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German Pages 371 [401] Year 1921
Farbenehemisches Praktikum zugleich
E i n f ü h r u n g in die F a r b e n c h e m i e und
Färbereitechnik von
Dr. Richard Möhlau und Dr. Hans Th. Bucherer vorm. ordentliche Professoren an der Technischen Hochschule zu Dresden
Zweite,
neubearbeitete
Berlin u n d Leipzig
Auflage
1920
Vereinigung wissenschaftlicher
Verleger
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J Goschen'sche Verlagshandlung :: J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung :: Georg R e i m e r Karl J. T r u b n e r :: Veit & Comp.
Alle Rechte, einschließlich des Ubersetzungsrechts, vorbehalten.
Druck von Metzger & Wittig in Leipzig
Vorwort zur ersten Auflage. Die Erkenntnis, daß die Lebren der organischen Chemie einen Besitz von nur zweifelhafter Festigkeit und Sicherheit für alle diejenigen darstellen, die nicht durch s y n t h e t i s c h e Arbeiten einen etwas tieferen Einblick in den Mechanismus organischer Reaktionen erlangt haben, hat sehr bald dazu geführt, die Darstellung organischer Übungspräparate, als einen nützlichen und notwendigen Bestandteil praktischer Arbeit, der Laboratoriumstätigkeit anzugliedern. Die große technische Bedeutung, die im Laufe der Jahrzehnte die Teerfarbenindustrie insbesondere in Deutschland erlangt hat. eine Bedeutung, die sie in die vorderste Reihe aller Industriezweige überhaupt rückt, und die in ihrer ganzen Größe am deutlichsten hervortritt in den Zahlen, die die inländische Erzeugung und die Ausfuhr nach dem Auslande zum Ausdruck bringen, hat diesem Spezialgebiet chemischen Schaffens im allgemeinen nicht die Berücksichtigung von Seiten der deutschen Hochschulen verschaffen können, auf die es wohl mit Recht Anspruch machen darf. Das Gleiche gilt auch für das nicht minder wichtige Gebiet der Färbereitechnik, das gleichzeitig und in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Wachsen der Teerfarbenindustrie immer mehr zu einem Zweig gewerblicher Tätigkeit geworden ist, auf dem die c h e m i s c h e W i s s e n s c h a f t die f ü h r e n d e R o l l e übernommen hat. Es bedarf nur eines flüchtigen Blickes auf die große Zahl der von den Farbenfabriken herausgegebenen, in durchaus wissenschaftlichem Geiste verfaßten Broschüren über die Anwendung ihrer Farbstoffe in der Färberei, um alsbald zu erkennen, daß mit den alten Farbstoffen aus früheren Zeiten auch die e m p i r i s c h e n M e t h o d e n verschwunden sind, um den auf w i s s e n s c h a f t l i c h e r G r u n d l a g e beruhenden Färbemethoden Platz zu machen. Aber trotz der glänzenden Entwicklung dieser für die Volkswirtschaft so wichtigen Industrie, und
IV
Vorwort
obwohl diese Industrie schon seit Jahrzehnten, wie kaum eine zweite, sich der intensivsten wissenschaftlichen Durcharbeitung zu erfreuen hat, erlangt doch nur ein verhältnismäßig k l e i n e r Teil der an deutschen und außerdeutschen Hochschulen studierenden Jünger unserer Wissenschaft eine a n g e m e s s e n e V o r s t e l l u n g von dem Umfang und der Bedeutung dieses Wissensgebietes. So ist das im Jahre 1893 an der Technischen Hochschule Dresden begründete Laboratorium für Farbenchemie und Färbereitechnik, das in erster Linie die Vorbildung zu Farben- und Textiltechnologen, zu Chemikern für Farbenfabriken, Färbereien und Bleichereien sowie zu Koloristen für Zeugdruckereien bezweckt, das einzige in seiner Art in Deutschland geblieben, und doch dürfte das von Dresden gegebene Beispiel auch für andere Hochschulen — wenn auch zunächst nur in verkleinertem Maßstabe und im Rahmen der bisherigen Einrichtungen — nachahmenswert erscheinen. Durch das erwähnte Laboratorium wird an der Dresdner Hochschule allen Studierenden der chemischen Abteilung, auch wenn sie sich den genannten Sondergebieten nicht ausschließlich zu widmen beabsichtigen, Gelegenheit geboten, im Anschluß an die Vorträge über Farbenchemie und Färbereitechnik, sich mit den grundlegenden Methoden, die in jenen beiden Industriezweigen Anwendung finden, vertraut zu machen und dadurch ihre theoretischen Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Und zwar dient dazu ein besonderes, zurzeit von den Verfassern geleitetes Praktikum, das im Wintersemester 8 und im Sommersemester 12 Wochenstunden umfaßt. Unsere Erfahrungen haben uns im Laufe der Zeit zu der Erkenntnis geführt, daß auf die Dauer ein die Praktikanten nach jeder Richtung im gewünschten Maße fördernder und dabei die Leiter des Praktikums nicht über Gebühr anstrengender Unterrichtsbetrieb nur möglich ist. wenn den Studierenden schriftliche Unterlagen zu Gebote stehen, die ihnen gestatten, sich auf ihre Aufgaben in ausreichender Weise vorzubereiten, damit die Erläuterungen, die vor u n d w ä h r e n d der A r b e i t zu e r t e i l e n sind, auf fruchtbaren Boden fallen und insbesondere auch das r i c h t i g e V e r s t ä n d n i s finden, das in allen Fällen die erste Voraussetzung für eine ersprießliche praktische Laboratoriums-Tätigkeit bildet. Es hieße auch, in Anbetracht der nicht unbeträchtlichen Schwierigkeiten, die die meisten Farbstoffsynthesen sowohl einem gründlichen theoretischen Erfassen als auch der praktischen Durchführung bieten, die Leistungsfähigkeit ungeübter Kräfte überschätzen und ihnen mehr zumuten als billigerweise zu
Vorwort
v
verlangen ist, wenn man erwarten wollte, daß derjenige, der längere Ausführungen über einen ihm in den Einzelheiten meist ziemlich fremden und dazu noch einigermaßen schwierigen Stoff einmal angehört hat, alles im Gedächtnis behalte, so daß er auch nach 14 Tagen, oder gar nach noch längerer Zeit, imstande wäre, das Gehörte in richtiger Weise wiederzugeben. Und gerade auf diese E i n z e l h e i t e n , auf die s c h e i n b a r g e r i n g f ü g i g e n , in Wirklichkeit aber sehr oft a u s s c h l a g g e b e n d e n Umstände, die bei der Farbstoffsynthese eine so große Rolle spielen, auf sie kommt es uns an; denn sie sind es, die der farbenchemischen und färberischen Tätigkeit ihr eigenartiges Gepräge verleihen; und diese Einzelheiten bei der Farbstoffdarstellung sind es auch, die der Studierende aus den Lehrbüchern sich nur schwierig heraussuchen kann, in den meisten Fällen a b e r g a r n i c h t f i n d e t , weil s i e ü b e r h a u p t n i c h t in i h n e n e n t h a l t e n sind. Alle diese Erwägungen, die uns längere Erfahrungen beim Unterricht an die Hand gaben, haben die Entstehung des vorliegenden Buches veranlaßt, das wir der Öffentlichkeit übergeben in der Hoffnung, allen denjenigen einen Dienst zu erweisen, bei denen die Überzeugung von der Wichtigkeit der Farbenchemie und Färbereitechnik sich in den Wunsch umgesetzt hat, die Methoden kennen zu lernen, nach denen auf diesem wissenschaftlich und technisch gleich bedeutsamen Gebiete gearbeitet wird. Obwohl dadurch in großen Umrissen das Ziel angedeutet ist, das wir uns bei der Abfassung des vorliegenden Werkchens steckten, nämlich eine Einführung in die Farbenchemie und Färbereitechnik zu schreiben, die hinsichtlich ihrer Form von e i n e m L e h r b u c h in w e s e n t l i c h e n P u n k t e n s t a r k a b w e i c h t , so glauben wir doch, in Anbetracht der Eigenart unseres Leitfadens und um jedem Mißverständnis unserer Absichten vorzubeugen, einige Erläuterungen hinzufügen zu sollen. An einem Beispiele wollen wir versuchen zu zeigen, auf welche Punkte wir bei unserer Darstellung Gewicht gelegt haben, und welche Punkte andererseits uns im vorliegenden Falle mehr n e b e n s ä c h l i c h e r Natur zu sein scheinen: Will man sich an der Hand eines Lehrbuches über die Synthese etwa der Safranine unterrichten, so findet man: .,Safranine werden erhalten durch gemeinsame Oxydation von einem Molekül eines p-Diamins mit einem Molekül eines primären, sekundären oder tertiären Monamins (dessen p-Stellung unbesetzt ist) und einem Molekül eines primären Amins.'1 Man
VI
Vorwort
wird gleichzeitig auch dieser Erklärung ein Schema beigegeben finden, das dem Leser den Zusammenschluß der drei Farbstoffkomponenten zu einem Safraninmolekül vor Augen führt, indem die überzähligen Wasserstoffatome, mit der entsprechenden Zahl von Sauerstoffatomen verbunden, in Form von Wasser austreten. Außerdem wird man erfahren, daß diese Methode die Darstellung einer großen Zahl von Safraninen ermöglicht, von denen diese oder jene zu technischer Bedeutung gelangt sind. Alle diese Tatsachen, die das Lehrbuch verrät, sind sicherlich höchst wichtig und bemerkenswert, ja für den, der sie zum ersten Male liest, geradezu erstaunlich: Sie erschließen ihm eine ganze Fülle interessanter Synthesen, die ihm eine Vorstellung geben von der außerordentlichen Mannigfaltigkeit, über die die Farbenchemie verfügt. Trägt also der Aufschluß, den ihm das Lehrbuch auf seine Frage erteilte, auch wesentlich dazu bei, seine Kenntnisse und seinen Gesichtskreis erheblich zu erweitern, so hat er doch nur die ä u ß e r e n F o r m e n kennen gelernt, in denen sich die Safraninsynthesen vollziehen. Der i n n e r e M e c h a n i s m u s , den zu erklären das Lehrbuch als außerhalb seines Rahmens liegend erachtet, ist ihm v e r b o r g e n g e b l i e b e n und d a m i t ein g r o ß e r Teil d e r j e n i g e n K e n n t nisse, die e r s t d a s i n n e r s t e Weesen der S a f r a n i n s y n t h e s e seinem A u g e e n t h ü l l e n . Diese Lücke auszufüllen sind wir vor allem bestrebt gewesen. E s lag uns k e i n e s w e g s d a r a n , den Fachgenossen, die sich unseres Leitfadens bedienen wollen, eine nach allen Richtungen e r s c h ö p f e n d e Ü b e r s i c h t über die von der Farbentechnik dargestellten Farbstoffe nebst Vor- und Zwischenprodukten zu geben, sondern wir haben uns bei unseren Betrachtungen mit B e w u ß t s e i n auf v e r h ä l t n i s m ä ß i g wenige E i n z e l i n d i viduen b e s c h r ä n k t , um d a f ü r den L e s e r um so i n t e n s i v e r mit den E i n z e l h e i t e n d e r F a r b s t o f f s y n t h e s e n u n d der F ä r b e m e t h o d e n b e k a n n t zu m a c h e n . Daß wir der Verarbeitung des S t e i n k e h l e n t e e r e s und der Gewinnung der Vor- u n d Z w i s c h e n p r o d u k t e besondere Abschnitte gewidmet haben, bedarf wohl kaum der Rechtfertigung, und auch die Schlußabschnitte, die sich mit den E c h t h e i t s p r o b e n und mit der U n t e r s u c h u n g der F a r b s t o f f e in S u b s t a n z und auf der F a s e r b e s c h ä f t i g e n , sowie die im Anhang befindliche Wiedergabe der Ausfärbungen, für deren Herstellung wir der Firma K A L L E & Co. in Biebrich a. Rh. zu Dank verpflichtet sind, werden allen willkommen sein, die eine abgerundete Darstellung des gesamten Stoffes in einem e i n z i g e n
Vorwort
VII
B u c h e von v e r h ä l t n i s m ä ß i g g e r i n g e m U m f a n g e v e r e i n i g t sehen möchten. Betreffs der letztgenannten Punkte "haben wir uns selbstverständlich mit A n d e u t u n g e n begnügen müssen und verweisen bezüglich ausführlicherer Angaben auf die betreffenden Spezialwerke. Das Gleiche gilt auch von dem Abschnitt über die H i l f s s t o f f e ; besonders die Studierenden und alle diejenigen, denen eine größere Bibliothek nicht zur Verfügung steht, werden es angenehm empfinden, wenn sie einige der wichtigsten für das farbenchemische Arbeiten in Betracht kommenden analytischen Methoden verzeichnet finden, die ihnen das Nachschlagen in anderen Spezialwerken ersparen. Wir sind auch bestrebt gewesen, durch Berücksichtigung der neueren Literatur uns in solchen Fällen mit den Forschungsergebnissen anderer vertraut zu machen, wenn eigene Erfahrungen uns nicht zu Gebote standen; und wenn wir auch glauben, mit dem vorliegenden Werkchen manche brauchbare Einzelheiten theoretischer oder experimenteller Natur der Öffentlichkeit zu übergeben, die in der bisherigen Literatur ü b e r h a u p t noch n i c h t zu f i n d e n w a r e n , so sind wir uns doch bewußt, wieviel wir, ohne es im einzelnen nachweisen zu können, den Leistungen anderer verdanken, die mit uns der gleichen Wissenschaft dienen oder gedient haben. Und in der frohen Zuversicht, auch in der Kritik der Fachgenossen eine wirksame Beihilfe und Förderung unserer auf das Fortschreiten der Wissenschaft gerichteten Bestrebungen zu finden, unterbreiten wir unseren Leitfaden ihrer Beurteilung. D r e s d e n , Sommer 1908. R. Müh lau und H. Th. Bucherer
Vorwort zur zweiten Auflage. Im Hinblick auf die zustimmende Beurteilung, die die erste Auflage unseres Werkchens seitens der Fachgenossen gefunden hat, glaubten wir bei der zweiten Auflage von grundlegenden Änderungen der Gesamtanlage absehen zu dürfen. Trotzdem haben wir die uns sich bietende Gelegenheit benutzt, um, abgesehen von geringfügigen Berichtigungen und den durch die Fortschritte von Wissenschaft und Technik bedingten Änderungen, nach Kräften durch Verständlichkeit des Ausdrucks und durch möglichste Klarheit bei der Formulierung der chemischen Vorgänge dem Leser, insbesondere dem studierenden Anfänger, das erfahrungsgemäß bisweilen schwierige Eindringen in das Wesen der Farbstoff bildungen und der Färbevorgänge zu erleichtern. In der Hoffnung, daß es uns im vollen Umfange gelungen ist, unsere Bestrebungen zu verwirklichen, und mit der Bitte an die Fachgenossen, uns auf etwaige noch vorhandene Mängel aufmerksam zu machen, übergeben wir die durch die kriegerischen Ereignisse leider stark verzögerte zweite Auflage der Öffentlichkeit. Dresden und Charlottenburg, Sommer 1919. ß . Mölilau und H . T h . Bücherei-
Inhalt. Seite
Einleitung
1 Erstes
Kapitel.
Steinkohlenteer
7 Zweites
Kapitel.
Vor- und Zwischenprodukte 1. Kohlenwasserstoffe 2. Halogenverbindungen 3. Nitroverbindungen 4. Sulfonsäuren 5. Phenole A. Hydroxylverbindungen der ßenzolreihe B . HydroxylVerbindungen der Naphtalinreihe 6. Aminoverbindungen 7. Diazoniumverbindungen 8. Hydrazine 9. Alkohole 10. Aldehyde 11. K e t o n e 12. Carbonsäuren 13. T i t r a t i o n der Zwischenprodukte Drittes
84
Kapitel.
Die bei der Darstellung organischer Farbstoffe und ihrer Zwischenprodukte benutzten Hilfsstoffe und deren quantitative B e s t i m m u n g Viertes
12 12 15 16 26 42 43 47 52 70 73 74 76 76 80
102
Kapitel.
Farbstoffe 1. Nitrosophenol- und Nitrofarbstoffe 2. Azofarbstoffe 3. Pyrazolonfarbstoffe 4. Di- und Triphenylmethanfarbstoffe 5. X a n t h e n f a r b s t o f f e 6. Anthracenfarbstoffe 7. Oxychinonfarbstoffe der B e n z o l - und Naphtalinreihe 8. Parachinoniminfaibstoffe 9. Azinfarbstoffe
108 108 118 166 169 192 211 235 238 245
Inhalt
X
Seite
10. 11. 12. 13. 14. 15.
Oxazinfarbstoffe Thiazinfarbstoffe Thiazolfarbstoffe Schwefelfarbstoffe Pyridin-, Chinolin- und Acridinfarbstoffe Indigo- und Thioindigorotfarbstoffe
. . . .
254 261 270 273 279 287
Fünftes Kapitel. Anwendung der Farbstoffe in der Färberei der Spinnfasern
304
Sechstes Kapitel. Untersuchung und Bestimmung der Farbstoffe in Substanz und auf der Faser
356
Siebentes Kapitel. Prüfung der Färbungen auf Echtheit
361
Sachregister
36S
Ausfärbungsmuster. Die der ersten Auflage beigefügte tabellarische Zusammenstellung der nach den Übungsbeispielen darzustellenden Farbstoffe nebst Wiedergabe ihrer Ausfärbungen konnte der vorliegenden Bearbeitung des Buches nicht beigegeben werden, da die Herstellung der Ausfärbungen wegen des Mangels an Rohmaterialien nicht möglich war. Es ist jedoch beabsichtigt, diese Tafeln, sobald die Verhältnisse es gestatten, als besonderen Nachtrag zu einem mäßigen Preise den Beziehern der zweiten Auflage zur Verfügung zu stellen.
Inhalt
X
Seite
10. 11. 12. 13. 14. 15.
Oxazinfarbstoffe Thiazinfarbstoffe Thiazolfarbstoffe Schwefelfarbstoffe Pyridin-, Chinolin- und Acridinfarbstoffe Indigo- und Thioindigorotfarbstoffe
. . . .
254 261 270 273 279 287
Fünftes Kapitel. Anwendung der Farbstoffe in der Färberei der Spinnfasern
304
Sechstes Kapitel. Untersuchung und Bestimmung der Farbstoffe in Substanz und auf der Faser
356
Siebentes Kapitel. Prüfung der Färbungen auf Echtheit
361
Sachregister
36S
Ausfärbungsmuster. Die der ersten Auflage beigefügte tabellarische Zusammenstellung der nach den Übungsbeispielen darzustellenden Farbstoffe nebst Wiedergabe ihrer Ausfärbungen konnte der vorliegenden Bearbeitung des Buches nicht beigegeben werden, da die Herstellung der Ausfärbungen wegen des Mangels an Rohmaterialien nicht möglich war. Es ist jedoch beabsichtigt, diese Tafeln, sobald die Verhältnisse es gestatten, als besonderen Nachtrag zu einem mäßigen Preise den Beziehern der zweiten Auflage zur Verfügung zu stellen.
Einleitung. Ehe mit der Erörterung der einzelnen Abschnitte begonnen wird, mögen hier einige allgemeine Bemerkungen Platz finden über die Art und Weise, wie sich das farbenchemische und färbereitechnische Arbeiten gestalten soll. Obwohl die Farbstoffsynthese einen Teil der organischen Synthese überhaupt bildet und daher in beiden Fällen ähnliche Methoden zur Anwendung gelangen, so hat doch der in der vorliegenden Einführung behandelte experimentelle Stoff seine Besonderheiten, denen von Seiten des Praktikanten Rechnung getragen werden muß, wenn er den vollen N u t z e n von s e i n e r A r b e i t h a b e n will. Daß ein Versuch, sei es, daß es sich um eine Farbstoffsynthese handelt, sei es, daß es gilt, eine Ausfärbung herzustellen, n u r d a n n zur Ausführung gebracht werden darf, wenn der Praktikant über alle theoretischen Einzelheiten, die dabei in Betracht kommen, v o l l k o m m e n e K l a r h e i t besitzt, versteht sich zwar eigentlich von selbst, wird aber nicht immer hinreichend beachtet und führt dann leicht, da bei der Farbstoffsynthese bisweilen sehr verwickelte Reaktionen zur Anwendung gelangen, zu überraschenden — Mißerfolgen, die sich aber vermeiden lassen, wenn alle, a u c h die g e r i n g f ü g i g e r s c h e i n e n d e n Ums t ä n d e , die aber gerade hier eine große Rolle spielen können, in ihrer ganzen Tragweite erkannt sind. Daß eine Azofarbstoffsynthese, selbst wenn die r i c h t i g e n K o m p o n e n t e n im r i c h t i g e n Verh ä l t n i s zur Anwendung gelangten, zu gänzlich abweichenden Produkten führen kann, falls der R e a k t i o n des M e d i u m s (ob sauer, neutral oder alkalisch) nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zugewendet wurde, davon wird jeder sich am Beispiel des DiaminSchwarz und -Violetts oder des Chrysoidins leicht überzeugen können. Selbst eine so einfache Operation wie die Diazotierung z. B. des ß-Naphtylamins kann völlig fehlschlagen, wenn gewisse Vorsichtsmaßregeln nicht gebührend beachtet werden, ja sogar der bei der M D R U D U. B U C H E R E R .
2. Aull
1
2
Einleitung
organischen Synthese im allgemeinen gar keine Rolle spielende U m s t a n d , ob m a n die Lösung a in die Lösung b oder umgekehrt die Lösung b in die Lösung a eingießt, vermag schon einen e n t s c h e i d e n d e n E i n f l u ß auf den Eeaktionsverlauf auszuüben. Die sehr einfache E r k l ä r u n g f ü r diese Tatsache liegt in den g r o ß e n R e a k t i o n s g e s c h w i n d i g k e i t e n , mit denen viele Farbstoffsynthesen sich abspielen, Reaktionsgeschwindigkeiten, wie sie uns auf dem Gebiet der anorganischen Chemie geläufig sind •— mit dem großen Unterschied freilich, daß es sich bei der Synthese organischer Farbstoffe fast durchgehends u m n i c h t u m k e h r b a r e (irreversible) Vorgänge handelt, die das schließliche Ergebnis nicht, wie bei u m k e h r b a r e n Vorgängen, lediglich von dem E n d z u s t a n d der Reaktionsmischung abhängig erscheinen l a s s e n . ' F e r n e r wird der sorgfältig Arbeitende bei zahlreichen Gelegenheiten bemerken, daß etwas Soda mehr oder weniger, oder ein Überschuß bzw. ein Mangel an Salzsäure von der weittragendsten Bedeutung f ü r den ganzen Verlauf der Synthese werden k a n n , sie in ganz andere Bahnen zu lenken imstande ist. E s ist deshalb wohl k a u m ein Gebiet der organischen Chemie in dem Maße dazu geeignet, dem, der etwas chemisches Gefühl besitzt öder dasselbe an H a n d experimenteller E r f a h r u n g e n zu entwickeln trachtet, in so sinnenfälliger Weise die ausschlaggebende Bedeutung der Reaktionsbedingungen vor Augen zu führen, wie die Farbstoffsynthese. E s sei an dieser Stelle auf die d r i n g e n d e , a b e r g l e i c h f a l l s so h ä u f i g a u ß e r a c h t g e l a s s e n e N o t w e n d i g k e i t hingewiesen, durch Anwendung von R e a g e n z p a p i e r e n sich unter allen Umständen über die Reaktionsverbältnisse genauen Aufschluß zu verschaffen. Allerdings kommt es hierbei darauf an, sich auch stets der r i c h t i g e n Reagenzpapiere zu bedienen, also z. B. des Kongorots behufs Feststellung der mineralsauren Reaktion, des Lackmus aber nur d a n n , wenn es gleichgültig ist, ob die Acidität durch eine Mineralsäure oder etwa durch Essigsäure herbeigeführt ist. Ebenso darf Lackmus bei der P r ü f u n g auf Alkalinität auch n u r dann benutzt werden, wenn zwischen ätzalkalischer und ammoniakalischer Reaktion nicht unterschieden zu werden braucht; andernfalls ist Phenolphtaleln angezeigt, welches durch Ätzalkalien, alkalische E r d e n und Soda d a u e r n d gerötet wird, während Ammoniak n u r eine v o r ü b e r g e h e n d e Rotfärbung zu erzeugen imstande ist. E i n F e h l e r , den man häufig zu beobachten Gelegenheit hat, besteht darin, daß von seiten der P r a k t i k a n t e n zu wenig W e r t darauf gelegt wird, den Gang der Synthese an der H a n d von P r o b e n zu verfolgen: Vor allem aber wird sehr häufig unterlassen, am
Einleitung
3
Schlüsse der vorhergehenden Operation, ehe die f o l g e n d e in Angriff g e n o m m e n wird, sich durch Probeentnahme von dem Stand der Dinge zu unterrichten. Und doch ist die häufige Probeentnahme nicht nur höchst belehrend, weil man in vielen Fällen einen weitergehenden Einblick in den Verlauf der Reaktion gewinnt und unter Umständen sogar bemerkenswerte neue Beobachtungen zu machen Gelegenheit hat, sondern man kann sich auch die Feststellung des E n d p u n k t e s der R e a k t i o n des öfteren wesentlich erleichtern, wenn man durch eine Reihe von nebeneinander stehenden Proben sich davon zu überzeugen vermag, daß eine weitere Änderung des Reaktionsproduktes bei längerer Dauer der Operation nicht zu erwarten ist. Freilich ist es mit einer solchen einfachen B e t r a c h t u n g allein in vielen Fällen nicht getan, sondern es bedarf der Anwendung weiterer c h e m i s c h e r Mittel, um einen verläßlichen Aufschluß über den vollkommenen Ablauf der Reaktion zu gewinnen. In den meisten Fällen genügt als Probe das Auftüpfeln der Reaktionsmischung auf Fließpapier, die sogenannte „ T ü p f e l p r o b e " , die viel rascher und einfacher als eine Filtrationsprobe die Trennung zwischen Farbstoff und farbloser Lösung gestattet und dadurch die gesonderte Untersuchung beider, insbesondere des farblosen Auslaufs, ermöglicht. D i e T ü p f e l p r o b e ist d a h e r f ü r die F a r b s t o f f s y n t h e s e von geradezu fundamentaler Bedeutung. G l a s s t a b und F l i e ß p a p i e r dürften deshalb bei keiner Farbstoffdarstellung fehlen, ebensowenig wie das R e a g e n z g l a s , in welchem nach Bedarf Proben g e l ö s t werden, um sie durch Aufgießen auf Fließpapier auf ihre Zusammensetzung zu untersuchen. Hierbei machen sich in sehr förderlicher Weise die eigenartigen kapillaren Wirkungen des ungeleimten Papieres geltend, die eine T r e n n u n g etwa vorhandener Farbstoffgemische zur Folge haben, so daß die einzelnen Bestandteile der Erkennung zugänglich werden (s. S. 133f. u. 149f.). Die Benutzung des Reagenzglases ist auch in solchen Fällen geboten — eine F o r d e r u n g , gegen die l e i d e r a b e r s e h r o f t v e r s t o ß e n wird — wenn die Wirkung irgendeiner Operation, z. B. des Lösens oder des Fällens, des Umkristallisierens oder des Aussalzens, z u n ä c h s t im k l e i n e n e r p r o b t w e r d e n muß, um die richtigen M e n g e n v e r h ä l t n i s s e und R e a k t i o n s b e d i n g u n g e n festzulegen. Statt den Versuch, wie dies so h ä u f i g g e s c h i e h t , gleich mit der Gesamtmenge auszuführen, um erst h i n t e r h e r zu merken, daß die gewählten Bedingungen n i c h t zum Erfolg führen k o n n t e n , soll man sämtliche derartige Operationen u n t e r g e n a u e r B e a c h t u n g a l l e r V e r h ä l t n i s s e , die s p ä t e r im g r ö ß e r e n M a ß s t a b e n a c h g e a h m t w e r d e n s o l l e n , vorher im l*
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Einleitung
k l e i n e n ausführen und erst, wenn man seiner Sache sicher ist, mit der gesamten Menge wiederholen. Es kommt hei der Herstellung der organischen Farbstoffe zwar in den meisten Fällen gar nicht darauf an, sie in chemisch reinem Zustande zu gewinnen, d. h. — um hier jedes Mißverständnis auszuschließen — in einer von a n o r g a n i s c h e n S a l z e n freien Form. Denn derartige von der Darstellung herrührende Salze, wie Kochsalz, Glaubersalz usw. üben bei der späteren Verwendung nicht nur keinerlei störenden Einfluß aus, sondern sie werden sogar, wie aus dem Abschnitt über die Färberei hervorgeht, in zahlreichen Fällen absichtlich beim Färben den Farbbädern zugesetzt. Ausgeschlossen sind selbstverständlich solche anorganische Beimischungen, die an sich in Wasser unlöslich oder schwer löslich sind, wie etwa Gips, oder solche, die mit den beim Färben benutzten Zusätzen (Soda oder Glaubersalz) Niederschläge geben, wie etwa Schwermetall - Salze. Es sollen also die normalerweise in Wasser l ö s l i c h e n Farbstoffe auch tatsächlich k e i n e u n l ö s l i c h e n V e r u n r e i n i g u n g e n enthalten. Es wäre demnach ohne Zweifel eine durchaus unnütze Forderung, wenn man verlangen wollte, daß die Herstellung eines Farbstoffes wie Naphtolblauschwarz oder Diaminviolett erst dann als vollendet angesehen werden dürfe, wenn er in völlig s a t z f r e i e m Zustande vorliegt, eine Forderung, die zu erfüllen bei Farbstoffen wie Alizarin oder Indigo, die in kaltem Wasser völlig unlöslich sind, keine Mühe macht. Worauf es aber beim Abschluß der Farbstoffsynthese jedesmal sehr w e s e n t lich ankommt, das ist die sorgfältige Prüfung des dargestellten Produktes auf etwa vorhandene g e f ä r b t e V e r u n r e i n i g u n g e n , seien es unverändert gebliebene Anteile des A u s g a n g s m a t e r i a l s , oder seien es, etwa infolge einer Nebenreaktion entstandene, Nebenprodukte. Man lasse sich auch dann, wenn der Farbstoff noch so schöne Kristallbildungen zeigt, nicht zu der Ansicht verleiten, der Farbstoff sei rein, und eine weitere Prüfung auf Reinheit sei demnach überflüssig; denn auch in solchen Fällen wird man häufig beobachten können, daß F a r b s t o f f m i s c h u n g e n vorliegen, die sehr dringend der weiteren Reinigung bedürfen. Zur Erkennung etwaiger Nebenprodukte wird der Farbstoff, wenn nötig unter Zusatz von Natronlauge, wie z. B. bei Alizarin, in Wasser gelöst und alsdann auf Fließpapier ausgegossen. Man erkennt aus der -Beschaffenheit des Auslaufs in der Regel sofort (s. näheres VI.Kapitel), wenn nötig durch V e r g l e i c h mit einer r e i n e n Farbstofflösung, ob das erzeugte Produkt den Anforderungen genügt,
Einleitung
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oder ob eine weitere Reinigung erforderlich ist. Betreffs dieser Reinigung ist folgendes zu bemerken: Handelt es sich um wasserunlösliche Farbstoffe, die aus organischen Lösungsmitteln umkristallisiert werden müssen, so verfährt man in analoger Weise wie bei der Reinigung farbloser organischer Substanzen bekannt und üblich. Handelt es sich jedoch, wie dies meist der Fall ist, um solche Farbstoffe, die in Wasser löslich sind und durch Zusatz von Kochsalz — gelöst oder in fester Form — , , a u s g e s a l z e n " werden müssen, so bedarf es einer sehr v o r s i c h t i g e n Arbeitsweise, wenn der Zweck der Reinigung auch wirklich vollkommen erfüllt werden soll. Es .kommt sehr darauf an, sowohl auf der einen Seite, durch einen M a n g e l an Kochsalz, zu g r o ß e V e r l u s t e an Farbstoff zu vermeiden; auf der andern Seite aber wird häufig der noch viel größere Fehler begangen, daß durch eine zu w e i t g e h e n d e A u s s a l z u n g a u c h die V e r u n r e i n i g u n g e n w i e d e r m i t ausg e f ä l l t werden. Dadurch, daß man das Aussalzen zunächst sehr sorgfältig an einer kleinen P r o b e studiert, um die Eigenschaften sowohl des F a r b s t o f f e s als auch der V e r u n r e i n i g u n g e n kennen zu lernen, und erst dann vorsichtig u n t e r stetem T ü p f e l n im großen ausführt, lassen sich beide Fehler leicht vermeiden. Die p h y s i k a l i s c h e B e s c h a f f e n h e i t , die die Farbstoffe bei ihrer Entstehung oder beim Umkristallisieren oder beim Aussalzen annehmen, ist vielfach derart, daß sie sich nur sehr schwer absaugen und auf dem Saugfilter auswaschen lassen. Entweder verstopfen sich die Poren des Filters und lassen infolgedessen nur eine sehr langsame Filtration zu, oder die Farbstoffniederschläge sind so fein, daß sie bei starkem Saugen durch das Filter gehen, also trüb durchlaufen. In solchen Fällen empfiehlt es sich, die Farbstoffe, unter Benutzung von hölzernen Filterrahmen, durch e n g m a s c h i g e s B a u m w o l l z e u g und in besonders schwierigen Fällen durch W o l l e zu filtrieren und nach beendigtem Auswaschen, um die anhängende Mutterlauge oder Waschflüssigkeit zu entfernen, samt dem Filtertuch auf mehrere Lagen (graues) Fließpapier zu legen, sie dort bis zur geeigneten Konsistenz eintrocknen zu lassen, dann zusammenzukratzen, in das Filtertuch (eventuell noch in ein zweites starkes Tuch oder in mehrere Lagen Fließpapier) sorgfältig einzuschlagen und dann äußerst l a n g s a m u n d v o r s i c h t i g unter einer geeigneten Presse oder durch Auflegen von Gewichten auszupressen. Darauf werden die Farbstoffe bei nicht zu hohen Temperaturen getrocknet und fein gepulvert. Sind die Farbstoffmengen gering, so leisten die Faltenfilter aus gehärtetem Filtrierpapier in Verbindung mit den
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Einleitung
bekannten porösen Tontellern sehr gute Dienste; nach beendigter Filtration breitet man die Faltenfilter auf einer Glasplatte oder auf einigen Bogen Fließpapier sorgfältig aus und überträgt dann die Substanz auf Tonteller; jedoch lasse man die Farbstoffe n i c h t , wie dies häufig geschieht, auf diesen Tontellern völlig e i n t r o c k n e n , da sonst gleichzeitig mit den anorganischen Salzen auch die in der Mutterlauge oder im Waschwasser enthaltenen V e r u n r e i n i g u n g e n wieder auswittern. Zum Schluß sei darauf hingewiesen, daß die p e i n l i c h s t e S a u b e r k e i t , wie bei allen chemischen Arbeiten, so insbesondere bei der Farbstoffdarstellung als unerläßliche Bedingung gelten muß.
Erstes Kapitel.
Steinkohlenteer. Als Steinkohlenteer bezeichnet man das schwerflüssige, ölige, nach Benzol, Ammoniak und Schwefelverbindungen riechende Produkt der trocknen Destillation von Steinkohle, welches früher ausschließlich bei der Gasbereitung als Nebenprodukt gewonnen wurde, heute aber in großen Mengen von den sogenannten Destillationskokereien geliefert wird, welche die Steinkohle in geschlossenen, mit Kondensationseinrichtungen versehenen Ofen verkoken. Das spezifische Gewicht des Steinkohlenteers schwankt zwischen 1,1 und 1,2, weil das Verhältnis der in ihm vorkommenden Substanzen nicht konstant, sondern vom Ausgangsmaterial und der Fabrikationsmethode abhängig ist. Die Bestandteile des Teers sind teils gasförmig, teils flüssig, teils fest. Neben Neutralkörpern, insbesondere Kohlenwasserstoffen, finden sich in ihm Phenole, Säuren und Basen. Der Steinkohlenteer liefert u. A. folgende Verbindungen als Ausgangsmaterialien und Hilfsprodukte für die Farbenindustrie: 1. K o h l e n w a s s e r s t o f f e . Name Benzol Toluol o-Xylol m-Xylol p-Xylol Mesitylen Pseudocumol Naphtalin Phenanthren Anthracen
Formel C6H6 C;H3 C
. . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
B H 10 C8H10 CÖH10 C9H12 C9H,2 CioHJ
C'uHio CIA«
Fp. 5° fl. fl.
fl. 15° fl.
fl.
79° 100° 213°
Kp. 81° 111° 142° 139° 138° 164° 170° 218° 340° über 360°
Steinkohlenteer
8
2. A n d e r e N e u t r a l k ö r p e r . Benzonitril Karbazol
C7H5N c12h6n
. . . .
238°
191° 355°
42° 31° 4° 36°
184° 188° 201° 199°
fl.
117° 239° 240° 243°
fl.
3. P h e n o l e . Phenol o-Kresol m-Kresol p-Kresol
c6h0o c7h8o c,h8o c7h8o
. . . .
4. B a s e n . Pyridin (u. Homologe) Chinolin Isochinolin . . . . Chinaldin . . . .
C5H„N C.H.N c9h;n c 10 H 9 N
fl.
23° fl.
Der Teer enthält etwa 2°/ 0 Benzol, 0,5 % Toluol, 0,5 °/0 Phenol, 6°/ 0 Naphtaliii und 0,6 °/0 Anthracen. Zur Isolierung der wertvollen Produkte wird der Teer nach möglichst vollständiger Entwässerung einer ersten Destillation in großen schmiedeeisernen Teerblasen bis zu 25 t Inhalt unterworfen und dadurch wesentlich in vier Fraktionen geteilt: spez. Gew.
Name 1. Leichtöl .
.
o,ai
2. Mittelöl .
.
1,01
Kp.
80—170°
Menge
Bestandteile
2-3%
Phenole 5—10%, Basen 1 bis 3 % , schwefelhaltige Körper 0,1 %, Nitrile 0 , 3 % , neutrale sauerstoffhaltige Körper 1,5 % , Kohlenwasserstoffe (Benzol u. Homologe) Rest bis zu 100%.
180—240° 10—12%
Naphtalin 4 0 % , Phenol und
Homologe 25—35%, Pyridinund Chinolinbasen. 3. Schweröl
1,04
200—300°
8-10%
Naphtalin, Kresole und Chinolinbasen.
4. Anthracenöl
1,1
280—400° 16-18%
Anthracen 2,5—3,5%; Carbazol, Fluoren, Phenanthren, Pyren, Chrysen, Phenole.
Das L e i c h t ö l wird in der Weise weiter verarbeitet, daß es einer fraktionierten Destillation unterworfen wird, wobei drei Fraktionen voneinander getrennt werden.
Steinkohlenteer
9
Die niedrig siedende wird entfernt, die höchst siedende auf K a r b o l - oder K r e o s o t ö l verarbeitet, die mittlere wird einer chemischen Reinigung unterworfen, indem sie nacheinander mit Natronlauge, verdünnter und konzentrierter Schwefelsäure gewaschen wird. Die Natronlauge entfernt Phenole, die verdünnte Schwefelsäure Pyridinbasen, die konzentrierte Schwefelsäure beseitigt ungesättigte • Verbindungen, indem sie dieselben teils in harzartige Polymere, teils durch Anlagerung an aromatische Kohlenwasserstoffe in gesättigte Verbindungen überführt. Durch erneute und wiederholte fraktionierte Destillation unter Verwendung von Kolonnenapparaten wird das R o h b e n z o l in R e i n b e n z o l , R e i n t o l u o l und R e i n x y l o l verwandelt. Einer ähnlichen Verarbeitung unterliegt das M i t t e l ö l , nachdem das aus ihm auskristallisierende N a p h t a l i n von ihm getrennt worden ist. Durch fraktionierte Destillation wird aus ihm als erste Fraktion ein rohes K a r b o l ö l gewonnen, welches auf Phenol und Kresol verarbeitet wird, während alle weiteren Fraktionen als N a p h t a l i n ö l oder K r e o s o t ö l erneut der Kristallisation zugeführt werden, da in ihnen das Naphtalin sich derart angereichert hat, daß sich in der Kälte noch erhebliche Mengen desselben ausscheiden. Das R o h n a p h t a l i n wird zur Entfernung der Phenole mit heißer Natronlauge, zur Entfernung von Basen und anderen Verunreinigungen mit konzentrierter Schwefelsäure gewaschen, worauf es mit verdünntem Alkali neutralisiert und nach kaltem und warmem Pressen destilliert oder sublimiert wird. Im ersten Falle bildet es nach dem Zerkleinern der festen Kuchen ein weißes körniges Pulver, im letzteren blättrige Kristalle. Die alkalischen Auszüge der Öle werden auf Phenol und Kresol verarbeitet. Zu diesem Zweck wird in sie zunächst Wasserdampf eingeblasen, welcher kleine Mengen Naphtalin und andere Kohlenwasserstoffe mit sich fortreißt. Die Phenole werden hierauf durch Neutralisation mit Kohlensäure oder Schwefelsäure ausgefällt, von der wäßrigen Lösung getrennt und einer Reihe von fraktionierten Destillationen und Kristallisationen unterworfen. Dadurch wird das P h e n o l ( K a r b o l s ä u r e ) als schneeweiße Kristallmasse, das K r e s o l als Flüssigkeit gewonnen. Die beim Waschen der Leichtöl- und Mittelölfraktionen mit verdünnter Schwefelsäure erhaltenen sauren Auszüge (Pyridinschwefelsäure) sind das Ausgangsmaterial für die Pyridindarstellung, für welche die sauren Laugen, zur Entfernung verharzter Körper, mit Ammoniakwasser zunächst vorgefällt werden, worauf die vollständige Ausfällung in Satureuren mit gasförmigem Ammoniak geschieht.
10
Steinkohlenteer
Das ausgeschiedene R o h p y r i d i n wird, nach dem Trocknen mit Ätznatron, durch Destillation gereinigt. Das technische P y r i d i n enthält Picolin und Lutidin, es siedet bis ungefähr 140° und stellt eine farblose, leicht bewegliche Flüssigkeit dar. Das S c h w e r ö l wird zunächst gleichfalls einer fraktionierten Destillation unterworfen. Das hierbei gewonnene N a p h t a l i n ö l , welches beim Erkalten fast reines Naphtalin ausscheidet, wird auf diesen Kohlenwasserstoff verarbeitet, während die flüssigen Bestandteile als K r e o s o t ö l hauptsächlich zur Holzkonservierung dienen, andererseits aber auch durch Mischen mit Natronlauge usw. auf Phenole, durch Mischen mit verdünnter Schwefelsäure auf Chinolinbasen verarbeitet werden. Der Zweck der Aufarbeitung des rohen A n t h r a c e n ö l s ist die Gewinnung von A n t h r a c e n in möglichst angereicherter Form. Zu diesem Zweck wird das beim längeren Stehen, zusammen mit anderen Kohlenwasserstoffen, auskristallisierende Anthracen durch Pressen oder Zentrifugieren von den öligen Bestandteilen befreit. Hierauf wird es in hydraulischen Pressen mit durch Dampf geheizten Preßplatten einem Druck von 250 Atmosphären unterworfen, und das nunmehr 30—40 °/0 Anthracen enthaltende Produkt durch Waschen mit Solventnaphta (Rohcumol) oder durch Umkristallisieren aus Pyridinbasen gereinigt und so als 80°/ 0 ige Ware von grüner Farbe gewonnen. Das abgetrennte A n t h r a c e n ö l dient unter dem Namen C a r b o l i n e u m als Anstrichfarbe und Konservierungsmittel für Holz. Der bei der ersten Destillation des Teers in der Retorte bleibende, beim Erkalten fest werdende Rückstand ist das P e c h (Erweichungspunkt über 100°), eine Mischung von Kohlenstoff und sehr hoch siedenden Teerbestandteilen oder Zersetzungsprodukten derselben, auch R e t o r t e n - o d e r H a r t p e c h genannt. Dasselbedient zur Herstellung von B r i k e t t p e c h (Erweichungspunkt 55—70°) und nach Zusatz einer gewissen Menge Schweröl für die Fabrikation von Kohlensteinen (Steinkohlenbriketts); ferner wird es nach Auflösen in schwerem Steinkohlenteeröl als D a c h l a c k für Dachpappe und Dachkitt verwendet und gibt, in leichten Teerölen gelöst, einen als Eisenanstrich "beliebten Lack, den E i s e n l a c k .
Zweites Kapitel.
Vor- und Zwischenprodukte. I. Kohlenwasserstoffe.
Benzol (Mol.-Gew. 78) Darstellung s. Steinkohlenteer. Eigenschaften. Farblose, leicht bewegliche, stark lichtbrechende Flüssigkeit. Kp. 80,5°. Erstarrt bei 0°, Fp. 4°, D15 0,885; mit Wasserdämpfen flüchtig. Wird durch Salpetersäure in Mononitrobenzol, durch ein Gemisch von konzentrierter Salpetersäure und Schwefelsäure in Mono- und Dinitrobenzol verwandelt; konzentrierte Schwefelsäure führt es in Benzolmono- bzw. -disulfonsäure über. Wertbestimmung. Von dem sogenannten 30 er, 50 er und 90 er Handelsbenzol (Mischungen von Benzol, Toluol usw.) wird verlangt, daß 30, 50, 90 Yol.-Proz. bei der Destillation bis 100° überdestillieren, ßeinbenzol soll innerhalb eines halben Grades übergehen. Auf Zusatz einiger Tropfen Phenylhydrazin soll keine kristallinische Ausscheidung erfolgen (Schwefelkohlenstoff). Beim Schütteln mit konzentrierter Schwefelsäure darf letztere nur schwach gefärbt werden (Thiophen oder ungesättigte aliphatische Kohlenwasserstoffe.) Die Lösung von Isatin in konzentrierter Schwefelsäure soll beim Mischen mit einem Tropfen Benzol nicht gebläut werden (Thiophen). Benzol dient zur Darstellung von Nitrobenzol, Dinitrobenzol, Benzolmonosulfonsäure und Benzoldisulfonsäure. Toluol (Mol.-Gew. 92)
CH,
A
Darstellung s. Steinkohlenteer. Eigenschaften. Farblose Flüssigkeit. Kp. 111°. Erstarrt nicht bei —20°; D]B 0,872. Chlor erzeugt im hellen Sonnenlicht und in der Wärme Benzylchlorid, Benzalchlorid und Benzotrichlorid,
Kohlenwasserstoffe
13
Konzentrierte Salpetersäure, eventuell im Gemenge mit konzentrierter Schwefelsäure, bildet o-, m- und p-Nitrotoluol. Toluol dient zur Darstellung von Benzylchlorid, Benzalchlorid, Benzotrichlorid, o- und p-Nitrotoluol. Xylol (Mol.-Gew. 106) C8H10
oder
C6H4(CH3).2.
