Finanzinstrumente: Vom Wertpapier- und Sachenrecht zum Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände 9783161512223, 9783161500107

Weltweit werden Aktien und Anleihen entmaterialisiert. Anders dagegen in Deutschland, wo man immer noch die Ausstellung

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German Pages 590 [591] Year 2010

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Widmung
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Teil Kritik des Wertpapierrechts
1. Kapitel Ausgangslage des deutschen Rechts
§ 1 Finanzmarkttitel aus wirtschaftlicher und aus rechtlicher Sicht
I. Wirtschaftliche Einordnung
II. Rechtliche Einordnung
1. Bedürfnis einer einheitlichen rechtlichen Kategorie
2. Qualifikation als „Wertpapier“
§ 2 Begriff des Wertpapiers
I. Allgemeiner Wertpapierbegriff
1. Die Definition Heinrich Brunners
2. Die Definition Eugen Ulmers
3. Synthese
4. Erweiterung um den numerus clausus
5. Zwischenergebnis
II. Kapitalmarktrechtlicher Wertpapierbegriff
1. Gespaltener Wertpapierbegriff
2. Keine konzeptionelle Verselbständigung
2. Kapitel Phänomene des Kapitalmarkts
§ 3 Funktionsverlust der Urkunde
I. Entwicklung des Wertpapiers bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
1. Individuelle Wertpapiere
2. Finanzmarkttitel
II. Immobilisierung
1. Fremdverwahrung
2. Sammelverwahrung
3. Effektengiroverkehr
4. Überwindung der Vorlegung
5. Von der Immobilisierung zur Entindividualisierung
III. Entindividualisierung
1. Entwicklung der Globalurkunde
2. Rechtliche Anerkennung
3. Ausschluss der Einzelverbriefung
4. Zwangsgiroverkehr
5. Von der Entindividualisierung zur Entmaterialisierung
IV. Entmaterialisierung
1. Buchschulden
2. Sammelverwaltung
3. Einzelschuldbuchforderung
4. Entmaterialisierung privat emittierter Titel?
5. Entmaterialisierung der Übertragung
V. Zwischenbefund
VI. Die neue Bedeutung der Verbriefung („securitization“)
§ 4 Internationalisierung des Effektenverkehrs
I. Funktionsweise des grenzüberschreitenden Effektenverkehrs
1. Anschaffung und Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland
2. Verbindungen zwischen Wertpapiersammelbanken
3. Internationale Zentralverwahrer
4. Neuverbriefung
5. Weitere Methoden
II. Ersetzung des Wertpapiers in anderen Rechtsordnungen
1. Frankreich
2. Italien
3. Spanien
4. Vereinigtes Königreich
5. USA
6. Schweiz
7. Andere Länder
§ 5 Neue Produkte des Kapitalmarkts
I. Optionen
1. Wirtschaftliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
a) Unverbriefte Optionen
b) Verbriefte Optionen
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
II. Futures
1. Wirtschaftliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
a) Kaufvertrag
b) Spiel oder Wette
c) Vertrag sui generis
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
III. Zertifikate
1. Wirtschaftliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
IV. Investmentanteile
1. Wirtschaftliche und rechtliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
a) Investmentanteil
b) Anteilschein
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
V. Asset-Backed Se curities
1. Wirtschaftliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
VI. Swaps
1. Wirtschaftliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
VII. Kreditderivate
1. Wirtschaftliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
a) Unverbriefte Kreditderivate
b) Verbriefte Kreditderivate
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
VIII. Hybrides Kapital
1. Wirtschaftliche Grundlagen
2. Verbriefung
3. Zivilrechtliche Einordnung
4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung
5. Folgerungen
3. Kapitel Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte gegenüber dem Wertpapierrecht
§ 6 Dogmatische Probleme des deutschen Rechts
I. Einschränkung der Innehabung und des Umlaufs von Wertpapieren
II. Verfall der Verbriefung
III. Verstoß gegen den numerus clausus
IV. Zwischenbefund
§ 7 Lösungen in ausländischen Rechtsordnungen
I. USA und Vereinigtes Königreich
II. Frankreich, Italien und Spanien
III. Schweizer Recht
IV. Gemeinschaftsrecht
V. Schlussfolgerung
2. Teil Kritik des Sachenrechts
4. Kapitel Die Beschränkung des Sachenrechts auf Rechte an körperlichen Gegenständen
§ 8 Die Prägung des Wertpapierrechts durch das Sachenrecht
I. Drei Beispiele
1. Erfordernis der Innehabung einer Urkunde
2. Übertragung des Rechts durch Übergabe
3. Wertpapierrechtlicher numerus clausus
II. Verkörperungstheorie
1. Grundlagen
2. Historische Vorläufer
3. Savignys Idee
4. Auswirkungen
5. Kritik
§ 9 Die Vernachlässigung unkörperlicher Vermögensgegenstände durch das Bürgerliche Gesetzbuch
I. Der enge Sachbegriff des BGB
II. Einzelfälle
1. Energie
2. Daten
3. Immaterialgüter
4. Sachgesamtheiten
5. Rechte
6. Erwerbsaussichten
III. Zusammenfassung
§ 10 Die Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht
I. Grundlagen
1. Vorarbeiten zum BGB
2. Savigny’sche Zweiteilung der Rechte
3. Römischrechtliche Quellen
4. Philosophische Grundlagen
II. Persönliche und dingliche Rechte
III. Absolute und relative Rechte
IV. Güterbewegung und Güterzuordnung
V. Schlussfolgerung
§ 11 Die Überwindung des engen Sachbegriffs durch das Wertpapier
I. Die Forderung als Gegenstand der Vermögenszuordnung
II. Das Wertpapier als Mittel der Vermögenszuordnung
III. Die Überwindung des Wertpapiers
5. Kapitel Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände im Zivilrecht
§ 12 Notwendigkeit der Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände
I. Entkörperlichung des Vermögens als Realität
II. Unkörperliche Vermögenswerte aus rechtsökonomischer Sicht
III. Behandlung durch die Rechtsordnung
1. Aufspaltung auf Einzelgebiete
2. Folgeprobleme
§ 13 Vorbilder in anderen Rechtsordnungen und Rechtsgebieten
I. Ausländische Rechtsordnungen
1. Weiter Sachbegriff der kontinentalen Rechtsordnungen
2. Angelsächsische „chose in action“ und „property rights“
3. Vermögensrecht des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs
4. Schlussfolgerung
II. Rechtsgebiete außerhalb des allgemeinen Zivil- und Kapitalmarktrechts
1. Verfassungsrecht
2. Bilanz- und Steuerrecht
§ 14 Die Erweiterung des Sachenrechts zum Vermögensrecht
I. Bisherige Versuche zur Einordnung von Finanzinstrumenten
1. Sachenrecht
2. Schuldrecht
3. Zwischen Schuld- und Sachenrecht
II. Notwendigkeit eines eigenen Rechtsgebiets
1. Unmöglichkeit der Einordnung in Schuld- und Sachenrecht
2. Verwerfung der Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht?
3. Erweiterung des Sachenrechts
III. Einführung eines Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände
1. Aufgabe
2. Anwendungsbereich
3. Inhalt
IV. Einführung eines Vermögensrechts
1. Aufgabe
2. Anwendungsbereich
3. Inhalt
4. Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten
3. Teil Das Finanzinstrument als Baustein eines Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände
6. Kapitel Die Figur des Finanzinstruments
§ 15 Begriff
I. Grundlagen
1. Notwendigkeit einer neuen Rechtsfigur
2. Das Finanzinstrument
3. Anerkennung im Kapitalmarktrecht
4. Verwendung eines kapitalmarktrechtlichen Konzepts im Zivilrecht?
II. Nähere Bestimmung
1. Gesetzliche Definitionen
2. Wörtliche Analyse
3. Neue Vermögensgegenstände
III. Herkunft
1. Ursprung im Gemeinschaftsrecht
2. Bedeutungsentwicklung
IV. Vergleich mit anderen Figuren
1. Vertrag
2. Mitgliedschaft
3. Geld
4. Ware
5. Eigentum
§ 16 Merkmale
I. Handelbarkeit
1. Wirtschaftliche Hintergründe
2. Bedeutung im Kapitalmarktrecht
3. Übertragung auf das Zivilrecht
4. Verhältnis zu anderen Merkmalen
II. Umlauffähigkeit
1. Bedeutung
2. Inhalt
3. Beispiele
III. Massenhafte Ausstellung
1. Bedeutung
2. Inhalt
3. Beispiele
IV. Vertretbarkeit (Fungibilität)
1. Bedeutung
2. Inhalt
3. Beispiele
4. Herstellung der Vertretbarkeit
V. Zulassung zum Börsenhandel?
VI. Eignung für Clearing und Settlement
VII. Zusammenfassung
§ 17 Typologie
I. Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung
1. Instrumente der Eigenfinanzierung
a) Aktien
b) Vorzugsaktien
c) Zwischenscheine und Jungscheine
d) Globalaktien?
2. Instrumente der Fremdfinanzierung
a) Schuldverschreibungen
b) Schuldbuchforderungen
c) Nullkupon-Anleihen
d) Pfandbriefe
e) Andere Instrumente
3. Hybride Instrumente
a) Wandelschuldverschreibungen
b) Gewinnschuldverschreibungen
c) Genussrechte
d) Nachranganleihen
II. Instrumente der gemeinsamen Kapitalanlage
1. Investmentanteile
2. Asset-Backed Se curities
3. Weitere Instrumente
a) Private Equity
b) REITS-Aktien
4. Zwischenbilanz
III. Geldmarktinstrumente
IV. Derivate
1. Unbedingte Verpflichtung
a) Futures
b) Forwards
c) Swaps
2. Bedingte Verpflichtung
a) Optionen
b) Optionsanleihen
c) Aktienanleihen
3. Strukturierte Produkte
V. Zusammenfassung
7. Kapitel Die Entstehung des Finanzinstruments
§ 18 Emission
I. Vertragliche Grundlage
1. Abschluss des Begebungsvertrags
2. Besonderheiten einzelner Finanzinstrumente
a) Aktien
b) Schuldverschreibungen
II. Rechtsnatur des Begebungsvertrags
1. Im Allgemeinen
2. Anwendbare Regelungen
a) Zeichnung der Aktie und Leistungsstörungsrecht
b) Bedingungen der Anleihe und AGB-Recht
III. Grundsatz der Privatautonomie
1. Gestaltungsfreiheit im Anleiherecht
2. Allgemeiner Typenzwang
3. Satzungsstrenge im Aktienrecht
4. Ausgleich durch Kapitalmarktrecht
IV. Besonderheiten bei unverbrieften Optionen, Futures und Swaps
§ 19 Publizität
I. Besitz an der Urkunde
1. Besitzpyramide der herrschenden Meinung
2. Zweifel in der Literatur
3. Stellungnahme
4. Nutzen der Besitzkonstruktion
II. Eintragung in einem Register
1. Vorschlag
2. Legitimationskraft vorhandener Register
3. Schutz des Verkehrs
4. Kosten der Registerführung
5. Risiko des Datenverlusts
6. Risikozuweisung
7. Registerführer
8. Verhältnis des Hauptregisters zu Unterregistern
III. Ausgestaltung des Registers
1. Elektronische Führung
2. Sicherung gegen Datenverlust
3. Haftung
4. Verwalter
5. Inhalt
6. Öffentlicher Zugang?
IV. Die Bedeutung der Eintragung
1. Rechtstechnisch
2. Rechtsdogmatisch
8. Kapitel Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr
§ 20 Übertragung
I. Sachenrechtliches Modell
1. Einigung
2. Übergabe
3. Einwände
II. Treuhandmodelle
1. Ermächtigungstreuhand
2. Fiduziarische Treuhand
3. Bewertung
III. Bedeutung des Netting und des Zentralen Kontrahenten
1. Anwendung der Besitzkonstruktion
2. Disparität des Besitzmittlungswillens der Sammel- und Depotbanken
3. Folgen
IV. Europäische Perspektive
1. Rechtsvergleich
2. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben: Finalitätsrichtlinie
3. Mangelhafte Umsetzung in das deutsche Recht
4. Folgen
V. Exkurs: Projekte für ein gemeinschaftsweites Clearing und Settlement
1. Lamfalussy-Bericht
2. Berichte der Giovannini Group
3. Mitteilungen der Kommission
4. Rechtsakte des Gemeinschaftsgesetzgebers
5. EZB und CESR Standards
6. CESAME
7. Legal Certainty Group
8. T2S-Projekt der EZB
9. Würdigung
VI. Vorschlag für eine künftige Regelung
1. Verbindlichkeit der Buchung
2. Willenserklärungen
3. Möglichkeit zur Korrektur
VII. Besonderheiten bei Futures, unverbrieften Optionen und Swaps
§ 21 Erwerb vom Nichtberechtigten
I. Sachenrechtliches Modell
1. Anwendbare Regelung
2. Besitz als Rechtsscheinsgrundlage
3. Einfluss des Netting
4. Bedürfnisse des Effektengiroverkehrs
II. Alternative Rechtsscheinsträger
1. Buchung
2. Lieferliste
III. Moderner Effektenverkehr und Gutglaubensschutz
IV. Neues Modell
1. Bezugspunkt des guten Glaubens
2. Anknüpfungspunkt des guten Glaubens
3. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht
4. Ausnahmen
5. Fehlbuchung ohne Rechtsgeschäft
V. Verteilung des Verlusts
§ 22 Verpfändung
I. Sachenrechtliches Modell
1. Gegenstand des Pfandrechts
2. Anwendbare Vorschriften
3. Publizität
4. Bestimmtheit
5. Verpfändung von Schuldbuchforderungen
6. Gutgläubiger Erwerb durch Depotbank
II. Verpfändung des Herausgabeanspruchs
III. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht
IV. Verpfändung durch Einigung und Eintragung
1. Regelungsvorschlag
2. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht
V. Verwertung
§ 23 Zwangsvollstreckung
I. Sachenrechtliches Modell
1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung
2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe
3. Verwertung
II. Vorschlag für eine künftige Regelung
1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung
2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe
3. Verwertung
9. Kapitel Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen
§ 24 Finanzinstrumente und Kapitalmarktrecht
I. Das Finanzinstrument als Nahtstelle zwischen Zivilrecht und Kapitalmarktrecht
II. Das Finanzinstrument als Grundbaustein des Kapitalmarktrechts
1. Notwendigkeit der Umbenennung des WpHG
2. Umfassende Kodifikation des Kapitalmarktrechts
3. Notwendigkeit einer einheitlichen Definition
III. Die Natur des Finanzinstruments als Rechtfertigung des Kapitalmarktrechts
1. Bisherige Begründungen: Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, Anlegerschutz und Informationsasymmetrie
2. Markt für unkörperliche Güter
3. Schlussfolgerung
§ 25 Schutz des Finanzinstruments durch Zivil- und Strafrecht
I. Deliktsrechtlicher Schutz
1. Grundlagen
2. Folgen
II. Herausgabeansprüche
III. Strafrechtlicher Schutz
§ 26 Finanzinstrumente in der Insolvenz
I. Schutz des Anlegers
1. In der Insolvenz der Depotbank
2. In der Insolvenz des Zentralverwalters
3. In der Insolvenz des Emittenten
II. Schutz der Gläubiger
1. Schutz ungesicherter Gläubiger
2. Schutz gesicherter Gläubiger allgemein
3. Schutz der Inhaber von Finanzsicherheiten
III. Schutz der Clearingmitglieder
1. Beschränkung der Wirkung gerichtlicher Sicherungsmaßnahmen
2. Befreiung von Aufrechnungsverboten
3. Bevorzugung von Sicherheiten
4. Besonderheiten des Derivateclearings
IV. Insolvenzen mit Auslandsbezug
1. Schutz des inländischen Hinterlegers
2. Schutz der Gläubiger
3. Schutz der Clearingmitglieder
V. Schlussfolgerung
§ 27 Das Internationale Privatrecht der Finanzinstrumente
I. Anknüpfung an den Ort der Belegenheit
II. Anknüpfung an die Buchung
1. Finalitätsrichtlinie
2. Depotgesetz
3. Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute
4. Finanzsicherheitenrichtlinie
5. Notwendige Anpassungen des Depotgesetzes?
III. Anknüpfung an den Parteiwillen
1. Inhalt des Haager Übereinkommens
2. Notwendige Änderungen im deutschen Recht und im Gemeinschaftsrecht
IV. Harmonisierung des materiellen Rechts
10. Kapitel Reformvorschläge
§ 28 Vorschläge für das deutsche Recht
I. Eigenständiges Recht der Finanzinstrumente
II. Ersetzung des Depotgesetzes
III. Umgestaltung des Wertpapierhandelsgesetzes zum Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente
IV. Umsetzung der Entmaterialisierung in anderen kapitalmarktrechtlichen Gesetzen
V. Erweiterung der kollisionsrechtlichen Regel auf Finanzinstrumente
VI. Änderungen in weiteren Rechtsgebieten
§ 29 Vorschläge für das Gemeinschaftsrecht
I. Schaffung eines einheitlichen Verwaltungsund Abwicklungssystems
II. Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für die Buchung und Übertragung von Finanzinstrumenten
§ 30 Vorschläge für das internationale Recht
I. Vereinheitlichung des Kollisionsrechts
II. Vereinheitlichung des materiellen Rechts
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Sachregister
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Finanzinstrumente: Vom Wertpapier- und Sachenrecht zum Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände
 9783161512223, 9783161500107

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I

JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 145

II

III

Matthias Lehmann

Finanzinstrumente Vom Wertpapier- und Sachenrecht zum Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände

Mohr Siebeck

IV Matthias Lehmann, geboren 1972; Studium der Rechtswissenschaft in Jena, Paris und New York; 2008 Habilitation in Bayreuth; seit Juni 2009 Universitätsprofessor an der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg.

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn. e-ISBN PDF 978-3-16-151222-3 ISBN 978-3-16-150010-7 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Computersatz Staiger in Rottenburg/N. aus der Stempel-Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

V

Meinen Eltern und Marga und Bernd Bormann

VI

VII

Vorwort Dieses Buch versucht, eine Brücke zwischen zwei verschiedenen Rechtsgebieten zu schlagen: dem Zivilrecht und dem Kapitalmarktrecht. Beide haben sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend auseinander entwickelt. Das führt nicht nur zu dogmatischen Schwierigkeiten, sondern bisweilen auch zu Kommunikationsproblemen zwischen den Vertretern beider Disziplinen. Ein Kernpunkt dieser Probleme ist die Figur des Wertpapiers. Sie wird sowohl im Zivilrecht als auch im Kapitalmarktrecht verwendet, allerdings mit unterschiedlicher Bedeutung. Die vorliegende Untersuchung hat zum Anliegen, diese Unterschiede aufzuzeigen und einen Weg zu ihrer Überwindung zu weisen. Das Werk richtet sich sowohl an Wissenschaftler als auch an Praktiker. In erster Linie handelt es sich jedoch um eine dogmatische Arbeit. Aus diesem Grund werden technische Einzelheiten, die in der Praxis eine wichtige Rolle spielen, nur insoweit dargestellt, als es zum Verständnis der sich stellenden Rechtsprobleme unentbehrlich ist. Die Arbeit hat im Sommersemester 2008 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Habilitationsschrift vorgelegen. Nach ihrer Fertigstellung sind die Finanzmärkte in ihre schwerste Krise seit den 1930er Jahren geraten. Dabei sind unter anderem Probleme bei der Identifizierung der Inhaber unkörperlicher Finanztitel aufgetreten. Das ist jedoch kein Grund, vom Plädoyer für eine Entmaterialisierung aller am Kapitalmarkt gehandelten Produkte abzugehen. Das eingetretene Chaos hätte mit großer Wahrscheinlichkeit auch durch eine schriftliche Niederlegung der Titel in Papieren nicht vermieden werden können, denn schädlich war nicht ihre Entkörperlichung, sondern ihre Übertragung auf Dritte als Sicherheiten oder im Wege der sogenannten Wertpapierleihe. Es zeigt sich einmal mehr, dass eine eigentumsähnlich fundierte Zuordnung fremdverwalteter Titel zu ihren Inhabern unabdingbare Voraussetzung für einen funktionierenden Kapitalmarkt ist. Das entspricht der in diesem Buch vertretenen These. Dafür, dass ich die Arbeit zügig fertigstellen konnte, habe ich vor allem Professor Stefan Leible zu danken. Er hat mir nicht nur den nötigen Freiraum gegeben, sondern mich auch inspiriert und gefördert. Professor Karl-Georg Loritz danke ich für seine kritischen Anmerkungen zum Manuskript. Professor Peter W. Heermann hat mich ebenfalls als Mentor unterstützt. Den Professoren Walther Bayer und Gerald Spindler danke ich für die Erstellung der ex-

VIII

Vorwort

ternen Gutachten und die darin enthaltenen Anregungen, die ich bei der Veröffentlichung soweit wie möglich berücksichtigt habe. Bei der Vorbereitung der Arbeit war mir ein informeller Habilitandengesprächskreis sehr von Nutzen. Ihm gehörten Klaus Bartels, Oliver Brand, Aurealia Colombi Ciacchi, Mary-Rose McGuire, Ulrich Schroeter, Frank Weiler, Martin Zimmermann, Olaf Meyer und Claudia Schubert an. Ich danke auch den Mitgliedern des Forums „ Junges Unternehmensrecht“, denen ich meine Thesen vorstellen durfte: Dirk Zetzsche, Kristoffel Grechenig, Carsten Jungmann, Tobias Tröger, Rüdiger Wilhelmi und – nochmals – Klaus Bartels. Wertvolle Anregungen gaben außerdem B. Sharon Byrd, Jens Eisfeld, Thomas Lehmann, Andy Ruzik, Christian Schröder, Kevin Stephan, Ulrich Thölke und Ulrich M. Wolf. Besonderer Dank für die kritische Durchsicht des Manuskripts gebührt Martin Brenncke, Anne Hamm, Andreas Schneider, Eva Lein und Corinna Mückenheim. Halle (Saale), im Sommer 2009

Matthias Lehmann

IX

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

1. Kapitel: Ausgangslage des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

§ 1 Finanzmarkttitel aus wirtschaftlicher und aus rechtlicher Sicht . . . . . § 2 Begriff des Wertpapiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 11

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

§ 3 Funktionsverlust der Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Internationalisierung des Effektenverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 5 Neue Produkte des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16 55 91

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte gegenüber dem Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 § 6 Dogmatische Probleme des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 § 7 Lösungen in ausländischen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

2. Teil: Kritik des Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts auf Rechte an körperlichen Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 § 8 Die Prägung des Wertpapierrechts durch das Sachenrecht . . . . . . . . . . § 9 Die Vernachlässigung unkörperlicher Vermögensgegenstände durch das Bürgerliche Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 10 Die Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht . . . . . . . . . . . § 11 Die Überwindung des engen Sachbegriffs durch das Wertpapier . . . .

171 184 198 222

X

Inhaltsübersicht

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 12 Notwendigkeit der Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 13 Vorbilder in anderen Rechtsordnungen und Rechtsgebieten . . . . . . . . 237 § 14 Die Erweiterung des Sachenrechts zum Vermögensrecht . . . . . . . . . . . 250

3. Teil: Das Finanzinstrument als Baustein eines Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 15 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 16 Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 § 17 Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 § 18 Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 § 19 Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 § 20 § 21 § 22 § 23

Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erwerb vom Nichtberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

388 423 437 450

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen . . . . . . . 458 § 24 § 25 § 26 § 27

Finanzinstrumente und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz des Finanzinstruments durch Zivil- und Strafrecht . . . . . . . . . Finanzinstrumente in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Internationale Privatrecht der Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . .

458 468 473 490

10. Kapitel: Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 § 28 Vorschläge für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 § 29 Vorschläge für das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 § 30 Vorschläge für das internationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .525 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .553

XI

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

1. Kapitel: Ausgangslage des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 § 1 Finanzmarkttitel aus wirtschaftlicher und aus rechtlicher Sicht . . . . . .

7

I. Wirtschaftliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

II. Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedürfnis einer einheitlichen rechtlichen Kategorie . . . . . . . . 2. Qualifikation als „Wertpapier“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 8 9

§ 2 Begriff des Wertpapiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Allgemeiner Wertpapierbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Definition Heinrich Brunners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Definition Eugen Ulmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erweiterung um den numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 11 12 13 13 14

II. Kapitalmarktrechtlicher Wertpapierbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Gespaltener Wertpapierbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Keine konzeptionelle Verselbständigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

XII

Inhaltsverzeichnis

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 § 3 Funktionsverlust der Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 I. Entwicklung des Wertpapiers bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Individuelle Wertpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Finanzmarkttitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Immobilisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fremdverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sammelverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Effektengiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Überwindung der Vorlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Von der Immobilisierung zur Entindividualisierung . . . . . . .

20 20 22 25 27 28

III. Entindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entwicklung der Globalurkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschluss der Einzelverbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwangsgiroverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Von der Entindividualisierung zur Entmaterialisierung . . . . .

29 29 31 32 36 37

IV. Entmaterialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Buchschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sammelverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelschuldbuchforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entmaterialisierung privat emittierter Titel? . . . . . . . . . . . . . . 5. Entmaterialisierung der Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 39 44 45 50

V. Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Die neue Bedeutung der Verbriefung („securitization“) . . . . . . . 53 § 4 Internationalisierung des Effektenverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Funktionsweise des grenzüberschreitenden Effektenverkehrs . . 1. Anschaffung und Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbindungen zwischen Wertpapiersammelbanken . . . . . . . . 3. Internationale Zentralverwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neuverbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 55 57 59 60 60

Inhaltsverzeichnis

XIII

II. Ersetzung des Wertpapiers in anderen Rechtsordnungen . . . . . 1. Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Andere Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 61 66 70 74 79 83 89

§ 5 Neue Produkte des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

I. Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Unverbriefte Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Verbriefte Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 II. Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spiel oder Wette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vertrag sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100 100 102 102 102 104 107 107 107

III. Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

108 108 109 110 111 114

IV. Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche und rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Investmentanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anteilschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 115 119 119 119 121

XIV

Inhaltsverzeichnis

4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V. Asset-Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 125 128 128 129 132

VI. Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 133 135 135 136 136

VII. Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unverbriefte Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbriefte Kreditderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136 136 138 138 138 139 139 141

VIII. Hybrides Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 141 143 143 145 145

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte gegenüber dem Wertpapierrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 § 6 Dogmatische Probleme des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Einschränkung der Innehabung und des Umlaufs von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Verfall der Verbriefung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Verstoß gegen den numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Zwischenbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

XV

§ 7 Lösungen in ausländischen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. USA und Vereinigtes Königreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Frankreich, Italien und Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 III. Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 IV. Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

2. Teil: Kritik des Sachenrechts

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts auf Rechte an körperlichen Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 § 8 Die Prägung des Wertpapierrechts durch das Sachenrecht . . . . . . . . . . 171 I. Drei Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis der Innehabung einer Urkunde . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragung des Rechts durch Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wertpapierrechtlicher numerus clausus . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 172 174 176

II. Verkörperungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historische Vorläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Savignys Idee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 177 177 179 180 181

§ 9 Die Vernachlässigung unkörperlicher Vermögensgegenstände durch das Bürgerliche Gesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Der enge Sachbegriff des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Immaterialgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sachgesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erwerbsaussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 186 187 190 193 195 196

III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

XVI

Inhaltsverzeichnis

§ 10 Die Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht . . . . . . . . . . . 198 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorarbeiten zum BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Savigny’sche Zweiteilung der Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Römischrechtliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Philosophische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198 198 200 201 204

II. Persönliche und dingliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 III. Absolute und relative Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 IV. Güterbewegung und Güterzuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 V. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 § 11 Die Überwindung des engen Sachbegriffs durch das Wertpapier . . . . 222 I. Die Forderung als Gegenstand der Vermögenszuordnung . . . . 222 II. Das Wertpapier als Mittel der Vermögenszuordnung . . . . . . . . 224 III. Die Überwindung des Wertpapiers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 12 Notwendigkeit der Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I. Entkörperlichung des Vermögens als Realität . . . . . . . . . . . . . . . 228 II. Unkörperliche Vermögenswerte aus rechtsökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Behandlung durch die Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Aufspaltung auf Einzelgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Folgeprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 § 13 Vorbilder in anderen Rechtsordnungen und Rechtsgebieten . . . . . . . . 237 I. Ausländische Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weiter Sachbegriff der kontinentalen Rechtsordnungen . . . . 2. Angelsächsische „chose in action“ und „property rights“ . . 3. Vermögensrecht des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 237 240 242 244

II. Rechtsgebiete außerhalb des allgemeinen Zivilund Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Inhaltsverzeichnis

XVII

1. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Bilanz- und Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 § 14 Die Erweiterung des Sachenrechts zum Vermögensrecht . . . . . . . . . . . 250 I. Bisherige Versuche zur Einordnung von Finanzinstrumenten . 1. Sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischen Schuld- und Sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250 250 254 258

II. Notwendigkeit eines eigenen Rechtsgebiets . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmöglichkeit der Einordnung in Schuld- und Sachenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwerfung der Unterscheidung zwischen Schuldund Sachenrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erweiterung des Sachenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

263

264 267

III. Einführung eines Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267 267 269 272 274

IV. Einführung eines Vermögensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

274 274 275 277 278

3. Teil: Das Finanzinstrument als Baustein eines Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281

263

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 15 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit einer neuen Rechtsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Finanzinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung im Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwendung eines kapitalmarktrechtlichen Konzepts im Zivilrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

283 283 283 285 285

XVIII

Inhaltsverzeichnis

II. Nähere Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wörtliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Neue Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288 288 289 290

III. Herkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 1. Ursprung im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 2. Bedeutungsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 IV. Vergleich mit anderen Figuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

299 299 300 300 301 302

§ 16 Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 I. Handelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung im Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung auf das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zu anderen Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305 305 307 308 309

II. Umlauffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309 309 310 310

III. Massenhafte Ausstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

314 314 314 315

IV. Vertretbarkeit (Fungibilität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Herstellung der Vertretbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315 315 316 317 317

V. Zulassung zum Börsenhandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 VI. Eignung für Clearing und Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

Inhaltsverzeichnis

XIX

§ 17 Typologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung . . 1. Instrumente der Eigenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorzugsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenscheine und Jungscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Globalaktien? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Instrumente der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nullkupon-Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pfandbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Andere Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hybride Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wandelschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewinnschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachranganleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321 323 324 325 325 326 326 326 327 327 327 328 328 329 329 330 331

II. Instrumente der gemeinsamen Kapitalanlage . . . . . . . . . . . . . . . 1. Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Asset-Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Private Equity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) REITS-Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

331 332 334 334 334 335 336

III. Geldmarktinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 IV. Derivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbedingte Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Futures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Forwards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedingte Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Optionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Optionsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aktienanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strukturierte Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

337 340 340 340 340 341 341 341 342 342

V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

XX

Inhaltsverzeichnis

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments . . . . . . . . . . . . . . 346 § 18 Emission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I. Vertragliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschluss des Begebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten einzelner Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . a) Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

346 346 347 347 350

II. Rechtsnatur des Begebungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zeichnung der Aktie und Leistungsstörungsrecht . . . . . . b) Bedingungen der Anleihe und AGB-Recht . . . . . . . . . . . .

351 351 353 353 354

III. Grundsatz der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gestaltungsfreiheit im Anleiherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeiner Typenzwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Satzungsstrenge im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausgleich durch Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

358 359 360 361 364

IV. Besonderheiten bei unverbrieften Optionen, Futures und Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 § 19 Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 I. Besitz der Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Besitzpyramide der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweifel in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nutzen der Besitzkonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

366 366 367 368 369

II. Eintragung in einem Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimationskraft vorhandener Register . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz des Verkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kosten der Registerführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Risiko des Datenverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Risikozuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Registerführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verhältnis des Hauptregisters zu Unterregistern . . . . . . . . . .

371 371 372 373 374 374 375 376 380

III. Ausgestaltung des Registers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 1. Elektronische Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 2. Sicherung gegen Datenverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Inhaltsverzeichnis

3. 4. 5. 6.

Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlicher Zugang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI 382 383 384 385

IV. Die Bedeutung der Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 1. Rechtstechnisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 2. Rechtsdogmatisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . 388 § 20 Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 I. Sachenrechtliches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

388 388 389 390

II. Treuhandmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ermächtigungstreuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fiduziarische Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

390 391 393 394

III. Bedeutung des Netting und des Zentralen Kontrahenten . . . . . 1. Anwendung der Besitzkonstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Disparität des Besitzmittlungswillens der Sammelund Depotbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

394 395 396 396

IV. Europäische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben: Finalitätsrichtlinie . . . . 3. Mangelhafte Umsetzung in das deutsche Recht . . . . . . . . . . . 4. Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

398 398 399 402 407

V. Exkurs: Projekte für ein gemeinschaftsweites Clearing und Settlement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lamfalussy-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berichte der Giovannini Group . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitteilungen der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsakte des Gemeinschaftsgesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . 5. EZB und CESR Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. CESAME . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Legal Certainty Group . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. T2S-Projekt der EZB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

409 409 410 412 412 413 413 413 415 416

XXII

Inhaltsverzeichnis

VI. Vorschlag für eine künftige Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbindlichkeit der Buchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Möglichkeit zur Korrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

416 416 419 420

VII. Besonderheiten bei Futures, unverbrieften Optionen und Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 § 21 Erwerb vom Nichtberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 I. Sachenrechtliches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbare Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besitz als Rechtsscheinsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfluss des Netting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedürfnisse des Effektengiroverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423 423 424 425 426

II. Alternative Rechtsscheinsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 1. Buchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 2. Lieferliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 III. Moderner Effektenverkehr und Gutglaubensschutz . . . . . . . . . 430 IV. Neues Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezugspunkt des guten Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfungspunkt des guten Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . 4. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fehlbuchung ohne Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

431 431 432 433 433 434

V. Verteilung des Verlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 § 22 Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 I. Sachenrechtliches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand des Pfandrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verpfändung von Schuldbuchforderungen . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gutgläubiger Erwerb durch Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . .

437 437 438 438 440 441 441

II. Verpfändung des Herausgabeanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 III. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . 443 IV. Verpfändung durch Einigung und Eintragung . . . . . . . . . . . . . . 445 1. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 2. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . 447 V. Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448

Inhaltsverzeichnis

XXIII

§ 23 Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 I. Sachenrechtliches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

450 450 451 454

II. Vorschlag für eine künftige Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe . . . . . . . . . . . . 3. Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

455 455 456 456

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 § 24 Finanzinstrumente und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 I. Das Finanzinstrument als Nahtstelle zwischen Zivilrecht und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 II. Das Finanzinstrument als Grundbaustein des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit der Umbenennung des WpHG . . . . . . . . . . . 2. Umfassende Kodifikation des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . 3. Notwendigkeit einer einheitlichen Definition . . . . . . . . . . . . III. Die Natur des Finanzinstruments als Rechtfertigung des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bisherige Begründungen: Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, Anlegerschutz und Informationsasymmetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Markt für unkörperliche Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

458 459 461 462 463

463 464 466

§ 25 Schutz des Finanzinstruments durch Zivil- und Strafrecht . . . . . . . . . 468 I. Deliktsrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 2. Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 II. Herausgabeansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 III. Strafrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471

XXIV

Inhaltsverzeichnis

§ 26 Finanzinstrumente in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 I. Schutz des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. In der Insolvenz der Depotbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In der Insolvenz des Zentralverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. In der Insolvenz des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

473 473 474 475

II. Schutz der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz ungesicherter Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz gesicherter Gläubiger allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz der Inhaber von Finanzsicherheiten . . . . . . . . . . . . . .

475 475 475 476

III. Schutz der Clearingmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung der Wirkung gerichtlicher Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befreiung von Aufrechnungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bevorzugung von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten des Derivateclearings . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

478 479 479 480 481

IV. Insolvenzen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des inländischen Hinterlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz der Clearingmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

482 482 485 487

V. Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 § 27 Das Internationale Privatrecht der Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . 490 I. Anknüpfung an den Ort der Belegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 II. Anknüpfung an die Buchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Finalitätsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Depotgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzsicherheitenrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Notwendige Anpassungen des Depotgesetzes? . . . . . . . . . . .

491 491 493 496 497 497

III. Anknüpfung an den Parteiwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 1. Inhalt des Haager Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 2. Notwendige Änderungen im deutschen Recht und im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 IV. Harmonisierung des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505

Inhaltsverzeichnis

XXV

10. Kapitel: Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 § 28 Vorschläge für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 I. Eigenständiges Recht der Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . 508 II. Ersetzung des Depotgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 III. Umgestaltung des Wertpapierhandelsgesetzes zum Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 IV. Umsetzung der Entmaterialisierung in anderen kapitalmarktrechtlichen Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 V. Erweiterung der kollisionsrechtlichen Regel auf Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 VI. Änderungen in weiteren Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 § 29 Vorschläge für das Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 I. Schaffung eines einheitlichen Verwaltungs- und Abwicklungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 II. Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für die Buchung und Übertragung von Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 § 30 Vorschläge für das internationale Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 I. Vereinheitlichung des Kollisionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 II. Vereinheitlichung des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518

Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

XXVI

XXVII

Abkürzungsverzeichnis A. a.a.O. ABGB abl. Abs. ABS AcP a.E. a.F. AG AGB AJP/PJA AktG Ala. L. Rev. All E.R. ALR Am. J. Comp. L. Anh. Anm. AnwKomm-AktienR ArchBR Art. AS ausf. BaFin BankArch BayGVBl. BB BBTC Bd., Bde. Bearb. bearb. BEG-E begr. BEHG Beschl. BFH BFHE BGBl.

Atlantic Reporter am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) ablehnend Absatz Asset-Backed Securities Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktuelle Juristische Praxis/Pratique juridique actuelle Aktiengesetz Alabama Law Review All England Reports Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten American Journal of Comparative Law Anhang Anmerkung Anwaltkommentar Aktienrecht Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Amtliche Sammlung (Schweiz) ausführlich Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bank-Archiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Betriebs-Berater Banca, borsa e titoli di credito Band, Bände Bearbeitung bearbeitet Bucheffektengesetz-Entwurf (Schweiz) begründet Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Schweiz) Beschluss Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bundesgesetzblatt

XXVIII BGE BGH BGHZ BIS BKR BOE BörsG BR-Drucks. BS BSchuWG BStBl. BT-Drucks. Bus. Law. BuW BVA BW BWpVerwG Cardozo L. Rev. Case W. Res. L. Rev. C.C.D.V.T. CDO CDS CESAME CESR CFD CFR Ch Cir. Consob CR dass. DepotG ders. dens. dies. Diss. D.R.I. DRW DStR DTCC ebda. EBLR ECSDA E.D.Pa.

Abkürzungsverzeichnis

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bank for International Settlements Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Boletín Oficial del Estado (Spanien) Börsengesetz Bundesrats-Drucksache Bereinigte Sammlung (Schweiz) Bundesschuldenwesengesetz Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache The Business Lawyer Betrieb und Wirtschaft Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Burgerlijk Wetboek (Niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch) Bundeswertpapierverwaltungsgesetz Cardozo Law Review Case Western Reserve Law Review Caisse centrale de dépôts et de virements de titres collateralized debt obligation credit default swap Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group Committee of European Securities Regulators Contract for Difference Code of Federal Regulations Chancery Division Circuit Commissione Nazionale per le Società e la Borsa Computer und Recht dasselbe Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren (Depotgesetz) derselbe denselben dieselbe, dieselben Dissertation District Court, Rhode Island Deutsche Rechtswissenschaft Deutsches Steuerrecht Depository Trust & Clearing Corporation ebenda European Business Law Review European Central Securities Depositories Association District Court, Eastern District of Pennsylvania

Abkürzungsverzeichnis

EG Einl. EStG EU EuInsVO EuZW Ewgr. EZB f., ff. F2d F3d fortgef. FS F.Supp. Fußn. GBO Geo. L. J. GG Großkomm. AktG GrünhutsZ G.U. GVBl. LSA GWB Halbs. Harv. L. Rev. HGB HKK-BGB hM hrsg. ICSA i.d.F. InsO InvG IOSCO IPO IPRax i.S.v. i.V.m. JherJB J.O. KAAG Kan. KG Kölner Komm. AktG

XXIX

Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Erwägungsgrund Europäische Zentralbank folgende Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series fortgeführt Festschrift Federal Supplement Fußnote Grundbuchordnung Georgetown Law Journal Grundgesetz Großkommentar zum Aktiengesetz Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart (Grünhuts Zeitschrift) Gazzetta Uffiziale Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Halbsatz Harvard Law Review Handelsgesetzbuch Historisch-kritischer Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch herrschende Meinung herausgegeben Institute of Chartered Secretaries and Administrators in der Fassung Insolvenzordnung Investmentgesetz International Organization of Securities Commissions initial public offering Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne von in Verbindung mit Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, begr. v. Rudolf v. Jhering Journal Officiel (Frankreich) Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (aufgehoben) Supreme Court of Kansas Kammergericht Kölner Kommentar zum Aktiengesetz

XXX

Abkürzungsverzeichnis

Kölner Komm. WpÜG Kölner Kommentar zum WpÜG KonTraG Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich krit. kritisch KWG Gesetz über das Kreditwesen (Kredit wesengesetz) li.Sp. linke Spalte LM Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs LMK Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier/Möhring Md. L. Rev. The Maryland Law Review MiFID Markets in Financial Instruments Directive MoMiG Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Mot. Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich MTF multilateral trading facility MünchHdB. AG Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4 – Aktiengesellschaft MünchKomm-AktG Münchener Kommentar zum Aktiengesetz MünchKomm-BGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MünchKomm-HGB Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch MünchKomm-InsO Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung m.w.Nachw. mit weiteren Nachweisen NaStraG Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz) neubearb. neubearbeitet n.F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NZI Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung o. oben OGAW Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren OLG Oberlandesgericht OR Schweizerisches Obligationenrecht OTC over the counter o.Vn. ohne Vorname P.2d Pacific Reporter Second Series Pa Supreme Court of Pennsylvania PfandBG Pfandbriefgesetz Prot. Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches (zitiert nach der Ausgabe von Achilles/Gebhard/ Jahn, Berlin 1899, Nachdruck 1983). RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rdnr. Randnummer Rdnrn. Randnummern re.Sp. rechte Spalte Rev. soc. Revue des sociétés RG Reichsgericht

Abkürzungsverzeichnis

RGBl. RGSt RGZ RIW Rpfleger Rs. RSchbG RTD com. S. Saar.AmtsBl. SAE SAG ScheckG S.D.N.Y. SEC SEGA SI S.I.C.O.V.A.M.

XXXI

Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtssache Reichsschuldbuchgesetz Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique Satz, Seite Saarländisches Amtsblatt Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Schweizerische Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Scheckgesetz District Court, Southern District of New York U.S. Securities and Exchange Commission Schweizerische Effekten-Giro AG Statuatory Instrument Société interprofessionnelle pour la compensation des valeurs mobilières SIS SIS SegaInterSettle AG Sonderbeil. Sonderbeilage SR Systematische Sammlung des Bundesrechts (Schweiz) Stan. J.L. Bus. & Fin. Stanford Journal of Law, Business and Finance StGB Strafgesetzbuch st. Rspr. ständige Rechtsprechung SZW/RSDA Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht / Revue suisse de droit des affaires et du marché financier TEHG Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz T.U.F. Testo Unico Finanziario u. unten u.a. und andere UCC Uniform Commercial Code U.C.L.A. L. Rev. University of California – Los Angeles Law Review Unif. L. Rev. Uniform Law Review/Revue de droit uniforme U. Pa. J. Int’l Econ. L. University of Pennsylvania Journal of International Economic Law URS Uncertificated Securities Regulation U.S. United States Reports U.S.C. United States Code v. vom, von VAG Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen Verb. Rs. Verbundene Rechtssachen VerhDJT Verhandlungen des Deutschen Juristentages WG Wechselgesetz WiGBl. Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes WL Westlaw (Datenbank) WpHG Wertpapierhandelsgesetz

XXXII WpPG WpÜG WuB Yale L. J. z. z.B. ZBB ZBJV ZEuP ZGB ZGR ZHR ZInsO ZIP ZKrW ZVG ZVglRWiss ZPO

Abkürzungsverzeichnis

Wertpapierprospektgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung für Wirtschafts- und Bankrecht Yale Law Journal zu zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zivilgesetzbuch (Schweiz) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zivilprozessordnung

1

Einleitung „Das Leben hat sich hier von dem, was unsere Theorie lehrt, weit entfernt, und die letztere ist hinter dem ersteren sogar so weit zurückgeblieben, daß sie noch nicht einmal dazu gelangt ist, die Tag für Tag vor unseren Augen sich abspielenden Vorgänge auch nur zu konstatiren.“*

Das Wertpapier hat seine einstige Bedeutung weitgehend verloren. Das gilt zumindest hinsichtlich der am Kapitalmarkt gehandelten Effekten wie Aktie oder Schuldverschreibung. Längst sind diese nicht mehr in individuellen Urkunden verbrieft. Der Grund dafür ist einfach: Täglich werden Millionen von Kapitalmarkttiteln übertragen. Müsste man dazu Urkunden übergeben, käme der Effektenverkehr zum Erliegen. Auch die Geltendmachung der Rechte aus den Titeln wäre umständlich und schwierig, denn diese müssten in millionenfacher Zahl dem Emittenten vorgelegt werden. Die Praxis hat daher Mittel und Wege gesucht, um die Rolle des Wertpapiers zu verringern. Ihre Bemühungen waren derart erfolgreich, dass die Urkunde beinahe bis zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken ist. Es wurde ein Effektengiroverkehr entwickelt, in welchem sich Kapitalmarktprodukte übertragen lassen, ohne dass Papiere bewegt werden müssen. Für die Geltendmachung der Rechte hat man Organisationsformen gefunden, die eine Vorlage beim Emittenten entbehrlich machen. Der stückelose Effektenverkehr, einst ein Traum, ist heute fast schon Realität. Das Wertpapierrecht hat jedoch mit dieser rasanten Entwicklung nicht Schritt halten können. Es baut nach wie vor auf der Idee einer körperlichen Urkunde auf, die zur Übertragung des Rechts übergeben und zu seiner Geltendmachung vorgelegt werden muss. Dieses Beharren auf einer alten Idee führt an vielen Stellen zu Widersprüchen zwischen der rechtlichen Regelung und den tatsächlichen Verhältnissen. Dadurch wird einerseits das Verständnis des Effektenverkehrs erschwert, andererseits rechtliche Unsicherheit geschaffen. Außerdem zwingt man

* Strohal, Wochenschrift für Aktienrecht und Bankwesen, Steuer und Stempelfragen 2 (1893), 343 (345).

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Einleitung

die Praxis, rein symbolische Urkunden auszustellen, die keine andere Funktion erfüllen als die, der zum Dogma erhobenen Idee des Wertpapiers zu genügen. Andere Staaten sind uns insoweit voraus. So haben etwa Frankreich und Spanien die Urkunden im gesamten Effektenbereich vollständig abgeschafft. In Italien und im Vereinigten Königreich hat man dasselbe für die börsennotierten Titel getan. In den USA werden weitere Schritte zur Entmaterialisierung geprüft. Auch in Deutschland ist die rechtliche Regelung der Kapitalmarktprodukte in den letzten Jahren diskutiert worden. Von Dorothee Einsele stammt der Vorschlag, das Wertpapierrecht als System schuldrechtlicher Verpflichtungen zu begreifen1. Eva Micheler wählt dagegen einen anderen Weg, indem sie das Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht ansiedelt2 . Beide Arbeiten haben wertvolle Einsichten in die Funktionsweise des Effektenverkehrs und die mit ihr verbundenen rechtlichen Schwierigkeiten geliefert. Es ist jedoch noch einen Schritt weiterzugehen. Das Problem liegt nicht in der Zuordnung des Wertpapierrechts zum Schuldoder Sachenrecht, sondern im Wertpapierrecht selbst. Letzteres ist veraltet. Es bedient sich weiterhin der Formen des 19. Jahrhunderts. So spricht man von der „Verbriefung“ in „Wertpapieren“, obwohl individuelle Urkunden nicht mehr ausgestellt werden. Diese „verwahrt“ man in einem Depot, auch wenn in der Realität nur noch Buchungen in Registern erfolgen. Der Anleger, „Hinterleger“ genannt, wird als „mittelbarer Besitzer“ angesehen, obwohl er keinen Anspruch auf Herausgabe individueller Urkunden hat. Man könnte versucht sein, sich damit zu trösten, dass die Praxis bisher stets Lösungen gefunden hat, um sich in der deutschen Rechtslage einzurichten. Doch wäre es nicht nur im Hinblick auf den sich verschärfenden Wettbewerb der Rechtsordnungen ignorante Selbstgefälligkeit, sich beruhigt zurückzulehnen. Am Horizont zeichnen sich bereits gemeinschaftsrechtliche und internationale Regelungen zum Effektenverkehr ab. Es muss davon ausgegangen werden, dass sich bei einer Vereinheitlichung des Rechts der Kapitalmarkttitel die modernere Haltung anderer Rechtsordnungen durchsetzen wird. Darum besteht die nicht geringe Gefahr, dass diese Entwicklung die deutsche Zivilrechtsdogmatik unvorbereitet trifft. Dieses Buch enthält daher Vorschläge für eine grundlegend neue Konstruktion des Effektenverkehrs. Dabei wird ganz bewusst eine dogmatische Sichtweise angenommen. Denn der Rückstand Deutschlands bei der Entmaterialisierung beruht nicht auf tatsächlichen, sondern auf rechtlichen Gründen. Die Praxis hat gezeigt, dass sie in der Lage ist, den Effektenverkehr zu entstücken. Hindernisse auf dem Weg zu einer vollständigen Entkörperlichung bereitet ihr 1 2

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht. Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht.

Einleitung

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nur die juristische Regelung, welche weiterhin die Verbriefung in einer Urkunde verlangt. Angepackt werden muss daher beim Wertpapierrecht. Dem Leser soll an dieser Stelle das Ergebnis der Untersuchung nicht vorenthalten werden: Der wichtigste Vorschlag ist, das Recht der Kapitalmarktprodukte vom allgemeinen Wertpapierrecht zu lösen. Die Vorgänge auf dem Kapitalmarkt haben sich gegenüber dem Verkehr mit individuell ausgestellten Wertpapieren wie Wechsel und Scheck in einer Weise verselbständigt, die es notwendig macht, zwischen dem Recht der Effekten und dem allgemeinen Wertpapierrecht strikt zu trennen. Auch insoweit sind uns andere Staaten voraus. Sie unterstellen Kapitalmarktprodukte besonderen Regeln, die sich von denen für individuell ausgestellte Wertpapiere grundlegend unterscheiden. Eine entsprechende Trennung ist auch für das deutsche Recht angebracht. Die Terminologie im Gemeinschafts- und im Völkerrecht aufgreifend wird daher hier vorgeschlagen, ein „Recht der Finanzinstrumente“ zu schaffen. Die Untersuchung ist dreigeteilt. Sie beginnt mit einer Kritik des geltenden Wertpapierrechts im ersten Teil. Es wird gezeigt, dass dieses in Widerspruch zu bedeutsamen Erscheinungen des Kapitalmarkts steht, namentlich dem Funktionsverlust der Urkunde, der Internationalisierung des Effektenverkehrs und dem Aufkommen neuer Kapitalmarktprodukte. Um diesen Phänomenen Rechnung zu tragen, genügt es nicht, die Urkunde als Ausgangspunkt der rechtlichen Regelung abzuschaffen. Die Gründe für den Rückstand des deutschen Rechts liegen tiefer. Sie sind in dem Gebiet zu suchen, auf dem das Wertpapierrecht aufbaut: dem Sachenrecht. Der zweite Teil der Untersuchung widmet sich daher dem dritten Buch des BGB. Dabei wird zu zeigen sein, dass das deutsche Sachenrecht an einem grundlegenden Mangel leidet: Es kennt Eigentum nur an körperlichen Gegenständen. Damit vernachlässigt es unkörperliche Vermögensgegenstände. Zu ihnen gehören unter anderem auch die Produkte des Kapitalmarkts. Am Ende des zweiten Teils steht daher die Forderung, das Sachenrecht zu einem Vermögensrecht fortzuentwickeln, welches Rechte sowohl an körperlichen als auch an unkörperlichen Gegenständen umfasst. Dieser Vorschlag geht weit über den eigentlichen Gegenstand der Untersuchung hinaus, denn er verlangt eine grundlegende Umgestaltung der deutschen Zivilrechtsdogmatik. Ohne sie ließen sich jedoch Kapitalmarktprodukte nicht bruchlos in das System des bürgerlichen Rechts einordnen. Im dritten Teil wird das Finanzinstrument als Baustein des zu schaffenden Vermögensrechts vorgestellt. Zunächst stehen seine Merkmale, die Abgrenzung von verwandten Erscheinungen und seine Typologie im Mittelpunkt. Im Anschluss wird das Recht der Finanzinstrumente in Grundzügen entwickelt. Dazu gehören Fragen der Entstehung, der Publizität und der Übertragung sowie der Verpfändung und der Zwangsvollstreckung. Außerdem sind die Auswirkungen der neuen Rechtsfigur in anderen Rechtsgebieten zu beleuchten,

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Einleitung

insbesondere im Kapitalmarkt-, Delikts-, Straf- und Insolvenzrecht. Einzubeziehen ist auch das Internationale Privatrecht, in dem sich das neue Paradigma des Finanzinstruments bereits durchzusetzen beginnt. Am Ende der Untersuchung werden Vorschläge zur Änderung des deutschen, europäischen und internationalen Rechts stehen.

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1. Teil

Kritik des Wertpapierrechts

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1. Kapitel

Ausgangslage des deutschen Rechts § 1 Finanzmarkttitel aus wirtschaftlicher und aus rechtlicher Sicht I. Wirtschaftliche Einordnung Auf dem Finanzmarkt werden unterschiedlichste Produkte gehandelt, wie zum Beispiel Aktien, Anleihen, Investmentanteile, Optionen oder Futures. Der Begriff des Finanzmarkts ist weiter als der des Kapitalmarkts, denn er umfasst außer diesen Produkten auch Derivate und Geldmarktinstrumente. Jedoch soll der Ausdruck „Kapitalmarkt“ im Folgenden gleichbedeutend mit „Finanzmarkt“ verwendet werden1. Aus der Perspektive des Investors, der Titel am Finanzmarkt erwirbt, dienen sie alle demselben Zweck: der Geldanlage. Durch sie will er Gewinn erzielen oder zumindest den Wert des eingesetzten Kapitals gegen nachteilige Veränderungen sichern. Das gilt unabhängig davon, ob er Aktien, Investmentanteile oder Optionen kauft. Diese Produkte lassen sich aus seiner Sicht in gewissem Umfang gegeneinander austauschen. Seine Entscheidung für eines von ihnen hängt davon ab, welche Rendite es erwarten lässt, mit welchem Risiko es behaftet ist und wie schnell man es in liquide Mittel umwandeln kann. Auch aus Sicht der Emittenten sind Finanzmarkttitel bis zu einem gewissen Grad gegeneinander austauschbar. So hängt es oft lediglich von ökonomischen oder strategischen Erwägungen ab, ob ein Unternehmen eine Aktie oder eine Anleihe begibt. Beide dienen dem gleichen Ziel: der längerfristigen Finanzierung. Die Ziele des Investors und des Emittenten treffen sich auf dem Finanzmarkt2 . Er erfüllt eine wichtige volkswirtschaftliche Funktion: Durch ihn wer1 Zu diesem Verständnis Bruski, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, Vor § 104 Rdnr. 6. Zu den Unterschieden zwischen Finanzmarkt und Kapitalmarkt siehe Häuser/Rosenstock, Börse und Kapitalmarkt, S. 18 f.; Madura, Financial Markets and Institutions, S. 4. 2 Vgl. Mishkin/Eakins, Financial Markets and Institutions, S. 14; Neave, The Economic Organisation of a Financial System, S. 39; Tuchfeldt, in: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Eintrag „Kapitalmarkt“, unter 2.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

den Angebot und Nachfrage nach Kapital in Übereinstimmung gebracht. Das überschüssige Vermögen der Sparer wird den Unternehmen zur Verfügung gestellt. Ihre Ressourcen werden damit der ökonomisch effizientesten Verwendung zugeführt. Der Finanzmarkt ist mit anderen Worten ein Markt, auf dem Kapital gekauft und verkauft werden kann. Dieses Kapital pflegt man in einer bestimmten Geldsumme auszudrücken. Im Gegenzug erhält der Investor Titel, wie Aktien oder Anleihen. Sie ließen sich auch als „Kapitalgüter“ bezeichnen 3, doch ist dieser Begriff in den Wirtschaftswissenschaften bereits mit einer anderen Bedeutung besetzt4. Daher soll im Folgenden von „Kapitalmarkttiteln“ oder „Finanzmarkttiteln“ die Rede sein. Finanzmarkttitel hängen eng mit dem Kapital zusammen, denn sie sind die Gegenleistung für die Hingabe von Kapital. Ein weiteres hervorstechendes Kennzeichen ist, dass sie wie andere, körperliche Güter gehandelt werden. Zum Beispiel unterscheidet sich der Börsenkauf einer Aktie nicht wesentlich von dem einer Tonne Weizen. Man kann daher Finanzmarkttitel als Kapital beschreiben, das zu einem handelbaren Instrument geronnen ist.

II. Rechtliche Einordnung 1. Bedürfnis einer einheitlichen rechtlichen Kategorie Aus juristischer Sicht stellen sich die am Finanzmarkt gehandelten Titel dagegen sehr unterschiedlich dar. Sieht man durch die rechtliche „Brille“, zerfällt die Kategorie des „Kapitals“ in verschiedene Einzelteile. Eine Aktie ist beispielsweise eine Beteiligung an einer Aktiengesellschaft; aus ihr folgen bestimmte mitgliedschaftliche Rechte. Eine Anleihe hingegen ist eine schuldrechtliche Forderung gegen den Emittenten. Ein Investmentanteil kann entweder mitgliedschaftliche oder schuldrechtliche Rechte zum Gegenstand haben. Häufig ist es allerdings auch für den Juristen notwendig, die am Finanzmarkt angebotenen Produkte unter einem einheitlichen Begriff zusammenzufassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Kapitalmarkt selbst geregelt werden soll. Dieser ist ein Markt mit besonderen Bedürfnissen, der einheitliche Regelungen erfordert. So muss etwa der Anleger geschützt werden, der Finanzmarkttitel erwirbt, gleichgültig in welches spezifische Produkt er investiert. An die Anbieter auf diesem Markt sind allgemeine Anforderungen zu stellen, die nicht davon abhängen, welche spezifischen Titel sie anbieten. Diesen einheitlichen 3

So der Vorschlag von Loistl, Kapitalmarkttheorie, S. 6. Unter einem Kapitalgut versteht die Volkswirtschaftslehre alle vom Menschen geschaffenen Güter, die zur Produktion anderer Güter dienen, wie etwa Werkzeuge, Maschinen oder Anlagen. Vgl. Herbert K. R. Müller, Grundfragen der Volkswirtschaftslehre, S. 15; Hagemann, in: The New Palgrave, Eintrag: „capital goods“. 4

1. Kapitel: Ausgangslage des deutschen Rechts

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Regelungsinteressen entspricht das „Kapitalmarktrecht“5. Es grenzt sich von anderen Rechtsgebieten über den besonderen Markt ab, den es betrifft. Um diesen Markt bestimmen zu können, bedarf es einer Kennzeichnung der auf ihm gehandelten Gegenstände mittels gemeinsamer Merkmale. Daneben ist eine einheitliche Erfassung von Finanzmarkttiteln auch aus Sicht des allgemeinen Zivilrechts nötig. Denn letzteres entscheidet über grundlegende Fragen wie die Entstehung, die Übertragung und den deliktsrechtlichen Schutz von Rechten. Ordnete man die auf dem Finanzmarkt angebotenen Produkte zivilrechtlich unterschiedlich ein, so würden verschiedene Regeln darüber entscheiden, wie man die Produkte erwirbt oder veräußert und wie der Inhaber vor Eingriffen geschützt wird. Der Investor wäre jedoch verwundert, wenn er erführe, dass der Zeitpunkt seines Erwerbs unterschiedlich ist, je nachdem, ob er sich für eine bestimmte Aktie oder ein Discountzertifikat auf dieselbe Aktie entscheidet. Ebensowenig verstünde er, dass er Gutglaubensschutz beim Erwerb einer Schuldverschreibung genießt, dagegen nicht bei dem einer Option. Schließlich hat es aus Sicht des Investors keinen Sinn, dass sein Recht in unterschiedlicher Weise gegen Eingriffe Dritter geschützt ist, je nachdem, ob es sich um eine Aktie oder einen Investmentanteil handelt. Es bedarf daher sowohl aus kapitalmarktrechtlicher als auch aus allgemein zivilrechtlicher Sicht Regelungen, durch die am Finanzmarkt gehandelte Produkte gleichbehandelt werden. Dazu ist es zunächst notwendig, eine einheitliche juristische Kategorie zu finden, in die sich diese Produkte einordnen lassen. Gefragt ist ein dogmatisches Konzept, mit dem sich erklären lässt, worin sie sich ähneln und warum sie einheitlich geregelt werden.

2. Qualifikation als „Wertpapier“ Der deutsche Gesetzgeber versucht, den gemeinsamen Merkmalen der Finanzmarkttitel dadurch Rechnung zu tragen, dass er sie unter dem Begriff „Wertpapier“ zusammenfasst. Diesen verwendet er sowohl im Zivilrecht als auch im Kapitalmarktrecht. So tauchen Wertpapiere im allgemeinen Zivilrecht an unterschiedlichen Stellen auf. Beispiele bieten § 935 II oder § 1812 I 1 BGB. Dass der Begriff auch im Kapitalmarktrecht eine wichtige Rolle spielt, zeigen einige der wichtigsten Kapitalmarktgesetze, namentlich das „Wertpapierhandelsgesetz“ (WpHG), das „Wertpapier-Prospektgesetz“ (WpPG) und das „Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz“ (WpÜG). Sie führen den Ausdruck schon im Titel. Er ist zugleich das bestimmende Element, mit dessen Hilfe der Anwendungsbereich dieser Gesetze festgelegt wird6 . Dadurch entsteht der Eindruck, als wäre der 5 6

Vgl. grundlegend Hopt, ZHR 140 (1976), 201–235, ZHR 141 (1976), 389–441. Vgl. § 1 WpHG, § 1 I WpPG, § 1 WpÜG.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

primäre Gegenstand ihrer Regelungen der Handel mit Urkunden. Das Wertpapier wird auf diese Weise zum Dreh- und Angelpunkt des Rechts der Finanzmärkte. Was in der Literatur „Kapitalmarktrecht“ genannt wird, ist für den Gesetzgeber „Wertpapierhandelsrecht“.

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§ 2 Begriff des Wertpapiers I. Allgemeiner Wertpapierbegriff Mit der Einordnung als Wertpapier greift der Gesetzgeber auf eine althergebrachte Kategorie zurück. Das Konzept des Wertpapiers entstammt dem bürgerlichen Recht. Durch seine Verwendung als Grundbegriff des Kapitalmarktrechts bildet es zugleich die Brücke, über die beide Gebiete miteinander verbunden sind. Will man das Institut des Wertpapiers im allgemeinen, bürgerlichrechtlichen Sinn näher bestimmen, zeigen sich bald Schwierigkeiten. Obwohl die Figur seit langem bekannt ist, bleibt ihr Inhalt umstritten.

1. Die Definition Heinrich Brunners Die traditionelle Definition geht auf Heinrich Brunner zurück. Dieser fasste als Erster verschiedene in der Praxis existierende Erscheinungen unter dem einheitlichen Terminus „Wertpapier“ zusammen. Er definierte dieses als Urkunde über ein Privatrecht, dessen Verwertung durch die Innehabung der Urkunde privatrechtlich bedingt ist1. Die moderne, aber inhaltsgleiche Version lautet: „Wertpapier ist eine Urkunde, in der ein privates Recht in der Weise verbrieft ist, dass zu seiner Ausübung die Innehabung der Urkunde erforderlich ist“2 . Entscheidendes Element der Definition ist zunächst, dass eine Urkunde ausgestellt wurde. Notwendig ist mit anderen Worten ein Schriftstück, also ein körperlicher Gegenstand. Diesen muss der Berechtigte „innehaben“, um sein Recht ausüben zu können. Er muss die Urkunde besitzen, damit er sie nötigenfalls vorlegen kann. Das Wertpapier ist grundsätzlich Vorlegungspapier3. Die Literatur erläutert die etwas abstrakte Brunner’sche Definition anhand der Funktionen, die das Wertpapier im Rechtsverkehr erfüllt. Unterschieden werden insoweit vor allem die Liberations- und die Legitimationsfunktion4. Liberationsfunktion bedeutet, dass der Schuldner an den Inhaber des Wertpapiers mit befreiender Wirkung leisten darf. Legitimationsfunktion heißt, dass der 1

Brunner, in: Endemann, Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts II, S. 140 (147). 2 Hueck/Canaris, S. 1; Richardi, S. 18 f.; Zöllner, S. 18; ebenso bereits Jacobi, Grundriß des Rechts der Wertpapiere, S. 11. 3 Hueck/Canaris, S. 12. Die Vorlegung ist auch bei den Order- und Rektapapieren erforderlich. Bei ihnen ist die Legitimation jedoch an weitere Voraussetzungen geknüpft, und zwar eine ununterbrochene Indossamentenkette oder eine namentliche Nennung des Berechtigten. Die Vorlegung ist damit zwar nicht hinreichende, aber zumindest notwendige Bedingung, um das verbriefte Recht geltend machen zu können. 4 Richardi, S. 19–21; Zöllner, S. 22–24; siehe auch Hueck/Canaris, S. 10–12.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Gläubiger sein Recht nur mit Hilfe des Wertpapiers nachweisen kann, es sei denn, er hat ein Aufgebotsverfahren eingeleitet. Im Wertpapier müssen beide Funktionen zusammenkommen: Die Vorlegung der Urkunde ist einerseits aus Sicht des Schuldners ausreichend, um befreiend an dessen Inhaber leisten zu können; andererseits ist sie aus Sicht des Gläubigers notwendig, um sein Recht nachzuweisen. Fehlt eines dieser Merkmale, handelt es sich nicht um ein Wertpapier.

2. Die Definition Eugen Ulmers Dagegen hat Eugen Ulmer seinen Wertpapierbegriff auf einem anderen Gedanken aufgebaut. Nach ihm handelt es sich um „Urkunden über Vermögensrechte, bei denen die Verfügung über das verbriefte Recht durch die Verfügung über das Papier erfolgt“5. Auf eine bekannte Kurzformel gebracht heißt das, das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier6 . Dies ist juristisch nicht völlig korrekt, denn auch bei den Wertpapieren kann das Recht ohne Übereignung der Urkunde übertragen werden7. Doch handelt es sich bei dem von Ulmer aufgestellten Kriterium eher um eine Beschreibung des Normalfalls als um eine zwingende Voraussetzung. Er leitet seine Begriffsbestimmung aus dem Zweck ab, der mit der Ausstellung eines Wertpapiers verfolgt wird. Dieser liege darin, den Umlauf von Rechten zu fördern. Das verbriefte Recht solle mit dem Papier „von Hand zu Hand wandern können“8 . Die Auffassung Ulmers ist für das Verständnis des Wertpapiers von entscheidender Bedeutung, da sie den Grund aufdeckt, aus dem Rechte in Urkunden verbrieft werden. Sie ist auch im Ausland weit verbreitet9. Die in Deutschland herrschende Meinung lehnt Ulmers Definition hingegen ab10 . Doch geht es bei dem bekannten Streit um den Wertpapierbegriff weniger um inhaltliche Differenzen als vielmehr um die Frage, ob es zweckmäßig ist, Rektapapiere im Wertpapierrecht zu behandeln11. Auch die herrschende Meinung leugnet nicht, dass die Verbriefung einer Forderung typischerweise bezweckt, die Möglichkeit ihres Umlaufs zu fördern12 . Man spricht von der „Transportfunktion“ des Wert5

Ulmer, Das Recht der Wertpapiere, S. 21. Siehe Julius v. Gierke, Das Recht der Wertpapiere, S. 2. 7 Zöllner, S. 10; vorsichtiger Hueck/Canaris, S. 6. 8 Ulmer, Das Recht der Wertpapiere, S. 21. Vor Ulmer hatte sich bereits Karl Adler für eine Anknüpfung des Wertpapierbegriffs an die „Negotiabilität“ ausgesprochen, siehe Adler, GrünhutsZ 26 (1899), 19 (23). 9 Siehe dazu u. S. 156 f. 10 Hueck/Canaris, S. 4; Richardi, S. 17; Zöllner, S. 19. Vermittelnd Julius v. Gierke, Das Recht der Wertpapiere, S. 1 f. 11 Zöllner, S. 19; siehe auch Hueck/Canaris, S. 4. 12 Siehe Zöllner, S. 22. Als „Zirkulationsmittel“ wird das Wertpapier von Richardi, S. 5 bezeichnet. 6

1. Kapitel: Ausgangslage des deutschen Rechts

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papiers oder des Indossaments13. Weiter wird hervorgehoben, dass Legitimations- und Liberationswirkung letztlich dazu dienten, die Verkehrsfähigkeit des verbrieften Rechts zu stärken14. Auch die Anwendung sachenrechtlicher Vorschriften einschließlich der über den gutgläubigen Erwerb erfülle denselben Zweck15.

3. Synthese Die Wertpapierrechtstheorien stehen nicht in unversöhnlichem Gegensatz zueinander. Beide beschreiben dieselbe Funktionsweise des Wertpapiers, nur aus unterschiedlicher Entfernung. Während die Ulmer’sche Theorie eine Vogelperspektive einnimmt, sieht die Brunner’sche wie durch ein Mikroskop auf das juristische Detail. Am besten lassen sich beide Theorien als zwei Elemente eines einheitlichen Wertpapierbegriffs verstehen. Sie können in folgender Weise zusammengefasst werden: Das Wertpapier dient dazu, Rechte umlauffähig zu machen; die Umlauffähigkeit wird dadurch erreicht, dass die Innehabung der Urkunde genügt und erforderlich ist, um die Berechtigung nachzuweisen.

4. Erweiterung um den numerus clausus Zu den beiden genannten Elementen gesellt sich noch ein drittes. Dieses lautet: Nur bestimmten, im Gesetz vorgesehenen Urkunden wird wertpapierrechtliche Wirkung beigemessen. Es herrscht ein numerus clausus16 . Der numerus clausus hat zwei Aspekte: den Typenzwang und die Typenfixierung17. Typenzwang bedeutet, dass Privatpersonen sich nur der gesetzlich vorgesehenen Arten von Wertpapieren bedienen können. Typenfixierung heißt, dass die rechtlichen Wirkungen der Urkunde im Wesentlichen durch Gesetz und nicht durch Parteivereinbarung festgelegt sind. Teilweise wird der numerus clausus auf Orderpapiere begrenzt und für Inhaberpapiere und Rektapapiere abgelehnt18 . Der Grund dafür ist die Sonderentwicklung des Effektenverkehrs, die an späterer Stelle zu erörtern sein wird. Nach herrschender Meinung gilt der numerus clausus dagegen allgemein19. Wertpapier ist danach nur ein Schriftstück, welches das Gesetz als solches ansieht. Dieser Punkt steht mit den beiden von Heinrich Brunner und Eugen 13

Meyer-Cording/Drygala, S. 12 f.; Hueck/Canaris, S. 88 f. Siehe Hueck/Canaris, S. 11. 15 Richardi, S. 21; Zöllner, S. 24. 16 Hueck/Canaris, S. 24; Meyer-Cording/Drygala, S. 16; Zöllner, S. 25 f. 17 Vgl. für das Sachenrecht Baur/Stürner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 7; Vieweg/Werner, Sachen recht, § 1 Rdnr. 5. 18 Rehfeldt, Wertpapierrecht, S. 10; Richardi, S. 39. 19 Vgl. Hueck/Canaris, S. 25; Ulmer, Das Recht der Wertpapiere, S. 22; Zöllner, S. 25 f. 14

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Ulmer herausgearbeiteten Merkmalen nicht in Gegensatz, sondern lässt sich mit ihnen verbinden.

5. Zwischenergebnis Damit können die nach klassischer Ansicht geltenden drei Elemente der Definition des Wertpapiers zusammengefasst werden. Das erste Element besagt, dass Wertpapiere Urkunden sind, die zur Geltendmachung eines Rechts innegehabt werden müssen. Das zweite Element ist, dass Wertpapiere den Umlauf von Rechten fördern. Das dritte Element lautet, dass Wertpapiere nur die im Gesetz vorgesehenen Papiere sind. Es wird sich zeigen, dass alle drei Elemente im Widerspruch zur Realität des Kapitalmarkts stehen 20 .

II. Kapitalmarktrechtlicher Wertpapierbegriff Das Kapitalmarktrecht erfasst nur bestimmte Arten von Wertpapieren im vorgenannten Sinn. Es handelt sich um solche, die von einem Emittenten massenhaft mit demselben Inhalt ausgestellt werden und daher vertretbar sind. Wenn kapitalmarktrechtliche Gesetze den Begriff des Wertpapiers verwenden, so meinen sie damit nur diese speziellen Arten 21. Das allgemeine Wertpapierrecht umfasst dagegen auch individuell ausgestellte Urkunden wie etwa Wechsel oder Scheck. Sie sind geradezu das Paradigma dieses Rechtsgebiets, während massenhaft ausgestellte Urkunden als Sonderform angesehen werden.

1. Gespaltener Wertpapierbegriff Aus der unterschiedlichen Bedeutung, in welcher der Begriff des Wertpapiers gebraucht wird, ergibt sich eine Zweiteilung im deutschen Recht. Enthält ein Gesetz den Ausdruck, so ist dies mal im allgemeinen, mal im kapitalmarktrechtlichen Sinn gemeint. Die daraus folgende Spaltung des Wertpapierbegriffs widerspricht dem Interesse an terminologischer Klarheit und stiftet Verwirrung. Sie zwingt dazu, die einzelnen Gesetzgebungsakte genau zu studieren, um herauszufinden, welche Titel jeweils gemeint sind. Die Gesetze zum Kapitalmarktrecht zählen abschließend einzelne Arten von erfassten Produkten auf22. Erst durch den Blick in die Definition wird dem Rechtsanwender klar, welche Bedeutung gemeint ist.

20 21 22

Siehe u. S. 16 ff. Vgl. z.B. § 2 I WpHG, § 2 Nr. 1 WpPG, § 1 I DepotG. Vgl. die Nachweise in voriger Fußn.

1. Kapitel: Ausgangslage des deutschen Rechts

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Mittlerweile haben sich der kapitalmarktrechtliche und der allgemeine Wertpapierbegriff noch weiter voneinander entfernt. So enthalten verschiedene Finanzmarktgesetze in ihren Begriffsbestimmungen eine Klausel, wonach Wertpapiere vorliegen können, „auch wenn für sie keine Urkunden ausgestellt sind“23. Das ist keine bloße Ausweitung des Kreises der erfassten Titel. Vielmehr steht die Klausel in eklatantem Widerspruch zum allgemeinen Wertpapierbegriff, der die Ausstellung von Urkunden zwingend voraussetzt. Darüber hinaus widerspricht die Definition auch dem umgangssprachlichen Sinn des Wortes. Denn es bleibt unerfindlich, wie Wertpapiere geschaffen werden können, ohne dass eine Urkunde ausgestellt wird. Zwar ist der Gesetzgeber an die Umgangssprache nicht gebunden, sondern kann eigene Begriffsbestimmungen aufstellen. Doch bleibt er der allgemeinsprachlichen Bedeutung verpflichtet und kann sich von ihr nur um den Preis entfernen, in eine abstrakte Juristensprache zu verfallen. Ein Wertpapier ohne Urkunde ist eine terminologische Fehlgeburt; es handelt sich um einen Fall einer contradictio in adjecto. Der Widerspruch zwischen den beiden Bestandteilen des Begriffs verrät tiefere Divergenzen: Es drängt sich geradezu auf, dass hier mit dem Begriff „Wertpapier“ etwas ganz anderes gemeint ist als im allgemeinen Zivilrecht.

2. Keine konzeptionelle Verselbständigung In der Literatur ist heute anerkannt, dass sich die Entwicklung im Effektenwesen derart verselbständigt hat, dass die meisten der Regeln des allgemeinen Wertpapierrechts auf Kapitalmarktprodukte unanwendbar sind 24. Trotz dieser Besonderheit hat sich der Gesetzgeber bisher davor gehütet, beide voneinander abzutrennen. Vielmehr hält er am einheitlichen Konzept des Wertpapiers fest. Die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Produkte sind für ihn eine bloße Teilmenge aus dem Kreis der Wertpapiere im allgemeinen Sinne. Obwohl für sie in Bezug auf bestimmte Aspekte Sondervorschriften bestehen, zum Beispiel für den Handel, seien sie zivilrechtlich gesehen weiterhin Wertpapiere. Aus diesem Grund werden sie auch in den Büchern zum allgemeinen Wertpapierrecht behandelt25. Zu einer Abspaltung des allgemeinen Wertpapierrechts vom Recht des Effektenverkehrs ist es in Deutschland bislang nicht gekommen.

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§ 2 I 1 WpHG, § 2 II WpÜG. Hueck/Canaris, S. 18. Vgl. z.B. Hueck/Canaris, S. 207–227; Richardi, S. 242–248; Zöllner, S. 172–190.

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2. Kapitel

Phänomene des Kapitalmarkts Verschiedene Phänomene zeigen, wie weit sich das Recht der Finanzmarkttitel vom allgemeinen Wertpapierrecht entfernt hat. Die Urkunde erfüllt nicht mehr die ihr zugedachten Funktionen (§ 3), durch die Internationalisierung des Effektenverkehrs ist die Bedeutung des Wertpapiers weiter zurückgedrängt worden (§ 4), und die explosionsartige Verbreiterung der Produktpalette stellt den numerus clausus in Frage (§ 5).

§ 3 Funktionsverlust der Urkunde Die Urkunde verliert immer mehr von ihrer einstigen Bedeutung als Träger des verbrieften Rechts und Zirkulationsmittel. Der fortschreitende Funktionsverlust von Urkunden im Effektenwesen ist oft beschrieben worden1. Die Darstellungen erfolgten jedoch stets innerhalb des Systems des geltenden Wertpapierrechts. Eine genauere Analyse zeigt hingegen, dass die Praxis dessen Rahmen bereits verlassen hat. Die Untersuchung beginnt mit einem kurzen Ausflug in die Geschichte. Zunächst wird erörtert, wie sich das Wertpapier bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte. Es ist die Zeit, in der Heinrich Brunner seinen Wertpapierbegriff prägte. Die historischen Ausführungen sollen vor allem zeigen, dass dieser Begriff aus der damaligen Situation geboren wurde und das bis dahin Geschehene prägnant auf den Punkt bringt. Kurz danach beginnt sich die Lage jedoch für am Kapitalmarkt gehandelte Papiere dramatisch zu verändern. Um die bei ihnen eintretenden Umwälzungen zu kennzeichnen, eignen sich drei Schlagworte: Immobilisierung, Entindividualisierung und Entmaterialisierung2 .

1 Vgl. nur Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 7–22; Meyer-Cording/Drygala, S. 20–24; Kümpel, WM 1981, Sonderbeil. Nr. 1, S. 17–21; dens., WM 1983, Sonderbeil. Nr. 7, S. 4; Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 131–159; Than, in: FS Schimansky, S. 821 (827–832); Hueck/Canaris, S. 14–18; Zöllner, S. 6 f.; dens., in: FS Raiser, S. 249 (251–255); sowie die verschiedenen Beiträge in Drobnig (Hrsg.), Abschied vom Wertpapier?. 2 Ähnlich Goode, in: The Future of the Global Securities Market, S. 107 (110).

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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I. Entwicklung des Wertpapiers bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts 1. Individuelle Wertpapiere Als Brunner seine Theorie des Wertpapiers veröffentlichte, war die Verbriefung in Urkunden seit langem Gang und Gäbe. Zu seinen Lebzeiten tobte allerdings ein heftiger Streit über die Ursprünge dieser Praxis, der bis heute nicht ganz ausgestanden ist. Brunner selbst sah als die ersten Wertpapiere Urkunden mit Orderklauseln an, die im Fränkischen Reich im sechsten bis achten Jahrhundert ausgestellt wurden3. Seiner Ansicht zufolge soll es Papiere mit Inhaberklausel seit dem neunten Jahrhundert gegeben haben4. Diese hätten der Umgehung der im germanischen Recht geltenden Verbote der prozessualen Stellvertretung und der unmittelbaren Übertragung der Forderung gedient5. Beide hätten sich dadurch unterlaufen lassen, dass der Schuldner eine Urkunde ausstellte, in der er sich zur Leistung an den Inhaber oder die darin bezeichnete Person verpflichtete. Diese hätten dann vor Gericht auftreten oder das beurkundete Recht weiter übertragen können. Nach der romanistischen Gegenauffassung, die namentlich von Levin Goldschmidt vertreten wurde, sollen Wertpapiere dagegen schon wesentlich älter sein. Die ersten Urkunden dieser Art habe es bereits in der Antike gegeben. Ihr Zweck sei die Regelung der Rechtsnachfolge gewesen6 . Welche Sicht historisch berechtigt ist, die germanistische oder die romanistische, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden7. Sicher ist jedenfalls, dass die rasante Ausweitung des Wertpapierverkehrs in den Städten Oberitaliens im 12. Jahrhundert begann. Dort liegt nicht nur die Wiege des modernen Bankensystems, sondern auch die des wichtigsten Wertpapiers, des Wechsels.

3 Brunner, in: Endemann (Hrsg.), Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, S. 140 (186); ders., Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, S. 524–540. 4 Brunner, in: Endemann (Hrsg.), Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts, S. 140 (196). 5 Brunner, Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, S. 598–604. 6 Siehe Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts I, S. 390; ders., Zeitschrift der Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung) 10 (=Zeitschrift für Rechtsgeschichte 23) (1889), 352–396. 7 Eingehend dazu Schultze-von Lasaulx, Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, S. 38–60.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Der Wechsel diente zunächst dazu, Geld einzutauschen8 , daher die italienische Bezeichnung als „lettera di cambio“, die französische als „lettre de change“ oder die deutsche als „Wechsel“. Ursprünglich war diese Aufgabe von den Wechslern, den Vorläufern der modernen Banken, erfüllt worden, die ausländisches Geld in lokale Währung umtauschten. Diese Art des Devisenverkehrs war einerseits umständlich, andererseits auch riskant, da das benötigte Geld aus dem Ausland mitgebracht werden musste. Zur Lösung des Problems diente eine Urkunde. Bedurfte zum Beispiel ein Kaufmann einer bestimmten Summe ausländischen Geldes, so ließ er sich von seinem Bankier einen Wechsel über die entsprechende Summe in seiner Heimatwährung ausstellen. Diesen übergab er im Ausland einem Bankier, der ihm dafür Geld in lokaler Währung zahlte. Letzterer konnte den Wechsel bei Fälligkeit dem Heimatbankier des Kaufmanns vorlegen und Zahlung in dessen Währung verlangen. Daneben gab es noch einen anderen Grund für die Ausstellung des Wertpapiers: das Zinsverbot9. Das kanonische Recht untersagte den Christen, verzinsliche Darlehen zu gewähren. Durch den Wechsel war es ihnen jedoch möglich, einen Anspruch auf Geld zu begründen, der zeitlich verzögert in einer anderen Währung zu erfüllen war. Im Umtauschkurs ließ sich leicht ein Zinssatz verstecken. Erst wesentlich später führte man den Scheck ein. Er geht auf die englische Handelspraxis des 17. Jahrhunderts zurück10. Wechsel und Scheck führten dazu, dass Ansprüche gegen eine bestimmte Person körperlich sichtbar und einem Inhaber zuordenbar wurden. Treffend beschrieben hat diesen Zusammenhang Johannes Emil Kuntze: „Das Papier ist eine leicht herstellbare, leicht transportable und in sich werthlose Mobilie, welche eben dadurch vorzüglich geeignet ist, als Träger und Ausdruck umlaufender Vermögenswerthe zu dienen. Diese Verknüpfung des vorgestellten Werthes mit der körperlichen Skriptur ist das allen Handelspapieren gemeinsame Merkmal ihres Wesens; jedes Handelspapier besteht aus zwei Elementen: einem unkörperlichen Werth, auf welchen es im Verkehr eigentlich nicht ankommt, und einem körperlichen Stück, in welchem jeder Werth ausgeprägt wird. In dem Papier findet der ökonomische Werthinhalt seine verkehrsmäßige Gestalt.“11

Die Verbriefung ermöglichte den Verkehr mit Forderungen. Denn die über das Recht ausgestellte Urkunde wurde zum Gegenstand des Handels. Es entstand ein Markt, auf dem sie zu einem bestimmten Preis veräußert werden konnte. 8 Vgl. Kuntze, Deutsches Wechselrecht, S. 30; Liebe, Entwurf einer Wechselordnung für das Herzogthum Braunschweig, S. 39, unter Hinweis auf Frémery, Etudes de droit commercial, S. 87–109; Persil, De la lettre de change et du billet à ordre, S. 7. 9 Vgl. Lévy-Bruhl, Histoire de la lettre de change en France aux XVIIe et XVIIIe siècle, S. 22 f. 10 Vgl. Zöllner, Wertpapierrecht, S. 159. 11 Kuntze, Deutsches Wechselrecht, S. 18.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Dies hatte zugleich zur Folge, dass ihr besonderer Wert zukam. Von einer bloßen Anweisung an einen Dritten und einem Beweismittel für die Verpflichtung des Ausstellers verwandelte sich die Urkunde daher in einen Vermögensgegenstand. Sie wurde zum Wertpapier, wie Heinrich Brunner später mit seiner Begriffsbestimmung treffend hervorhob.

2. Finanzmarkttitel Auch massenhaft ausgestellte Finanzmarktpapiere waren zur Zeit Brunners lange bekannt. Seit dem 16. Jahrhundert wurden Aktien in Urkundenform durch Gesellschaften begeben. Die erste von ihnen war die Niederländische Ostindien Kompagnie (Vereenigde Oostindische Compagnie)12 . Die staatliche Emission von Anleihen in Form übertragbarer Papiere war ebenfalls gängige Praxis13. In beiden Fällen diente die Verbriefung in einer Urkunde dazu, einen unkörperlichen Anspruch sichtbar zu machen. Allerdings wurden gerade bei massenhaft gehandelten Titeln nicht immer Papiere ausgestellt. Vielmehr gab es schon damals ein alternatives System, das der Registratur. Die Niederländische Ostindien Kompagnie gab beispielsweise keine Anteilscheine aus, sondern ließ die Anteilsinhaber in die Bücher der Handelskammern eintragen14. Die Gläubiger von Staatsanleihen wurden in manchen Ländern ebenfalls in ein öffentliches Buch eingeschrieben. Dieses sogenannte System der Inskriptionen herrschte zum Beispiel in Frankreich15. Allerdings erkannte man den Eintragungen keinerlei zivilrechtliche Wirkung zu, sondern sah ihre Funktion zunächst lediglich in der Ordnung und Kontrolle der Verwaltung16 . Trotz der Tendenzen zur gesonderten Behandlung folgten individuell und massenhaft ausgestellte Urkunden bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitgehend ähnlichen Grundsätzen. Um die in ihnen verbrieften Rechte geltend zu machen, musste sie der Inhaber dem Gläubiger vorgelegen. Das war zweifellos der Grund, aus dem Brunner diese Titel mit den individuell ausgestellten unter einem Begriff vereinte.

12 Dazu Schmitt/Schleich/Beck (Hrsg.), Kaufleute als Kolonialherren: Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki 1600–1800, S. 7–9. 13 Dazu v. Gönner, Von Staats-Schulden, deren Tilgungs-Anstalten und vom Handel mit Staatspapieren, S. 1–88. 14 Schmitt/Schleich/Beck (Hrsg.), Kaufleute als Kolonialherren: Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki 1600–1800, S. 9. 15 Siehe u. S. 61 f. 16 v. Gönner, Von Staats-Schulden, deren Tilgungs-Anstalten und vom Handel mit Staatspapieren, S. 231.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

II. Immobilisierung Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich die Effekten gesondert von Wechsel und Scheck. Infolge des wirtschaftlichen Aufschwungs und der zunehmenden Industrialisierung kam es zu einer schwunghaften Steigerung des Umlaufs von Aktien und Obligationen. Der Effektenhandel wurde zum Massenverkehr. Dabei entpuppte sich das ursprünglich zur Erleichterung des Verkehrs erdachte Wertpapier als Hindernis. Insbesondere bereitete die physische Übergabe der Urkunden als Voraussetzung der Übertragung große Probleme. Denn im Massenverkehr hätten Hunderte oder Tausende Papiere gleichzeitig den Besitzer wechseln müssen. Die Reaktion der Praxis darauf war die Immobilisierung. Immobilisierung bedeutet, dass sich das Wertpapier stets am selben Ort befindet. Es läuft nicht mehr um, sondern wird unbeweglich. Damit verliert es eine seiner wichtigsten Funktionen: Weil es nicht mehr von Hand zu Hand übergeben wird, dient es nicht mehr als Zirkulationsmittel für die in ihm verbrieften Rechte.

1. Fremdverwahrung Die Immobilisierung des Wertpapiers beginnt mit dessen Fremdverwahrung. Aus Gründen der Sicherheit und der Bequemlichkeit ließen die Inhaber von Effekten ihre Urkunden durch andere verwahren, und zwar durch Banken oder durch andere Geschäftsleute. Man sprach von „Massenverwahrern“. Meist verwahrten sie die Urkunden nicht nur, sondern erwarben sie auch in einem ersten Schritt als Kommissionär für Rechnung ihrer Kunden. Eine Besonderheit der Verwahrung ergab sich aus den Geschäftsbedingungen der Verwahrer. Sie sahen häufig vor, dass bei der Beendigung des Verwahrvertrags nicht die hinterlegten Stücke herauszugeben seien, sondern nur gleichartige17. Die Bedeutung dieser Klausel war allerdings ungeklärt18 . Man stritt insbesondere darüber, ob der Hinterleger mit der Einwilligung in die Geschäftsbedingungen auf sein Eigentum an den eingelieferten Wertpapieren verzichtete. Wäre dies der Fall gewesen, hätte er sein Aussonderungsrecht im Konkurs des Verwahrers verloren. Dogmatisch ließ sich die Frage auf folgendes Problem zuspitzen: Steht dem Kunden des Verwahrers ein dingliches oder ein obligatorisches Recht an den eingelagerten Gegenständen zu? Lange Zeit wurde darauf keine eindeutige Antwort gegeben. 17 Vgl. Carmen Buxbaum, Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, S. 32–38. 18 Carmen Buxbaum a.a.O., S. 33 f.; Riesser/Bernstein, Das Bankdepotgesetz, § 2 Anm. 2.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Die ungeklärte Rechtslage begünstigte Missbräuche bei der Führung des Sammeldepots. Einige private Massenverwahrer nutzten Depotbestände ihrer Kunden zur Spekulation an der Börse. Die Gerüchte darüber führten zunächst zum Verlust von Vertrauen und danach zum Abzug hinterlegter Wertpapiere durch die Kunden. Daraufhin brachen im Jahre 1891 kurz hintereinander zwei bedeutende Berliner Banken zusammen19. Das Privatpublikum wurde in erheblicher Weise geschädigt. Im Jahre 1896 reagierte der Gesetzgeber. Er verabschiedete ein „Gesetz betreffend die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Werthpapiere“20 . Dieses auch als „Bankdepotgesetz“ bezeichnete Gesetzeswerk enthält allerdings keine Äußerung zu den Eigentumsverhältnissen. Vielmehr handelt es sich um einen eigenartigen Vorläufer des modernen Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Das Gesetz stellte bestimmte Anforderungen an die Einbeziehung der Klausel, durch die der Verwahrer sich ermächtigen ließ, statt der hinterlegten gleichartige Wertpapiere zurückzugewähren. Dazu verlangte es eine für jedes Geschäft einzeln ausgesprochene ausdrückliche und schriftliche Erklärung des Hinterlegers21. Die gleiche Anforderung stellte es an die entsprechende Ermächtigung durch einen Verpfänder. Damit sollte einerseits den Verwahrern die Behauptung abgeschnitten werden, sie könnten über die eingelagerten Wertpapiere auch ohne solche Ermächtigung verfügen 22 . Vor allem aber sollte die klauselmäßige Einführung des depositum irregulare verhindert werden 23. Das depositum irregulare ist eine Form des Verwahrvertrags, bei welcher der Verwahrer nicht die Herausgabe des eingelagerten, sondern nur eines gleichartigen Gegenstands schuldet. Die Vertragsart hat seit der Rezeption des römischen Rechts eine wechselvolle Geschichte hinter sich 24. Das BGB, das im selben Jahr wie das Bankdepotgesetz verabschiedet wurde, steht ihr kritisch gegenüber: Es unterstellt die „unregelmäßige Verwahrung“ in § 700 BGB den Darlehensvorschriften und nicht denen über den Verwahrvertrag. Anders als im BGB wurde für den Effektenbereich eine Qualifikation des depositum irregulare als Darlehen jedoch allgemein abgelehnt. Ausschlaggebend war dafür folgendes Argument: Die Hinterleger wollten „nicht etwa ein Kapital hingeben, dessen Wert zurückzugeben wäre, nicht etwa ein Kreditgeschäft machen … sondern sie wollen einen Verwahrungsvertrag abschließen“25. 19 Vgl. Carmen Buxbaum, Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, S. 16 f. 20 Gesetz v. 5. 7.1896, RGBl. 1896, 183. 21 § 2 des Gesetzes v. 5.7.1896. 22 Riesser/Bernstein, Das Bankdepotgesetz, § 2 Anm. 1. 23 Ruth, Das Depotgesetz und seine Reform, S. 14. 24 Dazu Niemeyer, Depositum irregulare, S. 111–134. 25 Riesser/Bernstein, Das Bankdepotgesetz, § 2 Anm. 7 a).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Damit sollte es unmöglich gemacht werden, dass der Verwahrer die Vermögenswerte für eigene Zwecke nutzte. Dennoch war es schon aus praktischen Gründen notwendig, andere als die hinterlegten Urkunden zurückgeben zu können. Dieses Bedürfnis setzte sich in der Folgezeit durch. Obwohl das Bankdepotgesetz die Einführung des depositum irregulare erschweren sollte, konnte es dessen Aufkommen im Effektenwesen nicht verhindern. Paradoxerweise trug es vielmehr selbst zu seiner Verbreitung bei, enthielt es doch erstmals eine eindeutige rechtliche Grundlage für diese Konstruktion. Der Gesetzgeber erkannte durch das Gesetz aus dem Jahre 1896 implizit an, dass der Schuldner eines Verwahrvertrags auch andere, gleichartige Papiere zurückgeben kann, ohne dass sich die Rechtsnatur des Vertrags ändert. Das depositum irregulare war damit als zulässige Verwahrform für Wertpapiere etabliert. Geschuldet wurde bei Einfügung der entsprechenden Klausel nicht die Rückgabe einer bestimmten Urkunde, sondern gleichartiger Gegenstände. Das erlaubte dem Verwahrer, sich die Wertpapiere des Hinterlegers anzueignen. Gleichzeitig verlor die individuelle Urkunde an Bedeutung.

2. Sammelverwahrung Der nächste Schritt zur Immobilisierung der Wertpapiere war deren Sammelverwahrung. Die Urkunden wurden nicht mehr bei verschiedenen Verwahrern, sondern zentralisiert an einem Ort gelagert. Diese Methode verwendete man zuerst bezüglich der eigenen Titel der Banken. Im Jahre 1873 richtete der Wiener Giro- und Kassenverein ein zentrales Sammeldepot ein, bei dem fast alle in Wien ansässigen Banken ihre Wertpapierbestände aufbewahrten26 . Dem österreichischen Beispiel wollte in Preußen die Bank des Berliner Kassen-Vereins folgen. Die Einrichtung eines dauerhaften Depots gelang jedoch wegen der Wirtschaftskrise und verschiedener technischer Schwierigkeiten erst im Jahre 188227. Dort lagerte man zunächst nur die Bestände der Berliner Banken ein28 . Der entscheidende Schritt wurde Mitte der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts getan, als die Banken auch die Depots ihrer Kunden auf die Bank des Kassen-Vereins übertrugen 29. Von da an begann sich die Sammelverwahrung als übliche Verwahrform für Wertpapiere durchzusetzen. Das Bankdepotgesetz von 1896 sah die Möglichkeit der gesammelten Aufbewahrung noch nicht vor. Es schloss sie aber auch nicht aus. Vielmehr ging man in der Literatur davon aus, dass die implizite Anerkennung des depositum irre26

Than, in: FS Heinsius, S. 821 (827). Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 10. 28 Heinsius/Horn/Than, § 5 Rdnr. 3; Than, in: FS Heinsius, S. 821 (827). 29 Vgl. Erlanger, Eigentumserwerb beim Effektensammeldepot, S. 5; Carmen Buxbaum, Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, S. 371; Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 21. 27

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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gulare die Möglichkeit einer Sammelverwahrung mitumfasste 30 . Denn wenn es dem Hinterleger möglich war, sogar auf die Rückgabe seiner individuellen Wertpapiere zu verzichten und statt ihrer die Herausgabe anderer, gleichartiger Papiere zu akzeptieren, so musste er erst recht den Verwahrer zur gesammelten Aufbewahrung seiner Titel mit anderen Wertpapieren ermächtigen können. Die rechtlichen Verhältnisse am Sammelbestand schienen für den Hinterleger zunächst eher günstig: Zwar hatte er keinen Anspruch auf Rückgabe individueller Wertpapiere, dafür erlangte er jedoch einen Anteil am Sammelbestand. Auf den ersten Blick wurde seine rechtliche Stellung dadurch gestärkt. Denn statt das Eigentum an den Wertpapieren ganz aufzugeben, stimmte er nur der Vermischung mit anderen zu. Allerdings waren die juristischen Folgen der Vermischung alles andere als selbstverständlich. Nahe lag es, insoweit § 948 II BGB anzuwenden. Dann wäre jedoch das Miteigentum der Hinterleger von der Unverhältnismäßigkeit der Kosten der Trennung abhängig gewesen. Da sich diese nur im Einzelfall beurteilen ließ, war die Rechtslage mit Unsicherheit belastet31. Den Bedürfnissen der Verwahrer entsprach es außerdem, den Eigentumsübergang nicht erst mit der Vermischung, sondern bereits mit der Einlieferung der Wertpapiere eintreten zu lassen32 . Darüber hinaus hätte die Miteigentumslösung die Anwendung der Vorschriften über die Bruchteilsgemeinschaft in §§ 742–758 BGB zur Folge gehabt. Die Rückgabe von Wertpapieren wäre danach praktisch unmöglich gewesen, weil die Teilhaber nach § 747 S. 2 BGB über den gemeinschaftlichen Gegenstand nur gemeinsam verfügen können; es hätte also der Zustimmung aller Hinterleger bedurft, um einem von ihnen Wertpapiere herauszugeben. Die vom Gesetz vorgesehen Rechtsfolgen waren daher mit den praktischen Notwendigkeiten der Sammelverwahrung nur schwer zu vereinbaren. Zum Teil wurde deshalb ein vertraglich begründetes Miteigentum befürwortet 33. Für dieses gab es allerdings keine hinreichende rechtliche Grundlage. Auf der anderen Seite hätte eine rein schuldrechtliche Konstruktion die Position der Hinterleger zu sehr beeinträchtigt. Denn deren Schutz hing davon ab, ob ihnen ein dingliches Recht an den Wertpapieren zustand oder nicht. Den Durchbruch erzielte ein 1924 und 1925 erstelltes Gutachten zweier Justitiare der Deutschen Bank, Hans Schultz und Georg Opitz34. Darin zeigten sie auf, wie die Sammelverwahrung rechtlich ausgestaltet werden musste, um den praktischen Bedürfnissen der Banken zu genügen und gleichzeitig den Hinterlegern dinglichen Schutz zu gewähren.

30 31 32 33 34

Riesser/Bernstein, Das Bankdepotgesetz, Anm. 8, Nr. 2 c. Riesser/Bernstein a.a.O., Anh. z. § 2 Anm. A. Riesser/Bernstein a.a.O., Anh. z. § 2 Anm. A, Fußn. 1. Riesser/Bernstein a.a.O., Anh. z. § 2 Anm. A. Abgedruckt in: BankArch 24 (1942/43), Sonderbeil. Nr. 16.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Das Gutachten von Schultz und Opitz bildete die Grundlage für das 1937 erlassene „Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren“, kurz: Depotgesetz35. Es enthält erstmals Regelungen über die Sammelverwahrung36 . Auch das im alten Gesetz vorgesehene depositum irregulare nimmt es als „Tauschverwahrung“ wieder auf37. Die Regelform der Verwahrung nach dem Depotgesetz ist jedoch eine andere. In seinem § 2 S. 1 verpflichtet es den Verwahrer, die Wertpapiere grundsätzlich unter äußerlich erkennbarer Bezeichnung jedes Hinterlegers gesondert von seinen eigenen Beständen und von denen Dritter aufzubewahren. Man spricht insoweit von „Sonderverwahrung“ oder „Streifbandverwahrung“, weil in der Praxis die gesondert aufbewahrten Papiere des Hinterlegers mit einem Streifband gekennzeichnet werden38 . Die Sonder- oder Streifbandverwahrung entspricht dem herkömmlichen Dogma des Eigentums an den einzelnen hinterlegten Wertpapieren, das durch die Trennung von den Papieren anderer gesichert werden soll. Doch macht das Depotgesetz sogleich zwei Ausnahmen von der Pflicht zur gesonderten Aufbewahrung. Einerseits erlaubt es in § 3 I 1 dem Verwahrer, die Wertpapiere auch ohne besondere Ermächtigung des Hinterlegers einem Dritten zur Verwahrung anzuvertrauen. Das Gesetz nennt diesen Fall die „Drittverwahrung“. Zum anderen darf der Verwahrer nach § 5 I 1 DepotG die Papiere einer zentralen Stelle, der Wertpapiersammelbank39, zur Sammelverwahrung anvertrauen, soweit es sich um vertretbare Papiere handelt, die für die Sammelverwahrung zugelassen sind. Dazu bedarf er ebenfalls keiner besonderen Ermächtigung seitens des Hinterlegers; dieser kann die Sammelverwahrung nur dadurch verhindern, dass er die gesonderte Aufbewahrung verlangt40 . Durch Dritt- und Sammelverwahrung wird der Verwahrer zum bloßen Zwischenverwahrer, das heißt, er bewahrt die Urkunden nicht mehr selbst auf. Die Folgen sind weitgehend losgelöst von der wertpapierrechtlichen Dogmatik. So fingiert § 4 I 1 DepotG bei der Drittverwahrung die Kenntnis des Dritten vom Eigentum des Hinterlegers. Dadurch wird verhindert, dass ein Außenstehender gemäß §§ 932–934 BGB das Eigentum oder gemäß §§ 1207, 932, 934 BGB ein Pfandrecht an den Papieren gutgläubig erwerben kann. Die Urkunde wird also den für Wertpapiere normalerweise geltenden Regeln entzogen. Noch einschneidender sind die Rechtsfolgen der Sammelverwahrung. Der Hinterlegende verliert gemäß § 6 I 1 DepotG mit der Einlieferung seiner Stücke das Eigentum an den Urkunden und erhält stattdessen einen Miteigentumsan35 36 37 38 39 40

Gesetz v. 4.2.1937, RGBl. 1937 I, 171. Vgl. §§ 5–9 DepotG. §§ 10 f. DepotG. Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 10; Kümpel, Rdnr. 11.21. Zum Begriff § 1 III DepotG. Vgl. § 5 I 1 DepotG a.E.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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teil am Sammelbestand. Diese Umwandlung erfolgt unabhängig vom Willen des Hinterlegers durch besondere Anordnung des Gesetzes. Zu einem Wiederaufleben des Eigentums an individuellen Sachen kommt es nur noch dann, wenn der Hinterleger von der ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht und die Auslieferung einzelner Urkunden verlangt41. Doch ist dies von geringer Bedeutung, da die Anleger praktisch nur selten die Auslieferung begehren. Mit dem Anspruch darauf stellt der Gesetzgeber lediglich sicher, dass der Hinterleger die gesamte Zeit den Eindruck hat, die Urkunden seien vorhanden und er könne tatsächlich über sie verfügen. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass die durch das Depotgesetz zugelassene Sammelverwahrung zu einer Entfernung vom klassischen Wertpapierrecht geführt hat. Der Anleger hält keine Urkunde mehr in den Händen, die er übertragen könnte. Zu einer Herausgabe individueller Stücke kommt es praktisch kaum noch. Das Papier wird durch einen ideellen Miteigentumsanteil am Sammelbestand ersetzt. Die Konstruktion des Wertpapierrechts ist damit bereits fast vollständig verlassen.

3. Effektengiroverkehr Da der Berechtigte bei der Fremd- und der Sammelverwahrung die Effekten nicht mehr in den Händen hält, mussten andere Wege zur Übertragung seines Rechts gefunden werden. Die Ursprünge liegen abermals im Verkehr zwischen den Banken. Diese errichteten im Jahre 1869 den „Liquidationsverein für Zeitgeschäfte an der Berliner Fondsbörse“42 . Er verrechnete Wertpapiergeschäfte seiner Mitglieder miteinander, wodurch die Notwendigkeit entfiel, jedes Geschäft einzeln durchzuführen. Die sich bei der Verrechnung ergebenden Spitzen musste man jedoch weiterhin mit der Lieferung einzelner Urkunden erfüllen. Das änderte sich, als der Berliner Kassen-Verein im Jahre 1872 seine Bereitschaft erklärte, die effektiv zu liefernden Wertpapiere in Verwahrung zu nehmen und statt ihrer Depotscheine herauszugeben43. Nunmehr konnte man insgesamt auf die Lieferung einzelner Stücke verzichten. An die Stelle der physischen Bewegung von Aktien trat ein weitreichendes Verrechnungssystem, das man in Anlehnung an den Geldgiroverkehr als „Effektengiroverkehr“ bezeichnet. Der zunächst auf den Interbankenhandel beschränkte Effektengiroverkehr dehnte sich zunehmend auch auf das Verhältnis zwischen den Banken und ihren Kunden aus. Das wurde möglich, weil die Bank, soweit sie für ihre Kunden als Kommissionär Effekten einkaufte, von der Pflicht zur Auslieferung konkre41 42 43

§ 7 I DepotG. Heinsius/Thorn/Than, DepotG, § 5 Rdnr. 2. Ebda.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

ter Stücke befreit wurde. Der Ansatz dazu fand sich bereits im Bankdepotgesetz von 1896. Sein § 3 I 1 entband den Kommissionär, welcher Wertpapiere in Empfang nimmt, von der Verpflichtung, diese körperlich an den Kommittenten weiterzuleiten. Stattdessen musste er lediglich ein Stückeverzeichnis übersenden. In § 7 I 1 des Gesetzes war vorgesehen, dass mit der Übersendung des Stückeverzeichnisses das Eigentum an den Wertpapieren auf den Kommittenten übergeht. Ein solcher Rechtsübergang ist mit dem allgemeinen Wertpapierrecht unvereinbar. Denn dieses verlangt für den Übergang des Eigentums an den Urkunden neben der Einigung die Übergabe oder einen Ersatz im Sinne der §§ 929–931 BGB44. Allenfalls könnte man die Übersendung des Stückeverzeichnisses als einen Antrag auf Begründung eines Besitzkonstituts im Sinne des § 930 BGB ansehen. Dazu bedürfte es allerdings nicht nur der Übersendung, sondern auch des Zugangs des Stückeverzeichnisses beim Kommittenten; außerdem müsste letzterer das Angebot annehmen. Verzichtet man auf solche gekünstelten Konstruktionen, so tritt klar vor Augen, dass die Übersendung des Stückeverzeichnisses die Übergabe der körperlichen Urkunde rechtlich ersetzt. Das Depotgesetz von 1937 übernimmt die Regelung des alten Bankdepotgesetzes in § 18 III. Es sieht allerdings noch eine weitere Übertragungsvariante vor. In seinem § 24 I räumt es dem Kommissionär die Möglichkeit ein, dem Kommittenten nicht mehr das Eigentum an bestimmten Wertpapieren zu übertragen, sondern ihm an seiner Stelle Miteigentum am Sammelbestand einer Wertpapiersammelbank zu verschaffen. Dazu bedarf er nicht einmal einer Ermächtigung seitens des Kunden. Lediglich dann, wenn der Kommissionär ihm Miteigentum am Sammelbestand eines nicht als Wertpapiersammelbank zugelassenen Verwahrers verschaffen will, muss er sich seine Zustimmung einholen45. Die Regelung des § 24 I DepotG kann man als Verlängerung der Sonderregelung der Sammelverwahrung in den Bereich der Effektenkommission hinein ansehen. Bemerkenswert ist die im Gesetz vorgesehene Art des Eigentumsübergangs: Der Kommittent erlangt das Miteigentum dadurch, dass der Kommissionär einen Übertragungsvermerk in sein Verwahrungsbuch einträgt46 . Die Eintragung im Verwahrungsbuch tritt also an die Stelle der Übersendung des Stückeverzeichnisses, die ihrerseits die Übergabe effektiver Urkunden ersetzt. Es ist leicht zu sehen, wie weit sich das Gesetz damit vom klassischen Modell der Übertragung von Wertpapieren entfernt hat. Allerdings lässt § 24 II 1 DepotG ausdrücklich einen früheren Rechtsübergang nach den „Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts“ zu. Die ganz herrschende Meinung nimmt einen solchen früheren Eigentumsübergang nach den 44 Hueck/Canaris, S. 88; für Inhaberpapiere ebenso Zöllner, S. 24, mit abweichender Position für Orderpapiere S. 85. 45 § 24 I, Halbs. 2 DepotG. 46 § 24 II DepotG.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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§§ 929–931 BGB an und lässt damit die Regelung des § 24 II 1 DepotG praktisch leerlaufen47. Die Einzelheiten der Übertragung nach bürgerlichem Recht sind allerdings heftig umstritten und an anderer Stelle zu erörtern48 . Schon hier ist festzuhalten, dass eine körperliche Übergabe der Urkunde auch nach herrschender Lehre nicht stattfindet. Sie ersetzt sie durch die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses seitens der Wertpapiersammelbank vom Veräußerer auf den Erwerber. Auch diese Art des Eigentumsübergangs unterscheidet sich grundlegend von der Modellvorstellung des allgemeinen Wertpapierrechts.

4. Überwindung der Vorlegung Durch den Effektengiroverkehr waren Banken und Anleger im Fall der Übertragung von der Notwendigkeit der Übergabe körperlicher Urkunden befreit. Dennoch entstand immer noch erheblicher Aufwand, wenn die verbrieften Rechte gegenüber den Emittenten zum Fälligkeitstermin geltend gemacht wurden. Denn dazu ist es nach den allgemeinen wertpapierrechtlichen Grundsätzen notwendig, die Urkunden aus der Verwahrung zu nehmen, um sie dem Emittenten vorzulegen. Die Vorlagepflicht betrifft zum einen den sogenannten Mantel, welcher den Inhalt des verbrieften Rechts wiedergibt. Daneben existiert der „Bogen“, auf dem die Zins- oder Dividendenkupons abgedruckt sind. Von diesem müssten die jeweils fälligen Kupons abgetrennt und dem Emittenten ausgehändigt werden. Das bereitet im Massenverkehr Schwierigkeiten, weil viele Millionen Papiere gleichzeitig fällig werden. Eine Zahl mag die Ausmaße des Problems illustrieren: Im Jahre 1988 musste der Frankfurter Kassenverein rund 49 Millionen Kupons von den Bögen trennen49. Die Praxis hat auch hierfür eine Lösung gefunden. Die Emittenten verzichten gegenüber der Wertpapiersammelbank – in Deutschland gibt es derzeit nur eine einzige, die Clearstream Banking AG mit Sitz in Frankfurt am Main – in aller Regel auf die Vorlegung50 . Sie zahlen auch ohne Vorlage des Mantels aus, wenn die Sammelbank eine Bestätigung über die vorhandenen Bestände einreicht51. Auch bezüglich der Zins- und Dividendenscheine vertrauen die Emittenten ganz der Wertpapiersammelbank: Sie begnügen sich damit, dass diese die Kupons von den Bögen abtrennt und selbst vernichtet52 .

47 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 48; dies., WM 2001, 7 (12); Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 12; Kümpel, Rdnr. 11.416; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 406 Rdnr. 327. In dieser Richtung auch Koller, DB 1972, 1905 (1907). 48 Siehe u. S. 388 ff. 49 Kessler, Kreditwesen 1990, S. 126 (128). 50 Kümpel, WM 1981, Sonderbeil. Nr. 1, S. 3–12; Franke, DB 1983, 377 (378). 51 Koller, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1493). 52 Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 58.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Damit ist es zu einer weiteren Entfernung vom klassischen Wertpapierbegriff gekommen. Heinrich Brunner stellte im Kern noch darauf ab, dass zur Ausübung der im Papier verbrieften Rechte dessen Innehabung erforderlich ist53. Die herrschende Meinung zieht daraus die Schlussfolgerung, dass Wertpapiere Vorlegungspapiere sind. Das Vorlegungserfordernis wird in der Praxis jedoch umgangen. Zur Ausübung der im Papier verbrieften Rechte ist nicht mehr die körperliche Innehabung der Urkunde notwendig, sondern die Auskunft der Sammelbank. An die Stelle des Wertpapiers ist eine neue Form der Organisation getreten, mit der sich die Berechtigung überprüfen lässt.

5. Von der Immobilisierung zur Entindividualisierung Um zu verstehen, wie fundamental sich die täglichen Vorgänge am Kapitalmarkt vom Modell des Wertpapierrechts unterscheiden, ist es nützlich, sich die praktischen Auswirkungen der Immobilisierung vor Augen zu halten. Die Banken erwerben Effekten im Auftrag des Inhabers und lagern sie sofort ein. Da die Wertpapiere nicht mehr bewegt werden, muss man sie auch nicht mehr zur Herausgabe bereithalten. In der Praxis werden sie deshalb in Blöcken verpackt und verplombt. Man spricht insoweit anschaulich von „Eisbeständen“54. Die Kunden bekommen die Urkunden im Regelfall nie zu Gesicht. Die Bezeichnung als „Hinterleger“ hat deshalb nur noch eine sehr abstrakt-rechtliche Bedeutung, die die reellen Verhältnisse maskiert. Zur Übertragung ist eine Übergabe der Urkunde nicht notwendig. Ebensowenig sehen die Emittenten die von ihnen ausgestellten Papiere bei Fälligkeit. Tatsächlich wird der gesamte Effektenverkehr ohne Bewegung und Vorlage von Urkunden abgewickelt. Das Wertpapier hat sich damit stufenweise von seinen eigentlichen Funktionen als Umlaufmittel und Vorlegungspapier entfernt. Statt umzulaufen und vorgelegt zu werden, befindet es sich unbeweglich in Tresoren. Ein unbewegliches Umlaufpapier ist aber ebenso ein Widerspruch in sich wie ein Vorlegungspapier, das nicht vorgelegt werden muss. Es fällt nicht schwer einzusehen, dass es der Urkunden unter den Bedingungen der Immobilisierung nicht mehr bedarf. Ihrer traditionellen Funktionen sind sie entkleidet. Sie sind nur noch ein lästiges Hindernis, das unnötig Tresorraum in Anspruch nimmt. Der nächste konsequente Schritt ist daher die Abschaffung der individuellen Urkunden.

53

Siehe o. S. 11. Than in: FS Heinsius, S. 809 (813); Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 58; Scholtz, Die Verwahrung von Globalurkunden, S. 17. 54

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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III. Entindividualisierung Entindividualisierung bedeutet, dass über die Titel keine individuellen Urkunden mehr ausgestellt werden. Stattdessen werden tausende Rechte in einer einzigen Urkunde verbrieft. Die Realität des Kapitalmarkts tritt insoweit in einen weiteren, tiefen Widerspruch zum klassischen Wertpapierrecht, welches von der Ausstellung individueller Urkunden über jedes Recht ausgeht.

1. Entwicklung der Globalurkunde Synonym für die Entindividualisierung ist die Globalurkunde. Darunter versteht man ein Wertpapier, das eine Vielzahl selbständiger Rechte verbrieft55. Die Einführung der Globalurkunde bedeutete, dass Wertpapiere nicht mehr nur gesammelt verwahrt, sondern durch ein anderes Schriftstück ersetzt werden. An die Stelle tausender, zehntausender oder sogar hunderttausender Urkunden tritt ein einziges Blatt, das die Rechte gegenüber dem Emittenten repräsentiert. Statt als „Globalurkunde“ wird das Papier auch als „Sammelurkunde“ bezeichnet. Diesen Ausdruck benutzt insbesondere das Depotgesetz 56 . Jedoch ist er missverständlich. Unter einer Sammelurkunde wird nämlich in der Praxis eine Urkunde verstanden, in der mehrere Aktien desselben Aktionärs verbrieft sind und die börsenmäßig lieferbar ist 57. Bei der Globalurkunde geht es jedoch um etwas anderes. Die in ihr verbrieften Rechte stehen regelmäßig einer Vielzahl von Anlegern zu. Auch ist sie nicht zur Auslieferung bestimmt und braucht daher nicht den Anforderungen an börsengehandelte Wertpapiere zu entsprechen. Die Globalurkunde kann etwa auf einer Schreibmaschine innerhalb weniger Minuten ausgestellt werden58 . Es handelt sich in aller Regel um ein schlichtes DIN A4-Blatt mit einigen wenigen Informationen und den Unterschriften der Vorstandsmitglieder des Emittenten. Die Verwendung der Globalurkunde in Deutschland geht auf den Staat zurück. Erstmals wurde eine Globalurkunde bei der Begebung einer Anleihe des Deutschen Reichs im Jahre 1938 ausgestellt59. Dadurch sparte man den Druck von 600.000 Schuldscheinen mit 12 Millionen Zinsscheinen60 . Nach 1945 wurden im sogenannten Wertpapierbereinigungsverfahren Globalurkunden eingesetzt, um im Krieg zerstörte oder verloren gegangene Wert55 56 57 58

Vgl. auch § 9a I 1 DepotG. Vgl. § 9a DepotG. Pleyer/Schleiffer, DB 1972, 77; Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 48. Vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 14; Than, in: FS Heinsius, S. 809 (817,

821). 59 60

Einsele a.a.O., S. 13; Than a.a.O., S. 809 (812). Than a.a.O.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

papiere zu ersetzen61. Sie dienten als Notlösung, um die Ausstellung einer Vielzahl neuer Urkunden zu vermeiden. Sehr schnell stellte sich jedoch ein Bedarf zur allgemeinen Verwendung heraus. Die erste private Globalurkunde wurde in Deutschland im Jahre 1964 ausgefertigt62 . Drei Arten von Globalurkunden sind zu unterscheiden: Die erste Art ist die sogenannte technische Globalurkunde. Ihre Verwendung beruht auf den Erfahrungen mit der Sammelverwahrung. Man weiß, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Anleger von ihrem Recht auf Herausgabe der Wertpapiere keinen Gebrauch macht. Zur Befriedigung der Ansprüche der wenigen Hinterleger, die die Auslieferung individueller Urkunden verlangen, genügt den Wertpapiersammelbanken eine geringe Menge von Urkunden, die man treffend als „Wechselgeld“ bezeichnet63. Der Rest wurde zunächst in den bereits erwähnten Eisbeständen gelagert64. Um den dafür notwendigen Tresorraum zu sparen, gingen die Emittenten dazu über, statt einzelner Papiere Globalurkunden auszustellen. Gleichzeitig verpflichteten sie sich schriftlich gegenüber der Wertpapiersammelbank, die jeweilige Globalurkunde im Bedarfsfall aufzulösen und über die darin verbrieften Rechte einzelne Stücke auszufertigen65. Man nennt diese Art daher technische Globalurkunde. Sie lautet entweder auf eine bestimmte Stückzahl oder einen Gesamtnennbetrag66 . Sie verbrieft wegen des ebenfalls vorhandenen Wechselgelds nur einen bestimmten Teil einer Emission. Die zweite Art ist die interimistische Globalurkunde. Wie ihr Name schon sagt, vertritt sie andere Wertpapiere nur für eine bestimmte Zeit. Konkret soll sie Einzelurkunden im Zeitraum zwischen der Emission von Aktien und dem Druck der sie verbriefenden Urkunden ersetzen. Diese Periode kann sich leicht über mehrere Monate erstrecken67. Damit die Aktionäre bereits in der Zwischenzeit über die Aktien verfügen können, hatte sich in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts der sogenannte Jungscheingiroverkehr gebildet. Der Jungschein ist eine vom Emittenten gegenüber der Wertpapiersammelbank eingegangene unwiderrufliche Verpflichtung, die zu erstellenden Effekten nach dem Druck an sie zu liefern68 . Im Gegenzug richtet letztere den Aktionären ein Gut-

61 Vgl. § 9 des Gesetzes zur Bereinigung des Wertpapierwesens (Wertpapierberei nigungsgesetz) v. 19.8.1949, WiGBl. S. 295; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 14; Heinsius/ Horn/Than, DepotG, § 9a Rdnr. 4; Scholtz, Die Verwahrung von Globalurkunden, S. 2; Than, in: FS Heinsius, S. 809 (813). 62 Scholtz a.a.O., S. 23. 63 Than, in: FS Heinsius, S. 809 (813). 64 Siehe dazu o. S. 28. 65 Than, in: FS Heinsius, S. 809 (814); Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 46. 66 Than a.a.O., S. 818. 67 Ebda. 68 Vgl. Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 38.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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haben ein, über das diese verfügen können69. Jedoch reicht die lediglich schuldrechtliche Verpflichtung durch den Jungschein den Börsen als Grundlage der Zulassung der Aktie zum Börsenhandel nicht. Daher stellt der Emittent eine interimistische Globalurkunde aus, die bis zum Erscheinen der endgültigen Stücke bereits alle Ansprüche und Rechte aus ihnen verbrieft70 . Dabei wird die gesamte Emission vorübergehend durch ein einziges Papier repräsentiert71. Die dritte Art ist die Dauer-Globalurkunde. Sie ist von vornherein darauf angelegt, die Rechte aus einer Emission während der gesamten Laufzeit zu verbriefen72 . Die Notwendigkeit der Herstellung individueller Stücke entfällt völlig. Es handelt sich daher um die vom klassischen Wertpapier am weitesten entfernte Art der Verbriefung. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Dauer-Globalurkunde in der Praxis durchgesetzt. Sie hat auch dem Jungscheinverkehr die Grundlage entzogen73. Die Technik der Globalurkunde ist nicht auf Aktien beschränkt. In ihr lassen sich alle möglichen Rechte verbriefen. Daher gibt es neben den Globalaktien auch in einer Globalurkunde verbriefte Investmentanteile, Globalkreditpapiere und sogar Globalurkunden über Effektenmischformen wie Globalwandelschuldverschreibungen74.

2. Rechtliche Anerkennung Gesetzlich wurde die Globalurkunde durch § 9a DepotG anerkannt, der im Jahre 1972 in das Depotgesetz eingefügt wurde75. Wie schon früher nimmt der Gesetzgeber die bestehende Praxis auf und gibt ihr einen unterstützenden rechtlichen Rahmen. Zunächst verpflichtet er in § 9a I 1 DepotG den Verwahrer, die „Sammelurkunde“ einer Wertpapiersammelbank zur Verwahrung zu übergeben, es sei denn, der Hinterleger verlangt die Sonderverwahrung. Die Verwahrung der Globalurkunde unterstellt § 9 II DepotG den Vorschriften über die Sammelverwahrung. Damit findet § 6 DepotG, welcher Miteigentumsanteile am Sammelbestand vorsieht, auch auf die Globalurkunde Anwendung. Weiter erlaubt § 9a I 2 DepotG, dass der Aussteller „jederzeit und ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten“ eine Globalurkunde durch einzelne Wertpapiere ersetzen oder umgekehrt sammelverwahrte Papiere in Globalurkunden umwandeln kann. 69

Zu den Einzelheiten Delorme a.a.O.; Than, in: FS Heinsius, S. 809 (814 f.). Delorme a.a.O., S. 50 f.; Than a.a.O., S. 815. 71 Than a.a.O., S. 820. 72 Ebda. 73 Koller, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1493). 74 Scholtz, Die Verwahrung der Globalurkunde, S. 5–7. 75 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren vom 24.5.1972, BGBl. I, 801. 70

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Alle drei Formen der Globalurkunde finden sich in § 9a DepotG wieder. Die Vorschrift des § 9a I 2 Nr. 1 DepotG erwähnt die Ersetzung einer Sammelurkunde durch einzelne in Sammelverwahrung zu nehmende Wertpapiere; sie legitimiert damit die Ausstellung einer interimistischen Globalurkunde und deren späteren Austausch gegen Einzelurkunden. In § 9a I 2 Nr. 2 DepotG wird die technische Globalurkunde auf eine sichere rechtliche Grundlage gestellt, denn dort wird die Zusammenfassung mehrerer Einzelurkunden zu einer Sammelurkunde erlaubt. Schließlich sieht § 9a III 2 DepotG vor, dass die Auslieferung individueller Stücke auch ganz unterbleiben kann. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, Dauer-Globalurkunden auszustellen.

