in Arolsen befindet, erlaubt es zu kontrollieren, welche kriminellen oder asozialen Tatbestände Anlaß der Konzentrationslagereinweisungen bildeten. Ein Test auf der Basis von 57 deutschen kriminellen Vorbeugungshäftlingen, die 1938/39 nach Flossenbürg überstellt worden waren, ergab folgendes Bild: Die Gefangenen waren von Kriminalpolizeistellen aus den verschiedensten Gebieten des Reiches verhaftet worden. Bei der Überstellung nach Flossenbürg lag das Durchschnittsalter bei 38 Jahren (der Jüngste war 24, der Älteste 66 Jahre alt). N u r 50 Prozent waren verheiratet, 33 Prozent ledig und 17 Prozent geschieden. Über zwei Drittel gehörten ihrer Herkunft nach dem Arbeiterstand an, bei 18 Prozent handelte es sich um Angestellte oder Handlungsgehilfen, bei 13 Prozent um selbständige Händler oder Kaufleute. Die Zahl der in den Häftlingspersonalakten (bei diesen 57 Fällen) vermerkten Vorstrafen war erheblich (durchschnitdich 11), und dennoch gewinnt man den Eindruck, daß die in den Akten fast durchweg gebrauchte Bezeichnung »gefährlicher Gewohnheitsverbrecher« oder »gemeingefährlicher Sittlichkeitsverbrecher« in vielen Fällen dem Tätertyp keineswegs gerecht wird. In einer beträchtlichen Zahl von Fällen handelte es sich um Leute aus der sozialen Unterschicht, die durch das soziale Milieu familiärer Verhältnisse, körperliche oder geistige Schäden, an den Rand der Gesellschaft gedrängt worden waren

27

Ebenda, Bl. 81.

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und sich, oft arbeitslos, seit Jahren durch kleine Betrügereien über Wasser zu halten versucht hatten. Neben Betrug, Unterschlagung, Diebstahl figurierten verbotenes Betteln und Hausieren als häufig vermerkte Straftatbestände. Nicht selten setzten sich die Strafregisterauszüge aus einer Vielzahl kurzfristiger Haft- und Geldstrafen wegen Bagatelldelikten zusammen oder es waren längerfristige Haftstrafen vor allem deswegen verhängt worden, weil der Betreffende als mehrfacher Rückfalltäter von Mal zu Mal verschärft bestraft wurde. Schwere Raubüberfälle oder andere Verbrechen, die man hinter der Markierung »gefährlicher Gewohnheitsverbrecher« vermutet, waren eher die Ausnahme als die Regel. Besonders drastisch verfuhren die Kriminalpolizeistellen offensichtlich, wenn es sich um sogenannte »Sittlichkeitsverbrecher« handelte. Aus den Personalakten ist ersichtlich, daß hier vielfach zwei oder drei erwiesene Fälle der Verführung Minderjähriger oder Verführung zur Unzucht für die Anordnung der Vorbeugehaft in einem Konzentrationslager genügten. In der Regel wurde den wegen sittlicher Verfehlungen nach Flossenbürg Eingelieferten nach ein- bis zweijähriger Haft nahegelegt, sich von den SS-Ärzten entmannen zu lassen. Nicht wenige ließen dies geschehen und wurden dann meist nach einiger Zeit entlassen. Unser Test ergab im übrigen, daß die Vorbeugehaft der 1938/39 nach Flossenbürg überstellten kriminellen Häftlinge meist bis in die zweite Kriegshälfte andauerte. Erst dann kam es bei dieser Gruppe der deutschen Häftlinge häufiger zu Entlassungen, offensichtlich, weil diese anschließend zur Wehrmacht eingezogen werden sollten.

2.

STATIONEN DER LAGERGESCHICHTE

Bis zum September 1939 blieben Zahlenstand und Zusammensetzung der Häftlinge in Flossenbürg im wesentlichen unverändert. Der Arbeitseinsatz bestand aus schwerer Steinbrucharbeit, die mit primitiven Bohrhämmern ausgeführt und beim Steintransport noch mit Muskelkraft verrichtet werden mußte (eine technisch modernere Ausstattung wurde erst später zur Verfügung gestellt). Daneben hatten die Häftlinge vor allem Ausschachtungsarbeiten im Lagerbereich für den Bau von Wasser- und Kanalisationsanlagen und die Errichtung massiver Gebäude auszuführen. Noch bis in den strengen Winter 1938/39 hinein mußten die meisten Häftlinge mit ihren Zivilanzügen arbeiten, weil Arbeitskleidung noch nicht vorhanden war. Der SS-Führung erschien die schwere Arbeit in Flossenbürg als die beste »Kur« für die Häftlinge mit den grünen, schwarzen oder rosafarbenen Winkeln, die sie als »Berufsverbrecher«, »Asoziale« oder »Homosexuelle« brandmarkten. Lagerkommandant und Schutzhaftlagerführer betrachteten Krankmeldungen als »Drückebergerei« und ließen auch Häftlinge mit Erfrierungsschäden weiterarbeiten. Außerdem führten sie ein schikanöses Kasernenhof-Reglement ein mit ausgeklügelten Disziplinarvorschriften, Grußpflichten, Prügelstrafen u.a., das - wie in anderen Konzentrationslagern - auf systemati-

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sehe Demütigung und oft auf brutale Quälerei der Häftlinge hinauslief. Einer der damaligen Häftlinge berichtete im Juni 1945 über diese anfänglichen Zustände vor amerikanischen Vernehmungsoffizieren, die die Vorgänge in Flossenbürg untersuchten: »Die Häftlinge mußten bei 25 Grad Kälte ohne Strümpfe und Handschuhe im Freien arbeiten. Die Folge waren erfrorene Finger, Hände und Füße. Der Lager-Kommandant ließ Gefangene, die sich krank meldeten, mit 25 Peitschenhieben durchprügeln und kommandierte sie trotz Erfrierungsschäden zur Arbeit. Erst als einige nach Tagen wegen Erfrierungen dritten Grades nicht mehr gehen konnten, wurden sie in den Krankenbau aufgenommen. Amputationen von erfrorenen Fingern, Händen und Füßen wurden vorgenommen und hatten häufig tödliche Folgen. Verletzungen der militärischen Lagerdisziplin wurden mit körperlichen Züchtigungen geahndet. Wenn ein Gefangener vor einem SS-Mann nicht schnell genug die Mütze zog, oder wenn er in der >Habt-acht-Stellung< die Hände nicht an der Hosennaht hatte, erhielt er 50 Schläge auf den Rücken und das G e s ä ß . . . Bei 20 Grad Kälte hatten die Gefangenen ihr Essen während der Arbeitspause im Freien einzunehmen. Das Essen war damals sehr armselig, die Häftlinge aßen oft die Kartoffelschalen mit. Der Schutzhaftlagerführer Aumeier bestimmte durch seine Häftlings-Führungsberichte das Wohl und Wehe der Häftlinge, oft in ganz willkürlicher Weise« 2 8 .

Bei den Vorbeugehäftlingen, die nach Flossenbürg kamen, war die Dauer der Haft nicht von vornherein zeitlich begrenzt. Schutzhaftlagerführer und Kommandant hatten den maßgeblichen Einfluß darauf, ob und wann ein Gefangener entlassen wurde, was auch bei leichteren Fällen von »asozialem« Verhalten in der Regel nicht voi; ein bis zwei Jahren Konzentrationslageraufenthalt geschah. Während des Krieges wurden die Entlassungen noch stärker reduziert. Schon im Januar 1939 kam es zu einem Kommandantenwechsel. Weiseborn war am 20. Januar 1939 in seiner Wohnung tot aufgefunden worden, er hatte offenbar Selbstmord begangen, weil er, wie es später hieß, im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit in Buchenwald ein Verfahren wegen Veruntreuung zu befürchten hatte 29 . Zum neuen Kommandanten wurde SS-Obersturmführer Karl Künstler berufen, der das Lager dreieinhalb Jahre lang (bis zum 10. August 1942) leitete. Künstler, der früher Offizier gewesen war, machte auf die Häftlinge zunächst einen besseren Eindruck, trug aber durch Willkür und häufige Trunkenheit, die auch die Beziehungen zu seinem SS-Vorgesetzten beeinträchtigten, selbst zu vielerlei Mißständen im Lager bei. Im Zusammenhang mit seiner Ablösung (und Abkommandierung zur Waffen-SS-Division »Prinz Eugen«) vermerkte Himmlers Stabsleiter am 23. August 1942 in einem Schreiben an SS-Obergruppenführer Pohl, dem zu dieser Zeit die Inspektion der KL unterstand: »SS-Obersturmbannführer Künstler soll eine entsprechende Verwarnung erhalten. Wenn der Reichsführer-SS noch einmal etwas über Gelage und Trinkereien hören würde, bekäme SS-Obersturmbannführer Künsder die Achselstücke herunter; er würde dann auf Jahre eingesperrt werden« 3 0 .

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29

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Vgl. Niirnbg. Dok. PS-2309, S. 1 - 7 , Bericht des Kriegsgerichtsrats im Hauptquartier der 3. US-Armee vom 21. 6. 1945 über die Untersuchung von Kriegsverbrechen, und S. 125 f., beeidete Aussage von Carl Schrade. Im Sterbebuch Nr. 8 der Gemeinde Flossenbürg (Beurkundung 6/39) ist keine gewaltsame Todesursache angegeben. Die Version vom Selbstmord Weiseborns wurde noch am 1. 4.1943 von Kriminalsekretär Faßbender im KL Flossenbürg als Beleidigung zurückgewiesen (vgl. dessen Schreiben in BA, NS 4 Fl. vorl. 67), im Nürnberger Prozeß gegen Pohl u. a. aber durch mehrere Aussagen bekräftigt (vgl. dort R. 4423 und 4774), auch durch die bereits genannte Aussage Carl Schrades (PS-2309, S. 125f.) sowie durch das Nachkriegsverfahren vor dem Landgericht Weiden (II AK 3/53 und II AK 5/53). Nürnbg. Dok. NO 1994. Künsder fiel am 20. 4. 1945 bei Kampfhandlungen zur Verteidigung Nürnbergs.

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Mit Künstler zusammen amtierte bis zum Sommer 1942 weiterhin SS-Hauptsturmführer Aumeier als Schutzhaftlagerführer. In die Amtszeit Künstlers und Aumeiers fielen starke Veränderungen der Lagerentwicklung und vor allem die noch im einzelnen zu erörternden Massenexekutionen von Polen und sowjetrussischen Kriegsgefangenen in Flossenbürg. Die erste kriegsbedingte Veränderung trat ein, als wegen der vorübergehenden Schließung des KL Dachau (wo die erste Waffen-SS-Division aufgestellt wurde) im September 1939 die Dachauer Häftlinge auf die drei Lager Buchenwald, Mauthausen und Flossenbürg aufgeteilt wurden 3 1 und infolgedessen am 27. September 1939 ein Transport mit annähernd 1000 Häftlingen in Flossenbürg ankam. Die Dachauer Gefangenen, meist politische Schutzhäftlinge mit dem roten Dreieck auf der Häftlingskleidung, wurden in Flossenbürg getrennt von der Stammbelegschaft untergebracht. Aber auch sie erhielten als Aufseher Kapos mit grünem Winkel zugeteilt, die bis 1943 in Flossenbürg das Monopol der Häftlingsfunktionen ausübten. Die Herrschaft der »Grünen« verschlechterte die Situation der nach Flossenbürg überstellten politischen Schutzhäftlinge aus Dachau ebenso wie die härteren Arbeits- und primitiveren Versorgungsbedingungen. Zu den prominenten Mitgliedern der Dachauer Häftlingsgruppe in Flossenbürg gehörte u.a. der 1938 verhaftete ehemalige sozialdemokratische Wiener Bürgermeister Richard Schmitz, der nach dem Kriege den Amerikanern über seine Erlebnisse in Flossenbürg berichtete 32 . Zusammen mit einigen wenigen anderen Zeugnissen 33 geben sie einen freilich nur spärlichen Einblick in die Lebensverhältnisse der Häftlinge. Bis 1942, als aus Flossenbürg einige der ärgsten Schinder der SS zum Kriegsdienst in der Waffen-SS versetzt wurden und, im Zusammenhang mit der Übertragung des Kommandos über die Konzentrationslager an das Wirtschaftsverwaltungshauptamt der SS, der Arbeitseinsatz-Gesichtspunkt absolut vorrangig wurde, waren Schikanen und zynische Strafmaßnahmen, mit denen sich SS-Bewacher und Häftlingsblockälteste die Zeit vertrieben und ihre Macht fühlbar demonstrierten, an der Tagesordnung: Aufgrund irgendwelcher Denunziationen mußten ganze Blockbelegschaften nach Feierabend strafexerzieren oder durch den Dreck und Schlamm des unbefestigten Appellplatzes hüpfen und kriechen, andere einen schweren Stein vom Steinbruch in das Lager schleppen. Wie in Dachau gab es auch in Flossenbürg das stundenlange Strammstehen ganzer Häftlingsblocks auf dem Appellplatz, das Kniebeugen über aufgestellten Seitengewehren, Essens-Entzug, Stockhiebe und öffentliche Auspeitschungen. Zeitweise praktizierte man auch in Flossenbürg das aus anderen Lagern bekannte »Pfahlhängen«. Dabei wurde der Häftling mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen an einen Pfahl gehängt. Wenige Minuten solchen Hängens verursachten qualvolle Schmerzen; manchmal verstärkte man sie noch dadurch, daß man den Geschundenen um den Pfahl herumdrehte und wieder zurückschnellen ließ. Extrem schlecht waren die Zustände im strengen Winter 1939/40. Mit Ausnahme des Blockpersonals und einiger Häftlinge, die Lagerdienste leisteten, arbeiteten alle im Steinbruch. Trotz Temperaturen bis zu minus 30 Grad wurde keine Winterbekleidung ausge-

31 32 33

Vgl. hierzu BA, R 2/12163, S.44, und Nürnbg. D o k . NO-2122. N A , Box 52/1. Nürnbg. D o k . NO-2122, eidesstattliche Erklärung des ehem. Häftlings K.A. Roeder; N A , Box 52/1, Statement Heinrich Bodet; N A , Box 52/8, Kurze Chronik des KL Flossenbürg von Milos Kucera/Karel Prohaska.

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geben. D i e Dachauer Häftlinge arbeiteten nur in der Wäsche, die sie von ihrem Stammlager mitgebracht hatten - H e m d , Unterhose, ein Paar Strümpfe und dünner Sommerdrillich. Erst bei meterhohem Schnee b z w . bei dichtem N e b e l wurden aus Sicherungsgründen die Außen- und Steinbrucharbeiten eingestellt. D a n n mußte Schnee geräumt werden, oft im Laufschritt. D e r Schnee wurde auf einer hohen H a l d e bei der Kläranlage abgeschüttet. SS-Leute machten sich einen Spaß daraus, die Häftlinge den Schneeberg hinunterzustoßen. Ein anderer »Winterscherz« der SS bestand darin, daß man einen H ä f t l i n g in einem Wasserbottich untertauchte und den tropfnassen M a n n auf dem Appellplatz aufstellte, w o er binnen weniger Minuten zu einem Eisklumpen gefror. A u f der unbedeckten H a u t des Gesichts und der H ä n d e bildeten sich große Blasen, die nach kurzer Zeit platzten. Manchmal w u r d e diese T o r t u r nach zwei bis drei Stunden wiederholt. B e i m zweiten oder dritten Mal mußten die O p f e r bereits an die Wand gelehnt werden, da sie frei nicht mehr stehen, als lebender Eisklumpen aber auch nicht mehr zusammenbrechen konnten. D e r T o d trat gewöhnlich nach fünf bis acht Stunden ein. Zwischen Weihnachten und Jahreswechsel 1939/40 brach in Flossenbürg eine schwere Ruhrepidemie aus, die die Lagerführung in jeder Hinsicht überraschte. E s gab weder isolierte Kranken-Baracken, noch Medikamente oder fachärztliche Betreuung. E t w a 90 Prozent sämtlicher Häftlinge sollen dabei erkrankt sein. D a s Schutzhaftlager wurde während der Epidemie einfach abgesperrt und sich selbst überlassen. Fast einen ganzen M o nat lang ruhte der Steinbruchbetrieb. Eine größere Zahl von Todesfällen scheint es nicht gegeben zu haben 3 4 . N a c h Verebben der Epidemie wurden die Häftlinge sofort wieder in den Steinbrüchen zur Arbeit eingesetzt. A n f a n g 1940 war die A u f b a u p h a s e des K L F l o s s e n b ü r g abgeschlossen. Ein doppelter Stacheldrahtzaun u m g a b Schutzhaftlager und Steinbruch, sieben Wachtürme waren errichtet, neben den Häftlings-Baracken und Blockhäusern für die SS auch ein lagereigenes Krematorium, in dem fortan die Leichen der im Lager Verstorbenen oder gewaltsam ums L e b e n G e k o m m e n e n verbrannt wurden. A m 2. M ä r z 1940 wurden 921 3 5 Personen der Dachauer Häftlingsgruppe in das inzwischen wieder in Betrieb genommene K L D a c h a u zurücktransportiert. Als E r s a t z kamen am 6. und 8. April 1940 823 vorwiegend politische H ä f t l i n g e aus Sachsenhausen in zwei Transporten nach Flossenbürg. Z u s a m m e n mit kleineren N e u z u g ä n g e n brachten sie die Gesamtzahl der Lagerinsassen auf rund 2500. D i e »Politischen« machten etwa ein Drittel der Personenbelegschaft aus, waren aber jetzt nicht mehr gesondert untergebracht. D i e » G r ü n w i n k e l « beherrschten nach wie vor die Szene, vor allem durch ihre K a p o - F u n k t i o nen. 34

Roeders A n g a b e ( N ü r n b g . D o k . N O - 2 1 2 2 ) , von dem Dachauer Transport seien mindestens 200 dieser Ruhrepidemie z u m O p f e r gefallen, läßt sich nicht bestätigen. D i e bei der Gemeinde Flossenbürg für diesen Zeitraum vollständig vorhandenen Sterbeurkunden sowie die Sterbefallanzeigen aus dem Lager nennen im N o v e m b e r 1939 14, im D e z e m b e r 17 sowie im Januar 1940 7 T o t e . Insgesamt kamen in den 5 Monaten, in denen die Dachauer Häftlinge in Flossenbürg waren, 56 Häftlinge u m s Leben. 16 davon waren sog. »unnatürliche Todesfälle«, verursacht durch »Erschießen auf der Flucht«, Selbstmord u. a. D e m n a c h treffen die Aussagen anderer Zeugen, viele der Dachauer Schutzhäftlinge hätten auf G r u n d des psychischen D r u c k e s Selbstmord begangen, indem sie im Steinbruch in die Postenkette liefen, nur in begrenztem Maße zu.

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D i e Differenz zu den ursprünglich überstellten 981 Häftlingen erklärt sich durch Todesfälle s o w i e dadurch, daß einige der Dachauer Schutzhäftlinge in Flossenbürg verblieben sind, vgl. I T S , Datenblätter Flossenbürg und Dachauer Zugangsbücher.

33. Reichsführer SS Heinrich Himmler im April 1940 bei seinem Besuch im Konzentrationslager Flossenbürg. Links hinter ihm der Lagerkommandant Karl Künstler, dahinter sein Adjutant Lutz Baumgartner und links von ihm der Schutzhaftlagerführer Hans Aumeier |

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Im Frühjahr 1940 besuchte Heinrich Himmler das Konzentrationslager Flossenbürg. Uber das Ergebnis seiner Besprechungen ist nichts bekannt, sie standen aber wahrscheinlich im Zusammenhang mit der zur selben Zeit in Gang gekommenen Einlieferung neuer Häftlingsgruppen und der geplanten Lagererweiterung in Flossenbürg. Seit April 1940 begannen bayerische Stapo-Stellen (vor allem die Stapo-Stelle Regensburg, in deren regionalem Zuständigkeitsgebiet Flossenbürg lag), aber auch auswärtige sicherheitspolizeiliche Dienststellen des Reiches in Schutzhaft genommene Personen direkt in das Lager einzuweisen, während bisher der Häftlings-Nachschub stets durch Sammeltransporte aus anderen Konzentrationslagern erfolgt war. Zum ersten Mal wurden dabei auch nicht-deutsche Gefangene eingeliefert. Flossenbürg hörte auf, ein Lager nur für deutsche Häftlinge zu sein. Das bedeutete auch: Die zwischen September 1939 und April 1940 relativ gleichbleibende Häftlingsbelegschaft (1500) wurde kontinuierlich vermehrt. Im späten Frühjahr 1940 überstellten die Stapo-Stellen Brünn und Prag 98 tschechische Gefangene, meist Studenten und Intellektuelle, die im »Protektorat Böhmen und Mähren« wegen Widerstandstätigkeit festgesetzt worden waren 36 . Im Januar 1941 kam ein größerer Transport aus Auschwitz mit polnischen Häftlingen an. Die Zahl der Polen im Lager wuchs bis Mitte 1941 auf rund 700 an, sie stellten lange Zeit die größte Quote unter den Häftlingen nicht-deutscher Nationalität. Bei der Kategorisierung der Konzentrationslager (Gliederung nach Schwere der Haftund Arbeitsbedingungen), die der Chef der Sicherheitspolizei am 12. Januar 1941 vornahm 37 , wurde Flossenbürg- wie Buchenwald, Neuengamme und das Lager Auschwitz II - der Kategorie II zugeteilt (»für schwer belastete, jedoch noch erziehungs- und besserungsfähige Häftlinge«). Wenngleich diese Einstufungsregelung durch die Praxis der Folgezeit vielfach über den Haufen geworfen wurde, so macht sie doch zumindest deutlich, daß die SS-Inspektion des KL Flossenbürg Anfang 1941 als ein Lager betrachtete, das, verglichen mit Dachau, schwerere Haft- und Arbeitsbedingungen aufwies. Anfang 1941 wurde mit einem neuen Bauprogramm zur Lagererweiterung begonnen, in dessen Verlauf zur sicheren Abschließung der Häftlinge auch ein elektrisch geladener Zaun um das Schutzhaftlager errichtet wurde. Anlaß der Lagererweiterung war das Ziel, die bisherige Produktion der von den Häftlingen abgebauten Steinbrüche (1939: 4700, 1940: 3000 Kubikmeter Werksteine) auf das Vierfache anzuheben, wofür von der DEST auch ein weiterer Steinbruch angekauft und moderne Kräne und Maschinen bestellt wurden 38 . Um die Produktivität der Häftlingsarbeit zu verbessern, wurden auf Veranlassung des DEST-Werkleiters einige der unnötigen, die Arbeitskraft und das Leben der Häftlinge ruinierenden Schindereien abgestellt, z.B. die Praxis, Angehörigen der Strafkompanie am Fuß der Abraumhalde eines Steinbruchs schwere Steine auf den Rücken zu laden und sie damit in dem Morast herumlaufen zu lassen, was häufig mit dem Zusammenbruch der betreffenden Häftlinge geendet und manche veranlaßt hatte, freiwillig in die Postenkette zu rennen und den Tod durch »Erschießen auf der Flucht« der Quälerei vor-

36 37 38

Vgl. ITS, Datenblätter Flossenbürg und Zugangslisten. Vgl. N ü r n b g . - D o k . NO-743 und PS-1063-A. BA, NS 4 Fl. vorl. 67, Schreiben des Kommissarischen Leiters der DEST, Schwarz, vom 20. 2. 1941 betr. neue Planung Flossenbürg.

34. Häftlinge auf dem Steinbruchgelände der DEST Flossenbürg 35. Essensappell im Steinbruch

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zuziehen. Das Wirtschaftsamt-SS, dem diese Vorgänge gemeldet wurden, sorgte dafür, daß »dieser Wahnsinn« verboten 39 und die Strafkompanie zu anderen Arbeiten (Wasserleitungsbau u. a.) eingesetzt wurde. Um die Häftlingsarbeit für die DEST wertvoller zu machen, ordnete Himmler auch an, daß Häftlinge in Flossenbürg, wie in Mauthausen und Sachsenhausen, zu Steinmetzen ausgebildet 40 und ihre Arbeitsleistung durch Prämiengutscheine (für zusätzlichen Kantinen-Einkauf u.a.) honoriert werden sollte. Im Laufe der Kriegsjahre ließen sich in Flossenbürg ca. 1000 Häftlinge unter Leitung ziviler Steinmetze ausbilden und erhielten entsprechende Vergünstigungen. Die Vorrangigkeit des kriegswirtschaftlichen Arbeitseinsatzes der Häftlinge fand im März 1942 allgemeinen Ausdruck durch die Eingliederung der Inspektion der KL in das Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) der SS. Der Chef des WVHA bestellte Ende April 1942 die Kommandanten der KL zu Betriebsleitern und suchte sie zu produktiverem Häftlings-Arbeitseinsatz zu verpflichten 41 . Die auf Diskriminierung, Einschüchterung und Drangsalierung abgestellte Praxis der Konzentrationslager-Führung konnte durch solche Maßnahmen zwar teilweise verändert, aber keineswegs abgeschafft werden. Wie in anderen KL wurde auch in Flossenbürg das Ziel, die Leistungsfähigkeit der Häftlinge zu verbessern, immer wieder konterkariert durch die Willkür der die Häftlinge beaufsichtigenden SS-Funktionäre und die im System der Lager herrschende Korruption und Vernachlässigung. Auch das Verhältnis zwischen dem DEST-Werksleiter und dem Lagerkommandanten war aus solchen Gründen meist zerstritten. Beispielsweise überwarf sich Obersturmbannführer Karl Künstler (Lagerkommandant von 1939-42) ständig mit seinem DEST-Werkleiter Schubert. Auch widersetzte er sich Pohls Idee von den KL als Wirtschaftsbetriebe und ihrer wirtschaftlichen Führung, so daß dieser das ständige Betrunkensein Künstlers zum Anlaß nahm, diesen aus dem KL-Bereich zu entfernen. Im Zusammenhang mit der Ausweitung der Steinbruchkapazität entstand schon im Februar 1941 auch der Plan, ein Lager für sowjetrussische Kriegsgefangene in Flossenbürg zu errichten und die Gefangenen unter Leitung der KL-Wachmannschaft ebenfalls bei der Steinbrucharbeit einzusetzen. Erst ein halbes Jahr später kam es dazu, nachdem Lager-Adjutant Baumgartner Mitte September 1941 dem Inspekteur des KL gemeldet hatte, »in unmittelbarer Nähe« des KL Flossenbürg könnten in primitiven Baracken bis zu 5000 russische Kriegsgefangene untergebracht werden 42 . Im Oktober 1941 wurden 2000 sowjetische Kriegsgefangene nach Flossenbürg transportiert und in einem Sonderlager innerhalb des Konzentrationslager-Geländes untergebracht. Die hohe Sterblichkeitsrate dieser Gefangenen und die Hinrichtungen angeblicher sowjetischer Kommissare, die aus verschiedenen Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht zur Exekution nach Flossenbürg überstellt wurden, bildeten 1941/42 ein besonders düsteres, im folgenden noch genauer darzustellendes Kapitel der Lager-Geschichte.

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Vgl. Aussagen Mummenthey und Karl Sommer im Nürnberger Prozeß gegen Pohl u. a. (Fall IV), R. 5605 und R. 3847. Nürnbg. Dok. NO-2180, NO-385 sowie BA, NS 4 Fl. vorl. 19. Nürnbg. Dok. R-129. BA, NS 4 Fl. vorl. 54.

D a s Konzentrationslager Flossenbürg

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Seit Anfang 1942 wiesen die Stapo-Stellen von Regensburg und Nürnberg-Fürth in zunehmendem Maße auch sowjetische Zivilarbeiter, die im Arbeitseinsatz in Landwirtschaft oder Industrie durch Arbeitsverweigerung oder sonstiges »unbotmäßiges« Verhalten aufgefallen waren, als Schutzhäftlinge in das K L Flossenbürg ein. Ihre Zahl wuchs bis Anfang 1943 auf ebenfalls rund 2000 an 4 3 . Darunter befanden sich auch »entlassene sowjetische Kriegsgefangene«, die wegen ihres Verhaltens (Flucht aus Kriegsgefangenenlagern o. ä.) von der Wehrmacht aus der Kriegsgefangenschaft »entlassen« und der Gestapo überstellt worden waren. Im Jahre 1942 gab es in der Lagerführung verschiedene Veränderungen: Schutzhaftlagerführer Aumeier wurde Ende 1941 in gleicher Funktion nach Auschwitz versetzt 4 4 und durch seinen dortigen Vorgänger, den 38-jährigen SS-Hauptsturmführer Karl Fritzsch ersetzt, der diese Funktion über zwei Jahre lang, bis März 1944 ausübte. Wie Aumeier aus der Dachauer SS-Wachtruppe »Oberbayern« hervorgegangen, gehörte der kleinwüchsige SS-Funktionär (die Häftlinge nannten ihn »Stäubchen«) zu den übelsten Kreaturen, die das System der Konzentrationslager hervorgebracht hat 4 5 . Zahlreiche Opfer von Mißhandlungen in Flossenbürg gehen auf sein Schuldkonto 4 6 . N a c h dem Ausscheiden Künstlers am 10. August 1942 übernahm Fritzsch für einige Wochen kommissarisch auch die Funktion des Lagerkommandanten, bis Mitte September 1942 der bisherige Kommandant des K L Natzweiler im Elsaß, SS-Sturmbannführer Egon Zill zum neuen Leiter des K L Flossenbürg ernannt wurde. Zill, wohl der farbloseste Kommandant des

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B e r e c h n u n g a u f g r u n d der Ü b e r s t e l l u n g s l i s t e n b e i m I T S , F l o s s e n b i i r g - O r d n e r 2 6 / 2 7 . D i e M a s s e dieser E i n w e i s u n g e n e r f o l g t e i m H o c h s o m m e r 1942, w o h l als F o l g e der g e r a d e in dieser J a h r e s z e i t sich h ä u f e n d e n F ä l l e von Flucht aus Kriegsgefangenen- und Arbeitslagern.

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A u m e i e r w u r d e v o n A u s c h w i t z a m 16. 8. 1943 als L a g e r k o m m a n d a n t nach R i g a v e r s e t z t , nach K r i e g s e n d e an Polen ausgeliefert u n d v o m polnischen O b e r s t e n V o l k s g e r i c h t s h o f in K r a k a u a m 2 2 . 12. 1947 z u m T o d e verurteilt u n d später hingerichtet.

45 46

V g l . hierzu K o m m a n d a n t in A u s c h w i t z , a . a . O . , i n s b e s . S . 9 1 , 93, 9 7 . D i e E r i n n e r u n g e n ehemaliger H ä f t l i n g e aus F l o s s e n b ü r g enthalten mancherlei A n s c h a u u n g s m a t e r i a l f ü r die unb e r e c h e n b a r e T y r a n n e i , mit der F r i t z s c h als S c h u t z h a f t l a g e r f ü h r e r regierte. E s k a m v o r , daß er K a p o s z e h n m a l im J a h r a b s e t z t e u n d neu ernannte. Selbst bei der eigenen S S - W a c h t r u p p e galt er als u n a n g e n e h m w e g e n seiner hysterischen u n d gefährlichen A n f ä l l e . G r u n d l o s , u n d o h n e die d a z u n o t w e n d i g e E r l a u b n i s des \ V V 1 1 A einzuh o l e n , ließ er H ä f t l i n g e f ü r g e r i n g s t e V e r g e h e n a u s p e i t s c h e n . E r s c h e u t e sich nicht, s o g a r die o b e r s t e n H ä f t l i n g s f u n k t i o n ä r e z u m i ß h a n d e l n , sie bloßzustellen u n d d a m i t ihre Stellung z u u n t e r m i n i e r e n . S o b e s c h a f f t e er einmal für den 2 . Lagerältesten G e o r g W e i l b a c h eine K a r t e f ü r das 1943 eingerichtete L a g e r - B o r d e l l , schickte ihn dorthin u n d w o l l t e d u r c h s Schlüsselloch die V o r g ä n g e i m Z i m m e r b e o b a c h t e n . Weilbach weigerte sich s t a n d h a f t , sich mit der F r a u e i n z u l a s s e n . A m n ä c h s t e n T a g h i n g e n i m g e s a m t e n S c h u t z h a f t l a g e r P l a k a t e mit der A u f s c h r i f t : » D e r K a p o Weilbach ist ein L u f t b a l l o n !« F r i t z s c h h a t t e sie v o m H ä f t l i n g s m a l e r anfertigen lassen. I m F r ü h j a h r 1943 flüchtete ein R u s s e v o n B l o c k 9. A u f A n o r d n u n g d e s S c h u t z h a f t l a g e r f ü h r e r s hin m u ß t e die B l o c k b e l e g schaft drei T a g e lang jeden A b e n d drei S t u n d e n ü b e r d e n A p p e l l hinaus auf d e m A p p e l l p l a t z stehen bleiben u n d erhielt kein A b e n d e s s e n . In diesen drei T a g e n w u r d e n der L a g e r s c h r e i b s t u b e z e h n T o d e s m e l d u n g e n v o n B l o c k 9 ü b e r m i t t e l t . Ein b e z e i c h n e n d e r A u s s p r u c h F r i t z s c h s ist durch m e h r e r e Z e u g e n belegt. D a n a c h erklärte er bei einem A p p e l l v o r den angetretenen H ä f d i n g e n : » E s gibt f ü r einen H ä f t l i n g nur z w e i W e g e , aus d i e s e m L a g e r z u k o m m e n . E n t w e d e r er w i r d entlassen u n d geht d u r c h d a s L a g e r t o r - o d e r er w a n d e r t d u r c h den K a m i n . D e n letzteren W e g w e r d e n die meisten v o n euch g e h e n ! « V g l . N A , B o x 5 2 / 2 , R e p o r t » F l o s s e n b ü r g C a m p « , p r e p a r e d b y P W Interr. T e a m 3 U . S . A r m y v o m 1. 5. 1945. - Z u m V o r s t e h e n d e n a u ß e r d e m : A u s s a g e des B o c k ä l t e s t e n Karl G i e s e l m a n n ( N A , H a u p t p r o z e ß , R . 4 4 2 6 ) . W e i t e r e A n g a b e n z u F r i t z s c h (alle im H a u p t p r o z e ß ) v o n S S B l o c k f ü h r e r H a n s e l ( R . 5 9 1 7 ) , L a g e r ä l t e s t e n M a t h o i ( R . 4 1 3 6 ) , L a g e r s c h r e i b e r K u c e r a ( R . 1302), Stellv. L a g e r ältestem W e i l b a c h ( R . 4 7 7 6 ) , B l o m b e r g ( R . 7 4 1 9 ) u n d E m i l L e s a k ( B o x 5 2 / 8 ) . F r i t z s c h w u r d e i m M ä r z 1944 K o m m a n d o f ü h r e r v o n Ellrich, einem der größten A u ß e n l a g e r d e s K L - M i t t e l b a u s . Sein N a c h k r i e g s s c h i c k s a l ist unbekannt.

