137 69 1MB
German Pages 260 Year 2006
Schriftenreihe Finanzmanagement Hrsg.: Prof. Dr. Reinhold Hölscher
Rainer Bonn
Finanzplanbasierte Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos
Verlag Wissenschaft & Praxis
Finanzplanbasierte Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos
Schriftenreihe Finanzmanagement Herausgeber: Prof. Dr. Reinhold Hölscher
Band 10
Rainer Bonn
Finanzplanbasierte Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos
Verlag Wissenschaft & Praxis
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
D 386 ISBN 3-89673-422-9 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2006 75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094
Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany
5
Geleitwort Da die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und damit häufig zum Untergang des Unternehmens führt, stellt die Aufrechterhaltung der Liquidität für Unternehmen eine Existenzbedingung dar. Der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit dient die Finanzplanung, deren zentrales Instrument der Finanzplan selbst ist. Der Finanzplan enthält einerseits alle Einund Auszahlungen einer bestimmten Planperiode, andererseits beruht der Finanzplan jedoch auf Schätzungen, sodass die in den Finanzplan einfließenden Planzahlungen unsicher sind. Die Möglichkeit der Abweichung der Ist- von den Planzahlungen stellt für die Sicherstellung der Liquidität ein Risiko dar, dem mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden muss. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an. Der Verfasser konzipiert ein geschlossenes, auf dem Finanzplan beruhendes System zur Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos. Hierzu werden zunächst in Anlehnung an die im Bankensektor übliche Value-at-Risk-Methodik auf dem Finanzplan aufbauende Ansätze zur Messung des Liquiditätsrisikos in Industrieunternehmen entwickelt. Diese Ansätze gestatten es, quantitative Aussagen über das mit dem Liquiditätsrisiko verbundene Risikopotenzial in Unternehmen zu treffen. Darüber hinaus wird aufgezeigt, wie auf der Basis der Messung des Liquiditätsrisikos eine quantitative Steuerung des Liquiditätsrisikos grundsätzlich vorgenommen werden kann. Der Verfasser hat sich mit einem gleichermaßen aktuellen wie komplexen Problemfeld beschäftigt und die Diskussion über die Risikomessung und Risikosteuerung in Industrieunternehmen um vielversprechende Ansätze bereichert. Ich wünsche der Arbeit daher, dass sie in Wissenschaft und Praxis auf reges Interesse stoßen und damit einerseits als Grundlage für weitere Forschungsanstrengungen dienen, andererseits aber auch Anknüpfungspunkte für die quantitative Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos in der Praxis eröffnen wird. Kaiserslautern, im März 2006
Reinhold Hölscher
7
Vorwort Die Sicherung der Liquidität zählt zu den fundamentalen Aufgaben der Unternehmensführung. Daher ist es äußerst erstaunlich, dass die Beschäftigung mit Fragen der Liquiditätssicherung in den letzten zwei Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Diskussion deutlich in den Hintergrund getreten ist, insbesondere, da das zentrale Konzept zur Liquiditätssicherung, die kurzfristige Finanzplanung, mit dem Mangel behaftet ist, der den Plandaten immanenten Unsicherheit nicht genügend Rechnung zu tragen. Gleichzeitig wurde mit dem Aufkommen des Risikomanagements seit Beginn der 1990er Jahre die Entwicklung von Instrumenten und Methoden vorangetrieben, die eine Quantifizierung und Steuerung von bestimmten Risikopotenzialen mithilfe von mathematisch-statistischen Verfahren ermöglichen. Vor diesem Hintergrund lag die Idee nahe, die allgemeinen Grundgedanken der Messung und Steuerung von Risiken für einen Einsatz zur Liquiditätssicherung nutzbar zu machen. Hierzu wurde das Ziel verfolgt, aufbauend auf der kurzfristigen Finanzplanung ein geschlossenes System zur Messung und Steuerung des mit der Finanzplanung verbundenen Risikopotenzials zu konzipieren. Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzdienstleistungen und Finanzmanagement der Technischen Universität Kaiserslautern und wurde im Wintersemester 2005/2006 vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaften als Dissertation angenommen. An dieser Stelle möchte ich all denen danken, die mich während der Erstellung der Arbeit besonders unterstützt haben. Mein aufrichtiger Dank gilt meinem geschätzten Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Reinhold Hölscher, der mich nicht nur während meiner Zeit an seinem Lehrstuhl stets gefördert hat, sondern auch den Fortgang der Arbeit in zahlreichen Diskussionen unterstützte und damit wesentlich zum Gelingen des Projekts beitrug. Herrn Prof. Dr. Volker Lingnau danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Besonderen Dank schulde ich auch meinen Kollegen am Lehrstuhl für Finanzmanagement und Finanzdienstleistungen, von denen ich namentlich Herrn Dr. Christian Kalhöfer und Herrn Dr. Markus Kremers hervorheben möchte. Beide sorgten für eine sehr angenehme und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre und standen darüber hinaus jederzeit für hilfreiche Diskussionen zur Verfügung. Danken möchte ich auch meinen Freunden Christian Rubly und Daniel Lütkefend sowie meiner Schwester Sabine, die mir als interessierte Gesprächspartner und Motivatoren weitergeholfen haben. Ein besonderer Dank gebührt weiterhin mei-
8
Vorwort
nen Eltern, auf deren Unterstützung ich stets zählen kann und die mir vieles überhaupt erst ermöglicht haben. Schließlich ist es mir ein besonderes Anliegen, meiner Lebensgefährtin Nina herzlich zu danken. Sie gab mir in sämtlichen Phasen der Arbeit den notwendigen Rückhalt, ohne den diese Arbeit vermutlich niemals entstanden wäre. Ihr ist diese Arbeit gewidmet.
Homburg, im März 2006
Rainer Bonn
9
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis.............................................................................................15 Abkürzungs- und Symbolverzeichnis .......................................................................19 Einleitung ................................................................................................................21
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen............................ 25 A. Wesen der Finanzplanung..............................................................................26 I.
Begriffliche Grundlegungen.......................................................................26 1. Begriff der Finanzplanung ...................................................................26 2. Abgrenzung alternativer Liquiditätsbegriffe........................................29
II. Aufrechterhaltung des Finanziellen Gleichgewichts als Aufgabe der Finanzplanung ............................................................................................34 1. Bestimmungsgrößen der Liquidität......................................................34 2. Steuerung von Ein- und Auszahlungen im Zeitablauf .........................38 3. Weitere Zielsetzungen .........................................................................41 III. Eingrenzung der Steuerungsaufgabe ..........................................................43 1. Forderung nach einer Gesamtplanung .................................................43 2. Sachliche Differenzierung....................................................................45 3. Differenzierung in zeitlicher Hinsicht..................................................47 B. Gegenstand und Ausgestaltung von Finanzplanungsrechnungen..............50 I.
Kapitalbindungsplanung als Instrument zur langfristigen Finanzplanung .50 1. Ziele und Aufgaben der Kapitalbindungsplanung ...............................50 2. Struktur von Kapitalbindungsplänen ...................................................52
II. Feststellung der gegenwärtigen Liquidität mithilfe des täglichen Liquiditätsstatus..........................................................................................60 1. Ziele des täglichen Liquiditätsstatus ....................................................60 2. Ausgestaltung des täglichen Liquiditätsstatus .....................................62 3. Cash-Management-Systeme zur Unterstützung des täglichen Liquiditätsstatus ...................................................................................65
10
Inhaltsverzeichnis
III. Wesen, Zwecksetzung und Ausgestaltung eines kurzfristigen Finanzplans.................................................................................................68 1. Wesen und Zwecksetzung....................................................................68 2. Ausgestaltung eines Finanzplans in zeitlicher Hinsicht.......................70 3. Inhaltliche Ausgestaltung eines Finanzplans .......................................73 C. Kurzfristige Finanzplanung aus prozessualer Sicht ....................................77 I.
Ermittlung des Vorschau-Finanzplans .......................................................77 1. Prinzipielle Vorgehensweise und zu berücksichtigende Rahmenbedingungen............................................................................77 2. Datenquellen der Vorschau-Planung ...................................................79 3. Techniken der Finanzprognose ............................................................83
II. Planausgleich und Verdichtung zum Vorgabeplan ....................................92 1. Gegenstand und Maßnahmen des Planausgleichs................................92 2. Erstellung eines Vorgabeplans.............................................................96 III. Durchführung der Finanzkontrolle .............................................................98 1. Begriff und Ziele der Finanzkontrolle .................................................98 2. Teilaufgaben der Kontrolle des Planvollzugs ....................................100 3. Konsequenzen aus der Finanzkontrolle .............................................103 IV. Kritische Würdigung der kurzfristigen Finanzplanung ............................104
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung ............ 109 A. Wesen des Liquiditätsrisikos .......................................................................110 I.
Begriff und Charakteristika des Liquiditätsrisikos...................................110 1. Risikoverständnis in den Wirtschaftswissenschaften ........................110 2. Definition des Liquiditätsrisikos........................................................113 3. Ursachen des Liquiditätsrisikos .........................................................116
II. Notwendigkeit zum Management des Liquiditätsrisikos .........................120 III. Grundsätzliches zur Messung des Liquiditätsrisikos ...............................120 1. Größen zur Messung des Liquiditätsrisikos.......................................120 2. Probleme bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos................................................................................123 3. Anforderungen an eine Methode zur Messung des Liquiditätsrisikos................................................................................127
Inhaltsverzeichnis
11
B. Grundmodell zur Messung des Liquiditätsrisikos.....................................129 I.
Konzeption einer geeigneten Maßgröße...................................................129 1. Kennzahl der Liquidity at Risk ..........................................................129 2. Phasenschema der Liquidity-at-Risk-Ermittlung...............................134 3. Determinanten der Liquidity-at-Risk-Berechnung und ihre Implikationen .....................................................................................137 4. Systematisierung der Ansätze zur Ermittlung der Liquidity at Risk..139
II. Aggregierter parametrischer Ansatz zur Ermittlung der Liquidity at Risk .......................................................................................140 1. Aufstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung.................................140 2. Ermittlung der Liquidity at Risk ........................................................145 3. Beurteilung des aggregierten parametrischen Ansatzes.....................147 III. Erweiterung des Grundmodells in Form eines disaggregierten parametrischen Ansatzes ..........................................................................150 1. Ermittlung der Liquidity at Risk der einzelnen Zahlungsarten..........150 2. Aggregation zur Gesamt-Liquidity-at-Risk .......................................159 3. Kritische Würdigung des disaggregierten parametrischen Ansatzes .............................................................................................165 C. Messung des Liquiditätsrisikos mithilfe von simulativen Verfahren.......168 I.
Messung des Liquiditätsrisikos mittels historischer Simulation ..............168 1. Vorgehensweise der historischen Simulation ....................................168 2. Beispiel zur Ermittlung der Liquidity at Risk mittels historischer Simulation ..........................................................................................171 3. Würdigung des Verfahrens ................................................................174
II. Quantifizierung des Liquiditätsrisikos auf der Basis einer stochastischen Simulation ........................................................................175 1. Wesen und prinzipieller Ablauf des Verfahrens ................................175 2. Beispiel zur Ermittlung der Liquidity at Risk auf der Basis einer stochastischen Simulation ..................................................................180 3. Kritische Würdigung des Verfahrens.................................................185 III. Vergleichende Gegenüberstellung der Verfahren zur Messung der Liquidity at Risk .......................................................................................189
12
Inhaltsverzeichnis
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos ........................................ 193 A. Bewältigung des Liquiditätsrisikos als Basis der Risikosteuerung ..........194 I.
Systematisierung der Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos ......................................................................................194
II. Aktive Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos ...................195 1. Risikovermeidung ..............................................................................195 2. Minderung des Liquiditätsrisikos.......................................................196 3. Diversifikation des Liquiditätsrisikos ................................................199 III. Risikotransfer als passive Maßnahme zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos ......................................................................................200 1. Transfer des Liquiditätsrisikos mithilfe der Versicherung ................200 2. Übertragung des Liquiditätsrisikos mittels Zahlungssicherungsinstrumenten.......................................................206 B. Bewältigung des Liquiditätsrisikos mithilfe der Risikovorsorge..............211 I.
Das Risikotragfähigkeitskalkül als Leitbild .............................................211
II. Charakterisierung der Risikodeckungsmassen .........................................213 1. Bestimmung möglicher Erscheinungsformen von Risikodeckungsmassen ......................................................................213 2. Kriterien zur Unterscheidung der Deckungsmassen ..........................217 3. Diskussion der Komponenten der Risikodeckungsmassen................219 III. Abstimmung von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen...............225 1. Differenzierung der Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls................................................................225 2. Abgleich von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen am Beispiel ..............................................................................................228 C. Beurteilung der Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos mithilfe der Liquidity at Risk ......................................................................233 I.
Kritische Würdigung des konzipierten Systems.......................................233
II. Weiterer Forschungsbedarf ......................................................................234
Inhaltsverzeichnis
13
Zusammenfassung .................................................................................................237 Literaturverzeichnis...............................................................................................241
15
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Entscheidungstheoretische Gliederung des Finanzmanagements ........................................................................28 Abbildung 2: Rechnerische Ermittlung der Liquiditätsgrade ................................32 Abbildung 3: Bedingung für die Liquidität an einem Tag ....................................37 Abbildung 4: Bedingung für die Gewährleistung der Periodenliquidität ..............39 Abbildung 5: Perioden- und Momentanliquidität..................................................39 Abbildung 6: Grundstruktur einer Bewegungsbilanz ............................................53 Abbildung 7: Beispiel zur Ermittlung einer Bewegungsbilanz .............................53 Abbildung 8: Grundstruktur eines Kapitalbindungsplans .....................................54 Abbildung 9: Erweiterte Struktur eines Kapitalbindungsplans .............................59 Abbildung 10: Zahlenbeispiel für einen Kapitalbindungsplan ................................60 Abbildung 11: Grundlegende Struktur eines täglichen Liquiditätsstatus ................64 Abbildung 12: Exemplarische zeitliche Einteilung eines Finanzplans....................71 Abbildung 13: Beispiel eines rollierenden Finanzplans ..........................................72 Abbildung 14: Grundstruktur eines Finanzplans.....................................................74 Abbildung 15: Beispielhafter Aufbau eines Finanzplans ........................................76 Abbildung 16: Grundsätze der Finanzplanung ........................................................78 Abbildung 17: Methoden der Finanzprognose ........................................................84 Abbildung 18: Struktur einer pragmatischen Finanzprognose ................................86 Abbildung 19: Prognose von Zahlungen mithilfe der gleitenden Mittelwertbildung ............................................................................87 Abbildung 20: Maßnahmen zum Plan-Ausgleich von finanziellen Überschüssen...................................................................................95 Abbildung 21: Grundstruktur der Finanzbudgetierung ...........................................97 Abbildung 22: Wirkungsbezogene Unterscheidung von Risiken..........................112 Abbildung 23: Liquiditätsrisiko im engeren und im weiteren Sinne.....................115
16
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 24: Zusammenhang von maximal möglicher Abweichung und wahrscheinlich höchster Abweichung ..........................................125 Abbildung 25: Einfluss der Verteilungsform auf die Einschätzung von PML und MPL...............................................................................127 Abbildung 26: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand ............................................130 Abbildung 27: Zusammenhang zwischen dem Schwellenwert 'EBZM(1-D) und der Verteilungsfunktion resp. der Dichtefunktion der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand.............................................................132 Abbildung 28: Beispiel einer Verteilung mit einem positiven Schwellenwert 'EBZM (1-D) ................................................................................133 Abbildung 29: Definition der Liquidity at Risk ....................................................133 Abbildung 30: Phasenschema der Liquidity-at-Risk-Ermittlung ..........................136 Abbildung 31: Zahlenwerte des Beispielsfalls ......................................................142 Abbildung 32: Z-Werte der Standardnormalverteilung für ausgewählte Konfidenzniveaus ..........................................................................146 Abbildung 33: Verteilungen mit unterschiedlicher Schiefe und Kurtosis.............148 Abbildung 34: Daten des Beispielsfalls für die Einzahlungen aus Umsatzerlösen (in TGE)................................................................152 Abbildung 35: Weitere Beispielsdaten für Einzahlungen (in TGE) .....................154 Abbildung 36: Darstellung der Liquidity at Risk einer Auszahlungsart ...............155 Abbildung 37: Daten des Beispielsfalls für die Personalauszahlungen (in TGE) ........................................................................................156 Abbildung 38: Weitere Beispielsdaten für Auszahlungen (in TGE) .....................158 Abbildung 39: Daten zur Ermittlung der Korrelationen der Risikoparameter (in TGE) ........................................................................................161 Abbildung 40: Korrelationen zwischen den Abweichungen der verschiedenen Zahlungsarten ........................................................162 Abbildung 41: Abweichungen in den Einzahlungsarten zur Anwendung der historischen Simulation (in TGE)..................................................171 Abbildung 42: Abweichungen in den Auszahlungsarten zur Anwendung der historischen Simulation (in TGE)..................................................172
Abbildungsverzeichnis
17
Abbildung 43: Rangfolge der aggregierten Abweichungen in der historischen Simulation .....................................................................................173 Abbildung 44: Anzahl der Simulationsdurchläufe und Konvergenz der simulierten Verteilung.............................................................177 Abbildung 45: Daten des Beispielsfalls zur Anwendung der Monte-CarloSimulation (in TGE) ......................................................................180 Abbildung 46: Umwandlung der gleichverteilten Zufallszahlen in standardnormalverteilte Zufallszahlen unter Verwendung der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung ......................181 Abbildung 47: Mittels Monte-Carlo-Simulation simulierte Abweichungen .........183 Abbildung 48: Ermittlung der Gesamtabweichungen mithilfe der Monte-Carlo-Simulation................................................................184 Abbildung 49: Liquidity at Risk bei Monte-Carlo-Simulation für unterschiedliche Konfidenzniveaus...............................................185 Abbildung 50: Gegenüberstellung der Methoden zur Bestimmung der Liquidity at Risk............................................................................191 Abbildung 51: Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos ....................195 Abbildung 52: Beeinflussbarkeit des Liquiditätsrisikos........................................203 Abbildung 53: Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls .............................212 Abbildung 54: Differenzierung der Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls ...........................................................228 Abbildung 55: Ergebnisse der Liquidity-at-Risk-Berechnung im Beispielsfall ...................................................................................229 Abbildung 56: Überprüfung der Tragfähigkeit im Beispielfall .............................231 Abbildung 57: Abgleich von Belastungsfällen und Risikodeckungsmassen mithilfe der Verteilungsfunktion ...................................................232
19
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis Į a A AT Abb. AktG Aufl. AW AWR bzgl. bzw. CM COV d.h. Diss. EBZMPlan EBZMIst etc. EURIBOR f F F-1 GE ggf. HGB Hrsg. i.d.R. IDW i.e.S. i.H.v.
Konfidenzniveau Beobachtungswert Matrix A Transponente der Matrix A Abbildung Aktiengesetz Auflage absolute Abweichung Abweichungsrate bezüglich beziehungsweise Kovarianzmatrix Kovarianz das heißt Dissertation geplanter Zahlungsmittelendbestand einer Periode tatsächlicher Zahlungsmittelendbestand einer Periode et cetera Euro Interbank Offered Rate Dichtefunktion Verteilungsfunktion Inverse einer Verteilungsfunktion Geldeinheiten gegebenenfalls Handelsgesetzbuch Herausgeber in der Regel Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. im engeren Sinne in Höhe von
20
i.w.S. LaR LIBOR ln LS μ MB MPL n O.V. PML ȡ RDM resp. ı ı2 S. sog. Sp. TGE Vgl. X Z Z1-Į z.B. ZZ ZZN
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
im weiteren Sinne Liquidity at Risk London Interbank Offered Rate natürlicher Logarithmus Liquiditätssaldo Erwartungswert Mindestbestand Maximum Possible Loss Anzahl der Elemente einer Datenbasis Ohne Verfasser Probable Maximum Loss Korrelationskoeffizient Risikodeckungsmassen respektive Standardabweichung Varianz Seite so genannte Spalte Tausend Geldeinheiten Vergleiche Normalverteilte Zufallsvariable Standardnormalverteilte Zufallsvariable Quantil der Standardnormalverteilung für ein Konfidenzniveau Į zum Beispiel Zufallszahl Normalverteilte Zufallszahl
21
Einleitung Die Fähigkeit, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt erfüllen zu können, stellt für jedes Unternehmen eine Existenzbedingung dar. Nach geltendem Recht droht im Falle einer festgestellten Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit auch der Untergang des Unternehmens. Aus diesem Grund stellt die Sicherung der Zahlungsfähigkeit, d.h. die Sicherung der Liquidität, für Unternehmen eine zentrale Aufgabe dar. Die Aufgabe, der Zahlungsunfähigkeit als Insolvenzgrund zu begegnen, wird im Rahmen der Finanzplanung wahrgenommen, die als zielgerichteter Planungs- und Entscheidungsprozess zur Egalisierung finanzieller Ungleichgewichte charakterisiert werden kann. Das wichtigste Instrument der Finanzplanung stellt der Finanzplan dar. Der Finanzplan soll sämtliche künftigen Ein- und Auszahlungen betragsund zeitpunktgenau gegenüberstellen und ist daher als einziges Instrument in der Lage, der finanziellen Führung die für eine Beurteilung der künftigen Entwicklung der Zahlungsfähigkeit notwendigen Informationen bereitzustellen. Der Finanzplan steigt damit zum zentralen finanzwirtschaftlichen Planungsinstrument auf und bildet die Grundlage sämtlicher finanzwirtschaftlicher Aktivitäten der finanziellen Führung. Die Finanzplanung ist, wie dies bei sämtlichen Überlegungen bezüglich künftiger Ereignisse der Fall ist, mit dem Problem verbunden, dass die geplanten Daten nicht mit den später tatsächlich realisierten Daten übereinstimmen müssen. Die Übereinstimmung der Plandaten mit den Istdaten stellt jedoch für die Funktionstüchtigkeit der Finanzplanung eine notwendige Voraussetzung dar. Die Finanzplanung ist dann unvollständig, wenn sie die Möglichkeit, dass die tatsächlich realisierten Zahlungen von den geplanten Zahlungen abweichen können, nicht berücksichtigt. Diese Möglichkeit der Abweichung der Planzahlungen von den Istzahlungen stellt aber für die Sicherstellung der Liquidität ein Risiko dar, dessen Eintritt zur Insolvenz und damit auch zum Untergang eines Unternehmens führen kann. Hieraus resultiert die Notwendigkeit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sich gegen dieses Liquiditätsrisiko abzusichern. Zur Absicherung gegen das Liquiditätsrisiko sind Maßnahmen der Steuerung einzurichten. Solche Maßnahmen der Steuerung sind jedoch nur dann sinnvoll zu tätigen, wenn eine Vorstellung in Bezug auf das Ausmaß der von diesem Risiko ausgehenden Bedrohung existiert. Daher ist es erforderlich, eine quantitative Beurteilung des Liquiditätsrisikos, d.h. eine Messung des von diesem Risiko ausgehenden Grades der Bedrohung, durchzuführen.
22
Einleitung
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht in der Entwicklung eines auf der Finanzplanung aufbauenden Systems zur Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos. Dazu ist es erforderlich, zunächst eine geeignete Definition des Liquiditätsrisikos zu erarbeiten. Weiterhin sind grundlegende Ansätze zur quantitativen Bewertung des Liquiditätsrisikos zu konzipieren, die auf einer Analyse des Wesens des Liquiditätsrisikos aufbauen müssen. Darüber hinaus sind Möglichkeiten zur Steuerung dieses Risikos zu entwickeln. Die Ausführungen sollen sich, sofern es sich nicht um allgemein gültige Betrachtungen handelt, auf ein Industrieunternehmen beziehen. Zur Erfüllung des gesetzten Zieles werden zunächst im ersten Teil die zum Verständnis der Arbeit notwendigen Grundlagen zur Finanzplanung im Allgemeinen und zur kurzfristigen Finanzplanung im Speziellen gelegt. Nach einer einführenden begrifflichen Grundlegung des Problemkomplexes der Finanzplanung wird mit der Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts die zentrale Zwecksetzung der Finanzplanung erörtert. Die Erfüllung dieser Aufgabe erfordert eine Komplexitätsreduktion der Planungsaufgabe in sachlicher und in zeitlicher Hinsicht, die letztlich in eine Trennung der Finanzplanung in verschiedene Finanzplanungsrechnungen mit unterschiedlichem Zeithorizont und verschiedenen Teilaufgaben mündet. Die im Anschluss vorgenommene Darstellung der Finanzplanungsrechnungen zeigt die kurzfristige Finanzplanung als zentrale Planungsrechnung zur Sicherstellung der Liquidität. Daher wird im Folgenden der Ablauf der kurzfristigen Finanzplanung dargestellt und analysiert. Dabei zeigt sich das Defizit der kurzfristigen Finanzplanung in der unzureichenden Berücksichtigung nicht bzw. falsch prognostizierter Zahlungen. Der zweite Teil dieser Arbeit hat die Beschäftigung mit dem Liquiditätsrisiko zum Inhalt. In diesem Teil werden grundlegende Ansätze zur Messung des Liquiditätsrisikos entwickelt. Bevor solche Messansätze konzipiert werden können, sind das Liquiditätsrisiko begrifflich zu fassen und das Wesen des Liquiditätsrisikos zu analysieren. Daher wird zunächst der Begriff des Liquiditätsrisikos in Anlehnung an das Risikoverständnis in den Wirtschaftswissenschaften definiert. Darüber hinaus werden die Ursachen des Liquiditätsrisikos aufgezeigt. Weiterhin werden Ansätze zur quantitativen Bewertung des Liquiditätsrisikos, d.h. zur Messung seiner Dringlichkeit, entwickelt. Hierzu werden zunächst die Determinanten der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos herausgearbeitet und die Probleme, die im Zuge der Beurteilung der Dringlichkeit entstehen, aufgezeigt. Auf der Basis dieser Ausführungen werden Anforderungen aufgestellt, die eine Methode zur Messung des Liquiditätsrisikos erfüllen muss. Im Rahmen eines Grundmodells wird anschließend gemäß den aufgestellten Anforderungen eine Kennzahl zur Messung der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos, die so genannte Liquidity at Risk, entwickelt.
Einleitung
23
Im Folgenden werden mit dem aggregierten parametrischen Ansatz, dem disaggregierten parametrischen Ansatz, der historischen Simulation sowie der stochastischen Simulation verschiedene Ansätze aufgezeigt und kritisch gewürdigt, die eine Messung der Dringlichkeit mithilfe der Kennzahl der Liquidity at Risk ermöglichen. Schließlich werden die Ansätze zur Messung des Liquiditätsrisikos vergleichend gegenübergestellt. Der dritte Teil dieser Arbeit widmet sich der Steuerung des Liquiditätsrisikos. Hierzu werden Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos erörtert. Die Maßnahmen werden nach aktiven und passiven Maßnahmen unterteilt. Während die aktiven Maßnahmen der Bewältigung des Liquiditätsrisikos an den Risikodeterminanten ansetzen und die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Tragweite des Liquiditätsrisikos zu verringern suchen, zielen die passiven Maßnahmen darauf ab, die Konsequenzen schlagend gewordener Risiken aufzufangen. Zunächst werden mit der Vermeidung, der Verminderung und der Diversifikation des Liquiditätsrisikos aktive Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos exploriert. Daran anschließend werden passive Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos untersucht. Zu den passiven Maßnahmen zählen der Transfer des Liquiditätsrisikos mithilfe der Versicherung, die Übertragung mittels Zahlungssicherungsinstrumenten und die Risikovorsorge. Im Rahmen der Risikovorsorge wird mit dem Risikotragfähigkeitskalkül ein Leitbild beschrieben, dem der Aufbau der für die Risikovorsorge notwendigen Deckungsmassen folgen soll. Im Weiteren werden mögliche Deckungsmassen identifiziert und nach verschiedenen Kriterien zur Unterscheidung der Deckungsmassen diskutiert. Daran anschließend wird aufgezeigt, wie sich eine Abstimmung des mithilfe der Liquidity at Risk gemessenen Risikopotenzials mit den Deckungsmassen grundlegend vollziehen kann. Ein Beispiel verdeutlicht die Vorgehensweise. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Würdigung des Liquidity-at-Risk-basierten Systems der Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos.
25
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht in der Entwicklung eines auf der Finanzplanung aufbauenden Systems zur Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos. Bevor jedoch auf die Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos eingegangen werden kann, sind grundlegende Ausführungen zur Finanzplanung erforderlich. Daher wird im Abschnitt A im folgenden ersten Teil der Arbeit zunächst das Wesen der Finanzplanung herausgestellt. Dazu werden der Begriff der Finanzplanung definiert und die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts als zentrale Aufgabenstellung der Finanzplanung erläutert. Die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts erfordert eine Komplexitätsreduktion der Finanzplanung sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Perspektive. Während eine sachliche Differenzierung der Finanzplanung eine sukzessive Planung nahelegt, bewirkt eine zeitliche Differenzierung schließlich eine Trennung der Finanzplanung in verschiedene Planungsrechnungen. Im Fokus des Abschnitts B steht die Darstellung von Gegenstand und Ausgestaltung der einzelnen Finanzplanungsrechnungen, wobei neben der Kapitalbindungsplanung auch der tägliche Liquiditätsstatus und die kurzfristige Finanzplanung erörtert werden. Diese Darstellung verdeutlicht die zentrale Bedeutung der kurzfristigen Finanzplanung für die Sicherstellung der Liquidität. Der dritte Abschnitt des ersten Hauptteils widmet sich der kurzfristigen Finanzplanung als zentralem Element der Liquiditätssicherung. In diesem Abschnitt wird der Ablauf der kurzfristigen Finanzplanung dargestellt. Den Abschluss dieses Teils bildet eine Analyse der kurzfristigen Finanzplanung. Im Rahmen dieser Analyse werden die Mängel der Finanzplanung aufgedeckt.
26
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
A. Wesen der Finanzplanung I.
Begriffliche Grundlegungen
1.
Begriff der Finanzplanung
Der Begriff „Finanzplanung“ lehnt sich an den Begriff der Planung an. Der Begriff der „Planung“ wird im Allgemeinen als systematischer und zukunftsorientierter Entwurf einer Ordnung verstanden, nach der sich das betriebliche Geschehen in der Zukunft vollziehen soll.1 Planung beinhaltet demnach die gedankliche Vorwegnahme und aktive Gestaltung zukünftiger Aktivitäten.2 Durch die gedankliche Vorwegnahme und aktive Gestaltung zukünftiger Aktivitäten sollen insbesondere Zufälligkeiten ausgeschaltet werden, die durch ungeplantes Handeln entstehen. Somit steht Planung im Gegensatz zur Improvisation als einem unplanmäßigen Vorgang ohne konsequente Ordnung der Überlegungen.3 Wesentliche Aufgaben der Planung liegen in4 x der Prognose der zukünftigen Entwicklungen von zielbeeinflussenden Bestimmungsfaktoren, die auf einer vergangenheits- und gegenwartsorientierten Datenanalyse basiert (Prognosefunktion) sowie in x der Festlegung von Handlungen, die zur Erfüllung der gesetzten Planungsziele erforderlich sind (Gestaltungsfunktion). Unter dem Begriff der Finanzplanung wird die Planung der finanziellen Sphäre verstanden.5 Im Sinne des o.g. Planungsbegriffs besitzt die Finanzplanung eine Prognosefunktion und eine Gestaltungsfunktion. Im Rahmen der Prognosefunktion hat die Finanzplanung die zukünftigen Entwicklungen im Finanzbereich aufzuzeigen. Darüber hinaus sind Maßnahmen zur Gestaltung der finanziellen Situation gedanklich vorwegzunehmen.6 Der Begriff der Finanzplanung lässt sich vor dem Hintergrund des entscheidungstheoretischen Ansatzes der Betriebswirtschaftslehre konkretisieren.7 Aus dieser
1 2 3 4 5 6 7
Vgl. GUTENBERG (Grundlagen 1984), S. 47; ähnlich auch bei HORVÁTH (Controlling 2003), S. 170 Vgl. RAFFÉE (Grundprobleme 1974), S. 97; MAG (Unternehmensplanung 1995), S. 2-3 Vgl. BÖHRS (Planen 1950), S. 322; WÖHE (Einführung 2005), S. 140 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 614 Vgl. TIETJE (Finanzplanung 2003), S. 10 Vgl. BIEG (Finanzplanung 1999), S. 426 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 15-16; VEIT/WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1990), S. 180-183; TROßMANN (Finanzplanung 1990), S. 30
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
27
Perspektive wird der Zweck der Finanzplanung darin gesehen, die Unternehmensleitung bei der Ableitung von geschäftspolitischen Entscheidungen zu unterstützen, d.h. die Finanzplanung wird als eine Phase im Prozess von Finanzierungsentscheidungen interpretiert.8 Unter Finanzierungsentscheidungen werden dabei solche Entscheidungen verstanden, die auf die Beschaffung, Gestaltung und Erhaltung finanzieller Mittel gerichtet sind.9 Charakteristischerweise lassen sich Entscheidungsabläufe in die gedanklichen Schritte Planung, Realisation und Kontrolle untergliedern.10 Dies gilt auch für Finanzierungsentscheidungen, die sich in die gedanklichen Stufen der x Finanzplanung, x der Finanzrealisation und x der Finanzkontrolle aufspalten lassen. Nach dem entscheidungstheoretischen Ansatz stellt die Finanzplanung einen Teilbereich des Finanzmanagements dar und wird als systematisches Schätzen und Vorausberechnen der künftigen finanziellen Lage eines Unternehmens sowie gedankliche Vorwegnahme von Finanzierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Ziele des Unternehmens bezeichnet.11 Das Resultat der Finanzplanung ist in der Realisationsphase in die Praxis umzusetzen. Dies bedeutet, dass konkrete Schritte zu unternehmen sind, um die geplanten Maßnahmen durchzuführen. Im Rahmen der Finanzkontrolle werden die durch die Realisation von Maßnahmen erzielten Werte mit den durch die Planung vorgegebenen Werten verglichen. Weichen die geplanten Werte von den realisierten Werten ab, sind die Ursachen der Abweichungen zu ermitteln. Auf dieser Basis werden weitere Planungen durchgeführt. Somit stehen Finanzplanung, Finanzrealisation und Finanzkontrolle in einem sachlogischen, prozessbezogenen Zusammenhang.12 Abbildung 1 zeigt die entscheidungstheoretische Gliederung des Finanzmanagements auf.
8 9 10 11 12
Vgl. SÜCHTING (Finanzmanagement 1995), S. 275-294 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Finanzplanung 1997), S. 183 Vgl. HOITSCH/LINGNAU (Erlösrechnung 2004), S. 3 Vgl. BIEG (Finanzplanung 1999), S. 425; LACHNIT (Finanzplanung 2001), Sp. 887; TIETJE (Finanzplanung 2002), S. 11; BUSCH (Finanzplanung 1983), S. 14-15; Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 181
28
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Finanzmanagement
Finanzplanung
Finanzrealisation
Finanzkontrolle
Abbildung 1: Entscheidungstheoretische Gliederung des Finanzmanagements Die Finanzplanung stellt einen Teil eines zielgerichteten Entscheidungsprozesses zur Lösung finanzwirtschaftlicher Probleme dar. Im Zentrum des Prozesses stehen die gedankliche Vorwegnahme der zukünftigen finanziellen Lage und die Antizipation gegebenenfalls notwendiger Maßnahmen zur Gestaltung der finanziellen Situation.13 Zur Lösung dieser Problemstellung werden mithilfe von FinanzPlanungsrechnungen zukünftige finanzielle Größen eines Unternehmens prognostiziert und in Finanzplänen gegenübergestellt. Dadurch sollen finanzielle Ungleichgewichte möglichst frühzeitig erkannt werden, sodass rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können.14 Das Finanzmanagement und damit auch die Finanzplanung werden regelmäßig durch dynamische und komplexe Veränderungen der Umwelt vor neue Herausforderungen gestellt. In diesem Zusammenhang sind neben externen Faktoren, wie z.B. staatlichen Reglementierungen oder technischen Innovationen, ebenso interne Faktoren, wie z.B. Wachstumsprozesse und mit den Wachstumsprozessen verbundene, innerbetriebliche Veränderungen, zu nennen. Diese Veränderungen haben im Finanzbereich einen Wandel von der rein verwaltenden Finanzbuchhaltung zum gestaltenden Finanzmanagement, das durch Kreativität und vorausschauendes Handeln geprägt ist, geführt.15 Die Finanzplanung lässt sich insofern nicht einfach auf ein zukunftsbezogenes Teilgebiet des Rechnungswesens reduzieren, sie stellt vielmehr ein finanzpolitisches Führungsinstrument dar.16 Finanzplanung wurde als gedankliche Vorwegnahme von Finanzierungsentscheidungen definiert. Da sich die mit Finanzierungsentscheidungen verbundene Auswahl von Finanzierungsmaßnahmen nur dann sinnvoll beurteilen lässt, wenn vor 13 14 15 16
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 183; HARMS (Steuerung 1973), S. 25 Vgl. TIETJE (Finanzplanung 2002), S. 11 Vgl. MARX (Finanzmanagement 1993), S. 49 Vgl. TIETJE (Finanzplanung 2002), S. 11; HAIMERL (Finanzierung 1991), S. 65
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
29
dem Treffen der Entscheidungen festgelegt wurde, welche Ziele mit den Maßnahmen erreicht werden sollen, sind zunächst die für die Finanzplanung relevanten Zielsetzungen zu diskutieren, wobei unter Zielen anzustrebende künftige Zustände verstanden werden.17 Die Ziele, die im Rahmen der Finanzplanung zu berücksichtigen sind, sind in der Literatur nicht eindeutig festgelegt, es besteht jedoch weitestgehend darin Übereinstimmung, dass die Aufrechterhaltung der Liquidität und die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts als zentrale Zielsetzung der Finanzplanung angesehen wird.18 Da der Begriff der Liquidität selbst auch mit mehreren Bedeutungen belegt ist, wird im folgenden Kapitel zunächst eine Abgrenzung der verschiedenen Liquiditätsbegriffe vorgenommen, bevor die Zielsetzung der Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts erläutert wird. Mit der Finanzplanung werden noch weitere Zielsetzungen verbunden sein.19 Eine mögliche Zielsetzung könnte darin bestehen, bei der gedanklichen Vorwegnahme von Finanzierungsentscheidungen den Einfluss von Kapitalgebern auf die Unternehmensführung möglichst gering zu halten. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise die Beschaffung von zusätzlichem Eigenkapital abgelehnt, wenn diese nur durch Aufnahme neuer Anteilseigner möglich ist, aber keine neuen Anteilseigner aufgenommen werden sollen. Eine andere Zielsetzung könnte in dem bewusst positiven Ausweis von Liquiditätsgraden20 bestehen, da insbesondere von unternehmensexterner Seite, z.B. von Banken im Rahmen von Kreditwürdigkeitsprüfungen, solche auf dem Jahresabschluss eines Unternehmens basierende Angaben oftmals zur Beurteilung der Bonität des Unternehmens herangezogen werden. Besteht die Zielsetzung darin, eine möglichst positive Beurteilung der Bonität zu erhalten, können die mit der Finanzplanung einhergehenden Entscheidungen so getroffen werden, dass die Liquiditätsgrade nach Außen hin besonders positiv erscheinen. 2.
Abgrenzung alternativer Liquiditätsbegriffe
Der Begriff der Liquidität ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur nicht einheitlich belegt. Prinzipiell lassen sich vier verschiedene Ausprägungen des Liquiditätsbegriffs differenzieren21:
17 18 19 20 21
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 184 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 682; WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 185; DELLMANN (Finanzplanung 1993), S. 638; MÜLHAUPT (Finanzielles Gleichgewicht 1976), Sp. 402-412 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 186 Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 133 Vgl. WEBER (Rentabilität 1998), S. 119; WEBER (Liquiditätsgrade 1999), S. 65; PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 10; MEYER ZU SELHAUSEN (Liquiditätspolitik 1994), Sp. 1388
30
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
x Liquidität als positiver Zahlungsmittelbestand, x Liquidität im Sinne von Liquidierbarkeit von Vermögensgegenständen, x Liquidität als Deckungsverhältnis von Vermögensteilen zu Verbindlichkeiten, x Liquidität als Eigenschaft von Unternehmen, ihren fälligen Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen zu können. Liquidität als positiver Zahlungsmittelbestand bedeutet das Vorhandensein eines Guthabens an Zahlungsmitteln, i.d.R. in Form von Bar- oder Giralgeld. Diese Betrachtungsweise von Liquidität ist jedoch aus unternehmenspolitischer Perspektive nicht befriedigend, da einerseits ein bestimmter Bestand an Zahlungsmitteln keine Aussage darüber zulässt, ob gerade dieser Bestand an Zahlungsmitteln betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Andererseits erlaubt diese Perspektive der Liquidität keine Schlussfolgerungen darüber, ob immer noch genügend Zahlungsmittel vorhanden sind, wenn dem Bestand an Zahlungsmitteln die zu diesem Zeitpunkt fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenübergestellt werden. Schließlich ist ein hoher Bestand an Zahlungsmitteln dann nicht sinnvoll, wenn keinerlei Zahlungsverpflichtungen an das Unternehmen herangetragen werden.22 Liquidität im Sinne von Liquidierbarkeit bezieht sich auf die Geldnähe eines Vermögensgegenstands. Diese Perspektive der Liquidität fokussiert auf die Eigenschaft eines Vermögensgegenstandes, mehr oder weniger schnell in Geld umgewandelt werden zu können. Dabei wird unter der Liquidierbarkeit eines Vermögensgegenstandes nicht die Wiedergeldwerdung im Rahmen des Umsatzprozesses verstanden, d.h. im Zeitraum der Selbstliquidationsperiode. Vielmehr beinhaltet der Begriff der Liquidierbarkeit die Umwandlung in Zahlungsmittel vor Ablauf dieser Periode durch Verkauf oder Beleihung.23 Ein Vermögensgegenstand ist in dieser Sichtweise umso liquider, je schneller er in Zahlungsmittel umgewandelt werden kann (Liquidierungsdauer). Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang marktgängige Vermögensgegenstände. 24 Wird die Liquidität als Deckungsverhältnis von Vermögensteilen zu Verbindlichkeiten gesehen, werden insbesondere die Liquiditätsgrade ermittelt. Die Liquiditätsgrade stellen Verhältniszahlen dar, bei denen bestimmte Vermögenspositionen den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenübergestellt werden. Der Begriff „Liquiditätsgrade“ lässt sich damit erklären, dass von der Liquidität ersten Grades bis
22 23 24
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 215 Vgl. DRUKARCZYK (Liquidität 1982), S. 562 Vgl. GRÖßL (Finanzwirtschaft 1988), S. 28
31
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
zur Liquidität dritten Grades die Geldwerdungsdauer der jeweils in die Analyse einbezogenen Vermögensgegenstände graduell abnimmt.25 Den Liquiditätsgraden liegt die Vorstellung zu Grunde, dass mit den kurzfristigen Verbindlichkeiten (z.B. ein kurzfristiger Bankkredit) keine langfristige Mittelbindung, beispielsweise durch den Kauf einer Anlage, vorgenommen werden sollte, da die Wiedergeldwerdung der gebundenen Mittel über den Zeitraum hinausgeht, in dem die kurzfristigen Mittel bereitstehen, was dann zu Zahlungsschwierigkeiten führen kann. Die Liquiditätsgrade folgen vielmehr dem Gedanken einer fristenkongruenten Finanzierung, wonach langfristig gebundene Mittel langfristig und kurzfristig gebundene Mittel kurzfristig finanziert werden sollen.26 Hinter der Berechnung der Liquiditätsgrade verbirgt sich die Vorstellung, dass mit den kurzfristigen Verbindlichkeiten in näherer Zukunft Auszahlungen verbunden sind, für die liquide Mittel benötigt werden. Stehen solche Mittel nicht in dem erforderlichen Umfang bereit, kann dies in näherer Zukunft zu Liquiditätsschwierigkeiten führen. Zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen sollten daher genügend liquide Mittel oder kurzfristig liquidierbare Vermögenswerte vorhanden sein, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken. In der Bilanz werden einerseits kurzfristige Zahlungsverpflichtungen, andererseits aber auch Mittel zur Deckung dieser Zahlungsverpflichtungen ausgewiesen, wobei unter „kurzfristig“ ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zu verstehen ist. Die drei Liquiditätsgrade lassen sich danach unterscheiden, ob zur Deckung der kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen nur die vorhandenen Zahlungsmittel, das monetäre Umlaufvermögen oder das gesamte Umlaufvermögen eingesetzt werden soll.27 Folgende Abbildung 2 illustriert die Berechnung der Liquiditätsgrade mithilfe entsprechender Formeln und stellt zu jedem Liquiditätsgrad jeweils ein Berechnungsbeispiel dar. Für das Berechnungsbeispiel werden folgende Daten unterstellt: x Vorhandene Zahlungsmittel: 10.000 EUR
25
26 27
x Monetäres Umlaufvermögen:
65.000 EUR
x Umlaufvermögen:
80.000 EUR
x Kurzfristige Verbindlichkeiten:
50.000 EUR
Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 52; BUSSE VON COLBE (Finanzanalyse 2001), Sp. 720; KÜTING/WEBER (Bilanzanalyse 2004), S. 114; TYTKO/MAREK (Unternehmensziele 2001), S. 676 Vgl. BORN (Bilanzanalyse 2001), S. 353; COENENBERG (Jahresabschluss 2003), S. 923 Vgl. GERKE/BANK (Finanzierung 1998), S. 416
32
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Liquidität 1. Grades
Liquidität 2. Grades
Liquidität 3. Grades
Zahlungsmittel Kurzfristige Verbindlichkeiten
Monetäres Umlaufvermögen Kurzfristige Verbindlichkeiten
Umlaufvermögen Kurzfristige Verbindlichkeiten
10.000 EUR 50.000 EUR
65.000 EUR 50.000 EUR
80.000 EUR 50.000 EUR
= 0,2 = 20 %
= 1,3 = 130 %
= 1,6 = 160 %
Barliquidität, Cash Ratio
Acid Test, Net Quick Ratio
Current Ratio
Abbildung 2: Rechnerische Ermittlung der Liquiditätsgrade Die Liquiditätsgrade verdeutlichen, in welchem Umfang zum Bilanzstichtag die kurzfristigen Verbindlichkeiten gedeckt sind. Während bei der Liquidität ersten Grades, die auch als Barliquidität oder als Cash Ratio bezeichnet wird, zur Deckung der kurzfristigen Verbindlichkeiten lediglich die Zahlungsmittel in Form von Kasse und Bankguthaben eingesetzt werden, werden hierzu bei der Liquidität zweiten und dritten Grades zusätzlich auch weitere Vermögensgegenstände herangezogen, die in kurzer Zeit liquidiert, d.h. in liquide Mittel umgewandelt werden können.28 Bei der Liquidität zweiten Grades, die auch Net Quick Ratio oder Acid Test genannt wird, wird das monetäre Umlaufvermögen auf die kurzfristigen Verbindlichkeiten bezogen, wobei das monetäre Umlaufvermögen üblicherweise aus den Zahlungsmitteln, dem kurzfristigen Finanzumlaufvermögen und dem längerfristigen Finanzumlaufvermögen besteht. Demgegenüber wird im Rahmen der Ermittlung der Liquidität dritten Grades, die auch unter dem Terminus „Current Ratio“ bekannt ist, regelmäßig das Umlaufvermögen, das sich aus dem monetären Umlaufvermögen und den Vorräten zusammensetzt, zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten ins Verhältnis gesetzt.29 Grundsätzlich gilt, dass die Liquiditätslage eines Unternehmens umso günstiger zu beurteilen ist, je höher die ermittelten Liquiditätsgrade ausfallen. Jedoch ist zu beachten, dass eine unnötig hohe Liquidität normalerweise zu Lasten der Rentabilität geht. Da Bestände an Zahlungsmittel i.d.R. relativ niedrig verzinst werden, liegt die Liquidität ersten Grades in der Praxis meist sehr niedrig.30 Für die einzelnen Liquiditätsgrade haben sich in der Literatur Sollwerte etabliert, die aus der Analyse von Unternehmen mit einer gesunden Liquiditätslage abgelei-
28 29 30
Vgl. WEBER (Liquiditätsgrade 1999), S. 66-67 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 563 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 52
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
33
tet wurden. So wird im Rahmen der Liquidität ersten Grades ein Wert von 20%, für die Liquiditäten zweiten und dritten Grades Werte von 100% resp. 200% gefordert. Diese Normen werden auch in der anglo-amerikanischen Fachliteratur bestätigt, wobei dort für den Acid Test ein Verhältnis von 1:1 und für die Current Ratio ein Verhältnis von 2:1 postuliert wird.31 Werden die Daten des obigen Beispiels herangezogen, so lässt sich festhalten, dass die Liquiditäten ersten und zweiten Grades die Sollwerte erfüllen, die Liquidität dritten Grades, den geforderten Wert von 200% jedoch nicht erreicht. Die Liquiditätsgrade beziehen sich auf gegenwärtige Bestände an Forderungen, Verbindlichkeiten, Zahlungsansprüche, Zahlungsverpflichtungen sowie liquidierbare Vermögensteile und schließen zukünftige Entwicklungen nicht mit ein. Da für die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit jedoch zukünftige Ein- und Auszahlungen relevant sind, kann die Einhaltung solcher Liquiditätsgrade die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens nicht garantieren.32 Liquidität als Eigenschaft eines Wirtschaftssubjekts, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen zu können, nimmt Bezug auf die Gegenüberstellung von Zahlungsansprüchen und Zahlungsverpflichtungen. Liquidität bedeutet in diesem Sinne nicht, einen möglichst hohen Bestand an Zahlungsmitteln zu besitzen. Sollten zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Zahlungsverpflichtungen anliegen, ist sogar ein Bestand an Zahlungsmitteln in Höhe von Null ausreichend. Es erscheint daher nicht sinnvoll, die Liquidität in Kategorien wie „mehr“ oder „weniger“ zu beschreiben. Vielmehr ist ein Unternehmen liquide oder eben nicht. Die Sicherstellung der Liquidität stellt insofern kein Optimierungsproblem, sondern ein Deckungsproblem dar. Die Einhaltung der Zahlungsfähigkeit ist für ein Unternehmen unbedingt zu gewährleisten, da bei Zahlungsunfähigkeit Insolvenz droht, wodurch die Existenz der Unternehmung gefährdet ist.33 WITTE spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Postulat der Liquidität. 34 Soll die Liquidität im Zielsystem eines Unternehmens berücksichtigt werden, ist letztlich von diesem Liquiditätsbegriff auszugehen, da nur dieser Begriffsinhalt Zielcharakter besitzt.35 Das Postulat der Liquidität entspricht in der von WITTE formulierten Form inhaltlich der Forderung nach Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts.36 Von diesem Liquiditätsbegriff wird im Folgenden ausgegangen. Unter Liquidität wird
31 32 33 34 35 36
Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 563; HELBLING (Cash Flow 2000), S. 875 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 11 Vgl. HAUSCHILDT/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 5 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 24 Vgl. MÜLHAUPT (Finanzielles Gleichgewicht 1976), S. 404 Vgl. GLASER (Liquiditätsreserven 1982), S. 8
34
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
in dieser Arbeit die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden, die zu einem Zeitpunkt fälligen Zahlungsverpflichtungen uneingeschränkt erfüllen zu können.
II.
Aufrechterhaltung des Finanziellen Gleichgewichts als Aufgabe der Finanzplanung
1.
Bestimmungsgrößen der Liquidität
Nach den bisherigen Ausführungen wurde deutlich, dass die Eigenschaft der Liquidität stets auf einen Zeitpunkt bezogen ist. Bislang wurden aber noch keine Aussagen über die Bestimmung dieses Zeitpunktes vorgenommen. Es stellt sich daher die Frage, ob der zu betrachtende Zeitpunkt in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft liegt. Wird als Beurteilungskriterium herangezogen, dass dem Finanzmanagement zur Planung und Durchführung von Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität ein Handlungsspielraum zur Verfügung stehen muss, wird schnell deutlich, dass sich diese Maßnahmen nicht auf die Vergangenheit beziehen können. Solche Maßnahmen können sich lediglich auf die Gegenwart oder die Zukunft beziehen.37 Da die Zahlungsverpflichtungen eines Unternehmens üblicherweise an einem einzelnen Tag fällig werden, gilt der Tag auch als die für die Betrachtung der Liquidität kleinste Einheit.38 Demnach bezieht sich Liquidität auf den gegenwärtigen oder einen zukünftigen Tag. Die Liquidität an einem Tag wird auch als Momentanliquidität bezeichnet.39 Um Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, sind Zahlungsmittel erforderlich. Durch die Übertragung von Zahlungsmitteln kann sich ein Unternehmen von seinen Zahlungsverpflichtungen befreien.40 Charakteristisch für Zahlungsmittel ist, dass diese in Bezug auf die Abgeltung von Zahlungsverpflichtungen vom jeweiligen Zahlungspartner akzeptiert werden. In einer Geldwirtschaft, wie sie dieser Arbeit zugrunde liegt, haben sich allgemein anerkannte Zahlungsmittel herausgebildet. Diese Zahlungsmittel, die auch als liquide Mittel bezeichnet werden, umfassen die Bestände an Bargeld (Banknoten, Münzen) und an Buchgeld in Form von sofort fälligen Forderungen, beispielsweise als Sichtguthaben bei Kre-
37 38 39 40
Vgl. WITTE (Liquidität 1994), Sp. 1382 Vgl. WITTE (Liquiditätspolitik 1963), S. 14 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 206 Vgl. WITTE (Liquiditätspolitik 1963), S. 2
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
35
ditinstituten (Giralgeld) sowie an Zahlungsmittelsurrogaten (Schecks, Wechsel), sofern sie allgemein akzeptiert werden.41 Weiterhin sind neben dem Zahlungsmittelbestand für die Liquidität auch jene Größen relevant, die die Höhe des Bestands an Zahlungsmitteln direkt tangieren. Während eine Einzahlung den Bestand an liquiden Mitteln erhöht, bewirkt eine Auszahlung eine Verminderung des Bestandes an liquiden Mitteln.42 Eine Einzahlung wird beispielsweise durch den Barverkauf von Waren realisiert. Demgegenüber liegt eine Auszahlung z.B. bei Abbuchung der Steuervorauszahlung vom Bankkonto eines Unternehmens vor. Eine Präzisierung der Begriffe Ein- und Auszahlungen kann durch eine Analyse der Konsequenzen erfolgen, die Ein- und Auszahlungen für den Gesamtbestand der Vermögenswerte resp. für das Kapital eines Unternehmens besitzen. In Abhängigkeit davon, ob der Gesamtbestand der Vermögenswerte bzw. das Kapital eines Unternehmens erhöht, verringert oder konstant gehalten wird, lassen sich folgende Möglichkeiten differenzieren:43 x Investition: Unter einer Investition ist eine Auszahlung zu verstehen, die zum Erwerb eines Sachgutes oder Finanztitels vorgenommen wird. Im Rahmen der Durchführung einer Investition findet ein Tausch von Zahlungsmittel in Sach- oder abgeleitete Finanzgüter statt, sodass sich der Kapitalbestand im Unternehmen nicht verändert. x Finanzierung: Im bilanzorientierten Sinne ist unter Finanzierung eine Einzahlung zu verstehen. Diese Einzahlung erhöht den Kapitalbestand des Unternehmens. Eine solche den Kapitalbestand erhöhende Einzahlung kann z.B. im Zuge der Aufnahme eines Bankkredits erfolgen. x Desinvestition: Eine Desinvestition bezeichnet eine aus der Umwandlung von Betriebsgütern in Zahlungsmittel resultierende Einzahlung. Kennzeichnend für eine Desinvestition ist, dass sich der Kapitalbestand im Unternehmen nicht verändert. Eine Desinvestition liegt beispielsweise beim Verkauf einer von einem Unternehmen nicht mehr benötigten Maschine vor. x Definanzierung: Unter einer Definanzierung wird eine Auszahlung verstanden, die zu einer Verringerung des Kapitalbestandes eines Unternehmens führt. Eine solche Auszahlung kann z.B. durch die Rückzahlung eines Bankkredits verursacht werden. 41 42 43
Vgl. DEPPE (Zahlungsverkehr 1976), Sp. 1886; GRILL/PERCZYNSKI/GRILL (Wirtschaftslehre 2002), S. 96 Vgl. LÜCKE (Finanzplanung 1976), Sp. 548 Es liegt demnach eine bilanzorientierte Perspektive zugrunde. Vgl. DÄUMLER (Finanzwirtschaft 1997), S. 16-17
36
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Neben den Ein- und Auszahlungen findet sich in der Literatur weiterhin das Begriffspaar der Einnahmen und der Ausgaben. Abgesehen von den Autoren, die die Begriffe Ein- und Auszahlungen mit den Begriffen Einnahmen und Ausgaben gleichsetzen,44 wird zwischen Einzahlungen und Einnahmen sowie zwischen Auszahlungen und Ausgaben folgender Zusammenhang angeführt:45 x Einnahme = Einzahlung + Forderungszugang + Schuldenabgang x Ausgabe = Auszahlung + Forderungsabgang + Schuldenzugang Zu den Einnahmen werden somit neben den Einzahlungen auch die Forderungszugänge und die Schuldenabgänge gezählt. Unter die Ausgaben fallen die Auszahlungen, die Forderungsabgänge sowie die Schuldenzugänge.46 Einnahmen resp. Ausgaben erweitern somit die Ein- resp. Auszahlungen um die Veränderungen der Forderungen und der Verbindlichkeiten. Forderungen und Verbindlichkeiten stellen jedoch nur Ansprüche auf Zahlungsmittel dar. Die Umwandlung der Ansprüche wird i.d.R. in Verträgen geregelt.47 Damit wird auch deutlich, dass Einzahlungen und Auszahlungen von den Begriffen Forderungen und Verbindlichkeiten abzugrenzen sind. Während Ein- und Auszahlungen unmittelbar den Zahlungsmittelbestand verändern, werden Forderungen und Verbindlichkeiten erst zu einem späteren Zeitpunkt zahlungswirksam. Forderungen und Verbindlichkeiten entstehen regelmäßig durch Kauf resp. Verkauf auf Ziel, wobei für die Bezahlung der Waren ein zukünftiger Zeitpunkt vereinbart wird. Der Kauf (Verkauf) auf Ziel führt demnach nur zu einer Erhöhung von Verbindlichkeiten (Forderungen), der Bestand an Zahlungsmitteln bleibt davon zunächst unberührt.48 Dennoch besitzen Forderungen und Verbindlichkeiten für die Finanzplanung eine gewisse Relevanz, da abgesehen von Ausfällen die Forderungen und Verbindlichkeiten in der Zukunft zahlungswirksam werden und somit auf zukünftige Ein- und Auszahlungen hinweisen.49 Prinzipiell gilt die Liquidität eines Unternehmens dann als gegeben, wenn es gelingt, aus dem Zahlungsmittelbestand zu Beginn eines Tages zuzüglich der Einzahlungen des Tages die Auszahlungen, die an diesem Tag aufgrund von Zahlungsverpflichtungen vorgenommen werden müssen, zu bestreiten. Diese Bedingung wird in folgender Abbildung 3 visualisiert.
44 45 46 47 48 49
Vgl. z.B. FUGMANN (Instrumente 2000), S. 13; KOSIOL (Ausgaben 1984), Sp. 326 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 196; LÜCKE (Finanzplanung 1976), Sp. 548 Vgl. FRANKE/HAX (Finanzwirtschaft 2003), S. 74 Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 11 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 9 Vgl. LÜCKE (Finanzplanung 1976), S. 554
37
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Zahlungsmittelbestand zu Beginn eines Tages
+
Summe der Einzahlungen am Planungstag
t
Summe der an diesem Tag notwendigen Auszahlungen
Abbildung 3: Bedingung für die Liquidität an einem Tag Zusätzlich zu dem Bestand an Zahlungsmitteln sind bei Liquiditätsüberlegungen die Quellen relevant, aus denen Zahlungsmittel bezogen werden können. Es wird in diesem Zusammenhang von den so genannten potenziellen Zahlungsmitteln gesprochen.50 Zu den potenziellen Zahlungsmitteln zählen nach WITTE die bislang nicht genutzten Kreditlinien, über die ein Unternehmen jederzeit und uneingeschränkt verfügen kann. Die potenziellen Zahlungsmittel ergänzen die (realen) Zahlungsmittel zur Zahlungskraft.51 Da es zur Abgeltung von Zahlungsansprüchen jedoch gleichgültig ist, aus welchen Quellen die Zahlungsmittel bezogen werden, stellt sich die Frage, warum die Zahlungskraft auf die realen Zahlungsmittel und den Kreditspielraum zu begrenzen ist. Wird dieser Überlegung gefolgt, so sind auch solche Werte der Vermögensgegenstände in die Liquiditätsbetrachtungen einzubeziehen, die nicht betriebsnotwendig sind und die jederzeit in Zahlungsmittel umgewandelt werden können. Beispiele für solche Vermögensgegenstände sind die geldnahen Aktiva, die auch als Near Money Assets bezeichnet werden. Beispiele für Near Money Assets sind Wertpapiere mit einer geringen (Rest-)Laufzeit, die entweder börsengehandelt sind oder für die ein Sekundärmarkt existiert, oder Anteile an Geldmarktfonds.52 Wenngleich gelegentlich die Auffassung vertreten wird, Near Money Assets den Zahlungsmitteln gleichzusetzen, werden die geldnahen Aktiva, ebenso wie die freien Kreditlinien, meist als Liquiditätsreserve interpretiert, d.h. sie können dazu eingesetzt werden, einen zukünftigen Bedarf an liquiden Mittel kurzfristig zu decken.53 Sollen Zahlungsansprüche mithilfe von potenziellen Zahlungsmitteln abgegolten werden, sind die potenziellen Zahlungsmittel zuerst in reale Zahlungsmittel umzuwandeln, da lediglich die Übertragung von realen Zahlungsmitteln eine befreiende Wirkung entfaltet. Diese Umwandlung bewirkt einen Zufluss an realen Zahlungsmitteln. Der Bestand an potenziellen Zahlungsmitteln besitzt für die Liquidität eine besondere Relevanz. Die Umwandlung der potenziellen Zahlungsmittel in reale Zahlungsmittel kann nämlich vom Finanzmanagement weitestgehend selb50 51 52 53
Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 11 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 25 Vgl. SÜCHTING (Finanzmanagement 1995), S. 568 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 198
38
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
ständig und sehr kurzfristig durchgeführt werden. Im Gegensatz dazu sind die Einzahlungen, die beispielsweise aus dem Umsatzprozess resultieren, weitestgehend fremdbestimmt und die Dispositionen, die für die Auslösung der Einzahlungen verantwortlich zeichnen, liegen zeitlich meist deutlich vor den Einzahlungszeitpunkten.54 Für die Liquidität eines Unternehmens ist es daher wesentlich, die potenziellen Zahlungsmittel so zu dimensionieren, dass sie am Betrachtungstag zusammen mit dem Bestand an Zahlungsmitteln und den restlichen Einzahlungen des Tages ausreichen, die Auszahlungen, die aus Zahlungsverpflichtungen resultieren, zu decken. 2.
Steuerung von Ein- und Auszahlungen im Zeitablauf
Im Folgenden wird nun die Betrachtung der Liquidität in einem einzelnen Zeitpunkt aufgegeben. Diese Sichtweise war insofern gerechtfertigt, als die Liquidität als zeitpunktbezogene Größe definiert wurde. Nun soll aber nicht wie bisher der Frage nachgegangen werden, welche Bedingungen in einem Zeitpunkt vorherrschen müssen, damit ein Unternehmen liquide ist. Vielmehr soll nachfolgend betrachtet werden, wie die Liquidität im Zeitablauf erreicht werden kann. Eine solche Betrachtung erfordert jedoch eine Zeitraumbetrachtung. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der Zahlungsmittelbestand an einem künftigen Tag aus dem heutigen und dessen zukünftiger Veränderung durch Ein- und Auszahlungen bis hin zum Betrachtungszeitpunkt ergibt. Bezieht sich Liquidität auf Zeitabschnitte, die länger als ein Tag sind, wird sie als Periodenliquidität bezeichnet.55 Die Ermittlung der Periodenliquidität basiert demnach auf einem Zeitraum, d.h. die Liquidität wird z.B. für eine Woche, einen Monat oder ein Jahr festgestellt. Die einzelnen Zahlungen werden dann nicht für jeden Zeitpunkt innerhalb der Periode ausgewiesen, sondern für die gesamte Periode aggregiert aufgenommen. Die Periodenliquidität eines Unternehmens kann dann als erfüllt angesehen werden, wenn die Summe der Einzahlungen in einer Periode und der Anfangsbestand der liquiden Mittel mindestens so groß sind wie die Summe der Auszahlungen in der Periode.56 Abbildung 4 stellt die Bedingung für die Gewährleistung der Periodenliquidität dar.
54 55 56
Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 13 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 205 Vgl. LAUF (Liquiditätssicherung 1977), S. 26
39
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Anfangsbestand an liquiden Mitteln
+
Summe der Einzahlungen der Periode
t
Summe der Auszahlungen der Periode
Abbildung 4: Bedingung für die Gewährleistung der Periodenliquidität Die Verwendung der Periodenliquidität bei der Liquiditätsermittlung weist einige Vor- und Nachteile auf. Vorteilhaft ist zum einen, dass durch den Einsatz aggregierter Periodenzahlungen der Planungsaufwand gegenüber der Ermittlung der Zahlungen zu jedem einzelnen Zahlungszeitpunkt deutlich geringer ausfällt. Darüber hinaus kann diese Vorgehensweise auch bei Zahlungen sinnvoll sein, die weit in der Zukunft liegen und die sich daher nicht exakt auf einen Zeitpunkt fixieren lassen. Als Nachteil ist anzuführen, dass aus der Gewährleistung der Periodenliquidität nicht auch die Wahrung der Momentanliquidität innerhalb der Periode folgt. Dies resultiert insbesondere daraus, dass die Betrachtung der Periodenliquidität keine Aussage über die zeitliche Verteilung von Ein- und Auszahlungen innerhalb der Periode gestattet. Selbst wenn z.B. der Anfangsbestand an liquiden Mitteln und die gesamten Einzahlungen einer Dekade größer oder gleich den gesamten Auszahlungen derselben Dekade sind, muss die tagesbezogene Zahlungsfähigkeit nicht gewährleistet sein.57 Abbildung 5 illustriert diesen Sachverhalt grafisch. Kumulierte Einzahlungen Kumulierte Auszahlungen
Kum. Einzahlungen Kum. Auszahlungen Finanzmittelunterdeckung
Anfangsbestand an liquiden Mitteln
Tage Planungsperiode
Abbildung 5: Perioden- und Momentanliquidität58
57 58
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 26 In Anlehnung an PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 632; LAUF (Liquiditätssicherung 1977), S. 27
40
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Da sich die Liquiditätsfrage jeden Tag stellt, ist bei einer Betrachtung der Zeitraumliquidität zusätzlich die Liquidität zu jedem einzelnen Zeitpunkt der betrachteten Periode zu fordern. Dieser Umstand gestaltet sich jedoch problematisch, da die zwischen den einzelnen Zeitpunkten bestehenden Interdependenzen mit in die Überlegungen einzubeziehen sind.59 Dies zeigt sich bereits daran, dass ein Unternehmen in einem Zeitpunkt nur dann existent sein kann, wenn es in allen vorangegangenen Zeitpunkten auch existent war. Darüber hinaus wurde bereits angeführt, dass Einzahlungen, die aus dem Bestand an potenziellen Zahlungsmitteln fließen, für die Liquiditätserhaltung von besonderer Relevanz sind, da sie kurzfristig und eigenständig disponierbar sind. Bei einer Betrachtung mehrerer Zeitpunkte zeigt sich aber, dass solche Einzahlungen häufig mit späteren Auszahlungen verbunden sind. So führt beispielsweise die Aufnahme eines Kredits zu Einzahlungen, der für den Kredit zu leistende Kapitaldienst ist jedoch mit Auszahlungen zu späteren Zeitpunkten verbunden. Somit sind stets die Interdependenzen zwischen einer positiven Wirkung auf die Liquidität in einer früheren Periode und die negativen Auswirkungen auf die Liquidität in einer oder mehreren späteren Perioden zu berücksichtigen. Damit wird deutlich, dass im Rahmen von Liquiditätsüberlegungen nicht jeder Zeitpunkt isoliert betrachtet werden darf. Vielmehr sind die Ein- und Auszahlungen im Zeitablauf in Einklang zu bringen und kontinuierlich abzustimmen. Einen solchen Zustand bezeichnet GUTENBERG als „finanzielles Gleichgewicht“. 60 In dieser Perspektive ist die Forderung nach Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts gleichbedeutend mit der Forderung, an jedem zukünftigen Tag liquide zu sein.61 Zur Erfüllung dieser Forderung müssen die Ein- und Auszahlungen so disponiert werden, dass die Zahlungsfähigkeit in jedem zukünftigen Zeitpunkt erfüllt ist.62 Notwendige Voraussetzung hierfür ist, dass zumindest ein Teil der künftigen Einund Auszahlungen disponierbar ist. Dies ist aber bereits deshalb gegeben, da zum Planungszeitpunkt noch nicht sämtliche künftigen Zahlungen betrags- und zeitpunktgenau festliegen. Beispielsweise können Auszahlungen aus Zahlungsverpflichtungen resultieren, die von Entscheidungen abhängen, die erst in der Zukunft getroffen werden. Möglicherweise können auch Auszahlungen, deren Begründung in der Vergangenheit liegt, noch disponiert werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die maßgebenden Verträge, die die Zahlungsverpflichtungen begründen, keine taggenaue Fixierung der Auszahlungen beinhalten. Darüber hinaus ist
59 60 61 62
Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 15 Vgl. GUTENBERG (Grundlagen 1984), S. 114 Vgl. GLASER (Liquiditätsreserven 1982), S. 8 Vgl. MÜLHAUPT (Finanzielles Gleichgewicht 1976), Sp. 403
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
41
auch ein Teil der künftigen Einzahlungen im Betrachtungszeitpunkt durchaus variabel, da Unternehmen stets neue Zahlungsansprüche zu generieren suchen. Weiterhin können in der Zukunft auch Einzahlungen z.B. aus Krediten fließen, über deren Inanspruchnahme erst in der Zukunft entschieden wird. Es erscheint daher im Rahmen der Planung sinnvoll, die Zahlungen, die zum Betrachtungszeitpunkt schon fest zugeordnet sind, von den Zahlungen, die zum Betrachtungszeitpunkt noch disponierbar sind, zu unterscheiden. Die Liquidität ist dann durch die Gestaltung der in der Zukunft noch disponiblen Ein- und Auszahlungen zu sichern.63 3.
Weitere Zielsetzungen
Zur Definition der Gestaltungsaufgabe „Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts“ sind Ziele festzulegen, die im Rahmen der Steuerung der Einund Auszahlungen zu berücksichtigen sind. Die Liquidität in jedem zukünftigen Zeitpunkt wurde bereits als ein solches Ziel identifiziert. Bislang wurde jedoch noch nicht berücksichtigt, dass die Möglichkeit besteht, dass die später tatsächlich anfallenden Zahlungen von den geplanten Zahlungen abweichen können. Dies ist aber von großer Bedeutung. Denn liegt eine Planung vor, für die die Liquiditätsbedingung in jedem künftigen Zeitpunkt erfüllt ist, können lediglich noch solche Abweichungen zu Liquiditätsproblemen führen. Als weiteres Ziel ist daher das Streben nach Sicherheit anzuführen, das in der Forderung zum Ausdruck kommt, für eventuelle Planabweichungen Vorsorge zu betreiben.64 Dem Ziel Streben nach Sicherheit kann alleine durch die Festlegung der disponiblen Ein- und Auszahlungen nicht hinreichend genüge getan werden. Vielmehr sind im Unternehmen Ausgleichspuffer zu etablieren, um liquide zu bleiben. Aus solchen Puffern müssen im Bedarfsfall zusätzliche Einzahlungen generiert werden können.65 Die Möglichkeit, außerplanmäßige Einzahlungen zu generieren, wird wesentlich von der Gestaltung der planmäßigen Zahlungen beeinflusst. So können beispielsweise überschüssige Mittel zur Erhöhung des Bestands an potenziellen Zahlungsmitteln verwendet werden, indem z.B. Finanzanlagen getätigt werden. Weiterhin kann durch Einhalten bestimmter Regeln bei der Gestaltung von Ein- und Auszahlungen die Kreditwürdigkeit des Unternehmens erhöht werden. Die Steuerungsaufgabe „Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts“ zeichnet sich nicht nur durch das planmäßige liquide Sein in jedem zukünftigen Zeitpunkt aus. Wei-
63 64 65
Vgl. MÜLHAUPT (Finanzielles Gleichgewicht 1976), Sp. 406; auch BENNER (Finanzwirtschaft 1983), S. 30 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 211 Vgl. KOSIOL (Finanzplanung 1955), S. 264
42
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
terhin besteht auch die Forderung, dass Ausgleichspuffer geschaffen werden, die zur Überwindung potenzieller Planabweichungen herangezogen werden können.66 Das planmäßige liquide Sein und die Schaffung von Ausgleichpuffern stellen aber nicht die einzigen Zielsetzungen der vorliegenden Steuerungsaufgabe dar, d.h. das finanzielle Gleichgewicht kann nicht allein durch die Berücksichtigung von Liquiditätsgesichtspunkten erreicht werden. Vielmehr kann lediglich dann von einem finanziellen Gleichgewicht gesprochen werden, wenn die Zahlungsströme in Bezug auf das ganze Zielsystems eines Unternehmens optimal aufeinander abgestimmt sind.67 Als Zielgröße im Zielsystem eines Unternehmens, soweit die finanzielle Sphäre direkt betroffen ist, kommt dem Gewinn- oder Rentabilitätsstreben eine besondere Bedeutung zu, da sich in diesem das erwerbswirtschaftliche Prinzip widerspiegelt.68 In diesem Sinne ist von einem finanziellen Gleichgewicht nur dann zu sprechen, wenn der Entscheidungsträger die Zahlungsströme in der Weise aufeinander abstimmt, dass die Zahlungsfähigkeit in jedem Zeitpunkt gewährleistet ist und die Liquiditätsdispositionen so getroffen werden, dass der Gewinn des Unternehmens ein Maximum annimmt.69 Verhalten sich das Gewinnstreben und das Sicherheitsstreben gleichläufig, stellt diese zweiseitige Zielverfolgung kein Problem dar. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn mit einem Mehr an Gewinn die Eigenkapitalbasis verbreitert und somit der Anteil an Fremdkapital vermindert werden kann, oder wenn davon auszugehen ist, dass mit einer hohen Gewinnerwartung die Kapitalgeber eher zur Überlassung finanzieller Mittel bereit sind.70 Das Gewinnstreben und das Sicherheitsstreben verhalten sich jedoch nicht zwingend im Gleichlauf. Vielmehr besteht zwischen diesen Zielgrößen häufig ein Zielkonflikt.71 Dieser Zielkonflikt zeigt sich insbesondere darin, dass zur Sicherstellung der Liquidität Ausgleichspuffer zu halten sind. Werden diese Ausgleichspuffer in Form von liquiden Mitteln gehalten, wird zwar einerseits das Ziel der Zahlungsfähigkeit gefördert. Andererseits werden die Mittel aber dem Prozess der Leistungserstellung entzogen, was zu einem Gewinnentgang führt, der dem Gewinnstreben zuwiderläuft.
