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German Pages 300 Year 1996
Finanzwissenschaft: Grundlagen der Stabilisierungspolitik Von Universitätsprofessorin
Dr. Walburga von Zameck
R. Oldenbourg Verlag München Wien
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Zameck, Walburga von: Finanzwissenschaft: Grundlagen der Stabilisierungspolitik / von Walburga von Zameck. - München ; Wien : Oldenbourg, 1996 ISBN 3-486-22870-6
© 1996 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München
ISBN 3-486-22870-6
Vorwort
Das vorliegende Lehrbuch zur Fiskalpolitik hat die Analyse der makroökonomischen Wirkungen staatlicher Haushaltspolitik im Rahmen der wichtigsten theoretischen Grundmodelle der Volkswirtschaftslehre zum Inhalt. Fiskalpolitische Fragestellungen werden zwar häufig in Lehrbüchern zur Wirtschaftspolitik und Makroökonomie behandelt bzw. stellen in einigen Lehrbüchern zur Finanzwissenschaft einen Themenkreis unter etlichen dar. Da das Hauptinteresse dieser Lehrbücher jedoch auf andere Schwerpunkte gerichtet ist bzw. ihr Anliegen einem Generalüberblick gilt, wird die Analyse makroökonomischer Wirkungen staatlicher Budgetpolitik dort auf elementare Implikationen der betrachteten theoretischen Modelle beschränkt. Das vorliegende Lehrbuch rückt demgegenüber die Untersuchung der Differentialwirkungen staatlicher Ausgaben- und Einnahmenveränderungen auf die Volkswirtschaft ins Zentrum der Betrachtung. Budget-, Produktions-, Beschäftigungsund Preisniveaueffekte des Einsatzes verschiedener Instrumente werden dabei jeweils im Rahmen von Grundmodellen der neoklassischen und keynesianischen Theorie sowie der neoklassischen Synthese untersucht und miteinander verglichen. Die bewußte Beschränkung auf diese Grundmodelle als theoretischer Rahmen für die Wirkungsanalyse dient dazu, den Studierenden die Basis für das Verständnis theoretischer Kontroversen um die Fiskalpolitik zu vermitteln, die sich aus der Modifikation und Weiterentwicklung der Grundmodelle in der Literatur entwickelt haben. Die Konzentration auf die zentralen Aspekte der Fiskalpolitik wie auch die gebotene Beschränkung des Umfangs der Darstellung hat zum Verzicht auf die Berücksichtigung außenwirtschaftlicher Einflüsse geführt. Vielmehr werden zur besseren Verständlichkeit die grundlegenden Wirkungszusammenhänge ausführlich entwickelt, wobei die Darstellungsform verbale, graphische und analytische Argumentation miteinander verbindet. Entstanden ist dieses Lehrbuch aus Teilen eines Vorlesungsskriptes, das meine finanzwissenschaftliche Veranstaltung „Staat und Stabilisierung" während meiner Tätigkeit an der Freien Universität Berlin begleitet hat und daher von den kritischen Anmerkungen der Studierenden in vielfältiger Weise profitieren konnte. Ebenso waren mir bei der späteren Erprobung des Manuskripts in der Lehre die Studenten der Universität der Bundeswehr München hilfreich.
VI
VORWORT
Danken möchte ich vor allem meinem Mitarbeiter, Herrn Dipl.-Vw. Gero von Grawert-May für zahlreiche Hinweise und Verbesserungsvorschläge, die geholfen haben, Mißverständnisse und Unklarheiten zu vermeiden. Mein Dank gilt ebenfalls Frau cand. rer. pol. Stephanie Abraham für ihre Hilfe bei der Erstellung des Stichwortverzeichnisses und vieler technischer Arbeiten, die mit der Realisierung des Lehrbuchprojekts verbunden waren.
Walburga von Zameck
Inhaltsverzeichnis 1
Das Stabilitätsziel und seine Messung 1.1 1.2 1.3
1.4
1 2
Aufgaben des Staates Gesetzlich fixierte Stabilitätsziele Indikatoren der Zielerreichung 1.3.1 Stabiles Preisniveau 1.3.1.1 Statistische Preisindices 1.3.1.2 Preisindexarten 1.3.1.2.1 Preisindices der VGR 1.3.1.2.2 Preisindices der Lebenshaltung 1.3.2 Hoher Beschäftigungsstand 1.3.2.1 Die Arbeitslosenquote 1.3.2.1.1 Aussagefähigkeit der Arbeitslosenquote . . . 1.3.2.1.2 Zielprojektionen 1.3.2.2 Arbeitslose und offene Stellen 1.3.2.3 Erwerbstätige, beschäftigte Arbeitnehmer 1.3.3 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht 1.3.4 Stetiges, angemessenes Wirtschaftswachstum Ausblick
Neoklassische Theorie
1 1 3 4 5 6 8 8 10 13 13 14 19 20 20 23 27 30
35
Das Grundmodell ohne staatliche Aktivität
37
2.1 2.2
38 40 41 46 50 50 50 51 56 60 61
2.3
2.4
Die makroökonomische Produktionsfunktion Die Unternehmen 2.2.1 Die Arbeitsnachfrage 2.2.2 Die Kreditnachfrage 2.2.3 Die Güternachfrage der Unternehmen 2.2.4 Das Güterangebot Die Haushalte 2.3.1 Die Arbeits-/Freizeitentscheidung 2.3.2 Das Kreditangebot 2.3.3 Die Güternachfrage der Haushalte Die Märkte
VIII
2.5
2.6
INHALTSVERZEICHNIS 2.4.1 Der Arbeitsmarkt 2.4.2 Der Kreditmarkt 2.4.3 Der Gütermarkt Die monetäre Seite des Modells 2.5.1 Preisniveaubestimmung 2.5.2 Der Nominallohn Das Gesamtmodell
Α Lösen linearer simultaner Gleichungssysteme A.l Eliminierung der Variablen A.2 Matrix-Algebra: Cramersche Regel 3
Staatliche Aktivität mit Pauschalsteuer Einfügen der staatlichen Parameter Kreditfinanzierung 3.2.1 Kreditfinanzierte Staatsausgaben 3.2.1.1 Kreditmarktwirkungen 3.2.1.2 Strukturwirkungen am Gütermarkt 3.2.2 Kreditfinanzierte Transferausgaben 3.2.2.1 Kreditmarktwirkungen 3.2.2.2 Strukturwirkungen am Gütermarkt 3.3 Variation der Pauschalsteuer 3.3.1 Kreditmarktwirkungen 3.3.2 Strukturwirkungen am Gütermarkt 3.4 Pauschalsteuerfinanzierung 3.4.1 Pauschalsteuerfinanzierte Staatsausgaben 3.4.2 Pauschalsteuerfinanzierte Transferausgaben 3.5 Ausgabenumschichtung 3.6 Zusammenfassung der Ergebnisse 3.1 3.2
4
Staatliche Aktivität mit Lohnsteuer Einfügen der Lohnsteuer Variation des Lohnsteuersatzes 4.2.1 Wirkung auf das reale Subsystem 4.2.2 Wirkung auf Preisniveau und Nominallohn 4.2.3 Wirkungen auf den Kreditmarkt 4.2.3.1 Die Kreditnachfrage 4.2.3.2 Das Kreditangebot 4.2.3.3 Zinsentwicklung 4.2.4 Wirkungen auf den Gütermarkt 4.3 Steuerfinanzierung 4.3.1 Wirkung auf das reale Subsystem 4.3.2 Lohnsteuerfinanzierte Staatsausgaben 4.3.3 Lohnsteuerfinanzierte Transferausgaben 4.4 Zusammenfassung der Ergebnisse
4.1 4.2
61 61 63 63 63 66 68
73 73 74 77 77 80 80 80 83 83 84 86 87 87 90 90 91 93 93 95 97 97 98 98 101 101 102 105 105 110 110 111 112 113 114
INHALTSVERZEICHNIS
II 5
Keynesianische Theorie Das Einkommen-Ausgaben-Modell 5.1 5.2
5.3
5.4
6
IX
117 119
Das Grundmodell ohne Staat 120 Staatliche Aktivität mit Pauschalsteuer 124 5.2.1 Verschuldungsfinanzierung 125 5.2.1.1 Staatsausgabenmultiplikator 125 5.2.1.2 Transferausgabenmultiplikator 128 5.2.2 Pauschalsteuermultiplikator 129 5.2.3 Pauschalsteuerfinanzierung 130 5.2.3.1 Das Haavelmo-Theorem 130 5.2.3.2 Steuerfinanzierte Transferausgaben 132 5.2.4 Ausgabenumschichtung 133 Staatliche Aktivität mit Einkommensteuer 134 5.3.1 Verschuldungsfinanzierung 134 5.3.1.1 Staatsausgabenmultiplikator 134 5.3.1.2 Transferausgabenmultiplikator 136 5.3.2 Built-in-Flexibility 136 5.3.2.1 Index der built—in—flexibility 139 5.3.2.2 Determinanten der bif einer Steuer 141 5.3.3 Steuersatzmultiplikator und Steuereinnahmen 143 5.3.4 Einkommenssteuerfinanzierung 145 5.3.4.1 Einkommensteuerfinanzierte Staatsausgaben 145 5.3.4.2 Einkommensteuerfinanzierte Transferausgaben . . . . 146 5.3.5 Ausgabenumschichtung 147 Zusammenfassung der Ergebnisse 149
Das IS/LM-Modell: Zinsreagible Investitionen
153
6.1
153 153 155 156 157 158 163 163 164 164 172 172 174 175 178 178
6.2 6.3 6.4
Die Güterseite des Modells 6.1.1 Die Investitionsfunktion 6.1.2 Das Gütermarktgleichgewicht: Die / S - K u r v e 6.1.2.1 Die Steigung der / S - K u r v e 6.1.2.2 Die Lage der IS-Kurve Die monetäre Seite des Modells Das Gesamtgleichgewicht Fiskalpolitik im IS/LM-Modell 6.4.1 Verschuldungsfinanzierung 6.4.1.1 Der Staatsausgabenmultiplikator 6.4.1.2 Der Transferausgabenmultiplikator 6.4.2 Steuersatzmultiplikator und Steuereinnahmen 6.4.3 Einkommensteuerfinanzierung 6.4.3.1 Steuerfinanzierte Staatsausgaben 6.4.3.2 Steuerfinanzierte Transferausgaben 6.4.4 Ausgabenumschichtung
X
INHALTSVERZEICHNIS 6.5
6.6 7
Das 7.1 7.2 7.3
7.4 7.5
III
Geldpolitik im IS/LM-Modell 6.5.1 Variation der Geldmenge 6.5.2 Geldmengenfinanzierte Staatsausgaben Zusammenfassung der Ergebnisse
179 179 184 188
I S / L M - M o d e l l mit variablem Preisniveau IS-Kurve, LM-Kurve und variables Preisniveau Das Gesamtmodell mit variablem Preisniveau Die aggregierte Nachfragekurve 7.3.1 Die Steigung der aggregierten Nachfragekurve 7.3.2 Die Lage der aggregierten Nachfragekurve Die aggregierte Angebotskurve Zusammenfassung der Ergebnisse
191 191 193 195 195 200 202 203
Neoklassische Synthese
205
8
Neoklassische Synthese mit flexiblem Lohn 8.1 Der Arbeitsmarkt 8.1.1 Der Einfluß einer Veränderung des Preisniveaus 8.1.2 Der Einfluß einer Veränderung des Steuersatzes 8.2 Die aggregierte Angebotskurve 8.2.1 Die Steigung der aggregierten Angebotskurve 8.2.2 Die Lage der aggregierten Angebotskurve 8.3 Das Gesamtmodell 8.4 Fiskalpolitik in der neoklassischen Synthese 8.4.1 Verschuldungsfinanzierung 8.4.2 Steuersatzmultiplikator und Steuereinnahmen 8.4.3 Einkommensteuerfinanzierung 8.4.3.1 Steuerfinanzierte Staatsausgaben 8.4.3.2 Steuerfinanzierte Transferausgaben 8.4.4 Ausgabenumschichtung 8.5 Geldpolitik in der neoklassischen Synthese 8.5.1 Variation der nominalen Geldmenge 8.5.2 Geldmengenfinanzierte Staatsausgaben 8.6 Zusammenfassung der Ergebnisse
207 208 208 210 211 211 212 213 213 213 217 224 225 227 230 230 231 231 234
9
Nach unten starrer Nominallohn 9.1 Arbeitsmarkt: Nach unten starrer Nominallohn 9.2 Die aggregierte Angebotskurve 9.2.1 Die Steigung der aggregierten Angebotskurve 9.2.2 Die Lage der aggregierten Angebotskurve 9.3 Das Unterbeschäftigungsgleichgewicht 9.4 Fiskalpolitik im Unterbeschäftigungsgleichgewicht 9.4.1 Verschuldungsfinanzierung
237 237 241 241 243 246 246 248
INHALTSVERZEICHNIS
XI
9.5
9.4.2 Steuersatzmultiplikator und Steuereinnahmen 9.4.3 Ausgabenumschichtung Geldpolitik im Unterbeschäftigungsgleichgewicht 9.5.1 Variation der nominalen Geldmenge 9.5.2 Geldmengenfinanzierte Staatsausgaben
252 254 255 255 257
9.6
Zusammenfassung der Ergebnisse
259
Literaturverzeichnis
261
Index
267
Abbildungsverzeichnis 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 1.12 1.13
Staatliches Zielsystem nach Musgrave Statistische Indexmethoden Preisindex des Bruttosozialprodukts, BRD 1960-1990 Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte, BRD 19621993 Inflationsrate in der BRD 1963-1993 Arbeitslosenquote in der BRD 1950-1994 Arbeitslose, Kurzarbeiter in der BRD 1950-1995 Arbeitslose, offene Stellen in der BRD 1950-1995 Erwerbstätige in der BRD 1950 bis 1994 Beschäftigte Arbeitnehmer in der BRD 1950 bis 1994 Komponenten der Leistungsbilanz Leistungsbilanz der BRD 1950-1994 Wachstumsrate des BSP in der BRD 1961-1994
2 6 9 12 12 13 17 21 22 22 24 25 29
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17
Die Produktionsfunktion Wertgrenzprodukt der Arbeit und Nominallohn Wertgrenzprodukt der Arbeit und Nominallohnerhöhung Wertgrenzprodukt der Arbeit und Preisniveauerhöhung Produktionsfunktion und Arbeitsnachfrage Die private Kreditnachfrage Die optimale Zeitaufteilung Die Arbeits-/Freizeitentscheidung Das Arbeitsangebot Intertemporale Konsumentscheidung Das Kreditangebot Gleichgewicht am Arbeitsmarkt Das Kreditmarktgleichgewicht Die Quantitätsgleichung Der Nominallohn Nominallohn und Arbeitsmarkt Das neoklassische Gesamtmodell
40 42 43 44 45 49 52 54 55 56 59 62 62 65 67 68 69
3.1 3.2
Die Kreditnachfrage Kreditfinanzierte Staatsausgaben
79 81
XIV
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
Kreditfinanzierte Transferausgaben Variation der Pauschalsteuer Pauschalsteuerfinanzierte Staatsausgaben Pauschalsteuerfinanzierte Transferausgaben Ausgabenumschichtung
84 88 91 94 94
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
Reales Subsystem: Erhöhung des Lohnsteuersatzes 100 Neoklassisches Gesamtsystem: Erhöhung des Lohnsteuersatzes . . . . 102 Erhöhung des Lohnsteuersatzes: Wirkung auf den Kreditmarkt . . . . 103 107 Zinswirkung der Erhöhung des Lohnsteuersatzes: Fall 1 Zinswirkung der Erhöhung des Lohnsteuersatzes: Fall 2 107 Zinswirkung der Erhöhung des Lohnsteuersatzes: Fall 3 109
5.1 5.2 5.3 5.4
Konsum- und Sparfunktion Das Gütermarktgleichgewicht Einkommen-Ausgaben-Modell: Erhöhung der Staatsausgaben Einkommensabhängige Transferfunktion
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18
Grenzleistungsfähigkeit und Marktzins 154 Die IS-Kurve 156 Der Einfluß des Steuersatzes auf die IS-Kurve 157 Einfluß der Staatsausgaben auf die IS-Kurve 158 Das Geldmarktgleichgewicht 161 Die LΜ-Kurve 162 Geldmengenvariation und Lage der ZM-Kurve 162 Gleichgewicht auf dem Güter- und Geldmarkt 163 IS/LM-Modell: Erhöhung der Staatsausgaben 165 Erhöhung der Staatsausgaben bei zinsunelastischer Geldnachfrage . . 168 Erhöhung der Staatsausgaben bei Liquiditätsfalle 170 Erhöhung der Staatsausgaben bei zinsunelastischen Investitionen . . . 171 IS/LM-Modell: Erhöhung des Einkommensteuersatzes 173 Einkommensteuerfinanzierte Staatsausgaben 176 IS/LM-Modell: Variation der Geldmenge 180 Geldpolitik bei zinsunelastischer Geldnachfrage 182 Geldpolitik bei Liquiditätsfalle 183 Geldpolitik bei Investitionsfalle 184
7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7
Preisniveauveränderung und Lage der LM-Kurve Preisniveauveränderung im IS/LM-Modell Die Steigung der aggregierten Nachfragekurve Aggregierte Nachfragekurve und Investitionsfalle Aggregierte Nachfragekurve und Liquiditätsfalle Die Lage der aggregierten Nachfragekurve Die aggregierte Angebotskurve bei vollständig elastischem Angebot
8.1
Der Arbeitsmarkt bei flexiblem Nominallohn
121 123 . . . . 127 137
193 194 197 199 200 201 . 202 209
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
XV
8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 8.11 8.12
Arbeitsmarktgleichgewicht und veränderter Steuersatz 210 Die aggregierte Angebotskurve bei flexiblem Nominallohn 212 Auswirkung einer Erhöhung der Staatsausgaben 215 Erhöhter Steuersatz: Wirkung auf das Sozialprodukt 218 Erhöhter Steuersatz: Zinswirkung bei konstantem Preisniveau . . . . 220 Erhöhter Steuersatz: Zinswirkung bei reduziertem Preisniveau . . . . 221 Erhöhter Steuersatz: Zinswirkung bei erhöhtem Preisniveau 222 Steuerfinanzierte Staatsausgaben 226 Steuerfinanzierte Transferausgaben 229 Auswirkung einer Erhöhung der nominalen Geldmenge 232 Auswirkung geldmengenfinanzierter Staatsausgaben 233
9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8
Der Arbeitsmarkt bei vollständig exogenem Nominallohn Der Arbeitsmarkt bei nach unten starrem Nominallohn Aggregierte Angebotskurve: Nach unten starrer Nominallohn Aggregierte Angebotskurve: Erhöhung des Steuersatzes Das Unterbeschäftigungsgleichgewicht Staatsausgaben und Unterbeschäftigungsgleichgewicht Steuersatzvariation und Unterbeschäftigungsgleichgewicht Geldmengenvariation und Unterbeschäftigungsgleichgewicht
238 240 243 245 247 250 253 256
Tabellenverzeichnis 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8
Projektionen der Wachstumsrate des Preisindexes des BSP, BRD 1969-1991 Preisindices für die Lebenshaltung Bevölkerung nach dem Erwerbskonzept Leistungsmißbrauch und illegale Beschäftigung, BRD 1982-1992 . . . Projektionen der Arbeitslosenquote, BRD 1969 bis 1991 Projektionen der Beschäftigung, BRD 1980 bis 1992 Projektionen des Außenbeitrags in % des BSP, BRD 1969-1991 . . . Projektionen der Wachstumsrate des realen BSP, BRD 1969-1991 . .
10 11 14 18 19 23 26 30
2.1
Märkte und Akteure des neoklassischen Grundmodells
37
3.1
Wirkung finanzpolitischer Maßnahmen im neoklassischen Modell mit Pauschalsteuer
95
Wirkung finanzpolitischer Maßnahmen im neoklassischen Modell mit Lohnsteuer
115
4.1 5.1 5.2
Einkommenselastizitäten ausgewählter Steuern (BRD 1950-1980) . . 142 Wirkung finanzpolitischer Maßnahmen im Einkommen-AusgabenModell 150
6.1
Wirkung finanzpolitischer Maßnahmen im IS/LM-Modell
189
8.1
Wirkung finanzpolitischer Maßnahmen im Modell der neoklassischen Synthese mit flexiblem Nominallohn
235
Wirkung finanzpolitischer Maßnahmen im Unterbeschäftigungsgleichgewicht
259
9.1
Symbolverzeichnis ALQ
Arbeitslosenquote
ASt
Reaktion des aggregierten Angebots auf eine Veränderung des Steuersatzes
ASp
Reaktion des aggregierten Angebots auf eine Veränderung des Preisniveaus
Β
Bestand an Wertpapieren (Bonds)
BD
staatliches Budgetdefizit
C
Konsumausgaben
c
marginale Konsumquote
CA
autonome Konsumausgaben
CO
Index des crowding-out
CT
Reaktion der Konsumausgaben auf eine Veränderung des Zinssatzes
CYv
Reaktion der Konsumausgaben auf eine Veränderung des verfügbaren Einkommens
|D|
Determinante der Koeffizientenmatrix
&AS,T
Steuersatzelastizität des aggregierten Angebots
£B,Y
Einkommenselastizität der Bemessungsgrundlage
e
E
erwarteter Ertragsstrom eines Kapitalgutes £τ,γ
Einkommenselastizität des Steueraufkommens
£tß
Bemessungsgrundlagenelastizität des Steuersatzes
£p,M
Geldmengenelastizität des Preisniveaus
£py
Einkommenselastizität des Preisniveaus
£w,p
Preiseniveauelastizität des Nominallohns
£V,t
Steuersatzelastizität des Sozialprodukts
G
Staatsausgaben für Güter und Dinestleistungen
Qi
Gewichtungsfaktoren der Preise im Preisindex
Γ
zur Verfügung stehende Gesamtzeit
7
Index der built-in-flexibility
/
Investitionen; Kreditnachfrage der Unternehmen
SYMBOLVERZEICHNIS
XX i
Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals
Ir
Reaktion der Investitionen auf eine Zinssatzveränderung
I(w/P)
Reaktion der Kreditnachfrage auf eine Veränderung des Reallohns
Κ
Kapitalstock der Volkswirtschaft
κ
Kredit
Kb
Kurs eines Bond
Ki
Kapitalstock eines Unternehmens i
K*
optimaler Kapitalstock
L
Freizeit
L(Y, r)
Geldnachfragefunktion
C
Lagrangefunktion
λ
Lagrangemultiplikator
LPI
Laspeyres-Preisindex
LT
Reaktion der Geldnachfrage auf eine Zinssatzveränderung
Ls
Spekulationskasse
Lt
Transaktionskasse
Ly
Reaktion der Geldnachfrage auf eine Einkommensveränderung
Μ
nominale Geldmenge
^p-
reale Geldmenge
Ν
Arbeitseinsatz der Volkswirtschaft
N'
Reaktion des Arbeitsangebots auf eine Veränderung des realen Nettolohnsatzes
ND
Arbeitsnachfragefunktion
Ns
Arbeitsangebotsfunktion
Ni
Arbeitseinsatz eines Unternehmens i
Ρ
Preisniveau
Π
Gewinn
Ρ
prozentuale Inflationsrate
PI
Preisindex
PPI
Paasche-Preisindex
PY
nominales Sozialprodukt
Ri
Nettoperiodeneinnahme eines Kapitalgutes
r
Zinssatz
rPK
nominale Kapitalkosten
S
Ersparnis; Kreditangebot
s
marginale Sparquote
SYMBOLVERZEICHNIS Sr
Reaktion der Ersparnis auf eine Zinssatzveränderung
Syv
Reaktion der Ersparnis auf eine Veränderung des verfügbaren Einkommens
t
Steuersatz
Τ
Steueraufkommen
Tr
Transferausgaben des Staates
U(..)