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L a g e r s , behielt diesen Posten nur bis April 1943 4 7 , anscheinend war er den erheblich komplizierter gewordenen organisatorischen u n d Verwaltungs-Aufgaben, vor die die Konzentrationslagerleitung jetzt gestellt wurde, nicht gewachsen. Z u diesem Zeitpunkt wies das L a g e r , wie sich aus einer Stärkemeldung v o m 8. Februar 1943 ergibt, eine Belegschaft von über 4000 Häftlingen auf (ohne das Sonderlager f ü r sowjetische Kriegsgefangene) 4 8 . Inzwischen waren aber die Weichen für eine weitere enorme Ausweitung des Häftlingseinsatzes, vor allem im Zusammenhang mit der Rüstungswirtschaft, gestellt worden. Eines der wichtigsten Rüstungsunternehmen in Süddeutschland, die Messerschmitt G m b H Regensburg, w o seit 1938 im Regensburger Stadtteil Prüfening schwerpunktmäßig J a g d f l u g z e u g e des T y p s M e 109 hergestellt wurden, hatte sich schon E n d e 1942 im Zusammenhang mit der angestrebten Kapazitätsausweitung und Fabrikationsverlagerung an die SS-eigene D E S T Flossenbürg gewandt, u m die Häftlinge für bestimmte Teilfertigungen ihrer F l u g z e u g p r o d u k t i o n einzusetzen 4 9 . A m 5. Februar 1943 war in F l o s s e n b ü r g die P r o d u k t i o n für die Messerschmitt G m b H Regensburg mit zunächst 200 Häftlingen angelaufen. Zunächst wurden G e b ä u d e im D E S T - S t e i n b r u c h umgebaut u n d f ü r Blechverformungsarbeiten (für Blechverkleidungen von Flugzeugteilen) hergerichtet. Messerschmitt lieferte das Rohmaterial, stellte Maschinen, Geräte und Vorarbeiter zur Verfügung. Als das Regensburger Messerschmitt-Werk am 17. A u g u s t 1943 infolge eines Bombenangriffs stark verwüstet wurde, verlagerte man noch weitere Teile der Regensburger Fabrikation nach Flossenbürg (und nach Mauthausen). F ü r die Messerschmitt-Produktion in Flossenbürg wurden ab A u g u s t 1943 durchschnittlich 800, ab D e z e m b e r 1943 rund 1500 und ab M ä r z 1944 rund 2200 H ä f t l i n g e eingesetzt. D i e Häftlingsarbeit b e z o g sich jetzt, abgesehen von M o t o r e n - und Leitwerkfabrikation, auf alle Teile der M e 109. Gearbeitet w u r d e rund u m die U h r in zwei Schichten von je 11 V 2 Stunden, später in 3 Schichten von 8 Stunden. I m Steinbruch arbeiteten Mitte 1944 nur noch rund 1000 Häftlinge. Z u diesem Zeitpunkt waren die beiden Messerschmitt-Werke in den K L F l o s s e n b ü r g und Mauthausen mit einem Anteil v o n 35 Prozent an der G e s a m t p r o d u k t i o n der Messerschmitt G m b H Regensburg beteiligt. I m Septemb e r / O k t o b e r 1944 erreichte das » K o m m a n d o 2004« (so der D e c k n a m e für die Flossenbürger Häftlings-Flugzeugproduktion) mit mehr als 5000 Häftlingen seine größte Stärke und Arbeitsleistung: In beiden M o n a t e n wurden in Flossenbürg rund 180 R ü m p f e und Tragflächen der M e 109 gebaut. Infolge Rohstoffmangels sank die Produktion in den letzten Kriegsmonaten jedoch stark ab. D a s Schutzhaftlager wuchs seit Februar 1943 (mit damals rund 4000 Insassen) bis E n d e 1944 auf rund 8000 Häftlinge an u n d erreichte im Februar 1945 mit 11000 Gefangenen

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48 49

ITS, Flossenbiirg-Ordner 27. Zill unterzeichnete letztmals am 24. 4. 1943 einen Funkspruch des K L Flossenbürg. Er überlebte als einziger Flossenbürger Kommandant das Kriegsende. 1953 lief gegen ihn ein Verfahren am Landgericht München II. Ein Verfahren am Landgericht Weiden (la Js 65/63) wurde eingestellt. ITS, Flossenbürg-Ordner 3, S.41. Vgl. dazu Nürnberger Prozeß gegen Pohl u.a. (Fall IV), Aussage Mummenthey (R. 5525). Ferner die Aussagen des ehemaligen Flossenbürger DEST-Werkleiters Alois Schubert im Hauptprozeß und die Schubert-Records, N A , Box 44; dazu auch Angaben der Regensburger Messerschmitt-Direktoren Thiemeund Lindner. Die Messerschmitt G m b H Regensburg (einschließlich ihrer Verlagerungsbetriebe) produzierte zwischen 1938 und Jahresende 1944 9182 Maschinen vom Typ Me 109; das waren 35,4% der Gesamtproduktion dieses Typs. N A , U.S. Strategie Bombing Survey Ha2, IIa5, Hab.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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den höchsten Stand. Da es, schon wegen der beengten Talkessel-Lage, nur schwer möglich war, genügend weitere Baracken aufzubauen, wurden immer mehr Insassen in die bestehenden Blocks gepfercht. Das Schicht-System ermöglichte es, daß mehrere Häftlinge ein und dieselbe Schlaf-Pritsche benützten. Die Beengtheit führte jedoch zu einer teilweise erheblichen Verschlechterung der hygienischen Verhältnisse. An Sonn- und Feiertagen, an denen nicht gearbeitet wurde, kämpften vier bis fünf Häftlinge um ein Bett. Im Herbst 1944 brach eine Typhus-Epidemie aus, die ihre Opfer forderte und auch die Uberlebenden stark schwächte. Auf der anderen Seite bedeutete die unmittelbare Beteiligung an der Rüstungsproduktion manche Erleichterung für die betreffenden Häftlinge. Vor der rauhen Witterung geschützt, arbeiteten sie jetzt in warmen Hallen. Die vom Messerschmittwerk abgestellten Vorarbeiter, Meister und Ingenieure verhielten sich in der Regel korrekt, die Werksleitung erwirkte eine Erhöhung der Essensrationen für die bei ihr beschäftigten Häftlinge, auch gelegentlich Sonderzuteilungen. Im Zusammenhang mit den rüstungswirtschaftlichen Leistungsprämien für gut arbeitende Häftlinge stand auch die Errichtung eines Lager-Bordells im Jahre 1943. Die Herrschaft der »grünen« Kapos hielt aber auch im »Kommando 2004« an; es kam sogar vor, daß Häftlinge dieses Kommandos erschlagen wurden. Die Expansion der kriegswirtschaftlichen Häftlingsarbeit seit 1942 blieb jedoch keineswegs auf das Stammlager beschränkt. Seit dem Frühjahr 1942 wurden in geringerer oder größerer Entfernung Außenkommandos mit eigenen Kommandoführern errichtet, die als Nebenlager jeweils ihre eigenen Arbeits-, Unterbringungs- und »Herrschafts«Bedingungen aufwiesen, wenn sie auch organisatorisch dem Hauptlager unterstanden. Zur Bewachung der Nebenlager wurden in der zweiten Kriegshälfte neben SS-Leuten in wachsendem Maße Angehörige von Wehrmachts- oder Luftwaffeneinheiten, die der SS zum Bewachungsdienst unterstellt worden waren, eingesetzt. In den Frauenlagern wurden Aufseherinnen beschäftigt. Die Kommandoführer waren aber in jedem Falle Angehörige des SS-Totenkopf-Sturmbanns Flossenbürg. Als erstes Nebenlager entstand im Februar/März 1942 ein Kommando in der Gemeinde Stulln (im jetzigen Landkreis Schwandorf), wo Häftlinge ein halbes Jahr lang beim Aufbau eines kriegswichtigen Flußspatwerkes beschäftigt waren. Am 17. Oktober 1942 wurden die 204 Häftlinge dieses Kommandos zum Aufbau von Unterkünften des SS-Pionier-Ersatzbataillons nach Dresden überstellt und bildeten dort wiederum ein zeitweilig bestehendes Nebenlager. Vor allem für kriegswichtige Bauvorhaben wurden in zunehmendem Maße solche zeitweiligen Außenkommandos herangezogen. Daneben stand die Errichtung mehr oder weniger permanenter Nebenlager, deren Insassen als Arbeitskräfte in kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieben oder in SS-eigenen Unternehmen eingesetzt wurden, so z.B. bei der SS-eigenen Porzellanfabrik Bohemia in Neurohlau/CSSR, die seit Anfang 1944 ebenfalls auf die Produktion von Messerschmitt-Flugzeugteilen umgestellt wurde. Seit März 1943 befand sich hier e i n - v o m Frauenkonzenträtionslager Ravensbruck überstelltes - Kommando mit mehreren Hunderten weiblicher Häftlinge, das seit September 1944 als Außenlager von Flossenbürg firmierte. Größere Nebenlager dieses Typs mit annähernd je 1000 oder mehr Häftlingen entstanden in Nord-Bayern in Saal an der Donau und in Helmbrechts, aber vor allem in Sachsen

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(Frauenlager bei Freiberg, Venusberg, Zwodau, Männerlager bei Flöha und Heidenau) sowie in den Sudetengebieten (Männerlager in Brüx). Die mit Abstand größten und berüchtigsten Außenlager wurden 1944 bei Hersbruck und Leitmeritz angelegt. Zeitweilig waren dort je 6000 Häftlinge, vor allem aus Ungarn stammende Juden, bei der schweren unterirdischen Rüstungsfabrikation und der Anlage unterirdischer Stollen unter unmenschlichen, improvisierten Bedingungen eingesetzt. In beiden Lagern, die in einem amerikanischen Untersuchungsbericht als »Todesfabriken« bezeichnet wurden, starben in den letzten Kriegsmonaten circa 5000-6000 Gefangene, meist an Entkräftung oder Typhus. Leichen aus dem Lager Hersbruck, wo die Häftlinge im nahen Happurg Stollen in den Berg treiben mußten, häuften sich bei Kriegsende so, daß mehrere Massenverbrennungen übereinandergeschichteter Leichen in Sandgruben durchgeführt werden mußten 50 . Daneben gab es eine große Zahl von harmloseren Außenkommandos mit relativ wenigen Häftlingen, so z. B. ein Kommando in einer Bäckerei in Hohenthan (Landkreis Tirschenreuth), die für das KL Flossenbürg Brot lieferte. Ein kleines Häftlings-Arbeitskommando, das als Außenlager des KL Flossenbürg figurierte, wurde auch bei dem Gut Jungfernbreschan stationiert, das die Witwe Heydrichs nach dem tödlichen Attentat auf ihren Mann zum Geschenk erhalten hatte 51 . Das Anwachsen der Zahl der Nebenlager von Flossenbürg war zum Teil auch Ergebnis neuer territorialer Abgrenzungen der Zuständigkeitsbereiche der verschiedenen KL, die aufgrund des seit 1944 massenhaft anschwellenden kriegswirtschaftlichen Einsatzes von Gefangenen außerhalb der alten Stammlager notwendig wurden. Infolgedessen wurden ζ. Β. mit Wirkung vom 1. September 1944 fünf bisherige Außenkommandos des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück in Sachsen, Böhmen und Bayern (die Lager Neurohlau, Zwodau, Graslitz, Holleischen, Helmbrechts) dem KL Flossenbürg unterstellt 52 . Dieser Grundstock von 2324 weiblichen Häftlingen wuchs durch Uberstellungen aus anderen KL sehr schnell an. Im letzten Kriegsjahr waren von den 94 Flossenbürger Arbeitslagern 35 mit weiblichen Häftlingen belegt. Die Höchstzahl an Häftlingsfrauen wurde am 7. April 1945 mit 14686 erreicht. Im Jahre 1942 gab es erst sechs Außenkommandos von Flossenbürg, 1943 schon 17, 1944 nicht weniger als 75. Für Anfang 1945 lassen sich 92 Außenkommandos nachweisen 53 . Als neue Häftlingsgruppen waren seit 1943/44 Hunderte von widerstandsverdächtigen Franzosen und Belgiern eingeliefert worden, die im Rahmen der sogenannten Nacht- und Nebel-Aktion in den besetzten Westgebieten festgenommen worden waren; daneben 50 51 52

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Vgl. ITS, Ordner Hersbruck und Leitmeritz, sowie auch Landgericht Nürnberg-Fürth, Verfahren Ks 52/50. B A , N S 19 neu/18, Schriftwechsel zwischen W V H A u n d Lina Heydrich. B A , Allg. Proz. 7, F C 1801 Ρ (18); Kopie beim ITS; siehe ferner t e i m ITS, Flossenbürg-Ordner 88, Veränderungsmeldungen des KL Flossenbürg für April 1945 und Datenblätter. Der ITS-Jahresbericht 1971 nennt f ü r die KL folgende Zahlen von Außenkommandos: Dachau 171, Buchenwald 134, Groß-Rosen 94, Flossenbürg 92, Stutthof 74 sowie Neuengamme 69. Damit war Flossenbürg hinsichtlich der Zahl seiner Außenkommandos das viertgrößte KL des Reiches. Neuere Nachforschungen des ITS lassen vermuten, daß es sogar rd. 100 Flossenbürger Außenlager gegeben hat, wobei allerdings die Unterscheidung zwischen »selbständigen« Außenlagern und von diesen z . T . wiederum errichteten zeitweiligen Außenkommandos (der ITS nennt sie » U n t e r k o m m a n d o s « ) nicht immer exakt zu treffen ist.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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deutsche Zuchthäusler und Gefängnisinsassen, die - infolge des berüchtigten Abkommens zwischen dem neuen, 1942 berufenen Reichsjustizminister Thierack und Himmler - den Konzentrationslagern überstellt wurden; vor allem aber Tausende von Polen, Sowjetrussen und Juden aus den Lagern und Ghettos im Osten. Stammlager und Außenlager des KL Flossenbürg zählten Ende 1944 insgesamt rund 40000 Häftlinge (davon 29000 Männer). Bis Ende März 1945 wuchs diese Zahl aufgrund neuer, in das noch unter deutscher Kontrolle stehende Restgebiet des Reiches evakuierten Häftlinge noch weiter auf rund 52000 an 54 . Die Bewachungsmannschaften zählten damals allein rund 4500 Mann, von denen 2700 in den Außenlagern stationiert waren. Am 14. April 1945 wurde die letzte Stärkemeldung verfaßt. Der Gesamthäftlingsbestand wurde dabei mit 45813 Häftlingen (darunter circa 16000 Frauen) angegeben. Die letzten Kriegsmonate waren auch die Zeit der eigentlichen Massensterblichkeit. Das Hin- und Hertransportieren von Häftlingen unter den Bedingungen dieser Zeit, zusammenbrechende Versorgung und die chaotische, halb gewollte Vernachlässigung der Häftlinge, die man vor dem Zusammenbruch nur noch loswerden wollte, haben die Sterblichkeitsquote in dieser letzten Phase enorm anschwellen lassen und zu dem Ergebnis geführt, daß Außenlager und Transporte zu Stätten massenhaften Todes wurden, abgesehen von den gezielten Exekutionen, die kurz vor Kriegsende im Lager Flossenbürg noch vorgenommen wurden. Seit der im Frühjahr 1943 voll einsetzenden, dann 1944 rapide vorangetriebenen Ausweitung des »Betriebes« des KL Flossenbürg stand das Lager unter der Leitung des SSSturmbannführers Max Koegel. 1895 in Füssen/Allgäu geboren, in seiner Jugend als Almhirte, später als Alpen-Bergführer beschäftigt, hatte Koegel nach dem 1. Weltkrieg 1925 versucht, ein Geschäft zu gründen, und es mit großem Verlust liquidieren müssen, war dann zur NSDAP gestoßen und 1933/34 als Sonderkommissar im Bezirksamt Garmisch-Partenkirchen tätig gewesen, ehe er 1934-1937 als SS-Führer, zuletzt Adjutant, in Dachau seine Konzentrationslagerkarriere begann 55 . 193 8/39 wurde er nacheinander Direktor bzw. Kommandant der Frauen-Konzentrationslager Lichtenburg und Ravensbrück, 1942/43 amtierte er als Kommandant des berüchtigten Konzentrationslagers Lublin, ehe er im April 1943 das Kommando in Flossenbürg übernahm. Wie die meisten Kommandanten der Konzentrationslager in der zweiten Kriegshälfte war er unfähig, mit den ins Riesenhafte angewachsenen Dimensionen des Häftlingseinsatzes organisatorisch fertig zu werden 5 6 . Das Großunternehmen des KL Flossenbürg erbrachte im September 1944 an Einnahmen aus der Häftlingsvermietung für Firmen monatlich über 2 Millionen Reichsmark 57 . Durch Brutalität den Häftlingen gegenüber suchte offenbar auch er, die eigene Untauglichkeit zu überspielen. Nach späteren Aussagen von Häftlingen ließ Koegel bei Inspektionen keine Gelegenheit aus, die scharfe Disziplinarordnung des Lagers durch Bestrafung von Häftlingen zu demonstrieren. Mit der schnellen Zunahme des Außenlagers verlor er mehr und mehr die Übersicht. Der von ihm ausgearbeitete und ins

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ITS, Flossenbürg-Sammelakt 10, Stärkemeldung vom 31. 3. 1945. Nürnbg. D o k . PS-2309. Vgl. die Aussagen des ehem. Flossenbürger Lagerarztes Dr. Baader, Landgericht Weiden, Ks 2/55. BA, N S 4 Fl. vorl. 75, Forderungsnachweis für September 1944.

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Werk gesetzte Evakuierungsplan, der in der letzten Phase der Lagergeschichte noch zum Tode Tausender von Häftlingen führte, war eines der sinnfälligsten Beispiele des mörderischen Dilettantismus 5 8 , der oft noch mehr als gezielter Terror die Wirklichkeit des Konzentrationslagers Flossenbürg bestimmte.

3.

D I E INNERE V E R F A S S U N G DES L A G E R S :

S S - F Ü H R U N G U N D H Ä F T L I N G S - K A P O S , SOLIDARITÄT U N D W I D E R S T A N D DER GEFANGENEN

Die vorstehende allgemeine Skizze der Lager-Entwicklung vermittelt nur andeutungsweise ein Bild vom inneren Zustand des Lagers. Im folgenden sollen deshalb die Herrschaftsverhältnisse, wie sie sich aus den Kompetenzen von SS-Führung und Häftlings-Kapos ergaben, ebenso wie die bekannt gewordenen Fälle von Häftlingssolidarität und Widerstand systematischer dargestellt werden. Die für die Führung und Beaufsichtigung des K L Flossenbürg maßgebliche Organisationsgliederung und Kompetenzverteilung im Bereich der SS folgte im großen und ganzen dem Modell der Führungsverhältnisse, wie es sich vor 1938 in den anderen großen Konzentrationslagern des Reiches (Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen) herausgebildet hatte. Auch in Flossenbürg waren die lagerínternen Funktionen der SS unterschieden von den äußeren Bewachungsaufgaben. Der jeweilige Kommandant des Lagers war zugleich Befehlshaber (Standortkommandant) des außerhalb des Schutzhaftlagers kasernierten SS-Totenkopfsturmbanns Flossenbürg, dessen Einheiten turnusmäßig die Wachtruppe für das Lager und die meisten Nebenlager stellten. Obwohl die für den Wachdienst eingeteilten SS-Männer keine unmittelbare Weisungsbefugnis gegenüber den Häftlingen hatten, waren sie doch ständig präsent, auf den Wachtürmen und am Lagerzaun, vor allem auch als Postenkette rund um die im Steinbruch arbeitenden Gefangenen. Wie in anderen Konzentrationslagern suchten auch in Flossenbürg immer wieder einzelne Häftlinge zu fliehen, teils auch aus Verzweiflung und mit dem fast sicheren Bewußtsein des raschen Endes. Das »Erschießen auf der Flucht«, das als Todesursache für Dutzende von Häftlingen im Standesamt der Gemeinde Flossenbürg registriert wurde,

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Koegel nahm am Evakuierungsmarsch selbst noch teil, war dann »verschollen«, bis er in den Nachkriegsmonaten bei Verwandten in Oberbayern auftauchte. Am 26. 6. 1946 erkannte ihn aufgrund eines Hinweises ein Beamter des amerikanischen CIC und nahm ihn fest. Koegel arbeitete zu diesem Zeitpunkt unter dem Namen und mit den Ausweisen des früheren Flossenbürger Häftlings Dr. Gerhard Giesecke bei einem Landwirtin Brunn au bei Schwabach. Am nächsten Tag erhängte sich Koegel in seiner Zelle im Schwabacher Gefängnis. Mit schwachen Lebenszeichen brachte man ihn noch ins Städtische Krankenhaus, wo er am 27. 6.1946 um 11 Uhr vormittags, genau 24 Stunden nach seiner Festnahme, verstarb. An diesem Tag hätte er erstmals durch CIC-Offiziere vernommen werden sollen. Vgl. N A , Box 52/4, Report War Crimes Investigating Team No. 6832 an War Crimes Branch der 3. US-Armee sowie Statement Helene Schmidt (Koegels Schwägerin) vom 27. 6. 1946.

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war jedoch ein dehnbarer Begriff. Vor allem in der Amtsperiode des Kommandanten Künstler (1941/42) scheint die Wachtruppe durch den Kommandanten geradezu ermuntert worden zu sein, bei den geringsten Anlässen auf Häftlinge zu schießen. Erhalten gebliebene Kommandantur-Befehle zeigen, daß Künstler in einer Reihe von Fällen »das umsichtige Verhalten und die ausgezeichnete Schießübung« von Wachposten förmlich belobigte und dafür Sonderurlaub gewährte. Während der Amtszeit Künstlers wurden nachweislich mehr als 100 Häftlinge »auf der Flucht erschossen« 59 . Die eigentlichen Gebieter der Häftlinge waren jedoch nicht die Wachposten, sondern die Inhaber lagerinterner SS-Funktionen. An der Spitze stand der Kommandant mit dem Kommandantur-Stab und der Schreibstube (Abt. I). Dazu gehörte auch der Adjutant als der Geschäftsführer des Kommandanturstabes. Anfangs wurde dieses Amt von SS-Hauptsturmführer Hansen, spätestens ab April 1940 bis Kriegsende von SS-Obersturmführer Ludwig (»Lutz«) Baumgartner ausgeübt 60 , der schon aufgrund dieser langen Kontinuität starken Einfluß gewann und nach dem Weggang von Fritzsch (März 1944) zusätzlich die Funktion des Schutzhaftlagerführers übernahm. Er amtierte zugleich als Gerichtsoffizier der SS-Wachtruppe. Wie Aumeier, Fritzsch und Koegel hatte Baumgartner in Dachau angefangen, und wie diese gehörte er die ganze NS-Zeit hindurch zum Kreis der professionellen Konzentrationslager-Spezialisten der SS. Man sagt ihm nach, er habe Insassen des Arrestbaus eigenhändig niedergeschossen und sich durch das Austeilen von Prügeln bei zahlreichen Häftlingen in bleibender Erinnerung gehalten. In seiner Eigenschaft als Gerichtsoffizier wurde er im Herbst 1944 von Obersturmführer Wilhelm Beyer abgelöst. Als stellvertretende Lagerkommandanten amtierten zwischen ihm und Koegel in den letzten Kriegswochen die SS-Sturmbannführer Franz Berger und Stawitzki. Neben der Kommandantur gab es die Politische Abteilung (Abt. II), die nicht der Inspektion der K L , sondern der Gestapo unterstand und - wie in den anderen K L - als in das Lager verlegte, nachgeordnete Stapodienststelle fungierte. Ihre Aufgabe bestand vor allem in der Uberprüfung und Vernehmung der Häftlinge, sie hatte über die Entlassung von Lagerinsassen, auch über Bestrafungen aus politischen Gründen (Einweisung in den Arrestbau u. a. ) zu entscheiden. Daneben war sie zuständig für solche Gefangene, die von der Sicherheitspolizei nicht zum Arbeitseinsatz eingewiesen wurden, sondern allein mit dem Zweck, in dem von der Öffentlichkeit abgeschirmten Bereich des Lagers exekutiert zu werden. Leiter der Politischen Abteilung waren jeweils Beamte der Gestapo: bis September 1943 Kriminalkommissar Wilhelm Faßbender, anschließend (bis März 1944) Kriminalsekretär Fritz Multhaupt, danach bis Kriegsende Kriminalobersekretär Konrad Blomberg. Der Politischen Abteilung unterstand verwaltungsmäßig auch der Betrieb des Krematoriums. Ferner wurde hier im Oktober 1942 ein lagereigenes Standesamt eröffnet, so daß man das örtliche Standesamt der Gemeinde Flossenbürg nicht mehr mit den To-

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Zum Vorstehenden vgl. Sterbebücher des Standesamtes Flossenbürg sowie ITS, Historsicher Ordner 226. Hansen wird genannt im Beerdigungsbericht für Weiseborn (Bayerische Ostmark, Ausgabe Weiden, vom 24.1. 1939). Der Name Baumgartner taucht erstmals in einer Kommandanturmeldung vom 25. 4. 1940 (ITS-Hist. 226a, S.26) auf.

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tenbeurkundungen von Häftlingen zu befassen brauchte. Die Funktion des Standesbeamten wurde von Fritz Schlundermann wahrgenommen 61 . Am meisten unmittelbare Berührung mit den Häftlingen hatten der Schutzhaftlagerführer und - als eine Art Feldwebel - der Rapp ortführer, die einen eigenen Β ef ehlsbereich (Abt. III) mit großer faktischer Machtvollkommenheit innehatten, außerdem die verschiedenen ihnen zugeordneten Arbeitseinsatzführer, die im Steinbruch, bei den lagerinternen Bauarbeiten oder bei der Rüstungsproduktion den Arbeitseinsatz der Häftlinge kommandierten. Als weitere Lagerabteilungen kamen hinzu: die Verwaltung des Lagers unter Leitung des Hauptsturmführers Brenneis (bis Oktober 1943) und Hermann Kirsammer 62 sowie der Zuständigkeitsbereich der SS-Ärzte, deren Namen und Tätigkeit noch gesondert aufzuführen sein werden. Die Zahl der SS-Funktionäre, die in diesen Abteilungen lagerinterne Funktionen auszuüben hatten, überschritt in Flossenbürg anfangs kaum zwei Dutzend Personen und blieb auch später, als man mehr Verwaltungspersonal und mehr Arbeitseinsatzführer benötigte, eng begrenzt. Jedenfalls der Theorie nach beschränkten sich die SS-Funktionen weitgehend auf Befehlsgebung und Kontrolle. Die Ausführung der Schreibstubenarbeit in Kommandantur und Verwaltung ebenso wie fast sämtliche Hilfsfunktionen in der (der Verwaltung zugeordneten) Kleider- und Gerätekammer, der Lagerküche ebenso wie im Krankenbau wurden von sogenannten Funktions-Häftlingen wahrgenommen. Zum engeren Kreis der Häftlings-»Selbstverwaltung« gehörten vor allem die vom Schutzhaftlagerführer ernannten Lager- und Blockältesten sowie die bei der Arbeit als Hilfsaufseher fungierenden Häftlings-Kapos. Die Zahl dieser Funktionshäftlinge war größer als die der SS-Funktionäre im Lager. Die Häftlinge, wo immer möglich, durch Häftlinge selbst kommandieren und beaufsichtigen zu lassen, entsprach in Flossenbürg wie in allen anderen Konzentrationslagern dem zynischen Machtkalkül der SS-Führung, die dabei die Gegensätze zwischen einzelnen Häftlingskategorien und Nationalitäten bewußt als Instrument ihrer terroristischen Herrschaftspraxis einsetzte. Obwohl Häftlingsfunktionen jederzeit neu verteilt werden konnten, und Häftlingsfunktionäre vor Willkürakten und Mißhandlungen durch SS-Funktionäre und -Bewacher keineswegs gefeit waren, bedeuteten die ihnen erteilten Funktionen doch wenigstens zeitweise relative Begünstigung, schon aufgrund der Freistellung von schwerer körperlicher Arbeit. Sie verliehen einen gewissen Schutz und zugleich - auch wegen der besseren Informations- und Kontaktmöglichkeiten - Einfluß und Macht über die gewöhnlichen Häftlinge, nicht selten erzeugten sie Opportunismus gegenüber den SS-Funktionären. Nachdem das System der Häftlingsfunktionen einmal eingeführt war und manche Aufgaben (z.B. in der Schreibstube oder in den lagereigenen Handwerksbetrieben) nur durch dafür qualifizierte Häft-

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Vgl. die Aussagen Blombergs und Multhaupts, N A , Hauptprozeß R. 7375, 7385ff., sowie Schlundermanns, N A , Nebenprozeß5, R. 806. Blomberg wurde nach 1945 von den Amerikanern zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im Falle Wilhelm Faßbenders, 1961 vor dem Landgericht Weiden (Ks 1/62) wegen Beihilfe zum Verbrechen des Mordes angeklagt, kam kein Hauptverhandlungstermin wegen nachgewiesener Verhandlungsunfähigkeit zustande. Am 23. 12. 1968 wurde das Verfahren gegen den mittlerweile 76-jährigen nach § 206 StPO eingestellt. Fritz Multhaupt (geb. 1901) wurde nicht angeklagt; er ist lediglich im Urteil Weck (Landgericht Weiden l a Js 64/54) erwähnt. N A , Nebenprozeß 5, Prozeßakten Kirsammer.

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linge wahrgenommen werden konnten, die nicht ohne weiteres ersetzbar waren, entstand trotz der prinzipiell unbegrenzten Machtvollkommenheit der SS-Führung doch auch eine gewisse Abhängigkeit der SS von den »Kapos«, die das »Funktionieren« des Lagerbetriebes gewährleisteten. Sie übten, vor allem als Lager- und Blockälteste, auch eine sehr wirksame Personenkontrolle aus, hatten die Möglichkeit, ihnen unliebsame Häftlinge zu unterdrücken oder zu denunzieren und sich eine Klientel zu schaffen. Wir wissen, mangels hierfür aufschlußreicher und verläßlicher Zeugnisse, sehr wenig über diese internen Gruppen- und Herrschaftsverhältnisse in Flossenbürg. Bis 1943/44 blieben die Kapo-Funktionen ausschließlich deutschen Häftlingen vorbehalten, auch als diese in der zweiten Kriegshälfte nur noch eine kleine Minderheit innerhalb der Gesamtbelegschaft darstellten. Bis Ende 1942 scheinen in Flossenbürg fast ausschließlich »Vorbeuge-Häftlinge« (VB-Häftlinge) mit dem »grünen« Dreiecks-Kennzeichen auf der Kleidung mit wichtigeren Häftlingsfunktionen betraut worden zu sein. Erster Lagerältester war fast drei Jahre lang der aus Stuttgart stammende VB-Häftling Willi Rettenmeier, auf ihn folgte vom Juni 1941 bis Ende 1942 der VB-Häftling Kliefoth. Dann wurden für 15 Monate, bis zum März 1944, nacheinander zwei politische Schutzhäftlinge, Karl Mayer und Karl Mathoi, zu Lagerältesten ernannt. Die verstärkte Heranziehung politischer Häftlinge in diesem Zeitraum stand vermutlich im Zusammenhang mit der Umstellung auf die Kriegswirtschaftsaufgaben des Lagers, die dazu zwang, die Straf- und Terrorpraxis abzubauen. Die Klientel »grüner« Funktionshäftlinge und Kapos scheint auch unter den »roten« Lagerältesten Mayer und Mathoi weiterhin dominierend gewesen zu sein. Dem ist es möglicherweise auch zuzuschreiben, daß kommunistische oder sozialdemokratische Häftlinge, die es in Flossenbürg ohnehin nur in geringer Zahl gab und die (abgesehen von dem halbjährigen Aufenthalt der Dachauer politischen Häftlinge 1939/40) nicht in gesonderten Blocks untergebracht waren, sich kaum zu Gruppen zusammenschließen und solidarische Verhaltensweisen oder Aktivitäten entfalten konnten. Bei der Gruppenbildung unter den VB-Häftlingen, vor allem auch der Funktionshäftlinge untereinander, scheinen homosexuelle Beziehungen eine erhebliche Rolle gespielt zu haben. In dem »politischen« Lagerältesten Karl Mayer sahen manche Häftlinge »den besten Lagerältesten, den Flossenbürg je hatte«. Andere warfen ihm vor, er habe sich mit den »Grünwinkeln« arrangiert oder bezichtigten ihn gar homosexueller Beziehungen zu diesen 63 . Mehr ist über Karl Mathoi bekannt, der 1943 als neuer Lagerältester eigens von Auschwitz nach Flossenbürg überstellt wurde und sich offenbar ernstlich mit der grünen »Lagerprominenz« anzulegen versuchte, die damals u. a. auch einen eifrigen Schwarzhandel im Lager organisiert hatte. Es ist überliefert, daß Mathoi die Schwarzhändler eigenhändig mit einem Gummischlauch (dem in Flossenbürg üblichen und von der SS zugelassenen Schlagwerkzeug der Kapos) auseinandertrieb, ohne daß er den Schwarzhandel dadurch abschaffen konnte. Auf stärksten Widerstand stieß er, als er sich an die homosexuellen Privilegien bestimmter Funktionshäftlinge heranwagte; die meisten Kapos hielten sich eine »Freundin«. Die Homosexualität grassierte vor allem im Häftlings-Kran63

NA, Hauptprozeß, R. 1880, Aussage des ehem. Häftlings Dr. Gerhard Giesecke bei dem amerikanischen Militärgerichtsverfahren in Dachau.