Darstellung s. Steinkohlenteer. Eigenschaften. Der Teer enthält die drei Isomeren: CH 3 o-Xylol
Ä/CH»
flüsssig,
Kp. 142°,
CH 3 m-Xylol
/'\/C | | \ / CH,
H s
flüssig,
Kp. 139°, D l e 0,8668,
CH,
Teerxylol enthält Torwiegend (ca. 60 °/0) m-Xylol; o- und p-Xylol in wechselnder Menge (10—25 °/0). Bei der Nitrierung entstehen drei technisch wichtige Nitroxylole. Xylol dient im wesentlichen zur Darstellung von Nitro-m-xylol [N02(4) • (CH3)2( 1,3)], Nitro-o-xylol [N02(4)-(CH3)2(1,2)] und Nitro-p-xylol [NOa(2).(CH3)2(M)]. Naphtalin (Mol.-Gew. 128) c10Hä oder • Darstellung s. Steinkohlenteer. Eigenschaften. Farblose Kristalle. Fp. 79°. Kp. 218°. D15 1,1517; sublimierbar. Mit Wasser- und Alkoholdämpfen flüchtig. Wird zu Phtalsäure oxydiert. Konzentrierte Salpetersäure bildet a-Nitronaph talin, 1,5- und 1,8-Dinitronaphtalin. Konzentrierte Schwefelsäure erzeugt Naphtalinmono-, di- und -polysulfonsäuren. Das Handelsprodukt ist fast chemisch rein. Es soll bei 80° schmelzen und innerhalb eines Grades destillieren. Am Lichte soll es weiß bleiben und nach der Verflüchtigung keinen Rückstand hinterlassen. In konzentrierter Schwefelsäure soll es sich in der Wärme farblos und nicht mit roter Farbe lösen. Die mit Wasser verdünnte und mit Natronlauge übersättigte Lösung in Schwefelsäure
14
Vor- und Zwischenprodukte
soll beim Erwärmen keinen Geruch nach Pyridinbasen erkennen lassen; auch soll diese alkalische Lösung auf Zusatz von Bromwasser und Salzsäure nicht eine- Trübung oder einen Niederschlag von Bromphenolen geben. Naphtalin dient zur Darstellung von Phtalsäure, «-Nitronaphtalin, 1.5- und 1,8-Dinitronaph talin, u- und /9-Naphtalinsulfonsäure, 1,5-, 1.6-, 2,6-, 2,7-Naphtalindisulfonsäure, 1,3,5-, 1,3,6-, 1,3,7-Naphtalintrisulfonsäure usw. Anthracen (Mol.-Gew. 178) CH
CH
Darstellung s. Steinkohlenteer. Eigenschaften. Farblose Blättchen mit violetter Fluoreszenz. Fp. 213°, Kp. 351°. Wird durch Oxydationsmittel in Anthrachinon verwandelt. Vereinigt sich mit Pikrinsäure zu dem Pikrat C 14 H 10 -C 6 H 2 (NO 2 )3.OH, glänzende rote Nadeln, Fp. 138°. Wertbestimmung. Das Anthracen des Handels enthält 30 bis 80 °/0 Reinanthracen und 70—20 °/0 andere Bestandteile (wesentlich Karbazol, Phenanthren, Acenaphten usw.). Da die technische Bedeutung des Anthracens auf seiner Umwandlung in Anthrachinon beruht und letztere quantitativ durchführbar ist, die Begleiter des Anthracens aber bei einem richtig geleiteten Oxydationsprozeß entweder völlig verbrannt oder in Carbonsäuren umgewandelt werden, welche dem Reaktionsprodukte durch Alkalien entziehbar sind, oder in chinonartige Körper übergehen, welche mit Schwefelsäure bei 100° in wasser- oder alkalilösliche Sulfonsäuren verwandelt werden, so ist die Wertbestimmung des technischen Anthracens nach folgendem Verfahren durchführbar: 1 g Rohanthracen wird in einem 1 / 3 1-Kolben mit aufgeschliffenem Luftkühler auf dem Sandbade in 45 ccm siedendem Eisessig gelöst. Innerhalb 2 Stunden läßt man mittels einer zweimal rechtwinklig gebogenen Glaskapillare, deren längeres Ende in die Öfi&iung des Luftkühlers und deren kürzeres Ende in ein Glasfläschchen taucht, Chromsäurelösung zutropfen, die man bereitet hat durch Auflösen von 15 g Chromsäure in 10 ccm Wasser und Mischen dieser Lösung mit 10 ccm Eisessig. Hierauf kocht man noch 2 Stunden, dann läßt man die Reaktionsflüssigkeit erkalten und verdünnt sie nach 12 stündigem Stehen mit 400 ccm Wasser. Nach 3 Stunden filtriert man den Niederschlag auf einem einfachen Filter aus „SCHLEICHER-
Halogenverbi • düngen
15
und SCHÜLL schein Anthracenpapiei" ab und wäscht ihn so lange mit Wasser, bis das Filtrat farblos ist. Hierauf wäscht man ihn mit2U0ccm kochender 2 °/0 iger Kalilauge und schließlich so lange mit heißem Wasser aus, bis das Filtrat Phenolphtaleinpapier nicht mehr rötet. Den Filteirückstand spritzt man in eine Porzellanschale und trocknet ihn erst auf dem Wasserbade, dann im Trockenschrank bei 100°. Nun versetzt man ihn mit 100 ccm Oleum von 15 °/0 und erhitzt die Schale im Dampfschrank während 10 Minuten. Der Niederschlag hat sich dann vollständig gelöst; man stellt die Schale nunmehr untei eine Glocke, deren Boden mit einem Stück Filz bedeckt ist, welches mit heißem Wasser getränkt wurde, und beläßt sie so über Nacht. Den durch Wasseranziehung verdünnten Schaleninhalt gießt man zweckmäßig in eine mit Handgriff versehene Porzellankasserole, spült mit Wasser nach und filtriert durch ein Filter aus Anthracenpapier. Der Anthrachinenniederschlag wird wie vorher 1 mit Wassel , verdünnter Kalilauge und Wasser ausgewaschen. Endlich wird das Anthrachinon in eine gewogene Platinschale gespritzt, das Wasser auf dem Wasserbade verdampft, der Eückstand bei 100° getrocknet und gewogen. Zur Aschenbestimmung wird das Anthrachinon« durch Erhitzen verflüchtigt, die Schale geglüht und nach dem Erkalten gewogen. Die Differenz zwischen den beiden Wägungen ergibt die erhaltene Menge Anthrachinon. Letztere wird, um sie auf Anthracen zu berechnen, mit 0,8557 multipliziert. Anthracen dient zur Darstellung von Anthrachinon.
2.
Halogenverbindungen.
Als Halogenderivate kommen unter anderen die in der Seitenkette chlorierten Abkömmlinge des Toluols zu technischer Verwendung, welche. sich bei der Einwirkung von Chlor auf Toluol in direktem Sonnenlicht oder in der Wärme bilden. Benzylchlorid (Mol.-Gew. 126,5) CH,C1 i C„H5-CH,C1 oder | Darstellung. Man läßt Chlorgas mit Toluoldämpfen im Sonnenlicht zusammentreten. Eigenschaften. Farblose, in Wasser unlösliche Flüssigkeit von stechendem Geruch, Kp. 176°, D15 1,11. Wird durch Kochen mit Wasser in Benzylalkohol verwandelt. Oxydationsmittel führen es
16
Vor- und Zwischenprodukte
zunächst in Benzaldehyd, dann in Benzoesäure über. Konzentrierte Salpetersäure erzeugt die drei isomeren Nitrobenzylchloride. Benzylchlorid dient zur Benzylierung aromatischer Basen. Benzalchlorid (Mol.-Gew. 161) CHC1,
CjHs-CHClj
oder
Darstellung. Man läßt Chlorgas auf siedendes Toluol bzw. Benzylchlorid einwirken. Eigenschaften. Farbloses, lichtbrechendes Öl. Kp. 206—207°. D16 1,295. Wird durch Wasser und Alkalien in Benzaldehyd verwandelt und dient zur Darstellung von Benzaldehyd und Benzoesäure. Benzotrichlorid (Mol.-Gew. 195,5) cci 8 C 9 H 5 .CCl 3
oder
Q .
Darstellung. Man leitet Chlor in siedendes Toluol, bis dieses nicht mehr an Gewicht zunimmt. Eigenschaften. Wasserhelle Flüssigkeit. Kp. 210°. D 14 1,38. Geht beim Erhitzen mit Wasser auf 150° in Benzoesäure über; dient zur Darstellung von Benzoesäure und Chinolinrot. 3.
Nitroverbindungen.
Die aromatischen Substanzen werden durch Einwirkung von Salpetersäure in Nitrokörper verwandelt. Die Nitrierung erfolgt nach der allgemeinen Gleichung R - H + HO-NO,
—>
R - N O , + HaO .
Diese Methode ist der weitestgehenden Anwendung fähig und natürlich nicht auf die Kohlenwasserstoffe beschränkt, sondern auf die verschiedenartigsten Klassen von Körpern, unter anderem auch auf die Farbstoffe selbst, anwendbar. Die Art der Ausführung ist sehr mannigfaltig, je nachdem das Ausgangsmaterial sich leicht nitrieren läßt, wie z. B. die Phenole, oder schwieriger, wie z. B. Chlorbenzol. Als Nitrierungsmittel dient entweder Salpetersäure in verschiedenen Graden der Konzentration oder eine Mischung aus Salpeter- und Schwefelsäure (Nitriersäure), bei der letztere als wasserentziehendes Mittel dient. Zuweilen löst man die zu nitrierende Substanz in
Nitroverbindungen
17
konzentrierter Schwefelsäure und läßt die Salpetersäure langsam zufließen, oder man verwendet auch eine Mischung von Schwefelsäure und Natron- oder Kalisalpeter. Von großer Bedeutung ist die Temperatur, die in vielen Fällen nahe bei 0° liegen muß, während in anderen Fällen eine Steigerung über die gewöhnliche Temperatur hinaus erwünscht ist. Von großem Einfluß ist auch die Stellung der im aromatischen Kern bereits vorhandenen Substituenton, und ferner bei Aminen und Phenolen der Umstand, ob die Aminobzw. Hydroxylgruppe „offen" oder durch einen anderen Eest, z. B. einen Säure- oder Alkylrest, verschlossen ist,- wie etwa beim Acetanilid oder Anisol. Nitrobenzol (Mol.-Gew. 123) NO ! C6H6.NOs
oder
.
Darstellung. Man läßt Nitriersäure in überschüssiges Benzol laufen und die Reaktionstemperatur nicht über 50° steigen. Übungsbeispiel. Angewandt: 50 g Benzol, 150 g konzentrierte Schwefelsäure, 100 g Salpetersäure (D 1,4). In einen WiTTSchen 1 / 2 1-Kolben gibt man 50 g Benzol und verschließt ihn mit einem dreifach durchbohrten Stopfen, durch dessen eine Bohrung ein Rührer, durch dessen andere ein Thermometer und durch dessen dritte ein Tropftrichter gesteckt ist. Der Kolben wird in einen niedrigen Glasstutzen gestellt, an welchem ein Wasserzuund -abfluß angebracht ist. An dem Tropftrichter läßt man bei möglichst schneller Drehung des Rührers im Laufe einer Stunde die Mischung von 150 g konzentrierter Schwefelsäure und 100 g konzentrierter Salpetersäure (D 1,4) in dem Maße zutreten, daß die Reaktionstemperatur zwischen 45° und 50° liegt. Anfangs muß man kühlen, gegen Ende verläuft die Reaktion ohne Kühlung. Das Produkt wird im Scheidetrichter mit Wasser gewaschen und die (untere) Nitrobenzolschicht, nach dem Ablassen in einen trockenen Kolben, auf dem Wasserbade so lange mit entwässertem Chlorcalcium erwärmt, bis die Flüssigkeit klar geworden ist. Man reinigt das Nitrobenzol durch Destillation aus einem Fraktionierkolben mit vorgelegtem Luftkühler. Eigenschaften. Schwachgelbe, stark lichtbrechende Flüssigkeit vom Geruch des Benzaldehyds. Kp. 209°. Erstarrt in der Kälte; MÖHLAU
U. B U C H E R E E .
2. Aufl.
2
18
Vor- und Zwischenprodukte
Fp. 4°; I) 16 1,208. Wird durch Salpetersäure in Dinitrobenzol verwandelt und durch alkalische reduzierende Substanzen in Azoxybenzol, C 6 H 5 -N—N-C e H 5 , Azobenzol, C 6 H.-N=N-C 6 H 5 und HydrV azobenzol, C 6 H 5 *NH-NIi-C 0 H B übergeführt. Mit sauren Reduktionsmitteln wird Anilin, mit neutralen Reduktionsmitteln /3-Phenylhydroxylamin, C 6 H 5 -NH-OH, erzeugt. Nitrobenzol dient zur Darstellung von Anilin, Azobenzol, Hydrazobenzol, m-Dinitrobenzol, m-Nitrobenzolsulfonsäure. m-Dinitrobenzol (Mol.-Gew. 168) NO, i w C ;
oder
( \
Darstellung. Man läßt Nitrobenzol in Nitriersäure laufen und die Reaktion sich bei 70—100° vollziehen. Übungsbeispiel. Angewandt: 10 g Nitrobenzol, 15 g Salpetersäure (D 1,47), 20 g Schwefelsäuremonohydrat. Zu einem Gemisch von 20 g Schwefelsäuremonohydrat und 15 g Salpetersäure (D 1,47) in einem 100 ccm fassenden Kolben gibt man allmählich 10 g Nitrobenzol und erhitzt die Mischung am Luftkühler während einer Stunde unter häufigem Umschütteln im siedenden Wasserbade. Die erkaltete Mischung gießt man in dünnem Strahl unter Rühren in kaltes Wasser, wobei das Dinitrobenzol als dicke, schwachgelbfarbige Kristallmasse ausfällt. Sie wird nach einigem Stehen abgesaugt und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. Farblose Nadeln aus kochendem Wasser oder verdünntem. Alkohol. Fp. 89,8°, Kp. 297°. Dient zur Darstellung von m-Nitroanilin und m-Phenylendiamin. o- und p-Nitrotoluol (Mol.-Gew. 137) CH 9
c 6 H 4 • R . S 0 2 - 0 1 + HaO R . H + Cl.SOjH —>- R.BO3H + HCl
27
Sulfonsäuren
Wie bei der Nitrierung, so spielt auch bei der Sulfonierung die Temperatur eine sehr wesentliche Rolle, nicht nur insofern, als eine Steigerung derselben ganz allgemein die Sulfonierung befördert, sondern auch weil sie die Stellung der eintretenden Sulfogruppen beeinflußt. Hierbei ist zu bemerken, daß die bereits im Kern vorhandenen Gruppen in weitgehendem Maße die Stellung der weiter eintretenden Substituenten beeinflussen. Phenole pflegen leichter in Sulfonsäuren überzugehen als Amine und Kohlenwasserstoffe. Anilin und «-Naphtylamin verwandeln sich beim Erhitzen mit konzentrierter Schwefelsäure auf 180° in Sulfanilsäure bzw. Naphthionsäure: MH, i / \ ¡^J + H,SO4 —v II + H2o, nh2 I^ \ A /
+ HJS04
| [ |
+ HsO .
Der sogenannte „Backprozeß" besteht im Erhitzen des sauren schwefelsauren Amins (I) auf 180° und führt zur Bildung der Aminosulfonsäure (III) aus der intermediär entstehenden Sulfaminsäure (II) infolge intramolekularer Wanderung: NH s -H 2 S0 4
Ä
!
I
liHSOsH
rg^
A
NH,
X I I Y
I I • • Y H H S0 3 H I II III Zuweilen wird die Sulfonierung durch die Gegenwart eines Katalysators wesentlich beeinflußt. So übt beim Sulfonieren von Anthrachinon die Gegenwart von etwas Quecksilbersulfat eine orientierende Wirkung auf die Stellung der eingeführten Sulfogruppe aus. Während z. B. aus Anthrachinon unter gewöhnlichen Umständen die ß- oder 2-Anthrachinonsulfonsäure entsteht:
-
/ x / C O x / x ! | I ! + H a so 4 v\co/\/
—V
/x/COx/x/SO,H II II + H,o, \z\co/\/
wird in Anwesenheit von etwas Quecksilbersulfat nur 1-Anthrachinonsulfonsäure gebildet:
a- oder
28
Vor- und Zwischenprodukte
/\/CO\/\ | T 1 1 + H a S0 4 N/NCO/V
->•
SOsH ./CO, II M +H2O \Ar
Da die Sulfonsäuren in der Regel in Wasser leicht löslich sind — die aus einigen Aminen wie Anilin und a-Naphtylamin entstehenden sind schwer löslich und daher, durch Verdiinnen der „Schmelze" mit Wasser, von der überschüssigen Schwefelsäure leicht zu trennen —, so ist es nötig, andere Trennungsmethoden anzuwenden. Gewöhnlich wird das Reaktionsprodukt, die Schmelze, in Wasser gelöst, von Unlöslichem abfiltriert und das Filtrat in der Hitze mit Kalkmilch, Calcium- oder Bariumcarbonat neutralisiert. Hierauf wird von den gebildeten unlöslichen Sulfaten des Calciums oder Bariums heiß abfiltriert, wobei die meist löslichen Salze der Sulfonsäuren sich in der Lösung des Filtrats befinden. Da es sich meist um die Darstellung von Natronsalzen handelt, so wird das Filtrat, eventuell nach dem Einengen, mit der berechneten Menge Soda versetzt, von dem unlöslichen Calciumcarbonat abfiltriert und das Filtrat bis zur Trockne verdampft. Zuweilen sind die Natrium- bzw. Kaliumsalze der Sulfonsäuren in Alkalibisulfatlösung schwer löslich. In diesem günstigen Falle rührt man in die mit Wasser verdünnte und auf 80 — 90° erhitzte Schwefelsäureschmelze gesättigte Kochsalz-, Glaubersalz- oder Chlorkaliumlösung ein, wobei sich das betreffende Alkalisalz der Sulfonsäure in der Regel in kristallisiertem und gut filtrierbarem Zustande ausscheidet. Durch schmelzendes Kali oder Natron werden die Salze der aromatischen Sulfonsäuren in Phenolate und Alkalisulfite verwandelt: R-SOjKa + 2 Na OH —>- E-ONa + Na,SOa + H^O . Werden sie mit Cyankalium oder entwässertem Ferrocyankalium destilliert, so entstehen Nitrile und Alkalisulfite: B.S0 3 K + KCN *- R-.CN + K2SOa .
A. Sulfonsäureu der Benzolreihe. Benzoldisulfonsaures Kalium (MoL-Gew. 332) CjH^sOaK^ + h 2 o
oder
i^l
+ H2o .
Darstellung. Die beim Sulfonieren von Benzol zunächst gebildete Benzolmonosulfonsäure geht beim Behandeln mit einem Überschuß von Schwefelsäure bei kurzer Einwirkungsdauer vorwiegend in m-Benzoldisulfonsäure, zum kleineren Teil in p-Benzoldisulfonsäure über.
29
Sulfonsäuren
Übungsbeispiel. Angewandt: 50 g Benzol, 200 g Schwefelsäure („Oleum") mit 20 % S 0 3 . In einen mit Rührwerk versehenen W I T T sehen J/a 1-Kolben bringt man 200 g Oleum von 20 °/0 SO s -Gehalt, kühlt durch umgebendes Eis auf 0 ° und läßt aus einem Tropftrichter unter fortgesetztem Rühren 50 g Benzol so zufließen, daß die Temperatur nicht über 4 0 ° steigt. Dann ersetzt man das Kühlgefäß durch ein Ölbad und erhitzt bis auf 1 0 0 ° so lange, bis das Benzol verschwunden ist. Nunmehr steigert man die Temperatur bis auf 2 7 5 ° und erhitzt noch 2 Stunden hindurch. Das Reaktionsprodukt wird nach dem Erkalten in 1 1 Wasser gerührt und die Lösung mit Kalkmilch neutralisiert. Die heiße Lösung wird filtriert und mit der berechneten Menge Pottaschelösung versetzt. Nach dem Abfiltrieren vom kohlensauren Kalk wird die Lösung des Kaliumsalzes auf ein spez. Gewicht von 1,275 eingedampft und erkalten gelassen. Dabei kristallisiert das Kaliumsalz der m-Benzoldisulfonsäure aus, welches abgenutscht und auf Ton getrocknet wird, während das Kaliumsalz der p-Benzoldisulfonsäure in Lösung bleibt, Eigenschaften. In kochendem Wasser leicht löslich. beim Verschmelzen mit Ätznatron Resorcin.
Liefert
Sulfanilsäure (Mol.-Gew. 173) (p-Amin oben zolsulfonsäure) NH, i C
Darstellung.
disulfonsäure durch Diazotieren und Umkochen oder
^
37
Sulfousäuren
HOaS
nr
HO.S
OH x
2,3,6-Naphtoldisulfon(R-Säure.)
Durch Sulfonieren von (S-Naphtol bei höherer Temperatur.
2,6,8-Naphtoldisulfonsäure. (G-Säure.)
D u r c h Sulfonieren von ^-Naphtol bei niedriger Temperatur.
säure.
SOsH OH
HO.S-
III. Trisulfonsäuren (Mol. Gew. 384) HO,8
OH
2,3,6,8 - Naphtoltrisulfonsäure.
HO,S
SO.H
Durch Sulfonieren von Rund Gr-Säure bei höherer Temperatur.
Übungsbeispiel: 2,6- und 2,8-Naphtolsulfonsäure. Ausgangsmaterialien: von 66° Be.
/3-Naphtol; konzentrierte Schwefelsäure
Hilfsstoffe: Kalkmilch; Sodalösung; NaCl-Lösung. Darstellung. 50 g fein gepulvertes /J-Naphtol werden portionsweise eingetragen in 100 g konzentrierte H 2 S 0 4 , wobei man die Temperatur des Sulfonierungsgemisches 25° nicht übersteigen läßt. Nach vollendetem Eintragen erhält man die Schmelze bei 25° so lange, bis eine Probe derselben, beim Verdünnen mit Wasser, kein freies /j-Naphtol mehr ausscheidet, oder, was eine schärfere Erkennung gestattet, beim Ausschütteln mit Äther sich als frei von /?-Naphtol erweist. Man gießt nunmehr das Reaktionsprodukt unter Umrühren in 300—400 ccm kaltes Wasser, neutralisiert die schwefelsaure Naphtolsulfonsäurelösung mit Kalkmilch bis zur bleibenden alkalischen Reaktion auf Phenolphtalelnpapier, kocht kurz auf, saugt vom Gips ab, den man noch einmal mit Wasser auskocht, dampft die Kalksalze bis auf etwa 1 j i — 1 1 ein und versetzt die Lösung, nach dem Abfiltrieren des durch das Eindampfen ausgeschiedenen Gipses, so lange mit Soda, bis sämtlicher Kalk ausgefällt ist (Prüfung mittels einer filtrierten Probe). Man filtriert vom CaCOs ab und erhält auf solche Weise eine Lösung der sulfonsauren Na-Salze. Um das Mengenverhältnis der beiden Isomeren festzustellen, verfährt man auf folgende Weise: Von der etwa 250 ccm betragenden Lösung werden 10 ccm (entsprechend etwa 2 g /J-Naphtol) mit Salzsäure genau neutralisiert und auf 100 ccm eingestellt. 10 ccm davon, = ca. 0,2 g /J-Naphtol, werden unter Hinzufügung von 25 ccm einer halbgesättigten NaCl-Lösung mit 3 ccm einer 6 °/0 igen Essigsäure angesäuert. Zur Titration verwendet man eine aus p-Nitranilin bereitete (s. S.92f.)
38
Vor- und Zwischenprodukte
und bis zum Verschwinden der mineralsauren Reaktion (Kongopapier!) mit Na-Acetat versetzte Diazolösung von bekanntem Gehalt, etwa 1 / 20 normal. Man läßt vorsichtig unter Umrühren so lange Diazolösung zulaufen, als noch der in salzhaltigem Wasser schwer lösliche ScHÄFFEB-Salz-Farbstoff ausfällt und Diazolösung im Auslauf einer auf Fließpapier gebrachten Tüpfelprobe nicht nachweisbar ist. Sobald die gesamte SCHÄFFEB-Säure. des Reaktionsproduktes in Azofarbstoff übergeführt ist, bemerkt man bei weiterer Zugabe von Diazolösung das Auftreten des wesentlich gelbstichigeren, in salzhaltigem Wasser merklich löslicheren Farbstoffes der 2,8-Säure, dessen Bildung jedoch wie erwähnt so langsam fortschreitet, daß sich das Vorhandensein von Diazolösung im farblosen Auslauf einer Tüpfelprobe leicht feststellen läßt. Die Titrationen sind nach Möglichkeit bei T a g e s l i c h t auszuführen, um die Farbentöne der Farbstoffniederschläge besser unterscheiden zu können. Bei ein- oder zweimaliger Wiederholung dieser Kupplungsprobe mit je 10 ccm läßt sich der Punkt, bei dem die 2,6-Säure verbraucht ist, ziemlich sicher feststellen. Man kuppelt alsdann die 2,8-Säure, nach Neutralisation der Essigsäure mittels Bicarbonat, gleichfalls aus und kann nunmehr aus der Anzahl der für die beiden isomeren Säuren jeweils verbrauchten Kubikzentimeter Diazolösung nicht nur auf das Mengenverhältnis der beiden isomeren Sulfonsäuren, sondern auch auf die absoluten Beträge, in denen sie bei der Sulfonierung entstanden sind, zurückschließen. Man versetzt, um die Sulfonsäuren zu trennen, das obige Reaktionsgemisch mit dem gleichen Volumen einer gesättigten reinen NaCl-Lösung. Nach dem völligen Erkalten des Reaktionsproduktes hat sich das 2,6 naphtolsulfonsaure Na fast vollkommen ausgeschieden, während das Na-Salz der isomeren 2,8-Säure in Lösung bleibt. Die Ausscheidung wird abgesaugt und mit etwa 100 ccm halbgesättigter NaCl-Lösung ausgewaschen. Ein anderes Verfahren zur Aufarbeitung der Sulfonierungsschmelze wird in der Weise ausgeführt, daß man das Reaktionsprodukt, statt in Wasser, in konzentrierte NaCl-Lösung einlaufen läßt; hierdurch wird gleichfalls die 2,6-Naphtolsulfonsäure, und zwar vermöge ihrer Acidität in Form ihres N a - S a l z e s , zur Abscheidung gebracht, während das Salz der 2,8-Säure zum allergrößten Teil in Lösung bleibt, bzw. sich durch Auswaschen aus dem 2,6-Salz entfernen läßt. Dieses Verfahren empfiehlt sich jedoch mehr in solchen Fällen, in denen es sich ausschließlich um die Gewinnung der 2,6Naphtolsulfonsäure handelt, während man die 2,8-Säure, die bei Auswahl der richtigen Reaktionsbedingungen (s. oben) nur in geringer Menge entstanden ist, preisgibt.
39
Sulfoasäuren
Dioxynaphtalinsulfonsäuren. Diese werden erhalten entweder durch Sulfonieren von Dioxynaphtalinen, oder aus Aminonäphtol- bzw. Naphtylendiaminsulfonsäuren durch Umkochung einer bzw. beider Aminogruppen, oder aus Naphtoldi- und Trisulfonsäuren bzw. Naphtalintri- und Tetrasulfonsäuren durch Verschmelzung einer bzw. zweier Sulfogruppen. Die wichtigsten sind: I. Monosulfonsäuren (Mol.-Gew. 240) Aus 1,8,4 - Aminonaplitolsulfonsäure durch „Um-
HO OH 1 8 4
' ' 8ulfonysZetalin" g.. e ' '
QQ JJ
k
° c b u n g " o d e r aus 1'4'8Naphtoldisulfonsäure durch Verschmelzen der Sulfogruppe in 8-Stellung.
II. Disulfonsäuren (Mol.-Gew. 320) H O
O H
HO,bAAAso,H
1,8,3,6 -DioxynaphtaIindisulfonsäure. (Chromotropsäure.)
Aus
1,3,6,8-Naphtoltrisulfonsäure durch Verschmelzen.
Aminonaphtolsulfonsäuren. Man gewinnt sie entweder durch Sulfonieren der Aminonaphtole, oder aus Naphtylendiaminsulfonsäuren durch Umkochung einer Aminogruppe, oder aus Dioxynaphtalinsulfonsäuren durch Amidierung einer Hydroxylgruppe, oder aus Naphtylamindi- und -trisulfonsäuren durch Verschmelzung, oder aus den Nitroso- und Azoderivaten der Naphtolsulfonsäuren durch Reduktion. Die wichtigsten sind: I. Monosulfonsäuren (Mol.-Gew. 239) NH, OH S08H HO NH, N/S,
1,2,4-Aminonaphtolsulfonsäure.
Aus Nitroao-pi-Naphtol durch Reduktion mittels Bisulfit
1,8,4-Aminonaphtolsulfonsäure. (S-Säure.)
Aus 1,4,8-Naphtylamindisulfonsäure durch Verschmelzung der Sulfogruppe in 8-Stellung.
Vor- und Zwischenprodukte
40 OH
•NH.
2,1,4-Amiuonaphtolsulfonsäure.
Durch Reduktion von 2-Nitroso-l,4-Naphtolsulfonsäure.
2,3,6-Aminonaphtolsulfonsäure. (R S ä u r e )
Aus 2,3,6-Naphtylamindisulfonsäure durch Verschmelzen der Sulfogruppe in 3-Stellung.
2,5,7-Aminonaphtolsulfonsäure. (I-Säure.)
Aus der 2,5,7-Naphtylamindisulfonsäure durch Verschmelzen mit Alkali.
2,8,6-Aminonaphtolsulfon säure. (/-Säure.)
Aus 2,6,8-NaphtyIamindisulfonsäure (G) durch Verschmelzen der Sulfogruppe in 8 Stellung.
SO„H / X / X /
1
H O , S
I
a a / x
HO,S.
N H
2
iO H NH,
HO HO i
,NH»
I ' H O ^ A /
II. Disnlfonsäuren (Mol.-Gew. 319) HO •
HO
v
NH, / y s o
NH,
Ä A
HO
NHj
HO.ßA- . u SO,H HO
9
H
1,8,2,4-Aminonapbtoldisulfonsäure. (SS-Säure.)
Durch Verschmelzen der 1,2,4,8-Naphtylamintrisulfonsäure bzw. des Anhydrids.
1,8,3,6-Aminonaphtoldisulfonsäure. (H-Säure.)
Aus 1,3,6,8-Naphtylamintrisulfonsäure durch Verschmelzen der Sulfogruppe in 8-Stellung.
1,8,4,6-Aminonaphtoldisulfonsäure. (K-Säure.)
Aus 1,4,6,8-Naphtylamiutrisulfonsäure durch Verschmelzen der Sulfogruppe in 8-Stellung.
2,8,3,6-Aminonaphtoldisulfonsäure. (RR-Säure.)
Aus 2,3,6,8-Naphtylamintrisulfonsäure durch Verschmelzen der Sulfogruppt; in 8-Stellung.
Naphtylendiaminsulfonsäuren. Diese entstehen entweder durch Sulfonieren der Naphtylendiamine, oder durch Keduktion der Dinitronaphtalin- bzw. Nitronaphtylaminsulfonsäuren, oder aus den entsprechenden Aminonaphtolbzw. Dioxynaphtalinsulfonsäuren, in besonderen Fällen (1,3-Naphtylendiamiaderivate) auch aus Naphtylaminsulfonsäuren, durch Amidierung. Die wichtigsten sind:
Sulfonsäuren
41
Monosulfonsäuren (Mol.-Gew. 238) 1,3,6-Naphtylend iamin sulfon säure.
Durch Erhitzen von 1,3,6Naphtylamindisulfonsäure oder 1,3,6-Naphtoldisulfonsäure mit Ammoniak auf höhere Temperatur.
1,4,6 = 1,4 7Naphtylendiaminsulfonsäure.
Als Acetylverbindung durch Reduktion der durch Nitrieren von Acetyl-1,6- oder -1,7Naphtylaminsulfonsäure erhaltenen Nitrosäure.
NH2 1 /
x
HO,S ' -
I 1
/X
/\NHJ
NH, i HO,s/
NH,
II. Disulfonsäuren (Mol.-Gew. 318) Durch Reduktion der durch Nitrieren von 2,6 = 3,7-Naphtalindisulfonsäure gewonnenen Dinitronaphtalindisulfonsäure.
NH,
HO,S
H,N
SO,H
1,5,3,7-Naphtylendiamindisulfonsäure.
C. Sulfonsäuren der Anthrachinonreihe. Die Anthrachinonsulfonsäuren sind von der größten Bedeutung für die Industrie der Anthracenfarbstoffe, wie sich aus folgender Ubersicht ergibt:
Antlirachinou
1-Aminoanthrachinon. 1-Monosulfonsäure ->- i 1 1-'Oxyanthrachinon. 2-Monosulfonsäure > 2-Oxyanthrachinon— >- Alizarin. ,„ .. ( 1,5-Diaminoanthrachinon. 1.5-Disulionsaure - > • < , ., „ l Antnrarunn. ( 1,8-Diaminoanthrachinon. 1,8-Disulfonsaure -> { I Ghrysazm. 2.6-Di8ulfonaäure — > A n t h r a f l a v i n s ä u r e — > Flavopurpurin. 2.7-Disulfonsäure — > - Isoanthraflavinsäure >- Tsopurpurin.
2-Anthrachinonsulfonsaures Natrium (Mol.-Gew. 328) („Silbersalz") /\/ C , 4 H 7 ( S 0 8 N a ) 0 2 -i- H j O
C 0
\/\/
oder
S 0
3
N
'
a
+ H,0 . CO
Darstellung. Durch Sulfonieren von Anthrachinon mit rauchender Schwefelsäure von 50°/ 0 S0 3 -Gehalt bei 160°. Übungsbeispiel. Angewandt: 100 g Anthrachinon, 100 g Schwefelsäure von 50 % S0 3 -Gehalt.
42
Vor- und Zwischenprodukte
Unter Verwendung des auf S. 30 erwähnten gußeisernen Schmelzkessels, welcher sich in einem Olbade befindet, werden 100 g Oleum von 50°/ o SOg-Gehalt bis zum Schmelzen erwärmt und 100 g trocknes, gepulvertes Anthrachinon allmählich dahineingerührt. Hierauf wird die Mischung so erwärmt, daß ihre Temperatur im Laufe einer Stunde 160° erreicht hat. Nach dem Erkalten wird die Schmelze in die mehrfache Menge gehacktes Eis gerührt, die Flüssigkeit zum Kochen erhitzt und vom unveränderten Anthrachinon abfiltriert. Das heiße Filtrat wird mit Ätznatron neutralisiert und erkalten gelassen. Dabei fällt der größte Teil des anthrachinonsulfonsauren Natriums in silberglänzenden Blättchen aus, welche abgesaugt werden. Durch Konzentrieren des Filtrats wird eine weitere Menge gewonnen. Die letzten Anteile enthalten neben Glaubersalz etwas anthrachinondisulfonsaures Natrium. Eigenschaften. Silberglänzende Blättchen. Liefern beim Verschmelzen mit Ätznatron und Kaliumchlorat Alizarin. 5.
Phenole.
Die wichtigsten Methoden, um die Hydroxylgruppe in aromatische Verbindungen einzuführen, sind: 1. Das Verschmelzen der Alkalisalze von Sulfonsäuren mit Ätzalkalien (nach KEKULE, WÜETZ, DUSAET), wobei das Alkalisalz eines Phenols neben Alkalisulfit und Wasser entsteht: R-SO,Na + 2NaOH
—>-
R> O N a + Na^SOg + H A O .
2. Das Kochen der Diazoniumsalze in wäßrig-schwefelsaurer Lösung: R . N , S 0 4 H + HjO
R O H +- M, + H a S 0 4 .
Technische Beispiele für diese Methoden liefern die Umwandlung von Benzoldisulfonsäure in Eesorcin: C
«HHC1. o- und p-Toluidin (Mol.-Gew. 107) CH3 CH, A/NH* ^ oder f o j und ,PJ NH, Darstellung. Durch Reduktion von o- bzw. p Nitrotoluol. Die Methode ist die gleiche wie bei der Umwandlung von Nitrobenzol in Anilin. Bei der Reduktion von Rohnitrotoluol entsteht ein Gemisch von ungefähr 63 °/0 Orthotoluidin, 35 °/0 Paratoluidin und 2 °/0 Metatoluidin. Dies wird entweder für die Fuchsinfabrikation als „Anilin für Rot" verwendet oder zunächst m e h j oder weniger vollständig durch fraktionierte Absättigung mit Säuren (Oxalsäure, Phosphorsäure, Schwefelsäure) zerlegt.
Aminoverbindungen
57
Eigenschaften. o-Toluidin ist ein farbloses Öl; Kp.l97°; D 1 5 l , 0 0 3 7 ; mit Wasserdampf flüchtig. p-Toluidin bildet farblose Blättchen; Fp. 45°; Kp. 108°; mit Wasserdampf flüchtig. Die heiße -wäßrige Lösung scheidet beim Erkalten das kristallinische Hydrat C 7 H 7 • N H 3 - H 2 0 ab. m-Xylidin (Mol.-Gew. 121) CH, CH» A C.Hs^-CH, oder | i NH, \ACH:) NH, Darstellung. Durch Reduktion von «-Nitro-m-xylol mit Eisen und Salzsäure. Das durch Nitrieren von Rohxylol und Reduzieren des Rohnitroxylols gewonnene Xylidin des Handels enthält etwa 50°/ 0 m-Xylidin (1,3,4). welches zum großen Teil durch Neutralisieren des Öls mit Salzsäure oder Essigsäure, Abpressen der Salze und Zerlegen derselben abgetrennt werden kann. F ü r die Herstellung der Azoponceaux wird es in der Regel in Mischung mit den Isomeren verwendet. Eigenschaften. Farbloses Öl; Kp. 212°; D 16 0,9184. m-Phenylendiamin (Mol.-Gew. 108) ITH, oder
Darstellung. und Essigsäure.
/ -NH, Durch Reduktion von m-Dinitrobenzol mit Eisen Dbungsbeispiel.
Angewandt: 50 g m-Dinitrobenzol, 15 g Essigsäure von 15 °/ 0 . lyO g Eisenpulver. In einen mit Rubrer versehenen W I T T sehen '/ 2 1 - K o l b e n trägt man in die Mischung von 15 g Essigsäure von 15 °/0 und 145 ccm Wasser 150 g Eisenpulver und unter gutem Rühren innerhalb 2>/2 Stunden 50 g pulverisiertes m-Dinitrobenzol ein. Die Mischung erwärmt sich. Das gebildete m-Phenylendiamin scheidet sich zunächst teilweise als Öl aus und geht dann in Lösung. Durch entsprechendes Eintragen der Nitroverbindung ist die Reaktionstemperatur auf 50" zu halten; jedenfalls darf die Reaktion nicht unterbrochen werden. Schließlich stellt man den Kolben noch einige Zeit auf das siedende Wasserbad, verdünnt den Inhalt mit 800 ccm Wasser, versetzt mit
58
Vor- und Zwischenprodukte
so viel Ammoniak, daß alles Eisen ausgefällt ist, filtriert die heiße, farblose Flüssigkeit und konzentriert das Filtrat in einer Porzellanschale über freiem Feuer, bis das eingetauchte Thermometer 110° bis 115° zeigt. Die flüssige schwarze Masse füllt man nunmehr in einen Destillierkolben und destilliert sie im Kohlensäurestrom mit vorgelegtem Luftkühler. Nach dem Entfernen noch vorhandenen Wassers steigt das Thermometer schnell auf 275°. Innerhalb 275° und 282° ist fast alles destilliert. Als Rückstand bleibt eine geringe Menge teerigen Produktes. Durch wiederholte Destillation gewinnt man reines, bei 275—230° siedendes Phenylendiamin, welches manchmal länger flüssig bleibt, bei der Berührung mit einem Kristall der Base aber sofort erstarrt. Eigenschaften. Farblose, kristallinische Masse; färbt sich an der Luft braun; Fp. 83°; Kp. 287°; leicht löslich in Wasser. Die Lösung färbt sich auch in starker Verdünnung auf Zugabe von Natriumnitrit + HCl braun (empfindliche Reaktion zum Nachweis von HN0 2 ). Dient u. A. zur Darstellung von Chrysoldin. m-Toluylendiamin (Mol.-Gew. 122) /CH, C.H^NH, NH,
y NH, Darstellung. Durch Reduktion von m-Dinitrotoluol mit Eisen und Essigsäure oder Salzsäure. Eigenschaften. Rhombische Prismen; Fp. 99°; Kp. 283—285°; schwer löslich in kaltem, leicht in kochendem Wasser. Dient zur Darstellung von Chrysoldin, Akridingelb und Benzoflavin. p-Toluylendiamin (MoL-Gew. 122) NHj
NHj Darstellung. Durch Reduktion von Aminoazotoluol (aus o-Toluidin) mit Zinkstaub und Salzsäure (s. S. 54 f.). Eigenschaften. Farblose Nadeln; Fp. 64°; Kp. 273°; leicht löslich in Wasser. Oxydiert sich in Lösung in Gegenwart von Anilin oder o-Toluidin zu einem blauen Indamin, welches in ein Safranin überführbar ist. Dient zur Darstellung von Safranin.
Aminoverbindungen
59
Benzidin (p-Diaminodiphenyl) (Mol.-Gew. 184) C6H4 NH.2 o ( J e r H . N _ / \ — / > _ N H j . C6H4.NH, / / Darstellung. Durch Reduktion von Nitrobenzol in verdünnter alkoholi-ch-alkalischer Lö-ung mittels Zinkstaub entsteht Hydrazobenzol, 'welches durch verdünnte Salzsäure in Benzidinchlorhydrat übergeführt wird (s. S. 55). Eigenschaften. Seidenglänzende Blättchen, Fp. 122°. Das Chlorhydrat ist in warmem Wasser leicht löslich; das auf Zugabe von Schwefelsäure oder Glaubersalz zu dieser Lösung ausfallende Sulfat ist sehr tchwer löslich. Dient zur Darstellung von Azofarbstoffen. p-Diaminodiphenylmethan (Mol.-Gew. 198) • h
c
. < c : H ; : S °der h 2 N - o - c h * - O - n h > • Darstellung, Das durch Vereinigung von Formaldehyd mit Anilin entstehende ölige Anhydroformaldehydanilin: CjHä-KHj + OCH,
>- C6H5 N = CH2 + H,0 ,
welches alsbald in die trimolekulare feste Form übergeht, verwandelt sich beim Erwärmen mit einer Mischung von salzsaurem Anilin und Anilin zunächst in p-Aminobenzylanilin: C8H6-N=CHj + C 6 H ä NH 2 —>
C6H5• KH• CS,• C,H4• NH, ,
welches sich mit einem weiteren Molekül Anilin zu p-Diaminodiphenylmethan umsetzt (oder unmittelbar umlagert): C6H5 • NH •CH2. C6H4 NH, + C„Hä • NH, >H,N • C6H4 • CHa • C6H4 • NH, + C6H5 • NH, Übungsbeispiel. Angewandt: 150 g Anilin, 70 g salzsaures Anilin, 50 g Formaldehyd von 40°/ 0 In einem Mörser werden 50 g Anilin mit 50 g Formaldehyd von 40°/fl gemischt. AUbald scheidet sich aus der klaren Lösung öliges Anhydroformaldehydanilin ab, welches nach einiger Zeit fest wird. Es wird zerkleinert, auf dem Nutschfilter mit Wasser gewaschen, auf Ton getrocknet und zu einem Pulver zerrieben. In einem 1 1-Kolben wird die Mischung von 100 g Anilin, 70 g salzsaurem Anilin und 50 g Anhydroformaldehydanilin unter Rühren auf dem
60
Vor- und Zwischenprodukte
Wasserbade 12 Stunden hindurch erhitzt. Nach dieser Zeit ist eine dickflüssige Lösung entstanden. Sie wird nun mit konzentrierter Natronlauge alkalisch gemacht, und durch Einleiten von Wasserdampf wird das in Freiheit gesetzte Anilin vollständig übergetrieben. Das zurückbleibende Ol erstarrt nach dem Waschen mit Wasser zu einem halbfesten Produkt. Es wird in -verdünnter Salzsäure gelöst und die Lösung durch vorsichtigen Zusatz von Natriumbicarbonatlösung fraktioniert gefällt. Zuerst fällt eine braune schmierige Substanz aus. Sobald farblose Oltröpfchen erscheinen, gießt man die Flüssigkeit durch ein genetztes Faltenfilter und übersättigt das Filtrat mit Bicarbonat. Das ausgeschiedene Ol wird nach einigem Stehen, schneller auf Zugabe eines Kristalles Diaminodiphenylmethan fest. Das Produkt wird aus verdünntem Alkohol umkristallisiert. Eigenschaften. Blättchen; Fp. 85°; wenig löslich in Wasser, leicht in Alkohol und Benzol. Geht durch Erhitzen mit Anilin oder o-Toluidin unter Zusatz von Oxydationsmitteln in Pararosanilin oder Rosanilin über. b) P r i m ä r e A m i n e d e r N a p h t a l i n r e i h e . 1. Reduktion von Nitroverbindungen. Überführung der beiden Nitronaphtalinsulfonsäuren 1,5 und 1,8 in die entsprechenden Naphtylaminsulfonsäuren. Das Verhältnis, in dem die beiden Säuren 1,8 und 1,5 nach dem im Beispiel (s. unten) beschriebenen Verfahren entstehen, ist etwa 3:1. Eine ziemlich vollkommene Trennung der beiden isomeren Säuren wird ermöglicht durch die Schwerlöslichkeit des 1,8-naphtylaminsulfonsauren Na in überschüssiger verdünnter Natronlauge, in der das 1,5-naphtylaminsulfonsaure Na leicht löslich ist. Die beiden Säuren unterscheiden sich in ihrem Verhalten gegenüber der Diazolösung aus p Nitranilin sowohl durch ihre verschiedene Kupplungsenergie als auch durch das Aussehen der entstandenen Farbstoffe. Der aus der 1,8-Säure hervorgehende schwerlösliche p-Azofarbstoff (I) NaO,S NH, NHä / X / ' X / N = N • C6H4 - NO., ; I i II M i N—N • C„H4 'NO,
NaOaS
entsteht, wie dies der Kegel entspricht, wesentlich leichter und ist im ausgeschiedenen Zustande durch sein leuchtendes blauviolettes Aussehen gekennzeichnet. Beim Ausgießen auf Filtrierpapier und
Aininoverbindungeu
61
dem Betupfen mit verdünnter Natronlauge in der Kälte hingegen schlägt er nach einem unansehnlichen Graubraun um, während die 1,5-Säure einen in saurer Lösung merklich langsamer entstehenden schwer löslichen o-Azofarbstoff (II) bildet, der dem entsprechenden Azofarbstoff aus der 1,4-Naphtylaminsulfonsäure gleicht. Sehr auffällig ist das unterschiedliche Verhalten der beiden Azofarbstoffe beim Kochen mit verdünnter Natronlauge. Zunächst bemerkt man schon beim Erwärmen des 1,8-Säure-Farbstoffes mit verdünnter Natronlauge, daß die ursprüngliche blauviolette Färbung wiederkehrt. Kocht man einige Minuten, so geht dieselbe in graublau über, ein Zeichen dafür, daß die NH 2 -Gruppe in 1-Stellung abgespalten und der entsprechende Naphtolsulfonsäure-Farbstoff entstanden ist: NaO.S OH
Demgegenüber erweist sich der 1,5-Naphtylaminsulfonsäure-Farbstoff, als o-Verbindung, wesentlich beständiger. Erst längere Zeit hindurch fortgesetztes Kochen der alkalischen Lösung läßt eine Veränderung erkennen. Als Hauptprodukt und in guter Ausbeute erhält man die 1,5-Säure übrigens aus a-Nitronaphtalin durch Sulfonierung mittels CISOjH und darauffolgende Reduktion der Nitrosäure. Übungsbeispiel.
1,8- und 1,5-Naphtylaminsulfonsäure.
Ausgangsmaterial. Naphtalin; konzentrierte Schwefelsäure von t3bw B6; konzentrierte Salpetersäure von 40 oder 45° B6. Hilfsstoffe. Kalkmilch; Essigsäure 10°/ 0 ig; Eisenfeilspäne; konzentrierte Salzsäure; Natronlauge 10 °/0 ig; Natronlauge 3—5 °/0 ig. Darstellung. 100 g Naphtalin werden unter Rühren eingetragen in 300 g konzentrierte Schwefelsäure, wobei man dafür sorgt, daß die Temperatur 30° nicht wesentlich übersteigt. Nach vollendetem Eintragen hält man das Reaktionsgemisch bei 50°. Wenn alles Naphtalin in der Schwefelsäure gelöst ist und eine Probe der Sulfonierungsschmelze beim Eingießen in Wasser oder bei der Ätherprobe kein unverändertes Naphtalin mehr erkennen läßt, wird auf 10° abgekühlt und langsam innerhalb der Temperaturgrenzen 10—15° die berechnete Menge Salpetersäure (ca. 50 g HNO s 100 °/0ig = ca. 83 g HNOs von 40° B6 = ca. 66 g HNO s von 45° B- CaH5-N(CHa)2-HCl + HCl.
CjHj'NH'CH, + CH3CI —>CaHä • NH, • HCl + 2CH 3 • OH
C 6 H 5 N(CH 3 ) 2 -HC1. C„Hä • N(CHs)ä • HCl + 2 H , 0 .
Mit Salpetriger Säure liefern sie Nitrosoderivate, in welchen die Nitrosogruppe zum NitrilstickstofF die ParaStellung einnimmt: ( H 3 C ) 2 i r — + HO-NO
>
(CH s ).,N-{ j - N O + H.O .
1 N(CH3), Darstellung. Durch Erhitzen von Anilin, salzsaurem Anilin und acetonfreiem Methylalkohol auf 250°. Übungsbeispiel. Angewandt: 75 g Anilin, 25 g salzsaures Anilin, 75 g Methylalkohol. In einem kleinen emaillierten Stahlautoklaven wird die Mischung von 75 g Anilin, 25 g salzsaurem Anilin und 75 g Methylalkohol 12 Stunden lang im Luftbade auf 250° erhitzt. Nach dem Erkalten wird der Autoklaveninhalt in einem Destillierkolben mit Natronlauge 5*
68
Vor- und Zwischenprodukte
übersättigt und das obenaufschwimmende Öl mit Wasserdampf übergetrieben. Das vom Wasser getrennte ölige Destillat wird über geglühter Pottasche getrocknet und fraktioniert destilliert. Das zwischen 1 9 0 ° und 2 0 0 ° Ubergehende wird gesondert aufgefangen und nochmals rektifiziert. Eigenschaften. Farblose Flüssigkeit; K p . l 9 2 ° ; D 1 5 = 0 , 9 6 ; bildet schwierig kristallisierende Salze. Dimethylanilin dient zur Darstellung von Dimethylanilin-m-sulfonsäure, m-Nitrodimethylanilin, p-Nitrosodimethylanilin, Tetramethyldiaminodiphenylmethan, Tetramethyldiaminobenzophenon, Azo- und Triphenylmethanfarbstoffen. p-Nitrosodimethylanilinchlorhydrat (Mol.-Gew. 186,5) NO NOH i ON • C9H4 • NfCHJj • HCl
oder
Qj
bzw.
H—N(CHS) 2 I
C1
A v
N,CH3), I C1
Darstellung. Durch Vereinigung molekularer Mengen von Natriumnitrit und Dimethylanilin in wäßriger salzsaurer Lösung. Übungsbeispiel. Angewandt: 100 g Dimethylanilin, 200 g Salzsäure (D 1,19), 60 g Natriumnitrit von 94 °/ 0 . In die in einem Filterstutzen von 2 1 Inhalt befindliche Mischung von 100 g Dimethylanilin, 200 g Salzsäure (D 1,19) und 5 0 0 g Eis läßt , man unter fortgesetztem Eühren die Lösung von 60 g Natriumnitrit von 94 °/n in 200 g Wasser aus einem Tropftrichter, dessen Mündung unter das Fliissigkeitsniveau taucht, langsam zutropfen. Die Lösung färbt sich orange und scheidet alsbald gelbe Nadeln in zunehmender Menge ab. Die Temperatur soll am Ende der Eeaktion nicht mehr als + 1 0 ° betragen. Die Kristalle werden auf einem BüCHNEK-Trichter abgesaugt, mit dem Pistill festgestampft, erst mit wenig Wasser, dann mit Alkohol gewaschen und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. Gelbe Nadeln, in Wasser löslich. Die konzentrierte Lösung scheidet auf Zugabe konzentrierter Sodalösung die freie Base in grünen Blättern vom Fp. 8 5 0 ab. Man erhält nach dem Ansäuern und Entfärben mit Zinkstaub (Reduktion) p-Aminodimethylanilin.
