Fit für Studium und Praktikum in China: Ein interkulturelles Trainingsprogramm [1. Aufl.] 9783839414651

China ist das Land der Zukunft. Gerade für jüngere Leute ist daher ein Aufenthalt in China für ein Auslandssemester, ein

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German Pages 188 [182] Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1. Leben und Studieren in China: Praktische Tipps
Einleitung
Wohnen
Sprachstudium und Campus-Leben
Freundschaften
Praktikum
Alltag, Essen und Einkaufen
Reisen und Freizeit
Fazit
2. Wohnen und Zusammenleben mit Chinesen
WG-Leben auf Chinesisch
Überwachung?
Der unangekündigte Besuch
»Warum kommst du so spät nach Hause?«
Als Paar im Wohnheim
Stehen oder sitzen?
3. An der Universität
Wieder in der Grundschule?
Trubel auf der Weihnachtsfeier
Kein Zimmer im Wohnheim
Konfrontation mit der Geschichte
Im Studentensekretariat
4. Freundschaften
Kaffeegenuss mit Hindernissen
Der Sprachpartner
Noch keine Abreise
Ein missglückter Ausflug
Hand in Hand
Die geplatzte Verabredung
5. Praktikum
Praktikantin oder Chefin?
Schon wieder Essenspause!
Wo bleiben die Informationen?
Das gescheiterte Projekt
Vertragsbruch
6. Alltag
Ein Pullover gegen die Hitze
Die wütende Verkäuferin
Im Restaurant
Schönheitschirurg für eine Nacht
Der Hitlergruß
Unterwegs im Zug
Mit Kind in China
7. Interkulturelle Begegnungen in China: Das Wichtigste in Kürze
Einleitung
Kulturunterschiede
Interkulturelles Lernen
8. Links und Adressen
Literatur
Danksagung
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Fit für Studium und Praktikum in China: Ein interkulturelles Trainingsprogramm [1. Aufl.]
 9783839414651

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Doris Weidemann, Jinfu Tan Fit für Studium und Praktikum in China

Doris Weidemann (Prof. Dr. phil.) lehrt an der Westsächsischen Hochschule Zwickau u.a. Interkulturelle Kommunikation mit dem Länderschwerpunkt China. Jinfu Tan (Prof. em. Dr. phil.) war von 1997 bis 2009 Professor für Chinesisch an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.

Doris Weidemann, Jinfu Tan

Fit für Studium und Praktikum in China Ein interkulturelles Trainingsprogramm

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Doris Weidemann Lektorat & Satz: Doris Weidemann Druck: Aalexx Buchproduktion GmbH, Großburgwedel ISBN 978-3-8376-1465-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung

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1. Leben und Studieren in China: Praktische Tipps Einleitung Wohnen Sprachstudium und Campus-Leben Freundschaften Praktikum Alltag, Essen und Einkaufen Reisen und Freizeit Fazit

11 11 12 18 21 24 27 34 37

2. Wohnen und Zusammenleben mit Chinesen WG-Leben auf Chinesisch Überwachung? Der unangekündigte Besuch »Warum kommst du so spät nach Hause?« Als Paar im Wohnheim Stehen oder sitzen?

39 39 43 46 49 53 55

3. An der Universität Wieder in der Grundschule? Trubel auf der Weihnachtsfeier Kein Zimmer im Wohnheim Konfrontation mit der Geschichte Im Studentensekretariat

59 59 63 66 69 72

4. Freundschaften Kaffeegenuss mit Hindernissen Der Sprachpartner Noch keine Abreise Ein missglückter Ausflug

77 77 80 83 87

Hand in Hand Die geplatzte Verabredung

91 94

5. Praktikum Praktikantin oder Chefin? Schon wieder Essenspause! Wo bleiben die Informationen? Das gescheiterte Projekt Vertragsbruch

99 99 102 106 109 114

6. Alltag Ein Pullover gegen die Hitze Die wütende Verkäuferin Im Restaurant Schönheitschirurg für eine Nacht Der Hitlergruß Unterwegs im Zug Mit Kind in China

119 119 122 125 128 133 136 139

7. Interkulturelle Begegnungen in China: Das Wichtigste in Kürze Einleitung Kulturunterschiede Interkulturelles Lernen

143 143 146 159

8. Links und Adressen

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Literatur

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Danksagung

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Einleitung

Seit drei Wochen arbeitet André schon als Praktikant in einem Joint-Venture in China. Sein Verhältnis zu den chinesischen Kollegen hielt er bisher für gut: Man geht mittags gemeinsam essen, tauscht sich über Wochenenderlebnisse aus, und hin und wieder schenkt ihm seine Schreibtischnachbarin Knabbereien oder Trockenobst. Doch heute fragt sich André, ob er mit seiner Einschätzung richtig liegt: Es ist kurz nach der Mittagspause und plötzlich bemerkt er, dass er ganz allein im Büro sitzt. Alle Kollegen sind verschwunden, und niemand hat ihm Bescheid gesagt, wohin sie gegangen sind! Erst, als die Sekretärin auf der Suche nach ihm den Kopf durch die Tür steckt, erfährt er, dass nebenan ein wichtiges Meeting stattfindet, zu dem auch er erwartet wird. Und dies ist nicht das erste Mal, dass André nicht von seinen Kollegen informiert wird! Jetzt, da er über die Sache nachdenkt, fällt ihm auf, dass er selbst dann, wenn er seine Kollegen um Rat fragt, stets nur äußerst knappe Auskünfte erhält. Unter guter Teamarbeit stellt er sich etwas Anderes vor! Doch vielleicht hat er etwas falsch gemacht und die Kollegen gegen sich aufgebracht?

Erlebnisse wie dieses sind für interkulturelle Begegnungen typisch. Ohne gute Kenntnis der Gastkultur stellt sich in vielen Situationen Verunsicherung ein, zu der sich rasch Verärgerung darüber gesellt, dass die Dinge nicht so gehandhabt werden, wie man es aus Deutschland gewohnt ist. Vielleicht, so fragt man sich genau wie André, hat man jedoch auch selbst unbeabsichtigt etwas falsch gemacht? Doch wie kann man in Erfahrung bringen, worin der Fehler bestand? Hätte André einen interkulturell erfahrenen Berater an seiner Seite, könnte ihn dieser darüber aufklären, dass ihn seine Kollegen weder ablehnen, noch prinzipiell unkooperativ sind. Was André erlebt, lässt sich vielmehr durch einen unterschiedlichen Umgang mit Informationen erklären. Während André daran gewöhnt ist, dass wichtige Informationen – solange sie nicht ›geheim‹ sind − auch ohne Aufforderung an jene weitergegeben werden, für die sie wichtig sind, gilt in China der Grundsatz: Informationen sind durch eigenes 7

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

Engagement einzuholen; eine Pflicht, andere ›automatisch‹ zu informieren, gibt es nicht. Chinesische Kommunikationsgewohnheiten sorgen ohnehin zumeist für einen regen Austausch unter Kollegen, sodass Informationen im Büro mehr oder weniger kontinuierlich weitergegeben werden – nur ist André dies bisher entgangen. Während er erwartet, über das bevorstehende Meeting »informiert zu werden«, gehen seine Kollegen davon aus, dass er von diesem Termin längst informell in Kenntnis gesetzt war – ein Irrtum, wie sich jetzt herausstellt. André macht sich also zu Unrecht Sorgen, dass er von den Kollegen nicht akzeptiert oder nicht gemocht wird. Allerdings sollte er lernen, sich intensiver um das Einholen von Informationen und um die Teilhabe an der Bürokommunikation zu bemühen. Ein interkultureller Berater könnte André durch Erklärungen wie diese seine zukünftige Arbeit vermutlich erleichtern – nur steht er leider in der Praxis nicht immer zur Verfügung. Das vorliegende Buch setzt an dieser Stelle an. Auch wenn es einen persönlichen interkulturellen Berater nicht ersetzen kann, ist es das Anliegen dieses Trainingsprogramms, praktische interkulturelle Hilfestellung für die erfolgreiche Bewältigung von beruflichen Aufenthalten und Studiensemestern in China zu geben. Wir bedienen uns dabei eines Ansatzes, der sich in Seminaren zur Auslandsvorbereitung bewährt hat, und stellen konkrete Fallgeschichten, die vom Leser im Selbststudium bearbeitet werden können, in den Mittelpunkt. Die zahlreichen Episoden, die authentischen Erfahrungen von deutschen Studierenden in China entspringen, wurden so aufbereitet, dass sie den Umgang mit Kulturunterschieden möglichst gut verdeutlichen. Geschildert wird jeweils ein Erlebnis, das den deutschen Besucher in China verwirrt und ihn ratlos vor die Frage stellt: Warum hat der chinesische Interaktionspartner so gehandelt? Bei Kenntnis der Gastkultur ist diese Frage indes zu beantworten, und die nachfolgenden Ausführungen sollen dem Leser nicht nur das nötige Hintergrundwissen vermitteln, sondern auch Auskunft darüber geben, wie er sich in einer entsprechenden Situation selbst adäquat verhalten kann. Die am Ende jeder Fallgeschichte aufgeworfene Frage »was tun?« ist auf ganz konkrete Lösungsmöglichkeiten für das geschilderte Problem und ähnliche Situationen gerichtet. Den Fallgeschichten geht ein erstes Kapitel voraus, das über die praktischen Herausforderungen eines Umzugs nach China informiert: Wie findet man eine Wohnung? Was sollte man bei der Suche nach einem Praktikumsplatz beachten? Und auf welche Unterschiede im täglichen Leben muss man sich einstellen? Dass in allen Bereichen des Lebens, Arbeitens und Studierens in China mit interkulturellen Fallstricken zu rechnen ist, illustrieren die Kapitel 2 bis 6. Kapitel 7 fasst die wichtigsten Unterschiede zwischen deutschem und chinesischem Kommunikationsverhalten zusammen und gibt einen Einblick in ausgewählte Befunde der Psychologie interkultureller Begegnungen: Wie sehr wird man sich persönlich im Ausland verändern? Und 8

EINLEITUNG

was hat es mit dem gefürchteten ›Kulturschock‹ auf sich? Eine Liste nützlicher Links und Adressen (Kapitel 8) schließt das Buch ab. Ein interkulturelles Trainingsprogramm kommt nicht ohne Verallgemeinerungen aus – bei einem Land, das so groß, vielfältig und dynamisch ist wie China, ist das besonders augenfällig: Über ›die Chinesen‹ lassen sich kaum verbindliche Aussagen treffen. Wenn wir dies trotzdem versuchen, dann in der Überzeugung, dass auf diese Weise zumindest Annäherungen möglich werden, die in vielen Situationen nützlich sind. Vor allem aber hoffen wir, Neugier und Lust auf eigene Entdeckungen im Reich der Mitte zu wecken. Gelegenheit für erste interkulturelle Erkundungen halten die weiteren Kapitel bereit.

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1 . Le be n und Studiere n in China – Praktisc he Tip ps

Einleitung Der Flug ist gebucht, die Zulassung zur chinesischen Universität beantragt und der Praktikumsvertrag schon unterschrieben? Vielleicht liegt die Abreise auch noch in etwas fernerer Zukunft, doch man möchte die Auslandsreise möglichst gut vorbereitet antreten. Spätestens jedoch, wenn der Umzug nach China unmittelbar bevorsteht, begegnen einem in jedem Fall eine Menge praktischer Fragen: Wo soll man wohnen? Wie baut man sich einen Freundeskreis auf? Und wie findet man eine interessante Praktikumsstelle? Diese Fragen stehen deshalb in diesem Kapitel im Vordergrund. Die Abschnitte ›Wohnen‹‚ ›Universität und Campus-Leben‹, ›Freundschaften‹‚ ›Praktikum‹ und ›Alltag‹ geben wesentliche Informationen und zahlreiche Tipps. Weitere praktische Beispiele finden sich unter denselben Überschriften in den anschließenden Kapiteln. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf den Verweis auf einzelne Organisationen, Links und Adressen in diesem Kapitel verzichtet; sie finden sich in übersichtlicher Form am Ende dieses Buches in Kapitel 8. Nicht aufgeführt sind im Folgenden StipendienInformationen, Hinweise zur organisatorischen Vorbereitung des Auslandsaufenthalts, zur Visa-Beschaffung oder zum chinesischen Hochschulsystem. Über alle diese Dinge informiert der äußerst hilfreiche DAAD-Studienführer China (Obendiek/Schulte Overberg 2008), der zur ergänzenden Lektüre ausdrücklich empfohlen sei. Der aufmerksame Leser wird bemerken, dass in den nachfolgenden Schilderungen des alltäglichen Miteinanders an der Universität, beim Wohnen oder an der Arbeitsstelle kulturelle Muster aufscheinen, die sich zum Teil deutlich von dem aus Deutschland Gewohnten unterscheiden. Erkennbar wird: Das Verhältnis zwischen Dozent und Student, Kollegen und Praktikant 11

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

oder Vermieter und Mieter werden gleichermaßen durch uns bekannte RollenMuster reguliert wie durch fremde (chinesische) kulturelle Standards. Eine Zusammenfassung der wichtigsten kulturellen Unterschiede findet sich in Kapitel 7.

Wohnen Wenn man nicht das Glück hat, eine Wohnung der Praktikumsfirma beziehen oder von Bekannten ein Zimmer übernehmen zu können, stellt sich nach der Ankunft in China das Problem der Wohnungssuche. Wie jedoch findet man in Millionenstädten wie Beijing und Shanghai eine geeignete Bleibe? Und auf welche Kosten und Wohnstandards muss man sich einstellen? Vor der Wohnungssuche steht grundsätzlich die Entscheidung darüber, wie man wohnen möchte: allein, in einer Wohngemeinschaft, im Studentenwohnheim oder in einer Gastfamilie? Jede Variante bietet andere Vorzüge und Nachteile, die mit den eigenen Wünschen und Zielen in Einklang gebracht werden müssen. So bietet das Zusammenleben mit Chinesen in einer Wohngemeinschaft oder in einer Gastfamilie Möglichkeiten zum Kontaktschließen, zum Verbessern der chinesischen Sprachkenntnisse und generell mehr Einblicke in die chinesische Lebensweise. Es erfordert jedoch auch größere Anpassungsbereitschaft und u.U. stärkeren Verzicht auf Privatsphäre als andere Wohnarrangements. Das Mieten einer eigenen Wohnung, die man entweder allein oder mit anderen ausländischen Mitbewohnern bezieht, ermöglicht, gewohnte Lebensweisen beizubehalten und sich jederzeit ungestört zurückziehen zu können. Allerdings entgehen einem auf diese Weise u.U. gewünschte Einblicke in chinesisches Familienleben. Das Wohnen im Studentenwohnheim bietet wieder andere Vorzüge: Da Zimmer hier schon von Deutschland aus reserviert werden können, entfallen Unsicherheit und Stress einer Wohnungssuche während der Anfangswochen. Zudem lebt man auf dem Universitätscampus oder doch in dessen Nähe und hat Gelegenheit, dort chinesische Studierende kennenzulernen. Ein Zusammenleben mit Chinesen im Studentenwohnheim ist jedoch nicht möglich – ausländische und einheimische Studierende werden nach wie vor in getrennten Wohnheimen untergebracht.

Wohnungssuche Auch wer ohne feste Bleibe in China ankommt, steht nicht vor unüberwindbaren Hürden. Je nachdem, welche Wohnsituation man anstrebt, helfen u.U. Vermittlungsorganisationen bei der Wohnungssuche. So gibt es verschiedene Organisationen, die Gastfamilienaufenthalte vermitteln, Maklerbüros, die bei 12

LEBEN UND STUDIEREN IN CHINA: PRAKTISCHE TIPPS

der Suche nach eigenen Wohnungen oder Zimmern behilflich sind – und natürlich arrangieren die Universitäten die Vergabe von Wohnheimzimmern. Wohnungs- und Zimmer-Annoncen finden sich auch an den Aushangtafeln der Universitäten, in Zeitungen, Internet-Portalen sowie in großer Zahl an Bushaltestellen, Brückenpfeilern und anderen öffentlichen Orten. Häufig reichen zu Beginn des Aufenthalts die chinesischen Sprachkenntnisse noch nicht aus, um lokale Annoncen zu studieren und Telefonabsprachen mit Vermietern zu treffen. Hier helfen englischsprachige Internet-Portale oder Makler weiter (siehe Kapitel 8); oft finden sich an Treffpunkten der ausländischen ›Community‹ auch englischsprachige Annoncen, z.B. in deutschen oder französischen Restaurants oder in der deutschen Bäckerei. Auch auf StudiVZ.net kann man sich auf Wohnungssuche begeben. Im Allgemeinen ist es ratsam, sich nach der Anreise zunächst für einige Tage in einem Hostel (Jugendherberge) einzuquartieren. Danach kann man in Ruhe die Umgebung erkunden und sich verschiedene Zimmer anschauen. Verträge kommen üblicherweise schnell zustande, und in der Regel kann man die neue Bleibe schon nach wenigen Tagen beziehen. Die Mitarbeiter der Hostels sind zudem oft kundige Ansprechpartner, die einem bei der Zimmersuche weiterhelfen können. Glücklich schätzen kann sich, wer einen chinesischen Freund hat, der ihn bei der Wohnungssuche unterstützt. Ortskenntnis und gute Beherrschung der chinesischen Sprache sind bei der Suche nach einem vertrauenswürdigen Makler, preiswerten Wohnungen und angenehmen Mitbewohnern offenkundig ein Vorteil. Bisweilen verlangen Wohnungsagenturen auch, dass ein chinesischer Freund für die Mietzahlungen bürgt. Wer sich den Stress der eigenen Wohnungssuche ersparen möchte oder keine Lust hat, zusammen mit Chinesen zu wohnen, für den ist das Studentenwohnheim eine gute Lösung. Es ist empfehlenswert, sich schon vor der Abreise um ein Wohnheimzimmer zu kümmern, insbesondere dann, wenn man sicherstellen möchte, dass man ein schönes Zimmer erhält und dass dieses bei Ankunft sofort bezugsfähig ist. Meistens steht ausländischen Studierenden die Wahl eines Einzel- oder Doppelzimmers offen. (Chinesische Studierende hingegen teilen sich nicht selten zu viert oder zu sechst ein Wohnheimzimmer.) Wünschen nach einem bestimmten Mitbewohner kommt die Universität in der Regel nach, gemischtgeschlechtliche Zimmerbelegungen sind jedoch nur im Ausnahmefall zulässig (siehe auch Kapitel 2). Ansprechpartner für die Vermittlung von Studentenwohnheimzimmern sind die Büros für ausländische Studierende der Universitäten oder die Rezeptionen der Wohnheime. Wer versäumt hat, sich aus Deutschland um ein Zimmer zu kümmern, kann sich nach der Ankunft direkt an Letztere wenden. Wenn nicht sofort ein Zimmer frei ist, lohnt es sich, wiederholt nachzufragen − Hartnäckigkeit zahlt sich häufig aus. 13

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

Schließlich gibt es auch die Möglichkeit, in einer chinesischen Gastfamilie zu wohnen. Die Entscheidung für einen Gastfamilienaufenthalt will gut überlegt sein, denn das Zusammenleben im Familienverbund bietet zwar viele schöne Seiten, wird aber von den Gästen häufig auch als anstrengend erlebt. Es gibt eine Reihe von Organisationen, die Gastfamilien vermitteln (siehe Kapitel 8). Die Vermittlung durch eine Organisation ist zwar kostenpflichtig, bietet jedoch auch eine gewisse Sicherheit, dass die Familie Interesse an der Aufnahme des Gastes hat und die Wohnung festgelegten Standards entspricht. Arrangements können bereits von Deutschland aus getroffen werden und die Mitarbeiter der Organisation stehen als Ansprechpartner während der gesamten Dauer des Aufenthalts zur Verfügung. Für die Gestaltung von Gastfamilienaufenthalten gibt es verschiedene Modelle. Manche sehen vor, dass der Gast sich an den Mietkosten beteiligt, andere, dass er sich bereit erklärt, der Gastfamilie regelmäßig Englischunterricht zu geben. Neben der Suche über eine Organisation ist natürlich auch die Suche direkt vor Ort möglich. Viele Familien sind gerne bereit, Ausländer aufzunehmen. Über Zettel am Schwarzen Brett in der Uni, Internetanzeigen (z.B. auf thebeijinger.com) oder durch Vermittlung von Freunden, Professoren und Kollegen lassen sich auch vor Ort in China schnell und kostengünstig Gastfamilien finden. Übrigens: Für alle Wohnformen gilt: Hat man eine Wohnung gefunden, muss der neue Wohnsitz innerhalb von 24 Stunden bei den örtlichen Behörden gemeldet werden. Für die Anmeldung ist die Unterschrift des Vermieters erforderlich, und häufig unternimmt dieser den Behördengang mit dem ausländischen Mieter gemeinsam. Erfolgt die Anmeldung verspätet, werden Strafgebühren fällig. Bei Bezug eines Wohnheimzimmers übernimmt die Meldung in der Regel die Universität.

Wohnstandards Im Allgemeinen wird man Wohnungen mit gutem Wohnstandard finden und bezahlen können. Positiv ist auch, dass die meisten Wohnungen in China bereits möbliert angeboten werden. Wohnzimmer werden meist als Aufenthalts- und Essensraum genutzt und sind üblicherweise sehr geräumig. Zu beachten ist, dass die Toleranz gegenüber kleineren Mängeln von Wohnungen in China stärker ausgeprägt ist als in Deutschland. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Zustand von Badezimmer und Küche, die eher als Gebrauchsräume betrachtet werden, und die deshalb nicht denselben Standard wie der Wohnbereich aufweisen müssen. Nicht immer befinden sich deswegen Küche und Bad in einwandfreiem Zustand. Die häufig unterschiedlichen Ansichten über die notwendigen Standards für Sauberkeit von Bad und Küche sorgen auch im Zusammenleben von deutschen und chinesischen Mitbewohnern bisweilen für Konflikte. Gegebenenfalls empfiehlt sich in diesen 14

LEBEN UND STUDIEREN IN CHINA: PRAKTISCHE TIPPS

Fällen das Anstellen einer Reinigungskraft (»Ayi«), was in China selbst für Studierende bezahlbar ist. Familien, die ausländische Gäste aufnehmen, verfügen in der Regel über Wohnungen gehobenen Standards. Durch Organisationen vermittelte Gastfamilien bieten ihren Gästen in jedem Fall ein eigenes, voll eingerichtetes Zimmer und in der Regel Zugang zum Telefon- und Internetanschluss in der Wohnung. Manche Familien stellen ihrem Gast auch ein eigenes Badezimmer zur Verfügung. Häufig ist die Gastfamilie sehr darauf bedacht, dass sich ihr Gast wohlfühlt. Die Familienmitglieder werden ihm den bestmöglichen Standard bieten und darauf achten, dass alles zu seiner Zufriedenheit ist, damit er sich »zu Hause« fühlt. Sollte es Dinge zu beanstanden geben, ist die Gastfamilie normalerweise bereit, große Zugeständnisse zu machen. Im Vergleich zu den Wohnheimen für chinesische Studenten sind die Ausländerwohnheime gut ausgestattet und geräumig. Doppelzimmer bestehen in der Regel aus einem Arbeits- und Schlafraum, an den sich ein kleines Bad anschließt. Zur Zimmerausstattung gehören üblicherweise zwei Betten, zwei Schreibtische mit jeweils einer Lampe und einem Stuhl, zwei große Kleiderschränke und Regale. Oftmals verfügen die Zimmer über einen Fernseher, ein Telefon, eine Klimaanlage und (in den nördlich des Yangtse-Flusses gelegenen Provinzen) auch über eine Heizung. Zum Kochen stehen teilweise Gemeinschaftsküchen zur Verfügung, in denen sich zumeist auch Kühlschränke und Wasserspender befinden. Ggf. gibt es auch Waschräume mit Waschmaschinen für die allgemeine Nutzung – die Wäsche wird hier wie überall in China mit kaltem Wasser gewaschen. Da sich die Wohnheime häufig in der Nähe der Mensa befinden, kann diese zu den Essenszeiten leicht aufgesucht werden.

Miet- und Nebenkosten Für Mietkosten wird man in China nur in Ausnahmefällen mehr aufwenden müssen als in Deutschland. Doch auch, wer es schafft, durch Verhandlungsgeschick oder gute Beziehungen den Mietpreis noch etwas zu reduzieren, wohnt kaum zum selben Preis wie chinesische Mieter. Dieser Umstand resultiert nicht nur aus der (diesen von Chinesen unterstellten) höheren Finanzkraft westlicher Ausländer sowie aus dem von ihnen bevorzugten höheren Wohnstandard, sondern auch aus dem Umstand, dass ausländische Studenten häufig nur Mietverträge kurzer Laufzeit abschließen und der Vermieter das Risiko eines anschließenden Leerstandes in Kauf nimmt. In China ist es, zumindest bei einem kurzen Mietverhältnis und ausländischen Mietern, üblich, die Miete bar und für mehrere Monate auf einmal einzufordern. In manchen Fällen muss die Miete für die gesamte Mietzeit im Voraus bezahlt werden. Auch die Zahlung einer Kaution ist üblich; sie beträgt meist eine bis 15

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

mehrere Monatsmieten und wird nach Auszug zurückgezahlt. Mietet man ein Zimmer im Studentenwohnheim, ist man an Festpreise gebunden. Lediglich bei der Mietdauer – üblich ist eine Mindestmietdauer von drei Monaten – kann man mit der Wohnheimverwaltung eine andere Vereinbarung treffen. Auch hier wird die Miete im Voraus und zum Teil für mehrere Monate am Stück fällig. Mietkosten richten sich nach Lage und Größe der Wohnung. Generell sind Wohnungen in Großstädten teurer als solche in Kleinstädten, Innenstädte sind teurer als Vororte, und Nähe zur U-Bahn führt ebenfalls zu Preisaufschlägen. Beim Anmieten einzelner Zimmer ist die Miete höher, wenn das Zimmer ein Fenster hat und nach Süden gelegen ist. Obwohl verkehrsgünstige Wohnlagen häufig teurer sind, kann sich der höhere Preis auszahlen: In den Hauptverkehrszeiten sind Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln anstrengend und zeitaufwendig, und in jedem Fall entstehen bei größeren Entfernungen zur Arbeitsstelle oder Universität Fahrtkosten, die bei der Berechnung der Gesamtkosten einkalkuliert werden müssen. Die Höhe der Mietzahlungen bei Gastfamilienaufenthalten richtet sich nach den jeweiligen Vereinbarungen mit der Vermittlungsorganisation bzw. mit der Gastfamilie selbst. Viele Gastfamilien bekommen keine Miete, sondern nehmen den Gast umsonst auf. Ist der Mietvertrag unterschrieben, wird die neu eingegangene Beziehung zwischen Mieter und Vermieter häufig durch ein gemeinsames Abendessen gefestigt, zu dem der Vermieter einlädt, um seinen Dank und die Hoffnung auf eine angenehme Mietzeit zum Ausdruck zu bringen. Nicht selten findet man auch beim Einzug kleine Gefälligkeiten vom Vermieter vor, die das Wohnen angenehmer machen sollen: Das Bett ist vielleicht mit schöner, neuer Bettwäsche bezogen oder in der Küche sind Putzmittel vorhanden. Nebenkosten fallen auch in China an, doch sind die Preise für Wasser, Gas, Heizung (falls vorhanden) und Elektrizität vergleichsweise niedrig. Gas und Wasser werden meistens in einem regelmäßigen Turnus abgelesen. Die Termine werden durch Aushang im Wohnhaus bekannt gegeben und man wird gebeten, während dieser Zeit zu Hause zu sein oder den Zählerstand selbst abzulesen und auf einem Zettel an der Tür zu notieren. Nach Ablesen des Zählerstandes erhält man eine Rechnung und muss den Rechnungsbetrag bei ausgewiesenen Banken einzahlen. Wurde eine entsprechende Vereinbarung mit dem Vermieter getroffen, werden die Nebenkosten auch als Teil der Miete an den Vermieter gezahlt, der dann die einzelnen Rechnungen der Stadtwerke begleicht. In Wohngemeinschaften werden die Kosten unter den Mitbewohnern aufgeteilt, wohnt man im Studentenwohnheim oder in einer Gastfamilie, sind die Nebenkosten im Mietpreis bereits enthalten. Da das Leitungswasser in der Regel gechlort ist und/oder aus anderen Gründen nicht gut schmeckt, wird von vielen Studierenden gerne ein Trinkwasser-Lieferdienst genutzt. Dieser beliefert Privathaushalte auf Bestellung 16

LEBEN UND STUDIEREN IN CHINA: PRAKTISCHE TIPPS

mit Wasserkanistern, die auf Wasserspende-Geräte gesteckt werden, die einen bequem mit kaltem und heißem Trinkwasser versorgen. Auf diese Weise erspart man sich nicht nur das Tragen schwerer Wasserflaschen, sondern auch Ausgaben, da die Wasserkanister vergleichsweise preiswert sind. Heizgewohnheiten unterscheiden sich von denen in Deutschland. Da traditionell südlich des Yangtse-Flusses nicht geheizt wird, sind dort in der Regel keine Zentralheizungen installiert. Bei Kälte wird dort mit Klimaanlagen oder elektrischen Heizlüftern geheizt, die viel Strom verbrauchen. Nördlich des Yangtse-Flusses gibt es fest eingebaute Heizungen, doch können diese nicht individuell reguliert werden. Sie werden zu Beginn der Heizperiode im November zentral angestellt – wird es in der Wohnung zu warm, hilft nur das Öffnen eines Fensters.

Regeln und Verpflichtungen Die meisten Regeln, Verpflichtungen und Rechte gehen aus dem Mietvertrag hervor, zugleich wird vieles jedoch flexibler gehandhabt als in Deutschland. Nachbarn und Vermieter erweisen sich zudem häufig als freundliche und hilfsbereite Ansprechpartner, wenn bei ausländischen Mietern Fragen und Probleme auftauchen. Die Fürsorge des Vermieters kann dabei zum Teil für Deutsche ungewohnte Formen annehmen, so schaut dieser vielleicht unangekündigt vorbei, um nicht nur nach dem Rechten, sondern auch nach dem Wohlergehen des Mieters zu schauen. Bisweilen ist der Vermieter auch von der Neugier motiviert, etwas über die Angewohnheiten und Lebensverhältnisse seiner ausländischen Mieter zu erfahren. Für Deutsche sind solche Versuche, eine persönliche Beziehung zwischen Mieter und Vermieter aufzubauen, vielleicht verwirrend, doch macht ein gutes Verhältnis zum Vermieter das Leben leichter und ermöglicht ggf. flexible Problemlösungen, die über das im Mietvertrag Festgelegte hinausgehen können. Andererseits gestaltet sich nicht jedes Verhältnis zum Vermieter freundschaftlich. Es ist deshalb generell ratsam, beim Einzug wesentliche Fragen bezüglich der Handhabung von Reparaturen und der Bezahlung der Nebenkosten zu klären. Dabei ist es u.U. hilfreich, sich eine englische Fassung des Mietvertrags ausstellen zu lassen. Das Wohnen im Studentenwohnheim enthebt einen zwar der Notwendigkeit zur Auseinandersetzung mit einem chinesischen Vermieter, konfrontiert einen jedoch mit einem umfänglichen Regelwerk, das Rechte und Pflichten im Wohnheim festlegt. So muss man sich darauf einstellen, dass sich (chinesische) Besucher beim Portier zu registrieren haben und dass Ruhe- und Schließzeiten beachtet werden müssen. Während die Wohnheime für chinesische Studierende noch immer während der Nachtstunden verschlossen sind, gelten für die Ausländerwohnheime mittlerweile gelockerte Regeln. Hier erhält man üblicherweise auch während der Nachtstunden Zutritt. Über17

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

nachtungen von Freunden sind jedoch auch hier nicht gern gesehen. Sollten Freunde, die einen im Wohnheim besuchen, die Öffnungszeiten überschreiten, wird man telefonisch dazu aufgefordert, sie unverzüglich hinauszubegleiten. Im Allgemeinen gilt ferner: Für die Sauberkeit der Zimmer ist jeder selbst verantwortlich. Lediglich die Gänge und das Treppenhaus werden vom Reinigungspersonal gesäubert; um etwaige Reparaturen kümmert sich der Hausmeister. Explizite Regeln gibt es auch beim Wohnen in Gastfamilien. Diese betreffen insbesondere das Verhalten in der Familie und legen z.B. fest, dass in der Wohnung der Gastfamilie nicht ohne Zustimmung der Gasteltern geraucht werden darf, dass Besucher des Gastes nicht über Nacht bleiben dürfen, und beinhalten Ermahnungen, das abendliche Ausgehen so zu reduzieren, dass sich die chinesische Familie von der späten Heimkehr ihres Gastes nicht (zu häufig) gestört fühlt.

Sprachstudium und Campus-Leben Das chinesische Verständnis von Bildung und Lernen ist in eine konfuzianische Tradition eingebunden, deren Elemente auch im heutigen Bildungssystem sichtbar sind (vgl. auch Chen 2001). Dies betrifft auch die Ausbildung an den Fremdspracheninstituten, die von ausländischen Studierenden besucht werden. Trotz offenkundiger Ähnlichkeit der Universitätssysteme, der Gebäude und Veranstaltungsformen bilden bestimmte Regelungen und Verfahren eine Tradition ab, in der Respekt vor dem Lehrer, Fleiß und Anstrengung, Wiederholung und Auswendiglernen zentrale Werte und Praktiken darstellen. In der chinesischen Gesellschaft genießt Bildung einen hohen Stellenwert, und chinesische Familien drängen ihre Kinder typischerweise zu akademischen Höchstleistungen, da Bildung als Garant für sozialen und ökonomischen Aufstieg gilt. Auch von ausländischen Studierenden werden ernsthaftes Studieren, Fleiß und Streben nach akademischer und charakterlicher Vervollkommnung erwartet. Entsprechend wenig Ansehen genießen Studierende, die ›lose Sitten‹ an den Tag legen, Partys mehr Aufmerksamkeit schenken als ihrer Ausbildung und Respekt gegenüber Lehrern vermissen lassen. Für ausländische Studierende ist das Ausmaß an Kontrolle und Fürsorge, das ihnen Dozenten und Administration der Universität zuteilwerden lassen, ungewohnt, vielleicht belustigend, bisweilen jedoch auch ärgerlich. Im Folgenden wenden wir uns zunächst den praktischen Problemen und Routinen im Universitätsalltag zu. Beispiele und weitere Erläuterungen zu den interkulturellen Fallstricken von Interaktionen auf dem Campus finden sich in Kapitel 3.

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LEBEN UND STUDIEREN IN CHINA: PRAKTISCHE TIPPS

Bewerbungsverfahren und Zulassung Wer einen Studienaufenthalt in China anstrebt, muss mit der Planung frühzeitig beginnen. Insbesondere, wenn man sich um ein Stipendium bewerben möchte, sollte man etwa fünfzehn Monate vor der geplanten Ausreise mit den Vorbereitungen beginnen. Zu regeln sind die Zulassung zu einer chinesischen Hochschule, die Beurlaubung von der Heimathochschule sowie die Finanzierung des Auslandsjahres. Bewerbungstermine für Auslandsstipendien liegen z.T. schon im September des Vor-Ausreisejahres, und entsprechend früh muss man sich um Informationen, das Fertigstellen der Bewerbungsunterlagen und das Einholen von Empfehlungsschreiben bemühen. Neben dem DAAD vergeben auch weitere Organisationen Voll- und Teilstipendien für China-Aufenthalte. Erfüllt man die Voraussetzungen, kann man auch BaföG beantragen oder im Rahmen des »Selbstzahlerprogramms« des DAAD zumindest von den Studiengebühren in China befreit werden. Detaillierte Informationen über Fördermöglichkeiten und Zulassungswege finden sich im DAAD-Studienführer China (Obendiek/Schulte Overberg 2008). Auch die Vorschriften der Heimathochschule für Rückmeldung und Beurlaubung sollte man rechtzeitig in Erfahrung bringen. Hat man sich im Rahmen eines Förderprogramms beworben, erhält man rechtzeitig vor Ausreise alle nötigen Informationen sowie die Zuteilung der Hochschule in China. Danach muss noch das Visum beantragt werden. Wichtig ist, alle nötigen Unterlagen und Bestätigungen nach China mitzunehmen, da vieles vor Ort im Original benötigt wird. Die Einschreibung erfolgt im Ausländerbüro der Hochschule, und meistens findet zeitnah auch ein Einstufungstest zur Feststellung des chinesischen Sprachniveaus statt. Das Ausländerbüro ist für alle administrativen Belange im Zusammenhang mit dem Studium ausländischer Studenten zuständig und organisiert ggf. auch Ausflüge. Die Amtssprache ist Chinesisch; nur bei gravierenden Verständigungsproblemen weichen die Mitarbeiter auch auf Englisch oder andere Sprachen aus – jemanden, der gut Englisch spricht, findet man in den großen Universitäten immer. In der Regel sind die Mitarbeiter der Ausländerbüros freundlich und hilfsbereit, aber auch hier trifft man manchmal auf bürokratische Hürden, wenn individuelle Anfragen im Regelablauf nicht vorgesehen sind. In diesen Fällen hilft freundliche Hartnäckigkeit häufig weiter, auch in Situationen und Angelegenheiten, für die vorerst keine Lösung zu existieren scheint.

Unterricht und Hochschulalltag Der Chinesisch-Unterricht ist in mehrere Unterrichtsfächer, wie z.B. ›Hörverständnis‹, ›Leseverständnis‹, ›Konversation‹ u.ä. aufgeteilt. Insbesondere für 19

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

fortgeschrittene Lerner gibt es auch thematisch fokussierte Kurse, z.B. ›Zeitungslektüre‹. Für den Fall, dass man anfänglich einem falschen Sprachniveau zugeteilt wurde, besteht die Möglichkeit, den Kurs zu wechseln. Der Unterricht findet in international gemischten Gruppen mit ca. zehn bis dreißig Teilnehmern statt. Der Klassenzusammenhalt ist nicht selten recht eng: Man geht häufig in der Freizeit zusammen essen, Karaoke singen oder unternimmt gemeinsame Ausflüge in die nähere Umgebung. Auch im Umgang mit den – häufig noch jungen – Dozenten und Dozentinnen sollte man sich auf verbindlicheren Kontakt einstellen als in Deutschland üblich. Gemäß dem konfuzianischen Rollenverständnis betrachtet der Lehrer seine Schüler als Schützlinge, für deren Ausbildung und Wohlergehen er grundsätzlich zuständig ist – dies mag sich auch auf Belange erstrecken, die aus deutschem Verständnis ›Privatsache‹ sind. Je nachdem, wie gut sich Klasse und Dozent verstehen, sind gemeinsame Ausflüge in der Freizeit oder Einladungen durch den Dozenten nicht unüblich. Und bei akademischen Problemen sind Dozenten für ihre Studenten auch in ihrer Freizeit ansprechbar – wird die private Telefonnummer nicht gleich an die Studenten verteilt, so ist sie doch im Sekretariat leicht in Erfahrung zu bringen. Aus dem vergleichsweise engeren Verhältnis resultieren für die Schüler jedoch auch Pflichten: So wird zum Beispiel erwartet, dass man sich im Krankheitsfall nicht nur im Ausländerbüro offiziell abmeldet, sondern auch den Dozenten persönlich benachrichtigt bzw. durch Kommilitonen benachrichtigen lässt. Anders als in Deutschland zählt nicht nur das erfolgreiche Bestehen der Prüfungen als Leistungsnachweis, sondern regelmäßiges Erscheinen zu den Lehrveranstaltungen wird erwartet und kontrolliert – Fehltage werden auf dem Abschlusszeugnis ausgewiesen, und eine Mindestzahl an besuchten Unterrichtstagen ist häufig Voraussetzung, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Beurteilungen der ›Mitarbeit‹ gehen zudem in die Endnote ein. Unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht gilt nicht nur als Nachlässigkeit, sondern auch als unhöflich und kann leicht als Kritik am Unterricht des Dozenten (fehl-)interpretiert werden. In einer Umgebung, in der indirekte Kommunikation an der Tagesordnung ist, wird jedem Handeln und Nicht-Handeln Bedeutung beigemessen – möchte man Fehldeutungen vermeiden, muss man entsprechend vorbeugen und der Dozentin glaubhaft machen, dass man eben nur aus Krankheitsgründen fehlt und an ihrem Unterricht nichts auszusetzen hat. Nicht ungewöhnlich ist, dass man bei unangekündigtem Fernbleiben von der Universität angerufen wird. Dabei wird sich die Dozentin nicht nur nach dem Wohlergehen des Studenten erkundigen, sondern vielleicht auch bestimmte Arzneien, Tees und Nahrungsmittel empfehlen, um den Genesungsprozess des Schülers zu beschleunigen.

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Freundschaften China ist als gastfreundliches Land bekannt und Chinesen als lächelnde und höfliche Zeitgenossen. Für viele Deutsche sind deshalb erste Begegnungen mit Chinesen am Flughafen, auf der Straße und beim Einkaufen eine Überraschung: Hier wird gedrängelt, gefeilscht, geschubst, an anderen achtlos vorübergegangen, auf den Gehweg gespuckt, Verkehrsregeln werden missachtet und von Höflichkeit findet sich kaum eine Spur. Viel, so lernt der Ausländer bald, kommt in China darauf an, ob man mit Fremden zu tun hat (deren Bedürfnisse ungestraft ignoriert werden dürfen) oder mit Bekannten und Freunden, denen gegenüber man tatsächlich höflich, häufig äußerst gastfreundlich und fürsorglich auftritt. Erfahrungen in China werden also grundlegend andere sein, wenn man chinesische Freunde hat. Glücklicherweise ist das Misstrauen westlichen Ausländern gegenüber, das noch vor wenigen Jahren Kontakte erschwerte, heute gewichen, und Europäern wird heute in der Regel mit großer Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit begegnet.

Sprachpartner Für Studierende bieten sich auf dem Campus der Universität viele Möglichkeiten, chinesische Kommilitonen kennenzulernen. Eine Möglichkeit, um gezielt Kontakt aufzunehmen, ist das Eingehen einer Sprachpartnerschaft mit Germanistik-Studierenden oder, falls das eigene Englisch gut genug ist, mit anderen Studierenden, die ihre Englischkenntnisse üben und erweitern möchten. Sprachpartnerschaften werden von chinesischen Studierenden gerne eingegangen, kommen sie doch chinesischen Vorstellungen von gegenseitiger Unterstützung, dem Wunsch nach Aufbau persönlicher Beziehungen sowie dem Ziel, die eigene Leistung zu verbessern, entgegen und versprechen zudem Abwechslung vom Studienalltag und Spaß. Manche Sprachpartnerschaften entwickeln sich zu tiefen Freundschaften weiter, andere bleiben auf einem arbeitsorientierten Niveau und wieder andere scheitern, weil die Interessen der Beteiligten zu verschieden sind. Man wird auf diese unterschiedlichen Entwicklungen nicht immer Einfluss haben – wie überall auf der Welt stellen sich Sympathie und Freundschaft nur spontan ein. Wenn man aus Deutschland kommt, wird man in der Regel keine Schwierigkeiten haben, eine(n) Sprachpartner(in) zu finden – bisweilen mögen die Anfragen sogar überhandnehmen, sodass man sich weiterer Sprachpartner freundlich erwehren muss. Sprachpartner werden einen zudem immer auch mit weiteren Freunden und Kommilitonen bekannt machen, die ihrerseits auf der Suche nach einem Tandem-Partner sind, und es versteht sich von selbst, dass man in diesen Fällen zustimmt, sich umzuhören.

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Weitere Möglichkeiten, Freunde kennenzulernen, bieten sich auch bei anderen Hochschulaktivitäten: in Vorlesungen ebenso wie beim Sport oder bei Treffen anderer Interessengruppen. Wie weiter unten geschildert, unterscheiden sich chinesische Freizeitgewohnheiten u.U. von den eigenen, auch gelten unter chinesischen Freunden z.T. andere Normen der Fürsorglichkeit und Loyalität; der wichtigste Unterschied besteht jedoch darin, dass ungezwungene Treffen zwischen Personen verschiedenen Geschlechts in China in der Regel nur in größeren Gruppen möglich sind. Zwischen jungen Männern und Frauen gewinnen Treffen zu zweit, z.B. gemeinsame Ausflüge, Restaurant- oder Kinobesuche, fast automatisch den Charakter eines ›Dates‹. Wer Missverständnisse vermeiden möchte, sollte sich hierauf einstellen (siehe hierzu auch die Beispiele in Kapitel 4).

Internationale Freunde und Mitbewohner Wer schon einmal im europäischen Ausland studiert, z.B. einen ErasmusAufenthalt absolviert hat, kennt das Prinzip: Im Ausland trifft man als Gaststudent viel leichter andere ausländische Studierende als einheimische. Doch während Erasmus vor allem Europäer miteinander in Kontakt bringt, mischen sich an den Sprachinstituten chinesischer Universitäten junge Leute aus buchstäblich allen Ländern der Welt, wobei insbesondere asiatische Studierende der Nachbarländer (z.B. aus Korea und Japan) aus naheliegenden Gründen sehr stark vertreten sind. In diesem höchst internationalen Umfeld kann man leicht Kontakte und Freundschaften zu Menschen aus verschiedensten Erdteilen knüpfen, was dem Auslandssemester an einer chinesischen Universität in den Augen vieler Europäer einen besonderen Reiz verleiht. So lernt man nicht nur viel über das Gastland, sondern u.U. auch über die Herkunftsländer der Kommilitonen und Kommilitoninnen. Vielleicht ist es verblüffend zu erfahren, dass trotz der Vielfalt der Herkunftskontexte eine gemeinsame Basis existiert, denn die Erfahrung, als Ausländer in China zu leben, wird von allen geteilt. Da man mit ähnlichen Problemen konfrontiert ist, findet man im internationalen Freundeskreis leicht Ansprechpartner und Gleichgesinnte. Andererseits ist es besonders interessant zu erfahren, wie sehr sich trotz der ähnlichen Situation die Sichtweisen unterscheiden. Schade wäre es allerdings, über das Engagement im internationalen Kreis das Knüpfen von Freundschaften zu Chinesen zu vernachlässigen.

Kollegen Als Praktikant in China wird man häufig von den Kollegen sehr freundlich aufgenommen und bisweilen entwickeln sich echte Freundschaften. Im Um22

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gang mit Kollegen wie auch im Umgang mit Bekannten spielt ein etwaiger Altersabstand fast immer eine Rolle. Grundsätzlich erfordert die Höflichkeit, Älteren stets mit Respekt zu begegnen, höfliche Anredeformen zu verwenden (»Verkaufsleiter Li«, »Ingenieur Wang«, »Direktor Chen« usw.), sich als aufmerksam und hilfsbereit zu zeigen (z.B. indem man dem anderen eine schwere Tasche abnimmt), Kritik nicht offen zu äußern und generell eher eine zurückhaltende Verhaltensweise an den Tag zu legen. Dies gilt auch dann, wenn der Altersabstand aus deutscher Sicht gar nicht allzu groß ist und insbesondere dann, wenn mit ihm ein Hierarchieunterschied einhergeht. Wie immer sind die Unterschiede zwischen Firmen und einzelnen Personen allerdings groß: In manchen Firmen wird man auch sehr zwanglos miteinander umgehen und zur Anrede nur den Vornamen benutzen.

Liebe und Partnerschaft Gemischtnationale Paare wird man in China häufiger in der Kombination chinesische Frau, nicht-asiatischer Mann antreffen als umgekehrt. Ein wichtiger Grund dafür ist wohl, dass ausländische Männer Chinesinnen wegen ihrer zierlichen Figur und ihres exotischen Aussehens attraktiv finden, wohingegen chinesische Männer seltener dem männlichen Schönheitsideal nicht-asiatischer Frauen zu entsprechen scheinen. Weiterhin mag eine Rolle spielen, dass chinesische Frauen bisweilen sehr aktiv nach einem ausländischen Partner suchen, der ihnen aufgrund seines Aussehens und/oder des Herkunftslandes als attraktiv erscheint. Gelegentlich kommt es auch zu Kontaktanbahnungen durch junge Chinesinnen, die sich nach einem gemeinsamen Partyabend eine (materielle) Gegenleistung des ausländischen Begleiters erhoffen (oder einfordern). Das Stereotyp der Chinesin, die sich einen ›reichen Ausländer angelt‹ ist so verbreitet, dass Paare, die aus einer Chinesin und einem westlichen Ausländer bestehen, auf der Straße z.T. missbilligendes Kopfschütteln oder abwertende Kommentare ernten. Verstetigt sich die Beziehung, werden deutsch-chinesische Paare jedoch zumeist auf Akzeptanz treffen. Für deutsche Studierende ist es wichtig zu wissen, dass trotz der in zahlreichen Bars zu beobachtenden ›locker‹ auftretenden Mädchen grundsätzlich konservativere Einstellungen gegenüber Liebe und Partnerschaft existieren als in Deutschland. Berührungen von Gesprächspartnern des anderen Geschlechts signalisieren spezielles Interesse, selbst wenn sie aus deutscher Sicht flüchtig und rein freundschaftlich gemeint sind. Mehrere wechselnde Partnerschaften einzugehen, gilt auch heute noch für junge chinesische Frauen als loser Lebenswandel, und noch immer ist die Norm zur Eheschließung ungebrochen. Vor diesem Hintergrund findet man sich als Ausländer schnell in einer Situation wieder, in der die Absichten der Partnerin weiter gehen als die 23

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eigenen. Wird man den Eltern der chinesischen Partnerin vorgestellt, so ist dies selten ein zwangloses Treffen; üblicherweise erfolgt diese Vorstellung erst, wenn sich das Paar mit Heiratsabsichten trägt. Auch innerhalb der Beziehung ist man als Ausländer mit ungewohnten Kommunikationsmustern und Interaktionsformen konfrontiert. Hierzu zählen Normen der Höflichkeit und ›Ritterlichkeit‹, die z.B. vorsehen, dass der Mann der Frau die Handtasche trägt oder das ›Schmollen‹ chinesischer Frauen, um gegenüber dem Partner ihren Willen durchzusetzen (siehe auch Kapitel 4). Übrigens: Insbesondere Eltern junger chinesischer Frauen werden auf einen ausländischen ›Boyfriend‹ nicht immer positiv reagieren. Noch immer folgen Lebensläufe in China häufig dem Ideal, dass die verheiratete Frau ihrem Mann an den Wohnort seiner Familie folgt – und das ist im Falle eines deutschen Partners das entfernte Europa. Die Vorstellung, die Tochter und das (zu erwartende) Enkelkind an die Fremde zu verlieren, ist für chinesische Eltern bisweilen so unangenehm, dass sie versuchen, die Partnerschaft zu hintertreiben.

Praktikum Ein Unternehmenspraktikum in China ist nicht nur für Studierende der Sinologie und verwandter Fächer attraktiv, sondern wird zunehmend auch von Studierenden wirtschaftswissenschaftlicher und technischer Studiengänge angestrebt, und auch für angehende Juristen und Naturwissenschaftler ist China-Erfahrung immer häufiger ein Plus im Lebenslauf. Tatsächlich muss man als Praktikant in China nicht unbedingt Chinesisch sprechen – Studierende nicht-philologischer Studiengänge werden aufgrund ihrer bereits vorhandenen Fachkenntnisse gerne eingestellt, doch sind Grundkenntnisse der chinesischen Sprache bei der Stellensuche sowie bei der Arbeit in China zweifellos von Vorteil. Gute englische Sprachkenntnisse sind in jedem Fall unverzichtbar.

Praktikumssuche und erste Schritte Die Suche nach einem Praktikumsplatz in China gestaltet sich nicht grundsätzlich anders als in Deutschland. Geeignete Anlaufstellen sind Stellenbörsen im Internet (eine Liste findet sich in Kapitel 8), die Außenhandelskammer oder die Stellenanzeigen auf den Homepages internationaler Unternehmen. Initiativbewerbungen können ebenso zum Erfolg führen wie persönliche Kontakte, die man entweder bereits in Deutschland oder auch in China knüpfen kann. Größter Unterschied zu Stellensuche und Bewerbungsverfahren in Deutschland sind die viel kürzeren Planungs- und Vorlaufzeiten, 24

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mit denen in China operiert wird. So wird man selten schon mehrere Monate vor Praktikumsantritt eine feste Zusage aus China erhalten; typischerweise liegen zwischen Bewerbung und Arbeitsantritt nur wenige Wochen, bisweilen nur wenige Tage. Es ist daher keineswegs aussichtslos, sich erst in China auf die Suche nach einer Praktikumsstelle zu machen. Große deutsche Firmen hingegen besetzen ihre Praktikumsstellen in China bereits lange im Voraus, sodass hier eine frühzeitige Suche sinnvoll ist. Hat man ein Praxissemester in China fest eingeplant, steht die Sorge, überhaupt irgendeinen Praktikumsplatz zu finden, häufig im Vordergrund. Allerdings sollte man sich vor Beginn der Suche zunächst über die eigenen Ziele und Motive Klarheit verschaffen, um die Suche effektiver gestalten zu können. Ähnlich wie bei der Entscheidung bezüglich der Wohnsituation stehen auch bei der Wahl der Praktikumsfirma verschiedene Varianten zur Auswahl, die sich nicht zuletzt durch das Ausmaß an Kulturkontakt unterscheiden. Abzuwägen ist, ob man eine Tätigkeit in einem chinesischen Unternehmen oder in einem Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung anstrebt. Während chinesische Unternehmen ein ideales Umfeld sind, um chinesische Sprachkenntnisse auszubauen und Einblicke in chinesische Arbeitsweise und Unternehmenskultur zu erhalten, zeigt die Erfahrung auch, dass bisweilen unerwünschte Kommunikationsprobleme auftreten, die nicht immer behoben werden können. Insbesondere dann, wenn chinesische Unternehmen noch wenig Erfahrung mit dem Einsatz von Praktikanten haben, bleibt zudem der Umfang der Aufgaben häufig gering, sodass vom Praktikanten nur wenig berufspraktische Erfahrung und Fachwissen erworben werden. Dies ist in internationalen Unternehmen in der Regel anders. Insbesondere bei mehrmonatigen Beschäftigungsverhältnissen werden oft eigene (Teil-)Projekte an Praktikanten vergeben, die häufig interessante Einblicke in komplexe Arbeitsabläufe ermöglichen. Die Arbeit erfolgt häufig in gemischtnationalen Teams, in denen Chinesen sowie Ausländer verschiedener Herkunftsländer zusammenarbeiten. Der Nachteil ist, dass die Unternehmenssprache häufig Englisch ist, sodass Gelegenheiten zum Chinesisch lernen gering sind. Zu überlegen ist ferner, wie sich das Praktikum in den Studienverlauf und die Berufsplanung einfügt, welche Branchen und Arbeitsbereiche besonders interessant erscheinen. Die Beantwortung dieser Fragen gestaltet nicht nur die Praktikumssuche zielorientierter, sondern hilft auch, das eigene Profil im Bewerbungsprozess zu schärfen. Eine möglichst große Passgenauigkeit von Bewerber und Praktikumsstelle ist schließlich sowohl im Interesse des Praktikanten als auch des Unternehmens. Für Bewerbungsunterlagen haben sich in China bisher keine klar definierten Standards herausgebildet. Wer sich an die Grundregeln deutscher Bewerbungsschreiben hält, macht offenbar auch in China nichts verkehrt. Es 25

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empfiehlt sich, Bewerbungsunterlagen (Anschreiben, Lebenslauf, ggf. ein Zwischenzeugnis) auf Englisch und/oder Chinesisch einzureichen. In der Regel reicht ein Versand in elektronischer Form. Für Deutsche verwirrend ist, dass weder der Eingang von Bewerbungen bestätigt, noch Absagen verschickt werden. Ohne dass man selbst beim Unternehmen nachfragt, erfährt man zumeist nichts über den Stand der Bearbeitung. Entsprechende Nachfragen werden übrigens nicht als störend empfunden, sondern signalisieren ernsthaftes Interesse des Bewerbers. Stößt die Bewerbung beim Unternehmen auf Interesse, wird es selbstverständlich aber auch Kontakt aufnehmen, ohne dass der Bewerber zuvor nachgefragt hat. Auch der Ablauf von Vorstellungsgesprächen gestaltet sich höchst unterschiedlich. Ob es als persönliches Gespräch oder als Telefoninterview durchgeführt wird oder ganz entfällt, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. War die Bewerbung erfolgreich, müssen anschließend Vergütung, Aufgaben und Dauer des Praktikums vertraglich geregelt werden. Neben einem (geringen) Gehalt zahlen manche Unternehmen ihren Praktikanten Zusatzleistungen wie z.B. Zuschüsse zu Fahrtkosten, Verpflegung und Unterkunft. Manche Praktika werden auch überhaupt nicht vergütet. Feste Regelungen gibt es hier nicht. Wenn das Praktikum in den Studienverlauf integriert ist, müssen typischerweise Bescheinigungen zur Vorlage bei der Heimatuniversität beschafft werden. Ggf. muss man sich an der deutschen Universität auch für das neue Semester rückmelden. Unter Umständen kann während des Praktikums BaföG weiter gezahlt werden; für Anfragen ist das Amt für Ausbildungsförderung in Hannover zuständig. Besteht Förderanspruch, muss eine Praktikumsbescheinigung an das Amt geschickt werden, um eine reibungslose Zahlung der Fördersumme zu ermöglichen. Gleichzeitig ist die Gültigkeit des Visums zu überprüfen bzw. dessen Verlängerung sowie die Verlängerung des residence permit rechtzeitig (so früh wie möglich!) zu beantragen. Da sich die diesbezüglichen Regelungen häufig ändern, zieht man Erkundigungen am besten bei der Botschaft bzw. bei den zuständigen Behörden vor Ort ein.

Als Praktikant im Unternehmen Zahlreiche Bücher informieren über die im chinesischen Kontext üblichen Kommunikations-, Führungs- und Verhandlungsstile (z.B. Chen 2004, Reisach/Tauber/Yuan 2007, Thomas/Schenk 2001). Auch wenn diese typischerweise auf den Informationsbedarf von Managern und Expatriates zugeschnitten sind, enthalten sie auch für Praktikanten wertvolle Tipps zum Umgang mit Kollegen, Kunden und Vorgesetzten.