3. Ausschluss der Einzelverbriefung Die Ersetzung individueller Titel durch eine Dauer-Globalurkunde hängt allerdings gemäß § 9a III 2 DepotG davon ab, dass der Aussteller „nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis“ nicht verpflichtet ist, an die Inhaber der Rechte einzelne Wertpapiere auszugeben. Im Folgenden ist zu zeigen, wie sich die damit gemeinten Rechtsverhältnisse schrittweise in Richtung des generellen Ausschlusses der Einzelverbriefung entwickelten. Als Paradigma dafür soll das Aktienrecht dienen. Die Beziehung zwischen Aktionär und Aktiengesellschaft ist ein „zugrunde liegendes Rechtsverhältnis“ im Sinne des § 9a III 2 DepotG. Daher entscheidet sich in diesem Verhältnis, ob und inwieweit die Einzelverbriefung ausgeschlossen werden kann. Das Aktiengesetz regelt an verschiedenen Stellen den Inhalt und die Ausstellung von Aktienurkunden, in denen Aktionärsrechte verbrieft sind76 . Ein Anspruch auf Ausstellung von Aktienurkunden war zwar im Aktiengesetz von 1937 nicht enthalten. Trotzdem ging die ganz herrschende Meinung von seiner Existenz aus77. Soweit überhaupt eine Begründung dafür gegeben wurde, zitierte man entlegene Vorschriften über die Geltendmachung der Rechte aus der Aktie, wie § 125 II Nr. 1 AktG a.F.78 oder § 213 II AktG79. Beim Anspruch auf Ausstellung einer Aktienurkunde sollte es sich nach einhelliger Meinung um ein unentziehbares Mitgliedschaftsrecht handeln80 . 76

Siehe z.B. §§ 8–13, 67–69 AktG. Baumbach/Hueck, AktG, § 10 Rdnr. 1; Brändel, in: Großkomm. AktG, § 10 Rdnrn. 10, 25; Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 10 Rdnr. 5; Gadow, in: Gadow/ Heinichen/Schmidt, Aktiengesetz, § 1 Anm. 2; Kraft, in: Kölner Komm. AktG, § 10 Rdnr. 8; Meyer-Landruth, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 10 Anm. 2; Schlegelberger/Quassowski, § 10 Rdnr. 2; a.A. jedoch Ritter, AktG, § 10 Anm. 2 c. 78 Schlegelberger/Quassowski, § 10 Rdnr. 2. 79 Brändel, in: Großkomm. AktG, § 10 Rdnr. 25. 80 Brändel, in: Großkomm. AktG, § 10 Rdnrn. 10, 25; Kraft, in: Kölner Komm. AktG, § 10 Rdnr. 8; Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 10 Rdnr. 5; Baumbach/ Hueck, AktG, § 10 Rdnr. 1; Gadow, in: Gadow/Heinichen/Schmidt, AktG, § 1 Anm. 2. 77

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Das änderte sich im Jahre 1994. Der Gesetzgeber fügte dem § 10 AktG einen Absatz 5 hinzu81. Darin war vorgesehen, dass die Satzung den Anspruch auf „Einzelverbriefung“ der Aktien ausschließen oder einschränken kann. Der Aktionär hatte jedoch nach herrschender Meinung weiterhin einen Anspruch auf Ausstellung einer Mehrfachurkunde, die seinen gesamten Anteil verbrieft82 . Im Jahre 1998 wurde § 10 V AktG durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)83 dahin geändert, dass die Satzung den Anspruch auf Verbriefung insgesamt ausschließen kann. Die Reform sollte den Kostenaufwand für die Umstempelung oder den Neudruck und den Umtausch von Aktien bei der Einführung des Euro begrenzen84. Die Aktiengesellschaften wurden damit von der Pflicht befreit, dem Aktionär überhaupt noch Urkunden über seine Beteiligung an der Gesellschaft auszustellen. Dadurch war der Weg frei für die Dauer-Globalurkunde, die alle Aktienrechte einer Emission verbrieft. Sogenanntes „Wechselgeld“ in Form einzelner Aktien, die an die Aktionäre ausgegeben werden können, muss nicht mehr bereitgehalten werden. Die Gesellschaften haben von den ihnen durch den Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeiten zur Ersetzung der papiernen Urkunden regen Gebrauch gemacht. Heute schließen die meisten Publikumsgesellschaften den Anspruch auf Ausstellung von Einzelurkunden aus85. Das aber führt zu der Frage, wie der Aktionär seine Rechte überträgt. Besondere Probleme bereitet dies bei der Namensaktie. Bei dieser Aktienform wird der Berechtigte namentlich bezeichnet. Früher war sie nur in bestimmten Branchen und bei solchen Unternehmen verbreitet, die sich vor feindlichen Übernahmen schützen wollten86 . In den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat sie jedoch einen Aufschwung erlebt. Man spricht auch von einer „Renaissance“ der Namensaktie87. Dafür werden verschiedene Vorteile als ausschlaggebend angesehen, so zum Beispiel, dass die Namensaktie international weiter verbreitet als die Inhaberaktie ist und das man etwa für ein Listing in den USA Namensaktien benötigt88 . Außerdem wird angeführt, dass 81 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994, BGBl. I, 1961, Art. 1 Nr. 2. 82 Vgl. Hüffer, AktG, § 10 Rdnr. 11. 83 Gesetz vom 27.4.1998, BGBl. I, 786, Art. 1 Nr. 2. 84 Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, Beschlußempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)“, BT-Drucks. 13/10038, S. 25. 85 Vgl. für die Namensaktie Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 67 Rdnr. 4. 86 Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 67 Rdnr. 3; Merkt, in: v. Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 63 (82); Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rdnr. 11. 87 Seibert, in: v. Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 11 (12); Bayer, in: MünchKommAktG, § 67 Rdnr. 4. 88 Kümpel, Rdnr. 9.118.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

die Kenntnis des Vorstands über die Zusammensetzung des Aktionariats die Beziehungen der Gesellschaft zu den Gesellschaftern verbessern helfe 89. Nicht ganz unbedeutend wird aber auch weiterhin das Motiv sein, den Vorstand besser auf feindliche Übernahmen oder „aktivistisches Verhalten“ einzelner Gesellschafter vorzubereiten. Die Namensaktie wirft aus wertpapierrechtlicher Sicht besondere Schwierigkeiten auf, weil auf ihr die Berechtigten einzeln genannt sein müssen. Wurde über eine Emission eine Globalurkunde ausgestellt, so hätte diese also die Namen aller Gesellschafter zu enthalten. Das ist bei vielen Tausenden Aktionären unmöglich. Außerdem wird die Namensaktie gemäß § 68 I 1 AktG „durch Indossament“ übertragen90 . Für die Form des Indossaments, den Rechtsausweis des Inhabers und seine Verpflichtung zur Herausgabe erklärt § 68 I 2 AktG verschiedene Vorschriften des Wechselgesetzes für sinngemäß anwendbar. Danach müsste jedes Indossament auf die Namensaktie oder ein verbundenes Blatt gesetzt und vom Indossanten unterschrieben werden91. Dies ist bei tausenden Übertragungsvorgängen hinsichtlich der Anteile, die in einer Globalurkunde verbrieft sind, nicht durchführbar. Die Praxis umgeht diese Probleme durch eine besondere Methode92: Als Berechtigte der Namensaktie wird die Wertpapiersammelbank eingetragen. Auf die Rückseite der Sammelurkunde setzt man ein Blankoindossament nach Artikel 13 II WG. Die Übertragung der Anteile kann nunmehr durch formlose Übereignung der Urkunde beziehungsweise des Miteigentumsanteils an ihr erfolgen, Artikel 14 II Nr. 3 WG93. Damit ist das Erfordernis der Eintragung des Berechtigten in der Urkunde auf kunstvolle Art überwunden. Zugleich hat jedoch die Namensaktie ihre spezifische Rechtsnatur verloren. Sie ist zwar formell noch Namenspapier; der Berechtigte wird in der Urkunde aber gerade nicht namentlich genannt und die Übertragung geschieht nicht mehr durch Ausstellung eines Indossaments. Das Ziel der Namensaktie, die Zusammensetzung des Aktionariats für die Gesellschaft transparent zu machen, wird ebenfalls nicht mehr über das Wertpapierrecht erreicht. Vielmehr hat sich dazu ein anderer Weg herausgebildet. Eine bedeutende Rolle spielt dabei das Aktienregister, das seit dem Jahr 2001

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Dazu Hüffer, AktG, § 67 Rdnr. 3; Kümpel, Rdnr. 9.119; Merkt, in: v. Rosen/ Seifert, Die Namensaktie, S. 63 (87 f.); Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rdnr. 11. 90 Die Vorschrift enthält den Zusatz „auch“. Dieser soll darauf verweisen, dass es neben der Übertragung durch Indossament noch eine andere Übertragungsform gibt, nämlich die einfache Abtretung nach §§ 398, 413 BGB. Doch wird bei dieser kein Gutglaubensschutz gewährt, so dass die Übertragung durch Indossament aus praktischer Sicht vorzugswürdig ist. 91 Vgl. § 68 I 2 AktG i.V.m. Art. 13 I 1 WG. 92 Dazu Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 68 Rdnrn. 6, 12; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 67 Rdnr. 57; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 68 Rdnr. 7. 93 Dazu, wie diese Übereignung erfolgt, siehe u. S. 388 ff.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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das frühere Aktienbuch ersetzt. Der Aktionär weist seine Berechtigung gegenüber der AG mit Hilfe des Aktienregisters nach, § 67 II AktG. Es enthält seinen Namen, Wohnort und Beruf94. Im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär ist an die Stelle der Aktienurkunde also das Aktienregister getreten. Dieses gibt über die Person des Inhabers des in der Aktie verbrieften Mitgliedschaftsrechts Auskunft. Auf einem anderen Blatt steht, dass Aktionäre häufig Zwischenpersonen, sogenannte Legitimationsaktionäre, eintragen lassen, um ihre Identität zu verschleiern. Diese Praxis ist zwar bedenklich, weil sie dem Ziel der Namensaktie entgegenläuft, wird aber vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgeschlossen95. Für die Identifikation der Aktionäre durch die Gesellschaft ist das Wertpapier damit überflüssig. Früher spielte es zumindest insofern noch eine gewisse Rolle, als es der Gesellschaft bei der Anmeldung eines Übergangs der Mitgliedschaft vorzulegen war96 . Seit der Änderung des § 67 AktG durch das „Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung“ (NaStraG)97 ist jedoch auch dies entbehrlich. Nach § 67 III AktG wird im Fall des Übergangs der Namensaktie der alte Aktionär gelöscht und der neue eingetragen, soweit eine „Mitteilung“ und ein „Nachweis“ vorliegen. Für die Mitteilung bestehen keine Formerfordernisse98 . Der Nachweis kann außer durch Vorlage der Aktienurkunde auch auf verschiedene andere Arten erfolgen, zum Beispiel durch schriftliche Abtretungserklärung99. Die Aktie ist daher nicht länger erforderlich, um eine Eintragungsänderung im Aktienregister herbeizuführen. Der gesamte Problemkreis der Legitimation und Übertragung hat sich vom tradionellen Wertpapierrecht gelöst. Bei den Inhaberaktien hat sich die Bedeutung der Aktienurkunde ebenfalls deutlich verringert. Nach herkömmlichem Wertpapierrecht ist nur der Besitzer der Urkunde Aktionär; seine Berechtigung gegenüber der Gesellschaft muss er durch die Vorlage der Aktienurkunde nachweisen. Das gilt zum Beispiel, wenn er an der Hauptversammlung teilnehmen und sein Stimmrecht ausüben möchte. Im Fall der Ausstellung einer Globalurkunde stößt die Vorlage allerdings auf unüberwindliche Probleme. Schon das frühere Recht verzichtete daher auf sie. Es ließ für die Teilnahme an der Hauptversammlung genügen, dass der Aktionär die Urkunde bei einem Notar oder einer Wertpapiersammelbank hinterlegt hatte und dieser oder diese der Gesellschaft eine entsprechende Mitteilung zu-

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Siehe § 67 I AktG. Vgl. Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 67 Rdnr. 21. 96 § 67 III 2 AktG a.F. 97 Gesetz v. 18.1.2001, BGBl. I, 123, Art. 1 Nr. 6 c. 98 Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 67 Rdnr. 78; Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 67 Rdnr. 57; Hüffer, AktG, § 67 Rdnr. 17. 99 Cahn, in: Spindler/Stilz, AktG, § 67 Rdnr. 64; Hüffer, AktG, § 67 Rdnr. 18. 95

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

kommen ließ100 . Das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)101 hat die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts noch weiter verringert102 . Gemäß § 123 III 1 AktG kann die Gesellschaft in ihrer Satzung bestimmen, wie die Berechtigung des Aktionärs bei Inhaberaktien nachzuweisen ist. Für börsennotierte Gesellschaften sieht das Aktiengesetz in § 123 III 2 selbst eine Regelung vor103. Danach genügt ein Nachweis des Anteilsbesitzes durch das depotführende Institut, der in Textform erstellt werden kann. Den in § 126b BGB beschriebenen Anforderungen ist leicht zu genügen. Es reicht zum Beispiel die Mitteilung auf Papier, auf einer Diskette oder CD-ROM oder sogar in einer E-Mail104. Die Erklärung muss nicht unterschrieben sein, sondern lediglich die Person des Erklärenden erkennbar machen. Der Nachweis des Anteilsbesitzes bezieht sich darüber hinaus nicht auf den Rechtszustand am Tag der Hauptversammlung, sondern auf den am Beginn des 21. Tages davor (sogenanntes record date)105. Das Aktiengesetz hebt ausdrücklich hervor, dass im Verhältnis zur Gesellschaft für die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts nur derjenige als Aktionär gilt, der den Nachweis erbracht hat106 . Die tatsächliche Innehabung der Aktie oder ihre Vorlage ist nicht mehr erforderlich. Auch im Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Eigentümer von Inhaberaktien ist also das klassische Wertpapierrecht verdrängt worden. Entscheidend für das Recht zur Teilnahme an der Hauptversammlung ist nicht, wer die Aktie innehat, sondern wer einen Nachweis des depotführenden Instituts beibringen kann. Vom Erfordernis der Vorlage der Urkunde zur Geltendmachung der in ihr verbrieften Rechte ist nichts mehr übrig geblieben.

4. Zwangsgiroverkehr Globalurkunden sind ebenso wie sammelverwahrte Urkunden in den Effektengiroverkehr einbezogen. Allerdings hat der Anleger bei ihnen noch nicht einmal die Wahl, ob er am Giroverkehr teilnehmen will. Da er wegen des Ausschlusses der Einzelverbriefung keinen Anspruch mehr auf eine individuelle Urkunde hat, kann er seine Rechte nicht länger durch die Übergabe eines Papiers übertragen, sondern nur noch innerhalb des Bankensystems. Der Anleger, der Kapitalmarktprodukte erwerben oder übertragen möchte, wird somit fak100 101 102 103 104 105 106

§ 123 III 2 AktG a.F. Gesetz v. 22.9.2005, BGBl. I, 2802, Art. 1 Nr. 5. Zu den Motiven Koch, ZGR 2006, 769 (802). Dazu Zetzsche, AG 2007, 180 (182–187). Zetzsche, AG 2007, 180 (185). § 123 III 3 AktG. § 123 III 4 AktG.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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tisch gezwungen, am Effektengiroverkehr teilzunehmen. Man spricht daher treffend auch vom „Zwangsgiro“107. Die Übergabe individueller Urkunden ist nunmehr völlig ausgeschlossen. Damit ist ein weiteres Stadium der Ablösung vom klassischen Wertpapierrecht erreicht.

5. Von der Entindividualisierung zur Entmaterialisierung Durch die Globalurkunde wird der Aufwand für die Ausstellung und Lagerung der Urkunden radikal reduziert. Allerdings erfüllt die Globalurkunde keinen praktischen Zweck mehr. Sie dient nicht dem Umlauf, sie kann nirgends vorgelegt werden, die in ihr enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und könnten auch anders gespeichert werden. Der nächste konsequente Schritt ist daher die Entmaterialisierung.

IV. Entmaterialisierung Entmaterialisierung bedeutet, dass Urkunden gänzlich abgeschafft werden. Die traditionellen Funktionen des Wertpapiers werden losgelöst von einem körperlichen Substrat erfüllt. Zwar könnte man auch bei der Ausstellung von Globalurkunden von „Entmaterialisierung“ sprechen, da hier viel Papier eingespart wird. Jedoch soll der Begriff in diesem Buch dem Fall vorbehalten sein, dass überhaupt keine Urkunden mehr über das Recht ausgestellt werden108 . Bei der Entmaterialisierung in der hier verwendeten, strengen Bedeutung wird das Papier völlig verdrängt. An seine Stelle treten andere Instrumente.

1. Buchschulden Ein Instrument zur Entmaterialisierung sind Buchschulden. Sie ersetzen Anleiheurkunden und die Miteigentumsanteile an ihnen. In Deutschland sind sie bisher nur für Darlehensforderungen gegen den Staat eingeführt. Dort gibt es sie allerdings schon seit langem. Die Grundlagen enhält das Reichsschuldbuchgesetz aus dem Jahre 1910109. Es sieht zwei Wege zur Entmaterialisierung vor. Zum einen erlaubt es den Hinterlegern, Reichsanleihen in Buchschulden des Reichs umzuwandeln110 . Zu diesem Zweck sind im Umlauf befindliche Reichs107 Koller, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1494). 108 Gleiches Begriffsverständnis bei Kümpel, Rdnr. 8.127; Seibert, DB 1999, 267 (269); Habersack/Mayer, WM 2000, 1678 (1684). 109 Gesetz v. 31.5.1910, RGBl. I, 840. 110 § 1 I RSchbG.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

schuldverschreibungen einzuliefern111. Die genauen Bedingungen legt die Reichsschuldenordnung aus dem Jahre 1924 fest112 . Das Reichsschuldbuchgesetz bestimmt, dass mit der Eintragung in das Reichsschuldbuch die Rechte des Inhabers an den eingelieferten Schuldverschreibungen erlöschen113. Der wertpapierrechtliche Charakter der Urkunde entfällt also von einer Sekunde auf die andere; sie wird vom Wertpapier zum wertlosen Papier. Als zweiten Weg zur Entmaterialisierung sieht das Gesetz vor, dass Reichsschuldbuchforderungen auch ohne Umwandlung eines Wertpapiers begründet werden können114. Eine Verkörperung der Anleiheforderung in einer Urkunde fehlt in diesem Fall von vornherein völlig. Das Recht entsteht unverbrieft. An die Stelle des Wertpapiers tritt die Eintragung in das Reichsschuldbuch. Eine auf Grund der Ermächtigung in § 42 DepotG erlassene Verordnung aus dem Jahre 1940 erlaubt den Wertpapiersammelbanken darüber hinaus, ihnen zur Verwahrung anvertraute Anleihen des Reichs selbst in Schuldbuchforderungen umzuwandeln115. Dies wurde seinerzeit mit der Kosten- und Arbeitsersparnis begründet, der unter den Kriegsverhältnissen besondere Bedeutung zukam116 . Ziel war es, den Wertpapierumlauf zu beschränken und die bei den Wertpapiersammelbanken ruhenden großen Posten von Wertpapieren zu vermindern117. Die Kontrolle der Wertpapiere bei den Wertpapiersammelbanken als auch die Abtrennung der Zinsscheine und die Zinsscheinkontrolle sollten entbehrlich gemacht werden; Arbeiten, die nach der Begründung der Verordnung „zur Zeit viele Arbeitskräfte erfordern“118 . Diese Erwägungen gelten selbstverständlich nicht nur zu Kriegszeiten und nicht nur für Schulden des Reichs. Nach dem Krieg dehnte der Bund daher das System auf Anleihen der Länder119 und Schatzanweisungen der Bundespost so-

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§ 1 II RSchbG. Reichsschuldenordnung v. 13.2.1924, RGBl. I, 95. Danach können nur solche Schuldverschreibungen in Buchschulden umgewandelt werden, die auf den Inhaber lauten und keiner vertraglichen Tilgungsfrist unterliegen, vgl. § 21 Reichsschuldenordnung. 113 § 6 I RSchbG. 114 § 2 RSchbG. 115 Verordnung v. 31.12.1940 über die Behandlung von Anleihen des Deutschen Reichs im Bank- und Börsenverkehr, RGBl. 1941 I, 21, § 1 I. Andere Banken waren zur Umwandlung nur ermächtigt, wenn alle Hinterleger des Sammelbestandes selbst gewerbsmäßig Bank- oder Sparkassengeschäfte betreiben, vgl. § 1 II der Verordnung a.a.O. 116 Amtliche Begründung zu der Verordnung v. 31.12.1940, Deutscher Reichsanzeiger Nr. 11 v. 14.1.1941, abgedruckt bei Opitz, Depotgesetz, Anlagen 3 A 3 b, S. 524–528. 117 Amtliche Begründung zu der Verordnung v. 31.12.1940, bei Opitz a.a.O., S. 526. 118 Ebda. 119 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren v. 24.5.1972, BGBl. I, 801, Art. 2. 112

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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wie der Bundesbahn120 aus. Darüber hinaus machte er es auch der Lastenausgleichsbank121 und der Europäischen Zentralbank122 zugänglich. Privaten Emittenten ermöglichte der Gesetzgeber dagegen die Emission von unkörperlichen Anleihen nicht. Die hierfür erforderliche Rechtsgrundlage wurde bis heute nicht geschaffen. Der Markt hat sich mit der Ausstellung von Globalurkunden beholfen. Durch sie lassen sich viele der mit den Buchschulden verfolgten Zwecke erreichen, aber nicht alle. Denn die Gesellschaften müssen über die von ihnen am Kapitalmarkt begebenen Rechte weiterhin Urkunden ausstellen123.

2. Sammelverwaltung Ähnlich wie die massenhafte Verwahrung von Wertpapieren bereitet auch die Verwaltung massenhafter Buchschulden Schwierigkeiten. Diese waren in erster Linie durch eine gesetzliche Bestimmung veranlasst: Das Reichsschuldbuchgesetz sah vor, dass Verfügungen über Buchschulden gegenüber dem Staat nur durch die Eintragung in das Reichsschuldbuch Wirksamkeit erlangen124. Dadurch gestaltete sich die Übertragung überaus umständlich. Das war dem Gesetzgeber jedoch nicht lästig, sondern von ihm sogar beabsichtigt. Nach Aussagen in der Literatur verfolgte er mit der Vorschrift im Reichsschuldbuchgesetz gerade das Ziel, den Handel mit Buchschulden zu erschweren125. Die Praxis fand jedoch einen Weg, die Erreichung dieses Ziel zu vereiteln: die „Sammelverwaltung“ von Schuldbuchforderungen. Seit 1928 ließen sich die Kassenvereine als Gläubiger der Forderungen ihrer Kunden in das Reichsschuldbuch eintragen126 . Veräußerten letztere ihre Bestände, so bedurfte es für den Rechtsübergang keiner Umschreibung des Schuldbuchs. Stattdessen hielt der Kassenverein die Forderung nunmehr treuhänderisch für den Erwerber. Später entschied sich der Gesetzgeber, die Sammelverwaltung anzuerkennen. Dazu erließ er während des Zweiten Weltkrieges drei Verordnungen. 120 Bekanntmachung über die Eintragung von verzinslichen Schatzanweisungen der Bundesrepublik Deutschland in das Bundesschuldbuch sowie von verzinslichen Schatzanweisungen der Deutschen Bundesbahn in das Bundesbahnschuldbuch und von verzinslichen Schatzanweisungen der Deutschen Bundespost in das Schuldbuch der Deutschen Bundespost v. 8.7.1963, BGBl. I, 462. 121 Gesetz über die Lastenausgleichsbank (Bank für Vertriebene und Geschädigte) v. 28.10.1954, BGBl. I, 293, § 14 III. 122 Vgl. Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Zentralbank über den Sitz der Europäischen Zentralbank v. 18.9.1998, BGBl. II, 2996, Art. 10 II. Dazu Zahn/Kock, WM 1999, 1955–1967. 123 Zur Möglichkeit der Entmaterialisierung privater Titel u. S. 45 ff. 124 § 11 I RSchbG. 125 Delorme, Die Wertpapiersammelbanken, S. 18; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 15 f. 126 Einsele a.a.O., S. 16.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Die erste von ihnen127 erlaubt Wertpapiersammelbanken die gemeinsame Verwaltung von Reichsschuldbuchforderungen, die ihnen als Treuhänder von anderen Kreditinstituten zur Sammelverwaltung anvertraut sind128 . Erstmals dürfen also Wertpapiersammelbanken nicht nur Wertpapiere sammeln, sondern auch Buchforderungen verwalten. Zugleich regelt die Verordnung, dass mit der Eintragung der Wertpapiersammelbank als Gläubigerin der bisherige Inhaber der Forderung einen Anteil an der Reichsschuldbuchforderung der Wertpapiersammelbank erhält129. Die Rechtslage ist damit parallel zur Sammelverwahrung von Wertpapieren ausgestaltet: Die Anleger sind Mitberechtigte der Forderung. Sie werden daher in gleicher Weise wie die Hinterleger von Wertpapieren geschützt130 . Die Verordnung sieht darüber hinaus das Recht des Hinterlegers vor, seinen Anteil auf ein von ihm bezeichnetes Reichsschuldbuchkonto übertragen zu lassen131. Dieses Recht gleicht bis zu einem gewissen Grad dem Anspruch auf Lieferung bestimmter Stücke, der aus dem Depotgesetz bekannt ist132 . Es unterscheidet sich nur insofern von ihm, als der Hinterleger nach der Verordnung nicht ein individuelles Wertpapier, sondern eine getrennte Buchung verlangen kann. Der zweite Rechtsakt, mit dem die Sammelverwaltung von Reichsbuchschulden ermöglicht werden sollte, ist die bereits erwähnte Verordnung vom 31. Dezember 1940133. Sie erlaubt, Reichsschuldbuchforderungen und Schuldverschreibungen zu einem einheitlichen Sammelbestand zusammenzuführen. Die Schuldbuchforderung gilt nunmehr kraft gesetzlicher Fiktion als Teil eines Sammelbestands von Wertpapieren im Sinne des Depotgesetzes134. Unkörperliche Forderungen und körperliche Wertpapiere sind also auf eine Stufe gestellt. Dabei kommt es selbstverständlich nicht zu einer Vermischung im physischen Sinne. Vielmehr werden Wertpapiere und Schuldbuchforderungen, die aus derselben Anleihe stammen, rechtlich gemeinsam verwaltet. Das erleichtert den Effektenverkehr erheblich. Denn die Banken, die als Kommissionäre für ihre Kunden Schuldverschreibungen aus einer Anleihe erwerben sollen, können sich nunmehr von ihrer Verpflichtung zur Übertragung bestimmter Stücke befreien, indem sie dem Kommittenten Anteile an einem Sammelbestand verschaffen, der neben körperlichen Wertpapieren auch Schuldbuchforderungen derselben Anleihe enthält. Wie viele Wertpapiere und wie viele Schuldbuchfor127 Verordnung v. 5.1.1940 über die Verwaltung und Anschaffung von Reichsschuldbuchforderungen, RGBl. I, 30. 128 § 1 der Verordnung v. 5.1.1940. 129 § 2 II 1 der Verordnung v. 5.1.1940. 130 Vgl. § 6 I 1 DepotG. 131 § 3 I der Verordnung v. 31.12.1940. 132 § 7 I DepotG. 133 Siehe o. S. 38 Fußn. 115. 134 § 2 der Verordnung v. 31.12.1940.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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derungen sich im Sammelbestand befinden, ist dabei gleichgültig. Es ist sogar möglich, dass der größte Teil von vornherein aus Schuldbuchforderungen besteht und nur ein kleiner Teil für das tägliche Ein- und Auslieferungsgeschäft in Wertpapieren verbrieft ist135. Eine Verordnung vom 18. April 1942136 setzt schließlich Schuldbuchforderungen mit Reichsschuldverschreibungen gleich137. Darüber hinaus stellt sie Anteile an Sammelbeständen von Schuldbuchforderungen mit Anteilen an Sammelbeständen von Wertpapieren auf eine Stufe138 . Damit sind die Wertpapiersammelbanken von der Notwendigkeit zur Unterscheidung zwischen Schuldbuchforderungen und Wertpapieren entbunden. Sie können Gutschriften im Depotbuch sowohl durch Wertpapiere als auch durch Schuldbuchforderungen decken. Außerdem können sie sogar Sammelbestände anlegen, die ausschließlich aus unkörperlichen Forderungen bestehen139. Wie die Rechtsprechung später klarstellt, genügt der Kommissionär seiner Verpflichtung zur Verschaffung von Wertpapieren selbst dann, wenn er dem Kommittenten einen Anteil an einem solchen Sammelbestand verschafft140 . Insgesamt führen die Verordnungen des Reichs zu einer weitgehenden Gleichstellung von Effekten und Schuldbuchforderungen. Sie unterstellen beide den Vorschriften des Depotgesetzes, obwohl in einem Fall körperliche Urkunden aufbewahrt und im anderen unkörperliche Werte verwaltet werden. In Rechtsprechung und Lehre haben die drei Verordnungen einen heftigen Streit über die dogmatische Einordnung der Schuldbuchforderung ausgelöst. Der Bundesgerichtshof hat aus ihnen in einer Entscheidung aus dem Jahre 1952 gefolgert, dass die Forderung im Wege der gesetzlichen Fiktion zur beweglichen Sache geworden sei, und zwar „mindestens“ soweit es sich um ihre verwahrungsrechtliche Behandlung handelt141. Eine etwas zurückhaltendere Ansicht vertrat Georg Opitz. Er meinte, dass es sich bei den Buchschulden um „Wertrechte“ handele, die sachenrechtlichen142 oder zumindest „quasidinglichen“143 Charakter hätten. Die herrschende Meinung in der Literatur sieht dagegen in der Gleichstellung mit Wertpapieren lediglich die Anordnung einer analogen 135 Vgl. Amtliche Begründung zu der Verordnung v. 31.12.1940, Deutscher Reichsanzeiger Nr. 11 v. 14.1.1941, abgedruckt bei Opitz, Depotgesetz, Anlagen 3 A 3 b, S. 524 (528). 136 Zweite Verordnung über die Behandlung von Anleihen des Deutschen Reiches im Bank- und Börsenverkehr, RGBl. 1942 I, 183, abgedruckt bei Opitz, Depotgesetz, Anlagen 3 A 4, S. 529. 137 § 1 I Nr. 1 f. der Verordnung v. 18.4.1942 a.a.O. 138 § 2 der Verordnung v. 18.4.1942 a.a.O. 139 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 18. 140 OLG München, Beschl. v. 18. 4. 1962 – 2 W Kf 1067/61, WM 1962, 588 (588 f.). 141 BGH, Urt. v. 1. 2. 1952 – I ZR 23/51, BGHZ 5, 27 (31). Ebenso OLG München a.a.O., S. 588; Beschl. v. 27. 10. 1969 – 7 W Kf 909/69, WM 1970, 973 (974). 142 Opitz, DepotG, § 42 Anm. 12 B. 143 Opitz a.a.O., § 42 Anm. 12 C.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Anwendung der Vorschriften über bewegliche Sachen144. Trotz der Behandlung nach dem dritten Buch des BGB behielten die Schuldbuchforderungen ihre schuldrechtliche Natur. Der Streit betrifft in erster Linie terminologische Fragen. Ob nun Schuldbuchforderungen bewegliche Sachen sind oder nur den Vorschriften über bewegliche Sachen unterstehen, ist für die praktische Rechtsanwendung belanglos. An der zum Teil heftig geführten Diskussion ist jedoch Folgendes bemerkenswert: Obwohl man die Anwendung der für körperliche Wertpapiere erdachten Vorschriften auf unkörperliche Buchschulden ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann, erweckt die dogmatische Gleichstellung von Schuldbuchforderungen mit beweglichen Sachen bei den meisten Autoren erhebliche Bedenken. Tatsächlich sind unkörperliche Vermögensgegenstände von Sachen zu unterscheiden, auch wenn sie in vielerlei Hinsicht ähnlichen Vorschriften unterstehen. Doch greift dies späteren Erörterungen vor145. Festzuhalten bleibt, dass aus Sicht des Gesetzgebers zwischen Schuldbuchforderungen und Wertpapieren außer der Verbriefung keine fundamentalen Unterschiede bestehen. Er hat insbesondere keine Skrupel, beide nach denselben Vorschriften durch dieselbe Institution gemeinsam „verwahren“, oder besser: „verwalten“ zu lassen. Der Anleger, der von seiner Bank als Kommissionärin eine staatliche Schuldverschreibung erwirbt, merkt nicht einmal, dass diese ihm statt eines Miteigentumsanteils an einem Sammelbestand von Wertpapieren einen Anteil an unkörperlichen Schuldbuchforderungen verschafft. Durch die entsprechende Anwendung des Depotgesetzes wird endgültig klar, dass dessen Thema nicht die Aufbewahrung körperlicher Gegenstände ist. Es geht vielmehr um die Bewahrung von unkörperlichen Vermögenswerten für die Anleger. Ausdrücke wie „Depot“, „Wertpapiere“, „verwahren“ und „Hinterleger“ verbrämen dies. Sie stammen aus einer Zeit, in der tatsächlich noch die Aufbewahrung von Urkunden im Vordergrund stand. Diese Zeit ist längst vergangen. Die Verordnungen des Reichs galten zunächst nach dem Anleihe-Gesetz für die Bundesrepublik weiter146 . Erst im Jahre 2001 hob sie der Gesetzgeber auf und setzte an ihre Stelle das Bundeswertpapier verwaltungsgesetz147. Dieses

144

Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2053; Kümpel, Rdnr. 11.261; Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnrn. 39 f.; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 19 f.; Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (465 f.); Koller, DB 1972, 1905 (1906 f.); ders., in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1494). 145 Siehe u. S. 254. 146 Gesetz v. 29.3.1950, BGBl. 1951 I, 218. 147 Gesetz zur Neuordnung des Schuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschuldenverwaltung (Bundeswertpapierverwaltungsgesetz – BWpVerwG) v. 11.12.2001, BGBl. I, 3519.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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wurde seinerseits im Jahre 2006 durch das Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG) ersetzt148 . Die neue Rechtsgrundlage sieht vor, dass Forderungen gegen den Bund und seine Sondervermögen in ein Bundesschuldbuch einzutragen sind. Dieses kann elektronisch geführt werden149. Damit ist die Möglichkeit geschaffen, die Verwaltung der Bundesanleihen vollständig zu entmaterialisieren, denn nunmehr muss nicht einmal das Register in Papierform angelegt werden. In das Bundesschuldbuch lassen sich nicht nur Forderungen aus Schuldverschreibungen eintragen, sondern auch Darlehen, Wechselverbindlichkeiten, Bankkredite und „sonstige an den Finanzmärkten übliche Finanzierungsinstrumente“150 . Eintragungsfähig sind selbst Derivate, wie zum Beispiel Swaps, soweit deren Verwendung durch die Vorschriften des Haushaltsrechts zugelassen ist151. Durch die Verwendung des offenen Begriffs „Finanzierungsinstrumente“ erreicht der Gesetzgeber, dass alle Innovationen am Finanzmarkt im Bundesschuldbuch registriert werden können, ohne dass es einer Gesetzesänderung bedürfte. Dem Staat steht es damit frei, neue Produkte des Kapitalmarkts zu emittieren und diese in das Schuldbuch einzutragen. Die Aufnahme dieser Gegenstände in das Bundesschuldbuch hat allerdings nicht dieselben Folgen wie bei den Schuldverschreibungen. Bei letzteren ist die Eintragung für die Begründung der Forderung konstitutiv: Nur wenn die Schuldverschreibung im Schuldbuch eingetragen ist, kann zugunsten des Gläubigers eine Schuldbuchforderung entstehen152 . Auch die Übertragung von Schuldbuchforderungen wird erst mit der Eintragung wirksam153. Bei allen anderen im Schuldbuch eingetragenen Verbindlichkeiten des Bundes, wie Darlehen oder Bankkrediten, hat die Eintragung dagegen keine rechtsbegründende Funktion. Sie dient allein der Dokumentation und Verwaltung154. Insofern bleibt es bei dem Sonderregime der Schuldbuchforderungen. Inhaltlich entspricht dieses weitgehend den Regelungen der drei alten Reichsverordnungen. Die §§ 6–8 BSchuWG nehmen deren Vorschriften auf, ergänzen sie jedoch mit einigen Klarstellungen und erweitern sie um neue Regelungen. Ganz im Einklang mit den Reichsverordnungen enthält auch das Bundesschuldenwesengesetz zunächst die gesetzliche Fiktion, dass Sammelschuldbuchforderungen als Wertpapiersammelbestand anzusehen sind155. Sie werden gemäß § 6 I 148

Eingeführt durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldenwesens des Bundes (Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz) v. 12.7.2006, BGBl. I, 1466, Art. 1. 149 § 5 I 2 BSchuWG. 150 § 4 I Nr. 2–5 BSchuWG. 151 § 4 II BSchuWG. 152 § 5 III BSchuWG. 153 § 8 I BSchuWG. 154 Siehe § 5 I 1 BSchuWG sowie Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldenwesens des Bundes, BR-Drucks. 152/06, S. 21. 155 § 6 II BSchuWG.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

BSchuWG nicht auf den Namen des individuellen Gläubigers eingetragen, sondern auf den einer Wertpapiersammelbank. Die Regelform der Schuldbuchforderung ist damit die Sammelschuldbuchforderung, die dem Sammeldepotanteil nachgebildet ist. Für die Länder galten die Bestimmungen des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes nur bis zum 31. Dezember 2008 oder bis zum Erlass einer eigenen Regelung fort156 . Viele von ihnen haben entsprechende Regelungen in Kraft gesetzt. Diese sehen ebenfalls die Möglichkeit der Begründung von Schuldbuchforderungen vor157.

3. Einzelschuldbuchforderung Nach dem Bundesschuldenwesengesetz158 und manchen Landesgesetzen159 ist außer der Sammelverwaltung von Schuldbuchforderungen auch die Eintragung einer „Einzelschuldbuchforderung“ für eine individuelle Person oder eine Vermögensmasse zulässig. Dazu kommen nach der Bundesregelung verschiedene Wege in Betracht: Zunächst kann ein Gläubiger, dem ein Anteil an einer Sammelschuldbuchforderung zusteht, während deren Laufzeit seine Registrierung als Gläubiger einer Einzelschuldbuchforderung verlangen, soweit dies nicht in den Emissionsbedingungen ausgeschlossen ist160 . Eine weitere Möglichkeit ist, dass von vornherein eine solche Forderung begründet wird, wenn der Gläubiger dem Bund den „Kaufpreis“ – gemeint ist das gegen die Schuldverschreibung überlassene Kapital – zur Verfügung stellt161. Darüber hinaus darf der Gläubiger Bundeswertpapiere bei der das Schuldbuch führenden Stelle einliefern und die Umwandlung in eine Einzelschuldbuchforderung verlangen162 . Schließlich kann eine Einzelschuldbuchforderung zur Erfüllung eines gesetzlich bestehenden Leistungsanspruchs gegen den Bund oder eines seiner Sondervermögen eingetragen werden163. Die Einzelschuldbuchforderung lässt sich mit der individuellen Urkunde in der Sonderverwahrung vergleichen. Weit aussagekräftiger ist jedoch eine andere Parallele: Es handelt sich um ein unmittelbar zugunsten des Gläubigers in ein Register eingetragenes Recht, ähnlich etwa dem Grundstückseigentum. 156

Vgl. § 9 I, II BSchuWG. Siehe z.B. Bayerische Staatsschuldbuchverordnung v. 30.3.2003, BayGVBl. 2003, 302, Art. 2; Landesschuldenordnung des Saarlandes v. 12.12.2002, Saar.AmtsBl. 2003, S. 2, § 4; Schuldenordnung für das Land Sachsen-Anhalt v. 21.12.1992, GVBl. LSA 1992, 870. 158 Vgl. § 7 BSchuWG. 159 Siehe z.B. Bayerische Staatsschuldbuchverordnung, Art. 2; Landesschuldenordnung des Saarlandes a.a.O., § 5. 160 § 7 I 1 BSchuwG. 161 § 7 II Nr. 1 BSchuWG. 162 § 7 II Nr. 2 BSchuWG. 163 § 7 III BSchuWG. 157

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Ebenso wie im Grundbuchrecht wird der gute Glaube an den Inhalt des Bundesschuldbuchs geschützt. Wer ein Recht von einer im Bundesschuldbuch eingetragenen Person erwirbt, erlangt dieses nach § 8 II 1 BSchuWG selbst dann, wenn der Eingetragene nicht der Gläubiger war, es sei denn, dem Erwerber war der Mangel im Recht zur Zeit des Erwerbs bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt. Ist der Erwerber hinsichtlich nicht eingetragener Belastungen in gutem Glauben, so erwirbt er das Recht frei von ihnen, § 8 II 2 BSchuWG. Nach derselben Bestimmung setzt sich die Gutgläubigkeit auch über Verfügungsbeschränkungen hinweg. Die Parallelen zu § 892 I 1 BGB sind deutlich. Allerdings unterscheidet sich das Bundesschuldbuch vom Grundbuch in einem wesentlichen Punkt: Es ist nicht öffentlich einsehbar. Die Frage, warum trotzdem ein gutgläubiger Erwerb möglich ist, wird an anderer Stelle zu erörtern sein164. Hier genügt die Feststellung, dass die Anleihe durch die Eintragung in das Bundesschuldbuch anderen Registerrechten ähnlich wird. Die Einzelschuldbuchforderung bedeutet eine Entfernung vom Wertpapierrecht und eine Annäherung an das Registerrecht.

4. Entmaterialisierung privat emittierter Titel? Betrachtet man die derzeitige Rechtslage in Deutschland, so fällt auf, dass der Gesetzgeber eine ausgereifte und nahezu komplette Regelung für die Entstehung, Übertragung und den gutgläubigen Erwerb entmaterialisierter Anleiheforderungen geschaffen hat. Doch gilt diese nur für die öffentliche Hand165. Andere Emittenten können sich ihrer nicht bedienen. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des § 10 V AktG in seiner heutigen Form die Entmaterialisierung für den Bereich des Aktienrechts ins Auge gefasst, sie aber am Ende ausdrücklich verworfen. Nach einer Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestags zum Entwurf des KonTraG sollte mit der Einräumung der Möglichkeit zum Ausschluss der Einzelverbriefung der Aktie noch nicht der Schritt zum unkörperlichen „Wertrecht“ vollzogen werden166 . Nur der Anteil der jeweiligen Aktionäre müsse nicht mehr verbrieft werden; unberührt bliebe aber die Notwendigkeit, eine die Gesamtheit der Mitgliedschaftsrechte verkörpernde Urkunde auszustellen167. Eindeutig ist die Furcht des Gesetzgebers zu erkennen, mit der überkommenen dogmatischen Qualifikation der Aktie als Wertpapier zu brechen. 164

Siehe u. S. 431 ff. § 5 I 1 BSchuWG. 166 Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, Beschlußempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)“, BT-Drucks. 13/10038, S. 25. 167 Ebda. 165

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Aufgrund dieser Aussagen des Gesetzgebers hält man in der Lehre die Ausstellung einer Globalurkunde für die Emission von Aktien weiterhin für unverzichtbar168 . Vorsichtigere Stimmen beschränken den Zwang zur Verbriefung auf börsennotierte Aktiengesellschaften: Zumindest bei ihnen soll sich die Notwendigkeit der Globalurkunde aus der Verwendung des Begriffs „Wertpapier“ in §§ 32 ff. BörsG ergeben169. Für Schuldverschreibungen wird eine Abschaffung der Verbriefung nicht einmal diskutiert. Hier ist eine Emission ohne Urkunde schon aufgrund des Wortlauts des § 793 I 1 BGB undenkbar. Andere Länder haben dagegen längst auch privaten Emittenten die Vorteile der Entmaterialisierung zukommen lassen170 , und zwar durch gesetzliche Regelungen. Dem deutschen Gesetzgeber hat Jürgen Than dagegen geraten, wie in der Vergangenheit den Markt den ersten Schritt zur Rationalisierung des Effektenwesens tun zu lassen171. Doch kann die Wirtschaft die Umstellung auf ein Bucheffektensystem nicht ohne den Staat bewerkstelligen. Denn ein Register mit Gutglaubensschutz lässt sich nur durch Gesetz einführen. Zur Entmaterialisierung bedarf es daher einer klaren gesetzlichen Grundlage172 . Der Bund und die Länder haben diese jedoch nur für ihre eigenen Anleihen geschaffen. Den privaten Emittenten werden die Vorteile der Entmaterialisierung bislang vorbehalten. Gegen eine Erstreckung des Registrierungssystems auch auf Emissionen privater Emittenten werden allerdings verschiedene Einwände geltend gemacht. So wird behauptet, die Verbriefung in einer Globalurkunde sei notwendig, um die zum Schutz des Verkehrs notwendigen wertpapierrechtlichen Funktionen zu erfüllen173. Wie die Globalurkunde den Verkehr schützen soll, bleibt allerdings unklar: Zum Umlauf ist sie nicht bestimmt, denn sie lagert stets am selben Ort. Sie dient auch nicht zum Nachweis der Rechte des Inhabers, denn sie wird bei keiner einzigen Stelle vorgelegt. Auch ein Gutglaubensschutz analog Art. 16 II WG kommt bei ihr aus praktischen Gründen nicht in Betracht. Denn wer kann schon behaupten, gutgläubig zu sein, wenn ihm eine Urkunde über eine gesamte Emission veräußert wird? Auch sonst ist die Globalurkunde funktionslos. Sie enthält keine Angaben, die notwendig sind, um den Inhalt des verbrieften Rechts genau bestimmen zu können. Die in ihr enthaltenen Informationen lassen sich auch an anderer Stelle nachlesen: Bei Aktien wird der Inhalt des verkörperten Mitgliedschaftsverhältnisses durch die Satzung der Gesellschaft bestimmt. Bei Schuldverschreibungen ergibt er sich aus den Emissionsbedingungen. Diese müssen zum Beispiel auch 168 169

Heider, in: MünchKomm-AktG, § 10 Rdnr. 58; Hüffer, AktG, § 10 Rdnr. 11. Noack, in: FS Wiedemann, S. 1141 (1143); Vatter, in: Spindler/Stilz, AktG, § 10 Rdnr.

83. 170 171 172 173

Siehe u. S. 61ff. Than, in: FS Schimansky, S. 821 (836). Vgl. Peters, Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten im Effektenbereich, S. 38. Kümpel, WM 1982, S. 730 (730–733).

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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im Prospekt angegeben sein174. Es ist daher nicht nötig, die Globalurkunde einzusehen. Würde sie gestohlen, hätte dies keinerlei praktische Auswirkungen. Außerdem bringt man als Einwand gegen die Entmaterialisierung den damit verbundenen gesetzgeberischen Aufwand vor175. Ob ein großer Aufwand tatsächlich nötig wäre, ist jedoch zu bezweifeln. Es gibt seit langem ausformulierte Vorschläge, die nicht allzu umfangreich sind176 . Durch die bereits bestehenden Regelungen im Bundesschuldbuch wird der Aufwand für die Entmaterialisierung privater Effekten außerdem deutlich gesenkt, denn diese ließen sich in das bestehende System einbeziehen, indem man sie mit den vom Staat ausgegebenen Buchrechten gleichstellt177. Auch scheint der Aufwand der Entmaterialisierung nicht höher als der Nutzen zu sein. Das lässt sich zum einen daran ablesen, dass man in anderen Ländern zur Entkörperung fortschreitet. Zum anderen scheint auch der deutsche Staat den Nutzen des wertpapierfreien Effektenverkehrs höher zu veranschlagen als die Kosten, denn sonst hätte er nicht die Urkunde für seine eigenen Forderungen gesetzlich abgeschafft. Der tatsächliche Grund, warum er diesen Schritt für die privaten Effekten scheut, liegt offensichtlich darin, dass die Vorteile der Entmaterialisierung nicht bei ihm, sondern bei den Unternehmen anfallen. Das sollte jedoch im Sinne eines gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Kalküls keine Rolle spielen. Das stärkste Argument gegen eine vollständige Entmaterialisierung ist allerdings, dass sie überhaupt nicht notwendig sei. So bezweifeln Dorothee Einsele und Siegfried Kümpel, dass eine Umstellung des Effektenwesens auf unverbriefte Bucheffekten nennenswerte Rationalisierungseffekte hätte178 . Ulrich Seibert räumt zwar ein, dass der Schritt zur vollständigen Entmaterialisierung konsequent wäre, wagt aber die Prognose, dass er sich in der Praxis möglicherweise gar nicht als notwendig erweisen wird179. Auch Jürgen Than bezeichnete die Einführung eines auf Registern gegründeten, allgemeinen Bucheffektensystems noch im Jahre 1999 als „derzeit nicht erforderlich“180 . 174 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, Art. 3 II i.V.m. Anhang III, Nr. 5.1.1. 175 Kümpel, Rdnr. 11.247; Seibert, DB 1999, 267 (269) beschreibt den Schritt zum entmaterialisierten Effektenwesen als „rechtstechnisch wesentlich aufwendiger“ als den Ausschluss der Einzelverbriefung von Aktien. 176 Körner, Die Entstückung des Effektenwesens nach dem Rechtsmodell der Sammelschuldbuchforderung, S. 163–165, schlägt z.B. ein aus fünf Paragraphen bestehendes Gesetz vor. 177 Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 129; ders., Rechtliche Entwicklungsmöglichkeiten im Effektenbereich, S. 36. 178 Einsele, WM 2001, 7 (10); Kümpel, Rdnr. 11.247. 179 Seibert, DB 1999, 267 (269). 180 Than, in: FS Schimansky, S. 821 (836).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Der Grund für diese Zufriedenheit mit der bestehenden Situation ist die Möglichkeit zur Ausstellung einer Globalurkunde. In der Tat lassen sich mit ihrer Hilfe weitgehend ähnliche Effekte wie bei einer Entmaterialisierung erzielen. Außer einer einzigen Urkunde, die eine ganze Emission von Tausenden oder sogar Millionen von Aktionärsrechten verbriefen kann, bedarf es keines Papiers mehr. Dabei verursacht die Ausstellung lediglich geringe Kosten181. Die Globalurkunde kann formlos ausgestellt werden. Zu ihrer Verwahrung benötigt man nur wenig Raum182 . Der Aufwand wird dadurch auf ein Minimum reduziert. Allerdings gilt auch dies nur mit Einschränkungen: Kleineren Aktiengesellschaften kann die Verwahrung durchaus Probleme bereiten. Sie verfügen in der Regel nicht über den Zugang zu einer Wertpapiersammelbank. Kreditinstitute sind zur Sonderverwahrung nach § 9a I 1 DepotG regelmäßig nur gegen nicht unbeträchtliche Gebühren bereit183. Die Aufbewahrung durch die Gesellschaft selbst stößt auf den Widerstand der Finanzaufsicht, die die Verwahrung für die Aktionäre als genehmigungspflichtiges Bankgeschäft gemäß § 1 I 2 Nr. 5 KWG ansieht184. Zumindest große Gesellschaften scheinen dagegen mit der derzeitigen Rechtslage leben zu können. Das ist kaum verwunderlich, denn der Aufwand der Ausstellung und Verwahrung der Globalurkunde schlagen für sie im Verhältnis zur Größe der Emission kaum zu Buche. Auch wenn die Kosten nicht groß sein mögen, verbleibt die Frage, warum sie nicht gänzlich entfallen können. Die Globalurkunde ist im derzeitigen Effektenverkehr entbehrlich. Sie erfüllt keine der traditionellen Funktionen des Wertpapiers. Der Zweck der Urkunde ist rein symbolisch. Sie dient einem Mythos, der über Generationen weitergetragen wurde. Es ist der Mythos des Wertpapiers. Nach ihm unterliegt die Übertragung eines Rechts dem Papier, in dem es verbrieft ist. Diese Idee erfüllt historisch gesehen eine wichtige Funktion, denn mit ihrer Hilfe wurden Forderungen umlauffähig gemacht. Längst ist jedoch die Entwicklung am Kapitalmarkt über dieses Stadium hinweggegangen. Die Praxis hat sich mit anderen Regelungen beholfen, bei denen das Wertpapier zunehmend zum Hindernis geworden ist. Allerdings verbindet möglicherweise die Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit mit der Globalurkunde, mag dieses auch irrational sein. Dem Durchschnittsbürger wäre ein vollständig entmaterialisierter Effektenverkehr möglicherweise nur schwer vermittelbar. Denn der kleine Sparer möchte etwas „in

181

Einsele, WM 2001, 7 (10); Kümpel, Rdnr. 11.247 („Kosten sind … minimal“). Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Verwahrung vgl. Scholtz, Die Verwahrung von Globalurkunden, S. 31–52. 183 Noack, in: FS Wiedemann, S. 1141 (1145). 184 Dazu Noack a.a.O., 1145 f.; Rieger, in: FS Peltzer, S. 339 (341). 182

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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den Händen halten“ können185. Axel Schwind hat dieses Bedürfnis so formuliert: „Es ist angenehmer zu wissen, daß es zumindest ein Stück Papier gibt . . . Das Papier liegt an einem bestimmten Ort, man kann sich ein Miteigentum an einem Papier vorstellen, sobald das Papier wegfällt, verschwimmt der Unterschied zwischen Eigentum und Forderung . . .“186

Dem liegt das schon im Jahre 1943 von Walter Lorenz beklagte „Unvermögen des Menschen zum abstrakten Denken“ zugrunde187. Es ist bei einem großen Teil der Bevölkerung vorhanden, der zur Vorstellung eines Werts eines körperlichen Anhaltspunkts bedarf. Dem trägt auch die Praxis Rechnung, indem sie selbst entmaterialisierte Kapitalmarktprodukte mit einer auf ein Papier hindeutenden Bezeichnung versieht. Ein Beispiel sind die beliebten „Bundesschatzbriefe“, die nichts anderes als Schuldbuchforderungen sind und bei denen daher ein „Brief“ gerade nicht vorhanden ist188 . Das letztgenannte Beispiel zeigt, wie man der Einstellung der Bevölkerung entsprechen kann, ohne auf die Entmaterialisierung zu verzichten. Doch bedürfen glücklicherweise die meisten Bürger keines solchen „Etikettenschwindels“. Man sollte ihr Abstraktionsvermögen nicht unterschätzen. Dieses hat sich gerade im Computerzeitalter wesentlich verbessert. Viele Privatleute führen ihr Depot heute selbst über das Internet und verzichten völlig auf gedruckte Belege. Auch hat sich die Mehrzahl der Anleger damit abgefunden, dass sie ihre Rechte nicht in Papierform verbrieft erhalten. Sie wissen nicht einmal von der Existenz der Globalurkunden. Durch deren Abschaffung würde sich für sie ohnehin nichts ändern. Denn da der Anspruch auf Auslieferung individueller Urkunden in aller Regel gemäß § 9a III 2 DepotG ausgeschlossen wird, ist es ihnen gar nicht möglich, ein Wertpapier in die Hände zu bekommen. Die symbolbehaftete Ausstellung der Globalurkunde kann daher nicht mit einem Bedürfnis der Bevölkerung gerechtfertigt werden. Sie dient vielmehr einem anderen Zweck: Sie soll die Anwendung des Wertpapierrechts rechtfertigen. Doch tut sie dies nur, wenn man sehr formal und begriffsjuristisch denkt. Denn die Globalurkunde entspricht nicht dem klassischen Modell des Wertpapiers: Sie läuft nicht um und ist nicht zur Vorlegung bestimmt. Nach Claus-Wilhelm Canaris handelt es sich bei ihr daher dogmatisch gesehen um einen „,faulen Kompromiss‘ mit der Tradition und eine Verschleierung des in Wahrheit angestrebten Rechtszustandes“189. Die Globalurkunde ist, mit ei185 Vgl. Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 522; Kessler, Kreditwesen 1990, 126 (130). 186 Schwind, in: Kreuzer (Hrsg.), Abschied vom Wertpapier?, Dokumentelose Wertbewegungen im Effekten-, Gütertransport- und Zahlungsverkehr, S. 57 (61). 187 Lorenz, BankArch 42–43 (1943), S. 63. 188 Lütticke, Elektronische Verbriefung von Effektenrechten?, S. 193. 189 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2042.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

nem vielzitierten Ausspruch Wolfgang Zöllners, nur „ein Denkbehelf, eine geistige Krücke“190 . Diese „Krücke“ dient vor allem den Juristen. Globalurkunden werden nur aus rein juristischer Förmelei ausgestellt. Der Effektenverkehr, der das Wertpapier erfunden hat, benötigt eine solche Denkhilfe schon lange nicht mehr. Seit geraumer Zeit ist offensichtlich, dass er auch ohne Papier auskommt. Dann aber sollte sich auch die Rechtswissenschaft anpassen und von der althergebrachten Vorstellung der Verbriefung des Rechts in einer Urkunde Abschied nehmen.

5. Entmaterialisierung der Übertragung Die bisherigen Ausführungen betrafen allein die Begebung von Kapitalmarktprodukten. Zu einer weitgehenden Entmaterialisierung ist es aber auch beim Handel mit diesen Produkten gekommen. Dabei sind zwei Stadien zu unterscheiden: der Abschluss der schuldrechtlichen Verpflichtung und deren Erfüllung. Schuldrechtliche Verpflichtungen über Finanztitel können an der Börse oder außerbörslich eingegangen werden. Die Praxis hat hier ausgefeilte elektronische Systeme entwickelt191. Ein Beispiel ist das Handelssystem Xetra der Frankfurter Wertpapierbörse. Bei ihm geben die einzelnen Teilnehmer Kauf- und Verkaufswünsche in ein Computersystem ein. Diese werden elektronisch ohne die Zwischenschaltung von Personen mit denen anderer Handelsteilnehmer „gematcht“. Papier ist unnötig. Für die Zwecke dieser Untersuchung wichtiger ist, wie die Verbindlichkeiten aus den an der Börse geschlossenen Geschäften erfüllt werden. Schon seit langem bedarf es dazu nicht mehr der physischen Übertragung von Wertpapieren. Doch wurden auch im Effektengiroverkehr immer noch Papiere, die sogenannten „Effektenschecks“, ausgestellt192 . Heute vollzieht sich die Erfüllung von Geschäften über Effekten in sogenannten Clearing- und Settlementsystemen193. In Deutschland wird das wichtigste von der Clearstream Banking AG betrieben, die zugleich die derzeit einzige deutsche Wertpapiersammelbank ist. Die Terminbörse Eurex verfügt über ein eigenes Clearinghaus, die Eurex Clearing. Den Clearing- und Settlementsystemen sind die Wertpapiersammelbanken und renommierte Finanzinstitute 190

Zöllner, in: FS Fritz Baur, S. 249 (255). Dazu Andreas Preuß, ZBB 2007, 152–155. 192 Vgl. Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnrn. 76 f. 193 Dazu Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, S. 4–6; dies., Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, S. 52, 56; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen, KOM 2004 (312) endg.; Beck, in: FS Horn, S. 669 (671 f.). 191

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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als Mitglieder angeschlossen. Diese müssen über eine ausreichende Bonität verfügen. Sie sind verpflichtet, sämtliche innerhalb des Abrechungszeitraums getätigten Transaktionen auf einem bestimmten Markt an das Clearinghaus zu melden, damit diese in das Clearing und Settlement einbezogen werden. Was sind Clearing und Settlement? Beim Clearing bestimmt man zunächst sämtliche Forderungen der Clearingmitglieder untereinander hinsichtlich der zu übertragenden Wertpapiere und des dafür zu zahlenden Preises. Danach werden die Transaktionen nicht zwischen einzelnen Mitgliedern gesondert abgewickelt, sondern alle Ansprüche saldiert; soweit sie sich decken, gelten sie als erloschen. Man nennt diesen Vorgang auch Netting194. Er ist Teil des Clearings. Beim Settlement erfüllt man die nach dem Clearing verbleibenden überschießenden Forderungen eines Clearingmitglieds gegen ein anderes. Dies geschieht im Wege des sogenannten Spitzenausgleichs. Dazu werden Sammelbestandanteile oder Geld durch die Belastung und Zuschreibung auf Konten der beteiligten Institute übertragen. Hinsichtlich der Terminologie ist Vorsicht geboten: Das hier allein gemeinte settlement netting ist strikt vom sogenannten close-out netting zu unterscheiden. Letzteres hat mit der Übertragung von Wertpapieren nichts zu tun. Es handelt sich um eine Vertragsbestimmung, derzufolge gegenseitige Verbindlichkeiten im Fall der Insolvenz einer Partei sofort fällig gestellt werden195. Clearing und Settlement vollziehen sich vollelektronisch196 . Über die Ergebnisse werden Listen erstellt. Eine Software macht es bei der Clearstream Banking AG möglich, alle Transaktionen in Echtzeit zu begleiten197. Informationen werden in derselben Minute, in der sie beim Clearinginstitut eingehen, an die Teilnehmer weitergeleitet. Der gesamte Vorgang vollzieht sich in völliger Anonymität, ohne dass bekannt würde, welchem Teilnehmer die Buchposition eines anderen zugeschrieben wurde. Die Folge ist, dass für ein präzises Geschäft nicht ermittelt werden kann, wer von wem erworben hat. Zu den genannten Neuerungen ist in jüngerer Zeit eine weitere Veränderung getreten. Während bisher die Geschäfte unmittelbar zwischen den Marktteilnehmern zustande kamen, ist zwischen diese nunmehr ein sogenannter Zentraler Kontrahent geschaltet198 . Er wird Vertragspartner aller Transaktionen; für 194 195

Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 230. Vgl. Wood, Set-off and Netting, Derivatives, Clearing Systems, Rdnrn. 1–027 bis

1–029. 196 Zu den technischen Einzelheiten Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 189–197. 197 Siehe Clearstream AG, CreationConnect – Gateway to Clearstream, erhältlich unter http://www.clearstream.com/swing/dispatch/en/binary/swing_content_pool/downloads/ product_brochures/CreationConnect.pdf (zuletzt besucht am 11.9.2006). 198 Alfes, Central Counterparty – Zentraler Kontrahent – Zentrale Gegenpartei, S. 31; Horn, WM 2002, Sonderbeil. 2, S. 4; Kümpel, Rdnr. 11.376; Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 193; Beck, in: FS Horn, S. 669 (672). Vgl. auch Sonderbe-

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

jeden Kauf oder Verkauf schließt er ein deckungsgleiches Parallelgeschäft ab199. Sinn der Einschaltung des Zentralen Kontrahenten ist es, das Risiko des Ausfalls der Gegenpartei zu vermindern200 . Außerdem ist er zur Einführung des elektronischen Handels notwendig201. Zunächst hat sich die Neuerung im Derivateclearing durchgesetzt. Mit der Verbreitung der elektronischen Handelssysteme haben sie jedoch auch andere Börsen übernommen 202 . Durch Clearing und Settlement und die Einführung des Zentralen Kontrahenten hat sich die Realität des Effektenhandels erneut grundlegend verändert. Aus einer dezentralen Struktur, in der die Teilnehmer miteinander Geschäfte abgeschlossen haben, ist eine zentralisierte Organisationsform geworden. Damit haben sich auch die Risiken verlagert. Sie bestehen nicht mehr im Ausfall oder der Nichtberechtigung der Gegenpartei, sondern im Zusammenbruch des Clearing- und Settlementsystems oder des Zentralen Kontrahenten. Der Gesetzgeber hat darauf mit den Instrumentarien des öffentlichen Rechts reagiert: Wer ein „Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem“ – das heißt ein Clearing- und Settlementsystem – betreiben will, muss dies gemäß § 24b I 1 KWG der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Deutschen Bundesbank anzeigen und die Teilnehmer benennen; die Bundesbank reicht die Meldung an die Europäische Kommission weiter, nachdem sie die Regeln des Systems auf ihre Zweckdienlichkeit überprüft hat, § 24b I 3 KWG. Die Tätigkeit des Zentralen Kontrahenten ist gemäß § 1 I 2 Nr. 12, XXXI KWG ein Bankgeschäft und bedarf daher nach § 32 I 1 KWG der Erlaubnis durch die BaFin. Wie sich Clearing und Settlement vollziehen, sagt der Gesetzgeber dagegen nicht. Dies überlässt er den allgemeinen Regeln des BGB und des Depotgesetzes, die jedoch kaum passen, sowie den Bedingungen der Betreiber der Systeme. Statt die Vorgänge zivilrechtlich zu regeln, begnügt er sich mit der staatlichen Aufsicht über die Betreiber. Eine Antwort auf die Frage, wie das Eigentum an Effekten in Clearing- und Settlementsystemen übertragen wird, steht noch aus203.

dingungen der Banken für Wertpapiergeschäfte (Stand: 1.11.2007), Nr. 1 I 2, abgedruckt in: Baumbach/Hopt, HGB, 2. Teil (8). 199 Ausführlich zur Funktionsweise Hess, AJP/PJA 2004, 687 (694). 200 Kümpel, Rdnr. 17.671; Hess, AJP/PJA 2004, 687 (691). 201 Andreas Preuß, ZBB 2007, 152 (153). 202 Preuß a.a.O., S. 153. 203 Dazu u. S. 388 ff.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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V. Zwischenbefund Durch Immobilisierung und Entindividualisierung hat sich die Funktion des Wertpapiers im deutschen Recht gewandelt. Aus einem Mittel zur Förderung des Umlaufs, welches die Rechte des Inhabers oder namentlich Bezeichneten nachweisen soll, ist ein in Tresoren eingeschlossenes, in der Praxis nicht mehr vorgelegtes Stück Papier geworden. Die Ausstellung von Urkunden hat damit alle ursprünglichen Funktionen verloren: Um die verbrieften Rechte geltend zu machen, muss das Wertpapier nicht mehr vorgelegt werden. Die Übertragung hat sich ebenfalls weitgehend vom wertpapierrechtlichen Modell abgelöst. Statt durch Übergabe individueller Urkunden erfolgt sie in der Praxis durch Belastung und Gutschrift in elektronisch geführten Registern. Die Buchung und nicht der Besitzwechsel ist der Tatbestand, der praktisch bedeutsam ist. Erstere hat sich daher zum „heimlichen“ Rechtsscheinsträger entwickelt. Schon jetzt ist erkennbar, in welchem Maße das alte Gebäude des Wertpapierrechts Risse bekommen hat. Unter diesen Umständen ist die Frage, ob eine zukünftige Dogmatik der Kapitalmarktrechte weiterhin auf der Idee der Urkunde aufbauen sollte, nur noch rhetorischer Natur.

VI. Die neue Bedeutung der Verbriefung („securitization“) An dieser Stelle ist einem möglichen Missverständnis vorzubeugen. Der Leser mag sich folgende Frage stellen: Wenn das Wertpapier einen Bedeutungsverlust des dargestellten Ausmaßes erlitten hat, warum wird dann der Begriff der „Verbriefung“ häufig in den Medien benutzt? Verfolgt man die Finanzpresse, könnte man den Eindruck gewinnen, dass ständig neue Wertpapiere ausgestellt würden. Dort ist immer wieder die Rede davon, dass eine Bank oder eine andere Finanzinstitution etwas „verbriefe“, zum Beispiel Mittelstandskredite204. Gemeint ist damit allerdings nicht die Ausstellung papierner Urkunden, sondern etwas ganz anderes. Das Wort „Verbriefung“ ist eine fehlerhafte Übersetzung des Ausdrucks „securitization“ in das Deutsche205. Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet securitization, dass Vermögenswerte kapitalmarktfähig gemacht werden. An den Finanzmärkten können nur Titel gehandelt werden, die umlauffähig und vertretbar sind. Es besteht aber ein Bedürfnis, auch illiquide Vermögensgegenstände abzusetzen, die eigentlich nicht für den Handel geeignet sind. Dazu zählen außer den erwähnten Mittelstandskrediten beispielsweise 204 Vgl. z.B. „Neue Mini-Schuldscheindarlehen. Commerzbank verbrieft zum zweiten Mal Mittelstandskredite“, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 3.4.2007, S. 21. 205 Der stattdessen von Pollock/Stadum/Holtermann, RIW 1991, 275 vorgeschlagene Begriff „Sekuritisierung“ klingt für deutsche Ohren merkwürdig.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

auch Darlehensforderungen gegen die Erbauer von Einfamilienhäusern oder Ansprüche gegen Leasingnehmer. Die Technik, mit der diese Gegenstände „fit für den Kapitalmarkt“ gemacht werden, ist folgende: Alle Forderungen werden auf eine sogenannte Zweckgesellschaft (special purpose vehicle) übertragen, die ihrerseits Schuldverschreibungen oder Aktien ausgibt206 . Letztere können am Kapitalmarkt gehandelt werden. Derselben Technik können sich auch kleinere und mittlere Unternehmen zur Finanzierung bedienen. Ihrem direkten Gang an den Kapitalmarkt stehen Hindernisse im Weg, da sie nicht die erforderliche kritische Masse erreichen, ab der sich eine eigene Emission lohnen würde. Dieses Problem lässt sich durch ein „pooling“ in einer Zweckgesellschaft lösen 207. Sie begibt Anleihen oder Aktien, deren Erträge allen beteiligten Unternehmen zugute kommen. Die „Verbriefung“ in diesem Sinne bedeutet daher nicht die Ausstellung eines Wertpapiers. Vielmehr geht es darum, traditionell wertpapierrechtliche Funktionen wie die Herstellung von Umlauffähigkeit auf anderem Weg zu erfüllen. Urkunden sind dazu nicht nötig.

206 Siehe näher Frankel, Securitization I, S. 3–9; Plank, 25 Cardozo Law Review 1655, 1660–1666 (2004). Vgl. auch zu den ABS u. S. 126. 207 Vgl. dazu Schmidtbleicher, WM 2006, 2072 (2072 f.).

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§ 4 Internationalisierung des Effektenverkehrs Seit jeher ist der deutsche Kapitalmarkt nicht isoliert, sondern steht in enger Verbindung mit ausländischen Märkten. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Internationalisierung des Kapitalverkehrs durch die rechtlichen Rahmenbedingungen der EG und der WTO und durch technologische Errungenschaften wie das Internet noch verstärkt. Mehr denn je werden Finanzprodukte über staatliche Grenzen hinweg gehandelt. Die Dogmatik des Wertpapierrechts muss auch dieser Tatsache Rechnung tragen. Im Folgenden wird zunächst erläutert, wie sich der Effektenverkehr mit dem Ausland in rechtlicher Hinsicht gestaltet (I). Danach wird dargestellt, wie sich das Wertpapier in anderen Rechtsordnungen entwickelt hat (II).

I. Funktionsweise des grenzüberschreitenden Effektenverkehrs Ist das Wertpapier bereits ein Hindernis für den nationalen Effektenverkehr, so gilt dies erst recht für den grenzüberschreitenden Handel. Die Beförderung von einzelnen Urkunden in andere Staaten ist besonders mühsam. Auch für dieses Problem hat die Praxis Lösungen gefunden. Diese sind vom klassischen Modell des Wertpapierrechts weit entfernt.

1. Anschaffung und Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland Für den inländischen Anleger, der Titel ausländischer Gesellschaften erwerben will, bestehen verschiedene Möglichkeiten. Zunächst kann er diese im inländischen Effektengiroverkehr erwerben, wenn sie zum Beispiel an der Frankfurter Wertpapierbörse notieren. Die zugehörigen Urkunden werden von der Clearstream Banking AG in Frankfurt am Main verwahrt. Viele Kapitalmarktprodukte sind allerdings nur im Ausland erhältlich. Beauftragt ein Anleger seine Bank mit der Anschaffung solcher Wertpapiere, dann gestalten sich die Verhältnisse komplizierter. Das inländische Kreditinstitut schaltet in den Erwerb regelmäßig eine im betreffenden Staat tätige Bank – nicht selten eine Tochter oder eine Zweigniederlassung – ein, die die Papiere erwirbt1. Die Urkunden verbleiben meist im Ausland. Für diese Anschaffung und Aufbewahrung von Wertpapieren in anderen Staaten sieht das Depotgesetz bestimmte Erleichterungen vor. So muss die als Kommissionärin tätige Bank das sonst innerhalb einer Woche zu versendende 1 Die tatsächlichen Vorgänge sind komplex. Vgl. The Giovannini Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union, S. 12–14.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Stückverzeichnis gemäß § 22 I 1 DepotG lediglich auf Verlangen ihres Kunden übersenden. Jedoch kennen die meisten ausländischen Rechte eine Eigentumsübertragung durch Übersendung eines Stückeverzeichnisses nicht 2 . Ist eines von ihnen einschlägig, dann ist die Bank von ihrer Pflicht durch § 22 I 2 DepotG endgültig befreit. Die Regelungen des Depotgesetzes sind allerdings lediglich Stückwerk. Sie betreffen Details, die in der Praxis nur geringe Bedeutung haben. Die Grundlagen der Anschaffung und Aufbewahrung von Wertpapieren im Ausland finden sich nicht im staatlichen Recht, sondern in den Sonderbedingungen der Banken für Wertpapiergeschäfte3. Deren Nr. 12 II 1 sieht vor, dass die Bank die in einem anderen Land angeschafften Papiere dort verwahren lässt. Mit dieser Aufgabe kann sie nach Nr. 12 II 2 neben eigenen ausländischen Geschäftsstellen auch aus- oder inländische Verwahrer betrauen4. Nach Nr. 12 III 1 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte soll die Bank „sich nach pflichtgemäßen Ermessen das Eigentum oder Miteigentum an den Wertpapieren oder eine andere im Lagerland übliche, gleichwertige Rechtsstellung verschaffen und diese Rechtsstellung treuhänderisch für den Kunden halten“. Dazu schließt sie mit dem Verwahrer einen entsprechenden Vertrag ab. Um sicherzustellen, dass die aufgrund dieses Vertrags entstehende Rechtsstellung dem Eigentum gleichwertig ist, wird vom Verwahrer die sogenannte „DreiPunkte-Erklärung“ abgegeben. Ihr Inhalt ist von Land zu Land verschieden 5. Im Kern erklärt der Verwahrer, er habe zur Kenntnis genommen, dass die von ihm verwahrten Werte dem Kunden der deutschen Sammelbank zustehen; außerdem werde er Pfand- und Zurückbehaltungsrechte nur wegen Forderungen geltend machen, die aus der Anschaffung, Verwahrung oder Verwaltung folgen; und schließlich verpflichtet er sich, die Papiere selbst zu verwahren. Meist wird eine Rechtsstellung nach ausländischem Recht begründet, die dem deutschen Treuhandeigentum ähnelt. Obwohl der ausländische Verwahrer anerkennt, dass die Werte den Kunden der Sammelbank zustehen, verschafft er diese Rechtsstellung nicht dem inländischen Anleger, sondern dessen Depotbank als seinem Vertragspartner. Die Bank überträgt nun nicht etwa die vom ausländischen Vertragspartner erlangte Rechtsstellung auf den Anleger. Vielmehr stellt sie ihm lediglich eine „Gutschrift in Wertpapierrechnung“ aus6 . Diese vermittelt keinen Miteigentumsanteil oder eine eigentumsähnliche Berechtigung, sondern ist nicht mehr 2

Rechtsvergleich u. S. 61 ff. Stand: 1.11.2007. Abgedruckt bei Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 2. Teil (8). 4 Der inländische Verwahrer – die Clearstream Banking AG – verfügt über zahlreiche Kontenverbindungen mit ausländischen Instituten, die ihm eine Verwahrung im Ausland ermöglichen. Siehe dazu u. S. 57. 5 Beispiele bei Hellner, in: FS Heinsius, S. 211 (258–160). 6 Nr. 12 III 2 Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte. 3

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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als ein schuldrechtlicher Anspruch gegen die inländische Bank7. Die Position des Anlegers ist also wesentlich schwächer als im inländischen Effektengiroverkehr. Trotzdem wird die Gutschrift in Wertpapierrechnung für ihn als vorteilhaft angesehen8 . Denn sie lässt sich im inländischen Effektengiroverkehr ebenso wie ein Wertpapier handeln; sie kann insbesondere übertragen und verpfändet werden. Der insolvenzrechtliche Schutz bedarf gesonderter Erörterung9. Festzuhalten bleibt, dass die Gutschrift in Wertpapierrechnung das im Ausland gelagerte Wertpapier für den Rechtsverkehr im Inland vertritt. An die Stelle einer Urkunde ist eine in den Konten der Bank verbuchte schuldrechtliche Position getreten. Sie verdrängt im internationalen Handel das Wertpapier.

2. Verbindungen zwischen Wertpapiersammelbanken Mit der Einführung des Effektengiroverkehrs wurde zwar die Bewegung einzelner Urkunden entbehrlich. Jedoch sind die Girosysteme in aller Regel auf nationaler Ebene organisiert. Verwahrer aus verschiedenen Staaten können daher untereinander keine Sammelbestandanteile übertragen. Zur Lösung des Problems wurden in der Praxis unterschiedliche Modelle entwickelt. Eines von ihnen ist die Eröffnung von Konten zwischen verschiedenen nationalen Wertpapiersammelbanken. Entsprechende Kontenverbindungen sind zwischen der Clearstream Banking AG und einer Reihe ausländischer Verwahrer geschlossen worden10 . Durch sie wird es möglich, Wertpapiere über die Grenze zu buchen, ohne sie körperlich zu bewegen. Dazu ein Beispiel: Ein Anleger aus Staat A will Titel erwerben, die im Staat B verwahrt werden; gleichzeitig gibt es eine Person in Staat B, die diese Titel veräußern möchte. Der Transfer wird möglich, wenn die Sammelbank des Landes A ein Konto bei der des Staats B unterhält. Letztere belastet das Konto der Depotbank des Veräußerers und schreibt die Titel dem Konto der Sammelbank des Staats A gut. Diese erteilt ihrerseits der Depotbank des Erwerbers eine entsprechende Gutschrift. Dadurch kann die inländische Sammelbank den Kunden nunmehr auch Rechte an im Ausland befindlichen Effekten vermitteln. Die im Ausland gelagerten Titel werden nach allgemeiner Meinung Teil des inländischen Sammelbestands11. Das gilt, obwohl ihre Verwahrung und Übertragung nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen ausländischem Recht untersteht12 . Eine Ansicht will dies dadurch erreichen, dass sie die im In- und Ausland 7 8 9 10 11 12

Hellner, in: FS Heinsius, S. 211 (222 f.). Vgl. Kümpel, Rdnrn. 11.296–11.298. Siehe u. S. 484 f. Vgl. Kümpel, Rdnrn. 11.286–11.288. Siehe Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 151 m.w.Nachw. Siehe u. S. 490 ff.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

befindlichen Urkunden als Teil eines einheitlichen Sammelbestands ansieht, während eine andere – die sogenannte Theorie der „doppelstöckigen Bruchteilsgemeinschaft – davon ausgeht, es handele sich um zwei Sammelbestände, von denen einer dem anderen angehöre13. Die Einzelheiten interessieren hier nicht weiter. Wichtig ist nur, wozu diese Konstruktionen dienen: Sie sollen zu einem einheitlich anwendbaren Recht führen, unabhängig vom Lageort der Urkunden in zwei verschiedenen Staaten. Mit den klassischen Grundsätzen des Wertpapierrechts hat dies nichts gemein. Es handelt sich vielmehr um eine Fiktion, mit der der grenzüberschreitende Effektenverkehr ermöglicht werden soll. Der Gesetzgeber sah sich veranlasst, jene Praxis zu regeln. In den achtziger Jahren fügte er § 5 IV in das Depotgesetz ein. Dieser erlaubt der Sammelbank, Wertpapiere einem ausländischen Verwahrer zur Sammelverwahrung anzuvertrauen, mit dem sie eine „gegenseitige“ Kontenverbindung unterhält. Die einseitige Kontenverbindung, die ebenfalls einen grenzüberschreitenden Effektenverkehr ermöglicht, regelte der Gesetzgeber zwar nicht. Doch gibt es keine Anhaltspunkte, dass er sie untersagen wollte14. Für die Einrichtung einer Kontenverbindung stellt das Gesetz verschiedene Voraussetzungen auf. Seit der Einführung des § 5 IV DepotG wurden sie Schritt für Schritt herabgesetzt15. Entscheidend bleibt aber weiterhin, dass dem Hinterleger eine Rechtsstellung eingeräumt wird, die derjenigen nach dem Depotgesetz gleichwertig ist16 . Dies bedeutet nach der Gesetzesbegründung, dass „der Hinterleger am Sammelbestand des ausländischen Verwahrers Miteigentum erwerben muß, das ihn im Konkurs des Verwahrers zur Aussonderung berechtigt und ihn gegen etwaige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Sammelbestand schützt“17. In der Literatur wird jedoch nicht strikt am Erfordernis des Miteigentums festgehalten, sondern auch insoweit eine „gleichwertige Rechtsstellung“ für ausreichend gehalten18 . Zur Begründung führt man an, der Hinterlegerschutz erfordere „keineswegs“, dass die ausländische Girosammelverwahrung eine formale Miteigentümerposition im Sinne des Sachenrechts des BGB verschaffe19. Diese Auffassung steht in merkwürdigem Widerspruch zur Argu13

Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 151. Decker, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 8/59c. 15 Übersicht bei Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 145 f.; Kümpel, Rdnrn. 11.278–11.281. 16 § 5 IV 1 Nr. 2 DepotG. 17 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren sowie anderer wertpapierrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 10/1904, S. 11. 18 Kümpel, Rdnr. 11.282; ders., WM 1985, 1381 (1385). Ein „dinglich zu qualifizierendes – d.h. nicht schuldrechtliches – Recht“ verlangt Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 144. 19 Kümpel, WM 1985, 1381 (1385). 14

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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mentation der herrschenden Meinung für das deutsche Recht, welche die Verbriefung und sachenrechtliche Berechtigung der Hinterleger an der Urkunde als notwendig für den Verkehrsschutz ansieht20 . Richtig ist jedoch, dass viele Rechtsordnungen den Anleger auch ohne Wertpapier in einer Weise schützen, die dem Schutz nach deutschem Recht gleichwertig ist21. In diesen Ländern kann man dem Hinterleger kein Miteigentum verschaffen, weil überhaupt keine Urkunden mehr ausgestellt werden. Die Einbeziehung solcher unverbriefter Anteile in die deutsche Sammelverwahrung hält man dennoch für zulässig22 . Die ausländischen Lösungen werden auf diese Weise nach Deutschland eingeführt. Daher ist es zu der kuriosen Situation gekommen, dass Kapitalmarktprodukte, die nicht in Wertpapieren verbrieft sind, Teil eines deutschen Wertpapiersammelbestands sein können.

3. Internationale Zentralverwahrer Im Zuge der Entwicklung des Eurobond-Markts sind sogenannte internationale Zentralverwahrer (International Central Securities Depositories – ICSD) entstanden. Weltweit gibt es derzeit nur zwei: die Clearstream Banking SA mit Sitz in Luxemburg und die Euroclear Bank SA/NV mit Sitz in Brüssel. Neben ihrer traditionellen Rolle im Eurobond-Markt übernehmen beide vielfach auch die Funktion eines Intermediärs bei grenzüberschreitenden Transaktionen in anderen Wertpapieren. Internationale Zentralverwahrer sind in der Lage, Rechte an Kapitalmarktprodukten über Grenzen hinweg durch Buchungen zu übertragen. Allerdings verwahren sie die Urkunden, auf die sich ihre Buchungen beziehen, nicht selbst. Diese lagern weiterhin bei den nationalen Wertpapiersammelbanken. Mit letzteren stehen die internationalen Zentralverwahrer in Kontenverbindungen. Dadurch ist es ihnen ähnlich wie den Wertpapiersammelbanken möglich, für Kunden aus Staat A Kapitalmarktprodukte in Staat B zu erwerben. Über den internationalen Zentralverwahrer erlangt der Anleger daher mittelbar Zugang zu den beim ausländischen Verwahrer gelagerten Titeln. Doch geschieht dies nicht im Wege der Übertragung individueller Urkunden, sondern durch Buchungsvorgänge. Mit einem internationalen „Wertpapier“-Verkehr im wahren Sinne des Wortes hat dies nichts zu tun. Vielmehr wird das Wertpapier gerade überflüssig gemacht.

20 21 22

Siehe o. S. 46. Siehe u. S. 61 ff. Vgl. Decker, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 8/59a.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

4. Neuverbriefung Eine weitere Methode des grenzüberschreitenden Wertpapierverkehrs ist die Ausstellung einer neuen Urkunde, welche das im Ausland gelagerte Wertpapier im Inland vertritt. Dadurch können auch sprachliche Probleme behoben werden. So sind zum Beispiel über japanische Finanzmarkttitel Effekten in Deutschland in lateinischer Schrift ausgegeben worden23. Doch beschränkt sich die Technik der Neuverbriefung nicht auf solche exotischen Konstellationen. Ihr wichtigster Zweck ist es, auslandsverwahrte Titel in den inländischen Effektengiroverkehr einbeziehen zu können. Die Technik wird vor allem in den USA genutzt. Paradigmatisch sind die American Depositary Receipts (ADR). Sie sind nichts anderes als Verbriefungen des Herausgabeanspruchs gegen einen Verwahrer ausländischer Aktien 24. Allerdings hat auch dieses System einen Pferdefuß: Die neu ausgestellte Urkunde gewährt nicht dasselbe, sondern ein anderes Recht als das ursprüngliche Wertpapier. Dieses Recht ist lediglich schuldrechtlicher Natur und richtet sich gegen den Aussteller, also die Wertpapiersammelbank im Staat des Anlegers. Die Neuverbriefung erlaubt daher keinen internationalen Wertpapierverkehr, sondern ist ein bloßer inländischer Ersatz.

5. Weitere Methoden Daneben gibt es noch andere Wege, um die Grenzen zu überwinden, die dem Kapitalaustausch durch die Existenz verschiedener Staaten gezogen sind. Dabei beweisen die Marktteilnehmer bisweilen erstaunliche Kreativität. Eine besonders einfallsreiche Methode wurde von dem mittlerweile aufgespaltenen Konglomerat Daimler-Chrysler AG verwendet, um Aktien auf beiden Seiten des Atlantiks zu platzieren. Die Gesellschaft stellte zwei Globalurkunden aus, von denen eine in den USA und eine in Deutschland gelagert wird25. Beide sind variabel ausgestaltet. Sie geben nicht die präzise Anzahl der verbrieften Aktien an, sondern lediglich eine Maximalzahl. Dadurch lässt sich eine gewisse Flexibilität erreichen. Verkauft beispielsweise ein Anleger aus Deutschland Aktien an einen Erwerber in den USA, so soll der Bestand wachsen, den die in den Vereinigten Staaten gelagerte Urkunde repräsentiert, während der durch die deutsche Urkunde verbriefte Bestand entsprechend fällt.

23 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rdnr. 211. 24 Dazu Röhler, American Depositary Shares, S. 40 f.; Strupp, Aktien-, börsen- und wertpapierrechtliche Fragen des Umlaufs von Aktien an ausländischen Börsen, S. 15 f. 25 Siehe Gruson, 22 U. Pa. J. Int’l Econ. L. 185, 205 f. (2001); ders., AG 2004, 358–382.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Eine wirkliche „globale“ Aktie im Sinne einer weltweiten Gültigkeit ist dadurch allerdings nicht entstanden. Vielmehr führt der gesamte Vorgang zu einer weiteren Entwertung der Aktienurkunde: Von den wenigen Angaben, die sie enthält, ist eine entscheidende, nämlich die Anzahl der verbrieften Anteile, nicht länger verlässlich. Diese und andere Methoden dienen letztlich nur dazu, die Bedeutung der Urkunde zu verringern. Letztere ist zu einem Hindernis des internationalen Effektenverkehrs geworden. Zur Übertragung von Berechtigungen über die Grenze hinweg kann sie nicht mehr genutzt werden. Niemand möchte in Zeiten des Internets noch Stückaktien in einem Koffer ins Ausland transportieren, es sei denn aus anrüchigen Motiven. Es ist keine gewagte Prognose, dass der internationale Kapitalverkehr der Zukunft ohne körperliche Urkunden stattfinden wird. An ihre Stelle tritt schon heute immer mehr die Buchung.

II. Ersetzung des Wertpapiers in anderen Rechtsordnungen Viele Staaten haben die Verbriefung in Urkunden abgeschafft und durch andere Techniken ersetzt. Es lohnt sich, diese näher zu untersuchen, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen widerlegen sie eindrucksvoll die in Deutschland immer wieder vorgetragene Behauptung, das Wertpapier sei zum Schutz des Verkehrs notwendig26 . Wenn viele andere, ähnlich entwickelte Staaten ohne körperliche Urkunden auskommen, dann sollte dies auch in der Bundesrepublik möglich sein. Die in den anderen Rechtsordnungen gefundenen Lösungen können eventuell für eine Reform des deutschen Rechts fruchtbar gemacht werden. Zum anderen hat die Ersetzung des Wertpapiers im Ausland bereits heute unmittelbare Auswirkungen für den deutschen Anleger. Beauftragt er seine Bank mit der Anschaffung von Kapitalmarktprodukten im Ausland, dann erwirbt er häufig nicht mehr ein Wertpapier im deutschen Sinn, sondern etwas anderes. Um was es sich dabei handelt, ist im Folgenden zu klären.

1. Frankreich Im französischen Recht haben Immobilisierung, Entindividualisierung und Entmaterialisierung eine lange Tradition. Das erste Schuldbuch stammt aus der Zeit der französischen Revolution. Durch Gesetz aus dem Jahre 1793 wurde das „Grand Livre“ zum einzigen und grundlegenden Titel über alle Schulden des

26

Siehe o. S. 46.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

französischen Staats erhoben 27. Allerdings wurden weiterhin Urkunden ausgestellt, die dem Gläubiger als Garantie dienten. Auf privater Seite stand man nicht lange nach. Bereits im 18. Jahrhundert ließ man Titel in laufende Konten einschreiben 28 . Gesellschaften führten Register über ihre Aktionäre29. Wie in Deutschland wurde die Entmaterialisierung jedoch vor allem während des Zweiten Weltkriegs vorangetrieben. Das Vichy-Regime ergriff dazu eine Initiative, von der behauptet wird, sie gehe auf deutschen Einfluss zurück30 . Durch Gesetz vom 18. Juni 1941 schuf es eine „Caisse centrale de dépôts et de virements de titres (C.C.D.V.T.)“31. Es handelte sich dabei um eine Aktiengesellschaft, die der Aufsicht des Finanzministeriums unterstellt war32 . Sie sollte Kapitalmarkttitel für Börsenmakler und Banken aufbewahren und die physische Übertragung von Urkunden durch die Einführung von Konten verringern. Der Gesetzgeber verpflichtete die Anleger, alle Aktien französischer Gesellschaften, die ein ministerieller Erlass aufzählte, bei der Kasse zu verwahren33. Das bedeutete das Ende der Inhaberaktie der großen Publikumsgesellschaften. Fortan waren die Aktionäre gezwungen, ihre Beteiligungen registrieren zu lassen. Die dogmatischen Änderungen, die aus der Reform folgten, beschrieb nach dem Krieg Jean Larguier in einem Grundsatzwerk34. Er hob hervor, dass die C.C.D.V.T. nicht die Aufgabe habe, Titel zu verwahren. Urkunden seien zwar noch physisch vorhanden, ihre Natur habe sich aber geändert. Aus juristischer Sicht bedeutsam seien nicht mehr die Titel, sondern nur noch die Konten, die die Kasse führe. Larguier zog daraus die Schlussfolgerung, dass man nach der Materialisierung des Rechts in der Urkunde zur Entmaterialisierung übergegangen sei. Dies sei aber kein bloßer Rückschritt zum alten Rechtszustand. Vielmehr sah er darin eine grundlegende Neuausrichtung: An Stelle des Eigentums setze sich der Begriff des Werts (valeur) durch35. Dieser sollte später in den gesamten romanischen Rechten große Bedeutung erlangen. Die zwangsweise Registrierung war nicht überall beliebt. Kritisiert wurden insbesondere die Langsamkeit der Umschreibung und die Kosten der

27 Art. 6 Loi v. 24.8.1793 („titre unique et fondamental de tous les créanciers de la République“), zitiert bei Lacour/Bouteron, Précis de Droit commercial I, S. 798. 28 Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 18. 29 Lacour/Bouteron, Précis de Droit commercial I, S. 798. 30 Foyer, in: Mélanges Flattet, S. 21. 31 Escarra, Cours de droit commercial, S. 877; Foyer a.a.O.; Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 18. 32 Escarra a.a.O. 33 Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 18. 34 Larguier, La notion de titre en droit privé, S. 256 f. 35 Larguier a.a.O., S. 257.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Verwaltung36 . Ein Stein des Anstoßes war auch, dass durch die Einschreibung die Anonymität im Aktienhandel aufgehoben wurde37. Außerdem betonte man, der französische Anleger bevorzuge, seine Werte in „greifbarer“ Form zu verwahren38 . Wegen der Kritik der Aktionäre und der Finanzpresse hob der Gesetzgeber nach dem Krieg das Zwangsdepot auf und schaffte die C.C.D.V.T. ab. An ihre Stelle trat die „Société interprofessionnelle pour la compensation des valeurs mobilières“ (S.I.C.O.V.A.M.)39. Bei ihr konnten Titel freiwillig hinterlegt werden. Dies wurde in der Praxis zur Regel: Schätzungen zufolge waren Anfang der achtziger Jahre bereits 80–90 % aller börsennotierten Aktien bei der S.I.C.O.V.A.M. verwahrt40 . Zur gleichen Zeit bemühte man sich im Rahmen von Reformen zur Stärkung der Eigenkapitalbasis französischer Unternehmen und der Einführung der Vermögenssteuer um die Entmaterialisierung. Diese wurde als eine der ersten Maßnahmen unter dem neuen Präsidenten Mitterand durchgeführt. Das Haushaltsgesetz für das Jahr 1982 sieht vor, dass alle auf dem Territorium Frankreichs emittierten Wertpapiere, die französischem Recht unterliegen, in Konten beim Emittenten oder einer ermächtigten Zwischenstelle eingeschrieben werden41. Die Angaben im Gesetz sind jedoch spärlich; die bedeutsamsten Bestimmungen zur Entmaterialisierung finden sich in untergesetzlichen Bestimmungen. Wichtig ist vor allem ein Dekret vom 2. Mai 198342 . Es bestimmt, dass 18 Monate nach seinem Erlass alle Wertpapiertitel nur noch durch Einschreibung auf einem Konto materialisiert sein sollen43. Der Begriff „materialisiert“ lehnt sich noch an die alte Terminologie an. Gemeint ist aber genau das Gegenteil: Alle körperlichen Urkunden, die ausgestellt waren, verlieren ihre Wirksamkeit. Die in ihnen verbrieften Titel werden stattdessen registriert. Die Einschreibung ist endgültig: Über einmal in ein Konto eingetragene Titel darf der Emittent keine Urkunden mehr ausstellen. Die Regelung über die Entmaterialisierung trat am 3. November 1984 in Kraft. Seit diesem Zeitpunkt existieren alle in Frankreich nach französischem 36 Escarra, Cours de droit commercial, S. 878; Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 18. 37 Siehe Foyer, in: Mélanges Flattet, S. 21. 38 Escarra, Cours de droit commercial, S. 878. 39 Décret Nr. 49–1105 v. 4.8.1949, J.O. v. 6.8.1949, S. 7726. Zur S.I.C.O.V.A.M. auch Grathwohl, Die eigentumsrechtliche Organisation der Girosammelverwahrung im deutschen, französischen und schweizerischen Recht, S. 45–48. 40 Foyer, in: Mélanges Flattet, S. 21 (22); Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 20; Witz, in: Drobnig (Hrsg.), Abschied vom Wertpapier?, S. 47 (48). 41 Art. 94–II Loi Nr. 81–1160 v. 30.12.1981, J.O. v. 31.12.1981, S. 3539, aufgehoben durch Ordonnance Nr. 2005–429 v. 6.5.2005, J.O. v. 7.5.2005, S. 7934. Zur Reform auch Kümpel, WM 1984, 577–584 und 613–625. 42 Décret Nr. 83–359 v. 2.5.1983, J.O. v. 3.5.1983, S. 1359. 43 Art. 1 I Décret Nr.°83–359 a.a.O.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Recht emittierten Titel nur noch als Eintrag in einem Register. Das betrifft sowohl Aktien als auch Schuldverschreibungen sowie alle sonstigen früher als Wertpapiere ausgestellten Kapitalmarktprodukte. Auch Anleihen des Staats sind erfasst. Lediglich für den Rechtsverkehr mit dem Ausland können französische Gesellschaften noch Urkunden ausstellen44 , um den Kapitalzufluss nach Frankreich nicht zu gefährden. Umgekehrt werden die in Frankreich emittierten Titel ausländischer Gesellschaften in einem Konto beim Zentralverwalter geführt45. Heute finden sich die Grundlagen des Rechts der Effekten im Code monétaire et financier unter dem Titel „Die Finanzinstrumente“ („Les instruments financiers“)46 . Dieser regelt unter anderem die Übertragung und Verpfändung sowie das Schicksal in der Insolvenz47. Daneben sind noch einige Regelungen des Code de commerce bedeutsam48 . Das derzeitige französische Recht kennt zwei Arten der Führung des Registers: Entweder dieses wird vom Emittenten selbst verwaltet, oder es wird von verschiedenen Intermediären und einem Zentralverwalter geführt. Seit dem Jahr 2000 ist dieser nicht länger die S.I.C.O.V.A.M., sondern die Euroclear France S.A. Sie führt jeweils das Konto für eine gesamte Emission. Die einzelnen Inhaber sind bei den Intermediären registriert. Trotz der Entmaterialisierung unterscheidet das französische Recht weiterhin zwischen Titeln, die auf einen bestimmten Namen ausgestellt sind, und solchen, die auf den Inhaber („au porteur“) lauten49. Führt die Gesellschaft das Register, so handelt es sich stets um Namenstitel. Wird es dagegen durch Zentralverwalter und Intermediäre geführt, so kommen beide Arten in Betracht. Selbst wenn Inhabertitel emittiert werden, kann die Satzung des Emittenten allerdings vorsehen, dass der Zentralverwalter ihm gegen Entgelt die Namen der Inhaber mitteilen muss50 . Die dazu nötigen Informationen hat er bei den Intermediären einzuholen51. Hinsichtlich der Frage, in welchem Zeitpunkt das Eigentum übergeht, hat das französische Recht bis in die jüngste Zeit Reformen durchlebt52 . Lange Zeit unterschied man danach, ob die Titel an der Börse notiert oder in die Sammelverwahrung einbezogen sind. Die nunmehr geltende Regelung stellt den Mo-

44

Art. 7 Décret Nr. 83–359 a.a.O. Art. 8 Décret Nr. 83–359 a.a.O. 46 Vgl. Code monétaire et financier, livre deuxième, titre premier. 47 Siehe Art. L211–1 bis L 211–6, L 431–1 bis L 432–19 Code monétaire et financier. 48 Art. L 228–1 bis L 228–3–4 Code de commerce. 49 Vgl. Art. L 228–1 III Code de commerce. 50 Art. L 228 I Code de commerce. 51 Art. L 228–2 II Code de commerce. 52 Überblick bei Goutay, Revue de Droit Bancaire et Financier, Septembre–Octobre 2005, S. 47–50. 45

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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ment des Eigentumsübergangs einheitlich fest: Entscheidend ist die Eintragung des Titels auf dem Konto des Erwerbers53. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Übertragung in einem Clearing- und Settlementsystem stattfinden soll und der Erwerber den Preis nicht gezahlt hat. In diesem Fall geht das Eigentum nicht über54. Erfolgt die Einschreibung bei einem Intermediär, müssen gleichzeitig auch die Konten von Euroclear France geändert werden. Es bedarf daher einer doppelten Buchung sowohl bei ihr als auch beim Emittenten oder Intermediär. Über besondere Listen wird der Stand abgeglichen55. Der eingeschaltete Intermediär muss ein Verzeichnis (bordereau de références nominatives) aufstellen, in dem er jeden Auftrag und jede Übertragung registriert 56 . Auch zur Verpfändung gibt es eine Regelung: Sie erfolgt durch eine schriftliche Erklärung des eingetragenen Berechtigten57. Der Emittent oder der Intermediär trägt die Titel dann in ein spezielles Konto (compte gage) ein58 . An die Stelle der Übergabe der körperlichen Urkunde tritt also ein anderer Mechanismus. Bemerkenswert ist die Regelung der Insolvenz des Intermediärs. Das frühere Recht sah vor, dass die Hinterleger die Aussonderung ihres Anteils aus der Masse beantragen müssen. Dies entsprach der Idee des Miteigentums. Das neue Recht wählt dagegen eine andere Lösung: Zunächst wird festgestellt, ob genügend Titel vorhanden sind, um die Ansprüche der Konteninhaber zu erfüllen; ist dies nicht der Fall, wird der Bestand verhältnismäßig unter ihnen verteilt59. Die vorhandenen Titel darf sich der Eigentümer auf das Konto eines anderen Intermediärs übertragen lassen60 . Die „Aussonderung“ erfolgt also nicht mehr durch körperliche Übergabe, sondern durch Überweisung. Trotzdem ist der Konteninhaber ebenso geschützt, wie wenn ein Wertpapier vorhanden wäre. Vergleicht man die Entmaterialisierung des Jahres 1982 mit der im Jahr 1942, so zeigt sich, dass viele Nachteile der früheren Regelung vermieden wurden. Durch die Einschreibung bei einem Intermediär, meist einem Kreditinstitut, das dem Bankgeheimnis unterliegt, ist es dem Kunden möglich, seine Anonymität gegenüber dem Emittenten und dem Staat zu wahren. Außerdem kann er Titel verschiedener Emittenten von seiner Bank verwalten lassen. Unter diesen

53 54 55 56 57 58 59 60

Art. L 228–1 IX Code de commerce i.V.m. Art. L 431–2 I Code monétaire et financier. Art. L 431–2 IV Code monétaire et financier. Goutay, Droit & Patrimoine, 2000, Nr. 82, S. 68 (76). Art. L431–1 Code monétaire et financier. Art. L431–4 I Code monétaire et financier. Art. L431–4 II Code monétaire et financier. Art. L211–6 I Code monétaire et financier. Art. L211–6 I Code monétaire et financier a.E.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Umständen ist es kaum verwunderlich, dass es weder zu Protesten noch Widerständen gegen die neue Entmaterialisierung kam61. Auch in dogmatischer Hinsicht führte die Reform zu einschneidenden Veränderungen. Der Begriff des „Depots“ verlor seinen Sinn, da nichts verwahrt wird. Das Bild der Verbriefung des Rechts in einem Papier ist ebenfalls überflüssig geworden. Die Umstellung auf körperlose Effekten zwang zur Anerkennung einer neuen Kategorie von Vermögensgegenständen, der sogenannten beweglichen Werte (valeurs mobilières)62 . Die Vorteile der Entmaterialisierung liegen in der Steigerung der Effizienz des Effektenverkehrs. Gleichförmige Arbeiten können automatisiert werden. Arbeitskräfte werden für neue, kreativere Aufgaben frei. Die Entmaterialisierung ist eine angemessene Reaktion auf den Beginn des Computerzeitalters. Trotzdem war die Reform nicht von Anfang an perfekt. Wichtige Fragen blieben zunächst ungeklärt und konnten erst im Laufe der Zeit beantwortet werden. Von einer „Übergangslösung“ zu sprechen63, erscheint jedoch aus heutiger Sicht unangemessen. Die Entmaterialisierung hat sich vielmehr konsolidiert; sie ist für die Franzosen „unumkehrbar“64. Das wirft aus der Perspektive der Europäischen Gemeinschaft schwierige Fragen auf. Denn die französische Entmaterialisierung steht in unauflöslichem Widerspruch zur deutschen Tradition der Ausstellung von Wertpapieren. Es ist wahrscheinlich, dass bei einer eventuellen Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene das Modell der Franzosen die Oberhand behalten würde, denn dieses ist wesentlich moderner und wird auch von anderen Rechtsordnungen geteilt, wie sich sogleich zeigen wird.

2. Italien In Italien begann die Immobilisierung zunächst mit der treuhänderischen Verwahrung von Aktien65. Im Jahre 1978 gründeten dann verschiedene Finanzinstitute und Vereinigungen von Börsenmaklern ein System zur zentralen Verwahrung von Effekten. Als Treuhänderin wurde eine private Gesellschaft eingesetzt, die „Monte Titoli S.p.A.“. Sie ist eine Aktiengesellschaft, die ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird und deren Anteile die Banca d’Italia, weitere Banken sowie Intermediäre halten66 . Das System war zunächst durch vertragliche und gewohnheitsrechtliche Regeln bestimmt67. Im Jahre 1986 befestigte es dann der Gesetzgeber, indem er der Monte Titoli die Aufgabe der 61 62 63 64 65 66 67

Foyer, in: Mélanges Flattet, S. 21 (37). Dazu u. S. 158 f. So Witz, in: Drobnig (Hrsg.), Abschied vom Wertpapier?, S. 47 (55). Siehe bereits Foyer, in: Mélanges Flattet, S. 21 (37) Siehe Foschini, BBTC 1962 I, 19–58. Auletta/Salanitro, BBTC 1987 I, 721 (722). Zu den Mängeln Martorano, Titoli di credito, S. 551–555.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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zentralen Aufbewahrung, Übertragung und Verwaltung von Effekten übertrug68 . Die Anleger sind zur Einlagerung bei ihr allerdings nicht verpflichtet; diese ist vielmehr freiwillig69. Alternative Angebote gab es jedoch keine. Im Jahre 1998 wurde das gesetzliche Monopol der Monte Titoli aufgehoben und durch freien Wettbewerb ersetzt. Nunmehr ist es jeder Kapitalgesellschaft erlaubt, Effekten zu verwahren, wenn sie bestimmte Bedingungen einhält70 . Rein faktisch ist die Monte Titoli aber immer noch die einzige Stelle, bei der Effekten zentral verwahrt werden. Sie untersteht der Aufsicht der Banca d’Italia und der italienischen Börsenaufsichtsbehörde, der Consob 71. Im Jahr 2002 wurde ihr Kapital fast vollständig von der Gruppo Borsa Italiana übernommen. Die rechtlichen Grundlagen der Effektenverwahrung in Italien sind heute im Testo Unico Finanziario (T.U.F.)72 zu finden. Er betrifft nicht nur Aktien und Schuldverschreibungen, sondern alle möglichen Arten von Kapitalmarktprodukten, zum Beispiel auch Investmentanteile, Geldmarktinstrumente, Futures, Swaps oder Optionen. Der italienische Gesetzgeber fasst diese unter dem Namen Finanzinstrumente (strumenti finanziari) zusammen73. Die Inhaber hinterlegen diese bei Intermediären, die als Unterverwahrer für die Monte Titoli agieren. Dabei kann es sich um Banken, Börsenmakler, Treuhänder und Finanziers, Emittenten oder ihre Beauftragten handeln. Schon das Gesetz aus dem Jahre 1986 befreite die Monte Titoli davon, den Kunden die von ihnen hinterlegten individuellen Papiere zurückzugewähren. Stattdessen genügt es, wenn sie eine entsprechende Menge von Urkunden derselben Art bereithält74. Die Wertpapiere werden wie in Deutschland Teil eines Sammelbestands, in dem sie mit anderen Papieren vermischt sind75. Ebenso wie das deutsche Recht erlaubt auch das italienische die Ausstellung einer Globalurkunde. Die Grundlage dafür bildet Artikel 2000 I des Codice civile, der vorsieht, dass massenhaft ausgestellte Titel in einer Urkunde vereinigt werden können76 . Die Hinterleger können nur über die entindividualisierten Rechte und nicht über die Wertpapiere verfügen. Ihre Berechtigung richtet sich auf die Zahl der 68 Legge Nr. 289 v. 19.6.1986, G.U. Nr. 144 v. 24.6.1986. Dazu Auletta/Salanitro, BBTC 1987 I, 721–726; dies., Diritto commerciale, S. 589; Martorano, Titoli di credito, S. 555–559. 69 Campobasso, Manuale di diritto commerciale, S. 509. 70 Dazu Art. 80 T.U.F., siehe u. Fußn. 72. 71 Art. 82 T.U.F., siehe folgende Fußn. 72 Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria, ai sensi degli articoli 8 e 21 della legge 6 febbraio 1996, G.U. Nr. 71 v. 26.3.1998, Supplemento Ordinario Nr. 52. 73 Vgl. Art. 1 Nr. 2 T.U.F. 74 Art. 4 legge Nr. 1986/289, zitiert in: Auletta/Salanitro, BBTC 1987 I, 721 (723 f.). 75 Von einer „disindividualizzazione“ spricht daher Martorano, Titoli di credito, S. 549. 76 Dazu Castellano, BBTC 1987 I, 22 (31 f.).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Titel, die ihnen zustehen. Zur Bezeichnung dieses Gegenstands verwendet man den Ausdruck „quantità“77, der sehr schön verdeutlicht, dass es auf den Wert und nicht auf die individuellen Gegenstände ankommt. Das Eigentum an der „Quantität“ steht dem Hinterleger und nicht dem Verwahrer zu. Das Rechtsverhältnis zwischen beiden wurde zunächst als „Verwaltungstreuhand“ (gestione fiduciaria) qualifiziert78 . Doch hat man von einer Treuhandstellung inzwischen wieder Abstand genommen79. Die neuere Gesetzgebung geht davon aus, dass es sich um einen Fall der regelmäßigen Verwahrung handelt80 . Damit wird klargestellt, dass die Monte Titoli keine Verfügungsmacht über die bei ihr verwahrten Titel hat, sondern diese nur für die Kunden der angeschlossenen Institute verwaltet. Besonderen Wert legt man insoweit darauf, dass nur der Hinterleger zur Ausübung der Rechte aus den verwahrten Titeln berechtigt ist 81. Er allein kann beispielsweise Dividenden einziehen. Die Monte Titoli kann dagegen keine Rechte aus ihnen geltend machen. Damit soll zu großer privater Macht vorgebeugt werden. Die Effekten finden sich nur noch in Registern gebucht. Die Hinterleger müssen allerdings ihre Rechtsstellung gegenüber dem Emittenten nachweisen können. Zu diesem Zweck stellt ihnen die Monte Titoli Zertifikate aus, die die Teilnahme am Verwahrsystem und die ihnen zustehenden Rechte beurkunden82 . Die Zertifikate sind jedoch bewusst nicht als übertragbare Wertpapiere ausgestaltet: Jede Verfügung über sie erklärt das Gesetz für nichtig83. Rechte an den verwahrten Papieren können durch einfache Buchungen übertragen werden84. Diese erfolgen zum einen in den Büchern der beteiligten Institute. Zum anderen werden sie bei der Monte Titoli vollzogen, die insoweit eine Art Mittlerposition einnimmt: Sie löscht die Position vom Konto des Intermediärs des Veräußerers und schreibt sie dem Konto des Intermediärs des Erwerbers gut. Letzterer erlangt das Eigentum durch die Gutschrift seiner Depotbank. Er kann die Quantität weiterübertragen oder mit einem Pfandrecht belasten85. Schon länger dachte man in Italien auch über eine Entmaterialisierung nach86 . Im Jahre 1998 ist es zu ihr für eine Reihe von Titeln gekommen, und zwar für 77

Vgl. Art. 86 I T.U.F. Martorano, Titoli di credito, S. 551. 79 Auletta/Salanitro, Diritto commerciale, S. 592. 80 Art. 85 III 1 T.U.F. 81 Art. 85 III 3 T.U.F. 82 Art. 85 IV T.U.F. Dazu Auletta/Salanitro, Diritto commerciale, S. 593; Castellano, BBTC 1987 I, 22 (31 f.). 83 Art. 85 IV 3 T.U.F. 84 Martorano, Titoli di credito, S. 553. 85 Minervini, BBTC 1990, I, 145 (147 f.). 86 Ein früher Vorschlag für Aktien findet sich bei Lener, La „dematerializzazione“ dei titoli azionari e il sistema Monte Titoli. 78

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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diejenigen, die an geregelten Märkten (mercati reglementati) gehandelt werden oder für den Handel auf ihnen bestimmt sind. Den historischen Hintergrund bildete die Einführung des Euro. Sie wurde durch ein Dekret vom 24. Juni 1998 vorbereitet, das neben verschiedenen technischen Bestimmungen auch die Grundlagen der Entkörperlichung der genannten Titel enthält87. Die Gelegenheit der Euro-Einführung wurde genutzt, um das Wertpapier für einen großen Teil der Kapitalmarktprodukte abzuschaffen. Das Dekret sagt deutlich, dass die in ihm genannten Finanzinstrumente nicht durch Urkunden repräsentiert werden können88 . Stattdessen ist bei jeder Emission eine Gesellschaft zu bestimmen, die die Rechte zentral verwaltet89. Als solche steht derzeit nur die Monte Titoli zur Auswahl. Diese eröffnet für die Emission ein Konto im Namen des Emittenten90 . Die individuellen Rechte werden bei besonders autorisierten Intermediären eingetragen, die ebenfalls ein Konto bei der Monte Titoli unterhalten. Sie registrieren die Titel jedes einzelnen ihrer Kunden91. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass die Instrumente nur mittels des Intermediärs übertragen werden92 . Als Weg dazu steht ausschließlich die Buchung offen. Auch ein Pfand kann nur durch Eintragung begründet werden93. Eine Übereignung oder Pfandrechtsbestellung durch Übergabe von Urkunden ist nicht möglich. Damit ist die Teilnahme am Effektengirosystem für alle Inhaber börsengehandelter Titel obligatorisch geworden94. Der Intermediär übt die Rechte aus den Finanzinstrumenten entweder im Namen des Berechtigten aus, oder er erteilt letzterem eine Bescheinigung, damit dieser sie selbst wahrnehmen kann95. Bereits mit der Registrierung ist der Inhaber jedoch voll und ausschließlich zur Ausübung der aus den Instrumenten folgenden Rechte legitimiert96 . Das Dekret knüpft noch weitergehende Wirkungen an das Register: Ist der Eingetragene materiell nicht berechtigt und überträgt er das Finanzinstrument auf einen gutgläubigen Dritten, so kann letzterer vom wahren Inhaber nicht in Anspruch genommen werden97. Das neue System ist auch auf Staatsschulden anwendbar, für die das Dekret einige besondere Vorschriften vorsieht 98 . Insgesamt ist für Italien eine weitrei87 Decreto legislativo Nr. 213 v. 24.6.1998, G.U. Nr. 157 v. 8.7.1998, Supplemento Ordinario, Art. 28–46. Dazu Bessone, Magistra, Banca e Finanza, Juni 2002; Rescigno, BBTC 1999 I, S. 212–219. 88 Art. 28 I decreto legislativo a.a.O. 89 Art. 29 S. 1 decreto legislativo a.a.O. 90 Art. 29 S. 3 decreto legislativo a.a.O. 91 Art. 30 III decreto legislativo a.a.O. 92 Art. 30 I decreto legislativo a.a.O. 93 Art. 34 I decreto legislativo a.a.O. 94 Martorano, Titoli di credito, S. 550. 95 Art. 31 a) und b) decreto legislativo, o. Fußn. 87. 96 Art. 32 I decreto legislativo a.a.O. 97 Art. 32 II decreto legislativo a.a.O. 98 Art. 39–46 decreto legislativo a.a.O.

70

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

chende Entmaterialisierung zu verzeichnen. Sie betrifft alle am geregelten Markt gehandelten Finanzinstrumente einschließlich Staatsschulden.

3. Spanien Wie in Deutschland wurden in Spanien massenhaft begebene Titel zunächst gesammelt und mittels Konten verwaltet. Diese Technik befestigte ein Dekret aus dem Jahre 197499. Als Vorbild diente das deutsche Depotgesetz100 . Das Dekret war die Grundlage für ein freiwilliges System der Effektenverwahrung, mit dessen Hilfe sich Wertpapiere immobilisieren ließen. Gleichzeitig wurde die Verwahrstelle von der Pflicht zur Herausgabe der hinterlegten individuellen Titel befreit. Diese können daher fortan mit anderen vermischt werden. Die Übertragung der Berechtigung geschieht mittels Buchung auf Konten. Eine Vorlage der körperlichen Urkunde ist zur Ausübung der Rechte des Inhabers nicht mehr erforderlich; stattdessen genügt der Nachweis durch Hinterlegungsbescheinigung101. Später tritt jedoch eine viel radikalere Entwicklung hin zur Entmaterialisierung ein102 . Das Fundament legt der Gesetzgeber, wie in Deutschland, zunächst nur für seine eigenen Schulden. Ein im Jahre 1977 erlassenes Gesetz sieht vor, dass Staatsschulden nicht nur in Wertpapieren, sondern auch in jedem anderen Dokument oder in einem Konto repräsentiert sein können103. Das Gesetz erlaubt ebenfalls, in Urkunden verkörperte Rechte durch Buchungen zu ersetzen104. Der Staat macht von den gesetzlichen Möglichkeiten zum ersten Mal im Jahre 1982 Gebrauch105. Allerdings fehlte es zunächst noch an einer detaillierten Regelung der unverbrieften Rechte. Sie wird durch ein im Jahre 1987 erlassenes Königliches Dekret nachgeliefert106 . Mit ihm erfüllt die Regierung einem ihr vom Gesetzgeber im Jahre 1986 erteilten Auftrag, ein System zu schaffen, in dem Schulden der öffentlichen Hand durch Kontenbuchungen dargestellt werden können107. 99 Decreto Nr. 1128/1974 v. 25.4.1974. Siehe dazu Jiménez Sánchez, in: Jiménez Sánchez, Derecho mercantil II, S. 6. Das Dekret wurde aufgehoben durch Real Decreto Nr. 116/1992 v. 14.2.1992. 100 Martínez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta, S. 58. 101 Vgl. zu allem Martínez-Echevarría y García de Dueñas a.a.O., S. 58. 102 Zum Folgenden Heesen, Die Entkörperung im spanischen Effektenwesen. 103 Art. 101 Ley Nr. 11/1977 v. 4.1.1977, BOE v. 8.1.1977, S. 374. 104 Art. 102 Ley Nr. 11/1977 a.a.O. 105 Real Decreto Nr. 656/1982 v. 3.4.1982, siehe Martínez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta, S. 63 f. 106 Real Decreto Nr. 505/1987 v. 3.4.1987, BOE v. 14.4.1987, S. 11121. 107 Art. 38 Nr. 4 b Ley Nr. 21/1986 v. 23.12.1986, BOE v. 24.12.1986, S. 41981.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Die Präambel des Dekrets liest sich wie eine Zusammenfassung der fortschreitenden Entmaterialisierung und der wesentlichen Argumente für sie. Es wird erläutert, dass das Auftauchen und die Verbreitung des Wertpapiers (título-valor) ein Meilenstein in der Entwicklung der Kapitalmärkte und der modernen Wirtschaft allgemein sei108 . Die Zunahme der Transaktionen habe das Wertpapier aber zu einem Hindernis für das schnelle Funktionieren des Handelsverkehrs werden lassen109. Es müssten daher neue Formen gefunden werden, die sowohl die Übertragung der bisher in Urkunden verkörperten Rechte als auch ihre pünktliche Ausübung erlaubten110 . Dabei könnten die aufkommenden modernen Rechensysteme eine Hilfe sein. Die Schnelligkeit der Informationsverarbeitung, die Möglichkeit, Fehler zu vermeiden oder zu korrigieren, sowie die Leichtigkeit der Verbindung untereinander, die den Austausch großer Datenmengen über Distanz hinweg erlauben, ermöglichten es, den alten körperlichen Untersatz durch einfache Buchungen in Computern zu ersetzen111. Zum ersten Mal wird in dem Dekret auch die Konsequenz gezogen, dass eine eigenständige und spezifische Behandlung der neu geschaffenen Rechte notwendig sei, die sich von der traditionellen Doktrin des Wertpapiers entfernen müsse112 . Deren theoretisches Fundament sollte sich näher am Konzept der Wertrechte (derecho-valores) als an dem der Wertpapiere befinden113. Das Dekret sieht ein zweistufiges System der Registrierung der Titel vor. Zunächst wird eine zentrale öffentliche Stelle zur Verwaltung der Staatsschulden eingerichtet114. Bei ihr dürfen nur die Banco de España und bestimmte Institute und Intermediäre unmittelbar eingetragen werden. Privatpersonen und Gesellschaften können dagegen ein Konto nur durch verwaltende Einheiten, sogenannte Entitades Gestoras, führen lassen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Banken, Sparkassen und andere Finanzinstitute, die vom Wirtschaftsministerium zugelassen werden115. Eine Voraussetzung der Zulassung ist, dass sie über ein bestimmtes Kapital verfügen und die Mitglieder ihrer Verwaltungen als ehrenhaft gelten116 . Die Entitades Gestoras verwalten die Konten ihrer Kunden als deren Beauftragte (comisionistas). Sie registrieren den Erwerb, das Halten und die Übertragung der Rechte; sie teilen Zinsen und Dividenden zu117. 108

Präambel, Absatz 1 Real Decreto Nr. 505/1987 v. 3.4.1987, BOE v. 14.4.1987, S. 11121. Prämbel, Absatz 2 Real Decreto Nr. 505/1987 a.a.O. 110 Ebda. 111 Ebda. 112 Prämbel, Absatz 3 Real Decreto Nr. 505/1987 a.a.O. 113 Ebda. 114 „Central de anotaciones en cuenta de la Deuda del Estado“, Art. 5 Real Decreto Nr. 505/1987 v. 3.4.1987, BOE v. 14.4.1987, S. 11121. 115 Art. 6 II a Real Decreto Nr. 505/1987 a.a.O. 116 Art. 6 II b Real Decreto Nr. 505/1987 a.a.O. 117 Art. 6 III Real Decreto Nr. 505/1987 a.a.O. 109

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Allen bei ihnen gebuchten Rechten entspricht eine globale Buchung bei der zentralen Stelle118 . Die Entitades Gestoras sind dafür verantwortlich, dass die Summe der bei ihnen gebuchten Rechte genau mit der globalen Buchung übereinstimmt. Im Jahre 1988, also nur ein Jahr nach dem Dekret, mit dem die Schulden des spanischen Staats entmaterialisiert wurden, eröffnete der Gesetzgeber den privaten Emittenten dieselbe Möglichkeit für ihre Titel. Grundlage ist die Ley del Mercado de Valores119. Sie betraf in sachlicher Hinsicht zunächst alle handelbaren Titel (valores negociables) des Primär- oder Sekundärmarkts120 . Heute erfasst sie alle Finanzinstrumente (instrumentos financieros), zu denen neben Aktien und Schuldverschreibungen beispielsweise auch Optionen oder Futures zählen121. In räumlicher Hinsicht knüpft das Gesetz an die Emission, den Handel oder das Angebot der Titel im spanischen Territorium an122 . Bemerkenswert ist, dass sich damit selbst Wertpapiere ausländischer Emittenten entmaterialisieren lassen, wenn sie in Spanien gehandelt oder angeboten werden. Im Unterschied zur Lage in Frankreich und Italien ist die Entkörperlichung privater Effekten in Spanien allerdings nicht zwingend: Das Gesetz stellt es den Emittenten frei, körperliche Urkunden zu begeben oder Eintragungen in einem Register vorzunehmen123. Die Titel ein- und derselben Emission dürfen jedoch nur in einer der beiden Formen geführt werden124. Die einmal getroffene Entscheidung, Effekten in Konten zu registrieren, ist unumkehrbar; dagegen können als Urkunden emittierte Titel später in eingetragene Werte umgewandelt werden125. Die „valores negociables“ werden für jede Emission von einer Stelle verwaltet. Bei außerbörslich gehandelten Werten kann sie der Emittent bestimmen126 . Alle börslich gehandelten Werte müssen dagegen zwingend beim „Servicio de Compensación y Liquidación de Valores“ registriert werden127. Dieser verwaltet sie allein oder in Zusammenarbeit mit angeschlossenen Instituten. Das Gesetz sieht vor, dass der Emittent eine schriftliche Erklärung bei der kontoführenden Stelle oder der „Comisión Nacional del Mercado de Valores“ 118

Art. 6 I Real Decreto Nr. 505/1987 a.a.O. Ley Nr. 24/1988 v. 28.7.1988, BOE v. 29.7.1988, S. 23405. Dazu Martinez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta, S. 81–114; Fernández-Armesto/ De Carlos Bertrán, El derecho del mercado financiero, S. 438 f.; Zunzunegui, Derecho del mercado financiero, S. 165–171. 120 Art. 2 Ley Nr. 24/1988 a.F. 121 Art. 2 Ley Nr. 24/1988 n.F. 122 Art. 3 Ley Nr. 24/1988 a.a.O. 123 Art. 5 I 1 Ley Nr. 24/1988 a.a.O. 124 Art. 5 I 2 Ley Nr. 24/1988 a.a.O. 125 Art. 5 II, III Ley Nr. 24/1988 a.a.O. 126 Art. 7 II Ley Nr. 24/1988 a.a.O. 127 Art. 7 III Ley Nr. 24/1988 a.a.O. 119

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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hinterlegen muss, in der die Stückelung, die Nummern der Einheiten, der Nennwert und andere Eigenschaften und Bedingungen der begebenen Werte angegeben sind128 . Dabei handelt es sich jedoch nicht etwa um eine Globalurkunde in neuer Form, denn die Hinterleger werden nicht als ihre Mitbesitzer oder Miteigentümer angesehen. Die Erklärung dient allein dazu, die Tatsache und die Bedingungen der Emission nachweisen zu können. Sie steht nicht an Stelle der emittierten Rechte. Diese werden vielmehr nach dem Gesetz allein durch die Buchung repräsentiert129. Im Fall der Emission durch die öffentliche Hand kann die Erklärung auch durch Bekanntmachung im Gesetzblatt ersetzt werden130 . Die Titel entstehen mit der Einschreibung im zentralen Register131. Sie bedürfen keiner vorherigen verwaltungsrechtlichen Genehmigung. Vielmehr gilt der Grundsatz der „Freiheit der Emission“ (libertad de emisión)132 . Die valores werden durch Buchung übertragen133. Das Gesetz bestimmt, dass die Buchung zugunsten des Erwerbers dieselben Rechtswirkungen wie die Übergabe von Urkunden haben soll134. Insbesondere lässt sie sich Dritten entgegenhalten135. Zur Belastung des Titels zum Beispiel mit einem Pfandrecht ist ebenfalls eine Buchung erforderlich136 . Außerdem schützt das Gesetz den gutgläubigen Erwerber. Es sieht vor, dass er nicht auf Herausgabe in Anspruch genommen werden kann, wenn der Eingetragene in Wahrheit nicht der Inhaber ist; ihm schaden insoweit nur Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit137. Auch kann sich der Eingetragene gegenüber dem Emittenten auf seine Registerposition berufen138 . Umgekehrt kann auch der Emittent auf das Register vertrauen; die Leistung an den Eingetragenen führt zur Befreiung von seiner Verbindlichkeit139. Alle klassischen Funktionen des Wertpapiers werden also vom Registereintrag übernommen. Zu beachten ist, dass das Gesetz als Korrelat eine strikte Haftung der buchführenden Einrichtungen vorsieht140 . Um ihnen den Nachweis ihrer Rechtsstellung zu ermöglichen, können die Emittenten den Anlegern Zertifikate über ihre Berechtigungen erteilen141. Al128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141

Art. 6 I Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Ebda. Art. 6 IV Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 8 I Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 25 Ley Nr. 24/1998 a.a.O. Art. 9 I 1 Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 9 I 2 Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 9 II Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 10 I Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 9 III Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 11 I Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 11 II Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 7 V Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 12 I Ley Nr. 24/1988 a.a.O.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

lerdings sind diese nicht mit Wertpapieren zu verwechseln. Ebenso wie das italienische Recht sieht das spanische Recht vor, dass jede Verfügung über das Zertifikat nichtig ist142 . Bei der Übertragung des eingetragenen Rechts muss das Zertifikat an den Emittenten zurückgegeben werden143. Die Einführung der „valores negociables“ hat eine dogmatische Auseinandersetzung mit ihrer Rechtsnatur erforderlich gemacht. Bemerkenswert sind insoweit die Ausführungen von Alfonso Martínez-Echevarría y García de Dueñas. Er kennzeichnet die neugeschaffenen Rechte als „bienes inmateriales“, als immaterielle Güter144. Ihrer Funktion nach seien sie beweglichen Sachen vergleichbar. Doch unterschieden sie sich von letzteren, weil sie ihrer Natur nach unkörperlich seien145. Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass der spanische Gesetzgeber schon im Jahre 1988 ein System der unkörperlichen Verwaltung für private Effekten geschaffen hat. Die Entmaterialisierung im Handelsverkehr folgte der für Staatsschulden im Abstand von nur einem Jahr nach. Besonders lobenswert ist der einfache und prägnante Stil, in dem die Ley del Mercado de Valores abgefasst ist. Der Gesetzgeber benötigte nur wenige Bestimmungen, um die Einschreibung der Werte in Register und ihre Wirkungen zu beschreiben. Damit ist auf eindrucksvolle Weise das in Deutschland erhobene Argument widerlegt, zur Entmaterialisierung sei großer gesetzgeberischer Aufwand notwendig. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass der spanische Gesetzgeber die papierfreie Begebung nicht zur Pflicht erhoben hat. Die Emittenten haben weiterhin die Wahl, ob sie von ihr Gebrauch machen wollen oder nicht. Dadurch gibt es ein Nebeneinander von körperlichen Urkunden und Registerwerten. Die Angst vor einem Zwang zur Entmaterialisierung ist danach unbegründet.