69
A m i n o Verbindungen
Nitrosodimethylanilin dient, nach Reduktion zu p-Aminodimethylanilin, zur Darstellung von «-Naphtolblau und von Methylenblau. Telramethyl-p-diaminodiphenylmetlian (Mol.-Gew. 254) H2C[C6H4• N(CH,),]t
, oder
H 2 cX/
/O-
w
(
0 H
J»
-N(CH3)a
Darstellung. Durch Einwirkung von Formaldehyd auf die salzsaure Lösung von 2 Mol. Dimethylanilin. Übungsbeispiel. Angewandt: 242 g Dimethylanilin, 254 g Salzsäure (D 1,19), 75 g Formaldehyd von 40°/ o . ^ In einem 2 1-Kolben werden 242 g Dimethylanilin mit 2,54 g Salzsäure (D 1,19) gemischt und nach dem Abkühlen mit 75 g Formaldehyd gemischt. Die Mischung wird am Rückflußkühler 1 Tag lang auf dem Wasserbade erhit't. Dann wird mit Natronlauge schwach übersättigt und das überschüssige Dimethylanilin mit Wasserdampf übergetrieben. Die zurückbleibende ölige Methanverbindung erstarrt bald kristallinisch. Sie wird aus Alkohol unter Zusatz von etwas Tierkohle umkristallisiert. Eigenschaften. Farblose Blättchen, Fp. 91°. Tetramethyldiaminodiphenylmethan dient zur Darstellung des entsprechenden Hydrols (MICHLERS Hydrol). Chinaldin (Mol.-Gew. 143) C^HsN
oder
f V ^ X/ X
V CHS Darstellung. Durch Erhitzen von Anilin mit überschüssiger Salzsäure und Paraldehyd. Hierbei geht der Acetaldehyd in Crotonaldehyd über: CHS • CHO + CH3-CHD > CHS • CH=CH—CHO + H ; 0 , welcher sich, mit Anilin zu Crotonylenanilin vereinigt: C»H5.NH2 + OCH—CH = C H - C H j
- -v
C 6 H r N = C H - C H = C H CH3 + H a O . Dieses Crotonylenanilin isomerisiert sich zu Methyldihydrochinolin, welches sich unter Verlust von Wasserstoff in Chinaldin («-Methylchinolin) verwandelt: CH CH ME
Übungsbeispiel. Angewandt: 50 g Anilin, 75 g Paraldehyd, 100 g Salzsäure (D 1,19). Im 2 1-Rundkolben werden 50 g Anilin, 100 g Salzsäure (D 1,19) und 75 g Paraldehyd während 5 Stunden auf dem Wasserbade am Rückflußkühler gelinde erhitzt. Nach 3 / 4 Stunden ist Anilin nicht mehr nachweisbar. Die dunkelgelbe Flüssigkeit wird mit Natronlauge übersättigt und das gebildete Chinaldin mit Wasserdampf übergetrieben. Aus dem Destillat wird das Ol mit Äther aufgenommen, der Äther nach dem Trocknen über geglühter Pottasche abdestilliert und der Rückstand aus einem Destillierkolben fraktioniert. Die Rohbase siedet zwischen 210 und 256°. Durch fortgesetztes Fraktionieren erhält man das bei 2 8 8 — 2 4 5 ° siedende Chinaldin. Eigenschaften. Farbloses Öl; Kp. 243°; liefert beim Erhitzen mit Phtalsäureanhydrid Chinophtalon. Chinaldin dient zur Darstellung von Chinophtalon und von Chinolingelb S. 7. Diazoniumverbindungen. Bei der Einwirkung von Salpetriger Säure auf die mineralsauren Salze primärer aromatischer Basen entstehen die Salze von Diazoniumverbindungen, z. B.: R - N H j - H C l + ONOH
—
R
Nj-Cl + 2 H , 0 .
Dieselben sind durch folgende wichtige Reaktionen gekennzeichnet: 1. R-N 2 C1 + H 2 0 — v R OH + HCl + N 2 . 2a. R-NVCl + C J H J • OH >• R.OC 2 H 5 + HCl + N, . 2b.R-N 2 -Cl + C,H S 'OH >- R H + CH 3 .CHO + N, + HCl . 3. R-MVJ —>- R - J + N4 . 4. R.N 2 -C1 R-Cl + N 2 . 1 5. 6. 7. 8. 9. 10.
R-N 2 -Br _ R.N2.CN R-N 2 C1 + R-N 2 .C1 + R-Nj-Cl + R.N 2 .C1 +
I
In Gegenwart des
8 >- R . B r + N , . } entsprechenden Cuprosalzes. F —>- R-CN + N j . ) ^ R' ONa >- R-li 2 R'-OH + NaCl . R'-NH 2 -HC1 —>- R N 4 .R'.NH 2 HC1 + HCl . H 2 N-R' R N 2 . N H R ' + HCl . 2H, »- R.NH-NH 2 -HC1 .
In der Farbentechnik handelt es sich meist darum, Diazoniumsalze in L ö s u n g zu bereiten. Zu diesem Zwecke bedient man sich
Diazoniumverbindungen
71
ganz allgemein des Natriumnitrits und der Salzsäure, welche man auf die mit Eis gekühlte wäßrige Lösung oder Suspension des salzsauren oder schwefelsauren Salzes der primären Base bei 0 bis + 5 0 einwirken läßt. Die Reaktion verläuft z. B. nach den Gleichungen: B ' N E , + 2HCl + NaNO, —>• E-NE) i + 4HC1 + 2NaIi0 2 E-NH,
>•
R - l ^ - C l + NaCl + 2 3 ^ 0 . R-NVCl i + 21iaCl + 4 H . 0 . R—N3 • C1 ^
Tatsächlich verwendet man einen Überschuß an Salzsäure, um die Bildung einer Diazoamino- oder Aminoazoverbindung zu vermeiden; gewöhnlich 2,5—3 Moleküle auf eine Aminogruppe, gelegentlich auch wohl 6 oder 7 Moleküle (beim p Nitroanilin). Die Diazotierung vollzieht man sehr einfach in der Weise, daß man die etwa 10°/ 0 ige Natriumnitritlösung in die saure Lösung oder Suspension des Aminsalzes so lange einlaufen läßt, bis 5 Minuten nach der letzten Zugabe Jodkaliumstärkepapier sofort gebläut wird. Die „Diazolösung" muß klar und schaumfrei sein. Bei der großen Löslichkeit ihrer Chlorhydrate gehen Basen wie Anilin, Toluidin, Xylidin leicht in wäßrige Lösung. Feste Basen wie die Naphtylamine, Benzidin, Tolidin werden zweckmäßig mit 50 u warmem Wasser verrührt und dann mit der für die Salzbildung berechneten Menge Salzsäure versetzt, worauf sie sich ebenfalls leicht lösen. Da das Einrühren weiterer Salzsäure zuweilen die Ausscheidung des Chlorhydrates zur Folge hat, so geschieht ersteres am besten, nachdem die Flüssigkeit durch Eis auf 0° abgekühlt worden ist, da dann das Salz in einer Form ausfällt, in welcher es von der Salpetrigen Säure leicht angegriffen wird. Bekanntlich faßt man die Diazosalze heute als Diazoniumsalze auf. Dies bietet u. a. den Vorzug, daß man ihre Bildung aus den Salzen primärer aromatischer Amine durch Salpetrige Säure leicht erklären kann, ohne genötigt zu sein, eine Wanderung des Säurerestes (im vorliegenden Falle des Cl) vom Aminostickstoff an den SalpetrigsäurestickstofF anzunehmen: E - N ^ H j + ONOH — R . N = N + 2 H 4 0 . Cl Cl N Die diesen Diazoniumsalzen entsprechenden Hydrate, R'N-OH, sind sehr unbeständig, können jedoch in faßbare Metallsalze ( R - N = N . O - M e , Syndiazotate) umgewandelt werden, welche sich weiterhin (teils bei gewöhnlicher Temperatur, teils beim Erhitzen) in Isodiazosalze ( = Antidiazotate) umlagern und dann in alkalischer Lösung nicht oder nur schwierig mit Azokomponenten kuppeln.
72
Vor- und Zwischenprodukte
Diese Isomerie wird bei Strukturidentität als durch Stereoisomerie bedingt erklärt: C6H5-N ii KO-N
C6H5N ii N—OK
Syndiazobenzolkalium
Antidiazobenzolkalium
Technische Wichtigkeit hat vor allem das p-Nitroisodiazobenzolnairium („Nitrosaminrot") erlangt. p-Nitroantidiazobenzolnatrium (Mol.-Gew. 207) (Nitrosaminrot) NO, 0 2 N.C 6 H 4 -N=N 0Na + HaO
oder
+ H20 .
N=N ONa Darstellung. Läßt man eine nicht zu verdünnte Lösung von p-Nitrobenzoldiazoniumchlorid in überschüssige Natronlauge fließen, so scheidet die sich gelb färbende Lösung eine gelbe kristallisierende Substanz ab, deren Ausbeute fast quantitativ dem erwarteten p-Nitrodiazobenzolnatrium entspricht. Übungsbeispiel. Angewandt: 14 g p-Nitroanilin, 16 ccm Salzsäure (D 1,19), 8 g Natriumnitrit von 94 °/ 0 . Die durch vorsichtiges Erwärmen (s. Näheres S. 92) in einem 1-Kolben bereitete Lösung von salzsaurem p-Nitroanilin aus 14 g p-Nitroanilin, 16 ccm konzentrierter Salzsäure und 20 ccm Wasser wird in die mit 8 ccm konzentrierter Salzsäure versetzte Mischung von 8 g Natriumnitrit von 94 °/0 und 700 g Eis eingerührt. Die so erhaltene klare Lösung von salzsaurem p-Nitrobenzoldiazoniumchlorid filtriert man in 200 ccm einer vorher auf 50° erwärmten Natronlauge von 18 °/0 = 25° Bö. Unmittelbar nach dem Mischen beginnt die entstandene gelbe Lösung goldgelbe Blättchen abzuscheiden, deren Menge beim Erkalten zunimmt. Sie werden abgesaugt und mit Kochsalzlösung nachgewaschen. Eigenschaften. Goldgelbe, in Wasser leicht lösliche Blättchen; verbrennen lebhaft beim Erhitzen auf dem Platinblech. Die angesäuerte Lösung kuppelt mit Azokomponenten zu Azofarbstoffen; mit /?-Naphtol z. B. entstellt Paranitranilinrot.
73
Hydrazine
8. Hydrazine. Von den Hydrazinen, welche man als primäre, R-NH-NH 3 , und R sekundäre, JJ//N-NH 2 , unterscheidet f finden in der Farbentechnik nur die ersteren, und zwar in Gestalt von Sulfonsäuren Anwendung Die primären Hydrazine entstehen durch Reduktion von Diazoniumverbindungen, und zwar entweder durch Behandlung der betreffenden Diazoniumverbindung mit Zinnchlorür und Salzsäure: E . N , . C 1 + 2SnCl 2 + 4HC1 — R . N H . N H 2 . H C 1 + 2SnCl 4 , oder es wird die Diazoniumverbindung mit neutralem schwefligsaurem Salz in das Salz einer Diazosulfonsäure umgesetzt: R - N ^ - C l + Na a S0 3 —>-
R-N 2 .S0 3 Na + NaCl ,
welches mit Zinkstaub und Essigsäure zu hydrazinsulfonsaurem Salz reduziert wird: R-N2-S03Na + H2 — >
R.NH-NH.S03Na ,
das seinerseits beim Kochen mit konzentrierter Salzsäure in das Hydrazin übergeht: R• NH• NH• S0 3 Na + H C l + H a O —>-
R - N H - N H 2 - H C 1 + NaHSO, .
Die Umwandlung der Diazosulfonsäure in das hydrazinsulfonsaure Salz kann auch durch Alkalibisulfit geschehen: R - N s - S 0 3 N a + NaHSOj + H , 0
>
R N H . N H - S O s N a + NaHSO. .
Von farbentechnischer Bedeutung (s. T a r t r a z i n ) ist die Kondensationsfähigkeit der Hydrazine mit Ketonverbindungen zu Hydrazonen bzw. Osazonen: E'NH-NH, OC— R.NH-N=c— + i i + 2H.O . H'NHNH, OC— R •NH •N=C— Phenylhydrazinsulfonsäure (Mol.-Gew. 188) NH—NH, H 2 N • N H • C 6 H 4 • SO a H
oder
|/Xj
SO 3 H
Darstellung. Durch Reduktion von Diazobenzolsulfonsäure (aus Sulfanilsäure) zur Hydrazindisulfonsäure und Uberführung derselben mit konzentrierter Salzsäure in die Hydrazinsulfonsaure.
74
Vor- und Zwischenprodukte Übungsbeispiel.
Angewandt: 23 g sulfanilsaures Natron, 7 g Natriumnitrit von 97,5 °/0> 0, 17 g konzentrierte Schwefelsäure, 30 g neutrales Natriumsulfit, 50 ccm konzentrierte Salzsäure. 23 g sulfanilsaures Natrium und 7 g Natriumnitrit von 97,5 °/0 werden in 120 ccm Wasser gelöst. Diese kalte Lösung wird in die eiskalte Mischung von 17 g konzentrierter Schwefelsäure und 100 g Wasser eingerührt. Die sich kristallinisch abscheidende Diazobenzolsulfonsäure wird abgesaugt und mit Wasser ausgewaschen. Sie wird mit Wasser zu einem Teig angerieben und mii einer Lösung von Natriumbisulfit gemischt, welche durch Sättigen der Lösung von 30 g neutralem Natriumsulfit in 300 g Wasser mit Schwefeldioxyd bereitet worden ist. Die Diazoverbindung löst sich zunächst mit gelber Farbe auf, jedoch bald wird die Lösung fast farblos. Sie wird nunmehr mit 50 ccm konzentrierter Salzsäure versetzt und auf dem Wasserbade bis zur Kristallisation eingedampft. Die abgeschiedene Phenylhydrazinsulfonsäure wird abfiltriert, mit wenig Wasser gewaschen und aus heißem Wasser umkristallisiert. Eigenschaften. Glänzende Nadeln, leicht löslich in kochendem Wasser, wenig löslich in kaltem Wasser und in Alkohol. Kondensiert sich mit Dioxyweinsäure zu Tartrazin. 9. Alkohole.
F ü r die Farbentechnik hat, abgesehen von dem p-Nitrobenzylalkohol, welcher durch Oxydation den für die Fuchsinfabrikation nach dem F I S C H E R sehen Verfahren wichtigen p-Nitrobenzaldehyd liefert, nur das MiCHLEBsche Hydrol Bedeutung. Tetramethyl-p-diaminobenzhydrol (Mol.-Gew. 270)
Darstellung. Technisch durch Oxydation des Tetramethyldiaminodiphenylmethans in schwach saurer Lösung mit Mangansuperoxyd: HaC[C4H4-N(CH3)4]s + O — >
HO • CH[CeH, • N(CH3)i]2 .
Am reinsten gewinnt man es durch Reduktion des MICHLEEsehen Ketons mit Natriumamalgam in alkoholischer Lösung.
Alkohole
75
Übungsbeispiel I. Angewandt: 26,8 g MiOHLERsches Keton,
160 g 3°/ 0 iges Natriumamalgam, 1,5 1 Alkohol von 9 5 % . In einem 3 1-Rundkolben werden 215,8 g MiCHLEKsches Keton in 1,5 1 Alkohol von 95°/ 0 auf dem Wasserbade zum Sieden gebracht und allmählich mit 160 g 3°/ 0 igem Natriumamalgam versetzt. Die Lösung muß stets in schwachem Sieden erhalten werden, damit die nach der Gleichung OC[C0H4.N(CH3)2]2 + H,
>
HO • CH[C,H4 • N(CH3)2]a
verlaufende Reduktion in möglichst kurzer Zeit, 3—4 Stunden, vorsieh geht. An der Beweglichkeit des Quecksilbers in der erkalteten Flüssigkeit erkennt man, daß alles Amalgam verbraucht ist. Die filtrierte Lösung wird nun in Wasser gegossen und das in kristallinischen Flocken abgeschiedene Hydrol abfiltriert, mit Wasser gewaschen und auf Ton getrocknet. Übungsbeispiel II. Angewandt: 20 g Tetramethyldiaminodiphenylmethan, Bleisuperoxydpaste, 26 g Natriumsulfat. 20 g reines Tetramethyldiaminodiphenylmethan werden durch soviel konzentrierte Salzsäure als 5,7 g reinem Salzsäuregas (2 Mol.) entsprechen würde und 40 g Wasser in Lösung gebracht, hierauf mit 1600 g Wasser verdünnt und mit 9,4 g 100°/ o iger Essigsäure (2 Mol.) versetzt. Das Ganze wird in einem Filterstutzen unter 0° abgekühlt, und nun unter fortgesetztem Rühren die berechnete Menge Bleisuperoxyd, 18,8 g Pb0 2 lU0 o / 0 ig, mit Wasser aufgeschlämmt, in dünnem Strahle auf einmal eingetragen. Das Bleisuperoxyd wird am besten in Form einer Paste verwendet, deren Wert an wirksamem Pb0 2 vorher durch Titration genau bestimmt ist. Nach Verlauf von 5 Minuten wird unter weiterem Rührfen die nötige Menge schwefelsaures Natrium, 26 g in 125 g Wasser gelöst, zugesetzt, worauf man absitzen läßt. Alsdann wird schnell abfiltriert, das blauviolette Filtrat mit verdünnter Natronlauge unter kräftigem Schütteln gefällt, der Niederschlag sofort abgesaugt, mit Wasser nachgewaschen und auf Tontellern getrocknet. Es hinterbleibt eine blaugraue lockere Masse von Rohhydrol, welche aus Äther umkristallisiert wird. Eigenschaften. Farblose Prismen; Fp. 95—96°; leicht löslich in Äther; in Eisessig mit blauer Farbe löslich.
76
Vor- lind Zwischenprodukte
Tetramethyldiaminobenzhydrol dient zur Darstellung von Leukokristallviolett und von Leukoderivaten anderer Triphenylmethanfarbstoffe. 10. A l d e h y d e .
Abgesehen vom Formaldeh)d, welcher für die Bereitung von Triphenylmethan- und Acridinfarbstoffen große Bedeutung erlangt hat, sind es von aromatischen Aldehyden namentlich der Benzaldehyd, C6H5.CHO ,
und seine Nitroderivate, o-, in- und p-Nitrobenzaldehyd,
welche (die o-Verbindung für. die Indigobereitung, die m-Verbindung für die Patentblaufarbstoffe, die p-Verbindung für die Parafuchsinfabrikation) in der Farbentechnik eine Rolle spielen. Hier sei besonders berücksichtigt der Benzaldehyd (Mol.-Gew. 106) CHO
Darstellung. Durch Erhitzen von Benzalchlorid mit Kalkmilch im Digestor unter einem Drucke von 4 — 5 Atmosphären. Der gebildete Benzaldehyd wird mit Wasserdampf abgetrieben, während nebenher gebildete Benzoesäure als Kalksalz zurückbleibt. Eigenschaften. Farblose, nach bitteren Mandeln riechende Flüssigkeit, Kp. 180°. Vereinigt sich mit Natriumbisulfit zu einem durch Säuren spaltbaren Additionsprodukt. Benzaldehyd dient u. A. zur Darstellung von Leukomalachitgrün. II. Ketone. Unter den Ketonen finden nur wenige in der Farbentechnik Anwendung. E s sind dies namentlich Tetramethyldiaminobenzophenon (MICHLERS Keton), Phenanthrenchinon, Anthrachinon und Derivate derselben. Ihre Reaktionsfähigkeit liegt zum Teil in der Beweglichkeit des in ihnen enthaltenen Sauerstoffs begründet, welcher sie zu Kondensationen befähigt. Bei den Anthrachinonderivaten sind es vor allem die in das Anthrachinonmolekül eingeführten Gruppen, welche die Reaktionsfähigkeit derselben bedingen.
77
Ketone
Tetramethyldiaminobenzophenon (Mol.-Gew. 268) OCfCeH^NiCH^VIj
oder
OC
Darstellung. Durch Einleiten von Chlorkohlenoxyd in Dimethjlanilin. Dabei entsteht zunächst Dimethyl-p-aminobenzoylchlorid: COCla +
NCCH3)2 — >
Cl-OC-—N(CH 8 ) 2 +• HCl ,
welches sich mit Dimethylanilin zu Tetramethyldiamiuobenzophenon umsetzt: + C1 • O C - ^ ^ - N i C H J , — ^ (CH,) s N--CO--N(CH !> ) i + HCl . Übungsbeispiel. Angewandt: 100 g Dimethylanilin, 50 g Chlorkohlenoxyd. In 100 g frisch destilliertes, trocknes Dimethylanilin leitet man unter Kühlung so lange Chlorkohlenoxyd, bis die durch die Absorption desselben bedingte Gewichtszunahme 41 g beträgt. Es hat sich ein Kristallbrei aus Dimethylaminobeuzoylchlorid gebildet. Der Autoklav wird nun geschlossen und im siedenden Wasserbade 5 Stunden lang erhitzt. Nach dem Erkalten leitet man durch das Reaktionsprodukt Wasserdampf so lange, bis das unveränderte Dimethylanilin übergetrieben ist, löst den Rückstand in verdünnter Salzsäure, .filtriert und übersättigt das Filtrat mit Natronlauge. Das ausgeschiedene Rohketon wird nach dem Absaugen nochmals in Salzsäure gelöst und mit Natronlauge in hellen Flocken ausgefällt. Von ev. beigemengtem Kristallviolett trennt man es durch Auskochen mit verdünnter Essigsäure. Durch Umkristallisieren aus Alkohol und Auswaschen der Kristalle mit kaltem Alkohol wird es rein erhalten. Eigenschaften. Fast farblose Blättchen mit einem \ Stich ins Gelbe, Fp. 174°. Das Keton wird durch Reduktion in alkalischer Lösung in Tetramethyldiaminobenzhydrol verwandelt. Tetramethyldiaminobenzophenon dient zur Darstellung von Auramin, Kristallviolett und von anderen TriphenylmethanfarbstofFen. Phenanthrenchinon (Mol.-Gew. 208)
78
Vor- und Zwischenprodukte
Darstellung. Durch Oxydation von Phenanthren mit Chromsäure: C6H4—CH
I
II
C6H4—CH C]H]-CO
+ KoCr.O, + 4H.,S0 2 7 2 44
>-
-
+
K ß 0 I
+
CR2 C 6 H 3 - S 0 3 N a + 2NH ä
— v
PO
C 6 H 4 < £ £ > C b H 3 - N H 2 + NH.NaSO, . Eigenschaften. Dunkelrote Nadeln; Fp. 302°;- ziemlich leicht löslich in Alkohol und Benzol; löslich in heißer Salzsäure. Das grauweiße Nadeln bildende Ghlorhydrat wird durch Wasser zerlegt. 2-Aminoanthrachinon liefert beim Schmelzen mit Ätzkali Indanthren. 12. Carbonsäuren. Die f ü r die Farbenchemie wichtigsten Carbonsäuren gehören der Benzolreihe an. Die Einführung der Carboxylgruppe in den aromatischen Kern geschieht: 1. Durch Oxydation substituierender Alphylgruppen, die, wie im Naphtalin, auch in F o r m einer geschlossenen Kette vorhanden sein können. So geht Toluol durch die Einwirkung von Chrom säuregemisch oder Kaliumpermanganat in Benzoesäure über: C6H6 CH3 + 3 0
>
C 6 H 5 .COOH + H ä O .
Technisch leichter durchführbar ist die Yerseifung des im Methylrest durch Chlor substituierten Toluols, des Benzotrichlorids, mit Kalkmilch: C„H 5 -CC) 3 + 2 H , 0
—>
C6H5.COOH + 3HCl .
Naphtalin liefert beim Erhitzen mit Schwefelsäure und etwas Quecksilbersulfat Phtalsäure: /CH=CH ,COOH C6H4< +90 >- C„H4< + 2C0 2 + H.jO . X CH=CH ^COOH 2. Durch Verseifen der Nitrile. So gewinnt man aus dem im Steinkohlenteer enthaltenen Benzonitril durch Kochen mit Kalkmilch Benzoesäure: C6H5.CN + 2 H , 0
>•
C6H6-COOH + N H , .
3. Durch Einwirkung von Kohlendioxyd auf die Alkalisalze der Phenole. I n diesem Falle entstehen aromatische Oxycarbonsäuren.
Carbonaäuren
81
So liefert Kohlendioxyd mit trocknem Phenolnatrium zunächst phenylkohlensaures Natrium, welches beim Erhitzen auf 180° in salicylsaures Natrium übergeht: C6H5 ONa + COa Kaliumphenolat saures Kalium.
>
bildet
C 0 H 3 .O COONa
mit
C 6 H 5 X 20,5 X 1000 T^. 0 , n.-Diazolosung. 1 I n.-Diazolosung = 4 x 24 7 M = 317,8. 2. 2,6-Naphtolsulfonsäure (SCHÄFFER-Salz).
Angewandt 1,314 g Substanz, gelöst in 100 ccm Wasser. Zur Titration verbraucht je 25^ccm. Dieselben wurden mit 5 g Bicarbonat und 50 ccm Kochsalzlösung versetzt. Der Farbstoff nimmt anfänglich leicht eine gallertartige Beschaffenheit an, die aber durch die Anwesenheit von Kochsalz bald in eine feinkristallinische Form übergeht. Verbraucht an n-/20)B-Diazolösung im Mittel 23,45 ccm; ako ' ' g
S c h ä f f e r - S a l z = ^ ^ cm n.-Diazolösung.
sich: 1 1 n.-Diazolösung = A?.3!4 * 3.
Daraus berechnet
g- oder M = 287,4.
2,6,8-Naphtoldisulfonsäure (G-Salz).
Abgewogen 1,794 g G-Salz. Dasselbe wurde gelöst in 100 ccm Wasser. Von dieser Lösung wurden verwendet für die Titration je 25 ccm. Nach der Zugabe von 5 g Bicarbonat wurden zunächst 15 ccm Diazolösung zufließen gelassen und alsdann solche Mengen von festem Kochsalz zugesetzt, daß ein kleiner Teil desselben ungelöst blieb, während gleichzeitig der Farbstoff fast völlig ausgesalzen wurde, so daß beim Tüpfeln ein breiter farbloser Auslauf entstand, der bei der weiteren Zugabe von Diazolösung eine sichere Erkennung der jeweils überschüssigen Komponenten gestattete. Verbraucht wurden von der n / 214 -Diazolösung im Mittel 22,7 ccm. Daraus berechnet sich auf die oben angegebene Weise JI = 422,9. 4.
2,8,6-Aminonaphtolsulfonsäure (/-Säure).
Abgewogen 1,253 g y-Säure und unter Anwendnng von Natronlauge gelöst in 100 ccm Wasser. Davon wurden für die Titration verwendet je 25 ccm. Dieselben wurden zunächst mit 25 ccm n.-NaAcetat und alsdann mit 35 ccm n.-Essigsäure versetzt. Während der Titration wurde nach Bedarf festes Kochsalz zugegeben, um
Titrationen von Zwischenprodukten der Benzol- u. Naphtalinreihe
101
den Monoazofarbstoff stets völlig auszusalzen. Verbraucht wurden an n721,s-Dia,zolösung 24,65 ccm. Daraus ergibt sich M = 270,7. 5.
1,8,3,6-Aminonaphtoldisulfonsäure (H-Säure).
Abgewogen 1,835 g H-Säure; gelöst wurde dieselbe unter Zugabe von etwas Natronlauge in 100 ccm Wasser. Zur Titration verwendet je 25 ccm. Dieselben wurden mit nur 10 ccm n.-Na-Acetat, dagegen mit 35 ccm n.-Essigsäure versetzt. Auch hier wurde gegen das Ende der Titration durch festes Kochsalz die Ausscheidung des Monoazofarbstoffes begünstigt. Verbraucht- wurden von der n / aij , 7 Diazolösung im Mittel 23,1 ccm. Daraus folgt M = 430,5. 6.
1,8,4-Aminonaphtolmonosulfonsäure (S-Säure).
Abgewogen 1,87 g S-Säure; gelöst wurde dieselbe in Natronlauge uud Wasser. (Es empfiehlt sich nicht, diese Lösung längere Zeit stehen zu lassen, da andernfalls leicht eine Oxydation derselben eintritt.) V = 100 ccm. Zur Titration verwendet je 25 ccm. Dieselben wurden mit Wasser von 25° auf etwa 1 / 2 1 verdünnt, mit Mineralsäure bis zur s c h w a c h s a u r e n Reaktion (auf Kongopapier!) und alsdann sofort mit Diazolösung versetzt, mit deren Menge man möglichst rasch bis an die zulässige Grenze geht, um eine Ausscheidung der freien S-Säure zu verhüten. Die Erkennung des Endpunktes kann auch hier durch die Filtrationsprobe (s. S. 96) verschärft werden, wobei man dem Filtrat zweckmäßig vor der Teilung ein wenig Na-Acetat-Lösung zufügt, um die Kupplung zu erleichtern. Verbraucht wurden von der n 7 2C 8 -Diazolösung im Mittel 24,7 ccm. Daraus ergibt sich II = 281,85.
Drittes Kapitel.
Die bei der Darstellung organischer Farbstoffe und ihrer Zwischenprodukte benutzten Hilfsstoffe und deren quantitative Bestimmung. Es sollen im Nachfolgenden lediglich die m a ß a n a l y t i s c h e n Methoden in Kürze in Erinnerung gebracht werden, die unter gewissen Voraussetzungen wegen ihrer Einfachheit vor den g e w i c h t s a n a l y t i s c h e n den Vorzug verdienen. Allerdings ist dabei zu beachten, daß diese Methoden insofern nur einen beschränkten "Wert haben, als sie über die tatsächliche Beschaffenheit und Zusammensetzung des zu untersuchenden Materials keine so erschöpfende Auskunft geben, wie sie z. B. mittels der gewichtsanalytischen Methoden zu erhalten ist. Ob eine Kalilauge NaOH enthält, Salzsäure z. B. H 2 S0 4 -haltig ist, wird bei der üblichen maßanalytischen Bestimmung sich nicht bemerkbar machen, kann aber unter Umständen doch von Interesse sein. In solchen Fällen muß der maßanalytischen Bestimmung eine anderweitige Untersuchung vorausgehen oder nachfolgen. 1. KOH, NaOH, NH 3 und Na 2 C0 3 werden mittels n.-HCl bestimmt (Indikator: Methylorgane oder Phenolphtaleln). Soll bei sodahaltiger Natronlauge nur der Gehalt an NaOH ermittelt werden, so wird erst nach vorherigem Zusatz von BaCl2 titriert (Indikator: Phenolphtalein). Es spielt sich dann vor der Titration folgender Vorgang ab: NajCOg + BaCl a
—>
BaCO„ + 2 N a C l .
Auf diese Weise wird die gesamte Soda in eine auf Phenolphtaleln nicht reagierende Substanz übergeführt. Na-Acetat läßt sich in v e r d ü n n t e n Lösungen gleichfalls mittels n.-HCl bestimmen (Indikator: Kongorot). 2. H 2 S0 4 , HCl, HN0 3 werden mittels n.-NaOH-Lauge titriert (Indikator: Methylorange). Bei rauchender Schwefelsäure, dem sog. „Oleum", ist ein Gehalt an S0 2 zu berücksichtigen. Es muß also
103
Hilfsstoffe
zunächst die Gesamtacidität bestimmt und von ihr der dem S0 3 entsprechende Betrag abgezogen werden. Zu beachten ist, daß 1 Mol. S0 2 je nach dem Indikator (Methylorange oder Phenolphtaleln) 1 oder 2 Mol. NaOH verbraucht. Das Abwägen des Oleums (1,5—2 g) geschieht zweckmäßig in zugeschmolzenen Glaskölbchen mit Kapillarröhrchen. 3. Essigsäure läßt sich mit n.-NaOH-Lauge titrieren, wenn man als Indikator Phenolphtaleln anwendet. Die Zusammenhänge bei der maßanalytischen Bestimmung der folgenden Substanzen KMnO„ Na 2 S 2 0 3 , K 2 Cr 3 0 7 , KC103, Ca(OCl)2, Mn0 2 , Pb0 2 , ferner Jod, Bisulfit, Formaldehyd, SnCl2, Na2S und Hydrosulfit sind aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen, wobei die bekannten Umkehrungen, z. B. Bestimmung von Na 2 S 2 0 3 mittels J a und umgekehrt von J 2 mittels Na 2 S 2 0 3 , möglich sind: Oxalsäure, C 2 H 2 0 4 + 2 H 2 0 , M = 12R Kaliumpermanganat, K U n O ( , M = 158
Ii Natriumthiosulfat, N a j S 4 0 3 + 6 H , 0 , M = 248
Kaliumbichromat K s Cr a O, M = 295
Kaliumchlorat KCIO, M = 122,5
x M = 254 /
/
x
*
Braunstein Bleisuperoxyd Chlorkalk PbOj Ca(OCl)j M = 87 M = 239
W k
/ X
T
Zinnehlorür Schwefelnatrium 8nCl,(+2HjO) NajS + 9 H , 0 M = 189 M = 240
x
x
Bisulfit NatriumN a H S O , hydrosulfit M = 104 :Na,S,0 4 M = 174 Formaldehyd CH 2 O M = 30
a) Über die Einstellung des KMn0 4 Oxalsäure, C 2 H 2 0 4 + 2H 2 0, siehe S. 88 f.
mittels kristallisierter
Hilfsstoffe
104
b) Na 2 S 2 0 3 . Die Bestimmung dieses mit 5 Mol. H 2 0 kristallisierenden, für die Darstellung der Thiosulfonsäuren wichtigen Salzes erfolgt mittels KMn0 4 -Lösung, gemäß den beiden Gleichungen: 2 KMnO, + 16 HCl + 10KJ — ^ 10 J + 12KC1 + 2MnCl, + 8H,0 und 2Na;lSäO, + J j > Na03S2S208lia + 2NaJ. 248 g = 1 Mol. Na 2 S 2 0 3 + 5H 2 0 erfordern demnach 1 Atom J = 101 einer n-/10-KMnO4-Lösung. Da Natriumthiosulfat durch Mineralsäure Zersetzung erleidet, die bei den Titrationen zu sehr erheblichen Fehlern Veranlassung geben würde, so ist ein Überschuß an HCl nach Möglichkeit zu vermeiden. An J K ist, gemäß obiger Gleichung, lMol. auf 1 Mol. Na 2 S ? 0 3 erforderlich; man verwendet tatsächlich aber einen erheblichen Uberschuß, nämlich, auf 248 g Thiosulfat bezogen, etwa 1,5 X 166 == 250 g JK und an HCl (spez. Gew. 1,19) etwa 110 g. c) K 2 Cr 2 0 7 , welches als Oxydationsmittel insbesondere bei der Darstellung der Azine und Thiazine Verwendung findet, reagiert mit angesäuerter JK-Lösung in analoger Weise wie KMn0 4 : KaCr20, + 6JK + 14HCl
6 J + 8 KCl + 2CrCl3 + 7HsO .
Das ausgeschiedene Jod wird mit der Thiosulfatlösung von bekanntein Gehalt (s. oben) titriert. 295 g = 1 Mol. K 2 Cr 2 0 7 sind also = 6 Atomen Jod = 60 1 n-/io"Na2S203-Lösung. Infolge der Bildung von CrCl3 ist am Endpunkte der Titration die Lösung nicht farblos, sondern hellgrün gefärbt. Um daher den Umschlag von Blau (Jodstärke) nach Hellgrün besser erkennen zu können, empfiehlt es sich, in (mit Wasser) verdünnten Lösungen zu arbeiten. d) Der Bestimmung des KC103 mittels Thiosulfat liegen die folgenden Reaktionen zugrunde: KC10S + 6HCl 2 JK + Cl,
6C1 + KCl + 3 ^ 0 , >• 2 KCl + J 2 .
Demnach entsprechen 122,5 g = 1 Mol. KC103 6 Atomen J = 60 1 "•/10-Na2S2O3-Lösung. Die Ausführung der Titration geschieht im Bunsensehen Zersetzungskölbchen, in welchem beim Erhitzen die Reaktion zwischen KC103 und HCl vor sich geht. Das C1 wird überdestilliert und in JK-Lösung aufgefangen, worauf man das ausgeschiedene J mittels Na 2 S 2 0 3 -Lösung titriert. e) Die Titration des freien J mittels Na 2 S 2 0 3 hat bereits oben Erwähnung gefunden; sie bildet, wie man sieht, die Grundlage für zahlreiche andere Methoden und ist daher von großer Bedeutung.
Hilfsstoffe
105
f) Die Bestimmung des Mn0 2 gestaltet sich analog derjenigen des KClOj (s. 0. unter d), d. h. man erhitzt im Zersetzungskölbchen mit Salzsäure und fängt das entweichende Chlor in JK-Lösung auf. Die Reaktion verläuft nach der Gleichung:
MnOä + 4HCl
>- Cl2 + MnCl, + 2H i O .
87 g Mn0 2 entwickeln demnach 2 Atome C1 und verbrauchen 20 1 7 ,-Na 2 S a 0 3 -Lösung. In der Regel ist der Braunstein nur 50 bis 90°/ 0 ig. g) P b 0 2 . Das P b 0 2 (hergestellt durch die Einwirkung von 01 auf alkalische Bleihydroxyd-LösuDg oder elektrolytisch aus PbO) wird vielfach verwendet als gelinde wirkendes Oxydationsmittel zur Darstellung von Farbstoffen aus ihren Leukoverbindungen; insbesondere kommen hier die Triphenylmethanfarbstoffe in Betracht. Da diese Farbstoffe aber gegen einen Uberschuß des Oxydationsmittels in der Regel sehr empfindlich sind, indem sie eine mehr oder minder weitgehende Zersetzung erfahren, so ist es von Wichtigkeit, den Gehalt des in „Teigform" verwendeten P b 0 2 genau zu kennen. Der nachfolgend beschriebenen Methode liegt die Tatsache zugrunde, daß Pb0 2 aus einer mit Essigsäure angesäuerten und mit Na-Acetat versetzten JK-Lösung J frei macht, welches alsdann in der üblichen Weise mittels Na 2 S 2 0 3 bestimmt wird. Die Abscheidung des J erfolgt nach der Gleichung: n 1(
PbOj + 2 JK + 4CH3-COOH -»- J, + Fb(Ac)2 + 2CHs COOK + 2HaO . Das Pb(Ac)3 setzt sich mit dem überschüssigen J K zum Teil in PbJ 2 um. Man verwendet von dem Pb0 2 -Teig, falls man den Gehalt annähernd kennt, so viel, daß von der u 7 1 0 - N a 2 S 2 O 3 - L ö s u n g etwa 20—25 ccm verbraucht werden. Ist z. B. der Teig etwa 10°/ 0 ig, so enthalten 2,5 g Teig etwa 0,25 g P b 0 2 ; da nun 239 g ( = 1 Mol. Pb0 2 ) 2 Atome J entwickeln, also 20 1 n 7 10 -Na 2 S 2 O 3 -Lösung erfordern, so entsprechen 0,25 g P b 0 2 : 2 0 0°2°3Q °'" 5 = 20,92 ccm Na a S 2 0 3 -Lösung. Die zur Titration erforderlichen Zusätze betragen für die angegebene Menge des Pb0 2 -Teiges: an J K 6 g, Na-Acetat 50 g, Essigsäure (30 °/0 ig) 50 ccm. Das Ganze wird, damit keine Ausfällung von P b J 2 stattfindet, mit Wasser auf 150—200 ccm eingestellt. h) Der Chlorkalk, der durch die Einwirkung von gasförmigem Chlor auf gelöschten Kalk entsteht und wahrscheinlich ein Gemisch von CaCl2 und Ca(OCl)2 darstellt, reagiert mit angesäuerter J K Lösung nach folgender Gleichung:
Ca(OCl),J + 4JK + 4HCl —>- 4J + CaCla + 4KC1 + 2H,0 .
Hilfsstoffe
106
Die Gehaltsangabe bei Chlorkalk geschieht in der Weise, daß man sagt: „Chlorkalk, enthaltend x°/ 0 wirksames Chlor". Guter Chlorkalk enthält 30—40°/ 0 wirksames Chlor. In diesem Fall enthalten 100 g Chlorkalk etwa 1 Atom Chlor, entsprechend 10 1 n 7 10 -Na 2 S 2 O 3 Lösung. Bezüglich der Verwendung der mit HCl angesäuerten JKLösung siehe oben unter b. ij SnCl2. Die Ermittlung des Reduktionswertes von SnCl2Lösungen mittels J-Lösung ist ermöglicht durch den quantitativen Verlauf der Reaktion: SnCl 2 + 2 H C l + J 2
> SnCl 4 + 2 H J .
189 g = 1 Mol. SnClg erfordern 2 Atome J, entsprechen also 20 1 -/10-Na2S2O3-Lösung. 1 ccm einer ca. 20°/ o igen Lösung von SnCl2 in HCl entspricht folglich etwa 20 ccm einer n 7 10 -Na 2 S 2 O 3 -Lösung. k) Na 2 S. Die Bestimmung des Na a S mittels J gestaltet sich sehr einfach, wenn man die Verunreinigungen des Na 2 S (Sulfit, Thiosulfat usw.) vernachlässigen kann. Die Reaktion zwischen Na2S bzw. H 2 S und J vollzieht sich nach der Gleichung: n
H 4 S + J2
>- S + 2 H J .
Man wendet einen Überschuß an Jodlösung an, den man mit Na 2 S a 0 3 -Lösung zurücktitriert. Das kristallisierte Schwefelnatrium enthält 9 H 2 0 ; also 240g = 1 Mol.Na 2 S + 9 H 2 0 entsprechen 2 Atomen Jod = 20 Litern n '/ 10 -J-I J ösung, oder 0,24 g = 20 ccm n -/ 10 -J-Lösung. 1) Die genaue Bestimmung der im Bisulfit enthaltenen S0 2 erfolgt mittels J-Lösung nach der Gleichung: S 0 2 + J, + 2 H j O — H „ S 0
4
+ 2HJ.
Die Bestimmung ist sehr genau, wenn man die Sulfitlösung zu der mit HCl angesäuerten J-Lösung zulaufen läßt. Für viele Zwecke aber erweist es sich als ausreichend, den Gehalt von Bisulfitlösungen in einfacher Weise durch Normalalkali bzw. Normalsäure zu bestimmen, gemäß den beiden Gleichungen:" 1.
BTaHSOs + N a O H —>• Na 2 SO, 4- H a O
(Indikator: Phenolphtaleln, weil Na 2 S0 3 gegen Lackmus nicht neutral, sondern alkalisch reagiert) und 2.
N a H S 0 3 + HCl
ÜTaCl + SO,2 + H 2 0 .
Im letzteren Falle verwendet man als Indikator Kongo. Hierbei empfiehlt es sich, die freigewordene S0 2 durch Erwärmen zu vertreiben, da sie in konzentrierter Form Kongopapier gleichfalls zu bläuen imstande ist; allerdings nur v o r ü b e r g e h e n d , denn beim Liegen des Papiers an der Luft verschwindet die Bläuung wieder. Bei einiger Übung läßt sich die normale Bläuung von der durch die SO, bewirkten leicht und sicher unterscheiden. Durch die beiden
Hilfsstoffe
107
vorgenannten Bestimmungen der Bisulfitlösung erhalten wir, wie sich bei näherer Betrachtung ohne weiteres ergibt, genauen Aufschluß sowohl über das V e r h ä l t n i s des NaOH zur S0 2 , als auch über den a b s o l u t e n Betrag der beiden Komponenten. Konzentrierte Bisulfitlösung von etwa 38—40° Be enthält ca. 5 Mol. NaHS0 3 im Liter. 200 ccm Bisulfitlösung erfordern demgemäß bis zur neutralen Reaktion auf Phenolphtale'in ca. 1000 ccm n.-NaOH-Lauge und andererseits ca. 1000 ccm n.-HCl oder -H 2 S0 4 bis zur sauren Reaktion auf Kongopapier. m) CH 2 0. Die Ermittlung des CHaO in käuflichen Formaldehydlösungen läßt sich in sehr einfacher Weise an die Bestimmung des Bisulfits anschließen. Fügt man nämlich Formaldehyd zu überschüssigem Bisulfit und erwärmt kurze Zeit auf ca. 60°, so wird der Formaldehyd, gemäß der Gleichung: CHjO+NaHSOs >" HO • CHj • O • S02Na , quantitativ übergeführt in sog. oxymethylensulfonsaures Natron, dessen Lösung bereits auf Zusatz des ersten Tropfens H 2 S0 4 oder HCl saure Reaktion gegen Kongopapier annimmt, im Gegensatz zu Bisulfit, welches durch Mineralsäure zersetzt wird (siehe oben). Hat man demnach durch die Titration der Bisulfitlösung mittels n.-HCl oder -H 2 S0 4 den Gesamtbetrag des im Bisulfit enthaltenen Natriums festgestellt, so wird nach Zusatz des Formaldehyds, bei der zweiten Titration des Bisulfits mit Mineralsäure, ein dem Formaldehyd äquivalenter Teil des Bisulfits der Titration entzogen. Man verbraucht also bei der zweiten Titration eine dem zugesetzten Formaldehyd entsprechend geringere Menge Mineralsäure. 30 g CH 2 0 (1 Mol.) = ca. 75 ccm Formaldehydlösung 40°/ 0 ig entsprechen also einem Liter n.-H 2 S0 4 ; 2 ccm der Formaldehydlösung somit ca. 2t>,6ccm n.-H 2 S0 4 . Hat also eine bestimmte Menge Bisulfitlösnng vor dem Zusatz von 2 ccm jener Formaldehydlösung etwa 30,5 ccm n.-Lösung verbraucht, so wird dieselbe Bisulfitlösung nach dem Zusatz des Formaldehyda nur etwa 30,5—26,6, also ca. 3,9 ccm n.-H 2 S0 4 verbrauchen. n) Na 2 S 2 0 4 . Die Bestimmung des Natriumhydrosulfits (das in wasserfreier Form ziemlich beständig ist) gründet sich auf folgende Reaktionsgleichung: Na2S204 + 8NaHCOs + 6J —>- 2Na2S04 + 6NaJ + 8 CO, + 4H.O . Man läßt das Jod zu der mit Alkalibicarbonat und Stärke versetzten verdünnten Hydrosulfitlösung bis zum Auftreten der Blaufärbung zufließen. Anwesenheit von Sulfit und Thiosulfat beeinträchtigt die Genauigkeit. Uber die neuste Methode (mittels ammoniakalischer Kupfersulfatlösung) von Bosshabd-Gbob s. Heebmann, Färberei- und textilchemische Untersuchungen, 1918, S. I07£f.
Viertes Kapitel.
Farbstoffe. I. Nitrosophenol- und Nitrofarbstoffe. A. Nltrosoplienolfarbstoffe (o-Ohinonoximfarbstoffe). DieNitrosopkenole entstehen durch Wechselwirkung von Salpetriger Säure mit Phenolen; z. B. bildet sich p-Nitrosophenol nach der Gleichung: H O - ( ^ ) - H + HO—NO
HO—NO + H,0 .
Nitrosophenole bilden sich aber auch bei der Einwirkung von Hydroxylamin auf Chinon§, z. B.: 0 = < ^ = 0 + H j N O H — >- 0 = ( " ^ ) = l i . 0 E + HjO. p-Benzochinon
p-Benzochinonoxim ( = p-Nitrosophenol)
Hieraus folgt, daß Nitrosophenole als Chinonoxime zu reagieren vermögen. Bei der Nitrosierung des Phenols entsteht ausschließlich p-Nitrosophenol. Bei der Einwirkung von Salpetriger Säure auf «-Naphtol bilden sich zwei Isomere: NOH
O 1,4-Naphtochinonoxim (= fi-Nitrosoa-naphtolj
O 1,2-Naphtochinon-2-oxim (= ¡S-Nitroso-a-naphtol)
Das /9-Naphtol hingegen liefert nur ein Nitrosoderivat, das NOH
1,2-Naphtochinon-l-oxim ( = a-Nitroso-^-naphtol)
Nitrosoplienol- und Nitrofarbstoffe
109
Resorcin bildet mit besonderer Leichtigkeit ein Dinitrosoderivat: /J^NOH i I Y^o NOH Dichinoyldioxim ( = Dinitrosoresorein)
Die Nitrosophenole haben ausgeprägt sauren Charakter. Sie bilden meist intensiv farbige Salze; diejenigen der Alkalimetalle sind in Wasser löslich, die anderen Salze sind zum Teil unlösliche Niederschläge. Letzterer Umstand ist von Bedeutung für ihre Eigenschaft als Farbstoffe. In dieser Hinsicht sind die o-Nitrosophenole (o-Chinonoxime) von den p-Verbindungen scharf unterschieden. Die mit einem Metalloxyd gebeizte Faser hat die Fähigkeit, die o-Verbindungen aus ihren Lösungen auf sich niederzuschlagen und sich dadurch zu färben, ein Verhalten, welches den p-Verbindungen nicht eigen ist. Die in dieser Hinsicht wichtigsten Metalloxyde sind Eisenhydroxyd und Chromhydroxyd. Mit ersterem bilden die o-Nitrosophenole grüne, mit letzterem braune Lacke von hervorragender Licht- und Waschechtheit. Die technisch wichtigen Farbstofie dieser Gruppe sind folgende:
Solidgrüu
^NOH
Dichinoyldioxim \ = Dinitrosoresorein j
NOH Grambin U
l,2-Naphtochinon-2-oxim = (?-Nitroso-o-naphtol
Gambin Y
1,2-Naphtochinon- 1-oxim = «-Nitroso-^-naphtol
Dioxin
7-Oxy-l, 2-Naphtochinon-l-oxim = l-Nitroso-2,7-dioxynaphtalin)
Naphtolgrün B
/\A/
N O H
NOH
trHO
NOH
I Eisenoxydulsalz oder Oxydsalz des 1,2-Naphtochinon-1 -oxim-6-sulfonsauren Natriums = Eisenoxydulsalz oder Oxydsalz des 1-Nitroso2-naphtol-6-sulfonsauren Natriums
N—O—Fe—O—N 11 /> NaO,
^ÖCAsq,:,Na
O
Übnngsbeispiel. N O H
Dinitrosoresorcin:
„ "OH O Ausgangsmaterial: 11 g Resorcin, 13,8 g Natriumnitrit 100% ig. Hilfsstoff: 20 g konzentrierte Schwefelsäure. Darstellung. 1 1 g Resorcin werden mit Eis und Wasser zu 500 ccm gelöst. Die Lösung, die 0° zeigen soll, wird mit der 2 Mol.-Gew. entsprechenden Menge Natriumnitrit in 20 g Wasser vereinigt. Zu diesem Gemisch läßt man die kalte Mischung von 20 g konzentrierter Schwefelsäure und 150 g Wasser ganz allmählich unter Rühren zufließen. Während der Reaktion soll die Temperatur der Flüssigkeit nicht über 5° steigen (nötigenfalls Eis zugeben!). Es scheidet sich ein bräunlich gelber, kristallinischer Niederschlag aus. welcher abfiltriert, mit Eiswasser gewaschen und auf Ton getrocknet wird. Eigenschaften. Kristallisiert aus einer Mischung von Eisessig und absolutem Alkohol in gelblich braunen Blättchen, welche sich in heißem Wasser lösen und bei 115° verpuffen. Färbt eisengebeizte Baumwolle oder Wolle dunkelgrün. v.