Nutzenfunktion eines Haushalts
ÜAA
Uberschußangebot am Arbeitsmarkt
ÜNA
Uberschußnachfrage am Arbeitsmarkt
Ui
Grenznutzen der Freizeit
Uy
Grenznutzen des Einkommens
UΖ
Nutzenzuwachs
ν
Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes
w
Nominallohn
ω
Realer Nettolohn
wN
nominale Lohnkosten
ψ
Reallohn
Y
Output der Volkswirtschaft; Einkommen
xji
Output eines Unternehmens i
Yf
Vollbeschäftigungsoutput der Volkswirtschaft
YK
Grenzprodukt des Faktors Kapital
YKK
Veränderung des Grenzprodukts des Faktors Kapital bei zusätzlichem Kapitaleinsatz
YFIN
Veränderung des Grenzprodukts des Faktors Kapital bei zusätzlichem Arbeitseinsatz
Vyv
Grenzprodukt des Faktors Arbeit
YNK
Veränderung des Grenzprodukts des Faktors Arbeit bei zusätzlichem Kapitaleinsatz
YNN
Veränderung des Grenzprodukts des Faktors Arbeit bei zusätzlichem Arbeitseinsatz
S
Y Y
V
Güterangebot der Unternehmen verfügbares Einkommen
XXI
Kapitel 1 D a s Stabilitätsziel und seine Messung 1.1
Aufgaben des Staates
Moderne Volkswirtschaften, deren Kennzeichnung als Marktwirtschaften ihre Steuerung über den Markt als vorherrschendem Lenkungsprinzip zum Ausdruck bringen soll, weisen ohne Ausnahme - wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung und Stärke - ein zweites Steuerungsprinzip auf: die Wirtschaftspolitik des Staates. Die Aufgaben des Staates in marktorientierten Volkswirtschaften können sich zum einen aus Unzulänglichkeiten bzw. unerwünschten Nebenwirkungen des Steuerungsinstrumentes Markt ergeben, zum anderen daraus, daß aus verschiedenen gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Interessen heraus ganz bewußt andere wirtschaftliche Resultate angestrebt werden, als sich über den Markt einstellen würden. Die Ergänzung bzw. Ersetzung des Steuerungsprinzips Markt durch das Steuerungsprinzip Staat führt in jedem Fall zu ökonomischen Abläufen und Ergebnissen, die einer besonderen Analyse bedürfen. Die Auswirkungen desjenigen Teils der Steuerung der Volkswirtschaft durch den Staat, der sich über die Einnahmen und Ausgaben des Staates vollzieht, ist Erkenntnisgegenstand eines Teilgebietes der Volkswirtschaftslehre, der Finanzwissenschaft. Zur Strukturierung der vielfältigen Eingriffe des Staates in das Marktgeschehen hat es sich in der Finanzwissenschaft seit dem Erscheinen von Musgraves Finanztheorie 1 eingebürgert, drei Hauptbereiche staatlicher Steuerungstätigkeit in marktorientierten Wirtschaftssystemen zu unterscheiden. Die Aufgaben des Staates ergeben sich danach aus den von ihm verfolgten Zielen, dem Allokationsziel, dem Distributionsziel u n d dem Stabilisierungsziel. Als ein weiteres Ziel, das allerdings auf einer unteren Ebene gegenüber den anderen Zielen anzusiedeln ist, wäre das fiskalische Ziel zu nennen, d.h. die Aufgabe des Staates, sich die Mittel für die Erfüllung der ersten drei Ziele zu beschaffen. 'Musgrave (1959)
2
KAPITEL
1. DAS STABILITÄTSZIEL
UND SEINE
MESSUNG
Abbildung 1.1: Staatliches Zielsystem nach Musgrave
Das Allokationsziel bezieht sich auf ein Hauptproblem jeder Volkswirtschaft. Der Begriff Allokation bezeichnet die Aufteilung der knappen Ressourcen einer Volkswirtschaft auf alternative Verwendungszwecke. Wird die optimale Allokation der Ressourcen durch den Marktprozeß nicht realisiert, dann liegt es nahe, zu prüfen, ob der Staat durch geeignete Maßnahmen eine Reallokation herbeiführen kann, mit dem Ziel, die Paretooptimalbedingungen, die eine optimale Allokation kennzeichnen, zu realisieren. Dieser Sicht der Dinge kann selbstverständlich auch eine solche gegenübergestellt werden, die Fehlallokationen gerade als Resultat störender Staatseingriffe auffaßt. Immerhin herrrscht im Bereich der Allokation noch der geringste Dissens unter den ökonomischen Lehrmeinungen. Die Aufgabe der Distribution stellt sich für den Staat immer dann, wenn die gesellschaftlich gewünschte Verteilung von derjenigen abweicht, die sich als Ergebnis der Marktprozesse einer Volkswirtschaft einstellt. Die Voraussetzungen und Resultate der sich marktmäßig ergebenden Verteilung müssen dann durch den Staat verändert werden, damit das gesellschaftlich gewünschte Verteilungsziel realisiert werden kann. Staatliche Umverteilungspolitik unterliegt in wesentlich stärkerem Maße als die Allokationspolitik kontroverser Diskussion. Sowohl unter Gerechtigkeitsaspekten als auch wegen möglicher Konflikte mit dem Allokationsziel ist das Ausmaß, ja selbst die Berechtigung des Distributionsziels überhaupt, umstritten. Das Stabilisierungsziel schließlich ist darauf gerichtet, die Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivität einer Volkswirtschaft zu verhindern bzw. zu minimieren, um eine störungsfreie und stetige Entwicklung der ökonomischen Aktivität sicherzustellen. Dieser Bereich staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen ist wohl der umstrittenste überhaupt. Hier wurden die schärfsten Kontroversen unter Ökonomen über Gründe und Wirkungen staatlicher Wirtschaftspolitik ausgetragen. Während die einen der Auffassung sind, das System der Marktwirtschaft sei nicht in
1.2.
GESETZLICH
FIXIERTE
STABILITÄTSZIELE
3
der Lage, die Ressourcen der Volkswirtschaft vollständig und gleichmäßig zu nutzen, vielmehr würde es zu mehr oder minder regelmäßigen Zuständen der Unter- bzw. Uberauslastung der Produktionsfaktoren tendieren, sind die anderen der Ansicht, erst durch die Intervention des Staates komme es überhaupt zu den Schwankungen der wirtschaftlichen Entwicklung, die wir als Konjunktur bezeichnen. Aus der ersten Auffassung folgt die Forderung, durch stabilisierendes Eingreifen des Staates die der Marktwirtschaft inhärente Instabilität auszugleichen. Aus der zweiten Auffassung ergibt sich die genau entgegengesetzte Forderung: Da ständige Variationen der staatlichen Handlungsparameter als Ursache der Instabilität identifiziert werden, muß konsequenterweise dem Staat ein neutrales Verhalten auferlegt werden, um eine störungsfreie Entwicklung der Volkswirtschaft zu sichern.
1.2
Gesetzlich fixierte Stabilitätsziele
Vor einer Analyse der theoretischen Grundpositionen, die zu so unterschiedlicher Einschätzung des Stellenwerts der Stabilisierungspolitik führen, ist zunächst zu klären, was unter dem Stabilitätsziel konkret zu verstehen ist. Diese Klärung erfolgt hier in Anlehnung an die Operationalisierung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland getroffen wurde. Das Ziel der Stabilisierungspolitik ist für die Bundesrepublik global im Grundgesetz gesetzlich fixiert. Art. 109, Abs. 2 GG verpflichtet Bund und Länder dazu, bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Im Art. 115, Abs.l, Satz 2 GG, dem sogenannten Schuldenartikel, ist festgelegt, daß die Einnahmen aus Krediten des Staates die Summe der im Haushaltsplan vorgesehenen Investitionen nicht überschreiten dürfen, es sei denn, daß dies zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erforderlich ist. Der aus der makroökonomischen Theorie entlehnte Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts muß für die praktische Stabilisierungspolitik konkretisiert werden. Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 (sogenanntes Stabilitäts- und Wachstumsgesetz) füllt den Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts mit Inhalt, indem es seine Einzelziele in §1 benennt: ,ßund und Länder haben bei ihren wirtschafte- und f inanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen" 2 . Weil es sich als schwierig erweisen kann, die genannten vier Teilziele gleichzeitig zu realisieren, wird ihre Gesamtheit auch als magisches Viereck bezeichnet. 2 D i e Deutsche Bundesbank ist ebenfalls in diese Teilziele eingebunden. Sie ist zwar nach §3 Bundesbankgesetz vornehmlich für die Sicherung der Währung verantwortlich, soll aber nach §12 gleichzeitig die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung unterstützen.
4
KAPITEL
1. DAS STABILITÄTSZIEL
UND SEINE
MESSUNG
Die Enumeration der Teilziele konkretisiert zwar den Begriff des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts für die Stabilisierungspolitik näher, jedoch bleibt die Konkretisierung noch ungenau, da die Teilziele selbst nicht näher definiert werden. Zur Operationalisierung der genannten Teilziele sind drei Schritte erforderlich: 1. Für die qualitative Operationalisierung muß jedem Teilziel ein Indikator zugeordnet werden, der in der Lage ist, den Bedeutungsinhalt des Teilziels möglichst gut zu erfassen. 2. In einem zweiten Schritt ist für die quantitative Operationalisierung festzulegen, welcher numerische Wert des gewählten Indikators als Zielerreichung einzustufen ist. 3. Schließlich ist für die zeitliche Operationalisierung festzulegen, innerhalb welcher Zeitperiode die gewählten Zielwerte erreicht werden sollen. Die zeitliche Operationalisierung ist durch §2 des Stabilitätsgesetzes gegeben, in dem die Bundesregierung verpflichtet wird, die von ihr für das laufende Jahr angestrebten Ziele in Zielprojektionen darzulegen. In ihren Jahreswirtschaftsberichten im Januar eines jeden Jahres veröffentlicht die Bundesregierung, welche Zielwerte sie bei Berücksichtigung der Ausgangslage für erreichbar hält. Ergänzt wird dieses Jahresziel durch eine mittelfristige Zielprojektion für die angestrebte wirtschaftliche Entwicklung der nächsten 5 Jahre, da nach §9 des Stabilitätsgesetzes die Bundesregierung verpflichtet ist, ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik in mehrjähriger Vorausschau zu konzipieren. Die mittelfristige Zielprojektion wird im Finanzbericht veröffentlicht und jährlich fortgeführt. Im Gegensatz zur zeitlichen Operationalisierung sind sowohl die qualitative als auch die quantitative Zieloperationalisierung gesetzlich nicht fixiert. Damit ist weder eindeutig klar, an welchen Indikatoren Zielverfehlungen zu messen sind, noch welche Werte eines Indikators eine Zielverfehlung bedeuten 3 .
1.3
Indikatoren der Zielerreichung
Die bisher fehlende gesetzliche Fixierung der qualitativen und quantitativen Operationalisierung der Teilziele führt dazu, daß nicht durchgängig ein und derselbe 3 D i e Notwendigkeit einer gesetzlichen Fixierung der Operationalisierung zeigt eine Klage, die 231 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion des 9. Bundestages im September 1982 gegen die Ilaushaltspolitik der sozialliberalen Koalition angestrengt hatten. Die Klage richtete sich gegen das Gesetz vom 13. Juli 1981 zur Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Jahr 1981, in dem der Bundesfinanzminister zu einer Verschuldung von 33,775 Mrd. DM ermächtigt wurde, so daß das im Haushalt vorgesehene Investitionsvolumen um 1,869 Mrd. DM überschritten wurde. Am 2. September 1989 wies das Bundesverfassungsgericht in seinem sogenannten Schuldenurteil die Klage ab und bestätigte die Auffassung der damaligen Regierung, nach der die Maßnahme geeignet gewesen sei, eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu verhindern. Um zukünftig mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten, fordert das Urteil gleichzeitig eine Konkretisierung des Begriffs „gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" , soweit das angesichts der Dynamik wirtschaftlicher Konstellationen überhaupt möglich ist.
1.3. INDIKATOREN
DER
ZIELERREICHUNG
5
Indikator zur Messung eines Teilziels verwendet wird. Ebenso ist die quantitative Zieloperationalisierung Schwankungen unterworfen.
1.3.1
Stabiles Preisniveau
Das erstgenannte Teilziel des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, ein stabiles Preisniveau, nahm im Bewußtsein der Öffentlichkeit lange Zeit eine überragende Stellung ein. Das Stabilitätsgesetz dagegen setzt keine Prioritäten bzgl. der Bedeutung der Teilziele, sondern fordert, daß sie gleichrangig zu verfolgen sind. Das Ziel eines stabilen Preisniveaus ist nicht gleichbedeutend mit der Forderung nach der Konstanz aller Preise. In einer Marktwirtschaft müssen die einzelnen Preise flexibel sein, damit sie ihre Funktion als Knappheitsindikatoren erfüllen können. Ein stabiles Preisniveau ist dadurch gekennzeichnet, daß sich bei veränderten Knappheitsrelationen Preissteigerungen und Preissenkungen einzelner Güter so aufheben, daß bei geänderter Preisstruktur das Preisniveau und damit die Kaufkraft des Geldes konstant bleibt. Liegt dagegen ein anhaltender Anstieg des Preisniveaus vor, so herrscht Inflation. Die prozentuale Wachstumsrate des Preisniveaus, die Inflationsrate, mißt die relative Veränderung des Preisniveaus einer Berichtsperiode ( 0.
Die Arbeitsangebotsfunktion in der Abb. 2.9 weist daher eine durchgängig positive Steigung auf. Abbildung 2.9: D i e A r b e i t s a n g e b o t s f u n k t i o n w
Ρ
n
I n der Theorie wird im allgemeinen die Annahme getroffen, daß Freizeit ein superiores Gut ist. Diese Annahme ist durch zahlreiche empirische Untersuchungen fast einmütig bestätigt worden. Vgl. dazu Killingsworth/IIeckman (1986) und Pencavel (1986). 12 Empirische Untersuchungen für das Arbeitsangebotsverhalten von Frauen weisen überwiegend diesen positiven Zusammenhang aus, während für das Arbeitsangebotsverhalten von Männern überwiegend ein negativer Zusammenhang ermittelt wurde. Vgl. dazu Killingsworth/IIeckman (1986) und Pencavel (1986).
56
KAPITEL
2. DAS GRUNDMODELL
OHNE STAATLICHE
AKTIVITÄT
Neben dem bisher thematisierten Arbeitseinkommen fließt den Haushalten Gewinneinkommen zu, so daß das bisher betrachtete Arbeitseinkommen um diesen Bestandteil zu ergänzen ist. Als Nominaleinkommen der Haushalte ergibt sich mit diesen beiden Einkommensarten: (2.55)
2.3.2
PY = wNs + Π.
Das Kreditangebot
Die Sparentscheidung der Haushalte und damit das Kreditangebot ergibt sich in der hier gewählten zweistufigen Modellierung aus dem intertemporalen Konsumkalkül auf der Grundlage des Einkommens, das dem Haushalt zur Verfügung steht. Die Einkommen Υ ο und Υ χ in Abb. 2.10 zeigen das heutige und das morgige Einkommen, wobei vereinfachend angenommen wird, daß beide Einkommen gleich groß sind. Abbildung 2.10: Die intertemporale Konsumentscheidung
Ohne die Existenz eines Kreditmarktes wäre mit diesen Einkommen der Konsum in jeder Periode festgelegt. Er entspräche jeweils dem erzielten Einkommen Y{. Existiert dagegen ein Kreditmarkt, kann intertemporal substituiert werden, so daß das Einkommen und die Konsumausgaben einer Periode voneinander abweichen können. Würde der Haushalt gänzlich auf heutigen Konsum verzichten (Co = 0), so könnten in der Zukunft Konsumausgaben getätigt werden, die größer sind als Y\. Zusätzlich zu diesem Einkommen stünde dem Haushalt in der Zukunft der Betrag Y0 zur Verfügung plus einer Zinszahlung rYQ, die er erzielt, wenn er heute den Betrag Y0
2.3. DIE
57
HAUSHALTE
als verzinslichen Kredit vergibt. Maximal steht damit für den zukünftigen Konsum zur Verfügung: (2.56)
Ci
(Co = 0) =
+ ^
+
^
Wird dagegen nur heute konsumiert (C\ = 0), so steht dem Haushalt für Co das Einkommen r 0 zur Verfügung plus ein Kredit (κ), den er am Kreditmarkt aufnehmen könnte: (2.57)
Co
(Cj = o) ~ r ° + K ·
Sein morgiges Einkommen Υ ι muß dann ausreichen, um den Kredit κ und die vereinbarte Zinsszahlung für diesen Kredit ra zahlen zu können. Es muß also gelten: (2.58)
Vi = κ + r/c.
Durch Auflösen nach κ folgt: (2.59)
7i "
(1+0'
In Vei Verbindung mit (2.57) ergibt sich für die maximal möglichen heutigen Konsumausgaben: (2.60)
Co
(C, = 0 )
= F „ T+ '» (l
+
r)'
Die intertemporale Substitution ermöglicht weiterhin natürlich eine Vielzahl von Kombinationen mit positivem Konsum in beiden Perioden. Alle möglichen Konsumpunkte bilden zusammen die intertemporale Budgetbeschränkung, die als die Gerade mit negativer Steigung in der Abb. 2.10 abgebildet ist. Die Steigung der intertemporalen Budgetgeraden entspricht: (2.61)
_ ^ = tana= dCo
1
Cr1'
Durch Einsetzen von (2.56) und (2.60) ergibt sich: dC,
(2 62)
·
F1+F0(l+r) Ti • v M iOT (i + O
Durch Umformen folgt für die Steigung der intertemporalen Budgetgeraden: (2.63)
g
= -(l+r).
Die Gleichung der Budgetgeraden ist damit gegeben durch: (2.64)
C1 = F 0 ( 1 + r) + *i - ( l + r)C 0 .
58
KAPITEL
2. DAS GRUNDMODELL
OHNE STAATLICHE
AKTIVITÄT
Welche Mischung von heutigem und morgigem Konsum der Haushalt wählt, ist abhängig von seinen Präferenzen, die durch die intertemporale Nutzenfunktion, (2.65)
U = i/(C 0 , Cj),
abgebildet werden. Die nutzenmaximale Mischung von heutigem und morgigem Konsum ergibt sich aus der Maximierung der Nutzenfunktion (2.65) unter Beachtung der intertemporalen Budgetbeschränkung, (2.66)
£ = U(C0, Ci) + λ [ F 0 ( l + r) + Yx - (1 + r)C0 - C,\ ,
mit:
H = IHi+r)
Uber die notwendigen Bedingungen erster Ordnung für ein Nutzenmaximum, (2.69)
| | - Λ ( 1 + Γ)ΑΟ
(Z70,
§
-Aio,
ergibt sich als Optimalitätsbedingung: dU (2.71)
^ dU
= (1 + r ) .
dCi Der Nutzen ist maximiert, wenn die intertemporale Grenzrate der Substitution dem Wert (1 + r) entspricht. Da die Haushalte in unserem Modell die Angebotsseite des Kreditmarktes bilden und alle Haushalte identisch sind, müssen die Präferenzen des betrachteten repräsentativen Haushalts so gelagert sein, daß der heutige Konsum kleiner ist als das Einkommen Y0. Dies ist in der Abb. 2.10 im Punkt E* der Fall. Gleichzeitig ist dort auch die Optimalitätsbedingung (2.71) erfüllt: Die Steigung der höchsten erreichbaren Indifferenzkurve entspricht der Steigung der Budgetgeraden. Beim herrschenden Zinssatz spart der Haushalt Ko minus CQ und bietet daher einen Kredit in Höhe von SQ an. Die Ersparnis S wird zum einen durch das Realeinkommen Y und zum anderen durch den Zinssatz r determiniert. Eine Erhöhung des Einkommens bei konstantem Zinssatz verschiebt die intertemporale Budgetgerade parallel nach außen. In welcher Weise der erweiterte Budgetspielraum genutzt wird, ist abhängig von der Präferenzstruktur des Haushalts. Es erscheint plausibel, zu unterstellen, daß sowohl
2.3. DIE
HAUSHALTE
59
die Ersparnis als auch der Konsum superiore Güter sind, also mit steigendem Einkommen ansteigen, so daß von einem positiven Einkommenseffekt auf den Konsum und die Ersparnis ausgegangen wird. Eine Erhöhung des Zinssatzes r löst neben dem Einkommenseffekt zusätzlich einen Substitutionseffekt aus. Da sich der betrachtete Haushalt in der Gläubigerposition befindet, erhöht sich bei einem Anstieg von r der Ertrag der Ersparnis, so daß der Budgetspielraum weiter wird. Gleichzeitig steigen die Opportunitätskosten des Konsums an, da jede genutzte Konsumeinheit zu einem größeren Verzicht von Zinseinkommen führt. Der Haushalt wird zu Lasten des teurer gewordenen Konsums substituieren und seine Erspanis vergrößern. Mit steigendem Zinssatz wird daher die Ersparnis ausgedehnt. Die Sparfunktion, das Kreditangebot, ist also positiv abhängig sowohl vom Einkommen als auch vom Zinssatz: (2.72)
S = S(Y,r)
mit
> 0,
^
> 0.
Die Abb. 2.11 zeigt die graphische Darstellung der Sparfunktion im r - 5 - D i a gramm. Steigung und Lage der Sparfunktion ergeben sich aus dem totalen Differential von (2.72): (2.73)
dS = SydY
+ STdr.
Mit dY = 0 ergibt sich für die Steigung der Sparfunktion: 0.74,
f
_ dS (,dY = 0) ~ dr
Abbildung 2.11: D i e K r e d i t a n g e b o t s f u n k t i o n (J^ > V0) r
S(r,Y0 A Ο//
60
KAPITEL
2. DAS GRUNDMODELL
OHNE STAATLICHE
AKTIVITÄT
Die Reaktion von S auf eine Veränderung von r bestimmt in der gewählten graphischen Darstellung die Steigung der Sparfunktion. Eine Veränderung von r führt zu einer Bewegung auf der Sparfunktion. Die Lage der Sparfunktion folgt aus dem totalen Differential mit dr — 0:
P.V5)
§ (dr
= 0)
_dS_ - dY
Eine Erhöhung des Einkommens führt bei unverändertem Zinssatz zu einer höheren Ersparnis, so daß sich der Graph der Sparfunktion nach rechts außen verschiebt. Das Einkommen Y ist der Lageparameter der Sparfunktion. Aus der Konsum/Sparentscheidung resultiert ein weiterer Einkommensstrom der Haushalte, das Zinseinkommen. Dieses setzt sich zusammen aus dem Ergebnis der vergangenen Sparentscheidung und der jetzt getroffenen Sparentscheidung. Als Ergebnis der Vorperiode halten die Haushalte Wertpapiere der Unternehmen (BQ), die einen Zinsertrag erbingen, so daß ein Zinseinkommen von ( r B 0 ) den Haushalten zufließt. Wird ihre nominale Ersparnis (PS) der laufenden Periode bereits in dieser Periode verzinst, so folgt daraus ein weiteres Zinseinkommen in Höhe von (rSP). Damit läßt sich durch Addition dieser beiden Einkommensströme zu (2.55) das nominale Einkommen der Haushalte abschließend formulieren als: (2.76)
PY = wNs + Π + rB0 + rPS.
Der Wert der Produktion entspricht dem Nominaleinkommen der Haushalte.
2.3.3
D i e Güternachfrage der Haushalte
Die Güternachfrage der Haushalte ergibt sich ebenfalls aus dem Maximierungskalkül (2.66), da eine Entscheidung über die heutige Ersparnis eine Entscheidung über den heutigen Konsum impliziert. Die Güternachfrage der Haushalte muß daher ebenfalls von r und Y abhängig sein und auf die Veränderungen dieser beiden Variablen reagieren. Eine Erhöhung des Einkommens führt zu einer Ausdehnung des Konsums, da ein positiver Einkommenseffekt unterstellt worden war. Ein Anstieg des Zinssatzes löst wiederum sowohl einen Einkommenseffekt als auch einen Substitutionseffekt aus. Da die Haushalte Gläubiger sind, führt ein Zinsanstieg zu einer Erweiterung des Budgetspielraums. Die Haushalte reagieren darauf wegen des positiven Einkommenseffektes mit einer Erhöhung ihrer Konsumnachfrage. Der Zinsanstieg erhöht gleichzeitig die Opportunitätskosten des Konsums, so daß gegen den relativ teurer gewordenen Konsum zugunsten vermehrter Ersparnis substituiert wird. Der Substitutionseffekt reduziert die Konsumnachfrage. Damit ist das Vorzeichen der Gesamtreaktion der Konsumnachfrage auf den Zinsanstieg unbestimmt. Durch die Annahme der Dominanz des Substitutionseffektes über den Einkommenseffekt läßt sich eine eindeutig negative Reaktion des Konsums auf Zinssatzerhöhungen vereinbaren.
2.4. DIE
61
MÄRKTE
Damit ist die Konsumfunktion formuliert als: (2.77)
C = C(r,Y)
mit
2.4
Die Märkte
^
< 0,
^
> 0.
Nachdem die Entscheidungskalküle der Akteure mit ihren resultierenden Angebotsund Nachfragefunktionen im einzelnen abgeleitet worden sind, können sie nun marktweise zusammengefaßt werden. Damit lassen sich die Gleichgewichte auf den einzelnen Märkten darstellen.
2.4.1
D e r Arbeitsmarkt
Der Faktor Arbeit wird auf dem Arbeitsmarkt gehandelt. Hier treffen Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot zusammen. Das Gleichgewicht am Arbeitsmarkt ergibt sich aus der Ubereinstimmung von Arbeitsnachfrage (2.20) und Arbeitsangebot (2.51): (2.78)
" " ( = ) - « * ( ! ) .
Dieses Gleichgewicht ist im Schnittpunkt der Arbeitsangebots- und Arbeitsnachfragefunktion realisiert. Das Arbeitsmarktgleichgewicht Ε* in Abb. 2.12 repräsentiert Vollbeschäftigung am Arbeitsmarkt. Alle Arbeitskräfte, die zum herrschenden Reallohn Arbeit anbieten, werden auch beschäftigt. Gleichzeitig ist zu erkennen, daß ζ. B. nicht das Arbeitsangebot N0 beschäftigt wird. No — Ν* Arbeitskräfte werden nicht eingesetzt, weil dafür ein Reallohn erforderlich wäre, der höher ist als der Gleichgewichtslohnsatz. Diese Beschäftigungslosigkeit ist aus neoklassischer Perspektive freiwillige Arbeitslosigkeit, da von diesen Arbeitsanbietern ein höherer Reallohn gefordert wird, als er dem Gleichgewichtslohn entspricht.
2.4.2
D e r Kreditmarkt
Das Kreditangebot der Haushalte und die Kreditnachfrage der Unternehmen treffen am Kreditmarkt aufeinander. Das Gleichgewicht am Kreditmarkt ist durch die Übereinstimmung von Kreditnachfrage (2.39) und Kreditangebot (2.72) gegeben: (2.79)
S{r,Y)
= l(rt^).
Das Kreditmarktgleichgewicht ist in Abb. 2.13 beim Schnittpunkt von I und S realisiert. Mit dieser Übereinstimmung ist dann auch der gleichgewichtige Zinssatz r* bestimmt. Die Lageparameter des Kreditangebots (K) und der Kreditnachfrage ( w / P ) sind exogene Variable aus der Sicht des Kreditmarkts. Sie sind natürlich nicht exogen für das neoklassische Gesamtsystem, sie werden endogen auf anderen Märkten bestimmt.
KAPITEL
2. DAS GRUNDMODELL
OHNE STAATLICHE
Abbildung 2.12: Das Gleichgewicht am Arbeitsmarkt w
Abbildung 2.13: Das Gleichgewicht am Kreditmarkt
AKTIVITÄT
2.5. DIE MONETÄRE SEITE DES MODELLS
2.4.3
63
Der Gütermarkt
Auf dem Gütermarkt treffen die Güternachfrage in Form von Konsumnachfrage und Nachfrage nach Investitionsgütern und das Güterangebot zusammen. Der Gütermarkt ist im Gleichgewicht, wenn sich das Güterangebot und die Güternachfrage entsprechen: (2.80)
+
Wenn alle drei Märkte des Modells, der Arbeitsmarkt, der Kreditmarkt und der Gütermarkt im Gleichgewicht sind, dann ist auf jedem Markt die Uberschußnachfrage gleich Null, da sich Marktnachfrage und - a n g e b o t jeweils entsprechen: (2.81)
Ο
(2.82) (2.83)
-
I +
*
5
©
- S(r,Y)
=
0
=
0
=
0.