66 67 68 69 70 71
Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 9 Vgl. MÜLHAUPT (Finanzielles Gleichgewicht 1976), Sp. 404 Vgl. GIESE (Liquidität 1971), S. 126 Vgl. MÜLHAUPT (Finanzielles Gleichgewicht 1976), Sp. 406 Vgl. BENNER (Finanzwirtschaft 1983), S. 346 Vgl. MÜLHAUPT (Finanzielles Gleichgewicht 1976), Sp. 404
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
43
III. Eingrenzung der Steuerungsaufgabe 1.
Forderung nach einer Gesamtplanung
Zur Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts sind die zu künftigen Zahlungen führenden Aktivitäten unter Berücksichtigung der genannten Zielkriterien festzulegen. Diese Aufgabe, die im Rahmen der Finanzplanung durchzuführen ist, zeigt sich als sehr komplex. Dies zeigt eine Betrachtung der möglichen Einflussbereiche der Zahlungen. In einer vereinfachten Modellbetrachtung eines Unternehmens lassen sich die Verbindungen des Unternehmens zu seiner Umwelt als Güterströme charakterisieren.72 Diese Ströme fließen entweder in das Unternehmen hinein, wie z.B. RohHilfs- und Betriebsstoffe oder verlassen das Unternehmen, wie z.B. Absatzprodukte. Dabei lassen sich die Güterströme entweder den Realgüterströmen und den Nominalgüterströmen zuordnen. Während Realgüterströme den Leistungsprozess von der Beschaffung der Einsatzgüter über die Produktion bis hin zum Absatz der produzierten Güter wiedergeben, beinhalten Nominalgüterströme alle Maßnahmen zur Bereitstellung und Verwendung von Geld und Ansprüchen auf Geld.73 Prinzipiell gilt, dass alle Realgüterströme mit entgegengesetzt verlaufenden Nominalgüterströmen einher gehen. Neben solchen gekoppelten Nominalgüterströmen existieren weiterhin reine Nominalgüterströme, die nicht auf Realgüterströme zurückgeführt werden können. Es handelt sich dabei um Zahlungen, die ausschließlich die Finanzsphäre betreffen. Beispielsweise treten solche Zahlungen infolge der Aufnahme bzw. der Tilgung von Eigen- und Fremdkapital auf.74 Als Gegenstand einer umfassenden Finanzplanung sind nicht nur die Zahlungen anzusehen, die der Finanzsphäre zuzuordnen sind, d.h. die aus Finanzierungsmaßnahmen resultieren. Vielmehr sind sämtliche Prozesse eines Unternehmens, die mit Zahlungen verbunden sind, im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts zu steuern. Alle Maßnahmen, die von einem Unternehmen ergriffen werden können und die gleichzeitig Zahlungen verursachen, müssen im Zuge der Finanzplanung als Entscheidungsvariablen berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang wird die Forderung erhoben, dass bei der Finanzplanung das gesamte Unternehmen in die Betrachtung einbezogen werden muss. Der Finanzplan, in den die im Zuge der Finanzplanung getroffenen Entscheidungen ein-
72 73 74
Vgl. DRÜNKLER (Finanzplanung 1983), S. 35 Vgl. TROßMANN (Finanzplanung 1990), S. 36 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 19
44
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
fließen, stellt den eigentlichen Gesamtplan eines Unternehmens dar. Er umschließt sämtliche Teilbereiche eines Unternehmens.75 Der Finanzplan steht im Zentrum des betrieblichen Gesamtplanungssystems, da zum einen alle betrieblichen Planungen gegenstandslos werden, sollte ihre Finanzierung nicht gesichert sein. Zum anderen wird die künftige finanzielle Lage wesentlich durch Aktivitäten in den anderen Teilbereichen beeinflusst. So werden die Einzahlungen maßgeblich von der Absatzplanung, die Auszahlungen von der Beschaffungsplanung beeinflusst76. Darüber hinaus weisen auch die Teilpläne des leistungswirtschaftlichen Bereichs vielfältige Verflechtungen auf. So besitzt z.B. die Forschung und Entwicklung einen Einfluss auf die künftige Verfahrenstechnik und damit auch auf das Produktionssortiment und den Absatz der Zukunft. Aus der Absatzplanung werden weiterhin die Produktions- und Lagerhaltungsplanungen erstellt, aus denen wiederum der zukünftige Bedarf an Betriebsmitteln, Personal und Material abgeleitet werden kann. Die für die Beschaffung der Produktionsfaktoren relevanten Zeitpunkte und Mengen hängen wiederum vom jeweiligen Fertigungsverfahren sowie von der Lagerkapazität ab.77 Bedingt durch die gegenseitige Beeinflussung besteht aus theoretischer Sicht die Forderung, die Teilplanungen in einem das ganze Unternehmen umfassenden, simultan78 erstellten Finanzplan zusammenzufassen.79 Dies ist jedoch wegen der großen Anzahl an Variablen und Nebenbedingungen, die ein solches umfassendes (Unternehmens-)Planungsmodell aufgrund der Berücksichtigung von Wechselwirkungen zwischen den variablen Elementen aufweisen würde, äußerst problematisch. Darüber hinaus sind in einer Gesamtplanung nicht nur die sachlichen Verknüpfungen der einzelnen Variablen abzubilden. Da im Rahmen der Finanzplanung sämtliche zu Zahlungen führenden Maßnahmen als Entscheidungsvariablen aufzufassen sind, sind die aus den Teilplanungen resultierenden Ein- und Auszahlungen auch für einen langen Zeitraum, d.h. für mehrere Jahre, zu ermitteln. Dies ist z.B. deshalb notwendig, da sich die Zahlungsreihen von Investitionen über Zeiträume erstrecken, die i.d.R. länger als ein Jahr sind, und die häufig mehrere Jahre umfassen.80
75 76 77 78
79 80
Vgl. GLASER (Liquiditätsreserven 1982), S. 17 Vgl. BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 5-6 Vgl. BIEG (Finanzplanung 1999), S. 426 Im Rahmen der simultanen Finanzplanung werden die Teilpläne insbesondere mit den Methoden der linearen Programmierung in einem einzigen Schritt geplant, sodass alle Variablen der Teilpläne gleichzeitig optimiert werden. Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 633; auch BRAUN (Finanzplanung 1999), S. 74-78 Vgl. WÖHE/BILSTEIN (Grundzüge 2002), S. 339 Vgl. GLASER (Liquiditätsreserven 1982), S. 17
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
45
Eine solche Forderung nach einer das gesamte Unternehmen umfassenden simultanen Gesamtplanung wird jedoch aus sachlichen wie auch aus zeitlichen Gründen als Utopie angesehen.81 Daher ist das in seiner Gesamtheit nicht zu lösende Planungsproblem in seiner Komplexität zu reduzieren. Für die Verringerung der Komplexität eines solchen Planungsproblems existieren prinzipiell zwei Möglichkeiten.82 Einerseits können Entscheidungsvariablen als konstante Größen unterstellt werden, wodurch interdependente Wirkbeziehungen in Dependenzen transformiert werden. Andererseits können bestimmte Entscheidungsvariablen und ihre Wechselwirkungen vollständig vernachlässigt werden. Im Rahmen der Finanzplanung werden beide Formen der Komplexitätsreduktion eingesetzt. Dazu wird eine im Folgenden zu zeigende Differenzierung der Planungsaufgabe sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht vorgenommen. 2.
Sachliche Differenzierung
Im Rahmen der sachlichen Differenzierung der Finanzplanung wird von einer Simultanplanung Abstand genommen und zu einer sukzessiven Finanzplanung übergegangen. Bei einer sukzessiven Finanzplanung wird der Finanzplan durch schrittweise Zusammenführung der übrigen betrieblichen Teilpläne erstellt.83 Dabei wird zuerst der Teilbereich geplant, dem die größte Bedeutung beigemessen wird. Aufgrund der prinzipiellen Marktorientiertheit stellt meist der Absatzbereich den Teilbereich mit der größten Bedeutung dar. Aufbauend auf diese Teilplanung werden im Folgenden die übrigen Teilplanungen schrittweise abgeleitet, d.h. aus dem Absatzplan wird der Produktionsplan, aus dem Produktionsplan der Beschaffungsplan und der Investitionsplan, usw. abgeleitet. Die Ein- und Auszahlungen, die sich aus den Teilplänen ergeben, werden als feste Größen in den Finanzplan aufgenommen. Die Finanzplanung erweist sich in diesem Fall als Sekundärplanung, d.h. die nach erfolgswirtschaftlichen Überlegungen aufgestellten, der Finanzplanung vorgelagerten Teilpläne werden als Datum betrachtet. Eine solche Finanzplanung, die keine Eingriffe in den leistungswirtschaftlichen Bereich vornimmt, wird auch als passive Finanzplanung bezeichnet.84 Im Rahmen der Finanzplanung soll die finanzielle Durchführbarkeit der Teilpläne geprüft und sichergestellt werden. Sind Maßnahmen der Steuerung der Zahlungen erforderlich, indem der Finanzplan einen Überschuss oder einen Fehlbetrag an finanziellen Mitteln ausweist, sind diese – solange die Durchführbarkeit der Teil-
81 82 83 84
Vgl. EHRMANN (Unternehmensplanung 2002), S. 389; CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 22; ADAM weist auf die zu hohe Problemkomplexität hin. Vgl. ADAM (Planung 1996), S. 374 Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 22 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 633 Vgl. ALBACH (Kapitalbindung 1962), S. 379
46
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
planungen sichergestellt ist – nach erfolgswirtschaftlichen Kriterien vorzunehmen.85 Am Ende des Planungsprozesses liegt ein Finanzplan vor, der die Sicherung der Zahlungsfähigkeit zu minimalen Finanzierungskosten realisieren soll. Die Vorgehensweise einer sukzessiven Planung unterstellt implizit, dass die Nachfolgepläne stets an die vorgelagerten Pläne angepasst werden können. Dies bedeutet für den Finanzplan, dass er an die ihm vorgelagerten Pläne der Leistungssphäre beliebig angepasst werden kann. Im Rahmen der Finanzplanung müsste es demnach stets möglich sein, auf der Basis der aus dem Realgüterstrom abgeleiteten Zahlungen die Zahlungsfähigkeit sicherzustellen, ohne Eingriffe in den Leistungsbereich vorzunehmen, um die aus dem Leistungsbereich resultierenden Zahlungen zu verändern. In der Realität ist jedoch zu beobachten, dass in jedem Unternehmensbereich Engpässe auftreten können. Solche Engpässe stehen einer problemlosen Anpassung der Folgepläne an die vorgelagerten Pläne im Wege. Auch im Bereich der Finanzplanung können Engpässe auftreten. Ein Engpass im Bereich der Finanzplanung artikuliert sich dahingehend, dass die Zahlungen aus dem Leistungsbereich einen Auszahlungsüberschuss signalisieren, der nicht durch finanzwirtschaftliche Maßnahmen, z.B. durch Ausnutzung der Finanzierungsmöglichkeiten oder durch Inanspruchnahme finanzieller Reserven, ausgeglichen werden kann.86 Der Finanzplan zeigt in diesem Fall eine Unterdeckung an, die zur Illiquidität führen würde, wenn der Plan ohne Änderungen realisiert werden würde. Eine solche Situation wird auch als Liquiditätsengpass bezeichnet.87 In einer durch einen Liquiditätsengpass gekennzeichneten Krisensituation sind alle unternehmerischen Aktivitäten auf den Engpassbereich abzustellen, wobei erfolgswirtschaftliche Zielsetzungen in dieser Situation völlig in den Hintergrund treten und die Aufrechterhaltung der Liquidität zur dominanten Aufgabe des Unternehmens aufsteigt. Zur Abwendung der drohenden Illiquidität muss eine nachhaltige Überprüfung der Unternehmenspolitik vorgenommen werden. Dazu sind notwendigerweise die Aktivitäten im leistungswirtschaftlichen Bereich zu überdenken und ggf. zu ändern. Die liquiditätspolitischen Anpassungsmaßnahmen in einer Krisensituation lassen sich grundsätzlich einer der beiden nachfolgend beschriebenen Strategien zuordnen88: x Verschieben oder Senken von Auszahlungen: Z.B. durch Aufschieben oder Verzichten auf Investitionen, Verzicht auf die Ersatzbeschaffung von Werkstoffen oder Betriebsmitteln. 85 86 87 88
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 30 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 13 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 31 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 13
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
47
x Erhöhung oder Beschleunigung von Einzahlungen: Z.B. Verkauf von Forderungen aus dem Umsatzprozess vor deren Fälligkeit, Verkauf und zugleich Rückmietung von Aktiva oder Liquidation nicht zur momentanen Produktion benötigter Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Die Handlungsfreiheiten des Finanzmanagements sind im Falle eines Liquiditätsengpasses zum einen dadurch eingeschränkt, dass kein Finanzierungsspielraum mehr besteht. Auf der anderen Seite wird der Aktionsspielraum jedoch erweitert, da in einer solchen Krisensituation die für die Liquidität verantwortliche Instanz stärkere Eingriffsmöglichkeiten in die erfolgswirtschaftlichen Prozesse erlangt als im Normalfall.89 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Aufgabenstellung, die im Rahmen der Finanzplanung zu erfüllen ist, entscheidend von der Frage abhängt, ob sich das Unternehmen einem Liquiditätsengpass gegenüber sieht oder eben nicht. Für den Fall, dass kein Liquiditätsengpass zu überwinden ist, d.h. die geplanten Aktivitäten des Leistungsbereiches sind grundsätzlich finanzierbar und die Grenzen der Finanzierung sind noch nicht erreicht, geht es darum, einen erfolgsoptimalen Ausgleich der aus dem Leistungsbereich abgeleiteten Zahlungen herzustellen. Liegt demgegenüber ein Liquiditätsengpass vor, tritt die erfolgswirtschaftliche Sichtweise in den Hintergrund, sodass die Zahlungsfähigkeit mithilfe eines Krisenmanagements mit allen Mitteln sichergestellt werden muss, was ggf. auch Eingriffe in den Leistungsbereich erfordern kann. Eine solche Krisensituation sollte im Leben eines Unternehmens jedoch durchaus Ausnahmecharakter besitzen. Demgegenüber wurde die Situation, in der die leistungswirtschaftlich induzierten Zahlungen nicht zu einem finanziellen Engpass führen, konsequenterweise als Normalfall bezeichnet.90 3.
Differenzierung in zeitlicher Hinsicht
Während die sachliche Differenzierung der Gesamtplanungsaufgabe der Finanzplanung eine Entkopplung der leistungswirtschaftlichen und der finanzwirtschaftlichen Sphäre hin zu einer sukzessiven Finanzplanung vornimmt, führt die zeitliche Differenzierung zu einer Unterteilung der Finanzplanung in Planungsrechnungen mit unterschiedlichem Zeithorizont. Eine Gesamtfinanzplanung müsste prinzipiell so ausgestaltet sein, dass eine Sicherstellung der Liquidität über einen sehr langen Zeitraum möglich ist, um die Konsequenzen der aus den Investitionen resultierenden Zahlungen für die Ebene der Zahlungsfähigkeit korrekt abbilden zu können. Andererseits muss eine Fi89 90
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 31 Vgl. STRAUB (Finanzdisposition 1974), S. 1-2
48
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
nanzplanung aber auch so konzipiert sein, dass für jeden zukünftigen Tag die Liquidität sichergestellt werden kann. Damit tritt neben die Forderung nach einer Finanzplanung mit einer langen zeitlichen Reichweite auch die Forderung nach einer Präzision, die letztlich eine taggenaue Prognose sämtlicher Zahlungen gestattet. Nun ist aber zumindest tendenziell festzustellen, dass mit zunehmender zeitlicher Reichweite die inhaltliche und zeitliche Präzision der Prognose von Zahlungen immer geringer wird, da mit zunehmendem Abstand vom Planungszeitpunkt das Wissen, das für eine Vorhersage von Betrag und Zeitpunkt von Zahlungen notwendig ist, mehr und mehr abnimmt.91 Zahlungen, die weit in der Zukunft liegen, lassen sich daher nur sehr grob mehr oder weniger großen Zeiträumen zuordnen. Somit bleibt festzustellen, dass die Forderungen nach einer langen zeitlichen Reichweite einerseits und nach einer hohen (taggenauen) Präzision konfligieren. Zur Lösung des Konflikts ist auch in zeitlicher Hinsicht eine Vereinfachung erforderlich. Dabei besteht einerseits die Möglichkeit, die Planung für einen eher langen Zeitraum durchzuführen, wobei dann jedoch eine grobe Zuordnung der Zahlungen zu größeren Zeitintervallen akzeptiert werden muss. Andererseits kann auch versucht werden, für kürzere Zeiträume relativ genaue Prognosen zu erstellen.92 Im Rahmen der Finanzplanung werden üblicherweise beide Ansätze berücksichtigt, sodass die Finanzplanung i.d.R. in zeitlicher Hinsicht in drei Finanzplanungsrechnungen untergliedert wird.93 Bei den drei Planungsrechnungen handelt es sich um die langfristig ausgelegte Kapitalbindungsplanung, die für kurze Zeiträume konzipierte (kurzfristige) Finanzplanung und den (sehr kurzfristig) ausgelegten Liquiditätsstatus.94 Die Finanzplanungsrechnungen sind nicht als einzelne oder als sich ausschließende Rechnungen zu verstehen. Vielmehr ergänzen sich diese Rechnungen.95 Die Basis der Finanzplanung stellt der langfristig ausgerichtete Kapitalbindungsplan dar. Der Kapitalbindungsplan, der mit der Unternehmensplanung abgestimmt ist, zeigt die geplante Kapitalverwendung und Kapitalherkunft zukünftiger Jahre auf und bestimmt die zukünftige Liquiditätssituation eines Unternehmens. Aufgrund seiner langfristigen Ausrichtung liefert der Kapitalbindungsplan jedoch keine de-
91 92 93
94 95
Vgl. LÜCKE (Finanzplanung 1976a), Sp. 568 Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 25 Vgl. z.B. TROßMANN (Finanzplanung 1990), S. 40; MENSCH (Finanz-Controlling), S. 33; BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 9. Neben dem dreiteiligen Ansatz existiert in der Literatur auch ein zweistufiger Ansatz, der zwischen der langfristigen und der kurzfristigen Planung unterscheidet. Vgl. PFAFF (Finanzcontrolling 2001), S. 33, PRÄTSCH (Finanzplanung 1986), S. 28 Vgl. TROßMANN (Finanzplanung 1990), S. 40 WOSSIDLO spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem System der Finanzplanung. Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 690
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
49
taillierten Daten, sondern lediglich grobe Rahmenvorgaben. Diese Rahmenvorgaben werden im Zuge der kurzfristiger ausgerichteten Finanzplanung aufgegriffen und weiter konkretisiert. Der Liquiditätsstatus weist schließlich die Liquidität eines Unternehmens an einem einzelnen Tag aus. Die Maßnahmen, die im Rahmen des Liquiditätsstatus zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit noch getroffen werden können, sind aus zeitlichen Gründen sehr begrenzt. Weiterhin sind lediglich solche Maßnahmen zulässig, die im Einklang mit den Vorgaben des Kapitalbindungsplans und des Finanzplans stehen. Wenngleich die drei Finanzplanungsrechnungen nur im Verbund ihre vollständige Wirkung entfalten können, scheint doch der Aufwand, der mit dem gleichzeitigen Einsatz der drei Planungsrechnungen verbunden ist, von vielen Unternehmen als zu hoch eingeschätzt zu werden. So setzen nach einer empirischen Untersuchung von BANKHOFER und HILBERT zwar 98 % der befragten Unternehmen mindestens eine der drei Finanzplanungsrechnungen ein. Jedoch verwenden nur ca. 38 % der befragten Unternehmen alle drei Planungsrechnungen gleichzeitig.96 Im Folgenden werden die Kapitalbindungsplanung, die kurzfristige Finanzplanung und der Liquiditätsstatus ausführlicher betrachtet.
96
Vgl. BANKHOFER/HILBERT (Methoden 1998), S. 245
50
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
B.
Gegenstand und Ausgestaltung von Finanzplanungsrechnungen
I.
Kapitalbindungsplanung als Instrument zur langfristigen Finanzplanung
1.
Ziele und Aufgaben der Kapitalbindungsplanung
Unternehmen führen regelmäßig Investitionen durch. Investitionen sind oftmals mit umfangreichen Auszahlungsverpflichtungen verbunden. Diese Verpflichtungen können Auszahlungen nach sich ziehen, die die von einem Unternehmen kurzfristig beschaffbaren finanziellen Mittel übersteigen. Zudem gilt, dass, selbst wenn die Mittel kurzfristig bereitgestellt werden können, eine zeitnahe Mobilisierung der Mittel mit hohen Zinszahlungen verbunden ist. Üblicherweise beansprucht jedoch die Bereitstellung einer großen Geldmenge einen längeren Zeitraum, sodass der Bedarf an solchen Geldern mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf vorhergesehen werden muss.97 Darüber hinaus können die Konsequenzen, die von Investitionen auf die Ebene der Zahlungsmittel ausgehen, nur über längere Zeiträume hinweg in ihrem gesamten Ausmaß sichtbar gemacht werden, da die Investitionen selbst langfristig wirkende Folgen sowohl für den Leistungsbereich als auch für den Finanzbereich nach sich ziehen.98 So führt beispielsweise die Errichtung und Ingangsetzung einer Fertigungsanlage zunächst zu Anschaffungsauszahlungen, während Einzahlungen aus der Veräußerung von Produkten, die mit der Anlage hergestellt wurden, erst in späteren Perioden folgen. Aus den angeführten Gründen ist es sinnvoll, ein Planungsinstrument im Unternehmen zu installieren, das die langfristigen finanziellen Folgen der strategischen Unternehmenspolitik für die Ebene der Zahlungsmittel abbildet. Ein solches Planungsinstrument stellt der Kapitalbindungsplan dar, dessen Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, die finanziellen Folgen unternehmenspolitischer Entscheidungen aufzuzeigen, um insbesondere auf einen Finanzmittelfehlbetrag größeren Umfangs hinzuweisen, der nicht durch zeitnahe, dispositive Maßnahmen, wie z.B.
97 98
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 258 Vgl. CHMIELEWICZ (Finanzwirtschaft 1976), S. 64
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
51
durch den Verkauf geldnaher Vermögensgegenstände, ausgeglichen werden kann.99 Die Hauptaufgabe des Kapitalbindungsplans liegt demnach im Erkennen, ob sich die geplanten Einzahlungen und Auszahlungen einer Periode prinzipiell ausgleichen, d.h. im Gleichgewicht befinden.100 Aufgrund der Tatsache, dass es sich beim Kapitalbindungsplan um ein Planungsinstrument handelt, das Größen beinhaltet, die ggf. erst in weiter Zukunft anfallen, ist für den Kapitalbindungsplan festzustellen, dass eine exakte und vollständige Angabe der Planungsgrößen i.d.R. nicht zu leisten ist. Daher werden häufig bei der Erstellung eines Kapitalbindungsplans die weniger bedeutsamen Zahlungen zusammengefasst. Im Fokus der Betrachtung stehen im Rahmen der Kapitalbindungsplanung vielmehr die Zahlungen, die das Unternehmen nachhaltig beeinflussen101. Diese Zahlungen resultieren insbesondere aus durchgeführten Investitionsprojekten sowie aus Mittelaufnahmen- resp. Mittelrückzahlungen größeren Umfangs. 102 Im Rahmen der Kapitalbindungsplanung werden regelmäßig nur solche Ein- und Auszahlungen einer bestimmten Periode zugeordnet, die tatsächlich auch in der Betrachtungsperiode anfallen. Der Anfangsbestand an liquiden Mittel, der zu Beginn einer Betrachtungsperiode vorliegt, wird üblicherweise nicht in die Betrachtung einbezogen.103 Es wird lediglich untersucht, wie sich der Saldo aus Ein- und Auszahlungen „netto“, d.h. ohne Berücksichtigung eines Anfangsbestandes an liquiden Mitteln gestaltet. Dies resultiert aus dem Umstand, dass sich bei Berücksichtigung des jeweiligen Anfangsbestands ein Prognosefehler zu Beginn der Planung über sämtliche weiteren Planungsperioden fortsetzen würde. Werden nur die Einzahlungen und Auszahlungen einer Periode gegenübergestellt, kann sich dieser „Dominoeffekt“ nicht einstellen.104 Das Ergebnis des Kapitalbindungsplans stellt insofern keinen Endbestand an liquiden Mitteln dar, sondern lediglich den Unterschiedsbetrag zwischen den Einund Auszahlungen einer Periode. Der Unterschiedsbetrag kann als Ein- oder als Auszahlungsüberschuss vorliegen.105 Werden die Auszahlungen einer Periode durch die Einzahlungen der Periode zumindest kompensiert, wird auch von der Einhaltung eines strukturellen Gleichgewichts gesprochen. Dieses Gleichgewicht ist jedoch nur in Bezug auf die Periodenliquidität gewährleistet. Innerhalb der Pe99 100 101 102 103 104 105
Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 83 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 41 Häufig werden diese Zahlungen auch als „fundamental“ bezeichnet. Vgl. z.B. MARX (Finanzmanagement 1993), S. 143 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 40; WOSSIDLO (Finanzplanung 2000), S. 690-691 Vgl. FUGMANN (Instrumente 2000), S. 154 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 260 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 259
52
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
riode kann ggf. die Momentanliquidität gefährdet sein. Diese Bedrohung ist jedoch durch kurzfristige Spitzenbelastungen verursacht und besitzt somit keinen langfristigen, sondern nur einen kurzfristigen Charakter. Weist der Kapitalbindungsplan demgegenüber einen Auszahlungsüberschuss aus, ist diesem der geplante Anfangsbestand an liquiden Mitteln der entsprechenden Periode gegenüber zu stellen. Ist nach der Gegenüberstellung ein positiver Endbestand zu verzeichnen, ist die Periodenliquidität als gewährleistet anzusehen. Verbleibt nach der Einrechnung des Anfangsbestands an liquiden Mittel jedoch noch ein Auszahlungsüberschuss, werden Maßnahmen der Plananpassung erforderlich. So ist entweder die Beschaffung bisher nicht eingeplanter finanzieller Mittel zu berücksichtigen oder das geplante Investitionsprogramm anzupassen.106 Eine weitere Aufgabe des Kapitalbindungsplans liegt darin, die Struktur der künftigen Ein- und Auszahlungen aufzuzeigen. Daher werden die in den Kapitalbindungsplan einfließenden Größen üblicherweise nach den Ursachen von Auszahlungen und den Quellen von Einzahlungen geordnet. Dabei soll festgestellt werden, ob das bisherige Geschäftsvolumen auch zukünftig beibehalten werden kann, ohne dass eine Aufnahme von zusätzlichem Eigen- oder Fremdkapital notwendig ist. Der Kapitalbindungsplan erlaubt insofern eine Einschätzung darüber, ob die Einzahlungen in den einzelnen Perioden hoch genug sind, um die geplanten Tilgungs- und Zinszahlungen, Ausschüttungen, Steuerzahlungen und Ersatzinvestitionen durchführen zu können.107 2.
Struktur von Kapitalbindungsplänen
Die Ausgestaltung eines Kapitalbindungsplans orientiert sich weitestgehend an der Struktur der so genannten Bewegungsbilanz. Bei einer Bewegungsbilanz handelt es sich um eine Summenbilanz, die die Bewegungen von Kapital und Vermögen für eine zurückliegende Rechnungsperiode ausweist.108 Dabei werden Bewegungsgrößen in Form von Bestandsveränderungen, die durch Gegenüberstellung von zwei aufeinander folgenden Bilanzen gewonnen werden, ermittelt. Die Aktivseite einer Bewegungsbilanz informiert über die Mittelverwendung, die Passivseite der Bewegungsbilanz zeigt die Mittelherkunft an. Jede Erhöhung von Aktivposten bzw. jede Verringerung von Passivposten weist auf einen Kapitalbedarf hin, jede Verminderung von Aktivposten bzw. jede Erhöhung von Passivposten zeigt eine Kapitalbedarfsdeckung an. 109 Folgende Abbildung 6 zeigt die prinzipielle
106 107 108 109
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 41 Vgl. CHMIELEWICZ (Finanzwirtschaft 1976), S. 79 Vgl. BUCHMANN/CHMIELEWICZ (Finanzierungsrechnung 1990), S. 28 Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 343
53
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Struktur einer Bewegungsbilanz auf. Abbildung 7 gibt ein einfaches Zahlenbeispiel zur Ermittlung einer Bewegungsbilanz für eine Aktiengesellschaft. Kapitalbedarf
Kapitalbedarfsdeckung
1.
Erhöhung der Aktivposten
1.
Erhöhung der Passivposten
2.
Verminderung der Passivposten
2.
Verminderung der Aktivposten
Abbildung 6: Grundstruktur einer Bewegungsbilanz Bilanz zum 31.12.01
Bilanz zum 31.12.02
(in TEUR)
(in TEUR)
Bewegungsbilanz Mittelverwendung
Mittelherkunft
(in TEUR)
(in TEUR)
1. Anlagevermögen
600
650
50
-
2. Umlaufvermögen
400
390
-
10
1.000
1.040
3. Grundkapital
150
160
-
10
4. Rücklagen
200
190
10
-
5. Verbindlichkeiten
550
560
-
10
6. Gewinn
100
130
-
30
1.000
1.040
60
60
Aktiva
Passiva
Abbildung 7: Beispiel zur Ermittlung einer Bewegungsbilanz Während sich die Bewegungsbilanz auf eine vergangene Periode bezieht, stellt der Kapitalbindungsplan eine in die Zukunft gerichtete Planungsrechnung dar. Der Kapitalbindungsplan stellt den zukünftigen, geplanten Kapitalbedarf und dessen Deckung dar. Dabei enthält die Aktivseite des Kapitalbindungsplans den zukünftigen Kapitalbedarf, die Passivseite die zukünftige Kapitalbedarfsdeckung. So kann beurteilt werden, ob in der finanziellen Zukunft Kapitalbedarf und Kapitalbedarfsdeckung im Gleichgewicht sind, d.h. ob das strukturelle Gleichgewicht erfüllt ist. Kapitalbindungspläne beziehen sich üblicherweise auf ein Jahr, jedoch findet keine weitere Unterteilung dieses Zeitraums statt. Die Langfristigkeit der Kapitalbindungsplanung wird durch die Verbindung mehrerer aufeinander folgender Kapi-
54
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
talbindungspläne realisiert.110 Dabei werden in der Praxis bis zu zwölf Kapitalbindungspläne aneinander gereiht.111 Der Kapitalbindungsplan stellt den geplanten Einzahlungen die geplanten Auszahlungen gegenüber. Anfangsbestände an liquiden Mittel werden regelmäßig nicht berücksichtigt. Dieser Umstand unterscheidet den Kapitalbindungsplan von anderen Finanzplanungsrechnungen, wie dem Liquiditätsstatus und dem Finanzplan. Die Darstellung der geplanten Ein- und Auszahlungen erfolgt im Kapitalbindungsplan primär in Kontoform112, seltener auch in Staffelform.113 Abbildung 8 illustriert die grundlegende Struktur eines Kapitalbindungsplans auf der Basis der Kontoform. Da die Planauszahlungen den Kapitalbedarf und die Planeinzahlungen die Kapitalbedarfsdeckung wiedergeben, wird der Kapitalbindungsplan gelegentlich auch als Kapitalbedarfs- und Kapitalbedarfsdeckungsplan oder nur als Kapitalbedarfsplan bezeichnet.114 Planauszahlungen
Planeinzahlungen
(Kapitalbedarf)
(Kapitalbedarfsdeckung)
Für Investitionen (kapitalbindende Auszahlungen)
Aus der Innenfinanzierung (kapitalfreisetzende und ggf. kapitalzuführende Einzahlungen)
Zur Definanzierung (kapitalentziehende Aus- Aus der Außenfinanzierung (kapitalzuführende zahlungen) Einzahlungen) Ggf. Saldo (Einzahlungsüberschuss)
Ggf. Saldo (Auszahlungsüberschuss)
Abbildung 8: Grundstruktur eines Kapitalbindungsplans115 Im Rahmen der kapitalbindenden Auszahlungen kann zwischen Auszahlungen für geplante Investitionen im Leistungs- und im Finanzbereich unterschieden werden. Investitionen im Leistungsbereich werden auch als Realinvestitionen bezeichnet. Charakteristischerweise werden im Rahmen von Realinvestitionen Maßnahmen durchgeführt, die die Produktions- und Absatzkapazität eines Unternehmens qualitativ und/oder quantitativ verändern bzw. sichern. Demgegenüber beinhalten Finanzinvestitionen keine güterwirtschaftliche Komponente und beziehen sich aus-
110 111
112 113 114 115
Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 342 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 41. Eine aktuellere Untersuchung gelangt hingegen zum Ergebnis, dass der Planungshorizont der Kapitalbindungsplanung nur sechs Jahre beträgt. Vgl. HELDT (Organisation 2000), S. 229. Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 343; FUGMANN (Instrumente 2000), S. 153; WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 262; Vgl. z.B. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 657 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 657 In Anlehnung an FUGMANN (Instrumente 2000), S. 153; WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 262
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
55
schließlich auf finanzwirtschaftliche Kategorien.116 Beispiele für Auszahlungen im Rahmen von Finanzinvestitionen sind Auszahlungen für den Kauf von Beteiligungen an anderen Unternehmen sowie für den Kauf von Anleihen. Investitionen im Leistungsbereich lassen sich in x Ersatzinvestitionen, x Erweiterungsinvestitionen und x Erst- oder Einrichtungsinvestitionen aufgliedern.117 Bei Ersatzinvestitionen handelt es sich i.d.R. um Investitionen zur Aufrechterhaltung der bisherigen Kapazität oder – in Zeiten fortschreitender technischer Entwicklung – insbesondere auch zur Durchführung von Rationalisierungsmaßnahmen. Erweiterungsinvestitionen werden vorgenommen, wenn eine Anpassung an erwartete Absatzsteigerungen notwendig wird oder wenn ein neuer (zusätzlicher) Markt bearbeitet werden soll. Demgegenüber stellt eine Erst- oder Einrichtungsinvestition die Basis einer geplanten erstmaligen Leistungserstellung dar. Bei einer Erst- oder Errichtungsinvestition rückt demnach nicht ein einzelnes Investitionsobjekt, sondern ein ganzer zu errichtender Betrieb in den Vordergrund der Betrachtung.118 Unter den kapitalentziehenden Auszahlungen (Definanzierung) sind Auszahlungen zu verstehen, die nicht durch den Erwerb eines Vermögensgegenstandes verursacht sind. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um Auszahlungen innerhalb des Finanzbereichs in Form von Eigenkapitalrückführungen, Fremdkapitalrückzahlungen und Ausschüttungen. Darüber hinaus stellen beispielsweise auch Gewinnsteuern kapitalentziehende Auszahlungen dar.119 Im Rahmen der Innenfinanzierung fließen einem Unternehmen Einzahlungen nicht von Außen über die Finanzmärkte zu. Vielmehr werden Einzahlungen vom Unternehmen selbst i.d.R. über den Umsatzprozess generiert.120 Solche Einzahlungen können zum einen den Finanzbereich, andererseits auch den Leistungsbereich betreffen. Während im Finanzbereich z.B. Einzahlungen aus dem erwarteten Rückfluss von eigenen Ausleihungen oder aus dem Verkauf von Beteiligungen und Wertpapieren eingehen, fallen im Leistungsbereich insbesondere die Einzahlungen aus dem Absatz der Leistungen des Unternehmens an. Im Weiteren gehören dieser Kategorie auch Einzahlungen aus der Veräußerung von Vermögensge-
116 117 118 119 120
Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 321 Vgl. z.B. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 30 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 30 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 41 Vgl. JAHRMANN (Finanzierung 2003), S. 369
56
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
genständen des Anlage- und des Umlaufvermögens an.121 Die Herstellung der Leistungen bzw. der Kauf der Vermögensgegenstände führten zu Auszahlungen. Können durch den Umsatzprozess bzw. durch die Veräußerung der Vermögensgegenstände Einzahlungen erzielt werden, die die gebundenen Mittel kompensieren, handelt es sich um kapitalfreisetzende Einzahlungen. Werden die gebundenen Mittel hingegen durch die Einzahlungen überkompensiert, liegen in der Höhe des Differenzbetrages aus Einzahlungen und gebundenen Mitteln kapitalzuführende Einzahlungen vor.122 Die Einzahlungen aus dem Verkauf der betrieblichen Leistungen werden im Gegensatz zu allen anderen Positionen des Kapitalbindungsplans i.d.R. nicht brutto ausgewiesen, sondern mit bestimmten Auszahlungen verrechnet, die mit der Herstellung der betrieblichen Leistungen verbunden sind. Zu solchen Auszahlungen zählen insbesondere Mittelabflüsse zur Ersatzbeschaffung verbrauchter Werkstoffe, Auszahlungen für die Beschaffung von Arbeits- und Dienstleistungen und Zinszahlungen. Daher werden diese Zahlungen auch nicht einzeln im Kapitalbindungsplan ausgewiesen. Werden die soeben genannten Auszahlungen für die Herstellung der Betriebsleistungen von den Einzahlungen, die durch den Absatz der betrieblichen Leistungen entstehen, abgezogen, so erhält man den Überschuss oder den Fehlbetrag an Zahlungsmitteln aus der laufenden Produktion. Dieser Saldo wird, je nachdem ob ein Überschuss oder ein Fehlbetrag vorliegt, als Einzahlungsresp. Auszahlungsüberschuss aus betrieblichen Leistungen bezeichnet.123 Diese Vorgehensweise stellt eine Ausnahme des im Rahmen der Finanzplanung geforderten Bruttoprinzips dar,124 lässt sich aber durch den logischen Zusammenhang im kurzfristigen Zahlungskreislauf eines Unternehmens erklären, da die Einzahlungen aus dem Absatz der betrieblichen Leistungen insbesondere die Auszahlungen für Werkstoffe und Arbeitsleistungen kompensieren müssen, die bei der Leistungserstellung angefallen sind. Der Saldo an Zahlungsmitteln aus der laufenden Produktion liegt üblicherweise als Einzahlungsüberschuss vor. Von diesem Einzahlungsüberschuss sind weitere Auszahlungen für die Erstellung der betrieblichen Leistungen, insbesondere Auszahlungen für die Ersatzbeschaffung von Betriebsmitteln, zu subtrahieren. Dies lässt sich damit begründen, dass der Saldo ausreichend hoch ist, um die geplanten Ersatzinvestitionen durchführen zu können. Darüber hinaus sind die zu erwartenden Steuern und Ausschüttungen ebenfalls in Abzug zu bringen. Sofern dann noch 121 122 123 124
Vgl. SÜCHTING (Finanzmanagement 1995), S. 22 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 264 Gelegentlich wird dieser Saldo auch als Leistungssaldo vor Investitionen bezeichnet. Vgl. FRANKE/HAX (Finanzwirtschaft 2003), S. 11 Nach dem Bruttoprinzip sollen die Zahlungen möglichst unsaldiert in die Finanzplanung aufgenommen werden. Vgl. JOST (Finanzplanung 1990), S.20
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
57
ein Überschuss vorhanden ist, kann dieser zur Tilgung fälliger Kredite eingesetzt werden. Ein darüber hinaus vorliegender Überschuss kann ggf. zur Tilgung nicht fälliger Kredite oder zur Durchführung von Erweiterungsinvestitionen eingesetzt werden.125 Liegt demgegenüber ein Auszahlungsüberschuss aus betrieblichen Leistungen vor oder ist der Einzahlungsüberschuss aus betrieblichen Leistungen nach Abzug von Ersatzinvestitionen, Steuern und Ausschüttungen negativ, so liegt ein leistungswirtschaftliches Einzahlungsdefizit vor. Im Allgemeinen liegt dann die Schlussfolgerung nahe, dass die Produktionsstruktur unwirtschaftlich ist, wodurch Korrekturen im Leistungsbereich notwendig werden. Denn besteht das Einzahlungsdefizit über einen längeren Zeitraum und müssen zusätzliche finanzielle Mittel beschafft werden, verringert sich mehr und mehr die Zahlungskraft sowie der Bestand an finanziellen Reserven, was letztlich zur Illiquidität führen kann.126 Jedoch kann dieses leistungswirtschaftliche Einzahlungsdefizit auch beispielsweise durch eine kurzfristige ungünstige Konjunkturlage bedingt sein oder infolge einer Umstellung des Leistungsprogramms verursacht worden sein, sodass das Einzahlungsdefizit nur temporärer Natur ist. In einem solchen Fall könnte das temporäre Defizit durch kurzfristig wirkende Maßnahmen ausgeglichen werden. Hierzu zählen z.B.:127 x Berücksichtigung des bislang noch nicht in den Kapitalbindungsplan einbezogenen Anfangsbestands an liquiden Mitteln. Ist dieser Bestand positiv, kann das Einzahlungsdefizit reduziert werden. x Erhöhung des Eigenkapitals oder Aufnahme zusätzlicher Kredite. x Veräußerung von Vermögensgegenständen. So können insbesondere geldnahe Aktiva oder auch andere Vermögensgegenstände des Finanzbereichs, z.B. Beteiligungen verkauft werden. Zudem können auch Vermögensgegenstände des Leistungsbereichs, z.B. Vorräte oder Anlagen, veräußert werden. Besteht das leistungswirtschaftliche Einzahlungsdefizit über einen längeren Zeitraum und kann dieses, selbst wenn es durch eine ungünstige Konjunkturlage oder eine Umstellung des Leistungsprogramms verursacht wurde, nicht durch die soeben angeführten Maßnahmen behoben werden, so ist eine unwirtschaftliche Leistungserstellung zu unterstellen. Sollte das Management nicht in der Lage sein, die zugrunde liegenden Mängel zu beseitigen, werden die überzogenen Auszahlungen
125 126 127
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 265 Vgl. BIEGERT (Liquiditätsplanung 1995), S. 65 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 266
58
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
resp. der andauernde Verlust an Zahlungsmittel und an Liquiditätsreserven schließlich die Illiquidität des Unternehmens zur Folge haben.128 Letztlich treten im Kapitalbindungsplan noch die kapitalzuführenden Einzahlungen aus der Außenfinanzierung auf. Charakteristisch für diese Einzahlungen ist, dass sie auf Finanzmitteln basieren, die einem Unternehmen von Außen, d.h. von unternehmensexternen Quellen bereitgestellt werden.129 Im Rahmen der Außenfinanzierung werden üblicherweise die Beteiligungsfinanzierung, die Kreditfinanzierung sowie andere Formen der Außenfinanzierung unterschieden.130 Während die Beteiligungsfinanzierung alle Formen der Bereitstellung zusätzlichen Eigenkapitals durch die Aufnahme neuer Gesellschafter gegen Bar- oder Sacheinlage sowie die Erhöhung der Kapitaleinlagen von bereits vorhandenen Gesellschaftern umschließt, wird bei der Kreditfinanzierung Fremdkapital von Außen aufgenommen. Zu den anderen Formen der Außenfinanzierung zählt insbesondere die Subventionsfinanzierung, wobei unter dem Begriff „Subvention“ alle geldlichen Leistungen von staatlichen Stellen verstanden werden, die mit keinen unmittelbaren oder direkten Gegenleistungen an den Staat verbunden sind.131 Folgende Abbildung 9 illustriert beispielhaft den Aufbau eines Kapitalbindungsplans.
128 129 130 131
Vgl. BIEGERT (Liquiditätsplanung 1995), S. 65 Vgl. z.B. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 255 Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 421-422 Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 447
59
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Planauszahlungen 1 Investitionen (Kapitalbindende Auszahlungen)
Planeinzahlungen 3
1.1 Leistungssphäre
Innenfinanzierung (Kapitalfreisetzende/ kapitalzuführende Einzahlungen) 3.1 Leistungssphäre
für Ersatzinvestitionen
Einzahlungsüberschuss aus dem Absatz betrieblicher Leistungen
für Erweiterungsinvestitionen 1.2 Finanzsphäre, z.B.
Veräußerung von Vermögensgegenständen
für Darlehen
3.2 Finanzsphäre, z.B. aus
für Beteiligungen
Anlageerträgen
für Wertpapieranlagen
Anlagerückflüssen Verkauf von Finanzaktiva
2 Definanzierung (Kapitalentziehende Auszahlungen)
4
Außenfinanzierung (Kapitalzuführende Einzahlungen)
2.1 Eigenkapitalrückzahlungen
4.1 Beteiligungsfinanzierung
2.2 Fremdkapitaltilgung
4.2 Kreditfinanzierung
2.3 Gewinnsteuern
4.3 Sonstige Außenfinanzierung
2.4 Gewinnausschüttungen Summe Planauszahlungen
Summe Planeinzahlungen
Ggf. Saldo
Ggf. Saldo
Abbildung 9: Erweiterte Struktur eines Kapitalbindungsplans Folgendes Beispiel soll die Funktionsweise der Kapitalbindungsplanung verdeutlichen. Für das folgende Geschäftsjahr werden Ersatzinvestitionen i.H.v. 10 Mio. EUR, Erweiterungsinvestitionen i.H.v. 2 Mio. EUR und Finanzanlagen i.H.v. 1 Mio. EUR eingeplant. Die fälligen Kredittilgungen werden mit 4 Mio. EUR, die Gewinnsteuern mit 1 Mio. EUR und die Gewinnausschüttungen mit 2 Mio. EUR veranschlagt. Der Einzahlungsüberschuss aus dem Absatz betrieblicher Leistungen betrage 7 Mio. EUR. 2 Mio. EUR sollen aus der Veräußerung von Betriebsmitteln, 0,5 Mio. EUR aus Anlageerträgen und 1 Mio. aus dem Verkauf von Finanzaktiva erlöst werden. Darüber hinaus sind eine Erhöhung des Eigenkapitals i.H.v. 5 Mio. EUR und eine Kreditfinanzierung i.H.v. 3 Mio. EUR vorgesehen. Der in Abbildung 10 entwickelte Kapitalbindungsplan zeigt eine Deckungslücke von 1,5 Mio. EUR auf. Diese Deckungslücke ist zu schließen. Wird angenommen, dass 1,5 Mio. EUR z.B. durch zusätzliche Kredite beschafft werden können, ist ein Gleichgewicht der Planeinzahlungen und der Planauszahlungen hergestellt.
60
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Planauszahlungen
Planeinzahlungen 3
1 Investitionen (Kapitalbindende Auszahlungen) 1.1 Leistungssphäre für Ersatzinvestitionen für Erweiterungsinvestitionen
3.1 Leistungssphäre
10 2
1.2 Finanzsphäre für Darlehen
-
für Beteiligungen
-
für Wertpapieranlagen
1
Einzahlungsüberschuss aus dem Absatz betrieblicher Leistungen
7
Veräußerung von Betriebsmitteln
2
3.2 Finanzsphäre Anlageerträge
4
2 Definanzierung (Kapitalentziehende Auszahlungen)
Innenfinanzierung (Kapitalfreisetzende/ kapitalzuführende Einzahlungen)
0,5
Anlagerückflüsse
-
Verkauf Finanzaktiva
1
Außenfinanzierung (Kapitalzuführende Einzahlungen)
-
4.1 Beteiligungsfinanzierung
5
2.2 Fremdkapitaltilgung
4
4.2 Kreditfinanzierung
3
2.3 Steuern
1
4.3 Sonstige Außenfinanzierung
-
2.4 Gewinnausschüttungen
2
2.1 Eigenkapitalrückzahlungen
Summe Planauszahlungen Ggf. Saldo
20 -
Summe Planeinzahlungen Ggf. Saldo
18,5 1,5
Abbildung 10: Zahlenbeispiel für einen Kapitalbindungsplan
II.
Feststellung der gegenwärtigen Liquidität mithilfe des täglichen Liquiditätsstatus
1.
Ziele des täglichen Liquiditätsstatus
Der tägliche Liquiditätsstatus132 stellt eine tagesbezogene Liquiditätsrechnung dar. Als eine tagesbezogene Liquiditätsrechnung verfolgt der tägliche Liquiditätsstatus in erster Linie die Zielsetzung, die gegenwärtige Liquidität eines Unternehmens festzustellen.133 Unter der gegenwärtigen Liquidität ist dabei die Liquidität am heutigen Planungstag zu verstehen. Die Aufgabe des täglichen Liquiditätsstatus ist es, die zu erwartende Über- resp. Unterdeckung an liquiden Mitteln zu ermitteln, 132
133
Der tägliche Liquiditätsstatus wird in der Literatur gelegentlich auch nur als Liquiditätsstatus (vgl. z.B. BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 16) oder als Tagesfinanzstatus (vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 2000), S. 691) bezeichnet. Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 144
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
61
die sich für das Unternehmen am heutigen Planungstag einstellt, wenn die am Planungstag fälligen Auszahlungen und die für den Planungstag aus sonstigen Gründen vorgesehenen Auszahlungen getätigt werden.134 Neben der Feststellung der gegenwärtigen Liquidität dient der tägliche Liquiditätsstatus auch zur Steuerung der Liquidität.135 Denn wird für einen Planungstag eine Unterdeckung an Finanzmitteln erwartet, so soll der tägliche Liquiditätsstatus bei Entscheidungen über Maßnahmen unterstützen, die zur Sicherung der Liquidität am Planungstag, der so genannten situativen Liquidität, noch getroffen werden müssen. Da die Zeitspanne von der Feststellung der Unterdeckung bis zum Ende des Geschäftstages i.d.R. sehr kurz ist, sind die Möglichkeiten, die einem Unternehmen zum Ausgleich der Unterdeckung zur Verfügung stehen, äußerst begrenzt und lassen sich regelmäßig auf das Aufschieben von nicht zwingend fälligen Auszahlungen sowie auf die Inanspruchnahme von Kontokorrentkrediten reduzieren.136 Im Rahmen der Sicherung der situativen Liquidität ist es jedoch nicht hinreichend, global für die Einhaltung der Liquidität zu sorgen. Vielmehr dient der tägliche Liquiditätsstatus der Feinsteuerung der Liquidität und soll daher Möglichkeiten aufzeigen, wie die relevanten Auszahlungen konkret gesteuert werden können. Hierzu gehört insbesondere die Angabe, wenn das Unternehmen bei mehreren Banken Konten unterhält, bei welcher Bank über liquide Mittel verfügt werden kann resp. bei welcher Bank eine Unterdeckung auszugleichen ist. Darüber hinaus sind die Art und die Höhe der Auszahlungen festzulegen, die ggf. zurückgestellt werden sollen. 137 In diesem Zusammenhang kommen keine Auszahlungen in Frage, die das Unternehmen zwingend zu tätigen hat, da dies die Illiquidität des Unternehmens zur Folge hätte. Zur Aufschiebung können demnach nur solche Auszahlungen herangezogen werden, die nicht fällig sind.138 Weist der tägliche Liquiditätsstatus einen Überschuss an liquiden Mitteln aus, so sind Maßnahmen festzulegen, wie dieser Überschuss verwendet werden soll. Für den Fall, dass der Überschuss zinsbringend angelegt werden soll, ist der Zeitpunkt der Mittelanlage für die Höhe des Zinsgewinns entscheidend. Dabei gilt prinzipiell, dass der Zinsgewinn umso höher ist, je früher die Anlage der Mittel durchge-
134 135
136 137 138
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 38 Es ist durchaus umstritten, ob der tägliche Liquiditätsstatus nur zur Feststellung der Liquidität oder auch zur Steuerung der Liquidität dienen soll. In der vorliegenden Arbeit wird der tägliche Liquiditätsstatus auch als Instrument angesehen, das Maßnahmen zur Steuerung der Liquidität erlauben soll. Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 78 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 235 Vgl. GRÖßL (Finanzwirtschaft 1988), S. 50 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 235
62
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
führt wird. Daher sollte die Mittelanlage noch am Planungstag selbst vorgenommen werden.139 2.
Ausgestaltung des täglichen Liquiditätsstatus
Der tägliche Liquiditätsstatus ist gemäß seiner Zielsetzung eine tagesbezogene und somit extrem kurzfristige Liquiditätsrechnung.140 Diese Rechnung ist gegenwartsorientiert, sie bezieht sich daher weder auf die Vergangenheit noch auf zukünftige Tage. Im täglichen Liquiditätsstatus werden sämtliche liquiden Mittel und Zahlungsbewegungen, die für die Liquidität am Planungstag relevant sind, zusammengestellt. Aus der Gegenwartsorientierung ergibt sich die Notwendigkeit, den täglichen Liquiditätsstatus jeden Tag neu aufzustellen, denn der tägliche Liquiditätsstatus kann bereits über die Liquidität des Folgetages keine Aussage mehr treffen.141 Die Ermittlung der Zahlungsfähigkeit und die Festlegung von Maßnahmen werden im Rahmen des täglichen Liquiditätsstatus während eines Geschäftstages vorgenommen. Hierzu wird zuerst der tatsächliche Anfangsbestand an liquiden Mitteln, der i.d.R. dem Endbestand des Vortages entspricht, ermittelt. Weiterhin sind die seit Beginn des Geschäftstages bereits angefallenen Ein- und Auszahlungen zu berücksichtigen, da diese den Anfangsbestand an liquiden Mitteln, der für den Planungstag bereits festgestellt wurde, verändert haben. Die Zahlungen können in Bar- oder in Buchgeld erfolgt sein, wodurch sich die Veränderung ggf. sowohl auf den Kassenbestand als auch auf das Giroguthaben bei Banken auswirken kann.142 In die Ermittlung des Liquiditätssaldos am Planungstag fließen regelmäßig folgende Positionen ein:143 x Am Planungstag vorliegender, tatsächlicher Anfangsbestand resp. für den Vortag ermittelter Endbestand an liquiden Mitteln, x am Planungstag bereits eingegangene Einzahlungen, x am Planungstag bereits getätigte Auszahlungen, x für den Planungstag erwartete, weitere Einzahlungen sowie x weitere Auszahlungen, die für den Planungstag vorgesehen sind. Die Erfassung der genannten Zahlungsbewegungen kann sich schwierig gestalten. Bewirken die Zahlungsbewegungen eine Veränderung des Kassenbestandes im 139 140 141 142 143
Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 2000), S. 690 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 38 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 144 Vgl. MANDÉRY (Finanzplanung 1983), S. 20 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 235
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
63
Unternehmen, ist für die Zwecke des täglichen Liquiditätsstatus eine Art „Kassenzwischenstand“ festzustellen. Werden hingegen Einzahlungen auf ein Konto oder Auszahlungen von einem Konto des Unternehmens getätigt, besteht die Problematik, dass Informationen über diese Zahlungen möglicherweise nicht unmittelbar verfügbar sind oder, dass diese Zahlungen dem Konto des Unternehmens nicht unmittelbar gutgeschrieben oder belastet werden. Speziell der letztere Fall tritt dann ein, wenn eine Bank Zahlungen, die nach einer bestimmten Uhrzeit anfallen, prinzipiell nicht am Tag des Eingangs der Zahlungen, sondern erst am Folgetag verbucht. Dieser so genannte „Buchungsschnitt“ ist im Rahmen des täglichen Liquiditätsstatus ggf. zu berücksichtigen.144 Diese Problematik kann jedoch mit zunehmendem Einsatz von elektronischen Datenverarbeitungstechniken in Banken insbesondere im Rahmen des Electronic Banking deutlich verringert werden.145 So können Unternehmen durch den Einsatz von elektronischen Dienstleistungen beispielsweise Kontodaten per Internet abrufen. Zudem liefern so genannte CashManagement-Systeme nicht nur Informationen, sondern bieten auch Transaktionsmöglichkeiten an.146 Üblicherweise wird der Bestand an liquiden Mitteln nicht in einem Betrag ausgewiesen, sondern nach dem Kassenbestand und den bei den verschiedenen Kreditinstituten unterhaltenen Sichtguthaben unterteilt.147 Diese Form der offenen Darstellung der liquiden Mittel erleichtert die Disposition über die Zahlungsmittel. So werden beispielsweise empfangene Schecks zur Vermeidung von Sollzinsen zunächst auf Konten mit einem negativen Bestand an liquiden Mitteln eingelöst. Darüber hinaus sollte bei Auszahlungen unterschieden werden, ob es sich um fällige Zahlungsverpflichtungen, um aus bestimmten Gründen nicht verschiebbare Zahlungen oder um Zahlungen handelt, die weder aus juristischen Gründen zu leisten noch aus bestimmten Gründen zwingend sind. Diese Differenzierung der Auszahlungen ist insbesondere dann bedeutsam, wenn der tägliche Liquiditätsstatus einen negativen Liquiditätssaldo ausweist. Denn in diesem Fall ist kurzfristig zu entscheiden, welche Zahlungen am Planungstag ausgeführt werden sollen und welche aufgeschoben werden können.148 Folgende Abbildung 11 zeigt die grundlegende Struktur des täglichen Liquiditätsstatus auf.
144 145
146 147 148
Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 78 So setzten nach einer jedoch nicht repräsentativen Umfrage bereits 1994 ca. 92 % der deutschen Unternehmen mit internationaler Ausrichtung Electronic-Banking-Systeme ein. Vgl. PAUSENBERGER/GLAUM/JOHANSSON (Cash Management 1995), S. 1377 Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2001), S. 413-414 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 238 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 39
64
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
1. Kassenstand Zentra- Filiale le 1
Filiale 2
Filiale …
2. Giroguthaben ¦
Bank 1 Bank 2 Bank...
Post
¦
Anfangsbestand + Bereits erfolgte Einzahlungen am Planungstag - Bereits erfolgte Auszahlungen am Planungstag = Aktueller Stand (ggf. direkt über Cash Management) + Weitere erwartete Einzahlungen - Weitere zwingend zu tätigende Auszahlungen = Erwarteter Endbestand am Planungstag (erwarteter Liquiditätssaldo) + ggf. Ausgleichsmaßnahmen bei negativem Liquiditätssaldo - ggf. Ausgleichsmaßnahmen bei positivem Liquiditätssaldo = Korrigierter erwarteter Endbestand
Abbildung 11: Grundlegende Struktur eines täglichen Liquiditätsstatus149
149
In Anlehnung an WOSSIDLO (Finanzplanung 2001), S. 691; WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 237
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
3.
65
Cash-Management-Systeme zur Unterstützung des täglichen Liquiditätsstatus
Die Ermittlung der aktuellen Liquidität eines Unternehmens gestaltet sich oftmals problematisch, da notwendige Informationen über Kassenbestände und über am Planungstag eingegangene oder ausgegangene Zahlungen ohne größere Zeitverzögerung eingeholt werden müssen. Ebenfalls sind Dispositionen über Zahlungsmittel als Resultat der Planungsrechnungen relativ kurzfristig durchzuführen, sodass seitens des Unternehmens die Anforderung besteht, unmittelbar über notwendige Informationen verfügen und gegebenenfalls entsprechende Korrekturmaßnahmen äußerst zeitnah durchführen zu können. Diese Anforderung ist insbesondere bei solchen Unternehmen problematisch, die unterschiedliche, regional diversifizierte Unternehmensbereiche besitzen.150 Ähnlich gelagerte Probleme können auch dann entstehen, wenn ein Unternehmen eine Vielzahl von Konten bei verschiedenen Kreditinstituten unterhält oder über vielfältige finanzielle Verflechtungen mit Lieferanten und Abnehmern verfügt. Auch in diesen Fällen ist eine möglichst schnelle Übersicht über die Konten und die Möglichkeit zur schnellen Disposition von Zahlungsmitteln erforderlich. Diese Probleme führten zur Entwicklung von Cash-Management-Systemen.151 Ein Cash-Management-System (CMS) stellt ein rechner- und kommunikationsgestütztes Finanzinformations- und Finanztransaktionssystem dar.152 Ein CMS ermöglicht Unternehmen die Kommunikation mit Banken und ihren Geschäftskunden zur Steuerung der täglichen Gelddisposition. Der Leistungsumfang von CashManagement-Systemen, die üblicherweise von Banken angeboten werden, liefert dem Nutzer neben Informationsbeschaffungsmöglichkeiten auch die Möglichkeit zur Verarbeitung der Informationen und Transaktionsmöglichkeiten.153 CMSe bieten üblicherweise folgende Anwendungen an:154 x Balance-Reporting, x Money-Transfer, x Marktinformationen und –analysen, x Cash-Pooling sowie
150 151 152 153 154
Vgl. ZEIDLER (Cashmanagement 1999), S. 7 Vgl. PAUSENBERGER/GLAUM/JOHANSSON (Cash Management 1995), S. 1366; LACHNIT (Finanzplanung 1991), S. 2146 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 155 Vgl. EISTERT (Cash Mangement 1993), S. 7 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 157; STEINER (Cash Management 1995), S. Sp. 387; EISTERT (Cash Mangement 1993), S. 30
66
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
x Netting und Devisen-Netting. Das Balance-Reporting dient der Informationsbeschaffung. Diese Anwendung liefert einen elektronischen Kontoauszug von sämtlichen weltweit geführten Konten eines Unternehmens, die an das System angeschlossen sind. Darüber hinaus können Kontokorrentkonten in unterschiedlicher Währung, Termingeldkonten und Darlehenskonten in das Balance-Reporting integriert werden. Im Rahmen des Balance-Reporting können vergangenheitsbezogene Daten zu einzelnen Buchungsposten ebenso abgerufen werden wie Monats- und Jahresübersichten über Saldenentwicklungen. Zudem werden zukunftsorientierte Daten für Termingeld- und Darlehenskonten beispielsweise über Fälligkeiten von Termingeldern oder fällige Rückzahlungen von Darlehen bereitgestellt.155 Im Rahmen des Money-Transfers können auf elektronischem Weg Überweisungen an Konten anderer Unternehmen oder Umbuchungen innerhalb der Konten eines Unternehmens als Inland- oder Auslandszahlungen, d.h. auch in verschiedenen Währungen, vorgenommen werden. Dabei sind Einzeltransfers ebenso möglich wie auch wiederkehrende Zahlungen. Bei wiederkehrenden Zahlungen besteht obendrein noch die Möglichkeit, die Empfängerdaten zu speichern, sodass bei wiederholten Buchungen lediglich der Betrag und der Zweck der Transaktion anzugeben sind. Schließlich ermöglicht diese Anwendung auch die Aufnahme von kurzfristigen Krediten sowie die Anlage in Wertpapiere und Termingelder.156 Ferner werden im Rahmen von CMS auch aktuelle Informationen über die Geldund Kapitalmärkte zur Verfügung gestellt, die für das Cash-Management eines Unternehmens erforderlich sind. Dabei werden über Bildschirme beispielsweise Marktkommentare, Börsen- und Währungskurse und lokale und internationale Zinssätze zur Verfügung gestellt. Unter dem Cash-Pooling ist eine Anwendung zu verstehen, bei der die Saldi mehrerer Zahlungskonten gegen ein Zielkonto konsolidiert werden. Mit dem CashPooling kann verhindert werden, dass für ein Konto mit einer Unterdeckung hohe Sollzinsen zu zahlen sind, während andere Konten des Unternehmens Habensaldi aufweisen, die i.d.R. nur gering verzinst werden.157 Grundsätzlich lässt sich das „physische Cash Pooling“ vom „National Cash Pooling“ unterscheiden. Während beim physischen Cash Pooling die Einzelkonten tatsächlich gegen ein Zielkonto konsolidiert werden, findet im Rahmen des National Cash Pooling eine Konsolidierung der Einzelkonten lediglich gedanklich statt.158
155 156 157 158
Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 155 Vgl. STEINER (Cash Management 1995), Sp. 390 Vgl. NITSCH/NIEBEL (Praxis 1997), S. 61 Vgl. SEIBOLD (Haftungsrisiken 2005), S. 77
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
67
Durch das Netting werden konzerninterne Forderungen und Verbindlichkeiten, die zwischen den Tochterunternehmen bestehen, gegeneinander aufgerechnet, um die Anzahl der Buchungen zu reduzieren.159 Bei diesem „Konzern-Clearing“ liefern die Buchhaltungen der verschiedenen Tochterunternehmen die für den Forderungsabgleich notwendigen Daten, die dann wechselseitig abgestimmt und in einer Verrechnungsmatrix zusammengestellt werden. Auf der Grundlage der Verrechnungsmatrix werden die Nettoforderungen und -verbindlichkeiten der einzelnen Tochterunternehmen abgeleitet, den Töchtern übermittelt und zu bestimmten Zeitpunkten ausgeglichen. Bei Konzernunternehmen mit nur wenigen Töchtern kann das Netting auch ohne Zwischenschaltung eines Kreditinstituts durchgeführt werden.160 Das Devisen-Netting beruht auf der Vereinbarung innerhalb der Mitglieder eines Konzerns, dass ein Konzernmitglied Zahlungen nur in seiner eigenen Landeswährung leistet bzw. entgegen nimmt. Daraus folgt, dass das Konzernmitglied sämtliche Verbindlichkeiten bezahlt, die dem Konzern in der Landeswährung des Konzernmitglieds entstehen, während es alle Forderungen des Konzerns in der gleichen Währung einstreicht. Die Konzernmutter verrechnet die Forderungen und die Verbindlichkeiten mithilfe einer Basiswährung und veranlasst die Konzernmitglieder zum Ausgleich der Spitzenbeträge.161 Die Vorteile der Cash-Management-Systeme liegen neben der Reduzierung des Finanzierungsbedarfs in der Verringerung der Anzahl der Transaktionen und der Konzentration der Finanzierungskompetenz, die in der Regel mit einer Verbesserung der Verhandlungsposition einhergeht. Durch die Verbesserung der Verhandlungsposition können regelmäßig günstigere Finanzierungskonditionen erreicht werden. Die Nutzung von CMS ist jedoch auch mit Kosten verbunden. So fallen im Rahmen der Nutzung von CMS die nicht unerheblichen Kosten für die Bereitstellung der erforderlichen Soft- und Hardware (z.B. PC, Netzwerk) sowie gegebenenfalls die Kosten zur Wartung des Systems an. Darüber hinaus muss es technisch und organisatorisch möglich sein, die Daten der einzelnen am Cash-ManagementSystem beteiligten Konten zeitgleich zur Verfügung zu stellen und auch die Möglichkeit zur Einwirkung auf jedem einzelnen Konto muss gegeben sein. In der Praxis ist dies oftmals nur dann erfüllt, wenn sämtliche Konten bei einem einzigen Kreditinstitut geführt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mehrere CMS parallel zu betreiben.162 159 160 161 162
Vgl. AMMELUNG/KAESER (Cash-Management-Systeme 2003), S. 656 Vgl. NITSCH/NIEBEL (Praxis 1997), S. 55 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 163-164 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 158
68
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
III. Wesen, Zwecksetzung und Ausgestaltung eines kurzfristigen Finanzplans 1.
Wesen und Zwecksetzung
Die Aufgabe des täglichen Liquiditätsstatus liegt im Wesentlichen darin, die gegenwärtige, situative Liquidität zu sichern. Problematisch ist im Rahmen des täglichen Liquiditätsstatus, dass dem Finanzmanagement nur wenig Zeit zur Behebung festgestellter Ungleichgewichte verbleibt, da die hierzu erforderlichen Maßnahmen im Laufe des Planungstages durchgeführt werden müssen. Solche Maßnahmen bestehen insbesondere im Verschieben von geplanten, jedoch nicht zwingend fälligen Auszahlungen, oder setzen, wenn ein festgestelltes Defizit durch eine Mittelaufnahme ausgeglichen werden soll, die Bereitschaft potenzieller Kapitalgeber voraus, die finanziellen Mittel im erforderlichen Umfang unverzüglich bereitzustellen. Ob diese Bereitschaft innerhalb eines Geschäftstages erteilt wird resp. erteilt werden kann, da auch die Kapitalgeber ihrerseits Zeit zur Mobilisierung der notwendigen Mittel benötigen oder ggf. eine Kreditwürdigkeitsprüfung vorzunehmen beabsichtigen, ist zumindest fraglich.163 Darüber hinaus ist der tägliche Liquiditätsstatus lediglich in der Lage, die gegenwärtige Liquidität zu bestimmen, d.h. anzugeben, ob am Planungstag ein Überschuss oder eine Unterdeckung an Finanzmitteln vorliegt. Mithilfe des täglichen Liquiditätsstatus ist es jedoch nicht möglich, Aussagen über die Dauer zu tätigen, wie lange ggf. überschüssige Mittel angelegt werden können resp. wie lange die eventuell zu beschaffenden Finanzmittel benötigt werden. 164 Aus den angeführten Gründen ist es erforderlich, den täglichen Liquiditätsstatus um eine weitere Planungsrechnung zu ergänzen. Diese Planungsrechnung, die kurzfristige Finanzplanung, soll einerseits die Nachteile des täglichen Liquiditätsstatus kompensieren, die durch dessen zeitliche Begrenzung auf den Planungstag selbst entstehen, indem ein Planungshorizont gewählt wird, der weiter in die Zukunft reicht. Andererseits wird der Planungshorizont jedoch dadurch eingeschränkt, dass mit zunehmender Planungsweite üblicherweise die Genauigkeit der in die Planung einfließenden Größen abnimmt. Es ist folglich eine Planungsrechnung erforderlich, die zum einen über den laufenden Planungstag hinaus plant, zum anderen aber die Nachteile eines zu weiten Planungshorizonts vermeidet. Die kurzfristige Finanzplanung wird im kurzfristigen Finanzplan umgesetzt.165
163 164 165
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 245 Vgl. MICHEL u.a. (Finanzplanung 1994), S. 43 Vgl. PROBST (Finanzplanung 1989b), S. 172; WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 245
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
69
Der kurzfristige Finanzplan166, der auch als Finanzplan, als unterjähriger Finanzplan, als Finanzplan i.e.S., sowie als Liquiditätsplan bezeichnet wird, weist i.d.R. einen Planungshorizont von höchstens einem Jahr auf.167 Die Wahl des Planungszeitraums soll sicherstellen, dass weitestgehend sämtliche zukünftigen Ein- und Auszahlungen in die Planungsrechnung integriert werden können und dass die Zahlungszeitpunkte und die Volumina der jeweiligen, in die Planung eingehenden Zahlungen möglichst genau erfasst werden können.168 Die Aufgabe des Finanzplans liegt in der Sicherung der kurzfristigen (dispositiven) Liquidität.169 Charakteristisch für die dispositive Liquiditätssicherung ist, dass sie sich bei festgestellten Ungleichgewichten im Normalfall ausschließlich auf kurzfristig wirkende, finanzwirtschaftliche Ausgleichsmaßnahmen bezieht und keine grundlegenden Eingriffe in den leistungswirtschaftlichen Bereich vornimmt. Damit steht die Finanzplanung im Gegensatz zur Kapitalbindungsplanung, deren Aufgabe die Sicherung der strukturellen Liquidität beinhaltet. Zur Sicherung der strukturellen Liquidität, d.h. zur Behebung struktureller Defizite, sind i.d.R. kurzfristig wirkende, finanzwirtschaftliche Maßnahmen nicht ausreichend, sodass meist ein Eingriff in den Leistungsbereich erforderlich ist. Im Gegensatz zum täglichen Liquiditätsstatus gewährt der Einsatz eines Finanzplans dem Finanzmanagement zur Vorbereitung und Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen einen größeren zeitlichen Spielraum. Mithilfe dieses Spielraums soll es dem Finanzmanagement möglich sein, ggf. vorhandene Unterdeckungen resp. Überschüsse an liquiden Mitteln durch finanzwirtschaftliche Maßnahmen, d.h. Maßnahmen, die vom Finanzmanagement eigenständig und ohne Eingriff in die Leistungssphäre durchgeführt werden können, auszugleichen. Liegt annahmegemäß ein negativer prognostizierter Liquiditätssaldo vor, wird eingeplant, dieses Defizit an liquiden Mitteln beispielsweise durch Verkauf von geldnahen Aktiva zu kompensieren.170 Weist der Finanzplan demgegenüber einen prognostizierten Überschuss an liquiden Mitteln aus, besteht eine weitere Aufgabe des Finanzplans darin aufzuzeigen, ab welchem Zeitpunkt, für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die überschüssigen Mittel zur Verfügung stehen, damit diese einer entsprechenden Anlage zugeführt werden können. Zudem soll der Finanzplan die Struktur der zukünftigen Ein- und Auszahlungen aufzeigen. In diesem Zusammenhang sollte sinnvollerweise eine Trennung in Zahlungen vorgenommen werden, die ihren Ursprung in der 166 167 168 169 170
Im Folgenden wird für den Begriff „kurzfristige Finanzplan“ der Terminus „Finanzplan“ verwendet Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 351; PROBST (Finanzplanung 1989b), S. 172; SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 494; SERFLING/MARX (Finanzplanung 1991), S. 107 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 41-42 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 683 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 246; HAHN (PuK 2001), S. 160
70
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Leistungssphäre haben, und solchen Zahlungen, die dem Finanzbereich zuzuordnen sind.171 Der Finanzplan dient somit als Basis für die Liquiditätsfeinsteuerung. Auf der Grundlage des Finanzplans sollen kurzfristig auftretende, in ihrem Umfang begrenzte Ungleichgewichte zwischen vorhandenen und notwendigen liquiden Mitteln ausgeglichen werden. Als Voraussetzung gilt dabei, dass die strukturelle Liquidität gesichert ist, sodass ein Gleichgewicht der fundamentalen Ein- und Auszahlungen, die im Wesentlichen durch den Leistungsbereich bestimmt sind, vorausgesetzt wird.172 2.
Ausgestaltung eines Finanzplans in zeitlicher Hinsicht
Zur Aufrechterhaltung der Liquidität sollte der Finanzplan den Liquiditätssaldo eines Unternehmens taggenau ausweisen. Mit zunehmendem Planungshorizont wird die betragsmäßige und zeitgenaue Vorhersage der zukünftigen Ein- und Auszahlungen jedoch immer schwieriger, sodass die zugrunde liegenden Planungsintervalle vergrößert werden. D.h. ab einem bestimmten Zeitpunkt wird es nicht mehr möglich sein, den Saldo pro Planungstag zu ermitteln. Vielmehr werden der Planung dann größere Zeiträume, wie z.B. die Woche oder der Monat zugrunde gelegt, wodurch nicht mehr die Momentanliquidität, sondern die Periodenliquidität für den entsprechenden Zeitraum bestimmt wird.173 Prinzipiell gilt, dass die zeitliche Unterteilung des Finanzplans nur unternehmensindividuell vorgenommen werden kann, da die Wahl der Planteilperioden von den Erfordernissen im jeweiligen Unternehmen abhängt.174 Nach einer empirischen Untersuchung von PAUSENBERGER/GLAUM/JOHANSSON variiert der Zeitraum, für den eine taggenaue Planung durchgeführt wird, von einer Woche bis über einen Monat.175 So plant etwa die Hälfte der in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen für eine Woche taggenau, ein Viertel bevorzugt die taggenaue Planung für einen Zeitraum von einem Monat und ein Viertel dehnt die tagesgenaue Planung über einen Zeitraum von über einem Monat aus. Folgende zeitliche Einteilung des Finanzplans besitzt somit lediglich beispielhaften Charakter:176 x Tagesgenaue Planung: Für die ersten vier Wochen sind jeweils Momentanliquiditäten zu bestimmen, d.h. der Liquiditätssaldo ist tagesgenau auszuweisen. 171 172 173 174 175 176
Vgl. BIEG (Finanzplanung 1999), S. 430-431 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung), S. 246; WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 681 Vgl. MUSIL (Computergestützte Finanzplanung 1992), S. 29; ZUNK (Finanzplanung 2000), S. 561 Vgl. BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 9 Vgl. PAUSENBERGER/GLAUM/JOHANSSON (Cash Management 1995), S. 1371 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 247
71
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
x Wochengenaue Planung: Von der 5. Woche an bis zur 20. Woche einschließlich ist die Periodenliquidität für einzelne Wochen zu bestimmen. x Monatsgenaue Planung: Von der 21. Woche bis zur 52. Woche ist die Periodenliquidität für einzelne Monate festzulegen. (Vgl. Abbildung 12).
Planungshorizont (in Wochen) 1
2
3
4
5
...
19 20 21 22
Bestimmung von Wochengenauer Ausweis Momentanliquiditäten der Liquidität für die für die ersten 4 Wochen Wochen 5 bis 20
51 52
Monatsgenauer Ausweis der Liquidität ab der 21. Woche
Abbildung 12: Exemplarische zeitliche Einteilung eines Finanzplans177 Ebenso wie die Wahl der Planteilperioden ist auch der Planungshorizont des Finanzplans unternehmensindividuell festzulegen. Soll der Finanzplan die ihm zugedachten Aufgaben erfüllen, ist ein Mindestplanungshorizont erforderlich. Dieser Mindestplanungshorizont sollte so festgelegt werden, dass dem Finanzmanagement zur Behebung dispositiver Ungleichgewichte eine ausreichende Reaktionszeit eingeräumt wird. Dabei ist oftmals die jeweilige Branche, in der ein Unternehmen tätig ist, ausschlaggebend für die Planungsreichweite des Finanzplans. So erstellen beispielsweise Banken im Vergleich zu Schiffswerften oder Bergbauunternehmen tendenziell kürzer ausgelegte Finanzpläne.178 Ein dem Finanzplan zugrunde gelegter Planungshorizont von z.B. einem Jahr bedeutet nicht, dass ein neuer Finanzplan erst wieder am Ende des Jahres aufgestellt wird. Vielmehr kommt im Rahmen der Erstellung eines Finanzplans das Prinzip der doppelten rollierenden Planung zum Einsatz.179 Dabei wird einerseits der Finanzplan beispielsweise jeweils nach Ablauf eines Monats neu aufgestellt. Die Monate zwei bis zwölf des alten Finanzplans bilden dann die Monate eins bis elf 177 178 179
In Anlehnung an WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 248 Vgl. BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 9 Vgl. MARX (Finanzmanagement 1993), S. 123; KUHN/STEIN (Finanzplanung 1984), S. 117
72
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
des neuen Finanzplans und der neue Finanzplan ist um einen neu einzuplanenden Monat zwölf zu ergänzen. (Vgl. Abbildung 13) Somit leistet der Finanzplan zwar nach Ablauf eines Monats wieder eine Vorausschau auf zwölf Monate, jedoch würde keine tagesgenaue Planung mehr zur Verfügung stehen, da der Ausweis der Momentanliquiditäten nur für die ersten, abgelaufenen vier Wochen erfolgte. Zur Lösung dieses Problems wird häufig zweifach rolliert, sodass z.B. nach Ablauf der ersten Planungswoche zunächst für die originäre fünfte Woche, für die bislang nur eine Periodenliquidität ausgewiesen wurde, eine tagesgenaue Planung durchgeführt wird, ohne dass der gesamte Planungshorizont verlängert wird. Eine analoge Vorgehensweise erfolgt dann für die Wochen zwei und drei, bis nach Ablauf der vierten Woche nicht nur die achte Woche tagesgenau geplant wird, sondern auch der Planungshorizont um einen Monat vorgetragen wird.180 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
Zeit in Monaten
Originärer Plan 1. Nachfolgeplan
2. Nachfolgeplan
= jeweils neu hinzu tretender Planungszeitraum
Abbildung 13: Beispiel eines rollierenden Finanzplans181 Im Rahmen der Erstellung des jeweils neuen Finanzplans sind die Angaben über die Zahlungen, die in den vorangegangenen Finanzplan eingeflossen sind, zu überprüfen und ggf. zu berücksichtigen bzw. zu aktualisieren. So liegen beispielsweise nach einem Monat neue Informationen in Bezug auf den Anfangsbestand an liquiden Mitteln des zweiten Monats und die Ein- und Auszahlungen der folgenden elf Monate vor. Während sich der Anfangsbestand an liquiden Mitteln zu Beginn des zweiten Monats aus den tatsächlich angefallen Ein- und Auszahlungen 180 181
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsmanagement 1997), S. 248; HUCH (Finanz-Controlling 1998), S. 99 In Anlehnung an MENSCH (Finanzcontrolling 2001), S. 34; HÜRLIMANN (Finanzplanung 1988), S. 427
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
73
ergibt und somit definitiv feststellbar ist, können die Zahlungen der folgenden elf Monate beispielsweise durch veränderte Planungsannahmen beeinflusst werden. Auf der Basis der neuen Informationen ist schließlich ein neuer Finanzplan aufzustellen. 3.