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Praktikanten aus westlichen Ländern finden sich häufig in einer eigenartigen Situation, in der ihr Status nicht klar definiert zu sein scheint: Als Praktikant arbeiten sie zwar auf einer hierarchisch untergeordneten Position, doch führt das geläufige Vorurteil, dass westliche Ausländer generell mindestens Positionen im mittleren Management bekleiden, oft zu einer Überschätzung ihres Status durch chinesische Geschäftspartner und Kollegen, denen das Konzept ›Praktikum‹ unbekannt ist. Da deutsche Praktikanten zudem schnell Verantwortungsbewusstsein für die Erledigung der ihnen übertragenen Aufgabe sowie ein selbstständiges Arbeitsverhalten an den Tag legen, ist von außen eine korrekte Einschätzung der tatsächlichen Position manchmal in der Tat schwierig. Wenn ausländische Praktikanten gute Arbeit leisten, entstehen für das Unternehmen wie für den Praktikanten aus der Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und interner, tatsächlicher Position recht große Handlungsspielräume – vielleicht wird der Praktikant nun auch mit verantwortungsvolleren Aufgaben betraut und Kunden tatsächlich als Repräsentant des Unternehmens vorgestellt. Insbesondere mehrmonatige Praktika können so für den Praktikanten sehr interessante Arbeitserfahrungen beinhalten. Die eben erwähnte Neigung deutscher Praktikanten, Verantwortungsbewusstsein zu entwickeln und die ihnen übertragenen Aufgaben selbstständig zu erledigen, trifft jedoch manchmal auch auf Unverständnis und kann dann zu Missverständnissen führen (siehe die Beispiele in Kapitel 5).

Al l t a g , E s s e n u n d E i n k a u f e n Das Leben in chinesischen Städten hat seine anstrengenden Seiten: Schlechte Luftqualität, Verkehrslärm, die zahlreichen Staus sowie die allgegenwärtigen Menschenmassen machen Unternehmungen oft beschwerlich. Andererseits bieten Städte Gelegenheiten für interessante Streifzüge, auf denen man – je nach individuellen Interessen – in den Seitenstraßen, Geschäften, Märkten, Museen oder Parks, an Essensständen, auf Volksfesten, in Bars oder Kinos immer wieder Aufregendes entdecken wird.

Essen Chinesisches Essen ist zu Recht weltberühmt. Fast jeder findet hier etwas, was ihm schmeckt und viele Chinareisende entwickeln geradezu fanatische Zuneigung zu chinesischen Gerichten und Essgewohnheiten. Nach chinesischer Vorstellung gehören drei warme Mahlzeiten am Tag zu einem gesunden und ausgewogenen Lebensstil, und nur in Notfällen wird man Mahlzeiten verschieben oder gar ausfallen lassen. Grundsätzlich gilt, dass es fast unmöglich ist, die Bedeutung von Essen in China zu überschätzen. 27

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Gemeinsames Essen ist eine angenehme Gelegenheit zum harmonischen Zusammensein und Festigen von Freundschaften und Geschäftskontakten, und viel häufiger als in Deutschland geht man hierzu ins Restaurant. Auch als ausländischer Student oder Praktikant wird man häufig Gelegenheit haben, gemeinsam mit Freunden, Kommilitonen und Kollegen essen zu gehen. Bei solchen Zusammenkünften stehen das gemeinsame Mahl und die gute Stimmung im Mittelpunkt, kontroverse Themen oder politische Diskussionen sind hier deshalb nicht angebracht. Während in Nudelrestaurants individuelle Portionen serviert werden, sind Einzelbestellungen ansonsten unbekannt. Bei einem chinesischen Mahl stehen verschiedene Gerichte auf dem Tisch, von denen sich alle bedienen; geht man ins Restaurant wird entsprechend eine Bestellung für alle aufgenommen. Bestellt wird stets sehr reichlich und variantenreich: warme und kalte Speisen, Süßes, Salziges und Saures, Gemüse, Geflügel, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Gedämpftes, Gebackenes, Gebratenes und Frittiertes werden kunstfertig gemischt, sodass eine ausgewogene Auswahl auf dem Tisch steht. Ungewohnt ist für Deutsche, dass Knorpel und Knochen normale – und geschätzte − Bestandteile des in mundgerechte Stücke geschnittenen Essens sind. Nichtessbares wird nach dem Kauen einfach auf den Tisch bzw. auf Teller gespuckt. Reis wird häufig erst zum Ende der Mahlzeit serviert. Er gilt als ›Sättigungsbeilage‹ und als weniger hochwertig als die Gerichte, sodass dem Gast Gelegenheit gegeben werden soll, sich zunächst an den schmackhaften Speisen satt zu essen, bevor der Magen mit Reis gefüllt wird. Wenn man den Reis lieber gemeinsam mit den anderen Gerichten essen möchte, kann man den Gastgeber oder die Bedienung jedoch ohne Weiteres darum bitten. Chinesische Gastgeber werden stets bedacht sein, etwas zu bestellen, das dem ausländischen Gast schmeckt. Wenn man zu den weniger Experimentierfreudigen gehört – oder einfach gelegentlich auf Nummer sicher gehen möchte – ist es problemlos möglich, selbst bestimmte, ›erprobte‹ Gerichte zum Bestellen vorzuschlagen. Eine kleine Auswahl von Lieblingsgerichten wird nach kurzer Zeit in China jeder nennen können. Möglich ist auch – selbst bei Einladungen – mitzuteilen, dass man bestimmte Dinge nicht isst. Bei Einladungen wird immer mehr aufgetischt als von den Anwesenden gegessen werden kann. Dies ist ein Zeichen der Gastfreundschaft und Großzügigkeit sowie Ausdruck der Sorge darum, dass auch wirklich alle satt werden. Da auch Chinesen ungern Essen verschwenden, kann Übriggebliebenes im Restaurant verpackt und mitgenommen werden. Auch wenn Gäste nach Hause eingeladen werden, ist es nicht unüblich, diesen nach einem ausgiebigen Mahl üppige Pakete mit Leckereien mit auf den Heimweg zu geben. Auch im Restaurant nimmt das Essen nicht der Gastgeber mit, sondern diejenigen, die es zu Hause am besten verwenden können.

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Genau wie die Bestellung weist auch die Rechnung keine Einzelmahlzeiten aus; um die Begleichung der Gesamtsumme kümmert sich am Ende der Gastgeber. Auch wenn man mit Freunden ausgeht, gibt es nur eine Rechnung, um die sich die Anwesenden bisweilen lautstark streiten. Als Ausländer wird man in der Öffentlichkeit nur selten diesen Streit für sich entscheiden können, gebietet doch die chinesische Gastfreundschaft die großzügige Bewirtung des weit gereisten Freundes. Von den Höflichkeitsroutinen sollte man sich jedoch nicht irreführen lassen: Unter chinesischen Freunden wird die ›Ehre‹, die Rechnung begleichen zu ›dürfen‹, durchaus gerecht abgewechselt, und entgegen allen lautstarken Beteuerungen gilt dies auch für ausländische Freunde. Man muss eventuell nur etwas mehr Raffinesse an den Tag legen, um selber einmal chinesische Freunde und Kollegen einladen zu können: So kann man etwa während eines Gangs auf die Toilette nebenbei unauffällig die Rechnung begleichen oder bereits vor Betreten des Restaurants deutlich ankündigen, dass man heute die Rechnung übernehmen werde – manchmal hilft hierbei das charmante Erfinden eines Anlasses. Generell ist es empfehlenswert, auch beim gemeinsamen Stadtbummel mit chinesischen Freunden ein paar Geldscheine gut erreichbar aufzubewahren, sodass man schnell genug ist, um gelegentlich den Kauf von Snacks, Getränken und anderen Kleinigkeiten für alle zu bezahlen – Großzügigkeit unter Freunden ist eine Selbstverständlichkeit und ein Signal für die Bedeutung, die man der Freundschaft beimisst. Das penible Auseinanderdividieren von Einzelrechnungen ist in China unbekannt. Das Essen an Straßenständen und kleinen Lokalen ist in China so preiswert, gut und vielseitig, dass Studenten nur selten selbst kochen. Natürlich bietet auch die Mensa der Universität Speisen zu äußerst günstigen Preisen, doch ist häufig das Essen in Garküchen die schmackhaftere Alternative. China bietet außerdem Gelegenheit, auch andere asiatische Küchen (z.B. die koreanische, vietnamesische, japanische) kennenzulernen, denn entsprechende Restaurants sind zahlreich vertreten. Ausländische Studierende ohne chinesische Sprachkenntnisse stehen bei der Suche nach Essen jedoch zunächst vor einigen Hürden: Häufig sind nicht nur die Speisekarten unverständlich, sondern selbst der Blick in die Töpfe gibt keinen klaren Aufschluss über die Zusammensetzung des Essens. Hier helfen nur Ausprobieren und das rasche Aneignen der Schriftzeichen für bevorzugte (oder abgelehnte) Lebensmittel oder Fleischsorten. Vegetarier stoßen in China zwar nicht unbedingt auf breites Verständnis, werden sich aber vergleichsweise problemlos ernähren können. Nicht nur gibt es eine große Bandbreite an Gemüse- und Tofu-Gerichten, sondern auch spezielle vegetarische Restaurants. Speisevorschriften, die den Verzehr von Tieren verbieten, gibt es in China auch für gläubige Buddhisten oder im Rahmen von Heil-Diäten, sodass die Auskunft, man ernähre sich vegetarisch, chinesischen Bekannten nicht grundsätzlich fremd ist. Selbst wenn Speisen 29

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als ›vegetarisch‹ bezeichnet werden, sollte man sich jedoch vergewissern, was genau hierunter verstanden wird, da z.T. exotische Fleischsorten wie Schlange trotzdem serviert werden. Wer sicher gehen möchte, absolut fleischlos zu essen, zählt am besten alle Fleischsorten auf, die er meiden möchte und stellt sicher, dass keine von diesen dem Gericht beigemischt ist. Nach einiger Übung beim essen gehen, wird man nicht nur unliebsame Überraschungen bei den Bestellungen reduzieren können, sondern sich auch an chinesische Tischsitten gewöhnen. Geht man alleine essen, ist das Begleichen der Rechnung denkbar einfach: Man zahlt den ausgewiesenen Betrag, Trinkgelder sind unbekannt. Eigene Regeln gelten für Einladungen zu formellen Geschäftsessen und zu feierlichen Anlässen. Über diese informieren z.B. Lin-Huber (2001) oder Reisach et al. (2006).

Einkaufen Für viele Ausländer ist China ein Einkaufsparadies: Kleidung, Souvenirs und alltägliche Gebrauchsgegenstände sind preiswert erhältlich und das Angebot ist schier unerschöpflich. Überall gibt es zudem Läden, die rund um die Uhr geöffnet sind – ein Service, an den man sich schnell gewöhnt und den man nach der Rückkehr nach Deutschland schmerzlich vermisst. Für den täglichen Einkauf bieten sich kleine Läden in der Nachbarschaft sowie zahlreiche Märkte an, auf denen Lebensmittel sehr frisch und teilweise noch lebendig verkauft werden. In den Großstädten sind Supermärkte mittlerweile verbreitet, und die Filialen großer, internationaler Ketten wie Carrefour und Wal-Mart halten ein riesiges Angebot an Lebensmitteln und Haushaltswaren bereit. Zum Sortiment zählen hier auch etliche ›westliche‹ Produkte, wobei auch diese Supermärkte ganz eindeutig an die Kaufgewohnheiten chinesischer Kunden angepasst sind. Der Besuch dieser Supermärkte ist auch dann ein Erlebnis, wenn man gar nichts Bestimmtes braucht. Auch der Besuch von Großmärkten ist aufgrund der Vielfalt der angebotenen Waren eine faszinierende Erfahrung. Moderne Shopping Malls und Kaufhäuser sind meistens HochglanzKonsumtempel, in denen teure Markenprodukte und Luxuswaren angeboten werden. Hier finden sich Niederlassungen bekannter europäischer Hersteller, hochwertige Gebrauchsgüter, designte Modeartikel und andere Qualitätsprodukte. Neben dem Spaß, den der Besuch solcher Konsum-Oasen machen kann, haben große Kaufhäuser häufig eine ›Fress-Etage‹, in der zahlreiche Lokale und Imbissstände miteinander wetteifern, die den Besuch lohnen kann. Preisbewusste Kunden finden auf Märkten sowie in kleineren und spezialisierten Geschäften eher, was sie suchen. Häufig sind Anbieter ähnlicher Produkte in bestimmten Straßen und Gegenden in unmittelbarer Nähe 30

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zueinander ansässig. So reihen sich beispielsweise in einer Straße Heimtierhändler aneinander, in einer anderen Computerläden, Textilhändler oder Kurzwarenläden. Dem Kunden erleichtert dies das Vergleichen, Verhandeln und Einkaufen sehr. Fälschungen und Imitate von Markenbekleidung, Uhren, Musik und Filmen sind in China trotz aller Regierungsinitiativen zu deren Bekämpfung nach wie vor erhältlich. Meistens sind sie als Nicht-Originale deutlich erkennbar. Die Qualität dieser Produkte ist äußerst schwankend; deren Import in die EU ist verboten. Preise sind – mit Ausnahme von Supermärkten oder Buchläden – fast überall verhandelbar, insbesondere, wenn man viel kauft. Dabei wird man in Chinesen pragmatische Verhandlungspartner finden, die Preisreduzierungen rasch zustimmen. Hat man sich vor dem eigentlichen Einkauf eine Übersicht über die gängigen Preise verschafft, so wird man sich auch von hohen Anfangsgeboten nicht aus der Fassung bringen lassen. Es ist nützlich, wenn man Chinesisch spricht, denn dies bringt einem häufig Sympathien des Verkäufers ein und ermöglicht auch mitzuhören, was chinesische Kunden für die Waren zahlen. Schließlich helfen auch vorgetäuschtes Desinteresse und Weitergehen, um den wahren Preis zu erfahren, denn eifrige Verkäufer werden mit dem Preis heruntergehen, während man selbst sich vom Verkaufsstand entfernt. Auch der Einsatz von Charme und das Anbringen einiger wohl einstudierter Sätze über das beklagenswerte Dasein als »armer Student« wirken bisweilen Wunder. Einkäufe werden typischerweise bar bezahlt – auch die Miete oder andere größere Posten müssen häufig in bar bezahlt werden, sodass man für ein zuverlässiges Verfahren des Geldtransfers von Deutschland nach China sorgen muss. Prinzipiell ist in chinesischen Großstädten das Geldabheben per ECKarte möglich, allerdings fallen hierfür Gebühren an. Manche Geldinstitute bieten Möglichkeiten kostenlosen Geldtransfers per Girokonto und/oder Kreditkarte an, auch gibt es die Prepaid-Kreditkarten, die preisgünstig eingesetzt werden können (Empfehlungen finden sich im Kapitel 8).

Transport Für die Fortbewegung in chinesischen Städten stehen mehrere Verkehrsmittel zur Auswahl: Zwar verfügen erst wenige Großstädte über U-Bahnen, doch finden sich überall gut ausgebaute Bus-Netze und zahlreiche Taxis. Prinzipiell ist der Transport innerhalb sowie zwischen Städten unproblematisch. Schwieriger wird es erst, wenn man ländliche Ziele ansteuert. Allerdings stellen chinesische Busfahrpläne und Straßenkarten Neuankömmlinge zunächst vor Herausforderungen.

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Bei Busfahrten wird der Fahrpreis beim Einstieg bezahlt – entweder durch Auflegen der aufladbaren Magnetkarte (»jiaotong ka«) auf das Lesegerät oder in bar, wobei man das Geld passend in den Behälter beim Fahrer werfen muss. Befindet man sich auf einer Linie mit mehreren Tarifzonen, ist in der Regel ein Schaffner anwesend, der nach dem Fahrtziel fragt und danach den Preis festsetzt. Die Orientierung in den U-Bahn-Netzen ist einfach. Der Fahrpreis richtet sich nach der Entfernung, und der Fahrkartenkauf am Automaten (der auch auf Englisch umgestellt werden kann) verblüfft die an den deutschen Tarifstufen-Dschungel Gewöhnten durch Unkompliziertheit. Das Taxi ist die komfortabelste und auch für deutsche Studierende bezahlbare Alternative. In den Großstädten sind Taxis mit Taxametern ausgestattet, sodass sich das in anderen Ländern übliche Feilschen um den Fahrpreis erübrigt. Der Taxipreis setzt sich aus einem Grundbetrag und dem Preis für gefahrene Kilometer bzw. Wartezeit zusammen. Bisweilen wird dem Endpreis noch ein Benzinzuschlag hinzugerechnet – über diesen Zusatzbeitrag informieren entsprechende Schilder, die im Taxi angebracht sind. Auch wenn die Taxifahrt über mautpflichtige Straßen führt, werden die Autobahngebühren dem Taxipreis hinzugerechnet. Um ein Taxi heranzurufen, genügt es, sich an den Straßenrand zu stellen und ein Handzeichen zu geben – vorausgesetzt, man sucht nicht gerade während der Stoßzeiten, wird bald ein Fahrzeug halten. Wer (noch) nicht ausreichend Chinesisch spricht, sollte sich die Zieladresse auf Chinesisch aufschreiben lassen und den Zettel dem Taxifahrer geben. Insbesondere, wer in der Stadt neu ist, wird häufig Sorge haben, dass einen der Taxifahrer auf Umwegen ans Ziel bringt, um den Fahrpreis künstlich in die Höhe zu treiben. In der Regel werden einen Taxifahrer jedoch auf dem kürzesten bzw. schnellsten Weg befördern, und selbst, falls gelegentlich ein Umweg eingelegt wird, wird das kaum je ein größeres Loch in den eigenen Geldbeutel reißen. An dieser Stelle sei ein Tipp von Richard Hartzell (1988) weitergegeben, der das Leben eines Ausländers in China sehr entspannen kann. Zwar trifft es zu, dass Ausländern häufig höhere Preise abverlangt werden als Einheimischen, doch resultiert das bei Ausländern häufig anzutreffende Misstrauen, ständig übervorteilt zu werden, auch genauso häufig aus mangelnden Sprach- und Interpretationskenntnissen. Hartzell empfiehlt, den vielen kleinen Widrigkeiten mit Gelassenheit zu begegnen und (zumindest mental) ein Budget für »goodwill expenses« einzurichten, also für kleinere Ausgaben, die einem Aufregung und Ärger ersparen, wenn z.B. nicht alle Kleidungsstücke aus der Wäscherei zurückkommen, die man dort abgegeben hat, wenn ein Preis plötzlich gestiegen ist, oder wenn die Taxifahrt mehr kosten soll als gewöhnlich. Sofern es sich um kleinere Verluste bzw. niedrige Extraausgaben handelt, ist 32

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es hilfreich, diese einfach ›abzuschreiben‹ und sich in daoistischer Gelassenheit zu üben. In anderen Fällen helfen offizielle Beschwerdestellen u.U. weiter: Die Telefonnummer des zuständigen Unternehmens steht auf den jeweiligen Quittungen, die man beim Einkauf erhält oder die man sich z.B. am Ende einer Taxifahrt ausstellen lassen kann.

Telekommunikation Wie bei jedem Auslandsaufenthalt möchte man auch von China aus mit seinen Lieben in Kontakt bleiben. Eine kostengünstige Variante ist, eine chinesische SIM-Card für das deutsche Handy zu besorgen. Diese gibt es in jedem »China Mobile« Geschäft bzw. überall dort, wo auch Handys verkauft werden. Besonders billig sind SIM-Cards mit einer 4 in der Handynummer, da diese in China eine Unglückszahl ist und stets gemieden wird. Der Geldbetrag, den man beim Kauf für diese Karte zahlt, wird meistens als Startguthaben sofort gebucht und ist zum Telefonieren verfügbar. Beim Erwerb einer SIM-Card sollte man darauf achten, dass es unterschiedliche Karten für verschiedene Bezirke gibt. Das heißt: Das Telefonieren mit einer Shanghaier SIM-Card ist in Beijing teurer als in Shanghai. Die Karten kann man meist auch nur in dem Bezirk, in dem man sie gekauft hat, bzw. im Internet, aufladen. Nicht jede Karte ist zum Telefonieren ins Ausland geeignet, ggf. muss man sich hier erkundigen. Wer möchte, kann auch einen Handyvertrag abschließen, dazu sollte man aber das chinesische Kleingedruckte verstehen können. Bisweilen fehlt auf deutschen Handys die Spracheinstellung für chinesische Schriftzeichen, sodass lediglich unlesbare Kästchen dargestellt werden. Hier schafft ein günstiges chinesisches Handy Abhilfe. Neben dem Telefon ist das Internet ein beliebtes Medium, um der Familie von den neuesten Ereignissen zu berichten. Internetcafés, sogenannte »wangba«, findet man in größeren Städten an fast jeder Ecke. Meist hinterlegt man seinen Reisepass und zahlt pro Stunde einen geringen Betrag. Außerdem verfügen viele Cafés bzw. Hotellobbys über WLAN, über das man sich ins Internet einloggen kann. Allerdings sollte man sich hier vor Computer-Viren sorgfältig schützen. Die meisten Wohnheime der Universitäten verfügen über einen Internetanschluss. Sollte man in die Verlegenheit geraten, selbst einen Anschluss einrichten lassen zu müssen, zahlt man eine Anschlussgebühr und eine monatliche Grundgebühr. Bei der Internetnutzung muss man bedenken, dass nicht alle Inhalte, die in Deutschland verfügbar sind, auch in China zugänglich sind. So sind bestimmte Blogger-Sites gesperrt und zeitweise kann auch auf Google, YouTube oder Facebook nicht zugegriffen werden. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, 33

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um mit der Heimat in Kontakt zu bleiben, wie z.B. durch Skype oder diverse Websites, auf denen Fotos hochgeladen werden können.

Reisen und Freizeit Zu den positiven Seiten eines China-Aufenthalts gehören fraglos die vielen neuen Eindrücke, denkwürdige Begegnungen mit Menschen aller Art und die Entdeckung neuer Lieblingsecken und -beschäftigungen. China hat in jeder Hinsicht viel zu bieten. Andererseits lassen sich möglicherweise nicht alle gewohnten Hobbys und Interessen in China weiterverfolgen; mit etwas Flexibilität werden sich jedoch in den meisten Fällen Alternativen auftun.

Reisen China ist ein höchst vielseitiges Reiseland, das neben zahlreichen faszinierenden Sehenswürdigkeiten auch eine Fülle an touristisch unerschlossenen, lohnenden Destinationen zu bieten hat. Zudem ist Reisen in China vergleichsweise preiswert, sodass eigenen Erkundungen kaum etwas im Wege steht. Grundkenntnisse der chinesischen Sprache und Schriftzeichen erleichtern das Reisen sehr; selbst wenn in den von Beijing entfernteren Provinzen nicht jeder Mandarin spricht, so findet sich doch immer jemand, der des Hochchinesischen mächtig ist und beim Übersetzen hilft. Erklärungstafeln in Museen und bei Sehenswürdigkeiten sind häufig nur unzureichend ins Englische übersetzt – hier mag auch auf Führungen ausweichen, wer diese in anderen Ländern scheut. Hilfreich ist auch, sich vorab mit den Epochen chinesischer Geschichtsschreibung vertraut zu machen, da historische Einordnungen häufig einzig unter Bezug auf Dynastien erfolgen. Gewöhnungsbedürftig ist, dass man als westlich aussehender Ausländer überall auffällt und in Gegenden, in denen Ausländer selten sind, bisweilen auch regelrecht bestaunt wird. Insbesondere blonde Haare ziehen viel Aufmerksamkeit auf sich, und auch, wer etwas größer ist als der Durchschnitt, steht schnell im Mittelpunkt. Häufig wird man um ein gemeinsames Foto gebeten; bisweilen entfällt die Bitte auch und man findet sich unversehens und ohne Vorwarnung von Passanten oder anderen Touristen abgelichtet. Steht ein Ausländer vor ihnen, wittern Händler unweigerlich ein gutes Geschäft, und auch in Hotels werden dem ausländischen Gast zunächst nur die besseren und teuren Zimmer gezeigt. In solchen Fällen hilft freundliches, aber hartnäckiges Handeln bzw. kontinuierliches Fragen nach einem preiswerteren Zimmer. Auch Hotelpreise sind in den meisten Fällen, und vor allem während der Nebensaison, Verhandlungssache.

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Für Reisen innerhalb Chinas stehen prinzipiell verschiedene Verkehrsmittel zur Verfügung: Das gut ausgebaute Flugnetz, die im Vergleich zu Europa günstigen Flugpreise und der gute Buchungsservice machen häufig das Flugzeug zum Verkehrsmittel erster Wahl. Online-Buchungen sind einfach möglich: Man erhält dann eine Buchungsnummer für den Check-in am Flughafen. Alternativ kann man sich Flugtickets auch vom Boten nach Hause liefern lassen. Für Buchungen ist Elong.net eine beliebte Anlaufadresse; weitere Links und Adressen finden sich in Kapitel 8. Zugfahrten können – je nach gebuchter Kategorie – entspannte Reisen ermöglichen, auf denen man viel vom Land sieht und leicht mit Mitreisenden ins Gespräch kommt. Um am Bahnhof in den Zug einsteigen zu können, passiert man zunächst den Wartebereich, von dem aus man auf den Bahnsteig gelangt. Den Bahnsteig darf man erst nach Einfahrt des Zuges und nach der Ticketkontrolle betreten. Die Fahrkarten werden auch am Zielort beim Verlassen des Bahnhofes noch einmal kontrolliert. Man sollte sie deshalb nicht verlieren und beim Hinausgehen griffbereit halten. Umständlich ist, dass Zugtickets erst zehn Tage vor der Abfahrt gekauft werden können und häufig nur für Züge, die aus der Stadt abfahren, in der man sich befindet – Rückfahrkarten müssen dann am Zielort erstanden werden. Ausnahmen sind häufig gebuchte Verbindungen zwischen Großstädten, für die mittlerweile Hin- und Rückfahrkarten vorab erhältlich sind. Bisweilen sind Züge auch bereits ausgebucht, sodass man in der Reiseplanung flexibel sein sollte. Bahnfahrkarten können an Bahnhöfen sowie an ausgewiesenen Verkaufsstellen, die über das Stadtgebiet verteilt sind, gekauft werden. Der Fahrkartenkauf bei diesen Agenturen erfordert das Zahlen eines geringen Service-Zuschlags, der aber angesichts des ersparten Weges zum überfüllten Bahnhofsschalter gut investiert ist. Vom Kauf auf dem Schwarzmarkt ist abzuraten, da hier häufig gefälschte Fahrkarten gehandelt werden. Mit Bussen erreicht man auch abgelegene Reiseziele. Jede Stadt hat mindestens einen Überland-Busbahnhof, von dem Busse auch entferntere Städte ansteuern. Nachtbusse bieten Schlafkojen, die häufig ein vergleichsweise bequemes Reisen während der Nachtstunden ermöglichen. Weitere Einzelheiten über Reiseziele und -modalitäten lassen sich verschiedenen Reiseführern entnehmen; sie sollen hier nicht wiederholt werden. Für alle Verkehrsmittel und Reiseziele gilt jedoch, dass man Reisen an den chinesischen Feiertagen, insbesondere während des Neujahrsfestes und in der Woche des chinesischen Nationalfeiertages möglichst vermeiden sollte. Zu diesen Zeiten ist halb China auf den Beinen, und es ist schwer, an Fahrkarten zu gelangen.

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Freizeit Wochenenden und Freizeit laden nicht nur zu Ausflügen in die nähere Umgebung ein, auch die Städte halten abwechslungsreiche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung bereit. Monatlich erscheinende Stadtmagazine wie The Beijinger, That’s Shanghai, That’s Guangzhou informieren über Veranstaltungen und Ausstellungen in der jeweiligen Stadt und bieten eine nützliche Zusammenstellung wichtiger Adressen. Informationen bieten auch die Webseiten von Expat-Vereinen an verschiedenen Standorten, die man im Internet leicht findet. Den an chinesischer Kultur Interessierten bietet ein längerer ChinaAufenthalt vielfältige Möglichkeiten, Kurse in chinesischer Kalligrafie, Kampfkunst oder Musik zu belegen. Angebote sind zahlreich und bezahlbar. Auch Theater-, Oper- und Akrobatik-Vorstellungen sind vielfältig und leicht zugänglich. Entspannung verspricht der Gang zum Massagesalon – Massageangebote sind weit verbreitet, und insbesondere Behandlungen von blinden Masseuren erfreuen sich großer Beliebtheit. Chinesische Massagetechniken können vom Gewohnten abweichen; so mag es beim ersten Mal erschreckend sein, dass die Masseure bei der Kopfmassage nicht davor zurückschrecken, die Finger in die Ohren der Kunden zu stecken und es ist völlig normal, dass nach der Behandlung der ganze Körper schmerzt. Wer den Besuch von Kneipen, Bars und Diskotheken schätzt, findet in den Großstädten ebenfalls ein großes Angebot vor. In vielen Bars gibt es die Möglichkeit, Billard oder Tischfußball, Karten oder chinesische Würfelspiele zu spielen. In allen Bars kann man sehr schnell mit Chinesen ins Gespräch kommen. Eine weitere bei Chinesen sehr beliebte Freizeitbeschäftigung besteht in dem Besuch von Karaoke-Klubs. In diesen mit dem Schild »KTV« ausgewiesenen Etablissements kann man zusammen mit Freunden, Kommilitonen oder Kollegen einen Raum mit Karaoke-Ausrüstung mieten, in dem man sich zum entspannten Beisammensein, Singen, Essen und Trinken trifft. Gut singen zu können ist hier nicht entscheidend – wichtig ist der gemeinsame Spaß! Andere Möglichkeiten zum geselligen Beisammensein bieten Parks und öffentliche Plätze. Hier trifft man sich zum Flanieren und Erholen, Spielen, Tee trinken, Drachen steigen lassen, Schwatzen oder Sport treiben. In den frühen Morgen- und Abendstunden gibt es hier Gelegenheit, um zu tanzen, Tai-Chi zu üben, zu singen oder zu musizieren. Ausländischen Besuchern steht es frei, sich den Gruppen anzuschließen oder einfach nur das bunte Treiben zu beobachten. Gelegenheit zum Sporttreiben gibt es auch an den Universitäten. Kontakt lässt sich am Sportplatz der Universität leicht knüpfen; meist wird man freundliche Aufnahme finden. 36

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Fazit Das Leben in den großen, modernen Städten Chinas erfordert von Europäern im Allgemeinen Anpassungsleistungen an die von hoher Bevölkerungsdichte, Staus und Hochhäusern geprägten großstädtischen Lebensbedingungen. Deutsche vermissen zudem häufig ›frische Luft‹, Grünflächen und Naherholungsräume. Solange man sich im Kontext der großen Universitäten und internationalen Konzerne und der von Ausländern frequentierten Bars und Klubs bewegt, wird man jedoch abgesehen von diesen Faktoren kaum zu Umstellungen der eigenen Lebensweise bzw. zu Einschränkungen gezwungen sein. Im Gegenteil: Für viele deutsche Studierende bieten chinesische Großstädte faszinierende Möglichkeiten zur Teilhabe an einem internationalen, fortschrittsorientierten und dynamischen Lebensstil, der das Leben in deutschen Städten im Vergleich blass erscheinen lässt. Hier gibt es internationale Universitäten, ein breites Kultur- und Freizeitangebot, Karrieremöglichkeiten in aus- und inländischen Konzernen, ein aufregendes Nachtleben, eine ungeahnte Warenvielfalt und internationale Zirkel, in denen unkonventionelle Persönlichkeiten aller Art anzutreffen sind. Das Leben in den Großstädten kann außerordentlich abwechslungsreich und vielseitig sein. (Übrigens: Wer einen Eindruck davon bekommen möchte, wie sehr sich die Lebensbedingungen ausländischer Studierender in China seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik verändert haben, findet in den Berichten von Gerlinde Gild (2009) oder Mark Salzman (1990) anschauliche Schilderungen früherer China-Aufenthalte.) Zugleich existiert neben dem Leben in den Metropolen das beschaulichere Leben in den mittelgroßen und kleinen Städten sowie in den Dörfern, die nach wie vor das Leben der Bevölkerungsmehrheit prägen. Während es ausländische Studierende aus naheliegenden Gründen in die Großstädte zieht, sei an dieser Stelle eine Lanze für die etwas unbekannteren, küstenfern gelegenen oder kleineren Städte gebrochen: Hier ist das Leben konservativer und weniger hektisch, vielleicht auch langweiliger als das Leben in Beijing oder Shanghai. Für ein Sprachstudium sind die kleineren Orte (und auch diese mögen durchaus noch Millionenstädte sein!) gerade aus diesen Gründen dennoch häufig eine gute Wahl: Hier wird ausländischen Studierenden mit viel Interesse und Geduld begegnet, und jenseits der ausgetretenen Pfade lassen sich interessante Entdeckungen machen, auch wenn (und gerade, weil!) das Leben hier mehr interkulturelle Herausforderungen bereithält. In den folgenden Kapiteln stehen eben solche Herausforderungen im Mittelpunkt. Die zahlreichen Beispiele machen deutlich, dass mit interkulturellen Missverständnissen keineswegs nur außerhalb der Metropolen zu rechnen ist. Sie greifen die oben genannten Bereiche auf und skizzieren die verschiedenen Facetten interkulturellen Zusammenlebens, Arbeitens und 37

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Studierens, erläutern kulturelle Hintergründe und schildern praktische Lösungsmöglichkeiten. Die in den Kapiteln 2 bis 6 vorgestellten Fallgeschichten folgen der sogenannten Critical Incident-Methode (Kinast 2003, Layes 2007), die sich in interkulturellen Trainings seit mehreren Jahrzehnten bewährt hat (vgl. insbesondere auch den Band »Beruflich in China« von Alexander Thomas und Eberhard Schenk (2001) sowie die zahlreichen weiteren Bücher der von Alexander Thomas herausgegebenen Reihe »Handlungskompetenz im Ausland«, die verschiedenen Ländern und Zielregionen gewidmet sind). Ziel der didaktisch aufbereiteten Fallgeschichten ist es, Wissen über chinesische Kommunikationsprinzipien und Verhaltensweisen zu vermitteln und Interpretations- und Verhaltenssicherheit in Interaktionen mit Chinesen zu erhöhen. Dieses Ziel wird umso besser erreicht, je intensiver die Bearbeitung der vorgestellten Episoden erfolgt. Wie in allen Lernkontexten verbessert eine ›tiefe‹ Verarbeitung das langfristige Behalten des Gelernten und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Transfers in konkrete Handlungssituationen. Es wird daher empfohlen, den verschiedenen Erklärungsansätzen jeweils besondere Aufmerksamkeit zu schenken und bezüglich der Frage nach möglichen Lösungen zunächst selbst einige Überlegungen anzustellen, bevor die ›Auflösung‹ gelesen wird.

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2. Wohnen und Zusammenleben mit Chinesen

WG-Leben auf Chinesisch Die Situation Lena ist glücklich, schon bald nach ihrer Ankunft ein Zimmer in einer WG mit zwei chinesischen Mitbewohnern gefunden zu haben. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase fühlt sie sich sehr wohl, und auch mit den Mitbewohnern, einer Studentin und einem jungen Angestellten, versteht sie sich sehr gut. So ist sie denn auch damit einverstanden, dass die Familie des männlichen Mitbewohners für die Dauer ihres Besuchs in Beijing in der gemeinsamen Wohnung einquartiert wird. Bald finden sich neun Personen auf dem engen Raum der Dreizimmerwohnung wieder, und Lena versucht vorsichtig Auskunft darüber zu erhalten, wie lange die Besucher – Mutter, Bruder, Schwester, drei Cousins – noch bleiben werden. Ihre zahlreichen Versuche haben indes keinen Erfolg; die Dauer des Besuchs bleibt völlig unklar. Zunächst ist Lena mit der neuen Situation auch nicht unzufrieden, geht sie doch davon aus, sich jederzeit in ihr Zimmer zurückziehen zu können. Bald jedoch muss sie das Gegenteil feststellen: Die Familienmitglieder des Mitbewohners kommen ohne Vorankündigung in Lenas vier Wände, schaffen sich Platz, machen es sich bequem und versuchen sich mit Lena zu unterhalten. Im Laufe der Zeit häufen sich diese Besuche und dehnen sich sogar auf andere Bereiche aus. Die Mutter des Mitbewohners kocht für Lena, wäscht ihre Wäsche und schaut bei Lena fern. Allerdings ohne sie vorher zu fragen. Die neuen Mitbewohner benutzen Lenas Eigentum – z.B. ihre Waschutensilien im Badezimmer – einfach mit, doch ein »Danke« hört sie nie. Lena ist total verwirrt, sie fühlt sich überrumpelt und auch überfordert, denn sie kann nicht nachvollziehen, warum ihre Privatsphäre auf diese Weise verletzt 39

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wird. Sie ist auch nicht in der Lage der Familie gegenüber zu verdeutlichen, dass sie diese Situation stört, denn die Familie spricht nur den Heimatdialekt und die Mitbewohner sind selten zu Hause. Schließlich fährt Lena für eine Woche in den Urlaub und hofft, nach ihrer Rückkehr die WG im ursprünglichen Zustand anzutreffen. Doch anstelle eines leeren Zimmers findet sie nun einen Gast – den Bruder des Mitbewohners – vor, der sich inzwischen in ihrem Zimmer häuslich eingerichtet hat. Warum respektieren die Besucher Lenas Privatsphäre nicht und beanspruchen ihr Zimmer, ohne zu fragen? a) Die Wohnung ist für die insgesamt neun Personen recht beengt, sodass Lenas Zimmer willkommenen Platz bietet, um sich aufzuhalten und zu entspannen. Unter diesen Umständen ist es für Chinesen normal, den vorhandenen Platz zu teilen. b) Die Besucher kommen aus einer ländlichen Gegend und haben nur wenig Erfahrungen mit Ausländern. Das Konzept ›Privatsphäre‹ ist ihnen fremd, und sie haben keine Vorstellung davon, dass Lena mit der Wohnsituation unzufrieden sein könnte. c) Lena ist die erste Ausländerin, denen die Besucher näher begegnen. Sie sind neugierig und wollen sie ganz genau kennenlernen. Sie nutzen daher jede sich bietende Gelegenheit, um Zeit mit ihr zu verbringen. d) Aus Sicht der Besucher ist Lena ›Gast‹ in China, um den man sich kümmern muss, insbesondere, weil sie aus einem fernen Land kommt und in China keine Familie hat. Sie in das eigene Familienleben einzubeziehen, für sie zu kochen und zu waschen ist Ausdruck von Herzlichkeit und Gastfreundschaft.

Erläuterungen Zu a): Zwar ist es fraglos richtig, dass die Nutzung des dritten Zimmers den Besuchern mehr Platz verschafft, doch stimmt es nicht, dass man sich ohne dieses Zimmer allzu beengt fühlt. Obwohl die Dreizimmerwohnung für neun Bewohner verhältnismäßig klein ist, stellt dies für die Besucher kein großes Problem dar, denn die meisten Chinesen sind es gewohnt auf engem Raum zu leben und/oder sich an beengte Umstände anzupassen. In chinesischen Studentenwohnheimen teilen sich in der Regel sechs oder acht Mitbewohner ein einziges Zimmer, und auch, wenn diese Wohnverhältnisse nicht als ideal empfunden werden, gibt man sich doch mit ihnen zufrieden. 40

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Zu b): Das Konzept der Privatsphäre hat sich in China erst in jüngerer Zeit, insbesondere in der Generation der Einzelkinder entwickelt. Dennoch existieren auch heute innerhalb der Familie und unter engen Freunden andere Vorstellungen über ›Privatangelegenheiten‹ und ›privaten Raum‹ als in Deutschland. So ist es zum Beispiel normal, dass chinesische Eltern ohne zu fragen die Post ihrer Kinder öffnen oder das Zimmer des Kindes ohne Anklopfen betreten. Da die Besucher der WG aus einer ländlichen Gegend kommen und bisher zu Ausländern keinen Kontakt hatten, wissen sie nicht, dass Lena sich einen privaten Rückzugsraum wünscht. Diese Antwort erklärt, dass die Besucher Lenas Zimmer betreten, ohne zu fragen, jedoch nicht, warum die Mutter für Lena kocht und ihre Wäsche wäscht. Zu c): Es ist sicherlich richtig, dass die chinesischen Besucher Lena ein gewisses Interesse entgegenbringen. Sie möchten mehr über Lena erfahren und ihre Lebensweise kennenlernen, weil sie selten die Gelegenheit haben ›so nah‹ an einen Ausländer heranzukommen. Jedoch ist das nicht die alleinige Begründung ihres Verhaltens. Zu d): Dies ist die beste Erklärung für das Verhalten der Besucher. Ein chinesisches Sprichwort besagt: Zu Hause ist man auf die Eltern angewiesen, außerhalb des Hauses auf die Hilfe der Freunde. Die Besucher glauben, durch ihre Herzlichkeit und Gastfreundschaft Lenas Einsamkeit und Heimweh lindern zu können; schließlich lebt die ausländische Studentin ›mutterseelenallein‹ in China! Lena wird folglich zunehmend als Familienmitglied behandelt, mit dem alles geteilt wird, für das man sorgt, kocht und wäscht – aus Sicht der Mutter hat die Studentin für solche Angelegenheiten gar keine Zeit, schließlich muss sie fleißig lernen. Außerdem käme es ihr nicht in den Sinn, für ihre eigene Familie zu kochen und Lena nicht an den Tisch zu bitten. Mit Lena zusammenzuleben und sie als ›fremde‹ Person zu behandeln, käme ihnen nicht nur unnatürlich vor, sondern würde auch die harmonische Gemeinschaft stören. Die Integration in die Familie bedeutet für Lena, dass auch ihre Ressourcen ungefragt von allen mitbenutzt werden – in chinesischen Familien wird weit weniger zwischen ›Mein‹ und ›Dein‹ unterschieden als in deutschen. In dieser Situation wäre es sogar fast unhöflich, Lena ständig zu fragen, ob man ihr Zimmer und ihre Dinge mitbenutzen dürfe, denn dies würde signalisieren, dass man sie nach wie vor als Fremde betrachtet, der man gemäß den Regeln distanzierter Höflichkeit begegnen muss. Aus diesem Grund bleibt auch ein »Danke« aus – was Deutsche irritieren mag, ist aus chinesischer Sicht eine (implizite) Mitteilung, dass man den anderen als Familienmitglied, als Person des engeren Beziehungskreises betrachtet, dem man vertraut und mit dem man auch selbst alles teilen würde.

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Schließlich gibt es noch einen weiteren Aspekt: Die herzliche Aufnahme in die Familie und die Freundlichkeit der Besucher schaffen eine Situation, in der es Lena peinlich ist, sich zu beschweren. So können die Familienmitglieder des Mitbewohners mit gutem Gewissen weiter in der Wohnung bleiben – sie wissen schließlich auch, dass ihr Aufenthalt Lena stört.

Was tun? Selbst wenn Lena sich über die freundliche Aufnahme in die Familie des Mitbewohners freut, wird sie dennoch ihr Bedürfnis nach Privatsphäre nicht völlig aufgeben können. Was also kann sie tun, um sich dennoch gelegentlich ungestört in ihr Zimmer zurückzuziehen? Wichtig ist, hierbei einen Weg zu finden, der die harmonische Stimmung nicht stört und die Gastfreundschaft der Familie explizit wertschätzt. Lena könnte der Familie erklären, dass sie die Freundschaft und Fürsorge der Besucher schätzt, man in Deutschland jedoch gelegentlich Rückzugszeiten braucht, um sich ungestört zu erholen. Geschickter wäre es aber wohl, den gewünschten Rückzug mit ›chinesischen Regeln‹ zu begründen. So ist den Besuchern sicherlich sofort verständlich, dass Lena als Studentin viel lernen muss und zur Vorbereitung auf die Prüfungen Ruhe braucht. Die Familie wird sie in ihrem Zimmer nicht stören, wenn sie weiß (oder glaubt), dass Lena dort konzentriert für ihr Studium arbeitet – schließlich stehen Studium und fleißiges Lernen in hohem Ansehen, und alle werden Lena dabei unterstützen wollen, schnelle Fortschritte zu machen und gute Noten zu erreichen. Diese Fallgeschichte zeigt, dass erfolgreiche Problemlösungen häufig darauf beruhen, eine chinesische Perspektive einzunehmen. Dabei ist es hilfreich, zunächst ›Standardlösungen‹, die man in Deutschland erlernt hat, zurückzustellen und über verschiedene alternative Lösungsmöglichkeiten nachzudenken. Hat man in Deutschland gelernt, Probleme dadurch zu lösen, dass man »über sie spricht«, wird man feststellen, dass dies in China nur selten eine gute Strategie ist. Vielmehr ist es, wie auch Lena erfährt, manchmal hilfreicher, ein Problem elegant zu umschiffen als es direkt anzusprechen. Indem sie sich auf die hohe Wertschätzung des Lernens beruft, vermeidet sie langatmige Erklärungen darüber, was Privatsphäre für sie bedeutet, die zweifellos bei den chinesischen Besuchern für Irritation sorgen würden. Das Gehen eines kleinen argumentativen ›Umwegs‹ ermöglicht hier – wie in vielen anderen Fällen – eine elegante Problemlösung, die die harmonische Stimmung zu keiner Zeit gefährdet.

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Ü b e rw a c h u n g ? Die Situation An einem Sonntag steht Sandra zur Mittagszeit auf, nachdem sie die Nacht zuvor lange mit Freunden in diversen Klubs unterwegs gewesen ist. Im Wohnzimmer trifft sie auf eine junge Frau, die gerade ihr Gepäck hineinbringen lässt. Es handelt sich um die neue Praktikantin aus Deutschland, die Sandra bereits angekündigt worden war, und die das andere Zimmer des Firmen-Apartments beziehen soll. Das Gepäck wird von einem Sandra unbekannten chinesischen Angestellten des Hotels getragen, in dem sich das Apartment befindet. Als die beiden Frauen allein sind und sich ein wenig unterhalten, meint die neue Mitbewohnerin, es sei erstaunlich, wie viel der chinesische Angestellte über Sandra wusste. So hatte er ihr erzählt, wie ihre Mitbewohnerin hieß, dass sie letzte Nacht lange unterwegs gewesen sei und deshalb jetzt vermutlich noch schlafe. Sandra findet das gar nicht lustig. Woher hat der Angestellte Informationen über sie, obwohl sie ihn gar nicht kennt? Ist das Personal des Hotels dazu angehalten aufzuschreiben, wann die Gäste oder die Ausländer das Hotel verlassen und wiederkommen? Wieso ist der Angestellte über Sandra so gut informiert, und wieso teilt er diese Informationen so bereitwillig mit der neu angekommenen Praktikantin? a) Das Sammeln privater Informationen ist in guten chinesischen Hotels üblich und ermöglicht, den Service diskret an die individuellen Bedürfnisse der Gäste anzupassen. Indem der Angestellte die neue Praktikantin über Sandra informiert, teilt er indirekt mit, wie gut sich das Hotel um seine Gäste kümmert. b) Trotz der neuen Offenheit gegenüber Ausländern werden deren Bewegungen in China diskret überwacht. Jeder Vermieter ist dazu verpflichtet, wichtige Ereignisse täglich zu notieren und die Notizen bei Nachfrage den Behörden zur Verfügung zu stellen – dies gilt auch für Hotels und Studentenwohnheime. c) Sozialen Beziehungen wird in China viel Aufmerksamkeit geschenkt. Informationen über Bekannte, Freunde, Kollegen und andere wichtige Personen werden ständig sorgfältig registriert. Auf diese Weise können Bedürfnisse oder Wünsche anderer Menschen berücksichtigt werden, wenn dies notwendig sein sollte. Es ist für den Hotelangestellten normal,

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Informationen über Dritte beiläufig zu registrieren. Die weitergegebenen Informationen werden von ihm nicht als ›privat‹ eingestuft. d) Der Angestellte ist ungewöhnlich schwatzhaft. Aufgrund der während der Kulturrevolution gemachten negativen Erfahrungen sind Chinesen beim Weitergeben privater Informationen üblicherweise sehr zurückhaltend und vorsichtig. Der Angestellte macht in diesem Fall eine Ausnahme, weil er weiß, dass die beiden Deutschen zur selben Firma gehören und deshalb annimmt, dass sie keine Geheimnisse voreinander haben.

Erläuterungen Zu a): Zwar mag es sein, dass Hotels der gehobenen Kategorie solche Informationen aus dem genannten Grund sammeln, doch ist dies in diesem Fall nicht der ausschlaggebende Grund. Der Angestellte führt die neue Praktikantin ja in das Apartment, obwohl er vermutet, dass Sandra schläft und durch den Einzug der Mitbewohnerin wahrscheinlich gestört wird. Dass er der neuen Praktikantin Details über Sandra mitteilt, hat hier mit indirekter Kommunikation nichts zu tun – auch, wenn es stimmt, dass in China viele Dinge indirekt geäußert werden. Es gibt eine bessere Erklärung für den geschilderten Vorfall. Zu b): Diese Antwort trifft nicht zu. Ausländer werden in China üblicherweise nicht überwacht. Zwar müssen sich Ausländer an ihrem chinesischen Aufenthaltsort polizeilich registrieren lassen – wohnen sie im Hotel, kümmert sich dieses hierum, − doch werden darüber hinaus persönliche Daten und Aktivitäten nicht erfasst. Zu c): Dies ist die beste Antwort. Über das Leben einer Person informiert zu sein, ist ein Zeichen von Interesse, und da man als Ausländer immer auffällt, kann man sich besonderer Aufmerksamkeit gewiss sein. So kann es z.B. passieren, dass man einige Wochen nach dem Einzug in ein Mietshaus einer wildfremden Person im Aufzug begegnet, die einen höflich auf Deutsch begrüßt und sich als verblüffend gut über den fremden Mieter informiert erweist. Dabei werden auch Informationen arglos ausgetauscht, die in Deutschland als ›privat‹ eingestuft werden. Hier, wie auch in anderen Kontexten, gelten Fragen nach bzw. Informationen über den Familienstand, das Einkommen, Vorlieben und Zeitvertreib keineswegs als übermäßig ›persönlich‹. Umgekehrt werden Fragen nach politischen Standpunkten oder Einstellungen zu historischen Sachverhalten, die Deutschen kaum als ›persönlich‹ gelten, von Chinesen als ›heikel‹ und ›privat‹ eingestuft.

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Das beiläufige Registrieren von Informationen über Personen des eigenen Umfeldes zielt aber nicht nur auf die Befriedigung persönlicher Neugierde. Die Erfahrung hat viele Chinesen gelehrt, dass gerade diese Informationen (über Gewohnheiten, Hobbys, Arbeitsaufgaben, Bekannte anderer Personen usw.) nützlich sein können, wenn man ein Anliegen hat. So wird man wissen, wen man wann in welcher Situation wie am besten ansprechen kann, um evtl. Hilfe zu bekommen, oder wie man sich am besten für erhaltene Dienste revanchieren oder bedanken kann. Es stimmt also, dass in China den sozialen Beziehungen sowie den Vorlieben und Verhaltensweisen von Bekannten viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zu d): Es ist richtig, dass viele Chinesen, die die Kulturrevolution miterlebt haben, bei der Äußerung persönlicher Meinungen sehr vorsichtig sind. Hieraus grundsätzlich eine verschlossene oder misstrauische Grundhaltung der chinesischen Bevölkerung abzuleiten, wäre jedoch falsch. Es stimmt, dass für den Angestellten eine Rolle spielt, dass beide Frauen deutsch sind und für dasselbe Unternehmen arbeiten – er geht davon aus, dass aufgrund dieser geteilten Basis ohnehin beide Seiten gut übereinander informiert sein dürften. Zudem gelten die von ihm berichteten Details in China kaum als ›privat‹.

Was tun? Sandra wird nicht verhindern können, dass ihr Auftreten oder ihre Aktivitäten auch weiterhin durch Dritte registriert und kommentiert werden. Dies ist nicht Ausdruck schwatzhafter Neugierde, obwohl es auch diese in China gibt, sondern Teil eines normalen Miteinanders. Kommunikation in China funktioniert häufig deshalb ohne viele Worte, weil die Beteiligten durch Beobachtung und Erfahrung über die Launen, Wünsche oder Bedürfnisse anderer Bescheid wissen. Kleine Gesten, beiläufige Kommentare, stumme Seufzer oder irritierte Blicke anderer dienen als wichtige Informationsquelle, wenn es darum geht, den richtigen Moment für eine Bitte abzupassen, ein geeignetes Geburtstagsgeschenk hervorzuzaubern, dem anderen eine Freude zu machen − oder ihm gezielt und subtil Ärger zu bereiten, (denn wenn es z.B. darum geht, einen Konkurrenten auszustechen, ist es hilfreich zu wissen, wie man ihn diskreditieren kann). Sandra sollte einkalkulieren, dass nicht nur im Hotel, sondern auch in anderen Zusammenhängen ihr Verhalten ständig beiläufig registriert wird. Gelegentlich wird sie davon profitieren, wenn zum Beispiel im Büro ihr Lieblingstee unaufgefordert nachgefüllt wird. Sie sollte sich zugleich darum bemühen, ihre Mitmenschen ebenfalls sorgfältiger zu beobachten. Nur dann wird ihr die Information verfügbar sein, die in vielen Fällen geschicktes Handeln erst ermöglicht. 45

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Stellt man sich auf die andere Auffassung davon ein, was als ›privat‹ gilt, wird man sein Verhalten in mancher Hinsicht leicht anpassen können. So ist es zum Beispiel nützlich zu wissen, dass auch Telefon- und Handynummern Dritter als vergleichsweise öffentliche Daten betrachtet werden, die problemlos an Personen des Bekanntenkreises weitergegeben werden können. Möchte man also vermeiden, von Unbekannten (bzw. Freunden von Bekannten, Dozenten, Kommilitonen, Kollegen usw.) angerufen zu werden, sollte man sich gut überlegen, wem man die eigene Telefonnummer mitteilt. Umgekehrt wundern sich deutsche Studierende darüber, dass sie selbst z.B. die Privatnummer ihrer Dozenten ebenfalls auf einfache Anfrage im Sekretariat erfahren.

Der unangekündigte Besuch Die Situation Da Alexander bald aus China abreisen wird, hat er seine Wohnung fristgerecht gekündigt. Der chinesische Vermieter reagiert verständnisvoll und fragt, ob er in der nächsten Zeit mit Nachmietern die Wohnung besichtigen könne. Alexander ist einverstanden, ein konkreter Termin für die Besichtigungen wird jedoch nicht vereinbart. Zwei Wochen später liegt Alexander an einem Sonntagmorgen noch im Bett, als er hört, wie von außen die Tür aufgeschlossen wird: Eine ihm völlig fremde Frau sowie ein junges Paar betreten die Wohnung. Nach der ersten Aufregung erfährt Alexander von der Frau, die einen starken ländlichen Dialekt spricht, dass sie im Auftrag des Vermieters handelt und zwei Interessenten die Wohnung zeigen möchte. Alexander ist angesichts des unangemeldeten Besuchs sehr aufgebracht und ärgert sich darüber, dass die Besucher noch nicht einmal anklopften, sondern ohne Vorwarnung die Wohnung betraten. Mit ärgerlichem Unterton fordert er die Frau auf, die Wohnung sofort zu verlassen und sich beim nächsten Mal vorher telefonisch anzumelden. Als er sich nachmittags mit seiner Nachbarin über den morgendlichen ›Überfall‹ unterhält, erfährt Alexander, dass in den vergangenen Tagen ohne sein Wissen schon mehrere Wohnungsbesichtigungen stattgefunden haben. Alexander beschwert sich hierüber nun bei seinem Vermieter, der die Beschwerde jedoch als grundlos zurückweist. Warum betreten die Mitarbeiter des Vermieters ohne anzuklopfen Alexanders Wohnung, und warum ist dies nach Ansicht des Vermieters noch nicht einmal ein Beschwerdegrund? 46

WOHNEN

a) Nachdem Alexander grundsätzlich zugestimmt hatte, potenziellen Nachmietern eine Wohnungsbesichtigung zu ermöglichen, geht der Vermieter davon aus, dass weitere Absprachen mit Alexander nicht nötig sind. b) Die Mitarbeiterin, die mit der Durchführung der Besichtigungen betraut ist, kommt vom Land und hat wenig Erfahrung im Umgang mit Ausländern. Sie versucht deshalb, Begegnungen mit Alexander möglichst zu vermeiden und Besichtigungstermine während seiner Abwesenheit zu vereinbaren. Sie hat nicht damit gerechnet, dass Alexander am Sonntagmorgen zu Hause sein würde – die Begegnung ist für sie ebenso unerwartet und unangenehm wie für Alexander. c) Anders als in Deutschland behalten Wohnungseigentümer in China auch nach Vermietung eines Apartments recht große Kontrollbefugnisse. Hierzu zählt auch das Recht, die vermietete Wohnung jederzeit zu betreten. d) Da die Verkehrsverhältnisse und Fahrtzeiten in chinesischen Großstädten unkalkulierbar sind, wird auf Terminabsprachen meistens verzichtet. In einem kulturellen Umfeld, das viel Wert auf Flexibilität und Fähigkeit zur Improvisation legt, erscheint Alexanders Wunsch nach vorheriger Planung von Besichtigungsterminen exotisch.