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kenbau. Als Mathoi hier » O r d n u n g « schaffen wollte, bekam er es mit dem Widerstand der meisten G r ü n w i n k e l - K a p o s zu tun. D a er außerdem in die ständigen Auseinandersetzungen zwischen dem Schutzhaftlagerführer Fritzsch und dem K o m m a n d a n t e n K o e g e l hineingezogen wurde, löste ihn K o e g e l im M ä r z 1944 ab. E r w u r d e in der Folgezeit als Revierkapo verwendet und k u r z vor Kriegsende der SS-Sondereinheit »Dirlewanger« überstellt 6 4 . Z u m neuen Lagerältesten berief die S S - F ü h r u n g nach den Erfahrungen mit Mathoi den V B - H ä f t l i n g A n t o n U h i , der bis Kriegsende amtierte, sich offenbar bei zahlreichen Gefangenen äußerst unbeliebt machte u n d nach der Befreiung von Mithäftlingen gelyncht wurde. E s gibt eine Reihe v o n Indizien dafür, daß die Willkür-Herrschaft von K a p o s sich in besonderem Maße entfaltete, wenn es sich u m diskriminierte Häftlinge nicht-deutscher Nationalität handelte. D i e Korruptions- und Inkriminierungsatmosphäre, die von den Bedingungen der Gefangenschaft gesetzt u n d durch die Herrschaftspraxis der SS zusätzlich und gewollt verstärkt wurde, bewirkte, daß die Häftlinge auch untereinander nationale Gegensätze austrugen und Gewalttätigkeiten deutscher K a p o s sich besonders gegen »inferiore« nicht-deutsche Häftlinge richteten. Als besonders krasser Fall ist das Vorgehen eines »grünen« K a p o s des B a u k o m m a n d o s , Eugen Ziehmer, im Juni 1941 überliefert. Anlaß bildete ein Strafappell polnischer Häftlinge, die nach der Flucht eines jungen Polen 72 Stunden lang auf dem Appellplatz stehen mußten, kein Essen bekamen, nach dem K o m m a n d o eines dazu bestimmten ehemaligen polnischen Offiziers drei T a g e lang abwechselnd zu beten und Kirchenlieder zu singen hatten und unter Mitwirkung der K a p o s verhöhnt u n d mißhandelt wurden. U m einige der zahlreichen erschöpft zusammengebrochenen Polen wieder zu sich z u bringen, wurden die betreffenden mit einem Wasserschlauch begossen. Ziehmer bemächtigte sich des Wasserschlauches, steckte ihn ohnmächtigen Häftlingen in den M u n d u n d ließ ihnen Wasser einpumpen, bis sie daran erstickten. In einem der Flossenbürg-Verfahren des amerikanischen Militärgerichts in D a c h a u wurden diese Vorgänge später rekonstruiert. Ziehmer erhielt die Todesstrafe und w u r d e im Januar 1949 hingerichtet 6 5 . Solche Erscheinungen brutaler Gewaltanwendung gegen Häftlinge anderer Nationalität schlossen auf der anderen Seite nicht aus, daß deutsche G r ü n w i n k e l - K a p o s sich für den homosexuellen U m g a n g bevorzugt jüngere Häftlinge aus Ausländertransporten auswählten oder sie durch Lebensmittel und andere im Lager gehandelte Wertgegenstände zur H o m o s e x u a l i t ä t zu erpressen suchten. U m dem Einhalt zu gebieten, w u r d e ab Mai 1944 ein eigener Block ( N r . 19) für Jugendliche eingerichtet. Eine Besserung der geschilderten Verhältnisse trat jedoch dadurch nicht ein.

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N A , Hauptprozeß, R. 4114ff., Aussage Karl Mathoi; R. 3517ff., Aussage seines Bruders Leonhard Mathoi; Box 45, Mathoi-Records mit Auszug aus Strafregister; ferner ITS, Flossenbürg-Ordner 85, S. 186, Flossenbürg-Überstellungsliste vom 3. 3. 1945. Unterlagen über das abgetrennte Dachauer Gerichtsverfahren gegen Eugen Ziehmer in N A , OOO-Flossenbiirg18: Vgl. auch N W R C , Complete List of War Crimes Case Trials, ferner Prozeßakten und Ziehmer-Records in den N A . Zugleich Affidavids von Bernhard Siegfried, Heinrich Bodet, Josef Ebnerund »Short Story of the Polish Prisoners' Tragedy« von Dr. Joktor Wlodzimierz, Michalak Marian u. a. Siehe auch Affidavid Max Demmel in 2309-PS, S. 152f.

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Wenn nach 1945 behauptet wurde, die Flossenbürger »grünen« Kapos seien durchweg »Verbrecher« gewesen, unter denen die Häftlinge schwer zu leiden gehabt hätten 66 , so trifft diese Pauschalbeurteilung jedoch keineswegs zu. In einigen Fällen haben grüne Kapos sogar nachweislich Häftlinge, die aus politischen Gründen von der SS besonders schikaniert wurden, gedeckt bzw. erfolgreich zu schützen vermocht oder sich mit politischen Gegnern unter den Häftlingen solidarisiert. So versuchte 1941 der Steinbruch-Kapo Weilbach, polnische Gefangene, die zur Exekution nach Flossenbürg überstellt waren, weiter im Steinbruch zu beschäftigen und ihre Hinrichtung zu verhindern 67 . Ein besonderer Fall der Solidarität ergab sich 1942 im Zusammenhang mit den sogenannten »Blaupunkten«: Am 28. November 1942 traf aus Sachsenhausen ein Transport mit zwölf prominenten kommunistischen Häftlingen ein 68 , die in Flossenbürg besonders schweren Arbeitsbedingungen im Steinbruch unterworfen wurden. U m die Wachtposten auf sie aufmerksam zu machen (vielleicht auch, um diese zum Schießen zu ermuntern) hatte man ihnen auf der Kleidung runde blaue Blechschilder auf Rücken und Brust befestigt. Daß von diesen zwölf Häftlingen zehn überlebten - einer wurde vorsätzlich von einem SS-Mann umgebracht - , hatten sie - wie einige von ihnen nach 1945 bezeugten - nicht zuletzt den » grünen« Kapos zu verdanken, die sich mit ihnen solidarisierten und ihnen sogar nachts heimlich Essen in den Arrestbau brachten 69 . Ähnliche Erfahrungen machten acht Häftlinge, die am 20. Juli 1944 wegen politischer Betätigung von Dachau überstellt und in Flossenbürg mit roten Punkten besonders gekennzeichnet wurden. Erst als 1944 mit der Errichtung zahlreicher Außenkommandos manche der »alten« Häftlings-Kapos das Stammlager-Flossenbürg verließen, wurde hier die feste Klientel der deutschen »grünen« Kapos aufgelockert. Jetzt rückten zum ersten Mal auch Ausländer in die Häftlingsfunktionen ein, vor allem Tschechen und Polen, daneben auch Russen, Italiener und sogar ungarische Juden, die als Vorarbeiter eingeteilt wurden. Die wesentlichen Häftlingsfunktionen übten jedoch sowohl im Hauptlager wie in den Nebenlagern bis zum Schluß die Grünwinkel aus. Einige Spitznamen, die unter den Häftlingen gebraucht wurden (»blutiger Alois von Auschwitz«, »schrecklicher Iwan«), kennzeichnen den Ruf der Grausamkeit, den manche von ihnen sich erworben hatten.

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Vgl. Galas/Newiak, a.a.O. N A , Hauptprozeß, Georg Weilbach Records. ITS, Flossenbürg-Ordner 26, S. 173, Uberstellungsliste. Es handelte sich bei den 12 Häftlingen um Albert Buchmann, Fritz Gallein, Wilhelm Girnus, Heinz Golessa, Magnus Grantin, Rudolf Grosse, Hans Guckenhan, Willy Hannemann, Heinrich Meyn, Harry Naujocks, Emanuel Petri, Claus Pieper, Rudolf Rothkegel, Fritz Selbmann, Adolf Seberg, Karl Schirdewan, Karl Schweiger und Wfrner Stanke. Ernst Guckenhan und Rudi Grosse kamen in Flossenbürg ums Leben. Einigeder Überlebenden dieses Transportes bekleideten später in der D D R bedeutende Partei- bzw. Ministerpositionen. Schicksale Einzelner aus dieser Gruppe beschreiben u. a. Selbmann, Fritz: Alternative - Bilanz - Credo. Versuch einer Selbstdarstellung. Halle 1969; ders.: Die lange Nacht. Halle 1974 (letzteres in Romanform); Ahrens, Franz: Franz Ahrens über Max Reimann. Streiflichter aus dem Leben eines Kommunisten. Hamburg 1968; Lienau, Heinrich: Zwölf Jahre Nacht. Mein Weg durch das »Tausendjährige Reich«. Flensburg 1949. Der Verf. dankt dem Wiener Historiker Hermann Langbein für die gewährte Einsichtnahme in sein noch unveröffentlichtes Werk über Widerstand in den K L , in dem er sich auch mit den Blaupunkten von Flossenbürg befa£t. - Selbmann gibt fälschlicherweise an, aus Sachsenhausen seien 18 Blaupunkte nach Flossenbürg überstellt worden. Laut Uberstellungsliste (ITS, Flossenbürg Ordner 26, S. 173) waren es nur 12.

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Antifaschistische Lagerkomitees oder größere illegale Widerstandsaktivitäten hat es in Flossenbürg offenbar nicht gegeben. Gegen Kriegsende häuften sich allerdings die Anzeichen von Sabotage oder von Solidarität, deren Ziel es war, einzelnen oder Gruppen von Häftlingen das Uberleben zu ermöglichen. In der Schreibstube beschäftigte Häftlinge sorgten dafür, daß bestimmte Mitgefangene nicht in besonders berüchtigte Außenlager überstellt wurden. Häftlingen, die in den Arrest-Bunker gesperrt worden waren, warf man vom benachbarten Häftlings-Krankenbau Essen über die Mauer. In der Schlußphase des Krieges kam es auch vor, daß die Bevölkerung Häftlings-Arbeitskommandos heimlich mit zusätzlichem Essen versorgte oder zivile Vorarbeiter im Steinbruch und in den Messerschmitt-Hallen den Häftlingen Lebensmittel und Rauchwaren zusteckten. Aktivitäten mit klar politischem Einschlag sind für eine Gruppe von Häftlingen im Hauptlager bezeugt, die dort in den letzten Kriegs-Monaten Rundfunkgeräte zu reparieren hatten, dabei Feindsender abhörten und die Nachrichten unter den Gefangenen verbreiteten. Ähnliches wird für die Nebenlager Altenhammer und Leitmeritz berichtet. Aktive Sabotage betrieben nachweislich französische Ingenieure und Techniker, die als Häftlinge in einem Flugzeugfertigungswerk in Flöha/Sachsen eingesetzt waren. Sie verfertigten bewußt schadhafte Maschinenteile, deren Mängel nicht ohne weiteres erkennbar waren, die aber bei hoher Luftkampf-Beanspruchung zum Defekt der Maschinen führen mußten; sie entwickelten ferner ein besonderes System brüchiger Vernietung von Flugzeugteilen. Der bedeutendste Fall einer Widerstandshandlung ist für das Arbeitskommando Müls e n - S t . Micheln in Sachsen bezeugt. Seit Januar 1944 arbeiteten hier vorwiegend ehemalige russische Kriegsgefangene des K L Buchenwald. Als Lagerältester des Kommandos wurde aus Flossenbürg Georg Weilbach überstellt. Durch laufende Zugänge aus dem Raum Leipzig vergrößerte sich der Häftlingsbestand in Mülsen erheblich. Als der SSKommandoführer Burke die Essensrationen mehrmals kürzte, und nachdem über den Materialtransport zwischen den Rüstungswerken in Leipzig und dem Kommando Mülsen konspirative Botschaften ausgetauscht worden waren, brach in der Nacht vom 1. auf den 2. Mai ein Aufstand los. Russen hatten vorher die elektrischen Sicherungen des Hauses entfernt und anschließend im Schlafsaal einige Matratzen in Brand gesteckt. Andere zogen selbstgefertigte Messer, mit denen sie im Dunkeln unter den polnischen Häftlingsfunktionären ein furchtbares Blutbad anrichteten. Der Aufstand wurde jedoch von der Bewachungsmannschaft mit Waffengewalt gebrochen. Es kam zu keinem einzigen gelungenen Ausbruch. Als Folge des Aufstandes erlagen in Mülsen bzw. unmittelbar anschließend nach der Rücküberstellung in den Flossenbürger Häftlingskrankenbau 195 Häftlinge ihren schweren Stich- und Brandverletzungen. Am 13. Mai 1944 wurden die mutmaßlichen Rädelsführer von Mülsen nach Flossenbürg transportiert, mindestens 40 von ihnen wurden zwischen Juni und September 1944 im Arrestgebäude in Flossenbürg hingerichtet 70 .

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Vgl. dazu N A , Hauptprozeß, D-Exh. 41. In diesem Zeitraum sind insgesamt 75 Exekutionen in Flossenbürg vermerkt. Angaben über die Mülsener Vorgänge u. a. im ITS, Flossenbürg-Ordner 85, Liste der Toten sowie Rücküberstellungen nach Flossenbürg, ferner in den N A , Hauptprozeß, Georg-Weilbach-Records.

D a s Konzentrationslager F l o s s e n b ü r g 4.

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V E R S C H I E D E N E H Ä F T L I N G S G R U P P E N U N D IHRE B E H A N D L U N G

Von den deutschen Häftlingen, die fast zwei Jahre lang, bis zum Frühjahr 1940, in Flossenbürg die alleinige Belegschaft ausmachten und auch deshalb die Häftlingsfunktionen besetzt hatten, war schon ausführlicher die Rede. Die ausschließliche Belegung mit »kriminellen« und »asozialen« deutschen Häftlingen, die die erste Etappe des Lagers bestimmt hatte, wich später während der Kriegszeit, einer veränderten Praxis: Unter den deutschen Häftlingen, die seit 1940 nach Flossenbürg eingeliefert oder von anderen Lagern dorthin überstellt wurden, befanden sich immer wieder auch politische Schutzhäftlinge (mit dem roten Dreiecks-Kennzeichen), diese blieben aber innerhalb der Gruppe der deutschen Gefangenen stark in der Minderheit; zumal ab 1943 aus den Zuchthäusern und Gefängnissen des Reiches ein weiterer Schub gewöhnlicher »Krimineller« in das Lager überstellt wurde 71 . Die zahlenmäßige Stärke der deutschen Häftlinge und der Anteil der einzelnen deutschen Häftlings-Kategorien läßt sich aufgrund der sehr fragmentarischen Unterlagen nur noch annäherungsweise und sporadisch feststellen. Eine erhalten gebliebene Stärkemeldung vom 8. Februar 1943 72 weist insgesamt 4004 Häftlinge aus, die folgendermaßen aufgegliedert sind: 2033 politische Schutzhäftlinge (die Mehrzahl davon bestand aus Nichtdeutschen: Sowjetrussische, »in Schutzhaft genommene« Zivilarbeiter, tschechische Schutzhäftlinge und einige Franzosen und Holländer, die Minderheit bestand aus deutschen politischen Häftlingen), 782 Vorbeugehäftlinge (deutsche sogenannte »Kriminelle«), 66 Arbeitsscheue (wohl ausschließlich Deutsche), 105 Homosexuelle (ebenfalls wohl ausschließlich Deutsche), 11 SAW 73 -Häftlinge (Deutsche), 7 Bibelforscher (Deutsche), 1 Rasseschänder (deutsch). Die Gesamtzahl der deutschen Häftlinge dürfte damals bei schätzungsweise 1500 ( = 37,5%) gelegen haben. Spätestens seit Mitte 1940 waren auch einige Dutzend deutscher sowie polnischer und tschechischer Juden im K L Flossenbürg festgesetzt und besonders schikanöser Behandlung ausgeliefert gewesen 74 . Unter ihnen befand sich u. a. der 1941 eingelieferte Prager Musikprofessor Leopold Spielmann. Aus den erhalten gebliebenen Unterlagen und nachträglichen Aussagen gewinnt man den Eindruck, daß das SS-Personal 1941/42 die Weisung hatte, möglichst für den Tod oder das Erschießen der jüdischen Häftlinge zu sorgen. Juden wurden in Jauchefässer gesteckt und auf andere Weise zu Tode gequält. Verschie-

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Die Aktion lief unter dem zynischen Stichwort »Auslieferung asozialer Elemente aus dem Strafvollzug an den Reichsführer-SS zur Vernichtung durch Arbeit« ; vgl. BA, NS 3/426, Erlaß des WVHA vom 11.1.1943 ; außerdem Nürnbg. Dok. NG-340, PS-654, NO-1523. ITS, Hist. Ordner Flossenbürg 3, S.41. SAW = >Sonderaktion Wehrmacht^ In deren Rahmen wurden Wehrmachtsstrafgefangene, die mehrmals gegen Militärstrafgesetze verstoßen hatten und als nicht besserungsfähig galten, von der Wehrmacht an die Stapo übergeben und damit in die K L eingewiesen; demnach eine Art »Vorbeugehaft« für ursprüngliche Militärstrafgefangene. In den Sterbebüchern der Gemeinde Flossenbürg ist unter dem 28. 8. 1940 der erste Häftling »mosaischen Glaubens« vermerkt, der »auf der Flucht erschossen« wurde. Für das Jahr 1941 läßt sich aus den Überstellungslisten die Uberweisung von mindestens 39 jüdischen Häftlingen nach Flossenbürg, die zur Hälfte deutscher, zur Hälfte polnischer Nationalität waren, feststellen. Da die Zugangslisten für 1941 nur splitterhaft erhalten geblieben sind (ITS, Flossenbürg Ordner 26), dürfte die tatsächliche Zahl erheblich höher liegen.

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dentlich wurde beobachtet, daß ältere oder schwächliche Juden an den Drahtzaun krochen und die Turmposten baten, sie zu erschießen 75 . Die Sterbebücher der Gemeinde Flossenbürg wiesen bis zum Sommer 1942 den Tod von 72 jüdischen Häftlingen nach, in 16 Fällen wurden Schuß Verletzungen als Todesursache angegeben. Nachdem die Inspektion der KL (= Amtsgruppe D im WVHA) Anfang Oktober 1942 auf Veranlassung Himmlers die Überstellung aller restlichen jüdischen Häftlinge nach Auschwitz und Lublin angeordnet hatte, wurden am 19. Oktober 1942 die damals noch in Flossenbürg befindlichen zwölf Juden nach Auschwitz abtransportiert 76 . In einer späteren Juden-»Bestandsaufnahme« des Inspekteurs für Statistik beim Reichsführer-SS nach dem Stand vom 31. Dezember 1942 wurde über die Juden in Flossenbürg lakonisch berichtet: »Juden-Einlieferung 80, Entlassungen 2, Todesfälle 78, vorhanden keine« 77 . 1941/42 begann die massenhafte Einweisung polnischer Häftlinge: in beiden Jahren kamen jeweils rund 1500 Polen nach Flossenbürg 78 . Die meisten von ihnen wurden von den bayerischen Gestapostellen im Wehrkreis XIII (der Unter-, Mittel- und Oberfranken sowie die Oberpfalz und Niederbayern umfaßte) eingewiesen. Meist handelte es sich um polnische Zivilarbeiter, die seit 1939/40 in der Landwirtschaft und Industrie in diesen bayerischen Regierungsbezirken eingesetzt waren und wegen unerlaubter Entfernung vom Arbeitsplatz, Unbotmäßigkeit, unerlaubtem Geschlechtsverkehr mit deutschen Frauen oder aus anderen Gründen zur Anzeige gebracht worden waren. Nach 1942 nahm die Zahl dieser Festnahmen noch zu. Ein Bild von der Größenordnung vermitteln die Monatsberichte des Regierungspräsidenten von Niederbayern und der Oberpfalz, in denen die Schutzhaftfälle und die Uberstellung in Konzentrationslager in der Regel zahlenmäßig erfaßt sind. Für den Monat Januar 1943 ergibt sich daraus : Unter 177 Personen, die allein aus diesen beiden Regierungsbezirken während eines Monats aufgrund von Schutzhaftbefehlen in Konzentrationslager eingeliefert wurden, befanden sich 153 polnische Zivilarbeiter. Außerdem wurden 190 polnische und 42 sowjetrussische Arbeiter und Arbeiterinnen wegen Arbeitsverweigerung festgenommen und die 176 Männer unter ihnen »in ein Konzentrationslager überstellt« 79 . Bei einem Teil der nach Flossenbürg transportierten Polen handelte es sich offenbar um Angehörige der polnischen Widerstandsbewegung oder partisanenverdächtige Personen. Das galt vor allem für den Transport von 583 Häftlingen, die 1940 in den besetzten polnischen Gebieten festgenommen, zunächst nach Auschwitz gebracht und von dort im Januar 1941 nach Flossenbürg transportiert wurden. Auf die Polen dieses Transports bezogen sich anscheinend in erster Li-

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Vgl. Statement Bodet, a.a.O. Vgl. Kalendarium der Ereignisse, in: Hefte von Auschwitz Nr. 3 (1960), S.97. Vgl. zum Vorstehenden Nürnbg. Dok. PS-3677 und NO-1577; ferner ITS, Flossenbiirg-Ordner 26 und Hist. Ordner 267, S. 136. Für Januar 1941 lassen sich ein Transport aus Auschwitz mit 583 Polen, ferner für das 1. Halbjahr 1941 Sammeltransporte mit 273, für das 2. Halbjahr 1941 Sammeltransporte mit 717 polnischen Häftlingen nachweisen. Im Jahre 1942 wurden nachweislich von der Stapo-Stelle Regensburg 507, von der Stapo-Stelle Nürnberg-Fürth 935, von der Stapo-Stelle Würzburg 141 Polen nach Flossenbürg überstellt. Vgl. ITS, Flossenbürg-Ordner 26, 27. Siehe auch GStA, MA 106 674, Berichte des Regierungspräsidenten für Niederbayern und der Oberpfalz. Vgl. Bayern in der NS-Zeit. Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte, hrsg. von Martin Broszat, Elke Fröhlich, Falk Wiesemann. München 1977, S.312.

D a s Konzentrationslager F l o s s e n b ü r g

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nie die Hinrichtungsaktionen, die für den Zeitraum von Februar bis September 1941 bezeugt sind. Die erste dieser nachweisbaren Hinrichtungen von Polen fand am 6. Februar statt, die letzte am 8. September 1941. Für diesen Zeitraum liegen 182 Todesurkunden vor, die jeweils als Todesursache »Erschossen auf Befehl des Reichsführers-SS« verzeichnen. Hintergrund und Anlaß der Aktion sind auch heute noch nicht völlig klar. Vieles spricht aber für die Version des damaligen Rapportführers Sepp Schmatz, der nach 1945 in seinem Dachauer Verfahren wiederholt aussagte, in jedem einzelnen Falle hätten Hinrichtungsbefehle der Polizeipräsidenten von Lublin und Bromberg vorgelegen. Als Begründung seien verbotener Waffenbesitz oder Widerstandstätigkeit in den besetzten polnischen Gebieten angeführt worden. Die Todesurteile seien von Standgerichten in Lublin bzw. Bromberg ausgesprochen worden. Die politische Abteilung in Flossenbürg habe die Exekutionsausführung den auftraggebenden Polizeipräsidenten im besetzten polnischen Gebiet melden müssen 80 . Die Polenhinrichtungen fanden in einer Talmulde neben dem Krematorium außerhalb des Schutzhaftlagers statt, wo sich der Schießplatz der SS-Kompanien befand. Auf diesem Schießgelände wurden die Häftlinge in Gruppen verschiedener Stärke jeweils durch eine einzige Salve eines SS-Pelotons getötet. Keine Gruppe war kleiner als zwei Mann mit Ausnahme eines 17-jährigen polnischen Jungen, der am 6. Februar 1941 als erster hingerichtet wurde. Die größte Hinrichtungszahl verzeichnete man am 2. Juli, als in der Zeit zwischen 9.30 und 12.30 Uhr 40 Polen erschossen wurden. Die zur Hinrichtung bestimmten Männer brachte man am Abend nach dem Arbeitseinsatz in den Arrest. Zwei Stunden vor der Exekution verlas ein Dolmetscher im Beisein des Schutzhaftlagerführers und des Leiters der Politischen Abteilung die Todesurteile. Bei der Hinrichtung hatten sich die Polen mit dem Rücken zum Exekutionskommando aufzustellen. Die Hände waren ihnen auf den Rücken gebunden. An den Erschießungen nahmen in der Regel sowohl der Kommandant (Künstler) wie der Schutzhaftlagerführer (Aumeier) teil; letzter gab mitunter Gnadenschüsse mit seiner Pistole ab, wenn ein Opfer nicht soforttot war. Rapportführer Schmatz mußte die Leichen jeweils so hinlegen, daß der ebenfalls anwesende Arzt den Tod feststellen konnte. Meist konnten die Exekutionen von den Häftlingen nicht beobachtet werden, weil der Erschießungsplatz in einer Senke lag. Während der Hinrichtung hatten die Häftlinge außerdem auf den Blocks zu bleiben und durften nicht aus dem Fenster schauen. Dennoch gibt es einige, die - beispielsweise als Leichenträger - Zeugen der Erschießungsaktionen wurden. 80

Vgl. N A , Nebenprozeß 3, R. 802 ff. Schmatz gab ferner an, am 6. 5. 1941 sei ein Geheimbefehl Himmlers in Flossenbürg eingetroffen, wonach ausschließlich Angehörige der Abteilung III (Schutzhaftlager) an den Exekutionen teilnehmen sollten. Das Erschießungskommando sollte jeweils aus 12 Mann mit Führer bestehen; als Zeugen sollten der Kommandant bzw. Adjutant, der Leiter der Politischen Abteilung, der Lagerarzt sowie ein Unteroffizier anwesend sein. Zur Gerichtsbarkeit im Generalgouvernement und zur Tatsache von Standgerichtsurteilen siehe Präg, Werner und Wolfgang Jacobmeyer (Hrsg.) : Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen 1939-1945. Stuttgart 1975, S. 100 f., 154. Mit den Polenexekutionen befaßten sich auch: Landgericht Weiden, Verfahren Ks 3/50; ferner N A , Hauptprozeß, Ρ 63, Statement Levix Jakubith; Nürnbg. Dok. 2309-PS, S. 152 (Max Demmel) sowie Jobst, Hans Lorenz: Die Hinrichtung, in: Der neue Tag vom 30. 10. 1946.

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Abgesehen von diesen angeordneten Erschießungsaktionen (mindestens 182 Getötete) kamen auch sonst 1941 auffällig viele Polen ums Leben. Als es im Juni 1941 dem35-jährigen Polen Stanislaus Szelang gelungen war, aus dem Lager zu fliehen, verhängte die SSFührung über die polnischen Häftlinge die brutale Racheaktion, die schon geschildert wurde 81 . An den Folgen solcher Mißhandlung oder aus anderen Gründen starben im Jahre 1941 166 Polen. Zusammen mit den 182 Hingerichteten ergab sich mithin für dieses Jahr eine Summe von 348 Todesfällen unter den polnischen Häftlingen. Das bedeutete: Fast 50 Prozent aller Sterbefälle, die im Jahr 1941 mit 696 einen ersten Rekord erreichten, entfielen auf die Polen. Im September 1941 begann ein weiteres dunkles Kapitel der Lagergeschichte: Wie in anderen Konzentrationslagern trafen in Flossenbürg sowjetische Kriegsgefangene ein, die als ehemalige Kommissare, marxistische Funktionäre in der Roten Armee oder aus sonstigen Gründen (Invalidität, Krankheit u.a.) aufgrund des geheimen »Kommissarbefehls« 8 2 von Einsatzkommandos der Stapo-Stellen in den Kriegsgefangenenlagern ausgesondert und von der Wehrmacht zur Exekution an die Gestapo überstellt wurden. Am 4. September 1941 ist eine erste solche Gruppe von 17 sowjetischen Kriegsgefangenen in Flossenbürg erschossen worden, sie stammte aus dem Kriegsgefangenenlager in der nahegelegenen Kreisstadt Weiden. Leiter der Aussonderungsaktion im Bereich Niederbayern/Oberpfalz war Kriminalrat Kuhn von der Stapo-Stelle Regensburg. Sein Einsatzkommando überprüfte bis Sommer 1942 27 Kriegsgefangenen-Kommandos und -Lager mit insgesamt 2344 Kriegsgefangenen, von denen 330 ausgesondert und in Flossenbürg hingerichtet wurden. Die Aussonderungen scheinen ziemlich willkürlich geschehen zu sein und keineswegs nur »Kommissare« im engen Sinn betroffen zu haben: Einbezogen wurden sämtliche Juden unter den russischen Kriegsgefangenen, aber auch einfach »Intelligenzler« oder als Aufwiegler oder Arbeitsverweigerer denunzierte Gefangene. Der zeitliche Schwerpunkt der Erschießungsaktionen lag in der zweiten Hälfte des Jahres 1941, aber auch noch in den Jahren 1942-1944 wurden nachweislich Gruppen von sowjetischen Soldaten und Offizieren im Lager erschossen 83 . Die Gesamtzahl der russischen Kriegsgefangenen, die im Verlaufe einzelner Auskämmaktionen zwischen 1942 und 1944 nach Flossenbürg gebracht und dort getötet wurden, läßt sich nicht mehr ermitteln. Da das Lager bei den Aktionen nur als Exekutionsort diente, wurden die Todesfälle nicht in den Lagerakten verzeichnet, sondern »verwaltungsmäßig« bei den einliefernden

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Der nach vier Tagen wieder eingefangene und schwer verletzt in das Lager zurücktransportierte Szelang wurde am 9. 8. 1941 »auf Befehl des Reichsführers SS erhängt«; siehe Sterbebuch der Gemeinde Flossenbürg. Siehe Jacobsen, Hans-Adolf: Kommissarbefehl und Massenexekutionen sowjetischer Kriegsgefangener, in: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2, Ölten 1965, S. 163-279. Aus verschiedenen Aussagen und Zeugnissen lassen sich folgende weitere Erschießungsaktionen nachweisen: 20 Personen aus dem Stalag XIII A (Sulzbach-Rosenberg; Maxhütte) im Herbst 1941 (vgl. Nürnbg. Dok. NO-5523), 60 Personen aus dem Stalag Hohenfels, Zeitpunkt unbekannt (Nürnbg. Dok. NO-5240 und NO-5521), 35 Offiziere, die Ende April 1942 in zwei Schüben in Wehrmachtautos in das Lager transportiert wurden (NA, Hauptprozeß, R. 1880, Aussage Dr. Giesecke), 72 sowjetische Offiziere, darunter 3 Generale, von Karlsbad antransportiert (Kurze Chronik, Kucera, a.a.O.), 49 sowjetische Offiziere, am 8. 2. 1944 exekutiert (NA, Box 52/5, Bericht von Dr. Aigholzer).

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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Stapo-Stellen erfaßt, deren Akten nicht mehr vorliegen. Aus verschiedenen Zeugnissen und Dokumenten läßt sich nachweisen, daß mindestens 566 sowjetische Kriegsgefangene in Flossenbiirg im Zuge der genannten Aktionen getötet wurden. Berücksichtigt man, daß ab Januar 1942 »mindestens 8 bis 10 Transporte mit jeweils 20 bis 50 Gefangenen« von der Stapo Karlsbad eingeliefert wurden 84 , die in der genannten Zahl nicht enthalten sind, kommt man auf eine Schätz-Ziffer von 800-1000 getöteten sowjetischen Kriegsgefangenen. Die tatsächliche Gesamtzahl kann aber auch wesentlich höher gelegen haben 85 . Bei der Tötung der russischen Kriegsgefangenen wandte man in der Regel die gleiche Exekutionsform wie bei den Polen an. Auch diese Erschießungen fanden auf dem SSSchießplatz beim Krematorium statt, wohin die Gefangenen mit entblößtem Oberkörper in kleinen Gruppen gebracht wurden. Die Betroffenen leisteten in der Regel keinen Widerstand. Der Lagerkommandant bzw. der Schutzhaftlagerführer erteilten die Feuerbefehle. Danach wurden die Leichen weggeschafft, und die nächste Gruppe war an der Reihe. Zugleich tauschte man im Exekutionskommando die SS-Leute gegen solche aus, die noch nicht geschossen hatten. Etwa im April 1942 wurden die Hinrichtungen durch solche Schießkommandos eingestellt, weil mit dem am Exekutionsplatz vorbeifließenden Bach Blut oder gar Leichenteile in die Ortschaft Flossenbürg geschwemmt worden waren, worüber sich Einwohner des Dorfes beschwert haben sollen. Angeblich konnten auch Angehörige der SS-Exekutionskommandos, die für die Teilnahme an Hinrichtungen Sonderrationen Alkoholika verabreicht erhielten, dennoch die Nervenbelastung nicht länger ertragen. Nicht zuletzt dürfte für die Einstellung der Erschießungen maßgeblich gewesen sein, daß im Ort die stets wiederkehrenden Schußsalven der Hinrichtungskommandos zu hören waren, die offensichtlich nicht auf militärische Schießübungen zurückgeführt werden konnten. Ab Frühjahr 1942 wurden die zur Hinrichtung vorgesehenen russischen Kriegsgefangenen deshalb mit Giftspritzen getötet. Hiermit wird besonders der damalige Standortarzt Dr. Richard Trommer in Verbindung gebracht 86 . An den Abspritzungen sollen sich aber auch SS-Männer bzw. Häftlinge in Assistenz des Arztes beteiligt haben. In der Regel wurden die Abspritzungen im Krematorium vorgenommen. Dazu mußte das Häftlings84

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So die Angabe des gut informierten Häftlings Ernst Schur ( N A , Nebenprozeß 3, R. 413), der in der Häftlingseffektenkammer beschäftigt war und dort die Kleidung der zur Exekution bestimmten Kriegsgefangenen in Empfang nahm. A m 2 4 . 1 . 1 9 4 2 teilte der Nürnberger Kriminal-Rat Otto der Stapoleitstelle München mit: ». . . Durch die Einsatzkommandos der Stapo-Stelle Nürnberg-Fürth wurden bis jetzt 2009 Sowjetrussen (652 Offiziere und 1357 Mannschaften) ausgesondert und der Sonderbehandlung zugeführt. « Aufgrund dieses Femschreibens nahm ein früherer Mitarbeiter des Archivs in der KZ-Gedenkstätte Dachau an, diese 2009 Russen seien in Flossenbürg exekutiert worden. Eine entsprechende Berechnung auf dieser Basis legte das KZ-Museum Dachau auch dem ITS in Arolsen vor. Inzwischen zugängliches Material beweist dagegen einwandfrei, daß diese 2009 Kriegsgefangenen nahezu ausschließlich in Dachau exekutiert wurden. Vgl. Verfahren am Landgericht Nürnberg-Fürth gegen ehemalige Wehrmachtsoffiziere bzw. Stapo-Angehörige, die mit der Aussonderung im Bereich Nürnberg-Fürth zu tun hatten: I b Js 3528/59; III c Js 1110/18-50. Ferner die Aussage des Leiters der Nürnberger Einsatzgruppe für das Oflag Hammelburg, Paul Ohler, (StA Nürnberg, Fall XII, R. 580 ff.) und Ohlers Affidavit (Nürnbg. Dok. NO-4773, NO-4774) sowie die Aussage des ehemaligen Kriminal-Sekretärs Karl Müller (Nürnbg. D o k . NO-5534). Dennoch gibt es Anzeichen dafür, daß über den Januar 1942 hinaus Flossenbürg auch der Stapo-Stelle Nürnberg-Fürth als Exekutionsort diente. Hierzu Leichenträger Josef Stegmeier ( N A , Nebenprozeß 3, R. 430) und Kapo Leonhard Löffler ( N A , Nebenprozeß 5, R. 116); siehe auch Landgericht Weiden, II A K 1/53, S.326, sowie Ks 2/55, S.704, 715.