Inhaltliche Ausgestaltung eines Finanzplans
Im Rahmen des Finanzplans werden zunächst die geplanten Ein- und Auszahlungen unter Berücksichtigung des (Plan-)Anfangsbestandes182 gegenübergestellt, um für die jeweiligen Teilperioden des Finanzplans den geplanten Endbestand, der in Form eines Zahlungsmittelüberschusses bzw. –fehlbetrages vorliegen kann, ermittelt.183 Die in den Finanzplan einfließenden Größen sind somit: x (Plan-)Anfangsbestand an liquiden Mitteln x geplante Einzahlungen x geplante Auszahlungen x Planendbestand an liquiden Mitteln Auf der Grundlage des jeweiligen (Plan-)Anfangsbestands an liquiden Mitteln wird für jede einzelne Teilperiode des Planungszeitraumes der geplante Zahlungsmittelendbestand errechnet, indem vom (Plan-)Anfangsbestand ausgehend die Plan-Einzahlungen addiert und die Plan-Auszahlungen subtrahiert werden. Aufbauend auf dem Planendbestand an liquiden Mitteln sind bei einer prognostizierten Überdeckung die freien Mittel zur Steigerung der Rentabilität einer Anlage zuzuführen. Wird eine Unterdeckung festgestellt, sind geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Liquidität zu ergreifen.184 Finanzpläne werden regelmäßig in Staffelform aufgestellt.185 Die grundlegende Struktur eines kurzfristigen Finanzplans illustriert folgende Abbildung 14.
182 183 184 185
Der Anfangsbestand an liquiden Mitteln der ersten Teilperiode ist eindeutig feststellbar. Vgl. MARX (Finanzmanagement 1993), S. 117; EICHHOLZ/KLUGE (Finanzwirtschaft 1995), S. 69 Vgl. SERFLING/MARX (Finanzplanung 1991), S. 107; PROBST (Finanzplanung 1989b), S. 172 Vgl. DELLMANN (Finanzplanung 1993), Sp. 640
74
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Anfangsbestand an liquiden Mitteln zu Beginn der Planperiode + Summe der Planeinzahlungen der Planperiode - Summe der Planauszahlungen der Planperiode = Endbestand an liquiden Mitteln am Ende der Planperiode
Abbildung 14: Grundstruktur eines Finanzplans186 Die Plan-Einzahlungen und Plan-Auszahlungen werden üblicherweise nicht nur jeweils als Summe, d.h. als Ergebnis der Verdichtung aller Einzelpositionen der Einzahlungen resp. der Auszahlungen, ausgewiesen. Häufig werden die einzelnen Zahlungen zu Teilmengen gruppiert. Über die Gliederungstiefe der Teilmengen lassen sich jedoch keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Die Gliederungstiefe ist vielmehr individuell für jedes Unternehmen festzulegen, da sie wesentlich von der Art des Unternehmens, von der gewünschten Übersichtlichkeit und von der geforderten Einsicht in die Struktur der Ein- und Auszahlungen abhängt. Oftmals werden sogar nur die vom finanziellen Volumen bedeutsamen Teilmengen detailliert ausgewiesen.187 Die in der Literatur vorgeschlagenen Finanzpläne unterscheiden sich im Wesentlichen in der Art der Aufgliederung der Plan-Einzahlungen und Plan-Auszahlungen. So wird eine Trennung der Plan-Einzahlungen und Plan-Auszahlungen – analog der Finanzbuchhaltung - in erfolgswirksame und erfolgsunwirksame Einzahlungen und Auszahlungen ebenso vorgeschlagen wie eine Aufgliederung der Planzahlungen nach Abteilungen, Projekten und Produkten.188 Eine häufig vorgenommene Aufgliederung stellt die Unterscheidung der Zahlungen in ordentliche und außerordentliche dar. Während ordentliche Zahlungen regelmäßig aus dem Umsatzprozess folgen, basieren außerordentliche Zahlungen im Wesentlichen auf der Investitionstätigkeit eines Unternehmens und ihrer Finanzierung. Der im Folgenden beispielhaft dargestellte Finanzplan nimmt eine Trennung der Zahlungen nach der Herkunft aus dem laufenden Geschäft (ordentlicher Umsatzprozess), aus Investitions- und Desinvestitionsvorgängen und aus dem Finanzverkehr vor (Vgl. Abbildung 15).
186 187 188
In Anlehnung an PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 658 Vgl. KUßMAUL/BIEG (Investitionsmanagement 2000), S. 12 Vgl. CHMIELEWICZ (Finanzwirtschaft 1976), S. 31
75
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Soll der ermittelte Liquiditätssaldo ausgeglichen werden, enthält der Finanzplan weiterhin die geplanten Ausgleichsmaßnahmen (Position V) sowie den nach der Berücksichtigung der Ausgleichsmaßnahmen resultierenden korrigierten Planendbestand an liquiden Mitteln (Position VI). Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen können im Falle von Fehlbeträgen beispielsweise Einzahlungen aus der Inanspruchnahme von Kreditlinien sein. Liegt hingegen ein Überschuss an Finanzmitteln vor, kann dieser z.B. einer Anlage zugeführt werden. Zeitintervalle (z.B. Tag, Woche, Monat) I I.
Plan-Anfangsbestand an liquiden Mitteln
1.
Kasse
2.
Bankgiroguthaben
II.
Geplante Einzahlungen
1.
Einzahlungen aus ordentlichen Umsätzen
1.1.
Barverkäufe
1.2.
Bezahlung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
Gesamtbestand
2.
Einzahlungen aus Desinvestitionen
2.1.
Anlagenverkäufe
2.2.
Auflösung von Finanzinvestitionen
3.
Einzahlungen aus Finanzerträgen
3.1.
Zinseinzahlungen
3.2.
Dividendeneinzahlungen
4.
Sonstige Einzahlungen Summe der Einzahlungen
III.
Geplante Auszahlungen
1.
Auszahlungen für laufende Geschäfte
1.1.
Gehälter
1.2.
Löhne
1.3.
Rohstoffe
1.4.
Betriebsstoffe
1.5.
Steuern
II
III
76
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
1.6.
Sonstige
2.
Auszahlungen für Investitionszwecke
2.1.
Sachinvestitionen
2.2.
Finanzinvestitionen
3.
Auszahlungen im Rahmen des Finanzverkehrs
3.1.
Kredittilgung
3.2.
Eigenkapitalminderungen
4.
Sonstige Auszahlungen
IV.
Planendbestand an liquiden Mitteln
V.
Ggf. geplante Ausgleichsmaßnahmen
VI.
Korrigierter Planendbestand an liquiden Mitteln
Summe der Auszahlungen (I + II – III)
Abbildung 15: Beispielhafter Aufbau eines Finanzplans189
189
In Anlehnung an ERTL (Ausgestaltung 1999), S. 235; JAHRMANN (Finanzierung 2003), S. 432; PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 659
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
77
C. Kurzfristige Finanzplanung aus prozessualer Sicht I.
Ermittlung des Vorschau-Finanzplans
1.
Prinzipielle Vorgehensweise und zu berücksichtigende Rahmenbedingungen
Der Ablauf der kurzfristigen Finanzplanung entspricht einem Phasenschema.190 Im Rahmen der Vorschau-Phase sind zunächst die liquiditätsrelevanten Informationen zu ermitteln, die die Basis für eine Prognose der künftigen Zahlungen bilden. Hierzu sind primär - bei der unterstellten sukzessiven Vorgehensweise der Planerstellung - die finanzrelevanten Daten aus den betrieblichen Teilplänen abzuleiten. Sind die aus den Teilplänen zu entnehmenden Daten nicht unmittelbar finanzrelevant, da die Teilpläne beispielsweise keine geplanten Zahlungen, sondern lediglich geplante Mengen beinhalten, müssen die Daten zunächst in finanzrelevante Daten umgewandelt werden. Diese Umwandlung wird mithilfe von Prognoseverfahren vorgenommen. Als Ergebnis dieser Phase liegen die geplanten Zahlungen vor. An die Prognose schließt sich die Erstellung des Vorschau-Finanzplanes an. Hierzu werden die ermittelten Planzahlungen gemäß der gewünschten Struktur des Finanzplans zusammengestellt. Als Hilfsmittel zur Erstellung des Vorschau-Finanzplans wurden in Anlehnung an allgemeine Planungsgrundsätze einige Regeln konzipiert, deren Einhaltung die Durchführung der kurzfristigen Finanzplanung erleichtern und eine Gewährleistung für ihren erfolgreichen Einsatz bieten soll.191 Diese Regeln werden auch als „Grundsätze der Finanzplanung“ bezeichnet. 192 Sie lassen sich als Anforderungen interpretieren, die im Rahmen der kurzfristigen Finanzplanung zu erfüllen sind. Diese Anforderungen sind für die Finanzplanungsrechnungen von grundlegender Bedeutung und darüber hinaus betriebsindifferent, d.h. sie besitzen für alle Unternehmen die gleiche Gültigkeit.193 Folgende Abbildung 16 stellt die Grundsätze der Finanzplanung zusammen.
190 191 192 193
Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 402-403; GRAMLICH/WALZ (Phasenmodell I 1994), S. 325 Vgl. BIEG (Finanzplanung 1999), S. 426; JOST (Finanzplanung 1990), S. 17; KRÜMMEL (Grundsätze 1964), S. 225 Vgl. EGGERS (Grundsätze 1971), S. 261 Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 120
78
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Grundsätze der Finanzplanung Vollständigkeit Genauigkeit Bruttoausweis Wirtschaftlichkeit Kontinuität
Abbildung 16: Grundsätze der Finanzplanung Der Grundsatz der Vollständigkeit stellt eine Basisbedingung der Finanzplanung dar, wobei sich „Vollständigkeit“ auf zwei Teilaspekte bezieht. Einerseits wird die Erfassung sämtlicher Zahlungen einer Periode gefordert. Andererseits bezieht sich die vollständige Erfassung der Zahlungen auch auf das gesamte Unternehmen, da nur das Unternehmen als Rechtssubjekt für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen verantwortlich ist.194 Der Grundsatz der Vollständigkeit erfordert die Erfassung sämtlicher Ein- und Auszahlungen einschließlich der Finanzmittelbestände.195 Im Rahmen des Grundsatzes der Genauigkeit ist zwischen Zeitpunkt- und Betragsgenauigkeit zu differenzieren. Diese Unterscheidung resultiert daraus, dass geplante Zahlungen sowohl hinsichtlich ihres Betrages als auch in Bezug auf ihren Termin Planabweichungen aufweisen können. Zur Gewährleistung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit fordert der Grundsatz der Zeitpunktgenauigkeit, dass der Eintritt künftiger Zahlungen möglichst exakt, d.h. bestenfalls tagesgenau, ausgewiesen wird, während die Forderung der Betragsgenauigkeit die möglichst genaue Schätzung der Beträge der jeweiligen in die Planung eingehenden Zahlungsströme verlangt. Daher legt die Betragsgenauigkeit den Ansatz realistischer Beträge nahe. Letztlich müssen die geplanten Ein- und Auszahlungen sowohl zeitlich als auch betragsmäßig korrekt bestimmt werden, da nur dann Maßnahmen zur Beseitigung von Ungleichgewichten sinnvoll durchgeführt werden können.196 Nach dem Grundsatz des Bruttoausweises sind alle Zahlungen unsaldiert aufzuführen, d.h. die Ein- und Auszahlungen dürfen nicht verrechnet werden. Der Bruttoausweis der Zahlungen soll insbesondere die Transparenz der Finanzplanung erhöhen. Darüber hinaus soll die Kontrollierbarkeit des Finanzplanes erleichtert 194 195 196
Vgl. LÜCKE (Finanzplanung 1976), Sp. 553 Vgl. MARX (Finanzmanagement 1993), S. 102 Vgl. EGGERS (Grundsätze 1971), S. 270
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
79
werden, da im Rahmen von Abweichungsanalysen festgestellte Abweichungen leichter den einzelnen Zahlungsarten zugeordnet werden können, welche die Abweichungen verursacht haben. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit fordert einen Abgleich von Kosten und Nutzen der Planung. Aufgrund der Zukunftsbezogenheit der Planung können trotz ausgefeilter Planungsansätze und –methoden Planungsungenauigkeiten auftreten. Die Planungsungenauigkeiten können möglicherweise durch die Beschaffung zusätzlicher Informationen verringert werden. Da die Beschaffung zusätzlicher Informationen i.d.R. mit steigenden Grenzkosten der Informationsbeschaffung verbunden ist, ist nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit die Beschaffung weiterer Informationen nur sinnvoll, solange der Grenznutzen der zusätzlichen Informationen die Grenzkosten der Informationsbeschaffung übersteigt.197 Der Grundsatz der Kontinuität soll verhindern, dass ein Finanzplan nur fallweise, z.B. in Zeiten finanzieller Engpässe erstellt wird und bei „normalem“ Geschäftsbetrieb unterbleibt. Der Grundsatz der Kontinuität beabsichtigt jedoch nicht die Bindung der kurzfristigen Finanzplanung an bestimmte Stichtage wie beispielsweise bei buchhalterischen Abschlussrechnungen. Vielmehr kann eine zeitlich flexible Planungsform mit unterschiedlich langen Planperioden sinnvoll sein. Jedoch fordert der Grundsatz der Kontinuität, dass sich die einzelnen Planperioden lückenlos aneinander anschließen.198 2.
Datenquellen der Vorschau-Planung
Zur Aufstellung des Vorschau-Finanzplans sind zunächst die liquiditätsrelevanten Informationen zu ermitteln, aus denen die in die Finanzplanung einfließenden Plan-Zahlungen abgeleitet werden können. Zur Ermittlung der liquiditätsrelevanten Informationen sind die Quellen zu identifizieren, aus denen solche Informationen gewonnen werden können. Dabei lassen sich unternehmensinterne und unternehmensexterne Quellen unterscheiden.199 Die für die Finanzplanung bedeutendsten Informationen entstammen dem unternehmensinternen Bereich. Als unternehmensinterne Informationsquellen kommen im Wesentlichen die erfolgswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Vorpläne200 in Betracht. Vorteilhaft bei der Verwendung der Daten aus den Vorplänen ist, dass die in den Plänen vorhandenen Angaben nicht vergangenheitsorientiert sind, sondern sich auf zukünftige Perioden beziehen. Während bei finanzwirt197 198 199 200
Vgl. BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 4 Vgl. JOST (Finanzplanung 1990), S. 21 Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 235 Der Begriff „Vorplan“ verdeutlicht, dass dieser Plan zu Beginn der Finanzplanung bereits vorliegt. Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S, 64
80
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
schaftlichen Vorplänen i.d.R. bereits Daten auf der Zahlungsebene vorliegen, sodass ggf. nur noch eine zeitliche Anpassung der Daten und ein Übertrag in den Finanzplan vorgenommen werden muss, weisen erfolgswirtschaftliche Vorpläne meist Daten auf der Werteebene oder der Mengenebene aus.201 Die erfolgswirtschaftlichen Vorpläne, die die zentrale Informationsquelle für die Finanzplanung darstellen, bestehen aus den güterwirtschaftlichen Plänen der einzelnen Leistungsbereiche und aus den Plänen, welche die erfolgswirksamen Vorgänge im Finanzbereich erfassen. Zu den für die Finanzplanung bedeutsamen erfolgswirtschaftlichen Vorplänen zählen insbesondere:202 x Absatz- und Umsatzplan: Der Absatzplan enthält die nach Produktarten, Produktgruppen, Kundengruppen oder Regionen unterschiedenen geplanten Absatzmengen.203 Werden die Preise für die Produkte in die Planung einbezogen, entsteht der Umsatzplan. Der Umsatzplan ist ein wertbezogener Plan, da er Werte ausweist, die sich aus der Multiplikation von geplantem Preis pro Produkt und geplanter Absatzmenge dieses Produkts ergeben. Die aus der Umsatzplanung entnommen Werte sind jedoch nicht mit Einzahlungen gleichzusetzen, sie bilden aber die Basis, um mithilfe von Prognoseverfahren Einzahlungen abzuleiten. Bei der Ableitung von Einzahlungen aus Umsätzen spielt insbesondere das Zahlungsverhalten von Kunden eine bedeutende Rolle. Ggf. wird durch den Umsatzplan auch die Auszahlungsseite im Finanzplan berührt, wenn im Absatzplan auch ein Absatzförderungsplan enthalten ist. x Beschaffungsplan: Der Beschaffungsplan umfasst die geplanten Mengen und Preise aller für die Produktion bereitzustellenden Verbrauchsgüter. Da Veränderungen im Absatz i.d.R. erst mit großer zeitlicher Verzögerung eine Änderung der Bestellmengen bewirken, wobei ggf. Einsatzlager und Absatzlager eine dämpfende Wirkung entfalten, weist die Prognose der Bestellmengen normalerweise eine hohe Genauigkeit auf. Im Gegensatz dazu sind die fremdbestimmten Preise schwieriger zu prognostizieren.204 Ebenso wie bereits der Umsatzplan weist der Beschaffungsplan Daten der Mengen- und der Werteebene aus. Diese Daten sind mithilfe von Prognoseverfahren in Auszahlungen zu transformieren, wobei neben dem eigenen Zahlungsverhalten auch die Organisation des Zahlungsverkehrs im Unternehmen eine Einflussgröße darstellt. 201 202 203 204
Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 235 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 105; WITTE (Finanzplanung 1983), S. 65 Vgl. EHRMANN (Unternehmensplanung 2002), S. 269 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 106
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
81
x Personalplan: Der Personalplan beinhaltet die Feststellung des Personalbedarfs und weist damit auch die Höhe und die Zeitpunkte der Personalauszahlungen aus. x Investitionsplan: Der Investitionsplan zeigt alle Auszahlungen für die Beschaffung der Investitionsgüter, sämtliche mit den Investitionen verbundenen Nebenauszahlungen sowie ggf. alle Einzahlungen aus der Veräußerung alter Anlagen auf. Der Investitionsplan besitzt für die Finanzplanung eine große Bedeutung, da durch die Investitionen häufig große Auszahlungsströme verursacht werden, die zu wenigen Zeitpunkten anfallen. Bei der Gewinnung zahlungsrelevanter Daten aus mengen- und wertebezogenen Vorplänen ist zu beachten, dass nicht alle diese Pläne die gleiche Relevanz besitzen. Prinzipiell sind nur die Pläne von Bedeutung, die direkte Rückschlüsse auf Zahlungsbewegungen gestatten. Pläne, die lediglich unternehmensinterne Wertbewegungen ausdrücken, wie z.B. Lagerpläne, werden i.d.R. nicht berücksichtigt.205 Liegen darüber hinaus unternehmensindividuelle Planungen vor, die einen Bezug zu künftigen Zahlungen aufweisen, so sind diese Planungen ebenfalls zur Ableitung zahlungsrelevanter Daten heranzuziehen. Im Allgemeinen existieren nur wenige finanzwirtschaftliche Informationsquellen, die Plan-Daten liefern, die auf der Zahlungsebene vorliegen. Meist handelt es sich um Plan-Daten, die innerhalb der Finanzabteilung entstehen. Als finanzwirtschaftliche Informationsquellen sind insbesondere von Relevanz:206 x Finanzierungspläne, x Tilgungs- und Zinspläne, x Wechselbücher, x Steuerpläne und x Verträge, in denen zukünftige Zahlungsbeträge und -zeitpunkte festgelegt sind, z.B. Versicherungsverträge, Leasingverträge oder FactoringVerträge. Als finanzwirtschaftliche Vorpläne kommen weiterhin Kapitalbindungspläne in Betracht, sofern solche Pläne aufgestellt werden. Insbesondere die im Kapitalbindungsplan eingeplanten Zins- und Tilgungszahlungen werden in den Finanzplan übernommen. Vorteilhaft ist hierbei, dass bei den Finanzierungszahlungen i.d.R. sowohl die Zahlungsbeträge als auch die Zahlungszeitpunkte festliegen. Weist der 205 206
Vgl. HAUSCHILD/Sachs/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 105 Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 236
82
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Kapitalbindungsplan Zahlungen nur nach dem Betrag aus, ist eine zeitliche Präzisierung vorzunehmen.207 Eine weitere interne Informationsquelle für die Finanzplanung stellt die Finanzbuchhaltung dar. Eine Finanzbuchhaltung, die nach § 238 HGB von jedem Kaufmann zu führen ist, hat zur Aufgabe, sämtliche, in Zahlenwerten festgestellte wirtschaftlich bedeutsamen Vorfälle aufzuzeichnen, die sich in einem Unternehmen ereignen. Die Finanzbuchhaltung kann daher als Informationsspeicher interpretiert werden, in dem sämtliche Zahlungsvorfälle nach Betrag und Zeitpunkt erfasst werden. Als problematisch ist jedoch der Vergangenheitsbezug der Daten der Finanzbuchhaltung zu qualifizieren. Wenngleich eine Finanzplanung auf der Basis von Vergangenheitsdaten als unterentwickelt gilt, können dennoch auf der Basis von vergangenen Zahlungen mithilfe von Prognosemethoden zukünftige PlanZahlungen abgeleitet werden.208 Eine solche Vorgehensweise erscheint immer dann sinnvoll, wenn die Umwelt des Unternehmens sehr stabil ist und unternehmensintern auch keine Veränderungen vorgenommen werden.209 Gegenüber den internen Informationsquellen besitzen die externen Informationsquellen lediglich eine untergeordnete Bedeutung. Externe Informationsquellen werden im Wesentlichen im Rahmen von Absatzprognosen zur Beurteilung der Marktsituation herangezogen. Zu den externen Informationsquellen gehören neben der amtlichen Wirtschaftsberichterstattung insbesondere Prognosedaten von Wirtschaftsinstituten, von Verbänden, von Kammern und von Kreditinstituten.210 Externe Informationsquellen werden i.d.R. umso häufiger zur Gewinnung finanzplanrelevanter Daten beansprucht, je komplexer und undurchsichtiger sich die wirtschaftliche Lage darstellt.211 Der Anspruch an die Datenbeschaffung ist sehr hoch; denn die kurzfristige Finanzplanung fordert die exakte Vorausbestimmung eines pagatorischen Wertes für sämtliche Zahlungsarten einer jeden Planungsperiode. Diese Anforderung an die Planungspräzision verlangt prinzipiell nach einem Planungssystem, welches das gesamte Unternehmen umfasst und sämtliche Zahlungen verursachende Größen kontinuierlich bereitstellt. Da Unternehmen i.d.R. jedoch nicht über solche Planungssysteme verfügen, ist im Rahmen der Datenbeschaffung eine Auswahl zwischen Daten verschiedener Niveaus zu treffen. Zur Minimierung der Verarbeitungskosten sollten in diesem Zusammenhang grundsätzlich Daten, die einen größeren Bezug zu Zahlungen aufweisen, denjenigen Daten vorgezogen werden, die 207 208 209 210 211
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 65 Vgl. FISCHER/RUTKIS (Ermittlung 1992), S. 28 Vgl. HAUSCHILD/WITTE/SACHS (Finanzplanung 1981), S. 94 Vgl. PROBST (Finanzplanung 1989a), S. 90 Vgl. SCHÜTT (Finanzierung 1979), S. 118
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
83
einen geringeren Bezug zur Zahlungsebene besitzen. Somit werden Daten der Zahlungsebene, wie z.B. Umsatzeinzahlungsprognosen, gegenüber den Daten der Wert- und Mengenebene, wie z.B. Umsatzschätzungen oder Absatzprojektionen, bevorzugt. Ebenso werden Daten mit Zukunftsbezug, wie z.B. Steuervorauszahlungen, gegenüber Ist-Daten der Vergangenheit, wie z.B. tatsächliche Steuerzahlungen der Vorperiode, präferiert. Darüber hinaus wird aufgrund der leichteren Qualitätsüberwachung und der höheren Beschaffungsgeschwindigkeit empfohlen, Daten des Finanzbereichs den Daten anderer Bereiche vorzuziehen. 212 3.
Techniken der Finanzprognose
Können aus den Vorplänen keine Daten in Form von Plan-Zahlungen beschafft werden, muss ein Rückgriff auf Daten niedrigeren Niveaus vorgenommen werden. Diese Daten sind mithilfe von Prognoseverfahren auf das gewünschte Niveau anzuheben. Dabei werden entweder Plan-Daten der Mengen- resp. Wertebene in Plan-Daten der Zahlungsebene überführt, oder es wird auf der Basis früherer Zahlungen auf zukünftige Zahlungen geschlossen.213 Unter Prognosen werden im Allgemeinen x Wahrscheinlichkeitsurteile über das Auftreten eines oder mehrerer Ereignisse in der Zukunft verstanden, x die auf Beobachtungen der Vergangenheit, x einer Theorie über die Erklärung der Beobachtungen sowie x einer Annahme über die Fortgeltung der Erklärung in der Zukunft beruhen.214 Prognosen beruhen i.d.R. auf beobachteten Vergangenheitsdaten. Aus den Vergangenheitsdaten wird eine Theorie abgeleitet, wie diese Daten in der Vergangenheit zustande kamen. Durch Fortschreiben der Gültigkeit der Theorie in die Zukunft wird auf zukünftige Daten geschlossen. Damit wird deutlich, dass Prognosen nicht mit Sicherheit abgegeben werden können, sondern nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreffen werden.215 Aussagen über künftige Ereignisse, die dieser Definition nicht entsprechen, werden üblicherweise als Projektionen oder Prophezeiungen tituliert.216 Die Prognose ist von der Planung insofern abzugrenzen, als die Prognose die zukünftige Entwicklung von Ereignissen lediglich passiv 212 213 214 215 216
Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 683 Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 148 Vgl. BROCKHOFF (Prognosen 2001), S. 715; BAETGE u.a. (Probleme 2003), S. 106; Vgl. BRAUN (Finanzprognosen 1982), S. 16 Vgl. BROCKHOFF (Prognosen 2001), S. 717
84
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
voraussagen will, während die Planung die Zukunft aktiv gestaltet und hierzu die Ergebnisse der Prognose berücksichtigt.217 Zur Prognose im Rahmen der kurzfristigen Finanzplanung werden verschiedene Methoden eingesetzt. Prinzipiell lassen sich die x subjektiv-pragmatischen Methoden von den x statistisch-formalen Methoden unterscheiden, wobei die statistisch-formalen Methoden weiter in die extrapolierenden und die kausalen Methoden getrennt werden können. (Vgl. folgende Abbildung 17). 218 Eine empirische Untersuchung von BANKHOFER und HILBERT aus dem Jahre 1996 kommt zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der Finanzplanung die subjektiv-pragmatischen Verfahren deutlich dominieren.219 Während diese von rund 88 % der befragten Unternehmen eingesetzt wurden (Mehrfachnennungen waren erlaubt), wurden von 57 % der Unternehmen extrapolierende Verfahren verwendet. Kausalen Verfahren kam mit ca. 15 % lediglich eine untergeordnete Bedeutung zu.
Methoden der Finanzprognose
Subjektiv-pragmatische Methoden
Statistisch-formale Methoden
Extrapolierende Methoden
Kausale Methoden
Abbildung 17: Methoden der Finanzprognose Subjektiv-pragmatische Methoden basieren auf den Einschätzungen des Planenden oder der von ihm beauftragten Personen. Diese Methoden sind durch persönliche, zum Teil intuitive Beurteilungen gekennzeichnet und werden nicht aus einer lo217 218 219
Vgl. BRAUN (Finanzprognosen 1982), S. 17 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 101-124; NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 162-167; GAHSE (Techniken 1971), S. 30-68 Vgl. BANKHOFER/HILBERT (Methoden 1998), S. 243
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
85
gisch überprüfbaren, funktionalen Beziehung abgeleitet. Daher werden solche Methoden auch als „heuristisch“ bezeichnet.220 Ein pragmatischer Ansatz erscheint insbesondere bei der Prognose von Zahlungen sinnvoll, die aus singulären Ereignissen resultieren und die sich einer Erfassung mit statistischen Verfahren weitestgehend entziehen, wie beispielsweise die Prognose von Personalauszahlungen im Anschluss an Tarifverhandlungen.221 Darüber hinaus kann die Prognose einer Zahlung mittels eines pragmatischen Ansatzes auch als Vergleichs- bzw. Kontrollgröße für die gleiche, mit statistischen Verfahren prognostizierte Zahlung dienen. Damit kann ggf. verhindert werden, dass ein Prognostiker z.B. in komplexen Situationen den statistischen Verfahren ein „blindes Vertrauen“ entgegenbringt. Im Rahmen des Einsatzes pragmatischer Methoden steht i.d.R. das Bemühen im Vordergrund, die Zahlungen in Schichten verschiedener Sicherheitsgrade einzuteilen. So kann beispielsweise für künftige Zahlungen unterschiedlicher Zahlungsarten unterschieden werden, ob222 x sie in Bezug auf Termin und Betrag vertraglich fixiert sind, x die den Zahlungen zugrunde liegenden leistungswirtschaftlichen Maßnahmen bereits nach Art und Termin vertraglich fixiert sind, jedoch die zugehörigen Zahlungen nach Betrag und Zeitpunkt noch nicht präzise festgelegt wurden, x sie mit Maßnahmen in Verbindung stehen, die vom Unternehmen lediglich beabsichtigt sind, und ob x sie marktabhängig und vom Unternehmen weitestgehend unbeeinflussbar sind. Eine pragmatische Finanzprognose kann auf einem Formular entsprechend Abbildung 18 aufbauen. Bei einer solchen pragmatischen Vorgehensweise werden die aus den Vorplänen ermittelten Ursprungsdaten mittels auf Erfahrungswerten beruhenden Schätzungen in Planauszahlungen und Planeinzahlungen transformiert.223 Im Gegensatz zu den subjektiv-pragmatischen Methoden sind die statistischformalen Methoden aus einer überprüfbaren, funktionalen Beziehung abgeleitet und somit auch von anderen Personen als der prognostizierenden nachvollziehbar. Diese Methoden bedienen sich einer mathematischen Formalisierung. Sie werden
220 221 222 223
Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 102; HÜTTNER (Einsatz 1987), S. 29; BARTH (Prognoseverfahren 1984b), S. 178-180 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 115 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 102 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 114
86
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
üblicherweise in die extrapolierenden und die kausalen Methoden unterschieden.224 Zahlungsart:
Planungszeitraum: Voraussichtliche Entwicklung der Zahlungen I
II
III
IV
Vertraglich vereinbarte Zahlungen
Vertraglich vereinbarte leistungswirtschaftliche Maßnahmen
Beabsichtigte Maßnahmen
Marktabhängige Entwicklungen
Wahrscheinliche Zahlungshöhe Relativer Anteil am Gesamtvolumen Erwartete Schwankungsbreite
Abbildung 18: Struktur einer pragmatischen Finanzprognose225 Charakteristisch für die extrapolierenden Methoden ist, dass sie die zukünftige Entwicklung der zu prognostizierenden Größe allein aus ihren eigenen Vergangenheitswerten, d.h. ihrer Zeitreihe, vorhersagen. Im Rahmen der Anwendung extrapolierender Methoden erfolgt eine Extrapolation, d.h. eine Fortschreibung der Zeitreihe in die Zukunft. Damit diese Verfahren angewendet werden können, wird unterstellt, dass die Bedingungen, die in der Vergangenheit vorherrschten, auch in der Zukunft gelten. Mögliche Veränderungen von Zeitreihen durch neu auftretende Ereignisse werden demnach nicht berücksichtigt.226 Die extrapolierenden Methoden lassen sich in die Methoden der konstanten Extrapolation, der Trendextrapolation sowie der zyklischen Extrapolation differenzieren.227 Die Methoden der konstanten Extrapolation unterstellen, dass die Bedingungen, die zu den Vergangenheitswerten führten, über die Zeit konstant sind. Aus den Vergangenheitswerten kann daher ein methodenspezifischer Mittelwert berechnet werden, der als Prognosewert herangezogen wird. Zu den Methoden der konstanten Extrapolation zählen z.B. der einfache und der gleitende Mittelwert 224 225 226 227
Vgl. PERRION/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 634 In Anlehnung an HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 115 Vgl. HANSMANN (Prognose 1995), S. 273-274 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 103
87
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
sowie die exponentielle Glättung erster Ordnung.228 Die prinzipielle Vorgehensweise der Verfahren der konstanten Extrapolation soll am Beispiel der gleitenden Mittelwertbildung verdeutlicht werden. Beim gleitenden Mittelwert-Verfahren wird als Prognosewert der arithmetische Mittelwert aus einer stets gleich langen Zeitreihe einer Zielgröße errechnet. Der jeweils gesuchte Prognosewert pT der Periode T ergibt sich als Mittelwert aus den letzten m Werten der Zielgröße x, wobei t den Periodenindex darstellt und T m gefordert wird:
1 T 1 ¦ xt m t T m
pT
Der Zeitraum, der zur Berechnung des Mittelwerts herangezogen wird, gleitet von Prognoseperiode zu Prognoseperiode vorwärts (vgl. Abbildung 19). Die Ermittlung des ersten Prognosewerts basiert dabei ausschließlich auf Vergangenheitsdaten. Danach fließen auch Prognosewerte in die Berechnung weiter in der Zukunft liegender Prognosewerte ein. Für m=3 und bei gegebener Zeitreihe mit drei bekannten Ausprägungen (z.B. Auszahlungen für Material in den Kalenderwochen 1 bis 3 in TGE) ergibt sich am Ende der dritten Periode für die Periode 4 ein Prognosewerte von: 1 ( 3 5 10 ) 3
p4
6
Periode
1
2
3
4
5
6
7
xt
3
5
10
?
?
?
?
3
5
10
6
5
10
6
7
10
6
7
7,67
…
…
...
…
Abbildung 19: Prognose von Zahlungen mithilfe der gleitenden Mittelwertbildung 228
Vgl. CHATFIELD (Analyse 1982), S. 81
88
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Die Reagibilität, d.h. die Fähigkeit sensibel auf Trends zu reagieren, hängt von der Wahl von m ab. Je kleiner m gewählt wird, desto höher ist die Reagibilität. Wie das Beispiel verdeutlicht, können die Prognosewerte dem Trend zwar folgen, jedoch nicht ausreichend fortschreiben. Daher sollte das Verfahren der gleitenden Durchschnitte nur zur Prognose von Zeitreihen ohne Trendentwicklung eingesetzt werden.229 Die Methoden der Trendextrapolation geben die Annahme konstanter Verhältnisse auf. Diese Verfahren unterstellen, dass die Entwicklung der Vergangenheitsdaten einem Trend unterliegt, der sich auch in der Zukunft in gleicher Weise vollziehen wird.230 Der Trend kann linear oder Nicht-linear sein. Ein linearer Trend liegt vor, wenn die Entwicklung einer Zeitreihe durch gleiche Zuwachs- oder Abnahmeraten gekennzeichnet ist. Es wird von einem Nicht-linearen Trend gesprochen, wenn die Raten im Zeitablauf nicht konstant sind, sondern sich verändern. Eine Trendextrapolation lässt sich beispielsweise mit einer exponentiellen Glättung zweiter Ordnung, mittels der Wachstumsfunktionen sowie mithilfe der Methode der kleinsten quadratischen Abweichung vornehmen, wobei die Vorgehensweise anhand des letztgenannten Verfahrens erklärt werden soll.231 Im Rahmen der Methode der kleinsten quadratischen Abweichung wird eine lineare Funktion mit der Gleichung yp(t) = a + b·t so den vorliegenden Werten yt einer Zahlungsreihe (z.B. Auszahlungen für Material in der Vergangenheit unterteilt nach Kalenderwochen) angepasst, dass die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen der Geraden und den Ist-Zahlungen ein Minimum annimmt. Da diese lineare Funktion den Trend beschreiben soll, wird sie auch als Trendfunktion bezeichnet. 232 Die Parameter a und b der Trendfunktion lassen sich dabei gemäß der folgenden Formeln errechnen, wobei m für die Anzahl der Beobachtungsperioden steht und t den Periodenindex wiedergibt:233 m
m
t 1
t 1
m
m
¦ t 2 ¦ yt ¦ t ¦ ( t yt )
a
229 230 231 232 233
t 1 t 1 m 2
m § · n ¦t 2 ¨ ¦t ¸ ¨ ¸ t 1 ©t 1 ¹
Vgl. MENSCH (Finanz-Controlling 2001), S. 68 Vgl. MENSCH (Finanz-Controlling 2001), S. 66 Vgl. BARTH (Prognoseverfahren 1984a), S. 123-124 Vgl. SCHLITTGEN/STREITBERG (Zeitreihenanalyse 1984), S. 16 Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 110
89
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
m
m
m
n ¦ ( t y ) ¦ t ¦ yt t 1
b
t 1 t 1 m 2
m
§ · n ¦t2 ¨ ¦t ¸ ¨ ¸ t 1 ©t 1 ¹
Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass für neun aufeinander folgende Kalenderwochen t1 bis t8 die jeweiligen Auszahlungen für Material y1 bis y8 vorliegen. Die Auszahlung y9 in t9 soll am Ende der Periode acht prognostiziert werden. Zunächst werden die zur Ermittlung der Parameter a und b erforderlichen Summengrößen errechnet. Summe t
1
2
3
4
5
6
7
8
36
yt
120
140
155
185
200
210
240
250
1.500
yt · t
120
280
465
740
1.000
1.260
1.680
2.000
7.545
1
4
9
16
25
36
49
64
204
2
t
Die Parameter a und b ergeben sich zu:
204 1.500 36 7.545
a
8 204 362 b
8 7.545 36 1.500 8 204 362
102,32 18,93
Die Funktionsgleichung der Trendgeraden lautet somit yp(t) = 102,32 + 18,93 · t. Für die zu prognostizierende Materialauszahlung der Periode t = 9 ergibt sich damit ein Wert von: yp(9) = 102,32 + 18,93 · 9 = 272,69 Sollen noch zyklische Schwankungen um den Trend mit in die Betrachtung einbezogen werden, werden die Methoden der zyklischen Extrapolation angewendet.234 Zu diesen Verfahren zählen insbesondere die Zeitreihendekomposition sowie das Box-Jenkins-Verfahren.235 234 235
Vgl. BARTH (Prognoseverfahren 1984a), S. 126 Vgl. RUDOLPH (Prognoseverfahren 1998), S. 79ff.; REINER/WEßNER/WIMMER (Prognose 1991), S. 78-79
90
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Während extrapolierende Methoden Veränderungen von Zeitreihen durch neu eintretende Ereignisse nicht berücksichtigen, versuchen kausale Methoden diesem Mangel zu begegnen. Im Zuge der Anwendung von kausalen Methoden werden solche neu eintretenden Einflussfaktoren isoliert, die die zukünftige Entwicklung der Prognosegröße beeinflussen. Diese Faktoren werden in Bezug auf ihre Wirkung auf die Entwicklung der Prognosegröße untersucht. Auf der Basis der Ausprägung resp. der Veränderung dieser Faktoren wird auf die Entwicklung der Prognosegröße selbst geschlossen.236 Zu den kausalen Methoden zählt insbesondere die Prognose mithilfe von Verweilzeitverteilungen, deren Funktionsweise im Folgenden erläutert werden soll.237 Die Prognose mithilfe von Verweilzeitverteilungen basiert auf der Unterteilung des betrieblichen Geschehens in Teilprozesse. Der Grundgedanke des Verfahrens liegt darin, die sachlichen und zeitlichen Folgebeziehungen zwischen den Teilprozessen durch empirisch-statistische Untersuchungen zu ermitteln und zu einer mathematischen Folgegesetzmäßigkeit zu verdichten. Die Folgebeziehungen werden dabei durch so genannte Übergangsfunktionen beschrieben. Die Übergangsfunktionen beinhalten Informationen über die Zeitdauer des Übergangs sowie über die mengenmäßigen Bewegungen zwischen den die Teilprozesse einschließenden Ereignissen.238 Als Übergangsfunktionen werden i.d.R. Verweilzeitverteilungen eingesetzt. Verweilzeitverteilungen geben Auskunft darüber, wie viel Prozent der Ereignisse gleichen Typs nach einer bestimmten Zeitdauer zu einem Folgeereignis führen. Sollen beispielsweise aus Umsätzen die zugehörigen Umsatzeinzahlungen abgeleitet werden, muss bekannt sein, wie viel Prozent der Umsätze nach einer bestimmten Zeit in Umsatzeinzahlungen übergegangen sind. Als Voraussetzung für den Einsatz des Verfahrens müssen daher die Verweilzeitverteilungen für jede Ereignisfolge empirisch ermittelt werden.239 Im Folgenden wird eine Verweilzeitverteilung unterstellt, nach der ein in der Periode 1 (z.B. Tag, Woche) fakturierter Umsatz U0 in der gleichen Periode zu p1 = 40 %, in der nachfolgenden Periode 2 zu p2 = 30 %, in der Periode 3 zu p3 = 20 % und in der vierten Periode zu p4 = 10 % in Einzahlungen übergeht. Die angegebenen Prozentsätze p1 bis p4 geben dabei die Verweilzeitverteilung des Umsatzbetrages der betrachteten Periode wieder. Wird unterstellt, dass diese Verteilung in der Zukunft stabil bleibt, gehen auch die Umsätze der folgenden Perioden nach der gleichen Regel in Einzahlungen über. Unter dieser Bedingung lassen sich die Ein236 237 238 239
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 90 Vgl. RATH (Prognose 1983), S. 1171-1172 Vgl. LANGEN/WEINTHALER (Verweilzeitverteilungen 1981), S. 100 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 93
91
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
zahlungen et in jeder Periode t als Summe der mit ihrer Prozentzahl p gewichteten Umsätze der n Vorperioden Ut-1, …, Ut-n anhand folgender Formel bestimmen:240
et
§ p1 · ¨ ¸ ¨p ¸ ( U t 1 U t 2 U t n ) ¨ 2 ¸ ¨¨ ¸¸ © pn ¹
n
¦ ut k pk
k 1
Wird angenommen, dass für die folgenden fünf Perioden Umsätze in Höhe von U1 = 200 GE, U2 = 150 GE, U3 = 300 GE und U4 = 250 GE und U5 = 100 GE erzielt werden, lassen sich unter Berücksichtigung der oben genannten Verweilzeitverteilung exemplarisch für die Periode 5 folgende Einzahlungen ermitteln:241
e5
§ p1 · ¨ ¸ ¨p ¸ ( U 4 U 3 U 2 U1 ) ¨ 2 ¸ ¨¨ ¸¸ © pn ¹ e5
§ 0 ,4 · ¨ ¸ ¨ 0 ,3 ¸ ( 250 300 150 200 ) ¨ ¸ 0 ,2 ¨¨ ¸¸ © 0 ,1 ¹ 240 GE
Bei der Prognose mithilfe von Verweilzeitverteilungen ist nicht zwingend von zukünftigen Umsätzen auszugehen. Es ist ebenso möglich, die Prognose auf noch weiter zurückliegende Ereignisse, wie z.B. Auftragseingänge, zu stützen. In diesem Fall müsste der Übergang von Auftragseingängen zu Einzahlungen mithilfe von Verweilzeitverteilungen abgebildet werden. Der Einsatz von Verweilzeitverteilungen beschränkt sich nicht auf die Prognose von Einzahlungen. Auch Auszahlungen lassen sich mit diesem Verfahren vorhersagen. Auszahlungen lassen sich beispielsweise in Abhängigkeit von Auftragseingängen ableiten, wobei dann die Verweilzeiten zwischen Auftragseingängen und Auszahlungen zu ermitteln und für die Prognose einzusetzen sind.242 Die Vorteile des Verfahrens liegen darin, dass die betrieblichen Strukturen aus Ereignissen und Prozessen aufgedeckt werden. Damit muss nicht jedes Ereignis einzeln erfasst werden, sondern es werden typische Ereignisfolgen analysiert. Es ist daher ausreichend, für das zu prognostizierende Ereignis (z.B. Einzahlungen) charakteristische auslösende Ereignisse (z.B. Umsätze) zu prognostizieren. Jedoch ist zu beachten, dass für den Einsatz des Verfahrens eine hinreichend große Zahl 240 241 242
Vgl. MATSCHKE/HERING/KLINGELHÖFER (Finanzanalyse 2002), S. 145 Bei dieser Vektormultiplikation werden zuerst jeweils die einzelnen Glieder der beiden Vektoren miteinander multipliziert. Anschließend werden die Produkte summiert. 240 = 250 · 0,4 + 300 · 0,3 + 150 · 0,2 + 200 · 0,1 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 650
92
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
von Übergängen zwischen zwei Ereignissen vorliegen muss, damit die statistischen Grundlagen, auf denen das Verfahren aufbaut, nicht außer Kraft gesetzt werden. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass keine heterogenen Ereignisse in nur einer Verweilzeitverteilung abgebildet werden. Treten beispielsweise Kundengruppen mit stark unterschiedlichem Zahlungsverhalten auf, so ist es sinnvoll, für jede Kundengruppe eine eigene Verweilzeitverteilung aufzustellen.243 Sind alle Planpositionen vollständig, betrags- und zeitpunktgenau und unter Beachtung des Bruttoprinzips ermittelt, wird der Vorschau-Plan in der bereits erläuterten inhaltlichen Struktur aufgestellt.244 In sehr seltenen Fällen wird der ermittelte Plan-Endbestand an liquiden Mitteln die gewünschte Höhe aufweisen. Ist dies der Fall, ist kein weiterer Handlungsbedarf gegeben. Üblicherweise wird der PlanEndbestand aber entweder einen Fehlbetrag oder einen Überschuss an liquiden Mitteln aufweisen und damit die Basis für Maßnahmen des Planausgleichs bilden. Die einzelnen Planzahlungen werden üblicherweise mit Zusatzbemerkungen versehen. Diese Zusatzbemerkungen sollen insbesondere aufzeigen, ob es sich in Bezug auf Betrag und/oder Zeitpunkt um veränderliche resp. unveränderliche prognostizierte Zahlungen handelt und, ob die Zahlungen durch den Finanzdisponenten beeinflusst werden können. Die Zusatzbemerkungen sollen somit die Auswahl der Maßnahmen im Rahmen des Planausgleichs erleichtern.245
II.
Planausgleich und Verdichtung zum Vorgabeplan
1.
Gegenstand und Maßnahmen des Planausgleichs
Unter Planausgleich werden alle Entscheidungen und Maßnahmen verstanden, die das Finanzmanagement zur Beseitigung eines finanziellen Plan-Ungleichgewichts einsetzen kann. Ein Plan-Ungleichgewicht liegt vor, wenn der im Rahmen der Vorschauplanung ermittelte Plan-Endbestand an liquiden Mitteln kleiner oder größer als Null ist.246 Den Ausgangspunkt für den Planausgleich bildet die Analyse des Ungleichgewichts in Form eines Fehlbetrages oder eines Überschusses. Die Entscheidungen über die Maßnahmen zum Ausgleich eines Ungleichgewichtes werden dabei von der Höhe und der zeitlichen Ausdehnung des Fehlbetrages resp. Überschusses beeinflusst. Prinzipiell lassen sich in diesem Zusammenhang permanente und temporäre Ungleichgewichte unterscheiden. Grundsätzlich gilt, dass je länger das prog243 244 245 246
Vgl. GÖHNER (Zahlungsströme 1980), S. 82-86 Vgl. Abschnitt B.I in diesem Hauptteil Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 684 Vgl. Kapitel A. in diesem Hauptteil
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
93
nostizierte Ungleichgewicht andauert und je größer dessen Volumen ist, desto wahrscheinlicher werden sich die zu treffenden Entscheidungen nicht auf den Kompetenzbereich des Finanzmanagements beschränken, sondern auch auf den Leistungsbereich Einfluss nehmen.247 Prinzipiell ist in Bezug auf Entscheidungen über Maßnahmen im Rahmen des Planausgleichs zu unterscheiden, ob es sich um Maßnahmen zur Behebung (1) einer Unterdeckung oder (2) eines Überschusses handelt. (1) Planausgleich bei einer finanziellen Unterdeckung Weist der Vorschau-Plan einen finanziellen Fehlbetrag aus, wird i.d.R. zunächst ein Planausgleich durch eine zeitliche und/oder betragliche Modifikation der Zahlungen versucht. Prinzipiell lassen sich in diesem Zusammenhang sämtliche Maßnahmen des Planausgleichs jeweils einem der folgenden vier Fälle zuordnen:248
x Einzahlungen beschleunigen: Z.B. durch eine Minimierung des Collection Floats, d.h. der Zeitspanne bis zur Valutierung der Kundeneinzahlungen, oder durch intensiveres Eintreiben von Forderungen. x Einzahlungen erhöhen: Beispielsweise durch Kreditaufnahme oder Verkauf von Finanztiteln. x Auszahlungen verzögern: Z.B. durch eine Maximierung des Disbursement Floats, d.h. des Zeitraums bis zur Bank-Valutierung der Zahlungsausgänge, oder durch eine Verzögerung umsatzbedingter Auszahlungen. x Auszahlungen senken: Z.B. durch einen Verzicht auf die Durchführung von Investitionen. Üblicherweise werden zunächst die Ausgleichsmaßnahmen herangezogen, die sich auf den Kompetenzbereich des finanziellen Sektors beziehen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um terminliche Verschiebungen von Ein- und Auszahlungen. Solche terminlichen Verschiebungen von Zahlungen sind jedoch aufgrund der Gefahr von Rufschädigungen des Unternehmens nur eingeschränkt einsetzbar. Sind die Maßnahmen der terminlichen Verschiebung von Zahlungen nicht ausreichend, müssen weitere Maßnahmen vorgesehen werden. Hierbei kommen neben dem Verkauf von geldnahen Aktiva grundsätzlich auch Kreditaufnahmen sowie die Beschaffung finanzieller Mittel im Zuge der Beteiligungsfinanzierung in Betracht. Erweisen sich rein finanzwirtschaftliche Maßnahmen als nicht ausreichend, 247 248
Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 685 Vgl. BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 16; WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 256; SATORIUS/HILL (Short-term 1988), S. 138
94
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
um einen Planausgleich zu erreichen, können auch Einschnitte in den Leistungsbereich notwendig werden.249 Bei größeren Unterdeckungen wird regelmäßig nicht nur eine einzelne Maßnahme zum Planausgleich durchgeführt. Häufig werden zur Beseitigung einer solchen Unterdeckung verschiedene Maßnahmen vorgenommen, da ansonsten befürchtet wird, dass das Unternehmensumfeld Zahlungsschwierigkeiten unterstellt. So wird eine Unterdeckung beispielsweise nicht nur durch Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits ausgeglichen, sondern durch ein Maßnahmebündel bestehend aus einem Kontokorrentkredit, aus dem Verschieben von Auszahlungen und dem Verkauf von Near Money Assets egalisiert. Das Finanzmanagement beabsichtigt nämlich, den Ausgleich nach Außen hin so zu gestalten, dass im Unternehmensumfeld nicht die Vermutung entsteht, das Unternehmen sei in Zahlungsschwierigkeiten. Denn wird bekannt, dass sich ein Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten befindet, führt dies regelmäßig zu Verhaltensänderungen der Lieferanten, Kunden und Kapitalgeber des Unternehmens, wodurch die Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens noch verschärft werden, was letztlich zum Zusammenbruch des Unternehmens führen kann.250 Grundsätzlich ist im Rahmen des Planausgleichs zu berücksichtigen, dass Ausgleichsmaßnahmen in einer Planperiode i.d.R. Auswirkungen auf die Zahlungsbewegungen der Folgeperioden entfalten.251 Werden beispielsweise finanzielle Fehlbeträge durch Einzahlungen aus einer Kreditaufnahme ausgeglichen, führt die Kreditaufnahme üblicherweise zu Kapitaldienstverpflichtungen in den Folgeperioden. Werden Einschnitte im Leistungsbereich eingeplant, sind entsprechende Änderungen in den betrieblichen Teilplänen vorzunehmen. Die Korrektur dieser Teilpläne bewirkt im Falle der Realisierung der neuen Planung Änderungen bei der Leistungserstellung und -verwertung. Diese Änderungen führen ihrerseits – im Vergleich zur ursprünglichen Planung – zu veränderten Ein- und Auszahlungen in späteren Zeitabschnitten. Die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Folgeperioden sind zu berücksichtigen. Daher sind die Tätigkeiten des Planausgleichs regelmäßig mit der Durchführung von Planrevisionen verbunden. Dies gilt nicht nur für die Beseitigung von finanziellen Fehlbeträgen, sondern auch für den Ausgleich von finanziellen Überschüssen.252
249 250 251 252
Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 151 Dieser Umstand ist auch als „Avalanche-Gesetz der Finanzwirtschaft“ bekannt. Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 685 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 106 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 686
95
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
(2) Planausgleich bei finanziellen Überschüssen Analog zum Planausgleich bei finanziellen Fehlbeträgen liefert der Vorschau-Plan bei der Egalisierung von finanziellen Überschüssen Angaben über die Höhe und die Dauer der Überschüsse. Die überschüssigen Mittel sind aus Rentabilitätsgründen entsprechend der Angaben des Finanzplans bis zum Zeitpunkt des erneuten betrieblichen Einsatzes ertragbringend oder aufwandreduzierend zu verwenden. Im Allgemeinen können finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Maßnahmen unterschieden werden.253 Folgende Abbildung 20 stellt Beispiele für solche finanzwirtschaftlichen und leistungswirtschaftlichen Maßnahmen dar. Finanzwirtschaftliche Maßnahmen x
(Vorzeitige) Kredittilgung
x
Kreditvergabe auf einen festen Termin (z.B. Festgeldanlage)
x
Eigenkapitalrückzahlung
x
Erwerb von Finanzanlagen (z.B. von Schuldverschreibungen, Aktien)
Leistungswirtschaftliche Maßnahmen x
Erzielung von Preisnachlässen durch Materialeinkäufe in günstigen Losgrößen
x
Einräumung längerer Zahlungsziele an Kunden in der Absicht, Umsatzsteigerungen zu erzielen
x
Vorziehen geplanter Ersatzund/oder Erweiterungsinvestitionen
Abbildung 20: Maßnahmen zum Plan-Ausgleich von finanziellen Überschüssen254 Welche Maßnahme im Falle des Ausgleichs eines finanziellen Überschusses konkret ausgewählt werden soll, ist nur im Einzelfall zu entscheiden. Wird die Betrachtung auf eine finanzwirtschaftliche Mittelanlage beschränkt, gilt prinzipiell, dass für längerfristige Anlagen das ganze Spektrum an Finanzanlagen zur Verfügung steht. Im Zuge langfristiger Mittelanlage können daher kurz-, mittel-, und langfristige Finanzanlagen realisiert werden. Weist der Vorschau-Plan demgegenüber nur einen kurzfristig verfügbaren Überschuss aus, wird die Bandbreite der Ausgleichsmaßnahmen auf kurzfristige Finanzanlagen eingeschränkt. Zur möglichst ertragsmaximalen Anlage der überschüssigen Mittel sind stets aktuelle Informationen über die verschiedenen Anlagemöglichkeiten erforderlich. Zu diesem Zweck stellen Banken so genannte Cash-Management-Systeme bereit. 253 254
Vgl. BIEG/KUßMAUL (Investitionsmanagement 2000), S. 16; JAHRMANN (Finanzierung 2003), S. 410 Vgl. In Anlehnung an JAHRMANN (Finanzierung 2003), S. 411
96
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Cash-Management-Systeme liefern nicht nur aktuelle Informationen über die Geld- und Kapitalmärkte, sondern ermöglichen auch die Durchführung von Transaktionen zur Kapitalanlage.255 Statt der Durchführung von Finanzanlagen ist zu prüfen, ob ggf. eine Rückzahlung von Krediten vorteilhafter ist. Eine Kreditrückzahlung ist gegenüber einer Finanzanlage regelmäßig dann vorteilhaft, wenn die eingesparten Soll-Zinsen höher als die zu erzielenden Erträge der besten Finanzanlage sind, wobei ggf. zu leistende Vorfälligkeitsentschädigungen zu berücksichtigen sind. Eine Vorteilhaftigkeit dürfte in diesem Zusammenhang insbesondere bei Lieferantenkrediten gegeben sein, wenn durch die überschüssigen Mittel eine offene Rechnung noch innerhalb der Skontofrist beglichen werden kann.256 2.
Erstellung eines Vorgabeplans
Im Rahmen des Vorschau-Plans wird lediglich eine passive Vorschau auf die zukünftigen Zahlungen eines Unternehmens vorgenommen. Der Vorschau-Plan bildet im Weiteren die Informationsbasis zur Planung von Ausgleichsmaßnahmen, wenn der Vorschau-Plan finanzielle Ungleichgewichte signalisiert. Der Erfolg der Ausgleichsmaßnahmen wird einerseits davon bestimmt, ob es gelingt, den Finanzplan durch die Maßnahmen planerisch auszugleichen. Andererseits sind die getroffenen Entscheidungen auch durchzusetzen. Dies ist regelmäßig dann problematisch, wenn die durchzuführenden Maßnahmen neben dem Finanzmanagement auch andere Stellen und Bereiche des Unternehmens tangieren, d.h. den Kompetenzbereich des Finanzmanagements übersteigen. Zur Durchsetzung der Maßnahmen werden die korrigierten Planzahlen des Vorschau-Plans den jeweiligen Verantwortungsbereichen in Form von verbindlichen Soll-Werten vorgegeben. In diesem Fall handelt es sich nicht mehr um einen Vorschau-Plan, der lediglich eine passive Vorausschau auf die finanzielle Zukunft eines Unternehmens tätigt, sondern um einen Vorgabeplan, der auch als Finanzbudget bezeichnet wird.257 Die Vorgabe-Werte sind dann von den jeweils zuständigen Stellen resp. Bereichen innerhalb gewisser Toleranzgrenzen einzuhalten, um die Liquidität des gesamten Unternehmens zu gewährleisten. 258 Abbildung 21 stellt die Grundstruktur der Finanzbudgetierung dar.
255 256 257 258
Vgl. Kapitel B.II.3 in diesem Hauptteil Vgl. GLASER (Liquiditätsreserven 1982), S. 92 Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 349 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 686
97
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Kurzfristiger Finanzplan
Gesamtfinanzbudget für die kurzfristige Budgetperiode
Finanzbudget des Vertriebs Abteilung 1 Abteilung 2 ...
Finanzbudget der Produktion Abteilung 1 Abteilung 2 ...
Finanzbudget des Einkaufs Abteilung 1 Abteilung 2 ...
Finanzbudget der Verwaltung Abteilung 1 Abteilung 2 ...
Finanzbudget ... Abteilung 1 Abteilung 2 ...
Abbildung 21: Grundstruktur der Finanzbudgetierung259 Ein aus der Sicht des Liquiditätsaspekts optimales Budget ist durch drei Merkmale gekennzeichnet.260 Erstens legt es die geplanten Ein- und Auszahlungen dem Betrage nach fest, sodass für jede Position des Finanzplans vorgegeben ist, welcher Betrag insgesamt ausgegeben werden darf resp. als Einzahlung erzielt werden soll. Zweitens reglementiert ein solches Budget die qualitative Struktur der geplanten Zahlungsbewegungen. Mehrauszahlungen bei einer Position dürfen nicht durch Minderauszahlungen bei einer anderen Position ausgeglichen werden. Schließlich gibt es die Zeitpunkte vor, zu denen die einzelnen Zahlungen auszuführen sind. Gegen dieses so genannte „starre Budget“ werden verschiedene Argumente angeführt. Einerseits betont das starre Budget einseitig das Liquiditätsargument und wird aus diesem Grund als erfolgsfeindlich angesehen. Denn insbesondere kurzfristige Reaktionen im Leistungsbereich zur Nutzung sich kurzfristig ergebender, unerwarteter Chancen werden aus der Perspektive des starren Finanzbudgets negativ beurteilt, da diese Reaktionen i.d.R. zu Veränderungen der verbindlichen Zahlungsbewegungen führen und somit eine Unruhe im Finanzbudget verursachen. Andererseits wirkt dieses Finanzbudget aufgrund der Unsicherheit zukünftiger Entwicklungen für die betroffenen Stellen oftmals wenig motivierend, da es kaum
259 260
In Anlehnung an JAHRMANN (Finanzierung 2003), S. 392 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 115
98
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
möglich ist, eine Übereinstimmung von Vorgabe und tatsächlicher Entwicklung zu erzielen.261 Der Einsatz eines starren Budgets gestaltet sich insofern problematisch. Häufig wird daher auf die Erstellung eines umfassenden Finanzbudgets zu Gunsten der Budgetierung von Einzelpositionen verzichtet.262 Daher werden meist nur beeinflussbare Zahlungsbewegungen budgetiert, wobei es sich bei den beeinflussbaren Zahlungsbewegungen primär um Auszahlungen handelt. Insbesondere Einzahlungen aus Umsatzerlösen entziehen sich weitestgehend einer bindenden Vorgabe, da eine solche Vorgabe i.d.R. nicht eingehalten werden kann. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die Budgetierung an die jeweils veränderte Situation anzupassen. Dabei werden die im Vorschau-Plan festgestellten Zahlungsbewegungen zunächst als verbindliche Soll-Vorgaben angesehen, die von den zuständigen Stellen und Bereichen einzuhalten sind. Stellt sich dann im Laufe der Planperiode heraus, dass die Vorgaben von den jeweiligen Stellen keinesfalls eingehalten werden können, werden neue Budgets aufgestellt resp. wird eine Abweichung vom Budget gestattet. Zu beachten ist bei dieser Form der Budgetanpassung, dass die gestaltende Kraft der Vorgabe zumindest teilweise verloren geht.263
III. Durchführung der Finanzkontrolle 1.
Begriff und Ziele der Finanzkontrolle
Die kurzfristige Finanzplanung ist unvollständig und erreicht ihre Ziele nicht, wenn nicht im Nachhinein die tatsächlich angefallenen Zahlungen mit den geplanten Zahlungen verglichen werden. Nachdem daher die Entscheidungen über die Ausgleichsmaßnahmen getroffen worden sind und realisiert wurden, sind die im Rahmen der Vorschau- und der Vorgabeplanung eingeplanten Zahlungsbewegungen zu kontrollieren.264 Dies erfolgt im Rahmen der Finanzkontrolle. Unter der Finanzkontrolle wird üblicherweise ein systematischer, regelmäßiger und institutionalisierter Vergleich von geplanten und realisierten Zahlungsmittelbeständen und Zahlungsbewegungen verstanden.265 Durch eine systematische Vorgehensweise auf der Basis eines einheitlichen Konzepts sollen die Bestandsund Bewegungsgrößen vollständig, überschneidungsfrei und zielentsprechend kontrolliert werden. Die Finanzkontrolle soll regelmäßig, d.h. nach einem festen 261 262 263 264 265
Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 74 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 115 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 117 Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 153; ähnlich auch bei PROBST (Finanzplanung 1989a), S. 89 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 131
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
99
Rhythmus, durchgeführt werden. Eine Institutionalisierung der Finanzkontrolle ist dann gegeben, wenn sie schriftlich, formalisiert und nach festen Regeln von im Vorhinein festgelegten Instanzen durchgeführt wird.266 Wie alle anderen Aufgaben des Finanzmanagements dient auch die Finanzkontrolle der Erfüllung der finanziellen Ziele und somit primär der Sicherung der Liquidität. Aus dieser Oberaufgabe werden spezielle Kontrollaufgaben abgeleitet. Als solche Kontrollaufgaben sind zu nennen:267
x Kontrolle des Planvollzugs, x Verbesserung der Finanzdisposition sowie x Verhütung von Delikten in Form von Unterschlagung und ähnlichem Missbrauch im Rahmen von Tätigkeiten z.B. der Kassenverwaltung. Die Finanzkontrolle beinhaltet zunächst eine Kontrolle des Planvollzugs. Dabei sollen Abweichungen der tatsächlichen Werte von den geplanten Werten möglichst frühzeitig festgestellt werden, um entsprechende Korrekturmaßnahmen im Rahmen der Disposition resp. der Planrevision einzuleiten. Die Kontrolle des Planvollzugs basiert einerseits auf der Gegenüberstellung von Plan- und IstZahlungen. Andererseits werden auch Vorgänge und Bestände beobachtet, die bereits im Vorhinein die Entstehung von Planabweichungen signalisieren. So deutet beispielsweise die Entwicklung des Bestands an Auftragseingängen oder der Umsätze auf die mit zeitlicher Verzögerung resultierenden Einzahlungen hin.268 Eine weitere Aufgabe der Finanzkontrolle liegt darin, einen Beitrag zur Verbesserung der Finanzdisposition zu leisten. Im Rahmen der Finanzkontrolle aufgedeckte unwirtschaftliche resp. fehlerhafte Dispositionen können in der Zukunft vermieden werden. Es handelt sich in diesem Fall also um eine Realisationskontrolle. Die Realisationskontrolle kann sich einerseits auf Dispositionen im Finanzbereich, zum anderen aber auch auf Dispositionen im Leistungsbereich beziehen. Die Kontrolle von Dispositionen im Finanzbereich bezieht sich insbesondere auf die Überwachung des Zahlungsverkehrs und bestimmter Bestandspositionen. Während bei der Überwachung des Zahlungsverkehrs beispielsweise zu überprüfen ist, ob die Zahlungen eines Unternehmens termingerecht vorgenommen wurden, ist bei den Beständen z.B. zu überwachen, ob Kreditlinien überzogen wurden.269 Schließlich stellt die Deliktsverhütung eine Sonderaufgabe der Finanzkontrolle dar. Im Rahmen der Finanzkontrolle soll eine Überwachung insbesondere der 266 267 268 269
Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 131 Vgl. MARX (Finanzmanagement 1993), S. 194 Vgl. FRANKE/HAX (Finanzwirtschaft 2003), S. 132 Vgl. MARX (Finanzmanagement 1993), S. 194
100
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Kassenhaltung und des Zahlungsverkehrs stattfinden. Ziel dieser Überwachung ist es, Betrug, Unterschlagung und Diebstahl möglichst zu verhindert. Die Aufgabe der Finanzkontrolle liegt in diesem Zusammenhang darin, Fahrlässigkeit, Systemfehler oder andere Ansatzpunkte für kriminelle Handlungen aufzudecken, um so in der Zukunft solchen Delikten vorzubeugen.270 2.
Teilaufgaben der Kontrolle des Planvollzugs
Um eine wirksame Kontrolle des Planvollzugs zu gewährleisten, sind im Rahmen der Finanzkontrolle folgende Teilaufgaben zu lösen:271 (1) Erfassung der realisierten Zahlungsbewegungen (Ist-Werte), (2) Festlegung der Kontrollintensität und der Kontrollmaße sowie (3) Analyse der Abweichungen. Zu (1): Um einen sinnvollen und aussagefähigen Vergleich der im Vorschau- resp. Vorgabe-Plan eingeplanten Plan-Werte mit den realisierten Ist-Werten durchzuführen, muss die Struktur der beiden Datengruppen übereinstimmen. Daher kommt der Finanzkontrolle die Aufgabe zu, die tatsächlich angefallenen Ist-Werte mit der identischen inhaltlichen und zeitlichen Struktur zu erfassen, mit der bereits die Plan-Werte im Finanzplan eingeplant wurden.272 Aus der Perspektive der Finanzkontrolle ist folglich eine finanzplankompatible Finanzrechnung zu fordern, die Auskunft über die nach zeitlichem Anfall und nach Zahlungsursache gegliederten Zahlungen der vergangenen Perioden erteilt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass das herkömmliche Rechnungswesen eine solche Finanzrechnung i.d.R. nicht ermöglicht. Das herkömmliche Rechnungswesen beschränkt sich üblicherweise auf zwei Kontengruppen, nämlich die Bilanz- und Erfolgskonten, und liefert keine Finanzrechnung, die systematisch mit der Bilanz- und Erfolgsrechnung verknüpft ist.273 Die Bilanz und die Finanzbuchhaltung sind lediglich in der Lage, Zahlungsmittelbestände und -salden für einzelne Perioden auszuweisen. Die ausgewiesenen Zahlungsmittelkonten erlauben jedoch keinen Rückschluss auf die Ursachen, die den Zahlungsbewegungen zugrunde liegen. Zwar sind die Ursachen der Mittelbewegungen bei der Kontierung bekannt, sie werden jedoch auf den entsprechenden Konten nicht separat festgehalten.274
270 271 272 273 274
Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 135 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 687 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 141 Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 510 Vgl. NEUGEBAUER (Implementierung 1993), S. 297
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
101
Für den Aufbau einer Finanzrechnung, welche die Anforderungen der Finanzkontrolle erfüllt, kommen zwei Verfahren in Frage. Das erste Verfahren stellt das von THOMS275 entwickelte und von CHMIELEWICZ weitergeführte System der integrierten Finanz- und Erfolgsrechnung dar.276 Dieses System verbindet die Bilanz und Erfolgsrechnung mit einer neuartigen Finanzrechnung. Dabei erfolgt eine simultane Verbuchung von Erfolgsbewegungen einerseits und Finanzbewegungen andererseits. Im Rahmen dieses integrierten Systems werden nicht nur die üblichen Vermögens-, Kapitalbestands- und Erfolgskonten geführt, sondern zudem auch eigenständige Ein- und Auszahlungskonten, die zusammengenommen die Finanzrechnung darstellen. Im Rahmen dieser Finanzrechnung wird jeder die Zahlungsebene tangierende Geschäftsvorfall einem Ein- resp. Auszahlungskonto zugeordnet. So wird beispielsweise die Auszahlung von Löhnen wie gewohnt auf dem Erfolgskonto „Löhne und Gehälter“ im Soll gebucht, zusätzlich aber auch auf dem entsprechenden Zahlungskonto „Lohnzahlungen Bank“ im Haben. Im Rahmen der Erstellung des Jahresabschlusses werden die Salden der Ein- und Auszahlungskonten zum Liquiditätssaldo zusammengefasst. Dieser Liquiditätssaldo wird schließlich auf die Zahlungsmittelbestandskonten Bank und Kasse übertragen. 277 Beim zweiten Verfahren handelt es sich nicht um ein integriertes System, sondern um eine selbständige, isolierte Finanzrechnung.278 Im Rahmen dieser isolierten Rechnung werden die Zahlungen nicht simultan, sondern nachträglich durch eine Auswertung der Belege und des Haupt- sowie des Grundbuchs ermittelt. Nach der Ermittlung der Zahlungen werden diese den Ein- und Auszahlungskonten zugewiesen, die nach Ursachen unterschieden sind. Die Vorteile des integrierten Verfahrens liegen einerseits darin, dass durch die Integration der Finanzrechnung in die Bilanz und Erfolgsrechnung sichergestellt wird, dass sämtliche Zahlungsbewegungen lückenlos erfasst und nach ihren Ursachen gegliedert werden. Darüber hinaus ist die Finanzrechnung stets genauso aktuell wie die Finanzbuchhaltung selbst. Dennoch ist dieses dreiteilige Rechnungssystem in der Praxis nicht gebräuchlich.279 Dies wird regelmäßig mit dem Widerstand bei der Umstellung des (vorhandenen) zweiteiligen Rechnungssystems auf das dreiteilige Rechnungssystem begründet.280 Gegenüber dem integrierten Verfahren ist das isolierte Verfahren zwar arbeitsaufwändiger und somit ineffizienter, es besitzt jedoch den Vorteil, nachträglich an jede Finanzbuchhaltung angeschlossen werden zu können. Somit ist keine größere 275 276 277 278 279 280
Vgl. THOMS (Kontorechnung 1956), S. 503-512 Vgl. CHMIELEWICZ (Erfolgsplanung 1994), S. 798-810 Vgl. GROB/LANDSMANN (Controllingsoftware 1998), S. 1444 Vgl. BUSCH (Finanzplanung 1983), S. 171-175 Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 510 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 687
102
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
Umstellung des gängigen Buchhaltungssystems erforderlich, was die Widerstände gegen die Einrichtung dieses Systems gegenüber der integrierten Lösung verringern dürfte. Letztlich ermöglichen sowohl das integrierte als auch das isolierte Verfahren eine finanzplankompatible Kontrolle, da durch beide Verfahren Ist-Werte festgestellt werden können, die den Plan-Werten in inhaltlicher und zeitlicher Struktur entsprechen. Darüber hinaus können beide Verfahren auch Zeitreihen von Ist-Werten liefern, auf deren Basis Extrapolationsverfahren zur Bestimmung zukünftiger Plan-Werte eingesetzt werden können. Die beiden beschriebenen Verfahren gelten bis heute als einzige Instrumente, die zur Erfassung von Ist-Zahlungen geeignet sind.281 Zu (2): Im Rahmen der Finanzkontrolle ist festzulegen, in welchem Umfang und welcher Häufigkeit Plan-Ist-Vergleiche und deren Auswertung vorgenommen werden sollen. Die Festlegung dieser Kontroll-Intensität basiert häufig auf Erfahrungswerten aus der Vergangenheit. Daneben können auch die Anforderungen der an den Kontrollen interessierten Bereiche, wie z.B. Controlling, Marketing, etc., die Fixierung der Kontroll-Intensität bestimmen. Prinzipiell herrscht in der Literatur jedoch Einigkeit darüber, dass die Durchführung der Finanzkontrolle systematisch, regelmäßig und institutionalisiert erfolgen soll.282 Dies schließt jedoch nicht aus, dass auch Sonderkontrollen vorgenommen werden können, beispielsweise zur Bekräftigung von Angaben im Jahresabschluss. Prinzipiell bestimmt die Periodenstaffelung der Planung die Frequenz der Finanzkontrolle. Wurde beispielsweise eine Wochenplanung eingeführt, ist es sinnvoll, die Daten wöchentlich zu kontrollieren. Liegt dagegen eine Monatsplanung vor, ist eine monatliche Kontrolle opportun.283 Weiterhin ist festzulegen, welche Plan-Werte zur Kontrolle herangezogen werden, d.h. ob nur die Vorgabe-Werte oder auch die Vorschau-Werte kontrolliert werden sollen. Grundsätzlich können, wenn eine entsprechende Ist-Finanzrechnung im Unternehmen installiert ist, für sämtliche Planpositionen Abweichungen berechnet werden. Dennoch ist zu entscheiden, ob alle Abweichungen untersucht werden sollen oder eine Beschränkung auf die wesentlichen Abweichungen erfolgen soll. Diese Entscheidung wird regelmäßig von der Häufigkeit des Auftretens der Abweichungen, der Einheitlichkeit der Fehler und von der Größenordnung der Abweichungen beeinflusst.