4. Vereinigtes Königreich Das Vereinigte Königreich verfügt nicht über ein einheitliches Rechtssystem. Die folgenden Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf das englische Recht. In Wales und Irland gelten weitgehend übereinstimmende Regelungen. Das schottische Recht weicht teilweise ab; auf seine Darstellung wird jedoch mangels großer praktischer Bedeutung verzichtet. In England verbrieft man Aktien und Obligationen von jeher nicht in Wertpapieren. Zwar können Gesellschaften sogenannte share warrants ausstellen, die Inhaberaktien gleichen. Dazu bedürfen sie jedoch einer besonderen Sat-

142 143 144

Art. 12 II Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Art. 12 IV 1 Ley Nr. 24/1988 a.a.O. Martínez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta,

S. 83. 145

Ebda.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

75

zungsermächtigung146 . Außerdem sind die Inhaber von share warrants nicht automatisch Mitglieder der Gesellschaft, sondern können lediglich als solche angesehen werden147. Im Regelfall geht man daher einen anderen Weg. Aktionäre und Gläubiger werden in ein vom Emittenten geführtes Register eingetragen. Sie haben lediglich Anspruch auf Ausstellung eines Zertifikats (certificate) gegen den Emittenten148 . Darin wird anders als etwa in einer deutschen Aktienurkunde nicht ein bestimmter Bruchteil des Grundkapitals genannt, sondern es werden alle Rechte des Aktionärs oder Gläubigers gegenüber der Gesellschaft aufgezählt. Das Zertifikat erbringt prima facie Beweis für die Berechtigung des Inhabers149. Es verkörpert sie jedoch nicht; insbesondere werden durch seine Übergabe die Titel nicht übertragen. Bei dem Zertifikat handelt es sich also ebensowenig wie bei den Kontenbescheinigungen nach italienischem und spanischem Recht um ein Wertpapier. Die Rechtsprechung hat ausdrücklich festgestellt, dass es kein „negotiable instrument“ ist150 . Es steht nicht für ein bestimmtes Kapital, das es im Rechtsverkehr vertritt, sondern ist schlichte Beweisurkunde über die einer Person gegenüber der Gesellschaft zustehenden Rechte. Die Übertragung der Berechtigung vollzieht sich durch Umbuchung in den Registern der Gesellschaft. Obwohl das Zertifikat keine wertpapierrechtlichen Funktionen erfüllt, spielt es dabei eine gewisse Rolle. Die Gesellschaft kann die Änderung des Registereintrags von seiner Vorlage abhängig machen; die meisten Satzungen sehen dies ausdrücklich vor151. Bei börsennotierten Gesellschaften muss das Zertifikat zur Übertragung sogar immer vorgelegt werden152 . Außer dem certificate benötigt man zur Änderung des Registers noch ein „proper instrument of transfer“. Letzteres muss der Gesellschaft zwingend vorliegen, damit sie den Erwerber als neuen Inhaber eintragen kann153. Es kann zum Beispiel ein schriftlicher Veräußerungsvertrag154 oder die beglaubigte Abschrift eines Testaments155 sein. Der Übertragungsvorgang sei an einem Beispiel erläutert: Ein Aktionär will seine gesamte Beteiligung an der Gesellschaft an einen anderen veräußern. Dafür übersendet er ihm das proper instrument of transfer zusammen mit dem cer146 Millet/Alcock, Gore-Browne on Companies, Rdnr. 23[21]; Pennington, Company Law, S. 387 unter Hinweis auf Pilkington v United Railways of Havana, [1930] 2 Ch 108, [1930] All E.R. 649. 147 Pennington, Company Law, S. 389. 148 Section 769(1) Companies Act 2006. 149 Section 768(1) Companies Act 2006. 150 Longman v Bath Electric Tramways Ltd, [1905] 1 Ch 646 (CA). 151 Millet/Alcock, Gore-Browne on Companies, Rdnr. 23[10]. 152 Pennington, Company Law, S. 385. 153 Vgl. section 770(1)(a) Companies Act 2006. 154 Stock Transfer Act 1963, section 1(1), (4). 155 Section 774(a) Companies Act 2006.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

tificate. Beides legt der Erwerber über seine Bank der Gesellschaft vor. Diese trägt ihn in das Register ein und stellt ihm ein neues Zertifikat über seine Berechtigung aus; das alte Zertifikat behält sie ein. Abweichende Grundsätze gelten, wenn ein Aktionär nur einen Teil seiner Berechtigung veräußern will156 . In diesem Fall sendet er das certificate und die Vertragsurkunde unmittelbar oder über seine Bank an die Gesellschaft. Letztere trägt die Teilveräußerung in das Register ein und stellt anschließend beiden Parteien jeweils neue certificates über ihre nunmehrigen Anteile aus. Bis zur Erteilung der neuen Zertifikate vergeht häufig eine gewisse Zeit. Der Erwerber kann ein Interesse daran haben, schon vorher ein Papier in den Händen zu halten, das den Vorgang beurkundet. Die Gesellschaft stellt zu diesem Zweck regelmäßig ein Zertifikat über die Transaktion im Wege der sogenannten certification of an instrument of transfer aus. Dieses erbringt nur den Beweis, dass der Gesellschaft Dokumente vorgelegen haben, welche prima facie die Berechtigung des Übertragenden zeigen157. Es besagt jedoch nicht, dass die Person auch Inhaber der Anteile ist158 . Diese Information enthalten erst die endgültigen certificates. Sie müssen spätestens zwei Monate nach der Anmeldung des Transfers ausgestellt werden159. Interessant ist die Rechtslage, wenn Zertifikate zu Unrecht ausgestellt und mit ihrer Hilfe Finanztitel veräußert werden. Nach englischem Recht berührt dies die Rechtsstellung des bisherigen Aktionärs nicht; sie bleibt vielmehr in vollem Umfang erhalten160 . Daran zeigt sich abermals die mangelnde Wertpapierqualität des certificate. Der Erwerber, der auf das von der Gesellschaft ausgestellte Zertifikat vertraut hat, wird jedoch ebenfalls geschützt. Er kann nach dem Grundsatz des estoppel von ihr verlangen, wie ein Gesellschafter behandelt zu werden161. Die Folgen der unrichtigen Zertifikate treffen also die Gesellschaft, nicht den einzelnen Rechtsinhaber. Ähnliche Grundsätze gelten bei falscher Eintragung in das Register. Der wahre Inhaber hat in diesem Fall einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Berichtigung des Registers. Diese kann aber ihrerseits dem gutgläubigen Erwerber nicht seine fehlende Stellung als Mitglied entgegenhalten162 .

156 Millet/Alcock, Gore-Browne on Companies, Rdnr. 23[10]; Mayson/French/Ryan, Mayson, French & Ryan on Company Law, S. 239. 157 Section 775(1) Companies Act 2006. 158 Section 775(2) Companies Act 2006. 159 Section 776 Companies Act 2006. 160 Pennington, Company Law, S. 385. 161 Millet/Alcock, Gore-Browne on Companies, Rdnr. 23[19]; Morse/Davies/Fletcher, Palmer’s Company Law I, Rdnr. 6.309; Pennington, Company Law, S. 411–416. 162 Pennington a.a.O., S. 405.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Betrachtet man den gesamten Vorgang der Ausstellung verschiedener certificates, ist offensichtlich, dass er neben einer gewissen Zeit auch eine Menge Papier erfordert. Insbesondere für Börsentransaktionen ist dieses Verfahren zu umständlich. Ende der siebziger Jahre hatte man für ihre leichtere Abwicklung ein System namens „Talisman“ gegründet163. Dies brach allerdings unter dem Druck der anschwellenden Wertpapiertransaktionen im Jahr 1987 zusammen. Danach plante man die Einführung eines neuen Systems unter der Bezeichnung „Taurus“, das den Wertpapierhandel schrittweise entmaterialisieren sollte; doch wurde dieser Plan nie verwirklicht164. Im Jahre 1995 schuf der Gesetzgeber eine neue Grundlage für die Entmaterialisierung mit der „Uncertificated Securities Regulation“165. Diese wurde in überarbeiteter Fassung im Jahr 2001 neu veröffentlicht166 . Die Verordnung beruhte ursprünglich auf section 359 Companies Act 1985; heute findet sich eine entsprechende Ermächtigung in sections 785–788 Companies Act 2006. Ihr Ziel ist es, die Abwicklung von Geschäften über Finanzmarktprodukte zu vereinfachen. Insbesondere soll sie ermöglichen, Beweis über Kapitalmarkttitel auf andere Weise als durch Zertifikate zu erbringen und Transaktionen auch ohne Einhaltung der Schriftform abzuschließen167. Die Verordnung erlaubt zu diesen Zwecken die Einführung computerbasierter Systeme für die Wertpapierlieferung und -abwicklung. Der Betreiber eines solchen Systems bedarf der Erlaubnis durch das Finanzministerium. Den Antrag kann jede Person stellen168 . Bisher hat nur eine Gesellschaft eine solche Erlaubnis erhalten: die CREST Co Ltd, die seit dem Jahr 2002 als „Euroclear UK & Ireland“ firmiert. Das von ihr betriebene Abwicklungssystem heißt CREST und ist seit dem Jahre 1996 in Betrieb169. Es handelt sich um eine vollelektronisch geführte Datenbank. Diese ist keine Verwahrstelle, sondern eine Registrierungsstelle für Aktien und Obligationen. Eine Besonderheit gegenüber den bisher untersuchten Rechten besteht darin, dass alle Aktionäre und Gläubiger unter ihrem eigenen Namen in das zentrale Register von CREST eingetragen sind170 . Trotzdem existieren parallele Register. Diese werden aber im Gegensatz zu den bislang untersuchten Rechtsordnungen nicht von Intermediären, sondern von den Emittenten selbst geführt. Die von ihnen unterhaltenen Register entsprechen dem zentralen. Ohne Erlaubnis von CREST darf der Emittent sein Register nicht ändern oder berichti163 Gower, Principles of Modern Company Law, S. 391; Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 288; Pennington a.a.O., S. 492. 164 Gower a.a.O., S. 391; Micheler a.a.O., S. 289 f. 165 Uncertificated Securities Regulation 1995, SI 1995/3272. 166 Uncertificated Securities Regulation 2001 (URS 2001), SI 2001/3755. 167 Section 2(1) URS 2001. 168 Section 4(1) URS 2001. 169 Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 290. 170 Millet/Alcock, Gore-Browne on Companies, Rdnr. 23[27A].

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

gen, es sei denn, es liegt eine gerichtliche Anordnung vor171. In diesem Fall muss der Emittent unverzüglich eine Meldung an CREST senden172 . Will der Inhaber eines Titels seine Berechtigung übertragen, so gibt er einen entsprechenden Auftrag an seine Bank, die entweder selbst an CREST angeschlossen ist oder ihn an ein angeschlossenes Institut weiterleitet. Sobald CREST eine Instruktion zum Verkauf eines Titels empfängt, sucht es automatisch nach einer passenden Kaufanweisung eines anderen Instituts. Ist eine solche gefunden, werden die beiden Instruktionen „gematcht“. CREST sendet eine Aufforderung an den Erwerber, den Preis zu zahlen. Sobald der Transfer des Geldes bestätigt ist, wird der Titel auf den Erwerber umgeschrieben. Schließlich weist CREST den Emittenten an, in seinem Register eine entsprechende Umschreibung vorzunehmen173. Die Instruktionen werden ausschließlich in elektronischer Form erteilt. Die Verordnung spricht insoweit von „dematerialised instructions“174. Durch ein System der Authentifizierung wird sichergestellt, dass sie auch tatsächlich von den vermuteten Autoren stammen. Anleger können entweder selbst die notwendige technische Ausrüstung erwerben oder einen Sponsor benennen, der für sie die Instruktionen abgibt. Wegen der Kosten wird in der Praxis ausschließlich letztere Lösung gewählt175. Wenn der CREST-Teilnehmer sich ordnungsgemäß identifiziert, hat dies nach der Verordnung weitgehende Folgen für die Person, in deren Namen er handelt. Sie kann nicht bestreiten, dass die Instruktion mit ihrer Ermächtigung gesendet wurde und inhaltlich korrekt ist176 . Dem Mitglied oder CREST ist es ebenfalls verwehrt, die Echtheit und Richtigkeit der Instruktion zu leugnen177. Der Erwerber kann seinerseits auf beide Punkte vertrauen178 . Für den Fall der Fälschung der Instruktion sieht die Verordnung eine Haftung des Betreibers vor179. Die Folgen für die Berechtigung der Inhaber werden jedoch nicht geregelt. In der Literatur geht man davon aus, dass insoweit ähnliche Grundsätze wie für die Fälschung von Zertifikaten gelten180 . Jeder Emittent des Vereinigten Königreichs, dessen Aktien an der Börse notiert sind, muss über einen Zugang zu CREST verfügen181. Allerdings gibt es 171

Section 25(2) URS 2001. Section 25(3) URS 2001. 173 Einzelheiten bei Pennington, Company Law, S. 493 f.; Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 291–294. 174 Section 35 f. URS 2001. 175 Pennington, Company Law, S. 493. 176 Section 35(2)(a), (3) URS 2001. 177 Section 35(2)(b) URS 2001. 178 Section 35(4) URS 2001. 179 Section 36 URS 2001. 180 Pennington, Company Law, S. 500. 181 Millet/Alcock, Gore-Browne on Companies, Rdnr. 23[27A]. 172

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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keinen Zwang für den Inhaber von Aktien oder Schuldverschreibungen, seine Berechtigungen mittels CREST zu übertragen. Das System ist freiwillig; der Aktionär oder Gläubiger kann sich auch weiterhin der traditionellen Formen bedienen182 . Daher müssen die Gesellschaften neben den Registern für nicht beurkundete Anteile, die mit denen von CREST abgestimmt sind, noch Register für Anteile führen, über die Zertifikate ausgestellt wurden. Das erhöht die Kosten. Allerdings gibt es Bestrebungen, dies zu ändern. Das „Institute of Chartered Secretaries and Administrators (ICSA)“, eine privatrechtliche Organisation von Unternehmensleitern, hat eine Konsultation zu der Frage begonnen, ob die alten Zertifikate generell abgeschafft werden sollen183. Die Folge wäre eine generelle Entmaterialisierung aller Aktien. Bereits jetzt werden 85 % von ihnen elektronisch gehandelt184. Von einem generellen Verzicht auf Papier verspricht man sich größere Sicherheit vor Fälschungen, eine Verringerung des Verwaltungsaufwands und nicht zuletzt auch eine umweltfreundlichere Abwicklung des Effektenverkehrs. Unter den Teilnehmern der Konsultation sprachen sich 66 % für eine Abschaffung der Urkunden und die zwingende Umstellung auf elektronische Registrierung aus185.

5. USA In den Vereinigten Staaten schien die Entmaterialisierung zunächst weniger dringend. Grund ist eine Besonderheit des US-amerikanischen Rechts: Wertpapiere werden dort traditionell nicht durch die Inhaber gehalten. In den Büchern der Emittenten sind vielmehr sogenannte street names eingetragen. Dabei handelt es sich meist um den Namen eines brokers oder eines von ihm Beauftragten186 . Der broker hält die Papiere treuhänderisch für den Anleger. Man nennt dieses System „indirect holding“. Der Anleger ist lediglich „beneficial owner“ der Kapitalmarkttitel. Das Konzept stammt aus der dem englischen trust-Recht entnommenen Spaltung in „legal ownership“ und „equitable ownership“187. Praktisch bedeutet es, dass die brokers zwar nominell Eigentümer sind, ihre Kunden aber das Recht zum Bezug der Zinsen oder Dividenden und das Stimmrecht haben.

182 Millet/Alcock, Gore-Browne on Companies, Rdnr. 23[27A]; Pennington, Company Law, S. 495. 183 Institute of Chartered Secretaries and Administrators, The Dematerialisation of shares and share transfers. 184 Institute of Chartered Secretaries and Administrators a.a.O., S. 4. 185 Vgl. Institute of Chartered Secretaries and Administrators, Mitteilung v. 6.10.2006. 186 Siehe Gruson, 22 U. Pa. J. Int’l Econ. L. 185, 222 Fußn. 117 (2001). 187 Dazu eingehend Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 274–277.

80

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Weil die brokers viele Titel in ihren Händen konzentrieren, konnte die physische Bewegung von Effekten erheblich eingeschränkt werden. Dennoch war es weiterhin notwendig, individuelle Urkunden über Kapitalmarkttitel auszustellen. Die brokers mussten diese im Verkehr untereinander übergeben. Ende der sechziger Jahre führte der damit verbundene Aufwand zu einer schwerwiegenden Krise des Finanzsektors, der unter der Flut der Papiere beinahe zusammengebrochen wäre (papercrunch)188 . Die Praxis reagierte darauf mit einer speziellen Konstruktion: Die Papiere der brokers wurden bei sogenannten depositories in Verwahrung gegeben. Derzeit ist die zentrale Verwahrstelle für alle börsengehandelten Wertpapiere die Depositary Trust & Clearing Corporation (DTTC). Es handelt sich um eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft, deren Teilhaber verschiedene Banken und Finanzinstitutionen sind189. Wie die deutsche Wertpapiersammelbank immobilisiert die DTTC Effekten. Die Kosten für die Kunden konnten auf diese Weise dramatisch gesenkt werden. Später stellte man ebenso wie in Deutschland Globalurkunden, sogenannte „jumbo shares certificates“, aus. Als Eigentümerin dieser Urkunden wird die DTTC selbst unter einem speziellen Namen registriert190 . Berechtigte sind die einzelnen Kunden. Sie werden in ein Register aufgenommen, das vom Emittenten oder einer von ihm beauftragten Firma geführt wird. Man spricht insoweit von einem „book entry system“191. Weitergehende Vorschläge zur gesetzlichen Rationalisierung des Effektenverkehrs stammen von einer Kommission der American Bar Association. In ihrem 1975 veröffentlichten Bericht befürwortet sie die Entmaterialisierung192 . Der Bundesgesetzgeber zeigte sich zunächst weniger mutig. Ohnehin konnte er sich mit dem Problem nur mittelbar beschäftigen, da privatrechtliche Fragen des Effektenverkehrs in die Zuständigkeit der Bundesstaaten fallen. Diese bemühen sich allerdings um die Entmaterialisierung, und zwar durch die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws, deren Auftrag es ist, Modellgesetze zur Vereinheitlichung des Rechts der Einzelstaaten zu erarbeiten. Sie fasste im Jahre 1977 den Artikel 8 des Uniform Commercial Code (UCC) neu, der die Verwahrung von Effekten regelt. Dort sind heute neben den traditionellen verbrieften auch unverbriefte Titel (uncertificated securities) vorgesehen193. 188 Aronstein/Haydock/Scott, 93 Harv. L. Rev. 889, 890 (1980); Mooney, 55 Law & Contemporary Problems 131, 136 (1992); Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 302. Vgl. auch Michael Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 755 (847). 189 Näher Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 323. 190 „Cede & Co.“, siehe Gruson, 22 U. Pa. J. Int’l Econ. L. 185, 211 (2001). 191 Reitz, 1 Delaware Law Review 47, 48 (1998). 192 American Bar Association, Section of Corporation, Banking and Business Law, Report of the Committee on Stock Certificates. 193 Vgl. Art. 8–102(a)(18) UCC.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

81

Durch die Einführung papierloser Effekten wurde zum ersten Mal ein handelbarer Vermögensgegenstand anerkannt, der nicht durch ein Stück Papier repräsentiert ist. Diese Änderung ist grundsätzlicher Natur194. Die Reform des UCC beschrieb man in der Literatur als „a dramatic example of a rare occurence – statutory creation of a new genre of property“195. Es wurde nichts weniger als eine ganz neue Kategorie von Vermögensrechten eingeführt. Der Modellgesetzgeber ist bestrebt, die neuen papierlosen Rechte den verbrieften securities weitgehend anzunähern. Soweit möglich vermeidet er Unterscheidungen zwischen beiden Arten. Allerdings musste auch er anerkennen, dass in der Realität beide voneinander abweichen, so dass sie nicht völlig gleich behandelt werden können. Das zeigt sich vor allem bei der Übertragung. Der UCC kennt insoweit zwei Arten: eine Übertragung durch Lieferung und eine weitere durch Begründung eines Anspruchs gegen einen Intermediär196 . Da es nicht möglich ist, unverbriefte securities physisch zu übergeben, trifft der UCC für den Begriff der „Lieferung“ eine Unterscheidung: In Urkunden verbriefte Titel sind als geliefert anzusehen, wenn der Erwerber oder ein von ihm beauftragter Intermediär Besitz am Papier erlangt oder innehat197. Bei körperlosen Titeln setzt die Lieferung hingegen voraus, dass der Emittent den Erwerber registriert oder dass eine andere Person eingetragen wird, die im Namen des Erwerbers handelt oder anerkennt, dass sie die Titel für diesen hält198 . Trotz aller Bemühungen haben in der Praxis die unverbrieften Rechte die verbrieften nicht verdrängen können. Grund dafür ist vor allem, dass der UCC die Pflicht des Emittenten vorsieht, nach einer Übertragung sowohl dem Veräußerer als auch dem Erwerber ein statement zuzuschicken, aus dem sich die veränderte Rechtslage ergibt199. Ebenso muss die Gesellschaft wenigstens einmal pro Jahr und auf Anforderung des Inhabers auch öfter eine solche Information verschicken200 . Diese Komplikationen haben dazu geführt, dass die Emittenten nach wie vor das System des indirect holding bevorzugen 201. In ihm gestaltet sich die Rechtslage abweichend von der soeben dargestellten. Denn der Kunde erwirbt durch die Übertragung nicht die Titel selbst, sondern ein Recht gegenüber dem Intermediär, das sogenannte securities entitlement202 . Dieses ist eine der wichtigsten 194

Siehe Rasor, 14 Florida State University Law Review 859, 866 (1987). Mooney, 55 Law & Contemporary Problems 131, 140 (1992). 196 Vgl. Art. 8–104(a) UCC. 197 Art. 8–301(a) UCC. 198 Art. 8–301(b) UCC. 199 Art. 8–408(1), (5) UCC. 200 Art. 8–408(6) UCC 1977. 201 Vgl. Wunderlich/Labermeier, in: v. Rosen/Seifert, Die Namensaktie, S. 143 (171 f.). 202 Vgl. Art. 8 UCC, Teil 5. Dazu Combs, 58 Ala. L. Rev. 399, 400–403 (2006); Hakes, 36 Loyola of Los Angeles Law Review 661–785 (2002); Mooney, 12 Cardozo L. Rev. 305, 363 f. (1990); Rogers, 43 U.C.L.A. L.Rev. 1431, 1450 f. (1996). 195

82

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Besonderheiten des US-amerikanischen Effektenrechts. Aus kontinentaleuropäischer Sicht bereitet es nicht geringe Schwierigkeiten, da es sich nur schwer in eine der überkommenen juristischen Kategorien einordnen lässt. Seinem Inhalt nach ist es eine Mischung aus verschiedenen Rechten. Einerseits handelt es sich um einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Intermedär. Er besteht unabhängig davon, ob der Intermediär die entsprechenden Titel innehat oder nicht203. Hat er sie jedoch inne, dann nimmt das securities entitlement sachenrechtliche Züge an: Die Titel, auf die es sich bezieht, stehen nach dem UCC nicht dem Intermediär zu, sondern werden Miteigentum der Anleger204. Diesen wird ausdrücklich ein „property interest“ zugestanden. Auf dessen Grundlage können sie sich gegen eine Zwangsvollstreckung durch Gläubiger des Intermediärs wehren 205. Im Fall seiner Insolvenz steht ihnen ein Aussonderungsrecht zu206 . Im Übrigen können die Inhaber ihre Rechte jedoch nur gegen den Intermediär und nicht gegen Dritte ausüben 207. So genießt etwa ein Gläubiger, dem ein Titel vom Intermediär verpfändet worden ist, Priorität gegenüber dem Inhaber des securities entitlements, sofern er die Kontrolle über das Finanzinstrument ausübt208 . Dass soll sogar dann gelten, wenn der Intermediär die Titel ohne Einwilligung des Hinterlegers verpfändet hat 209. Der Inhaber des securities entitlements muss auch gegenüber Gläubigern der Clearing-Stelle zurücktreten, wenn diese nicht über genügend Titel verfügt, um die Ansprüche beider Gruppen zu befriedigen 210 . Der UCC entscheidet also den Konflikt zwischen Hinterlegern und Pfandnehmern bewusst zugunsten Letzterer. Für diese Bevorzugung der Gläubiger gegenüber den Hinterlegern wird angeführt, sie sei notwendig, um Anreize zur Kreditvergabe an Intermediäre zu setzen und die Marktliquidität zu steigern 211. Die kontinentaleuropäischen Rechte nehmen bewusst die entgegengesetzte Position ein, indem sie den Hinterleger unter allen Umständen zu schützen suchen 212 . Für die Schaffung eines securities entitlement sieht der UCC verschiedene Wege vor: Es entsteht, wenn der Intermediär eine Buchung zugunsten des Hinterlegers auf einem Konto vornimmt oder für diesen einen Titel mit der Verpflichtung entgegennimmt, ihn dem Konto gutzuschreiben, oder wenn er 203

Art. 8–501(c) UCC. Art. 8–503(a), (b) UCC. 205 Art. 8–503 (a) UCC. 206 Art. 8–503 (d)(1) UCC. 207 Art. 503(c) i.V.m. Art. 505–508 UCC. 208 Art. 8–511(b) UCC. Zum Begriff der Kontrolle siehe Art. 8–106 UCC. 209 Art. 8–511 UCC, official comment Nr. 1. 210 Art. 8–511(c) UCC. 211 Combs, 58 Ala. L. Rev. 399, 402 (2006). 212 Siehe zum deutschen Recht o. S. 23 ff. sowie zum französischen, italienischen und spanischen Recht o. S. 65 ff. 204

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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gesetzlich zu einer solchen Gutschrift verpflichtet wird 213. In allen diesen Fällen spielt die Buchung eine entscheidende Rolle. Damit wird auch hier die Registrierung zum entscheidenden Anknüpfungspunkt der Berechtigung des Hinterlegers. Trotz seiner Risiken für die Anleger ist dieses System des indirect holding nach wie vor das am weitesten verbreitete. Es entschärft die Frage der Entmaterialisierung, da das securities entitlement unabhängig von den hinterlegten Urkunden gehandelt werden kann. Allerdings versucht nunmehr der Bundesgesetzgeber, das Wertpapier vollständig zurückzudrängen. Er benutzt dazu seine Zuständigkeit für den Handelsverkehr zwischen den Staaten aus Artikel 1 § 8 der amerikanischen Verfassung. Diese wird sehr weit verstanden: Selbst die Benutzung der Post oder ein Telefongespräch in einen anderen Bundesstaat genügen, um von einem zwischenstaatlichen Geschäft sprechen zu können 214. Praktisch ist damit also beinahe der gesamte Handel in den USA erfasst. Auf der Grundlage dieser weiten Zuständigkeit forderte der Kongress die Securities and Exchange Commission (SEC) im Jahre 1994 auf, ihre Befugnisse zu nutzen, um die physische Übertragung von Wertpapieren zwischen brokers zu beenden. Er tat dies durch eine Änderung des Securities Act 215. In einer anderen Bestimmung verlangt der Kongress von der SEC, jährlich Bericht über ihre Fortschritte bei der Einschränkung der physischen Übertragung zu erstatten und Vorschläge zu machen, wie Urkunden über Finanzmarktprodukte insgesamt eliminiert werden können 216 . Die SEC hat einen entsprechenden Vorschlag ausgearbeitet217, doch ist dieser bislang nicht umgesetzt worden. Die weitere Entwicklung in den USA bleibt daher abzuwarten.

6. Schweiz Von besonderem Interesse für die Ersetzung der Effektenurkunden ist die Schweiz. Derzeit bereitet die Eidgenossenschaft eine der umfassendsten Reformen des Wertpapierrechts vor. Am 3. Oktober 2008 ist das sogenannte Bucheffektengesetz in der Schlussabstimmung von Ständerat und Nationalrat angenommen worden. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist allerdings noch offen. Nach diesem wird die Ausstellung von Urkunden im gesamten privaten Verkehr mit Kapitalmarktprodukten entbehrlich sein. 213

Art. 8–104(a)(2) i.V.m. Art. 8–501(b) UCC. Siehe Parry v. Bache, 125 F.2d 493, 495 (5th Cir. 1942); Matheson v. Armbrust, 284 F.2d 670, 673 (9th Cir. 670). 215 Section 17A(e) Securities Act, 15 U.S.C. 78q-1(e). 216 Section 23(b)(4)(E) Securities Act, 15 U.S.C. 78 w(b)(4) (c); ausgelaufen am 15. Mai 2000. 217 SEC, Concept Release Nr. 33–8393 v. 18.3.2004, 69 Federal Register 12922, 12930– 12935 (2004). 214

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

In der Vergangenheit glich das Schweizer Recht weitgehend dem deutschen. Das Wertpapierrecht war seinem Text nach seit dem Jahre 1936 unverändert. In der Praxis gab es dennoch Schritte zur Immobilisierung und Entindividualisierung. Ebenso wie in Deutschland führte man Sammelverwahrung und Globalurkunde ein 218 . Fast alle Urkunden wurden bei der Schweizerischen Effekten-Giro AG (SEGA) hinterlegt, die später in der SIS SegaInterSettle AG (SIS) aufgegangen ist219. Sie korrespondiert mit den angeschlossenen Banken ganz ähnlich wie die deutsche Wertpapiersammelbank mit den Depotbanken. Auf dieser Grundlage wurde ebenso wie in Deutschland ein stückeloser Effektenverkehr organisiert. Darüber hinaus gab es auch in der Schweiz Bemühungen zur Entmaterialisierung. Zuerst enkörperte der Staat seine Obligationen, indem er ein „eidgenössisches Schuldbuch“ einführte, welches die Innehabung und Vorlegung der Urkunde entbehrlich machte220 . Von privater Seite bemühte man sich ebenfalls um die Reduzierung von Papier. Die SEGA schuf dazu ein Modell, das es ermöglicht, bei Namensaktien zeitweise auf die Verbriefung zu verzichten 221. Es besteht seitdem keine Verpflichtung der Gesellschaft mehr, körperliche Urkunden auszugeben. Vielmehr haben die Aktionäre lediglich Anspruch darauf, dass man ihnen Anteilsscheine aushändigt. Man spricht insoweit vom „aufgeschobenen Titeldruck“222 . Für Anteile an Investmentfonds ist dieses Konzept inzwischen Gesetz worden223. Den Schritt zur völligen Abschaffung der Urkunden, also zum „aufgehobenen Titeldruck“, vollzog im Jahr 1998 die Swisscom. Sie schloss den Anspruch der Aktionäre auf Druck und Auslieferung von Namensaktien aus. Diesem Beispiel sind inzwischen andere Gesellschaften gefolgt224. Mehr und mehr zeigte sich auch in der Schweiz, dass im modernen Effektengiroverkehr eine körperliche Unterlage entbehrlich ist. Arthur Meier-Hayoz überschrieb seine letzte Vorlesung im Jahre 1985 daher mit dem bedeutungsvollen Titel: „Abschied vom Wertpapier?“225. Sie gipfelte in der Feststellung, das Wertpapier als Urkunde habe sein „Recht auf Leben“ verwirkt226 . 218 Siehe Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, S. 325–332; Dallèves, SAG 1987, 43 (44 f.); Zobl/Lambert, SZW/RSDA 1991, 117 (125–128). 219 Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, S. 326. 220 Bundesgesetz über die Errichtung eines eidgenössischen Schuldbuches v. 21.9.1939, BS 612.1, aufgehoben durch Art. 55 Nr. 1 des Bundesgesetzes über die Schweizerische Nationalbank v. 3.10.2003, SR 951.1. 221 Dazu Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50–64. 222 Forstmoser/Lörtscher, SAG 1987, 50; Zobl/Lambert, SZW/RSDA 1991, 117 (130); Dallèves, SAG 1987, 43 (47). 223 Bundesgesetz über die Anlagefonds v. 18.3.1994, SR 951.31, § 23 IV. 224 Meier-Hayoz/von der Crone, Wertpapierrecht, S. 334. 225 Meier-Hayoz, ZBJV 122 (1986), 385–401. 226 Meier-Hayoz a.a.O., S. 399.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

85

Allerdings gestaltete sich der Abschied vom Wertpapier zäh 227. Der Grund dafür lag vor allem im Zögern des Gesetzgebers. Im Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel erkannte er erstmals ausdrücklich „nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion“ an, die er als „Wertrechte“ bezeichnete228 . Er lieferte jedoch noch keine ausführliche Regelung dieser papierlosen Kapitalmarktprodukte. Das soll sich durch das Bucheffektengesetz ändern. Erste Schritte zu ihm wurden im Jahr 2003 unternommen, in welchem die Schweizerische Bankvereinigung den Entwurf eines „Wertpapierverwahrungsgesetzes“ vorlegte229. Im Jahr darauf beauftragte das eidgenössische Finanzdepartement eine Expertengruppe mit der Ausarbeitung einer Reform. Diese lieferte im Jahr 2004 ihren Bericht ab230 . Auf diesem aufbauend verfasste der Bundesrat im November 2006 eine Botschaft231. Ihr angehängt ist der Gesetzesentwurf232 . Da der endgültige Gesetzestext bislang nicht veröffentlicht ist, wird im Folgenden dieser zugrundegelegt. Der Entwurf für ein Bucheffektengesetz betrifft alle durch Intermediäre verwahrten Kapitalmarkttitel. Die rechtlichen Verhältnisse an ihnen werden umfassend geregelt. Der Bundesrat hebt in seiner Botschaft die Vorteile der Verwahrung von Wertpapieren hervor. Allerdings habe die rechtliche Konstruktion mit der Entwicklung der Praxis nicht Schritt gehalten 233. Die aus ihnen folgenden Rechtsprobleme wurden in der Schweiz bislang – ebenso wie in Deutschland noch heute – auf der Grundlage des Wertpapier- und des Sachenrechts bewältigt. Man nahm an, dass die Hinterleger an den verwahrten Effekten Miteigentum erlangten. Dieses wurde aber bereits unter der alten Rechtslage als „modifiziert“ und „labil“ angesehen, weil zwischen den Hinterlegern nur theoretisch Rechtsbeziehungen bestünden und jeder Miteigentümer ohne Mitwirkung der anderen die Herausgabe seiner Titel verlangen kann234. Der aus dem

227

Vgl. Kleiner, SZW/RDA 1995, 290. Vgl. § 2 lit. a des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel, AS 1997, S. 68. Zum Konzept Christoph Brunner, Wertrechte – nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion wie Wertpapiere, S. 186–197. 229 Erhältlich unter https://www.zora.uzh.ch/2033/1/vonderCrone8.pdf (zuletzt besucht am 20.8.2008). Dazu Thévenoz, in: FS Nobel, S. 681–712. 230 Erhältlich unter http://www.efd.admin.ch/dokumentation/zahlen/00578/00887/index.html?lang=de (zuletzt besucht am 20.8.2008). 231 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315. 232 Bundesgesetz über Bucheffekten (Bucheffektengesetz, BEG), Bundesblatt 2006, 9421. Dazu Eigenmann, SZW/RSDA 2006, 104–118; Thévenoz, Unif. L. Rev. 2005, 301–311. 233 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315 (9324). 234 BGE 112 II 406 (414 f.); Dallèves, SAG 1987, 43 (45); Zobl/Lambert, SZW/RSDA 1991, 117 (126 f.). 228

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

19. Jahrhundert stammende Rechtsrahmen war daher nie frei von Zweifeln und führte zu komplizierten Rechtsproblemen. Als Reaktion schlägt der Bundesrat eine grundlegende Modernisierung des Rechts der mediatisierten Wertpapierverwahrung vor. Kern ist die Umstellung auf Bucheffekten 235. Diese sollen mit der Einbringung von Einzelurkunden in die Sammelverwahrung, der Hinterlegung von Globalurkunden oder der Eintragung von Wertrechten in ein Register entstehen. Weitere Voraussetzung ist, dass die Titel einem oder mehreren Effektenkonten gutgeschrieben werden 236 . Die Kontoinhaber können die Ausstellung physischer Urkunden verlangen, auch wenn diese bislang nicht vorhanden sind. Sie tragen dafür aber die Kosten, es sei denn, die Ausgabebedingungen oder die Satzung des Emittenten sehen etwas anderes vor237. Dem Bedürfnis nach „Materialisierung“ wird also entsprochen. Sobald die Werte in physischer Form ausgeliefert werden, gehen die Bucheffekten unter238 . Die Verwaltung der Konten erfolgt durch „Verwahrungsstellen“239. An der Bezeichnung zeigt sich, dass man die alte, auf körperliche Effekten ausgerichtete Terminologie noch nicht ganz überwunden hat. Bei den Verwahrungsstellen handelt es sich um Banken und andere Finanzintermediäre240 . Diese tragen die Effekten in ein Register ein. Für jede Emission führt eine einzige Verwahrstelle das Hauptregister; dieses ist öffentlich241. Die Verwahrungsstelle ist durch Gesetz ermächtigt, die Bucheffekten auch ohne besondere Erlaubnis seitens des Kontoinhabers einer „Drittverwahrungsstelle“ anzuvertrauen242 . Gemeint ist damit nicht nur der Drittverwahrer im Sinne von § 3 des deutschen Depotgesetzes, sondern auch der Sammelverwahrer. Dadurch wird eine mehrstufige Verwaltung ermöglicht. Infolge der Drittverwahrung entsteht allerdings das Risiko, dass sich die bei verschiedenen Stellen gebuchten Konten nicht mehr decken. Um dem zu begnegnen, verpflichtet der Entwurf die Verwahrungsstelle, stets Effekten bei der Drittverwahrungsstelle verfügbar zu halten, deren Zahl und Gattung der Summe der Guthaben entspricht, welche in den von ihr geführten Effektenkonten gebucht sind243. Soweit Effekten fehlen, muss sie unverzüglich weitere erwerben 244.

235 236 237 238 239 240 241 242 243 244

Zum Begriff u. S. 162 f. Art. 6 I BEG-E. Art. 7 II BEG-E. Art. 8 BEG-E. Art. 4 I BEG-E. Vgl. Art. 4 II BEG-E. Art. 6 II BEG-E. Art. 9 BEG-E. Art. 11 I BEG-E. Art. 11 II BEG-E.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Schwierige Probleme treten auf, wenn die Verwahrungsstelle in Insolvenz fällt. Um die dinglichen Rechte der Kunden an den verwalteten Werten zu schützen, schreibt der Entwurf des Bucheffektengesetzes die Absonderung vor245. Sie muss – anders als etwa im französischen Recht – nicht von den Kunden verlangt werden, sondern ist von Amts wegen vorzunehmen. Bemerkenswert ist außerdem, dass zwei Wege der Absonderung vorgesehen sind: Entweder werden die Bucheffekten auf eine vom Kontoinhaber bezeichnete Verwahrstelle übertragen, oder es werden Wertpapiere an diesen ausgeliefert246 . Vom Fall der Insolvenz der Verwahrungsstelle ist die einer Drittver wahrungsstelle zu unterscheiden. Hier erfolgt die Absonderung durch die Verwahrungsstelle. Diese wird nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Rechte der Kontoinhaber geltend zu machen 247. Gegenstand der Absonderung sind nach dem Wortlaut die „Bucheffekten“, doch wird man im Fall der Drittverwahrung von Wertpapieren annehmen müssen, dass diese herauszugeben sind. Der Gesetzentwurf enthält eine spezielle Regelung für den Fall, dass die abgesonderten Bucheffekten zur vollständigen Befriedigung der Kontoinhaber nicht genügen 248 . Danach sind zunächst die Eigenbestände der Verwahrungsstelle heranzuziehen. Sollten auch sie nicht ausreichen, wird der Verlust auf die Konteninhaber im Verhältnis ihrer Guthaben an den entsprechenden Effekten verteilt. Jedoch verbleibt ihnen ein Ersatzanspruch gegen die Verwahrungsstelle. Die Verfügung über Bucheffekten hat nach dem Entwurf zwei Voraussetzungen: die Weisung des Kontoinhabers und die Gutschrift auf dem Effektenkonto249. Sie ist mit dem Abschluss der Gutschrift vollzogen. Die zugrundeliegende „Weisung“ wird in der Botschaft als eine einseitige, rechtsgeschäftliche und empfangsbedürftige Willenserklärung des Kontoinhabers an die Verwahrungsstelle definiert, die keiner Form bedürfe250 . Die Weisung muss von der Verwahrungsstelle befolgt werden. Diese hat weder die Pflicht noch das Recht, ihren Rechtsgrund zu überprüfen251. Die Weisung kann zwar widerrufen werden, doch nur innerhalb eines genau fixierten zeitlichen Rahmens. Mit der Belastung des Kontos oder bei Überschreitung eines im Clearing- und Settlementsystems bestimmten Zeitpunkts ist der Widerruf ausgeschlossen 252 . Ist die Weisung rechtzeitig widerrufen oder angefochten worden, stammt sie nicht vom Kontoinhaber oder ist sie nichtig, sieht der Entwurf die Stornierung 245

Art. 17 I BEG-E. Art. 17 IV BEG-E. 247 Art. 18 BEG-E. 248 Art. 19 BEG-E. 249 Art. 24 BEG-E. 250 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315 (9359). 251 Art. 15 II BEG-E. 252 Art. 15 III BEG-E. 246

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

der Buchung durch die Verwahrungsstelle vor253. Das Gleiche gilt, wenn die Buchung nicht der Weisung entspricht oder zu spät vorgenommen wurde254. Der Entwurf enthält jedoch Einschränkungen: So hat der Kontoinhaber keinen Anspruch auf Stornierung, wenn die Verwahrungsstelle den Mangel der Weisung nicht kannte oder kennen musste255. Die Stornierung ist außerdem ausgeschlossen, wenn das Konto, auf dem die Gutschrift erfolgte, keine Effekten dieser Art mehr umfasst oder Dritte an ihnen bereits gutgläubig Rechte erworben haben 256 . Durch letztere Klausel wird die Brücke zum Vertrauensschutz Dritter hergestellt. Der Entwurf sieht allgemein vor, dass der gutgläubige Erwerber von Bucheffekten oder Sicherheiten diese selbst dann erlangt, wenn der Veräußerer nicht zur Verfügung berechtigt war oder die Buchung storniert wurde257. Voraussetzung ist allerdings, dass der Erwerb entgeltlich erfolgte. Bei unentgeltlichem Erwerb oder Bösgläubigkeit sind die Effekten zurückzugewähren258 . Der Entwurf enthält insoweit jedoch nur einen bereicherungsrechtlichen Rückgewähranspruch, keinen sachenrechtlichen. Die Bestellung von Sicherheiten vollzieht sich nach dem Entwurf ebenso wie ihre Übertragung durch Weisung und Gutschrift 259. Sie kann daneben jedoch auch durch die unwiderrufliche Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Verwahrungsstelle herbeigeführt werden, dass diese nunmehr den Weisungen des Sicherungsnehmers zu folgen hat 260 . Damit will die Schweiz den Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft genügen 261. Sie ist an letztere zwar nicht gebunden, doch möchte man ihr im Rahmen des sogenannten autonomen Nachvollzugs entsprechen 262 . Die Verwertung der Effekten, an denen eine Sicherheit bestellt wurde und die auf einem repräsentativen Markt gehandelt werden, kann auf zwei Arten erfolgen: Entweder der Sicherungsnehmer verkauft sie, oder er eignet sie sich an 263. In erstem Fall hat er den Preis, in letzterem Fall den Wert mit seiner Forderung gegen den Sicherungsgeber zu verrechnen. Die Verwertung muss diesem angekündigt werden264. 253

Art. 27 I lit. a BEG-E. Art. 27 I lit. b BEG-E. 255 Art. 27 II BEG-E. 256 Art. 28 BEG-E. 257 Art. 29 I BEG-E. 258 Art. 29 II BEG-E. 259 Vgl. Art. 25 I i.V.m. Art. 24 BEG-E. 260 Art. 25 I BEG-E. 261 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315 (9370). 262 Dazu näher u. S. 448. 263 Art. 31 I BEG-E. 264 Art. 32 BEG-E. 254

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Schließlich enthält der Entwurf eine Vorschrift über die Haftung der Verwahrungsstelle265. Diese erklärt die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechts266 für anwendbar. Außerdem sieht sie vor, dass die Verwahrungsstelle für selbständige Drittverwahrungsstellen nur hinsichtlich deren Auswahl und Instruktion sowie ihrer Überwachung haftet267. Anderes gilt, wenn sie diese dauernd mit der gesamten Effektenverwaltung beauftragt hat oder mit ihnen eine wirtschaftliche Einheit bildet268 . Insgesamt kann man den Entwurf eines Bucheffektengesetzes nur als ausgesprochen gelungen bezeichnen. Es handelt sich um den modernsten Gesetzestext, der derzeit zur Verfügung steht, um die Rechtsverhältnisse an intermediärverwahrten Effekten zu klären. Das Gesetz berücksichtigt die vielfältigen Probleme, die durch Immobilisierung, Entindividualisierung und Entmaterialisierung von Wertpapieren auftreten können. Der Text ist aus einem Guss geschrieben und steht in deutscher Sprache zur Verfügung. Zudem betrifft er ein Rechtssystem, das dem deutschen im Ausgangspunkt sehr ähnlich ist. Er kann daher wichtige Impulse für die Diskussion in Deutschland liefern.

7. Andere Länder Zur Entkörperung ist es auch in weiteren Staaten gekommen. So sind in den skandinavischen Ländern Effekten entmaterialisiert und werden nur noch über Einträge in elektronischen Registern nachgewiesen 269. Das Gleiche gilt in anderen Teilen Europas. Interessante Einblicke in die derzeitige Lage geben zwei von der Legal Certainty Group und der European Central Securities Depositories Association (ECSDA) durchgeführte Umfragen 270. Sie zeigen, dass die meisten Mitgliedstaaten der EU entweder zur Entmaterialisierung von Effekten – meist der an der Börse gehandelten – komplett übergegangen sind oder diese als Alternative zur Verbriefung anbieten. Die Ersetzung der Urkunden durch unkörperliche Effekten beschränkt sich nicht auf Europa. Die uncertificated securities des US-amerikanischen UCC wurden bereits genannt. Diesem Vorbild folgt der kanadische „Uniform Securities Transfer Act“, der als Grundlage für die Gesetzgebung der Provinzen

265

Art. 33 BEG-E. Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) v. 30.3.1911, SR 220. 267 Art. 33 II BEG-E. 268 Art. 33 III BEG-E. 269 Vgl. Christoph Brunner, Wertrechte – nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion wie Wertpapiere, S. 103; Afrell/Wallin-Norman, Unif. L. Rev. 2005, 277 (278); Kessler, Kreditwesen 1990, S. 126 (130). 270 Legal Certainty Group, Questionnaire. Horizontal answers, S. 2–46; ECSDA, Survey on ECSDA Members’ Services. 266

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

dient271. Japan hat im Jahre 2002 den Rechtsrahmen für Anleihen geändert, so dass diese fortan ohne Urkunden begeben werden können 272 . Auch in Lateinamerika wird über eine Entmaterialisierung nachgedacht273. Damit befindet man sich im Übrigen im Einklang mit Empfehlungen internationaler Organisationen. So haben sich zwei Arbeitsgruppen der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (Bank for International Settlements – BIS) und der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) in einem gemeinsamen Bericht dafür ausgesprochen, dass Effekten so weit wie möglich immobilisiert oder entmaterialisiert werden sollten274. Die Abschaffung von Urkunden über Kapitalmarktprodukte ist danach keine Einzelerscheinung. Sie lässt sich auf dem gesamten Globus beobachten. Deutschland gehört mit seiner traditionellen Ausstellung eines Wertpapiers schon heute zur Minderheit unter den entwickelten Industriestaaten.

271 Dazu Spink/Paré, 19 Banking and Financial Law Review 321–391 (2004); Puri/Lan, 23 Banking and Financial Law Review 1, 21 (2007). 272 Vgl. UNIDROIT Study Group on Harmonized Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper, August 2003, S. 9. 273 Vgl. Valle Tejada, in: FS La Hoz Tirado, S. 565–588; Zarate, in: I Congreso nacional de derecho civil y comercial, S. 561–565. 274 Committee on Payment and Settlement Systems & Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions, Recommendations for Securities Settlement Systems, S. 4.

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§ 5 Neue Produkte des Kapitalmarkts Neben den traditionellen Effekten werden ständig neue Produkte entwickelt und am Kapitalmarkt angeboten. Diese bezeichnet man ebenfalls als „Wertpapiere“. Sie lassen sich jedoch nicht in den überkommenen Katalog der verschiedenen gesetzlich geregelten Arten einordnen. Damit wird neben dem Verbriefungserfordernis und dem Rechtsumlauf durch Urkundenübertragung ein weiteres Charakteristikum des Wertpapierrechts in Frage gestellt: der numerus clausus. Im Folgenden sollen einige der Produkte erörtert und ihre rechtliche Qualifikation diskutiert werden. Die Darstellung geht dabei zuweilen ins Detail. Doch ist sie notwendig, um zu zeigen, dass es sich bei den neuen Produkten nicht um Wertpapiere im klassischen Sinne handelt. Sie sind mit diesen zwar verwandt, doch nicht identisch. Außerdem ist eine eingehende Untersuchung der Produkte erforderlich, weil sie den Grundstock eines neuen Rechtsgebiets bilden, das in diesem Buch entwickelt werden soll. Zu seiner Entfaltung bedarf es eines Überblicks über die einzelnen Instrumente, ebenso, wie sich auch die Bücher zum Wertpapierrecht nicht mit allgemeinen Grundsätzen begnügen, sondern auf die individuellen Titel eingehen.

I. Optionen Bereits seit langem bekannt sind Optionen. Dennoch bereitet ihre rechtliche Einordnung nach wie vor Schwierigkeiten.

1. Wirtschaftliche Grundlagen Durch das Optionsgeschäft wird einer Seite das Recht eingeräumt, Wertpapiere oder andere Gegenstände zu einem bestimmten Preis zu erwerben oder zu veräußern1. Dafür hat sie der anderen Seite eine Prämie zu entrichten. Das aus dem Optionsgeschäft folgende Recht, die Lieferung oder Abnahme zu verlangen, bezeichnet man als Option. Den Gegenstand, auf den sich die Option bezieht, nennt man den Basiswert; plastischer ist der englische Ausdruck underlying. Aus wirtschaftlicher Sicht dient die Option entweder der Kurssicherung oder der Spekulation2 . Der Erwerber kann sich mit ihr gegen die ungünstige Entwicklung des Basiswerts absichern; daran wird er zum Beispiel ein Interesse haben, wenn er diesen zuvor für sein Portfolio erworben hat. Er kann das Op1 Franke, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 2 Rdnr. 138; Mattout, Droit bancaire international, S. 374. 2 Ausführlich Hartung, Das Wertpapieroptionsgeschäft in der Bundesrepublik Deutschland, S. 52–80.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

tionsgeschäft aber auch zur Spekulation nutzen, wenn er mit einer bestimmten Kursentwicklung rechnet. Der andere Teil, der sogenannte Stillhalter, schließt das Geschäft regelmäßig zu spekulativen Zwecken ab. Er setzt darauf, dass sich der Wert in die entgegengesetzte Richtung entwickelt als vom Vertragspartner angenommen und letzterer daher von seinem Optionsrecht keinen Gebrauch machen wird. In diesem Fall kann der Stillhalter die Optionsprämie ohne Gegenleistung verdienen. Der Wert der Option ist logischerweise vom Wert der Basis abhängig. Er entwickelt sich überproportional zu diesem, ähnlich der ersten Ableitung. Hier wird bewusst das Wort „ähnlich“ verwendet, weil der Zusammenhang in der Realität viel komplizierter ist. Um ihn zu erfassen, wurden verschiedenste mathematische Modelle entwickelt3. Die Option hat nur dann einen inneren Wert (inner value), wenn der Preis der Basis über dem Ausübungspreis liegt. Man sagt in diesem Fall, die Option liege „im Geld“ (in the money). Steht der Preis der Basis dagegen auch nur leicht unterhalb des Ausübungspreises – also „aus dem Geld“ (out of the money) – dann ist die Option wertlos. In der Möglichkeit des Totalverlusts liegt ihre besondere Gefährlichkeit für den Anleger. Optionen können selbständig oder Teil eines anderen Geschäfts sein. Als Beispiel für letztere Gestaltung ist die Wandelschuldverschreibung nach § 221 AktG zu nennen. Sie lässt sich in die Schuldverschreibung als Hauptrecht und in das Optionsrecht aufspalten. Daneben gibt es Geschäfte, bei denen eine Option eingebaut ist. Das ist bei den noch zu erörternden Zertifikaten der Fall. Bei ihnen ist die Option so sehr mit dem Rest des Produktes verwoben, dass man beide juristisch nicht voneinander trennen kann. Je nachdem, ob die Option auf Lieferung oder Abnahme gerichtet ist, unterscheidet man zwischen „call“- und „put“-Optionen. Häufig kommt es bei der Ausübung der Option nicht zu einer Leistung, weil das Recht, effektive Lieferung zu verlangen, zuvor ausgeschlossen wurde. Stattdessen erhält der Berechtigte nur die Differenz zwischen einem vereinbarten Basiskurs und dem Kurs am Tag der Ausübung der Option4. Ist die Lieferung nicht ausgeschlossen, kann der Stillhalter seine Verpflichtung durch den Abschluss eines Gegengeschäfts „glattstellen“5. Hat er sich etwa in einer put-Option zur Abnahme einer bestimmten Basis verpflichtet – man spricht insoweit von einer short position – , so kann er eine put-Option auf dieselbe Basis mit demselben Fälligkeitstermin 3 Das bekannteste ist das sogenanntente Black-Scholes-Modell. Es geht zurück auf einen bahnbrechenden Artikel, den Fischer Black und Myron Scholes im Jahre 1973 veröffentlichten. Praktisch zeitgleich kam Robert C. Merton zum selben Ergebnis. Scholes und Merton erhielten im Jahre 1997 den Nobel-Preis. Zum Black-Scholes-Modell vgl. Chriss, BlackScholes and Beyond, S. 119–217; Zimmermann, Finance Derivatives, S. 21–25. 4 Than, in: FS Heinsius, S. 809 (810); Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnr. 68. 5 Zahn, Handlexikon zu Optionen, Futures und innovativen Finanzinstrumenten, S. 225 f.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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und in derselben Größe erwerben und damit „long gehen“. Allerdings verbleibt ihm ein Verlust, wenn die Kosten der zweiten put-Option höher sind als die von ihm aus der ersten erworbene Prämie. An den Möglichkeiten des Ausschlusses der effektiven Lieferung und des Abschlusses eines Gegengeschäfts wird besonders deutlich, dass die Option nicht auf tatsächliche Erfüllung gerichtet sein muss. Genau dies ist bei der Mehrheit der Optionen der Fall. Sie sind reine Finanz- und keine Liefergeschäfte. Optionsgeschäfte können individuell oder in standardisierter Form abgeschlossen werden. Nur in letzterer Form eignen sie sich für den Handel an der Börse. Bei der Standardisierung werden die Emittenten gezwungen, die Optionsbedingungen aneinander anzupassen, zum Beispiel durch die Beschränkung auf wenige Fälligkeitsdaten pro Jahr6 . Dadurch können die unterschiedlichen Produkte besser miteinander verglichen werden. Die zusätzliche Pflicht zur Veröffentlichung der Preise schafft die für den Handel an der Börse notwendige Publizität. Der Vorteil des Börsenhandels ist, dass das Optionsgeschäft für den Massenverkehr geöffnet wird. Dabei wählt man in der Regel eine Gestaltung, bei der die Verträge nicht unmittelbar zwischen den Marktteilnehmern zustandekommen, sondern mit einem Zentralen Kontrahenten7. Das dient unter anderem dazu, das Risiko des Ausfalls der Gegenpartei zu minimieren. Optionsgeschäfte werden durch Clearing- und Settlementeinrichtungen abgewickelt. Das gilt selbst für die meisten außerbörslich geschlossenen Geschäfte. Die Clearingsysteme sorgen dafür, dass jede Seite die von ihr eingegangen Verpflichtungen erfüllt. Anders als bei klassischen Finanzmarktprodukten wie Aktien und Anleihen dienen sie dagegen meist nicht der Übertragung von Titeln.

2. Verbriefung Zum Teil werden Optionen verbrieft. Man spricht insoweit von „Optionsscheinen“ oder „Warrants“8 . Sie werden von Unternehmen oder Banken in Emissionen ausgegeben und an Wertpapierbörsen gehandelt. Allerdings fordert die Literatur keine Einzelverbriefung, sondern sieht auch eine Globalurkunde als ausreichend an9. Von dieser Möglichkeit hat man bei der Emission von Sammeloptionsscheinen Gebrauch gemacht, in deren Bedingungen die Ausgabe effektiver Stücke ausdrücklich ausgeschlossen wurde10 . Eine Verbriefung ist jedoch nicht unbedingt notwendig. Denn die Option ist als Vertrag auch ohne schriftliche Fixierung verbindlich. Dass Optionen überhaupt verbrieft werden, hat seine Gründe im Börsenrecht. Für die Zulassung 6 7 8 9 10

Steuer, Die Bank 1983, 80 (83). Zu ihm bereits o. S. 51 f. Auckenthaler, Schweizer Bank 1994, Heft 6, S. 34. Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 30 BörsG Rdnr. 11. Than, in: FS Heinsius, S. 809 (811).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

zum regulierten Markt setzt das Börsengesetz in § 32 I voraus, dass ein „Wertpapier“ vorliegt. Für den alten § 30 BörsG wurde aus dieser Formulierung geschlossen, dass eine Verbriefung notwendig sei11. Daran dürfte sich durch die jüngste Reform des Börsengesetzes nichts geändert haben. Eine Verbriefung wird man konsequenterweise auch für den Freiverkehr verlangen müssen, denn § 48 BörsG knüpft ausdrücklich an ein „Wertpapier“ an. Bei den an einer Wertpapierbörse angebotenen Optionen handelt es sich daher durchgängig um Wertpapiere. Daneben gibt es noch sogenannte unverbriefte Optionen. Sie werden an Terminbörsen gehandelt, zum Beispiel an der Eurex. Über die unverbrieften Optionen müssen keine Urkunden ausgestellt werden, weil die Eurex keine Wertpapierbörse im Sinne des § 32 BörsG ist12 . Zur Abgrenzung von den an den Wertpapierbörsen gehandelten Optionsscheinen benutzt man schlicht den Ausdruck „Optionen“. Von den Optionsscheinen unterscheiden sie sich allerdings weniger durch die Verbriefung als durch andere Tatsachen: Sie werden nicht von einem Emittenten in einem Schritt durch Emission auf den Kapitalmarkt gebracht, sondern von Fall zu Fall zwischen einzelnen Marktteilnehmern oder mit einem Zentralen Kontrahenten abgeschlossen. Außerdem werden sie nicht durch Übertragung von einer Person auf die andere gehandelt. Vielmehr schließt ein Teilnehmer, der mit dem von ihm erworbenen Optionsrecht oder der von ihm eingegangen Verpflichtung nicht zufrieden ist, ein Gegengeschäft mit einem anderen Teilnehmer ab, durch das er seine Position glattstellt. Dazu folgendes Beispiel: A habe mit B einen „call“ geschlossen, in dem er sich gegen Zahlung einer Prämie verpflichtet, B auf dessen Wunsch Aktien der Gesellschaft X am 31.3. zu einem bestimmten Preis zu veräußern. Möchte A sich hinsichtlich seiner Position absichern, so geht er einfach eine entsprechende Vereinbarung mit C ein, die ihm das Recht verleiht, die Aktien zum selben Preis von C zu erwerben. B kann sein Recht weiter „übertragen“, indem er seinerseits einen „call“ mit D schließt, in welchem er sich zur Veräußerung der Aktien zu denselben Bedingungen wie im Vertrag mit A verpflichtet und dafür von D eine Optionsprämie erhält, die der an A gezahlten entspricht. Die Option wird daher nicht im eigentlichen Sinn gehandelt; vielmehr werden die wirtschaftlichen Folgen ihres Abschlusses durch ein Gegengeschäft auf Dritte verlagert. Wichtig ist an dieser Stelle festzuhalten, worin der wesentliche Unterschied zwischen „verbrieften“ und „unverbrieften“ Optionen besteht: Er liegt in der Art, wie diese Instrumente entstehen und gehandelt werden. Mit der Ausstellung eines Wertpapiers hat dies nichts zu tun. Die Verbriefung als solche hat auf die wirtschaftliche Funktionsweise der Option keinen Einfluss. 11 12

Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 30 BörsG Rdnr. 11. Heidelbach a.a.O., Rdnr. 9 (zu § 30 BörsG a.F.).

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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3. Zivilrechtliche Einordnung Die bürgerlichrechtliche Dogmatik unterscheidet hingegen streng danach, ob die Option in einem Wertpapier verbrieft ist oder nicht.

a) Unverbriefte Optionen Als Paradigma der Option beschäftigt man sich im Zivilrecht meist nicht mit Produkten des Finanzmarkts, sondern mit den im BGB geregelten Vor- und Wiederkaufsrechten13. Erstaunlich ist, in welcher Weise deren rechtliche Qualifikation Schwierigkeiten bereitet. Diese sind darauf zurückzuführen, dass es im BGB an einer allgemeinen Regelung der Option fehlt. Anders verhält es sich etwa beim italienischen Codice civile. Dieser bestimmt ausdrücklich, dass die Option ein einseitiges unwiderrufliches Angebot ist14. Aus deutscher Sicht muss man sich dagegen mit der grundsätzlichen Frage auseinandersetzen, wie sich die Option mit den allgemeinen Lehren des Vertragsschlusses vereinbaren lässt. Klassischerweise werden drei Einordnungen vertreten: Die Option wird entweder als Festofferte angesehen15 oder als Bedingung zum Abschluss eines Hauptvertrags16 oder als Anspruch auf Vertragsabschluss aus einem Vorvertrag17. Die Rechtslage wird zusätzlich dadurch verkompliziert, dass nach Ansicht des Bundesgerichtshofs und der herrschenden Lehre diese verschiedenen Einordnungen nicht in Widerspruch zueinander stehen, sondern die Parteien jede der drei wählen können sollen18 . Es sei im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, welche Rechtsfigur die Parteien gewollt haben19. Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht geht es jedoch nicht an, für jedes individuelle Geschäft zu untersuchen, welche Konstruktion gewählt wurde. Für die Vielzahl von standardisierten Optionsverträgen ist vielmehr eine einheitliche Qualifikation zu finden. Die zivilrechtliche Debatte soll hier nicht noch einmal vollständig neu geführt werden. Vielmehr sind die vorgeschlagenen Modelle aus kapitalmarktrechtlicher Sicht auf ihre Eignung zu überprüfen. 13 Allerdings ist auch insoweit die Terminologie nicht einheitlich. So soll es sich nach einer Ansicht beim Vorkaufsrecht des § 463 BGB nicht um eine Option handeln, da der Verkäufer dem Abschluss des Vertrags zustimmen müsse, vgl. Staudinger/Bork, Vorbem zu §§ 145–156 Rdnr. 70. 14 Artikel 1331 Codice civile. 15 Vgl. Staudinger/Bork, Vorbem zu §§ 145–156 Rdnr. 70; Soergel/Wolf, Vor § 145 Rdnr. 70. 16 Vgl. v. Einem, Die Rechtsnatur der Option, S. 82–123; Staudinger/Bork, Vorbem zu §§ 145–156 Rdnr. 71; Soergel/Wolf, Vor § 145 Rdnr. 70. 17 Vgl. v. Einem, Die Rechtsnatur der Option, S. 124–145; Soergel/Wolf, Vor § 145 Rdnr. 70. 18 BGH, Urt. v. 28.9.1962 – V ZR 8/61, LM Nr. 16 zu § 433 BGB, S. 2. Zustimmend z.B. Staudinger/Bork, Vorbem zu §§ 145–156 Rdnr. 72. 19 BGH a.a.O.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Völlig unvereinbar mit den Bedürfnissen des Kapitalmarkts ist die Qualifikation der Option als Festofferte20 . Denn eine Offerte erlischt gemäß § 150 II BGB, wenn die andere Seite sie ablehnt. Jedoch bleibt die Option trotz Ablehnung bis zum endgültigen Ablauf der Ausübungsfrist bestehen. Außerdem kann die These von der Festofferte nicht erklären, warum eine Seite verpflichtet sein soll, für die Abgabe des Angebots einen Preis zu bezahlen. Es ist zumindest in Deutschland völlig unüblich, dafür eine Gegenleistung zu entrichten. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag die Konstruktion des bedingten Hauptvertrags21. Denn sie kann ebenfalls nicht erklären, warum der Inhaber selbst bei Nichtausübung der Option eine Prämie entrichten muss. Außerdem hat sie noch einen weiteren Schönheitsfehler: Ihr zufolge ist die Ausübung der Option die Bedingung für das Zustandekommen des Vertrags. Aber welche Bedeutung die Option selbst hat, lässt sie völlig im Dunkeln. Ignoriert wird dabei, dass sich das Optionsrecht zu einem wichtigen Vermögensgegenstand entwickelt hat. An der Realität der Finanzmärkte vorbei geht schließlich auch die Qualifikation als Vorvertrag. Denn eine Seite, der Optionsberechtigte, verpflichtet sich noch nicht zu einem weiteren Geschäft. Dessen Eingehung liegt vielmehr in seinem Belieben. Außerdem lässt sich auch mit der Konstruktion als Vorvertrag nicht erklären, warum der Optionsberechtigte bereits eine Prämie schuldet. Die gleichen Bedenken gelten hinsichtlich einer mit dem Vorvertrag verwandten Konzeption, die von Apostolos Georgiades entwickelt wurde. Nach ihr soll es sich beim Optionsvertrag um einen selbständigen Vertrag vorbereitender Natur handeln 22 . Dabei konzentriert sich Georgiades vor allem auf den Fall, dass der Inhaber der Option die Optionsprämie nur bei Nichtausübung der Option schuldet 23. Doch widerspricht dies gerade den kapitalmarktrechtlichen Realitäten. Keine der klassischen Einordnungen des Optionsgeschäfts vermag daher zu überzeugen. Übrig bleibt nur, eine Lösung außerhalb der allgemeinen Vertragsschlusslehre zu suchen. Auch insoweit bietet die Literatur ein uneinheitliches Bild. Zum Teil werden Optionsgeschäfte als untypische Kaufverträge eingeordnet24. Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass durch das Optionsgeschäft nicht eine zuvor vorhandene Sache oder ein zuvor vorhandenes Recht übertra20

Abl. auch Häuser, DB 1985, 1169 (1170). Für sie jedoch aus kapitalmarktrechtlicher Sicht OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, BKR 2005, 373 (375) mit insoweit abl. Anm. Lenenbach. 22 Georgiades, in: FS Larenz, S. 409 (424). Zustimmend aus kapitalmarktrechtlicher Sicht Häuser, DB 1985, 1169 (1170). 23 Siehe Georgiades a.a.O., S. 429–433. 24 Vgl. Jahn, in: Schimansky /Bunte /Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114 Rdnrn. 84 f. 21

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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gen werden soll. Vielmehr wird die Option durch den Vertrag erst selbst geschaffen 25. Weiter ist es denkbar, Optionen als Spiel oder Wette im Sinne des § 762 BGB einzuordnen 26 . Auch diese Qualifikation trägt jedoch nicht. Die Gründe dafür werden im Zusammenhang mit den Futures erörtert27. Eine verbreitete Ansicht will im Optionsgeschäft einen Angebotsvertrag sehen 28 . Mit ihm soll sich eine Partei an ein von ihr gemachtes Angebot binden. Für diese Konstruktion spricht der Rechtsvergleich. Viele ausländische Rechte, die keine einseitig bindenden Erklärungen kennen, qualifizieren die Option als Angebotsvertrag. So wird der Optionsvertrag im US-amerikanischen Recht als „contract to keep an offer open“ angesehen 29. Im französischen Recht gibt es einen besonderen Vertragstyp, das einseitige Verkaufsversprechen (promesse unilatérale de vente), dessen Gegenstand ist, dem Berechtigten die Option für eine bestimmte Zeit einzuräumen30 . Für börsengehandelte Optionen folgt Martin Henssler der These vom Angebotsvertrag31. Die Rechtsposition des Optionsnehmers qualifiziert er als Annahmebefugnis32 . Diese Lösung hat die Vorteile der Einfachheit und der Klarheit. Dennoch überzeugt sie nicht. Sie geht an der Tatsache vorbei, dass die Rechtsposition des Optionsnehmers ein Wirtschaftsgut ist, welches am Kapitalmarkt bewertet wird. Das unterscheidet sie von der bloßen Annahmebefugnis des bürgerlichen Rechts. Richtigerweise muss man daher zwischen dem Optionsgeschäft und dem durch dieses hervorgebrachten Optionsrecht unterscheiden. Eine solche saubere Trennung befürwortet Matthias Casper in seiner Habilitationsschrift 33. Er schließt sich der Meinung an, die das Optionsrecht als Gestaltungsrecht qualifiziert34. Dieses werde durch den Optionsvertrag geschaffen und räume dem Inhaber die Möglichkeit ein, durch einseitige Erklärung einen Vertrag zustande 25

Hammen, ZIP 1987, 151 (155); Ebenroth/Einsele, ZIP 1987, 205 (210). Vgl. Dierks, Selbständige Aktienoptionsscheine, S. 50 f. 27 Siehe u. S. 104 ff. 28 v. Einem, Die Rechtsnatur der Option, S. 42–81; Henrich, Vorvertrag, Options vertrag, Vorrechtsvertrag, S. 242 (für unbefristete Angebote); Lorenz, in: FS Dölle, S. 103 (116); Staudinger/Bork, Vorbem zu §§ 145–156 Rdnr. 71; Kramer, in: MünchKomm-BGB, Vor § 145 Rdnr. 53. Aus der Rechtsprechung vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.2.1979 – 12 U 124/78, BB 1979, 962. 29 Steel v. Eagle, 483 P.2d 1063, 1067 (Kan. 1971); Warner Bros. Theatres v. Proffitt, 198 A. 56, 57 (Pa. 1938). Das Restatement of Contracts (Second) behandelt die Option als Angebot, das durch einen Vertrag zustande kommt, vgl. dazu seinen § 24 S. 2. Dieser Vertrag ist der Optionsvertrag; er schließt den Widerruf des Angebots aus, vgl. a.a.O., § 25. 30 Malaurie/Aynès/Gautier, Les contrats spéciaux, S. 81. 31 Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 593–595. Abl. Häuser, DB 1985, 1169 (1170). 32 Henssler a.a.O., S. 597. 33 Casper, Der Optionsvertrag, S. 49–58. 34 Casper a.a.O., S. 62 f. Ebenso bereits Claussen, Bank- und Börsenrecht, 1. Aufl. 1996, Rdnr. 178; Dierks, Selbständige Aktienoptionsscheine, S. 57 f. 26

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

zu bringen. Die These hat ohne Zweifel viel Anziehungskraft. Doch beleuchtet auch sie nur eine Seite. Denn die am Kapitalmarkt gehandelten Optionen gehen über ein bloßes Gestaltungsrecht im zivilrechtlichen Sinne weit hinaus. Sie haben selbständigen Wert. Insoweit sind sie anderen Finanzierungsinstrumenten wie zum Beispiel Aktien vergleichbar. Diesen Besonderheiten ist auch bei ihrer Einordnung Rechnung zu tragen.

b) Verbriefte Optionen Verbriefte Optionen – Optionsscheine – ordnet die zivilrechtliche Lehre dagegen als Wertpapiere ein35. Der Bundesgerichtshof nimmt an, dass die Option eine Schuldverschreibung auf den Inhaber im Sinne des § 793 BGB sei36 . Dem folgt das Schrifttum37. Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob sich die Option auf eine Schuldverschreibung oder einen anderen Gegenstand bezieht 38 . Es bestehen große Zweifel, ob diese Einordnung zutrifft. Der Wortlaut des § 793 I 1 BGB setzt das Versprechen einer „Leistung“ voraus. Allerdings ist bei den meisten Optionen, wie eingangs gezeigt, die Erfüllung in natura ausgeschlossen. Hier kommt es nicht zur physischen Leistung, sondern es wird lediglich ein Unterschiedsbetrag gezahlt. Man könnte wenigstens diese Zahlung als Leistung ansehen. Doch kommt hier eine andere Besonderheit der Option zum Tragen: Die Zahlung wird dem Inhaber nicht fest versprochen. Ob es zu ihr jemals kommt, ist unsicher. Der Option wohnt also ein Risikoelement inne. Dieses ist der Schuldverschreibung fremd. Der Optionsschein weicht daher vom gesetzlichen Leitbild des § 793 BGB ab. Wenn man versucht, ihn trotzdem unter die Bestimmung zu fassen, wird deren ohnehin schon weiter Wortlaut über alle Maßen ausgedehnt. Denn er enthält eine Kontur nur über das Versprechen einer Leistung. Will man sich auch über diese Voraussetzung hinwegsetzen, dann kann praktisch alles eine Schuldverschreibung sein. Der Optionsschein ist daher keine Schuldverschreibung im Sinne des § 793 BGB. Er erfüllt nicht die Anforderungen an den zivilrechtlichen Begriff des Wertpapiers. Für ihn muss eine neue Einordnung gefunden werden.

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Siehe Dierks, Selbständige Aktienoptionsscheine, S. 29. BGH, Beschl. v. 25.10.1994 – XI ZR 43/94, ZIP 1994, 1924 (1925). 37 Siehe z.B. Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 30 BörsG Rdnr. 10 mit Fußn. 63; Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnr. 68; Dierks, Selbständige Aktienoptionsscheine, S. 29. 38 Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnr. 68. 36

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Das WpHG qualifiziert in § 2 II Nr. 1, 4 WpHG Optionsgeschäfte als Derivate. Bei oberflächlicher Betrachtung trifft es keine Unterscheidung danach, ob die Optionen verbrieft oder unverbrieft sind. Beide scheinen zur selben Kategorie zu gehören. Allerdings zeigt sich an versteckter Stelle, dass das WpHG verbriefte Optionen nicht als „Optionsgeschäfte“ in diesem Sinne ansieht, und zwar in § 37e S. 2 WpHG. Diese Vorschrift unterscheidet zwischen „Derivaten“ einerseits und „Optionsscheinen“ andererseits. Lange Zeit umstritten war, ob es sich bei der Option um ein Börsen- beziehungsweise Finanztermingeschäft handelt 39. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 37e S. 2 WpHG bedarf diese Frage keiner Erörterung mehr. Für die hier verfolgten Zwecke bedeutsam ist dagegen, dass nach § 37e S. 2 WpHG Optionsscheine nicht als Derivate angesehen werden können. Was aber sind sie dann? Offenbar geht der Gesetzgeber davon aus, dass es sich bei den Optionsscheinen um Schuldverschreibungen im Sinne des § 2 I 1 Nr. 3 lit. a WpHG handelt. In der Tat würde diese Qualifikation der herrschenden Meinung im Zivilrecht entsprechen, wie oben dargelegt wurde40 . Als Kriterium zur Unterscheidung zwischen „Optionsgeschäften“ und „Optionsscheinen“ wäre an die Verbriefung anzuknüpfen. Allerdings werden Bedenken an dieser Abgrenzung dadurch geweckt, dass die Einordnung als Wertpapier nach dem Einleitungssatz des § 2 I 1 WpHG nicht davon abhängt, ob eine Urkunde ausgestellt wurde oder nicht. Die Verbriefung ist also gerade kein Kriterium zur Bestimmung des Begriffs des Wertpapiers im Sinne des WpHG41. Damit kann sie auch nicht zur Abgrenzung zwischen Optionsscheinen und Optionsgeschäften dienen. Die Unterscheidung zwischen ihnen wird unmöglich. Aus dieser Zwickmühle kann man sich auf einfache Weise befreien, indem man alle Optionen als Derivate im Sinne von § 2 II WpHG ansieht. Für diese Lösung spricht der Wortlaut der Bestimmung, der nicht zwischen unverbrieften und verbrieften Optionen unterscheidet. Auch Optionsscheine lassen sich problemlos unter ihn subsumieren. Außerdem werden die Merkmale des Optionsgeschäfts und die Basiswerte, auf die es sich beziehen kann, in § 2 II WpHG genau beschrieben, während § 2 I 1 Nr. 3 lit. a WpHG nur eine ganz allgemeine 39 Siehe BGH, Urt. v. 22.10.1984 – II ZR 262/83, BGHZ 92, 317 (321) (für Aktienoptionsgeschäfte); Urt. v. 4.2.1994 – XI ZR 32/91, BGHZ 117, 135 (137) (für unverbriefte Optionsrechte); Urt. v. 9.7.1996 – XI ZR 103/95, BGHZ 133, 200 (203) (für selbständige Devisen- und Aktienindexoptionsscheine); Urt. v. 12.5.1998 – XI ZR 180/97, BGHZ 139, 1 (5) (für selbständige Basket-Optionsscheine); Urt. v. 16.4.1991 – XI ZR 88/90, BGHZ 114, 177 (181 f.) (für abgetrennte Optionsscheine aus Wandelschuldverschreibungen). Aus der Literatur siehe z.B. Kümpel, WM 1982, Sonderbeil. Nr. 6, S. 17; Canaris, WM 1988, Sonderbeil. Nr. 10, S. 5–15. 40 Siehe o. S. 98. 41 Dazu schon o. S. 15.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Kategorie enthält. Schließlich ist eine Unterscheidung zwischen verbrieften und unverbrieften Optionen aus kapitalmarktrechtlicher Sicht entbehrlich. Denn das Wertpapierhandelsgesetz behandelt Optionsscheine wegen § 37e S. 2 WpHG in jeder Beziehung wie ihr unverbrieftes Pendant. Daher ist die Abgrenzung zwischen beiden unnötig. Sie entspricht lediglich einem Streben nach konzeptioneller Übereinstimmung mit dem Zivilrecht, die sich aber wegen des Einleitungssatzes des § 2 I 1 WpHG ohnehin nicht erreichen lässt. Man sollte daher mit der Begriffsjuristerei Schluss machen und Optionen einheitlich als Derivate im Sinne von § 2 II WpHG ansehen. Das dient der begrifflichen Klarheit und vereinfacht die Arbeit des Rechtsanwenders.

5. Folgerungen Nach der hier vorgeschlagenen Einordnung ist die Option kein Wertpapier, sondern ein „Derivat“, selbst wenn sie in einer Urkunde verbrieft ist. Die Kategorie der „Derivate“ ist zwar im Kapitalmarktrecht bekannt, im Zivilrecht dagegen noch nicht. Das WpHG zählt in § 2 II einzelne Derivate auf. Dabei handelt es sich um eine Reihe unterschiedlicher vertraglicher Gestaltungen, die man mit der Vertragsfreiheit nach § 311 I BGB rechtfertigen kann. Doch sind Derivate einschließlich der Optionen mehr als bloße Verträge. Das WpHG deutet dies an, indem es sie in § 2 IIb gemeinsam mit den Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren als „Finanzinstrumente“ qualifiziert. Mit dieser Einordnung trägt der Gesetzgeber einer Besonderheit der Optionen Rechnung: Sie sind handelbar und haben eigenständigen Wert. Sie gleichen insoweit den klassischen Wertpapieren, selbst wenn sie nicht verkörpert sind. Unter den Bedingungen des modernen Kapitalmarkts erfüllen sie ähnliche Funktionen wie diese, obwohl sie dem Dogma des Wertpapierrechts nicht entsprechen.

II. Futures 1. Wirtschaftliche Grundlagen Bei einem Future verpflichtet sich eine Seite, der anderen einen Gegenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu liefern oder abzunehmen42 . Im Gegensatz zu Optionen sind Futures Festgeschäfte. Die Verpflichtung ist bindend und hängt nicht von der Wahl einer Seite ab. Gegenstand des Futures kann eine generische Ware sein, zum Beispiel Gold oder Rohöl. Man spricht insoweit von commodity futures. Dagegen beziehen 42 Zahn, Handlexikon zu Futures, Optionen und innovativen Finanzinstrumenten, S. 171.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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sich financial futures auf Geld oder Kapitalmarkttitel, wie etwa Devisen oder Schuldverschreibungen. Im Mittelpunkt kann aber auch ein fiktiver Wert stehen, zum Beispiel ein Aktienindex oder eine fiktive – das heißt nur als Berechnungsgröße dienende – sogenannte synthetische Anleihe. Nur in den seltensten Fällen werden Futures durch physische Lieferung erfüllt43. Stattdessen wird die Differenz zwischen einem vereinbarten Preis und dem Schlussabrechnungskurs gezahlt. Ist eine solche Differenzklausel nicht vorgesehen, so werden die zugrundeliegenden Gegenstände trotzdem nicht vom Verkäufer geliefert. Meist schließt er vor der Fälligkeit des Futures ein Glattstellungsgeschäft; Gewinne oder Verluste realisiert er durch Barausgleich44. Futures können daher ebenso wie Optionen der Spekulation dienen. Die Vertragsparteien können aber auch andere Zwecke verfolgen. So können sie sich gegen zukünftige Risiken aus der Entwicklung der Märkte absichern (hedging) oder Preisdifferenzen ausnutzen wollen (arbitrage). Aus dem Erwerb eines Futures können positive wie negative Salden für jede der beiden Parteien entstehen. Der Erwerber kann also einen Anspruch auf Zahlung erlangen oder selbst zur Zahlung an die andere Seite verpflichtet sein. Dies ist abhängig von der Entwicklung des Basiswerts. Futures werden nicht emittiert, sondern individuell abgeschlossen. Die Bedingungen sind ebenso wie die von Optionen standardisiert. Offengelassen werden nur wenige Punkte, vor allem die Menge und der Zeitpunkt der Lieferung. Durch die Standardisierung der Bedingungen wird ein Handel mit Futures möglich45. Er vollzieht sich ähnlich wie der mit unverbrieften Optionen46 , das heißt das Produkt wird nicht übertragen, sondern die Verpflichtungen aus ihm werden durch den Abschluss eines Gegengeschäfts glattgestellt. Den Futures ähneln Forwards. Bei ihnen verpflichtet sich ebenfalls eine Seite zur Lieferung oder Abnahme eines Gegenstands in der Zukunft. Der Unterschied zu den Futures besteht jedoch darin, dass Forwards auf Erfüllung gerichtet sein können47, während Futures nur zur Verwaltung von Risiken dienen48 . Außerdem sind die Vertragsbedingungen der Forwards nicht standardisiert. Sie werden daher nicht an der Börse, sondern vor allem zwischen Banken gehandelt49. Forwards sind typische Bankgeschäfte, Futures dagegen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Börsengeschäfte. 43

Menninger, Financial Futures und deren bilanzielle Behandlung, S. 22 („absolute Ausnahme“); dies., RIW 1994, 43 (44 Fußn. 8) mit näheren Angaben. 44 Zahn, Handlexikon zu Futures, Optionen und innovativen Finanzinstrumenten, S. 134. 45 Jarrow/Turnbull, Derivative Securities, S. 11 f. 46 Dazu o. S. 94. 47 Menninger, Financial Futures und deren bilanzielle Behandlung, S. 22. 48 Gokhalé, 53 Drake Law Review 55, 56 (2004). 49 Hudson, The Law on Financial Derivatives, Rdnr. 2–69; Romano, 55 Md. L. Rev. 1, 8 (1996).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Eine Besonderheit der Futures ist schließlich, dass sie nicht unmittelbar zwischen den Marktteilnehmern, sondern über eine Clearingstelle abgeschlossen werden50 . Abschlussberechtigt ist nur, wer zu den Clearingmitgliedern gehört. Sie treten entweder für sich selbst oder für ihre Kunden auf. Um die Liquidität zu sichern, müssen sie eine Garantieerklärung abgeben und Sicherheiten hinterlegen, die abhängig von der Höhe ihrer Verpflichtungen sind. Man bezeichnet diese Sicherheiten als margins. Auch die Kunden des Clearingmitglieds müssen Einschüsse erbringen. Zunächst ist beim Abschluss des Futures ein initial margin zu zahlen. Danach muss ein bestimmter variation margin eingehalten werden, der in Abhängigkeit der Verpflichtung des Erwerbers ständig angepasst wird. Da der Einschuss geringer ist als die insgesamt geschuldete Leistung, hat der Future Hebelwirkung.

2. Verbriefung Futures werden nicht verbrieft. Eine Verbriefung ist auch aus börsenrechtlichen Gründen nicht erforderlich. Sind sie – wie meist – an einer Börse notiert; dann findet der Handel nicht an einer Wertpapier-, sondern einer Terminbörse statt. Bei dieser ist eine Verbriefung nicht notwendig51. Werden Futures – ausnahmsweise – nicht an einer Börse, sondern over the counter gehandelt, wie zum Beispiel Devisenfutures52 , dann müssen sie ebenfalls nicht verbrieft werden.

3. Zivilrechtliche Einordnung Die zivilrechtliche Einordnung der Futures bereitet besondere Probleme.

a) Kaufvertrag An den Märkten spricht man davon, dass ein Future „gekauft“ und „verkauft“ wird. Diesem Sprachgebrauch entspricht es, wenn Futures von einer verbreiteten Ansicht als Kaufverträge im Sinne des § 433 BGB angesehen werden53. Tatsächlich lässt sich diese Einordnung ohne größere Schwierigkeiten nur für Devisen-Futures vertreten. Denn hier existiert ein Gegenstand, auf den der Vertrag bezogen ist, auch wenn dieser nur in seltenen Fällen tatsächlich geliefert wird. Nicht ohne Weiteres in die Kategorie der Kaufverträge passen dagegegen Zins- und Index-Futures. Bei Zins-Futures werden nicht etwa Zinsen, sondern 50

Vgl. Jarrow/Turnbull, Derivative Securities, S. 8 f.; Menninger, WM 1994, 970. Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 30 BörsG Rdnr. 9. 52 Fleckner, WM 2003, 168 (171). 53 Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 106 Rdnr. 47; Kümpel, Rdnr. 14.163 (für Index-Futures). 51

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Schuldverschreibungen gekauft. Jedoch handelt es sich nicht um tatsächlich bestehende, sondern „synthetische“ Schuldverschreibungen. So verpflichtet sich etwa der „Käufer“ eines Bund-Future, eine Bundesanleihe zu einem fiktiven Zinssatz zu liefern 54. Diese existiert nicht, sondern dient nur als Rechengröße. Es besteht jedoch die Möglichkeit, sie mit einem Konversionsfaktor in bestehende Schuldverschreibungen umzurechnen, so dass eine tatsächliche Lieferung zumindest denkbar ist55. Bei Index-Futures lässt sich der zugrundeliegende Gegenstand nicht einmal theoretisch liefern. Denn der Index ist weder ein körperlicher Gegenstand noch ein Recht, welches übertragen werden könnte. Er ist vielmehr ein Maßstab, der die Verpflichtungen aus dem Future bestimmt. Liegt er über dem vereinbarten Kurs, so hat der „Verkäufer“ an den „Käufer“ zu zahlen; liegt er darunter, muss der „Käufer“ den „Verkäufer“ entschädigen. Trotz dieser Besonderheiten wird der Index-Terminkontrakt zumindest als „untypischer Kaufvertrag“ angesehen56 . Die Einordnung ist jedoch problematisch, denn im Gegensatz zum normalen Kaufvertrag verpflichtet sich der „Verkäufer“ eines Index-Futures nicht, eine Sache oder ein Recht auf den Käufer zu übertragen. Diesem Problem versucht man dadurch beizukommen, dass man auf die römischrechtliche Figur der emptio spei, des Kaufs einer Hoffnung, zurückgreift57. Für die Parallele spricht, dass beim Index-Future wie beim Hoffnungskauf nicht ein bestimmter Gegenstand, sondern nur eine zukünftige Aussicht erworben wird. Trotzdem weckt es Bedenken, mit einer Vertragsart, die die Römer für den Kauf des künftigen Fanges von Fischen oder Vögeln entwickelt haben58 , moderne Finanzkontrakte erklären zu wollen. Inhaltlich bestehen große Unterschiede zur emptio spei. Erstens kommt es beim Index-Future nie zu einer Erfüllung durch Übertragung von Gegenständen. Zweitens verpflichtet sich der „Käufer“ nicht zur Zahlung eines festen Betrags. Und drittens ist es sogar möglich, dass der „Verkäufer“ an den „Käufer“ zahlen muss, weil sich der Basiswert in eine bestimmte Richtung verändert hat. Der Vertrag über einen Future weicht daher vom Paradigma des Kaufvertrags so weit ab, dass man ihn juristisch nicht mehr in diese Kategorie einordnen kann. Er ist nicht auf einen Gegenstand bezogen. Es handelt sich vielmehr um ein Finanzierungsinstrument. Der Future erlaubt, ähnlich wie eine Option, am Gewinn und Verlust eines Referenzwerts teilzuhaben, ohne diesen erwer-

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Kümpel, Rdnr. 14.154. Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 106 Rdnr. 47. 56 Kümpel, Rdnr. 14.163; ders., WM 1989, 1313 (1318). 57 Kümpel, Rdnr. 14.176 f.; ders., WM 1989, 1313 (1319 f.). Zustimmend Menninger, WM 1994, 970 (973). 58 Vgl. Digesten 18, 1, 8. Näher Kaser/Knütel, Römisches Privatrecht, S. 257 f.; Biondi, Istituzioni di diritto romano, S. 485. 55

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

ben zu müssen. Gegenstand des Vertrags ist daher nicht eine Hoffnung, sondern die Entwicklung eines Basiswerts, sei sie positiv oder negativ.

b) Spiel oder Wette Wie gesehen ist es für Futures typisch, dass die Erfüllung ausgeschlossen ist. Daher handelt es sich um sogenannte offene Differenzgeschäfte. Diese waren unter der Geltung des früheren § 764 BGB als Spiel anzusehen59. Nach dem Wegfall des § 764 BGB sollen sie nach verbreiteter Meinung unmittelbar dem § 762 BGB unterfallen60 . Damit wären sie unverbindlich. Der Frage, ob es sich bei Futures tatsächlich um ein Spiel handelt, wurde früher große Bedeutung beigemessen. Diese hat sie allerdings durch § 37e S. 1 WpHG weitgehend verloren, der die Geltung des § 762 BGB für Finanztermingeschäfte ausdrücklich ausschließt. Zu den Finanztermingeschäften im Sinne des § 37 e S. 1 WpHG gehören gemäß § 37e S. 2 i.V.m. § 2 II WpHG auch die meisten Futures. Die erfassten Typen sind in den letzten Jahren stark ausgeweitet worden. Dazu zählen nunmehr zum Beispiel auch Kontrakte auf Klima- oder andere physikalische Variablen, Inflationsraten oder andere volkswirtschaftliche Variablen sowie auf sonstige Vermögenswerte, Indices und Messwerte61. Dennoch bleibt die Frage, ob Futures als Spiel oder Wette angesehen werden können, nicht nur von theoretischer Bedeutung. Vielmehr wird sie praktisch, sobald die Parteien einen Future über einen Basiswert abschließen, der nicht in § 2 II WpHG vorgesehen ist. Denn dann muss man entscheiden, ob das Geschäft verbindlich ist oder nicht. Die Frage ist auch für Optionen relevant. Daher soll sie hier für Optionen und Futures gemeinsam erörtert werden. Der Wortlaut des § 762 I 1 BGB liefert kaum Anhaltspunkte. Was ein Spiel oder eine Wette ist, wird nicht bestimmt. Die Begriffe sind möglicherweise sogar undefinierbar. Nicht ohne Grund hat Ludwig Wittgenstein in seinem Spätwerk das „Spiel“ als Paradebeispiel für die Unbestimmtheit der Sprache benutzt62 . Dennoch werden von juristischer Seite verschiedene Definitionen geliefert. Als Eigenschaften des Spiels wird etwa hervorgehoben, dass die Geschicklichkeit eines der beiden Partner über den Ausgang entscheidet, oder dass ihm Unterhaltungswert zukommt63. Dies trifft jedoch für Optionen und Futures nicht zu. Auch das immer wieder genannte Merkmal, ein Spiel hänge vom Zufall

59 Häuser/Welter, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 16 Rdnr. 172; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 539. 60 Vgl. Habersack, in: MünchKomm-BGB, § 762 Rdnr. 10; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 538. Zur Reform ausf. Schäfer/Lang, BKR 2002, 197–212. 61 Vgl. § 2 II Nr. 2 WpHG. 62 Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Rdnrn. 66–71. 63 Habersack, in: MünchKomm-BGB, § 762 Rdnr. 7; Palandt/Sprau, § 762 Rdnr. 2.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

105

ab64 , ist bei ihnen nicht zweifelsfrei erfüllt. Denn als Basiswert liegt der Option und dem Future meist ein Durchschnittspreis zugrunde, der sich aus der Gesamtheit der an der Börse abgeschlossen Geschäfte ergibt. Diese Geschäfte sind menschliche Handlungen. Sie entsprechen daher gerade nicht der klassischen Definition von „Zufall“. Allenfalls kann man sagen, dass es sich um unvorhersehbare Ereignisse handele. Über die Wette wird gesagt, bei ihr versprächen die Vertragspartner zur Bekräftigung widerstreitender Behauptungen demjenigen einen Gewinn, dessen Behauptung sich als richtig erweist65. Diese Begriffsbestimmung deckt Optionen und Futures ebenfalls nicht ab. Denn es lässt sich schlechthin nicht sagen, dass sie zur Bekräftigung widerstreitender Behauptungen dienten. Mit diesen Finanzprodukten wird nicht um die Richtigkeit einer Behauptung gestritten, sondern für ein Risiko vorgesorgt. Danach kann die Auffassung, die Optionen und Futures als Spiele oder Wetten qualifiziert, nicht überzeugen. Dennoch hat sie in der Rechtsprechung eine lange Tradition. Schon das Reichsgericht vertrat, dass es sich bei Geschäften, die den durch die zufällige Gestaltung des Preises sich ergebenden Preisunterschied zum Gegenstand haben, um ein „reines Spielgeschäft“ handele66 . Damit kam es einer verbreiteten Meinung in der Bevölkerung entgegen, die bisweilen Geschäfte mit hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt als eine Art des Spiels oder der Wette ansieht und diese als „Spekulation“ pauschal ablehnt. Längst haben jedoch die Wirtschaftswissenschaften nachgewiesen, dass Terminspekulanten volkswirtschaftlich nützliche Funktionen erfüllen67. So können sie Kursschwankungen abmildern und den Marktpreis näher an die tatsächlichen Gegebenheiten heranführen. Auch das Reichsgericht konnte sich einigen nützlichen Funktionen nicht verschließen. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1923 sah es ein Hedgegeschäft, das ein Produzent zur Vermeidung von Risiken einer ungünstigen Kursentwicklung der für seine Produktion notwendigen Rohstoffe geschlossen hatte, als verbindlich an, weil jede andere Auffassung zu Ergebnissen führe, „die mit den Bedürfnissen eines gesunden Wirtschaftsverkehrs unvereinbar sind“68 . In der Literatur hat sich daraus die Ansicht gebildet, Termingeschäfte seien wirksam, wenn sie „volks- oder privatwirtschaftlich

64

KG, Urt. v. 8.1.1988 – 17 U 6019/86, WM 1989, 669 (673); Staudinger/Engel, § 762 Rdnr. 3; Habersack, in: MünchKomm-BGB, § 762 Rdnr. 7; Palandt/Sprau, § 762 Rdnr. 2; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 427. 65 Staudinger/Engel, § 762 Rdnr. 4; Palandt/Sprau, § 762 Rdnr. 3; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 427. 66 RG, Urt. v. 8.10.1902 – Rep. I 145/02, RGZ 52, 250 (251); Urt. v. 26.2.1935 – II 241/34, RGZ 147, 112 (114 f.). 67 Vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S. 452; Samtleben, in: Hopt/Rudolph/ Baum, Börsenreform, S. 480; Vauplane/Bornet, Droit de la bourse, S. 158. 68 RG, Urt. v. 28.3.1923 – I 420/17, RGZ 107, 22 (24).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

nützlichen oder sogar unentbehrlichen Geschäften dienen“69. Umgekehrt wird für ein Spiel vorausgesetzt, dass ein „ernster sittlicher oder wirtschaftlicher Geschäftszweck fehlt“70 . Richtigerweise sollte man vom Zweck des § 762 BGB ausgehen. Dieser besteht entgegen der herrschenden Meinung nicht darin, die Vertragspartner vor den unkalkulierbaren Risiken aleatorischer Verträge zu schützen oder die Spielleidenschaft einzudämmen71. Ein solcher Gesetzeszweck wirkt anachronistisch in einer Gesellschaft, die jedes Individuum grundsätzlich als selbstverantwortlich ansieht und die zudem zahlreiche Formen gültiger Spielverträge kennt. Vielmehr kann man das telos des § 762 BGB heute nur darin sehen, staatliche Organe von der Notwendigkeit zu befreien, aus privaten Vergnügungen eingegangene Verpflichtungen durchzusetzen. Wirtschaftlich berechtigten Geschäften darf die Rechtsordnung dagegen die Wirksamkeit nicht versagen. Die jahrzehntelange Diskriminierung der Termingeschäfte sollte daher beendet werden. Sie unterfallen nicht dem Spieleinwand. Eine Reihe wirtschaftlich berechtigter Geschäfte mit hinausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt wird in § 2 II WpHG aufgezählt. Das ist im Sinne der Rechtsklarheit zu begrüßen. Doch sollte man diese Liste nicht als abschließend auffassen. Auch andere Futures oder Optionen können wirksam sein. Der Umkehrschluss aus § 37e S. 1 WpHG ist nicht gestattet. Nicht jedes Instrument, das im WpHG nicht genannt wird, unterfällt automatisch dem Spieleinwand. Vielmehr ist es zunächst auf seine wirtschaftliche Berechtigung zu überprüfen. Dabei sollte man großzügig verfahren. Die Vorstellung des Richters vom wirtschaftlichen Sinn eines Geschäfts darf nicht die Urteilskraft der Marktteilnehmer verdrängen. Übrig bleibt noch eine Frage des Stils: Der Gesetzgeber erweckt in § 37e S. 1 WpHG den Eindruck, als fielen Finanztermingeschäfte unter den Begriff des Spiels oder der Wette. Tatsächlich aber erfüllen die in § 2 II WpHG genannten Geschäfte, wie gesehen, wichtige wirtschaftliche Funktionen. Sie sind daher kein „Spiel“. Die Vorschrift des § 37e S. 1 WpHG sollte deshalb besser lauten: „Finanztermingeschäfte, bei denen mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschließt oder deren Abschluss vermittelt oder die Anschaffung, Veräußerung oder Vermittlung von Finanztermingeschäften betreibt, sind nicht als Spiel oder Wette im Sinne des § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzusehen“.

69 70 71

Staudinger/Engel, § 764 Rdnr. 18. Palandt/Sprau, § 762 Rdnr. 2. Vgl. Habersack, in: MünchKomm-BGB, § 762 Rdnr. 1 m.w.Nachw.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

107

c) Vertrag sui generis Aufgrund der Unmöglichkeit der Zuordnung zu einer der bekannten Vertragstypen wird der Future auch als Vertrag „sui generis“ eingeordnet72 . Doch erfasst selbst diese „Qualifikation“ seine Realität nicht ganz. Denn sie macht nicht hinreichend klar, dass der Future bereits selbst Vermögensgegenstand ist. Er wird wie eine Ware gehandelt. Er hat einen gegenwärtigen Wert. Insofern gleicht er eher den Wertpapieren als den schlicht zweiseitigen Verträgen.

4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Im Kapitalmarktrecht ordnet man die Futures anders als im Zivilrecht ein. Soweit sie sich auf einen der in § 2 II Nr. 1, 2 oder 5 WpHG genannten Basiswerte beziehen, unterfallen sie dem Begriff des Derivats in § 2 II WpHG. Deutlich wird diese Einordnung insbesondere in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets for Financial Instruments Directive – MiFID)73, welche der neue § 2 II WpHG umsetzen soll74. In ihrem Anhang I C Nr. 4–7 und 10 sind Futures ausdrücklich genannt. Als Derivat ist der Future zugleich Finanzinstrument gemäß § 2 IIb WpHG. In dieselbe Kategorie gehört auch das Wertpapier. Das Kapitalmarktrecht behandelt beide gleich.

5. Folgerungen Futures sind neue Kapitalmarktprodukte. Sie sind Derivate und damit Finanzinstrumente. Sie stehen auf halbem Wege zwischen schuldrechtlichen Verträgen und Vermögensgegenständen. Insoweit sind sie den Wertpapieren ähnlich. Doch passt der Future nicht in die Dogmatik des Wertpapierrechts. Einerseits wird er nicht verbrieft, andererseits entspricht er nicht dem wertpapierrechtlichen numerus clausus.

72 Schäfer, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 17 Rdnr. 25. 73 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 74 Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz), BR-Drucks. 833/06, S. 124.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

III. Zertifikate In den letzten Jahren haben Zertifikate vor allem auf dem deutschen Kapitalmarkt enorme Bedeutung erlangt. Es gibt eine Vielfalt unterschiedlicher Produkte, zum Beispiel Index-, Discount-, Basket-, Bonus-, Turbo-, Garantie- und Outperformance-Zertifikate, um nur einige zu nennen. Beinahe täglich kommen neue Angebote hinzu75. Die Kreativität der Anbieter scheint nahezu unbegrenzt.

1. Wirtschaftliche Grundlagen Zertifikate sind Anlageprodukte. Kennzeichnend für sie ist ebenso wie für Optionen und Futures, dass der Auszahlungsbetrag von einem bestimmten Basiswert (underlying) abhängt. Er kann sehr verschieden sein. Es kann sich etwa um einen Index handeln oder um eine Aktie, einen Korb von Aktien, den Preis eines Rohstoffs, einen Wechselkurs oder einen Zinssatz. Der Anleger erwirbt nicht den zugrundeliegenden Basiswert, sondern ein Recht auf Auszahlung einer Summe, deren Höhe von der Entwicklung des Basiswerts abhängt. Zur Illustration der Wirkungsweise von Zertifikaten seien hier einige Beispiele genannt. Beim Discountzertifikat investiert der Anleger in eine Aktie. Allerdings erwirbt er nicht diese selbst, sondern das Recht, vom Emittenten des Zertifikats eine Zahlung zu verlangen, die dem Börsenpreis der Aktie entspricht. Das Discountzertifikat ist deshalb für den Anleger interessant, weil er es zu einem Preis erwerben kann, der unterhalb des aktuellen Kurses des Basiswerts liegt. Dem stehen allerdings Nachteile gegenüber. Meist erhält der Anleger nichts von den Ausschüttungen der Aktiengesellschaft. Außerdem sind seine Gewinnmöglichkeiten häufig durch einen im Vorhinein definierten Punkt, den sogenannten „cap“, begrenzt. Steigt der Kurs des Basiswerts über diesen Punkt, so partizipiert er nicht mehr von der positiven Entwicklung. Anders funktioniert das Bonuszertifikat. Bei ihm erwirbt der Anleger das Recht auf einen vereinbarten Bonus, solange der Basiswert eine vorher definierte Kursschwelle, den „floor“, nicht unterschreitet. Ist letzteres der Fall, verfällt der Bonus. Der Anleger bekommt den Basiswert oder ihm wird dessen aktueller Marktpreis ausgezahlt. Wieder anders sind Garantiezertifikate gestaltet. Bei ihnen sichert der Emittent dem Anleger eine gewisse Mindestauszahlung zu. Im Gegenzug schränkt er ähnlich wie bei Discountzertifikaten die Partizipation des Anlegers an den Gewinnen der zugrundeliegenden Aktie ein.

75

Vgl. Mülbert, WM 2007, 1149.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

109

Besonders gefährlich sind Turbo-Zertifikate: Bei ihnen verfällt das gesamte eingesetzte Kapital, wenn eine bestimmte Kursschwelle über- oder unterschritten wird. Man nennt sie daher auch „Knock-out-Zertifikate“. Diese kurze Skizze soll genügen, um die vielfältigen Anlagemöglichkeiten anzudeuten, die Zertifikate eröffnen. Die Beispiele zeigen, dass ihre Bedingungen recht komplex sein können. Man bezeichnet sie daher zuweilen auch als „strukturierte Produkte“76 . Zertifikate sind Kapitalmarktprodukte einer neuen Generation. In der Regel sind sie aus zwei oder mehr bereits bekannten Finanztiteln zusammengesetzt. So kann man etwa ein Discount-Zertifikat in einen Forward auf eine Aktie und eine Verkaufsoption über dieselbe Aktie zerlegen. Durch neue Kombinationen entstehen ständig neue Produkte. Dabei ist der Begriff „Kombination“ nur als Bild zu verstehen. Tatsächlich werden keine Produkte kombiniert, sondern Bedingungen für die Auszahlung festgelegt. Der Basiswert des Zertifikats muss kein Kapitalmarktprodukt sein, sondern kann auch außerhalb der Börsenwelt liegen. Mit Zertifikaten lassen sich grundsätzlich alle zukünftigen Entwicklungen abbilden, zum Beispiel auch die Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen oder terroristischen Attentaten. Zertifikate werden daher unter anderem von der Versicherungsindustrie genutzt, um von ihr übernommene Risiken auf den Kapitalmarkt zu übertragen. Der typische Emittent sind jedoch Banken. Mit Hilfe des Zertifikats bündeln sie Risiken ihrer Großkunden und geben sie an die andere Marktseite weiter. Sie fungieren damit als Mittler zwischen der Industrie und den Kapitalanlegern. Aus ökonomischer Sicht verteilen sie durch das Zertifikat Risiken einzelner Unternehmen auf die breiteren Schultern der Investoren am Kapitalmarkt. Zertifikate werden an der Börse gehandelt. Sie können täglich ge- und verkauft werden. Allerdings darf man sich den Verkauf durch einen Anleger nicht wie bei einer Aktie oder Schuldverschreibung vorstellen. Er erfolgt vielmehr durch Rückgabe an den Emittenten. Dieser verpflichtet sich in den Emissionsbedingungen, die Zertifikate zu einem von ihm festgesetzten Preis zurückzunehmen. Bei der Preisbestimmung darf er nicht willkürlich handeln, sondern muss sich auf den jeweiligen Basiswert stützen.

2. Verbriefung Der Name „Zertifikate“ täuscht. Die so bezeichneten Produkte werden regelmäßig nicht in individuellen Wertpapieren verbrieft. Stattdessen stellt man eine Globalurkunde aus, die alle emittierten Titel vertritt. Der Anleger erhält lediglich eine Gutschrift in seinem Wertpapierdepot.

76

Siehe Wohlfahrt/Brause, WM 1998, 1859 (1861).

110

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Wenn keine individuellen Urkunden vorhanden sind, warum spricht man dann von „Zertifikaten“? Mit dem Begriff soll eine Verlegenheit behoben werden. Für die mit ihm beschriebenen Produkte lassen sich kaum griffige Bezeichnungen finden. Es handelt sich um Finanztitel, die zum Teil sehr komplexe Strukturen aufweisen. Sie sind künstliche Kreationen, für die es in der realen Welt keine Entsprechung gibt. Auch einfache juristische Termini, mit denen sie sich kennzeichnen ließen, existieren nicht. Wie soll man zum Beispiel ein Discount-Produkt mit einem cap kurz und für den Normalbürger verständlich in einem Begriff beschreiben? Dazu eignet sich der Ausdruck Zertifikat aus mehreren Gründen. Zunächst lassen sich wegen seiner Unbestimmtheit eine Vielfalt von Produkten mit ihm beschreiben. Ein „Zertifikat“ kann beinahe alles sein. Darüber hinaus hat der Begriff den Vorteil, dass er den Anschein eines körperlichen Gegenstands erweckt. Dem Erwerber wird damit das Gefühl gegeben, er habe mehr als einen bloßen Anspruch gegen den Emittenten erlangt. Sagte man den Anlegern, dass sie eine Schuldverschreibung gegen den Emittenten erwerben, so würden die meisten vor dem Kauf zurückschrecken. Zugleich verbindet man mit dem Ausdruck „Zertifikat“ intuitiv eine gewisse Sicherheit. Wer zum Beispiel ein Gemälde kauft, über dessen Echtheit er nicht sicher ist, wird sich diese „zertifizieren“ lassen. Der Eindruck einer Art von Garantie schwingt stets mit, wenn man von einem „Zertifikat“ spricht. Wie sehr er täuschen kann, hat sich im Jahr 2008 während der Finanzmarktkrise gezeigt, die die Insolvenz wichtiger Emittenten zur Folge hatte.

3. Zivilrechtliche Einordnung In der Praxis werden Zertifikate in der Form der Inhaberschuldverschreibung begeben. Die Einordnung unter § 793 BGB ist allerdings bedenklich. Zwar ist dem Zertifikat ein Element der Anleihe eigen, weil der Anleger dem Emittenten bis zum Auszahlungszeitpunkt Kredit gewährt. Daher besteht ein Emittentenrisiko. Doch ist dies nicht das einzige Risiko des Zertifikats. Wichtig ist vielmehr auch, dass die vom Emittenten geschuldete Leistung im Zeitpunkt der Begebung nicht feststeht. Wie bei der Option ist die Zahlungsverpflichtung bedingt. Sie ist vom Basiswert abhängig. Anders als der Erwerber einer Schuldverschreibung kauft der Anleger beim Zertifikat nicht die sichere Aussicht auf einen im Vorhinein bestimmten Betrag. Vielmehr tauscht er sein Geld gegen die Entwicklung eines Werts ein, mit allen Chancen und Risiken. Die Natur des Zertifikats ist daher sehr unterschiedlich, je nachdem, auf welchen Basiswert es sich bezieht. Dabei kann es sich um eine Aktie, eine Schuldverschreibung oder eine sonstige Variable, wie etwa den Ausgang eines Sportereignisses, handeln. Auf diesen Basiswert sollte sich die juristische Diskussion stärker konzentrieren, denn er ist ausschlaggebend für die besondere Struktur

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

111

des Zertifikats. Schenkt man ihm mehr Aufmerksamkeit, so tritt die Natur des Zertifikats klar zu Tage: Es handelt sich um einen Vertrag zur Verteilung von Risiken zwischen Emittent und Anleger. Insoweit steht es der Option und dem Future näher als der Schuldverschreibung.

4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Trotz der Ähnlichkeit mit den Derivaten wird das Zertifikat im Kapitalmarktrecht nicht als solches qualifiziert. Das WpHG knüpft die Einordnung als Derivat in den praktisch wichtigsten Fällen daran, dass ein „Termingeschäft“ vorliegt77. Die herrschende Meinung sieht jedoch Zertifikate nicht als Termingeschäfte an. Die grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dieser Frage stammt aus dem Jahre 2004. Darin lehnen es die Karlsruher Richter ab, Geschäfte über Indexzertifikate als Termingeschäfte einzuordnen 78 . Zur Begründung stellen sie maßgeblich darauf ab, dass ihrer Ansicht nach der Erfüllungszeitpunkt nicht hinausgeschoben sei. Der Leistungsaustausch erfolge vielmehr wie bei einem gewöhnlichen Kassageschäft, denn die Schuldverschreibung werde Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises übertragen. Die spätere Rückzahlung an den Erwerber stehe dem nicht entgegen, denn durch sie erfülle der Emittent nicht etwa den Erwerbsvertrag über das Zertifikat, sondern die durch die Schuldverschreibung begründete Forderung. Das ist jedoch eine rein begrifflich-konstruktive Argumentation. Zu sagen, dass durch die Rückzahlung nicht der ursprüngliche Vertrag, sondern die durch die Schuldverschreibung begründete Forderung erfüllt werde, ist nicht mehr als ein Verweis auf die vom Emittenten gewählte rechtliche Einkleidung. Die wirtschaftlichen Realitäten zeigen in die entgegengesetzte Richtung. Für den Anleger ist das Recht auf die Zahlung des Emittenten entscheidend. Dieses Recht will er erwerben, wenn er das Zertifikat kauft. Tatsächlich gesehen ist die Erfüllung der Verpflichtung des Emittenten daher sehr wohl zeitlich hinausgeschoben. Allerdings besteht ein Unterschied etwa zur Option darin, dass zumindest der Anleger seine Leistung sofort nach Abschluss des Vertrags erbringen muss. Der BGH zieht daraus die Schlussfolgerung, dem Indexzertifikat fehle die für Termingeschäfte spezifische Gefährlichkeit79. Denn der Anleger werde nicht dazu verleitet, ohne oder mit verhältnismäßig geringem Einsatz eigenen Vermögens und ohne Aufnahme eines förmlichen Kredits auf Gewinn zu spekulieren. Sein Verlustrisiko sei auf den Kaufpreis für die Schuldverschreibung be77 78 79

Siehe § 2 II Nr. 1–2, 5 WpHG. BGH, Urt. v. 13.7.2004 – XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58 (zu § 53 I BörsG a.F.). BGH a.a.O., S. 62.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

grenzt, den er sofort bei Vertragsschluss entrichte. Es bestehe daher nicht die Gefahr, dass er planwidrig zusätzliche Mittel einsetzen müsse80 . Richtig ist daran, dass im Vergleich zur Option oder zum Future die Spekulationslust eingedämmt wird, weil der Anleger den erforderlichen Betrag sogleich aufbringen muss. Doch ist es blauäugig, darüber hinwegzusehen, dass Zertifikaten ein erhebliches spekulatives Element innewohnt. Genauso wie Optionen und Futures können sie in der Hoffnung auf steigende oder fallende Gewinne eingesetzt werden. Ihre Entwicklung kann überproportional zu der des zugrundeliegenden Basiswerts sein. Gleichwohl betont der BGH, es fehle bei den Zertifikaten an der für Termingeschäfte spezifischen Hebelwirkung81. Das Argument trifft zwar für manche Indexzertifikate zu, ist aber nicht verallgemeinerungsfähig. Zum Beispiel kann der Anleger mit Turbo- oder Knock-out-Zertifikaten einen beträchtlichen leverage-Effekt erzielen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Hebelwirkung nach der neuen Definition des Termingeschäfts in § 2 II Nr. 1 WpHG keine Rolle mehr spielt. Ähnliche Einwände gelten für die Behauptung der obersten deutschen Zivilrichter, bei Zertifikaten bestehe das Risiko des Totalverlusts nicht in dem für Termingeschäfte typischen Maße82 . So kann der Anleger mit Turbo- oder Knock-out-Zertifikaten ein ebenso großes Risiko wie mit Optionen oder Futures eingehen, seine gesamte Investition zu verlieren. Außerdem kommt es nach der Neufassung des § 2 II Nr. 1 WpHG auf das Risiko des Totalverlusts für die Einordnung als Termingeschäft nicht mehr an. Schließlich verweist der BGH darauf, dass der Erwerb des Zertifikats einem ähnlichen wirtschaftlichen Zweck diene wie der Direkterwerb von Aktien83. Auch hier muss man jedoch differenzieren: Das Argument des BGH kann allenfalls für einige Zertifikate auf Aktienindizes gelten. Es lässt sich nicht auf andere Zertifikate übertragen, mit denen der Anleger ganz verschiedene wirtschaftliche Zwecke verfolgen kann, zum Beispiel die Spekulation auf eine Erhöhung der Zinsen, auf Insolvenzen von Unternehmen, die Entwicklung des Rohölpreises, Erträge von Hedgefonds oder fallende Aktienkurse84. Zertifikate lassen sich zu sehr unterschiedlichen Zielen einsetzen; gerade deshalb sollte man sie nicht vorschnell von der Klassifikation als Termingeschäft ausnehmen. Außerdem spielt der mit dem Produkt verfolgte wirtschaftliche Zweck nach dem neu gefassten § 2 II Nr. 1 WpHG keine Rolle mehr. Der Bundesgerichtshof steht mit seiner Ansicht, Indexzertifikate seien keine Termingeschäfte, allerdings nicht allein. Auch die Bundesregierung teilt sie und 80 81 82 83 84

BGH, Urt. v. 13.7.2004 – XI ZR 178/03, BGHZ 160, 58 (63). Ebda. Ebda. Ebda. Zu letzterem vgl. Meixner, BuW 2001, 423 (426).

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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geht sogar noch darüber hinaus. In der Begründung des Regierungsentwurfs zum vierten Finanzmarktförderungsgesetz lässt sie en passant verlauten, dass die „in der Praxis weit verbreiteten Zertifikate auf Aktienkörbe und Aktienindices“ nicht als Termingeschäfte einzuordnen seien85. Zur Begründung führt sie an, solche Zertifikate verbrieften lediglich Kassapositionen. Damit macht sie sich die Position zu eigen, beim Verkauf eines Zertifikats handele es sich um die Veräußerung einer Schuldverschreibung. Dieses Argument wurde bereits oben als rein begrifflich-konstruktiv verworfen. Außerdem stützt sich die Bundesregierung darauf, dass die von ihr genannten Zertifikate weder Charakteristika des Fest- noch des Optionsgeschäfts aufwiesen. Auch dies vermag nicht zu überzeugen. Denn Basket- und Indexzertifikate richten sich auf eine Zahlung in der Zukunft, deren Höhe im Moment des Geschäftsabschlusses nicht vorhersehbar ist, sondern von äußeren Ereignissen abhängt. Sie ähneln insoweit den Festgeschäften. Außerdem gibt es einige von der Bundesregierung nicht erwähnte Zertifikate, die zum Teil deutliche Verwandtschaft mit den Optionen aufweisen. So kann der Emittent eines Bonus-Zertifikats die geschuldete Zahlung unter gewissen Umständen durch die Lieferung des zugrundeliegenden Basiswerts ersetzen. Zumindest diese Produkte müsste man daher als Termingeschäfte ansehen. Allerdings enthält der Regierungsentwurf eine wichtige Aussage, die einer Einordnung von Zertifikaten in die Kategorie der Termingeschäfte grundlegend entgegenzustehen scheint. Ihm zufolge soll es nicht genügen, dass Finanzprodukte Bestandteile enthalten, die einzeln betrachtet termingeschäftlichen Charakter haben. Vielmehr müsse das Instrument „als Ganzes“ als Termingeschäft anzusehen sein86 . Diese Ansicht trifft auf das von der Bundesregierung genannte Beispiel der Wandelschuldverschreibung zu, bei der die Option dem Anleger als ein „Extra“ hinzugegeben wird. Sie kann jedoch nicht für strukturierte Produkte gelten, bei denen Elemente eines Termingeschäfts eingebaut sind. Denn diese Elemente verändern die Verpflichtung des Emittenten grundlegend. Die Rückzahlung wird insgesamt unsicher. Ähnlich wie bei einer Option oder einem Future kann der Anleger beim Zertifikat die Risiken aus der Entwicklung eines bestimmten Werts oder dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses tragen. Zertifikate sollten daher als das angesehen werden, was sie sind: Termingeschäfte. Sie gehören folglich zu den Derivaten. Das gilt entgegen der Ansicht des BGH und der Bundesregierung selbst für Indexzertifikate. Denn diese führen nicht zum Erwerb des underlying, auf das sie sich beziehen, sondern sind von diesem nur abgeleitet. Es handelt sich daher nicht um Kassageschäfte, sondern 85 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BT-Drucks. 14/8017, S. 85. 86 Ebda.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

um Termingeschäfte. Dass die Risiken bei ihnen im Einzelfall geringer sind als bei anderen, ändert an ihrer derivativen Natur nichts.

5. Folgerungen Die hier vorgeschlagene Einordnung hat zunächst Konsequenzen für das Kapitalmarktrecht. Das Zertifikat ist, wenn es sich auf einen der in § 2 II Nr. 1, 2 oder 5 WpHG genannten Basiswerte bezieht, Derivat im Sinne des § 2 II WpHG und daher Finanzinstrument nach § 2 IIb WpHG. Auf Derivate sind gemäß § 37e S. 2 WpHG die Vorschriften über Finanztermingeschäfte anwendbar. Das Zertifikat ist daher verbindlich, wenn es sich auf einen der in § 2 II Nr. 1, 2 oder 5 WpHG i.V.m. Artikel 39 der Verordnung (EG) Nr. 1287/200687 genannten Basiswerte bezieht. Ist dies nicht der Fall, dann versagt der Ausschluss des § 37e S. 1 WpHG. Der Anleger kann gegen die Verbindlichkeit aus dem Zertifikat den Einwand aus § 762 BGB geltend machen, wenn es keinem wirtschaftlich berechtigten Zweck dient. Damit lassen sich eine Reihe von Produkten aus dem Kapitalmarkt eliminieren, die Spiel- oder Wettcharakter haben, etwa solche, bei denen die vom Emittenten geschuldete Zahlung vom Ausgang eines Sportereignisses abhängt. Außerdem greift nach der hier vorgeschlagenen Einordnung des Zertifikats die in § 37g WpHG enthaltene Ermächtigung des Bundesfinanzministeriums. Dieses kann daher einzelne Arten durch Rechtsverordnungen verbieten oder beschränken. Angesichts der Auswüchse im Zertifikatemarkt ist das zu begrüßen. Mittlerweile finden sich dort zahlreiche Produkte, die kapitalmarktrechtliche Regelungen umgehen. Zum Beispiel bietet man Zertifikate an, bei denen die Zahlungspflicht des Emittenten an den Ertrag von Hedgefonds geknüpft ist. Das verstößt zwar nicht formal gegen das Verbot des § 112 II InvG, weil keine Anteile an Single-Hedgefonds vertrieben werden; doch wird sein Zweck unterlaufen, weil die Anlage in das Zertifikat genauso gefährlich ist wie die in den Hedgefonds selbst. Um diesen Praktiken einen Riegel vorschieben zu können, erscheint die Ermächtigung in § 37g WpHG nützlich. Daher ist ihre Anwendbarkeit zu begrüßen. Etwas unerfreulich ist dagegen, dass bei der hier vorgeschlagenen Einordnung auch die in § 37h WpHG vorgesehene Einschränkung der Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen für Streitigkeiten aus Finanztermingeschäften auf Zertifikate zur Anwendung kommt. Unerfreulich ist dies deshalb, weil das Ver-

87 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission v. 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABlEU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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bot sowohl gegen Völker- als auch gegen Gemeinschaftsrecht verstößt88 . Doch sollte man dieses Problem nicht dadurch beheben, dass man den Begriff des Finanztermingeschäfts möglichst eng auslegt. Stattdessen ist § 37h WpHG wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts unanwendbar. Aus zivilrechtlicher Sicht schließlich hat die Einordnung als Derivat zur Folge, dass das Zertifikat nicht länger als Inhaberschuldverschreibung im Sinne des § 793 BGB angesehen werden kann. Das ist jedoch nicht zu bedauern. Ohnehin war diese Form nur ein Deckmantel, unter dem etwas ganz anderes verkauft wurde. Aus der Unanwendbarkeit der §§ 793–806 BGB folgt zugleich, dass über das Zertifikat nicht länger eine Globalurkunde ausgestellt werden muss. Denn da es sich nicht um eine Inhaberschuldverschreibung handelt, ist ein Papier unnötig. Allerdings muss nach der hier vertretenen Einordnung eine neue Rechtsgrundlage für die Berechtigung zur Begebung von Zertifikaten gefunden werden. Diese Grundlage kann nur die Vertragsfreiheit in § 311 I BGB sein. Dem scheint zu widersprechen, dass das Zertifikat Finanzinstrument und damit den Wertpapieren ähnlich ist. Für letztere gilt der numerus clausus. Wie kommt der Emittent dazu, neue Finanzinstrumente ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung zu schaffen? Die Frage betrifft den Umfang der Privatautonomie. Sie ist anderenorts zu beantworten89.

IV. Investmentanteile 1. Wirtschaftliche und rechtliche Grundlagen Investmentfonds dienen der gemeinschaftlichen Kapitalanlage. In ihnen bündeln mehrere Investoren ihr Kapital. Durch das größere Volumen ist es ihnen möglich, Objekte zu finanzieren, die sie allein nicht erwerben könnten. Außerdem erlaubt ihnen der Fonds, ihr Risiko besser zu streuen. Dies lässt sich erst ab einer bestimmten Investitionsgröße bewerkstelligen, die durch die Bündelung des Kapitals leichter erreicht werden kann. Ein weiterer Vorteil des Investmentfonds besteht darin, dass das gesammelte Kapital von einer dritten Person investiert wird. Der Anleger braucht sich daher um die einzelnen anzuschaffenden Vermögensgegenstände nicht zu kümmern. Diese Charakteristika des Investmentfonds lassen sich kurz mit den drei Schlagworten Kollektivanlage, Risikodiversifizierung und Fremdverwaltung zusammenfassen90 .

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Vgl. Lehmann, SchiedsVZ 2003, 219 (223–225); Jordans, EuZW 2007, 655–659. Siehe u. S. 358 ff. 90 Vgl. Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnr. 1; Karsten Schmidt, in: MünchKomm-BGB, § 741 Rdnr. 53. 89

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Es gibt verschiedene Arten der Investmentfonds. Der Markt unterscheidet zwischen offenen und geschlossenen91. Bei offenen Investmentfonds können beliebig viele Anleger eintreten oder ausscheiden. Bei geschlossenen Investmentfonds ist die Anzahl der Investoren dagegen begrenzt; die Anteile können nur unter engen Bedingungen zurückgegeben werden. Das Investmentgesetz erfasst lediglich einen Teil der in der Realität existierenden Formen der kollektiven Vermögensverwaltung. Es basiert auf einem formalen Investmentbegriff: Ihm unterfallen nur diejenigen Fonds, die nach Maßgabe der Vorschriften des Gesetzes verwaltet werden92 . Ausgespart bleiben alle anderen Anlagemodelle, die dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt“ zugehören93. Das Gesetz sieht für die Organisation des Fonds zwei verschiedene Formen vor: die Kapitalanlagegesellschaft94 und die Investmentaktiengesellschaft95. Beide entsprechen zwei grundlegend unterschiedlichen Konstruktionen des Verhältnisses zwischen Anleger und Gesellschaft, die man auch als „Vertragstyp“ und als „Gesellschaftstyp“ bezeichnet96 . Beim Vertragstyp erwirbt eine Kapitalanlagegesellschaft mit dem Geld der Anleger Wertpapiere oder andere Vermögensgegenstände und bildet daraus ein Sondervermögen. Im Gegenzug erhält der Anleger Ansprüche gegen die Gesellschaft und bestimmte Rechte hinsichtlich des Sondervermögens. Dagegen wird der Anleger beim Gesellschaftstyp Mitglied einer Investmentaktiengesellschaft. Er verpflichtet sich, ihr ein bestimmtes Kapital zur Verfügung zu stellen. Dafür erlangt er Mitgliedschaftsrechte, zu denen unter anderem Gewinnansprüche gegen die Gesellschaft gehören. Das Gesetz behält den Begriff des „Investmentfonds“ den von einer Kapitalanlagegesellschaft verwalteten Sondervermögen vor97. Der landläufige Sprachgebrauch bezeichnet dagegen auch Investmentaktiengesellschaften als „Investmentfonds“ oder einfach „Fonds“. Hinsichtlich der „Investmentfonds“ im rechtlichen Sinne, also der von einer Kapitalanlagegesellschaft gebildeten Sondervermögen, unterscheidet das Gesetz zwischen Publikums- und Spezial-Sondervermögen98 . Letztere haben nur juristische Personen oder Personengesellschaften als Anleger; alle anderen

91

Vgl. dazu Baur, Investmentgesetze I, Rdnrn. 75–80; Köndgen/Schmies, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnrn. 10 f. 92 Siehe § 1 S. 1 Nr. 1 InvG. 93 Krit. dazu etwa Zetzsche, ZBB 2007, 438 (451). 94 § 2 VI InvG. 95 § 2 V InvG. 96 Kümpel, Rdnrn. 12.53, 12.59. 97 § 2 II InvG. Die Bezeichnung darf aber auch von bestimmten sonstigen Gesellschaften geführt werden, vgl. § 3 I InvG. 98 Vgl. § 2 I, III InvG.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

117

Fonds sind Publikums-Sondervermögen. Die Einteilung hat vor allem aufsichtsrechtliche Folgen99. Die Investmentaktiengesellschaften sind Aktiengesellschaften, deren Regelung in mancher Hinsicht vom Aktiengesetz abweicht. Vorbild ist die luxemburgische Société d’Investissement à Capital Variable (SICAV). Ihr entsprechend ist das Kapital der Gesellschaft – vom Gesetz „Gesellschaftskapital“ genannt – veränderlich. Es kann einerseits durch Ausgabe neuer Aktien gegen Einlagen erhöht werden100 ; die Vorschriften des Aktiengesetzes über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung gelten dabei nicht101. Daneben kann die Satzung aber auch ein Mindest- und ein Höchstkapital vorsehen, innerhalb dessen die Gesellschaft Aktien ausgeben oder zurücknehmen darf102 . Die Investmentaktiengesellschaft wird damit zum offenen Investmentfonds, weil jederzeit neue Gesellschafter ein- und alte austreten können. Allen Formen ist gemeinsam, dass das Kapital nur in bestimmte Vermögensgegenstände investiert werden darf. Dies dient dem Schutz der Anleger. Zulässige Vermögensgegenstände sind zum Beispiel Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Bankguthaben und Anteile an anderen Investmentvermögen103. Sie sind allesamt besonders liquide, das heißt sie lassen sich leicht in Geld umwandeln. Kapitalanlagegesellschaften ist es darüber hinaus erlaubt, Immobilien-Sondervermögen zu bilden, die in Grundstücke und Anteile an Immobiliengesellschaften investieren104. Diese Möglichkeit ist für Investmentaktiengesellschaften ausgeschlossen105. Eine besondere Form der Investmentfonds sind Hedgefonds. Sie dürfen außer in die genannten Anlagegegenstände auch in Edelmetalle, börsengehandelte Warenterminkontrakte sowie Unternehmensbeteiligungen investieren106 . Außerdem bedienen sie sich typischerweise bestimmter Techniken, um die Rendite zu erhöhen, nämlich der Hebelung (leverage) des eingesetzten Kapitals und der Leerverkäufe107. Im Gegenzug ist es verboten, ihre Anteile öffentlich zu vertreiben108 . Dies gilt allerdings nicht für Anteile an Dach-Hedgefonds, das heißt Hedgefonds, die in andere Fonds investieren109.