Ein Gleichgewicht auf allen Märkten läßt sich alternativ formulieren als eine Situation, in der die Summe der Uberschußnachfragen gleich Null ist: (2.84)
(TVD - Ns)
+ (I - S) + ( C + I - Ys)
= 0.
Dies heißt, daß die gleichzeitige Existenz eines Gleichgewichts auf dem Arbeitsmarkt und dem Kreditmarkt ein Gleichgewicht auf dem Gütermarkt impliziert. Dieser Zusammenhang wird als Gesetz von Walras bezeichnet und lautet in allgemeiner Formulierung: Wenn von η Märkten ( η — 1) Märkte im Gleichgewicht sind, dann ist auch der n - t e Markt im Gleichgewicht.
2.5
Die monetäre Seite des Modells
Sämtliche bisher vorgestellten Teile des neoklassischen Modells entstammen der realwirtschaftlichen Sphäre. Bevor das Gesamtmodell betrachtet werden kann, muß daher die monetäre Seite des Modells über das Preisniveau und den Nominallohn eingeführt werden.
2.5.1
Preisniveaubestimmung
Obwohl das Preisniveau bereits über den Reallohn im Modell auftauchte, blieb bisher ungeklärt, auf welche Weise seine Bestimmung innerhalb des Modells erfolgt. Diese Lücke wird nun durch die Quantitätsgleichung geschlossen: (2.85)
Μυ = PY.
64
KAPITEL
2. DAS GRUNDMODELL
OHNE STAATLICHE
AKTIVITÄT
Das nominelle Sozialprodukt P Y entspricht dem Produkt aus der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes (υ) und der Geldmenge (Μ). Die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes wird durch die Zahlungsgewohnheiten determiniert. Wenn angenommen wird, daß sich diese Zahlungsgewohnheiten nur längerfristig ändern, dann ist υ in der hier betrachteten kurzen Frist konstant. Die Geldmenge Μ wird von der Zentralbank kontrolliert und ist damit eine exogene Größe. Das reale Sozialprodukt Y ergibt sich aus der Beschäftigungsmenge über die Produktionsfunktion. Die Bestimmungsgleichung für Ρ ergibt sich durch Auflösen von (2.85) als: (2-86)
Ρ - ψ .
Die Gestalt der abzubildenden Kurve in einem P, K-Diagramm ergibt sich aus dem totalen Differential von (2.86): (2.87)
ν dP = -dM
Μ + ydv
-
Mv —dY
Mit dv = dM = 0 folgt für die Steigung der Kurve: /« . . χ 0 ,
f
>0
und
(3-5) c = c oo), so würde die zusätzliche Beanspruchung des Kreditmarkts durch den Staat keinen Nachfrageüberschuß auslösen 2 . Ein Zinsanstieg fände nicht statt, der Ausdruck (3.12) würde Null: (3.15)
dr dG
(Sr -> 00)
= 0.
Damit bliebe die private Kreditnachfrage auf dem alten Niveau erhalten; (3.13) würde ebenfalls Null: (3.16)
dl_ dG
(Sr
->
OO)
= 0.
• Für den Fall eines vollständig zinsunelastischen Kreditangebots (Sr = 0) 3 fiele die volle Last des Abbaus der Uberschußnachfrage der privaten Kreditnachfrage zu, da das Kreditangebot nicht reagieren würde. Bei dieser Konstellation käme es zum maximalen Zinsanstieg; für (3.12) ergäbe sich: dr dG (Sr = 0)
^
1
> 0.
- I r
Damit fände das maximale crowding-out der privaten Kreditnachfrage statt. Aus dem dann gültigen Ausdruck für (3.13),
o, (Sr-/r)2
Wäre die private Kreditnachfrage vollkommen zinsunelastisch (IT = 0), dann würde keinerlei crowding-out stattfinden. Die über kreditfinanzierte Staatsausgaben verursachte Uberschußnachfrage am Kreditmarkt könnte dann nur durch eine Erhöhung des Kreditangebots im Umfang von dG abgebaut werden. 3.2.1.2
Strukturwirkungen a m Gütermarkt
Für den Output ist bereits oben festgestellt worden, daß eine Erhöhung der Staatsausgaben keinen Niveaueffekt nach sich zieht. Da sich aber die Güternachfrage des Staates erhöht, während das Güterangebot unverändert bleibt, muß die Struktur des Sozialprodukts eine Veränderung erfahren. Die Strukturveränderung läßt sich über das totale Differential der Gütermarktgleichgewichtsbedingung (3.8) mit dY = dYv = d{w/P) = 0 ermitteln: (3.20)
0 = CTdr + Irdr + dG.
Bei Division durch dG ergibt sich mit der Veränderung des Zinssatzes durch die Staatsausgabenerhöhung (3.12) die eindeutige Aussage: (3.21)
0=
°T
·
It
Die Erhöhung der Staatsausgaben verdrängt am Gütermarkt sowohl Investitionen als auch Konsumausgaben. Es findet also ein totales crowding-out am Gütermarkt zu Lasten der privaten Nachfrage statt.
3.2.2
Kreditfinanzierte Transferausgaben
Als zweite Maßnahme wird eine kreditfinanzierte Erhöhung von Transferausgaben betrachtet. Kreditfinanzierte Transferausgaben wirken im Gegensatz zu kreditfinanzierten Staatsausgaben sowohl direkt als auch indirekt auf den Kreditmarkt und den Güterrnarkt. 4
Je größer die (negative) Zinsreaktion der privaten Kreditnachfrage, desto kleiner also der Betrag von |/ r |, desto größer wird die negative Veränderung der privaten Kreditnachfrage, desto kleiner also wird der Betrag \{dI/dG)\.
84
KAPITEL
3. STAATLICHE
3.2.2.1
Kreditmarktwirkungen
AKTIVITÄT
MIT
PAUSCHALSTEUER
Wird staatliche Verschuldung genutzt, um zusätzliche Transferausgaben zu tätigen, so steigt das Budgetdefizit um den Betrag der zusätzlichen Transfers an. Die gesamte Kreditnachfrage erhöht sich also bei jedem Zinssatz um den Betrag der zusätzlichen Transfers: (3.22)
d(I + BD) = 1. (dr = 0) dTr
In der Abb. 3.3 verschiebt sich wieder die gesamte Kreditnachfrage nach rechts, so daß beim alten Gleichgewichtszinssatz r j ein Nachfrageüberschuß in Höhe von E£A die Folge ist. Abbildung 3.3: Kreditfinanzierte Transfers: Wirkung auf den Kreditmarkt (.BDχ > ΒD0, Y? > Κ0ν) I + BDi
S(r,Y0v) S(r,Y7)
(Jo + B D 0 y
s;= (I0 + BDX)
I, S, BD
(h + BD0*
Im Gegensatz zu den kreditfinanzierten Staatsausgaben wird nun jedoch auch das Kreditangebot verändert, da durch die Gewährung zusätzlicher Transfers das verfügbare Einkommen ansteigt und sich damit die Ersparnis bei jedem Zinssatz erhöht. Die Veränderung des Kreditangebots ergibt sich aus dem totalen Differential der Sparfunktion (3.4) als: (3.23)
dS = SYvdYv
+STdr.
Bei zunächst unverändertem Zinssatz folgt als Reaktion auf die Transfererhöhung: (3.24)
dS dTr
_c (dr — 0) - b
dYV y v
m:·
3.2.
KREDITFINANZIERUNG
85
Da sich das verfügbare Einkommen genau um die zusätzlichen Transfers erhöht, folgt für die Veränderung von S bei konstantem Zinssatz r: (dr = 0)
3Yv > 0.
Die Erhöhung des verfügbaren Einkommens verlagert die Kurve des Kreditangebots u m ( S y v d T r ) nach rechts. Durch die Erhöhung des verfügbaren Einkommens reduziert sich der Nachfrageüberschuß a m Kreditmarkt bei konstantem Zinssatz von EQA auf A'A. Zur Wiederherstellung des Kreditmarktgleichgewichts ist ein Zinsanstieg auf r j erforderlich, damit sich in E* Kreditangebot und Kreditnachfrage wieder entsprechen. Der ausgelöste Zinsanstieg ergibt sich aus dem totalen Differential von (3.7) m i t dYv = dTr = dBD und dG = dT = d(w/P) = 0 bei Division durch dTr und nach Umformen als:
Im Vergleich zur Zinswirkung der kreditfinanzierten Staatsausgaben (3.12) fällt dieser erforderliche Zinsanstieg geringer aus, d a ja bereits ein Teil des ursprünglich ausgelösten Nachfrageüberschusses am Kreditmarkt (dTr) durch die einkommensbedingte Erhöhung des Kreditangebots ( S y v d T r ) abgebaut worden ist. Aus diesem Grund fällt auch das crowding-out der privaten Kreditnachfrage geringer aus als bei kreditfinanzierten Staatsausgaben: dl
Ir(l-Syv)
n
Das Ausmaß des crowding-out ist wieder abhängig von der Zinsreaktion der privaten Kreditnachfrage und der Zinsreaktion des Kreditangebots. Eine starke Zinsreaktion des Kreditangebots reduziert das Ausmaß des crowding-out: 9'
d !
.dTr
-Ir(l-Syv)
n
Die Verdrängung der privaten Kreditnachfrage fällt um so geringer aus, je weniger die private Kreditnachfrage auf eine Zinsveränderung reagiert:
/«„„X
β·
xdTrJ
ST(l-Syv)
n
Neben dem Einfluß dieser beiden Faktoren, der bereits oben 5 näher erläutert worden ist, bestimmt die Reaktion des Kreditangebots auf die Veränderung des verfügbaren Einkommens das Ausmaß des crowding-out. Je stärker das Kreditangebot 5
Vgl. S. 82 f..
KAPITEL
86
3. STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT
PAUSCHALSTEUER
auf die Erhöhung des verfügbaren Einkommens reagiert, desto geringer fällt die Verdrängung der privaten Kreditnachfrage aus: < 3 · 30 » Zwei Extremfälle können diesen Zusammenhang wieder verdeutlichen: • Wäre Ξγν = 0, so käme es zu keiner einkommensbedingten Erhöhung des Kreditangebots 6 . Der gesamte Zuwachs des verfügbaren Einkommens würde in die Konsumausgaben fließen. Damit bliebe der Einfluß des Staates auf das Kreditangebot auf zinsinduzierte Veränderungen beschränkt und die Verdrängung der privaten Kreditnachfrage müßte daher genau so hoch ausfallen wie im Fall kreditfinanzierter Staatsausgaben 7 . • Wäre Syv = 1, so würde die gesamte Erhöhung des verfügbaren Einkommens in die Ersparnis fließen. Damit würden sich die Kreditnachfrage und das Kreditangebot in gleichem Ausmaß erhöhen 8 . Das Kreditmarktgleichgewicht bliebe bei unverändertem Zinssatz bestehen, so daß keinerlei Verdrängung der privaten Kreditnachfrage stattfinden würde. 3.2.2.2
Strukturwirkungen a m Gütermarkt
Am Gütermarkt ergibt sich nun nur eine Umschichtung innerhalb der privaten Nachfrage, da die Staatsausgaben in ihrem Niveau unverändert sind. Für die Strukturveränderung von Y gilt mit dem totalen Differential von (3.8) mit d(w/P) = dT = dG — 0: dYv
dr
dr
Durch Einsetzen von (3.26) folgt: ,3.32,
„
=
+
+ iJj·
>0
1 γ
Of·
1 γ
0
V
sTCr(SyV-l) -iT ~Cyv v
0.
Durch Einsetzen der bereits oben ermittelten Veränderungen des Reallohns (4.12) und der Beschäftigung (4.13) reduziert sich der zu prüfende Ausdruck auf 6 : (4.24)
[-tN'
+
?
YNNNN' > 0.
Wird der erste Ausdruck in der eckigen Klammer umgeformt zur Elastizität des Arbeitsangebots auf den Nettolohn ω, so folgt:
(4.25)
dN
(?)
3(^(1-0)
Ν
tN + N (l-t)
?
YnnNN' > o.
Ausklammern ergibt: (4.26)
(?)
t
Ν
(1-0
+ 1-
?
YNNN' > o.
Die Lohnsteuereinnahmen erhöhen sich auf jeden Fall, wenn t
(4.27)
+ 1> 0
gilt, oder umgeformt: (4.28)
(i-O
>
£N,U-
Ob diese hinreichende Bedingung für eine Erhöhung der Lohnsteuereinnahmen gilt, ist letztendlich eine Frage, die empirisch zu prüfen ist. Selbst wenn ein sehr hoher Steuersatz von 50 Prozent unterstellt wird, steigen die Steuereinnahmen an, solange Elastizität des Arbeitsangebots kleiner als eins ist. Okonometrische Schätzungen bzgl. der Elastizität des Arbeitsangebots in den USA und den meisten europäischen Staaten kommen zwar zu unterschiedlichen Ergebnissen, weisen jedoch 5
Nur der Zähler muß geprüft werden, da |D| größer Null ist.
4.2.
VARIATION
DES
LOHNSTEUERSATZES
105
als höchste Werte Elastizitäten um 0,2 aus 7 . Es kann daher angenommen werden, daß eine Anhebung des Lohnsteuersatzes die Steuereinnahmen erhöht 8 . Mit steigenden Steuereinnahmen verändert sich die gesamte Kreditnachfrage ein zweites Mal, da sich das staatliche Budgetdefizit reduziert. In der Abb. 4.3 verschiebt sich die Kurve der gesamten Kreditnachfrage von (Ii -f Β Do) zu (Ii + Β Di) nach links. Der bereits durch die Reduktion der privaten Kreditnachfrage verursachte Angebotsüberschuß in Höhe von E^A' vergrößert sich beim Zinssatz TQ um A'A = +dT auf EXA. 4.2.3.2
Das Kreditangebot
Das Kreditangebot wird über eine Veränderung des verfügbaren Einkommens beeinflußt. Da zum einen das Bruttoeinkommen Y durch die steuerpolitische Maßnahme reduziert wird 9 und zum anderen die Steuerzahlung ansteigt, reduziert sich das verfügbare Einkommen. Bei jedem Zinssatz nimmt das Kreditangebot ab. Diese Reduktion ergibt sich aus dem totalen Differential der Sparfunktion mit dr = 0 als:
§
(dr = 0)
= ^
ν
dYv ^ Γ
< 0
·
In der Abb. 4.3 ist diese einkommensbedingte Reduktion des Kreditangebots durch eine Linksverschiebung der ursprünglichen Kurve des Kreditangebots So(r, darzustellen. 4.2.3.3
Zinsentwicklung
Der Einfluß der Erhöhung des Lohnsteuersatzes auf den Zinssatz ergibt sich aus dem totalen Differential der Bedingung des Kreditmarktgleichgewichts (4.3) mit dG = dTr = 0 als: (4.30)
SYvdYv
+ STdr = ITdr + I{w/P) d ( ^ j - dT.
Wird durch dt dividiert und die gesuchte Zinsveränderung auf der linken Seite isoliert, so folgt: d
(4.31)
^ = dt
p d T
dt
dYv
„dtT ST — IT
Da der Zähler des Ausdrucks im Vorzeichen unbestimmt ist, läßt sich keine eindeutige Aussage über die Zinsentwicklung treffen. Eine nähere Betrachtung des Zählers 7
V g l . dazu die Zusammenstellungen bei Killingsworth/IIeckman (1986) und Pencavel (1986). Werden allerdings Lohnsteuersätze betrachtet, die weit über den z.B. in der Bundesrepublik gültigen liegen, so kann eine Erhöhung des Steuersatzes zu einem staatlichen Einnahmeverlust führen. Stuart (1981) ermittelte die Möglichkeit einer derartigen Reaktion bei sehr hohen Steuersätzen in Schweden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es in der Realität Ausweichmöglichkeiten in die Schattenwirtschaft und ins Ausland gibt, die im Modell nicht existieren. 9 V g l . (4.15), S. 101. 8
KAPITEL
106
4. STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT
LOHNSTEUER
zeigt den Grund für die fehlende Eindeutigkeit des Ausdrucks (4.31). Die ersten beiden Terme beschreiben die Reaktion der gesamten Kreditnachfrage auf die Steuersatzerhöhung bei unverändertem Zinssatz 10 . Die S u m m e der beiden Terme ist negativ; die gesamte Kreditnachfrage nimmt ab. Der dritte Term repräsentiert die Reaktion des Kreditangebots bei unverändertem Zinssatz 1 1 , also die Reduktion des Kreditangebots. Der gesamte Zähler beschreibt die Reduktion beider Marktseiten und erfaßt daher die resultierende Uberschußnachfragesituation a m K r e d i t m a r k t nach Anpassung der Marktseiten, aber bei zunächst unverändertem Zinssatz. Da sich keine eindeutige Aussage darüber treffen läßt, welche der Marktseiten stärker reduziert wird, kann die mögliche Zinsentwicklung nur mit Hilfe einer Fallunterscheidung analysiert werden. • Wenn sich beide Marktseiten in gleichem Umfang reduzieren, verschiebt sich die Kurve des Kreditangebots durch den P u n k t Α in der Abb. 4.3 nach links. Da die Nachfrageveränderung der Angebotsveränderung am K r e d i t m a r k t
(4.32)
l(w/P)-
m dt
dT dYw —— = Svv —;— dt dt
entspricht, wird der Zähler von (4.31) Null. Eine Überschußnachfrage von Null bedeutet, daß sich der Kreditmarkt weiterhin im Gleichgewicht befindet. In der Abb. 4.4 entsprechen sich Angebot und Nachfrage auf d e m Kreditm a r k t auch nach der Lohnsteuersatzerhöhung beim alten Gleichgewichtszins TQ. Es ist also keine Zinsveränderung erforderlich. Die Auswirkungen der Erhöhung des Lohnsteuersatzes am Kreditmarkt bleiben auf die Reduktion der staatlichen Kreditnachfrage, die reallohnbedingte Reduktion der privaten Kreditnachfrage und die einkommensbedingte Reduktion des Kreditangebots beschränkt.
m
Geht die Kreditnachfrage stärker zurück als das Kreditangebot, so gilt:
(4.33)
i(w/py
dt
dT dt
> Syv
dYv dt
Der Zähler von (4.31) wird negativ. Es kommt zu einer negativen Überschußnachfrage, also zu einem Überschußangebot am Kreditmarkt. Die Kurve des Kreditangebots verschiebt sich in der Abb. 4.5 nach links, ohne jedoch den P u n k t Α zu erreichen. Da bei unverändertem Zinssatz r j die Kreditnachfrage (Ii + B D i ) kleiner ist als das Kreditangebot (S'J), verursacht die Erhöhung des Lohnsteuersatzes ein Ungleichgewicht am Kreditmarkt. Es kommt zu einem Angebotsüberschuß in Höhe von A"A. Der Preis am Kreditmarkt sinkt ab, so 10
Vgl. dazu (4.19) auf S. 102 und (4.22) a u f S . 103. " V g l . dazu (4.29) auf S. 105.
4.2.
VARIATION
DES
LOHNSTEUERSATZES
Abbildung 4.4: Zinswirkung der Erhöhung des Lohnsteuersatzes: (Kein i n d u z i e r t e s Ungleichgewicht), (F0V > FjV)
C»
Fall 1
o*
Abbildung 4.5: Zinswirkung der Erhöhung des Lohnsteuersatzes: (induziertes Überschußangebot), (K0V > Y^BDq > BDUI0 > h)
(Γ,+BD,)
107
S*0
Fall 2
KAPITEL
108
4. STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT
LOHNSTEUER
daß zinsbedingt das Kreditangebot ein zweites Mal um — S f reduziert wird. Die private Kreditnachfrage dagegen wird durch den Zinsverfall stimuliert und steigt in der Abb. 4.5 um +dl an. Damit stellt sich die Frage, welche Wirkung netto auf die private Kreditnachfrage ausgeht. Kann das zinsbedingte crowding-in so stark sein, daß die reallohnbedingte Reduktion der privaten Kreditnachfrage gerade kompensiert wird? Oder ist es möglich, daß der zinsinduzierte Anstieg so groß ausfällt, daß netto die private Kreditnachfrage ansteigt? Zur Beantwortung dieser Fragen wird das totale Differential der privaten Kreditnachfragefunktion gebildet:
(4.34)
dt
dj_dr = ΐτΈ +
' ιΗρ)-
Ii) dt
Einsetzen von (4.31) zeigt, daß die Gesamtveränderung der privaten Kreditnachfrage in ihrem Vorzeichen unbestimmt ist:
(4-35)
£ - 7 ,
i(w/py
dt ST
dT — dt -Ir
dYv ΰγν —-— dt
a
+
m
W t dt
I0·
0 Dies liegt daran, daß am Abbau des Überschußangebots nur die private Kreditnachfrage und das Kreditangebot beteiligt sind, weil der Staat zinsrobust ist und mit seiner Kreditnachfrage nicht auf Zinsveränderungen reagiert. Daher muß das gesamte Uberschußangebot, das von der Reduktion der privaten und staatlichen Kreditnachfrage sowie von der Reduktion des Kreditangebots verursacht wurde, allein durch zinsinduzierte Veränderungen von S und I abgebaut werden. J e nach Göße des Angebotsüberschusses12 ist es daher möglich, daß die zinsinduzierte Erhöhung der privaten Kreditnachfrage die reallohnbedingte Reduktion der Kreditnachfrage kompensiert oder überkompensiert. Sinkt das Kreditangebot stärker ab als die Kreditnachfrage, so gilt schließlich:
(4.36)
i(u/py
dT dt
~dt
< Svv
dYv dt
Der Zähler von (4.31) wird positiv; es kommt zu einer Überschußnachfrage am Kreditmarkt. Die Kurve des Kreditangebots verschiebt sich über den Punkt A 1 2 Dies
ist der Zähler des Klammerausdrucks auf der rechten Seite von (4.35).
4.2. VARIATION
DES
LOHNSTEUERSATZES
109
Abbildung 4.6: Zinswirkung der Erhöhung des Lohnsteuersatzes: (induzierte Überschußnachfrage), (r o v > Y?,I0 > h,BD0 > BDX)
(/r + ß ö i )
Fall 3
s0*
in der Abb. 4.6 hinaus nach links zu Si(r,Y^). Die ungleichgewichtige Situation am Kreditmarkt ist bei unverändertem Zinssatz r j durch einen Nachfrageüberschuß in Höhe von AA" gekennzeichnet. Ein Ansteigen des Zinssatzes 13 baut den Nachfrageüberschuß ab, indem die private Kreditnachfrage zinsbedingt ein zweites Mal reduziert wird. Gleichzeitig stimuliert der Zinsanstieg das Kreditangebot. In der Abb. 4.6 steigt das Kreditangebot um +dS von S[ auf S* an. Da die gesamte Kreditnachfrage jedoch eindeutig abnimmt, muß auch das Kreditangebot netto abnehmen, so daß der zinsinduzierte Anstieg des Kreditangebots die einkommensbedingte Reduktion nur abmildern nicht aber aufheben kann. Daher ergibt sich aus dem totalen Differential der Sparfunktion unter Verwendung von (4.31) das eindeutige Ergebnis einer Reduktion des Kreditangebots bei einer Erhöhung des Steuersatzes t:
Ü)
Iw/p- dt
dT ~dt
Sr-Ir la
( 4 . 3 1 ) ist in diesem Fall positiv.
Syvl,
dYv dt < 0.
KAPITEL
110
4.2.4
4. STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT
LOHNSTEUER
Wirkungen auf den Gütermarkt
Abschließend bleiben die Auswirkungen der Erhöhung des Lohnsteuersatzes auf den Gütermarkt zu betrachten. Während eine Pauschalsteuererhöhung lediglich Struktureffekte bei der Güternachfrage verursachte, löst eine Erhöhung des Lohnsteuersatzes zusätzlich einen negativen Niveaueffekt aus. Der ausgelöste Rückgang des Güterangebots muß von einem gleich großen Rückgang der privaten Güternachfrage begleitet werden, da die Staatsausgaben G durch die steuerpolitische Maßnahme nicht verändert worden sind: (,i(1 4 „, 38)
·
dY ^
=
„
dYy
q Syv
dY* dT (dT = dG)
4.3.