L i t e r a t u r : F I T Z , Ber. 8, 6 3 1 ; GOLDSCHMIDT und STRAUSS, Ber. 20, Ber. 2 0 , 3 1 3 7 ; SCHULTZ, Farbstofftabellen Nr. 1.
1607;
KOSTANECKI,
B. Nitrofarbstoffe. Aromatische Amine und Phenole sowie deren Sulfoderivate, an sich farblose Verbindungen, nehmen infolge des Eintritts der Nitrogruppe farbigen und Farbstoff-Charakter an. Die so gebildeten Nitrofarbstoffe enthalten daher als Chromophor die Nitrogruppe. Die Entstehung der Farbe ist jedoch nicht einfach auf die Gegenwart der Nitrogruppe und der auxochromen Aminooder Hydroxylgruppe zurückzuführen, sondern auf die Bildung einer neuen chinoiden Atomgruppierung, welche vermöge ihres ungesättigten Charakters die Farbigkeit des Nitroamins bzw. Nitrophenols bedingt. NH bzw. Orangegelbes o-Nitroanilin
Gelbes o-Nitrophenol
Nitrosophenol- und Nitrofarbstoffe
111
Da die färbenden Eigenschaften um so ausgeprägter zu sein pflegen, je entwickelter die saure oder basische Natur eines Farbstoffes ist, so besitzen die Nitrophenole ein größeres Färbevermögen als die Nitroamine. Treten aber Nitrogruppen in genügender Zahl in das Molekül eines schwach basischen Körpers (Diphenylamin) ein, so kann er dadurch in einen Farbstoff von saurer Natur umgewandelt werden (Hexanitrodiphenylamin, Farbsäure des A u r a n t i a ) . Die Intensität der Farbe ist abhängig von der Stellung der substituierenden Nitrogruppe. Ganz allgemein erscheinen die Orthonitroderivate der Phenole am stärksten, die Paranitroderivate am schwächsten farbig. Orthonitrophenol ist gelb, Paranitrophenol farblos. Noch auffallender ist dieser Unterschied in den Salzen. Die technisch als Farbstoffe verwerteten Nitrophenole gehören daher sämtlich der Orthoreihe an. Die färbende Kraft eines Nitrofarbstoffes wächst mit der Zahl der Nitrogruppen. Während die Mononitrophenole als Farbstoffe kein Interesse bieten, färbt die Pikrinsäure, ein Trinitrophenol (siehe S. 113 f.), die animalischen Fasern sehr gut an. F ü r die Färberei sind diejenigen Nitrofarbstoffe die wichtigsten, welche außer der auxochromen Hydroxylgruppe auch die Sulfogruppe enthalten. Es ist daher bemerkenswert, daß brauchbare Nitrofarbstoffe bekannt geworden sind, welche anscheinend keine auxochrome Gruppe enthalten. Sie leiten sich vom Stilben ab und führen die Sulfogruppe als salzbildende Gruppe (p-Dinitrostilbendisulfonsäiire 0,N"—
CH=CH— v
SOs3Sra N a O ^ / Mikadogoldgelb). Die Nitrofarbstoffe färben die animalischen Fasern nach Art der Säurefarbstoffe in grünstichig- bis orange gelben Tönen. Die Baumwolle färben sie nicht direkt, es sei denn, daß sie noch andere chromophore Gruppen enthalten, und schon der nitrofreie Farbstoff von dieser Faser aufgenommen wird. Aber selbst dann pflegt die Einführung der Nitrogruppe in einen solchen Baumwollfarbstoff dessen Affinität zur vegetabilischen Faser zu vermindern. Einige, namentlich solche, welche die Nitro- und Hydroxylgruppe mehrfach in Orthosteilung enthalten, wie z. B. die S t y p h n i n s ä u r e , NO, H O
\A/
O H
OJN/^ANO, ' ziehen auf metallische Beizen.
Farbstoffe
112
F ü r ihre Darstellung kommen wesentlich drei Methoden in Betracht. 1. Direkte Nitrierung eines Amins oder eines Phenols (z. B. Hexanitrodiphenylamin aus Diphenylamin, Pikrinsäure aus Phenol.) 2. Partielle oder vollständige Substitution der Sulfogruppe in einem Sulfoderivat durch die Nitrogruppe unter dem Einflüsse der Salpetersäure (z. B. Pikrinsäure aus Phenolsulfonsäure, Naphtolgelb Säure aus l-Naphtol-2,4-disulfonsäure, Naphtolgfelb-S-Säure aus 1 -Naphtol-2,4,7-trisulfonsäure). 3. Umwandlung eines primären Amins in die Diazoniumverbindung und Zersetzen derselben mit heißer Salpetersäure (z. B. Pikrinsäure aus Diazobenzolsulfonsäure, wobei mit der Einführung der Hydroxyl- und der Nitrogruppe zugleich die Elimination der Sulfogruppe erfolgt.) Sämtliche Nitrofarbstoffe verpuffen beim Erhitzen und werden durch saure Reduktionsmittel in farblose Aminoverbindungen verwandelt. In konzentrierter Schwefelsäure lösen sie sich mit gelber bis orangegelber Farbe. Übungsbeispiele. 1. Aurantia. OsN Hexanitrodiphenylaminammonium:
ITH ^ * NO«
\ \
Ausgangsmaterial:
20 g Dinitrochlorbenzol ( l - C h l o r - 2 , 4 - D i nitrobenzol), 19 g Anilin, 40 g Salpetersäure von 32° B6 (D 1,285), 40 g Salpetersäure von 46° Be (D 1,47). Hilfsstoff: 100 g absoluter Alkohol.
Vorgang. Bei der Einwirkung von Dinitrochlorbenzol auf Anilin entsteht as. Dinitrodiphenylamin: /wCl H^ +2 T 1 OjN/x/^NO,
/ V N H V , I T 1 J + C,H 5 .NH,.HC1, O,H/xaNO:
Dieses wird bei durchgreifender Nitrierung über das Tetra- in das Hexanitrodiphenylamin verwandelt:
Nitrosophenol- und Nitrot'arbatofte
NH V
0,N
;
CX
NO s O,N / x
/x
NO.
0,N
•KT I T
O,N
113 i 2H,0.
NO.
H- 2 HNO., - v 0,N
-NO,
/
Darstellung. 1. D i n i t r o d i p h e n y l a m i n . 20 g Dinitrochlorbenzol (1 Mol.) und 19 g Anilin (2 Mol.) werden, in 100 g absolutem Alkohol gelöst, während ungefähr 3 Stunden auf dem Wasserbade am Rückflußkühler erhitzt. Der Kolbeninhalt erstarrt zu rotorangen Nadeln. Man versetzt mit 200 com Wasser, erwärmt zum Sieden, filtriert und wäscht den Rückstand mit Wasser aus. 2. H e x a n i t r o d i p h e n y l a m i n . 10gDinitrodiphenylamin werden allmählich in einen Kolben mit 40 g Salpetersäure von 32° B6 bei gewöhnlicher Temperatur eingetragen und dann so lange auf dem Wasserbade erhitzt, bis eine weitere Einwirkung nicht zu bemerken ist und eine Probe des ausgeschiedenen hellgelben Körpers zwischen 180 und 190° schmilzt. Dann verdünnt man mit Wasser, filtriert, wäscht den Rückstand und trocknet ihn auf Ton. Derselbe wird dann in einem Kolben in 40 g Salpetersäure von 46° Be suspendiert und damit auf dem Wasserbade so lange digeriert, bis sich eine Probe des Produktes in überschüssigem wäßrigem Ammoniak in der Wärme klar löst. Dazu bedarf es ungefähr 40-stündigen Erhitzens. Das Reaktionsprodukt wird nach Zusatz von Wasser filtriert, ausgewaschen und in der Wärme in einer genügenden Menge wäßrigen Ammoniaks gelöst. Beim Erkalten scheidet die Lösung glänzende Kristalle von Hexanitrodiphenylaminammonium ab. Eigenschaften. Glänzende rotbraune Kristalle oder orangegelbes Pulver, löst sich in Wasser mit orangegelber Farbe; Säuren scheiden hellgelbes Hexanitrodiphenylamin ab; Fp. 238°. Literatur:
GNEHM,
Ber.
7,
1399;
9,
1245;
FRIEDLÄNDER
4,
36.
OH OsNX/lv/NO, 2. Pikrinsäure: NO, Ausgangsmaterial: 95 g sulfanilsaures Natrium. Hilfsstoffe: 35 g Natriumnitrit, 60 ccm konzentrierte Schwefelsäure, 275 g Salpetersäure von 41° Be (D 1,4). MÖHLAU U, BÜOHEKER.
2. Aufl.
8
114
Farbstoffe
Vorgang. Trinitrophenol entsteht in guter Ausbeute durch Einwirkung von Salpetersäure auf Diazobenzolsulfonsäure: OH V
+ KTS + H a S0 4 + H.O .
T |
02S '
NOj
Diazobenzolsulfonsäure wird unter Verwendung von sulfanilsaurem Natrium und Natriumnitrit aus Sulfanilsäure und Salpetrigsäure erhalten: /NiN C a H 4 < ^ a + NaNO, + 2HsS04 — > C , H ^ s > 0 + 2NaHS0 4 + 2H 2 0 . Darstellung. 1. D i a z o b e n z o l s u l f o n s ä u r e . Die Lösung von 95 g sulfanilsaurem Natrium in 300 ccm Wasser wird mit 350 ccm 10°/ 0 iger Natriumnitritlösung gemischt. Darauf läßt man das Gemisch unter Rühren in eine mit Eis gekühlte Mischung von 60 ccm konzentrierter Schwefelsäure und 200 ccm Wasser laufen. Nach kurzer Zeit scheidet sich die Diazosäure als weißes Kristallpulver ab. Dasselbe wird abfiltriert, mit etwas Wasser ausgewaschen und ziemlich trocken gesaugt (Vorsicht!). 2. P i k r i n s ä u r e . 55 g der abgesaugten Diazosäure werden im Zweiliterkolben mit 10 ccm Wasser und 275 g Salpetersäure (D 1,4) gemischt und bis zu der bei 65—70° eintretenden Reaktion erhitzt. Wenn die heftige Entwicklung braunroter Dämpfe vorüber ist, wird zum Sieden erhitzt. Die Lösung wird nun hellgelb und scheidet ein gelbes Ol ab. Das Erhitzen wird so lange fortgesetzt, bis sich die Flüssigkeit dunkel färbt. Dann verdünnt man sie mit Wasser. Das abgeschiedene hellgelbe kristallinische Produkt wird abfiltriert, mit Wasser gewaschen und aus Alkohol umkristallisiert. Eigenschaften. Oitronengelbe Prismen oder hellgelbe Blätter. Fp. 122,5°. Die Lösung in konzentrierter Schwefelsäure wird beim Verdünnen mit Wasser heller gelb. Die wäßrige Lösung wird beim Erwärmen mit Cyankalium durch Bildung von i s o p u r p u r s a u r e m Kalium, O K
TT
N
Ho> yk/NO» n c / Y ^ CN I braunrot, desgleichen mit Schwefelammonium infolge Bildung von P i k r a m i n s ä u r e oder D i n i t r o - o - A m i n o p h e n o l :
Nitrosophenol- und Nitrofarbstoffe
115
NO, Beim Erwärmen mit alkoholischer salzsaurer Zinnchlorürlösung wird die Pikrinsäure entfärbt durch Umwandlung in farbloses Triaminophenol. Setzt man zu der kalten Lösung desselben Eisenchlorid, so färbt sie sich blau durch entstandenes (salzsaures) Diaminocliinonimin:
o
H.N^NH, »
Y KH L i t e r a t u r : SQHMIDT Farbstofftabellen Nr. 5.
U. GLUTZ,
Ber.
2 , 52.
FKIEDLÄNDKE 6 , 1 1 5 ; SCHULTZ,
ONa 3. Nftphtolgelb:
+ H.O. NO,
Ausgangsmaterial: 25 g 1,4-naphtolsulfonsaures Natrium. Hilfsstoffe: 7,5 g Natriumnitrit, 50 g konzentrierte Schwefelsäure, 35 g Salpetersäure von 42" B6 (D 1,4). Vorgang. 1,4-Naphtolsulfonsäure geht durch Einwirkung von Salpetriger Säure in 2-Nitroso-l,4-Naphtolsulfonsäure über: OH OH /NO + HO-NO >• + HjO . SO„H S03H Diese verwandelt sich unter dem Einflüsse der Salpetersäure in 2,4- Dinitro-1 -naphtol: OH OH a / V n o /VVno» 2iT
I
+ 4HNO,
—>•
2i T T
+ 2H s SO,+ N,0„+H,0.
SOsH NO, Darstellung. 25 g 1,4-naphtolsulfonsaures Natrium werden in der in einem Kochkolben befindlichen kalten Mischung von 50 g konzentrierter Schwefelsäure und 150 g Wasser gelöst. Die kalte Lösung wird mit der Lösung von 7,6 g N.itriumnitrit (entsprechend 1 Molekulargewicht NaNOa auf 1 Molekulargewicht Sulfonsäure) in 50 g Wasser vereinigt, indem man letztere unter Rühren in erstere
116
Farbstoffe
tropfen läßt. Hierauf fügt man tropfenweise H5 g Salpetersäure (42° B6) hinzu. Die Lösung wird erst braun; wird sie nun auf dem Wasserbade erwärmt, so färbt sie sich erst schmutzig violett, dann gelb und scheidet kristallinisches Dinitronaphtol ab. Zur Reinigung wird dasselbe nach dem Filtrieren und Waschen in Soda gelöst, die Lösung filtriert, zum Kochen erhitzt und mit verdünnter Schwefelsäure übersättigt. Das ausgeschiedene Produkt wird abfiltriert und auf Ton getrocknet; Fp. 138°. Zur Umwandlung in das Natriumsalz wird es mit Soda in wäßrige Lösung gebracht und darauf durch Einrühren einer genügenden Menge gesättigter Köchsalzlösung ausgeschieden. Es wird abgesaugt und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. Orangegelbes Pulver; verpufft beim Erhitzen; in Wasser löslich; die Lösung scheidet beim Ubersättigen mit verdünnter Mineralsäure gelbes Dinitronaphtol ab. L i t e r a t u r : M A R T I Ü S , J . pr. Ch. 102, 4 4 2 ; D A R M S T Ä D T E R und W I C H E L H A U S , Ann. 152, 2 9 9 ; B E N D E R , Ber. 22, 996: S C H U L T Z , Farbstofftabellen Nr. 6 .
4. Naphtolgelb S:
JSTa03S
,
ONa .' X / /NO a
I ! \Ä/ NOi
Ausgangsmaterial:
25 g a-Naphtol, 100 g Oleum mit 2 5 % S0 3 , 60 g Salpetersäure von 42° Be (D 1,4). Vorgang. «-iXaphtol geht durch rauchende Schwefelsäure vorwiegend in l-Naphtol-2,4,7-Trisulfonsäure über: OH
OH
1
HO.SV
+ 3 SO,
-v so3h
Letztere verwandelt sich bei der Einwirkung von Salpetersäure, unter Abspaltung zweier Sulfogruppen als Schwefelsäure und Aufnahme zweier Nitrogruppen, in l-Naphtol-2.4-dinitro-7-sulfonsäure: OH \/
OH .
SO„H
+
2HNOB
—>-
V y y
+ 2H 9 S0 4 .
NO,
Darstellung. 25 g feingepulvertes a-Naphtol werden in einem WiTTschen Kolben unter fortgesetztem Rühren a l l m ä h l i c h in 100g Oleum von 25°/ 0 eingetragen und darin zur Lösung gebracht. Hierauf
Nitrosophenol- und Nitrofarbstoffe
117
wird die Masse 1 Stunde hindurch auf 125° im Ölbade erwärmt Um festzustellen, ob das «-Naphtol über die Mono- und Disulfonsäure vollständig in die Trisulfonsäure verwandelt ist, wird nun eine kleine Probe der Schmelze im Reagensrohr in etwa 10 com Wasser gelöst, mit einigen Tropfen konzentrierter Salpetersäure versetzt und bis nahe zum Sieden erwärmt. Wenn sich die gelbe Lösung beim Abkühlen weder trübt noch Flocken abscheidet — dies würde durch Bildung von Dinitro-«-naphtol aus a-Naphtoldisulfonsäure bzw. -monosulfonsäure bedingt sein —, so kann die Schmelze auf Naphtolgelb S verarbeitet werden; anderenfalls ist zu versuchen, die weitere Umwandlung des a-Naphtols in Trisulfonsäure durch Hinzufügen von etwas'höher prozentigem Oleum und erneutes Erhitzen herbeizuführen. Die Schmelze wird darauf allmählich in 250 g gehacktes Eis eingerührt; dabei geht sie mit brauner Farbe in Lösung. Nach dem Filtrieren in einen Kochkolben wird sie mit 60 g Salpetersäure von 42° Be (D 1,4) vermischt und x/2 Stunde lang auf 50° erwärmt. Nach 12-stündigem Stehen bei gewöhnlicher Temperatur hat sich die größte Menge der entstandenen Dinitronaphtolsulfonsäure abgeschieden, welche abfiltriert und mit Salzwasser gewaschen wird. Aus dem Filtrat kann bisweilen durch konzentrierte Kochsalzlösung noch eine weitere Menge als Natriumsalz abgeschieden werden. Der Niederschlag wird in Wasser gelöst, die Lösung in der Wärme mit Soda neutralisiert und durch Einrühren einer gesättigten Kochsalzlösung das Natriumsalz abgeschieden. Es wird abgesaugt und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. Hellgelbes Pulver, in Wasser leicht löslich; die Lösung wird durch überschüssige Säure nicht gefällt (Unterschied von Naphtolgelb). Literatur: I.ANDER
1,
327
N
LAUTEEBACH, 830;
SCHULTZ,
Ber. 1 4 , 2 0 2 8 ; G R A E B E , Ber. Farbstofftabellen Nr. 7 .
18,
1126;
FRIEH-
II. A z o f a r b s t o f f e . Die chemische Methode, die bei der technischen Darstellung der Azofarbstoffe — von wenigen Ausnahmen abgesehen — fast ausschließlich zur Anwendung gelangt: Diazotieren eines Amins R-NH 2 und Kuppeln der entstandenen DiazoniumVerbindung R-N:N C1 mit einem kombinationsfähigen Amin R'-NH 2 oder Phenol R'-OH, gemäß dem Schema:
und
R . N i N + R ' NH, C1
R-N:N-R'-NH, + HCl
R l i i N + R' OH *• R N t l f R ' - O H + HCl i C1 ist an sich sehr einfach. Was den inneren Mechanismus dieser, in den meisten Fällen durch einen auffallend glatten Verlauf gekennzeichneten Reaktion anlangt, so darf man wohl annehmen, daß er sich z. B. durch die Formulierung: BT C10H8.NH, N-C 10 H a .NH, in 1 11 +4. R-N-Cl H R-N + HCl oder KC,H (OH)| N—C,Hä(OH), 111 4. 1 4 >. 11 R-N-Cl + H R—IT + HCl in zutreffender Weise verdeutlichen läßt. Bei dieser Auffassung der Reaktion als eines A d d i t i o n s v o r g a n g e s wird nämlich erst verständlich, warum nicht der fünfwertige, mit dem C1 verbundene Stickstoff, sondern der dreiwertige mit dem aromatischen Kern in Verbindung tritt. Diese Methode der „Kupplung" oder „Kombination" läßt so außerordentlich mannigfache Variationen zu, daß die Anzahl der mit den gewöhnlichsten Ausgatigsmaterialien darstellbaren Azofarbstoffe nahezu unerschöpflich ist. Dies rührt vor allem auch daher, daß das Chromophor dieser Farbstoffe, die Azogruppe —N 2 —, nicht nur ein-, sondern zwei-, drei- und viermal usw. in e i n e m Farbstoffmolekül enthalten sein kann, wonach man Mono-, Dis-, Tris-, Tetrakis Azofarbstoffe usw. unterscheidet.
Azofarbstoffe
119
Infolge dieser Mannigfaltigkeit konnte man unter den theoretisch möglichen Farbstoffen diejenigen aussuchen, die sich auf Grund ihrer Färbeeigenschaften und ihrer Billigkeit zur technischen Verwendung eigneten. Besonders haben sich die Naphtalinderivate hierbei als wertvolle Komponenten erwiesen. Das Anwendungsgebiet der Azofarbstoffe, deren Zahl die aller anderen Farbstoffe zusammengenommen mindestens erreicht, ist von Jahr zu Jahr gewachsen. Es gibt kaum ein technisch wichtiges Material tierischen oder pflanzlichen Ursprungs, für dessen Färbung nicht auch Azofarbstoffe in Betracht kämen. Sie färben, je 1 nach ihrer Konstitution (s. u.), nicht nur Wolle, Baumwolle, Seide und Leder, sondern auch Leinen, Jute, Ramie, Stroh, Papier, Holz, Lacke usw., wobei sie gleichzeitig den verschiedenartigsten Ansprüchen an Echtheit und Farbenton zu genügen vermögen, anfangend bei den zartesten und reinsten Schattierungen und hinabsteigend zum dunkelsten Blau, Blaugrün und Violett, so daß die betreffenden Farbstoffe als die verschiedensten „Schwarz"-Marken in den Handel kommen. Fassen wir einen einfachen Monoazofarbstoff ins Auge, z. B. das sog. Ponceau: N=N.caHs N,-C 6 H 5 C,„H/oh ^(S03Bra)a so können wir außer der Azogruppe, N 2 , zwei aromatische Reste an demselben unterscheiden: —C 6 H 5 auf der einen, c,«h/oh ^(S0 8 Na) ä auf der anderen Seite. C e H s ist der Rest der D i a z o k o m p o n e n t e , d.h. des Amins, das d i a z o t i e r t wurde, in diesem Falle des Anilins, und C„H/oh ^SO„(Na)2 der Rest der A z o k o m p o n e n t e , d.h. derjenigen Komponente, die mit der Diazokomponente zum Azofarbstoff gekuppelt wurde, in diesem Falle der 2,3,6-Naphtoldisulfonsäure R. Diazokomponenten können natürlich nur solche Verbindungen sein, die diazotierbar sind, Azokomponenten nur solche, die zur Kupplung befähigt sind. Diazokomponenten sind also die primären Amine und ihre Derivate, während Azokomponenten nicht nur primäre, sekundäre und tertiäre aromatische Amine, sondern auch Phenole, Naphtole und ihre Derivate sein können, allerdings mit gewissen Ausnahmen. Nicht kupplungsfähig, w e n i g s t e n s n i c h t u n t e r d e n ü b l i c h e n B e d i n g u n g e n ,
Farbstoffe
120
>ind solche Verbindungen, die weder eine offene Amino- noch eine offene Hydroxylgruppe besitzen (s. auch das Kapitel über Titrationen). Aus der Formel R N : N R ' - O H oder R N : N R ' N H 2 läßt sich daher ohne weiteres schließen, daß diese beiden Azofarbstoffe, normale Kupplungsbedingungen vorausgesetzt, entstanden sein müssen aus der Diazokomponente R-NH 2 und der Azokomponente R'-OH bzw. R'-NH 2 und nicht etwa umgekehrt: aus der Diazoii ii komponente H 2 N-R'-OH bzw. H 2 N-R'-NH 2 einerseits und der Azokomponente R andererseits; denn diese letztere enthält, wie durch die beiden obigen Formeln ausgedrückt werden soll, keine OH- oder \ T H 2 -Gruppe, ist also kombinationsunfähig. Diese Überlegung ist auch bei der obigen Betrachtung des Farbstoffs Anilin-diazo-R-Salz maßgebend gewesen. Sehr verschiedenartig ist das chemische Verhalten sowohl der Diazoniumverbindungen als auch der Azokomponenten. Während von den ersteren einige, z. B. die Diazoniumverbindung aus p-Nitranilin, sehr energisch kuppeln, verhalten sich andere, z. B. die schwerlösliche Diazonaphthionsäure, ziemlich träge und bedürfen daher zur Farbstoffbildung, die sich wegen der Zersetzlichkeit der Diazoniumverbindungen fast durchgängig bei niedriger Temperatur vollziehen muß, mehrere Stunden. Ebenso verschieden ist auch die Reaktionsfähigkeit der Azokomponenten. Phenole und ihre Derivate kuppeln am besten in mehr oder minder alkalischer Lösung (NaOH oder Na2COa), die Amine in neutraler oder schwach essigsaurer bzw. mineralsaurer Lösung, also unter Zusatz von Natriumbicarbonat oder Acetat, die zur Abstumpfung der überschüssigen, in der Diazolösung enthaltenen oder bei der Kupplung, nach dem oben (s. S. 118) angeführten Schema, entstehenden Mineralsäure dienen. Über die Möglichkeit, zwei kupplungsfähige Azokomponenten auf Grund ihrer verschiedenen Kupplungsenergie zu trennen, siehe Näheres in dem Kapitel über Sulfonsäuren auf Seite 37 f. In manchen Fällen, besonders bei Aminen der Benzolreihe wie Anilin und Toluidin, entstehen bei der Einwirkung von Diazoniumverbindungen vorwiegend oder ausschließlich nicht unmittelbar die entsprechenden Aminoazoverbindungen, sondern Zwischenprodukte, die Diazoaminoverbindungen, nach dem Schema: N
NH-C,H;
III i R-N-Cl-t-H
—>
N—NE'C.H,
I R-N + HC1
—>-
R.N=N".NH-C 4 H 6 + HCl
Auch hierbei läßt sich durch die Annahme eines A d d i t i o n s v o r g a n g e s die Entstehung der eigenartigen Stickstoffverkettung leicht erklären. Durch Umlagerung, d. h. durch Wanderung des Restes
121
Azofarbstoffe
R-N 2 — vom Stickstoff der Aminogruppe in den aromatischen Kern, geht z. B. das sogenannte Diazoaminobenzol in Aminoazobenzol über: CeH6.3Srs-liH.C6H5
H.N.CA'Ui-C.H,.,
A
Diazoaminobenzol
Aminoazobenzol
Ganz analog verhält sich das Diazoaminotoluol aus o-Toluidin: a
N X
CH,
2
—
N
HjC^J"
Diazoaminotoluol
H
-
>
H j N — — N , — • H
3
C
/ _
HäC/""
Aminoazotoluol
Bemerkenswert ist, daß die Azogruppe — sei es unmittelbar, sei es, wie eben geschildert, mittelbar unter Zwischenbildung von Diazoamino verbin düngen bzw. Diazo-Oxy Verbindungen — in der Kegel in para-Stellung zur Amino- oder Hydroxylgruppe in den aromatischen Kern eintritt. Nur in solchen Fällen, in denen die p-Stellung besetzt ist, oder sich dem Eintreten in diese Stellung andere Hindernisse entgegenstellen, wandert die Azogruppe in die ortho-, nie a b e r in die m e t a - S t e l l u n g . Sie tritt also in p-Stellung bei den Komponenten Anilin, o-Toluidin, Phenol, o-Kresol, Salicylsäure, «-Naphtol dagegen in o-Stellung beim p-Toluidin, p-Kresol und der 1,4-Naphtolsulfonsäure. Bei /3-Naphtol oder /9-Naphtylamin ist eine p-Stellung überhaupt nicht vorhanden. Bei ihnen tritt die Azogruppe in die o-Stellung, und zwar ausschließlich in 1, n i c h t in 3. Ferner erfolgt der Eintritt der Azogruppe bei solchen Sulfonsäuren des «-Naphtois und «-Naphtylamins, die eine Sulfogruppe in 3- oder 5-Stellung enthalten, fast ausnahmslos in die o-, nicht in die p-Stellung, also in 2, nicht in 4, indem nämlich durch die Sulfogruppe in 3-, bzw. 5-Stellung die 4-Stellung vor dem Eintritt von Azogruppen sozusagen „geschützt" wird. Dieses verschiedene Verhalten der Azokomponenten ist insofern von großer Bedeutung, als die p-Azofarbstoffe als solche fast durchgängig, wenn sie nicht weiter umgewandelt, „entwickelt" werden (s. S. 122 f.), infolge ihrer geringeren Echtheit weniger brauchbar sind als die o-Azofarbstoffe. Aus diesem Grunde sind auch, mit wenigen wichtigen Ausnahmen, diejenigen Naphtylamin- und Naphtolsulfonsäuren, die p-Azofarbstoffe liefern, für die Farbstofftechnik von untergeordneter Bedeutung geblieben. Der bestimmende Einfluß der Sulfogruppe zeigt sich bei /J-Naphtolund /9-Naphtylaminsulfonsäuren auch noch in der Weise, daß die Sulfogruppe in 8-Stellung den Eintritt der Azogruppe in die 1-Stellung wesentlich erschwert bei /?-Naphtolderivaten und nahezu verhindert bei /S-Naphtylaminderivaten; so z. B. kuppelt die 2,6,8-Naphtol-
Farbstoffe
122
disulfonsäure bedeutend schwerer als die isomere 2,3,6-Naplitoldisulfonsäure, und die 2,8-Naphtylaminsulfonsäure bildet anscheinend zunächst keinen normalen Azo-, sondern einen Diazoaminofarbstoff (vgl. auch S. 97). Die Entscheidung der Frage, ob ein o- oder p-Azofarbstoff vorliegt, läßt sich vielfach durch reduktive Spaltung des A zofarbstoffes herbeiführen. So z. B. wird p-Aminoazobenzol in Anilin und p-Phenjlendiamin gespalten: C6HB • N : N• C6H4• NH2 + 4 H
>- C6H5NH2 + H^N• C6H4• NH, ,
während der Monoazofarbstoff aus 2 Molekülen o-Toluidin, das o-Aminoazotoluol (s. o.) in o-Toluidin und p-Toluylendiamin zerlegt wird: N = = N — N H ^ + 4H M3H, \CH 8
> ( 3 - N H j + HjN-^Q-iiH, . CHj ^CH»
Aus Disazofarbstoffen entstehen, je nach den Reaktionsbedingungen, 2 oder 3 Spaltstücke, z. B. aus 'Aminoazobenzolsulfonsäure-diazo2-naphtol-b-sulfonsäure ( C r o c e l n s c h a r l a c h 3B), ITaOjS •
C6H4-N==N.
:
a
1. p-Aminobenzolsulfonsäure, N"a03S-C6H4—NH, , b 2. p-Phenylendiamin, HJN-CJH^M'H,
3. l-Amino-2-naphtol-8-sulfonsäure,
und
c
NH C10H5/i-OH*
NaOaS NH, O = f ATA T/
H
Was die Farbstoffe mit zwei Azogruppen, die Disazofarbstoffe, anlangt, so kommen für deren Darstellung vornehmlich drei Methoden in Betracht: 1. Die erste geht aus von einem Aminomonoazofarbstoff, z. B.: C6H5 • N : N • C6H4 • NHj . Durch Diazotierung erhält man die Diazoniumverbindung: ci C„H5.N:N.C6H4-]SriN , die sich mit einer Azokomponente, etwa der 2,6,8-Naphtoldisulfonsäure, vereinigen läßt zu dem Disazofarbstoff B r i l l a n t - C r oceln: C 6 H 5 .N : I f . C A ' N : N-C10H4-R2->-Rs-E 4-R 'NH,
(bzw. R^RH-R'-NH-COCHj)
V R^R'-f-R'.NiN i C1
»- R'-^R^R'-^-R 4 .
Wie man sieht, wird hierbei durch Reduktion einer Nitrogruppe bzw. durch Verseifung einer vorher inaktiven Acetyl-Aminogruppe eine diazotierbare Aminogruppe erzeugt, die die weitere Kupplung des Dis- zum Trisazofarbstoff ermöglicht. Einen Überblick über die hier besprochenen, noch zahlreicher weiterer Variationen fähigen Methoden gewährt folgende Zusammenstellung von Symbolen: I. Für Monoazofarbstoffe: R'-^R*. II. Für Disazofarbstoffe: 1) R'->R 5 >R 3 2) R ^ R ' - ^ R « 3) R'->Ra--R»->-R4 5) R ^ R ^ R ' ^ - R 1 8 s 6) R ->R -f-R'->-R« . Ganz
analog
gestaltet
sich
die
Darstellung
der
Tetrakis-,
Farbstoffe
128
Pentakis- usw. Azofarbstoffe; allerdings nimmt nuch die Mannigfaltigkeit der Methoden zu. Gewisse Tetrakis-Azofarbstoffe sind für die .Baumwollfärberei insofern von Bedeutung geworden, als dieselben, erst auf der Faser aus Disazofarbstoffen „entwickelt", sehr waschechte Färbungen zu liefern vermögen. Diese Art der Färberei hat in der letzten Zeit einiges von ihrer Wichtigkeit eingebüßt infolge der steigenden Verwendung der sog. Schwefelfarbstoffe und der Küpenfarbstoffe für die Baumwollechtfärberei. Als weiter zu „entwickelnde" Farbstoffe kommen vor allem in Betracht die primären Disazofarbstoffe aus 1 Mol. eines p-Diamins und 2 Mol. solcher Azokomponenten, welche die Aminogruppe im „anderen Kern" enthalten (s. oben), so z. B. der Farbstoff D i a m i n s c h w a r z aus Benzidin (tetrazotiert) + 2 Mol. 2,8,6-Aminonaphtol8ulfonsäure (y-Säure), a l k a l i s c h kombiniert, von der Formel OH
HO
^ y V y n , - c > - < : >-N2 - M - - ^ V ^ S O ^ a Na03sAA
2
Als solcher auf Baumwolle gefärbt liefert er unansehnliche Töne: durch Diazotieren beider Aminogruppen auf der Faser und Kombinieren mit verschiedenen Entwicklern (2 Mol.) zu Tetrakis-Agofarbstoffen werden sehr wertvolle schwarze Färbungen erhalten. Bei Verwendung solcher Entwickler, die, wie z. B. Resorcin und Metaphenylendiamin, mit 2 Mol. Diazoniumverbindung reagieren, können diese Tetrakisleicht in Hexakis-Azofarbstoffe übergeführt werden. Das Symbol für einen solchen symmetrischen Hexakis-Azofarbstoff aus den Komponenten R 1 = Benzidin (tetrazotiert) + 2 R 2 = 2 Mol. y-Säure (nach der Kupplung diazotiert) + 2 R 3 = 2 Mol. Metaphenylendiamin + 2R 4 = 2 Mol. p-Nitranilin (diazotiert) wäre z. B.: R^R'-^RH-R^R^RH-R4 . Jedoch nicht nur hinsichtlich solcher verwickelt gebauter PolyAzofarbstoffe, sondern auch für einfachere Mono- und Disazofarbstoffe hat die „Entwicklung" auf der Faser Bedeutung erlangt. (Näheres siehe in dem Kapitel über Entwicklung von Farbstoffen auf der Faser.) Zu großer Bedeutung für die Wollfärberei sind die b e i z e n z i e h e n d e n A z o f a r b s t o f f e gelangt; im weiteren Sinne sind zu diesen zu rechnen einerseits diejenigen Azofarbstoffe, die als solche direkt auf Beizen ziehen; andererseits aber auch diejenigen, die durch Nachbehandlung auf der Faser die Möglichkeit erlangen, mit Metalloxyden lackartige Verbindungen einzugehen. Über die Nachbehandlung siehe Näheres V. Kapitel, Nr. 3 a.
129
Azofarbstoffe
Als Beispiele seien hier zwei Farbstoffe (ein Mono- und ein Disazofarbstoff) aus der Klasse der sogenannten o-Oxy-Azofarbstoffe genannt, die durch Nachbehandlung mit Bichromat und Schwefelsäure ein schönes Schwarz auf Wolle entstehen lassen: S a l i c i n s c h w a r z U (I) und P a l a t i n c h r o m s c h w a r z F (II = S ä u r e a l i z a r i n s c h w a r z SE): N-
N
OH
S a l i c i n s c h w a r z U entsteht aus 1 -Diazo-2-Naplitol-4-sulfonsäure und 1 Mol. /9-Naphtol; P a l a t i n c h r o m s c h w a r z F aus 2,6-Tetrazophenol-p-sulfonsäure und 2 Mol. /9-Naphtol. Eine übersichtliche Einteilung der Azofarbstoffe ergibt sich aus dem folgenden Schema:
Azofarbstoffe. I. M o n o a z o f a r b s t o f f e . 1. Amino-Azofarbstoffe. 2. Oxy-Azofarbstoffe und Amino-Oxy-Azofarbstoffe. 3. Peri-Dioxynaphtalin-Azofarbstoffe. 4. Oxy-Carbonsäure-Azofarbstoffe. IL D i s a z o f a r b s t o f f e . 1. Primäre Disazofarbstoffe aus Monoazofarbstoffen E^RH-R». 2. Primäre Disazofarbstoffe aus p-Diaminen Rs-4-R'->-Rs. 3. Sekundäre Disazofarbstoffe aus Aminoazoverbindungen R!->-R2>R3. III. P o l y a z o f a r b s t o f f e . (Tris-, Tetrakis- usw. -Azofarbstoffe.) Bezüglich der färbereitechnischen Verwendung der verschiedenen Farbstoffgruppen sei hier vorläufig kurz folgendes bemerkt: Die Monoazofarbstoffe in Gruppe 1 und 2 bilden die umfangreiche Klasse der Säurefarbstoffe, die als billige, wenn auch weniger echte, meist gelbe, orange und rote (Pon'ceau, Bordeaux) Farbstoffe vor allem für die Färberei der tierischen Faser (Wolle und Seide) in Betracht kommen. (Uber die besondere Stellung der o-Oxyazofarbstoffe siehe Näheres auf S. 142 sowie V. Kapitel, Nr. 3a, a.) Die Monoazofarbstoffe (I,-3) aus Peri-Dioxy Verbindungen derNaphtalinreihe dienen vorwiegend zur Erzeugung der licht- und walkMÖHLAU U . BUCIIRRER.
2. A u f l .
9
130
Fai-bstofíe
echten Bei¿enfarbungen auf Wolle, in der Regel mittels Nachchromierung nach dem Einbadverfahren (s.V.Kap). Die Carbonsäure(SalicylBäure-)MonoazofarbstofFe der Gruppe I, 4 haben fast nur für die chromgebeizte Faser Bedeutung, bzw. für die Bildung von Chromlacken beim Zeugdruck. Von den Disazofarbstoflfen finden vor allem die primären aus Monoazofarbstoffen (Gruppe II, 1) und die sekundären aus Aminoazoverbindungen (Gruppe II, 3) als Schwarzmarken für Wolle die ausgedehnteste Verwendung (solche, die 3 N a p h t a l i n kerne enthalten). Diejenigen sekundären Disazofarbstoffe, die B e n z o l kerne enthalten, weisen lichtere Töne (Scharlachmarken für Wolle und Seide, s. z. B. S. 162) auf und haben früher auch zu, allerdings nicht sonderlich echten, Färbungen auf Baumwolle gedient. Die primären Disazofarbstoffe aus p-Diaminen (Gruppe I I , 2) stellen die höchst wichtige Klasse der s u b s t a n t i v e n oder S a l z f a r b e n für Baumwolle dar; einzelne eignen sich auch zum Färben der Wolle bzw. Halbwolle (Wolle + Baumwolle). Die Polyazofarbstoffe endlich kommen fast ausschließlich für die Baumwollechtfärberei in Betracht.
I. Monoazofarbstoffe. 1. Amino-Monoazofafbstoffe. Die Farbstoffe dieser Gruppe variieren sehr wesentlich hinsichtlich ihres Farbentones und ihres Verhaltens beim Färben je nach der Anzahl, Art und Stellung der auxochromen Gruppen und je nach der Beschaffenheit der aromatischen Kerne, welche durch die Azogruppe miteinander verknüpft sind. Der einfachste Aminomonoazofarbstoff, das Aminoazobenzolchlorhydrat (s. S. 136f.), ist in Wasser sehr schwer löslich, offenbar infolge der mangelnden Basizität der Aminogruppe, während die Aminoazofarbstoffe mit zwei oder mehr auxochromen Gruppen, z.B. Chrysoldin (s. S. 135f.), eine erheblich größere Löslichkeit in Wasser aufweisen. Zum Färben der Wolle ist in der Eegel aber eine gewisse Waäserlöslichkeit erforderlich, welche den an sich unlöslichen oder schwerlöslichen Farbstoffen durch S u l f o n i e r u n g erteilt wird. So entsteht z. B. aus dem eben genannten Aminoazobenzol die in Wasser leicht lösliche Aminoazobenzoldisulfonsäure, die als Dinatriumsalz das sog. E c h t g e l b des Handels bildet. Welche Verschiebung der Farbenton beim Ersatz eines Benzoldurch einen Naphtalin-Kern erfährt, ersieht man am Beispiel des Orange I I und des Echtrot A. Orange I I ist der Farbstoff aus Sulfanilsäure (diazotiert) + /3-Naphtol, während Echtrot A aus Naphthionsäure (diazotiert) + /3-Naphtol erhalten wird:
131
Azofarbstoffe
JNT
OH
MWN
~>—SOsNa ~^
3ST -N-< /x A /OH
Orange II
>-SO a Na
Echtrot A
Der erstere Farbstoff färbt, wie sein Name besagt, orange, der letztere dagegen ein ausgesprochenes Eot. Neben der benzolden Formel R - N : N R N H 2 kommt auch noch die chinolde Hydrazonformel R - N H - N : R : N H in Betracht, die für o-Aminoazofarbstoffe im Hinblick auf deren chemisches Verhalten einen größeren Grad von Wahrscheinlichkeit besitzt, also z. B.:
H , C A / < % - I i H • C3H,
neben
| i H 3 C / n ^ x - N = N • CaH6
Über die Darstellung der Amino-Monoazofarbstoffe aus einer C1 Diazokomponente R N i N durch Kupplung mit einem Amin R'-NH 2 und über die in zahlreichen Fällen, besonders bei Monoaminen der Benzolreihe, beobachtete Bildung von Zwischenprodukten, den Diazoaminoverbindungen, die durch Umlagerung in die Aminoazoverbindungen übergehen: R N :N NH R' > R N : NR'-NH 2 ist bereits in der Einleitung das Wesentlichste mitgeteilt worden (s. S. 120 f.). Ergänzend sei hier noch bemerkt, daß das bei der Diazotierung verwendete überschüssige HN0 2 bei der Kombination in s a u r e r Lösung einen störenden Einfluß auf die Farbstoffbildung auszuüben vermag. Denn soll z. B. die Diazoniumverbindung R-N 2 -Cl auf das Amin R'-NH 2 einwirken, und enthält die Diazoniumverbindung überschüssiges HN0 2 , so sind die Bedingungen dafür gegeben, daß neben der Hauptreaktion: R Nj-Cl 4- E'.NHj
_ HC1 >-
R.Nü-R'-NHj
Nebenreaktionen stattfinden, nämlich: I
und
TTQ1
1. H'-NHj + HNO, _ 2HeQ 2. E'.Nj-Cl + E'.NHj
ß'-Nj.Cl
_ HC1 >- R'.Ns.R'.NH^ .