281 282 283
Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 687 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 130 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 687
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
103
Die Erfassung der Größenordnung der Abweichungen pro Planposition kann in absoluter und in relativer Form durchgeführt werden:284
x Absolute Abweichung = Ist-Wert – Plan-Wert x Relative Abweichung = (Ist-Wert – Plan-Wert)/Plan-Wert Während die relative Abweichung die Planungsgenauigkeit, d.h. die Glaubwürdigkeit der Planung zum Ausdruck bringt, zeigen die absoluten Abweichungen die jeweiligen Abweichungsbeträge unmittelbar auf. Es ist daher sinnvoll, beide Abweichungen auszuweisen.285 Üblicherweise werden für die Abweichungen der einzelnen Planpositionen Toleranzgrenzen vorgegeben. Die vorgegebenen Toleranzgrenzen können sich sowohl auf absolute, als auch auf prozentuale Abweichungen beziehen. Während das Übertreten absoluter Toleranzgrenzen i.d.R. als Frühwarnsignal für Liquiditätsbedrohungen angesehen wird, führt die Überschreitung von Grenzen für relative Abweichungen zum Nachdenken über einen Wechsel der Prognosemethode resp. des Umsetzungsverhaltens.286 Zu (3): Im Rahmen der Abweichungsanalyse geht es darum, die Abweichungen inhaltlich zu untersuchen, indem die Ursachen, die für das Entstehen der Abweichungen verantwortlich zeichnen.287 Dabei ist zu ermitteln, welchem Bereich die Abweichungen zuzuordnen sind. Während das Finanzmanagement selbst nur für Abweichungen bei Zahlungsbewegungen des reinen Finanzbereichs verantwortlich ist, tragen bei Abweichungen in anderen Zahlungsbewegungen die leistungswirtschaftlichen Instanzen, die jeweils für ihre Bereiche die Plandaten erstellt haben, zumindest eine Mitverantwortung für die Realisation der Ist-Werte und somit ggf. auch für die jeweils zugehörigen Abweichungen. 3.
Konsequenzen aus der Finanzkontrolle
Werden im Rahmen der Abweichungsanalyse Fehlerursachen identifiziert, die sich auch zukünftig auf die Ergebnisse der kurzfristigen Finanzplanung auswirken, sind Maßnahmen zu ergreifen, die die Fehler zukünftig ausschließen sollen. Diese Korrekturmaßnahmen können sich sowohl auf den Einflussbereich des Finanzmanagements beschränken, aber auch über diesen hinausragen.288 Im Rahmen der Korrekturmaßnahmen, die den Einflussbereich des Finanzmanagements betreffen, 284 285 286 287 288
Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 666 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 144 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 688 Der Frage nach den Ursachen für Abweichungen wird in Kapital A.I.3 des zweiten Hauptteils weiter nachgegangen. Vgl. MARX (Finanzmanagement 1994), S. 205
104
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
sind sämtliche Formen von Änderungen der Ist-Erfassung und der Planungsrechnung ins Kalkül zu ziehen. Solche Maßnahmen beziehen sich beispielsweise auf einen Wechsel der Prognosemethode oder eine Verbesserung der Ist-Erfassung. Das Ziel dieser Maßnahmen liegt darin, in der Zukunft präzisere Vorhersagen resp. Vorgaben zu tätigen oder die Genauigkeit der Ist-Erfassung zu verbessern. Darüber hinaus kann die Abweichungsanalyse auch signalisieren, dass Maßnahmen erforderlich werden, die über den Einflussbereich des Finanzmanagements hinausgehen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn bestimmte Planpositionen, die nicht unter den Verantwortungsbereich des Finanzmanagements fallen, deutlich von den entsprechenden Ist-Werten abweichen. Steht zu befürchten, dass es sich nicht um eine einmalige Abweichung handelt resp. dass sich die Abweichung in der Zukunft noch vergrößern wird, so sind ggf. die Planansätze im Rahmen der betrieblichen Teilpläne der zukünftigen Perioden zu revidieren. Da die Planung der einzelnen Teilbereiche nicht im Verantwortungsbereich des Finanzmanagements liegt, ist eine Abstimmung mit den Teilbereichen erforderlich, damit beispielsweise in den Planungen der Teilbereiche zukünftig vorsichtigere Ansätze gewählt werden. Wird im Rahmen der Ursachenanalyse deutlich, dass die Leitung eines Bereiches eine Abweichung durch z.B. die Nicht-Einhaltung einer Vorgabe verursacht hat, sind Maßnahmen zur verbesserten Durchsetzung der Vorgaben einzuleiten.289 Hierzu ist es erforderlich, dass die Ergebnisse der Abweichungsanalyse vom Finanzmanagement nicht lediglich stillschweigend registriert werden. Vielmehr sollten die Ergebnisse den Instanzen und Stellen, die eine Mitverantwortung für die Abweichungen tragen, mitgeteilt werden. Gerade durch das regelmäßige Informieren über Abweichungen können auch bei den anderen Bereichen außerhalb des Finanzmanagements Lernprozesse eingeleitet werden, die zu einer Verbesserung der Planungsqualität führen.290 Werden beispielsweise die Prognosen für die Einzahlungen aus Umsatzerlösen von der Marketingabteilung bereitgestellt, ist es notwendig, dieser Abteilung entsprechende Informationen über die erzielten IstEinzahlungen aus Umsatzerlösen zur Verfügung zu stellen, damit ggf. erforderliche Maßnahmen z.B. zur Verbesserung der Prognose durchgeführt werden können, um so in der Zukunft präzisere Plan-Werte zu erzielen.
IV.
Kritische Würdigung der kurzfristigen Finanzplanung
Die Aufrechterhaltung der Liquidität ist eine notwendige Bedingung für den Fortbestand eines Unternehmens. Nur wenn das Unternehmen über ausreichend liqui289 290
Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 688 Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 161
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
105
de Mittel verfügt, können die Auszahlungen, die zur Durchführung der betrieblichen Leistungserstellung notwendig sind, vorgenommen werden. Mit der Durchführung einer Finanzplanung sind positive und negative Effekte verbunden. Die positiven Effekte äußern sich insbesondere in der durch die kurzfristige Finanzplanung verursachte Vermeidung von Kosten.291 Solche Kosten fallen insbesondere dann an,
x wenn die Erfüllung zwingend fälliger Zahlungsverpflichtungen die kurzfristige Aufnahme von finanziellen Mitteln mit einem relativ hohen Zinssatz erfordert, x wenn Skonti aus Lieferantenrechnungen wegen zu geringer Bestände an liquiden Mitteln verfallen oder x wenn Verzugzinsen oder Mahnkosten wegen verspäteter Zahlung fällig werden. Weiterhin kann die Sicherung der Zahlungsfähigkeit mittels der kurzfristigen Finanzplanung beim Aufbau und bei der Pflege von Geschäftsbeziehungen dienlich sein. Da solche Geschäftsbeziehungen insbesondere auf die finanzielle Solidität der Beteiligten gründen, kann bei Bekanntwerden von Zahlungsschwierigkeiten die Reputation eines Unternehmens leiden. Hieraus können wiederum negative Konsequenzen für das Unternehmen entstehen. Beispielsweise können sich Kreditgeber, z.B. Banken oder private Geldgeber, zurückhaltend bei der Vergabe zusätzlicher finanzieller Mittel zeigen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass Lieferanten nur noch in einem geringeren Umfang als bisher bereit sind, Lieferantenkredite bereitzustellen, und stattdessen vermehrt eine Barzahlung der von ihnen bereitgestellten Lieferungen verlangen. Dies würde den finanziellen Spielraum des Unternehmens eingrenzen und könnte gegebenenfalls zu Einschränkungen im Produktionsbereich führen.292 Jedoch sind mit der Sicherung der Liquidität auch nachteilige Effekte verbunden. So erfordert eine kurzfristige Finanzplanung die Einrichtung einer speziellen Finanzabteilung, die mit den Aufgaben der Finanzplanung betraut ist. Mit der Einrichtung einer solchen Abteilung sind die Bereitstellung zusätzlicher Mitarbeiter sowie die Errichtung einer geeigneten Infrastruktur verbunden. Darüber hinaus ist die Finanzabteilung in die Struktur des Gesamtunternehmens einzugliedern, wodurch die Notwendigkeit zur Koordination entsteht. Mit der Einrichtung einer Fi-
291 292
Vgl. HAUSCHILDT/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 64 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 224
106
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
nanzplanung gehen daher Organisationskosten einher, die sich negativ auf die Ertragslage auswirken.293 Von besonderer Relevanz in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Planungsergebnisse ist die Erfüllung der Grundsätze der Finanzplanung. 294 Weniger problematisch erscheint im Rahmen der kurzfristigen Finanzplanung die Einhaltung der Grundsätze des Bruttoausweises und der Kontinuität. Gelingt nämlich eine Prognose der Zahlungen der einzelnen Zahlungsarten, können diese Prognosewerte auch brutto, d.h. unsaldiert ausgewiesen werden. Der Grundsatz der Kontinuität kann durch Verwendung einer rollenden Planung, die im Rahmen der kurzfristigen Finanzplanung üblich ist, sichergestellt werden.295 Im Gegensatz zu den Grundsätzen des Bruttoausweises und der Kontinuität sind die Grundsätze der Vollständigkeit und der Genauigkeit der Finanzplanung deutlich problematischer. Die Erfüllung dieser beiden Grundsätze erfordert im Rahmen der Durchführung der kurzfristigen Finanzplanung eine besondere Sorgfalt hinsichtlich der Fragen nach
x den liquiden Mitteln und Zahlungen, die in der kurzfristigen Finanzplanung zu berücksichtigen sind, x der Höhe der zu berücksichtigenden Ein- und Auszahlungen sowie x den Zeitpunkten, zu denen mit den entsprechenden Ein- und Auszahlungen zu rechnen ist. Insofern liegt ein Vorteil der kurzfristigen Finanzplanung darin, dass sie ein Bewusstsein für diese Fragen schafft. Denn im Rahmen der Durchführung dieser Finanzplanungsrechnung ist einerseits eine Auseinandersetzung mit der Vielfalt der in die kurzfristige Finanzplanung einzubeziehenden Größen erforderlich, wie beispielsweise Zahlungen in Verbindung mit Verkäufen, Käufen, Lohn- und Gehaltsterminen, Zinsen, Tilgungen, Steuerterminen, Ausschüttungen, Reparaturen, etc. Andererseits ist darüber zu reflektieren, in welcher Form der Betrag und der Zeitpunkt jeder einzelnen zu berücksichtigenden Zahlung prognostiziert werden kann. Besonders problematisch bei der Durchführung der kurzfristigen Finanzplanung ist das gleichzeitige Einhalten der Forderungen nach Vollständigkeit, Zeitpunktgenauigkeit sowie Betragsgenauigkeit bei der Planung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen. Die Einhaltung dieser Forderungen wird umso schwieriger, je weiter der Zeitpunkt, für den die Zahlungsfähigkeit bestimmt werden soll, in der Zukunft liegt. Lediglich für einen Teil der Zahlungen, beispielsweise für vereinbarte 293 294 295
Vgl. HAUSCHILDT/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 63-64 Vgl. Abschnitt C.I.1 in diesem Hauptteil Vgl. Kapitel B.III.2 in diesem Hauptteil
1. Teil: Finanzplanung in Industrieunternehmen
107
Tilgungsraten eines Kredits, und nur für einen eng begrenzten Zeitraum ist eine genaue Prognose, die ein hohes Maß an Sicherheit aufweist, möglich. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass nicht alle Zahlungen vom Unternehmen direkt beeinflusst werden können. Insbesondere die weitestgehend fremdbestimmten Einzahlungen aus dem Umsatzprozess entziehen sich einer exakten Bestimmung bezüglich Höhe und zeitlichem Anfall. Dem Problem der Planungenauigkeit ist auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Finanzplanung gewidmet, der einen Abgleich von Nutzen und Kosten der Finanzplanung fordert. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit steht im Konflikt zu den Grundsätzen der Vollständigkeit und der Genauigkeit. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gestattet nämlich eine Einschränkung in Bezug auf die Vollständigkeit und die Präzision der Finanzplanung. Denn nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit sollen nicht sämtliche Informationen über künftige Zahlungen beschafft werden. Vielmehr sollen nur solange Informationen eingeholt werden, bis die Grenzkosten der zusätzlichen Informationen gleich dem Grenznutzen dieser weiteren Informationen sind. Die Forderung nach einer wirtschaftlichen Finanzplanung ist aber aus zwei Gründen problematisch. Denn einerseits besteht durch die Einschränkung bei der Informationsbeschaffung die Gefahr, dass die Finanzplanung nicht die erforderliche Genauigkeit bzw. Vollständigkeit aufweist. Darüber hinaus lässt sich der optimale Punkt, bei dem der Nutzen des zusätzlichen Erkenntnisgewinns und die zusätzlichen Kosten für den Erkenntnisgewinn gleich sind, ex ante nicht bestimmen, da der zusätzliche Erkenntnisgewinn erst dann bewertet werden kann, wenn die zusätzlichen Informationen eingeholt wurden. Die kurzfristige Finanzplanung kann die Liquidität nur sicherstellen, wenn die in die Planung einfließenden Größen vollständig, zeitpunktgenau und vom Betrag her korrekt erfasst werden. Prinzipiell gilt aber, dass diese Grundsätze der Finanzplanung in der Praxis nur näherungsweise erfüllt werden können.296 An der oben dargestellten kurzfristigen Finanzplanung ist daher zu kritisieren, dass sie nur mit prognostizierten und damit unsicheren Größen arbeitet. Eine Betrachtung des Risikos unerwartet eintretender oder falsch prognostizierter Zahlungen unterbleibt.297
296 297
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 34 Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 408
109
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung Im zweiten Hauptteil der Arbeit steht das Liquiditätsrisiko im Mittelpunkt der Betrachtung. Aufbauend auf den Erkenntnissen des ersten Teiles werden eine untersuchungsadäquate Definition des Liquiditätsrisikos in Anlehnung an das wirtschaftswissenschaftliche Risikoverständnis entworfen und die Ursachen des Liquiditätsrisikos analysiert. Darüber hinaus werden Ansätze zur quantitativen Beurteilung dieses Risikos entwickelt. Zunächst werden die entsprechenden Größen herausgearbeitet, die den vom Liquiditätsrisiko ausgehenden Grad der Bedrohung bestimmen. Im Weiteren werden Anforderungen an ein Modell zur Messung des Liquiditätsrisikos abgeleitet. Im Abschnitt B des zweiten Hauptteils wird ein Grundmodell zur Messung des Liquiditätsrisikos entwickelt. Hierzu wird mit der Liquidity at Risk eine anforderungsadäquate Messgröße konzipiert und im Rahmen eines Globalansatzes zur Messung des Liquiditätsrisikos eingesetzt. Weiterhin erfolgt eine hierarchische Differenzierung des konzipierten parametrischen Grundmodells, die eine Messung des Liquiditätsrisikos auf der Ebene von einzelnen Zahlungsarten gestattet. Eine solche differenzierte Messung des Liquiditätsrisikos erfordert jedoch eine Berücksichtigung von Risikoverbundeffekten. Daher wird ein Ansatz zur Implementierung solcher Risikoverbundeffekte in die Vorgehensweise zur Messung des Liquiditätsrisikos entwickelt. Während in den Abschnitten A und B dieses Hauptteils eine Messung des Liquiditätsrisikos auf der Basis von parametrischen Ansätzen angestrebt wird, werden im Abschnitt C Messansätze mithilfe von nicht-parametrischen Simulationen konzipiert. Neben dem Verfahren der historischen Simulation wird hierzu auch ein Ansatz der stochastischen Simulation eingesetzt. Da die Messung des Liquiditätsrisikos durch mehrere Verfahren vorgenommen werden kann, werden, zum Abschluss des zweiten Hauptteils, die konzipierten Verfahren vergleichend gegenübergestellt, um die methodenspezifischen Vor- und Nachteile verfahrensübergreifend zu würdigen.
110
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
A. Wesen des Liquiditätsrisikos I.
Begriff und Charakteristika des Liquiditätsrisikos
1.
Risikoverständnis in den Wirtschaftswissenschaften
Der Begriff des Risikos ist in den Wirtschaftswissenschaften nicht eindeutig definiert. Vielmehr existieren für den Risikobegriff viele verschiedene Definitionen, die den Risikobegriff jeweils vor dem Hintergrund einer konkreten Problemstellung bestimmen.298 Häufig wird der Begriff des Risikos negativ aufgefasst, sodass unter einem Risiko die Möglichkeit einer künftigen ungünstigen Entwicklung verstanden wird.299 Während der Begriff des Risikos in der umgangssprachlichen Anwendung regelmäßig als Ausdruck für „Gefahr“ oder „Wagnis“ verwendet wird, wodurch das subjektive Gefühl ausgedrückt werden soll, nicht alle zukünftigen Entwicklungen beherrschen zu können, dominierte im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen Anwendung lange Zeit der Aspekt der potenziellen Vermögensminderung.300 In der wirtschaftswissenschaftlichen Sichtweise wurde das Risiko demnach als Schadens- oder Verlustgefahr interpretiert.301 In einer aktuellen Interpretation werden zwei Auffassungen des Risikobegriffs unterschieden. Es handelt sich hierbei um einen ursachenbezogenen und einen wirkungsbezogenen Risikobegriff.302 Aus der ursachenbezogenen Perspektive wird das Risiko regelmäßig als eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen künftigen Entwicklungen verstanden.303 Der ursachenbezogene Risikobegriff knüpft an die in Unternehmen zu treffenden Entscheidungen an. Da Entscheidungen stets zukunftsorientiert zu treffen sind, unterliegen ihre Wirkungen aufgrund der stets vorliegenden Mehrdeutigkeit der möglichen zukünftigen Entwicklungen einer gewissen Unsicherheit. Denn bedingt durch die Mehrdeutigkeit der zukünftigen Entwicklungen ist zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht bekannt, welches der möglichen Ereignisse eintreten wird.304 Der Entscheidungsträger ist sich ggf. lediglich bewusst, dass eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen künftigen Entwicklungen existiert, die jedem Ereignis aus der Menge der möglichen Ereig298 299 300 301 302 303 304
Vgl. RÜCKER (Finanzierung 1999), S. 29 Vgl. EGGEMANN/KONRADT (Risikomanagement 2000), S. 504 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 36; BRAUN (Risiken 1987), S. 145-146; WOOD (Evolution 1964), S. 83 Vgl. MIKUS (Risiken 2001), S. 5 Vgl. HÖLSCHER (Risikokosten 1987), S. 137-138; BURGER/BUCHHART (Risiko-Controlling 2002), S. 1 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 36; SCHITAG ERNST & YOUNG (Treasury 1998), S. 11 Vgl. BAMBERG/COENENBERG (Entscheidungslehre 2002), S. 30
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
111
nisse eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zuordnet, wobei ihm diese Wahrscheinlichkeiten jedoch nicht bekannt sein müssen. Ebenso kann seitens des Entscheidungsträgers eine Unkenntnis hinsichtlich der möglichen Ereignisse selbst vorliegen. Die Ursache eines Risikos resultiert folglich aus dem unvollkommenen Informationsstand des Entscheidungsträgers. Denn es ist nicht möglich, im Vorhinein festzustellen, welche der möglichen künftigen Entwicklungen eintreten wird. Dies gilt selbst für den Fall, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Entwicklungen bekannt ist.305 Im Gegensatz zum ursachenbezogenen Risikobegriff stellt der wirkungsbezogene Risikobegriff nicht auf den unvollkommenen Informationsstand des Entscheidungsträgers ab, sondern betont vielmehr die mit einem Risiko verbundenen Konsequenzen, die in diesem Fall in der Möglichkeit einer Zielverfehlung liegen, sodass bestimmte Erwartungen nicht erfüllt werden.306 In der wirkungsbezogenen Sichtweise besteht ein Risiko demnach darin, dass eine Entscheidung nicht zu einem gewünschten Ergebnis führt, indem ein bestimmtes Ziel nicht erreicht wird, wobei unter einem Ziel ein als erstrebenswert erachteter zukünftiger Zustand angesehen wird, der durch Handlungen resp. durch das Treffen von Entscheidungen erreicht werden soll.307 Der wirkungsbezogene Risikobegriff setzt ein an Zielen orientiertes Handeln voraus. Dabei ist es jedoch nicht erforderlich, dass die Ziele explizit formuliert werden. Ziele können auch in Form von unbewussten Erwartungen vorliegen.308 An den Zielen setzt schließlich auch der Maßstab zur Bewertung der wirkungsbezogenen Komponente eines Risikos an, indem der Grad der Abweichung von den gesetzten Zielen gemessen wird.309 In Bezug auf die Zielverfehlung lassen sich symmetrische und asymmetrische Risiken unterscheiden.310 Während sich die symmetrischen Risiken sowohl positiv als auch negativ auf die Zielerfüllung auswirken können, d.h. sowohl eine Übererfüllung als auch eine Untererfüllung eines Zieles sind möglich, können asymmetrische Risiken nur zu einer negativen, unerwünschten Zielverfehlung führen. Häufig werden die asymmetrischen Risiken und die negativen Auswirkungen der symmetrischen Risiken unter dem Terminus des Risikos im engeren Sinne vereint. Demgegenüber wird von den Risiken im weiteren Sinne gesprochen, wenn neben den Risiken im engeren Sinne auch auf die positiven Zielverfehlungen der sym305 306 307 308 309 310
Vgl. KRÄMER (Entscheidungen 2002), S. 272 Vgl. HALLER (Risiko-Management 1978), S. 484 Vgl. CORSTEN (Zielbildung 1988), S. 337 Vgl. HÖLSCHER (Gestaltungsformen 1999), S. 299 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 37 Vgl. HÖLSCHER (Konzeption 2002), S. 6
112
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
metrischen Risiken fokussiert wird.311 Abbildung 22 illustriert diesen Zusammenhang.
Symmetrisches Risiko
Positive Zielverfehlung
Asymmetrisches Risiko
Negative Zielverfehlung
Risiko im engeren Sinne
Risiko im weiteren Sinne
Abbildung 22: Wirkungsbezogene Unterscheidung von Risiken312 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein Risiko eine ursachenbezogene und eine wirkungsbezogene Komponente besitzt. Beide Komponenten sind jedoch nicht isoliert zu betrachten, sondern stellen vielmehr eine Kombination dar, wobei ein Risiko als eine Ursache-Wirkungs-Beziehung angesehen wird.313 Eine solche Sichtweise liegt beispielsweise dem mathematischen Risikobegriff zu Grunde, der Bezug nimmt auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung der potenziellen Folgen von Entscheidungen.314 Im Rahmen des mathematischen Risikobegriffs werden auf der Basis einer solchen Wahrscheinlichkeitsverteilung verschiedene statistische Kennziffern, die so genannten Streuungsmaße, berechnet. Zu den Streuungsmaßen werden typischerweise die Varianz und die Standardabweichung gezählt. Diese Streuungsmaße geben Auskunft über die Streuung der verschiedenen möglichen Ergebnisse einer 311 312 313 314
Vgl. FRÖHLING (Controlling 2000), S. 63 In Anlehnung an KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 38 Vgl. RÜCKER (Finanzierung 1999), S. 30 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 39
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
113
Entscheidung um einen Mittelwert, wobei die gängigen Streuungsmaße das Risiko im weiteren Sinne untersuchen, d.h. sowohl positive als auch negative Abweichungen von einem Mittelwert betrachten. Im Rahmen eines modernen Risikomanagements wird jedoch primär auf das Risiko im engeren Sinne und damit auf die negativen Auswirkungen von Entscheidungen fokussiert. In diesem Sinne wird ein Risiko als Gefahr einer negativen Abweichung der tatsächlich eintretenden Wirkung einer Entscheidung vom erwarteten Ergebnis definiert.315 Aufgrund des unvollkommenen Informationsstands besitzt ein Risiko eine ursachenbezogene Komponente, da keine Kenntnis darüber vorliegt, welche der potenziellen künftigen Entwicklungen eintreten wird. Die grundsätzlich möglichen künftigen Entwicklungen, die die Möglichkeit einer Zielverfehlung beinhalten, lassen sich als eine Wahrscheinlichkeitsverteilung beschreiben, die dem Entscheidungsträger nicht bekannt sein muss. Die wirkungsbezogene Komponente kommt in Form der Bewertung der Zielverfehlung zum Ausdruck, wobei das Ergebnis der Bewertung somit stets von dem gesetzten Ziel abhängt.316 Bei der Bewertung von Risiken spielt auch die zeitliche Perspektive eine wichtige Rolle. Dies folgt aus dem Umstand, dass Unternehmensziele, damit sie operational sind, prinzipiell einen konkreten Zeitbezug aufweisen müssen.317 Die Zielerreichung lässt sich nämlich nur dann überprüfen, wenn die Ziele für einen bestimmten Zeitraum festgelegt sind. Es gibt zwar auch Ziele, die permanent gültig sind (z.B. das Rentabilitätsziel). Aber auch für solche Ziele ist zur Überprüfung der Zielerfüllung ein bestimmter Zeitraum zugrunde zu legen (z.B. ein Geschäftsjahr). 318 Weisen die unternehmerischen Ziele selbst einen Zeitbezug auf, so gilt dies auch für ein zugehöriges Risiko, das ja gerade dadurch charakterisiert ist, dass es eine Zielverfehlung in dem dem Ziel zugrunde gelegten Zeitraum bewirken kann. Damit beeinflusst der Zeitbezug der zugrunde liegenden Zielsetzung das Ausmaß eines Risikos. Denn je weiter sich der betrachtete Zeitraum in die Zukunft erstreckt, umso größer dürfte tendenziell die mögliche Zielabweichung sein.319 2.
Definition des Liquiditätsrisikos
Im Rahmen der kurzfristigen Finanzplanung werden ausgehend vom PlanAnfangsbestand an liquiden Mitteln die Einzahlungen und Auszahlungen der jeweils betrachteten Periode entweder aus den dem kurzfristigen Finanzplan vorge315 316 317 318 319
Vgl. BLANKENBURG (Risikomanagement 1978), S. 329; SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 311 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 39 Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 90 Vgl. BRAUN (Risikomanagement 1984), S. 40 Vgl. BRAUN (Risikomanagement 1984), S. 41
114
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
lagerten Plänen direkt übernommen oder mithilfe geeigneter Verfahren der Prognose ermittelt. Aus der Summe des Anfangsbestandes an Zahlungsmitteln und allen prognostizierten Einzahlungen der jeweils betrachteten Periode abzüglich sämtlicher prognostizierter Auszahlungen folgt der Planendbestand an liquiden Mitteln der entsprechenden Periode. Dieser Planendbestand, der im Rahmen der Vorschau-Planung ermittelt wird, ist möglicherweise kleiner oder größer als Null und weicht in diesem Fall vom gewünschten Endbestand an Zahlungsmitteln ab. Tritt eine solche Abweichung auf, werden Anpassungsmaßnahmen erforderlich, die sich danach unterscheiden lassen, ob Plan-Überschüsse oder Plan-Fehlbeträge ausgeglichen werden sollen. Nach der Durchführung des Planausgleichs liegt dann ein Plan-Endbestand an Zahlungsmitteln vor, der dem gewünschten PlanEndbestand an Zahlungsmitteln entspricht.320 Prinzipiell gilt, dass der Endbestand an Zahlungsmitteln stets größer oder zumindest gleich Null sein muss, da sonst die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens gefährdet ist. Andererseits bedeutet jedoch das Vorhalten nicht benötigter Zahlungsmittel i.d.R. einen Opportunitätsverlust. Da es sich bei den prognostizierten Ein- und Auszahlungen einer Periode jedoch lediglich um Schätzwerte handelt, ist in diesem Zusammenhang als problematisch anzusehen, dass die tatsächlich anfallenden Ein- und Auszahlungen von den prognostizierten Ein- und Auszahlungen abweichen können. Ist dies der Fall, wird sich der gewünschte Endbestand an Zahlungsmitteln nicht einstellen. Da der Endbestand an Zahlungsmitteln eine entscheidende Bedeutung für die Sicherung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens besitzt, soll im Folgenden der Begriff des Liquiditätsrisikos am Endbestand an Zahlungsmitteln festgemacht werden. Hierzu wird der allgemeine Risikobegriff auf die Liquiditätssituation angewendet, indem der geplante Endbestand an Zahlungsmittel als Zielgröße interpretiert wird, die es im Rahmen der Finanzplanung zu erreichen gilt. Aufgrund möglicher Abweichungen innerhalb der geplanten Ein- und Auszahlungen, besteht jedoch die Gefahr einer Zielverfehlung, d.h. es besteht die Gefahr, dass der geplante Endbestand an Zahlungsmitteln verfehlt wird. Dieser Umstand soll im Folgenden als Liquiditätsrisiko verstanden werden. Unter dem Liquiditätsrisiko kann daher die Gefahr gesehen werden, dass der tatsächlich erreichte Endbestand an liquiden Mitteln vom geplanten Endbestand an liquiden Mitteln abweicht. Damit handelt es sich beim Liquiditätsrisiko grundsätzlich um ein Risiko im weiteren Sinne, da sowohl eine negative Abweichung, d.h. der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln ist kleiner als der geplante Endbestand, als auch eine po320
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 62-111
115
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
sitive Abweichung vom geplanten Wert möglich ist. In letzterem Fall ist der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln größer als der geplante Endbestand. Während eine negative Abweichung des tatsächlichen Endbestands an Zahlungsmitteln vom geplanten Zahlungsmittel-Endbestand die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens gefährden kann, führt eine positive Abweichung zu einem im Vergleich zum Planansatz höheren Zahlungsmittelendbestand. Das Auftreten einer positiven Abweichung gefährdet zwar nicht unmittelbar die Zahlungsfähigkeit. Dennoch ist eine positive Abweichung vom Planansatz kein anzustrebendes Ziel, da in einem solchen Fall Zahlungsmittel vorhanden sind, die eigentlich nicht benötigt werden, die aber auch nicht rentabel angelegt sind. Eine positive Abweichung vom Planansatz führt daher i.d.R. zu einer Verringerung der Rentabilität. Die beiden Ausprägungen des Liquiditätsrisikos werden in folgender Abbildung 23 zusammengefasst.
Positive Zielverfehlung
Negative Zielverfehlung
tatsächlicher Zahlungsmittelendbestand größer als geplanter Zahlungsmittelendbestand
tatsächlicher Zahlungsmittelendbestand kleiner als geplanter Zahlungsmittelendbestand
Liquiditätsrisiko im engeren Sinne
Liquiditätsrisiko im weiteren Sinne
Abbildung 23: Liquiditätsrisiko im engeren und im weiteren Sinne Im Folgenden soll die Sicherung der Zahlungsfähigkeit im Vordergrund stehen. Hierzu ist es jedoch erforderlich, eine Einschränkung der Betrachtung des Liquiditätsrisikos vorzunehmen. Diese Einschränkung soll dahingehend vorgenommen werden, dass nur auf die negative Abweichung des tatsächlichen Wertes vom Planwert fokussiert wird, d.h. es wird nur das Liquiditätsrisiko im engeren Sinne betrachtet. Indem das Risiko im engeren Sinne betrachtet wird, wird das Liquiditätsrisiko als Deckungsproblem angesehen, d.h. ein Unternehmen soll in der Lage
116
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
sein, seinen künftigen Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen zu können. Die Rentabilitätskomponente des Liquiditätsrisikos soll nachfolgend nicht weiter betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff des Liquiditätsrisikos entsprechend anzupassen. Unter dem Liquiditätsrisiko soll im Folgenden die Gefahr verstanden werden, dass der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln den geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln unterschreitet. In Anlehnung an den Begriff des Risikos im Allgemeinen lassen sich auch für das Liquiditätsrisiko im Speziellen eine ursachenbezogene und eine wirkungsbezogene Komponente unterscheiden. Neben diese beiden Komponenten tritt die zeitbezogene Komponente, da im Rahmen der Beschäftigung mit Risiken stets zukünftige Entwicklungen zu betrachten sind, die zwecks Operationalisierung in zeitlicher Hinsicht abzugrenzen sind.321 Während die ursachenbezogene Komponente auf das im Rahmen der Finanzplanung vorhandene Informationsdefizit hinsichtlich der künftigen Entwicklungen des Zahlungsmittelendbestandes abzielt und damit auf die Unmöglichkeit, diesen exakt vorherzusagen, nimmt die wirkungsbezogene Komponente auf die negative Abweichung des tatsächlichen Zahlungsmittelendbestandes vom geplanten Endbestand Bezug. Die zeitbezogene Komponente richtet sich schließlich nach dem Zeitbezug der Zielsetzung, der im Falle des Liquiditätsrisikos aus dem Zeitraum besteht, für den der Zahlungsmittelendbestand festzustellen ist. 3.
Ursachen des Liquiditätsrisikos
Die Definition des Liquiditätsrisikos bildet die Basis für eine Analyse seiner Ursachen. Da das Liquiditätsrisiko als Gefahr gesehen wird, dass der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln den geplanten Endbestand unterschreitet, sind im Folgenden nach den Ursachen zu fragen, die ein solches Unterschreiten bewirken können. Prinzipiell können zwei Möglichkeiten für Planabweichungen auftreten. Einerseits können Einzahlungen vom Betrag niedriger oder zeitlich später als geplant eingehen. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, dass gegenüber dem Planansatz Auszahlungen höher oder früher anfallen. Für die zwei Möglichkeiten für Planabweichungen können folgende Abweichungsarten verantwortlich zeichnen: 322
x Mengenabweichungen, x Preisabweichungen sowie 321 322
Vgl. LUHMANN (Soziologie 1991), S. 59 Vgl. REHKUGLER/SCHINDEL (Finanzierung 1994), S. 189; FIETZ (Finanzplanung I 1990), S. 544
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
117
x Zeitabweichungen. Im Einklang mit der betrieblichen Kostentheorie lässt sich zunächst feststellen, dass jede Zahlungsbewegung, die sich aus einem Güterstrom herleitet, als das Produkt von Menge und Preis beschreiben lässt.323 Damit können in Analogie zur Kostenrechnung zwei Arten von Abweichungen identifiziert werden, die Mengenabweichungen und die Preisabweichungen. Soll überprüft werden, ob ggf. eine Mengenabweichung oder eine Preisabweichung vorliegt, ist die zugrunde liegende Güterbewegung zu untersuchen, wodurch das Mengengerüst und das Preisgerüst der jeweiligen Zahlungsbewegung transparent wird.324 Neben den Mengen- und den Preisabweichungen können auch Zeitabweichungen auftreten, die durch Zeitzuordnungsfehler der einzelnen Zahlungsbewegungen verursacht werden. Zeitabweichungen, die für Finanzrechnungen charakteristisch sind, treten insbesondere durch Änderungen der Zahlungsbewegungen der zugrunde liegenden leistungswirtschaftlichen Prozesse auf, wodurch beispielsweise Auszahlungen früher als vorgesehen getätigt und Einzahlungen später als geplant erzielt werden. Dennoch müssen Änderungen in leistungswirtschaftlichen Prozessen nicht zwingend für Zeitabweichungen verantwortlich sein. Da ein großer Teil der Ein- und Auszahlungen fremdbestimmt ist, können sich Zeitabweichungen auch ohne Beeinflussung durch Änderungen in leistungswirtschaftlichen Prozessen einstellen. Darüber hinaus gestaltet sich die Identifizierung von Zeitabweichungen durchaus problematisch, da Zeitabweichungen in der Finanzkontrolle nicht unmittelbar zu erkennen sind. Vielmehr wird auch im Falle einer Zeitabweichung lediglich eine Betragsabweichung in Form einer Plan-Ist-Abweichung ausgewiesen.325 Die Möglichkeit von Zeitabweichungen sollte daher immer dann in Betracht gezogen werden, wenn Abweichungen festgestellt wurden, die weder auf Mengen- noch auf Preisabweichungen zurückgeführt werden konnten.326 Die Ursachen für Planabweichungen sind überaus vielfältig und komplex, sie können sowohl im Unternehmensumfeld als auch im Unternehmen selbst liegen. Dies soll anhand einiger Beispiele exemplarisch aufgezeigt werden. Dabei werden nur solche Fälle angesprochen, die für den Eintritt des Liquiditätsrisikos relevant sind. Zunächst werden leistungswirtschaftlich induzierte Einzahlungen (z.B. aus Umsatzerlösen) betrachtet. Leistungswirtschaftlich induzierte Einzahlungen können von Preis-, von Mengen- und von Zeitabweichungen betroffen sein. So können Preisabweichungen auftreten, wenn die geplanten Absatzpreise nicht durchgesetzt werden konnten. Ursachen hierfür können z.B. darin liegen, dass die Preise zu 323 324 325 326
Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 654 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 147 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 147 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 688
118
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
hoch festgesetzt wurden oder dass trotz realistischer Preisfixierung vergleichbare Konkurrenzprodukte mit niedrigerem Preis angeboten wurden, sodass eine Preisreduktion erfolgen musste, um konkurrenzfähig zu bleiben. Preisabweichungen können aber auch durch eine fehlerhafte Produktion ausgelöst werden, wenn den Kunden mit Mängeln behaftete Produkte geliefert werden und die Kunden Preisnachlässe fordern. Tätigt ein Unternehmen Fremdwährungsgeschäfte, so tritt auch der Wechselkurs als mögliche Ursache für eine Preisabweichungen auf. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich der Wechselkurs gegenüber dem Planansatz nachteilig ändert. Unterstellt beispielsweise ein deutsches Unternehmen (Verkäufer) bei einem Außenhandelsgeschäft mit einem amerikanischen Unternehmen bei einem Geschäftsvolumen von 1 Mio. USD einen Wechselkurs von 1 USD/ EUR und verändert sich der Wechselkurs auf 1,2 USD/EUR, so resultiert anstelle der erwarteten Einzahlung i.H.v. 1 Mio. EUR lediglich eine Einzahlung i.H.v. 833.333 EUR (=1 Mio. USD/1,2 USD/EUR). Im Falle von Mengenabweichungen können die geplanten Absatzmengen nicht erreicht werden. Auch hierfür existiert eine große Anzahl von Ursachen. Beispielsweise können die Produktpreise zu hoch festgelegt worden sein. Möglicherweise war das Unternehmen nicht in der Lage, die geplante Absatzmenge herzustellen, da infolge von Betriebsunterbrechungen Produktionszeiten ausgefallen sind und die fehlende Absatzmenge nicht durch Fertigprodukte aus dem Absatzlager kompensiert werden konnte. Auch kann eine Veränderung im Kaufverhalten von Kunden, beispielsweise infolge eines schlechten Konjunkturverlaufs dafür verantwortlich sein, dass die geplante Absatzmenge nicht erreicht werden kann. Ursachen für Zeitabweichungen liegen insbesondere im veränderten Zahlungsverhalten von Kunden. Dies kann beispielsweise durch einen schlechten Konjunkturverlauf 327 oder auch unternehmensintern durch Absatzverzögerungen, die sich ggf. auf Produktionsengpässe oder auf Engpässe im Beschaffungsbereich zurückführen lassen, verursacht worden sein. Auch für leistungswirtschaftlich induzierte Auszahlungen lassen sich ähnliche Überlegungen bezüglich der Ursachen möglicher Abweichungen anstellen. Auch im Rahmen dieser Auszahlungen können Preis-, Mengen- und Zeitabweichungen auftreten, was am Beispiel von Auszahlungen für Rohstoffe erläutert werden soll. Preisabweichungen treten dann auf, wenn die geplanten Einkaufspreise überschritten werden. Da die Preise der Rohstoffe sich an den Beschaffungsmärkten nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage einstellen, kann ein verringertes Angebot, z.B. ausgelöst durch eine politische Krise, zu einer Erhöhung der Preise führen. Werden darüber hinaus Rohstoffe mittels Fremdwährungsgeschäfte bezogen, 327
Gerade in Zeiten eines konjunkturellen Abschwungs ist häufig eine „nachlassende Zahlungsmoral“ festzustellen. Vgl. NOELLE (Bestimmung 1976), S. 170
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
119
besteht grundsätzlich die Problematik, dass bei einer negativen Veränderung des Wechselkurses Preisabweichungen auftreten. Mengenabweichungen lassen sich dann identifizieren, wenn eine größere Menge des Rohstoffs gegenüber dem Planansatz verbraucht wurde. Mögliche Ursachen hierfür liegen in einem erhöhten Ausschuss, der beispielsweise auf technische Mängel in der Produktion zurückzuführen ist. Zeitabweichungen treten dann auf, wenn Auszahlungen früher als geplant zu tätigen sind, was z.B. dadurch verursacht werden kann, wenn ein Lieferant für die Lieferung von Rohstoffen unerwartet die Zahlung eines Vorschusses fordert. Bei finanzwirtschaftlich begründeten Zahlungen treten im Wesentlichen Preisabweichungen auf. So könnte z.B. bei Einzahlungen aus dem Verkauf von Aktien sich gegenüber dem Planansatz der Aktienkurs nachteilig verändert haben, sodass die Einzahlungen niedriger als geplant eingehen. Einzahlungen aus der Veräußerung von Anleihen könnten geringer als geplant ausfallen, da sich in der Zwischenzeit der Marktzinssatz ungünstig verändert hat. Eine Ursache, die sowohl bei leistungswirtschaftlich als auch bei finanzwirtschaftlich bedingten Zahlungen zu Planabweichungen führen kann, ist der Ausfall eines Geschäftspartners. Ein solcher Fall tritt ein, wenn ein Kontrahent seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr oder nicht in vollem Umfang nachkommt oder auch erst zu einem gegenüber der Planung späteren Zeitpunkt nachkommt. Als mögliche Ursachen für Planabweichungen sind auch Dispositionsfehler zu nennen. Dispositionsfehler fallen immer dann an, wenn die im Rahmen der kurzfristigen Finanzplanung beschlossenen Maßnahmen zum Ausgleich finanzieller Ungleichgewichte nicht resp. nicht im geplanten Umfang realisiert wurden.328 Bei der Ursachenanalyse sollte auch die Möglichkeit einer fehlerhaften Erfassung der Ist-Werte in Betracht gezogen werden. In der Literatur wird zwar weitestgehend von einer fehlerfreien Erfassung der Ist-Zahlungen ausgegangen329, jedoch liegt unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die integrierte Erfolgs- und Finanzrechnung, die alleine eine fehlerfreie Erfassung der Ist-Zahlungen garantieren kann, in der Praxis nicht zur Anwendung kommt, der Schluss nahe, dass die festgestellten Ist-Zahlungen fehlerbehaftet sein können. Denn in der Praxis werden häufig zur Feststellung von Ist-Zahlungen Näherungsrechnungen auf der Basis von Aufwendungen und Erträgen oder Kosten und Leistungen durchgeführt, die
328 329
Vgl. REHKUGLER/SCHINDEL (Finanzierung 1994), S. 188 Vgl. z.B. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 666; EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 364365; WITTE (Finanzplanung 1983), S. 139
120
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
die Ist-Zahlungen nicht exakt erfassen können.330 Daher ist es sinnvoll, grundsätzlich auch die Ist-Zahlungen als mögliche Fehlerursache zu betrachten.
II.
Notwendigkeit zum Management des Liquiditätsrisikos
Nachdem das Wesen des Liquiditätsrisikos herausgearbeitet wurde, stellt sich die Frage, wie sich die weitere Handhabung des Liquiditätsrisikos vollziehen soll. Prinzipiell sind zwei grundlegende Möglichkeiten zu unterscheiden. Einerseits kann das Liquiditätsrisiko akzeptiert werden. Im Rahmen dieser „Laissez-faireMentalität“ würden keine weiteren Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos ergriffen. Andererseits können Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos vorgenommen werden. Problematisch in Bezug auf den Verzicht auf Maßnahmen zur Risikobewältigung ist, dass der Eintritt des Liquiditätsrisikos eine Beeinträchtigung des Liquiditätszieles bewirkt und zur Zahlungsunfähigkeit führen kann. Damit stellt ein Verzicht auf das Liquiditätsrisiko bewältigende Maßnahmen keine sinnvolle Alternative dar. Da es sich beim Liquiditätsrisiko um ein Risiko handelt, das die Zahlungsfähigkeit und damit die Existenz eines Unternehmens bedroht, scheint eine Steuerung des Liquiditätsrisikos angebracht, indem geeignete Maßnahmen zur Bewältigung dieses Risikos vorgenommen werden, sodass das Liquiditätsziel auch im Falle eines Eintritts dieses Risikos gewährleistet ist. Solche Maßnahmen der Risikobewältigung können jedoch nur dann sinnvoll ausgewählt werden, wenn bekannt ist, in welchem Umfang die Erreichung dieser Zielsetzung durch das Liquiditätsrisiko bedroht ist. Daher ist vor der Auswahl von Maßnahmen zur Risikobewältigung zuerst eine Bewertung des Liquiditätsrisikos durchzuführen, bei der die Gefährdung des Liquiditätsziels durch das Liquiditätsrisiko abgeschätzt wird.
III. Grundsätzliches zur Messung des Liquiditätsrisikos 1.
Größen zur Messung des Liquiditätsrisikos
An die Begriffsbestimmung des Liquiditätsrisikos schließt sich unmittelbar die Frage nach der Messung dieses Risikos an, da das Liquiditätsrisiko nur dann sinnvoll zu steuern ist, wenn der Grad der Bedrohung, der von diesem Risiko für das Unternehmen ausgeht, gemessen werden kann.
330
Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 688; LÜTTEKEN (Finanzplanung 1998), S. 21-25
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
121
Der Grad der von einem Risiko ausgehenden Bedrohung wird im Allgemeinen als die Dringlichkeit des Risikos bezeichnet.331 Die Dringlichkeit eines Risikos besitzt mit der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Tragweite zwei Bestimmungsfaktoren:332
x Die Eintrittswahrscheinlichkeit bringt die ursachenbezogene Dimension eines Risikos zum Ausdruck. Sie kann üblicherweise nicht eindeutig durch eine einzelne relative Häufigkeit, sondern lediglich durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der künftigen Ereignisse bestimmt werden. Dabei sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten von 0 % und 100 % als Sonderfälle zu beurteilen, die im ersten Fall ein unmögliches Ereignis und im letzteren Fall ein sicheres Ereignis beschreiben.333 x Die Tragweite bildet die wirkungsbezogene Dimension eines Risikos ab. Durch die Tragweite wird demnach die Zielverfehlung beschrieben, die sich bei einem Risikoeintritt, d.h. für den Fall, dass das Risiko tatsächlich schlagend wird, voraussichtlich einstellen wird. Die Risikotragweite wird primär als monetäre Größe verstanden und in Geldeinheiten bewertet. Sie kann jedoch auch als nicht-monetäre Größe mithilfe anderer Beurteilungsgrößen bestimmt werden.334 Die Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos wird durch seine Eintrittswahrscheinlichkeit und seine Tragweite bestimmt. Prinzipiell gilt, dass der Grad der Bedrohung, der vom Liquiditätsrisiko ausgeht, umso höher zu beurteilen ist, je größer seine Eintrittswahrscheinlichkeit und je größer seine Tragweite werden. Zur Beurteilung der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos sind somit beide Bestimmungsfaktoren in angemessener Weise zu berücksichtigen. Im einfachsten Fall kann die Beurteilung der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos durch die Bestimmung des Erwartungswerts erfolgen, bei der die Eintrittswahrscheinlichkeit des Liquiditätsrisikos mit seiner negativen Abweichung, d.h. seiner Zielverfehlung, multipliziert wird. Dies ist jedoch insofern problematisch, da i.d.R. keine eindeutige Risikotragweite des Liquiditätsrisikos existiert. Tritt nämlich das Liquiditätsrisiko mehrmals ein, werden sich unterschiedliche Tragweiten feststellen lassen. Insofern ist im Rahmen der Messung des Liquiditätsrisikos nicht „die“ Tragweite, sondern die Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen Tragweiten zu bestimmen.335 331 332 333 334 335
Vgl. HÖLSCHER/KREMERS/RÜCKER (Industrieversicherungen 1996), S. 3-4 Vgl. RÜCKER (Finanzierung 1999), S. 36 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 41 Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich ein Risiko auf nicht-monetäre Zielsetzungen bezieht. Vgl. HÖLSCHER (Gestaltungsformen 1999), S. 304 Vgl. GLEIßNER/MEIER (Risikoaggregation 1999), S. 926
122
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang zu hinterfragen, ob die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Tragweiten des Liquiditätsrisikos ex ante überhaupt bestimmt werden kann. Diese Ermittlung ist daher problematisch, da stets eine Unsicherheit hinsichtlich der unterstellten Wahrscheinlichkeitsverteilung besteht. Im Allgemeinen ist die Intensität der Unsicherheit umso größer, je weniger Kenntnisse über zukünftige Vorgänge und Ereignisse vorliegen. Im Allgemeinen lassen sich folgende Kategorien der Unsicherheit unterscheiden:336
x Unsicherheit erster Ordnung: Von einer Unsicherheit erster Ordnung wird gesprochen, wenn objektive Wahrscheinlichkeiten für künftige Umweltzustände vorhanden sind. Solche objektiven Wahrscheinlichkeiten lassen sich nur bestimmen, wenn Datenmaterial, das statistische Auswertungen ermöglicht, in ausreichendem Maße verfügbar ist und wenn auf der Basis dieser Auswertungen Prognosen hinsichtlich der künftigen Entwicklung möglich sind. x Unsicherheit zweiter Ordnung: Eine Unsicherheit zweiter Ordnung liegt vor, wenn zwar keine objektiven Wahrscheinlichkeiten bekannt sind, da beispielsweise kein Datenmaterial für statistische Auswertungen verfügbar ist, wenn jedoch Wahrscheinlichkeiten geschätzt werden können. Diese z.B. von Experten auf Grund von Erfahrungen in ähnlichen Gebieten hinreichend genau geschätzten Wahrscheinlichkeiten werden als subjektive Wahrscheinlichkeiten bezeichnet. x Unsicherheit dritter Ordnung: Eine Unsicherheit dritter Ordnung liegt vor, wenn die Art der künftigen Entwicklungen zwar bekannt ist, jedoch keine Wahrscheinlichkeiten geschätzt werden können. Im Gegensatz zur Unsicherheit zweiter Ordnung können bei der Unsicherheit dritter Ordnung daher noch nicht einmal subjektive Wahrscheinlichkeiten mit hinreichender Genauigkeit festgelegt werden. x Unsicherheit vierter Ordnung: Eine Unsicherheit vierter Ordnung ist dann gegeben, wenn weder die Art der künftigen Entwicklungen, noch deren Wahrscheinlichkeiten bekannt sind. Liegt eine solche Unsicherheit vierter Ordnung vor, besitzen die Unternehmen keinerlei Kenntnis darüber, welche Entwicklungen sich in der Zukunft vollziehen werden. Prinzipiell gilt, dass nur Risiken der ersten und der zweiten Kategorie zahlenmäßig bewertbar sind, da lediglich für diese beiden Kategorien die für eine zahlenmäßige Bewertung notwendigen Daten zur Verfügung stehen. Risiken, die der
336
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 42-43.; SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 336-337.; BAMBERG (Risiko 2001), Sp. 1837-1838; ALBACH (Unsicherheit 1984), Sp. 4037
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
123
dritten oder der vierten Kategorie zuzuordnen sind, können allenfalls qualitativ beschrieben werden.337 In Bezug auf die Messung des Liquiditätsrisikos kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass eine Unsicherheit erster oder zweiter Kategorie vorliegt. Denn im Rahmen der Finanzplanung wird der zukünftige Endbestand an Zahlungsmitteln mithilfe geeigneter Prognoseverfahren auf der Basis von Werten oder zumindest Erfahrungen aus der Vergangenheit ermittelt. Damit liegen aber auch entsprechende Daten vor, die zur Ermittlung objektiver Wahrscheinlichkeiten oder zumindest zur Abschätzung von subjektiven Wahrscheinlichkeiten herangezogen werden können. Es handelt sich bei diesen Daten um die Abweichungen des tatsächlichen Zahlungsmittelendbestandes bzw. der tatsächlich angefallenen Zahlungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand bzw. den geplanten Zahlungen einer Periode, die sich in der Vergangenheit realisiert haben. Wurde eine Finanzplanung mit einer entsprechenden Finanzkontrolle im Unternehmen eingerichtet, sollte es grundsätzlich möglich sein, die zur Messung des Liquiditätsrisikos notwendigen Daten zu beschaffen. 2.
Probleme bei der Beurteilung der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos
Das Liquiditätsrisiko wurde als potenzielle negative Verfehlung des geplanten Zahlungsmittelendbestandes definiert. Im Rahmen der Risikobewertung soll eine Einschätzung der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos erfolgen, bei der sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Tragweite dieses Risikos berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist als problematisch zu werten, dass das Liquiditätsrisiko nicht als dichotomisches Risiko vorliegt. Ein dichotomisches Risiko ist dadurch charakterisiert, dass nur ein Wert für die Tragweite des Risikos existiert, der sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit realisiert oder nicht.338 Vielmehr handelt es sich beim Liquiditätsrisiko um ein dimensionales Risiko, das durch schwankende Tragweiten gekennzeichnet ist, d.h. bei jedem Eintritt des Liquiditätsrisikos können sich unterschiedliche Abweichungen vom geplanten Zielwert einstellen. Daher lässt sich das Liquiditätsrisiko als Wahrscheinlichkeitsverteilung von mehreren möglichen Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln charakterisieren. Da für den Wert der Tragweite mehrere Realisationen möglich sind, stellt sich im Folgenden die Frage, welche der verschiedenen möglichen Tragweiten zur Bewertung des Liquiditätsrisikos herangezogen werden soll. 337 338
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 44 Vgl. MUGLER (Risk Management 1979), S. 116-117
124
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Die Versicherungsbetriebslehre befasst sich schon seit längerer Zeit mit der Bewertung dimensionaler Risiken. Zwar bezieht sich diese Bewertung von Risiken im Rahmen der Versicherungsökonomie auf das Ausloten der mit den Risiken verbundenen Schadenpotenziale, jedoch besteht auch dort das Problem, dass ein Ersatzwert für den ex ante nicht exakt zu bestimmenden Wert der Tragweite des betrachteten Risikos zu bestimmen ist. Wenngleich es sich bei dem im Rahmen der versicherungsbezogenen Risikobewertung zu ermittelnden Ersatzwert um ein Schadenausmaß handelt, so lassen sich die mit den Bewertungsansätzen verbundenen Grundideen sinngemäß auch auf die Bewertung des Liquiditätsrisikos übertragen. In diesem Zusammenhang lassen sich prinzipiell zwei Ansätze unterscheiden:339
x Beim maximal möglichen Höchstschaden (maximum possible loss, MPL) wird vom Worst-Case-Fall, d.h. von der maximal möglichen Tragweite ausgegangen. Die maximal mögliche Tragweite weist häufig eine sehr geringe Eintrittswahrscheinlichkeit auf. Demnach liegt der Verwendung des MPL eine extrem pessimistische Sichtweise zugrunde. x Als Alternative zum maximalen Höchstschaden wird auch der wahrscheinliche Höchstschaden (probable maximum loss, PML) als Tragweite eingesetzt. Der wahrscheinliche Höchstschaden steht für diejenige Tragweite, die bei einem Risikoeintritt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Dabei ist jedoch zu beachten, dass lediglich der Teil der Wahrscheinlichkeitsverteilung betrachtet wird, der bis zum wahrscheinlichen Höchstschaden reicht. Anders formuliert wird der Teil der Wahrscheinlichkeitsverteilung, der die größten Tragweiten beinhaltet, nicht berücksichtigt.340 Der PML bezieht sich folglich auf bestimmte Wahrscheinlichkeitsniveaus, z.B. auf Niveaus von 95 % oder von 99 %. Wird der Grundgedanke des MPL auf die Bewertung des Liquiditätsrisikos übertragen, ist die maximal mögliche Abweichung als Tragweite anzusetzen. Die Verwendung des MPL bei der Auswahl der zur Bewertung des Liquiditätsrisikos anzusetzenden Tragweite führt zur Auswahl einer Tragweite, die sich nahezu niemals realisiert. Daher dürften Maßnahmen zur Steuerung des Liquiditätsrisikos, die sich an einer solchen Tragweite orientieren, regelmäßig äußerst überzogen ausfallen. Darüber hinaus ist die maximal mögliche Abweichung vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln nicht in jedem Fall zu bestimmen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Unternehmen die Stillhalterposition bei Optionsge339 340
Vgl. WILLIAMS/SMITH/YOUNG (Risk Management 1995), S. 63-64; HOFFMANN (Risk Management 1985), S. 62-63. Vgl. BRACHINGER (Parameterrisiko 1998), S. 1015-1016; WEBER (Modellrisiko 2001), S. 139
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
125
schäften eingeht. Solche Geschäfte können nämlich Auszahlungsverpflichtungen in – zumindest theoretisch – unbegrenzter Höhe nach sich ziehen. Die Verwendung der maximal möglichen Abweichung erscheint daher als nicht zweckmäßig. Als deutlich realistischer im Gegensatz zum MPL ist die Sichtweise des PML zu qualifizieren. Bei Verwendung des Grundgedankens des PML wird als Wert für die Tragweite des Liquiditätsrisikos die wahrscheinlich höchste Abweichung vom Zahlungsmittelendbestand gewählt. Die wahrscheinlich höchste Abweichung stellt die Abweichung dar, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Dabei gilt analog zum versicherungsbezogenen PML, dass lediglich der Teil der Wahrscheinlichkeitsverteilung betrachtet wird, der bis zur wahrscheinlich höchsten Abweichung reicht, d.h. der Teil der Wahrscheinlichkeitsverteilung, der die größten Tragweiten beinhaltet, wird nicht berücksichtigt. Folgende Abbildung 24 stellt den Zusammenhang zwischen der maximal möglichen Abweichung und der wahrscheinlich höchsten Abweichung an einer exemplarischen Wahrscheinlichkeitsverteilung grafisch dar, wobei für die wahrscheinlich höchste Abweichung ein Wahrscheinlichkeitsniveau von 95 % gewählt wurde. Weiterhin wurde unterstellt, dass die maximal mögliche Abweichung bestimmt werden kann. Wahrscheinlichkeit
95 %
Maximal mögliche Abweichung
Wahrscheinlich höchste Abweichung
Zielabweichung
Abbildung 24: Zusammenhang von maximal möglicher Abweichung und wahrscheinlich höchster Abweichung 341 Darüber hinaus beeinflusst die Art der Wahrscheinlichkeitsverteilung, die der Bewertung des Liquiditätsrisikos zugrunde liegt, die Höhe der wahrscheinlich höchs341
In Anlehnung an KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 116
126
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
ten Abweichung wie auch die der maximal möglichen Abweichung. So können in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Wahrscheinlichkeitsverteilung sich diese beiden Größen mehr oder weniger unterscheiden.342 Dies soll anhand folgender Abbildung 25 erläutert werden, die zwei unterschiedliche Wahrscheinlichkeitsverteilungen mit jeweils der gleichen maximal möglichen Abweichung darstellt. Während die erste Verteilung symmetrisch um den Mittelwert ist, ist die zweite Verteilung rechtsschief.343 Obwohl bei beiden Verteilungen mit jeweils 95 % das gleiche Wahrscheinlichkeitsniveau für die Ermittlung der wahrscheinlich höchsten Abweichung zugrunde gelegt wird, wird die wahrscheinlich höchste Abweichung bei der zweiten Verteilung im Vergleich zur ersten deutlich höher eingeschätzt. Ein weiteres Problem bei der Bewertung des Liquiditätsrisikos dürfte darin liegen, dass die Aufstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung regelmäßig auf der Basis von Vergangenheitswerten vorgenommen werden muss. Zwar müssten, wenn eine Finanzplanung im Unternehmen implementiert wurde, die zur Aufstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung erforderlichen Daten grundsätzlich im Unternehmen vorliegen. Dennoch ist zu beachten, dass in Bezug auf Aussagen über zukünftige Realisationen des Liquiditätsrisikos die vergangenheitsbezogenen Daten in die Zukunft fortgeschrieben werden müssen. In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte zu beachten. Einerseits können nur dann korrekte Schlussfolgerungen gezogen werden, wenn hinreichend viele (vergangenheitsbezogene) Daten vorhanden sind, d.h. die Datenbasis muss einen hinreichenden Umfang besitzen.344 Andererseits ist es erforderlich, dass die Rahmenbedingungen, die den vorhandenen Daten zu Grunde lagen, auch für die aktuelle und die künftige Unternehmenssituation Gültigkeit besitzen.345 Für die Fortschreibung der Vergangenheitsdaten in die Zukunft ist daher stets zu prüfen, inwieweit diese beiden Aspekte erfüllt sind. Für den Fall, dass der Umfang des Datenmaterials statistische Auswertungen nicht ermöglicht, können auch Expertenbefragungen durchgeführt werden. Die Experten sollten dabei zum einen mit dem jeweiligen Vorgang vertraut sein und zum anderen rational urteilen.346 Weiterhin sollten – sofern möglich – mehrere fachkundige Personen befragt werden, um Fehlurteile einzelner Personen zu vermeiden.347
342 343 344 345 346 347
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 115-116. Bei rechtsschiefen Verteilungen liegen rechts vom häufigsten Wert (Modus) mehr Werte als links vom Modus. Rechtsschiefe Verteilungen werden auch als „linkssteil“ bezeichnet. Vgl. BOURIER (Statistik 2001), S. 105 Vgl. BOURIER (Wahrscheinlichkeitsrechnung 2002), S. 15 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 83 Vgl. BOURIER (Wahrscheinlichkeitsrechnung 2002), S. 18 Vgl. HÖLSCHER (Gestaltungsformen 1999), S. 328
127
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Wahrscheinlichkeit
95 %
Maximal mögliche Abweichung
Zielabweichung
Wahrscheinlich höchste Abweichung Wahrscheinlichkeit
95 %
Maximal mögliche Abweichung
Wahrscheinlich höchste Abweichung
Zielabweichung
Abbildung 25: Einfluss der Verteilungsform auf die Einschätzung von PML und MPL 3.
Anforderungen an eine Methode zur Messung des Liquiditätsrisikos
Im Rahmen der Bewertung des Liquiditätsrisikos ist die Aufgabe zu erfüllen, den vom Liquiditätsrisiko ausgehenden Grad der Bedrohung zu messen. In die Konzeption einer Methode zur Messung des Liquiditätsrisikos sollten die oben gewonnen Erkenntnisse einfließen. Die besondere Problemstellung bei der Messung
128
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
des Liquiditätsrisikos ist darin zu sehen, diese Erkenntnisse in Form einer Kennzahl zum Ausdruck zu bringen. An eine Methode zur Messung des Liquiditätsrisikos sind daher im Wesentlichen folgende Anforderungen zu stellen:
x Die Kennzahl zur Messung des Liquiditätsrisikos sollte als drohende negative Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand verstanden werden. Die Unterschreitung des auf Null ausgeplanten Zahlungsmittelendbestandes würde nämlich bedeuten, dass – sofern keine Maßnahmen für diesen Fall getroffen worden wären – das Unternehmen zahlungsunfähig ist. Gelingt es aber, das Ausmaß dieses Risikos in Form einer Kennzahl zu quantifizieren, lassen sich mit dieser Messung auch Maßnahmen zur Steuerung des Liquiditätsrisikos verbinden. Die Maßnahmen zur Steuerung des Liquiditätsrisikos sind derart zu treffen, dass im Falle des Eintritts dieses Risikos die Zahlungsunfähigkeit abgewendet wird. x Da solche Maßnahmen zur Steuerung des Liquiditätsrisikos überwiegend monetärer Art sein dürften, ist es sinnvoll, wenn die Maßgröße als drohende Abweichung vom geplanten Endbestand in Geldeinheiten ausgedrückt wird. Damit wird auch deutlich, dass eine rein qualitative Bewertung des Liquiditätsrisikos, bei der beispielsweise nur zwischen klein, mittel und groß unterschieden wird, nicht genügt. x Das Liquiditätsrisiko wird nicht nur durch eine potenzielle Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand bestimmt. Vielmehr treten auch Wahrscheinlichkeitsaspekte auf, d.h. die Wahrscheinlichkeiten, mit denen sich die möglichen Abweichungen vom geplanten Endbestand voraussichtlich realisieren werden, sind auch von Bedeutung. Demnach sollte die Messzahl auch den Wahrscheinlichkeitsaspekt berücksichtigen. x Im Rahmen der Berücksichtigung des Wahrscheinlichkeitsaspekts sollte die zukünftige Abweichung des tatsächlichen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand auf der Basis der „wahrscheinlich höchsten Abweichung“ gemessen werden. Damit kann die extrem pessimistische und nicht zweckmäßige Sichtweise der „maximal möglichen Abweichung“ vermieden werden. x Prinzipiell sollte die Kennzahl zur Messung des Liquiditätsrisikos leicht nachvollziehbar und einfach zu interpretieren sein. Diese Eigenschaft der Kennzahl ist deshalb notwendig, da die Kennzahl umso leichter im Unternehmen zu implementieren sein wird, je besser die geforderte Eigenschaft erfüllt ist. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, die Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand als positive Zahl zu definieren.
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
B.
Grundmodell zur Messung des Liquiditätsrisikos
I.
Konzeption einer geeigneten Maßgröße
1.
Kennzahl der Liquidity at Risk
129
Im Folgenden soll eine Kennzahl zur Messung des Liquiditätsrisikos entwickelt werden, welche die oben aufgestellten Anforderungen erfüllt. Eine wesentliche Anforderung besteht zunächst darin, dass die zu entwickelnde Kennzahl die Wahrscheinlichkeiten, mit denen sich die möglichen Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln realisieren, berücksichtigt. Die Abweichungen des tatsächlichen Endbestandes an Zahlungsmitteln vom geplanten Endbestand lassen sich im statistischen Sinne als Zufallsvariable interpretieren. Die Realisationen dieser Zufallsvariablen bilden eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die ex post festgestellten und ex ante erwarteten Eigenschaften dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung stehen nunmehr im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen. Bei der nachfolgenden Betrachtung wird unterstellt, dass eine Finanzplanung, wie sie im ersten Hauptteil dieser Arbeit beschrieben wurde, im Unternehmen eingerichtet worden ist. Daher darf die Schlussfolgerung gezogen werden, dass für zukünftige Perioden (z.B. Tage, Wochen, Monate) Planwerte für den Endbestand an Zahlungsmitteln sowie für die beschriebenen Arten von Ein- und Auszahlungen existieren. Weiterhin wird unterstellt, dass die für die folgende Betrachtung notwendigen historischen Plan- und Ist-Daten für diese Größen aufgenommen und gespeichert wurden. Wenn EBZMPlan dem geplanten Zahlungsmittelendbestand einer Periode entspricht und EBZMIst für den tatsächlichen Endbestand an Zahlungsmitteln der Periode steht, dann bringt die Differenz 'EBZM = EBZMIst – EBZMPlan die Abweichung vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln dieser Periode zum Ausdruck. Zum Zeitpunkt der Bewertung des Liquiditätsrisikos ist der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln jedoch nicht bekannt. Vielmehr existiert eine Wahrscheinlichkeitsverteilung verschiedener möglicher Endbestände an Zahlungsmitteln, sodass sich auch verschiedene Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten einstellen können. In der Statistik werden die Wahrscheinlichkeiten, mit denen sich be-
130
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
stimmte Realisationen einer Zufallsvariablen ereignen, in Form von Dichtefunktionen abgebildet.348 Eine beispielhafte Dichtefunktion für die Abweichungen des tatsächlichen Zahlungsmittelendbestands vom geplanten Endbestand illustriert Abbildung 26. fL
'EBZM
Abbildung 26: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand Weiterhin sollte die zu entwickelnde Kennzahl als drohende negative Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand verstanden werden, wobei ein Schwellenwert bestimmt wird, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Diese Sichtweise legt, indem ausschließlich die unerwünschten Konstellationen analysiert werden, die Betrachtung des „negativen Endes“ der Wahrscheinlichkeitsverteilung nahe. Die zu konzipierende Kennzahl muss sich somit auf das so genannte Downside-Risiko beziehen. Die gesuchte Kennzahl muss folglich diejenige Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand zum Ausdruck bringen, die mit einem bestimmten, vom Anwender festzulegenden Sicherheitsniveau349 D (z.B. D = 99 %) nicht überschritten wird. Das Sicherheitsniveau lässt sich in diesem Zusammenhang so interpretieren, dass die Abweichung mit einer Wahrscheinlichkeit von D kleiner oder gleich
348 349
Vgl. HARTUNG/ELPELT/KLÖSENER (Statistik 2002), S. 106 Für den Terminus „Sicherheitsniveau“ wird auch der Begriff „Konfidenzniveau“ verwendet
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
131
dem Schwellenwert bleibt. Anders formuliert wird die Abweichung nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 - D den Schwellenwert überschreiten. Wird die Dichtefunktion fL und die Verteilungsfunktion350 FL der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand betrachtet, so gibt der Schwellenwert 'EBZM (1-D) die Stelle an, an der die Verteilungsfunktion den Wert 1-D annimmt. Diese Stelle der Verteilungsfunktion der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand soll im Folgenden als Liquidity at Risk bezeichnet werden. Nachstehende Abbildung 27 illustriert den Zusammenhang zwischen dem Schwellenwert 'EBZM(1-D) und der Verteilungsfunktion resp. der Dichtefunktion der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand.
350
Unter der Verteilungsfunktion F(x) wird die Funktion verstanden, die die Wahrscheinlichkeit dafür angibt, dass eine Zufallsvariable eine Realisation annimmt, die kleiner oder gleich einem bestimmten Wert x ist. Vgl. BOURIER (Wahrscheinlichkeitsrechnung 2002), S. 113
132
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
fL
1-D D
'EBZM
FL
1-D
'EBZM1-D
'EBZM
Abbildung 27: Zusammenhang zwischen dem Schwellenwert 'EBZM(1-D) und der Verteilungsfunktion resp. der Dichtefunktion der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand Weiterhin soll die Liquidity at Risk als positive Zahl definiert werden. In diesem Sinne entspricht die Liquidity at Risk dem Betrag des Schwellenwertes 'EBZM (1-). Dies gilt für den Fall, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 1-α negative Abweichungen auftreten, d.h. der Schwellenwert 'EBZM (1-D) liegt links der Nulllinie. Darüber hinaus ist aber auch der Fall denkbar, dass sich mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 1-D negative Abweichungen einstellen. Charakteristischerweise befindet sich dann der Schwellenwert 'EBZM (1-D) rechts der
133
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Nulllinie, d.h. im positiven Bereich der Abszisse. Dieser Fall wird in der folgenden Abbildung 28 illustriert. fL
1-D D
0
'EBZM (1-D)
'EBZM
Abbildung 28: Beispiel einer Verteilung mit einem positiven Schwellenwert 'EBZM (1-D) Liegt der Schwellenwert 'EBZM (1-D) rechts der Nulllinie, wird sich bei dem vorgegebenen Sicherheitsniveau keine negative Abweichung einstellen. Da die Liquidity at Risk ein Maß für die negative Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand darstellen soll, wird in einem solchen Fall der Liquidity at Risk der Wert Null zugeordnet. Für die Bestimmung des Wertes der Liquidity at Risk sind demnach die in der folgenden Abbildung 29 aufgeführten beiden Fälle zu unterscheiden. 'EBZM 1-D Liquidity-at-Risk = 0
wenn mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 1-D negative Abweichungen vom geplanten EBZM auftreten wenn mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 1-D negative Abweichungen vom geplanten EBZM auftreten
Abbildung 29: Definition der Liquidity at Risk Die Liquidity at Risk stellt den Schwellenwert dar, der unter normalen Rahmenbedingungen mit dem vorgegebenen Sicherheitsniveau nicht überschritten wird.
134
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Insofern handelt es sich bei der Liquidity at Risk nicht um eine direkte Prognose der Höhe zukünftiger Abweichungen. Vielmehr können sich im Vergleich zum Schwellenwert - mit entsprechend kleiner Wahrscheinlichkeit - auch höhere Abweichungen realisieren. Die Wahl des Sicherheitsniveaus beeinflusst dabei die Höhe der Liquidity at Risk. Je höher das Sicherheitsniveau fixiert wird, desto höher fällt die Liquidity at Risk aus und umgekehrt. Die Liquidity at Risk stellt ein monetäres Risikomaß dar, da sie sich auf die Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmittel bezieht, die ihrerseits in Geldeinheiten gemessen werden. Weiterhin zeichnet sich diese Kennzahl durch ihre Zukunftsorientierung aus, da die zu Grunde liegende Wahrscheinlichkeitsverteilung die zukünftigen Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln beschreibt. In der Sprache der Statistik handelt es sich bei der Kennzahl der Liquidity at Risk um das (1-D)-Quantil der Verteilung der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln. Allgemein gilt, dass das (1-D)-Quantil einer Wahrscheinlichkeitsverteilung demjenigen Wert [ 1-D entspricht, für den gilt, dass die Größe der Fläche oberhalb der Abszisse und unterhalb des Graphen der Dichtefunktion von -f bis [ 1-D gerade 1-D ist.351 2.
Phasenschema der Liquidity-at-Risk-Ermittlung
Nachdem die Kennzahl der Liquidity at Risk konzipiert wurde, wird im Folgenden der Ablauf der Bestimmung der Liquidity at Risk dargestellt. Dieser Ablauf folgt einem Phasenschema, das sich in seiner Grundstruktur weitgehend an der Vorgehensweise zur Berechnung des so genannten Value at Risk anlehnt.352 Unter dem Value at Risk wird eine Kennzahl zur Messung von Risiken verstanden.353 Wenngleich der Value at Risk ursprünglich nur zur Messung von Marktpreisrisiken eingesetzt wurde, hat sich die Bedeutung dieser Kennzahl in der Zwischenzeit deutlich vergrößert. So existieren im Risikomanagement von Banken mittlerweile auch Value-at-Risk-basierte Ansätze zur Quantifizierung von Kreditrisiken und operationellen Risiken.354
351 352
353 354
Vgl. SACHS (Statistik 1996), S. 157 Vgl. zum Ablauf der Value-at-Risk-Berechnung KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 127-135.; SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 73-92; WIEDEMANN (Messung 2002), S. 1418-1421; KOHLHOF/COLINA (Value-at-Risk 2000), S.37-63; Vgl. LOCAREK-JUNGE/STAHL (Value at Risk 2001), Sp. 2120; RAU-BREDOW (Value at Risk); DIAGNE (Risk 2002), S. 15; WIEDEMANN (Messung 2002), S. 1416 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 153-193; HÖLSCHER/KALHÖFER/BONN (Bewertung 2005), S. 490-504; CRUZ (Modeling 2002), S. 101-118; ARTZNER u.a. (Measures 1999), S. 215-218; BUHR (Messung 2000), S. 205-206
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
135
Zur Bestimmung der Liquidity at Risk ist es in erster Linie erforderlich, die Verteilung der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand zu ermitteln. Hierzu sind zunächst in der ersten Phase die so genannten Risikoparameter zu bestimmen. Unter den Risikoparametern sind Faktoren zu verstehen, auf deren Basis die zukünftigen Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln abgeleitet werden können. Im einfachsten Fall stellt beispielsweise der Endbestand an Zahlungsmitteln selbst einen solchen Risikoparameter dar, da zur Schätzung zukünftiger Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand, wie im Folgenden noch zu zeigen ist, auch dessen historische Abweichungen herangezogen werden können. Weiterhin beeinflussen auch die einzelnen Zahlungen der verschiedenen Ein- und Auszahlungsarten die Höhe des Zahlungsmittelendbestandes. So können auch Veränderungen der Ein- und Auszahlungen gegenüber dem Planansatz zu Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand führen. Daher sind auch diese Zahlungen als Risikofaktoren zu qualifizieren. Möglicherweise lassen sich darüber hinaus auch Faktoren identifizieren, welche die einzelnen Zahlungen bestimmen. Prinzipiell können auch diese Faktoren als Risikoparameter herangezogen werden. In diesem Zusammenhang ist es denkbar, dass z.B. die Forderungen, die ein Unternehmen im Bestand hat, als Risikoparameter für die Umsatzeinzahlungen und damit für die zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand verwendet werden können. Kommt es gegenüber dem Planansatz zu Veränderungen der Risikoparameter, führt dies zu Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln. Dabei wird die Höhe der Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand durch das Ausmaß der Parameteränderungen determiniert. Soll die Verteilung der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand mithilfe der möglichen Veränderungen der Risikoparameter dargestellt werden, ist es notwendig, dass die Wirkung von Parameteränderungen auf die Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand zahlenmäßig abgebildet werden kann. Daher ist bei der Wahl der Risikoparameter von Bedeutung, dass die Auswirkung der Veränderung eines Risikoparameters auf den Zahlungsmittelendbestand durch eine Formel zum Ausdruck gebracht werden kann. Veränderungen der Risikoparameter führen i.d.R. auch zu Veränderungen des Zahlungsmittelendbestandes. Daher sind in einer zweiten Phase nach der Identifikation der Risikoparameter einerseits die Auswirkungen zu untersuchen, die die Veränderungen der Risikoparameter auf den Zahlungsmittelendbestand bewirken. Weiterhin sind Szenarien für die künftige Entwicklung der Risikoparameter zu schätzen. Hierzu ist es erforderlich zu ermitteln, wie sich die Risikoparameter in der Zukunft voraussichtlich verändern werden. Zur Ermittlung der vermuteten Veränderungen der Risikoparameter können Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Schwankungen der Risikoparameter aufgestellt werden. Die Aufstellung der
136
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Wahrscheinlichkeitsverteilungen wird in der Regel nur durch Fortschreibung vergangener beobachteter Entwicklungen in die Zukunft möglich sein. In der dritten Phase werden die möglichen zukünftigen Abweichungen vom Zahlungsmittelendbestand abgeleitet, indem die zukünftigen Szenarien für die Risikoparameter mit den Beziehungen, die zwischen den Risikoparametern und den Abweichungen vom Zahlungsmittelendbestand bestehen, kombiniert werden. Am Ende dieser Phase liegt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand vor. In der vierten und letzten Phase wird die Liquidity at Risk bestimmt. Hierzu ist bei Vorliegen der Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand lediglich noch die Festlegung des gewünschten Konfidenzniveaus erforderlich. Nachstehende Abbildung 30 fasst die Phasen der Liquidity-at-Risk-Ermittlung sowie die Zusammenhänge zwischen den Phasen zusammen.