STEUERFINANZIERUNG
113
so wird der Zähler von (4.46) negativ. Der ausgelöste Angebotsüberschuß am Kreditmarkt führt zu einer Zinssenkung, die das Kreditangebot weiter reduziert, während die Kreditnachfrage zinsbedingt ansteigt. Netto jedoch nimmt die private Kreditnachfrage ab, da sich wegen unveränderter Kreditnachfrage des Staates ( d B D = 0) der staatliche Einfluß auf den Kreditmarkt lediglich indirekt über die Reaktionen der Privaten vollzieht. Daher müssen sich die Veränderungen der privaten Kreditnachfrage und des Kreditangebots genau entsprechen. Die private Kreditnachfrage muß also netto in gleichem Umfang abnehmen wie das Kreditangebot, so daß der nachfragereduzierende Reallohneffekt den nachfragesteigernden Zinseffekt überwiegen muß. Reduziert sich das Kreditangebot mehr als die Kreditnachfrage,
(4.49)
t(w/py
(?) dT
(dT = dG)
°
dT
dN
dN dT ^ dr
dt
d
dP n — >0 dt
dP
P dr
finanzpoliti-
dT = dTr d ( f )
> 0
dT dN dT
< 0 < 0„
^ dT
> 0
< 0 < 0„
dP dT>0
„ > 0
kein induziertes Ungleichgewicht =>• dr = 0 dr
induzierte Uberschußnachfrage
dr > 0
induziertes Überschußangebot => dr < 0 dr
dl dJ dT
dl YD bzw. S > I. Links von EQ gilt YD > Y s bzw. I > S. Wie kommt es von derartigen ungleichgewichtigen Situationen zur Realisierung des Gleichgewichts? Eine Anpassung über Preisniveaureaktionen war über die Annahme eines vollkommen elastischen Angebots ausgeschlossen worden. Daher kann die Anpassung nur über Mengenreaktionen erfolgen. Ubersteigt die Güternachfrage das Güterangebot, so reagiert das elastische Angebot mit einer Produktionsausdehnung. Uno actu steigt Y an, so daß sowohl der Konsum als auch die Ersparnis ansteigen, bis Y* erreicht ist. Im Gleichgewicht ist keine weitere Anpassung der Produktion erforderlich, da Angebot und Nachfrage nicht mehr voneinander abweichen. Ist das Angebot größer als die Güternachfrage, wird die Produktion gedrosselt. Das Einkommen sinkt und damit reduzieren sich sowohl der Konsum als auch die Ersparnis, bis Y* realisiert ist. Das vollständig flexible Güterangebot sorgt also mit seiner unendlich schnellen Anpassung an die Güternachfrage dafür, daß das Gütermarktgleichgewicht realisiert wird. Solange jedoch eine vollkommene Anpassung der Produktion an die Nachfrage möglich ist, müssen unterausgelastete Kapazitäten existieren. Ein Gütermarktgleichgewicht ist daher mit Unterbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt offenbar kompatibel. Daher wird Y* auch als Unterbeschäftigungsgleichgewicht bezeichnet. Im Gegensatz zum neoklassischen Modell läßt sich daher eine stabilisierungspolitische Aufgabe für den Staat formulieren. Da die Güternachfrage das Güterangebot und damit die Auslastung der Kapazitäten bestimmt, kann der Staat durch Einsatz seiner Instrumente dafür sorgen, daß die Güternachfrage ansteigt und damit die Produktion stimuliert wird. Im folgenden wird daher zu prüfen sein, inwieweit einzelne Instrumente des Staates bzw. Instrumentkombinationen geeignet sind, um diese Aufgabe zu erfüllen.
5.2
M o d e l l I: Staatliche Aktivität mit Pauschalsteuer
Wird dem Grundmodell die staatliche Aktivität mit Pauschalsteuer (T), Staatsausgaben für den Kauf von Gütern und Dienstleistungen (G) und Transfers (TV) hinzugefügt, so ist zum einen die Konsumfunktion und zum zweiten die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage zu modifizieren. Die Existenz von Pauschalsteuer und Transferzahlungen führt dazu, daß die Konsumfunktion in Abhängigkeit vom verfügbaren Einkommen zu formulieren ist: (5.14)
C=CA
+
cYv.
Das verfügbare Einkommen Y v ergibt sich durch Addition der Transfers, die das Einkommen erhöhen, und durch Subtraktion der Pauschalsteuer, die das Einkorn-
5.2. STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT
PAUSCHALSTEUER
125
men reduziert, als: (5.15)
YV = Y +
Tr-T.
Da die Staatsausgaben eine weitere autonome Komponente der effektiven Nachfrage sind, ist (5.1) um G zu ergänzen: (5.16)
YD = C + I + G
Durch Einsetzen von (5.14) folgt damit für das gleichgewichtige Y: (5.17)
5.2.1
Υ" = °
Λ + C7V
~_CJ
+ I +
G
Verschuldungsfinanzierung
Erhöht der Staat eine Ausgabenart ohne gleichzeitig die Pauschalsteuer zu erhöhen oder eine andere Ausgabenart zu reduzieren, findet eine Verschuldungsfinanzierung statt. Ein bereits existierendes Budgetdefizit, (5.18)
BD = G +
Tr-T,
erhöht sich genau um den Betrag der zusätzlichen Staatsausgaben, x
(5.19)
dBD
—
= 1,
bzw. um den Betrag der zusätzlichen Transferzahlungen: N
(5.20)
dBD
—
= 1.
Wegen der defizitverursachenden Wirkung lassen sich verschuldungsfinanzierte Maßnahmen auch als deficit spending kennzeichnen. 5.2.1.1
Staatsausgabenmultiplikator
Die Einkommenswirkung einer Variation der Staatsausgaben ergibt sich durch partielles Differenzieren von (5.17) nach G als:
Das Einkommen steigt als Folge einer Staatsausgabenerhöhung an. Zusätzliche Staatsausgaben wirken also expansiv. Im Vergleich zum neoklassischen Modell ist festzustellen, daß ein Niveaueffekt erzielt wird, während im neoklassischen Fall keine Einkommensexpansion zu erzielen war. Woran liegt das? Das Einkommen-Ausgaben-Modell unterstellt, daß das Angebot vollkommen elastisch auf eine Nachfrageerhöhung reagiert. Da die Kapazitäten nicht voll ausgelastet sind, kann eine Nachfrageerhöhung durch eine entsprechende Angebotssteigerung befriedigt werden. Im neoklassischen Modell dagegen
KAPITEL
126
5. DAS
EINKOMMEN-AUSGABEN-MODELL
herrscht Vollbeschäftigung, so daß die staatliche Nachfrageerhöhung nicht mit einer Angebotsausdehnung beantwortet werden kann, sondern andere Nachfragekomponenten (über einen Zinsanstieg) zurückgedrängt werden müssen. Wird die Größenordnung von (5.21) betrachtet, so zeigt sich, daß Y nicht nur um den Betrag der erhöhten Staatsausgaben ansteigt, sondern daß das Einkommen um mehr als die zusätzlichen Staatsausgaben anwächst, da (1 — c) < 1 ist. Der Ausdruck (5.21) wird daher als Staatsausgabenmultiplikator bezeichnet. Die Wirkung der Staatsausgaben auf das Sozialprodukt wird multipliziert, da eine Erhöhung des Einkommens durch die Staatsausgaben zu einer Erhöhung des verfügbaren Einkommens führt, die den Konsum stimuliert. In der ersten Runde der Einkommensentwicklung steigt Y genau um den Betrag an, um den sich die effektive Nachfrage erhöht, also um dG: (5.22)
1. Runde:
dYx = dG.
Dieser Primäreffekt entspricht im oberen Teil der Abb. 5.3 der Strecke +dG, wobei {Y(D — Y0D) die primäre Nachfrageerhöhung darstellt und (K/ — V0*) die daraus resultierende Angebotsausdehnung 4 . Wenn durch den Primäreffekt das Einkommen von Y£ auf das Niveau Y( angestiegen ist, dann muß sich diese Einkommenserhöhung in erhöhten Konsumausgaben niederschlagen, da das verfügbare Einkommen nun größer ist. Nach Maßgabe der marginalen Konsumquote c führt das erhöhte verfügbare Einkommen zu höheren Konsumausgaben, wodurch Y weiter ansteigt 5 : (5.23)
2. Runde:
dY2 = cdY?
= cdYx = cdG.
Die erneute Erhöhung des Einkommens führt in der nächsten Periode zu einer weiteren Erhöhung des Einkommens, da das verfügbare Einkommen wieder angestiegen ist und daher der Konsum erneut stimuliert wird: (5.24)
3. Runde
dY3 = cdY?
= cdY2 = c2dG.
Dieser Prozeß setzt sich weiter fort, wobei die zusätzlichen Einkommensexpansionen durch erhöhte Konsumausgaben immer kleiner werden, da die Privaten stets nur einen Teil des erhöhten verfügbaren Einkommens konsumieren und den anderen Teil sparen. In der rc-ten Runde ergibt sich: (5.25)
η - te Runde
dYn = cdY^
= cdYn=
cn~ldG.
Die durch erhöhte Konsumausgaben verursachten Einkommenserhöhungen werden als Sekundäreffekte bezeichnet. 4
D i e Graphik stellt die Wirkung einer Erhöhung der Staatsausgaben als ihre erstmalige Einführung dar. Es wird also angenommen, daß sich die Staatsausgaben von Null auf ein positives Niveau erhöhen. 5 Hier wird deutlich, daß der Staatsausgabenmultiplikator eine dauerhafte Erhöhung der Staatsausgaben impliziert. Denn würde in der 2. Runde das erhöhte Niveau von G nicht aufrechterhalten, wäre ein kontraktiver Effekt zu berücksichtigen, der durch die Rücknahme der Staatsausgaben entsteht.
5.2. STAATLICHE
AKTIVITÄ Τ MIT PA USCHALSTE UER
Abbildung 5.3: Einkommen-Ausgaben-Modell: Auswirkung Erhöhung der Staatsausgaben auf das Gütermarktgleichgewicht CA,C, I,G,
YD
efFekt
efFekte
127
einer
128
KAPITEL
5. DAS
EINKOMMEN-AUSGABEN-MODELL
Die gesamte ausgelöste Einkommensexpansion der Erhöhung der S t a a t s a u s g a b e n ergibt sich aus den summierten Veränderungen der η Runden als: (5.26)
dYn = dG + cdG + c2dG + ... +
cn~xdG.
Die S u m m e dieser geometrischen Reihe ergibt sich, wenn (5.26) mit c multipliziert und das Ergebnis von (5.26) subtrahiert wird: (5.27)
dYn - cdYn
= dG -
cndG
Geht η gegen unendlich, wird cn Null, so daß folgt: (5.28)
dYn{ 1 - c) = dG.
Dieser Ausdruck entspricht nach Umstellung dem oben ermittelten Multiplikator (5.21). U m wieviel die ausgelöste Einkommenserhöhung größer ausfällt als dG, ist abhängig von der Größe der marginalen Konsumquote. J e größer c ist, desto größer fallen die ausgelösten Sekundäreffekte aus, d a stets ein größerer Teil des erhöhten verfügbaren Einkommens verausgabt wird. Wäre c = 0, so wäre der Multiplikator eins, d a dann die Wirkung der Erhöhung der Staatsausgaben auf den Primäreffekt beschränkt bleiben würde. Wäre c = 1, dann wäre der Multiplikator unendlich, d a stets der gesamte Einkommenszuwachs konsumiert werden würde und der Multiplikatorprozeß kein Ende finden würde 6 . Mit steigender Konsumquote c steigt also der Wert des Staatsausgabenmultiplikators an. Formal läßt sich dieses Ergebnis durch partielles Differenzieren von (5.21) nach c ermitteln:
(5.29)
5.2.1.2
Kl) de
(1
-cY
> 0.
Transferausgabenmultiplikator
Die Wirkung einer Veränderung der Transferausgaben auf das Gleichgewichtseinkommen ergibt sich durch partielles Differenzieren von (5.17) nach Tr als:
0 Eine Erhöhung der Transferzahlungen führt zu einer Expansion des Sozialprodukts, d a über das erhöhte verfügbare Einkommen die Konsumausgaben ansteigen. 6 F ü r diesen Fall ließe sich die Annahme eines völlig elastischen Güterangebots - also freier Kapazitäten - auf Dauer selbstverständlich nicht aufrechterhalten. Die Multiplikatorwirkung würde sich bei Erreichen der Kapazitätsgrenze nur noch in einer nominellen Steigerung des Sozialprodukts niederschlagen; es g ä b e dann nur noch Preis- und keine Mengeneffekte mehr.
5.2.
STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT PA
USCHALSTEUER
129
Werden Staatsausgaben und Transferausgaben um den gleichen Betrag erhöht, so steigt das Budgetdefizit in beiden Fällen um den gleichen Betrag an 7 . Wird dagegen die Einkommenswirkung der höheren Transferzahlungen (5.30) mit der Einkommenswirkung der erhöhten Staatsausgaben (5.21) verglichen, so zeigt sich, daß gilt: dY dTr
^
Auch hier zeigt ein Vergleich zu (5.30), daß der Transfermultiplikator bei Existenz einer Einkommensteuer geringer ausfällt als bei Existenz einer Pauschalsteuer, da die einkommensabhängige Steuer die ausgelösten Sekundäreffekte beschneidet. Der Staatsausgabenmultiplikator (5.56) muß weiterhin größer sein als der Transfermultiplikator (5.62), da der Primäreffekt der verschuldungsfinanzierten Staatsausgaben bei den verschuldungsfinanzierten Transfers fehlt. Der Einfluß einer Veränderung der Transfers auf das staatliche Defizit ergibt sich aus dem totalen Differential von (5.55) mit dTr φ 0 und dY ^ 0 als: (5.63)
dBD = dTr -
tdY.
Mit Division durch dTr und durch Einsetzen von (5.62) folgt: x v(5.64)
'
dBD (1 - c) —— = - i '— > 0. dTr 1 -c+et
Auch die verschuldungsfinanzierten Transfers erhöhen das Defizit um weniger als den Ausgabenbetrag,
da ihr expansiver Effekt gleichzeitig zu einer Erhöhung der Steuereinnahmen führt. Während im Modell mit Pauschalsteuer die verschiedenen verschuldungsfinanzierten staatlichen Ausgaben eine identische Budgetwirkung aufwiesen 9 , zeigt nun ein Vergleich von (5.64) mit (5.60), daß verschuldungsfinanzierte Staatsausgaben im Vergleich zu verschuldungsfinanzierten Transfers eine geringere Erhöhung des Budgetdefizits verursachen. Die ökonomische Ursache liegt in der unterschiedlichen expansiven Wirkung der beiden Maßnahmen begründet. Da der expansive Einkommenseffekt der Transfers kleiner ist als der expansive Effekt der Staatsausgaben, steigen die Steuereinnahmen im Transferfall weniger stark an als im Staatsausgabenfall. Bei identischem Ausgabebetrag muß also die Nettowirkung der Transfers auf das Defizit größer sein als die Budgetnettowirkung der Staatsausgaben.
5.3.2
Built—in—Flexibility, diskretionäre Fiskalpolitik und konjunkturbedingtes Defizit
Mit (5.56) und (5.62) ist gezeigt worden, daß die Existenz einer Einkommensteuer die Durchschlagskraft der fiskalpolitischen Maßnahmen reduziert. Kann daraus der 9
(5.19) und (5.20) auf S. 125 sind identisch.
5.3. STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT
EINKOMMENSTEUER
137
Schluß gezogen werden, daß der Staat aus stabilisierungspolitischen Gründen auf die Erhebung einer Einkommensteuer verzichten soll, um sein stabilisierungspolitisches Potential nicht selbst zu beschneiden? Zur Beantwortung dieser Frage sei eine Reduktion der effektiven Nachfrage betrachtet, die durch ein Absinken der Investitionen verursacht wird. Im Fall ohne Einkommensteuer resultiert eine Sozialproduktsreduktion von:
dY ä7 =
1 T ^
> 0
·
Die Existenz einer Einkommensteuer vermindert die Sozialproduktsreduktion auf: (5.67) v
'
w — ! — dl 1 -c+et
> 0
.
Die Existenz einer Einkommensteuer kann den Konjunkturabschwung abmildern, ohne daß es einer diskretionären Aktivität des Staates bedarf. Ein derartiges Dämpfungspotential für Sozialproduktsschwankungen, das durch die eingebaute flexible Reaktion der Einkommensteuer begründet wird, wird daher als built-in-f lexibility (bif) bezeichnet. Sämtliche Einnahmen des Staates, die antizyklisch mit Y schwanken, weisen eine derartige bif auf. Gleiches gilt für Ausgaben des Staates, die automatisch flexibel auf Y-Veränderungen reagieren. Hervorzuheben sind hier besonders einkommensabhängige Transfers, wie sie in der Bundesrepublik in Form der Arbeitslosenversicherung existieren. Sie lassen sich in vereinfachter Form durch folgende Transferfunktion beschreiben: (5.68)
U = Uo-
ßY.
Solange Y das Vollbeschäftigungsniveau Yvo" in der Abb. 5.4 unterschreitet, werden Transfers aus der Arbeitslosenversicherung gezahlt. Sinkt ζ. B. durch eine Abbildung 5.4: Einkommensabhängige Transferfunktion
y^
γνοΙΙ
KAPITEL
138
5. DAS
EINKOMMEN-AUSGABEN-MODELL
Reduktion der Investitionen das F-Niveau von Yvo" auf Vi ab, so werden einkommensabhängige Transfers in Höhe von U\ ausgezahlt. Selbst ohne Existenz einer Einkommensteuer liegt dann eine bif vor, da bei gesetzlich geregelter Einkommensersatzquote β die Reduktion des verfügbaren Einkommens geringer ausfällt und damit über einen geringeren Rückgang des Konsums auch der Konjunkturabschwung weniger stark ausfällt. Die Arbeitslosenversicherung weist sogar ein doppeltes nachfragestabilisierendes Potential auf, da sich nicht nur die Ausgaben antizyklisch entwickeln sondern auch die Einnahmen: Das Beitragsaufkommen und damit der Nachfrageentzug steigt (sinkt) mit wachsender (schrumpfender) Beschäftigung und zunehmenden (rückläufigen) Einkommen. Die positive Wirkung der built—in—flexibility staatlicher Budgetposten besteht darin, daß Sozialproduktsschwankungen automatisch gedämpft werden können. Dies ist für die Stabilisierung der Volkswirtschaft insofern vorteilhaft, als diskretionäre Maßnahmen mit Zeitverzögerungen verbunden sind. Voraussetzung für die Ergreifung derartiger Maßnahmen ist es, daß eine Konjunkturstörung rechtzeitig erkannt wird. Die Zeitspanne, die zwischen dem Auftreten der konjunkturellen Störung, ihrem Niederschlag in Konjunkturfrühindikatoren und der Einsicht in die Handlungsnotwendigkeit vergeht, wird als recognition lag bezeichnet. Weiterhin entsteht ein decision lag, der den Zeitraum umfaßt, der von der Einsicht in die Handlungsnotwendigkeit bis zur gesetzlichen Legitimation einer stabilisierungspolitischen Maßnahme vergeht. Schließlich ist noch der instrumental lag zu nennen, der dadurch entsteht, daß eine Administration mit der Durchführung der beschlossenen Maßnahme zu betrauen ist. All diese lags kann eine built—in—flexibility umgehen und daher die Gefahr vermeiden, daß die konjunkturbeeinflussende Wirkung zu spät greift. Das stabilisierungspolitische Potential der built—in—flexibility kommt allerdings nur dann zum Tragen, wenn die c.p. Bedingung gilt, das heißt wenn der Staat keine gegenläufigen Maßnahmen ergreift. Unter dieser Voraussetzung wird die built—inflexibility zur built-in-stability, da dann Konjunkturschwankungen tatsächlich durch die eingebaute Flexibilität reduziert werden. Warum könnte sich der Staat veranlaßt sehen, gegen die einkommensdämpfende Wirkung der built—in—flexibility zu agieren? Zur Beantwortung dieser Frage ist die Wirkung der bif auf das staatliche Budget zu betrachten. Liegt eine einkommensteuerbedingte bif vor, so bedeutet der Rückgang der Steuereinnahmen in Folge einer Sozialproduktsreduktion durch einen Investitionsrückgang nicht nur, daß die ausgelösten kontraktiven Sekundäreffekte geringer ausfallen, sondern daß auch ein staatliches Defizit, nämlich ein konjunkturbedingtes Def izit entsteht. Im Modell ergibt sich die konjunkturbedingte Veränderung des Budgetdefizits ( K B ) infolge eines Investitionsrückgangs aus dem totalen Differential von (5.55) mit dY φ 0 bei Division durch dl als:
(KB)
~
1
άΓ
Mit Einsetzen des Investitionsmultiplikators (5.67) folgt für die konjunkturbedingte
5.3.
STAATLICHE
AKTIVITÄT
MIT
EINKOMMENSTEUER
139
Veränderung des Budgetdefizits: . (5.70)
dBD (KB) dl
1 -c + ct
< 0.
Dieses sich einstellende konjunkturbedingte Defizit ist das Spiegelbild der durch die Einkommensteuer reduzierten Sekundäreffekte einer Veränderung der autonomen Ausgaben. Das verfügbare Einkommen der Konsumenten kann bei einer durch Investitionsrückgang bewirkten Sozialproduktsreduktion deshalb weniger abnehmen als das Sozialprodukt, weil der Staat einen Rückgang seiner Steuereinnahmen zu verzeichnen hat. Von der Budgetseite her betrachtet ist das konjunkturbedingte Defizit des Staates dafür verantwortlich, daß die Sozialproduktsschwankung mit Einkommensteuer geringer ausfällt als ohne Einkommensteuer. 5.3.2.1
Index der b u i l t - i n - f l e x i b i l i t y
In welchem Ausmaß einkommensabhängige Komponenten des staatlichen Budgets zu einer Dämpfung der Einkommensentwicklung führen, läßt sich messen, wenn die durch eine Veränderung der autonomen Ausgaben bewirkte Einkommensveränderung bei Existenz der bif verglichen wird mit derjenigen Einkommensveränderung, die sich ohne bif ergeben hätte. Als Index der bif läßt sich für den Fall der einkommensabhängigen Steuer (tY) im Vergleich zum Fall der Pauschalsteuer (T) formulieren:
(5.71)
Ί
=
dY dl
dY (T) ' dl (tY) dY dl (T)
dY dl (tY) = 1 dY dl (T)
Der Index 7 mißt die prozentuale K-Schwankung, die wegen des sich automatisch verändernden Steueraufkommens bei einer Investitionserhöhung vermieden wird, bzw. die der Volkswirtschaft bei einem Investitionsrückgang erspart bleibt. Es kommt zu keiner Dämpfung der Einkommensentwicklung gegenüber dem Pauschalsteuerfall, wenn der Index 7 Null wird, das heißt wenn gilt:
(->
§ (Γ)
dY dl
(tY)
Bei Verwendung der Investitionsmultiplikatoren (5.67) und (5.66) zeigt sich, daß dieser Fall eintritt, wenn gilt et = 0: (5.73)
1 ! 1 1— c 1 — c + ct
Ein Steuersatz von Null bedeutet das Fehlen einer einkommensabhängigen Steuer, so daß keine bif existieren kann. Bei einer Konsumquote von Null wäre der durch einen Investitionsrückgang ausgelöste Einkommensrückgang mit dem Primäreffekt identisch, so daß sich wegen fehlender Sekundäreffekte die dämpfende Wirkung einer Einkommensteuer nicht entfalten könnte. Für realistische Werte der Konsumquote
KAPITEL
140
5. DAS
EINKOMMEN-AUSGABEN-MODELL
dagegen muß die Existenz einer Einkommensteuer immer zu einer bif führen, da Sekundäreffekte existieren, deren Wirkung beschnitten wird. Der andere Extremfall von 7 = 1, die vollständige Eliminierung von Schwankungen des Sozialprodukts im Einkommensteuerfall gegenüber dem Pauschalsteuerfall, könnte nur dann realisiert werden, wenn gilt:
(5.74)
dY dl (tY) dY dl (T)
= 0.
Einsetzen der Investitionsmultiplikatoren zeigt, daß 7 nur dann eins werden kann, wenn die Konsumquote ebenfalls dem Wert eins entspricht: 1 (5.75)
l - c + ct 1 q 1-c 10. 1 1 - c + et 1- c Bedeutet das Vorliegen dieser Konstellation, daß jegliche Einkommensschwankung tatsächlich automatisch unterdrückt wird? Bei c = 1 würde der Multiplikator im Zähler von (5.74) den Wert (1 /
ϊ =
Beide Größen beeinflussen allerdings in sehr unterschiedlicher Weise die Größenordnung von 7. Der Steuersatz t tangiert aussschließlich den Investitionsmultiplikator bei Existenz einer Einkommensteuer. Dieser Mulitplikator reduziert sich mit steigendem Steuersatz, da die ausgelösten Sekundäreffekte geringer ausfallen: Ί(δΥ
m ) r, so wird die Entscheidung zugunsten des Kapitalgutes fallen, während i < r zu einer Finanzanlage führt. Abbildung 6.1: Marktzinssatz
Grenzleistungsfahigkeit
von Investitionsprojekten
und
υ
•
r
l
IP\
IP2
IP3 IP4
IPs
Die Abwägung der Opportunitätskosten von Kapitalgütern impliziert, daß niedrige Marktzinssätze mit einem hohen Investitionsvolumen und hohe Marktzinssätze mit einem geringeren Investitionsvolumen verbunden sind. Denn bei einem hohen
6.1.
DIE GÜTERSEITE
DES
MODELLS
155
Marktzins werden wenige Investitionsprojekte so rentabel sein, daß ihre Grenzleistungsfähigkeit über r liegt. In der Abb. 6.1, die hypothetische Investitionsprojekte ( I P ) geordnet nach ihrer Grenzleistungsfähigkeit zeigt, wird beim hohen Marktzins ro nur das Investitionsprojekt I P \ durchgeführt. Ein geringer Marktzinssatz dagegen wird dazu führen, daß sich nun Investitionsprojekte lohnen, die beim hohen r mit ihrer Grenzleistungsfähigkeit noch unter dem Marktzinssatz lagen. Der geringere Marktzinssatz r\ führt in der Abb. 6.1 dazu, daß gegenüber r 0 drei weitere Investitionsprojekte mit ihrer Grenzleistungsfähigkeit über dem Marktzinssatz liegen, so daß statt IP\ vier Projekte realisiert werden. Damit hängt das Investitionsvolumen negativ von der Höhe des Zinssatzes ab, und es läßt sich als Investitionsfunktion formulieren: (6.3)
— dr
I = I(r)
6.1.2
0
Das Gütermarktgleichgewicht: Die IS—Kurve
Mit der Investitionsfunktion aus (6.3) läßt sich nun das modifizierte Gütermarktgleichgewicht formulieren. Bei Berücksichtigung des staatlichen Einflusses ist die Güternachfrage: (6.4)
YD = CA + cYv + J ( r ) + G.
Die Staatsausgaben G werden weiterhin als exogen betrachtet. Bezüglich der Steuererhebung des Staates wird eine Einkommensteuer unterstellt. In Verbindung mit einkommensunabhängigen Transfers ergibt sich das verfügbare Einkommen als: (6.5)
Y
v
= Y - t Y + Tr.