Erläuterungen Zu a): Auch in China dürfen der Eigentümer oder ein Makler eine vermietete Wohnung nur nach vorheriger Ankündigung betreten. Allerdings sind Verstöße gegen diese Regel häufig und werden von chinesischen Mietern auch nur selten mit derselben Empörung quittiert, wie von deutschen. So geht wohl der chinesische Vermieter davon aus, dass weitere Absprachen nicht nötig seien – damit befindet er sich aber nicht in Übereinstimmung mit der Rechtslage. Zu b): Dass die Mitarbeiterin vom Land kommt, mag eine Rolle spielen. Allerdings nicht aus den genannten Gründen: Dass sie aus Angst vor dem ausländischen Mieter die Besichtigungstermine absichtlich auf Zeiten legt, in denen Alexander nicht zu Hause ist, ist unwahrscheinlich. Vielmehr ist der Erfolg ihrer Bemühungen (auch) davon abhängig, dass sie den Terminwünschen potenzieller neuer Mieter nachkommt, sodass sich die Besichtigungstermine eher nach deren Wünschen richten. Da jedoch auf dem Land das Prinzip einer ›Privatsphäre‹ noch weniger bekannt ist als in chinesischen

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Großstädten, kann es sein, dass sie auch deshalb auf eine Ankündigung durch ein vorheriges Telefonat, Klingeln oder Klopfen verzichtet. Zu c): Diese Deutung trifft die Sache am besten, auch wenn – wie schon im Kommentar zur Antwortalternative a) erwähnt − eine gewisse Diskrepanz zwischen der Rechtslage (die die Interessen und die Ungestörtheit des Mieters wahrt) und dem Selbstverständnis der meisten Vermieter besteht, die sich häufig nachdrücklich um ihre Wohnung und den ausländischen Mieter kümmern. Nach ihrer Ansicht ist es ihr gutes Recht, ihre eigene Wohnung – die ja nur an den Mieter verliehen ist – jederzeit zu betreten, um nach dem Rechten zu sehen. Allerdings sieht die offizielle Regelung vor, dass sich auch der Eigentümer zu Wohnungsbesuchen beim Mieter vorher anmelden muss. In diesem Fall haben sich Vermieter und Maklerin hieran nicht gehalten. Zu d): Es ist zwar richtig, dass Chinesen häufig flexibel sind, und auch, dass das hohe Verkehrsaufkommen in den Großstädten eine genaue zeitliche Planung oft unmöglich macht. Dass deshalb Terminabsprachen mehr oder weniger abgeschafft wurden, stimmt jedoch nicht.

Was tun? Was kann Alexander also tun, um unangekündigte Besuche in der von ihm gemieteten Wohnung zu vermeiden? Sicher verhindern lassen sich solche ›Überfälle‹ nur dadurch, dass man nach dem Einzug selbst ein neues Schloss in die Wohnungstür einbauen lässt – dies verlangt allerdings die Zustimmung des Vermieters, die ggf. bei Anmietung der Wohnung eingeholt werden kann. Einfacher – wenngleich nicht ganz so sicher − ist es, bei Unterzeichnung des Mietvertrages klarzustellen, dass Besuche des Vermieters (nur!) nach vorheriger Ankündigung willkommen sind. Auch als Alexander gefragt wird, ob er Wohnungsbesichtigungen zustimme, ist eine gute Gelegenheit, darauf zu drängen, dass er vorab über die Besichtigungstermine informiert wird. Die Notwendigkeit zur Voranmeldung ist chinesischen Vermietern auch deshalb nicht immer einsichtig, weil Besuche bei Freunden und Bekannten normalerweise keinerlei Vorankündigung bedürfen: Auch in Zeiten von SMS und Handy kann man bei Freunden stets unangekündigt vor der Tür stehen, denn man erwartet, dass Freunde füreinander immer Zeit haben. Es gilt die Regel: Unerwarteter Besuch ist freudiger Besuch. Selbst, wenn der Besuchte andere Pläne hat, wird er diese in der Regel flexibel der neuen Situation anpassen. Dass diese Grundregel im Umgang mit Mietern außer Kraft gesetzt ist, mag manchen Vermietern nicht recht einleuchten.

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»Warum kommst du so spät nach Hause?« Die Situation Als Silvia von der Möglichkeit erfährt, während ihres Studiums in China in einer chinesischen Gastfamilie zu wohnen, ist sie gleich begeistert: Auf diese Weise werde sie nicht nur ihr Chinesisch schnell verbessern können, sondern auch mehr über das Leben in China erfahren, hofft sie. Noch von Deutschland aus arrangiert sie einen Gastfamilienaufenthalt und wird an ihrem Studienort von Familie Wu sehr herzlich aufgenommen. Obwohl Silvias Chinesisch anfangs noch recht holprig ist, ist das Interesse an ihr groß, und Familie Wu bemüht sich, die Gaststudentin in ihr Leben einzubinden. Die Familie freut sich daher auch, dass Silvia an der Universität schnell Freunde aus aller Welt findet und sich offenkundig wohlfühlt. Weniger glücklich sind die Wus jedoch darüber, dass ihr Gast bald regelmäßig an den Wochenenden und häufig auch während der Woche abends zum Feiern ausgeht und erst spät nachts bzw. früh am nächsten Morgen nach Hause kommt. Silvia merkt, dass die Gasteltern sich ihretwegen Sorgen machen und erklärt ihnen deshalb, dass sie auch in Deutschland abends immer problemlos alleine ausgehe und nichts Riskantes unternehme. Die Familie möge deshalb beruhigt sein und abends nicht auf ihre Rückkehr warten. Ihre Erklärung bleibt jedoch offenbar ohne Wirkung. Wenn Silvia nachts nach Hause kommt, findet sie stets ein Familienmitglied vor, das im Wohnzimmer auf sie wartet – zuweilen vor Erschöpfung auf dem Sofa eingeschlafen. Als sie einmal zu besonders später Zeit noch nicht wieder zurück ist, weckt die Familie sogar die 13-jährige Tochter, damit diese Silvia anruft und sich auf Englisch erkundigt, wo sie so lange bleibe. Nach diesem Vorfall hat Silvia ein schlechtes Gewissen und versucht der Familie erneut zu erklären, dass man bitte nicht auf sie warten möge, da sie bereits 22 Jahre alt und erwachsen sei und auf sich selbst aufpassen könne. Danach geht sie wie zuvor abends aus, auch wenn sie sich bemüht, ihr Wegbleiben nicht mehr bis in die Morgenstunden auszudehnen. Eines Tages teilt die Gastfamilie Silvia durch die Vermittlungsagentur mit, sie möge an diesem Abend bitte nicht ausgehen. Silvia ist verwirrt darüber, dass die Familie für diese Bitte die Agentur einschaltet und nicht direkt mit ihr spricht, doch sie bleibt am Abend wie von den Wus gewünscht zu Hause. Auch während der nächsten Tage schränkt sie ihre Unternehmungen ein. Hiermit, so denkt sie, zeigt sie mehr als nur guten Willen. Als sie nach drei Wochen wieder zu ihren gewohnten abendlichen Streifzügen aufbricht, bittet die Gastfamilie die Vermittlungsagentur darum, für Silvia eine neue Familie zu suchen.

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Warum kann Familie Wu nicht akzeptieren, dass Silvia abends zum Feiern ausgeht? a) Die Familie fühlt sich durch Silvias spätes Heimkommen gestört. Auch wenn Silvia noch so leise ist, werden die Familienmitglieder geweckt und sind am nächsten Morgen nicht ausgeschlafen. Die Präsenz eines Familienmitgliedes im Wohnzimmer soll Silvia dies auf nonverbale, indirekte Weise mitteilen. b) In China gehen nur wenige junge Erwachsene so viel aus wie Silvia; dass Silvia dies tut, lässt sie nicht in bestem Licht erscheinen. Aus Sicht der Gastfamilie sollte Silvia weniger feiern und sich ernsthafter um ihr Studium kümmern. c) Silvia unterschätzt die Gefahren, die tatsächlich nachts in chinesischen Großstädten lauern. Die Familie hat Angst, dass Silvia überfallen werden könnte oder in ›schlechte Gesellschaft‹ gerät und dass sie die Verantwortung tragen, falls ihr etwas zustößt. Solange Silvia in der Stadt unterwegs ist, können die Gasteltern deshalb kein Auge zutun, egal, was Silvia sagt. d) Die Familie freut sich zwar darüber, dass Silvia Freunde gefunden hat, wünscht sich jedoch den engeren Kontakt zu ihr zurück, den es während der Anfangszeit gegeben hat. Die Wus hoffen, dass Silvia nicht mehr so oft ausgeht und statt dessen wieder mehr Zeit mit ihnen gemeinsam verbringt, denn schließlich war dies für sie der Grund, einen Gast aufzunehmen: der Wunsch, mehr über den Gast, sein Heimatland und seine Ansichten zu erfahren.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft zu, erklärt die Missbilligung der Gastfamilie jedoch noch nicht vollständig. Dass immer ein Familienmitglied im Wohnzimmer auf Silvia wartet, entspringt zum einen der aufrichtigen Sorge um sie sowie dem Wunsch, sich ihrer sicheren Rückkehr zu vergewissern. Zum anderen besitzt das ›demonstrative‹ Warten auch Appellcharakter und weckt die Schuldgefühle der spät Heimkehrenden: Ihretwegen hat man so lange ausgeharrt und wird am nächsten Tag müde und unkonzentriert sein. Im chinesischen Kontext erscheint diese Form der Kommunikation sowohl unkomplizierter wie auch weitaus wirkungsvoller als verlegene Erklärungen darüber, dass man sich gestört fühle und sich wünsche, der Gast möge zu Hause bleiben. Auch andere Formen der indirekten Äußerung von Kritik und 50

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Missbilligung sind denkbar: So mag etwa das Frühstück am nächsten Morgen karger ausfallen als gewöhnlich oder der Toast, der bisher immer richtig gebräunt auf den Tisch kam, ist plötzlich angebrannt (siehe hierzu ausführlich Lauterbach 2010a). Der an indirekte Kommunikation Gewöhnte wird solche Vorkommnisse mit dem eigenen Verhalten in Verbindung bringen und dann richtig als Kritik deuten können. Im geschilderten Fall merkt die Familie, dass Silvia die Kritik an ihrem Verhalten entweder nicht versteht oder nicht berücksichtigen will, und greift daher zum nächstdrastischeren Mittel: Sie schaltet die Vermittlungsagentur ein, damit diese der Gaststudentin sagt, dass sie weniger häufiger ausgehen soll. Solche Mitteilungen über Dritte sind in China nicht ungewöhnlich. Sie gelten als allseits gesichtsschonende Möglichkeit zur Formulierung von Kritik oder schwierig zu artikulierenden Wünschen. Zu b): Diese Antwort trifft den Kern der Sache. Wenn das abendliche Ausgehen so zur Routine wird wie bei Silvia, stört das nicht nur das Zusammenleben, sondern schadet auch dem Ansehen des Gastes. Aus Sicht der Gastfamilie vernachlässigt Silvia ihr Studium; sie sollte die Abende besser mit dem Lernen von Vokabeln oder Prüfungsvorbereitungen verbringen. Zwar gesteht man auch in China Studenten und Studentinnen Freizeit und Vergnügen zu, doch erscheinen Bars und Diskotheken der Elterngeneration, die diese niemals selbst besucht hat, als zweifelhafte Einrichtungen und langes Ausgehen, das einen um den nötigen Schlaf bringt, als unangemessen und tendenziell ungesund. Das von Silvia eingeforderte ›Recht auf Ausgehen‹ existiert in China ebenso wenig wie die Vorstellung, dass eine 22-jährige, unverheiratete Studentin ihr Leben selbstständig führt. Die Gastfamilie fühlt sich in doppelter Hinsicht für Silvia verantwortlich: in ihrer Eigenschaft als Gast und in ihrer Eigenschaft als junger Mensch, der (zumal im fremden Land!) selbstverständlich der Anleitung und Fürsorge bedarf. In China erstreckt sich die Fürsorge der Eltern auch auf ›erwachsene‹ Kinder, solange diese unverheiratet im elterlichen Haushalt leben. Die Kindespflichten schließen umgekehrt u.a. das Einhalten von ›Ausgehzeiten‹ und die Konzentration auf die eigene Ausbildung ein – auch, wenn die ›Kinder‹ weit über zwanzig sind. Silvias Argument, dass sie auf sich selbst aufpasse und die Familie ruhig schlafen gehen könne, geht ins Leere, weil es den Vorstellungen über die Pflichten einer Studentin und den Vorstellungen über das ›Erwachsensein‹ ihrer Gastfamilie zuwiderläuft. Zu c): Chinesische Städte sind im Allgemeinen auch nachts sicher. Jedoch schließt das nicht aus, dass die Gastfamilie sich diesbezüglich Sorgen macht. Schließlich möchte sie nicht, dass Silvia etwas passiert. Auch fürchten die Gasteltern, dass sie zur Verantwortung gezogen werden, sollte der deutschen 51

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Studentin tatsächlich etwas zustoßen. Das Verhalten der Gastfamilie lässt sich hierdurch allein jedoch nicht erklären. Weitere Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Zu d): Sicherlich hat sich die Gastfamilie das Zusammenleben nicht so vorgestellt, wie es sich jetzt gestaltet. Die ersten Wochen zeigen, dass das Interesse an Silvia tatsächlich groß ist, doch ist es unwahrscheinlich, dass die Familie aus diesem Grund das abendliche Ausgehen einschränken möchte. Andere Faktoren erklären die Situation besser.

Was tun? Das Thema ›abendliches Ausgehen‹ ist ein Dauerbrenner bei Gastfamilienaufenthalten in China. Zwar bereiten die Vermittlungsagenturen chinesische Familien auf die Gewohnheiten der ausländischen Gäste vor, doch stellt das späte Heimkehren der Gäste eine nicht wegzudiskutierende (mindestens akustische) Störung der Familie dar, sodass die Agenturen diesbezüglich auch den Gästen Vorschriften machen. Echten ›Nachtschwärmern‹ ist der Aufenthalt in einer Gastfamilie deshalb nicht zu empfehlen. Umgekehrt bedeutet das Leben als Gastkind jedoch auch nicht, dass man auf gelegentliches Ausgehen völlig verzichten muss. Einige Regeln im Umgang mit der Gastfamilie sollten jedoch beachtet werden. Grundsätzlich ist es notwendig, sich der eigenen Rolle als ›Gast‹ und als – wenngleich erwachsenes – ›Kind‹ bewusst zu werden. Mit beidem geht eine Einschränkung der eigenen Freiheit einher, denn es gilt, die Bedürfnisse, Sorgen und Interessen der Gastfamilie zu berücksichtigen. Eine Möglichkeit, dies zu tun und dennoch gelegentlich abends auszugehen, besteht darin, für den ›Partyabend‹ eine andere Übernachtungsgelegenheit zu suchen und die Gastfamilie rechtzeitig darüber zu informieren, dass man an dem betreffenden Abend mit Freunden feiern wolle und außer Haus übernachten werde. Auf diese Weise wird vermieden, die Gastfamilie durch spätes Heimkehren zu stören. Wenn man den Gasteltern zudem mitteilt, bei wem man übernachtet, wie man ggf. zu erreichen ist und wann man wieder zurück sein wird, sind diese vermutlich beruhigt – vor allem, wenn sie nach einem ersten ›Testlauf‹ merken, dass man wohlbehalten zurückkehrt. Viel hängt zudem davon ab, wie gut der Kontakt zwischen Gastfamilie und Gast ist, als wie ›ernsthaft‹ und ›fleißig‹ der ausländische Studierende eingeschätzt wird und natürlich auch von den Vorerfahrungen und der Toleranz der Gastfamilie. Auf jeden Fall wird man ein Verständnis dafür entwickeln müssen, dass man in der chinesischen Familie stärker als ›Kind‹ behandelt wird, als es deutsche Studierende für gewöhnlich gewohnt sind. Wer bereit ist, sich hierauf einzu-

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lassen, wird sich im Familienkontext vermutlich wohlfühlen und viele neue Erfahrungen machen.

Al s P a a r i m W o h n h e i m Die Situation Nach einem anstrengenden vierzehnstündigen Flug kommen Mareike und Sebastian im sommerlichen, schwül-warmen Beijing an. Beide haben viel Gepäck dabei und sind froh, als sie endlich die Universität erreichen. Noch völlig außer Atem versucht Mareike mit den paar Brocken Chinesisch, die sie kann, der Frau an der Rezeption verständlich zu machen, dass sie und Sebastian bereits aus Deutschland ein gemeinsames Wohnheimzimmer reserviert hätten. Zu ihrer Überraschung erhalten sie von der – nun sichtlich genervten Dame an der Rezeption – zwei Zimmerschlüssel und die Auskunft, dass Mareike das Zimmer 312 und Sebastian das Zimmer 546 zugeteilt sei. Die beiden deutschen Studenten, die schon seit zwei Jahren ein Paar sind und auch in Deutschland bisher zusammen ein Wohnheimzimmer bewohnten, möchten jedoch nicht getrennt werden. Sie hatten deshalb bei der Wohnheimanmeldung in Deutschland auch bereits Vorkehrungen getroffen und auf den entsprechenden Formularen angekreuzt, dass sie »verheiratet« seien. Damals war das ein Spaß für alle gewesen, aber dass der Familienstand tatsächlich eine Rolle spielt, geht Mareike erst jetzt an der Anmeldung auf. Sie wühlt deshalb in allen Papieren, die sie mitgebracht hat, und zieht endlich die Kopie des Anmeldeformulars heraus, auf dem vermerkt ist, dass sie mit Sebastian verheiratet ist. Hinter der Rezeption wird nun eifrig diskutiert, das Formular wird kopiert, und Sebastian und Mareike warten nervös. Schließlich erhalten sie neue Schlüssel: Sie dürfen gemeinsam in eine Deluxe-Suite für verheiratete Paare ziehen. Warum gibt es solche Probleme mit der Anmeldung im Wohnheim? a) Mareike und Sebastian konnten sich nur sehr schlecht verständigen. So kam es zu Missverständnissen und die Frauen an der Rezeption waren der Meinung, dass die beiden getrennte Zimmer haben wollten. b) Die Unterlagen der Wohnheimanmeldung sind auf dem Postweg verloren gegangen, sodass die Rezeption nicht darüber informiert war, dass Mareike und Sebastian ›verheiratet‹ sind. Da sie nicht wussten, dass die beiden zusammengehören, haben sie getrennte Zimmer vergeben.

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c) In China ist es vorgeschrieben, dass Männer und Frauen stets in getrennten Zimmern untergebracht werden. Nur wer verheiratet ist und dies nachweisen kann, darf gemeinsam in einem Zimmer wohnen.

Erläuterungen Zu a): Es ist ganz eindeutig, dass es Missverständnisse während des Gespräches gab, denn Mareike und Sebastian sprechen kaum Chinesisch und sind vom Flug und der Anreise noch ganz erschöpft und außer Atem. Doch dass ihr Wunsch als »wir wollen zwei getrennte Zimmer« missverstanden wurde, ist dennoch unwahrscheinlich. Zu b): Dass Unterlagen auf dem Postweg zwischen Deutschland und China manchmal verloren gehen, kann vorkommen. Doch im Falle des Fehlens eines Anmeldezettels hätte sich die Universität sicher noch einmal an die deutsche Hochschule gewandt, denn Unterlagen werden meist genau geprüft und abgeheftet. Diese Deutung trifft deshalb nicht zu. Zu c): Dies ist die beste Antwort. In China wird das Prinzip der Geschlechtertrennung in den Wohnheimen sehr streng beachtet. So sind Studentinnen und Studenten mindestens auf verschiedenen Etagen, wenn nicht in verschiedenen Wohnheimen untergebracht. Auch schließen die Wohnheimregeln Übernachtungen von Zimmerfremden aus. Undenkbar, dass sich nicht verheiratete Paare im Wohnheim alleine in einem Zimmer aufhalten. Diese Regelung wird nur für verheiratete Paare außer Kraft gesetzt.

Was tun? Keine Probleme hat, wer nachweisen kann, dass er tatsächlich verheiratet ist, und mit dem Partner in ein gemeinsames Zimmer ziehen möchte. In allen anderen Fällen muss man kreativ vorsorgen. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter der Rezeption von der Legitimität der Verbindung überzeugt werden – wobei chinesische Bestätigungsschreiben oder Eheringe eine Rolle spielen können. Generell ist es für deutsche Studierende wichtig zu wissen, dass die Geschlechtertrennung an chinesischen Universitäten äußerst ernst genommen wird und auch von den chinesischen Studierenden beachtet werden muss. Zwar gibt es in den chinesischen Großstädten mittlerweile chinesische Paare, die unverheiratet zusammenleben, doch noch ist dies eine neumodische und unkonventionelle Lebensform. An Studentenwohnheimen wird sie noch für lange Zeit nicht möglich sein. Auch beim Umgang mit Chinesen aus kleineren Städten ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass ein Zusammenleben vor der Eheschließung in der Regel als unschicklich gilt – nicht in 54

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jedem Fall ist es also ratsam, davon zu berichten, dass man selbst mit dem Freund/der Freundin in ›wilder Ehe‹ zusammenlebt. Übrigens: Homosexuellen Partnerschaften wird in China noch kaum mit Verständnis begegnet. Die gemeinsame Belegung von Wohnheimzimmern ist in diesem Fall zwar kein Problem, doch das öffentliche Bekunden oder Sichtbarmachen einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft wird in den meisten Fällen ablehnende Reaktionen hervorrufen.

Stehen oder sitzen? Die Situation In der Nanjinger Dreizimmerwohnung von Harald und Florian ist ein Zimmer zu vermieten, und die beiden Deutschen wünschen sich einen chinesischen Mitbewohner. Über den Freund eines Freundes lernen sie Wang Bo kennen, der ein Zimmer sucht, und man wird sich bezüglich der Vermietung schnell einig. Schon bald stellt sich jedoch heraus, dass Florian und Harald mit dem neuen Mitbewohner nicht viel gemeinsam haben: Sie unterhalten sich nur selten, und gemeinsame Unternehmungen finden gar nicht statt. Stattdessen stellen sich nun einige Probleme im Zusammenleben ein, unter denen sich die (mangelnde) Badezimmerhygiene als das größte herausstellt. Insbesondere die gemeinsam genutzte Toilette ist nun ein Quell steten Ärgernisses für die beiden Deutschen. Wang Bo entpuppt sich als sorgloser Toilettenbenutzer, der die von ihm hinterlassenen Spuren nicht immer beseitigt. Urinspritzer und Schlimmeres verursachen unangenehmen Geruch, sodass Florian und Harald das Bad nur ungern benutzen. Auch das Putzen bleibt ständig an den beiden allein hängen; Wang Bo haben sie dabei auf jeden Fall noch nie beobachtet. Da sie keinen Streit mit dem Mitbewohner wollen, sind Florian und Harald bereit, das Putzen alleine zu übernehmen, wenn sich Wang Bo nur im Gegenzug darum bemüht, weniger Schmutz zu hinterlassen. Sie sprechen ihn deshalb an, weisen auf das Problem hin und bitten ihn, die Toilette künftig ausschließlich sitzend zu benutzen, da dies Spritzer vermeiden helfe. Wang Bo verspricht, daran zu denken. Eine Veränderung stellt sich jedoch nicht ein. Ein paar Mal können Harald und Florian durch die Milchglasscheibe des Badezimmers erkennen, dass Wang Bo sich nach wie vor im Stehen erleichtert – mit all den unangenehmen Folgen. Als auch ein zweites Gespräch erfolglos bleibt – Wang Bo zeigt sich betroffen, gelobt Änderung und belässt dann alles beim Alten – greifen die beiden Deutschen zu einer neuen Maßnahme. Sie zeichnen ein BadezimmerSchild, das in der Manier eines Verkehrszeichens ein Männchen abbildet, das vor einer Toilettenschüssel steht. Ein großer Balken, der quer über die Ab55

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bildung läuft, signalisiert »Bitte die Toilette nicht im Stehen benutzen«. Um ganz sicher zu gehen, schreiben die beiden den Satz auf Englisch und Chinesisch unter die Zeichnung und hängen das Schild im Badezimmer auf. Kaum ist Wang Bo an diesem Abend nach Hause gekommen, ist das Schild aus dem Badezimmer auch schon verschwunden. Genützt hat es nichts. Florian und Harald bleibt nichts anderes übrig, als sich mit der Situation zu arrangieren und darauf zu hoffen, dass Wang Bo wieder auszieht. Der Kontakt zu ihrem chinesischen Mitbewohner ist nun gänzlich unerfreulich geworden. Sie verstehen nicht, warum sich Wang Bo nicht wenigstens ein bisschen um Sauberkeit bemüht. Warum kommt Wang Bo der Bitte der beiden Deutschen nicht nach? a) Wang Bo kann Florian und Harald von Anfang an nicht leiden und nutzt nur das günstige Angebot, bei den beiden zu wohnen. Da er mit den beiden nichts weiter zu tun haben möchte, sieht er auch keine Notwendigkeit, auf ihre Bitte einzugehen. b) Wang Bo ist als Einzelkind aufgewachsen und von seinen Eltern vor allen unangenehmen Dingen bewahrt worden. So hat er noch nie selbst geputzt und fühlt sich für die Sauberkeit der Wohnung nicht zuständig. c) Die Klagen der Deutschen kann Wang Bo nicht nachvollziehen. Aus seiner Sicht ist das Badezimmer hinreichend sauber. Dass es ein wenig riecht, ist seiner Meinung nach normal – schließlich ist hier die Toilette. Um leidlich gute Stimmung zu wahren, bemüht er sich halbherzig, sein Verhalten zu ändern, gerät dann aber doch immer wieder in den alten Trott. d) Den Vorschlag, sich als Mann beim Toilettengang hinzusetzen wie ein Mädchen, findet Wang Bo grotesk. Hat er die beiden Deutschen schon vorher verdächtigt, einen Putzfimmel zu haben, so beweist ihm das gemalte Verbotsschild, dass mit den beiden tatsächlich etwas nicht ganz stimmt. Er reißt das Schild rasch ab, damit es nicht etwa von seinen Freunden entdeckt wird und er sich vollends lächerlich macht.

Erläuterungen Zu a): Diese Erklärung ist unwahrscheinlich. Da es sich bei Wang Bo um den Bekannten eines Freundes handelt, bemüht er sich schon aus diesem Grund darum, mit den beiden Deutschen gut auszukommen. Die Fallgeschichte gibt

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auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass ihm Florian und Harald unsympathisch sind – vermutlich wäre er dann auch nicht eingezogen. Zu b): Diese Deutung trifft einen wesentlichen Aspekt der Situation. Heutige chinesische Studenten sind alle nach Beginn der Einkindpolitik geboren und deshalb sehr oft als Einzelkinder aufgewachsen. Diese werden von den Eltern und Großeltern häufig stark verwöhnt und von unangenehmen und zeitintensiven Aufgaben, wie z.B. Putzen, Kochen, Müll raustragen, verschont. Dies gilt nicht allein für Jungen, obwohl diese in ländlichen Regionen oft noch eine Sonderstellung besitzen, sondern zunehmend auch für Mädchen. Hieraus resultiert, dass viele junge Leute in der Haushaltsführung völlig ungeübt sind. Zu c): Auch diese Erklärung trifft teilweise zu. Hygienestandards variieren in verschiedenen Ländern nicht nur im Hinblick auf das Ausmaß erwünschter Sauberkeit, sondern auch bezüglich der Verhaltensweisen, die als hygienerelevant gelten. So finden es Chinesen zum Beispiel unappetitlich und unhygienisch, benutzte Taschentücher wieder in die Hosentasche zu stecken. Deutschen wiederum ist die Sauberkeit von Bad und Toilette besonders wichtig, und die Vorstellung, Besuchern ein schmutziges Badezimmer zumuten zu müssen, ist fast qualvoll unangenehm. In China ist dies anders. Hier sind in ländlichen Gebieten einfache Toilettenhäuschen ohne Wasserspülung weit verbreitet, und auch in den Städten finden sich überall Gemeinschaftstoiletten, die lediglich eine gemeinsame Rinne aufweisen oder in denen HockToiletten nur durch kniehohe Mauern voneinander getrennt sind. Geräusche, Gerüche und Spuren von Toilettengängen anderer Personen gleichen Geschlechts werden zwangsläufig eher toleriert als in Deutschland. Dennoch schätzen Angehörige der chinesischen Mittelschicht den Komfort moderner Badezimmer und achten sorgfältig auf deren Sauberkeit – wenngleich vielleicht mit etwas weniger Sorge um Keimfreiheit als in Deutschland. Wang Bo dürfte jedoch auch nach chinesischen Vorstellungen als ungehobelter Mitbewohner gelten. Diese Deutung erklärt, warum Wang Bo bei der Benutzung der Toilette nicht auf mehr Sauberkeit achtet, nicht jedoch, warum er den Vorschlag sich hinzusetzen ignoriert. Hierfür spielt noch ein weiterer Aspekt eine Rolle. Zu d): Auch diese Erklärung trifft zu. Sich als Mann zum Urinieren hinzusetzen, ist aus chinesischer Sicht nicht praktisch, sondern lächerlich. Dass Florian und Harald diesen Vorschlag machen und ihn auch noch in Bild und Schrift festhalten, ist Wang Bo peinlich.

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Was tun? Unterschiedliche Sauberkeitsbedürfnisse von Mitbewohnern sowie die daraus resultierenden Verstimmungen kennt fast jeder, der schon einmal in einer Wohngemeinschaft gelebt hat. Im Zusammenleben von Deutschen und Chinesen führen unterschiedliche Vorstellungen über Badezimmerhygiene und Sauberkeit von Küchen bisweilen zu Konflikten, die auch dadurch an Problematik gewinnen, dass Gespräche über ›mangelnde Sauberkeit‹ einem Tabu unterliegen: Erwachsenen zu sagen, dass sie unangenehm riechen, sich zu selten waschen, Nasenschleim falsch entsorgen oder Toiletten verschmutzen, ist für alle Beteiligten eine heikle und peinliche Angelegenheit. Andererseits fällt es auch schwer, die eigenen Hygienevorstellungen abzulegen und sich an Praktiken zu gewöhnen, die man als ›eklig‹ oder ›unsauber‹ zu empfinden gelernt hat. Gewisse Anpassungsleistungen machen jedoch das Leben deutlich leichter. Insbesondere das Reisen in China erleichtert man sich sehr, wenn es gelingt, eine größere Toleranz für Geruch und Verschmutzung von Gemeinschaftstoiletten zu entwickeln. Will man sicher gehen, dass Probleme, wie die hier geschilderten, im Zusammenleben nicht auftreten, bleibt die Möglichkeit, sich gleich zu Beginn mit potenziellen Mitbewohnern über Regeln im Umgang mit Bad und Toilette zu verständigen. Sehr hilfreich ist es, wenn genügend Geld vorhanden ist, um eine Wohnung mit zwei Toiletten zu mieten oder das Putzproblem dadurch zu umgehen, dass eine Putzhilfe engagiert wird. In allen anderen Fällen muss man sich während des Zusammenlebens verständigen. Wie immer in China gilt dabei: Gesicht wahrende Lösungen sind zu bevorzugen, Hartnäckigkeit erhöht die Erfolgsaussichten, Wiederholungen signalisieren Wichtigkeit. Gerade bei heiklen Themen wählen Chinesen auch häufig einen gemeinsamen Freund als Vermittler: So hätten Florian und Harald zum Beispiel den Freund einschalten können, über den sie Wang Bo ursprünglich kennengelernt haben.

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3. An der Universität

Wieder in der Grundschule? Die Situation Nach den ersten beiden Wochen in Beijing beginnt für Tabea, Richard und Max der Chinesischunterricht am Sprachenzentrum der Universität. Den weitläufigen Campus, auf dem sich die vielen chinesischen Studenten mit etlichen ausländischen Kommilitonen mischen, haben sie schon ein wenig erkundet, und sie sind nun neugierig auf den beginnenden Unterricht. Auf dem Weg zur ersten Unterrichtsstunde wünschen sie sich scherzhaft »Alles Gute zum Schulanfang«, denn es steht schon eine Art Neuanfang bevor. Die junge und sehr freundliche Dozentin begrüßt die Neuankömmlinge warmherzig und händigt jedem Kursteilnehmer ein kleines Heft aus. Verwundert sieht Tabea, dass das blaue Schreibheft von einem lachenden Elefanten geschmückt wird, und fragt sich, was sie erwartet. Bald wird ihr klar, dass dieses Heft für die Diktate vorgesehen ist, mit denen in den kommenden Wochen jeder Unterrichtstag beginnt: Am Anfang jeder Unterrichtsstunde sind Vokabeln nach Diktat in das kleine Heft zu schreiben, das sodann eingesammelt wird. Auch sonst ist der Unterricht durch ungewohnte Routinen und das strikte Einhalten eines festen Ablaufschemas geprägt. Nach dem Diktat werden neue Vokabeln eingeführt und im Chor nachgesprochen, der neue Lektionstext wird erarbeitet und der zuvor gelernte Text ist auswendig aufzusagen, Erklärungen und Übungen zur Grammatik schließen die Unterrichtsstunden ab. Auch die übrigen Regeln erinnern die deutschen Studenten stark an ihre Grundschulzeit: Hausaufgaben werden von der Dozentin ebenso kontrolliert wie die tägliche Anwesenheit; wer nicht am Unterricht teilnehmen kann, muss sich im Sekretariat schriftlich abmelden und entschuldigen. 59

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Die drei Studenten fühlen sich durch die starke Kontrolle und den Einheitsablauf der Lehrveranstaltungen irritiert und eingeengt. Sie vermissen Diskussionen und Abwechslung in der Unterrichtsgestaltung und wünschen sich, Aufgaben auch einmal eigenständig und im gewohnten Stil bearbeiten zu können. Warum gestaltet die chinesische Dozentin den Unterricht in dieser Weise? a) Alle Studenten sind gerade erst in Beijing angekommen, und die meisten sind zum ersten Mal in China. Die Lehrerin wurde dazu angehalten, es den ›Neulingen‹ durch Fürsorge und klare Strukturen so einfach und angenehm wie möglich zu gestalten, damit sie sich schnell eingewöhnen und wohlfühlen. b) Auswendig lernen und stetes Wiederholen sind zentrale Elemente des chinesischen Lernstils, die auch heute noch Lernsituationen in der Schule und an der Universität prägen. Tabea, Max und Richard erleben ›typisch chinesischen‹ Unterricht. c) Da der Altersunterschied zwischen ihr und den Studenten nicht sehr groß ist, fürchtet die Dozentin, dass die Seminarteilnehmer sie in ihrer Rolle nicht respektieren und ernst nehmen. Sie versucht deshalb, ihre Autorität durch die strikte Unterrichtsgestaltung zu untermauern. d) Die chinesischen Universitäten sind der in jüngster Zeit stark gestiegenen Zahl ausländischer Sprachstudenten nicht gewachsen. Da nicht genügend didaktisch geschulte Dozenten verfügbar sind, werden vielerorts auch unzureichend qualifizierte Kräfte eingesetzt. Da die Dozentin von Tabea, Max und Richard keine Fachausbildung durchlaufen hat, greift sie auf veraltete Unterrichtsmethoden zurück, die sie selbst aus ihrer Schulzeit kennt.

Erläuterungen Zu a): Die Fremdspracheninstitute der chinesischen Universitäten sind in der Regel bemüht, den Bedürfnissen ihrer ausländischen Studenten entgegenzukommen. Mit Sicherheit bemüht sich die Dozentin darum, den Neuankömmlingen den Einstieg so angenehm und leicht wie möglich zu machen. Die Wahl der Unterrichtsmethoden und die Gestaltung des Seminarablaufs haben dennoch einen anderen Grund.

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Zu b): Dies ist die beste Antwort. Stetes Wiederholen, Fleiß und Ausdauer spielen nach Ansicht von Chinesen beim Lernen die entscheidende Rolle. Nicht nur beim Erlernen der Schriftzeichen, sondern auch für das Erlangen von Kunstfertigkeit in den traditionellen Künsten und Kampfsportarten sind ausdauerndes Üben und der Wille zur beständigen Verbesserung durch Nachahmung des Lehrers entscheidend. Chinesische Lehrer und Eltern halten ihre Kinder deshalb stets zu größtmöglicher Anstrengung an. Dabei wird ›mangelndes Talent‹ nicht als Entschuldigung für schlechte Leistungen akzeptiert, sondern wird als Nachteil betrachtet, der durch besondere Anstrengung ausgeglichen werden muss und kann. Gemäß der traditionellen Auffassung kommen dem Lehrer und seinen Schülern folgende komplementäre Aufgaben im Lehr- bzw. Lernprozess zu: Während der Schüler zu Aufmerksamkeit, Fleiß und Respekt dem Lehrer gegenüber verpflichtet ist, ist es Aufgabe des Lehrers, den Lernprozess seiner Schüler sorgfältig zu überwachen und durch didaktische Routinen zu optimieren. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Unterricht langweilig oder der Unterrichtsstil autoritär ist. Zudem gibt es heute auch in China Bemühungen, Schüler stärker zu Selbstständigkeit und kreativem Denken zu erziehen, als dies früher der Fall war. Fremdsprachenunterricht, zumal der unteren Niveaustufen, zählt jedoch nicht zu den Fächern, in denen Kreativität im Vordergrund steht, sondern zu jenen, die Grundkenntnisse festigen sollen. Nach chinesischer Auffassung ist dieses Ziel durch Routinen, Wiederholung und Memorieren am besten zu erreichen. Mit der Modernisierung der Fremdsprachendidaktik wird sich der Unterrichtsstil allerdings mittelfristig auch in China verändern. Zu c): Diese Erklärung ist weniger zutreffend. Zwar wird tatsächlich älteren Personen in China mehr Respekt entgegengebracht als jüngeren, doch ist für die Situation am Fremdspracheninstitut die Rolle als Dozentin entscheidend. Hinzu kommt, dass die Fachkompetenz der Dozentin, die Chinesisch als Muttersprache spricht, unbestreitbar ist. Aus chinesischer Sicht ist für die Markierung von altersbedingten Hierarchieunterschieden ohnehin nicht die Größe des Altersabstandes ausschlaggebend: Dass es ihn gibt, ist in der Regel – zumindest für sprachliche Markierungen − hinreichend. So wird etwa selbst bei Zwillingen zwischen dem »älteren Bruder« und dem »jüngeren Bruder« unterschieden oder unter Studierenden die jüngere Mitstudentin als »jüngere Kommilitonin-Schwester« tituliert. Auch wenn auf diese Weise keine gravierenden Konsequenzen für hierarchische Verhaltensweisen resultieren, ist sich die ältere Person ihrer verantwortungsvolleren Rolle bewusst. Andererseits ermöglicht der Umstand, dass Dozentin und Studenten in etwa im selben Alter sind, aber auch mehr Möglichkeiten zu informellem Kontakt, insbesondere dann, wenn die Dozentin aufgeschlossen ist und es 61

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geteilte Interessen gibt. Denkbar ist, dass in der Freizeit gemeinsame Ausflüge organisiert werden. Die Rollenaufteilung im Seminarraum wird hiervon aber nicht berührt. Zu d): Das chinesische Hochschulsystem hat sich in den letzten Jahren stark entwickelt. Besuchten 1999 erst 7 Millionen Studenten chinesische Universitäten sind es 2010 bereits nahezu 30 Millionen. Insgesamt haben in China heute ca. 98 Millionen Menschen einen Hochschulabschluss – 2020 sollen es 200 Millionen sein. Der drastische Ausbau der Hochschulbildung bringt auch Probleme mit sich: Hochschulen leiden unter knappen Mitteln, es mangelt an qualifizierten Lehrkräften, die Sicherung der Ausbildungsqualität gelingt nicht immer, und etliche Absolventen haben Schwierigkeiten, eine Beschäftigung zu finden. Diese Probleme betreffen jedoch die Universitäten Beijings und Shanghais weniger als solche an anderen Standorten. Die Lehrkräfte der Fremdspracheninstitute der Universitäten in Beijing und Shanghai müssen vorschriftsgemäß das Magisterstudium abgeschlossen haben. Da Tabea, Richard und Max an einer Beijinger Universität studieren, kann man davon ausgehen, dass sie gut qualifizierte Chinesischlehrer haben. Der Grund für die aus Sicht der drei deutschen Studenten eintönige Unterrichtsgestaltung ist ein anderer.

Was tun? Wenn Tabea, Richard und Max erkennen, dass nicht nur der Unterrichtsinhalt, sondern auch die Seminargestaltung Aufschluss über chinesische Gewohnheiten und Denkweisen vermittelt, können sie das Seminar insgesamt als interkulturelle Lerngelegenheit wahrnehmen. Die Anpassung an die fremden Unterrichtsmethoden ermöglicht auf diese Weise eine praktische Einsicht in Lerngewohnheiten und -erfahrungen im chinesischen Kontext. Und selbst, wem dies nicht Motivation genug ist, wird aufgehen: Chinesische Schriftzeichen sind tatsächlich nicht anders als durch häufige Wiederholung erlernbar. Der Appell an die Anpassungsbereitschaft bedeutet jedoch nicht, dass nicht Veränderungen des Unterrichtsstils möglich sind. Insbesondere dann, wenn die Dozentin sieht, dass die Studenten mit Fleiß und Ausdauer bei der Sache sind und die vorgesehenen Lernziele erreichen, wird sie sich auf Anregungen der Kursteilnehmer zu Abwechslung und Diskussion vermutlich gerne einlassen. Entscheidend dabei ist, dass diese Anregungen so vorgetragen werden, dass die Dozentin sich als kompetente Lehrerin respektiert sieht und Zeit hat, auf die Vorschläge zu reagieren. Eine nach der Unterrichtsstunde geäußerte Frage, einen mitgebrachten Zeitungsausschnitt oder auf andere Weise vorgebrachte Vorschläge für Unterrichtsthemen wird sie mög62

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licherweise aufgreifen. Sind die Erfahrungen mit den neuen Methoden und Themen positiv, wird sie weiteren Experimenten gegenüber offen sein. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch auch, dass die Seminargruppen an chinesischen Fremdspracheninstituten international besetzt sind. Neben europäischen und amerikanischen Studierenden lernen hier auch zahlreiche Koreaner, Japaner und Angehörige weiterer asiatischer Staaten, denen der oben geschilderte Unterrichtsstil vertraut ist und die deshalb nur wenig Änderungsbedarf sehen.

Trubel auf der Weihnachtsfeier Die Situation Gleich neben dem Fremdspracheninstitut befindet sich die große GermanistikAbteilung der Universität. Für Anne und Christine ist dies ein Glücksfall, denn so haben sie schon kurz nach ihrer Ankunft einige chinesische Sprachpartnerinnen kennengelernt, mit denen sie sich regelmäßig treffen, um gemeinsam Hausaufgaben zu machen und wechselseitig Gelegenheit zum Sprechen der Fremdsprache zu haben. Insgesamt ist das Interesse an den deutschen Studenten groß, und als die Germanistik-Abteilung zu Weihnachten ein Fest plant, sind die Deutschen herzlich eingeladen. Da Weihnachten in China nicht gefeiert wird, sind Anne und Christine froh über die Aussicht, gemeinsam Weihnachtsstimmung genießen zu können, und auch darüber, den chinesischen Studenten deutsche Weihnachtsbräuche vermitteln zu können. Das Weihnachtsfest findet in einem schön dekorierten, kleinen Saal statt, und auf den Tischen stehen chinesische Süßigkeiten und Tee. Die Deutschen haben ihre Weihnachts-Päckchen, die sie von Zuhause bekommen haben, geplündert und steuern Lebkuchen, Weihnachtskekse und Räucherwerk bei. Dann beginnt das Programm, und es zeigt sich, dass die chinesischen Studenten umfangreiche Stücke einstudiert haben: Es werden deutsche Märchen und Sketche aufgeführt, auf verschiedenen Instrumenten musiziert und deutsche Weihnachtslieder gesungen. Alles wird in deutscher Sprache aufgeführt und ist sehr gut gelungen! Dennoch herrscht während der Vorführung eine große Unruhe bei den Zuschauern. Anne und Christine registrieren irritiert, dass sich überall im Saal Personen unterhalten, immer wieder Handys klingeln und ständig Leute durch den Raum laufen. Kurzum, niemand scheint sich für das Programm zu interessieren, das monatelang so sorgfältig einstudiert wurde. Die deutschen Studenten sind über das Desinteresse an ihren heimatlichen Weihnachtsbräuchen enttäuscht und vermissen echte Weihnachtsstimmung. 63

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Warum herrscht während der Weihnachtsvorstellung solche Unruhe? a) Die Weihnachtsfeier ist für die chinesischen Germanistikstudenten eine Pflichtveranstaltung. Sie müssen teilnehmen, um für die Deutschprüfung zugelassen zu werden. Eigentlich interessierten sie sich weder für Weihnachten noch für die Weihnachtsfeier. Sie unterhalten sich und lenken sich ab, damit die Zeit schneller vergeht. b) Trotz der Nähe zum Fremdspracheninstitut haben die meisten Germanistikstudenten nur wenig Kontakt zu Deutschen. Die deutschen Studenten sind daher die ›Hauptattraktion‹ der Veranstaltung und die ganze Aufmerksamkeit ist auf sie gerichtet. Alle wollen sich mit ihnen unterhalten, um Kontakt zu knüpfen und die eigenen Deutschkenntnisse zu erproben. Deshalb interessiert sich kaum jemand für die Akteure, und es ist extrem laut. c) In China ist es üblich, dass es bei Veranstaltungen laut zugeht. Der Geräuschpegel signalisiert, dass sich alle gut unterhalten, und ist ein Zeichen für ein gelungenes Fest. Die chinesischen Studenten sind nur deshalb so laut, weil ihnen die Weihnachtsfeier gut gefällt und aus ihrer Sicht auf diese Weise eine ausgelassene und harmonische Atmosphäre entsteht.

Erläuterungen Zu a): Mangelndes Interesse ist nicht der Grund für die Unruhe. Die Weihnachtsfeier ist für die chinesischen Studenten eine willkommene Abwechslung vom Studienalltag und keinesfalls eine Pflichtveranstaltung. Dass das Weihnachtsprogramm so gut gelungen ist, zeigt, dass auch die Proben mit viel Elan angegangen wurden, und vermutlich ist die Begeisterung groß, sich dem Studienfach ›Deutsch‹ einmal auf diese Weise nähern zu können. Jenseits der in den chinesischen Großstädten im Dezember mittlerweile verbreiteten Weihnachtsdekoration ist Weihnachten für die Studenten ein völlig unbekanntes Fest, und die Aussicht, dieses gemeinsam mit deutschen Kommilitonen feiern zu können, weckt ihre Neugierde und Vorfreude. Die Nebenunterhaltungen während der Vorführungen haben einen anderen Grund. Zu b): Vermutlich ist es für die Germanistikstudenten tatsächlich aufregend, ein deutsches Fest gemeinsam mit deutschen Studenten feiern zu können. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Kontakt zu den Deutschen für die Germanistikstudenten neu und ungewöhnlich ist – schließlich gelang es ja auch Anne und Christine mühelos, Kontakt zu schließen, und die beiden Institute sind sogar räumlich benachbart. So ist wohl das Interesse an Unter64

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haltungen mit den Deutschen groß, doch der Grund für den hohen Geräuschpegel ist ein anderer. Zu c): Dies ist die beste Erklärung. Bei der Weihnachtsfeier werden die Aufführungen in ein fröhliches Fest integriert. Die Unterhaltungen, das Lachen und Umhergehen sind Anzeichen für die fröhliche Stimmung und keineswegs Ausdruck von Desinteresse. Im Gegenteil: Den Vorführenden wird signalisiert, dass ihre Darbietungen zur allgemeinen Atmosphäre und zum Erfolg der Veranstaltung beitragen. Das Konzept einer ›besinnlichen Weihnachtsfeier‹ ist den chinesischen Studenten vollständig fremd, denn christliche Glaubensgehalte spielen für das Fest keine Rolle und ruhige, von Gespräch erfüllte Nachmittage bei Keksen und Kerzenschein sind unbekannt. Das Fest entwickelt sich mithin zu einer gelungenen Veranstaltung, die äußerst »re nao« ist. Dieser Begriff, der übersetzt »heiß und laut« bedeutet, bezeichnet einen glücklichen Zustand lauter und entspannter Ausgelassenheit – besser hätte die Weihnachtsfeier nicht verlaufen können!

Was tun? ›Störungen‹ durch Nebenunterhaltungen und Handy-Klingeln fallen deutschen Besuchern auch bei anderen Ereignissen auf. Auch wenn der Geräuschpegel bei offiziellen Vorträgen oder Aufführungen niedriger ausfällt als beim hier geschilderten Beispiel, so ist doch eine höhere Toleranz für Nebengeschehnisse erkennbar als in Deutschland. So ist es zum Beispiel auch bei Konferenzen normal, dass Zuhörer während eines Vortrages den Saal betreten oder verlassen, zwischendurch ganz offen ein Schläfchen halten oder ihr Handy bedienen. Im Fall der Weihnachtsfeier steht der Aspekt des gemeinsamen Festes im Vordergrund. Hier gelten noch weniger als in anderen Kontexten Gebote konzentrierten Schweigens. Sollte den deutschen Studentinnen eine besinnliche Weihnachtsatmosphäre wichtig sein, dann schaffen sie diese am besten in den eigenen vier Wänden. Für viele Studenten sind die heimatlichen Weihnachtstraditionen wichtig und der Umstand, dass die Weihnachtstage in China normale Geschäftstage sind, kann in Einzelfällen Kummer und Heimweh verursachen. Besuche der Weihnachtsgottesdienste in Kirchen verschaffen nur bedingt das gewünschte Weihnachtsgefühl, da nicht nur Rituale vom Gewohnten abweichen, sondern der Besuch der Weihnachtsfeier für viele Chinesen Gelegenheit zu einem exotischen Erlebnis verspricht und deshalb viele Besucher anlockt, die an einer Andacht wenig interessiert sind.

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Kein Zimmer im Wohnheim Die Situation Daniel ist soeben nach einem langen Flug und ermüdender Taxifahrt an der Universität in Shanghai angekommen. Er freut sich darauf, endlich im dortigen Wohnheim sein Zimmer beziehen und sich ein wenig ausruhen zu können. Doch bei der Ankunft im Wohnheim gibt es eine Überraschung: Die Dame am Empfang, Frau Li, weiß von keiner Reservierung. Dabei hatte er von Deutschland aus alles arrangiert! Nun hört er, dass alle Zimmer vergeben seien und findet sich auf der Straße wieder. Erschöpft sucht er ein Hotel in der Nähe, um zumindest für die kommenden Tage eine Bleibe zu haben. Nach einigen Tagen erfährt Daniel von Kommilitonen jedoch, dass die Universität noch weitere Wohnheime besitzt und dass dort offenbar noch viele Zimmer unbelegt sind. Er wendet sich also an eines der Wohnheime und erhält problemlos ein Zimmer, in das er sofort einziehen kann. Irritiert fragt er sich, warum ihn die Mitarbeiterin am Empfang des ersten Wohnheimes nicht auf diese Möglichkeit hingewiesen hat. Warum machte Frau Li Daniel nicht gleich auf die weiteren Wohnheime mit freien Zimmern aufmerksam? a) Weil zu Beginn des Semesters so viele neue Studenten ankommen und einziehen wollen, ist Frau Li gestresst. Da hinter Daniel schon der nächste Student wartet, hat sie im Eifer des Gefechts vergessen, ihn über die Existenz der anderen Wohnheime aufzuklären. b) Dass Frau Li die anderen Wohnheime nicht erwähnt, hat nur einen Grund: Daniel hat nicht nach ihnen gefragt. Schließlich ist es nicht die Aufgabe der Wohnheimmitarbeiter, sich den Kopf der Studenten zu zerbrechen – wenn Daniel nicht weiter insistiert, wird er wohl bereits eine Lösung im Kopf haben. c) Frau Li arbeitet noch nicht lange auf dieser Stelle. Vermutlich ist sie selbst dafür verantwortlich, dass Daniels Reservierung verloren gegangen ist. Um ihren Fehler zu verschleiern und nicht vor Daniel und den Umstehenden Gesicht zu verlieren, fertigt sie ihn auf die kürzeste Art und Weise ab und hofft, dass er sich von ihrem Anmeldetresen so schnell wie möglich wieder entfernt. d) Obwohl die Wohnheime auf demselben Campus angesiedelt sind, sind sie in wirtschaftlicher Hinsicht Konkurrenten, deren Gewinn von der Aus66

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lastungsquote bestimmt ist. Da der Wettbewerbsgedanke in China sehr ausgeprägt ist, würde Frau Li einen Studenten niemals an eines der anderen Wohnheime verweisen.

Erläuterungen Zu a): Es ist möglich, dass Frau Li im Moment von Daniels Ankunft unter großem Stress steht, denn tatsächlich kommen zu Semesterbeginn immer viele Studenten gleichzeitig an, um die sie sich kümmern muss. Allerdings wäre der Hinweis auf die anderen Wohnheime wohl der schnellste Weg, um Daniel ›los zu sein‹. Dass dieser Hinweis ausbleibt, hat deshalb einen anderen Grund. Zu b): Dies ist die beste Antwort. Wer in China nicht gezielt nach Informationen fragt, kann auch keine entsprechende Auskunft erwarten. Das Erlangen von Informationen ist in China eine ›Holschuld‹, das heißt, man kann nicht davon ausgehen ›automatisch‹ informiert zu werden, sondern muss systematisch und ausdauernd erfragen, was man wissen will. Insbesondere dann, wenn zu der anderen Person keine Beziehung besteht (aber nicht ausschließlich in diesem Fall), fühlen sich Chinesen meistens nicht dafür zuständig, sich um die Situation und Belange des Anderen zu kümmern. Man weiß schließlich nicht, welche Informationen die andere Person bereits hat, sodass aus chinesischer Sicht die beste Lösung darin besteht, abzuwarten, was sie fragen wird. Bleiben Fragen aus, wird man davon ausgehen, dass die andere Person zum Erreichen ihrer Ziele keine weiteren Auskünfte benötigt. Die Situation am Empfangstresen stellt ein typisches interkulturelles Missverständnis dar: Da Daniel einen Umgang mit Informationen als ›Bringschuld‹ gewöhnt ist, erwartet er, dass die Empfangsmitarbeiterin ihm alle für ihn relevanten Informationen ungefragt mitteilen wird. Frau Li hingegen bemerkt, dass Daniel sich nicht nach anderen Wohnheimen erkundigt, und geht deshalb davon aus, dass er keine diesbezügliche Auskunft benötigt. Allerdings wären andere Mitarbeiter, die entweder mehr Erfahrung im Umgang mit Ausländern haben oder eine hilfsbereitere Einstellung Fremden gegenüber aufweisen, vermutlich auskunftsfreudiger gewesen. Auch in China erhält man als Ausländer häufig ungefragt Rat und Hilfe. Zu c): Die Neigung, einen Fehler nicht zuzugeben, weil man befürchtet, das Gesicht zu verlieren, ist in China stark ausgeprägt (siehe auch Kapitel 7). Wenn Frau Li weiß, dass sie selbst Daniels Anmeldung verloren hat, wird sie dies ungern öffentlich zugeben. Allerdings wäre der Verweis auf die anderen Wohnheime – zumal, wenn sie weiß, dass es dort noch freie Zimmer gibt – die einfachste Möglichkeit, ihren Fehler zu korrigieren. Diese Deutungs67

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variante erklärt also nur, warum sie von der Anmeldung (angeblich) »nichts weiß«, nicht jedoch, warum sie Daniel nicht auf die Alternativen hinweist. Hierfür gibt es eine andere Erklärung. Zu d): Universitäten sind auch heute noch als ›Danwei‹ organisiert – als Verwaltungseinheit, die alle Einrichtungen der Universität, also auch die Wohnheime, umfasst. Die Wohnheime mögen deshalb zwar eine hohe Auslastungsquote anstreben; sie sind jedoch keine unabhängigen, nach marktwirtschaftlichen Kriterien geführten Unternehmen. Auch arbeiten sie nicht in Konkurrenz zueinander. Andererseits ist es richtig, dass sich die Empfangsmitarbeiterin vor allem ihrem ›eigenen‹ Wohnheim zugehörig fühlt. Verschiedene Abteilungen und Teile von Organisationen arbeiten in China häufig in relativ großer Isolation voneinander – dies hängt mit der Neigung zusammen, zwischen Personen des eigenen Umfelds (der ›Ingroup‹) und jenen anderer Kontexte (der ›Outgroup‹) zu trennen (vgl. Kapitel 7). An dieser Deutung stimmt also, dass für die Empfangsmitarbeiterin die Auslastung anderer Wohnheime keine große Rolle spielt – nicht richtig ist, dass sie Daniel deren Existenz gezielt verheimlicht. Dass sie diese Information zurückhält, hat einen anderen Grund.

Was tun? Ungeschickt war, bei der Ankunft im Wohnheim nicht eine Kopie der Anmeldebestätigung griffbereit zu haben. Hätte Daniel nachweisen können, dass ihm tatsächlich ein Wohnheimzimmer zugesagt worden war, hätte sich die Mitarbeiterin sicherlich intensiver um eine Lösung bemüht. Vielleicht wäre für ihn sogar im angeblich ausgebuchten Wohnheim noch ein Zimmer gefunden worden. Das Vorzeigen der Anmeldebestätigung nützt natürlich nichts, wenn tatsächlich alle Zimmer vergeben sind und sein Name durch irgendeinen Fehler nicht auf der Liste steht. In diesem Fall gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren, ruhig zu bleiben und freundliche Hartnäckigkeit zu entwickeln. Daniel lässt sich in dieser Situation zu schnell abfertigen; hätte er weiter nachgefragt, hätte er wahrscheinlich an Ort und Stelle die für ihn hilfreiche Information über die anderen Wohnheime erhalten und sich somit einigen Ärger erspart. Beharrlichkeit ist dabei ebenso wichtig wie äußerlich demonstrierte Gelassenheit. Lässt man sich seinen Ärger anmerken, bringt das den Gesprächspartner in eine unangenehme Lage, was sich häufig kontraproduktiv auswirkt. Wer sich länger in China aufhält, wird jedoch bemerken, dass das Wahren von Harmonie und allzu höfliche Zurückhaltung in vielen Fällen nicht zum Ziel führt: Wer nach einem ausgefallenen Flug auf eine neue Maschine um68

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buchen oder eines der letzten verfügbaren Zugtickets ergattern möchte, muss seinen Anspruch auf Information und einen Sitzplatz (!) durchaus sehr lautstark und eventuell unter Körpereinsatz anmelden. Entscheidend ist auch hier die Hartnäckigkeit, die in stures Beharren gesteigert werden kann, um am Ende das zu erhalten, was man braucht – seien es Informationen, Platzkarten oder ein Wohnheimzimmer. Nicht immer halten Chinesen ihren Ärger dabei zurück. An der Rezeption des Wohnheims hätten allerdings freundliches Nachfragen sowie die Bitte um Unterstützung wahrscheinlich für eine Problemlösung ausgereicht.