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krematoriumspersonal ins Freie und durfte erst wiederkommen, wenn die Aktion beendet war. Als Gift wurde Karbolsäure verwendet, die direkt ins Herz gespritzt wurde. Die Leichen wiesen in der Regel einen Fingerbreit oberhalb der linken Brustwarze einen Nadeleinstich auf. Nach Aussagen des Krematoriumspersonals kam eine Zeitlang jeden zweiten oder dritten Tag ein solcher Transport mit russischen Kriegsgefangenen, die Injektionen erhielten. Auf diese Weise sollen mindestens 200 Russen getötet worden sein. Manchmal seien bis zu 50 Leichen auf einmal im Krematorium gelegen. Ein anderer Teil der Kriegsgefangenen wurde im Krematorium durch Genickschüsse getötet. Dazu wurden die Betreffenden einzeln aus einem Nebenraum geholt und nacheinander erschossen. Ein Teil der Russen soll auch im Arrestgebäude durch Genickschüsse getötet worden sein. Möglicherweise sind hier ebenfalls Abspritzungen vorgenommen worden. Die Wirkung der Exekutionsserie drückte sich auch darin aus, daß man Schwierigkeiten hatte, den hohen Leichenanfall zu bewältigen. Zwar war im Juni 1940 ein eigenes Lagerkrematorium in Betrieb genommen worden 8 7 , doch schon Anfang Oktober 1941, als die verstärkte Aktion gegen die russischen Kriegsgefangenen einsetzte, registrierte die Politische Abteilung bei der Kommandantur des Lagers eine Überlastung des Krematoriums: » . . . [Um den] bestehenden Ofen zu schonen, ist es dringend erforderlich, daß ein zweiter Ofen aufgestellt wird.« Anfang Dezember meldete die Politische Abteilung, der das Krematorium verwaltungsmäßig unterstand, erneut: »Die Einäscherungsanlage bedarf einer dringenden Reparatur« 88 . Mit sowjetischen Kriegsgefangenen hatte das Konzentrationslager Flossenbürg nicht nur durch die vorstehend geschilderten Exekutionen zu tun. Wie in anderem Zusammenhang bereits erwähnt, waren im Herbst 1941 2000 sowjetische Kriegsgefangene als Arbeitskräfte nach Flossenbürg überstellt worden. Diese brachte man innerhalb des Konzentrationslagers in einem Sonderlager unter, das nominell weiterhin als der Wehrmacht unterstelltes Kriegsgefangenenlager (Stalag) figurierte, tatsächlich aber der SS-Führung und -Verwaltung des KL Flossenbürg unterstand. Zur Unterbringung wurden zunächst provisorisch die Blocks 11, 12 und 13 geräumt und durch Umzäunung mit Stacheldraht vom übrigen Bereich des Schutzhaftlagers getrennt 8 9 . Die Einweisung von 2000 Sowjetrussen in diese Blocks bedeutete von Anfang an eine katastrophale Überbelegung. Auch die Aufenthaltsräume der Blocks wurden mit mehrstöckigen Pritschen ausgefüllt, die sich jeweils mehrere Gefangene teilen mußten. Die russischen Kriegsgefangenen waren schon in schlechtestem Zustand in Flossenbürg eingetroffen. Auf wochenlangen Märschen in der Oberpfalz hatten sie kaum Verpflegung erhalten, während des Transportes sollen auch Fälle von Kannibalismus vorgekommen

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Bis dahin wurden die aus dem Lager anfallenden Leichen im Krematorium der Stadt Selb in Oberfranken eingeäschert. Bei Bedarf fuhr dorthin ein Leichenwagen. BA, N S 4 Fl. vorl. 23. Diese 3 Blocks wurden später als Schonungsblocks verwendet, trugen dann aber nach erfolgter Umnumerierung die N r . 16 bis 18. Dazu Angaben des SS-Mannes O t t o Pawliczek (NA, Hauptprozeß, R. 5749), des Kapos Kurt Stelzner (NA, Nebenprozeß 5, R. 643) sowie ITS, Hist.-Sammelakt 1, S.84f.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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sein. D e r damalige Standortarzt D r . Gerhard Schiedlausky schrieb darüber später: 9 0 » . . . diese kamen in einem sehr schlechten Zustand, unterernährt und fast verhungert an, dafür aber brachten sie Fleckfieber mit, s o daß sofort reichlich Arbeit für die neueingesetzten Häftlingsärzte vorhanden war.« E s scheint sich in hohem Maße u m sehr junge G e f a n g e n e im Alter bis zu 20 Jahren gehandelt zu haben, die erst wenige T a g e vor ihrer Gefangennahme militärisch ausgebildet und eingekleidet worden waren und noch keinen Frontdienst geleistet hatten. Sie waren in der Sowjetunion in einem Ausbildungslager geschlossen in Gefangenschaft geraten 9 1 . D a mit A u s n a h m e des deutschen V H - H ä f t l i n g s K u r t Stelzner 9 2 niemand die russische Sprache beherrschte, w u r d e er dem Kriegsgefangenenlager als Blockältester zugeteilt. Er lebte fortan in einem der drei umzäunten Blocks und durfte als einziger Häftling in das hermetisch abgesicherte L a g e r . Seitens der SS war es ebenfalls nur bestimmten Personen erlaubt, dieses Terrain z u betreten. Z u r besonderen Kennzeichnung erhielten die sowjetischen Kriegsgefangenen sechsstellige G e f a n g e n e n - N u m m e r n . Sie wurden auch verwaltungsmäßig gesondert behandelt, z . B . mußten die Sterbefälle stets den Wehrmächte- Auskunftsstellen ( W A S T ) mitgeteilt werden. In Flossenbürg wurden diese Todesfälle nur für ein Vierteljahr am Gemeindestandesamt beurkundet. Schon in d e r Z e i t von Mitte O k t o b e r 1941 bis Mitte M ä r z 1942 verstarben in dem provisorischen Sonderlager mindestens 208 Kriegsgefangene infolge von T y p h u s . D i e Gesamtsterblichkeit in diesem Zeitraum war aber noch höher, bereits am 25. Januar 1942 waren von den ursprünglich 2000 nur noch 1700 am L e b e n 9 3 . L a u t Bericht des L a g e r k o m m a n d a n t e n v o m 15. M ä r z 1942 lebten damals noch 1642 Kriegsgefangene. Im September 1942 wurden 650 in das Konzentrationslager Mauthausen abtransportiert

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Als im S o m m e r 1942 vier neue, eigens für die sowjetischen Kriegsgefangenen errichtete Pferdestall-Baracken (ohne Fenster, lediglich mit Oberlichtern) fertiggestellt w a r e n 9 5 , hatte sich die Zahl dieser Gefangenen schon erheblich vermindert. E s ist unbekannt, o b 90

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Nürnbg. Dok. NO-508. Dr. Schiedlausky kam Ende September 1941 von Mauthausen nach Flossenbürg und blieb bis Anfang Dezember; danach als Standortarzt nach Ravensbrück und im Herbst 1943 in gleicher Funktion nach Buchenwald. Laut Statement Heinrich Bodets ( N A , Box 52/1) handelte es sich ausschließlich um Jugendliche im Alter bis zu 20 Jahren. Dem widersprechen ζ. T. 24 Sterbefallanzeigen der WAST an die Gemeinde Flossenbürg für den Zeitraum 17. 10. bis 17. 11. 1941. Danach waren die Verstorbenen über 20, z . T . bis zu 34 Jahre alt. Der den Russen zugeteilte Kapo Stelzner gibt an, die Gefangenen seien über Rostock und das Stalag XIII NürnbergLangwasser nach Flossenbürg überstellt worden. N A , Nebenprozeß 5, R. 643. Er blieb bis 27. 5.1943 Häftling in Flossenbürg, wurde dann entlassen und bei derStapo Regensburg kurzzeitig als Dolmetscher für slawische Sprachen verwendet. Wegen Krankheit schied er aus und kam in einem Zivilberuf unter. Im K L Flossenbürg trug er bezeichnenderweise den Spitznamen »Iwan der Schreckliche« bzw. einfach »Iwan«. Siehe B A , N S 4 Fl. vorl. 5/11/19 und 21, Monatsmeldungen des Lagerarztes bzw. Arbeitseinsatzführers, sowie Standesamt der Gemeinde Flossenbürg, 24 WAST-Sterbefallanzeigen von Oktober bis Mitte November 1941. Demnach fehlt zur endgültigen Ermittlung der Todeszahl für diesen Zeitraum noch die verlorene Meldung vom 16. 11. bis 15. 12. 1941. ITS, Flossenbürg-Ordner 41, S. 62ff., Uberstellungslisten. Darüber hinaus werden in Funksprüchen des K L Flossenbürg an das WVHA (BA, NS 4 Fl vorl. 22) noch mindestens 2 gemeinsame Transporte von Häftlingen und Kriegsgefangenen an die K L Neuengamme und Sachsenhausen genannt. Die Zahlen (zusammen 600 Mann) sind leider nicht aufgeschlüsselt. B A , N S 4 Fl. vorl. 54, Kriegsgefangenen-Lager.

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diese Baracken überhaupt noch von den Sowjetrussen bezogen wurden. Später verwendete man sie als Quarantäne-Blocks für Neuzugänge. Es gibt Anzeichen dafür, daß seit dem Frühjahr 1942 nichtarbeitsfähige oder kranke sowjetische Kriegsgefangene in größerer Zahl vom Lagerarzt (Dr. Trommer) durch Injektionen getötet wurden. Wenn man davon ausgeht, daß etwa ein Drittel dieser Gefangenen an andere Lager überstellt wurde, so ergibt sich als Bilanz, daß nur wenige der in Flossenbürg Gebliebenen das Ende des Lagers überlebten. Aus der letzten amtlichen Stärkemeldung, die kurz vor der Befreiung des Lagers, im April 1945, erstellt wurde, ist ersichtlich, daß sich damals nur noch 107 russische Kriegsgefangene in Flossenbürg befanden 96 . Neben den sowjetischen Kriegsgefangenen, die entweder nur zur Exekution nach Flossenbürg überstellt wurden oder im Sonderlager für Kriegsgefangene von den übrigen Häftlingen getrennt waren, bildete die Gruppe der sowjetischen Zivilarbeiter nach den Polen seit 1942 die stärkste Gruppe der Schutzhäftlinge. Je mehr sowjetische Zivilarbeiter in der zweiten Kriegshälfte meist zwangsweise aus den besetzten Ostgebieten in das Reich transportiert und in Industrie und Landwirtschaft zur Arbeit eingesetzt wurden, um so mehr häuften sich - auch in Bayern - die Fälle von Arbeitsverweigerung, Sabotage oder Geheimbündelei unter diesen Zwangsarbeitern, die mit einem besonderen Kennzeichen (»Ost«) auf der Kleidung kenntlich gemacht und von der Polizei mißtrauisch observiert wurden. Die Monatsberichte der bayerischen Regierungspräsidenten zeigen deutlich, welchen Umfang aufgrund dessen seit 1942/43 die Uberweisung von widersetzlichen Ostarbeitern in die Konzentrationslager annahm. Seit 1944 bildeten sich unter ihnen auch weitverzweigte Untergrundorganisationen heraus. Auf eine solche Organisation bezog sich der Monatsbericht des Regierungspräsidenten von Ober- und Mittelfranken vom 9. Juni 1944: » . . . wurden in den Monaten März, April, Mai 1944 eine kommunistische Organisation aufgedeckt, der ausschließlich sowjetische kriegsgefangene Offiziere, Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen angehörten. Ihr Ziel war die Vorbereitung eines bewaffneten A u f s t a n d e s . . . Durch die Festnahme von 65 sowjetischen kriegsgefangenen Offizieren, 27 Ostarbeitern und 13 Ostarbeiterinnen wurde die gesamte Organisation zerschlagen.. ,« 9 7 .

Kriegsgefangene und »Fremdarbeiter« wurden als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und Industrie immer stärker dominierend und als Gefahr empfunden. Rund 90 Prozent der in den Regierungsbezirken Niederbayern und Oberpfalz im Jahre 1944 wegen Arbeitsvertragsbruches gemeldeten Festnahmen bezogen sich auf Ausländer. Bei leichteren Fällen behalf man sich mit mehrwöchiger Polizeihaft, in schwereren Fällen verhängte man Schutzhaft mit Überweisung in das KL Flossenbürg 98 . Polen und sowjetische Zivilarbeiter bildeten dabei die Hauptkontingente. Im ersten Quartal 1943 taucht in den Lagerakten zum ersten Mal auch der Begriff »entlassener Kriegsgefangener« in Flossenbürg auf. Hier handelte es sich um zuvor in Stalags und Oflags eingesessene Sowjet-Russen,

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Nürnbg. Dok. 2309-PS, S. 36ff. sowie Kurze Chronik, Kucera, a.a.O., und Statement Bodet, a.a.O. Vgl. Bayern in der NS-Zeit, a.a.O., S. 318. Für die Zeit von Dezember 1943 - Juli 1944 meldete der Regierungspräsident 274 Schutzhaftfälle, für Juli 1944 außerdem 154 Fälle von Polizeihaft (16 Deutsche, 138 Ausländer); vgl. Bayern in der NS-Zeit, a.a.O., S.318f.

Das Konzentrationslager Flossenbürg

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welche wegen bestimmter Vergehen von der Stapo ins K L eingeliefert wurden. Bei diesem Standortwechsel schieden die Gefangenen aus dem Unterstellungsverhältnis des Wehrmachts-Kriegsgefangenenwesens aus. In Flossenbürg erhielten sie die üblichen Häftlingsnummern. Außer Russen und Polen kamen in der 2. Kriegshälfte in zunehmendem Maße auch Franzosen, Belgier und Tschechen nach Flossenbürg, meist wegen Widerstands-Verdacht oder erwiesener Widerstandstätigkeit, in kleinerem Umfang Gefangene fast aller Nationalitäten, aus Ländern, die von deutschen Truppen besetzt waren. Besonders stark scheint in Flossenbürg die Gruppe der im Rahmen der sogenannten »Nacht- und Nebelaktion« 99 seit 1942/43 verhafteten Personen (NN-Häftlinge) aus den besetzten Westgebieten vertreten gewesen zu sein. Sie waren in Frankreich, Belgien oder Holland inhaftiert worden und erhielten, weil man ihr Schicksal - zur Abschreckung von Gesinnungsgenossen - absichtlich im ungewissen halten wollte, im Lager Flossenbürg totales Briefund Postempfangs-Verbot. Da 1943/44 in Frankreich die Partisanentätigkeit erheblich zunahm, wurde als weitere solche Vorbeugungsmaßnahme die Aktion »Meerschaum« durchgeführt. Ab April 1944 kamen tausend französische Häftlinge über Auschwitz nach Flossenbürg, die im Rahmen dieser Aktion oft wahllos verhaftet worden waren. Als in der zweiten Hälfte 1944 die traditionellen Arbeitskraftquellen (Kriegsgefangene, Polen, Ostarbeiter) spärlicher flössen, Himmler und Pohl aber die kriegswirtschaftliche Zwangsarbeit unter SS-Kommando nochmals stark ausweiteten, wurden insbesondere Juden aus Ghettos und Lagern im Osten massenhaft in die Konzentrationslager des Reiches, so auch in das K L Flossenbürg und seine zahlreichen Außen-Kommandos, hineingepreßt. Die meisten von ihnen waren aus allen möglichen Teilen Europas erst vor längerer oder kürzerer Zeit nach dem Osten transportiert worden und entweder von vornherein oder nach entsprechender Ausnützung ihrer Arbeitskraft im Rahmen des Programms zur »Endlösung der Judenfrage« zur Vernichtung bestimmt gewesen. Der Rückzug im Osten zwang nun dazu, die dort noch bestehenden Juden-Lager und Ghettos aufzulösen. Die in der NS-Weltanschauung als Völkerbazillus geltende, diskriminierte und geschundene Rasse schien der SS-Führung gerade gut genug als Zwangsarbeits-Reservearmee für die in den KL-Außenkommandos in der letzten Kriegsphase forcierten Anstrengungen zur Verlagerung von wichtigen Rüstungsindustrien. Vor allem von den Hunderttausenden ungarischer Juden, die erst seit dem Frühjahr 1944 (nach der deutschen Besetzung Ungarns) abtransportiert worden waren und von denen der größere Teil in Auschwitz sofort vergast wurde, behielt man Zehntausende Arbeitsfähiger für schwerste Zwangsarbeit in den Konzentrationslagern zurück. Allein zwischen August 1944 und Januar 1945 wurden im Zuge dieser Gesamtoperation mindestens 10000 Juden in das Stammlager, hauptsächlich jedoch in die Nebenlager des K L Flossenbürg transportiert. Die umfangreichsten Transporte kamen aus Krakau (4. August 1944 mit 2699 Juden), Warschau (28. Oktober 1944 mit 2238 meist polnischen Juden) und direkt aus Ungarn (November/Dezember 1944 mit insgesamt 3189 ungarischen Juden). Vor allem die Juden aus Ungarn,

99

Zum »Nacht- und Nebel-Erlaß« vom Dezember 1941 vgl. Niirnbg. Dok. PS-669 und PS-1932.

470

Toni Siegert

die Hunderte von Kilometern marschieren mußten, kamen großenteils in völlig erschöpftem Zustand an. Zahlreiche Juden starben schon in den Tagen unmittelbar nach ihrem Eintreffen. Die übrigen wurden meist nach kurzer Quarantänezeit zu den berüchtigten Außenkommandos Leitmeritz und Happurg bei Hersbruck in Marsch gesetzt, wo die schwere Arbeit zur Anlage von Berg-Stollen für die unterirdische Rüstungsproduktion den meisten von ihnen buchstäblich »den Rest« gab. Am 31. März 1945 waren in den Außenlagern nur noch 4533 Juden am Leben 100 . Eine Stärkemeldung vom 28. Februar 1945 läßt erkennen, wie groß die Anteile der einzelnen Nationalitäten in den Außenlagern waren, in denen sich damals insgesamt 22000 Häftlinge befanden. Sie macht deutlich, daß es 30 verschiedene Nationalitäten gab, darunter auch Schweizer, Amerikaner und sogar Chinesen. Die weitaus stärkste Gruppe bildeten noch immer die Polen (38,2%). Zweitstärkste Gruppe waren die Russen (23,2%), dann folgten die Ungarn, hauptsächlich ungarische Juden, (9,0%), die Franzosen (6,7%), die Italiener und die Deutschen (jeweils 5,5%) sowie die Tschechen (4,8%) 1 0 1 .

5.

D I E TÄTIGKEIT DER S S - A R Z T E : EUTHANASIE, MEDIZINISCHE VERSUCHE, TÖTUNG VON KRANKEN UND »UNERWÜNSCHTEN«

HÄFTLINGEN

Wie in anderen Konzentrationslagern waren die SS-Ärzte auch in Flossenbürg eingespannt in ein »System« der Verfolgung, Vernachlässigung und hybriden Menschenverachtung, das ihnen neben den Exekutionskommandos die unauffälligere medizinische Tötung bestimmter unerwünschter oder unbrauchbarer Häftlingskategorien überließ oder zumutete und ihnen unverantwortliche Versuche an den Häftlings-Objekten erlaubte. Die SS-Standortärzte von Flossenbürg, die sowohl für die ärztliche Versorgung des SS-Reviers wie für den Häftlingskrankenbau im Schutzhaftlager zuständig waren, haben mehrfach gewechselt. Und von den unterschiedlichen Personen hing es in hohem Maße ab, welche Zustände im Häftlingsrevier herrschten, welche Maßnahmen der medizinischen Behandlung der Häftlinge, der Seuchenbekämpfung etc. ergriffen wurden. Der erste Standortarzt, Dr. Baader, war eine rühmliche Ausnahme. Er widersetzte sich rechts-

100

101

Das Hauptlager selbst wie das benachbarte Außenkommando Altenhammer sind hier nicht berücksichtigt. Die Zahl wurde auf der Basis der einzelnen Kommando-Meldungen errechnet. ITS, Hist.-Ordner Flossenbürg 270, Kommando-Meldungen zum 3 1 . 3 . 1945. - In den Monaten vorher waren aus dem Bereich des KL Flossenbürg auch Juden in andere KL überstellt worden. Als größter Überstellungs-Transport ist der vom 26. 11. 1944 mit 1000 ungarischen Juden verzeichnet; ITS, Flossenbürg-Ordner 43, S. 10. Er war für das berüchtigte Außenkommando S III des KL Buchenwald bestimmt, w o an einem unterirdischen, niemals fertiggestellten Führerhauptquartier gebaut wurde. Berechnung nach den Kommando-Meldungen v o m 28. 2. 1945, ITS, Hist.-Ordner Flossenbürg 270. Eine Aufschlüsselung nach Nationalitäten für das Hauptlager ist aufgrund der Quellenlage nicht möglich.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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widrigen Befehlen und ermahnte auch seine medizinischen Helfer, sich von Mißhandlungen und Tötungen von Häftlingen zu distanzieren. Er meldete sich schon im Juni 1940 freiwillig an die Front und verließ bald darauf Flossenbürg 1 0 2 . Ein Jahr später, unter Leitung des Standortarztes Dr. Richard Trommer, kam es, nach der Ankunft von polnischen Häftlingen und russischen Kriegsgefangenen, zu ersten ärztlichen Tötungsaktionen im Lager. Wahrscheinlich auf Anweisung vorgesetzter Stellen veranlaßte Dr. Trommer 1941 die Tötung von mindestens 200 russischen Kriegsgefangenen sowie einer nicht bekannten Anzahl von Polen durch Giftspritzen. Als Injektionsmittel wurde Karbolsäure verwendet. Nach den vorliegenden Zeugnissen scheint es, daß diese Aktionen auch über das Jahr 1941 hinaus fortgesetzt wurden. Mindestens einmal, wurde durch einen SS-Arzt vorsätzlich eine Luftembolie bei einem Häftling herbeigeführt. Ende 1941 ordnete das W V H A selbst eine ärztliche Tötungsaktion an. Durch ein Rundschreiben an die Lagerkommandanten mit der Ankündigung einer Ärztekommission zur »Ausmusterung von Häftlingen« wurden auch der Flossenbürger Adjutant und Kommandant »zwecks mündlicher Unterweisung« nach Oranienburg in die Zentrale des W V H A befohlen. Im Rahmen dieser mit der Tarnbezeichnung »14 f 13« 103 versehenen Geheimaktion sind in vielen Konzentrationslagern beispielsweise Geisteskranke, TBCFälle, bettlägerige Krüppel u. a. euthanasiert worden. Die Aktion dauerte mindestens bis zum Frühjahr 1943 104 . Sie scheint erst eingestellt worden zu sein, als die Rüstungsbetriebe in den Konzentrationslagern unermeßlichen Kräftebedarf entwickelten und in 'den Hallenbetrieben auch Kranke eingesetzt werden konnten. Zahlen über die Tötungen, die im Rahmen dieser Euthanasieaktion in Flossenbürg durchgeführt wurden, sind nicht überliefert. Die Euthanasiefälle wurden mit üblichen Lagerkrankheiten kaschiert und als solche in den Sterbebüchern vermerkt. Das ungewöhnliche Ansteigen der Häftlingstotenzahl, das die gemeindlichen Sterbebücher von Flossenbürg für die erste Jahreshälfte 1942 ausweisen, dürfte seine Ursache in dieser Tötungsaktion haben. Nach außen hin erfreuten sich die Ärzte des Flossenbürger Konzentrationslagers eines guten Rufes. Teilweise wurden auch Zivilbewohner des Ortes durch Ärzte aus dem KL betreut, vor allem in der Zahnstation des SS-Reviers. Im Lagerbetrieb indes zeigte sich die andere Praxis dieser Mediziner. Einer von ihnen war Dr. Schnabel, der von 1943 bis etwa September 1944 als Standortarzt fungierte. Gegen Ende seiner Dienstzeit sprach er immer häufiger dem Alkohol zu. Den späteren Aussagen ehemaliger Häftlinge ist zu entnehmen, daß er, wenn er nüchtern und gut aufgelegt war, die Häftlinge einwandfrei behandelte, wenn er dagegen betrunken war, oft mitten in der Nacht im Häftlingskrankenbau

102 101 104

Landgericht Weiden, Urteil Ks 2/55; siehe dort auch das Verfahren II AK 53. Abgeleitet vom Aktenzeichen der zuständigen Abteilung beim WVHA. Im WVHA-Erlaß vom 27.4.1943 (Niirnbg. Dok. 1933-PS) wurde jedoch angeordnet, daß ab sofort nur mehr geisteskranke Häftlinge für die Aktion ausgemustert werden dürfen. Der Erlaß waru. a. auch an das KL Flossenbürg adressiert, siehe ferner Nürnbg. Dok. 1151-C-PS sowie Broszat, Martin: Nationalsozialistische Konzentrationslager 1933 -1945, in: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2, Ölten 1965, S. 157. -Mitscherlich, Alexander und Fred Mielke (Hrsg.): Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses. Frankfurt 1978.

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auftauchte, die Häftlinge schikanierte und sogar die Schwerstkranken vor den Betten zur Visite strammstehen ließ 1 0 5 . Die katastrophalste Phase ärztlicher Tätigkeit, ärztlichen Versagens und medizinischer Tötungspraxis begann 1944 mit der Amtszeit von Dr. Heinrich Schmitz, der Anfang Mai 1944 als ziviler Vertragsarzt (unter dem SS-Standortarzt Dr. Schnabel) eigens für das Schutzhaftlager Flossenbürg zuständig wurde und diese Funktion bis Ende 1944 ausübte. Seine Anstellung in Flossenbürg hatte eine bemerkenswerte Vorgeschichte, die den Zynismus der zuständigen SS-Führungsstellen deutlich erkennen läßt: Dr. Schmitz (Jahrgang 1896) war gemäß Beschluß des Erbgesundheitsobergerichts Jena wegen »manischdepressiven Irreseins« im Juni 1943 im Freiburger Diakonissenhaus sterilisiert worden. Im Urteil des Gerichts hieß es, er habe u. a. einen Selbstmordversuch verübt, und sein normaler Lebensgang wechsle »mit Zeiten einer ausgesprochen manischen Unruhe und krankhaft gesteigerter Betriebsamkeit« 106 . Drei Monate später war er vom Wehrbezirkskommando Braunschweig als »völlig untauglich zum Dienst in der Wehrmacht« aus dem Wehrpflichtverhältnis entlassen worden. Schmitz hatte sich daraufhin an seinen ehemaligen, mittlerweile ins Reichsinnenministerium beförderten Dienstvorgesetzten gewandt. Dieser nahm Kontakt zum Reichsarzt-SS Dr. Grawitz auf, und im Dezember 1943 wurde Grawitz vom Persönlichen Stab Himmlers darüber unterrichtet, daß der Reichsführer-SS darum bittet, »die Verwendung des Dr. Schmitz als Lagerarzt in einem Konzentrationslager zu prüfen«. Der Reichsführer-SS sei sich der Gefahren, die mit diesem Experiment verbunden seien, durchaus bewußt. »Sch. müßte selbstverständlich zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Sollte er sich nicht an die ihm gemachten Auflagen halten, bliebe nichts anderes übrig, als ihn selbst festzusetzen und dann in gleicher Weise zu verwenden.« Mitte Januar 1944 wurde beschlossen, das »Experiment« ins Werk zu setzen. Vier Monate später stellte man den »Arzt ohne Bestallung« als Vertragsarzt der SS im Konzentrationslager Flossenbürg an 1 0 7 . Zur berüchtigten Praxis des neuen Lagerarztes gehörte es, daß er im Krankenbau zahlreiche abwegige oder unnötige Operationen an Häftlingen durchführte. Die sogenannten Schauoperationen von Dr. Schmitz wurden nach Kriegseride vielfach bezeugt. Diese waren nicht von der SS-Administration im Rahmen medizinischer Versuche angeordnet worden, wurden aber vom Kommandanten und Standortarzt stillschweigend geduldet. Der Lagerkommandant und andere Angehörige des Kommandanturstabes wohnten einmal sogar der Unter[eibsoperation einer Häftlingsfrau bei. Schmitz operierte bei jeder kleinen Gelegenheit. Selbst Klagen über Seitenstechen ließen Schmitz zum OP-Messer greifen: » A m liebsten operierte D r . Schmitz am Leib, führte aber auch A m p u t a t i o n e n d u r c h . E i n m a l p r a k tizierte er sogar eine Schädeloperation, o h n e dafür die geeigneten I n s t r u m e n t e zu besitzen. M a n c h mal entfernte er Gewebeteile und sandte sie z u r U n t e r s u c h u n g nach Erlangen ein. E t w a fünfzig P r o -

105

106 107

N A , Hauptprozeß und Nebenprozeß 3, Aussagen der ehem. Häftlinge Kurt Goltz, August Ginschel, Friedrich Gieselmann, Karl Wittig. N A , D-Exh. 4 und D-Exh. 31, Nebenprozeß 3, Beschluß vom 11. 2. 1942. B A , NS 19/519 neu. Ferner N A , T-175/25/1019.

D a s Konzentrationslager F l o s s e n b ü r g

473

zent der durchgeführten Operationen waren aber unnötig, weil negative E r g e b n i s s e z u r ü c k k a m e n und somit kein G e s c h w ü r oder etwas anderes v o r l a g « 1 0 8 .

Gewöhnlich ließ Dr. Schmitz die Operationsinstrumente nur vor der ersten Operation im SS-Revier sterilisieren. Für die anschließenden Operationen wurden sie lediglich in eine Schüssel mit heißem Seifenwasser geworfen. Schmitz hantierte ohne Gesichtsmaske, Kopfbedeckung und Handschuhe. In einem geheim geführten Operationsbuch vermerkt der französische Häftlingsarzt Dr. Legais für einen Zeitraum von sechs Monaten über 400 medizinische Eingriffe durch Dr. Schmitz. 300 davon seien Amputationen gewesen mit einer Todesquote von 60 Prozent. 14 Operationen (mit 11 Toten) seien »lediglich so zum Spaß durch Dr. Schmitz erfolgt«. Nach der Aufstellung von Dr. Legais dürften 250 der Schmitz'schen Operationsopfer gestorben sein. In die letzten Monate der Amtszeit von Dr. Schmitz fiel auch eine Anordnung des Leiters des Sanitätsamtes der SS, SS-Standartenführer Dr. Lolling, wonach künftig unheilbar Kranke im K L Flossenbürg einer sogenannten »Sonderbehandlung« unterzogen, d.h. auf medizinischem Wege getötet werden sollten. In dieser Zeit - Herbst 1944 - waren der Krankenstand und die Mortalität der Häftlinge im Lager besonders hoch, weil Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung und ärztliche Versorgung katastrophale Formen anzunehmen begonnen hatten. Dr. Schmitz hatte die Tötungsaktionen durchzuführen. Er ließ einen Raum für tödliche Injektionen präparieren. In seinem späteren Dachauer Verfahren verneinte er zwar jede eigene Tatbeteiligung, gab aber zu, daß unter seiner Leitung Abspritzungen mit Phenol stattgefunden hätten und auf diese Weise »70 bis 72« Häftlinge getötet worden seien; andere Zeugen nannten höhere Zahlen (bis zu 300). Tatsache ist jedenfalls, daß Dr. Schmitz die Todeskandidaten nach eigenem Gutdünken selektierte. Bei der Auswahl wurde keine eingehende Untersuchung vorgenommen, wozu auch jegliche technische Einrichtung fehlte. Die ausgesuchten Häftlinge wurden auf den TBC-Block 13 gebracht, wo sie von Dr. Schmitz - möglicherweise unterstützt von Helfern - mittels überdosierter Phenol-, Novocain- bzw. Tuberkulinpräparate die todbringenden Injektionen erhielten. Ein französischer Häftlingsarzt suchte die Tötungen, zum Teil erfolgreich, dadurch zu verhindern, daß er verschiedentlich dem zur Injektion verwandten Tuberkulin destilliertes Wasser beimengte 109 . Etwa im November oder Dezember stellte Schmitz die Abspritzungen ein 110 . Die Gesamtzahl der zwischen 1941 und 1945 in Flossenbürg euthanasierten Opfer dürfte über 500 Häftlinge betragen. ios

109 110

Nebenprozeß 3, R. 35, Aussage Kurt Goltz; vgl. ferner die Aussagen im gleichen Prozeß von Dr. Garstka, Dr. Legais und Dr. Pellet. Mit Dr. Schmitz befaßte sich auch der ehemalige polnische Häftlingsarzt Dr. Stanislaus M. Garstka, der schon im Hauptprozeß von Dachau als Belastungszeuge auftrat. Garstka: Hitlerowski obóz koncentracyjny we Flossenbürgu, in: Przeglad Lebarski, Organ Krakowskiego oddziaiu Polskiego Towarzystwa Lekarskiego. Warscawa 1974/1. N A , Hauptprozeß, R. 592, Aussage des Revierschreibers Alois Valousek. Dafür gibt es verschiedene Gründe, entweder, weil Lolling inzwischen mehrfach auf eine Senkung der Sterbequote gedrängt (Nürnbg. Dok. NO-516) oder weil Schmitz unter die Todeskandidaten einen ausländischen, aber deutsch-sprechenden Arzt eingereiht hatte. Schmitz wollte dem Ausländer ebenfalls die tödliche Spritze verabreichen, fand aber auf dem stark abgemagerten Arm die Vene nicht. Da sagte der Todeskandidat zu Schmitz: »Schlecht gespritzt, Herr Kollege! Was Sie tun, ist ja Mord. Als Arzt sind Sie doch Helfer der Menschheit.« Daraufhielt der ausländische Arzt den anderen Arm hin, so daß ihm Schmitz die tödliche Dosis verabreichen konnte. Dr. Schmitz brach nach diesem Vorfall sichtlich zusammen; siehe dazu das Urteil Ks 2/55 am Landgericht Weiden.