1. Phase
2. Phase
Ermittlung der Risikoparameter
Beziehungen zwischen den Risikoparametern und den Abweichungen vom Zahlungsmittelendbestand
Szenarien für die zukünftige Entwicklung der Risikoparameter
3. Phase
Szenarien der künftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand
4. Phase
Liquidity-at-Risk
Abbildung 30: Phasenschema der Liquidity-at-Risk-Ermittlung
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
3.
137
Determinanten der Liquidity-at-Risk-Berechnung und ihre Implikationen
Im vorherigen Kapitel wurde der prinzipielle Ablauf der Ermittlung der Liquidity at Risk dargestellt. Dabei wurde bereits angeführt, dass die Wahl der Risikoparameter einen unmittelbaren Einfluss auf die Qualität des Ergebnisses der Liquidityat-Risk-Berechnung besitzt. Im Folgenden sollen die Bestimmungsfaktoren erläutert werden, die neben der Wahl der Risikoparameter maßgeblich für die Höhe der Liquidity at Risk verantwortlich zeichnen. Im Wesentlichen lassen sich folgende Faktoren identifizieren:
x Stützperiode und Datenbasis, x Zeitperiode, x Konfidenzniveau sowie x Verteilungsannahmen. Wie bereits angedeutet wurde, wird zur Ermittlung der Liquidity at Risk auf historische Daten in Bezug auf die Risikoparameter zurückgegriffen. Diese Daten werden in die Zukunft fortgeschrieben. Daher stellt die Qualität der Datenbasis einen kritischen Erfolgsfaktor der Liquidity-at-Risk-Ermittlung dar. Von besonderer Bedeutung für die Höhe der Liquidity at Risk ist die Länge der so genannten Stützperiode. Die Stützperiode stellt den Zeitraum dar, für den historische Daten vorliegen, die zur Berechnung der Liquidity at Risk herangezogen werden. Die zurückliegenden Beobachtungen der Risikoparameter lassen sich als Zeitreihe betrachten. Wenngleich in der Statistik gilt, dass die Ergebnisse von Schätzungen im Allgemeinen umso genauer sind, je länger die zu Grunde liegende Stützperiode ist, d.h. je größer die Datenbasis ist, trifft diese Regel für die Zeitreihenanalyse nicht unbedingt zu. 355 So ist es durchaus möglich, dass eine kürzere Stützperiode genauere Ergebnisse liefert als eine längere Stützperiode. Bei der Wahl der Länge der Stützperiode ist daher stets die Frage zu stellen, welche Werte der Zeitreihe die besten Informationen hinsichtlich der zukünftigen Ausprägungen der Risikoparameter bereitstellen. Eine kürzere Stützperiode weist tendenziell zwar einen größeren Bezug zu aktuellen Entwicklungen auf, sie wird i.d.R. jedoch auch größeren Schwankungen unterliegen. Die Wahl der Länge der Stützperiode muss demnach auf der Basis unternehmensindividueller Erfahrungen erfolgen.
355
Vgl. JENDRUSCHEWITZ (Value 1999), S. 26
138
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Die Zeitperiode gibt die Länge der Periode an, für die die Liquidity at Risk als Risikopotenzial zu bestimmen ist. Unter der Zeitperiode ist dabei das Zeitintervall zu verstehen, für das die Abweichung von der geplanten Größe zu schätzen ist. Die Liquidity at Risk kann grundsätzlich für jede beliebige Zeitperiode bestimmt werden, für die folgende zwei Bedingungen erfüllt sind. Erstens muss ein Planwert für die zukünftige Zeitperiode vorliegen, für die die Liquidity at Risk ermittelt werden soll. Dies ist deshalb notwendig, da die Ermittlung einer Abweichung nur dann sinnvoll ist, wenn der Wert, auf den sich die Abweichung bezieht, mit in die Betrachtung einbezogen wird. Zweitens müssen die vergangenheitsbezogenen Daten der Risikoparameter in zeitlicher Hinsicht der Länge der Zeitperiode, für die die Liquidity at Risk ermittelt werden soll, entsprechen. Soll die Liquidity at Risk beispielsweise für einen Tag ermittelt werden, müssen die vergangenheitsbezogenen Daten, auf deren Basis die Verteilungen der Risikoparameter aufgestellt werden, ebenfalls tagesbezogen vorliegen. Das Konfidenzniveau oder Sicherheitsniveau determiniert die Schätzung der wahrscheinlichen Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand für die bestimmte Zeitperiode unmittelbar. Ziel der Liquidity at Risk ist es ja gerade, eine Aussage über die wahrscheinlich maximale Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand zu treffen. Die Liquidity at Risk ist dabei umso größer, je höher das geforderte Konfidenzniveau ist. Damit beeinflusst das gewählte Konfidenzniveau die Höhe der ermittelten Liquidity at Risk unmittelbar. In diesem Zusammenhang lässt sich das Konfidenzniveau als Grad der Risikoaversion interpretieren.356 Während eine hohe Risikoaversion üblicherweise zur Wahl eines hohen Konfidenzniveaus führt, geht die Festlegung eines niedrigen Konfidenzniveaus i.d.R. mit einem geringeren Maß an Risikoaversion einher. Im Rahmen der normativen Vorgabe des Konfidenzniveaus ist zu fragen, ob „normale“ oder „außergewöhnliche“ Verlustwahrscheinlichkeiten ermittelt werden sollen. So werden beispielsweise bei der Risikomessung von Marktpreisrisiken recht hohe Konfidenzniveaus zwischen 95 % und 99 % gewählt. Bei der Messung von Kreditrisiken und operationellen Risiken liegen die gewählten Konfidenzniveaus mit 99,9% resp. 99,8% sogar noch über diesen Werten.357 Der Hintergrund der Wahl hoher Konfidenzniveaus liegt darin, dass Überschreitungen des festgelegten Schwellenwerts nur ausnahmsweise vorkommen sollen. Durch die Wahl eines hohen Konfidenzniveaus werden nur wenige Überschreitungen der Liquidity at Risk toleriert. Insgesamt gilt, dass, je höher die Wahl des Konfidenzniveaus ist, je weniger Überschreitungen des Schwellenwerts toleriert
356 357
Vgl. JORION (Risk 1996), S. 48 Vgl. HÖLSCHER/KALHÖFER/BONN (Bewertung 2005), S. 497
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
139
werden.358 Mit der Wahl eines hohen Schwellenwerts sind jedoch auch Probleme verbunden. Einerseits treten extreme Abweichungen eher selten auf. Daher ist es problematisch, statistisch fundierte Aussagen darüber zu treffen, ob eine bestimmte Häufigkeit von Überschreitungen der Liquidity at Risk dem festgelegten Konfidenzniveau entspricht.359 Andererseits ist es durchaus möglich, dass Schätzungen mithilfe von Risikomodellen bei geringeren Konfidenzniveaus zu genaueren Ergebnissen führen können. Dies wurde beispielsweise für die Messung des Marktpreisrisikos festgestellt. Bei der Messung des Marktpreisrisikos ist die Prognosegüte bei einem Konfidenzniveau von 95 % häufig besser als bei einem Konfidenzniveau von 99 %.360 Verantwortlich hierfür ist die so genannte „Fat-TailProblematik“. Die Fat-Tail-Problematik sagt aus, dass die tatsächlichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Risikoparameter häufig nicht den bei einigen Modellen unterstellten Verteilungen folgen. Vielmehr zeichnen sich die tatsächlichen Verteilungen oftmals durch „breite Enden“ aus, d.h. die Wahrscheinlichkeiten an den Enden der tatsächlichen Verteilungen sind höher als in den unterstellten Modellen. 4.
Systematisierung der Ansätze zur Ermittlung der Liquidity at Risk
Die Ansätze zur Ermittlung der Liquidity at Risk unterscheiden sich im Wesentlichen in der Ableitung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der künftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand. Bei der Ermittlung dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung lassen sich prinzipiell zwei verschiedene Vorgehensweisen unterscheiden. Einerseits besteht die Möglichkeit, auf der Basis von Vergangenheitsdaten die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Risikoparameter abzuleiten. Ist zudem bekannt, welche Beziehung zwischen den Veränderungen der Risikoparametern und den Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand besteht, lässt sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung der möglichen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand bestimmen. Als Risikoparameter können zum einen direkt die Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand fungieren. Da in diesem Fall die Bestimmung der Liquidity at Risk auf der höchst möglichen aggregierten Ebene unter Verwendung einer theoretischen Verteilung vorgenommen wird, soll diese Vorgehensweise im Folgenden als aggregierter parametrischer Ansatz bezeichnet werden. Der Begriff „parametrisch“ wird daher verwendet, da sich eine theoretische Verteilung üblicherweise durch ihre Parameter eindeutig beschreiben lässt. Ein weiterer parametrischer Ansatz besteht darin, als Risikoparameter nicht unmittelbar die Abweichungen vom ge358 359 360
Vgl. MEYER (Value at Risk 1999), S. 98 Vgl. KUPIEC (Verifying 1995), S. 47 Vgl. GAMROWSKI/RACHEV (Value-at-Risk 1996), S. 316
140
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
planten Zahlungsmittelendbestand, sondern die Abweichungen von den Planwerten innerhalb der einzelnen Zahlungsarten heranzuziehen. In diesem Zusammenhang soll von einem disaggregierten parametrischen Ansatz gesprochen werden. Neben den parametrischen Ansätzen können zur Ermittlung der Liquidity at Risk prinzipiell auch Simulationsverfahren als nicht-parametrische Ansätze eingesetzt werden. Im Rahmen der Simulationsmodelle wird die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand durch Bildung von Szenarien der Risikoparameter abgeleitet.
II.
Aggregierter parametrischer Ansatz zur Ermittlung der Liquidity at Risk
1.
Aufstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung
Zur Aufstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand werden Daten aus Beobachtungen der Entwicklung der Risikoparameter in der Vergangenheit herangezogen. Die Beobachtungswerte lassen sich dann in Form von Häufigkeitsverteilungen darstellen. Beim aggregierten parametrischen Ansatz werden die zur Aufstellung der Häufigkeitsverteilung benötigten Daten unmittelbar in Form von Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand, die sich in der Vergangenheit realisiert haben, herangezogen. Dabei stellt sich prinzipiell die Frage, ob hierbei die Abweichungen als absolute Größen oder als relative Größen in Form von Abweichungsraten untersucht werden sollten. Für die Verwendung von absoluten Abweichungen spricht zunächst, dass diese relativ einfach erfassbar sind und leicht interpretiert werden können. Absolute Abweichungen lassen sich durch Subtraktion des geplanten Endbestands vom zugehörigen tatsächlichen Endbestand an Zahlungsmitteln jeweils bezogen auf dieselbe Periode ermitteln. Beträgt beispielsweise der Planwert für den Endbestand 100 GE und weist der tatsächliche Endbestand dieser Periode eine Höhe von 90 GE auf, so folgt eine absolute Abweichung (AW) in Höhe von –10 GE. AW = 90 GE – 100 GE = -10 GE Abweichungsraten können einerseits als diskrete Raten, andererseits als stetige Raten berechnet werden. Eine diskrete Abweichungsrate ergibt sich, indem der Planwert des Zahlungsmittelendbestandes durch den tatsächlichen Wert des Zahlungsmittelendbestandes für die gleiche Periode dividiert wird. Von diesem Ergebnis ist dann eins abzuziehen:
141
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
EBZM Ist EBZM Plan
AWR d
1
mit: AWRd = diskrete Abweichungsrate EBZMIst = tatsächlicher Zahlungsmittelendbestand einer Periode EBZMPlan = geplanter Zahlungsmittelendbestand der Periode Diskrete Abweichungsraten sind häufig nicht symmetrisch um ihren Mittelwert, sondern rechtsschief verteilt. Dies resultiert daraus, dass negative diskrete Abweichungsraten eine untere Schranke bei – 100 % besitzen, während positive diskrete Abweichungsraten - zumindest theoretisch - unendlich groß sein können. Im Gegensatz zu diskreten Abweichungsraten folgen stetige Abweichungsraten eher einer symmetrischen Verteilung um den Mittelwert.361 Diese Eigenschaft ist notwendig, wenn die Liquidity at Risk auf der Basis einer symmetrischen Verteilung, wie z.B. der Normalverteilung ermittelt werden soll, da die Ergebnisse der Risikomessung umso besser ausfallen, je genauer die der Risikomessung zugrunde gelegte Verteilung der tatsächlichen Verteilung entspricht. So ist es wenig zweckmäßig, eine rechtsschiefe Verteilung durch eine symmetrische Verteilung anzunähern. Die stetige Abweichungsrate ergibt sich aus dem logarithmierten Quotienten aus dem tatsächlichen Zahlungsmittelendbestand einer Periode und dem geplanten Zahlungsmittelendbestand der Periode: AWR s
§ EBZM Ist ln ¨¨ © EBZM Plan
· ¸¸ ¹
mit: ln = natürlicher Logarithmus Bei der Verwendung von Abweichungsraten wird jedoch implizit vorausgesetzt, dass die Höhe der absoluten Abweichung einer Periode von der Höhe des geplanten Zahlungsmittelendbestandes abhängt. Das Ergebnis der Quantils-Betrachtung würde darin liegen, dass eine bestimmte Abweichungsrate bei einem festgelegten Konfidenzniveau nicht unterschritten werden wird. Um eine Aussage über das der berechneten Abweichungsrate entsprechende Risikopotenzial zu erhalten, wäre die Abweichungsrate mit dem für die künftige Periode ermittelten Planwert für den Zahlungsmittelendbestand zu multiplizieren. Ergibt die Quantils-Betrachtung beispielsweise bei einem bestimmten Konfidenzniveau eine Abweichungsrate von 0,2 und beträgt der Planwert für den Zahlungsmittelendbestand der folgenden Periode 100 GE, so resultiert daraus ein Risikopotenzial i.H.v. 20 GE. (Ň-0,2 · 100Ň = 20). Damit würde die Höhe des Planwerts für den Zahlungsmittelendbestand die Höhe des Risikopotenzials determinieren. Dies ist jedoch nicht sinnvoll. Denn bei 361
Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 71
142
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
einer bestimmten kritischen Abweichungsrate (hier -0,2) würde das Risikopotenzial umso größer sein, je höher der geplante Zahlungsmittelendbestand ist. Ein geplanter Zahlungsmittelendbestand der Folgeperiode i.H.v. 1.000 GE hätte demnach ein Risikovolumen i.H.v. 200 GE zur Folge. Ein weiteres Problem, das mit der Verwendung von Abweichungsraten verbunden ist, entsteht, wenn für den geplanten Zahlungsmittelendbestand ein Planwert in Höhe von Null vorliegt. Dieser Fall ist daher relevant, da Unternehmen aus Rentabilitätsgründen einen solchen Planwert anstreben. Ein Planwert von Null für den Endbestand an Zahlungsmitteln bedeutet jedoch, dass die obigen Abweichungsraten nicht berechnet werden können, da sowohl bei der Ermittlung von stetigen als auch bei der Berechnung von diskreten Abweichungsraten eine Null im Nenner des Bruches steht. Das Teilen durch Null stellt aber im mathematischen Sinn eine unzulässige Operation dar. Aus diesen Gründen werden die folgenden Betrachtungen auf der Basis von absoluten Abweichungen durchgeführt. Die Ermittlung der Abweichungen soll an einem Beispiel veranschaulicht werden. Hierzu werden in der nachstehenden Abbildung 31 für zehn aufeinander folgende periodische Beobachtungszeitpunkte (Tage) jeweils der geplante und der tatsächliche Zahlungsmittelendbestand (Werte in TGE) als Beobachtungsreihen gegenübergestellt. ZeitPunkt
Geplanter ZahlungsmittelEndbestand (2) 0
Abweichungen Ist- zu Plan-Endbestand
1
Tatsächlicher ZahlungsmittelEndbestand (1) -100
2
100
0
100
3
100
0
100
4
-150
0
-150
5
-100
0
-100
6
200
0
200
7
-50
0
-50
8
50
0
50
(3) = (1)-(2) -100
9
50
0
50
10
-50
0
-50
Abbildung 31: Zahlenwerte des Beispielsfalls
143
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Dabei wird unterstellt, dass der geplante Zahlungsmittelendbestand in jeder Periode auf Null ausgeplant wird. Dies bedeutet zum einen, dass eingeplante Überschüsse aus Rentabilitätsgründen angelegt werden. Andererseits muss das Unternehmen in der Lage gewesen sein, negative Zahlungsmittelendbestände durch Reserven zu kompensieren. Anhand der Beobachtungsdaten für den tatsächlichen und den geplanten Zahlungsmittelendbestand können die Abweichungen für jeden Zeitpunkt berechnet werden, indem für jeden Zeitpunkt von dem tatsächlichen Zahlungsmittelendbestand der geplante Zahlungsmittelendbestand subtrahiert wird. Für den Zeitpunkt 1 folgt beispielsweise eine Abweichung in Höhe von –100 TGE.
AW1
100 TGE 0 TGE
100 TGE
Die ermittelten Abweichungen können zu einer historischen Häufigkeitsverteilung der Abweichungen zusammengefasst werden. Für die weitere Vorgehensweise im Rahmen des aggregierten parametrischen Ansatzes werden zwei Annahmen getroffen. Einerseits wird unterstellt, dass die ermittelte Häufigkeitsverteilung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen entspricht. Andererseits wird vorausgesetzt, dass die Abweichungen einer Normalverteilung folgen. Eine Normalverteilung stellt eine theoretische Verteilung dar, die durch ihre Verteilungsparameter „Erwartungswert“ und „Standardabweichung“ vollständig beschrieben werden kann.362 Gemäß den getroffenen Annahmen soll die zukünftige Wahrscheinlichkeitsverteilung der durch eine Normalverteilung angenäherten Häufigkeitsverteilung der Abweichungen entsprechen. Daraus folgt, dass auch die Verteilungsparameter der beiden Verteilungen gleich sind, d.h. der Erwartungswert der Wahrscheinlichkeitsverteilung entspricht dem arithmetischen Mittel der Häufigkeitsverteilung und die Standardabweichung der Wahrscheinlichkeitsverteilung ist gleich der Standardabweichung der Häufigkeitsverteilung. Das arithmetische Mittel stellt ein Lagemaß einer Verteilung dar. Dieses Maß charakterisiert das Zentrum einer Verteilung und zeigt somit den Durchschnittswert an.363 Wurden n Elemente ai einer Beobachtungsreihe aufgenommen, kann das arithmetische Mittel allgemein nach folgender Formel berechnet werden:
P
1 n ¦ ai n i 1
mit: 362 363
Vgl. HARTUNG/ELPELT/KLÖSENER (Statistik 2002), S. 143 Vgl. BOURIER (Statistik 2001), S. 78
144
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
P = arithmetisches Mittel n = Anzahl der Elemente der Datenbasis ai = Beobachtungswert Bezogen auf den obigen Beispielsfall ergibt sich für das arithmetische Mittel der Abweichungen ein Wert von 5 TGE.
P
( 100 TGE ) 100 TGE ... ( 50 TGE ) 10
5 TGE
Streuungsmaße werden eingesetzt, um Aussagen darüber zu treffen, wie die beobachteten Elemente vom arithmetischen Mittel abweichen. Die bedeutendsten Streuungsmaße stellen die Varianz resp. die Standardabweichung dar. Die Varianz (V2) wird als die Summe der durchschnittlichen quadratischen Abweichungen der einzelnen Beobachtungswerte vom arithmetischen Mittel berechnet.364 Die Varianz lässt sich allgemein gemäß folgender Formel ermitteln: 1 n ¦ ( ai P ) 2 n i 1
V2 mit:
V2 = Varianz Bei der Verwendung der Varianz als Streuungsmaß ergibt sich jedoch das Problem, dass das Ergebnis die Dimension „Geldeinheiten2“ besitzt. Damit das Streuungsmaß die gleiche Dimension erhält wie die Beobachtungswerte, wird die positive Quadratwurzel aus der Varianz gezogen. Diese Größe wird als Standardabweichung (V) bezeichnet. Für die Standardabweichung gilt:
V
V2
1 n ¦ ( ai P ) 2 n i 1
Bezogen auf den obigen Beispielsfall resultiert für die Standardabweichung der Abweichungen ein Wert von 111,7 TGE
V
(( 100 TGE ) 5 TGE )2 ... (( 50 TGE ) 5 TGE )2 10
V
364
Vgl. BOURIER (Statistik 2001), S. 96
111,7 TGE
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
145
Im Folgenden wird nun davon ausgegangen, dass sich die Verteilungsparameter der für die Beobachtungswerte ermittelten Verteilung und die Verteilungsparameter der Verteilung der zukünftigen Abweichungen einander entsprechen. Dies bedeutet für den Beispielsfall, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen für die zu Grunde liegende Zeitperiode eine Normalverteilung mit einem Erwartungswert von 5 TGE und eine Standardabweichung von 111,7 TGE aufweist. 2.
Ermittlung der Liquidity at Risk
Nachdem die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen aufgestellt wurde und deren Parameter berechnet wurden, soll im Folgenden die Liquidity at Risk ermittelt werden, die das (1-D)-Quantil der aufgestellten Normalverteilung darstellt. Da das (1-D)-Quantil einer beliebigen Normalverteilung nicht ohne größeren Rechenaufwand ermittelt werden kann, wird zu seiner Berechnung der Zusammenhang zwischen einer Normalverteilung und der Standardnormalverteilung ausgenutzt. Unter einer Standardnormalverteilung ist eine Normalverteilung zu verstehen, die einen Erwartungswert von P=0 und eine Standardabweichung von V=1 aufweist. Für die Standardnormalverteilung existieren nämlich standardisierte Quantile in Form von so genannten „Z-Werten“.365 Aus dem (1-D)Quantil der Standardnormalverteilung kann dann das (1-D)-Quantil einer beliebigen Normalverteilung abgeleitet werden. Mittels einer speziellen linearen Transformation kann jede beliebige Normalverteilung in eine Standardnormalverteilung überführt werden. Die Standardisierung wird vorgenommen, indem von jeder einzelnen Realisation der normalverteilten Zufallsvariablen ihr Erwartungswert subtrahiert wird und der verbleibende Term durch die Standardabweichung dividiert wird. Folgender Ausdruck gibt diese Transformationsregel wieder:366 Z
X P
V
mit: Z = Standardnormalverteilte Zufallsvariable X = Normalverteilte Zufallsvariable P = Erwartungswert der Zufallsvariablen X V = Standardabweichung der Zufallsvariablen X 365 366
Vgl. BOURIER (Wahrscheinlichkeitsrechnung 2002), S. 166 Vgl. HARTUNG/ELPELT/KLÖSENER (Statistik 2002), S. 109
146
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Die (1-D)-Quantile der Standardnormalverteilung sind in den „Z-Werten“ standardisiert. Ein Z-Wert kann als der Wert interpretiert werden, der in einer Standardnormalverteilung mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit D nicht unterschritten wird. Beispielsweise wird die Realisation einer standardnormalverteilten Zufallsvariablen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nicht kleiner als –2,3263 sein. Folgende Abbildung 32 gibt die Z-Werte für verschiedene Konfidenzniveaus wieder. Konfidenzniveau D Z-Wert
50%
90%
95%
97,5%
99%
0
-1,2816
-1,6449
-1,96
-2,3263
Abbildung 32: Z-Werte der Standardnormalverteilung für ausgewählte Konfidenzniveaus Die Transformationsregel zeigt auf, wie eine normalverteilte Zufallsvariable in eine standardnormalverteilte Zufallsvariable transformiert werden kann. Diese Regel lässt sich auch in umgekehrter Richtung verwenden, indem die Gleichung nach X aufgelöst wird. Wird die Transformationsregel nach X aufgelöst, folgt daraus: X
Z V P
Mithilfe dieser Gleichung ist es möglich, die Z-Werte der Standardnormalverteilung in das gewünschte (1-D)-Quantil jeder beliebigen Normalverteilung zu überführen, wenn deren Erwartungswert und die Standardabweichung bekannt sind. Im obigen Beispielsfall betrug der Erwartungswert 5.000 GE, die Standardabweichung wies eine Höhe von 111.700 GE auf. Wird ein Konfidenzniveau von 99% zu Grunde gelegt, so resultiert ein Z-Wert der Standardnormalverteilung von - 2,3263. Werden diese Größen in die nach X umgestellte Transformationsregel eingesetzt, so ergibt sich das (1-D)-Quantil der betrachteten Normalverteilung zu - 254.847,71 GE: 2,3263 111.700 GE 5.000 GE
254.847 ,71 GE
Unter der Berücksichtigung, dass die Liquidity at Risk einerseits als positive Zahl ausgedrückt werden sollte und andererseits nicht negativ werden kann, folgt für die Liquidity at Risk: Liquidity at Risk
min^0;254.847 ,71 GE`
254.847 ,71 GE
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
147
Dies bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% die absolute Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand in der betrachteten Periode nicht größer als 254.847,71 GE ausfallen wird. 3.
Beurteilung des aggregierten parametrischen Ansatzes
Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Berechnung der Liquidity at Risk im Rahmen des aggregierten parametrischen Ansatzes dargestellt wurde, soll dieser Ansatz im Folgenden beurteilt werden. Zunächst ist festzustellen, dass es sich beim aggregierten parametrischen Ansatz um ein einfaches und leicht nachvollziehbares Verfahren zur Ermittlung der Liquidity at Risk handelt. Als Eingangsparameter sind lediglich die historischen Abweichungen für die entsprechende Zeitperiode erforderlich, sodass der Anspruch an das Datenmaterial als nicht sehr hoch qualifiziert werden kann. Als kritisch ist die Unterstellung der Normalverteilung der Abweichungen zu beurteilen. Diese Normalverteilungsannahme ist zu überprüfen. Der Test einer empirisch beobachteten Verteilung auf Übereinstimmung mit der Normalverteilung kann auf unterschiedliche Arten vorgenommen werden. Zunächst lässt sich ein erster Eindruck von der Form der Verteilung recht einfach über die höheren Momente der Verteilung, Schiefe und Kurtosis, erhalten.367 Während bei rechtsschiefen bzw. linksschiefen Verteilungen der häufigste Wert weiter links resp. weiter rechts als bei einer symmetrischen Normalverteilung liegt, beschreibt die Kurtosis, inwieweit sich eine Verteilung durch einen schmalen Gipfel (leptokurtisch) oder einen breiten Gipfel (platykurtisch) auszeichnet. Abbildung 33 zeigt Verteilungen mit unterschiedlicher Schiefe und Kurtosis.368
367 368
Vgl. SACHS (Statistik 1996), S. 167-172 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 59
148
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
rechtsschief
symmetrisch
platykurtisch
linksschief
leptokurtisch
Abbildung 33: Verteilungen mit unterschiedlicher Schiefe und Kurtosis Zur Überprüfung einer Verteilung auf Schiefe und Kurtosis bietet es sich an, eine Visualisierung der Verteilung der historischen Abweichungen, beispielsweise in Form eines Histogramms, mit einer überlagerten Normalverteilung durchzuführen.369 Da ohnehin die Zeitreihe der Abweichungen vorliegt, ist die Erstellung des Histogramms mit wenig Aufwand verbunden, liefert aber wertvolle Informationen. Denn durch den Vergleich der im Histogramm abgebildeten tatsächlichen Verteilung mit der Normalverteilung lässt sich zumindest intuitiv die Güte der Approximation an die Normalverteilung erkennen und abschätzen, ob die Enden der Verteilung durch das Quantil der Normalverteilung zutreffend wiedergegeben werden. Zur Überprüfung der Übereinstimmung einer empirisch beobachteten Verteilung mit der Normalverteilung werden üblicherweise so genannte Anpassungstestverfahren verwendet. Im Allgemeinen werden Anpassungstests zur Überprüfung der Verteilung der Grundgesamtheit der Ausprägungen einer Zufallsvariablen verwendet, wenn eine hinreichend große Stichprobe, deren Beobachtungen aus der Grundgesamtheit stammen, vorliegt. Durch den Einsatz der Anpassungstests kann eine getroffene Hypothese über die Verteilung der Grundgesamtheit, z.B. dass die Grundgesamtheit normalverteilt sei, bestätigt oder widerlegt werden. Zum Test einer Normalverteilungs-Hypothese können der Chi-Quadrat-Anpassungstest und 369
Zur Berechnung von Schiefe und Kurtosis wurden auch entsprechende Formeln entwickelt. Vgl. z.B. BOURIER (Statistik 2001), S. 104-106
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
149
der Kolmogoroff-Smirnov-Test herangezogen werden.370 Von den beiden Tests wird regelmäßig der Kolmogoroff-Smirnov-Test bevorzugt, da dieser normalerweise einen geringeren Stichprobenumfang benötigt. Der Kolmogoroff-Smirnov-Test arbeitet mit einem Quantilvergleich, d.h. einem Vergleich der empirischen Verteilung für bestimmte Intervalle mit den theoretisch zu erwartenden Dichtewerten. Die Wahrscheinlichkeitsdichten der Standardnormalverteilung für bestimmte Intervalle um den Mittelwert sind bekannt und lassen sich mithilfe der Transformationsregel für jede Normalverteilung verwenden. Auch für die empirische Verteilung können die Wahrscheinlichkeitsdichten ermittelt und den theoretischen Werten gegenübergestellt werden. Aus den Differenzen können gute Hinweise auf Schiefe und Kurtosis der Verteilung abgeleitet werden, wenn bestimmte Bereiche eine deutlich höhere empirische Häufigkeit aufweisen als dies bei normalverteilten Zufallsvariablen zu erwarten ist. Auf diese Weise kann auch eine stärkere Besetzung an den Verteilungsenden überprüft werden. Mithilfe dieses Verfahrens lässt sich demnach nicht nur analysieren, ob eine signifikante Abweichung von der Normalverteilung vorliegt. Vielmehr kann auch die Art der Abweichung ermittelt werden. Somit kann ggf. auf alternative Verteilungen geschlossen werden, die ihrerseits mithilfe eines geeigneten Anpassungstests auf ihre Gültigkeit zu überprüfen sind. Eine weitere Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit die Aussage der auf Vergangenheitsdaten aufbauenden Liquidity at Risk auch für die Zukunft Gültigkeit besitzt, ist die Homoskedastizität, d.h. die Konstanz von Erwartungswert und Standardabweichung der Wahrscheinlichkeitsverteilung im Zeitablauf. Die Annahme der Konstanz von Erwartungswert und Standardabweichung einer Zeitreihe ist insbesondere dann als problematisch zu beurteilen, wenn die einzelnen Beobachtungen innerhalb der Zeitreihe voneinander abhängen, d.h., wenn eine Autokorrelation vorliegt. Eine solche Autokorrelation bewirkt, dass die einzelnen Beobachtungen einen trendförmigen Verlauf aufzeigen. Liegt ein solcher Trend vor, so bedeutet dies, dass sich der Mittelwert der Zeitreihe ständig ändert.371 In einem solchen Fall kann die Annahme eines konstanten Erwartungswerts nicht länger aufrechterhalten werden. Der aggregierte parametrische Ansatz stellt ein Globalmodell dar, indem direkt die Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand betrachtet werden. Die einzelnen Zahlungsarten und die zwischen den Zahlungsarten bestehenden Ver-
370 371
Vgl. HARTUNG/ELPELT/KLÖSENER (Statistik 2002), S. 182-189 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 70
150
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
bundeffekte372 werden im Rahmen des aggregierten parametrischen Ansatzes nicht explizit berücksichtigt. Vielmehr wird implizit unterstellt, dass die zwischen den einzelnen Zahlungsarten bestehenden Verbundeffekte konstant sind. Dies muss aber nicht der Fall sein. Befindet sich ein Unternehmen beispielsweise in einer Wachstumsphase, werden zwischen den Zahlungsarten andere Verbundeffekte als in einer Schrumpfungsphase anzutreffen sein. Daher ist es zur Anwendung des aggregierten parametrischen Ansatzes von großer Bedeutung solche historischen Daten der Risikomessung zugrunde zu legen, die die zukünftige Situation am besten abbilden. Ferner lassen sich bei Anwendung des aggregierten parametrischen Ansatzes keine Informationen über die Abweichungen bei den einzelnen Zahlungsarten gewinnen. Wird eine Betrachtung auf der Basis der einzelnen Zahlungsarten angestrebt, beispielsweise, da eine Risikomessung auf der Grundlage der Abweichungen von den einzelnen geplanten Zahlungsarten erwünscht ist, wodurch auch eine explizite Erfassung der Verbundeffekte zwischen den einzelnen Zahlungsarten möglich wird, ist der aggregierte parametrische Ansatz nicht zielführend. In diesem Fall ist ein disaggregierter Ansatz erforderlich, der die Abweichungen auf der Ebene der einzelnen Zahlungsarten betrachtet. Ein solcher Ansatz wird im Folgenden vorgestellt.
III. Erweiterung des Grundmodells in Form eines disaggregierten parametrischen Ansatzes 1.
Ermittlung der Liquidity at Risk der einzelnen Zahlungsarten
Im Gegensatz zum aggregierten parametrischen Ansatz werden im disaggregierten parametrischen Ansatz nicht direkt die Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand als Risikoparameter zur Risikomessung herangezogen. Vielmehr sollen die Abweichungen von den Planwerten der einzelnen Zahlungsarten der Risikomessung zu Grunde gelegt werden. In diesem Zusammenhang wird ein Rückgriff auf den im ersten Hauptteil dargestellten Finanzplan und die dort getroffene Differenzierung der Zahlungsarten vorgenommen.373 Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt, ist ein Finanzplan stets unternehmensindividuell zu strukturieren. Für die folgende Betrachtung wird unterstellt, dass verschiedene Einzahlungsarten und Auszahlungsarten existieren. Für die weitere Vorgehensweise sollen die 372
373
Ein Verbundeffekt zwischen zwei Größen zeigt das Abhängigkeitsverhältnis der beiden Größen auf, d.h. ob und in welchem Maß z.B. ein Anstieg in der Ausprägung der einen Größe zu einem Anstieg der Ausprägung der anderen Größe führt. Vgl. Kapitel B.I.3 im ersten Hauptteil dieser Arbeit
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
151
Einzahlungsarten in Form von Einzahlungen aus Umsatzerlösen, Einzahlungen aus dem Finanzbereich oder sonstigen Einzahlungen vorliegen. Innerhalb der Auszahlungsarten fallen Personal- und Materialauszahlungen, Auszahlungen im Rahmen des Finanzbereichs und sonstige Auszahlungen an. Das Ziel des disaggregierten parametrischen Ansatzes liegt darin, (Teil-)Liquidity at Risks für jede Ein- und Auszahlungsart zu ermitteln und zu einem Liquidity at Risk für das gesamte Unternehmen zu aggregieren. Dabei wird auf die eben angesprochene Unterteilung der Ein- und Auszahlungsarten zurückgegriffen. Prinzipiell ist es aber auch möglich, die dargestellten Ein- und Auszahlungsarten weiter zu untergliedern und auf der Basis der tieferen Gliederungsebene die Liquidity at Risk der Zahlungsarten zu ermitteln. So können beispielsweise die Einzahlungen aus Umsatzerlösen weiter untergliedert werden in Einzahlungen aus Umsatzerlösen des Produktes 1, 2,…usw., um eine Bestimmung der Liquidity at Risk auf dieser Ebene der Zahlungen vorzunehmen. Zu beachten ist jedoch, dass sämtliche Ein- und Auszahlungen in den Zahlungsarten berücksichtigt werden und dass die Ein- und Auszahlungsarten überschneidungsfrei sind, sodass keine Doppelerfassungen von Ein- oder Auszahlungen vorgenommen werden. Die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Liquidity at Risk auf der Basis der einzelnen Zahlungsarten lehnt sich grundsätzlich an der Vorgehensweise zur Ermittlung der Liquidity at Risk im Rahmen des aggregierten parametrischen Ansatzes an. Zunächst soll die Ermittlung der Liquidity at Risk für die verschiedenen Einzahlungsarten (1) am Beispiel von Einzahlung aus Umsatzerlösen dargestellt werden. Danach wird die Liquidity-at Risk-Ermittlung für Auszahlungsarten (2) am Beispiel der Auszahlungen für Personal betrachtet. Zu (1): Ermittlung der Liquidity at Risk für Einzahlungsarten Wie bereits im Rahmen des aggregierten parametrischen Ansatzes beschrieben, werden Rückschlüsse auf das Liquiditätsrisiko gewonnen, indem eine Zeitreihe aus periodisch erhobenen Daten gebildet wird, die auf Beobachtungen der Risikoparameter in der Vergangenheit beruhen. Im Falle des disaggregierten parametrischen Ansatzes handelt es sich bei diesen Daten um die Abweichungen, die sich für ein bestimmtes Planungsintervall vom für diese Einzahlungsart eingeplanten Wert im Laufe der Stützperiode ereignet haben. Wird beispielsweise als Planungsintervall ein Tag und als Stützperiode ein Zeitraum von zehn Tagen unterstellt, können die Abweichungen bei folgenden als gegeben angenommenen Plan-/IstWerten (vgl. Abbildung 34) jeweils als Differenz von Ist- und Planwert ermittelt werden. Für den Zeitpunkt 1 ergibt sich eine Abweichung der tatsächlichen Einzahlungen von den geplanten Einzahlungen dieser Einzahlungsart in Höhe von - 10 TGE (100-110 = - 10).
152
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Einzahlungen aus Umsatzerlösen Istwert
Planwert
(I)
(II)
Abweichung Istwert – Planwert (III) = (I) – (II)
1
100
110
-10
2
50
40
10
3
30
50
-20
4
90
110
-20
5
110
70
40
6
40
60
-20
7
110
110
0
8
120
90
30
9
40
60
-20
10
80
75
5
Zeitpunkt
Abbildung 34: Daten des Beispielsfalls für die Einzahlungen aus Umsatzerlösen (in TGE) Die ermittelten Abweichungen können zu einer Häufigkeitsverteilung der historischen Abweichungen zusammengefasst und in einem Histogramm dargestellt werden. Die Schwierigkeit besteht nun darin, eine theoretische Wahrscheinlichkeitsverteilung zu finden, die die historische Häufigkeitsverteilung hinreichend genau approximiert. Zur Vereinfachung werden einige Prämissen gesetzt. Einerseits wird unterstellt, dass die historische Häufigkeitsverteilung durch eine Normalverteilung hinreichend genau beschrieben werden kann. Darüber hinaus wird angenommen, dass diese Normalverteilung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen entspricht. Der Mittelwert und die Standardabweichung ergeben sich für die historische Verteilung der Abweichungen im Beispielsfall zu -0,5 TGE resp. 20,79 TGE:
P V
1 ( 10 10 5 ) 10
0 ,5 TGE
(( 10 ) 0,5 ) 2 ( 10 0,5 ) 2 ... ( 10 0 ,5 ) 2 10
20,79 TGE
153
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Als weitere Prämisse wird ein Erwartungswert für die zukünftigen Abweichungen von Null unterstellt. Diese Unterstellung ist aus rechentechnischen Gründen unerlässlich, wenngleich sie nicht der Realität entspricht. Denn nur bei einem solchen Erwartungswert ist eine spätere Aggregation der Verteilungen der Abweichungen der einzelnen Zahlungsarten zu einer Gesamtverteilung möglich.374 Diese Problematik wird aber dadurch gemildert, dass mit zunehmender Planungserfahrung und durch Verwendung immer besserer Planungsmethoden zumindest auf lange Sicht davon auszugehen ist, dass die Planwerte mit einem höheren Grad an Sicherheit erreicht werden und die Abweichungen tendenziell gegen Null streben. Gemäß der gesetzten Prämisse wird unterstellt, dass die ermittelte Häufigkeitsverteilung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen entspricht, d.h. der Erwartungswert der Wahrscheinlichkeitsverteilung ist Null und die Standardabweichung der Wahrscheinlichkeitsverteilung beträgt 20,79 TGE. Die Liquidity at Risk für eine Einzahlungsart lässt sich als das (1-D)-Quantil der jeweiligen Normalverteilung ermitteln. In diesem Fall stellt die Liquidity at Risk diejenige geschätzte Abweichung vom geplanten Wert dar, die innerhalb der bestimmten Zeitperiode mit einem festgelegten Konfidenzniveau nicht überschritten wird. Mithilfe der oben bereits beschriebenen Transformationsformel können die Z-Werte der Standardnormalverteilung in das gewünschte (1-D)-Quantil jeder beliebigen Normalverteilung überführt werden, wenn der Erwartungswert und die Standardabweichung der Normalverteilung bekannt sind. Im obigen Beispielsfall beträgt der Erwartungswert Null GE, die Standardabweichung weist eine Höhe von 20,79 TGE auf. Wird ein Konfidenzniveau von 99% zu Grunde gelegt, ergibt sich ein Z-Wert der Standardnormalverteilung von –2,3263. Werden diese Größen in die nach X umgestellte Transformationsregel eingesetzt, so resultiert das (1-D)Quantil der betrachteten Normalverteilung zu – 48,36 TGE: 2,3263 20,79 TGE 0 GE
48,36 TGE
Dies bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% die absolute Abweichung vom Planwert in der betrachteten Periode nicht größer als 48,36 TGE ausfallen wird.
374
Die Ursache hierfür liegt an der zur Aggregation verwendeten Linearkombinationsregel. Gemäß dieser Regel geht die Gesamtverteilung aus der Linearkombination der einzelnen Risikoparameter hervor. Dabei ist eine Berücksichtigung der durch die Mittelwerte der Stichproben geschätzten Erwartungswerte zwar prinzipiell möglich, aber nur unter sehr restriktiven Prämissen, z.B. wenn die einzelnen Risikoparameter unabhängig voneinander sind. Vgl. SCHLITTGEN/STREITBERG (Zeitreihenanalyse 1984), S. 422-423. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
154
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Die aufgezeigte Vorgehensweise ist auf sämtliche Einzahlungsarten in analoger Weise anzuwenden, sodass am Ende für sämtliche Einzahlungsarten die entsprechenden (1-D)-Quantile vorliegen. Die Abweichungen, Standardabweichungen und (1-D)-Quantile der übrigen Einzahlungsarten werden in folgender Abbildung 35 zusammengestellt. Hierbei wurden die Daten der Abweichungen in den Einzahlungsarten unterstellt. Die Standardabweichungen, (1-D)-Quantile und TeilLiquidity-at-Risk lassen sich auf der Basis der unterstellten Abweichungsdaten mit den bekannten Rechenvorschriften ermittelt. Zeitpunkt
Einzahlungen aus dem Finanzbereich
Sonstige Einzahlungen
-10
5
2
0
10
3
30
-15
4
10
-5
5
20
10
6
-20
0
7
5
20
8
-10
-10
9
-20
-5
10
5
10
14,53
10,30
ı
-33,79
-23,95
(1-D)-Quantil
33,79
23,95
LaR
Abweichungen
1
Abbildung 35: Weitere Beispielsdaten für Einzahlungen (in TGE)
Zu (2): Berechnung der Liquidity at Risk für Auszahlungsarten Während für die verschiedenen Einzahlungsarten die Definition der Liquidity at Risk übernommen werden kann, ist diese Definition für die Auszahlungsarten zu
155
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
modifizieren. Ein Risiko besteht bei den unterschiedlichen Auszahlungsarten nämlich nicht darin, dass jeweils ein Planwert unterschritten wird. Vielmehr ist bei den Auszahlungsarten ein Risiko darin zu sehen, dass ein bestimmter Planwert überschritten wird. Für die verschiedenen Auszahlungsarten ist demnach diejenige geschätzte Abweichung vom geplanten Wert zu ermitteln, die unter üblichen Bedingungen innerhalb der bestimmten Zeitperiode mit einem festgelegten Konfidenzniveau nicht überschritten wird. Damit würde grundsätzlich nicht das „linke“, sondern das „rechte“ Ende der Verteilung betrachtet, was in folgender Abbildung 36 illustriert wird, wobei ein Konfidenzniveau von 99% zu Grunde gelegt wird. Wahrscheinlichkeit
1%
99 %
Liquidityat-Risk
Zielabweichung Ist-Plan
Abbildung 36: Darstellung der Liquidity at Risk einer Auszahlungsart Die Vorgehensweise bei der Ermittlung der Liquidity at Risk für die Auszahlungsarten soll wie auch bei den Einzahlungsarten zunächst beispielhaft an den Auszahlungen für Personal verdeutlicht werden. Im Folgenden werden die Abweichungen der tatsächlich durchgeführten von den geplanten Auszahlungen für Personal ermittelt. Dabei wird – in Analogie zur Vorgehensweise bei der Einzahlungsart - als Planungsintervall ein Tag und als Stützperiode ein Zeitraum von zehn Tagen unterstellt. Um die Vergleichbarkeit mit der Berechnung der Liquidity at Risk bei den verschiedenen Einzahlungsarten herzustellen, wird auf eine rechentechnische Maßnahme zurückgegriffen. Dazu werden die Abweichungen nicht wie bei den Einzahlungsarten durch einfache Subtraktion des Planwertes vom zugehörigen Istwert für jede Periode ermittelt. Vielmehr wird die Differenz aus Istwert und zugehörigem Planwert noch mit (-1) multipliziert.
156
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Durch diese Maßnahme wird erreicht, dass sich das Vorzeichen des jeweiligen Ergebnisses umdreht. In der Konsequenz bedeutet dies, dass ursprünglich positive Abweichungen (Planüberschreitungen) zu negativen Abweichungen und originär negative Abweichungen (Planunterschreitungen) zu positiven Abweichungen umgewandelt werden, wobei sich lediglich das Vorzeichen ändert, der zahlenmäßige Betrag der Abweichungen jedoch erhalten bleibt. Damit kann wieder analog zu der Ermittlung der Liquidity at Risk bei den verschiedenen Einzahlungsarten das „linke“ Ende der Wahrscheinlichkeitsverteilung zur Bestimmung der Liquidity at Risk herangezogen werden. Die Abweichungen können dann bei folgenden als gegeben angenommenen Plan/Ist-Werten jeweils als Differenz von Ist- und Planwert ermittelt werden, wobei das Ergebnis mit (-1) zu multiplizieren ist (vgl. Abbildung 37). Beispielsweise folgt für den Zeitpunkt 1 eine Abweichung der tatsächlichen Auszahlungen (5 TGE) von den geplanten Auszahlungen (0 TGE) der betrachteten Auszahlungsart in Höhe von -5 TGE: ( 5 TGE 0 TGE ) ( 1 )
5 TGE
Auszahlungen für Löhne und Gehälter Istwert
Planwert
1
5
0
Abweichung (Istwert – Planwert) x (-1) -5
2
0
0
0
3
0
0
0 0
Zeitpunkt
4
0
0
5
140
150
10
6
10
0
-10
7
5
0
-5
8
5
0
5
9
0
0
0
10
0
0
0
Abbildung 37: Daten des Beispielsfalls für die Personalauszahlungen (in TGE) Die ermittelten Abweichungen werden zu einer Häufigkeitsverteilung der historischen Abweichungen zusammengefasst. Es werden wieder die gleichen Prämissen wie bereits bei den Einzahlungsarten gesetzt, d.h. die historische Häufigkeitsverteilung wird durch eine Normalverteilung hinreichend genau beschrieben, die
157
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Normalverteilung entspricht der Wahrscheinlichkeitsverteilung der künftigen Abweichungen vom Planwert und die Wahrscheinlichkeitsverteilung besitzt einen Erwartungswert von Null. Zur vollständigen Beschreibung der Normalverteilung ist neben dem Erwartungswert noch die Standardabweichung der historischen Verteilung der Abweichungen zu berechnen. Der Mittelwert und die Standardabweichung ergeben sich für die historische Verteilung der Abweichungen im Beispielsfall zu 0,5 TGE bzw. zu 5,22 TGE:
P V
1 (( 0 ,5 ) 0 0 ) 10
0 ,5 TGE
((5) 0,5) 2 (0 0,5) 2 ... (0 0,5) 2 10
5,22 TGE
Gemäß der gesetzten Prämisse wird angenommen, dass die ermittelte Häufigkeitsverteilung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen entspricht, d.h. der Erwartungswert der Wahrscheinlichkeitsverteilung beträgt Null und die Standardabweichung der Wahrscheinlichkeitsverteilung weist eine Höhe von 5,22 TGE auf. Mithilfe der ermittelten Werte lässt sich nun die Liquidity at Risk für diese Auszahlungsart berechnen. Die Liquidity at Risk für eine Auszahlungsart stellt – unter Berücksichtigung der rechentechnischen Maßnahme - diejenige geschätzte Abweichung vom geplanten Wert dar, die unter üblichen Bedingungen innerhalb der bestimmten Zeitperiode mit einem festgelegten Konfidenzniveau nicht unterschritten wird. Damit ist prinzipiell das gleiche Instrumentarium zur Berechnung der Liquidity at Risk heranzuziehen wie bei der Berechnung der Liquidity at Risk für die Einzahlungsarten. Es ist demnach zur Berechnung der Liquidity at Risk das gewünschte Quantil der Wahrscheinlichkeitsverteilung zu ermitteln. Die Liquidity at Risk für eine Auszahlungsart lässt sich als das (1-D)-Quantil der jeweiligen Normalverteilung ermitteln. In diesem Fall stellt die Liquidity at Risk diejenige geschätzte Abweichung vom geplanten Wert dar, die unter üblichen Bedingungen innerhalb der bestimmten Zeitperiode mit einem festgelegten Konfidenzniveau nicht unterschritten wird. Mithilfe der oben bereits beschriebenen Transformationsformel können die Z-Werte der Standardnormalverteilung in das gewünschte (1-D)-Quantil jeder beliebigen Normalverteilung überführt werden, wenn der Erwartungswert und die Standardabweichung der Normalverteilung bekannt sind. Dabei sind die den (1-D)-Quantilen entsprechenden Z-Werte zu berücksichtigen.
158
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Im obigen Beispielsfall beträgt der Erwartungswert Null GE, die Standardabweichung weist eine Höhe von 5,22 TGE auf. Wird beispielsweise ein Konfidenzniveau von 99% zu Grunde gelegt, so ergibt sich ein Z-Wert der Standardnormalverteilung von -2,3263. Werden diese Größen in die nach X umgestellte Transformationsregel eingesetzt, so resultiert das (1-D)-Quantil der betrachteten Normalverteilung zu -12,14 TGE: 2,3263 5,22 TGE 0 GE
12,14 TGE
Dies bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% die absolute Abweichung vom Planwert in der betrachteten Periode nicht größer als 12,14 TGE ausfallen wird. Die aufgezeigte Vorgehensweise ist für sämtliche Auszahlungsarten analog durchzuführen, sodass am Ende für sämtliche Auszahlungsarten die entsprechenden (1-D)-Quantile vorliegen. Die Abweichungen, Standardabweichungen und (1-D)Quantile der übrigen Auszahlungsarten werden in folgender Abbildung 38 illustriert. Auszahlungen für Material
Auszahlungen im Finanzbereich
Sonstige Auszahlungen
1
20
5
10
2
-10
-10
0
3
10
10
0
4
10
10
10
5
-20
0
-20
6
0
-5
-5
7
20
-15
10
8
-20
10
-5
9
15
10
-10
10
-20
-5
10
Abweichungen ((Ist-Plan)(-1))
Zeitpunkt
15,88
8,89
9,75
ı
-36,95
-20,68
-22,67
(1-D)-Quantil
36,95
20,68
22,67
LaR
Abbildung 38: Weitere Beispielsdaten für Auszahlungen (in TGE)
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
159
Dabei wurden die Daten der Abweichungen unterstellt. Die Standardabweichungen, (1-D)-Quantile und Teil-Liquidity-at-Risk werden auf der Basis der unterstellten Abweichungsdaten ermittelt. 2.
Aggregation zur Gesamt-Liquidity-at-Risk
Nachdem im vorherigen Kapitel die Ermittlung der (Teil-)Liquidity-at-Risk für alle Ein- und Auszahlungsarten aufgezeigt wurde, sollen im Folgenden die einzelnen (Teil-)Liquidity-at-Risk zu einer einzigen Kennzahl zusammengefasst werden. Wird unterstellt, dass das Gesamtrisiko der Summe der Einzelrisiken entspricht, wird gleichzeitig die Annahme getroffen, dass sich die Einzelrisiken gleichförmig entwickeln. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Entwicklung der Risikoparameter sich i.d.R. nicht gleichförmig vollzieht. Vielmehr weisen die Risikoparameter häufig mehr oder weniger stark ausgeprägte gegenläufige Entwicklungen auf, sodass sich risikokompensierende Entwicklungen einstellen. Die risikokompensierenden Entwicklungen bewirken, dass das aggregierte Gesamtrisiko i.d.R kleiner als die Summe der Einzelrisiken ist. Maße zur Erfassung der Abhängigkeit der Entwicklung einer Datenreihe von einer anderen sind die Kovarianz (COV) und der Korrelationskoeffizient (U). Die Kovarianz lässt sich allgemein als Maß für die Stärke des Zusammenhanges zweier Zufallsvariablen charakterisieren. Die Kovarianz wird berechnet, indem das Produkt der jeweiligen Beobachtungspaare (ai,bi) durch die Anzahl der Beobachtungen geteilt wird. Davon wird das Produkt der Mittelwerte der beiden Datenreihen A und B subtrahiert:375 COV ( A, B )
1 n ¦ ai bi P A P B ni 1
mit: COV = Kovarianz n = Anzahl der Elemente der Datenbasis ai = Werte der Beobachtungen der Datenreihe A bi = Werte der Beobachtungen der Datenreihe B Die Kovarianz zweier Datenreihen liegt zwischen -f und +f. Zur Verdeutlichung von Zusammenhängen zwischen verschiedenen Datenreihen, wird die Kovarianz auf ein bestimmtes Intervall normiert. Die Normierung der Kovarianz zweier Datenreihen kann dabei auf ein Intervall zwischen – 1 und + 1 vorgenommen wer375
Vgl. BOURIER (Statistik 2001), S. 207; MAKRIDAKIS/WHEELWRIGHT/HYNDMAN (Forecasting 1998), S. 35
160
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
den, indem die Kovarianz durch das Produkt der Standardabweichungen der Datenreihen dividiert wird. Der normierte Wert wird als Korrelationskoeffizient bezeichnet.376 Die Berechnung des Korrelationskoeffizienten kann mithilfe folgender Formel durchgeführt werden:
U ( A, B )
COV ( A, B ) V ( A ) V ( B )
mit: U (A,B) = Korrelationskoeffizient zwischen A und B V (A) = Standardabweichung der Datenreihe A V (B) = Standardabweichung der Datenreihe B Das Vorzeichen des Korrelationskoeffizienten informiert über die Richtung des Zusammenhangs der Datenreihen. Ist das Vorzeichen positiv, ist der Zusammenhang der beiden Datenreihen gleichläufig, d.h. wird ein Wert der Datenreihe von A größer, so nimmt der zugehörige Wert der Datenreihe von B ebenfalls zu. Ist das Vorzeichen des Korrelationskoeffizienten negativ, ist der Zusammenhang der beiden Datenreihen gegenläufig, d.h. nimmt ein Merkmalswert der Datenreihe A zu, wird der zugehörige Merkmalswert der Datenreihe B kleiner. Der Betrag des Wertes des Korrelationskoeffizienten gibt die Stärke des Zusammenhangs zwischen den beiden Datenreihen an. Je näher sich der Korrelationskoeffizient dem Wert von +1 resp. -1 nähert, umso stärker ist der gleichläufige resp. gegenläufige Zusammenhang.377 Hinsichtlich der Ausprägungen des Korrelationskoeffizienten lassen sich drei Sonderfälle identifizieren.378 x Verläuft die Entwicklung zweier betrachteter Größen völlig gleichgerichtet, so wird von einer perfekt positiven Korrelation gesprochen. In diesem Fall, in dem zwischen den Größen ein linearer Zusammenhang besteht, weist der Korrelationskoeffizient einen Wert von U=1 auf. x Ein weiterer Sonderfall ist die perfekt negative Korrelation, bei der der Korrelationskoeffizient einen Wert von –1 annimmt. In diesem Fall ist die Entwicklung zweier Größen völlig gegenläufig.
376 377 378
Es handelt sich hierbei um den Korrelationskoeffizienten von Bravais-Pearson. Vgl. BOURIER (Statistik 2001), S. 210 Vgl. BOURIER (Statistik 2001), S. 212 Vgl. HARTUNG/ELPELT/KLÖSENER (Statistik 2002), S. 120; KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 146-147; SACHS (Statistik 1996), S. 490
161
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
x Der dritte Sonderfall äußert sich durch die vollständige Unkorreliertheit der betrachteten Größen. In diesem Fall ist kein Entwicklungszusammenhang zwischen den betrachteten Größen vorhanden. Der Korrelationskoeffizient besitzt in diesem Fall einen Wert von Null. Im Allgemeinen wird keiner der drei Sonderfälle zutreffen. Zur Beschreibung der Risikoverbundeffekte ist es daher notwendig, die tatsächlichen Korrelationen zwischen den einzelnen Risikoparametern zu ermitteln. Die Ermittlung der Korrelationen zwischen Risikoparametern soll anhand des obigen Beispiels für die Einzahlungen aus Umsatzerlösen und die Personalauszahlungen verdeutlicht werden. Den Ausgangspunkt bilden zunächst die bereits ermittelten Abweichungen der betrachteten Ein- resp. Auszahlungsart. Da zunächst die Kovarianz der beiden Datenreihen zu berechnen ist, wird für jeden Zeitpunkt das Produkt der Ausprägungen der beiden Datenreihen ermittelt. Anschließend wird für jede der drei Datenreihen das arithmetische Mittel bestimmt. Zudem wird für die beiden Datenreihen der Abweichungen jeweils die Standardabweichung berechnet. (Vgl. Abbildung 39). Zeitpunkt
Abweichungen in den Einzahlungen aus Umsatzerlösen
Abweichungen in den Personalauszahlungen
Produkt der Abweichungen
(I)
(II)
1
-10
-5
50
2
10
0
0
3
-20
0
0
4
-20
0
0
(III) = (I) x (II)
5
40
10
400
6
-20
-10
200
7
0
-5
0
8
30
5
150
9
-20
0
0
10
5
0
0
Mittelwert
-0,5
-0,5
80
Standardabweichung
20,79
5,22
-
Abbildung 39: Daten zur Ermittlung der Korrelationen der Risikoparameter (in TGE)
162
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Unter Berücksichtigung der gegebenen Daten lässt sich eine Kovarianz in Höhe von 79,75 TGE2 ermitteln: 1 n ¦ ai bi P A P B ni 1
COV ( A, B )
80 0,25
79,75 TGE 2
Weiterhin ergibt sich für den Beispielsfall ein Korrelationskoeffizient in Höhe von 0,7348:
U ( A, B )
COV ( A, B ) V ( A)V ( B )
79,75 TGE 2 20 ,79 TGE 5,22 TGE
0 ,7348
Der Wert von 0,7348 ist positiv. Er lässt sich so deuten, dass bei Zunahme der Abweichungen aus Umsatzerlösen tendenziell auch eine Zunahme der Abweichungen bei den Personalauszahlungen festzustellen ist. Folgende Abbildung 40 gibt die zwischen den Abweichungen der verschiedenen Ein- und Auszahlungen bestehenden Korrelationen wieder. Einzahl. aus Umsatzerlösen
Einzahl. aus dem Finanzbereich
Sonstige Einzahl.
Auszahl. für Personal
Auszahl. für Material
Auszahl. im Finanzbereich
Sonstige Auszahl.
Einzahl. aus Umsatzerlösen
1,0000
0,1440
0,3317
0,7348
-0,7563
-0,2002
-0,4441
Einzahl. aus dem Finanzbereich
0,1440
1,0000
-0,0602
0,5077
-0,0694
0,1007
-0,0353
Sonstige Einzahl.
0,3317
-0,0602
1,0000
-0,1209
-0,0520
-0,8688
0,1993
Auszahl. für Personal
0,7348
0,5077
-0,1209
1,0000
-0,6001
0,3341
-0,5405
Auszahl. für Material
-0,7563
-0,0694
-0,0520
-0,6001
1,0000
0,1027
0,4199
Auszahl. im Finanzbereich
-0,2002
0,1007
-0,8688
0,3341
0,1027
1,0000
-0,2020
Sonstige Auszahl.
-0,4441
-0,0353
0,1993
-0,5405
0,4199
-0,2020
1,0000
Abbildung 40: Korrelationen zwischen den Abweichungen der verschiedenen Zahlungsarten
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
163
Risikoverbundeffekte werden i.d.R. mithilfe von Korrelationskoeffizienten erfasst. Dabei ist es im Risikomanagement üblich, die Korrelationskoeffizienten in einer so genannten Korrelationskoeffizientenmatrix zusammenzufassen.379 Eine Korrelationskoeffizientenmatrix stellt demnach eine Matrix dar, in der die Korrelationen zwischen den einzelnen Risikoparametern enthalten sind. Sind beispielsweise n Risikoparameter vorhanden, so ergibt sich eine (nun)-Matrix:
U
§ 1 ¨ ¨ U 2 ,1 ¨ ¨ ¨U © n ,1
U1,2
U1,n · ¸ 1 U 2 ,n ¸ ¸ ¸ U n ,2 1 ¸¹
mit: U = Korrelationskoeffizientenmatrix U A,B = Korrelation zwischen den Risikoparametern A und B Jedes Element U A,B gibt die Korrelation zwischen den Risikoparametern A und B wieder. Da die Korrelation eines Risikoparameters zu sich selbst 1 ist, steht auf den Positionen der Hauptdiagonalen der Matrix die Zahl 1. Darüber hinaus gilt U A,B = U B,A . Für den Beispielsfall, bei dem als Risikoparameter jeweils die Abweichungen von den geplanten Zahlungen in den verschiedenen Zahlungsarten betrachtet wurden, resultiert folgende Korrelationskoeffizientenmatrix:
U
1 0,1440 § ¨ 1 ¨ 0,1440 ¨ 0,3317 0,0602 ¨ 0,5077 ¨ 0,7348 ¨ 0,7563 0,0694 ¨ ¨ 0,2002 0,1007 ¨ © 0,4441 0,0353
0,3317 0,0602 1 0,1209 0,0520 0,8688 0,1993
0,7348 0,7563 0,2002 0,5077 0,0694 0,1007 0,1209 0,0520 0,8688 0,6001 0,3341 1 0,6001 1 0,1027 0,3341 0,1027 1 0,5405 0,4199 0,2020
0,4441 · ¸ 0,0353 ¸ 0,1993 ¸ ¸ 0,5405 ¸ 0,4199 ¸¸ 0,2020 ¸ ¸ 1 ¹
Im Folgenden wird LaR als Risikovektor bezeichnet. Der Risikovektor fasst die n (Teil-)Liquidity-at-Risk der verschiedenen Risikoparameter in Form eines Zeilenvektors zusammen. Für den Risikovektor gilt demnach folgender Zusammenhang: LaR LaR1 LaR2 LaRn 379
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 148-149; SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 81; MEYER (Value at Risk 1999), S. 77; LISTER (Risiko-Controlling 2002), S. 97
164
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
mit: LaR
Risikovektor
LaRi = Liquidity at Risk des Risikoparameters i Aus der Quadratwurzel der multiplikativen Verknüpfung des Risikovektors, der Korrelationskoeffizientenmatrix sowie der Transponenten des Risikovektors ergibt sich gemäß der so genannten Linearkombinationsregel die Gesamt-Liquidity-atRisk für zwei oder auch für mehrere Risikoparameter.380 Die (Teil-)Liquidity-atRisk der einzelnen Risikoparameter bilden dabei die Elemente des Risikovektors, der in Form eines Zeilenvektors vorliegt. Die Transponente des Risikovektors wird gebildet, indem die Elemente des Zeilenvektors in Spaltenschreibweise zusammengefasst werden:
LaRG
LaR U LaR T
Nach Einsetzen der Komponenten der Gleichung folgt:
LaRG
LaR1
§ 1 ¨ ¨ U 2 ,1 LaR2 LaRn ¨ ¨ ¨U © n ,1
U1,n · § LaR1 · ¸ ¨ ¸ 1 U 2 ,n ¸ ¨ LaR2 ¸ ¸ ¨ ¸ ¸ ¨ ¸ U n ,2 1 ¸¹ ¨© LaRn ¸¹
U1,2
Für den Beispielsfall lässt sich eine Gesamt-Liquidity-at-Risk in Höhe von 62,95 TGE errechnen.381
48,37
LaRG
33,79 23,95 12,14 36,95 20,68 22,67
1 0,1440 § ¨ 1 ¨ 0,1440 ¨ 0,3317 0,0602 ¨ 0,5077 ¨ 0,7348 ¨ 0,7563 0,0694 ¨ ¨ 0,2002 0,1007 ¨ © 0,4441 0,0353
LaRG 380 381
0,7348 0,7563 0,2002 0,4441 · § 48,37 · 0,3317 ¸ ¸ ¨ 0,0602 0,5077 0,0694 0,1007 0,0353 ¸ ¨ 33,79 ¸ 1 0,1209 0,0520 0,8688 0,1993 ¸ ¨ 23,95 ¸ ¸ ¸ ¨ 1 0,1209 0,6001 0,3341 0,5405 ¸ ¨ 12,14 ¸ 1 0,1027 0,4199 ¸¸ ¨¨ 36,95 ¸¸ 0,0520 0,6001 0,1027 1 0,8688 0,3341 0,2020 ¸ ¨ 20,68 ¸ ¸ ¸ ¨ 0,1993 0,5405 0,4199 0,2020 1 ¹ © 22,67 ¹
3962,46 TGE 2
62,95 TGE
Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 83; JENDRUSCHEWITZ (Value at Risk 1999), S. 35-36 Zunächst wird der Zeilenvektor mit der Matrix multipliziert. Der aus dieser Multiplikation resultierende Zeilenvektor wird anschließend mit dem Spaltenvektor malgenommen. Aus letzterer Multiplikation resultiert schließlich ein Skalar, d.h. eine Zahl.
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
165
Das Ergebnis lässt sich wie folgt interpretieren: Die wahrscheinlich höchste negative Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand der Planperiode wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% einen Betrag von 62,95 TGE nicht überschreiten. 3.
Kritische Würdigung des disaggregierten parametrischen Ansatzes
Der Vorteil des disaggregierten parametrischen Ansatzes liegt darin, dass nicht die Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln, sondern die Abweichungen von den geplanten Ein- und Auszahlungen der verschiedenen Zahlungsarten der Risikomessung zu Grunde gelegt werden. Mit dieser separierten Betrachtung ist einerseits ein besserer Einblick in die Risikostruktur verbunden, da sich ggf. Zahlungsarten identifizieren lassen, die in größerem Maße risikobehaftet sind als andere und die deshalb einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen. Andererseits erlaubt diese Form der Risikomessung den Ansatz von Steuerungsmaßnahmen auf der Ebene der Zahlungsarten, die der Risikomessung zu Grunde liegen. Die Nachteile des disaggregierten parametrischen Ansatzes finden sich in dessen Prämissen wieder. In diesem Zusammenhang ist in erster Linie die Verteilungsannahme der Risikoparameter zu nennen. Dabei wurde unterstellt, dass die Risikoparameter einer Normalverteilung folgen. Nur für diesen Fall lässt sich die GesamtLiquidity-at-Risk in der dargestellten Form ermitteln. Sind die einzelnen Verteilungen der Risikoparameter jedoch nicht approximativ normal, kann die Liquidity at Risk der Gesamtposition nicht korrekt in einer Zahl verdichtet werden. Die Normalverteilungsannahme ist daher stets durch entsprechende Tests zu bestätigen.382 Ist die Annahme der Normalverteilung der empirischen Beobachtungsdaten zu verwerfen, ist zu prüfen, ob die empirischen Verteilungen ggf. durch andere theoretische Verteilungen hinreichend genau beschrieben werden können.383 Ziel der weiteren Vorgehensweise ist es dann, die gewünschten Quantile dieser Verteilungen zu bestimmen und zu aggregieren. Muss die Annahme der Normalverteilung insbesondere aufgrund des Vorliegens von Leptokurtosis aufgegeben werden, bietet sich ggf. die Approximation der Normalverteilung durch Elimination von Ausreißern an.384 Bei diesem Verfahren werden außergewöhnlich große Abweichungen mit ungewöhnlichen, singulären Ereignissen in einen ursächlichen Zusammenhang ge382 383
384
Vgl. Abschnitt A.III.3 im zweiten Hauptteil dieser Arbeit. Linksschiefe Verteilungen können beispielsweise durch eine Weibull-Verteilung, rechtsschiefe Verteilungen durch eine logarithmische Normalverteilung angenähert werden. Vgl. HARTUNG/ELPELT/KLÖSENER (Statistik 2002), S. 151-152 und 230-232; MARSHALL (Measuring 2001), S. 41 Vgl. MEYER (Value at Risk 1999), S. 305-306
166
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
bracht und als Bewertungsanomalien eliminiert, da diese die Zeitreihe „kontaminieren“. Durch diese Dekontamination kann die empirische Verteilung der Normalverteilung angenähert werden, wodurch eine unverzerrte Ermittlung der Parameter der Verteilung vorgenommen werden kann. Eine solche Vorgehensweise ist prinzipiell nur dann zu rechtfertigen, wenn nur ein geringer Anteil an Beobachtungen verworfen wird. Zur Auswahl der zu verwerfenden Beobachtungen wurden Verwerfungsregeln konzipiert. Dabei lassen sich harte und weiche Verwerfungsregeln unterscheiden. Während bei den harten Verwerfungsregeln Beobachtungsdaten gänzlich eliminiert werden, wobei sich diese Regeln nur in der Anzahl der zu eliminierenden Beobachtungen unterscheiden, werden im Rahmen der weichen Verwerfungsregeln bestimmte Beobachtungen nicht vollständig eliminiert, sondern lediglich korrigiert. Die Korrektur der Beobachtungsdaten erfolgt i.d.R. durch unterschiedliche Gewichtung der Daten.385 Problematisch bei der Verwendung der harten Verwerfungsregeln im Hinblick auf die Berechnung der Liquidity at Risk bedeutet das vollständige Eliminieren von Beobachtungsdaten an den Verteilungsenden einen Informationsverlust, der deshalb nur schwerlich zu tolerieren ist, da sich die Liquidity at Risk gerade auf das untere Verteilungsende bezieht. Aber auch die Anwendung der weichen Verwerfungsregeln führt zu einer Manipulation der Wahrscheinlichkeitsverteilung, die die Liquidity at Risk beeinflussen kann. Daher sollte stets mithilfe entsprechender Backtesting-Verfahren überprüft werden, ob die Dekontamination vertretbar ist. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass im Zuge der Anpassung der empirischen Verteilung an die gewünschte Normalverteilung die Gefahr der gezielten Manipulation besteht. Damit die Aussage der auf Vergangenheitsdaten aufbauenden Liquidity at Risk auch für die Zukunft Gültigkeit besitzt, muss weiterhin die Homoskedastizität der Verteilung, d.h. die Konstanz von Erwartungswert und Standardabweichung der Wahrscheinlichkeitsverteilung im Zeitablauf gegeben sein. Im Gegensatz zum aggregierten parametrischen Ansatz ist beim disaggregierten parametrischen Ansatz jedoch zusätzlich zur Konstanz von Erwartungswert und Standardabweichung die Konstanz der Korrelationen zwischen den einzelnen Risikoparametern im Zeitablauf zu fordern. Die Korrelationen zwischen den Risikoparametern wurden auf der Basis von Vergangenheitsdaten ermittelt und in der Korrelationskoeffizientenmatrix zusammengestellt. Eigentlich werden aber nicht die Korrelationen zwischen den bereits realisierten Ausprägungen der Risikoparameter, sondern die Korrelationen zwischen den zukünftigen Ausprägungen der Risikoparameter benötigt. Die ermittelte Korrelationskoeffizientenmatrix besitzt 385
Vgl. GRANGER/ORR (Infinite Variance 1972), S. 279; KOSFELD (Kapitalmarktmodelle 1996), S.107
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
167
nur dann Gültigkeit für die zukünftigen Ausprägungen der Risikoparameter, wenn die Korrelationen im Zeitablauf konstant sind. Als problematisch im Rahmen des disaggregierten parametrischen Ansatzes kann die Datenverfügbarkeit angeführt werden, da die Erwartungswerte, Standardabweichungen und Kovarianzen aller einbezogenen Risikoparameter in die Berechnung der Liquidity at Risk einfließen. Bei einer großen Anzahl an Risikoparametern nimmt die Zahl der zu ermittelnden Standardabweichungen und Kovarianzen stark zu. So beträgt die Zahl der zu ermittelnden Standardabweichungen und Kovarianzen bei n Risikoparametern n x (n+1)/2. Bei 100 Risikoparametern sind beispielsweise 5050 Parameter zu ermitteln, von denen 4950 Kovarianzen darstellen. Ist es nicht möglich, die Korrelationen zwischen den einzelnen Risikoparameter zu messen, da ggf. die benötigten Daten nicht vorliegen, sollte aus der kaufmännischen Vorsicht heraus prinzipiell eine Korrelation von +1 unterstellt werden. Durch die Unterstellung einer vollständig positiven Korrelation wäre gesichert, dass das Liquiditätsrisiko nie zu niedrig bewertet wird.386 Es wäre dann aber ebenfalls zu berücksichtigen, dass das Risiko bei einer solchen Unterstellung regelmäßig überbewertet wird.
386
Vgl. LISTER (Risiko-Controlling 2002), S. 98
168
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
C. Messung des Liquiditätsrisikos mithilfe von simulativen Verfahren I.
Messung des Liquiditätsrisikos mittels historischer Simulation
1.