Mit Einsetzen in YD läßt sich als Gleichgewichtslösung ermitteln: (6.6) K
Y
'
.
=
CA
+
cTr
I(r) l-c+et
+
+
G
Da die Investitionsnachfrage negativ vom Zinssatz abhängig ist, reduziert ein steigender Zinssatz die Investitionsnachfrage und damit die gesamte Güternachfrage. Weil das Gütermarktgleichgewicht nachfragedeterminiert ist, kann es nicht nur eine gleichgewichtige F-Lösung für den Gütermarkt geben wie im Einkommen-Ausgaben-Modell. Je nach dem Niveau von r folgen unterschiedliche Gleichgewichtseinkommen am Gütermarkt, da zu jedem Zinssatz ein anderes Investitionsvolumen und damit ein anderes Niveau der Nachfrage gehört. Das Gütermarktgleichgewicht ist also keine Punktlösung mehr wie im Einkommen/Ausgaben-Modell, sondern läßt sich bei zinselastischen Investitionen durch unterschiedliche Kombinationen von r und Y abbilden. Die graphische Darstellung all jener Kombinationen von r und y , die ein Gütermarktgleichgewicht repräsentieren, wird als / S - K u r v e bezeichnet. In einem r, y-Diagramm muß die I S - K u r v e wegen der negativen Zinsabhängigkeit der Investitionen eine negative Steigung aufweisen.
156
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Abbildung 6.2: D i e I S - K u r v e r
Y
6.1.2.1
Die Steigung der IS-Kurve
Zur analytischen Bestimmung der Steigung der 75-Kurve muß eine simultane Veränderung von Y und r mit der Eigenschaft betrachtet werden, daß weiterhin ein Gütermarktgleichgewicht realisiert wird. Diese Bewegung entlang der Kurve ergibt sich durch das totale Differential von (6.6) mit dY φ 0 und dr φ 0 als: /„ „n
%
(dr = 0)
1
1 > 0. -c+ct
Bei konstantem Zinssatz führt eine Erhöhung der Staatsausgaben zu einem höheren Einkommensniveau (Y 0 steigt bei r auf Y\ in der Abb. 6.4), da das Niveau der Güternachfrage ansteigt. Die 75-Kurve verschiebt sich nach außen. Für die Lage Veränderung durch veränderte Transferausgaben T r gilt: (6.10)
dY dTr
(dr = 0)
1 - c + ct
> 0.
Da höhere Transferzahlungen die Güternachfrage erhöhen, kann bei jedem Zinssatz ein höheres Gleichgewichtseinkommen realisiert werden. Die 75-Kurve verschiebt sich wieder nach außen. Das Ausmaß der Verschiebung fällt jedoch geringer aus im Vergleich zu einer volumengleichen Erhöhung der Staatsausgaben, da nun die staatliche Ausgabe nur nach Maßgabe der marginalen Konsumneigung c nachfragewirksam wird. ' W ä r e eine Pauschalsteuer in das Modell eingeführt worden, würde auch sie ein Lageparameter sein.
158
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Abbildung 6.4: Der Einfluß der Staatsausgaben auf die Lage der IS—Kurve (G, > Go)·
Beide Lageveränderungen stimmen mit den Multiplikatoren des entsprechenden Einkommen/Ausgaben-Modells überein 2 . Der horizontale Abstand der neuen zur alten /S-Kurve zeigt daher jeweils die Einkommenswirkung des Einkommen-Ausgaben-Modells.
6.2
Die monetäre Seite des Modells
Da die Einführung der zinsabhängigen Investitionsfunktion dazu dienen sollte, das Investitionsvolumen zu endogenisieren, muß nun geklärt werden, in welcher Weise das Zinsniveau im Modell determiniert wird. Der Geldmarkt, auf dem Geldangebot und Geldnachfrage aufeinander treffen, ist das Modellelement, in dem der Zinssatz bestimmt wird. Das Geldangebot erfolgt durch die Zentralbank. Sie stellt die exogen determinierte Geldmenge Μ zur Verfügung. Die Geldnachfrage wird über das Transaktionskassenmotiv und das Spekulationskassenmotiv bestimmt. Für die Abwicklung der Güterkäufe und -Verkäufe in der Volkswirtschaft wird Transaktionskasse benötigt, so daß die Geldnachfrage aus 2
V g l . Kapitel 5, (5.56) auf S. 134 und (5.62) auf S. 136. Wird eine Erhöhung des Steuersatzes mit ihrem Einfluß auf die / S - K u r v e bei konstantem Zinssatz betrachtet, so ergibt sich aus (6.6): dY ~dt
-cY
(dr - 0)
l-c + ct'
Dieser Ausdruck entspricht ebenfalls dem Ausgaben-Modells (5.90) auf S. 143.
entsprechenden
Multiplikator
des
Einkommen-
6.2.
DIE MONETÄRE
SEITE
DES
MODELLS
159
d e m Transaktionskassenmotiv mit steigendem Einkommen ansteigen wird: (6.11)
LT = LT(Y)
W
>
0
-
Z u m zweiten wird ein W i r t s c h a f t s s u b j e k t in Abhängigkeit von seinen Erwartungen K a s s e aus spekulativen Gründen halten. Wenn es erwartet, daß der K u r s festverzinslicher Wertpapiere, die sich in seinem Besitz befinden, in naher Zukunft fallen wird, wird es die Papiere veräußern. Den Verkaufserlös wird es als Spekulationskasse halten, um bei einem niedrigen K u r s erneut Wertpapiere erwerben zu können. Werden diese wieder bei hohem K u r s verkauft, so läßt sich ein Spekulationsgewinn erzielen. Für diese festverzinslichen Papiere sei angenommen, daß sie v o m S t a a t emittiert werden. Er zahlt a m Ende einer jeden Periode pro Papier einen konstanten B e t r a g von einer Geldeinheit. Bei einer unterstellten unendlichen Laufzeit der Wertpapiere läßt sich mit diesen Bonds, auch Konsols genannt, ein E i n k o m m e n s t r o m erzielen, der der S u m m e der Kuponzahlungen von jeweils einer Geldeinheit entspricht: (6.12)
l i + l 2 + l 3 + . . . + loo.
Wenn ein Wirtschaftssubjekt ein derartiges Papier verkaufen will, zu welchem Preis wird die Transaktion s t a t t f i n d e n ? J e d e r K ä u f e r wird nicht mehr als den Betrag zahlen, der d e m Gegenwartswert des B o n d entspricht. J e d e r Verkäufer wiederum wird nicht weniger als den Gegenwartswert eines Bond akzeptieren. Die Markttransaktion wird daher zu einem Preis durchgeführt, der d e m Gegenwartswert des B o n d entspricht. Der Gegenwartswert und d a m i t der K u r s eines B o n d { K B ) ergibt sich aus der Abdiskontierung der erzielbaren E i n k o m m e n s t r ö m e mit d e m Marktzins r auf den heutigen Zeitpunkt als:
κ» = ( ί Τ 0
+
( Ϊ Τ ^
+
···
+
( Γ Τ ^ '
Mit sinkendem Zins wird also der Preis der Bonds ansteigen. Diese Beziehung läßt sich näher konkretisieren, wenn die S u m m e der geometrischen Reihe a u s (6.13) gebildet wird. Dazu wird (6.13) mit (1 + r ) multipliziert, so daß sich ergibt: (6.14)
A s ( l + r ) = 1 + — - j — + ... + (1+r) "'
1
(l+r)°°-!'
Wird (6.13) von (6.14) subtrahiert, so ergibt sich der explizite Ausdruck für den K u r s eines B o n d als 3 (6.15) 3
KB
= -. r
Als Differenz der beiden Ausdrücke ergibt sich:
rKB = 1
1 (1 + r)°°
Der zweite Term auf der rechten Seite ist Null, so daß (6.15) folgt.
160
KAPITEL
6.
DAS
IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Ein Wirtschaftssubjekt, das einen Kursverfall der Bonds erwartet, muß also gleichzeitig eine Vorstellung über den kritischen Zinssatz r entwickelt haben, bei dem es seine Bonds verkauft, u m Spekulationskasse zu halten. Ein hoher Kurs impliziert einen niedrigen Zinssatz, so daß Spekulationskasse bei einem geringen Zinssatz gehalten wird. Die Erwartungen der einzelnen Wirtschaftssubjekte über die Entwicklung des Kurses fallen unterschiedlich aus. J e höher jedoch der gegenwärtige Kurs ist, desto mehr Wirtschaftssubjekte werden erwarten, daß kein weiterer Kursanstieg s t a t t f i n det und ihre Bonds verkaufen, um Spekulationskasse zu halten. Spekulationskasse und Kurs stehen daher in einer positiven Beziehung zueinander. Dies bedeutet aber, daß Spekulationskasse und Zins in inverser Beziehung zueinander stehen müssen: (6.16)
Ls
= Ls{r)
~
< 0.
J e niedriger der Zins (je höher der Kurs), desto mehr Wirtschaftssubjekte erwarten einen Zinsanstieg (Kursverfall) und desto mehr Spekulationskasse wird gehalten. Werden beide Geldnachfragemotive in einer Nachfragefunktion zusammengefaßt, so lautet die Geldnachfragefunktion: (6.17)
L = L(Y,r)
> 0,
^ f < 0.
Die Abb. 6.5 zeigt die Geldnachfrage in Abhängigkeit von r für die zwei vorgegebenen Einkommensniveaus Y0 und Y\. Die Differenz zwischen der gesamten Geldnachfrage L(Y,r) und der einkommensabhängigen Transaktionskasse LT(Y) bildet bei j e d e m Zinssatz die zinsabhängige Geldnachfrage Ls(r) ab. Das Geldmarktgleichgewicht ist realisiert, wenn Geldangebot und Geldnachfrage übereinstimmen: (6.18)
Μ =
L(Y,r).
In der Abb. 6.5 ergibt sich das Geldmarktgleichgewicht beim Einkommensniveau Yü durch den Schnittpunkt EQ des konstanten Geldangebots Μ mit der Geldnachfrage Damit sind der gleichgewichtige Zinssatz rg und die Spekulationskasse L(YO,r). L s ( r o ) bestimmt. Steigt das Einkommensniveau auf Vj an, so wächst der Bedarf an Transaktionskasse auf LT(Yi) an. Bei unverändertem Geldangebot Μ kommt es beim Zinssatz rq zu einer Uberschußnachfrage am Geldmarkt in Höhe von EQA', da die gesamte Geldnachfrage auf £(Κι,γ£|) ansteigt. Gesamtwirtschaftlich läßt sich die Transaktionskasse bei unverändertem Geldangebot nur zu Lasten der Spekulationskasse auffüllen. Wirtschaftssubjekte, die Bonds halten, bieten diese z u m Verkauf an, u m mit dem Erlös ihre Transaktionskasse zu vergrößern. Die Uberschußnachfrage a m Geldmarkt f ü h r t daher zu einem Uberschußangebot am B o n d m a r k t . Als Folge des Uberschußangebots sinkt der Preis der Bonds, der Kurs ab, so daß r ansteigt. Der durch das erhöhte Bondangebot induzierte Kursverfall veranlaßt Wirtschaftssubj e k t e aus dem Kreis der Spekulationskassenhalter, ihre Spekulationskasse im Tausch
6.2.
DIE MONETÄRE
SEITE
DES
161
MODELLS
Abbildung 6.5: D a s G e l d m a r k t g l e i c h g e w i c h t (Y\ > }Q).
L(Yur) L(Yo,r) L,LT,LS,M LT(Y0)
Lt(Yi)
M = L(Y,r)
L{Yur'0)
gegen Bonds aufzulösen. Wenn beide Ungleichgewichtssituationen über Kursverfall bzw. Zinsanstieg auf Tj abgebaut sind, herrscht an beiden Märkten wieder ein Gleichgewicht. Die Ubereinstimmung von Geldangebot und Geldnachfrage ist daher bei unterschiedlichen r, K-Kombinationen zu realisieren, wobei hohen Einkommen hohe Zinssätze zugeordnet sein müssen. Die graphische Darstellung der alternativen Geldmarktgleichgewichte ist die LM-Kurve, die in einem r, F-Diagramm eine positive Steigung aufweist. Analytisch ergibt sich die Steigung der L M - K u r v e aus dem totalen Differential von (6.18) mit dM = 0 als:
dr
dY (LM)
dL_ dY > 0. dL dr
Die Abb. 6.6 zeigt die graphische Darstellung der LM-Kurve, wobei vereinfachend wieder ein linearer Verlauf unterstellt ist. Eine Veränderung der Geldmenge führt zu einer Lageveränderung der LMKurve. Eine Ausdehnung des Geldangebots ermöglicht es, bei unverändertem Zinssatz die Transaktionskasse zu halten, die ein höheres Einkommensniveau erfordert. Eine Geldmengenerhöhung verschiebt daher die LM-Kurve nach rechts (vgl. Abb. 6.7.).
162
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Abbildung 6.6: D i e L M - K u r v e
LM
Abbildung 6.7: Geldmengenvariation und die Lage der L M - K u r v e (M, > Mo).
LM(M0)
LM(Mi)
6.3. DAS GESAMTGLEICHGEWICHT
163
Das Ausmaß der Verschiebung läßt sich aus dem totalen Differential von (6.18) mit dr = 0 ermitteln als:
(dr = 0) ~
6.3
LY>0-
Das Gesamtgleichgewicht
Das Gesamtgleichgewicht der Volkswirtschaft ist bei einer r, K-Kombination realisiert, in der sowohl der Gütermarkt als auch der Geldmarkt im Gleichgewicht sind. Dieses Gesamtgleichgewicht stellt sich im Schnittpunkt E * von /^S-Kurve und LM-Kurve in der Abb. 6.8 ein, mit dem gleichgewichtigen Zinssatz r" und dem gleichgewichtigen Sozialprodukt Y*.
Abbildung 6.8: Simultanes Gleichgewicht auf dem Güter— und G e l d m a r k t
y*
6.4
Fiskalpolitik im I S / L M - M o d e l l
Da der Gütermarkt und der Geldmarkt über die zinsabhängigen Investitionen und die einkommensabhängige Transaktionskasse miteinander verbunden sind, tangiert die Fiskalpolitik beide Märkte. Für die komparativ-statische Analyse der Wirkungen der Fiskalpolitik bedeutet dies, daß sowohl der Einfluß auf das Gütermarktgleichgewicht als auch der Einfluß auf das Geldmarktgleichgewicht zu beachten sind.
164
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Die Auswirkungen fiskalpolitischer Maßnahmen auf die beiden Marktgleichgewichte ergeben sich durch die totalen Differentiale von (6.6) und (6.18) als 4 : (6.21) (6.22)
dY(l-c+ct) LYdY
+ LTdr
=
—cYdt + cdTr + ITdr + dG
=
dM
Die Interdependenz der Veränderungen der beiden Gleichgewichte schlägt sich algebraisch in dem Umstand nieder, daß die beiden totalen Differentiale ein interdependentes Gleichungssystem in den Veränderungen der Variablen bilden. Das Ordnen der Variablenveränderungen nach endogenen und exogenen Komponenten und Schreiben in Matrixform ergibt: dG (6.23)
(1 -c
+ ct)
Ly
—Ir
dY
1
c
LT
dr
0 0
-cY
0
dTr
0
1
dt dM
Da die Determinante |Z)| der Koeffizientenmatrix, (6.24)
\D\ = Lr (1 -c + ct) +
IrLy]
1
, . , , IM ' 1 - c+et + —— LR
Die expansive Wirkung einer Staatsausgabenerhöhung wird durch die zinselastischen Investitionen und den Geldsektor reduziert. Die Abb. 6.9 verdeutlicht, wie es zu der Reduktion der Expansionswirkung kommt. Vom usprünglichen Gleichgewicht EQ ausgehend verschiebt eine Staatsausgabenerhöhung bei zunächst unverändertem Zinssatz gemäß (6.9) die /So-Kurve nach rechts zu IS\. Wegen des erhöhten Niveaus der Staatsausgaben ist die Güternachfrage und damit das Sozialprodukt bei jedem Zinssatz größer als vorher. Der Einkommenseffekt in Höhe von YQYEA entspricht der expansiven Wirkung der Staatsausgaben im Einkommen/Ausgaben-Modell. Abbildung 6.9: IS/LM—Modell: Auswirkung einer Erhöhung der Staatsausgaben (Gi > G0).
Im Punkt EEA ist kein neues Gesamtgleichgewicht realisiert. Zwar ist der Gütermarkt im Gleichgewicht, da aber EEA nur ein Punkt der /S-Kurve, nicht aber gleichzeitig ein Punkt der LM-Kurve ist, muß der Geldmarkt im Ungleichgewicht sein. Wegen des erhöhten Einkommensniveaus wird nun mehr Transaktionskasse
166
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
benötigt. Beim Zinssatz r j wird bei identischer Spekulationskasse mehr Transaktionskasse gewünscht als im Gleichgewicht EQ, SO daß in EEA EIN Nachfrageüberschuß am Geldmarkt vorliegen muß. Bei konstanter Geldmenge Μ kann der erhöhte Transaktionskassenbedarf gesamtwirtschaftlich nur durch eine Reduktion der Spekulationskasse befriedigt werden. Wirtschaftssubjekte, die zusätzliche Transaktionskasse benötigen und Bonds besitzen, bieten diese am Bondmarkt zum Verkauf an. Der dadurch verursachte Angebotsüberschuß führt zu einer Reduktion des Kursniveaus, die ihr Spiegelbild in einem Anstieg des Zinssatzes findet. Bei erhöhtem Zinsniveau sind Halter von Spekulationskasse bereit, diese abzubauen und Bonds zu erwerben, bis sich ein neues Gleichgewicht am Geldmarkt einstellt. Uber den Zinsanstieg verringert sich das Niveau der zinselastischen Investitionen. Erhöhte Staatsausgaben verdrängen private Investitionen. Dieses transaktionskassenbedingte crowding-out führt dazu, daß dem ursprünglich ausgelösten Expansionseffekt ein kontraktiver Effekt entgegentritt, der einen Teil des ausgelösten Einkommenseffektes zunichte macht. Da der zweite Effekt brutto den Bedarf an Transaktionskasse reduziert, wird ein Teil der Uberschußnachfrage am Geldmarkt durch das transaktionskassenbedingte crowding-out abgebaut. Der restliche Teil der Uberschußnachfrage wird über den Abbau der Spekulationskasse befriedigt, bis beim gestiegenen Zinssatz r j und beim Einkommensniveau Vj* das neue Gleichgewicht am Geldmarkt in realisiert ist, bei dem gleichzeitig das Gesamtgleichgewicht wiederhergestellt ist. Die ausgelöste Zinserhöhung ergibt sich aus (6.23) als: (6'27)
dG
=
(1 -c+ct)Lr
+ IrLY
>
Das Ausmaß des induzierten transaktionskassenbedingten crowding-out und damit die neue Gleichgewichtsposition nach Erhöhung der Staatsausgaben muß von Ly, LT und I r abhängig sein, da dies die Faktoren sind, die beim Anpassungsprozeß eine Rolle spielen. Da sich das crowding-out in dem Unterschied der ausgelösten Sozialproduktswirkung einer Staatsausgabenerhöhung gegenüber dem EinkommenAusgaben-Modell (EA) niederschlägt, kann als Index des crowding-out definiert werden: dY (6.28)
CO =
IG
dY dG
(EA) dY dG
(IS/LM)
> 0.
(EA)
Ein höherer Wert von CO zeigt ein höheres crowding-out an, also eine geringere Einkommenserhöhung im Vergleich zum Modell ohne zinselastische Investitionen. Durch Einsetzen der Staatsausgabenmultiplikatoren (5.56) und (6.25) in (6.28) ergibt sich als konkreter Ausdruck für das Ausmaß des crowding-out: (6.29) v '
CO = — — - > 0. Lr(l - c +et) + IrLY ~
6.4. FISKALPOLITIK
IM
IS/LM-MODELL
167
Durch Differenzieren dieses Ausdrucks nach den Einflußfaktoren Ly, Lr und IT läßt sich analytisch ermitteln, in welcher Weise diese Größen das Ausmaß des crowdingout beeinflussen. Eine stärkere Reaktion der Transaktionskasse auf das Einkommensniveau erhöht das Ausmaß des crowding-out: ,6.30) K '
dLY
Wl-c••+*) [LT(i-c IrLY}2 + ct) +
Ein gegebener Einkommenseffekt führt bei stärkerer Reaktion der Transaktionskasse zu einem höheren zusätzlichen Bedarf an Transaktionskasse, so daß die Uberschußnachfrage am Geldmarkt größer ausfällt. Zur Wiederherstellung des Gleichgewichts ist ein größerer Zinsanstieg erforderlich, der mehr Investitionsvolumen verdrängt und daher das crowding-out erhöht. Eine starke Reaktion der Transaktionskasse verstärkt daher die kontraktiven Effekte, die vom Geldmarkt auf den Gütermarkt ausgehen. Für den Einfluß von LT ergibt sich: tt-m {6 31) -
d c o
dLr
- i M i - c + d) ~ [LT{\ — C + ci) + ITLy]2
Ein Ansteigen der (negativen) Größe LT bedeutet, daß die Spekulationskasse weniger auf Zinsveränderungen reagiert. Zur Deckung des durch einen gegebenen Einkommenseffekt verursachten zusätzlichen Transaktionskasssenbedarfs ist daher ein größerer Zinsanstieg erforderlich, um Geld aus der Spekulationskasse zu locken. Dieser höhere Zinsanstieg verdrängt mehr Investitionen, so daß das crowding-out größer ausfällt. Eine geringere Reaktion der Spekulationskasse auf Zinsveränderungen verstärkt somit die kontraktiven Effekte, die vom Geldmarkt auf den Gütermarkt wirken. Die Kontraktivwirkung der Geldmarkteffekte wird maximal, wenn der Extremfall einer völlig zinsunelastischen Geldnachfrage vorliegt. Die LM-Kurve weist dann den in der Abb. 6.10 skizzierten vertikalen Verlauf auf. Die Steigung der LM-Kurve für diesen Fall ergibt sich aus (6.19) mit LT — 0 als: (6.33)
%
(LM\LT = 0)
°°·
Da die Wirtschaftssubjekte in diesem Fall nur Transaktionskasse halten, verläuft die L M - K u r v e vertikal über dem Niveau des Gleichgewichtseinkommens KQ*. In der Einschätzung der Wirtschaftssubjekte hat der herrschende Zinssatz TQ ein so hohes Niveau erreicht, daß übereinstimmend mit einem Absinken des Zinssatzes gerechnet wird. Dies aber bedeutet, daß angenommen wird, der Kurs der Bonds habe sein Minimalniveau erreicht, so daß nur mit Kursteigerungen zu rechnen ist. In dieser Situation wird die Kassenhaltung auf das allein für Transaktionszwecke erforderliche Niveau reduziert, da jede darüber hinausgehende Geldhaltung Opportunitätskosten in Form von entgehenden Kursgewinnen verursacht.
168
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Abbildung 6.10: IS/LM—Modell: Auswirkung einer Erhöhung der Staatsausgaben (Gi > G0) bei fehlender Spekulationskasse
Der durch eine Staatsausgabenerhöhung bewirkte Einkommenseffekt (YQYEA) führt auch in diesem Fall zu einem erhöhten Bedarf an Transaktionskasse. Bei unveränderter Geldmenge kann zusätzliche Transaktionskasse nur über einen Verkauf von Wertpapieren verfügbar gemacht werden. Dazu ist jedoch aufgrund des minimalen Kursniveaus und der allseits erwarteten Kurssteigerungen kaum ein Bondbesitzer bereit. Die Emission zusätzlicher Bonds durch den Staat zur Finanzierung der erhöhten Staatsausgaben führt jedoch zu einem Uberschußangebot am Bondmarkt und damit zu einem Kursverfall. Da jedoch niemand in der Volkswirtschaft Spekulationskasse hält, ist auf diesem Weg kein Geld verfügbar, um die angebotenen Bonds zu kaufen. Zusätzliche Transaktionskasse läßt sich daher nicht beschaffen. Als einziger Mechanismus, der die Uberschußnachfrage am Geldmarkt bei konstanter Geldmenge abbauen kann, bleibt daher nur eine Einkommensreduktion auf das alte Einkommensniveau übrig, bei dem die Nachfrage nach Transaktionskasse wieder dem alten Niveau entspricht. Diese zum Ausgleich des Geldmarktes erforderliche Einkommenskontraktion wird durch die absinkende Investitionstätigkeit bewirkt. Der mit dem Kursverfall einhergehende Zinsanstieg muß so weit gehen, bis über einen Rückgang der Investitionen der durch die Erhöhung der Staatsausgaben bewirkte expansive Einkommenseffekt vollständig rückgängig gemacht ist. Der Staatsausgabenmultiplikator (6.25) nimmt bei (LT = 0) den Wert Null an. Die Volkswirtschaft realisiert im neuen Gleichgewichtspunkt E ' das unveränderte Einkommensniveau YQ, das nun jedoch mit dem höheren Zinssatz r j verbunden ist.
6.4.
FISKALPOLITIK
IM
IS/LM-MODELL
169
Der Index des crowding-out (6.29) erreicht wegen der völligen Aufzehrung des Einkommenseffektes der Staatsausgaben seinem maximalen Wert von eins. Es findet also ein totales crowding-out der privaten Investitionen statt. Der Staat mobilisiert die zur Finanzierung seiner zusätzlichen Ausgaben erforderlichen Mittel zulasten der Transaktionskasse der Privaten. Deren reduzierter Kassenbedarf ermöglicht den Absatz der zusätzlichen staatlichen Bonds. Für diesen Fall mit fehlender Spekulationskasse stimmen die Auswirkungen kreditfinanzierter Staatsausgaben auf Zinssatz und Einkommensniveau im neoklassischen und im keynesianischen Modell überein. Zu unterscheiden sind jedoch die unterschiedlichen Ursachen für das identische Ergebnis. Für die Zinssteigerung im neoklassischen Modell ist die Uberschußnachfrage am Kreditmarkt verantwortlich, während im keynesianischen Modell die Uberschußnachfrage am Geldmarkt eine Zinssteigerung auslöst. Das unveränderte Einkommensniveau resultiert aus neoklassischer Sicht aus der herrschenden Vollbeschäftigung, während im keynesianischen Modell nicht die ausgelasteten Kapazitäten sondern die fehlende Beschaffungsmöglichkeit zusätzlicher Transaktionskasse eine Sozialproduktserhöhung verhindert. Die Kontraktivwirkung der Geldmarkteffekte wird dagegen minimal, wenn Lr gegen unendlich geht. Diese Konstellation der Geldnachfrage wird als Liquiditätsfalle bezeichnet 5 . Die LM-Kmve weist dann den in der Abb. 6.11 skizzierten horizontalen Verlauf auf. Die Steigung der LM-Kurve für diesen Fall ergibt sich aus (6.19) mit LT —• oo als: (6.33)
dr dY
(LM\LT
oo)
= 0.