Konfrontation mit der Geschichte Die Situation Patrick und Jana fühlen sich in der Gruppe ihres Sprachkurses sehr wohl und sind auch mit ihren chinesischen Lehrern, die alle noch sehr jung sind, sehr zufrieden. Besonders mit Herrn Chen verstehen sie sich sehr gut: In den Pausen unterhalten sich mit ihm über alles Mögliche, und sie haben das Gefühl, dass sie über alles mit ihm sprechen können. An einem Freitag, als Herr Chen den Seminarraum kurz verlässt, ist Patrick so frech, am Lehrercomputer im Internet zu surfen. Er lädt einen Film aus dem Internet, der Szenen des Militäreinsatzes zur Beendigung der Studentenproteste auf dem Tiananmen-Platz 1989 zeigt. Er hatte schon immer wissen wollen, wie in China über dieses Ereignis gedacht wird und wie viel die Menschen hierüber überhaupt wissen. Jana beobachtet sein Tun sehr skeptisch: Bestimmt ist das Herunterladen des Videos keine gute Idee. Aber sie greift nicht ein, weil auch sie gespannt auf die Meinung ihres Dozenten zu diesem Thema ist. Kurz vor Stundenbeginn kehrt Herr Chen an seinen Schreibtisch zurück. Patrick startet das Video und setzt sich wieder auf seinen Platz. Die von den beiden Deutschen erwartete Stellungnahme oder Diskussion des Themas bleibt jedoch aus. Herr Chen hat kaum den Anfang des Videos gesehen, als er auch schon nervös an den Computer tritt und die Seite schließt. Warum schaltet Herr Chen den Film so rasch aus und lässt sich nicht auf eine Unterrichtsdiskussion zum Tiananmen-Vorfall ein? a) Herr Chen hat den Unterricht schon vorbereitet und will im Stoff vorankommen. Für Ablenkungen durch Filme und Diskussionen ist angesichts des vollen Seminarplans keine Zeit. 69

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b) Herr Chen sieht, dass es sich um einen amerikanischen Film handelt, und ärgert sich, dass wieder einmal ein falsches Bild von seinem Land vermittelt wird. c) Herr Chen weiß nichts über das Thema und schließt den Film, um sein Gesicht vor der Klasse nicht zu verlieren. d) Herr Chen weiß, dass der ›Tiananmen-Vorfall‹ ein Tabuthema ist. Er hat Angst, dass die Seitenaufrufe auf seinem PC registriert werden und dass er Schwierigkeiten bekommt. Aus dem gleichen Grund will er ein so heikles Thema nicht mit der gesamten Gruppe besprechen.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft nicht zu. Selbst ein voller Seminarplan lässt immer auch Raum für Abwechslung und Veränderung, und chinesische Dozenten sind gerne bereit, Anregungen der Studierenden aufzugreifen. Dass sich Herr Chen nicht auf die Diskussion des Films einlässt, hat einen anderen Grund. Zu b): Dies ist nicht der wahrscheinlichste Grund. Wenn Herr Chen auf die Schnelle bemerkt hat, dass es sich um einen amerikanischen Filmausschnitt handelt, wird er vermutlich skeptisch sein, was den Wahrheitsgehalt und die Objektivität des Films angeht. Zwar glauben die wenigsten Chinesen unbesehen alles, was in den chinesischen Zeitungen und Filmen propagiert wird, doch gilt dies eben auch für amerikanische Medien. Herrn Chen ist vermutlich bewusst, dass diese amerikanische Sichtweisen und Interessen in den Mittelpunkt stellen und chinesische Perspektiven häufig nicht ausreichend berücksichtigen. Dies hätte allerdings auch ein Ansatz für eine Seminardiskussion sein können. Dass er diese vermeidet, hat einen anderen Grund. Zu c): Es kann durchaus der Fall sein, dass Herr Chen kaum etwas über den Tiananmen-Vorfall weiß. Dieser liegt bereits zwanzig Jahre zurück und wird in öffentlichen Debatten oder chinesischen Schulbüchern nicht erwähnt. Vielen Chinesen ist, wenn überhaupt, nur die offizielle Version bekannt, nach der die Regierung eine Revolte bekämpft und die öffentliche Ordnung erfolgreich wiederhergestellt hat. Viele Chinesen erfahren erst im Ausland von anderslautenden Sichtweisen, Filmen und Berichten. Richtig ist an dieser Deutung, dass das Vermeiden eines Themas eine Möglichkeit ist, einen drohenden Gesichtsverlust abzuwenden – ob Herr Chen aber einen persönlichen Gesichtsverlust fürchtet, weil er über das Thema nicht Bescheid weiß oder aber einen Gesichtsverlust Chinas vermeiden möchte, das – wie er vielleicht weiß – durch den Tiananmen-Vorfall stark an internationalem An70

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sehen eingebüßt hat, lässt sich allein aufgrund der Fallgeschichte nicht entscheiden. Am wahrscheinlichsten ist, dass er das Thema aus einem anderen Grund meidet. Zu d): Dies ist die beste Erklärung. Würde bekannt werden, dass Herr Chen seinen Schülern unerwünschtes Bildmaterial zeigt – und als solches würde der Film sicherlich eingestuft werden – hätte das für ihn sicherlich negative Konsequenzen. Es ist kein Geheimnis, dass die chinesische Regierung sich vorbehält, E-Mails, Post oder Blogeinträge zu kontrollieren und wenn nötig deren Veröffentlichung oder Versendung zu verhindern. Auch wenn Dozenten, die ausländische Studenten unterrichten, nicht mehr so stark kontrolliert werden wie noch vor wenigen Jahren, unterliegen sie doch als Hochschulangehörige der Kontrolle durch Vorgesetzte und Parteikader. Die Diskussion heikler Themen ist in einer so öffentlichen Situation wie dem Hochschulunterricht nicht möglich.

Was tun? Patricks Verhalten war eine Provokation, auf die Herr Chen erstaunlich gelassen reagiert. Politische Ansichten sowie Einstellungen zum Handeln der Regierung werden in China nur guten Freunden offenbart. Zu oft haben Chinesen in der Vergangenheit (und z.T. auch in der Gegenwart) die Erfahrung machen müssen, dass das Bekanntwerden ›falscher‹ Ansichten Karrieren behindern, Familien auseinanderreißen oder Schlimmeres bewirken konnte. In seiner offiziellen Funktion als Sprachdozent wird sich Herr Chen kaum auf kritische Diskussionen mit Studenten einlassen. Wenn Patrick tatsächlich daran interessiert ist zu erfahren, wie in China über den TiananmenVorfall gedacht wird, muss er anders vorgehen. Vertraute Freunde wird er im persönlichen Gespräch vielleicht zu einer Diskussion dieses Themas bringen können. Kommen politische Gespräche zustande, stellen deutsche Studierende oft verblüfft fest, dass in China über manche Themen völlig anders gedacht wird als in Deutschland. Kontroversen um den Status von Tibet oder Taiwan lassen sich dabei kaum je zu beiderseitiger Zufriedenheit auflösen. Dabei wird erfahrbar, dass Medienberichterstattung und Geschichtsschreibung stets bestimmten Sichtweisen und Interessen verpflichtet sind, und dass dies nicht nur für die chinesische, sondern auch für die deutsche Presse gilt. Im Ausland verändert sich auch der Blick auf das Heimatland und die dort geteilten ›Wahrheiten‹. Andererseits sind zahlreiche Vorfälle der jüngeren chinesischen Geschichte in China selbst noch kaum aufgearbeitet worden. Nicht nur der TiananmenVorfall, auch die Kulturrevolution oder andere Regierungskampagnen werden 71

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weder öffentlich, noch in den Familien oder unter Freunden diskutiert. In Taiwan hingegen hat in den letzten Jahren eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte eingesetzt, und zahlreiche Themen, die dort vor zwei Jahrzehnten Tabu waren, werden heute öffentlich kritisch diskutiert. Deutschen Studierenden, die begeistert politische Diskussionen führen, Kontroversen und Provokationen lieben, sei in China Zurückhaltung empfohlen. Sie werden nur wenige Gesprächspartner finden, die diese Begeisterung teilen, und viele, die verlegen das Thema wechseln.

Im Studentensekretariat Die Situation Als Justus noch einmal seinen Semesterablaufplan in die Hand nimmt, stellt er fest, dass er zum Tag der Zeugnisausgabe bereits nicht mehr in der Stadt sein wird. Er begibt sich also zum Büro für internationale Studierende und fragt dort, ob vielleicht sein Zeugnis ausnahmsweise zwei Tage früher ausgestellt werden könne. Die freundliche Sachbearbeiterin, Frau Ma, sagt, das sei kein Problem, er solle einfach zwei Tage früher vorbeikommen und sein Zeugnis abholen. Um ganz sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hat, fragt Justus noch einmal nach, aber als er sieht, dass Frau Ma sich den Termin sogar im Kalender notiert, ist er beruhigt. Zum verabredeten Termin geht Justus wieder zum Studentensekretariat, um sein Zertifikat abzuholen und ist froh, dass wieder Frau Ma anwesend ist, die ihn ja schon kennt. »Nein«, antwortet Frau Ma jedoch nun, das Zeugnis könne er nicht abholen, der Termin sei erst in zwei Tagen. Verblüfft erinnert Justus Frau Ma an ihr letztes Gespräch, doch plötzlich will sich seine Gesprächspartnerin an nichts erinnern. Sie habe ihm schon beim letzten Mal gesagt, dass der Termin feststehe und er sein Zeugnis nicht früher bekommen könne. In seiner Verzweiflung drängt Justus sie schließlich, ihren Terminkalender aufzuschlagen, in dem – da hat er sich nicht geirrt – sein Name für den heutigen Tag vermerkt ist. Kommentarlos schlägt Frau Ma den Kalender zu und wendet sich dem nächsten Studenten zu. Justus verlässt das Büro ohne Zeugnis und wundert sich über den Vorfall. Warum bekommt er erst eine positive Auskunft, wenn das Zeugnis doch gar nicht früher ausgestellt werden kann? Und warum wird er nach dem Blick in den Terminkalender einfach ignoriert und bekommt keine weitere Auskunft mehr?

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a) Frau Ma hat Justus’ Bitte vergessen und das Zeugnis ist nicht fertig. Da ihr dies peinlich ist, leugnet sie einfach die Zusage und schiebt die Schuld dem Studenten zu. Als Justus sie zwingt, den Kalender zu öffnen, wird ihr Versäumnis offensichtlich und sie verliert Gesicht. Die einzige Möglichkeit für sie ist nun, Justus gar nicht mehr zu beachten. Auf diese Weise beendet sie eine für sie unangenehme soziale Situation. b) Frau Ma war nicht bewusst, dass der frühere Abholtermin für Justus tatsächlich wichtig ist. Justus hatte seinem Anliegen nicht genügend Wichtigkeit verliehen, insbesondere war er nur ein einziges Mal im Büro, sodass Frau Ma dachte, dass sich die Angelegenheit für ihn erledigt hätte. c) Frau Ma weiß schon beim ersten Gespräch, dass das Zeugnis nicht vorzeitig ausgestellt werden kann. Sie möchte Justus jedoch nicht enttäuschen und sagt ihm den früheren Termin zu und hofft, dass er sich später als flexibel zeigen wird. d) Justus tritt sehr unfreundlich und fordernd auf. Frau Ma rächt sich dafür dadurch, dass sie behauptet, sein Zeugnis sei noch nicht fertig. Hätte sich Justus höflicher gezeigt, hätte er das Dokument problemlos erhalten.

Erläuterungen Zu a): Dafür, dass das Zeugnis nicht fertig ist, gibt es einen anderen Grund – Frau Ma hat es nicht einfach vergessen. Sekretärinnen arbeiten in der Regel zuverlässig, zudem stand es in ihrem Terminplaner. Gerade offizielle Dokumente sind für Studenten an den Universitäten sehr wichtig; es ist daher wenig wahrscheinlich, dass Frau Ma Justus’ Anliegen trotz des Eintrags im Terminkalender vergessen hat. Aber der zweite Teil der Erklärung trifft ins Schwarze: Der Eintrag im Terminkalender legt offen, dass sie tatsächlich die Zusage für die vorzeitige Ausstellung des Dokuments gegeben hat. Dennoch war Justus’ Beharren auf Öffnen des Kalenders unklug: Er hat auf diese Weise zwar recht behalten, aber sein eigentliches Ziel, die Ausstellung des Zeugnisses, nicht erreicht. Im Gegenteil, nachdem Frau Ma bloßgestellt ist, wird sie noch weniger bereit sein, Justus’ Bitte entgegenzukommen. Es wird jetzt für den Studenten viel schwieriger sein, sie dazu zu bewegen, über alternative Lösungsmöglichkeiten nachzudenken und ihm zu helfen. Zu b): Dies ist die beste Erklärung. Da Justus nur ein einziges Mal im Büro erscheint und sich danach nie wieder bei ihr vergewissert, dass alles seinen Gang geht, nimmt sie an, dass dem Studenten die Angelegenheit nicht be73

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sonders wichtig ist. In ihren Augen hat Justus seinem Anliegen zu wenig Nachdruck verliehen, sodass für sie die Dringlichkeit der Terminänderung nicht erkennbar war. Justus verlässt sich in dieser ›Sachangelegenheit‹ auf eine einmalige Absprache, die in Deutschland völlig ausreichend gewesen wäre – zumal sie schriftlich fixiert wurde. Im chinesischen Kontext ist es jedoch hilfreich (und manchmal notwendig), die Bedeutung eines Anliegens durch stetes Nachfragen, Wiederholen der Bitte und Kontrolle des Bearbeitungsfortschritts zu demonstrieren. Nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern generell, gilt: Wiederholung signalisiert Wichtigkeit. Umgekehrt bedeutet das Ausbleiben von Wiederholung in einer Situation, in der sie zu erwarten gewesen wäre, dass sich das Anliegen erledigt hat. Genau so hat Frau Ma die Situation interpretiert. Zu c): Diese Antwort ist falsch. Sollte das vorzeitige Ausstellen des Zeugnisses nicht möglich sein, würde eine zuständige Sachbearbeiterin im Büro für internationale Studierende nicht wissentlich eine falsche Auskunft geben. Zum Zeitpunkt des ersten Gesprächs hätte Frau Ma Justus einfach darüber informieren können, dass ein früherer Ausstellungstermin unmöglich oder schwierig ist. Zu d): Die Fallgeschichte gibt für diese Deutung keinen Anlass. Zwar ist es nicht auszuschließen, dass Justus’ Verhalten von Frau Ma als unfreundlich empfunden wurde, doch Anzeichen für Unhöflichkeit gibt es erst, als der Student darauf beharrt, sie möge ihren Kalender öffnen. Zum Zeitpunkt dieser Forderung hat Frau Ma aber schon längst gesagt, dass das Zeugnis nicht fertig sei – für eine Deutung als »Rache« spricht also nichts.

Was tun? Die Büros für internationale Studierende bemühen sich stets um Unterstützung der ausländischen Studierenden und versuchen, ihren Interessen möglichst entgegenzukommen. Dies zeigt sich auch an der freundlichen Zusage von Frau Ma, während der arbeitsintensiven Semesterendphase für eine vorzeitige Zeugnisausstellung zu sorgen. Justus hat rechtzeitig den ersten Schritt getan und sich bei Frau Ma nach der Möglichkeit einer Sonderregelung erkundigt. Allerdings hat er sich danach (irrtümlich) darauf verlassen, dass die einmalige Absprache ausreichen würde. Anscheinend wurde seiner Bitte jedoch weniger Bedeutung beigemessen als von ihm gehofft; er hätte mindestens ein weiteres Mal nachfragen müssen, denn in China verleiht man durch Wiederholung einem Anliegen Wichtigkeit. Kommt eine Person mehrmals wegen einer bestimmten Angelegenheit in ein Büro, weiß jeder, dass dieser Sachverhalt für die be74

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treffende Person wichtig ist. Um die Bedeutung der Bitte zu unterstreichen, ist es auch möglich, eine(n) chinesische(n) Bekannte(n) mitzunehmen, sodass Verständnisprobleme minimiert werden. Hilfreich ist auch, sich rechtzeitig über Alternativen Gedanken zu machen, falls der eigentlichen Bitte nicht entsprochen werden kann. Vielleicht wäre das Nachsenden des Zeugnisses ebenfalls möglich gewesen, und Justus hätte für diesen Fall einen bereits frankierten Umschlag mitbringen können. Da das Erfüllen seiner Bitte Frau Ma extra Arbeit verursacht, ist freundliches und höfliches Auftreten auf jeden Fall entscheidend.

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4. Freundsc haften

Kaffeegenuss mit Hindernissen Die Situation Julia und Sarah sind froh, schon bald nach ihrer Ankunft in Shanghai zwei nette Sprachpartnerinnen gefunden zu haben. Laiyin und Yanyan studieren Germanistik und sind im gleichen Alter wie die beiden Deutschen. Schon bald verstehen sich alle vier so gut, dass zusätzlich zu den Terminen, die dem Sprachenlernen gewidmet sind, gemeinsame Ausflüge unternommen werden. Heute ist das Quartett unterwegs zu einem gemeinsamen Einkaufsbummel. Als sie durch die Straßen schlendern, kommen sie am Lokal einer amerikanischen Kaffeehauskette vorbei. Begeistert schlagen Julia und Sarah, die seit ihrer Ankunft in Shanghai noch keinen ›richtigen‹ Kaffee getrunken haben, vor, einen Becher Kaffee mit auf den weiteren Weg zu nehmen. Am Kaffeetresen wählen die deutschen Studentinnen Cappuccino, während sich Laiyin und Yanyan, die etwas sorgenvoll ihr Geld zählen, für eine preiswertere Variante entscheiden. Wieder auf der Straße, bummeln die Vier gemütlich weiter, plaudern und trinken, und bald sind Sarahs und Julias Becher leer. Die Becher mit den schwarzen Kaffees der chinesischen Freundinnen hingegen leeren sich nicht. Bei jedem Schluck verziehen die jungen Frauen das Gesicht, sodass Sarah besorgt fragt, ob ihnen der Kaffee denn auch schmecke. »Doch, doch«, ist die Antwort, der Kaffee schmecke »sehr gut«. Dennoch haben die beiden Deutschen den Eindruck, dass sich ihre Sprachpartnerinnen nicht wohlfühlen. Da sagt Yanyan plötzlich völlig unvermittelt, sie und Laiyin hätten noch eine wichtige Aufgabe in der Bibliothek zu erledigen, beide verabschieden sich hastig und verschwinden im Gewühl. Warum suchen die beiden jungen Chinesinnen so plötzlich das Weite? 77

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a) Chinesen sind sehr unorganisiert. Voller Freude über den Ausflug haben Laiyin und Yanyan vergessen, dass sie noch Aufgaben zu erledigen haben. Als es ihnen wieder einfällt, planen sie rasch um und vertrauen auf die Flexibilität und das Verständnis der Deutschen. b) Laiyin und Yanyan trinken zum ersten Mal in ihrem Leben Kaffee und stellen fest, dass er ihnen nicht schmeckt und auch nicht gut bekommt. Als sie merken, dass ihnen das bittere Getränk auf den Magen schlägt, treten sie schnell den Rückzug an, ohne zuzugeben, dass es ihnen nicht gut geht. c) Laiyin und Yanyan sind vom vielen Umherlaufen und Deutsch sprechen müde geworden. Als ihre deutschen Sprachpartnerinnen selbst beim Café nicht haltmachen, sondern den Kaffee beim Weitergehen trinken, lassen sie sich eine Ausrede einfallen, um den anstrengenden Spaziergang zu beenden.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort ist nicht richtig. Zwar stimmt es, dass Chinesen sich häufig als äußerst spontan erweisen, und bisweilen erscheint die etwas lockere Planung deutschen Beobachtern als Zeichen von Desorganisation, doch gibt es für das Verhalten der beiden Chinesinnen in diesem Fall eine bessere Erklärung. Zu b): Dies ist die beste Erklärung. China ist ein Land von Teetrinkern und Kaffee ist nicht sehr weit verbreitet. In den Großstädten wird Kaffee vor allem in Lokalen der gehobenen Preisklasse angeboten, die häufig dem Stil der amerikanischen Coffeeshops nachempfunden sind. Kaffeegenuss ist den wohlhabenderen Schichten vorbehalten, und selbst der Kaffee der amerikanischen Kaffeehauskette, den Julia und Sarah so gerne trinken, ist für die meisten Chinesen unerschwinglich teuer. Laiyin und Yanyan hätten sich alleine nicht in das Café gewagt, aber die Begeisterung der beiden Deutschen und ihre Neugier auf neue Dinge haben sie mitgerissen. Da ihr Geld nur für die billigste Variante reicht, halten sie schließlich einen schwarzen Kaffee ohne Milch und Zucker in den Händen, der ihnen nicht schmeckt. Zugeben möchten sie das allerdings nicht, denn vor den fröhlich schwatzenden deutschen Studentinnen, die ihre Becher mit offensichtlichem Genuss leeren, möchten sie nicht als unwissende ›Landeier‹ dastehen, die das neumodische, prestigereiche Getränk nicht zu schätzen wissen. Wegwerfen möchte sie das Getränk vor den Augen der Sprachpartnerinnen auch nicht. Mit einer Ausrede

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FREUNDSCHAFTEN

entziehen sie sich schließlich der Situation, für die sie keine andere akzeptable Lösung finden. Zu c): Bestimmt machen das Umherlaufen und das Sprechen der Fremdsprache müde. Dies ist aber nicht der Grund für den hastigen Aufbruch der beiden Chinesinnen.

Was tun? Julia und Sarah bemerken nicht, in welche Situation sie Laiyin und Yanyan mit ihrem Kaffee-Vorschlag bringen. Dies betrifft nicht nur den Umstand, dass Kaffee für die beiden Chinesinnen ein fremdes, wenngleich reizvolles, Getränk ist, sondern auch deren eingeschränkte Finanzmittel. Während Julia und Sarah sich den teuren Kaffee ohne größeren Verzicht leisten können, reißt die Ausgabe bei Laiyin und Yanyan ein echtes Loch in den Geldbeutel. Die deutschen Studentinnen hätten ihre chinesischen Freundinnen nicht nur einladen, sondern bei der Auswahl des Kaffees auch beraten sollen. Schließlich ist Kaffee in den Augen der chinesischen Sprachpartnerinnen ein ›westliches‹ Getränk und das Kaffeehaus ein Ort ›westlicher‹ Kultur, an dem Julia und Sarah, nicht aber Laiyin und Yanyan zuhause sind. Eine süße Kaffee-Variante wäre vermutlich eine bessere Wahl gewesen als ein bitterer, schwarzer Kaffee. Von Kaffeegenuss kann für die beiden Chinesinnen nicht die Rede sein. Vielleicht sind Julia und Sarah noch nicht lange genug im Land, um erfahren zu haben, wie aufmerksam sich Chinesen um ihre deutschen Bekannten kümmern, wie umsichtig sie diese bei der Auswahl von Speisen und Getränken beraten und wie häufig sie darauf bestehen, die gemeinsame Rechnung zu begleichen. Der Kaffeehaus-Besuch wäre eine gute Gelegenheit gewesen, sich als ähnlich aufmerksam und großzügig zu zeigen. Den Kaffee hätte man dann vielleicht in aller Ruhe sitzend trinken sollen, denn der Besuch des Kaffeehauses allein war für die chinesischen Freundinnen vermutlich ein neues Erlebnis. Dass Julia und Sarah und Vorschlag machen, Kaffee zu kaufen, dann jedoch ihre Sprachpartnerinnen ihre Rechnung selbst bezahlen lassen, ist nach chinesischen Maßstäben unüblich.

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Der Sprachpartner Die Situation Nach ihrem Umzug von Beijing nach Dalian sucht Claudia in der neuen Stadt Freunde. Zugleich möchte sie ihre chinesischen Sprachkenntnisse weiter verbessern – eine Sprachpartnerschaft scheint ihr die ideale Lösung zu sein, um beide Wünsche zu erfüllen. Sie ist daher froh, als sie schon nach kurzer Zeit in einem Café mit Wang Kaiping, einem jungen Mann aus Dalian, ins Gespräch kommt. Da auch er Interesse daran hat, seine Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern, schlägt Claudia vor, sich gegenseitig beim Sprachenlernen zu helfen: Er könne ihr beim Chinesisch lernen helfen, sie würde mit ihm Englisch üben. Das erste Treffen, das in Claudias Zimmer stattfindet, verläuft in angenehmer Stimmung: Man sitzt eng beieinander und bespricht die Vorgehensweise beim Unterricht. Sie zeigt Kaiping ihre Lehrbücher, beide lesen sich gegenseitig Texte vor und sprechen neue Vokabeln durch. Auch das zweite Treffen macht Spaß. Ihr neuer Sprachpartner hat viele Fragen zu ihrem Leben in China und Deutschland und zeigt an allem Interesse, was sie erzählt. Sie berichtet von ihrer Arbeit, ihrem Freund und lustigen Begebenheiten mit Bekannten. Auch er erzählt von seinem Leben und seiner Arbeit als Büroangestellter in Dalian. Die Zeit vergeht wie im Fluge, und Claudia schlägt vor, sich künftig zweimal die Woche zu treffen, um mit dem Lernen schneller voranzukommen. Wang Kaiping stimmt zu und sie verabreden, sich künftig jeden Dienstag- und Freitagabend zu treffen. Claudia ist froh, einen so netten und engagierten Sprachpartner gefunden zu haben und bereitet sich sorgfältig auf die nächste Stunde vor, die für den kommenden Dienstag geplant ist. Allerdings wartet sie am Dienstag vergeblich. Wang Kaiping kommt nicht zu dem Treffen, antwortet nicht auf ihre E-Mails und meldet sich nie wieder bei Claudia. Warum bricht Wang Kaiping ohne Erklärung jeden Kontakt ab? a) Seine Eltern haben von den Treffen erfahren und Wang Kaiping verboten, Claudia weiter zu treffen. Sie fürchten, dass der Kontakt des Sohnes zu einer westlichen Ausländerin das Ansehen der Familie beschädigt. Da die Familienbindungen in China eng sind und die konfuzianische Tradition gebietet, auch als erwachsener Sohn auf die Eltern zu hören, bricht Wang Kaiping den Kontakt ab. b) Wang Kaiping merkt während der ersten zwei Treffen, dass Claudias Englischkenntnisse nicht so gut sind, wie er dachte. Ihr dies offen zu 80

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sagen, ist ihm allerdings peinlich – dies würde Claudia nur unnötig Gesicht nehmen. Lieber bricht er den Kontakt ab und signalisiert dadurch seine Unzufriedenheit mit der Lernsituation. c) Wang Kaiping hat gerade seine Arbeitsstelle gewechselt und muss sehr viel arbeiten. Er weiß schon beim zweiten Treffen, dass er keine Zeit haben wird, Claudia weiterhin zu treffen, hat jedoch ein schlechtes Gewissen, sie nun einfach im Stich zu lassen. Er weiß einfach nicht, wie er ihr die Nachricht beibringen soll, und beschließt deshalb, weiterem Kontakt einfach aus dem Weg zu gehen. d) Als Wang Kaiping von Claudia hört, dass sie in Deutschland einen festen Freund hat, ist er sehr überrascht. Bis dahin dachte er, dass Claudia an einem engeren Kontakt zu ihm interessiert sei; schließlich hatte sie vorgeschlagen, sich allein mit ihm zu treffen und ihn in ihr Zimmer eingeladen. Aus Enttäuschung, Scham und auch, um weitere Missverständnisse zu vermeiden, bricht er den Kontakt ab.

Erläuterungen Zu a): Diese Erklärung ist wenig wahrscheinlich. Insbesondere in Großstädten sind nicht nur junge Leute, sondern auch Angehörige der älteren Generationen westlichen Ausländern gegenüber aufgeschlossen. In der Regel werden Freundschaften zu Europäern wohlwollend gesehen und gelten keinesfalls als rufschädigend. Mit Einwänden der Eltern ist eher zu rechnen, wenn ihre Kinder eine feste Partnerschaft mit einem Ausländer eingehen – vor allem, wenn es sich dabei um die Tochter handelt, die womöglich die Absicht hat, einen ausländischen Partner zu heiraten. Die Sorge gilt aber auch in diesem Fall nicht dem Ansehen, sondern dem Wohl der Tochter und besteht vor allem in der Befürchtung, diese werde ihren künftigen Ehemann in dessen fernes Heimatland begleiten und die Eltern selten besuchen können. Im vorliegenden Fall gehen diese Überlegungen jedoch zu weit. Vielmehr ist es sowohl unwahrscheinlich, dass Wang Kaiping seinen Eltern von den Treffen mit Claudia erzählt, als auch, dass diese Einwände gegen die Sprachpartnerschaft hätten. Zu b): Aufgrund der Umstände des Kennenlernens darf vermutet werden, dass Wang Kaiping Claudia nicht vorrangig wegen ihrer Englischkenntnisse trifft. Vermutlich spielen Neugier und Interesse an ihr mindestens eine ebenso große Rolle wie der Wunsch, sein Englisch zu verbessern. Claudias Sprachkenntnisse müssten schon sehr schlecht sein, um ihn zu verschrecken – und dies wäre wohl schon während des Kennenlerngesprächs passiert. Allerdings 81

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trifft zu, dass viele Chinesen sich scheuen, Kritik offen zu äußern. Wären die schlechten Englischkenntnisse der Grund gewesen, hätte Wang Kaiping vermutlich auf weitere Treffen verzichtet, ohne den Grund dafür anzugeben. Zu c): Diese Erklärung ist unwahrscheinlich. Auch eine neue Arbeitsstelle, die viele Überstunden verlangt, würde gelegentliche Treffen ermöglichen, wenn Wang Kaiping denn an ihnen interessiert ist. Auch erklärt Zeitmangel allein nicht, warum er jede Form des Kontakts, also z.B. auch Telefonate und den Austausch von E-Mails, abbricht. Die Abruptheit des Kontaktabbruchs lässt auf eine andere Erklärung schließen. Zu d): Dies ist die beste Antwort. Aus chinesischer Sicht legt der Verlauf der Interaktion den Schluss nahe, dass Claudia sich für Wang Kaiping als Mann interessiert: Sie spricht ihn an, schlägt ein Treffen in ihrem Zimmer vor, bei dem beide ganz alleine eng beieinandersitzen, und sie initiiert das zweite Treffen. Wang Kaiping denkt deshalb, dass ihr der Unterricht nur als Vorwand dient, um ihn zu sehen. Genau dies wäre nämlich eine übliche Vorgehensweise, wollte man einen engeren Kontakt anbahnen – selbst dann jedoch wäre ein erstes Treffen in der intimen Atmosphäre des eigenen Zimmers ohne Beisein weiterer Personen eine recht unübliche (da ›eindeutige‹) Wahl. Anders als in Deutschland besitzen Treffen zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau in China fast immer den Charakter eines ›Dates‹. Dies gilt nicht nur für Treffen in privaten Räumen, sondern auch für Verabredungen an öffentlichen Orten, die nur zu zweit aufgesucht werden.

Was tun? Der sicherste Weg, solchen Missverständnissen vorzubeugen, ist, bei gegengeschlechtlichen Bekannten ein Treffen zu zweit zu vermeiden. Zu dem Missverständnis trägt wohl auch bei, dass Kaiping kein Student mehr ist, sodass das Eingehen einer Sprachpartnerschaft für ihn nicht aufgrund seines Studiums naheliegt. So ist zu vermuten, dass für ihn von Anfang an der wechselseitige Sprachunterricht nicht im Vordergrund steht. Claudia berücksichtigt bei der Anbahnung des Kontakts seine Situation nicht: Weder macht sie sich Gedanken über seine Motive noch über seine Interpretationen ihres Verhaltens. Zur Suche eines Sprachpartners sind zudem Cafés weniger geeignet als andere Orte, wie zum Beispiel die Aushangbretter der Sprachinstitute an den Universitäten. Um den Eindruck, man sei an einem ›Date‹ interessiert, zu zerstreuen, reicht es übrigens nicht, ausschließlich Treffen unter vier Augen zu vermeiden. Auch wenn die Freundin bei gemeinsamen Unternehmungen stets 82

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dabei ist, lässt das einen Rückschluss auf romantische Interessen zu: Genau so würde nämlich ein chinesisches Paar sich kennenlernen, das Anstand wahren und Gerede vermeiden möchte. Die Anwesenheit der Freundin wäre dann nicht mehr als die Begleitung durch eine ›Anstandsdame‹ – die deutsche Studentin, die Missverständnisse vermeiden will, sollte sich in ihrem Verhalten hierauf einstellen.

N o c h k e i n e Ab r e i s e Die Situation Auf einer Reise durch China lernt Hanna Xiaoyan, eine fröhliche Studentin gleichen Alters, kennen. Sie verstehen sich gut miteinander und tauschen Adressen und Telefonnummern aus. Xiaoyan erzählt Hanna, dass sie viele ausländische Freunde habe und sehr weltoffen sei. Sie wünsche sich einen ausländischen Freund und bittet Hanna sogar lachend, ihr gelegentlich einige ihrer deutschen Bekannten vorzustellen. Da Hanna an ihrem nächsten Reiseziel noch keine Unterkunft gebucht hat, bietet Xiaoyan ihr an, bei ihrer Familie zu übernachten, die in diesem Ort wohnt. Hanna freut sich über das Angebot, lehnt aber aus Höflichkeit ab. Xiaoyan besteht jedoch auf der Einladung und fährt kurzerhand gemeinsam mit ihrer neuen deutschen Freundin zur Wohnung ihrer Familie. Auf die Frage, wie lange Hanna bleiben möchte, antwortet diese, sie habe vor, am nächsten Tag weiterzureisen. Am Abend lernt Hanna Xiaoyans Familie kennen und wird herzlich empfangen. Am nächsten Tag möchte Hanna eine Zugfahrkarte für die Weiterfahrt kaufen, doch es kommt anders als geplant. Xiaoyan schlägt einen gemeinsamen Einkaufsbummel vor, und obwohl Hanna keine Lust dazu hat, einen Tag mit Einkäufen zu verbringen, sagt sie doch aus Höflichkeit zu. Unterwegs, so hofft sie, werde sie gleich ihr Zugticket kaufen können. Xiaoyan geht mit Hanna in unzählige Geschäfte und schlendert mit ihr über verschiedene Märkte. Sie nimmt Hanna an die Hand und ist sichtlich stolz, mit ihr gesehen zu werden. Fragen Passanten nach ihrer ausländischen Begleiterin, antwortet Xiaoyan: »Das ist meine kleine Schwester aus Deutschland.« Hanna fühlt sich eher unbehaglich. Auch macht sie sich Sorgen, wann sie endlich ihre Zugfahrkarte werde kaufen können. »Später«, antwortet Xiaoyan immer wieder auf ihre Frage nach dem nächsten Fahrkartenschalter und beruhigt sie, es sei noch genügend Zeit. Xiaoyan kauft Hanna ein kleines Geschenk, und als es Abend wird, gehen die beiden in ein Restaurant. Wieder fragt Hanna nach dem Fahrkarten-

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schalter und hört nun von ihrer chinesischen Freundin, dass alle Schalter bereits geschlossen seien und man bis zum nächsten Tag warten müsse. Nach dem Essen sagt Xiaoyan, dass sie sich wünsche, Hanna möge wenigstens noch einen weiteren Tag bleiben, sodass sie sie am nächsten Abend all ihren Freunden vorstellen könne. Hanna möchte nicht unhöflich sein und ablehnen, aber sie sagt, dass sie am nächsten Tag wirklich weiterfahren möchte. Daraufhin fragt Xiaoyan gekränkt: »Gefällt es dir etwa nicht bei mir? Ich möchte wirklich, dass du noch bleibst.« Warum ist Xiaoyan von Hannas Abreisewunsch enttäuscht? Warum versucht sie, Hanna von der Weiterreise abzuhalten? a) Xiaoyan möchte Hanna unbedingt ihren Freunden vorstellen und ihnen dadurch zeigen, wie weltoffen und kontaktfreudig sie ist. Sie genießt die Aufmerksamkeit, die sie von ihren Freunden und von Fremden bekommt, wenn sie mit einer Europäerin durch die Straßen läuft. Hanna kann also auf keinen Fall abreisen, bevor sie nicht Xiaoyans Freunde getroffen hat. b) Xiaoyan und ihre Familie freuen sich über den ausländischen Gast und bemühen sich nach allen Regeln chinesischer Gastfreundschaft, für Hannas Wohl zu sorgen. Als Hanna sagt, dass sie plant, weiterzureisen, empfindet Xiaoyan dies als eine Nichtwürdigung ihrer Gastfreundschaft und ihrer Bereitschaft, eine Fremde bei sich aufzunehmen. In ihren Augen hätte sich Hanna dankbarer verhalten müssen. c) Aus chinesischer Sicht steckt hinter einer Leistung immer auch die Hoffnung auf eine Gegenleistung. Xiaoyan möchte die Chance nutzen und über Hanna tatsächlich einen ausländischen Freund kennenlernen. Sie investiert in die Freundschaft, um später einen Gefallen erbitten zu können, und wünscht sich deshalb, dass Hanna noch länger bleibt. d) Für Xiaoyan ist es etwas Besonderes, eine Deutsche kennenzulernen. Sie möchte eine enge Freundschaft zu Hanna aufbauen, weshalb sie ihr auch ein Geschenk kauft. Da Hanna den Wunsch äußert, weiterzureisen, bekommt Xiaoyan das Gefühl, dass sie nicht ebenso an einer Freundschaft interessiert sei, und ist deshalb enttäuscht.

Erläuterungen Zu a): Diese Erklärung spielt möglicherweise eine Rolle, ist aber nicht die beste Erklärung. Die Freundschaft zu einem westlichen Ausländer signalisiert nach außen Weltoffenheit und internationale Gewandtheit und erhöht deshalb 84

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den eigenen Status. Aus diesem Grund genießt Xiaoyan auch die Aufmerksamkeit der Passanten, die ihre ausländische Begleiterin bemerken. Besonders, wenn Xiaoyan mit Hanna Englisch spricht, trägt dies zu ihrem Ansehen bei – meistert sie doch die schwierige Kommunikation mit einer fremden Europäerin. Es ist deshalb denkbar, dass sie auch in ihrem Freundeskreis mit der deutschen Freundin Eindruck machen will. Stünde dieser Aspekt im Vordergrund, hätte Xiaoyan jedoch bereits den ersten Tag dafür genutzt, Hanna allen ihren Freunden vorzustellen. Dass sie sich wünscht, Hanna möge noch länger bleiben, hat also vor allem andere Gründe. Zu b): Diese Antwort trifft in hohem Maße zu. Gastfreundschaft spielt in der chinesischen Tradition und Etikette eine herausragende Rolle. Chinesen sehen es als ihre Pflicht an, einen Gast herzlich zu empfangen und zu umsorgen, um ihm den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Als Hanna ihren Abreisewunsch äußert, deutet Xiaoyan dies als Hinweis darauf, dass sie sich bei ihrer Familie nicht wohlfühlt. Sie fragt Hanna deshalb, ob es ihr bei ihrer Familie nicht gefalle. Xiaoyan ist enttäuscht, dass Hanna trotz der großen Mühen ihrer Familie offenbar nicht bereit ist, Xiaoyan und ihrer Familie ein wenig mehr Zeit zu widmen. Zu c): Es stimmt, dass in China eine Leistung oft eine Gegenleistung erfordert. Der Weg zum Ziel führt deshalb häufig über ein Geschenk: Nimmt der andere das Geschenk oder den Gefallen an, so kann man selbst einen Gefallen von dieser Person erwarten. Doch auch wenn das Geben von Geschenken bisweilen instrumentellen Charakter besitzt, stellt es doch viel häufiger die Bekräftigung einer (guten) Beziehung dar: Man schenkt aus Freude, um der anderen Person einen Wunsch zu erfüllen und um die Freundschaft zu erhalten. Eine gute Freundschaft zeichnet sich durch Gegenseitigkeit aus, also auch durch gegenseitiges Schenken und Gewähren von Gefallen. Es ist durchaus möglich, dass Xiaoyan Hanna so freundlich aufnimmt, um in naher oder ferner Zukunft von ihr einen Gefallen ›einzufordern‹. Der Hinweis, sie wünsche sich einen ausländischen Freund und Hanna möge gelegentlich Kontakt herstellen, deutet darauf hin, dass Xiaoyan eigene Ziele mit der Freundschaft zu Hanna verfolgt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass diese Ziele zum Zeitpunkt des Kennenlernens und der Einladung im Vordergrund stehen. Im Übrigen ist eine generelle Nützlichkeitserwägung beim Anknüpfen von Freundschaften weder unüblich, noch moralisch anstößig. Sie steht dem Eingehen einer ›echten‹ Freundschaft aus chinesischer Sicht auch gar nicht im Wege. Xiaoyans Enttäuschung über die frühe Abreise legt jedoch nahe, dass andere Gründe eine wichtigere Rolle spielen. Eine andere Antwort trifft den Kern der Sache besser. 85

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Zu d): Diese Antwort trifft ebenfalls zu. Xiaoyan ist mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer dauerhaften Freundschaft mit Hanna interessiert. Dies äußert sich darin, dass sie Hanna in ihrer Familie aufnimmt und ihr ein kleines Geschenk macht. Aus diesem Grund wünscht sie sich, dass Hanna noch länger bleibt. Als Hanna sagt, dass sie weiterreisen möchte, wertet Xiaoyan dies als Hinweis darauf, dass Hanna der Reise eine höhere Bedeutung zuschreibt als ihrer Freundschaft, und ist dementsprechend enttäuscht. Aus chinesischer Sicht ist es für das Bestehen einer Freundschaft von zentraler Bedeutung, die Beziehung aufzubauen und zu pflegen. Wenn man an einer Freundschaft interessiert ist, sollte man deshalb dem anderen stets signalisieren, dass einem die Person wichtig ist. In den Augen Xiaoyans hat Hanna ihr zu erkennen gegeben, dass sie nicht an einer dauerhaften Freundschaft interessiert ist.

Was tun? In dieser Situation ist abzuwägen, inwieweit die Beziehung zu einer Freundschaft ausgebaut werden soll. Es kann Gründe geben, die gegen die Intensivierung der Beziehung sprechen, zum Beispiel wenn man sich konstant unbehaglich fühlt oder wenn man das Gefühl hat, der andere sei in der Beziehung zu sehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Sollte dies jedoch nicht zutreffen und wünscht man sich eine Freundschaft, ist es aus chinesischer Sicht normal, die Weiterreise zu verschieben und stattdessen der Freundschaft Vorrang zu geben. Wenn dies mit den eigenen Plänen nicht vereinbar ist, kann man nach Alternativen suchen, um der Bedeutung der Freundschaft Ausdruck zu verleihen. Der Abreisewunsch ist zudem leichter zu verstehen, wenn man Gründe nennt, die die Abreise dringend erfordern, und erklärt, dass man es sehr bedauere, nicht länger bleiben zu können. Eine Notlüge ist dabei aus chinesischer Sicht nicht verwerflich, da sie die Beziehung aufrechterhält und niemandem schadet. Die unkommentierte Aussage »ich möchte abreisen« wirkt hingegen abweisend und unangemessen kühl. Sie kann durchaus als Undankbarkeit oder Desinteresse gewertet werden. Wenn man die Freundschaft nicht durch das Verschieben der Reise betont, kann man die Wichtigkeit der Beziehung zum Beispiel auch durch Geschenke, ausdrückliche Freude am Zusammensein, durch Gegeneinladungen oder auf andere Weise ausdrücken. Bedenken sollte man schließlich auch, dass der Wunsch, man möge länger bleiben, auch dann nachdrücklich geäußert wird, wenn die Familie gar keine Zeit, keinen Platz oder andere Pläne hat. Dennoch ist eine solche Äußerung auch dann nicht ›leere Höflichkeit‹: Der geäußerte Herzenswunsch mag ebenso echt sein wie die Zuneigung und Freude über die Begegnung. Allerdings weiß bei einer echten Freundschaft der Hörer die Botschaft richtig 86

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einzuschätzen, denn er ist über die Situation des Sprechers informiert. Sollte das Aufschieben der Abreise den Freund und seine Familie in Bedrängnis bringen, ist es nun an ihm, die Herzlichkeit der Einladung zu würdigen und zu erwidern und zugleich das Angebot abzulehnen. In diesem Fall zeigt dann die (von beiden laut bedauerte) Abreise die ›echte‹ Freundschaft.

E i n m i s s g l ü c k t e r Au s f l u g Die Situation Am Wochenende wollen Tom und seine chinesischen Freunde einen Ausflug zur Heimatstadt eines Kommilitonen machen. Zu diesem Ausflug lädt er auch seinen deutschen Klassenkameraden Horst und seine chinesische Bekannte Xiao Zhu ein. Tom hat Xiao Zhu schon vor seiner Abreise nach China kennengelernt – der Kontakt kam über das Internet zustande, und seit Tom in Qingdao studiert, haben sie sich schon einige Male getroffen. Allerdings ist Xiao Zhu eine eher schüchterne, junge Studentin, die nur selten ausgeht und wenig spricht. Tom hält deshalb den Ausflug für eine gute Gelegenheit, um in entspannter Atmosphäre Xiao Zhu etwas besser kennenzulernen. Am Ausflugstag fühlt Tom sich jedoch nicht gut. Ihm ist schwindlig und übel, er hat keinen Appetit. Da er sich aber schon lange auf die Gelegenheit gefreut hat, einen Tag mit Xiao Zhu zu verbringen, kommt eine Absage nicht infrage. Er packt seinen Rucksack und fährt mit aufs Land. Damit sich seine Freunde nicht über seine ungesunde Gesichtsfarbe wundern, erklärt er ihnen, dass er eine Magenverstimmung und nur wenig Appetit habe und deshalb nicht viel essen werde. Ansonsten versucht er aber, sich nichts anmerken zu lassen und unterhält sich mit seinen Freunden wie immer. Überrascht beobachtet er, dass Xiao Zhu, die er nur als eher einsilbige Gesprächspartnerin kennt, sich angeregt mit Horst unterhält. Die beiden lachen viel, und Xiao Zhu macht einen entspannten und fröhlichen Eindruck. Auch beim Abendessen, später am Tag, sitzt Xiao Zhu neben seinem Freund und unterhält sich gut, während Tom ohne rechten Appetit im Essen stochert und hofft, dass sich alle bald zum Schlafen zurückziehen. Am nächsten Morgen setzt sich Xiao Zhu an seinen Tisch und packt verschiedene Sachen aus, die sie für das Frühstück eingekauft hat. Sie fragt, ob es Tom besser gehe und beobachtet besorgt, dass er auch von dem Frühstück wieder kaum etwas isst. Alles in allem jedoch kann Toms Magenverstimmung weder ihm, noch seinen Freunden, die Laune verderben; alle haben viel Spaß und fahren abends zufrieden nach Hause. Allerdings fragt sich Tom ein paar Tage später, ob er nicht doch etwas falsch gemacht hat. Als er Xiao Zhu das nächste Mal begegnet, verhält sie 87

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sich abweisend und bleibt nur kurz. Als sie auch beim nächsten Treffen sehr kurz angebunden ist, fragt Tom, was los sei. Habe er sie auf irgendeine Weise gekränkt? Xiao Zhu kräuselt die Lippen und schweigt. Doch dann bricht es in vorwurfsvollem Ton aus ihr heraus: Er habe ihr Essen abgelehnt, obwohl sie das Frühstück extra für ihn besorgt habe! Sie habe sich Sorgen um ihn gemacht, weil er krank gewesen sei. So habe sie sich während des Ausflugs bemüht, ihm nicht zur Last zu fallen und ihm seine Ruhe zu lassen. Doch er habe ihre Mühe gar nicht gewürdigt. Immerhin sei Horst höflicher gewesen, er habe alles mit Genuss gegessen. Tom wundert sich: Er erinnert sich gut daran, dass das Frühstück keineswegs allein in Horsts Magen landete – vielmehr aßen alle Freunde gemeinsam davon. Wieso ist Xiao Zhu gekränkt, dass er das von ihr besorgte Frühstück nicht gegessen hat? Und wieso ist dies ein Grund für eine nachhaltige Abkühlung ihrer Freundschaft? a) Die Erklärung, dass Tom krank sei, wird von Xiao Zhu und den anderen chinesischen Freunden nicht akzeptiert. Hinter seiner Weigerung, mit ihnen zu essen vermuten sie andere Gründe. Als er das extra für ihn gekaufte Frühstück nicht isst, fühlt Xiao Zhu sich persönlich zurückgewiesen. Tom hätte aus Höflichkeit zumindest ein wenig essen müssen. b) Dass Tom das Frühstück nicht gegessen hat, ist nicht der eigentliche Kritikpunkt. Xiao Zhu bringt vielmehr auf indirekte Weise zum Ausdruck, dass Tom sich unhöflich und unverantwortlich verhalten hat, als er trotz Krankheit am Ausflug teilnahm. Chinesen sind traditionell sehr gesundheitsbewusst und würden ihre Freunde nie einem Ansteckungsrisiko aussetzen. Aus Furcht vor Ansteckung wahren Xiao Zhu und die anderen Freunde während des Ausfluges so diskret wie möglich Abstand. c) Mit ihrem abweisenden Verhalten und der wortreichen Anklage macht Xiao Zhu Tom eine Szene; die von ihr vorgebrachten Gründe sind vorgeschoben. Sie versucht auf diese Weise davon abzulenken, dass sie Horst attraktiver findet als Tom – dies ist der wesentliche Grund dafür, dass sie während des Ausflugs die meiste Zeit mit Horst verbracht hat. d) Das Anbieten eines Frühstücks besitzt in China eine besondere Bedeutung: Es symbolisiert Vertrautheit und enge Verbundenheit. Xiao Zhu signalisiert Tom auf diese Weise ihre Zuneigung und ihr besonderes Interesse an ihm. Das Zurückweisen des Frühstücks ist für Xiao Zhu ein deutliches Signal, dass Tom an der Vertiefung einer Beziehung zu ihr 88

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nicht interessiert ist. Die Abkühlung ihrer Freundschaft resultiert aus diesem Missverständnis.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft nicht zu. Zwar ziehen Chinesen immer auch andere Gründe als die von Personen explizit benannten in Betracht, doch gibt es aus chinesischer Sicht in diesem Fall keine plausible Alternativerklärung: Nur echte Krankheit kann der Grund dafür sein, sich ein gemeinsames Essen mit Freunden entgehen zu lassen. Da die meisten der mitgereisten Freunde mit eigenen Magenverstimmungen schon Erfahrung gemacht haben dürften, wenden sie sich Tom verständnisvoll und mit Mitgefühl zu. Dass er keinen Appetit hat, weckt eher Mitleid als Vorwürfe. Wenn sie ihn dennoch drängen, ein bisschen zu essen, versuchen sie vor allem, ihm wenigstens einen Teil des Genusses zu ermöglichen und auch, ihn bei Kräften zu halten. Bestimmt macht es ihnen Freude zu sehen, dass er isst und die gute Stimmung teilt, doch wird seine Ablehnung von niemandem als Zurückweisung empfunden. Zu b): Auch diese Antwort trifft nicht zu. Natürlich versuchen auch Chinesen, sich vor Ansteckung zu schützen, doch zählt eine Magenverstimmung nicht gerade zu den hoch ansteckenden oder gefährlichen Erkrankungen. Toms Krankheit ist für die mitreisenden Freunde eher ein Grund, ihn besonders fürsorglich zu behandeln. Da er sich aber abgesehen von seiner Appetitlosigkeit wie immer verhält, spielt der Umstand, dass Tom krank ist, auf dem Ausflug insgesamt keine große Rolle. Dass sich Xiao Zhu während des Ausflugs und auch danach von Tom fernhält, hat andere Gründe. Zu c): Dies ist die beste Erklärung. Xiao Zhu hat sich auf dem Ausflug mit Horst sehr wohl gefühlt und deshalb mehr Zeit mit ihm verbracht als mit Tom, der sie ja zu dem gemeinsamen Wochenende überhaupt eingeladen hat. Ihr theatralischer Ausbruch dient nicht nur dazu, von ihrem wenig loyalen Verhalten abzulenken, sondern testet auch Toms Interesse an der Beziehung zu ihr. Mit ihren fadenscheinigen Vorwürfen eröffnet sie ein BeziehungsSpiel, das junge chinesische Frauen häufig perfekt beherrschen: Ihre anklagende Vorlage – die ganz en passant den Konkurrenten Horst ins Spiel bringt – könnte Tom nun mit wortreichen Entschuldigungen parieren; er könnte ihren aufopferungsvollen Einsatz rühmen und seine Zuneigung zu ihr beschwören. Was Xiao Zhu hier praktiziert, hat in China einen Namen: »sajiao«, was so viel bedeutet wie ›die Kokette spielen‹, ›Schmollen, um einen Mann unter Druck zu setzen‹ oder ›die kalte Schulter zeigen, um ihn zu Liebesschwüren zu bewegen‹. Sajiao ist ein Mittel, um fräuleinhaft den eigenen Willen durchzusetzen und wird von Chen (2001) treffend charak89

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terisiert als »eine Form von weiblichem Psychoterror, die eher einen Stein als eine andere Frau erweichen würde, aber bei Männern Wunder wirkt« (S. 159). Da Tom sich jedoch auf den Inhalt ihrer Argumente konzentriert, bleibt die Methode bei ihm wirkungslos: Angesichts der Bemühung zu verstehen, was falsch daran war, das Frühstück nicht gegessen zu haben, verpasst er den ansteigenden Tonfall, den Schmollmund und die runden Augen, die in China jungen Frauen häufig treffsicher dazu verhelfen, ihre Ziele zu erreichen. Im geschilderten Fall sind jedoch Zweifel berechtigt, ob Xiao Zhu dieses ›Beziehungsspiel‹ mit tieferer Absicht spielt. Ihr Verhalten vor, während und auch nach dem Ausflug vermittelt den Eindruck, dass sie an einer tiefer gehenden Beziehung zu Tom nicht interessiert ist. Dass ihre Zurückhaltung nicht reine Schüchternheit ist, zeigt sich während des Ausflugs, denn mit Horst unterhält sie sich offenkundig sehr lebhaft. Für Tom bleibt nach dem gemeinsamen Ausflug und Xiao Zhus anklagendem Ausflug das vage Gefühl, dass die Freundschaft beschädigt ist, ohne dass er so recht versteht, warum. Er bricht den Kontakt deshalb nach einem weiteren Treffen ab. Zu d): Eine solche symbolische Bedeutung des Frühstücks gibt es nicht. Dass sich Xiao Zhu um Toms Frühstück kümmert, ist nett, geht aber nicht über einen normalen ›Freundschaftsdienst‹ hinaus. Entsprechend kommt auch dem Zurückweisen des Frühstücks keine tiefer gehende Bedeutung zu. Zwar mag Xiao Zhu enttäuscht sein, dass ihre Mühe umsonst war, doch wird sie problemlos den Grund darin erkennen, dass Toms Magen noch nicht wiederhergestellt ist. Dass dieser Vorfall zum Abkühlen der Freundschaft führt, ist unwahrscheinlich.

Was tun? Zunächst ist festzuhalten: Mit seiner Entscheidung, trotz Magenverstimmung am Ausflug teilzunehmen, macht Tom nichts falsch. Auch seine Ablehnung des Essens ist prinzipiell unproblematisch – obwohl sie dem allgemeinen Wunsch nach Gemeinschaft entgegensteht, wird doch jeder verstehen, dass nicht böser Wille, sondern ein empfindlicher Magen hierfür der Grund ist. Die eigentliche Problematik der Situation besteht also nicht – wie Tom annimmt – in seinem Essverhalten, sondern betrifft ausschließlich die Beziehung zwischen Xiao Zhu und ihm. Die Frage, wie Tom sich Xiao Zhu gegenüber am besten verhält, hängt ganz davon ab, wie er zu der chinesischen Freundin steht. Wenn er an einer Vertiefung der Freundschaft interessiert ist, wird er sich zumindest auf einige Spielregeln chinesischer ›Zwischen-Geschlechter-Kommunikation‹ einstellen müssen. Diese resultieren u.a. aus den Geschlechter-Rollen, die etwas anders ausfallen in Deutschland. (Es sei daran erinnert, dass hier wie dort Ge90

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schlechter-Rollen Verhaltensspielraum bieten, individuell verschieden ausgefüllt und von manchen auch vehement abgelehnt werden.) Junge chinesische Frauen pflegen häufig ein ›unschuldiges‹, ›niedliches‹ und ›kindliches‹ Auftreten, und wählen gerne Accessoires, die diese ›Niedlichkeit‹ unterstreichen: Comicfiguren, »Hello Kitty«-Produkte, Plüschtiere. Bei der Männerwelt kommt das gut an, und deutsche Studentinnen beobachten bisweilen verblüfft, dass sich ihre im Allgemeinen recht selbstbewusste chinesische Freundin Männern gegenüber aufführt wie ein hilfsbedürftiges Rehlein. ›Niedlichkeit‹ im Auftreten darf jedoch nicht mit Willensschwäche verwechselt werden; äußerlich demonstrierte Anschmiegsamkeit hat mit Entscheidungsschwäche nichts zu tun. Von Männern hingegen wird erwartet, Frauen gegenüber in die Rolle des Beschützers und Kavaliers zu schlüpfen. Ihre Hilflosigkeit gibt ihm die Chance sich zu bewähren, ihr Schmollen ist ihm Anlass zu Entschuldigung, Geschenken und Aufmunterung und ihren Vorwürfen begegnet er durch zerknirschtes Akzeptieren der Schuld. Gehen beide zusammen aus, trägt er ihre Handtasche, ggf. auch den Regenschirm und zahlt die gemeinsame Rechnung. Tom hat also die Möglichkeit, sich für sein ›Vergehen‹ lautstark zu entschuldigen und zu versuchen, sein Fehlverhalten durch besondere Anstrengung wieder gut zu machen. Tut er dies nicht, ist dies für Xiao Zhu ein Anzeichen dafür, dass er an ihr nicht wirklich interessiert ist. Betrachtet Tom Xiao Zhu vorrangig als gute Freundin, könnte er auch den Hinweis auf Horst aufgreifen und versuchen, den beiden Freunden weitere Möglichkeiten zum Kennenlernen einzuräumen.