N A ;

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Ein Beispiel leichtfertiger medizinischer Vernachlässigung war die Behandlung eines Transportes mit 689 Gefangenen, der am 20. September 1944 vom Stapo-Gefängnis Köln in das Lager eingeliefert wurde. Einige der neuen Insassen brachten unerkannte Typhusinfektionen mit. Nach drei Wochen waren bereits 60 Mann des Kölner Transportes tot. Dr. Schmitz ignorierte die richtige Diagnose der Häftlingsärzte, die auf Fleckfieber lautete: »Er sah die Toten. Er sah die haarsträubende Hygiene in unserem Block. Er sah, daß wir zur Arbeit gingen. Und er tat nichts!« 1 1 1 . Selbst als das Bakteriologische Institut Erlangen den Verdacht auf Typhus prompt bestätigte, verfälschte er noch die Ergebnisse, allem Anschein nach, um sich die schwindende Sympathie bei den Vorgesetzten zu erhalten. Nach Schmitz' eigenen Angaben starben während dieser ersten Typhusepidemie 200 Häftlinge ( » . . . was normal sein dürfte!«) 1 1 2 . Eine zweite große Typhusepidemie setzte am 4. Januar 1945 ein. Zahlreiche Lagerinsassen erkrankten. Besonders tragisch wirkte sich die Tatsache aus, daß selbst nach Bekanntwerden der Typhusfälle noch Uberstellungen in die Außenlager stattfanden, welche dort neue, induzierte Epidemien hervorriefen. Zugleich ließ Schmitz in Flossenbürg fieberkranke Typhusfälle mit TBC-Kranken zusammenlegen. Die »Ära Schmitz« endete, nachdem im Oktober 1944 ein neuer Standortarzt, Dr. Hermann Fischer, nach Flossenbürg versetzt worden war. Dieser entzog Schmitz nach und nach seine Befugnisse und ersetzte ihn schließlich ganz durch die Lagerärzte Dr. Geyer und Dr. Adam. Schmitz erkrankte schließlich selbst an Typhus und wurde in das Krankenhaus Weiden eingeliefert. Dort wurde er in den ersten Nachkriegstagen von amerikanischen Armeeangehörigen verhaftet. Aufgrund zahlreicher nachgewiesener Tötungsfälle verurteilte ein amerikanisches Militärgericht in Dachau ihn zum Tode. Er wurde am 26. November 1948 in Landsberg am Lech gehängt 113 . Der quantitative Umfang der Häftlingstodesfälle, die sich aus ärztlicher Vernachlässigung oder medizinischer Fehlbehandlung ergaben, war mit hoher Wahrscheinlichkeit noch größer als der der vorsätzlichen medizinischen Tötungsaktionen. Er entzieht sich aber jeglicher zahlenmäßiger Feststellung.

111 1,2 113

N A , Hauptprozeß, R. 549, Aussage von Father Leclerc. N A , Nebenprozeß 3, R. 916, Aussage Schmitz. Vgl. N T O C , Complete List of War Case Trials.

Das Konzentrationslager Flossenbürg 6.

MASSENSTERBLICHKEIT UND H I N R I C H T U N G S S E R I E N

475 1944/45

Wie in anderen Konzentrationslagern kam es auch im Stammlager Flossenbürg und seinen Außenlagern - das wurde schon angedeutet - in den letzten Monaten der Lagergeschichte zu einer Massierung der Sterblichkeit unter den Häftlingen, die alles Bisherige weit in den Schatten stellte. Infolge des Rückzuges im Osten wurde Flossenbürg eines der Auffanglager zunächst für die im besetzten Polen geräumten Konzentrationslager oder Judenghettos, dann auch für geräumte Lager in den Ostprovinzen des Reiches (KL Groß-Rosen in Schlesien u.a.). Aus der rasch improvisierten, mehr als mangelhaft organisierten Rückführung großer Massen dieser Häftlinge in oft wochenlang dauernden Transporten, ergab sich seit dem Sommer und Herbst 1944 ein lawinenartig anschwellendes Problem moribunder Gefangener, wobei körperliche Erschöpfung, Unterernährung, mangelnde Bekleidung und Unterbringung die sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkenden Hauptfaktoren waren. Schon ein am 6. März 1944 aus einem geräumten Lager bei Lublin (Polen) eintreffender Transport mit 526 russischen Gefangenen brachte 84 Leichen mit, die in Flossenbürg noch registriert wurden 1 1 4 . Das rauhe Klima der Oberpfalz förderte bei der ungenügenden Unterbringung und Bekleidung der Häftlinge eine Erkrankung der Atemwege. Im Sommer 1944 nahmen die TBC-Erkrankungen so überhand, daß der für TBC-Fälle eingerichtete Block 13 bald überfüllt war und am 24. August und 3. Oktober 1944 je ein Transport mit 120 bzw. 180 kranken Häftlingen nach Bergen-Belsen abgeschoben wurde 1 1 5 . Die im vorstehenden Kapitel bereits erwähnte Typhus-Epidemie, die im Herbst 1944 im Hauptlager ausbrach und bis zur Befreiung des Lagers im April 1945 nicht vollständig eingedämmt werden konnte, verschärfte diese Lage in besonderem Maße. Für die zunehmenden Typhus-Fälle wurden in der Nordost-Ecke des Lagers die Quarantäneblocks 20 und 21 eingerichtet und mit Stacheldraht gegen das übrige Lager abgesperrt. Die Blocks, im Lagerjargon »Chinatown« genannt, verwandelten sich rasch in Leichenhäuser. Im Spätherbst und Winter 1944 starben hier täglich bis zu 50 Personen. Während der Nacht wurden die Leichen in die Latrinen gebracht. Manchmal lebte aber einer der zum Skelett abgemagerten Körper noch. Dann schleppte sich dieser Häftling mit letzter Kraft in seinen Block zurück. Hatte er Glück, wurde er dort vom Kapo-Personal übersehen, das die Sterbenden in der Regel rücksichtslos erschlug 116 . Gleichzeitig häuften sich die Krankenüberstellungen aus den Außenlagern, und in Flossenbürg selber trieb der schlechte Gesundheitszustand der aus dem Osten eintreffenden Evakuierungstransporte die Kranken- und Todesziffern weiter in die Höhe. Im Februar 1945 nahmen Flossenbürg und seine Außenlager fast 10 000 Häftlinge aus dem evakuierten K L Groß-Rosen auf. Mit diesen Groß-Rosener Transporten kamen über 400 114

ITS, Flossenbürg-Ordner 86, S. I f f .

115

ITS, Flossenbürg-Ordner 41, S. 130/145. Zu Bergen-Belsen siehe Kolb, Eberhard: Bergen-Belsen, in: Studien zur Geschichte der Konzentrationslager. Stuttgart 1970. ITS, Hist.-Ordner Flossenbürg226, S. 26 ff., Report 7th Army Interrogation Center vom 4 . 8 . 1 9 4 5 , basierend auf Aussagen der ungarischen Polizeioffiziere Sombor, Bombarth u. a., die in Flossenbürg inhaftiert waren.

116

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Leichen an. Hunderte von Häftlingen lagen im Sterben. Schon unterwegs waren auf den wochenlangen Transporten nach Flossenbürg Leichen aus den Zügen ausgeladen worden. Jeweils 2000 der Groß-Rosener Häftlinge wurden den Untertagefabriken Hersbruck/Happurg in Franken sowie Leitmeritz in der Tschechoslowakei zugeteilt. Die noch vom Transport geschwächten Häftlinge kamen dort sofort zum Einsatz und mußten zum Teil schwere, bergmännische Arbeit verrichten. Deshalb schnellte auch in diesen beiden größten Außenlagern des K L Flossenbürg die Todesquote rasch in die Höhe. Nach Eintreffen des Groß-Rosener Transportes in Hersbruck wurden dort bei drei größeren Aktionen insgesamt 1000 Leichen in einer Sandgrube verbrannt. Am 8. März 1945 ging der letzte große Krankentransport mit 1157 Mann aus Flossenbürg nach Bergen-Belsen ab 1 1 7 . Es handelte sich um Schwerstkranke, die auf Befehl des Lagerkommandanten Koegel seit Januar in den Block 18 gepfercht waren. Der Abtransport dieser Gefangenen glich einem Geisterzug: Mangels anderer Bekleidung hatte man ihnen Frauenkleider »verpaßt«. Sich gegenseitig stützend, wankten sie in einem gespenstischen Zug über die Flossenbürger Dorfstraße zum Bahnhof hinunter, wo sie verladen wurden. Es war ein »Himmelfahrtskommando«. Für das erste Quartal 1945 liegen ziemlich genaue, verläßliche Zahlenangaben über die Todesfälle im Hauptlager Flossenbürg vor 1 1 8 , die es erlauben, die tägliche Todesquote zu errechnen. Gemeldete

Todesfälle im Hauptlager

T o t e insgesamt 15 22 30 13

Tage Tage Tage Tage

im im im im

Januar Februar März April

J a n u a r bis April 1945:

415 1289 1367 299 3370

194i

durchschnittliche Q u o t e p r o T a g 28 59 46 23 42

Legt man die unterschiedlichen Tages-Quoten der Sterblichkeit auf die durch Todesmeldung nicht belegbaren 23 (fehlenden) Tage der jeweiligen Monate um, so ergibt sich für die Zeit vom 1. Januar bis 13. April 1945 allein für das Stammlager Flossenbürg eine Gesamtzahl von rd. 4200 Sterbefällen. Der Februar mit beinahe 60 Todesfällen am Tage war der schlimmste Todesmonat in dieser Phase. Das Krematorium des K L mit nur einer Einäscherungs-Kammer war zu dieser Zeit nicht mehr in der Lage, die anfallenden Leichen zu verbrennen. Deshalb schichtete man auf dem Platz vor dem Krematorium Leichen aufeinander, die mit Brennstoff übergössen und angezündet wurden. Die Rauchsäulen

117

118

ITS, Flossenbiirg-Ordner 43, S. 24. Ferner N A , Hauptprozeß, R. 2280, Aussage des ungarischen Polizeigenerals Sombor. ITS, Veränderungsmeldungen des K L Flossenbürg. Für einige Tage fehlen die Todesmeldungen in den Unterlagen. Ausgenommen sind auch die Toten aufgrund von Exekutionen.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

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waren weithin zu sehen. Diese Verbrennungsaktionen im Freien wurde ohne Rücksicht auf bestehenden Luftalarm durchgeführt. Geht man davon aus, daß ähnlich hohe tägliche Todesquoten auch schon im Herbst 1944 zu registrieren waren und in Außenlagern damals weit mehr Häftlinge (als im Stammlager) untergebracht waren, mit zum Teil ähnlich hohen, zum Teil noch höheren Sterblichkeitsquoten, so wird erklärlich, wie es kam, daß die am Schluß unserer Betrachtung ermittelte Gesamt-Bilanz des KL-Flossenbürg annähernd 30000 Todesfälle ausweist. Mit Sicherheit kann angenommen werden, daß mindestens drei Viertel dieser enormen Gesamtzahl auf die letzten neun Monate der Lagergeschichte (August 1944-April 1945) entfielen. Die für das Stammlager aufgeführten, belegbaren Zahlen für die letzten Kriegsmonate des Jahres 1945 beziehen sich nur auf die als Häftlinge registrierten Insassen des Lagers. Nicht berücksichtigt sind diejenigen Personen, die in diesen letzten Monaten nur zu Hinrichtungszwecken nach Flossenbürg gebracht und dort als Gegner oder mißliebig gewordene Kronzeugen des NS-Regimes heimlich exekutiert wurden. Die Abgeschiedenheit Flossenbürgs, das noch in den letzten Kriegsmonaten und -wochen relativ weit von den Fronten im Osten und Westen entfernt war, ließ das K L Flossenbürg offenbar als Exekutionsstätte besonders geeignet erscheinen. Das Lager und speziell der Arrestblock des KL Flossenbürg erhielt damit bei Kriegsende noch eine weitere traurige Funktion und Berühmtheit 119 . Im April 1944 begann in Flossenbürg eine ausgedehnte Exekutionsserie, die erst kurz vor der Lagerbefreiung beendet wurde. Seit April 1944 fanden nahezu täglich Hinrichtungen im Hof des Arrestgebäudes statt, der mit hohen Mauern umgeben war. Zuletzt wurden bis zu 90 Exekutionen pro Tag durchgeführt. Insgesamt dürften zwischen April 1944 und April 1945 rund 1500 Todesurteile im sogenannten »Bunker« von Flossenbürg vollstreckt worden sein. Die Hinrichtungen hatten verschiedene Gründe. Bei einem Teil handelte es sich um KL-Häftlinge, die wegen Fluchtversuchs, angeblicher Sabotage in Rüstungsbetrieben oder wegen anderer Vergehen exekutiert wurden. Anhand der Häftlingsnummernbücher, in denen diese hingerichteten Häftlinge jeweils mit »SB« (»Sonderbehandlung«) bezeichnet sind, lassen sich von Juni 1944 bis zum 18. Dezember 1944 131 Hinrichtungen nachweisen, von denen 15 in Außenlagern vollzogen wurden. Im Hauptlager wurden exekutiert: 106 Russen, 8 Polen, 3 Deutsche 1 2 0 . Eine weitere Gruppe der Hingerichteten bestand aus Ostarbeitern, Kriegsgefangenen sowie deutschen Zivilpersonen, die von Stapo-Dienststellen zur Exekution eingewiesen worden waren und für die in der Regel ein Hinrichtungsbefehl der R S H A vorlag. Diese

119

B A , NS 4 Fl. vorl. 46, Baubeschreibung des Arrestgebäudes. D e r Arrestbau wurde im Frühjahr 1940 eröffnet und besaß 40 Zellen; sein Laufgang zur Durchführung der Dampfheizungs- und Wasserinstallation war unterkellert. Anfangs wurden hier lediglich Häftlinge arrestiert, die sich irgendwelcher Lagervergehen schuldig gemacht hatten. Später wurden zur Exekution bestimmte Ostarbeiter und Kriegsgefangene untergebracht, die von umliegenden Stapo-Stellen eingewiesen worden waren.

120

N A , Hauptprozeß, E - E x h . 50; dazu die Erklärungen des Arrestverwalters Erhard Wolf, Hauptprozeß, R . 6907. Nach Wolfs Angaben wurden 53 Häftlinge im August im Zusammenhang des Mülsen-Aufstandes hingerichtet. Die hingerichtete Frau war die am 16. 1. 1920 in Berlin geborene Ilse Dumalsky, die der Spionage bezichtigt wurde; siehe auch die Nummernbücher des K L Flossenbürg beim I T S , 1 - 1 9 ; ferner Landgericht Weiden, Verfahren Ks 1/55, Ks 1/57, Ks 1/63 und Landgericht München I, Verfahren 1 Ks 21/50.

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wurden nicht als Häftlinge des K L geführt, besaßen also auch keine Häftlingsnummer. Schließlich wurden ab Sommer 1944 alliierte Kriegsgefangene eingeliefert. Zusammen mit prominenten Angehörigen des deutschen Widerstandes bildeten sie die dritte Gruppe der Hingerichteten. Bereits am 12. Juni 1944 wurden ein kanadischer Major und ein englischer Offizier erschossen. Am 29. März 1945 erhängte das Arrestpersonal 13 alliierte Offiziere (1 Amerikaner, 1 Kanadier, 6 Briten sowie 7 französische bzw. belgische Offiziere), die unmittelbar vor der alliierten Landung in der Normandie als Untergrundkämpfer abgesetzt wurden und entdeckt worden waren 1 2 0 ". Einwandfrei bezeugt ist u.a. auch, daß der Arrestaufseher Karl Weihe am 8. Januar 1945 drei der Warschauer Widerstandsbewegung angehörende Polinnen erhängte. Eine der Frauen war im achten Monat schwanger. Drei Tage später brachte Weihe zwei polnische Kinder im Alter von 12 und 13 Jahren ums Leben. Im Februar 1945 wurden 193 tschechische Widerstandskämpfer aus Brünn samt ihren Familien erhängt. Im März exekutierte das Arrestpersonal Mitglieder der Wlassow-Armee, einschließlich der Frauen und Kinder - zusammen etwa 90 Personen. Mitte des gleichen Monats erschoß Adjutant Baumgartner weitere 20 Wlassow-Soldaten. Weiteren Zeugenaussagen zufolge befanden sich unter den in den letzten Kriegstagen hingerichteten Personen auch Generäle verschiedener Nationalitäten; einer von ihnen trug die Abzeichen eines russischen Panzerkorpskommandeurs. Auch deutsche Wehrmachtsangehörige, darunter mindestens neun hohe Offiziere mit roten Streifen an den Hosen, wurden in dieser Zeit in Flossenbürg exekutiert. Ihre Namen sind nicht überliefert. Die gesamte Aktion lief unter strengster Geheimhaltung. Die Hinrichtungen erfolgten durch Erhängung, wofür im Arresthof Ringe an den Mauern angebracht waren, oder durch Erschießen (meist Genickschüsse). Die Hinrichtungsvorgänge sind in den Nachkriegsprozessen sehr genau bezeugt worden 1 2 1 . Die prominentesten Opfer der Hinrichtungsserie bildeten sieben führende Männer der Verschwörung vom 20. Juli 1944, die am 9. April 1945 den Tod fanden 1 2 1 3 und kurz zuvor aus dem ausgebombten Reichssicherheitshauptamt in der Berliner Prinz-AlbrechtStraße nach Flossenbürg transportiert worden waren: Admiral Wilhelm Canaris, Generalmajor Hans Oster, Heeresrichter Dr. Karl Sack, Hauptmann der Abwehr Ludwig

i2oa

121

N A ; Β ο χ 51/1/204, Short Brief of the Atrocities committed at Flossenburg 1944-5, S. 117, in Nürnbg. D o k . 2309-PS (Aussage des Leichenträgers Franz Poppenberger), ebenda S. 114 (Angaben der Krematoriumsbeschäftigten Hans Siehlke und Ludwig Gafel), ebenda, S. 89 (Arrestkalfaktor Paul Vogel). N A , B o x 52/2, Bericht des SS-Revierschreibers Theodor Aicholzer, der dort u. a. auch die Sonderhäftlingskartei führte. Für die angegebenen Hinrichtungen bzw. Zeiten stehen mehr als 100 Quellen zur Verfügung. Hier u. a. N A , B o x 52/1, Statements der im Arrestbau untergebrachten Sonderhäftlinge Mikkelsen, Lundig, Mottet, D r . Müller und von Schuschnigg; ferner die Aussagen Haubolds, Wittigs, Schrades, Kamians v. a. in den verschiedenen Flossenbürg-Prozessen von Dachau.

Oberscharführer Weihe war zusammen mit Wolf von Juni bis Dezember 1944 Arrestverwalter, Kübler der Rapportführer (nach P - E x h . 54 im Haupt-Prozeß). 1 2 1 s Bereits seit 1943 waren im Flossenbürger Arrestbau prominente Sonderhäfdinge untergebracht. Seit 12. 9. 1943 war hier der vormals hessisch-nassauische Regierungspräsident Prinz Philipp von Hessen interniert. Später kamen führende Vertreter der deutschen Opposition hinzu, u. a. D r . Josef Müller aus München, Fabian von Schiabbrendorff, Generaloberst Franz Haider, Reichsminister a. D . Hjalmar Schacht, ferner 12 Angehörige des Hauses Wittelsbach (unter ihnen Prinz Albrecht von Bayern mit Familie) sowie Österreichs ehemaliger Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg mit Frau und vierjähriger Tochter.

36. An dieser Wand (davor ein amerikanischer Soldat) des Arrestgebäudes wurden im Konzentrationslager Flossenbürg die Hinrichtungen vollstreckt

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Gehre, Pfarrer Dietrich Bonnhoeffer, General Friedrich von Rabenau und Hauptmann der Reserve Dr. Theodor Strünck. Vermutlich auf eine persönliche Weisung Hitlers hin trat am Sonntag, dem 8. April, im KL Flossenbürg ein Standgericht zusammen, bei dem die SS-Richter Dr. Otto Thorbeck und Walter Huppenkothen mitwirkten. Als einer der Beisitzer fungierte Lagerkommandant Koegel. Verhandelt wurde zuerst gegen Oster, dann gegen Canaris, Dr. Sack, Bonnhoeffer und Hauptmann Gehre - gegen jeden getrennt. In der Beweisaufnahme gegen Sack wurde Strünck, der schon vorher vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt, aber zu diesem Zweck »aufgespart« worden war, als Zeuge vorgeführt. In allen Fällen erkannte das Standgericht auf Todesstrafe wegen Hochverrats 122 . Die Hinrichtung durch den Strang wurde im Morgengrauen des 9. April 1945 vollzogen. Als letzter wurde Canaris hingerichtet. Die gesamte Exekution dauerte eine halbe bis drei viertel Stunde 123 .

7.

D I E LETZTE PHASE DER LAGERGESCHICHTE

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen des Jahres 1944 waren sechs geflüchtete Häftlinge, die im Raum Nürnberg Diebstähle verübt hatten, wiederergriffen worden. Die durch den RFSS ausgesprochenen Todesurteile sollten im Lager öffentlich und - zur besonderen Abschreckung- zum gleichen Zeitpunkt vollstreckt werden. Deshalb errichtete man eine besondere Holzkonstruktion mit sechs Galgen. Zur Hinrichtung mußten alle im Lager befindlichen Häftlinge antreten. Während die sechs Geflüchteten gehängt wurden, brannten nur wenige Meter entfernt die Lichter am Lager-Weihnachtsbaum 124 . Zum Jahreswechsel 1944/45 überschritt der »Häftlingsbestand« des KL Flossenbürg (einschließlich Außenlager) erstmals die Marke von 40000, davon 29000 Männer. Während die SS-Führung bemüht war, neben drakonischen Abschreckungsmaßnahmen in dieser letzten Phase der deutschen Kriegsanstrengungen, die Arbeitsmotivation der Häftlinge auch durch gewisse Erleichterungen und Annehmlichkeiten (etwa offiziell erlaubte Fußball- und Kartenspiele) aufrechtzuerhalten, ließ sich bald nicht mehr darüber hinwegtäuschen, daß die Front immer näher rückte. Beinahe täglich flogen alliierte Bomberverbände in großer Höhe über Flossenbürg hinweg. Die Ernährungs- und Versorgungslage des Hauptlagers Flossenbürg wurde immer schlechter. Infolge der Zerstörung von Bahnverbindungen durch Luftangriffe trafen Versorgungstransporte oft mit tagelanger

122

123 124

Landgericht München I, Urteil des Schwurgerichts gegen Walter Huppenkothen vom 16. 2.1951 ; gegen Huppenkothen und Otto Thorbeck vom 16. 2. 1953. Ferner Schwurgericht Augsburg, Urteil gegen Huppenkothen/Thorbeck vom 15. 10. 1955. Ausführlich informieren u. a. Höhne, Heinz: Canaris. Patriot im Zwielicht. München 1976. Brissaud, André: Canaris 1887-1945. Frankfurt 1976. Siegert, Toni: Beim ersten Morgengrauen kam der Henker, in: Der neue Tag vom 9. 4. 1975. StA Nürnberg, Kriegsverbrecher-Verteidigung, Interrogation Summaries, V C 219, Aussage des Schutzhaftlagerführers Völkner.

Das Konzentrationslager Flossenbürg

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Verzögerung ein. Zugleich wuchs die Häftlingsziffer so sehr an, daß das Hauptlager, das mit seinen Baracken für maximal 5000 Häftlinge berechnet war, am 1. März 1945, dem Tag der amtlich festgehaltenen Höchstbelegung, mit 14 824 Gefangenen unerträgliche Formen der Uberbelegung annahm. Durch die Uberstellung in Außenkommandos und andere Lager gelang es zwar, diese Zahl bis Anfang April noch einmal auf 7600 Häftlinge (den tiefsten Stand im letzten Berichtsmonat) zu drücken. In den folgenden Tagen stieg sie aber mit dem Eintreffen der Evakuierungstransporte aus Buchenwald und anderen Lagern erneut an. In den Flossenbürger Blocks lagen fünf bis sechs Häftlinge auf einer Pritsche, eine Ausnahme bildeten die beiden »Prominentenblocks« (1 und 2), in denen nicht mehr als jeweils 150 Personen untergebracht waren. Anfang April waren die Zeichen des nahen Endes nicht mehr zu übersehen. Beginnend mit dem 8. April ließ der Lagerkommandant alle wichtigen Dokumente und Indizien, darunter auch die Gummischläuche, die von den Kapos als Schlagwerkzeuge benutzt zu werden pflegten, verbrennen. Der Holzbock, auf dem die Auspeitschungen bei den Prügelstrafen vorgenommen worden waren, wurde ebenso wie die Hinrichtungsstätte im Arresthof beseitigt. Uber den Sägespänen, in die das Blut der hingerichteten Todesopfer geflossen war, wurde ein harmlos aussehender Holzstoß aufgestapelt. Die sechs für Erhängungen in die Mauer des Arresthofes eingelassenen Haken wurden von den Wachen herausgeschlagen und das Mauerwerk mit weißer Farbe übertüncht. Auch die beiden Haken am Lichtmasten, an denen inmitten des Appellplatzes die öffentlichen Erhängungen stattgefunden hatten, wurden entfernt 1 2 5 . Damit waren wichtige Spuren beseitigt. Den insgesamt 52000 Häftlingen standen in den letzten Tagen der Lagergeschichte etwa 4500 Angehörige der Wachmannschaften gegenüber. Davon befanden sich 2700 in den Außenkommandos (darunter 506 SS-Aufseherinnen), die übrigen im Hauptlager 1 2 6 . Die Wachmannschaften waren in dieser Schlußphase aus Angehörigen verschiedenster Wehrmachtsteile zusammengesetzt, die man für die Wachzwecke der SS-Führung unterstellt hatte, darunter auch Angehörige der Marine. U m Ersatz zu schaffen, hatte man außerdem noch im Februar 1945 eine »Lagerpolizei« aus rund 400 ehemaligen Häftlingen (sämtlich Reichsdeutsche) unter dem Kommando eines SS-Oberscharführers gebildet; es handelte sich größtenteils um »Kriminelle«, die in den nahen Wäldern militärisch geschult wurden und auch Schießübungen durchführten. Im April 1945 erhielten diese noch auf den »Führer« vereidigten Häftlinge italienische Uniformen und ausländische Gewehre mit Munition. Die letzte Stärkemeldung des KL Flossenbürg wurde am 14. April 1945 vor dem Zusammenbruch des Fernsprech- und Fernschreibnetzes ermittelt. Der Gesamtstand betrug damals 45813 Häftlinge, hiervon über 16000 Frauen. In den folgenden Tagen stellte auch die Lagerschreibstube ihren Betrieb ein; die Akten mußten vernichtet werden. Am 15. April - einem Sonntag - transportierten getarnte Autos die Sonderhäftlinge aus dem Arrestbau in das KL Dachau ab. In der späten Nacht rief Obersturmbannführer Koegel ein letztes Mal die wichtigsten SS-Offiziere des Lagers zusammen. Er gab be-

125 126

N A , Box 52/8, Aussage Emil Lesaks. Außerdem ITS, Hist.-Ordner Flossenbürg 226, Report 7th U.S. Army. Vgl. ITS, Flossenbiirg-Sammelakt 10, SS-Stärkemeldungen an die Höheren SS- und Polizeiführer Main, Elbe, Böhmen und Mähren vom 31. 3. 1945. Ferner N A , Box 52/8/717, Aussage von J. E. Troffaes.

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kannt, daß am folgenden Morgen das SS-Bataillon sowie die Lagerpolizei abrücken und sich der in der N ä h e kämpfenden SS-Division »Nibelungen« anschließen sollten. D a s Lager selber sollte dem Flossenbürger Bürgermeister und dessen mittlerweile rekrutierten Volkssturm übergeben werden. Zugleich befahl Koegel, die Juden sofort zu evakuieren. Tatsächlich wurden am frühen Morgen des 16. April 1945 1700 jüdische Häftlinge aus den Blocks geholt 1 2 7 und am Bahnhof Flossenbürg verladen; der Transport verließ Flossenbürg um 8 Uhr Richtung Süden. N a c h wenigen Kilometern Fahrt wurde der Eisenbahnzug in Floß erstmals von Tieffliegern angegriffen, wobei es zahlreiche Tote gab. Bei einem zweiten Luftangriff in Schwarzenfeld (Landkreis Schwandorf) kamen noch mehr Häftlinge ums Leben. Weil nun der Zug endgültig zerstört war und wegen des ausgebombten Bahnhofs im nahen Schwandorf auch kein Ersatzzug eingesetzt werden konnte, trieb die SS die unverletzt gebliebenen Häftlinge zu Fuß in östliche Richtung. Zuvor wurden in Schwarzenfeld diejenigen Häftlinge, die bei dem Flugzeugangriff schwer verwundet worden waren, von SS-Angehörigen erschossen 1 2 8 . Auch während des Fußmarsches der anderen jüdischen Häftlinge ab Schwarzenfeld wurden diejenigen, die erschöpft liegen blieben, erschossen. Uber diese Ereignisse berichtete der Transportkommandeur, Sturmbannführer Franz Berger, anschließend telefonisch nach Flossenbürg. Bald nach Abfahrt des Judentransportes am 16. April rückte die gesamte SS des K L Flossenbürg einschließlich der Häftlings-Lagerpolizei ab und verschanzte sich in den Wäldern, in der N ä h e der Landesgrenze. Das Lager selber wurde dem Lagerältesten Anton Uhi übergeben. Als plötzlich amerikanische Flugzeuge im Tiefflug über den Barakken kreisten, brach unter den Häftlingen unbeschreiblicher Jubel aus. Doch die Freude währte nur kurz. N o c h in der gleichen Nacht kehrte die Wachmannschaft in das Lager zurück und ließ die von den Häftlingen ausgehängten weißen Fahnen einholen. Die Information, wonach amerikanische Truppen schon in nächster Nähe seien, hatte sich als falsch erwiesen 1 2 9 . A m Donnerstag, dem 19. April, gingen zwei weitere Eisenbahn-Transporte ab, mit rund 300 Häftlingen der sogenannten »Lagerprominenz«. Es handelte sich in erster Linie um die in den Blocks 1 und 2 untergebrachten Häftlingsfunktionäre. Zwei Tage nach der Abfahrt konnten sie, 50 Kilometer von Flossenbürg entfernt, bei Schwandorf flüchten, nachdem sich kurz vorher die Bewacher abgesetzt hatten. A m gleichen Tag wurden von Flossenbürg aus 750 Häftlinge zu Fuß in Marsch gesetzt. Neben marschfähigen Kranken

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D e r I T S vermerkt lediglich 1100 Häftlinge für diesen T r a n s p o r t im Routenplan. D i e Aussagen des Transportführers Berger und anderer begleitender S S - L e u t e sowie von Häftlingen geben jedoch übereinstimmend 1700 bis 1800 an. Diese dürften eher zutreffen. Ferner nennt der I T S im Routenplan als Abgangsdatum den 17. 4., sämtliche Zeugen aber den 16. 4. 1945.

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N ü r n b g . D o k . 2309-PS, Aussage des B g m . von Schwarzenfeld und des Totengräbers, ferner I T S , B g m . - M e l dung Schwarzenfeld vom 4. 5. 1946. Als amerikanischen K a m p f t r u p p e n der Vorfall bekannt wurde, wollten sie die gesamte Zerstörung der Marktgemeinde in die Wege leiten, was jedoch der Prior des örtlichen Klosters verhindern konnte. Daraufhin wurden bei einer öffentlichen Feier unter amerikanischer Aufsicht 140 H ä f t linge ordendich beigesetzt. In den 50er Jahren wurden hier 133 Leichen exhumiert und im KZ-Ehrenfriedhof Flossenbürg bestattet (Bayer. Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, Gräberlisten für den KZ-Ehrenfriedhof Flossenbürg sowie Angaben D r . Pinzenöllers an den Verf.).

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N A , After Action Reports der 65., 71., 90., 97. Inf. Div. s o w i e der 11. A r m . D i v . Danach standen die amerikanischen Einheiten am 1 6 . 4 . 1 9 4 5 zwischen 80 und 120 Straßenkilometer v o n Flossenbürg entfernt im R ä u m e Coburg/Hof/Bayreuth.

D a s Konzentrationslager Flossenbiirg

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aus der Ambulanz des Reviers sollen sich darunter auch prominente ungarische Häftlinge befunden haben, die infolge der deutschen Besetzung Ungarns (März 1944) verhaftet worden waren, z . B . der 75-jährige Franz von Keresztes-Fischer (vormals ungarischer Innenminister), sein Bruder Ludwig (der im Dienstrang eines Generals bei Horthy Adjutant gewesen war), Josef Sombor (ehemals General und Chef der politischen Abteilung der ungarischen Polizei in Budapest), weitere acht Angehörige der politischen Polizeikommandantur in Budapest sowie ferner drei französische, zwei italienische Generale, je ein russischer und ein tschechischer General und andere Offiziere. Nach späteren Berichten scheint dieser Transport bei Heiligenkreuz in Oberbayern befreit worden zu sein. Er läßt sich aber nicht zweifelsfrei bestätigen. Auch die Ermittlungsakten des ITS Arolsen konnten diesen Transport nicht nachweisen, obwohl dafür mehrere Zeugenaussagen vorliegen. Uberhaupt stellen die in den letzten Tagen meist in Richtung Dachau in Gang gesetzten Evakuierungsmärsche von Flossenbürg ein weitgehend ungeklärtes Kapitel der Lagergeschichte dar. Seine Erforschung ist um so schwieriger, als kurz vor der Evakuierung Flossenbürgs noch etliche Transporte aus Buchenwald mit zusammen etwa 6000 Mann eintrafen, die in Flossenbürg nicht mehr registriert, sondern weiter nach Dachau in Marsch gesetzt wurden. Mit Hilfe von Zeugenaussagen läßt sich dennoch einiges rekonstruieren. Darnach kann angenommen werden, daß sich am 20. April 1945 - dem Tag der großen Rest-Evakuierung - noch etwa 16000 Häftlinge im Lager befanden. Bekannt geworden ist ferner, daß Koegel am Abend des 19. April sämtliche SS-Führer zu einer letzten Konferenz zusammenrief, wobei er den Inhalt eines Funkspruchs von Berlin bekannt gab, der befahl, die Häftlinge vom Lager Flossenbürg nach Dachau zu bringen. Kein Häftling dürfe in die Hände des Feindes fallen 130 . Weil die Möglichkeit von Bahntransporten nicht mehr bestand - am 17. April war der Knoten-Bahnhof Schwandorf durch Bombardierung total ausgefallen - kamen nur noch Fußmärsche in Frage. Die Kranken sollten im Lager zurückgelassen werden. Koegel gab Anweisung, die marschfähigen Häftlinge in vier Kolonnen zu je 4000 Mann nach Dachau abmarschieren zu lassen. Verschiedene Indizien deuten darauf hin, daß spätestens vor Marschantritt ein geheimer Schießbefehl ergangen war. Begleitende SS-Mannschaften sagten später aus, sie hätten von Anfang an die Anweisung gehabt, sich bei Fluchtfällen wie üblich zu verhalten,

130

In verschiedenen Publikationen (ζ. B. in Klitta, Georg, a.a.O., S. 164) wird der Befehl folgendermaßen wiedergegeben: »Die Ubergabe kommt nicht in Frage. Das Lager ist sofort zu evakuieren. Kein Häftling darf lebendig in die Hände des Feindes fallen.« Es soll sich angeblich um ein Fernschreiben Himmlers an den Lagerkommandanten Koegel gehandelt haben, was anzuzweifeln ist, weil die Regensburger Fernschreibvermittlungsstelle schon ausgefallen war. Der angebliche Evakuierungsbefehl konnte nicht aufgefunden werden. Ähnlich erfolglos blieben in bezug auf Dachau, entsprechende Nachforschungen des Archivs des KZ-Museums Dachau. Daß angeblich der gleiche Befehl auch an das K L Dachau gerichtet wurde, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil sämtliche Flossenbürger Evakuierungstransporte mit Ziel Dachau abgingen. Deshalb müssen die als Quelle einzig zur Verfügung stehenden Zeugenaussagen des SS-Kompanieführers Bruno Skierkaund des Untersturmführers Otto Rink (NA, Hauptprozeß, P.-Exh. 61, und Nebenprozeß, P.-Exh. 12) als verläßlich gelten. Beide nahmen an der letzten Abendkonferenz am 19. 4. teil, erwähnen aber in ihren Angaben den indirekten Tötungsbefehl nicht, obgleich er zu ihrer Entlastung beigetragen hätte. Der Befehl ist auch insofern unwahrscheinlich, als in Flossenbürg 1526 kranke Häftlinge im Häftlingskrankenbau des Lagers das Kriegsende überlebten.