99

Vgl. § 93 InvG. § 104 S. 1 InvG. 101 Vgl. § 99 I InvG. 102 § 105 InvG. 103 Siehe §§ 46–52 InvG; für die Investmentaktiengesellschaft gelten diese Vorschriften über den Verweis in § 99 III InvG. 104 §§ 66–68 InvG. 105 § 2 V InvG. 106 § 112 I 1 InvG. 107 Vgl. § 112 I 1 Nr. 1, 2 InvG. 108 Vgl. § 112 II InvG. 109 § 113 InvG. 100

118

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Außer der Beschränkung auf bestimmte Vermögensgegenstände sieht das Investmentgesetz verschiedene Anlagegrenzen vor110 . Durch sie soll sichergestellt werden, dass der für das Investmentrecht fundamentale Grundsatz der Risikomischung eingehalten wird. Die Anlagegrenzen beziehen sich entweder auf bestimmte Vermögensgegenstände oder auf Instrumente eines einzelnen Emittenten. Mit der Verwahrung des Investmentvermögens ist nach §§ 20 I 1, 99 III InvG eine von der Kapitalanlage- oder Investmentaktiengesellschaft verschiedene Depotbank zu betrauen, die nicht mit der Depotbank bei der Sammelverwahrung zu verwechseln ist111. Es kommt dadurch zur Herausbildung des sogenannten „Investmentdreiecks“112 . In ihm stehen sich Anleger, Investmentgesellschaft und Depotbank gegenüber. Auch dies dient dem Anlegerschutz: Die Werte sollen nicht von der verwaltenden Gesellschaft, sondern von einem anderen Institut verwahrt werden. Der Begriff „Verwahrung“ ist dabei allerdings nicht im wörtlichen Sinne zu verstehen. Die Depotbank kann Wertpapiere und Guthaben anderen Einrichtungen anvertrauen113. Will der Anleger sich von seinem Anteil an einem offenen Fonds trennen, so wird er diesen häufig nicht über einen Sekundärmarkt veräußern können, da dieser nicht für alle Fondsarten existiert. Er kann ihn aber in jedem Fall an den Fonds zurückgeben. Letzterer ist verpflichtet, bei jeder Ausgabe oder Rücknahme, mindestens jedoch zweimal im Monat, einen Preis zu veröffentlichen, zu dem er die Anteile zurückzukaufen bereit ist. Anders als bei Zertifikaten ist diese Verpflichtung gesetzlich niedergelegt114. Dabei geht es nicht um einen Rückkauf im juristischen Sinne, sondern mit der Rückgabe erlöschen alle Rechte des Anteilsinhabers gegen die Kapitalanlagegesellschaft sowie seine Rechte an den zum Sondervermögen gehörenden Gegenständen115. Das Investmentverhältnis wird aufgelöst; der Fonds muss Vermögenswerte am Kapitalmarkt verkaufen, um dem Anleger das eingesetzte Kapital zurückzuzahlen. Der Rückgabepreis für den Anteilschein liegt nicht im Ermessen der Kapitalanlagegesellschaft; vielmehr ist er aus den jeweiligen Kurswerten der Vermögensgegenstände des Sondervermögens abzüglich dessen Verbindlichkeiten zu ermitteln116 . Die vom deutschen Recht gewählte Gestaltung der Rücknahme soll dem Anleger die Kumulation von Risiken aus der Bewertung der Vermögensgegenstände des Fonds und aus der Bewertung des Fonds selbst durch den 110

Z.B. in §§ 52, 60–64 InvG. Zu ihr o. S. 20 ff. 112 Dazu Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnrn. 131–139. 113 § 24 InvG. 114 Vgl. § 36 VI InvG. 115 Baur, Investmentgesetze I, § 19 Rdnr. 11. 116 § 36 I 1, 2 InvG. Zu den Einzelheiten der Bewertung vgl. § 36 II–IV InvG. 111

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

119

Kapitalmarkt ersparen117. Allerdings hat sich für viele Fondsanteile dennoch ein Sekundärmarkt gebildet. Mittlerweile existiert auch der sogenannte Exchange Traded Fund (ETF). Bei ihm sind die Anteile an der Börse notiert118 . Der Anleger, der sich von seiner Beteiligung trennen will, gibt diese daher nicht an den Fonds zurück, sondern veräußert sie an andere Anleger.

2. Verbriefung Hinsichtlich der Verbriefung kommen die Unterschiede zwischen Vertragstyp und Gesellschaftstyp zum Tragen. Investiert der Anleger in eine Investmentaktiengesellschaft, so erwirbt er eine oder mehrere Aktien. Mit deren Verbriefung verhält es sich ebenso wie bei normalen Aktien: Sie können in einer Globalurkunde zusammengefasst sein; der Anspruch auf Ausstellung individueller Urkunden kann ausgeschlossen werden119. Hinsichtlich der Verbriefung beim Vertragstyp enthält § 33 InvG eine besondere Regelung. Danach sind den Anlegern über ihre Beteiligung am Sondervermögen sogenannte Anteilscheine auszustellen. Sie können auf den Namen oder auf den Inhaber lauten. Soweit sie auf den Inhaber ausgestellt oder blanko indossiert werden, sind sie vertretbar und lassen sich daher in die Sammelverwahrung nehmen120 . Es besteht auch die Möglichkeit, Anteilscheine in Globalurkunden zusammenzufassen. Von ihr wird in der Praxis häufig Gebrauch gemacht121.

3. Zivilrechtliche Einordnung Aus zivilrechtlicher Sicht ist zwischen dem Investmentanteil und dem Investmentanteilschein zu unterscheiden.

a) Investmentanteil Investmentanteile sind bürgerlichrechtlich gesehen verschieden einzuordnen. Wurden sie von einer Kapitalanlagegesellschaft ausgegeben, so liegt ein vertragliches Schuldverhältnis zwischen Anleger und Gesellschaft vor. Es handelt sich dabei nach allgemeiner Meinung um einen Geschäftsbesorgungsvertrag122 . Die 117

Kümpel, Rdnr. 8.141. Dazu Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnr. 145. 119 Siehe o. S. 29 ff. 120 § 35 I InvG. 121 Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnr. 135. 122 Kümpel, Rdnr. 12.53; Baur, Investmentgesetze, § 18 Rdnr. 5; Köndgen/Schmies a.a.O., § 113 Rdnr. 119. 118

120

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Kapitalanlagegesellschaft ist alleinige Inhaberin des Sondervermögens. Sie unterliegt lediglich gewissen Bindungen zugunsten der Anleger, die das Gesetz als Treuhänderschaft charakterisiert123. Diese Bindungen führen jedoch nicht dazu, dass der Anleger Sachen- oder Mitgliedschaftsrechte am Vermögen erlangt. Ihm stehen vielmehr gegen die Gesellschaft nur Rechte aus dem mit ihr abgeschlossenen Vertrag zu. Das Gesetz bezeichnet diese als „Anteil am Sondervermögen“124. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich lediglich um schuldrechtliche Ansprüche handelt. Allerdings sieht das Investmentgesetz auch die Möglichkeit vor, dass die Vermögensgegenstände des Fonds den Anlegern übertragen werden. In der Praxis wählt man fast ausschließlich diese Lösung125. Der Anleger erwirbt bei ihr einen Miteigentumsanteil an den entsprechenden Gegenständen126 . Sein „Anteil“ besteht daher in einem Gemisch aus schuld- und sachenrechtlichen Berechtigungen. Hat der Anleger dagegen in eine Investmentaktiengesellschaft investiert, so erwirbt er eine Mitgliedschaft im Sinne des Gesellschaftsrechts. Gemäß § 99 I InvG finden die Vorschriften für Aktiengesellschaften Anwendung, mit einigen wichtigen Ausnahmen. Eine von ihnen ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen „Unternehmensaktien“ und „Anlageaktien“127. Erstere müssen auf den Namen lauten; ihre Inhaber – die „Unternehmensaktionäre“ – sind zur Teilnahme an der Hauptversammlung berechtigt und haben Stimmrecht128 . Letztere dagegen berechtigen weder zur Teilnahme an der Hauptversammlung, noch gewähren sie ein Stimmrecht, es sei denn, die Satzung der Investmentgesellschaft sieht ausdrücklich das Gegenteil vor129. Investmentanteile können daher Ansprüche im Sinne des Schuldrechts, Mischungen zwischen schuld- und sachenrechtlichen Berechtigungen oder Mitgliedschaften im Sinne des Gesellschaftsrechts sein. Erstaunlich ist, dass das Investmentgesetz alle Formen trotz ihrer unterschiedlichen zivilrechtlichen Einordnung weitgehend gleich behandelt. Aus der Sicht des Gesetzgebers scheinen also keine unüberwindbaren Gräben zwischen der vertragsrechtlichen, der miteigentumsrechtlichen und der gesellschaftsrechtlichen Konstruktion zu bestehen. Dem Zivilrechtsdogmatiker wie dem Gesellschaftsrechtsexperten muss dies Kopfzerbrechen bereiten. Wie ist es möglich, die unterschiedlichen Rechts123

Vgl. § 31 IV, V InvG. Vgl. z.B. § 33 I 1 InvG. 125 Kümpel, Rdnr. 12.71; Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnr. 119. 126 § 30 I 1 Fall 2 InvG. 127 § 96 I 2 Halbs. 1 InvG, eingeführt durch das Gesetz zur Änderung des Investmentgesetzes und zur Anpassung anderer Vorschriften (Investmentänderungsgesetz) v. 21.12.2007, BGBl. I, 3089, Art. 1 Nr. 75. Dazu Dornseifer, AG 2008, 53 (55 f.). 128 § 96 Ib 4 InvG. 129 § 96 Ic 2 InvG. 124

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

121

gebieten entstammenden Anteile gleichzusetzen? Bestehen nicht viel zu grundlegende Unterschiede zwischen ihnen, als dass sie ähnlich behandelt werden könnten? Die Antwort darauf lässt sich nur finden, wenn man berücksichtigt, welchem Zweck der Investmentanteil dient. Er ist ein Vermögensgegenstand, den der Anleger für seine Investition erhält. Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht bestehen hinsichtlich der verschiedenen zivilrechtlichen Formen nur geringe Abweichungen. Sie sind nicht mehr als ein rechtliches Kleid, in das die kollektive Vermögensanlage gehüllt werden kann. Die Bezeichnung als „Vertragsanspruch“, „Eigentum“ oder „Mitgliedschaft“ ist daher zivilrechtlich gesehen zwar zutreffend. Sie vermag aber nicht, die besondere Natur des Investmentanteils zu erklären.

b) Anteilschein Werden Investmentanteile verbrieft, so nehmen sie zivilrechtlich die Form des Wertpapiers an. Völlig eindeutig und daher keiner weiteren Erörterung bedürftig ist dies im Fall der Investmentaktiengesellschaft. Die von ihr über die Anteile ausgegebenen Urkunden sind Aktienurkunden im Sinne des Aktienrechts. Soweit über die Beteiligung an einem Investmentfonds ein Anteilschein nach § 33 InvG ausgestellt wird, ist dieser zivilrechtlich ebenfalls als Wertpapier zu qualifizieren. Allerdings ist seine genaue dogmatische Einordnung umstritten. Nach einer Auffassung soll es sich um eine einfache Schuldverschreibung handeln130 . Eine andere, früher vertretene Meinung will den Anteilschein als Traditionspapier ähnlich dem Konnossement oder dem Ladeschein einordnen131. Einer dritten Ansicht zufolge ist er dagegen Wertpapier sui generis132 . Die Diskussion lässt sich nur vor dem Hintergrund der Frage erklären, welche Rechte der Anteilschein verbrieft. Diese ist ebenfalls umstritten. Problematisch ist sie insbesondere, wenn – wie in der Praxis regelmäßig – das Sondervermögen im Miteigentum der Anteilseigner steht. Einer Ansicht zufolge soll sich die Verbriefung auch in diesem Fall nur auf die schuldrechtliche Stellung des Anteilsinhabers beziehen133. Das legt die Einordnung als Schuldverschreibung nahe. Nach der Gegenauffassung ist dagegen im Anteilschein auch der Mitei-

130

Hüffer, in: MünchKomm-BGB, § 793 Rdnr. 10; Palandt/Sprau, Einf v § 793 Rdnr. 7. Consbruch, BB 1957, 337 (340). 132 Baur, Investmentgesetze I, § 18 Rdnr. 2; Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2373; Schrödermeier/Baltzer, in: Brinkhaus/Scherer, KAAG, § 18 Rdnr. 4; Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnr. 62; Köndgen/Schmies, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnr. 136. 133 Ebner von Eschenbach, Die Rechte des Anteilsinhabers nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, S. 159. 131

122

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

gentumsanteil verbrieft134. Daher neigen die Anhänger dieser Ansicht der Einordnung als Wertpapier sui generis zu. Dem § 33 InvG lässt sich nicht eindeutig entnehmen, welches der Bezugspunkt der Verbriefung ist. Zu Zweifeln gibt insbesondere § 33 II InvG Anlass, wonach der Miteigentumsanteil mit der Übertragung der „in dem Anteilschein verbrieften Ansprüche“ übergeht. Der Wortlaut deutet darauf hin, dass der Miteigentumsanteil selbst nicht im Anteilschein verbrieft ist. Andererseits knüpft das Gesetz seinen Übergang an die Übertragung der im Anteilschein verbrieften Ansprüche. Der Miteigentumsanteil wird dadurch so behandelt, als würde der Anteilschein sich auch auf ihn beziehen. Aus praktischer Sicht entspricht die Lage daher genau der Verbriefung des Eigentums. Allerdings muss derjenige, der das Miteigentum als im Anteilschein verkörpert ansieht, einen schwerwiegenden Bruch mit der Dogmatik des Wertpapiers in Kauf nehmen. Denn bislang konnten nur schuldrechtliche Ansprüche und Mitgliedschaftsverhältnisse verbrieft werden. Der Hypotheken- und Grundschuldbrief ist insoweit eine Ausnahme, da er eng mit schuldrechtlichen Ansprüchen verbunden ist. Das Eigentum war jedenfalls bisher nicht Gegenstand eines Wertpapiers. Traditionspapiere wie Ladeschein oder Konnossement dienen zwar der Eigentumsübertragung, doch repräsentieren sie nicht das Eigentum als solches, sondern allein den Herausgabeanspruch. Mit ihnen kann der Anteilschein daher nicht verglichen werden135. Aber auch wenn man aus diesem Grund der Gegenansicht folgt und annimmt, der Anteilschein verbriefe nicht das Eigentum, verbleiben Schwierigkeiten. Denn es ist nur schwer zu erklären, warum trotz fehlender Verbriefung im Anteilschein gleichzeitig mit den verbrieften Ansprüchen auch der Miteigentumsanteil des Veräußerers übergehen soll. Insoweit können die Befürworter dieser Ansicht zwar auf § 33 II InvG verweisen. Doch bleiben sie eine dogmatische Erklärung für den Rechtsübergang schuldig. In den Formen des Wertpapierrechts kann er nicht erfolgen: § 33 II InvG knüpft die Übertragung des Anteils am Sondervermögen nicht an die Übereignung des Anteilscheins, sondern an den Übergang der schuldrechtlichen Ansprüche. Das bedeutet, dass sich der Erwerb nicht nach dem wertpapierrechtlichen Modell vollzieht. Auch sonst weicht der Eigentumserwerb vom Wertpapierrecht ab. Besonderheiten zeigen sich insbesondere hinsichtlich der Frage, in welchem Zeitpunkt der Anleger seinen Anteil am Fondsvermögen erlangt. In der Literatur findet sich die Auffassung, der Rechtserwerb trete bereits durch die Zahlung des Ausgabepreises „kraft Gesetzes“ und nicht erst mit der Übertragung des Anteils134 Canaris, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2372; Kümpel, Rdnr. 12.85; v. Caemmerer, JZ 1958, 41 (48); Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnr. 62; Beckmann/Scholtz, Investment, § 18 Rdnr. 7. 135 So auch Baur, Investmentgesetze I, § 18 Rdnr. 3; v. Caemmerer, JZ 1958, 41 (48 Fußn. 57); Zöllner, S. 190.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

123

scheins ein136 . Die Vorverlegung des Erwerbs auf diesen frühen Zeitpunkt wird damit begründet, dass andernfalls eine unerwünschte Inkongruenz zwischen der Zusammensetzung des Fondsvermögens und dem Kreis der daran beteiligten Personen entstünde137. Die Unerwünschtheit eines Ergebnisses ersetzt jedoch nicht seine dogmatische Begründung. Das Gesetz sieht einen Eigentumsübergang im Zeitpunkt der Zahlung nirgends vor, so dass von einem Erwerb kraft Gesetzes nicht die Rede sein kann. Es ist daher allein ein rechtsgeschäftlicher Erwerb denkbar. Dieser kann nur aus einer Vereinbarung zwischen Kapitalanlagegesellschaft und Investor folgen. Man wird in der Regel annehmen können, dass die Gesellschaft den Willen hat, dem Anleger bereits mit Zahlung einen Anteil am Fondsvermögen zu übertragen, um die unerwünschte Inkongruenz zwischen der Zusammensetzung des Fondsvermögens und dem Kreis der Miteigentümer zu vermeiden. Der Investor wird bereit sein, den Anteil schon früher zu erlangen, denn dadurch erhält er größere Sicherheit. Daher ließe sich ein rechtsgeschäftlicher Übergang konstruieren. Die Folge ist allerdings, dass der Anleger seinen Anteil regelmäßig schon vor der Verbriefung erwirbt. Der Investmentanteilschein hat daher lediglich deklaratorische Bedeutung und keine konstitutive Wirkung138 . Damit unterscheidet er sich von den klassischen Wertpapieren wie Wechsel oder Scheck, bei denen die Rechte erst mit der Ausstellung der Urkunde entstehen. Insgesamt haben die vorangegangenen Ausführungen gezeigt, dass sich der Investmentanteilschein nicht in das System des Wertpapierrechts einordnen lässt. Das legt es in der Tat nahe, ihn als Wertpapier „sui generis“ zu beschreiben. Eine solche „Einordnung“, wenn sie überhaupt diesen Namen verdient, verkennt allerdings, dass sich der Übergang der Miteigentumsanteile an den zum Sondervermögen gehörenden Gegenständen nicht mit wertpapierrechtlichen Theorien erklären lässt. Der Anteilschein ist daher nicht lediglich Wertpapier „sui generis“. Er durchbricht vielmehr das Konzept des Wertpapiers.

4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Das Kapitalmarktrecht qualifiziert die von einer Investmentaktiengesellschaft begebenen Anteile als Aktien im Sinne des § 2 I 1 Nr. 1 WpHG. Sie sind daher Wertpapiere im Sinne des § 2 I WpHG und zugleich Finanzinstrumente nach § 2 IIb WpHG. Das gilt unabhängig von einer Verbriefung. Anteile an Investmentvermögen einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ordnet das WpHG in § 2 I 2 als „Wertpa136 137 138

Kümpel, Rdnr. 12.88. Ebda. Ebenso Kümpel, Rdnr. 12.89.

124

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

piere“ ein. Dabei bezieht es sich ausdrücklich auf den Anteil, nicht auf den Anteilschein. Die Terminologie des WpHG muss den informierten Rechtsanwender erstaunen. Dem Gesetzgeber scheint ein grundlegender Fehler unterlaufen zu sein. Offenbar verwechselt er den Anteilschein, der Wertpapier ist, mit dem unkörperlichen Anteil, auf den sich die Urkunde bezieht. Allerdings handelt es sich angesichts der Entstehungsgeschichte ganz gewiss nicht um ein Versehen. Schon lange vor Erlass des WpHG wurde in der Literatur diskutiert, ob der Anteil oder der Anteilschein als Wertpapier anzusehen ist139. In der Ursprungsfassung der Bestimmung des § 2 I 2 WpHG aus dem Jahre 1997 war noch von „Investmentanteilscheinen“ die Rede, welche als Wertpapiere qualifiziert wurden140 . Die Umstellung des Wortlauts von „Investmentanteilscheinen“ auf „Anteile am Investmentvermögen“ erfolgte durch das Investmentmodernisierungsgesetz aus dem Jahre 2003, welches zugleich das Investmentgesetz einführte141. Durch den neuen Wortlaut des § 2 I 2 WpHG ist klargestellt, dass nicht die über den Anteil ausgestellte Urkunde, sondern der Anteil selbst „Wertpapier“ ist. Das zeigt nichts anderes, als dass die Verbriefung aus Sicht des Kapitalmarktrechts nicht entscheidend ist. Denn Gegenstand des Handels am Finanzmarkt ist der Anteil selbst, nicht ein Papier. In vielen ausländischen Rechtsordnungen werden Investmentanteile nicht einmal verbrieft142 . Daher war es für den Gesetzgeber zwingend, in § 2 I 2 WpHG für Anteile am Investmentvermögen, die von einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, auf den Anteil selbst und nicht auf die Urkunde abzustellen. Gleiches hat er auch für Anteile getan, die von einer inländischen Kapitalanlagegesellschaft begeben werden. Mit der Bezeichnung des Investmentanteils als „Wertpapier“ ist zwar eine bekannte dogmatische Kategorie gefunden. Jedoch hat man sich abermals vom klassischen Wertpapierrecht entfernt. Der unkörperliche Anteil, nicht die über ihn ausgestellte Urkunde, soll nunmehr Wertpapier sein.

139 Gegen die Einordnung des Investmentanteils als Wertpapier z.B. Baur, Investmentgesetze, § 19 Rdnr. 2b; dafür jedoch Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 19; Ebner von Eschenbach, Die Rechte des Anteilinhabers nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, S. 158. 140 § 2 I 2 WpHG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften v. 22.10.1997, BGBl. I, 2518, Art. 2 Nr. 3 lit. a. 141 Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsgesetz) v. 15.12.2003, Art. 9 Nr. 1. 142 Köndgen/Schmies, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 113 Rdnr. 157.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

125

5. Folgerungen Bei den Investmentanteilen zeigt sich abermals, wie weit die Realität des Kapitalmarkts von den traditionellen Denkschemata des Wertpapierrechts abweicht. Schon der Anteilschein, obwohl körperliche Urkunde, entspricht nicht in jeder Hinsicht den wertpapierrechtlichen Lehren. Seine Übertragung wirkt sich mittelbar auf das Eigentum aus, obwohl dieses nicht in ihm verbrieft ist. Erst recht wird der Widerspruch zum klassischen Wertpapierrecht im WpHG deutlich. Es qualifiziert nicht den Anteilschein, sondern den Investmentanteil selbst als Wertpapier. Dieser kann aus zivilrechtlicher Sicht aber ganz unterschiedlichen Inhalt haben: Er ist entweder rein schuldrechtlicher Anspruch, oder gemischt schuld- und sachenrechtliches Recht, oder gesellschaftsrechtliche Beteiligung. Nur eines ist er aus zivilrechtlicher Sicht nicht: ein Wertpapier, denn das kann nur eine Urkunde sein. Die Tatsache, dass ihn das WpHG trotzdem als Wertpapier qualifiziert, ist Ausdruck der zunehmenden Abkoppelung der Terminologie des Kapitalmarktrechts von der des allgemeinen Zivilrechts.

V. Asset-Backed Securities Asset-Backed Securities (ABS) sind eine der wichtigsten Finanzinnovationen der letzten Jahrzehnte. Ihre Bedeutung lässt sich daran ermessen, dass bereits im Jahre 2004 in den USA fast ebenso viele ABS wie Unternehmensanleihen emittiert wurden143. Die Innovation ist nur vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Motive verständlich, aus denen man diese Instrumente begibt.

1. Wirtschaftliche Grundlagen ABS wurden zunächst kreiert, um Forderungen und andere Vermögenswerte eines Unternehmens in liquide Mittel umwandeln zu können144. Hat ein Unternehmen beispielsweise offene Forderungen, wird es versuchen, diese möglichst schnell einzuziehen. Der Prozess dauert aber oft lang und ist kostspielig. In der Zwischenzeit kann das Unternehmen die Vermögensgegenstände nicht als liquide Mittel in der Bilanz aktivieren. Als Ausweg wird seit den siebziger Jahren in den USA die sogenannte securitization verwendet145. Dabei überträgt das 143 SEC, Release Nos. 33–8518, 34–50905, 17 CFR Parts 210, 228–230, 232, 239–240, 242, 245 und 249, unter I A. 144 Baums, WM 1993, 1; Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114a Rdnr. 3. Zu den wirtschaftlichen Grundlagen ausf. Ohl, Asset-Backed Securities; Schmittat, Asset Backed Securities. 145 Siehe dazu o. S. 53 f.

126

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Unternehmen, genannt der „Originator“ oder „sponsor“, die Vermögenswerte auf eine besondere Zweckgesellschaft (special purpose vehicle) oder einen trust. Häufiger ist die erste Variante, auf die sich daher die folgenden Ausführungen konzentrieren. Die Zweckgesellschaft begibt Titel am Kapitalmarkt. In der Regel handelt es sich dabei um Schuldverschreibungen. Diese sind durch die Vermögenswerte (assets) der Zweckgesellschaft abgesichert (backed). Die Anleger zeichnen die Titel. Das von ihnen eingezahlte Kapital kommt letztlich dem Originator zugute, der die Vermögenswerte der Zweckgesellschaft übertragen hat. Er muss die Zweckgesellschaft nicht unbedingt selbst gründen. Sie kann auch von anderen Personen mit dem Ziel geschaffen werden, Vermögenswerte zu erwerben und dafür Schuldverschreibungen auszugeben146 . Die Struktur der ABS-Transaktion ändert sich dadurch nicht. Die vorstehende Beschreibung ist extrem vereinfacht. In der Realität ist ein ganzes Netz verschiedener Gesellschaften an der Emission von ABS beteiligt, die verschiedenste Funktionen erfüllen, wie die des Servicers oder des Treuhänders. Der Erfolg der Transaktion hängt unter anderem wesentlich davon ab, dass die Titel von einer angesehenen Rating-Agentur positiv bewertet werden. Der Vorteil der Emission von ABS gegenüber der herkömmlicher Aktien oder Schuldverschreibungen liegt aus Sicht der Zeichner darin, dass das Kreditrisiko der eingebrachten Forderungen vom allgemeinen unternehmerischen Risiko des Originators getrennt wird. Für die Anleger ist es leichter, erstere zu bewerten. Bei den ABS tragen sie nur das Risiko, dass die Vermögenswerte nicht ihren Erwartungen entsprechen. Das Emittentenrisiko ist dagegen gleich Null, da die Zweckgesellschaft ausschließlich zur Verwaltung des Vermögens gegründet wurde und sonst keine Rechtsgeschäfte eingeht. Das Informationsdefizit der Anleger über die finanzielle Situation des Originators wird also irrelevant, weil sie von dessen unternehmerischem Risiko abgeschirmt sind. Damit dieser Schirm auch im Insolvenzfall hält, muss es sich bei der Übertragung der ABS auf die Zweckgesellschaft um ein echtes Veräußerungsgeschäft (true sale) handeln147. Die Zahlungen, die die Erwerber der ABS erhalten, können den Einnahmen aus den zugrundeliegenden Vermögenswerten gleich sein. Man spricht in diesem Fall von pass through-certificates. Praktisch wichtiger ist dagegen eine andere Gestaltung: Bei ihr werden ABS begeben, die sich hinsichtlich ihres Rangs und ihres Zinssatzes unterscheiden148 . Beide stehen in umgekehrten Zusam-

146

Siehe Frankel, Securitization I, S. 6. Dazu Klüwer, Asset-Backed Securitisation, S. 46–65 (für das US-amerikanische Recht), 132–138 (für das deutsche Recht). 148 Vgl. zu den verschiedenen Stufen die vergleichbare Gestaltung bei den Nachranganleihen u. S. 142. 147

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

127

menhang: Höherrangige ABS werden niedriger verzinst, weil bei ihnen das Ausfallrisiko geringer ist, niedrigerrangige Titel erhalten dagegen eine entsprechend höhere Verzinsung. Die Erfüllung erfolgt nach dem Prinzip des Wasserfalls: Die ABS mit dem höchsten Rang werden zuerst erfüllt, dann die nächstrangigen und so weiter. Wegen der damit verbundenen Möglichkeit der Risikooptimierung sind ABS insbesondere für institutionelle Anleger attraktiver als herkömmliche Eigen- oder Fremdkapitalinstrumente. Für den Originator haben sie den Vorteil, dass er einen illiquiden Vermögensgegenstand aus seiner Bilanz nehmen kann. Das ist insbesondere für Banken bedeutsam, die bestimmten Anforderungen an die Ausstattung mit Eigenmitteln und an die Liquidität unterliegen149. Sie machten daher in der Vergangenheit von der Verbriefung regen Gebrauch150 . Seit der Finanzkrise sind ABS in Verruf geraten. Der Markt für diese Titel ist schlicht zusammengebrochen. Die Gründe dafür dürften in ihrer Komplexität und den teilweise schwierig zu bewertenden Risiken zu sehen sein. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Titel zum Teil in neue „wiederverpackt“ und daher intrasparent wurden. Bedenklich ist auch die Zusammenarbeit von RatingAgenturen mit den Emittenten bei der Strukturierung der Instrumente. Trotzdem sind ABS eine sehr nützliche Neuerung. Von ihnen gilt, was Voltaire über Gott sagte: Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Denn mit Hilfe von ABS lassen sich alle möglichen, an sich nicht kapitalmarktfähigen Vermögenswerte an den Finanzmarkt bringen. Neben den bekannten Hypothekenkrediten kommen auch Ansprüche aus Wohnungsbaudarlehen, Kreditkartengeschäften oder Leasingverträgen zur Autofinanzierung in Betracht151. Selbst erst künftig entstehende Forderungen können verwendet werden, wie Einnahmen aus Verkäufen von Musikträgern oder Filmen. Durch die ABS vollzieht sich eine Mutation: Die Forderungen werden in kapitalmarktfähige Produkte umgewandelt152 . Voraussetzung ist lediglich, dass sie hinsichtlich ihres Inhalts, der Fälligkeit und der Risiken hinreichend homogen sind, denn andernfalls können sie die Investoren nicht bewerten. Außerdem müssen sie „selbstliquidierend“ sein, das heißt, sie müssen einen konstanten Strom von Einnahmen erzeugen. Bei einigen ABS ist die zu leistende Zahlung allerdings nicht von den Vermögenswerten der Zweckgesellschaft abhängig, sondern von einem außerhalb liegenden „Referenzaktivum“, wie zum Beispiel dem Zinssatz auf einem bestimm149

Vgl. §§ 10–11 KWG. Vgl. dazu Büttner, Die wertpapiermäßige Verbriefung von Bankforderungen zu Asset-Backed Securities. 151 Weitere Beispiele bei Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114a Rdnr. 7 f. 152 Siehe Frankel, Securitization I, S. 19. Frankel nennt das Phänomen „propertizing contractual arrangements and creating markets for them“, a.a.O., S. 25. 150

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

ten Markt. Der sponsor behält die Vermögensgegenstände, überträgt aber deren Risiko durch Swaps oder andere Geschäfte auf die Zweckgesellschaft. Man bezeichnet diese Art als „synthetische ABS“. Eine weitere Unterart sind die „credit-enhanced ABS“. Bei ihnen wird die Sicherheit der Anleger durch eine Garantie vergrößert. Diese kann vom Originator oder einem Dritten abgegeben werden. Ist eine Schuldverschreibung durch langfristige Forderungen oder ABS besichert, so spricht man auch von Collateralized Debt Obligations (CDOs)153. Hypothekenbesicherte ABS werden Mortgaged Backed Securities (MBS) genannt. Typischerweise werden ABS von institutionellen Investoren erworben. Kleinanleger zählen im Normalfall nicht zu den Erwerbern. Der Markt für diese Produkte ist daher ein professioneller Markt.

2. Verbriefung Über ABS werden ebenso wie bei sonstigen Schuldverschreibungen oder Aktien Wertpapiere ausgestellt. Dabei handelt es sich in aller Regel um Globalurkunden. Eine Verbriefung im traditionellen Sinne findet daher nur sehr eingeschränkt statt. Im Finanzjargon bezeichnet man jedoch als „Verbriefung“ auch die Übertragung von Vermögensgegenständen und die Begebung von ABS. Damit soll verdeutlicht werden, dass die Vermögensgegenstände in eine für den Kapitalmarkt handelbare Form gebracht wurden. Mit der Verbriefung im Sinne des allgemeinen Wertpapierrechts hat dies nichts zu tun, sondern es handelt sich um eine missverständliche Übersetzung des Begriffs „securitization“154.

3. Zivilrechtliche Einordnung Zivilrechtlich werden ABS meist als Schuldverschreibungen eingeordnet155. Statt Schuldverschreibungen kann die Zweckgesellschaft aber auch Aktien ausgeben. Am wirtschaftlichen Charakter der Instrumente ändert sich dadurch nichts156 . Trotz der klaren zivilrechtlichen Einordnung weisen ABS eine Reihe von Eigenarten gegenüber normalen Schuldverschreibungen oder Aktien auf. Diese 153

Vgl. Goodman/Fabozzi, Collateralized Debt Obligations, S. 1. Siehe o. S. 53. 155 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 2 Rdnr. 14; Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 Rdnr. 5; Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114a Rdnr. 4; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 Rdnr. 11; Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnr. 46. 156 Vgl. American Bar Association, Section of Taxation, Committee on Financial Transactions, Subcommittee on Asset Securitization, 46 Tax Law Review 299, 328 (1991). 154

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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erklären sich aus den Besonderheiten der Zweckgesellschaft. Ihr ausschließlicher Geschäftsgegenstand ist das Halten und Einziehen von Vermögensgegenständen. Andere unternehmerische Aktivitäten darf sie nicht ausüben. Sie soll lediglich das Eigentum an den durch den Originator ausgelagerten Vermögensgegenständen vermitteln. Die gesellschaftsrechtliche Konstruktion dient also allein dazu, die Risiken aus einer Gesamtheit von assets zu bündeln und auf eine große Anzahl von Anlegern zu verteilen. Formal betrachtet handelt es sich bei den von der Zweckgesellschaft begebenen Titeln zwar um gewöhnliche Schuldverschreibungen oder Aktien. Tatsächlich aber sind sie wegen des Ausschlusses unternehmerischer Aktivität der Zweckgesellschaft sehr eng mit den von ihr gehaltenen Werten verbunden. Insofern haben ABS eine gewisse Nähe zu anderen Erscheinungen, vor allem zum Investmentanteil. Mit den ABS ist daher ein ganz neuartiges Wertpapier eingeführt worden. Selbstverständlich kann man sie mit den Termini Schuldverschreibung oder Aktie erfassen – gerade die Anpassung an etablierte juristische Figuren ist ja von der Finanzwelt beabsichtigt. Tatsächlich aber wird hier in die altbekannten rechtlichen Formen ein neuer Inhalt gegossen. ABS dienen nicht der Finanzierung unternehmerischer Aktivitäten, sondern der Verteilung von Risiken aus gewissen Vermögensgegenständen. Die Zweckgesellschaft hat lediglich die Aufgabe, diese Gegenstände für die Anleger zu halten. Das im ABS verbriefte Recht ist daher ein Bruchteil an einem Vermögenswert, dessen Chancen und Risiken auf die Erwerber der Titel übertragen werden. Mit den Kategorien des Schuldund Gesellschaftsrecht lässt sich dies nicht hinreichend erklären.

4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Aus der Perspektive des Kapitalmarktrechts sind ABS genauso einzuordnen wie aus zivilrechtlicher Sicht: als Schuldverschreibungen oder Aktien157. Allerdings weichen sie wie gesehen vom Urbild dieser Kapitalmarkttitel ab. Der Finanzmarkt behandelt sie daher anders als sonstige Unternehmenstitel. Im Gegensatz zum Erwerb von Eigen- oder Fremdkapital ist für die Investoren die Qualität der Unternehmensführung nicht entscheidend, weil diese bei den Zweckgesellschaften keine Rolle spielt. Auch die Unternehmenspolitik ist für sie ohne Relevanz, da sich die Gesellschaft rein passiv verhält und außer der Liquidation der Vermögenswerte keinerlei Geschäfte tätigt. Von Interesse sind dagegen der Originator, die Struktur der Transaktion und vor allem die Werthaltigkeit der zugrundeliegenden Vermögensgegenstände. Auch aus der Sicht der Organisation des Kapitalmarkts stellen ABS eine kleine Revolution dar: Die Aufgaben der Vergabe von Krediten und die Bündelung von Risiken, die bisher vor allem von Banken und Investmentfonds wahr157

Vgl. § 2 I 1 Nr. 1, 3 lit. a WpHG.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

genommen wurden, erfüllen nunmehr auch die Zweckgesellschaften. Diese neuen Finanzintermediäre nehmen ihrer Funktion nach eine Stellung zwischen dem Investmentfonds und der Bank ein158 . Wegen dieser Besonderheiten hatte die SEC schon vor der Finanzmarktkrise eine Reihe von Sonderregelungen erlassen159. Ein Rundschreiben des ehemaligen Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen (BVA) regelt Bedingungen für den Erwerb und die Abwicklung von ABS durch Versicherungsunternehmen und stellt bestimmte Mitteilungspflichten auf160 . Diese Regelungen betreffen jedoch nur Teilaspekte und nicht die rechtliche Behandlung der Titel insgesamt. Fraglich ist, wie sich die Besonderheiten der ABS rechtlich erfassen lassen. Man könnte zum Beispiel daran denken, die Zweckgesellschaften dem Investmentgesetz zu unterwerfen. Immerhin dienen sie dazu, Vermögensgegenstände zu halten und die Investitionen der Anleger zu bündeln. Dogmatisch gesehen handelt es sich dabei um einen Fall der gemeinschaftlichen Kapitalanlage. Allerdings erfüllen Anlagen in ABS nicht den formalen Investmentbegriff des Investmentgesetzes. Die von den Zweckgesellschaften gehaltenen Vermögensgegenstände sind meist andere als die in § 2 IV InvG genannten. Außerdem entspricht das Vermögen nicht dem für das Investmentrecht fundamentalen Grundsatz der Risikomischung. Es ist nicht nach den Interessen der Anleger zusammengesetzt, sondern nach den Bedürfnissen der Sponsoren der Zweckgesellschaften, welche bestimmte Vermögenswerte auf den Kapitalmarkt bringen wollen. Diese können im Einzelfall durchaus dem Grundsatz der Risikomischung genügen, müssen es aber nicht. Zum Beispiel kann das Vermögen einer Zweckgesellschaft ausschließlich aus Forderungen gegen Leasingnehmer einer bestimmten Automarke bestehen. Auch hier wird zwar Risiko gestreut – denn es ist unwahrscheinlich, dass alle Kunden auf einmal zahlungsunfähig werden – aber nicht entsprechend dem Grundsatz der Risikomischung, wie ihn das Investmentgesetz vorsieht. Die Frage ist, ob das Investmentgesetz nicht trotzdem auf die Zweckgesellschaften angewandt werden sollte, weil es sich um eine Form der gemeinschaftlichen Kapitalanlage im Sinne von § 1 S. 2 InvG handelt. In diesem Fall wären die Vorschriften über Investmentanteile auch auf die von Zweckgesellschaften begebenen Anleihen oder Aktien anzuwenden. Hier kommt ein alter Streit zum Tragen. Fallen nur die Gesellschaften unter das Investmentgesetz, die alle im Gesetz genannten Merkmale aufweisen? Oder genügt es, wenn sie einzelne Merkmale erfüllen, um sie den besonderen Anforderungen nach dem Gesetz zu unterwerfen? 158

Vgl. Frankel, Securitization I, S. 43. Siehe SEC, Release Nos. 33–8518, 34–50905, 17 CFR Parts 210, 228–230, 232, 239–240, 242, 245 und 249. 160 BVA, R 1/2002 v. 12.4.2002, unter A II 1. 159

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Die Debatte wird in der Literatur bereits seit der Einführung des Vorgängers des Investmentgesetzes, des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAAG), mit Vehemenz geführt. Inhaltlich geht es darum, ob die im Gesetz genannten Merkmale rein beschreibender Natur sind oder normative Anforderungen an die Gesellschaft enthalten. Für letztere Ansicht wird geltend gemacht, dass sich eine Kapitalanlagegesellschaft andernfalls einfach den gesetzlichen Anforderungen entziehen könne, indem sie eines der Definitionsmerkmale nicht einhalte161. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn sie ihr Vermögen nicht nach dem Grundsatz der Risikomischung anlegte. Vorgeschlagen wurde daher eine Abstufung zwischen materiellen und formellen Merkmalen162 . Während erstere immer vorliegen müssen, sollen letztere erst als Verpflichtung aus der Einordnung als Kapitalanlagegesellschaft folgen. Demgegenüber knüpft eine andere Auffassung die Definition der Investmentgesellschaft strikt an die Einhaltung aller gesetzlich vorgesehenen Merkmale an163. Zur Begründung stützt sie sich vor allem auf die notwendige Rechtssicherheit: Für die Unternehmen müsse eindeutig erkennbar sein, ob sie dem Investmentgesetz unterfielen oder nicht. Daher sei eine flexible Einordnung, wie sie die Gegenmeinung befürwortet, abzulehnen. Gegen die von ihr vorgeschlagene Abstufung zwischen verschiedenen Merkmalen wird eingewandt, dass sie im Gesetz nicht vorgesehen sei. Nur dann, wenn die gesetzlichen Begriffsmerkmale erfüllt sind, könne es sich nach dem Willen des Gesetzgebers um eine Kapitalanlagegesellschaft handeln. Richtigerweise muss man unterscheiden: Einerseits kann sich eine Gesellschaft den Anforderungen des Investmentgesetzes selbstverständlich nicht entziehen, indem sie gegen den Grundsatz der Risikomischung verstößt oder andere als die gesetzlich vorgesehenen Vermögensgegenstände erwirbt. Jedoch will der Gesetzgeber andererseits mit dem Investmentgesetz nur solche Gesellschaften erfassen, die ihrem Typ nach der Kapitalanlagegesellschaft oder der Investmentaktiengesellschaft entsprechen. Insbesondere müssen sie darauf ausgerichtet sein, Investmentrisiken zu diversifizieren und leicht veräußerliche Vermögensgegenstände zu erwerben. Ist dies nicht der Fall, kann das Investmentgesetz nicht angewendet werden. Zweckgesellschaften fallen demnach nicht unter das Investmentgesetz. Denn schon ihrem Typ nach sind sie den Investmentgesellschaften nicht ähnlich. Sie verfolgen nicht das Ziel, das Risiko der Anleger zu streuen. Vielmehr investieren sie ganz bewusst in homogene Vermögensgegenstände eines einzigen Un161 Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, § 1 Rdnr. 8; v. Caemmerer, JZ 1958, 41 (44 f.); Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnrn. 2346–2351. 162 Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, § 1 Rdnr. 8. 163 Baur, Investmentgesetze, § 1 Rdnr. 4; Zeller, in: Brinkhaus/Scherer, KAAG, § 1 Rdnr. 8; Siara/Tormann, Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften, § 1 Anm. I; Schäcker, Entwicklung und System des Investmentsparens, S. 42 f.; Hoffmann-Riem, BB 1972, 244 (244 f.).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

ternehmens oder derselben Risikoklasse. Dabei handelt es sich meist um Objekte, die am Kapitalmarkt sonst nur schwer veräußerlich sind, und nicht um liquide Gegenstände wie bei den meisten Investmentgesellschaften. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Vermögenswerte nicht von einem Verwalter aktiv am Markt ausgesucht, sondern von einem Originator übertragen werden. ABS sind daher keine Investmentanteile. Das heißt jedoch nicht, dass man sie einfach als Schuldverschreibungen oder Aktien qualifizieren kann, wie die ganz herrschende Meinung annimmt. Vielmehr hat die Zweckgesellschaft aufgrund der dem Investmentrecht ähnlichen Zielrichtung, nämlich der gemeinsamen Kapitalanlage, besondere Pflichten gegenüber den Anlegern. Zum Beispiel darf sie mit den erworbenen Vermögensgegenständen nicht handeln oder sie unternehmerisch einsetzen. Sie soll diese ausschließlich als Haftungsvermögen zugunsten der Inhaber der ABS halten. Ihre Verfügungsbefugnis ist zugunsten der Anleger eingeschränkt. Insoweit ergeben sich Parallelen zur Treuhänderschaft des Investmentgesetzes. Bislang wird das rechtliche Regime der ABS über Vertragsbedingungen (covenants) geregelt. Eine Aufsicht über die Zweckgesellschaften nach dem Investmentgesetz oder anderen Regelungen erfolgt nicht. Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise wird überlegt, dies zu ändern. Allerdings steht man insoweit vor dem Problem, dass die Gesellschaften meist in Steueroasen inkorporiert sind. Daher kann man nur an zwei Punkten ansetzen: Bei den Instituten, die diese Zweckgesellschaft gründen, und bei denen, die sie erwerben. Beide Gruppen unterliegen in der Regel staatlicher Aufsicht, zum Beispiel als Kreditinstitute oder Versicherungen.

5. Folgerungen ABS stehen zwischen anderen Kapitalmarktinstrumenten. Formal werden sie zwar als Schuldverschreibungen oder Aktien eingekleidet. Doch unterscheiden sie sich von ihnen durch das Fehlen eines unternehmerischen Risikos. Inhaltlich handelt es sich um eine Form der gemeinschaftlichen Vermögensanlage in bestimmte Gegenstände, ähnlich wie bei Investmentanteilen. Abermals zeigt sich, wie der Markt die traditionellen Kategorien des Wertpapiers zu völlig neuen Gestaltungen verwenden kann. Mit dem numerus clausus des Wertpapierrechts sind ABS zwar formal vereinbar. In der Tat sind sie genau so strukturiert, dass sie in die überkommenen Formen der Schuldverschreibung oder der Aktie passen. Materiell widersprechen sie dem numerus clausus jedoch, weil sie eine neue Art des Wertpapiers darstellen.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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VI. Swaps 1. Wirtschaftliche Grundlagen Beim Swap handelt es sich im Kern um ein Tauschgeschäft, bei dem zwei Anlagen gegeneinander ausgewechselt werden164. Das sei am klassischen Beispiel des Devisenswaps erläutert: A halte eine bestimmte Menge der Währung X, die derzeit mit 4 % verzinst wird. Er möchte jedoch lieber in die Währung Y investieren, die höher verzinslich ist. B verfügt über diese Währung und befürchtet, dass deren Wechselkurs im Verhältnis zu X demnächst fallen könnte. Beide schließen einen Vertrag, in welchem sich A verpflichtet, die Währung X an B zu zahlen, während B es übernimmt, die Währung Y an A weiterzuleiten. Der Vorteil gegenüber einem Umtausch bei der Bank liegt für beide hier darin, dass sie Bankgebühren sparen. Es muss aber nicht unbedingt zum physischen Austausch von Gegenständen kommen. Es ist auch möglich, dass zwei Anlagen lediglich wirtschaftlich gegeneinander ausgetauscht werden. So könnte sich A im oben genannten Beispiel verpflichten, die Zinsen der Währung X an B weiterzuleiten und ihm die Wechselkursveränderungen zu ersetzen. B könnte dem A im Gegenzug dasselbe hinsichtlich der Währung Y versprechen. Beide Vertragspartner müssen die Währungen nicht einmal in ihrem Vermögen haben, da sie einander nur die Differenz der Werte und Zinsen zu erstatten verpflichtet sind. Für die meisten Swaps wird heute diese Art der Barerfüllung vereinbart; man nennt sie daher cash settled. Mit ihnen werden entweder Sicherungs- oder Spekulationszwecke verfolgt. Wie bei den Optionen gibt es auch bei den Swaps ein underlying, auf das sie sich beziehen. Dieses kann vielfältige Formen annehmen. Außer Devisen kann es sich zum Beispiel um Aktien, Anleihen, Geldmarktinstrumente oder handelbare Güter wie Öl handeln. Das underlying muss nicht einmal ein Gegenstand sein. Ein Swap kann sich auch auf Indizes wie etwa den EURIBOR165 oder den DAX beziehen. In Betracht kommen weitere Variablen, wie Klimawerte oder volkswirtschaftliche Daten, zum Beispiel die Arbeitslosenrate. Wegen der unterschiedlichen underlyings gibt es eine Vielzahl verschiedener Swaps. Man unterscheidet zum Beispiel Zinsswaps, equity swaps und Devisenswaps, um nur einige zu nennen. Der Artenreichtum wird noch dadurch vergrößert, dass sich die Vereinbarungen unterschiedlich ausgestalten lassen. Bei den total return swaps wird beispielsweise der gesamte Ertragsstrom aus einer Anlage gegen den aus einer anderen ausgetauscht166 . Bei anderen Geschäften 164 Vgl. Goris, The Legal Aspects of Swaps, Rdnr. 0–1; Hudson, The Law on Financial Derivatives, Rdnr. 2–73. 165 EURIBOR (European Interbank Offered Rate) bezeichnet den Zinssatz, den sich europäische Banken gegenseitig im Interbankenverkehr stellen. 166 Zu ihnen Henderson, Henderson on Derivatives, S. 109–111.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

werden komplizierte Formeln zur Berechnung der geschuldeten Leistung verwendet, etwa beim spread ladder swap oder beim constant maturity swap167. Möglich ist auch, dass eine Seite lediglich das Recht erhält, ihre Risiken einzutauschen, aber dazu nicht verpflichtet ist. Im Finanzjargon spricht man dann von einer swaption168 . Die wichtigsten Motive, aus denen Swaps abgeschlossen werden, sind Risikoabsicherung und Spekulation. Teilweise wird bei Zinsswaps davon gesprochen, sie dienten der „Zinsoptimierung“, doch ist dies im Grunde nichts anderes. Eine neue Verwendung haben Swaps in jüngster Zeit bei der Vorbereitung von Übernahmen gefunden. Dabei schließt der potentielle Erwerber mit der anderen Seite, häufig einer Bank, einen total return swap über die Aktie des Zielunternehmens. Um sich keinen Risiken auszusetzen, wird diese die entsprechenden Aktien in ihr Portfolio aufnehmen. Damit ist der Bieter einerseits sicher, dass im Fall der Übernahme ein potentieller Aktienverkäufer zur Verfügung steht, andererseits wird die Bank ihre Stimmrechte häufig zu seinen Gunsten ausüben. Swaps werden individuell geschlossen. Ein großer Teil der Geschäfte erfolgt over the counter. Jedoch gehören sie auch zur Angebotspalette der Börsen. Für den Abschluss gibt es standardisierte Vertragsformulare. Ein solches ist zum Beispiel das durch die International Swap and Derivatives Association (ISDA)169 entwickelte Master Agreement. Es erlaubt, die Rechte aus Swapverträgen einheitlich festzulegen. Dadurch konnte ein Handel mit Swaps entstehen170 . Es gibt auch einen Sekundärmarkt für Swaps. Allerdings werden dort nur in den seltensten Fällen Instrumente von einer Person auf eine andere übertragen, wie es etwa bei Aktien oder Anleihen der Fall ist. Die Informationskosten über die Bonität der anderen Seite und die sonstigen Transaktionskosten wären schlicht zu hoch. Wenn eine Partei ihre Position wechseln will, schließt sie einfach einen reverse swap mit einer dritten Partei zu spiegelbildlichen Bedingungen ab171. Damit wird ihre Stellung zwar nicht rechtlich, aber wirtschaftlich verändert. Eine Unterart des Swaps ist der contract for difference (CFD), der insbesondere in der englischen Praxis Bedeutung erlangt hat. Dabei verpflichtet sich eine Seite, der anderen den Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert eines Anlagengegenstands bei Abschluss und in einem späteren Zeitpunkt zu zahlen. In 167 Siehe Stark/Loose, Finanz Betrieb 2007, 610–618; Roller/Elster/Knappe, ZBB 2007, 345–364. 168 v. Bernstorff, Finanzinnovationen, S. 72; Erne, Die Swapgeschäfte der Banken, S. 32 f. 169 http://www.isda.org (zuletzt besucht am 28.1.2007). 170 Vgl. Fülbier, ZIP 1990, 680 (681); Young/Stein, 76 Geo. L. J. 1917, 1933 (1988); Vitale, 51 Case W. Res. L. Rev. 539, 551 (2001). 171 Vgl. Goris, The Legal Aspect of Swaps, Rdnrn. 4–40, 4–66.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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der US-amerikanischen Terminologie handelt es sich daher um einen total return swap, bei dem der Ertrag und das Risiko des Anlagegegenstands gegen den von Geld ausgetauscht werden. Allerdings bestehen Besonderheiten des CFD gegenüber gewöhnlichen Swaps172: Zum einen wird eine Seite verpflichtet, Sicherheiten, sogenannte margins, zu erbringen, deren Höhe laufend an ihre Verpflichtungen angepasst werden. Zum anderen ist die Laufzeit des CFD unbegrenzt; er kann nur durch Kündigung beendet werden.

2. Verbriefung Eine Verbriefung ist bei Swaps nicht notwendig. Werden sie over the counter gehandelt, bedarf es ihrer ohnehin nicht. Aber auch börsennotierte Swaps sind nicht verbrieft, da sie an Derivatebörsen gehandelt werden, deren Regeln keine Wertpapiere voraussetzen173.

3. Zivilrechtliche Einordnung Swaps könnte man zivilrechtlich als Tauschverträge qualifizieren. Dies setzt gemäß § 480 BGB voraus, dass sie taugliche Kaufobjekte oder Geld zum Gegenstand haben174. Er kommt daher nur bei den Geschäften in Betracht, bei denen Objekte von einer Seite auf die andere wechseln, wie zum Beispiel bei dem einleitend genannten Devisenswap175. Bei den übrigen Arten werden zumindest im Kern keine physischen Gegenstände ausgetauscht, sondern Wertentwicklungen. Offensichtlich ist dies bei allen Instrumenten mit Barausgleichspflicht. Hier liegt statt der Einordnung als Tausch die als Spiel oder Wette gemäß § 762 BGB nahe176 . Doch steht ihr entgegen, dass Swaps in aller Regel berechtigten wirtschaftlichen Zwecken dienen177. Es bleibt daher nur die Rechtfertigung über die in § 311 I BGB gewährleistete und verfassungsrechtlich über Artikel 2 I GG abgesicherte Vertragsfreiheit. Swaps sind zivilrechtlich gesehen Verträge sui generis178 .

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Dazu Fox/Trost, Finanz Betrieb 2006, 37 (38 f.). Siehe o. S. 102 zu den Futures. 174 Vgl. Staudinger/Mader, § 480 Rdnr. 7. 175 Siehe o. S. 133. Für die Einordnung von Währungsswaps als Tauschvertrag Fülbier, ZIP 1990, 544 (545). 176 Dafür Fülbier, ZIP 1990, 544 (545). 177 Siehe zu diesem Ausschlusskriterium o. S. 105 f. 178 Ebenso Erne, Die Swapgeschäfte der Banken, S. 50, 62; Krämer, Finanzswaps und Swapderivate in der Bankpraxis, S. 155. 173

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4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Nach der Nomenklatura der MiFID gehören Swaps zu den Finanzinstrumenten179. Der deutsche Gesetzgeber hat dies in § 2 II Nr. 1, 2 und 5 WpHG umgesetzt. Swaps sind dort als Termingeschäfte erfasst, und zwar in der Variante der „als Tausch ausgestalteten Festgeschäfte“. Sie fallen damit unter die Kategorie der Derivate gemäß § 2 II WpHG und der Oberkategorie der Finanzinstrumente gemäß § 2 IIb WpHG. Allerdings gilt dies nur dann, wenn sie sich auf einen der in § 2 II Nr. 1, 2 und 5 WpHG genannten Basiswerte beziehen. Ansonsten sind Swaps keine Derivate und keine Finanzinstrumente im Sinne des WpHG. MiFID und WpHG führen CFDs gesondert auf 180 . Sie sind stets Finanzinstrumente, gleichgültig, auf welchen Gegenstand sie sich beziehen.

5. Folgerungen Auch bei den Swaps zeigt sich eine Abweichung zwischen zivil- und kapitalmarktrechtlicher Einordnung: Aus Sicht des bürgerlichen Rechts sind sie Verträge, aus der Perspektive des Kapitalmarktrechts dagegen Derivate und Finanzinstrumente. Die erste Sichtweise betont die durch den Swap entstehende persönliche Beziehung zwischen den Parteien, die zweite den Charakter als Vermögensgegenstand.

VII. Kreditderivate 1. Wirtschaftliche Grundlagen Kreditderivate sind Vereinbarungen, durch die sich eine Partei verpflichtet, im Fall eines gewissen Ereignisses an die andere Seite einen bestimmten Betrag zu zahlen. Sie dienen dazu, finanzielle Risiken handelbar zu machen. Durch Kreditderivate werden solche Risiken auf den allgemeinen Kapitalmarkt übertragen. Eine überragende Stellung unter den Kreditderivaten nimmt der credit default swap (CDS) ein181. Er hat mit dem Swap zwar den Namen gemein, weist gegenüber diesem aber die grundlegende Besonderheit auf, dass er sich auf ein 179 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1, Anhang I, Abschnitt C, Nr. 4–7, 10. 180 MiFID, Anhang I, Abschnitt C, Nr. 9; § 2 II Nr. 3 WpHG. 181 Zu ihm Das, Credit Derivatives, S. 8–10; Henderson, Henderson on Derivatives, S. 106–109; Luttermann, RIW 2008, 737–743.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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Kreditereignis bezieht. Dazu ein Beispiel: Eine Bank hat Darlehen an eine Reihe von Schuldnern aus einem bestimmten Geschäftsbereich, zum Beispiel der Autoindustrie, vergeben. Kommt es zu einer Krise im Automobilsektor und fallen deshalb ihre Darlehensnehmer in Insolvenz, so trägt die Bank den Verlust selbst. Um ihr Risiko zu minimieren, kann sie in eine Art Tauschbeziehung mit einer außenstehenden Person treten. Letztere verpflichtet sich, im Fall der Insolvenz der Schuldner an die Bank eine bestimmte Zahlung zu leisten. Dafür erhält sie von ihr eine Prämie. Mit anderen Worten: Das Risiko des Ausfalls der Schuldner wird gegen eine konstante Verpflichtung ausgewechselt. Der Erwerber des CDS wird risk buyer genannt oder auch protection seller, weil er ein Risiko übernimmt und der anderen Seite eine Sicherung dagegen verkauft. Hingegen wird der Veräußerer als risk seller oder protection buyer bezeichnet. Die Rollen sind also gegenüber normalen Kaufverträgen in eigenartiger Weise vertauscht: Der Veräußerer des CDS entledigt sich eines ihm unangenehmen Risikos, das der Erwerber gegen Geldzahlung übernimmt. Außer dem Schuldnerausfall lassen sich auch andere Kreditereignisse durch CDS absichern, zum Beispiel der Verzug oder Bonitätsherabstufungen des Schuldners oder die Veränderung eines Basiswerts182 . Der Vorteil für die Bank ist offensichtlich: Sie ersetzt ihre Risiken durch berechenbare Zahlungen. Damit entbindet sie sich von der Verpflichtung, Eigenkapital zur Absicherung der Risiken bereitzuhalten. Dieses Kapital steht ihr für andere Zwecke zur Verfügung. Die Gegenseite setzt hingegen darauf, dass ein bestimmtes Ereignis nicht eintritt. Sie kann in diese Überzeugung investieren, ohne einen teuren Vermögensgegenstand erwerben zu müssen. Neben den CDS gehören zu den Kreditderivaten auch die credit spread-Produkte183. Bei ihnen verpflichtet sich eine Seite, den Unterschiedsbetrag zwischen der Entwicklung eines bestimmten Referenzaktivums, etwa einer Unternehmensanleihe, und der eines anderen, praktisch risikolosen Gegenstands, wie etwa einer Staatsanleihe, zu zahlen. Der credit spread drückt recht genau den Aufschlag aus, den der Markt vom Unternehmen wegen dessen spezifischer Kreditrisiken verlangt. Ähnliche Effekte kann man auch mit total return swaps erzielen, doch gehören diese in die eigene Kategorie der Swaps, da sie auch anderen Zwecken dienen. Eine Besonderheit der Kreditderivate ist, dass der Erwerber gleich zweifach belastet wird: Er trägt nicht nur das Risiko des Ausfalls des Gegenstands, für den er die Sicherheit übernommen hat, sondern auch das seines Vertragspartners. Unter anderem aus diesem Grund sind Kreditderivate besonders gefährlich. Die Gefahren werden allerdings dadurch minimiert, dass diese Produkte nur zwischen Banken und Finanzinstituten gehandelt werden, denen norma182 183

König, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bank- und Börsenrecht VIII, Rdnr. 150. Zu ihnen Berg, Kreditderivate im deutschen Privatrecht, S. 72–80.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

lerweise genügend Informationen über die jeweils andere Seite zur Verfügung stehen.

2. Verbriefung Kreditderivate können verbrieft werden, um den Handel mit ihnen zu erleichtern. Diese Vorgehensweise ist bei credit default swaps üblich184. Allerdings birgt der Terminus „Verbriefung“ die Gefahr von Missverständnissen. Auch hier geht es nicht darum, dass ein Papier ausgestellt wird. Vielmehr werden lediglich die Voraussetzungen für die Übertragbarkeit und damit für den Handel an der Börse geschaffen185. Das geschieht durch die Emission der Kreditderivate als Schuldverschreibungen. Die dabei entstehenden Finanzprodukte nennt man credit linked notes186 . Ihre Bedingungen sind gegenüber denen unverbriefter Kreditderivate leicht abgewandelt: Der protection seller zahlt beim Erwerb der credit linked note einen Betrag an den protection buyer. Er erhält dafür einen Rückzahlungsanspruch, der in Raten oder in einer Schlusszahlung zu erfüllen ist. Tritt das Kreditereignis ein, dann wird entweder die Ratenzahlung ausgesetzt oder der gesamte Kreditbetrag sofort zur Rückzahlung fällig, allerdings gemindert um einen Abzug. Der protection seller erhält also nicht seine gesamte Investition zurück. Daher ist das Kreditrisiko auf ihn übertragen.

3. Zivilrechtliche Einordnung Aus Sicht des bürgerlichen Rechts ist zwischen unverbrieften und verbrieften Kreditderivaten zu unterscheiden.

a) Unverbriefte Kreditderivate Die zivilrechtliche Qualifikation der unverbrieften Kreditderivate ist umstritten. Nach einer Ansicht soll es sich um Garantieverträge oder atypische Verträge mit garantieähnlichem Charakter handeln187. Einer anderen Meinung zufolge ist die Frage in Abhängigkeit der jeweiligen Vertragsbedingungen zu beantworten188 . Nach einer dritten Auffassung ist eine Einordnung

184

Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114 Rdnr. 29. Siehe dazu o. S. 53 f. 186 Zu ihnen Zahn/Lemke, WM 2002, 1536–1544. 187 Nordhues/Benzler, WM 1999, 461 (463); König, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bank- und Börsenrecht VIII, Rdnr. 162. 188 Schäfer, in: Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 21 Rdnr. 99. 185

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

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unter die bekannten Kategorien des Zivilrechts unmöglich; es soll sich daher um Verträge sui generis nach § 311 I BGB handeln189. Bei nüchterner Betrachtung stellt man fest, dass das BGB für Kreditderivate keine passende Kategorie bereithält. Am nahesten scheint daher die Qualifikation als Vertragstyp sui generis zu liegen. Auch sie trägt der Realität jedoch nur ungenügend Rechnung, da sie nicht berücksichtigt, dass Kreditderivate bereits gegenwärtigen Wert haben und gehandelt werden können. Sie sind daher keine Verträge im gewöhnlichen Sinn.

b) Verbriefte Kreditderivate Einfach erscheint dagegen die Einordnung der credit linked notes. Die einhellige Literatur sieht sie als Schuldverschreibungen an190 . Das könnte man auf den ersten Blick für gerechtfertigt halten, da bei der Emission bewusst die Schuldverschreibung als Rechtsform gewählt wird. Allerdings gibt es einen bedeutenden Unterschied zu dieser: Bei den Kreditderivaten verspricht nicht der Emittent eine Leistung an den Inhaber. Zwar geht er eine Rückzahlungsverpflichtung ein, doch gibt diese dem Vertrag nicht sein Gepräge. Kennzeichnend ist vielmehr, dass der Inhaber ein Risiko für den Emittenten übernimmt. Das ist neuartig. Es weicht vom Leitbild der Schuldverschreibung in § 793 I 1 BGB so stark ab, dass sich das Kreditderivat nicht mehr dieser Kategorie zuordnen lässt. Es ist eine neue Art des Wertpapiers entstanden. Credit linked notes können daher entgegen der herrschenden Meinung nicht als Schuldverschreibungen angesehen werden.

4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Wegen der Übernahme eines Risikos für andere ähneln CDS den Versicherungsverträgen. Dennoch werden sie im Versicherungsaufsichtsrecht nicht als solche eingeordnet191. Der Grund dafür ist, dass sie anders als Versicherungsverträge das Kreditrisiko nicht auf mehrere Personen verteilen, die durch die gleiche Gefahr bedroht sind, sondern auf unbeteiligte Dritte, nämlich die Anleger. Das Wertpapierhandelsgesetz qualifiziert Kreditderivate in § 2 II Nr. 4 als Derivate und daher als Finanzinstrumente im Sinne von § 2 IIb. Diese Ein189 Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114 Rdnr. 86; Berg, Kreditderivate im deutschen Privatrecht, S. 193. 190 Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rdnr. 19; König, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bank- und Börsenrecht VIII, Rdnr. 161; Nordhues/Benzler, WM 1999, 461 (463); Zahn/Lemke, WM 2002, 1536 (1537). 191 Schäfer, in: Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 21 Rdnr. 99; Jahn, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114 Rdnr. 86.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

ordnung geht auf die MiFID zurück192 . Damit ist auch die früher häufig diskutierte Frage, ob Kreditderivate Finanztermingeschäfte sind193, geklärt. Zwar handelt es sich bei ihnen nicht um Termingeschäfte im Sinne von § 2 II Nr. 1 WpHG, wie die gesonderte Nennung in § 2 II Nr. 4 WpHG zeigt. Jedoch sind alle Derivate im Sinne des § 2 II WpHG – unabhängig von ihrer Einordnung als Termingeschäft – gemäß § 37e S. 2 WpHG als Finanztermingeschäfte anzusehen. Folglich handelt es sich auch bei Kreditderivaten um Finanztermingeschäfte. Allerdings wurde von dieser Einordnung nach altem Recht eine Ausnahme vertreten, soweit die Kreditderivate als credit linked notes verbrieft sind194. Fraglich ist, ob diese sich nach neuem Recht noch aufrechterhalten lässt. Der Wortlaut des § 2 II Nr. 4 WpHG unterscheidet auf den ersten Blick nicht danach, ob Kreditderivate verbrieft oder unverbrieft sind. Er umfasst alle Kreditderivate, unabhängig von der Ausstellung einer Urkunde195. Allenfalls könnte man versuchen, credit linked notes als Schuldverschreibungen im Sinne von § 2 I 1 Nr. 3 lit. a WpHG anzusehen und dadurch den Regeln über Finanztermingeschäfte zu entziehen. Dafür scheint zu sprechen, dass der Wortlaut des § 2 II Nr. 4 WpHG die zeitlich verzögerte Erfüllung voraussetzt, die man in Anlehnung an die Rechtsprechung zu den Zertifikaten deshalb ablehnen könnte, weil die Verpflichtung des Emittenten bereits durch die Übertragung der Schuldverschreibung erfüllt werde196 . Hier wie dort trägt jedoch eine solche rein begrifflich-konstruktive Argumentation nicht. Der Einordnung als Schuldverschreibung steht entgegen, dass Kreditderivate dem gesetzlichen Leitbild des § 793 I 1 BGB nicht entsprechen. Außerdem differenziert die MiFID, welche durch § 2 II Nr. 4 WpHG umgesetzt werden soll, ebenfalls nicht zwischen verbrieften und unverbrieften Kreditderivaten197. Schließlich ist eine Einordnung der credit linked notes als Finanztermingeschäfte auch nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gerechtfertigt: Zwar muss der Erwerber eines verbrieften Kreditderivats seine Investition schon bei Abschluss des Vertrags aufbringen. 192 Vgl. Anhang I Abschnitt C Nr. 8 MiFID (Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1). 193 Dazu Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rdnr. 19; Schäfer, in: Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 21 Rdnr. 100; König, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bank- und Börsenrecht VIII, Rdnrn. 163–166; Nordhues/Benzler, WM 1999, 461 (468 f.); Zahn/Lemke, WM 2002, 1536 (1539 f.). 194 Schäfer, in: Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 21 Rdnr. 100. 195 Für eine Erfassung als Finanzinstrumente daher Berg, Kreditderivate im deutschen Privatrecht, S. 357. 196 Siehe o. S. 111 ff. 197 Vgl. Anhang I Abschnitt C Nr. 8 MiFID.

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

141

Doch besteht auch hier das Risiko der Spekulation und des Totalverlusts, so dass die Anwendung des § 37g WpHG geboten erscheint.

5. Folgerungen Kreditderivate stellen eine völlig neue Form handelbarer Instrumente dar. Durch sie werden Risiken vom Emittenten auf den Erwerber übertragen. Mit dem klassischen numerus clausus der Wertpapiere lassen sie sich nicht vereinbaren. Entsprechend ihrer kapitalmarktrechtlichen Qualifikation sollte man sie auch im Zivilrecht als Derivate und damit als Finanzinstrumente einordnen.

VIII. Hybrides Kapital 1. Wirtschaftliche Grundlagen Hybrides Kapital ist eine neue Form der Unternehmensfinanzierung, die zwischen den traditionellen Arten Eigenkapital und Fremdkapital steht. Stellt man sich letztere als zwei übereinander liegende Geschosse eines Hauses vor, so würde das hybride Kapital eine Mittelebene einnehmen. Daher bezeichnet man es in Anlehnung an einen aus der Architektur bekannten Begriff auch als „Mezzanine-Finanzierung“ oder „Mezzanine-Kapital“198 . Die Entwicklung des hybriden Kapitals geht auf die Suche nach flexiblen Finanzierungsmöglichkeiten jenseits der traditionellen Formen zurück. Seine Emission bietet dem Unternehmen verschiedene Vorteile: Zum einen kann es Kapital erlangen, ohne dass neue Gesellschafter hinzutreten. Dadurch ändern sich die Stimmverhältnisse im Unternehmen nicht. Zum anderen wird das hybride Kapital bilanziell meist als Eigenkapital behandelt199. Dies stärkt die finanzielle Situation des Unternehmens und kann zu einer Verbesserung seines Ratings führen, wodurch die Kosten neuer Kredite gesenkt werden. Gleichzeitig hat die Emission hybrider Instrumente steuerliche Vorteile, weil die Aufwendungen als Betriebsausgaben absetzbar sind200 . Außerdem ist die Aufnahme von hybridem Kapital meist kostengünstiger als die Finanzierung über Kredite und reduziert die Abhängigkeit von Banken als Finanzgebern. Auch aus der Sicht der Gläubiger ist Hybridkapital attraktiv: Es kombiniert die Sicherheit der Rückzahlung von Fremdkapital mit den Vorteilen des Eigenkapitals, insbesondere der höheren Rendite. 198 Siehe z.B. Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297; Küting/Dürr, DB 2005, 1529; Sester, ZBB 2006, 443 (444 f.). Eingehend zur Begrifflichkeit Görtz, Die aktien- und steuerrechtliche Qualifikation von Hybrid-Anleihen – oder der Genussrechtstest, S. 27–29. 199 Zur bilanziellen Behandlung ausführlich Küting/Dürr, DStR 2004, 1529 (1530–1534); Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297 (1298–1304); Schaber/Isert, BB 2006, 2401–2407. 200 Vgl. Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297 (1299–1304); Siebel, ZHR 161 (1997), 628 (630).

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Hinter dem Begriff „hybrides Kapital“ verbergen sich vielfältige Erscheinungen. Eine von ihnen ist die Wandelanleihe. Es handelt sich dabei um eine Schuldverschreibung verbunden mit der Option, sie gegen eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung einzutauschen 201. Der Wandelanleihe ähnlich ist die Optionsanleihe. Bei ihr hat die Option jedoch eigenständigen Charakter; wird sie ausgeübt, erwirbt der Inhaber zusätzlich zu seinem Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung Anteile am Emittenten202 . Das Aktiengesetz bezeichnet beide als „Wandelschuldverschreibungen“203. Sie sind Fremdkapital, das dem Eigenkapital angenähert ist. Gewinnschuldverschreibungen, die das Aktiengesetz auch erwähnt204 , haben im Ausgangspunkt ebenfalls Fremdkapitalcharakter. Bei ihnen wird der rückzuzahlende Betrag nicht fest vereinbart, sondern vom Erfolg der Gesellschaft abhängig gemacht. Der Gläubiger ist also am Ertrag des Unternehmens beteiligt. Die Abgrenzung zur gesellschaftsrechtlichen Beziehung fällt dadurch nicht leicht. Eine weitere Art des hybriden Kapitals sind Nachranganleihen, auch „Hybridanleihen“ genannt205. Sie werden kraft einer besonderen Vereinbarung der Parteien erst nach den anderen Verbindlichkeiten des Schuldners, der sogenannten senior debt, erfüllt206 . Dadurch nimmt die Nachranganleihe Züge des Eigenkapitals an. Ihr Rang kann verschieden sein und hängt von der jeweiligen Vereinbarung der Parteien ab. Die unterschiedlichen Stufen werden mit dem englischen Wort tier für Rang oder Stufe bezeichnet. Diese können nochmals unterteilt sein, etwa in upper tier 2 und lower tier 2. Die Stufe, welche gegenüber allen anderen nachrangig ist, nennt man „first loss piece“ oder „equity piece“. Es entsteht eine Leiter, die sehr deutlich zeigt, wie sich der Charakter der Nachranganleihe immer mehr dem Eigenkapital annähert. Das gilt auch hinsichtlich ihrer Laufzeit. Bei Anleihen ist sie klassischerweise begrenzt, beim Eigenkapital unbegrenzt. Mittlerweile ist die Ausgabe von Hybridanleihen mit unbegrenzter Laufzeit üblich geworden 207. Man spricht insoweit auch von „ewigen Anleihen“208 . Zum hybriden Kapital zählen außerdem Genussrechte. Sie verbriefen ebenfalls schuldrechtliche Ansprüche. Doch ist deren Erfüllung nicht fest versprochen, sondern von der Entwicklung des Unternehmens abhängig. Inhaltlich entsprechen sie Rechten, die normalerweise den Aktionären vorbehalten sind, 201

Vgl. Krieger, in: MünchHdB. AG, § 63 Rdnr. 4. Vgl. ebda. 203 § 221 I 1 Fall 1 AktG. 204 Vgl. § 221 I 1 Fall 2 AktG. 205 Zu ihnen Sester, ZBB 2006, 443–463. 206 Dazu Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297 (1299). 207 Siehe Schaber/Isert, BB 2006, 2401. 208 Zur Zulässigkeit aus zivil- und aktienrechtlicher Sicht Thomas, ZHR 171 (2007), 684–712. 202

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

143

zum Beispiel dem Dividendenanspruch oder dem Anspruch auf den Liquidationserlös. Abhängig von der Ausgestaltung können Genussrechte dem Eigenkapital näher stehen als dem Fremdkapital209. Bei Vorzugsaktien vollzieht sich der Prozess der Annäherung in umgekehrter Richtung210 . Sie sind im Ausgangspunkt Aktien, also Eigenkapital. Allerdings gewähren sie eine höhere Gewinnbeteiligung als normale Aktien. Dafür können die gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte der Inhaber von Vorzugsaktien eingeschränkt werden, zum Beispiel ihr Stimmrecht211. Sie sind daher, obwohl Aktionäre, in mancher Hinsicht ähnlich den Gläubigern der Gesellschaft gestellt.

2. Verbriefung Ebenso wie Schuldverschreibungen und Aktien wird auch hybrides Kapital verbrieft. Bei Massenemissionen werden meist Globalurkunden ausgestellt. Besonderheiten ergeben sich insoweit nicht. Anders als bei gewöhnlichen Schuldverschreibungen oder Aktien kommt jedoch den oft umfangreichen Emissionsbedingungen besondere Bedeutung zu. Sie legen genau fest, welche Rechte das hybride Kapital den Anlegern gewährt. Nicht selten sehen sie Mitspracherechte in Angelegenheiten der Gesellschaft vor oder legen eine bestimmte Unternehmenspolitik fest. Die Einhaltung dieser sogenannten covenants wird von den Gläubigern überprüft. An die Stelle der gesetzlichen Normierungen der Inhaberrechte sind also detaillierte vertragliche Regelungen getreten.

3. Zivilrechtliche Einordnung Für die Qualifikation des hybriden Kapitals bestimmend ist die Dichotomie zwischen Schuldverschreibung und Aktie. Nach der zivilrechtlichen Dogmatik muss es entweder in die eine oder in die andere Kategorie eingeordnet werden. Die Schuldverschreibung gibt dem Gläubiger ein Anrecht auf eine bestimmte Leistung, § 793 I 1 BGB. Er erwirbt einen schuldrechtlichen Anspruch. Mit dem Erwerb der Aktie wird der Anleger dagegen Mitglied eines Verbands. Die „Mitgliedschaft“ umfasst neben Leistungsansprüchen eine Reihe von Teilhabeund Schutzrechten 212 . Sie erlauben dem Mitglied, am Verbandsleben teilzunehmen und an der Willensbildung der Gesellschaftsorgane mitzuwirken. Diese „permanente Gestaltungsbefugnis“ wird geradezu als das Substrat der Mit209

Ausf. dazu u. S. 330 f. Zu Vorzugsaktien als hybridem Kapital siehe Siebel, ZHR 161 (1997), 628–664. 211 Vgl. §§ 12 I 2, 139 I AktG. 212 Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 78 f.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 197 f.; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 557 f. 210

144

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

gliedschaft angesehen 213. Vergleichbare Rechte hat der Inhaber einer Schuldverschreibung im Regelfall nicht. Das hybride Kapital lässt sich jedoch weder der einen noch der anderen Gattung eindeutig zuordnen. Sein Zweck besteht gerade darin, die klaren zivilrechtlichen Grenzen zwischen schuldrechtlichem Anspruch und gesellschaftsrechtlicher Mitgliedschaft zu verwischen. Aufgrund seiner komplexen Struktur bewegt es sich zwischen beiden Kategorien. Es ist ein juristisches Chamäleon, das mal dieser, mal jener Art des Rechts ähnelt. Freilich muss der Emittent dem numerus clausus Respekt zollen. Er hat eine klare Entscheidung zu treffen, ob er eine Schuldverschreibung oder eine Aktie begibt. Inhaltlich lassen sich beide jedoch durch zahlreiche Abwandlungen in den covenants einander annähern. Zum Beispiel kann man die Verzinsung einer Schuldverschreibung gewinnabhängig ausgestalten. Oder man schließt bei Aktien das Stimmrecht aus. Die einst strenge Zweiteilung in Schuldrecht und Gesellschaftsrecht verschwimmt also immer mehr. Aus Sicht der Kapitalmärkte sind die Unterschiede zwischen Vertrag und Mitgliedschaft wesentlich geringer als aus Sicht der Juristen. In beiden Fällen geht es darum, dass ein bestimmter Kapitalbetrag einem Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Es besteht ein Bedürfnis, die als Gegenleistung eingeräumte Stellung flexibel auszugestalten. Dabei erweisen sich die rechtlichen Grenzen zwischen Schuld- und Gesellschaftsrecht als überbrückbar. Mit kreativen Vertragsbestimmungen, die sich auf die Privatautonomie stützen, lässt sich die als absolut gedachte Trennung zwischen beiden Rechtsgebieten überwinden. Allerdings ist die Zulässigkeit hybriden Kapitals immer wieder Zweifeln ausgesetzt. So werden Vorzugsaktien, deren Zins auf den Vorzugssatz als Gewinnanteil beschränkt ist, von einer Ansicht als unzulässig angesehen, denn bei ihnen stünden die Vorzugsaktionäre „schlechter da als Obligationäre“214. Bei Nachrangdarlehen soll die Vereinbarung einer Mindestvergütung gegen das Aktiengesetz verstoßen, da es sich um einen Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 I Nr. 2 AktG handele und § 301 AktG nur die Abführung des Gewinns, nicht aber eine gewinnunabhängige Vergütungskomponente erlaube215. Die Zulässigkeit der Ausgabe von Genussrechten wird ebenfalls bezweifelt, soweit sie den Gesellschaftern vorbehaltene Sonderrechte auf Gläubiger übertragen 216 . 213

Siehe Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 82. Zöllner, in: Kölner Komm. AktG, § 139 Rdnr. 12. Für die Zulässigkeit dagegen Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, § 139 Rdnr. 17; Siebel, ZHR 161 (1997), 628 (637). 215 Hofert/Arends, ZIP 2005, 1297 (1299). 216 Dazu Hirte, ZIP 1988, 477–490; ders., ZIP 1991, 1461 (1462 f.); Gehling, WM 1992, 1093–1100; Görtz, Die aktien- und steuerrechtliche Qualifikation von Hybrid-Anleihen – oder der Genussrechtstest, S. 127–132. 214

2. Kapitel: Phänomene des Kapitalmarkts

145

Tatsächlich gibt es weder einen Grundsatz, dass man keine Aktien ausstellen darf, die weniger Rechte als eine Schuldverschreibung verleihen, noch ist es verboten, die Vorteile einer Schuldverschreibung mit denen einer Aktie zu kombinieren. Auch gibt es keine ausschließlich den Gesellschaftern vorbehaltenen Leistungen der Gesellschaft. Richtig ist jedoch, dass die Einführung von hybridem Kapital, soweit dieses nicht wie die Vorzugsaktie ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, im Spannungsverhältnis zum wertpapierrechtlichen Typenzwang steht. Es handelt sich weder um eine Aktie noch um eine Schuldverschreibung, sondern eine dazwischen stehende Art des Wertpapiers. Sein Inhalt hängt im Wesentlichen nicht von den gesetzlichen Bestimmungen, sondern von den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ab.

4. Kapitalmarktrechtliche Einordnung Aus der Sicht des Kapitalmarktrechts bereitet die Einordnung von hybriden Instrumenten im Allgemeinen keine Probleme. Sie sind Wertpapiere. Das WpHG sieht neben Aktien auch andere Anteile als Wertpapiere an, soweit sie Aktien vergleichbar sind217. Bei den Schuldtiteln nennt es neben den Schuldverschreibungen ausdrücklich auch Genusscheine218 . Die meisten Formen des hybriden Kapitals lassen sich der einen oder der anderen Kategorie des § 2 I WpHG zuordnen. Problematisch wird es dagegen, soweit ein kapitalmarktrechtliches Gesetz auf eine bestimmte Art von Wertpapieren beschränkt ist. So verhält es sich beispielsweise beim Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz. Nach seinem § 2 II Nr. 1 sind Wertpapiere nur „Aktien, mit ihnen vergleichbare Wertpapiere und Zertifikate, die Aktien vertreten“. Schuldtitel werden dagegen nicht erfasst. Hier ist eine klare Zuordnung des hybriden Kapitals zur einen oder anderen Art nötig219.

5. Folgerungen Abermals stellt es sich als schwierig heraus, die neuen Produkte des Finanzmarkts mit den überkommenen Kategorien des Wertpapierrechts zu vereinbaren. Hybrides Kapital hat sich weitgehend an der Gesetzgebung vorbei entwickelt. Es steht zwischen den traditionellen Formen der Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, nämlich der Aktie und der Schuldverschreibung.

217

§ 2 I 1 Nr. 1, 2 WpHG. § 2 I 1 Nr. 3 WpHG. 219 Vgl. dazu Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, § 2 Rdnr. 78; Schüppen, in: Haarmann/Schüppen, WpÜG, § 2 Rdnr. 23; Versteegen, in: Kölner Komm. WpÜG, § 2 Rdnr. 93. 218

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Hybride Instrumente kombinieren Aspekte beider. Wer den Grundsatz des numerus clausus der Wertpapiere streng fasst, muss ihre Zulässigkeit bezweifeln. Aus Sicht des Finanzmarkts sind sie dagegen eine Notwendigkeit.

147

3. Kapitel

Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte gegenüber dem Wertpapierrecht Das vorangegangene Kapitel hat Phänomene des Kapitalmarkts aufgezeigt, die in offenem Widerspruch zum traditionellen Wertpapierbegriff stehen. Diese Widersprüche sollen nunmehr aus theoretischer Sicht zusammengefasst werden (§ 6). In einem zweiten Schritt sind mögliche Problemlösungen aufzuzeigen. Dabei wird sich eine rechtsvergleichende Analyse als hilfreich erweisen (§ 7). Am Ende dieses Kapitels steht die Erkenntnis, dass das Recht der Kapitalmarktprodukte vom Wertpapierrecht abgetrennt werden muss. Diese ist fundamentaler Natur, weil sie eine grundlegende Veränderung des bisherigen Rechtszustands verlangt.

§ 6 Dogmatische Probleme des deutschen Rechts I. Einschränkung der Innehabung und des Umlaufs von Wertpapieren Nach herrschender Lehre ist ein Wertpapier eine Urkunde, in der ein Recht in der Weise verbrieft ist, dass zu seiner Geltendmachung die Innehabung der Urkunde notwendig ist1. Dies beruht, wie gesehen, auf der Annahme, dass das Papier dem Schuldner vorgelegt werden muss, um das darin beurkundete Recht auszuüben. Das Wertpapier wird daher als Vorlegungspapier angesehen 2 . Das vorangegangene Kapitel hat gezeigt, dass die Realität des Effektenverkehrs an vielen Stellen von dieser Grundwahrheit des Wertpapierrechts abweicht. Der aus einem Kapitalmarktpapier Berechtigte hat die Urkunde regelmäßig nicht in seinem unmittelbaren Besitz. Vielmehr wird diese von einem Institut für ihn verwahrt. Zur Ausübung der Rechte aus der Urkunde muss er den Besitz an ihr nicht erlangen. So verzichten die Emittenten von Schuldverschreibungen gegenüber den Gläubigern auf die Vorlage des Mantels und die 1 2

Vgl. o. S. 11. Vgl. ebda.

148

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Übergabe der Kupons3. Auch der Aktionär muss zur Teilnahme an der Hauptversammlung die Aktie nicht vorzeigen, sondern kann seine Berechtigung auf andere Art nachweisen4. Eine weitere, nach herkömmlicher Dogmatik grundlegende Eigenschaft des Wertpapiers ist, dass das verbriefte Recht mit der Übereignung und Übergabe der Urkunde übertragen wird. Wertpapiere sind Umlaufpapiere5. Auch insoweit besteht jedoch ein Widerspruch zwischen der rechtlichen Konzeption und der Realität des Kapitalmarkts. Die Übertragung von Effekten erfolgt ohne physische Bewegung von Urkunden; diese ruhen in den Tresoren der Sammelbank. Dennoch wird in der deutschen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Lehre daran festgehalten, dass es sich bei den Kapitalmarktprodukten um Wertpapiere handele. Weiterhin wendet man auf sie das klassische Modell der Urkunde an, die der Inhaber in den Händen halten muss, um seine Ansprüche geltend zu machen, und die er übergeben muss, um die in ihr verbrieften Rechte zu übertragen. Dabei stört man sich nicht daran, dass rein tatsächlich weder der Inhaber noch der Erwerber die Urkunde jemals zu Gesicht bekommen. An die dargestellten Phänomene passt sich das deutsche Recht lediglich insoweit an, als es vorsieht, dass sich das Eigentum des Anlegers nicht mehr auf die individuelle Urkunde richtet. Vielmehr soll er einen Miteigentumsanteil am Sammeldepotbestand innehaben, in welchem das Wertpapier zusammen mit anderen verwahrt wird6 . Der Sammeldepotanteil wird als funktional gleichwertig zur Innehabung der Urkunde angesehen. Aufgrund seiner Innehabung soll der Anleger zur Geltendmachung der Rechte gegenüber dem Emittenten berechtigt sein. Unter Einschaltung der Depotbank und der Wertpapiersammelbank soll er diesen übertragen können, ohne dass Urkunden bewegt werden müssen7. Eine solche Lösung ist zwar rechtstechnisch möglich. Doch ist der Sammeldepotanteil sehr weit entfernt vom Paradigma des Wertpapierrechts, der körperlichen Urkunde. Am ideellen Anteil lässt sich keine Sachherrschaft ausüben. Er kann weder dem Emittenten zur Ausübung der Rechte vorgelegt noch dem Erwerber übergeben werden. Die auf körperliche Gegenstände zugeschnittenen Regeln des Wertpapierrechts lassen sich daher auf ihn allenfalls im Wege der Analogie anwenden. Die Rechtslage gerät zur Fiktion.

3 4 5 6 7

Siehe o. S. 27. Siehe o. S. 35 f. Siehe o. S. 12. Siehe o. S. 24 f. Zu den Einzelheiten u. S. 388 ff.

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

149

II. Verfall der Verbriefung Eine noch weitere Entfernung vom Wertpapierrecht tritt dadurch ein, dass die Verbriefung von Effekten immer weiter zurückgedrängt wird. Ein Beispiel dafür ist die Globalurkunde, die heute im Bereich der Kapitalmarktprodukte die Individualurkunde ersetzt. Sie repräsentiert Tausende von Rechten und ist weder zur Vorlegung noch zur Übertragung bestimmt. Sie entspricht damit in keiner Weise dem klassischen Bild des Wertpapiers. Ihre Ausstellung hat mit der einstigen Motivation der Verbriefung nichts mehr zu tun; sie verfolgt keinen praktischen Zweck. Sie dient nur noch dazu, die Anwendung wertpapierrechtlicher Vorschriften zu legitimieren. Gänzlich wird der Rahmen des Wertpapierrechts verlassen, soweit man auf jegliche Form der schriftlichen Fixierung verzichtet. Das ist derzeit bei den Anleihen des Staats und seiner Untergliederungen sowie seiner Sondervermögen der Fall. Diese finden sich nur noch in elektronischen Registern; Urkunden werden nicht mehr ausgestellt. Dennoch scheut sich der Gesetzgeber, die neue Realität anzuerkennen. Stattdessen stellt er die entstehenden unkörperlichen Schuldbuchforderungen kraft gesetzlicher Fiktion den Anteilen an Wertpapiersammelbeständen gleich8 . Die althergebrachten Grundsätze des Wertpapierrechts sollen auch auf sie Anwendung finden. Deutlich zeigt sich hier die Furcht, von überkommenen Denkschemata abzugehen. Der Gesetzgeber kapituliert vor den Herausforderungen des Computerzeitalters, indem er nicht sinnlich wahrnehmbare Rechte ebenso behandelt wie Rechte an Urkunden.

III. Verstoß gegen den numerus clausus Wie oben dargelegt, gehört es zu den Grundprinzipien des deutschen Rechts, dass jedes Wertpapier im Gesetz vorgesehen sein muss9. Nach dem Prinzip des Typenzwangs sind die Privaten im Verkehr auf die im Gesetz genannten Wertpapierarten beschränkt. Nach dem Grundsatz der Typenfixierung muss der wesentliche Inhalt der aus der Urkunde fließenden Rechte und Pflichten gesetzlich geregelt sein. Bei der Darstellung der Phänomene des Finanzmarkts hat sich jedoch gezeigt, dass gegen diesen numerus clausus in vielfältiger Weise verstoßen wird. Die Praxis entwickelt ständig neue Wertpapierarten, die das Gesetz nirgends vorsieht. In manchen Fällen werden gesetzlich geregelte Formen einander bis zur Ununterscheidbarkeit angenähert. Als Mittel dazu dienen die Bedingungen, die für die einzelnen Produkte vereinbart werden. Diese enthalten alle we8 9

Dazu o. S. 41 ff. Siehe o. S. 11 f.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

sentlichen Regelungen über die mit dem Produkt verbundenen Rechte und Pflichten. Die entscheidenden Inhalte werden also nicht mehr durch das Gesetz, sondern durch Vertrag festgelegt. Sowohl der Grundsatz des Typenzwangs als auch der der Typenfixierung sind verletzt.

IV. Zwischenbefund Die Realität des Kapitalmarkts hat sich vom Modell des Wertpapierrechts entfernt. Die Missachtung der Realität führt zu einer außerordentlichen Abstraktionshöhe des deutschen Rechts. Der Preis dafür ist seine Unverständlichkeit. Selbst die Erklärung einfachster Vorgänge wie der Übertragung einer Aktie wird so kompliziert, dass sie nur von wenigen Eingeweihten nachvollzogen werden kann10 . Das hat erhöhte Kosten zur Folge. Außerdem laden abstrakte juristische Konstruktionen zu zahlreichen dogmatischen Streitigkeiten geradezu ein11. Im Ergebnis können die rechtlichen Verhältnisse nicht mehr mit hundertprozentiger Sicherheit bestimmt werden. Das aber ist Gift für ein System, in welchem man Vermögensgegenstände von enormem Wert verwaltet. Darüber hinaus ist eine von den realen Vorgängen abgelöste Rechtslage ein Übel an sich: Dem Ideal des Rechts entsprechen Klarheit und Einfachheit. Beide lässt die Regelung des Effektenverkehrs in einem Maße wie kaum ein anderes Rechtsgebiet vermissen. Die Situation kann man nur verbessern, indem man das wertpapierrechtliche Modell für den Bereich des Finanzmarkts verwirft. Das heißt nicht, dass das Wertpapierrecht abgeschafft werden soll. Vielmehr ist sein Anwendungsbereich auf die individuell gehandelten Titel wie Wechsel, Scheck, Konnossement oder Ladeschein zu beschränken. Das Recht der am Kapitalmarkt gehandelten Produkte muss davon konsequent getrennt werden. Diese haben sich von den traditionellen Formen des Wertpapiers so weit gelöst, dass sie eine selbständige Regelung erfordern.

10 11

Siehe u. S. 388 ff. Siehe ebda.

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§ 7 Lösungen in ausländischen Rechtsordnungen Die vorausgehenden Ausführungen haben gezeigt, dass ein neues Rechtsgebiet zu begründen ist. Dieses muss Regeln für die am Kapitalmarkt gehandelten Titeln enthalten. Es ist dogmatisch vom Wertpapierrecht zu trennen. Fraglich ist allerdings, welches Konzept ihm zugrunde liegen soll. Das deutsche Recht kennt Kapitalmarkttitel als eigenständige Kategorie bisher nicht. Es ordnet sie vielmehr allesamt als Wertpapiere ein. Erhellung kann in einer solchen Situation, wie so oft, ein Blick in ausländische Rechtsordnungen bringen. Wie gehen sie mit den neuen Phänomenen des Kapitalmarkts um? Die von ihnen gefundenen Lösungen könnten einen Fingerzeig für die Bewältigung der dogmatischen Probleme des deutschen Rechts enthalten.

I. USA und Vereinigtes Königreich Zu beginnen ist mit dem Recht der USA und des Vereinigten Königreichs. Es ist in gewisser Weise typisch für das dort herrschende common law, dass es kein Konzept kennt, welches ähnlich dogmatisch ist wie das des deutschen Wertpapiers. In einer ersten Annäherung kann man versuchen, den Ausdruck „Wertpapiere“ mit „bills of exchange“ zu übersetzen. In Großbritannien sind sie durch den Bills of Exchange Act aus dem Jahre 1882 geregelt1. Danach handelt es sich um unbedingte, schriftliche Zahlungsversprechen an den Inhaber des Papiers oder an dessen Order2 . Zu den bills of exchange gehören neben Wechseln und Schecks auch sogenannte promissory notes3, die der Schuldverschreibung ähneln. Auch wenn letztere Kapitalmarktprodukte sein können, verfolgt der Bills of Exchange Act keinen spezifisch kapitalmarktrechtlichen Ansatz. Vielmehr regelt er die Voraussetzungen der Wirksamkeit der Instrumente, die Ansprüche, die aus ihnen folgen, ihre Übertragbarkeit und Übertragung sowie den Schutz des gutgläubigen Erwerbers. Er ähnelt daher dem deutschen Wechselund Scheckgesetz. Übertragbare bills of exchange bezeichnet man im Vereinigten Königreich auch als „negotiable instruments“4. Der Begriff spielt im US-amerikanischen Recht ebenfalls eine wichtige Rolle. Dort fanden sich früher ausführliche Regelungen über diese Instrumente im sogenannten Uniform Negotiable Instru1 2 3 4

S. 58.

Abgedruckt bei Byles on Bills of Exchange, Appendix 1. Vgl. section 3(1) Bills of Exchange Act 1882. Siehe Byles on Bills of Exchange, S. 3. Ebda. sowie Hedley/Hedley, Bills of Exchange and Banker’s Documentary Credits,

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

ments Act aus dem Jahre 18965. Heute enthält der UCC in Artikel 3 entsprechende Vorschriften6 . Nach der Definition in section 3–104 UCC ist für den Begriff des negotiable instrument das unbedingte Versprechen der Zahlung von Geld an den Inhaber oder an Order des Berechtigten kennzeichnend 7. Als Beispiele sind Tratten, Solawechsel, Schecks und Schuldverschreibungen genannt8 . Letztere haben zwar für den Kapitalmarkt Bedeutung. Ebenso wie im Bills of Exchange Act werden sie jedoch in Artikel 3 UCC nur hinsichtlich ihrer wertpapierrechtlichen Wirkungen erfasst. Für die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Produkte, wie Aktien und Obligationen, hat sich dagegen sowohl in den USA als auch im Vereinigten Königreich ein anderer Begriff eingebürgert: securities. Er wird daneben noch in einer weiteren rechtlichen Bedeutung verwendet, nämlich „Sicherheiten“. In dieser erfasst er zum Beispiel Grundpfandrechte, Bürgschaften und Sicherungseigentum9. Diese zivilrechtliche Bedeutung muss jedoch von der kapitalmarktrechtlichen strikt unterschieden werden. Im Sinne von „Kapitalmarktprodukte“ ist der Begriff in den beiden wichtigsten Gesetzen zum Kapitalmarktrecht, dem Securities Act 10 aus dem Jahre 1933 und dem Securities Exchange Act11 aus dem Jahre 1934 definiert. Beide enthalten ausführliche Listen von Beispielen für securities12 . Allerdings decken sie sich nicht. Sie sind auch nicht abschließend, weil beide Gesetze eine Generalklausel enthalten, nach der jedes allgemein als „security“ bekannte Instrument erfasst sein soll13. Umgekehrt enthalten beide Definitionen einen Vorbehalt, nach dem selbst ausdrücklich genannte Instrumente ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung dem Normkontext widerspricht14. Die kapitalmarktrechtlichen Begriffsbestimmungen der securities bleiben damit vage. Jedoch kann man den Definitionen zumindest entnehmen, dass der Ausdruck außerordentlich weit verstanden werden muss. Die Aufzählungen bestimmter Titel im Securities Act und im Securities Exchange Act sind zwar für die Rechtsanwendung hilfreich. Vor einer inhaltlichen Definition aber ist der 5 Vgl. 11 American Jurisprudence 2d, Bills and Notes, § 2; Hagedorn, The Law of Promissory Notes, 1–4 f. 6 Die im Jahre 1990 revidierte Fassung ist abgedruckt bei Hagedorn, The Law of Promissory Notes, Appendix B. 7 Art. 3–104(a) UCC. 8 Vgl. Art. 3–104(e), (f) UCC. 9 In dieser Bedeutung wird der Begriff „security“ etwa in Art. 9 UCC gebraucht. Zur Unterscheidung verwendet Art. 8 UCC für Kapitalmarkttitel den Ausdruck „investment securities“. 10 15 U.S.C. §§ 77a ff. 11 15 U.S.C. §§ 78a ff. 12 Siehe Art. 2(a)(1) Securities Act, Art. 3(a)(10) Securities Exchange Act. 13 Ebda. 14 Siehe die Einleitung „unless the context otherwise requires“, Art. 2(a) Securities Act, Art. 3(a) Securities Exchange Act.

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

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US-amerikanische Gesetzgeber, ebenso wie der deutsche, zurückgeschreckt. Dieser Aufgabe musste sich daher die Rechtsprechung widmen. Sie hat einen oft schlingernden Kurs genommen. Die grundlegende Entscheidung wurde im Fall SEC v. Howey15 getroffen. Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmen verkaufte Parzellen einer Zitrusplantage und bot gleichzeitig die Bewirtschaftung der Plantage sowie die Ernte und die Vermarktung der Früchte an. Der Supreme Court sah dieses Angebot als security in der Form eines Investmentvertrags an, wobei er vier Kriterien aufstellte, welche kumulativ erfüllt sein müssen: Erstens müsse der Erwerber Geld investieren, und zwar, zweitens, in eine gemeinsame Unternehmung, dabei drittens mit der Erwartung handeln, Profit zu erzielen, und viertens müsse dieser Profit allein durch die Anstrengungen des Emittenten oder eines Dritten erzielt werden16 . Obwohl der „Howey test“, wie er seither genannt wird, ursprünglich nur für Investmentverträge gelten sollte, wurde er später auf securities im Allgemeinen ausgedehnt17. Dies geschah wohl zu Unrecht, denn nicht alle in den gesetzlichen Listen aufgeführten Instrumente erfüllen die genannten Kriterien, zum Beispiel nicht Indexpapiere. Jedoch ist dadurch kein größerer Schaden angerichtet worden, da der Howey-Test immer nur subsidiär anwendbar ist, wenn keines der ausdrücklich im Securities Act und im Securities Exchange Act genannten Instrumente vorliegt. Die vier Kriterien sind später zum Teil erheblich abgewandelt worden18 . Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, alle Nuancen im Detail nachzuzeichnen. Hier soll der Hinweis auf zwei zentrale Änderungen genügen. Erstens ist das Kriterium der gemeinsamen Unternehmung (common enterprise) dadurch verwässert worden, dass es zumindest nach einer Ansicht erfüllt sein soll, wenn ein Anleger nicht mit anderen Anlegern, sondern gemeinsam mit dem Emittenten das Risiko des Instruments teilt19. Man spricht insoweit von vertical commonality im Gegensatz zur horizontal commonality20 , bei welcher das Risiko auf mehrere Anleger verteilt ist, wie etwa typischerweise bei Investmentfonds. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine wenig bekannte Entscheidung aus dem Jahre 1991, in der festgestellt wird, dass ein Angebot an eine Mehrzahl von Investoren gemacht werden muss und daher zwischen Einzelpersonen abgeschlossene Verträge nicht den Begriff der securities erfüllen kön-

15

328 U.S. 293 (1946). 328 U.S. 293, 298 (1946). 17 Siehe z.B. Hazen, Treatise on the Law of Securities Regulation I, S. 69. 18 Dazu auch Michael Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 755 (776). 19 SEC v. Koscot Interplanetary, 497 F.2d 473, 478 (5th Cir. 1974); ablehnend z.B. Mechigian v. Art Capital, 612 F.Supp. 1421, 1426 (S.D.N.Y. 1985); offengelassen in Steinhard Group v. Citicorp., 126 F.3d 144, 152 (3d Cir. 1997). 20 Steinhard Group v. Citicorp., 126 F.3d 144, 151 (3d Cir. 1997). 16

154

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

nen 21. Dadurch kommen lediglich mit einer Person abgeschlossene Verträge nicht als securities in Betracht. Die zweite wichtige Veränderung betrifft das vierte Merkmal des HoweyTests. Nach heute allgemein akzeptierter Ansicht muss der erwartete Gewinn nicht allein auf die Anstrengungen des Emittenten oder eines Dritten zurückgehen, sondern der Anleger darf durchaus selbst tätig werden, um ihn zu realisieren 22 . Daher kann zum Beispiel ein Franchisevertrag als security anzusehen sein, auch wenn die Investitionen der Franchisenehmer die des Franchisegebers überwiegen 23. Bedeutsam bleibt aber, dass der Anleger nicht selbst die Kontrolle über die unternehmerischen Aktivitäten ausüben darf. Denn dann würde eine rein gesellschaftsrechtliche Stellung vorliegen. Als Alternative zum Howey-Test ist in der Literatur der sogenannte risk capital-approach entwickelt worden. Nach ihm ist nicht entscheidend, wer wodurch welchen Profit aus dem Instrument erwartet. Stattdessen wird die Sicht der Unternehmensfinanzierung in den Vordergrund gestellt: Der Anleger müsse einen bestimmten Wert (value) für eine Unternehmung bereitstellen und diesen Wert ihren Risiken unterwerfen24. Dieser Ansatz kommt dem Anlegerschutz entgegen, denn er macht die Einordnung als security nicht von den Versprechungen des Emittenten abhängig, sondern allein davon, was der Investor riskiert. Außerdem wird er gepriesen, weil er flexibler als der Howey-Test sei25. Im Vergleich zum deutschen Wertpapierbegriff besteht ein Vorteil des weiten US-amerikanischen Begriffs der securities darin, dass sich mit ihm problemlos die neuen Erscheinungen des Kapitalmarkts erfassen lassen. Zwar sind auch in den Vereinigten Staaten Finanzinnovationen, wie zum Beispiel indexbezogene Titel, durch Änderungen der Definitionen in den Anwendungsbereich der kapitalmarktrechtlichen Gesetze einbezogen worden. Wichtig ist aber, dass man die Rechtsprechung als ermächtigt ansieht, neue Instrumente unter den Begriff der securities zu fassen. Denn durch die offene Formulierung des Gesetzes wird nicht verlangt, dass ein Titel zuvor bekannt sein muss, um ihn als security ansehen zu können. So haben die Gerichte zum Beispiel Gutscheine zum Kauf von schottischem Whisky26 ebenso wie Vertreterverträge zum Vertrieb von Kosmetika27 sowie Vereinbarungen über die Aufzucht und den Verkauf von Bibern 28 als securities qualifiziert. Gleichgültig ist, ob man diese Einordnung im Einzelfall teilt. Jedenfalls erweist sich das US-amerikanische Sys21

V.F.Associates v. Reissmann, 1991 WL 49733 (E.D.Pa., 1991). SEC v. Koscot Interplanetary, 497 F.2d 473, 481 (5th Cir. 1974); SEC v. Glenn W. Turner Enterprises, 474 F.2d 476 (9th Cir. 1973). 23 Siehe im Einzelnen Hazen, Treatise on the Law of Securities Regulation I, S. 81. 24 Siehe Hazen a.a.O., S. 84–86. 25 Hazen a.a.O., S. 85. 26 Siehe SEC v. MA Lundy Associates, 362 F.Supp. 226, (D.R.I. 1973). 27 SEC v. Koscot Interplanetary, 497 F.2d 473 (5th Cir 1974). 28 Continental Marketing Corp. v. SEC, 387 F.2d 466 (10th Cir. 1967). 22

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

155

tem im Vergleich zum deutschen numerus clausus der Wertpapiere als wesentlich geschmeidiger und anpassungsfähiger. Darüber hinaus kommt es für den Begriff der securities nicht darauf an, ob ein Instrument verbrieft ist. Zwar hatte der Gesetzgeber ursprünglich körperliche Urkunden vor Augen, wie sich daran erkennen lässt, dass sowohl im Securities Act als auch im Securities Exchange Act oft von „certificates“ die Rede ist29. Jedoch bilden diese nicht den gesamten Gegenstand der securities; daneben gibt es auch noch „shares“, „contracts“, „interests“, „privileges“ und anderes mehr. Die Erfassung solcher unverbriefter Instrumente wurde sicherlich dadurch begünstigt, dass schon nach allgemeinem Sprachgebrauch die Verbriefung nicht zum Kern des Begriffs der security gehört. Anders als beim deutschen Ausdruck „Wertpapier“ handelt es sich nicht um eine Zusammensetzung des Worts „Papier“. Das mag man für historisch zufällig halten. Jedoch wäre es nicht das erste Mal, dass Eigenheiten der Sprache Einfluss auf die Ausgestaltung rechtlicher Konzepte gewinnen. Als einen Nachteil des amerikanischen Begriffs gegenüber dem deutschen kann man dagegen ansehen, dass sich keine eindeutige Definition der securities herausgebildet hat. Tatsächlich ist dadurch erhebliche Verwirrung verursacht worden. Denn die Frage, ob ein Fall von den kapitalmarktrechtlichen Gesetzen erfasst ist oder nicht, stellt die Praxis oft vor schwierige Probleme. Man darf die Nachteile nicht übersehen, die daraus für die Rechtssicherheit und den Schutz der berechtigten Erwartungen der Unternehmen entstehen. Die Rechtsprechung hat dennoch ganz bewusst formale Anknüpfungen wie etwa die an die Ausstellung einer Urkunde vermieden 30 . Stattdessen wählt sie einen informalen Ansatz. So wird betont: „… in searching for the meaning and scope of the word ‚security‘ in the Act, form should be disregarded for substance and the emphasis should be on economic reality.“31

Dieser „economic reality-test“ bringt es mit sich, dass der Begriff der security nicht in einer knappen Definition zusammengefasst werden kann. Stattdessen verwendet man eine Art bewegliches System mit verschiedenen Kriterien. Das birgt, wie gesagt, Nachteile für die Rechtssicherheit. Allerdings lässt sich damit besser die Entwicklung des Kapitalmarkts reflektieren, auf dem ständig neue Produkte auftauchen. Der Gesetzgeber kommt hier oft zu spät, weil er nur im Nachhinein auf Missstände reagieren kann. Einer starren dogmatischen Definition ist daher der Ansatz des US-Rechts vorzuziehen, welcher Raum für richterliche Interpretationen lässt.

29 30 31

Siehe Art. 2(a)(1) Securities Act, Art. 3(a)(10) Securities Exchange Act. SEC v. Howey, 328 U.S. 293, 299 (1946). Tcherepnin v. Knight, 389 U.S. 332, 336 (1967).

156

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

II. Frankreich, Italien und Spanien Leichter als in den USA oder im Vereinigten Königreich lassen sich auf dem europäischen Kontinent Institute finden, die dem deutschen Wertpapier vergleichbar sind. So spricht man im italienischen Recht von „titoli di credito“, im französischen von „titres de crédit“ und im spanischen von „títulos-valores“. Die wohl eingehendste Definition ist in Italien entwickelt worden. Der Codice civile aus dem Jahre 1942 enthält einen Titel mit der Überschrift „Dei titoli di credito“32 . Geistiger Vater dieses Begriffs ist Cesare Vivante, der im dritten Band seines „Trattato di diritto commerciale“ die Grundlagen des italienischen Wertpapierrechts legte. Darin definiert er den Ausdruck „titolo di credito“ folgendermaßen: „Il titolo di credito è un documento necessario per esercitare il diritto letterale ed autonomo che vi è menzionato.“33

Die Definition erinnert an den deutschen Wertpapierbegriff, weil sie ebenso wie dieser auf die Notwendigkeit der Vorlage des Dokuments zur Ausübung des darin verbrieften Rechts verweist. Sie ist aber insofern reicher, als sie darüber hinaus bereits Anklänge an die Abstraktheit und die Förmlichkeit der wertpapierrechtlichen Verbindlichkeit enthält. Andererseits ist der Begriff „titolo di credito“ enger als der deutsche Name „Wertpapier“, da er auf die Kreditfunktion abhebt. Er wird aber auch auf Papiere angewandt, die Mitgliedschaftsrechte verkörpern oder dem Güterumlauf dienen 34. Es bestehen daher starke Parallelen zum Konzept des Wertpapiers in Deutschland. Tatsächlich scheint ein großer Teil der italienischen Lehre von der deutschen beeinflusst zu sein, auf die sie sich häufig bezieht35. Die Vivante’sche Definition ist später in der italienischen Literatur vielfach angegriffen worden36 . Die modernen Autoren konzentrieren sich auf andere Elemente des Wertpapiers, wie zum Beispiel die Umlauffunktion. Geblieben ist jedoch der Ausdruck „titoli di credito“, der auch andere Rechtsordnungen beeinflusst hat.

32

§§ 1992–2027 Codice civile. Vivante, Trattato di diritto commerciale III, S. 123. 34 Siehe Asquini, Titoli di credito, S. 28; Cian/Trabucchi, Commentario breve al Codice civile, Vor Art. 1992, Anm. I; Galgano, Diritto civile e commerciale II/2, S. 241; Messineo, I titoli di credito I, S. 87, 127 f. 35 Vgl. z.B. Messineo, I titoli di credito I, S. 39 f. und passim. Siehe auch Asquini, Titoli di credito, S. 35, der das deutsche Recht heranzieht, um den gutgläubigen Erwerb zu begründen. 36 Siehe z.B. Ferri, Manuale di diritto commerciale, S. 655–657; Messineo, I titoli di credito I, S. 47. 33

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

157

So wird Vivante als Vater des französischen Begriffs der „titres de crédit“ angesehen37. Daneben gebraucht man in Frankreich auch den Ausdruck „effets de commerce“38 . Im Gegensatz zu seinem scheinbaren deutschen Pendant, den Effekten, umfasst er gerade nicht am Kapitalmarkt gehandelte Aktien und Schuldverschreibungen. Typische effets de commerce sind vielmehr individuell ausgestellte Titel, vor allem Wechsel und Scheck 39. Historisch beschreibt man ihre Funktion mit der Verkörperung einer Forderung in einem Papier, um diese umlauffähig zu machen40 . Daher werden sie mit dem deutschen Wertpapierbegriff in Verbindung gebracht41. Das hat jedoch die Ablösung solcher Titel von ihrer körperlichen Unterlage nicht gehindert: Es gibt zahlreiche Ansätze, den Verkehr mit Wechsel und Scheck zu entmaterialisieren42 . Ähnlich wie für die „securities“ in den USA hat dem kein sprachliches Hindernis entgegengestanden. Wenn man für die „titres de crédit“ noch mit einiger Berechtigung argumentieren könnte, dass sie eine physische Grundlage voraussetzen, so ist dies beim Begriff „effets de commerce“ nicht der Fall. Das spanische Recht und mit ihm die lateinamerikanischen Rechtsordnungen sind sehr stark von den deutschen wertpapierrechtlichen Vorstellungen beeinflusst. Dort gebraucht man das Konzept der „títulos-valores“ 43. Es ist dem deutschen Wertpapier sehr ähnlich. Ebenso wie letzteres enthält es den Begriff „Wert“ (valor). Es wird auch offen zugegeben, dass es sich um eine wörtliche Übersetzung des deutschen Begriffs handelt44. Als Elemente des título-valor sieht man seine Übertragbarkeit und die Notwendigkeit der Vorlegung zur Geltendmachung des in ihm verkörperten Rechts an45. Auch hier ist der deutsche Einfluss spürbar. Daneben gibt es aber auch weitere Konzepte, die von anderen Rechtsordnungen beeinflusst sind, wie etwa den Begriff „título de 37

Hamel/Lagarde/Jauffret, Traité de droit commercial II, S. 411. Vgl. Hamel/Lagarde/Jauffret a.a.O., S. 412; Jauffret/Mestre, Droit commercial, S. 563 f.; Jeantin, Droit commercial – Instruments de paiement et de crédit, Entreprises en difficulté, S. 1. 39 Vgl. Hamel/Lagarde/Jauffret a.a.O., S. 412, 414; Jauffret/Mestre a.a.O., Droit commercial a.a.O., S. 563 f. 40 Hamel/Lagarde/Jauffret a.a.O., S. 412 f. 41 Vgl. Hamel/Lagarde/Jauffret a.a.O., S. 412. 42 Vgl. dazu Jeantin, Droit commercial – Instruments de paiement et de crédit, Entreprises en difficulté, S. 257 ff., 263 ff. 43 Zum spanischen Recht vgl. Sánchez Calero, Instituciones de derecho mercantil II, S. 3; Jiménez Sánchez, in: Jiménez Sánchez, Derecho mercantil II, S. 1; Vazquez Bonome, Tratado de Derecho Cambiario, S. 59; zum kolumbianischen Recht vgl. Helo Kattah, De los títulosvalores en general; zum peruanischen Recht vgl. Montoya Manfredi, Derecho comercial II, S. 151; zum venezolanischen Recht vgl. Morles Hernandez, Curso de derecho mercantil III, S. 964. Siehe auch das von der Banco Interamericano de Desarrollo im Jahre 1967 herausgegebene „Projecto de Ley uniforme de títulos-valores para América Latina“. 44 Jiménez Sánchez a.a.O., S. 7. 45 Sánchez Calero, Instituciones de derecho mercantil II, S. 4. 38

158

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

credito“46 , der nichts anderes als eine Übersetzung des italienischen „titolo di credito“ ist. Der kurze vergleichende Rundblick über die romanischen Rechte zeigt, dass sich dort Institute finden, die mit dem deutschen Begriff des Wertpapiers eng verwandt sind. Umso erstaunlicher muss es für den unbefangenen Betrachter erscheinen, dass man in diesen Rechtsordnungen Kapitalmarkttitel nicht länger unter das Konzept des Wertpapiers fasst, sondern insoweit einen eigenständigen Ausdruck erfunden hat. Diese Entwicklung nahm ihren Anfang in Frankreich. Dort bezeichnet man massenhaft gehandelte Titel seit langem als „valeurs mobilières“47. Wörtlich bedeutet dies „bewegliche Werte“. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Kapitalmarktprodukte immer seltener verbrieft werden. Bereits Jean Larguier hatte konstatiert, dass die traditionellen Titel in der Praxis durch ein neues Rechtsinstitut ersetzt wurden, dass er als valeur bezeichnete48 . Um der Einordnung in die fundamentale Unterscheidung des Code civil in bewegliche und unbewegliche Güter Rechnung zu tragen, hat man das Adjektiv mobilière hinzugefügt. Der Gesetzgeber benutzte den Begriff der valeurs mobilières zuerst im Gesetz über die Handelsgesellschaften, ohne ihn jedoch näher zu erläutern 49. Durch das Haushaltsgesetz für das Jahr 1982, welches die Entmaterialisierung in Frankreich in Gang setzte, erhielt er später zentrale Bedeutung50 . Im Code monétaire et financier fand man bis vor Kurzem folgende Definition: „Constituent des valeurs mobilières, les titres émis par des personnes morales, publiques ou privées, transmissibles par inscription en compte ou tradition, qui confèrent des droits identiques par catégorie et donnent accès, directement ou indirectement, à une quotité du capital de la personne morale émettrice ou à un droit de créance général sur son patrimoine. Sont également des valeurs mobilières les parts de fonds communs de placement, les parts de fonds de placement immobilier et de fonds communs de titrisation.“51

Folgende Merkmale sind danach bedeutsam: Erstens, die valeurs mobilières verleihen identische Rechte, die sich nach Kategorien ordnen lassen. Zweitens können sie durch Eintragung im Register oder durch Übergabe übertragen werden. Der Begriff ist also ebenso für verbriefte wie für registrierte Rechte geeignet. Weniger bedeutsam ist dagegen, dass die valeurs mobilières einen Anteil am 46

Siehe Uría, Derecho mercantil, S. 903. Vgl. Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 6, sowie die Nachweise in den folgenden Fußnoten. 48 Larguier, La notion de titre en droit privé, S. 257. Siehe auch o. S. 63. 49 Art. 263 Loi Nr. 66–537 v. 24.7.1966, J.O. v. 26.7.1966, S. 6402 (aufgehoben). 50 Siehe Art. 94–II Loi Nr. 81–1160 v. 30.12.1981, J.O. v. 31.12.1981. Zum Gesetz o. S. 63. 51 Code monétaire et financier, Art. L211–2, geändert durch Ordonnance Nr. 2009–15 v. 8.1.2009, J.O. v. 9.1.2009, S. 570. 47

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

159

Kapital des Emittenten oder einen Anspruch gegen diesen darstellen sollen, denn das ist bei den in Absatz 2 erwähnten Immobilien- und Investmentfondsanteilen gerade nicht der Fall. Die französische Literatur definiert valeurs mobilières als unkörperliche bewegliche Vermögenswerte, mit denen sich Erträge erzielen lassen und die handelbar und fungibel sind52 . Über ihre Rechtsnatur ist man sich freilich nicht einig. Manche sehen in ihnen ein bloßes Gläubigerrecht 53. Andere bezeichnen sie als unkörperliches Recht („droit incorporel“)54. Wieder andere meinen dagegen, sie vermittelten ein „droit réel“, zu Deutsch: ein „dingliches Recht“55. Die Schwierigkeiten der Einordnung beruhen darauf, dass die valeurs mobilières nicht in die traditionellen Kategorien des Zivilrechts passen. Sie vermitteln ein eigentumsähnliches Recht, dass sich jedoch nicht auf eine Sache richtet. Die Bezeichnung als „beweglich“ („mobilière“) ist trügerisch, da sie sich an die Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen anlehnt. Zwar sind die valeurs mobilières besonders leicht handelbar. Es gibt jedoch im genauen Sinne des Wortes nichts „Bewegliches“ im Bereich der Rechte. Tatsächlich handelt es sich um ein neues Rechtsinstitut, nämlich unkörperliche Vermögensgegenstände, die mit den beweglichen Sachen nur die Handelbarkeit gemein haben. Der Gesetzgeber hat sich nicht darauf eingelassen, die Einordnung des Begriffs in die herkömmliche Dogmatik auch nur zu versuchen. Er ist pragmatisch vorgegangen. Allerdings legt er ein klares Prinzip zugrunde: Er räumt dem Markt große Freiheit hinsichtlich des Inhalts der valeurs mobilières ein. Während die Kategorie früher auf Aktien und Schuldverschreibungen beschränkt war56 , wurde sie später schrittweise auf andere Kapitalmarktprodukte wie stimmlose Vorzugsaktien, Investmentanteilscheine und Optionsschuldverschreibungen ausgeweitet57. Heute werden Aktiengesellschaften in Artikel L211–3 des Code monétaire et financier ganz allgemein ermächtigt, Finanzinstrumente auszugeben, solange sie die Bedingungen des Artikel 228–1 II Code de commerce einhalten. Mit anderen Worten, es gibt in Frankreich für die von Aktiengesellschaften begebenen Instrumente keine dem deutschen numerus clausus der Wertpapiere entsprechende Einschränkung. Vielmehr spricht man von einer „liberté de création des valeurs mobilières“58 . 52

Guyon, Droit des affaires I, S. 748 f.; vgl. auch Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 5. 53 Vgl. Fasquelle, RTD com. 1995, 1 (4). In ähnlicher Richtung auch Nizard, Les titres négociables, S. 294–330. 54 Bonneau, RTD com. 1988, 535 (585); Guyon, Droit des affaires I, S. 749. 55 Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 44. 56 Vgl. Art. 263 I des Gesetzes v. 24. 7. 1966, Nr. 66–537, J.O. v. 26. 7. 1966, S. 6402 (aufgehoben). 57 Bonneau, RTD com. 1988, 535 (539). 58 Bonneau a.a.O., S. 538.

160

1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Von Frankreich aus hat sich das Konzept in andere romanische Rechtsordnungen verbreitet. In Spanien ist es unter dem Namen valores mobiliarios bekannt59. Der Gesetzgeber benutzt diesen Begriff seit den siebziger Jahren60 . Konzeptionell gleich sind die „valores negociables“: handelbare Werte61, oder auch einfach „valores“. Sie haben besondere Bedeutung im Zuge der Entmaterialisierung erlangt. Die Ley del Mercado de Valores, das spanische Finanzmarktgesetzbuch, trägt sie schon im Titel. Es benutzt abwechselnd den Ausdruck „valores“ oder „valores negociables“, um sowohl registrierte als auch in Urkunden verkörperte Rechte zu bezeichnen 62 . Der Gesetzgeber sah sich zu einer knappen und gleichzeitig präzisen Definition des Begriffs nicht in der Lage63. In der spanischen Lehre wird der „valor negociable“ durch folgende Merkmale gekennzeichnet: Es handelt sich um ein Vermögensrecht, das anonym auf dem Finanzmarkt gehandelt wird64. Bezüglich der Ausstellung herrscht Privatautonomie; die notwendige Sicherheit im Rechtsverkehr wird durch die Anwendung des Kapitalmarktrechts gewahrt65. In Italien kennt man den Begriff „valori mobiliari“66 . Bereits ein Rechtsakt aus dem Jahre 1974 über die Einrichtung der Börsenaufsicht spricht vom „mercato dei valori mobiliari“67. Ein Gesetz aus dem Jahre 1991 benutzt ihn ebenfalls68 . In der Folge wurde er dann zu einem zentralen Begriff des italienischen Rechts. Die Untersuchung zeigt, wie sich die Konzeption der beweglichen Werte in Frankreich, Spanien und Italien verbreitet hat. Bei den valeurs mobilières, valores mobiliarios und den valori mobiliari handelt es sich um unkörperliche Rechte. Insoweit ähneln sie dem anglo-amerikanischen Begriff der securities. Es bestehen sogar Querverbindungen. So wird der spanische Ausdruck „valores negociables“ unter anderem auch auf das angelsächsische Konzept zurückgeführt69. 59 Jiménez Sánchez, in: Jiménez Sánchez, Derecho mercantil II, S. 6, 21 und passim; Martinez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta, passim. 60 Vgl. Decreto Nr. 1128/1974 v. 25.4.1974, aufgehoben durch Real Decreto Nr. 116/1992 v. 14.2.1992, BOE v. 20.2.1992. 61 Martinez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta, S. 121; Zunzunegui, Derecho del mercado financiero, S. 153. 62 Siehe z.B. Art. 1 und 2 Ley Nr. 24/1988 v. 28.7.1988, BOE v. 29.7.1988, S. 23405. 63 Siehe Präambel 2 Ley Nr. 24/1988 v. 26.8.1988. Zum Gesetz o. S. 72. 64 Zunzunegui, Derecho del mercado financiero, S. 151; Martinez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta, S. 77; Fernández-Armesto/De Carlos Bertrán, El derecho del mercado financiero, S. 433. 65 Zunzunegui a.a.O., S. 154. 66 Bochiocchio, Intermediazione mobiliare e sollecitazione al pubblico risparmio nella disciplina del mercatore mobiliare, S. 37. 67 Legge Nr. 216 v. 7.6.1974, Art. 1 XII 3. 68 Legge Nr. 1 v. 2.1.1991 („legge SIM“). 69 Martinez-Echevarría y García de Dueñas, Valores mobiliarios anotados en cuenta, S. 118; Zunzunegui, Derecho del mercado financiero, S. 151.

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

161

Beide haben zwar ganz verschiedene historische Wurzeln und weichen inhaltlich in vielen Punkten voneinander ab. Als Gemeinsamkeit muss jedoch festgehalten werden, dass sowohl das anglo-amerikanische Recht als auch die romanischen Rechtsordnungen einen gesonderten Begriff für die am Kapitalmarkt gehandelten Produkte entwickelt haben. Dieser ist offen für neue Entwicklungen, es gibt also keinen numerus clausus. Darüber hinaus gilt er sowohl für registrierte als auch für verbriefte Rechte. Die Deutung und nähere Definition der neuen Gegenstände ist in den untersuchten Rechtsordnungen nicht abgeschlossen und bereitet zum Teil erhebliche Schwierigkeiten. Jedoch fällt im Vergleich zu Deutschland auf, dass zumindest eine Diskussion über die Natur und Klassifikation der modernen Kapitalmarktprodukte in Gang gesetzt worden ist. Hierzulande beharrt man weiterhin auf dem traditionellen Wertpapierbegriff und glaubt, mit ihm auch Finanztitel hinreichend erfassen zu können. Die fortgeschrittene Diskussion in den anderen Ländern ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass man hinsichtlich der Entmaterialisierung erfolgreicher ist als bei uns. Man kann den Zusammenhang aber auch umgekehrt sehen: Gerade weil die ausländischen Rechte kein umfassendes, rigides Konzept des Wertpapiers kennen, stand der Entwicklung eines Sonderrechts für Kapitalmarktpapiere nichts im Wege. Dies ist der wesentliche Grund dafür, dass man auf dem Weg der Entkörperlichung weiter vorankommen konnte als in Deutschland.

III. Schweizer Recht Die Schweiz ist im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse, denn sie vereinigt in gewisser Weise die romanische und die germanische Rechtstradition. Die fünfte Abteilung des Schweizer Obligationenrechts widmet sich dem allgemeinen Wertpapierrecht. Sie ist in der deutschen Fassung mit dem Titel „Die Wertpapiere“ überschrieben70 . In der italienischen Fassung lautet er „Dei titoli di credito“, mit dem Klammerzusatz „cartevalori“. Bei letzterem handelt es sich um eine Reminiszenz an den deutschen Wertpapierbegriff: „Cartevalori“ wurde von italienischen Autoren als wörtliche Übersetzung des deutschen „Wertpapier“ angeboten71. Der Einfluss des deutschen Rechts zeigt sich darüber hinaus im französischen Titel: „Des papiers-valeurs“. Inhaltlich hat sich das Schweizer Obligationenrecht für eine eigenartige Mischung aus der in Deutschland herrschenden Meinung und der Ansicht Heinrich Brunners 72 entschieden. Artikel 965 OR lautet: 70

§§ 965–1186 OR. Vgl. Galgano, Diritto civile e commerciale II/2, S. 241; Messineo, I titoli di credito I, S. 135. 72 Siehe o. S. 11. 71

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

„Wertpapier ist jede Urkunde, mit der ein Recht derart verknüpft ist, dass es ohne die Urkunde weder geltend gemacht noch auf andere übertragen werden kann“.