Hand in Hand Die Situation Es ist Samstagnachmittag und Katharina hat sich mit ihrer neuen Freundin Zhang Wei zum Stadtbummel verabredet. Die beiden streifen fröhlich durch verschiedene Geschäfte und kommen schließlich an eine große Kreuzung. Auf den vierspurigen Straßen sind Autos, Busse, Mopeds, Fahrräder und andere Gefährte unterwegs, und selbst als die Fußgängerampel auf Grün springt, kreuzen Linksabbieger und andere Fahrer rücksichtslos den Fußgängerüberweg. Will man heil über die Straße gelangen, behält man die vielen Fahrzeuge besser sorgfältig im Blick! Trotzdem wundert sich Katharina, als Zhang Wei nun ihre Hand nimmt und sie über die Straße führt. Sie ist doch kein kleines Kind! Auch beim weiteren Stadtbummel schiebt Zhang Wei häufig ihren Arm unter den ihrer deutschen Freundin, um sie hierhin und dorthin zu führen. 91

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Manchmal nimmt sie zusätzlich Katharinas Hand, und einmal knetet sie sogar gedankenverloren ihre Finger, während sie lacht und schwatzt und den gemeinsamen Ausflug offensichtlich genießt. Katharina fühlt sich angesichts von so viel körperlicher Nähe unwohl. Dies ist ihr erster Stadtbummel mit Zhang Wei und sie fragt sich, welche Absichten hinter den häufigen Berührungen stecken mögen. Warum nutzt Zhang Wei jede Gelegenheit, um an den Armen eingehakt mit Katharina bummeln zu gehen? Und warum nimmt sie sie sogar bei der Hand, um sie über die Straße zu führen? a) Dies ist ihr erster gemeinsamer Ausflug und Zhang Wei vermutet, dass ihre ausländische Freundin Hilfestellung benötigt, um sich im unübersichtlichen Einkaufsgewühl und auf den vollen Straßen zurechtzufinden. Sie hakt Katharina ein, damit diese sich sicher fühlt und nicht Angst haben muss, verloren zu gehen. Aus demselben Grund nimmt sie beim Überqueren der Straße Katharinas Hand, denn der Verkehr ist tatsächlich gefährlich. b) In China sind körperliche Berührungen unter Frauen nichts Ungewöhnliches. Eingehakt zu gehen oder sich an den Händen zu halten ist lediglich Ausdruck einer guten Freundschaft. Entsprechend ist auch das Handhalten beim Überqueren der Straße als Zeichen von freundschaftlicher Fürsorge zu verstehen, nicht als Bevormundung oder als unangemessene körperliche Annäherung. c) Freundschaften zu westlichen Ausländern erhöhen in China den eigenen Status. Indem Zhang Wei eingehakt mit ihrer deutschen Freundin durch die Straßen bummelt, demonstriert sie die Enge ihrer Beziehung nach außen. Wenn sie Glück hat, trifft sie sogar Bekannte, die sie mit ihrer Freundschaft zu einer Europäerin beeindrucken kann. d) Obwohl Homosexualität in China tabuisiert ist, wird sie unter Frauen toleriert, solange sie nicht offen angesprochen wird. Zhang Wei hat sich in Katharina verliebt, und da sich Katharina ihren Berührungen nicht entzieht, geht Zhang Wei davon aus, dass ihre Gefühle erwidert werden. Was Katharina als gute Laune und fröhliche Geschwätzigkeit wahrnimmt, ist in Wirklichkeit heitere Verliebtheit.

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Erläuterungen Zu a): Diese Antwort erklärt einen Teil der Situation, doch gibt es noch einen weiteren, wichtigeren Aspekt. Freundschaft bedeutet in China generell, dass man sich um die andere(n) Person(en) kümmert, auf ihre Bedürfnisse eingeht und für ihr Wohlergehen sorgt. Insbesondere, wenn die andere Person aus einem fremden Ort oder gar einem fremden Land kommt, gehen die meisten Chinesen davon aus, dass sie besonders auf die Fürsorge und Hilfestellung ihrer Freunde angewiesen sind. Zhang Wei fühlt sich vermutlich in besonderer Weise für Katharina verantwortlich und wird sie deshalb – in buchstäblichem wie im übertragenen Sinne – ›bei der Hand nehmen‹, damit sie sich sicher und entspannt fühlen kann. Es kommt ihr nicht in den Sinn, dass Katharina die körperliche Nähe unangenehm sein könnte oder sie die Begleitung beim Überqueren der Straße als bevormundend erleben könnte. Aus chinesischer Sicht zeigen Zhang Weis Bemühungen vielmehr die freundschaftliche Sorge um den fremden Gast. Zu b): Diese Antwort trifft den Kern der Sache und ergänzt den unter a) genannten Aspekt. Dass eingehakte Arme und Handhalten unter Frauen Freundschaft und Nähe ausdrücken, ist die Voraussetzung dafür, dass Zhang Wei versucht, auf diese Weise Nähe herzustellen und Katharina ihrer Fürsorge zu versichern. Gerade bei einem ausgelassenen Stadtbummel unterstreichen Berührungen die Vertrautheit miteinander und die Innigkeit der Freundschaft. Auch das Streichen über Kopf und Haare, das Berühren von Armen und Schulter, Anlehnen oder in den Arm fallen, sind unter Frauen akzeptiert und normaler Ausdruck emotionaler Nähe. Meistens begleiten diese Berührungen spontane Gefühlsregungen während eines Gesprächs oder verschaffen Entspannung in Situationen, in denen Zeit überbrückt wird. Anders als in Deutschland sind Umarmungen und Wangenküsse zur Begrüßung oder zum Abschied hingegen unüblich; auch werden bei Berührungen Geschlechtergrenzen streng beachtet. Was unter Mädchen und Frauen normaler Körperkontakt ist, ist zwischen den Geschlechtern tabu, sofern nicht eine intime Freundschaft besteht. Auch gegenüber Ausländerinnen bestehen wenig Berührungsängste. Allerdings ist es eher unüblich, dass so viel Körperkontakt hergestellt wird wie in diesem Beispiel von Zhang Wei. Hierfür spielt der unter a) genannte Aspekt ebenfalls eine Rolle. Zu c): Dieser Aspekt mag eine Rolle spielen, er ist jedoch − anders als viele deutsche Studentinnen glauben, die sich in entsprechenden Situationen ›vorgeführt‹ fühlen – weniger wichtig als die unter a) und b) genannten Gründe. Insbesondere in den Großstädten sind westliche Ausländer kein exotischer 93

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Anblick mehr, auch wird ihnen nicht mehr uneingeschränkt ein hoher Status unterstellt. Etwas stärker fällt dieser Aspekt bei ausländischen Freunden ins Gewicht, die dem ›nordischen‹ Schönheitsideal entsprechen und mit blonden Haaren, blauen Augen, ebenmäßigen Zügen und attraktivem Körperbau aufwarten können. Insbesondere, wenn der ›Boyfriend‹ in diese Kategorie fällt, spielt der Aspekt des Statusgewinns durchaus eine Rolle. Zu d): Die Fallgeschichte bietet keinen Anhaltspunkt für diese Deutung. Zhang Weis Verhalten ist schlüssig zu erklären, auch ohne dass ihr spezielle Gefühle für Katharina unterstellt werden.

Was tun? Für Deutsche ist die enge körperliche Nähe häufig ungewohnt und manchmal auch unangenehm. Arm in Arm mit einer Freundin zu gehen, ist nicht jedermanns Sache, zumal dies bedeutet, sich in Schrittgeschwindigkeit und Richtung der anderen Person anzupassen. Vielleicht gelingt es, das Gefühl enger Verbundenheit zur Freundin zu genießen – auch in dieser Hinsicht lernt man vielleicht etwas Neues kennen und verändert sich selbst. Hand in Hand über die Straße zu gehen, kann dann etwas Beruhigendes gewinnen, das man zu schätzen lernt: Man ist nicht allein, hilft und stützt sich gegenseitig und ist für den anderen da. Wenn sich dieses Gefühl der Akzeptanz und Freude an der Nähe nicht einstellt, ist es besser anzusprechen, dass man hier mit kulturellen Unterschieden konfrontiert ist. Lässt man die Berührungen einfach ›über sich ergehen‹, wird die Freundin dies wahrscheinlich spüren und sich abgelehnt fühlen. Bevor es soweit kommt, sollte man erklären, dass man den engen Körperkontakt nicht gewohnt ist und sich nicht so schnell umstellen kann. Wenn man zugleich auf andere Weise, z.B. durch besondere Aufmerksamkeit oder kleine Geschenke, die Bedeutung der Beziehung betont, tut die körperliche Distanzierung der Freundschaft keinen Abbruch.

Die geplatzte Verabredung Die Situation An ihrem Studienort Shanghai unternehmen Luisa und Carolin häufig etwas mit ihrem gemeinsamen Bekannten Wang. Sie besuchen zusammen Konzerte, veranstalten hin und wieder Kochabende, und immer wieder hilft Wang ihnen auch bei der Vorbereitung auf Prüfungen oder bei ihren Hausaufgaben.

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FREUNDSCHAFTEN

An diesem Wochenende bemerken die beiden Freundinnen, dass sie mit einer ihrer Aufgaben – einer Übersetzung ins Chinesische – nur schlecht vorankommen. Ideal wäre es, wenn Wang ihnen wieder einmal helfen könnte! So ruft Luisa bei ihm an und fragt, ob er am nächsten Tag Zeit für sie habe und bei der Übersetzung helfen könne. Nach kurzem Überlegen willigt er ein und verspricht, am kommenden Abend um acht Uhr vorbei zu kommen. Luisa und Carolin sind mit der leichten Unpünktlichkeit ihres Bekannten mittlerweile schon vertraut und ahnen, dass es nicht bei acht Uhr bleiben wird. Als er allerdings selbst zwei Stunden nach dem vereinbarten Termin noch nicht erschienen ist, sind sie doch verwundert. Schließlich ruft Carolin bei Wang an und fragt, wo er bleibe. Er esse noch, ist die Antwort, und in der Tat hört man ihn am Telefon deutlich kauen und schmatzen. Was denn mit ihrer Verabredung sei, will Carolin wissen, waren sie nicht für acht Uhr verabredet gewesen? Wang geht hierauf nicht ein und gibt selbst dann keine Erklärung, als Carolin durchblicken lässt, dass sie enttäuscht sei. Er wiederholt nur gleichbleibend freundlich, dass er gerade esse. Carolin legt den Hörer auf: Luisa und ihr ist jetzt klar, dass Wang nicht mehr kommen wird. Ihre Übersetzung werden sie so nicht mehr rechtzeitig fertig stellen können. Warum ist Wang einfach nicht erschienen? a) Wang hat die Verabredung vergessen. Als Carolin anruft und ihn daran erinnert, ist ihm dies überaus peinlich. Aus Angst sein Gesicht zu verlieren, gibt er seinen Fehler nicht zu und geht im Gespräch einfach nicht auf Carolins Fragen ein. b) Als Luisa ihn am Vortag anrief und um Hilfe bat, war Wang nicht gerade begeistert von der Aussicht, wieder einmal einen Abend der Nachhilfe widmen zu müssen. Andererseits erschien es ihm unhöflich, einfach abzulehnen. Er ging davon aus, dass sie sein Zögern bei der Antwort richtig als Absage deuten würden, und hatte die Sache längst vergessen, als Carolin anrief, um ihn an die Verabredung zu erinnern. c) Wang ist es leid, von Luisa und Carolin ständig um Hilfe gebeten zu werden. Er fühlt sich ausgenutzt und greift zu Mitteln indirekter Kommunikation, um den beiden dies mitzuteilen: Sein Nichterscheinen ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass er mit der Freundschaft unzufrieden ist. Als Carolin anruft, wird ihm klar, dass diese den Hinweis nicht verstanden hat. Er wiederholt nun seine Botschaft, indem er Carolins Fragen hartnäckig ignoriert.

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FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

d) Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände ist Wang an diesem Tag noch nicht dazu gekommen, ausreichend zu essen. Mahlzeiten haben in China jedoch in jedem Fall Vorrang. Wangs Verweis, er esse gerade, ist aus seiner Sicht also ausreichende Erklärung dafür, dass er nicht kommen konnte und auch dafür, dass er jetzt keine Zeit zum Telefonieren hat.

Erläuterungen Zu a): Es ist durchaus möglich, dass Wang die Verabredung vergessen hat. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass ihm dies allzu viele Sorgen oder ein schlechtes Gewissen bereitet. Schließlich handelt es sich um eine informelle Verabredung unter Freunden, die leicht verschoben oder abgesagt werden kann. Sein Versprechen zu helfen war für ihn eher Ausdruck einer guten Absicht als Verpflichtung auf einen festen Termin. Ein Grund, sich um das eigene ›Gesicht‹ zu sorgen, ist diese Angelegenheit jedenfalls nicht. Dass er auf Carolins Fragen nicht eingeht, liegt nicht daran, dass ihm die Situation übermäßig peinlich ist – er wundert sich vielmehr, dass sie nach Dingen fragt, die offensichtlich sind. Er bemerkt erst jetzt, dass die beiden Deutschen die Verabredung viel ernster genommen haben als er selbst. Zu b): Aufgrund der Fallgeschichte ist schwer zu entscheiden, ob Wang von vornherein wusste, dass er keine Lust oder Zeit haben würde vorbeizukommen oder ob einfach im Lauf des Tages etwas anderes dazwischen gekommen ist. Richtig ist, dass es als äußerst unhöflich gilt, einem Freund einen Gefallen abzuschlagen, sodass selbst dann eine Zusage gegeben wird, wenn man schon weiß, dass man nicht kommen kann oder will. Chinesische Hörer hätten vermutlich aus Wangs Formulierung oder aus seinem Zögern richtig ableiten können, ob er aus Höflichkeit zusagte oder in tatsächlicher Absicht zu kommen. In der Fremdsprache sind solche Nuancen allerdings schwer zu kommunizieren und zu verstehen, sodass Luisa und Carolin hier im Nachteil waren. Sowohl Antwortalternative a) als auch b) enthalten also wichtige Faktoren zur Erklärung von Wangs Verhalten. In beiden Fällen hätte Wang es nicht für nötig oder angebracht gehalten, die deutschen Studentinnen von seinem Fernbleiben zu informieren – dass er einfach wegblieb, war schließlich Information genug. Zu c): Zwar ist nicht hundertprozentig auszuschließen, dass Wang sich ausgenutzt fühlt, doch ist diese Erklärung wenig wahrscheinlich. Schließlich unternehmen die Drei auch viele andere Dinge gemeinsam und Wang trifft sich offenbar gerne mit den beiden Deutschen.

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FREUNDSCHAFTEN

Zu d): Mahlzeiten sind in China sehr wichtig, doch stimmt es nicht, dass Wang fernbleibt, um zu essen. Andere Erklärungen treffen den Kern der Sache besser.

Was tun? Luisa und Carolin sind enttäuscht: Ihr Bekannter hat ihnen Hilfe zugesagt und ist nicht gekommen. Leicht schließt man in dieser Situation auf Unzuverlässigkeit und sogar bösen Willen des anderen. Vielleicht war Wang jedoch nicht klar, wie wichtig ihnen seine Hilfe war und wie sehr die beiden auf sein Erscheinen bauten. Verabredungen unter Freunden werden in China selten als fixe ›Termine‹ wahrgenommen – gerade unter Freunden gibt es immer Verständnis dafür, dass sich Pläne ändern und Dinge dazwischen kommen können. Luisa und Carolin könnten auf die Wichtigkeit ihres Anliegens hinweisen, indem sie Wang noch mehrmals im Verlauf des Tages anrufen und sich und ihre Verabredung in Erinnerung rufen. Falls sie die direkte Frage danach, ob er kommen werde, vermeiden möchten, könnten sie ihn fragen, was er abends am liebsten essen möchte, da man einen Imbiss vorbereite. Diese Frage ist implizit ein Hinweis für Wang, dass er auf alle Fälle erwartet wird. Allerdings hilft dies nur dann, wenn Wang sein Kommen tatsächlich einrichten kann (und will). Aufgrund der starken Höflichkeitsnorm, Hilfegesuche von Freunden nicht abzulehnen, ist es nämlich sehr schwierig von vornherein sicher zu sein, ob ein Bekannter tatsächlich helfen wird oder nicht. Bei engen Freunden ist dies anders: Hier garantiert die Enge der Beziehung, dass der andere tatsächlich sein Möglichstes tut, um zu weiterzuhelfen.

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5. Praktikum

Praktikantin oder Chefin? Die Situation Bettina hat eine sehr vielversprechende Praktikumsstelle in einem Automobilbau-Unternehmen in Shanghai gefunden. Bereits während der ersten Arbeitswoche begleitet sie ihren deutschen Chef auf eine Reise in die Nachbarstadt zu einem chinesischen Zuliefererbetrieb, mit dem die Firma schon lange sehr eng zusammenarbeitet. Im Betrieb des Zulieferers sind vor Kurzem drei chinesische Mitarbeiter eingestellt worden, die die Qualität der produzierten Teile vor der Auslieferung überprüfen sollen. Alle drei haben ein Studium im Bereich Qualitätsmanagement oder Maschinenbau absolviert, sprechen sehr gut Englisch und sogar ein wenig Deutsch. Der gemeinsame Chef stellt Bettina den drei Kollegen als neue Betreuerin vor, die sich von nun an um alle ihre Belange kümmern und sie einmal pro Woche besuchen werde. Im Laufe ihres fünfmonatigen Praktikums fährt Bettina tatsächlich fast jeden Dienstag zu dem Team in die 180 Kilometer entfernte Nachbarstadt. Zudem kommuniziert sie nahezu täglich per E-Mail oder Telefon mit den Kollegen und bemüht sich, immer schnellstmöglich auf Fragen zu antworten. Allerdings braucht sie einige Zeit, um sich in dieser Rolle wohlzufühlen. Sie wird von ihren drei männlichen Kollegen nämlich offenbar nicht als junge, deutsche Praktikantin, sondern als erfahrene, mit technischem Fachwissen gesegnete, langjährige Mitarbeiterin angesehen, die für jedes Problem eine Lösung hat. Für Bettina ist das sehr verwirrend, denn die drei Mitarbeiter sind älter als sie, haben schon wesentlich mehr Erfahrung im Bereich Quali99

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tätsmanagement und auch mehr Berufspraxis. Aus Bettinas Erzählungen müssten sie eigentlich wissen, dass sie kein technisches Studienfach studiert und im Betrieb nur ein Praxissemester absolviert. Trotz ihrer geringen Kenntnisse wird sie jedoch nie kritisiert, sondern immer um Rat gefragt. Wenn sie die Antwort auf Fragen nicht selbst weiß, kann sie nur bei ihrem Chef nachfragen und die erhaltenen Antworten weiterleiten. Bettina merkt, dass die drei Kollegen dennoch sehr auf sie hören und ihren Rat erwarten, was ihr besonders bei technischen Fragen manchmal unangenehm ist, da sie sich selbst als nicht kompetent genug einschätzt. Warum hören die drei chinesischen Kollegen immer auf Bettina, obwohl sie doch nur eine einfache Praktikantin ist? a) Die Rolle einer ›Praktikantin‹ ist in China unbekannt. Da Bettina als ›Betreuerin‹ vorgestellt wird und in China arbeitende westliche Ausländer meistens hohe Positionen innehaben, begreifen die Mitarbeiter die deutsche Praktikantin als Vorgesetzte. Aufgrund des in China stark ausgeprägten Hierarchie-Denkens wird Bettinas Autorität nicht angezweifelt, obwohl sie noch sehr jung ist und offensichtlich wenig Fachkompetenz besitzt. b) Die Vorstellung durch den deutschen Chef signalisiert den Mitarbeitern, dass Bettina das Vertrauen und die Unterstützung des Vorgesetzten besitzt. Die Kollegen vertrauen darauf, dass die Praktikantin alle notwendigen Informationen von ihrem Chef erhalten wird. In ihren Augen ist es nicht nötig, dass die Praktikantin selbst Fachwissen hat, solange sie alle Fragen schnell einer Lösung zuführt. c) Da Bettina und der Chef Landsleute sind, befürchten die drei Mitarbeiter, dass jeder Fehler ihrerseits sofort nach ›oben‹ gemeldet wird. Sie sichern sich deshalb vor jedem Schritt bei der Betreuerin ab und schmeicheln Bettina, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die Freundlichkeit ist jedoch nur gespielt; in Wirklichkeit misstrauen die Drei der deutschen Praktikantin. d) Da ihr Studium sie nur unzureichend auf die Berufspraxis vorbereitet hat, sind die drei Mitarbeiter der neuen Aufgabe im Qualitätsmanagement nicht gewachsen. Sie sind froh über jede Unterstützung, die sie bekommen können, selbst wenn sie nur von der Praktikantin kommt.

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PRAKTIKUM

Erläuterungen Zu a): Tatsächlich erleben deutsche Praktikanten in China häufig, dass ihre Position für höher gehalten wird als sie tatsächlich ist. Hierbei spielt das körperliche Erscheinungsbild eine wichtige Rolle: ›Westlich‹ aussehende Ausländer genießen sehr oft einen ›Kompetenzbonus‹, und insbesondere in Unternehmen mit deutscher Beteiligung wird allen deutschen Mitarbeitern – auch den Praktikanten – ein hoher Status unterstellt. Hinzu kommt, dass Praktika in China noch kaum verbreitet sind. Anders als in Deutschland sehen chinesische Studiengänge keine Praxissemester vor, sodass der Status einer Praktikantin für Chinesen nur schwer einzuschätzen ist. Vermutlich wird auch in diesem Beispiel Bettinas Position von den Mitarbeitern überschätzt, allerdings scheint ihre Schlussfolgerung, sie werde als »Vorgesetzte« betrachtet, etwas voreilig zu sein. Zur Erklärung der Situation gibt es eine noch bessere Begründung. Zu b): Dies ist die beste Erklärung. Bettina wird zwar selbst nicht als Vorgesetzte betrachtet, aber es ist für die Mitarbeiter offenkundig, dass sie – sollte dies notwendig sein – wichtige Informationen vom deutschen Chef erhalten und weiterleiten kann. Genau dies wird als ihre Aufgabe betrachtet, nicht etwa, dass sie auf Basis eigener Fachkompetenz Probleme eigenständig erfasst und löst. Der an selbstständiges Arbeiten gewöhnten deutschen Praktikantin ist nicht klar, dass ihr Defizit an Fachwissen zur Beurteilung ihrer Arbeit keine Rolle spielt. Wichtig ist vielmehr, dass sie eine den Mitarbeitern zugewandte, zuverlässige und freundliche Ansprechpartnerin ist, die als Kommunikationsschnittstelle zum gemeinsamen Vorgesetzten fungiert und Informationen rasch weitergibt. In dieser Hinsicht leistet sie hervorragende Arbeit, weshalb ihr die drei Kollegen mit großer Freundlichkeit und Wertschätzung begegnen. Die Mitarbeiter ›hören‹ also nicht auf die Praktikantin, sondern auf den Rat des Chefs, der ihnen durch Bettina vermittelt wird. Selbst, wenn einzelne Entscheidungen tatsächlich von der Praktikantin allein getroffen werden, gehen die Mitarbeiter davon aus, dass diese vom Vorgesetzten gebilligt werden. Zu c): Dies ist nicht der Grund für das Verhalten der Mitarbeiter. Die Schilderung der Situation gibt keinen Hinweis auf Misstrauen der Kollegen. Sollten sie tatsächlich der Praktikantin misstrauen und ihr aus Angst vor negativen Konsequenzen schmeicheln, würden sie sich anders verhalten. Zu d): Diese Erklärung trifft nicht zu. Laut Falldarstellung haben die Mitarbeiter nicht nur ein einschlägiges Studium absolviert, sondern zudem auch Berufspraxis. Es gibt keinen Grund an der Qualität der Hochschulausbildung 101

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zu zweifeln und man kann zudem davon ausgehen, dass die Qualifikation der Mitarbeiter vor deren Einstellung vom Unternehmen sorgfältig geprüft wurde.

Was tun? Bettina macht alles richtig. Die ihr zugedachte Rolle füllt sie zur Zufriedenheit aller Beteiligten aus. Dass sie selbst höhere Erwartungen an ihre Kompetenz hat, liegt an einer Arbeitsauffassung, die stark von Normen der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit geprägt ist: Bettina geht davon aus, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben möglichst ohne Inanspruchnahme weiterer Hilfe allein bewältigen soll, und erst, wenn sie dies kann, fühlt sie sich ›kompetent‹. Genauso hat sie es bisher während ihrer Schulzeit und ihres Studiums in Deutschland gelernt. Schließlich ist es in Deutschland normal, dass auch Personen auf hierarchisch niedrigen Positionen Verantwortungsgefühl für ihren Arbeitsbereich entwickeln, Potenzial für Verbesserungen ausloten und stolz darauf sind, selbstständig zu arbeiten. In China wird diese Selbstständigkeit von Mitarbeitern weder erwartet noch wird sie notwendigerweise von Kollegen und Vorgesetzten geschätzt. Dafür, dass Bettina von den drei Kollegen so gut akzeptiert wird, ist die persönliche Einführung durch den deutschen Vorgesetzten entscheidend gewesen. Dass er selbst sich die Mühe gemacht hat, in die Nachbarstadt zu fahren, um die drei Kollegen zu begrüßen und die deutsche Praktikantin vorzustellen, signalisiert sein persönliches Engagement und seine Bereitschaft zur Unterstützung der Qualitätssicherungs-Mannschaft. Allerdings hätte der Chef Bettina die Funktion als ›Betreuerin‹ der drei Mitarbeiter zu Beginn klarer erläutern sollen; der Praktikantin wäre dann die Einarbeitung leichter gefallen.

Schon wieder Essenspause! Die Situation Im Rahmen seines Praktikums bei einem deutschen Ingenieurbüro in Shanghai arbeitet Paul häufig auf Großbaustellen. So führt er in diesen Tagen zusammen mit einem chinesischen Ingenieur Messarbeiten in einer neu errichteten Fabrikhalle durch. Dabei kommt es häufig vor, dass der Kunde ohne vorherige Absprache um Ausführung zusätzlicher Arbeiten bittet, sodass die Arbeitstage bisweilen sehr lang werden. Gestern und vorgestern war Paul bis um 23.30 h auf der Baustelle! Er gäbe viel dafür, früher Feierabend machen zu können, denn schließlich sind auch die Fahrtzeiten zwischen Wohnung und Baustelle lang. 102

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So würde Paul liebend gerne nach der Mittagspause bis zum Arbeitsende ohne größere Unterbrechungen durcharbeiten, um Zeit zu sparen und etwas vom Feierabend zu haben. Doch leider wird daraus nichts: Die Mitarbeiter des Kunden, die jeweils so lange auf der Baustelle bleiben, wie Paul und sein Kollege brauchen, um die Arbeit abzuschließen, bestehen stets darauf, um 17 Uhr mit ihnen zum Abendessen zu gehen. Meistens werden sie in die Firmenkantine eingeladen, wo man in aller Ruhe isst, Organisatorisches bespricht, scherzt und lacht. Die Essenspause zieht sich so natürlich in die Länge. Letzte Woche kam es sogar vor, dass alle zusammen mit einem Minibus von der Baustelle im Außenbezirk Shanghais in die Stadt fuhren, um dort in einem kleinen Restaurant zu essen. Paul ärgert sich nicht nur darüber, dass er so seinen Feierabend einbüßt, er versteht auch nicht, dass trotz des herrschenden Zeitdrucks ausgedehnte Essenspausen eingelegt werden. Reine Zeitverschwendung, findet er. Warum bestehen die chinesischen Mitarbeiter des Kunden trotz des allen auferlegten Zeitdrucks immer auf pünktliche und regelmäßige Pausen, anstatt zunächst die nötigen Arbeiten fertig zu stellen? a) Durch die Einladungen zum Abendessen versuchen die Mitarbeiter des Kunden, Paul und seinen Kollegen versöhnlich zu stimmen. Auf diese Weise sollen ihnen die langen Arbeitstage versüßt werden. Die Einladungen sind zudem Ausdruck der Anerkennung und der Wertschätzung der geleisteten Arbeit. Dies bringt insbesondere die Einladung in das Restaurant zum Ausdruck. b) Chinesen arbeiten generell viel länger als Deutsche. Das Konzept von »Feierabend« ist ihnen fremd. Sollten Chinesen abends einmal doch früher nach Hause kommen, nutzen sie die Zeit vor allem zum Schlafen oder Fernsehen, Aktivitäten, auf die sie leicht verzichten können – daher machen Pauls Kollegen die langen Arbeitstage nichts aus. c) Die gemeinsamen Mahlzeiten dienen vor allem der Beziehungspflege. Das informelle Zusammensitzen ermöglicht außerdem, Arbeitsprobleme zu besprechen und Organisatorisches zu klären. Ohne die regelmäßig gemeinsam genossenen Mahlzeiten käme der Arbeitsfluss leicht ins Stocken. Anders als Paul glaubt, ist das Arbeitsessen keine Zeitverschwendung, sondern erhöht die Effizienz der Zusammenarbeit. d) Das leibliche Wohl hat in China einen sehr hohen Stellenwert. Regelmäßig und ausreichend zu essen wird als sehr wichtig erachtet, denn nur so hat der Mensch genügend Energie, um seine Arbeit zu tun. Eine 103

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Mahlzeit ausfallen zu lassen oder auf den späten Abend zu verschieben kommt den chinesischen Kollegen deshalb gar nicht in den Sinn. Es wäre außerdem ein Gesichtsverlust für den Auftraggeber, wenn sich herumspräche, dass man die Kollegen vom Ingenieurbüro ›hungern‹ lässt.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft teilweise zu. Die Einladungen dienen tatsächlich der Beziehungspflege, allerdings nicht im Sinne der Beschwichtigung, mit der man sich Wohlwollen sichern möchte. Eine andere Antwort trifft den Kern der Sache noch besser. Zu b): Es stimmt, dass viele Chinesen an lange Arbeitstage gewöhnt sind. Ein Einsatz bis 23.30 h ist jedoch auch für einen chinesischen Ingenieur außergewöhnlich lang. Auf den Feierabend – den man auch in China zu genießen und abwechslungsreich zu gestalten weiß – wird hier verzichtet, weil dem Projekt Vorrang eingeräumt wird. Die Überstunden werden in Kauf genommen, da der Projektablauf dies erfordert. Zu c): Diese Antwort ist richtig: Die gemeinsamen Essenspausen dienen dem Erhalt der guten Stimmung, dem Informationsaustausch und der Beziehungspflege. Beim Essen wird geplaudert und gelacht, und die Mitarbeiter des Kundenunternehmens bemühen sich, die Mitarbeiter des Ingenieurbüros, die zurzeit auf ihrer Baustelle arbeiten, kennenzulernen. Gesprächsthemen sind die Arbeit in der jeweiligen Firma, Pauls Erfahrungen in China und allerlei private Themen. Der gute Kontakt macht für alle das Arbeiten angenehmer; er ermöglicht jedoch auch, eventuell auftauchende Probleme schnell und freundschaftlich zu beheben. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum die Mahlzeiten selbst bei hoher Arbeitsbelastung pünktlich eingenommen werden. Zu d): Diese Antwort trifft ins Schwarze. Essen besitzt in China einen sehr hohen Stellenwert – eine Mahlzeit ohne gewichtigen Grund ausfallen zu lassen, käme den meisten Menschen nicht in den Sinn. Auch in anderen Situationen wird dem Besucher in China auffallen, dass sich kurz vor den üblichen Essenszeiten leichte Unruhe einstellt, und Arbeiten auch dann für ein pünktliches Essen unterbrochen werden, wenn ihre Fertigstellung nicht mehr lange dauern würde. Essen ist wichtig, um den Körper mit Energie zu versorgen, und selbst wer nicht so hart körperlich arbeitet wie die Arbeiter auf der Baustelle, weiß, dass er sich mit knurrendem Magen nicht konzentrieren und keine guten Ergebnisse erzielen kann. Nach chinesischer Vorstellung ist regelmäßiges und ausgewogenes Essen zudem wichtig, um den Menschen 104

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gesund zu halten. Selbst einfache Leute verfügen über viel Wissen darüber, welche Nahrungsmittel welche Leiden lindern können, welches Wetter welche Art Essen erfordert und welche Bestandteile zusammen ein ausgewogenes Mahl ergeben. Das Gesagte schließt nicht aus, dass viele junge Frauen in China bewusst sehr wenig essen, um dünn zu sein. Unter jungen Ostküstenbewohnern ist das Schlankheitsideal ebenso verbreitet wie in Europa. Allerdings unterscheiden sich die Einstellungen der Generationen zum Essen in China sehr stark: Viele Ältere können sich noch daran erinnern, in ihrer Jugend gehungert zu haben, und schätzen Nahrung und Mahlzeiten deshalb besonders hoch – dass Jugendliche, die im (relativen) Überfluss aufgewachsen sind, halb gegessene Mahlzeiten wegwerfen, erscheint ihnen ebenso inakzeptabel wie das Einhalten von Diäten zum Erreichen einer schlanken Figur. Im beschriebenen Beispiel ist es für alle Beteiligten (außer für Paul) unvorstellbar, die Abendmahlzeit ausfallen zu lassen. Diese wird gebraucht, um auszuruhen und aus dem Essen und dem geselligen Beisammensein neue Kraft zu schöpfen.

Was tun? In dieser Situation hat Paul keine Wahl: Er wird weder seine Kollegen davon überzeugen können, die Mahlzeit ausfallen zu lassen, noch kann er selbst sich den Mahlzeiten entziehen, um weiterzuarbeiten. Da Termindruck besteht und er vor Ort gebraucht wird, wird er auch das Ingenieurbüro nicht dazu bringen können, ihn abends früher gehen zu lassen. Wenn die langen Arbeitszeiten ein Dauerzustand werden und/oder seine Zufriedenheit stark beeinträchtigen, könnte Paul vielleicht erreichen, einem anderen Projekt zugeteilt zu werden. Andernfalls bleibt ihm nur übrig, sich an die Situation anzupassen und zu versuchen, die nötige Entspannung und Erholung während der (Essens-)Pausen zu finden. Hierzu müsste er von der strikten Trennung zwischen ›Arbeitszeit‹ und ›Freizeit‹ abrücken, die vorsieht, dass man während der Arbeitszeit alle Kraft der Aufgabe widmet und erst nach getaner Arbeit, am Feierabend, entspannt und ausruht. Mit dieser Einstellung sind die langen Arbeitstage tatsächlich extrem strapaziös. Wenn es Paul jedoch gelingt, während der Essenspausen den Arbeitsdruck zu suspendieren und auszuruhen, wird er insgesamt weniger erschöpft sein. Und wenn er sich auf den Kontakt zu den Kollegen einlässt, wird er die Pausen vermutlich als befriedigende Gelegenheit erleben, mehr über Land und Leute, Arbeit und Leben zu lernen und dabei auch noch sein Chinesisch zu verbessern. Freizeit am Abend, die man nach eigenen Vorlieben gestalten kann, ersetzt dies nicht, aber Grund für Ärger und Ungeduld gäbe es auf diese Weise kaum noch. Und vielleicht bemerkt Paul dabei auch, dass gute ›Beziehungen‹ nicht nur die derzeitige 105

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Situation erleichtern, sondern bisweilen auch neue Türen öffnen. Möglicherweise entdeckt man geteilte Interessen, bekommt wertvolle Tipps oder Hilfestellungen. Gemeinsames Essen ist hierfür eine ebenso angenehme wie unentbehrliche Gelegenheit.

Wo bleiben die Informationen? Die Situation In ihrer Praktikumsfirma wurde Sophie eine umfassende Aufgabe übertragen, zu deren Bearbeitung sie dringend Kundenadressen benötigt, die in der Vertriebsabteilung gesammelt und verwaltet werden. Sie bittet also die zuständige chinesische Mitarbeiterin um Übersendung der entsprechenden Adressliste. Als sie nach zwei Tagen noch keine Antwort bekommt, wiederholt sie die Anfrage und bekommt nun die Auskunft, ihre Anfrage werde bearbeitet. Als sie nach weiteren drei Tagen nichts von der Kollegin hört, wiederholt Sophie ihre Bitte. Erneut erhält sie die Auskunft, die Adressen würden ihr demnächst zugeschickt werden. Doch nichts geschieht. Um ihrer Bitte Nachdruck zu verleihen, macht sich Sophie schließlich auf den Weg in die andere Abteilung und bittet die Kollegin nun persönlich um die Liste. Wieder wird sie sehr freundlich vertröstet. Die Kollegin meint, sie sei sehr beschäftigt, sie werde sich jedoch so bald wie möglich um Sophies Anliegen kümmern, nächste Woche werde sie die gewünschte Datei ganz bestimmt erhalten. Nach einer Woche wartet Sophie noch immer auf die Adressen, und langsam gerät sie mit ihrem Zeitplan in Verzug. Sie macht sich deshalb erneut auf den Weg zu der chinesischen Kollegin. Während dieses Treffens kann sich diese plötzlich weder an einen Abgabetermin noch an eine Adressliste erinnern, überdies habe sie die entsprechenden Adressen längst verloren. Deshalb sei es ihr unmöglich, Sophie weiterzuhelfen. Sophie bringt dies in eine ziemlich unangenehme Lage, denn nun kann sie den Abgabetermin für ihren Bericht kaum noch einhalten. Zudem muss sie jetzt ihre Arbeitsschritte neu strukturieren. Ein einfaches Nein zu Anfang hätte ihr sehr geholfen. Warum ist es für Sophie nicht möglich, von ihrer chinesischen Kollegin die Adressdaten zu erhalten? a) In einem großen Unternehmen wie dem hier beschriebenen steht das Vertriebspersonal unter enormem Konkurrenzdruck. Die Kundenadressen sind eine wichtige Ressource für die Vertriebsmitarbeiterin, die sie ungern aus der Hand gibt. Da sie Sophie aber nicht gerne eine direkte Absage er106

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teilt, setzt die Kollegin auf eine Verzögerungstaktik und geht davon aus, dass die Praktikantin die indirekt enthaltene Absage versteht. b) Die Kollegin hat die Adressen tatsächlich verloren. Da das Eingestehen eines persönlichen Fehlers mit Gesichtsverlust verbunden ist, verzögert sie den Abgabetermin immer weiter, in der Hoffnung, dass Sophie die Sache irgendwann auf sich beruhen lässt. Im persönlichen Gespräch fühlt sie sich dann jedoch ertappt und gesteht Sophie die Wahrheit. c) In China ist es üblich, ausschließlich auf Anweisung des direkten Vorgesetzten zu arbeiten. Da Sophie nur eine Praktikantin ist und keine Anweisung des Vorgesetzten vorliegt, sieht die Kollegin keinen Handlungsbedarf. Da eine direkte Absage unhöflich gewesen wäre, wird die Praktikantin vertröstet. d) In China arbeiten die verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens häufig nur schlecht zusammen, so auch in diesem Fall. Ohne persönliche Beziehungen zu den Kollegen anderer Abteilungen sind diese häufig zur Zusammenarbeit nicht bereit. Sophie hätte dies einkalkulieren und zunächst eine Beziehung zu der Kollegin aufbauen müssen.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft teilweise zu. Es ist offensichtlich, dass die Kollegin die Adressen nicht an Sophie weitergeben möchte. Dies kann durchaus damit zusammenhängen, dass sie diese Adressen als »geheim« einstuft. Die von ihr gewählten Methoden (Ignorieren, Vertrösten, Leugnen) werden von Sophie aber nicht als indirekte Kommunikation der Ablehnung verstanden, sondern jeweils wörtlich genommen. Damit kommt eine Kommunikationsspirale zustande, in der sich Missverständnis an Missverständnis reiht. Aus chinesischer Sicht erfordert die hartnäckige Weigerung der deutschen Praktikantin, das kommunizierte »Nein« zu verstehen, immer deutlichere und drastischere Formen der Absage, die schließlich in der Notlüge kulminieren, die Daten seien verloren gegangen. Sophies Hartnäckigkeit bringt die chinesische Kollegin in unangenehme Bedrängnis. Diese Antwort erklärt zwar die Reaktionen der Kollegin, nicht jedoch ihre mangelnde Bereitschaft zur Kooperation. Diese hat noch andere Gründe als den potenziellen Wert der Adressliste. Zu b): Dass die Adressen tatsächlich verloren gegangen sind, ist höchst unwahrscheinlich. Kundendaten sind für die Vertriebsabteilung von ent-

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scheidender Bedeutung und werden äußerst sorgfältig verwaltet. Die Gründe für das Verhalten der chinesischen Kollegin sind andere. Zu c): Dieser Aspekt spielt tatsächlich eine Rolle. Dafür, dass die Praktikantin die Unterstützung der Kollegen erhält, sind ihre persönliche Einführung sowie die Bekanntgabe ihrer Rolle und Aufgaben durch den gemeinsamen Vorgesetzten äußerst wichtig. Nur dann können die Mitarbeiter Bitten wie die von Sophie in ihrer Legitimität und Wichtigkeit richtig einschätzen. Offenbar ist für die Kollegin nicht erkennbar, dass die Bitte um Kooperation durch den Vorgesetzten unterstützt wird. Sie sieht deshalb keine Notwendigkeit, der Bitte nachzukommen, insbesondere da es sich bei den Kundendaten um sensible Informationen handelt, für deren Weitergabe sie ungern selbst die Verantwortung übernimmt. Für die Erklärung des Verhaltens der Kollegin ist jedoch noch ein weiterer Aspekt bedeutsam. Zu d): Diese Antwort trifft den Kern der Sache am besten, auch wenn die anderen genannten Aspekte ebenfalls eine Rolle spielen. Die häufig zu beobachtende schlechte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens kann als Ausdruck der in China stark verbreiteten Gruppenorientierung verstanden werden: Loyalität und Hilfsbereitschaft erstrecken sich dabei nur auf Mitglieder der eigenen Abteilung und nicht auf Mitglieder der ›Outgroup‹. Die deutliche Trennung zwischen Personen des eigenen Bezugskreises (der »Ingroup«) und solchen, zu denen keine direkten Beziehungen bestehen (»Outgroup«), ist in China in allen Lebensbereichen zu beobachten. Die große Bedeutung der Gruppe, die von Deutschen in China häufig festgestellt wird, betrifft also nur Menschen des engeren sozialen Umfelds. Personen, die einer anderen Gruppe zugeordnet werden, erfahren deutlich weniger Unterstützung, selbst wenn beide Gruppen innerhalb derselben Organisation angesiedelt sind.

Was tun? Für die Akzeptanz und Unterstützung von Praktikanten im Unternehmen ist deren Einführung durch den Vorgesetzten sehr wichtig. Wenn diese – wie vermutlich in diesem Fall – versäumt wurde, ist es für die Praktikantin sehr schwierig, an Informationen zu gelangen und in Arbeitsabläufe mit eingebunden zu werden. Für Sophie war jedoch gar nicht erkennbar, dass sie besonderer Unterstützung bedurft hätte. Schließlich arbeitet sie an einem klar definierten Projekt, das ihr allein zugewiesen wurde, und bedarf nur hin und wieder bestimmter Informationen, die an anderer Stelle im Unternehmen vorhanden sind. Ihr Arbeitsverhalten gründet auf der Annahme, dass die Zusammen108

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arbeit im Unternehmen auf der Sachebene stattfindet, die keiner besonderen Beziehungspflege bedarf, sowie auf der Unterstellung, dass alle Unternehmensmitarbeiter im Wesentlichen dieselben unternehmensbezogenen Ziele verfolgen und deshalb kooperieren werden. Beide Annahmen haben im chinesischen Kontext aber nicht ohne Weiteres Gültigkeit. Der von Sophie gewählte Weg, eine E-Mail mit der Bitte um die Adressliste an die ihr unbekannte Kollegin zu senden, ist wenig Erfolg versprechend. Aus Sicht der Kollegin gibt es keinen Anlass, dieser Bitte zu entsprechen, denn, erstens, hat sie keine Anweisung vom Chef, Sophie zu unterstützen; zweitens pflegen die Abteilungen generell keine gute Zusammenarbeit; und, drittens, kennt sie Sophie nicht persönlich. Hinzu kommt, dass die Kundendaten sensible Informationen sind, die sie ungern ohne Anweisung von oben weitergibt. Die von Sophie unterstellten Kooperationsnormen gibt es nicht, für das Befolgen der Bitte gibt es also keine Basis, und Sophies E-Mail bleibt unbeantwortet. Sophie hat auf die genannten Situationsbedingungen durchaus Einfluss: So könnte sie in dieser Situation beispielsweise gleich zu Beginn den persönlichen Kontakt zu der Kollegin herstellen, anstatt eine E-Mail zu schreiben. Wenn es sich tatsächlich um sensible Daten handelt, wäre es außerdem sinnvoll, den Vorgesetzten um Intervention und Unterstützung zu bitten. Schließlich kommt in der geschilderten Situation noch ein weiterer Aspekt zum Ausdruck: der Umgang mit Informationen als ›Holschuld und ›Bringschuld‹. Während es in Deutschland zu den Aufgaben von Mitarbeitern gehört, Vorgesetzte und Kollegen ausreichend zu informieren und von neuen Entwicklungen auch ohne besondere Aufforderung in Kenntnis zu setzen, wenn diese für deren Arbeit von Belang sind, ist dies in China anders. Hier ist es die Aufgabe jedes Einzelnen, sich die notwendigen Informationen selbst zu beschaffen – eine Norm zur unaufgeforderten Mitteilung von Neuigkeiten und Nachrichten gibt es nicht. Eine einfache E-Mail mit der Bitte um Kundendaten reicht zur Erfüllung der ›Holschuld‹ nicht aus. Wie Sophie erfährt, sind hierzu größere Anstrengungen nötig.

Das gescheiterte Projekt Die Situation Als Praktikant bei CONStruct, einem Unternehmen der Bauindustrie in Shanghai, ist es Bernds Aufgabe, Bauprojekte deutscher Firmen in China aufzuspüren und erste Kontakte herzustellen, die dann von den zuständigen Projektmanagern weiter verfolgt werden. Eine Internetrecherche führt ihn zu einem potenziellen Kunden, den er nun zu kontaktieren versucht. Leider 109

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bleiben seine verschiedenen Versuche erfolglos – das Unternehmen schreibt nicht zurück. Zu seiner Überraschung erfährt Bernd eine Woche später, dass Herr Wang, ein hochrangiger Projektmanager von CONStruct, sich bereits mit einem Ingenieur des betreffenden deutschen Unternehmens zu einem Gespräch getroffen hat. Bernd interessiert sich für das Ergebnis dieses Treffens und befragt deshalb Herrn Wang, von dem er erfährt, dass die deutsche Firma das Bauprojekt in Kürze beginnen wolle, derzeit aber noch mit verschiedenen Baufirmen verhandle. Herr Wang sagt ferner, dass der deutsche Gesprächspartner in den nächsten zwei Wochen im Urlaub sei und deshalb seine Rückkehr abgewartet werden müsse. Bernd hält das Warten für keine gute Idee – will nicht die deutsche Firma bald mit dem Bau beginnen? Und verhandelt sie nicht bereits mit der Konkurrenz? Er äußert Herrn Wang gegenüber deshalb seine Meinung, dass man versuchen müsse, einen anderen Gesprächspartner zu finden und idealerweise Kontakt zum Geschäftsführer der deutschen Firma aufnehmen solle. Er macht ihm sogar den Vorschlag, für ihn bei der Firma anzurufen, um auf Deutsch diesen weiteren Kontakt anzubahnen – schließlich ist das die Aufgabe, für die er als Praktikant zuständig ist. Herr Wang winkt jedoch ab, er habe alles unter Kontrolle, weitere Aktionen seien nicht notwendig. Bernd ist davon nicht so überzeugt, weshalb er beim nächsten Meeting, bei dem der Chef von CONStruct ebenfalls anwesend ist, die Angelegenheit noch einmal zur Sprache bringt. Doch Herr Wang wiederholt seine Ansicht, dass seine Kontaktperson im potenziellen KundenUnternehmen der ideale Ansprechpartner sei und er deshalb abwarten wolle. Nach einiger Zeit erfährt Bernd, dass das deutsche Unternehmen den Auftrag an eine andere Firma vergeben hat. Aus welchem Grund möchte Herr Wang sich alleine um das Projekt kümmern und lehnt eine Zusammenarbeit mit dem Praktikanten ab? a) Dass Bernd sich so sehr für das Projekt einsetzt, findet Herr Wang sehr ungewöhnlich und auch nicht ganz angemessen, schließlich ist er nur ein kurzzeitig beschäftigter Praktikant ohne Entscheidungsbefugnisse. Er findet, Bernd solle lieber das Praktikum dafür nutzen, von den erfahrenen Mitarbeitern zu lernen und so ein tieferes Verständnis der Arbeitsanforderungen und -prozesse zu gewinnen. Praktikanten wie auch andere weisungsgebundene Mitarbeiter sollten sich nicht über Richtungsentscheidungen Gedanken machen, sondern die ihnen erteilten Aufträge ausführen. b) Tatsächlich war das Bauprojekt zum Zeitpunkt des Gesprächs zwischen Herrn Wang und Bernd bereits gescheitert. Beim ersten Treffen mit der Firma hatte es Herr Wang nicht geschafft, bei dem potenziellen Kunden 110

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Interesse zu wecken. Dies hat er jedoch Bernd gegenüber verschleiert – da dieser die indirekten Hinweise auf den Fehlstart des Projekts nicht zu deuten weiß, sucht Bernd noch nach weiteren Lösungsmöglichkeiten, während Herr Wang bereits weiß, dass alle weiteren Versuche aussichtslos sein werden. Herr Wang versucht lediglich, Bernd von einem chancenlosen Engagement abzuhalten. c) Als seine Vorgehensweise von einem unerfahrenen Praktikanten offen in Zweifel gezogen wird, fühlt sich Herr Wang vor den Kopf gestoßen. Bernds offene Kritik stellt seine Autorität infrage und nimmt ihm Gesicht. Selbst wenn er Bernds Vorschläge für sinnvoll hält, kann Herr Wang aus diesem Grund nicht auf sie eingehen: Zu groß wäre der Gesichtsverlust, der daraus resultiert, sich von einem Praktikanten ›belehren‹ zu lassen. d) Bei dem deutschen Ingenieur des potenziellen Kunden handelt es sich um den Verlobten von Herrn Wangs Nichte. Herr Wang ist sich aufgrund des verwandtschaftlichen Verhältnisses sicher, dass der Deutsche an einem Vertragsabschluss mit CONStruct interessiert ist. Wie in diesem Fall kommen die meisten Geschäftsverbindungen in China nur aufgrund persönlicher Bekanntschaften und Netzwerke zustande.

Erläuterungen Zu a): Diese Erklärung trifft einen wesentlichen Aspekt der Situation. Hier treffen unterschiedliche Vorstellungen darüber aufeinander, was die Aufgabe eines Praktikanten umfasst. Für Bernd ist es selbstverständlich, sich für das Unternehmen und die Aufgabe, die ihm übertragen wurde, mit ganzer Kraft zu engagieren. Auch, wenn die ihm überantworteten Projekte begrenzt sind, möchte er sie doch so gut wie möglich bearbeiten und macht sich deshalb Gedanken über den Gesamtzusammenhang seiner Aufgabe. Dabei fühlt er sich für seinen Arbeitsbereich verantwortlich und versucht selbstständig Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln – ganz so, wie er es in zahlreichen Arbeits- und Studienkontexten in Deutschland gelernt hat. Eigeninitiative, Verantwortungsbewusstsein, ein Verständnis für die Gesamtzusammenhänge, Kreativität und Lösungsorientierung sind Attribute, die seiner Meinung nach einen ›guten Praktikanten‹ auszeichnen. Herr Wang teilt diese Sicht der Dinge jedoch nicht. Nach traditionellem chinesischem Verständnis vollziehen sich Lernprozesse langsam, beruhen auf sorgfältiger Beobachtung und Nachahmen der Vorbilder sowie dem fundierten Aufbau von Erfahrung. Genau hierin besteht seiner Ansicht nach der Sinn eines ›Praktikums‹: Dieses bietet jungen Menschen Gelegenheit zur Beobachtung der erfahrenen Mitarbeiter ›in der Praxis‹ sowie die Möglichkeit, unter Anleitung kleinere Aufgaben zu be111

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arbeiten. Bernds Vorschläge zum weiteren Vorgehen überschreiten eindeutig die Befugnisse und auch die Einsichtsmöglichkeiten eines Praktikanten. Aus Sicht von Herrn Wang versteigt sich der Praktikant hier zu Überlegungen, die ›Chefsache‹ sind. Je nachdem, wie Bernd sich äußert und wie Herr Wang denkt, mag er Bernds Engagement für überflüssig, belustigend oder ärgerlich halten. Sicherlich gibt es – gerade unter jüngeren Mitarbeitern – auch viele, die Bernd als Gesprächspartner ernst nehmen und seine Vorschläge prüfen würden, doch Herr Wang folgt der traditionellen, hierarchieorientierten Auffassung, dass Bernd sich lieber darauf beschränken sollte, die ihm gegebenen Anweisungen auszuführen, anstatt sich in Chefangelegenheiten einzumischen. Zu b): Für diese Deutung gibt es keine Anhaltspunkte. Dass Herr Wang überhaupt das Treffen mit dem deutschen Ingenieur erwähnt und darüber offenbar etwas ausführlicher berichtet, lässt zumindest darauf schließen, dass Herr Wang selbst das Projekt nicht für gescheitert hält – er hätte sonst Bernd oder anderen Praktikanten von seinem Engagement einfach nicht berichtet. Zu c): Auch diese Deutung trägt im großen Umfang zur Erklärung bei. Bernd, der mit großem Engagement den Erfolg des Projekts verfolgt, vergisst, dass seine Vorschläge, die er ›rein zur Sache‹ vorbringt, von Herrn Wang als Kritik an seiner Vorgehensweise, seines Einschätzungsvermögens und vielleicht sogar seiner Kompetenz im Allgemeinen verstanden werden (können). Aus Herrn Wangs Sicht geht es damit nicht mehr nur um die Sache, sondern eben auch um Ansehen, Respekt und ›Gesicht‹. Vor allem, als Bernd während des Meetings Herrn Wangs Arbeit offen vor seinem Chef infrage stellt, verletzt er eine wichtige Regel zwischenmenschlicher Beziehungen, indem er Herrn Wang vor Dritten bloßstellt und ihm hierdurch Gesicht nimmt. Für Herrn Wang ist dies keine sachliche Auseinandersetzung mit Argumenten, sondern ein persönlicher Angriff, auf den er durch das Beharren auf seiner Position und Entscheidungskompetenz reagiert. Auch sein Chef hat in dieser Situation keine Möglichkeit, Bernds Argumente zu berücksichtigen, da er seinen Projektleiter gegen die Kritik eines Praktikanten in Schutz nehmen muss. Wenn Bernd tatsächlich eine Änderung des Vorgehens erreichen wollte, war seine Herangehensweise äußerst ungeschickt. Zu d): Tatsächlich spielen in China verwandtschaftliche Verhältnisse und Bekanntschaften bei Geschäftsabschlüssen eine große Rolle. Sie als einziges Kriterium zu betrachten, geht jedoch in die Irre. Zwar mag das Festhalten an einem bestimmten Gesprächspartner ein Indiz dafür sein, dass hier persönliche Beziehungen existieren, doch bietet die Fallgeschichte für diese Deutung keinen Anhaltspunkt. Das Verhalten von Herrn Wang lässt sich durch andere

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Aspekte schlüssig erklären, ohne dass auf die ›Verwandtschaftshypothese‹ zurückgegriffen werden muss.

Was tun? Auch für China-erfahrene Deutsche ist es nicht immer einfach, die Problematik des Gesichtwahrens im Handeln zu beachten. Offensichtlich ist, dass im konkreten Fall der Praktikant in seiner niedrigen Stellung Kritik an Herrn Wang – noch dazu in einem ›öffentlichen‹ Meeting in Anwesenheit des Chefs – vermeiden sollte. Wenn Bernd erreichen möchte, dass eine alternative Vorgehensweise von Herrn Wang in Betracht gezogen wird, kommt viel auf die Art und Weise an, wie er seinen Vorschlag vorbringt. Auf keinen Fall darf dies in einer konfrontativen Art geschehen, die Zweifel an Herrn Wangs Kompetenz wecken könnte. Je nach Situation ist es aber möglich, den eigenen Lösungsvorschlag als »weitere Alternative« oder als etwas, »was in anderen Situationen schon funktioniert hat« anzubringen. Hilfreich ist es häufig auch, ein wenig Zeit zum Überlegen verstreichen zu lassen und eine andere günstige Gelegenheit zum Anbringen des Vorschlags zu suchen. Ein weiterer Weg besteht darin, eine dritte Person einzuweihen, die aufgrund ihrer guten Beziehung zu Herrn Wang den Vorschlag ›ungestraft‹ machen kann. Grundsätzlich ist es für Herrn Wang (aus seiner eigenen Sicht) wenig schmeichelhaft, den Vorschlägen eines Praktikanten zu folgen, weshalb die Kunst darin besteht, den Vorschlag möglichst wenig als eigene Idee kenntlich zu machen. Man riskiert auf diese Weise zwar, das Verdienst für den Erfolg nicht für sich selbst reklamieren zu können – der erfolgreiche Weg besteht häufig darin, den Chef glauben zu lassen, er sei selbst auf die brillante Lösung gekommen. Aber wenn einem der Erfolg eines Projektes das wert ist, wird dies häufig funktionieren. (Übrigens ist diese Strategie deutschen Mitarbeitern in heimischen Unternehmen auch durchaus geläufig.) Vorschläge mit dem Argument zu untermauern, dass »dies in Deutschland so gemacht« werde, ist hingegen riskant. Zu schnell lässt sich dieses Argument mit der Feststellung entkräften, man sei eben in China, nicht in Deutschland, wobei man leicht als arroganter ›Besserwisser‹ dasteht, dem es an chinesischer Kulturkenntnis fehlt. Aus dem Gesagten sollte man nicht schlussfolgern, dass in China Gegenvorschläge grundsätzlich ›vorsichtig‹ geäußert werden. Ist die eigene Machtposition stark genug, dann kann offensives Äußern eigener Ideen durchaus der schnellste Weg zum Erfolg sein. Zwar setzt man durch Kritik an Herrn Wang auch dann die guten Beziehungen zu ihm aufs Spiel, doch wird dies nicht jeden Mitarbeiter kümmern (müssen). Die Stellung des Praktikanten ist für diese Variante jedoch zu schwach.