Statt eines einheitlichen Farbstoffes R N 2 - R ' - N H 8 erhält man also ein Gemisch aus jenem und dem Nebenprodukt R'-N 2 -R'-NH 2 . Es ist also schon bei der Darstellung der Diazoniumverbindungen, die in (mineral- oder essig-)saurer Lösung gekuppelt werden sollen, auf eine möglichst genaue Einhaltung des molekularen Verhältnisses zwischen Amin und Nitrit zu achten. 9*
Färbstoffe
132
Auffällig ist die weitgehende Erhöhung der Reaktionsfähigkeit, die solche Azokomponenten wie Anilin oder Toluidin durch den Eintritt einer zweiten Aminogruppe in den Kern — in m-Stellung zur bereits vorhandenen — erfahren. Die so entstehenden m-Diamine, wie m-Phenylendiamin und m-Toluylendiamin, E N ^ H , | i "/
H2Nn/x/NH2 | , \ / ' -ch3
und
sind nämlich leicht kuppelnde Azokomponenten und gehören sogar zu den Verbindungen, die, wie bereits an anderer Stelle bemerkt (s. S. 123f.), eine starke Neigung zeigen, nicht nur mit e i n e m Molekül: H,N
7
/NE, | +C1.N 2 .C 6 H 6
_>-
H,NyVNH, I I
+ HC1,
sondern unter gewissen Bedingungen mit z w e i Molekülen Diazoniumverbindung zu kuppeln: H,N
w
|
lfH, ] +2C1-N 2 .C 6 H 5
>-
a ^ / . / F H , | 1 -f 2 HCl. C6H6 • N / \ A N 2 . C 6 H 6
In solchen Fällen, in denen die Entstehung eines Monoazofarbstoffes gewünscht wird, ist daher die Beobachtung besonderer Vorsichtsmaßregeln erforderlich, wenn die Farbstoffbildung einen einheitlichen Verlauf nehmen soll (vgl. auch S. 148). Ein einfaches, in zahlreichen Fällen anwendbares Mittel zur Erreichung dieses Zweckes besteht darin, daß man die Diazokomponente (1 Mol.) nur langsam, in dem Maße, wie sie verbraucht wird, zu der Azokomponente (gleichfalls 1 Mol.) hinzugibt. Dadurch, daß letztere im Reaktionsgemisch, wie leicht einzusehen, stets im Überschuß vorhanden ist, wird die Bildung des Disazofarbstoffes unmöglich gemacht oder wenigstens erschwert. Ein einigermaßen befriedigender Erfolg jedoch läßt sich mit dieser Maßregel nur dann erzielen, wenn die Azokomponente selbst leicht, der Monoazofarbstoff hingegen schwer löslich oder ganz unlöslich in Wasser und daher weniger reaktionsfähig ist. Aber auch selbst dann, wenn diese Bedingungen erfüllt sind, ist es notwendig, durch sehr energisches Rühren der zum Schluß der Monoazofarbstoff bildung eintretenden Möglichkeit vorzubeugen, daß an einzelnen Stellen das molekulare Verhältnis der Diäzo- zur Azokomponente sich zu ungunsten der letzteren verschiebt. Die Anwendung eines anderen und sichereren Mittels beruht auf der Tatsache, daß die Disazofarbstoffbildung in der Regel eine starke Verzögerung erfährt, wenn man in mineralsaurer Lösung arbeitet. Daß
Azofarbstoffe
133
Mineralsäuren, selbst in verhältnismäßig geringen Konzentrationen, eine reaktionsverzögernde WirkuDg ausüben, wurde bereits früher (auf
S. 93) erwähnt. Man hat es also durch Auswahl der passenden Acidität in der Hand, die Farbstoffbildung nach Belieben rasch oder langsam vor sich gehen zu lassen, und man verfährt, um ohne längere Vorversuche die richtigen Reaktionsbedingungen zu treffen, sehr einfach in folgender Weise: Handelt es sich z. B. um die Darstellung des C h r y s o l d i n s , des Monoazofarbstoffes aus 1 Mol. Benzol diazoniumchlorid und 1 Mol. m-Phenylendiamin (s. S. 135), so bringt man die beiden Farbstoffkomponenten, im annähernd molekularen Verhältnis von 1:1,05 (d. h. etwa 5 c / 0 m-Phenylendiamin im Überschuß), ihrem ganzen beiderseitigen Betrage nach zusammen, und zwar bei einer Acidität, die nicht nur die Disazofarbstoffbildung vollkommen ausschließt, sondern selbst den Monoazofarbstoff zunächst nur in geringen Mengen entstehen läßt. Hierzu genügt, falls man das mPhenylendiamin als Chlorhydrat verwendet, bereits die verhältnismäßig sehr geringe Konzentration der von der Diazotierung des Anilins herrührenden überschüssigen Salzsäure. Zu der mineralsauren Mischung läßt man nun ganz langsam unter Umrühren eine verdünnte, etwa normale Na-Acetatlösung zutropfen, welche die kupplungshemmende Salzsäure allmählich bindet und auf diese Weise die Bedingungen für die Bildung des Aminoazofarbstoffes herstellt. Durch fortgesetzte Tüpfelproben auf Fließpapier überzeugt man sich von dem jeweiligen Stand der Kupplung. Sehr charakteristisch ist im vorliegenden Falle das Aussehen dieser Tüpfelproben: die erste Probe, kurz nach dem Zusammengießen der Farbstoff komponenten, zeigt einen hellen, nur wenig Farbstoff enthaltenden Fleck, der umgeben ist von einem anfänglich farblosen Auslauf; um diesen bildet sich alsbald aber eine orange gefärbte Zone von C h r y s o l d i n . Gerade diese an der äußeren Peripherie des farblosen Auslaufes auftretende gefärbte Zone ist eine typische Erscheinung in allen denjenigen Fällen, in denen, infolge zu großer Acidität der Lösung, die Farbstoffbildung in der Reaktionsmasse selbst noch nicht zustande gekommen ist, während infolge der sozusagen neutralisierenden Wirkung des Fließpapieres (die wahrscheinlich auf einer unterschiedlichen Adsorptionsfähigkeit des Papiers gegenüber den verschiedenen, in der wäßrigen Lösung enthaltenen Verbindungen beruht — wobei die Salzsäure anscheinend also rascher adsorbiert wird als die Farbstoffkomponenten) in der Tüpfelprobe sich die geeigneten Bedingungen für die Farbstoffbildung allmählich herstellen. In dem Maße nun, wie das Acetat zutropft, verringert sich die farblose Zone und verschwindet schließlich ganz; doch bleibt die um den Kern der Tüpfel-
134
Farbstofie
probe sich bildende orange gefärbte Zone an ihrer äußeren Peripherie immer noch merklich intensiver gefärbt als innen. Durch diese Erscheinung wird angezeigt, daß die Farbstoffbildung infolge der noch vorhandenen Acidität der Lösung noch nicht beendigt ist, was außerdem sowohl daraus erkannt werden.kann, daß beim Betüpfeln der frischen Probe mit sodaalkalischer R-Salzlösung der gelbrote R-Salzfarbstoff entsteht, als auch daran, daß beim Bestreichen einer Tüpfelprobe mit Acetatlösung die Chrysoidinbildung verstärkt wird. Zweckmäßig läßt man zur Reaktionsmischung von der Acetatlösung nur so viel zufließen, daß die salzsaure Reaktion eben noch erhalten bleibt, also Kongopapier noch schwach gebläut wird. Die Farbstoffbildung ist vollendet, wenn sich Benzoldiazoniumchlorid durch R-Salzlösung nicht mehr nachweisen läßt, während vom m-Phenylendiamin ein deutlich erkennbarer Üb e r s c h u ß bis zum S c h l u ß vorhanden sein soll, was durch Tüpfeln mit Diazolösung sorgfältig festzustellen ist. In solchen F'ällen, in denen die Azokomponente in Wasser schwer löslich ist, wie z. B. Diphenylamin, wendet man vielfach Alkohol oder dgl. als Lösungsmittel an. Unbedingt erforderlich ist dies jedoch nicht, besonders dann nicht, wenn der durch Kombination entstehende Azofarbstoff in Wasser löslich ist. Denn bei der beträchtlichen Energie, mit der sich der Kupplungsvorgang vollzieht, tritt allmählich die gesamte Menge der schwerlöslichen Komponente in Reaktion, zumal dann, wenn durch kräftiges Rühren für ihre möglichst feine Verteilung Sorge getragen wird. Ein auch in anderer Richtung lehrreiches Beispiel von der Verschiedenheit der Geschwindigkeiten, mit denen sich zwei a n s c h e i n e n d gleich rasch verlaufende Reaktionen vollziehen, bietet die unten beschriebene Darstellung des H e l i a n t h i n s . Bei der Einwirkung von NaN0 2 auf die Mischung von Sulfanilsäure und Dimethylanilin, die als sulfanilsaures Dimethylanilin in Lösung gehen, könnte man annehmen, daß das infolge der Wechselwirkung zwischen Sulfanilsäure und NaN0 2 in Freiheit gesetzte HN0 2 nach einem gewissen V e r t e i l u n g s m o d u s auf b e i d e Komponenten g l e i c h z e i t i g einwirken würde. Dies ist jedoch, wie der Versuch lehrt, keineswegs der Fall; sondern das HN0 2 reagiert fast ganz ausschließlich mit der Sulfanilsäure und führt diese dadurch in diazosulfanilsaures Natron Na0 3 S-C 6 H 4 -N 2 -0H über, das nun seinerseits mit dem Dimethylanilin unter Bildung des H e l i a n t h i n genannten Azofarbstoffes NaOsS• C8H4 • N : N• G6H4• N(CH3)3 zusammentritt. Dieser lehrreiche Versuch macht es auch leicht begreiflich, warum bei der Einwirkung einer Diazoniumverbindung auf zwei hinsichtlich ihrer Kupplungsenergie verschiedene Azokomponenten zu-
Azofarbstoffe
135
nächst f a s t a u s s c h l i e ß l i c h die leichter kuppelnde Azokomponent« in Reaktion tritt und erst später, wenn sie verschwunden ist, bei weiterer Zugabe der Diazoniumverbindung die schwerer kuppelnde, eine Erscheinung, die, wie auf Seite 37 f. erläutert, z. B. die Trennung isomerer Naphtolsulfonsäuren (etwa 2,6 und 2,8) ermöglicht. Übungsbeispiele. 1. Chrysoidin, C8H,-M"a C6H3.(NHa)aHCl oder Ausgangsmaterial: 20 g Anilin; 25 g m-Phenylendiamin. Hilfsstoffe: 63 g konzentrierte HCl (D 1,19); 500 g Eis; 14,8 g NaN0 2 (100 °/0 ig) oder entsprechende Mengen technischen Nitrits; 250 ccm HCl (10 °/0 ig); normale Acetatlösung; festes NaCl. Darstellung. 20 g Anilin werden in einer Mischung von 63 g konzentrierter HCl (D 1,19) und 1500 ccm Wasser gelöst. Diese Lösung wird durch Zugabe von 500 g Eis gekühlt, worauf man die Lösung von 14,8 g NaN0 2 (100°/0ig) in 1 1 Wasser unter Umrühren mit der Vorsicht zufließen läßt, daß die untere Mündung des Tropftrichters in die Flüssigkeit eintaucht. Die so bereitete „Diazolösung" läßt man nun in die Lösung von 25 g reinem m-Phenylendiamin in 250 ccm 10 °/0 iger HCl (oder von 39 g m-Phenylendiamindichlorhydrat in 250 ccm Wasser) einlaufen. Die Flüssigkeit färbt sich schwach- rotorange und scheidet nur geringe Mengen Farbstoff ab. Nach etwa einviertelstündigem Umrühren läßt man langsam tropfenweise verdünnte, etwa- normale Na-Acetatlösung zulaufen, worauf sofort eine reichlichere Farbstoffbildung eintritt. Man läßt nicht mehr Acetat zulaufen, als zur Bindung der überschüssigen HCl erforderlich ist. Zum Schluß soll die Reaktion nur ganz schwach mineralsauer sein. Ist die Farbstoffbildung beendigt, was nach etwa 1—2 stündigem Rühren der Fall zu sein pflegt und am Verschwinden der Diazoniumverbindung leicht (mittels R-Salzlösung, s. S. 96) zu erkennen ist, so wird das Reaktionsgemisch zum Sieden erhitzt und nach eingetretener Lösung durch ein Faltenfilter filtriert. Das Filtrat erhitzt man nach Zusatz von etwa 250 g festem NaCl auf dem Wasserbade so lange (etwa 24 Stunden), bis der anfangs gallertartige Farbstoffniederschlag ein schönes, kristallinisches Aussehen angenommen hat. Alsdann wird abgesaugt, eventuell ausgeschiedenes Kochsalz mit kaltem Wasser vorsichtig gelöst und der Farbstoff schließlich getrocknet.
136
Farbstoffe
Eigenschaften. Das Chrysoldin stellt wohlausgebildete, dunkle, stahlblau glänzende Kristalle dar. Die aus der orangeroten wäßrigen Lösung des Farbstoffes mit Alkali gefällte Base kristallisiert aus heißem Wasser in gelben Xadeln vom Fp. 117,5°. Auf Zusatz eines großen Säureüberschusses nimmt die Lösung unter Bildung der zweifach sauren Salze karminrote Färbung an. In saurer Lösung wird das Chrysoldin durch Zinkstaub entfärbt, wobei e3 in Anilin und 1,2,4-Triaminobenzol gespalten wird: H A
/ X /
N H ,
+ H, L i t e r a t u r : Hofmann, Ber. 10, 2 1 3 ( 1 8 7 7 ) ; Witt, Ber. 10, 35a, 6 5 4 Gbib9s, Ber. 10, 3 8 8 ( 1 8 7 7 ) ; siehe ferner Schultz, Farbstofftabellen Nr.
(1877); 33.
2 a. Säuregelb.
Ausgangsmaterial: 65 g salzsaures Anilin; 250 g Anilin. Hilfsstoffe: 24,5 g NaN0 2 100°/ 0 ig; HCl (D ca. 1,1); verdünnte HCl; 80 g Oleum von 2 5 % S 0 3 ; 250 g Eis; Soda. Darstellung: I. A m i n o a z o b e n z o l . In die Lösung von 65 g salzsaurem Anilin in 250 g Anilin läßt man bei gewöhnlicher Temperatur unter Rühren die Lösung von 24,5 g NaN0 2 (100°/ 0 ig) in 50 ccm Wasser zutropfen. Die Masse läßt man so lange (durchschnittlich 12 Stunden) weiterrühren, bis eine mit Salzsäure übersättigte Probe beim Erwärmen keinen Stickstoff mehr entwickelt, d. h. bis die Diazoaminoverbindung verschwunden ist. Das Reaktionsprodukt wird alsdann mit einer zur Bindung des Aminoazobenzols und des überschüssigen Anilins ausreichenden Menge starker Salzsäure (D ca. 1,1) versetzt, wobei man die Temperatur 70° nicht übersteigen läßt. Beim Erkalten scheidet sich die nahezu theoretische Menge reinen Aminoazobenzolchlorhydrats ab, welches scharf abgesaugt und mit verdünnter Salzsäure gewaschen wird. Die mit Alkali daraus in Freiheit gesetzte Base kristallisiert aus verdünntem Alkohol in bräunlichgelben Nadeln vom Fp. 126°. II. A m i n o a z o b e n z o l d i s u l f o n s ä u r e . 20 g fein gepulvertes, scharf getrocknetes salzsaures Aminoazobenzol werden, unter äußerer Kühlung mit Eis und unter beständigem Rühren, allmählich in 80 g rauchende Schwefelsäure von 25 °/0 S0 3 -Gehalt eingetragen. Darauf wird die gelbbraune Lösung im Wasserbade unter Rühren und bei 70° Innentemperatur so lange erwärmt, bis sich eine Probe
Azofarbstoffe
137
in warmem Wasser klar löst. Dies ist nach einer Stunde der Fall. Die Sulfonierungsschmelze wird alsdann auf 2¿0 g zerkleinertes Eis ausgeleert. Der aus violett schimmernden roten Nadeln bestehende Niederschlag wird abgesaugt und auf Ton getrocknet. III. S ä u r e g e l b . Die Azodisulfonsäure wird in heißem Wasser suspendiert und mit calcinierter Soda möglichst genau neutralisiert (Bullautgelbpapier soll sich gerade röten). Die dunkelgelbe Lösung wird filtriert und auf dem Wasserbade zur Trockne verdampft. Der Rückstand wird im Exsiccator weiter getrocknet und schließlich zu einem gelben Pulver zerrieben. Eigenschaften. Die mit Ammoniak versetzte gelbe Lösung des Farbstoffes wird durch Zinkstaub in der Kälte vorübergehend entfärbt (Hydrazoverbindung). Das Filtrat färbt sich an der Luft wieder gelblich und wird auf Zusatz von Salzsäure zunächst intensiv gelb, dann lachsrot. Diese saure Lösung wird durch Zinkstaub dauernd entfärbt, infolge Spaltung des Azofarbstoffes in Sulfanilsäure und p-Phenylendiaminsulfonsäure: /SOsNa ySOsNa N a 0 3 S - < ^ > - N : N - / " ^ - N H , + H 4 > N a 0 3 S - < ^ > - N H , + HJN-K^J^NH, . Literatur:
GRIESS, B e r . 1 5 , 2 1 8 5 ( 1 8 8 2 ) ; EGER, B e r . 2 2 , 8 4 7 ( 1 8 8 9 ) ; FBIED-
LÄHDER 1, 4 3 9 ; SCHULTZ, F a r b s t o f f t a b e l l e n N r . 1 3 7 .
2 b.
Aminoazotoluol.
/CH, (
/CH,
Q_N=II_/J>-liH! .
Etwas abweichend von der unter 2 a beschriebenen Darstellung des Aminoazobenzols (aus Anilin) gestaltet sich die Gewinnung des Aminoazotoluols (aus o-Toluidin), das als Ausgangsmaterial für Safranin T von Wichtigkeit ist. Ausgangsmaterial: 60 g o-Toluidin. Hilfsstoffe: 24 g Saksäure von 20° B- NaCl + 2H s O + C . H ^ l ? ^ ^ i C1 C1
3. C 9 H 4 0 N ^ /'x
YXCH, NH 2
Eine eigenartige Stellung nimmt neben dem 1,4- (und l,5-)Naphtylendiamin das p-Phenylendiamin, das p-Diamin in des Wortes
Azofarbstoffe
153
eigenster Bedeutung, ein. Es läßt sich nämlich nicht in der gleichen Weise wie z. B. das Benzidin und seine Derivate in eine „Tetrazoverbindung" überführen, wenigstens nicht glatt, und man ist daher behufs Darstellung der Disazofarbstoffe aus p-Phenylendiamin, die übrigens an technischer Bedeutung den Farbstoffen aus Diphenylabkömmlingen nachstehen, auf einen Umweg angewiesen (vgl. auch S. 127 unter f): Man geht aus vom Aceto-p-Phenylendiamin = pAminoacetanilid, H 3 N • C e H t • N H • C 0 C H 3 , (aus Acetanilid durch Nitrieren und Reduzieren erhältlich), diazotiert zum Diazonium chlorid von der Formel: N i N-C 6 H 4 .NH.COCH S , I C1 kuppelt, etwa mit dfer Azokomponente R-OH, zum Monoazofarbstoff HO.R-N a -C 6 H 4 -NH-COCH s , spaltet die Acetylgruppe durch Yerseifung mittels Alkali oder Säure ab, diazotiert die so entstandene Oxyamino-Azoverbindung HO"R-N 2 -C 6 H 4 -NH 2 zum OxydiazoniumC1 chlorid zweiten anderen R'-OH.
HO-R-N 2 -C 6 H 4 -N:N und kuppelt dieses nun mit einem Molekül einer Azokomponente (R'-OH oder einer beliebigen Azokomponente) zu dem Disazofarbstoff HO-R-N 2 -C 6 H 4 -N 2 Zwischenkörper von der Art der AzodiazoniumVerbindung C1
HO-R-N 2 -C 6 H 4 -N i N sind übrigens auch aus den gewöhnlichen p-Diaminen erhältlich (vgl. die Einleitung über Azofarbstoffe, S. 127 oben); sie entstehen sogar bei der normalen Disazofarbstoff'bildung mit Diphenylabkömmlingen in vielen Fällen als leicht nachweisbare und bisweilen unerwünscht stabile Zwischenphasen (s. unten). Auf der anderen Seite ermöglichen' sie auch die Entstehung der technisch wichtigen g e m i s c h t e n D i s a z o f a r b s t o f f e aus zwei v e r s c h i e d e n e n Azokomponenten, welche am sichersten in der Weise erhalten werden, daß man die erste Azokomponente (1 Mol.) langsam unter Rühren zur Tetrazoverbindung (gleichfalls 1 Mol.) zulaufen läßt und nun erst, nach beendigter Kupplung dieser beiden Komponenten zum Zwischenkörper, die zweite Azokomponente (1 Mol.) zufügt. Die bei diesen Kupplungen einzuhaltenden Reaktionsbedingungen ergeben sich in sinngemäßer Weise aus den im Abschnitt über Monoazofarbstoffdarstellung entwickelten Grundsätzen. Einer der ältesten Disazofarbstoffe ist das sogen. K o n g o r o t aus 1 Mol. Benzidin (tetrazotiert) + 2 Mol. Naphthionsäure. Die Kupplung vollzieht sich zweckmäßig in essigsaurer Lösung. Es bedarf daher der Anwendung von Na-Acetat bei der Kombination, um die salzsaure
154
Farbstoffe
Tetrazolösung abzustumpfen. Zu beachten ist aber, daß die Naphthionsäure eine sehr schwache Säure ist und daher aus der Lösung ihres Na-Salzes schon durch verdünnte Essigsäure ausgefällt wird. Eine solche Ausscheidung während der Farbstoff bildung ist aber tunlichst zu vermeiden, da die Naplithionsäure in Wasser sehr schwer löslich ist und daher nur langsam wieder in Lösung geht, wodurch die Kupplung erheblich verzögert und erschwert wird. In Anbetracht der verhältnismäßig starken Verdünnung der Komponenten, bei der die Azofarbstoffbildung vor sich geht, genügen etwa 2 Mol. Acetat auf 1 Mol. HCl (vgl. die Bemerkungen über die Kupplung der y-Säure auf Seite 97 f. und Seite 157 ff.). Bei den unten im Beispiel angegebenen Mengenverhältnissen (0,25 Mol. HCl, wovon 0,1 Mol. durch 0,1 Mol. NaN0 2 verbraucht wird, wonach 0,15 Mol. übrig bleibt) wären also 2-0,15 = 0,3 Mol. = 0,3-136 = 40 g kristallisiertes Acetat für die Farbstoffbildung erforderlich; falls man die Lösung der Tetrazoverbindung, vor der Kombination, mit Soda fast neutral stellt, sind entsprechend geringere Mengen Acetat ausreichend. Die Kupplung erfolgt stufenweise, d. h. über das Zwischenprodukt aus 1 Mol. Tetrazoniumchlorid + 1 Mol. Naphthionat: NH,
Y A
SO,H
J
N = N
C1 hinweg. Dieser Umstand kann aber bei der Prüfung des Reaktionsverlaufes zu starken Täuschungen Veranlassung geben. Da nämlich das Zwischenprodukt in Wasser nahezu unlöslich ist, so hat die Entstehung desselben zur Folge, daß schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit die an sich leicht lösliche und daher durch Tüpfeln mit R-Salzlösung unzweideutig nachweisbare Tetrazoverbindung nach erfolgter Kupplung mit nur 1 Mol. Naphthionat aus der Lösung vollkommen verschwindet, eine Erscheinung, die leicht zu der irrtümlichen Annahme verleiten kann, die Farbstofibildung sei beendigt, während es tatsächlich noch längerer Zeit bedarf, bis dieser Zustand erreicht ist. Die Feststellung des Endpunktes der Reaktion kann auf die nachstehend geschilderte Weise bewirkt werden. E s erscheint jedoch zweckmäßig, zunächst Klarheit darüber zu gewinnen, auf welche Verbindungen, die aus der Wechselwirkung zwischen 1 Mol.
Azofarbstoffe
155
TetrazoverbinduDg und 2 Mol. Naphthionsäure hervorgehen können, bei dieser Untersuchung der Reaktionsmischung Rücksicht zu nehmen ist. Theoretisch kommen im vorliegenden Fall, nachdem, wie oben angenommen, das Tetrazoniumchlorid selbst verschwunden ist, die folgenden fünf Verbindungen in Betracht: N,.NH.E I N..C1
Nj-NH-R
[N2.E'.NH, II N , • C1
III JST,-NH.R
IV N s • R' • N H ä
Nj.R'-NH, V l N , • R' • N H , ,
wobei — N H - R und —R'-NH 2 die Komplexe:
und das Zeichen
den Diphenylrest V^
bedeuten. Diese fünf Kondensationsprodukte unterscheiden sich in ihren Reaktionen in sehr charakteristischer Weise: W a s die beiden Verbindungen I und I I anlangt, so weisen dieselben eine freie Diazoniumgruppe auf, besitzen als eine gewisse Reaktionsfähigkeit gegenüber Azokomponenten, die sich in ihrer ganzen Stärke aber erst in sodaalkalischer Lösung, gegenüber geeigneten Hydroxylverbindungen, wie R-Salz u. dgl., offenbart. Solange daher eine kleine Probe des Reaktionsproduktes beim Eingießen in sodaalkalische R-Salzlösung einen Farbstoff liefert, der von K o n g o r o t (Vergleichslösung!) durch seinen blauroten Ton verschieden ist, kann man mit Bestimmtheit auf die Anwesenheit der Verbindung I oder I I schließen. Die beiden letzteren unterscheiden sich chemisch durch ihr Verhalten beim Kochen mit Mineralsäuren: Diazoaminoverbindungen R"'N 2 -NH-R'" zerfallen beim Erhitzen mit verdünnten Säuren entsprechend der Gleichung: R " - N , - N H - R " ' + HaO
- - >-
R"• OH + N s + H , N R ' " .
Demgemäß wird aus der Verbindung I die Gruppe —NH-R in Form von Naphthionsäure abgespalten, wobei sich der Tetrazodiphenylrest gleichzeitig unter Stickstoffentwicklung zersetzt, während die Gruppe —R-NH 2 im Molekül der Verbindung I I verbleibt und nur die Diazoniumgruppe die übliche Zersetzung erfährt: rN2.R-NH2
r-N,.]
L]sr».ci
Loh
Was die Unterscheidung zwischen den Verbindungen III, IV und V anlangt, so sind sie durch ihr chemisches Verhalten in folgender
Farbstoffe
156
Weise gekennzeichnet: Die Verbindung III kuppelt nicht, entwickelt aber beim Kochen Stickstoff infolge der Zersetzung des Tetrazodiphenylrestes. Die Verbindung IV kuppelt nicht und entwickelt gleichfalls beim Kochen mit Salzsäure Stickstoff, jedoch unter Bildung eines Zersetzungsproduktes, das mit dem aus Verbindung II entstehenden Monoazofarbstoff identisch, also durch das Vorhandensein der Gruppe R''NH 3 ausgezeichnet ist. Die Verbindung V, die den fertigen Farbstoff, das K o n g o r o t , darstellt, kuppelt weder noch entwickelt sie beim Kochen mit Salzsäure Stickstoff; sie bleibt vielmehr unter diesen Umständen vollkommen unverändert. Demnach gestaltet sich die Prüfung der Reaktionsmischung kurz folgendermaßen: Man wendet zunächst die K-Salz-Probe an (siehe oben), selbstverständlich unter gleichzeitiger Benutzung einer K o n t r o l l ö s u n g , die nur mit Soda zu versetzen ist. Sobald die R-Salzlösung keine Veränderung des Farbentons nach Blaurot bewirkt, die Probe also ein negatives Ergebnis liefert — was übrigens erst nach stundenlangem Rühren der Fall zu sein pflegt —, scheiden die Verbindungen I und I I aus der Betrachtung aus. Nunmehr wird eine andere Probe des Reaktionsgemisches mit dem gleichen Volumen etwa 5 °/0 iger HCl gekocht, wobei man beobachtet, ob eine Gasentwicklung auftritt. Trifft dies zu, so ist dies ein Zeichen für die Anwesenheit von Verbindung I I I (die tatsächlich aber wohl kaum in Betracht kommt) oder IV; die Farbstoffbildung ist also noch nicht beendigt, sondern erst dann, wenn beim Kochen mit Salzsäure keine Stickstoffentwicklung mehr stattfindet. Übungsbeispiele. 1. Kongorot.
SO,Na
SO.Na
Ausgangsmaterial: 9,2 g Benzidin 100 % ig = 1 / 20 Mol.; 32 g Naphthionat, M = 317 ( = 1 / 10 Mol.). Hilfsstoffe: 25 g konzentrierte HCl; 6,9 g NaNOa 1 0 0 % ig; 40 g Na-Acetat cryst.; Eis; Soda; festes Kochsalz. Darstellung. 9,2 g Benzidin 100 °/0 ig oder die entsprechenden Mengen des technischen Produktes werden fein gepulvert und mit 25 g konzentrierter HCl (spez. Gew. 1,19), sowie 25 ccm heißem Wasser versetzt. Man schüttelt um bis zur Entstehung eines dünnen, gleichmäßigen Kristallbreies (Bildung des Benzidindichlorhydrates)
Azofarbstoffe
157
und gibt nun allmählich noch 200—500 ccm heißen Wassers hinzu, wodurch vollkommene Lösung eintritt, kühlt auf etwa 0 bis + 5 ° ab und fügt dann eine Lösung von 6 , 9 g N a N 0 2 100°/ 0 ig in 50 ccm Wasser innerhalb einer Minute hinzu. Die so erhaltene Lösung des „Tetrazochlorids" läßt man, wenn eine mit Na-Acetat übersättigte Probe derselben klar bleibt, einlaufen in die Lösung von 32 g Naphthionat ( = 1 / 10 Hol.) in J / 2 1 Wasser, das mit etwa 40 g kristallisiertem NaAcetat versetzt ist. Die sich dunkel färbende Flüssigkeit nimmt allmählich breiartige Beschaffenheit an; es findet zunächst die Bildung des unlöslichen Zwischenproduktes: ^•E'.NH, N.-Cl
N.'HH-E
eventuell auch
statt, während die Tetrazoverbindung allmählich aus dem Reaktionsgemisch verschwindet. Nachdem die R-Salz-Probe und die weitere Probe mit Salzsäure ergeben haben, daß die Färbstoffbildung beendigt ist, bringt man die blauschwarze F a r b s ä u r e , durch Zugabe von Soda und Erwärmen, als rotes Na-Salz in Lösung und salzt nach dem Filtrieren den Farbstoff mit Kochsalz aus. Eigenschaften. Rotbraunes Pulver, das sich in konzentrierter Schwefelsäure mit blauer, in Wasser mit roter F a r b e löst. Salzsäure fällt aus dieser Lösung blaue Flocken der unlöslichen Farbsäure. L i t e r a t u r : Friediänder Farbstofftabellen Nr. 307.
1, 4 7 0 ;
Witt, Ber.
1 9 , 171 (1885).
Vgl. Scuültz,
Verwendet man als Azokomponenten statt der einfachen Naphtylaminsulfonsäuren kupplungsfähige Aminonaphtolsulfonsäuren von der Art der / - S ä u r e (s. S. 40), so sind 3 Reihen von Disazofarbstoffen denkbar, entsprechend den Symbolen: HO
NH,
H2N
OH
/ \ HO H H ,
HO
NH,
HaN
OH
H,N
I
\ / N2 • R II
OH
,.R III
deren Bedeutung nach dem über die Darstellung von primären Disazofarbstoffen R 1 -^R a -4-R 3 aus Monoazofarbstoffen Gesagten (siehe S. 147 f.) wohl keiner weiteren Erläuterung bedarf. Welche von den drei Möglichkeiten bei der Kupplung verwirklicht wird, hängt von den Reaktionsbedingungen ab, insbesondere davon, ob während der Kombination saure, neutrale oder alkalische Reaktion herrscht. E s sei an dieser Stelle nachdrücklich auf die Ausführungen auf S. 148
158
Färbstoffe
hingewiesen, aus denen zu entnehmen ist, welche große Bedeutung diesem Faktor beizumessen ist. Es liegt auf der Hand, woran hier gleichfalls erinnert sein mag, daß unter gewissen Umständen auch G e m i s c h e aus zwei oder drei der obigen Farbstoffe nebeneinander entstehen können. Dies ist z. B. der F a l l , wenn die Reaktion des Kupplungsgemisches im Verlauf der Farbstoffbildung eine Änderung erfährt, also etwa infolge eintretenden Sodamangels von alkalisch durch neutral hindurch nach sauer umschlägt. Ist also, wie dies die Regel bildet, die Darstellung eines e i n h e i t l i c h e n Farbstoffes beabsichtigt, so ist auch die Einhaltung möglichst g l e i c h m ä ß i g e r Reaktionsbedingungen erforderlich. In einem Punkte unterscheiden sich übrigens die Aminonaphtolsulfonsäuren von der Art der y- und I-Säure (s. S. 40) nicht unwesentlich von den auf S. 148 f. ausführlicher besprochenen peri-Aminonaphtolsulfonsäuren, wie die H- oder S-Säure, indem nämlich die y- und I-Säure bei der Kupplung in sodaalkalischer Lösung eine erheblich geringere Neigung zeigen, zwei Diazo-Reste aufzunehmen. Man kann also bei der Kombination, z. B. der /-Säure, in ausgesprochen sodaalkalischer Lösung mit Sicherheit auf die glatte Bildung eines normalen, dem obigen Symbol I entsprechenden Farbstoffes: HO
( D i a m i n s c h w a r z RO) rechnen, besonders dann, wenn man, wie dies unten beschrieben, die - Tetrazoverbindung in die alkalische Lösung der j--Säure einlaufen läßt. Die Kupplung erfolgt in diesem Falle ziemlich rasch. Etwas mehr Zeit erfordert die Kombination in saurer Lösung, wobei der dem obigen Symbol I I entsprechende Farbstoff: C„H4—N=N
OH
C6H4~N=N
OH
( D i a m i n v i o l e t t N) entsteht. Immerhin macht sich das Vorhandensein von zwei auxochromen Gruppen im Molekül der /-Säure auch unter diesen Umständen durch eine im Vergleich zur Naphthionsäure erhöhte Kupplungsenergie bemerkbar. Im Hinblick auf die Schwer-
159
Azofarbstoffe
löslichkeit der /-Säure in Wasser empfiehlt sich aber bei der Kupplung in saurer Lösung die Beobachtung ähnlicher Vorsichtsmaßregeln wie bei Naphthionsäure, damit k e i n e A u s s c h e i d u n g von /-Säure stattfindet. Allerdings liegt hier eine gewisse Gefahr darin, daß bei nicht ausreichender Acidität der Lösung statt des einheitlichen, dem Symbol I I entsprechenden Farbstoffes ein Gemisch entsteht. Jedoch scheint die Neigung der /-Säure auf der sogenannten „ N a p h t o l seite", also in 7-Stellung, zu kuppeln selbst in schwach essigsaurer Lösung sehr gering zu sein, so daß die Lösungen von 1 Mol. /-Säure in 2 Mol. Na-Acetat, wobei ein Gemisch aus annähernd 1 Mol. Na-Salz der /-Säure + 1 Mol. Na-Acetat + 1 Mol. Essigsäure entsteht, eine genügende Acidität besitzen, um auch schon die ersten Anteile der schwach salzsauren Diazolösung in die 1-Stellung, d. h. in o-Stellung zur A m i n ogruppe zuweisen. Im weiteren Verlauf der Kupplung nimmt die Acidität der Reaktionsmischung fortwährend zu; eine m i n e r a l s a u r e Reaktion auf Kongopapier ist jedoch zu v e r m e i d e n . Die Untersuchung des Reaktionsproduktes und desForts'chrittes der Kupplung erfolgt in gleicher Weise, wie dies oben ausführlich bei Kongorot geschildert wurde.
IN
2. Diaminschwarz RO. OH N N HO X/ N = N — < > — / > — X
» YYY =
H,N X / x
^^/^SOjNa
/NH,
NaOsS
Ausgangsmaterialien: 9,2 g Benzidin 100 °/0 ig = '/ 20 Mol.; etwas mehr-als 1 / 10 Mol., also etwa 30 g /-Säure, M = 278. Hilfsstoffe: 25 g konzentrierte HCl; 6,9 g NaN0 2 1 0 0 % i g ; 45 g calcinierte Soda. Darstellung. 9,2 g Benzidin 100 °/ 0 ig werden in der auf S. 156 f. angegebenen Weise tetrazotiert; (Volumen der Tetrazolösung etwa 1 / 2 1) Andererseits löst man 30 g /-Säure, M = 2R 2 -KR 3 als beendigt. angesehen werden darf. Die sekundären Disazofarbstoffe sind r o t , wenn sie auf den Atomkomplex (I)
C6H5 • N = N - C 6 H 4 - N = N - C 1 0 H 6 - , _
v i o l e t t s c h w a r z b i s b l a u s c h w a r z , wenn sie auf die Atomkomplexe (II) (III)
oder
C6H5—N=3ST~C10Ha—M"=]sr—C10H6— C10H7-n=N-C10H6-N=N-C10H6-
zurückführbar sind. In den letzten beiden Fällen ist es die Einführung des «-Naphtylaminrestes und die damit bewirkte Atomgruppierung, N = N _ i in „Mittelstellung", n=jst— welche die Verschiebung des Farbentones nach Blau bzw. Schwarz bedingt. Die vom Atomkomplex I (s. o.) sich ableitenden roten Disazofarbstoffe enthalten als Diazokomponenten das Aminoazobenzol, seine Homologen und Sulfonsäuren, als Azokomponenten das a- und ßNaphtol und deren Sulfonsäuren. Bei der Prüfung ihrer L ö s u n g s f a r b e in k o n z e n t r i e r t e r S c h w e f e l s ä u r e zeigt sich, daß diese abhängig ist von der S t e l l u n g d e r S u l f o g r u p p e n : Befinden sich diese letzteren lediglich im Naphtalinkern, wie im /OH Brillantcrocein, c„h 6 —n=n—c„h 4 —N=N—o 10 H 4 ^-so 8 iira , \S08Na
aus Aminoazobenzol —>• 2-Naphtol-6-8-disulfonsäure, so ist die schwefelsaure Lösung violett. Möhlau u. Bücherek. 2. Aufl. 11
162
Farbstoffe
Befinden sich die Sulfogruppen lediglich in den Benzolkernen, wie im Biebricher Scharlach, /S03Na N a O s S — C 6 H 4 — C 6 H 3 ^ N = M " — C10H6—OH, aus Aminoazobenzoldisulfonsäure — / 9 - N a p h t o l , so ist die Lösungsfarbe grün. Farbstoffe, welche die Sulfogruppe sowohl im Benzolkern als auch im Naphtalinkern enthalten, wie Croceinscharlach 3B,
/OH NaOsS—C6H4—N=N—C6H4—N=N—C10H6^-SOsNa , aus Aminoazobenzolsulfonsäure —>- 2-Naphtol-8-sulfonsäure, lösen sich in Schwefelsäure mit blauer Farbe. Bei der Herstellung der dem Schema I I und I I I (s. o.) entsprechenden Farbstoffe verfährt man so, daß man zunächst die erste Komponente, als Diazoniumverbindung B^-N^Cl, mit «-Naphtylamin oder mit l-Naphtylamin-6- bzw. -7-sulfonsäure zu einem Aminoazokörper R ' - N ^ R ^ N H g vereinigt, diesen nochmals diazotiert (R'-N 2 R 2 -N 2 -Cl) und mit der endständigen Komponente — «-Naphtylamin, Phenyl-«-naphtylamin, Diphenyl-m-phenylendiamin, Naphtol-, Aminonaphtol- und Dioxynaphtalinsulfonsäuren — kuppelt. Auf diese Weise entstehen u. a. die für die Schwarzfärberei der Wolle wichtigen Farbstoffe vom Typus des N a p h t o l - und N a p h t y l a m i n s c h w a r z , wie z. B.: Naphtylaminschwarz D, (NaO a S) 2 >C 10 H 6 -]Sr=N-C 10 H 6 -M-=N-C 10 H 6 • NH,, aus l-Naphtylamin-4,7-disulfonsäure —>- «-Naphtylamin Naphtylamin;
— u -
Naphtolschwarz B, /OH (NaOsS)2—Cl0H5—N=N—CltH,—K"=N—C10H4(—S03Na , \S0 3 Na aus 2-Naphtylamin-6,8-disulfonsäure 2-Naphtol-3,6-disulfonsäure;
—«-Naphtylamin
—>-
Victoriaschwarz,
/OH NaOsS—C6H4—N=N—C, 0 H 9 -N=N-C 1 0 H 4 (-OH \SO a Na aus Sulfanilsäure —>- «-Naphtylamin sulfonsäure;
—>-
l,8-Dioxynaphtalin-4-
Azofarbstoffe
163
Diamantschwarz, H
O
O
^
0
^
-
^
1
1
-
0
"
3
«
-
^
-
0
'
«
^
'
aus p-Aminosalicylsäure —>- «-Naphtylamin —>• l-Naphtol-4-sulfonsäure. Infolge der benachbarten Stellung von Hydroxyl und Carboxyl im Molekül der p-Aminosalicylsäure ist das Diamantschwarz ein Beizenfarbstoff, der wegen der Echtheit seiner Chromlacke in der Wollfärberei starke Verwendung findet. Übungsbeispiele. 1. Biebricher Scharlach. /S0 3 Na ^ Na0 3 S—-N=N——N=MT—/V
HOA^ 1/ 10
Ausgangsmaterial: Mol. = 35 g Aminoazobenzoldisulfonsäure (oder entsprechende Mengen Na-Salz), .SO, Na NaOaS • C 6 H 4 —N=N— C . H / j i H , ; 13 g /9-Naphtol. Hilfsstoffe. 10,5 g calcinierte Soda; 6,9 g NaN0 2 100°/ 0 ig; 55 g konzentrierte HCl (spez. Gew. 1,19); 50 g Natronlauge von 40° B 6 ; Kochsalz. Darstellung. 3 5 g A m i n o a z o b e n z o l d i s u l f o n s ä u r e werden nebst 10,5g c a l c i n i e r t e r Soda in 4 1 Wasser gelöst. Die Lösung muß schwach sodaalkalisch sein. Nach Hinzufügung einer konzentrierten Lösung von 6,9 g Natriumnitrit (100°/ 0 ig) wird das 30° warme Gemisch in die 3 0 ° warme Mischung von 5 5 g k o n z e n t r i e r t e r S a l z s ä u r e (D 1,19) und 500 ccm Wasser eingerührt Es scheiden sich rötlichbraune, glitzernde Kristalle der ziemlich beständigen Diazo-Azosulfonsäure ab. Nach zwei Stunden läßt man die Suspension in die Lösung von 1 3 g /9-Naphtol und 50 g N a t r o n l a u g e (40 0 B6) in 500 ccm Wasser unter Rühren einlaufen. Die Flüssigkeit muß bis zuletzt alkalisch bleiben. Aus der roten Lösung wird der Farbstoff mit Kochsalz ausgesalzen, scharf abgesaugt und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. Braunrotes Pulver. In der wäßrigen Lösung bringt Alaunlösung einen gelatinösen roten Niederschlag des schwer löslichen Aluminiumsalzes hervor. Konzentrierte Schwefelsäure löst den Farbstoff mit grüner Farbe. L i t e r a t u r : F R I E D L Ä N D E R 1, Farbstofftabellen Nr. 247.
443;
NIETZKI,
Ber. 13,
800
(1838);
11*
SCHULTZ,
Farbstoffe
164
2. Naphtolschwarz B. •SOaNa
NaOaS NaO a S / X -
SOBNa
Ansgangsmaterial: Vio ~ 4 2 S Amino-G-Salz (M = 420); 14,3g «-Naphtylamin 100 °/0 ig; etwas mehr als 1 / 10 Mol. ß-Salz = etwa 50 g (M = 463). Hilfsstoffe: Eis; zweimal 6,9 g NaN0 2 100°/ o ig; 30 + 10 + 10ccm konzentrierte HCl (spez.Gew. 1,19); Na-Acetatlösung; NaCl-Lösung; 20 g calcinierte Soda. Die Darstellung des Naphtolschwarz erfolgt über den Monoazofarbstoff, HaO s S
das Na-Salz der Aminoazonaphtalindisulfonsäure. 1. A m i n o a z o n a p h t a l i n d i s u l f o n s ä u r e . 34,7 g 2 - N a p h t y l a m i n - 6 , 8 - d i s u l f o n s a u r e s N a t r i u m (100°/ 0 ig; der Gehalt ist genau zu bestimmen und eventuell das entsprechend größere Quantum eines niedriger prozentigen Salzes anzuwenden) werden in 500 ccm Wasser gelöst und mit der Lösung von 6,9 g N a t r i u m n - i t r i t (100 °/0 ig) in 30 ccm Wasser vermischt. Die Mischung rührt man in gut gekühlte verdünnte Salzsäure (30 ccm k o n z e n t r i e r t e S a l z s ä u r e + 50Öccm Wasser) ein. Sollte nach einer Viertelstunde noch freie Salpetrigsäure mittels Jodkaliumstärkepapier nachweisbar sein, so setzt man gelöstes naphtylamindisulfonsaures Natrium vorsichtig zu, bis die Salpetrigsäure gerade verschwunden ist. Nach halbstündigem Stehen rührt man die so erhaltene Diazolösung in die Lösung von 14,3g « - N a p h t y l a m i n und 10 ccm k o n z e n t r i e r t e r Salzsäure (D 1,19) in 500 ccm Wasser ein. Die Flüssigkeit färbt sich tief orangerot und scheidet nach vollendeter Kupplung auf Zusatz von Natriumacetat und Kochsalz das Natriumsalz der Aminoazosulfonsäure (s. o.) in rotvioletten Flocken aus, welche auf einem Faltenfilter aus gehärtetem Papier gesammelt und mit etwas Kochsalzlösung gewaschen werden. 2. N a p h t o l s c h w a r z . Der Filterrückstand wird unter Zufügung von Soda mit 2 1 Wasser zur Lösung gebracht, dann setzt man so viel Salzsäure zu, daß bei schwach saurer Reaktion eine
A zofarbstoffe
165
bordeauxrote Lösung entsteht. Diese wird mit 10 com k o n z e n t r i e r t e r S a l z s ä u r e (D 1,19) versetzt und unter Kühlung mit E i s unter Rühren allmählich mit der Lösung von 6,9 g N a t r i u m n i t r i t (100 °/0 ig) in 20 ccm Wasser vereinigt. Die nach einstündigem Rühren fertig gebildete gelborange Diazolösung läßt man in die Lösung von 1 / w Mol. 2-Naphtol-3,6-disulfonsaurem Natrium ( = 35 g 100°/ 0 ig) und 20 g calcinierter Soda in 500 ccm Wasser einlaufen. F ü r alkalische Reaktion der Flüssigkeit w ä h r e n d d e r g a n z e n D a u e r d e r z w e i t e n K u p p l u n g ist Sorge zu tragen. Die blauviolette Lösung wird nach mehrstündigem Stehen erwärmt, worauf der Farbstoff durch Einrühren von Kochsalz abgeschieden wird. Eigenschaften. Nach dem Abfiltrieren, Trocknen auf Ton und Zerreiben bildet er ein violettschwarzes Pulver mit Bronzeglanz, in konzentrierter Schwefelsäure mit grüner Farbe löslich. Literatur:
FRIEDLÄNDER 1 , 4 5 0 ;
SCHULTZ,
Farbstofftabellen Nr.
272.
III. Pyrazolonfarßstoffe. Die Pyrazolonfarbstoffe, von denen mehrere technische Verwendung gefunden haben, leiten ihren Namen ab von dem einfachsten Pyrazolon der Konstitution CH==1TX
l >N"H CHj-CO/ (also CO in 5-Stellung!), welches selbst f a r b l o s und nicht als eigentliches Chromogen anzusehen ist. Die Pyrazolone werden in der Regel aus /i-Keto-Carbonsäuren (bzw. deren Estern) und Hydrazinen dargestellt: R
R
CO + H 2 N \ i NNH.R' CH,—CO OH |S-Keto-Carbonsäure (bzw. Ester) + Hydrazin
C --Ii. I > N . R ' + 2 H , 0 (bzw. Alkohol). 2 CH,—Co/ Pyrazolon
Die in 4-Stellung befindliche CH 2 -Gruppe ist durch eine erhöhte Reaktionsfähigkeit ausgezeichnet. So entstehen z. B. durch Kuppeln der Pyrazolone, R
C-
Rx
CH2—CO/
'
mit Diazoniumchloriden, R"-N 2 -Cl, in ähnlicher Weise wie mit Phenolen und Naphtolen, Verbindungen der allgemeinen Formel R
R
C=-CH I
>N-R' CO V/ ..
(Azo-Formel)
. j _.. oder
C-=\N" X i >N-R' ,
c—co/ Ii N-NH'R"
'
(Hydrazon-Formel)
die einen ausgeprägten Farbstoffcharakter besitzen, der nach dem oben Gesagten auf das Vorhandensein einer Azo-(—N=N—E") bzw. einer Hydrazongruppe (=N-NH-E") zurückzuführen ist. Die Gewinnung solcher Pyrazolonfarbstoffe aus Pyrazolonen durch Kombination derselben mit Diazoniumverbindungen gestaltet sich in der Eegel sehr einfach und entspricht vollkommen der Darstellung eines normalen Azofarbstoffes aus Diazo- und Azokomponente, z. B. aus Benzoldiazoniumchlorid und Naphtolsulfonsäure.
167
Pyrazolonfarbstoffe
Pyrazolonfarbstoffe können aber auch als H y d r a z o n e (s. o.) des 4-Ketopyrazolons aufgefaßt und mithin als nach der Gleichung: R R C==NV C --Nx CO—CO' ~H!° C—CCK N'MH-ß" + HjN-NHR" entstanden gedacht werden. 4-Ketopyrazolone werden ihrerseits aber aus «,/S-Diketo-Carbonsäuren und Hydrazinen erhalten. Aus alledem geht hervor, daß man einen Pyrazolonfarbstoff auch erhalten kann, wenn man auf a, /9-Diketo-Carbonsäuren vom Typus R CO CO—COOH unmittelbar 2 Mol. Hydrazin, die unter sich gleich oder verschieden sein können, einwirken läßt. Von diesen findet das eine für die 4-Ketopyrazolon-, das andere für die Hydrazonbildung Verwendung, gemäß dem Schema: R R CO + H,N\ C-Nx i ^ \nH-R' —>l >NR' + 3 H 2 0 . CO—COOH C—CO/ TT II . V8 N-NH-R" H-NH-E" Nach diesem Verfahren stellt man in der Technik einen der ältesten Pyrazolonfarbstoffe, das T a r t r a z i n , dar. Hierbei geht man aus von dem Dihydrat einer u, /?-Diketo-Carbonsäure, nämlich dem dioxyweinsauren Natron: COONa ¿(OH), C(OH)2—COONa , und kondensiert dasselbe mit 2 Mol. Phenylhydrazin-p-sulfonsäure, HjN• NH• C6H4• SOgH, nach dem Schema: COONa ¿(OH)2 + H ^ ^ M o ^ 9 C(OH)2—COONa COONa i und
¿ o _ c ^ > N C a H 4 .SO s Na .
N.NH.C6H4.SO3H (2. Molekül)
COONa ^
h
CO—CO/ COOH i ^ ¿ J
c o
> N C 6 H 4 .S0 3 Na + HsO .
N • NH • CeH4 • SO,Na Tartrazin
168
Farbstoffe
Die freie Phenylhydrazin-p-sulfonsäure (aus Diazosulfanilsäure durch Reduktion erhältlich, s.S. 73 f.) ist in Wasser schwer, ihrNa-Salz hingegen leicht löslich. Umgekehrt ist das Na-Salz der Dioxyweinsäure (die aus Weinsäure durch Oxydation mit HN0 3 entsteht, wobei als Zwischenkörper eine Nitroweinsäure auftritt, s. S. 83f. i n Wasser sehr schwer löslich, während die freie Säure, die bei 98 0 unter Zersetzung schmilzt, leichter löslich ist. Die Kondensation der beiden Komponenten zum Farbstoff erfolgt ziemlich leicht beim bloßen Erhitzen in wäßriger Lösung auf dem Wasserbade. Die beiden Na-Atome der Dioxyweinsäure wandern, entsprechend der stärkeren Acidität der Sulfogruppen gegenüber der Carboxylgruppe, zu den ersteren (s. Reaktionsschema). Der technische Farbstoff stellt das Tri-Na-Salz dar, weshalb es nach vollendeter Farbstoffbildung einer Neutralisation des Farbstoffes mit Soda bedarf. Übungsbeispiel. Tartrazin. (Konstitutionsformel s. o.) Ausgangsmaterial: 10 g p-Phenylhydrazinsulfonsäure; 5 g dioxyweinsaures Natron. Hilfsstoff: Konzentrierte Sodalösung. Darstellung. Man verreibt in einem Reibschälchen 10 g Phenylhydrazinsulfonsäure mit 5 g dioxyweinsaurem Natron und etwa 25—35 ccm Wasser und erwärmt den dünnen Brei in einem Kölbchen so lange auf dem kochenden Wasserbade, bis völlige Lösung eingetreten ist; nötigenfalls erhitzt man die Reaktionsflüssigkeit kurze Zeit zum gelinden Sieden. Den Fortschritt der Farbstoffbildung erkennt man an der zunehmenden Färbung des Reaktionsgemisches. Ist dieselbe beendigt, so wird mit konzentrierter Sodalösung neutralisiert (Prüfung mit Lackmuspapier!), von etwaigen Verunreinigungen heiß filtriert und das Filtrat zur Kristallisation gestellt. Tritt hierbei eine Ausscheidung von Farbstoff nicht oder nur in ungenügendem Maße ein, so kann dieselbe durch Zugabe von festem NaCl herbeigeführt werden. Eigenschaften. Tartrazin dient in Form seines Tri-Na-Salzes als gelber Farbstoff für Wolle. Es ist ein sehr leicht lösliches gelbes, kristallinisches Pulver; durch Natronlauge wird die Farbe etwas rötlicher. L i t e r a t u r : Schultz, Farbstofftabellen Nr. 23; Anschütz, Ann. 294, 226; Gnehm and Benda, Ann. 299, 127.
IV. Diphenylmethan- und Triphenylmethanfarbstoffe. Werden im Methan, CH 4 , zwei bzw. drei Wasserstoffatome durch Phenvl ersetzt, so resultieren die aromatischen Kohlenwasserstoffe: R* TT Diphenylmethan
,C6H5 Triphenylmethan
Beide sind die Muttersubstanzen einer Reihe technisch außerordentlich wichtiger Farbstoffe.