Demnach werden die beiden eingangs genannten Wertpapierrechtstheorien miteinander verbunden73. Eine Einengung ist damit nicht beabsichtigt; vielmehr geht es um die Kombination zweier unterschiedlicher Blickwinkel auf das Wertpapier. In der Realität sind meist beide Merkmale gleichzeitig erfüllt, weshalb auch in diesem Buch vorgeschlagen wurde, sie als Elemente eines einheitlichen Wertpapierbegriffs zu verstehen74. Besonders bedeutsam für die vorliegende Untersuchung ist, wie der Schweizer Gesetzgeber mit Kapitalmarkttiteln umgeht. Der allgemeine Wertpapierbegriff ist, wie gezeigt, sehr stark von der deutschen Konzeption beeinflusst. Interessanterweise folgt man bei den Kapitalmarkttiteln jedoch nicht der in Deutschland üblichen Begrifflichkeit. Hier wählt man stattdessen einen anderen Ausdruck: den der „Effekten“. Er steht beim „Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel“ (BEHG)75 schon im Titel. Dort wird er definiert als „vereinheitlichte und zum massenweisen Handel geeignete Wertpapiere, nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion (Wertrechte) und Derivate“76 . Die Kategorie der „Effekten“ ist damit einerseits enger als die der Wertpapiere, weil sie nur bestimmte Urkunden erfasst, nämlich solche, die vereinheitlicht und zum massenweisen Handel geeignet sind. Andererseits geht sie darüber hinaus, denn in sie fallen auch nicht verbriefte Rechte und Derivate. Der Schweizer Effektenbegriff ist für den deutschen Juristen befremdlich. Ganz anders muss jedoch die französische Fassung auf den in Frankreich ausgebildeten Juristen wirken: Bei ihr steht an der Stelle des Worts „Effekten“ der Ausdruck „valeurs mobilières“77. Die Definition des Gesetzes entspricht völlig der Konzeption, die in Frankreich unter diesem Namen entwickelt wurde. Es überrascht kaum noch, dass der italienische Titel den Begriff „valori mobiliari“ verwendet78 . Dies passt sich in die italienische Doktrin ein. Der Begriff der Effekten ist also nichts anderes als das in die deutsche Terminologie übersetzte Konzept der valeurs mobilières oder valori mobliari. Er taucht in neuer Gestalt im „Bucheffektengesetz“ wieder auf. Artikel 3 S. 1 des Entwurfs definiert den zentralen Begriff des Gesetzes folgendermaßen: „Bucheffekten im Sinne dieses Gesetzes sind vertretbare Forderungs- oder Mitgliedschaftsrechte gegenüber dem Emittenten:

73 74 75 76 77 78

Siehe o. S. 11 ff. Siehe o. S. 13. SR 954.1. Art. 2 lit. a BEHG. „Loi fédérale sur les bourses et le commerce des valeurs mobilières“. „Legge federale sulle borse e il commercio di valori mobiliari“.

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

163

a. die einem Effektenkonto gutgeschrieben sind; und b. über welche die Kontoinhaberinnen und Kontoinhaber nach den Vorschriften dieses Gesetzes verfügen können.“

Ausweislich der Botschaft zu dem Gesetz handelt es sich bei den Bucheffekten um ein „neues Vermögensobjekt sui generis“79. Dieses weist Merkmale sowohl der schuldrechtlichen Forderung als auch der Sache auf. Es ist nicht nur gegenüber der Verwahrungsstelle, sondern erga omnes wirksam. Im Unterschied zum Wertpapier ist es jedoch von einer körperlichen Unterlage unabhängig. Damit ist in der Tat ein epistemologischer Sprung gelungen80 . Die Untersuchung des Schweizer Rechts lässt sich in folgender Weise zusammenfassen: Das allgemeine Wertpapierrecht ist stark von der deutschen Lehre beeinflusst. Hinsichtlich der am Kapitalmarkt gehandelten Produkte baut das eidgenössische Recht dagegen auf einer anderen Konzeption auf. Für diese wird eine eigene Figur verwendet, die Bucheffekten. Diese ist vom Wertpapier verschieden. Wie in den romanischen und angelsächsischen Rechtsordnungen ist es daher jüngst auch in der Schweiz zu einer äußerlich sichtbaren Spaltung zwischen dem Recht der Wertpapiere im Allgemeinen und dem der Kapitalmarktprodukte gekommen.

IV. Gemeinschaftsrecht Ebenfalls von Interesse ist die Haltung des Gemeinschaftsrechts zum Wertpapier. Dass dieses hier getrennt von den nationalen Rechtsordnungen untersucht wird, soll nicht seine supranationale Geltung in den Mitgliedstaaten in Abrede stellen. Vielmehr geht es darum zu ermitteln, auf welchen zivilrechtlichen Konzepten es aufgebaut ist. Dies ist einerseits interessant, weil das Europarecht die verschiedenen Strömungen der nationalen Rechte der Mitgliedstaaten aufnimmt. Andererseits verwendet es häufig abweichende Konzepte oder füllt bekannte Begriffe mit neuen Inhalten, welche ihrerseits Einfluss auf die Rechtsordnungen dieser Staaten gewinnen, die sie umsetzen oder befolgen müssen. Das Gemeinschaftsrecht kennt kein allgemeines Wertpapierrecht. Zivilrechtliche Fragen von Scheck und Wechsel sind völkerrechtlich durch die Genfer Übereinkommen81 bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ver79 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315 (9339). 80 Vgl. Thévenoz, in: FS Nobel, S. 681. 81 Drei Übereinkommen v. 7.6.1930 über das einheitliche Wechselgesetz, über Bestimmungen auf dem Gebiete des Wechselprivatrechts und über das Verhältnis der Stempelgesetze zum Wechselrecht, RGBl. 1933 II 378, 444, 468; sowie drei Übereinkommen v. 7.6.1930 über das einheitliche Scheckgesetz, über Bestimmungen auf dem Gebiete des Scheckprivat-

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

einheitlicht worden. Es besteht daher kaum ein Bedürfnis für eine Regelung auf europäischer Ebene. Dafür ist die EG auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts umso aktiver. Der erste Rechtsakt stammt aus dem Jahre 1979. Die Richtlinie 79/279/EWG koordiniert die Bedingungen, welche die Mitgliedstaaten für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse stellen82 . Sie enthält keine Definition des Wertpapiers, obwohl sie den Begriff im Titel führt und er im Text eine wichtige Rolle spielt. Er wird schlicht als in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bekannt vorausgesetzt. Verwechslungen mit dem allgemeinen deutschen Wertpapierbegriff sind kaum zu befürchten, da Wechsel oder Schecks für eine Börsenzulassung evidentermaßen nicht in Betracht kommen. Interessant ist jedoch, wie der Ausdruck „Wertpapier“ in den anderen Fassungen der Richtlinie lautet. Nach den vorgenannten Ausführungen kann dies nicht mehr verwundern: „securities“ in der englischen Version, „valeurs mobilières“ in der französischen, „valori mobiliari“ in der italienischen und „valores mobiliarios“ in der spanischen. Das heißt, nur in der deutschen Fassung wird auf den allgemeinen Begriff „Wertpapier“ zurückgegriffen. In allen anderen wird ein spezifisch kapitalmarktrechtlicher Begriff verwendet. Die erste Prospektrichtlinie enthält dieselbe Terminologie83. Die Richtlinie 85/611/EWG84 über die etwas kryptisch als „Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren“ bezeichneten Investmentfonds verwendet sie ebenfalls. Einzig die englische Fassung vermag ein wenig zu überraschen, weil sie nicht einfach von securities, sondern von „transferable securities“ spricht. Doch hat der Hinweis auf die Übertragbarkeit lediglich Klarstellungsfunktion. Die zweite Prospektrichtlinie, welche nicht an der Börse zugelassene Wertpapiere betrifft, verwendet ebenfalls das bekannte Vokabular85. Neu ist, dass in der spanischen Fassung zum ersten Mal der Begriff „valores negociables“ auftaucht. Inhaltlich enthält er keine Abweichungen zum Ausdruck „valores morechts und über das Verhältnis der Stempelgesetze zum Scheckrecht, RGBl. 1933 II 538, 594, 619. 82 Richtlinie 79/279/EWG des Rates v. 5.3.1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, ABlEG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21. 83 Richtlinie 80/390/EWG des Rates v. 17.3.1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, ABlEG Nr. L 100 v. 17.4.1980, S. 1. 84 Richtlinie 85/611/EWG des Rates v. 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABlEG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3. 85 Richtlinie 89/298/EWG des Rates v. 17.4.1989 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, Kontrolle und Verbreitung des Prospekts, der im Falle öffentlicher Angebote von Wertpapieren zu veröffentlichen ist, ABlEG Nr. L 124 v. 5.5.1989, S. 8.

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

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biliarios“. Aus Gründen der dogmatischen Klarheit ist es jedoch zu begrüßen, dass von der terminologischen Parallele zu den beweglichen Sachen Abstand genommen wurde. Auch die zweite Prospektrichtlinie bestimmt den Begriff „Wertpapier“ nicht näher. Allerdings lässt sich aus ihrem Artikel 2 erkennen, dass sie Finanzprodukte betrifft. Ein Meilenstein des europäischen Kapitalmarktrechts war die mittlerweile aufgehobene Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie 93/22/EWG86 . Ihr Artikel 1 Nr. 4 enthält eine Definition des Wertpapiers. Danach handelt es sich um „… – Aktien und andere, Aktien gleichzustellende Wertpapiere, – Schuldverschreibungen und sonstige verbriefte Schuldtitel, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, und – alle anderen üblicherweise gehandelten Titel, die zum Erwerb solcher Wertpapiere durch Zeichnung oder Austausch berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, mit Ausnahme von Zahlungsmitteln.“

Anstelle des Ausdrucks „Wertpapier“ findet sich in den anderen Fassungen das aus der Richtlinie 85/611/EWG bekannte Vokabular: „valori mobiliari“ in der italienischen, „valeurs mobilières“ in der französischen, „valores negociables“ in der spanischen und „securities“ in der englischen Version. Auch in der deutschen Fassung zeigt sich jedoch ein gewisses Abgehen vom Konzept des Wertpapiers. So definiert die Richtlinie den für ihren Anwendungsbereich zentralen Begriff der Wertpapierdienstleistung, indem sie auf die im Anhang bezeichneten „Instrumente“ verweist87. Dort finden sich die Wertpapiere nur als ein Punkt neben anderen, zum Beispiel Geldmarktinstrumenten oder Optionen. Diese Veränderung wird später große Auswirkungen haben. Doch noch ist es nicht so weit. Die dritte Prospektrichtlinie 88 aus dem Jahre 2001 verwendet weiterhin die altbekannte Terminologie des Wertpapiers. Die im Jahre 2003 erlassene vierte Prospektrichtlinie89 bringt demgegenüber eine gewisse Änderung: Während in der spanischen Fassung nur noch schlicht von 86 Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABlEG Nr. L 141 v. 6.11.1993, S. 27, aufgehoben durch die MiFID (Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1). 87 Art. 1 Nr. 1 Richtlinie 93/22/EWG. 88 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABlEG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. 89 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABlEU Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

„valores“ die Rede ist, findet sich in der italienischen Fassung der Ausdruck „strumenti finanziari“. Dieser neue Begriff setzt sich mit der Marktmissbrauchs-Richtlinie90 und der MiFID91 endgültig durch. Sie kreisen um das „Finanzinstrument“. Letzteres schließt einerseits alle am Finanzmarkt gehandelten Wertpapiere im klassischen Sinne ein92 . Daneben umfasst es aber auch eine Reihe neuer Produkte, wie Optionen, Futures, Swaps, Zinsausgleichsvereinbarungen und andere Derivatkontrakte über bestimmte Basiswerte, derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken und finanzielle Differenzgeschäfte93. Die neue Begriffswelt erklärt sich aus der Zielrichtung der Richtlinien: Sie sollen nicht mehr bestimmte Wertpapiere regulieren, sondern alle am Kapitalmarkt tatsächlich gehandelten Produkte. An anderer Stelle wird darzulegen sein, warum sich dieser Ansatz auch für das Zivilrecht eignet94. Bis dahin kann festgehalten werden, dass sich als Finanzinstrumente alle Arten von Finanzprodukten bezeichnen lassen, auch soweit sie unverbrieft sind oder es sich um Derivate handelt. Kehren wir nun zurück zum Wertpapierbegriff, wie er sich in den Rechtsakten der Gemeinschaft findet. Die Diskussion des europäischen Rechts hat deutlich gezeigt, wie sich die unterschiedlichen nationalen Konzepte des Wertpapiers auswirken: In den englischen, spanischen, französischen und italienischen Fassungen der Richtlinien kann der Gemeinschaftsgesetzgeber auf einen besonderen kapitalmarktrechtlichen Begriff rekurrieren, der in den jeweiligen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen entwickelt wurde. In der deutschen Fassung muss er dagegen, mangels anderen Vokabulars, den allgemeinen Ausdruck „Wertpapier“ verwenden. Die Folge sind die Verwechslungen mit dem allgemeinen Wertpapierbegriff, welche eingangs beschrieben wurden95. Man kann sich damit trösten, dass wegen der autonomen Begrifflichkeit des europäischen Rechts dessen Inhalt auch in den Mitgliedstaaten anerkannt werden muss. Ein Ausdruck, welcher der Umsetzung einer Richtlinie dient, kann daher anders zu interpretieren sein als ein gleichlautender Ausdruck des 90 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABlEU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S.16. 91 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 92 Siehe Anhang I C Nr. 1 MiFID. Siehe auch Art. 1 III, 1. Spiegelstrich Richtlinie 2003/6/ EG. 93 Siehe Anhang I C Nr. 4–10 MiFID. Siehe auch Art. 1 III, 4.–9. Spiegelstrich Richtlinie 2003/6/EG. 94 Siehe u. S. 283 ff. 95 Siehe o. S. 14.

3. Kapitel: Verselbständigung des Rechts der Kapitalmarktprodukte

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nationalen Rechts. Europarechtliche Vorgaben waren auch der Grund für die Einführung des § 2 WpHG mit seiner besonderen, kapitalmarktrechtlichen Definition des Wertpapiers96 . Dennoch ist es mehr als misslich, dass das deutsche Recht anders als die Rechtsordnungen der europäischen Nachbarn keinen speziellen Ausdruck für am Kapitalmarkt gehandelte Produkte kennt. Aus Gründen der Verständlichkeit sollte schon terminologisch der Unterschied zu den allgemeinen Wertpapieren hervorgehoben werden.

V. Schlussfolgerung Die untersuchten Rechtsordnungen behandeln Kapitalmarktprodukte anders als individuell ausgestellte Wertpapiere, zum Beispiel Wechsel oder Scheck. Sie haben erstere gegenüber letzteren konzeptionell verselbständigt. Auf diese Weise können sie den Phänomenen an den Finanzmärkten besser Rechnung tragen als das deutsche Recht. Die selbständigen Begriffe haben zwei entscheidende Vorteile gegenüber dem Wertpapier: Zum einen verweisen sie nicht länger auf die Verbriefung in einer Urkunde, die in der Realität eine immer geringere Rolle spielt. Zum anderen erfassen sie auch zahlreiche der neuen Produkte, die der Finanzmarkt entwickelt hat. Es ist notwendig, dass im deutschen Recht ebenfalls ein besonderer Begriff für die am Kapitalmarkt gehandelten Titel gebildet wird. Dabei reicht es nicht aus, eine spezielle Vokabel zu erfinden. Vielmehr fehlt ein Konzept solcher Titel. Mit anderen Worten: Es muss für den Bereich der am Kapitalmarkt gehandelten Produkte das Wertpapier überwunden und durch eine neue Rechtsfigur ersetzt werden. Dabei stellt sich allerdings ein Problem: In den romanischen Rechtsordnungen werden Kapitalmarktprodukte unabhängig von ihrer Verbriefung als Vermögenswerte („valeurs“) bezeichnet. Auch im angelsächsischen Recht hat man keine Schwierigkeiten, unverbriefte „securities“ als Eigentum des Inhabers anzuerkennen. Offenbar bestehen in diesen Rechtsordnungen keine größeren Hindernisse, die Idee eines eigentumsgleichen Rechts auch über physisch vorhandene Gegenstände hinaus auszudehnen. Im deutschen Recht ist dies anders. Hier kann es Eigentum nur an Sachen, das heißt an körperlichen Gegenständen im Sinne des § 90 BGB geben. Alle anderen Erscheinungen werden als schuldrechtliche Forderungen oder als Mitgliedschaftsrechte eingeordnet. Will man ein den anderen Rechtsordnungen vergleichbares Konzept für unkörperliche Kapitalmarktprodukte einführen, so muss man zunächst die Ursachen erforschen, die zu der strikten Begrenzung der Vermögensordnung auf körperliche

96

Siehe dazu o. S. 15.

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1. Teil: Kritik des Wertpapierrechts

Gegenstände geführt haben. Es ist daher herauszufinden, warum das deutsche Sachenrecht Eigentum an unkörperlichen Werten nicht anerkennt. Erst wenn die Gründe dafür offengelegt und auf ihre Stichhaltigkeit überprüft sind, lässt sich über ein selbständiges Recht der Finanzinstrumente nachdenken.

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2. Teil

Kritik des Sachenrechts

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4. Kapitel

Die Beschränkung des Sachenrechts auf Rechte an körperlichen Gegenständen Das Sachenrecht bildet den Hintergrund des Wertpapierrechts. Viele wertpapierrechtliche Grundannahmen lassen sich nur aus der Sicht sachenrechtlicher Regelungen erklären. Dies ist sogleich zu zeigen (§ 8). Damit rückt das Sachenrecht in den Blickpunkt. Es prägt in entscheidender Weise den Charakter des Wertpapierrechts. Wie näher auszuführen sein wird, besteht die Eigenheit des dritten Buchs des BGB darin, dass es sich nur auf körperliche Gegenstände bezieht (§ 9). Alle unkörperlichen vermögenswerten Gegenstände werden von ihm ignoriert. Der Grund dafür ist die Einteilung in Schuld- und Sachenrecht (§ 10). Bei ihrer Untersuchung wird sich herausstellen, dass sie nur durch die Unterscheidung zwischen Güterzuordnung und Güterbewegung gerechtfertigt werden kann. Auch unkörperliche Gegenstände sind jedoch einem Inhaber zuordenbar. Das Mittel, mit dem dies klassischerweise erreicht wurde, ist das Wertpapier (§ 11). Dieses ist in der Praxis überholt. Es lässt sich nur dann überwinden, wenn man unkörperliche Gegenstände als solche anerkennt.

§ 8 Die Prägung des Wertpapierrechts durch das Sachenrecht Das Sachenrecht hat wichtige Auswirkungen auf das Wertpapierrecht. Der Grund für die Notwendigkeit eines Wertpapierrechts ist die Beschränkung des Sachenrechts auf körperliche Gegenstände. Mittels der Verbriefung in einem Wertpapier sollen unkörperliche Rechte dem sachenrechtlichen Regime, insbesondere seinen Übertragungsvorschriften, unterstellt werden. Wegen der Beschränkung des Sachenrechts auf sinnlich wahrnehmbare Vermögensgegenstände verlangt auch das Wertpapierrecht eine körperliche Unterlage, die als Träger des verbrieften Rechts fungiert. Das Sachenrecht bildet daher das dogmatische Fundament, auf dem das Wertpapierrecht ruht. Mittels der Verbriefung wird der Beschränkung des Sa-

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

chenrechts auf körperliche Gegenstände Rechnung getragen. Zugleich hebt das Wertpapier diese Beschränkung jedoch auf. Denn durch die Ausstellung einer Urkunde nähert sich das unkörperliche Recht der körperlichen Sache an, so dass es den sachenrechtlichen Vorschriften unterstellt werden kann.

I. Drei Beispiele Diese Aussagen sollen anhand dreier Beispiele verdeutlicht werden, die in augenfälliger Weise die Verbindungen zwischen Sachenrecht und Wertpapierrecht illustrieren. Die Auswahl der Beispiele erfolgt nicht zufällig. Vielmehr entsprechen sie den drei im ersten Teil dargelegten Elementen des Wertpapierbegriffs1. Diese sollen noch einmal ins Bewusstsein gerufen werden. Sie bestanden darin, dass erstens zur Geltendmachung des verbrieften Rechts die Innehabung einer Urkunde notwendig ist; dass zweitens die Verfügung über das verbriefte Recht durch Verfügung über das Papier erfolgt; und dass schließlich drittens den Beteiligten ein numerus clausus der wählbaren Formen vorgeschrieben ist. Alle drei genannten Eigenheiten des Wertpapierrechts sind vom Modell des Sachenrechts abgeleitet, wie nunmehr zu zeigen ist.

1. Erfordernis der Innehabung einer Urkunde Eines der wertpapierrechtlichen Grundaxiome lautet, dass zur Geltendmachung eines Rechts die Innehabung der körperlichen Urkunde, welche es verbrieft, erforderlich ist2 . An den Besitz knüpft das Wertpapierrecht weitreichende Folgerungen. So erzeugt die Sachherrschaft am Papier Vermutungswirkung hinsichtlich der Berechtigung an der Forderung. Diese Ableitung einer rechtlichen Vermutung aus dem Besitz eines körperlichen Gegenstands folgt dem Vorbild des Sachenrechts. Hier sind verschiedene Tatbestände bekannt, bei denen man von der tatsächlichen Herrschaft auf ein bestimmtes rechtliches Verhältnis schließt. Ein Beispiel ist die Regelung des § 1006 BGB. Nach ihr wird aufgrund des Besitzes – genauer: aufgrund des bei Besitzerwerb begründeten Eigenbesitzes3 – das Eigentum an der Sache vermutet. Die Ausstellung des Wertpapiers bezweckt unter anderem, diese Regelung auch für die verbriefte Forderung fruchtbar zu machen. Damit ist nicht gemeint, dass die Wertpapiere technisch dem § 1006 BGB unterstehen. Zwar ist dies der Fall, wie sich mittelbar aus seinem Absatz 1 Satz 2 1 2 3

Siehe o. S. 14. Vgl. o. S. 11. Palandt/Bassenge, § 1006 Rdnr. 4; Staudinger/Gursky, § 1006 Rdnr. 7.

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

173

ergibt, der ausdrücklich Inhaberpapiere nennt. Doch hat der Besitz bei den Wertpapieren eine Funktion, die über die in § 1006 BGB ausgesprochene Vermutung hinausgeht: die Legitimationsfunktion4. Sie erfordert außer dem in der Vorschrift enthaltenen Rechtssatz einen weiteren Gedankenschritt: Es genügt nicht, dass vom Besitzer des Papiers vermutet wird, er sei sein Eigentümer; vielmehr muss zusätzlich angenommen werden, dass er auch Inhaber des im Papier verbrieften Rechts sei. Mit anderen Worten, vom Eigentum an der Urkunde muss auf die Berechtigung am darin verbrieften Recht geschlossen werden. Dies leistet dogmatisch die sogenannte Eigentumstheorie5. Nach ihr ist zu vermuten, dass der Eigentümer des Papiers und der Gläubiger des Rechts regelmäßig ein und dieselbe Person ist. Die aus der Kombination von Besitz am Papier und Eigentumstheorie folgende Vermutung ist genuin wertpapierrechtlicher Natur. Sie ist zum Beispiel in § 793 I 1 BGB für die Inhaberschuldverschreibung hervorgehoben. Zwar reicht bei einigen Wertpapieren der Besitz allein für den Schluss auf die Inhaberschaft des verbrieften Rechts nicht aus. So ist bei den Orderpapieren außerdem eine ununterbrochene Indossamentenkette notwendig, die den Besitzer als Gläubiger der Forderung ausweist6 . Doch stellt der Besitz der Urkunde auch bei ihnen jedenfalls eine notwendige Bedingung für die Vermutung der Inhaberschaft des verbrieften Rechts dar. Neben der Legitimationsfunktion erfüllt der Besitz im Wertpapierrecht noch weitere Aufgaben. So wird das aus § 407 BGB folgende Recht des Schuldners, an einen früheren Gläubiger zu leisten, zugunsten des Besitzers des Wertpapiers ausgeschlossen7. Außerdem kann der Schuldner der Urkunde an deren Besitzer mit befreiender Wirkung leisten; das Papier hat also Liberationsfunktion8 . Diese Funktionen erfüllt der Besitz im Sachenrecht nicht, da sich bezüglich körperlicher Gegenstände – mit Ausnahme des in § 851 BGB geregelten Sonderfalls – entsprechende Aufgaben gar nicht stellen. Trotzdem sind auch diese Wirkungen parallel zum sachenrechtlichen Modell gestaltet. Denn durch die Niederlegung in einer Urkunde wird die physische Herrschaft über eine Sache für die Innehabung des verbrieften Rechts relevant. Sie dient als Vermutungsgrundlage sowohl zugunsten des Schuldners als auch des Gläubigers. Wäre das Recht nicht verbrieft, würden Besitzverhältnisse keine Rolle spielen. Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an die tatsächliche Herrschaft überträgt daher sachenrechtliches Gedankengut in das Wertpapierrecht.

4 5 6 7 8

Vgl. zu ihr o. S. 11 f. Zu ihr Goldschmidt, ZHR 8 (1965), 225 (330); ders., ZHR 9 (1866), 1 (62). Vgl. Art. 16 I 1 WG, Art. 19 S. 1 ScheckG, § 365 I HGB i.V.m. Art. 16 WG. Siehe dazu Hueck/Canaris, S. 10 f. Siehe o. S. 11.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

2. Übertragung des Rechts durch Übergabe Ebenfalls deutlich ist der Einfluss des Sachenrechts auf das Wertpapierrecht hinsichtlich der Übertragung des verbrieften Rechts. Denn zumindest bei den Wertpapieren „im engeren Sinne“9, den Inhaber- und Orderpapieren, untersteht die Forderung sachenrechtsähnlichen Übertragungsvorschriften. Zum Teil finden die für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften unmittelbar Anwendung, nämlich bei den Inhaberpapieren10 . Für die Orderpapiere wird dagegen aus spezialgesetzlichen Regelungen gefolgert, dass wie bei der Übereignung von Sachen eine Übergabe notwendig sei11. Durch die Anwendung sachenrechtsähnlicher Übertragungsvorschriften wird der wesentliche Zweck der Verbriefung erreicht: das Recht besonders umlauffähig zu machen12 . Mittels der Ausstellung einer Urkunde verbindet man es mit einer beweglichen Sache. Das rechtfertigt, es wie einen körperlichen Gegenstand nach sachenrechtlichen Grundsätzen zu übertragen. Die Voraussetzungen der Übereignung körperlicher Gegenstände werden auch auf das verbriefte Recht ausgedehnt. Der Schutz des gutgläubigen Erwerbers eines Wertpapiers knüpft ebenfalls wie bei beweglichen Sachen an den Besitz an. Auch insoweit sollen für Inhaberpapiere die sachenrechtlichen Vorschriften unmittelbar gelten13. Bei den Orderpapieren gelten wiederum Spezialgesetze14. Hier ist zusätzlich eine ununterbrochene Indossamentenkette Voraussetzung für den Erwerb vom Nichtberechtigten15. Wichtig ist, dass ebenso wie bei einer beweglichen Sache der Erwerber eines Wertpapiers in seinem guten Glauben an die Berechtigung des Besitzers geschützt ist. Dieser Schutz erstreckt sich nicht nur auf das Eigentum am Papier, sondern vor allem auf den Bestand und die Inhaberschaft des darin verbrieften Rechts. Der Besitz an der Urkunde hat darüber hinaus bei der Übertragung des Wertpapiers Folgen, die ihm im Sachenrecht nicht zukommen. Einerseits ist der Erwerb vom Nichtberechtigten großzügiger ausgestaltet, indem zum Bei9

Zur Terminologie Karsten Schmidt, Handelsrecht, S. 689 f. Siehe Palandt/Sprau, § 793 Rdnr. 9. 11 Z.B. Art. 14 II Nr. 3 WG. Siehe dazu Baumbach/Hefermehl/Casper, Art. 14 WG Rdnr. 2. 12 Hueck/Canaris, S. 8 f.; Richardi, S. 5. 13 Palandt/Sprau, § 793 Rdnr. 9. 14 Z.B. Art. 16 II WG. Siehe dazu Hueck/Canaris, S. 89; Richardi, S. 161. Nach Wolfgang Zöllner soll der Verkehrsschutz nach Art. 16 II WG dagegen nicht von der Erlangung unmittelbaren Besitzes abhängen, vgl. ders., in: FS Raiser, S. 249 (283). Seiner Ansicht nach weicht die Vorschrift von §§ 930, 933 BGB ab, da der gutgläubige Erwerber auch ohne Erlangung unmittelbaren Besitzes geschützt werde. Jedoch kann Zöllner nicht darüber hinweggehen, dass der Erwerber nach dem Wortlaut des Art. 16 II WG „Inhaber“ des Wechsels sein, also in irgendeiner Form Besitz erlangen muss. Er bestreitet lediglich, dass sich der Erwerb in den in §§ 930, 933 BGB vorgesehenen Formen zu vollziehen habe. 15 Vgl. Art. 16 I, II WG, Art. 21 i.V.m. Art. 19 ScheckG. 10

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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spiel auch der gute Glaube an die Verfügungsmacht des Übertragenden geschützt wird16 . Andererseits werden gewisse Einwendungen gegen die wertpapierrechtliche Verpflichtung ausgeschlossen17. Der Besitz ist daher im Wertpapierrecht sogar noch bedeutsamer als im Sachenrecht. Unverkennbar ist jedoch, dass der Schutz des guten Glaubens dem sachenrechtlichen Modell entnommen ist. Denn er wird ebenso wie dort an die physische Macht über einen körperlichen Gegenstand angeknüpft. Das Wertpapierrecht setzt daher das Recht mit seinem Träger, der Urkunde, gleich. Dies geht so weit, dass es fraglich erscheint, ob das verbriefte Recht noch als unkörperlicher Gegenstand angesehen werden kann. Insbesondere ist umstritten, ob eine in einem Inhaber- oder Orderpapier verbriefte Forderung durch einfache Abtretung ohne Übergabe der Urkunde übertragbar ist18 . Es handelt sich um eine alte Streitfrage, die hier nicht von neuem aufgerollt werden soll. An dieser Stelle interessiert nur, dass einige Autoren den Übergang des Rechts ohne die Übergabe der Urkunde für prinzipiell ausgeschlossen halten19. Das zeigt, wie sehr das Recht mit dem körperlichen Gegenstand, in dem es verbrieft ist, identifiziert wird. In vielerlei Hinsicht abweichend von den hier behandelten Inhaber- und Orderpapieren sind die Rektapapiere. Ein gutgläubiger Erwerb ist bei ihnen wegen der namentlichen Nennung des Inhabers in der Urkunde nicht möglich. Sie werden nicht durch Einigung und Übergabe des Dokuments übertragen, sondern können nur abgetreten werden20 . Zwar verlangt das Gesetz für einige wichtige Rektapapiere zusätzlich zur Abtretung die Übergabe der Urkunde21. Doch lehnt es die Literatur ab, daraus ein einheitliches Übergabeerfordernis für alle anderen zu folgern22 . Die Diskussion soll hier nicht weiterverfolgt werden. Sicher ist, dass der Besitz bei Rektapapieren nur eine untergeordnete Rolle spielt. Doch weichen sie gerade dadurch vom Urbild des Wertpapiers so weit ab, dass bezweifelt werden kann, ob sie überhaupt in diese Kategorie fallen.

16 Hueck/Canaris, S. 90; Richardi, S. 163; Zöllner, S. 95. Ob der Gutglaubensschutz auf weitere Elemente zu erstrecken ist, ist dagegen umstritten, vgl. Hueck/Canaris und Zöllner a.a.O. m.w.Nachw. 17 Siehe § 796 BGB, Art. 17 WG, Art. 22 ScheckG, § 364 II HGB. 18 Siehe Hueck/Canaris, S. 81 f.; Richardi, S. 142; Zöllner, S. 86 f.; ders., in: FS Raiser, S. 249 (277–281). 19 So Hueck/Canaris, S. 81, die diese Auffassung als herrschende Lehre bezeichnen. 20 Hueck/Canaris, S. 21; Zöllner, S. 11; Richardi, S. 35. 21 So für den Hypothekenbrief und den Grundschuldbrief §§ 1154 I 1, 1192 BGB; für die Anweisung § 792 I 3 BGB. 22 Hueck/Canaris, S. 6 f.; Zöllner, S. 12.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

3. Wertpapierrechtlicher numerus clausus Schließlich ist auch die Beschränkung der Wertpapiere auf die im Gesetz vorgesehenen Arten dem sachenrechtlichen Modell nachgestaltet. Im Sachenrecht besteht ebenfalls ein numerus clausus. Die möglichen Berechtigungen, die eine Person in Bezug auf eine Sache haben kann, unterliegen nicht der Privatautonomie. Es gelten vielmehr Typenzwang und Typenfixierung23. Ersterer bedeutet, dass andere als die im Gesetz genannten Rechte nicht vereinbart werden können, letzterer, dass sich der Inhalt der Rechte aus einer gesetzlichen und nicht einer privatautonom getroffenen Regelung ergibt. Als Argument für den sachenrechtlichen numerus clausus wird der Verkehrsschutz angeführt: Der Rechtsverkehr müsse wissen, was er erwirbt 24. Es sei zu vermeiden, dass er mit dinglichen Positionen konfrontiert werde, die ihm als Rechtsinstitute unbekannt sind 25. Verwandte Erwägungen liegen auch dem wertpapierrechtlichen numerus clausus zugrunde. So argumentiert man, Wertpapiere unterlägen dem sachenrechtlichen Typenzwang, weil sie weitgehend ähnlichen Regeln folgten wie Sachen; insbesondere könne es dem Rechtsverkehr nicht freigestellt sein, nach Belieben nicht vorgesehene Rechte zu schaffen, die Gutglaubensschutz genießen 26 . Zwar wird der numerus clausus im Wertpapierrecht neben der Verbindung zum Sachenrecht noch auf eine andere Rechtfertigung gestützt, nämlich die Gefährlichkeit des Einwendungsausschlusses 27. Doch folgt dieser letztlich aus der Vermutungswirkung des Besitzes, die ebenfalls dem Sachenrecht entnommen ist28 . Gegen eine Parallele zwischen wertpapierrechtlichem und sachenrechtlichem numerus clausus ließe sich allerdings einwenden, dass letzterer in den vergangenen Jahrzehnten in vieler Hinsicht durchbrochen wurde. Die Rechtsprechung hat von der Praxis kreierte Gestaltungen, wie beispielsweise das Sicherungseigentum, anerkannt, obwohl sie das Gesetz nicht vorsieht. Es zeigt sich auch im klassischen Sachenrecht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Anliegen der Rechtssicherheit und den Bedürfnissen der Praxis nach neuen Rechtsformen. Allerdings kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der numerus clausus hinsichtlich von Rechten an körperlichen Gegenständen immer noch fest im Denken verwurzelt ist. Das belegen zum Beispiel die Versuche, auch das Sicherungseigentum in den gesetzlich vorgesehenen Bestand von Sachenrechten, speziell in das Eigentum, einzupassen. Nach wie vor zählt daher die Beschränkung 23

Baur/Stürner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 7; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 5. Baur/Stürner a.a.O., § 1 Rdnr. 9. 25 Müller, Sachenrecht, § 6 Rdnr. 67. 26 Siehe z.B. Hueck/Canaris, S. 24; Zöllner, S. 25. 27 Siehe Hueck/Canaris, S. 24. Eine weitere Begründung stammt von Wiegand, AcP 190 (1990), 112 (119), der meint, der numerus clausus erkläre sich aus dem Ziel des Sachenrechts, die Verfügungfreiheit zu sichern. Zu dieser Ansicht u. S. 219 f. 28 Siehe o. S. 172. 24

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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auf die gesetzlich geregelten Typen zu den Grundprinzipien des Sachenrechts. Solange das Wertpapier als Sache gedacht wird, kann dieses Prinzip nicht überwunden werden.

II. Verkörperungstheorie 1. Grundlagen Die vorangegangen Ausführungen haben gezeigt, dass alle drei wesentlichen Merkmale des Wertpapierrechts ihren tieferen Grund im Sachenrecht haben. Ihm ist das Erfordernis der Innehabung der Urkunde zur Geltendmachung des verbrieften Rechts ebenso entnommen wie die Notwendigkeit der Übergabe des Papiers zur Übertragung des Rechts und das Prinzip des numerus clausus. Das Wertpapierrecht ist ganz darauf ausgerichtet, den Vorgaben des Sachenrechts zu entsprechen. Das ist kein Zufall. Dogmatisch gesehen baut das Wertpapierrecht auf dem Sachenrecht auf. Sinn dieser Konstruktion ist es, das in der Urkunde niedergelegte Recht den für den Verkehr günstigen Vorschriften über körperliche Gegenstände zu unterstellen. Die Ausdehnung des Sachenrechts auf das in der Urkunde verbriefte Recht ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Vielmehr bedarf es zu ihr einer juristischen Fiktion: Die Kategorie des körperlichen Gegenstands muss auf das unkörperliche Recht erstreckt werden. Der dogmatische Kniff, mit dem man dies rechtfertigt, ist die Idee, das Recht sei im Wertpapier „verkörpert“. Man nimmt an, durch die Verbriefung habe es eine körperliche Gestalt angenommen. Anders gesagt erfolge durch die Verbriefung des Anspruchs eine „Versachlichung und Verdinglichung des ursprünglich nur geistigen Gebildes“29.

2. Historische Vorläufer Bevor auf die Verkörperungstheorie näher eingegangen werden kann, muss sie in ihren historischen Kontext platziert werden. Wie die meisten anderen Theorien ist sie nicht allein der genialischen Eingebung einer einzelnen Person entsprungen, sondern baut auf Gedanken anderer auf, die ihr den Boden bereitet haben. Rückblickend findet man solche Vorarbeiten vor allem in der Diskussion um die Rechtsnatur des Wechsels. Letzterer ist aus heutiger Sicht in gewisser Weise das Paradigma des Wertpapierrechts. Vor der Schaffung dieses Rechtsgebiets rankten sich um seine Einordnung jedoch zahlreiche Streitigkeiten. In Italien, seinem Ursprungsland, wurde der Wechsel zunächst als Kauf von zukünftigem Geld durch gegenwärtiges angesehen (emptio venditio pecuniae 29

Meyer-Cording/Drygala, S. 3.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

absentis pro pecunia praesenti)30 . Nicht fern lag insoweit der Gedanke des Tauschs (commutatio), der auch im Namen lettera di cambio zum Ausdruck kommt. In Frankreich, wo der Wechsel aufgrund einer auf Colbert zurückgehenden ordonnance aus dem Jahre 1673 besondere Bedeutung hatte, wurde er ebenfalls in Beziehung zum Tauschvertrag gesetzt. Man ordnete ihn als das Versprechen ein, eine bestimmte Geldsumme, die man empfangen hatte, an einem anderen Ort zu bestimmter Zeit wieder auszuzahlen31. Folglich handele es sich um eine Art vorläufige Erfüllung eines Tauschvertrags. In der deutschen Lehre gab es gegen diese Einordnung Einwände. Karl Einert hob hervor, dass ein Wechsel auch ohne Grundgeschäft begeben werden kann und von diesem weitgehend unabhängig ist32 . Er sei daher kein Vertrag, sondern vielmehr ein Versprechen an die Allgemeinheit, haften zu wollen. Die Notwendigkeit zur Vorlage des Wechsels bei dessen Einlösung begründete Einert damit, dass die Urkunde die Zahlungsverpflichtung enthalte, „gleich als ob die Einlösung dem Papier selbst versprochen worden sei“33. Damit war erstmals die besondere Bedeutung des Dokuments für das Bestehen des Rechts in den Mittelpunkt gerückt. Durch die Befugnis, Wechsel auszustellen, war es dem Einzelnen nach Einerts Ansicht möglich, neue Zahlungsmittel zu schaffen. Daher sollte es sich ihm zufolge um eine Form privaten Papiergelds handeln 34. Einerts Theorie traf in der deutschen Lehre jedoch auf Widerstand. Sie wurde namentlich von Heinrich Thöl abgelehnt35. Er konzedierte lediglich, dass Papiergeld und Wechsel das Versprechen einer bestimmten Summe Gelds zum Inhalt haben. Doch unterschieden sie sich voneinander. Das zeige sich daran, dass der Wechsel der anderen Seite nicht statt Münzgelds aufgedrängt werden könne36 . Nikolaus Thaddäus von Gönner bestritt ebenfalls, dass vom Staat ausgestellte Schuldtitel als Papiergeld einzuordnen seien37. Doch erkannte auch er der Urkunde besondere Bedeutung zu. Er hob insbesondere den Unterschied zwischen der Ausstellung eines Dokuments über eine Schuld zu Beweiszwecken und einer auf den Inhaber lautenden Schuldurkunde hervor. Während bei ersterer das Papier ein bloßes „Accessorium“ des dem Gläubiger zustehen30

Vgl. Kuntze, Deutsches Wechselrecht, S. 34. Vgl. Persil, De la lettre de change et du billet à ordre, S. 7–11. 32 Einert, Das Wechselrecht nach dem Bedürfnis des Wechselgeschäfts im 19. Jahrhundert, S. 99; ders., Entwurf einer Wechselordnung für das Königreich Sachsen, S. 8 f. 33 Einert, Das Wechselrecht nach dem Bedürfnis des Wechselgeschäfts im 19. Jahrhundert, S. 88. 34 Einert a.a.O., S. 51. 35 Thöl, Das Handelsrecht II, S. 72 f. Fußn. 1. 36 Ebda. 37 v. Gönner, Von Staats-Schulden, deren Tilgungs-Anstalten und vom Handel mit Staatspapieren, S. 173, 212. 31

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den Forderungsrechts sei, erscheint seiner Ansicht nach bei letzterer die Urkunde „nicht als etwas von dem Forderungsrechte selbst Verschiedenes, sondern sie fließt mit diesem Rechte als Eines zusammen“38 . Damit ist auch von Gönner nicht mehr allzu weit von der Auffassung entfernt, das Recht sei in der Urkunde verkörpert. Am deutlichsten aber lassen sich erste Anklänge an die Verkörperungstheorie im Werk Friedrich Liebes finden. Er unterscheidet zunächst streng zwischen formalen und materialen Rechtsgeschäften. Bei letzteren entstehe die Rechtsfolge nicht durch eine bestimmte Rechtshandlung, sondern sei von anderen Umständen abhängig, vor allem dem Parteiwillen. Bei ersteren dagegen sei die Beachtung der Form der Grund der Rechtsfolge; „Absicht“ und „Consens“ der Parteien seien nicht entscheidend39. Zu den formalen Rechtsakten zählt Liebe die Ausstellung eines Wechsels. Bei ihm entstehe unabhängig vom Willen des Handelnden schlechthin eine bestimmte Folge, so dass der „bestimmte Act gleichsam selbst als verkörpertes Recht erscheint“40 . In seinem Entwurf der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung greift Liebe diesen Gedanken wieder auf. Der Wechsel ist, wie es dort heißt, „ein eigenthümlich qualificiertes Forderungsrecht, welches der Aussteller, in einem Stück Papier verkörpert, in Circulation setzt“41. Das Bild der Verkörperung ist damit geboren.

3. Savignys Idee Während der Gedanke des in der Urkunde verkörperten Rechts bei Liebe und anderen Autoren noch in nebulöser Form erscheint, wurde er durch Karl Friedrich von Savigny erstmals ausführlich dargelegt und in ein geschlossenes zivilrechtliches System eingebaut. Dazu kam es auf folgende Weise: In seinem Werk „Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts“ hatte sich Savigny mit der Erscheinung der Wertpapiere zu befassen. Obwohl es die einheitliche Bezeichnung „Wertpapier“ zu seiner Zeit noch nicht gab – diese hat Heinrich Brunner erst später entwickelt42 –, wurden Urkunden über Rechte bereits seit langem ausgestellt43. Ihre dogmatische Einordnung in das Zivilrecht bereitete Savigny Probleme. Insbesondere musste er sich mit der Schwierigkeit auseinandersetzen, dass die verbrieften Rechte trotz ihrer unkörperlichen Natur in der Praxis nicht nach den Regeln der Zession, sondern wie Sachen übertragen werden. So enthalten 38 v. Gönner, Von Staats-Schulden, deren Tilgungs-Anstalten und vom Handel mit Staatspapieren, S. 234. 39 Liebe, Entwurf einer Wechselordnung für das Herzogthum Braunschweig, S. 40. 40 Liebe a.a.O., S. 41. 41 Liebe, Die Allgemeine Deutsche Wechselordnung, S. 101. 42 Siehe o. S. 11. 43 Vgl. o. S. 17 ff.

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beispielsweise die Inhaberpapiere Klauseln, nach denen die Forderung demjenigen zustehen soll, der die Urkunde in den Händen hält. Mit den strikten Regeln der Zession ist dies nicht vereinbar, wie Savigny feststellt44. Dennoch weiß er einen Weg, wie man die Praxis dogmatisch erklären könne. Er nennt diesen Gedanken die „Verkörperlichung der Obligation“45. Die Idee ist simpel und gerade daher auf den ersten Blick so überzeugend: Forderung und Urkunde werden miteinander identifiziert. Die Urkunde selbst ist ohne Zweifel ein körperlicher Gegenstand. Indem man die Forderung als im Wertpapier „verkörpert“ ansieht, teilt sie die rechtliche Natur des Papiers, in welchem sie verbrieft ist. Das unkörperliche Recht mutiert zum körperlichen Gegenstand. In den Worten von Schwerins hat es die Form der Urkunde nicht nur für das Auge, sondern für das juristische Denken angenommen46 . Der Verkörperungsgedanke hatte zumindest aus damaliger Sicht einen großen Vorteil: Mit ihm ließ sich die bereits bestehende Wertpapierpraxis rechtfertigen, ohne die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Sachen und Rechten aufzugeben. Das verbriefte Recht kann trotz seiner unkörperlichen Natur wie ein körperlicher Gegenstand übertragen werden. Das „ursprünglich geistige Gebilde“ wird rechtlich als Sache behandelt. Der Widerspruch zwischen Praxis und Theorie ist damit aufgehoben.

4. Auswirkungen Die Idee der Verkörperung des Rechts im Papier hat Epoche gemacht. Sie findet sich nicht nur in der deutschen, sondern zum Beispiel auch in der italienischen47, französischen48 und spanischen49 Literatur wieder. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass sie das abendländische Rechtsdenken in grundlegender Weise beeinflusst hat. Jedoch ist Savignys Ansatz nicht ohne Einwände geblieben. Schon im 19. Jahrhundert hat sich Heinrich Brunner strikt gegen ihn gewandt. Der Idee der Verkörperung des Rechts in der Urkunde setzt er die Frage entgegen: „Haben Rechte denn überhaupt einen Körper?“50 Wäre dies der Fall, dann müsse konsequenterweise zwischen körperlichen und unkörperlichen Rechten unterschieden werden, analog der Unterscheidung zwischen körperlichen und unkörperlichen Gegenständen. Das hielt Brunner für nicht hilfreich. Die Verkörperungs44 45 46 47 48

Savigny, Das Obligationenrecht als Theil des heutigen Römischen Rechts II, S. 95–99. Savigny a.a.O., S. 99. v. Schwerin, Recht der Wertpapiere, S. 3. Asquini, Titoli di credito, S. 38; Messineo, I titoli di credito I, S. 7. Escarra, Cours de droit commercial, S. 884; Mazeaud, Cours de droit commercial,

S. 34. 49

Jiménez Sánchez, in: Jiménez Sánchez, Derecho mercantil II, S. 8. Brunner, in: Endemann (Hrsg.), Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts II, S. 140 (143). 50

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idee brandmarkte er als „juristische Bildersprache“ und bekannte sich als deren Gegner51. Wohlwollender hat sich Otto von Gierke geäußert. Auch er erkennt an, dass es sich um ein Bild handele. Er weist jedoch darauf hin, dass es schlechterdings im Wesen aller juristischen Sprache liege, in Bildern zu reden52 . Das sei nicht an sich, sondern nur im Fall des mit dem Bild getriebenen Missbrauchs verwerflich53. Zutreffend betone die Verkörperungstheorie die Einheit des Rechtsverhältnisses am Eigentum des Papiers und der Inhaberschaft der Forderung54. Sein Sohn, Julius von Gierke, wird diesen Zusammenhang später durch die sinnfällige Formel „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier“ kennzeichnen55 , die Generationen von Juristen zum Verständnis des Wertpapierrechts gedient hat. Die heutige Lehre gibt die Verkörperungstheorie im Wesentlichen kritiklos wieder56 . Allerdings muss sie die Fehlschlüsse bekämpfen, zu der diese verleitet. Denn der Gedanke der Verkörperung des Rechts im Papier führt zu Überreaktionen: Forderung und Urkunde werden schlicht miteinander identifiziert. Daher wird der Eindruck erweckt, als sei das Schicksal des Rechts mit dem der Urkunde untrennbar verbunden, so dass zum Beispiel deren Untergang notwendig auch zum Untergang des Rechts führen müsse. Die Lehre bemüht sich redlich, dieses Missverständnis auszuräumen 57. Eine grundsätzliche Ablehnung der Savigny’schen Idee folgt daraus allerdings nicht. Im Großen und Ganzen hat sie sich als Grundzusammenhang des Wertpapierrechts bis in unsere Tage gehalten.

5. Kritik Die Kritik an der Verkörperungstheorie muss bei der Praxis der Finanzmärkte ansetzen. Im ersten Teil wurde gezeigt, dass Produkte immer seltener verbrieft werden. Das historische Bedürfnis, aus dem heraus das Wertpapierrecht entwickelt wurde, liegt längst nicht mehr vor. Gleichwohl hält man daran fest, dass über Rechte stets eine Urkunde ausgestellt werden müsse, weil sie sonst keinen Körper hätten. Der Grund dafür ist Savignys Idee, die mittlerweile zu einem Dogma erhoben wurde. Damit eine Forderung oder ein sonstiges Recht dem Sachenrecht unterstehen kann, bedarf es nach heute ganz herrschender Meinung zwingend der Verkörperung in einer Urkunde. Nur in diesem Fall kann es 51 52 53 54 55 56 57

Ebda. Otto von Gierke, ZHR 29 (1884), 243 (255). Ebda. Otto von Gierke a.a.O., S. 256. Julius von Gierke, Das Recht der Wertpapiere, S. 2. Hueck/Canaris, S. 2; Zöllner, S. 15; Richardi, S. 16. Siehe z.B. Hueck/Canaris, S. 5–7.

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nach den verkehrsfreundlichen Vorschriften für bewegliche Sachen übertragen und gutgläubig erworben werden. Aus diesem Grund stellt man symbolische Urkunden ohne praktischen Zweck wie die Globalurkunde aus, die einzig und allein dazu dienen, das Sachenrecht anwendbar werden zu lassen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung ist es bedeutsam, daran zu erinnern, dass das Recht und die Urkunde, in der es verbrieft ist, nicht identisch sind. Durch die Verbriefung wird das unkörperliche Recht nicht zum körperlichen Gegenstand. Die Verwandlung eines unkörperlichen Rechts in eine Sache ist nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch rechtlich unmöglich. Ein gedachtes Objekt kann logischerweise nicht gleichzeitig körperlich sein. Das Recht bleibt vielmehr unkörperlich. Jedoch behandelt man es juristisch so, als ob es selbst eine Sache wäre. Die Verkörperungstheorie ist daher nicht mehr als eine nützliche Fiktion. Sie ist lediglich ein Bild, mit dem der Bruch zwischen Praxis und Theorie überwunden werden sollte. In der Tat sind Bilder in der Rechtswissenschaft keine Seltenheit. Häufig aber gewinnen sie eine ungesunde Eigendynamik. Wenn das Recht an ihnen festhält, obwohl sich die zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse geändert haben, wird es lebensfremd. Genauso verhält es sich beim Bild der Verkörperung. Es hat sich in das juristische Denken so tief eingeschliffen, dass der Hintergrund, vor dem es entwickelt wurde, in Vergessenheit geraten ist. Die geistigen Grundlagen der Verkörperungstheorie im juristischen Denken sind schwer auszurotten. Offenbar ist es viel leichter, Papiere durch moderne elektronische Medien zu verdrängen, als das althergebrachte Bild der Verkörperung durch neue Rechtsfiguren zu ersetzen. In letzter Zeit ist jedoch gerade aus dem Lager der Kapitalmarktrechtler die Kritik an der Verkörperungstheorie lauter geworden. Eva Micheler hat aus Sicht des österreichischen und des deutschen Rechts einen Vorschlag zu ihrer Überwindung unterbreitet. Danach sollen die Regeln des Wertpapierrechts im Wege einer Gesamtanalogie auf den papierlosen Effektengiroverkehr angewandt werden58 . Dieser Vorschlag ist beachtenswert. Allerdings fehlt ihm der dogmatische Unterbau. Es stellt sich die Frage, mit welcher Rechtfertigung das Wertpapierrecht, das wie gesehen sachenrechtlichen Grundsätzen folgt, analog auf unkörperliche Effekten angewandt werden kann. Nach dem Aufbau unseres Rechtssystems dürfen die für Sachen geltenden Regeln nicht einfach auf Rechte übertragen werden. Beide unterliegen ganz unterschiedlichen Regelungen. Wo sind die Parallelen, die es rechtfertigen, Rechte ebenso zu behandeln wie körperliche Gegenstände? Inwiefern ist die Interessenlage vergleichbar? Diese grundsätzlichen Fragen beantwortet Micheler nicht. Sie zeigt einen rechtstechnischen Weg zur Gestaltung des papierlosen Effektenverkehrs auf, ohne jedoch die dogmatischen Argumente zu entkräften, aus denen die herrschende Mei58

Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 184.

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nung die Ausstellung der Urkunden für notwendig hält. Damit hat sie die Verkörperungsidee nicht wirklich überwunden. Eine grundlegende Kritik muss daher tiefer ansetzen, und zwar bei der Frage, warum Rechte überhaupt verkörpert werden müssen. Die Antwort auf diese Frage liegt im deutschen bürgerlichen Recht59. Letzteres kennt Eigentum nur an Sachen. Alle unkörperlichen Vermögensgegenstände sind ihm fremd. Sie müssen erst nach außen sichtbar gemacht werden, bevor sie auf einfache Weise übertragen und gutgläubig erworben werden können. Ein Recht, das sich nicht auf einen körperlichen Gegenstand bezieht, hat keine äußere Existenz und kann daher nicht den Vorschriften des Sachenrechts unterstellt werden. Damit zeigt sich in aller Deutlichkeit, worin das Hindernis für die Anerkennung unverbriefter Kapitalmarkttitel besteht: in der Vernachlässigung unkörperlicher Vermögensgegenstände durch das BGB. Wer die Verkörperungstheorie überwinden will, muss daher zunächst dieses Problem lösen.

59 Zwar folgt auch das österreichische Recht der Verkörperungstheorie, obwohl das ABGB einen weiteren Sachbegriff als das BGB kennt, siehe u. S. 184. Die Bedeutung der Verkörperungsidee in Österreich wird man jedoch auf den Einfluss der deutschen Wertpapierlehre zurückführen müssen.

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§ 9 Die Vernachlässigung unkörperlicher Vermögensgegenstände durch das Bürgerliche Gesetzbuch Das deutsche Sachenrecht kennt im Wesentlichen nur Rechte an körperlichen Gegenständen, nicht an unkörperlichen. Das ist der Grund, aus dem Rechte nach wie vor in Urkunden verbrieft werden müssen, um sachenrechtsähnliche Vorschriften auf sie anwenden zu können. In diesem Kapitel wird gezeigt, dass jene Eigenart des deutschen Rechts nicht nur Probleme hinsichtlich der am Kapitalmarkt gehandelten Produkte verursacht, sondern auch in vielen anderen Bereichen. Dazu ist zunächst der enge Sachbegriff des BGB in seinen Einzelheiten darzustellen (I), bevor die Auswirkungen hinsichtlich verschiedener unkörperlicher Vermögensgegenstände erörtert werden (II).

I. Der enge Sachbegriff des BGB Als „Sachen“ definiert § 90 BGB ausschließlich körperliche Gegenstände. Nur an ihnen können dingliche Rechte im Sinne des dritten Buchs bestehen1. Alle anderen Rechte sind schuldrechtlicher Natur. Das BGB lässt damit unkörperliche Gegenstände als Vermögensbestandteile weitgehend unbeachtet. Darin unterscheidet es sich von seinen Vorläufern im deutschsprachigen Raum. Sowohl das gemeine Recht als auch das preußische Allgemeine Landrecht und das österreichische ABGB kennen einen Sachbegriff, der viel weiter ist und sinnlich nicht wahrnehmbare Erscheinungen umfasst 2 . Die zur Zeit der Entstehung des BGB verbreitete Literatur erkannte neben den körperlichen Gegenständen ebenfalls die Existenz „unkörperlicher Sachen“ an, zu denen etwa Rechte, Sachgesamtheiten und Geistesprodukte gehören sollten 3. Der Gesetzgeber des BGB hat mit solchen Vorstellungen bewusst gebrochen. Er orientierte sich stattdessen am römischrechtlichen Begriff der res, der aus seiner Sicht eine Begrenzung auf Sachen im natürlichen Sinne verlange4. Der Ausdruck 1 Ausnahmen gelten lediglich hinsichtlich des Pfandrechts an Rechten, §§ 1273–1296 BGB, sowie des Nießbrauchs an Rechten und am Vermögen, §§ 1068–1089 BGB. Dazu u. S. 195 ff. 2 Vgl. Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (ALR), I. Theil, 2. Titel, § 1: „Sache überhaupt heißt im Sinne des Gesetzes alles, was der Gegenstand eines Rechtes oder einer Verbindlichkeit seyn kann“. § 2: „Auch die Handlungen der Menschen, ingleichen ihre Rechte, in so fern dieselben den Gegenstand eines anderen Rechts ausmachen, sind unter der allgemeinen Benennung von Sachen inbegriffen.“ § 285 des österreichischen ABGB lautet: „Alles, was von der Person unterschieden ist, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.“ 3 Siehe z.B. Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S. 689–693. 4 Siehe dazu ausf. u. S. 199 ff.

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sei daher „im Sinne eines räumlich begrenzten Stückes der unfreien Natur“ zu verstehen5. Daraus folgte die Beschränkung auf „körperliche“ Gegenstände. Als Sachen im Sinne des BGB sind daher in erster Linie alle sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände anzusehen6 . Andere Erscheinungen, wie Gase, kommen nur dann in Betracht, wenn sie abgrenzbar und vom Menschen beherrschbar sind7. Völlig ausgeschlossen vom Sachbegriff sind nicht abgrenzbare oder nur in der Vorstellungswelt existierende Gegenstände. Das gilt selbst dann, wenn sie Vermögenswert haben und Gegenstand des Rechtsverkehrs sind. Der Ausschluss unkörperlicher Vermögensgegenstände durch das Sachenrecht wird seit langem kritisiert. Franz Wieacker hat ihn als „Grundirrtum“ des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichnet8 . Seinetwegen könnten Naturkräfte, Geisteswerke, Erwerbsaussichten und Rechte nicht als Vermögensbestandteile erfasst werden; ebensowenig ließe sich das Vermögen als Ganzes angemessen regeln. Als Alternative hat sich Wieacker für einen weiten, funktionellen Sachbegriff ausgesprochen9. Dieser sollte alle Objekte der natürlichen Welt einschließen, die vermögenswert sind und individualisiert werden können10 . Die Arbeiten Wieackers waren als Anregung für ein „Volksgesetzbuch“ im Dritten Reich gedacht. Die in ihnen enthaltenen Gedanken sind aber nicht schon wegen dieses zweifelhaften Hintergrunds abzulehnen. Viele der von Wieacker angesprochenen Probleme haben nichts mit einem Übergang zu „volksgenössischem Denken“ zu tun, sondern verstehen sich als Reaktion auf moderne Erscheinungen, die auch aus heutiger Sicht Berechtigung haben. Das gilt insbesondere für seine Kritik am engen Sachbegriff. Das soll im Folgenden anhand einiger Güter dargestellt werden. Auf den ersten Blick haben sie mit den im ersten Teil erörterten Kapitalmarktprodukten nicht viel gemein. Doch eint sie mit diesen ein Merkmal: Sie lassen sich mit dem Instrumentarium des BGB nur schwer erfassen.

5 Vgl. Johow, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Sachenrecht, S. 2, abgedruckt in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches III/1. 6 Jickeli/Stieper, in: Staudinger, Vorbem. z. §§ 90–103 Rdnr. 8; vgl. auch Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 90 Rdnr. 1. 7 Jickeli/Stieper a.a.O., Rdnr. 8; Holch, in: MünchKomm-BGB, § 90 Rdnr. 7. Siehe auch Prot. I, S. 3313, wo es als „selbstverständlich“ bezeichnet wird, dass „gefangenes Gas“ Gegenstand der Bemächtigung sei und daher den Charakter einer beweglichen Sache besitze. 8 Wieacker, Zum System des deutschen Vermögensrechts, S. 30. Siehe auch ders., DRW 1941, 49 (61). 9 Wieacker, AcP 148 (1943), 57 (58). 10 Wieacker a.a.O., S. 65.

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II. Einzelfälle 1. Energie Ein klassischer Fall, in dem die bürgerlichrechtliche Kategorisierung immer wieder Probleme bereitet, ist Energie. Beispielsweise ist Elektrizität kein körperlicher Gegenstand und daher keine Sache im Sinne des BGB11. Dabei handelt es sich um ein Gut, das ähnlich wie körperliche Gegenstände gemessen, veräußert und geliefert werden kann. Aus diesem Grund sind in der Literatur schon frühzeitig Versuche unternommen worden, die Sachqualität des elektrischen Stroms anzuerkennen12 . Das Reichsgericht hat ihn ebenfalls mehrfach als „Sache“ bezeichnet13. Zur Begründung beruft es sich vor allem auf die Anschauungen des Verkehrs: Schon aus der Bezeichnung als „Strom“ folge, dass der Verkehr in ihm eine „Sache flüssiger Natur“ sehe14. Außerdem hebt es hervor, Elektrizität sei zwar kein Körper, werde aber im Verkehr als Ware behandelt und bilde den Gegenstand zahlloser Lieferverträge15. Ausdrücklich wendet es sich gegen die Ansicht, dass ein für den Handel geeignetes wirtschaftliches Gut durch menschliche Arbeit immer nur in der Weise geschaffen werden könne, dass körperliche Sachen verarbeitet würden und die Substanz des gewonnenen Erzeugnisses bildeten16 . Später musste jedoch das Reichsgericht eingestehen, dass sich das BGB für einen engeren Sachbegriff entschieden hat, der von dem der Verkehrsauffassung abweicht; es hat sich diesem wegen der Bindung an das Gesetz nicht entziehen können17. Wärme ist unter der Geltung des BGB ebenfalls nicht als Sache anzusehen18 . Dennoch unterwirft der Bundesgerichtshof den Vertrag über die Lieferung von Fernwärme den Regeln über den Kauf19. Er ordnet damit Wärmeenergie rechtlich wie eine bewegliche Sache ein, ohne dies vertieft zu begründen. Der in der Rechtsprechung erkennbare Wille zur Gleichstellung mit den körperlichen Gegenständen erklärt sich aus den Bedürfnissen der Praxis. Ener11 Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 90 Rdnr. 2; Holch, in: MünchKomm-BGB, § 90 Rdnr. 23; Erman/Michalski, § 90 Rdnr. 2. 12 Pfleghart, ArchBR 24 (1904), 300–324. Für die Anerkennung aller Formen von Energie als mittelbar sinnlich wahrnehmbare Gegenstände Kloeß, AcP 103 (1908), 34 (67–69). Spezielle Regelungen für die Elektrizität als Gegenstand entwickelt Fischer, Die Elektrizität als Rechtsobjekt, S. 61–109. Dezidiert gegen die Einordnung der Elektrizität als Sache jedoch Ludewig, ZHR 35 (1888), 14 (30–36). 13 RG, Urt. v. 5.2.1904 – Rep. VII. 424/03, RGZ 56, 403 (408); Urt. v. 16.12.1907 – Rep. VI. 106/07, RGZ 67, 229 (232); Urt. v. 10.11.1914 – Rep. VII. 267/14, RGZ 86, 12 (13). 14 RG, Urt. v. 5.2.1904 – Rep. VII. 424/03, RGZ 56, 403 (408). 15 RG, Urt. v. 16.12.1907 – Rep. VI. 106/07, RGZ 67, 229 (232). 16 Ebda. 17 RG, Urt. v. 10.11.1914 – Rep. VII. 267/14, RGZ 86, 12 (14). 18 Palandt/Heinrichs/Ellenberger, § 90 Rdnr. 2. 19 BGH, Urt. v. 6.12.1978 – VIII ZR 273/77, NJW 1979, 1304 (1305).

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gie wird im Wirtschaftsverkehr ähnlich wie eine Sache behandelt. Sie wird gemessen, gehandelt und veräußert, als ob kein Unterschied beispielsweise zu Mehl oder zu Zement bestünde. Zwar sind die Übertragungsmöglichkeiten sehr verschieden. Auch ist Energie aus physikalischer Sicht kein körperlicher Gegenstand, sondern ein Zwitter aus Partikel und Welle. Dennoch ist es nicht undenkbar, sie juristisch ähnlich zu behandeln wie körperliche Gegenstände. Denn die Aufgabe des Rechts besteht nicht darin, physikalische Gesetze nachzuvollziehen, sondern soziale Verhältnisse zu ordnen 20 . Ob die sachenrechtlichen Vorschriften unverändert anzuwenden sind, steht auf einem anderen Blatt. Den Besonderheiten der Energie könnte durch einige spezielle Regelungen Rechnung getragen werden. Jedenfalls hat sie als Vermögensgegenstand eine ähnliche Bedeutung wie körperliche Gegenstände. Der Gesetzgeber des BGB ignorierte dies und orientierte sich stattdessen bei der Definition der Sache an den Vorstellungen der römischen Antike. Der moderne Verkehr hat längst neue Bedürfnisse entwickelt, die mit dem Instrumentarium des Sachenrechts nicht zu befriedigen sind.

2. Daten Bekannt ist außerdem, dass das deutsche bürgerliche Recht Probleme bei der Erfassung von Daten hat. Diese sind als solche keine körperlichen Gegenstände und nach § 90 BGB nicht als Sache anzusehen. Aus diesem Grund sind beispielsweise in einer Datenbank gespeicherte Informationen nicht eigentumsfähig21. Dasselbe gilt für Computerprogramme. Bei ihnen handelt es sich um geistige Werke, die nur durch das Urheberrecht geschützt sind. An einzelnen Kopien kann man zwar Eigentum erwerben, nicht aber am Programm als solchem. In einigen älteren Entscheidungen sieht der Bundesgerichtshof allerdings Standardsoftware als Sache im Sinne des § 90 BGB an, soweit sie sich auf einem Datenträger befindet22 . Kaufgegenstand ist seiner Ansicht nach der Datenträger „mit dem darin verkörperten Programm“23. Unverkennbar sind die Anklänge an die Verkörperungstheorie im Wertpapierrecht. Allerdings ist die Parallele schief. Anders als das Wertpapier für die Forderung steht der Datenträger im Rechtsverkehr nicht als Symbol für die Software; vielmehr ist die Speicherung auf einem Träger technisch bedingt. Daher ist es falsch, davon zu 20

Wieacker, AcP 148 (1943), 57 (58). Siehe Mehrings, NJW 1993, 3102. 22 BGH, Urt. v. 2.5.1985 – I ZB 8/84, NJW-RR 1986, 219; Urt. v. 4.11.1987 – VIII ZR 314/86, BGHZ 102, 135 (144); Urt. v. 18.10.1989 – VIII ZR 325/88, NJW 1990, 320 (321); Urt. v. 14.7.1993 – VIII ZR 147/92, NJW 1993, 2436 (2437). 23 BGH, Urt. v. 2.5.1985 – I ZB 8/84, NJW-RR 1986, 219; Urt. v. 4.11.1987 – VIII ZR 314/86, BGHZ 102, 135 (144); Urt. v. 18.10.1989 – VIII ZR 325/88, NJW 1990, 320 (321). 21

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sprechen, das Programm sei im Datenträger „verkörpert“. Besser wäre es zu sagen, sie ist dort „gespeichert“. Der Unterschied wird deutlich, sobald es aus technischer Sicht eines Datenträgers nicht mehr bedarf. Dann entfällt jegliche körperliche Unterlage und damit auch das Argument für die Einordnung von Software als Sache. Das musste auch der Bundesgerichtshof bald erkennen. In einem im Jahre 1989 entschiedenen Fall 24 hatte der Lieferant die auf einer Festplatte befindliche Software mittels einer Kabelverbindung auf die Festplatte des Erwerbers übertragen. Zu einem Austausch körperlicher Güter war es nie gekommen. Dennoch bejaht der BGH die Anwendbarkeit kaufvertraglicher Regelungen25. Dabei spielt er mit dem in der Literatur vorgebrachten Argument, eine Verkörperung sei selbst in Fällen wie den vorliegenden anzunehmen, weil die Software zumindest auf dem Datenträger des Erwerbers vorhanden und damit „verkörpert“ sei26 . Im Hinblick darauf, dass der körperliche Träger nicht vom Verkäufer an den Erwerber übergeben wurde, lässt der BGH die Frage, ob eine Verkörperung vorliege, aber offen. Vielmehr geht er davon aus, Endzweck des Kaufvertrags sei nicht die Übergabe des Datenträgers, sondern die Installation und Nutzung des unkörperlichen Programms27. Vor diesem Hintergrund hätte der BGH eigentlich das in seiner früheren Entscheidung gebrauchte Bild der Verkörperung fallenlassen und den Kauf eines unkörperlichen Gegenstands annehmen müssen. Stattdessen geht er jedoch den umgekehrten Weg und stellt den reinen Softwarekauf ohne körperliche Unterlage dem Kauf des Programms auf einem Träger gleich. Das ist zu kritisieren: Nicht die wertlose körperliche Unterlage sollte für die dogmatische Einordnung ausschlaggebend sein, sondern die Software selbst. Diese aber ist unkörperlich. Mittlerweile besteht die Möglichkeit, Programme ohne Träger aus dem Internet zu laden. Die vollständig entkörperte Form der Übertragung von Daten beginnt bereits, den Kauf auf CD oder DVD zu verdrängen. Dadurch wird vollends klar, dass es sich bei Software um einen unkörperlichen Gegenstand handelt. Dennoch würde es den Bedürfnissen der Praxis und den Anschauungen des Verkehrs widersprechen, wenn man sie rechtlich nicht als Sache behandelte. Das ist der wahre Grund für die verbreitete Ansicht, Software sei eine Sache28 . Mit dem Wortlaut des § 90 BGB ist diese Auffassung jedoch trotz aller Interpretationsversuche nicht zu vereinbaren. Auch kann die Einordnung als körperlicher Gegenstand nicht mit dem Unterschied des konkreten Computerpro-

24

BGH, Urt. v. 18.10.1989 – VIII ZR 325/88, BGHZ 109, 97. BGH a.a.O., S. 101. 26 Siehe Hoeren, CR 1988, 908 (911). Später auch Marly, BB 1991, 432 (433 f.). 27 BGH, Urt. v. 18.10.1989 – VIII ZR 325/88, BGHZ 109, 97 (100). 28 Vgl. Erman/Michalski, § 90 Rdnr. 3; Hoeren, Softwareüberlassung als Sachkauf, Rdnrn. 71–83; König, NJW 1993, 3121 (3124); Marly, BB 1991, 432 (435). 25

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gramms im Gegensatz zum abstrakten erklärt werden29. Damit wird die Diskussion vom gesetzlichen Ausgangspunkt des § 90 BGB weg verlagert. Die Hegel’sche Unterscheidung „abstrakt-konkret“ ist mit der vom Gesetzgeber des BGB gewählten Differenzierung körperlich-unkörperlich nicht identisch. Denn sonst müsste beispielsweise jede „konkrete“ Aufführung von Goethes „Faust“ als „körperlich“ bezeichnet werden. Wenn die Einschränkung des Sachbegriffs auf körperliche Gegenstände noch eine Bedeutung behalten soll, dann kann sie sich auf Software, die weder greifbar, fühlbar noch anders sinnlich wahrnehmbar ist, nicht erstrecken. Wie weit sich die Rechtsprechung von der Realität entfernt hat, illustriert eine Entscheidung aus dem Jahre 200630 . Darin hatte der BGH über einen Application Service Provider-Vertrag, kurz: ASP-Vertrag, zu entscheiden. Bei diesem stellt der Anbieter auf seinem Server eine Software bereit und gestattet dem Kunden, sie für eine begrenzte Zeit über das Internet oder andere elektronische Netze zu nutzen. Die Bundesrichter qualifizieren den ASP-Vertrag als Mietvertrag, der eine „verkörperte geistige Leistung“ zum Gegenstand habe31. Dabei gehen sie darüber hinweg, dass der Anbieter dem Vertragspartner nicht einfach ein körperliches Objekt zur eigenen Nutzung zur Verfügung stellt, sondern ihm eine Leistung, nämlich eine Rechenleistung, verspricht. Die einzige Besonderheit ist, dass er diese in automatisierter Form und nicht persönlich erbringt. Doch folgt daraus nicht, dass man den Vertrag als Mietvertrag einordnen könnte. Vielmehr müssen auch die enthaltenen Dienstleistungselemente berücksichtigt werden32 . Näher liegt daher eine Einordnung als Dienst-, Werkoder atypischer Vertrag. Die Probleme der Einordnung von Software in die Dichotomie zwischen körperlichen Gegenständen und Rechten sind damit offenbar. Das Bürgerliche Gesetzbuch stellt den Rechtsanwender vor die Wahl, entweder den Wortlaut des § 90 zu missachten oder über die Bedürfnisse der Praxis hinwegzugehen. Aufgrund seines veralteten Sachbegriffs ist das BGB nicht in der Lage, neue Erscheinungen rechtlich befriedigend zu behandeln. Die im Zuge der Schuldrechtsreform neugefasste Vorschrift des § 453 I BGB, welche auch „sonstige Gegenstände“ erwähnt, hat lediglich für den Teilbereich des Kaufrechts etwas Linderung verschafft. Sonstige Verträge über moderne, unkörperliche Güter lassen sich nur durch Verbiegung der technischen Gegebenheiten oder durch rechtliche Fiktionen erfassen.

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So aber König, NJW 1993, 3121 (3122). BGH, Urt. v. 15.11.2006 – XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394. BGH a.a.O., S. 2394 f. Ebenso Müller-Hengstenberg/Kim, NJW 2007, 2370 (2372).

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

3. Immaterialgüter Rechte sind unkörperliche Gegenstände und daher aus dem Sachbegriff des BGB ausgeschlossen. Das gilt auch für Immaterialgüterrechte. Sie haben zwar unzweifelhaft Vermögenswert, der beträchtlich über den körperlicher Gegenstände hinausgehen kann; man denke etwa an Patente für bedeutsame Erfindungen oder Rechte an bekannten Marken. Doch ändert das nichts daran, dass Immaterialgüter keine Sachen im Sinne des BGB sind. Dennoch werden Immaterialgüterrechte immer wieder mit Rechten an körperlichen Gegenständen in Verbindung gebracht und verglichen. Die Formel vom „geistigen Eigentum“ legt davon beredtes Zeugnis ab. Sie hat ihren Ursprung in den Vorstellungen der Naturrechtsphilosophie33. John Locke propagierte, Eigentum sei das Ergebnis von Arbeit und verdiene aus diesem Grunde Schutz34. Unter den so verstandenen Eigentumsbegriff ließ sich später problemlos auch das Urheberrecht fassen. Im revolutionären Frankreich setzte man den philosophischen Ansatz in konkrete Rechtspraxis um. In verschiedenen Gesetzen wurden Entdeckungen, Muster oder gewerbliche Kennzeichnungen als „propriété“ bezeichnet und geschützt35. Der französische Sprachgebrauch hat sich bekanntlich auch auf andere Länder ausgebreitet. Zum Beispiel spricht man im angelsächsischen Bereich noch heute vom „intellectual property law“. Neben diese naturrechtlichen Vorstellungen trat jedoch bald eine andere Rechtfertigung der Immaterialgüterrechte. Statt letztere mit körperlichen Gütern zu vergleichen, hebt sie auf den besonderen Persönlichkeitsbezug der Ergebnisse schöpferischer Tätigkeit ab36 . Dabei wird klar zwischen dem Sacheigentum etwa an Büchern und dem Recht an den darin gedruckten Gedanken unterschieden: Während ersteres veräußerlich sei, habe der Verfasser an letzterem ein unveräußerliches Recht37. Trotz dieser zweiten, persönlichkeitsrechtlichen Begründung der Immaterialgüterrechte hat sich der Gedanke des geistigen Eigentums erhalten. Er setzt

33 Ausf. zu den philosophischen Grundlagen Dölemeyer/Klippel, in: FS zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, S. 185 (Rdnrn. 18–21); Klippel, in: Wadle (Hrsg.), Historische Studien zum Urheberrecht in Europa, S. 121–138. 34 Locke, Second Treatise of Government, Chapter V, Section 27. 35 Zum Beispiel in der Präambel des Gesetzes vom 7.1.1791. Weitere Nachweise bei Wadle, Geistiges Eigentum I, S. 39; Hubmann/Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2 Rdnrn. 14–17; Rehbinder, Urheberrecht, § 3 Rdnr. 21. 36 Kant, Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks, passim; ders., Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, S. 289 f.; Fichte, Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks, Werke I, S. 409–426. 37 Siehe Kant, Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks, S. 80.

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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sich in den Titeln völkerrechtlicher Übereinkommen38 und den Namen internationaler Organisationen39 fort. Auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive hat sich die Formel als schlagkräftig erwiesen. Die Paulskirchenverfassung hatte noch verlangt, dass das „geistige Eigenthum“ durch die Reichsgesetzgebung geschützt werden solle40 . Die Weimarer Reichsverfassung stellte die „geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler“ ebenfalls unter den Schutz und die Fürsorge des Reichs41. Das Grundgesetz enthält zwar keine entsprechende Bestimmung. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Entscheidungen hervorgehoben, dass Immaterialgüterrechte unter den Schutz des Artikel 14 GG fallen42 . Für den Vergleich der Immaterialgüterrechte mit den Rechten an körperlichen Gegenständen lassen sich gute Gründe anführen. Wie jene wirken sie absolut, das heißt gegen jedermann43. Sie vermitteln ihrem Inhaber ein Recht zur ausschließlichen Nutzung und zur Abwehr von Beeinträchtigungen, das dem Eigentum durchaus ähnlich ist. Allerdings bestehen auch wichtige Unterschiede. So haben Patente, Markenrechte und selbst Urheberrechte lediglich eine beschränkte Schutzdauer44. Zudem unterliegen sie gewissen Schranken der Ausübung45. Mit ihrer Hilfe lassen sich nur bestimmte Handlungen verbieten; anders als das Eigentum ist die aus ihnen folgende Rechtsposition nicht allumfassend geschützt. Der größte Unterschied zum Eigentum besteht jedoch darin, dass sie sich nicht auf körperliche Gegenstände beziehen. Insbesondere Josef Kohler hat diesen Punkt hervorgehoben46 . An die Stelle des geistigen Eigentums setzte er daher den Begriff des Immaterialgüterrechts47, um auf diese Weise die Verschiedenheit zum Sacheigentum schon im Namen deutlich zu machen. Doch ist seine Abneigung gegen die alte Lehre keineswegs so groß, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. 38

Vgl. zum Beispiel die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (1893); aus neuerer Zeit das Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS), welches im Zuge der Errichtung der Welthandelsorganisation abgeschlossen wurde, BGBl. 1994 II, 1730. 39 Siehe z.B. die World Intellectual Property Organisation/Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle (WIPO/OMPI). 40 Art. IX, § 164 III der Verfassung v. 28.3.1849, abgedruckt bei Dürig/Rudolf (Hrsg.), Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, Nr. 6. 41 Art. 158 I der Verfassung v. 11.8.1919, abgedruckt bei Dürig/Rudolf a.a.O., Nr. 9. 42 Z.B. BVerfG, Beschl. v. 7.7.1971 – 1 BvR 765/66, BVerfGE 31, 229 (239); Urt. v. 25.10. 1978 – 1 BvR 352/71, BVerfGE 49, 382 – Kirchenmusik; Beschl. v. 22.5.1979 – 1 BvL 9/75, BVerfGE 51, 193 (217). 43 Vgl. Jänich, Geistiges Eigentum, S. 201. 44 Vgl. Jänich a.a.O., S. 223; Pahlow, Lizenz und Lizenzvertrag im Recht des geistigen Eigentums, S. 194; Ohly, JZ 2003, 545 (547). 45 Pahlow a.a.O., S. 194; Ohly, JZ 2003, 545 (547). 46 Kohler, AcP 82 (1894), 141 (153, 157 und passim). 47 Vgl. Kohler a.a.O., S. 157; ders., Urheberrecht an Schriftwerken und Verlagsrecht, S. 128–152.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Auch Kohler erkennt an, dass der Gedanke des geistigen Eigentums „fruchtbar“ gewesen sei und „unsere Entwicklung mächtig gefördert hat“48 . Während er einerseits die im Entwurf des BGB vorgesehene Reduzierung des Eigentums auf das Gehören an körperlichen Sachen begrüßt49, verkennt er andererseits nicht die Verwandtschaft des Immaterialgüterrechts, das er als „eigentumsähnliches Recht“ bezeichnet50 . Seiner Meinung nach stünde nichts entgegen, eine allgemeine Kategorie der absoluten Rechte zu bilden, unter die das Eigentum und das Immaterialrecht gemeinsam gefasst werden könnten51. Das bald darauf in Kraft getretene BGB ist diesem Vorschlag jedoch nicht gefolgt. Stattdessen hat es den Sachbegriff auf körperliche Gegenstände begrenzt. Das geschah, obwohl dem Gesetzgeber die Existenz und absolute Wirkung immaterieller Rechte bewusst war52 . Wichtiger als die Gemeinsamkeiten dieser Rechte mit den anderen absoluten Rechten, den Sachenrechten, erschien ihm jedoch die Einteilung in körperliche und unkörperliche Rechte. Dies führte dazu, dass zum Beispiel die Beziehung des Autors zu seinem Werk als „Urheberrecht“ und nicht als Eigentum gedeutet wurde53. Die Folge war neben einer Zersplitterung des Rechts der immateriellen Gegenstände auch eine Abkoppelung der deutschen Theorie von der internationalen Rechtsentwicklung54. Wichtig für die hiesige Untersuchung ist die Feststellung, dass die Immaterialgüterrechte sich nicht bruchlos in das System des BGB einfügen lassen. Sie fristen ein Schattendasein außerhalb der allgemeinen zivilrechtlichen Dogmatik. Erst in jüngster Zeit sind Versuche unternommen worden, diesen Zustand zu ändern55. Doch ist dies ohne grundlegende Änderung des Sachenrechts nicht zu erreichen. Da letzteres ganz auf das Eigentum an körperlichen Gegenständen ausgerichtet ist, kann es unkörperliche Vermögenswerte nicht erfassen. Ein „geistiges“ Eigentum ist auf seiner Basis nicht vorstellbar. Dieses Versäumnis 48

Kohler, AcP 82 (1894), 141 (143). Kohler a.a.O., S. 152. 50 Kohler a.a.O., S. 157. 51 Kohler a.a.O., S. 161. 52 Siehe Mot. bei Mugdan III, S. 2. 53 Wadle, Geistiges Eigentum, S. 7. 54 Dies bedauert z.B. Wadle a.a.O., S. 13. Pointiert a.A. Rehbinder, Urheberrecht, § 8, Rdnr. 79, der meint, der Begriff des geistigen Eigentums gehöre in die „Mottenkiste der Rechtsgeschichte“. Ihm zufolge verdunkelt die Gleichsetzung mit dem Sacheigentum als Vermögensrecht nur unnötig die Rechtssituation, indem sie die persönlichkeitsrechtliche Seite dieses Rechtsguts ausblende und es durch naturrechtliche Dogmatisierung der rechtspolitischen Absicht der Begrenzung entziehe. Im Hinblick auf die Erfolge Rehbinders und anderer Vertreter der Rechtslehre bei der Durchsetzung ihrer Ansicht hat man heute allerdings eher den Eindruck, als werde umgekehrt der vermögensrechtliche Aspekt der Immaterialrechtsgüter zu sehr ausgeblendet. Für eine Beibehaltung des Begriffs „geistiges Eigentum“ Jänich, Geistiges Eigentum, S. 349–352; Pahlow, Lizenz und Lizenzvertrag im Recht des geistigen Eigentums, S. 196–198; Ohly, JZ 2003, 545 (547 f.). 55 Vgl. Jänich, Geistiges Eigentum; Ohly, JZ 2003, 545–554. 49

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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wiegt besonders schwer in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Bedeutung von Immaterialgüterrechten ständig zunimmt.

4. Sachgesamtheiten Schon Wieacker hatte kritisiert, dass das BGB aufgrund der engen Fassung des § 90 Sachgesamtheiten nur unzureichend erfassen kann 56 . Das beruht auf einer bewussten Entscheidung. Bereits der von Johow gefertigte Vorentwurf zum Sachenrecht hatte die Existenz von Sachgesamtheiten geleugnet 57. Die Motive halten ihre Anerkennung als ideelles Objekt aufgrund der Beschränkung des Sachbegriffs auf körperliche Gegenstände für nicht möglich58 . Daher vermeidet das dritte Buch des BGB beispielsweise den Begriff des „Vermögens“. Dingliche Rechte können sich nach ihm immer nur auf bestimmte Einzelgegenstände beziehen, nicht jedoch auf das Vermögen als Ganzes. Eine Ausnahme bildet lediglich der Nießbrauch 59. Ansonsten wird das Vermögen vom Sachenrecht ignoriert. Das ist insbesondere deshalb auffällig, weil es in allen anderen Büchern des BGB anerkannt ist. Diese kennen Verträge über das gesamte Vermögen60 , das Vermögen des Vereins61 oder der Gesellschafter einer GbR62 , den Vermögens- und den Nichtvermögensschaden63, die Vermögensverwaltung64 , das Anfangs- und das Endvermögen65 , das gemeinschaftliche Vermögen66 , die Vermögenssorge67, das Vermögensverzeichnis68 , das Vermögen des Kindes69, des Mündels70 und des Betreuten71, den Übergang des Vermögens als Ganzes72 sowie die Zuwendung des Vermögens73. Das Sachenrecht kann die reelle Einheit, die in diesen Vorschriften 56

Wieacker, AcP 148 (1943), 57 (80) zu den von ihm so genannten „Gesamtsachen“. Das BGB verteidigend dagegen Oertmann, AcP 136 (1932), 88–104. 57 Siehe Johow, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Sachenrecht, S. 60–61, abgedruckt in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches III/1. 58 Mot. bei Mugdan III, S. 28. 59 §§ 1085–1089 BGB. 60 §§ 311 b II, III, 1365. 61 §§ 45–47 BGB. 62 § 718 BGB. 63 § 253 BGB. 64 §§ 1364, 1413, 1909 I 2, 1914 BGB. 65 §§ 1373–1377 BGB. 66 § 1416 I 1 BGB. 67 § 1626 I 2, 1638, 1698 I BGB. 68 §§ 1640, 1667 I, 1802 BGB 69 § 1649 I 1, § 1698 BGB. 70 § 1793 I 1 BGB. 71 § 1903 I 1, 1908 BGB. 72 § 1922 BGB. 73 § 2087 I BGB.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

zum Ausdruck kommt, nicht erfassen. Es gliedert das Vermögen in seine einzelnen Teile auf, von denen es darüber hinaus nur die körperlichen erfasst. Die im Verkehr anerkannte Zusammengehörigkeit dieser Gegenstände muss jedoch auch juristische Konsequenzen haben74. Sieht man den Zweck des Sachenrechts darin, die güterrechtlichen Verhältnisse insgesamt zu ordnen, so ist es insoweit unvollständig. Ebensowenig lässt sich mit dem Sachenrecht das Unternehmen als Rechtsgegenstand erfassen75. Das Unternehmen hat Wert über seine einzelnen – körperlichen wie unkörperlichen – Bestandteile hinaus. Dieser besteht in dem besonderen Tätigkeitsbereich, den es für sich gesichert hat, seiner Bekanntheit, seinen Geschäftsverbindungen. Es handelt sich um ein vermögenswertes und verkehrsfähiges geistiges Gut, das durch die Leistung des Unternehmers geschaffen wird76 . Dieses Gut schützt die Rechtsprechung mit Hilfe des Deliktsrechts vor betriebsbezogenen Eingriffen77. Gegen solche Eingriffe bestehen auch Abwehrrechte analog § 1004 BGB78 . Implizit ist damit ein absolutes Recht am Unternehmen anerkannt. Das Sachenrecht sieht jedoch ein solches Recht nirgends vor und kann es seiner Struktur nach nicht vorsehen, weil es sich nur auf einzelne körperliche Gegenstände bezieht. Durch die Nichtanerkennung eines Rechts am Unternehmen wird insbesondere dessen Veräußerung erschwert. Wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes muss jeder einzelne Vermögensbestandteil gesondert auf den Erwerber übertragen werden79. Zwar wird die Aufgabe dadurch erleichtert, dass die herrschende Meinung einen Wechsel der Willensrichtung des Besitzdieners auf Anweisung des Veräußerers als ausreichend für die Übergabe im Sinne von § 929 S. 1 BGB ansieht80 . Doch bleibt die Übertragung juristisch heikel, weil – je nach Vermögensgegenstand – unterschiedliche Übertragungsvorschriften zur Anwendung kommen. Beispielsweise soll der Übergang der Firma nach heute herrschender Meinung den §§ 398, 413 BGB unterliegen81. Andere Werte, wie etwa der Kundenstamm, lassen sich nur auf Umwegen übertragen82 . Die Veräußerung des Unter74

In diesem Sinne bereits Kohler, ArchBR 22 (1903), 1–20. Dazu z.B. Brecher, Das Unternehmen als Rechtsgegenstand; Isay, Das Recht am Unternehmen; Hubmann, ZHR 117 (1955), 41–81; Wieacker, AcP 148 (1943), 57 (60–64); Karsten Schmidt, Handelsrecht, S. 138–140. 76 Hubmann a.a.O. S. 58 f. Als „Wille“ wird das Unternehmen dagegen gekennzeichnet durch Brecher, Das Unternehmen als Rechtsgegenstand, S. 122. 77 BGH, Urt. v. 9.12.1958 – VI ZR 199/57, BGHZ 29, 65 (67–74); Urt. v. 21.12.1970 – II ZR 133/68, BGHZ 55, 153 (160 f.); Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 206/81, BGHZ 86, 152 (156). 78 Z.B. BGH, Urt. v. 21.4.1998 – VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311 (314 f.). 79 Staudinger/Seiler, Einl. zu §§ 854 ff. Rdnr. 54; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rdnr. 19. 80 Palandt/Bassenge, § 929 Rdnr. 15; Quack, in: MünchKomm-BGB, § 929 Rdnr. 132. 81 Canaris, Handelsrecht, § 10 Rdnr. 30 m.w.Nachw. Ebenso Hubmann, ZHR 117 (1995), 41 (62) für die „objektive Unternehmerleistung, den geschaffenen Tätigkeitsbereich“. 82 Siehe BGH, Urt. v. 13.11.1990 – KZR 2/89, NJW-RR 1991, 1002 (1004 f.); Urt. v. 14.1.2002 – II ZR 354/99, NJW 2002, 1340 (1341). 75

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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nehmens nach dieser Methode ist beschwerlich. Mit dem Zugewinn an Publizität kann man die genannten Schwierigkeiten kaum rechtfertigen. Aus anderen Rechtsordnungen, die eine Gesamtübertragung zulassen, sind keine außergewöhnlichen Publizitätsprobleme bekannt. Die Notwendigkeit der Übertragung jedes einzelnen Gegenstands widerspricht auch der Auffassung des Verkehrs. Dieser geht davon aus, dass man ein Unternehmen im Ganzen veräußern kann. Dass der Normalbürger für die abweichende Rechtslage Verständnis aufbringen werde, wenn man ihm nur den Bestimmtheitsgrundsatz erkläre83, bleibt bloße Hoffnung.

5. Rechte Rechte sind unkörperlicher Natur und werden daher im BGB nicht als Sachen behandelt. Das ist konsequent. Andererseits bereitet es aber Schwierigkeiten, subjektive Rechte zu erfassen, soweit nicht ihr Inhalt oder ihre Ausübung, sondern ihre Funktion als Vermögensgegenstand im Vordergrund steht. Ein solcher Fall ist in § 96 BGB geregelt. Dort werden gewisse Rechte ausnahmsweise als Bestandteile eines Grundstücks und damit wie Sachen behandelt. Obwohl die Ausnahme geringfügig erscheinen mag, liegt in ihr eine bemerkenswerte Inkonsequenz, hinter der sich ein grundsätzliches Problem verbirgt. In der Praxis erfüllen Rechte unter Umständen ähnliche Funktionen wie Sachen. Dem lässt sich mit dem Instrumentarium des BGB nur unzureichend Rechnung tragen. Das führt auch an anderer Stelle zu Widersprüchen. An Rechten als unkörperlichen Gegenständen kann, der Logik des deutschen bürgerlichen Rechts folgend, eigentlich kein dingliches Recht bestehen. Dennoch besteht ein praktisches Bedürfnis, solche Rechte anzuerkennen. Daher finden sich im Sachenrecht einige Regelungen über Rechte an Rechten, und zwar der Nießbrauch an Rechten, §§ 1068–1084 BGB, und das Pfandrecht an Rechten, §§ 1273–1296 BGB. Normalerweise beziehen sich Nießbrauch und Pfandrecht nur auf körperliche Gegenstände. In den genannten Vorschriften werden sie jedoch auf unkörperliche Rechte erstreckt. Gegenstand des Pfandrechts kann damit zum Beispiel eine ganz gewöhnliche schuldrechtliche Forderung sein. Die Einordnung dieser Rechtsinstitute in das dritte Buch des BGB erscheint aus systematischer Sicht als Fehler. Wenn sich das Sachenrecht nur auf Berechtigungen an körperlichen Gegenständen bezieht, dann gehören Nießbrauch und Pfandrecht an unkörperlichen Gegenständen nicht hinein. Andererseits ist der Bruch in der Systematik durchaus verständlich. Denn zwischen Nießbrauch und Pfandrecht an Sachen und denen an Rechten bestehen viele Ähnlichkeiten, so dass zahlreiche Regelungen über erstere auch auf letztere passen. Daher liegt ein gewisser Pragmatismus darin, dass das BGB sie für entsprechend anwendbar er83

So Baur/Stürner, Sachenrecht, § 4 Rdnr. 17.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

klärt84. Außerdem wäre ein anderer Platz für die Regelungen der §§ 1068–1084 und §§ 1273–1296 im Bürgerlichen Gesetzbuch kaum vorstellbar. Insbesondere kommt das Schuldrecht nicht in Frage, da Nießbrauch und Pfandrecht keinen unmittelbaren Anspruch gegen eine andere Person gewähren, sondern nur eine vom Recht eines anderen abgeleitete Rechtsstellung. Trotzdem bleibt es dabei, dass Rechte an Rechten mit dem Konzept des Sachenrechts unvereinbar sind und die strikte Trennung zwischen Rechten und Sachen verwischen.

6. Erwerbsaussichten Weil es sich auf Rechte an körperlichen Gegenständen beschränkt, erfasst das Sachenrecht keine Erwerbsaussichten. Diese sind vielmehr nur durch das Schuldrecht geschützt. Allerdings enthält schon das Gesetz selbst gewisse Ausnahmen. Durch die Eintragung einer Vormerkung nach § 883 BGB kann ein schuldrechtliches Recht zum Quasi-Sachenrecht verstärkt werden. Jede der Vormerkung zuwiderlaufende Verfügung des Eigentümers ist nach § 883 II BGB dem Inhaber gegenüber unwirksam. Die Regelung zielt darauf ab, die Stellung des Gläubigers eines fälligen schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück zu sichern. Die Änderung der sachenrechtlichen Verhältnisse, auf die sich der Anspruch richtet, wird damit teilweise vorweggenommen. Ähnlich verhält es sich bei der in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannten Figur des „Anwartschaftsrechts“85. Sie dient ebenfalls der Durchsetzung schuldrechtlicher Ansprüche mit den Mitteln des Sachenrechts. Besonders zu beachten ist ihre Ähnlichkeit mit den hier behandelten Finanzinstrumenten. Ebenso wie letztere sind Anwartschaften im Kern schuldrechtliche Positionen, denen bereits vor ihrer Erfüllung wirtschaftlicher Wert zukommt und die im Verkehr wie ein Vermögenswert behandelt und gehandelt werden. Die intuitive Reaktion der Rechtsprechung war, sie in die Nähe des Sachenrechts zu rücken und ähnlich wie Rechte an körperlichen Gegenständen zu schützen. Doch bleibt ein Widerspruch, weil sie nur einen persönlichen Anspruch zum Inhalt haben.

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§§ 1068 II, 1273 II 1 BGB. Dazu Ludwig Raiser, Dingliche Anwartschaften; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rdnrn. 44–46, § 19 Rdnrn. 19–20 und § 59 Rdnrn. 32–48; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 11 Rdnrn. 34–62. 85

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III. Zusammenfassung Die Schwierigkeiten, unverbriefte Finanzmarktprodukte in das System des BGB einzuordnen, sind bei weitem kein Einzelfall. Zahlreiche andere unkörperliche Vermögensgegenstände lassen sich mit dem Instrumentarium des Sachenrechts nicht oder nur unzureichend behandeln. Der Grund ist die Verengung des dritten Buchs des BGB auf körperliche Gegenstände. Diese macht es unmöglich, Werte zu erfassen, die weder greifbar noch menschlich beherrschbar sind, denen aber im Rechtsverkehr eine ähnliche Bedeutung zukommt wie Sachen. Sie werden in unserem Privatrecht in ihrer Funktion als Vermögensbestandteile ignoriert.

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§ 10 Die Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht Es hat Gründe gegeben, aus denen sich der Gesetzgeber zur Beschränkung des Sachenrechts auf körperliche Gegenstände entschlossen hat. Der wichtigste ist die Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht. Sie ist fundamental für das deutsche Rechtssystem. Das Schuldrecht regelt Rechte auf ein Tun oder Unterlassen zwischen verschiedenen Personen, sogenannte Ansprüche; das Sachenrecht dagegen Rechtsbeziehungen einer Person zu einem körperlichen Gegenstand, sogenannte dingliche Rechte. Schuldrechtliche Ansprüche haben nur relative Wirkung; dingliche Rechte wirken hingegen absolut. Diese Aussagen leuchten jedem deutschen Juristen unmittelbar ein. Danach befragt würde er wahrscheinlich äußern, dass sie unabänderlich seien, weil schon durch die Vernunft vorgegeben. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, dass eine Unterscheidung zwar erforderlich ist, die Trennlinie aber nicht notwendig zwischen Rechten gegen eine Person und Rechten an einer Sache verlaufen muss. Zu diesem Zweck werden zunächst die Grundlagen der Unterscheidung dargelegt; danach wird ihre dogmatische Rechtfertigung erörtert.

I. Grundlagen 1. Vorarbeiten zum BGB Die historischen Grundlagen der Dichotomie in Schuld- und Sachenrecht finden sich in den Entwürfen und Beratungen zum BGB. Das gemeine Recht kannte noch keine scharfe Scheidung zwischen beiden Gebieten; in ihm standen Rechte und Sachen gleichberechtigt nebeneinander1. Das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 und das österreichische ABGB von 1811 sehen die Unterscheidung ebenfalls nicht vor, da sie dem weiten Sachbegriff folgten 2 . Entsprechend weit ist der Eigentumsbegriff beider Gesetze3. Auch die erste Kommission, die mit dem Entwurf des BGB betraut war, hatte noch keine rechtstheoretische Abgrenzung im Auge, als sie die Arbeiten in fünf Redaktionsgebiete teilte, nämlich „Allgemeiner Theil, Sachenrecht, Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht“. Dabei handelte es sich allein um 1

Siehe Rüfner, in: HKK-BGB, §§ 90–103 Rdnr. 9. Siehe o. S. 184. 3 ALR, 1. Theil, 8. Titel, § 2: „Alles, was einen ausschließenden Nutzen gewähren kann, ist ein Gegenstand des Eigenthums.“ § 353 ABGB: „Alles, was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum.“ Zu letzterer Vorschrift siehe auch u. S. 239 f. 2

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eine Frage der zweckmäßigen Arbeitsteilung4. Einen Abschied vom gemeinen Recht beabsichtigte man noch nicht. Es war Reinhold Johow, der in seinem Entwurf des Sachenrechts als Erster begründet hat, warum die Teilung in Sachenrecht und Obligationenrecht über den ursprünglichen pragmatischen Zweck hinaus rechtssystematisch von grundlegender Bedeutung sein soll. Er verweist auf den „heutigen Standpunkt der wissenschaftlichen Einsicht in die Natur des bürgerlichen Rechts“, der „nicht nur die Absonderung des Vermögensrechts von dem Familienrechte und dem Erbrechte, sondern auch innerhalb des Vermögensrechts die Scheidung von Sachenrecht und Obligationenrecht“ ermögliche5. Dazu beruft er sich auf den für den Charakter der Privatrechtsinstitute „so wichtigen“ Unterschied zwischen den Sachen als den körperlichen und den Rechten als den unkörperlichen Vermögensgegenständen6 . Obwohl er in seinen Entwurf keine ausdrückliche Definition der Sache aufnimmt, hebt er hervor, dass das Wort Sache darin überall nur in einem Sinne, dem eines körperlichen Dinges, gebraucht wird7. Die erste Kommission ist Johow in diesem Punkt nicht nur gefolgt, sondern hat ihn sogar noch stärker als von ihm beabsichtigt herausgearbeitet. Auf Antrag Gottlieb Plancks stellte sie an die Spitze des Sachenrechts folgende Bestimmung: „Unter Sache im Sinne des Gesetzes ist nur ein körperlicher Gegenstand zu verstehen.“8

Diese Definition entspricht fast wörtlich dem heutigen § 90 BGB. Mit ihr verfolgte die Kommission nach eigenem Bekunden das Ziel, einer doppelsinnigen Auslegung des Ausdrucks „Sache“ vorzubeugen9. Der weite Eigentumsbegriff des österreichischen und preußischen Rechts, welcher sich nicht nur auf körperliche Gegenstände, sondern auch auf Rechte erstreckte, sollte aufgegeben werden. Dagegen wurde der ursprünglich in § 1 des Entwurfs vorgesehene Hinweis, dass die über Sachen gegebenen Vorschriften auch auf Rechte Anwendung finden, als entbehrlich angesehen. Damit war eine folgenreiche Entscheidung getroffen. Die Motive hatten noch ausgeführt, dass Rechte als immaterielle Gegenstände in allen oder einzelnen

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Siehe Johow, Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Sachenrecht, S. 1, abgedruckt in: Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches III/1. 5 Johow a.a.O., S. 2. 6 Ebda. 7 Johow a.a.O., S. 20. 8 Siehe Jakobs/Schubert (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Allgemeiner Teil, Teilband 1, S. 426. 9 Siehe ebda.

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Beziehungen wie Sachen zu behandeln sein könnten10 . Die erste Kommission sieht jedoch im Sachenrecht von jedem Hinweis auf die Existenz solcher Rechte und ihre Behandlung ab. Sie verabschiedet sich damit von der Vorstellung, dass es neben den Rechten an körperlichen Gegenständen noch ähnliche andere Rechte geben könnte. Während der Beratungen der zweiten Kommission fiel allerdings auf, dass die Definition der Sache nicht recht zum Inhalt des dritten Buchs passt, da dieses nicht nur Normen über Rechtsverhältnisse an körperlichen Gegenständen, sondern auch „über den Nießbrauch, das Pfandrecht usw.“ enthalte11. Insbesondere wurde bemängelt, dass jene Rechtsverhältnisse angesichts der engen Sachdefinition gewissermaßen als „anormale“ hingestellt würden. Die Kritik wurde jedoch zurückgewiesen. Man behauptete, dass sie sich weniger gegen die Sachdefinition als gegen die Überschrift des dritten Buchs richte. Zutreffend wäre gewesen zu sagen, dass sie auf beides abzielte, denn Überschrift und Definition stehen in engem Zusammenhang. Die Mehrheit in der Kommission ließ sich von den Einwänden jedenfalls nicht beeindrucken. „Kleine Inkorrektheiten“, so ihre Ansicht, müssten „im Interesse einer einfachen Sprachweise in Kauf genommen werden“12 . Auch der Einwand, dass man zum Beispiel vom „Eigentum an Forderungen und dergleichen“ sprechen könne, wurde verworfen. Man sah ihn im Gegenteil als Argument für die Notwendigkeit an, durch eine deutliche Ausdrucksweise jegliche Zweifel abzuschneiden13. Der Redaktionskommission wurde dann nur noch überlassen, den gesamten ersten Abschnitt des Sachenrechts-Entwurfs einschließlich seines § 1 in den Allgemeinen Teil zu verlegen14. Dort findet sich die Definition der Sache heute in § 90 BGB wieder.

2. Savigny’sche Zweiteilung der Rechte Um die Spuren des engen Sachbegriffs weiterzuverfolgen, müssen wir zu Johows Entwurf zurückkehren. Gleich auf der ersten Seite offenbart der Autor, auf wen der von ihm zitierte „heutige Standpunkt der wissenschaftlichen Einsicht in die Natur des bürgerlichen Rechts“ zurückgeht: Friedrich Karl von Savigny. In dessen „System des heutigen Römischen Rechts“ findet sich die Keimzelle der Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht, die fundamentale Bedeutung für das deutsche Recht erlangen sollte. Im ersten Band versucht Savigny, die verschiedenen Arten von Rechtsverhältnissen zu systematisieren. Zu diesem Zweck unterscheidet er drei Gegen10 11 12 13 14

Mot. bei Mugdan III, S. 32. Prot. bei Mugdan III, S. 1. Ebda. Prot. bei Mugdan III, S. 1. Prot. a.a.O., S. 2.

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stände möglicher Willensherrschaft: die eigene Person, die „unfreye Natur“ und fremde Personen15. Nachdem er Rechte an der eigenen Person ausgeschlossen hat16 , verbleiben ihm nur die letzteren beiden als möglicher Gegenstand von Rechtsverhältnissen. Dabei stellt er fest, dass die „unfreye Natur“ von uns nicht als Ganzes beherrscht werden kann, sondern nur in „bestimmter räumlicher Begränzung“, und fährt fort: „ein so begränztes Stück derselben nennen wir Sache, und auf diese bezieht sich daher die erste Art möglicher Rechte: das Recht an einer Sache“17. Damit ist der Grundstein des engen Sachbegriffs gelegt. Die Auffassung Savignys hat solch bestimmenden Einfluss auf Johow ausgeübt, dass er sie in seinem gesamten Entwurf verfolgt. Die Begrenzung des dritten Buchs des BGB auf Rechte an körperlichen Gegenständen wurde damit von Savigny präjudiziert. Nicht zufällig war er es, der später auch die Verkörperungstheorie aus der Taufe heben sollte18 . Sie diente ihm als Begründung, warum manche Rechte trotz ihrer unkörperlichen Natur in der Praxis wie Sachen übertragen werden. Die einzige Rechtfertigung dafür sah Savigny in der Körperlichmachung des Rechts in der Urkunde. Nur in diesem Ausnahmefall konnte es seiner Auffassung nach denselben Vorschriften wie bewegliche Gegenstände unterstehen. Hier wird deutlich, wie eng die Konzeption des Sachenrechts und des Wertpapierrechts auch historisch gesehen miteinander verwoben sind.

3. Römischrechtliche Quellen Auf den ersten Blick scheint dem engen Sachbegriff eine streng naturalistische Auffassung zugrunde zu liegen. Gerade deshalb hat sie für den Juristen noch heute solch unmittelbare Überzeugungskraft. Jedoch wäre Savigny nicht er selbst, hätte er seinen Begriff nicht aus einer anderen Quelle: dem römischen Recht. Wie schon der Titel seines Werks „System des heutigen Römischen Rechts“ zeigt, wollte Savigny das Rechtssystem der Römer für seine Zeit fruchtbar machen. Derselbe Einfluss spiegelt sich auch in den Motiven wieder. Sie heben hervor, man werde dem römischrechtlichen Verständnis folgen, das auf einem „natürlichen Begriff der Sache als eines körperlichen Dinges“ beruhe19. Der lateinische Ausdruck für Sache ist „res“. Außer auf sie konnte sich ein Recht noch auf zwei andere Dinge beziehen: die Personen und die „actiones“, also die Klagen 20 . Die Römer kannten mithin eine Dreiteilung der Gegenstände 15 16 17 18 19 20

Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 334 f. Savigny a.a.O., S. 337. Savigny, a.a.O., S. 338 (Hervorhebung im Original). Siehe o. S. 179 f. Mot. bei Mugdan III, S. 32. Institutionen 1.2; Digesten 1.5.1.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

des Rechts21. Schon hier findet sich eine wichtige Abweichung vom Savigny’schen System, das nur zwei Arten von Gegenständen vorsieht. Die res wurden weiter aufgespalten in „res divini iuris“ und „res humani iuris“. Letztere wiederum waren unterteilt in „res corporales“ und „res incorporales“. Die Einteilung in körperliche und unkörperliche Sachen ist bereits in den Institutionen des Gaius enthalten 22 . Sie findet sich auch in den Digesten wieder23. Als „res incorporales“ sind nach römischem Recht neben der Erbschaft (hereditas) und dem Nießbrauch (usufructus) auch die Schuldverhältnisse (obligationes) anzusehen 24. Letztere sind res incorporales „quoquo modo contractae“: gleichgültig durch welche Art der Vereinbarung sie entstanden sind. Dem scheint die Idee zugrunde zu liegen, dass Schuldverhältnisse nur durch Vertrag begründet werden könnten. Dennoch sollen auch Verpflichtungen aus Delikt zu den obligationes zählen 25. Gaius unterscheidet zwischen der Sache und dem schuldrechtlichen Recht, das sich auf sie bezieht. Selbst wenn erstere körperlich ist, sei das Recht auf sie unkörperlich 26 . Allerdings ist er beim Eigentum weniger genau, denn dieses identifiziert er mit der Sache selbst. Darin liegt eine Verwechselung, denn das Eigentum ist ebenso gut wie andere Rechte etwas Unkörperliches27. Der Irrtum hat Auswirkungen auf die Entstehung des Begriffs des „dinglichen Rechts“ gehabt 28 . Was uns heute als Widerspruch in sich erscheint, die „unkörperliche Sache“, ist also im römischen Recht anerkannt. Schon lange vor Gaius, ab der Zeit der späten Republik, war der Begriff geläufig29. Über das römische Recht ist er in eine Vielzahl von Rechtsordnungen gelangt30 . Seine genaue Bedeutung ist allerdings nach wie vor ungeklärt. Er bietet noch heute Stoff für lebhafte Diskussionen31. Es ist hier nicht der Ort, diese Debatte zu entfalten. Festzustellen bleibt lediglich, dass es Gaius durch die Einteilung in res corporales und res incorporales gelang, den Rechtsstoff in übersichtlicher Weise zu systematisieren. Die Vertreter der Historischen Rechtsschule des 19. Jahrhunderts störten sich freilich daran, dass unter dem Begriff der res auf den ersten Blick nicht ver21

Zimmermann, The Law of Obligations, S. 29 f. Institutionen 2.2. Dazu Christoph Becker, Die „res“ bei Gaius – Vorstufe einer Systembildung in der Kodifikation?, S. 40 f. 23 Digesten 1.8.1.1. 24 Institutionen 2.2; Digesten 1.8.1.1. 25 Kniep, Gai Institutionum, Commentarius Secundus, S. 121. 26 Institutionen 2.12. 27 Kniep, Gai Institutionum, Commentarius Secundus, S. 120. 28 Dazu u. S. 207 ff. 29 Bretone, I fondamenti del diritto romano: Le cose e la natura, S. 173. 30 Rechtsvergleich bei Gretton, RabelsZ 71 (2007), 807–831. 31 Siehe Bretone, I fondamenti del diritto romano: Le cose e la natura, S. 143–224; Chiusi, in: FS Mayer-Maly, S. 101–112, insbesondere S. 106–110; Rüfner, in: HKK-BGB, §§ 90–103 Rdnr. 4; Dubischar, Über die Grundlagen der schulsystematischen Zweiteilung der Rechte in sogenannte absolute und relative, S. 13. 22

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gleichbare Gegenstände zusammengefasst werden. Daher haben sie die Dreiteilung in Sachen, Personen und Klagen verworfen. Stattdessen unterscheiden sie scharf das Recht von der Sache als seinem Objekt32 . Daraus folgte denklogisch die Zweiteilung in Schuld- und Sachenrecht. Erstmals wurde sie in Arnold Heises Gliederung seiner Vorlesung zum Pandektenrecht verwendet. Diese enthielt neben einem Buch über „Dingliche Rechte“ ein weiteres mit dem Titel „Von den Obligationen“33. Die konsequente Abtrennung des Schuldrechts vom Sachenrecht bedingte jedoch eine Verengung des Begriffs der Sache: Um sie eindeutig von Forderungen und sonstigen Rechten abzugrenzen, konnte unter ihr nur noch die ehemalige „res corporalis“ verstanden werden. Alle nicht greifbaren Gegenstände waren daher aus dem Begriff auszuscheiden. Er wurde auf einen Teilbereich der alten res beschränkt. Der Ausdruck „Sache“ ist fortan gleichbedeutend mit „res corporalis“; eine „körperliche Sache wurde dadurch zur Tautologie. Es ist gleichgültig, wie man dazu aus terminologischer Sicht steht. Wichtig ist hier nur die Feststellung, dass die Vertreter der Historischen Rechtsschule die Einteilung des römischen Rechts gerade nicht weiterführten, sondern über Bord warfen. Allerdings setzte gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Pandektenwissenschaft selbst eine Gegenbewegung ein. Im Hinblick auf das Urheberrecht und andere Immaterialgüter sprach sich vor allem Ernst Immanuel Bekker dafür aus, den Begriff der „unkörperlichen Sache“ zu verwenden34. Er hat in der Literatur prominente Gefolgschaft gefunden35. Otto von Gierke verteidigte noch in den letzten Jahren vor Inkrafttreten des BGB den uns heute merkwürdig erscheinenden Begriff der unkörperlichen Sache. Diese sei ein „ideell begrenzter Ausschnitt aus den zu rechtlicher Beherrschung geeigneten Beziehungen der äußeren Güterwelt“36 . Ernst Zitelmann versuchte in seinem Werk über das Internationale Privatrecht, zwischen beiden Lagern zu schlichten, indem er den „Beziehungspunkt“ subjektiver Rechte herausarbeitete, der sowohl in Sachen, Personen als auch in geistigen Werken bestehen könne37. Allerdings handelte es sich dabei nur noch um Rückzugsgefechte. Das BGB war bereits in der Entstehung. Mit der Kodifikation erlangte der enge Sachbegriff Gesetzeskraft. Dass die neueren Erkenntnisse der Rechtswissenschaft dabei ignoriert wurden, mag neben dem Zeitdruck auch daran gelegen haben, dass die Rechtswissenschaft zu sehr dem Vorbild des römischen Rechts verhaftet war. Jedoch darf nicht vergessen werden, dass letzteres selbst bereits immate32 33 34 35 36 37

Siehe z.B. Wächter, Pandekten I, S. 255; Wendt, Lehrbuch der Pandekten, S. 65. Heise, Grundriss eines Systems des Gemeinen Civilrechts, S. 38, 65. Bekker, System des heutigen Pandektenrechts I, S. 63. Siehe Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S. 689–693. Otto von Gierke, Deutsches Privatrecht I, S. 270. Zitelmann, Internationales Privatrecht I, S. 51.

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rielle Vermögenswerte kannte. Savigny beschränkt sich nicht darauf, das römische Recht neu zu interpretieren. Aus dessen Teilung des Rechtsstoffs hat er das zweite Standbein, die res incorporalis, schlicht herausgerissen. Damit stellte er die Rechtsordnung Roms nicht aus moderner Sicht dar, sondern ersetzte sie durch eine vergleichsweise archaische Rechtsauffassung, die nur noch Rechte gegenüber körperlichen Gegenständen und gegenüber Personen anerkennt. Sie steht in schroffem Gegensatz zur Entwicklung des Kapitalismus seiner Zeit, der zu einer immer stärkeren Entmaterialisierung von Vermögensgegenständen drängte, und hat die Anerkennung neuer Rechte, wie etwa des geistigen Eigentums, erschwert. Darüber hinaus führte sie zu Verständigungshindernissen mit den europäischen Nachbarn, deren Rechtsordnungen unkörperliche Gegenstände anerkennen38 . Damit wurde die Chance vertan, das deutsche Recht im Einklang mit anderen Rechten so zu entwickeln, dass es moderne, immaterielle Rechtsgüter einschließt.

4. Philosophische Grundlagen Die im 19. Jahrhundert vollzogene Abkehr vom römischen Begriff der res incorporalis und die Zweiteilung der Rechtsverhältnisse in Rechte gegen Personen und Rechte an Sachen wird häufig mit dem Einfluss der Philosophie Immanuel Kants gerechtfertigt39. Die Parallelen scheinen auf den ersten Blick deutlich. So beschrieb Savigny wie gesehen die Sache als Stück der „unfreyen Natur“; er stellte sie den fremden Personen als „dem Wollenden gleichartigen freyen Wesen“ gegenüber40 . Das erinnert an Kants positiven Begriff der Freiheit, der für jedes vernünftige Wesen gilt, das einen Willen hat41. Darüber hinaus ist die Einteilung in Sachenrecht und Schuldrecht offenbar sehr ähnlich der in der „Metaphysik der Sitten“ getroffenen Unterscheidung zwischen dem Sachenrecht und dem persönlichen Recht42 . Letztere leitet Kant von den verschiedenen äußeren Gegenständen ab, die der Willkür unterliegen können. Dazu gehören ihm zufolge neben den körperlichen Sachen die Leistung durch die Willkür eines anderen43. Aus dieser Gegenüberstellung scheint die Abtrennung des Sachenrechts vom Schuldrecht und die Beschränkung des Sachenrechts auf körperliche Gegenstände geradezu zwangsläufig zu folgen. Zweifel an dieser Interpretation kommen aber schon dadurch auf, dass Kant auch Immaterialgüterrechte ausdrücklich anerkennt. Zum Beispiel setzt er das 38

Ausführlich dazu u. S. 237 ff. Siehe z.B. Rüfner, in: HKK-BGB, §§ 90–103 Rdnr. 6. 40 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 334. 41 Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 448. Siehe auch ders., Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, S. 226. 42 Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, S. 260, 271. 43 Kant a.a.O., S. 247 f. 39

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Recht des Autors am geistigen Inhalt seines Buchs als selbstverständlich voraus44. Er ordnet dieses zwar als „persönliches Recht“ ein45. Interessant ist jedoch, welchen Gegenstand es nach ihm haben soll: die „Rede ans Publicum“46 . Der Kontakt des Autors mit den Lesern ist sinnlich nicht wahrnehmbar. Folglich erkennt auch der Königsberger Philosoph Rechte an unkörperlichen Gegenständen an. Außerdem wird die Rückführung der Savigny’schen Zweiteilung der Rechte auf Kant dadurch zweifelhaft, dass dieser neben dem Sachenrecht und dem persönlichen Recht noch eine dritte Kategorie des Rechts kennt: das „auf dingliche Art persönliche Recht“47. Dazu zählt er das Eherecht, das Elternrecht und das Recht des Hausherren gegenüber dem Gesinde. Bei den auf „dingliche Art persönlichen Rechten“ handelt es sich freilich um eine der umstrittensten Kategorien der Rechtslehre. Sie wurde nach ihrem Erscheinen derart heftig kritisiert, dass Kant sich genötigt sah, sie in einem Anhang nochmals zu rechtfertigen48 . Über die Berechtigung der Kritik ist hier nicht zu urteilen. Wichtig ist an dieser Stelle nur, festzustellen, dass Kant anders als Savigny nicht von einer schlichten Zweiteilung der Rechte ausgeht. Er spricht vielmehr sogar von einer „Tetrachotomie“: den dinglichen, persönlichen, auf dingliche Art persönlichen und den auf persönliche Art dinglichen Rechten49. Da letztere allerdings als denkunmöglich wegfielen, bleibt eine „Trichotomie“. Zu beachten ist darüber hinaus, dass der Ausdruck „dinglich“ von Kant nicht auf Beziehungen zu Sachen beschränkt wird. Denn das „auf dingliche Art persönliche Recht“ ist gerade nicht auf einen körperlichen Gegenstand gerichtet. Hier geht es vielmehr um eine Herrschaftsbeziehung, die zwischen Personen besteht und nach Kant dem Verhältnis der Zuordnung einer Sache zu einer Person ähnelt. Es wäre kühn anzunehmen, dass er die Ehefrau oder das Kind damit zu bloßen Gegenständen herabwürdigen wollte. Wahrscheinlicher ist, dass er mit dem dinglichen Recht etwas anderes meinte als Rechte an einem körperlichen Gegenstand. Was er im Sinn gehabt haben mag, wird an anderer Stelle deutlich. In der Rechtslehre schreibt Kant: „Es ist aber klar, daß ein Mensch, der auf Erden ganz allein wäre, eigentlich kein äußeres Ding als das Seine haben oder erwerben könnte: weil zwischen ihm als Person und allen anderen Dingen als Sachen es gar kein Verhältnis der Verbindlichkeit giebt. Es giebt also, eigentlich und buchstäblich verstanden, auch kein (directes) Recht an einer Sache, sondern

44 Kant, Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks, S. 80; ders., Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, S. 289. 45 Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, S. 289 f. 46 Kant a.a.O., S. 290. 47 Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, S. 276. 48 Siehe Kant a.a.O., S. 357–361. 49 Kant a.a.O., S. 358.

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nur dasjenige wird so genannt, was jemanden gegen eine Person zukommt, die mit allen Anderen (im bürgerlichen Zustand) im gemeinsamen Besitz ist.“50

Nach Kants Auffassung kann ein Recht nicht an einer Sache als solcher bestehen, sondern diese ist nur einer Person im Verhältnis zu anderen zugeordnet. Damit befand er sich im Einklang mit der sich zu seiner Zeit durchsetzenden Erkenntnis, dass sich alles Recht auf die Beziehungen zwischen Personen richtet. Dieser „personale Rechtsbegriff“ ist vor allem den vernunftrechtlichen Theorien des 18. Jahrhunderts zu verdanken51. Ansätze zu ihm gab es jedoch schon bei Samuel Pufendorf. Er verstand das Eigentum als Beziehung ausschließlich zwischen Personen52 . Das steht mit seiner Aufgabe im Einklang, soziale Verhältnisse zu ordnen. So bedarf Robinson Crusoe keines Eigentums, solange Freitag nicht aufgetaucht ist; die Notwendigkeit, die beiden gehörenden Gegenstände zu bestimmen, ergibt sich erst mit dem Erscheinen des anderen. Wie alle sonstigen subjektiven Rechte ist auch das Eigentum auf die Beziehung zwischen Menschen ausgerichtet. Ein Rechtsverhältnis zwischen einer Person und einer Sache gibt es daher genau gesehen nicht. Das angebliche „Recht an einer Sache“ beruht also auf einem Missverständnis, weil sich alles Recht gegen andere Personen richtet. Vom personalen Rechtsbegriff ging selbst Savigny aus, denn er definierte das einzelne Rechtsverhältnis als „eine Beziehung zwischen Person und Person, durch eine Rechtsregel bestimmt“53. Damit scheint es auf den ersten Blick unvereinbar, dass er wenig später als Gegenstand des Rechtsverhältnisses die eigene Person, die unfreye Natur und fremde Personen ansah54. Allerdings ist dieser Widerspruch nicht unerklärlich. Wie er sich lösen lässt, lehrt eine kleine Kontroverse, die Walther Hadding und Norbert Niehues von 1986 bis 1987 ausgetragen haben55. Hadding hatte die Auffassung vertreten, dass das Recht eine verbindliche Ordnung zwischen Menschen sei. Vor diesem Hintergrund lehnte er die Möglichkeit eines Rechtsverhältnisses einer Person zu einer Sache ab56 . In seiner Replik hebt Niehues hervor, dass die Beziehung Person-Sache nur rechtstechnische Funktion habe. Sie diene zur Kennzeichnung einer Vielzahl personaler Rechtsbeziehungen, die sich ihrem Gegenstand nach um eine Sache drehten. Wegen der Umständlichkeit der personalen Kon-

50

Kant a.a.O., S. 261. Vgl. Dulckeit, Über die Grundlagen der schulsystematischen Zweiteilung der Rechte in sogenannte absolute und relative, S. 101–103. 52 Pufendorf, De jure Naturae et Gentium libri octo, Libri IV, Caput IV, § 1; dazu Huwyler, Der Begriff der Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, S. 42. 53 Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, S. 333. 54 Siehe dazu o. S. 200 f. 55 Siehe Hadding, JZ 1986, 926–928; ders., JZ 1987, 455 f.; Niehues, JZ 1987, 453 f. 56 Hadding, JZ 1986, 926 (927). 51

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struktion sei die Rede von einer Beziehung zwischen einer Person und einer Sache gerechtfertigt57. Die Rede vom „Recht an der Sache“ wäre so gesehen nicht völlig verfehlt, sondern lediglich eine verkürzte Sprachweise. Allerdings ist das ihren Verwendern meist nicht bewusst. Bei ihnen liegt vielmehr ein intellektueller Kurzschluss vor, den Ernst Zitelmann plastisch herausgearbeitet hat. Ihm zufolge werden die Rechtsbeziehungen zwischen Personen häufig mit wahrnehmbaren Stücken der Außenwelt gleichgesetzt, auf die sie sich beziehen58 . Dies diene dazu, den Gegenstand des Rechts sichtbar zu machen. Bei Rechten, für die sich ein körperlicher Bezugspunkt nicht angeben lasse, erfinde man einfach einen solchen, den man ähnlich wie ein sinnlich wahrnehmbares Objekt bezeichnet, zum Beispiel als „geistiges Werk“. Alle Rechte, so betont jedoch Zitelmann, seien ihrem formalen Charakter nach absolut wesensgleich. Rechte „an einer Person“, „an einer Sache“ oder auch „an einem geistigen Werk“ seien nichts anderes als Abbreviaturen59. Die Auffassung, Rechte hätten einen Gegenstand, bezeichnet er als „naiv“. Denn sie führe zu der Annahme, es gäbe Rechte an Sachen, an fremden Personen und an der eigenen Person. Der Seitenhieb auf Savigny ist unverkennbar. Zu sagen, es gäbe Rechte an einer bestimmten Sache, ist daher eine missverständliche Redeweise. Sie mag im Alltag zwar gute Dienste leisten, verleitet aber leicht zu dem Irrtum, es könnten Rechtsverhältnisse zwischen Menschen und Sachen bestehen. Solche Rechtsverhältnisse gibt es aber nicht. Stattdessen folgt aus der Personalität allen Rechts, dass sich Gebote und Verbote immer an Menschen richten. Durch das Recht können gewisse Sachen einer Person im Verhältnis zu anderen Personen zugeordnet werden; trotzdem gelten die Rechtsregeln interpersonal, und nicht in der Beziehung des Menschen zum körperlichen Gegenstand. Daraus folgt, dass auch nur gedachte Objekte Bezugspunkt von Rechten sein können.