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Schwieriger ist, wenn auf das eigene Unternehmen der zweite Aspekt der Fallgeschichte zutrifft, d.h., wenn das Unternehmen die Rolle des Praktikanten vorrangig als ›beobachtend‹ einstuft und Eigeninitiative und Verantwortung grundsätzlich nicht erwünscht sind. Für deutsche Praktikanten, die sich einsetzen möchten, resultiert hieraus häufig eine sehr unbefriedigende Situation, in der sie mit nur wenig komplexen Aufgaben betraut und in größere Zusammenhänge nicht eingeweiht werden. Hier ist entweder große Gelassenheit angebracht und Interesse daran, ›echte‹ chinesische Erfahrungen zu machen oder das Demonstrieren freundlich-beharrlichen Interesses an zusätzlichen Aufgaben bei gleichzeitigem Aufbau von Beziehungen im Unternehmen. Für manche Studierende wird ein Unternehmenswechsel allerdings der befriedigendste Weg sein. In den meisten Fällen werden dem Praktikanten Mischformen begegnen, die Eigeninitiative prinzipiell zulassen oder fördern, jedoch in Einzelaspekten gelegentlich behindern. Dies ist auch im geschilderten Beispiel der Fall. In diesem Zusammenhang sei schließlich auch erwähnt, dass es für deutsche Praktikanten häufig auch schwierig ist, wenn sie selbst im Umgang mit Kollegen damit konfrontiert sind, dass diese die Übernahme von Verantwortung scheuen und auch dann streng nach Anweisung arbeiten, wenn sie wissen, dass diese unsinnig ist. Aus Sicht der chinesischen Mitarbeiter ist es nicht ihre Aufgabe, sich ›den Kopf des Chefs zu zerbrechen‹ – schließlich wird dieser dafür bezahlt, den Überblick zu behalten, richtige Entscheidungen zu treffen und Mitarbeiter sinnvoll einzusetzen. Auf jeden Fall ist es nicht die Aufgabe des Mitarbeiters, die Anweisungen des Chefs infrage zu stellen. Wenn sie doch Kritik am Führungsstil oder an den Arbeitsaufträgen haben, bringen die Mitarbeiter diese eher auf ›indirekte‹ Weise zum Ausdruck: durch Verzögerungen bei der Ausführung von Aufgaben etwa, durch Krankmeldungen oder das Ignorieren von Aufträgen. Selbstständiges Arbeiten, Mitdenken und Eigeninitiative sind in China vielerorts noch ›neue Tugenden‹, was nicht ausschließt, dass sie in vielen wettbewerbsorientierten, international ausgerichteten Unternehmen jedoch bereits selbstverständlich sind. Wie so häufig in China lassen sich allgemeine Aussagen kaum treffen, doch der Praktikant wird im Unternehmen schnell merken, mit welcher Unternehmenskultur er es zu tun hat.

Vertragsbruch Die Situation Amrei bewirbt sich aus Deutschland für ein Praktikum in der Logistikabteilung eines internationalen Unternehmens in Beijing. Zu ihrer großen 114

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Freude sagt die Firma ihr zu und schickt ihr einen Vertrag zur Unterschrift zu. Sie unterschreibt und schickt die Unterlagen nach China zurück. Vor ihrer Abreise nach China erreichen Amrei noch zwei weitere lukrative Angebote anderer Firmen, die sie jedoch aufgrund des bereits bestehenden Vertrages ablehnt. Einen Monat vor dem geplanten Praktikumsbeginn gibt es jedoch eine unerfreuliche Überraschung: Das Unternehmen informiert sie per EMail, dass ein Praktikum in der Logistikabteilung leider für den geplanten Zeitraum nicht möglich sei, da es keine entsprechende Aufgabe für sie gebe. Man bietet ihr einen Ausweichtermin an, der drei Monate später liegt. Dieser Termin überschneidet sich jedoch mit dem Semesterbeginn in Deutschland, sodass Amrei nicht nur unerfreulichen ›Leerlauf‹ bis zum Praktikumsbeginn hätte, sondern sich auch ihr Studium um ein Semester verlängern würde. Amrei ist ebenso ärgerlich wie fassungslos: Sie war fest davon ausgegangen, dass ihr mit einem unterzeichneten Vertrag so etwas nicht passieren könne. Schließlich hat sie sich an den Vertrag gehalten und sogar lukrativere Jobangebote ausgeschlagen! Jetzt fragt sie sich ernsthaft, was die Firma veranlasst hat, sie in solche Schwierigkeiten zu bringen und sich nicht an den bestehenden Vertrag zu halten. Warum hält sich das Unternehmen nicht an den schriftlichen Vertrag und ändert so kurzfristig den Praktikumszeitraum? a) Für Chinesen haben Verträge und Unterschriften unter einem Dokument nicht dieselbe bindende Bedeutung wie für Deutsche. Der Umstand, dass es sich bei der Praktikumsfirma um ein ausländisches Unternehmen handelt, ändert hieran gar nichts – am Standort China gelten chinesische Regeln. b) Die Praktikumsstelle ist nicht mehr frei, da die Tochter eines wichtigen Kunden kurzfristig eine Anstellung im Bereich Logistik suchte. Da Beziehungen (Guanxi) in China sehr wichtig sind, gab man der Tochter des Kunden den Vorzug. c) In China spielt Hierarchie eine große Rolle und man fügt sich Entscheidungen, die weiter oben in der Hierarchiekette gefällt werden. Der Leiter der Logistikabteilung erhielt eine Order von übergeordneter Stelle und musste sich der Anweisung fügen, keine Praktikanten mehr einzustellen. Deshalb mussten alle bestehenden Verträge aufgelöst bzw. zeitlich verändert werden. d) Das chinesische Verständnis bezüglich Vorausplanung und Flexibilität unterscheidet sich von deutschen Vorstellungen. Die Mitarbeiter des 115

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Unternehmens kamen gar nicht auf die Idee, dass Amrei durch die Terminänderung Probleme entstehen könnten, und hielten den Zeitraum der Absage für angemessen.

Erläuterungen Zu a): Diese Aussage ist richtig: In China und Deutschland bestehen teilweise unterschiedliche Ansichten über die Funktion und Bedeutung von Verträgen. Zwar definieren auch in China Verträge die Zuständigkeiten und Pflichten der Vertragspartner und dokumentieren verbindliche Absprachen. Im Zweifelsfall – z.B. wenn Absprachen nicht eingehalten werden können – besitzen Verträge jedoch weniger Gewicht als grundlegende menschliche Tugenden wie Mitgefühl, Respekt und Vertrauen. Aus chinesischer Sicht haben Letztere dann Vorrang, wenn unvorhergesehene Umstände eintreten, die die Erfüllung des Vertrages verhindern. Unter diesen Umständen eine flexible Anpassung des Vertrages vorzuschlagen, ist aus chinesischer Sicht kein ›Vertragsbruch‹, sondern eine Bitte um Verständnis und Entgegenkommen, die der Vertragspartner aufgrund der bestehenden vertrauensvollen Beziehung keinesfalls als ungehörig auffassen wird. Im Idealfall wird nun gemeinsam nach einer alternativen Lösung gesucht. Europäern erscheint diese Handhabung von Verträgen als unangemessen: Aus ihrer Sicht dienen Verträge gerade dazu, spätere Anpassungen auszuschließen. Aus chinesischer Sicht ist jedoch offenkundig, dass das Leben stets unvorhergesehene Entwicklungen bereithält, auf die es flexibel und mit Mitgefühl zu reagieren gilt. Diese Flexibilität im Umgang mit schriftlichen Absprachen können auch Ausländer für sich in Anspruch nehmen, wenn dies notwendig werden sollte. Auch im Fall von Amreis Arbeitsvertrag geht die Firma davon aus, dass die Praktikantin Verständnis haben werde. Allerdings spielt hierbei auch eine andere Haltung im Hinblick auf Zeitplanung eine Rolle (siehe d). Zu b): Es ist durchaus möglich, dass dies der Grund für die kurzfristige Absage ist; allerdings liefert die Fallgeschichte keine Anhaltspunkte für diese Deutung. Die Besetzung von Stellen mit Bekannten oder Verwandten von Mitarbeitern und Freunden ist in China durchaus üblich. Sollte ein wichtiger Kunde tatsächlich nach einer Stelle für seine Tochter suchen, wäre es für das Unternehmen völlig folgerichtig, der fremden Praktikantin abzusagen und die Tochter einzustellen. Die ursächlichen Gründe für die Absage lassen sich allein aufgrund der Falldarstellung nicht aufklären. Wir beschränken uns deshalb auf Erklärungen der Kurzfristigkeit der Absage. Hierfür sind andere Gründe ausschlaggebend.

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Zu c): Zwar stimmt es, dass Hierarchien in China viel Gewicht zukommt, doch verschiebt diese Deutungsvariante die Frage nur auf die nächsthöhere Ebene: Warum die übergeordnete Stelle diese Entscheidung hätte treffen sollen, lässt sich nicht erklären. Über deren Gründe lässt sich aufgrund der Falldarstellung jedoch bestenfalls spekulieren. Erklärbar ist jedoch, weshalb die Absage so kurzfristig erfolgt. Zu d): Dies ist die beste Antwort. Die in Deutschland verbreitete Gewohnheit, Dinge lange im Voraus zu planen und sich dann im Handeln eng an der Planung zu orientieren, findet bei Chinesen meist nur wenig Verständnis. Beläuft sich der Planungshorizont bei Deutschen häufig auf Monate, umfasst er in China meist nur Wochen oder Tage. Dementsprechend ist man in vielen Dingen flexibler als in Deutschland. Die Firma geht im geschilderten Fall sicher nicht davon aus, dass Amrei diese Absage als zu kurzfristig erscheinen würde oder ihr aus der Verschiebung des Termins größere Schwierigkeiten entstehen könnten.

Was tun? Grundsätzlich kann das Prinzip der Flexibilität von beiden Seiten in Anspruch genommen werden, weshalb nun Amrei an das Verständnis der Firma appellieren und eine Lösung vorschlagen kann, die ihren Interessen besser entgegenkommt. So könnte sie zum Beispiel der Firma die Schwierigkeiten schildern, die aus der Verschiebung des Termins für sie resultieren, und fragen, ob evtl. eine andere Abteilung im ursprünglich geplanten Zeitraum Praktikanten aufnimmt. Eine andere Möglichkeit, mit der Situation umzugehen, ist, sich erneut bei anderen Unternehmen zu bewerben. Da der Planungshorizont in chinesischen Unternehmen kürzer ist als in deutschen, ist es nicht unmöglich, auch kurzfristig eine akzeptable Alternative zu finden. Zieht man in Betracht, dass es sich in diesem Fall um einen Vertrag zwischen Partnern handelt, die nicht durch eine Bekanntschaft und ›Beziehung‹ aneinander gebunden sind, stünde es prinzipiell auch Amrei frei, den Vertrag zu ›brechen‹, um beispielsweise eines der lohnenden, später bei ihr eingetroffenen Arbeitsangebote anzunehmen.

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6. Alltag

E i n P u l l o ve r g e g e n d i e H i t z e Die Situation An diesem Sommermorgen geht Lisa wie üblich gemeinsam mit ihrer chinesischen Kollegin zu Fuß zur Arbeit. Es ist ein sonniger Tag und schon zu dieser frühen Stunde sehr warm. Anfangs hat Lisa noch einen Pullover an. Da es ihr durch das Laufen und die Sonne jedoch schnell zu warm wird, zieht sie ihn aus. Sie ist nun mit einem roten, schulterfreien Trägertop bekleidet, das gut zu ihrem knielangem, bunt gemusterten Rock passt – eine Kombination, die sie auch in Deutschland im Sommer oft getragen hat. Über den legeren ›Freizeitlook‹ macht sie sich keine Gedanken, sie hat schon viele Chinesinnen in T-Shirts und äußerst knappen Mini-Röcken gesehen, und in der Firma wird sie sowieso Arbeitskleidung anziehen. Doch ihre Kollegin schaut sie mehrmals ein wenig seltsam und kritisch von der Seite an. Schließlich fragt sie Lisa, ob ihr nicht kalt sei. Lisa hält das für eine absurde Frage: Es ist offensichtlich, dass nicht nur ihr selbst, sondern auch der Kollegin bereits die ersten Schweißperlen auf der Stirn stehen. Sie verneint und sagt, im Gegenteil, es sei ihr außerordentlich warm. Ob es dann nicht besser sei, fragt die Kollegin, wenn sie den Pullover überzöge, dann würde sie weniger schwitzen müssen. Lisa hört von dieser Theorie zum ersten Mal und ist verwirrt. Ist ihre Kollegin verrückt geworden? Warum schlägt die Kollegin vor, sie solle ihren Pullover anziehen? a) Die chinesische Gesundheitslehre baut auf daoistischen Prinzipien auf. Dabei gilt: Gleiches wird mit Gleichem bekämpft, d.h. ›Wind schwächt Wind‹ und ›Hitze lindert Hitze‹. Aus diesem Grund wird in China auch während der heißen Sommermonate stets vermieden, kalte Getränke zu 119

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konsumieren und stattdessen warmer Tee getrunken. Die Kollegin wundert sich, dass Lisa diese Grundregel nicht kennt, und weist sie vorsichtig darauf hin, wie sie das Schwitzen lindern kann. b) Die chinesische Kollegin wollte Lisa davor bewahren, durch die Sonne braun zu werden oder sich gar zu verbrennen. In China gilt weiße Haut als schön und Sonnenstrahlung als schädlich. c) Sich ›schulterfrei‹ zu zeigen gilt in China für Frauen als unschicklich. Die Kollegin weist Lisa auf höfliche Weise darauf hin, dass sie zu leicht bekleidet ist. d) Die Farbe Rot symbolisiert in China Glück und Freude. So sind traditionell die Hochzeitskleider chinesischer Bräute rot, und nach altem Brauch werden rote Hemden von jungen Frauen am Morgen nach ihrer Hochzeitsnacht getragen. Die Kollegin signalisiert Lisa auf indirekte Weise, dass das Tragen des roten Trägertops unangemessen ist.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft nicht zu. In diesem Fall ist ausgeschlossen, dass die Kollegin tatsächlich glaubt, durch das Überziehen eines Pullovers das Schwitzen vermeiden zu können. Zwar stimmt es, dass in China auch bei Hitze warme Getränke getrunken werden, doch hat dies mit den oben genannten – frei erfundenen – Regeln ebenso wenig zu tun wie mit echten daostischen Prinzipien. Der Vorschlag der Kollegin hat einen anderen Grund. Zu b): Dieser Aspekt spielt eine Rolle, ist jedoch nicht der wichtigste Grund für die Kommentare der Kollegin. Chinesen schätzen blasse Haut und meiden deshalb nach Möglichkeit die Sonne. Oft sieht man junge Chinesinnen im Sommer mit Sonnenschirmen und breitkrempigen Hüten, mit denen sie sich vor direkter Sonneneinstrahlung schützen. Sonnenstrahlung wird im Allgemeinen als eher schädlich angesehen. Für Chinesen ist es unverständlich, dass sich Europäer gerne sonnen und bräunen. Daher ist es gut möglich, dass sie einem freundlich raten, sich vor der Sonne in acht zu nehmen und Sonnenschirme oder anderen Sonnenschutz anbieten. Jedoch ist dies hier nicht das Hauptmotiv von Lisas Kollegin, da sie solche Bedenken wahrscheinlich offen und direkt angesprochen hätte. Zu c): Dies ist die beste Antwort. In China sieht man sehr selten Frauen mit ärmellosen Oberteilen. In den großen, internationalen Städten Shanghai oder Beijing ist dies weniger ein Problem, und man sieht auch hin und wieder 120

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junge Chinesinnen mit Trägertops, jedoch ist das Tragen schulterfreier Oberteile im Allgemeinen recht unüblich. Umso mehr gilt das, wenn man in kleineren Städten lebt oder sich in einer hauptsächlich chinesischen Gruppe bewegt. Die Kollegin findet Lisas Bekleidung unangemessen knapp, scheut sich jedoch, dies direkt zu äußern. Sie wählt daher eine indirekte Aufforderung, die von China-Erfahrenen unzweideutig als Kritik und Appell, sich ›ordentlich‹ zu kleiden, verstanden worden wäre. Kurze Röcke treffen meistens auf größere Akzeptanz als freie Schultern – aus der Beobachtung, dass viele Frauen Miniröcke tragen, kann deshalb nicht auf die Angemessenheit von Trägertops geschlossen werden. Zu d): An dieser Antwort stimmt nur, dass die Farbe Rot Glück und Freude symbolisiert und dass deshalb Hochzeitskleider der Frauen traditionell rot sind. Der Rest ist frei erfunden. In diesem Fall ist nicht die Farbe das Problem, sondern ein anderer Aspekt der Kleidung.

Was tun? Man sollte sich in China als Frau möglichst nicht schulterfrei in der Öffentlichkeit zeigen und stattdessen Blusen oder T-Shirts den Vorzug geben. Alternativ hilft das Überziehen einer Jacke. Dies gilt ganz besonders beim Besuch offizieller Veranstaltungen, kultureller und religiöser Stätten und Einrichtungen sowie für Gegenden außerhalb der Metropolen und Touristenzentren. Auch in seiner Freizeit sollte man darauf achten, sich nicht zu freizügig zu kleiden, und bei der Beurteilung der ›Freizügigkeit‹ konservativere Standards anlegen als in Deutschland. Durch angemessene Kleidung zeigt man nicht nur Respekt für die Gastkultur, sondern wahrt auch die eigene Respektabilität und Würde und vermeidet so Missverständnisse und anzügliche Blicke. Den eigenen Kollegen und Freunden erleichtert man zudem auf diese Weise den Umgang mit dem ausländischen Gast. Die konservativeren Bekleidungsstandards gelten, wie erwähnt, nicht für Röcke, die kurz sein dürfen, dafür aber für Badestrände. Wer hier im gewohnten Bikini erscheint, ist durchaus eine Sensation. Chinesinnen sind in Badeanzüge gehüllt, die nicht nur zur Vermeidung der Sonnenstrahlen wesentlich mehr Haut verdecken als Europäerinnen gewöhnt sind. Wer dennoch auf den Bikini nicht verzichten will, wird kaum offene Kritik vernehmen, auch unternehmen Chinesen vergleichsweise selten körperliche Annäherungsversuche, doch kann es durchaus sein, dass man ungewollt als FotoAttraktion betrachtet wird. In diesem Fall hilft nur: Anziehen!

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Die wütende Verkäuferin Die Situation Ihren freien Tag nutzen Agnes, Pauline und Nathalie, um auf dem nahegelegenen Kleidermarkt Bummeln zu gehen. Die vielen kleinen Läden locken mit modischen Jacken, Schuhen, Schmuck, Taschen und anderen schönen Dingen. Eines der Geschäfte zieht sie besonders an, und sie beginnen gleich, in den ausgestellten Waren zu stöbern. Die chinesische Verkäuferin ist angesichts der ausländischen Kundinnen entzückt. Sie kümmert sich freundlich um die Drei, sucht eifrig passende Größen heraus und gibt gute Ratschläge – die anderen Kunden werden von ihr währenddessen vernachlässigt. Agnes und ihre Freundinnen genießen den Service und probieren ausgiebig Schuhe, Jacken, Hosen und Blusen an, bis sie sich endlich für ein Paar Schuhe, zwei Sportjacken und eine Sporthose entscheiden. Um sich für die folgende Preisverhandlung zu wappnen und sich nicht verleiten zu lassen, zu viel auszugeben, sprechen sich die Freundinnen ab: 300 Yuan würden sie maximal für die vier Stücke ausgeben, auf keinen Fall mehr. Das erste Angebot an die Verkäuferin lautet deshalb 250 Yuan. Die Verkäuferin ist empört: Die Kleidungsstücke seien über 1.000 Yuan wert, in jedem anderen Laden müsste man so viel zahlen. Aber sie wolle den Drei entgegenkommen und sich mit 800 Yuan zufriedengeben. Die drei Deutschen nehmen dieses Angebot nicht ernst, denn sie haben die Marktpreise ausgiebig studiert und wissen, dass der wahre Preis weit unter dieser Summe liegt. Sie erhöhen ihr Angebot nun auf 300 Yuan, was der Verkäuferin weiteres Wehklagen entlockt: Auf keinen Fall könne sie diesen ruinösen Preis akzeptieren, 600 Yuan müssten die Drei schon bezahlen, damit sie wenigstens den Einkaufspreis wieder hereinbekäme. Doch Agnes und ihre Freundinnen haben das von ihnen vorher vereinbarte Limit erreicht und geben nicht nach. Die Preisverhandlung wird nun frostiger, dann wird die Händlerin wütend. Schließlich hält Agnes der Verkäuferin 300 Yuan hin und wiederholt, dies sei ihr letztes Angebot. Wenn der Verkäuferin dies zu wenig sei, müsse sie ja nicht verkaufen. Wütend reißt die Verkäuferin der Studentin das Geld aus der Hand, gibt ihr die Sachen und wirft sie, immer noch lautstark schimpfend, aus dem Laden. Warum wird die Verkäuferin plötzlich so wütend? a) Die chinesische Verkäuferin ist beleidigt: Sie hat sich so intensiv bemüht, auf die Wünsche und Fragen ihrer ausländischen Kundinnen einzugehen, und diese machen nun ein beschämend niedriges Angebot. Ihren besonderen Einsatz scheinen die Drei überhaupt nicht zu würdigen!

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b) Generell ist Feilschen um Preise auf chinesischen Märkten üblich. Die Verkäuferin wollte eigentlich die drei Deutschen mit einem hohen Preis täuschen, aber im Verlauf der Verhandlung haben sich die Kunden als Profis für Preisverhandlung entpuppt, die in das Preisspiel eingeweiht sind, sodass sie viel weniger verdienen kann als sie wollte. Und das hat sie besonders geärgert. c) Die ausgedehnte Preisverhandlung legt den wahren Preis der Waren auch anderen Kunden offen. Die Verkäuferin ist wütend, weil sie nun auch von den anderen Kunden keine höheren Angebote bekommen und ein schlechtes Tagesgeschäft machen wird. d) Die Verkäuferin ist in dem Laden nur angestellt. Als sie merkt, dass sie nur einen niedrigen Preis erzielen kann, fürchtet sie den Ärger des Chefs, entschließt sich aber, lieber überhaupt etwas zu verkaufen als gar kein Geld einzunehmen. Sie ist wütend, weil Agnes und ihre Freundinnen sie in diese unangenehme Lage bringen.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft kaum zu. Es ist Teil ihrer Aufgabe und Verkaufsstrategie, sich um Kunden zu bemühen, und sie hat schon oft erlebt, dass dennoch kein Verkauf zustande kam. Allerdings stimmt, dass sie enttäuscht ist: Als sie die drei ausländischen Kundinnen den Laden betreten sah, witterte sie gleich ein gutes Geschäft: Bestimmt würde sie den drei zahlungskräftigen und vermutlich ahnungslosen jungen Frauen höhere Preise abverlangen können. Als das von ihr erwartete gute Geschäft nicht zustande kommt, ist sie enttäuscht. Ihre Wut hat aber noch einen weiteren Grund. Zu b): Dies ist die beste Antwort. An dem von Agnes schließlich gezahlten Preis ist für die Verkäuferin kaum etwas zu verdienen. Zusätzlich zu dem Ärger über das entgangene gute Geschäft kommt aber noch der Ärger über das Auftreten der drei Deutschen: Signalisieren sie zuerst durch ausgiebiges Probieren, dass sie an einem größeren Einkauf interessiert sind, wählen sie schließlich doch nur vier Artikel aus, für die sie noch dazu ein äußerst niedriges erstes Angebot machen. Als sich die Drei überdies nun nicht auf das übliche Hin und Her der Preisverhandlung einlassen und schon beim zweiten Zug auf ihrem geringfügig erhöhten Maximalgebot bestehen, reißt der Verkäuferin der Geduldsfaden. Hier kommt aus ihrer Sicht zu viel zusammen: Sich erst ausgiebig bedienen lassen, dann wenig auswählen, noch weniger bezahlen wollen und keinerlei Anstalten machen, auf die Situation und das ›Gesicht‹ der Verkäuferin eingehen zu wollen – das geht ihrer Meinung nach 123

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gegen die guten Sitten des miteinander Geschäfte Machens! Da es in dieser Situation für sie keinen Grund gibt, eine gute Beziehung zu den drei Kundinnen zu erhalten, muss sie keine Rücksicht nehmen und kann ihrer Empörung (und Enttäuschung über das entgangene gute Geschäft) lautstark Ausdruck verleihen. Zu c): Dieser Aspekt ist ebenfalls nicht ganz von der Hand zu weisen. Nicht nur die anderen Kunden, sondern auch die benachbarten Händler erfahren so, auf welch niedrige Preise sich die Verkäuferin einlässt. Allerdings kann man davon ausgehen, dass das generelle Preisniveau den Einheimischen sowieso bekannt ist. Spürbaren Einfluss auf das Tagesgeschäft wird die Episode mit Agnes und ihren Freundinnen nicht haben. Zu d): Es ist möglich, dass die Verkäuferin lediglich angestellt ist und den Ärger ihres Chefs fürchten muss. Ihr Ärger resultiert in dieser Situation jedoch nicht nur aus dem entgangenen Geschäft und hat mit ihrem Status – ob angestellt oder Inhaberin des Ladens – nichts zu tun. Eine andere Antwort erklärt die Situation besser.

Was tun? Auch wenn Waren mit Preisschildern ausgezeichnet sein sollten, sind Preise auf chinesischen Märkten stets Verhandlungssache, und bereits das erste Angebot kann stark schwanken, denn der Verkäufer setzt seinen Preis (auch) nach augenscheinlicher Kaufkraft und Wortgewandtheit des Kunden fest. Bei Ausländern und anderen Ortsfremden kalkuliert man in der Regel mit etwas höheren Preisen als bei lokalen Kunden und hofft darauf, dass diese mit dem Preisniveau vor Ort nicht vertraut sind. Das nun folgende Handeln ist – trotz gewisser Regeln – ein flexibler Prozess, in dem viel vom kommunikativen Geschick der Beteiligten und ihrer Fähigkeit, Sympathie zu wecken, abhängt. So, wie die Verkäuferin im geschilderten Beispiel versucht, Verständnis für ihre Situation und ihre Preisforderung zu wecken (»wie soll ich überleben, wenn ich zu diesem Preis verkaufe?«), wird auch der Kunde begründen, warum man ihm mit dem Preis etwas entgegenkommen müsse (»wenn ich so viel ausgebe, habe ich armer Student kein Geld mehr für Bücher«). Dabei geht der Kunde mit seinem Angebot Schritt für Schritt nach oben, während der Verkäufer seine Forderung Schritt für Schritt senkt. Dies geht so lange, bis man sich auf einen Preis geeinigt hat, der für beide Parteien vertretbar ist. Je nach Höhe der zur Diskussion stehenden Verkaufssumme, nach Kundenaufkommen oder nach Laune von Verkäufer und Kunde kann das Verhandlungsgespräch durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen. Am Ende zählt dann nicht allein der er124

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zielte oder gezahlte Preis, sondern ebenso sehr die Zufriedenheit mit dem Einkaufs- oder Verkaufsgespräch: So, wie der Kunde gelegentlich etwas über sein Höchstgebot gehen wird, weil »der Händler so nett war«, lassen sich auch chinesische Verkäufer von Kunden erweichen, die besonders geschickt und charmant verhandeln. Bei entsprechendem Vorgehen können auch ausländische Kunden durchaus mit Entgegenkommen rechnen: Die Überraschung und Freude, einen ›Ausländer‹ bei geschicktem ›chinesischem‹ Feilschen zu beobachten, macht aus Händlersicht einen kleinen Preisnachlass durchaus wett. Im geschilderten Fall ist also aus Sicht der Verkäuferin nicht allein das niedrige Angebot ärgerlich, sondern auch das wenig kunstfertige Verhandeln der ausländischen Kundinnen. Diese betonen allein den Aspekt der ökonomischen Transaktion und lassen die soziale Ebene der Verkaufssituation unbeachtet. Weder zeigen sie in ihren Äußerungen Verständnis für die Situation der Verkäuferin, noch versuchen sie, deren Sympathie für ihr eigenes Anliegen zu wecken. Der Verkäuferin das Geld mit dem Kommentar vor die Nase zu halten, sie müsse ja nicht verkaufen, wenn der Preis zu niedrig sei, treibt das ›kaltherzige‹ Vorgehen der Kundinnen schließlich auf die Spitze, sodass die Verkäuferin durch das Akzeptieren des Angebots der Angelegenheit ein Ende bereitet und bereut, sich überhaupt auf Bedienung und Verkauf eingelassen zu haben.

Im Restaurant Die Situation Kai und Sabrina sind zum ersten Mal mit einer Gruppe chinesischer Kollegen zum Essen verabredet. Sie haben schon viel über das berühmte chinesische Essen gehört und machen sich voll freudiger Erwartung gemeinsam mit den anderen auf den Weg zum Restaurant. Die Stimmung ist gut, und während ein älterer Kollege bestellt, wird ringsum gescherzt und gelacht. Etwas verwundert fragen sich Kai und Sabrina, weshalb sich niemand bei ihnen nach ihren Essenswünschen erkundigt, doch sie lehnen sich entspannt zurück und vertrauen dem Geschick des Kollegen, die richtigen Speisen auszuwählen. In der Tat wird nun allerlei Essen aufgetragen, doch etwas befremdet stellen die beiden Deutschen fest, dass sie nichts von dem, was serviert wird, je zuvor gesehen haben – und besonders genießbar sehen diese Speisen in ihren Augen nicht aus. Als die ersten warmen Gerichte aufgetragen werden, sehen Kai und Sabrina dicke Fettränder und Knochen aus den Speisen ragen, und ihnen ist klar, dass sie hiervon kaum etwas essen werden. Schüchtern fragt Sabrina schließlich, ob man vielleicht noch ein Gericht ohne Knochen und Fett be125

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stellen könne, und gerne kommt man ihrem Wunsch nach: Ein Teller Hühnchen wird serviert, das, wie Sabrina beim ersten Kosten merkt, zwar keine Knochen, dafür aber jede Menge Knorpel enthält. Die beiden essen nur zögerlich und warten auf den Reis, der, so hoffen sie, ihnen auf jeden Fall schmecken wird. Doch sie warten vergebens. Nach einer Stunde und zahlreichen Gerichten, von denen kaum etwas ihren Geschmack trifft, wird die Tafel aufgehoben – Reis wurde nicht serviert. Enttäuscht und immer noch hungrig gehen Kai und Sabrina nach Hause. Warum bestellen die chinesischen Kollegen so viele ungenießbare Gerichte und gehen nicht auf die Essensgewohnheiten der beiden Deutschen ein? a) Die Kollegen haben schon zu anderen Gelegenheiten deutschen Geschäftsbesuch gehabt und richten sich bei der Bestellung nach den damals gemachten Erfahrungen: Sie bestellen vor allem solche Gerichte, die den damaligen deutschen Besuchern besonders gut schmeckten. b) Die Kollegen bestellen, was ihnen schmeckt und gehen davon aus, dass dies auch Kai und Sabrina schmecken wird. Besondere Essensgewohnheiten von Deutschen sind ihnen nicht bekannt. c) Die Kollegen möchten Kai und Sabrina beeindrucken und bestellen deshalb viele ungewöhnliche Gerichte, die sie selbst aufgrund der hohen Preise auch nur zu besonderen Anlässen essen. Aus diesem Grund wird auch der Reis weggelassen: Er gilt als billiger Sattmacher, der bei einem Festmahl nicht serviert wird. Schließlich sollen alle Gäste Gelegenheit haben, sich an den Köstlichkeiten gütlich zu tun, ohne ihren Bauch mit Reis füllen zu müssen. d) Chinesen wissen, dass Ausländer viele chinesische Gerichte nicht essen. Die Kollegen machen sich einen freundlichen Spaß daraus, Kai und Sabrina besonders ausgefallene Speisen zu servieren, um zu sehen, wie diese darauf reagieren. Da man unter Kollegen freundschaftlich zusammenhält, zählen solche Späße genau wie milder Spott zum normalen Umgang miteinander; sie sind keinesfalls böse gemeint.

Erläuterungen Zu a): Diese Erklärung ist kaum wahrscheinlich. Viele Deutsche vermeiden beim Essen Speisen mit Fett, Knorpeln und Knochen. Selbst wenn Kai und Sabrina besonders wählerische Esser sind, die fremden Gerichten sehr

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skeptisch begegnen, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass früherer Geschäftsbesuch gerade diese Gerichte mit großer Begeisterung gegessen hat. Zu b): Diese Antwort trifft zu. Den Kollegen kommt nicht in den Sinn, dass die von ihnen ausgewählten Leckereien nicht Kais und Sabrinas Geschmack treffen könnten. Zudem bestellen sie so viele verschiedene Speisen, dass davon auszugehen ist, dass irgendetwas den beiden deutschen Gästen schon schmecken wird. Von einer Ernährungsweise, die Filetstücken den Vorzug vor Fleischgerichten mit Knochen oder Knorpeln gibt, haben sie vermutlich weder gehört, noch erschiene sie ihnen nachvollziehbar. Schließlich sind es gerade diese Bestandteile, die Fleischgerichten eine interessante Textur verleihen – ganz abgesehen davon, dass es bei Weitem einfacher ist, Hühner mit dem Beil zu zerteilen und die Knochen beim Essen auf den Tisch zu spucken als das Geflügel vorher zu filetieren. Diese Antwort trifft aber noch nicht alle Aspekte der Situation. Eine andere Erklärung muss ebenfalls berücksichtigt werden. Zu c): Ist das Essen etwas festlicher, lässt man in China tatsächlich gerne den Reis weg. Zu kurz liegen Zeiten zurück, in denen man in China darauf angewiesen war, den Bauch vor allem mit preiswerten, kalorienhaltigen Gerichten zu füllen. Auf den Reis zu verzichten signalisiert Wohlstand und bereitet das Vergnügen, sich ganz allein an hochwertigen Hauptgerichten satt essen zu können. Kai und Sabrina hätten dennoch einfach nach Reis fragen können und ihn dann problemlos erhalten. Ganz offensichtlich handelt es sich bei diesem Essen um ein Festmahl – oder doch um ein Essen gehobener Art, bei dem besondere Speisen serviert werden. Dieser Teil der Antwort ist richtig. Allerdings werden die Gerichte nicht ausgewählt, um Sabrina und Kai zu beeindrucken, sondern um allen Anwesenden die Freude eines festlichen Mahls mit zahlreichen Delikatessen zu bereiten. Die Anwesenheit der beiden Deutschen sowie die gute Zusammenarbeit sollen so gebührend gefeiert werden. Zu d): Diese Antwort trifft in der hier gegebenen Situation nicht zu. Der Kontakt zwischen den Kollegen, Kai und Sabrina ist für Späße dieser Art nicht eng genug. In anderen Situationen kann die Wahl ausgefallener Speisen aber durchaus diesen ›Testcharakter‹ haben – entweder in spaßhafter Absicht oder auch (z.B. bei schwierigen Verhandlungen), um den ausländischen Gast zu verunsichern.

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Was tun? Von einem chinesischen Festmahl hungrig nach Hause zu gehen, ist eigentlich fast unmöglich. Kai und Sabrina erweisen sich als außerordentlich zögerliche Esser, denen man etwas mehr Mut und Freude am Abenteuer wünschen würde. Vielleicht haben sie sich tatsächlich vom Anblick mancher Speisen abschrecken lassen und gar nicht erst probiert? Falls ja, hat sie das um die Erkenntnis gebracht, dass selbst Gerichte, die auf den ersten Blick nicht verlockend aussehen, ganz hervorragend schmecken können. Gleiches gilt für Fett und Knochen – Probieren macht einen um eine Erfahrung reicher und verhilft bisweilen zu erstaunlichen Entdeckungen. Bei besonders hartnäckigen Abneigungen, spezifischen Essensvorschriften oder Allergien sollte man den Gastgeber rechtzeitig informieren – er (oder sie) wird darauf achten, dass die richtigen Gerichte bestellt werden. Dies ist auch im geschilderten Beispiel der Fall: Als Sabrina um ein Gericht ohne Fett und Knochen bittet, wird dies problemlos serviert. Um ganz sicher zu gehen, dass etwas dabei ist, was man mag, kann man bei der Bestellung auch ein bestimmtes Gericht vorschlagen, von dem man weiß, dass es schmeckt.

S c h ö n h e i t s c h i r u r g f ü r e i n e N ac h t Die Situation Auf einer Messe in Shanghai lernt Henrik Frau Chen, eine chinesische Dame mittleren Alters, kennen. Sie unterhalten sich angeregt, Henrik erzählt von seinem Studium und seinen Plänen für ein Praktikum, und bei der Verabschiedung lädt Frau Chen ihn ein, sich unbedingt zu melden, wenn er wieder in Shanghai sei, dann würde sie ihm die Stadt zeigen. Henrik hält dies für reine Höflichkeit, freut sich aber doch über die nette Unterhaltung. Zu seiner Überraschung erhält Henrik zwei Monate später einen Anruf von Frau Chen. Sie lädt ihn zu einer großen Party ein, auf der er, wie sie meint, bestimmt interessante Kontakte werde schließen können, die für seine Praktikumssuche nützlich seien. Für Henrik klingt das verlockend, doch liegt Shanghai etwa zwei Stunden von seinem Studienort entfernt, sodass Anreise und Übernachtung für ihn schwierig sind. »Kein Problem«, kontert Frau Chen, sie werde Fahrkarte und Hotelzimmer bezahlen, es wäre einfach wunderbar, wenn er kommen könnte. Das Angebot klingt zu gut, um es auszuschlagen. Henrik sagt also zu. Frau Chen nennt ihm Datum und Adresse und gibt ihm schließlich noch den Tipp, sich möglichst schick anzuziehen.

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Etwas verwundert stellt Henrik am Tag der Party fest, dass ihn die Adresse zu einem riesigen Hochhaus führt − die Party findet im 45. Stockwerk statt. Frau Chen wartet oben am Fahrstuhl auf ihn und ist offenbar entzückt über sein Erscheinen. Sie zieht ihn lächelnd beiseite und sagt in verschwörerischem Tonfall, sie habe ihren Freunden gesagt, er sei Schweizer – ob er das bitte bestätigen könne, sollte jemand nach seiner Herkunft fragen? Dann drückt sie ihrem deutschen Gast ein Getränk in die Hand, lädt ihn ein, sich am Buffet nach Herzenslust zu bedienen und wünscht ihm viel Spaß auf der Party. Sobald er den Raum betritt, bemerkt Henrik, dass er offenbar nicht nur der einzige Ausländer, sondern auch − wenn man von den jungen Begleiterinnen einzelner älterer Herren absieht – der mit Abstand jüngste Partygast ist. Sogar ein Moderator des staatlichen TV-Senders ist gekommen, und Henrik fragt sich jetzt ernsthaft, was er auf dieser Feier zu suchen hat. Verunsichert bemüht er sich, unauffällig im Hintergrund zu bleiben. Doch da steuert eine etwa 30-jährige Frau direkt auf ihn zu, und Frau Chen eilt sofort an seine Seite. Die Frau stellt sich als Reporterin vor, begrüßt Henrik enthusiastisch und fragt, ob er der angekündigte Schönheitschirurg aus der Schweiz sei. Verblüfft schaut Henrik Frau Chen an; diese bejaht eifrig kopfnickend. Sei Henrik nicht viel zu jung für einen Schönheitschirurgen, will die Journalistin nun wissen. »Nein, ganz und gar nicht«, kontert Frau Chen und wechselt dann gekonnt das Thema. Zu spät fällt Henrik nun ein, dass Frau Chen ein Unternehmen leitet, das Luxusreisen und Schönheitskuren für reiche Chinesinnen anbietet, und er wird wütend: Frau Chen spannt ihn offenbar ungefragt für Werbezwecke ein! Dadurch, dass sie ihn unter falscher Identität vorstellt, bringt sie ihn in eine äußerst unangenehme Lage. Was soll er nur tun, wenn ihn jetzt tatsächlich jemand um chirurgischen Rat fragt?! Und tatsächlich bittet ihn jetzt die Journalistin um ein Interview und um fachliche Auskunft über seine Klinik in der Schweiz. Dazu sei später noch Zeit, lacht Frau Chen, zunächst wolle man doch den Gast ein wenig entspannen und essen lassen. Dafür, dass es zum Interview nicht kommt, sorgt schließlich die aufmerksame Frau Chen. Sobald Aufbruchsstimmung aufkommt, eskortiert sie Henrik aus dem Gebäude, dankt ihm für sein Kommen und lädt ihn noch in eine Diskothek ein. Henrik ist verwirrt und verärgert. Er fühlt sich ausgenutzt und versteht nicht, warum Frau Chen die anderen Gäste getäuscht und ihn in diese missliche Situation gebracht hat. Warum täuscht Frau Chen die anderen Gäste absichtlich, und warum klärt sie Henrik nicht vorher über ihre Pläne auf? a) Der echte Schönheitschirurg war verhindert, Frau Chen hatte diesen aber bereits angekündigt und wollte mit der kleinen Täuschung ihr Gesicht 129

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wahren. Ihr ist das Manöver selbst unangenehm, denn sie hatte nie vor, irgendjemanden zu belügen, aber sie ist doch froh, dass sie in Henrik einen passablen ›Ersatz‹ für die Abendveranstaltung gefunden hat. Aus Scham über ihren Plan weiht sie Henrik nicht vorher ein, aber sie versucht, am Ende alles dadurch wieder gutzumachen, dass sie seine Kosten großzügig übernimmt und ihn auch noch in eine Diskothek einlädt. b) Frau Chen greift zu diesem kleinen Trick, um sich die Mühe zu sparen, einen echten Chirurgen aus der Schweiz einfliegen zu lassen. Sie hofft, dass keiner der Anwesenden mehr als höfliche Worte mit dem europäischen Gast wechseln wird, und setzt darauf, dass allein die Präsenz eines ›Europäers‹ die anderen Gäste von ihren guten Kontakten in die Schweiz überzeugt. Schließlich soll ihr europäischer Gast nur eine gute Figur machen, nicht operieren – und diesen Zweck erfüllt Henrik ebenso gut wie ein tatsächlicher Chirurg. c) Aus Sicht von Frau Chen lässt sie sich weder grobe Unaufrichtigkeit zuschulden kommen, noch nutzt sie Henrik aus. Vielmehr handelt es sich um eine allseits zufriedenstellende Lösung: Die Shanghaier High Society durfte das Gefühl erleben, einen Schweizer Chirurgen kennenzulernen, Henrik hatte Gelegenheit zu einem kostenlosen Ausflug nach Shanghai, und sie selbst konnte einen gelungenen Werbeauftritt verbuchen. Dass sie Henrik einen ›Deal‹ anbot, hätte diesem aufgrund der Konditionen der Einladung klar sein müssen. d) Frau Chen verhält sich auch nach chinesischen Kriterien unaufrichtig und menschenverachtend. Sie täuscht Henrik über den Zweck der Party und kümmert sich nicht darum, ob ihm die Situation eventuell unangenehm ist. Auch bereitet es ihr keine Skrupel, die Partygäste zu belügen − vermutlich unterhält sie gar keine Kontakte zu Kliniken in die Schweiz.

Erläuterungen Zu a): Zwar kann man nicht eindeutig sagen, ob Frau Wang je vorhatte, tatsächlich einen Schönheitschirurgen einfliegen zu lassen oder ob sie schon immer plante, einen anderen Europäer, der sich bereits in der näheren Umgebung aufhält, als Ersatz anzuheuern. Doch deutet nichts in der Fallgeschichte darauf hin, dass Frau Chen ihr Täuschungsmanöver unangenehm ist oder sie sich gar dafür schämt. Aus ihrer Sicht gibt es hierfür gar keinen Grund. Eine andere Antwort erklärt Frau Chens Handeln besser.

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Zu b): Diese Antwort trifft einen wesentlichen Aspekt der Begebenheit. Da es bei dem Partyauftritt ausschließlich um Repräsentations- und Werbezwecke geht, ist die Besetzung der Rolle des Schweizer Schönheitschirurgen aus Frau Chens Sicht tatsächlich weitgehend beliebig. Der gut aussehende, hochgewachsene Henrik füllt die Rolle wunderbar aus, und da für die meisten Chinesen sowieso unerheblich ist, aus welchem westlichen Land der ausländische Gast kommt, wird die Veränderung des Herkunftslandes von ›Deutschland‹ in ›Schweiz‹ als reine Formsache wahrgenommen. Wichtig ist nur, dass Henrik europäisch aussieht und glaubwürdig die Rolle des Arztes verkörpert. Dass die Journalistin richtig beobachtet, dass Henrik für den angeblichen Posten viel zu jung ist, ist eine Ausnahme: Oft haben Chinesen ebenso große Probleme, das Alter von Europäern richtig einzuschätzen, wie umgekehrt. Mit ihrer Einschätzung, dass niemand mit dem Gast mehr als nur höfliche Worte wechseln würde, lag Frau Chen indes ganz richtig. Vermutlich mochte sich niemand in die peinliche Lage bringen, seine mangelhaften Englischkenntnisse offenbaren zu müssen. Zu c): Zusammen mit Antwortalternative b) erklärt dieser Aspekt Frau Chens Verhalten am besten. Auch aus ihrer Sicht begeht sie zwar eine Täuschung, doch fällt diese moralisch nicht sehr ins Gewicht, da niemand einen Schaden von ihr hat. Anders wäre dies gewesen, wenn es tatsächlich um medizinische Konsultationen gegangen wäre: In einem solchen Fall einen falschen Arzt vorzustellen, wäre auch in Frau Chens Augen ein schlimmes Vergehen gewesen, das sie nicht mit ihrem Gewissen hätte vereinbaren können. Doch hier geht es um eine Veranstaltung, auf der der vermeintliche Schweizer lediglich am Sektglas nippen, durch den Raum spazieren und lächeln muss. Mit der Lösung, hierfür Henrik zu engagieren, ist allen gedient: Frau Chen spart Kosten und Mühe, Henrik darf an einer Soiree der besseren Kreise Shanghais teilnehmen und die Damen und Herren der Gesellschaft wähnen sich in Begleitung eines Schweizer Chirurgen. Aus ihrer Sicht hat Frau Chen sich auch Henrik gegenüber völlig korrekt verhalten. Zwar hat sie ihn nicht explizit in ihren Plan eingeweiht, doch signalisierte ihr Vorgehen deutlich, dass sie von Henrik einen Gefallen erbittet: Sie lädt ihn unvermittelt zu einer Party ein, sagt ihm die Übernahme der Reise- und Hotelkosten zu, bittet ihn um schicke Garderobe und insistiert auf ihrer Einladung, obwohl Henrik zunächst zögerlich reagiert. Offenkundig ist ihr wichtig, dass Henrik kommt – schließlich finanziert sie in Gegenleistung die Reise. Da Henrik nicht weiter nachfragt, ist aus ihrer Sicht keine weitere Erläuterung nötig. Aus ihrer Sicht verlangt sie von ihm nichts Aufwendiges oder Unaufrichtiges, sondern verschafft ihm – gegen ein Entgegenkommen seinerseits – Zugang zu Buffet und Partyspaß. Dass Henrik sich ausgenutzt fühlen könnte, ist ihr nicht in den Sinn gekommen. 131

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Zu d): Dass Frau Chen ihrer eigenen Meinung nach nichts Unrechtes tut, heißt noch nicht, dass die Partygäste diese Ansicht teilen: Auch nach den in China gültigen Maßstäben ist Frau Chen unaufrichtig, und die Partygäste würden sich hinters Licht geführt fühlen, wenn sie die Wahrheit erführen. Allerdings gelten etwas biegsamere Regeln bei der Beurteilung von ›Aufrichtigkeit‹ – wenn die wahren Sachverhalte beschönigt und ausgeschmückt werden oder Zuhörer in falschen Glauben gewiegt werden, fällt das noch in einen Graubereich, solange hierdurch niemand geschädigt wird. Als »menschenverachtend« oder »skrupellos« würde ihr Verhalten von niemandem beurteilt werden; auch dass sie Henrik nicht vorab informiert, ist kein Verstoß gegen Gebote der ›Ehrlichkeit‹.

Was tun? Obwohl diese Fallgeschichte in ihrer spezifischen Konstellation sicherlich außergewöhnlich ist, enthält sie mehrere Elemente, mit denen man in China häufig konfrontiert ist. Hierzu zählen unterschiedliche Wahrnehmungen davon, was ›Aufrichtigkeit‹, ›Täuschung‹ und ›Lüge‹ sind, welche Regeln für das Erbitten und Gewähren eines ›Gefallens‹ gelten, und welche allgemeine Perspektiven auf westliche Ausländer vorherrschen. Tatsächlich sind Täuschungsmanöver, wie das hier von Frau Chen initiierte, gar nicht so selten: Auch bei Messeauftritten oder anderen Werbeaktionen werden bisweilen westliche Studenten engagiert, die − mit falschen Visitenkarten ausgestattet − vor chinesischem Publikum einen europäischen Manager, Architekten oder Ingenieur mimen sollen. Auch hier setzen die Protagonisten darauf, dass für Chinesen ein Ausländer wie der andere aussieht und auf den Effekt, den europäisches Aussehen und elegante Kleidung insbesondere auf die Chinesen haben, die mit Ausländern wenig in Berührung kommen. Die Schwelle zum Betrug ist mit solchen Einsätzen schnell übertreten, und auch, wenn entsprechende Engagements bisweilen gut bezahlt sind, sei an dieser Stelle dringend davon abgeraten, sie anzunehmen. Für die außenstehenden ausländischen Studenten ist schlicht nicht durchschaubar, in welches Spiel sie eingebunden werden und welche Risiken damit für sie und die umworbenen Kunden verbunden sind. Henrik hätte sich auf die Rolle des Chirurgen niemals wissentlich eingelassen. Frau Chen hat dies geahnt und ihn deshalb über ihre wahren Pläne im Dunkeln gelassen. Allerdings hätte Henrik ahnen können, dass die Einladung nicht ohne Hintergedanken ausgesprochen wurde: Frau Chen war keine enge Freundin von ihm, die ihn nur freundschaftshalber hätte einladen wollen. Er hat das Grundprinzip nicht beachtet, dass eine Leistung immer eine Gegenleistung erfordert und irrtümlich angenommen, dass Frau Chen einfach nur freundlich sein wollte. Die großzügige Einladung hätte ihm Anlass für 132

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weiteres Grübeln und Nachfragen sein sollen. Wenn er selbst auf wiederholtes Nachfragen keine Auskunft über die geforderte Gegenleistung erhalten hätte, und auch Freunde – die vielleicht Frau Chen besser kennen − ihn hierüber nicht hätten aufklären können, wäre es klüger gewesen, die Einladung abzulehnen. In diesem Fall merkt Henrik erst auf der Party, was gespielt wird. Sich der Situation dann noch zu entziehen, ist zwar nicht mehr ohne Schaden, aber dennoch prinzipiell möglich. Hierzu ist es nicht nötig, Frau Chen öffentlich als Lügnerin vorzuführen; Henrik hätte die Veranstaltung einfach still und leise verlassen können. Dies hätte zwar die Beziehung zu Frau Chen ruiniert, doch wäre das u.U. ein akzeptabler Preis dafür gewesen, nicht an der Täuschung beteiligt zu sein.

Der Hitlergruß Die Situation Während seiner Zeit in Beijing beschließt Stephan, am Wochenende zu einem Punk & Ska Konzert zu gehen. Als er dort ankommt, ist die Party in vollem Gange und es wird, wie Stephan gehofft hat, ein lustiger Abend. Schließlich wird er ein wenig müde und sucht sich, ein Bier in der Hand, einen Sitzplatz. Die Atmosphäre ist locker und schnell kommt er mit seinen Nachbarn, einigen Beijinger Studenten, ins Gespräch. Stephan ist stolz, als er merkt, dass seine Chinesischkenntnisse offenbar schon für eine Unterhaltung ausreichen. Man trinkt ein paar Bier zusammen, die Unterhaltung ist ausgelassen und freundschaftlich, und Stephan wird gefragt, aus welchem Land er denn komme. »Aus Deutschland«, erklärt er und beobachtet erschrocken, dass sein Gegenüber daraufhin in breites Grinsen ausbricht, die rechte Hand zum ›Hitlergruß‹ streckt und ihm ein lautstarkes »Xitele«, (Hitler) entgegen schmettert. Die Umsitzenden blicken überrascht herüber. Stephan ist schockiert und die gute Stimmung droht zu kippen. Warum reagiert der Konzertbesucher auf diese Weise, als er Stephans Heimatland erfährt? a) In China ist das Stereotyp, dass alle Deutschen Nazis seien, noch weit verbreitet. Hören Chinesen, dass man aus Deutschland kommt, gehen sie deshalb normalerweise etwas auf Distanz und erkunden vorsichtig die Ansichten des Gesprächspartners. In der alkoholisierten Atmosphäre des Konzerts entfällt jedoch die übliche Vorsicht und es kommt zu der spontanen Reaktion mit ›Hitlergruß‹. Dies ist nicht nur Stephan, sondern 133

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auch den Umsitzenden peinlich, und die gute Stimmung beginnt sich zu verflüchtigen. b) Der chinesische Konzertbesucher sympathisiert mit der ›Rechten Szene‹ in China und hält Stephan für einen Gleichgesinnten. Der Gruß ist Ausdruck seiner spontanen Begeisterung darüber, in Stephan einen Mitstreiter gefunden zu haben. c) Hitler genießt in China einen ausgezeichneten Ruf. Dies hat historische Gründe: Während des chinesischen Bürgerkrieges unterstützte Hitler die Volksbefreiungsarmee durch Waffenlieferungen und die Entsendung technischer Berater. Diese Hilfe ist in China bis heute unvergessen. Der ›Hitlergruß‹ drückt – anders als Stephan denkt – Anerkennung und Freude darüber aus, einen deutschen Gesprächspartner zu treffen. d) Der chinesische Konzertbesucher möchte die freundschaftliche Unterhaltung fortsetzen. Als er hört, dass Stephan aus Deutschland kommt, signalisiert er ihm seinen Respekt für dieses Land dadurch, dass er die wenigen Wissensbruchstücke, die ihm einfallen, anbringt. Über Hitler weiß er nicht mehr, als dass er ein wichtiger deutscher Staatsmann war, und aus amerikanischen Kriegsfilmen kennt er den ›Hitlergruß‹. Er möchte auf diese Weise lediglich freundliche Konversation machen und hat keine Ahnung, welche Gefühle er mit dem Gruß bei Stephan auslöst.

Erläuterungen Zu a): Anders als in Europa spielt die Epoche des Nationalsozialismus für die (stereotype) Wahrnehmung von Deutschen in China keine Rolle. Eine Gleichsetzung von Deutschen und ›Nazis‹ gibt es nicht. Aus chinesischer Perspektive ist das Europa der Kriegs- und Vorkriegsepoche nicht nur zeitlich, sondern auch geografisch weit entfernt, sodass das diesbezügliche Wissen im Allgemeinen gering ist. Selbst wenn der Begriff ›Nazi‹ chinesischen Gesprächspartnern bekannt ist, verbindet sich mit ihm doch nicht dieselbe emotionale Reaktion wie in Europa, Israel und Nordamerika. Die Anspielung auf Hitler hat im genannten Beispiel keinen feindseligen Unterton. Eine andere Antwort erklärt das Verhalten des chinesischen Konzertbesuchers besser. Zu b): Eine ›Rechte Szene‹ gibt es in China nicht. Dieser Begriff bezieht sich auf spezifische historische und politische Entwicklungen europäischer Gesellschaften und lässt sich inhaltlich kaum auf China übertragen. Diese Antwort trifft nicht zu. 134

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Zu c): Diese Erklärung ist blanker Unsinn. Eine solche Unterstützung hat es nie gegeben. Richtig ist lediglich, dass der ›Hitlergruß‹ von dem chinesischen Konzertbesucher in freundschaftlicher Absicht verwendet wird. Zu d): Dies ist die beste Antwort. Deutschland ist den meisten Chinesen zwar ein Begriff, doch ist das Wissen über dieses – aus chinesischer Perspektive – relativ kleine und weit entfernte Land normalerweise begrenzt. Viele Chinesen denken, wenn sie »Deutschland« hören, zunächst an deutsche Autos, Bier, bekannte Fußballspieler und Politiker – und eben an Hitler. Hitler gilt dabei als großer Staatsmann und Feldherr und wird, ähnlich wie Napoleon, Stalin oder Mao, als wichtiger Herrscher betrachtet. Die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur werden in China kaum diskutiert und sind nicht mit dem Namen »Hitler« assoziiert. So galt es z.B. einer taiwanischen Werbeagentur 1999 zunächst auch nicht als anrüchig, eine comicartig verfremdete Hitler-Figur als Werbeträger einzusetzen. Der chinesische Konzertbesucher wollte tatsächlich nur freundlich sein und sein Wissen über Deutschland anbringen, um so seiner Wertschätzung Stephans und seines Heimatlandes Ausdruck zu verleihen.

Was tun? Für Stephan ist die Begegnung schockierend, wecken doch der Name ›Hitler‹ und der zum Gruß gereckte Arm äußerst negative Erinnerungen an ein kriegslüsternes und menschenverachtendes nationalsozialistisches Regime. Mit einem solchen Deutschlandbild will er auf keinen Fall in Zusammenhang gebracht werden und er fühlt sich nicht nur verunsichert, sondern regelrecht vor den Kopf gestoßen. Während dieser ›Schrecksekunde‹ fällt es schwer, gelassen zu reagieren, und noch viel schwerer, die Situation aus der Perspektive der beteiligten Chinesen nachzuvollziehen. Und doch ist genau dies angezeigt, denn nur auf diese Weise wird erkennbar, dass der ›Hitlergruß‹ keine Provokation, sondern Ausdruck freundlichen Wohlwollens ist – und bar jeglicher politischer Gehalte. Vielleicht fühlt Stephan sich aufgefordert, das Wissensdefizit seiner Gesprächspartner durch einen kurzen Vortrag über die jüngere deutsche Geschichte zu beseitigen. Fraglich ist jedoch, ob dieser bei dem bierseligen Punk-Freund auf offene Ohren treffen wird. Ein paar kurze Kommentare sind jedoch ohne Weiteres möglich, insbesondere dann, wenn Stephan das Erschrecken ins Gesicht geschrieben steht und dies nun seine Gesprächspartner verunsichert, die glauben, etwas ›falsch gemacht‹ zu haben. Vielleicht ist es für seine Gesprächspartner interessant zu erfahren, dass über Hitler in Deutschland ganz anders gedacht wird als von ihnen vermutet.