Vorgehensweise der historischen Simulation
Reale Systeme sind oftmals sehr komplex. Soll das Verhalten realer Systeme untersucht werden, werden häufig Simulationsmodelle eingesetzt. Die Aufgabe der Simulationsmodelle ist es, die Realität in einem Modell abzubilden, indem die Komplexität des realen Systems reduziert wird. Statt das Verhalten des realen Systems direkt zu analysieren, wird das Verhalten des Simulationsmodells untersucht. Aufgrund der Ergebnisse der Untersuchung des Modells werden Rückschlüsse auf das Verhalten des realen Systems gezogen. Unter einer Simulation wird allgemein das Experimentieren mit einem Modell verstanden.387 Im Gegensatz zu den parametrischen Verfahren, die die zukünftigen Szenarien mithilfe der Verteilungsparameter einer Wahrscheinlichkeitsverteilung beschreiben, die aus den beobachteten Daten der Vergangenheit resultieren, verwenden nicht-parametrische Simulationsverfahren simulierte Abweichungen zur Ableitung zukünftiger Szenarien. Die historische Simulation, die gelegentlich auch als empirisch-historische Methode bezeichnet wird, stellt das konzeptionell einfachste Verfahren zur Bestimmung der Liquidity at Risk dar. Bei der historischen Simulation basieren die simulierten Abweichungen zwar ebenfalls auf in der Vergangenheit beobachteten Daten, jedoch kann zur Ermittlung der Liquidity at Risk das gewünschte (1-D)-Quantil direkt aus der simulierten Ergebnisverteilung abgelesen werden, sodass ein Rückgriff auf die Verteilungsparameter nicht erforderlich ist. Im Rahmen der historischen Simulation sind somit keine Risikomaße abzuschätzen. Weiterhin ist es nicht erforderlich, für die künftigen Abweichungen der tatsächlichen Zahlungen von den geplanten Zahlungen der einzelnen Zahlungsarten bestimmte Verteilungen zu unterstellen, da die Liquidity at Risk unmittelbar mithilfe der historischen Verteilung der einzelnen Abweichungen bestimmt wird. Durch diese Vorgehensweise lassen sich die entsprechenden Nachteile der parametrischen Verfahren vermeiden. Da jedoch die historische Simulation eine Fort387
Vgl. CORSTEN/JUNGINGER-DITTEL (Simulationstechnik 1982), S. 488; PRÄTSCH (Finanzplanung 1986), S. 52
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
169
schreibung der in der Vergangenheit beobachteten Daten in die Zukunft vornimmt, ist die Zeitstabilität der Verteilung der Beobachtungsdaten zu fordern. Die Ermittlung der Liquidity at Risk auf der Basis der historischen Simulation durchläuft grundsätzlich folgende Schritte: (1) Ermittlung der Risikoparameter (2) Aggregation der Risikoparameter (3) Ordnen der aggregierten Abweichungen und Ablesen der Liquidity at Risk (1) Ermittlung der Risikoparameter: Zunächst sind die Werte der Risikoparameter für die ausgewählte Stützperiode zu ermitteln. Als Risikoparameter dienen die historischen Abweichungen der tatsächlichen Zahlungen von den geplanten Zahlungen, die sich in der Vergangenheit jeweils für ein zu bestimmendes, zu Grunde liegendes periodisches Planungsintervall ergeben haben. Für jede Zahlungsart entsteht somit eine Beobachtungsreihe, die aus den vergangenen Abweichungen der tatsächlichen Zahlungen und der geplanten Zahlungen besteht. (2) Aggregation der Risikoparameter: Im zweiten Schritt sind die einzelnen Abweichungen pro Planungsintervall der verschiedenen Zahlungsarten zu einer Gesamtabweichung, die als Szenario bezeichnet wird, zusammenzuführen. Diese Gesamtabweichung entspricht jeweils der Abweichung des tatsächlichen Zahlungsmittelendbestandes vom geplanten Zahlungsmittelendbestand des Planungsintervalls. Zur Ermittlung eines Szenarios sind die Abweichungen der Einzahlungsarten zu addieren, während die Abweichungen der Auszahlungsarten zu subtrahieren sind. (3) Ordnen der aggregierten Abweichungen und Ablesen der Liquidity at Risk: Im dritten Schritt sind die aggregierten Abweichungen in absteigender Reihenfolge von der größten positiven Abweichung bis zur größten negativen Abweichung zu ordnen. Die Liquidity at Risk lässt sich nun als das dem gegebenen Konfidenzniveau entsprechende Quantil einfach durch Abzählen ermitteln. Beispielsweise ergibt sich die Liquidity at Risk bei einem Konfidenzniveau von 95 % unter Verwendung von 1000 Szenarien, als der 51. Wert der geordneten Liste, sodass noch (100 %-95 %) x 1000 = 50 Werte kleiner als der gesuchte Wert sind. Jedem einzelnen Szenario kommt in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit 1/1000 zu. Allgemein gilt, dass bei n simulierten Werten und einem Konfidenzniveau von α(n x (1-D)) Werte der absteigend sortierten Liste kleiner als die gesuchte Liquidityat-Risk sein müssen. Führt die Berechnungsvorschrift (n x (1-D)) zu einem nicht gebrochenen Wert, so ist der (n x (1-D)+1)-te Wert der Liste als Liquidity at Risk
170
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
anzusetzen. Resultiert aus der Berechnungsvorschrift jedoch ein gebrochener Wert, d.h. würde beispielsweise der 101,5-te Wert der Liste der gesuchten Liquidity at Risk entsprechen, kann als Liquidity at Risk der Betrag der nächst kleineren aggregierten Abweichung herangezogen werden. In diesem Fall wäre als Liquidity at Risk der 102. Wert der Liste anzusetzen, wenngleich bei dieser Vorgehensweise das Risiko leicht überschätzt werden würde. Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung der Liquidity at Risk besteht darin, zwischen dem Betrag der Abweichung, die auf Platz 101 der Liste rangiert, und dem Betrag der 102. Abweichung zu interpolieren.388 Im Rahmen der historischen Simulation ist keine explizite Festlegung der Verteilung der Abweichungen erforderlich. Ebenso besteht keine Notwendigkeit, die Momente der empirischen Verteilung zu bestimmen. Die Liquidity at Risk wird unmittelbar aus den „simulierten“ Abweichungen abgeleitet. Auch sind keine Korrelationen zwischen den einzelnen Abweichungen zu ermitteln, da diese Korrelationen implizit durch die Verwendung von tatsächlich angefallenen Abweichungen gleicher Zeitpunkte erfasst werden. Eine besondere Bedeutung für das Ergebnis der Liquidity-at-Risk-Ermittlung kommt der Wahl der Stützperiode zu. Da die Ermittlung der Liquidity at Risk regelmäßig erfolgen sollte, bietet es sich an, einen gleitenden Beobachtungszeitraum mit festgelegtem Planungsintervall der Liquidity-at-Risk-Ermittlung zu Grunde zu legen, um so der Veränderung des Liquiditätsrisikos im Zeitablauf Rechnung zu tragen.389 Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich das abgebildete Risiko sprunghaft ändern kann, wenn ein alter Beobachtungswert aus der Stichprobe gleitet. Die historische Simulation unterstellt die Repräsentativität der Daten der Vergangenheit für die Zukunft. Dies bedeutet, dass bei der Anwendung dieses Verfahrens angenommen wird, dass die historische Verteilung der Abweichungen der Stichprobe zur Beschreibung der Verteilung der zukünftigen Abweichungen eingesetzt werden kann. Dies setzt die Stationarität der Verteilung der Abweichungen, zumindest während des betrachteten Zeithorizontes voraus. Wird der Umfang der Stichproben als zu gering erachtet und kann oder soll die Stützperiode nicht verlängert werden, so kann dieses Problem durch die Methode des Bootstrapping390 gelöst werden. Im Rahmen des Bootstrapping werden aus den beobachteten Größen der Stützperiode hinreichend viele Größen „mit Zurücklegen“ gezogen, wodurch die Stichprobe künstlich verbreitert wird. Das „Zurücklegen“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für jede Ziehung jeweils die 388 389 390
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 154; KROPP (Management 1999), S. 371 Vgl. MEYER (Value at Risk 1999), S. 195 Diese Methode wurde von EFRON konzipiert. Vgl. EFRON (Nonparametric 1981), S. 589-595
171
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
komplette Stichprobe zur Verfügung steht, d.h. einmal gezogene Größen werden nicht eliminiert. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die tatsächlichen Korrelationen zwischen den Daten korrekt erfasst werden, weshalb jeweils nur vollständige Szenarien durch die Zufallsziehung mit Zurücklegen erhoben werden sollten. Wird dies nicht berücksichtigt, d.h. werden zeitlich nicht zusammenhängende Abweichungen innerhalb der verschiedenen Zahlungsarten gemischt, kann der wesentliche Vorteil der historischen Simulation, die implizite Berücksichtigung der Korrelationen zwischen den Risikoparametern verloren gehen.391 2.
Beispiel zur Ermittlung der Liquidity at Risk mittels historischer Simulation
Im Folgenden soll ein Beispiel für die Ermittlung der Liquidity at Risk mithilfe der historischen Simulation dargestellt werden. Hierzu wird auf die bereits bei der Darstellung der parametrischen Verfahren verwendeten Daten zurückgegriffen (siehe Abbildungen 41 und 42).392 Szenario
Zeitpunkt
Abweichungen bei Abweichungen bei Abweichungen bei den Einzahlungen den Einzahlungen im den sonstigen Einaus Umsatzerlösen Finanzbereich zahlungen (I)
(II)
(III)
Summe der Abweichungen in den Einzahlungsarten (IV) = I+II+III
1
1
-10
-10
5
-15
2
2
10
0
10
20
3
3
-20
30
-15
-5
4
4
-20
10
-5
-15
5
5
40
20
10
70
6
6
-20
-20
0
-40
7
7
0
5
20
25
8
8
30
-10
-10
10
9
9
-20
-10
-5
-35
10
10
5
5
10
20
Abbildung 41: Abweichungen in den Einzahlungsarten zur Anwendung der historischen Simulation (in TGE) 391 392
Vgl. SPELLMANN (Gesamtrisiko-Messung 2002), S. 162 Kapitel B.I im zweiten Hauptteil dieser Arbeit
172
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Es wird demnach davon ausgegangen, dass lediglich die im Rahmen des disaggregierten parametrischen Ansatzes angeführten Zahlungsarten existieren. Für diese Zahlungsarten wurden die in den Abbildungen 41 (Einzahlungen) und 42 (Auszahlungen) aufgeführten zehn periodisch erhobenen Abweichungen vom jeweils geplanten Wert festgestellt. Die Abweichungen wurden errechnet, indem jeweils der Planwert der Periode vom tatsächlich festgestellten Wert der Periode subtrahiert wurde. Szenario
Zeit- Abweichungen Abweichungen punkt bei den Perso- bei den Matenalauszahlun- rialauszahlungen gen
Abweichungen bei den Auszahlungen im Finanzbereich
Abweichungen bei den sonstigen Auszahlungen
Summe der Abweichungen in den Auszahlungsarten
(V)
(VI)
(VII)
(VIII)
(IX) = V+VI+VII+VIII
1
1
5
-20
-5
-10
-30
2
2
0
10
10
0
20
3
3
0
-10
-10
0
-20
4
4
0
-10
-10
-10
-30
5
5
-10
20
0
20
30
6
6
10
0
5
5
20
7
7
5
-20
15
-10
-10
8
8
-5
20
-10
5
10
9
9
0
-15
-10
10
-15
10
10
0
20
5
-10
15
Abbildung 42: Abweichungen in den Auszahlungsarten zur Anwendung der historischen Simulation (in TGE) Nachdem die Abweichungen in den einzelnen betrachteten Perioden für die Länge der Stützperiode erhoben worden sind, sind die verschiedenen Szenarien zu bilden. Zur Bildung der Szenarien werden für jede Periode die Abweichungen in den Auszahlungsarten von den Abweichungen in den Einzahlungsarten subtrahiert. Im Beispielsfall ergibt sich somit für den Zeitpunkt 1 eine aggregierte Abweichung in Höhe von 15 TGE: Aggregierte Abweichung
15 TGE ( 30 TGE )
15 TGE
Diese Berechnung wird nun für sämtliche Zeitpunkte durchgeführt, sodass für alle zehn Beobachtungszeitpunkte jeweils eine aggregierte Abweichung vorliegt. Im
173
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Folgenden wird nun angenommen, dass die Datenreihe der aggregierten Abweichungen die gesuchte Wahrscheinlichkeitsverteilung darstellt, wobei jedem Szenario eine Wahrscheinlichkeit von 1/10 zukommt. Im dritten Schritt sind die aggregierten Abweichungen in aufsteigender Reihenfolge von der größten negativen Abweichung bis zur größten positiven Abweichung zu ordnen. (Vgl. Abbildung 43). Die Liquidity at Risk wird dann unmittelbar durch Abzählen ermittelt. Der kleinste Wert im Beispielsfall beträgt –60 TGE. Dieser Wert bildet das untere Ende der Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die Wahrscheinlichkeit, dass die künftige aggregierte Abweichung den Wert von – 60 nicht unterschreitet, beträgt 100 %. Wird demnach bei der Ermittlung der Liquidity at Risk ein Konfidenzniveau von 100 % gefordert, entspricht diese dem Betrag des Wertes, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 % nicht unterschritten wird. Dies ist im Beispielsfall der zehnte Wert der sortierten Liste, nämlich – 60 TGE. Bei einem Konfidenzniveau von 90 % ist der Wert der sortierten Liste zu wählen, sodass 10 % der simulierten Werte kleiner und 90 % der Werte größer oder gleich hoch sind. Für den Beispielsfall lässt sich der neunte Wert der sortierten Liste als Liquidity at Risk ermitteln. Die Liquidity at Risk im Beispielsfall beträgt 20 TGE. Szenario
Rang
Summe der Summe der Abweichungen in Abweichungen in den den Einzahlungsarten Auszahlungsarten (IV)
(IX)
Aggregierte Abweichung (X) = (IV) - (IX)
5
1
70
30
40
1
2
-15
-30
15
3
3
-5
-20
15
4
4
-15
-30
15
10
5
20
15
5
2
6
20
20
0
8
7
10
10
0
7
8
25
-10
-15
9
9
-35
-15
-20
6
10
-40
20
-60
Abbildung 43: Rangfolge der aggregierten Abweichungen in der historischen Simulation
174
3.
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Würdigung des Verfahrens
Als Vorteil der historischen Simulation ist anzuführen, dass die Konzeption des Verfahrens und ihre Ergebnisse recht einfach nachvollzogen werden können und dass der Erklärungsbedarf daher relativ gering ist. Weiterhin ist es nicht erforderlich, eine Spezifikation der unterstellten Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Risikoparameter durchzuführen und eine Erfassung der Momente der Verteilung vorzunehmen. Da von den in der Vergangenheit tatsächlich angefallenen Ausprägungen der Risikoparameter ausgegangen wird, kann insbesondere die Unterstellung einer Normalverteilung entfallen. Durch die Verwendung der empirischen Verteilung wird sichergestellt, dass eine ggf. auftretende Schiefe in der empirischen Verteilung korrekt wiedergegeben wird und dass die Fat-Tail-Problematik nicht von Relevanz ist. Darüber hinaus werden sämtliche zu beobachtende Risikoverbundeffekte durch den unmittelbaren Rückgriff auf die tatsächlich angefallenen Größen implizit korrekt erfasst, sodass die Bestimmung von Kovarianzen und Korrelationen nicht notwendig ist, wodurch die mathematisch-statistischen Probleme der Risikoverknüpfung entfallen. Der Einsatz der historischen Simulation zur Ermittlung der Liquidity at Risk beinhaltet jedoch auch einige Nachteile. Als erster Nachteil der historischen Simulation ist die Prämisse der Stationarität anzuführen. So wird in diesem Verfahren unterstellt, dass die in der Stützperiode erfassten Abweichungen repräsentativ für die zukünftige Entwicklung sind und somit die zukünftige Entwicklung durch die beobachteten historischen Daten hinreichend genau beschrieben werden kann. Ist die Stationarität der Verteilung der Abweichungen nicht gegeben, führt die Berechnung der Liquidity at Risk auf der Basis der historischen Simulation nicht zu korrekten Ergebnissen. Ist jedoch die empirische Verteilung der Abweichungen stationär, kann diese Verteilung unmittelbar als unverzerrte Schätzung für die unbekannte Verteilung der zukünftigen Abweichungen eingesetzt werden. Weiterhin ist die Abhängigkeit des Ergebnisses der Liquidity-at-Risk-Ermittlung mittels historischer Simulation von der Wahlmöglichkeit der Länge der zu Grunde liegenden Stützperiode als Nachteil zu qualifizieren. Wird beispielsweise eine kurze Stützperiode gewählt, bietet sich zwar der Vorteil der Aktualität der Beobachtungsdaten, jedoch kann es, sofern es sich bei der Stützperiode um einen Zeitraum handelt, in dem nur Abweichungen von geringer Höhe aufgetreten sind, zu einer Unterschätzung des Liquiditätsrisikos kommen. Ebenso ist die Überschätzung des Liquiditätsrisikos möglich, wenn in dem Zeitraum besonders viele Abweichungen von großer Höhe angefallen sind. Bei der Wahl einer langen Stützperiode besteht demgegenüber die Frage, inwiefern die älteren Beobachtungsdaten die zukünftige Entwicklung widerspiegeln. Möglicherweise sind die älteren Daten für eine Prognose weniger relevant. Somit ist stets zu klären, ob ein Trade-off zwi-
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
175
schen der Länge der Stützperiode und der Relevanz der innerhalb der Stützperiode aufgetretenen Daten besteht. Ein weiteres Problem beim Einsatz der historischen Simulation liegt darin begründet, dass sämtliche historischen Abweichungen mit einer gleichen Gewichtung in die Liquidity-at-Risk-Ermittlung einfließen. Damit kann bei der Anwendung der historischen Simulation das so genannte „ghost feature“393 beobachtet werden. So kann das Weiterschieben des Zeitfensters der Stützperiode den Wegfall älterer Werte zur Folge haben, was ggf. zu einer sprunghaften Änderung der Höhe der Liquidity at Risk führen kann. Wurde die Tatsache, dass im Rahmen der historischen Simulation keine Unterstellung einer bestimmten Verteilung der Abweichungen erforderlich ist, bereits als Vorteil angeführt, so beinhaltet diese auch einen nachteiligen Aspekt. Durch die Verwendung von ausschließlich historisch angefallenen Szenarien zur Berechnung der Liquidity at Risk ist es nur schwer möglich, eine subjektive Anpassung auf Grund von individuellen Einschätzungen über die künftige Entwicklung der Abweichungen einfließen zu lassen. Somit ist der Methode der historischen Simulation in dieser Hinsicht grundlegend eine gewisse fehlende Flexibilität vorzuwerfen.
II.
Quantifizierung des Liquiditätsrisikos auf der Basis einer stochastischen Simulation
1.
Wesen und prinzipieller Ablauf des Verfahrens
Neben der historischen Simulation stellt die stochastische Simulation ein weiteres Simulationsverfahren dar. Als stochastische Simulation, die auch als Monte-CarloSimulation bezeichnet wird, werden sämtliche Verfahren verstanden, die mathematische Probleme auf statistischem Wege unter Zuhilfenahme von Zufallszahlen numerisch lösen können.394 Der Ablauf der Monte-Carlo Simulation entspricht grundsätzlich dem der historischen Simulation, jedoch werden nicht unmittelbar die historischen Abweichungen verwendet. Vielmehr werden die Abweichungen mithilfe von Zufallszahlen simuliert. Auf diese Weise kann im Gegensatz zur historischen Simulation durch den Einsatz der Monte-Carlo-Simulation ein Risikobild erzeugt werden, das weniger stark von den Daten der Vergangenheit beeinflusst ist, was auch den wesentlichen Vorteil dieses Verfahrens gegenüber der historischen Simulation darstellt.395 393 394 395
Vgl. JORION (Value at Risk 1996), S. 196; KROPP (Management 1999), S. 372 Vgl. SCHNEEWEIß (Monte-Carlo-Methoden 1969), S. 129; PRÄTSCH (Finanzplanung 1986), S. 57 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 89
176
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Die Monte-Carlo-Simulation kommt in der betriebswirtschaftlichen Anwendung im Wesentlichen zur Lösung von Problemstellungen zum Einsatz, die sich auf Zufallsprozesse beziehen.396 Zur Beschreibung eines solchen Zufallsprozesses ist dieser, unter der Voraussetzung dass er sich an sich nicht ändert, lediglich lange genug zu beobachten. Im Allgemeinen wird der Prozess durch ein theoretisches Modell beschrieben, welches das Wahrscheinlichkeitsgesetz des abgebildeten Prozesses auf einfache, bekannte Wahrscheinlichkeitsverteilungen zurückführt. Im Rahmen der Anwendung der Monte-Carlo-Simulation wird ein Zufallsprozess durch einen geeignet gewählten Zufallsmechanismus künstlich nachgebildet. Anschließend wird der nachgebildete Prozess wieder und wieder durchgespielt. Dabei gilt, dass je höher die Anzahl der Simulationsdurchläufe ist, desto besser kann der reale Prozess durch den simulierten approximiert werden. (Vgl. Abbildung 44). Durch diese Maßnahme lässt sich eine langwierige Prozessbeobachtung vermeiden.397
396 397
Vgl. DEUTSCH (Monte-Carlo-Simulationen 2002), S. 386 Vgl. SCHNEEWEIß (Monte-Carlo-Methoden 1969), S. 131-132; KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 157-158.
177
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Anzahl der Simulationsdurchläufe
rel. Häufigkeit
rel. Häufigkeit 10.000
rel. Häufigkeit
1.000 rel. Häufigkeit 100 Ausprägung
Abbildung 44: Anzahl der Simulationsdurchläufe und Konvergenz der simulierten Verteilung398 Im Rahmen der Ermittlung der Liquidity at Risk mithilfe der Monte-CarloSimulation sind zunächst die Risikoparameter zu bestimmen. Als Risikoparameter werden - wie bereits bei der historischen Simulation - die Abweichungen der tatsächlich angefallenen Ein- bzw. Auszahlungen von den geplanten Ein- resp. Auszahlungen der verschiedenen Zahlungsarten für eine bestimmte Planungsperiode herangezogen. Darüber hinaus ist das Konfidenzniveau festzulegen. Anschließend muss eine Annahme über die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Risikoparameter getroffen werden. Dabei ermöglicht die Monte-Carlo-Simulation prinzipiell die Unterstellung jeder beliebigen Verteilungsform.399 Es sollte daher diejenige Ver398 399
In Anlehnung an MEYER (Value at Risk 1999), S. 204 Vgl. READ (Parametrische Modelle 1998), S. 34
178
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
teilungsform unterstellt werden, von der angenommen wird, dass sie die Entwicklung der Risikoparameter korrekt wiedergibt. Im Weiteren sind Zufallszahlen zu erzeugen, die der unterstellten Verteilung und damit nicht zwingend der historischen Verteilung der Risikoparameter entsprechen. Zur Erzeugung von Zufallszahlen können verschiedene Instrumente eingesetzt werden.400 Üblicherweise werden die Zufallszahlen mithilfe eines Computers erzeugt. Ein Computer ist jedoch nicht in der Lage, „echte“ Zufallszahlen zu generieren. Die von Computern erzeugten Zufallszahlen sind demnach im eigentlichen Sinn keine echten Zufallszahlen, da sie nicht zufällig generiert werden. Vielmehr stellen die vom Computer erzeugten Zufallszahlen das Ergebnis einer mathematischen Regel dar, weshalb diese Zufallszahlen auch als Pseudo-Zufallszahlen bezeichnet werden.401 Die erzeugten Zufallszahlen weisen regelmäßig Werte zwischen 0 und 1 auf und sind üblicherweise gleichverteilt, d.h. jeder Wert besitzt die gleiche Wahrscheinlichkeit.402 Wurde keine Gleichverteilung für die Entwicklung der zukünftigen Risikoparameter unterstellt, so sind die gleichverteilten Zufallszahlen in die für die Entwicklung der Risikoparameter angenommene Verteilungsform zu transformieren. Wurde beispielsweise unterstellt, dass die Entwicklung der Risikoparameter in der Zukunft einer Normalverteilung entspricht, so sind die gleichverteilten Zufallszahlen in normalverteilte Zufallszahlen umzuwandeln. Um eine Transformation der gleichverteilten Zufallszahlen in die gewünschte Wahrscheinlichkeitsverteilung zu erreichen, werden die gleichverteilten Zufallszahlen an der Verteilungsfunktion der gewünschten Wahrscheinlichkeitsverteilung gespiegelt. Die Transformation erfolgt auf analytischem Weg unter Anwendung der Inversen der Verteilungsfunktion der gewünschten Wahrscheinlichkeit. Als Bedingung gilt hierbei, dass die Bildung der Inversen der Verteilungsfunktion möglich sein muss.403 Die transformierten Zufallszahlen lassen sich als (1-D)-Quantil der Verteilungsfunktion der ausgewählten Wahrscheinlichkeitsverteilung interpretieren. Sie stellen demnach die Wahrscheinlichkeitswerte dar, die durch die Verteilungsfunktion geliefert werden. Es gilt folglich:
ZZ
F ( ABW1D )
mit: ZZ = transformierte Zufallszahl
400 401 402 403
Vgl. LIEBL (Simulation 1992), S. 23-35; MÜLLER-MERBACH (Operations Research 1973), S. 461-462 Vgl. MÜLLER-MERBACH (Operations Research 1973), S. 461 Vgl. ZIMMERMANN/STACHE (Operations Research 2001), S. 340 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 160
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
179
F = Verteilungsfunktion der gewünschten Wahrscheinlichkeitsverteilung ABW1-D = Abweichung, die dem (1-D)-Quantil entspricht Gesucht sind jedoch nicht die Zufallszahlen, sondern die jeweiligen (1-D)Quantile der Verteilungen der Abweichungen. Daher werden im Weiteren auf der Basis der Wahrscheinlichkeitswerte die (1-D)-Quantile der Wahrscheinlichkeitsverteilung ermittelt. Hierzu sind die transformierten Zufallszahlen in die Inverse der unterstellten Verteilungsfunktion einzusetzen:
ABW1D
F 1 ( ZZ )
mit: F-1 = Inverse der Verteilungsfunktion der gewünschten Wahrscheinlichkeitsverteilung Anschließend sind die den (1-D)-Quantilen entsprechenden Abweichungen zu einer Gesamtabweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand zu aggregieren, wobei den Korrelationen zwischen den einzelnen Risikoparametern Rechnung getragen werden muss. Werden hinreichend viele Simulationsdurchläufe absolviert, so ergibt sich eine Reihe von simulierten Gesamtabweichungen. Dabei sollte bei der Festlegung der Anzahl der Simulationsdurchläufe der Trade-off zwischen Rechenaufwand und Genauigkeit berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Anzahl der Simulationsdurchläufe umso höher gewählt werden sollte, je höher das gewünschte Konfidenzniveau ist und je seltener mit „Ausreißern“ zu rechnen ist. Sollen keine Ausreißer simuliert werden, kann bereits eine geringe Anzahl an Simulationsdurchläufen ausreichen. Es darf jedoch nicht erwartet werden, dass eine Verteilung bereits mit einigen hundert Durchläufen, wie dies bisweilen in der Literatur gefordert wird, hinreichend genau erfasst werden kann.404 Gerade wenn das Downside-Risiko gemessen wird, was im Rahmen der Bestimmung der Liquidity at Risk der Fall ist, werden nur die Ausprägungen betrachtet, die sich am „unteren Ende“ der Verteilung befinden. Beispielsweise entspricht bei 100 Durchläufen und einem gewünschten Konfidenzniveau von 99% die Liquidity at Risk der zweitniedrigsten aggregierten Abweichung. Bei dieser Vorgehensweise würden also lediglich zwei Werte in die Betrachtung einfließen. Dies verdeutlicht, dass die Anzahl der Simulationsdurchläufe 100 deutlich überschreiten muss.405 Wie bereits bei der historischen Simulation, wird die ermittelte Datenreihe der Gesamtabweichungen als Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand verstanden. Die Abweichungen 404 405
Vgl. HEIDER (Simulationsmodell 1969), S. 227 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 223
180
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
werden in absteigender Reihenfolge geordnet. Die Liquidity at Risk kann dann bei einem gewählten Konfidenzniveau D und n Simulationsdurchläufen als ((1-D) x n +1)-ter Wert der absteigend sortierten Liste abgelesen werden. 2.
Beispiel zur Ermittlung der Liquidity at Risk auf der Basis einer stochastischen Simulation
Nachfolgend wird ein Beispiel für die Ermittlung der Liquidity at Risk mithilfe der Monte-Carlo-Simulation angeführt. Hierzu wird auf die bereits bei der Darstellung der parametrischen Verfahren verwendeten Daten zurückgegriffen.406 Es werden folglich wiederum die bereits bekannten Abweichungs-Daten für die verschiedenen Zahlungsarten bei der weiteren Vorgehensweise zugrunde gelegt. Für die einzelnen Zahlungsarten wurden die in der folgenden Abbildung 45 aufgeführten, zehn periodisch erhobenen Abweichungen vom jeweils geplanten Wert festgestellt. Die Abweichungen wurden errechnet, indem jeweils der Planwert der Periode vom tatsächlich festgestellten Wert der Periode subtrahiert wurde. Abweichungen bei folgenden Einzahlungen … Zeitpunkt Umsatzer- FinanzbeSonstige lösen reich
Abweichungen bei folgenden Auszahlungen … Personal
Material
Finanzbereich
Sonstige
1
-10
-10
5
5
-20
-5
-10
2
10
0
10
0
10
10
0
3
-20
30
-15
0
-10
-10
0
4
-20
10
-5
0
-10
-10
-10
5
40
20
10
-10
20
0
20
6
-20
-20
0
10
0
5
5
7
0
5
20
5
-20
15
-10
8
30
-10
-10
-5
20
-10
5
9
-20
-10
-5
0
-15
-10
10
10
5
5
10
0
20
5
-10
μ
-0,5
2
2
0,5
-0,5
-1
0
ı
20,79
14,53
10,30
5,22
15,88
8,89
9,75
Abbildung 45: Daten des Beispielsfalls zur Anwendung der Monte-CarloSimulation (in TGE) 406
Vgl. Kapitel B.I im zweiten Hauptteil dieser Arbeit
181
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Als Risikoparameter fungieren die Abweichungen der tatsächlich angefallenen Ein- bzw. Auszahlungen von den geplanten Ein- resp. Auszahlungen der verschiedenen Zahlungsarten. Weiterhin wird unterstellt, dass die Entwicklung der zukünftigen Abweichungen der beiden Zahlungsarten jeweils durch eine Normalverteilung beschrieben werden kann. Eine Normalverteilung lässt sich durch ihre Verteilungsparameter Erwartungswert und Standardabweichung exakt beschreiben. Im Weiteren sind Zufallszahlen zu generieren. Diese Zufallszahlen ZZ liegen in Form einer Gleichverteilung vor. Benötigt werden jedoch normalverteilte Zufallszahlen ZZN. Daher sind die gleichverteilten Zufallszahlen in normalverteilte Zufallszahlen zu transformieren. Die Transformation von gleichverteilten in normalverteilte Zufallszahlen wird in der folgenden Abbildung 46 illustriert. Gleichverteilte Zufallszahlen 1
ZZ
0 ZZN
Standardnormalverteilte Zufallszahlen
Abbildung 46: Umwandlung der gleichverteilten Zufallszahlen in standardnormalverteilte Zufallszahlen unter Verwendung der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung Die transformierten Zufallszahlen werden im Folgenden als (1-D)-Quantile der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung angesehen. Aus diesen Zufallszahlen können die standardisierten Z-Werte der Standardnormalverteilung erzeugt werden. Die Z-Werte entsprechen dabei jeweils dem Funktionswert der Inversen der Verteilungsfunktion, in die die jeweilige Zufallszahl eingesetzt wird. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Inverse einer Normalverteilung analytisch nicht ermitteln lässt, sodass die Ermittlung der Z-Werte auf analy-
182
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
tischem Wege nicht möglich ist.407 Zur Bestimmung der Z-Werte sind daher statistische Tabellen oder geeignete Statistikprogramme heranzuziehen.408 Mithilfe der Gleichung X = Z1-D x V + P ist es möglich, die simulierten Z-Werte der Standardnormalverteilung in das gewünschte (1-D)-Quantil einer Normalverteilung zu überführen, wenn der Erwartungswert und die Standardabweichung der Normalverteilung bekannt sind. Die Ermittlung der Verteilungsparameter stützt sich i.d.R. auf die Analyse historischer Daten. Somit kommt auch die MonteCarlo-Simulation trotz ihrer Zukunftsbezogenheit meist nicht ohne eine Betrachtung der Vergangenheit aus.409 Zur Ermittlung der Verteilungsparameter wird ein Rückgriff auf die vorhandenen Vergangenheitsdaten vorgenommen. Die benötigten Verteilungsparameter werden auf der Basis der historischen Abweichungen errechnet. Die Vorgehensweise im Rahmen der Monte-Carlo-Simulation wird anhand der Abweichungen aus den Einzahlungen aus Umsatzerlösen und der Abweichungen aus den Auszahlungen für Personal erläutert. Für den Beispielsfall ergeben sich für die Abweichungen aus den Einzahlungen aus Umsatzerlösen ein Erwartungswert von -0,5 TGE und eine Standardabweichung von 20,79 TGE. Für die Abweichungen in den Auszahlungen für Personal lassen sich ein Erwartungswert von 0,5 TGE und eine Standardabweichung in Höhe von 5,22 TGE feststellen. Mithilfe der Standardabweichung und des Erwartungswerts kann für jede Zahlungsart die Abweichung ermittelt werden, die bei einer bestimmten Zufallszahl zu beobachten wäre. Zunächst werden in Spalte (II) für die Einzahlungen aus Umsatzerlösen Zufallszahlen gezogen, die in Spalte (III) in standardnormalverteilte Zufallszahlen transformiert werden. Die standardnormalverteilten Zufallszahlen entsprechen den Z-Werten der Standardnormalverteilung. Aus den simulierten Z-Werten der Standardnormalverteilung wird in Spalte (IV) unter Berücksichtigung der Verteilungsparameter der Verteilung der historischen Abweichungen dieser Zahlungsart diejenige Abweichung ermittelt, die dem (1-D)-Quantil entspricht. Für die erste simulierte Abweichung ergibt sich beispielsweise ein Wert von – 18,08 TGE (-18,08 TGE = -0,845632 x 20,79 TGE + (-0,5 TGE)). Anschließend wird auf die gleiche Weise für die Auszahlungsart eine (gleichverteilte) Zufallszahl (Spalte (V)) gezogen, die in einen simulierten Z-Wert (Spalte (VI)) umgewandelt wird.410 Auch für 407 408 409 410
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 160 Auch im Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft-Excel ist eine entsprechende Funktion vorhanden. Es ist die Standardnorminv (Zufallszahl ()). Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 90 Der Einfachheit halber wird hierbei unterstellt, dass die Risikoparameter unabhängig voneinander sind. Nur dann dürfen Zufallszahlen unabhängig voneinander gezogen werden. Vgl. LIEBL (Simulation 1992), S. 50
183
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
diesen simulierten Z-Wert ergibt sich eine simulierte Abweichung (Spalte (VII)). Der gesamte beschriebene Vorgang wird in 1000 Simulationsdurchläufen wiederholt. Folgende Abbildung 47 fasst die beschriebene Vorgehensweise zusammen. Einzahlungen aus Umsatzerlösen
Auszahlungen für Personal
Lfd. Zufallszahl Simulierter Simulierte Zufallszahl Simulierter Nr. Z-Wert AbweiZ-Wert (II) chung (V) (I) (III) (VI) (IV) 1 0,198879 -0,845632 -18,08 0,647407 0,378329 0,245435
4,60
0,098570
-1,289742
Simulierte Abweichung (VII) 2,47
2
0,596940
-6,23
3
0,553612
0,134793
2,30
0,277823
-0,58932
-2,58
4
0,285074
-0,567832
-12,31
0,984960
2,169041
11,82
5
0,939036
1,546733
31,66
0,688051
0,490332
3,06
6
0,016382
-2,134974
-44,89
0,382568
-0,298744
-1,06
7
0,806134
0,863739
17,46
0,810552
0,879932
5,09
8
0,918917
1,397823
28,56
0,955196
1,697473
9,36
9
0,604279
0,264439
5,00
0,274642
-0,598834
-2,63
10
0,281108
-0,579552
-12,55
0,886477
1,208003
6,81
...
...
...
…
...
...
…
991
0,899709
1,279894
26,11
0,014448
-2,184889
-10,91
992
0,068473
-1,487264
-31,42
0,812071
0,885555
5,12
993
0,738434
0,638524
12,77
0,312027
-0,490112
-2,06
994
0,597481
0,246833
4,63
0,213606
-0,793973
-3,64
995
0,140288
-1,079026
-22,93
0,753494
0,685527
4,08
996
0,225116
-0,755028
-16,20
0,919076
1,398883
7,80
997
0,806245
0,864141
17,47
0,163832
-0,978831
-4,61
998
0,039717
-1,753977
-36,97
0,784749
0,788331
4,62
999
0,447667
-0,131559
-3,24
0,655012
0,398889
2,58
1000
0,239792
-0,706971
-15,20
0,239466
-0,708021
-3,20
Abbildung 47: Mittels Monte-Carlo-Simulation simulierte Abweichungen Schließlich werden in analoger Vorgehensweise für sämtliche Zahlungsarten die in Abbildung 48 aufgeführten Abweichungen in 1000 Simulationsdurchläufen erzeugt (Spalten (II) bis (VIII)). Die ermittelten Abweichungen werden weiterhin in Spalte (IX) zu einer Gesamtabweichung zusammengeführt, indem die Abwei-
184
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
chungen in den Auszahlungsarten von den Abweichungen in den Einzahlungsarten subtrahiert werden. Für die erste Gesamtabweichung resultiert ein Wert in Höhe von –20,51 TGE (-20,51 TGE = -18,08 TGE + 10,69 TGE + (-3,85) – (2,47 + 15,16 + (-11,75) + 3,39) = -11,24 TGE – (9,27 TGE)). Lfd. Nr.
Simulierte Abweichungen bei folgenden Einzahlungen …
Simulierte Abweichungen bei folgenden Auszah- Simulierte lungen … GesamtabweiFinanzbechung Personal Material Sonstige reich (V) (VI) (VIII) (IX) (VII)
(I)
Umsatzerlösen (II)
Finanzbereich (III)
Sonstige (VI)
1
-18,08
10,69
-3,85
2,47
15,16
-11,75
3,39
-20,51
2
4,60
-18,31
22,06
-6,23
-22,66
2,54
-20,60
55,32
3
2,30
5,49
-0,89
-2,58
-14,69
15,87
-6,14
14,44
4
-12,31
-8,77
7,56
11,82
-36,07
-5,45
13,94
2,24
5
31,66
21,62
14,41
3,06
17,11
-16,86
9,67
54,70
6
-44,89
3,52
-7,76
-1,06
12,10
1,13
-12,54
-48,75
7
17,46
-28,95
-2,01
5,09
-3,56
7,77
-8,33
-14,47
8
28,56
25,15
-13,49
9,36
24,44
-11,07
3,11
14,38
9
5,00
7,77
4,31
-2,63
-14,78
-5,99
-7,70
48,18
10
-12,55
16,22
6,11
6,81
6,60
10,98
-13,43
-1,17
…
…
…
…
…
…
…
…
…
991
26,11
-19,64
-22,68
-10,91
33,52
-2,90
6,83
-42,75
992
-31,42
-3,44
-3,98
5,12
-12,97
-8,98
12,70
-34,72
993
12,77
6,22
15,65
-2,06
-23,98
13,90
-22,83
69,62
994
4,63
-19,65
7,02
-3,64
13,27
9,85
18,17
-45,65
995
-22,93
-10,20
-6,07
4,08
18,56
-19,75
13,67
-55,77
996
-16,20
30,30
-6,02
7,80
-11,69
0,59
-16,41
27,80
997
17,47
8,99
15,44
-4,61
-5,14
-7,94
-11,80
71,38
998
-36,97
-15,52
-6,74
4,62
10,92
12,34
-2,67
-74,05
999
-3,24
9,21
9,18
2,58
-21,92
6,99
3,63
23,86
1000
-15,20
-15,52
13,55
-3,20
6,47
-13,34
16,04
-23,15
Abbildung 48: Ermittlung der Gesamtabweichungen mithilfe der Monte-CarloSimulation
185
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Die auf diese Weise ermittelte Datenreihe der Gesamtabweichungen wird analog zur Vorgehensweise bei der historischen Simulation als Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand betrachtet. Es wird daher aus der ungeordneten Liste der Gesamtabweichungen wiederum eine absteigend sortierte Liste angefertigt. Die Liquidity at Risk kann dann durch Ablesen ermittelt werden. Bei einem zu wählenden Konfidenzniveau von 99% und einer Anzahl von 1000 Werten entspricht die Liquidity at Risk dem 990. Wert der sortierten Liste, sodass noch 1% von 1000 Werten, d.h. 10 Werte kleiner als die gesuchte Liquidity at Risk sind. Folgende Abbildung 49 zeigt die Liquidity at Risk, die sich für unterschiedliche Konfidenzniveaus von 99%, von 90% und von 60% ergeben. Konfidenzniveau
Simulierte Gesamtabweichung
Liquidity at Risk
99%
- 77,86 TGE
77,86 TGE
90%
-43,55 TGE
43,55 TGE
60%
-18,96 TGE
18,96 TGE
Abbildung 49: Liquidity at Risk bei Monte-Carlo-Simulation für unterschiedliche Konfidenzniveaus 3.
Kritische Würdigung des Verfahrens
Der größte Vorteil der Monte-Carlo-Simulation liegt in deren Flexibilität. So können prinzipiell bei der Modellierung der Daten beliebige Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Risikoparameter unterstellt werden. Dieser Vorteil der Monte-CarloSimulation ist jedoch nicht unproblematisch, da stets eine Verteilung der Abweichungen in den einzelnen Zahlungsarten vorgegeben werden muss. Folgen nun die Abweichungen nicht der jeweils unterstellten Verteilung, wird das Ergebnis der Simulation der Realität nicht entsprechen. In diesem Zusammenhang wird vom Modellrisiko der Monte-Carlo-Simulation gesprochen.411 Ein weiterer Vorteil der Monte-Carlo-Simulation ist darin zu sehen, dass prinzipiell beliebig viele Simulationsdurchläufe vorgenommen werden können. Bei einer zu geringen Anzahl an Simulationsdurchläufen ist es möglich, dass die Anzahl der simulierten „Ausreißer“ am linken Rand der Verteilung, die zur Bestimmung des gewünschten (1-D)-Quantils von besonderer Relevanz sind, nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Dieser Umstand kann durch hinreichend viele Simulationsdurchläufe beseitigt werden, da mit zunehmender Anzahl der Simula411
Vgl. KROPP (Management 1999), S. 365
186
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
tionsdurchläufe eine immer bessere Annäherung an die tatsächliche Verteilung gelingt. Ein wesentlicher Nachteil der Monte-Carlo-Methode ist in deren Rechenaufwand zu sehen. So sind beispielsweise bei 50 Positionen im Finanzplan, d.h. 50 Risikoparametern, und 10.000 Simulationsdurchläufen 500.000 Zufallszahlen zu ziehen und zur Liquidity at Risk zu verknüpfen. Weiterhin problematisch ist die korrekte Erfassung der Abhängigkeiten der Risikoparameter. So wurden im obigen Beispielsfall für die Abweichungen in den einzelnen Zahlungsarten die Zufallszahlen unabhängig voneinander gezogen. Diese Vorgehensweise ist jedoch nur dann zulässig, wenn auch die Risikoparameter unabhängig voneinander sind. Weisen die Risikoparameter hingegen Korrelationen auf, was den Normalfall darstellen dürfte, sind diese Korrelationen entsprechend zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der Korrelationen erfolgt bei der Monte-Carlo-Simulation beim Ziehen der Zufallszahlen.412 Daher ist bei korrelierten Risikoparametern zu beachten, dass die Zufallszahlen unter Berücksichtigung der „korrekten“ Korrelationen erzeugt werden. Zur Umwandlung von unkorrelierten standardnormalverteilten Zufallszahlen in korrelierte Zufallszahlen wird bei der Monte-Carlo-Simulation i.d.R. auf die Kovarianzmatrix CM, die die Kovarianzen zwischen den einzelnen Risikoparametern abbildet, zurückgegriffen. Zunächst wird ein Vektor X bestehend aus N unabhängigen, normalverteilten Zufallszahlen erzeugt. Dazu können wieder gleichverteilte Zufallszahlen gezogen werden, die im Anschluss in standardnormalverteilte Zufallszahlen transformiert werden. Dieser Vektor X ist dann mit einer Matrix AT mit AT · A = CM zu multiplizieren. AT bezeichnet die transponierte Matrix von A. AT lässt sich erzeugen, indem die Zeilen und Spalten von A vertauscht werden. Der aus dieser mathematischen Verknüpfung resultierende Vektor Y beinhaltet schließlich die Zufallszahlen, die die korrekte Korrelation aufweisen.413 Es gilt demnach:414
Y
AT X T
Während der Vektor X erzeugt werden muss, ist die Matrix A aus der Kovarianzmatrix CM zu ermitteln. Da CM eine symmetrische Matrix darstellt, kann dieser Vorgang unter Zuhilfenahme der so genannten Cholesky-Zerlegung durchgeführt werden.415 Es seien 412 413 414 415
Vgl. DEUTSCH (Monte-Carlo-Simulation 2002), S. 395 Vgl. DEUTSCH (Monte-Carlo-Simulation 2002), S. 396 XT ist der transponierte Vektor X, d.h. die Vektoren werden nicht in Zeilenschreibweise, sondern in Spaltenschreibweise notiert. Vgl. DEUTSCH (Monte-Carlo-Simulationen 2002), S. 395-397. u. S. 416-423; ALEXANDER/LEIGH (Covariances 1997), S. 52; LIEBL (Simulation 1992), S. 50
187
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
CM
§ V1,1 V1,2 ¨ ¨ V 2 ,1 V 2 ,2 ¨ ¨ ¨ V i ,1 V i ,2 ©
V1, j · ¸ V 2, j ¸ und ¸ ¸ V i , j ¸¹
§ a1,1 a1,2 ¨ ¨ 0 a2 ,2 ¨ ¨ ¨ 0 0 ©
A
a1, j · ¸ a2 , j ¸ ¸ ¸ ai , j ¸¹
Die einzelnen Elemente ai,j der (NxN)-Matrix A lassen sich rekursiv wegen der aufgrund der Matrizenmultiplikation CM = AT · A geltenden Beziehungen durch folgende Rekursionsformeln ermitteln:416
ai ,i
i 1 § · ¨ V i ,i ¦ a 2 ¸ i , k ¸ ¨ k 1 © ¹
0 ,5
i 1 · 1 §¨ V ¦ ai ,k a j ,k ¸ i , j ¸ ai ,i ¨© k 1 ¹
resp. ai , j
0 ,5
mit j i 1, ..., N Da der Rechenaufwand mit zunehmender Anzahl der Risikoparameter sehr stark ansteigt und die Rechnung selbst schnell unübersichtlich wird, wird die Berücksichtigung der korrekten Korrelationen bei der Monte-Carlo-Simulation am Beispiel von drei Zahlungsarten aufgezeigt, deren Abweichungen die in der folgenden Kovarianzmatrix CM aufgeführten Kovarianzen aufweisen.
CM
§ 3 4 5· ¨ ¸ ¨4 6 7¸ ¨5 7 9¸ © ¹
Aus der Kovarianzmatrix wird nun unter Zuhilfenahme der Rekursionsformeln die Matrix A wie folgt konstruiert: 0 0 · § 1,73 ¨ ¸ 0 ¸ , wobei ¨ 2,31 0,81 ¨ 2 ,89 0 ,40 0 ,70 ¸ © ¹
T
A
a1,1
a2 ,2
3 1,73 , a2 ,1
6 2 ,312
a3,3
416
Vgl. MEYER (Value 1999), S. 443
4 1,73
2 ,31 , a3,1
0 ,81 , a3,2
5 1,73
7 2 ,31 2 ,89 0 ,81
9 2 ,892 0 ,402
0 ,70
2 ,89
0 ,40
188
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Um den Vektor Y zu erzeugen, der die Zufallszahlen mit den korrekten Korrelationen beinhaltet, werden bei 1000 Simulationsläufen 1000 (3x1)-Vektoren X mit standardnormalverteilten Zufallszahlen generiert. Ein Beispiel für einen solchen Vektor sei X1 = (0,46 0,60 0,45). Der Vektor Y lässt sich dann wie folgt ermitteln:
Y
0 0 · § 1,73 ¨ ¸ 0 ¸ ¨ 2 ,31 0 ,81 ¨ 2 ,89 0 ,40 0 ,70 ¸ © ¹
§ 0 ,46 · ¨ ¸ ¨ 0 ,60 ¸ ¨ 0 ,45 ¸ © ¹
§ 0 ,80 · ¨ ¸ ¨ 1,54 ¸ ¨ 1,88 ¸ © ¹
Die Beurteilung der Prognosegüte der Monte-Carlo-Simulation ist im Allgemeinen aufgrund der Flexibilität des Verfahrens schwierig.417 Eine solche Beurteilung kann lediglich bezogen auf einen speziellen Fall vorgenommen werden und hängt dann entscheidend davon ab, ob die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Risikoparameter korrekt antizipiert wurden. Da es notwendig ist, für jeden Risikoparameter eine Wahrscheinlichkeitsverteilung anzugeben sowie die Abhängigkeiten zwischen den Risikoparametern realitätsgerecht wiederzugeben, besteht ein hohes Modellrisiko. Es bleibt daher festzuhalten, dass jede Fehlspezifikation, die durch eine fehlerhafte resp. realitätsferne Parametervorgabe bedingt ist, dazu führt, dass das tatsächliche Risikopotenzial nicht korrekt abgebildet wird und es somit zu einer verzerrten Darstellung der Risikosituation kommt. Zur Verringerung der Komplexität und des Rechenaufwandes kann auf den Monte-Carlo-Gitter-Ansatz (Monte-Carlo-grid-approach), der eine Variante der MonteCarlo-Simulation darstellt, zurückgegriffen werden.418 Beim Monte-Carlo-GitterAnsatz werden bestimmte Risikoparameter einer Restriktion unterworfen. So können z.B. für einige Risikoparameter bestimmte Wertbereiche, die dann in bestimmte Intervalle eingeteilt werden, vorgegeben werden. Eine solche Vorgehensweise ist dann sinnvoll, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sich die Realisationen der einzuschränkenden Risikoparameter auf bestimmte Wertbereiche beschränken. Dies führt dazu, dass die auch die Auswahl der Zufallszahlen auf die Ziehungen bestimmter (Gitter-)Werte reduziert wird, was letztlich die Komplexität des Modells und den Rechenaufwand verringert.
417 418
Vgl. MEYER (Value at Risk 1999), S. 208 Vgl. ESTRELLA (Series 1995), S. 16
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
189
III. Vergleichende Gegenüberstellung der Verfahren zur Messung der Liquidity at Risk In einer abschließenden Betrachtung sollen die Methoden zur Berechnung der Liquidity at Risk im Hinblick auf ihre methodenspezifischen Vor- und Nachteile verfahrensübergreifend gewürdigt werden. Die Gegenüberstellung soll dabei nach den Kriterien
x Prämissen und theoretische Restriktionen, x Anforderungen an die Datenqualität, x Transparenz der Ergebnisse und x besondere Stärken und Schwächen erfolgen. Im Rahmen der Diskussion der verfahrensspezifischen Prämissen und theoretischen Restriktionen ist für die parametrischen Verfahren zuerst die Verteilungsannahme anzuführen. So wurde für diese Verfahren unterstellt, dass die Risikoparameter einer Normalverteilung folgen. Zusätzlich wurde im Rahmen des disaggregierten parametrischen Ansatzes ein Erwartungswert für die Risikoparameter von Null angenommen. Diese Annahme war erforderlich, um die Korrelationen zwischen den einzelnen Risikoparametern in Form der Korrelationskoeffizientenmatrix zu erfassen und zu verarbeiten. Darüber hinaus wurde für die Verteilungsparameter Stationarität gefordert. Im Vergleich zu den parametrischen Verfahren weist die historische Simulation weniger Prämissen und Restriktionen auf. So sind bei der historischen Simulation keine Verteilungsannahmen erforderlich, da bei diesem Verfahren die empirische Verteilung der Risikoparameter als Basis zur Ermittlung der Liquidity at Risk dient. Durch den Verzicht auf Verteilungsannahmen sind auch keine statistischen Parameter zu berechnen. Die Anwendung der historischen Simulation setzt jedoch die Stationarität der Verteilung der Risikoparameter voraus. Nur für diesen Fall ist es zulässig, dass die beobachteten Daten aus der Vergangenheit zur Beschreibung der zukünftigen Entwicklung der Risikoparameter herangezogen werden dürfen. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, liefert die historische Simulation trotz der geringen Anzahl an Prämissen falsche Ergebnisse. Auch der Einsatz der Monte-Carlo-Methode ist mit einer Verteilungsannahme der Risikoparameter verbunden, wobei jedoch im Gegensatz zu den parametrischen Verfahren prinzipiell jede beliebige Verteilung zu Grunde gelegt werden kann. Damit ist die Verteilungsprämisse grundsätzlich weniger restriktiv als bei den parametrischen Verfahren. Die Verteilungsprämisse wird im Rahmen der Monte-Carlo-Simulation zudem auf die korrekte Erfassung der Parameter der den Risikoparametern zu Grunde liegenden Verteilung reduziert.
190
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Die Anforderung der analytischen Verfahren an die zu Grunde liegende Datenbasis kann als hoch beschrieben werden. So sind bei diesen Verfahren die Verteilungsparameter der Risikopositionen aus den historischen Daten zu ermitteln. Zusätzlich ist beim disaggregierten parametrischen Ansatz auf der Basis der Vergangenheitsdaten die Ermittlung der Korrelationen zwischen den Risikoparametern erforderlich. Auch die historische Simulation stellt relativ hohe Anforderungen an die Datenbasis, die jedoch gegenüber den parametrischen Verfahren geringer ausfallen. Zwar sind für den Einsatz der historischen Simulation die Ausprägungen der Risikoparameter in der Vergangenheit zu ermitteln, dafür entfällt jedoch die Bestimmung der Verteilungsparameter und auch der Korrelationen. Die Anforderungen der Monte-Carlo-Simulation an die Datenbasis sind ähnlich wie bei der historischen Simulation. So sind historische Zeitreihen erforderlich, um die Verteilungsparameter der unterstellten Verteilungen der Risikoparameter zu ermitteln. In Bezug auf die Nachvollziehbarkeit weisen die beschriebenen Ansätze verschieden hohe Anforderungen an den Anwender auf. Dabei stellt die historische Simulation das einfachste und eingängigste Verfahren dar. Demgegenüber sind zum Verständnis der parametrischen Verfahren und auch der Monte-Carlo-Simulation statistische Kenntnisse erforderlich. Die Frage nach der relativen Prognosegüte wird aufgeworfen, da die verschiedenen Ansätze zur Ermittlung der Liquidity at Risk trotz Anwendung auf die gleiche Situation zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Diese Frage kann jedoch nicht abschließend geklärt werden. Es ist aber hinsichtlich der Beurteilung der Güte der Ansätze festzuhalten, dass unrealistische Prämissen prinzipiell alle Varianten der Liquidity-at-Risk-Ermittlung betreffen können und zu einer Verzerrung der Quantifizierung des Risikopotenzials führen können. Dies gilt für die parametrischen Verfahren und für die Monte-Carlo-Simulation insbesondere dann, wenn für die Risikoparameter eine nicht zutreffende Verteilung unterstellt wird, und für die historische Simulation, wenn die beobachtete Verteilung der Risikoparameter nicht stationär ist. Im Rahmen der allgemeinen Beurteilung von Simulationsverfahren wird häufig die Monte-Carlo-Simulation gegenüber der historischen Simulation bevorzugt.419 Dieser pauschalen Aussage kann jedoch nicht gefolgt werden. Vielmehr weisen sowohl die historische Simulation als auch die Monte-CarloSimulation spezifische Stärken und Schwächen auf, die bei einer Beurteilung zu berücksichtigen sind. Letztlich muss im konkreten Einzelfall entschieden werden, welchem Verfahren der Vorzug zu geben ist. Daher kann nicht allgemeingültig geklärt werden, ob es besser ist, für die zukünftigen Ausprägungen der Risikoparameter eine bestimmte Verteilung zu unterstellen oder einfach die in der Vergangenheit beobachtete Häufigkeitsverteilung in die Zukunft fortzuschreiben. 419
Vgl. HOLTON (Simulating 1998), S. 62
191
2. Teil: Liquiditätsrisiko und Ansätze zu seiner Messung
Abschließend ist zu betonen, dass keines der dargestellten Verfahren in der Lage ist, die Realität exakt abzubilden. Dies ist bereits deshalb nicht möglich, da eine Prognose des Liquiditätsrisikos auf der Basis von Vergangenheitsdaten nicht gelingen kann. Damit wird aber auch deutlich, dass die Ermittlung der Liquidity at Risk keine mathematisch korrekte Quantifizierung des Liquiditätsrisikos darstellen kann. Vielmehr soll die Liquidity at Risk das Liquiditätsrisiko lediglich approximieren. Folgende Abbildung 50 fasst die wesentlichen Aspekte der beschriebenen parametrischen und simulativen Ansätze zur Bestimmung der Liquidity at Risk zusammen. Aggregierter parametrischer Ansatz
Disaggregierter parametrischer Ansatz
Historische Simulation
Monte-CarloSimulation
Verfahren
parametrisch
parametrisch
simulativ/ nichtparametrisch
simulativ/ nichtparametrisch
Verteilungsannahme
erforderlich
erforderlich
nicht erforderlich
erforderlich
Anspruch an die Datenbasis
mittel, Verteilungsparameter der Verteilungen der Risikoparameter
hoch, Verteilungsparameter der Verteilungen der Risikoparameter und Korrelationskoeffizientenmatrix der Risikoparameter
mittel, historische Zeitreihen der Risikoparameter
mittel bis hoch, historische Zeitreihen zur Schätzung der Parameter der unterstellten Verteilung
Abhängigkeit von Korrelationen
nein
ja
nein
ja
Berücksichtigung von Schiefe und Kurtosis
nein
nein
ja
durch die freie Wahl der Verteilung möglich
Modellrisiko
mittel
hoch
gering
hoch
Besondere Stärken
einfach kommunisehr einfach vereinfach kommunisehr flexibel, da zierbar und verständ- zierbar und verständ- ständlich, Berechkeine Verteilungsrenung der Korrelatio- striktion lich lich, nen nicht erforderlich Offenlegung von Risikoverbundeffekten
Besondere Schwächen
restriktive Prämissen
sehr restriktive Prämissen
Stationarität der Verteilung der Risikoparameter muss erfüllt sein
Erfassung der Korrelationen schwierig, Komplexität des Modells
Abbildung 50: Gegenüberstellung der Methoden zur Bestimmung der Liquidity at Risk
193
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos Im zweiten Hauptteil dieser Arbeit wurden grundlegende Ansätze zur Messung des Liquiditätsrisikos aufgezeigt. Es stellt sich nunmehr die Frage, wie das Liquiditätsrisiko adäquat gesteuert werden kann. Hierzu werden im Abschnitt A dieses Hauptteils zunächst die aktiven und die passiven Maßnahmen der Bewältigung des Liquiditätsrisikos erörtert. Der Abschnitt B dieses Teils widmet sich der Bewältigung des Liquiditätsrisikos mithilfe der Risikovorsorge, bei der zur Bewältigung der finanziellen Konsequenzen von Risikoeintritten unternehmenseigene Risikodeckungsmassen reserviert werden. Im Folgenden wird mit dem Risikotragfähigkeitskalkül ein Leitbild für die Abstimmung von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen erörtert. Weiterhin werden verschiedene Arten von Risikodeckungsmassen identifiziert und hinsichtlich einiger Unterscheidungskriterien diskutiert. Schließlich wird demonstriert, wie ein Abgleich der Risikodeckungsmassen mit dem mithilfe der Liquidity at Risk gemessenen Risikopotenzial grundlegend vorgenommen werden kann. Die Vorgehensweise wird anhand eines Beispiels verdeutlicht. Im Abschnitt C dieses Teils wird eine kritische Würdigung des Liquidity-at-Riskbasierten Systems zur Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos durchgeführt, bei der die Vor- und Nachteile des konzipierten Systems gegenübergestellt werden. Die Arbeit endet mit einer Darstellung des über diese Arbeit hinausgehenden, weiteren Forschungsbedarfs.
194
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
A. Bewältigung des Liquiditätsrisikos als Basis der Risikosteuerung I.
Systematisierung der Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos
Im Risikomanagement werden verschiedene Maßnahmen der Risikobewältigung eingesetzt. Eine häufig vorgenommene Form der Systematisierung der Maßnahmen der Risikobewältigung trifft die Unterscheidung in aktive und passive Maßnahmen der Risikobewältigung.420 Aktive Maßnahmen der Risikobewältigung versuchen, die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Tragweite des Risikos zu verringern. Solche Maßnahmen setzen demnach an den Risikodeterminanten an und zielen auf die Steuerung der Risikostruktur ab. Aktive Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos treten in Gestalt der Risikovermeidung, der Risikominderung und der Risikodiversifikation auf. Während im Rahmen der Risikovermeidung beabsichtigt wird, den Eintritt des Liquiditätsrisikos gänzlich zu vermeiden, werden im Rahmen der Risikominderung die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Tragweite des Liquiditätsrisikos vermindert. Schließlich wird mittels der Risikodiversifikation eine Aufteilung des Liquiditätsrisikos in mehrere nicht positiv miteinander korrelierte Einzelrisiken angestrebt. Gegenüber den aktiven Maßnahmen der Risikobewältigung ist es nicht das Ziel der passiven Maßnahmen, die Risikostruktur zu verändern. Im Rahmen des Einsatzes von passiven Maßnahmen bleibt das Risiko bestehen. Passive Maßnahmen der Risikobewältigung umfassen vielmehr solche Maßnahmen, die darauf abzielen, die Konsequenzen schlagend gewordener Risiken aufzufangen. 421 Als passive Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos lassen sich der Transfer des Liquiditätsrisikos und die Risikovorsorge differenzieren. Im Gegensatz zum Transfer des Liquiditätsrisikos, bei dem die Konsequenzen des Eintritts des Liquiditätsrisikos auf Dritte übertragen werden, beinhaltet die Risikovorsorge den Aufbau von Deckungsmassen, um die Folgen des Eintritts des Liquiditätsrisikos selbst tragen zu können. Folgende Abbildung 51 fasst die Maßnahmen der Bewältigung des Liquiditätsrisikos zusammen.
420 421
Vgl. HÖLSCHER (Konzeption 2002), S. 13; HÖLSCHER/KALHÖFER/BONN (Bewertung 2005), S. 493 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 84
195
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
Aktive Risikobewältigung Risikovermeidung
Risikominderung
Risikodiversifikation
Gestaltung der Risikostrukturen
Passive Risikobewältigung Risikotransfer
Risikovorsoge
Lässt Risikostrukturen unverändert
Abbildung 51: Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos
II.
Aktive Maßnahmen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos
1.
Risikovermeidung
Die Risikovermeidung stellt die radikalste Form der Risikobewältigung dar.422 Im Rahmen der Risikovermeidung wird das Ziel verfolgt, die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos auf Null zu setzen, sodass die Möglichkeit des Eintritts des Risikos gänzlich eliminiert wird. Eine Risikovermeidung lässt sich i.d.R. nur durch einen Verzicht auf die mit dem jeweiligen Risiko verbundene Maßnahme erreichen. Beispielsweise kann das Produktionsrisiko einer Anlage nur durch die Stilllegung dieser Anlage vermieden werden. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass mit der Risikovermeidung gleichzeitig auch ein Verlust der mit dem Risiko einher gehenden Chance verbunden ist. Die Risikovermeidung gehört zu den aktiven Maßnahmen der Risikobewältigung. Zur Vermeidung des Liquiditätsrisikos ist die Eintrittswahrscheinlichkeit des Liquiditätsrisikos auf Null zu setzen, d.h. es ist sicher zu stellen, dass der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln niemals den geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln unterschreitet. Dies ist prinzipiell dann zu erreichen, wenn die Finanzplanung unter Sicherheit durchgeführt werden könnte. Hierzu wäre es einerseits erforderlich, sämtliche Zahlungen im Finanzplan auszuweisen. Andererseits müssten diese Zahlungen auch betrags- und zeitpunktgenau vorhergesagt werden. Dies ist jedoch bereits auf Grund der Unsicherheit, der die 422
Vgl. HÖLSCHER (Konzeption 2002), S. 14
196
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Prognose der zukünftigen Ein- und Auszahlungen unterliegt, nicht möglich. Als besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang die Vorhersage der Einzahlungen aus Umsatzerlösen anzuführen, da diese Einzahlungen i.d.R. weitestgehend fremdbestimmt sind und sich daher einer betrags- und zeitpunktgenauen Prognose entziehen. 2.
Minderung des Liquiditätsrisikos
Die Risikominderung stellt eine Form der Risikobewältigung dar, bei der die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Tragweite eines Risikos zwar reduziert, aber nicht gänzlich eliminiert werden. Durch die Risikominderung werden die Risikodeterminanten ggf. auf ein akzeptables Maß verringert, es bleibt nach der Risikominderung jedoch noch ein Restrisiko bestehen. Die Risikominderung lässt sich den aktiven Maßnahmen der Risikobewältigung eindeutig zuordnen, da sie an den Risikostrukturen ansetzt.423 Um eine Minderung des Liquiditätsrisikos zu erreichen, sind die Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder die Tragweite des Liquiditätsrisikos zu verringern. Die Minderung des Liquiditätsrisikos ist eng mit der Qualität der Finanzplanung verbunden. Denn je genauer die Finanzplanung den Endbestand an Zahlungsmitteln der Planungsperiode vorherzusagen in der Lage ist, umso geringer ist das Liquiditätsrisiko. Die Güte der Finanzplanung wird insbesondere durch die in die Planung einfließenden Informationen und durch die zur Prognose der einzelnen Zahlungen verwendeten Prognoseverfahren bestimmt. Eine Minderung des Liquiditätsrisikos lässt sich daher insbesondere dann erreichen, wenn es gelingt, die Informationsgewinnung und Informationsverarbeitung zu verbessern. Eine Verbesserung der Informationsgewinnung ist beispielsweise durch die Nutzung besserer Informationsquellen möglich. Die Güte der Informationsverarbeitung lässt sich ggf. durch die Verwendung besserer Prognoseverfahren steigern. Eine Minderung des Liquiditätsrisikos lässt sich aber auch dadurch erreichen, wenn es gelingt, die Maßnahmen, die den Ein- und Auszahlungen zugrunde liegen, derart zu beeinflussen, dass sich die resultierenden Zahlungen mit einem höheren Grad an Sicherheit einstellen. Solche Eingriffe können sehr vielfältig sein und ihren Ursprung sowohl im leistungswirtschaftlichen als auch im finanzwirtschaftlichen Bereich haben. Leistungswirtschaftlich induzierte Zahlungen lassen sich ggf. durch entsprechende Preis- und Mengenvereinbarungen mit Kunden resp. Lieferanten absichern. So können beispielsweise mit Kunden Verträge geschlossen werden, die den Verkaufspreis, die Verkaufsmenge und das Datum, an dem die Zahlung zu erfolgen hat, eindeutig festlegen. Ist eine solche Fixierung des 423
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 85
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
197
Zahlungszeitpunktes nicht möglich oder nicht üblich, kann durch eine geeignete Skontopolitik versucht werden, die Unsicherheit des Zahlungseingangs in zeitlicher Hinsicht zumindest auf eine Bandbreite möglicher Zahlungstermine zu reduzieren. Dabei ist aber zu beachten, dass es z.B. infolge der Ausnutzung von Marktmacht selbst bei vertraglich vereinbarten Zahlungsterminen und -beträgen zu Terminüberschreitungen oder Unterschreitungen der vereinbarten Zahlungsbeträge kommen kann. Neben dem Ausbedingen von Anzahlungen wirkt sich auch eine zeitnahe und korrekte Rechnungsstellung mindernd auf das Liquiditätsrisiko aus. Während eine Anzahlung den noch ausstehenden Rechnungsbetrag und damit die Tragweite des Liquiditätsrisikos reduziert, trägt eine sachlich und inhaltlich korrekt erstellte Rechnung zu einem reibungslosen Bezahlvorgang bei, indem Rückfragen und ggf. eine neue Rechnungsstellung vermieden werden, die zu Verschiebungen des Zahlungstermins führen können. Weiterhin lässt sich auch durch die Wahl einer geeigneten Zahlungsart eine Verminderung des Liquiditätsrisikos bewirken. Wird beispielsweise mit einem Kunden eine Zahlung auf Ziel vereinbart, so obliegt der Zahlungsvorgang prinzipiell einer unternehmensexternen Disposition und ist damit hinsichtlich des genauen Termins des Eingangs der Zahlung unsicher. Gelingt es aber, den Kunden zur Teilnahme am Lastschriftverfahren zu bewegen, kann der Zahlungstermin aufgrund einer Globalzustimmung des Kunden unternehmensintern bestimmt werden. Auch die eigene Lieferbereitschaft beeinflusst die Höhe und den zeitlichen Anfall von Umsatzeinzahlungen. Wurde beispielsweise vertraglich geregelt, dass ein Kunde erst nach Erhalt der vereinbarten Leistung zahlen soll, kann das Liquiditätsrisiko gemindert werden, wenn es gelingt, die vertraglich vereinbarte Leistung planmäßig zu liefern. In diesem Fall mindern grundsätzlich sämtliche Maßnahmen, die zu einer verbesserten Lieferfähigkeit führen, das Liquiditätsrisiko. Ein Beispiel für die Verbesserung der Lieferfähigkeit ist der Aufbau von Einsatz- bzw. Absatzlagern. Während in Einsatzlager bestandsfähige Einsatzgüter, z.B. Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe gespeichert werden, werden in Absatzlager fertig gestellte Produkte, sofern sie lagerfähig sind, eingestellt.424 Mithilfe der in den Lagern eingestellten Güter resp. Produkte können z.B. Produktionsengpässe oder Engpässe an den Beschaffungsmärkten derart kompensiert werden, dass die Lieferfähigkeit erhalten bleibt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass mit der Lagerung von Einsatzgütern bzw. Fertigprodukten i.d.R. auch Kosten z.B. in Form von Raumkosten verbunden sind. Darüber hinaus ist die Lagerung von Fertigerzeugnissen auch aus Liquiditätssicht nicht unproblematisch, da in den Fertiger424
Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 203
198
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
zeugnissen Kapital gebunden ist, das nur dann zur Kompensation eines eventuell auftretenden Liquiditätsrisikos eingesetzt werden kann, wenn sie zeitnah veräußert werden können. Weiterhin bestehen bei den leistungswirtschaftlich induzierten Auszahlungen Ansatzpunkte zur Reduktion des Liquiditätsrisikos. Im Rahmen von Auszahlungen für Material kann ein höherer Grad an Sicherheit erreicht werden, wenn mit den Lieferanten langfristige Preisvereinbarungen getroffen werden, die es ermöglichen, das benötigte Material zu festgelegten Preisen zu beziehen. Diese Maßnahme, die zu einer besseren Planbarkeit der Auszahlungen für Material führt, wirkt sich bei einem allgemein ansteigenden Preisniveau des benötigten Materials aufgrund der Festpreisvereinbarung günstig auf die Liquiditätslage aus, da nur die vereinbarten Preise zu zahlen sind. Problematisch ist jedoch der Fall, wenn durch die Vereinbarung von einem allgemein sinkenden Preisniveau nicht profitiert werden kann. Den Zusammenhang zwischen der Begründung einer Auszahlungsverpflichtung und dem Zahlungsakt stellen die Zahlungsbedingungen her.425 Mit der Voraus-, Bar-, Ziel- und Ratenzahlung verfügt ein Unternehmen über einen Aktionsparameter, den sie ggf. zur Steuerung ihrer Zahlungsmittelbewegungen nutzen kann. Zur Minderung des Liquiditätsrisikos ist es dabei von besonderer Relevanz, dass der Zeitpunkt der Auszahlung mit hoher Sicherheit vorhergesagt werden kann. Dies ist bei unternehmensintern veranlassten Auszahlungen eher der Fall als bei unternehmensextern veranlassten Auszahlungen. Daher sollte eine Zahlungsart bevorzugt werden, die es ermöglicht, den Auszahlungstermin selbst zu disponieren. Eine dem Lieferanten erteilte Erlaubnis zum Einzug des Rechnungsbetrages per Lastschriftverfahren, ist wegen der unternehmensexternen Disposition des Auszahlungstermins in dieser Perspektive abzulehnen. Auch innerhalb des Finanzbereichs lassen sich Maßnahmen vornehmen, die eine Minderung des Liquiditätsrisikos bewirken. Im Rahmen von Finanzanlagen sind die Anlagemöglichkeiten, die in Bezug auf Betrag und Zeitpunkt der Rückflüsse ein hohes Maß an Sicherheit aufweisen, gegenüber den Anlageformen zu präferieren, aus denen Rückflüsse mit einem geringeren Grad an Sicherheit hinsichtlich Betrag und Zeitpunkt erzielt werden können. Weiterhin lässt sich im Zuge der Kapitalbeschaffung eine Minderung des Liquiditätsrisikos erreichen, indem solche Formen gewählt werden, die mit einem Kapitaldienst verbunden sind, der in Bezug auf Zeitpunkt und Betrag der Zahlungen mit nur geringer Unsicherheit behaftet ist. Aus dieser Perspektive sind beispielsweise festverzinsliche Kredite den variabel verzinslichen Krediten vorzuziehen, da bei letzteren die Höhe der Zinszah425
Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 17
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
199
lungen variieren und sich daher i.d.R. einer betraglich exakten Prognose entziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die angeführten Maßnahmen zur Minderung des Liquiditätsrisikos auch nachteilig auf die Liquidität und auch auf die Rentabilität auswirken können. Eine solche nachteilige Wirkung ist z.B. dann gegeben, wenn im Rahmen einer Kreditaufnahme mit einer Festzinsvereinbarung kein Vorteil durch ein sinkendes Zinsniveau erreicht werden kann. Denn in diesem Fall sind bezogen auf einen Kredit mit niedrigerem Zinssatz höhere Zinszahlungen zu leisten, die sich auch auf die Rentabilität auswirken, da die Zinszahlungen erfolgswirksam sind.426 3.
Diversifikation des Liquiditätsrisikos
Die dritte Strategie im Rahmen der aktiven Risikobewältigung stellt die Risikodiversifikation dar. Bei der Risikodiversifikation wird ein Gesamtrisiko in mehrere möglichst nicht positiv miteinander korrelierte Einzelrisiken zerlegt.427 Die Zerlegung wird so vorgenommen, dass die Einzelrisiken die gleiche Eintrittswahrscheinlichkeit wie das Gesamtrisiko aufweisen, jedoch über eine geringere Tragweite verfügen. Die Risikodiversifikation wirkt auf die Tragweite eines Risikos ein und wird daher zu den aktiven Maßnahmen der Risikobewältigung gezählt.428 Beliefert ein Unternehmen lediglich einen Kunden, besteht für die gesamten Einzahlungen aus Umsatzerlösen des Unternehmens ein starkes Abhängigkeitsverhältnis von der Zahlungsbereitschaft und der Zahlungsfähigkeit des Kunden. Zahlt der Kunde nämlich nicht, da er möglicherweise selbst zahlungsunfähig ist, fallen die gesamten erwarteten Einzahlungen aus Umsatzerlösen aus. Ein Kundenstamm, der lediglich aus einem einzigen Kunden besteht, stellt demnach für die Liquiditätssituation eines Unternehmens ein hohes Maß an Unsicherheit dar. Eine Diversifikation des Liquiditätsrisikos kann in diesem Fall durch eine Ausweitung des Kundenstamms erreicht werden. Wird nicht nur ein Kunde beliefert, sondern verfügt ein Unternehmen bei gleichem Umsatzvolumen über mehrere Kunden, so wirkt sich das Ausbleiben der Zahlungen eines Kunden nicht gleichermaßen gravierend aus als im ersten Fall. Wurde im Rahmen der Minderung des Liquiditätsrisiko bereits die eigene Lieferfähigkeit als Grundvoraussetzung zum Erhalt von Umsatzeinzahlungen identifiziert, gilt dies auch für die Diversifizierung des Liquiditätsrisikos. So können Maßnahmen der Diversifikation einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit leisten. So lässt sich beispielsweise im Produktionsbereich durch den Auf-
426 427 428
Vgl. WEBER/ROGLER (Rechnungswesen 2004), S. 277 Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 354 Vgl. HÖLSCHER (Gestaltungsformen 1999), S. 328-329
200
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
bau von räumlichen getrennten identischen Produktionsanlagen die Tragweite eines Produktionsausfalls reduzieren und somit die Gefahr einer Lieferunfähigkeit verringern. Gleiches gilt für die Anzahl der Lieferanten. Verfügt ein Unternehmen lediglich über einen Lieferanten und kann dieser Lieferant eine vereinbarte Leistung nicht erbringen, leidet ggf. die eigene Lieferfähigkeit. Eine Diversifikation des Liquiditätsrisikos kann in diesem Zusammenhang erreicht werden, wenn z.B. eine benötigte Menge an Material nicht über einen Lieferanten, sondern jeweils in kleineren Bestellmengen aufgeteilt über mehrere Lieferanten bezogen wird.