Die Wirtschaftssubjekte gehen davon aus, daß der Zinssatz r* ein so niedriges Niveau erreicht hat, daß nur noch mit Zinssteigerungen und damit Kursverlusten zu rechnen ist. Die Opportunitätskosten der Geldhaltung werden negativ. Es lohnt sich also Geld zu halten, weil so Kursverluste vermieden werden können, so daß die Spekulationskasse so weit als möglich aufgefüllt wird. Werden in dieser Situation die Staatsausgaben erhöht, so führt der ausgelöste Einkommenseffekt YQY\ ZU einem erhöhten Bedarf an Transaktionskasse. Die Wirtschaftssubjekte würden es bevorzugen, diesen Bedarf durch den Verkauf von noch in ihrem Besitz befindlichen Bonds zu decken, um sich von den durch Kursverluste bedrohten Papieren zu trennen. Da aber dem Angebot an Bonds aus demselben Grund keine Nachfrage gegenübersteht, erfolgt die Deckung des zusätzlichen Transaktionskassenbedarfs aus der vorhandenen Spekulationskasse. Da diese Umschichtung zwischen beiden Kassen ohne Zinsveränderungen möglich ist, bleibt der volle Einkommenseffekt der Staatsausgaben erhalten, so daß sich die gleiche expansive Wirkung wie im Einkommen/Ausgaben-Modell einstellt. Bei unverändertem Zinssatz r* wird das neue höhere Gleichgewichtseinkommen Y{ realisiert. Der Index des crowding-out (6.29) erreicht wegen des vollen Erhalts des Einkommenseffekts 5
D e r Sachverhalt, auf den diese Bezeichnung zurückgeht, wird weiter unten auf S. 183 deutlich werden.
170
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Abbildung 6.11: I S / L M - M o d e l l : Auswirkung einer E r h ö h u n g d e r S t a a t s ausgaben (Gi > G0) bei Vorliegen der Liquiditätsfalle
der Staatsausgaben seinen minimalen Wert von Null. Jegliches crowding-out kann vermieden werden. Ein Anstieg von IT reduziert ebenfalls das Ausmaß des crowding-out: ,, . . .
dCO
(6·34)
~dI7
LYLT(l-c =
+ ct)
[Lr(l - c + ct) +
ITLY]2
Eine schwächere Reaktion der Investitionen auf Zinsveränderungen führt dazu, daß bei einem gegebenen Zinsanstieg das Investitionsvolumen weniger reduziert wird, so daß die vom Geldmarkt ausgehenden kontraktiven Effekte geringer ausfallen. Die Kontraktiveffekte werden minimal, wenn die Investitionen nicht auf Zinsveränderungen reagieren. Die I S - K u r v e weist dann den in der Abb. 6.12 dargestellten vertikalen Verlauf auf, da das Gütermarkgleichgewicht in diesem Fall unabhängig vom Zinssatz ist 6 . Eine fehlende Reaktion der Investitionen auf Zinsveränderungen kann dann erwartet werden, wenn die Unternehmen sehr pessimistische Absatzerwartungen aufweisen. Lassen sich die unterausgelasteten Kapazitäten auch in naher Zukunft nicht 6Mit
Ir = 0 folgt aus (6.7) für die Steigung der
dr_ dY (IS\(IT — 0))
IS-Kurve
6.4. FISKALPOLITIK
IM
IS/LM-MODELL
171
Abbildung 6.12: I S / L M - M o d e l l : Auswirkung einer Erhöhung der Staatsausgaben (Gi > GQ) bei zinsunelastischen Investitionen
auslasten, dann wird eine Zinsreduktion die Unternehmen nicht veranlassen, durch Investitionen zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Zinssteigerungen könnten dann die ohnehin minimalen Investitionen auch nicht weiter reduzieren. Die Investitionstätigkeit unterliegt nur langfristigen Kalkülen wie der Erhaltung des Unternehmens und stellt sich als unabhängig vom Zinssatz und damit als eine exogene Größe dar. Eine Erhöhung der Staatsausgaben führt über den Einkommenseffekt i o ' ^ i zu erhöhter Transaktionskassennachfrage und damit zu einer Überschußnachfrage am Geldmarkt. Die zur Wiederherstellung des Geldmarktgleichgewichts erforderliche Zinserhöhung läßt den Einkommenseffekt der Staatsausgaben unberührt, da ja annahmegemäß die Investitionen nicht auf die Zinserhöhung reagieren. Da der volle Einkommenseffekt erhalten bleibt, wird die Expansionswirkung des Einkommen/Ausgaben-Modells erreicht; es findet kein crowding-out statt. Die Budgetwirkung der verschuldungsfinanzierten Staatsausgaben ergibt sich aus dem totalen Differential des Budgetdefizits (BD = G + Tr — tY) mit dTr = dt = 0 bei Divison durch dG und Einsetzen von (6.25) als:
1 - c + et Η
-— LT
172
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Eine verschuldungsfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben vergrößert ein bestehendes Budgetdefizit. Das zusätzliche Defizit fällt größer aus als im EinkommenAusgaben-Modell mit Einkommensteuer, da der expansive Impuls durch das transaktionskassenbedingte crowding-out gedämpft wird und daher der budgetentlastende Effekt zusätzlicher Steuereinnahmen geringer ausfällt. 6.4.1.2
D e r Transferausgabenmultiplikator
Die Wirkung erhöhter Transferausgaben auf das Sozialprodukt ergibt sich aus (6.23) als:
1 - c + et + —-— Zusätzliche Transferausgaben wirken expansiv. Der expansive Effekt der Transferausgaben wird jedoch gegenüber dem Einkommen/Ausgaben-Modell wie der expansive Effekt der Staatsausgaben durch die zinselastischen Investitionen und die Geldmarkteffekte beschnitten. Wegen des ausgelösten Mehrbedarfs an Transaktionskasse steigt der Zinssatz an: (6.37)
dr — = dTr
—cLv , L>T
1 - c + et +
Γ-Γ-Τ > 0. IrLy Lr
Wie im neoklassischen Modell führen eine Erhöhung der Staatsausgaben G und eine Erhöhung der Transfers zu einem Ansteigen des Zinssatzes. Während jedoch im neoklassischen Modell die zusätzliche Beanspruchung des Kreditmarktes für den Zinsanstieg verantwortlich ist, tritt der Zinseffekt im IS/LM-Modell deshalb auf, weil der Staat einen expansiven Einkommenseffekt verursacht und so den Bedarf an Transaktionskasse erhöht, der bei konstanter Geldmenge nur über einen Zinsanstieg befriedigt werden kann. Das aus der Verschuldungsfinanzierung der Transfers resultierende Defizit,
ί 6 38) 38ϊ (6
'
d B D
dTr
1 - c + ^ ü ^ " IrLy 1 — c + et + ——
fällt höher aus im Vergleich zum Fall zinsunelastischer Investitionen, da der budgetentlastende Effekt der erhöhten Steuereinnahmen wegen des abgeschwächten Einkommensimpulses geringer ausfällt.
6.4.2
Steuersatzmultiplikator und Steuereinnahmen
Eine Erhöhung des Einkommensteuersatzes t reduziert das Sozialprodukt, wobei die kontraktive Wirkung im Vergleich zum Fall mit zinsunelastischen Investitionen
6.4. FISKALPOLITIK
IM
IS/LM-MODELL
173
geringer ausfällt:
1 - c + et + —— Lt Der negative Einkommenseffekt der Steuersatzerhöhung, der in der Abb. 6.13 bei konstantem R^ der Bewegung von V0* nach YEA entspricht, reduziert den Bedarf an Transaktionskasse. Wirtschaftssubjekte, die auf Kursgewinne spekulieren und daher Bonds halten, verwenden ihre überschüssige Transaktionskasse, um weitere Bonds zu erwerben. Ihr Kaufwunsch führt zu einer Uberschußnachfrage am Bondmarkt; der Kurs steigt an. Am Geldmarkt kommt es bei unveränderter Geldmenge zu einem Uberschußangebot. Uber eine Zinsreduktion wird das Geldmarktgleichgewicht wieder erreicht: /„ (6.40)
dr — =
cYLy r~r~7 < 0· . > -\ . I r L y—] Lτ T \ 11 — c +et
dt
Abbildung 6.13: I S / L M - M o d e l l : Auswirkung einer Erhöhung des Einkomm e n s t e u e r s a t z e s (
-et 1 - c +et
dY t ~dtY
(EA) *
Lr
Wegen der reduzierten automatischen Veränderung der Steuerbasis f ü h r t eine Erhöhung des Steuersatzes selbst bei einer Konsumquote von c = 1 dazu, daß der Steuerertrag ansteigt:
(c = l )
t +
IrLy Lr
+ 1 > 0.
Daher führt eine Erhöhung des Steuersatzes der Einkommensteuer auf jeden Fall zu einer Reduktion des Budgetdefizits:
(6.43)
6.4.3
dBD dt
-Y( l - c ) + 1 - c + et +
IrLy Lr IrLy
0
188
KAPITEL
6. DAS IS/LM-MODELL:
ZINSREAGIBLE
INVESTITIONEN
Das Budgetdefizit steigt bei konstantem Zinssatz an und zwar genau in dem Ausmaß, das sich bei zinsunelastischen Investitionen ergeben hätte 2 0 . Wenn sich schon bei konstantem Zinssatz ein zusätzliches Budgetdefizit ergibt, dann muß eine Zinssatzerhöhung ein noch größeres Budgetdefizit nach sich ziehen, da der expansive Impuls und damit die Erhöhung der Steuereinnahmen durch das transaktionskassenbedingte crowding-out abgeschwächt werden. Nur für den Fall einer Zinsreduktion (transaktionskassenbedingtes crowding-in) ist damit überhaupt der Fall möglich, daß das Budgetdefizit unverändert bestehen bleibt oder in einen Budgetüberschuß umschlägt. Dazu ist es erforderlich, daß sich durch die Zinssatzreduktion ein zusätzliches Investitionsvolumen realisieren läßt, das die Veränderung von Y so expansiv gestaltet, daß die Steuereinnahmen im Ausmaß der Staatsausgabenerhöhung ansteigen oder diesen Betrag übertreffen. Ob dies möglich ist, hängt von den Parameterkonstellationen in der Volkswirtschaft ab. Eine allgemeine Aussage läßt sich darüber nicht treffen.
6.6
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Tabelle 6.1 zeigt noch einmal zusammengefaßt die Wirkungen finanzpolitischer Maßnahmen auf das IS/LM-Mode\\ der Volkswirtschaft. Jede Maßnahme, die im Modell mit zinsunelastischen Investitionen zu einer Veränderung des Sozialprodukts führte, wird durch den transaktionskassenbedingten Zinseffekt abgeschwächt, sofern nicht das Vorliegen der Liquiditätsfalle den Zinsanstieg unterbindet. Existiert dagegen nur eine einkommensabhängige Geldnachfrage, dann fällt die Abschwächung des Effekts der Fiskalpolitik so stark aus, daß sich keinerlei Expansionswirkung mehr erzielen läßt und die Fiskalpolitik zur Wirkungslosigkeit verurteilt ist. Expansiv wirkende Maßnahmen führen über einen erhöhten Transaktionskassenbedarf zu einer Zinserhöhung, während kontraktiv wirkende Maßnahmen den Zinssatz reduzieren. Einzig steuerfinanzierte Transfers wirken bei uniformer Konsumquote weiterhin sozialproduktsneutral und verändern daher auch den Zinssatz nicht. Geldmengenfinanzierte Staatsausgaben verbinden den expansiven Einkommensimpuls einer Staatsausgabenerhöhung mit dem expansiven Einkommensimpuls einer Geldmengenerhöhung. Die Zinswirkung hängt vom Verhältnis des durch die Geldmengenerhöhung ausgelösten Uberschußangebots am Geldmarkt zu der durch die Staatsausgabenerhöhung ausgelösten Uberschußnachfrage ab. Verschuldungsfinanzierte Maßnahmen, die nicht von der Zentralbank alimentiert werden führen zu einem Budgetdefizit, das im Vergleich zum Fall zinsunelastischer Investitionen größer ausfällt, da der budgetentlastende Effekt erhöhter Steuereinnahmen wegen des abgeschwächten Einkommensimpulses geringer ausfällt. Das transaktionskassenbedingte crowding-out reduziert ebenfalls die budgetentlastende Wirkung einer Ausgabenumschichtung zu Lasten der Transferausgaben. Eine von 20
Vgl. Kapitel 5, (5.60) auf S. 135.
6.6. ZUSAMMENFASSUNG
DER
ERGEBNISSE
189
der Zentralbank finanzierte Ausgabenerhöhung birgt in Abhängigkeit von den Parameterkonstellationen der Volkswirtschaft die Möglichkeit einer Defizitreduktion in sich, wenn das Maßnahmepaket den Zinssatz reduziert.
Tabelle 6.1: IS/LM—Modell: W i r k u n g e n finanzpolitischer M a ß n a h m e n
dY
dr
dY dG>0
dG
n
„
d
y
dTr
5T>
dt
dG = dT
dTr = dT
dG =
-dTr
dG = dM
> 0
dBD
dr dG>0
dBD dG
dr dTr>0
dBD *Tr
n >0
> 0
dt
^ < 0 dt
T dt < °
dY dG0
dBD dG = °
dr dTr-°
dBD dTr
dr dö>0
dBD dG
dG
dG
dy
n
dTr
=
d
„
y
dY ÜG
n >
=°
%
(dr = 0)
Μ piL
< 0.
Eine Erhöhung des Preisniveaus verschiebt die LM-Kurve in der Abb. 7.1 nach links, da das reale Geldangebot durch den Preisniveauanstieg reduziert wird. Bei unveränderter realer Geldnachfrage entsteht am Geldmarkt eine Uberschußnachfrage, die sich bei konstantem Zinssatz ro nur über eine Einkommensreduktion und damit reduzierte Transaktionskassennachfrage abbauen läßt. Derselbe Zusammenhang kann alternativ bei konstantem Y betrachtet werden: (7.4)
±
(dY = 0)
Μ > 0. P*LT
Diese Betrachtungsweise ergibt eine Verschiebung der LM-Kurve nach oben. Die durch den Preisniveauanstieg verursachte Uberschußnachfrage am Geldmarkt kann bei unverändertem Einkommensniveau YQ und damit unveränderter Transaktionskasse in Abb. 7.1 nur durch eine Reduktion der Spekulationskasse abgebaut werden. Dazu ist ein Zinsanstieg erforderlich, so daß sich die LM-Kurve nach oben verschiebt. Eine Erhöhung des Preisniveaus wirkt also qualitativ auf die XM-Kurve wie eine Reduktion der Geldmenge im IS/LM-Modell mit konstantem Preisniveau. 2 Vgl. 3 Vgl.
Kapitel 6, S. 160. dazu Kapitel 6, (6.19) auf S. 161.
7.2. DAS GESAMTMODELL
MIT VARIABLEM
PREISNIVEAU
193
Abbildung 7.1: Der Einfluß einer Preisniveauveränderung auf die Lage der L M - K u r v e (Px > P0)
7.2
Das Gesamtmodell mit variablem Preisniveau
Mit der /S-Kurve (7.1) und der LM-Kurve variablem Preisniveau zusammengefaßt: (7.5) (7.6)
Y(l-c
+ ct)-I(r)
=
(7.2) lautet das IS/LM-Modell
mit
G + cTr
L(Y,r) = f .
Hier wird noch einmal deutlich, daß das eingeführte variable Preisniveau eine exogene Variable darstellt. Die beiden endogenen Größen Y und r werden durch das Zusammenspiel von Gütermarkt und Geldmarkt bestimmt. Da keine dritte Bestimmungsgleichung eingeführt wurde, muß das Preisniveau eine exogene Variable sein. Das simultane Gleichgewicht der Volkswirtschaft, das die Abb. 7.2 mit dem Schnittpunkt EQ von IS-Kurve und LMo-Kurve zeigt, gilt daher für das exogen gegebene Preisniveau P0 und damit für die reale Geldmenge (M/Po). Mit Hilfe der totalen Differentiale von (7.5) und (7.6) läßt sich nun der Einfluß einer Veränderung der exogenen Variablen auf das simultane Gleichgewicht ermitteln.
194
KAPITEL
7. DAS IS/LM-MODELL
MIT VARIABLEM
PREISNIVEAU
Abbildung 7.2: D e r Einfluß einer Veränderung des exogenen Preisniveaus auf das I S / L M - M o d e l l (P1 > P0)
Für das totale Differential ergibt sich in Matrixform: dG (7.7)
(1
- C
Ly
+
Ct)
~Ir
Lr
dY
1 c -cY
0
dr
0 0
4
0
0 Μ "F
dTr dt dM dP
Da der Einfluß der exogenen Variablen bis auf das Preisniveau bereits im 6. Kapitel analysiert worden ist, soll hier nur der Einfluß einer Veränderung des Preisniveaus betrachtet werden. Mit \D\ als Determinante der Koeffizientenmatrix, (7.8)
|D| = (1 - c - f ct)Lr + IrLY
£
(IS(Ir
= 0))
oo.
D a m i t muß auch die A D - K u r v e einen vertikalen Verlauf aufweisen. Die graphische Herleitung der Λ/5-Kurve bei Existenz der Investitionsfalle zeigt die A b b . 7.4. Die Erhöhung des Preisniveaus vom Ausgangsniveau Po auf P\ im oberen Teil der Abbildung führt zu einem Zinsanstieg von TQ auf r]* aber zu keiner Einkommenskontraktion, da die Investitionen auf Zinsveränderungen nicht reagieren. Daher ist jedes Preisniveau mit dem Sozialprodukt VJ,* vereinbar, so daß die A ß - K u r v e im unteren Teil der Abbildung vertikal verläuft. Die Konstellation der Liquiditätsfalle (LT —> —oo) ist mit einer horizontal verlaufenden LM-Kurve verbunden. Der zweite Summand in (7.15), die Steigung der L M - K u r v e , wird Null. Für die Steigung der A ß - K u r v e ergibt sich: (7.17)
dP dY
(AD(LT — - o o ) )
oo.
5 (7.14) ergibt sich aus (7.11) durch Erweitern des zweiten Summanden mit (Lr/Lr) klammern von Lr. 6 Vgl. Kapitel 6, S. 170f und S. 183f. 7 Vgl. Kapitel 6, S. 169f und S. 182f.
und Aus-
7.3. DIE AGGREGIERTE
NACHFRAGEKURVE
199
Abbildung 7.4: Die Steigung der aggregierten Nachfragekurve bei Existenz der Investitionsfalle (Pj > P0)
LM,
(#)
LM0 ( f )
J Y* o
AD
^
0,
für die Wirkung verschuldungsfinanzierter Staatsausgaben auf das Preisniveau, das Sozialprodukt und den Zinssatz:
o ·
214 (8.24)
KAPITEL §
= 0
±
=
8. NEOKLASSISCHE
SYNTHESE
MIT FLEXIBLEM
LOHN
und (8.25)
± > 0 .
Mit Hilfe der Abb. 8.4 lassen sich diese Ergebnisse nach vollziehen. Eine Erhöhung der Staatsausgaben von Go auf G\ erhöht das Niveau der aggregierten Nachfrage. Im unteren Teil der Abbildung kommt es zu einer Verschiebung der ;4.Do(Cro)-Kurve nach außen zu AD\(Gi). Beim Preisniveau PQ, bei dem sich in BQ aggregiertes Angebot und aggregierte Nachfrage entsprachen, übersteigt nun in B'^dP=0^ die aggregierte Nachfrage das aggregierte Angebot. Im oberen Teil der Abbildung führt die Erhöhung der Staatsausgaben zu einer Verschiebung der / ^ ( G o j - K u r v e nach außen zu I S i ( G i ) . Der erhöhte Bedarf an Transaktionskasse bremst den Einkommenseffekt der Staatsausgaben ab, da in Folge der ausgelösten Zinssatzerhöhung die zinsreagiblen Investitionen absinken. Ohne Preisniveauveränderung ließe sich das das höhere Sozialprodukt Υμρ =( ή finanzieren. Die Differenz zum ursprünglichen Niveau V^* entspricht dem Staatsausgabenmultiplikator des IS/LM-Modells mit konstantem Preisniveau. Im vorliegenden Modell jedoch kann das Preisniveau nicht unverändert bleiben, da das aggregierte Angebot nicht wie im IS/LM-Modell mit fixem Preisniveau unendlich elastisch auf die Erhöhung der Nachfrage reagiert. Ganz im Gegenteil reagiert das Angebot überhaupt nicht auf die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Dies bedeutet, daß der im unteren Teil der Abbildung abzulesende Nachfrageüberschuß zu einer Preisniveauerhöhung führen muß, bis in B{ über die Preisniveauerhöhung auf Pj* das Niveau der aggregierten Nachfrage wieder dem unveränderten Angebotsniveau angepaßt ist. Es kommt zu einer demand-pullInflation, da sich die aggregierte Nachfrage bei jedem Preisniveau erhöht hat. Im oberen Teil der Abbildung läßt sich ablesen, auf welche Weise die preisniveaubedingte Reduktion der Nachfrage erfolgt. Das auf P\ gestiegene Preisniveau reduziert die reale Geldmenge; die LMo-Kurve verschiebt sich nach innen zu LMi. Das reduzierte reale Geldangebot führt zu einem Nachfrageüberschuß am Geldmarkt, der durch eine Zinssatzerhöhung abgebaut wird. Dadurch reduziert sich das Investitionsvolumen bis beim neuen Gleichgewichtszins r j die finanzierbare Nachfrage durch den Investitionsrückgang so weit abgenommen hat, daß sie dem gesamtwirtschaftlichen Angebot Y* wieder entspricht. Neben dem transaktionskassenbedingten crowding-out der Investitionen durch die erhöhten Staatsausgaben wie im IS/LMModell mit konstantem Preisniveau kommt es nun zusätzlich zu einem preisniveaubedingten crowding-out. Beide Arten des crowding-out führen dazu, daß ein totales crowding-out zu Lasten der privaten Investitionen ausgelöst wird, so daß sich das erhöhte Niveau der Staatsausgaben durchsetzen kann. Als Folge des vollkommen unelastischen aggregierten Güterangebots wird der reine Einkommenseffekt nicht nur durch den Zinseffekt des 75/LM-Modells beschnitten. Das zusätzliche Wirken des Preisniveaueffektes macht den Einkommenseffekt vollständig zunichte, so daß der Staatsausgabenmultiplikator Null wird. Die
8.4.
FISKALPOLITIK
IN DER NEOKLASSISCHEN
SYNTHESE
Abbildung 8.4: Neoklassiche Synthese mit flexiblem Nominallohn: wirkung einer Erhöhung der Staatsausgaben (Gι > Go)
ADo(Go) AD\{G\) AS
L Β: \B(dP=0)
|
1 1 1 1 i 1 1 1 1 1 —
*
- .
215
Aus-
KAPITEL
216
8. NEOKLASSISCHE
SYNTHESE
MIT FLEXIBLEM
LOHN
erhöhten verschuldungsfinanzierten Staatsausgaben führen lediglich zu einer Erhöhung des Preisniveaus und des Zinssatzes. Verschuldungsfinanzierte Staatsausgaben im Modell der neoklassischen Synthese bei flexiblem Nominallohn und im Modell der Neoklassik teilen die Gemeinsamkeit, daß ein totales crowding-out zugunsten der Staatsausgaben ausgelöst wird. Im Gegensatz zur Neoklassik sind nun aber ausschließlich die Investitionen betroffen, da das unveränderte verfügbare Einkommen zu keiner Veränderung der Konsumausgaben führt. Die Gemeinsamkeit zur Wirkung verschuldungsfinanzierter Staatsausgaben im IS/LM-Modell besteht im Mechanismus, der zur Verdrängung der privaten Investitionen führt. Die transaktionskassen- und preisniveaubedingte Uberschußnachfrage am Geldmarkt mit dem induzierten Zinsanstieg führt zur Verdrängung der Investitionen. Das Budget des Staates wird in Höhe der getätigten Staatsausgaben belastet. Wegen des fehlenden Expansionseffektes bleiben die Einnahmen aus der Einkommensteuer unverändert, so daß kein budgetentlastender Effekt ausgelöst wird. Das Budgetdefizit erhöht sich daher um den Betrag der zusätzlichen Staatsausgaben:
Für die andere betrachtete Ausgabenkomponente des Staates, die Transferausgaben, ergeben sich als Wirkungen aus (8.21): (
)
(8.28)
„
dP —cL, dP -cLt TFFT = TFT > dTr \D\ dY dTr
=
0
und (8.29)
dr d T r
—c h
- ..