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U n t e rw e g s i m Z u g Die Situation Endlich ist es soweit: Lutz und Sebastian haben ihr erstes Semester in China hinter sich und nutzen zwei freie Wochen, um durch China zu reisen. Bewusst entscheiden sie sich gegen das Flugzeug und fahren stattdessen mit dem Zug: Auf diese Weise, so finden sie, sieht man nicht nur die Landschaft, sondern erfährt auch mehr über die Menschen, die in China leben. Dabei sind die langen Fahrten häufig auch unbequem; jeder Zug, mit dem sie fahren, ist bis auf den letzten Platz belegt, und bisweilen sitzt man eng gedrängt. Außerdem merken sie erst jetzt, bei ihren ersten Ausflügen jenseits des Großraums Beijing, wie viel Aufmerksamkeit westliche Ausländer außerhalb der großen Städte auf sich ziehen: Stets sind Augen der anderen Passagiere auf sie gerichtet, und nicht immer ist ihnen dies angenehm. Hinzu kommt, dass sie häufig nicht verstehen, was freundliche Mitreisende zu ihnen sagen, und dann ist da auch noch die Sache mit den Keksen und Sonnenblumenkernen: Auf jeder Reise erleben die beiden, dass ihnen kleine Speisen, Obst oder Sonnenblumenkerne angeboten werden. Einmal drückte ihnen eine ältere Frau sogar einen Becher Nudelsuppe in die Hand. Lutz und Sebastian wissen nicht, warum sie so reichlich mit Nahrung versorgt werden, obwohl sie doch ihren eigenen Proviant dabei haben, und auch nicht, wie sie reagieren sollen. Selbst, wenn sie die angebotenen Snacks höflich ablehnen, bestehen die Mitreisenden darauf, dass sie sie annehmen. Obwohl die beiden Deutschen merken, dass die Stimmung im Abteil heiter ist, können sie sich doch nie recht entspannen. Warum bestehen die Mitreisenden darauf, Lutz und Sebastian mit Snacks zu versorgen? a) Viele Chinesen vom Land haben noch nie Ausländer aus der Nähe gesehen. Sie sind gespannt zu sehen, wie sie auf chinesisches Essen reagieren. b) Geschenke erfordern in China immer eine Gegenleistung. Die Mitreisenden hoffen, dass Lutz und Sebastian sich revanchieren und als Gegengabe vielleicht sogar begehrte ausländische Dinge verschenken. c) Die Snacks werden ihnen aus Gastfreundschaft angeboten. Sitzt man im Zug oder Bus nebeneinander, ist es normal, dass die eigenen Vorräte geteilt werden. Auf diese Weise knüpft man rasch Kontakt und kommt vielleicht miteinander ins Gespräch.

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d) Insbesondere bei den älteren mitreisenden Frauen wecken die beiden Deutschen Muttergefühle. Sie wissen, dass junge Männer stets hungrig sind, und insistieren deshalb darauf, dass die beiden genügend essen.

Erläuterungen Zu a): Diese Antwort trifft teilweise zu. Während der eintönigen, langen Zugfahrten bietet die Anwesenheit von Ausländern eine gewisse Abwechslung. Snacks anzubieten, stellt eine unkomplizierte Form der Kontaktaufnahme dar, für die nicht einmal eine geteilte Sprache erforderlich ist: Aufforderndes Lächeln und Reichen der Speise genügen. Wird die Gabe angenommen, entsteht ein erstes Band, man hat ein wenig Freundschaft geschlossen. Weitere Kommunikation mag über das Essen entstehen: Weiß der Ausländer, wie man Sonnenblumenkerne mit den Zähnen knackt? Wie man die Schalen entsorgt? Schmecken ihm die salzigen oder scharfen Snacks? Kann er mit Stäbchen umgehen? Vielleicht tut der Ausländer etwas Unerwartetes oder Lustiges? Ob Europäer das gerne hören oder nicht: Sie besitzen in China immer – und ganz besonders bei Menschen, die selten mit Ausländern in Kontakt kommen − einen gewissen (unfreiwilligen) Unterhaltungswert. Lutz und Sebastian wird aber nicht nur aus diesem Grund Essen angeboten. Ein anderer Aspekt hat in dieser Situation noch größeres Gewicht. Zu b): Diese Antwort tritt nicht zu. Zwar stimmt es, dass in China zumeist auf eine sorgfältige Balance von Gabe und Gegengabe geachtet wird, doch gilt dies nicht für das Anbieten von Sonnenblumenkernen und anderen Kleinigkeiten. Zu c): Dies ist die beste Antwort. Allerdings ist es nicht in jedem Fall normal, den Mitreisenden etwas von den eigenen Speisen abzugeben – Ausländer werden hier häufig freundlicher bedacht als die eigenen Landsleute. Dass dies so ist, liegt sowohl an der generellen Gastfreundschaft westlichen Ausländern gegenüber wie an einer gewissen Neugier (siehe Antwort a). In jedem Fall gilt, dass das Anbieten von Snacks eine gute Möglichkeit zur Anbahnung eines Gesprächs ist: Man kann leicht testen, ob der andere an Kontakt interessiert ist, und vielleicht entspinnt sich so ein Gespräch. Zu d): Auch diese Antwortalternative ist nicht völlig abwegig. Mit Sicherheit werden die Mitreisenden beobachten, ob die beiden Deutschen während der Fahrt ausreichend essen. Sollten sich die Vorräte der beiden nach chinesischen Maßstäben als unzureichend erweisen, ist es recht wahrscheinlich, dass ein Mitreisender mit eigenen Speisen aushilft. Schließlich genießt Essen in China einen hohen Stellenwert und die Notwendigkeit, regelmäßig 137

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und ausreichend zu essen, ist auch während Zugreisen nicht außer Kraft gesetzt.

Was tun? Lutz und Sebastian können sich entspannen: Die angebotenen Snacks dürfen sie ruhig annehmen, eine Verpflichtung zur Gegengabe besteht nicht. Dennoch können sie natürlich ihrerseits Obst oder Süßigkeiten auspacken und anbieten – letztendlich geht es in dieser Situation darum, Kontakt zu den Mitreisenden aufzunehmen und sich als umgänglicher Mensch zu erkennen zu geben. Genau wegen dieser Möglichkeit, mit Chinesen ins Gespräch zu kommen, haben Lutz und Sebastian ja den Zug als Transportmittel gewählt, und das Anbieten von Speisen ist die ideale Möglichkeit, Kontakt anzubahnen. Außerdem bietet sich so Gelegenheit, neue Nahrungsmittel kennenzulernen oder entspannt zu üben, Melonen- und Sonnenblumenkerne elegant mit den Zähnen zu knacken – vielleicht nähert man sich auf diese Weise der chinesischen Vorliebe für diese Snacks; auf jeden Fall aber hat man einen angenehmen Zeitvertreib. Das Anbieten und Annehmen von Gaben folgt im Übrigen bestimmten Regeln der Höflichkeit: So gilt es als unhöflich, angebotene Speisen bereits bei der ersten Aufforderung zu nehmen. Auch die zweite Aufforderung lässt man aus Höflichkeitsgründen verstreichen – man lässt auf diese Weise der anderen Seite genügend Spielraum, ihr Angebot zurückzuziehen, sollte sie es ihrerseits nur aus Höflichkeitsgründen gemacht haben. Erst die dritte, nachdrückliche Aufforderung, man möge bitte zugreifen, verschafft die Sicherheit, dass die Einladung ernst gemeint ist. Auch hat man sich nun ausreichend als zurückhaltender und höflicher Mensch gezeigt, um das Angebot annehmen zu können. Was Lutz und Sebastian als ›Insistieren‹ vorkommt, ist das Befolgen dieser Höflichkeitsregeln: Die Anwesenden bieten ihnen die Speisen mehrfach an, um sicher zu gehen, dass die beiden nicht nur aus Höflichkeit ablehnen. Spätestens nach der dritten (oder vierten) Ablehnung ist aber klar, dass der andere tatsächlich nichts möchte. Entsprechend sollten auch Lutz und Sebastian darauf achten, alles, was sie tatsächlich teilen möchten, mehrfach anzubieten. Gerade im Umgang mit Ausländern werden die Höflichkeitsregeln auf jeden Fall beachtet, denn es gilt, eine besondere Scheu zu überwinden. Möchte man tatsächlich (irgendwann) keine der angebotenen Snacks (mehr), ist eine freundliche Ablehnung völlig problemlos. Niemand wird sich hierdurch abgelehnt fühlen. Auch, wenn einem bestimmte angebotene Speisen nicht schmecken, wird das dem Ausländer nicht nachgetragen: Chinesen gehen davon aus, dass europäische Mägen nicht an chinesische Kost gewöhnt sind, und werden in der Regel Verständnis haben. 138

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Mit Kind in China Die Situation Ein wenig besorgt waren Ann-Christin und Jochen schon, als sie sich entschlossen, gemeinsam mit ihrer einjährigen Tochter Lea für zwei Semester nach Beijing zu ziehen. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft stellen sie fest, dass Lea am neuen Wohnort glücklich ist, und freuen sich darüber, wie kinderlieb viele Chinesen auf das kleine Mädchen reagieren. Leas blaue Augen, ihr fröhliches Lächeln und die blonden Haare tragen ihr viel Sympathie ein, und auf dem Campus kommen immer wieder Studenten auf sie zu, um mit ihr zu scherzen, zu spielen oder sie zu berühren. Solche Begegnungen dauern nie lange, nach ein paar freundlichen Worten gehen die Kommilitonen wieder ihrer Wege, aber sie hinterlassen stets gute Laune bei allen Beteiligten. Der erste Familienausflug in die ›Verbotene Stadt‹ ändert jedoch die Sichtweise der jungen Eltern. Schon auf dem Weg von der U-Bahn-Station zum Kaiserpalast weckt Lea die Aufmerksamkeit der zahlreich umherschlendernden chinesischen Touristen. Man streicht ihr über das Haar, zwickt sie freundlich in die Wange und macht lautstark Bekannte auf sie aufmerksam. Schließlich wird Lea die Aufmerksamkeit zu viel, sie möchte aus dem Buggy aussteigen und herumlaufen. Ihre tapsenden Schritte finden die Umstehenden ganz bezaubernd, und Lea wird von allen Seiten fotografiert. Eine junge Frau hebt sie nun auf den Arm, um mit Lea zusammen für ein Foto vor dem Tiananmen-Tor zu posieren. Obwohl die Stimmung unter den Fotografen sehr freundlich ist, fürchten Jochen und Ann-Christin, dass Lea Angst bekommen könne. Sie schreiten ein und machen deutlich, dass sie keine weiteren Fotoaufnahmen von Lea wollen. Leider können sie sich mit diesem Wunsch nicht durchsetzen. Das kleine Mädchen wird von Arm zu Arm gereicht und weiterhin von allen Seiten fotografiert. Jochen und Ann-Christin sind nun nicht mehr so begeistert von der chinesischen Kinderliebe und treten hastig den Rückzug an. Warum machen die chinesischen Passanten trotz der Einwände der Eltern Fotos von Lea? a) Lea entspricht genau dem Schönheitsideal des westlichen Kleinkinds. Ihre helle Haut, die blauen Augen und blonden Haare wirken auf die chinesischen Passanten auf anziehende Weise exotisch und sehr niedlich. Sie sind von Leas Anblick so hingerissen, dass sie die Einwände der Eltern gar nicht richtig bemerken.

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b) Viele der chinesischen Besucher sind von weither angereist, um die Hauptstadt zu besichtigen. Sie wissen, dass das Foto des blonden Kindes bei ihren daheimgebliebenen Freunden und Verwandten für viel Staunen sorgen wird, und möchten deshalb unbedingt den – in der Provinz seltenen – Anblick eines europäischen Kindes im Bild festhalten. Schließlich hebt es auch ihren eigenen Status, wenn sie sich als weltgewandte Besucher der internationalen Metropole ins Bild setzen. Die Einwände der Eltern werden dabei einfach übergangen. c) Die Einwände der Eltern erscheinen den chinesischen Passanten unbegründet. Ihrer Ansicht nach hat Lea genauso viel Spaß an der Begegnung wie sie selbst. Die Sorgen der jungen – und vielleicht noch unerfahrenen – Eltern können sie nicht nachvollziehen. d) Während die deutschen Eltern Lea als Person mit eigenen Wünschen und Rechten betrachten, deren Interessen und Privatsphäre es zu schützen gilt, ist die Sicht der chinesischen Passanten eine andere: Sie freuen sich über das ›Puppenhafte‹ des Kleinkindes und kämen nicht auf die Idee, dass es eine Privatsphäre haben könnte. Solange Lea nicht weint, ist es ihrer Ansicht nach in Ordnung, mit ihr Späße zu machen und sie herumzureichen. Genau so würden sie auch ein chinesisches Kleinkind behandeln. Die Proteste der Eltern nehmen sie deshalb gar nicht ernst.

Erläuterungen Zu a): Zweifellos ist Lea in den Augen der chinesischen Passanten ein außerordentlich niedliches Kleinkind. Blonde Haare und blaue Augen sieht man in China selten, und Kleinkinder wecken immer besonderes Interesse. Dass sie in ihrer Begeisterung die Einwände der Eltern nicht bemerken, ist dennoch wenig wahrscheinlich. Der Grund für ihr Verhalten ist ein anderer. Zu b): Diese Antwort trifft teilweise zu. Fotos, auf denen man selbst mit einem westlichen Ausländer zu sehen ist, werden in China gerne gemacht, und ein gemeinsames Bild mit der niedlichen, blonden Lea ist nicht nur eine schöne Erinnerung an den Besuch der Hauptstadt, sondern auch etwas, was im Bekanntenkreis zuhause Interesse wecken wird. So ist zwar richtig, dass die eigenen Interessen in dieser Situation, in der Lea von Arm zu Arm gereicht wird, im Vordergrund stehen, doch glaubt man nicht, die Elternwünsche rücksichtslos zu übergehen. Für das Verhalten der Passanten ist noch ein weiterer Aspekt ausschlaggebend.

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ALLTAG

Zu c): Es stimmt, dass den Passanten die Einwände der Eltern unbegründet erscheinen – ihr Protest wird deshalb auch nicht wirklich ernst genommen. Doch liegt dies nicht daran, dass die Eltern jung sind oder unerfahren – solange Lea nicht weint, ist aus Sicht der Passanten alles in Ordnung. In dieser Hinsicht spielt noch ein weiterer Aspekt eine Rolle. Zu d): Dieser Punkt trifft den Kern der Sache, obwohl die oben genannten Aspekte ebenfalls eine Rolle spielen. Nicht nur Erziehungspraktiken, sondern auch Sichtweisen auf Kinder und Kindheit unterscheiden sich zwischen Deutschland und China. Während sich in Deutschland – zumindest in der Mittelschicht – in den letzten Jahrzehnten ein Umgang mit Kindern etabliert hat, der darauf beruht, diese als Gesprächspartner und Individuen mit eigenen Bedürfnisse und Rechten ernst zu nehmen, steht in China der Gedanke im Vordergrund, das Kind als Mitglied der Familie und Gesellschaft in das größere soziale Ganze zu integrieren. Während in Deutschland schon Kleinkinder als Individuen behandelt werden, die von Dritten nicht ungefragt berührt werden dürfen, sind Kleinkinder in China Gegenstand allgemeiner Freude und werden noch nicht als Persönlichkeiten betrachtet. Kinder unter vier Jahren gelten als noch nicht einsichtsfähig, sie werden deshalb einerseits sehr nachsichtig behandelt, andererseits weit weniger ernst genommen als dies deutschen Eltern mittlerweile als angemessen erscheint. Versuchen chinesische Bekannte etwa, ihre Kinder mit schmeichelnder Stimme z.B. zum ›Winke winke machen‹ zu bewegen, auch wenn diese dies gar nicht wollen, besteht nach deutscher Ansicht bereits eine gefährliche Nähe zum unrechtmäßigen Übergriff auf das Kind. Kleinkinder, so meinen deutsche Eltern in China häufig, würden zu reinen ›Puppen‹ degradiert. Aus chinesischer Sicht hingegen weckt die Vorstellung, das Kind habe eine schützenswerte Privatsphäre, Assoziationen sozialer Kälte.

Was tun? Wer vermeiden möchte, dass das eigene Kind derart in den Mittelpunkt des Interesses gerät, beugt am besten vor: Bei der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten meidet man vorsichtshalber die Hauptbesuchszeiten; auch kann man ein Kind im Buggy oder Kinderwagen durch die Sonnenblende oder übergehängte Kleidungsstücke etwas abschirmen. Eine andere Möglichkeit ist, Ausflüge in größeren Gruppen zu unternehmen, sodass das Kind immer in der Gruppe der Freunde und Bekannten ›untertauchen‹ kann, wenn ihm die Aufmerksamkeit zu viel wird. Will man den eigenen Bewegungsradius nicht zu sehr einschränken, hilft letztendlich jedoch nur, Gelassenheit und Geduld zu entwickeln und sich darüber zu freuen, dass man durch das Kind viel Kontakt zu Chinesen, einen 141

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ganz eigenen Zugang zum Land und auch viel Hilfestellung bekommt. Eine positive Grundeinstellung der Eltern wird vermutlich auch auf das Kind wirken, das sich vielleicht weniger unwohl fühlt als die Eltern denken. Auch westliche Kinder jenseits des Kleinkindalters wecken in der Regel großes Interesse und Aufmerksamkeit. In der Annahme, dass die ausländischen Besucher kein Chinesisch verstehen, machen sich Chinesen häufig gegenseitig auf den seltenen Anblick eines Europäers aufmerksam und zeigen vielleicht sogar deutlich auf das ausländische Kind. Kinder ab dem Kindergartenalter reagieren hierauf häufig gekränkt oder unwirsch und finden auch die ihnen oft entgegenschallenden Rufe »hello, hello« nicht unterhaltsam. Hier sind deutsche Eltern gefordert, ihrem Kind Verständnis für die chinesischen Verhaltensweisen zu vermitteln, und – was noch wichtiger ist – ein Vorbild dafür zu sein, wie man freundlich und humorvoll reagiert, selbst wenn einem die Aufmerksamkeit und stets gleichen Kommentare zu viel werden. Insbesondere, wenn die Kinder anderweitig in einen chinesischen Kontext eingebunden sind und chinesische Freunde haben, werden sie zwischen verschiedenen Formen des Interesses an ihnen differenzieren können und nicht eine generell ablehnende Haltung entwickeln. Als deutsche Familie mit Kindern in China zu leben, kann eine bereichernde Erfahrung sein, da man viele Dinge erlebt, die einem ohne Kind verschlossen geblieben wären. Wer in entlegenen Regionen Chinas unterwegs ist oder kein Chinesisch spricht, wird zudem (vielleicht verblüfft) feststellen, dass Elternschaft selbst unter Bedingungen, in denen man sich nicht sprachlich verständigen kann, Gemeinschaft stiftet. Jemand, der ein Kind hat, wird Chinesen nie völlig fremd vorkommen. Trotz des anderen Aussehens, der unverständlichen Sprache steht fest, dass dies zumindest eine Gemeinsamkeit ist: Man sorgt sich um die eigenen Kinder, übernimmt Verantwortung und genießt deshalb einen gewissen Respekt. Wie Ann-Christin und Jochen beobachten, ist nicht nur die organisatorische Seite eines Lebens mit Kindern in China (z.B. Kinderbetreuung, ärztliche Versorgung, Freizeitangebot etc.) vergleichsweise problemlos zu bewältigen. Auch die generell kinderfreundliche Einstellung macht das Leben mit Kind häufig einfacher als in Deutschland: Kaum jemand fühlt sich durch Kinder je belästigt, und ihnen sowie ihren Eltern wird mit großer Geduld und Freundlichkeit begegnet. Auch für die Kinder ist ein China-Aufenthalt daher in der Regel eine positive, vielleicht sogar eine das spätere Leben prägende Erfahrung.

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7 . Interk ulturelle Be ge gnunge n in China : Das Wichtigste in Kürze

Einleitung Die Fallgeschichten der vorausgegangenen Kapitel illustrieren die große Bandbreite an Situationen, in denen kulturelle Unterschiede in deutschchinesischen Begegnungen bedeutsam werden. Zugleich lassen sich einige Regelmäßigkeiten erkennen: Es sind immer wieder bestimmte Unterschiede der Kommunikationsstile und Verhaltensweisen, die für Missverständnisse und Verunsicherung sorgen. In diesem Kapitel gehen wir den wichtigsten Kulturunterschieden nach und stellen ausgewählte Aspekte vor, die uns besonders relevant erscheinen: der Umgang mit ›Gesicht‹, Beziehungsorientierung und das Konzept ›Guanxi‹, Strategien indirekter Kommunikation und chinesische Vorstellungen von Höflichkeit. Im zweiten Teil des Kapitels beschäftigt uns die Frage, wie Menschen im Allgemeinen während Auslandsaufenthalten mit Kulturunterschieden zurechtkommen: Welche Lern- und Anpassungsprozesse lassen sich üblicherweise beobachten? Wie kann man sich die kulturelle Anpassung erleichtern? Hierzu stellen wir einige Befunde der psychologischen Forschung vor, die sich mit interkulturellem Lernen beschäftigt. Anders als in den letzten Kapiteln stehen in den folgenden Abschnitten also nicht konkrete Beispiele, sondern Forschungsergebnisse, die verallgemeinerbare Einblicke in deutsch-chinesische Begegnungen und Lernprozesse während Auslandsaufenthalten bieten, im Mittelpunkt. In der Auseinandersetzung mit der interkulturellen, sprach- und kulturwissenschaftlichen sowie psychologischen Forschung wollen wir erkunden, welche Rolle die kulturelle Dimension bei einem China-Aufenthalt spielt. Ziel ist es, allgemeine Prinzipien kennenzulernen, die im Kulturkontakt bedeutsam sind und die auch in den Fallgeschichten der letzten Kapitel immer wieder eine Rolle spielen. 143

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Sich der kulturellen Dimension nähern zu wollen, stellt einen zunächst vor die Frage, womit man es überhaupt zu tun hat. Was ist Kultur? Und in welchem Zusammenhang steht Kultur zu einem Studienaufenthalt in China? Aufschluss geben Begriffsbestimmungen der interkulturellen Forschung, die wir hier unseren weiteren Überlegungen voranstellen möchten. Kultur kann als ein »Orientierungssystem« (Thomas 1996, 2003) aus (überwiegend ungeschriebenen) Normen, Regeln und Werten verstanden werden, das definiert, was in einer bestimmten Gruppe von Menschen als ›normales‹ und akzeptiertes Verhalten gilt. Kultur umfasst sichtbare Elemente (Gebäude, Kleidung, Dinge aller Art) und ›unsichtbare‹ (Bräuche, Werte) und steht in engem Zusammenhang mit menschlichem Handeln. Für unser Thema ist dieser Zusammenhang von besonderer Bedeutung, denn hier findet sich der Ansatzpunkt zum Verständnis interkultureller Interaktionen. Kultur steht in mehrfachem Bezug zu menschlichem Handeln. Sie stellt (a) einen geteilten Wissensvorrat einschließlich geteilter Handlungsregeln zur Verfügung und geht somit dem Handeln voraus. Sie kommt (b) im Handeln selbst zum Ausdruck, z.B. in der Verwendung einer geteilten Sprache, dem Einhalten der Regeln für Begrüßungen, Bekleidung oder Kindererziehung, in religiösen Ritualen und vielen anderen Handlungen mehr. Kultur manifestiert sich ferner in (c) Handlungsprodukten, d.h. in den von Menschen geschaffenen Dingen, mit denen wir uns umgeben. Hans Jürgen Heringer (2004) spricht deshalb im Zusammenhang von Kultur von den »drei P«: Kultur sei (Handlungs-)Potenzial, Performanz (die Handlung selbst) und (Handlungs-) Produkt. Ganz generell stellt Kultur einen Handlungsrahmen dar, der bestimmte Handlungen nahelegt und ihnen Sinn verleiht (Straub 1999). Einer Kultur anzugehören ermöglicht nicht nur zu wissen, wie wir uns in bestimmten Situationen verhalten können (oder sollten), sondern auch, das Verhalten anderer Menschen (ungefähr) zu deuten. Allerdings steht es uns stets auch frei, uns anders zu verhalten – als ›Orientierungssystem‹ übt Kultur keinen determinierenden Einfluss aus, sondern definiert lediglich einen Möglichkeitsraum. Der Zusammenhang zwischen Kultur und Handeln existiert schließlich auch in umgekehrter Weise: Menschliches Handeln kann Kultur verändern, es wirkt auf sie zurück. Kulturen sind mithin in beständiger Veränderung begriffen; das, was als ›normal‹ und ›akzeptabel‹ gilt, verändert sich bekanntlich im Laufe der Zeit (Boesch 1991). Die Begriffsbestimmung verdeutlicht, worin die Schwierigkeiten interkultureller Begegnungen bestehen: Wenn sich kulturelle Hintergründe unterscheiden, beruht das Handeln auf unterschiedlichen Regeln und unterschiedlichen, nicht hinterfragten Vorstellungen davon, was ›normal‹ ist. Hieraus resultiert nicht nur, dass man im fremden kulturellen Kontext nicht (genau) weiß, wie man sich verhalten soll, sondern auch, dass man häufig das Verhalten der anderen Personen nicht angemessen deuten kann. Mangels Kennt144

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nis der fremden Kultur greift man bei der Interpretation auf eigene Standards zurück – und geht damit oft in die Irre. Was vom anderen als ›höfliche Ablehnung‹ gemeint war, wird so als ›Unaufrichtigkeit‹ fehlinterpretiert; oder das Verlegenheit signalisierende Kichern der chinesischen Kellnerin, die einem versehentlich Suppe auf die Kleidung schüttet, wird als ›Schadenfreude‹ missverstanden. Ganz offenkundig ist es also wichtig, die fremde Kultur zu kennen – wo jedoch soll man angesichts der Komplexität kultureller ›Orientierungssysteme‹ anfangen? Nicht jeder wird einem Studienaufenthalt in China ein sinologisches Fachstudium voranstellen können – und selbst das bereitet nicht immer auf Fragen der konkreten Lebensführung im fremden Umfeld vor. Angesichts dieser berechtigten Frage setzt die interkulturelle Forschung Akzente: Nicht alle Aspekte ›chinesischer‹ Kultur werden behandelt, sondern insbesondere solche, die die größten Unterschiede zu ›deutschen‹ Regeln und Verhaltensweisen verzeichnen. So werden beispielsweise aus den interkulturellen Erfahrungen von Deutschen in China (ähnliche Untersuchungen existieren auch für eine Reihe anderer Länder) typische Konfliktfelder abgeleitet und auf zugrunde liegende Muster chinesischen Verhaltens hin analysiert (z.B. Thomas 1996): Die auf diese Weise extrahierten ›Kulturstandards‹ geben sodann Auskunft über Grundmuster chinesischen Verhaltens, die in kritischen Interaktionen mit Deutschen besonders häufig relevant werden. Auf diese Weise ermittelten Thomas und Schenk u.a. folgende chinesische Kulturstandards: Hierarchie, List und Taktik, Gesicht wahren, soziale Harmonie, das Guanxi-System, Bürokratie und Etikette (Thomas/Schenk 2001). Diese Themen durchziehen auch andere Arbeiten zur deutsch-chinesischen Kommunikation (s.u.) und dienen uns im Folgenden als Orientierungspunkte unserer Darstellung. Es entspringt der Logik des genannten Forschungsansatzes, dass Beschreibungen ›chinesischer‹ Kultur und Kulturstandards einer ›deutschen‹ Perspektive verhaftet sind. Wir haben es also nicht mit absoluten Beschreibungen chinesischer Verhaltensstandards zu tun, sondern mit relativen. So erscheint z.B. Deutschen das Gesprächsverhalten chinesischer Interaktionspartner häufig als hochgradig ›indirekt‹ – aus japanischer Perspektive hingegen gilt der chinesische Kommunikationsstil als vergleichsweise ›direkt‹. Was ›typisch chinesisch‹ ist, liegt also – zumindest teilweise − im Auge des Betrachters. Und weil dies so ist, sind Kulturbeschreibungen (auch die nachfolgenden) nie ganz frei von ethnozentrischen Verzerrungen und Stereotypen. Dies zu wissen, hilft im konkreten Fall dabei, Kulturwissen wieder zu ›relativieren‹. Gerade soziolinguistische Analysen deutsch-chinesischer Gespräche (z.B. Günthner 1993) haben aber viel zum Verständnis davon beigetragen, welche konkreten Sprechhandlungen zum Entstehen stereotyper (Fehl-)Deutungen führen.

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Kulturunterschiede Gruppenorientierung In der Gegenüberstellung deutscher und chinesischer Einstellungen und Lebensweisen fällt immer wieder die größere Familien- und Gruppenorientierung von Chinesen auf. Im Bereich des internationalen Managements wurde in den 1980er Jahren zur Bezeichnung der chinesischen Werthaltungen der Begriff »Kollektivismus« (Hofstede 1984) populär und geriet in den 1990er Jahren zum allgemeinen Leitbegriff der kulturvergleichenden Forschung (zur Kritik an Hofstedes Untersuchung siehe z.B. Weidemann/ Straub 2000). Insbesondere zur Beschreibung von Kulturunterschieden zwischen Nordeuropa/USA und China/Ostasien erfreut sich das Begriffspaar Individualismus – Kollektivismus bis heute großer Beliebtheit, wobei Deutschland als Vertreter individualistischer Gesellschaften und China als Beispiel kollektivistischer Gesellschaften gilt: Individualismus beschreibt Gesellschaften, in denen die Bindungen zwischen den Individuen locker sind: Man erwartet von jedem, dass er für sich selbst und seine unmittelbare Familie sorgt. Sein Gegenstück, der Kollektivismus, beschreibt Gesellschaften, in denen der Mensch von Geburt an in starke, geschlossene Wir-Gruppen integriert ist, die ihn ein Leben lang schützen und dafür bedingungslose Loyalität verlangen. (Hofstede 1993)

Die Debatte um den ›individualistischen Westen‹ und den ›kollektivistischen Osten‹, die häufig höchst stereotypisierend geführt wird, findet heute in der psychologischen Erforschung von Selbstkonzepten ihre Fortsetzung. Selbstkonzept und Identität berühren Fragen, wie: »wer bin ich, wer bin ich geworden, wer möchte ich sein?« (Straub/Chakkarath 2010, S. 6) und werden von Personen entsprechend individuell beantwortet. Dennoch finden sich auch Elemente kulturell geteilter Vorstellungen, und wieder legen Forschungsergebnisse nahe, dass eine Trennlinie zwischen Asien und Nordamerika/-europa verläuft: Während Europäer/Nordamerikaner independente Selbstkonzepte aufweisen, die durch Vorstellungen von Individualität und Einzigartigkeit gekennzeichnet sind, lassen Asiaten häufiger ein interdependentes Selbstkonzept erkennen, das durch ein Gefühl der Zugehörigkeit und Verbundenheit mit dem sozialen Kontext charakterisiert ist (Markus/ Kitayama 1991, Straub/Chakkarath 2010). Erneut werden auf diese Weise recht simple Kontrastpaare verwendet, um komplexe Verhältnisse kultureller Verschiedenheit abzubilden (für weitere Beispiele siehe auch Nisbett 2005). Spätestens seit Edward Saids Kritik an der europäisch-amerikanischen Praxis, in der Beschreibung des ›Orients‹ vor allem einen Gegenentwurf zum 146

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›Westen‹ zu schaffen, der dem vermeintlich rationalen, aktiven und zivilisierten Abendland ein Bild des irrationalen, passiven, rückständigen Anderen entgegensetzt (Said 2001/1978), ist bezüglich entsprechender Kontrastierungen Misstrauen angesagt. Was also ist von entsprechenden Forschungsergebnissen – die nicht zuletzt aufgrund der methodischen Vorgehensweise umstritten sind (z.B. Chakkarath 2006) – zu halten? Welchen Beitrag leisten sie zu einem Verständnis chinesischer Denk- und Verhaltensweisen? Zunächst können die besonders beliebten Kontrastpaare (Individualismus – Kollektivismus, independentes – interdependentes Selbst, direkte – indirekte Kommunikation) als Ausdruck einer vielfach empfundenen großen kulturellen Distanz zwischen Europa und China gewertet werden. Erst in zweiter Linie verhelfen diese Konzepte zu einer Annäherung an die fremde Kultur, denn manches enthält einen ›wahren Kern‹. Tatsächlich lassen zahlreiche Selbstberichte von Chinesen erkennen, dass sie etwa Entscheidungen für Studium, Berufswahl, Wahl des Ehepartners usw. stärker von den Wünschen der Eltern und Familie abhängig machen als Europäer; dass sie sich häufiger als Mitglied von sozialen Gruppen, denen sie angehören, beschreiben, und nicht vorrangig als Einzelperson mit charakteristischen Merkmalen; dass soziale Harmonie und das Wahren von Gesicht von großer Bedeutung sind (s.u.) und Konflikte möglichst vermieden werden. All dies stützt die These von der größeren Gruppenorientierung in China. Andererseits fällt vielen Europäern in China auf, dass in zahlreichen Situationen des Alltags große Rücksichtslosigkeit herrscht, und dass in vielen Zusammenhängen von kollektiver Orientierung und Bemühen um Harmonie nicht viel zu spüren ist. Die oben genannten Konzepte sind daher in ihrer Anwendung auf China zumindest zu relativieren. Nicht in allen Zusammenhängen stellen Chinesen Gruppeninteressen und Gruppenzugehörigkeit in den Mittelpunkt ihres Handelns: Entscheidend ist hier jeweils, um welche Gruppen es sich handelt. Dabei wird zwischen Personen des eigenen inneren Zirkels, der Ingroup, und Personen der äußeren Umwelt, der Outgroup, deutlich unterschieden. Bezugnahme und Rücksichtnahme erfolgen dabei lediglich bei Personen des eigenen Zirkels; anders formuliert: Gruppenorientierung erstreckt sich nur auf vergleichsweise klar definierte ›eigene‹ Gruppen, nicht jedoch auf den Umgang mit anderen Personen oder Gruppen, selbst wenn diese in vergleichsweise großer Nähe (z.B. innerhalb desselben Unternehmens) angesiedelt sind: Trotz vermeintlich ›kollektivistischer‹ Orientierung sind Chinesen häufig keine guten Teamarbeiter, wenn die Zusammenarbeit Abteilungs- und Zuständigkeitsgrenzen kreuzt. Ein zweiter bedeutsamer Aspekt der Gruppenorientierung besteht in der Form der wechselseitigen Bezugnahme. Soziale Beziehungen weisen in China fast immer ein Element der Hierarchie auf, das nicht auf Machtausübung und 147

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Unterordnung abzielt, sondern das einzelnen Personen einen Platz im sozialen Gefüge zuweist (vgl. Thomas/Schenk 2001). Hierarchie gründet sich auf Lebensalter, aber auch auf Bildung oder andere Statusindikatoren und bindet Personen in einer Beziehung, die Fürsorge und Schutz auf der einen Seite und Gehorsam, Loyalität und Gefolgschaft auf der anderen Seite vorsieht. Auch im heutigen China ist das Bewusstsein für hierarchische Unterschiede stark ausgeprägt. Hieran hat u.a. auch die chinesische Sprache ihren Anteil, die Unterscheidungen erzwingt oder ermöglicht, die Sprechern des Deutschen unbekannt sind: So gibt es im Chinesischen anstelle der allgemeinen Verwandtschaftsbezeichnungen ›Bruder‹ und ›Schwester‹ vier Begriffe, die jeweils zwischen älterem und jüngerem Geschwister unterscheiden; und Bezeichnungen für ›Tante‹ und ›Onkel‹ differenzieren nicht nur, ob es sich um ältere oder jüngere Geschwister der eigenen Eltern handelt, sondern auch, ob sie in mütterlicher oder väterlicher Linie verwandt sind.

Guanxi – die Bedeutung von ›Beziehungen‹ Aus der Gruppenorientierung folgt, dass die Gestaltung sozialer Beziehungen von großer Bedeutung ist. Tatsächlich ist das chinesische System der allseitigen Beziehungspflege so hervorstechend, dass ›Guanxi‹ (chinesisch für »Beziehung«) mittlerweile als eigenständiges Fremdwort in die chinabezogene Literatur und Presseberichte eingegangen ist. Deutsche in China erwähnen immer wieder, dass in China ohne ›Guanxi‹ gar nichts gehe: Über die richtigen Beziehungen zu verfügen ist in allen Bereichen des Lebens und Arbeitens in China äußerst wichtig. Der Begriff ›Guanxi‹ ist schwer zu übersetzen: Er bezieht sich auf soziale Beziehungen und impliziert Elemente der Gegenseitigkeit und Verpflichtung, die über den Bedeutungsgehalt des deutschen Begriffs ›Beziehung‹ hinausgehen. Guanxi erstreckt sich auf Beziehungen zwischen Klassenkameraden, Geschäftspartnern, Freunden, Nachbarn und Bekannten, und betrifft mithin jenen Teil der sozialen Umwelt, der der aktiven Gestaltung von Beziehung bedarf: Der Kreis der eigenen Familie sowie enger Freunde ist hiervon ausgenommen. Dieser stützt sich auf so große Nähe und selbstverständliche Vertrautheit, dass weder die Beachtung von formaler Höflichkeit, noch explizite Maßnahmen der Beziehungspflege nötig sind. Umgekehrt liegen auch Kontakte zu Fremden außerhalb des Geltungsbereichs von Guanxi: Der Umgang mit Passanten, Verkäufern, Busfahrern oder anderen Personen, die einem nicht persönlich bekannt sind, bedarf ebenfalls nicht der besonderen Aufmerksamkeit. Ordnet man gedanklich die Kontakte einer Person je nach persönlicher Nähe, so betrifft Guanxi ausschließlich den mittleren Bereich. Hierbei ist das soziale Gefüge einer Person beständig im Fluss: Neue

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Bekanntschaften entstehen, Beziehungen und Gewichtungen verändern sich, manche Beziehungen werden beendet. Guanxi stützt sich auf geteilte Erfahrung (oder Herkunft), auf Sympathie und Vertrauen und auf den wechselseitigen Austausch von Gefälligkeiten. Menschliche Anteilnahme und Reziprozität sind Grundelemente von Guanxi, und gute Guanxi wiederum sichert den Zugang zu Ressourcen der anderen Person oder Gruppe. Sie wird umso wichtiger, je knapper die Ressourcen sind, über deren Verteilung diese Gruppen zu entscheiden haben, denn nur Personen mit ›guten Kontakten‹ können mit einer Zuteilung oder einer anderen Form bevorzugter Behandlung rechnen. Beziehungspflege ist daher nicht nur aus emotionalen Gründen, sondern auch aus materiellen Gründen essenziell. Gefälligkeiten unter Freunden und Beziehungspflege sind auch bei uns im Alltag fest verankert; beides ist aber in China wesentlich stärker ausgeprägt und kann bei Deutschen für Verwirrung sorgen. So werden unter Geschäftspartnern wie auch unter Freunden häufig kleine Geschenke oder passende Gefälligkeiten ausgetauscht. Dabei unterstreicht nicht der Wert des Geschenks die Bedeutung der Freundschaft, sondern das Ausmaß, in dem dieses auf die Wünsche und Bedürfnisse des Partners abgestimmt ist. Aufmerksamkeiten, Einladungen und Geschenke festigen die Beziehung und werden zugleich als ›Guthaben auf dem Beziehungskonto‹ verbucht (Tang/Reisch 1996, S. 45). Dieses Guthaben kann dann zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt wieder ›eingelöst‹ werden. Auch unter Freunden besteht diese Verpflichtung, einen Gefallen – irgendwann – zu erwidern. Deutsche mögen enttäuscht sein, wenn sie entdecken, dass Freundschaften, die sie geschlossen haben, nicht ganz zweckfrei sind. Tatsächlich kommt es auch vor, dass die Betonung der ›Freundschaft‹ vorrangig dazu dient, den Partner zu Zugeständnissen zu bewegen. So investieren Chinesen z.B. in Verhandlungskontexten bisweilen beträchtliche Energie, um Vorlieben, Einstellungen und Hobbys ihres Gesprächspartners in Erfahrung zu bringen, auf denen sich eine persönliche Beziehung und Freundschaft aufbauen lassen – auf deren Basis dann Zugeständnisse und Entgegenkommen eingefordert werden können (Solomon 1987). Das Gegenseitigkeitsprinzip des ›Guanxi‹-Systems bewegt sich mitunter in großer Nähe zur Bestechung, wobei die Grenzen fließend sind. Dennoch wird zwischen Korruption und ›Freundschaftsdiensten‹ durchaus unterschieden. Aus chinesischer Sicht gilt: Beziehungspflege ist eine Zukunftsinvestition. Sie ist nicht unmittelbar Mittel zum Zweck – das wäre Bestechung, − sie ist aber auch nicht zweckfrei. Beziehungen und Verpflichtungen sind in China nahezu synonyme Begriffe, sie bedeuten dasselbe, nämlich ein Gegenseitigkeitsverhältnis. Moralisch gesehen ist dies nicht anrüchig,

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sondern Beweis gegenseitigen Vertrauens und wechselseitiger Loyalität. (Tang/ Reisch 1996, S. 45)

›Gesicht‹ Ähnlich auffallend wie das Guanxi-Prinzip ist die große Bedeutung, die dem Gesicht wahren in China beigemessen wird. Das Konzept ist auch im Westen nicht unbekannt: Das Gefühl, sich blamiert zu haben, in eine peinliche Situation geraten zu sein oder der Wunsch, einen guten Eindruck zu hinterlassen, hängen damit ebenso zusammen wie das Streben nach Prestige und Ansehen. ›Gesicht‹ kann mit ›Ansehen‹ ›Status‹ oder ›Reputation‹ übersetzt werden. Dennoch gilt ›Gesicht wahren‹ in seiner spezifischen Ausprägung als ›typisch chinesisch‹. Grundsätzlich bezieht sich ›Gesicht‹ auf die Wahrnehmung und Bewertung einer Person durch Dritte, wobei insbesondere die folgenden Kriterien eine Rolle spielen (Hsu 1996): moralische Integrität, Fähigkeit, Status, Kultiviertheit. Lässt sich eine Person in diesen Bereichen Verfehlungen zuschulden kommen, verliert sie Gesicht, kann sie Verdienste vorweisen bzw. erfüllt sie die gesellschaftlichen Standards, gewinnt sie Gesicht. Im Einzelnen existieren folgende Zusammenhänge (s.a. Weidemann 2004): a) Das Verletzen moralischer Grundsätze (z.B. indem man die alten Eltern vernachlässigt, beim Lügen oder Stehlen ertappt wird) führt zur Beschädigung des Gesichts. Ein Gesichtsverlust aufgrund moralischer Verfehlungen ist gleichbedeutend mit dem Verlust gesellschaftlicher Achtung und hat negative Auswirkungen auf die gesellschaftliche Position und die Handlungsfähigkeit einer Person – in der Regel erstreckt sich dieser Verlust von Ansehen auf die gesamte Familie oder andere mit der Person assoziierte Personen und Gruppen. b) Nicht so fundamental wie die moralische Integrität einer Person, aber dennoch wichtig für die Zu- oder Aberkennung von Gesicht, ist die unter Beweis gestellte Fähigkeit. Fähigkeit (oder Unfähigkeit) kann in verschiedenen Bereichen demonstriert werden, und als kompetent eingeschätzt zu werden, ist gleichbedeutend mit der Bestätigung von Gesicht. Umgekehrt ist das Offenbarwerden von Unvermögen und Scheitern gesichtsbedrohend. Als Fähigkeiten können zum Beispiel gelten: Sprachkenntnisse, allgemeine Intelligenz, Improvisationsfähigkeit, Geschick oder prinzipiell jede Fertigkeit, die in einer bestimmten Situation gefragt ist (Hsu 1996). Auch der soziale Erfolg der Kinder gilt als Ausdruck der eigenen Qualitäten (als Eltern), ihr Misserfolg als Ausdruck persönlichen Versagens. c) Status bezieht sich hier auf die Rangordnung der Interaktionspartner in einer bestimmten Situation. Wird die eigene soziale Position von den 150

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Interaktionspartnern als überlegen eingeschätzt und durch entsprechendes Verhalten begleitet (z.B. durch den Gebrauch von höflichen Anredeformen, Titeln, das Überreichen von Geschenken), stellt dies eine deutliche Bestätigung des eigenen Gesichts dar (Hsu 1996, S. 117). Entsprechend kann das Ausbleiben von erwarteten Statusbezeugungen zu dem Gefühl führen, Gesicht verloren zu haben. d) Gutes Benehmen, zivilisierte Umgangsformen und Bildung tragen zu einem Eindruck von ›Kultiviertheit‹ bei, der für die Bewertung von Gesicht ebenfalls von Bedeutung ist. Als Zeichen von Kultiviertheit gelten zum Beispiel taktvolles Verhalten, Höflichkeit, Bescheidenheit, Zuvorkommenheit, das Tragen angemessener Kleidung oder Respekt für andere. Auch Kennerschaft von Kunst, Musik, Poesie, das Praktizieren von Kalligrafie, das Spielen eines Instruments oder das Ausstellen exquisiter Kunstwerke in der eigenen Wohnung lassen Kultiviertheit und Bildung auf einem höheren Niveau erkennen. Rohes, ungehobeltes Betragen dagegen, wie zum Beispiel Angeberei, das Erzählen anstößiger Witze oder Betrunkensein zu unpassenden Gelegenheiten, ist ein Zeichen mangelnder Kultiviertheit und führt daher zum Gesichtsverlust. Das Zuerkennen von Gesicht folgt keinen einfachen Regeln. Als Ergebnis eines sozialen Urteilsprozesses mag Gesicht zwar mit den Handlungen, Leistungen oder Charakteristika einer Person in Beziehung stehen, doch resultiert es nicht automatisch aus jenen. Gesicht wird vielmehr in sozialen Interaktionen bestätigt, negiert, eingefordert oder gewährt. Als soziales Phänomen setzt ›Gesicht‹ mindestens zwei Akteure voraus, deren Gesicht in der Interaktion auf dem Spiel steht. In der Interaktion kann das Gesicht auf beiden Seiten gewahrt, beschädigt oder bestärkt werden, sodass sich grob sechs Kategorien gesichtsrelevanter Verhaltensweisen unterscheiden lassen: • Das eigene Gesicht geht verloren: Hierzu kommt es, wenn man den Ansprüchen Dritter nicht genügt. Der Verlust an Ansehen geht mit einem Gefühl der Scham einher; • Das Gesicht der anderen Person wird beschädigt: Dies kann entweder unabsichtlich geschehen – was Reparaturen erfordert, um die Beziehung nicht nachhaltig zu beschädigen – oder absichtlich, wenn z.B. ein Gegner bloßgestellt oder herabgesetzt werden soll. • Man gewinnt an Gesicht: Durch besonders gute Leistungen oder durch Lob Dritter steigt das eigene Ansehen. Die chinesische Höflichkeit erfordert in diesem Fall, die eigenen Verdienste verbal herabzustufen oder andere Bescheidenheitsfloskeln zu verwenden (siehe hierzu weiter unten). • Man gibt der anderen Person Gesicht: Indem man die Verdienste des Anderen öffentlich würdigt, ihn lobt oder ihm Geschenke macht, gibt man ihm Gesicht. 151

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• •

Das eigene Gesicht wird gewahrt: Sind Versuche erfolgreich, das Offenbarwerden eigener Fehler zu verhindern, ist das Gesicht gewahrt. Das Gesicht der anderen Person wird gewahrt: Insbesondere Freunde oder Unterstellte versuchen häufig, das Gesicht der ihr nahestehenden oder vorgesetzten Person zu wahren, indem sie die Person vor Fehlern bewahren oder dafür sorgen, dass sie nicht der Person angelastet werden.

Deutsche in China kommen leicht in Situationen, in denen das für sie normale Maß an Gefühlsäußerung oder Direktheit sowie die Unkenntnis der chinesischen Gewohnheiten dazu führen, dass sie das Gesicht verlieren. Allerdings wird Ausländern hier ein großer Verhaltensspielraum eingeräumt, da von ihnen nicht erwartet wird, dass sie mit den Regeln chinesischer Interaktionen vertraut sind. Dieser Freiraum wird manchmal auch bewusst genutzt, wenn Deutsche Aufgaben übernehmen, die für einen Chinesen zu heikel wären. »Als Trampel vom Dienst vorgeschickt werden«, nannte einer der von Nagels (1996, S. 32) befragten Deutschen dieses Phänomen. Generell sind in Bezug auf die Problematik des Gesichts folgende Punkte zu bedenken: • Ein Gesichtsverlust ist besonders schwerwiegend, wenn er ältere, sozial und bildungsmäßig höhergestellte Personen betrifft. Da auch aus der – in China verbreiteten – hierarchisch orientierten Grundeinstellung Vorgesetzten eine Vorbildfunktion erwächst, ist es für Deutsche in Führungsfunktionen absolut notwendig, ihr Gesicht zu wahren. Fachkenntnis, Erfahrung und hohe Motivation nützen nichts, wenn das Gesicht verloren und damit der Vorgesetzte aus chinesischer Sicht untragbar geworden ist. Ähnliches gilt – in abgeschwächter Form – auch für Studenten. In China genießen Studenten ein gewisses Ansehen, da sie sich durch Bestehen zahlreicher Tests für die Aufnahme an der Hochschule qualifizieren mussten. Es wird erwartet, dass sie sich der Rolle des künftigen Leistungsträgers der Gesellschaft als würdig erweisen. • Das allseitige Wahren von Gesicht ist besonders in Konfliktsituationen wichtig. Deutliche Kritik anzubringen, verursacht fast immer Gesichtsverlust auf beiden Seiten. Chinesen äußern deshalb Ablehnung oder Kritik auf indirekte Weise. Möglichkeiten dazu umfassen vorsichtige Andeutungen von ›Schwierigkeiten‹, das Einschalten eines Vermittlers oder der Entzug von Privilegien. Kommunikative Strategien, die hier zur Anwendung kommen, werden im nächsten Abschnitt ausführlicher geschildert. • Die Anwesenheit von Zeugen verschärft einen Gesichtsverlust erheblich, weil dieser damit öffentlich wird. Insbesondere sollte das Äußern von Kritik in Anwesenheit Dritter vermieden werden.

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›Gesicht‹ kommt vorrangig bei Interaktionen mit Personen des Bekanntenkreises zum Tragen. Im engeren Kreis der Familie spielt Gesicht keine Rolle. Auch bei der Begegnung mit gänzlich Fremden muss auf das Gesicht keine Rücksicht genommen werden. Hier zeigt sich erneut, dass bei verschieden definierten Beziehungen unterschiedliche Standards zum Tragen kommen. Ausländer nehmen – in Unkenntnis dieses Sachverhalts – das Verhalten von Chinesen als höchst widersprüchlich dar.

Indirekte Kommunikation Um sich und andere vor Gesichtsverlust zu schützen, wählen chinesische Gesprächspartner häufig Ausdrucksweisen, die Deutsche als ›vage‹ oder ›indirekt‹ empfinden. Tatsächlich stellt der unterschiedliche Grad an Direktheit in der Kommunikation eine der größten Quellen für Missverständnisse und Fehlinterpretationen in deutsch-chinesischen Interaktionen dar. Ein verwandtes Konzept der kulturvergleichenden Forschung stammt von Edward T. Hall (1989), der Kulturen nach dem bevorzugten Grad der Explizitheit von Kommunikation unterscheidet. ›Explizit‹ bedeutet, dass alle zum Verstehen einer Äußerung nötigen Informationen in der Nachricht enthalten sind. Diese ist auch ohne eine Kenntnis des Kontextes verstehbar und wird daher von Hall als »low-context communication« bezeichnet. Umgekehrt kommt »highcontext communication« mit nur sehr vagen Andeutungen oder Stichworten aus, weil der Kontext alle übrigen Informationen beisteuert. A high-context (HC) communication or message is one in which most of the information is either in the physical context or internalized in the person, while very little is in the coded, explicit, transmitted part of the message. A low-context (LC) communication is just the opposite; i.e., the mass of information is in the explicit code. (Hall 1989, S. 91)

Kommunikation zwischen guten Freunden oder Ehepartnern sind Beispiele für high-context communication. Da hier ein gemeinsamer Lebens- und Erfahrungshintergrund (Kontext) besteht, sind auch Nachrichten verstehbar, die für Uneingeweihte zusätzlicher Erklärungen bedürften. Juristische Verträge, auf der anderen Seite, stellen ein Beispiel für low-context communication dar. Hier ist es wichtig, dass alles bis ins kleinste Detail festgehalten ist und sich möglichst wenig einfach nur ›von selbst versteht‹. Kulturen, so Hall, unterscheiden sich danach, inwieweit sie im Allgemeinen high-context- oder low-context-Kommunikation den Vorrang geben. Während Deutsche eher zu expliziter Kommunikation (low-context), neigen, stellen Japan oder China typische Beispiele für high-context-Kulturen dar. Ein Zusammenhang mit dem Ausmaß der Beziehungsorientierung und 153

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der Betonung von ›Gesicht‹ in sozialen Interaktionen ist unverkennbar: Eine stärkere Beziehungsorientierung sorgt offenbar dafür, dass sehr viel Information im informellen Austausch weitergegeben wird und damit allgemein verfügbar ist. Andererseits ermöglicht die implizite Form der Kommunikation auch, dass bei Konflikten sehr gesichtsschonend vorgegangen werden kann. High-context-Kommunikation findet einerseits in beziehungsorientierten Kulturen besonders gute Voraussetzungen, andererseits erfüllt sie dort auch eine größere Notwendigkeit. High-context-Kommunikation ist durch einen indirekten Sprachstil gekennzeichnet, der hilft, im Konfliktfall direkte Konfrontationen zu vermeiden und stärker auf die affektive Ebene zielt. Low-context-Kommunikation zeichnet sich durch einen direkten Sprachstil aus, der sachorientiert ist und stärker dem Streben nach Autonomie, Durchsetzungskraft und Wettbewerb verhaftet ist. Indirekte Kommunikationsstrategien kommen vor allem in Situationen zum Einsatz, die potenziell gesichtsbedrohend sind, wie z.B. beim Vorbringen einer Bitte, dem Äußern von Nichtübereinstimmung oder Kritik. Auch Deutsche kennen in solchen Situationen, vor allem, wenn das Gegenüber nur wenig bekannt oder sozial höhergestellt ist, Höflichkeitsstrategien, die eine ›vorsichtige‹ Formulierung von Kritik oder die ›Andeutung‹ einer Bitte beinhalten. Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass Chinesen von solchen Strategien viel ausgedehnteren Gebrauch machen und zudem eine größere Zahl an akzeptierten Strategien einsetzen. Nicht immer gelingt es Deutschen, die ›indirekt‹ gesendete Botschaft zu entschlüsseln. Die Bevorzugung indirekter Kommunikation bedeutet nicht, dass auf die Kommunikation von Ablehnung oder Kritik verzichtet wird – sie wird jedoch auf gesichtsschonende Weise vermittelt, wobei prinzipiell das Gemeinsame stärker betont wird als das Trennende, auch wenn Übereinstimmung dabei aus deutscher Sicht vielleicht manchmal rein rhetorisch ist. Die nachfolgend geschilderten – in China weitverbreiteten – Strategien bergen in der interkulturellen Kommunikation ein großes Potenzial für Missverständnisse: • Ablehnung wird nicht unumwunden geäußert, sondern erst nach einer längeren Einleitung, die die Meinung des Anderen unterstützt. Dies nimmt zum Beispiel die Form einer »ja, aber…«-Sequenz an, wobei der »ja«-Teil sehr ausgedehnt sein kann (Günthner 1993, Liang 1996). Deutsche, die daran gewöhnt sind, dass die wesentliche Botschaft zu Beginn eines Redebeitrags geäußert wird, hören oftmals nur diesem ersten Teil zu und bemerken daher unter Umständen nicht, dass ihr Gegenüber tatsächlich eine andere Meinung vertritt, oder sie empfinden den Redebeitrag als in sich ›unlogisch‹ oder ›widersprüchlich‹. Dass es sich lediglich um ein anderes Diskursformat handelt, das erst nach der Betonung von Übereinstimmung eine abweichenden Aussage vorsieht, wird nicht bemerkt. 154

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Bitten oder Einladungen werden nicht direkt ausgeschlagen. Sie werden vielmehr selbst dann akzeptiert, wenn dem Gefragten bereits klar ist, dass er den Wünschen der anderen Person nicht nachkommen kann oder will. So wird eine Einladung zunächst freudig akzeptiert und erst später dem Gastgeber mitgeteilt, dass man verhindert sei. Entsprechend werden auch Bitten zunächst gewährt und dann unter Umständen einfach nicht ausgeführt, was als höflicher gilt, als eine Bitte direkt abzulehnen. Ausländer, die gemäß ihrer eigenkulturellen Gewohnheiten Zusagen für verbindlich halten, empfinden solch ein Verhalten leicht als ›unehrlich‹. Wie Hartzell (1988) anmerkt, sind aus chinesischer Sicht Höflichkeitsstrategien (face work) aber generell außerhalb der Dimension Ehrlichkeit/Unehrlichkeit angesiedelt, da keine betrügerische Absicht dahinter steht, sondern nur das Ziel, Gesicht zu wahren. Absagen aller Art werden generell sehr indirekt kommuniziert. Ein klares ›Nein‹ gilt als unhöflich. Deutsche stellt dies vor die zwei Probleme, dass ihre eigenen direkt geäußerten Ablehnungen von den chinesischen Partnern als wenig höflich empfunden werden, und dass es ihnen zum anderen schwerfällt, die indirekte Botschaft der anderen als Ablehnung zu interpretieren. Themenwechsel, Übergehen oder Überhören eines Redebeitrags gelten aus chinesischer Sicht alle als adäquate Methoden, Ablehnung zu kommunizieren. Besonders verwirrend ist für Deutsche, dass selbst ein Ja nicht unbedingt Zustimmung bedeutet. Häufig bedeutet »ja« einfach nur »ja, ich höre« oder »ja, ich verstehe«. Besonders, wenn eine Ablehnung gesichtsbedrohend wäre, kann »ja« lediglich eine reine Floskel sein: »Dass ich ja sage, zeigt, dass ich höflich genug bin, nicht direkt abzulehnen.« In letzterem Fall wäre das Ja wohl besser als Nein interpretiert. In ähnlicher Weise sind auch Aussagen wie »I cannot guarantee anything«, »I will try« oder »it will be difficult« als Absage zu verstehen. Häufig werden gesichtsbedrohende Inhalte durch das Weglassen erwartbarer Mitteilungen kommuniziert. So werden beispielsweise Diskussionsbeiträge, die die Zustimmung eines Teilnehmers gefunden haben, von diesem sinngemäß wiederholt. Teile, die auf Ablehnung gestoßen sind, werden hingegen weggelassen (Tang/Reisch 1996). Analog beobachtet ein Deutscher: »Wenn fünf Fragen gestellt werden, erwartet der Deutsche auch fünf Antworten. Der Chinese weiß aber, dass eine fehlende Antwort eine negative bedeutet« (Interviewantwort in Nagels 1996, S. 33). In beiden Beispielen steckt jeweils die wichtigste Information nicht in dem, was gesagt, sondern in dem, was nicht gesagt wird.