III. Risikotransfer als passive Maßnahme zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos 1.
Transfer des Liquiditätsrisikos mithilfe der Versicherung
Neben den aktiven Maßnahmen der Risikobewältigung existieren weiterhin die passiven Maßnahmen der Risikobewältigung. Charakteristisch für die passiven Maßnahmen der Risikobewältigung ist, dass weder auf die Eintrittswahrscheinlichkeit noch auf die Tragweite eines Risikos Einfluss genommen wird. Maßnahmen der passiven Risikobewältigung haben zum Ziel, dafür Sorge zu tragen, dass die Existenz eines Unternehmens bei einem Risikoeintritt nicht gefährdet ist, d.h. dass die finanziellen Konsequenzen schlagend gewordener Risiken aufgefangen werden können.429 Es handelt sich bei diesen Maßnahmen jedoch nicht um Aktivitäten, die erst nach einem Risikoeintritt durchgeführt werden. Vielmehr werden die Maßnahmen der passiven Risikobewältigung vor einem Risikoeintritt eingeleitet.430 Beim Risikotransfer handelt es sich um eine Form der passiven Risikobewältigung, bei der ein Unternehmen die wirtschaftlichen Konsequenzen von Risiken auf externe Risikoträger überwälzt. Eine klassische Form des Risikotransfers stellt die Versicherung dar. Im Rahmen einer Versicherung transferiert ein Unternehmen (Versicherungsnehmer) die finanziellen Konsequenzen eines Risikos auf ein anderes Unternehmen, das als Versicherungsunternehmen bezeichnet wird.431 Das Versicherungsunternehmen gibt dem Versicherungsnehmer ein Schutzversprechen, im Falle des Eintritts eines versicherungsrelevanten Schadens die vertraglich vereinbarte Versicherungsleistung zu übernehmen. Für diese Leistung verpflichtet sich der Versicherungsnehmer, an das Versicherungsunternehmen eine Prämie, die 429 430 431
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 87 Vgl. RÜCKER (Finanzierung 1999), S. 120 Vgl. FARNY (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 14; HÖLSCHER (Lebensversicherung 1994), S. 7; KALHÖFER (Kalkulation 2001), S. 20
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
201
so genannte Versicherungsprämie, zu zahlen.432 Damit transformiert der Versicherte einen ungewissen, künftigen Geldbedarf infolge eines Risikoeintritts in eine sichere und vom Betrage geringere Zahlungsverpflichtung. Dabei kann die Versicherungsprämie als Preis für den Risikotransfer interpretiert werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Versicherung einen Risikoeintritt nicht verhindern kann. Vielmehr können durch eine Versicherung nur die finanziellen Auswirkungen eines Risikoeintritts begrenzt werden. Für die Versicherungsmärkte gilt gleichsam wie für alle anderen Märkte auch das Prinzip von Angebot und Nachfrage, d.h. dass grundsätzlich jedes Risiko versicherbar ist, vorausgesetzt, der Versicherungsnehmer zahlt an das Versicherungsunternehmen eine Prämie in ausreichender Höhe. Für die Entscheidung, ob ein Versicherungsunternehmen die finanziellen Konsequenzen eines Risikos übernimmt, lassen sich verschiedene Faktoren identifizieren. Zu diesen Faktoren zählen insbesondere die Ziele des Versicherungsunternehmens und dessen Entscheidungsfeld, die Produktionsfaktorkapazitäten des Versicherungsunternehmens, der vorhandene Versicherungsbestand sowie die Charakteristika des zu versichernden Risikos.433 Damit es zu einer Risikoübernahme durch ein Versicherungsunternehmen kommt, sollte ein Risiko bestimmte Charakteristika aufweisen. Die Charakteristika des zu versichernden Risikos werden i.d.R. anhand von Kriterien der Versicherbarkeit überprüft. Bei diesen Kriterien der Versicherbarkeit handelt es sich um eine von der Versicherungsbranche weitgehend anerkannte Beschreibung von geforderten Eigenschaften von Risiken. Die Erfüllung dieser Eigenschaften wirkt sich günstig auf die Möglichkeit der Versicherung aus, d.h. je eher ein Risiko die Kriterien erfüllt, desto wahrscheinlicher wird die Möglichkeit der Versicherung des Risikos. Von besonderer Relevanz ist das Kriterium der Zufälligkeit.434 Das Kriterium der Zufälligkeit nimmt Bezug auf das Ereignis, das die Versicherungsleistung auslöst sowie dessen Schadenfolgen. Mit diesem Kriterium wird die Forderung verbunden, dass das die Versicherungsleistung auslösende Ereignis sowie dessen Schadenfolgen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für die beteiligten Vertragspartner ungewiss und nicht beeinflussbar sind. Es muss demnach einerseits Ungewissheit über das Entstehen, den Schadenszeitpunkt sowie das Schadenausmaß des Versicherungsfalls vorliegen. Andererseits muss der Versicherungsfall vom Verhalten und Willen des Versicherungsnehmers unabhängig sein.
432 433 434
Vgl. SCHIERENBECK/HÖLSCHER (BankAssurance 1998), S. 197 Vgl. FARNY (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 37 Vgl. KARTEN (Problem 1972), S. 287; FARNY (Versicherungsbetriebslehre 2000), S. 37-40
202
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Damit die Zufälligkeit hinsichtlich des Liquiditätsrisikos erfüllt ist, darf einerseits bei Vertragsabschluss nicht bekannt sein, ob, in welcher Höhe und wann das Liquiditätsrisiko schlagend wird. Während diese Aspekte für das Liquiditätsrisiko bejaht werden können, was sich implizit aus den bei der Definition des Liquiditätsrisikos angeführten Komponenten dieses Risikos ergibt, stellt die Unbeeinflussbarkeit für die Versicherbarkeit des Liquiditätsrisikos eine große Herausforderung dar. Die Unbeeinflussbarkeit bringt die Forderung zum Ausdruck, dass sichergestellt ist, dass der Risikoeintritt durch das Verhalten des Versicherungsnehmers nicht beeinflusst werden kann. Der Eintritt des Liquiditätsrisikos wird durch das Auseinanderfallen von Istwert und Planwert des Zahlungsmittelendbestandes einer Periode initiiert. Dabei ist festzuhalten, dass grundsätzlich beide Werte dem Einfluss der mit der Finanzplanung betrauten Instanzen des Unternehmens unterliegen. So entsteht der Planwert für den Endbestand an Zahlungsmitteln einer Periode i.d.R. durch Prognose der Ein- und Auszahlungen der Periode mithilfe von Prognoseverfahren, wobei die Plan-Einzahlungen zum Plan-Anfangsbestand an Zahlungsmitteln hinzugezählt werden und die Plan-Auszahlungen dann subtrahiert werden. Letztlich werden die Planwerte für die Ein- und Auszahlungen also unternehmensintern festgesetzt. Die Beeinflussbarkeit des Istwerts des Endbestandes an Zahlungsmitteln ist insbesondere dann gegeben, wenn die Auszahlungen zeitlich disponibel sind, d.h. wenn es dem Finanzmanagement möglich ist, die Auszahlungszeitpunkte zu variieren. Dies dürfte zumindest bei vielen Auszahlungsarten der Fall sein. Aber auch auf die Einzahlungen einer Periode kann Einfluss ausgeübt werden. So sind beispielsweise die Einzahlungen aus Umsatzerlösen beeinflussbar, da diese insbesondere von den Entscheidungen über die Absatzmengen und Absatzpreise abhängen. Solche Entscheidungen werden von den zuständigen Stellen innerhalb des Unternehmens getroffen. Folgende Abbildung 52 illustriert die Beeinflussbarkeit des Liquiditätsrisikos.
203
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
Plan-Anfangsbestand an Zahlungsmitteln
Anfangsbestand an Zahlungsmitteln
+ Plan-Einzahlungen
+ Einzahlungen
- Plan-Auszahlungen
- Auszahlungen
z.B. Absatzmengen oder -preise verändern
Prognose und Festsetzung
= Plan-Endbestand an Zahlungsmitteln
>
= Endbestand an Zahlungsmitteln
ggf. zeitlich variieren
Abbildung 52: Beeinflussbarkeit des Liquiditätsrisikos Für das Liquiditätsrisiko ist zu konstatieren, dass die Unbeeinflussbarkeit dieses Risikos nicht gegeben ist. Vielmehr ist festzuhalten, dass das Liquiditätsrisiko durch das Verhalten des Versicherungsnehmers stark beeinflusst werden kann. So könnte ein Versicherungsnehmer die Planwerte für den Endbestand an Zahlungsmitteln der Perioden stets so hoch ansetzen, dass diese durch die entsprechenden Istwerte nicht erreicht werden können, was für das Versicherungsunternehmen zu leistende Ausgleichszahlungen zur Folge hätte. Als problematisch für die Versicherbarkeit des Liquiditätsrisikos ist weiterhin die Tatsache anzuführen, dass der Eintritt anderer Risiken zum Eintritt des Liquiditätsrisiko führen kann. Beispielsweise stellt der Ausfall der Zahlungen eines Kunden den Eintritt des Ausfallrisikos dar. Bleiben die Zahlungen aus, werden sich die Einzahlungen nicht wie im Finanzplan geplant realisieren. Unter der Annahme, dass sich die übrigen Zahlungen im Finanzplan plangemäß einstellen, würde der Eintritt des Ausfallrisikos den Eintritt des Liquiditätsrisikos nach sich ziehen. Da die Eintritte sämtlicher Risiken i.d.R. mit negativen Konsequenzen für die Ebene der Zahlungsmittel verbunden sind, besitzt diese Aussage für alle Risiken Gültigkeit. Letztlich würde daher eine Versicherung gegen das Liquiditätsrisiko implizit einen Versicherungsschutz gegen sämtliche im Finanzplan erfassten Risiken bieten, sodass das Versicherungsunternehmen folglich jedes dieser Risiken zu trägen hätte. Dazu wird ein Versicherungsunternehmen aber weder gewillt noch in der
204
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Lage sein. Die Einführung einer Versicherung gegen das Liquiditätsrisiko in der verwendeten Definition als negative Planunterschreitung im Finanzplan ist daher als unwahrscheinlich zu beurteilen. Wenngleich eine Versicherung gegen das Liquiditätsrisiko in seiner Gesamtheit nicht möglich erscheint, besteht die Möglichkeit bestimmte das Liquiditätsrisiko auslösende Ereignisse durch eine Versicherung abzusichern. Führt z.B. der Eintritt eines Schadens an einer Anlage zu unerwarteten und im Finanzplan nicht berücksichtigten Auszahlungen für die Reparatur der Anlage, kann eine Absicherung gegen die auf einen materiellen Schaden zurückzuführenden Reparaturauszahlungen durch eine Sachversicherung von Produktionseinrichtungen, hier eine Maschinenversicherung, erfolgen. Mit einer Maschinenversicherung lässt sich eine Deckung gegen alle Schäden an einer in dem Versicherungsvertrag zu definierenden Sache erzielen, sofern sie nicht durch Verschleiß, Naturkatastrophen, Kriegsereignisse oder Diebstahl verursacht werden.435 Sie schließt insbesondere Material-, Konstruktion-, Ausführungs-, Planungs- und Montagefehler ein. Beinhaltet die Maschinenversicherung eine Regelung, dass ein entstandener Maschinenschaden unmittelbar durch das Versicherungsunternehmen reguliert wird, d.h., dass die für die Reparatur zu leistenden Auszahlungen in voller Höhe direkt vom Versicherungsunternehmen getätigt werden, entsteht dem Versicherungsnehmer aus dem Schaden kein Liquiditätsrisiko, solange mit dem Schaden keine weiteren, die Liquiditätslage negativ beeinflussenden Ereignisse verbunden sind. Zieht jedoch der Schaden der Anlage z.B. eine längere Betriebsunterbrechung nach sich, die die Lieferfähigkeit des Versicherungsnehmers beeinträchtigt, sind ggf. geringere Einzahlungen aufgrund von Konventionalstrafen oder gegenüber der Planung verspätet eingehende Einzahlungen die Folge. Ähnliche Überlegungen wie für die Maschinenversicherung lassen sich auch für die Feuerversicherung, die die elementaren Gefahren Brand, Explosion, Blitzschlag sowie Anprall oder Absturz eines bemannten Flugkörpers, einzelner Teile oder seiner Ladung deckt, oder für Haftpflichtversicherungen, wie z.B. die Betriebshaftpflichtversicherung, die Ersatzansprüche Dritter gegen den Versicherungsnehmer wegen Schäden, die infolge dessen betrieblicher Tätigkeit entstehen, anstellen.436 Während eine Sachversicherung lediglich die materiellen Schäden an Gegenständen absichert, lassen sich mithilfe einer Betriebsunterbrechungsversicherung auch Vermögensschäden, die durch Betriebsstillstände resultieren, absichern. Eine solche Versicherung deckt nicht nur die direkten Schäden des Betriebsstillstandes in Form von fehlenden Einzahlungen. Vielmehr werden auch indirekte Schäden übernommen, die z.B. durch Konventionalstrafen entstehen, die auf einen Liefer435 436
Vgl. HÖLSCHER/KREMERS/RÜCKER (Industrieversicherungen 1996), S. 15 Vgl. KOCH (Versicherungswirtschaft 1995), S. 236
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
205
verzug zurückzuführen sind, der aus einem Betriebsstillstand hervorgeht.437 Das Ziel der Betriebsunterbrechungsversicherung liegt darin, die Vermögensschäden eines Betriebsstillstandes zu kompensieren, indem die Finanzierung des Betriebes sichergestellt wird. Daher wird die Betriebsunterbrechungsversicherung auch als Einzahlungs- und Ertragsversicherung charakterisiert. Üblicherweise wird die Leistung vom Versicherungsunternehmen nicht nur bis zur Behebung der Betriebsunterbrechung, sondern vielmehr solange erbracht, bis der Versicherungsnehmer wieder das gleiche Erlösniveau erreicht hat.438 Es existieren viele verschiedene Betriebsunterbrechungsversicherungen mit jeweils einem hohen Spezialisierungsgrad. Sie stellen i.d.R. eine Ergänzung zu den verschiedenen Sachversicherungen dar. Daher lehnen sie sich in ihrer Definition eng an die jeweils korrespondierende Sachversicherung an. Zu den wichtigsten Betriebsunterbrechungsversicherungen zählen die Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung, die Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung und die Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung. Während die Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung Unterbrechungsschäden deckt, die Folge eines Feuerschadens sind, übernimmt die Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherung solche Unterbrechungsschäden, die durch einen Sachschaden an einer Maschine oder einer technischen Einrichtung verursacht sind. Die Montage-Betriebsunterbrechungsversicherung deckt Unterbrechungsschäden, die bei im Bau befindlichen Produktionsanlagen durch eine verzögerte Inbetriebnahme oder durch Störungen in der Erprobungsphase entstehen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Versicherung gegen das Liquiditätsrisiko insgesamt nicht möglich erscheint. Jedoch lassen sich einzelne, das Liquiditätsrisiko auslösende Ereignisse mithilfe von Versicherungen absichern. Dabei wird die Frage nach einer vollständigen Übertragung des Liquiditätsrisikos im Zuge des Eintritts von solchen Ereignissen nur im konkreten Einzelfall zu beantworten sein. Prinzipiell muss eine Versicherung hiezu so ausgestaltet sein, dass gegenüber den im Finanzplan erfassten Zahlungen zusätzliche Auszahlungen resp. ausbleibende Einzahlungen durch die Versicherung betrags- und zeitpunktgenau kompensiert werden. Dies ist jedoch insbesondere dann problematisch, wenn nach einem Schadensfall die Kompensationszahlungen eines Versicherungsunternehmens gegenüber den Zahlungen im Finanzplan verspätet eingehen, da das Versicherungsunternehmen ggf. zunächst eine Schadenbewertung vornimmt. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, dass ein Schaden nicht in seiner vollen Höhe ausgeglichen wird. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn indirekte Schäden entstehen, die nicht durch eine Versicherung abgedeckt sind. 437 438
Vgl. BRÜHWILER (Industrieversicherung 1994), S. 27-33 Vgl. MIKOSCH (Industrie-Versicherungen 1991), S. 72
206
2.
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Übertragung des Liquiditätsrisikos mittels Zahlungssicherungsinstrumenten
Werden Geschäfte mit Firmenkunden getätigt, mit denen bislang noch keine Geschäftsbeziehungen bestehen oder deren Bonität zweifelhaft ist, ist es sinnvoll, einen potenziellen Forderungsausfall und damit die Gefahr, dass die erwarteten Zahlungen eines Schuldners ausfallen, abzusichern. Hierzu können Sicherungsinstrumente eingesetzt werden. Durch den Einsatz der Sicherungsinstrumente, die regelmäßig im Rahmen von Großaufträgen verwendet werden, wird die Gefahr des Forderungsausfalls auf Dritte übertragen. Ein solches Sicherungsinstrument stellt die Bürgschaft dar. Im Rahmen einer Bürgschaft verpflichtet sich ein Bürge gegenüber dem Gläubiger für die Verbindlichkeit eines Schuldners einzustehen.439 Üblicherweise fordert das Gesetz die schriftliche Erteilung einer Bürgschaftserklärung, es sei denn, der Bürge ist Kaufmann und die Bürgschaftsübernahme stellt für ihn ein Handelsgeschäft dar.440 Dem Bürgen steht grundsätzlich die so genannte Einrede der Vorausklage offen, d.h. bevor der Gläubiger sein Recht aus der Bürgschaftserklärung geltend machen kann, muss zuerst eine Zwangsvollstreckung gegen der Hauptschuldner ohne Erfolg versucht worden sein. Der Bürge kann jedoch auch im Rahmen der Bürgschaftserklärung auf die Einrede der Vorausklage verzichten, was dazu führt, dass der Gläubiger seine Ansprüche schneller geltend machen kann. Letztere Art der Bürgschaft wird als selbstschuldnerische Bürgschaft bezeichnet. Die Bürgschaft ist akzessorisch, d.h. die Verpflichtung des Bürgen hängt vom Bestand und vom Umfang der Hauptschuld ab. Stellt sich heraus, dass eine Leistung an den Schuldner nicht erbracht wurde, besteht auch für den Bürgen keine Verpflichtung. Wird die Schuld erfüllt, endet auch die Bürgschaft.441 In der Praxis haben sich verschiedene Arten von Bürgschaften herausgebildet.442 Bei einer Ausfallbürgschaft muss der Gläubiger dem Bürgen seinen erlittenen Schaden nachweisen. Dabei beschränkt sich die Verpflichtung des Bürgen i.d.R. auf den Teil der Forderungen, der nach Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners noch ungedeckt bleibt. Im Rahmen einer Höchstbetragbürgschaft ist die Verpflichtung des Bürgen auf einen bestimmten Betrag begrenzt. Bei einer Mitbürgschaft verbürgen sich mehrere Bürgen für die gleiche Schuld. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern verpflichtet den Bürgen zur sofortigen Zahlung. Alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art werden auf den Rückforderungspro439 440 441 442
Vgl. § 765 BGB Vgl. § 350 HGB Vgl. BUSSE (Finanzwirtschaft 1993), S. 101 Vgl. BUSSE (Finanzwirtschaft 1993), S. 101-103
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
207
zess verlagert. Als Bürgen kommen prinzipiell natürliche Personen, Unternehmen oder auch die öffentliche Hand in Frage. Ähnlich der Bürgschaft stellt auch die Garantie ein Sicherungsinstrument gegen den Ausfall von Forderungen dar. Die Funktionsweise der Garantie entspricht weitestgehend der der Bürgschaft. Die Garantie ist jedoch nicht akzessorisch, d.h. sie ist nicht abhängig von der Forderung, die dem Vertragsabschluss zwischen Gläubiger und Schuldner zugrunde liegt, wodurch die Verpflichtung des Garanten gegenüber der Verpflichtung des Bürgen größer ist.443 Von besonderer Bedeutung ist die Garantie einer Bank (Garantiebank). Dabei gewährt eine Bank ein abstraktes Zahlungsversprechen für einen Garantieauftraggeber gegenüber einem Garantienehmer (Begünstigten), im Falle einer Nichterfüllung von vertraglichen Verpflichtungen des Garantieauftraggebers einen im Garantiebrief vereinbarten Zahlungsausgleich zu leisten. Der Zahlungsausgleich wird bei der ersten Anforderung ohne Prüfung der Berechtigung des Anspruchs an den Garantienehmer vorgenommen. Die Ausgleichszahlung ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen (z.B. Vorlage bestimmter Dokumente) gebunden, die zusammen mit dem Gegenstand der Garantie, der Beschreibung des Garantiefalls und der Garantiesumme im Garantiebrief i.d.R. schriftlich festgehalten werden. Kommt es zum Ausfall des Schuldners, kann der Gläubiger vom Bürgen bzw. vom Garanten einen Zahlungsausgleich verlangen. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern dieser Zahlungsausgleich den Eintritt des Liquiditätsrisikos beim Gläubiger verhindern kann. Zur Kompensation der durch den Ausfall der Zahlungen entstehenden Finanzmittelunterdeckung ist es notwendig, dass die Ausgleichszahlungen vom Bürgen resp. vom Garanten die ausbleibenden Zahlungen des Schuldners betrags- und zeitpunktgenau ersetzen. In diesem Zusammenhang fällt der betragsgenaue Ersatz der ausbleibenden Zahlung des Schuldners weniger problematisch aus, da durch entsprechende Vereinbarungen im Bürgschaftsvertrag resp. in der Garantieerklärung die Höhe der Ausgleichszahlung des Bürgen bzw. des Garanten festgelegt wird. Problematischer gestaltet sich die Kompensation der ausbleibenden Zahlung des Schuldners in zeitlicher Hinsicht, da hierzu die Ausgleichszahlung spätestens zu dem Zeitpunkt eingehen muss, zu dem der Gläubiger auch die Zahlung des Schuldners erwartet hat. Dies ist jedoch prinzipiell nur dann möglich, wenn eine Zahlung des Bürgen bei der ersten Anforderung vereinbart wurde. In allen anderen Fällen, insbesondere wenn zunächst eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners erforderlich wird, werden die Ausgleichszahlungen gegenüber dem erwarteten Zahlungszeitpunkt erst mit erheblicher Verzögerung beim Gläubiger eingehen. Eine solche zeitlich verspätete Zahlung führt jedoch zum Eintritt des Liquiditätsrisikos. 443
Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 388
208
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Neben der Bürgschaft und der Garantie lässt sich auch mit dem Verkauf von Forderungen an ein Unternehmen, das als Factoringunternehmen bezeichnet wird, eine Absicherung gegen den Ausfall von Einzahlungen erreichen. Unter dem Factoring wird der i.d.R. laufende Ankauf von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen durch ein Factoringunternehmen (den Factor) verstanden.444 Dabei übernimmt der Factor üblicherweise nicht nur für seine Kunden das Mahnwesen und die Debitorenbuchhaltung (Dienstleistungsfunktion), sondern bezahlt die ausstehenden Rechnungsbeträge unter Abzug eines bestimmten Prozentsatzes sofort an seinen Kunden (Finanzierungsfunktion) und übernimmt auch das Ausfallrisiko (Delkredere-Funktion).445 Da Factoringunternehmen verhindern möchten, dass im Falle der Übernahme der Delkredere-Funktion der Factoring-Kunde nur die seiner Ansicht entsprechend schlechten, d.h. äußerst risikobehafteten Forderungen abtritt, werden üblicherweise keine Einzelforderungen, sondern nur Forderungsgesamtheiten, beispielsweise alle Forderungen seines Kunden oder sämtliche Forderungen, die sein Kunde gegenüber einer bestimmten Branche besitzt, übernommen. Durch den Abschluss eines Factoring-Vertrages mit einem Factor kann ein Unternehmen seine Einzahlungen aus Umsatzerlösen absichern. Dabei wird der Betrag, den das abtretende Unternehmen vom Factor gegenüber dem ursprünglichen Forderungsbetrag erhält, um die Factoring-Gebühren, die aufgrund der Bevorschussung der Forderungen, der Bereitstellung der factoringspezifischen Dienstleistungen und der Übernahme der Delkredere-Funktion entstehen, gekürzt.446 Damit erhält der Factoring-Kunde gegenüber dem Forderungsbetrag zwar geringere Einzahlungen. Durch die vertragliche Vereinbarung mit dem Factor kann aber auch eine deutlich verbesserte Planbarkeit der Einzahlungen in Bezug auf Betrag und Termin erzielt werden. Zudem kann durch Übernahme der Delkredere-Funktion durch den Factor das Risiko eines Zahlungsausfalls eines Abnehmers auf den Factor übertragen werden. Neben den beschriebenen Instrumenten Bürgschaft, Garantie und Factoring wurden weitere Zahlungssicherungsinstrumente entwickelt, die insbesondere im Rahmen von Außenhandelsbeziehungen zur Absicherung von Einzahlungen aus Umsatzerlösen verwendet werden. Zu diesen Instrumenten, die meist unter Einbeziehung von Banken eingesetzt werden, zählen im Wesentlichen: 447
444 445
446 447
Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 452 Diese am häufigsten eingesetzte Variante wird als echtes Factoring oder Standard Factoring bezeichnet. Daneben existieren weitere Varianten, bei denen der Factor lediglich eine Funktion oder zwei Funktionen übernimmt. Vgl. BETSCH (Factoring 2001), Sp. 682 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 453 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 442-443 sowie S. 447; WÖHE/BILSTEIN (Grundzüge 2002), S. 258-261
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
209
x Forfaitierung: Im Zuge der Forfaitierung von Exportforderungen kauft ein Forfaiteur (i.d.R. ein Kreditinstitut) Forderungen eines Exporteurs regresslos an, d.h. ohne Rückgriffsmöglichkeiten auf den Exporteur. Dabei übernimmt der Forfaiteur neben der Delkredere-Funktion auch das politische Risiko, das z.B. dann schlagend wird, wenn das Importland den Devisentransfer verweigert. Die Erfüllungs- und Gewährleistungsrisiken bleiben weiterhin beim Exporteur. Der Forfaiteur vergütet dem Exporteur den Forderungsbetrag unter Abzug von Gebühren, deren Höhe insbesondere von der Bonität des Importeurs, von Zusatzsicherheiten, z.B. eine Bankgarantie für den Importeur, und von den aktuellen Bedingungen am Forfaitierungsmarkt abhängen. Der Zahlungstermin ist zwischen dem Exporteur und dem Forfaiteur frei zu vereinbaren. Häufig liegt der Zeitpunkt der Zahlung vor der Fälligkeit der eigentlichen Forderungen. x Dokumenten-Akkreditiv: Unter einem Akkreditiv ist ein Auftrag eines Bankkunden an seine Bank zu verstehen, an einen Dritten einen bestimmten Geldbetrag unter bestimmten Bedingungen auszuzahlen. Bei einem Dokumenten-Akkreditiv wird diese Auszahlung nur vorgenommen, wenn der Akkreditivbegünstigte genau spezifizierte Dokumente (z.B. Konnossement448) vorlegt. Für die Abwicklung von DokumentenAkkreditiven existieren weitestgehend einheitliche Richtlinien, die von der internationalen Handelskammer festgelegt und von den Banken und Bankenverbänden der wichtigsten Handelsnationen akzeptiert wurden. Üblicherweise eröffnet ein Importeur ein Dokumenten-Akkreditiv bei seiner Hausbank (Akkreditivbank). Die Akkreditivbank verpflichtet sich, den vereinbarten Kaufpreis an den Exporteur zu entrichten, wenn dieser durch Vorlage der Dokumente nachweist, dass die Lieferung erfolgt ist. Akkreditive können widerruflich und unwiderruflich abgeschlossen werden. Während ein widerrufliches Akkreditiv jederzeit auf Veranlassung des Akkreditivstellers von der Akkreditivbank zurückgenommen werden kann, bedeutet ein unwiderrufliches Akkreditiv für den Akkreditivbegünstigten ein höheres Maß an Sicherheit, da die Zahlungen der Akkreditivbank bei ordnungsgemäßer Vorlage der Dokumente unwiderruflich zu leisten sind. Der Exporteur kann durch die Vereinbarung eines Dokumenten-Akkreditivs seine Einzahlungen aus dem Exportgeschäft absichern, da er mit der Verpflichtungserklärung der Akkreditivbank einen 448
Unter einem Konnossement ist ein im Seefrachtgeschäft ausgestelltes Wertpapier zu verstehen. Mit diesem Wertpapier bestätigt das Transportunternehmen den Erhalt von Waren und verpflichtet sich, diese an den legitimierten Inhaber des Konnossements zu liefern.
210
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
weiteren potenten Schuldner erhält, der für die Zahlung garantiert. Der Absicherungseffekt ist dabei bei einem unwiderruflichen Akkreditiv höher als bei einem widerruflichen Akkreditiv. Auch in Bezug auf den Zahlungszeitpunkt erhält der Exporteur durch das Dokumenten-Akkreditiv ein höheres Maß an Sicherheit, wenn sich die Akkreditiv-Bank zur unmittelbaren Bezahlung verpflichtet. Dann hängt der Zeitpunkt der Zahlung nur noch vom Termin der Vorlage der vereinbarten Dokumente ab. Auch mithilfe von derivativen Instrumenten (Derivaten) lassen sich bestimmte Komponenten des Liquiditätsrisikos absichern. 449 So lassen sich z.B. im Rahmen von Außenhandelsgeschäften die Gefahr einer ungünstigen Entwicklung des Wechselkurses und damit das Risiko, dass die mit dem Außenhandelsgeschäft verbundenen Einzahlungen resp. Auszahlungen geringer ausfallen, mithilfe von Devisenoptionen oder Devisenfutures absichern. Dabei wird mithilfe der DevisenDerivate eine zu der Währungsposition (Basisposition) konträre Position aufgebaut, die die ggf. anfallenden geringeren Einzahlungen bzw. höheren Auszahlungen aus der Währungsposition kompensiert, wobei der Ausgleichsbetrag vom Kontraktpartner der Derivate zu leisten ist.450 Das Risiko einer ungünstigen Entwicklung des Wechselkurses wird durch den Abschluss eines Derivat-Kontrakts auf den Kontraktpartner übertragen. Der Vorgang der Absicherung von Basispositionen mittels Derivate wird als Hedging bezeichnet. Der Einsatz der Derivate beschränkt sich aber nicht auf die Absicherung von Zahlungen infolge von ungünstigen Entwicklungen eines Währungskurses. Vielmehr können auch Zahlungen abgesichert werden, die von der Entwicklung eines Aktienkurses oder von der Entwicklung des Zinsniveaus abhängen. Darüber hinaus lassen sich auch die Beschaffungspreise von bestimmten Rohstoffen und Waren, wie beispielsweise Öl, Benzin oder Metalle, z.B. mittels Commodity Futures absichern.451
449 450 451
Zur Funktionsweise von Derivaten vgl. SCHIERENBECK/HÖLSCHER (BankAssurance 1998), S. 647ff. Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 115 Vgl. FRANKE/HAX (Finanzwirtschaft 2003), S. 367
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
211
B.
Bewältigung des Liquiditätsrisikos mithilfe der Risikovorsorge
I.
Das Risikotragfähigkeitskalkül als Leitbild
Die Risikovorsorge stellt eine Form der passiven Risikobewältigung dar. Im Rahmen der Risikovorsorge sollen die finanziellen Konsequenzen schlagend gewordener Risiken vom Unternehmen selbst getragen werden. Der Eintritt des Liquiditätsrisikos wird dadurch verursacht, dass in einer Planungsperiode Einzahlungen geringer als geplant resp. Auszahlungen höher als geplant anfallen, wodurch der geplante Endbestand an Zahlungsmitteln der Periode nicht erreicht wird. Unter Risikovorsorge zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos wird nun verstanden, dass ein Unternehmen bestimmte Deckungsmassen reserviert, um in der Lage zu sein, potentielle Risikoeintritte tragen zu können. Dabei stellt sich zunächst die Frage, welchem Leitbild der Aufbau der Deckungsmassen folgen soll. Zur Klärung dieser Frage wurde in der Kreditwirtschaft das so genannte Risikotragfähigkeitskalkül entwickelt.452 Die Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls besteht darin, dass das Risikopotenzial eines Unternehmens nach Risikotransfer das Risikotragfähigkeitspotenzial des Unternehmens nicht übersteigen darf, wobei unter der Risikotragfähigkeit die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden wird, Verluste aus schlagend gewordenen Risiken tragen zu können. Das Risikotragfähigkeitskalkül soll in seiner ursprünglichen Form demnach sicherstellen, dass sich ein Unternehmen mögliche Verluste überhaupt leisten kann, indem grundsätzlich nur solche Risiken eingegangen werden, die Verluste nach sich ziehen, die durch das vorhandene Eigenkapital in Form des Haftungskapitals aufgefangen werden können.453 Die Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls zeigt folgende Abbildung 53.454
452 453 454
Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 14 Zu den Komponenten der bankbezogenen Risikodeckungsmassen vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 22-29 Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 362
212
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Festgestelltes Risikopotenzial
d
Verfügbare Risikodeckungsmassen
Abbildung 53: Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls455 Das Risikotragfähigkeitskalkül lässt sich in seiner Grundaussage auch auf die Risikovorsorge zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos anwenden. Allerdings sind hierzu einige Modifikationen erforderlich. Zum einen bezieht sich das traditionelle Risikotragfähigkeitskalkül auf das Tragen von Verlusten und betrachtet die Risikovorsorge demnach aus einer erfolgswirtschaftlichen Perspektive. Dies zeigt sich auch durch die Verwendung der Eigenkapitalkomponenten als Risikodeckungsmassen.456 Bei der Bewältigung des Liquiditätsrisikos stellt die Risikovorsorge jedoch kein erfolgswirtschaftliches, sondern ein finanzwirtschaftliches Problem dar, d.h. es sind infolge eines Eintritts des Liquiditätsrisikos keine Verluste aufzufangen. Vielmehr ist eine negative Abweichung vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln zu kompensieren. Damit wird deutlich, dass sich die Komponenten des Eigenkapitals als Deckungsmassen nicht eignen. Die Deckungsmassen müssen einen Bezug zur Ebene der liquiden Mittel aufweisen. Weiterhin stellen die vorhandenen Deckungsmassen im Rahmen des traditionellen Risikotragfähigkeitskalküls eine Begrenzung für die zu übernehmenden Risiken dar, d.h. es dürfen nur Risiken übernommen werden, solange das gesamte Risikopotenzial kleiner als die verfügbaren Deckungsmassen ist. Demnach hat eine Orientierung des Aufbaus des Risikopotenzials an den vorhandenen Deckungsmassen zu erfolgen. Diese Sichtweise ist im Rahmen der Risikovorsorge zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos jedoch kritisch zu prüfen. Ansatzpunkt dieser Überprüfung stellt die Aufgabe der Finanzplanung dar, die jederzeitige Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens sicherzustellen. Die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit soll jedoch im Normalfall nicht durch Eingriffe in die leistungswirtschaftliche Sphäre des Unternehmens, sondern durch finanzwirtschaftliche Maßnahmen realisiert werden. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass in dieser Arbeit davon ausgegangen wird, dass der Finanzplan aus übergeordneten Plänen abgeleitet wird und eine seiner Hauptaufgaben darin zu sehen ist, die Durchführbarkeit der übergeordneten Pläne sicherzustellen. Die Finanzplanung dient in diesem Sinne der Stabilisierung der Gesamtplanung, sodass ein fi455 456
In Anlehnung an SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 14 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 22
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
213
nanzieller Engpass keinen Einfluss auf die weiteren verfolgten Zielsetzungen entfalten kann.457 Dies bedeutet, dass die finanzwirtschaftliche Sphäre sich primär an die leistungswirtschaftliche Sphäre anpassen muss. Daraus lässt sich für die Risikovorsorge zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos schlussfolgern, dass auch hier eine Anpassung im finanzwirtschaftlichen Bereich erfolgen soll, d.h. dass eine Anpassung im Bereich der Deckungsmassen vorgenommen werden muss. Aus dieser Perspektive sind Deckungsmassen in einem Unternehmen in einem solchen Umfang vorzuhalten, dass das Unternehmen in der Lage ist, das Liquiditätsrisiko zu tragen.
II.
Charakterisierung der Risikodeckungsmassen
1.
Bestimmung möglicher Erscheinungsformen von Risikodeckungsmassen
Nachdem im Rahmen der Diskussion des Risikotragfähigkeitskalküls in Bezug auf die Bewältigung des Liquiditätsrisikos festgestellt wurde, dass eine Anpassung im Bereich der Deckungsmassen vorgenommen werden sollte, ist nun zunächst zu fragen, welche Arten von Risikodeckungsmassen prinzipiell zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos geeignet sind. Ausgangspunkt dieser Frage ist, dass die zu reservierenden Deckungsmassen geeignet sein müssen, finanzielle Fehlbeträge auszugleichen. Dies führt zu der Überlegung, dass zu den Erscheinungsformen von Deckungsmassen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos weder die in bilanzielle Rücklagen eingestellten Eigenkapitalbeträge noch die stillen Rücklagen zählen, da die Sicherung der Zahlungsfähigkeit nicht durch bilanzielle Reservefonds ermöglicht wird, sondern lediglich dadurch, dass das insgesamt zur Verfügung stehende Kapital nicht in vollem Umfang in den Betriebsprozess eingebunden wird.458 Die Risikodeckungsmassen müssen zum Zeitpunkt des Eintritts des Liquiditätsrisikos in Form von Zahlungsmitteln zur Verfügung stehen. Die Risikodeckungsmassen müssen jedoch nicht zwingend als Zahlungsmittel gehalten werden. Liegen die Risikodeckungsmassen nicht in Form von Zahlungsmittel vor, so ist aber zu beachten, dass ihre fristgerechte Umwandlung in Zahlungsmittel zu gewährleisten ist.459 In diesem Sinne ist darauf zu achten, dass der Zeitraum, für den das Li-
457 458 459
Vgl. NOELLE (Bestimmung 1976), S. 30; Siehe auch Abschnitt A.III.2 im ersten Hauptteil Vgl. NOELLE (Bestimmung 1976), S. 30 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 136
214
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
quiditätsrisiko gemessen wird, mindestens die gleiche Länge aufweist wie die Zeitspanne, die für die Monetarisierung der Risikodeckungsmassen benötigt wird. Damit kommen als Risikodeckungsmassen prinzipiell sämtliche Aktiva eines Unternehmens in Betracht, die bereits in liquider Form vorliegen oder liquidierbar sind. Darüber hinaus sind auch die Möglichkeiten der Beschaffung von Zahlungsmitteln im Zuge der Zuführung neuen Kapitals als Risikodeckungsmassen zu interpretieren.460 Als Risikodeckungsmassen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos kommen prinzipiell Zahlungsmittel in Form von Bar oder Buchgeld in Frage. Es handelt sich dabei um vorhandene resp. unmittelbar verfügbare Zahlungsmittel, die als Kassenbestand oder als Bank- oder Postgiroguthaben gehalten werden. Werden diese Zahlungsmittel reserviert, wird gelegentlich auch von einer Zahlungskraftreserve gesprochen.461 Zusätzlich zu den Erscheinungsformen der Zahlungskraftreserve eignen sich insbesondere auch die Near Money Assets als Elemente der Risikodeckungsmassen. Near Money Assets sind Vermögensgegenstände, die sich durch ihre hohe Geldnähe auszeichnen. Die Geldnähe der Near Money Assets liegt darin begründet, dass sie über einen Markt leicht veräußert werden können. 462 Zu den Near Money Assets zählen insbesondere:463
x Tagesgeldanlagen: Tagesgeldanlagen stellen Geldmarktanlagen dar, bei denen liquide Mittel tageweise angelegt werden können. Es lassen sich Anlagen in Fremdwährung an den sogenannten Euromärkten und Anlagen in inländischer Währung unterscheiden. Aufgrund der zeitintensiven Betreuung, die die Banken im Rahmen von Tagesgeldanlagen gegenüber ihren Einlegern leisten müssen, werden i.d.R. bestimmte Mindesteinlagen gefordert, die an den Euromärkten zwischen 0,5 Mio. Euro und 2,5 Mio. Euro und bei inländischen Anlagen zwischen 50.000 Euro und 250.000 Euro jeweils abhängig vom betreuenden Kreditinstitut schwanken. Tagesgeldanlagen werden primär ohne einen ex ante festgelegten Anlagehorizont als sogenannte „bis auf weiteres“-Anlagen vereinbart. Diese Anlagen sind täglich vollständig oder parziell abrufbar oder aufstockbar. Während bei Anlagen an den Euromärkten eine Wertstellung von zwei Valutatagen üblich ist, gilt für Tagesgeldanlagen in inländi460 461 462 463
Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 72 Vgl. WITTE (Finanzplanung 1983), S. 136 Vgl. SÜCHTING (Finanzmanagement 1995), S. 563-568; ERTL (Strategien 2000), S. 87; WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 198 Vgl. SÜCHTING (Finanzmanagement 1995), S. 564-565.; NITSCH/NIEBEL (Praxis 1997), S. 119-134; EISTERT (Cash 1994), S. 21-22; FROTZLER (Cash-Management 1991), S. 54; MOIR (Managing 1999), S. 99-114
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
215
scher Währung, sofern sie bis zu einer bestimmten Uhrzeit am Vormittag aufgelöst werden, eine gleichtägige Wertstellung. Die Verzinsung der Tagesgeldanlagen orientiert sich regelmäßig an den Interbankensätzen, wobei die Verzinsung der Anlagen an den Euromärkten i.d.R. etwas höher liegt als die Verzinsung von Anlagen in inländischer Währung.
x Commercial Papers: Bei Commercial Papers handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen, die i.d.R. unbesichert, mit einer Laufzeit von sieben Tagen bis zu zwei Jahren und bei Bedarf im Rahmen eines Programms revolvierend begeben werden können. Die Schuldverschreibungen werden im Wesentlichen im Zuge einer Privatplatzierung von Unternehmen bester Bonität emittiert und von institutionellen Anlegern, vornehmlich großen internationalen Kapitalsammelstellen gezeichnet, wobei auch Industrieunternehmen dazu übergehen, ihre liquiden Mittel durch Kauf von Commercial Papers erstklassiger Emittenten zinsbringend anzulegen. Commercial Papers sind Diskontpapiere, d.h. die Papiere werden abgezinst ausgegeben, sodass der Auszahlungsbetrag unter dem bei Fälligkeit zurückzuzahlenden Nennwert der Papiere liegt. Die Verzinsung der Commercial Papers bleibt über die Laufzeit konstant. Sie orientiert sich regelmäßig an den Geldmarktsätzen LIBOR oder EURIBOR, wobei je nach der Bonität des Emittenten ein Abschlag oder ein Aufschlag auf den jeweiligen Referenzzinssatz vorgenommen wird. x Einlagenzertifikate: Einlagenzertifikate, die auch als Certificates of Deposit bezeichnet werden, stellen marktfähige Quittungen über Termineinlagen bei Kreditinstituten dar. Ein Einlagenzertifikat, das von einem Kreditinstitut ausgestellt wird, verbrieft die Einlage von Geldern für einen festgelegten Zeitraum zu einem bestimmten Zinssatz. Einlagenzertifikate sind Inhaberpapiere, die Laufzeiten von einem halben Monat bis zu mehreren Jahren besitzen. Sie sind während der Laufzeit frei handelbar und können prinzipiell jederzeit veräußert werden, da insbesondere an der Börse in London ein Sekundärmarkt für den Handel mit diesen Papieren eingerichtet wurde. 464 x Anteile an Geldmarktfonds: Bei Geldmarktfonds handelt es sich um Investmentfonds, deren Geldvermögen in kurzfristige Bankeinlagen und in kurzlaufende Geldmarktpapiere, beispielsweise Commercial Papers, Certificates of Deposit oder festverzinslichen Wertpapieren, mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr angelegt ist. Unternehmen können Anteile an Geldmarktfonds erwerben. Die Wertermittlung der Anteile wird i.d.R. 464
Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 177
216
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
täglich vorgenommen, sodass ein Investor sich stets über die Wertentwicklung informiert kann. Anteile am Geldmarktfonds können im Allgemeinen zwar jederzeit veräußert werden, es ist jedoch zu beachten, dass die Fondsanteile über einen gewissen Zeitraum gehalten werden sollten, damit die Erträge die Transaktionskosten, die üblicherweise aus Gebühren, Kommissionen und Spesen bestehen, übersteigen.
x Treasury Bills: Treasury Bills, die auch als Schatzwechsel bezeichnet werden, stellen wechselähnliche Schuldverschreibungen dar, die von der öffentlichen Hand zur Finanzierung eines kurzfristigen Finanzierungsbedarfs ausgegeben werden. Die Laufzeit der Schatzwechsel beträgt i.d.R. drei Monate. Treasury Bills stellen Diskontpapiere dar, die abgezinst ausgegeben und zum Nennwert zurückgezahlt werden. Aufgrund der relativ hohen Sicherheit und der kurzen Laufzeit der Papiere hat sich ein großer Sekundärmarkt ausgebildet, der eine schnelle Liquidierbarkeit der Papiere ermöglicht. x Termineinlagen: Unter Termineinlagen sind Einlagen bei Kreditinstituten mit vereinbartem oder gesetzlich festgelegtem Fälligkeitstag zu verstehen. Die Mindestanlagedauer beträgt 30 Tage. Bei den Termineinlagen werden Festgelder und Kündigungsgelder unterschieden. Während Festgelder an festgelegten Terminen fällig werden, müssen Kündigungsgelder vom Anleger gekündigt werden und stehen nach einer Kündigungsfrist zur Verfügung. Die Verzinsung von Termineinlagen liegt i.d.R. etwas höher als die Verzinsung von Tagesgeldern. Neben den Near Money Assets können auch Aktiva eines Unternehmens, die nicht die gleiche Geldnähe wie die Near Money Assets besitzen, als Risikodeckungsmassen interpretiert werden. So können beispielsweise Aktien, die als Finanzanlage gehalten werden, Anleihen mit längerer Restlaufzeit oder veräußerbare Forderungen durch Verkauf in Zahlungsmittel umgewandelt werden, um ein ggf. schlagend gewordenes Liquiditätsrisiko zu decken. Aber auch Aktiva mit Produktionsbezug, wie z.B. Fertigerzeugnisse, Halbfertigerzeugnisse Werkstoffe oder Betriebsmittel, können liquidiert und zur Deckung eines eingetretenen Liquiditätsrisikos herangezogen werden. 465 Zusätzlich zu den Zahlungsmitteln und den liquidierbaren Aktiva stellen auch die Finanzierungsreserven Risikodeckungsmassen dar. Grundsätzlich kommen dabei als Risikodeckungsmassen die finanziellen Mittel in Betracht, die im Zuge sämtlicher Formen der Außenfinanzierung akquiriert werden können.466 Die Finanzie465 466
Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 213 Vgl. GIESE (Liquidität 1971), S. 196
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
217
rungsreserven erstrecken sich dabei sowohl auf die Möglichkeiten der Beschaffung von Fremdkapital als auch von Eigenkapital.467 Zu den Möglichkeiten der Beschaffung von Fremdkapital zählen insbesondere die Ausnutzung von zugesagten, jedoch noch nicht in Anspruch genommen Kreditlinien sowie eine ggf. mögliche Erweiterung des Kreditrahmens. Liquide Mittel im Zuge der Eigenfinanzierung lassen sich beispielsweise durch die Inanspruchnahme noch ausstehender Einlagen auf das Grundkapital oder durch Kapitalerhöhungen resp. Einlagen alter und/oder neuer Gesellschafter realisieren. 2.
Kriterien zur Unterscheidung der Deckungsmassen
Die dargestellten Risikodeckungsmassen weisen nicht die gleiche Qualität auf. Vielmehr können sich die Risikodeckungsmassen hinsichtlich folgender Kriterien unterscheiden:468
Liquidierungs- bzw. Bereitstellungsdauer: Die möglichen Bestandteile der Risikodeckungsmassen besitzen Unterschiede in Bezug auf die zeitliche Verfügbarkeit der aus ihnen erzielbaren liquiden Mittel. Liegen die Komponenten der Deckungsmassen zwar als Aktiva, nicht jedoch als Zahlungsmittel vor, sind sie zunächst in Zahlungsmittel umzuwandeln, bevor sie zur Deckung eines schlagend gewordenen Liquiditätsrisikos eingesetzt werden können. Diese Umwandlung in Zahlungsmittel nimmt abhängig von der jeweils betrachteten Komponente einen unterschiedlich langen Zeitraum in Anspruch. Als Liquidierungsdauer wird der Zeitraum bezeichnet, der von der ersten ergriffenen Maßnahme der Mobilisierung bis zum Vorliegen von Zahlungsmitteln verstreicht. Auch aus den Finanzierungsreserven lassen sich nicht unmittelbar Zahlungsmittel generieren. Der Zeitraum der sich von der Beschlussfassung der Inanspruchnahme einer Außenfinanzierungsmaßnahme bis zur Verfügung über die durch die Finanzierungsmaßnahme beschafften Mittel erstreckt, wird als Bereitstellungsdauer bezeichnet. Liquidierungs- bzw. Bereitstellungsbetrag: Als Liquidierungsbetrag wird der Betrag angesehen, der im Zuge der Monetarisierung von Vermögensgegenständen erzielt wird. Als Bereitstellungsbetrag gilt der Betrag, der im Zuge von Finanzierungsmaßnahmen beschafft wird. Bei der Liquidierung eines Vermögensgegenstandes ist dazu nicht der Anschaffungswert, sondern der Wert, der voraussichtlich im Rahmen der Liquidierung zu erzielen ist, anzusetzen. Bei der Bestimmung des Liquidierungsbetrages sind auch die Kosten zu berücksichtigen, die im Rahmen der Monetarisierung entstehen.
467 468
Vgl. HAUSCHILD/SACHS/WITTE (Finanzplanung 1981), S. 88 Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1991), S. 72; WITTE (Finanzplanung 1983), S. 137; NOELLE (Bestimmung 1976), S. 28; SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 497; BAUER (Strategien 1991), S. 177
218
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Problematisch bei der Bestimmung der Bereitstellungsdauer sowie des Liquidierungsbetrages ist, dass beide Größen i.d.R. ex ante nicht genau quantifiziert werden können. Vielmehr herrscht bei vielen Komponenten eine zeitliche und betragliche Unsicherheit vor.469 Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn Aktiva veräußert werden sollen, für die kein Markt vorhanden ist. In diesem Fall ist zuerst ein geeigneter Käufer zu identifizieren. Der Veräußerungspreis ergibt sich dann i.d.R. auf der Basis individueller Verhandlungen.
Reservierungskosten: Die Bestandteile der Risikodeckungsmassen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Kosten. Im Rahmen der Kostenbetrachtung sind zwei Fälle zu unterscheiden.470 Einerseits können nur die Kosten betrachtet werden, die im Rahmen des Aufbaus der Risikodeckungsmassen entstehen. Die Kosten der Komponenten der Risikodeckungsmassen liegen regelmäßig als Opportunitätskosten vor. Sie resultieren aus den Erlösen, die ohne die Reservebestandteile zusätzlich erzielt werden könnten, jedoch aufgrund der Reservierung nicht erzielt werden. Davon abzuziehen sind die Erlöse, die aufgrund der Reservierung, z.B. durch kurzfristige Anlage am Geldmarkt, vereinnahmt werden. Die bei dieser Betrachtung teuerste Komponente stellt die Reservierung von liquiden Mittel dar, da die Reservierung von liquiden Mitteln keine Erlöse zur Folge hat, die Mittel jedoch auch nicht in verzinsliche Anlageformen überführt werden können. Die günstigste Komponente stellt in dieser Hinsicht die Kreditzusage dar, die höchstens geringe Bereitstellungskosten erfordert. Werden andererseits auch die Kosten berücksichtigt, die bei einer Inanspruchnahme der Reservebestandteile entstehen, kann es zu einer unterschiedlichen Beurteilung kommen.471 Denn bei Eintritt des Liquiditätsrisikos entstehen durch die Inanspruchnahme von z.B. Kreditlinien Kosten für die Beanspruchung. Demgegenüber fallen für die Inanspruchnahme von reservierten Beständen an Bargeld keine Kosten an. Letztere Sichtweise wird entscheidend davon beeinflusst, ob das Liquiditätsrisiko eintritt oder nicht. Denn eine Kassenhaltung erweist sich unter dem Kostenkriterium gegenüber der Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits dann als vorteilhaft, wenn die Kosten des Aufbaus von Kassenbeständen geringer als die Kosten sind, die bei einer Kreditinanspruchnahme zur Deckung ungeplanter Zahlungsdefizite auftreten, und die Zahlungsdefizite auch tatsächlich anfallen. Werden die Reservierungskosten als Entscheidungskriterium zur Strukturierung der Risikodeckungsmassen herangezogen, gilt die Komponente als die beste, welche die geringsten Reservierungskosten verursacht. Eingriff in die Leistungssphäre: Es ist die Aufgabe der Risikodeckungsmassen, die Durchführbarkeit der leistungswirtschaftlichen Pläne sicherzustellen, d.h. eine In469 470 471
Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 497 Vgl. CHERUBINI (Unschärfen 1992), S. 76 Vgl. GLASER (Liquiditätsreserven 1982), S. 67
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
219
anspruchnahme der Reservebestandteile soll nicht dazu führen, dass die übergeordneten Pläne geändert werden müssen. Daher sollten die Risikodeckungsmassen möglichst geringe Verbundwirkungen zum Betriebsgeschehen aufweisen.472
Durch die Finanzabteilung selbständig disponierbar: Um eine zeitnahe Bereitstellung der Deckungsmassen zu gewährleisten, sollten zeitaufwändige Abstimmungsprozesse zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen oder mit externen Instanzen vermieden werden. Daher ist es wünschenswert, wenn die Bestandteile der Risikodeckungsmassen selbständig durch die Finanzabteilung disponierbar wären. 3.
Diskussion der Komponenten der Risikodeckungsmassen
Im Folgenden sollen die angeführten potenziellen Bestandteile der Risikodeckungsmassen anhand der angeführten Strukturierungskriterien diskutiert werden. In Bezug auf die Liquidierungsdauer weisen aus dem Spektrum der Risikodeckungsmassen die Zahlungsmittel die beste Eigenschaft auf, da sie nicht erst monetarisiert werden müssen und daher unmittelbar zur Deckung der Konsequenzen eines Eintritts des Liquiditätsrisikos herangezogen werden können. Ferner ist auch der Liquidierungsbetrag in Höhe der reservierten Zahlungsmittel determiniert. Somit besteht keine Unsicherheit über die Liquidierungszeit oder den Liquidierungsbetrag. Allerdings fallen bei der Reservierung von Zahlungsmitteln Opportunitätskosten an, da das Vorhalten von Zahlungsmitteln keine oder nur eine sehr geringe Rendite bewirkt und eine rentablere Anlage dieser Mittel in beispielsweise verzinslichen Wertpapieren verbietet.473 Die Inanspruchnahme von Zahlungsmitteln als Risikodeckungsmassen verursacht indes keinen Eingriff in die Leistungssphäre und dürfte auch weitestgehend von der Finanzabteilung selbständig zu disponieren sein. Near Money Assets zeichnen sich durch ihre hohe Geldnähe aus. Wenngleich sie zuerst in Zahlungsmittel umgewandelt werden müssen, bevor sie als Risikodeckungsmassen eingesetzt werden können, nimmt ihre Umwandlung höchstens zwei Geschäftstage in Anspruch.474 Die Umwandlung in Zahlungsmittel ist i.d.R. ohne größere Verluste möglich, da sie wegen ihrer kurzen Laufzeit nur geringen Wertschwankungen unterliegen. Dennoch können Kursverluste z.B. infolge von Zinsanstiegen auftreten, die eine Bestimmung des Liquidierungsbetrags erschweren. Die Kosten der Reservierung entstehen bei Near Money Assets in Form von Opportunitätskosten, da ein Verzicht auf längerfristigere und somit i.d.R. rentable472 473 474
Vgl. FRANKE/HAX (Finanzwirtschaft 2003), S. 16 Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 9 Vgl. WALZ/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 213
220
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
re Anlagen geübt wird. Die Disposition von Near Money Assets obliegt üblicherweise der Finanzabteilung. Darüber hinaus hat ihre Inanspruchnahme keine Eingriffe in die Leistungssphäre zur Folge. Neben den Zahlungsmitteln und den Near Money Assets wurden weitere Finanzaktiva als Komponenten der Risikodeckungsmassen angeführt, die nicht die gleiche Geldnähe wie die Near Money Assets aufweisen. Durch die Einstufung dieser Vermögensgegenstände als „nicht-so-geldnahe-Aktiva“ wird bereits deutlich, dass sie nicht über die gleichen Liquidierungseigenschaften verfügen, wie die Near Money Assets.475 Zwar ist die Liquidierung von Aktien oder Anleihen mit längerer Restlaufzeit auch relativ zeitnah möglich, jedoch besteht eine insbesondere im Vergleich zu den Near Money Assets größere Unsicherheit in Bezug auf die Bestimmung des Liquidierungsbetrags. Diese Unsicherheit resultiert aus dem Umstand, dass diese Anlageformen i.d.R. höheren Kursschwankungen unterliegen. Bedingt durch die Kursschwankungen ist eine exakte Bestimmung des Liquidationsbetrages i.d.R. nicht möglich.476 Reservierungskosten ergeben sich insbesondere als Opportunitätskosten durch den Verzicht auf ggf. höher verzinsliche Realinvestitionen. Die angesprochenen Anleihen mit längerer Restlaufzeit und die Aktien – zumindest solange diese Anlagecharakter besitzen – dürften weitgehend durch die Finanzabteilung disponierbar sein. Dies ist jedoch im Falle von Aktien, die aus anderen Gründen, z.B. aus Gründen der strategischen Beteiligung, gehalten werden, zu bezweifeln. Die Veräußerung von Anleihen und Aktien mit Anlagecharakter ist ohne Eingriffe in die Leistungssphäre durchführbar. Sollen Forderungen als Bestandteile der Risikodeckungsmassen herangezogen werden, ist zunächst zu fragen, inwiefern eine Liquidierung von Forderungen möglich ist. Forderungen können beispielsweise im Zuge des Factoring 477 oder durch die Verbriefung in Asset Backed Securities veräußert werden. Im Rahmen von Asset Backed Securities werden abtretbare Forderungen in Form von Wertpapieren „verbrieft“ und hauptsächlich an institutionelle Investoren veräußert.478 Die Liquidierung von Forderungen im Zuge des Factoring oder mittels Asset Backed Secuities ist i.d.R. zeitaufwändig, da die Schuldner der zu veräußernden Forderungen regelmäßig hinsichtlich ihrer Bonität beurteilt werden.479 Darüber hinaus erfordert die Platzierung von Asset Backed Securities i.d.R. umfangreiche Strukturen. Der Liquidierungsbetrag ergibt sich in Höhe der Forderungsbeträge abzüglich 475
476 477 478 479
Es ist jedoch anzumerken, dass sich eine Grenze zwischen den Near Money Assets und den “Nicht-sogeldnahen-Aktiva“ nicht allgemeingültig festlegen lässt. Eine solche Grenze ist stets individuell zu fixieren. Vgl. SÜCHTING (Finanzmanagement 1995), S. 565 Vgl. SPAHNI-KLASS (Cash Management 1991), S. 111 Vgl. Kapitel A.II.2 in diesem Hauptteil Vgl. WÖHE/BILSTEIN (Grundzüge 2002), S. 241 Vgl. WÖHE/BILSTEIN (Grundzüge 2002), S. 238
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
221
des Kürzungsbetrags für das Factoring-Unternehmen bzw. der Kosten der Platzierung der Wertpapiere. Problematisch beim Verkauf von Forderungen an ein Factoring-Unternehmen ist, dass dieses üblicherweise nur Forderungsgesamtheiten ankauft, sodass der Liquidierungsbetrag von der Höhe des Betrags der Forderungsgesamtheit abhängt und nicht von dem Unternehmen, das die Forderungen verkauft, bestimmt werden kann. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass Factoring-Unternehmen i.d.R. nicht an einem einmaligen Ankauf von Forderungen eines Unternehmens, sondern nur an einer regelmäßigen Übernahme der Forderungen interessiert sind, sodass ein fallweiser Verkauf von Forderungen an ein Factoring-Unternehmen im Falle des Eintritts des Liquiditätsrisikos normalerweise nicht möglich ist. Der Verkauf von Forderungen kann zwar von der Finanzabteilung selbständig disponiert werden und geht nicht mit einem Eingriff in die Leistungssphäre einher. Jedoch ist festzuhalten, dass die Veräußerung von Forderungen mittels Factoring oder Verbriefung wegen der spezifischen Eigenschaften des Factoring resp. des hohen Zeitaufwands der Verbriefung weniger zu einer kurzfristigen Deckung des Liquiditätsrisikos geeignet ist. Sollen Aktiva mit Produktionsbezug als Risikodeckungsmassen eingesetzt werden, ist zu bedenken, dass i.d.R. kein liquider Markt für solche Aktiva besteht. Die Monetarisierung solcher Aktiva kann nur dann erfolgen, wenn Käufer gefunden werden. Deshalb kann weder die Bereitstellungsdauer noch der Liquidierungsbetrag im Voraus exakt bestimmt werden. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Verwendung dieser Aktiva eigentlich einen nicht zulässigen Eingriff in die Leistungssphäre bewirkt, sodass die Erfüllung der leistungswirtschaftlichen Pläne gefährdet ist. Bedingt durch die weitreichenden Folgen des Eingriffs in die Leistungsspäre wird deutlich, dass der Einsatz von produktionsbezogenen Aktiva nicht von der Finanzabteilung selbständig disponiert werden kann. Daher können produktionsbezogene Aktiva höchstens als „Notreserve“ charakterisiert werden.480 Ist eine Liquidierung produktionsbezogener Aktiva unerlässlich, soll aber das Aktivum weiterhin der Produktion erhalten bleiben, kann ggf. das „Sale-and-leaseback-Verfahren“ eingesetzt werden.481 Beim Sale-and-lease-back-Verfahren verkauft ein Unternehmen einen Vermögensgegenstand an eine Leasing-Gesellschaft und mietet diesen gleichzeitig zurück, sodass der Vermögensgegenstand dem Unternehmen physisch erhalten bleibt. Damit fließen dem Unternehmen zwar durch den Verkauf liquide Mittel zu. Jedoch sind nunmehr regelmäßig anfallende Mietzahlungen zu leisten. Neben den Zahlungsmitteln und liquidierbaren Aktiva können auch die Finanzierungsreserven als Risikodeckungsmassen interpretiert werden. Im Rahmen der Re480 481
Vgl. Walz/GRAMLICH (Investitionsplanung 1997), S. 213 Vgl. EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 325
222
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
serven, die im Zuge der Fremdfinanzierung akquiriert werden können, sind zunächst die freien Kreditlinien zu nennen. Im Bedarfsfall können die freien Kreditlinien unmittelbar in Anspruch genommen werden, sodass keine Bereitstellungszeit erforderlich ist.482 Die Höhe des Bereitstellungsbetrags ergibt sich i.d.R. aus der Höhe der freien Kreditlinie, wobei aber auch oftmals eine Überziehung der Kreditlinie möglich ist, die jedoch zur Zahlung hoher Überziehungsprovisionen führt.483 Die Höhe der Kreditlinie hängt im Wesentlichen von der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers ab, die der Gläubiger üblicherweise vor der Ausreichung eines Kredits überprüft. Die Überprüfung erstreckt sich regelmäßig auf die rechtliche Fähigkeit, als Kreditnehmer aufzutreten, auf die persönliche Vertrauenswürdigkeit des Kreditsuchenden, auf dessen Ertragskraft sowie auf die Qualität der von diesem zu stellenden Sicherheiten.484 Reservierungskosten fallen bei Kreditlinien in Form von Bereitstellungsprovisionen an. Die Inanspruchnahme von Kreditlinien führt zu Zinskosten, die sich i.d.R. an der Geldmarktlage orientieren, letztlich aber auch von der Bonität und der Verhandlungsposition des Kreditnehmers abhängen.485 Die Inanspruchnahme von Kreditlinien obliegt i.d.R. der Finanzabteilung und führt nicht zu einem Eingriff in die Leistungssphäre. Zusätzlich zu den freien Kreditlinien zählen auch die Finanzmittel zu den Deckungsmassen, die im Zuge weiterer Formen der Kreditfinanzierung beschafft werden können.486 Die einzelnen Formen der Kreditfinanzierung weisen i.d.R. unterschiedliche Bereitstellungszeiträume auf. Die Höhe der Bereitstellungsbeträge der einzelnen Kreditarten richtet sich im Wesentlichen nach der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers und insbesondere nach dessen Fähigkeit, Sicherheiten zu stellen. Die Aufnahme von Krediten führt zu Zins- und Tilgungszahlungen. Außerdem erfordert die Bereitstellung finanzieller Mittel im Zuge der Kreditfinanzierung das Einverständnis der Kreditgeber. Mit der Aufnahme von Krediten sind keine Eingriffe in die Leistungssphäre verbunden. Wichtige Finanzreserven liegen auch in den Möglichkeiten der Aufnahme von Eigenkapital. So sind bei Kapitalgesellschaften möglicherweise ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital vorhanden, die bislang noch nicht eingefordert wurden. Diese Einlagen können durch die Geschäftsführung jederzeit und in vollem Umfang eingefordert werden. Das Einfordern dieser Einlagen stellt dann keinen Eingriff in die Leistungssphäre dar, wenn die ausstehenden Einlagen nicht be-
482 483 484 485 486
Vgl. HÖLSCHER (Liquiditätsrisiken 2001), S. 913 Vgl. SÜCHTING (Finanzmanagement 1995), S. 188 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 392 Vgl. GERKE/BANK (Finanzierung 1998), S. 358; PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 438 Zu den einzelnen Formen der Kreditfinanzierung vgl. z.B. HÖLSCHER (Kreditarten 2001), Sp. 1372-1386; PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 404-452
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
223
reits für die Durchführung leistungswirtschaftlicher Maßnahmen vordisponiert sind. Weiterhin können liquide Mittel durch Erhöhung der Kapitaleinlagen von bereits vorhandenen Anteilseignern oder durch Aufnahme neuer Gesellschafter beschafft werden. Bei der Bereitstellung von Eigenkapital besitzt die Rechtsform eines Unternehmens einen entscheidenden Einfluss auf die Modalitäten.487 Bei nichtemissionsfähigen Unternehmen, wie z.B. Einzelunternehmen, OHG, KG oder GmbH, steht kein hoch organisierter Kapitalmarkt zur Beschaffung von Eigenkapital bereit. Die Beschaffung von Eigenkapital beschränkt sich hier weitestgehend auf die kaum institutionalisierten und mit Funktionsdefiziten behafteten Märkte, die sich durch individuelle Abmachungen und Umstände auszeichnen.488 Daher nimmt die Beschaffung von Eigenkapital auf diesen Märkten häufig einen längeren Zeitraum in Anspruch. Die Höhe des bereitzustellenden Kapitals hängt einerseits vom finanziellen Spielraum der Anteilseigner ab. Andererseits müssen sich auch die Anteilseigner mit der Bereitstellung der Einlagen einverstanden erklären. Die Eigenfinanzierung durch eine Erhöhung der Kapitaleinlagen resp. durch eine Aufnahme neuer Gesellschafter führt nicht zu einem Eingriff in die Leistungssphäre. Aufgrund des Zugangs zur Börse besitzen emissionsfähige Unternehmen, dies sind neben den Kommanditgesellschaften auf Aktien insbesondere die Aktiengesellschaften, deutliche Vorteile gegenüber nicht-emissionsfähigen Unternehmen, was sich im Wesentlichen auf folgende Gründe zurückführen lässt:489
x Das Haftungskapital lässt sich in kleine Teilbeträge (Aktien) aufteilen. Daher ist eine Beteiligung bereits mit einem geringen Kapitaleinsatz möglich. x Die Anteile zeichnen sich durch eine hohe Fungibilität aus, da sie an der Börse gehandelt werden können. Anteilseigner können ihre Anteile i.d.R. kurzfristig veräußern. x Die Organisationsform erlaubt eine große Anzahl von Anteilseignern, von denen grundsätzlich nur kapitalmäßige Interessen vorausgesetzt werden. x Durch das Aktiengesetz wird der Gesellschaftsvertrag einer detaillierten rechtlichen Ausgestaltung unterworfen. Dies regelt die Rechte der An-
487 488 489
Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 423; PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 363; EILENBERGER (Finanzwirtschaft 2003), S. 279 Vgl. SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 423 Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 374; SCHIERENBECK (Grundzüge 2003), S. 424
224
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
teilseigner und bietet darüber hinaus eine gewisse Sicherung für die Kapitalanlage. Die Beteiligungsfinanzierung emissionsfähiger Unternehmen wird durch die verschiedenen Formen der Kapitalerhöhung realisiert. Dabei sind die ordentliche Kapitalerhöhung, die bedingte Kapitalerhöhung und das genehmigte Kapital zu unterscheiden.490 Da jedoch die ordentliche Kapitalerhöhung insbesondere aufgrund der Notwendigkeit der Einberufung einer Hauptversammlung einen großen Zeitraum in Anspruch nimmt und die bedingte Kapitalerhöhung einigen wenigen Fällen491 vorbehalten ist, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf das genehmigte Kapital. Beim genehmigten Kapital handelt es sich um eine Form der Kapitalerhöhung, bei der die Hauptversammlung der Aktionäre den Vorstand ermächtigt, innerhalb eines Zeitraums von längstens fünf Jahren das Grundkapital bis zu einem bestimmten Nennbetrag, der die Hälfte des bisherigen Grundkapitals nicht übersteigen darf, zu erhöhen. Die Erhöhung darf ohne erneutes Befragen der Hauptversammlung, jedoch nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats erfolgen. Das genehmigte Kapital ermöglicht es dem Vorstand, den Zeitpunkt für die Durchführung der Kapitalerhöhung frei festzulegen. Wird das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre von der Hauptversammlung ausgeschlossen, kann der Vorstand die Aktien zum jeweiligen Tageswert an der Börse verkaufen.492 Die Höhe des Bereitstellungsbetrages wird durch die Höhe des genehmigten Kapitals begrenzt. Der tatsächlich zu erzielende Zufluss an liquiden Mitteln hängt im Wesentlichen von den zum Zeitpunkt der Emission herrschenden Börsenbedingungen ab. Neben den Kosten für die Börseneinführung sind auch die Dividendenerwartungen der neu hinzutretenden Aktionäre als Kostenbestandteile dieser Finanzierungsart anzuführen. Es ist jedoch zu hinterfragen, ob die Inanspruchnahme des genehmigten Kapitals eine Beeinträchtigung der Leistungssphäre darstellt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die auf diese Art zu beschaffenden finanziellen Mittel schon für bestimmte betriebliche Prozesse, wie z.B. für die Erweiterung der Produktion, bestimmt sind und die Konsequenzen dieser Prozesse bereits ihren Eingang in die betrieblichen Teilpläne gefunden haben.
490 491 492
Vgl. FRANKE/HAX (Finanzwirtschaft 2003), S. 550 Vgl. § 192 II AktG Vgl. PERRIDON/STEINER (Finanzwirtschaft 2004), S. 384
225
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
III. Abstimmung von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen 1.
Differenzierung der Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls
Nach der Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls ist die Risikotragfähigkeit eines Unternehmens dann gewährleistet, wenn das Risikopotenzial die Risikodeckungsmassen nicht überschreitet. Diese Bedingung wird durch den Zeitaspekt erschwert, da sie prinzipiell zu jedem Zeitpunkt in der Zukunft erfüllt sein muss. Daraus folgt für die Abstimmung von Risiko- und Tragfähigkeitspotenzial, dass prinzipiell die künftig vorhandenen Risikopotenziale und die zukünftig verfügbaren Risikodeckungsmassen gegenüberzustellen sind.493 Aus der Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls könnte theoretisch die Anforderung abgeleitet werden, dass die Risikodeckungsmassen in jedem denkbaren Fall das Risikopotenzial übersteigen müssen. Damit würde für folgende Grundgleichung der Risikotragfähigkeit ein Wert von 100% gefordert:494
Wahrscheinlichkeit ( Risikopotenzial d Risikodeckungsmassen ) t
X%
Die Forderung einer 100%-igen Erfüllung dieser Grundgleichung würden zwar die Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit bewirken, dürfte aber in der Praxis nicht praktikabel sein, da dann letztlich keinerlei risikobehaftete Geschäfte mehr durchgeführt werden dürften. Die Unternehmensleitung eines jeden Unternehmens wird daher ein tolerierbares Restrisiko definieren, für das eine Gefährdung der Zahlungsfähigkeit in Kauf genommen wird.495 Ein Restrisiko von 1% bedeutet beispielsweise, dass in einer Planperiode das Risikopotenzial die Risikodeckungsmassen mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% nicht übersteigen, d.h. mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% kommt es in der Planungsperiode nicht zu einer die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gefährdenden Situation. Beträgt der Zeitraum der Planungsperiode beispielsweise einen Tag, so führt dies bei Zugrundelegung des Wahrscheinlichkeitsniveaus von 99% dazu, dass die Zahlungsfähigkeit im Durchschnitt einmal in 100 Tagen in Gefahr ist.496 Es wird daher ersichtlich, dass die Forderung nach einem hohen Wahrscheinlichkeitsniveau für die Risikotragfähigkeit sinnvoll ist. Werden dann das Risikopotenzial und die Ri-
493 494 495 496
Vgl. ROLFES (Gesamtbanksteuerung 1999), S. 42 Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 363; KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 250 Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 364 Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 251
226
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
sikotragfähigkeit korrekt geschätzt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zahlungsfähigkeit gewährleistet. Die Forderung nach einem hohen Wahrscheinlichkeitsniveau ist implizit mit der Annahme verbunden, dass in Bezug auf das Risikopotenzial sich ein unwahrscheinlicher Extremfall realisieren könnte.497 Neben der Realisation eines solchen Extremfalles können sich mit höherer Wahrscheinlichkeit jedoch auch Risikoeintritte ereignen, die zwar große Teile der Deckungsmassen aufzehren, aber die Zahlungsfähigkeit nicht gefährden. Aufgrund der Tatsache, dass die Risikodeckungsmassen unterschiedliche Qualitäten aufweisen, erscheint eine differenzierte Betrachtung der Risikotragfähigkeitsbedingung angebracht. Sinnvollerweise sollte festgelegt werden, in welchen Fällen welche Risikodeckungsmassen eingesetzt werden sollen. Beispielsweise würde kein Unternehmen als Absicherung gegen als selten eintretend vermutete Extremsituationen ausschließlich liquide Mittel einsetzten, da die Reservierung solcher Mittel mit hohen Opportunitätskosten verbunden ist. Eine praxisnahe Lösung stellt die Aufteilung der Risikodeckungsmassen in Klassen dar. Beispielsweise können die gesamten Risikodeckungsmassen nach ihrer Beanspruchung infolge eines Eintritts des Liquiditätsrisikos in Risikodeckungsmassen erster, zweiter und dritter Ordnung unterschieden werden. Die Aufteilung der Risikodeckungsmassen könnte beispielsweise nach Kostengesichtspunkten durchgeführt werden, indem die Komponenten, die ähnliche Kostenstrukturen aufweisen, zu Klassen zusammengefasst werden. Eine weitere Möglichkeit könnte darin bestehen, die Einteilung der Risikodeckungsmassen so vorzunehmen, dass die Inanspruchnahme nach Außen hin möglichst wenig wahrgenommen wird, da häufig bereits Gerüchte über Liquiditätsschwierigkeiten eines Unternehmens ausreichen, damit z.B. Banken und Lieferanten das Unternehmen negativ sanktionieren, was zu einer noch stärkeren Anspannung der Liquiditätssituation des Unternehmens führen kann.498 Am ehesten dürfte sich dies realisieren lassen, wenn die einzelnen Klassen sich aus verschiedenen Komponenten der Risikodeckungsmassen zusammensetzen, ohne dass die Komponenten jeweils in einer Klasse vollständig aufgehen. Nach diesem Prinzip könnten den Risikodeckungsmassen erster Ordnung diejenigen Komponenten zugeordnet werden, deren Beanspruchung weitestgehend unbemerkt vollzogen werden kann. Während der Inanspruchnahme der Risikodeckungsmassen zweiter Ordnung von externer Seite bereits eine größere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, wird der Beanspruchung der Risikodeckungsmassen dritter Ordnung größte Aufmerksamkeit gewidmet. Wird beispielsweise angenommen, dass die Risikodeckungsmassen eines Unternehmens 497 498
Vgl. SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 364 Vgl. WOSSIDLO (Finanzplanung 1999), S. 655
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
227
aus Zahlungsmittel, Near Money Assets und freien Kreditlinien besteht, könnte die Einteilung beispielsweise so vorgenommen werden, dass jeweils 60% der einzelnen Komponenten den Risikodeckungsmassen erster Ordnung zugeordnet werden, während je 30% den Risikodeckungsmassen zweiter Ordnung und 10% den Risikodeckungsmassen dritter Ordnung zugerechnet werden. Weiterhin ist festzulegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Beanspruchung der Risikodeckungsmassen der einzelnen Klassen erfolgen soll. Die Risikodeckungsmassen der ersten Ordnung sollten so beschaffen sein, dass ihre häufige Inanspruchnahme ein Unternehmen nicht in größerem Umfang beeinträchtigt. Zudem sollte der Einsatz von Risikodeckungsmassen zweiter und dritter Ordnung nur mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit gestattet sein. 499 Um einen Abgleich zwischen Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen herbeizuführen, bietet es sich an, verschiedene Belastungsfälle zu definieren und mit den unterschiedlichen Klassen von Risikodeckungsmassen zu verknüpfen. Auf diese Weise kann überprüft werden, ob die Risikotragfähigkeit für die einzelnen Belastungsfälle gewährleistet ist. Nachfolgend werden drei verschiedene Belastungsfälle unterschieden. Es handelt sich dabei um einen Normalbelastungsfall, um einen negativen Belastungsfall sowie um einen maximalen Belastungsfall:500
x Der Normalbelastungsfall stellt einen Zustand dar, der sich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit realisieren kann. Mit dem Normalbelastungsfall werden die häufig eintretenden Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand erfasst. Zum Ausgleich der damit verbundenen Unterdeckungen an Zahlungsmitteln eignen sich die Risikodeckungsmassen erster Ordnung. x Der negative Belastungsfall tritt mit einer mittleren bis geringen Wahrscheinlichkeit ein. Da dieser Zustand sich nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit einstellt, kann er als Ausnahmezustand charakterisiert werden. Liegt ein solcher Zustand vor, ist es durchaus opportun, neben den Risikodeckungsmassen erster Ordnung auch die Risikodeckungsmassen zweiter Ordnung einzusetzen. x Der Maximalbelastungsfall realisiert sich lediglich mit einer äußerst geringen Wahrscheinlichkeit und kann daher als Crashszenario interpretiert werden. Damit wird deutlich, dass der Maximalbelastungsfall einen Extremfall abbildet, mit dessen Eintritt üblicherweise nicht gerechnet werden muss. Zur Sicherung der Liquidität müssen in einem solchen Fall 499 500
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 251 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 32; SCHIERENBECK/LISTER (Value 2002), S. 364; KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 252
228
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
neben den Risikodeckungsmassen erster und zweiter Ordnung unter Umständen auch die Risikodeckungsmassen dritter Ordnung eingesetzt werden. Zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit hat ein Unternehmen ständig zu überprüfen, ob die Risikodeckungsmassen in den einzelnen Klassen ausreichen, um die den jeweiligen Belastungsfällen entsprechenden Risikopotenziale zu decken. Folgende Abbildung 54 zeigt die Verknüpfung des Risikopotenzials mit den Risikodeckungsmassen jeweils bezogen auf die verschiedenen Belastungsfälle auf. Risikopotenzial
d
Risikodeckungsmassen
Normalbelastungsfall
Risikopotenzial im Normalbelastungsfall (sehr hohe Wahrscheinlichkeit)
d
Risikodeckungsmassen erster Ordnung
Negativer Belastungsfall
Risikopotenzial im negativen Belastungsfall (mittlere bis geringe Wahrscheinlichkeit)
d
Risikodeckungsmassen erster und zweiter Ordnung
Maximalbelastungsfall
Risikopotenzial im Maximalbelastungsfall (sehr geringe Wahrscheinlichkeit)
d
Risikodeckungsmassen erster, zweiter und dritter Ordnung
Abbildung 54: Differenzierung der Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls501 2.