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das bedeutete, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Tatsächlich gab es die ersten Todesopfer schon in den nächsten Dörfern, die die Kolonnen nach Flossenbiirg passierten: in Neuenhammer, Dimpfl und Pleystein. Auch liegen Erklärungen sowohl seitens ehemaliger SS-Leute wie von ehemaligen Häftlingen vor, wonach der den Marsch begleitende Lagerkommandant Koegel spätestens am zweiten Marschtag die Anweisung durchsagen ließ, daß von nun an nicht mehr Kopf-, sondern Herzschüsse zu geben seien. Auf vorsorgliche Planung deutet auch hin, daß von Anfang an hinter jeder Kolonne eine kleine Häftlingsabteilung marschierte, die als Beerdigungskommando mit Schaufeln ausgerüstet war. Sie hatte die Leichen notdürftig am Straßenrand zu verscharren. Das Modell solchen Vorgehens war ja außerdem schon erprobt. Bereits 12 Tage vorher, am 8. April 1945, war das Nebenlager Hersbruck mit rund 3800 Häftlingen nach Dachau in Marsch gesetzt worden 1 3 1 , und auch bei diesem Marsch hatte man eine größere Anzahl von Häftlingen erschossen. Ähnlich war es, wie bereits berichtet, dem Judentransport vom 16. April ergangen. Und lange vorher, bei den zahllosen Evakuierungsmärschen von Groß-Rosen, Buchenwald und anderen Lagern nach Flossenbürg hatte es ebenfalls solche Erschießungen gegeben. Die SS-Führer und Wachmannschaften dieser Evakuierungsmärsche wurden bei den von Flossenbürg ausgehenden Märschen wiederum verwendet und wandten die alte Praxis erneut an. Ein originäres schriftliches Zeugnis für diese Praxis stellt der erhalten gebliebene, letzte Einsatzbefehl des KL Stutthof vom 25. Januar 1945 dar. In bezug auf die unmittelbar bevorstehende Lagerevakui e r u n j heißt es dort unmißverständlich : »Fluchtversuche und Meutereien sind rücksichtslos mit der Waffe zu brechen« 132 . Die Elendsmärsche vollzogen sich unter grausamen Bedingungen. Viele Häftlinge waren durch die Typhusepidemie geschwächt. Einige tausend Häftlinge, die am 20. April erneut in Marsch gesetzt wurden, waren erst vor wenigen Stunden in Flossenbürg eingetroffen (Evakuierte aus Buchenwald). Die erste abgehende Kolonne erhielt noch etwas Brot als Marschverpflegung, für die restlichen gab es nur mehr eine Handvoll Korn, für die zuletzt Abmarschierenden überhaupt nichts mehr. Wenige besaßen Decken, mit denen sie sich vor dem kalten, regnerischen Aprilwetter schützen konnten. In der Regel hatten die Häftlinge nur ihre zerrissene Häftlingskleidung an. Die Notdurft mußte während des Marschierens bzw. auf den Lagerplätzen verrichtet werden, die irgendwo auf freier Flur eingerichtet wurden. Jede der vier großen Marschkolonnen war in Blocks unterteilt; diese überholten sich im Verlaufe des Marsches mehrfach, so daß sich nachträglich der zeitliche Marschverlauf und die zeitweiligen Standorte der Marschblöcke kaum noch rekonstruieren ließen. In einigen Fällen wurden die marschierenden Kolonnen auch von alliierten Tieffliegern angegriffen, die es offenbar nur auf die mitmarschierende Bewachung abgesehen hatten, aber auch Häftlinge töteten. Wer zu schwach war, um weiter zu marschieren, wurde unbarmherzig erschossen. Junge Männer schleppten mit letzter Kraft ihre Väter oder andere Verwandte mit, bis sie gemeinsam zusammenbrachen und er131

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Von diesem Transport trafen 2103 Häftlinge zwischen dem 24. und 26. 4. 1945 in Dachau ein. Die übrigen Häfdinge sind erschossen worden; ein Teil konnte wohl auch flüchten. Bereits am 10. 4. vermerken die Dachauer Zugangsbücher (ITS, Dachau Ordner 114) die Ankunft von 1530 Häftlingen aus Hersbruck. Es handelte sich hierbei um Kranke, die per Zug transportiert worden sind. N A , T-580/69/144.

Das Konzentrationslager Flossenbürg

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schössen wurden. Am zweiten oder dritten Tag des Massakers, als die Munition knapp zu werden begann, erschlugen die Posten zusammengebrochene Häftlinge mit dem blanken Gewehrkolben. Die Elendszüge mieden die Hauptstraßen und marschierten wegen der Fliegergefahr vorwiegend nachts. N u r einer der vier großen Marschblocks erreichte mit 2654 am Leben gebliebenen Häftlingen unter Leitung von SS-Obersturmführer Pachen noch geschlossen das KL Dachau 1 3 3 . Mit Ausnahme einiger versprengter Gruppen, die Dachau vielleicht noch erreichten, blieben die anderen Häftlinge unterwegs verschollen. Da inzwischen auch die Dachauer Schreibstube ihren Dienst eingestellt hatte, wurden dort die Ankünfte aus Flossenbürg nicht mehr verzeichnet. Am 23. April befreiten amerikanische Kampfverbände rund 7000 Häftlinge im Raum Cham im vorderen Bayerischen Wald. Andere Marschblocks irrten weit in Oberbayern umher, weil heranrückende amerikanische Truppen den Weg nach Dachau versperrten. Die letzten Elendszüge wurden erst kurz vor der Kapitulation am 2. Mai 1945 am Chiemsee befreit. Für die Zeit zwischen 10. und26. April sind in den letzten Dachauer Zugangslisten insgesamt 3779 Überstellungen aus Außenlagern Flossenbürgs verzeichnet (Hersbruck, Obertraubling, Ganacker, H o f , Nürnberg und Plattling), aus dem Hauptlager nur mehr die Ankunft einer 205-köpfigen Gruppe am 24. April 194 5 1 3 4 . Einschließlich der bereits erwähnten 2654 Häftlinge vom 29. April (die Zahl basiert auf Zeugenaussagen und wurde in Dachau nicht mehr offiziell registriert) kamen demnach 6638 Häftlinge an ihrem Bestimmungsort Dachau an. Insgesamt sind aber in dieser Zeit (April 1945) aus dem Hauptlager Flossenbürg und seinen süddeutschen Nebenlagern zwischen 25- und 30 000 Häftlinge in Richtung Dachau in Marsch gesetzt worden. Allenfalls ein Viertel erreichte also sein Ziel. Das Schicksal der verbleibenden 20000 Häftlinge ist in Dunkel gehüllt. Der größte Teil ist zweifellos von den Amerikanern befreit worden. Die hierüber in den US-Divisionsberichten enthaltenen Zahlen basieren bloß auf Schätzungen, so daß sie für eine exakte Zahlenbilanz wenig tauglich sind. Die Ermittlungen des Verfassers stießen auf folgende Daten: 1957 legte der Freistaat Bayern auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg einen Ehrenfriedhof an, auf den größtenteils Leichen aus EvakuierungsGrabstätten umgebettet wurden. Im Sommer 1966 waren hier 5451 KL-Tote bestattet 135 . Rund 4000 von ihnen gehen zurück auf die Opfer der Evakuierungsmärsche, die im April 1945 von Flossenbürg und seinen süddeutschen Nebenlagern ausgingen, - eine Zahl, die sich auch mit den auf den Bürgermeistermeldungen basierenden Routenplänen des ITS deckt (dort sind insgesamt 3998 Tote angegeben). Neben diesem großen Ehrenfriedhof in Flossenbürg existieren noch heute im süddeutschen Raum Grabstätten, die mindestens 1300 Häftlingsleichen beherbergen und entweder an Evakuierungsrouten nach oder von Flossenbürg liegen. Die größte Anlage dieser Art befindet sich in Neunburg vorm Wald (Kreis Schwandorf) mit 610 unbekannten

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N A , P.-Exh. 59, Hauptprozeß, Aussage Pachens. Der ITS gibt in seinen Routenplänen die Ankunft von 2800 Häftlingen am 29. 4. in Dachau an. ITS, Flossenbürg-Ordner 43, S. 164. Aufstellung von Dr. Pinzenöller (Bayer. Schlösserverwaltung) vom 27. 7. 1977 für den Verf.

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KL-Toten. Berücksichtigt man ferner, daß im Rahmen der 1957 in Bayern begonnenen Exhumierungsaktion mindestens 102 namentlich bekannte KL-Tote aus diesen Grabstätten in die Herkunftsländer der Toten überführt wurden, so ergibt sich als Bilanz: In bezug auf die im April 1945 vom Konzentrationslager Flossenbürg ausgehenden Häftlingsevakuierungen sind über 5400 Leichenfunde nachzuweisen. Doch ist keineswegs auszuschließen, daß noch heute in freier Flur weitere unbekannte Gräber liegen. Erst 1971/72 waren bei Straßenbauarbeiten in Ostbayern acht Skelette entdeckt worden, die als KL-Häftlinge identifiziert werden konnten. Im Waldgelände um den Bahnhof Irrenlohe (Landkreis Schwandorf) wurden im April 1945 mehrere Häftlingsfrauen von einem improvisierten Standgericht zum Tode verurteilt und im Wald erschossen. Sie stammten vom Flossenbürger Außenkommando Wolkenburg, das per Zug in den Landkreis Schwandorf evakuiert worden war. Die Gräber der fünf Frauen sind noch unentdeckt. Weitgehend ungeklärt ist vor allem das Schicksal der 44 Männer- und 24 Frauen-Außenlager, welche gemäß der letzten Flossenbürger Arbeitseinteilungsliste vom 13. April 1945 zusammen 36000 Personen umfaßte. Einige dieser bisher noch nicht erwähnten, weiter entfernt liegenden Kommandos (Johanngeorgenstadt, Zwickau, Helmbrechts) wurden ebenfalls unter tragischen Umständen evakuiert, wobei es zwischen 1000 und 1500 Toten gab. Die Gesamtzahl aller Evakuierungstoten aus dem Bereich des K L Flossenbürg ist demnach auf mindestens 7000 zu schätzen. Geht man davon aus, daß das K L Flossenbürg danach (April 1945) - einschließlich der zuletzt nicht mehr registrierten Buchenwalder Zugänge - rund 60000 Insassen in Stamm- und Nebenlagern hatte, so ergibt sich: Mindestens jeder zehnte Häftling kam bei der völlig sinnlosen Evakuierung in den letzten Wochen ums Leben. Die 1526 im Hauptlager verbliebenen, zumeist kranken Häftlinge wurden am Montagvormittag, 23. April 1945, vom 358. Infanterie-Regiment der 90. amerikanischen Infanterie-Division befreit. Amerikanische Ärzte ergriffen sofort erste Präventivmaßnahmen, um die noch immer grassierenden Seuchen einzudämmen. In dem amerikanischen Report vom 24. April 1945 heißt es: 1 3 6 »Der Gesundheitszustand ist schlecht. 186 Fälle von aktivem Typhus, 98 T B C , 2 Diphtherie, 2 Malaria und andere Krankheiten. Das gesamte Gelände ist verlaust. Im Leichenhaus zum Zeitpunkt der Inspektion 60 bis 80 Leichen. In einem Krematorium werden die Leichen verbrannt.«

Ende April 1945 wurde auf amerikanische Anordnung hin das Krematorium im Lager eingestellt und statt dessen im Ort Flossenbürg ein kleiner Ehrenfriedhof eröffnet, in dem 146 nach der Befreiung verstorbene Häftlinge beerdigt wurden. Die Gesamtzahl der nach der Lagerevakuierung Verstorbenen liegt weit höher; allein zwischen dem 20. und 27. April, als die Toten noch im Lager verbrannt wurden, dürften im Hauptlager mindestens 200 Personen gestorben sein 1 3 7 .

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I T S , Hist.-Ordner 22, Report Lt. Col. W . I. Russell von der 90 Inf. Div. vom 24. 4. 1945, undNürnbg. D o k . 2309-PS, Report of Inspection vom 26. 4. 1945. F e m e r Angaben an den Verf. von James P . Falvey, James W . Campbell, M. I ) . , und William M. McConnahey, M . D . , die als erste US-Soldaten das Lager betraten. I T S , Hist.-Ordner Flossenbürg 226, Report Major Samuel S. Gray (ab 29. 4. 1945 Leiter des Lagers Flossenbürg). Demnach starben gegen Ende April 1945 noch 10 bis 15 Häftlinge pro Tag.

37. Häftling im Lagerrevier Flossenbürg nach der Befreiung durch amerikanische Truppen

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Toni Sieger:

Vom früheren Konzentrationslager Flossenbürg ist heute nicht mehr viel zu sehen. In der Nachkriegszeit wurden die Baracken des Schutzhaftlagers und des SS-Bereiches abgerissen. Auf den gleichen Terrassen bauten sich Flüchtlinge und Heimatvertriebene moderne Siedlungshäuser. Von den früheren Lagergebäuden sind lediglich noch das zweistöckige Kommandanturgebäude sowie Küche und Bad erhalten, die jedoch teilweise in neu errichteten Industrieanlagen integriert sind. Der Großteil des ehemaligen Arrestgebäudes wurde abgerissen. Im erhalten gebliebenen Teil informiert eine kleine Bildausstellung die Besucher der Gedenkstätte. Im heute als »Tal des Todes« bezeichneten Geländeeinschnitt beim Krematorium befindet sich u. a. eine Aschenpyramide, die als Mahnmal nach 1945 errichtet wurde, zusammengesetzt aus Krematoriumsasche und Tausenden herrenloser Schuhe, die man bei der Befreiung im Lager fand, und von denen man damals fälschlich annahm, es handele sich um das Überbleibsel von getöteten Häftlingen bzw. entsprechenden Vernichtungsaktionen. Tatsächlich hat es in Flossenbürg zu keiner Zeit Massenvernichtungsaktionen wie in den dafür bekannten Lagern in den besetzten Gebieten Osteuropas gegeben. Eine Gaskammer, die verschiedene Häftlinge gesehen haben wollen, existierte nicht 138 . Die Asche aus dem Krematorium wurde in der Nähe der später errichteten Pyramide einen Abhang hinuntergeschüttet. Diese Stelle ist mit einer Gedenktafel gekennzeichnet. Die irreführende Aufschrift »Desinfektion« über dem Eingang zum erhalten gebliebenen Krematorium bestand zweifellos vor Kriegsende noch nicht. Diejenigen, die sie nach 1945 - übereifrig - anbrachten, handelten auch insofern sinnlos, als das Krematorium (im Gegensatz zur Gaskammer) keine solche Tarnbezeichnung benötigte, zumal nur das Krematoriumskommando sowie die Leichenträger Zutritt zu ihm hatten. Auch in den amerikanischen Reports, die unmittelbar nach der Befreiung des Lagers verfaßt wurden, ist von einer Gaskammer (im Gegensatz zu Dachau) nicht die Rede. Bereits am 3. Mai erließ die War Crimes Section der 3. Amerikanischen Armee die ersten Haftbefehle gegen ehemalige Flossenbürger SS-Angehörige. Zwischen 1946 und 1948 fanden dann in Dachau 19 Prozesse gegen Angehörige der Flossenbürger SS bzw. Kapos des Lagers statt. Bei diesen Verfahren sprachen die amerikanischen Militärgerichte 25 Todesurteile aus, von denen 17 vollstreckt wurden 1 3 9 .

138

139

Beispielsweise behauptete der aus Marktredwitz stammende Franz Schöttner gegenüber dem Verf. wiederholt, daß in einem Gaswagen Häftlinge getötet worden seien. Möglicherweise hat Schöttner den transportablen Entlausungswagen, der im Revierbereich vor allem 1941/42 für das Kriegsgefangenenlager eingesetzt war, für einen Gaswagen gehalten. Schöttner - der angibt, einem »Flossenbürg-Komitee« vorzustehen - läßt sich nicht als Häftling des KL Flossenbürg nachweisen. Der ITS besitzt keinerlei Unterlagen über ihn. Zur angeblichen Gaskammer siehe auch das Coburger Tagblatt vom 21. 5. 1966 sowie die Deutsche Nationalzeitung vom 1. 7. 1966. -Flossenbürg-Komitees, denen ehemalige Häftlinge angehören, gab es 1978 in Frankreich, Italien, Jugoslawien, Polen und in der Tschechoslowakei. N W R C , Complete List of War Crimes Case Trials. Hingerichtet wurden: Konrad Blomberg (3.10.1947), Josef Brauner (21.5. 1949), Christian Eisbusch (3.10.1947), August Ginschel (10. 9.1947), Peter Goldmann (23. 2.1948), Josef Hauser (3.10.1947),ChristianMohr(15. 10.1948), Willi Olschewski (3.10.1947), Albert Roller (3. 10. 1947), D r . Heinrich Schmitz (26. 11. 1948), Cornelius Schwanner (15. 10. 1948), Ludwig Schwarz (3. 10. 1947), Julius Straub (29. 10. 1948), Wenzel Wodak (22. 10. 1948), Erhard E. Wolf (3. 10. 1947), Josef Wurst (3. 10. 1947), Eugen Ziehmer (14. 1. 1949). In lebenslange Freiheitsstrafen verwandelt wurden die Todesurteile gegen Max A. Auerswald, Wilhelm Brusch, Martin H u m m , Karl Keiling, Wilhelm Loh, Alois Schubert, Rudolf Schulmeister, Edmund Wissmann.

Das Konzentrationslager Flossenbürg

489

Die Begnadigungen zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe veranlaßte General Lucius D . Clay. Die zu »lebenslanger Freiheitsstrafe« im Landsberger Gefängnis Inhaftierten wurden Mitte der fünfziger Jahre auf Parole entlassen, das heißt, sie mußten sich regelmäßig bei bestimmten Überwachungsbeamten melden. Auch diese Auflage fiel später weg. Die Hinrichtungen fanden ebenfalls in Landsberg statt. Auch die deutsche Nachkriegsjustiz führte eine ganze Serie von gerichtlichen Untersuchungen und Prozessen gegen ehemalige Angehörige des Konzentrationslagers Flossenbürg durch. Bis Mitte der 60er Jahre fanden, laut Kartei der Zentralen Stelle in Ludwigsburg, über 200 Prozesse bzw. Ermittlungsverfahren gegen Flossenbürger SS-Angehörige oder Kapos statt. Die meisten Fälle wurden in den Jahren nach 1945 über das für Flossenbürg gebietsmäßig zuständige Landgericht Weiden abgewickelt. Noch 1978 waren bei verschiedenen Staatsanwaltschaften in Bayern sowie bei der Zentralen Stelle Verfahren gegen Flossenbürger SS-Mitglieder anhängig 140 . Ihre Ermittlungen haben zur historischen Aufklärung der Geschehnisse und Verantwortlichkeiten im Lager wesentlich beigetragen.

8.

STATISTISCHE B I L A N Z

Schon aus den vorangegangenen Darlegungen ist genügend deutlich geworden: die kolossale Massierung der Zahl der Häftlinge im KL-Bereich Flossenbürg ebenso wie die enorme Massensterblichkeit fiel schwerpunktmäßig in die Jahre 1944/45. Das wird auch durch die zahlenmäßige Bilanz unterstrichen. Für die knapp sechs Jahre der Lagergeschichte vom 3. Mai 1938 bis zum 20. März 1944 läßtsich aufgrund der erhalten gebliebenen 1 4 1 Zugangslisten und Häftlingsnummernbücher nachweisen: in dieser Zeit wurden insgesamt 18632 Personen (ausschließlich Männer) nach Flossenbürg eingewiesen und dort als Häftlinge registriert. Der weit größere Teil dieser Neuzugänge, genau 10382, entfiel auf die 15 Monate vom 1. Januar 1943 bis zum 20. März 1944. Für die Zeit ab 21. März 1944 läßt sich vor allem aufgrund der Häftlingsnummerbücher des K L die zahlenmäßige Massierung nachweisen und zahlenmäßig bestimmen 1 4 2 . Bis Jahresende 1944 wurden weitere 54 695 Häftlinge (darunter 11358 Frauen), und in der Zeit vom 1. Januar 1945 bis zur Evakuierung des Lagers abermals 23389 Häftlinge (darunter 4702 Frauen) neu in das K L Flossenbürg oder eines seiner Außenkommandos aufgenommen. Insge140

Gesucht wird vor allem noch der langjährige Adjutant und zeitweise stellvertretende Lagerkommandant von Flossenbürg, Ludwig (»Lutz«) Baumgartner. Seit den Evakuierungsmärschen ist er spurlos verschwunden. Bei der Staatsanwaltschaft am Landgericht Weiden ist gegen ihn seit 1956 ein Verfahren anhängig.

141

Häftlingsnummernzuteilung in Konzentrationslagern, hrsg. vom ITS. Arolsen 1965; ferner ITS, Flossenbürg-Ordner 1 bis 19, Häftlingsnummernbücher des K L Flossenbürg; Angaben von Martin Plinius, Leiter der KL-Dokumentenabteilung beim ITS, und seines Stellvertreters Erich Henschel. Vorher wurden dieselben Häftlingsnummern z . T . mehrfach vergeben, wenn Häftlinge aus Flossenbürg ausgeschieden waren.

142

490

Toni Siegert

samt sind mithin mindestens 96716 Personen im KL Flossenbürg förmlich als LagerHäftlinge registriert worden (davon 16060 Frauen). Nicht enthalten in dieser Zahl sind die rund 2000 1941 nach Flossenbürg überstellten sowjetrussischen Kriegsgefangenen, die gesondert registriert wurden. Auch von den Häftlingen, die in erheblichem Umfang noch in den letzten Tagen des Lagers nach Flossenbürg transportiert wurden, ist nur ein Teil noch ordnungsgemäß registriert worden. Am 14. April 1945 wurde die letzte Veränderungsmeldung in der Flossenbürger Lagerschreibstube erstellt, in der auch alle Neuzugänge angegeben sind. Für die letzten fünf Tage vor der Evakuierung existieren keine schriftlichen Nachweise mehr. Mit Sicherheit nicht registriert wurde z.B. der am 17. April 1945 von Dachau nach Flossenbürg in Marsch gesetzte Transport von 600 Häftlingen 143 und rund 6000 Häftlinge, die in den letzten Tagen, nach Außerbetriebsetzung der Lagerschreibstube in Flossenbürg, vom KL Buchenwald überstellt worden waren. Nicht registriert wurden schließlich alle Sonder- und Ehrenhäftlinge, die hier bzw. auf verschiedenen Außenkommandos inhaftiert waren. Ebenfalls nicht in den Lagerakten erfaßt wurden diejenigen Personen, die die Gestapo lediglich zum Zwecke der Exekution in das Lager eingewiesen hatte. Einschließlich der überlebenden Sonderhäftlinge dürften allein dieser Kategorie etwa 2000 Personen zuzurechnen sein. Insgesamt sind demnach mehr als 100000 Menschen durch Flossenbürg bzw. seine Außenlager gegangen. Komplizierter ist die statistische Bilanzierung der Todesfälle. Ein unmittelbar nach der Befreiung des Lagers verfaßter »Secret« - 92 - Bericht der 90. US-Infanteriedivision nannte eine Gesamtzahl von 30000 Toten 1 4 4 . In den amerikanischen Flossenbürg-Prozessen in Dachau ging man, entsprechend der Angaben der ehemaligen Häftlingsschreiber Milos Kuceraund Karel Prohaska, von rund 29000 Toten 1 4 5 aus. Diese Angaben kamen der Wahrheit recht nahe. Irrig ist dagegen die später vom »Komitee zur Erbauung eines Denkmals inji Konzentrationslager Flossenbürg« verbreitete Zahl von 73 296 Opfern, die in der Gedenkkapelle im ehemaligen Lager noch immer zu lesen ist 146 . Aus den nur fragmentarisch erhalten gebliebenen ehemaligen Lagerakten lassen sich genaue Angaben über die Sterblichkeit nur für einzelne begrenzte Zeiträume machen, die zur Errechnung der Gesamtsterblichkeit wenig beitragen, wenn sie auch symptomatisch sind. Aus ihnen ergibt sich z.B., daß im Monat August 1943 bei einer Belegzahl von 4800 Häftlingen 155 Todesfälle zu registrieren waren (3,23 %) und die Sterblichkeitsquote von Flossenbürg die vierthöchste von allen damals bestehenden 19 Konzentrationslagern darstellte 147 .

143 144

145

146

147

ITS, Dachau-Abgangsliste 114/49. Die in dem Bericht vom 24. 4. 1945 zunächst enthaltene Angabe von 300 000 Toten, offenbar auf einem Schreibfehler beruhend, wurde zwei Tage später korrigiert. Vgl. dazu auch N ü r n b g . Dok. PS-2309. In der Kucera/Prohaska-Zahl, a.a.O., von 29000 sind jedoch noch nicht die Opfer der Evakuierung vom April 1945 enthalten. Die ihr zugrundeliegenden Ermittlungen lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Im Protokollbuch des Komitees (Abschrift beim Verf.) ist vermerkt, die »privaten Forschungen einzelner ausländischer Komiteemitglieder« hätten diese Zahl ergeben, das Komitee selbst könne aber »eine genaue Feststellung über die Zahl der Toten in Flossenbürg nicht treffen«. Die Angaben des Komitees waren vorher schon in der lokalen Presse kritisiert worden; vgl. Oberpfälzer Nachrichten (Weiden) vom 3. 9. 1953. Vgl. dazu Nürnbg. D o k . PS-1469.

Das Konzentrationslager Flossenbiirg

491

Der schon von der amerikanischen Militärregierung unternommene Versuch, die in Flossenbiirg umgekommenen Häftlinge namentlich festzustellen, blieb sehr unvollständig. Es konnten nur die Namen von 11043 Toten festgestellt werden 148 . Für die Zeit bis zum 30. September 1942, solange die amtliche Beurkundung der Todesfälle im Lager noch vom Standesamt der Gemeinde Flossenbiirg vorgenommen wurde, liegt eine genaue Bilanz vor: sie enthält 2083 Namen 149 . Für die Folgezeit (bis zum Mai 1945) konnte das beim Internationalen Suchdienst in Arolsen eingerichtete Sonderstandesamt bis 1958 aufgrund systematischer Ermittlungen weitere 18217 Todesfälle namentlich feststellen 150 . Spätere Ermitdungen des ITS Arolsen ermöglichten die Beurkundung weiterer Todesfälle 151 , so daß sich 1978 die Gesamtbilanz von 20474 urkundlich registrierten Todesfällen für Flossenbürg ergab 152 . Zu dieser Zahl müssen jene Todesfallgruppen hinzugerechnet werden, die nicht namentlich nachgewiesen werden können, sich aber aufgrund von Dokumenten u. a. Zeugnissen zahlenmäßig oder größenordnungsmäßig feststellen lassen: mindestens 800 in den Jahren 1941/42 aufgrund des »Kommissarbefehls« in Flossenbürg hingerichtete sowjetische Kriegsgefangene 153 ; circa 200 nachweislich 1941/42 im Lager gestorbene sowjetrussische Kriegsgefangene 154 ; circa 2000 in den Jahren 1944/45 im Arrestbau des Lagers hingerichtete Personen 155 ; circa 5400 im April/Mai 1945 nach den Evakuierungsmärschen aus dem Hauptlager Flossenbürg und seinen süddeutschen Nebenlagern aufgefundene, nicht identifizierbare Leichen 156 ; circa 1500 unbekannte Evakuierungstote von Außenkommandos des KL Flossenbürg 156 .

148 149 150

151

152

153

154 155

156

Vgl. N A , List of Inmates and Documents. Darunter die von 24 sowjetrussichen Kriegsgefangenen. Cocatrix, Albert de: Die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Arolsen 1977 (Ms). In der darin angegebenen Zahl (18 259) sind irrtümlich 42 im Kriegsgefangenenlager Langenzenn (bei Nürnberg) gestorbene Russen mitenthalten, die nicht im KL Flossenbürg gewesen sind. Hinzu kommen noch 170 Kriegszeitbeurkundungen der Stadt Hersbruck und vier der Gemeinde Happurg f ü r das Außenlager Hersbruck. Auch haben verschiedene Gemeinden, die entlang der Evakuierungsrouten des KL Flossenbürg lagen, aufgefundene Häftlingsleichen als »namentlich unbekannt« beurkundet. Eine etwas höhere Zahl (22 334) nennt die Bayer. Schlösserverwaltung in dem offiziellen, in der Gedenkstätte in Flossenbürg ausliegenden Prospekt über das Lager. Sie basiert auf einem nachweislichen Rechenfehler des ITS, der früher einmal zu den 20 474 beurkundeten Todesfällen noch die Urkunden der Gemeinde Flossenbürg addierte, obwohl diese bereits enthalten waren. Bei 330 von ihnen läßt sich aufgrund der Dokumente die Hinrichtung zeitlich genau einordnen; vgl. Nürnbg. D o k . 178-R. Vgl. die Ärztlichen Mitteilungen im BA, N S 4 Fl. vorl. 11, 19, 21 und 23. Die Zahl ergibt sich aus mehreren Zeugenaussagen in den amerikanischen Flossenbürg-Prozessen. Für 467 von ihnen liegen genaue Zahlen- und Datumsangaben der Hinrichtungen vor. Danach wurden u. a. hingerichtet: am 12. 6. 1944:2 kanadische bzw. englische Offiziere, am 4. 9. 1944:132 sowjetrussische Offiziere, am 7. 10. 1944: 12 russische Generäle, am 8. 1. 1945: 3 Polinnen, am 11. 1. 1945:2 polnische Kinder, im Februar 1945: 193 Tschechen, am 29. 3. 1945:13 alliierte Offiziere, im März 1945:110 Wlassow-Soldaten mit Familienangehörigen. Vgl. hierzu das vorstehende Kapitel.

492

Toni Siegert

Selbst wenn man davon ausgeht, daß in diesen Zahlengruppen, die zum Teil auf nachträglichen Schätzungen beruhen, Fehlerquoten von 20 Prozent enthalten sein können, gelangt man zu einer statistischen Mindestbilanz von insgesamt rund 30 000 Todesopfern. Diese Summe kann als erwiesene Tatsache gelten, wenn es auch nie mehr möglich sein wird, die absolute Zahl der Todesopfer mit letzter Genauigkeit zu bestimmen.

MITARBEITER DIESES BANDES Dr. Fritz Blaich, Jg. 1940, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Regensburg Dr. Friederike Euler, Jg. 1943, Theaterhistorikerin Norbert Frei, Jg. 1955, Student der Politikwissenschaft Dr. Lothar Gruchmann, Jg. 1929, wiss. Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte Dr. Ian Kershaw, Jg. 1943, Dozent an der Universität Manchester Günther Kimmel, Jg. 1930, Oberstaatsanwalt Evi Kleinöder, Jg. 1952, Studentin der Geschichte Toni Siegert, Jg. 1950, Redakteur

38. Leichenzug durch Neunburg vorm Wald (Landkreis Schwandorf). Auf Anordnung der Amerikaner mußten die Einwohner die bereits in Verwesung übergegangenen Leichen ausgraben, die im Laufe der Flossenbürger Lagerevakuierungen nahe der Stadt verscharrt worden waren. Nach der Exhumierung wurden die Leichen in Holzsärgen auf einem Sammelfriedhof außerhalb der Stadt beigesetzt.

Anhang

BILDNACHWEIS 1. Bernd Lembeck: Hans Schemm. Ein Leben für Deutschland. München 1936; 2. Bundesarchiv Koblenz; 3. Bayerische Staatsbibliothek; 4. Josef Rost, Bamberg; 5. Bundesarchiv Koblenz; 6. Bundesarchiv Koblenz; 7. Gerda Falckenberg, München; 8. Gerda Falckenberg, München; 9. Theatermuseum München; 10. Theatermuseum München; 11. Adolf Kölle, Eichstätt; 12. Anton Halbich, Eichstätt; 13. Anton Halbich, Eichstätt; 14. Adolf Kölle, Eichstätt; 15. Anton Halbich, Eichstätt; 16. Adolf Kölle, Eichstätt; 17. Anton Halbich, Eichstätt; 18. Johannes Kraus: Erinnerungen aus meinem Leben; 19. Bundesarchiv Koblenz; 20. Werksarchiv Messerschmitt; 21. Stadtarchiv Nürnberg; 22. Stadtarchiv Nürnberg; 23. Stadtarchiv Nürnberg; 24. Stadtarchiv Nürnberg; 25. Stadtarchiv Nürnberg; 26. Stadtarchiv Nürnberg; 27. Baruch Zvi Ophir: Pinkas Hakehillot. Jerusalem 1968; 28. Stadtarchiv Nürnberg; 29. Hauptamt für Hochbauwesen Nürnberg; 30. Institut für Zeitgeschichte; 31. Institut für Zeitgeschichte; 32. Toni Siegert, Altenstadt; 33. Toni Siegert, Altenstadt; 34. Toni Siegert, Altenstadt; 35. Toni Siegert, Altenstadt; 36. Toni Siegert, Altenstadt; 37. Toni Siegert, Altenstadt; 38. Toni Siegert, Altenstadt;

Abkürzungsverzeichnis

a.a.O. AEG AG Anm. AStA

am angegebenen Ort Allgemeine Elektrizitäts-Werke Aktiengesellschaft Anmerkung Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. I, Allgemeines Staatsarchiv, München

BA BA BDC BGBl. Bgm. BIV BK Blubo BMW BPP BStMdl BStMdJ BStMUuK BVP

Bezirksamt Bundesarchiv, Koblenz Berlin Document Center Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Bürgermeister Bayerischer Industriellen-Verband Bayerischer Kurier Blut und Boden Bayerische Motoren-Werke Bayerische Politische Polizei Bayerisches Staatsministerium des Innern Bayerisches Staatsministerium der Justiz Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus Bayerische Volkspartei

CdS

Chef der Sicherheitspolizei und des SD

DA DAF DAW DBJ DEST DJ DJK DNB DNVP

Diözesanarchiv Deutsche Arbeitsfront Deutsche Ausrüstungswerke Deutsches Bühnenjahrbuch Deutsche Erd- und Steinwerke Deutsche Jugend Deutsche Jugendkraft Deutsches Nachrichtenbüro Deutschnationale Volkspartei

EStA

Erster Staatsanwalt

GDBA Genvik. GenStA Gestapo

Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger Generalvikariat Generalstaatsanwalt Geheime Staatspolizei

Abkürzungsverzeichnis

GL GmbH GStA GVB1. HELGAFA

497

Gauleiter Gesellschaft mit beschränkter Haftung Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abt. II, Geheimes Staatsarchiv, München Gesetz- und Verordnungsblatt

HJ

Gemeinnützige Herstellungs- und Lieferungsgenossenschaft arischer Firmen der Aschaffenburger Bekleidungsindustrie G m b H Hitlerjugend

IfZ IHK IMG IMT ITS

Institut für Zeitgeschichte Industrie- und Handelskammer Internationaler Militärgerichtshof International Military Tribunal Internationaler Suchdienst (International Tracing Service)

JM JV

Jungmädel Jungvolk

KdF Kdl KfdK KJMV KL KPD

Kraft durch Freude Kammer des Innern Kampfbund für deutsche Kultur Katholischer Jungmännerverband Konzentrationslager Kommunistische Partei Deutschlands

LRA

Landratsamt

MAA MAN masch. MdL MdR ME MNN MP Ms. MTelZ Muna MZ

München-Augsburger-Abendzeitung Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg maschinenschriftlich Mitglied des Landtags Mitglied des Reichstags Ministerialen tschließung Münchner Neueste Nachrichten Münchener Post Manuskript Münchner Telegrammzeitung Munitionsanstalt Münchner Zeitung

NA NMT NS

National Archives, Washington Neues Münchner Tagblatt Nationalsozialismus

498

NSBO NSDAP NSG NS-Hago

Abkürzungsverzeichnis

NSK NSKG NSKK NSLB NSV Niirnbg. Dok. NWRC

Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistische Gemeinschaft Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation Nationalsozialistische Partei-Korrespondenz Nationalsozialistische Kulturgemeinde Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps Nationalsozialistischer Lehrerbund Nationalsozialistische Volkswohlfahrt Nürnberger Dokument(e) National Washington Records Center

o.D. Oflag o.J. OLG o.O. o.Sign. OStA OTbB

ohne Datum Offizierslager ohne Jahr Oberlandesgericht ohne Ort ohne Signatur Oberstaatsanwalt Oberste Theaterbehörde in Bayern

Pg PO PolDir.N-F

Parteigenosse Politische Organisation Polizeidirektion Nürnberg-Fürth

R-Betriebe RFSS RG RGBl. RJM RKK RMVP RSHA RTK RVDP RVDZV

Rüstungsbetriebe Reichsführer-SS Record Group Reichsgesetzblatt Reichsjustizministerium Reichskulturkammer Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Reichssicherheitshauptamt Reichs th eaterkammer Reichsverband der deutschen Presse (Journalistenorganisation) Reichsverband der deutschen ΖeitungsVerleger

SA SD SGM SKF SPD SS

Sturmabteilung Sicherheitsdienst Sondergericht München Schweinfurter Kugellagerfabrik Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel

Abkürzungsverzeichnis

499

StA Stalag Stapo StdE StdM StPO SWF

Staatsarchiv Mannschaftsstammlager Staatspolizei Stadtarchiv Eichstätt Stadtarchiv München Strafprozeßordnung Süddeutsche Waggon- und Förderanlagenfabrik

Ü-Stelle USPD

Überwachungsstelle Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

VB VB-Häftlinge VBZV VDZV VfZ VGH VO vorl.