(8.28) zeigt, daß eine verschuldungsfinanzierte Erhöhung der Transferausgaben ebenfalls keinerlei expansive Wirkung entfaltet. Genau wie im Fall der erhöhten Staatsausgaben verhindert die fehlende Ausdehnung des aggregierten Angebots eine Erhöhung des Sozialprodukts, so daß über eine Preisniveauerhöhung die finanzierbare Nachfrage auf das unveränderte Angebot zurückgestutzt wird. Da die Transferausgaben nur nach Maßgabe der marginalen Konsumquote nachfragewirksam werden, fallen die Erhöhung des Preisniveaus und des Zinssatzes abgemindert durch c geringer aus als bei erhöhten Staatsausgaben, da nur eine geringere Expansion der finanzierbaren Nachfrage rückgängig gemacht werden muß. Bezüglich der Wirkung auf das Budgetdefizit ergeben sich keine Unterschiede zu den erhöhten Staatsausgaben. Wegen fehlender Reaktion der Steuereinnahmen steigt das Budgetdefizit um den Betrag der zusätzlichen Transferausgaben an: (S,0>
8.4.
FISKALPOLITIK
8.4.2
IN DER NEOKLASSISCHEN
SYNTHESE
217
Steuersatzmultiplikator und Steuereinnahmen
Eine Erhöhung des Steuersatzes t führt zu einer Reduktion von Y: (8.31)
dt
= ASt
Λ""
ίD\
Λ
l
^
Wird (8.39) in geeigneter Weise umgeformt, dann lassen sich die obigen Überlegungen zur Entwicklung des Zinssatzes formal nachvollziehen: ASt +
1 -c + ct
Für das in der Abb. 8.8 dargestellte Ergebnis eines unveränderten Zinssatzes in Folge einer Steuersatzerhöhung muß die eckige Klammer in (8.40) Null werden, so daß gelten muß: (8.41)
ASt =
1-
~CY c+ct
Da die linke Seite den Ausdruck für die Verschiebung der AS-Kurve zeigt, während die rechte Seite den Ausdruck für die Verlagerung der I S - K u r v e repräsentiert, ist ein unveränderter Zinssatz nur möglich, wenn sich beide Verlagerungen entsprechen. Die Abb. 8.8 zeigt, was diese Bedingung für die relative Verlagerung von A5-Kurve und AD-Kurve impliziert. Die Verlagerung der /So-Kurve entspricht E ^ Ε ' , während die Verlagerung der AD-Kurve nur B^B' beträgt. Die Verlagerung der A.D-Kurve muß geringer ausfallen als diejenige der / ^ - K u r v e , da bei der AZ)-Kurve die Geldmarkteffekte berücksichtigt sind. Daher entspricht die aggregierte Nachfrage bei
KAPITEL 8. NEOKLASSISCHE SYNTHESE MIT FLEXIBLEM LOHN
224
unverändertem Preisniveau PQ nicht Y { sondern Y ' , nämlich dem Niveau, das zu E ' mit dem gegenüber der Ausgangssituation geringeren Zinssatz gehört. Damit ist die Aussage der Bedingung (8.41) klar. Der Zinssatz bleibt unverändert, wenn die Verschiebung der A 5 - K u r v e größer ausfällt als die Verlagerung der AZ)-Kurve. Da diese Konstellation einem Nachfrageüberschuß am Gütermarkt entspricht, ist ein unveränderter Zinssatz nur bei einer Erhöhung des Preisniveaus möglich. In analoger Weise lassen sich die Bedingungen für eine Veränderung des Zinssatzes herleiten. Für eine Zinssatzreduktion muß die eckige Klammer in (8.40) größer Null werden, so daß die Bedingung für eine Zinssatzreduktion lautet:
Die Verschiebung der /15-Kurve muß größer sein als die Verlagerung der / 5 - K u r v e . Dies ist identisch mit der Konstellation, in der sich die AS'-Kurve um weniger nach links verschiebt als sich die IS-Kurve nach links verlagert. Da die Verlagerung der A ß - K u r v e j a geringer ausfällt als die der 75"-Kurve, läßt sich nun keine Information über das Verhältnis der Verlagerungen von /IS-Kurve und Λ β - K u r v e gewinnen. Das bedeutet, daß eine Zinsreduktion sowohl mit einem konstantem als auch sinkenden als auch steigendem Preisniveau vereinbar ist. Als letzte Möglichkeit bleibt eine Zinssatzerhöhung. Dafür muß gelten:
(8.43)
ASt
0.
Da die aggregierte Nachfrage bei jedem Preisniveau ansteigt, kommt es zu einer demand-pull-Inflation, die bei unverändertem aggregierten Angebot das Preisniveau von PQ auf P\ erhöhen würde. Da gleichzeitig das aggregierte Angebot bei jedem Preisniveau absinkt, wird dieser Effekt durch eine cost-push-Inflation (Anstieg von P\ auf Py) verstärkt. Wegen der eindeutigen Veränderung des Preisniveaus ist auch die Entwicklungsrichtung des Zinssatzes eindeutig: Μ (dG = dT)
ι + εΥιί \D\
ψ > 0.
In der Abb. 8.9 führt die Erhöhung der finanzierbaren Nachfrage auf Y' beim Preisniveau Po wegen des erhöhten Bedarfs an Transaktionskasse zu einer Erhöhung des Zinssatzes auf r'. Da diese finanzierbare Nachfrage das Angebot Y{ übersteigt, wird über die preisniveaubedingte Reduktion der realen Geldmenge eine Überschußnachfragesitutation am Geldmarkt ausgelöst; die Ζ,Μο-Kurve verschiebt sich nach links zu LM\. Die folgende Zinssatzerhöhung auf r j kappt das Niveau der Investitionen, so daß die aggregierte Nachfrage auf das Volumen gestutzt wird, das dem aggregierten Angebot entspricht. Einkommensteuerfinanzierte Staatsausgaben ziehen sowohl ein transaktionskassenbedingtes crowding-out als auch ein preisniveaubedingtes crowding-out nach sich.
8.4.3.2
Steuerfinanzierte Transferausgaben
Werden zusätzliche Transferausgaben mit den zusätzlichen Einnahmen aus der Einkommensteuer finanziert, so verändert sich im Gegensatz zu den steuerfinanzierten Staatsausgaben lediglich das aggregierte Angebot während die aggregierte Nachfrage unverändert bleibt. Da bei uniformer Konsumquote dem privaten Sektor durch die
228
KAPITEL 8. NEOKLASSISCHE SYNTHESE MIT FLEXIBLEM LOHN
höhere Steuerbelastung genau der Betrag entzogen wird, der ihm in Form von Transfers wieder zufließt, bleibt das Niveau der Nachfrage konstant. In der Abb. 8.10 verändert daher die IS-Kurve durch das Maßnahmepaket ihre Lage nicht, so daß auch die aggregierte Nachfragekurve im unteren Teil der Graphik keine Veränderung erfährt. Die erhöhte Steuerbelastung reduziert jedoch das aggregierte Angebot, da wegen der Einschränkung des vom Nettoreallohn abhängigen Arbeitsangebots die Beschäftigung und damit der anbietbare Output abnehmen. Die ASo-Kurve verschiebt sich nach innen zu ASi. Damit ist wieder nur das geringere Sozialprodukt Y f realisierbar, so daß einkommensteuerfinanzierte Transferausgaben und einkommensteuerfinanzierte Staatsausgaben bei gleichem Volumen eine identische kontraktive Wirkung auf das Sozialprodukt ausüben, die allein von der erforderlichen Erhöhung des Steuersatzes abhängt:
(->
£ (dTr = dT)
=
tfr'[1 + eY,t]
dT
< 0
Bei identischer Wirkung auf das Sozialprodukt unterscheidet sich allerdings die quantitative Wirkung auf das Preisniveau. Da die aggregierte Nachfrage bei einkommensteuerfinanzierten Transferausgaben unverändert bleibt, resultiert aus der Maßnahme bei konstantem Preisniveau PQ nur derjenige Nachfrageüberschuß, der durch die Verschiebung von Α So zu ASi verursacht wird. Wegen der unveränderten aggregierten Nachfrage fällt diese Uberschußnachfrage BQB' kleiner aus als im Fall einkommensteuerfinanzierter Staatsausgaben. Damit ist auch nur ein geringerer Anstieg des Preisniveaus erforderlich, damit in ΒJ" der Gütermarkt wieder im Gleichgewicht ist. Ein Vergleich der Preisniveauwirkung steuerfinanzierter Transferausgaben, ,8.5.)
«'
dTr (dTr = dT)
ASt [(1 - c)Lr + ITLY\ r > 0, \D\
mit (8.48) zeigt noch einmal, daß der inflationäre Effekt der Verausgabung in Form von Transferausgaben kleiner ist als bei den Staatsausgaben. Es kommt zur costpush-Inflation, während wegen der unveränderten aggregierten Nachfrage keine demand-pull-Inflation auftreten kann. Aufgrund der geringeren Uberschußnachfrage am Gütermarkt ist auch nur ein geringerer Zinsanstieg erforderlich, um die finanzierbare Nachfrage an das realisierbare Angebotsvolumen anzupassen. Daher ist (8.52) kleiner als (8.49):
Mi, (dTr = dT)
H
\D\
„sAS, — > 0.
Im oberen Teil der Abb. 8.10 führt daher nur die preisniveaubedingte Reduktion der realen Geldmenge mit der damit verbundenen Uberschußnachfrage am Geldmarkt zum Zinsanstieg auf r j . Als Folge der steuerfinanzierten Transferausgaben wird also nur ein preisniveaubedingtes crowding-out ausgelöst.
8.4. FISKALPOLITIK
IN DER NEOKLASSISCHEN
SYNTHESE
229
Abbildung 8.10: Neoklassische Synthese mit flexiblem Nominallohn: Auswirkung einkommensteuerfinanzierter Transferausgaben (Tri > 7Yo, to)
KAPITEL 8. NEOKLASSISCHE SYNTHESE MIT FLEXIBLEM LOHN
230
8.4.4
Ausgabenumschichtung
Eine Veränderung der Ausgabenstruktur des Staates, bei der zusätzliche Staatsausgaben G durch eine entsprechende Kürzung der Transferausgaben Tr finanziert werden, ist sozialproduktsneutral, da das Maßnahmepaket zu keiner Veränderung des aggregierten Angebots führt bzw. beide Teilmaßnahmen gemäß (8.24) und (8.28) sozialproduktsneutral wirken. Hinsichtlich der Preisniveauwirkung stehen sich der inflationäre Effekt der Erhöhung der Staatsausgaben (8.23) und der deflationäre Effekt der Reduktion der Transferausgaben (8.27) gegenüber. Netto ergibt sich aus beiden eine inflationäre Wirkung der Ausgabenumschichtung: (S,3)
%
(,dG=-dTr)
\D\
Dieses Ergebnis zeigt an, daß die Ausgabenumschichtung zu einer Überschußnachfrage am Gütermarkt führt. Da eine Erhöhung der Staatsausgaben G in vollem Ausmaß nachfragewirksam wird, während sich die Reduktion der Transferausgaben nur nach Maßgabe von c in geringerer Nachfrage niederschlägt, steigt bei konstantem Preisniveau das Volumen der finanzierbaren Nachfrage an; die / 5 - K u r v e verschiebt sich nach rechts außen. Damit verschiebt sich bei konstantem Preisniveau auch die yl£)-Kurve nach rechts, so daß bei unverändertem aggregierten Angebot eine Uberschußnachfrage am Gütermarkt entsteht, die über einen Anstieg des Preisniveaus abgebaut werden muß. Als Folge der Ausgabenumschichtung muß daher der Zinssatz ansteigen. Zinswirkung ergibt sich aus (8.25) und (8.29) als:
(dG = -dTr)
- (v 1 - c )
IT
Die
„
' > 0.
Der Zinssatz steigt zum einem bei konstantem Preisniveau als Folge des erhöhten Bedarfs an Transaktionskasse an; es kommt zum transaktionskassenbedingten crowding-out. Zum zweiten steigt der Zinssatz infolge der preisniveaubedingten Reduktion der realen Geldmenge an, so daß zusätzlich ein preisniveaubedingtes crowdingout auftritt. Hinsichtlich des Budgetsaldos wirkt das Maßnahmepaket neutral: (8.55)
dBD dG {dG = -dTr)
~
Der direkte entlastende und belastende Effekt gleichen einander annahmegemäß aus. Da keine Veränderung des Sozialprodukts stattfindet, bleiben die Steuereinnahmen unverändert, so daß kein budgetentlastender indirekter Effekt wirken kann.
8.5
Geldpolitik in der neoklassischen Synthese mit flexiblem Lohn
Als letzte Möglichkeit zur Finanzierung zusätzlicher staatlicher Ausgaben soll nun noch eine Verschuldung bei der Zentralbank betrachtet werden. Dazu ist es nütz-
8.5.
GELDPOLITIK
IN DER NEOKLASSISCHEN
SYNTHESE
231
lieh, zunächst die Wirkung einer isolierten Erhöhung der nominalen Geldmenge zu analysieren.
8.5.1
Variation der nominalen Geldmenge
Die Erhöhung der nominalen Geldmenge Μ durch die Zentralbank führt bei unverändertem Preisniveau zu einer Vergrößerung der realen Geldmenge. Daher verschiebt sich in der Abb. 8.11 die LM0-Kurve nach außen zu LM\. Die resultierende Uberschußangebotssituation am Geldmarkt wird durch eine Reduktion des Zinssatzes auf abgebaut, in dessen Folge die zinsreagiblen Investitionen ansteigen. Daher erhöht sich die finanzierbare Nachfrage von Yq auf Υ μ Ρ = 0 γ Im unteren Teil der Abbildung verlagert sich die /1-D 0 -Kurve nach außen zu ADi. Das aggregierte Angebot reagiert nicht auf die Erhöhung der nominalen Geldmenge, so daß auch das Sozialprodukt keine Veränderung erfahren kann. Wegen der Erhöhung der aggregierten Nachfrage entsteht beim Preisniveau Ρζ ein Nachfrageüberschuß in Höhe von B'Bq, der über einen Anstieg des Preisniveaus auf P* abgebaut wird. Wie bei verschuldungsfinanzierten staatlichen Ausgaben und bei der nachfrageerhöhenden Ausgabenumschichtung kommt es zu einer demand-pull-Inflation. Die durch den Anstieg des Preisniveaus bewirkte Reduktion der aggregierten Nachfrage vollzieht sich über die preisniveaubedingte Reduktion der realen Geldmenge. Da der Preisniveauanstieg gerade den expansiven Effekt der Erhöhung der nominalen Geldmenge auf die finanzierbare Nachfrage rückgängig machen muß, ist ein Preisniveauanstieg erforderlich, der proportional zur Erhöhung der nominalen Geldmenge ist. Daher ergibt sich aus (8.21) für den Einfluß einer Veränderung der Geldmenge auf das Preisniveau: ^
dP Ρ dM = M
·
bzW
^
=
L
Steigt das Preisniveau proportional zur Erhöhung der nominalen Geldmenge an, dann reduziert sich die reale Geldmenge auf das alte Niveau. In der Abb. 8.11 verschiebt sich die LMi-Kmve wieder in ihre urspüngliche Lage nach links zu LM2. Der Zinssatz muß daher wieder auf sein altes Niveau = r i ansteigen, da bei diesem Zinssatz die Investitionen auf ihr ursprüngliches Niveau reduziert werden. Die einzige Wirkung, die eine Erhöhung der nominalen Geldmenge verursacht, besteht daher in einer proportionalen Erhöhung des Preisniveaus.
8.5.2
Geldmengenfinanzierte Staatsausgaben
Werden zusätzliche Staatsausgaben über eine Verschuldung bei der Zentralbank finanziert, so daß die nominale Geldmenge um den Betrag der zusätzlichen Staatsausgaben ansteigt, dann führen sowohl die Verausgabung als auch die Finanzierung der Maßnahme zu einer Erhöhung der finanzierbaren Nachfrage. Im oberen Teil der Abb. 8.12 verschieben sich sowohl die ISo-Kurve als auch die LMo-Kurve nach außen, so daß die finanzierbare Nachfrage von V0* auf Υμρ = 0 ) ansteigt. Damit verlagert sich die A.Do-Kurve im unteren Teil der Abbildung nach außen zu AD\. Da das
232
KAPITEL 8. NEOKLASSISCHE SYNTHESE MIT FLEXIBLEM LOHN
Abbildung 8.11: Neoklassische Synthese mit flexiblem Nominallohn: Auswirkung einer Erhöhung der nominalen Geldmenge (Mi > M 0 )
8.5. GELDPOLITIK IN DER NEOKLASSISCHEN
SYNTHESE
233
Abbildung 8.12: Neoklassische Synthese mit flexiblem Nominallohn: Auswirkung geldmengenfinanzierter Staatsausgaben (Μι > M0, G\ > G0)
234
KAPITEL
8.
NEOKLASSISCHE
SYNTHESE
MIT
FLEXIBLEM
LOHN
aggregierte Angebot unverändert bleibt, resultiert beim ursprünglichen Preisniveau P0* eine Uberschußnachfrage in Höhe von B'BQ, SO daß eine Preisniveauerhöhung erforderlich wird, u m wieder ein Gleichgewicht auf dem G ü t e r m a r k t herzustellen. Die mit der Preisniveauerhöhung einhergehende Reduktion der realen Geldmenge muß über eine Veränderung des Zinssatzes dafür sorgen, daß die finanzierbare Nachfrage von Υμρ = ο) a u f das Niveau = Y{ gekappt wird. Im Gegensatz zu einer isolierten Erhöhung der nominalen Geldmenge ist nun ein überproportionaler Preisniveauanstieg erforderlich, u m dies zu leisten. W ü r d e das Preisniveau nur proportional zur Erhöhung der nominalen Geldmenge ansteigen ( Ρ ' ) , dann wäre das ursprüngliche Niveau der realen Geldmenge erreicht; die Z/Mi-Kurve würde sich in ihre alte Position zu LM' verlagern. Das Niveau der finanzierbaren Nachfrage würde Y\ erreichen und damit immer noch größer sein als das unveränderte aggregierte Angebot. Das Preisniveau muß daher weiter ansteigen, da nicht nur der expansive Effekt der Erhöhung der nominalen Geldmenge auf die finanzierbare Nachfrage rückgängig zu machen ist, sondern ebenso der expansive Effekt der Erhöhung der Staatsausgaben. In der neuen Gleichgewichtsposition mit LM2 ist daher die reale Geldmenge geringer als in der Ausgangssituation, da sich der inflationäre Effekt der Erhöhung der nominalen Geldmenge (8.56) und der Erhöhung der Staatsausgaben (8.23) addieren:
,e, 7 ,
£
~LR
0dG = dM)
\D\
Ρ
Λ
+ "TT > 0. ' Μ
F ü r die Zinswirkung geldmengenfinanzierter Staatsausgaben ergibt sich:
%
(dG = dM)
IT
>
Ein Vergleich zu (8.25) zeigt, daß dieses Ergebnis genau der Zinswirkung verschuldungsfinanzierter Staatsausgaben entspricht. Da eine reine Erhöhung der nominalen Geldmenge zu keiner Veränderung des Zinssatzes f ü h r t , muß die Zinswirkung geldmengenfinanzierter Staatsausgaben mit der verschuldungsfinanzierter Staatsausgaben übereinstimmen 8 . Das Budgetdefzit des Staates muß in Höhe der getätigten Staatsausgaben anwachsen, d a sich wegen des unveränderten Sozialprodukts keine höheren Steuereinn a h m e n erzielen lassen: dBD v ^ ^G(dG = dM)=1·
8.6
Zusammenfassung der Ergebnisse
Die Tabelle 8.1 faßt noch einmal die Auswirkungen der diskutierten finanzpolitischen M a ß n a h m e n zusammen. Ein Vergleich zu den entsprechenden Maßnahmen im neoklassischen Modell bzw. im / S ' / L M - M o d e l l zeigt, daß die Niveauwirkung auf das 8
D i e Zinswirkung geldmengenfinanzierter Staatsausgaben bei konstantem Preisniveau Pg dagegen ist unbestimmt, so daß r' in der Abb. 8.12 nur eine mögliche Konstellation abbildet. Vgl. dazu Kapitel 6, Abschnitt 6.5.2., S. 185ff..
8.6. ZUSAMMENFASSUNG
DER
ERGEBNISSE
235
reale Sozialprodukt qualitativ stets mit der Wirkung im neoklassischen Modell übereinstimmt. Eine Veränderung des Sozialprodukts findet nur statt, wenn die finanzpolitische Maßnahme zu einer Reaktion des aggregierten Angebots führt. Maßnahmen, die ausschließlich die aggregierte Nachfrage tangieren, sind dagegen niveauneutral in Bezug auf das reale Sozialprodukt. Bis auf eine isolierte Veränderung des Steuersatzes, deren Wirkung auf das Preisniveau sich nicht eindeutig bestimmen läßt, wirken alle betrachteten Maßnahmen inflationär. Eine demand-pull-Inflation tritt auf, wenn die aggregierte Nachfrage bei jedem Preisniveau ansteigt. Eine cost-push-Inflation dagegen resultiert aus einem Absinken des aggregierten Angebots bei jedem Preisniveau. Verschuldungs- und Geldmengenfinanzierung des Staates vergrößern ein bestehendes Budgetdefizit in der Höhe der getätigten Ausgaben, da von den Steuereinnahmen wegen des konstanten Sozialprodukts kein entlastender Effekt ausgehen kann. Jede andere Finanzierungsform dagegen läßt den Budgetsaldo unberührt, da sich der direkte belastende und entlastende Effekt gerade ausgleichen. Tabelle 8.1: Neoklassische Synthese mit f l e x i b l e m N o m i n a l l o h n : Wirkung e n finanzpolitischer M a ß n a h m e n
dY d Y =
dG
„
dä °
dt
dY dG0
dY n iTr'"
dTr
dG =
dP
n
„ „
dP 5Ö
dP
= 0
dY dG=°
n
dP dG
dBD dTr
~
dr dG>
dBD dG
=°
dr dTr>0
dBD dTr=°
>
dt< n
> 0
dP dTr>0
dr ÜTr
dG
„ „ n > 0
dr
dr dG>
η
dBD dG dBD dG
n
=°
236
KAPITEL
8. NEOKLASSISCHE
SYNTHESE
MIT FLEXIBLEM
LOHN
L it er at ur hinweise Als Literatur sei empfohlen: - DLECKIIEUER, G. (1993); MakroÖkonomik. Theorie und Politik, Berlin etc., Kapitel 4, insb. S. 156-164. - HEUBES, J . (1992 2 ); Makroökonomie, München, S. 65-69. - HlLLIER, B. (1986); Macroeconomics, Oxford, S. 127-133. - McKENNA, C. J./REES, R. (1992); Economics: A Mathematical Introduction, Oxford etc., Kapitel 22, S. 327-340. - PETERSEN, H . - G . (1988); Finanzwissenschaft II, Stuttgart, S. 183-195. -
SCARTH, W . ( 1 9 8 8 ) ; M a c r o e c o n o m i c s , T o r o n t o e t c . , S. 3 9 - 4 5 . STEVENSON, A . / M U S C A T E L L I , V . / G R E G O R Y M .
(1988);
Theory and Stabilisation Policy, New York etc., S.26-35.
Macroeconomic
Kapitel 9 Neoklassische Synthese: Nach unten starrer Nominallohn Im vorangegangenen Kapitel wurde unterstellt, daß mit einem vollständig flexiblen Nominallohn ein Mechanismus zur Verfügung steht, der dafür sorgt, daß stets Vollbeschäftigung zu realisieren ist. In der Realität dagegen läßt sich beobachten, daß der Nominallohn keineswegs eine derartige Flexibilität aufweist, sondern durch Vereinbarungen der Unternehmen mit den Gewerkschaften fixiert ist oder staatliche Vorschriften in Form eines Mindestlohns den Nominallohn nach unten beschränken. Die Auswirkungen eines derartig fixierten Nominallohns für die Volkswirtschaft und die Wirkungsweise der Fiskalpolitik lassen sich untersuchen, wenn im Modell des vorigen Kapitels die Annahme eines vollständig flexiblen Nominallohns durch die Einführung eines teilweise exogen fixierten Nominallohns ersetzt wird. Dies führt zu einem Modell der neoklassischen Synthese mit nach unten starrem Nominallohn.
9.1
Der Arbeitsmarkt: Nach unten starrer Nominallohn
Wenn der Nominallohn nicht mehr als vollständiger Ausgleichsmechanismus am Arbeitsmarkt zur Verfügung steht, dann ist zunächst dieser Markt erneut zu betrachten, denn es kann erwartet werden, daß die Vorgänge am Arbeitsmarkt von einer veränderten Annahme über das Verhalten des Nominallohns entscheidend beeinflußt werden. Zunächst werden die Auswirkungen eines vollständig exogen fixierten Nominallohns betrachtet, also die Auswirkungen eines völlig unabhängig von der Arbeitsmarktsituation bestimmten Nominallohns. Ein derartig fixierter Nominallohn w birgt die Möglichkeit in sich, daß der Reallohn (w/P) ein Niveau aufweist, das höher oder geringer ausfällt als der Reallohn (w/P)*, der zur Vollbeschäftigung N j führt.