II. Persönliche und dingliche Rechte Die Grundlagen des engen Sachbegriffs haben sich damit als zweifelhaft erwiesen. Sowohl aus historischer als auch aus philosophischer Sicht lässt sich die Beschränkung des Eigentums auf körperliche Gegenstände nicht halten 60 . Zwingend erscheint dagegen die Dichotomie in persönliche und dingliche Rechte. Die Motive erklären sie folgendermaßen: das obligatorische Recht begründe für den Berechtigten einen Anspruch auf Leistung gegen den Verpflich57 58 59 60

Niehues, JZ 1987, 453 (454). Zitelmann, Internationales Privatrecht I, S. 50. Zitelmann a.a.O., S. 51. So auch Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, S. 42.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

teten, das dingliche Recht ergreife hingegen die Sache selbst61. Persönliche Rechte sind daher Ansprüche einer Person gegen eine andere auf ein bestimmtes Tun oder Unterlassen, dingliche Rechte betreffen hingegen das Verhältnis einer Person zu einer Sache. Trotz dieser klaren Einteilung hat gerade der Begriff des dinglichen Rechts seit jeher Kontroversen ausgelöst. Schon im 19. Jahrhundert stritten Anton Friedrich Justus Thibaut und Paul Johann Anselm von Feuerbach über seinen Inhalt. Während ersterer ihn aus der Eigenart des Klageschutzes erklären wollte, meinte letzterer, der Klageschutz sei umgekehrt nur die Folge der besonderen Natur des dinglichen Rechts62 . Die seit dem BGB herrschende naturalistische Auffassung sieht das Wesen des dinglichen Rechts in einer Beziehung des Menschen zu den seiner Gewalt unterworfenen Gegenständen. Dingliche Rechte, so sagt man, vermittelten Sachherrschaft63. Ihre Beschränkung auf körperliche Gegenstände ist danach geradezu zwingend. Denn versteht man „Herrschaft“ – wie das Wort nahelegt – im physischen Sinne, so kann sie nur im Hinblick auf Sachen bestehen64. Als weitere Gegenstände der Außenwelt, über die Herrschaft ausgeübt werden könnte, kommen nur Personen in Frage, doch sind diese in einer freiheitlichen Ordnung als Herrschaftsobjekte ausgeschlossen. Danach wäre der enge Sachbegriff dem liberalen Rechtssystem als Tatsache vorgegeben und unabänderlich. Doch ist dies bei näherem Hinsehen nicht der Fall. Dass dingliche Rechte Sachherrschaft vermitteln, kann man zwar für ihren Prototyp, das Eigentum, behaupten65. Schwieriger ist dagegen die Übertragung des Herrschaftsgedankens auf die sogenannten beschränkt dinglichen Rechte. Die meisten der darunter zusammengefassten Befugnisse haben keineswegs die Ausübung physischer 61

Mot. bei Mugdan III, S. 2. Siehe Thibaut, Versuche über einzelne Teile der Theorie des Rechts II, S. 23–66; Feuerbach, Über actio in rem und actio in personam, jus in rem und jus in personam, in: ders., Civilistische Versuche I, S. 213–274. Zur Kontroverse zwischen Thibaut und Feuerbach vgl. Dörner, Dynamische Relativität, S. 15–18; Dubischar, Über die Grundlagen der schulsystematischen Zweiteilung der Rechte in sogenannte absolute und relative, S. 83–90. 63 So z.B. Staudinger/Seiler, Einl. zum SachenR Rdnr. 18. Siehe schon Mot. bei Mugdan III, S. 1 („Das Wesen der Dinglichkeit liegt in der unmittelbaren Macht der Person über die Sache“); Wächter, Pandekten I 1, S. 255 („Hiernach ist Gegenstand der dinglichen Rechte eine Sache, über die uns das dingliche Recht eine unmittelbare Herrschaft giebt“); ähnlich Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts I, S. 166 („Dingliche Rechte sind diejenigen Rechte, kraft deren der Wille des Berechtigten maßgebend ist für eine Sache“). 64 Dagegen verwendet Canaris, in: FS Flume I, S. 371 (375), einen übertragenen Begriff der Herrschaft, wenn er das dingliche Recht als „absolutes Herrschaftsrecht an Sachen oder Rechten“ bezeichnet, denn eine Herrschaft im physischen Sinne lässt sich über Rechte nicht ausüben. 65 Vgl. Staudinger/Seiler, Vorbem zu §§ 903 ff Rdnr. 2. Zu den verschiedenen Theorien über das Wesen des Eigentums siehe Soergel/Jürgen F. Baur, § 903 Rdnrn. 15–20. 62

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Gewalt zum Gegenstand. Die Hypothek beispielsweise berechtigt nicht zum Besitz oder zur Nutzung des Grundstücks, an dem sie besteht. Sie hilft dem Inhaber vielmehr bei der Durchsetzung seiner Forderung gegenüber dem Schuldner, indem sie ihn im Fall der Zwangsvollstreckung gegenüber anderen Gläubigern bevorrechtigt. Er befriedigt sich aus dem Vollstreckungserlös; das Grundstück selbst erhält er zu keiner Zeit. Ebensowenig berechtigt die Reallast zur Ausübung von Sachherrschaft. Sie gewährt dem Inhaber lediglich den Anspruch auf bestimmte Güter. Dabei muss es sich nicht unbedingt um Produkte des Grundstücks handeln, an dem die Reallast besteht. Der Leistungsgegenstand kann vielmehr auch völlig ohne Beziehung zu letzterem sein. Die Formulierung „aus dem Grundstück“ in § 1105 BGB soll nur klarstellen, dass der Grund und Boden im Wege der Zwangsvollstreckung zur Befriedigung der Schuld verwertet werden kann 66 . Die sogenannten dinglichen Rechte vermitteln daher nicht notwendig Herrschaft über einen Gegenstand. Sie können vielmehr inhaltlich genau auf dieselben Handlungen und Unterlassungen gerichtet sein wie schuldrechtliche Ansprüche. Darauf hat schon Philipp Heck hingewiesen67. Schwierigkeiten für den Herrschaftsgedanken bereitet auch die Tatsache, dass der Eigentümer dingliche Rechte an eigenen Gegenständen haben kann, wie etwa eine Eigentümergrundschuld68 . Ihre Anerkennung erscheint schlechterdings nicht verständlich: Wenn der Eigentümer schon die umfassende Sachherrschaft ausübt, wie soll er dann noch ein weiteres dingliches Recht an demselben Gegenstand haben können? Dazu wäre es notwendig, die Sachherrschaft aufzuspalten; dies aber ist denklogisch unmöglich. Die meisten der beschränkt dinglichen Rechte sind danach keine Herrschaftsrechte. Sie beziehen sich nicht auf eine Sache, sondern auf das Recht eines anderen, nämlich des Eigentümers. Die Glossatoren bezeichneten sie daher als „iura in re aliena“69. Das Recht des Eigentümers ist aber – wie alle Rechte – unkörperlicher Natur. Daher sind die sogenannten „beschränkt dinglichen Rechte“ in Wahrheit Rechte an einem unkörperlichen Gegenstand. Dazu passt, dass das römische Recht sie als „res incorporales“ einordnete70 . Beschränkt dingliche Rechte sind daher dem Eigentum nicht gleichzusetzen. Sie sind auch kein Ausschnitt aus diesem, sondern etwas anderes, ein aliud.

66 Palandt/Bassenge, § 1105 Rdnr. 4; Joost, in: MünchKomm-BGB, § 1005 Rdnr. 6; Staudinger/Amann, Einl. z. §§ 1105–1112 Rdnr. 23. 67 Heck, Grundriß des Sachenrechts, S. 2. 68 Siehe § 1196 BGB. 69 Vgl. Dubischar, Über die Grundlagen der schulsystematischen Zweiteilung der Rechte in sogenannte absolute und relative, S. 39. 70 Siehe Puchta, Pandekten, S. 52; Wächter, Pandekten I, S. 257.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Was aber bedeutet dann der Ausdruck „dinglich“? Diese Frage ist durch das Vorangegangene nicht geklärt. Sie zu beantworten, ist nicht leicht, wenn man sich vom falschen naturalistischen Herrschaftsverständnis verabschiedet. Nach Hans Josef Wieling besteht das Wesen der dinglichen Rechte darin, dass sie dem Inhaber einen unmittelbaren Zugriff auf die Sache gewähren; es handele sich um „Zugriffsrechte“71. Wielings Auffassung ist offenbar von der römischen actio in rem beeinflusst, auf die schon Thibaut seine Definition des dinglichen Rechts baute72 . In besonders nachdrücklicher Form wurde diese These von den Anhängern der Theorie der Realexekution vertreten. Ihnen zufolge sollte die dingliche Natur eines Rechts davon abhängen, dass der Berechtigte seinem Schuldner die Sache realiter wegnehmen kann73. Doch stößt auch dieser Erklärungsversuch auf Bedenken. Denn abgesehen davon, dass ein wichtiger Unterschied zwischen der Klage und dem materiellen Recht besteht und das römische Recht zwar eine actio in rem, nicht aber ein „dingliches Recht“ kannte74 , ist die Unterscheidung selbst dann zweifelhaft, wenn man sich auf eine rein prozessuale Ebene begibt. Der Inhaber eines dinglichen Rechts an einer Sache kann nicht direkt auf diese zugreifen. Zum Beispiel hat der Eigentümer nur ein Recht auf „Herausgabe“ gegen den Besitzer, nicht aber das Recht, die Sache selbst wegzunehmen. Er kann lediglich einen Titel erstreiten und sie auf dessen Grundlage vom Gerichtsvollzieher wegnehmen oder sich in den Besitz einweisen lassen75. Das ist jedoch keine Besonderheit der dinglichen Rechte. So wird etwa der Anspruch des Käufers auf Übergabe aus einem Stückkauf nach § 433 I 1 BGB genau mit derselben Art der Zwangsvollstreckung verwirklicht76 . Eine besondere Durchsetzung mittels actio in rem, wie man sie im alten Rom kannte, ist dem deutschen Recht fremd. Dingliche Rechte gewähren daher keinen Zugriff auf die Sache selbst. Man könnte das Attribut „dinglich“ jedoch deshalb für berechtigt halten, weil sich diese Rechte zumindest mittelbar auf einen Gegenstand beziehen. Doch sind auch viele schuldrechtliche Ansprüche auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet. So verhält es sich beispielsweise beim Recht des Mieters auf die Gewährung des Gebrauchs der Mietsache77. Das Recht auf Herausgabe beim Stückkauf ist ebenfalls auf einen körperlichen Gegenstand bezogen78 . Schließlich zielt auch der Rückgabeanspruch des Verleihers auf eine bestimmte, nämlich 71

Wieling, Sachenrecht I, S. 15. Siehe dazu o. Fußn. 62. 73 Dazu Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (467). 74 Dazu Dubischar, Über die Grundlagen der schulsystematischen Zweiteilung der Rechte in sogenannte absolute und relative, S. 37–41. 75 §§ 883, 885 ZPO. 76 Vgl. auch § 897 ZPO. 77 § 535 I 1 BGB. 78 § 433 I 1 BGB. 72

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die entliehene Sache79. Daher bezeichneten schon die mittelalterlichen Juristen die schuldrechtliche Forderung als „ius ad rem“, statt von persönlichen Rechten zu sprechen80 . Es zeigt sich, dass die Definition des so einfach scheinenden Begriffs des dinglichen Rechts erhebliche Probleme verursacht81. Schwierigkeiten bereitet darüber hinaus, dass es außer den dinglichen Rechten und den schuldrechtlichen Ansprüchen noch Zwischenformen gibt. Zu ihnen gehört der eigenartige Zwitter des sogenannten dinglichen Anspruchs82 . Cosack/Mitteis haben ihn anschaulich als das „dingliche Recht im Kriegszustande“ beschrieben83. Der dingliche Anspruch entsteht, wenn das dingliche Recht gestört wird, und hat zum Ziel, letzteres zu verteidigen. Er richtet sich daher nur gegen eine bestimmte Person, den „Störer“. Insofern ist die Bezeichnung als „Anspruch“ zutreffend. Andererseits hat er seine Grundlage im dinglichen Recht. Der Name „dinglicher Anspruch“ ist daher zwar keine „contradictio in adjecto“, wie behauptet wurde84 , denn das Adjektiv „dinglich“ lässt sich mit seinem besonderen Ursprung in einem dinglichen Recht begründen. Allerdings ist bemerkenswert, dass letzteres, sobald es praktisch wird, stets gegen eine Person gerichtet ist. Wie kann es dann noch von schuldrechtlichen Forderungen unterschieden werden? Gänzlich verworren wird die Lage dadurch, dass die herrschende Lehre manchmal von einer „Verdinglichung“ obligatorischer Rechte spricht85. So soll es möglich sein, einen Kaufvertragsanspruch durch die Eintragung einer Vormerkung zu „verdinglichen“86 . Denselben Ausdruck benutzt man, um zu beschreiben, dass die Forderung durch Zession zu einem Gegenstand des Rechtsverkehrs wird87. Selbst die Begründung des Bundeswertpapierverwaltungsgesetzes verwendet ihn: Danach werden Sammelschuldbuchforderungen durch ihre Eintragung im Bundesschuldbuch „verdinglicht“88 . Es zeigt sich, dass durchaus unterschiedliche Phänomene gemeint sind. Aus dogmatischer Sicht 79

§ 604 I, IV BGB Dubischar, Über die Grundlagen der schulsystematischen Zweiteilung der Rechte in sogenannte absolute und relative, S. 39. 81 Als „undefinierbar“ bezeichnet das dingliche Recht Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 107. 82 Siehe z.B. Staudinger/Seiler, Einl zum SachenR, Rdnr. 24; Wieling, Sachenrecht I, S. 16 f. 83 Siehe Cosack/Mitteis, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II, S. 2. 84 Siehe Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, S. 8. 85 Vgl. Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte; Canaris, in: FS Flume I, S. 371–425; krit. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3 Rdnr. 47. 86 Siehe Dulckeit a.a.O., S. 83; Canaris a.a.O., S. 381. 87 Siehe Roth, in: MünchKomm-BGB, § 398 Rdnr. 1 f. 88 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Schuldbuchrechts des Bundes und der Rechtsgrundlagen der Bundesschuldenverwaltung (Bundeswertpapier verwaltungsgesetz – BWpVerWG), BT-Drucks. 14/7010, S. 15 li.Sp. 80

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

besteht ihre Gemeinsamkeit darin, dass einem seiner Grundstruktur nach obligatorischen Recht einzelne Eigenschaften eines dinglichen Rechts zuerkannt werden89. Wie aber soll es möglich sein, dass eine Forderung, welche zuvor einer Person gegenüber bestand, sich nunmehr plötzlich gegen eine Sache richten soll? Eine solch wundersame Verwandlung ist nur schwer vorstellbar. Zu Recht wurde daher bemängelt, der Begriff der Verdinglichung gehöre „ohne Zweifel zu den unklarsten der gesamten Privatrechtsdogmatik“90 . Um Licht in das Dunkel zu bringen, muss man sich der oben erwähnten rechtsphilosophischen Diskussion um die Aufgabe des Rechts entsinnen. Sie hat gezeigt, dass eine Rechtsbeziehung zwischen einem Menschen und einer Sache nicht denkbar ist. Mit anderen Worten: das „dingliche“ Recht ist nichts anderes als eine gedankliche Vereinfachung. Beziehungen zwischen Menschen, die sich im Kern um die Berechtigung an einem bestimmten Gegenstand drehen, werden der besseren Anschaulichkeit halber einfach als Beziehung zwischen einer Person und einer Sache ausgedrückt. Genau genommen ist dies jedoch falsch. Denn Rechtsverhältnisse zwischen einer Person und einem Ding gibt es nicht. Die Rede vom „dinglichen Recht“ ist nur eine bequeme Art, um die Befugnisse eines Menschen gegenüber anderen zu beschreiben. Selbst das Eigentum kann danach nicht als Herrschaftsrecht an einer bestimmten Sache aufgefasst werden. Schon Paul Oertmann hat dies erkannt. Ausgehend vom personalen Rechtsbegriff wandte er sich gegen die Gleichsetzung von dinglichem Recht und „Herrschaft“ über die Sache91. Das Eigentum kennzeichnete er als Abwehrrecht gegen andere Personen, die sich der Sache bemächtigen oder diese beeinträchtigen wollen. Man kann dies auch dahingehend ausdrücken, das Eigentum bedeute die Zuordnung einer bestimmten Sache im Verhältnis zu einer unbestimmten Vielzahl von Personen. Der Zweck der „dinglichen“ Rechte allgemein besteht daher darin, die Gegenstände der Außenwelt den einzelnen Rechtsträgern zuzuordnen92 . Ein dingliches Recht bedeutet ein gewisses „Haben“ einer Sache, eine ausschließliche Zuordnung in dem Sinne, dass andere von der Benutzung ausgeschlossen sind. Ein solches Haben ist historisch aus verständlichen Gründen zunächst im Hinblick auf körperliche Gegenstände anerkannt worden. Mit der fortschreitenden Entwicklung der Gesellschaft, insbesondere mit den technischen und sozialen Veränderungen der Industrialisierung und des Kapitalismus, hat sich aber das Bedürfnis zur Anerkennung eines Rechts auch an unkörperlichen Erscheinun89

Canaris, in: FS Flume I, S. 371 (372). Dörner, Dynamische Relativität, S. 81. 91 Oertmann, JherJB 31 (1892), 415 (427). 92 Ähnlich Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (473), der den Begriff der Dinglichkeit als „Unmittelbarkeit der Beziehung zu dem geschützten Rechtsgut“ versteht. Seine weitere Schlussfolgerung, auch Immaterialgüterrechte und sogar Forderungen seien „dinglich“, ist zwar konsequent; sie verdeutlicht aber zugleich die Ungeeignetheit des Begriffs. 90

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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gen ergeben. Die Idee des „dinglichen Rechts“ ist von den Sachen auf diese übertragen worden. So lässt sich erklären, warum es dingliche Berechtigungen an Rechten geben soll93. Auch ein anderer Terminus wird verständlich: die „Verdinglichung“. Damit ist nicht gemeint, dass sich ein persönliches Recht plötzlich gegen einen Gegenstand richtet. Der Begriff soll vielmehr verdeutlichen, dass die ursprünglich schuldrechtliche Position sich so weit einer sachenrechtlichen Beziehung annähert, dass bereits von einem faktischen Haben gesprochen werden kann. Bei der „Verdinglichung“ handelt es sich daher ebenso wie beim „dinglichen Recht“ um eine Metapher. Mit ihr soll beschrieben werden, dass ein bestimmtes Rechtsverhältnis dem absoluten Haben einer Sache durch eine Person ähnelt. Die Verwendung der Ausdrücke „Verdinglichung“ und „Dinglichkeit“ lässt sich vor diesem Hintergrund zwar verstehen. Das heißt aber nicht, dass sie auch zu billigen sei. Die gewollte Annäherung an die körperlichen Gegenstände verdunkelt wichtige Zusammenhänge. Sie verleitet zum Beispiel dazu, das Eigentum für den körperlichen Gegenstand selbst zu halten. Damit wird derselbe Fehler wie in alten Rechtsordnungen wiederholt, welche Berechtigungen bezüglich einer körperlichen Sache mit dieser selbst verwechselten. Daraus entsprang unter anderem die Idee, das Eigentum könne schon aus rechtslogischen – und nicht rechtspolitischen – Gründen nur mit der Übergabe der Sache übergehen. Vor allem aber verführt der Ausdruck „dinglich“ dazu, das Haben auf körperliche Gegenstände zu beschränken. Er erschwert das Verständnis dafür, dass es ein „Haben“ auch in anderer Richtung geben kann, wie zum Beispiel die Berechtigung bezüglich Musikstücken oder Erfindungen. Solche Rechte sind gesetzlich seit langem anerkannt. Von der Zivilrechtswissenschaft werden sie jedoch entweder als bloß schuldrechtlich abgetan, oder sie werden mit dinglichen Rechten verglichen. Um solche Missverständnisse zu vermeiden, sollte man daher auf den Ausdruck „dinglich“ besser ganz verzichten. Entscheidend ist nicht die Dinglichkeit, sondern das Haben als absolute Zuordnung zu einem Inhaber. Dann wird der Weg für die Erkenntnis frei, dass es außer den „Dingen“ noch andere Vermögensgegenstände gibt, die einer Person ausschließlich zugewiesen sind.

III. Absolute und relative Rechte Da die Spaltung in Schuld- und Sachenrecht nicht mit den Gegenständen gerechtfertigt werden kann, auf die sie sich beziehen, wollen manche sie durch eine andere Begründung ersetzen: die Unterscheidung in relative und in abso-

93

Siehe §§ 1273 I, 1068 I BGB.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

lute Rechte94. Damit stimmen diejenigen Autoren überein, die das entscheidende Charakteristikum der dinglichen Rechte gerade in deren Absolutheit sehen95. Absolute Rechte haben nach gängigem Verständnis Wirkung gegenüber jedermann, während relative Rechte immer nur gegenüber einer bestimmten Person wirken96 . Die Rechtfertigung der Dichotomie in Schuld- und Sachenrecht mit der Gegenüberstellung von absoluten und relativen Rechten hat verschiedene Vorteile. So ist die Kategorie des absoluten Rechts weiter als die des dinglichen Rechts. Mit ihr lassen sich zum Beispiel auch Rechte an immateriellen Vermögensgegenständen, wie Patente oder Geschmacksmuster, erfassen. Das entspricht dem alten Vorschlag Josef Kohlers, Sachenrechte und Immaterialgüterrechte als absolute Rechte zusammenzufassen97. Absolute Rechte können auch an anderen unkörperlichen Gegenständen bestehen, wie etwa der Persönlichkeit. Genau besehen muss das absolute Recht gar keinen Gegenstand haben, sondern erschöpft sich in der Definition eines bestimmten Bereichs, der seinem Inhaber zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen ist. Da die Definition des absoluten Rechts nur die persönliche Beziehung zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten in den Blick nimmt, wird man von der Notwendigkeit enthoben, einen bestimmten Gegenstand der Außenwelt zu definieren, auf den es sich bezieht. So braucht man bei den Immaterialgüterrechten nicht in gezwungener Parallele zu den Rechten an Sachen nach einem Ding zu suchen, auf das sie sich beziehen, und dieses etwa im „Werk“ oder in der „Erfindung“ auszumachen. Ebenso kann man bei der Annahme eines Rechts auf Abwehr körperlicher Verletzungen getrost auf die zweifelhafte Figur des Rechts am eigenen Körper verzichten. Es genügt die Feststellung, dass jeder gegen die Beeinträchtigung seiner Gesundheit durch andere geschützt ist. Die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten hat allerdings auch Nachteile. Aus dogmengeschichtlichen Gründen kritisiert wurde sie vor allem durch Roland Dubischar 98 . Andere sehen absolute und relative Rechte nicht als wesensverschieden an99, oder sie meinen, dass statt auf die Allwirk-

94 Siehe z.B. Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, S. 68–73; Oertmann, BGB II, Vorb. Anm. 3. 95 So etwa Baur/Stürner, Sachenrecht, § 2 Rdnr. 2 und § 4 Rdnr. 3; Staudinger/Seiler, Einl zum SachenR Rdnr. 37; Canaris, in: FS Flume I, S. 371 (375). Abl. dagegen Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (467 f.). 96 Vgl. Baur/Stürner a.a.O., § 2 Rdnr. 2; Larenz, Schuldrecht I, S. 6 f.; Staudinger/Seiler a.a.O. 97 Siehe o. S. 192 bei Fußn. 51. 98 Dubischar, Über die Grundlagen der schulsystematischen Zweiteilung der Rechte in sogenannte absolute und relative, S. 140 und passim. 99 Dörner, Dynamische Relativität, S. 25.

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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samkeit auf die Absolutheit persönlicher Beziehungen abzustellen sei100 . Doch ist an der Differenzierung zwischen Rechten mit absoluter und mit relativer Wirkung im klassischen Sinne festzuhalten. Sie ist nicht nur von fundamentalem rechtstheoretischen Wert, sondern auch von rechtspraktischem Interesse, da sie die Möglichkeiten der Klage übersichtlich ordnet. Außerdem lässt sie sich in den meisten Fällen einfach und leicht durchführen101. Wie auch immer die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten zu beurteilen sein mag, dem Bürgerlichen Gesetzbuch liegt sie jedenfalls nicht zugrunde. So finden sich in manchen Büchern des BGB absolute und relative Rechte eng nebeneinander. Das Erbrecht behandelt etwa die absolut wirkende Gesamtrechtsnachfolge102 ebenso wie das nur relativ wirkende Vermächtnis103. Das Familienrecht stellt die Verteilung absoluter Rechte im ehelichen Güterstand104 neben relative Ansprüche des Ehegatten auf Unterhalt nach der Scheidung105. Offensichtlich sind das vierte und fünfte Buch des BGB nicht auf einer dogmatischen Auffassung gegründet, sondern orientieren sich an bestimmten Lebensproblemen. Aber auch die Zweiteilung in Schuld- und Sachenrecht baut nicht auf der Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Rechten auf. Dies zeigt sich zum einen an den vielen schuldrechtlichen Ansprüchen, die das Sachenrecht bereithält, wie etwa in § 861 I oder in §§ 987, 989 BGB. Umgekehrt regelt das Schuldrecht entscheidende Aspekte absoluter Rechte. Zu erwähnen ist vor allem der deliktsrechtliche Schutz der in § 823 I BGB genannten Rechtsgüter. Sie sind allesamt absoluter Natur. Das gilt auch für das „sonstige Recht“, denn als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Subsumtion unter diesen Begriff wird angesehen, dass es sich um ein Recht mit Ausschließlichkeitscharakter, also ein absolutes Recht handelt106 . Ebenso schützt auch die Eingriffskondiktion nach § 812 I 1 Fall 2 BGB absolute Rechte vor Beeinträchtigungen. Diese Bestimmungen gehören zum Kern des Rechts der gesetzlichen Schuldverhältnisse. Nun ließe sich gegen die Verortung absoluter Rechte im zweiten Buch des BGB einwenden, dass dort nur die relativen Aspekte ihrer Beeinträchtigung geregelt sind. Zum Beispiel werden lediglich Forderungen gegen den Deliktstäter oder den Bereicherten begründet. Eine solche Sicht würde jedoch verkennen, dass der schuldrechtliche Schutz eng mit dem absoluten Recht selbst zusammenhängt. Der Gesetzgeber des BGB sieht etwa im Anspruch auf He100

Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, S. 48. Zu Zweifeln bezüglich der Forderungszuständigkeit sogleich u. S. 216 f. 102 § 1922 BGB. 103 § 1939 BGB. 104 §§ 1363–1563 BGB. 105 §§ 1569–1588 BGB. 106 Vgl. Palandt/Sprau, § 823 Rdnr. 11; Gerhard Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 823 Rdnr. 136; Staudinger/Johannes Hager, § 823 Rdnr. B 124. 101

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rausgabe einen solch wichtigen Aspekt des Eigentums, dass er ihn trotz seiner relativen Natur innerhalb des Sachenrechts geregelt hat107. Bei vielen absoluten Rechten beschränkt sich die gesetzliche Regelung auf die schuldrechtlichen Schutzvorschriften. So sind die in § 823 I BGB genannten absoluten Rechte an keiner anderen Stelle im BGB erwähnt. Versteht man das Schuldrecht als Recht der relativen Rechte, dann muss die Verortung im zweiten Buch als künstlich erscheinen. Denn der Schwerpunkt liegt bei ihnen eindeutig nicht in der relativen Wirkung, sondern in der Absolutheit. Sie müssten also an anderer Stelle geregelt sein. Ein weiteres Problem der Zweiteilung in relative und absolute Rechte besteht darin, dass selbst relative Rechte in gewissem Sinn absolute Wirkungen entfalten. Denn soweit sie einem Inhaber im Verhältnis zu anderen ausschließlich zugeordnet sind, wirken sie „absolut“. So gesehen schließen sich die Kategorien des relativen und absoluten Rechts tatsächlich nicht aus, sondern haben lediglich unterschiedlichen Inhalt108 . Das ist bereits seit langem bekannt. Schon Paul Oertmann stellte fest, dass es beim Prätendentenstreit über eine Forderung nicht um das relative Recht auf die Leistung geht, sondern um das absolute Recht auf den Anspruch109. Karl Larenz hat dies dahingehend formuliert, auch bei Forderungen stelle sich das Problem der „Rechtszuständigkeit“. In diesem Sinn sei alle rechtliche Zuordnung „absolut“110 . Als Konsequenz verlangt Larenz und mit ihm ein nicht unerheblicher Teil der Literatur, das Forderungsrecht müsse gegen Eingriffe wie ein absolutes Recht geschützt werden, zum Beispiel als sonstiges Recht nach § 823 I BGB111. Die herrschende Meinung lehnt dies unter Verweis auf die nur relative Natur ab112 . Dennoch ist ein Schutz zumindest denkbar, weil die Stellung des Gläubigers einer Forderung im Verhältnis zu Dritten der eines Eigentümers ähnelt. Er kann wie dieser über die Forderung verfügen, sie „steht ihm zu“. Diese Position hat Gerhard Dulckeit treffend als „relatives Eigen“ bezeichnet113. Man darf sich dadurch nur nicht zu dem Fehlschluss verleiten lassen, der Gläubiger habe auch „Eigentum“ an der Forderung114. Die Inhaberschaft ähnelt zwar der Eigentü107

Siehe § 985 BGB. Siehe Staudinger/Jürgen Schmidt, Einl zu §§ 241 ff., Bearb. 1995, Rdnrn. 443–445. 109 Oertmann, JherJB 66 (1916), 130 (157). 110 Larenz, Schuldrecht I, S. 574. Von einer „absoluten Dimension der Zuordnung“ spricht auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 3. 111 Larenz a.a.O.; v. Caemmerer, FS Rabel I, S. 333 (355); Canaris, in: FS Steffen, S. 85–99; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 397; Staudinger/Johannes Hager, Vorbem. z. § 823 Rdnr. B 165; Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, S. 171; Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S. 80–83. 112 Siehe z.B. Palandt/Heinrichs, Einl vor § 241 Rdnr. 5; Palandt/Sprau, § 823 Rdnr. 11; Gerhard Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 823 Rdnr. 155; Medicus, Schuldrecht II, Rdnr. 812. 113 Dulckeit, Die Verdinglichung obligatorischer Rechte, S. 40, 43, 45 und passim. 114 Abl. Oertmann, JherJB 66 (1916), 130 (158–161); Larenz, Schuldrecht I, S. 573. 108

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merstellung, doch ist vor den Missverständnissen zu warnen, welche die Übertragung der für verkehrsfähige Gegenstände entwickelten Terminologie auf schuldrechtliche Ansprüche hervorrufen würde. Ob die Forderung zumindest in einzelnen Beziehungen als absolutes Recht angesehen werden muss, ob sie insbesondere auch wie ein solches Recht gegen Beeinträchtigungen durch Dritte zu schützen ist, soll an dieser Stelle offengelassen werden115. Hier genügt die Feststellung, dass sich die Unterscheidung des BGB zwischen Schuld- und Sachenrecht nicht mit dem Begriffspaar relativ-absolut erklären lässt. Das zeigt auch ein Blick in die Gesetzgebungsmaterialien zum Sachenrecht. Die Motive heben ausdrücklich hervor, dass sich der Begriff der Dinglichkeit, auf den sich der Entwurf gründete, mit der Absolutheit nicht decke116 . Es gäbe eine Reihe persönlicher Rechte, welche absolute Wirkung hätten117. Genannt werden „gewisse selbständige Berechtigungen“, welche das Gesetz wie Grundstücke behandelt118 , verschiedene Familienrechte sowie immaterielle Rechte. Zwischen beiden Begriffen, Absolutheit und Dinglichkeit, gibt der Gesetzgeber letzterem den Vorzug. Die Unterscheidung nach der Körperlichkeit hat in seinen Augen größere Bedeutung als die nach der relativen oder absoluten Wirkung. So kritikwürdig die Dichotomie körperlich-unkörperlich auch sein mag, ist doch mehr als zweifelhaft, ob ihr eine Einteilung des BGB in relative und absolute Rechte vorzuziehen wäre. Der heuristische Wert der Gegenüberstellung ist zwar unbestreitbar. Als legislatives Einteilungsprinzip eignet sie sich jedoch nicht. Denn erstens ist die Unterscheidung zu abstrakt und wissenschaftlich, um sie zur Gliederung eines Gesetzes verwenden zu können. Und zweitens ist sie zu allgemein, denn sie betrifft wie gesehen alle möglichen Rechte, nicht nur Vermögensrechte. Sie zwänge daher beispielsweise dazu, unterhaltsrechtliche Ansprüche des Ehegatten an ganz anderer Stelle zu regeln als das eheliche Güterrecht. Damit würde sachlich Zusammengehöriges aus Formalismus auseinandergerissen. Selbst als Einteilungsprinzip nur der vermögensrechtlichen Beziehungen ist die Dichotomie in relative und absolute Rechte ungeeignet. Allein die Tatsache, dass die Forderung in gewisser Hinsicht relative, in anderer Hinsicht jedoch absolute Wirkung haben kann, zeigt schon, dass die Unterscheidung sich insoweit nicht eindeutig durchführen lässt. In noch stärkerer Form wird bei den Finanzmarktprodukten deutlich, in welcher Weise die Kategorien absolute und relative Rechte ineinander übergehen, etwa beim Investmentanteil119. So wichtig 115

Siehe ausf. u. S. 468 ff. Mot. bei Mugdan III, S. 2. 117 Ebda. 118 Gemeint sind wohl Erscheinungen wie die Hypothek, die Grundschuld, die beschränkte persönliche Dienstbarkeiten oder die Reallast. 119 Siehe o. S. 119 ff. 116

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die Zweiteilung daher aus rechtstheoretischer Sicht ist, als Grundlage für die Gliederung des Vermögensrechts kann sie nicht dienen.

IV. Güterbewegung und Güterzuordnung Meist wird die Unterscheidung in Schuld- und Sachenrecht mit einem anderen Begriffspaar beschrieben: Güterbewegung und Güterzuordnung120 . Das Schuldrecht behandele die Übertragung von „Gütern“ von einer Person auf eine andere, das Sachenrecht ordne dagegen die Güter einer Person zu. Die Idee geht auf Hugo Kreß zurück121. Er hatte der Güterbewegung allerdings nicht die Güterzuordnung, sondern den Güterschutz gegenübergestellt122 . Da letzterer aber auch durch schuldrechtliche Vorschriften gewährleistet wird123, wurde er später durch die Güterzuordnung ersetzt. Der Dualismus von Güterbewegung und -zuordnung entspricht besser als die vorgenannten Rechtfertigungen der sozialen Funktion der Einteilung in Schuld- und Sachenrecht. Er weicht zwar von den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers ab, der nicht von der sozialen Funktion ausging, sondern von einer rein dialektisch-begrifflichen Unterscheidung124. Es ist jedoch notwendig, die Rechtsinstitute aus heutiger Sicht daraufhin zu untersuchen, welche Aufgabe sie innerhalb des allgemeinen Kontexts der Ordnung des Lebens erfüllen. Dabei zeigt sich deutlich, dass das Sachenrecht knappe Ressourcen verteilen soll, während das Schuldrecht den Verkehr mit ihnen regelt. Allerdings sind die Begriffe „Güterbewegung“ und „Güterzuordnung“ ungenau. Denn zum Kern des Sachenrechts gehören auch Bestimmungen über die Übertragung von Gegenständen125. Dennoch wird mit der Gegenüberstellung etwas Richtiges erfasst. Das Schuldrecht ist für den Wechsel des Guts, dessen vorübergehende Benutzung oder Verwahrung konzipiert; das Sachenrecht sieht hingegen eine endgültigere – wenn auch nicht endgültige – Berechtigung an ihm vor126 . Man kann die Funktion schuldrechtlicher Ansprüche auch dahin beschreiben, sie beträfen ein „Bekommensollen“127. Das Sachenrecht regelt dem120 Vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I, S. 4; Esser/Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 14; Harm Peter Westermann, in: Westermann, Sachenrecht, S. 7 f.; Canaris, in: FS Flume I, S. 371 (373). 121 Kreß, Lehrbuch des Allgemeinen Schuldrechts, S. 3. 122 Kreß a.a.O., S. 3–5. 123 Siehe z.B. §§ 823–831. 124 Vgl. Wieacker, Zum System des deutschen Vermögensrechts, S. 9; siehe auch ders., DRW 6 (1941), 49 (51). 125 Siehe §§ 873, 925, 929–931 BGB. 126 Siehe Heck, Sachenrecht, S. 1, der zwischen provisorischer und definitiver Güterzuordnung unterscheidet. 127 Esser/Schmidt, Schuldrecht I/1, S. 14.

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gegenüber ein bereits in der Gegenwart bestehendes „Haben“. Diese Unterscheidung eignet sich besonders gut zur Erklärung der Trennung zwischen schuldrechtlichem Verpflichtungsgeschäft und sachenrechtlichem Verfügungsgeschäft. Doch auch schuldrechtliche Ansprüche, die ihrer Natur nach nicht auf einen Güterwechsel angelegt sind, wie die Forderung des Dienstleistungsnehmers, sind auf ein „Sollen“ gerichtet. Anders gesagt regelt das Schuldrecht einen Zustand, dessen Eintreten normativ verlangt wird, während das Sachenrecht eine bereits gegenwärtige Rechtslage betrifft. Konrad Cosack und Heinrich Mitteis haben dies bildlich beschrieben: Das Sachenrecht sei eine „Ruhelage“, das Forderungsrecht hingegen ein „Spannungsverhältnis“128 . Bei der Forderung sei Kern des Rechtsverhältnisses „der nach Erfüllung drängende, in der Erfüllung sich selbst verzehrende Schuldanspruch“; Sachenrechte seien dagegen „in sich gesättigt“129. Man kann es auch weniger blumig ausdrücken und sagen: Das Schuldrecht ist dynamischer als das Sachenrecht. Dies rührt daher, dass beide unterschiedliche Zwecke verfolgen. Das Schuldrecht dient der Durchführung und Erleichterung des Rechtsverkehrs. Seine Vorschriften richten sich deshalb an die Parteien des jeweiligen Geschäfts und sind weitgehend disponibel. Der Zweck des Sachenrechts ist dagegen die Sicherheit des Rechtsverkehrs. Es soll Rechtspositionen eindeutig zuordnen. Aus diesem Grund wirken seine Regelungen gegenüber der Allgemeinheit und sind fast ausnahmslos zwingend. Der Dualismus in Güterbewegung und Güterzuordnung steht also zur Zweiteilung in relative und absolute Rechte nicht in Widerspruch, sondern erklärt diese auf tieferer Ebene. Dass die Abtrennung des Sachenrechts vom Schuldrecht daneben noch andere Zwecke verfolgt, hat vor einigen Jahren Wolfgang Wiegand vertreten130 . Ihm zufolge erklären sich wesentliche Züge des Sachenrechts, wie die zwingende Natur der meisten seiner Vorschriften und der numerus clausus, aus dem Ziel des Gesetzgebers, die freie Verfügung über Gegenstände des Rechtsverkehrs zu sichern. Die Möglichkeiten zur Einschränkung der Verfügungsbefugnis sollten begrenzt werden, um die Zirkulation von Gütern zu erleichtern. Das Sachenrecht sei daher „Verkehrsrecht“131. Nicht nur das Schuldrecht, sondern auch und gerade das Sachenrecht wäre damit auf die Güterbewegung ausgerichtet. Die These Wiegands hat ohne Zweifel intellektuelle Anziehungskraft. Doch ist sie nicht unbedenklich. In den Materialien zum BGB finden sich kaum Anhaltspunkte für sie. Allein aus den Motiven zu § 137 BGB wird man nicht auf den Zweck des Sachenrechts insgesamt schließen dürfen. Darüber hinaus war das Konzept der Freiheit des Eigentums historisch eher gegen den Staat gerich128 129 130 131

Cosack/Mitteis, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts II, S. 2. Ebda. Wiegand, AcP 190 (1990), 112 (119). Wiegand a.a.O.

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tet als gegen die Einschränkung mittels Rechtsgeschäfts. Selbst wenn Wiegand zu folgen wäre, hieße dies jedoch nicht, dass man die güterzuordnende Funktion des Sachenrechts deshalb verwerfen könnte. Im Gegenteil setzt der von ihm in den Mittelpunkt gestellte Schutz der Verfügungsfreiheit gerade voraus, dass eine Rechtsposition zunächst dem Inhaber und später dem Erwerber eindeutig zugewiesen ist. Aus einem anderen Grund kritisiert Josef Aicher die Rechtfertigung des Sachenrechts mit der Güterzuordnung. Er bemängelt, sie sei nicht geeignet, gerade das Wesen der dinglichen Rechte zureichend zu erklären132 . Im Ansatz ist ihm zuzustimmen, denn mit dem Gedanken der Güterzuordnung lässt sich die Beschränkung des Sachenrechts auf sinnlich wahrnehmbare Dinge in der Tat nicht rechtfertigen. Doch ist es falsch, daraus zu schlussfolgern, die Güterzuordnung sei nicht die wesentliche Funktion des Sachenrechts. Vielmehr sollte darüber nachgedacht werden, ob sich nicht die Aufgabe der Güterzuordnung auch bei anderen als körperlichen Gegenständen stellt und daher das Sachenrecht auf diese erweitert werden muss.

V. Schlussfolgerung Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Zweiteilung in Schuld- und Sachenrecht nicht mit der dogmatischen Unterscheidung zwischen persönlichen und dinglichen oder zwischen relativen und absoluten Rechten begründet werden kann. Vielmehr ist sie vor dem Hintergrund der sozialen Funktion beider Rechtsgebiete zu verstehen. Diese liegen in der Regelung von Güterbewegung und Güterzuordnung. Daraus wird erkennbar, warum Schuldund Sachenrecht nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden können. Im Leben gibt es zahlreiche Zwischenformen, die sich nicht in die strenge Dichotomie hineinpressen lassen, wie etwa die Vormerkung, die Anwartschaft oder Rechte an Rechten. Aus dem Begriffspaar Güterbewegung – Güterzuordnung ergibt sich aber noch eine weitere Schlussfolgerung, die für die hiesige Untersuchung ebenfalls von fundamentaler Bedeutung ist: Die Beschränkung des Sachenrechts auf körperliche Gegenstände ist nicht gerechtfertigt. Denn auch unkörperliche Gegenstände müssen einer Person zugewiesen sein. Zum Teil sind sie als Vermögensbestandteile noch wichtiger als Sachen. Ein Patent kann beispielsweise einen viel größeren Wert für einen Betrieb haben als eine komplette Produktionsanlage. Ebenso kann eine Marke in ihrer Bedeutung den Wert sämtlicher anderer Vermögensgegenstände eines Unternehmens übertreffen.

132

Aicher, Das Eigentum als subjektives Recht, S. 74.

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Die Aufgabe der Güterzuordnung stellt sich folglich auch hinsichtlich sinnlich nicht wahrnehmbarer Gegenstände, wie etwa Rechten. Demgegenüber wird in der Literatur behauptet, Rechte stünden immer dem Inhaber zu und daher sei eine Zuordnung bei ihnen nicht nötig133. Der Satz kann schon deshalb nicht stimmen, weil auch das Eigentum ein Recht ist. Darüber hinaus kann bei anderen Rechten ebenfalls streitig sein, wer sie innehat, zum Beispiel bei Patenten oder Marken. Obwohl immaterielle Güter ebenso der Zuordnung bedürfen wie materielle, erfasst sie das Sachenrecht nicht. Es ordnet nur körperliche Gegenstände als Vermögen zu; unkörperliche werden von ihm vernachlässigt. Es erfüllt daher seine Aufgabe, für eine umfassende Güterzuordnung zu sorgen, nur unvollständig.

133

Wieling, Sachenrecht I, S. 21.

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§ 11 Die Überwindung des engen Sachbegriffs durch das Wertpapier In den vorangegangenen Paragraphen wurde herausgearbeitet, dass das BGB unkörperliche Vermögensgegenstände vernachlässigt, weil es sich auf die Zuordnung körperlicher Gegenstände zu einem Inhaber beschränkt. Dass dies so lange nicht aufgefallen ist, hat man vornehmlich einem Mittel zu verdanken – dem Wertpapier. Um dessen besondere Funktion zu verstehen, muss zunächst die Rechtsnatur der Forderung klarer erkannt werden.

I. Die Forderung als Gegenstand der Vermögenszuordnung Die Forderung gehört meist in den Kontext der Güterbewegung und damit in das Schuldrecht. Zugleich ist sie jedoch Vermögensgegenstand. Sie kann selbständig übertragen werden und hat in der Regel einen objektiv bestimmbaren Wert. Ebenso wie eine Sache bedarf sie daher der Zuordnung1. Anders als bei einem körperlichen Gegenstand wird diese jedoch nicht über die Figur des Eigentums, sondern über die Inhaberstellung ausgedrückt. So sagt man, „der Gläubiger hat die Forderung inne“. Die Zuordnung der Forderung gilt gerade im Verhältnis zu Dritten. Jedermann hat zu respektieren, dass der Anspruch dem Gläubiger gehört. Karl Larenz hat insoweit von der „absoluten“ Natur der Rechtszuordnung gesprochen2 . Die Formulierung lädt allerdings zu Missverständnissen ein. Selbstverständlich entfaltet die Forderung ihrem Inhalt nach nur relative Wirkung zwischen Gläubiger und Schuldner. Gleichzeitig ist sie jedoch ersterem als Vermögensgegenstand zugeordnet, und diese Zuordnung gilt gegenüber jedermann. Insoweit wirkt die Zuweisung an den Gläubiger gegenüber Dritten. Das zeigt beispielsweise mittelbar § 816 II BGB, nach dem jeder, der die Forderung unberechtigt einzieht, zur Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet ist. Daraus folgt, dass der Anspruch auf das Eingezogene vorher dem Gläubiger zugestanden haben muss. Besondere Bedeutung für die Zuordnung der Forderung hat die Abtretung. Durch sie wird das Recht einer anderen Person zugewiesen. Sie erfüllt parallele Aufgaben wie die Übereignung im Sachenrecht. Dennoch hat sich der Gesetzgeber entschieden, die Abtretung im Schuldrecht und nicht in der Nähe des Sachenrechts zu regeln. Diese Lösung ist zweifelhaft. Karl Larenz hat sie in deut-

1 2

Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (472); Wieacker, DRW 6 (1941), 49 (61). Larenz, Schuldrecht I, S. 574. Siehe auch o. S. 216.

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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licher Kritik als „Aufbaufehler“ und „sachliche Unklarheit“ bezeichnet3. Schuldrechtlich gesehen bewirkt die Abtretung die Einzelnachfolge in die Position des Gläubigers; aus dieser Sicht ist die Einordnung in das zweite Buch des BGB durchaus angemessen. Jedoch geht es gleichzeitig um die Übertragung eines Vermögensgegenstands. Man kann den Vorgang daher auch so beschreiben, dass die Forderung aus einer höchstpersönlichen Bindung an zwei bestimmte Rechtssubjekte gelöst und zu einem Gegenstand des Rechtsverkehrs und gegenwärtigen Vermögenswert gemacht wird4. Daraus eine „Verdinglichung“ der Forderung zu folgern5 , ist zwar in terminologischer Hinsicht zu bemängeln, weil ein unkörperliches Recht eben kein „Ding“ ist. Doch bestehen unstreitig zahlreiche Ähnlichkeiten der Abtretung zur Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen nach den §§ 929–931 BGB. Bei ihr handelt es sich ebenfalls um einen abstrakten Vertrag, der vom schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zu trennen ist6 . Sie hat Verfügungsqualität, denn sie begründet keine neue Forderung, sondern ändert die Rechtszuständigkeit7. Dass das BGB über die Parallele zur Übereignung von Sachen hinweggegangen ist und die Abtretung im Schuldrecht verortet hat, liegt einerseits am engen Sachbegriff, der schon oben kritisiert wurde. Jedoch gibt es für die Regelung im zweiten Buch noch eine andere Erklärung: Die Abtretung hat geringere praktische Bedeutung als die Übereignung. Denn anders als bei Sachen ändert sich die Rechtszuständigkeit bei Forderungen nur selten. Der Wechsel des Inhabers ist bei ihnen zwar möglich, aber nicht die Regel8 . Die Zuordnung eines Guts ist umso eher notwendig, je öfter der Inhaber wechselt. Die Forderung ist meist nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs, sondern verbleibt im Vermögen des Gläubigers. Es kann daher regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sie weiterhin ihm zusteht. Folglich besteht auch seltener Streit um ihre Zuweisung. Ein besonderes, eigenständiges Verkehrsrecht scheint entbehrlich. So wird zumindest erklärbar, warum die Abtretung als bloßes Anhängsel zum Schuldrecht geregelt wurde.

3

Larenz, Schuldrecht I, S. 571. In dieser Richtung bereits Wieacker, DRW 6 (1941), 49

(62). 4 Roth, in: MünchKomm-BGB, § 398 Rdnr. 1. Larenz nennt die Forderung insoweit einen „Vermögensbestandteil“ und „verfügbaren Gegenstand des Rechtsverkehrs“, vgl. ders., Schuldrecht I, S. 571. 5 So Roth a.a.O., Rdnr. 2. 6 Larenz, Schuldrecht I, S. 571. 7 Vgl. Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2, S. 304. 8 So Baur/Stürner, Sachenrecht, § 1 Rdnr. 10.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

II. Das Wertpapier als Mittel der Vermögenszuordnung Ganz anders stellt sich die Situation jedoch bei den in Wertpapieren verbrieften Forderungen dar. Bei ihnen wechselt der Inhaber häufig und nicht weniger selten als bei körperlichen Gegenständen. Daher kann die Inhaberstellung oft zweifelhaft sein. Eine Zuordnung ist hier viel öfter notwendig als bei unverbrieften Ansprüchen. Der Zweck der Verbriefung der Forderung liegt darin, die Inhaberstellung mit besonderer Sicherheit zu klären. Der Mechanismus des Wertpapierrechts dient im Kern gerade dazu, Streitigkeiten über die Zuordnung zu vermeiden. Das Augenmerk ist hier ganz darauf gerichtet, den Berechtigten mit größtmöglicher Eindeutigkeit zu bestimmen. Durch die Anwendung der sachenrechtlichen Methode zur Übertragung, nämlich der Anknüpfung an den bloßen Besitz, wird eine Identifikation auf einfache und effiziente Weise möglich. Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb schalten mögliche Einwendungen gegen die Vermutung aus dem Besitz aus. Das Ziel des Wertpapierrechts, den Inhaber der unkörperlichen Forderung auf einfache Weise identifizieren zu können, erklärt daher, warum es auf den sachenrechtlichen und nicht auf den schuldrechtlichen Vorschriften aufbaut. Das Sachenrecht mit seinen auf den Verkehr von Vermögensgegenständen zugeschnittenen Regeln ist zur eindeutigen Zuordnung von Rechtspositionen eher geeignet als das Schuldrecht. Daher hat man die Inhaberschaft der Forderung mit dem Eigentum am körperlichen Gegenstand verbunden und durch letztere überlagert: Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier. Die Berechtigung an der Sache und an der Forderung wurden untrennbar und gingen ineinander über. Auch sonst ist die Ausrichtung des Wertpapierrechts auf die Zuordnung der im Papier verbrieften Position offenbar. Das Aufgebotsverfahren nach §§ 946– 1024 ZPO ist im Grunde nichts anderes als ein Prätendentenstreit um das verbriefte Recht, durch den geklärt werden soll, wem es gehört. Am Ende steht ein Ausschlussurteil. Dieses hat allseitige Wirkung, weil es gegenüber jedermann feststellt, wem die ehemals verbriefte Position nunmehr zusteht. Zwar gibt es auch Zwecke des Wertpapierrechts, die nichts mit der Zuordnung zu tun haben, sondern allein das relative Verhältnis zwischen Inhaber und Schuldner betreffen. Zu nennen ist hier der Ausschluss von persönlichen Einwendungen gegen die Forderung, die nicht in der Urkunde vermerkt sind oder sich aus dem Gesetz ergeben9. Er dient ebenso der Sicherheit des Rechtsverkehrs wie die Vorschriften über die Übertragung und den gutgläubigen Erwerb, aber in einer anderen Richtung: Es geht nicht um die Zuordnung, sondern um den Inhalt der Berechtigung. Wegen der Unkörperlichkeit und der damit ein9

Siehe z.B. § 796 BGB, Art. 17 WG, Art. 22 ScheckG, § 364 II HGB.

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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hergehenden Unmöglichkeit, den Inhalt des Rechts zu überprüfen, musste ein Ausgleich geschaffen werden, damit das verbriefte Recht zum Handel taugt. Man sollte jedoch die Bedeutung des Einwendungsausschlusses nicht überschätzen. Denn er greift nur bei Papieren, die schuldrechtliche Forderungen verbriefen, nicht aber bei Mitgliedschaftspapieren oder Traditionspapieren. Außerdem ist er vor allem für individuell ausgestellte Papiere bedeutsam; für massenhaft ausgestellte Titel spielt er dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Ebensowenig überschätzen sollte man die Funktion des Ausschlusses des § 407 BGB durch die Verbriefung. Manche sehen es als das maßgebliche Charakteristikum des Wertpapiers an, dass der Schuldner keinen Vertrauensschutz genießt, wenn er nicht an den derzeitigen Inhaber der Urkunde, sondern an einen früheren Gläubiger zahlt10 . Dagegen spricht jedoch schon, dass diese Besonderheit vor allem für die Wertpapiere des Zahlungs- und Kreditverkehrs Bedeutung hat, bei den Papieren des Güterumlaufs und den Mitgliedschaftspapieren hingegen weit weniger wichtig ist. Außerdem ist auch die Nichtanwendbarkeit des § 407 BGB auf verbriefte Forderungen letztlich nur Folge der Zuordnung an den Inhaber der Urkunde: Da durch deren Besitz die Berechtigung des Gläubigers eindeutig bestimmt ist, kann es anders als bei unverbrieften Forderungen keinen Zweifel über die Berechtigung geben. Auch diejenigen Wertpapiere, die keine schuldrechtlichen Positionen verbriefen, haben Zuordnungsfunktion. Ein deutliches Beispiel liefern die kaufmännischen Traditionspapiere: Orderlagerschein, Ladeschein und Konnossement. Ihre Übergabe soll nach dem Gesetz für den Erwerb von Rechten dieselben Wirkungen haben wie die Übergabe des Guts11. Das hat zu einem klassischen Theorienstreit geführt, der sich darum dreht, wie die Übergabe mittels Traditionspapier in die Dogmatik des BGB einzufügen ist12 . Sieht man die Vorschrift aus dem Blickwinkel der Zuordnung von Rechtsgütern, so ist ihre Funktion recht einfach zu erklären: Die Übertragung des Traditionspapiers soll an die Stelle der Übertragung des Guts treten; der Besitz der Urkunde erfüllt also die gleiche Zuordnungsfunktion wie der Besitz der körperlichen Sache. Daher ist sogleich verständlich, dass alle anderen Voraussetzungen des Erwerbs, die nicht an den Besitz anknüpfen, dieselben bleiben, also insbesondere das Erfordernis der Einigung und das der Berechtigung des Veräußerers. Fraglich ist nur noch, welche Rolle neben dem Besitz des Papiers die Herrschaft über die Sache selbst spielt; namentlich, ob man das Gut auch dann übertragen kann, wenn sich etwa der Inhaber des Lagerscheins nicht mehr im mittelbaren Besitz des Guts befindet, weil dieses dem Lagerhalter gestohlen wurde13. Zur Klärung muss das verbriefte Recht genau bestimmt werden: Durch die Urkunde ist nicht das Eigentum re10 11 12 13

Siehe etwa Hueck/Canaris, S. 10–12. Siehe §§ 448, 475 g, 650 HGB. Nachweise bei Karsten Schmidt, Handelsrecht, S. 696–699. Dazu Karsten Schmidt a.a.O., S. 700.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

präsentiert, sondern der Anspruch auf Herausgabe gegen den Lagerhalter. Der Ladeschein soll diesen Anspruch körperlich sichtbar machen. Daher kommt es im Beispielsfall nicht zum gutgläubigen Erwerb, denn auch der Lagerhalter könnte die Sache nicht herausgeben14. Unbestritten bleibt jedoch die Funktion des Traditionspapiers, das Gut dem Inhaber zuzuordnen. Zuordnungsfunktion hat darüber hinaus auch die Aktienurkunde. Diese verbrieft ein unkörperliches Recht, die Mitgliedschaft. Zweck der Verbriefung ist es, leichter feststellen zu können, wem sie zusteht. Das ist notwendig, weil die Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft schnell wechseln können soll. Bei Verbänden, die nicht auf den Mitgliederwechsel angelegt sind, wie beispielsweise die Personengesellschaften, ist eine Verbriefung der Mitgliedschaft dagegen nicht vorgesehen. Auch die anderen Wertpapiere, wie Investmentanteilscheine, Hypothekenund Grundschuldbriefe oder Sparkassenbücher dienen der leichteren Zuordnung von Rechtspositionen. Allgemein bedürfen alle verbrieften Rechte der Zuweisung an einen Inhaber. Sie stellen eigene Vermögenswerte dar. In Abwandlung des Wieacker’schen Aufsatztitels „Die Forderung als Mittel und Gegenstand der Vermögenszuordnung“15 kann man daher vom „Wertpapierrecht als Mittel der Vermögenszuordnung“ sprechen. Das Vermögen, das hier zugeordnet werden muss, sind unkörperliche Rechte. Das Wertpapier ist das Instrument zur Erfüllung dieser Aufgabe. Das Wertpapierrecht dient damit der leichten und sicheren Zuordnung von Rechtspositionen unter den Bedingungen des häufigen Wechsels der Berechtigung. Diesen Zweck teilt es mit dem Sachenrecht. Deshalb bot es sich geradezu an, beide miteinander zu verbinden. Durch diese Verbindung kann bei unkörperlichen Gegenständen dieselbe sichere Zuordnung erreicht werden wie bei körperlichen. Der Inhaber des Rechts lässt sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt leicht feststellen, weil es ein äußerliches Kennzeichen der Berechtigung gibt – den Besitz. Dass das BGB unkörperliche Gegenstände nicht anerkennt, schadete daher nicht, solange die Zuweisung der Rechtspositionen mittels Urkunden erfolgt. Deshalb lässt sich sagen, dass durch das Wertpapier die Mängel des engen Sachbegriffs des BGB zumindest teilweise überwunden wurden.

III. Die Überwindung des Wertpapiers Wie im ersten Teil gesehen, ist die Verkörperung von Rechten in einer Urkunde unter den Bedingungen des modernen Kapitalmarkts weitgehend überholt. Rechte werden nicht länger durch die Ausstellung eines Papiers, sondern auf an14 15

Übereinstimmend Karsten Schmidt, Handelsrecht, S. 700. Wieacker, DRW 6 (1941), 49–66.

4. Kapitel: Die Beschränkung des Sachenrechts

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dere Weise zugeordnet. So lässt sich durch ein elektronisch geführtes Register der Inhaber effizienter und sicherer ermitteln als durch die Ausstellung von Urkunden. Das Wertpapier ist daher aus praktischer Sicht nicht länger notwendig. Dass man in Deutschland dennoch am Erfordernis der Verbriefung festhält, hat ausschließlich dogmatische Gründe. Denn würde das Papier wegfallen, käme eine Anwendung sachen- oder wertpapierrechtlicher Vorschriften nicht mehr in Frage. Das unverbriefte Recht könnte nur noch schuldrechtlichen Vorschriften unterstehen. Anwendbar wären danach die Regelungen über die Abtretung, welche sich für den leichten und schnellen Verkehr nicht eignen. Trotz der Tatsache, dass seine historische Funktion mittlerweile entfallen ist, bleibt das Wertpapier daher aus dogmatischer Sicht unentbehrlich. Denn nur die Verbriefung rechtfertigt es, Rechte ebenso wie Sachen auf einfache Weise zuzuordnen. Obwohl für die Ausstellung von Urkunden kein praktisches Bedürfnis mehr besteht, kann man das Wertpapier nicht weglassen. Es ist unverzichtbar geworden, nicht für den Verkehr, sondern für das juristische Denken. Der Weg zur Überwindung des Wertpapiers erscheint damit denkbar einfach: Es ist notwendig, die Rechte aus Kapitalmarktprodukten selbst als Vermögensgegenstand anzuerkennen, gleichgültig, ob sie verbrieft sind oder nicht. Durch den Wegfall des physischen Untersatzes darf sich ihre rechtliche Einordnung nicht ändern. Der Hinterleger muss alleiniger verfügungsberechtigter Inhaber der verwalteten Werte sein und diese auf einfache und leichte Weise übertragen können. Auf dem Weg dahin ist allerdings eine grundsätzliche Änderung unseres zivilrechtlichen Systems nötig. Nur dann, wenn eine dem Eigentum ähnliche Berechtigung auch an unkörperlichen Rechten anerkannt wird, lässt sich ein papierloser Effektenverkehr mit demselben Schutz für die Anleger organisieren, wie er nach derzeitigem Wertpapierrecht besteht. Voraussetzung dafür ist eine Umgestaltung des Sachenrechts. Es darf sich nicht länger auf die Zuordnung körperlicher Gegenstände beschränken.

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5. Kapitel

Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände im Zivilrecht Dieses Kapitel soll einen Weg aufzeigen, wie neben den Sachen auch unkörperliche Gegenstände als Bestandteile des Vermögens anerkannt werden können. Dieser soll nicht allein für Finanzmarktprodukte gelten, sondern für Rechte an nicht sinnlich wahrnehmbaren Werten allgemein. Dazu ist zunächst aus grundsätzlicher Sicht darzulegen, warum es ihrer Anerkennung als gesonderter Rechtsinstitute bedarf (§ 12). Danach sind Vorbilder ausländischer Rechtsordnungen und anderer Rechtsbereiche zu erörtern, in denen Rechten an nicht greifbaren Werten eine eigentumsähnliche Funktion zuerkannt wird (§ 13). Damit ist jedoch die entscheidende Frage noch nicht beantwortet: Wie können diese Rechte in das System des deutschen Zivilrecht eingepasst werden? Dazu bedarf es eines neuen Rechtsgebiets: des Vermögensrechts (§ 14).

§ 12 Notwendigkeit der Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände I. Entkörperlichung des Vermögens als Realität Mehr als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit besteht heute das Vermögen des Einzelnen aus unkörperlichen Gegenständen. In der modernen Welt machen äußerlich existente Dinge nur noch einen geringen Teil des Wohlstands aus. Ein Haus, ein Auto mögen oft teuer gekauft worden sein, aber als Wertanlage sind sie meist nicht gedacht. Der Reichtum des 21. Jahrhunderts setzt sich aus anderen, nicht sichtbaren Gegenständen zusammen. Er besteht aus Unternehmensbeteiligungen, Aktienfonds, Anleihen, Zertifikaten, Rentenansprüchen und Lebensversicherungen. Sie haben meist einen vielfachen Wert der körperlichen Gegenstände, die der Mensch besitzt. Früher war dies anders. Das Vermögen bestand aus greifbaren Sachen, wie Gold, Kleidung oder Schmuck. Den bedeutendsten Teil bildete Grund und Boden. Er diente nicht nur zum Wohnen, sondern war in der Regel zugleich die hauptsächliche Erwerbsgrundlage. Menschen verdienten ihr täglich Brot, in-

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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dem sie Ackerland und Wälder bewirtschaften. Am Boden hing daher ihre Zukunft und die ihrer Nachkommen. Die enorme Bedeutung des Grundstückseigentums kann man heute noch an vielen Stellen des deutschen Zivilrechts ablesen, die Rechte an unbeweglichen Sachen besonderen Regelungen unterstellen1. Sie zeigen, welch hohen Rang Grund und Boden in den Augen des Gesetzgebers für den Wohlstand und das Fortkommen des Einzelnen hatten. Die Stellung, die das Grundstück im positiven Recht einnimmt, steht in krassem Gegensatz zu seiner heutigen Rolle. Die Bewirtschaftung von Land ist hinter andere Erwerbsquellen zurückgetreten. Der Bürger erzielt seinen Lebensunterhalt regelmäßig durch abhängige Beschäftigung. Lohn oder Gehalt bieten ihm die sicherste Erwerbsgrundlage. Wenn er davon etwas anlegt, dann meist in unkörperliche Vermögenswerte und nicht in körperliche Sachen. Statt in Grundstücke zu investieren, erwirbt man lieber Anteile an Investmentfonds oder Aktien. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer von ihnen ist rein praktischer Natur: Fondsanteile und Aktien bedürfen keiner Instandhaltung oder physischen Pflege und sind daher weniger zeitraubend als Grundeigentum. Außerdem sind sie in kleine Einheiten gestückelt und können daher vom Sparer auch dann erworben werden, wenn ihm nur ein geringer Anlagebetrag zur Verfügung steht. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sie sich jederzeit veräußern lassen. Denn für unkörperliche Vermögensgegenstände besteht ein besonderer Markt; zum Beispiel werden sie an der Börse gehandelt. Aus dem Vorhandensein eines Markts resultiert zugleich die Möglichkeit, ihren Wert zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu bestimmen; er lässt sich etwa am Börsenkurs exakt ablesen. Schließlich ermöglicht die Anlage in unkörperliche Vermögensgegenstände, das Risiko besser zu diversifizieren als zum Beispiel beim Kauf eines Gebäudes, weil es auf eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen verteilt werden kann. Dabei muss man im Übrigen nicht unbedingt auf die Investition in Grund und Boden verzichten: Am Aufschwung der Grundstücks- und Gebäudepreise kann man zum Beispiel auch über Immobilienfonds partizipieren. Diese Vorteile der Anlage in unkörperliche Vermögenswerte sind unter den heutigen Bedingungen von überragender Bedeutung. In der dynamischen Gesellschaft, in der wir leben, lässt sich nur selten voraussehen, in welcher Weise man sein Vermögen später einmal verwenden wird. Die leichte Veräußerbarkeit ist daher sehr wichtig. Auch die genaue Preisbestimmung ist von besonderer Relevanz: Denn wer sein Vermögen genau beziffern kann, erhält leichter und billiger Kredit als andere. Die größte Flexibilität lässt sich mit unkörperlichen Vermögensgegenständen erreichen. Der moderne Mensch investiert daher lieber in solche Gegenstände als in andere, die ihn in statischer Weise binden. Un-

1

Siehe z.B. §§ 311b I, 925–928, 1821 I Nr. 1, 2113 BGB, 49 II HGB.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

körperliche Werte ermöglichen Freiheit und Individualität; körperliche bedeuten Stillstand und Abhängigkeit. Die Ersetzung des Privateigentums durch unkörperliche Güter ist kein Zufall, sondern Folge der Entwicklung des Kapitalismus2 . Einer der markantesten Unterschiede des Kapitalismus zum Feudalismus besteht darin, dass die Herrschaft über eine Sache durch abstrakte Vermögenswerte ersetzt wird. Diese beziehen sich häufig nicht auf einen bestimmten körperlichen Gegenstand, sondern lassen sich nur durch die Summe eines bestimmten Kapitals ausdrücken. Sie sind daher fungibel3. Mit der fortschreitenden Kapitalbildung auch weniger vermögender Bevölkerungsschichten erhöht sich die Bedeutung der nicht sichtbaren Rechte. Ihr Wert übersteigt vielfach den körperlicher Gegenstände. Der Verlust einer Gesellschaftsbeteiligung etwa kann den Wert mehrerer Grundstücke ausmachen. Durch den Zusammenbruch eines Investmentfonds verliert der Einzelne ein Vielfaches an Vermögen im Vergleich zum leichtfertigen Verkauf des Tafelsilbers. Der Reichtum einer Person hängt stärker an unkörperlichen Rechtsbeziehungen als an körperlichen Gegenständen. Die gesamte Entwicklung geht daher dahin, dass sich das Vermögen verflüchtigt. Statt greifbarer Gegenstände besteht es immer mehr aus Werten bar jeder äußerlichen Existenz. Juristisch gesehen bedeutet dies, dass das Eigentum an Sachen zunehmend ersetzt wird. An seine Stelle treten Rechtsverhältnisse, die in unserer Rechtsordnung als schuldrechtlicher oder mitgliedschaftlicher Natur angesehen werden. Die unkörperlichen Beziehungen verdrängen immer mehr die Herrschaft über körperliche Gegenstände. Das führt zu einer grundlegenden Umwälzung des Privatrechts: aus einem Regime des Eigentums wird ein Regime der „Werte“4. Dieser Befund deckt sich mit der von Jeremy Rifkin aufgestellten These, nach der das Privateigentum zunehmend verdrängt werde5. Allerdings sieht Rifkin als Substitut des Eigentums nicht unkörperliche Vermögensrechte, sondern Zugangsrechte an. Diese Analyse trifft zu, soweit es sich um alltägliche Gebrauchsgüter handelt. Zum Beispiel wird das Eigentum an Autos immer mehr durch Leasing-Verträge ersetzt. Anders verhält es sich jedoch bei der Anlage von Vermögen. Hier geht es nicht mehr nur um Zugang, sondern um mehr: die Vorsorge für die Zukunft. Sie lässt sich über bloß gegenwärtig wirkende Zugangsrechte nicht erreichen. Erforderlich sind vielmehr unkörperliche Vermögensgegenstände.

2 Der Zusammenhang wurde in der französischen Literatur bereits früh erkannt, vgl. Ripert, Aspects juridiques du capitalisme moderne, S. 130–133. Siehe auch Ripert/Roblot, Traité de droit commercial II, S. 6. 3 Ausf. zum Begriff der Fungibilität u. S. 315 ff. 4 Vgl. Lévy, Les fondements du droit, S. 87. 5 Vgl. Rifkin, The Age of Access.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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Die Ersetzung greifbarer durch sinnlich nicht wahrnehmbare Anlagegegenstände spiegelt sich vor allem in der Realität der Finanzmärkte wider. An der Börse werden körperliche und unkörperliche Gegenstände gehandelt, ohne dass zwischen ihnen grundlegende Unterschiede gemacht würden. Der Börsenkauf eines Barrel Öl oder einer Unternehmensaktie unterscheiden sich rein äußerlich kaum. Sie sind aus Sicht des Investors sogar in gewisser Weise austauschbar: Rechnet er etwa mit steigenden Ölpreisen, so kann er entweder Rohöl oder die Aktie eines Ölunternehmens, einen Rohstofffonds oder ein Zertifikat auf einen Rohstoffindex erwerben. Zwar unterscheiden sich die Ergebnisse im Detail. Beispielsweise trägt der Investor beim Kauf der Aktie zusätzlich das Risiko schlechter Unternehmensführung, und bei einem Rohstofffonds wird er von einer Steigerung des Ölpreises nicht eins zu eins profitieren. Das aber sind aus seiner Sicht quantitative Unterschiede, keine qualitativen. Alle vier Formen erlauben ihm jedenfalls, am steigenden Ölpreis zu partizipieren. Das Beispiel zeigt zugleich, wie sich durch die Entmaterialisierung der Vermögensgegenstände das Anlagespektrum verbreitert.

II. Unkörperliche Vermögenswerte aus rechtsökonomischer Sicht Dass die Parallelen zwischen körperlichen und unkörperlichen Gütern auch Rückwirkungen auf die rechtliche Dogmatik haben müssen, zeigt am Klarsten die neue Instutitionenökonomik auf. Diese mittlerweile etablierte wirtschaftswissenschaftliche Disziplin beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen Institutionen und der Effizienz einer Volkswirtschaft6 . Unter „Institutionen“ sind dabei nicht nur Organisationen oder staatliche Einrichtungen zu verstehen, sondern auch normative Regeln. Besondere Bedeutung kommt dabei den Verfügungsrechten zu7. Sie schaffen einerseits Anreize zum Handeln, andererseits zwingen sie, die Belastungen für Dritte in die Berechnung einzubeziehen oder, wie man in den Wirtschaftswissenschaften sagt, zu „internalisieren“. Daraus zieht die Institutionenökonomik die Schlussfolgerung, dass Eigentumsrechte überall dort anerkannt werden sollten, wo Kosten und Nutzen zwischen verschiedenen Akteuren verteilt werden müssen8 . Das Eigentum wird also ganz funktional aufgefasst. In diesem Punkt trifft sich die Institutionenökonomik mit der ökonomischen Analyse des Rechts. Letztere sieht den Sinn der Anerkennung von Eigen6

Überblick bei Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik. Grundlegend Coase, 3 Journal of Law and Economics 1–44 (1960); Demsetz, 57 The American Economic Review 347–359 (1967), Nachdruck in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights, S. 31–42; siehe auch die sonstigen Beiträge in Furubotn/Pejovich a.a.O. 8 Demsetz, in: Furubotn/Pejovich (Hrsg.), The Economics of Property Rights, S. 31 (34). 7

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

tumsrechten allein darin, Ressourcen effizienter auszubeuten9. Sie hat daher keinerlei Skrupel, neue property rights über die bereits bestehenden hinaus anzuerkennen, auch wenn sie sich nicht auf körperliche Gegenstände beziehen. Als Merkmale des Eigentums genügen ihr der Erwerb gegen Geld, die Übertragbarkeit, die Ausschließlichkeit und die Dauerhaftigkeit10 . Eine andere Strömung in der Law and Economics-Lehre geht sogar noch weiter. Sie unterscheidet property rules von liability rules. Eine Berechtigung wird nach ihr von einer property rule geschützt, soweit sich ein anderer nicht über sie hinwegsetzen kann, es sei denn, er kauft sie dem Inhaber ab. Eine bloße liability rule liegt demgegenüber vor, wenn es möglich ist, die Berechtigung auch ohne die Zustimmung des Inhabers zu überwinden, ihm aber dafür ein Ausgleich gewährt werden muss11. Das Eigentum wird von den Vertretern dieser Lehre weit verstanden im Sinne einer dem Einzelnen zustehenden Macht, die er unabhängig vom Willen eines anderen ausüben kann. So kann beispielsweise die Möglichkeit, eine Verschmelzung durch die Erhebung einer Beschlussmängelanfechtungsklage nach §§ 243, 245 f. AktG zu verhindern, als property rule verstanden werden. Dagegen ist der Aktionär gegen den Ausschluss durch den Mehrheitsaktionär nur durch eine liability rule geschützt, da er einen Squeeze out nach §§ 327a–f AktG oder §§ 39a, b WpÜG nicht verhindern kann, sondern lediglich einen Anspruch auf Abfindung hat. Die Beispiele machen deutlich, dass die Lehre das Eigentum nicht mehr im klassischen Sinn eines allumfasssenden „Habens“ auffasst, sondern als bestimmte Befugnisse, die durch Rechtsvorschriften eingeräumt werden. Gleichgültig, wie man zu den neuen Theorien steht, haben sie es jedenfalls erlaubt, bisher unbekannte Rechte als Eigentum anzuerkennen, zum Beispiel die Möglichkeit, eine bestimmte Frequenz zur Übertragung von Rundfunkprogrammen oder für die Telekommunikation zu nutzen oder Kohlendioxid zu emittieren. In fast jedem Bereich des Lebens lassen sich auf diese Weise neue Berechtigungen einführen. Für den Juristen ist es ungewohnt, diese als Eigentum zu bezeichnen. Aus ökonomischer Sicht erfüllen sie jedoch dieselben Funktionen wie Rechte an körperlichen Gegenständen. Sie entziehen einen bestimmten Lebensbereich der allgemeinen Verfügung und zwingen die Individuen auf diese Weise, bisher nicht berücksichtigte volkswirtschaftliche Kosten ihres Tuns einzukalkulieren. Damit steigern sie die Gesamtwohlfahrt. Doch steht hier nicht dieses Ergebnis, sondern die Rückwirkung auf die rechtliche Theorie im Mittelpunkt. Allen zuvor genannten ökonomischen Ansätzen ist gemein, dass sich nach ihnen Eigentum nicht auf einen physischen Gegenstand beziehen muss. Vielmehr können auch Rechte an nicht körperli9 10 11

Vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S. 32. Posner a.a.O., S. 47. Grundlegend Calabresi/Melamed, 85 Harv. L.R. 1089, 1092 (1972).

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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chen Objekten oder sogar bloße Handlungsbefugnisse als „property“ angesehen werden. Im Sinne gesamtwirtschaftlicher Effizienz ist dies sogar geboten. An das Recht erwächst daraus die Forderung nach einer grundlegenden Änderung.

III. Behandlung durch die Rechtsordnung Trotz ihrer tatsächlichen Bedeutung werden unkörperliche Vermögenswerte von unserer Rechtsordnung nicht als solche anerkannt. Insbesondere bezieht sich das Sachenrecht des BGB, wie oben gesehen, vor allem auf körperliche Gegenstände. Daher ist es an der Zeit, diese Beschränkung aufzubrechen. Die Realität nicht sichtbarer Vermögenswerte muss auch im Recht ihren Niederschlag finden.

1. Aufspaltung auf Einzelgebiete Zuvor müssen jedoch mehrere wichtige Einwände ausgeräumt werden. Diese lauten ungefähr folgendermaßen: Kennt das deutsche Recht nicht bereits heute eine Reihe unkörperlicher Gegenstände? Ist etwa nicht das Recht des Inhabers von Aktien und Obligationen anerkannt? Sind nicht auch Patente im deutschen Recht akzeptiert und können wie Sachen erworben werden? Ist nicht die Emissionsberechtigung im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG)12 geregelt? Wenn wir bereits all dies haben, wozu bedarf es dann noch einer gesonderten Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände? Würde nicht eine solche allgemeine Kategorie die tatsächlich zwischen den verschiedenen Arten bestehenden Unterschiede verwischen? Diese Einwände sind auf den ersten Blick berechtigt. Es ist nicht zu leugnen, dass unkörperliche Vermögensgegenstände bereits an vielen Stellen unserer Rechtsordnung ihren Platz gefunden haben. Auch müssen diese selbstverständlich unterschiedlich behandelt werden, da sie verschiedene Berechtigungen gewähren. Das Problem besteht jedoch darin, dass das deutsche Recht solche Gegenstände ausschließlich aus einer bestimmten Perspektive betrachtet: Es sieht zum Beispiel Anleihen als Beziehung zwischen zwei Personen an. Eine Aktie kreiert eine gesellschaftsrechtliche Beziehung zwischen dem Anteilsinhaber und dem Verband. Patente sind absolut wirkende Immaterialgüterrechte. Die Emissionsberechtigung hingegen ist öffentlichrechtlicher Natur. Diese Einordnungen sind alles andere als falsch. Wer sie als ausschließlich ansieht, ignoriert jedoch, dass die genannten Rechtsverhältnisse einen Bezug 12 Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen v. 8.7.2004, BGBl. I, 1578.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

zum Vermögen haben. Zum Beispiel hat der Inhaber einer Schuldverschreibung zu dieser eine ähnliche Beziehung wie der Eigentümer zu seiner Sache. Das zeigt sich unter anderem daran, dass er sie in zweierlei Weise nutzen kann: Er darf seine schuldrechtlichen Ansprüche ausüben, das heißt die Zinsen und die Rückzahlung des Kapitals verlangen. Es steht ihm aber auch frei, sein Recht vorher an einen anderen zu veräußern und dadurch einen möglicherweise höheren Betrag zu erzielen als den ursprünglich eingesetzten. Bei dieser Art der Verwertung ändert sich die Zuordnung des Gegenstands. Er scheidet aus dem Vermögen des Inhabers aus und wird in das eines anderen überführt. Auch Immaterialgüterrechte und Emissionsberechtigungen weisen einen solchen Vermögensbezug auf. Daraus wird deutlich, dass die genannten unkörperlichen Gegenstände über ihren jeweiligen Zusammenhang hinaus eine weitere Funktion erfüllen: Sie sind selbst Vermögensgegenstand. Diese gleichartige Funktion weckt ähnliche Regelungsbedürfnisse. Ebenso wie körperliche Gegenstände müssen sie einem Inhaber zugeordnet werden. Dies ist eine klassische Aufgabe des Zivilrechts, genauer: des Vermögensrechts.

2. Folgeprobleme Im deutschen Recht ist die Übertragung unkörperlicher Vermögensgegenstände bisher nicht als übergreifendes Problem angesehen worden. Es gelten vielmehr für jede einzelne Art solcher Gegenstände verschiedene Vorschriften. Zuweilen handelt es sich um Spezialregelungen, wie etwa § 16 TEHG. Bei anderen lehnt man sich an das Sachenrecht an, zum Beispiel bei den Wertpapieren und Anwartschaftsrechten. Für alle übrigen gelten gemäß § 413 BGB die Regeln über die Abtretung. Die Folge dieser Kleinteilung sind Unsicherheiten bezüglich der Rechtsanwendung. Zum Beispiel musste hinsichtlich der Übertragung von Patenten erst höchstrichterlich geklärt werden, dass diese nicht der Eintragung in der Patentrolle bedarf13. Die Übertragung der Vormerkung ist bis heute umstritten14. Bei den Finanzmarktprodukten bestehen ebenfalls zahlreiche Unklarheiten15. Schwierigkeiten zeigen sich auch beim gutgläubigen Erwerb. Durch die subsidiäre Anwendbarkeit der Abtretungsvorschriften ist dieser bei den meisten unkörperlichen Vermögensrechten ausgeschlossen. Das bereitet insbesondere für diejenigen Probleme, die Gegenstand des Rechtsverkehrs sind. Für manche von ihnen wird daher die Möglichkeit des Erwerbs vom Nichtberechtigten diskutiert, etwa für die Vormerkung. Dabei kommt es aber, wie angesichts der mangelhaften rechtlichen Grundlagen nicht anders zu erwarten, zu heftigen 13 14 15

RG, Urt. v. 13.2.1911 – Rep. I. 604/09, RGZ 75, 275 (277). Siehe Staudinger/Gursky, § 883 Rdnr. 344 m.w.Nachw. Siehe u. S. 388 ff.

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Streitigkeiten16 . Zuweilen sieht der Gesetzgeber selbst die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs vor. Das gilt etwa für die kürzlich erlassene17 Vorschrift des § 16 III GmbHG über Geschäftsanteile. Diese hat allerdings zu ganz eigenen Problemen geführt, die vor allem daher rühren, dass die Gesellschafterliste als Rechtscheinsträger nur eingeschränkt geeignet ist18 . Auch hier fehlt es wieder an einem übergreifenden Konzept. Eine inhaltlich geschlossene Regelung über unkörperliche Vermögensgegenstände ist im BGB lediglich für die Verpfändung vorgesehen19. Diese ist jedoch einerseits aus systematischer Sicht im Sachenrecht fehlplatziert. Andererseits erschöpft sie sich im Wesentlichen in Regelungen über Forderungen und Wertpapiere. Außerdem steht die von § 1280 BGB verlangte Anzeige der Verpfändung an den Schuldner in offenem Widerspruch zur Regelung der Abtretung in § 398 BGB, bei der eine solche Anzeige nicht erforderlich ist. Die Regelung führt auch aus praktischer Sicht zu zahlreichen Problemen. Das Zwangsvollstreckungsrecht behandelt nicht physisch greifbare Werte ebenfalls stiefmütterlich. Es widmet ihrer Pfändung mit § 857 ZPO nur eine einzige Vorschrift. Diese lässt allerdings mehr offen, als sie regelt, da die einzelnen Vermögensgegenstände nicht genannt werden. Will man sich über den tatsächlichen Rechtszustand informieren, so ist ein Blick in einen Kommentar unverzichtbar. Das Ganze zeigt eine gewisse Konzeptionslosigkeit des Gesetzgebers. Unkörperliche Gegenstände werden mal den Regelungen über Forderungen, mal denen über Sachen unterstellt. Es ist zwar unrealistisch, anzunehmen, man könne einheitliche Vorschriften hinsichtlich der Übertragung, Verpfändung und Pfändung für alle unkörperlichen Vermögensgegenstände festlegen. Dazu sind die sich im Einzelnen stellenden Probleme zu unterschiedlich. Jedoch kann man zumindest erwarten, dass der Funktion dieser Werte als Vermögensgegenstände durch angemessene zivilrechtliche Vorschriften Rechnung getragen wird. Das ist bislang nicht der Fall. Daher hat man für einige unkörperliche Gegenstände den Ausweg im Sachenrecht gesucht. Das gilt insbesondere für die hier untersuchen Finanzmarktprodukte. Um auch bei ihnen einen gutgläubigen Erwerb zu ermöglichen, nimmt man Zuflucht zu den Vorschriften des dritten Buchs des BGB. Deren Anwendung lässt sich allerdings nur rechtfertigen, wenn ein äußerlich wahrnehmbares Substrat vorhanden ist. Daraus resultiert ein mittelbarer Zwang zur Verkörperlichung: Sollen Rechte leicht und schnell gehandelt werden können, so müssen sie in Deutschland gegenständlich gemacht werden. Ohne physi16

Vgl. Staudinger/Gursky, § 892 Rdnrn. 56–61 m.w.Nachw. Vgl. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I, 2026, Art. 1 Nr. 15. 18 Siehe dazu etwa Mayer, ZIP 2009, 1037–1051; Nicola Preuß, ZGR 2008, 676–701. 19 §§ 1273–1296 BGB. 17

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schen Untersatz sind sie nichts weiter als persönliche Beziehungen, auf deren Übertragung die Abtretungsvorschriften Anwendung finden. Damit sie sich wie Sachen handeln lassen, müssen Urkunden ausgestellt werden. Dieser Verkörperungszwang hat die im ersten Teil dieses Buchs beschriebenen Probleme zur Folge. Es entstehen Aufwendungen für die Ausstellung und Aufbewahrung, die keinen praktischen Sinn haben. Diesem Zustand lässt sich nur abhelfen, wenn man unkörperliche Gegenstände selbst als Bestandteile des Vermögens anerkennt.

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§ 13 Vorbilder in anderen Rechtsordnungen und Rechtsgebieten Die dargelegten Schwierigkeiten zeigen das Bedürfnis, unkörperliche Gegenstände als solche anzuerkennen. Dass dies möglich ist, lässt sich zunächst anhand einiger ausländischer Rechtsordnungen zeigen (I). Danach soll dargestellt werden, dass auch das deutsche Recht nicht sinnlich wahrnehmbare Werte als Vermögensbestandteile anerkennt, und zwar im Verfassungsrecht (II) und im Bilanz- und Steuerrecht (III).

I. Ausländische Rechtsordnungen Im Folgenden sollen zunächst fremde Rechtsordnungen daraufhin untersucht werden, wie sie immaterielle Güter behandeln.

1. Weiter Sachbegriff der kontinentalen Rechtsordnungen Die rechtsvergleichende Umschau beginnt bei den Staaten des europäischen Festlands. Im Gegensatz zur Situation in Deutschland sind Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen bei unseren Nachbarn anerkannt. Denn bei ihnen herrscht ein weiterer Sachbegriff als im deutschen Recht. Paradebeispiel und zugleich Vorbild für andere Rechte ist insoweit der französische Code civil. Als Dreh- und Angelpunkt der vermögensrechtlichen Regelungen benutzt er den Ausdruck „bien“. Funktional nimmt er dieselbe Stellung ein wie der deutsche Begriff „Sache“, weshalb beide manchmal gleichgesetzt werden. Man übersetzt „bien“ jedoch besser mit „Gut“. Der Code civil definiert den Begriff nicht. Er enthält aber eine feinsäuberliche Unterscheidung zwischen „biens meubles“ und „biens immeubles“, also zwischen „beweglichen Gütern“ und „unbeweglichen Gütern“. Alle Güter unterfallen entweder der einen oder der anderen Kategorie1. Interessant ist nun zu sehen, was alles unter diese Zweiteilung gefasst wird. Hier finden sich Gegenstände, die mit beweglichen und unbeweglichen Sachen im deutschen Sinne nichts zu tun haben. So werden zum Beispiel Aktien und Obligationen ebenso als bewegliche Güter angesehen wie Beteiligungen an Gesellschaften 2 . Den Nießbrauch (usufruit), Dienstbarkeiten und den Anspruch auf Herausgabe eines Grundstücks qualifiziert der Code civil dagegen als unbewegliche Güter3. Unverkennbar ist hier der 1 2 3

Art. 516 Code civil. Art. 529 Code civil. Art. 526 Code civil.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Einfluss des römischen Rechts, welches den „usu fructus“ als „res incorporalis“ bezeichnete4. Ebenso wie das römische behandelt das französische Recht gewisse unkörperliche Gegenstände wie körperliche und fasst sie unter einem einheitlichen Begriff zusammen. Der Begriff „bien“ spiegelt letztlich nichts anderes als die alte Figur der res wider. Die römischrechtliche Tradition setzt sich auch in den anderen romanischen Rechtsordnungen fort. Zum Beispiel ordnet der spanische Código civil Dienstbarkeiten und andere auf Grundstücke bezogene Rechte in die Kategorie der „unbeweglichen Güter“ (bienes inmuebles) ein5. Als „bewegliche Güter“ sieht er zum Beispiel auch Renten und Pensionen an6 . Die bienes werden in Spanien weit definiert: Es handelt sich um alle Gegenstände, die man sich aneignen kann7. Der spanische Tribunal Supremo versteht darunter alle diejenigen Dinge, deren sich Menschen bedienen oder die ihnen helfen, unabhängig davon, ob sie beweglich oder unbeweglich sind8 . Der Begriff wird also ganz funktionell verstanden. Es kommt nicht darauf an, wie ein Gut beschaffen ist, sondern wozu es verwendet wird. Offensichtlich ist dieses Konzept viel umfassender als das des körperlichen Gegenstands in § 90 BGB. Auch die zivilrechtlichen Kodifikationen des 20. Jahrhunderts fassen den Begriff des Guts weit, selbst wenn sie sich einer abstrakteren und weniger anschaulichen Sprache bedienen als ihre Vorgänger. Ein Beispiel bietet der italienische Codice civile aus dem Jahre 1942. Er geht von dem Grundsatz aus, dass Güter (beni) alle Sachen sind, die das Objekt von Rechten sein können9. Eine beinahe wortgleiche Fassung findet sich im portugiesischen Código civil aus dem Jahre 1966. Dieser definiert als Sachen (coisas) alles, was Gegenstand von Rechtsverhältnissen sein kann10 . Auch hier kommt es nicht auf die Körperlichkeit an, denn Gegenstände von Rechtsverhältnissen können auch unkörperlich sein. Besonders interessant ist, dass das portugiesische Recht den Begriff der Sache statt den des Guts verwendet. Damit folgt es abermals den Römern: Vor allem Gaius benutzt in den Institutionen die Begriffe res und bona, als ob sie die gleiche Bedeutung hätten11. Dass beide austauschbar sind, nimmt man auch im spanischen Recht an. Dort werden die Ausdrücke „Gut“ (bien) und „Sache“ 4

Digesten 1.8.1.1. Dazu o. S. 202. Art. 334 Nr. 10 Código civil. 6 Art. 336 Código civil. 7 Art. 333 Código civil. 8 Tribunal Supremo, Urt. v. 4.12.1890, zitiert in Moreno Gil, Código Civil y jurisprudencia concordada, S. 359 Rdnr. 856. Ebenso Tribunal Supremo, Urt. v. 24.1.1953, 31.1.1962 u. 25.3.1964, zitiert in Jáimez Trassierra, in: Pasquau Liaño (Hrsg.), Jurisprudentia civil comentada, Código Civil I, Art. 334 Anm. 2, wo hinzugefügt wird, dass die Güter des Erwerbs und der Veräußerung fähig sein müssen („susceptibles de adquisición y transmisión“). 9 Art. 810 Codice civile. 10 Art. 202 I portugiesischer Código civil. 11 Nachweise bei Bretone, I fondamenti del diritto romano. Le cose e la natura, S. 43. 5

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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(cosa) abwechselnd verwendet, ohne dass ein Bedeutungsunterschied beabsichtigt ist. Der spanische Código civil gibt ausdrücklich als Auslegungsregel vor, dass dann, wenn das Gesetz oder Individuen den Begriff der cosas benutzen, dieser im Sinne der bienes verstanden werde soll12 . Insgesamt lassen sich also zwei Feststellungen treffen: erstens, dass die Länder der romanischen Rechtstradition von einem funktionalen Begriff der Sache ausgehen, und zweitens, dass sie keinen grundlegenden Unterschied zwischen Gütern und Sachen ziehen. Beides steht miteinander in Zusammenhang, denn der funktionale Begriff der Sache nähert diese dem Gut an. Wichtig ist nun, dass es sich bei dem weiten Sachbegriff im Sinne von „Gut“ nicht um eine Besonderheit der romanischen Rechte handelt, sondern dieser sich auch in anderen kontinentalen Rechtsordnungen findet. Er liegt selbst der dem deutschen Recht sonst so nahe stehenden Rechtsordnung Österreichs zugrunde. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 definiert die Sache folgendermaßen: „Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.“13

Diese Begriffsbestimmung geht auf die Naturrechtsdenker zurück14. Für sie war die begriffliche Scheidung von Sache und Obligation weniger wichtig, als eine Antwort auf Konflikte in der Gesellschaft zu finden. Daher haben sie die Sache funktional definiert: „alles, was zum Gebrauche der Menschen dient“. Hinzugefügt ist als Abgrenzungskriterium lediglich, dass die Sache von der Person unterschieden sein muss. Hier findet sich der auch von Savigny verwendete Dualismus von Person und Sache wieder, aber in ganz anderer Form. Die Sachen werden nicht durch ihre Körperlichkeit, sondern allein dadurch definiert, dass sie vom Menschen verschieden sein müssen. Logischerweise folgt daraus ein viel weiterer Begriff der Sache als der des deutschen Rechts. Dies lässt sich am besten aus der Definition des Eigentums ablesen. Das ABGB versteht das Eigentum im objektiven Sinn15 folgendermaßen: „Alles, was jemandem zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigentum.“16

Aus deutscher Sicht erstaunt an dieser Begriffsbestimmung, dass sie neben den körperlichen auch unkörperliche Sachen anerkennt. Sie ist aber darüber hinaus auch deshalb bemerkenswert, weil sie aufzeigt, was beide miteinander verbin12

Art. 346 spanischer Código civil. § 285 ABGB. 14 Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II, S. 6; Wieacker, Zum System des deutschen Vermögensrechts, S. 19. 15 Das ABGB unterscheidet zwischen Eigentum im objektiven und im subjektiven Sinn, siehe dessen §§ 353 f. 16 § 353 ABGB. 13

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

det: Sie können jemandem zugehören, das heißt sein Eigentum sein. In dieser Gleichsetzung zwischen „Zugehören“ und „Eigentum“ finden wir die Zuordnungsfunktion wieder, die oben herausgearbeitet wurde17. Daher verwundert es nicht, dass in der österreichischen Lehre die Aufgabe des Sachenrechts in der Güterzuordnung gesehen wird18 . Die vorangegangen Ausführungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass sowohl die romanischen Rechtsordnungen als auch das österreichische Recht von einem weiten Sachbegriff ausgehen. Er ist nicht auf körperliche Gegenstände beschränkt, sondern umfasst auch unkörperliche Rechte, soweit sie ähnliche Funktionen erfüllen wie erstere.

2. Angelsächsische „chose in action“ und „property rights“ Im nicht kodifizierten common law hat man sich um eine begriffliche Strukturierung verständlicherweise weniger bemüht als in Kontinentaleuropa. Dogmatische Auseinandersetzungen darüber, ob unkörperliche Gegenstände das Objekt von Rechten sein können, findet man daher kaum. Der führende Kommentar des 18. und 19. Jahrhunderts, William Blackstones „The Commentaries on the Laws of England“, versteht Eigentum im Sinne der Ausübung physischer Gewalt über Sachen (things)19. Allerdings gibt es eine eigenartige Figur des anglo-amerikanischen Rechts, die dem Begriff des unkörperlichen Gegenstands relativ nahe kommt: die „chose in action“. Der Ausdruck „chose“ stammt aus der französischen Juristensprache, derer sich die Engländer manchmal bedienen, und der wie in Frankreich eine Sache bezeichnet. Nach einer klassischen Definition versteht man unter einer „chose in action“ alle Eigentumsrechte einer Person, die nur durch Klage (action) und nicht durch physische Inbesitznahme (possession) geltend gemacht werden können20 . Es handelt sich also um unkörperliche Vermögensgegenstände, deren Wert man zunächst aus der Klagbarkeit folgerte. Blackstone bezieht den Begriff „thing in action“ noch ganz auf Vertragsansprüche, die bei Gericht anhängig sind 21. Heute wird er unabhängig von einer konkreten Klage verstanden und daher viel weiter gefasst. „Choses in action“ sind zum Beispiel Immaterialgüterrechte, Versicherungspolicen, Rechte aus einem trust, aber auch alle Arten von Effekten 22 . Zunächst nahm man an, dass letztere nicht ab17

Siehe o. S. 218 ff. Koziol/Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts II, S. 2. 19 Blackstone, Commentaries on the Laws of England II, S. 2. 20 Torkington v Magee, [1902] 2 KB 427 (430), per Channell J. 21 Blackstone, Commentaries on the Laws of England III, S. 153. 22 Furmston, Cheshire, Fifoot and Furmston’s Law of Contract, S. 517; Richardson/James, Richardson’s Guide to Negotiable Instruments, S. 9. Für Anteile an Gesellschaften vgl. auch Pennington, Company Law, S. 398. 18

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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tretbar seien 23. Das änderte sich im Laufe der Zeit, in der sich die Einordnung als „negotiable instrument“ durchsetzte24. An dieser Stelle interessiert aber nicht diese, sondern allein die Tatsache, dass das englische Recht überhaupt „choses in action“ anerkennt. Sie werden dort mit Selbstverständlichkeit als unkörperliche Eigentumsgegenstände (intangible property rights) bezeichnet25. Das bedeutet, dass die für das deutsche Recht typische Verengung des Eigentums auf körperliche Objekte in England nicht stattgefunden hat. Dies hat offensichtlich mit dem „property“-Konzept zu tun, welches weiter ist als unser § 903 BGB. Interessant ist es, seine Geschichte ein wenig nachzuverfolgen. Ursprünglich bezog Blackstone den Begriff lediglich auf Sachen, die er den Personen gegenüberstellte26 . Unter dem Recht des Eigentums verstand er: „that sole and despotic dominion which one man claims and exercises over the external things of the world, in total exclusion of the right of any other individual in the universe“. 27

Diese Auffassung hat sich jedoch im Laufe des 19. Jahrhunderts grundsätzlich gewandelt. Den Ausgangspunkt bildete die Ansicht Jeremy Benthams, der das Wesen des Eigentums aus utilitaristischer Sicht definierte. Er sah in ihm nichts anderes als die bloße Erwartung des Nutzens einer Sache: „The idea of property consists in an established expectation; in the persuasion of being able to draw such or such an advantage from the thing possessed…“28.

Diese Aussage bereitete den Boden für die kommende Entwicklung. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Vermögenswerten, die keine körperliche Existenz hatten, wie etwa Markenzeichen, Geschäftsgeheimnissen oder good will, wurde der Eigentumsbegriff umgewandelt. Als sein Kern setzte sich in der Rechtsprechung allmählich die Nützlichkeit gegenüber der Körperlichkeit durch. Immer öfter beriefen sich die Gerichte auf den Schutz des Eigentums auch in solchen Fällen, die nicht greifbare Gegenstände betrafen. Nach und nach wurde so die Idee des Eigentums von jeglicher körperlicher Unterlage abgetrennt29.

23 Blackstone, Commentaries on the Laws of England II, S. 442; Beale, Chitty on Conracts, S. 1163; Rogers, The Early History of the Law of Bills and Notes, S. 172. 24 Dazu o. S. 151 f. 25 Levasseur, 54 Am.J.Comp.L. 145, 152 (2006). 26 Blackstone, Commentaries on the Laws of England II, S. 16. Zwar gab es schon „incorporeal hereditaments“, doch wurden diese lediglich als Annex zur Substanz körperlicher Güter angesehen, siehe Blackstone, Commentaries on the Laws of England III, S. 20. 27 Blackstone, Commentaries on the Laws of England II, S. 2. 28 Bentham, Theory of Legislation, S. 112. 29 Zusammenfassung der Entwicklung bei Vandevelde, 29 Buffalo Law Review 325–367 (1980), der von einer „dephysicalization“ spricht, a.a.O., S. 333.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Diese Entwicklung erreichte einen Höhepunkt in den Arbeiten von Wesley Newcomb Hohfeld30 . Er verwarf die klassische Definition des Eigentums als einer Beziehung zwischen einer Person und einer Sache. Sie sei zu simpel, weil sie der sozialen Realität nicht hinreichend gerecht werde. An ihre Stelle setzte er einen komplexen Begriff, der eine Vielzahl von „rights, privileges, powers, and immunities“ zusammenfasst. Diese Idee, die auch als „bundle of rights“31 bezeichnet wird, hat unmittelbaren Eingang in das Restatement on Property gefunden. Es definiert das Eigentum zwar noch als Rechtsverhältnis zwischen einer Person und einer Sache (thing), versteht unter diesem Begriff aber nicht nur Dinge mit einer physischen Existenz, sondern auch unkörperliche Gegenstände32 . Die Betonung der verschiedenen durch das Eigentumsrecht gewährten Befugnisse lenkt die Aufmerksamkeit von einem bestimmten Bezugsgegenstand auf die eingeräumte Rechtsmacht. Diese aber ist von einem körperlichen Substrat unabhängig. Zur Ausweitung des Eigentumsbegriffs führte daneben auch die ökonomische Analyse des Rechts, wie schon schon an anderer Stelle gezeigt wurde33. Zwar ist sie selbst in den USA durchaus nicht allgemein akzeptiert, doch spiegelt sie die Tendenz der Entwicklung wider. Der Begriff property ist weiter als das deutsche Eigentum. Insbesondere ist er unabhängig vom Vorhandensein eines physischen Bezugsgegenstands. So wird auch erklärbar, warum die USamerikanische Lehre keine Probleme damit hatte, nicht verbriefte securities umgehend als eine neue Art des Eigentums zu bezeichnen 34. Die gesetzliche Einführung eines bislang unbekannten Vermögensgegenstands hat zwar Erstaunen hervorgerufen, jedoch wurde zu keiner Zeit in Zweifel gezogen, dass es sich bei den entmaterialisierten Effekten um Eigentumsrechte handelte. Als Ertrag ist festzuhalten, dass auch das anglo-amerikanische Recht den engen, an die Körperlichkeit anknüpfenden Sachbegriff nicht kennt.

3. Vermögensrecht des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs Das niederländische Burgerlijk Wetboek (BW) gilt in vielerlei Hinsicht als modernstes und führendes Gesetzbuch Europas. Kennzeichnend ist vor allem das in ihm erkennbare Bestreben nach genauer Systematik, von der man nicht zu Unrecht sagt, dass es die des deutschen Rechts noch übertreffe35. Das be30 Hohfeld, 23 Yale L.J. 16 (1913); ders., 26 Yale L.J. 710 (1917). Über Hohfeld vgl. Alexander, Commodity and Property, S. 319–322; Heller, 108 Yale L. J. 1163, 1191 f. (1999). 31 Der Begriff wird fälschlicherweise Hohfeld zugeschrieben, obwohl er ihn selbst nie verwendet hat, vgl. Alexander a.a.O., S. 322 Fußn. 40. 32 Restatement (First), Property, Introductory Note (1936). 33 Zu ihr o. S. 231 ff. 34 Siehe o. S. 81. 35 Nieper, in: Nieper/Westerdijk, Niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch III, S. XX.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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trifft auch den hier interessierenden Bereich, das Sachenrecht. Das BW behandelt es nicht etwa selbständig, sondern unterstellt es gemeinsam mit dem Erbrecht und dem Schuldrecht einer allgemeineren Kategorie: dem „Vermögensrecht“ (Vermogensrecht). Ihre Bedeutung ist vor allem aus dem dritten Buch des BW ersichtlich, das den Titel „Vermögensrecht im allgemeinen“ (Vermögensrecht in het algemeen) trägt. Dem deutschen Vorbild eines Allgemeinen Teils folgend zieht es Vorschriften vor die Klammer, die für die nachfolgenden Bücher gelten. Das hohe Abstraktionsniveau ist ein generelles Charakteristikum des neuen niederländischen Zivilrechts. Im allgemeinen Vermögensrecht sind Gegenstände geregelt, die sich weder dem Sachen- noch dem Schuldrecht eindeutig zuordnen lassen. Dazu gehören Nießbrauch36 , Pfandrechte und Hypotheken 37. Wie gesehen ist die Einordnung letzterer in das System der „dinglichen“ Rechte, die man im deutschen Recht bevorzugt, nicht schlüssig38 . Zentralbegriff des allgemeinen Vermögensrechts des BW sind die „Güter“ (goederen). Als solche werden aber nicht nur Sachen angesehen, sondern auch alle Vermögensrechte39. Diese müssen eine von drei Bedingungen erfüllen: entweder sie sind übertragbar, oder sie gewähren dem Berechtigten einen materiellen Vorteil, oder er hat sie im Austausch gegen einen materiellen Vorteil erlangt40 . Bereits hieraus resultiert, dass Vermögensrechte nach niederländischer Auffassung nicht nur körperliche Gegenstände sind. Zu ihnen gehören auch Forderungsrechte, Urheberrechte, Patentrechte, Markenrechte und Sortenschutzrechte41. Deren Anerkennung ist nicht neu. Bereits das alte BW kannte körperliche und unkörperliche Sachen42 . Jedoch stellt auch nach neuem Recht nicht jeder unkörperliche Vermögenswert ein „Vermögensrecht“ im Sinne des Gesetzes dar. Beispielsweise ist der good will nicht als solches anerkannt; über ihn kann daher nicht rechtlich verfügt werden43. Eine besondere Kategorie von Vermögenswerten sind die vom BW ausdrücklich anerkannten sogenannten Registergüter (Registergoederen). Bei ihnen handelt es sich um Güter, für deren Übertragung oder Begründung eine Eintragung in ein öffentliches Register notwendig ist44. Ihre Inhaber werden nicht als Eigentümer, sondern als „Berechtigte“ (rechthebbende) bezeichnet45. Die Kate36

Art. 3:201–3:226 BW. Art. 3:227–3:275 BW. 38 Siehe o. S. 208 f. 39 Art. 3:1 BW. 40 Art. 3:6 BW. 41 Mincke, Einführung in das niederländische Recht, Rdnr. 112. 42 Art. 555 BW a.F. 43 Hijma/Olthof, Compendium van het Nederlands vermogensrecht, S. 16; Mincke, Einführung in das niederländische Recht, Rdnr. 113. 44 Art. 3:10 BW. 45 Siehe z.B. Art. 3:27 I 1 BW. 37

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

gorie der Registergüter steht nicht neben der Einteilung in Sachen und Vermögensrechte, sondern liegt quer zu ihr. Sie dient dazu, alle Besonderheiten registrierter Güter im dritten Buch zusammenfassend behandeln zu können46 . Diese betreffen etwa das Registrierungsverfahren und den Schutz des guten Glaubens47. Registergüter können bewegliche oder unbewegliche Sachen sein, bezüglich derer Berechtigungen eingetragen werden, zum Beispiel Grundstücke oder Rechte an Schiffen oder Luftfahrzeugen48 . Es kann sich aber auch um Vermögensrechte handeln, wie etwa Anteile an Registergütern selbst49. Die Eintragung in das Register stellt in manchen Fällen sogar den Grund für die Einordnung als Vermögensrecht dar, denn durch sie werden viele unkörperliche Rechte erst übertragbar. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das neue niederländische bürgerliche Gesetzbuch Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen nicht nur anerkennt, sondern auch ausführlich regelt.

4. Schlussfolgerung Die vorstehende rechtsvergleichende Übersicht deckt nur eine kleine Auswahl von Staaten ab. Sie erhebt in keiner Weise Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch erscheint folgender Schluss gerechtfertigt: Andere Rechtsordnungen erkennen Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen in viel weiterem Umfang an als das deutsche Recht. Der Befund deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie zum Recht des Eigentums und der außervertraglichen Haftung, die ein Expertennetzwerk unter Leitung von Christian von Bar und Ulrich Drobnig im Auftrag der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der EG-Kommission erstellt hat. Dort findet sich ein Vergleich zum Begriff der „Sache“ in den Rechtsordnungen der westeuropäischen Mitgliedstaaten 50 . Das Ergebnis ist aus deutscher Sicht niederschmetternd: Außer der griechischen und der deutschen folgt keine einzige der 15 untersuchten mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen dem engen Sachbegriff. Stattdessen erkennen alle auch nichtkörperliche Gegenstände als Sachen an. Die Autoren der Studie wiegeln allerdings ab. Im Bemühen um ein einheitliches Bild reihen sie Deutschland unter diejenigen Rechtsordnungen ein, die unkörperliche Dinge als mögliche Objekte von Rechten anerkennen würden51. 46

Hondius, AcP 191 (1991), 378 (388). Vgl. Art. 3:16–3.21 BW. 48 Siehe Art. 3:89, 8:199, 8:790 BW. 49 Art. 3:96 BW. 50 v. Bar/Drobnig, Study on Property Law and Non-Contractual Liability Law as They Relate to Contract, S. 309–311. 51 v. Bar/Drobnig a.a.O., S. 311. 47

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Insoweit muss ihnen jedoch widersprochen werden. Es stimmt zwar, dass das BGB auch das Pfandrecht und den Nießbrauch an Rechten regelt. Unter anderem aus diesem Grund ist die Beschränkung des Sachenrechts auf körperliche Gegenstände nicht konsistent52 . Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, das deutsche Recht erkenne Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen an. Damit wird die Bedeutung des engen Sachbegriffs für die Dogmatik des hiesigen Zivilrechts unterschätzt. Die Zweiteilung in Rechte gegenüber Personen einerseits und Rechte an Sachen andererseits prägt das deutsche Rechtsdenken in ganz grundsätzlicher Weise. Daran ändert die Anerkennung von Pfandrecht und Nießbrauch an Rechten nichts; sie muss man vielmehr als „Ausreißer“ ansehen. Allerdings ist bemerkenswert, dass die dogmatisch verschiedene Behandlung unkörperlicher Vermögenswerte im deutschen im Vergleich zu den übrigen Rechten bislang so wenige grundsätzliche Unterschiede zur Folge hatte. Es scheint, als habe sie sich nicht praktisch ausgewirkt. Bei den Immaterialgüterrechten kann der Grund dafür darin gesehen werden, dass es sich um eine Spezialmaterie handelt. Patente, Urheberrechte, Geschmacks- und Gebrauchsmuster oder Marken wurden einfach anerkannt, ohne sich weiter an ihrer fehlenden Erfassung durch das BGB zu stören. Anders verhält es sich bei den Finanzmarktprodukten. Hier hebt die oben erwähnte Studie hervor, die zunehmende Entmaterialisierung handelbarer Papiere, wie „money and securities“, sei der maßgebliche Grund für die Verbreitung des weiten Sachbegriffs53. Richtig gesehen verhält es sich jedoch umgekehrt: Wie oben gezeigt, ist der weite Sachbegriff viel älter als die Entmaterialisierung. Er geht schon auf das römische Recht zurück54. In Wahrheit ist er daher nicht deren Folge, sondern ihr Grund: In den Rechtsordnungen, in denen er verbreitet ist, hat er die Entkörperlichung des Effektenverkehrs begünstigt oder zumindest nicht behindert. Anders dagegen in Deutschland. Der hier herrschende enge Sachbegriff ist der wichtigste Stolperstein auf dem Weg zur vollständigen Entmaterialisierung. Nur seinetwegen müssen Forderungen und andere Rechte weiterhin verbrieft werden, damit sie sich wie körperliche Gegenstände übertragen und handeln lassen.

52 53 54

v. Bar/Drobnig a.a.O., S. 309. v. Bar/Drobnig a.a.O., S. 311. Siehe o. S. 201 ff.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

II. Rechtsgebiete außerhalb des allgemeinen Zivilund Kapitalmarktrechts 1. Verfassungsrecht Dass das Eigentum konzeptionell nicht auf körperliche Gegenstände beschränkt sein muss, zeigt nicht nur der Blick in ausländische Rechtsordnungen, sondern auch in das deutsche Recht selbst. Das Bundesverfassungsgericht definiert den Begriff des Eigentums in Artikel 14 I GG als „vermögenswerte Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf“55. Vor dem Hintergrund dieser weiten Definition hat es auch Rechte als Eigentum anerkannt, denen keinerlei körperliche Substanz zugrunde liegt. So wurden zum Beispiel dem Urheberrecht56 und dem Recht am Warenzeichen57 Eigentumscharakter beigelegt. Nun sind Parallelen zwischen Zivilrecht und Verfassungsrecht immer mit Zurückhaltung zu genießen. Schon die Tatsache, dass das Besitzrecht des Mieters dem Schutz des Artikel 14 I 1 GG unterstellt wurde58 , sollte als Erinnerung daran genügen, dass der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff mit dem bürgerlichrechtlichen nicht identisch ist. Doch geht es hier auch nicht darum, das Verfassungsrecht in das Zivilrecht hineinzuerstrecken. Stattdessen soll die Rechtsprechung zu Artikel 14 GG nur als Beleg dafür dienen, dass unkörperliche Gegenstände ähnliche Funktionen wie das Eigentum an Sachen erfüllen können. Wer wollte bestreiten, dass der Anteil an einem Immobilienfonds aus Sicht seines Inhabers ebenso der Alterversorgung dienen kann wie das Eigentum an einem Mietshaus? Das Verfassungsrecht ist weitergehend als das deutsche Zivilrecht bereit, diese Parallele anzuerkennen. Es verbietet dem Staat den Eingriff in Vermögenswerte, wenn sie dem Einzelnen zur eigenverantwortlichen, privaten Nutzung zugeordnet sind. Diese Zuordnung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht geschützt, unabhängig davon, ob es sich um einen körperlichen Gegenstand handelt oder nicht.

55 BVerfG, Beschl. v. 9.1.1991 – 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 200 (209); Beschl. v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 (6); Urt. v. 23.11.1999 – 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 (258); st. Rspr. 56 BVerfG, Beschl. v. 7.7.1971, BVerfGE 31, 229 (239). 57 BVerfG, Beschl. v. 22.5.1979 – 1 BvL 9/75, BVerfGE 51, 193 (217). 58 BVerfG, Beschl. v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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2. Bilanz- und Steuerrecht Auch in zwei weiteren Bereichen des deutschen Rechts werden unkörperliche Vermögensgegenstände anerkannt: im Bilanzrecht und im Steuerrecht. Nach dem Handelsgesetzbuch sind „immaterielle Vermögensgegenstände“ in die Bilanz aufzunehmen59. Dazu gehören zum Beispiel Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte, Urheber- und Verlagsrechte, obligatorische Rechtspositionen, Erfindungen, Rezepte, Geheimverfahren und know how60 . Die Bezeichnung „immateriell“ für diese Erscheinungen leuchtet unmittelbar ein. Das Steuerrecht verwendet einen anderen Ausdruck: den des „immateriellen Wirtschaftsguts“. Nach dem Bundesfinanzhof handelt es sich dabei um eine „Zweckschöpfung“61. Welchem Zweck sie dient, sagt er allerdings nicht. Offenbar geht es darum, Gegenstände des Wirtschaftslebens zu erfassen, die Vermögenswert haben, jedoch keine körperliche Existenz. So verlangt der BFH in einem Urteil für die Einordnung eines Werts als Wirtschaftsgut, es müsse dessen „geldwerte Realität in Erscheinung treten“62 . Rechtsprechung und Literatur haben zahlreiche Kriterien entwickelt, um Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter zu definieren. Im Handelsrecht wird zentral auf die selbständige Verkehrsfähigkeit abgestellt63. Darüber hinaus verlangt man die Einzelverwertbarkeit64. Nach manchen soll auch die Einzelvollstreckbarkeit Bedeutung haben65 , doch wird dies von anderer Seite vehement bestritten66 . In der steuerrechtlichen Literatur stellt man hingegen vier konkrete Voraussetzungen für ein Wirtschaftsgut auf, die zum Teil von den handelsrechtlichen abweichen: Sein Erwerb muss mit einem Aufwand verbunden sein, es muss Nutzen nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erbringen, es muss zumindest zusammen mit dem Betrieb übertragbar und einer selbständigen Bewertung zugänglich sein67. Der BFH wiederholt in ständiger Rechtsprechung, 59

§ 266 II HGB. Siehe Roland, Der Begriff des Vermögensgegenstands im Sinne der handels- und aktienrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften, S. 182–207; Beater, in: MünchKomm-HGB, § 266 Rdnrn. 14 f. 61 BFH (Großer Senat), Urt. v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 633 (635). 62 BFH, Urt. v. 13.2.1970 – III 156/65, BFHE 98, 273 (277). 63 Kleindiek, in: Großkomm. HGB, § 246 Rdnr. 5; Ballwieser, in: MünchKomm-HGB, § 246 Rdnrn. 14 f.; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 246 Rdnr. 5; für die Übertragung auf das Steuerrecht Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 17 Rdnr. 91. 64 Ballwieser a.a.O., Rdnrn. 16 f.; Merkt a.a.O. 65 Ballwieser a.a.O., Rdnr. 18; Tiedchen, Der Vermögensgegen stand im Handelsbilanzrecht, S. 57 f. 66 Kleindiek, in: Großkomm. HGB, § 246 Rdnr. 6 Fußn. 11. 67 Vgl. Crezelius, in: Kirchof, EStG, § 5 Rdnr. 63; Schreiber, in: Blümich, § 5 EStG Rdnr. 305 (mit Einschränkungen hinsichtlich der Übertragbarkeit – „kein zwingendes Tat60

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Wirtschaftsgut sei jeder Vorteil, dessen Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lasse und der nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sei68 . Jedoch ist die Tatsache, dass ein Gegenstand mit einem Aufwand erworben wurde, für den Begriff des Wirtschaftsguts ebenso wie für den des Vermögensgegenstands nach richtiger Auffassung unerheblich, denn sonst ließe sich das Aktivierungsverbot in § 248 II HGB nicht erklären. Nach ihm dürfen immaterielle Vermögensgegenstände, die ohne Entgelt erworben wurden, nicht als Aktivposten bilanziert werden. Das setzt logischerweise voraus, dass es überhaupt unentgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände gibt. Richtiger scheint es daher, statt auf den entgeltlichen Erwerb auf die hinreichende Konkretisierung oder „Greifbarkeit“ des Vermögensvorteils abzustellen, wie es zuweilen getan wird69. Den Vermögensgegenständen des deutschen Handelsrechts vergleichbar sind die „assets“ nach den United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) und den International Accounting Standards (IAS)70 . Für die „intangible assets“, die den deutschen immateriellen Vermögensgegenständen entsprechen, ist die Vorschrift IAS38 einschlägig. Sie gilt trotz der Verabschiedung der neueren International Financial Reporting Standards (IFRS) weiter, weil sie nicht ersetzt wurde. „Intangible assets“ werden von ihr definiert als identifizierbare, nicht monetäre Vermögenswerte ohne körperliche Substanz71. Außerdem wird verlangt, dass der Vermögenswert der Kontrolle des Bilanzierenden unterliegt, wahrscheinlich wirtschaftlicher Nutzen aus ihm fließt und seine Kosten verlässlich messbar sind72 . Betrachtet man die im Steuer- und Bilanzrecht entwickelten Kriterien, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass Finanzinstrumente als immaterielle Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter angesehen werden müssen. Sie sind selbständig veräußerbar und verwertbar. Sie erbringen längeren Nutzen, sind übertragbar, identifizierbar und bewertbar. Dass sie einen konkreten, „greifbaren“ Vorteil gewähren, liegt ebenso auf der Hand wie ihre „geldwerte Realität“. Dennoch qualifiziert man Finanzmarktprodukte im Handels- und Steuerrecht nicht als immaterielle Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter, sondern als „Finanzanlagen“. Diese sind nach § 266 II HGB getrennt in die Bilanz bestandsmerkmal“, aber indizielle Bedeutung); ähnlich auch Plückebaum, in: Kirchof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. B 57. 68 BFH (Großer Senat), Beschl. v. 3.2.1969 – Gr.S. 2/68, BFHE 95, 31; Beschl. v. 2.3.1970 – Gr.S. 1/69, BFHE 98, 360 (363); Urt. v. 7.8.2000 – GrS 2/99, BStBl. II 2000, 633 (635). 69 Ballwieser, in: MünchKomm-HGB, § 246 Rdnr. 20; Tiedchen, Der Vermögensgegenstand im Handelsbilanzrecht, S. 61 m.w.Nachw. 70 Zum Begriff und zu den Abweichungen vom deutschen Recht Ballwieser, in: MünchKomm-HGB, § 246 Rdnrn. 106–121. 71 IAS38 R 8. 72 IAS38 R 10, 21.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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aufzunehmen. Die gesonderte Behandlung lässt sich ohne weiteres erklären: Sie ist die Folge des zivilrechtlichen Dogmas, nach dem Finanzmarktprodukte Wertpapiere und damit körperliche Gegenstände sind. Dadurch erscheinen sie als wesensverschieden von den immateriellen Vermögensgegenständen oder Wirtschaftsgütern. Es verbleibt jedoch, dass Bilanz- und Steuerrecht schon jetzt unkörperliche Vermögensgegenstände anerkennen73. Auffällig ist dabei zweierlei: Zum einen handelt es sich um Rechtsgebiete, die mit den Realitäten des Wirtschaftslebens in unmittelbarem Kontakt stehen und daher besonders „aktuell“ sind. Zum anderen geht es bei beiden um die Zuordnung der Gegenstände zum Vermögen einer Person. Diese Vermögenszuordnung geschieht mit Blick auf Dritte: im Handelsrecht mit Rücksicht auf diejenigen, die sich über die Vermögenslage des Bilanzierenden unterrichten wollen, im Steuerrecht im Hinblick auf den Staat, der an den immateriellen Wirtschaftsgütern der Steuerpflichtigen partizipieren will. Insoweit ordnen Handels- und Steuerrecht ebenso wie das Sachenrecht Vermögen im Verhältnis zu Dritten zu, wenn auch zu abweichenden Zwecken. Daher ist die Anerkennung immaterieller Vermögenswerte durch diese Rechtsgebiete einerseits logisch, andererseits besonders bedeutsam.

73 Zur Zeitwertbilanzierung von Finanzinstrumenten vgl. Böcking/Torabian, BB 2008, 265 (266 f.).

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§ 14 Die Erweiterung des Sachenrechts zum Vermögensrecht Dieser Paragraph soll aufzeigen, wie unkörperliche Vermögensgegenstände im deutschen Zivilrecht anerkannt werden können. Als Beispiel dienen dabei die in diesem Buch im Mittelpunkt stehenden Finanzinstrumente. Sie bilden in gewisser Weise das Paradigma des unkörperlichen Vermögensgegenstands. Die Erkenntnisse, die sich von ihnen ableiten lassen, können als Vorbild auch für andere nicht greifbare Werte verwendet werden.

I. Bisherige Versuche zur Einordnung von Finanzinstrumenten Schon seit langer Zeit ist immer wieder versucht worden, den Finanzinstrumenten einen Platz im System des Bürgerlichen Rechts zuzuweisen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob sie eher dem Schuld- oder dem Sachenrecht zugehören.

1. Sachenrecht Eine Auffassung versucht, unverbriefte Effekten dem Sachenrecht anzunähern. Vertreten wurde sie von Georg Opitz1. Er ist in diesem Buch schon mehrfach erwähnt worden, unter anderem als Vorbereiter der Einführung des Depotgesetzes2 . Seine Leistung in diesem Zusammenhang ist kurz in Erinnerung zu rufen: Sie bestand darin, dem Hinterleger von Effekten in der Sammelverwahrung statt eines bloß schuldrechtlichen Anspruchs einen Miteigentumsanteil am Sammelbestand zu gewähren. Auch bei der weiteren Entwicklung des Effektenverkehrs besteht Opitz konsequent auf dem Schutz des Anlegers durch das Sachenrecht. Angesichts der Einführung der Sammelverwaltung von Buchschulden durch drei Reichsverordnungen während des Zweiten Weltkriegs3 muss er sich mit dem Phänomen der Entmaterialisierung auseinandersetzen. Zur Kennzeichnung der unkörperlichen Buchbestände führt er einen einprägsamen Terminus ein: „Wertrechte“. Dieser lehnt sich bewusst an den des „Wertpapiers“ an. Er ist gleichsam als dessen Gegenstück konzipiert, indem der auf eine Substanz hindeutende Wortteil „Papier“ durch das „Recht“ ersetzt wird. Wertrechte sind also nichts anderes als unverkörperte Wertpapiere. Opitz zu1 Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 329 Fußn. 1 und S. 426–442; ders., DepotG, § 4 Anm. 14. 2 Siehe o. S. 23. 3 Siehe dazu o. S. 39 ff.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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folge stellen Wertpapier und Wertrecht die zwei grundlegenden Erscheinungsformen von Anlagewerten dar4. Neben den Reichsbuchschulden ordnet er noch andere unkörperliche Gegenstände den „Wertrechten“ zu, so die nach dem Wertpapierbereinigungsgesetz entstandenen Zuteilungsrechte5 und den Sammeldepotanteil im Jungscheinverkehr6 . Wie fügen sich die neuen „Wertrechte“ in das System des Bürgerlichen Rechts ein? Opitz gibt darauf eine eindeutige Antwort: Ebenso wie Wertpapiere stünden sie unter dem Schutz des Sachenrechts7. Diese Auffassung sieht er dadurch bestätigt, dass eine der oben erörterten Reichsverordnungen zur Entmaterialisierung von Anleiheforderungen gegen den Staat ausdrücklich erklärt, Buchschulden seien in ihrer rechtlichen Bedeutung den in einem Sammelbestand verwahrten Wertpapieren gleichzustellen8 . Daraus folgert er, jenen käme ein „quasidinglicher Charakter“ zu9. An anderer Stelle geht er noch weiter und bezeichnet die Wertrechte als „Sachenrechte“10 . Er spricht insoweit von einer „Sachwerdung“ der unkörperlichen Forderung11. Die Wertrechtslehre führt also zu einer grundlegenden Erweiterung des Begriffs der „Sache“. Dieser ist nicht länger auf körperliche Gegenstände beschränkt. Opitz wörtlich12: „Der Jurist ist daran gewöhnt, unter Sachen körperliche Gegenstände zu verstehen, wie dies auch § 90 BGB bestimmt. Er muß nun umlernen. Die Bestimmung des § 90 BGB hat einen umfassenderen Inhalt bekommen.“

Neben die körperlichen Gegenstände setzt Opitz also die unkörperlichen. Diese bezeichnet er ebenfalls als „Sachen“. Schon auf den ersten Blick wird klar, dass diese Auffassung dem weiten Sachbegriff der meisten ausländischen Rechte nahe steht13. Auch der Ausdruck „Wertrecht“ ähnelt in verblüffender Weise der Terminologie in anderen Rechtsordnungen für entkörperlichte Effekten, wie etwa „valeurs mobilières“ oder „títulos valores“14. Daher fügt sich die Opitz’sche Theorie ausgesprochen gut in das rechtsvergleichende Spektrum ein. Darüber hinaus hebt sie zutreffend die Parallelen zwischen der Zuordnung körperlicher und unkörperlicher Gegenstände hervor. So betont Opitz, dass der Inhaber des Wertrechts die gleiche 4 5 6

Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 329 Fußn. 1 und S. 426. Opitz a.a.O., S. 538 (541). Opitz, DepotG, Anm. 12 C; ders., Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 494

(513). 7 8 9 10 11 12 13 14

Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 426 (430). Vgl. o. S. 41. Opitz, DepotG, § 42 Anm. 12 C. Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 494 (518). Ebda. Ebda. Siehe o. S. 237 ff. Siehe o. S. 157 ff.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Rechtsstellung innehabe wie der Eigentümer eines Wertpapiers, der dieses in die Sammelverwahrung gebe15. Letzterer behalte sein Eigentum in modifizierter Form, nämlich als Miteigentumsanteil; die Sammelbank mittele ihm zugleich den Besitz am Sammelbestand. Ähnlich verhalte es sich bei der Einbringung von Wertrechten in die Sammelverwaltung. Man dürfe bei ihnen allerdings nicht von „Eigentum“ und „Miteigentum“, „Besitz“ und „Sammelverwahrung“ sprechen, weil sich diese Begriffe nach geltendem Recht nur auf körperliche Gegenstände bezögen16 . Vor diesem Hintergrund schlägt Opitz eine eigene Begriffsbildung vor: Der Anteilsgläubiger solle als „Eigner“, sein Recht als „Eigen“ und der Tatbestand der tatsächlichen Gewalt mit dem altdeutschen Begriff „Walt“ bezeichnet werden17. Mit Hilfe dieser Terminologe meint er, die Stellung des Gläubigers zutreffend zu kennzeichnen. In der Lehre wird die Theorie der Wertrechte ganz überwiegend abgelehnt18 . Auf Kritik stößt vor allem die Bezeichnung unverbriefter Effekten als „Sachen“. Es wird darauf hingewiesen, dass das entkörperte Recht dadurch, dass es den sachenrechtlichen Vorschriften unterstehe, nicht zum körperlichen Gegenstand werde19. Der festgefügte Inhalt des § 90 BGB sei durch die Wertrechtslehre nicht zu erschüttern20 . Opitz hatte diesen Einwand jedoch bereits vorausgesehen. Er betont ausdrücklich den Unterschied zwischen Sache und entstücktem Recht: Letzteres habe sein Dasein lediglich in der Welt der Vorstellung; es sei mit den Sinnen nicht wahrnehmbar und beanspruche keinen Raum 21. Daher sei es kein körperlicher Gegenstand22 . Opitz will also nicht vom allgemeinen Verständnis des Begriffs der Körperlichkeit abgehen. Stattdessen möchte er die Definition der Sache ändern. Diese müsse auch auf unkörperliche Gegenstände ausgeweitet werden. Infolge der Entmaterialisierung dürfe die körperliche Erscheinungsform nicht mehr als Voraussetzung der Sacheigenschaft angesehen werden 23.