Abgleich von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen am Beispiel
Zur Beantwortung der Frage, ob die Tragfähigkeit des Liquiditätsrisikos eines Unternehmens gewährleistet ist, sind die Risikopotenziale, die als Liquidity at Risks zu ermitteln sind, den Risikodeckungsmassen differenziert nach den einzelnen Belastungsfällen entgegenzustellen. Dabei sind die Belastungsfälle vom Unternehmen selbst festzulegen. Die Belastungsfälle lassen sich in Form von Wahrscheinlichkeiten formulieren, mit denen negative Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand auftreten. Da für die Ermittlung des Risikopotenzials in Form einer Liquidity at Risk bereits das gewünschte Wahrscheinlichkeitsniveau vorzugeben ist, müssen die unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten der verschie-
501
In Anlehnung an SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 32; KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 253
229
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
denen Belastungsfälle schon im Rahmen der Bestimmung des Risikopotenzials berücksichtigt werden. Die für die Belastungsfälle festgelegten Wahrscheinlichkeiten finden dann jeweils als Wahrscheinlichkeitsniveau Eingang in die Ermittlung der Liquidity at Risk. Die Fixierung der Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Belastungsfälle sollte sich an den im Unternehmen vorherrschenden Umständen orientieren. Der Normalbelastungsfall realisiert sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Aufgrund dieser hohen Wahrscheinlichkeit sollte ein Unternehmen genügend Deckungsmassen erster Ordnung bereitstellen. Die Messung des Risikopotenzials im Normalbelastungsfall sollte auf der Basis eines geringen Konfidenzniveaus erfolgen. Der negative Belastungsfall charakterisiert ein Szenario, das sich mit mittlerer bis geringer Wahrscheinlichkeit einstellen wird. In einem solchen Szenario können sowohl die Deckungsmassen erster Ordnung als auch die Deckungsmassen zweiter Ordnung eingesetzt werden. Da dieses Szenario bereits einen Ausnahmecharakter besitzt und in Abhängigkeit von der Art der reservierten Deckungsmassen bereits eine Zahlungsstockung verursachen kann, ist darauf zu achten, dass sich diese Situation nicht zu häufig einstellt. Daher ist ein relativ hohes Konfidenzniveau zu wählen. Für den Maximalbelastungsfall sollte schließlich ein sehr hohes Konfidenzniveau gefordert werden. Im Folgenden wird unterstellt, dass ein Unternehmen für den Normalbelastungsfall ein Wahrscheinlichkeitsniveau von 60%, für den negativen Belastungsfall ein Wahrscheinlichkeitsniveau von 90% und für den Maximalbelastungsfall ein Wahrscheinlichkeitsniveau von 99,99% fordert. Für die drei Belastungsfälle wird jeweils das Risikopotenzial in Form einer Liquidity at Risk berechnet. Diese Berechnung soll mithilfe eines der im zweiten Hauptteil dieser Arbeit beschriebenen Verfahren durchgeführt werden. Dabei ergeben sich annahmegemäß die der Abbildung 55 zu entnehmenden Ergebnisse. Konfidenzniveau
Liquidity at Risk
99,99%
LaRG, 99,99% = 600.000 GE
90%
LaRG, 90% = 300.000 GE
60%
LaRG, 60% = 50.000 GE
Abbildung 55: Ergebnisse der Liquidity-at-Risk-Berechnung im Beispielsfall In Abbildung 55 werden die Liquidity at Risk für verschiedene Wahrscheinlichkeitsniveaus dargestellt. Dabei wird deutlich, dass ein höheres Wahrscheinlichkeitsniveau auch höhere Risikodeckungsmassen erfordert. Während beispielsweise
230
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
bei einem Wahrscheinlichkeitsniveau von 60% bereits Risikodeckungsmassen i.H.v. 50.000 GE zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit ausreichend sind, müssen bei einem Konfidenzniveau von 90% 300.000 GE als Risikodeckungsmassen bereitgestellt werden. Weiterhin wird unterstellt, dass das Unternehmen über Risikodeckungsmassen erster Ordnung (RDM1) in Höhe von 60.000 GE verfügt. Die Risikodeckungsmassen zweiter Ordnung (RDM2) sollen 250.000 GE und die Risikodeckungsmassen dritter Ordnung (RDM3) 400.000 GE betragen. Im Folgenden wird überprüft, ob die Risikotragfähigkeit in den einzelnen Belastungsfällen gegeben ist. Hierzu werden den Risikopotenzialen die entsprechenden Risikodeckungsmassen entgegengestellt:
x Im Normalbelastungsfall weist die Gesamt-Liquidity-at-Risk eine Höhe von LaRG, 60% = 50.000 GE auf. Im Normalbelastungsfall muss dieser Wert mit den Risikodeckungsmassen erster Ordnung verglichen werden. Da Risikodeckungsmassen erster Ordnung i.H.v. 60.000 GE vorhanden sind, ist die Risikotragfähigkeit im Normalbelastungsfall gesichert. x Im negativen Belastungsfall beträgt die Gesamt-Liquidity-at-Risk LaRG, 90% = 300.000 GE. Diesem Risikopotenzial sind die Risikodeckungsmassen erster und zweiter Ordnung entgegenzustellen. Die Risikodeckungsmassen zweiter Ordnung weisen eine Höhe von 240.000 GE auf. Sie reichen jedoch zur Deckung dieses Risikopotenzials alleine nicht aus. Zusätzlich können aber noch die Risikodeckungsmassen erster Ordnung eingesetzt werden, sodass im negativen Belastungsfall insgesamt Risikodeckungsmassen i.H.v. RDM1 + RDM2 = 60.000 + 250.000 GE = 310.000 GE bereitstehen. Da die Risikodeckungsmassen, die diesem Belastungsfall zugeordnet werden, das Risikopotenzial übersteigen, ist die Risikotragfähigkeit gewährleistet. x Für den Maximalbelastungsfall ist ein Risikopotenzial i.H.v. LaRG, 99,99% = 600.000 GE zu konstatieren. Diesem Risikopotenzial stehen nicht nur die Deckungsmassen dritter Ordnung i.H.v. 400.000 GE gegenüber. Vielmehr können die gesamten reservierten Risikodeckungsmassen ggf. zur Kompensation dieses Risikopotenzials verwendet werden. Die Summe der insgesamt zur Verfügung stehenden Risikodeckungsmassen beträgt dann RDM1 + RDM2 + RDM3 = 60.000 GE + 250.000 GE + 400.000 GE = 710.000 GE. Da die insgesamt zur Verfügung stehenden Risikodeckungsmassen höher sind als das Risikopotenzial im Maximalbelastungsfall, ist die Risikotragfähigkeit nach der Bedingung des Risikotragfähigkeitskalküls sichergestellt.
231
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
Zusammenfassend kann für das Beispiel die Risikotragfähigkeit nach dem Risikotragfähigkeitskalkül als gewährleistet angesehen werden. Folgende Abbildung 56 stellt den Abgleich zwischen Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen in den einzelnen Belastungsfällen dar. Risikopotenzial
Risikodeckungsmassen
Risikotragfähigkeit gegeben?
Normalbelastungsfall
LaRG, 60% = 50.000 GE
RDM1 = 60.000 GE
Ja
Negativer Belastungsfall
LaRG, 90% = 300.000 GE
RDM1 + RDM2 = 60.000 GE + 250.000 GE = 310.000 GE
Ja
LaRG, 99,99% = 600.000 GE
RDM1 + RDM2 + RDM3 = 60.000 GE + 250.000 GE + 400.000 GE = 710.000 GE
Ja
Maximalbelastungsfall
Abbildung 56: Überprüfung der Tragfähigkeit im Beispielfall Es ist jedoch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass eine Gefährdung der Liquidität eines Unternehmens nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Es besteht nämlich ein Restrisiko von weniger als 0,01%, dass das Risikopotenzial größer als 600.000 GE wird.502 Zwar könnte das Konfidenzniveau weiter angehoben werden. Jedoch ist festzustellen, dass eine Anhebung des Konfidenzniveaus um einen geringen Betrag die Reservierung einer großen Menge zusätzlicher Risikodeckungsmassen zur Folge hätte, wenn die Risikotragfähigkeit auch nach der Anhebung des Konfidenzniveaus gewährleistet bleiben soll.503 Ein Restrisiko ist nicht zu vermeiden, da ein Sicherheitsniveau von 100% i.d.R. nicht zu erreichen ist.504 Der Abgleich zwischen Risikopotenzialen und Risikodeckungsmassen kann prinzipiell auch anhand der Verteilungsfunktion der Zielabweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand veranschaulicht werden. Dabei werden die den einzelnen Belastungsfällen entsprechenden Wahrscheinlichkeitsniveaus auf der Ordinate abgetragen. Die zugehörigen Risikopotenziale ergeben sich dann durch Spiegelung an der Verteilungsfunktion der Zielabweichungen. Abbildung 57 illustriert diesen Sachverhalt. 502 503 504
Vgl. KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 262 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 35 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 35
232
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Normalbelastungsfall
Negativer Belastungsfall
Maximalbelastungsfall
Wahrscheinlichkeit
'EBZM
0 LaR G, 60% d RDM1 LaR G, 90% d RDM1 + RDM2
LaR G, 99,99% d RDM1 + RDM2 + RDM3
Abbildung 57: Abgleich von Belastungsfällen und Risikodeckungsmassen mithilfe der Verteilungsfunktion505 Aus dem Abgleich von Risikopotenzial und den Risikodeckungsmassen ergibt sich das Risikoprofil des Unternehmens. Die Unternehmensleitung muss nun entscheiden, ob das Risikoprofil den Sicherheitsbedürfnissen angemessen ist oder ob ihr das Risikopotenzial gegenüber den Deckungsmassen als zu hoch oder als zu niedrig erscheint. Wird seitens der Unternehmensleitung ein Ungleichgewicht empfunden, sind Maßnahmen einzuleiten. Diese Maßnahmen können an der Veränderung des Risikopotenzials oder an der Veränderung der Höhe der Risikodeckungsmassen ansetzen.506
505 506
In Anlehnung an KREMERS (Risikoübernahme 2002), S. 263; HÖLSCHER (Konzeption 2002), S. 26 Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 37
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
233
C. Beurteilung der Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos mithilfe der Liquidity at Risk I.
Kritische Würdigung des konzipierten Systems
Es wurde gezeigt, dass mithilfe der Kennzahl der Liquidity at Risk eine Messung des Liquiditätsrisikos möglich ist. Da diese Kennzahl als drohende Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand interpretiert werden kann und da die drohende Abweichung in Geldeinheiten ausgedrückt werden kann, ist neben der Messung des Liquiditätsrisikos auch eine Steuerung dieses Risikos möglich, indem ein Abgleich von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen vorgenommen wird. Weiterhin ist an der Liquidity-at-Risk-basierten Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos die Möglichkeit der Berücksichtigung von Wahrscheinlichkeiten, mit denen sich die möglichen Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln voraussichtlich einstellen werden, als vorteilhaft zu qualifizieren. Durch diese Möglichkeit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Liquiditätsrisiko ein dimensionales Risiko darstellt, das schwankende Tragweiten aufweist. Als weiterer Vorteil des konzipierten Systems lässt sich darüber hinaus die Messung des Liquiditätsrisikos auf der Basis der „wahrscheinlich höchsten Abweichung“ anführen. Damit wird die extrem pessimistische und nicht zweckmäßige Sichtweise der „maximal möglichen Abweichung“ vermieden. Die Verwendung der wahrscheinlich höchsten Abweichung als Ersatzwert für die ex ante nicht eindeutig zu bestimmende Tragweite des schlagend werdenden Liquiditätsrisikos führt zu im Vergleich zum Einsatz der maximal möglichen Abweichung angemesseneren Maßnahmen zur Steuerung des Liquiditätsrisikos. Die Vorgehensweise der Liquidity-at-Risk-Berechnung erscheint zunächst nachvollziehbar und leicht durchführbar. Aus der zu ermittelnden Verteilung der Risikoparameter ist diejenige Realisation zu bestimmen, die bei dem gewünschten Konfidenzniveau in der bestimmten Zeitperiode voraussichtlich nicht überschritten wird. Damit rückt die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Risikoparameter in den Vordergrund der Betrachtung. Es ist somit von besonderer Relevanz, dass die zukünftigen möglichen Realisationen durch eine angemessene Wahrscheinlichkeitsverteilung hinreichend genau beschrieben werden können. Ist die Vertei-
234
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
lungsannahme nicht zutreffend, besitzt die Wahrscheinlichkeitsaussage auf der Basis der Quantile der Wahrscheinlichkeitsverteilung keine resp. nur eine geringe Aussagekraft, da in einem solchen Fall die Liquidity at Risk i.d.R. nicht die korrekte Höhe aufweisen wird. In diesem Zusammenhang ist als nachteilig zu beurteilen, dass die Aufstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Risikoparameter auf der Basis von Vergangenheitswerten vorgenommen werden muss. Schlussfolgerungen, die auf der Basis von Vergangenheitsdaten vorgenommen werden, sind nur dann zulässig, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Rahmenbedingungen, die den vergangenheitsbezogenen Daten zugrunde lagen, auch in der Zukunft gelten. Als weiterer Nachteil bei der Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos ist die Notwendigkeit der Festlegung eines Konfidenzniveaus zu konstatieren. Mit der Wahl eines Konfidenzniveaus wird bei zutreffender Risikobewertung systembedingt das Restrisiko festgelegt, mit dem eine die Zahlungsfähigkeit gefährdende Situation in Kauf genommen wird. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass bei einer quantitativen Risikosteuerung auf der Basis der vorgestellten Systeme die Liquidity at Risk lediglich eine Schätzung des Liquiditätsrisikos vornehmen kann. Die Liquidity at Risk stellt keine mathematisch korrekte Quantifizierung des Liquiditätsrisikos dar. Vielmehr wird das Liquiditätsrisiko nur approximiert. Wenngleich das Ergebnis der Messung des Liquiditätsrisikos in Form eines Zahlenwerts vorliegt, was bei einem Anwender den Eindruck von großer Genauigkeit vermitteln kann, muss sich ein Anwender stets über die Ungenauigkeit bewusst sein, die mit Schätzungen verbunden ist.
II.
Weiterer Forschungsbedarf
In der vorliegenden Arbeit wurden grundlegende Ansatzpunkte zur quantitativen Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos dargelegt. Die Ausführungen zur Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos basierten auf der Definition des Liquiditätsrisikos als Gefahr, dass der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln den geplanten Endbestand unterschreitet. Damit wurde die Betrachtung auf das Liquiditätsrisiko im engeren Sinne beschränkt, wodurch die Aufgabe der Liquiditätssteuerung primär als Deckungsproblem angesehen wurde, d.h. auf die Sicherung der Zahlungsfähigkeit reduziert wurde. Mit dieser Einschränkung bleibt jedoch der Umstand unberücksichtigt, dass es sich beim Liquiditätsrisiko grundsätzlich um ein Risiko im weiteren Sinne handelt, da auch positive Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln möglich sind. Positive Abweichungen vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln sind ebenso unerwünscht wie negative Abweichungen. Zwar können positive Abweichungen nicht wie die
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisikos
235
negativen Abweichungen zur Zahlungsunfähigkeit führen, sie wirken sich letztlich aber negativ auf die Rentabilität aus. Daher liegt an dieser Stelle weiterer Forschungsbedarf an, der sich darin äußert, auch die Gefahr der positiven Abweichung vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln in die Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos zu integrieren. Ein möglicher Ansatzpunkt könnte darin bestehen, nicht nur das Downside-Risiko mithilfe einer Liquidity-at-RiskKennzahl zu messen und auszusteuern, sondern auch eine entsprechende Kennzahl für das obere Verteilungsende zu konzipieren, um das „Upside-Risiko“ zu messen und zu steuern. Weiterer Forschungsbedarf besteht im Rahmen der Modelle zur Messung des Liquiditätsrisikos. So wurden insbesondere im Zuge der Konzeption der analytischen Modelle Verteilungsannahmen für die zukünftigen Abweichungen vom geplanten Zahlungsmittelendbestand getroffen. In diesem Zusammenhang ist zu überprüfen, ob die Verteilungsannahmen zutreffend sind resp. ob ggf. andere Verteilungen geeigneter sind, die zukünftigen Abweichungen zu beschreiben. Weiterhin wurde im Rahmen der Messung des Liquiditätsrisikos mittels analytischer Verfahren ausgeführt, dass, wenn auch nicht von der Konstanz von Erwartungswert, Standardabweichung und Kovarianz ausgegangen werden kann, dennoch eine Risikomessung möglich ist, indem geeignete Verfahren zur Schätzung der Verteilungsparameter eingesetzt werden. Forschungsbedarf besteht an dieser Stelle insofern, als zu ermitteln ist, wie diese Verfahren konkret in die Risikomessung zu implementieren sind, wenn keine Konstanz der Parameter der Verteilung vorliegt. Mithilfe der Kennzahl der Liquidity at Risk ist es im Rahmen der gesetzten Prämissen möglich, das Liquiditätsrisiko zu messen. Es stellt sich weiterhin die Frage, inwiefern das vorgestellte System auch zur Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos in Extremsituationen eingesetzt werden kann. Erfahrungen bei der Messung von Risiken in anderen Bereichen zeigen, dass sich in Extremsituationen Veränderungen der Korrelationen zwischen den einzelnen Risikoparametern einstellen. Beispielsweise wurde im Zuge der Messung von Marktpreisrisiken festgestellt, dass in Extremsituationen Korrelationen auftreten, die nur geringe risikokompensierende Effekte bewirken.507 Soll eine Messung des Liquiditätsrisikos in Extremsituationen vorgenommen werden, ist daher einerseits zu untersuchen, ob solche Veränderungen der Korrelationen auftreten. Andererseits ist zu ermitteln, auf welche Weise diese Effekte ggf. in die aufgezeigten Modelle integriert werden können.
507
Vgl. SCHIERENBECK (Bankmanagement 2003), S. 95; EUROPEAN CENTRAL BANK (Developments 2002), S. 8
236
3. Teil: Steuerung des Liquiditätsrisiko
Schließlich wurde ausgeführt, dass es sich bei der Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos um eine Schätzung handelt. Aufgrund der Problematik, dass Schätzungen stets mit Ungenauigkeit verbunden sind, sollte die Güte der Liquidity-at-Risk-Schätzungen regelmäßig überprüft werden. Eine solche Überprüfung, die mit dem Begriff des „Backtesting“ belegt ist, könnte in Form von Ex-postVergleichen vorgenommen werden, indem die ursprüngliche Schätzung und die tatsächliche Entwicklung gegenübergestellt werden.508 Dabei sind neben der konkreten Ausgestaltung des Backtesting-Vorgangs ebenso die Konsequenzen zu erforschen, die das Ergebnis des Backtesting für das vorgestellte System der Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos besitzt.
508
Vgl. CRUZ (Modeling 2002), S. 107
237
Zusammenfassung Das Ziel der vorliegenden Arbeit bestand darin, eine Erweiterung der Finanzplanung vorzunehmen, die das Management des Liquiditätsrisikos umschließt. Dazu war neben einer geeigneten Definition und neben einer Analyse des Wesens des Liquiditätsrisikos die Konzeption eines Systems zur quantitativen Bewertung und zur Steuerung dieses Risikos erforderlich. Bevor jedoch Überlegungen zur Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos angestellt werden konnten, war es zunächst erforderlich, die Grundlagen der Thematik der Finanzplanung zu erläutern. Dabei wurden die Charakteristika der Finanzplanung herausgearbeitet und die Liquidität als Gegenstand der Finanzplanung erörtert. Eine Betrachtung der Finanzplanungsrechnungen stellte die kurzfristige Finanzplanung als zentrales Element der Liquiditätssicherung heraus, weshalb die weiteren Überlegungen auf der Basis der kurzfristigen Finanzplanung vorgenommen wurden. Aufgrund der Zielsetzung der Arbeit war es notwendig, den grundsätzlichen Aufbau und den Ablauf der kurzfristigen Finanzplanung aufzuzeigen. Die den Prozess der kurzfristigen Finanzplanung abschließende Finanzkontrolle akzentuierte das Problem der kurzfristigen Finanzplanung, trotz sorgfältigster Vorgehensweise bei der Gewinnung von in die Finanzplanung einfließenden Plangrößen, die zukünftigen Ein- und Auszahlungen nicht mit Sicherheit betrags- und zeitpunktgenau vorhersagen zu können. Aus diesem Umstand ergab sich die Notwendigkeit der Betrachtung des Liquiditätsrisikos. Das Liquiditätsrisiko war im zweiten Teil zunächst zu definieren. Die Definition des Liquiditätsrisikos wurde an den in den Wirtschaftswissenschaften üblichen Risikobegriff angelehnt, der ein Risiko als die Gefahr einer negativen Abweichung der tatsächlich eintretenden Wirkung einer Entscheidung vom erwarteten Ergebnis versteht. Das Liquiditätsrisiko wurde demnach als die Gefahr definiert, dass der tatsächliche Endbestand an Zahlungsmitteln den geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln, d.h. das erwartete Ergebnis, unterschreitet. Für das Liquiditätsrisiko wurde, wie dies auch im Allgemeinen bei Risiken der Fall ist, neben einer ursachenbezogenen und einer wirkungsbezogenen Komponente ebenfalls eine zeitbezogene Komponente festgestellt. Diese Erkenntnis sollte im weiteren Verlauf der Arbeit im Rahmen der Messung des Liquiditätsrisikos wieder aufgegriffen werden.
238
Zusammenfassung
An die Begriffsbestimmung des Liquiditätsrisikos schloss sich die Messung des Liquiditätsrisikos an, da ein Risiko nur dann sinnvoll gesteuert werden kann, wenn der Grad der Bedrohung, der von einem Risiko ausgeht, gemessen werden kann. Hierbei wurden anknüpfend an die im ersten Teil dieser Arbeit explorierten Komponenten des Liquiditätsrisikos mit der Eintrittwahrscheinlichkeit und der Tragweite die Bestimmungsfaktoren der zu messenden Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos charakterisiert. Auf der Basis einer Diskussion der Probleme, die der Beurteilung der Dringlichkeit des Liquiditätsrisikos zugrunde liegen, wurden Anforderungen aufgestellt, die von einer Methode zur Messung des Liquiditätsrisikos zu erfüllen sind. Zum einen sollte die Messung des Liquiditätsrisikos mithilfe einer Kennzahl vorgenommen werden können, die als drohende negative Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand interpretiert werden kann. Des Weiteren sollte nicht nur eine Erfassung des Grades der Zielabweichung, sondern auch eine Berücksichtigung des Wahrscheinlichkeitsaspekts möglich sein. Ferner sollte die zu konzipierende Maßgröße in Geldeinheiten ausgedrückt werden können und darüber hinaus leicht nachvollziehbar und einfach zu interpretieren sein. Im Folgenden wurde ein Grundmodell zur Messung des Liquiditätsrisikos konzipiert. Dazu wurde mit der Kennzahl „Liquidity at Risk“ eine Maßgröße entworfen, die den vorstehenden Anforderungen genügt. Die Liquidity-at-Risk-Kennzahl ist zu interpretieren als die geschätzte, maximal erwartete negative Abweichung vom geplanten Endbestand an Zahlungsmitteln, die innerhalb einer Periode mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten kann. Es handelt sich bei der Liquidity at Risk um ein Maß für das Downside-Risiko, da ausschließlich das negative Ende der Wahrscheinlichkeitsverteilung betrachtet wird. Es wird jedoch nicht auf die extrem unwahrscheinliche, aber theoretisch mögliche maximal mögliche Abweichung Bezug genommen, sondern auf die wahrscheinlich höchste Abweichung. Nach der Konzeption der Maßgröße zur Messung des Liquiditätsrisikos stellte sich die Frage, wie die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen, die zur Anwendung der Maßgröße notwendig ist, ermittelt werden kann. In diesem Zusammenhang lassen sich zwei prinzipielle Vorgehensweisen unterscheiden. Im Rahmen von parametrischen Ansätzen wird die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichung vom geplanten Zahlungsmittelendbestand durch eine theoretische Verteilung angenähert. Simulations-Ansätze bilden hingegen Szenarien, um die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen zu erzeugen. Im Rahmen des aggregierten parametrischen Ansatzes wurden unmittelbar die Abweichungen, die sich in der Vergangenheit vom Endbestand an Zahlungsmitteln realisierten, als Risikoparameter zur Aufstellung der Wahrscheinlichkeitsverteilung herangezogen. Dabei wurde unterstellt, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung der zukünftigen Abweichungen der durch eine Normalverteilung angenäher-
Zusammenfassung
239
ten Häufigkeitsverteilung der realisierten Abweichungen entsprechen soll. Unter dieser Prämisse können das arithmetische Mittel und die Standardabweichung der Häufigkeitsverteilung als Erwartungswert und Standardabweichung der Wahrscheinlichkeitsverteilung interpretiert werden. Mithilfe dieser Parameter war es möglich, die Liquidity at Risk zu ermitteln. Der aggregierte parametrische Ansatz wurde in der Folge im Rahmen des disaggregierten Ansatzes erweitert, indem als Risikoparameter nicht mehr die Abweichungen vom Zahlungsmittelendbestand herangezogen wurden, sondern die Abweichungen von den geplanten Zahlungen in den einzelnen Zahlungsarten. Dies ermöglichte eine Risikomessung auf der Basis der einzelnen Zahlungsarten. Die für die einzelnen Zahlungsarten festgestellten Teil-Liquidity-at-Risk waren in der Folge zu einer Gesamt-Liquidity-at-Risk zu aggregieren. Bei der Aggregation wurde berücksichtigt, dass sich die Entwicklung der Risikoparameter i.d.R. nicht gleichförmig vollzieht, sondern dass sich risikokompensierende Entwicklungen einstellen können. Daher wurde mit der Korrelationskoeffizientenmatrix eine Möglichkeit aufgeführt, diese Effekte zu erfassen und in die Ermittlung der Gesamt-Liquidity-at-Risk zu integrieren. Neben den parametrischen Ansätzen wurden auch simulative Ansätze zur Messung des Liquiditätsrisikos konzipiert. Im Gegensatz zu den parametrischen Ansätzen verwenden die Simulationsansätze simulierte Abweichungen zur Beschreibung von künftigen Szenarien. Im Rahmen der historischen Simulation wurde die Liquidity at Risk unmittelbar aus der historischen Verteilung der Abweichungen in den einzelnen Zahlungsarten bestimmt. Dies erforderte jedoch die Unterstellung der Zeitstabilität der Verteilung der beobachteten Daten. Eine kritische Würdigung zeigte den Nachteil der fehlenden Flexibilität dieses Ansatzes auf, da im Rahmen der historischen Simulation keine Möglichkeit besteht, individuelle Einschätzungen über die künftige Entwicklung der Risikoparameter in die Berechnung der Liquidity at Risk einfließen zu lassen. Eine solche Möglichkeit eröffnete der Ansatz der stochastischen Simulation, da zur Beschreibung der Verteilung der zukünftigen Abweichungen nicht die historische Verteilung der Abweichungen herangezogen wird, sondern prinzipiell jede beliebige Verteilung eingesetzt werden kann. Die abschließende vergleichende Gegenüberstellung der verschiedenen Ansätze zur Messung des Liquiditätsrisikos zeigte, dass alle Ansätze theoretischen Prämissen unterliegen und dass die Frage, welches Verfahren vorzuziehen ist, nur im konkreten Einzelfall entschieden werden kann. Nach der Messung des Liquiditätsrisikos wurde auf die Steuerung dieses Risikos fokussiert. Zunächst wurden mit der Risikovermeidung, der Risikominderung und der Risikodiversifikation aktive Maßnahmen der Risikobewältigung dargestellt und in Bezug auf ihre Eignung zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos untersucht.
240
Zusammenfassung
Weiterhin wurden mit der Versicherung und der Absicherung mithilfe von Zahlungssicherungsinstrumenten passive Formen zur Bewältigung des Liquiditätsrisikos analysiert. Im Folgenden wurde überprüft, ob das Liquiditätsrisiko mithilfe der Risikovorsorge bewältigt werden kann. Die Risikovorsorge wird über die Reservierung von Deckungsmassen realisiert. Hierbei wurde zunächst das Leitbild der Risikovorsorge in Anlehnung an das aus der Kreditwirtschaft stammende Risikotragfähigkeitskalkül entwickelt, das in seiner Grundaussage fordert, dass die verfügbaren Risikodeckungsmassen stets größer oder gleich dem festgestellten Risikopotenzial sein müssen. Weiterhin wurden die möglichen Deckungsmassen identifiziert. Als Deckungsmassen kamen neben den liquiden Mitteln und den übrigen Aktiva auch die Möglichkeiten der Beschaffung von liquiden Mitteln im Zuge der Zuführung von neuem Kapital in Betracht. Die Risikodeckungsmassen wiesen in Bezug auf die Kriterien Bereitstellungsdauer, Liquidierungsbetrag, Reservierungskosten, Eingriff in die Leistungssphäre und Disponierbarkeit durch die Finanzabteilung unterschiedliche Qualitäten auf, was im Rahmen der Abstimmung von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen zu berücksichtigen ist. Schließlich wurde eine praxisnahe Lösung zur Abstimmung von Risikopotenzial und Risikodeckungsmassen vorgeschlagen, indem eine Differenzierung der Grundaussage des Risikotragfähigkeitskalküls durchgeführt wurde. Hierzu wurden die Deckungsmassen in Klassen aufgeteilt. Darüber hinaus wurden mit dem Normalbelastungsfall, mit dem negativen Belastungsfall und dem Maximalbelastungsfall drei Belastungsfälle unterschieden. Der Abgleich ist nun so vorzunehmen, dass für jeden Belastungsfall zu überprüfen ist, ob die entsprechenden Deckungsmassen in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Diese Vorgehensweise wurde an einem Beispiel verdeutlicht.
241
Literaturverzeichnis ADAM, D.: Planung und Entscheidung: Modelle-Ziele-Methoden, 4. Aufl., Wiesbaden 1996 (Planung 1996) ALBACH, H.: Kapitalbindung und optimale Kassenhaltung, in: Janberg, H. (Hrsg.): Finanzierungshandbuch, 2. Aufl., Wiesbaden 1970, S. 369-421 (Kapitalbindung 1970) ALBACH, H.: Unsicherheit und Ungewissheit, in: GROCHLA, E./WITTMANN, W. (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre, Stuttgart 1984, Sp. 4036-4041 (Unsicherheit 1984) ALEXANDER, C.O./LEIGH, C.T.: On the Covariance Matrices used in Value at Risk Models, in: The Journal of Derivatives, 1997, S. 50-62 (Covariance 1997) AMMELUNG, U./KAESER, C.: Cash-Management-Systeme in Konzernen, in: Deutsches Steuerrecht, 2003, S. 655-660 (Cash-Management-Systeme 2003) ARTZNER, P. u.a.: Coherent Measures of Risk, in: Mathematical Finance, 1999, S. 203-228 (Measures 1999) BADER, O./SEIDEL, U. M.: Risikomanagement und Controlling in Kreditinstituten, in: controller magazin, Heft 1, 2002, S. 8-14 (Risikomanagement 2002) BAETGE, J. u.a.: Probleme der Prognoseprüfung, Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V.:, in: Der Betrieb, Heft 3, 2003, S. 105-111 (Probleme 2003) BAMBERG, G./COENENBERG, A. G.: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 11. Aufl., München 2002 (Entscheidungslehre 2002) BAMBERG, G.: Risiko und Ungewissheit, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2001, Sp. 1836-1846 (Risiko 2001) BANKHOFER, U./HILBERT, A.: Methoden der Finanzplanung und Finanzanalyse in der Unternehmenspraxis, in: Zeitschrift für Planung, 1998, S. 239-248 (Methoden 1998) BARTH, H.: Prognoseverfahren – eine für den Praktiker ordnende und erklärende Zusammenfassung der Methoden und Probleme (I), in: controller magazin, Heft 3, 1984, S. 113-126 (Prognoseverfahren 1984a)
242
Literaturverzeichnis
BARTH, H.: Prognoseverfahren – eine für den Praktiker ordnende und erklärende Zusammenfassung der Methoden und Probleme (II), in: controller magazin, Heft 4, 1984, S.175-184 (Prognoseverfahren 1984b) BAUER, A.: Strategien zur Steuerung von Liquiditätsrisiken in Banken, Regensburg 1991 (Strategien 1999) BENNER, W.: Betriebliche Finanzwirtschaft als monetäres System, Göttingen 1983 (Finanzwirtschaft 1983) BETSCH, O: Factoring, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2001, Sp. 681-691 (Factoring 2001) BIEG, H.: Die Finanzplanung, in: Der Steuerberater, Heft 11, 1999, S. 425-436 (Finanzplanung 1999) BIEG, H./KUßMAUL, H.: Investitions- und Finanzierungsmanagement: Finanzwirtschaftliche Entscheidungen, Band 3, München 2000 (Investitionsmanagement 2000) BIEGERT, W.: Liquiditätsplanung in mittelständischen Unternehmen, in: BankInformation, 1995, S. 64-68 (Liquiditätsplanung 1995) BLANKENBURG, J.: Risikomanagement als betriebswirtschaftliche Aufgabe, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1978, S. 329-332 (Risikomanagement 1978) BLOOMFIELD, R.J./WILKS, T. J.: Disclosure Effects in the Laboratory: Liquidity, Depth and the Cost of Capital, in: The Accounting Review, Heft 1, 2000, S. 1341 (Effects 2000) BOETTGER, U.: Cash-Management internationaler Konzerne. Strategien – Organisation – Umsetzung, Wiesbaden 1995 (Cash-Management 1995) BÖHRS, H.: Planen, Organisieren und Improvisieren, Eine Studie zur Abgrenzung der Begriffe, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 1950, S. 322336 (Planen 1950) BORN, K.: Bilanzanalyse international, 2. Aufl., Stuttgart 2001 (Bilanzanalyse 2001) BOURIER, G.: Beschreibende Statistik, 4. Aufl., Wiesbaden 2001 (Statistik 2001) BOURIER, G.: Wahrscheinlichkeitsrechnung und schließende Statistik, 3. Aufl., Wiesbaden 2002 (Wahrscheinlichkeitsrechnung 2002) BRACHINGER, H.W.: Das Parameterrisiko von Risikomanagement-Systemen, in: Der Schweizer Treuhänder, S. 1015-1022 (Parameterrisiko 1998)
Literaturverzeichnis
243
BRAUN, K.-W.: Computergestützte Finanzprognosen für mittelgroße Industriebetriebe, Diss., Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin, Berlin 1982 (Finanzprognosen 1982) BRAUN, B.: Simultane Investitions- und Finanzplanung mit dem Excel-Solver, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 1999, S. 73-80 (Finanzplanung 1999) BRAUN, H.: Risiken der Technik – ihre Bewertung und Bewältigung, in: Der Maschinenschaden, 1987, S. 145-148 (Risiken 1987) BRAUN, H.: Risikomanagement – Eine spezifische Controllingaufgabe, Darmstadt 1984 (Risikomanagement 1984) BROCKHOFF, K.: Prognosen, in: BEA, F.X./DICHTL, E./SCHWEITZER, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 8.Aufl., Stuttgart 2001, S. 715-752 (Prognosen 2001) BRÜHWILER, B.: Internationale Industrieversicherung, Karlsruhe 1994 (Industrieversicherung 1994) BUCHMANN, R./CHMIELEWICZ, K.: Finanzierungsrechnung. Empfehlungen des Arbeitskreises „Finanzierungsrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft, Düsseldorf 1990 (Finanzierungsrechnung 1990) BUCKLEY, A. u.a.: Finanzmanagement europäischer Unternehmen, New York 2000 (Finanzmanagement 2000) BUDDE, R.: Rollende Finanzplanung – mit dem PC einfach und schnell, in: io Management Zeitschrift, 1988, S. 531-535 (Finanzplanung 1988) BÜHLER, W./GEHRING, H./GLASER, H.: Kurzfristige Finanzplanung unter Sicherheit, Risiko und Ungewissheit, Wiesbaden 1979 (Finanzplanung 1979) BUHR, R.: Die Messung von Betriebsrisiken – Ein methodischer Ansatz, in: Die Bank, 2000, S. 202-206 (Messung 2000) BURGER, A./BUCHHART, A.: Risiko-Controlling, München 2002 (RisikoControlling 2002) BUSCH, H. W.: ADV-gestützte Finanzplanung und Finanzkontrolle, Frankfurt am Main/Berlin/New York 1983 (Finanzplanung 1983) BUSSE, F.-J.: Grundlagen der betrieblichen Finanzwirtschaft, 3. Aufl., München/Wien 1993 (Finanzwirtschaft 1993) BUSSE VON COLBE, W.: Finanzanalyse, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2001, S. 715729 (Finanzanalyse 2001) CHATFIELD, C.: Analyse von Zeitreihen, München 1982 (Analyse 1982)
244
Literaturverzeichnis
CHERUBINI, J.: Unschärfen bei der Festlegung der Liquiditätsreserve im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung, Freiburg im Breisgau 1992 (Unschärfen 1992) CHMIELEWICZ, K.: Betriebliche Finanzwirtschaft I, Berlin u.a. 1976 (Finanzwirtschaft 1976) CHMIELEWICZ, K.: Finanz- und Erfolgsplanung, in: GERKE, W./STEINER, M.: Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 2.Aufl., Stuttgart 1994, S. 798810 (Erfolgsplanung 1994) COENENBERG, A. G.: Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche, steuerrechtliche und internationale Grundlagen – HGB, IAS, US-GAAP, 19. Aufl., Landsberg/Lech 2003 (Jahresabschluss 2003) CORSTEN, H.: Zielbildung als interaktiver Prozess, in: Das Wirtschaftsstudium, 1988, S. 337-344 (Zielbildung 1988) CORSTEN, H./JUNGINGER-DITTEL, K.-O.: Grundzüge der Simulationstechnik, in: Das Wirtschaftsstudium, 1982, S. 488-496 (Simulationstechnik 1982) CRUZ, M. G.: Modeling, Measuring and Hedging Operational Risk, Chichester/New York/Singapore 2002 (Modeling 2002) DÄUMLER, K.-D.: Betriebliche Finanzwirtschaft mit Fragen und Aufgaben, Antworten und Lösungen, 7. Aufl., Herne, Berlin 1997 (Finanzwirtschaft 1997) DELLMANN, K.: Finanzplanung, in: CHMIELEWICZ, K./SCHWEITZER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Rechnungswesens, 3. Aufl., Stuttgart 1993, S. 636-646 (Finanzplanung 1993) DEPPE, H.-D.: Zahlungsverkehr, nationaler, in: Büschgen, H. (Hrsg.): Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, Stuttgart 1976, Sp. 1886-1905 (Zahlungsverkehr 1976) DEUTSCH, H.-P.: Monte-Carlo-Simulationen in der Finanzwelt, in: ELLER, R. (Hrsg.): Handbuch des Risikomanagements : Analyse, Quantifizierung und Steuerung von Markt-, Kredit- und operationellen Risiken, 2. Aufl., Stuttgart 2002 (Monte-Carlo-Simulationen 2002) DIAGNE, M.: Financial Risk Management and Portfolio Optimization Using Artificial Neural Networks and Extreme Value Theory, Diss., Kaiserslautern 2002 (Risk 2002) DRÜNKLER, W.: Computerunterstützte Finanzplanung in Klein- und Mittelbetrieben dargestellt am Beispiel eines Grosshandelsunternehmens, Frankfurt/Bern/New York 1983 (Finanzplanung 1983)
Literaturverzeichnis
245
DRUKARCZYK, J.: Liquidität. Bestimmungsgrößen, Messung und gläubigerschützende Regelungen, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 1982, S. 562566 (Liquidität 1982) EFRON, B.: Nonparametric estimates of standard error: the jackknife, the bootstrap and other methods, in: Biometrika, Vol. 68, 1981, Cambridge, S. 589-599 (Nonparametric 1981) EGGEMANN, G./KONRAD, T.: Risikomanagement nach KonTraG aus dem Blickwinkel des Wirtschaftsprüfers, in: Betriebs-Berater, 2000, S. 503-509 (Risikomanagement 2000) EGGERS, T.: Grundsätze für die Gestaltung der Finanzplanung, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 1971, S. 257-285 (Grundsätze 1971) EHRMANN, H.: Unternehmensplanung, 4. Aufl., Ludwigshafen 2002 (Unternehmensplanung 2002) EICHHOLZ, R.E./KLUGE, H.-J.: Finanzwirtschaft – Planungsrechnung, 3. Aufl., München 1995 (Finanzwirtschaft 1995) EILENBERGER, G.: Betriebliche Finanzwirtschaft, 7. Aufl., München 2003 (Finanzwirtschaft 2003) EISTERT, T.: Cash Management Systeme, in: KRCMAR, H.: Studien zur Wirtschaftsinformatik, Nr. 1, 2. Aufl., Stuttgart 1994 (Cash 1994) ERTL, M.: Ausgestaltung einer Liquiditäts- und Mehrjahresfinanzplanung, in: Bilanzbuchhalter und Controller, 1999, S. 232-236 (Ausgestaltung 1999) ERTL, M.: Strategien und Maßnahmen zur Sicherstellung der Liquidität im Unternehmen, in: Bilanzbuchhalter und Controller, 2000, S. 86-90 (Strategien 2000) ESTRELLA, A.: Series Approximation and Risk Management Pitfalls, Federal Research Bank of New York (Hrsg.), Research Paper No. 9501, New York 1995 (Series 1995) EUROPEAN CENTRAL BANK (Hrsg.): Developments in Banks Liquidity Profile and Management, Frankfurt 2002 (Developments 2002) FARNY, D.: Versicherungsbetriebslehre, 3. Aufl., Karlsruhe 2000 (Versicherungsbetriebslehre 2000) FIETZ, G.: Operative kurzfristige Finanzplanung I, in: Kreditwesen, 1990, S. 544548 (Finanzplanung I 1990) FISCHER, R./RUTKIS, T.: Die Ermittlung entscheidungsorientierter Informationen aus der Finanzbuchhaltung für die Finanzplanung, in: Der Betriebswirt, Heft 4, 1992, S. 27-32 (Ermittlung 1992)
246
Literaturverzeichnis
FRANKE, G./HAX, H.: Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 5. Aufl., Berlin u.a. 2003 (Finanzwirtschaft 2003) FREITAG, K.: Zeitreihenanalyse. Methoden und Verfahren, Köln 2003 (Zeitreihenanalyse 2003) FRÖHLING, O.: KonTraG und Controlling, Eckpfeiler eines entscheidungsrelevanten und transparenten Segmentcontrolling und –reporting, München 2000 (Controlling 2000) FROTZLER, F. X.: Cash-Management: Instrumente zur Planung, Disposition und Kontrolle der liquiden Mittel, Wien 1991 (Cash-Management 1991) FUGMANN, O.: Instrumente zur langfristigen Finanzplanung. Ein Vergleich unter besonderer Berücksichtigung von Koordinationsaspekten, Diss., Bayreuth 2000 (Instrumente 2000) GAHSE, S.: Die neuen Techniken der Finanzplanung mit elektronischer Datenverarbeitung, München 1971 (Techniken 1971) GAMROWSKI, B./RACHEV, S.: Testing the Validity of Value-at-Risk Measures, in: Athens Conference on Applied Probability and Time Series, Volume I: Applied Probability, Lecture Notes in Statistics, Band 114, New York u.a. 1996, S. 307320 (Value-at-Risk 1996) GERKE, W./BANK, M.: Finanzierung: Grundlagen für die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen in Unternehmen, Stuttgart/Berlin/Köln 1998 (Finanzierung 1998) GIESE, O.: Das betriebswirtschaftliche Problem der Liquidität, Diss., Berlin 1971 (Liquidität 1971) GLASER, H.: Liquiditätsreserven und Zielfunktionen in der kurzfristigen Finanzplanung : Lineare Ansätze zur Finanzplanung, Wiesbaden 1982 (Liquiditätsreserven 1982) GLEASON, J. T.: Risikomanagement: Wie Unternehmen finanzielle Risiken messen, steuern und optimieren, Frankfurt(Main)/New York 2001 (Risikomanagement 2001) GLEIßNER, W./MEIER, G.: Risikoaggregation mittels Monte-Carlo-Simulation, in: Versicherungswirtschaft 1999, S. 926-929 (Risikoaggregation 1999) GÖHNER, H.-P.: Prognose von Zahlungsströmen, Diss., Ludwigs-MaximiliansUniversität München, München 1980 (Zahlungsströme 1980) GRAMLICH, D./WALZ, H.: Finanzplanung als Phasenmodell (I), in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 1994, S. 321-326 (Phasenmodell I 1994)
Literaturverzeichnis
247
GRAMLICH, D./WALZ, H.: Finanzplanung als Phasenmodell (II), in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 1994, S. 433-436 (Phasenmodell II 1994) GRANGER, C.W.J./ORR, D.: Infinite Variance and Research Strategy in Time Series Analysis, in: Journal of the American Statistical Association, Vol. 67, No. 338, 1972, S. 275-285 (Infinite Variance 1972) GRILL, W./PERCZYNSKI, H./GRILL, H.: Wirtschaftslehre des Kreditwesens, 36. Aufl., 2002 (Wirtschaftslehre 2002) GROB, H.L./LANDSMANN, C.: Controllingsoftware zur integrierten Erfolgs- und Finanzplanung, in: WISU, 1998, S. 1443-1451 (Controllingsoftware 1998) GRÖßL, L.: Betriebliche Finanzwirtschaft, Stuttgart 1988 (Finanzwirtschaft 1988) GUTENBERG, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 1, Die Produktion, 24. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 1984 (Grundlagen 1984) HAHN, D.: PuK, Controllingkonzepte : Planung und Kontrolle, Planungs- und Kontrollsysteme, Planungs- und Kontrollrechnung, 6. Aufl., Wiesbaden 2001 (PuK 2001) HAIMERL, L. J.: Finanzierung ist eine unternehmerische Aufgabe, in: io Management Zeitschrift, 1991, S. 65-68 (Finanzierung 1991) HALLER, M.: Risiko-Management – Eckpunkte eines integrierten Konzepts, in: JACOB, H. (Hrsg.): Schriften zur Unternehmensführung, Band 33: RisikoManagement, Wiesbaden 1986, S. 7-41 (Risiko-Management 1986) HALLER, M.: Risiko-Management: neues Element in der Führung, in: io Management-Zeitschrift, 1978, S. 483-536 (Risiko-Management 1978) HANSMANN, K.-W.: Prognose und Prognoseverfahren, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 1995, S. 269-286 (Prognose 1995) HARMS, J.E.: Die Steuerung der Auszahlungen in der betrieblichen Finanzplanung, Wiesbaden 1972 (Steuerung 1972) HARTUNG, J./ELPELT, B./KLÖSENER, K.-H.: Statistik: Lehr- und Handbuch der angewandten Statistik, 13. Aufl., München/Wien 2002 (Statistik 2002) HAUSCHILDT, J./SACHS, G./WITTE, E.: Finanzplanung und Finanzkontrolle. Disposition – Organisation, München 1981 (Finanzplanung 1981) HEIDER, M.: Simulationsmodell zur Risikoanalyse für Investitionsplanungen, Diss., Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1969 (Simulationsmodell 1969)
248
Literaturverzeichnis
HEIM, G./KLESS, T.: Finanzplanung in kleinen und mittelständischen Unternehmen im Rahmen der neuen Insolvenzordnung und des KonTraG, in: Deutsches Steuerrecht, 1999, S. 387-392 (Finanzplanung 1999) HELBLING, C.: Cash Flow und Finanzplanung, in: Der Schweizer Treuhänder, 2000, S. 869-880 (Cash Flow 2000) HELDT, P.: Organisation der finanziellen Führung. Empirische Bestandsaufnahme und Zeitvergleich, Berlin 2002 (Organisation 2002) HOFFMANN, K.: Risk Management – Neue Wege der betrieblichen Risikopolitik, Karlsruhe 1985 (Risk Management 1985) HOITSCH, H.-J./LINGNAU, V.: Kosten- und Erlösrechnung, 5. Aufl., Berlin u.a. 2004 (Erlösrechnung 2004) HÖLSCHER, R.: Risikokosten-Management in Kreditinstituten, Ein integratives Modell zur Messung und ertragsorientierten Steuerung der bankbetrieblichen Erfolgsrisiken, in: SCHIERENBECK, H. (Hrsg.): Schriftenreihe des Instituts für Kreditwesen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Band 36, Frankfurt am Main 1987 (Risikokosten 1987) HÖLSCHER, R.: Marktzinsorientierte Ergebnisrechnung in der Lebensversicherung, Stuttgart 1994 (Lebensversicherung 1994) HÖLSCHER, R.: Gestaltungsformen und Instrumente des industriellen Risikomanagements, in: SCHIERENBECK, H. (Hrsg.): Risk-Controlling in der Praxis, Rechtliche Rahmenbedingungen und geschäftspolitische Konzeptionen in Banken, Versicherungen und Industrie, Zürich 1999, S. 297-363 (Gestaltungsformen 1999) HÖLSCHER, R.: Kreditarten, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2001, Sp. 1372-1386 (Kreditarten 2001) HÖLSCHER, R.: Von der Versicherung zur integrativen Risikobewältigung: Die Konzeption eines modernen Risikomanagements, in: HÖLSCHER, R./ELFGEN, R. (Hrsg.): Herausforderung Risikomanagement. Identifikation, Bewertung und Steuerung industrieller Risiken, Wiesbaden 2002, S. 3-31 (Konzeption 2002) HÖLSCHER, R./HAAS, O.: Modellbasierte Analyse und Steuerung von Liquiditätsrisiken, in: SCHIERENBECK, H./ROLFES, B./SCHÜLLER, S. (Hrsg.): Handbuch Bankcontrolling, 2. Aufl., Wiesbaden 2001, S. 899-915 (Liquiditätsrisiken 2001)
Literaturverzeichnis
249
HÖLSCHER, R./KALHÖFER, C./BONN, R.: Die Bewertung operationeller Risiken in Kreditinstituten, in: Finanz Betrieb, Heft 7-8, 2005, S. 490-504 (Bewertung 2005) HÖLSCHER, R./KREMERS, M./RÜCKER, U.-C.: Industrieversicherungen als Element des modernen Risikomanagements, Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: HÖLSCHER, R. (Hrsg.): Studien zum Finanz-, Bank-, und Versicherungsmanagement des Lehrstuhls für Finanzierung und Investition der Universität Kaiserslautern, Kaiserslautern 1996 (Industrieversicherung 1996) HOLTON, G.A.: Simulating value at risk, in: Risk, 1998, Heft 5, S. 60-63 (Simulating 1998) HORVÁTH, P.: Controlling, 9. Aufl., München 2003 (Controlling 2003) HUCH, B.: Finanz-Controlling, in: BOGASCHEWSKY, R./GÖTZE, U. (Hrsg.): Unternehmensplanung und Controlling: Festschrift zum 60. Geburtstag von Jürgen Bloech, Heidelberg 1998 (Finanz-Controlling 1998) HÜRLIMANN, W.: Die Liquidität im Griff haben, in: io Management Zeitschrift, Heft 9, 1994, S. 76-80 (Liquidität 1994) HÜRLIMANN, W.: Rollende Finanzplanung auf dem PC, in: io Management Zeitschrift, 1988, S. 427-431 (Finanzplanung 1988) HÜTTNER, M.: Der Einsatz von Prognoseverfahren in der Praxis, in: Marktforschung, 1987, S. 29-34 (Einsatz 1987) JAHRMANN, F. U.: Finanzierung, 5. Aufl., Berlin 2003 (Finanzierung 2003) JENDRUSCHEWITZ, B.: Value at Risk. Ein Ansatz zum Management von Marktrisiken in Banken, in: HEIDORN, T./CREMERS, H./MOORMANN, J. (Hrsg.): Diskussionsbeiträge zur Bankbetriebslehre, Band 7, Frankfurt am Main 1999 (Value 1999) JORION, P.: Risk2: Measuring the Risk in Value at Risk, in: Financial Analyst Journal, 1996, Heft 11/12, S. 47-56 (Risk 1996) JORION, P.: Value at Risk: The New Benchmark for Controlling Derivatives Risk, Chicago/London/Singapore 1996 (Value at Risk 1996) JOST, K.: Finanzplanung industrieller Unternehmen mit einem System Dynamics Modell, Pfaffenweiler 1990 (Finanzplanung 1990) KALHÖFER, C.: Marktzinsorientierte Kalkulation in Lebensversicherungsunternehmen, in: HÖLSCHER, R. (Hrsg.): Schriftenreihe Finanzmanagement, Band 6, Sternenfels/Berlin 2001 (Kalkulation 2001)
250
Literaturverzeichnis
KARTEN, W.: Existenzrisiken der Gesellschaft – Herausforderungen für die Assekuranz, in: Zeitschrift für Versicherungswissenschaft, 1988, S. 343-362 (Existenzrisiken 1988) KARTEN, W.: Zum Problem der Versicherbarkeit und zur Risikopolitik des Versicherungsunternehmens – betriebswirtschaftliche Aspekte, in: Zeitschrift für Versicherungswissenschaft, 1972, S. 279-299 (Problem 1972) KNOBLOCH, A.P.: Zur kurzfristigen Finanzplanung des internationalen Konzerns, Heidelberg 1998 (Finanzplanung 1998) KOCH, P.: Versicherungswirtschaft, 4. Aufl., Karlsruhe 1995, (Versicherungswirtschaft 1995) KOHLHOF, J./COLINA, G.: Value-at-Risk-Management in Banken, Idstein 2000 (Value-at-Risk 2000) KOSFELD, R.: Kapitalmarktmodelle und Aktienbewertung: eine statistischökonometrische Analyse, Neue betriebswirtschaftliche Forschung, Band 195, Wiesbaden 1996 (Kapitalmarktmodelle 1996) KOSIOL, E.: Finanzplanung und Liquidität, in: Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung, 1955, S. 251-272 KOSIOL, E.: Ausgaben und Einnahmen, in: GROCHLA, E./WITTMANN, W. (Hrsg.): Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Stuttgart 1984, Sp. 325-329 (Ausgaben 1984) KRÄMER, G.: Das qualitative materielle Risiko bei betriebswirtschaftlichen Entscheidungen, in: Steuerberater, 2002, S. 270-273 (Entscheidungen 2002) KREMERS, M.: Risikoübernahme in Industrieunternehmen. Der Value-at-Risk als Steuerungsgröße für das industrielle Risikomanagement, dargestellt am Beispiel des Investitionsrisikos, in: HÖLSCHER, R. (Hrsg.): Schriftenreihe Finanzmanagement, Band 7, Sternenfels/Berlin 2002 (Finanzierung 2002) KROPP, M.: Management und Controlling finanzwirtschaftlicher Risikopositionen: einschließlich einer Fallstudie zu den Öltermingeschäften der Metallgesellschaft, Bad Soden 1999 (Management 1999) KRÜMMEL, H.-J.: Grundsätze der Finanzplanung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1964, S. 225-240 (Grundsätze 1964) KRÜMMEL, H.-J.: Liquiditätssicherung im Bankwesen (II), in: Kredit und Kapital, 1969, S. 60-110 (Liquiditätssicherung 1969)
Literaturverzeichnis
251
KUHN, K.-D./STEIN, H.-G.: Finanzplanung, in: Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Sonderheft 17, 1984, S. 117-128 (Finanzplanung 1984) KUPIEC, P.H.: Techniques for Verifying the Accuracy of Risk Measurement Models, Federal Reserve Board, Finance and Econimics Discussion Series, Divisions of Research and Statistics, 92-24, Washington D.C. 1995 (Verifying 1995) KÜTING, K./WEBER, C.-P.: Die Bilanzanalyse: Lehrbuch zur Beurteilung von Einzel- und Konzernabschlüssen, 7. Aufl., Stuttgart 2004 (Bilanzanalyse 2004) LACHNIT, L.: Erfolgs- und Finanzplanung für mittelständische Betriebe als Electronic-Banking-Leistung der Kreditinstitute, in: Der Betrieb, 1991, S. 2145-2152 (Finanzplanung 1991) LACHNIT, L.: Finanzplanung, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 2. Aufl., Stuttgart 1994, S. 776-788 (Finanzplanung 1994) LACHNIT, L.: Finanzplanung, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3.Aufl., Stuttgart 2001, S. 887-900 (Finanzplanung 2001) LANGEN, H./WEINTHALER, F.: Prognose mit Hilfe von Verweilzeitverteilungen, in: MERTENS, P. (Hrsg.): Prognoserechnung, 4. Aufl., Würzburg 1981 (Prognose 1981) LAUF, R.: Liquiditätssicherung und Steuerbelastung. Berücksichtigung der Steuerbelastung in einer liquiditätsorientierten Finanzplanung, Berlin 1977 (Liquiditätssicherung 1977) LIEBL, F.: Simulation: eine problemorientierte Einführung, München/Wien 1992 (Simulation 1992) LIPPERT, W.: Arbeitsbuch kurzfristige Finanzplanung und Finanzkontrolle, München 1989 (Finanzplanung 1999) LISTER, M.: Wertorientiertes Risiko-Controlling in Unternehmen, Habil., Basel 2002 (Risiko-Controlling 2002) LOCAREK-JUNGE, H./STAHL, G.: Value-at-Risk, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2001, Sp. 2120-2128 (Value-at-Risk 2001) LÜCKE, W.: Finanzplanung, in: BÜSCHGEN, H. (Hrsg.): Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, Stuttgart 1976, Sp. 547-558 (Finanzplanung 1976)
252
Literaturverzeichnis
LÜCKE, W.: Finanzplanung und Unsicherheit, in: BÜSCHGEN, H. (Hrsg.): Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, Stuttgart 1976, Sp. 567-580 (Finanzplanung 1976a) LÜCKE, W.: Liquidität, Liquidierbarkeit und Teilbarkeit, in: Der Betrieb, 1984, S. 2420-2423 (Liquidität 1984) LUHMANN, N.: Soziologie des Risikos, Berlin 1991 (Soziologie 1991) LÜTTEKEN, U.: Einfache und effektive Finanzplanung, in: Betriebswirtschaftliche Blätter, Heft 1, 1998, S. 21-25 (Finanzplanung 1998) MAG, W.: Unternehmensplanung, München 1995 (Unternehmensplanung 1995) MAKRIDAKIS, S./WHEELWRIGHT, S./HYNDMAN, R.: Forecasting: Methods and Applications, New York, 3. Aufl., 1998 (Forecasting 1998) MANDÉRY, W.: Finanzplanung, in: GRÜNEWALD, H.-G./KILGER, W./SEIFF, W. (Hrsg.): agplan-Handbuch zur Unternehmensplanung, 3. Band, München 1983, S. 1-25 (Finanzplanung 1983) MARSHALL, C. L.: Measuring and Managing Operational Risks in Financial Institutions, Tools, Techniques, and other Resources, Singapore/New York/Chichester 2001. (Measuring 2001) MARX, M.: Finanzmanagement und Finanzcontrolling im Mittelstand, in: SERFLING, K. (Hrsg.): Schriftenreihe Controlling, Band 2, Ludwigsburg/Berlin 1993 (Finanzmanagement 1993) MATSCHKE, M.J./HERING, T./KLINGELHÖFER, H.E.: Finanzanalyse und Finanzplanung, München, Wien 2002 (Finanzanalyse 2002) MENSCH, G.: Finanz-Controlling: Finanzplanung und –kontrolle, Controlling zur finanziellen Unternehmensführung, München, Wien 2001 (Finanz-Controlling 2001) MEYER ZU SELHAUSEN, H.: Liquiditätspolitik der Banken und Liquiditätsgrundsätze, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2001, Sp. 1504-1516 (Liquiditätspolitik 2001) MEYER, C.: Value at Risk für Kreditinstitute: Erfassung des aggregierten Marktrisikopotentials, Wiesbaden, 1999 (Value at Risk 1999) MICHEL, R. u.a.: Finanzplanung und –controlling: rollierende Disposition der Liquidität, Renningen-Malsheim 1994 (Finanzplanung 1994) MIKOSCH, C.: Industrie-Versicherungen. Ein Leitfaden für nationale und internationale Unternehmen, Wiesbaden 1991 (Industrie-Versicherungen 1991)
Literaturverzeichnis
253
MIKUS, B.: Risiken und Risikomanagement – ein Überblick, in: GÖTZE, U./HENSELMANN, K./MIKUS, B. (Hrsg.): Risikomanagement, Heidelberg 2001, S. 5-28 (Risiken 2001) MOIR, L.: Managing Corporate Liquidity, Chicago/London 1999 (Managing 1999) MOSNIK, R./NOWOTNY, H./SCHOLZE, C.: Liquiditätsmanagement mit Methode, Frankfurt(Main) 1998 (Liquiditätsmanagement 1998) MUGLER, J.: Risk Management in der Unternehmung, in: Unternehmung und Gesellschaft, Schriftenreihe des Journal für Betriebswirtschaft, Band 6, Wien 1979 (Risk Management 1979) MÜLHAUPT, L.: Finanzielles Gleichgewicht, in: BÜSCHGEN, H.E. (Hrsg.): Handwörterbuch der Finanzwirtschaft, Stuttgart 1976, Sp. 401-413 (Finanzielles Gleichgewicht 1976) MÜLLER-MERBACH, H.: Operations Research. Methoden und Modelle der Optimalplanung, 3. Aufl., München 1973 (Operations Research 1973) MUSIL, S.: Computergestützte Finanzplanung, in: io Management Zeitschrift, Heft 6, 1992, S. 27-31 (Computergestützte Finanzplanung 1992) MYERS, S./RAJAN, R.: The Paradox of Liquidity, National Bureau of Economic Research, Working Paper Series, Working Paper No. 5143, 1995, S. 1-40 (Liquidity 1995) NEUGEBAUER, T.: Implementierung EDV-gestützter Finanzplanungssysteme in mittelständiche Unternehmen, Frankfurt am Main u.a. 1993 (Implementierung 1993) NITSCH, R./NIEBEL, F.: Praxis des Cash Managements: Mehr Rendite durch optimal gesteuerte Liquidität, Wiesbaden 1997 (Praxis 1997) NOELLE, G.F.: Zur Bestimmung optimaler Liquiditätsreserven von Unternehmungen. Ein Beitrag zur Solvenztheorie, Frankfurt am Main/Zürich 1976 (Bestimmung 1976) PAUSENBERGER, E./GLAUM, M./JOHANSSON, A.: Das Cash Management internationaler Unternehmungen in Deutschland, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1995, S. 1365-1386 (Cash-Management 1995) PERRIDON, L./STEINER, M.: Finanzwirtschaft der Unternehmung, 13. Aufl., München 2004 (Finanzwirtschaft 2004) PETER, C.F.: Unternehmerisches Risikomanagement. Konsequenzen einer integrierten Risikobewältigung für die Versicherung, Diss., St. Gallen 2001 (Risikomanagement 2001)
254
Literaturverzeichnis
PFAFF, D.: Finanzcontrolling, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2001, S. 729-742 (Finanzcontrolling 2001) PRÄTSCH, J.: Langfristige Finanzplanung und Simulationsmodelle. Methodologische Grundlegung sowie Beurteilung der Eignung der Simulation für die langfristige Finanzplanungspraxis, Frankfurt(Main)/Bern/New York 1986 (Finanzplanung 1986) PROBST, H.: Finanzplanung (I). Finanzplanung als Teil der Unternehmensplanung, in: Bilanz & Buchhaltung, Heft 3, 1989, S. 89-101 (Finanzplanung 1989a) PROBST, H.: Finanzplanung (II). Von der Finanzplanung bis zur Finanzkontrolle, in: Bilanz & Buchhaltung, Heft 5, 1989, S. 169-176 (Finanzplanung 1989b) RAFFÉE, H.: Grundprobleme der Betriebswirtschaftslehre, Göttingen 1974 (Grundprobleme 1974) RATH, K.: Die Prognose von Einzahlungen aus unsicherem Umsatz im Rahmen der kurzfristigen Finanzplanung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1983, S. 1170-1185 (Prognose 1983) RAU-BREDOW, H.: Value at Risk, Normalverteilungshypothese und Extremwertverhalten, in: Finanz Betrieb, 2002, S. 603-607 (Value at Risk 2002) READ, O.: Parametrische Modelle zur Ermittlung des Value at Risk, Diss., Köln 1998 (Parametrische Modelle 1998) REHKUGLER, H./SCHINDEL, V.: Finanzierung, München 1994 (Finanzierung 1994) REICHMANN, T.: Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, 6. Aufl., München 2000 (Controlling 2000) REINER, M./WEßNER, K./WIMMER, F.: Strategische Prognose von Markt- und Absatzentwicklungen durch kombinierten Einsatz quantitativer und qualitativer Verfahren, in: Gesellschaft für Konsum, Jahrbuch der Absatz und Verbrauchsforschung, 1991, S. 71-87 (Prognose 1991) ROLFES, B.: Gesamtbanksteuerung, Stuttgart 1999 (Gesamtbanksteuerung 1999) RÜCKER, U.-C.: Finanzierung von Umweltrisiken im Kontext eines systematischen Risikomanagements, in: HÖLSCHER, R. (Hrsg.): Schriftenreihe Finanzmanagement, Band 1, Sternenfels/Berlin 1999 (Finanzierung 1999) RUDOLPH, A.: Prognoseverfahren in der Praxis, Heidelberg 1998 (Prognoseverfahren 1998) SACHS, L.: Angewandte Statistik. Anwendung statistischer Methoden, 8. Aufl., Berlin u.a. 1996 (Statistik 1996)
Literaturverzeichnis
255
SARTORIS, W./HILL, N.: Short-term Financial Management, New York 1988 (Short-term 1988) SCHIERENBECK, H.: Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 2: RisikoControlling und integrierte Rendite-/Risikosteuerung, 8. Aufl., Wiesbaden 2003 (Bankmanagement 2003) SCHIERENBECK, H.: Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre, 16. Aufl., München 2003 (Grundzüge 2003) SCHIERENBECK, H./HÖLSCHER, R.: BankAssurance, Institutionelle Grundlagen der Bank- und Versicherungsbetriebslehre, 4. Aufl., Stuttgart 1998 (BankAssurance 1998) SCHIERENBECK, H./LISTER, M.: Value-Controlling: Grundlagen Wertorientierter Unternehmensführung, 2. Aufl., München/Wien 2002 (Value 2002) SCHITAG ERNST & YOUNG AG (Hrsg.): Risikomanagement- und Überwachungssystem im Treasury: Darstellung der Anforderungen nach KonTraG, Stuttgart 1998 (Treasury 1998) SCHLITTGEN, R./STREITBERG, B. H. J.: Zeitreihenanalyse, München/Wien 1984 (Zeitreihenanalyse 1984) SCHNEEWEIß, H.: Monte-Carlo-Methoden, in: MENGES, G. (Hrsg.): Beiträge zur Unternehmensforschung, Würzburg/Wien 1969, S. 129-152 (MonteCarlo.Methoden 1969) SCHÜTT, H.: Finanzierung und Finanzplanung deutscher Industrieunternehmen, Darmstadt 1979 (Finanzierung 1979) SEIBOLD, M.: Haftungsrisiken beim konzernweiten Cash Pooling, in: Finanz Betrieb, 2005, S. 77-83 (Haftungsrisiken 2005) SERFLING, K./MARX, M.: Finanzplanung und Finanzdisposition als Aufgabe des Finanzmanagements mittelständischer Unternehmen, in: Der Betrieb, 1991, S. 105-112 (Finanzplanung 1991) SPAHNI-KLASS, A.: Cash-Management im multinationalen Industriekonzern, 2. Aufl., Bern/Stuttgart 1990 (Cash-Management 1990) SPELLMANN, F.: Gesamtrisiko-Messung von Banken – Ein Beitrag zur Analyse von Markt- und Kreditrisiken und ihres Risikoverbundes, Wiesbaden 2002 (Gesamtrisiko-Messung 2002) STEINER, M.: Cash Management, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch der Bank- und Finanzwirtschaft, 2. Aufl., Stuttgart 1995, Sp. 386-399 (Cash Management 1995)
256
Literaturverzeichnis
STRAUB, H.: Optimale Finanzdisposition, Meisenheim am Glan 1974 (Finanzdisposition 1974) SÜCHTING, J.: Finanzmanagement: Theorie und Politik der Unternehmensfinanzierung, 6. Aufl., Wiesbaden 1995 (Finanzmanagement 1995) THOMS, W.: Die Vorteile der funktionalen Kontorechnung, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1956, S. 503-515 (Kontorechnung 1956) TIETJE, B.: Die Finanzplanung nach der Insolvenzordnung von 1999, Hamburg 2003 (Finanzplanung 2003) TÖPFER, A./HEYMANN, A.: Marktrisiken, in: DÖRNER, D./HORVÁTH, P./KAGERMANN, H. (Hrsg.): Praxis des Risikomanagements: Grundlagen, Kategorien, branchenspezifische und strukturelle Aspekte, Stuttgart 2000, S. 225252 (Marktrisiken 2000) TROßMANN, E.: Finanzplanung mit Netzwerken: Konzeption eines Netzwerkmodells und einer Datenbank für die betriebliche Finanzplanung, Berlin 1990 (Finanzplanung 1990) TYTKO, D./MAREK, M.: Finanzwirtschaftliche Unternehmensziele, in: Das Wirtschaftsstudium, Heft 5, 2001, S. 675-678 (Unternehmensziele 2001) VEIT, T./WALZ, H./GRAMLICH, D.: Investitions- und Finanzplanung: eine Einführung in finanzwirtschaftliche Entscheidungen unter Sicherheit, 3. Aufl., Heidelberg 1990 (Investitionsplanung 1990) WALZ, H./GRAMLICH, D.: Investitions- und Finanzplanung: eine Einführung in finanzwirtschaftliche Entscheidungen unter Sicherheit, 5. Aufl., Heidelberg 1997 (Investitionsplanung 1997) WEBER, A.: Liquiditätsgrade und Maßnahmen zur Verbesserung der Liquidität, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, 1999, S. 65-73 (Liquiditätsgrade 1999) WEBER, F.: Modellrisiko bei Value-at-Risk-Schätzungen: Eine empirische Untersuchung für den schweizerischen Aktien- und Optionenmarkt, Diss., Freiburg in der Schweiz 2001 (Modellrisiko 2001) WEBER, H. K.: Rentabilität, Produktivität und Liquidität: Größen zur Beurteilung und Steuerung von Unternehmen, 2. Aufl., Wiesbaden 1998 (Rentabilität 1998) WEBER, H. K./ROGLER, S.: Betriebswirtschaftliches Rechnungswesen, Band 1: Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung, 5. Aufl., München 2004 (Rechnungswesen 2004) WIEDEMANN, A.: Die Messung von Zinsrisiken anhand des Value at RiskKonzepts (I), in: Das Wirtschaftsstudium, 2002, S. 1416-1423 (Messung 2002)
Literaturverzeichnis
257
WILLIAMS, C. A./SMITH, M. L./YOUNG, P. C.: Risk Management and Insurance, 8. Aufl., New York 1997 (Risk Management 1995) WITTE, E.: Die Liquiditätspolitik der Unternehmung, Tübingen 1963 (Liquiditätspolitik 1963) WITTE, E.: Zur Bestimmung der Liquiditätsreserve, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 1964, S. 763-772 (Bestimmung 1964) WITTE, E.: Finanzplanung der Unternehmung: Prognose und Disposition, 3. Aufl., Opladen 1983 (Finanzplanung 1983) WITTE, E.: Liquidität, in: GERKE, W./STEINER, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 2.Aufl., Stuttgart 1994, Sp. 1381-1388 (Liquidität 1994) WÖHE, G.: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 22. Aufl., München 2005 (Einführung 2005) WÖHE, G./BILSTEIN, J.: Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, 10. Aufl., München 2002 (Grundzüge 2002) WOOD, O. G.: Evolution of the concept of risk, in: The journal of risk and Insurance, 1964, S. 83-91 (Evolution 1964) WOSSIDLO, P.R.: Finanzplanung, in: CRAMER, J.E. u.a. (Hrsg.): Lexikon des Geld-, Bank und Börsenwesens, Band 1, Frankfurt am Main 1999, S. 681-692 (Finanzplanung 1999) ZEIDLER, F.: Zentrales Cashmanagement in faktischen Aktienkonzernen, in: LUKES, R. (Hrsg.): Schriften zum Wirtschafts-, Handels-, Industrierecht, Band 39, Köln 1999 (Cashmanagement 1999) ZIMMERMANN, W./STACHE, U.: Operations Research : quantitative Methoden zur Entscheidungsvorbereitung, 10. Aufl., München/Wien 2001 (Operations Research 2001) ZUNK, D.: Die Finanzplanung als Frühwarnsystem für Unternehmen: Gesellschaftsrechtliche Probleme und Lösungen, in: Finanz Betrieb, 2000, S. 557-562 (Finanzplanung 2000)
Schriftenreihe Finanzmanagement Band
1:
Band
2:
Band
3:
Band
4:
Band
5:
Band
6:
Band
7:
Band 8: Band 9: Band 10:
Uwe-Christian Rücker: Finanzierung von Umweltrisiken im Kontext eines systematischen Risikomanagements; 1999. Stefan Daferner: Eigenkapitalausstattung von Existenzgründungen im Rahmen der Frühphasenfinanzierung; 2000. Wolfgang Ritter: Unternehmenssanierung im neuen Insolvenzrecht. Eine Analyse aus Sicht der Kreditinstitute; 2000. Stephan Ruhl: Entscheidungsunterstützung bei der Sanierungsprüfung. Ein betriebswirtschaftliches Entscheidungsmodell zur Sanierungsprüfung nach neuem Insolvenzrecht; 2000. Judith Eigermann: Quantitatives Credit-Rating unter Einbeziehung qualitativer Merkmale. Entwicklung eines Modells zur Ergänzung der Diskriminanzanalyse durch regelbasierte Einbeziehung qualitativer Merkmale; 2. Auflage 2002. Christian Kalhöfer: Marktzinsorientierte Kalkulation in Lebensversicherungsunternehmen; 2001. Markus Kremers: Risikoübernahme in Industrieunternehmen. Der Value-at-Risk als Steuerungsgröße für das industrielle Risikomanagement, dargestellt am Beispiel des Investitionsrisikos; 2002. Marc Sven Rieß: Rentabilitäts- und Risikosteuerung in Pkw-Leasinggesellschaften; 2005. Markus Schäfer: Kennzahlenbasierte Jahresabschlussanalyse von Lebensversicherungsunternehmen; 2006. Rainer Bonn: Finanzplanbasierte Messung und Steuerung des Liquiditätsrisikos; 2006.