I. Diphenylmethanfarbstofte. Das Diphenylmethan steht in naher Beziehung zum Diphenylketon oder Benzophenon, da letzteres durch Reduktion zunächst in Benzhydrol, HOxp.CsHs h-> o < -C 0 H 5 ' und schließlich in Diphenylmethan übergeht. Dieselbe Beziehung besteht zwischen dem Tetramethyl-p-diaminodiphenylmethan : TT n / W ' ^(^Hä^ C 6 H 4 • II(CH 3 ) A
und dem Tetramethvl-p-diaminobenzophenon
(MICHLEES
Keton):
welche, ersteres durch Oxydation, letzteres durch Reduktion, in das entsprechende Benzhydrol ( M I C H L E E S Hydrol): HONF,.C6HT.N(CH!)I ^ C 6 H 4 • LI(CH 3 ) 2 '
übergeführt werden können. Wird in genanntem Keton das Sauerstoffatom durch die äquivalente Iminogruppe oder durch den zweiwertigen Rest eines primären aromatischen Amins, wie = N - C 6 H 5 , ersetzt, so entstehen die sogen. A u r a m i n e , die, nach der Formel -R
INJ
R«^C6H4 • N(CH8),
JM—^C6H4.N(CH8)2
170
Farbstoffe
zusammengesetzt, daher auch als Ketonimine oder Azomethine bezeichnet werden können. Die Salze, welche diese Basen mit Säuren bilden, haben, das Chlorhydrat als Beispiel genommen, die Formel: H R-N-C^0»11*-1^011')* i CsH* • N(CH3)2 * C1 Die Auramine sind sog. Tanninfarbstoffe. Die einfachsten Glieder färben die Faser gelb. Ihre arylierten Substitutionsprodukte erteilen letzterer eine bräunliche Farbe. Zu technischer Verwendung sind diese nicht gelangt. Für ihre Darstellung kommen folgende Verfahren in Betracht: 1. Erhitzen eines Gemenges von MiCHLEKschem Keton und Salmiak in Gegenwart von entwässertem Chlorzink (CAKO und KERN). Hierbei bildet sich Auraminchlorhydrat nach der Gleichung: H C1 2. Erhitzen von Tetramethyldiaminodiphenylmethan mit Schwefel, Salmiak und Kochsalz in einem Ammoniakstrom (SANDMEYER). Als Zwischenprodukt entsteht dabei Tetramethyldiaminothiobenzophenon:
welches sich mit Ammoniak unter Schwefelwasserstoffbildung zu Auramin umsetzt. Die Auramine sind als Salze gegen k o c h e n d e s W a s s e r u n b e s t ä n d i g . Sie werden gespalten in Amin und Keton: H HW - 0 < -C H .N(CH ) 8 4 3 2 i C1 H2 o Salmiak MICHLERS Keton Schwefelwasserstoff bildet mit ihnen Amin und Thioketon, Schwefelkohlenstoff erzeugt Rhodanwasserstoff bzw. Arylsenföl und Thioketon. Nascierender Wasserstoff führt die Auraminbasen in alkoholischer Lösung in L e u k a u r a m i n e über, welche auch durch Umsetzung von Ammoniak bzw. primären Aminen mit MICHLERS Hydrol darstellbar sind:
Diphenylmethan- und Triphenylmethanfarbstoffe C 6 H 4 • N(CH S ) 2
+
M2
171 u n d
^ C 6 H 4 • mCHjjj Leukauramin
Phenylleukauramin
Derartige Arylleukauramine lassen sich auch durch Umsetzung von Arylaminen mit Leukauramin erhalten:
Die Leukauramine werden durch Säuren außerordentlich zerlegt in Ammoniak' (bzw. Amin) und Hydrol:
leicht
C 9 H 4 .N(CH 3 ) 2
HjN— C ^ C 6 H 4 . N ( C H 3 ) a , H
H
OH
dessen Auftreten an der blauen Farbe seines chinoiden namentlich bei Anwendung von Essigsäure kenntlich ist: H,
H O) '> C < - C 6 H 4 . N ( C H 3 ) ,
+
H O O Ü
HG
^CaH4=N(CH3)2
Salzes
+
•
O • CO • CH, Blaues Hydrol-Acetat
Übungsbeispiel. Auramin:
? X^y-mcx*), —.
HN=C(
¿1 Ausgangsmaterial: 10 g Tetramethyldiaminobenztfphenon, 10 g Salmiak, 10 g entwässertes Chlorzink. Darstellung. Die innige Mischung von 10 g MiCHLEßschem Keton, 10 g trocknem Salmiak und 10 g durch Schmelzen entwässertem und pulverisiertem Chlorzink wird (zweckmäßig in einer LIEBIG sehen Fleischextraktbüchse) in einem auf 2 0 0 ° angeheizten Ölbade unter zeitweiligem Rühren mit einem Glasstab so lange erhitzt, bis • sich eine Probe in warmem Wasser vollständig löst. Dies ist nach etwa l 1 ^ Stunden der Fall. Nach dem Erkalten wird die nunmehr dunkelgelbe und feste Schmelze pulverisiert und zur Entfernung der überschüssigen anorganischen Salze mit 100 ccm Wasser kurze Zeit bei gewöhnlicher Temperatur digeriert. Der ab-
172
Farbstoffe
gesaugte Rückstand wird in 4 1 Wasser auf dem Wasserbade bei 50° bis zur Lösung erwärmt und darauf filtriert. Aus dem gelben Filtrat wird durch Einrühren von gepulvertem Kochsalz das Auramin in der Form feiner gelber Blättchen ausgeschieden. Es wird abfiltriert, mit Kochsalzlösung ausgewaschen und auf Ton getrocknet. Nimmt man zum Lösen der Schmelze wenig Wasser, so erhält man das in gelben Blättern kristallisierende Chlorzinkdoppelsalz des Auramins. Eigenschaften. Gelbes, kristallinisches Pulver, in Wasser mit hellgelber Farbe schwer löslich in der Kälte, leicht löslich bei 70°; löslich in Alkohol. Die wäßrige Lösung entfärbt sich auf Zusatz von Salzsäure beim Kochen (Spaltung in Salmiak und Tetramethyldiaminobenzophenon). Sie gibt (vor dem Kochen) auf Zusatz von Natronlauge einen weißen Niederschlag der Auraminbase, welche, in Äther gelöst, verdünnte Essigsäure beim Schütteln gelb färbt; n a c h dem Kochen mit Salzsäure hingegen auf Zusatz von Natronlauge einen weißen Niederschlag von M I C H L E R S Keton, welcher, in Äther gelöst, beim Schütteln mit verdünnter Essigsäure diese farblos läßt. 2844;
Nr.
L i t e r a t u r : C A R O und K E R N , G B A E B E , Ber. 2 0 , 3 2 6 0 ; F E E R ,
FRIEDLÄNDER FRIEDLÄNDER
1, 2,
99; 60;
Ber. 2 0 , Farbstofftab.
FE'HRMANN, SCHULTZ,
494.
II. Triphenylmethanfarbstoit'e. Die Triphenylmethanfarbstoffe sind, in ihrer Leukoform, auxochrom substituierte Triphenylmethan- bzw. Diphenyltolylmethan- und Diphenylnaphtylmethan Verbindungen. Führt man in jedes Phenyl paraständig zum „Methankohlenstoff" eine Aminogruppe bzw. Hydroxylgruppe ein, so erhält man das p-Triamino- bzw. p-Trioxytriphenylmethan: H
H
H 2 N . H 4 C 6 —C—C„H 4 • N H 2
H O • H4C6—C—C8H4 • O H
A
0
NHj p-Triaminotriphenylmethan
A
V
OH p-Trioxytriphenylmethan
Wie das Triphenylmethan bei der Oxydation Triphenylcarbinol liefert: ,C 9 H 6 HC^C„HS + O
^CaH*
so verwandeln sich auch die erwähnten Triphenylmethanderivate in die entsprechenden CarbinolVerbindungen:
Diphenylmethan- und Triphenylmethanfarbstoffe OH
17g
OH
H2UT. H 4 C a —C—C 6 H 4 .NH,
A
HO • H t C s —C—C 6 H 4 - OH
und
A
NH,
OH
p-Triaminotriphenylcarbinol
p-Trioxytriphenylcarbinol
welche durch Wasseraustritt in die chinoiden Körper:
A
V
u„a
NH Diaminofuchsonimin (Pararosanilin)
übergehen.
A
H O • H 4 C 6 —C—C a H,. OH
H , N • H.C.—C—C.H.'NH,
y
O Dioxyfuchson (Aurin)
Diesen entsprechen die Grundsubstanzen: —C—C 6 H 5
A i j! ii
NH Fuchsonimin
H 6 C 6 —C—C 0 H 5
und
AJ
i n
O Fuchson
als die einfachsten Repräsentanten der F u c h s o n i m i n f a r b s t o f f e und der F u c h s o n f a r b s t o f f e . A.
Fuchsoniminfarbstoffe.
Als Fuchsoniminfarbstoffe sind, alle vom Triphenylmethan und seinen Analogen abgeleiteten basischen Farbstoffe zu betrachten, welche stickstoffhaltige Gruppen enthalten. Sie werden daher auch als Aminotriphenylmethanfarbstoffe bezeichnet und nach B a e y e r s Vorschlag zweckmäßig als basische Abkömmlinge des Fuchsonimins angesprochen. Das Fuchsonimin ist farbig, es bildet rotorange Salze, welohe nur tannierte Baumwolle färben. Sein Farbstoffcharakter tritt erst dann deutlich in die Erscheinung, wenn mindestens eine (freie oder substituierte) Aminogruppe, paraständig zum Methankohlenstoff, in einen der nicht chinoiden Benzolreste eintritt. Bezüglich der Farbe solcher Farbstoffe gelten folgende Eegeln: Die Einführung einer Aminogruppe in das Fuchsonimin führt zu einer Base, welche rotviolette Salze bildet (Döbners Violett, s. u.). Die weitere Amidierung des noch nicht substituierten Benzolkerns in diesem Farbstoff hat die Bildung des bläulichroten p-Ros-
174
Farbstoffe
a n i l i n s zur Folge. Die Alkylierung beider Farbstoffe bedingt deren Übergang in grüne bzw. blauviolette und blaue Farbstoffe. Die höber alkylierten DiaminofucbsonimoHiumchloride (Fucbsine) werden zu grünen Farbstoffen durch Unwirksammachen einer (eventuell substituierten) Aminogruppe, sei es durch Anlagerung eines quaternär gebundenen Halogenalphyls (Methylgrün aus Kristallviolett), sei es durch Anlagerung eines weiteren Äquivalents Säure (labile grüne Salze), oder durch Skraupieren der Aminogruppe, durch Acetylieren, oder durch gänzliche Entfernung derselben (Malachitgrün). Die Eosanilinfarbstoffe sind die einfachsauren Salze basischer Derivate des Fuchsonimoniums: H6Ca—C—C,H5 ii
h6c8-c-c6h5
0
Q•
H—N—H i C1 Fuchsonimoniumchlorid
HaC—N"—CHS i C1
Fuehsondimethylimoniumchlorid
Die Farbbasen (Fuchsonimine) verwandeln sich unter dem Einfluß der Alkalien durch Wasseranlagerung, unter Vernichtung des chinoiden Chromophors, in Carbinolverbindungen (den umgekehrten Vorgang der Bildung von Farbstoffbasen aus Carbinolen s. oben). Durch Eeduktion gehen die Eosanilinfarbstoffe in Leukobasen (basische Abkömmlinge des Triphenylmethans und seiner Analogen) über, welche nicht befähigt sind, mit Säuren Farbstoffe zu geben, durch Oxydation jedoch sich in Carbinolbasen verwandeln, welche durch Wasserabspaltung die eigentlichen Farbbasen und, mit einem Säuremolekül zusammentretend, die Farbstoffe liefern. A. D i a m i n o t r i p h e n y l m e t h a n f a r b s t o f f e . Das einfachste Glied dieser Farbstoffgruppe, welche man auch als F a r b s t o f f e d e r M a l a c h i t g r ü n r e i h e bezeichnet, ist Doebners Violett (Aminofuchsonimoniumchlorid)
II H—N—H 1 C1
Diphenylmethan- und Triphenylmethanfarbstoffe
175
welches als ihre Muttersubstanz zu betrachten ist, von der sie sich durch Alkylierung ableiten lassen. Diese Farbkörper entstehen bei der Wechselwirkung aromatischer Aldehyde mit primären, sekundären und tertiären aromatischen Basen bei Gegenwart von Säuren oder Chlorzink in der Wärme in der Form ihrer Leukoverbindungen, welche durch einen nachfolgenden Oxydationsprozeß in die Farbstoffe umgewandelt werden (E. u n d
0 . FISCHER).
So bildet sich z. B. das M a l a c h i t g r ü n im Sinne der Gleichungen: l)
HC
2 >C6H4=N(CH3\C1 .
4. Methylierte Rosaniline lassen sich durch Erwärmen einer Mischung von Dimethylanilin mit Kupferoxydsalz, Essigsäure und Sand (zur Vergrößerung der Oberfläche) darstellen (LAUTH, 1861). Diese Bildungsweise beruht darauf, daß zunächst ein Teil des Dimethylanilins in Monomethylanilin und Formaldehyd übergeführt wird: C 0 H 5 -N(CH 3 ) 2 + o
->-
C 6 H 5 N H CH 3 + H 2 CO ,
welcher sich mit Dimethylanilin und Monomethylanilin zu Triphenylmethanderivaten kondensiert, die dann weiter zu Abkömmlingen des Triphenylcarbinols oxydiert werden: H - C H O + 2C 6 H 5 .N(CH 3 ), + C 6 H j N H . C H 3 + 2 0
— >-
/ C 6 H,.IT(CH3) 2 HO • C--C 6 H 1 >li(CH ) ) 9 + 2 H s O , \ C a H 4 • N H • CH, Carbinolbase des Pentamethylpararosanilins
H . C H O + 3C 6 H 6 .N(CH 3 )s
HO.C[C 6 H 4 -N(CH3) 2 ] 3 + 2 ^ 0 . Carbinolbase des Hexamethylpararosanilins
5. Alkylierte Rosaniline bilden sich ferner bei der Einwirkung von Phosgen auf tertiäre aromatische Basen ( P h o . s g e n v e r f a h r e n v o n KERN u n d CARO, 1883).
Bei dieser Reaktion entsteht im ersten Stadium Tetraalkyldiaminobenzophenon, welches nach Überführung in sein Chlorid (durch C0C12 oder P0C13) mit einem dritten Molekül der aromatischen Base zu Hexaalkylpararosanilin zusammentritt:
184
Farbstoffe COC1, + 2 C 6 H 5 - N ( C H 3 ) !
>-
O C[C„H 4 • N(CH 3 ) 2 ] 4 + C 0 C 1 2
OC[C6H4.N(CHS)I], + 2 H C l , CLJC^CEH^^CHÄ),,], + C O , ,
Cl a C[C 6 H 4 .N(CH 3 ) 2 ] 2 + C 6 H 5 . N ( C H , ) 2
>-
C^-C.H.-NiCH,),, + HCl . >CaH4=N(CH3)2
i C1
Hexamethylpararosanilinchlortaydrat, Hexamethyldiaminofuchsonimoniumchlorid
6. Kondensation von tetraalkylierten Diaminobenzhydrolen mit Aminen, Phenolen, Carbonsäuren, Naphtalin, Naphtalinsulfonsäuren, Nitrobenzol und einigen Oxazinfarbstoffen. Tetramethyldiaminobenzhydrol vereinigt sich mit Dimethylanilin in verdünnter schwefelsaurer Lösung zu Hexamethylparaleukanilin, der Leukobase des Kristallvioletts: H
H>c
C6H6 •
< O • C1 + 2 HCl + H , 0 .
Dieselben Farbstoffe bilden sich, dem F I S C H E K sehen Malachitgrün-Prozeß (s. S. 175) entsprechend, durch Einwirkung aromatischer Aldehyde auf m-Aminophenole und weitere Behandlung der zunächst gebildeten Leukobasen im Sinne der Pyroninbereitung: P TT 1.
C6H6CHO + 2C6H4- C e H { . C H < 2 ^ 0 CeHs
+ 2HjO . C6H6
/CH
0 Yi
2
+ H,0
»HS
rrVi I
C1
+ H,O.
197
Xanthenfarbstoffe
4. Bhodamine. Die Rhodamine, 1887 von OERESOLE entdeckt, sind die basischen Analogen der Fluorescelne (s. S. 202 ff.) und verhalten sich zu diesen, wie die Farbstoffe der ßosanilinreihe zu den Rosolsäurefarbstoffen. Gleich den Rosanilinfarbstoffen sind die Rhodamine, besonders die am Stickstoff alkylierten, basische Farbstoffe von ausgeprägterem Färbevermögen als die entsprechenden hydroxylierten Analogen; auch sind ihre Färbungen echter als die Färbungen jener. Ihre Lösungen zeigen meiist eine starke Fluorescenz, welche zum Teil auch auf den gefärbten Fasern sichtbar ist. Zu ihrer Darstellung dienen zwei Methoden. Nach der einen Methode werden Phtalsäureanhydrid oder die Anhydride substituierter Phtalsäuren mit m-Aminophenolen kondensiert. Z. B. entsteht T e t r a ä t h y l r h o d a m i n nach dem Schema:
C6H4—CO I I
c
>-
2HsO +
ftC^AAoimlA/^CÄ),
/ y
o
Y )
(H^pAAo/V^NlCA), C6H4COOH
ryV:
^
I
C1 Von dieser Methode ist eine zweite, von HOMOLKA und BÖDEKEK 1888 gefundene, prinzipiell verschieden, welche das durch Einwirkung von Phosphorpentachlorid auf Fluoresceln erhaltene F l u o r e s c e l n c h l o r i d zum Ausgangspunkt nimmt. Beim Erhitzen mit den Salzen sekundärer Amine setzt sich dasselbe beispielsweise im Sinne folgender Gleichung um: CeH4-CO 1 I
C—o |
/
\ / \
]
j
ci/\./\0/\/\cl
+2HN(C2H5)a
—V
C„HvCOOH
i
(H5C2)2N/x-/\0/\/\N(C2H5)! I
C1
+
H C 1
•
Farbstoffe
198
Da außer den sekundären Aminen der aliphatischen Eeihe auch primäre und sekundäre aromatische Amine in ganz analoger Weise mit Fluorescelnchlorid reagieren, so ist durch diese Methode die Herstellung einer weit größeren Zahl von Rhodaminen möglich, •welche, wie z. B. das E c h t s ä u r e v i o L e t t A2R, C6H4COOH
I
I i
! I NH • C
H3C. H4C6
6
H
8
< ^
N A
infolge der nachträglichen Einführung einer Sulfogruppe lichtbeständige und echte Seide- und Wollfarbstoife sind. Durch Behandlung mit esterifizierenden Agenzien werden die Rhodamine in höher alphylierte Verbindungen übergeführt, welche den Namen A n i s o l i n e erhalten haben. (MONNET und B E E N T H S E N 1889). Sie unterscheiden sich ron den Rhodaminen durch einen blaueren Ton, erhöhtere Affinität zur Faser und stärkere Basizität. Das R h o d a m i n 6G des Handels z. B. bildet sich durch Erwärmen des symmetrischen Diäthylrhodamins in alkoholischer Lösung in Gegenwart von Mineralsäure nach der Gleichung: C6H4.COOH
I
|
\
II
+ C2H5-OH -f HCl
C1 C6H4COOC2H5
H5C2- H N / ^ / ^ O / ' A N H - C , H s I C1
H20 +
HCL,
Rhodamin 6 G
Übungsbeispiel. C6H4.COOH
Rhodamin B:
QI
x / x
(H5C2)2N/\/^O/\/\N(C.2H5)S
I C1
Ansgangsmaterial: 8,5 g Diäthyl-m-aminophenol, 15 g Phtalsäureanhydrid. Vorgang: s. oben S. 197.
—>-
Xanthenfarbstoffe
199
Darstellung. 8,5 g Diäthyl-m-aminophenol werden mit 15 g Phtalsäureanhydrid gemischt und in einer L I E B I G s Fleischextraktbüchse im Olbade so lange auf ca. 180° erhitzt, bis die Schmelze fest geworden ist. Die oberflächlich grüne, im wesentlichen das P h t a l a t des Rhodamins enthaltende Schmelze wird nach dem Erkalten pulverisiert, und das braunrote Pulver mit einer 10°/ 0 igen Sodalösung bei 50° zweimal hintereinander digeriert. Dabei geht die Phtalsäure mit einem geringen Teil der Rhodaminbase in Lösung, die Hauptmenge der letzteren befindet sich im Rückstände, der, eine körnige rotbraune Masse bildend, feinstens zerrieben und mit 200 ccm Wasser und soviel verdünnter Salzsäure versetzt wird, daß die kochende rote Flüssigkeit' auf Kongopapier saure Reaktion zeigt. Nun läßt man erkalten und gießt die überstehende Flüssigkeit von der auf dem Boden befindlichen Schmiere (salzsaures Rhodamin) ab. Dieser Rückstand läßt sich aus wenig kochendem, mit Salzsäure schwach angesäuertem Wasser Umkristallisieren. Das Rhodaminchlorhydrat scheidet sich entweder beim langsamen Erkalten der Flüssigkeit oder nach teilweiser Eindunstung derselben in grünschillernden Kristallen aus. Eigenschaften. Grünes Kristallpulver; in Wasser leicht, in Alkohol sehr leicht mit bläulichroter Farbe löslich. Verdünnte Lösungen fluorescieren stark. Die Fluorescenz der alkoholischen Lösung verschwindet beim Erhitzen und kehrt beim Erkalten wieder. Wenig Salzsäure bewirkt in der wäßrigen Lösung allmähliche Ausscheidung des Chlorhydrats, viel Salzsäure eine scharlachrote Lösung, durch Wasserzusatz in bläulichrot übergehend. Wenig Natronlauge bewirkt in der Kälte keine Veränderung, in der Wärme Fällung rosenroter Flocken, welche sich in Äther und Benzol farblos lösen. Beim Kochen mit Natronlauge Geruch nach Diäthylamin. Konzentrierte Schwefelsäure löst unter Entwicklung von Salzsäure mit rötlichbrauner Farbe und stark grüner Fluorescenz. L i t e r a t u r : N O E L T I N G U . D Z I E W Ö N S K I , Ber. 3 8 , 3 5 1 6 ; 3 9 , 2 7 4 4 ; B E R N T H S E N , Chem.-Zeit. 16, 1 9 5 6 ; F R I E D L Ä N D E R 2, 6 8 , 7 9 , 8 6 ; SCHULTZ, Farbstofftab. Nr. 5 7 3 .
B. Fluoronfarbstoffe. Diese zerfallen in F l u o r o n e und P h t a l e i n e . 1. Fluorone. Die Fluorone entstehen, indem man a l i p h a t i s c h e Aldehyde mit m-Dioxyverbindungen zu substituierten Methankörpern kondensiert,
200
Farbstoffe
diese durch wasserentziehende Mittel in Xanthenderivate überführt und letztere oxydiert (Möhlatj, 1894). So vereinigt sich z.B. Formaldehyd mit Eesorcin zu M e t h y l e n diresorcin (Tetraoxydiphenylmethan): H 2 CO +
H- C 6 H3< O H
—^
H2C/
^ + H.O , C6H,0
reduziert werden kann. gH^-ITH, Unterwirft man dieses der Einwirkung von Salpetriger Säure und kocht die entstandene Tetrazoverbindung mit Wasser, so entsteht das p - D i o x y p h t a l o p h e n o n : C.H /
>0
welches mit dem aus Phenol und Phtalsäureanhydrid gebildeten P h e n o l p h t a l e l n identisch ist. Das Fluoresceln ist durch die starke hellgrüne Fluorescenz seiner gelben alkalischen Lösung ausgezeichnet. Durch e r s c h ö p f e n d e Bromierung verwandelt es sich in T e t r a b r o m f l u o r e s c e l n oder E o s i n , einen die animalischen Fasern gelbrot färbenden Farbstoff. Über die Stellung der Bromatome und der Hydroxylgruppen haben folgende Versuche Aufschluß gegeben: Durch kochende Natronlauge spaltet sich das Eosin in Dibromresorcin und Dibromdioxybenzoylbenzoesäure: CO /OH CeH^O^CaHBr, C C, 2118; R . MEYER und S A U L , Ber. 2 5 , 3586; NIETZKI und SCHRÖTER, Ber. 2 8 , 44 ; 0. FISCHER und H E P P , Ber. 2 8 , 396; SCHULTZ, Farbstofftabellen Nr. 585. 28,
2. Eosin:
B r
/\ I i \AcoONa W c \ / \ / B r
AAv O Bi>0/YrN0Na
Ansgangsmaterial: 15 g Fluoresceln, 33 g Brom. Vorgang: Bromierung des Fluoresceins.
Xanthenfarbstoffe
209
Darstellung. In 60 g 50°/ 0 igem Alkohol werden 15 g fein gepulvertes Fluoresceln suspendiert. Zu der Suspension läßt man unter Rühren im Verlauf von 15 Minuten 33 g = 11 ccm Brom zutropfen. Wenn die Hälfte der Brommenge zugetreten ist, befindet sich alles Fluoresceln als Dibromid in Lösung. Auf weiteren Zusatz fällt das Tetrabromderivat in roten Blättchen aus. Man läßt das Reaktionsgemisch noch 2 Stunden stehen, filtriert den Niederschlag ab, wäscht ihn mit Alkohol nach und trocknet ihn auf Ton. Zur Umwandlung in das N a t r i u m s a l z werden 12 g Tetrabromfluorescein mit 2 g entwässerter Soda verrieben, in einem 250 ccmKolben mit etwas Alkohol durchfeuchtet und nach Zusatz von 10 ccm Wasser so lange auf dem Wasserbade erwärmt, bis die Kohlensäureentwicklung aufgehört hat. Zu der so erhaltenen Lösung von Eosinnatrium fügt man dann 40 g Alkohol, erhitzt zum Sieden und filtriert die heiße Lösung. Nach Verlauf von etwa 12 Stunden haben sich metallisch glänzende, braunrote Nadeln abgeschieden, welche abgesaugt, mit einer Mischung von Ätheralkohol nachgewaschen und auf Ton getrocknet werden. Eigenschaften. Rote, bläulichglänzende Kriställchen oder bräunlichrotes Pulver, in Wasser und Alkohol leicht löslich mit blauroter Farbe und gelbgrüner Fluorescenz. Salzsäure fällt aus der wäßrigen Lösung gelbrote Flocken. Konzentrierte Schwefelsäure löst mit gelber Farbe; beim Verdünnen mit Wasser entsteht ein gelbroter Niederschlag. L i t e r a t u r : B A E Y E R , Ann. 183, 1; R . M E T E R , Ber. 2 8 , Ber. 28, 3 1 2 ; SCHULTZ, Farbstofftabellen Nr. 5 8 7 .
1576;
HELLER,
Gallexn und Coerulein. G-alleln. Wird Phtalsäureanhydrid mit Gallussäure auf 200° erhitzt, so geht letztere unter Kohlensäureabspaltung in Pyrogallol über, welches sich mit Phtalsäureanhydrid zu Galleln kondensiert. Das Galleln ist ein dihydroxyliertes Fluoresceln:
OH
OH
Die Verbindungen des Gallelns mit den Alkalien und alkalischen Erden sind rotviolett bis blau und in Wasser löslich; dieMÖHLAC U. BCCHKRER.
2. Aufl.
210
Farbstoffe
jenigen mit Eisen, Aluminium und Chrom rot- bis blauviolett und unlöslich. Zufolge der o-Stellung zweier Hydroxyle zueinander und zum chromophoren Sauerstoff ist das Gallein ein ausgesprochener B e i z e n f a r b s t o f f und findet als Chromlack in der Färberei von Baumwolle, Wolle und Seide praktische Verwendung. Coerulei'n. Das Gallein dient ferner zur Darstellung des Coerulel'ns, in welches es, beim Erhitzen seiner konzentriert schwefelsauren Lösung auf 200°, unter Wasserabspaltung übergeht. Die Konstitutionsformel des Coerulelns: V^CO
o—; — o OH
| oh OH
läßt in ihm ein Derivat des Anthrachinons erkennen. Seine Salze sind von grüner Farbe. Als ausgezeichneter Beizenfarbstoff ist es namentlich für die Wollfärberei von Bedeutung. Sein Aluminiumlack ist hellgrün, der besonders echte Chromlack dunkelgrün. Mit Natriumbisulfit verbindet sich das Coeruleln zu dem im Handel als C o e r u l e l n S bezeichneten Produkt, welches durch Kochen seiner wäßrigen Lösung sowie durch Einwirkung von Alkalien oder Säuren leicht zerfällt und auf Grund dieses Verhaltens mit Chrombeizen zusammen in der Kattundruckerei angewendet wird.
VI. Anthracenfarbstoffe. Die Farbstoffnatur der Anthracenfarbstoffe ist sehr wesentlich durch die in ihrem Molekül mindestens zweimal vorhandene chromophore Carbonylgruppe bedingt, welche, in zwei Benzolkernen die Affinitäten je zweier benachbarter Kohlenstoffatome absättigend, mit diesen einen sechsgliedrigen dritten (mittleren) Kohlenstoffring bildet, der demnach auch in dem Chromogen dieser Farbstoffe, dem Anthrachinon:
enthalten ist. Diese schwach gelbfarbige Verbindung erlangt einen ausgeprägten Farbstoffcharakter durch den Eintritt von Hydroxyl-, Amino-, substituierten Amino- und Iminogruppen. Es zeigt sich dies besonders in der starken Färbung der Salze. Der Wert der hydroxylierten Anthrachinone für die Färberei ist in der Fähigkeit der größeren Zahl derselben begründet, mit Metalloxyden unlösliche Lacke zu bilden, welche der Faser fest anhaften. In deutlicher Weise kommt diese Fähigkeit zum Ausdruck, wenn eine Hydroxylgruppe in benachbarter Stelluog zum Chromophor sich befindet. Sie wird gesteigert durch Hinzufügung einer weiteren Hydroxylgruppe in Orthostellung zu der vorhandenen und erreicht ihr Maximum, wenn zwei Hydroxyle benachbart zueinander und eines in Orthostellung zum chromophoren Carbonvl steht. Daher gehören das Ali zarin, OH
/^/CO^A^/OH II I I
\A
c o
/\/
und seine Abkömmlinge zu denjenigen Beizenfarbstoffen, deren Färbungen den praktischen Anforderungen gegenüber die größte Widerstandsfähigkeit besitzen. Während in der ersten Zeit der Entwicklung der Anthracenfarbstoffindustrie lediglich hydroxylierte Anthrachinone hergestellt 14*
Farbstoffe
212
wurden, lernte m a n später stickstoffhaltige hydroxylierte Anthrachinone kennen, welche, durch Einwirkung von Ammoniak auf Polyoxyanthrachinone entstanden, noch den Charakter der Beizenfarbstoffe zeigen (Alizarincyanin G und analoge Farbstoffe). Ihnen folgten Farbstoffe, welche nur geringe oder keine Verwandtschaft zu Metalloxyden haben und mit den alten Anthrachinonfarbstoffen fast nur die. große Lichtechtheit teilen. Sie enthalten Amino- oder Arylaminogruppen als integrierenden Bestandteil des Anthrachinonkomplexes (Alizarinsaphirol B, Alizarinastrol, Alizarincyaningrün, s. u.). Die Entdeckung von Küpenfarbstoffen, als welche Dihydroazine des Anthrachinons (Indanthren), Benzanthrone (Violanthren, Cyananthren), Anthrachinonpyridone (Algolfarben) usw. technische Anwendung finden, bezeichnet das letzte Stadium der Entwicklung der Anthracenfarbstoffindustrie. Ihrer Konstitution nach lassen sich die Anthracenfarbstoffe in folgende sieben Klassen teilen: I. Klasse: Oxyanthrachinonfarbstoffe (Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Hexa-Oxyanthrachinonfarbstoffe). II. Klasse: Aminooxyanthrachinonfarbstoffe. I I I . Klasse: Arylaminoanthrachinonfarbstoffe. IV. Klasse: Dihydroanthrachinonazinfarbstoffe. V. Klasse: Benzanthronfarbstoffe. VI. Klasse: Anthrachinonpyridonfarbstoffe. VII. Klasse: Küpenfarbstoffe verschiedener Konstitution. T. K l a s s e :
Oxyanthrachinonfarbstoffe.
1. Dioxyanthrachinone. Von den zehn theoretisch möglichen Dioxyanthrachinonen sind neun bekannt: OH CO
\v
X/NCO/'^ Alizarin (1,2)
|
/\/ x
C O
CO /
OH CO. J
OH
OH \Ä
HO Anthrarufin (1,5)
^/^CO^
v
x
OH
Purpuroxanthin (1,3) OH HO' W 0 0 \ A I I I I \/\co/\/ Metadioxyanthrachinon (1,7)
\/\C0'
ÖH Chinizarin (1,4) HO A/CO.
OH
^co^ Chrysazin (1,8)
Anthracenfarbstoffe
/\/GO\^x/OH I I I I
/\/ \/\/ . ¡ I I I
V \ C O A / \ O H Hystazarin (2,3)
H O A A C O / V Anthraflavinsäure (2,6)
213 H O
\/\/c°\/\/ II i J
O H
\ / \ C O / \ / Isoanthraflavinsäure (2,7)
Das Alizarin dient als Ausgangsmaterial für die Darstellung anderer Oxyanthrachinonfarbstoffe und zur Erzeugung echter Färbungen; Chinizarin, Anthraflavinsäure und Isoanthraflavinsäure finden lediglich für die weitere Farbstoffsynthese Anwendung. Die technische Darstellung des Alizarins baut sich auf der von GKAEBE und LIEBERMANN gewonnenen Erkenntnis auf, daß es 1,2-Dioxyanthrachinon ist. Die von jenen Forschern gefundene Synthese des Alizarins durch Verschmelzen von 1,2-Dibromanthrachinon mit Kali ist für die technische Darstellung in folgender Weise umgeformt worden (CARO, 1 8 6 9 ) : Als Ausgangsmaterial dient das anthrachinon-2-sulfonsaure Natrium. Wird dasselbe mit Atznatron längere Zeit verschmolzen, so spielen sich zwei Reaktionen nebeneinander ab. Einerseits wird die Sulfogruppe durch Hydroxyl ersetzt und gleichzeitig tritt eine zweite Hydroxylgruppe in denselben Benzolkern ein, so daß man nach beendeter Reaktion Dinatriumalizarin erhält: H n XT
HONa
X / SÖ.Na I H
T
Ö—H cQ + C6H4C6H4 C 6 H , < g ^ .
214
Farbstoffe
Wie aus vorstehenden Gleichungen ersichtlich, wird dabei Wasserstoff' frei. Dieser reduziert einen Teil des Alizarins. Um dies zu verhindern, setzt man der Schmelze Kaliumchlorat hinzu. Die violette wäßrige Lösung des Reaktionsproduktes läßt auf Zugabe von Mineralsäure gelbflockiges Alizarin fallen. Von den charakteristischen Lacken, welche das Alizarin mit den meisten Erd- und Schwermetallen bildet, sind für die Färberei am wichtigsten der rote Calcium-Aluminiumlack, der bordeauxrote Chromlack und der violette Eisenlack. Übungsbeispiel. OH
Ausgangsmaterial: 20 g 2-anthrachinonmonosulfonsaures Natrium. Hilfsstoffe: 6 g Kaliumchlorat, bOg Atznatron. Vorgang. Die Umwandlung des anthrachinonsulfonsauren Natriums in Dinatriumalizarin vollzieht sich im Sinne der Gleichung: SCeH^QQ^eHj-SOsNa + 9NaOH + 2KC108
>
3 C 6 H 4 < ° ° > C 6 H 2 < ° ^ + 3KaäS04 + 2KC1 + 6H.O . Erscheint die Lösung der Schmelze nicht violett, sondern purpurrot oder gar orange, so enthält sie 2-Oxyanthrachinon, welches als Durchgangsprodukt zum Alizarin nach der Gleichung: C 8 H.,C 8 H S • SO.,Na + 2 NaOH
>
C e H ^ ^ C e H s - O N a + Na,SO, + HaO entstanden ist. Darstellung. In 75 ccm Wasser werden erst 6 g Kaliumchlorat, dann 20 g anthrachinonmonosulfonsaures Natrium und schließlich 80 g Atznatron gelöst. Die Lösung wird in einen Autoklaven von 1 / 2 1 Fassungsraum gefüllt und in diesem während 20 Stunden auf 170° erhitzt. Das Reaktionsprodukt wird in ungefähr 51 Wasser gelöst, durch ein Koliertuch filtriert und das violette Filtrat nach dem Erhitzen zum Sieden in einer Porzellanschale mit heißer verdünnter Schwefelsäure (1:2) unter Rühren bis zur Ubersättigung gefällt Das Filtrieren des in gelben Flocken ausgeschiedenen Alizarins wird durch mehrstündiges gelindes Sieden der angesäuerten Reaktions-
215
Anthracenfarbstoffe
flüssigkeit begünstigt. Nach dem Erkalten derselben wird der Farbstoff durch ein Faltenfilter aus gehärtetem Filtrierpapier filtriert, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. In kaltem Wasser unlöslich, in heißem etwas löslich. In Alkohol, Äther und Eisessig in der Hitze leichter löslich. Fp. 289—290°. Sublimiert in orangen bis roten Nadeln. Löslich in Alkalicarbonaten und Ammoniak mit rotvioletter, in Alkalien mit blauvioletter Farbe. Wird zu Phtalsäure oxydiert. Literatur: 257;
Ann. 160,
Ber.
3,
359;
GRAEBE
121;
und
LIEBERMANN,
W . H . PERKIN,
SCHULTZ,
Ber. 2 ,
Ber. 9, 281;
Farbstofftabellen Nr.
14,
505;
Ann. Suppl. 7,
CARO, G R A E B E u n d
LIEBERMANN,
778.
Das wichtigste Alizarinderivat ist das 3 - N i t r o a l i z a r i n oder A l i z a r i n o r a n g e . Es bildet sich bei der Einwirkung von Salpetersäure bzw. von Salpetriger Säure auf Alizarin. F ü r die Färberei ist der Umstand von Bedeutung, daß sich mit Tonerdebeize ein Orange, mit Chrombeize ein helles Braunrot und mit Eisenbeize ein rotes Violett erzeugen läßt. Besonders mit Tonerdekalkbeize wird ein sehr lebhaftes und echtes Orangegelb erhalten. Übungsbeispiel. 2. 3 Bfitroalizarin: (Alizarinorange) * °
OH
/\/co\A/oh l l / x /1N ' wCo Jsro2
Ausgangsmaterial: 100 g Alizarin, 70 g Salpetersäure von 42° Be (D 1,4), 900 g Eisessig. Vorgang. Gleichung: C
a
H
4
< C O >
C
Die Nitrierung des Alizarins vollzieht sich nach der
< F T < O H
+ HNO,
- ->
C6H4C6H(JoH
+ HsO .
Darstellung. Alizarin in Teig wird abgesaugt, zuerst auf Ton und dann im Dampfschrank getrocknet. Hierauf wird es im Mörser zerrieben, nochmals im Dampfschrank getrocknet und fein pulverisiert. Davon werden 100 g in einem Porzellanbecher in 900 g Eisessig unter Rühren suspendiert und tropfenweise mit 70 g Salpetersäure von 42° B6 (D 1,4) versetzt. Die Masse erwärmt sich und wird heller gelb. Die Reaktion ist beendet, wenn sich eine abfiltrierte und ausgewaschene Probe in warmer verdünnter Natronlauge mit fuchsinroter (nicht violetter) Farbe löst. Das Produkt
216
Farbstoffe
wird dann abfiltriert, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton getrocknet. Zur Reinigung benutzt man zweckmäßig die Eigenschaft des Nitroalizarins (Mol-Gew. 285), mit Pyridin (Mol.-Gew. 79) ein in roten Prismen kristallisierendes Pyridinsalz von der Zusammensetzung C 14 H 7 0 6 N-C 5 H 6 N (Mol.-Gew. 3ö4) zu bilden. Das getrocknete und gepulverte Roh-Nitroalizarin wird in der Wärme in 500 ccm technischem Pyridin gelöst. Die heiße Lösung wird mit 200 ccm heißem absolutem Alkohol vermischt und durch ein Heißwasserfilter filtriert. Das Doppelsalz kristallisiert beim Erkalten aus, wird abgesaugt, mit Alkohol ausgewaschen und durch Umkristallisieren aus Eisessig in reines Nitroalizarin übergeführt. Eigenschaften. Orangegelbes, aus Nadeln bestehendes Pulver, in heißem Wasser wenig, in Eisessig, Alkohol, Äther und Pyridin leicht löslich. Fp. 244°. Die Salze der Alkalien und des Ammoniaks sind bläulichrot und wasserlöslich, diejenigen der alkalischen Erden sind orange bis dunkelrot und unlöslich. Die alkalische Lösung färbt sich beim Erwärmen mit Schwefelnatrium blau (Reduktion zu Aminoalizarin). Literatur:
STROBEL,
STIEHL, ß e r . 9 , 1 0 3 6 ; SCHULTZ,
Bull, de la soc. chim. de Paris 2 6 ,
CARO, B e r . 1 0 , 1 7 6 0 ;
Farbstofftabellen Nr.
127;
SCHÜNCK U. R Ö M E R , B e r . 1 2 , 5 8 3 ,
ROSEN1008;
779.
Durch nascierenden Wasserstoff geht das Nitroalizarin in A m i n o a l i z a r i n über. Dasselbe ist technisch wichtig für die Darstellung von Alizarinblau. Der Tonerdelack ist rötlichbraun, der Eisenlack grau und der Chromlack dunkelbraun.
Übungsbeispiel. 3. 3-Aminoalizarin:
^
C
|
|
O
OH ^
Y
O
H
| i
Ausgangsmaterial: 80 g Nitroalizarin. Hilfsstoff: 210 g Schwefelnatrium. Vorgang. Die Reduktion des Nitroalizarins mittels Schwefelnatrium vollzieht sich etwa nach der Gleichung: , C O _ / ° H +3(Na S 2 NNO,
C,H,C,H^OH
+ 9H20)
CO / O H C 6 H 4 < ^ > C » H ( - O H -¡- 6 N a O H + 3 S + 2 3 H a O . ViMTT.
217
Anthracenfarbstoffe
Darstellung. 80 g fein gepulvertes und mit Wasser angeriebenes Nitroalizarin werden in einem emaillierten, 101 fassenden Eisentopf in 8 1 kochendem Wasser unter Turbinieren suspendiert und die siedende Flüssigkeit mit der Lösung von 210 g kristallisiertem Schwefelnatrium in 1 1 Wasser vereinigt. Die Reaktion ist nach kurzem Erhitzen beendigt, wenn alles mit blauer Farbe gelöst ist. Die Flüssigkeit wird nunmehr filtriert und mit Essigsäure übersättigt. Das (mit Schwefel gemengt) ausfallende rohe Aminoalizarin wird nach dem Abfiltrieren und Auswaschen zur Entfernung des Schwefels mit verdünnter neutraler Natriumsulfitlösung ausgekocht und nach dem Filtrieren, Auswaschen und Trocknen aus Pyridin umkristallisiert. Das auskristallisierte Aminoalizarin wird mit Alkohol ausgewaschen und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. Dunkelrotes, aus Nadeln bestehendes Pulver; löst sich in konzentrierter Schwefelsäure mit orangeroter Farbe. Diese Lösung scheidet auf vorsichtige Zugabe von Wasser beim Abkühlen das Bisulfat des Aminoalizarins in gelbbraunen Kristallen ab, welches durch überschüssiges Wasser in Schwefelsäure und Aminoalizarin gespalten wird. Löst sich in Natronlauge mit blauer Farbe. Literatur: Schunck und Römer, Ber. 12, 58S.
Bei der Einwirkung von Glycerin und Schwefelsäure auf 8-Nitroalizarin erhielt Pbud'homme einen blauen Farbstoff, dessen Konstitution von Gkaebe ermittelt und dessen Fabrikation von Brunck in die Industrie eingeführt worden ist. Bei der Synthese dieses als A l i z a r i n b l a u bezeichneten Farbstoffes liefert das Glycerin die Kohlenstoffkette eines Pyridinringes, dessen Stickstoff dem Nitroalizarin entstammt, während die Schwefelsäure nur als wasserentziehendes Mittel wirkt: OH
OH
Das Alizarinblau wird hiernach als „Dioxyanthrachinonchinolin" bezeichnet. Wegen der Echtheit seines Chromlackes ist es ein in der Woll- und Baumwollfärberei geschätzter Farbstoff, für deren Zwecke es, unter dem Namen A l i z a r i n b l a u S, als Bisulfitverbindung in den Handel kommt.
Übungsbeispiel.
4. Alizarinblau:
Ausgangsmaterial: Hilfsstoffe:
\/\co-
54 g 3-Aminoalizarin, 30 g Glycerin. 14 g Nitrobenzol, 72 g Oleum von 25°/ 0 , 144 g konzentrierte Schwefelsäure.
Vorgang. Da der nach der obigen Umsetzungsgleichung freiwerdende Sauerstoff Nebenreaktionen veranlaßt, hat es sich als zweckmäßig erwiesen, statt des Nitroalizarins das Aminoalizarin als Ausgangsmaterial zu benutzen und die oxydative Verschweißung der dem Glycerin entstammenden Kohlenstoffkette mit dem Stickstoffatom des Alizarinderivates durch einen Nitrokörper in der F o r m von Nitrobenzolsulfonsäure zu bewirken. Indem ein Gemisch von Aminoalizarin, Glycerin, Schwefelsäure und Nitrobenzolsulfonsäure erhitzt wird, vollzieht sich die Bildung des Alizarinblaus auf Grund folgender Vorgänge: Glycerin wird durch Schwefelsäure in Acroleln übergeführt: CHj-OH CH-OH CH,-OH
—>
CH, CH +2H20. CHO
Dieses vereinigt sich mit Aminoalizarin zu Dihydrodioxyanthrachinonchinolin: OH OH CO \ / O H / x / C O x A^/OH M I i " M i . A V \ c o A A N H ! + OHC—CH=CH, VXCQ/XANH, H2C CHO \ / CH, OH /\/CO\/VOH I I T +H9o, \ACo/y\if i ii H2C CH \ / CH. welches durch den von der Nitrobenzolsulfonsäure Sauerstoff in Alizarinblau übergeht:
abgegebenen
219
Anthracenfarbstoffe OH
/V I
C O
\Ä/ [ I I
OH O H
+ O I
H,C CH \ / CH,
>
/\/ I I
G 0
\Ä/ I I I
HC
0 H
+H2o. II
CH
HC
Darstellung. In einem WITT sehen 1 1-Kolben werden 54 g getrocknetes und gepulvertes 3-Aminoalizarin bei gewöhnlicher Temperatur unter Rühren in 144 g konzentrierter Schwefelsäure gelöst, darauf mit 30 g Glycerin und schließlich mit dem erkalteten Produkt der bei Wasserbadtemperatur vollzogenen Sulfonierung von 14 g Nitrobenzol mit 72 g Oleum von 25°/ 0 gemischt. Der mit einem Luftkühler versehene Kolben wird in einem Ölbade allmählich auf 105° erwärmt und nach eingetretener Reaktion noch 1 j 2 Stunde auf dieser Temperatur erhalten. Nimmt eine mit Wasser verdünnte Probe beim Übersättigen mit Natronlauge und Aufkochen eine grüne Farbe an, so läßt man die Schmelze erkalten, gießt sie unter Rühren in eine Porzellanschale mit gehacktem Eis, filtriert den sich ausscheidenden dunklen Niederschlag ab und kocht ihn mehrfach mit verdünnter Schwefelsäure (100 ccm konzentrierte Schwefelsäure + 6 1 Wasser) aus. Die filtrierten Auszüge scheiden beim Erkalten braunes kristallinisches Alizarinblausulfat ab. Beim Filtrieren und Waschen des letztern bis zur neutralen Reaktion bleibt fast reines Alizarinblau zurück. Der beim Auskochen nicht lösliche Rückstand besteht im wesentlichen aus unverändertem Aminoalizarin. Zur vollständigen Reinigung wird das erhaltene Alizarinblau mit der 3-fachen Menge Borax, der in der 5-fachen Menge Wasser gelöst wurde, ausgekocht. Man filtriert und wäscht die rückständige Borverbindung so lange mit kaltem Wasser, bis das Filtrat blau abläuft. Der Filterrückstand wird mit verd. Schwefelsäure gekocht. Das beim Erkalten sich abscheidende Alizarinblausulfat wird abfiltriert und bis zur neutralen Reaktion des Filtrats mit Wasser gewaschen. Eigenschaften. Blauviolette, glänzende Kriställchen; Fp. 270°. In Wasser unlöslich, in Alkohol beim Kochen mit blauer Farbe etwas löslich. In Alkalien mit blauer, bei einem Überschuß mit grüner Farbe löslich und dann grüne Flocken bildend. In konzentrierter Schwefelsäure mit bläulichroter Farbe löslich. L i t e r a t u r : PRUD'HOMME, Bull, de Mulh. 2 8 , 62; BRDNOK, Ber. 11, 522; GRAEBE, Ann 201, 333; SCHULTZ, Farbstofftabellen Nr. 803.
220
Farbstoffe
2. Trioxyanthrachinone. Von den vierzehn theoretisch möglichen Trioxyanthrachinonen sind sechs bekannt: OH OH OH /vco\/'\/°H /x/co\A/°H /\/GO\A/OH Ii II Ii Ii i I J l OH Purpurin (1,2,4)
Anthragallol (1,2,3) OH ^ y 'C °O° \\ ÄÄ // OO HH
OH o HO O yV v\ /Cc O vv\ ^/ /O
hoA/XCO/'V Flavopurpurin (1,2,6)
U \ c o A / Isopurpurin (1,2,7)
HO Oxyanthrarufin (1,2,5) HO H
\/\co/\ Oxychrysazin (1,2,8)
Von diesen finden Anthragallol, Purpurin, Flavopurpurin und Isopurpurin als Beizenfarbstoffe eine mehr o'der weniger ausgedehnte Verwendung in der Färberei. Übungsbeispiele. OH / v c o \ A / ° H II | 1 v\coA/\oh Ausgangsmaterial: 40 g Benzoesäure, 20 g Gallussäure. Hilfsstoff1: 400 g konzentrierte Schwefelsäure. Vorgang. Anthragallol bildet sich aus Benzoesäure und Gallussäure unter dem Einfluß der wasserentziehenden Schwefelsäure im Sinne folgender Gleichung: 1. Anthragallol: (Anthracenbraun)
/vCO;OH
II ^NH
OH o n + II HO OC/^/^OH H
w
—^
OH a/COv^OH I I I I +2H a O. / ^ C O - ^ A OH
Darstellung. 40 g Benzoesäure und 20 g Gallussäure werden bei gewöhnlicher Temperatur in 400 g konzentrierter Schwefelsäure gelöst, im Olbade unter Rühren erst langsam auf 70° (wobei die Reaktion beginnt) und dann 8 Stunden hindurch auf 125° erhitzt. Die erkaltete Schmelze wird in 1 kg gehacktes Eis eingerührt, der braune Niederschlag abfiltriert, mit Wasser ausgewaschen, und zur Entfernung nicht umgesetzter Carbonsäure mit Wasser ausgekocht. Zur weiteren Reinigung wird das Produkt am Rückflußkühler mit
Anthracenfarbstoffe
221
schwach angesäuertem absolutem Alkohol behandelt. Die alkoholische Lösung läßt nach geeigneter Konzentrierung beim allmählichen Verdünnen mit Wasser den Farbstoff in braunen Flocken fallen, welche abfiltriert, mit Wasser ausgewaschen und auf Ton getrocknet werden. Eigenschaften. Braunes Pulver, sublimiert in orangeroten Nadeln; Fp. 310°. Unlöslich in Wasser, löslich mit bräunlichgelber Farbe in Alkohol, Äther und Eisessig. In Natronlauge mit grüner Farbe, in konzentrierter Schwefelsäure mit bräunlichroter Farbe löslich. F ä r b t Tonerde und Chrombei.ze braun. Letzterer Lack ist der für die Färberei wichtige. Literatur:
SEUBERLICH, B e r . 1 0 , 3 8 ; SCHULTZ, F a r b s t o f f t a b e l l e n N r . 7 8 2 .