238
KAPITEL
9. NACH UNTEN STARRER
NOMINALLOHN
Die Abb. 9.1 verdeutlicht den Zusammenhang. Der linke Teil der Abbildung zeigt mit w eine Isonominallohnhyperbel, die in Verbindung mit unterschiedlichen Preisniveaus zu unterschiedlichen Reallöhnen führt. Beim Preisniveau P0 resultiert mit dem fixierten Nominallohn üJ der Reallohn (w/P 0 ), der im rechten Teil der Abbildung in der Ausgangssituation EQ zur Vollbeschäftigung NJ führt: Sämtliche Arbeitsanbieter, die zum herrschenden Reallohn Arbeit anbieten, werden in dieser Situation zu diesem Reallohn auch beschäftigt. Abbildung 9.1: Der Arbeitsmarkt bei vollständig exogenem Nominallohn
Eine Reduktion des Preisniveaus von Po auf erhöht bei fixiertem Nominallohn w den Reallohn auf (wf P\). Durch das Absinken der Arbeitsnachfrage auf Npt und die Erhöhung des Arbeitsangebots auf N ^ kommt es zu einem Uberschußangebot in Höhe von A\E\. Wegen der exogenen Fixierung des Nominallohns wird ein proportionales Absinken des Nominallohns verhindert, so daß der Reallohn nicht wieder auf sein Vollbeschäftigungsniveau fallen kann, sondern beim erhöhten Niveau (w/P\) verharrt. Die kürzere Marktseite ND bestimmt die Beschäftigung, so daß diese von N j auf Np! abnimmt. Gleichzeitig entsteht unfreiwillige Arbeitslosigkeit, da A\E\ Arbeitsanbieter beim herrschenden Reallohn nicht beschäftigt werden, obwohl sie bereit sind, zu diesem Reallohn zu arbeiten. Für sämtliche Preisniveaus P, < P0 und für die daraus resultierenden Reallöhne ist allein der dick gezeichnete Ast der ΝD-Kurve relevant: Nur die Arbeitsnachfrage bestimmt die realisierte Beschäftigung. Eine Preisniveauerhöhung von Po auf P2 dagegen führt zu einer Reduktion des Reallohns auf (wjP2). Das Arbeitsangebot sinkt auf Np2, während gleichzeitig
9.1. ARBEITSMARKT:
NACH UNTEN STARRER
NOMINALLOHN
239
die Arbeitsnachfrage auf Np 2 ansteigt, so daß eine Überschußnachfrage in Höhe von A 2 E 2 die Folge ist. Bei vollständig starrem Nominallohn würde die Beschäftigung auf Np 2 reduziert werden, da die Starrheit des Nominallohns einen Abbau des entstandenen Ungleichgewichts durch eine Nominallohnerhöhung verhindern würde. Wieder bestimmt die kürzere Marktseite, in diesem Fall TV5, die Beschäftigung. Für alle Preisniveaus Pi > P0 wird die realisierte Beschäftigung allein durch den dick gezeichneten Ast der 7V S -Kurve bestimmt. Damit ist bei vollständig inflexiblem Nominallohn nur das Preisniveau P0 mit einem Gleichgewicht am Arbeitsmarkt kompatibel. Andere Preisniveaus führen zu Ungleichgewichten am Arbeitsmarkt, die wegen der fehlenden Reaktion des Nominallohns nicht abgebaut werden können. Für Erhöhungen des Preisniveaus, die zu einer Überschußnachfrage am Arbeitsmarkt führen, erscheint allerdings die Unterstellung eines starren Nominallohns nicht plausibel. Da die Unternehmen bereit sind, einen höheren Nominallohn zu zahlen, der gleichzeitig eine Reduktion der Beschäftigung und der Lohneinkommen verhindert, hat keine der Marktseiten ein Interesse daran, den Nominallohn auf der alten Höhe zu fixieren. Staatlich vorgeschriebene Mindestlöhne stellen ebenfalls nur eine Untergrenze dar, die nicht unterschritten aber überschritten werden kann. Daher wird nun angenommen, daß der fixierte Nominallohn auf Erhöhungen des Preisniveaus anders reagiert als auf Preisniveaureduktionen. • Für Erhöhungen des Preisniveaus, die zu einem Reallohn (üJ/Pi) < ( w / P ) * führen, wird im folgenden unterstellt, daß sich der Nominallohn entsprechend der ungleichgewichtigen Situation am Arbeitsmarkt nach oben anpaßt, bis wieder Vollbeschäftigung realisiert ist. Für preisniveaubedingte Uberschußnachfragesituationen am Arbeitsmarkt ( Ü N A > 0) gilt daher wie schon im Fall des vollständig flexiblen Nominallohns 1 : (9.1)
£WiP = 1
für
ÜNa > 0.
Die Abb. 9.2 zeigt diesen Fall. Steigt ausgehend von der Vollbeschäftigungssituation N j beim herrschenden Nominallohn TÜQ das Preisniveau von Po auf P2 an, so wird die resultierende Überschußnachfrage am Arbeitsmarkt in Höhe von A2E2 durch einen proportionalen Anstieg des Nominallohns auf tUi abgebaut, so daß sich wieder N j durch den Reallohn (ÜT1/P2) erreichen läßt. • Sinkt dagegen das Preisniveau beim herrschenden Nominallohn wQ auf Fi ab, dann bleibt das Überschußangebot in Höhe von ΑχΕι wegen fehlender Reaktion des Nominallohns bestehen, so daß sich eine Reduktion der Beschäftigung auf iVpj einstellt, da der Reallohn auf ( w 0 / P \ ) angestiegen ist. Für Preisniveaureduktionen, die beim herrschenden Nominallohn zu einem Überschußangebot am Arbeitsmarkt (U/1,4 > 0) führen, wird also die Starr' V g l . Kapitel 8, Abschnitt 8.1.1, S. 208ff..
KAPITEL
240
9. NACH UNTEN STARRER
NOMINALLOHN
Abbildung 9.2: D e r A r b e i t s m a r k t bei nach unten s t a r r e m Nominallohn (ü;! > ÜTo)
heit des Nominallohns nach unten unterstellt. Damit gilt für diesen Fall im Gegensatz zur Situation bei flexiblem Nominallohn: (9.2)
SWiP = 0
für
ϋ Α Α > 0.
Da die Arbeitsnachfrager weiterhin die Beschäftigung realisieren, für die die Gleichheit von Grenzprodukt der Arbeit und Reallohn gilt, (9.3)
YN =
j,
ergibt sich die realisierte Beschäftigung bei herrschendem Uberschußangebot allein aus der Reaktion der Arbeitsnachfrage auf die Preisniveaureduktion: (9.4)
w
dN ~dP
(VAA
> O)
P2YNN
> 0.
Mit sinkendem Preisniveau reduziert sich die realisierte Beschäftigung entlang der iV D -Kurve. In der Abb. 9.2 wird daher für jeden Reallohn, der preisniveaubedingt den mit dem Vollbeschäftigungsniveau kompatiblen übersteigt, die realisierte Beschäftigung allein durch die kürzere Marktseite, nämlich den dick gezeichneten Ast der JV D -Kurve bestimmt.
9.2. DIE AGGREGIERTE
9.2
ANGEBOTSKURVE
241
Die aggregierte Angebotskurve bei nach unt e n s t a r r e m Nominallohn
Welche Folgen ergeben sich nun aus dem veränderten Verhalten des Nominallohns für den Verlauf der aggregierten Angebotskurve? Unter Verwendung der makroökonomischen Produktionsfunktion Υ = Y ( N , K ) in Verbindung mit dem Arbeitsmarkt läßt sich diese Frage beantworten.
9.2.1
Die Steigung der aggregierten Angebotskurve
Wird in der Produktionsfunktion berücksichtigt, daß die Beschäftigungsmenge Ν vom Reallohn abhängig ist, dann läßt sich für die Produktionsfunktion schreiben: (9.5)
y =
r(7vg),A-).
Die Steigung der aggregierten Angebotskurve im Pf K - D i a g r a m m wird davon bestimmt, wie das aggregierte Angebot auf Veränderungen des Preisniveaus reagiert. Dieser Zusammenhang läßt sich über das totale Differential von (9.5) mit dK = 0 und bei Division durch dP ermitteln als:
(9-6)
dY
„
i e = YN
äP
dN
•"„(-)
m äP
·
Eine Veränderung des Preisniveaus führt nur dann zu einer Reaktion des angebotenen Sozialprodukts, wenn aus der Veränderung des Preisniveaus ein veränderter Reallohn resultiert. Wird das totale Differential auf der rechten Seite von (9.6) ausgeschrieben 2 , dann folgt durch Ausklammern von ( w / P 2 ) :
dY _wYN
Μ
j p -
dN
P2
1&.P-11·
(9.7) zeigt, daß bezüglich des Einflusses einer Preisniveauveränderung auf das aggregierte Angebot zwischen den beiden in (9.1) und (9.2) unterstellten Annahmen über die Reaktion des Nominallohns auf eine Preisniveauveränderung unterschieden werden muß. 2
Es gilt:
d(-\ \p)
dP
_ 1dw w ~ PdP ~ Ρ*
KAPITEL
242
9. NACH UNTEN STARRER
NOMINALLOHN
• Fall (9.1): Führt die Preisniveau Veränderung zu einer Überschußnachfragesituation am Arbeitsmarkt, dann erhöht sich gemäß (9.1) der Nominallohn proportional (£w,p = 1), so daß der Reallohn und damit die Beschäftigung unverändert bleiben. Bei unveränderter Beschäftigung wird ein unveränderter Output angeboten, so daß Preisniveauveränderungen, die zu einer Uberschußnachfrage am Arbeitsmarkt führen, keinen Einfluß auf das aggregierte Angebot ausüben. Für (9.7) gilt daher:
(,») £
(SW,P
=
1)
= 0.
• Fall (9.2): Führt eine Preisniveauveränderung dagegen zu einem Überschußangebot am Arbeitsmarkt, dann reagiert der Nominallohn gemäß (9.2) nicht (£w,p = 0), so daß der Reallohn ansteigt und damit die Beschäftigung absinkt. Für (9.7) folgt in diesem Fall: (9.9)
dY_
wYN
dP
p2
= o)
(Cw,P
dN
> 0.
GO
Wird berücksichtigt, daß in diesem Fall des Angebotsüberschusses am Arbeitsmarkt die Beschäftigungsveränderung allein aus der Reaktion der Arbeitsnachfrage auf die Reallohnveränderung resultiert, dann gilt 3 : (9.10)
dN
dND
1
Wird gleichzeitig (9.3) beachtet, so läßt sich für (9.9) auch schreiben: YIΝ {SW,P =
0)
PYNN
> 0.
Zusammengefaßt ergibt sich für die Reaktion des angebotenen Sozialprodukts bei Preisniveauveränderungen: 0 Η
für > 0 für
MN A > 0 ÜAa
> 0
PYNN
Für die Steigung der aggregierten Angebotskurve folgt damit: oo
für
• ^ S r · > 0 für
Ν
3Vgl.
dazu (2.19), Kapitel 2, S. 45.
VNa
> 0
\JAA > 0
9.2. DIE AGGREGIERTE
ANGEBOTSKURVE
243
Abbildung 9.3: Die aggregierte Angebotskurve bei nach unten starrem N o minallohn
Diese Informationen über die Steigung der aggregierten Angebotskurve zeigt die Abb. 9.3. Steigt ausgehend vom Preisniveau Po, das in Verbindung mit dem herrschenden Nominallohn w zum Vollbeschäftigungsreallohn führt, das Preisniveau an, so sinkt der Reallohn ab. Die dadurch entstehende Uberschußnachfrage am Arbeitsmarkt wird durch einen proportionalen Nominallohnanstieg abgebaut, so daß die Vollbeschäftigung weiter realisiert werden kann. Daher verläuft die aggregierte Angebotskurve für alle P, > Po vertikal über dem Vollbeschäftigungsoutput Yf. Findet dagegen eine Preisniveaureduktion ζ. B. auf P\ statt, resultiert über den induzierten Reallohnanstieg ein Angebotsüberschuß am Arbeitsmarkt, der sich infolge des nach unten starren Nominallohns nicht abbauen läßt. Für alle P, < Po weist die aggregierte Angebotsfunktion daher eine positive Steigung auf, da der induzierte Reallohnanstieg zu einem Rückgang der Beschäftigung und damit des angebotenen Sozialprodukts führt. Die v45-Kurve weist in diesem Bereich einen konvexen Verlauf auf, da mit steigendem Preisniveau die Steigung der Funktion zunimmt:
(9 14) ( '
9.2.2
dP
Y&
Die Lage der aggregierten Angebotskurve
Die Lage der j45-Kurve wird, wie schon im Fall des vollständig flexiblen Nominallohns, durch den Steuersatz t der Einkommensteuer bestimmt 4 , da eine Veränderung 4Da
der nach unten starre Nominallohn exogen determiniert ist, stellt auch er einen Lagepara-
meter der . A S - K u r v e dar. D a im folgenden keine Variation des Mindestlohns betrachtet werden soll, wird sein Einfluß auf die Lage der /IS-Kurve nicht betrachtet.
KAPITEL
244
9. NACH UNTEN STARRER
NOMINALLOHN
von t zu einer Veränderung des Arbeitsangebots bei j e d e m Reallohn f ü h r t 5 . Der Einfluß einer Veränderung des Steuersatzes auf die Lage der .AS'-Kurve ergibt sich aus dem totalen Differential von (9.5) mit dK = 0 bei Division durch dt als:
/q ι r-v
dY
d
dN
( 9 J 5 )
{ j ) dt •
Bei konstantem Preisniveau Ρ ergibt sich für die Veränderung des angebotenen Sozialprodukts:
£ (dP = 0)
dN
1 dw N
-
df™\Pdt-
(3)
Eine Veränderung des angebotenen Sozialprodukts stellt sich nur dann ein, wenn der veränderte Steuersatz zu einer Reaktion des Nominallohns f ü h r t . Ob dies eintritt oder nicht ist abhängig davon, zu welcher Arbeitsmarktkonstellation die steuerbedingte Reaktion des Arbeitsangebots beim Ausgangspreisniveau f ü h r t : Herrscht beim betrachteten Preisniveau unfreiwillige Arbeitslosigkeit, dann kann die steuerbedingte Reduktion des Arbeitsangebots dazu führen, daß der Angebotsüberschuß in einen Nachfrageüberschuß am Arbeitsmarkt umschlägt. In der Folge steigt der Nominallohn so weit an, bis sich Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage entsprechen. Über den erhöhten Reallohn (bei unverändertem Preisniveau) wird ein neues Vollbeschäftigungsniveau am A r b e i t s m a r k t realisiert, das allerdings reallohnbedingt geringer ausfällt als dasjenige, das mit einer Senkung des Nominallohns vor Erhöhung des Steuersatzes erreichbar gewesen w.äre. F ü r den Fall des ausgelösten Nachfrageüberschusses gilt also:
£ (dP =
0)
• Ergibt sich als Folge der steuerbedingten Reduktion des Arbeitsangebots dagegen keine Nachfrageüberschußsituation am A r b e i t s m a r k t , dann ist kein Ansteigen des Nominallohns erforderlich, um den Arbeitsmarkt ins Gleichgewicht zu bringen. Die steuerbedingte Reduktion des Arbeitsangebots kann d a n n entweder so gestaltet sein, daß ein vorher existierender Angebotsüberschuß gerade abgebaut wird, so daß bei einem höheren Reallohn ein Arbeitsmarktgleichgewicht bei einer geringeren Vollbeschäftigungsmenge realisiert werden kann. Damit ist keinerlei Veränderung des Nominallohns erforderlich. Oder die steuerbedingte Reduktion des Arbeitsangebots reicht nicht aus, u m den vorher existierenden Angebotsüberschuß vollständig abzubauen. Da eine Reduktion 5
V g l . Kapitel 8, Abschnitt 8.1.2., S. 210f..
9.2. DIE AGGREGIERTE
ANGEBOTSKURVE
245
des Nominallohns wegen der Inflexibilität nach unten nicht stattfindet, bestimmt weiter die Arbeitsnachfrage allein die Beschäftigung, so daß dasselbe Beschäftigungsvolumen wie vor der Erhöhung des Steuersatzes realisiert wird. Für diese beiden Fälle gilt daher: (9.18)
dY_ = 0 ~dt 0dP = 0)
für
\JNA < 0.
Zusammengefaßt ergibt sich damit für die Lageveränderung der aggregierten Angebotskurve bei einer Erhöhung des Steuersatzes:
£
= 0 für V N a < 0 < 0 für ϋ Ν Α > 0
(dP = 0)
Die graphische Umsetzung von (9.19) zeigt die Abb. 9.4. Eine Erhöhung des Steuersatzes führt dazu, daß die Vollbeschäftigungsvertikale entlang dem positiv geneigten Ast der AS-Kurve nach links unten gleitet. Abbildung 9.4: Die Lage der aggregierten Angebotskurve: Erhöhung des Steuersatzes der Einkommensteuer ( t0) Ρ ASx{tx)
A5o(0· Bezüglich der zweiten betrachteten Ausgabenkomponente des Staates, der Transferausgaben Tr, stellen sich bei Verschuldungsfinanzierung qualitativ identische Ergebnisse zu verschuldungsfinanzierten Staatsausgaben ein. Quantitativ jedoch fallen die Auswirkungen der Transferausgaben jeweils geringer aus, da diese nur nach Maßgabe der marginalen Konsumquote ausgabenwirksam werden, so daß gilt: ^
(9.31)
dP dP C dTr ~ dG
(9.32)
dY dY C dTr ~ dG
und (9.33)
dr dTr
dr dG
Da die expansive Wirkung der Transferausgaben im Vergleich zu zusätzlichen Staatsausgaben gleicher Höhe geringer ausfällt, steigen auch die Steuereinnahmen weniger an, so daß ein größeres Budgetdefizit die Folge ist: x
8
dBD
E s gilt \D\ >
dY
-ASpLr.
KAPITEL 9. NACH UNTEN STARRER
252
9.4.2
NOMINALLOHN
Steuersatzmultiplikator und Steuereinnahmen
Für eine Variation des Steuersatzes im Unterbeschäftigungsgleichgewicht ergeben sich aus (9.25) folgende Wirkungen:
,„„„.
dP
cYLT
,n
dY
CYLTASP
n„N
n
N
und
(9.37)
dr dt
Μ ASpLy + — \D\
< 0
Die Abb. 9.7 verdeutlicht die Ergebnisse in graphischer Form. Im oberen Teil der Abbildung führt eine Reduktion des Steuersatzes von t0 auf tx zu einer Drehung der ISo(to)-Kurve nach außen zu ISi(tx). Mit dem durch die Steuersenkung erhöhten verfügbaren Einkommen steigt die Nachfrage an, so daß eine Uberschußnachfrage am Geldmarkt wegen erhöhten Bedarfs an Transaktionskasse entsteht. Das Geldmarktungleichgewicht wird über einen Anstieg des Zinssatzes von rjj auf r' abgebaut. Die finanzierbare Nachfrage steigt infolge der Steuersatzreduktion von Y£ auf Y' an. Im unteren Teil der Abbildung zeigt sich die bei konstantem Preisniveau erhöhte aggregierte Nachfrage durch eine Verlagerung der /lZ)o( 0.
\D\
Da mit dem Preisniveauanstieg der Reallohn absinkt, wird die Beschäftigung erhöht und das aggregierte Angebot ist am Abbau der Uberschußnachfrage am Gütermarkt beteiligt. Daher muß nicht die gesamte Erhöhung der aggregierten Nachfrage durch den Preisniveauanstieg rückgängig gemacht werden, so daß die Ausgabenumschichtung zu einer Erhöhung des Sozialprodukts führt 11 :
%
—ASpLT(\ - c) {dG = —dTr)
\D\
> 0.
Da sowohl die Erhöhung der Nachfrage als auch der Preisniveauanstieg zu einer Uberschußnachfrage am Geldmarkt führen, steigt als Folge der Ausgabenumschichtung das Zinsniveau eindeutig an 1 2 : (1-c) {dG =
r „o + LyASp
M
—
\D |
-dTr)
> 0.
Für die Wirkung der Ausgabenumschichtung auf das Budgetdefizit ergibt sich mit (9.40): (9.42)
tASpLr{l
dBD dG
{dG=-dTr)
~
dG {dG =
l
-dTr)
— c)
< 0.
\ D \
Der direkte Belastungseffekt der erhöhten Staatsausgaben und der direkte Entlastungseffekt der Reduktion der Transferausgaben für das Budget gleichen sich annahmegemäß aus. Daher wird der Budgetsaldo nur durch den indirekten Effekt über die veränderten Steuereinnahmen wirksam. Da diese wegen des gestiegenen Sozialprodukts zunehmen, führt die Ausgabenumschichtung zur Reduktion eines bestehenden Budgetdefizits. B e i Verwendung von ( 9 . 2 7 ) und ( 9 . 3 1 ) ergibt sich ( 9 . 3 9 ) . M i t ( 9 . 2 8 ) und ( 9 . 3 2 ) ergibt sich ( 9 . 4 0 ) . 1 2 M i t ( 9 . 2 9 ) und ( 9 . 3 3 ) ergibt sich ( 9 . 4 1 ) . 10 n
9.5.
GELDPOLITIK
9.5
IM UNTERBESCHÄFTIGUNGSGLEICHGEWICHT
255
Geldpolitik im Unterbeschäftigungsgleichgewicht
Im betrachteten Modell kann abschließend eine Finanzierung staatlicher Ausgaben über eine Verschuldung bei der Zentralbank analysiert werden. Vorbereitend werden zunächst die Auswirkungen einer isolierten Erhöhung der nominalen Geldmenge betrachtet.
9.5.1
Variation der nominalen G e l d m e n g e
Da eine Erhöhung der nominalen Geldmenge beim herrschenden Ausgangspreisniveau zu einem Uberschußangebot am Geldmarkt führt, sinkt der Zinssatz ab, so daß sich die Investitionen erhöhen und damit die aggregierte Nachfrage ansteigt. In der Abb. 9.8 verschiebt sich die LMo-Kurve durch die Erhöhung der nominalen Geldmenge von Mo auf Mi zu LM', so daß das neue Niveau der finanzierbaren Nachfrage Y' beträgt und der Zinssatz auf r' absinkt. Am Gütermarkt kommt es beim Ausgangspreisniveau PQ ZU einer Uberschußnachfrage in Höhe von B'BQ, so daß das Preisniveau ansteigen muß. Aus (9.25) ergibt sich für den Einfluß einer Variation der Geldmenge auf das Preisniveau: d 9 43
< · *
m
=
1
W
>
0
·
Der Preisniveauanstieg reduziert die aggregierte Nachfrage, während gleichzeitig über die induzierte Senkung des Reallohns die Beschäftigung und damit das aggregierte Angebot ansteigt. Wegen der positiven Preisniveauelastizität des aggregierten Angebots ist dieses am Abbau der Überschußnachfrage beteiligt, so daß das neue Gleichgewicht am Gütermarkt bei einem höheren Sozialprodukt (Y* in der Abb. 9.8) realisiert werden kann:
944
0
·
Die preisniveaubedingte Reduktion der aggregierten Nachfrage vollzieht sich über die Reduktion der realen Geldmenge, die zu einer Uberschußnachfrage am Geldmarkt und damit über den Zinsanstieg zu einem preisniveaubedingten crowding-out der Investitionen führt. Dieser zweite Zinseffekt am Geldmarkt muß kleiner ausfallen als der erste, da wegen der Ausdehnung des aggregierten Angebots nicht die gesamte Erhöhung der aggregierten Nachfrage zurückgedrängt werden muß, sondern nur ein Teil. Daher muß der zinssenkende Effekt der Erhöhung der nominalen Geldmenge den zinssteigernden Effekt des erhöhten Preisniveaus überwiegen, so daß netto der Zinssatz gegenüber der Ausgangssituation absinkt: ,
,
o.
(dG = dM)
Da beide Teilmaßnahmen zu einer Expansion des Sozialprodukts führen, fällt der Effekt auf Y als S u m m e von (9.28) und (9.44) entsprechend verstärkt aus:
%
(dG = dM)
-ASP
Lr +
\D\
Irp > 0.
Wird die Fiskalpolitik durch die Geldpolitik unterstützt, dann lassen sich Beschäftigung und Sozialprodukt am wirkungsvollsten erhöhen. Der Vergleich von (9.28) mit (9.48) zeigt jedoch, daß dafür auch ein verstärkter inflationärer Effekt in Kauf genommen werden muß. Die Zinswirkung geldmengenfinanzierter Staatsausgaben m u ß unbestimmt ausfallen, d a sich der zinserhöhende Effekt aus (9.29) und der zinsdämpfende Effekt aus (9.45) miteinander verbinden:
(3.50,
± (dG - dM)
LYASp + — - - ( l - c + ct)ASp — Ρ \D\
£0.
KAPITEL
258
9.
NACH UNTEN
STARRER
NOMINALLOHN
Wird dieser Ausdruck umgeformt, dann läßt sich erkennen, von welchen Bedingungen die Entwicklung des Zinssatzes abhängig ist: (1 - c + et) AS ρ
dr '
dG(dG
(9 51)
= dM)~
Μ
LY .1 - c + et \D\
+ ψί
Die eckige Klammer enthält die ausgelösten Veränderungen am Geldmarkt beim ursprünglichen Preisniveau. Der Einkommenseffekt der erhöhten Staatsausgaben erhöht die Geldnachfrage um (Ly/( 1 — c + ci)) und verursacht eine Uberschußnachfrage 1 3 , während die Erhöhung der nominalen Geldmenge zu einer Erhöhung des Geldangebots um (1 / P ) und damit zu einem Uberschußangebot am Geldmarkt führt. In Abhängigkeit von dieser partiellen Uberschußnachfrage und diesem partiellen Überschußangebot am Geldmarkt lassen sich drei Konstellationen unterscheiden: Ly 1 - c +et Sind die Verhaltensparameter Ly und c sowie der Steuersatz t so beschaffen, daß sich ausgelöste Uberschußnachfrage und ausgelöstes Uberschußangebot bei konstantem Preisniveau gerade entsprechen, dann steigt der Zinssatz in (9.51) eindeutig an. Während im IS/LM-Modell dieser Fall zu keiner Zinsveränderung führt 1 4 , muß nun der Zinssatz preisniveaubedingt ansteigen, da das Absinken der realen Geldmenge eine weitere Überschußnachfrage am Geldmarkt verursacht, die nur durch einen Zinsanstieg beseitigt werden kann. Ly
1
1 - c + et
-
> 0
Tritt bereits bei konstantem Preisniveau netto eine Überschußnachfrage am Geldmarkt auf, dann steigt der Zinssatz wegen dieser Uberschußnachfrage an und wird noch durch die preisniveaubedingte Reduktion der realen Geldmenge verstärkt. Ly
1
1 - c + et
-
0 dY Wr>0
dt dG = -dTr dG = dM
ls
dP
„ „
^ < 0 dt dY „ dG > dY n dG>0
dr
dP „ dG>0 dP 7Fr>°
„
dP „ < 0 di dP dG>0 dP „ > 0 dG
„
dr dG > dr τιv>0 dr lü
dBD dBD dBD dTr
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>0
T - ^ + ' i dBD dG dBD>
< 0
dG