Völkischer Beobachter Vorbeuge-Häftlinge Verein Bayerischer Zeitungsverlger Verein Deutscher Zeitungsverleger Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Volksgerichtshof Verordnung vorläufig

WAST WB WL WVHA Wwi.

Wehrmachts-Auskunftsstelle Wiedergutmachungsbehörde Bayern, Fürth Wiener Library Wirtschaft-Verwaltungshauptamt Wehrwirtschaftsinspektion

ZBLG z.b.V. zeitgen. Ztschr.

Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte zur besonderen Verwendung zeitgenössisch Zeitschrift

PERSONEN- UND SACHREGISTER Dieses Register enthält nur die Namen zeitgenössischer Personen. Die Verfasser der zitierten Literatur blieben unberücksichtigt. Das Sachregister beschränkt sich vor allem auf Gesetze, Erlasse und Verordnungen, Institutionen, Organisationen und Verbände sowie auf nationale Ereignisse. Aufgenommen wurden auch beitragsspezifische Schlagworte.

Abel, Werner 368 Adam, Dr. (Lagerarzt) 474 Adler, Jakob 45 ff. Adler, Dr. Julius 366 Ahnenerbe 394f., 398f. Aicholzer, Theodor 478 Aigholzer, Dr. 464 Aktion Meerschaum 469 Aktion Τ 4 387 Aktion 14 f 13 387, 471 Allgemeine Elektrizitäts-Werke 241 f. Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund 40, 274 Alsberg, Dr. Max 110 Altbayerische Verlagsanstalt 51 Altmann 423 Al wens, Ludwig 46, 72, 74 Amann, Max 2, 9 f . , 42, 4 8 f . , 51, 53f., 58, 66ff., 72, 7 6 f . , 79, 8 1 - 8 6 Ambesser, Axel von 126, 146 Amery, Carl 180, 195 Amt für kulturellen Frieden 312 Amt für Kunstpflege 104 Amtliche Bayerische Pressestelle 58, 78 Amuschel, Josef 360, 364 Annahütte 250 Anschluß Österreichs 103 Arbeitgeberverband 59 Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Pflastersteinindustrie G m b H 242 Arent, Benno von 144 Aron, Wilhelm 359f., 416 Ärzteprozeß 393 ff., 397 f., 402 Aschaffenburger Bekleidungswerkstätte A G 261 Aschaffenburger Zellstoffwerke 239, 247, 256, 263 f. Atzinger, Josef 315 Auer, Erhard 40 Auerswald, Max 488 Aufführungsverbot 123 f. Aumeier, Hans 363, 383, 411, 437, 443, 445, 449, 455, 463

Baader, Dr. 453, 470 Backofen- und Maschinenfabrik S. 264 Bacmeister, Ernst 98, 148 Baer, Richard 363 Balcerek 400 Ballerstedt (Ballerstädt), Otto Baiser, Ewald 93 Banario, Dr. Rudolf 360 Bär, Karl 215, 295 f. Bär, Kurt 295 f. Baranowski, Hermann 363 Barbarino & Kilp 265 Bard, Maria 93

Wenz

366

Barnickel (Oberstaatsanwalt) 427 Bartels, Adolf 98 Bartsch, Ewald 123 f. Bassermann, Albert 113, 127 Bastian, Dr. 354 f. Bauernbund 22, 35, 54, 63 Baugeschäft Hans Schricker 242 Baumgartner, Ludwig 445, 448, 455, 478, 489 Bayer 411 Bayerische Kabelwerke 257 Bayerische Landesbühne 130 Bayerische Landespolizei 354f., 374 , 425 Bayerische Politische Polizei 6, 41, 75, 79, 186, 199, 2 0 0 f f . , 210, 219, 226, 229, 231, 270, 354, 362, 3 6 5 f „ 415, 4 1 8 f . , 4 2 1 - 4 2 8 Bayerische Staatskanzlei 7 f . , 18, 22, 32, 41, 44, 4 6 f . , 4 9 f . , 52, 56, 5 8 f „ 6 4 f . , 78, 80, 127, 285 Bayerische Volkspartei 32, 35, 42, 44, 47, 52, 5 6 f . , 59, 6 4 f . , 81, 111, 181, 185f., 190, 193, 200, 237, 241, 298f., 353 Bayerischer Industriellenverband 237, 245, 270 Bayerischer Zeitungsblock 57 f. Bayerisches Staatsministerium des Inneren 7, 32, 3 7 , 4 0 , 128, 131, 1 5 0 , 1 6 0 , 1 8 2 , 203,207,211,215,219,270,293,296,353, 420f., 424, 4 2 7 f .

Personen- und Sachregister Bayerisches Staatsministerium der Justiz 7, 55f., 215, 418-421, 424ff. Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus 7, 5 5 , 6 6 , 6 9 , 1 1 2 f . , 118,125, 131, 136, 148, 150, 168, 206, 2 1 0 f „ 223 Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft 7, 32, 57, 239f., 244f., 247, 256-259, 261 f., 274, 276 Bayern, Prinz Albrecht von 478 Bayernbund 366 Bayernring Eichstätt 193 Bayernwacht 184, 192 f. Bayritex 240 Beamten-Reichsbund 50 Beck, Fritz 366 Beiger, Ulrich 165 Beiglböck, Dr. Wilhelm 401 f. Beimler, Hans 363, 380 Bekenntnisfront 343 Bemberg A G 244 Berger, Franz 455, 482 Bergman, Hjalmar 133 Bergner, Elisabeth 93, 113 Berka (Ingenieur) 402 Berliner Kampfverlag 9 Bernario, Dr. 416 Bessel, Ehmi 93 Bestie, Otto 437 Besucherorganisation 94, 101, 104,123, 129 Bethge, Friedrich 98, 143f. Betz, Otto 185 Beyer, Wilhelm 455 Billinger, Richard 122, 134, 170, 173 Binder, Sybille 93, 116, 125 Björnson, Björnstjerne 137 Blaha, Dr. Frantisek 384, 391 Bleibtreu, Hedwig 157 Bleistiftfabrik Staedtler 271 Blessing, Karl 277 Bleyer, D r . Joseph 78 Blockältester 369 f., 443, 449, 456 f., 467 Blomberg, Konrad 449, 455, 488 Blum, Léon 381 BMW 239, 250, 279 Bodet, Heinrich 443, 458, 467 Böhm, Karl 144 Böhringer (Geheimrat) 245 ff. Bois, Kurt 113 Bombarth (Ungarischer Polizeioffizier) 475 Bon, Gustave le 15 Bongartz (Oberscharführer) 406 f. Bonnhoeffer, Dietrich 480 Borcherdt, Dr. Hans Heinrich 110

501

Bormann, Martin 168, 327, 338 Böttger (Hauptscharführer) 407 Bouhler, Philipp 387 Bourbon-Parma, Prinz Xavier von 381, 409 Brachtel, Dr. (Lagerarzt) 403 Brandt, Dr. Edmund 387 Braun, Hanns 140, 147 Braun, Otto 368 Brauner, Josef 488 Braune Schwestern 382 Braunes Haus 18, 422 Brecht, Bertolt 91, 93, 110, 113, 170 Brems, Dr. Alois 229 Brenneis, O t t o 456 Brenner, Hans Georg 170 Bronnen, Arnolt 93, 161 f., 164 Brose, Max 242 Bruckner, Ferdinand 110, 112 Bruggaier, Dr. Ludwig 187 Brüning, Heinrich 252 Brusch, Wilhelm 488 Buchmann, Albert 459 Büchner, Georg 136 Bühnenvolksbund 104 Bukowy, Stanislaw 401 Bulgarien, König von 124 Bund Deutscher Mädel 206, 211, 223, 225, 232 Bundesgerichtshof 353 Bunje, Karl 132 Bürckel, Josef 68, 360f. Bürk, Fritz 360, 364, 424 Burke (Kommandoführer) 460 Burte, Hermann 119 Bust (Hauptscharführer) 380 Buttmann, Dr. Rudolf 211

Calderón, Pedro de la Barca 135 Campbell, M.D. 486 Canaris, Wilhelm 478, 480 Cantacuzene, Joachim 368 Caritas 198, 230, 292, 294 Carstens, Lina 93 Caspar, Horst 166 Chemische Fabrik E. Jühling & Co. Clairmont, Dr. W . G . 241 f., 244 Claudius, Eduard 171 Clay, Lucius D. 489 Clemens, Jakob 205 Colosseum 158 f. Cornelius, Peter 143 Cronauer, Willi 146 Czarkowski, Alfons 384

242

502

Personen- und Sachregister

Dachtera, 400 Danegger, Theodor 112 Deckel, Friedrich 280 Degelow, Fritz 410 Delestraint, Charles 377, 406 Demmel, Max 458 Denk, Paula 157 Deubel, Heinrich 367f. Deutsche Arbeitsfront 104, 127, 129, 202, 211 f., 224, 242, 244, 246, 249f., 255, 261, 274f., 280 Deutsche Ausrüstungswerke 371 Deutsche Bank 274 f. Deutsche Bühne (Theatergemeinde Deutsche Bühne München e.V.) 104, 123 f. Deutsche Bühnenkorrespondenz 123 f. Deutsche Christen 310,343 Deutsche Erd- und Steinwerke 432, 434f., 446ff., 450 Deutsche Ferrozell G m b H 269 Deutsche Jugend 211 Deutsche Jugendkraft 187f., 190f., 202, 204ff., 211, 219 Deutsche Polizei 353, 370, 378, 392, 405, 416 Deutsche Reichsbahn 251 Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt 393 Deutscher Arbeiterverband des graphischen Gewerbes 54 Deutscher Bühnen-Verein 100 Deutscher Chorsängerverband und Tänzerbund 100 Deutscher Schulverlag 5, 85 Deutscher Textilarbeiterverband 276 Deutscher Volkstag für Ehre, Freiheit und Frieden 131 Deutsches Jagdmuseum 150 Deutsches Museum 144 Deutsches Nachrichtenbüro 87, 325 Deutsches Theater (München) 92 Deutsches Theater (Berlin) 108 Deutschnationale Volkspartei 34 Deval, Jacques 130 Devotionalienhersteller F.X. Altmann 272 Diehl, Karoline (geb. Wiedenmann) 392f. Diels, Rudolf 427 Diemer, Dr. Zeno 118, 120 Dienstmädchenverein 187, 190, 230 Diesel (Geheimrat) 241 Dietrich, Hans 15 f. Dietrich, Marlene 74 Dietrich, Otto 1, 20, 24, 68, 77, 84, 86 Dinglreiter (Prokurist bei M A N ) 249

Döbig, Friedrich von 419, 421, 425 Döblin, Alfred 112 f. Dohm, Will 93, 126 Domin, Friedrich 126, 145f., 157 Donath, Ludwig 93, 116 Donderer, Dr. August 22 Dörfler, Ferdinand 155 Dressel, Friedrich 360, 416 Drews, Berta 93 Drost, Jan 384 Dumalsky, Ilse 477 Dürkoppwerke 276 Dürre, Konrad 147 Dyk, Dr. van 409 Ebert, Friedrich 350 Ebner, Josef 458 Eckart, Dietrich 134, 148, 171, 173 Egner, Martin 178 Eher-Verlag 2, 6, 9, 15, 53, 66f., 84, 162 Ehlers, Paul 107 Eichheim, Josef 120 Eichholz, Armin 74 Eicke, Theodor 360-365, 367f., 373, 420, 423, 434, 437 Eigenbetriebsverordnung 156 Eisbusch, Christian 488 Eisenbahnerverband 40 Eisenmeier, Robert 244 Eiserne Front 184 Elektrochemische Werke A G 242, 272 Elser, Georg 407 Emaillier- und Stanzwerk Titan 259, 265 Endlösung der Judenfrage 469 Engel, Erich 93, 108, 171 Epp, Franz Ritter von 8, 57, 185, 285, 302, 353, 420ff., 424, 426 Erbersdobler, O t t o 242 Erla-Maschinenwerke 432 Erlaß über die Vorbeugende Verbrechensbekämpfung durch die Polizei 439 Ernst, Paul 98, 118, 157 Ernst-Zeise, Anna 167 Esebeck, Hans Freiherr von 79 Esser, Hermann 8, 12, 22, 37, 39f., 47ff., 52, 57ff., 64, 76, 123f., 127, 245,248,261, 275, 420 Essigsäure-Gesellschaft 275 Euringer, Richard 99 Euthanasie 343 f. Faber, Erwin 93 Fachschaft Bühne

100

Personen- und Sachregister Falckenberg, Gerda 145 Falckenberg, Otto 93, 95, 108, 115-125, 128, 131, 135, 140-147, 149-158, 160f„ 163 f., 166-172 Falvey, James P. 486 Faserstoffverordnung 253 Faßbender, Wilhelm 442, 455 f. Faulhaber, Michael von 200, 203, 310 Feder, Gottfried 15, 69 Fehling, Jürgen 144 Feinmechanische Fabrik Karl Wieser 259 Feix, Robert 398 Feuchtwanger, Lion 116, 170 Fiehler, Karl 105f., 109f., 121, 126, 137, 144 f., 149 f., 152-158, 164,166,168, 170, 251 Finke, Dr. 395 ff. Finkenzeller, Heli 126 Firma Ebert & Jacobi 244 Firma Hille 279 Firma Kohnstamm & Neustätter 260 Fischer, Heinrich 93, 115 Fischer, Dr. Hermann 474 Fischer, Otto 329 Fitz, Hans 132 Flaschenhütte AG 275 Flickenschild, Elisabeth 126 Förschner, Otto 383 Forster, Friedrich 170 Forster-Burggraf, Friedrich 116, 119 Förster-Munck (Pseudonym für Günther Weisenborn) 148 Förtsch, Martin 314 Forzano, Giovacchino 124 Framer, Otto 93 Franckenstein, Clemens Freiherr von 116 Frank 263 Frank, Bruno 113, 116, 170 Frank, Dr. Hans 55,124,419ff., 424f., 427 Frank, Heinz 122, 139, 153, 162 Frank, Leonhard 113 Frank, Rudolf 93, 116 Franz, Wilhelm 360, 364, 423-426 Frauenbund 228 Freikorps Oberland 244 Fremdenverkehrsverein e.V. 149f., 154 Frick, Dr. Wilhelm 32, 96, 156, 201, 297 Fritzsch, Karl 449, 455, 458 Fronttheater 99 Fuchs 46 Fuchs (HJ-Obergruppenführer) 215 Fürnrohr, Otto 434

503

Gafel, Ludwig 478 Galen, Clemens von 343 Gallein, Fritz 459 Gareis, Dr. Heinrich 368 Garstka, Dr. Stanislaus 473 Gärtnerplatztheater 92, 97, 106f., 129, 168 Gaulle, Charles de 406 Gaus, Erich 366 Gauverlag Bayerische Ostmark GmbH Bayreuth 5, 24, 36, 4 1 - 4 8 , 51, 55-58, 62, 64ff., 69, 71, 7 8 - 8 5 , 87f. Gebhardt, Dr. Karl 399 Gehre, Ludwig 478, 480 Geis, Rudolf 199 Geith, Eduard 405 Gellner, Julius 93, 115f. Gengier, Dr. Ludwig Franz 16 Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger 97, 100, 119, 121, 124 George, Heinrich 91 Gerhard, Hanns Fritz 121 Gerlich, Dr. Fritz 365 f. Gerold (Schauspieler) 146 Gesetz über die Veröffentlichung amtlicher Bekanntmachungen 46, 54 Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen 157 Gesetz über Wirtschaftswerbung 71 Gesetz zur Gleichschaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände mit Land und Reich 185 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit 246 Gestapo 85, 128, 167, 249, 280, 293, 301 f., 309, 317, 345, 352f., 367, 370, 378, 405f., 416, 427f., 430, 437, 439, 455, 462, 464, 490 Gestütshöfe Isarland 180 Gewerbeordnung 101 Geyer, Dr. (Lagerarzt) 474 Geyer, Gottlieb 315 Giehse, Therese 93, 113, 115 Giesecke, Dr. Gerhard 454, 457, 464 Gieselmann, Friedrich 472 Gieselmann, Karl 449 Giesler, Paul 161 Gießel-Druckerei 29, 33 Gietyngier, Ludwik 385 Ginsberg, Ernst 93 Ginschel, August 472, 488 Girnus, Wilhelm 459 Glaser (Oberinspektor) 131 Glock, Carl Theodor 126, 138, 150

504

Personen- und Sachregister

Glücks, Richard 373 Glücksmann, Josef 110, 115f. Gmelch, Dr. Joseph 186 Goebbels, Dr. Joseph 1, 8,19, 51, 53f., 68, 71,73,78 f., 86 f., 98 ff., 102 ff., 106,123 f., 137f., 143 ff., 152-159,162,166,168,218, 273, 325f., 338 Goebbels-Stiftung für Bühnenschaffende 103 Goering, Reinhard 119 Goethe, Johann Wolfgang von 136, 173 Goethe-Medaille 157 Goetz, Curt 130, 132 Gogol, Nikolai 136, 160, 173 Gold, Käthe 93, 126 Goldmann 416 Goldmann, Ernst 360 Goldmann, Peter 488 Goldoni, Carlo 135, 173 Golessa, Heinz 459 Golling, Alexander 150, 158 Goltz, Kurt 472 f. Göring, Hermann 60f., 99, 107, 156f., 259 Götz, Josef 360, 416 Grabbe, Christian Dietrich 134, 136, 139, 165 Gräfe 368 Graff, Sigmund 98 Grantin, Magnus 459 Grassmann, Dr. 245 ff. Grawitz, Dr. Ernst 472 Gray, Samuel S. 486 Grosse, Rudolf 459 Gründgens, Gustaf 101, 108, 157 Grünewald, Adam 363, 370 Grynszpan, Herschel 318, 325 Gstettner, Hans 139 Guckenhan, Hans 459 Günten, Ilva 127 Günther, Johannes von 152 Gürtner, Franz 362, 368 Gustloff, Wilhelm 297, 319 Gutehoffnungshütte 266 Gymnasium (Eichstätt) 179, 194, 204, 223, 230 Häbich, Walter 366 Habima 113 Hacke, Georg 37 f. Hager, Heinrich 28 Hahn, Erwin 155 Haiger (Architekt) 158 Halaska, Josef 384

Halbich, Anton 188, 212 Halder, Franz 377, 478 Hamann,· Dr. Fritz 120 Hamsun, Knut 133, 137, 168 Handschuch, Hugo 360, 364, 422, 424 ff. Hanfstaengl, Ernst 149, 366 Hanfstaengl, Frau Dr. 124 Hannemann, Willy 459 Hänsel 449 Hansen, Andreas 455 Harlan, Veit 134, 145 Harnier, Adolf Baron von 172 Harrer, Markus 201 Hartmann, Paul 101 Härtung, Gustav 93 Hasenclever, Walter 113 Hasse, O. E. 93, 126, 140f. Haubold 478 Hauptmann, Gerhart 123f., 133, 170 Haus der Deutschen Kunst 123 Hauser, Josef 488 Hausleitner (Verlagsdirektor) 122 Hausmann 417 Hausmann, Leonhard 360 Häußer, Franz 368 Haustöchterschule St. Walburg 223 Hebbel, Friedrich 136, 173 Heiden, Josef 384 f. Heimtückegesetz 315, 336f. Heiß 215 Held, Dr. Ernst 116 Held, Heinrich 64 HELGAFA 261,276 Hellberg, Ruth 93 Hellmuth, Dr. Otto 70, 299 Helwig, Paul 132, 161 f. Herczeg, Ferenc 133 Hereth, Adam 366 Herzog, Theodor 85 Heß, Rudolf 123, 139, 278 Hessen, Prinz Philipp von 478 Heyde, Dr. Werner 387 Heydrich, Lina 452 Heydrich, Reinhard 117, 347, 416, 421, 426 f. Heyne, Kurd Erich 139 Hiller, Kurt 363 Hilpert, Heinz 108 Himmler, Heinrich 115, 338, 347, 354f„ 359ff., 368, 370, 373f., 378f., 392f„ 395, 399f., 406, 410, 415, 419-428, 434, 442, 445f., 448, 453, 462f., 469, 472, 483 Hindenburg, Paul von

185

Personen- und Sachregister Hinkel, Hans 162 Hintermayer, Fritz 384, 386 Historischer Verein Eichstätt 187 Hitler, Adolf 3, 8ff., 12-15, 17f., 20f., 25f., 32f., 37f., 44, 49, 51ff„ 57, 66, 78, 95 f., 102 f., 105, 107, 113f„ 123f„ 134, 137f„ 145, 153,155-159,161, 167 ff., 171, 181, 184f., 191, 195, 197ff., 208f., 222f., 237, 241, 256, 267, 280-283, 289, 297f., 336, 338, 346f., 364-368, 382, 407, 411, 426, 434, 480 Hiderjugend 75, 98, 138, 177f., 183, 187, 193f., 197ff., 201, 203-218, 221-228, 232f., 235f., 295, 308, 314, 329 Hiderputsch 12f„ 32, 102, 382 Hoegner, Wilhelm 40 Hoffmann, Johannes 36 Hofmann, Hans Georg 185, 296 Hofschauspiel 92 Hohenemser, Dr. Herbert 165, 167 Höhere Mädchenschule der Englischen Fräulein (Eichstätt) 223 Hohlglaskartell 255 Höhn 215, 225 Holsboer, Willem 146, 153, 155 Holz, Karl 181 Holzlöhner, Prof. 395 ff. Holzschuher, Wilhelm Freiherr von 434 Holzstoff- und Pappenfabrik Schiettinger 264 Hommeyer, Franziska 225 Hoppe, Marianne 93 Hoppe, Paul Werner 363 Hörburger, Dr. (Rechtsrat) 119, 121 f. Hornstein, Dr. Eugen 185 Horthy, Miklós 485 Horwitz, Kurt 9 3 , 1 1 5 , 1 1 7 Höß, Rudolf 362f., 369 Huber, Josef 111 Hugenberg-Korrespondenzen 4 Humm, Martin 488 Hunglinger, Herbert 360 Huppenkothen, Walter 480 Hürth, Theodor 199 Huscher, Klaus 431 Huth, Jochen 132 Hutzelmann 423

Ibsen, Henrik 119, 131, 134, 139, 171 IG-Farben 360 Industrie- und Handelskammern 239, 241, 245, 271 Augsburg 241 f.

505

Bayreuth 2 4 2 , 2 5 4 , 2 6 1 , 2 6 5 Coburg 242 München 241 f., 246, 250f., 260, 265, 268f., 272 Nürnberg 241 f., 246, 271, 280 Passau 242 Regensburg 241 f., 264 Würzburg 241, 244 Inspektion der Konzentrationslager 360, 362, 367, 370, 373, 378ff„ 387, 405, 430, 432, 448, 455, 462 Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung 395 Inszenierungen Anarchie in Sillian 161 Anja und Esther 110 Baumeister Solneß 131 Bianca und der Juwelier 134 Biberpelz 133 Cäsar und Cleopatra 158 Cyancali 110 f. Cymbeline 125, 135 Dantons Tod 136, 142 f. Das braune Band 153 Das Einhorn von den Sternen 133, 163, 167 Das lebenslängliche Kind 148 Das Schloß an der Donau 134 Das Schwert 133 Das Spiel von den deutschen Ahnen 135 Derby 152 Der Einsame 134 Der Erbstrom 147 Der Gigant 134 Der große Kurfürst 134 Der Hochverräter 133 Der Marquis von Keith 160 Der Passauer Wolf 134 Deutsche Passion 1933 99 Didos Tod 164 Die andere Seite 139 Die Dreigroschenoper 110, 163 f. Die drei Schwestern 160 Die Ehe 112 Die Geburt der Jugend 161 Die goldene Harfe 123f., 133 Die heilige Johanna 133 Die Jungfern von Bischofsberg 133 Die Karriere des Hofrats Stolpe 160 Die Mähmaschine 121 Die Nervensägen 139 Die Neuberin 148 Die Räuber 136, 142

506

Personen- und Sachregister

Die Verbrecher 110 Die Wiedergeburt des Dramas aus dem Geist der Zeit 133 Doktor Eisenbart 168 Don Carlos 136f., 142 Don Gil 152, 158 Elisabeth von England 112 Emilia Galotti 136, 167 Etappenhase 132 Fiesco 136, 143 Frau Warrens Gewerbe 129, 139 Friedrich I. 134 Friedrich bei Leuthen 123 Friedrich Friesen 113 Friedrich Wilhelm I. 134 Gloriana 161 Goldene Pfennige 122 Gyges und sein Ring 136 Hamlet 135 Hannibal 136, 165 Heilige Johanna 133 Hermannsschlacht 136 Hier irrt Goethe 139 Hundert Tage 124 Iphigenie 133 Iphigenie in Delphi 133 Irrfahrt der Wünsche 162 John Gabriel Borkman 139 Jorney's end 139 Jungfrau von Orleans 136 Kabale und Liebe 136, 143 Kaiser Heinrich IV. 136, 165 Kaufmann von Venedig - 135 Kollege Crampton 133 Komödie der Irrungen 114 König und Gott 164 Krankheit der Jugend 110 Macbeth 172 Maria Magdalena 136 Maria Stuart 136, 163 Mein Freund Jack 158 Michael Cramer 133 Minna von Barnhelm 136, 143 Nibelungen 136 Oberschlesien 161 Opfer und Dank 171 Othello 135 Peer Gynt 134 Phäa 112 Philotas 118 Preußengeist 118 Prinz Friedrich von Homburg 136, 143, 154

Rauhnacht 122 Revolte im Erziehungshaus 110 Richard II. 136 Rienzi 145 Rothschild siegt bei Waterloo 134,143f., 146 Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung 136, 139 Schlageter 119, 123 Schwarzbrot und Kipfel 132 Schwarzmann und die Magd 121 f. Schwiegersöhne 147 Sommernachtstraum 135 So war Herr Brummel 129 Spiel um den Staat 118 Stille Gäste 122 Teil 136 The unicorn from the stars 163 Thomas Paine 144 Torquato Tasso 136, 143 Towarisch 130, 132 Troilus und Cressida 131, 135, 140ff. Urfaust 136 Vatermord 161 Wasser für Canitoga 148 Weißer Flieder 129 Wie es euch gefällt 121, 125 Wintermärchen 135 Zwei Herren aus Verona 129 Internationale Riemer Rennwochen 152 Internationaler Kongreß für Vollblutzucht und Rennen 150 Intervies, Alice 125 Jacobsen, Grete 93 Jakubith, Levix 463 Janecki, Mieczyslaw 401 Jannings, Emil 157 Januszewski, Pawel 387 Jedrzejewski, Dominik 384 f. Johst, Hanns 98,119,124,134,137,143ff., 157, 171, 173 Judenedikt von 1813 287 Jüngerer Bund Neudeutschland 229 Jungmädel 211,228,232 Jungschar 212 Jungvolk 199, 204, 211f., 228, 232 Kabarett Pfeffermühle 115 Kahn, Arthur 360, 416 Kahn, Erwin 416 Kahr, Gustav Ritter von 365 f. Kaiser, Georg 93, 113, 170

Personen- und Sachregister Kailay, Nikolaus von 381,409 Kaiser, Erwin 93, 116 Kaltenbrunner, Ernst 409 Kameradschaft des Notwerkes der Deutschen Jugend 188 Kamian 478 Kampfbund-Bühne 97 Kampfbund für deutsche Kultur 97, 104, 114, 117-120, 125, 129 Kapfinger, Dr. Hans 4 Kapo 370f., 373, 384f., 403, 406, 408, 411, 431, 443, 449, 451, 454, 456ff., 465, 475, 481 Kapuziner 188 Karl, Hubert 434 Karlstadt, Liesl 93 Kästner, Erich 148 Katholische Aktion 234 Katholischer Burschenverein Bayern 196, 228

187,

Katholischer Gesellenverein 187f., 190f., 193, 196, 199, 205, 224, 228 Katholischer Jugendverein 188, 190 Katholischer Jungmädchenverein 206 Katholischer Jungmännerverband 176, 187-191, 193,195f., 198f„ 203, 205, 212, 219f., 224, 226-229 Katholischer Preßverein 6, 22 Katholisches Reichswerk 198 Katz, Dr. Delwin 360, 364, 423-426 Kaufmann, Adolf 109, 115f., 120 Käutner, Helmut 139 Kayssler, Christian Friedrich 93, 157 Keiling, Karl 488 Kenter, Heinz Dietrich 165, 168 Keppler, Wilhelm 256 Keresztes-Fischer, Franz von 483 Keresztes-Fischer, Ludwig von 483 Kern, Ferdinand 19, 24, 31 Kern, Helmut 312 Kiefer, Karl 215 Kiesau, Georg 124 Kirsammer, Hermann 456 Klabund 113, 170 Kleiderfabrik Babilon 275 f. Kleiderfabrik Montague Burton 272 Kleist, Heinrich von 136 Klepper 276 Kliefoth 457 Klopfer, Eugen 101,144 Knab, Arthur 242 Knappertsbusch, Hans 116 Knittel, John 133

507

Koch, Karl 369 Kocot, Józef 401 Koegel, Max 363, 453ff., 458, 476, 480-484 Koeppke, Margarethe 93 Köglmaier, Max 128, 131 Köhler, Erich 242 Kohler, Rudolf 201 Kohn, Max 368 Kolb, Georg 120 Kolbenheyer, Erwin Guido 98, 148 Kolodziej, Stanislaw 401 Kolping, Adolf 199f. Kolpingsfamilie 178, 188, 196, 228 Komar, Stanislaw 389 Kommissarbefehl 404, 464 Kommission für Wirtschaftspolitik 242 Kommunistische Partei Deutschlands 36f., 40, 88, 181, 184, 249, 263, 298f., 349, 351 ff., 364 Konieczny, Julian 389 König, Heinrich Johann 365 f. Konkordat 196, 199f„ 202ff„ 206, 208f„ 211 f. Konopinski, Marian 401 Konzentration AG 40, 66 Koppenhöfer, Maria 93, 157 Körner, Hermine 92 Körner, Ludwig 101, 152 Kos, Josef 387 Kostrzewa, Mikotaj 389 Kotlicki, Ignacy 389 KOWA 240 Kowalski, Jan 389 Kownacki, Marcin 389 Kozanecki, Adam 389 Kozbial, Michal 389 Kraft durch Freude 368 Kral, Josef 22 Kramer, Josef 364 Kraus, Friedrich 368 Kraus, Johannes 227-231, 235f., 314 Kraus, Karl 113 Krauß, Clemens 116, 144 Krauß, Dr. Walter 57, 183ff„ 217f„ 225f. Krauß, Werner 101, 157 Krawczynski, Roman 389 Krecicki, Boleslaw 389 Krediet, Hert 384 Kreutzer, Rudolf 246, 271 Kriminalpolizei 370, 437f., 440 Kristallfabrik Tritschler & Winterhalder 255

508

Personen- und Sachregister

Kritikverbot 102, 148 Kroll, Herbert 146 Kroplewski, Albin 389 Krukowski, Józef 389 Krupczyñski, Kazimierz 389 Krupp 258 Kube, Wilhelm 312 Kubiñski, Stanislaw 389 Kübler (Rapportführer) 478 Kubski, Stanislaw 389 Kucera, Milos 449, 490 Kugelfischer 252, 262 Kuhn (Hauptscharführer) 407 Kuhn (Kriminalrat) 464 Kühn, Dr. Erich 18 Kukla, Stanislaw 389 Kulinski, Stefan 389 Kulturamt, städtisches 106f., 125, 127-130, 137, 149, 151f., 156, 158-161, 165f., 168 f. Kulturbund deutscher Juden 100 Kulturwoche der Hauptstadt der Bewegung 143 Kulzer 51 Künstler, Karl 442f„ 445, 448, 455, 463 Kuratorium für das Braune Band von Deutschland 150 Kürzinger, Dr. Joseph 230 Kutscher, Artur 139 Kutzner, Zenon 389 Kwaskiewicz, Leon 389 Kwiatkowski, Boleslaw 389 Kyser, Karl 115 Labentowicz, Zygmunt 389 Lagerältester 370, 373, 449, 456ff., 482 Lagerlöf, Selma 133 Lampel, Peter Martin 110 Lampen- und Metallwarenfabrik J. C. Giessing 258 Landesfinanzamt Nürnberg 41 Landeskulturwalter 100 Landespolizeivorschule (Eichstätt) 179, 182 ff. Landmaschinenfabrik Heinrich Lanz AG 274 Landwirtschaftliche Maschinen Fella 251 Lang, Dr. (Hauptlagerarzt) 384 Langenbeck, Curt 98, 133f., 137, 148, 164, 171, 173 Lantzsch, Walter 157 Laskiewicz, Stanislaw 389 Latowski 400