2. Purpurin:
f
OH CO. X /OH | | j OH
Ausgangsmaterial: 20 g Alizarin. Hilfsstoffe: 200 g konzentrierte Schwefelsäure, 10 g Mangansuperoxyd (100 °/0 ig). Vorgang. Nach D E L A L A N D E geht Alizarin durch Aufnahme von Sauerstoff in Purpurin über: OH / v
c o
v ' y
O H
OH 0
/
r Y
COx
f/lY°H OH
Darstellung. In 200 g konzentrierter Schwefelsäure werden 20 g scharf getrocknetes und gepulvertes Alizarin unter Rühren im Olbade bei 100° gelöst. Die Lösung wird mit 10 g Mangansuperoxyd (100 °/0 ig) vereinigt, welches vorher mit konzentrierter Schwefelsäure zu einer Paste verrührt worden ist. Die Mischung wird nunmehr allmählich so lange auf 150° erhitzt, bis eine mit Wasser verdünnte Probe nach dem Filtrieren, und Waschen mit Wasser sich in verdünnter Natronlauge mit roter (nicht violetter) Farbe löst. Nach dem Erkalten wird die Schmelze in 1 kg gehacktes Eis gerührt, der Niederschlag abfiltriert, mit Wasser ausgewaschen und mit Alaunlösung wiederholt ausgekocht (Trennung von Alizarin). Beim Erkalten der mit Schwefelsäure versetzten Alaunlösung kristallisiert das Purpurin aus; zur völligen Reinigung wird es aus wäßrigem Alkohol umkristallisiert.
222
Farbstoffe
Eigenschaften. Gelblichrotes Pulver. Kristallisiert in Nadeln vom Fp. 253°, .sublimiert aber teilweise bei niedrigerer Temperatur. Die Verbindungen des Purpurins mit Ammoniak und den Alkalien sind von hochroter Farbe und wasserlöslich, diejenigen mit anderen Metalloxyden in Wasser unlöslich und von gelblichroter bis bläulichroter Farbe. Der Tonerdelack ist gelblichrot, der Eisenlack violettblau, der Chromlack violett. Wird von Salpetersäure zu Phtalsäure oxydiert. Liefert beim Erhitzen auf 300° Chinizarin (1,4) und geht durch Reduktionsmittel in Purpuroxanthin (1,3) über. Literatur:
DE LALANPE, B e r . 7 , 1 5 4 5 ;
CAKO, A n n . 2 0 1 ,
3 5 3 ; SCHULTZ,
Farbstofftabellen Nr. 783.
Isopurpurin und Flavopurpurin. OH
/\/ Ii
xAnn/U 2,7-
c o
\A/ II
o h
TTO.sA/knn/N^ und Anthrachinondisulfonsäure.
2,6-
I s o p u r p u r i n und F l a v o p u r p u r i n entstehen, auf entsprechende Weise wie Alizarin aus Anthrachinonmonosulfonsäure, durch Verschmelzen der 2,7- bzw. 2,6-Anthrachinondisulfonsäure mit Atznatron in Gegenwart von Kaliumchlorat im Sinne der Gleichung: N a 0 3 S C 6 H 3 < ° ° > C 6 H 3 - S O a T i r a + 5 N a O H + KC10 S
—>
N a O . C 6 H 3 < ^ > C 6 H 2 < ° ^ + 2 N a 2 S 0 4 + KCl + 3 H s O .
Dabei treten infolge einer Nebenreaktion Isoanthraflavinsäure (2,7) bzw. Anthraflavinsäure (2,6), in der Hauptreaktion aber 2-0xyanthrachinon - 7 - sulfonsäure bzw. 2 - Oxyanthrachinon - 6 - sulfonsäure als Zwischenprodukte auf, welche in Alizarin-7- bzw. Alizarin-6-sulfonsäure übergehen, worauf diese sich in Isopurpurin bzw. Flavopurpurin umwandeln. Das I s o p u r p u r i n oder A n t h r a p u r p u r i n kristallisiert aus Alkohol in orangefarbenen, oberhalb 330° schmelzenden Nadeln. Das F l a v o p u r p u r i n kristallisiert aus Alkohol in goldgelben, ebenfalls oberhalb 330° schmelzenden Nadeln.
223
Anthracenfarbstoffe
Die Salze dieser Purpurine sind im allgemeinen weniger blaustichig als diejenigen des Alizarins (alkalische Lösung des Isopurpurins rötlichviolett, des Flavopurpurins bläulichrot). Insbesondere gilt dies für den Tonerdelack. Bei der Oxydation beider Purpurine wird nicht Phtalsäure, sondern Oxalsäure gebildet. 3. Tetraoxyanthrachinone. Nach BOHN entstehen bei der Einwirkung hochprozentiger rauchender Schwefelsäure auf Alizarinblau je nach der Temperatur und der Konzentralion der Schwefelsäure neue Farbstoffe (Alizarinblaugrün, Alizaringrün, Alizarinindigblau), welche als Tri-, Tetraund Pentaoxyanthrachinonchinoline aufzufassen sind. Das Schwefelsäureanhydrid wirkt bei dieser Reaktion demnach oxydierend und bewirkt den Ersatz eines oder mehrerer Wasserstoffatome durch Hydroxylgruppen. In gleicher Weise lassen sich nach E. E. SCHMIDT, welcher in der Borsäure ein Mittel zur Erleichterung dieser Reaktion fand, eine große Zahl von Anthracen- und fast alle Anthrachinonderivate in Beizenfarbstoffe überführen, welche sich von den Ausgangsmaterialien durch ein Plus von mehreren Hydroxylgruppen unterscheiden. Als Zwischenprodukte entstehen hierbei häufig leicht zersetzliche Substanzen, die durch aufeinanderfolgende Einwirkung von Alkalien und verdünnten Mineralsäuren Schwefelsäure verlieren und als Schwefelsäureester der betreffenden Farbstoffe anzusehen sind. So verläuft z. B. die Oxydation von Alizarin mittels Oleum von 80°/ 0 in den Phasen: H
OH C O Y
OH
/ N C O A /
1
OH R V
V
V
O J
V
'
\
/
H
W
)
SO» " \ rV% A i
A
1
c o
NH
v / v
CO
I I V\cQ/
x
VII. Oxychinonfarbstoffe der Benzol- und Naphtalinreihe. Die Chinone gehören zu den vorzüglichsten Chromogenen. Durch den Eintritt auxochromer Gruppen werden sie leicht in wirkliche Farbstoffe übergeführt. Die Erfahrungen, welche v. K O S T A NECKI bei den ungesättigten Ketonen der allgemeinen Formel ß-CO-CH=CH-R' gemacht hat, in welchen neben der Carbonylgruppe auch die Äthylengruppe > C = C < als Chromophor funktioniert, veranlassen dazu, in den Chinonen auch jeder der beiden CH: CHGruppen die Funktion eines Chromophors zuzuerkennen, so daß ein Chinonmolekül als ein aus vier zusammenhängenden Chromophoren bestehendes Chromogen aufzufassen wäre: CO /\ HC CH Ii
HC
\/
n
CH
CO p-Benzocbinon
CO /\ HC CO ii
HC
i
CH
-
V
CH o-Benzochinon
Da die Chinongruppe zu den säurebildenden Chromogenen gehört und einer eintretenden Hydroxylgruppe stark saure Eigenschaften verleiht, so tritt der Farbstoffcharakter bei den Oxychinonen klar zutage. Sämtliche Oxychinone sind farbig und bilden noch ausgeprägter farbige Salze. Der wahre Farbstoffcharakter kommt aber erst in den Verbindungen dieser Körper mit gewissen Metalloxyden zum Ausdruck. Sie zeichnen sich durch die Eigenschaft aus, auf der Faser farbige, fest haftende Lacke zu bilden: sie sind Beizenfarbstoffe. Damit steht die eben wiedergegebene Auffassung von der Ursache der farbigen Erscheinung der Chinone in gutem Einklang. Während die gewöhnlichen beizenfärbenden Oxyketone die Tonerdebeize gelb färben, färben u n g e s ä t t i g t e Oxyketone letztere orange, die Oxychinone aber rot. Die ungesättigten Oxyketone bilden so gewissermaßen eine Brücke zwischen den Oxyketonen und den Oxychinonfarbstoffen. Die Chinone enthalten die Chromophore der ungesättigten Ketone zweimal, welche, ringförmig miteinander verkettet, sich in ihrer Wirkung unterstützen können, so daß der-
Farbstoffe
236
jenige Effekt zustande kommt, welcher bei den Ausfärbungen mit Oxychinonen wahrgenommen wird. Die Eigenschaft der Beizfärbung kommt allen denjenigen Oxychinonen zu, welche mindestens e i n e Hydroxylgruppe in benachbarter Stellung zum Chinonsauerstoff enthalten. Von p r a k t i s c h e r Bedeutung als Farbstoffe sind jedoch nur diejenigen, welche noch eine zweite Hydroxylgruppe orthoständig zu der eben erwähnten tragen. Dieser Umstand, verbunden mit dem schwachen Färbevermögen, welches den Oxychinonen der B e n z o l r e i h e eigen ist, und die Schwierigkeit, derartig konstituierte Verbindungen aus technisch leicht zugänglichen Substanzen herzustellen, sind der Grund, weshalb nur e i n Farbstoff dieser Klasse zu praktischer Bedeutung gelangt ist, nämlich das 1,2-Dioxy-a-naphtochinon oder N a p h t a z a r i n , welches in der Form seiner Bisulfitverbindung das A l i z a r i n s c h w a r z S des Handels bildet. Übungsbeispiele. 1. Naphtazarin:
Aasgangsmaterial: 20 g Hilfsstoffe: 400 g 100 g 10 g
i / \ f^f
HOAf HO O
1,5-Dinitronaphtalin. Schwefelsäuremonohydrat, Oleum von 4 0 % , Schwefelblumen.
Vorgang. Die Bildung von N a p h t a z a r i n aus 1,5-Dinitronaphtalin läßt sich an Hand der nachstehenden Formeln etwa in folgender Weise verdeutlichen: NO„ Y x 02N I
/
N-OH o^VY HO-IT O II
NH
OH/ V , ON OH III NH ii
I I I HoA,/y HjN O V
Zunächst entsteht aus dem Dinitronaphtalin (I) infolge der umlagernden Wirkung der rauchenden Schwefelsäure das isomere Di-Chinon-
Oxychinonfarbstoffe der Benzol- und Naphtalinreihe.
237
Dioxim (II) = Dioxydinitrosonaphtalin (III), welches unter dem Einfluß der reduzierenden Wirkung von Schwefelsesquioxyd, S 2 0 3 (welches durch Lösen von Schwefel in rauchender Schwefelsäure entsteht), in das entsprechende Dinaphtochinonimin (IV) und weiterhin in das l,2-Aminooxy-5,8-Naphtochinonimin (V) übergeht. Dieses wird beim Kochen mit verdünnten Säuren in Naphtazarin (VI) umgewandelt. Darstellung. Ein W I T T scher Kolben (1 1) wird mit 400 g Schwefelsäuremonohydrat beschickt. Unter Rühren werden 20 g fein gepulvertes 1,5-Dinitronaphtalin darin zur Lösung bzw. Suspension gebracht. Inzwischen ist durch Lösen von 10 g Schwefelblumen "in 100g Oleum von 40°/ 0 eine blaue Schwefelsesquioxydlösung bereitet worden, welche u n m i t t e l b a r n a c h i h r e r F e r t i g s t e l l u n g der ersten Lösung portionsweise unter fortgesetztem Rühren und unter Innehaltung einer zwischen 30° und 45° liegenden Temperatur hinzugefügt wird. Die Reaktion (Bildung des l,2-Aminooxy-«-Naphtochinonimins) ist gut verlaufen, wenn sich eine Probe der dunkelorangeroten Lösung in Wasser vollständig mit blauer Farbe löst. Die Schmelze wird nunmehr in 1 kg gehacktes Eis eingerührt. Dann wird noch eine solche Menge Wasser hinzugefügt, daß eine rein blaue Lösung entsteht. Letztere wird vom ausgeschiedenen Schwefel abfiltriert und in einer Porzellanschale so lange erhitzt, bis die Farbe in Braunrot umgeschlagen ist. In der erkalteten Lösung findet sich das Naphtazarin in braunroten kristallinischen Flocken ausgeschieden. Es wird abfiltriert, ausgewaschen und auf Ton getrocknet. Durch Umkristallisieren aus Eisessig, in welchem es sich mit gelbroter Farbe in der Hitze löst, erhält man es in prismatischen, braunroten, glänzenden Kristallen. Eigenschaften. Braunrotes Pulver, in kaltem Wasser unlöslich, beim Kochen mit rotbrauner Farbe löslich, in konzentrierter Schwefelsäure mit fuchsinroter, in Natronlauge mit blauer Farbe löslich. L i t e r a t u r : ROUSSIN, J . pr. CH. 8 4 , 1 8 1 ; SCIIUNCK u n d MARCHLEWSKI, 2 7 , 3 4 6 2 ; ZINCKE u n d SCHMIDT, A n n . 2 8 6 , 2 7 ; W I L L , B e r . 2 8 , 1 4 5 6 ,
HO
Ber.
2234.
SO.Na
2. Alizarinschwarz S: HO HO
SOjNa
Ausgangsmaterial: 10 g Naphtazarin, 30 g Natriumbisulfitlösung. Vorgang. Naphtazarin vereinigt sich mit 2 Mol. Natriumbisulfit zu einer wasserlöslichen Doppelverbindung, welche eine bequeme
238
Farbstoffe
Anwendungsform des Naphtazarins in Verbindung mit Chromhydroxyd zur Herstellung grauer und schwarzer Töne im Kattundruck und in der Wollfärberei darbietet: O
HO
SOsNa
Darstellung. 10g feuchtes Naphtazarin (s. o. Naphtazarindarstellung) werden mit 90ccm Wasser zu einer etwa 10 °/0 igen Paste verrieben, mit 30 g käuflicher Natriumbisulfitlösung gemischt und während 12 Stunden bei 50° verrührt. Die dunkelbraune Flüssigkeit wird filtriert und aus dem Filtrat die Bisulfitverbindung durch Zugabe gesättigter Kochsalzlösung ausgeschieden. Der braunflockige Niederschlag wird abfiltriert, mit Kochsalzlösung ausgewaschen und mit Wasser zu einer 20 °/0 igen Paste verrieben. Eigenschaften. Schwarzbraune Paste, in Wasser unlöslich in der Kälte, beim Kochen löslich mit brauner Farbe. Löst sich in Natronlauge mit blauer Farbe. Verdünnte Schwefelsäure fällt aus dieser Lösung einen dunkelflockigen Niederschlag, beim Erwärmen entwickelt sich Schwefeldioxyd. Literatur:
FRIEDLANDER
1,
570;
SCHULTZ,
Farbstofftabellen Nr.
774.
VIII.
Parachinoniminfarbstolfe.
(Indamine, Indoaniline und Indophenole.) Die Farbstoffe dieser Klasse leiten sich ab von den einfachsten Typen: H N = C 6 H 4 = N — C 6 H 4 — K H i , (Indamin), 0 = C 6 H 4 = l i — C 6 H 4 — N H , (Indoanilin) und 0 = C 6 H 4 = N — C 6 H 4 — OH (Indophenol).
Die Unterscheidung zwischen Indoanilin und Indophenol wird jedoch nicht streng durchgeführt, so daß man auch die Verbindungen vom Typus des Indoanilins gewöhnlich als Indophenole bezeichnet. Als Abkömmlinge des Chinon-'Mono- und -Diimins ( 0 = C e H 4 = N H und H N = C 6 H 4 = N H ) sind alle diese Farbstoffe wenig beständig, vor allem gegen Mineralsäuren, durch die sie leicht in die zugehörigen Chinone und p-Diamine bzw. p-Aminophenole gespalten werden, z.B.: ( C H 3 ) 2 N - C 6 H - 4 - N = C 6 H 4 = 0 + H2O
—>-
(CH^jN • C 6 H 4 • N H , + 0 = C 6 H 4 = 0 .
Eine derartige Spaltung durch Säuren tritt vielfach schon in der Kälte ein; selbst gegen Alkalien sind die alkylierten Indamine und Indoaniline nicht durchaus beständig, sondern lassen sich, eventuell beim Erhitzen auf höhere Temperaturen, unter Abspaltung von Alkylaminen in Indophenole überführen: C1(CH8)2N=C6H4=N-C6H4-N(CH3)2 0=C 8 H 4 =N—C 6 H 4 —N(CH s ). 2
—>
>
O=C6H4=N—C6H4—OH .
Eben jene Unbeständigkeit der Chinoniminderivate, die auch ihre Darstellung oder wenigstens ihre Isolierung in reinem Zustande in vielen Fällen erschwert, ist die Ursache, warum diese durch einen schönen blauen bis grünen Farbenton ausgezeichneten Verbindungen bisher nur in untergeordnetem Maße eine unmittelbare Verwendung in der Färbereitechnik gefunden haben. Größere Bedeutung besitzen sie als Z w i s c h e n p r o d u k t e für die Darstellung von Azinen, Oxazinen, Thiazinen, Schwefelfarbstoffen u. dgl., da sie einerseits eine
Farbstoffe
240
außerordentlich große Reaktionsfähigkeit gegenüber Aminen, Thiosulfaten usw. aufweisen und andererseits leicht zu Diphenylaminderivaten reduzierbar sind. F ü r die technische Darstellung kommen hauptsächlich zwei Methoden in Betracht: a) Oxydation eines p-Diamins (oder p-Aminophenols) mit wenigstens e i n e r primären Aminogruppe in Gegenwart eines Amins oder Phenols mit freier p-Stellung: 1.
(CH s ) 4 N'C 6 H 4 'NH2 4- C 6 H 5 -N(CH 3 ) 2 + 2 0 + HCl
(CH3)2N• C 6 H 4 . N = C 6 H 4 = N ' ( C H 3 ) S C 1 , 2.
3.
BINDSCHEDLERS G r ü n , e i n I n d a m i n .
(CH9).2N-C6H4.NH2 + «-C10H7.OH + 2 O
(CH 3 ) 2 ]SR• C 6 H 4 • N = C 1 0 H 6 = O ,
«-Naplitolblau,
HO.C6H4-NHÄ 4-C6H6 OH + 2 0
HOC6H4-N=C6H4=0,
>
> ein I n d o a n i l i n .
>-
das „ e i n f a c h s t e I n d o p h e n o l " .
Besonders in letzterem Falle (3) bedarf es einer gehenden Abkühlung der Reaktionsflüssigkeit unter Ausbeuten an Indophenol sehr gering sind. b) Einwirkung der p-Nitrosoverbindung eines tertiären Amins oder eines Phenols auf ein Amin freier p-Stellung, z. B.: /CH, (CH S ) 2 LI • C 6 H 4 • N O +
möglichst weit0°, da sonst die sekundären oder oder Phenol mit
CJK-NHJ
h2N/ Nitrosodimethylanilin
m-Toluylendiamin
OH (CH 3 )„• C 8 H 4 • N ^ C E H . ^ W H , H2NX
Toluylenblau.
Scheinbar gestaltet sich die unter b) genannte Synthese einfacher, da es der Anwendung eines besonderen Oxydationsmittels nicht bedarf. Tatsächlich aber verlaufen die Kondensationen mit p-Nitrosoverbindungen in zahlreichen Fällen nicht glatt, sondern es entstehen große Mengen von Nebenprodukten, und man ist daher gezwungen, sich der unter a) erwähnten Methode, die von p-Diaminen oder p-Aminophenolen ausgeht, zu bedienen. Die p-Diamine erhält man entweder durch Reduktion von p-Nitro- und p-Nitrosoverbindungen oder durch reduktive Spaltung von p-Aminoazofarbstoffen (siehe die Synthese des Safranins S. 250). Ein sehr bequem zugängliches Ausgangsmaterial ist das p-Nitrosodimethylanilin, das aus Dimethylanilin und Nitrit in stark saurer Lösung entsteht nach der Gleichung: ( C H ^ N • C 6 H5 + 2 H C l + N a H O , —>- H . O + NaCl + H C l • ( C H ^ N • C 6 H 4 -NO,
oder chinoid geschrieben:
cl.(OH 8 ) 2 N'=c 6 H 4 =IJ'-OH.
Paraehinoniminfarbstoffe
241
Im Gegensatz zur Nitrierung, bei der die Nitrogruppe sowohl in m- als auch in p-Stellüng eintritt, erfolgt die Nitrosierung des Dimethylanilins ausschließlich in p-Stellung. Die oben angedeutete chinoide Konstitution schreibt man dem Nitrosodimethylanilinchlorhydrat zu im Hinblick auf seine intensive Gelbfärbung. Wegen seiner Zersetzlichkeit ist bei der Reduktion desselben zum p-Aminodimethylanilin: Cl.(CHa)sN'=CeH4=M'. OH + 4H — >
HCl • (CHa)2K • C6H4 • NH2
mit einiger Vorsicht zu verfahren, d. h. es empfiehlt sich, die Reduktion vor allem bei nicht zu hohen Temperaturen auszuführen, um Nebenreaktionen (Spaltungen usw.) zu vermeiden. Das p-Aminodimethylanilin ( = as. Dimethyl-p-Phenylendiamin) wird dabei als ein in Wasser leicht lösliches Chlorhydrat erhalten. Die gemeinsame Oxydation der p-Diamine und Amine zu Indaminen, gemäß Methode a) 1., führt man, wegen der schon erwähnten außerordentlichen Empfindlichkeit der Farbstoffe gegen Säuren, regelmäßig in neutralen oder nur schwach sauren Medien (•/.. B. Essigsäure) aus. Hierbei spielen gewisse Metallsalze, wie z. B. das Chlorzink (ZnCl2), eine bemerkenswerte Rolle. Obschon nämlich das Chlorzink ein neutrales Salz darstellt, ist es doch imstande, gleichsam wie nascierende Salzsäure zu reagieren (s. Methylenblau), d. h. die zur Ausführung der Oxydationsprozesse erforderliche Salzsäure abzugeben, etwa im Sinne der Gleichung: Na2Cr207 + ZnCl2 + 4H ä O
>
2NaCl + 2Cr(OH)3 + Zn(OH)2 + O,.
Ohne die Gegenwart von Chlorzink würde die Reaktion der Flüssigkeit alsbald alkalisch werden: Na8CrsO, + 4H.O
2NaOH + 2Cr(OH)3 + Os
und damit das Bichromat seine Wirksamkeit als Oxydationsmittel einbüßen. Bei der Darstellung von Indophenolen aus p-Diaminen und Phenolen bzw. Naphtolen [s. Methode a) 2] wird man zweckmäßig in a l k a l i s c h e r Lösung arbeiten und daher statt der Bichromate solche Oxydationsmittel verwenden, die in alkalischer Lösung wirksam sind, wie z. B. untercblorigsaures Natron (NaOCl) oder rotes Blutlaugensalz (K3FeCy6). Enthält die Reaktionsflüssigkeit Metallsalze, die durch Alkali zersetzt werden, wie z. B. Chlorzink, so müssen dieselben vor der Zugabe der alkalischen Phenol-'(Naphtol-)Lösung entfernt werden, da anderenfalls eine Fällung des Phenols (Naphtols) eintritt nach der Gleichung: 2C10H7 • ONa + ZnCl2 + 2 H, O MÖHI-AU U. BUCHERER.
2. Aufl.
v
2C10H7>OH + Zn(OH)2 + 2 NaCl. 16
242
Farbstoffe
Den Verlauf der Farbstoffbildung aus p-Aminodimethylanilin und «-Naphtol hat man sich etwa folgendermaßen zu denken: Durch das Oxydationsmittel wird das p-Aminodimethylanilin zu einem labilen, d. h. äußerst reaktionsfähigen Zwischenprodukt oxydiert: (CH^N-CoH.-ETHj + O
HO • ( C H 3 ) 2 N = C 6 H 4 = N H ,
das im statu nctscendi sofort mit dem «-Naplitol reagiert unter Bildung zunächst eines Leuko-Jndo-Anilins bzw. -Phenols: H O • ( C H 3 \ N = C 6 H 4 = N H + tt-C10H7 • OH (CH3)2N.C6H4.NH-C10H6
^
OH,
das aber, als p-Diamin bzw. Aminophenol, gleichfalls gegen Oxydationsmittel sehr empfindlich ist und daher unmittelbar in das Indoanilin (Indophenol) übergeht: (CH 8 ) 2 N• C„H4• N H • C 10 H 6 • OH
^
^
(CH3)2N-C6H4.N=C10H6=O .
Der typische innere Mechanismus bei der Indoanilinbildung (ganz ähnlich verhält es sich bei der Indaminbildung) ist also der, daß ein p-Diamin sich zum Chinondiimin oxydiert, alsdann die Elemente eines Phenols addiert und dadurch in ein aryliertes p-Diamin übergeht, das sich nunmehr mit großer Leichtigkeit wieder zum Diimin oxydiert. Die besprochenen Vorgänge lassen sich z. B. in folgender Weise schematisch darstellen, wobei HX ein aromatisches Amin bzw. ein Phenol darstellt: a) Entstehung eines Indamins: 1. p-Diamin + 0 —s» p-Diimin, 2. p-Diimin + HX (Amin) —>- aryliertes p-Diamin, 3. aryliertes p-Diamin + 0 —>- aryliertes p-Diimin = Indamin. Verwendet man an Stelle eines Amins HX ein Phenol, so erhält man ein Indoanilin. ß) Entstehung eines Indophenols: 1. p-Aminophenol + 0 —->- p-Chinonmonoimin, 2. p-Chinonmonoimin + HX (Phenol) — v aryliertes pAminophenol, 3. aryliertes p-Aminophenol + 0 —>- aryliertes p-Chinonmonoimin = I n d o p h e n o l . Bei der unten beschriebenen «-Naphtolblau-Synthese (gemäß Schema a) bedeutet HX das Molekül des a-Naphtols, also X den Rest — C 10 H 6 -OH. Während X sich an den Stickstoff der durch Oxydation entstandenen Gruppe = N H des Diimins addiert, die da-
Parachinoniminfarbstoffe
243
durch in —NHX übergeht, wandert das H an den p-ständigen Stickstoff der Gruppe =N(CH 3 ) 2 OH, die gleichfalls dadurch in einen einwertigen Rest, —N(CH3)2, umgewandelt wird, entsprechend dem Formelbild: N H C
6
H
C 4
N ( C H
s
)
2
- o h
1 0
H
6
O H
ra-C10H6-OH — > -
+ H
C
6
H
4
•
4- H
ä
O
.
¿ ( c a ^ j
Dielndamin-, Indoanilin- und Indophenol-Synthesen beruhen also, wie man sieht, einerseits auf der O x y d a t i o n s f ä h i g k e i t der (ev. alkylierten) p-Diamine zu Chinondiiminen (bzw. der p-Aminophenole zu Chinonmonoiminen) und andererseits auf der bemerkenswerten Add i t i o n s f ä h i g k e i t der so entstandenen Chinonimine, wobei von neuem p-Diamine bzw. p-Aminophenole entstehen, und wobei das X des obigen Schemas den Rest eines Phenols (Naphtols), z. B. —C 10 H e .OH, oder eines Amins, z.B. —C6H4-NH2 oder —C6H4-N(CH3)2, bedeuten kann. Eine sehr wesentliche Erweiterung dieses Schemas werden wir bei den Azinen, Oxazinen und Thiazinen kennen lernen. Die Zugabe des Oxydationsmittels erfolgt in der Regel allmählich. Von Wichtigkeit ist auch hierbei die Feststellung des Endpunktes der Reaktion, der erreicht ist, wenn der Auslauf einer Tüpfelprobe auf Zusatz des Oxydationsmittels keine normale Farbstoffbildung mehr erkennen läßt, wodurch angezeigt wird, daß eine der beiden Farbstoffkomponenten verbraucht ist. Übungsbeispiel, a) Salzsaures Nitrosodimethylanilin. Ausgangsmaterial: 100 g Dimethylanilin. Hilfsstoffe: 200g konzentrierte HCl (D 1,19); Eis; 60g NaN0 2 100% ig; Alkohol. Darstellung. 100 g Dimethylanilin werden mit 200 g konzentrierter HCl (D 1,19) und 500 g Wasser gemischt. In die auf + 5° gekühlte Mischung läßt man langsam unter Rühren eine Lösung von 60 g Nitrit in 200 g Wasser fließen, wobei man die Mündung des Tropftrichters unter die Flüssigkeit eintauchen läßt. Die Lösung färbt sich orange und scheidet alsbald gelbe Nadeln in zunehmender Menge ab. Der Niederschlag wird abgesaugt, mit dem Pistill festgestampft, alsdann zur Entfernung der anhängenden Mutterlauge zunächst mit etwas Wasser, darauf mit etwa 50 bis 100 ccm Alkohol gedeckt und schließlich bei gewöhnlicher Temperatur auf Tontellern getrocknet. 16*
244
Farbstoffe
b) «-Naphtolblau. (CH3)2.N.C6H4.lir=C10Ha=O
oder
. /
\ /
Ausgangsmaterial: 18,6 g salzsaures Nitrosodimethylanilin; 14,4g «-Naphtol. Hilfsstoffe: etwa 5 0 g Zinkstaub; konzentrierte HCl; 5 g Natronhydrat; calcinierte Soda; Lösung yon unterchlorigsaurem Natron (die man sich leicht aus Chlorkalk- und Soda-Lösung herstellen kann). Darstellung. 18,6g salzsaures Nitrosodimethylanilin werden in 1 1 / 2 1 Wasser gelöst und durch abwechselnde Zugabe von HG1 und Zn-Staub (ca. 50 g) unter Rühren reduziert. Die entfärbte, von überschüssigem Zink filtrierte Lösung wird mit calcinierter Soda versetzt, bis alles Zink als ZnC0 3 ausgefällt ist. Das z i n k f r e i e Filtrat wird mit der Lösung von 14,4 g «-Naphtol und 5 g Natronhydrat in 250 ccm Wasser vereinigt. Trübt sich hierbei die Flüssigkeit (durch Ausscheidung von Zinkhydroxyd und ß-Naphtol), so hat man noch so viel konzentrierte Natronlauge hinzuzufügen, daß -klare Lösung eintritt, worauf man zu der auf 0° bis + 2 ° abgekühlten Lösung unter Rühren eine wäßrige Lösung von unterchlorigsaurem Natron so lange tropfenweise zufließen läßt, bis der Auslauf einer Tüpfelprobe auf Filtrierpapier durch NaOCl-Lösung nicht mehr gebläut wird. Man filtriert den ausgeschiedenen indigblauen Farbstoff ab, wäscht mit Wasser und trocknet auf Ton. Eigenschaften. Das Indophenol ist ein braunes oder bronzeglänzendes kristallinisches Pulver; in Wasser ist es nicht, dagegen in Alkohol löslich. Es löst sich auch in verdünnter Säure mit gelber Farbe. Die Lösung zersetzt sich aber schnell unter Bildung von p-Aminodimethylanilin und ß-Naphtochinon. Der Farbstoff läßt sich in alkalischer Lösung durch Glukose reduzieren zur Leukoverbindung (CH 3 ) 3 N-C 6 H 4 -NH-C 10 H 6 -OH, die sich in Alkali leicht löst. Von dieser Eigenschaft macht man beim Färben mit « - N a p h t o l b l a u Gebrauch, da der Farbstoff sich mit Indigo zusammen und in der gleichen Weise wie dieser „verküpen" läßt (s. Küpenfarbstoffe). Literatur: (1883);
18,
WITT,
§ 9 1 3 (1883);
tabellen Nr. 619.
Chem. Ind. FKIEDLÄNDBR
1, 255 1,
(1882);
283,
285,
MÖHLAU, 286;
Ber. 1 6 ,
SCHULTZ,
2851
Farbstoff-
IX. Azinfarbstoffe. Charakteristisch für alle Azine ist das Vorhandensein der beiden ausgezeichneten Stickstoffatome, die in einem Pyrazinring (I) C H
C H
C H
C H
\
-
N
T
T
r i l l
I
I
T I '
i I
y vSjfA/ i ii in zu einer chromophoren Gruppe vereinigt sind. Gefade durch dieses ringförmige C h r o m o p h o r , das für die Beständigkeit der Azinfarbstoffe von der größten Bedeutung ist, unterscheiden sich die Azine sehr wesentlich von den zersetzlichen Indaminen und Indophenolen. Eine große Mannigfaltigkeit ist möglich bezüglich der aromatischen Kerne, die durch Verschmelzung mit dem Pyrazinring das Chromogen bilden, aus dem durch den weiteren Eintritt a u x o c h r o m e r Gruppen erst der eigentliche Azinfarbstoff hervorgeht. Für die technische Darstellung kommen vor allem der Benzol- und Naphtalin-, sowie neuerdings auch der Anthracen-Kern in Betracht (s. I n d a n t h r e n , S. 229ff.), während der Phenanthrenkern bisher nur von untergeordneter Bedeutung geblieben ist. J e nach der Zusammensetzung unterscheidet man Diphenazine (II), Phenonaphtazine (III) = Naphtophenazine, Dinaphtazine (IV), Phenanthrophenazine (V) usw. N
__
IV
f>
n M \ A
V
v
Für den Farbstoffcharakter der Azine von Bedeutung sind einerseits die Substituenten, die in die aromatischen Kerne eintreten, vor allem also die auxochromen Gruppen —OH, —NH 2 , —NH-C 2 H 6 , —N(CH3)2, —NH-C 6 H 6 usw., wobei wiederum deren S t e l l u n g (normalerweise nämlich die p-Stellung zum 3-, also die m-Stellung zum 5-wertigen
246
Farbstoffe
N des Azinringes; s. die Formel des nachstehenden „Chlorhydrats") von großem Einfluß ist, andererseits die Alkyle oder Aryle, die an dem e i n e n der sogenannten „mittleren"oder „Azinstickstoffe" hängen, der dabei als 5-wertiges Element fungiert, während der andere 3wertig bleibt. Die so entstehenden Basen werden als Azoniumbasen, und ihre Salze, z. ß. das „Chlorhydrat" I I !! I ^N/^Aif/VX^ /\ C1 A r y l
dementsprechend als meso-Aryl-Diphenazoniumchloride bezeichnet. Gewisse Konfigurationen haben besondere Namen erhalten. So werden bezeichnet: Die Mono- und Diaminophenazine als E u r h o d i n e (VI), die Mono- und Dioxyphenazine als E u r h o d o l e (VII), die ms-Aryl-Aminonaphtophenazoniumverbindungen als R o s i n d u l i n e (VIII), die isomeren ms-Aryl-Naphtoaminophenazoniumverbindungen als I s o r o s i n d u l i n e (IX), die ms-Alkyl-(Aryl-)diaminophenazoniumVerbindungen als S a f r a n i n e (X), die entsprechenden Dioxyverbindungen als S a f r a n o l e (XI), die ms-Alkyl-(Aryl-)monoaminodiphenazoniumverbindungen als A p o s a f r a n i n e (XII), die entsprechenden Monooxyverbindungen als S a f r a n i n o n e (XIII), die substituierten ms-Alkyl-(Aryl-)Tri- und Tetraaminodiphenazoniumverbindungen als I n d u l i n e (XIV) usw. C
eH*C«H^NHo VI
h o
"
VII
H N^C10H6C6H4 2
C , „ H 6 < ^ > C 6 H 3 SNH, / \ C1 A r y l IX
/ \ C1 Aryl VIII
^C 6 h 3 C 6 H 3
CgH3C6H3^oh 2
/ \ C1 A r y l X /\ C1 A r y l XII Aryl-NH. Aryl • N H ^
/C6H3c»H3^.oh
/ \ C1 A r y l XI /\ C1 Aryl XIII
H
6
6
/\ C1 Aryl XIV
^NH-Aryl Aryl'
Azinfarbatoffe
247
Das aus den Ausgangsmaterialien Aminoazotoluol und Anilin entstehende Safranin (siehe S. 252) wäre demgemäß ein ms-Phenyldiamino- ditolazoniumchlorid. Für die technische Darstellung der Azine stehen mehrere Methoden zur Verfügung, die sich als Methoden der r e i n e n K o n d e n s a t i o n und der o x y d a t i v e n K o n d e n s a t i o n unterscheiden lassen. Erstere spielen eine sehr untergeordnete Rolle, während die Oxydationssynthese gerade auf dem Gebiet der Azine von der größten Bedeutung ist. 1. Die e i n f a c h e oder r e i n e Kondensation (d. h. Kondensation ohne gleichzeitige Oxydation) findet statt bei der Darstellung der auch „ C h i n o x a l i n e " genannten Produkte aus o-Chinonen und o-Diaminen. So z. B. entsteht aus Phenanthrenchinon und o-Aminodiphenylaminchlorhydrat das „ F l a v i n d u l i n " genannte ms-PhenylPhenanthrophenazoniumchlorid sehr einfach und leicht auf folgende Weise: / \
\/\CO ! i + .CO HjBTI I /\ \/ C1 C 6 H s
'
/ \
\/
I
:
jst
Flavindulin.
/\ C1 C6H5
E s bedarf zur glatten Durchführung der Synthese nur der Anwendung eines Lösungsmittels für das Phenanthrenchinon, als welches z. B. Eisessig sehr geeignet ist. Von der o x y d a t i v e n Kondensation, bei welcher der charakteristische Pyrazinring aus den bei der Farbstoffbildung beteiligten Komponenten sozusagen stückweise aufgebaut wird, und die sehr mannigfaltig gestaltet werden kann, macht man z. B. Gebrauch für die Synthese des „ S a f r a n i n T " genannten Azinfarbstoffes, der aus einem Molekül' p-Toluylendiamin, einem Molekül o-Toluidin und einem Molekül Anilin erhalten wird. Bei diesen auf oxydativer Kondensation beruhenden Synthesen spielen eine sehr wichtige Rolle als Zwischenkörper die I n d a m i n e , über deren Darstellung bereits auf Seite 239 ff. das Nähere angegeben ist. Der Übergang der Indamine in Azine ist nun dadurch ermöglicht, daß die Indamine, als Chinondiiminderivate, die schon früher erwähnte, außerordentlich wichtige Eigenschaft der A d d i t i o n s f ä h i g k e i t gegenüber primären aromatischen Aminen aufweisen. Hierbei reagieren die p r i m ä r e n aromatischen Amine —HY— etwas anders als bei der Indaminbildung, aber ähnlich wie z. B. bei der Entstehung der Diazoaminoverbindungen (s. S. 120), in der Weise, daß als Spaltstücke auftreten
248
Farbstoffe
ein Atom H der primären Aminogruppe und der aromatische Rest —HN-R(Y). Dadurch entstehen Arylido-Leuko-Indamine; aber, wie man wohl annehmen darf, erst durch Vermittlung sehr labiler Zwischenkörper. Diese kommen höchst wahrscheinlich dadurch zustande, daß — in gleicher Weise wie bei der Entstehung von Leukoindaminen durch Addition von H X an die einfachen Diimine (siehe Indamine) — sich von den beiden Spaltstücken des primären aromatischen Amins H-Y der Rest Y an das m i t t l e r e StickstofTatom des Diimins, d. h. Indamins, anlagert, während der Wasserstoff zu dem p-ständigen äußeren Imino-Stickstoff wandert, z. B. gemäß folgender Formulierung: H,N-CtHs-N=C8H,=NH
H3C^
^CHs
+ C.II, • N H
—^
H2N—C6H3—N—C„H3—NH2
H3C^
[
^-CK,
H
H Y
Der so entstehende Zwischenkörper (rechts vom Pfeil) ist, wie man sieht, ein Derivat des Hydrazobenzols und erleidet unter den besonderen Bedingungen, wie sie bei der Safraninbildung einzuhalten sind, vielleicht schon in statu nascendi, die sogenannte o-SemidinUmlagerung, d. h. der Rest Y ( = —NH-C 6 H 5 ) wandert alsbald in den aromatischen Kern und zwar in o-Stellung zum mittleren Stickstoff. Auf diese Weise bildet sich ein Abkömmling des o-Aminodiphenylamins, der gleichzeitig auch p-Diamin, also Triamin ist, und als Leukoindamin sich leicht zum Indamin oxydiert: H
—^
, II
V V
N H
X A /
HSN/X-/XNH
C H S
I !
/ x
NH,
C«Hä
Leukoindamin (Triamin)
/ ^ / C H3 II
H
oder
'3C\/\^;Ii\/\/CH3 I I I I I
C»HS p-Chinondiimin
C
II
Hydrazokörper
H8 C
3
Indamine
o-Chinondiimin
Dieses Indamin existiert wahrscheinlich in zwei isomeren Formen, als Parachinondiimin (s. 0.) und als Orthochinondiimin (s. o.). Im Molekül des letzteren vollzieht sich nunmehr eine Umlagerung, d. h. eine i n t r a m o l e k u l a r e A d d i t i o n , die vollkommen analog ist den bisher betrachteten Anlagerungen der Moleküle H X und HY an die entsprechenden Chinonimine. Hierbei wandert, wie aus der Formel
249
Azinfarbstoffe
H
^
w
f
^ r N'
c
A
^
< u
o-Chinonimin
ersichtlich ist, der mit * versehene Wasserstoff an den mittleren Stickstoff des Indamins, während der mit jenem Wasserstoff verbundene aromatische Eest ^c«Hi p-Diamin (V): 4 >C H f 0 3 ,NH msr + h CeH5 IV + HY
-nh,
"
hn>• o-Diimin (VII): "
i C6H6 VII
7. o-Diimin (VII) + HZ (intramolekular) H 3 C. „ TT H2N>C6H:4
HgC—v
H2N—CcH3—NH, (p-Toluylendiamin) -f HjN-C 6 H 4 (o-Toluidin). Hierbei arbeitet man, wegen der Schwerlöslichkeit des zu redu-
Azinfarbstoffe
251
zierenden Aminoazofarbstoffes in Wasser, am vorteilhaftesten in wäßrig-alkoholischer Lösung. Die nach Zugabe des Anilins folgenden Operationen 4, 5 und 6 gestalten sich ganz analog den Operationen 2 und 3; es sind also auch bei ihrer Ausführung die Reaktionsbedingungen so zu wählen, daß einerseits keine Spaltung des Indamins (IV) oder des p- bzw. o-Diimins (VII) eintritt, andererseits aber die Kondensationen und Umlagerungen in normaler Weise vor sich gehen können. Eine absolut neutrale Reaktion erzielt man leicht dadurch, daß man die salzsaure Reduktionsflüssigkeit mit Kreide versetzt. Zu beachten ist, daß unter diesen Umständen das bei der Reaktion entstehende Chlorzink als solches erhalten bleibt und n i c h t , etwa in ähnlicher Weise wie z. B. durch Soda, zersetzt wird gemäß der Gleichung: ZnCl., + C a C 0 3
—>
ZnCO s + CaCl 2 .
Auf diese einfache Weise läßt sich nicht nur mit Sicherheit eine Spaltung der Indamine und der andern als Zwischenprodukte auftretenden Diimme verhindern, sondern es kann auch das Bichromat die zur Auslösung seines Oxydationsvermögens, d. h. zur Neutralisation des Alkalis, erforderliche Salzsäure dem reichlich vorhandenen Cblorzink entnehmen (s. S. 241). Gerade die genaue Beachtung dieser Aciditäts- bzw. Neutralisationsverhältnisse ist für das Gelingen der Azinsynthese von der allergrößten Bedeutung. Die Zugabe des für die Operationen 1, 3, 6 und 8 erforderlichen Oxydationsmittels erfolgt im Übungsbeispiele nicht in vier Teilbeträgen nach Maßgabe des jedesmaligen Sauerstoffbedarfs, sondern dem ganzen Betrage nach bereits bei Ausführung der Operation 1. Dies ist unbedenklich unter den obwaltenden Reaktionsbedingungen (neutrale Reaktion und niedrige Temperatur). Sind aber die drei ersten Phasen der Oxydation (1, 3 und 6) vollendet, so handelt es sich darum, das obzw. p-Diimin zunächst umzulagern zu dem isomeren Hydro-Azin (Operation 7), welches sich dann leicht, bei Abwesenheit eines Oxydationsmittels schon durch den Sauerstoff der Luft, zum Azin oxydiert. Diese Umlagerung zum Leukosafranin usw. tritt erst beim E r w ä r m e n der Reaktionsflüssigkeit ein und gibt sich durch den Umschlag der Farbe von grün (Diimin) zu rot (Safranin) schon äußerlich zu erkennen. Die Base des Safranins ist, wie alle msarylierten Azoniumbasen, stark genug, um auch in neutraler chlorzinkhaltiger Lösung dem Chlorzink die erforderliche Salzsäure zu entziehen. Es bedarf daher nach beendigter Farbstoffbildung nicht der besonderen Zugabe von Salzsäure, um die Bildung des Azoniumchlorids herbeizuführen.
252
Farbstoffe
Übungsbeispiele. / \
1. Flavindulin:
U y N II v
Ausgangsmaterial:
|
•
c^Tci
10 g o-Aminodiphenylamin, 10 g Phenanthrenchinon.
HilfsstoiFe: 100 g Eisessig; konzentrierte HCl; etwa 10 g ZnGl a ; NaCl. Darstellung. 10 g o-Aminodiphenylamin nnd 10 g Phenanthrenchinon werden mit 100 g Eisessig am Rückflußkühler erhitzt, bis das Phenenthrenchinon verschwunden, d. h. bis eine Probe des Reaktionsproduktes in verdünnter Salzsäure völlig löslich ist (nach etwa 3 / 4 Stunden). Darauf wird mit 1 1 Wasser verdünnt, in der "Wärme so viel Salzsäure zugegeben, bis der Farbstoff gelöst ist, und alsdann filtriert. Aus dem erkalteten Filtrat wird der Farbstoff durch Zugabe von etwa 10 g Chlorzink ausgefällt. Für den Fall, daß der Farbstoff harzig ausfällt, löst man nochmals in siedendem Wasser, filtriert, wenn nötig, vom Ungelösten ab und fällt nach dem Abkühlen des Filtrats mit Kochsalz den Farbstoff aus. Eigenschaften. Der Farbstoff stellt ein braungelbes bis orangerotes Pulver dar, ist in Wasser mit orangegelber Farbe löslich und wird zum Färben von tannierter Baumwolle benutzt. L i t e r a t u r : Vgl. Schultz, Farbstofftabellen Nr. 668.
2. Safranin T:
^
H
««£>°° h » < k e •
/ \
C 6 H 5 C1
Ausgangsmaterial:
21,5 g salzsaures Aminoazotuol, 8,5 g Anilin.
Hilfsstoffe: 125 ccm Alkohol; 30 g Zinkstaub; konzentrierte HCl; 52 g CaCO,; 47 g Na 2 Cr 2 0 7 ; NaCl. Darstellung. 21,5 g salzsaures Aminoazotoluol (aus o-Toluidin) werden in etwa 125 ccm Alkohol in der Wärme gelöst. Die Lösung wird mit 125 ccm Wasser verdünnt, an der Turbine mit 30 g Zinkstaub und darauf mit verdünnter HCl (Mischung von 50 g Wasser und 18 g konzentrierter HCl) vereinigt. Die Flüssigkeit erwärmt
Azinfarbstoffe
253
sich und ist nach etwa einviertelstündigem starken Rühren entfärbt (Bildung des Gemisches aus 1 Mol. p-Toluylendiamin und 1 Mol. o-Toluidin: g£>c
6
H3-
n h
*
und
C8H4/9-Naphtol) o-Oxyindamin ( = o-Chinonmonoimin) (Jxazin. So läßt sich z. B. die Entstehung des M e l d o l a b l a u s aus p-Nitrosodimethylanilin und /9-Naphtol in nachstehender Weise verdeutlichen:
1.
NO /
/ (CHs)2N HCl
C8H4
oder chinoid geschrieben 8
N-OH ^
^ C1(CH 3 ) 2 N
C6H4
I
4-
H
/
/
/
/\/\/ I I
/ HO
II
/ \ /
III
/ \
c6h4 (OH,),N/ HCl
oh ! ¿CX
=
c6h4 (ch3\n/
/N,
V
;
/ 4 V T ^e-Usr-H- I ! (CH 3 ) 2 N"/ \ n f / HCl V
+ h2o
HCl
IV
r
|
j
durch '" " > (intraraoL Addition)
Um g rung
C TT ^e-^sx (CH,) 2 TT' HCl"
INT-pT O-^
VI
/
257
Oxazinfarbstoffe
8.