15

Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 426 (429 f.). Opitz a.a.O., S. 432. 17 Ebda. 18 Siehe Hüffer, in: MünchKomm-BGB, Vor § 793 Rdnr. 35; Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793 ff., Rdnr. 39; Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr, S. 73 f.; Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 160–163, 174–184; Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (464– 466); Körner, Die Entstückung des Effektenwesens nach dem Rechtsmodell der Sammelschuldbuchforderung, S. 100–104. Begrüßt wird die Wertrechtslehre hingegen von Zöllner, in: FS Raiser, S. 249 (257); wohlwollend auch Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnrn. 2044 f. 19 Siehe Canaris, FS Flume I, S. 371 (374 f.). 20 Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 180. 21 Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 538 (541). 22 Opitz a.a.O., S. 518. 23 Opitz a.a.O., S. 434. 16

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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Vielmehr könne eine Sache auch ein nur in der Vorstellung existierender Gegenstand sein 24. Dagegen liegt der Einwand nahe, eine solche grundlegende Änderung sei durch die besagten Reichsverordnungen weder beabsichtigt noch auch nur möglich gewesen. Dieses Argument ist insbesondere von Fritz Fabricius geltend gemacht worden. Er hebt hervor, dass der Sachbegriff im Allgemeinen Teil des BGB mit Wirkung für alle anderen Bücher festgelegt werde25. Die Bestimmung des § 90 BGB bezeichne als Sachen eben nur körperliche Gegenstände, und daran änderten auch die Verordnungen des Reichs nichts, die nur ein begrenztes Problem beträfen 26 . Opitz verkennt jedoch nicht, dass seine Auffassung in offensichtlichem Widerspruch zum Wortlaut des § 90 BGB und zu den Intentionen des Gesetzgebers steht. Er sieht aber sein Verständnis des Begriffs der Sache durch die Neuerungen des technischen und wissenschaftlichen Fortschritts gerechtfertigt. In historischem Rückblick konstatiert er, dass auch die „wohlüberlegten“ Anschauungen, die dem BGB zugrunde liegen, dem Wandel der Zeiten nicht entrinnen können 27. Selbst die „geheiligten und exakten“ Begriffe der Sache und des Rechts seien diesem Wandel ausgesetzt. Die grundlegende Einteilung in Schuld- und Sachenrecht hält Opitz zwar für sinnvoll. Aber Rechtssätze, „mögen sie noch so sinnvoll und folgerichtig erscheinen, sind nicht von ewiger Dauer“28 . Das rein positivistische Argument, eine Änderung des Sachbegriffs des Allgemeinen Teils des BGB sei nicht zulässig, verfängt daher gegenüber der Theorie des Wertrechts nicht. Es ist richtig, dass diese einen grundlegenden Umbruch in den Kategorien unseres Rechtssystems zur Folge hätte. Gerade eine solche Änderung sieht Opitz jedoch aufgrund der Entwicklungen im Effektenwesen als notwendig an. Treffender ist hingegen ein anderer Einwand, der gegen die Wertrechtslehre erhoben wurde. Danach sei die Vorstellung des Wertpapiers als körperlich eine Fiktion, die wegen der Ausstellung der Urkunde als ihrem Träger gerechtfertigt sei. Mit dem Wegfall der Urkunde entfalle jedoch auch die Notwendigkeit der Fiktion 29. Anders ausgedrückt: Das in der Urkunde verkörperte Recht ist schuldrechtlicher Natur; zur Sache werde es nur durch die Verbriefung. Fällt diese weg, dann müsse es bei der schuldrechtlichen Einordnung bleiben 30 . 24

Opitz a.a.O., S. 518. Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (465). 26 Ebda. 27 Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 538 (543). 28 Opitz a.a.O., S. 431. 29 So etwa Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr, S. 73 f. 30 Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 103 f. 25

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Dieses Argument ist schlagend. Warum sollte ein Recht seine Natur ändern und zur Sache werden, nur weil es im Effektengiroverkehr gehandelt wird? Opitz’ Auffassung ist rein funktional auf den von ihm erwünschten sachenrechtlichen Schutz bezogen. Dieser lässt sich jedoch nach geltendem Recht nicht begründen. Sachen sind nach deutschem Verständnis nun einmal nur körperliche Gegenstände. Am Wortlaut des § 90 BGB ist nicht zu rütteln. Auch eine Änderung kommt insoweit nicht ernsthaft in Betracht. Die Tradition, als Sachen nur körperliche Gegenstände zu bezeichnen, ist in Deutschland so weit verfestigt, dass sich an eine freiwillige Rückkehr zum weiten römischrechtlichen Begriff der res – ohne europäischen Zwang – nicht denken lässt. Außerdem ist die Differenzierung in körperliche und unkörperliche Gegenstände durchaus gerechtfertigt. Denn zwischen beiden bestehen wichtige Unterschiede. Nur Sachen können im Sinne der §§ 929 S. 1, 1205 I BGB übergeben werden; nur bei ihnen lässt sich aus dem Besitz gemäß § 1006 BGB auf das Eigentum schließen; nur auf sie können Verwendungen im Sinne der §§ 994–1003 BGB gemacht werden; und nur sie lassen sich durch Besitzaufgabe nach § 959 BGB derelinquieren. Die Körperlichkeit ist daher ein wichtiges Merkmal, das eine verschiedene rechtliche Behandlung sinnlich nicht wahrnehmbarer Gegenstände rechtfertigt. Unverbriefte Effekten mit Sachen gleichzusetzen heißt deshalb, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Nun ist es nicht so, dass zwischen Äpfeln und Birnen keinerlei Ähnlichkeiten bestünden. Immerhin fallen beide unter die Gattungsbezeichnung „Obst“. Aber Äpfel sind eben nicht Birnen. Daher ist es nicht nur ein schwerer semantischer, sondern auch ein logischer Fehler, unverbriefte Effekten als Sachen zu bezeichnen. Vielmehr muss man nach einem Oberbegriff suchen, der die Gemeinsamkeiten beider erfasst, ohne die zwischen ihnen bestehenden Unterschiede zu verwischen. Trotz aller Kritik sind der Wertrechtslehre wichtige Einsichten zu verdanken. Das betrifft vor allem die Notwendigkeit der besonderen Sicherung der Hinterleger von unverbrieften Effekten. In der Tat würde ein lediglich schuldrechtlicher Schutz bei ihnen nicht ausreichen. Bedeutsam ist auch die von Opitz herausgearbeitete Parallele zwischen dem Eigentum an körperlichen Gegenständen und den Rechten an unkörperlichen Gegenständen. Sein Irrtum bestand jedoch darin, die Wertrechte zu einseitig an das Sachenrecht anzunähern.

2. Schuldrecht Den umgekehrten Weg geht Dorothee Einsele in ihrer Habilitationsschrift. Bereits der Titel „Wertpapierrecht als Schuldrecht“ legt das Programm dar. Unter Heranziehung der Realität des Effektenverkehrs versucht Einsele nachzuweisen, dass die bisherigen sachenrechtlichen Konstruktionen nicht haltbar sind. An deren Stelle will sie ein Geflecht schuldrechtlicher Beziehungen setzen.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

255

Dabei geht Einsele nicht vom Spezialfall der entmaterialisierten Buchschulden aus, sondern vom Normalfall des Verkehrs in verbrieften Effekten. Die ganz herrschende Meinung konstruiert diesen sachenrechtlich. Dem soll die durch Sammelverwahrung geschaffene körperliche Distanz des Hinterlegers zu seinen Wertpapieren nicht entgegenstehen. Nach herrschender Ansicht gestalten sich die Rechtsverhältnisse wie folgt: Die Wertpapiersammelbank ist unmittelbarer Besitzer der Urkunde; die depotführende Bank mittelbarer Besitzer erster Stufe; der Hinterleger mittelbarer Besitzer zweiter Stufe31. Es besteht also eine Besitzpyramide. Der Erwerb wird auf verschiedene Weise erklärt: Entweder man nimmt eine Übereignung gemäß § 929 S. 1 BGB an, weil das Besitzmittlungsverhältnis mit dem Veräußerer beendet und ein neues mit dem Erwerber vereinbart wird, oder man geht davon aus, das Eigentum werde „kurzer Hand“ nach § 929 S. 2 BGB übertragen; oder man verlangt, der Veräußerer müsse seinen Herausgabeanspruch gegen die Sammelbank an den Erwerber nach § 931 BGB abtreten32 . In den ersten beiden Fällen ist ein gutgläubiger Erwerber in seinem Vertrauen auf das Eigentum des Hinterlegers nach § 932 BGB geschützt, der letztgenannten Theorie zufolge ist er es nach § 934 1. Fall BGB33. Gegen diese sachenrechtliche Konstruktion wendet sich Einsele. Sie geht von der in der Praxis häufigsten Gestaltung aus, in der Rechte in Globalurkunden verbrieft sind34. In diesem Fall wird zugleich regelmäßig die Ausstellung von Individualurkunden nach § 9 a III 2 DepotG ausgeschlossen35. Nach Ansicht von Einsele ist daher der Hinterleger nicht mittelbarer Besitzer der sammelverwahrten Urkunde36 . Denn wegen des Ausschlusses des Anspruchs auf Individualurkunden kann er von der Wertpapiersammelbank keine Herausgabe des hinterlegten Guts verlangen. Da der Herausgabeanspruch zumindest nach herrschender Meinung37 Voraussetzung des mittelbaren Besitzes ist, kann der Hinterleger nicht mittelbarer Besitzer sein. Die Kritik Einseles ist, wie noch im Einzeln zu zeigen sein wird38 , zum großen Teil berechtigt. Ob man aber das Recht der massenhaft ausgestellten Wertpapiere deshalb dem Schuldrecht zuschlagen sollte, ist fraglich. Wegen der Mängel der Besitzkonstruktion insgesamt auf die Vorteile des sachenrechtlichen Schutzes zu verzichten hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn das Abgehen von der sachenrechtlichen Regelung hat schwerwiegende 31

Nachweise dazu u. S. 366 f. Vgl. dazu u. S. 389 f. 33 Ausf. u. S. 423 f. 34 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 72 f. 35 Siehe dazu o. S. 32 f. 36 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 72; dies., in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 91. 37 Siehe Palandt/Bassenge, § 868 Rdnr. 6; Joost, in: MünchKomm-BGB, § 868 Rdnr. 16; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 17 Rdnr. 43. A.A. Wieling, AcP 184 (1984), 439 (448–450). 38 Siehe u.S. 367 ff. 32

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Folgen, etwa für die Frage des gutgläubigen Erwerbs. So hält Einsele einen redlichen Erwerb im Effektenverkehr auf der Grundlage des Besitzes als Rechtsscheinsträger für nicht möglich39. Dies ist auf dem Boden ihrer Auffassung konsequent, denn wo kein Besitz besteht, kann er auch keinen Rechtsschein setzen. Dennoch muss auch Einsele das Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach der Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs anerkennen40 . Freilich lehnt sie die in der Literatur erwogene Möglichkeit, diesen statt an den Besitz auf die Buchung des Veräußernden als Rechtsscheinsträger zu stützen41, ebenfalls ab42 . Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Gründe für ihre ablehnende Haltung darzulegen; auf sie wird noch einzugehen sein43. Insgesamt verwirft Einsele also die sachenrechtliche Konstruktion des Effektenverkehrs. Das Problem des derzeitigen Rechts besteht nach ihrer Auffassung nicht darin, die für körperliche Gegenstände erdachten Regelungen auf unkörperliche anzuwenden. Vielmehr seien die Besonderheiten sachenrechtlicher Rechtsbeziehungen im modernen Effektenwesen nicht mehr gegeben. Daher wählt sie eine andere Konstruktion: Danach sollen die Kunden nur schuldrechtliche Ansprüche gegen den Sammelverwahrer haben44. Diese Ansprüche sollten ähnlich wie im Geldgiroverkehr übertragen werden. Sei das Konto des Veräußerers nicht gedeckt, so könne die Bank dies nicht gegenüber dem Erwerber einwenden, wenn sie ihm die Position gutgeschrieben habe45. Der so konstruierte Einwendungsausschluss ist Einsele zufolge dem redlichen Erwerb ähnlich. Seine Wirkungen gingen sogar noch über ihn hinaus, weil der Erwerber auch einen tatsächlich überhaupt nicht existierenden Gegenstand erwerben könne46 . Allerdings ist die Parallele zum Geldgiroverkehr verfehlt. Sie lässt außer Acht, dass im Effektengiroverkehr gegenwärtige Vermögenswerte übertragen werden und dieser daher trotz aller bestehenden Unterschiede eine gewisse Verwandtschaft mit dem Verkehr in Sachen aufweist. Wie bei der Verwahrung körperlicher Gegenstände gehen auch die Hinterleger bei der Sammelverwahrung davon aus, dass die unkörperlichen Effekten endgültig ihnen als Eigentümer zugeordnet sind. Sie erlauben der Bank nicht, sich diese anzueignen und in irgendeiner Weise zu verwenden. Sie soll die Effekten der Hinterleger lediglich für diese verwahren. Anders dagegen im Zahlungsverkehr: Der Inhaber eines 39

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 97–113; dies., in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 106; dies., WM 2001, 7 (13). 40 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 162. 41 Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (482). 42 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 172–177. 43 Siehe u. S. 427 ff. 44 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 563; dies., in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 114; dies., WM 2001, 7 (13). Zur Natur dieser Ansprüche u. S. 393 ff. 45 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 564 f. 46 Einsele a.a.O., S. 563–568; dies., in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 114.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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Girokontos gewährt der Bank das Recht, mit seinem Geld zu arbeiten, solange er dieses nicht benötigt. Er ist nicht mehr als ein Gläubiger. Zu seinem Schutz bestehen daher verschiedene Einlagensicherungssysteme, die zum Teil gesetzlich vorgeschrieben sind47. Für den Anleger in Wertpapieren sind sie dagegen unnötig, denn dieser bleibt Eigentümer des hinterlegten Vermögens. Es besteht daher ein fundamentaler Unterschied zwischen dem Zahlungs- und dem Wertpapiergiro. Im Wertpapierverkehr besteht für den Hinterleger ein viel geringeres Risiko des Verlusts als im Geldverkehr. Die Annahme, die Anleger erwürben auch im Wertpapierverkehr lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen den Verwahrer, würde diese Unterschiede einebnen. Sie widerspricht der Rechtsauffassung nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern48 . Die Inhaberschaft des Vollrechts durch die Sammelbank würde darüber hinaus außerhalb des Fragenkreises der Effektenübertragung zu Problemen führen. Wie Einsele selbst bemerkt, hätte sie zum Beispiel zur Folge, dass die Banken die Stimmrechte aus Aktien der Hinterleger als eigene ausüben könnten49. Das von ihr als Abhilfe vorgeschlagene Treuhandmodell zur Regelung des Aktienstimmrechts50 wirkt unnötig kompliziert. Es erfordert Änderungen in anderen Gesetzen, die sich nicht auf das Stimmrecht beschränken. Zum Beispiel müsste in das WpÜG eine Vorschrift eingefügt werden, dass als Eigentümer im Sinne des Gesetzes der Treugeber anzusehen ist. Dasselbe wäre etwa auch im Konzernrecht notwendig. Überall, wo es um den Inhaber von Werten geht, müsste klargestellt werden, dass dieser der Treugeber, nicht der Treuhänder ist. In zahlreichen Gesetzen wäre der von Einsele sogenannte „wirtschaftliche“ Wertpapierinhaber als Eigentümer zu definieren. Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, ob es wirklich notwendig ist, die wirtschaftliche und die rechtliche Betrachtung beim Effektenverkehr in dieser Weise auseinanderfallen zu lassen. Sollten nicht die Hinterleger als alleinige Eigentümer angesehen werden? Zur Erfüllung ihrer Aufgabe, der Verwaltung unkörperlicher Effekten, genügen der Sammelbank jedenfalls viel geringere Befugnisse als die Inhaberschaft. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die schuldrechtliche Lösung an einem grundlegenden Mangel leidet: Sie ist aus dem speziellen Problem der Übertragung geboren, das sich mit ihr recht einfach bewältigen lässt. Hinsichtlich aller anderen mit Finanztiteln verbundenen Probleme trägt sie jedoch nicht. Insbesondere gewährt sie dem Anleger keinen eigentumsähnlichen Schutz. 47 Vgl. das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz v. 16.7.1998, BGBl. I, 1842, § 6. 48 Siehe dazu den Rechtsvergleich o. S. 61 ff. Eine etwas andere Rechtslage gilt in den USA, dazu o. S. 82. 49 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 572. 50 Einsele a.a.O., S. 572–577.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

3. Zwischen Schuld- und Sachenrecht Wie gesehen lassen sich Finanzmarktprodukte weder eindeutig dem Sachennoch dem Schuldrecht zuordnen. Den Ausweg könnte man darin sehen, sie zwischen beiden Rechtsgebieten anzusiedeln. In der Tat sprechen für diese Lösung gewichtige Gründe. Finanztitel beruhen in vielen Fällen auf einer schuldrechtlichen Grundlage. Sie werden durch privatautonome Vereinbarungen geschaffen. Gleichzeitig sind sie aber den körperlichen Gegenständen angenähert. Sie können wie diese übertragen, verpfändet und gepfändet werden. Sie sind in gewissem Sinne weder Fisch noch Fleisch, weder reine Schuldverhältnisse noch echte Sachen. Daher erscheint es möglicherweise sinnvoll, sie nicht eindeutig zu klassifizieren und in dem unbestimmten Bereich zwischen Schuld- und Sachenrecht anzusiedeln. Eine solche Zwischenstellung vertritt Eva Micheler in ihrer Habilitationsschrift „Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht“. Wie Einsele kritisiert sie zunächst die bisherige sachenrechtliche Konstruktion der Sammelverwahrung und des Effektengiroverkehrs. Dabei setzt sie aber nicht beim dynamischen Vorgang der Übertragung der Effekten an, sondern beim statischen Haben. Ausführlich wendet sie sich gegen die bisherige miteigentumsrechtliche Konstruktion der Wertpapiersammelverwahrung51. Die besondere Regelung des Depotgesetzes bedeutet ihrer Ansicht nach nicht nur, dass die Vorschriften über das Miteigentum auf die Sammelverwahrung entsprechend anzuwenden sind. Vielmehr greife das Gesetz viel tiefer in die Rechtsstellung des Hinterlegers ein. Das werde daran deutlich, dass er sein Eigentum an den individuellen Stücken schon mit der Einlieferung vollständig verliere52 . Sein Herausgabeanspruch erstrecke sich nicht auf die von ihm eingelieferten Stücke, selbst wenn diese noch individuell identifizierbar seien. Stattdessen erlange er nur einen Anspruch auf Herausgabe einer seinem Anteil entsprechenden Zahl von Wertpapieren, §§ 7 f. DepotG. Dieser verringere sich gemäß § 7 II DepotG, wenn Verluste im Sammelbestand auftreten. Er ist daher nach Michelers Auffassung nicht als „modifizierte Eigentumsklage“ anzusehen, sondern eigenständiger Natur53. Daraus zieht sie die Schlussfolgerung, das Depotgesetz löse die Rechte der Eigentümer „vollständig von ihrer Rechtsbeziehung zu den verwahrten Papierdokumenten“54. Außerdem durchbreche es zugleich den Bestimmtheitsgrundsatz55. Denn der Anteil des Hinterlegers richte sich nicht nach dem Vorhandensein der individuellen, von ihm hinterlegten Urkunden, selbst wenn diese sich

51 52 53 54 55

Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 172–180. Micheler a.a.O., S. 174. Micheler a.a.O., S. 177. Micheler a.a.O., S. 178. Micheler a.a.O., S. 178.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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sachenrechtlich zuordnen ließen. Er würde vielmehr verringert, sobald sich der Sammelbestand insgesamt reduziere. Umgekehrt erstrecke er sich automatisch auf neu eingelieferte Stücke, auch wenn sie nicht vom Hinterleger selbst stammten. Mit der vom Sachenrecht angestrebten Zuordnung bestimmter körperlicher Gegenstände sei dies nicht vereinbar. Ebenso wie Einsele lehnt Micheler auch die bisherige Konstruktion der Übertragung von Effekten ab. Wie diese ist sie der Ansicht, dass die Eigentümer keinen Besitz an den verwahrten Dokumenten haben56 . Sie kritisiert, dass die Lehre ein körperliches Näheverhältnis zwischen dem Berechtigten und den Wertpapieren fingiere. Man konstruiere den Rechtserwerb über ein Besitzverhältnis zu körperlichen Dokumenten, obwohl letztere im Rahmen des Übertragungsvorgangs keine Funktion erfüllten57. Erst recht sei die Anwendung besitzrechtlicher Regeln verfehlt, wenn eine Sammelurkunde ausgestellt wurde 58 . Im Effektengiroverkehr würden in Wahrheit nicht Wertpapierdokumente, sondern „die ihnen zugrundeliegenden Berechtigungen durch entmaterialisierte Buchungsvorgänge“ übertragen59. Trotz aller Kritik an der sachenrechtlichen Konstruktion des Effektenverkehrs wendet sich Micheler auch gegen die von Einsele vorgeschlagene rein schuldrechtliche Interpretation. Ihr hält sie entgegen, dass der Depotinhaber nach dem gesetzgeberischen Willen ein „absolutes Recht“ an den verwahrten Rechten haben solle60 . Diese Intention des Gesetzgebers könne „nicht einfach so vom Tisch gewischt“ werden61. Das Recht des Eigentümers oder anderer dinglich Berechtigter an den im Effektengiro übertragenen Rechten unterliege den besonderen Bestimmungen des Depotgesetzes. Darüber hinaus könne es nur über die Verwahrbank geltend gemacht werden. Diese Besonderheiten änderten aber nichts daran, dass es sich um ein absolutes Recht handele 62 . Effekten würden nicht deshalb nach den Vorschriften des Wertpapierrechts übertragen, weil sie auf Papierdokumenten dargestellt sind. Vielmehr seien die Regeln des Wertpapierrechts entstanden, um für den Umlauf am Kapitalmarkt bestimmte Rechte mit Sicherheitsgarantien weitergeben zu können63. Weder sei das Vorhandensein physischer Dokumente für die Anwendung des Wertpapierrechts essentiell, noch könne die Übertragung nur mit Besitzregeln bewältigt werden64. Im Ergebnis befürwortet Micheler daher, die wertpapierrechtlichen 56 57 58 59 60 61 62 63 64

Micheler a.a.O., S. 179. Micheler a.a.O., S. 179 f. Micheler a.a.O., S. 180. Micheler a.a.O., S. 179. Ebda. Ebda. Ebda. Micheler a.a.O., S. 183. Micheler a.a.O., S. 184.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Vorschriften im Wege der Gesamtanalogie auf den Verkehr mit unverbrieften Effekten auszudehnen65. Obwohl den Ausführungen Michelers in zentralen Punkten zuzustimmen ist, kann ihnen im Ergebnis nicht gefolgt werden. Beizupflichten ist ihr darin, dass es beim Verkehr mit unverbrieften Effekten ebenso wie im Wertpapierverkehr darum geht, ausschließlich zugeordnete Rechte vom Inhaber auf eine andere Person zu übertragen. Doch genügt dies allein zur analogen Anwendung der Vorschriften des Wertpapierrechts auf unverbriefte Effekten nicht. Die von Micheler befürwortete Gesamtanalogie ist mit dem Verweis auf die Rechtsnatur der Finanzinstrumente allein nicht hinreichend begründet. Schon oben wurde gezeigt, dass die Vergleichbarkeit der Interessenlage nicht hinreichend dargelegt ist66 . An dieser Stelle ist noch ein weiterer Einwand gegen eine Analogie zu nennen: Micheler tritt im Ergebnis nicht für eine Gleichstellung, sondern für eine weitgehend unterschiedliche Behandlung von körperlichen Wertpapieren und körperlosen Finanzmarkttiteln ein. So muss sie zum Beispiel einräumen, dass die Legitimationsfunktion bei unverbrieften Effekten in anderer Weise erfüllt wird als bei herkömmlichen Urkunden67. Denn eine Vorlage wie beim Wertpapier komme nicht in Betracht. Stattdessen erfolge die Legitimation über Buchungen. Dies zwingt Micheler zu grundlegenden Abweichungen vom wertpapierrechtlichen Modell. Beispielsweise will sie das Prinzip, nach dem der Inhaber durch das Dokument legitimiert ist und der Schuldner durch Leistung an ihn von seiner Verpflichtung frei wird, im Effektengiroverkehr durch eine andere Regel ersetzen. Diese lautet, dass die Wertpapiersammelbank berechtigt ist, vom Emittenten die Leistung zu verlangen, und dass der Emittent durch Leistung an die Wertpapiersammelbank von seiner Verpflichtung frei wird68 . Diese Regel unterscheidet sich von ihrem wertpapierrechtlichen Original so sehr, dass man von einer analogen Anwendung kaum noch sprechen kann. Auch die Voraussetzungen der Übertragung von Wertpapieren und unverbrieften Effekten fallen nach Michelers Konzept weit auseinander. Die bei den körperlichen Gegenständen erforderliche Übergabe ist im Effektenverkehr mangels Besitzes nicht möglich. An deren Stelle soll daher nach Michelers Auffassung die Buchung treten69. Das hat nur noch entfernt etwas mit einer analogen Anwendung zu tun. Wieder ist die Abweichung zum Wertpapierrecht deutlich. Die von Micheler beschriebenen tatsächlichen Vorgänge bei der Übertragung zwischen den Depotbanken70 zeigen darüber hinaus ganz plastisch die Schwie65 66 67 68 69 70

Ebda. Siehe o. S. 182. Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 184–187. Micheler a.a.O., S. 184. Micheler a.a.O., S. 187. Micheler a.a.O., S. 189–209.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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rigkeiten auf, die auf die physische Übergabe körperlicher Gegenstände zugeschnittenen Regeln des Wertpapierrechts auf den Verkehr mit Finanzinstrumenten zu übertragen. Die Praxis hat hier ein ausgefeiltes System ent wickelt, das im ersten Teil der Untersuchung dargestellt wurde. Es bereitet nicht geringe Probleme, die für den Eigentumsübergang an Urkunden bestehenden Voraussetzungen auf dieses System anzuwenden. Wo ist die „Einigung“, wo die „Übergabe“? Die von Micheler gegebene Antwort fällt recht komplex aus71. Es würde zu weit führen, sie an dieser Stelle in allen Einzelheiten darzulegen72 . Hier genügt es festzustellen, dass die Vorschriften zur Übertragung von Wertpapieren auf unverbriefte Effekten nicht passen. Dasselbe gilt auch für die Regelung des Erwerbs vom Nichtberechtigen. Anders als Einsele hält Micheler ihn im Effektenverkehr für möglich. Ihrer Auffassung nach ist dazu das Vertrauen auf den Anschein eines Papierdokuments durch das Vertrauen in den Buchungsmechanismus zu ersetzen73. Einen guten Glauben im Effektenverkehr hält Micheler ebenfalls für denkbar. Zwar würden Titel im Effektengiroverkehr durch einen Abwicklungsmechanismus und nicht durch Menschen übertragen. Doch verweist sie darauf, dass immerhin die Systemteilnehmer gutgläubig sein könnten. Titel werden nämlich in der Regel nur dann umgeschrieben, wenn auf dem Konto des Veräußernden eine bestimmte Deckung vorhanden sei. Erfolge eine Gutschrift zugunsten des Erwerbers, könne sich ein Vertrauen auf die Inhaberschaft bilden74. Da der Erwerber unter normalen Umständen nicht wisse, von wem er sein Recht erlange, werde der gutgläubige Erwerb allerdings zum Regelfall75. Außerdem stelle sich die schwierige Frage, wie der durch ihn eintretende Rechtsverlust zu verteilen sei. Diskutiert wird insbesondere, ob der Inhaber des Kontos, dem der Titel gutgeschrieben war, den Verlust allein zu tragen habe oder wie im Fall des § 7 II DepotG alle Hinterleger gemeinsam für die Folgen des gutgläubigen Erwerbs aufkommen müssten. Micheler spricht sich für die erste Lösung aus, weil der betroffene Kontoinhaber den Verlust am besten vermeiden könne; schließlich erhalte er einen Depotauszug76 . Ungeachtet dessen, ob dem zu folgen ist, zeigt allein die Fragestellung, dass der gutgläubige Erwerb im Verkehr mit Effekten zahlreiche Besonderheiten gegenüber dem mit körperlichen Gegenständen aufweist. Außerdem bereitet auch die Anwendung der bürgerlichrechtlichen Regelungen über die Vermischung und Vermengung auf Finanzmarkttitel nicht geringe Probleme. Zu ihr kann es kommen, wenn einem Kontoinhaber zu Unrecht Werte eines anderen Kontoinhabers gutgeschrieben werden. Meist handelt es 71 72 73 74 75 76

Micheler a.a.O., S. 194–197. Siehe dazu u. S. 397. Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 217. Micheler a.a.O., S. 217. Micheler a.a.O., S. 220. Micheler a.a.O., S. 218–220.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

sich dabei um ein Versehen, also um eine sogenannte Fehlbuchung. Dieser Fall ist von dem des gutgläubigen Erwerbs zu unterscheiden, da der begünstigte Kontoinhaber bei der Fehlbuchung nicht rechtsgeschäftlich erworben hat. Letzterer Konstellation gleichzustellen ist die nichtige oder mit ex tunc-Wirkung anfechtbare Übertragung. Nach Micheler ist hier von einem Herausgabeanspruch des Inhabers des zu Unrecht belasteten Kontos auszugehen 77. Dieser richte sich auf die ohne rechtliche Grundlage übertragenen Werte, die auf dem Konto mit anderen Werten vermischt wurden. Wie aber, so ihre Frage, ist dieser Anspruch zu verwirklichen, wenn der Inhaber des Kontos, auf dem die Werte zu Unrecht gutgeschrieben wurden, bereits über diese verfügt hat? Insoweit scheint es nahe zu liegen, die veräußerten Werte anteilig vom Herausgabeanspruch abzuziehen, ähnlich wie der Anspruch nach § 7 II DepotG bei Verlusten am Sammelbestand reduziert wird. Micheler spricht sich indessen gegen diese Lösung aus. Ihrer Ansicht nach soll vielmehr der wahre Inhaber die Herausgabe so lange in vollem Umfang verlangen können, wie der Depotinhaber noch über genügend Werte verfügt, um ihn zu befriedigen. Erst wenn dies nicht mehr der Fall ist, sei der Anspruch anteilig zu kürzen78 . Begrüßenswert ist die Absicht Michelers, dem Recht des Depotinhabers möglichst weitgehende Wirkung zukommen zu lassen. Auf den ersten Blick erscheint es gerechtfertigt, dass der Inhaber des Kontos, auf dem fälschlich die Gutschrift erfolgte, den Herausgabeanspruch aus seinen Eigenbeständen so lange erfüllen muss, wie sie noch zur Befriedigung ausreichen. Denn die unkörperlichen „Werte“ sind in seinem Vermögen noch immer vorhanden. Jedoch hat diese Lösung mit dem geltenden Sachenrecht kaum etwas zu tun. Die Vermischung und Vermengung führt nach § 948 i.V.m. §§ 947 f. BGB zum Miteigentum. Daher beschränkt sich das Recht des früheren Eigentümers auf einen Anteil an dem neuen Gegenstand. Warum es bei unkörperlichen Werten anders sein sollte, bedarf der Begründung. Diese ergibt sich, wenn man auf die tatsächlichen Unterschiede zwischen dem Recht der Sachen und dem der Finanzmarkttitel abstellt. Rein äußerlich hat die Fehlbuchung beziehungsweise nichtige oder mit ex tunc-Wirkung anfechtbare Buchung mit der Vermengung körperlicher Gegenstände nicht viel gemein. In dem einen Fall wird eine Eintragung auf einem Konto vorgenommen, im anderen Fall werden äußerlich greifbare Dinge in untrennbarer Weise miteinander vermischt. Aufgrund ihrer unkörperlichen Struktur besteht bei Finanzprodukten gar nicht die Möglichkeit einer Vermischung; sie existieren nur in der menschlichen Vorstellung und nur als unkörperliche Buchungsposten. Aus diesem Grund sind die Umstände gänzlich anders als bei körperlichen Gegenständen. Eine Verbindung dieser beiden Vorgänge ergibt sich nur daraus, dass Micheler eine Analogie zu den sachenrechtlichen 77 78

Micheler a.a.O., S. 222. Micheler a.a.O., S. 223 f.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

263

Vorschriften über die Vermengung ziehen will. Gegen eine solche Analogie spricht aber, dass die zugrundeliegenden Vorgänge nicht nur in tatsächlicher Weise voneinander abweichen, sondern dass sie nach Michelers eigener Ansicht auch im Ergebnis unterschiedlich zu behandeln sind. Insgesamt erweisen sich die Regelungen des Wertpapier- und des Sachenrechts daher als ungeeignet zur Anwendung auf den Verkehr mit unkörperlichen Effekten. Obwohl an vielen Stellen Berührungspunkte bestehen und die Interessenlage manchmal vergleichbar ist, wirkt sich doch die unkörperliche Natur der Finanzmarkttitel in weitgehenden Besonderheiten aus. Es ist zwar nicht unmöglich, das dritte Buch des BGB auch auf die Vorgänge im Effektengiroverkehr anzuwenden. Doch müsste man sie dazu in die sachenrechtlichen Vorschriften „pressen“, wie Claus-Wilhelm Canaris zu Recht hervorhebt79. Eine solche Vorgehensweise hat nicht nur rechtsästhetische Mängel. Sie ist darüber hinaus mit dem Manko des Rückwärtsgewandten behaftet. Eine analoge Anwendung des Sachen- und des Wertpapierrechts auf unverkörperte Finanzmarktprodukte wäre zweifellos ein solcher Rückschritt. Auch die Einordnung zwischen Schuld- und Sachenrecht überzeugt daher nicht.

II. Notwendigkeit eines eigenen Rechtsgebiets 1. Unmöglichkeit der Einordnung in Schuld- und Sachenrecht Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass sich moderne Finanzmarkttitel nicht in die bekannte Zweiteilung in Schuld- und Sachenrecht einordnen lassen. Sieht man sich die verschiedenen Versuche zur Kategorisierung der modernen Effekten an, so kommt man um den Eindruck nicht umhin, hier werde eine Unterscheidung auf einen Gegenstand angewandt, der sich ihr entzieht. Finanzmarktprodukte sind weder reine Ansprüche noch körperliche Gegenstände. Sie haben zwar vielfach eine schuldrechtliche Grundlage. Beispielsweise sind die Anleihe oder die Option auf einen Vertrag gegründet. Diese vertragsrechtliche Komponente erschöpft sie aber nicht. Denn sie werden ähnlich wie Waren gehandelt und übertragen. Insoweit ergibt sich eine enge Beziehung zum Recht der Sachen, denn ebenso wie diese bedürfen Finanzmarkttitel der sicheren Zuordnung. Andererseits sind Effekten nicht mit körperlichen Gegenständen gleichzusetzen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass es bei ihnen an einem greifbaren Bezugsobjekt mangelt. Sie mögen ökonomisch eine ähnliche Funktion erfüllen wie Sachen, aber sie bleiben unkörperlich. Schließlich wird eine Einordnung zwischen Schuld- und Sachenrecht den sowohl im Vergleich zu Ansprüchen als auch körperlichen Gegenständen bestehenden Be79

Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2022.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

sonderheiten der Finanzmarkttitel nicht gerecht. Sie bliebe eine bloße Verlegenheitslösung, welche die wahre Natur der unkörperlichen Effekten verdeckt und zu neuen Problemen führt.

2. Verwerfung der Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht? Die Frage ist, wie man sich angesichts dieses Befunds verhalten soll. Ist etwa die Dichotomie in Schuld- und Sachenrecht gänzlich zu verwerfen? In der Tat sprechen viele Anhaltspunkte dafür, dass die Unterscheidung zwischen beiden Rechtsgebieten nicht in allen Punkten sauber durchzuführen ist. So lässt sich das Anwartschaftsrecht weder rein schuld- noch rein sachenrechtlich erklären. Es steht vielmehr zwischen beiden Gebieten, indem es der schrittweisen Erfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs sachenrechtliche Wirkungen zukommen lässt. Ähnlich verhält es sich mit der Vormerkung: Sie dient der Sicherung einer Forderung und ist an deren Existenz gebunden, aber ihre Folge ist die Einschränkung der Wirksamkeit von Verfügungen des Eigentümers80 . Dergleichen Erscheinungen, die die Löchrigkeit der Zweiteilung in Schuld- und Sachenrecht demonstrieren, gibt es mehr. Zu ihnen gehört beispielsweise das dingliche Vorkaufsrecht81 oder das Pfandrecht und der Nießbrauch an Rechten82 . Darüber hinaus lassen sich auch das Trennungs- und das Abstraktionsprinzip kritisieren, welche aus dem streng verstandenen Dualismus zwischen Schuld- und Sachenrecht folgen. Gegen beide Prinzipien ist einzuwenden, dass sie der Realität der Lebensbeziehungen fremd sind. Der Verkehr unterscheidet nicht zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften. Praktisch fallen sie fast immer zusammen. Dass es sich trotzdem um getrennte Geschäfte handeln soll, ist für den Laien schwer einsehbar. Selbst Jurastudenten bedürfen in der Regel mehrerer Semester, um sich an die unnatürliche Konstruktion verschiedener voneinander unabhängiger Verträge zu gewöhnen. Dem Schutz des Verkehrs dient sie nur begrenzt, da dieser schon über die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs hinreichend gewährleistet ist. Durch das Abstraktionsprinzip wird der Verkehrsschutz sogar übertrieben. Denn eine Verfügung ist selbst dann wirksam, wenn dem Erwerber bekannt ist, dass das Verpflichtungsgeschäft, auf dessen Grundlage der Veräußerer seine Rechtsstellung erlangt hat, nichtig ist. Angesichts dieser und weiterer Probleme, die hier aufgrund des begrenzten zur Verfügung stehenden Raums nicht dargelegt werden können, hat Jens Thomas Füller die provokante Frage gestellt, ob ein selbständiges Sachenrecht überhaupt noch haltbar ist83. Im Ergebnis verneint er sie. Stattdessen schlägt er vor, 80 81 82 83

§ 883 II BGB. § 1098 II BGB. Dazu o. S. 195 f. Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 110 und passim.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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die Regelungen des dritten Buchs des BGB auf andere Rechtsgebiete zu verteilen. Beispielsweise sollen dem Allgemeinen Teil die Vorschriften über das Eigentum, das Nachbarrecht und über Grundstücke zugeschlagen werden84. Der Vindikationsanspruch und die Vormerkung seien in die Grundbuchordnung auszulagern, ebenso wie die Regelungen über den Eigentumserwerb in den Fällen der Vermischung, Verbindung und Verarbeitung85 und die über den Erwerb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache86 . In das Schuldrecht wären Füllers Ansicht zufolge die Vorschriften über das Miteigentum87 und der Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB zu transferieren. Der Eigentumserwerb wäre beim Kaufvertrag, das Fundrecht bei der Geschäftsführung ohne Auftrag zu verorten. Die treuhänderisch übertragenen Sicherungsrechte wie Grundpfandrecht, Pfandrecht und Sicherungseigentum sollten seiner Auffassung nach in einem eigenen Kreditsicherungsrecht geregelt werden88 . Einer solchen gänzlichen Abkehr von der Dichotomie in Schuld- und Sachenrecht ist jedoch zu widersprechen. Anders als Füller meint, ist die Gegenüberstellung zumindest im Kern berechtigt. Hinter ihr steckt mehr als nur eine künstliche Unterscheidung der Pandektenwissenschaft. Das Sachenrecht betrifft die Frage des Habens, des Meins und des Deins, das Schuldrecht dagegen das flüchtigere Bekommensollen89. Der Unterschied ist kategorialer Natur. Er hat auch Auswirkungen auf die Rechtsfolgen. Weil das Schuldrecht dynamische Sachverhalte regelt, bestehen die in ihm geregelten Rechte nur zwischen bestimmten Personen. Die Parteien können ein Mehr an Pflichten vereinbaren, als sie einander allgemein schulden; dazu bedarf es einer besonderen rechtlichen Begründung in Form eines Vertrags. Sachenrechte hingegen bedürfen einer solchen Grundlage nicht. Sie wirken ohne weiteres gegenüber jedermann, weil sie ein Gut einem Rechtsgenossen im Verhältnis zu allen anderen zuordnen. Ihr Inhalt ergibt sich nicht aus einem besonderen Rechtsgeschäft oder sonstigen Akt, sondern aus dem Gesetz selbst. Deutlich wird der Unterschied am Beispiel eines simplen Kaufvertrags: Der Verkäufer ist dem Käufer besonders verpflichtet; er hat ihm Eigentum und Besitz an der Kaufsache zu verschaffen; dies beruht auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen beiden. Ist der Käufer jedoch Eigentümer geworden, so hat jedermann diese Rechtsposition zu beachten. Eines besonderen Rechtsgeschäfts bedarf es dazu nicht. Die Verpflichtung folgt allein aus ihrer gesetzlichen Anordnung und nicht aus der vertraglichen Selbstbestimmung der Parteien.

84 85 86 87 88 89

Vgl. dazu und zum Folgenden Füller a.a.O., S. 567–570. §§ 946–949 BGB. §§ 953–957 BGB. §§ 741–758 BGB. Füller, Eigenständiges Sachenrecht?, S. 569 f. Vgl. schon o. S. 218 f.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Die Differenzierung in Schuld- und Sachenrecht hebt damit zutreffend die grundsätzliche Verschiedenheit zweier unterschiedlicher Problemkreise hervor, nämlich der Güterbewegung und der Güterzuordnung, die oben herausgearbeitet wurde90 . Beide überschneiden sich zwar, denn die Güterbewegung zielt im Ergebnis auf eine Änderung der Güterzuordnung. Doch sind sie zu unterscheiden. Denn sie verwirklichen verschiedene Zwecke: Die im Schuldrecht anerkannte Möglichkeit, sich zur Übertragung von Vermögensgegenständen in beliebiger Weise verpflichten zu können, erlaubt die privatautonome Gestaltung von Rechtsbeziehungen. Die absolute Zuordnung des Sachenrechts zu einem Inhaber unabhängig von etwa bestehenden schuldrechtlichen Verpflichtungen schafft dagegen Rechtssicherheit. Beide Faktoren stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis, aber keiner von ihnen ist verzichtbar. Insgesamt muss man daher in der Unterscheidung zwischen Schuld- und Sachenrecht eine bedeutsame dogmatische Leistung sehen. Im Kern ist sie beinahe allen Rechtsordnungen bekannt. Der französische Code civil unterscheidet seiner Grundstruktur nach das Recht der „Güter“ (biens) von den „Arten, auf die man das Eigentum erwirbt“ (différentes manières dont on acquiert la propriété); er erkennt damit den Dualismus Güterbewegung und Güterzuordnung an. Das angelsächsische Recht differenziert klar zwischen dem Vertragsrecht und dem Recht des Eigentums, zwischen „contract law“ und „property law“. Dem BGB und der deutschen Dogmatik gebührt das Verdienst, diese rudimentären Unterscheidungen zu einem kompletten System ausgebaut zu haben. Das hatte Auswirkungen auf weitere Länder. Zum Beispiel haben Italien und Spanien neben das Recht des Eigentums ein „Obligationenrecht“ nach dem Modell des Schuldrechts gestellt91. Auch das Sachenrecht findet sich in anderen Rechtsordnungen wieder. Selbst das Niederländische Bürgerliche Gesetzbuch, das als eines der modernsten gilt, verzichtet nicht darauf, es in einem eigenen Buch zu regeln92 . Die Frage ist daher nicht, ob es des Sachenrechts als eigenständigen Rechtsgebiets bedarf. Das Problem besteht vielmehr in seiner Begrenzung auf körperliche Gegenstände. Das zeigt auch der Blick in die oben genannten Rechtsordnungen. Obwohl beispielsweise das spanische und das italienische Recht die Kategorie des deutschen Schuldrechts übernehmen, wählen sie statt der Bezeichnung „Sachenrecht“ die des „Eigentums“. Letztere umfasst neben den Rechten an körperlichen auch solche an unkörperlichen Gegenständen93. Und das niederländische Bürgerliche Gesetzbuch sieht das Sachenrecht nur als Teil eines umfassenden Rechtsgebiets, des Vermögensrechts, an94. 90

Siehe o. S. 218 ff. Siehe das dritte und vierte Buch des italienischen Codice civile sowie das zweite und vierte Buch des spanischen Código civil. 92 Siehe das fünfte Buch des niederländischen BW. 93 Siehe dazu o. S. 238. 94 Siehe o. S. 242 ff. 91

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

267

3. Erweiterung des Sachenrechts Statt über die Abschaffung des Sachenrechts sollte man daher über seine Erweiterung nachdenken. Die Begrenzung des dritten Buchs des BGB auf körperliche Gegenstände hat dazu geführt, dass man die Zuordnung unkörperlicher Güter als Regelungsaufgabe vernachlässigte. Diese werden entweder als bloße Schuldrechte behandelt oder müssen verkörpert sein, um sie wie Sachenrechte zuordnen zu können. Die moderne Entwicklung hin zur Entmaterialisierung aller Bereiche des Lebens lässt dagegen das Bedürfnis nach der Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände offen zu Tage treten. Es stellt sich die Aufgabe, diese Gegenstände ebenso wie körperliche einem Inhaber zuzuordnen. Dazu genügt nicht länger der „Trick“ des Wertpapierrechts, durch den der enge Sachbegriff bislang überwunden wurde, denn die Verbriefung in einer Urkunde hat sich in der Praxis überholt. Der einzige Ausweg besteht darin, die Begrenzung des Sachenrechts auf körperliche Gegenstände selbst zu überwinden. Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen müssen als solche anerkannt werden. Diese sind in das bestehende System aus Schuld- und Sachenrechten zu integrieren und gleichzeitig von diesen abzugrenzen. Dazu ist ein neues Rechtsgebiet einzuführen, das sowohl körperliche als auch unkörperliche Vermögensgegenstände erfasst.

III. Einführung eines Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände 1. Aufgabe Die Unzulänglichkeiten des Bürgerlichen Gesetzbuchs lassen sich nur überwinden, wenn man neben den körperlichen Sachen weitere Gegenstände als Vermögensbestandteile anerkennt. Oben wurde gezeigt, dass das BGB Rechte an unkörperlichen Gegenständen vernachlässigt95. Es wurde weiter aufgezeigt, dass es sich damit zunehmend in Widerspruch zur sozialen Realität setzt, in der zahlreiche nicht fassbare Werte eine bedeutende Rolle spielen96 . Ebenfalls wurde nachgewiesen, dass aus institutionenökonomischer Sicht ein Bedürfnis besteht, Verfügungsrechte in neuen Bereichen anzuerkennen, auch dort, wo kein physisches Substrat vorhanden ist97.

95 96 97

Siehe o. S. 184 ff. Siehe o. S. 228 ff. Siehe o. S. 231 ff.

268

2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Das derzeitige deutsche Recht erfüllt diese Aufgaben und Bedürfnisse nur unzureichend. Zwar sind verschiedene Berechtigungen ohne äußeren Bezugsgegenstand rechtlich anerkannt. Diese sind aber über unterschiedliche zivilund öffentlichrechtliche Gesetze verstreut. Es fehlt eine Einordnung der so geschaffenen Güter in das zivilrechtliche System. Sie fallen in gewisser Weise zwischen die Stühle von Schuld- und Sachenrecht. Als soziale Kategorie sind unkörperliche Vermögensgegenstände bereits vielfältig anerkannt. Der allgemeine Sprachgebrauch ist insoweit aufschlussreich. Zum Beispiel „kauft“ man eine Kilowattstunde Strom, oder man „besitzt“ Aktien, oder man „veräußert“ eine Option. Überall werden Parallelen zu körperlichen Gegenständen gezogen. Dabei stellt es offenbar kein Hindernis dar, dass die Objekte weder greifbar noch auch nur sinnlich wahrnehmbar sind. Wichtiger als ihre fehlende Körperlichkeit ist aus Sicht der Beteiligten der Wert, der ihnen zukommt. Im sozialen Sinne kann kein Zweifel an ihrer Funktion als unkörperlicher Vermögensgegenstände bestehen. Juristen weigern sich jedoch beharrlich, diese sozialen Veränderungen zur Kenntnis zu nehmen. Sie belehren den nichtjuristischen Verkehr, dass diese Rechte kein Eigentum seien, sondern es sich allein um Berechtigungen an Naturerscheinungen oder um schuld- oder mitgliedschaftliche Rechte handele. Damit leugnen sie die unabweisbare soziale Realität des immateriellen Vermögens. Um dem abzuhelfen, ist ein neues Rechtsgebiet einzuführen, welches hier provisorisch als das „Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände“ bezeichnet werden soll98 . Dieses ist nicht nur im BGB notwendig, sondern in jeder modernen Rechtsordnung. Auch ein Europäisches Privatrecht kann auf es nicht verzichten. Die Aufgabe des neuen Rechtsgebiets ist dieselbe, die das Sachenrecht hinsichtlich körperlicher Gegenstände erfüllt. Es soll die von ihm erfassten Gegenstände einem Inhaber zuweisen. Dazu muss es einerseits Vorschriften über die Feststellung der Zuordnung enthalten. Außerdem muss geklärt werden, wie die Zuordnung verändert werden kann. Zu regeln ist insbesondere, wie sich unkörperliche Rechte übertragen und verpfänden lassen. Auch sind Vorschriften über die Behandlung in der Insolvenz notwendig. Um seine Aufgabe zu erfüllen, kann sich das neue Rechtsgebiet nicht an die Regelungen des Sachenrechts anlehnen. Zu letzteren besteht zwar eine gewisse Parallele, denn auch sie ordnen Gegenstände einem Inhaber zu. Das erklärt die zahlreichen Versuche, die Vorschriften des Sachenrechts auch auf Finanzmarkttitel zu erstrecken. Diese Versuche sind jedoch, wie oben gezeigt99, untauglich, weil grundlegende Unterschiede zu den Sachen bestehen. Unkörperliche und

98 99

Zur Bezeichnung sogleich u. S. 269 ff. Siehe o. S. 253 f.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

269

körperliche Vermögensgegenstände wecken verschiedene Regelungsbedürfnisse. Daher muss das neue Rechtsgebiet inhaltlich weitgehend eigenständige Regelungen treffen.

2. Anwendungsbereich Zu klären ist zunächst, was unter unkörperlichen Vermögensgegenständen zu verstehen ist. Gemeint sind alle Rechte an nicht fassbaren Gütern, denen der Verkehr Vermögenswert beimisst. Dazu zählen zum einen Rechte an natürlichen Erscheinungen, wie Elektrizität oder Wärme. Zum anderen gehören dazu aber auch Rechte, deren Bezugspunkt nur in der juristischen Vorstellung existiert, wie Patente, Markenrechte oder Investmentanteile. Der Zusatz „unkörperlich“ ist als Gegensatz zu dem in § 90 BGB verwandten Terminus „körperlich“ zu verstehen. Er soll verdeutlichen, dass die Gegenstände dieser Rechte nicht sinnlich wahrnehmbar sind. Aus naturwissenschaftlicher Sicht bestehen allerdings Zweifel an einem solch einfachen Körperlichkeitsbegriff. Den neueren Erkenntnissen der Physik zufolge ist das, was uns als Ding erscheint, in Wahrheit nicht so körperlich, wie wir meinen. Die Relativitätstheorie hat gezeigt, dass Sachen und Energie lediglich zwei unterschiedliche Zustände sind, die ineinander übergehen können. Die Quantenphysik lehrt, dass sich Materie und Welle im Grenzbereich nicht mehr unterscheiden lassen. Die Nuklearforschung hat bewiesen, dass man Atomkerne in Protonen und Neutronen spalten kann, die sich ihrerseits wiederum aus quarks zusammensetzen, elektrisch geladenen Teilchen, zu denen es jeweils ein Antiteilchen mit entgegengesetzter Ladung gibt. Es lässt sich nicht ausschließen, dass in Zukunft die Materie noch weiter ausdifferenziert und der Energie angenähert werden wird. Mit anderen Worten, die Abgrenzung des „körperlichen“ vom „unkörperlichen“ Gegenstand ist physikalisch zweifelhaft. So interessant eine solche Argumentation auch sein mag, kann sie dennoch nicht dazu führen, die Trennung zwischen beiden Kategorien zu verwerfen. Denn der Jurist ist nicht der naturwissenschaftlichen Richtigkeit verpflichtet. Er bewegt sich auf einer anderen Ebene, der der normativen Kategorien. Diese werden nicht durch empirische Erkenntnisse gebildet, sondern orientieren sich an der Aufgabe des Rechts, soziale Ordnung herzustellen. Dieser Aufgabe müssen die Rechtsbegriffe entsprechen. Für den Juristen zählt daher nicht das physikalische Verständnis der Begriffe, sondern die Bedeutung, in der sie zur Regelung von menschlichen Beziehungen normalerweise verwendet werden. Das juristische Weltbild ist ein „natürlich-soziales“, wie Engisch sagt100 . Daher erscheint es durchaus angebracht, den Anwendungsbereich des

100

Engisch, Vom Weltbild des Juristen, S. 15.

270

2. Teil: Kritik des Sachenrechts

neuen Rechtsgebiets unter Rückgriff auf die fehlende Körperlichkeit des Bezugsgegenstands zu definieren. Denn die Rechte an sinnlich nicht wahrnehmbaren Gütern wecken andere Regelungsbedürfnisse als die an körperlichen. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Kombination des Begriffs „unkörperlich“ mit dem des „Gegenstands“. Letzterer gehört zu den umstrittensten der Rechtswissenschaft101. Das liegt daran, dass es sich um einen Grundbegriff handelt, der keiner weiteren Definition fähig ist. Hier soll daher gar nicht erst versucht werden, seinen Inhalt abschließend zu klären. Vielmehr genügt es, auf den Wortlaut des § 90 BGB zu verweisen. Dieser erwähnt körperliche Gegenstände. Er erkennt damit indirekt an, dass es auch unkörperliche Gegenstände gibt. Die Motive weisen darauf hin, dass der Begriff des Gegenstands verwendet wird, wenn eine Norm sich sowohl auf Sachen als auch auf Rechte beziehen soll102 . Die wichtigsten unkörperlichen Gegenstände scheinen damit Rechte zu sein. Allerdings ist für den Begriff des Rechts die Körperlichkeit irrelevant, denn alle Rechte sind unkörperlich, auch solche an körperlichen Gegenständen. Das Adjektiv „unkörperlich“ auf ein Recht anzuwenden, wäre daher ein Pleonasmus. In diesem Buch wird das Wort daher lediglich im Zusammenhang mit dem Bezugsgegenstand des Rechts verwendet. Soweit dieser unkörperlich ist, fällt das Recht in den Anwendungsbereich des neuen Gebiets, soweit er körperlich ist, fällt es in den des Sachenrechts. Gegen das Konzept des Rechts mit unkörperlichem Bezugsgegenstand könnte man jedoch Vorbehalte haben. Insbesondere ließe sich einwenden, dass ausschließlich die sinnlich wahrnehmbaren Dinge der Außenwelt der Bezugspunkt von Vermögensrechten sein können, denn nur sie seien mit ausreichender Sicherheit nachweisbar. Ein sinnlich nicht wahrnehmbarer Gegenstand sei eigentlich keiner. Mit der Kategorie der „Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen“ werde daher nur verschleiert, dass es diesen Rechten an einem Objekt fehle. Mangels eines real existierenden Bezugspunkts griffen sie quasi ins Leere. Das gelte insbesondere hinsichtlich der Finanzmarkttitel, die sich 101 Überblick bei Jickeli/Stieper, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 90–103 Rdnrn. 3–6. Eine eingehende Darstellung der Entwicklung findet sich bei Haedicke, Rechtskauf und Rechtsmängelhaftung, S. 58–66. Nach formaler Auffassung sind als Gegenstände alle Objekte von subjektiven Rechten anzusehen, das heißt alles, worauf sich ein Recht beziehen kann, ist ein Gegenstand, so Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, S. 760. Ähnlich Planck’s Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, S. 170, wonach „alles, worauf sich das Rechtsgeschäft bezieht“, als Gegenstand anzusehen sei. Dem steht die Definition des Gegenstands als „rechtlich geschütztes Gut“ nahe, vgl. Jickeli/Stieper a.a.O., Rdnr. 6. Einer anderen Ansicht zufolge bezeichnet der Begriff dagegen nur die möglichen Objekte eines Verfügungsgeschäfts, vgl. Sohm, Der Gegenstand, S. 7; ders., ArchBR 28 (1906), 173 (185 f. Fußn. 8). Dem wird eine dritte Auffassung entgegengesetzt, nach der der Gegenstand ein nicht näher definierbares „etwas“ sei, vgl. Binder, ZHR 59 (1906), 1 (12); ders., ArchBR 34 (1910), 209 (216). 102 Mot. bei Mugdan, III, S. 33.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

271

nicht auf derzeit existierende Gegenstände, sondern auf zukünftige Leistungen beziehen. Am Ende bezöge sich alles Recht doch bloß auf die Verteilung und Zuteilung real existierender Güter. In Wahrheit richteten sich diese Titel gegen Personen und gehörten daher ins Schuldrecht, aber nicht in ein eigenes Rechtsgebiet. Der Einwand wiegt schwer, denn hinter ihm verbergen sich ganz grundsätzliche und in der Bevölkerung weit verbreitete Vorbehalte gegen die Entmaterialisierung. Sie wird vielfach als Gefahr begriffen, als Verflüchtigung alles Tatsächlichem, als Ursache dafür, dass dem Einzelnen Werte zunehmend aus den Händen gleiten. Der Finanzkapitalismus ohne Bezug zu reellen Vermögenswerten scheint geradezu als Paradigma für diese Gefahr. Hier geht es jedoch nicht darum, diesen zu rechtfertigen. Vielmehr soll lediglich der sozialen Realität Rechnung getragen werden. In der täglichen Praxis werden Rechte ohne körperlichen Bezugsgegenstand als mindestens ebenso wertvoll angesehen wie Rechte an physisch vorhandenen Gütern. Dieser sozialen Realität muss sich die Rechtsordnung stellen. Wann ein unkörperlicher Gegenstand Vermögenswert hat, ist eine schwierige Frage, die später geklärt werden soll103. An dieser Stelle genügt es, als unkörperliche Vermögensgegenstände alle nicht sinnlich wahrnehmbaren Objekte anzusehen, die Gegenstand des Verkehrs sind und daher der Zuordnung bedürfen. Dazu zählen zum Beispiel Finanzmarkttitel, aber auch Rechte an natürlichen Erscheinungen wie Elektrizität oder Fernwärme. Man könnte diese Erscheinungen auch mit dem Ausdruck „unkörperliche Güter“ zusammenfassen. Die Bezeichnung hat mehrere Vorteile. Zum einen lehnt sie sich an die Begrifflichkeit anderer Staaten an. Die französischen „biens“, die italienischen „beni“ oder die spanischen „bienes“ lassen sich wörtlich mit „Güter“ übersetzen104. Zum anderen findet sich der Ausdruck in der Unterscheidung zwischen „Güterbewegung“ und „Güterzuordnung“ wieder, die oben als Hintergrund der Zweiteilung in Schuld- und Sachenrecht herausgearbeitet wurde105. Allerdings gelten in Deutschland als „Rechtsgüter“ auch andere Erscheinungen, die keinen Bezug zum Vermögen aufweisen, zum Beispiel das Leben, der Körper, die Gesundheit und die Freiheit106 . Zur Vermeidung von Missverständnissen ist daher der Ausdruck „Vermögensgegenstand“ vorzuziehen. Soweit in dieser Arbeit der Begriff des Guts verwendet wird, bezeichnet er dasselbe.

103 104 105 106

Siehe u. S. 275 ff. Vgl. o. S. 237 ff. Siehe o. S. 218 ff. Vgl. z.B. Palandt/Sprau, § 823 Rdnrn. 2–6.

272

2. Teil: Kritik des Sachenrechts

3. Inhalt Das neue Rechtsgebiet umfasst verschiedene Regeln für unterschiedliche Arten unkörperlicher Vermögensgegenstände. Dies erfordert eine Aufspaltung in Unterkategorien. Sie könnte wie folgt aussehen: Vermögensgegenstände

körperliche

Finanzinstrumente

unkörperliche

Immaterialgüterrechte

Forderungen

Naturkräfte (Elektrizität, Wärme)

Abbildung 1

Die hier als unkörperlich bezeichneten Vermögensgegenstände sind sehr unterschiedlich. Das erklärt sich schon aus ihrer Entstehung. Manche von ihnen, wie Elektrizität und Wärme, sind in der Natur vorhanden. Sie werden zu Vermögensgegenständen, indem man sie der menschlichen Beherrschung unterwirft und in den Verkehr einführt. Andere sind dagegen Produkte des menschlichen Geists. Insoweit sind wiederum zwei Arten zu unterscheiden: Zur ersten gehören Erfindungen, geistige Werke oder Kennzeichen. Das Recht kreiert sie nicht, es verleiht ihnen nur seinen Schutz. In eine zweite Kategie wird man dagegen ausschließlich juristische Erfindungen einzuordnen haben. Zu ihnen gehören zum Beispiel die Finanzinstrumente: Sie sind ohne rechtliche Regelung nicht nur nichts wert, sondern gar nicht vorstellbar. Es ist ersichtlich, dass die verschiedenen Arten der unkörperlichen Vermögensgegenstände recht heterogen sind und ganz unterschiedliche Regelungen erfordern. Diese können hier nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden. Die Ausarbeitung muss den Spezialisten überlassen bleiben, die sich mit der jeweiligen Materie befassen107. An dieser Stelle können nur allgemeine Ausführungen gemacht werden. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick gegeben, mit welchen Fragen sich das neue Rechtsgebiet beschäftigen muss. 107

Zu Regelungen für Finanzinstrumente vgl. u. S. 346 ff.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

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Für diejenigen Gegenstände, die nicht in der natürlichen Welt angetroffen werden, sondern juristische Kopfgeburten sind, bedarf es Regelungen darüber, wie sie geschaffen werden. Zum Beispiel ist zu klären, ob für sie ein numerus clausus oder der Grundsatz der Privatautonomie gelten sollte. Für alle Arten immaterieller Werte sind weiter Ausführungen darüber notwendig, auf welche Weise die Berechtigung an ihnen festgestellt werden kann. Die Aufgabe des neuen Rechtsgebiets ist ihre Zuweisung zu einem Inhaber. Diese kann nur mit präzisen Zuordnungsregeln erfüllt werden. Der Schlüssel zu ihnen liegt in der Publizität. Diese ist bei körperlichen Sachen durch den Besitz beziehungsweise die Besitzverschaffungsmacht gewährleistet. Es stellt sich die Frage, wie sich eine vergleichbare Zuordnung bei nicht sichtbaren Werten durchführen lässt. Außerdem sind Regeln darüber erforderlich, wie die Zuweisung an einen Inhaber verändert werden kann, das heißt, wie sich die Rechte an den unkörperlichen Gütern übertragen lassen. Die Übertragbarkeit ist unter den Bedingungen knapper Ressourcen notwendig, um sie der effizientesten Nutzung zuzuführen. Das gilt auch und gerade bei Rechten ohne materiellen Bezugsgegenstand, zum Beispiel Patentrechten. Eine Wohlfahrtsoptimierung ist nur unter den Bedingungen freier Übertragbarkeit möglich. Die Regelungen dazu können nicht für alle immateriellen Gegenstände gleich ausfallen, weil die reellen Voraussetzungen verschieden sind. Ein Patent etwa ist nach anderen Vorschriften zu übertragen als Rechte an elektrischem Strom. Eng im Zusammenhang mit der Übertragung steht das Problem des gutgläubigen Erwerbs. Er ist notwendig, um einen Verkehr mit Rechten an immateriellen Vermögensgegenständen zu ermöglichen. Dazu kommen verschiedene Modelle in Betracht. Das zeigt sich bei den Rechten an körperlichen Gegenständen: Hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs des Eigentums an unbeweglichen Sachen wird an eine Registereintragung angeknüpft; beim Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen vom Nichtberechtigten spielt der Besitz eine entscheidende Rolle. Für Rechte ohne körperlichen Bezugsgegenstand sind Anknüpfungspunkte für den guten Glauben erst noch zu finden. Schließlich sind allgemeine Vorschriften über den Schutz des Rechts am unkörperlichen Vermögensgegenstand notwendig. Denn seine Zuordnung zu einem Inhaber ist nur dann wirksam, wenn diese auch gegen Angriffe von Dritten durchgesetzt wird. Die Absolutheit der Zuordnung verlangt daher Schutzvorschriften ähnlich denen des § 985 BGB oder des § 823 I BGB. Außerdem ist der Schutz in der Insolvenz zu überdenken.

274

2. Teil: Kritik des Sachenrechts

4. Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Das neue Gebiet soll Rechte an unkörperlichen Gegenständen nicht insgesamt in allen Beziehungen regeln. Vielmehr erfasst es sie nur insoweit, als es um ihre Zuweisung an einen Inhaber geht. Weitere Aufgaben im Zusammenhang mit ihnen, zum Beispiel die genaue Bestimmung des Inhalts eines Patents oder der Rechte und Pflichten aus einem Finanzmarktprodukt, sollen anderen Rechtsgebieten überlassen bleiben.

IV. Einführung eines Vermögensrechts 1. Aufgabe Das Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände ist wie gesehen vom Sachenrecht strikt zu unterscheiden108 . Dennoch hat es viele Bezüge zu ihm, denn beide haben die Aufgabe, Berechtigungen an Gütern zuzuordnen. In dem einen Fall handelt es sich um unkörperliche, in dem anderen um körperliche. Für beide ist daher ein neuer Oberbegriff zu bilden. Dazu bietet sich das Konzept des „Vermögensrechts“ an. Als Vorbild kann das moderne niederländische Bürgerliche Gesetzbuch dienen. Dieses enthält wie gesehen in seinem dritten Buch gemeinsame Regelungen über Sachen und registrierte Güter, und zwar unter der Überschrift „Vermögensrecht im Allgemeinen“109. Es ist der Allgemeine Teil eines neuen Rechtsgebiets, des Vermögensrechts. Man kann die Aufgabe des „Vermögensrechts“ weit fassen und sie darin sehen, alle vermögensrechtlichen Beziehungen zu ordnen. In diesem Sinne wird der Begriff im dritten Buch des niederländischen BW verwendet. Ebenfalls weit versteht Jens Thomas Füller die Aufgabe des von ihm so genannten „allgemeinen Vermögensrechts“. Er ordnet darunter alle Regelungen ein, die irgendeinen Bezug zum Vermögen aufweisen, zum Beispiel auch solche des Allgemeinen Teils des BGB, des Schuldrechts oder der Grundbuchordnung110 . Beide Interpretationen sind möglich. Konzipiert man die Aufgabe des Vermögensrechts jedoch so weit, dann unterfallen ihr beinahe alle zivilrechtlichen Regelungen. Ausgenommen bleiben im Wesentlichen nur noch das Personen- und das Familienrecht. Damit wird der Begriff als Kategorie zur systematischen Gliederung letztlich ungeeignet. Hier soll die Aufgabe des Vermögensrechts daher enger verstanden werden. Sie besteht darin, Rechte an Gegenständen einem Inhaber zuzuweisen. Das 108 109 110

Siehe o. S. 268 f. Siehe o. S. 243. Füller, Eigenständiges Sachenrecht, S. 567–572.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

275

Vermögensrecht regelt die Zuordnung dieser Rechte umfassend. Das gilt unabhängig davon, ob sie einen körperlichen Bezugsgestand haben oder nicht. Beide Arten sind, wie gesehen, in der Realität ähnlich bedeutsam. Bei beiden ergibt sich die Notwendigkeit der Zuweisung zu einem Inhaber. Die Erweiterung des Sachenrechts auf das „Vermögensrecht“ dient dazu, diesem Bedürfnis Rechnung zu tragen. Durch die Zusammenfassung in einer einheitlichen Kategorie wird der gemeinsame Zweck herausgestellt, dem das Sachenrecht und das Recht der unkörperlichen Gegenstände dienen. Dieser ist die Zuordnung von Rechten. Das allgemeine Vermögensrecht entscheidet darüber, wem eine bestimmte Rechtsposition zusteht. Es verteilt die Güter in der Rechtsgemeinschaft, indem es die Berechtigung an ihnen entweder der einen oder der anderen Person zuweist. Man kann die Aufgabe des Vermögensrechts aber auch aus der Sicht einer Person sehen. Dann besteht seine Funktion darin, alle ihre vermögensrechtlichen Beziehungen zu regeln. Aus dieser Perspektive besagt das Vermögensrecht, über welche Güter der Einzelne verfügen kann und über welche nicht.

2. Anwendungsbereich Das Vermögensrecht ist die übergeordnete Kategorie, die alle vermögenswerte Rechte auffängt. Es ist der genus proximus für Berechtigungen, die sich auf äußerlich existente Werte beziehen, und solchen, die keinen physischen Bezugsgegenstand haben. Beide werden in ihrer Funktion als Vermögensbestandteil geregelt. Um den Anwendungsbereich genau abzugrenzen, bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem Begriff des „Vermögens“. Der Ausdruck wird an vielen Stellen des BGB verwendet, jedoch ist er nirgends definiert. Im Laufe der Jahre hat die Lehre verschiedene Vermögensbegriffe herausgearbeitet. Dazu gehören insbesondere ein haftungsrechtlicher111, ein schadensersatzrechtlicher112 , ein familienrechtlicher113 und ein erbrechtlicher114. Daneben existiert das Konzept des „Zweckvermögens“, welches eine Ganzheit und Einheit, ein eigenständiges Etwas bezeichnen soll, das einer juristischen Person nahe kommt115. Schließlich gibt es außer diesen verschiedenen zivilrechtlichen noch einen strafrechtlichen und einen wirtschaftlichen Vermögensbegriff116 . 111 Vgl. zu § 419 BGB a.F. Laue, AcP 140 (1935), 64 (66); Staudinger/Kaduk, 12. Aufl., § 419 Rdnr. 9; Soergel/Zeiss, § 419 Rdnr. 4. 112 Dazu Lange/Schiemann, Handbuch des Schuldrechts I, S. 50; Stoll, Begriff und Grenzen des Vermögensschadens, S. 14–24; Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 249, Rdnrn. 28–56; Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, S. 121–139. 113 Siehe z.B. Palandt/Brudermüller, § 1374 Rdnr. 4; § 1375 Rdnr. 2. 114 Siehe Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 21 Rdnrn. 1–18. 115 Siehe Brinz, Lehrbuch der Pandekten III/2, S. 453–586. 116 Vgl. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 21 Rdnr. 44.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Es würde an dieser Stelle nicht weiterführen, die unterschiedlichen Begriffe im Einzelnen zu vergleichen. Offenbar hat der Ausdruck verschiedene Bedeutung je nachdem, in welchem Zusammenhang man ihn verwendet. Stattdessen muss man sich auf eine allgemeine Ebene begeben und fragen, was Vermögen abstrakt gesehen ist. Tut man dies, gelangt man unweigerlich zum Gegenstand eines klassischen Streits, nämlich demjenigen um die Bedeutung des Geldwerts. Einer Auffassung zufolge sind Vermögen und Geld eng miteinander verbunden, denn nach ihr soll die Zugehörigkeit zum Vermögen vom Geldwert abhängig sein117. Das kommt der umgangssprachlichen Verwendung des Begriffs nahe, nach der ein „Vermögen“ hat, wer über viel Geld oder geldwerte Güter verfügt. Ein solcher Zusammenhang wird indessen von einer Gegenauffassung strikt abgelehnt118 . Sie meint, der Begriff des Vermögens könne nicht auf geldwerte Güter beschränkt werden. Es gebe Forderungen auf Leistungen, Erbrechte, Urheberrechte und sogar Eigentum, die keinerlei Geldwert hätten. Dennoch sei anerkannt, dass es sich bei ihnen um Vermögensrechte handele. An die Stelle der Beziehung zum Geld setzen die Vertreter dieser Ansicht die Beziehung zur Person. Sie definieren Vermögen als „Gesamtheit der Rechte, die zur Befriedigung der Bedürfnisse einer Person dienen“119. Der Grund für diese unterschiedlichen Auffassungen ist, dass man das Vermögen aus zwei Blickwinkeln sehen kann, einem objektiven und einem subjektiven120 . Der objektive rührt von einer neutralen Betrachterstellung her. Danach gehören zum Vermögen alle Güter, die einer Person von außen gesehen zukommen. Subjektiv gesehen ist „Vermögen“ dagegen alles, was eine Person kann oder darf, was sie „vermag“. In dieser Bedeutung wird der Begriff heute zwar seltener gebraucht, er steht aber in engem Zusammenhang mit seiner etymologischen Wurzel, dem Verb „etwas vermögen“. Es empfiehlt sich nicht, auf begriffsjuristische Art vorzugehen und eine bestimmte Lösung aus dem Wort „Vermögen“ deduzieren zu wollen. Vielmehr geht es darum, den Anwendungsbereich des neuen Rechtsgebiets auf zweckmäßige Weise abzustecken. Seine Aufgabe ist es, Rechte einem Inhaber zuzuordnen. Alle Rechte, die in der sozialen Realität einer Zuweisung bedürfen, gehören daher zum Vermögen. Dazu zählen zum Beispiel schuldrechtliche Ansprüche sowie Mitgliedschaftsrechte und Immaterialgüterrechte, weil sie im Verkehr den Inhaber wechseln. Ausscheiden muss man dagegen unübertrag-

117 Larenz/Wolf a.a.O., Rdnr. 8; Staudinger/Kaduk, 12. Aufl., § 419 Rdnr. 9; Soergel/ Zeiss, 12. Aufl., § 419 Rdnr. 4. Siehe auch schon Binder, ZHR 59 (1907), 1 (17–19). 118 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, S. 453 f.; Sohm, ArchBR 28 (1906), 173 (180 f.). 119 Enneccerus/Nipperdey a.a.O., S. 841. 120 Vgl. Mertens, Der Begriff des Vermögensschadens im Bürgerlichen Recht, S. 124.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

277

bare Rechte, wie zum Beispiel das Recht am eigenen Körper oder Leben, da sie einem Inhaber dauerhaft zugewiesen und nicht übertragbar sind121. Grundsätzlich keiner Zuweisung bedürfen auch Rechte, die im Verkehr als wertlos angesehen werden. Denn um ihre Zuordnung wird selten gestritten. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass sich der Wert nicht ein für allemal bestimmen lässt. Das Eigentumsrecht an einem Zettel mit einer Unterschrift mag beispielsweise zunächst wertlos erscheinen, kann aber wertvoll werden, wenn der Autor Berühmtheit erlangt. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass ständig neue, vermögenswerte Rechte entstehen. Aus ökonomischer Sicht wurde hervorgehoben, dass der Kreis der Verfügungsrechte ständiger Erweiterung bedarf, um Ressourcen effizient zu nutzen und Verschwendung zu vermeiden122 . Aus diesem Grund könnten etwa Luft oder Wasser, die zunächst im Überfluss vorhanden sind, bei Knappheit plötzlich zum Gegenstand von Verfügungsrechten werden. Daher muss man sich davor hüten, den Kreis der möglichen Bezugspunkte vermögenswerter Rechte zu eng zu fassen. Notwendig für die Anerkennung neuer Rechte ist allerdings eine hinreichende Abgrenzbarkeit und Definierbarkeit ihres Inhalts. Diese sind häufig an technische Voraussetzungen gebunden. Das zeigt sich etwa am Beispiel der Elektrizität. Erst der technologische Fortschritt ließ die in der Natur schon immer vorhandene elektrische Energie beherrschbar werden und erlaubte somit die Definition von vermögenswerten Rechten an ihr. Bei menschlichen Erfindungen ist die technische Entwicklung sogar Voraussetzung für deren Existenz. Als Beispiele lassen sich etwa Daten oder Internetdomains nennen. Man sollte daher das Vermögen als offenen Begriff verstehen. Er unterliegt ständiger Ausweitung. Der Anwendungsbereich des neuen Rechtsgebiets lässt sich daher nur sehr allgemein und nicht abschließend bestimmen. In ihn fallen alle dem Einzelnen zustehenden Rechte, die in der sozialen Realität im Verhältnis zu Dritten der Zuordnung bedürfen und übertragen werden können.

3. Inhalt Das Vermögensrecht enthält Regelungen sowohl über körperliche als auch über sinnlich nicht wahrnehmbare Bestandteile des Vermögens des Einzelnen. Seine beiden Teilgebiete sind daher das Sachenrecht und das Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände.

121 Vgl. auch die Auffassung von Rudolf Sohm, nach dem zum Vermögen alle Rechte gehören, die Gegenstand des Verkehrs und veräußerlich sind, siehe ders., ArchBürgR 28 (1906), 173 (184); ders., JherJB 53 (1908), 373 (377). 122 Siehe o. S. 231 ff.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

Vermögensrecht

Sachenrecht

Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände Abbildung 2

Obwohl sie als grundsätzlich verschieden erscheinen, ähneln sich beide Teilgebiete nicht nur hinsichtlich ihrer Aufgabe, sondern auch ihres Inhalts. Denn beide nehmen die Zuordnung nicht unmittelbar vor, sondern über die Figur des Rechts. Besonders deutlich ist dies beim Recht der unkörperlichen Gegenstände: Hier geht es um die Übertragung des Rechts, nicht um die der Gegenstände selbst. Aber auch im Sachenrecht werden nicht körperliche Gegenstände transferiert, sondern Berechtigungen an denselben. Das Gesetz hebt den Unterschied hervor, indem es etwa in § 929 Satz 1 BGB von der Übertragung des Eigentums an einer Sache und nicht von der der Sache selbst spricht. Trotz ihrer unterschiedlichen Natur bestehen eine Reihe von Parallelen zwischen beiden Rechtsgebieten. Insoweit könnte man an gemeinsame Vorschriften für beide Kategorien im Stil eines Allgemeinen Teils denken, wie sie etwa das Niederländische Bürgerliche Gesetzbuch enthält. Ob man solche gemeinsame Vorschriften erlässt oder nicht, ist eine Frage legislatorischer Zweckmäßigkeit. Jedenfalls sollte man den Erkenntnisgewinn, der aus der Anerkennung einer dem Sachenrecht übergeordneten Kategorie liegt, nicht wieder dadurch zunichte machen, dass man kleinlich darüber streitet, ob ein bestimmtes Recht einen körperlichen oder einen unkörperlichen Bezugsgegenstand hat. Der Vorteil des allgemeinen Vermögensrechts ist gerade, dass sich seine Anwendung rechtfertigen lässt, ohne den jeweiligen Gegenstand mit Mühe in die Kategorie „körperlich“ hineinzupressen. Wo die Unterschiede der Rechte mit unkörperlichem Bezugsgegenstand dagegen eine verschiedene Behandlung erfordern, ist man durch ihre Anerkennung als besondere Arten in der Lage, Sonderregeln für sie zu erlassen.

4. Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Insgesamt fügt sich das Vermögensrecht in das bisherige System des Bürgerlichen Gesetzbuchs erstaunlich bruchlos ein. Es tritt an die Stelle, an der das Sachenrecht stand. Das dritte Buch des BGB wird nicht verdrängt, sondern in das Vermögensrecht eingegliedert. Dieses wölbt sich wie eine Haube über das Sachenrecht und das Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände.

5. Kapitel: Weg zur Anerkennung unkörperlicher Vermögensgegenstände

279

Dem Vermögensrecht steht zum einen das Schuldrecht gegenüber. Die Abgrenzung zu diesem Rechtsgebiet darf man sich allerdings nicht im Sinne eines strikten „entweder – oder“ denken. Es gibt vielmehr Erscheinungen, die sowohl dem einen als auch dem anderen Rechtsgebiet zuzuordnen sind. So stellt beispielsweise die Forderung das klassische Schuldrecht schlechthin dar. Sie ist aber zugleich Vermögensgegenstand, der dem Gläubiger im Verhältnis zu Dritten zugeordnet wird. Soweit es um die Frage der Zuordnung und ihren Wechsel geht, umfasst das neue Rechtsgebiet daher auch die Forderung. Dies entspricht der Ansicht von Karl Larenz, nach der die Abtretung „ihren systematisch richtigen Platz zusammen mit dem Nießbrauch und dem Pfandrecht an Forderungen, in dem zu einem Recht der dinglichen Vermögenszuordnung erweiterten Sachenrecht“ fände123. An dieser Formulierung stören lediglich die Ausdrücke „dinglich“ und „Sachenrecht“, weil sie auf körperliche Gegenstände bezogen sind. Ansonsten aber stimmt der Gedanke mit dem hier verfolgten Ansatz genau überein. Die Abtretung gehört systematisch nicht zum Schuldrecht, sondern in ein erweitertes Recht der Vermögenszuordnung. Dagegen bleiben alle Aspekte der Forderung, welche die Zweierbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner betreffen, im Schuldrecht. Daraus ist nicht etwa zu folgern, dass die Forderung eine Doppelnatur hätte. Vielmehr liegt der Grund für die zweifache Einordnung darin, dass das zweite Buch des BGB und das Vermögensrecht die Forderung aus unterschiedlicher Perspektive betrachten: Das Schuldrecht regelt nur die auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bezogenen Aspekte der Forderung, das Recht der Vermögensgegenstände dagegen die Zuordnung gegenüber Dritten. So gesehen haben selbst Persönlichkeitsrechte Vermögensrelevanz124. Das führt zu einer wichtigen Erkenntnis: Das Vermögensrecht unterscheidet sich vom Schuldrecht nicht dadurch, dass es andere Gegenstände als dieses regeln würde. Die Aufgabenteilung beider Gebiete erfolgt vielmehr funktional: Soweit die Bewegung von Gütern oder der Anspruch auf eine Leistung betroffen sind, ist das Schuldrecht einschlägig; sofern hingegen Berechtigungen einer Person zuzuordnen sind, finden die vermögensrechtlichen Regelungen Anwendung. Eine solche funktionale Aufteilung ist gegenüber der gegenständlichen Zweiteilung in Schuld- und Sachenrecht neu. Sie folgt unmittelbar aus dem hier herausgearbeiteten sozialen Zweck der Unterscheidung zwischen beiden Rechtsgebieten, der mit dem Begriffspaar Güterbewegung-Güterzuordnung umschrieben wurde. Nicht präjudiziert ist mit der Einführung eines Vermögensrechts, ob das Familienrecht und Erbrecht als selbständige Gebiete aufgegeben und in das Vermögensrecht integriert werden müssen. Diese Gebiete betreffen zum Teil zwar vermögensrechtliche Beziehungen. Sie sind jedoch an bestimmten Lebenssitua123 124

Larenz, Schuldrecht I, S. 571. Vgl. Götting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte.

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2. Teil: Kritik des Sachenrechts

tionen orientiert, die besonderer Regelungen bedürfen. Deshalb wurden sie traditionell aus dem Schuld- und dem Sachenrecht ausgeklammert. So werden die Eigentumsverhältnisse an einer Sache in der Gütergemeinschaft oder im Erbfall nicht im Sachenrecht, sondern im Familien- und Erbrecht bestimmt. Diese Fragen können außerhalb des Vermögensrechts geregelt bleiben. Man muss nicht sklavisch dem niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuch folgen, welches auch das Erbrecht dem Vermögensrecht zuordnet. Insoweit können durchaus in Deutschland gewachsene Traditionen berücksichtigt werden. Wichtig ist nur, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, die hinter der Einführung des Vermögensrechts steht: die Notwendigkeit der Anerkennung von Rechten an unkörperlichen Vermögensgegenständen. Dem Vermögensrecht lassen sich auch Rechte zuordnen, die sich bislang außerhalb des Systems des Bürgerlichen Rechts befinden. Das gilt zum Beispiel für das geistige Eigentum. Es ist weder Anspruch noch „dingliches“ Recht. Dagegen hat es unbestreitbar eine vermögensrechtliche Komponente. Ein anderes Beispiel ist die Mitgliedschaft. Sie wurde als Rechtsfigur im Gesellschaftsrecht entwickelt125. In die Zweiteilung von Schuld- und Sachenrecht passt sie nicht hinein. Sie lässt sich hingegen problemlos als Vermögensrecht erfassen. Bei den meisten Verbandsformen ist die Übertragung der Stellung als Mitglied erlaubt. Insoweit gibt es auch einen zuordnungsrechtlichen Aspekt der Mitgliedschaft. Dieser lässt sie unter das allgemeine Vermögensrecht fallen, und zwar insoweit, als es um ihre Zuweisung an den Inhaber geht. Im Übrigen gehört sie in das Gesellschaftsrecht.

125

Grundlegend Habersack, Die Mitgliedschaft.

281

3. Teil

Das Finanzinstrument als Baustein eines Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände

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283

6. Kapitel

Die Figur des Finanzinstruments § 15 Begriff I. Grundlagen 1. Notwendigkeit einer neuen Rechtsfigur Der vorangegangene Teil der Untersuchung hat ergeben, dass im bürgerlichen Recht ein eigenständiges Vermögensrecht zu schaffen ist, welches neben den Regelungen über Rechte an Sachen auch solche über Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen enthält. Letztere sind nunmehr für den speziellen Bereich zu präzisieren, der in diesem Buch im Mittelpunkt steht: die am Finanzmarkt angebotenen und gehandelten Produkte. Wie im ersten Teil dargelegt, unterwirft man diese zu Unrecht dem Wertpapierrecht. Dessen Regelungen beruhen auf dem Modell der körperlichen, von Hand zu Hand umlaufenden Urkunde. Sie passen daher nicht zur Realität des modernen Effektenverkehrs. Eine grundlegende Reform muss deshalb zunächst die Kapitalmarktinstrumente radikal von den Wertpapieren trennen. Erst von diesem Fundament aus kann man eigene, angemessene Regeln über ihre Entstehung, Übertragung und Einlösung aufstellen. Ausgehend von den Erkenntnissen des zweiten Teils wird nunmehr klar, wie sich eine Trennung dogmatisch bewerkstelligen lässt: Die am Finanzmarkt gehandelten Produkte sind selbst als Vermögensgegenstände anzuerkennen, ohne dass es auf die Verbriefung in einer Urkunde ankommt. Bislang fehlt es im deutschen Recht jedoch an einer Figur für entkörperlichte Finanzmarkttitel. Es bedarf daher eines neuen Konzepts.

2. Das Finanzinstrument Als solche neue Rechtsfigur soll hier das „Finanzinstrument“ in das Zivilrecht eingeführt werden. Darunter sind alle an den Finanzmärkten gehandelten Titel zu verstehen. Kapitalmarktprodukte sind nicht länger als „Wertpapiere“ zu behandeln. Das Wertpapierrecht sollte in Zukunft nur noch auf Titel wie Wechsel, Scheck und die kaufmännischen Papiere des Güterumlaufs angewandt werden, über die man tatsächlich individuelle Urkunden ausstellt. Das Recht der Finanzinstrumente ist von diesem Rechtsgebiet völlig abzulösen. Um dies zu er-

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3. Teil: Das Finanzinstrument

reichen, müssen zunächst wesentliche Unterschiede zwischen der neuen Figur und dem klassischen Wertpapier herausgearbeitet werden. Ein grundlegender konzeptioneller Unterschied des Finanzinstruments zum Wertpapier ist die Unabhängigkeit von einer Verkörperung. In die Kategorie fallen alle unkörperlichen Finanztitel, die man zum Teil auch als „Wertrechte“ bezeichnet. Erfasst sind damit insbesondere unverbriefte Bundesanleihen sowie zahlreiche ausländische Titel1. Jedoch ist die neue Kategorie nicht auf diese beschränkt, sondern erfasst auch solche Kapitalmarktprodukte, die weiterhin in Urkunden verbrieft werden, zum Beispiel in Globalurkunden. Das Finanzinstrument steht also mit einer Verbriefung nicht unbedingt in Widerspruch. Es erfasst vielmehr auch einige Wertpapiere im klassischen Sinne. Insoweit wird einer alten Forderung Wolfgang Zöllners nachgekommen, der geäußert hatte, eine künftige rechtliche Systematik täte gut daran, den Gemeinsamkeiten der Wertpapiere mit den Wertrechten durch die Herausbildung entsprechender Grundsätze Rechnung zu tragen 2 . Dies gründete er auf die Beobachtung, dass beide der „Zuordnung von Werten“ dienten und „unter bestimmter Verwaltungszuständigkeit das Dazwischentreten einer Verkörperung belanglos wird“3. Mit den „Wertpapieren“ meinte Zöllner nach dem Zusammenhang nur die am Kapitalmarkt gehandelten Urkunden. Nur diese sind den unkörperlichen Wertrechten funktionell vergleichbar. Von der neuen Kategorie sind damit alle Kapitalmarktprodukte erfasst, gleich ob sie verbrieft oder unverbrieft sind. Das liegt daran, dass die Verbriefung in einer Urkunde im System des Effektengiros, in dem die Titel durch Intermediäre verwaltet und ohne physische Bewegung übertragen werden, schlicht unwesentlich ist. Genau dieser Realität lässt sich mit der einheitlichen Figur des Finanzinstruments Rechnung tragen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied der Kategorie des Finanzinstruments zu der des Wertpapiers ist, dass sich mit ihr nicht nur die traditionellen Kapitalmarktprodukte, sondern auch Finanzinnovationen erfassen lassen. Dazu gehören zum Beispiel die im ersten Teil beschriebenen Optionen, Futures, Swaps oder Kreditderivate4. Sie werden ähnlich wie herkömmliche Kapitalmarktprodukte gehandelt. Unter dem Dach des Finanzinstruments können sie mit diesen zu einer Kategorie verbunden werden. Damit finden sich alle tatsächlich am Finanzmarkt angebotenen Produkte in einem Begriff zusammengefasst. Schließlich ist das Finanzinstrument nicht auf einen gesetzlich bestimmten Kreis von Finanzmarkttiteln beschränkt. Es erfasst jedes am Finanzmarkt gehandelte Recht. Es handelt sich um ein offenes Konzept. Mit ihm lässt sich daher flexibel auf neue Entwicklungen reagieren. 1 2 3 4

Siehe zu ihnen o. S. 61 ff. Zöllner, in: FS Raiser, S. 249 (271). Vgl. Zöllner a.a.O., S. 260. Siehe o. S. 91 ff.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

285

3. Anerkennung im Kapitalmarktrecht Der Begriff des Finanzinstruments ist nicht neu. Er entstammt dem Gemeinschaftsrecht. Seine Genese bleibt späterer Darstellung vorbehalten5. Vorerst ist lediglich festzustellen, dass er auch in der deutschen Gesetzessprache bereits vielfach verwendet wird. So benutzt ihn das Wertpapierhandelsgesetz durchgehend6 . Ebenso spielt er eine bedeutsame Rolle im Kreditwesengesetz7. Außerdem wird er im Handelsgesetzbuch8 , im Investmentgesetz9, im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen10 , im Verkaufsprospektgesetz11, im Wertpapierprospektgesetz12 , im Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz13 sowie im Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz14 verwendet. Diese Liste ist nicht abschließend. Im allgemeinen Zivilrecht findet sich der Begriff hingegen noch nicht. Dort ist bislang allein von Wertpapieren die Rede15. Das bürgerliche Recht weigert sich beharrlich, die Existenz der Finanzinstrumente anzuerkennen. Der Grund dafür ist, dass sie quer zu seiner Systematik liegen: Sie sind einerseits persönliche Rechte im Sinne des Schuldrechts, andererseits haben sie vermögensrechtliche Bedeutung, ähnlich den Rechten an Sachen. Aus der ablehnenden Haltung resultiert die eigenartige Situation, dass Finanzinstrumente im Kapitalmarktrecht als Grundkategorie anerkannt sind, während man sie allgemeinen Zivilrecht totschweigt. Es ist an der Zeit, diesen misslichen Zustand zu beheben.

4. Verwendung eines kapitalmarktrechtlichen Konzepts im Zivilrecht? Ein grundlegendes Problem besteht darin, dass der Begriff des Finanzinstruments bislang in erster Linie im Zusammenhang mit der Regelung des Kapitalmarkts gebraucht wird16 . Hier wird dagegen vorschlagen, ihn in das allgemeine Zivilrecht einzuführen. Auf seiner Grundlage soll ein neues Rechtsgebiet entwickelt werden, welches das klassische Wertpapierrecht für alle am Finanz5

Vgl. u. S. 292 ff. Vgl. z.B. § 1 I, II, § 2 IIb, § 2 III, IIIa Nr. 1, § 4 I 2, II 2, § 12 Satz 1, § 20a I, § 34b I 1, § 31 II 4, III 1, V 1–3 WpHG. 7 Siehe § 1 I 2 Nr. 4, 10, § 1 Ia 2 Nr. 1–4, § 1 Ia 3, § 1 III 1 Nr. 5 f., XII 1 Nr. 1, XIII, XVII 2, XXVI, XXIX, § 10 IX 1, 5, § 20 II 1 Nr. 3, III 1 Nr. 2 lit. b, c, Nr. 4 lit. b–d, § 20b Nr. 5, § 20c I, § 31 IV 1 Nr. 1, § 33 I 1 Nr. 1 a–c, f,§ 33 I 2 KWG. 8 § 285 S. 1 Nr. 18 f., S. 2, 4, § 289 II Nr. 2 lit. b, § 314 I Nr. 10 f. sowie § 340c I 1 HGB. 9 §§ 7 II Nr. 1, 10 II, 44 I 3 Nr. 1, 88 VI, 136 I Nr. 5 lit. e InvG. 10 § 100 lit. m GWB. 11 § 8k I 3 Nr. 2 VerkProspG. 12 § 22 I Nr. 2 WpPG. 13 § 40 I 2 WpÜG. 14 § 4 III 1, IV 1, V 2, § 19 I 2 Nr. 3, 4 Einlagensicherungs- und Anlegerent schädigungsgesetz. 15 Vgl. z.B. §§ 232 I, 233 f., 312d IV Nr. 6, 372, 783, 1667 II, 1812 I BGB. 16 Siehe dazu o. S. 166 sowie u. S. 292 ff. 6

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3. Teil: Das Finanzinstrument

markt gehandelten Produkte verdrängt. Dem scheint jedoch entgegenzustehen, dass das Kapitalmarktrecht andere Ziele als das Wertpapierrecht verfolgt: Es setzt die Normen und Standards für die Organisation des Kapitalmarkts und für das Verhalten der Marktteilnehmer17. Seine Aufgabe kann mit den beiden Schlagworten „Marktorganisation“ und „Marktaufsicht“ umschrieben werden. Dagegen bestimmt das Wertpapierrecht die Voraussetzungen und Folgen der Begründung, Übertragung und Geltendmachung umlauffähiger Rechte. Demzufolge ist auch die Funktion des Finanzinstruments eine ganz andere, je nachdem, ob der Begriff im Kapitalmarktrecht oder im allgemeinen Zivilrecht verwendet wird. Im Kapitalmarktrecht dient er zur Eingrenzung der von der Regulierung erfassten Sachverhalte. Verwendet man ihn dagegen im Zivilrecht, so bezeichnet er Gegenstände individueller Rechte, vergleichbar einem Wertpapier oder einer anderen Sache. Die Übertragung des kapitalmarktrechtlichen Konzepts des Finanzinstruments in das Zivilrecht steht daher vor Schwierigkeiten. Allerdings sind beide Rechtsgebiete einander nicht völlig fremd. Das zeigt schon die Tatsache, dass der Gesetzgeber für die Regelung des Kapitalmarktrechts im „Wertpapierhandelsgesetzbuch“ den zivilrechtlichen Begriff des Wertpapiers zum Ausgangspunkt gewählt hat. Trotz aller Kritik, die hieran im ersten Teil des vorliegenden Buchs geübt wurde, spiegelt dies eine gewisse Verbindung zwischen Kapitalmarktrecht und allgemeinem Zivilrecht wider. Diese Verbindung besteht in einer Überschneidung des Regelungsbereichs: Beide erfassen den Handel mit umlauffähigen Rechten. Das Wertpapierrecht als Teilgebiet des Zivilrechts regelt diesen unter dem Aspekt der Rechte und Pflichten aus den individuellen Transaktionen. Das Wertpapierhandelsrecht oder Kapitalmarktrecht reguliert dagegen den Handel als solchen, die dabei zu beachtenden Verhaltensstandards und die sonstigen Anforderungen an die Handelsteilnehmer. Der unterschiedliche Zweck darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gegenstände, die gehandelt werden, in beiden Fällen dieselben sind. Dies allein würde schon rechtfertigen, den Begriff des Finanzinstruments sowohl im Kapitalmarktrecht als auch im Zivilrecht zu verwenden. Unabhängig davon erscheint eine gemeinsame Terminologie beider Rechtsgebiete auch aus anderen Gründen sinnvoll. Denn Marktorganisation und -aufsicht ist ohne Regulierung einzelner Markttransaktionen nicht möglich. Der Zusammenhang zwischen beiden wird besonders deutlich bei der Frage der Übertragung von Finanzinstrumenten. Wie im ersten Teil gezeigt, erfolgt diese heute in Clearing- und Settlementsystemen. Mit ihnen beschäftigt sich der Gemeinschaftsgesetzgeber zum Beispiel in der Finalitätsrichtlinie18 . Deren 17

Vgl. Kümpel, Rdnr. 8.32. Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABlEG Nr. L 166 v. 11.6.1998, S. 45. 18

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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Artikel 3 I verpflichtet die Mitgliedstaaten unter anderem, dafür zu sorgen, dass Übertragungssaufträge und Aufrechnungen in solchen Systemen rechtlich verbindlich und auch Dritten gegenüber wirksam sind. Die Regelung ist makroökonomisch motiviert: Sie soll die Funktionsfähigkeit von Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen sicherstellen. Dazu ist es aber notwendig, in individualrechtliche Beziehungen einzugreifen. Die Richtlinie bewerkstelligt dies mit der etwas kryptischen Formulierung, Übertragungsaufträge und Aufrechnungen sollten „rechtlich verbindlich und auch im Fall eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer Dritten gegenüber wirksam“ sein19. Ihre genaue Bedeutung wird noch näher analysiert werden 20 . An dieser Stelle ist lediglich festzuhalten, dass die Finalitätsrichtlinie trotz ihrer makroökonomischen Zielrichtung Auswirkungen auf das allgemeine Zivilrecht hat. Der Grund dafür liegt darin, dass im Bereich des Clearing und Settlement Mikro- und Makroperspektive auf das engste miteinander verbunden sind. Die Sicherheit der Abrechnung und Erfüllung von Finanzmarkttransaktionen ist einerseits von entscheidender Bedeutung für die Stabilität des Finanzsystems. Andererseits handelt es sich zugleich um ein Kernproblem des Zivilrechts, nämlich die Frage, wie Effekten übertragen werden. Daher verschmelzen an dieser Stelle kapitalmarktrechtliche und bürgerlichrechtliche Perspektive miteinander. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich das Gemeinschaftsrecht immer mehr mit den zivilrechtlichen Aspekten des Wertpapierrechts auseinandersetzen muss. Früher oder später wird die EG nicht umhinkommen, umfassende Regelungen auch für individuelle Transaktionen aufzustellen. Die Arbeiten dazu sind bereits auf dem Weg21. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um vorauszusagen, dass bei einer umfassenden Regelung der zivilrechtlichen Aspekte des Clearing und Settlement durch die Gemeinschaft der umfassendere Begriff des „Finanzinstruments“ und nicht der enge Ausdruck „Wertpapier“ Verwendung finden wird. Das stellt diejenigen Mitgliedstaaten vor Herausforderungen, deren Recht noch immer auf dem Konzept des Wertpapiers aufbaut. Die Frage ist, wie man sich angesichts dieses Befunds verhalten soll. Im Grunde gibt es nur zwei Wege: Man kann so lange wie möglich an der traditionellen Begrifflichkeit festhalten und diese lediglich an den Stellen ändern, an denen das Gemeinschaftsrecht Abweichungen erzwingt. Ein solcher Weg ist gangbar, führt aber unvermeidlich zu Inkonsistenzen und Brüchen im nationalen Rechtssystem. Sie verwirren wiederum den Rechtsanwender in erheblicher Weise und erschweren ihm die Arbeit. Der andere Weg besteht darin, den neuen Begriff zu übernehmen und die nationale Dogmatik vollständig auf ihn 19 20 21

Art. 3 I Richtlinie 98/26/EG. Siehe u. S. 399 ff. Dazu u. S. 409 ff.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

umzustellen. Das hätte zum einen den Vorteil der inneren Geschlossenheit. Darüber hinaus würde aber auch der Realität der Kapitalmärkte Rechnung getragen, die sich längst nicht mehr in den traditionellen Bahnen des Wertpapierrechts bewegt. Daher ist der zweite Weg vorzuziehen. Vorbilder gibt es. So baut beispielsweise der italienische Testo unico finanziaria, welcher sowohl kapitalmarktrechtliche Regelungen als auch Vorschriften über die Übertragung und Verpfändung von Finanzinstrumenten enthält, konsequent auf dem Konzept der strumenti finanziari auf 22 . Auch der französische Code monétaire et financier nennt die instruments financiers als Grundkategorie23. Ebenso verhält es sich beim spanischen Ley del Mercado de Valores, das die instrumentos financieros an die Spitze stellt 24. Diesen Vorbildern kommt besondere Bedeutung zu, da der Handel mit Finanzprodukten zu einem großen Teil grenzüberschreitender Natur ist. Schlösse sich Deutschland der Begrifflichkeit der anderen Staaten an, würde nicht nur die Kommunikation zwischen den Rechtsordnungen erleichtert, sondern auch die Umsetzung der Brüsseler Vorgaben.

II. Nähere Bestimmung 1. Gesetzliche Definitionen Aber was genau ist ein „Finanzinstrument“? Auszugehen ist von den gesetzlichen Definitionen. Solche finden sich sowohl im Wertpapierhandelsgesetz als auch im Kreditwesengesetz. Das WpHG enthält eine grundlegende Begriffsbestimmung in § 2 IIb. Danach gehören zu den Finanzinstrumenten auch „Wertpapiere“. Letzterer Begriff ist allerdings im Sinne des § 2 I WpHG, also in der kapitalmarktrechtlichen Bedeutung zu verstehen. Er erfasst zum Beispiel Aktien und Schuldtitel, aber nicht individuelle Papiere wie Wechsel und Scheck. Nach § 2 I WpHG soll ein Wertpapier im kapitalmarktrechtlichen Sinn auch dann vorliegen, wenn keine Urkunde ausgestellt ist. Damit wird geklärt, dass es auf eine Verbriefung nicht ankommt. Neben den Wertpapieren im kapitalmarktrechtlichen Sinn zählen nach § 2 IIb WpHG auch Derivate, Geldmarktinstrumente und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren zu den Finanzinstrumenten. Der gegenüber dem klassischen Konzept des Wertpapiers ohnehin schon erweiterte Begriff wird also noch einmal ausgedehnt. Dabei sind auch bloße Forderungen als Finanzinstrumente anzusehen, soweit sie üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt

22 23 24

Vgl. Art. 1 Nr. 2 T.U.F. Siehe dazu o. S. 67. Vgl. Art. L211–1 Code monétaire et financier. Siehe dazu o. S. 64. Art. 1 Ley del Mercado de Valores. Siehe dazu o. S. 72.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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werden und nicht bloße Zahlungsinstrumente sind25. Auch Termingeschäfte auf gewisse Basiswerte, finanzielle Differenzgeschäfte und Kreditderivate bezeichnet das Gesetz als Finanzinstrumente26 . Die Begriffsbestimmung des § 2 IIb WpHG ist also besonders breit angelegt und erfasst eine Reihe von Finanzinnovationen. Das KWG enthält nicht nur eine, sondern sogar zwei Definitionen des Finanzinstruments. Nach § 1a III KWG sind Finanzinstrumente „alle Verträge, die für eine der beteiligten Seiten einen finanziellen Vermögenswert und für die andere Seite eine finanzielle Verbindlichkeit oder ein Eigenkapitalinstrument schaffen“. Trotz ihres scheinbar umfassenden Geltungsanspruchs wird diese Vorschrift nur für den eingeschränkten Bereich der Führung des Handelsbuchs praktisch. Für alle sonstigen Fragen, insbesondere für die Definition der erlaubnispflichtigen Tätigkeiten, ist dagegen die Definition in § 1 XI 1 KWG wichtig. Sie nennt neben den schon aus dem WpHG bekannten Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und Derivaten auch „Devisen oder Rechnungseinheiten“. Zu letzteren gehören unter anderem die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds (special drawing rights). Alle diese Gegenstände fasst das KWG unter der Bezeichnung „Finanzinstrumente“ zusammen. Die gesetzlichen Definitionen haben zwei Nachteile. Zum einen zählen sie – mit Ausnahme von § 1a III KWG – lediglich verschiedene Gattungen von Finanzprodukten auf, die Finanzinstrumente sein sollen, ohne den Begriff mit Leben zu erfüllen. Zum anderen weichen sie voneinander ab. Denn die Liste im KWG ist mit der des WpHG nicht identisch. Selbst innerhalb des KWG existieren zwei unterschiedliche Definitionen.

2. Wörtliche Analyse Weiterführend als das positive Recht ist eine wörtliche Analyse des Begriffs „Finanzinstrument“. Der erste Wortbestandteil verdeutlicht, dass es in irgendeiner Weise auf den Finanzmarkt bezogen sein muss. Der Begriff des Finanzmarkts ist nun selbst sehr unbestimmt. Zu seiner Klärung ist eine Anleihe bei den Wirtschaftswissenschaften zu nehmen. Dort stellt man die Finanzmärkte den Realmärkten gegenüber27. An letzteren werden tatsächlich existierende Güter, wie Zucker, Erdöl oder Kupfer, gehandelt. Gegenstand des Handels an den Finanzmärkten ist dagegen Kapital, das heißt nach der einfachsten Definition „Geld für Investitionszwecke“28 . Dieses wird in Form verschiedener Verträge angeboten, durch die eine Seite für die Aussicht auf Geldzahlungen in der

25 26 27 28

§ 2 Ia WpHG. § 2 II WpHG. Spremann/Gantenbein, Kapitalmärkte, S. 31 f. Loistl, Kapitalmarkttheorie, S. 6.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Zukunft einen gewissen Betrag zur Verfügung stellt 29. Finanzinstrumente sind daher Mittel zur Kapitalanlage. Der zweite Wortbestandteil lässt sich anhand der Unterscheidung von „negotium“ und „instrumentum“ verdeutlichen30 . Ein negotium ist ein lediglich zwischen zwei Parteien bestehendes Rechtsverhältnis. Als instrumentum bezeichnet man dagegen einen Rechtsakt, der Bedeutung auch für an seinem Abschluss unbeteiligte Personen haben kann. Das Finanzinstrument ist im Ausgangspunkt ein zweiseitiges Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und dem Erwerber. Es wird durch Vertrag begründet und ist daher negotium. Infolge seiner Handelbarkeit wird es allerdings zum instrumentum, denn es ist nunmehr auch für Dritte bedeutsam, die es erwerben können. Durch den Handel gewinnt es eine über die persönliche Beziehung der am Abschluss beteiligten Parteien hinausreichende Realität. Man könnte diese als „Körperlichkeit“ bezeichnen und mit der von anderen Gütern wie Öl oder Weizen vergleichen. Es handelt sich allerdings nur um eine „Körperlichkeit“ im sozialen, nicht im physikalischen Sinne. Wegen der Missverständlichkeit des Begriffs sollte man ihn am besten vermeiden. Stattdessen ist es besser, von Vermögenswerten zu reden. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass Finanzinstrumente Rechtsverhältnisse sind, die der Kapitalanlage dienen, auf den Finanzmärkten gehandelt werden und aufgrund dieses Handels Vermögenswert im Verhältnis zu Dritten erlangen. Diese Definition erlaubt allerdings nur einen ersten Überblick über die Bedeutung des Begriffs. Sie ist an anderer Stelle durch weitere Merkmale auszufüllen31.

3. Neue Vermögensgegenstände Mit den Finanzinstrumenten wird ein neuer Typus von Vermögensgegenständen in das Zivilrecht eingeführt. Ihre Besonderheit gegenüber den anderen bekannten Vermögensgegenständen besteht in der unkörperlichen Natur ihres Bezugsobjekts. Sie beziehen sich nicht auf physisch existente Sachen, dennoch haben sie einen Wert. Gerade wegen dieses Werts werden sie erworben. Dieser Punkt wird in der Botschaft zum Schweizer Bucheffektengesetz besonders deutlich herausgehoben. Dort wird die „Bucheffekte“ als Vermögensobjekt sui generis bezeichnet32 . Allerdings ist das Finanzinstrument keine völlig singuläre Erscheinung, sondern weist Verwandtschaft mit anderen Rechtsfi29 Siehe Spremann/Gantenbein, Kapitalmärkte, S. 3 f.; Loistl, Kapitalmarkttheorie, S. 6; Kohn, Financial Institutions and Markets, S. 12. 30 Vgl. Causse, Les titres négociables, S. 5. 31 Siehe u. S. 304 ff. 32 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315 (9339).

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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guren auf. So sind Immaterialgüterrechte ebenfalls vermögenswert, ohne sich auf eine äußerlich existente Sache zu beziehen. Finanzinstrumente sind nicht nur Vermögensgegenstände, sondern enthalten zugleich Verpflichtungen anderer Personen 33. Beispielsweise richtet sich der Anspruch des Optionsinhabers gegen die andere Seite, den Stillhalter. Dieser ist zur Leistung bestimmter Wertpapiere oder Waren oder zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet. Der Ausdruck „Vermögensgegenstand“ ist daher ambivalent: Was für die eine Seite einen Vermögenswert darstellt, ist für die andere Seite eine Belastung. Doch bedarf die Position des Berechtigten trotz ihrer vertraglichen Natur der Zuordnung zu einem Inhaber. Daher handelt es sich um einen „Vermögensgegenstand“, selbst wenn aus der Perspektive des Stillhalters eine Verpflichtung vorliegt. Allerdings besteht bei manchen Finanzinstrumenten die Besonderheit, dass zuweilen der Anspruch des Inhabers in eine Pflicht umschlagen kann. Ein Beispiel dafür ist der Future: bei ihm ist der Erwerber unter Umständen zur Zahlung zusätzlicher margins verpflichtet34. Aus dem erworbenen „Recht“ wird dann eine „Schuld“. Der Wert der Vertragsposition kann einmal positiv, zu einem anderen Zeitpunkt negativ sein. Trotzdem handelt es sich nach Ansicht des Gesetzgebers um Finanzinstrumente35. Wie ist das zu erklären? Dazu ist an die im ersten Teil erörterten Finanzinnovationen zu erinnern. Dort wurde dargelegt, dass einige von ihnen die Teilhabe an der Entwicklung eines Gegenstands erlauben, ohne dass dessen Substanz erworben werden muss36 . Nun ist unzweifelhaft, dass auch die künftige Entwicklung des Werts eines Gegenstands einen eigenen Vermögenswert haben kann. Es handelt sich gleichermaßen um einen Ausschnitt aus dem Gegenstand selbst. Die Besonderheit der Wertentwicklung besteht darin, dass sie zuweilen ins Negative umzuschlagen vermag. Das ist allerdings nicht so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick scheint: Auch der Wert körperlicher Sachen kann sich negativ entwickeln. Der Verlust wird hier durch den Substanzwert aufgefangen, der bis auf Null absinken kann. Aus der Perspektive eines Investors kommt dies jedoch einem Negativsaldo gleich. Hat er die Sache allein zu Anlagezwecken gekauft, so spricht er von einem „Verlustgeschäft“, wenn ihre Veräußerung nicht mehr den Einstandspreis erbringt, selbst wenn objektiv noch ein Restwert vorhanden ist. Erwirbt er nur ein Recht auf Partizipation an der Wertentwicklung, so erwächst ihm statt eines buchhalterischen Verlusts eine rechtliche Verpflichtung. Der Sache nach handelt es sich bei diesem Recht trotzdem um einen Vermögensgegenstand. 33

Vgl. auch § 1a III KWG. Dazu o. S. 102. 35 Siehe z.B. Art. 1 S. 1 Nr. 3, vierter Spiegelstrich, Richtlinie 2003/6/EG, sowie die umsetzenden Vorschriften der § 2 II Nr. 1, 2, 5 WpHG. 36 Vgl. o. S. 92 f., 103 f., 133. 34

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Damit soll der Unterschied der Finanzinstrumente zu den körperlichen Gegenständen nicht heruntergespielt werden. Doch lassen sie sich immer noch mit dem Begriff des „Vermögens“ vereinbaren: Dieser umfasst in einer weiten Bedeutung nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Eine Besonderheit der Finanzinstrumente besteht gerade darin, dass sie die Zweiteilung in vermögenswerte Rechte und Pflichten überwinden.

III. Herkunft 1. Ursprung im Gemeinschaftsrecht Der Begriff des Finanzinstruments stammt aus dem EG-Recht. Dort ist er seit langem fest verwurzelt. Der Überblick über seine Geschichte gibt zugleich wichtige Aufschlüsse über seine Funktion. Bereits die Bankrechts-Richtlinie 86/635/EWG37, die den Jahresabschluss von Banken und Finanzinstituten regelt, nennt die „financial instruments“ in ihrem Abschnitt 6. Die deutsche Fassung spricht allerdings noch von „Finanzgeschäften“, und daher verwundert es kaum, dass in den §§ 340–340o HGB, die die Bankrechts-Richtlinie umsetzen sollen, von Finanzinstrumenten noch nichts zu lesen ist. Doch verfestigt sich der Begriff in der Sprache des Gemeinschaftsgesetzgebers, soweit es um die Regelung des Finanzmarkts geht. Die Richtlinie 93/6/ EWG38 , welche bestimmte Anforderungen an die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten stellt, rekurriert häufig auf ihn. Sein Inhalt wird in den Erwägungsgründen dahin beschrieben, dass er „Wertpapierpositionen und Positionen in anderen Finanzinstrumenten“ erfasst39. Schon hier zeigt sich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Wertpapiere als Teilmenge der Finanzinstrumente versteht. Der bedeutsame Begriff „Wertpapierhandel“ wird dann ganz ohne Rückgriff auf den Ausdruck „Wertpapier“ definiert, nämlich als „Eigenhandel mit Finanzinstrumenten“40 . Erstmals ersetzt das Finanzinstrument damit sprachlich das Wertpapier. Zu seiner ersten wichtigen Bedeutung ist der Begriff in der mittlerweile aufgehobenen Wertpapierdienstleistungsrichtlinie gelangt41. Sie enthält Anforderungen an die Erbringer von Wertpapierdienstleistungen, die innerhalb 37 Richtlinie des Rates vom 8.12.1986 über den Jahresabschluß und den Konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten, ABlEG Nr. L 372 v. 31.12.1986, S. 1. 38 Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABlEG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 1. 39 Ewgr. 13 der Richtlinie 93/6/EWG. 40 Art. 2 Nr. 6 lit. a Richtlinie 93/6/EWG. 41 Richtlinie 93/22/EWG des Rates v. 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABlEG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft tätig sind. Im Gegenzug gewährt sie ihnen das Recht, aufgrund der Zulassung im Herkunftsstaat ihre Leistungen auch in anderen Mitgliedstaaten zu erbringen. An vielen Stellen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie findet sich der Begriff des Finanzinstruments. Hinsichtlich des für ihren Anwendungsbereich bestimmenden Terminus „Dienstleistung“ bezieht sie sich auf eine Reihe von „Instrumenten“42 , die an anderer Stelle ausdrücklich als „Finanzinstrumente“ bezeichnet werden43. Doch war der Gemeinschaftsgesetzgeber hinsichtlich möglicher rechtsvereinheitlichender Nebenwirkungen noch vorsichtig. In den Erwägungsgründen hebt er hervor, die im Richtlinientext verwendeten Begriffe des Wertpapiers und des Geldmarktinstruments berührten „in keiner Weise die unterschiedlichen Definitionen von Finanzinstrumenten, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu anderen Zwecken und insbesondere zu Steuerzwecken festgelegt sind“44. Andererseits sollen die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie für die Gleichbehandlung aller auf dem geregelten Markt eines anderen Mitgliedstaats notierten „Finanzinstrumente“ Sorge tragen45. Das führte letztlich dazu, dass der Terminus Eingang in das nationale Recht fand. Zu einem wahren Durchbruch des Begriffs des Finanzinstruments im Gemeinschaftsrecht ist es allerdings erst in der Folge des sogenannten Lamfalussy-Berichts aus dem Jahre 2001 gekommen46 . Ziel des unter dem Vorsitz von Alexandre Lamfalussy stehenden Ausschusses „weiser Männer“ war es, eine Regulierung einzuführen, die schneller und flexibler auf neue Entwicklungen an den Finanzmärkten reagiert und diese umfassender als die bisherige erfasst47. Um diese Ziele zu erreichen, war die Einführung eines einheitlichen Begriffs erforderlich, der offen für neue Produkte ist und zugleich alle am Markt bereits angebotenen einschließt. Zu diesem Zweck wurde im Schlussbericht der Ausdruck „financial instruments“ verwendet, dem man damals noch die „investment services“ an die Seite stellte48 . Fast alle von der Kommission empfohlenen Maßnahmen bezogen sich auf diese beiden Gegenstände. Die „investment services“ gingen später in den „financial instruments“ auf, so dass fortan allein letzterer Begriff im Mittelpunkt steht.

42 43 44 45 46

Siehe Richtlinie 93/22/EWG, Anhänge A und B. Siehe die Definition des geregelten Markts in Art. 1 Nr. 13 Richtlinie 93/22/EWG. Ewgr. 11 der Richtlinie 93/22/EWG. Ewgr. 36 der Richtlinie 93/22/EWG. Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Final Re-

port. 47 Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Initial Report, abgedruckt im Final Report, Anhang 5, S. 67 (87). 48 Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Final Report, S. 58, 62 f. und passim.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Aus dem Lamfalussy-Bericht sind eine Reihe von Richtlinien hervorgegangen, die das Kapitalmarktrecht der Gemeinschaft grundlegend verändert haben. Alle von ihnen beruhen auf dem Konzept des „Finanzinstruments“. So verhält es sich etwa bei der im Jahre 2002 erlassenen Richtlinie über Finanzsicherheiten49. Sie soll für die gegenseitige Anerkennung von Sicherheiten sorgen, die im Finanzverkehr gestellt werden. Diese können entweder in barem Geld oder in am Finanzmarkt gehandelten Titeln bestehen. Zur Bezeichnung letzterer verwendet die Richtlinie den Begriff „Finanzinstrumente“50 . Eine weitergehende Bedeutung erlangt der Ausdruck in der Marktmissbrauchsrichtlinie51. Zentrale Begriffe der Richtlinie beziehen sich auf ihn. So wird etwa die Insider-Information definiert als: „eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen“52.

Ebenso verhält es sich beim Begriff der „Marktmanipulationen“. Darunter sind nach der Richtlinie unter anderem Geschäfte, Verkaufsanträge und Informationen zu verstehen, die „falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten“53. Die Durchführungsrichtlinie 2004/7254 baut logischerweise ebenfalls auf dem Begriff des Finanzinstruments auf55. Die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, die sogenannte MiFID (Markets in Financial Instruments Directive)56 , trägt den neuen Begriff sogar in ihrem Titel. Ihr Zweck ist es, die Effizienz und Attraktivität des Markts durch verschiedenartige Vorschriften erhöhen, wie etwa durch die Förderung von 49 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABlEG Nr. L 168 v. 27.6.2002, S. 43. 50 Siehe Art. 1 IV lit. a Richtlinie 2002/47/EG. 51 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABlEU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S.16. 52 Siehe Art. 1 Nr. 1 Richtlinie 2003/6/EG. 53 Art. 1 Nr. 2 lit. a, c Richtlinie 2003/6/EG. 54 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates — Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von InsiderVerzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABlEU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 55 Siehe z.B. Art. 6 I Richtlinie 2004/72/EG. 56 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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multilateral trading facilities (MTF) als Alternative zu den klassischen Börsen57 oder die Verpflichtung der Wertpapierfirmen zur kundengünstigsten Ausführung von Aufträgen (best execution)58 . Der Gemeinschaftsgesetzgeber will dabei das volle Angebot der anlageorientierten Tätigkeiten regeln. Dies erforderte eine Verbreiterung des Anwendungsbereichs der MiFID gegenüber der alten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. Einzubeziehen waren auch neue Finanzprodukte, die tatsächlich am Markt gehandelt werden und den traditionellen Produkten vergleichbar sind59. Die Richtlinie nimmt daher einen weiten Begriff zum Ausgangspunkt. Die von ihr geregelten Wertpapierdienstleistungen sind in Bezug auf gewisse Tätigkeiten definiert, die sich auf Finanzinstrumente beziehen60 . Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Begriff des Finanzinstruments im Gemeinschaftsrecht weit verbreitet ist und ständig an Bedeutung hinzugewinnt. Daraus ergibt sich ein großer Vorteil seiner Verwendung. Denn die Zukunft des Rechts der am Finanzmarkt gehandelten Titel liegt in Europa. Die EG erlangt im Bereich des Finanzmarkts immer größeren Einfluss auf die nationale Gesetzgebung. Über den Katalysator des Gemeinschaftsrechts wird dabei das Konzept des „Finanzinstruments“ das des Wertpapiers schrittweise verdrängen.

2. Bedeutungsentwicklung Die Bedeutung des Begriffs des Finanzinstruments ist in der Gemeinschaftsgesetzgebung nicht immer gleich geblieben. Sieht man in die einzelnen Definitionen der Richtlinien, so lassen sich über den Verlauf der Zeit erhebliche Verschiebungen feststellen. Diese sollen im Folgenden kurz nachgezeichnet werden, um die Richtung der Entwicklung zu bestimmen. Die Richtlinie 93/6/EWG, welche als eine der ersten den Begriff verwendet, enthält selbst keine eigene Definition, sondern verweist zur näheren Bestimmung auf die mittlerweile aufgehobene Wertpapierdienstleistungsrichtlinie61. Diese sieht in ihrem Anhang eine Liste vor, in der neben den Wertpapieren auch Geldmarktinstrumente, Finanz- und Zinsterminkontrakte, Zins-, Devisenund equity swaps sowie Optionen auf diese und gleichwertige Instrumente erwähnt sind62 . Der Begriff des Wertpapiers, den die Wertpapierdienstleistungrichtlinie verwendet, ist selbst sehr weit. Er erfasst neben den Aktien und Schuldverschreibungen gleichzustellende Titel, die auf dem Finanzmarkt ge57 58 59 60 61 62

Art. 5 II MiFID. Dazu z.B. Duve/Keller, BB 2006, 2537–2542. Art. 21 MiFID. Siehe Ewgr. 4 MiFID. Art. 4 I Nr. 2 S. 1 MiFID. Art. 2 Nr. 5 Richtlinie 93/6/EWG. Zur Richtlinie bereits o. S. 292. Anhang B der Richtlinie 93/22/EWG. Zur Richtlinie bereits o. S. 292 f.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

handelt werden können63. Die deutsche Fassung der Richtlinie verlangt, dass die Schuldtitel „verbrieft“ sein müssen, doch handelt es sich dabei um eine Fehlübersetzung des englischen „securitized“64. Mit den gleichgestellten Titeln sind gerade nicht verbriefte Titel gemeint. Richtig ist dagegen die deutsche Umsetzung der Richtlinie in § 2 I WpHG, nach dem „Wertpapiere“ auch vorliegen sollen, wenn über sie keine Urkunden ausgestellt wurden. Die Richtlinie über Finanzsicherheiten wird deutlicher. Sie enthält in ihrem Artikel 2 eine konsolidierte Definition des Finanzinstruments. Dort sind zunächst Aktien und ihnen gleichzustellende Wertpapiere sowie Schuldverschreibungen und sonstige „verbriefte und unverbriefte“ Schuldtitel genannt65. Die letzte Formulierung korrigiert den in der deutschen Fassung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie enthaltenen Fehler. Interessant ist auch, dass der Hinweis auf die Belanglosigkeit der Verbriefung in der englischen Fassung der Finanzsicherheitenrichtlinie nicht enthalten ist. Diese spricht nur von „bonds and other forms of debt instruments“, ohne zu sagen, dass diese verbrieft oder unverbrieft sein können. Offenbar sah man diesen Hinweis nur für den deutschsprachigen Raum als notwendig an, weil das hier herrschende Konzept des „Wertpapiers“ zu Missverständnissen führt. Zu den Finanzinstrumenten im Sinne der Richtlinie gehören außer Aktien und Schuldtiteln auch „alle anderen üblicherweise gehandelten Titel“, die zu ihrem Erwerb berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, wie zum Beispiel Optionen oder Futures, die Wertpapiere zur Basis haben oder bei denen die Erfüllung in natura ausgeschlossen ist. Außerdem zählen zu den Finanzinstrumenten auch Anteile an OGAW66 sowie Geldmarktinstrumente. Schließlich sind „jegliche Rechte oder Ansprüche im Zusammenhang mit einem der vorgenannten Aktiva“ von der Richtlinie erfasst. Beispiele sind der Dividenden- und der Zinsanspruch. Die Finanzsicherheitenrichtlinie enthält also bereits einen sehr weiten Begriff des Finanzinstruments. In der Marktmissbrauchsrichtlinie67 wird das Konzept noch ausgedehnt. Sie baut auf der Liste im Anhang der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie auf, erweitert sie aber auf Finanzterminkontrakte (financial futures68), Zinsausgleichsvereinbarungen (Forward Rate Agreements), equity swaps, Optionen und Warenderivate sowie alle sonstigen Instrumente, die an einem organisierten Markt der Gemeinschaft zugelassen sind oder für die eine solche Zulassung beantragt 63

Art. 1 Nr. 4 Richtlinie 93/22/EWG. Vgl. dazu o. S. 53 f. 65 Art. 2 I lit. e Richtlinie 2002/47/EG. 66 Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapieren. Vgl. dazu Richtlinie 85/611/ EWG v. 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapieren, ABlEG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3. 67 Zu ihr bereits o. S. 294. 68 Vgl. insoweit die englische Fassung. 64

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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wurde69. Im Vergleich zur Finanzsicherheitenrichtlinie ist insbesondere die Ausweitung auf Warenderivate bedeutsam. Damit sind nunmehr nicht nur Optionen und Futures erfasst, die sich auf Aktien oder Schuldverschreibungen richten, sondern auch solche, die zum Erwerb von Waren wie Weizen, Erdöl oder Schweinebäuchen berechtigen. Der enge Kreis der reinen Finanztransaktionen ist damit verlassen; die Realwirtschaft hat Einzug in den Begriff des Finanzinstruments gehalten. Freilich gilt dies nur, soweit es um die Berechtigung auf den Bezug solcher Waren geht, nicht um diese selbst. Eine fundamentale Neuerung der Marktmissbrauchsrichtlinie ist auch darin zu sehen, dass bereits die Zulassung zu einem organisierten Markt oder die Beantragung einer solchen Zulassung für die Qualifikation als Finanzinstrument genügt70 . Denn durch diese Klausel öffnet sich die Definition gegenüber neuen Entwicklungen; sie wird dynamisch. Sobald man für eine Innovation die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt beantragt, ist sie als Finanzinstrument anzusehen. Damit soll der Vervielfältigung der am Markt angebotenen Produkte Rechnung getragen werden. Diesem Ziel dient auch die Vorschrift des Artikel 1 S. 2. In ihr wird die Kommission ermächtigt, Durchführungsbestimmungen zu erlassen, die unter anderem den in Artikel 1 S. 1 Nr. 3 definierten Begriff des Finanzinstruments betreffen können. Zweck der Ermächtigung ist neben der Sicherstellung der einheitlichen Rechtsanwendung, „den Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen“71. Das bedeutet nichts anderes, als dass die ständige Weiterentwicklung der Finanzmärkte dazu zwingt, den Begriff des Finanzinstruments offen zu gestalten. Nochmals erweitert wurde die Definition des Finanzinstruments in der MiFID72 . Sie nennt in Anhang C die von ihr erfassten Instrumente. Dazu gehören wie nach den anderen Richtlinien die „übertragbaren Wertpapiere“. Zu ihnen zählen nach Artikel 4 I Nr. 18 MiFID jedoch nunmehr neben den Aktien auch „andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere“73. Außerdem ergibt sich eine Erweiterung hinsichtlich der Derivate. So werden nicht nur die in der Marktmissbrauchsrichtlinie genannten Warenderivate erfasst, sondern ebenso alle „Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder -erträge“74. Überdies sind Finanzinstrumente im Sinne der Richtlinie auch Derivatkontrakte in Bezug auf andere De69

Art. 1 S. 1 Nr. 3, letzter Spiegelstrich Richtlinie 2003/6/EG. Art. 1 S. 1, letzter Spiegelstrich Richtlinie 2003/6/EG. Siehe auch ihren Art. 9 I. 71 Art. 1 S. 2 Richtlinie 2003/6/EG. 72 Zu ihr bereits o. S. 294 f. 73 Der Ausweitung wird in der Literatur allerdings keine große Bedeutung beigemessen, weil weiterhin erforderlich sei, dass derartige Wertpapiere auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, siehe Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 Rdnr. 9. 74 Anhang I C Nr. 4 MiFID. 70

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3. Teil: Das Finanzinstrument

rivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrößen75. Dazu gehören zum Beispiel Indexzertifikate. Darüber hinaus gelten auch derivative Instrumente zum Transfer von Kreditrisiken – Kreditderivate – als Finanzinstrumente76 . Schließlich gehören in diese Kategorie Derivatkontrakte in Bezug auf Klimavariablen, Frachtsätze, Emissionsberechtigungen, Inflationsraten und andere offizielle Wirtschaftsstatistiken77. Ein Zertifikat, dessen Wert vom Wetter oder von den durch die Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Arbeitslosenzahlen abhängig ist, wäre also erfasst; nicht dagegen ein Kontrakt, dessen Wert an die Zahl von Unternehmensinsolvenzen gekoppelt ist, die das emittierende Institut ermittelt. Jedoch wird selbst diese Einschränkung abschließend fallen gelassen. Denn als Finanzinstrument gelten auch alle anderen Derivatkontrakte „in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte“, die sonst nicht in der Richtlinie genannt werden78 . Voraussetzung ist allerdings, dass sie die „Merkmale derivativer Finanzinstrumente“ aufweisen. Die Richtlinie gibt einen Hinweis, worin diese Merkmale bestehen. Es sei unter anderem zu berücksichtigen, ob sie auf einem geregelten Markt oder einer MTF79 gehandelt werden, ob Clearing und Abrechnung über anerkannte Clearingstellen erfolgen oder ob eine Margin-Einschussforderung besteht80 . Waren-Derivate, die in der Definition des Finanzinstruments nicht erwähnt sind und nicht-kommerziellen Zwecken dienen, können ebenfalls als Finanzinstrumente angesehen werden, wenn sie die Merkmale derivativer Finanzinstrumente aufweisen. Hierbei sind allerdings nur die beiden letztgenannten Merkmale – Clearing und Abrechnung über anerkannte Clearingstellen oder Margin-Einschussforderung – zu berücksichtigen, nicht aber der Handel auf einem geregelten Markt oder einer MTF81. Waren-Derivate können daher selbst dann Finanzinstrumente sein, wenn sie nicht zentralisiert gehandelt werden. Blickt man auf die gesamte Entwicklung des Gemeinschaftsrechts zurück, so wird offenbar, dass sich die Bedeutung des Begriffs „Finanzinstrument“ über die Jahre sehr verändert hat. Die Entwicklung kannte nur eine Richtung: 75 Die deutsche Fassung ist insoweit verunglückt, da sie vor der Klausel „oder andere Derivat-Instrumente“ ein Komma enthält. Damit wird der Eindruck erweckt, die Derivat-Instrumente und die nachfolgenden finanziellen Indizes und Messgrößen selbst seien als Finanzinstrumente anzusehen. Das ist jedoch schon deshalb ausgeschlossen, weil finanzielle Indizes nicht effektiv geliefert werden können. Richtigerweise müssen diese mit der Formel „in Bezug auf“ gelesen werden. Besser als die deutsche ist insoweit z.B. die englische Fassung. 76 Anhang I C Nr. 8 MiFID. 77 Anhang I C Nr. 10 MiFID. 78 Anhang I C Nr. 10 MiFID. 79 Dazu o. S. 294 f. 80 Anhang I C Nr. 10 MiFID. 81 Anhang I C Nr. 7 MiFID.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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Ausdehnung. Die Geschichte des Finanzinstruments ist eine Geschichte stetiger Erweiterung auf neue Produkte. Der Grund dafür liegt in der unbändigen Innovationskraft des Finanzmarkts. Die ständige Erweiterung der Produktpalette machte eine permanente Anpassung der Rechtsgrundlagen nötig. Dabei etablierte sich der Begriff des Finanzinstruments als Konstante mit variablem Inhalt.