Offene Konflikte werden durch den Einsatz der geschilderten Strategien meist recht zuverlässig vermieden. Das indirekte Andeuten von Dissens führt in der Regel zum Ziel, ohne dass divergierende Standpunkte offengelegt werden 155

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müssten. Eine weitere Strategie, vor allem für den Fall, dass der Konflikt doch unübersehbar zu werden droht, ist der Einsatz eines Vermittlers. Indirekte Kommunikation dient jedoch nicht nur dem Erhalt von Harmonie, sondern ermöglicht auch Verhaltensflexibilität. Da definitive Aussagen vermieden werden, besteht immer die Möglichkeit, bei veränderten Bedingungen auch anders zu handeln, ohne dass dies gleich in offenem Widerspruch zur geäußerten Absicht stünde. Für Deutsche ist es wichtig, sich mit den Indirektheitsstrategien ihrer chinesischen Gesprächspartner vertraut zu machen, um Aussagen adäquat interpretieren zu können und um das eigene Verhalten so anzupassen, dass es chinesischen Interpretationsgewohnheiten entgegenkommt. Wenn es auch nicht darum geht, den chinesischen Stil zu kopieren, so erleichtert eine Annäherung sicherlich, die gewünschten Ziele zu erreichen. Wichtig ist auch, Verhaltensweisen zu unterlassen, die unbeabsichtigt von chinesischen Interaktionspartnern mit Bedeutung versehen werden. So kann ein unfreundlicher Tonfall, der der eigenen schlechten Laune entspringt, auf der Gegenseite als Kritik oder als Wunsch nach emotionalem Rückzug interpretiert werden, auch wenn dies nicht die Intention des Sprechers war. Doch selbst das Wissen um die Eigenarten des in China präferierten Kommunikationsstils hilft nicht immer, Frustration und Missverständnisse zu vermeiden, denn Kommunikationsstile sind mit Werthaltungen eng verknüpft. So gelten etwa in Deutschland das klare Äußern der eigenen Meinung als Zeichen von Aufrichtigkeit und argumentative Durchsetzungskraft als Ausdruck persönlicher Fähigkeit und Intelligenz. Dies steht in deutlichem Kontrast zu den chinesischen Werten von Respekt und Wahrung der Harmonie. Was aus chinesischer Sicht Tugenden darstellt, (wie z.B. das Vermeiden von Konfrontationen) wirkt auf Deutsche häufig als ›unoriginell‹, als ›Ausweichen, um nicht einen eigenen Standpunkt zu beziehen‹ oder einfach nur als ›undurchschaubar‹. Im schlimmsten Fall wird das chinesische Vorgehen als ›hintenrum‹ und ›unehrlich‹ empfunden. Chinesen hingegen erleben die direkte Art der Deutschen leicht als ›emotional unkontrolliert‹, ›ungeschickt‹, ›aggressiv‹ oder ›unhöflich‹. Auch Empfindungen darüber, was ›Unwahrheiten‹, ›Täuschung‹ oder ›Höflichkeit‹ darstellt, sind teilweise recht verschieden. Für Deutsche ist besonders schwer zu verstehen, dass selbst offensichtliche Fehler oder ›Unwahrheiten‹ aus Gesichtsgründen häufig ›unter den Teppich gekehrt‹ werden. Aus chinesischer Sicht steht hingegen in solchen Situationen das Wahren von Harmonie, Gesicht und Höflichkeit im Vordergrund – es handelt sich mithin um eine Situationskategorie, für die Kriterien der ›Ehrlichkeit‹ nicht in Anschlag gebracht werden können. Schließlich ergibt sich für Menschen, die an direkte Kommunikation gewöhnt sind, in high-context Kulturen noch ein weiteres Problem: Ihnen sind 156

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die informellen Informationsmechanismen der anderen Kultur fremd, sie sammeln selbst zu wenig Kontextinformationen (weil ihnen deren Bedeutung entgeht) oder verfügen nicht über entsprechende Netzwerke. Da sie Schwierigkeiten haben, die impliziten Botschaften zu entschlüsseln, entsteht bei ihnen ein Informationsdefizit oder gar das Gefühl, Information werde ihnen absichtlich vorenthalten.

Höflichkeit In vielen Situationen erfolgt die Wahl indirekter Kommunikationsstrategien aus Höflichkeit. Darüber hinaus existieren in China jedoch weitere Sprachund Handlungsroutinen, die Höflichkeit zum Ausdruck bringen. Im Wesentlichen zielen höfliches Handeln und Sprechen darauf ab, dem Interaktionspartner Gesicht zu geben und zugleich die Verdienste der eigenen Person zurückzustellen. Lob des anderen und Bescheidenheit in Bezug auf die eigene Person sind folglich wichtige Bestandteile höflicher Kommunikation. Bescheidenheit ist auch nach deutschen Werthaltungen eine Tugend. Im Chinesischen spielt sie in der Regulation zwischenmenschlicher Beziehungen allerdings eine etwas andere und in mancher Hinsicht ausgeprägtere Rolle als im Deutschen. Bescheidenheit als das »Zurückdrängen des ›Ich‹ in Reden und Handeln« ist in der chinesischen Geistestradition fest verankert (Liang 1996 1998, Lin-Huber 2001). Bescheidenheit kommt im Hintanstellen der eigenen Person, in Selbsterniedrigung und dem Herabwürdigen der eigenen Leistung zum Ausdruck. Diese Formen der Selbsterniedrigung gelten als umso bescheidener, je weiter es der Betreffende im Leben tatsächlich gebracht hat und erstreckt sich auch auf das Umfeld des Sprechers. Einige Beispiele sind die – heute allerdings nicht mehr gebräuchlichen – Sprachfloskeln:

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bi xing (mein bescheidener Familienname/Ich heiße..) bi ren (meine bescheidene Person/Ich...) xiao nü (das kleine Mädchen, meine Tochter) han she jiu zai fu jin (Meine schäbige Hütte [meine Wohnung] ist gleich in der Nähe.) bi xiao zai shang hai (Meine bescheidene Hochschule ist in Shanghai) (Liang 1996, S. 257 und 258)

Bescheidenheit wird auch dadurch ausgedrückt, dass der Gesprächspartner besonders respektvoll und ehrerbietig behandelt wird. Dies gibt dem Gegenüber wiederum Gelegenheit zur Selbstabwertung. Es entspinnt sich ein Dialog, der von gegenseitigen Respektsbezeugungen und dem Herabwürdigen der eigenen Person und Leistung geprägt ist.

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A: gui xing? (Wie ist Ihr kostbarer Name?) B: mian gui, […] xing ... (Ohne »kostbar«, mein […] Familienname ist ...) A: A! Nin shi ... jiu wen da ming. (Ah, Sie sind ... Von Ihrem großen Namen habe ich schon lange gehört.) (Liang 1996, S. 259)

Die eigentliche Höflichkeit und Bescheidenheit liegt nun nicht allein in den einzelnen Äußerungen begründet, sondern darin, dass dem anderen Möglichkeit zur Selbsterniedrigung eingeräumt wird (Liang 1996). Eng mit den letzten Punkten verbunden ist die Konvention, Lob oder Komplimente zurückzuweisen. Während es im Deutschen durchaus möglich ist, ein Kompliment anzunehmen, werden diese in China als Zeichen der Bescheidenheit in der Regel abgewehrt. In ähnlicher Weise ist auch das Ablehnen von Angeboten Ausdruck von Bescheidenheit. Dies gilt auch für das Anbieten von Speisen und Getränken, die erst nach mehrmaliger Aufforderung angenommen werden. Allen diesen verschiedenen Wegen, Bescheidenheit auszudrücken, ist gemeinsam, dass sie auf entsprechende Sprachroutinen zurückgreifen können. Sprachroutinen sind mehr oder weniger verfestigte Ausdruckseinheiten, die in bestimmten Situationen von den Sprechern einer Gemeinschaft fast automatisch eingesetzt werden (Liang 1996). Die oben angeführten chinesischen Wendungen sind Beispiele für solche Sprachroutinen. Ihre Verwendung dient zur Entlastung des Sprechers, da dieser sich nicht erst bewusst für eine (sprachliche) Handlung entscheiden muss, unterstützt daher die Verhaltenssicherheit und dient in der Interaktion überdies dazu, ein gemeinsames Wertund Ordnungsgefüge zu aktualisieren. In ähnlicher Weise dienen auch umfassendere Handlungsrituale (z.B. Begrüßungen) der Handlungsorientierung (Tan 2005). Sprachroutinen und ritualisierte Handlungen sind daher innerhalb einer Sprach- und Kulturgemeinschaft höchst funktional. Erst in der interkulturellen Kommunikation können sie zu Problemen führen, da sie vom Gegenüber nicht immer in ihrer Funktion erkannt werden. So kann es z.B. passieren, dass routinehafte Höflichkeitsbezeugungen wörtlich genommen werden und Befremden oder Unverständnis auslösen (»Wieso sagt die Gastgeberin, es gebe nichts zu essen, wo doch der Tisch unter den Speisen fast zusammenbricht?«). Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn Chinesen aus Höflichkeit zu Kritik auffordern – aus chinesischer Sicht stellt die Floskel »bitte zögern Sie nicht, uns zu kritisieren« eine feststehende Redewendung dar, die keineswegs zu kritischen Äußerungen auffordern soll (Liang 1996). Deutsche, die dies verkennen und zu detaillierter Kritik ansetzen, können sich und ihr Gegenüber in eine schwierige Lage bringen. Die chinesische Sprache kennt eine große Fülle an Sprachroutinen, die auch häufig eingesetzt werden. Auf Deutsche, die Sprachroutinen sehr viel seltener verwenden, wirkt der chinesische Stil daher häufig ›blumig‹ oder 158

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›unoriginell‹ (Liang 1996). Für Chinesen ist die Verwendung von Sprachroutinen ein wichtiges Element höflichen und kultivierten Miteinanders – auch wenn sich bestimmte Formen höflicher Selbsterniedrigung im Zeitalter der Globalisierung zu verflüchtigen beginnen.

Interkulturelles Lernen Kulturschock Angesichts der oben geschilderten Kulturunterschiede mag ein ChinaAufenthalt umso mehr als Wagnis erscheinen. Kann es überhaupt gelingen, sich auf eine so fremde Kultur einzustellen? Diese Frage zielt auf die Möglichkeit, die Bedingungen und den Verlauf interkulturellen Lernens. Wir stellen deshalb in den folgenden Abschnitten ausgewählte Forschungsbefunde vor, die darüber Auskunft geben, was es mit dem viel zitierten Kulturschock auf sich hat, wie interkulturelles Lernen verläuft und welche Lernstrategien erfolgreich sind, um sich im Ausland wohlzufühlen. Kaum ein Land hält vermeintlich so sicher einen ›Kulturschock‹ bereit wie China: Von der Schrift bis zum Essen, von den kulturellen Werten bis zu den Kommunikationsstilen, vom Klima bis zur Politik scheint alles anders zu sein als in Deutschland. Das Gefühl von Fremdheit und kultureller Verschiedenheit, das sich bei der ersten Ankunft in China vielleicht einstellt, ist jedoch nicht gemeint, wenn von ›Kulturschock‹ die Rede ist. Der Begriff, der auf Kalervo Oberg (1960) zurückgeht, bezeichnet vielmehr ein Gefühl der Ablehnung der fremden Kultur, das durch einen Rückzug von Personen, Situationen, Speisen des Gastlandes begleitet wird. Typischerweise stellt sich ein Kulturschock erst nach mehreren Wochen bis Monaten im Gastland ein. Nachdem die Anfangsbegeisterung verflogen ist, setzt nicht nur eine Ernüchterung, sondern eine regelrechte Abwehrhaltung gegenüber dem fremden Umfeld. Wie sich dies im konkreten Fall äußern kann, zeigt der Bericht von Denise, einer deutschen Studentin, die nach einem kurzen Heimaturlaub an ihren Studienort in Taiwan zurückkehrt, und die plötzlich an nichts Lokalem mehr Gefallen findet: Und dann auch komischerweise das Essen, das alles, was ich vorher gerne gegessen habe und getrunken habe, das hat mir überhaupt nicht mehr geschmeckt. Das war ääh, und wie konntest du das nur vorher gegessen haben und so ein Mist. Und dann haben mich die Leute hier genervt. Und dann das Chinesischstudium, das hat mir überhaupt keinen Spaß gemacht, ich habe das richtig verweigert regelrecht. Also, ich habe dann mein Essen gegessen, was ich mir aus Deutschland mitgebracht habe und habe halt englische Bücher und deutsche Bücher gelesen. Also ich habe das erst mal 159

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total... irgendwie, es war wie so eine richtige Abwehr, das war total komisch. (Denise II, 71:81 in Weidemann 2004, S. 194)

Von einer gelegentlich auftretenden ›Chinamüdigkeit‹ berichten auch andere Ausländer, die in China leben (Schneider 2010). Alles Mögliche, das vorher aufregend oder doch zumindest akzeptabel war, wird nun plötzlich unerträglich: das Wetter, der Großstadtlärm, die chinesischen Kollegen, das Essen, die Bürokratie oder einfach nur ein falsch reparierter Wasserschlauch. Viele der beklagten Probleme sind ›echt‹, die erlebten Frustrationen höchst real (Oberg 1960), und doch gesellt sich zu den vielen Widrigkeiten des Alltags eine generell ablehnende Haltung, die den Kuriositäten des Lebens in China plötzlich nichts Positives mehr abgewinnen kann. All dies ist gemeint, wenn von ›Kulturschock‹ die Rede ist. In der Regel vergeht das von Denise beschriebene Gefühl der »Abwehr« nach einiger Zeit – bisweilen helfen Pausen, in denen bewusst schöne Erfahrungen gesucht werden, z.B. bei Ausflügen oder einem Kurzurlaub. Gelegentlich reicht bereits das Wissen, dass die geschilderten Empfindungen nicht untypisch sind und im Laufe der Zeit wahrscheinlich vergehen werden. Und doch können Unzufriedenheit und Verdruss das Leben für eine Weile erheblich beeinträchtigen. Oberg schlussfolgerte aus eigenen Beobachtungen, dass längere Auslandsaufenthalte typischerweise vier Phasen durchlaufen: (a) Eine euphorische Anfangsphase (»Honeymoon«), in der der Neuankömmling von den neuen Eindrücken begeistert ist, (b) die Phase des Kulturschocks, in der die erste Begeisterung allmählicher Ernüchterung, Frustration und sogar Abneigung gegenüber dem Gastland weicht, (c) eine Phase der Anpassung, während der der Besucher Gebräuche und Sprache des Gastlandes erlernt, und (d) eine Phase der Integration, die von ausreichender Kulturkompetenz und genereller Zufriedenheit geprägt ist. Bis heute ist die Vorstellung eines Uförmigen Verlaufs (vom ersten Empfindungshoch über ein Anpassungstief bis zu einem späteren Integrationshoch) der kulturellen Anpassung im Ausland in der wissenschaftlichen Literatur und darüber hinaus weit verbreitet. Interessanterweise gibt es jedoch nur wenige Studien, die über Existenz, Bedingungen und Ausprägungsformen des Kulturschocks zuverlässig Auskunft geben (Weidemann 2007). Es ist wohl davon auszugehen, dass eine entsprechende Phase der Ablehnung, Frustration und Distanzierung von der Gastkultur zwar von vielen Auslandsreisenden erlebt wird, dass ein ›Kulturschock‹ jedoch keineswegs zu den unvermeidlichen Erfahrungen eines längeren Auslandsaufenthalts zählt. Viele Personen berichten über keinerlei nennenswerten Schwankungen ihres Wohlbefindens im Ausland – und dies gilt selbst für China-Aufenthalte. Bis heute ist nicht bekannt, welche Faktoren

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dafür ausschlaggebend sind, ob Kulturschock-ähnliche Stimmungstiefs auftreten oder nicht. Viele Reisende erleben das beschriebene Stimmungstief nicht im Ausland, sondern nach ihrer Rückkehr ins Heimatland. Auch hier setzen nach einer ersten Phase der Begeisterung Ernüchterung und Frustration ein, die zudem von der Trauer über den Abschied von den im Ausland zurückgelassenen Freunden oder den Verlust der im Ausland lieb gewonnenen Lebensweise begleitet werden. Wer aus China nach Deutschland zurückkehrt, vermisst womöglich den Trubel der Großstadt, die rund um die Uhr geöffneten Geschäfte, seine Lieblingsgerichte, die chinesische Sprache oder die Flexibilität und Dynamik, die Leben und Arbeiten in China so aufregend machen können. Hinzu kommt die – vielleicht unerwartete − Einsicht, dass man sich selbst während der Monate im Ausland verändert hat. Eine Studentin schildert ihr Gefühl der Befremdung, das sich einstellt, als sie bemerkt, dass sie nicht ohne Weiteres an ihr ›altes Leben‹ anknüpfen kann und will: Aber man kommt halt zurück und hat so das Gefühl, da ist alles stehen geblieben und man selber ist irgendwie weiter gegangen und jetzt soll man einfach da anknüpfen, wo man ein Jahr vorher aufgehört hat. (CHI-2, Z: 176, Richter 2010, S. 34).

Oft stellen sich zudem Enttäuschung darüber ein, dass die Daheimgebliebenen nur wenig Interesse für die eigenen China-Erlebnisse aufbringen, und Verärgerung über das in Deutschland verbreitete einseitige und häufig negative Bild von China, das man selbst im Ausland zu präzisieren gelernt hat. Auch hier setzt nach einer Übergangsphase eine Gewöhnung ein, doch wird das Zurückfallen in den ›alten Trott‹ von vielen als Verlust empfunden, rückt die Zeit in China doch auf diese Weise allzu schnell in Vergessenheit. Glück hat, wer nach der Rückkehr die eigenen Erfahrungen in einem Rückkehrer-Seminar mit anderen Personen teilen kann, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Neben den Möglichkeiten eines solchen Seminars, Erfahrungen auszutauschen und zu verarbeiten, bieten sie auch Unterstützung bei der Entwicklung künftiger Handlungsperspektiven. Doch auch, wer keine Gelegenheit zur Teilnahme an einem entsprechenden Kurs hat, kann die gemachten Erfahrungen systematisch auswerten und sich fragen, welche Aspekte des Auslandsjahres besonders wichtig waren. Wie hat sich der Blick auf das Gastland verändert? Wie hat sich der Blick auf Deutschland verändert? Was hat man im Ausland zu schätzen gelernt? Was möchte man sich erhalten, und was kann man (konkret!) dafür tun? Man wird überrascht sein, wie viele Möglichkeiten es gibt, im Ausland lieb gewonnene Gewohnheiten und Tätigkeiten auch in ein ›deutsches‹ Leben zu integrieren.

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Kulturelle Anpassung Die Veränderungsprozesse, die Personen im Ausland durchlaufen, werden in der interkulturellen Forschung zumeist als »kulturelle Anpassung« oder »interkulturelles Lernen« thematisiert. Die Begriffe lassen erkennen, dass nicht alle Formen persönlicher Veränderung untersucht werden, sondern speziell jene, die im Zusammenhang mit dem Erleben und Verarbeiten kultureller Differenz stehen. Der Auslandsaufenthalt wird mithin vorrangig als Gelegenheit zum Erwerb interkultureller Kompetenz verstanden. Neben dem oben bereits vorgestellten, populären U-Kurven-Modell kultureller Anpassung hat auch das Modell von Milton Bennett (1993) viel Aufmerksamkeit gefunden. Das Modell stellt die Abfolge sechs verschiedener Stufen im Umgang mit kultureller Differenz dar, während zugleich zwischen zwei grundlegenden Haltungen (Ethnozentrismus, Ethnorelativismus) unterschieden wird: Die ersten drei Stufen sind durch einen ethnozentrischen Umgang mit kultureller Differenz gekennzeichnet, d.h., Fremdes wird ausschließlich auf der Basis eigenkultureller Standards wahrgenommen und beurteilt. Die ›höheren‹ Stufen hingegen sind durch einen ethnorelativen Umgang mit kultureller Differenz gekennzeichnet, der multiple kulturelle Standpunkte zulässt. Im Einzelnen postuliert das Modell folgenden Ablauf interkulturellen Lernens (s.a. Weidemann 2004). Ethnozentrische Stadien: • Leugnen (»denial«): Nach Bennett stellt das Leugnen kultureller Differenz die reinste Form des Ethnozentrismus dar. Da unter heutigen gesellschaftlichen Bedingungen die Existenz kultureller Differenz nur selten rundum bestritten wird, bedeutet ›Leugnen‹ häufig, sich durch aktive soziale und räumliche Abgrenzung von kulturell ›Anderen‹ eine Lebenssituation einzurichten, in der ›Andere‹ nicht vorkommen. • Abwehr (»defense«): Wird kulturelle Differenz nicht mehr nur einfach geleugnet, so muss sie aktiv bewältigt werden. Insofern sie als bedrohlich, z.B. identitätsbedrohend, wahrgenommen wird, ruft sie Abwehrreaktionen auf den Plan, die sowohl in der Abwertung der anderen als auch in der Aufwertung der eigenen Gruppe bestehen können. • Minimierung (»minimization«): Werden kulturelle Unterschiede (positiv) anerkannt, geschieht diese Anerkennung doch in einem ethnozentrischen Bezugsrahmen. Dies bedeutet zum Beispiel, das Ausmaß der Differenz in seiner Bedeutung zurückzunehmen (indem z.B. die biologisch begründeten Gemeinsamkeiten zwischen allen Menschen betont werden), oder kulturelle Differenz einem eigenkulturellen Prinzip zu subsumieren (indem z.B. kulturelle Differenz auf einen (christlichen!) göttlichen Schöpfungsakt zurückgeführt wird). 162

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Ethnorelative Stadien: • Akzeptanz (»acceptance«): Zwischen der letzten Stufe der ethnozentrischen Haltung und der nächstfolgenden ethnorelativen existiert eine »paradigmatische Barriere«. Das Aufgeben einer ethnozentrischen Weltsicht verlangt einen grundlegenden Erkenntnisschritt, der anstelle von absoluten Kategorien Relativität derselben zulässt. Ethnorelativismus ist durch die Annahme gekennzeichnet, dass Kulturen nur in Relation zueinander verstanden werden können und dass sich bestimmtes Verhalten nur unter Berücksichtigung des kulturellen Kontextes erschließt. Die Maßstäbe der eigenen Kultur gelten nicht länger als zentrale Instanz, sondern als eine Referenzmöglichkeit unter anderen. Die erste ethnorelative Entwicklungsstufe ist das Stadium der »Akzeptanz«. In diesem Stadium wird kulturelle Differenz sowohl anerkannt als auch respektiert. Bennett beobachtet zwei aufeinanderfolgende Stufen der Akzeptanz: Zunächst stelle sich eine Akzeptanz für Verhaltensunterschiede ein. Erst danach komme es zur Akzeptanz unterschiedlicher Werte. • Anpassung (»adaptation«): Das Stadium der Anpassung bezeichnet die Ausbildung von Kommunikations- und Interaktionsfertigkeiten mit Angehörigen anderer Kulturen. Anpassung bedeutet nicht die einseitige Übernahme fremdkultureller Kommunikationsstandards (dies wäre nach Bennett Assimilation, die hier explizit nicht gemeint ist). Vielmehr erweitern die neuen Verhaltensweisen das existierende Repertoire an kulturellen Alternativen, sodass der Bezug auf multiple kulturelle Bezüge normaler Bestandteil der Identität ist. • Integration (»integration«): Die Identitätskonstruktion geschieht im Stadium der Integration jenseits vorgegebener kultureller Bezüge im Bewusstsein vorhandener Wahlmöglichkeiten. ›Integration‹ bedeutet, dass verschiedene kulturelle Rahmen für Handlungen in unterschiedlichen Situationen reflektiert und flexibel eingesetzt werden können. Als Leben jenseits fixer kultureller Rahmen geht Integration zwar mit dem Gefühl der Marginalisierung einher, die Bennett jedoch als »konstruktiv« bezeichnet: »constructive marginality is the experience of one’s self as constant creator of one’s own reality« (Bennett 1993, p. 64). Obwohl das Modell nicht empirisch validiert ist und auch aus anderen Gründen kritisiert werden kann (z.B. Weidemann 2004), nimmt es doch eine hilfreiche qualitative Trennung verschiedener Sensibilitäts- oder Kompetenzstufen vor. Die interessante Frage, die sich hieran anschließt, lautet: Wie viele dieser Stufen werden während eines längeren Auslandsaufenthaltes gemeistert? Bennett selbst geht von mehrjährigen Lernprozessen aus, die eng an die individuellen Lebensverhältnisse geknüpft sind und dementsprechend variabel sind. Die genaue Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass ein163

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deutig gemessen werden kann, welcher Stufe bestimmte Personen zuzuordnen sind – doch noch immer stecken Verfahren zur Erfassung interkultureller Kompetenz in den Kinderschuhen (Deller/Albrecht 2007). Zudem weist das Modell selbst inhaltliche Unschärfen auf, die eine genaue Erfassung von Entwicklungsstufen erschweren. Eigene Untersuchungen in Taiwan (Weidemann 2004) legen jedoch nahe, dass ein einjähriger Auslandsaufenthalt nur in seltenen Fällen über ethnozentrische Perspektiven hinausführt. Auch unsere Erfahrungen in der Hochschullehre deuten darauf hin, dass die üblicherweise hohen Erwartungen an Ausmaß und Geschwindigkeit interkulturellen Lernens nach unten korrigiert werden müssen. Wie die Untersuchung von Lauterbach (2010b) zeigt, kann ein China-Aufenthalt neben positiven Lerneffekten bisweilen sogar eine Verfestigung ethnozentrischer Sichtweisen bewirken. Der allgemeine Wunsch, »etwas über Land und Leute zu lernen« oder »den eigenen Horizont zu erweitern« ist noch keine Garantie dafür, dass interkulturelles Lernen (im Sinne des oben geschilderten Modells) stattfindet. Für Letzteres sind offenbar biografische Hintergründe, Persönlichkeit, aber auch die gewählten Lernstrategien ausschlaggebend. Insbesondere Strategien, die auf eine aktive Aneignung und konkrete Umsetzung neuen Wissens zielen, zeigten sich in der o.g. Studie (Weidemann 2004) als erfolgreich. Wir möchten deshalb abschließend eine Reihe von Herangehensweisen vorstellen, mittels derer eigenständiges interkulturelles Lernen im Ausland unterstützt werden kann. Während eines China-Aufenthaltes gibt es typischerweise nur wenige explizite Lerngelegenheiten zum Erwerb interkultureller Kompetenz (z.B. im Rahmen interkultureller Seminare). Stattdessen gerät der Alltag an Hochschule oder im Unternehmen zum (impliziten) interkulturellen Lernfeld. Umgeben von Elementen chinesischer Kultur gibt es mehr als genügend Quellen, die auf der Suche nach Kulturwissen genutzt werden können: Text- und Bildmaterial (z.B. Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Werbung, InternetSeiten), eigene Beobachtungen und Erfahrungen, Gespräche und Interaktionen mit Kollegen, Freunden, Nachbarn, Bekannten, Vorgesetzten oder Lehrern und schließlich auch das systematische Erschließen von Zusammenhängen durch Nachdenken und Reflexion. Wichtiger als die Art der genutzten Quelle(n) scheint jedoch zu sein, dass die Sammlung neuer Informationen in aktiver Weise in Angriff genommen wird. Zu den Erfolg versprechenden aktiven Lernstrategien zählen u.a. die folgenden (ebd.): • Aktive Suche nach Informationen in Texten (Büchern, Internet, etc.). • Trial and Error: Beobachtung der Wirkung einer bewusst gesetzten Intervention in einer bestimmten Situation, um hieraus weitergehende Aussagen (z.B. über die ›Nützlichkeit‹ der Handlung) abzuleiten. Es werden

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verschiedene Vorgehensweisen ausprobiert und die erfolgreichen beibehalten. Gezielte Beobachtung: Beobachtungen mit einem spezifischen Erkenntnisinteresse, jedoch ohne selbst handelnd einzugreifen. In diese Kategorie fallen auch Beobachtungen von Personen in ›Vorbildrolle‹, zum Beispiel von Vorgesetzten oder anderen geschätzten Personen mit viel Erfahrung. Ungerichtete Beobachtung mit gesteigerter Aufmerksamkeit: Beobachtungen mit einem breiten Erkenntnisinteresse, um sich ein ›Bild‹ von der Situation oder bestimmten Zusammenhängen zu machen. Aus den Beobachtungen werden Hypothesen abgeleitet, die durch weitere gezielte Beobachtungen oder durch andere Methoden überprüft werden. Auskünfte oder Rat einholen: Hierzu werden kundige Personen aufgesucht, um sich gezielt (wenn auch nicht immer in direkter Formulierung) nach etwas zu erkundigen: Wie soll man sich für die vergessene Verabredung entschuldigen? Wie mit den Eltern der chinesischen Freundin umgehen? Wie ein Einstellungsgespräch führen? Von Vorteil ist es, vertraute chinesische Gesprächspartner zu haben, mit denen man auch heikle Themen besprechen kann, und die einem ehrlich Auskunft geben. Reflexion und Nachdenken: Sich durch Überlegen eine »Situation zu entschlüsseln« (Schneider III, 568, Weidemann 2004) oder Erklärungen für bestimmte Zusammenhänge zu finden, ist eine weitere aktive Lernstrategie. Häufig werden die durch Beobachtung, Gespräche und Lektüre gesammelten Informationen erst im Hinblick auf ein bestimmtes Erkenntnisinteresse sinnvoll integrier- und verwertbar. Nachdenken kann deshalb zu neuen Einsichten führen oder doch wenigstens zu neuen Hypothesen, die sodann gezielt überprüft werden können. Unterstützend kann auch ein Tagebuch geführt werden, in dem interkulturelle Beobachtungen festgehalten werden.

Zumeist werden mit einem China-Aufenthalt bestimmte Ziele verfolgt. Man möchte die eigenen Sprachkenntnisse verbessern, Berufspraxis und Auslandserfahrung sammeln. Zählen auch Ziele wie der Erwerb von Kulturwissen und interkultureller Kompetenz dazu, dann tut man gut daran, auch diese Ziele engagiert und aktiv zu verfolgen – von selbst stellen sich entsprechende Kompetenzen nämlich nur in geringem Ausmaß ein. Je nach eigenen Vorlieben mag man sich der oben erwähnten Lernstrategien bedienen. Nicht zuletzt stellt auch die Bearbeitung dieses Einführungs- und Trainingsbuches einen Beitrag zur aktiven Erschließung chinesischer Verhaltensweisen und zur Bewältigung deutsch-chinesischer Kommunikation dar. Es ist unsere Hoffnung, dass dieser Band nicht nur die Sinne zur Wahrnehmung kultureller Unterschiede schärft, sondern auch dazu beiträgt, den China-Aufenthalt zu einer positiven und bereichernden Erfahrung zu machen. 165

8. Links und Adressen

Wohnungssuche

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Wo ai wo jia – großer chinesischer Wohnungsmakler That’s Beijing – englischsprachige Zeitschrift mit Wohnungsinseraten in Beijing



Insiders Guide to Beijing, jährlich erscheinendes Handbuch mit Informationen rund ums Mieten, Wohnen, Wohnungssuche www.zhantai.com: Chinesischsprachige Website zur Wohnungssuche http://www.schanghai.com/?p=immobilien_privat: Wohnungsbörse einer deutschen Internetcommunity in Shanghai, sowohl Zimmer als auch Wohnungen/Immobilien zur Miete www.wg-welt.de: Deutsprachige Website, Angebot, Suche nach Wohngemeinschaften rund um den Globus http://housing.justlanded.com: Mehrsprachige Website, Angebot, Suche nach WGs und Wohnungen

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Gastfamilien vermitteln die folgenden Organisationen: • China Homestay: www.chinahomestay.org (alle größeren Städte Chinas) • Beijing Homestay Agency: www.beijinghomestayagency.com (Beijing) • International China Business Exchange: www.internchina.org (Qingdao) • www.lotuseducation.org (ansässig in Beijing; aber Vermittlung auch in andere Städte Chinas)

Geld



Die Deutsche Kreditbank (www.dkb.de) bietet Möglichkeiten zum kostenlosen Bargeld-Abheben per Kreditkarte. 167

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Eine Prepaid-Kreditkarte erhält man u.a. bei der Landes Bank Berlin (www.lbb.de). Die Citibank und die Deutsche Bank ermöglichen ihren Kunden kostenloses Geldabheben an den eigenen Bankautomaten in China. Filialen gibt es in den großen Städten Chinas.

Praktikumssuche

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www.kopra.org: Praktikantenbörse www.china.ahk.de/job-market: Praktikantenbörse der Außenhandelskammer China www.china3w.com: Auflistung in China tätiger Firmen www.chinabusinessreview.com/directory: Auflistung in China tätiger Firmen www.english.zhaopin.com: chinesische Jobbörse mit Ausschreibungen internationaler Firmen www.thebeijinger.com/classifieds/employment/Internships: internationale Ausschreibungen in Beijing www.thatsshanghai.com: Jobbörse für Shanghai www.thatsguangzhou.com: Jobbörse für Guangzhou www.thatsbeijing.com: Jobbörse für Beijing www.internchina.org: Vermittlung von Praktika gegen Gebühr http://jobs.chinaweb.de: deutsche Jobbörse www.monster.de: internationale Jobbörse

Sprachstudium/Stipendien Fast alle größeren Universitäten Chinas und viele kleinere bieten ChinesischSprachkurse für ausländische Studierende an. Auch die Aufnahme eines Regelstudiums ist in China möglich. Aktuelle Informationen zum Studieren in China bieten der DAAD-Studienführer China (Obendiek/Schulte Overberg 2008) sowie die DAAD-Website (www.daad.de).

Reisen

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www.elong.net: Buchung von nationalen und internationalen Flügen sowie Hotels www.ctrip.com: Seite zur Buchung von Flügen und Hotels (Chinesisch und Englisch)

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LINKS UND ADRESSEN

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www.dragonair.com: Fluggesellschaft aus Hong Kong (Seite auf Englisch) www.kooxoo.com: Buchung von Flügen (Seite auf Chinesisch) www.airchina.com: Chinesische Fluggesellschaft (Seite auf Deutsch und Englisch) www.cs-air.com: Chinesische Fluggesellschaft (Seite auf Englisch) www.hostelworld.com: Buchung von Hostels (International; Seite auf Deutsch) http://www.hostels.com: Buchung von Hostels (Seite auf Deutsch und Englisch) http://www.hihostels.com: Buchung von Hostels (Seite auf Deutsch und Englisch) http://www.hostelcn.com/en/index.php: Seite zur Buchung von chinesischen Hostels ohne Vorauszahlung http://flight.qunar.com: chinesische Website zur Suche nach billigen Flügen (Inland und internationale Flüge, eine Buchung ist allerdings nur mit chinesischer Kreditkarte möglich) http://www.huochepiao.com: Website der chinesischen Bahn, hier können Zugverbindungen und Preise nachgeschlagen werden, ebenso gibt es eine Tauschbörse für Tickets, jedoch alles auf Chinesisch http://www.chinetrain.com/Germany/index.asp: gibt ebenfalls Auskunft über Zugfahrzeiten und Preise, auf Englisch, Deutsch, Französisch http://www.lonelyplanet.de/reiseziele/asien/china: Website des Lonely Planet Reiseführers mit Informationen zu China allgemein und zu vielen chinesischen Städten http://www.edushi.com: Eine große Auswahl an chinesischen Stadtzentren wurde hier dreidimensional nachgebaut. Über eine Eingabemaske kann man sich Adressen anzeigen lassen und Bus- und U-Bahn-Verbindungen heraussuchen. http://map.sogou.com: Das gesamte chinesische Straßennetz ist hier als Karte abgebildet. Außerdem kann man auf eine Ansicht mit Satellitenaufnahmen umschalten. Es ähnelt dem Angebot von http://www.edushi.com. Darüber hinaus kann man Routenberechnungen durchführen. http://mapabc.com: Ähnlich wie http://map.sogou.com. Allerdings gibt es hier keine Satellitenbilder. Dafür kann sich auf den Karten bekannte Restaurant-Ketten oder Kinos anzeigen lassen und erhält eine StauÜbersicht für verschiedene Städte. http://www.google.com/maps: Das Angebot chinesischer Stadtkarten wächst stetig und wird bald die Qualität der oben genannten Adressen erreichen. Auch hier kann man Routen berechnen lassen. www.shanghaiairport.com/index.jsp und www.smtdc.com/zw/index.asp: Informationen über die Airport-Shuttles von Shanghai 169

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

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www.bjbus.com: Fahrplaninformationen für Busse in Beijing CITS, China International Travel Service Limited, ist eine der größten Reiseagenturen Chinas. In jeder größeren Stadt gibt es eine Niederlassung die Touren und Ausflüge mit englischsprachiger Reisebegleitung anbietet.

Freizeit

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http://www.smartshanghai.com: englischsprachige Website, Clubs, Bars, Restaurants, Events, Brunch, Art http://www.cityweekend.com.cn: Beijing, Shanghai, Guangzhou, Website für Clubs, Bars, Restaurants, Events, Kunst, Bühne, Live Musik http://www.culture.sh.cn: Ticketreservierung Shanghai für Theater, Kino, Akrobatik, Chinesische Oper, Ballett, Konzerte http://eventful.com/beijing/events: Ticketreservierung Beijing Theater, Kino, Konzert http://www.howtoorderchinesefood.com: englische Website, die mit Bildern und chinesischen Schriftzeichen und Pinyin erklärt, wie man in China Essen bestellen kann, enthält sowohl Gerichte, als auch Lebensmittel http://www.toureasy.net/html/ela/menu.htm: Liste chinesischer Gerichte und Übersetzungen für Lebensmittel etc.

Telekommunikation

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www.skype.com: deutschsprachiger Internettelefondienstanbieter, mit dem man kostenlos telefonieren kann bzw. auch gegen eine kleine Gebühr vom Computer aus auf das deutsche Festnetz telefonieren kann www.picasa.google.com: deutschsprachige Website, auf der man Fotoalben hochladen kann, die für Freunden sichtbar sind www.chinamobile.cn: chinesische Website des Telfonanbieters in China, auf der man seine chinesische Simcard aufladen kann.

Wörterbücher

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http://www.chinaboard.de/chinesisch_deutsch.php? http://www.nciku.com: Chinesisch-Englisches Wörterbuch, welches es ermöglicht, Zeichen mit der Maus zu malen und dann zu suchen http://dict.leo.org/chde?lang=de&lp=chde

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LINKS UND ADRESSEN

Weiterführende Lektüre Das Angebot an China-Ratgebern und Reiseführern ist mittlerweile sehr groß und einigermaßen unübersichtlich. Unter den zahlreichen informativen, amüsanten und hilfreichen Büchern haben uns diese besonders gut gefallen (in alphabetischer Reihenfolge): • Kuan, Yu-Chien/Häring-Kuan, Petra (2006): Der China-Knigge: Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte. Frankfurt a.M.: Fischer. Eine amüsante und informative Einführung in Kultur, Geschichte, Gesellschaft Chinas. Zahlreiche Beispiele illustrieren die Ausführungen. • Lin-Huber, Margrith, A. (2001): Chinesen verstehen lernen: Wir – die Andern: erfolgreich kommunizieren. Bern u.a.: Huber: Ein lesenswertes Buch, das neben eigenen Erfahrungen der Autorin auch wissenschaftliche Quellen heranzieht. Inhalte, die wir im siebten Kapitel nur kurz darstellen konnten, sowie weitere wichtige Aspekte chinesischen Kommunikationsverhaltens und deutsch-chinesischer Verständigung finden sich hier in verständlicher Form in größerer Ausführlichkeit. • Obendiek, Helena/Schulte Overberg, Ulrike (2008): DAAD-Studienführer China. Bielefeld: Bertelsmann: Enthält nützliche Informationen zur Planung und Vorbereitung eines Studienaufenthalts in China, einschließlich Checklisten, Hintergrundwissen und konkreter Hilfestellung z.B. bezüglich Finanzierung, Campus-Leben und Alltag in China und Hongkong. • Reisach, Ulrike/Tauber, Theresia/Yuan, Xueli (2007). China: Wirtschaftspartner zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Heidelberg: Redline Wirtschaft: Wer sich mehr Informationen über Aspekte der deutsch-chinesischen Wirtschaftszusammenarbeit wünscht, findet in diesem Buch aktuelle, differenzierte und praxisorientierte Informationen. • Stritttmatter, Kai (2008): Gebrauchsanweisung für China. München: Piper: Enthält präzise beobachtete und amüsant zu lesende Begebenheiten aus dem chinesischen Alltag mit hohem Informations- und Unterhaltungswert. Geeignet zur vorbereitenden Lektüre und zum wiedererkennenden Schmunzeln nach der Rückkehr. • Thomas, Alexander & Schenk, Eberhard (2001). Beruflich in China: Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht: Obwohl sich dieses Buch vorrangig an die genannte Zielgruppe richtet, finden hier auch andere Leser nützliche Informationen über deutsch-chinesische Interaktionen. Das Trainingsprogramm arbeitet mit Critical Incidents, die dem Unternehmenskontext entstammen. Erläuterungen zu chinesischen Kulturstandards ergänzen das praxisorientiere Trainingsmaterial.

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FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA



Wang, Mary M./Brislin, Richard W./Wang, Wei-zhong/Williams, David/ Chao, Julie Haiyan (2000). Turning bricks into jade. Critical incidents for mutual understanding among Chinese and Americans. Yarmouth: Intercultural Press: Wer an der Methode der Critical Incidents Gefallen gefunden hat, findet hier eine Sammlung von 40 weiteren Fallgeschichten, die auch für deutsche Leser interessant sind.

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Literatur

Bennett, Milton J. (1993): Towards Ethnorelativism: a Developmental Model of Intercultural Sensitivity. In: Michael R. Paige (Ed.), Education for the Intercultural Experience (S. 21-71). Yarmouth: Intercultural Press. Boesch, Ernst E. (1991): Symbolic Action Theory and Cultural Psychology. Berlin/New York: Springer. Chakkarath, Pradeep (2006): Wie selbstlos sind Asiaten wirklich? – Kritische und methodologische Reflexionen zur kulturvergleichenden Persönlichkeits- und Selbstkonzeptforschung. Journal für Psychologie, 14, 93-119. Chen, Hanne (2001). Kulturschock China: VR China und Taiwan. Bielefeld: Rump. Chen, Ming-Jer (2004): Geschäfte machen mit Chinesen: Insiderwissen für Manager. Frankfurt a.M.: Campus. Deller, Jürgen/Albrecht, Anne-Grit (2007): Interkulturelle Eignungsdiagnostik. In: Jürgen Straub/Arne Weidemann/Doris Weidemann (Hg.), Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Grundbegriffe − Theorien – Anwendungsfelder (S. 741-755). Stuttgart: Metzler. Gild, Gerlinde (2009): Begegnung mit dem Anderen. In: Deutscher Akademischer Austauschdienst (Hg.), Abenteuer China (S. 136-163). Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Günthner, Susanne (1993): Diskursstrategien in der interkulturellen Kommunikation: Analysen deutsch-chinesischer Gespräche. Tübingen: Niemeyer. Hall, Edward T. (1989): Beyond Culture. New York: Doubleday. Hartzell, Richard W. (1988): Harmony in Conflict: Active Adaptation to Life in Present-day Chinese Society. Taipei: Caves. Heringer, Hans Jürgen (2004): Interkulturelle Kommunikation. Tübingen: Francke. Hofstede, Geert (1984): Culture’s Consequences: International Differences in Work-Related Values. Beverly Hills: Sage. 173

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

Hofstede, Geert (1993): Interkulturelle Zusammenarbeit. Wiesbaden: Gabler. Hsu, Chuansi Stephen (1996): Face: An Ethnographic Study of Chinese Social Behavior. Ann Arbor: UMI. Kinast, Eva-Ulrike (2003): Interkulturelles Training. In: Alexander Thomas/ Eva-Ulrike Kinast/Sylvia Schroll-Machl (Hg.), Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Band 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit (S. 181-203). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Kuan, Yu-Chien/Häring-Kuan, Petra (2006): Der China-Knigge: Eine Gebrauchsanweisung für das Reich der Mitte. Frankfurt a.M.: Fischer. Lauterbach, Gwendolin (2010a): Zu Gast in China – Erfahrungen von deutschen Studenten in chinesischen Gastfamilien. In: Gabriele Berkenbusch/ Doris Weidemann (Hg.), Herausforderungen internationaler Mobilität: Auslandsaufenthalte im Kontext von Hochschule und Unternehmen (S. 45-66). Stuttgart: ibidem. Lauterbach, Gwendolin (2010b): Zu Gast in China: Interkulturelles Lernen in chinesischen Gastfamilien. Stuttgart: ibidem. Layes, Gabriel (2007): Kritische Interaktionssituation. In: Jürgen Straub/Arne Weidemann/Doris Weidemann (Hg.), Handbuch interkulturelle Kommunikation und Kompetenz. Grundbegriffe − Theorien – Anwendungsfelder (S. 384-391). Stuttgart: Metzler. Liang, Yong (1996): Sprachroutinen und Vermeidungsrituale im Chinesischen. In: Alexander Thomas (Hg.), Psychologie interkulturellen Handelns (S. 247-268). Göttingen: Hogrefe. Liang, Yong (1998): Höflichkeit im Chinesischen: Geschichte, Konzepte, Handlungsmuster. München: iudicium. Lin-Huber, Margrith (2001): Chinesen verstehen lernen. Bern: Huber. Markus, Hazel Rose & Kitayama, Shinobu (1991): Culture and the Self: Implications for Cognition, Emotion, and Motivation. Psychological Review, 98, 224-253. Nagels, Kerstin (1996): Interkulturelle Kommunikation in der DeutschChinesischen Zusammenarbeit. Bremen: Schriftenreihe des Fachbereichs Wirtschaft der Hochschule Bremen. Nisbett, Richard (2005): The Geography of Thought. London: Brealey. Obendiek, Helena/Schulte Overberg, Ulrike (2008): DAAD-Studienführer China. Bielefeld: Bertelsmann. Oberg, Kalervo (1960): Culture Shock: Adjustment to New Cultural Environments. Practical Anthropology, 7, 177-182. Reisach, Ulrike/Tauber, Theresia/Yuan, Xueli (2006): China, Wirtschaftspartner zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ein Handbuch für Praktiker. (4. aktualisierte Auflage). Heidelberg: Redline.

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LITERATUR

Richter, Andrea (2010): Die Problematik des Rückkehrschocks bei studienbezogenen Auslandsaufenthalten. In: Gabriele Berkenbusch/Doris Weidemann (Hg.), Herausforderungen internationaler Mobilität: Auslandsaufenthalte im Kontext von Hochschule und Unternehmen (S. 29-44). Stuttgart: ibidem. Said, Edward W. (2001/1978): Orientalism. Western Conceptions of the Orient. New Delhi: Penguin. Salzman, Mark (1990): Eisen und Seide: Begegnungen mit China. München: Knaur. Schneider, Beatrice (2010): Die Erfahrungen deutscher Expatriate-Familien in China. In: Gabriele Berkenbusch/Doris Weidemann (Hg.), Herausforderungen internationaler Mobilität: Auslandsaufenthalte im Kontext von Hochschule und Unternehmen (S. 159-182). Stuttgart: ibidem. Solomon, Richard H. (1987): Friendship and Obligation in Chinese Negotiating Style. In: Hans Binnendijk (Hg.), National Negotiation Styles. U.S. Department of State Publication: Straub, Jürgen (1999): Handlung, Interpretation, Kritik − Grundzüge einer textwissenschaftlichen Handlungs- und Kulturpsychologie. Berlin, New York: de Gruyter. Straub, Jürgen/Chakkarath, Pradeep (2010): Identität und andere Formen des kulturellen Selbst: Vernunft, Liebe und die Wurzeln der Identität. Familiendynamik, 2, 2-11. Stritttmatter, Kai (2008): Gebrauchsanweisung für China. München u. Zürich: Piper. Tan, Jinfu (2005): Rituale und symbolische Handlungen in der interkulturellen Geschäftskommunikation am Beispiel Deutschland-China. In Wenjian Jia/Jinfu Tan (Hg.), Kommunikation mit China: Eine chinesische Perspektive. Frankfurt a. M.: Peter Lang. Tang, Zailiang/Reisch, Bernhard (1996): Erfolg im China-Geschäft. Frankfurt a. M.: Campus. Thomas, Alexander (1996): Analyse der Handlungswirksamkeit von Kulturstandards. In: Alexander Thomas (Hg.), Psychologie interkulturellen Handelns (S. 107-135). Göttingen: Hogrefe. Thomas, Alexander (2003): Kultur und Kulturstandards. In: Alexander Thomas/Eva-Ulrike Kinast/Sylvia Schroll-Machl (Hg.), Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Band 2: Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit (S. 19-31). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Thomas, Alexander/Schenk, Eberhard (2001): Beruflich in China: Trainingsprogramm für Manager, Fach- und Führungskräfte. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

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FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

Wang, Mary M./Brislin, Richard W./Wang, Wei-zhong/Williams, David/ Chao, Julie Haiyan (2000): Turning Bricks Into Jade. Critical Incidents for Mutual Understanding Among Chinese and Americans. Yarmouth: Intercultural Press. Weidemann, Doris (2004): Interkulturelles Lernen. Erfahrungen mit dem chinesischen ›Gesicht‹: Deutsche in Taiwan. Bielefeld: transcript. Weidemann, Doris (2007): Akkulturation und Interkulturelles Lernen. In: Jürgen Straub/Arne Weidemann/Doris Weidemann (Hg.), Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kompetenz: Grundbegriffe – Theorien − Anwendungsfelder (S. 488-498). Stuttgart, Weimar: Metzler. Weidemann, Doris/Straub, Jürgen (2000): Psychologie interkulturellen Handelns. In: Jürgen Straub/Alexander Kochinka/Hans Werbik (Hg.), Psychologie in der Praxis. Anwendungs- und Berufsfelder einer modernen Wissenschaft (S. 830-855). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

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Da nk sa gung

Dieses Buch wäre ohne die Mitwirkung unserer Seminarteilnehmer/-innen nicht zustande gekommen. Unser Dank gilt deshalb den Studierenden des Diplom-Studiengangs Wirtschaftssinologie der Westsächsischen Hochschule Zwickau, die in den vergangenen Jahren ihre China-Erfahrungen mit uns diskutiert, analysiert und an neue Studentengenerationen weitergegeben haben. Ihre Beobachtungen und Berichte lieferten nicht nur das Rohmaterial für die in diesem Band versammelten Fallgeschichten, sondern haben uns durch das erkennbar hartnäckige Bemühen um interkulturelles Verstehen immer wieder auch persönlich beeindruckt. Durch ihre Berichte und Sammlung praktischer Tipps haben zahlreiche Personen zu diesem Buch beigetragen. Für Recherchen und Vorarbeiten zu den Kapiteln 1 und 8 danken wir Marcel Beckert, Katharina Bertz, Franziska Duck, Florian Drtina, Daniela Dunst, Sabine Emde, Ulrike Färber, Katja Felgendreher, Christine Gebauer, Annedore Grawunder, Claudia Henschke, Frank Kreutel, Sebastian Kuhne, Karina Kuhnert, Lars Löwe, Sabrina Lux, Tina Paul, Yanchao Richter, Saskia Ringleff, Nicole Schulz und Maria Walther. Ideen zu und ursprüngliche Fassungen der Critical Incidents stammen von Scarlet Günther, Stefanie Körner, Gwendolin Lauterbach, Christian Ludewig, Beatrice Schneider und Dirk Weißflog (Kapitel 2), von Torsten Deutschmann, Daniela Färber, Stefanie Körner, Christian Metzner und Constanze Roch (Kapitel 3), von Christin Faber, Dominique Just, Franziska Leyn, Susann Rost, Sabrina Schupke und Dirk Weißflog (Kapitel 4), von Constanze Kern, Tina Kuhlmann, Ulrike Preißner, Susann Rost, Daniela Schubert und Robert Vogel (Einleitung und Kapitel 5), von Michael Bochmann, Ulrike Färber, Annett Haase, Eric Heidel, Julie Held, Oliver Kleindienst und Kristin Weidemann (Kapitel 6). 177

FIT FÜR STUDIUM UND PRAKTIKUM IN CHINA

An der Auswahl und Diskussion der Critical Incidents waren Alin Preuß, Michael Bochmann, Weizhi Seng und Lei Ye beteiligt. Neben den hier namentlich Aufgeführten gilt unser Dank auch all jenen, an deren Kommentaren und Fragen die hier vorgestellten Fallgeschichten ›gereift‹ sind. Hierzu zählen auch Askan und Tiemo Weidemann, die die Logik der Fallgeschichten stets unerbittlich geprüft haben. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts und danken wir nicht zuletzt Huifang Chiao, Ulrike Färber, Gerlinde Gild, Hanka Jattke, Janine Jeschke, Ines Küspert, Sabrina Lux, Romy Quaatz, Anne Winkler und Gina Zimmermann. Doris Weidemann und Jinfu Tan

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Kultur und soziale Praxis Sylke Bartmann, Oliver Immel (Hg.) Das Vertraute und das Fremde Differenzerfahrung und Fremdverstehen im Interkulturalitätsdiskurs September 2010, ca. 240 Seiten, kart., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1292-9

Gabriele Cappai, Shingo Shimada, Jürgen Straub (Hg.) Interpretative Sozialforschung und Kulturanalyse Hermeneutik und die komparative Analyse kulturellen Handelns Juni 2010, 304 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-89942-793-6

Lucyna Darowska, Thomas Lüttenberg, Claudia Machold (Hg.) Hochschule als transkultureller Raum? Kultur, Bildung und Differenz in der Universität September 2010, ca. 146 Seiten, kart., ca. 19,80 €, ISBN 978-3-8376-1375-9

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Kultur und soziale Praxis Özkan Ezli (Hg.) Kultur als Ereignis Fatih Akins Film »Auf der anderen Seite« als transkulturelle Narration Oktober 2010, ca. 150 Seiten, kart., ca. 22,80 €, ISBN 978-3-8376-1386-5

Claudia Schirrmeister Bratwurst oder Lachsmousse? Die Symbolik des Essens – Betrachtungen zur Esskultur November 2010, ca. 204 Seiten, kart., ca. 21,80 €, ISBN 978-3-8376-1563-0

Ayfer Yazgan Morde ohne Ehre Der Ehrenmord in der modernen Türkei. Erklärungsansätze und Gegenstrategien September 2010, ca. 366 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1562-3

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Kultur und soziale Praxis Aida Bosch Konsum und Exklusion Eine Kultursoziologie der Dinge Januar 2010, 504 Seiten, kart., zahlr. farb. Abb., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-1326-1

Martina Grimmig Goldene Tropen Zur Koproduktion natürlicher Ressourcen und kultureller Differenz in Guayana November 2010, ca. 320 Seiten, kart., ca. 34,80 €, ISBN 978-3-89942-751-6

Anne Broden, Paul Mecheril (Hg.) Rassismus bildet Politiques, Sociétés, Espaces IPSE – Bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivierung Identités (Hg.) in der Migrationsgesellschaft Doing Identity in Luxemburg Subjektive Aneignungen – Mai 2010, 294 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1456-5 institutionelle Zuschreibungen – sozio-kulturelle Milieus Nesrin Z. Calagan Juli 2010, 304 Seiten, kart., Türkische Presse in Deutschland zahlr. z.T. farb. Abb., 29,80 €, Der deutsch-türkische Medienmarkt ISBN 978-3-8376-1448-0 und seine Produzenten Anne-Christin Schondelmayer August 2010, 300 Seiten, kart., 29,80 €, Interkulturelle Handlungskompetenz ISBN 978-3-8376-1328-5 Entwicklungshelfer und Kathrin Düsener Auslandskorrespondenten in Integration durch Engagement? Afrika. Eine narrative Studie Migrantinnen und Migranten August 2010, 382 Seiten, kart., 34,80 €, auf der Suche nach Inklusion ISBN 978-3-8376-1187-8 Januar 2010, 290 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1188-5

Jörg Gertel Globalisierte Nahrungskrisen Bruchzone Kairo Juli 2010, 470 Seiten, kart., zahlr. Abb., 35,80 €, ISBN 978-3-8376-1114-4

Jörg Gertel, Ingo Breuer (Hg.) Alltags-Mobilitäten Aufbruch marokkanischer Lebenswelten

Tina Spies Migration und Männlichkeit Biographien junger Straffälliger im Diskurs Oktober 2010, ca. 430 Seiten, kart., ca. 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1519-7

Asta Vonderau Leben im »neuen Europa« Konsum, Lebensstile und Körpertechniken im Postsozialismus Juni 2010, 238 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1189-2

Dezember 2010, ca. 350 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-89942-928-2

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de