+ O
(CH3)2N.CeH H
— >-
(CHa) 2 N- C 6 H3
C1
VI
C1 VII
=
(CH 3 ) 2 N-C 6 H,
I C1 VIII
Die Addition des /i-Naphtols (III) an das p-Nitrosodimethylanilin (II) entspricht der Phase 2 der Safraninsynthese (s. S. 249), während die Umlagerung des o-Chinonmonoimins (V) in das LeukoOxazin (VI) ein vollkommenes Analogon der dort angenommenen intramolekularen Addition (s. Phase 7, S. 250) darstellt. Man erkennt hieraus deutlich den weitgehenden Parallelismus, der zwischen den Azin- und Oxazinsynthesen besteht, und der weiterhin auch bei der Bildung der Thiazinfarbstoffe (s. S. 261 ff.) deutlich zutage tritt. Hinsichtlich der Konstitutionsformel der Oxazine sei bemerkt, daß eine Entscheidung, welcher der beiden mit dem Oxazinring verschmolzenen Kerne der Träger der chinoiden Bindungen ist (beim M e l d o l a b l a u z. B. der Benzol- oder der Naph talin kern, entsprechend den Formeln VII oder VIII), in den meisten Fällen sehr schwer oder überhaupt nicht zu fällen ist. Sehr wahrscheinlich ist ein Wechsel der Bindungen je nach dem M e d i u m , in dem der Farbstoff sich gerade befindet. Da der Übergang der o - Oxyindamine bzw. o-Chinonimine in Leukooxazine und weiterhin in Oxazine mit so großer Leichtigkeit vor sich geht, daß die Zwischenprodukte in der Regel sich n i c h t i s o l i e r e n lassen, so erleidet ein Teil der angewandten p-Nitrosoverbindungen, infolge der Sauerstoffentnahme von Seiten der Leukoverbindungen, eine Reduktion zu den p-AminoVerbindungen, ein Umstand, der in vielen Fällen eine Komplikation des Reaktionsverlaufs zur Folge hat. Die entstandenen p-Aminoverbindungen, z . B . H 2 N.C 6 H 4 -N(CH 3 ) 2 aus ON-C 6 H 4 .N(CH 3 ) 2 , beteiligen sich nämlich in anderer Richtung an der Farbstoffbildung, indem sie auf den bereits fertig gebildeten Oxazinfarbstoff einwirken. Dies zeigt sich sehr deutlich bei der Synthese des M e l d o l a b l a u s , das anscheinend auf dem oben angegebenen Wege überhaupt nicht ohne MÖHLAU
U. B Ü C H E B E R .
2. A u f l .
Farbstoffe
258
weiteres in reiner Form erhalten werden kann, sondern vermischt ist mit einem Farbstoff, dem man die Konstitution TX
O
A
A
N H
• C6H4 • N(CHÄ),
IX
zuschreibt, und der, falls die angegebene Konstitution tatsächlich richtig ist, auf analogem Wege entstanden gedacht werden muß, wie etwa ein Anilidochinon aus Chinon und Anilin oder ein Arylidoindamin aus einem Indamin und einem aromatischen Amin, d. h. durch Addition des aromatischen Amins H Y [im vorliegenden Falle bedeutet Y den Rest —NH-C 6 H 4 -N(CH 3 ) 2 ] an den o-Chinoniminartigen Farbstoff (vgl. die Safraninsynthese, Operationen 4, 5 und Ü). Demgemäß wären als hypothetische Zwischenprodukte im vorliegenden Falle die Verbindungen X und X I anzunehmen: K H • C6H4 • N(CH3)2
(CH3)SN'
(CH3);
NH.C6H4-N(CH3)Ä.
HCl XI
Man hätte es demnach mit einer Addition, einer p-Semidinumlagerung (Wanderung einer Arylidogruppe vom Stickstoff in die p-Stellung des aromatischen Kernes) und schließlich einer Oxydation zu tun, indem das neu entstandene Leuko-Oxazin gleichfalls reduzierend auf die Nitrosoverbindung einwirkt. Wegen der Schwerlöslichkeit des /S-Naphtols in Wasser läßt man die Einwirkung des salzsauren p-Nitrodimethylanilins auf dasselbe in alkoholischer Lösung vor sich gehen. Die Kondensation der beiden Komponenten zum Oxazin erfolgt zwar schon bei gewöhnlicher Temperatur, jedoch so langsam, daß die Anwendung einer erhöhten Temperatur vorzuziehen ist. Hierbei ist ein längeres
Oxaziufarbstoffe
259
Erhitzen bis zum Sieden zu vermeiden; anderenfalls tritt eine weitgehende Kondensation ein, so daß statt des kristallinischen F a r b stoffes nur stark verharzte Produkte erzielt werden. Auch empfiehlt es sich, das salzsaure p-Nitrosodimethylanilin im Hinblick auf seine Zersetzlichkeit bei höheren Temperaturen, wie in der Vorschrift angegeben, erst allmählich zu dem im Überschuß vorhandenen ^-Xaphtol zufließen zu lassen, um auch auf diese Weise die Einwirkung der Wärme auf dasselbe nach Möglichkeit zu verkürzen. Übungsbeispiele. 1. Meldolablau oder Neublau R:
eniT i T v r / ^ ^ - s C o /
Clt|H
«
=
/V/N\. I I I I
C1
C1
Aiisgangsmaterial: 15 g p-Nitrosodimethylanilinchlorhydrat, 15 g /S-Naphtol. Hilfsstoffe: 5 0 g Alkohol 9 5 ° / n i g ; 100 g Alkohol 5 0 % ig. Darstellung. 15 g /?-Naphtol werden in 50 g Alkohol (95°/ 0 ig) auf dem Wasserbade am Eücküußkiihler gelöst. Dazu wird allmählich eine Lösung bzw. Suspension von 15 g salzsaurem p-Nitrosodimethylanilin in 100 g Alkohol (50 °/0 ig) zugesetzt. Sobald eine rein violette Lösung entstanden ist, entfernt man die Wärmequelle, läßt 12 Stunden bei gewöhnlicher Temperatur stehen und saugt die ausgeschiedenen, messingglänzenden, blauschwarzen Nadeln ab, die zur Reinigung mit etwas Alkohol nachgewaschen werden. Eigenschaften. Die freie Kristallbase ist braun und löst sich in Äther mit charakteristischer Fluorescenz. Der Farbstoff ist das salzsaure Salz und bildet violette, bronzeglänzende Kristalle, die in Wasser löslich sind. L i t e r a t u r : Vgl.
SCHULTZ,
Farbstofftabellen Nr.
649.
Ganz analog der Synthese des M e l d o l a b l a u s gestaltet sich die Darstellung des P^arbstoffes 2. Nilblau:
I J II ( C H j p / ^ o / ^ N H j i C1
Ausgangsmaterial: 17 g salzsaures Nitrosodimethyl-m-aminophenol, 10 g salzsaures a-Naphtylamin. Hilfsstoff: 100 g Eisessig. 17*
260
Farbstofle
Darstellung. In einem auf dem Drahtnetz stehenden, mit einem Luftkühler verbundenen 1 / 4 l-Kolben bringt man die Lösung von 10 g salzsaurem «-Naphtylamin in 100 g Eisessig, der mit 20 °/0 Wasser vorher verdünnt wurde, zum Sieden. In die siedende Flüssigkeit trägt man portionsweise 17 g salzsaures Nitrosodimethyl-m-aminophenol ein, wobei sie jedesmal infolge der lebhaften Reaktion stark aufwallt. Nach weiterem halbstündigen Kochen scheidet sich der Farbstoff als Chlorhydrat in grünglänzenden Kriställchen ab, welche nach dem Erkalten abfiltriert, mit salzsäurehaltigem Wasser gewaschen und auf Ton getrocknet werden. Bemerkt sei, daß als Zwischenprodukte wohl die Verbindungen
anzunehmen sind, die in analoger Weise, wie bei M e l d o l b l a u beschrieben (vgl. die Formeln IV bis VIII auf S. 256f.), durch weitere intramolekulare Umlagerung zunächst zum Leukooxazin und schließlich zum Oxazin selbst führen. Eigenschaften. Grüne, glänzende, spießige Kristalle, mit blauer Farbe löslich in Wasser, Alkohol und Pyridin. Konzentrierte Schwefelsäure löst mit orangeroter Farbe, die beim allmählichen Verdünnen der Lösung mit Wasser in Grün und Blau umschlägt. Die freie Base bildet rote Nadeln, in Alkohol mit bläulichroter Farbe und orangebrauner Fluorescenz löslich. L i t e r a t u r : Möhlau und Uhlmann, Ann. 289, 111; Schultz, Farbstofftabellen Nr. 653.
XI. Thiazinfarbstoffe. Ersetzt man in den Azinen ein Stickstoffatom des Pyrazinringes statt durch Sauerstoff — wodurch die Oxazine entstehen — durch ein Atom Schwefel, so gelangt man zu den Thiazinen. Dieselben sin also durch den ihnen eigentümlichen Thiazinring,
N
S- '
ausgezeichet, in dem der Schwefel, ganz analog wie der Sauerstoff des Oxaziringes, als vierwertiges Element die Salzbildung bewirkt oder inner Bindungen ermöglicht. In Anlehnung an die Bezeichnung der Azin-und Oxazinfarbstoffe als Azonium- und Azoxoniumverbindungen nent man in der Thiazinreihe die Farbstoffe des vierwertigen Schwefels Azthioniumkörper, und zwar spricht man je nach den aromatischn Kernen, die sich mit dem Thiazinring verschmolzen haben, von Diphenazthionium-(I), Ditolazthionium-(Il). Phenonaphtazthionium-(III) Verbindungen usw.
I i i ! , -/\s/\y Cl 1
!
I \ / \
s
Cl II
! T / \ /
J
I Cl III
Dementsprechend ist das M e t h y l e n b l a u (Konstitutionsformel siehe unten) als ein Tetramethyl-Diaminodiphenazthioniumchlorid zu bezeichnen. Die bekannten auxochromen Gruppen befinden sich, wiederum in Analogie mit den Azinen und Oxazinen, in p-Stellung zum 3-wertigen Thiazinstickstoff. Auch die Methoden zur Darstellung der Thiazine gleichen inweitgehendem Maße denen, die für die technische Gewinnung der Azine und Oxazine in Betracht kommen. Vor allem sind hier die Oxydationssyntliesen von Bedeutung, die hei den Thiazinen jedoch, infolge der Notwendigkeit, 1 Atom Schwefel in das Farbstoffmolekül einzuführen, eine besondere Gestaltung annehmen. Die wichtigste Methode, die in zahlreichen F'ällen für die Thiazindarstellung
Farbstoffe
262
Anwendung gefunden hat, besteht in der oxydativen Kondensation von p-Diamino-Thiosulfonsäuren
Iz. B.
i i I mit (CH^N7 /^S.SO.Na' Aminen, z. B. C„H5-N(CHg)2, und Phenolen, auch Aminophenolen, Chinonen (/S-Naphtochinon), Hydrochinoneri, Gallussäure usw. Die p-Diaminothiosulfonsäuren, die demnach bei der Thiazindarstellung eine sehr bedeutsame Rolle spielen, entstehen durch Oxydation von p-Diaminen in Gegenwart von Thiosulfaten nach dem Schema: V
/NH, (CH 3 ) ( N/ C 6 H 4 +0 HCl I (CH3)2N^CoH/NH: 'ci II
+ Na2S2
°3
—>
>
(CH
^NH (CH 1 ) i N^ C s H ' ¿j II -NH, '>'N• C » H < S . S 0 3 N a + "I
Nacl
•
Wollte man, was wohl zulässig sein dürfte, zwischen Diimin (II) und Thiosulfonsäure (III) noch einen Zwischenkörper annehmen, so müßte diesem etwa die Konstitution /NH (CH 3 ) s N.C,H/ I SSOsNa zukommen. Seine Entstehungsweise entspräche den aus der Safraninsynthese bekannten Additionsvorgängen (s. dort Phase 2 und 4, S. 249):
/NH
C.H.+ ( C H S ) X Na—S-SOjNa
(CHjJjIf • Ca aH4 4 32
/
N H
' „ S.S0 3 Na. + NaCl
C1
Beim weiteren Ubergang dieses Zwischenkörpers in die p-Aminodimethylanilin-Thiosulfonsäure fände eine Umlagerung statt: (CH 3 ) 2 ]Sr-C,,H/ :N y
^
(CH3)2N-.C(.H3A-
C 8 H 4 -N(CH,) S > ( C H ^ N : G„H 3 ^
/NH
IX
>CeH3 • NfCH,),
(CH 9 ) 2 N.C 6 H 3 ^ g ^ >C,H, • N(CH A ), i Cl XI
gekennzeichneten ßeaktionen kurz zusammen, so ergibt sich folgendes Reaktionsschema: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
p-Diamin (I) + 0 p-Diimin (II). p-Diimin (II) + HX ( = H : S-S0 3 Na) p-Diamin (III). p-Diamin (III) p-Diamin (IV). p-Diamin (IV) -f 0 p-Diimin (V). Diimin (V) + HY [ = H CcH4-N(CH3)2] p-Diamin (VI). p-Diamin (VI) + 0 p-Diimin (VII). p-Diimin (VII) durch Hydrolyse (Abspaltung der Sulfogruppe) ->- Thiophenol (VIII), isomer mit o-Thiochinonmonoimin (IX). 8. o-Thiochinonmonoimin (IX) + HZ (intramolekulare Addition) o-Aminothiophenol = Leukothiazin (X). 9. o-Aminothiophenol (X) + 0 ->- o-Thiochinonmonoimin = Thiazin (XI). Dieses Reaktionsschema weist starke Anklänge an das für die Azinbildung aufgestellte Schema auf. Die weitgehende Ähnlichkeit
266
Farbstoffe
zwischen Azin- und Thiazinsynthese tritt noch deutlicher zutage, wenn man die 3 Thiazinkomponenten: p-Aminodimethylanilin, Dimethylanilin und Thiosulfat — wobei das Thiosulfat, wie man sieht, an die Stelle des primären Monamins, also an die Stelle des Anilins der Safraninsynthese, getreten ist — auch in der n ä m l i c h e n R e i h e n f o l g e miteinander kombiniert wie bei der Azinsynthese, also zunächst das p-Aminodimethylanilin mit dem Dimethylanilin zum Indamin oxydiert, dieses alsdann mit dem Thiosulfat zur Indaminthiosulfonsäure vereinigt und schließlich durch Umlagerung dieser letzteren den Ringschluß zum Thiazin bzw. dessen Leukoverbindung herbeiführt. Dieser wenn auch tatsächlich nur selten ausgeführten Synthese entsprechen, dem Vorstehenden gemäß, die besonderen Phasen III', IV' und V': (CB^N-CeH/
,NR
^O TT
V „ H 4 -NlCH,),
III'
C8HrN(CHs)., IV
(CH,) S N • C6 H / * N c
s
6
H , • N(CHj),;
S0 3 N"a
V'
während die A n f a n g s - und E n d s t u f e n (I und I I sowie VI bis XI) der oben auf S. 262 ff. erläuterten Synthese auch bei der zuletzt erwähnten Ausführungsform durchlaufen werden. Aus dem Umstände, daß labile Cbinonimine hier, wie man sieht, ebenso wie bei der Azinsynthese, eine sehr wichtige Rolle als Zwischenprodukte spielen, ergeben sich die bei der Darstellung der Thiazine einzuhaltenden Reaktionsbedingungen auf Grund dessen, was früher bereits über die Z e r s e t z l i c h k e i t der Indamine gesagt wurde, von selbst. Vor allem muß die Gegenwart freier Mineralsäuren so lange ausgeschlossen bleiben, bis die Bildung des beständigen Thiazinringes erfolgt ist. Andererseits aber muß die Möglichkeit bestehen, das aus dem Bichromat stammende Alkali zu binden. Das geschieht, ebenso wie bei der Azinsynthese (s. S. 251), durch die Gegenwart von ZnCl 2 , das bei der Reduktion des p-Nitrosodimethylanilins entsteht (2 Mol. ZnCl 2 auf 1 Mol. p-Aminodimetliylanilin). Der Zusatz von Soda nach der Reduktion des p-Nitrosodimethylanilins, die wegen der Zersetzlichkeit des Nitrosokörpers und der Reaktionsfähigkeit der Zwischenprodukte vorteilhaft bei niederen Temperaturen erfolgt (nicht über 30°), hat hier also lediglich den Zweck, völlig neutrale Reaktion' herzustellen. Das Chlorzink
Thiazinfarbstoffe
267
selbst jedoch darf aus dem eben angegebenen Grunde aus der Lösung n i c h t a u s g e f ä l l t werden. Auch der nun folgende Zusatz von Thiosulfat zur Lösung des p-Diamins bewirkt weder eine Fällung des Zinks noch eine Zersetzung des T-hiosulfats, sondern die Lösung bleibt unter den angegebenen Reaktionsbedingungen vollkommen klar. Eine schwache violette Färbung, die in der Regel beim Stehen der mit Soda neutralisierten Reduktionsflüssigkeit einzutreten püegt, ist ohne Belang. Erst nach Zusatz des Bichromats entsteht infolge des nun einsetzenden Oxydationsprozesses ein Niederschlag, wahrscheinlich eine Mischung aus Zn(0H) 2 und Cr(OH)g und p-diaminthiosulfonsaurem Salz. Das Ende der Thiosulfonsäurebildung (III, S. 262) kann man, da etwa noch vorhandenes p-Aminddimethylanilin sich leicht mit roter Farbe oxydiert (WURSTEES Rot), mit einiger Sicherheit am Ausbleiben dieser Färbung bei einer Tüpfelprobe auf Fließpapier erkennen. — Nach dem Hinzufügen der 3. Thiazinfarbstoff-Komponente, des Dimethylanilins in Form seines Chlorhydrates, erfolgt nunmehr die Zugabe des für die Oxydationsprozesse 4 und 6 (s. S. 265) erforderlichen Bichromats. Unter den zunächst einzuhaltenden Reaktionsbedingungen (vor allem niedrige Temperatur) gelangen zunächst also nur diese beiden Prozesse (4 und 6) zur Verwirklichung, die die Synthese bis zur Indaminthiosulfonsäure (VII) fortschreiten lassen. Erst beim Erhitzen dieser schwer löslichen, grünblau gefärbten Verbindung mit Chlorzinklösung wird die Ilmlagerung zum "Leukothiazin (X) und durch weitere Bichromatlösung dessen alsbaldige Oxydation zum Methylenblau herbeigeführt. Damit ist die eigentliche F a r b s t o f f b i l d u n g b e e n d i g t , und es handelt sich daher bei den weiteren Operationen nur noch um die Aufarbeitung des Reaktionsproduktes. So bezweckt der Zusatz von Schwefelsäure lediglich die Auflösung des bei der Synthese entstandenen Niederschlages von Chrom- und Zinkhydroxyd, dessen Menge dem verbrauchten Natriunithiosulfat und Kaliumbichromat entspricht; während das in fester Form zugegebene NaCl hier wie in zahlreichen anderen Fällen die Abscheidung des entstandenen Farbstoffes vervollständigen soll, damit dieser durch Filtration von den löslichen Nebenprodukten und den Zn- und Cr-Salzen getrennt werden kann. Durch die in der Vorschrift (s. u.) erwähnten 2—3 g Soda werden die aus dem NaCl stammenden Verunreinigungen der Farbstofflösung niedergeschlagen, vor allem Kalksalze, die durch Fleckenbildung die späteren Färbungen beeinträchtigen könnten; dieselben verbleiben im unlöslichen Rückstand. Das Ansäuern der filtrierten Farbstofflösung mit Salzsäure hat den Zweck, etwa vorhandene Farbbase ins Chlorhydrat überzuführen.
Farbstoffe
268
Übungsbeispiel. Methylenblau:
N(CH3)2 .
(H3C).Ji C1
Ausgangsmaterial: 45 g p-Nitrosodimethylanilinchlorhydrat, 65 g Thiosulfat (Na 2 S 2 O s + 5 aq.), 25 g Dimethylanilin. Hilfsstoffe: 45 g Zinkstaub; 270 ccm ZnCl 2 -Lösung von 40° B6; (125 + 21) g .konzentrierte HCl; Soda fest und in konzentrierter Lösung; (260 + 500 + 250) ccm K 2 Cr 2 0 7 -Lösung (1:10); 300g 2 5 % ige H 2 S 0 4 ; festes NaCl. Darstellung. 45 g salzsaures p-Nitrosodimethylanilin (etwa J / 4 Mol.) werden in 1,5 1 Wasser gelöst. Der Lösung werden 125 g konzentrierte HCl von 23 0 Be (etwa 1 '/ 4 Mol.) zugefügt und in sie unter Rühren allmählich 45 g Zinkstaub (etwa l / 3 Mol.) eingetragen. Die Temperatur soll 30° nicht überschreiten und die Flüssigkeit farblos werden. (Bildung des p-Diamins
Man neutralisiert nach beendigter Reduktion vorsichtig mit konzentrierter Sodalösung bis zur eben beginnenden Trübung der Lösung durch ausgeschiedenes ZnCO g und filtriert (Faltenfilter) in ein Gefäß von 5 1 Inhalt. Nun läßt man eine konzentrierte Lösung von 65 g Na 2 S 2 0 3 + 5 a q (etwa 1 / i Mol.) einlaufen, rührt unter Kühlung auf 0° noch V2 Stunde und läßt dann innerhalb 1 / 2 Stunde 260 ccm K 2 Cr 2 0 7 -Lösung 1 : 1 0 (== etwa l / 1 2 Mol. K 2 Cr 2 0 7 = ca. 1 / i Atom O) einfließen. Man rührt so lange, bis eine Probe auf Filtrierpapier keinen roten Rand mehr gibt (Operation 1, 2 und 3; Bildung der Thiosullonsäure
setzt eine n e u t r a l e Lösung aus 25 g Dimethylanilin und ca. 2 1 g konzentrierter HCl zu und läßt bei 0° innerhalb 1—1 x / 2 Stunden tropfenweise £ 2 Cr 2 0 7 -Lösung 1 : 1 0 (ca. 500 ccm = ca. J / 2 Atom O) zufließen, solange eine Tüpfelprobe im Auslauf mit Bichromatlösung noch unter Grünfärbung reagiert, bzw. solange eine filtrierte Probe mit Bichromatlösung noch eine Abscheidung grünen Indaminthio-
269
Thiazinfarbstoffe
sulfonats ergibt. Man rührt alsdann noch 1 —1'/ 2 Stunden, bis die Grünfärbung nicht mehr zunimmt (Operation 4, 5 und 6; Bildung der Indaminthiosulfonsäure
Der Flüssigkeit wird nunmehr noch die Hälfte des Volumens der vorher verbrauchten Bichromatlösung hinzugefügt (d. h. ca. 250 ccm). Nach Zugabe von 270 ccm ZnCl2-Lösung von 40° Be erwärmt man unter Rühren auf 90° und erhält das Reaktionsgemisch 1 bis l1/2 Stunden auf dieser Temperatur (Bildung von Methylenblau, Operation 7, 8 u. 9). Nun setzt man 300 g 25°/ 0 ige H 2 S0 4 ( = 3 / 4 Mol.) und 200 g NaCl zu, läßt erkalten, saugt den in reichlichen Mengen ausgeschiedenen Niederschlag ab und kocht denselben mehrere Male bis zur annähernden Erschöpfung mit Wasser aus. Die intensiv blaugeiärbte wäßrige Farbstofflösung versetzt man mit 2—3 g Soda, kocht nochmals auf und filtriert durch ein Faltenfilter. Das Filtrat säuert man bei 80° mit 2—3 g konzentrierter HCl an und fällt den Farbstoff bei dieser Temperatur mit festem NaCl aus. Die mehr oder minder deutlich kristallinische Ausscheidung von Methylenblau wird nach dem Erkalten abgesaugt und auf Ton getrocknet. Eigenschaften. Die freie Base ist nur durch AgaO zu erhalten; sie löst sich mit blauer Farbe in Wasser. Als Farbstoff dient das Chlorhydrat oder das gut kristallisierende Chlorzinkdoppelsatz, ein dunkelbraunes, bronzeglänzendes Pulver, das sich in Wasser leicht löst und vor allem zum Färben und Bedrucken von tannierter Baumwolle dient. L i t e r a t u r : Vgl. SCHÜLTZ, Farbstofftabellen Nr. 659; BERNTHSEN, Ber. 16, 1 0 2 5 , 2 9 0 3 [ 1 8 8 3 ] ; 1 7 , 6 1 1 , 2 8 5 4 [1884]-, A n n . 2 3 0 ,
1137 [1885]; 2 5 1 ,
l [1889],
XII. Thiazolfarbstoffe. Die Thiazolfarbstoffe enthalten den Thiazolring: —er I!
\ CH.
Die einfachsten Derivate des Thiazols sind farblos. Auch das durch Verschweißung des Thiazolringes mit dem Benzolring entstehende B e n z o t h i a z o l . / \ / s \ I CH, und das durch den Ersatz des Methinwasserstoffes im Thiazolring dieses Körpers durch einen Benzolrest zustande kommende P h e n y l benzothiazol, / \ /
I
I
s
\
c-
CeH4 ,
^CH ein Körper von Phtalid-artigem Charakter, der durch Na-Alkoholat sich schon bei gewöhnlicher Temperatur zum Chinophtalon umlagern läßt. Wegen seiner Unlöslichkeit in Wasser ist das C h i n o l i n g e l b als solches für technische Zwecke nicht geeignet. Durch Sulfonierung, die zu ihrer glatten Durchführung rauchender Schwefelsäure und höherer Temperatur bedarf, wird das Gelb wasserlöslich und bildet alsdann einen wertvollen, rein gelben Farbstoff für Wolle und Seide.
B. Die Acridinfarbstoffe, die den Acridinrest, also außer dem Pyridin- noch zwei Benzoleventuell auch Naphtalin-)kerne enthalten: ^ A c h A /
V \
C
H A A
und, wie man sieht, hinsichtlich ihrer Konstitution den Azinen, Oxazinen und Thiazinen nahestehen, werden nicht unmittelbar aus
Pyridin-, Cliinolin- und Acridinfarbstofie
281
dem Acridin selbst, das bekanntlich einen Bestandteil des Steinkohlenteers bildet, dargestellt, sondern ausschließlich mittels solcher Synthesen, welche den mit den erforderlichen auxochromen Gruppen versehenen Acridinkern erst entstehen lassen. Ahnlich wie bei den Triphenylmethanfarbstoffen (s. ¡5.175, 180, 183) spielen auch hier die r e i n e n K o n d e n s a t i o n e n eine große Rolle. Hierbei werden in der Regel zunächst LeukoVerbindungen gebildet, die durch weitere Oxydation sich leicht in die eigentlichen Farbstoffe überführen lassen. In manchen Fällen tritt eine solche Oxydation schon von selbst ein, d. h. sie erfolgt unter dem Einfluß des Luftsauerstoffes. Die O x y d a t i o n s s y n t h e s e n , bei denen der betreffende Farbstoff durch oxydative Kondensation aus mehreren Komponenten aufgebaut wird, und die bei der Darstellung der Azine, Oxazine und Thiazine eine so große Bedeutung besitzen, finden nur in seltenen Fällen Anwendung und nehmen meist einen wenig glatten Verlauf. Von den reinen Kondensationen gehören zu den wichtigsten diejenigen, die beruhen auf der Kondensationsfähigkeit der Aldehyde (Formaldehyd und Benzaldehyd) mit 2 Mol. eines m-Diamins, wie z. B. m-Toluylendiamin, H,NVVNH, ! I H3C/\/
Bemerkenswert ist die Leichtigkeit, mit der bei m-Diaminen der Aldehydrest in den aromatischen Kern eingreift, wobei allerdings eine wichtige Bedingung die ist, daß eine Mineralsäure zugegen ist; im anderen Falle entstehen entweder Anhydroverbindungen nach Art des Anhydroformaldehydanilins (s. S. 182): C U H 5 - N H 2 + OCHA
—>
C 6 H 5 - N = C H 2 + HJO ,
oder Zwischenprodukte, bei denen der Aldehydrest teils in den aromatischen Kern, teils in die Aminogruppe eingreift: H„N V ,NH, > C66 H . / + OCH,2
HgC/
HVN\ /NH ' > C66 H 4 < I + H..O.
H3C/
'^CH,
Diese Zwischenprodukte sind reaktionsfähige Körper, die unter geeigneten Bedingungen (vor allem ist wieder die Gegenwart von Mineralsäure erforderlich) in Acridine (symmetrische oder unsymmetrische) übergeführt werden können. Der Eingriff des Aldehydrestes in den aromatischen Kern ist gewissen Gesetzmäßigkeiten unterworfen und erfolgt bei Monaminen fast durchgängig in pStellung und nur ausnahmsweise, nämlich bei besetzter p-Stellung, in o-'Stellung zur Aminogruppe. Bei m-Diaminen befindet sich der Aldehydrest ebenfalls in p-Stellung zu der einen, dadurch aber
Farbstoffe
282
gleichzeitig in o-Stellung zur anderen Aminogruppe. So entsteht aus 1 Mol. Formaldehyd und 2 Mol. m-Toluylendiamin in Gegenwart einer Mineralsäure ein Tetraaminoditolylmethankörper von ganz bestimmter Konstitution: H,C/ H2N
6 3
CH, /NH 2 HJST,
6
'^CH,
/HH,
die ihn beim Erhitzen auf höhere Temperatur zur (Pyridin-)Ringbildung geeignet macht. Das Ende der Formaldehydkondensatiön läßt sich durch das Verschwinden des eigentümlichen Formaldehydgeruches, genauer aber mittels einer geeigneten Diazonium Verbindung, leicht erkennen: Während m-Toluylendiamin z.B. mit p-Nitrobenzoldiazoniumchlorid in schwach mineralsaurer Lösung sehr leicht einen gelbbraunen, in Äther löslichen Farbstoff bildet, kuppelt das -Ditolylmethanderivat mit anderer Farbe und wesentlich schwerer, da die beiden p-Stellungen zu den Aminogruppen besetzt sind: /NH, IX.jC ^
CIlo—
Auch mittels HN0 2 läßt sich etwa noch vorhandenes m-Toluylendiamin leicht feststellen, da dieses Diamin in essigsaurer oder schwach mineralsaurer Lösung, ähnlich wie m-Phenylendiamin, mitHNO s einen braunen Disazofarbstoff vom Typus des B i s m a r c k b r a u n (s. S. 87) erzeugt. Das Ditolylmethanderivat vermag, wie oben erwähnt, beim Erhitzen mit Säuren auf höhere Temperaturen unter Abspaltung von NH 3 in ein Diaminodimethyldihydroacridin überzugehen: H3C'- (-/6±±2 \ S >
c
c h
Ä < c h >
c
CH. Ä < C E ; +
NH
3
Diese Verbindung besitzt die Natur eines Leukofärbstoffes und ist daher, wie erwähnt, leicht geneigt, in den Farbstoff selbst, das Acridingelb (s. u.), überzugehen. Befördert wird dieser Übergang durch die Gegenwart eines Oxydationsmittels, wozu sich jedoch nur gelinde wirkende Mittel wie FeCl 3 eignen, welche das übrige Farbstoffmolekül, insbesondere die Aminogruppen, unverändert lassen. Da das Acridingelb im Gegensatz zu seiner Leukoverbindung in Wasser schwer löslich ist, so lassen sich Verlauf und Ende des Oxydationsprozesses an dem ausfallenden Farbstoffniederschlag leicht erkennen.
283
P y r i d i n - , Chinolin- und Acridinfarbstofi«
Analog der Bildung des A c r i d i n g e l b s gestaltet sich die Synthese des B e n z o f l a v i n s bzw. der entsprechenden Leukoverbindung, des Phenyl-Ditolyl-Methanderivates, aus 1 Mol. Benzaldehyd und 2 Mol. m-Tüluylencliarriin, nach dem Schema: ' g J X J A ^
+
o
•>
+
CH CeH5
^
3
C
A
^
. ^-CH/ 4H6
3
+ H , 0 usw.
Allerdings besitzt der Beuzaldehyd eine merklich geringere Reaktionsfähigkeit als der Formaldehyd und erfordert daher zur Vollendung der Kondensation eine erheblich längere Zeit. Die Erkennung des Endpunktes der Reaktion gestaltet sich ähnlich wie oben schon bei Acridingelb angegeben und beruht auf dem Nachweis etwa noch vorhandenen m-Toluyleudiamins. Übungsbeispiele. 1. Chinolingelb (und Chinolingelb S):
CH
/
a) C h i n o l i n g e l b . Ausgangsmaterial: 10 g Phtalsäureanhydrid; 10 g Chinaldin. Hilfsstoffe: Eisessig; Alkohol. Darstellung. Man erhitzt gleiche Gewichtsmengen, etwa 10 g Phtalsäureanhydrid und 10 g Chinaldin, in einem mit Steigrohr versehenen Kolben auf dem Sandbade. Nach Beginn der Reaktion, die sich durch Wasseraustritt anzeigt, mäßigt man die Wärmezufuhr und schüttelt gut um, bis am Rande der Flüssigkeit sich Kristalle abzuscheiden beginnen, und erhitzt nun weiter, bis die Reaktionsinasse erstarrt ist. Bei einer Menge von 20—40 g Ausgangsmaterial ist die Operation in ca. 45 Minuten beendigt. Man rührt die Masse noch vor dem Erkalten mit Alkohol an, saugt nach einer Stunde ab und wäscht mit kaltem Alkohol nach, bis dieser hell abläuft. Das hellgelb gefärbte Produkt wird gereinigt durch Lösen in wenig heißem Eisessig und darauffolgenden Zusatz von Alkohol bis zur beginnenden Trübung; Fp. 241
284
Farbstoffe
Eigenschaften. Der Farbstoff stellt ein gelbes Pulver dar, das in Wasser unlöslich ist, sich in Alkohol schwer mit gelber und in konzentrierter Schwefelsäure mit gelbroter Farbe löst. L i t e r a t u r : Vgl.
SCHULTZ,
Farbstofftabellen Nr.
612.
b) C h i n o l i n g e l b S. (Na-Salz der Disulfonsäure dea Cbinolingelbs.)
Alisgangsmaterial:
10 g Chinolingelb, 40 g Oleum von 25 °/0 S0 3 -Gehalt. Hilfsstoffe: Soda, festes NaCl. Darstellung. 10 g Chinolingelb werden in 40 g 25°/ 0 igem Oleum gelöst und im Olbade auf 170° erhitzt, bis eine Probe völlig wasserlöslich ist. Die Schmelze gießt man nach dem Abkühlen vorsichtig in etwa 350 ccm Wasser oder auf Eis und führt die so erhaltene Disulfonsäure, durch Neutralisieren der schwefelsauren Lösung mit Soda, ins Na-Salz über. Aus dem Filtrat fällt man den Farbstoff mittels NaCl aus. Eigenschaften. Der Farbstoff stellt ein gelbes Pulver dar, das in Wasser und Alkohol mit gelber Farbe sehr'leicht löslich ist. L i t e r a t u r : Vgl.
SCHULTZ,
Farbstofftabellen Nr. 613.
2. Acridingelb:
Ausgangsmaterial:
12,5 g m-Toluylendiamin, 3,77 g Formaldehyd 39,8%ig.
Hilfsstoffe: 5 g konzentrierte H 2 S 0 4 ; NH 3 -Lösung; 20 ccm HCl 20°/ 0 ig; verd. HCl; FeCl 3 -Lösung; Natronlauge; Anilin; eventuell Eisessig. Darstellung, a) T e t r a a m i n o d i t o l y l m e t h a n . 12,5 g m-Toluylendiamin werden in einem Gemisch von 5 g konzentrierter H 2 S0 4 und 40 ccm Wasser in der Wärme gelöst. In das alsbald zu einem dickem Kristallbrei von m-Toluylendiaminsulfat erstarrte Gemisch werden 3,77 g Formaldehyd (39,8°/0ig), verdünnt mit 10 ccm Wasser, unter Eübren bei ca. 60° eingetragen. Die Kristalle gehen sofort wieder in Lösung, aber nach einigen Augenblicken beginnt die Ausscheidung von feinen, silberglänzenden Nadeln des Sulfats von Tetraaminoditolylmethan. Nach dem Erkalten werden dieselben filtriert und mit etwas kaltem Wasser gewaschen. Das noch feuchte Sulfat wird durch Verreiben mit NH 3 -Lösung und
Pyridin-, Chinolin- und Aeridinfarbstoffe
285
gelindes Erwärmen in die Base übergeführt. Dieselbe stellt ein schwachgefärbtes Kristallpulver dar und ist schwerlöslich in Alkohol, Toluol und Wasser, aus dem sie in langen Blättchen kristalliert; Fp. 203—204° unter Bräunung. b) F a r b s t o f f . 6 g Tetraaminoditolylmethan werden in 20 ccm 20°/ 0 iger HCl gelöst und die schwach braungefärbte Lösung im Einschlußrohr 3—4 Stunden auf 150° erhitzt, wobei sich unter NH 3 -Abspaltung das Hydroacridinderivat ziemlich glatt bildet. Nach dem Erkalten wird der rotgefärbte Eöhreninhalt mit den ausgeschiedenen roten Kristallnadeln in einen Kolben gespült, in ca. 200 g Wasser gelöst und darauf die heiße Flüssigkeit vorsichtig mit einer wäßrigen FeCl 3 -Lösung so lange versetzt, bis keine weitere Vermehrung des sich ausscheidenden rotgelben Niederschlags wahrzunehmen ist (nötigenfalls Filtrationsprobe!). Das so gebildete Chlorhydrat des Acridinkörpers wird abfiltriert, mit sehr verdünnter HCl zur Entfernung des FeCl 3 ausgewaschen und getrocknet. Das salzsaure Salz wird, um aus ihm die Base zu erhalten, mit heißem Wasser zu einem Brei angerührt, mit der nötigen Menge Natronlauge versetzt und auf dem Wasserbade erwärmt, bis die Farbe in ein reines Gelb umgeschlagen ist. Die Base wird abgesaugt, mit heißem Wasser gewaschen und getrocknet. Zur Reinigung löst man sie in 50 ccm Anilin in der Siedehitze. Beim Abkühlen kristallisiert sie in gelben Nadeln, die mit Äther und Benzol gewaschen werden. Das Chlorhydrat ist aus eisessigsaurer Lösung mittels HCl als mikroskopisches Pulver erhältlich. Eigenschaften. Das Acridingelb ist ein gelbes, selbst in heißem Wasser nur mäßig lösliches Pulver und dient zum Färben und Bedrucken von tannierter Baumwolle. L i t e r a t u r : SCHULTZ, Farbstofltabellen Nr. 602.
3. Benzoflavin:
c„H6 Ausgangsmaterial: 9,8 g salzsaures m-Toluylendiamin, 6,1 g m-Toluylendiaminbase, 5,3 g Benzaldehyd. Hilfsstoffe: Alkohol; 13%ige HCl; FeCl s -Lösung. Darstellung. 9,8 g salzsaures m-Toluylendiamin und 6,1 g m-Toluylendiaminbase werden in so viel Alkohol gelöst, daß in der
Farbstoffe
Wärme eine konzentrierte Lösung entsteht. Zu der auf 60° abgekühlten Lösung gibt man 5,3 g frischen Benzaldehyd. Die Lösung färbt sich sofort rot und scheidet das Chlorhydrat des Phenyltetraaminoditolylmethans in Gestalt eines dichten, aus hellgelben Tafeln bestehenden Niederschlages aus. Nach weiterem, etwa dreistündigem Erwärmen wird er abgesaugt und getrocknet. 5 g des Produktes werden mit 25 g 13°/ O io e r HCl sieben Stunden lang im Einschlußrohr auf 1G0° erhitzt. Der Rohrinhalt besteht alsdann aus einem festen Kuchen rötlicher Nadeln, welche an der Luft bald eine intensiv gelbrote Farbe annehmen. Die Masse wird, um die Oxydation zum Farbstoff zu vollenden, in wäßriger HCl suspendiert und nach Zugabe von FeCl 3 -Lösung einige Stunden an der Turbine energisch gerührt. Alsdann wird ab filtriert und getiocknet. Eigenschaften. Die aus dem Chlorbydrat mittels Alkali erhältliche freie Base ist hellgelb. Aus Alkohol kristallisiert sie in braungelben, stumpfen Nadeln, die in heißem Wasser nur schwer löslich sind; in Alkohol löst sie sich mit gelbgrüner Fluorescenz. Der Farbstoff ist ein Chlorhydrat von gelbroter Farbe und dient •ebenso wie Acridingelb zum Färben und Bedrucken tannierter Baumwolle. L i t e r a t u r : SCHDLTZ, Farbstofftabellen Nr. 605.
XV. Indigo- und Thioindigorot-Farbstoffe. I. Indigo: Der I n d i g o zählt, trotz gewisser Mängel der mit ihm erzielbaren Blaufärbungen, zu den ältesten und wichtigsten Farbstoffen. E r findet sich vor sowohl im Tier- wie auch im Pflanzenreich; jedoch nicht im freien Zustand und nicht fertig gebildet als solcher, sondern in Form ester- bzw. ätherartiger Verbindungen dps ihm nahestehenden I n d o x y l s (I) mit Schwefelsäure oder Glukose, die den Namen „ I n d i k a n e " führen; z. B. ist das Harn-Indikan das Na-Salz einer ,,In doxy] schwefelsaure'' von der Konstitution II. ,NH.
I
II
Aus den Indikanen kann durch Spaltung und Oxydation I n d i g o leicht gewonnen werden. Das Indigo-Molekül weist, wie man sieht, k^ine auxochromen Gruppen gewöhnlicher Art auf. Welche Bedeutung den einzelnen Gruppen, aus denen sein Molekül sich aufbaut (NH, CO, > C = C < usw.), zukommt, ist vorläufig noch nicht mit Sicherheit entschieden. Immerhin dürfte seine nahe Beziehung zu dem Dianilido-BenzoChinon
CH=CH
einiges Licht auf diese Frage werfen. Die technische Darstellung des Farbstoffes in großem Maßstabe ist erst seit 1897 gelungen und überwiegt heute die natürliche Erzeugung ganz beträchtlich.
288
Farbstoffe
Es ist eine bemerkenswerte, sich aus den Eigenschaften des I n d o x y l s erklärende Erscheinung, daß bei den meisten Versuchen zur Synthese des künstlichen I n d i g o s solche Ausgangsmaterialien verwendet wurden, die nur e i n e n Phenylrest im Molekül enthalten, obwohl, wie man sieht, zur Bildung des Indigomoleküls 2 Phenylreste -erforderlich sind. In der Regel läuft die Synthese, ähnlich wie bei der Darstellung des natürlichen Indigos durch oxydative Spaltung des Glukosids, zunächst auf die Gewinnung des I n d o x y l s hinaus, das, als äußerst oxydable Substanz, mit großer Leichtigkeit in den Farbstoff, den I n d i g o , übergeht: M ,NHX C,H,( > C H + 20 + HC< >C6H4 • C—OH HO—C C«
1 1
^CO>
C = C
--»•
C6HL '
Die erste, von der Badischen Anilin- u. Sodafabrik im t e c h n i s c h e n Maßstabe verwirklichte, aber heute wohl nicht mehr benutzte Indigo- bzw. Indoxylsynthese ging aus vom N a p h t a l i n , C10H8,
und bediente sich als Zwischenstufen der Verbindungen: P h t a l s ä u r e h y d r i d (I), P h t a l i m i d (II), A n t h r a n i l s ä u r e (III) und P h e n y l g l y c i n - o - c a r b o n s ä u r e (IV)
l
II
III
IV
Die Darstellung des I n d i g o s zerfällt danach in die folgenden Teilprozesse: 1. Oxydation des Naphtalins mittels S0 3 zum P h t a l s ä u r e anhydrid. 2. Kondensation des Phtalsäureanhydrids mit NH 3 bzw. (NH3)3 (C0 2 ) 2 H 2 0 (Hirschhornsalz) zum P h t a l i m i d . 3. Oxydation des Imids mittels NaOCl zur A n t h r a n i l s ä u r e . 4. Kondensation der Anthranilsäure mit Monochloressigsäure zur P h e n y l g l y c i n - o - c a r b o n s ä u r e . 5. Verschmelzung der o-Carbonsäure zu I n d o x y l bzw. I n d o x y l c a r b o n s ä u r e mittels Alkali. Zu 1. Oxydation des Naphtalins mittels S0 3 zum Phtalsäureanhydrid. Diese Reaktion verläuft nach der Gleichung: /
V:H S
CH/
C H
_
_
+ 9SOS —>-
„
^co
C 6 H 4 < Q Q > 0 + 9SOJ + 2 CO, + 2HJO ,
Indigo-
289
und Thioindigorotfarbstoffe
wobei die in reichlichen Mengen erzeugte S0 2 in der Technik zurückgewonnen und nach dem Kontaktprozeß wieder auf S0 3 verarbeitet wird. Wesentlich begünstigt wird die Operation (zu der in der Regel nicht S0 3 selbst, sondern eine mehr oder minder hochprozentige Lösung desselben in H 2 S 0 4 , sogenanntes „Oleum", benutzt wird) durch Zugabe von Hg oder seinen Salzen, die dabei eine eigentümliche, bisher noch nicht in allen Einzelheiten mit Sicherheit erkannte Rolle als Katalysatoren spielen. Als Nebenprodukte entstehen Sulfophtalsäuren, die beim Uberdestillieren des Phtalsäureanhydrids zum größten Teile in der Schwefelsäure gelöst bleiben. Zu 2. Kondensation des Phtalsäureanhydrids mit NH.? bzw. (NH 3 ) 3 (C0 3 ) 2 H 2 0 zum Imid. Sie erfolgt nach der Gleichung: C6H40 i . F . V.
+ NHj
— V C 6 H , < ™ > K H + H20
(NHS)5(C0S),.H»0
und verläuft auch bei Anwendung von trocknem A m m o n i a k g a s mit ziemlich großer Leichtigkeit. Zu 3. Oxydation des Imids mittels NaOCl zu Anthranilsäure. Dieser Prozeß stellt eine Abart der bekannten H o f m a n n sehen Methode dar, wonach Säureamide durch Brom und Alkali in die um 1 C ärmeren Monoalkylamine übergeführt werden können: E-CO-NH,
»- E - N H , .
Als Zwischenprodukte treten die Verbindungen vom TypjisR-CO-NH-Iir bzw. R-CO-NH-OH auf: E . C O . N H , + Br., + N a O H
>- R C O N H - B r + N a B r 4- H 2 0
und E'CO'IH-Br + NaOH
*- E - C O ' N H - O H + N a B r .
Durch Umlagerung gehen diese Oxyamide R-CO-NH-OH über in die N-carbonsäuren vom Typus R-NH-COOH, aus denen durch alsbaldige Abspaltung von C0 2 die Amine R N H 2 hervorgehen: E - H H , + CO, .
R.HH-COOH
In Summa verläuft also der Prozeß nach der Gleichung: R . C O - H H , + NaOCl + 2 N a O H
v BNH
a
+ NaCl + Na2C03 + H 2 0 .
Aus Phtalimid und NaOCl in Gegenwart von Alkali entstehen in analoger Weise die höchst labilen Zwischenstufen: CONH-Cl
c 6 H 4 < (•CO O H
CONH-OH
c 6 H 4 < .C O O H
und schließlich aus der letzten, der Möhlau u. Bucherer.
? . Aufl.
und
-NH- COOH C6H4< -COOH
Carboxy-Anthranilsäure, 19
290
Farbstoffe
durch Abspaltung von C0 2 , die Anthranilsäure, gemäß der summarischen Gleichung: C 6 H ( < ° ° > N H + NaOCl + 3 N a O H C
«H
Dieses Verfahren muß, wenn man Zersetzungen (Abspaltung von C02) oder die Bildung von Anthranilidodiessigsäure, „ „
.N(CH,-COOH),
(aus 1 Mol. Anthranilsäure und 2 Mol. Monochloressigsäure), vermeiden will, bei niedrigen Temperaturen ausgeführt werden und erfordert daher zur Vollendung der Reaktion längere Zeit — bei 40° mehrere Tage. Einen sehr raschen und glatten Verlauf nehmen zwei Verfahren A und B, bei denen — statt der Monochloressigsäure — Cyankalium und Formaldehyd (CH20) bzw. Formaldehyd + Bisulfit zur Anwendung gelangen. Dem Verfahren A liegen folgende Reaktionen zugrunde: CH 02+H.S03Na 4N C O O N a FormäidehydBisulfit
a)
C6h/
b)
c6h4
_
X
0
/NH-CH^SO^Na 1 1 4 , TT COONa + H s O , methylanthranil-oj-sulfonsaures Natron 8
c6h4
Reaktion A,a) besteht in der Kondensation von anthranilsaurem Natron mit molekularen Mengen Formaldehyd-Bisulfit. Letzteres entsteht leicht in bekannter Weise aus 1 Mol. Formaldehyd (40°/0 ig) + 1 Mol. Bisulfit (von 36—40" B6) durch kurzes Erwärmen in wäßriger Lösung. Auch die als m e t h y l a n t h r a n i l - < o - s u l f o n saures Natron bezeichnete Verbindung bedarf zu ihrer Bildung nur
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Indigo- und Thioindigorotfarbstoffe
einer verhältnismäßig kurzen Zeit. Bei einer Temperatur von 40° ist die Kondensation nach etwa 8 Stunden, bei einer Temperatur von 50—70° in 1 / 2 — 3 / 4 Stunden mit Sicherheit als beendet anzusehen. Da die w-Sulfonsäure durch HN0 2 nicht gespalten wird, so läßt sich das Ende der Reaktion durch eine Diazotierungsprobe, d. h. durch Behandlung einer Probe mit Nitrit und Essigsäure, leicht erkennen. Essigsäure ist in diesem Falle der Salzsäure, die eine Spaltung der leicht zersetzlichen w-Sulfonsäure herbeiführen könnte, vorzuziehen. Ist noch unveränderte Anthranilsäure vorhanden, so unterliegt diese der Diazotierung und liefert daher beim Eingießen der Diazotierungsflüssigkeit in sodaalkalische R-Salzlösung einen ponceauroten Farbstoff. Tritt diese Farbstoffbildung nicht mehr, oder nur noch in geringem Maße ein, so kann die Reaktion A, b) stattfinden, die gleichfalls sehr rasch vonstatten geht, bei 70° in etwa 10 Minuten. Eine Prüfung des Reaktionsproduktes (vor der Weiterverarbeitung), behufs Erkennung des Endpunktes der Umsetzung, empfiehlt sich a u s n a h m s w e i s e an dieser Stelle des Prozesses n i c h t ; ist aber auch gar nicht erforderlich, weil es sich hier um eine sehr rasch und — bei Anwendung g e n a u m o l e k u l a r e r Mengen — nahezu quantitativ verlaufende Reaktion handelt, und weil andererseits ein zu langes Erhitzen der Flüssigkeit zu einer Z e r s e t z u n g des bereits entstandenen, aber bei höheren Temperaturen nicht ganz beständigen w - c y a n m e t h y l a n t h r a n i l s a u r e n Natriums, 1 H