Laub, Georg 165 f. Laubinger, Otto 101, 124 Leclerc, Father 474 Lederer, Matthias 227 Lederfabrik J. Roeckl 272 f. Legais, Dr. 473 Lehrburger, Karl 359f., 417 Lehrerbildungsanstalt (Eichstätt) 179, 188, 193, 204, 223 Leibelt, Hans 93 Leichtenstern 131 Leiko, Marja 116 Leisner, Karl 376 Lennox, G. F. 129 Lenz, Leo 132 Lerbs, Karl 119 Lesak, Emil 449, 481 Lesniewicz, Ludwik 401 Lessing, Gotthold Ephraim 92, 118, 136, 173 Leupold, Wilhelm 59 Lewanczyk, Gertrud 120 Lewandowski, Franciszek 389 Ley, Dr. Robert 104, 202, 275 Liebel, Willy 70 Liebeneiner, Wolfgang 93 Liebermann, Max 138 Lindner (Direktor der Messerschmitt GmbH) 450 Lippert, Michael 364 Lippl, Alois Johannes 134, 170, 173 Lis, Tomasz 401 Lochmüller, Benedikt 39 Loder, Dietrich 160, 173 Löffler, Leonhard 465 Loh, Wilhelm 488 Lokomotivenfabrik Krauss-Maffei AG 274 f. Lolling, Dr. Enno 384, 473 Loritz, Hans 368 f. Ludwicak, Antoni 389 Ludwik, Józef 389 Ludwikiewicz, Stefan 389 Lundig 478 Lustspielhaus 92 Lutz, Georg 368 Machtergreifung 5, 10, 62, 85, 96,102, 175, 181,184,196,198f., 208,236ff., 240,247, 250, 260, 294, 298, 343 Majkowski, Hilary 389 Makowski, Aleksander 389 Malsen-Ponickau, Lambert von 355

Personen- und Sachregister M A N 239, 246, 248f„ 251, 163f., 166f., 269, 273, 279 Mann, Erika 115 Mann, Heinrich 113, 116 Mann, Klaus 110, 113, 115, 170 Mann, Thomas 116 Marianische Kongregation 187f., 193, 204, 228 ff. Marionettenbühne 106 Marie, Arnold 93, 116 Mars-Bleistiftfabrik 246 Martin, Karl Heinz 165 Marusarz, Stanislaw 389 Marx, Paul 116 Maschinenfabrik Bernhard J. Goedecker 268 f. Maschinenfabrik Carl Hürth 251, 277 Maschinenfabrik L. Hofmann 251 Maschinenfabrik Schmotzer 251 Maschinenfabrik Steinbock AG 250 Massary, Fritzi 113 Mateuszczyk, Teodor 389 Mathoi, Karl 449, 457 f. Mathoi, Leonhard 458 Maugham, Somerset 158 Maurer, Gerhard 370 Maxhütte 245 Mayer, Karl 457 Mayser, Marga 165 Mazalon, Benjamin 389 McConnahey, William M. 486 Mechanische Baumwoll-Spinnerei und Weberei 252 Meierhofer, Franz 19f., 31 Meli, Max 134, 173 Mertens, Hanne 166 f. Messerschmitt-GmbH 432, 450f., 460 Messerschmitt, Willy 279 Metallwarenfabrik Johann Hofmann 273 Metallwerk Max Brose & Co. 242 Meyerhold, Karl Theodor 112 Meyn, Heinrich 459 Michalewski, Jan 389 Mickiewicz, Leon 389 Mielcarek 400 Mijakowski, Bogdan 389 Mikkelsen 478 Millizer, Moritz 51 f. Minetti, Bernhard 144 Mohr, Christian 488 Moks, Stefan 389 Molière, Jean Baptiste 135, 173 Molina, Tirso de 135, 152, 158

509

Möller, Eberhard Wolfgang 98, 134, 137, 143 ff., 148, 157, 173 Moskauer Künstlertheater 160 Moszczenski, Stanislaw 389 Motorenfabrik Hätz 269 f. Mottet 478 Mozart, Wolfgang Amadeus 143 Mrela, Franciszek 389 Mscichowski, Antoni 389 Muckermann, Hermann SJ 311 f. Mueller, Josef 388 Müller, Adolf 57f. Müller, Artur 164, 170, 173 Müller, Hans 368 Müller, Dr. Josef 377, 409, 478 Müller, Józef 389 Müller, Karl 465 Müller, Walter Friedrich 293 Müller-Claudius, Michael 290, 329, 336, 339 Müller & Sohn 18 Multhaupt, Fritz 455 f. Mummenthey 450 Münchner Abkommen 319 Münchner Künstlerhaus 103 Münchner Meisterschule für Mode 153 Munitionsanstalt Feucht 251 Munitionsanstalt Oberdachstetten 251 Mussolini, Benito 78, 118, 124, 173 Muszyñski, Zygmunt 389 Müthel, Lothar 101, 144, 157 Muthig, Dr. Julius 387 f. Naab, Ingbert Pater 188, 193, 204 Nacht- und Nebel-Aktion 452, 469 Napierala, Franciszek 389 Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation 71, 96f., 104, 120f., 125, 154, 213, 247ff., 263, 274f. Nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude 104, 127, 129, 150, 159 Nationalsozialistische Kulturgemeinde 104, 129 f. Nationalsozialistische Partei-Korrespondenz 44, 68 Nationalsozialistische Volkswohlfahrt 73 Nationalsozialistischer Lehrerbund 5, 25, 83, 85 Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps 332 Nationaltheater 107, 144 f. Naujocks, Harry 459 Neff, Walter 393, 397f., 403 Nefzger, Sebastian 360, 418

510

Personen- und Sachregister

Negenborn, Emil 400 Neher, Carola 113, 116 Nenning, Hubert 368 Nestroy, Johann 136 Neubrand, Josef 194f., 197, 203, 207f., 213, 216-219, 223, 225ff. Neudeutschlandgruppe 187 Neue Augsburger Kattunfabrik 242 Neue Baumwoll-Spinnerei 242 Neuhäusler, Johannes 377 Neumayer, Edmund Paul 364, 366 Neuner, Robert (Pseudonym für Erich Kästner) 148 Nevill, Käthe 116 Nicki, Gebrüder 82 Nicklisch, Maria 126, 157 Nidziela, Jan 389 Niebauer 199 Niemöller, Martin 377, 409 Nitecki, Antoni 389 Noak, Theodor 389 Norbert, Frank 139 Nordische Gesellschaft 244 Noris-Tachometer 259 Nothaft, Alfons 47 Notverordnung 182, 349ff., 352 Nowak, Wincenty 389 Nowicki, Felicjan 389 Nowicki, Józef 389 NS-Arbeiterverein 8 NS-Bauernschaft 213 NSDAP 6 - 2 2 , 25, 28f„ 31, 33ff., 37, 44f., 48, 50f., 53f., 57f., 66, 68f., 75, 77f., 81, 83,86f., 97,104,106,113f., 122,134,149, 154, 162, 180-183, 185f., 194-198, 206, 212f., 221, 225, 236ff., 240, 242, 244, 247-250,259,261,270,272,274,276,280, 283, 285, 291, 296ff., 341, 346f., 360, 368, 372f., 392, 453 NS-Frauenschaft 195 NS-Hago 245, 263 NS-Kriegsopfer 213 NS-Kulturverlag Bayreuth 25, 29, 38f. NS-Volksbühne 96 Nürnberger Gesetze 127,272,285,297, 336 Nürnberger Prozeß 342 Oberlandesgericht München 55 Oberste Theaterbehörde 106, 130f., 148, 150, 152, 154, 160, 168 Odeon 158 Oglaza, Stanislaw 390 Ohler, Paul 465

Olesjuk 400 Olschewski, Willi 488 Olympiade 143,271,297 Ondrusch, Manfred 384 Oprzadek, Jan 390 Oratowski 400 Organisation Todt 383 Orynt, Piotr 390 Osmski, Henryk 390 Ost. Dr. Eugen 400 Oster, Hans 478, 480 Ostrovskij, Alexander 160 Otto (Kriminalrat) 465 Pabich, Stanislaw 390 Pacelli, Eugenio 207f. Pacewski, Antoni 390 Pachen, Hermann 485 Pallenberg, Max 113 Papagos, Alexander 381, 409 Papen, Franz von 31, 196 Parfümerie-Fabrik M. Kellner 258 Paul, Alexander 147 Pausch 400 Pawliczek, Otto 466 Pellet, Dr. 473 Penzoldt, Ernst 129 Petri, Emanuel 459 Petzet, Wolfgang 94, 114, 117, 126, 130, 137, 145, 147, 151, 153f., 159, 162, 165f., 169, 171 Pfaff, Dr. Hans 28 Pfeiffer, Adalbert 178 Pfundtner, Hans 38 Pia, Schwester (bürgerl. Eleonore Baur) 382 Pieper, Claus 459 Pietzsch, Albert 241 ff., 246, 272 Pinselfabrik Costella 270 Pinter, Stephen F. 431 Piorkowski, Axel 370, 372, 412 Piquet, Gabriel 376, 409 Piscator, Erwin 93 Pister, Hermann 379, 410 Pius XI, Papst 221 Pohl, Oswald 381, 434, 442, 448, 450, 469 Politische Abteilung des Konzentrationslagers 369 f., 390, 417 f., 426, 455, 463,466 Politische Hilfspolizei 355 Politischer Polizeikommandeur Bayerns 125, 355 Polizeidirektion München 416, 418, 420 Poppenberger, Franz 478 Porzellanfabrik Bohemia 451

Personen- und Sachregister Porzellanfabrik Creidlitz A G 272 Porzellanfabrik Schwarzenhammer G m b H 261 Preetorius, Emil 144 Preußen, Prinz Friedrich Leopold von 377, 409 Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz 350 Preysing, Graf Konrad von 184, 195, 202, 218, 226f., 235 Prinzregententheater 92, 97, 104, 129, 146, 150, 168 Prohaska, Karel 490 Prüfungsstelle für den Bereich der Wirtschaftsgruppe Stahl- und Eisenbau 270 Pschorr, August 241 Puchta, Friedrich 37 f. Quickborn

190

Rabenau, Friedrich von 480 Rackl, Michael 227, 229, 235 Raimund, Ferdinand 136 Rameau, Hans 116 Rana-Werke 269 Rapportführer 363, 369f., 384, 456, 463, 478 Rascher, Dr. Siegmund 391, 393 ff., 397 ff., 407 Rath, Ernst vom 318, 326, 328 Realschule (Eichstätt) 179, 223 Rehberg, Hans 134, 137, 144, 157, 164, 173 Rehfisch, Hans 148 Reichsausschuß für Volksgesundheitsdienst 147 Reichsbank 254, 277 Reichsbanner 184 Reichsbund der deutschen Freilicht- und Volksschauspiele 98 Reichsdramaturgie 102, 126, 130, 132, 134 f., 137, 143, 152, 154, 157, 159-162 Reichsforschungsrat 399 Reichsführer SS 378f., 387, 391-394, 397, 405, 410, 416, 425, 428, 430, 438f., 442, 461, 463f., 472, 480 Reichsgruppe Industrie 245 f. Reichsinstitut für Theaterforschung 107 Reichsjugendführer 201 f., 233 Reichsjugendgesetz 228 Reichsjustizministerium 426, 428, 453 Reichskanzlei 1, 37f. Reichskriegsministerium 271 Reichskriminalpolizei 438 f. Reichskristallnacht 237, 286, 295, 315, 318f., 325, 330f., 334-337, 343, 347, 372

511

Reichskulturkammer 95, 99f., 103, 144, 159, 162, 244 Reichskulturkammergesetz 99 Reichskulturwalter 162 Reichsleiter für die Presse 10,22,49, 66, 77, 80, 86 Reichsluftfahrtministerium 250 Reichsministerium des Innern 38, 60ff., 147, 201, 203, 211, 216, 231, 351 f., 367, 439, 472 Reichsministerium für Bewaffnung und Munition 383 Reichsministerium für kirchliche Angelegenheiten 227 Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda 1, 8, 50f., 61, 68, 79, 8 6 f „ 98 ff., 102, 106, 123 f., 126, 131, 147-155, 159, 161, 230, 265, 318, 325f. Reichsministerium für Wissenschaft, Volksbildung und Erziehung 210 Reichsnährstand 244, 264, 309 Reichspräsident 426 Reichspresse-Chef 1, 45, 68, 86 Reichspressekammer 2, 7, 34, 49, 51, 53, 61 f., 79, 81 f., 85f. Reichspressekonferenz 1 f., 326 Reichspropagandaamt München-Oberbayern 159, 164 Reichspropagandaleitung 122 Reichsschrifttumskammer 134, 137, 161 Reichssicherheitshauptamt 353, 378ff., 400, 408f., 477 Reichstagsbrand 32, 263, 349, 383 Reichstheaterarchiv 107 Reichstheaterfestwoche 134, 143, 147 Reichstheatergesetz 101, 106, 126 Reichstheaterkammer 100-103,105 ff., 127, 129 ff., 135, 138, 144, 148, 152, 159 f., 164 Reichstheatermuseum 107 Reichsverband der Deutschen Flaschenindustrie 275 Reichsverband der Deutschen Industrie 241 Reichsverband der Deutschen Presse 2 Reichsverband der Deutschen Zeitungsverleger 60 Reichswirtschaftskammer 242, 246, 269 Reichswirtschaftsministerium 45,241 f., 255, 259f., 262-265, 269, 275f., 302 Reiff, Fritz 157 Reinhard, Max 106f., 113, 122, 125, 127, 129 ff., 137, 144, 149f., 151ff., 158, 160f., 164, 166, 168 ff. Reiter, Valentin 368

512

Personen- und Sachregister

Rennverein München-Riem 150 Republikschutzgesetze 31 Residenztheater 107, 129, 132, 168 Retsch, Hans 69, 85 Rettenmeier, Willi 457 Révy, Richard 110, 119 Rienhardt, Rolf 42, 67 Riewe, Erich 93 Rindfleisch, Dr. Joseph 186, 188, 197, 207, 217, 225ff., 236 Rink, Otto 483 Robert, Eugen 92 f. Roche, Michael 384 Roder, Hans 28, 69 Roeckl, Heinrich 121, 127, 149 Roeder, K. A. 443 f. Roeder, Manfred 431 Röhm, Ernst 28, 40, 276, 312, 364ff., 425f. »Röhm-Putsch« 364-368 Röhrbein, Paul 366 Rolland, Romain 170 Roller, Albert 488 Romberg, Dr. H. W. 393ff. Rosenberg, Alfred 97f., 100, 104, 134, 138, 161, 344 Rosenthal 245 Roth, Dr. Georg 185, 202, 225 f. Rothe, Hans 114 Rothkegel, Rudolf 459 Ruckdeschel, Ludwig 23, 25 f. Rühmann, Heinz 93 Ruppert, Wilhelm 388, 405, 407, 412 SA 16, 25, 28 f., 37, 39, 42, 44, 48ff., 52 ff., 58, 64, 70, 87, 116, 161, 167, 183-186, 192f., 198f., 201, 209, 213, 215, 241, 257, 276, 295f., 312, 319, 327f., 331 ff., 335, 342, 355, 364f., 367, 372, 424f. Saarabstimmung 203 Sack, Dr. Karl 478, 480 Sailer, Max 360, 364 Salesianer 188, 215 Sän-Giorgiu, Jon 133 Sanitätsinspektion der Luftwaffe 395 f. Schacht, Hjalmar 241 f., 244,252,255, 259, 263, 271, 277, 377f. Schade, Freiherr Hermann von 293 Schäfer, Dr. 402 Schäfer, W. E. 119, 122, 170, 173 Schäffer, Dr. Fritz 32 Schaffner, Friedrich 360, 364 Scharnagl, Dr. Karl 111, 168 Schätzl, Martin 365 f.

Schaub, Georg 241 Schauspielhaus (Düsseldorf) 162, 171 Schauspielhaus (München) 92 Schauspielhaus (Zürich) 115 Schauspielschule des Deutschen Theaters 162 Schemm, Georg 5, 11, 26, 3 0 - 3 3 , 35, 41f., 48, 54, 64, 66-70, 73, 78-83, 85 Schemm, Hans 3, 5, 11, 13, 15, 17, 19-26, 2 8 - 3 3 , 35, 37ff„ 41 f., 48, 51, 54f., 64, 66-71, 73, 80, 83, 84, 117, 123, 125, 198, 420 Schickedanz 276 Schiedlausky, Dr. Gerhard 467 Schieweck, Erich 364, 366 Schiller, Friedrich 136, 163, 173 Schillertheater Berlin 166 Schilling, Dr. Claus 399f., 403f., 412 Schirach, Baidur von 201 f., 209, 212f., 228 Schirdewan, Karl 459 Schiabbrendorff, Fabian von 478 Schiatti, Johann 368 Schlegel, Friedrich 114, 135 Schlemmer (Polizeihauptmann) 354 Schlenck, Hans 116, 118f. Schloss 416f., 419f. Schloss, Louis 360 Schloß, Sybille 115 Schlösser, Rainer 101 f., 105, 107, 135, 143, 145, 152, 157, 159 Schlundermann, Fritz 456 Schmatz, Sepp 463 Schmid, Dr. Wilhelm 365 f. Schmidt, Helene 454 Schmitz, Dr. Heinrich 433, 472ff., 488 Schmitz, Richard 443 Schmitz, Siegfried 360, 364 Schnabel, Dr. 471 f. Schneemann, Wilhelm 184 Schnellpressenfabrik Koenig Sc Bauer 264 Scholl, Familie 172 Schöller, Fritz 225 Schöttner, Franz 488 Schrade, Carl 442, 478 Schreiber, Hugo 384 Schriftleitergesetz 53, 102 Schroffer, Dr. Joseph 230 Schubert, Alois 448, 450, 488 Schulenburg, Werner von der 132 Schüller, Ludwig 244 Schulmeister, Rudolf 488 Schultze-Westrum, Edith 93, 126 Schur, Ernst 465

Personen- und Sachregister Schuschnigg, Dr. Kurt von 377, 409, 478 Schüssler, W. H. 400 Schuster, Heinrich 384 Schutzhaft 38, 48, 116, 184, 186, 226, 241, 248, 333, 351 f., 354, 361f„ 368, 375, 381, 406, 416, 425, 427ff., 437, 461, 468 Schutzhaftgesetz 350 Schutzhaftlagerführer 363 f., 369 f., 373, 388, 405, 407, 437, 441 f., 449, 455f., 458, 463, 465, 480 Schwanner, Cornelius 488 Schwarz (Leiter der DEST) 446 Schwarz, Franz Xaver 23, 67 Schwarz, Ludwig 488 Schwarz, Viktor 166 Schwede, Franz 14f., 17ff. Schweiger, Karl 459 Schweighart, Johann 364, 366 Schweikart, Hans 93, 140 Schwenzen, Per 133 Schwiefert, Fritz 152 Seberg, Adolf 459 Seger, Julius 125 Seggel, Friedrich 315 Seidel, Annemarie 93 Sejbuk, Czeslaw 401 Selbmann, Fritz 459 Shakespeare, William 93, 114, 121, 125, 129, 131, 134f„ 137, 140, 142, 157, 160, 172 f. Shaw, George Bernhard 129, 131, 133, 139, 158, 160 Sherrif, Robert Cedric 139 Sicherheitsdienst 283, 309, 325, 336f„ 339, 345, 404 Sicherheitspolizei 282, 347, 378, 404, 416, 446, 455 Siebert, Ludwig 59f., 80, 249, 327, 419f„ 422 ff. Siegfried, Bernhard 458 Siehlke, Hans 478 Siemens 239, 249 Sinsheimer, Hermann 93, 113 Skierka, Bruno 483 Sombor, Josef 475 f. Sonderbeauftragter für Wirtschaftsangelegenheiten der Hauptstadt der Bewegung 150 Sondergericht München 285, 336, 338, 340 f. Sozialdemokratische Partei Deutschlands 2 6 , 3 6 - 4 2 , 6 6 , 8 8 , 181, 184ff., 263, 298f., 353

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Spangenberger (Staatsrat) 421 Spaten-Franziskaner-Leistbräu AG 159 Speer, Albert 434 Spende Künstlerdank 103 Spessarter Hohlglaswerke GmbH 275 Spezialfabrik für Bleistiftspitzer Büchner & Co. 273 Spezialmaschinenfabrik Konrad Bayer 270 Spezial-Nähmaschinenfabrik J. Strobel 272 Spielmann, Leopold 461 Spielwarenfabrik Brandstätter 273 Sportverein Solidarität 41 SS 29, 106, 128, 185, 199, 213, 257, 282f., 292 f., 295,332,341,344 ff., 355,359-365, 367-378, 383ff., 390ff., 394, 399, 401, 403-411, 415ff., 423f., 427ff„ 431-435, 437, 439, 441-444, 446, 448-451, 453-459, 461, 463-466, 469-473, 480-485, 488f. SS-Hilfswerklager Schleißheim 293 SS-Reitschulen 150 SS-Totenkopfverbände 367 SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt 373, 378f., 381, 384 Staatsanwaltschaft beim Landgericht München II 416ff„ 421-427 Staats jugendtag 211 Staatsoper 106f., 116, 128f„ 150, 168 Staatstheater, Bayerische 104,106f., 112 ff., 116f., 126, 129, 136 ff., 143 f., 148, 150 Staatsschauspiel, Bayerisches 91, 93f., 104, 106, 112f., 116, 119, 136ff., 148, 150, 170 f. Staatstheater, Preußisches 99, 161, 169 Staatstheater, Württembergisthes 122 Stachowski 400 Stadelmayer, Dr. 172 Stadtbauamt 158 Stahlhelm 185 Stanchina, Peter 144 Standarte Druckerei- und Verlagsgesellschaft GmbH 66 f. Stang, Walter 97, 104, 117f„ 120 Stanke, Werner 459 Stawitzki, Kurt 455 Steeger, Julius 38 f. Stegmann, Wilhelm 28, 70 Stegmeier, Josef 465 Steinbauer, Karl 314 Steinbrenner 416 Steiner, Albert 199 Stelzner, Kurt 466 f. Stempfle, Dr. Bernhard Rudolf 365 f.

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Personen- und Sachregister

Stenzer, Franz 360, 364, 422 Stepp, Dr. Walther 421, 425 Sternheim, Carl 113 St. Georgs-Pfadfinder 188, 213-216, 224, 226 Stiebel 420 Stöhr, Heinrich 385, 401 Stollberg, Georg 92 Stolzing, Josef 113 Stopczak, Marian 401 Strasser 181 Straßer, Gregor und Otto 9 Straub, Agnes 148 Straub, Julius 488 Strauss, Dr. (Rechtsanwalt) 417 Strauß, Dr. Alfred 360 Strauß, Johann 143 Strauß, Simon und Julius 295 Streicher, Julius l l f . , 14f., 25f., 51 f., 6 9 f „ 180f., 185, 217, 242, 249, 260, 263, 271, 289, 291, 294f., 299f., 300, 327 Stricker, Karl 151 Strindberg, August 93, 137, 157, 163, 170 Strobl 120 Strobl, Otto 241 f., 246, 271 Strünck, Theodor 480 Stümpfler, Max 204, 217 Sturm, Eduard 147 Sturmschar 177, 187-191, 199, 209, 212, 216f., 225, 227 Stiitzel, Karl 31 f. Stützinger, Franz 368 Süddeutsche Waggon- und Förderanlagenfabrik G m b H & Co 277 Sudetenkrise 318 Szelang, Stanislaus 464 Tabel, Carl 247 Tag der Deutschen Kunst 123, 143, 152 Tannhof 157f. Teubner, Alfons 121 f., 170, 173 Textil- und Bauarbeitergewerkschaft 40 Textilunternehmen Martin & Cie. 263 Textilversandhaus Witt 264 Thalia-Theater (Hamburg) 167, 169 Theatermuseum München 137, 147 Thieme (Direktor der Messerschmitt GmbH) 450 Thiemig, Helene 113 Thierack, Otto 453 Thierath, Friedrich 185 Thimig, Hugo 157 Thing 98 f., 134

Thorbeck, Dr. Otto 480 Tieck, Ludwig 114, 135 Todd, Bobby 139 Todt, Fritz 383 Totella-Ostermeier, Centa 116, 125, 127f., 153, 165 ff. Totenkopfstandarte 363 Treuhänder der Arbeit 248, 250f., 256, 264 Troffaes, J. E. 481 Trommer, Dr. Richard 465, 468, 471 Tschechow, Anton 136, 160 Tunderman, Jan Willem 401 Turner, Georg (Pseudonym für Hans Rehfisch) 148 Überwachungsstelle für Bastfasern 253 Baumwollgarne und -gewebe 253 Eisen und Stahl 258f., 265, 268 Holz 255 f. Kleidung und verwandte Gebiete 253 Leder 260 Rohbaumwolle 252 Seide, Kunstseide und Zellulose 253 f. technische Erzeugnisse 267 unedle Metalle 255, 257f., 267 Wolle und andere Tierhaare 253 Übrig, Louis 380 Uetrecht, Dr. 7 Uhi, Anton 458, 482 Uhi, Julius 365 f. Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands 40 Unilevertrust 264 Unruh, Fritz von 112 Valentin, Karl 93 Valousek, Alois 473 Vega, Felix Lope de 135, 173 Verband Bayerischer Zeitungsverleger 45, 50, 59, 61 Verband der deutschen Bleistiftfabriken 280 Verein Ausstellungspark 150 Verein Bayerischer Zeitungsverleger 54 Vereinigte Kugellagerfabriken Schweinfurt 239, 250, 258, 262, 266, 273 Verfügung über unbefugte Eingriffe in die Wirtschaft 248 Verhoeven, Paul 126, 139, 170 Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat 349, 351 ff. Versorgungsanstalt Deutscher Bühnen 103, 126

Personen- und Sachregister Vetter, Dr. Helmuth 404 Viehwirtschaftsverband 302 Vierjahresplan 254,257-260,263,276,332, 440 Vier Nachrichter 139 Viertel, Berthold 93 Villon, François 163 Vinzentiusverein 188, 213 Vogel, Max 364, 366 Vogel, Paul 478 Voigtländer (Dramaturg) 119 Völkischer Block 11 f., 13 Völkner, Karl 480 Volksbühnenverein 104 Volkstheater 92, 106, 155, 168 Wächter, Bruno 119 Wächtler, Fritz 67 Wäckerle, Hilmar 355, 359ff., 416f., 419f. Waggonfabrik Jos. Rathgeber AG 270 Wagner, Adolf 94, 105f., 117, 138, 145, 150, 152, 157, 163f., 200, 293f., 327, 419f., 422, 424f. Wagner, Richard 143 Wahl, Karl 294 Walczak 400 Waldau, Gustav 157 Waldeck, Axel 154f., 159 Waldenfels, Freiherr von 434 Walleck, Oskar 101, 106f., 114, 116, 131, 144, 150 Wallner-Theater (Berlin) 96 Walzwerk Thyssen 268 f. Wangel, Hedwig 157 Weber, Christian 94, 149-156 Weber, Karl 390 Wedekind, Frank 93, 113, 160, 170 Wehner, Josef Magnus 122, 139, 147, 163 W ehrmach t ; Auskunfts stelle 467 Weichert, Richard 93, 116 Weidel, Max 116f., 120f., 154f. Weihe, Karl 478 Weihrauch, Peter 390 Weil, Dr. Edgar 116 Weilbach, Georg 449, 459f. Weill, Kurt 110 Weinert, Franz 70 Weiseborn, Jakob 437, 442 Weisenborn, Günther 148 Weiß, Martin Gottfried 364, 373, 411 f. Weiße Rose 177, 187, 224f., 230 Weiter, Eduard 373, 405 Wellhausen, Dr. (MAN Direktor) 246, 266 f.

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Wendlinger, Dr. 45 f. Wenter, Josef 118 Werberat 51,265 Werfel, Franz 113 Wery, Carl 126, 140, 157 Wesely, Wilhelm 368 Wessel, Horst 209 Westdeutsches Feinblechhandelskontor 259 Weyhern, Karl Hann von 403 Wieck, Dorothea 93 Wiedmann, Erwin 390 Wiemann, Mathias 144 Wiener Burgtheater 123, 161 Wilde, Oskar 136 Wilhelmshütte, Eisen- und Emaillierwerk AG 268 f. Willibaldsburg (Eichstätt) 188, 213, 215 Winkler, Max 68 Winterhilfswerk 333 Wirtschaftsbeirat der BVP 237 Wirtschaftskammer Bayern 242, 244, 246 Wirtschafts-Verwaltungshauptamt 432, 448f., 452, 462, 467, 471 Wissmann, Edmund 488 Witteler, Dr. (Hauptlagerarzt) 384 Wittig, Karl 472, 478 Wodak, Wenzel 488 Wohlbrück, Adolf 93 Wohlmuth, Dr. Georg 181, 186 Wolf, Erhard E. 477f., 488 Wolf, Friedrich 110f., 113 Wolff, Otto 259 Wölfisches Telegraphenbüro 44 Wolfrum, Paul 128,150-154 Wolker, Ludwig 196 Wolter, Dr. Waldemar 384 Wurst, Josef 488 Yeats, William Butler Youngplan 17

133, 163, 170

Zàmecnik, Jaroslav 401 Zarek, Otto 93, 116 Zehnter, Karl 366 Zeiss, Karl 93 Zeitungen Abensberger Tagblatt 22 Altmühlbote 212 Ammersee-Nachrichten 60 Ammersee-Post 58 Angriff 16 Aschaffenburger Zeitung 70

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Personen- und Sachregister

Augsburger Postzeitung 49 Bamberger Tagblatt 2 1 , 2 4 , 3 4 Bamberger Volksblatt 34 Bayerische Ostmark 7, 18, 32, 67f., 71-75, 78f., 81, 84, 89 Bayerische Ostwacht 19, 32f., 4 4 - 4 7 , 50, 54f., 60, 62ff. Bayerische Staatszeitung 115, 354 Bayerischer Kurier 111 Bayreuther Tagblatt 17, 21 f., 26, 29 Berliner Tageblatt 112 Bote vom Bayerischen Wald 22 Chamer Volksblatt 47 Coburger Nationalzeitung 17ff., 32, 64 Coburger Volksblatt 36, 42 Coburger Warte 15 CoburgerWeckruf 14f., 17, 24 Coburger Zeitung 18, 64 Deggendorfer Donaubote 4 4 - 4 7 , 54f., 63f., 83 Deutsche Wacht 13 Deutscher Sozialist 11 Deutscher Volkswille 11 Eichstätter Anzeiger 57, 212 Eichstätter Volkszeitung 57, 193 Flamme 16, 32 Florida's German Echo 297 Forchheimer Nachrichtenblatt 13 Forchheimer Tagblatt 14 Forchheimer Zeitung 14 Frankfurter Zeitung 2, 355 Fränkische Tageszeitung 51 f., 60,69,212 Fränkische Volkstribüne 17, 22, 25 f., 29, 3 6 - 3 9 , 41 Fränkischer Volksfreund 36 Fränkisches Tagblatt 51 f. Fränkisches Volk 7 , 2 6 - 3 3 , 44,68ff., 72, 78, 80, 83 f. Freisinger Tagblatt 57 Freistaat 36 Führer 190 Fürstenfeldbrucker Wochenblatt 57 Fürther Zeitung 52 Gerader Weg 365 Grenzzeitung 65 Hallertauer Generalanzeiger 22 Hilpoltstein-Gredinger Volkszeitung 52 Hofer Anzeiger 47, 58 Hofer Volkszeitung 39 Illustrierter Beobachter 9, 15 Jugendpräses 190, 205 Junge Front 197, 210 Jungführer 190

Kampf 5, 15, 21, 2 4 f f „ 33 Krumbacher Bote 48 Kulmbacher Tagblatt 47 Kurier für Niederbayern 13 Landsberger Zeitung 60 Lichtenfelser Tagblatt 80 Mallersdorfer Anzeiger 60 Miesbacher Anzeiger 365 Mühldorfer Anzeiger 51 Mühldorfer Tagblatt 51 Münchener Zeitung 140, 147, 326 Münchner Beobachter 8 Münchner Illustrierte Presse 358 Münchner Neueste Nachrichten 111, 118, 122, 163, 356f., 365 Münchner Post 37; 40 Münchner Telegrammzeitung 109,111 Nabburger Volksbote 64 Nachrichtenblatt 14 Nationale Stimme 70 Nationale Volkszeitung 24 Nationalsozialist 11 National-Sozialistische Lehrerzeitung 25 Neue National-Zeitung 48 f. Niederbayerischer Anzeiger/Deggendorfer Volksblatt 54, 63 Oberfränkische Volkszeitung 36 Oberfränkische Zeitung 21 f., 26, 29 Oberpfälzischer Kurier 47, 81 f., 84 Pastoralblatt Eichstätt 224, 229 Regensburger Anzeiger 64 Regensburger Tagblatt 32 Rotes Echo 36 Rottenburger Anzeiger 85 Sankt Georg 13 Schaffendes Volk 1 9 , 3 1 Staffelsteiner Tagblatt 21 Straubinger Beobachter 20 Straubinger Tagblatt 64 Straubinger Wacht 20 Streiter 14f., 24 Stürmer 14, 16, 25, 69f., 285, 291 ff., 302f., 314 Süddeutsche Sonntagspost 122 Times 140 Völkische Presse 13 Völkischer Beobachter 7 - 1 0 , 12, 15, 18, 52f., 57, 84, 112ff., 121f., 139, 147, 153, 162 f. Volkswacht für Oberpfalz und Niederbayern 36 f. Wolfratshausener Tagblatt 61 Zweite Coburger Warte 15

Personen- und Sachregister Zeitungsblock Oberbayern 61 Zentralkomitee der Münchner Katholiken 111 Zentralverlag der N S D A P 2, 49, 52, 162 Zentrum 190 f. Ziegel, Erich 93 Ziehmer, Eugen 458, 488 Zill, Egon 364, 449 Zimmermann, Karl 384 Zoellner, Dr. Albert 245 Zoff, O t t o 93, 116 Zoref, Ernestina, geb. Zenker 365 f. Zuckmayer, Carl 113

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