IV. Vergleich mit anderen Figuren Die Bedeutung juristischer Konzepte wird häufig erst durch Gegenüberstellung mit anderen deutlich. Daher soll das Finanzinstrument im Folgenden mit anderen Rechtsfiguren und Erscheinungen verglichen werden. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die sich dabei zeigen, lassen die Konturen des neuen Begriffs klarer zu Tage treten.

1. Vertrag Das Finanzinstrument ist im Ausgangspunkt ein Vertrag. Es entsteht durch eine Vereinbarung zwischen dem Emittenten und dem Anleger. In dieser Vereinbarung sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten festgelegt. Die Besonderheit der „Finanzinstrumente“ gegenüber den üblichen Verträgen liegt nun darin, dass sie auf den Finanzmärkten gehandelt werden. Dadurch beschränkt sich das Vertragsverhältnis nicht auf die ursprünglich daran beteiligten Parteien. Es wird vielmehr weiterübertragen. Das ist im Grunde nichts Ungewöhnliches, denn die Abtretung und die Übernahme sind auch bei anderen Verträgen gestattet. Die Eigenart der Finanzprodukte liegt aber darin, dass sie von vornherein auf Übertragung angelegt sind. Die Auswechslung des Vertragspartners ist bei ihnen kein seltener Vorgang, sondern von vornherein beabsichtigt. Wegen ihrer Bestimmung, auf den Finanzmärkten gehandelt zu werden, entfernen sich die erörterten Vereinbarungen von den üblichen Verträgen. Sie werden zu Gegenständen des Rechtsverkehrs, zu Finanz„instrumenten“. Trotzdem verlieren sie ihre vertragliche Grundlage nicht. Ob beispielsweise eine Anleihe existiert oder nicht und welche Rechte sie gewährt, kann nur nach der Vereinbarung der Parteien und den gesetzlichen Regeln des Vertragsrechts bestimmt werden. Dagegen richtet sich ihre Übertragung nach Vermögensrecht.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

2. Mitgliedschaft Viele Finanzinstrumente betreffen Mitgliedschaften in einer Gesellschaft. Paradigmatisches Beispiel ist die Aktie. Sie vermittelt dem Aktionär mitgliedschaftliche Rechte, ist aber auch Finanzinstrument. Häufig wird gesagt, die Aktie „verkörpere“ die Mitgliedschaft82 . Wörtlich genommen ist dies falsch, denn über Aktien wird heute regelmäßig keine individuelle körperliche Urkunde mehr ausgestellt; vielmehr wird die gesamte Emission lediglich in einer Globalurkunde verbrieft. Gemeint ist mit dem Bezug auf die Verkörperung aber meist etwas anderes. Obwohl sie ein komplexes personen- und vermögensrechtliches Verhältnis ist, kann die Mitgliedschaft anerkanntermaßen zugleich Verfügungsgegenstand sein83. In dieser Funktion wird sie durch die Aktie erfasst. Die Aktie stellt die Mitgliedschaft im Rechtsverkehr dar. Man darf sich dies nur nicht im Sinne einer physischen Repräsentation vorstellen. Vielmehr ist die Aktie die Mitgliedschaft, soweit deren Übertragung gemeint ist. Beide sind nicht verschieden, sondern nur unterschiedliche Kehrseiten derselben Medaille. Die eine Seite ist die vermögensrechtliche, die andere die gesellschaftsrechtliche. Allerdings darf dies nicht zu dem Schluss verleiten, das Finanzinstrument und die Mitgliedschaft seien allgemein identisch. Es gibt eine Reihe von Finanzinstrumenten, die lediglich schuldrechtliche Ansprüche gewähren. Auch wenn das Finanzinstrument gesellschaftsrechtlichen Bezug hat, steht es der Mitgliedschaft unterschiedlich nahe: Zum Beispiel kann das Instrument nur das Recht auf Aufnahme als Mitglied enthalten, wie etwa eine Wandelschuldverschreibung. Oder es gewährt nur bestimmte gesellschaftsrechtliche Befugnisse, wie Genussrechte.

3. Geld Finanzinstrumente und Geld teilen viele Eigenschaften84. So kann Geld zwar verkörpert sein – in Banknoten oder Münzen –, es kann aber auch eine unkörperliche Form annehmen, so etwa beim Buch- oder Giralgeld oder beim e-money85. Ebenso kennt auch das Finanzinstrument eine verkörperte und eine 82

Siehe z.B. Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 16. Siehe Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 563 f. Die abweichende Auffassung von Hadding, in: FS Steindorff, 1990, S. 31 (36–39), der zufolge nur die einzelnen Mitgliedschaftsrechte übertragbar sind, führt zu keinem anderen Ergebnis, denn nach ihr kann zumindest über diese Rechte verfügt werden. 84 Zum Geldbegriff vgl. Heermann, in: Handbuch des Schuldrechts X, § 2 Rdnrn. 15–29; Proctor, Mann on the Legal Aspect of Money, Rdnrn. 1.01–1.77; Grundmann, in: MünchKomm-BGB, § 245 Rdnrn. 10–12; Karsten Schmidt, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 244 ff, Rdnrn. A 12 – A 47. 85 Freilich ist str., ob es sich insoweit um „Geld“ im juristischen Sinn handelt, vgl. Heer83

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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unverkörperte Form. Weiter sind Finanzinstrumente wie Geld meist in Währungseinheiten denominiert. Außerdem sind beide fungibel86 . Sie können daher mit anderen Einheiten derselben Gattung vermischt werden und zu Summen verschmelzen. Der Verkehr sieht sie als Quantitäten an, nicht als individuelle Gegenstände. Man kauft etwa „100 Daimler-Aktien“, ohne dass es auf bestimmte Stücke ankommt, ebenso wie man 100 Euro schuldet, ohne diese in bestimmten Scheinen liefern zu müssen. Schließlich können Finanzinstrumente gleich dem Geld als Wertspeicher dienen; bei ihnen steht diese Funktion sogar im Vordergrund. Andererseits zeigen sich beim Vergleich zwischen Finanzinstrumenten und Geld auch wesentliche Unterschiede. Der wohl wichtigste ist, dass erstere keine Zahlungsmittel sind87. Zwar können die Parteien vereinbaren, dass eine Schuld statt in Geld durch Finanzinstrumente erfüllt werden darf. Doch handelt es sich in diesem Fall nicht mehr um eine Geldschuld. Einige Finanzinstrumente stehen dem Geld ganz besonders nahe, nämlich die Geldmarktinstrumente. Diese sind typischerweise von sehr kurzer Laufzeit, wie zum Beispiel sogenannte commercial paper. Doch handelt es sich auch bei ihnen juristisch gesehen nicht um Zahlungsmittel, sondern um Forderungen auf Zahlung. Zusammenfassend lässt sich daher sagen, dass Geld und Finanzinstrumente nicht identisch sind. Bei letzteren steht der Anlagezweck ganz im Vordergrund. Sie sind für Investitionen gebundenes Kapital.

4. Ware Durch die Handelbarkeit wird das Finanzinstrument zum Gegenstand des Rechtsverkehrs. Es kann erworben und veräußert werden. Der Handel mit ihm unterscheidet sich zumindest auf den ersten Blick nicht wesentlich vom Verkehr mit körperlichen Gütern. An der Börse werden Aktien und Obligationen ebenso umgesetzt wie Weizen oder Rohöl. Das wird durch ihre Standardisierung und die daraus folgende Fungibilität ermöglicht. Diese schaffen erweiterte Absatzmöglichkeiten. Man könnte daher versucht sein, Finanzinstrumente als Ware zu bezeichnen, in Anlehnung an den im angelsächsischen Raum üblichen Begriff der „commodification“88 . Der Unterschied des Finanzinstruments zur Ware im klassischen Sinne liegt darin, dass es ein reines Rechtsprodukt ist. Es besteht im Kern aus schuldrechtmann a.a.O., Rdnrn. 19–27; Proctor a.a.O., Rdnr. 1.52; Grundmann a.a.O., Rdnrn. 6–9; Karsten Schmidt a.a.O., Rdnr. A 28. 86 Dazu u. S. 315 ff. 87 Vgl. für Wertpapiere Karsten Schmidt, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 244 ff, Rdnr. A 27. 88 Dieser wird auf verschiedenste immaterielle Gegenstände bezogen, z.B. auch auf Informationen, siehe Elkin-Koren/Netanel, The Commodification of Information.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

lichen oder mitgliedschaftlichen Beziehungen. Das Finanzinstrument ist unkörperlich. Es ist ein rein geistiges Gebilde ohne physische Realität. Das hindert nicht eine gewisse Nähe zu körperlichen Gütern; zum Beispiel bedarf es ebenso wie diese der Zuordnung zu einem Inhaber89.

5. Eigentum Finanzinstrumente sind kein Eigentum. An ihnen könnten aber zumindest Eigentumsrechte bestehen. Ob man dies anerkennt, hängt davon ab, wie man letztere definiert. In Deutschland wird Eigentum vor allem als Sachherrschaft verstanden90 . An Instrumenten wie Aktien oder Obligationen wäre daher kein Eigentum denkbar. Andere Rechtsordnungen verstehen den Begriff dagegen wesentlich umfassender91. Man muss nicht so weit gehen, diese in das inländische Recht zu übertragen. Denn die deutsche Lehre erscheint schon im Hinblick auf § 903 Satz 1 BGB widersprüchlich. Dieser stellt nicht auf die Sachherrschaft ab, sondern auf die Möglichkeit, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Unter erstere fasst man sowohl das Recht, die Nutzungen einschließlich der Früchte zu ziehen, als auch den Gegenstand zu veräußern92 . Diese drei Rechte sind die wichtigsten Befugnisse des Eigentümers. Sie können daher nicht lediglich als Auswirkungen des Eigentums angesehen werden, um ein von ihnen abstraktes „Wesen“ der Eigentumsrechte zu konstruieren, wie es in der Lehre getan wird93. Sie sind vielmehr Anhaltspunkte dafür, was nach dem Gesetz Eigentum ist. Folgt man treu dem Text des § 903 Satz 1 BGB, so stellt sich heraus, dass das deutsche Recht den ausländischen Rechten nicht fern steht. Diese heben als Charakteristika des Eigentums vor allem die Privatnützigkeit, die Möglichkeit der Veräußerung und das Recht zum Ausschluss Dritter hervor94. Das deckt sich weitgehend mit der schon aus dem römischen Recht bekannten Dreiteilung in usus, usus fructus und abusus. Alle diese Eigenschaften sind bei Rechten an Finanzinstrumenten gegeben. Sie sind ihrem Inhaber zur alleinigen Nutznießung

89

Vgl. o. S. 234. Vgl. Staudinger/Seiler, Vorbem zu §§ 903 ff Rdnr. 2. Siehe auch die verschiedenen Theorien bei Soergel/Jürgen F. Baur, § 903 Rdnrn. 15–20. 91 Siehe o. S. 239 ff. 92 Vgl. Palandt/Bassenge, § 903 Rdnr. 5; Soergel/Jürgen F. Baur, § 903 Rdnr. 33; Staudinger/Seiler, § 903 Rdnr. 10. 93 Vgl. z.B. Staudinger/Seiler a.a.O., Rdnr. 2. 94 Vgl. die Länderberichte in v. Bar, Sachenrecht in Europa, z.B. zum englischen Recht Middleton, Bd. 1, S. 93 (120), zum belgischen Recht Beysen, Bd. 4, S. 7 (63), zum französischen Recht ders., Bd. 4, S. 177 (231), zum italienischen Recht Plancker/Pfeifer, Bd. 4, S. 315 (333–335), zum spanischen Recht Rodriguéz Mariscal, Bd. 4, S. 457 (497 f.). 90

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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zugewiesen, der sie veräußern und Dritte von der Einwirkung ausschließen kann. Das legt es nahe, von Eigentum zu sprechen. Allerdings ergibt sich bei den Finanzinstrumenten der Nutzen nicht aus einem greifbaren, körperlichen Gegenstand, auf den sie sich beziehen würden. Vielmehr folgt er aus einer Erwartung an die Zukunft: Der Erwerber geht davon aus, dass ihm Zinsen oder Dividenden gezahlt werden. Diese haben ihren Grund in einem Vertragsverhältnis. Sie sind damit relativ auf eine bestimmte Person bezogen und von dieser abhängig. In der Tat sind diese Rechte daher vom traditionellen Konzept des Eigentums weit entfernt. Das gilt jedoch nur für die Rechte aus Finanzinstrumenten, nicht für die Rechte an ihnen. Diese kann man durchaus mit dem Eigentum vergleichen. Der alltägliche Sprachgebrauch ist insoweit aufschlussreich. So sagt man, dem Aktionär „gehöre“ die Aktie. Damit bringt man zum Ausdruck, dass sie ihm ausschließlich zugewiesen ist. Von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt, zu sagen, dass der Aktionär „Eigentümer“ der Aktie ist. Der Jurist wendet berichtigend ein, er könne allenfalls Eigentümer der Aktienurkunde sein; hinsichtlich der Aktie sei er dagegen nur „Inhaber“. Man sollte jedoch die Scheu vor der Bezeichnung der Rechte an unkörperlichen Gegenständen als „Eigentum“ ablegen, denn sie spiegelt die vermögensrechtlichen Verhältnisse zutreffend wider.

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§ 16 Merkmale Ziel dieses Paragraphen ist es, den abstrakten Begriff des Finanzinstruments mit Leben zu erfüllen. Weder das Gesetzesrecht noch die wörtliche Analyse haben abschließende Erkenntnisse geliefert1. Das Konzept des Finanzinstruments erscheint in gewisser Weise farblos, fade und unbestimmt. Der Grund dafür ist leicht zu erkennen, wenn man bedenkt, dass der Begriff offen sein soll für die Entwicklung am Finanzmarkt. Der Kreativität der Anbieter von Finanzmarktprodukten sind keine Grenzen gesetzt; daher darf sich auch das Recht keine Grenzen setzen, sondern muss sich parallel zu den Märkten fortentwickeln. Der Preis dafür ist eine Definition, die keine starren Voraussetzungen an die Instrumente stellt. Aus dem genannten Grund ist es unmöglich, eine ein für allemal abschließende abstrakte Begriffsbestimmung des Finanzinstruments zu geben. Allerdings heißt das nicht, dass man nicht wenigstens einige Merkmale angeben könnte, die für die hier gemeinten Titel kennzeichnend sind und sie von anderen unterscheiden. Methodisch kann man insoweit auf die von Karl Larenz entwickelte Typenlehre zurückgreifen 2 . Beim „Finanzinstrument“ handelt es nicht um einen in allen Einzelheiten feststehenden Begriff, sondern um einen Typus. Daher lässt er sich nur durch gewisse wesentliche Züge kennzeichnen. Diese müssen nicht bei allen in gleichem Maße vorliegen und können im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Es entspricht einer allgemeinen Erkenntnis, dass sich die Charakteristika des Typus empirisch und zugleich normativ bestimmen lassen 3. Empirisch sind sie im Fall des Finanzinstruments insoweit, als sie den realen Erscheinungen der Finanzmärkte abgeschaut werden können. Sie sind zugleich normativ, weil sie sich nicht auf eine reine Wiedergabe der Realität beschränken. Sie dienen vielmehr auch bestimmten Zwecken, vor allem dem, die Absichten des Gesetzgebers zu verwirklichen und eine systematisch stimmige Einteilung zu erzeugen. Mit ihrer Hilfe werden daher einige Erscheinungen in den Begriff des Finanzinstruments einbezogen, die aus tatsächlicher oder allgemeinsprachlicher Sicht nicht darunter fallen; umgekehrt können andere ausgeschieden werden, die man 1

Siehe o. S. 288 ff. Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 290–302. Siehe auch Leenen, Typus und Rechtsfindung; Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rdnrn. 146–151. Krit. vor dem Hintergrund der Lehre von den komparativen Begriffen Müller/Christensen, Juristische Methodik I, Rdnrn. 230 f. Die Kritik entbehrt zwar nicht einer gewissen Berechtigung. Jedoch bleibt es das unbestreitbare Verdienst der Typenlehre, das Problem der Unschärfe der Begriffsmerkmale zu allgemeinem Bewusstsein gebracht zu haben. Aus diesem Grund ist sie auch für die vorliegende Untersuchung fruchtbar. 3 Vgl. Leenen a.a.O., S. 84–87; Larenz/Canaris a.a.O., S. 294. 2

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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in einem ersten Ansatz einbezogen hätte. Die folgenden Merkmale sind daher nicht neutral, sondern bewusst gewählt, um die später zu erörternde rechtliche Regelung zu begründen.

I. Handelbarkeit Die entscheidende Voraussetzung für die Einordnung eines Vermögenswerts in die neue Kategorie ist, dass er handelbar sein muss. Nur wenn er sich für den Handel am Finanzmarkt eignet, kann er Finanzinstrument sein. Dies ist die wichtigste Gemeinsamkeit, welche die verschiedenen Finanzmarktprodukte miteinander verbindet. Sie unterscheidet sie insbesondere von bloß zweiseitigen Verträgen, bei denen die Rechte und Pflichten nicht ohne weiteres auf andere übertragen werden können.

1. Wirtschaftliche Hintergründe Aus Sicht des Anlegers liegt der Vorzug der Finanzinstrumente gegenüber schuldrechtlichen Verträgen darin, dass er sein Recht jederzeit verkaufen und in Bargeld umwandeln kann. Daraus resultiert auch ihr besonderer, greifbarer Wert. Durch die Handelbarkeit erlangt der Anleger die Möglichkeit, seine Position zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu veräußern. Sie eröffnet ihm die Chance zur sofortigen Desinvestition. Ein Beispiel soll dies erläutern: Der Inhaber einer Schuldverschreibung muss nicht unbedingt bis zu deren Fälligkeit abwarten, um das eingesetzte Kapital zurückzuerhalten. Er kann es auch schon vor dem Ende der Laufzeit insgesamt oder teilweise zurückerlangen, indem er die Anleihe am Markt veräußert. Das unterscheidet ihn vom Gläubiger eines Darlehens im Sinne des § 488 I BGB, der in aller Regel bis zur Fälligkeit abwarten muss, bevor er das eingesetzte Kapital zurückerhält. Die Möglichkeit zur einfachen Veräußerung verleiht dem Inhaber eines Finanzinstruments eine aus seiner Sicht kaum zu überschätzende Sicherheit, denn er kann eine einmal getroffene Investitionsentscheidung zu jedem Zeitpunkt rückgängig machen; vorausgesetzt natürlich, die Märkte funktionieren. Dadurch erlangt er zugleich eine außerordentliche Flexibilität. Ihm ist es möglich, seine Vermögensposition jederzeit in eine andere umzuwandeln. Erweist sich ein anderer Anlagegegenstand als profitabler, dann kann er seinen verkaufen und den anderen erwerben. Benötigt er das angelegte Vermögen zu privaten Zwecken, so lässt es sich umgehend versilbern. Ein weiterer Vorteil der Handelbarkeit besteht darin, dass sie dem Anleger eine zusätzliche Möglichkeit eröffnet, Profit zu erzielen. Investiert er etwa in ein klassisches Darlehen, so kann er allein von den Zinsen profitieren. Für Fi-

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3. Teil: Das Finanzinstrument

nanzinstrumente wie beispielsweise die Schuldverschreibung besteht jedoch aufgrund ihrer Handelbarkeit ein Markt, auf dem jederzeit ein Preis gebildet wird. Der Anleger kann nun bei einem zwischenzeitlichen Anstieg der Kurse sein Instrument veräußern und dadurch Gewinne realisieren. In den Wirtschaftswissenschaften bezeichnet man die jederzeitige Möglichkeit der Veräußerung eines Gegenstands als „Liquidität“4. Durch sie wird das Risiko des Investors gesenkt. Sie steht daher mit dem Preis des Finanzprodukts in unmittelbarem Zusammenhang: Da ein geringeres Risiko bei gleicher Rendite einen höheren Preis rechtfertigt, sind Anleger bereit, für liquide Instrumente mehr zu zahlen als für zweiseitige Rechtsverhältnisse oder sich bei gleichem Preis mit einer geringeren Rendite zufrieden zu geben. Folglich profitieren von der Handelbarkeit des Finanzinstruments auch die Emittenten. Die Liquidität der von ihnen begebenen Titel erlaubt es ihnen, geringere Renditen bei gleichem Risiko zu versprechen. Würden sie eine nur schwer veräußerliche Beteiligung vermarkten, dann müssten sie den Investoren im Gegenzug höhere Renditeaussichten bieten, um sie für das Fehlen von Sicherheit, Flexibilität und zusätzlicher Gewinnmöglichkeit zu entschädigen. Offerieren sie dagegen Finanzinstrumente, dann kann die Verzinsung oder Dividende geringer ausfallen. Folglich haben die Unternehmen die Möglichkeit, ihren Kapitalbedarf mit Finanzinstrumenten zu günstigeren Konditionen zu decken als mit anderen Mitteln. Die Handelbarkeit ist daher sowohl aus Sicht der kapitalsuchenden Emittenten als auch aus Sicht der Anleger in vielerlei Hinsicht vorteilhaft. Das erklärt den großen Erfolg der Finanzinstrumente und die ständige Ausweitung der Produktpalette. Es erklärt auch die Zunahme der „securitization“5. Denn durch sie werden illiquide Vermögensgegenstände in handelbare Produkte umgewandelt. Darüber hinaus hat die Handelbarkeit weitere Vorteile. Sie lockt Investoren auf den Markt, die sich sonst nicht für eine Verleihung ihres Kapitals an andere interessieren würden. Kleinanleger kaufen beispielsweise gern Anleihen, selbst wenn sie normalerweise nur selten Kredite vergeben. Sie schätzen es, dass sie ihre Vermögensposition jederzeit wieder in Geld verwandeln und gegen eine andere austauschen können. Das kommt den Bedürfnissen insbesondere kleiner Sparer entgegen. Die von der Handelbarkeit ausgehende Anziehungskraft führt dazu, dass immer mehr Personen Kapital zur Verfügung stellen. Damit

4 Spremann/Gantenbein, Kapitalmärkte, S. 11 f.; Kohn, Financial Institutions and Markets, S. 13. Siehe auch Kempf, Wertpapierliquidität und Wertpapierpreise, S. 13, der jedoch zusätzlich verlangt, dass beim Kauf kein Preisaufschlag und beim Verkauf kein Preisabschlag hingenommen werden muss. Das erscheint angesichts des am Finanzmarkt üblichen spread zwischen An- und Verkaufspreis zu streng. 5 Zu ihr o. S. 53 f.

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verbreitert sich das Anlagepublikum; Risiken werden auf eine größere Anzahl von Schultern verteilt. Die Handelbarkeit von Finanzinstrumenten kommt damit nicht nur Individualinteressen entgegen, sondern hat auch volkswirtschaftliche Vorteile. Spätestens hier wird klar, warum sie durch besondere gesetzliche Vorschriften gesichert werden muss. Erst sie ermöglichen den Handel mit Kapital; eines der grundlegenden Kennzeichen der kapitalistischen Wirtschaftsform6 . Eine auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen aufbauende Rechtsordnung sollte daher die Übertragung von Finanzinstrumenten möglichst leicht ausgestalten. Dies ist die wichtigste Forderung an die neuen Regeln des Zivilrechts, die die Übertragung von Finanzinstrumenten betreffen. Allerdings könnte man hier einen Zirkelschluss argwöhnen: Einerseits wird von der rechtlichen Regelung verlangt, dass sie die Handelbarkeit von Finanzinstrumenten sicherstellen soll; andererseits beschreibt man mit der Handelbarkeit, welche Instrumente überhaupt Finanzinstrumente sind. Die Möglichkeit des Handels erscheint also zugleich als Voraussetzung und als Rechtsfolge. Das ist jedoch kein methodischer Fehler. Hierbei handelt es sich vielmehr um ein Phänomen, das in der Rechtstheorie unter der Bezeichnung „hermeneutischer Zirkel“ bekannt ist7: Das Denken geht von den Erscheinungen der Realität zu den normativen Merkmalen und wieder zurück. Die rechtliche Regelung muss an ein Vorverständnis des Begriffs des Finanzinstruments anknüpfen, beeinflusst dieses aber wiederum.

2. Bedeutung im Kapitalmarktrecht Aus rechtlicher Sicht ist das Kriterium der Handelbarkeit nicht neu. Das WpHG setzt voraus, dass Wertpapiere „ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind“8 . Das Kreditwesengesetz stellt dieselbe Voraussetzung auf und ersetzt die Finanzmärkte lediglich durch die Kapitalmärkte9. Im Börsenrecht wird für die Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt verlangt, dass sie „frei handelbar“ sind10 . Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie enthielt in ihren Erwägungsgründen einen Hinweis, nach dem die in ihr verwendete Definition des Wertpapiers nur für Instrumente gelten soll, die gehandelt werden können11.

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Spremann/Gantenbein, S. 12 f. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 96–98; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 288. 8 § 2 I 1 WpHG. 9 § 1 XI 2 KWG. 10 § 5 I der Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zum regulierten Markt einer Wertpapierbörse (Börsenzulassungs-Verordnung-BörsZulV) i.d.F. der Bekanntmachung v. 9.9.1998, BGBl. I, 2832. 11 Ewgr. 11 Halbs. 2 Richtlinie 93/22/EWG. 7

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Obwohl sich die genannten Rechtsakte allein auf Wertpapiere beziehen, hat das von ihnen erwähnte Merkmal der Handelbarkeit auch für Finanzinstrumente Bedeutung. Wie gesehen spielt es auch für diese eine wichtige Rolle. Das liegt daran, dass die Kategorie der Finanzinstrumente die des Wertpapiers umfasst, die sie um neue, ähnliche Erscheinungen wie etwa Derivate oder Investmentanteile bereichert. Mit dem Wertpapier teilen alle Finanzmarktprodukte die Handelbarkeit als grundlegendes Charakteristikum.

3. Übertragung auf das Zivilrecht Die Gesetzgebung zum Kapitalmarktrecht ist dem Zivilrecht bezüglich der näheren Begriffsbestimmung voraus. Sie enthält bereits detaillierte Auflistungen verschiedener Arten von Finanzinstrumenten. Da meist handelbare Gegenstände genannt werden, können diese Listen auch für das Zivilrecht herangezogen werden. Doch gilt dies nicht ausnahmslos. Einige der im Kapitalmarktrecht als Finanzinstrumente bezeichneten Produkte erfüllen nicht die Voraussetzung der Handelbarkeit. In diese Kategorie gehören zum Beispiel die in § 2 IIb WpHG genannten „Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren“, die etwa bei einer Kapitalerhöhung nach § 186 AktG zugunsten der Altaktionäre entstehen. Zwar sind Bezugsansprüche nach herrschender Meinung durchaus wie Wertpapiere handelbar, wenn ihre Ausübung an die Vorlage eines Dividendenscheins gebunden ist12 . Der Gesetzgeber hat sich aber nicht auf diese beschränkt, sondern alle, auch die nicht übertragbaren, in die Definition des Finanzinstruments aufgenommen. Grund dafür ist das Bestreben, das Verbot des Insiderhandels nach § 14 WpHG auf die Ausübung des Bezugsrechts auszudehnen13. Für die zivilrechtliche Behandlung kann diese Intention des Gesetzgebers keine Rolle spielen. Nicht handelbare Bezugsrechte sind keine Finanzinstrumente im Sinne des allgemeinen Konzepts, auch wenn sie das Kapitalmarktrecht als solche bezeichnet. An dieser Stelle kommt es daher notwendig zu einer Abweichung der allgemeinen Bedeutung vom positivistischen Begriff des Kapitalmarktrechts. Das ist zu bedauern. Man sollte sich um eine einheitliche, stimmige Terminologie bemühen. Dieses Gebot folgt zum einen aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Zum anderen erleichtert seine Einhaltung die Tätigkeit des Rechtsanwenders. Daher sollte man auch im Kapitalmarktrecht darauf achten, dass nur solche Rechte unter den Begriff des Finanzinstruments subsumiert werden, die Besonderheiten gegenüber allgemeinen Rechten aufweisen. 12 Hüffer, AktG, § 186 Rdnr. 7; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 186 Rdnr. 1; differenzierend Servatius, in: Spindler/Stilz, AktG, § 186 Rdnrn. 18–20. 13 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 40i.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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Das heißt vor allem, dass sie handelbar sein müssen. Alle anderen Rechte sind auszuscheiden. Sollen Regelungen über sie erlassen werden, so muss man sie gesondert aufführen. Im Fall der Bezugsrechte könnte dies zum Beispiel dadurch erreicht werden, dass man sie mit der Definition in § 2 IIb WpHG nur insoweit erfasst, als sie handelbar sind. Soll das Insiderhandelsverbot auch nicht handelbare Bezugsrechte ergreifen, ist dessen Anwendungsbereich durch eine besondere Vorschrift auf sie zu erstrecken.

4. Verhältnis zu anderen Merkmalen Bislang unbeantwortet blieb die Frage, wann ein Gegenstand „handelbar“ ist. Der Begriff ist undeutlich. Es handelt sich eher um eine Beschreibung als um einen feststehenden juristischen Terminus. Es ist daher nützlich, weitere Teilmerkmale zu entwickeln. Sie dürfen nicht als Gegensatz zur Handelbarkeit oder als getrennt von ihr aufgefasst werden. Vielmehr präzisieren sie diese.

II. Umlauffähigkeit 1. Bedeutung Nur umlauffähige Instrumente können auf dem Finanzmarkt gehandelt werden. Die Umlauffähigkeit, auch „Zirkulationsfähigkeit“ genannt, setzt voraus, dass der Inhaber die Instrumente ohne Schwierigkeiten auf einen anderen transferieren kann. Sie unterscheidet Finanzinstrumente von normalen Schuldverträgen, die nicht auf die Übertragung angelegt sind. Erst durch die Umlauffähigkeit wird aus dem schuldrechtlichen Band zwischen Kapitalgeber und -nehmer ein Gegenstand, wird mit anderen Worten der Finanzvertrag zum Finanz„instrument“. Die Umlauffähigkeit ist als notwendiges Charakteristikum der Wertpapiere im kapitalmarktrechtlichen Sinne anerkannt14. Sie liegt jedoch nicht nur bei ihnen vor, sondern auch bei individuell ausgestellten Titeln wie Wechsel oder Scheck. Wie oben dargestellt, ist sie ein bestimmendes Element des allgemeinen Wertpapierbegriffs15. Wichtig ist dabei, dass unverbriefte Instrumente ebenso umlauffähig sein können wie Urkunden16 . Dieser Erkenntnis verschließt sich die deutsche Lehre bislang.

14 Siehe Kümpel, Rdnr. 9.108; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 10; Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 Rdnr. 4. 15 Vgl. o. S. 12 f. 16 Vgl. o. S. 37 f.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

2. Inhalt Aber wann ist ein Instrument „umlauffähig“ im hier gemeinten Sinne? Die schlichte Übertragbarkeit genügt nicht17. Notwendig ist vielmehr eine „gesteigerte Umlauffähigkeit“18 . Was man darunter zu verstehen hat, lässt sich am besten am Gegenbeispiel der Forderung zeigen: Sie ist zwar mit Ausnahme der in §§ 399 f. BGB genannten Fälle übertragbar. Doch wird die Übertragung dadurch erschwert, dass das Recht die Interessen des Erwerbers hinter die des Schuldners zurückstellt. Das zeigt sich an verschiedenen Vorschriften: Nach § 404 BGB kann der Schuldner Einwendungen, die zur Zeit der Abtretung gegen den bisherigen Gläubiger begründet waren, auch gegenüber dem neuen Gläubiger erheben. Nach § 406 BGB darf er darüber hinaus mit Forderungen aufrechnen, die ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehen. Und nach § 407 BGB muss der Erwerber eine Leistung an den bisherigen Gläubiger gegen sich gelten lassen. Die Forderung kann daher zwar vom Gläubiger übertragen werden. Doch hat die Übertragung für ihn Nachteile, weil besondere Schutzvorschriften zugunsten des Schuldners bestehen. Daher ist die Forderung nicht für den Umlauf geeignet. Ganz anders verhält es sich bei den Finanzinstrumenten. Sie sind von vornherein darauf angelegt, auf andere Personen übertragen zu werden. Daher ist die Anwendbarkeit von Schutzvorschriften zugunsten des Schuldners regelmäßig ausgeschlossen. Zum Beispiel schneidet § 796 BGB dem Schuldner Einwendungen aus dem Verhältnis zum bisherigen Gläubiger ab und verbietet ihm die Aufrechnung. Gemäß § 793 I BGB kann er mit befreiender Wirkung nur an den Inhaber der Urkunde leisten, nicht aber an den ursprünglichen Gläubiger. Diese Vorschriften tragen zur Umlauffähigkeit der Inhaberschuldverschreibung bei. Neben dem Ausschluss von Einwendungen des Schuldners ist für die gesteigerte Umlauffähigkeit die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs des Instruments bedeutsam19. Das Gesetz kennt ihn im Hinblick auf Forderungen nicht. Dagegen müssen alle Finanzinstrumente gutgläubig erworben werden können. Denn ohne diesen Verkehrsschutz kann ein Handel nicht zustande kommen.

3. Beispiele Inhaberschuldverschreibungen sind aus den soeben genannten Gründen umlauffähig. Die Forderung aus einem Darlehensvertrag, die der Schuldverschreibung inhaltlich ähnelt, ist es dagegen nicht. Sie kann nur nach den Vor17 Missverständlich daher der Wortlaut des § 2 I 1 WpHG, der von „übertragbaren Wertpapieren“ spricht. 18 Kümpel, Rdnr. 9.98. 19 Siehe Kümpel, Rn. 9.125.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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schriften der §§ 398–412 BGB übertragen werden. Daher ist sie kein Finanzinstrument. Schwieriger als die Umlauffähigkeit von Schuldtiteln ist die von Gesellschaftsanteilen zu bestimmen. Insoweit sind Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Gesellschaftsformen zu treffen. Diese decken sich nicht mit der Einteilung in Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, sondern sind davon zu trennen. Der Geschäftsanteil der GmbH beispielsweise ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung veräußerlich und vererblich 20 . Nach der Neufassung des § 16 III GmbHG durch das MoMiG21 kann er sogar gutgläubig erworben werden. Trotzdem erfüllt er die Voraussetzungen der erleichterten Umlauffähigkeit nicht. Denn er ist nicht auf Übertragung angelegt. Die Auswechslung der Mitglieder der Gesellschaft ist kein Normalfall, sondern ein ungewöhnlicher Vorgang im Leben einer GmbH. Das zeigt sich unter anderem daran, dass der erforderliche Abtretungsvertrag der notariellen Form bedarf22 . An der fehlenden Umlauffähigkeit des Anteils ändert auch die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs nichts. Auf diese Weise wird zwar der Verkehr mit ihnen erleichtert. Doch bleiben die besonderen Erfordernisse für die Übertragung der Mitgliedschaft, zum Beispiel die notarielle Beurkundung, hiervon unberührt. Es handelt sich daher beim Geschäftsanteil der GmbH nicht um ein Finanzinstrument. Anders dagegen die Aktie. In der Form der Inhaberaktie ist sie nach allgemeiner Meinung gemäß §§ 929–931 BGB wie eine körperliche Sache auf einen anderen übertragbar. Außerdem kann sie nach §§ 932–934 BGB gutgläubig erworben werden 23. Auf das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Aktionär finden die Vorschriften der §§ 793–802 BGB und damit auch die Bestimmungen über den Einwendungsausschluss analoge Anwendung24. Die Inhaberaktie erfüllt daher die Voraussetzung der Umlauffähigkeit. Soweit Namensaktien ausgestellt werden, ist die leichte Übertragbarkeit ebenfalls gesichert. Der Rechtstransfer kann nach § 68 I AktG durch Indossament erfolgen. Dieses wird in der Praxis als Blankoindossament auf die Glo-

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§ 15 I GmbHG. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008, BGBl. I, 2026. 22 § 15 III GmbHG. 23 Hueck/Canaris, S. 215; Heider, in: MünchKomm-AktG, § 10 Rdnr. 37; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 68 Anh. Rdnr. 15. 24 Heider a.a.O., Rdnr. 33; Kraft, in: Kölner Komm. AktG, § 10 Rdnr. 17; MeyerLandruth, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., § 10 Anm. 5. Sogar für unmittelbare Anwendung Lutter a.a.O., Rdnr. 13. Letztere Ansicht verkennt jedoch, dass die Aktie nicht ein Leistungsversprechen, sondern ein Mitgliedschaftsverhältnis beurkundet, zutreffend Meyer-Landruth a.a.O. 21

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3. Teil: Das Finanzinstrument

balurkunde gesetzt25. Daher stehen dem Übergang der Rechte des Aktionärs keine wesentlichen Hindernisse entgegen. Vielmehr ist seine Beteiligung gerade auf den Umlauf angelegt. Ein gutgläubiger Erwerb der Rechtsstellung als Aktionär ist auch im Verhältnis zur Gesellschaft gemäß § 68 I 2 AktG i.V.m. § 16 II WG möglich. Besondere Probleme stellen sich allerdings hinsichtlich vinkulierter Namensaktien. Bei ihnen ist die Übertragung auf einen anderen durch eine gemäß § 68 II AktG zulässige Satzungsklausel an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden. Trotz dieser Besonderheit gelten sie als handelbare Wertpapiere im Sinne des WpHG26 . Vinkulierte Namensaktien werden sogar als „frei handelbar“ im Sinne von § 5 Börsenzulassungs-Verordnung angesehen, soweit das Zustimmungserfordernis nach § 68 II AktG nicht zu einer Störung des Börsenhandels führt27. Dem ist zu folgen. In der Praxis wird die Gesellschaft die Zustimmung nur in Ausnahmefällen verweigern, zum Beispiel, um sich vor zahlungsunfähigen Aktionären zu schützen oder die Übernahme durch einen Wettbewerber abzuwehren 28 . Die Ablehnung des Eintritts des neuen Erwerbers muss verhältnismäßig sein; zudem ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten 29. Daraus wird ersichtlich, dass das Zustimmungserfordernis den Umlauf von vinkulierten Namensaktien nicht wesentlich erschwert. Sowohl Schuldverschreibungen als auch Aktien sind daher umlauffähig. Sie stellen die Grundtypen des Finanzinstruments dar. Alle anderen Arten müssen sich daran messen lassen, ob sie eine ähnliche Umlauffähigkeit aufweisen wie diese. Nicht umlauffähig sind demzufolge Anteile an Personengesellschaften. Sie sind gemäß § 719 I BGB regelmäßig nicht übertragbar. Das Auswechseln der Mitglieder kann hier nur über eine Kombination aus Austritt und Eintritt erfolgen30 . Durch Vereinbarung aller Gesellschafter können die Anteile jedoch veräußerlich gestellt werden31. Ihre Übertragung erfolgt dann durch ein einheitliches Rechtsgeschäft. Der Anteil gewinnt insoweit eigene Bedeutung; er ist als selbständiger Verfügung fähiges Recht anzusehen 32 . Dennoch ist er nicht umlauffähig. Denn für seine Übertragung gelten nicht die erleichternden Verkehrsvorschriften, insbesondere nicht die über den gutgläubigen Erwerb. Nur wenn Anteile an Personengesellschaften entsprechend umlauffähig wie Wertpapiere 25

Siehe o. S. 34. Kümpel, Rdnr. 9.116; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 12; Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rdnr. 5. 27 Heidelbach, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 BörsZulV Rdnr. 3. 28 Hüffer, AktG, § 68 Rdnr. 10. 29 Bayer, in: MünchKomm-AktG, § 68 Rdnrn. 72 f. 30 Grunewald, Gesellschaftsrecht, S. 64; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1316; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 65. 31 Ulmer, in: MünchKomm-BGB, § 719 Rdnr. 21 m.w.Nachw. 32 Vgl. Ulmer a.a.O., Rdnr. 22. 26

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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ausgestaltet sind, können sie in die Kategorie der Finanzinstrumente fallen. Dieser Gedanke liegt auch Artikel 4 I Nr. 18 MiFID zugrunde, selbst wenn der Wortlaut der Norm zu Missverständnissen einlädt 33. Die besondere Verkehrsfähigkeit fehlt auch den auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt angebotenen Anlageformen. Diese sind als Anteile an Personengesellschaften ausgestaltet, zum Beispiel als Kommanditanteile einer GmbH & Co. KG oder Mitgliedschaften in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb sind jedoch nicht anwendbar. Daher handelt es sich nicht um Finanzinstrumente34. Bei den neuen Finanzinstrumenten wie zum Beispiel den Optionen ist die Zirkulationsfähigkeit gegeben, soweit sie zivilrechtlich als Schuldverschreibungen behandelt werden. Zwar wurde diese Einordnung oben kritisiert, weil sie den Wortlaut des § 793 I 1 BGB über alle Maßen ausdehnt 35. Allerdings muss, wenn man sie anderen Regeln unterwerfen will, dafür Sorge getragen werden, dass ihre besondere Umlauffähigkeit erhalten bleibt. Das kann die Qualifikation als Finanzinstrument leisten. Schwierigkeiten werfen dagegen sogenannte unverbriefte Optionen, Futures und Swaps auf. Die aus ihnen folgenden Positionen werden nicht im juristischen Sinn von einer Person auf eine andere übertragen. Ihr „Handel“ besteht vielmehr darin, dass ein Teilnehmer seine Position durch Abschluss eines Gegengeschäfts glattstellt. Daher wird in der Literatur vorgeschlagen, sie nicht als „Wertrechte“ zu bezeichnen36 . Für ihre Absonderung lassen sich eine Reihe von guten Gründen anführen. Insbesondere stellen sich viele der Probleme, die bei übertragbaren Instrumenten auftreten, bei unverbrieften Optionen, Futures und Swaps nicht. Dennoch erscheint es sinnvoll, sie in der Kategorie der Finanzinstrumente zu verorten. Einerseits würde es die Einheit mit dem kapitalmarktrechtlichen Begriff zerstören, wenn die wichtigsten Derivate nicht erfasst würden. Andererseits gelten viele der Grundsätze, die auf übertragbare Kapitalmarkttitel Anwendung finden, auch für diese Instrumente, zum Beispiel über die Registrierung oder den Schutz in der Insolvenz. Ihren Besonderheiten ist durch spezielle Ausnahmen Rechnung zu tragen37.

33

Siehe Voß, BKR 2007, 45 (48). So auch Voß a.a.O., 53 für den Wertpapierbegriff der MiFID. Im Ergebnis ebenso Sester, ZBB 2008, 369 (382), der jedoch zur Begründung auf das geringere Handelsvolumen und die niedrigere Umschlagshäufigkeit im Vergleich zu Aktien und Anleihen abstellt. Eine solche quantitative Betrachtungsweise ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit bedenklich. 35 Siehe o. S. 98. 36 Christoph Brunner, Wertrechte – nicht verurkundete Rechte mit gleicher Funktion wie Wertpapiere, S. 196. 37 Vgl. u. S. 364 f., 422. 34

314

3. Teil: Das Finanzinstrument

III. Massenhafte Ausstellung 1. Bedeutung Finanzinstrumente werden nicht vereinzelt, sondern mit identischem Inhalt in großer Zahl emittiert. In der massenhaften Begebung liegt das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu den Wertpapieren im herkömmlichen Sinne. Letztere verfasst man als individuelle Papiere, zum Beispiel den Scheck oder den Wechsel. Sie sind für den Handel am Kapitalmarkt ungeeignet. Für diesen muss eine gewisse kritische Masse erreicht werden. Die Emission muss so gestaltet sein, dass ein Sekundärmarkt entstehen kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn sehr viele Finanzverträge desselben Typs angeboten und nachgefragt werden 38 . Denn nur in diesem Fall ist ein stetiger Umsatz möglich, der die grundlegende Voraussetzung für die Bildung eines Marktpreises darstellt.

2. Inhalt Nicht genau angeben lässt sich, wie viele Titel emittiert werden müssen, damit man von einer „massenhaften Ausstellung“ sprechen kann. Wichtig sind nicht bestimmte Zahlen, sondern die Umstände. Die Verhältnisse müssen anonymisiert sein, wie es etwa bei der Begebung von Anteilen an einer Aktiengesellschaft typisch ist. Erst dies erlaubt einen Handel mit den aus der Beteiligung folgenden Rechtspositionen. Das Committee of European Securities Regulators (CESR) hält es für Wertpapiere im Sinne der MiFID für erforderlich, dass eine ausreichend breite Streuung vorhanden ist, die einen brauchbaren Markt schaffen kann39. Dem kann man im Grundsatz zustimmen, denn die Streuung ist in der Tat wesentlich für die Möglichkeit der Entstehung eines Sekundärmarkts. Allerdings ist nicht unbedingt notwendig, dass sich die Titel in der Hand einer Vielzahl von Anlegern befinden. So hindert etwa der Erwerb aller Aktien einer Gesellschaft durch eine oder mehrere Personen nicht, dass es sich um Wertpapiere im Sinne des Kapitalmarktrechts handelt40 . Denn sonst wären Aktien der Zielgesellschaft, die ein Übernehmer erwirbt, plötzlich keine Finanzinstrumente mehr und unterfielen nicht länger den kapitalmarktrechtlichen Vorschriften wie etwa dem Verbot von Insidergeschäften. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob die Beteiligungen rechtlich voneinander unabhängig sind und vom Erwerber selbständig weiterveräußert werden können. Dazu genügt es, dass der begebene Kapitalbetrag in kleine Einheiten aufgespalten ist. Wer diese kauft, ob eine oder mehrere Personen, spielt keine Rolle. 38 39 40

Spremann/Gantenbein, S. 17; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 310. Vgl. Voß, BKR 2007, 45 (48). A.A. Voß a.a.O.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

315

3. Beispiele Feste Maßstäbe für die massenhafte Begebung lassen sich nicht angeben. Selbst kleine Aktienemissionen von wenigen hundert Stück können genügen. Dagegen würde dieselbe Zahl von Anteilen einer GmbH nicht ausreichen. Dies liegt an der Struktur der Gesellschaft, bei der man sich für die Identität der Mitgesellschafter interessiert. Auch Kommanditanteile sind wegen des personalistischen Zuschnitts der KG keine Finanzinstrumente. Massenhaft begeben werden auch Optionen, Futures und Swaps. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie nicht von einem Emittenten ausgestellt, sondern dezentral durch viele Marktteilnehmer geschaffen werden. Dies hindert ihre Eigenschaft als Finanzinstrumente jedoch nicht, da man sie in großer Zahl mit gleichem Inhalt abschließt.

IV. Vertretbarkeit (Fungibilität) 1. Bedeutung Bedingung für die Entstehung eines Markts ist, dass die zu übertragenden Gegenstände einander so sehr gleichen, dass sie aus Sicht der Marktteilnehmer austauschbar sind. Sie müssen durch Gegenstände derselben Gattung ersetzbar sein, ebenso wie ein Korn durch ein anderes. Rechtlich beschreibt man diese Voraussetzung mit dem Terminus „Vertretbarkeit“. Seine Definition findet sich in § 91 BGB. Die Vorschrift bezieht sich zwar ausschließlich auf Sachen. Doch bestimmt der Verkehr auch unkörperliche Gegenstände zuweilen nach Zahl oder Maß. So kann man zum Beispiel „dreihundert Aktien“ der Gesellschaft X kaufen, ohne dass es darauf ankommt, welche konkreten Stücke übertragen werden. Oder man erwirbt Anleihen der Gesellschaft Y „im Wert von 5.000 Euro“, ohne sich darum zu kümmern, um welche individuellen Titel es sich handelt. In beiden Fällen treten die Besonderheiten einzelner Gegenstände hinter die Merkmale der Gattung zurück. Statt von Vertretbarkeit spricht man häufig auch von „Fungibilität“41. Der Begriff wird allerdings nicht einheitlich verwendet. Manche verstehen darunter ganz allgemein die Eignung zum Massenhandel42 . Andere bezeichnen mit Fungibilität neben der Vertretbarkeit zusätzlich die Übertragbarkeit43. Das ist jedoch abzulehnen. Die Wurzel des Worts „Fungibilität“ liegt in der res fungi41 Siehe z.B. BGH, Urt. v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311 (315); Kümpel, Rdnr. 9.100; Roth, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 10 Rdnr. 16; Döhmel, in: Heidel, Aktienrecht, § 2 WpHG Rdnr. 2. 42 Siehe z.B. Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 19. 43 Vgl. z.B. Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rdnr. 4; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 10.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

bilis. Sie bezeichnet im Lateinischen allein die vertretbare Sache. Im gleichen Sinne werden der englische Begriff „fungible“ und der französische „fongible“ verstanden44. Fungibilität bedeutet danach nichts anderes als Vertretbarkeit45. In diesem Sinne verwendet auch § 2 IIc WpHG den Ausdruck. Die Vertretbarkeit oder Fungibilität ist Voraussetzung der Handelbarkeit. Doch geht ihre Bedeutung darüber hinaus. Denn sie spielt ebenfalls eine Rolle als Bedingung für die sogenannte Sammelverwahrung, welche für Finanzinstrumente typisch ist. Nach § 5 I 1 DepotG dürfen nur vertretbare Wertpapiere zur Sammelverwahrung anvertraut werden. Die Vertretbarkeit ist daher zentrale Voraussetzung der Verwahrfähigkeit. Der Problemkreis hängt eng mit der Handelbarkeit zusammen. Denn nur wenn ein Gegenstand sammelverwahrt werden kann, besteht die praktische Möglichkeit, ihn massenhaft zu handeln.

2. Inhalt Was aber ist genau unter Vertretbarkeit zu verstehen? Sie bedeutet im Kern, dass die betreffenden Gegenstände gleiche Eigenschaften haben. Dabei sind geringe Unterschiede unschädlich, soweit alle relevanten Merkmale übereinstimmen. Welche dies sind, ergibt sich aus der Verkehrsauffassung46 . Sie allein entscheidet darüber, ob Sachen nach bestimmten Eigenschaften gehandelt werden. Zum Beispiel sind Weizenkörner individuell verschieden. Die einzelnen Charakteristika interessieren jedoch im Verkehr nicht, denn für ihn ist ein Korn „so gut wie das andere“. Bei Finanzinstrumenten spielen zur Unterscheidung vor allem die Vertragsbedingungen eine Rolle. Diese müssen gleich sein, da ansonsten die Instrumente nicht vergleichbare Rechte gewähren. Mit verschiedenen Bedingungen begebene Wertpapiere sind für Märkte ungeeignet. Des Weiteren kommt es auf den Aussteller der Produkte an. Dieser muss in der Regel derselbe sein. Denn Titel sind nur dann vertretbar, wenn hinter ihnen dieselbe Person steht. Ausnahmen sind möglich, zum Beispiel wenn durch die Hinterlegung von Sicherheiten gewährleistet ist, dass die jeweiligen Aussteller ihre Verpflichtungen erfüllen.

44 Vgl. für das US-amerikanische Recht z.B. Samet, 27 Bus. Law. 383–389 (1971/72); für das französische Recht z.B. Vauplane/Bornet, Droit des marchés financiers, S. 48 f. 45 Ebenso Bosch, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 10/4. 46 Vgl. § 91 BGB.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

317

3. Beispiele Aktien sind grundsätzlich vertretbar und erfüllen daher die Voraussetzung des Finanzinstruments. Es gilt der Grundsatz „Gleiche Aktie, gleiche Rechte“. Nicht alle von einer Gesellschaft emittierten Aktien gewähren jedoch dieselben Befugnisse, denn sie kann Aktien mit unterschiedlichen Rechten begeben47. Abweichende Rechte gewähren etwa Vorzugsaktien. Ihr Inhaber hat Anspruch auf höhere Dividende, dafür kann sein Stimmrecht ausgeschlossen sein48 . Doch sind Vorzugsaktien zumindest untereinander vertretbar. Daher ist die Austauschbarkeit bei Aktien derselben Gattung grundsätzlich gegeben.

4. Herstellung der Vertretbarkeit Mangels Vertretbarkeit sind individuell abgeschlossene Verträge für den Handel am Finanzmarkt ungeeignet. Doch gibt es Wege, dies zu ändern. Einer davon ist die securitization49. Individuelle Forderungen werden in eine Zweckgesellschaft (special purpose vehicle) eingebracht. Diese begibt Finanzinstrumente. Gleichgültig ist dabei, ob die Einbringung von vornherein beabsichtigt war, wie bei Kleinunternehmen, die an den Kapitalmarkt wollen und dazu ihre Kredite poolen, oder ob man sich für sie im nachhinein entscheidet, wie etwa bei einer Bank, die Forderungen aus Leasingverträgen auf eine Zweckgesellschaft auslagert. Ein anderer Weg zur Herstellung von Vertretbarkeit ist die Standardisierung50 . Den Marktteilnehmern werden dabei einheitliche Konditionen angeboten, die sie bei Vertragsabschluss verwenden können; für die Fälligkeit sind bestimmte Daten vorgesehen. Durch die Beachtung dieser Konditionen und Daten werden die Verträge untereinander austauschbar. Das lässt sich etwa an den Optionen zeigen: Bereits in den 70er Jahren gelang es der Chicago Board Options Exchange, die Bedingungen durch einen Modellvertrag zu vereinheitlichen. Zudem wurde das Auslaufen auf einige wenige präzise Kalendertage beschränkt, zwischen denen die Vertragspartner wählen konnten. Unterschiede zwischen den einzelnen Instrumenten bestanden damit nur noch hinsichtlich des Basiswerts, auf den sie sich bezogen, und hinsichtlich des Preises. Auf diese Weise konnten sich Gattungen ausbilden, und der Handel wurde möglich. Allerdings verbleibt bei den Optionen das Problem der Unterschiedlichkeit des Vertragspartners. Wenn die Verträge zwischen individuellen Marktteilnehmern mit verschiedener Bonität abgeschlossen werden, sind die aus ihnen folgenden Positionen nicht austauschbar. Dem wird an den modernen Börsen da47 48 49 50

§ 11 S. 1 AktG. §§ 12 I 2, 139 I AktG. Dazu o. S. 53 f. Kalss, Anlegerinteressen, S. 46.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

durch abgeholfen, dass als Vertragpartner stets der Zentrale Kontrahent auftritt51. Durch seine Zwischenschaltung ist gesichert, dass alle Titel gegen denselben Schuldner gerichtet sind. Daher müssen keine Erkundigungen über die Bonität des Vertragspartners eingeholt werden. Es ist kein Zufall, dass der Zentrale Kontrahent gerade an den Derivatebörsen zuerst eingeführt wurde, denn dort steht auf einer Seite des Markts anstelle eines einzelnen Emittenten eine Vielzahl von Personen. Mit Hilfe von securitization, Standardisierung und Zentralem Kontrahenten macht man normalerweise nicht vertretbare Titel kapitalmarktfähig. Die ursprünglich individuelle Vertragsbeziehung verselbständigt sich; sie gewinnt auch für Dritte sichtbares Interesse. Aus dem zweiseitigen Vertrag wird ein handelbares Rechtsprodukt.

V. Zulassung zum Börsenhandel? Fraglich ist, ob als Finanzinstrumente nur solche Gegenstände angesehen werden können, die zum Handel an einer Börse zugelassen sind. Dagegen spricht bereits das Kapitalmarktrecht. Das WpHG sieht als Finanzinstrumente alle Wertpapiere im Sinne des § 2 I 1 an52 . Für diese ist lediglich Voraussetzung, dass sie „ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind“. Außerdem bezieht es auch Geldmarktinstrumente in den Begriff ein, die typischerweise außerhalb der Börse gehandelt werden. Daneben nennt § 2 IIb WpHG Derivate, für die nach § 2 II desselben Gesetzes ebenfalls keine Börsenzulassung erforderlich ist. Wichtiger als solche positivrechtlichen Argumente sind jedoch allgemeine Erwägungen. Würde man den Begriff des Finanzinstruments an die Zulassung zum Börsenhandel anknüpfen, wären die außerbörslich – over the counter (OTC) – vertriebenen Produkte nicht erfasst. Sie gleichen aber den an der Börse notierten nicht selten bis aufs Haar. Auch nähern sich börslicher und außerbörslicher Verkehr durch die Verbreitung sogenannter multilateral trading facilities (MTF)53 immer weiter an. Außerdem sind die Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit Liefer- und Abwicklungssystemen für börslich und außerbörslich gehandelte Produkte stellen, weitgehend dieselben. Folglich kann es für die Einordnung als Finanzinstrument auf die Zulassung zum Börsenhandel nicht ankommen. Von Susanne Kalss stammt der Vorschlag, hinsichtlich der Einordnung der Kapitalanlage als Handelsgut entscheidend auf deren „Börsenzugänglichkeit“ abzustellen54. Fraglich ist, ob dieses Merkmal auf Finanzinstrumente übertra51 52 53 54

Zu ihm schon o. S. 51 f. Vgl. § 2 IIb WpHG. Vgl. dazu Art. 5 II MiFID. Kalss, Anlegerinteressen, S. 53–56.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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gen werden sollte. Erforderlich wäre danach zwar nicht die Zulassung, aber zumindest die Eignung zum Börsenhandel. Richtig ist, dass sich nur umlauffähige, massenhaft ausgestellte, vertretbare Papiere für den Umsatz an der Börse eignen. Es lässt sich daher sagen, dass alle börsenzugänglichen Finanztitel auch Finanzinstrumente sind. Allerdings enthält der Begriff nichts Neues im Vergleich zu den anderen an Finanzinstrumente zu stellenden Anforderungen. Er ruft eher Verwirrung hervor, weil er den Eindruck erweckt, die Qualifikation als Finanzinstrument sei mit dem Börsenhandel verknüpft. Das ist jedoch aus den oben erörterten Gründen nicht der Fall. Daher sollte man auf die Voraussetzung der „Börsenzugänglichkeit“ verzichten und stattdessen auf die einzelnen genannten Merkmale abstellen.

VI. Eignung für Clearing und Settlement Aus zivilrechtlicher Sicht werfen Finanzinstrumente besonders deshalb Probleme auf, weil sich ihre Übertragung, Verwaltung und Zuordnung nach besonderen Grundsätzen vollzieht. Wie im ersten Teil gezeigt, sind diese Instrumente weitgehend immobilisiert, entindividualisiert und entmaterialisiert. Sie werden meist in modernen Clearing- und Settlementsystemen übertragen. Die Vorgänge in diesen Systemen haben mit den allgemeinen Grundsätzen des Sachenrechts wie auch denen des Wertpapierrechts nur wenig gemein. Die Berechtigungen sind nicht durch Urkunden oder in anderer Weise körperlich repräsentiert; ihre Übertragung erfolgt nicht durch Übergabe, sondern durch Umbuchung; ein Besitz besteht nicht. Gerade hierin liegt die Besonderheit der Finanzinstrumente, die ihre verschiedene Behandlung gegenüber individuell ausgestellten Wertpapieren notwendig macht. Daher kann sich die neue Kategorie des Zivilrechts nur auf die Titel beziehen, die in diesen Systemen verwendet werden können. Damit ist noch kein Urteil darüber gefällt, ob alle Finanzinstrumente in Clearing- und Settlementsysteme einbezogen sein müssen oder ob man daneben auch die zählen sollte, deren Übertragung nach herkömmlichen wertpapierrechtlichen Grundsätzen erfolgt. Unten wird gezeigt, dass es sinnvoll ist, für einige Kapitalmarktprodukte weiterhin Urkunden auszustellen 55. Diese sind trotzdem als Finanzinstrumente anzusehen. Ausreichend ist, dass sie grundsätzlich für Clearing und Settlement geeignet sind.

55

Vgl. dazu u. S. 509 f.

320

3. Teil: Das Finanzinstrument

VII. Zusammenfassung Im Ergebnis kann man Finanzinstrumente als handelbare Vermögenswerte kennzeichnen, die umlauffähig und vertretbar sind, massenhaft begeben werden und sich in Clearing- und Settlementsysteme einbeziehen lassen.

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§ 17 Typologie In diesem Paragraphen sind die verschiedenen Typen von Finanzinstrumenten zu erörtern. Ein Überblick über neue Produkte des Finanzmarkts wurde schon im ersten Teil gegeben1. Hier geht es darum, sie und alle anderen Arten anhand gewisser Merkmale zu klassifizieren. Damit wird einerseits eine Übersichtlichkeit hergestellt, die die Grundlage für eine dogmatische Durchdringung des neuen Rechtsgebiets bildet. Andererseits lassen sich gemeinsame Probleme der jeweiligen Gattung von Instrumenten herauskristallisieren, die das Bedürfnis nach einheitlicher Regelung wecken könnten. Im Wertpapierrecht haben solche Klassifikationen Tradition. Dort werden eine Reihe verschiedener Einteilungen getroffen, zum Beispiel in Papiere des Zahlungs- und Kreditverkehrs oder des Güterumlaufs; in Inhaber-, Order- und Rektapapiere; oder in schuldrechtliche und sachenrechtliche Papiere sowie Mitgliedspapiere2 . Bei den Kapitalmarktprodukten bereitet eine derartige Klassifikation angesichts der großen Vielfalt nicht geringe Schwierigkeiten. Doch lassen sich bei näherem Hinsehen verschiedene Arten finden. Diese decken sich allerdings oft nicht mit traditionellen juristischen Kategorien, sondern stehen quer zu diesen. Das liegt daran, dass die rechtliche Qualifikation sich bisher an den bekannten Unterscheidungen ausrichtet, wie der in Schuld- und Sachenrecht. Die Perspektive, die hier eingenommen werden soll, ist dagegen die des Finanzmarkts. Sie erlaubt einen anderen Blick auf bereits Bekanntes und eröffnet zugleich die Möglichkeit, Unbekanntes einzuordnen. Im Folgenden wird daher primär nicht von rechtlichen Grundkategorien ausgegangen. Maßgebend für die Unterteilung sind vielmehr die Ziele, die mit bestimmten Produkten verfolgt werden. Die klassischen juristischen Qualifikationen werden insoweit von anderen überlagert. Sie erlangen lediglich insoweit Bedeutung, als sie die verschiedenen Anlageziele widerspiegeln.

I. Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung Eine große Zahl der am Kapitalmarkt gehandelten Instrumente dienen der Unternehmensfinanzierung. Wenn ein Unternehmen Kapital benötigt, kann es sich an den Finanzmarkt wenden und zum Beispiel Aktien oder Anleihen emittieren. Die Investoren, die solche Instrumente erwerben, stellen der Gesellschaft unmittelbar Kapital zur Verfügung. Davon zu unterscheiden ist die nur mittelbare Finanzierung, etwa durch den Erwerb eines Investmentanteils. In 1 2

Siehe o. 91. Vgl. Hueck/Canaris, S. 19–25.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

letzterem Fall investiert der Anleger nicht direkt in das Unternehmen, sondern über den Umweg anderer Gesellschaften. Zu klären ist zunächst der Unternehmensbegriff im hier gemeinten Sinn. Insoweit kann auf die allgemeine Definition zurückgegriffen werden, die in der Lehre entwickelt wurde. Danach handelt es sich um eine auf Dauer angelegte, organisierte Wirtschaftseinheit, die mit einem Mindestmaß an sachlichen und persönlichen Mitteln ausgestattet ist, selbständig an einem Markt auftritt und anderen Marktteilnehmern wirtschaftliche Leistungen anbietet3. Allerdings muss dieser Unternehmensbegriff für die hiesigen Zwecke um einen Akteur erweitert werden: den Staat. Dieser nimmt ebenso wie private Unternehmen Kapital an den Finanzmärkten auf. Das rechtfertigt es, ihn letzteren gleichzustellen, auch wenn er keine wirtschaftlichen Leistungen anbietet. Dass Aktien und Anleihen hier unter einer Überschrift erörtert werden, mag verwundern. Aus juristischer Sicht verbrieft die Aktie eine gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft, die Schuldverschreibung dagegen einen schuldrechtlichen Anspruch. Der Unterschied zwischen beiden ist kategorialer Natur. Der Grund für ihre gemeinsame Behandlung liegt in den Realitäten des Kapitalmarkts: Aus Sicht der Unternehmen dient die Emission von Aktien ebenso wie die von Schuldverschreibungen der Finanzierung. In gewisser Weise sind beide gegeneinander austauschbar. Denn wenn ein Unternehmen Kapital benötigt, so stellt sich zuerst die Frage, ob es sich an den allgemeinen Finanzmarkt wenden oder auf andere Quellen, zum Beispiel Banken, zurückgreifen soll. Erst nach ihrer Beantwortung zugunsten des Finanzmarkts wird das weitere Problem virulent, in welcher der verschiedenen zur Verfügung stehenden Formen das Kapital aufzunehmen ist. Die Entscheidung zwischen ihnen hängt nicht primär von rechtlichen, sondern vor allem von ökonomischen Erwägungen ab. Auch aus Sicht des Anlegers, der Finanzmarktprodukte kauft, sind sie weitgehend austauschbar. Wer eine Aktie oder eine Anleihe erwirbt, weiß, dass er sein Geld einem Unternehmen zur Verfügung stellt. In welcher Form er das tut, ist demgegenüber logisch gesehen eine sekundäre Frage. Auch hier wird die Wahl in weitem Umfang nach der ökonomischen Nützlichkeit getroffen. Freilich ist die rechtliche Art des Instruments aus der Sicht des Anlegers nicht unwichtig. Ihm kommt es sehr wohl darauf an, ob er eine Aktie oder eine Anleihe erhält. Denn die Chancen und Risiken sind unterschiedlich. Im ersten Fall ist sein Anspruch auf Rückzahlung gegenüber allen anderen Forderungen nachrangig, dafür wird er am Gewinn beteiligt; im letzten Fall ist er mit anderen Gläubigern gleichgestellt, erhält aber einen festen Zinssatz. Ebenso ist es für den Emittenten von großer Bedeutung, ob er seinen Finanzbedarf durch die Ausgabe neuer Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung oder durch die Emission einer Anleihe deckt. Bei einer Kapitalerhöhung kommen neue Aktionäre 3

Vgl. Karsten Schmidt, Handelsrecht, S. 65–67.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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hinzu, wodurch sich die Verteilung der Machtverhältnisse verändern kann, bei der Begebung einer Schuldverschreibung erhält das Unternehmen dagegen neue Gläubiger. Insofern kann der Finanzmarkt nicht von den juristischen Grundkategorien absehen. Vielmehr richtet er sich an den tradierten Rechtsformen der Kapitalanlage aus4. Für Aktien und Anleihen existieren verschiedene Segmente am Kapitalmarkt. Allerdings lassen sich diese Segmente nicht so eindeutig voneinander abgrenzen, wie es auf den ersten Blick den Anschein hat5. Die Praxis hat neben der Aktie und der Anleihe als den beiden juristischen Grundtypen der Unternehmensfinanzierung zahlreiche Abwandlungen und Zwischenformen entwickelt. Sie tragen häufig sowohl Elemente der einen als auch der anderen in sich. Eine eindeutige Zuordnung zu einem der beiden Typen ist daher nicht möglich. Deshalb ist für die Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung eine Einteilung zu wählen, die sich an den bekannten rechtlichen Kategorien orientiert, aber flexibler als diese ist und Zwischenformen zulässt. Dafür bietet sich die in Instrumente der Eigen- und Fremdfinanzierung sowie in hybrides Kapital an. Sie sind die drei grundlegenden Arten, auf die ein Unternehmen Kapital am Finanzmarkt aufnehmen kann.

1. Instrumente der Eigenfinanzierung Eine Art, auf die Anleger ein Unternehmen finanzieren können, ist die Bereitstellung von Eigenkapital. Der Begriff ist aus dem Bilanzrecht bekannt6 . Dieses liefert wertvolle Hinweise dafür, welche Merkmale das Eigenkapital kennzeichnen. Genannt werden insbesondere die folgenden: es nimmt am Bilanzverlust in voller Höhe teil; die Vergütung ist typischerweise erfolgsabhängig; es wird dem Unternehmen langfristig und nachhaltig zur Verfügung gestellt; die Rückzahlung kann nicht aufgrund bloßer Kündigung verlangt werden7. Aus zivilrechtlicher Sicht scheint allerdings eine andere Frage viel wichtiger: Wird der Anleger durch den Erwerb des Finanzinstruments Eigentümer oder Gläubiger des emittierenden Unternehmens? Die bilanzrechtlichen Kriterien geben darauf keine eindeutige Antwort. Denn mit ihnen werden andere Zwecke verfolgt, wie die Bestimmung des ausschüttungsfähigen Gewinns oder die Information potentieller Anleger8 . 4

Kalss, Anlegerinteressen, S. 30. Loistl, Kapitalmarkttheorie, S. 16. 6 Siehe z.B. §§ 266 III, 272 HGB. 7 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 266 Rdnr. 14; Beater, in: MünchKomm-HGB, § 266 Rdnr. 70; Wiedmann, Bilanzrecht, § 266 Rdnr. 48; Herrmann, in: Heymann, Handelsgesetzbuch, § 266 Rdnr. 51 (alle zu eigenkapitalähnlichen Genussrechten). 8 Ausf. Lange, Bilanzrecht und Ökonomische Theorie des Rechts, S. 19–30. 5

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Dennoch lassen sich aus der bilanziellen Behandlung wichtige Schlüsse für die Einordnung der Finanzinstrumente ziehen, da die Perspektive des Bilanzrechts sich in vielerlei Hinsicht mit der des Finanzmarkts deckt. Für den Anleger ist es nur von geringer Bedeutung, ob er „Eigentümer“ des Unternehmens im rechtlichen Sinne wird. Ihm kommt es vielmehr darauf an, welches Risiko er eingeht, insbesondere ob sein Kapital am Verlust teilnimmt, wie die Vergütung bemessen ist und unter welchen Bedingungen er die Rückzahlung verlangen kann. Das ist von Instrument zu Instrument verschieden. Die Unterschiede sind dabei nur gradueller, nicht fundamentaler Natur. Daher lassen sich Instrumente der Eigenfinanzierung nicht mit Hilfe eines einzigen, strikten Kriteriums definieren. Sie können vom Fremdkapital nicht so sicher abgegrenzt werden, wie man beispielsweise ein Ei von einem Apfel unterscheidet. Insbesondere wäre es zu einfach zu sagen, das Eigenkapital vermittle eine eigentümergleiche Stellung, während das Fremdkapital nur eine schuldrechtliche Forderung darstelle. Die Realität ist sehr viel differenzierter, denn am Kapitalmarkt wird keine eindeutige sachenrechtliche Zuordnung von Unternehmen vorgenommen. Die dort gehandelten Instrumente gewähren vielmehr unterschiedliche Rechte, unter denen die rein schuldrechtliche Berechtigung aus der Anleihe und die in der Aktie ausgedrückte Mitgliedschaft die Extrempole darstellen. Von der Problematik der Zuordnung des Unternehmens ist der Blick daher auf die spezifischen Rechte zu wenden, welche das Finanzinstrument gewährt. Dabei handelt es sich meist nicht um ein einziges, sondern um ein ganzes Bündel von Rechten. Ob ein Produkt als Instrument der Eigenfinanzierung zu qualifizieren ist, kann nur im Hinblick auf alle von ihm gewährten Befugnisse geklärt werden.

a) Aktien Um die Instrumente der Eigenfinanzierung zu bestimmen, muss man von ihrem Archetyp ausgehen, der Aktie. Sie ist kapitalmarktrechtliches Wertpapier und Finanzinstrument. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie in der Form der Inhaber- oder der Namensaktie oder als vinkulierte Namensaktie begeben wird. Es kommt nicht einmal darauf an, ob eine Urkunde existiert. Finanzinstrument ist die Aktie selbst, nicht die Aktienurkunde. Bisweilen wird die Aktie als ein Finanzinstrument beschrieben, welches ein Mitgliedschaftsrecht verkörpere9. Schon oben wurde gezeigt, dass dies missverständlich ist10 . Die Aktie steht im Rechtsverkehr für die Mitgliedschaft, sie drückt im Verhältnis zur Gesellschaft und zu Dritten die Zuordnung der mitgliedschaftlichen Rechte zum Aktionär aus. Daher kann es auch nicht verwun9 10

Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 16. Siehe o. S. 300.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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dern, dass der Ausdruck „Aktie“ zuweilen vom Gesetzgeber stellvertretend für die Mitgliedschaft verwendet wird11. Freilich ist der Sprachgebrauch nicht einheitlich. In anderen Stellen des Gesetzes ist mit dem Begriff „Aktie“ die Aktienurkunde gemeint12 . Aus dem Eigentum an der Aktie, das mit der Mitgliedschaft in der AG gleichbedeutend ist, folgen gewisse Pflichten und Rechte. Sie lassen sich in Beitragsund Treuepflichten sowie in Teilhabe-, Vermögens- und Schutzrechte aufteilen13. Ihre Entstehung und ihr Inhalt sind Themen des Gesellschaftsrechts. Aus Sicht des Kapitalmarkts kommt ihnen geringe Relevanz zu; entscheidend sind hier andere Merkmale. Dazu gehört, dass der Anspruch auf Rückzahlung des eingesetzten Kapitals nachrangig gegenüber allen anderen Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist. Des Weiteren zählt dazu, dass dem Aktionär keine feste Verzinsung zusteht, sondern lediglich eine vom Gewinn abhängige Dividende. Darüber hinaus ist wichtig, dass er sein Kapital der Gesellschaft nicht für einen bestimmten Zeitraum, sondern auf unbegrenzte Dauer zur Verfügung stellt. Das sind die aus Sicht des Kapitalmarkts typischen Merkmale der Aktie. An ihnen müssen sich alle anderen Instrumente der Eigenfinanzierung messen lassen.

b) Vorzugsaktien Wendet man die genannten Charakteristika auf Vorzugsaktien an, so ergibt sich folgendes Bild: Ihr Inhaber hat wie ein normaler Aktionär lediglich einen nachrangigen Anspruch auf Rückzahlung seines Kapitals. Er stellt dieses der Gesellschaft dauerhaft zur Verfügung. Er erhält eine Vergütung, die zwar gegenüber der normalen Dividende erhöht, aber vom Gewinn des Unternehmens abhängig ist. Vorzugsaktien müssen daher den Instrumenten der Eigenfinanzierung zugerechnet werden. Das gilt selbst dann, wenn die Stimmrechte ausgeschlossen sind, wie es die §§ 12 I 2, 139 I AktG erlauben. Das Bestehen unternehmerischer Mitspracherechte ist zwar aus der Perspektive des Gesellschaftsrechts, aber nicht aus der des Kapitalmarkts entscheidend. Aus letzterer kommt es vielmehr darauf an, welche finanzielle Position der Anleger für seine Investition erlangt.

c) Zwischenscheine und Jungscheine Zu den Finanzinstrumenten zählt § 2 I 1 Nr. 2 WpHG auch „Zertifikate, die Aktien vertreten“. Gemeint sind damit nicht etwa Zertifikate im allgemeinsprachlichen Sinne14 , sondern solche, die man über Beteiligungen an einer Ak11 12 13 14

Vgl. §§ 11 f. AktG. Vgl. § 10 AktG. Ausf. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 557 f. Zu ihnen o. S. 108 ff. und u. S. 342 f.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

tiengesellschaft ausstellt, solange oder soweit keine Aktien ausgegeben werden dürfen. Als Beispiele nennt die Literatur Zwischenscheine und Jungscheine15. Zwischenscheine vertreten die Aktie, sobald die Gesellschaft eingetragen ist, aber der Aktionär den Ausgabebetrag noch nicht voll geleistet hat16 . Sie müssen auf den Namen des Aktionärs lauten und dürfen nicht auf den Inhaber ausgestellt werden; andernfalls sind sie nichtig17. Sie sind handelbare Orderpapiere und Finanzinstrumente. Jungscheine laufen nicht selbst um, sondern werden vom Emittenten an die Wertpapiersammelbank erteilt. Auf ihrer Grundlage hat sich der sogenannte Jungscheingiroverkehr etabliert18 . Für die darin gehandelten Rechte passt die Bezeichnung „Wertpapier“ nicht, da sie unverkörpert sind. Besser werden sie mit dem Begriff des Finanzinstruments erfasst.

d) Globalaktien? Zu den die Aktien vertretenden Wertpapieren und damit zu den Finanzinstrumenten wird in der Literatur auch die Globalaktie gezählt19. Sie gehört jedoch nicht dazu. Man kann schon Zweifel haben, ob sie die notwendige Zirkulationsfähigkeit aufweist, da sie nicht selbst für den Umlauf bestimmt und geeignet ist. Darüber hinaus handelt es sich bei der Globalaktie um eine Urkunde, die über eine Gesamtheit von individuellen Mitgliedschaften ausgestellt ist. Sie soll eine Vielzahl von Finanzinstrumenten verkörpern; sie selbst ist dagegen kein Finanzinstrument. Folgt man dem hier vorgeschlagenen Weg der Entmaterialisierung, zeigt sich in aller Deutlichkeit, dass die Globalurkunde funktionslos ist. Sie kann daher entfallen.

2. Instrumente der Fremdfinanzierung a) Schuldverschreibungen Als Instrumente der Fremdfinanzierung sollen hier alle diejenigen Finanzinstrumente bezeichnet werden, durch die Unternehmen Fremdkapital zugeführt wird20 . Grundmodell ist die Schuldverschreibung. Im Gegensatz zur Aktie gibt sich der Inhaber bei ihr nicht mit der unsicheren Aussicht auf einen Gewinn zu15

Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 13; Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 Rdnr. 5; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 Rdnr. 10. 16 Vgl. § 8 VI AktG. 17 § 10 III, IV 1 AktG. 18 Siehe o. S. 30. 19 Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 Rdnr. 5; Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 Rdnr. 8. 20 Von „Fremdkapitalinstrumenten“ spricht Baums, in: FS Canaris II, S. 3 (5 und passim).

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

327

frieden, sondern erwirbt einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Emittenten auf Rückzahlung nebst Vergütung in Form von Zinsen. Die Zinshöhe wird im Vorhinein festgelegt. Sie kann fix oder variabel sein. Ist sie von der Entwicklung eines Indexes abhängig, spricht man von einer „floating rate note“. Die Laufzeit der Schuldverschreibung kann mitunter sehr lang sein. Doch ist sie stets begrenzt. Das Kapital wird dem Unternehmen also nicht dauerhaft, sondern zeitlich gebunden zur Verfügung gestellt. Die Schuldverschreibung ist Finanzinstrument. Sie erfüllt alle hier entwickelten Merkmale der Handelbarkeit: Sie ist umlauffähig, wird massenhaft ausgestellt, ist vertretbar und kann in Clearing und Settlement einbezogen werden. Auch das Kapitalmarktrecht sieht sie als Finanzinstrument an21.

b) Schuldbuchforderungen Das unkörperliche Pendant zur Schuldverschreibung ist die Schuldbuchforderung. Sie entsteht bei der Emission von Anleihen der öffentlichen Hand, die im Bundesschuldbuch registriert werden, wie zum Beispiel Bundesschatzbriefe. Es handelt bei den Schuldbuchforderungen um Finanzinstrumente. Ihre Existenz beweist, dass es zur Entstehung des Finanzinstruments der Ausstellung einer Urkunde nicht bedarf. Sie entstehen ohne besonderen Skripturakt. Das zeigt, dass die Verkörperung der Anleihe in einem Papier aus Sicht des Kapitalmarkts unerheblich ist.

c) Nullkupon-Anleihen Bei der Anleihe muss die Vergütung für die Überlassung des Kapitals nicht unbedingt über einen Zins erfolgen. Sie kann auch dadurch gewährt werden, dass man einen Ausgabebetrag festlegt, der niedriger liegt als die bei Fälligkeit rückzuerstattende Summe. Dies ist bei den sogenannten Nullkupon-Anleihen oder „zero bonds“ der Fall. Sie sind Finanzinstrumente.

d) Pfandbriefe Pfandbriefe sind Schuldverschreibungen, für die besondere Sicherheiten bestehen. Als solche können Hypotheken, Forderungen gegen staatliche Stellen oder Schiffshypotheken dienen. Entsprechend der Sicherung unterscheidet man Hypothekenpfandbriefe, Öffentliche Pfandbriefe und Schiffspfandbriefe. Sie dürfen nur von Instituten ausgegeben werden, denen die BaFin eine besondere Erlaubnis erteilt hat22 . Für den jeweiligen Gesamtbetrag der im Umlauf befindlichen Pfand21 22

Vgl. z.B. § 2 I 1 Nr. 3 a i.V.m. § 2 IIb WpHG. Pfandbriefgesetz (PfandBG) v. 22.5.2005, BGBl. I, 1373, § 2 I 1.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

briefe muss eine Deckung des Werts durch eine der genannten Sicherheiten bestehen 23. Auch Pfandbriefe sind Finanzinstrumente.

e) Andere Instrumente Namensschuldverschreibungen dienen zwar der Fremdfinanzierung. Ihnen fehlt aber die Umlauffähigkeit. Das liegt daran, dass sie den Berechtigten unmittelbar benennen. Eine Übertragung durch Indossament ist ausgeschlossen. Es handelt sich in der herkömmlichen Terminologie um „Rektapapiere“. Sie werden nicht als Wertpapiere des Kapitalmarkts angesehen 24. Erst recht sind sie keine Finanzinstrumente. Auszuscheiden sind außerdem andere Arten der Fremdfinanzierung, die man den Wertpapieren zurechnet. Erwähnung verdienen insbesondere Grundund Rentenschuldbriefe sowie Sparbücher. Sie sind zwar umlauffähig, doch werden sie nicht massenhaft ausgestellt. Ihnen fehlt darüber hinaus die für Finanzinstrumente kennzeichnende Vertretbarkeit und die Möglichkeit der Einbeziehung in besondere Abwicklungssysteme.

3. Hybride Instrumente Wie im ersten Teil gezeigt, haben die Marktteilnehmer verschiedene Instrumente entwickelt, die sich nicht zweifelsfrei in eine der beiden überkommenen Kategorien Eigen- und Fremdkapital einordnen lassen25. Für diese wird daher hier eine dritte Gattung eröffnet, die des „hybriden Kapitals“. Sie dient in gewisser Weise als Auffangbecken für alle nicht eindeutig zuordenbaren Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung. Aus Sicht des klassischen Zivilrechts, das von einer Dichotomie zwischen Schuld- und Gesellschaftsrecht ausgeht, ist eine solche dritte Kategorie undenkbar. Sie ist jedoch notwendig. Denn die strenge Zweiteilung lässt sich in der Praxis nicht durchhalten. Beide verschwimmen zusehends. Die hier vorgenommene Kategorisierung in Eigen- und Fremdkapital öffnet die Augen für die in der Realität existierenden Zwischenformen.

23

§ 4 I 1 PfandBG. Assmann, in: Assmann/Schneider, § 2 Rdnr. 14; Beck, in: Schwark, KapitalmarktrechtsKommentar, § 2 Rdnr. 6. 25 Vgl. o. S. 91 f. 24

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

329

a) Wandelschuldverschreibungen Zum hybriden Kapital gehört die Wandelschuldverschreibung26 . Ihr Inhaber hat in erster Linie einen Darlehensanspruch gegen das emittierende Unternehmen. Doch steht ihm zugleich das Recht zu, seine Forderung in eine Beteiligung an der Gesellschaft umzuwandeln. Es handelt sich um eine Ersetzungsbefugnis (facultas alternativa) des Gläubigers27. Sie kann für ihn interessant sein, wenn er auf eine positive Entwicklung des Aktienkurses hofft. Allerdings werden durch ihre Ausübung die Rechte der anderen Aktionäre verwässert. Aus diesem Grund schreibt das Aktiengesetz vor, dass die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen nur durch die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden darf28 . Die Wandelschuldverschreibung ist hybrides Kapital par excellence: Sie ändert ihren Charakter mit der Entscheidung des Inhabers, ob er lieber Eigen- oder Fremdfinancier sein will. Da sich die Natur des Instruments in der Zeit wandelt, kann man auch von intertemporal hybridem Kapital sprechen.

b) Gewinnschuldverschreibungen Bereits bei ihrer Begebung hybrid ist die Gewinnschuldverschreibung. Sie ist im Kern Fremdkapital, doch hängt das für die Überlassung zu zahlende Entgelt von den Erträgen des Unternehmens ab. Dabei muss es sich nicht unbedingt um den Emittenten handeln: Möglich ist auch, sich insoweit auf die Muttergesellschaft oder auf den gesamten Konzern zu beziehen 29. Dagegen ist es für die Einordnung als Gewinnschuldverschreibung nicht ausreichend, wenn der Zinssatz mit dem Ertrag eines beliebigen dritten Unternehmens verknüpft wird30 . Denn dann handelt es sich um normale Schuldverschreibungen, bei denen die Vergütung von einem externen Ereignis abhängt. Wegen der Verkürzung der Gewinnansprüche der Aktionäre bedarf auch die Begebung von Gewinnschuldverschreibungen eines mit qualifizierter Mehrheit zu treffenden Hauptversammlungsbeschlusses31.

26 Zu ihr aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Noddings, Convertible Bonds; Nelken (Hrsg.), Option Embedded Bonds, S. 155–160; McGuire, The Handbook of Convertibles. 27 Hüffer, AktG, § 221 Rdnr. 4 m.w.Nachw. 28 § 221 I 1, 2 AktG. 29 Habersack, in: MünchKomm-AktG, § 221 Rdnr. 56; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 221 Rdnr. 209; Hüffer, AktG, § 221 Rdnr. 8. 30 Krieger, in: MünchHdb. AG, § 63 Rdnr. 57; Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 174 Rdnr. 3. 31 § 221 I 1, 2 AktG.

330

3. Teil: Das Finanzinstrument

c) Genussrechte Zu den hybriden Instrumenten der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung gehört außerdem das Genussrecht32 . Dieses gibt im Gegenzug für die Überlassung von Kapital einen Anspruch auf gewisse Leistungen der Gesellschaft. Es kann zum Beispiel auf eine Beteiligung am Gewinn gerichtet sein. Es kann aber auch zum Bezug junger Aktien oder zur Benutzung gesellschaftlicher Einrichtungen berechtigen33. Häufig spricht man statt von Genussrechten auch von „Genussscheinen“34. Das ist jedoch abzulehnen, da ein „Schein“ im Sinne einer individuellen Urkunde nicht ausgestellt wird. Es handelt sich vielmehr um ein unkörperliches Recht. Die Einordnung des Genussrechts in das Schuld- oder das Gesellschaftsrecht bereitet von jeher Probleme. So behauptet der Bundesgerichtshof in einer frühen Entscheidung, dass Genussrechte nicht gesellschaftsrechtlich geprägt seien35. Später hat er hervorgehoben, dass sie trotz des „formal schuldrechtlichen Charakters“ auch aktienähnlich ausgestaltet sein können36 . Im Schrifttum wird außerdem eine Qualifikation als Beteiligung an einer stillen Gesellschaft vertreten37. Die Unsicherheiten bei der Einordnung haben ihren Grund darin, dass der Genussrechtsinhaber Leistungen erlangt, die sonst nur Gesellschafter erhalten, ohne dass er selbst Mitglied der Gesellschaft wird. Wichtig ist zu erkennen, dass mit Hilfe des Genussrechts bewusst die Grenzen von Schuld- und Gesellschaftsrecht überspielt werden. Die Ausgestaltung im Einzelfall ist sehr unterschiedlich. Zum Beispiel kann der Inhaber sein Kapital nur für begrenzte Dauer gewähren und Anspruch auf eine nominell festgelegte Verzinsung haben. Dann ähnelt das Genussrecht der Obligation 38 . In anderen Fällen bleibt die Vergütung unsicher, weil sie vom Gewinn der Gesellschaft abhängt. In diesem Fall ist das Genussrecht aktienähnlich. Je nach den konkreten Bedingungen wird es bilanziell bald wie Fremd-, bald wie Eigenkapital behandelt39. Im Bilanzrecht ist eine solche Einordnung notwendig. Der Finanzmarkt kann darauf verzichten 32

Zu ihm bereits o. S. 142 f. Capelle, Der Genußschein als kapitalmarktfähiges Instrument der Eigen finanzierung von Aktiengesellschaften, S. 11 f. 34 Vgl. z.B. Capelle, Der Genußschein als kapitalmarktfähiges Instrument der Eigenfinanzierung von Aktiengesellschaften; Emde, Der Genußschein als Finanzierungsinstrument; Feddersen/Knauth, Eigenkapitalbildung durch Genussscheine; Frantzen, Genußscheine. 35 BGH, Urt. v. 5.3.1959 – II ZR 145/57, WM 1959, 434 (436) 36 BGH, Urt. v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, BGHZ 119, 305 (310). 37 Schön, JZ 1993, 925 (929); ders., ZGR 1993, 210 (234 f.). 38 Capelle, Der Genußschein als kapitalmarktfähiges Instrument der Eigen finanzierung von Aktiengesellschaften, S. 131. 39 Beater, in: MünchKomm-HGB, § 266 Rdnr. 71; Hüttemann, in: Großkomm. HGB, § 272 Rdnr. 34; Wiedmann, Bilanzrecht, § 266 Rdnr. 42. 33

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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und das Genussrecht als das bezeichnen, was es in Wirklichkeit ist: hybrides Kapital.

d) Nachranganleihen Einer klaren Qualifikation entziehen sich schließlich auch Nachrang- oder Hybridanleihen. Ihre Grundlagen wurden schon oben beschrieben40 . Bilanziell werden sie entweder wie Eigen- oder wie Fremdkapital behandelt41. Am Markt handelt man sie dagegen wie gewöhnliche Anleihen. Das zeigt, dass die Einteilung der Marktsegmente nur bedingt Rückschlüsse auf die Natur eines Produkts erlaubt. Am besten bezeichnet man Nachranganleihen als hybride Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung.

II. Instrumente der gemeinsamen Kapitalanlage Statt unmittelbar in einzelne Unternehmen zu finanzieren, können Anleger ihr Kapital bündeln und gemeinsam investieren. Dieses Vorgehen wurde oben mit den drei Begriffen Kollektivanlage, Risikodiversifizierung und Fremdverwaltung gekennzeichnet42 . Der Markt hat dazu verschiedene Formen entwickelt. Auch bei ihnen wird das Kapital meist Unternehmen zur Verfügung gestellt. Doch weichen sie in mehrfacher Hinsicht von den soeben behandelten Instrumenten der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung ab. Erstens erwirbt der Investor nicht unmittelbar eine Beteiligung oder eine Forderung. Vielmehr tritt zwischen ihn und die Gesellschaft ein Finanzunternehmen, zum Beispiel eine Kapitalanlagegesellschaft oder eine Investmentaktiengesellschaft. Sie wird Inhaber der erworbenen Unternehmensbeteiligungen oder Forderungen, die sie getrennt von ihrem sonstigen Vermögen verwaltet. Der Anleger erlangt nur Rechte gegen sie oder Anteile an den von ihr verwalteten Sondervermögen, nicht aber Ansprüche gegen das finanzierte Unternehmen selbst. Ein zweiter Unterschied ist, dass das Kapital nicht zwingend in von Gesellschaften emittierte Titel angelegt wird. Es kann auch in andere Vermögensgegenstände investiert werden, zum Beispiel in Grundstücke oder Edelmetalle. Die Instrumente der gemeinsamen Kapitalanlage dienen daher nicht notwendig der Unternehmensfinanzierung. Ein dritter Unterschied besteht darin, dass sich die Investoren typischerweise rein passiv verhalten und auf die Geschicke der Gesellschaft keinen Ein40 41 42

Siehe o. S. 142. Vgl. Schaber/Isert, BB 2006, 2401. Vgl. o. S. 115.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

fluss nehmen. Ihnen geht es nur um die Erzielung von Gewinn ohne direkte unternehmerische Tätigkeit. Gegenstand der folgenden Ausführungen ist nicht die gemeinsame Kapitalanlage allgemein. Hier geht es vielmehr darum, die von den Investoren erworbenen Rechte darzustellen. Insbesondere interessiert, ob sie Finanzinstrumente sind.

1. Investmentanteile Investmentanteile sind Beteiligungen an einem Investmentfonds oder an einer Investmentaktiengesellschaft. Die Unterschiede zwischen beiden wurden bereits im ersten Teil ausführlich dargestellt43. An dieser Stelle genügt es daher, die Rechte zu untersuchen, die die Anleger erwerben. Sie hängen allerdings eng mit den unterschiedlichen Formen zusammen, in welche die gemeinsame Kapitalanlage gekleidet sein kann. Diese sollen daher kurz in Erinnerung gebracht werden. Zu unterscheiden sind der Vertragstyp und der Gesellschaftstyp44. Es ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass beide unterschiedliche Rechte gewähren. Beim Gesellschaftstyp erhält der Anleger eine echte Beteiligung, die dem Eigentum funktional vergleichbar ist. Allerdings handelt es sich bei ihr nicht immer um ein Finanzinstrument. Das hängt vielmehr von der gewählten Gesellschaftsform ab. Nicht selten wird zur kollektiven Vermögensanlage eine GbR oder eine GmbH & Co KG gegründet. Das geschieht insbesondere bei geschlossenen Immobilienfonds häufig. Die Beteiligung an einer Personengesellschaft ist kein Finanzinstrument, denn ihr fehlt die typische Umlauffähigkeit45. Die von einer Investmentaktiengesellschaft im Sinne des § 96 InvG begebenen Anteile sind Aktien. Allerdings unterliegen sie verschiedenen Spezialregelungen. Dazu gehört zum Beispiel, dass das Stimmrecht nicht ausgeschlossen werden darf und dass sie denselben Anteil am Grundkapital verbriefen müssen46 . Von diesen Besonderheiten abgesehen entsprechen sie den Aktien gewöhnlicher Aktiengesellschaften. Insbesondere sind sie handelbar und für Clearing und Settlement geeignet. Es handelt sich daher um Finanzinstrumente. Beim Vertragstyp ist die Kapitalanlagegesellschaft Inhaberin des Sondervermögens. Die von ihr begebenen Anteile sind lediglich schuldrechtliche Ansprüche. Allerdings sieht das Investmentgesetz auch die Möglichkeit vor, die

43 44 45 46

Vgl. o. S. 116 f. Siehe o. S. 116. Siehe dazu o. S. 312. § 96 I 2, 3 InvG.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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Vermögensgegenstände des Fonds den Anlegern zu übertragen. In diesem Fall erwerben sie Miteigentum an den entsprechenden Gegenständen47. Ihr Anteil besteht dann in einem Gemisch aus schuld- und sachenrechtlichen Berechtigungen. Über den Anteil wird beim Vertragstyp ein Anteilschein ausgestellt48 . Dieser kann auf den Inhaber oder auf einen Namen lauten49. Er ist Wertpapier. Doch wurde schon oben gezeigt, dass das WpHG nicht ihn, sondern den Anteil selbst als Finanzinstrument ansieht50 . Mit der hier vertretenen Theorie ist das zwanglos vereinbar. Danach kommt es nicht auf die Verkörperung, sondern auf das handelbare Recht selbst an. Eine Besonderheit des Investmentanteils besteht allerdings darin, dass es für ihn manchmal keinen Zweitmarkt gibt51. Seine Veräußerung kann jedoch immer durch die Rückgabe an den Emittenten ersetzt werden. Zu einem „Handel“ im eigentlichen Sinne kommt es in diesem Fall zwar nicht. Dennoch sieht der Gesetzgeber den Anteil zu Recht als Finanzinstrument an. Denn die Rückgabe schafft eine der Handelbarkeit zumindest ähnliche Situation. Neben den genannten Formen gibt es im Ausland noch andere Arten der Organisation des Investmentvermögens. Als wichtigstes Beispiel sei die Berechtigung an einem angelsächsischen trust genannt. Sie ähnelt der Treuhand nach deutschem Recht. Im Unterschied zu ihr erwirbt der Anleger jedoch ein Sachenrecht an den Vermögensgegenständen als sogenannter equitable owner 52 . Dieses gewährt ihm unter anderem ein Verfolgungsrecht, das heißt er kann die Gegenstände des Investmentvermögens bei treuwidrigen Verfügungen des trustee von bösgläubigen Dritten herausverlangen. Die Beteiligung an einem investment trust ist ebenfalls als Finanzinstrument anzusehen. Es gibt also viele verschiedene Arten, ein Investmentvermögen zu konstruieren. Dass man so unterschiedliche Konstruktionen unter der einheitlichen Bezeichnung „Investmentanteil“ zusammenfasst, beweist einmal mehr, wie sich der Finanzmarkt über die traditionellen juristischen Kategorien hinwegsetzt. Aus Sicht des Anlegers wichtig ist vor allem die Inhaberschaft des Anteils. Diese verleiht ihm funktional dem Eigentum vergleichbare Rechte, unabhängig davon, wie er konkret ausgestaltet ist. Ist der Anteil umlauffähig, dann handelt es sich um ein Finanzinstrument.

47 48 49 50 51 52

§ 30 I 1 InvG. Dazu o. S. 120. § 33 InvG. § 33 I 2 InvG. Siehe o. S. 123 f. Siehe o. S. 118. Vgl. Dukeminier/Krier, Property, S. 287.

334

3. Teil: Das Finanzinstrument

2. Asset-Backed Securities Normalerweise werden ABS als Schuldverschreibungen eingeordnet53. Eine solch formale Klassifikation verkennt aber eine wichtige Besonderheit, die mit der Einschaltung einer Zweckgesellschaft verbunden ist. Diese sammelt Vermögensgegenstände ein und begibt Anleihen an viele Investoren. Sie verfolgt keinerlei eigene unternehmerische Aktivitäten, sondern führt lediglich Werte zusammen, um diese an den Finanzmarkt bringen zu können. Insofern ähnelt die Zweckgesellschaft stark der Investmentgesellschaft. Der Unterschied zwischen beiden besteht in der Ausrichtung: Zweckgesellschaften werden von ihren Gründern, den sogenannten Sponsoren, geschaffen, um bestimmte Gegenstände an den Mann zu bringen. Investmentgesellschaften gründet man indessen, um das Kapital von Investoren zu verwalten. Investmentgesellschaften sind daher in erster Linie den Anlegern verpflichtet; Zweckgesellschaften dienen hingegen vorrangig den Interessen der Inhaber von Vermögenswerten. Doch ist dies nur eine Daumenregel, denn auch Zweckgesellschaften unterliegen Pflichten gegenüber den Investoren. Wegen der Bündelung des Kapitals in einer Gesellschaft, die keine anderen Zwecke als die Verwaltung von Vermögen verfolgt, werden ABS hier in die Kategorie der gemeinsamen Kapitalanlage eingeordnet. Dass sie nicht den Vorschriften des InvG unterliegen54 , steht dieser Einordnung nicht entgegen. Da ABS massenhaft ausgestellt werden, vertretbar, umlauffähig und für Clearing und Settlement geeignet sind, handelt es sich um Finanzinstrumente.

3. Weitere Instrumente a) Private Equity Neben den genannten Formen der gemeinsamen Kapitalanlage gibt es noch andere. Zu nennen sind insbesondere Private Equity Fonds. Diese bündeln Kapital, das sie nicht am öffentlichen Finanzmarkt, sondern von institutionellen Investoren oder besonders vermögenden Einzelpersonen einsammeln. Zweck ist die Finanzierung bestimmter Projekte, wie zum Beispiel des Erwerbs eines Unternehmens oder des Baus einer Autobahn. Dabei handelt es sich typischerweise um illiquide Anlagen. Ihren Investoren versprechen die Fonds meist eine besonders hohe Rendite55. Private Equity Fonds sind gesetzlich nicht speziell geregelt; insbesondere unterfallen sie nicht den Vorschriften des Investmentgesetzes. Das im Jahre 53

Vgl. die Nachweise o. S. 128 Fußn. 155. Siehe o. S. 130 ff. 55 Näher Lehmann, in: Leible/Lehmann, Hedgefonds und Private Equity – Fluch oder Segen?, S. 17–31. 54

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

335

1987 erlassene Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG)56 hat bislang kaum Bedeutung erlangt. Dies liegt daran, dass seine Anwendbarkeit davon abhängt, dass der Fonds seine Geschäfte unter der Bezeichnung „Unternehmensbeteiligungsgesellschaft“ betreibt57. Bisher ist von diesem Firmenzusatz nur selten Gebrauch gemacht worden, weil sich die vom Gesetzgeber vorgesehenen Steuervorteile der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft lediglich gering auswirken. Daher wird auch von „totem Recht“ gesprochen58 . Ebenfalls geringe Chancen auf eine Durchsetzung dürfte die im Jahre 2008 eingeführte „Wagnisbeteiligungsgesellschaft“59 haben. Private Equity Fonds können auf verschiedene Weise organisiert sein. Beispielsweise sieht das UBGG als Rechtsform für Unternehmensbeteiligungsgesellschaften die AG, die GmbH, die KG und die KGaA vor 60 . Die gewählte Rechtsform entscheidet darüber, ob die vom Fonds begebenen Titel Finanzinstrumente sind: Bei den Aktien einer AG handelt es sich selbstverständlich um solche. Dagegen gehören die Anteile einer GmbH nicht in diese Kategorie.

b) REITS-Aktien Seit dem Jahre 2007 gibt es den German Real Estate Investment Trust (German REIT oder G-REIT)61. Dabei handelt es sich um eine neue Rechtsform der kollektiven Kapitalanlage, die auf Immobilien ausgerichtet ist. Anders, als die Bezeichnung vermuten lässt, ist der REIT nicht als trust nach angelsächsischem Vorbild organisiert. Es handelt sich vielmehr um eine Aktiengesellschaft, die einigen besonderen Anforderungen unterliegt62 . Unter anderem müssen 75 % ihrer Aktiva zum unbeweglichen Vermögen gehören und der gleiche Prozentsatz ihrer Umsatzerlöse aus Geschäften mit unbeweglichem Vermögen wie Vermietung oder Verpachtung stammen63. Die von der REIT-Gesellschaft begebenen Aktien sind Finanzinstrumente.

56 Gesetz v. 1.1.1987, Neufassung v. 9.9.1998, BGBl. I, 2765. Dazu z.B. Vollmer/Elser, UBGG; Vollmer, ZBB 1998, 221–229; Hey, in: FS Rädler, S. 271–304; Marsch-Branner, ZGR 1990, 294–313. 57 § 1 UBGG. 58 Hey, in: FS Rädler, S. 271. Krit. dazu Ritzerer-Angerer, DB 2004, 2383 (2384 f.). 59 Dazu Leible/Lehmann, NZG 2008, 729 (730–733). 60 § 2 UBGG. 61 Vgl. Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz – REITG), eingeführt durch das Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen v. 28.5.2007, BGBl. I, 914, Art. 1. 62 Vgl. § 1 REITG. 63 § 12 II lit. a, III lit. a REITG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

4. Zwischenbilanz Neben den Instrumenten der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung stehen die der gemeinsamen Kapitalanlage als selbständige Kategorie. Ihre Besonderheit besteht in ihren spezifischen Risiken: Anders als bei Aktien oder Schuldverschreibungen erwerben die Inhaber keine unmittelbaren Ansprüche gegen die Unternehmen, denen sie ihr Kapital letztlich zur Verfügung stellen. Dazwischen wird vielmehr eine Gesellschaft geschaltet. Sie allein ist der Vertragspartner des Anlegers. Bei der Auswahl der Vermögensgegenstände, die mit dem investierten Kapital erworben werden, hat sie weites Ermessen. Nicht selten wird sie auch deren Eigentümerin. Daher bedarf es besonderer Schutzvorkehrungen gegen den Missbrauch ihrer Verfügungsbefugnis. Modellgebend ist insoweit das Investmentgesetz, dessen Anwendungsbereich jedoch eng begrenzt ist und viele Formen der kollektiven Vermögensanlage nicht erfasst.

III. Geldmarktinstrumente Eine gesonderte Kategorie bilden die Geldmarktinstrumente. Das WpHG zählt sie ebenso wie das KWG zu den Finanzinstrumenten64. Beide Gesetze enthalten auch Begriffsbestimmungen. Unter Geldmarktinstrumenten sind danach alle Gattungen von Forderungen zu verstehen, die nicht in die bekannten Kategorien der Wertpapiere des Kapitalmarkts, wie Aktie oder Schuldverschreibung, gehören und die auf dem Geldmarkt gehandelt werden65. Dieselbe Begriffsbestimmung findet sich bereits in der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie66 , die durch das WpHG in nationales Recht umgesetzt wird. Als Beispiele für Geldmarktinstrumente nennt sie „Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers“67. Die meisten dieser Instrumente werden allerdings in Deutschland als Schuldverschreibungen angesehen68 . Daher bleiben nur wenige Produkte für den Begriff des Geldmarktinstruments übrig. Zu ihnen gehören etwa Schuldscheindarlehen69. An dieser Stelle wird abermals deutlich, dass die Kategorie der Schuldverschreibung zu weit gefasst ist. Unter sie werden verschiedenartigste Formen der Kapitalanlage subsumiert70 . Erst wenn sie vernünftig eingegrenzt wird, ließe sich die rechtliche Kategorie der 64 65 66 67 68 69 70

§ 2 IIb 1 WpHG, § 1 XI 1 KWG. § 2 Ia WpHG, § 1 XI 3 KWG. Art. 1 Nr. 5 Richtlinie 93/22/EWG. Ewgr. 10 Richtlinie 93/22/EWG. Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rdnr. 8. Beck a.a.O.; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 22. Siehe dazu o. S. 98, 110, 128 f., 139.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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Geldmarktinstrumente so weit fassen, dass sie den am Kapitalmarkt unter dieser Bezeichnung bekannten Instrumenten entspricht. Eine an der wirtschaftlichen Realität ausgerichtete Betrachtung muss daher anders ansetzen. In den Mittelpunkt sind die spezifischen Merkmale der Geldmarktinstrumente zu rücken. Ihr Zweck ist die kurzfristige Finanzierung. Obwohl die genaue Grenze umstritten ist, wird eine maximale Laufzeit von drei Monaten als typisch angesehen71. Gehandelt werden Geldmarktinstrumente, wie der Name schon sagt, auf dem Geldmarkt. Akteure des Geldmarkts sind nicht Unternehmen und Anleger, sondern Banken. Der Interbankenverkehr ist nicht reguliert. Er ist nicht einmal institutionalisiert, das heißt es existieren keine Börsen oder anderen Einrichtungen, auf denen Transaktionen abgewickelt würden. Geldmarktinstrumente sind einfache, unverbriefte Forderungen. Daher ist es schwierig zu bestimmen, ob sie die für Finanzinstrumente kennzeichnende Handelbarkeit aufweisen oder ob es sich nur um schuldrechtliche Ansprüche handelt. Um diese Frage zu klären, verfolgt das Gesetz eine bemerkenswert einfache Methode: Es stellt schlicht darauf ab, ob die Forderung tatsächlich auf dem Geldmarkt gehandelt wird72 . Diese Anforderung ist höher als für sonstige Finanzinstrumente, denn die Handelbarkeit allein genügt nicht. Vielmehr wird der effektive Handel verlangt. Folglich sind nur solche Instrumente erfasst, für die bereits ein Markt besteht. Das erlaubt eine klare Abgrenzung zu einfachen Forderungen. Die Definition des Geldmarktinstruments wird in die Hände der Marktakteure gelegt. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte es für die zivilrechtliche Einordnung als Finanzinstrument zusätzlich darauf ankommen, ob Geldmarktinstrumente in Clearing und Settlement einbezogen werden können. Nur dann wecken sie das Bedürfnis nach besonderen Vorschriften über die Begebung, Übertragung, Verpfändung und Pfändung. Grundsätzlich ist eine solche Eignung zu bejahen. Es handelt sich daher um Finanzinstrumente.

IV. Derivate Derivate sind eine wichtige neue Form des Finanzinstruments. Wie der Name schon sagt, besteht ihre Eigenheit darin, dass sie von einem anderen Titel oder Gegenstand abgeleitet sind. Der Wert des Derivats ist in der Regel von dem sogenannten underlying abhängig73. Dieser kann ein Instrument der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung sein, zum Beispiel eine Aktie. Daneben spielen 71

Häuser/Rosenstock, Börse und Kapitalmarkt, S. 16. Vgl. § 2 Ia WpHG. Dazu Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rdnr. 8; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rdnr. 21. 73 Vgl. schon o. S. 91 für Optionen. 72

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Waren eine wichtige Rolle, wie etwa Rohöl. Es gibt aber auch Derivate, die sich nicht auf einen existierenden Gegenstand beziehen, sondern von Maßen oder äußeren Vorgängen abhängen, wie einem Index oder dem Wetter74. Um die tatsächliche Bedeutung dieser Art der Finanzinstrumente zu erkennen, ist es nützlich zu wissen, dass der Betrag ausstehender Verpflichtungen aus außerbörslich (over the counter) gehandelten Derivaten im Juni 2006 auf 369 Billionen Dollar geschätzt wurde75. Zum Vergleich: Das Weltbruttosozialprodukt betrug im Jahre 2005 rund 44 Billionen Dollar. Damit ist der neue Zweig der Finanzwirtschaft nominell weitaus bedeutender als die Realwirtschaft. Die Kategorie der Derivate ist rechtlich zum Beispiel in § 2 II WpHG und in § 1 XI 4 KWG anerkannt. Auf eine abstrakte Begriffsbestimmung hat der Gesetzgeber verzichtet; stattdessen führt er einzelne Instrumente enumerativ auf. In der Literatur wurde versucht, den Kreis der Derivate mittels bestimmter Kennzeichen näher einzugrenzen76 . Eine solche Methode hat den Nachteil, dass sie tatsächliche Erscheinungen ausblendet, welche die definierten Kriterien nicht erfüllen. Sämtliche Definitionsversuche müssen letztlich an der Innovationskraft des Markts scheitern. Derivate gewähren äußerst verschiedene Rechte; es handelt es sich um eine heterogene Kategorie. Annähern kann man sich ihr nur mit Hilfe des typologischen Denkens77. Alle verschiedenen von ihr erfassten Arten der Finanzinstrumente haben gemein, dass sie von einem Gegenstand oder einem äußeren Ereignis abhängig sind. Dabei zeichnen sie dessen Entwicklung in der Zeit nach. Typisch für Derivate ist daher, dass sich ihr Wert mehr als bei den bisher beschriebenen Finanzinstrumenten durch die Aussicht auf die Zukunft bestimmt. Ihnen wohnt ein gewisses Zeitmoment inne. Der Gesetzgeber sucht dieses Merkmal mit dem Ausdruck „Termingeschäfte“ zu beschreiben78 . Derivate beziehen sich auf die Entwicklung eines bestimmten Grundwerts über einen vorher bestimmten Zeitraum. Dadurch machen sie diese Entwicklung selbständig handelbar. Dazu ein Beispiel: Der Anleger, welcher damit rechnet, die Aktie des Unternehmens A werde steigen, kann diese kaufen. Dafür muss er allerdings ihren Marktpreis aufbringen. Billiger ist es, eine Option auf dieselbe Aktie zu erwerben. Falls seine Prognose zutrifft, kann er sich am Ende der Laufzeit die Differenz zwischen dem Basiskurs und dem tatsächlichen Kurs auszahlen lassen oder die Option schon vorher mit Gewinn veräußern. Er erhält also nicht die 74 Dazu Jahn, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 114 Rdnr. 7; König, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, Bank- und Börsenrecht VIII, Rdnr. 55. 75 International Bank for Settlements, Quarterly Review March 2007, erhältlich unter http://www.bis.org/statistics/extderiv.htm (zuletzt besucht am 13.4.2007). 76 Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, S. 18–23. 77 Zur Bedeutung des typologischen Denkens für den Begriff des Finanzinstruments bereits o. S. 304. 78 §§ 2 II Nr. 1 f., Nr. 5 WpHG, 1 XI 4 KWG.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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Substanz des Vermögensgegenstands, sondern einen Anspruch unter der Bedingung, dass letzterer sich positiv entwickelt. Ähnliche Effekte lassen sich auch mit Futures, Zertifikaten oder Swaps erreichen79. In allen diesen Fällen wird also in eine gewisse Entwicklung statt unmittelbar in einen Vermögenswert oder ein Unternehmen investiert. Auf gesellschaftsrechtliche Mitspracherechte oder die Rechte als Gläubiger der Gesellschaft wird bewusst verzichtet. Wer Derivate erwirbt, überlässt unternehmerische Entscheidungen anderen. Das Begnügen mit der völlig passiven Teilnahme an der Kursentwicklung stellt ein grundlegendes Merkmal des Typus Derivat dar. Gleichzeitig ist offensichtlich, dass der Anleger über die Investition in ein Derivat mit teilweise geringem Einsatz sehr hohe Gewinne erzielen kann. Er verfügt über einen gewissen Hebel – das sogenannte leverage. Dieser macht die Investition besonders lohnend. Zugleich folgen daraus aber auch besondere Risiken, zum Beispiel das des Totalverlusts der Anlage. Deshalb hat der Gesetzgeber besondere Vorschriften für den Handel mit Derivaten vorgesehen80 . Das Vorangegangene erweckt den Eindruck, Derivate seien Spekulationsgeschäfte. Doch ist dies nur zum Teil berechtigt. Sie erfüllen zugleich wichtige ökonomische Funktionen81. Mit ihrer Hilfe lassen sich Kurs- und Preisrisiken absichern; man spricht insoweit vom „hedging“. Dem Kapitalmarkt werden zusätzliche Mittel zugeführt; Risiken können in einzelne Komponenten aufgespalten und auf unterschiedliche Marktteilnehmer verteilt werden. Außerdem helfen Derivate dabei, räumliche oder zeitliche Kursdifferenzen durch sogenannte Arbitragegeschäfte zu beseitigen. Dadurch wird der Preis einheitlicher und der Kapitalmarkt effizienter. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass die Absicherung gegen Risiken immer eine Gegenpartei voraussetzt, die das Risiko übernimmt. Diese kann das Derivat durchaus zur Spekulation einsetzen. Dabei können sich Verpflichtungen wie Türme aufbauen. Die Finanzmarktkrise hat gezeigt, welche verheerenden Dominoeffekte dies zur Folge haben kann. Insgesamt sind Derivate jedoch aus volkswirtschaftlicher Sicht unverzichtbar. Denn sie erhöhen die Liquidität und Flexibilität des Kapitalmarkts und gleichen Marktdifferenzen aus. Sie führen nicht zu Krisen, sondern beschleunigen nur den Abbau unrationaler Bewertungen. Es ist schwierig, Derivate in verschiedene Kategorien zu unterteilen. Man könnte einfach darauf abstellen, worauf sie sich beziehen, und demgemäß zum Beispiel zwischen Aktienderivaten, Zinsderivaten, Währungsderivaten oder Wetterderivaten unterscheiden. Eine solche Einteilung ist zwar praktisch, führt aber kaum zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Lohnend ist vielmehr, danach zu differenzieren, welche Verpflichtung der Emittent übernimmt. Insoweit las79

Zu Einzelheiten o. S. 100 ff., 108 ff., 133 ff. Vgl. § 37e S. 2 i.V.m. §§ 37g, h WpHG. 81 Vgl. Rudolph/Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente, S. 29–32; Bertuch-Samuels/ Störmann, Derivative Finanzinstrumente: Nutzen und Risiken, S. 15. Siehe auch o. S. 105. 80

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3. Teil: Das Finanzinstrument

sen sich Derivate in Geschäfte mit unbedingter und mit bedingter Verpflichtung unterteilen.

1. Unbedingte Verpflichtung Bei Derivaten mit unbedingter Verpflichtung steht die Erfüllung des Geschäfts nicht im Belieben einer Seite. Sie sind vielmehr in jedem Fall auszuführen. Man nennt sie daher auch „Fixgeschäfte“ oder „Festgeschäfte“82 . Allerdings erfolgt die Erfüllung regelmäßig nicht durch Lieferung in Natur, sondern durch Zahlung einer Preisdifferenz.

a) Futures Zu den Derivaten mit unbedingter Verpflichtung zählen die Futures. Der Emittent sagt verbindlich zu, einen bestimmten Gegenstand zu einem zukünftigen Zeitpunkt zu erwerben oder zu verkaufen. Es handelt sich um typische Termingeschäfte. Einzelheiten wurden bereits im ersten Teil erörtert83 und sind daher hier nicht zu wiederholen. An dieser Stelle ist nur wichtig, dass Futures Vermögenswerte sind und in Clearing und Settlement einbezogen werden. Der Handel mit ihnen weist zwar Besonderheiten auf, doch sind sie trotzdem als Finanzinstrumente einzuordnen84.

b) Forwards Den Futures ähneln Forward-Kontrakte. Allerdings sind sie individuell abgeschlossene Verträge85. Sie werden ausschließlich außerhalb der Börse gehandelt. Dies allein würde nicht gegen eine Charakterisierung als Finanzinstrument sprechen. Jedoch sind sie auch nicht in Clearingsysteme einbezogen86 . Daher gehören sie nicht zu den Finanzinstrumenten.

c) Swaps Swaps sind Derivate mit unbedingter Verpflichtung87. Sie sind Finanzinstrumente. Allerdings werden sie nicht emittiert, sondern individuell abgeschlossen, ähnlich den Futures und den sogenannten unverbrieften Optionen. Ihr Abschluss über die Börse bedarf daher der Standardisierung. Der Handel voll82 83 84 85 86 87

Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 WpHG Rdnr. 10. Siehe o. S. 100 ff. Siehe o. S. 313. Siehe o. S. 101. Romano, 55 Md. L. Rev. 1, 16 (1996). Zu ihnen bereits o. S. 133 ff.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

341

zieht sich nicht durch Übertragung, sondern durch den Abschluss von Gegengeschäften.

2. Bedingte Verpflichtung Bei den Geschäften mit bedingter Verpflichtung steht es im Belieben einer Seite, ob der Vertrag zur Ausführung kommt. Dafür hat sie der anderen Partei regelmäßig eine Prämie zu zahlen. Daher spricht man auch von „Prämiengeschäften“88 .

a) Optionen Archetyp der Derivate mit bedingter Verpflichtung ist die Option. Sie vermittelt das Recht, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Gegenstand zu erwerben oder zu veräußern. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im ersten Teil verwiesen89. Die hier vertretene Einordnung der Option als Derivat mit bedingter Verpflichtung steht im Widerspruch zur Klassifikation des allgemeinen Zivilrechts. Dort werden Optionen entweder als Festofferte, als bedingter Hauptvertrag, als Anspruch aus einem Vorvertrag, als Angebotsvertrag, als untypischer Kaufvertrag oder als Gestaltungsrecht bezeichnet90 . Wie oben gezeigt, spiegeln diese schuldrechtlichen Qualifikationen jedoch die Besonderheiten des Optionsgeschäfts nicht hinreichend wider. Der Erwerber erlangt nicht nur einen Anspruch oder ein Wahlrecht, sondern einen vermögenswerten Gegenstand, der handelbar ist. Dem entspricht die Einordnung als Finanzinstrument.

b) Optionsanleihen Zuweilen werden Optionen mit anderen Instrumenten kombiniert. Als Beispiel soll hier die Optionsanleihe angeführt werden. Sie ist eine Schuldverschreibung verbunden mit dem Recht des Gläubigers, Aktien des emittierenden Unternehmens zu erwerben91. Anders als bei der Wandelschuldverschreibung kann der Inhaber der Optionsanleihe die Rückzahlung seines Kapitals und zusätzlich die Zuteilung von Aktien verlangen. Es liegt daher keine Ersetzungsbefugnis vor, sondern ein eigenständiges Wahlrecht des Gläubigers. Die Optionsanleihe ist kein reines Derivat. Vielmehr handelt es sich um die Zusammensetzung einer Anleihe mit einer Option. Hier zeigt sich, dass in der

88 89 90 91

Rudolph/Schäfer, Derivative Finanzmarktinstrumente, S. 49. Siehe o. S. 91 ff. Siehe o. S. 95 ff. Hüffer, AktG, § 221 Rdnr. 6; Seiler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 221 Rdnr. 6.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Praxis auch die Grenzen zwischen den Instrumenten der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung und den Derivaten überwunden werden.

c) Aktienanleihen Ein Derivat mit bedingter Verpflichtung ist auch die sogenannte Aktienanleihe92 . Bei ihr verspricht der Emittent vergleichsweise hohe Zinsen. Im Gegenzug behält er sich das Recht vor, seine Rückzahlungsverpflichtung statt mit einer Geldleistung mit einer festgelegten Menge von Aktien zu erfüllen. Das ist eine Umkehrung der Wandelschuldverschreibung: Nicht der Gläubiger, sondern der Schuldner hat die Wahl, ob statt des geschuldeten Betrags Aktien geleistet werden müssen. Im Englischen bezeichnet man die Aktienanleihe daher als „reverse convertible bond“. Aus der Sicht des deutschen Zivilrechts handelt es sich bei der Wahlmöglichkeit um eine Ersetzungsbefugnis des Schuldners93. Anders als ihr Gegenstück, die Wandelschuldverschreibung, wird die Aktienanleihe als Derivat eingeordnet. Das liegt daran, dass ihr Wert unmittelbar vom Kurs des zugrundeliegenden Titels abhängt. Bei der Wandelschuldverschreibung ist der Wert zwar ebenfalls in gewisser Weise an den der Aktie gebunden. Doch wird dem Anleger nur eine zusätzliche Handlungsmöglichkeit eröffnet. Bei der Aktienanleihe ist er dagegen auf Gedeih und Verderb der Entwicklung des Aktienkurses ausgeliefert. Fällt dieser unter die Rückzahlungssumme, wird der Emittent von seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch machen und der Gläubiger nur die – geringwertigere – Aktie erhalten. Daher steht bei der Aktienanleihe der derivative Charakter im Vordergrund.

3. Strukturierte Produkte Die Einteilung in Fest- und Optionsgeschäfte scheint abschließend, eine dritte Kategorie ausgeschlossen. Dennoch hat die Praxis Zwischenformen entwickelt, die Elemente aus beiden kombinieren. Man spricht von „strukturierten Produkten“. Zu ihnen gehören vor allem die Zertifikate94. Sie sind Festgeschäfte in dem Sinn, dass ihre Ausführung nicht im Belieben eines der beiden Vertragspartner steht. Dennoch lassen sich mit ihnen ähnliche Effekte erzielen wie mit Optionsgeschäften. Zum Beispiel kann man mit einem Garantiezertifkat eine vergleichbare Sicherung gegen Kursverluste erlangen wie mit einer einer put-

92 Zu ihr Assmann, ZIP 2001, 2061–2084; Köndgen, Anm. z. KG v. 16.5.2001 – 29 U 7237/00, ZIP 2001, 1197–1199; Luttermann, ZIP 2001, 1901–1906. Zu steuerlichen Aspekten Delp, BB 2001, 1438–1442. 93 Staudinger/Marburger, Vorbem zu §§ 793–808 Rdnr. 45. 94 Siehe o. S. 108 ff.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

343

Option. Der Erwerber eines Bonuszertifikats kann bei steigenden Kursen ebenso Gewinne erhalten wie der Inhaber einer call-Option. Wegen dieser Besonderheit lässt sich sagen, dass in strukturierten Produkten Elemente anderer Derivate eingebaut sind. Jedes Produkt dieser Art kann man in verschiedene Elemente zerlegen, zu denen in der Regel ein Festgeschäft und ein Optionsgeschäft gehören95. Daher werden sie hier als Derivate eingeordnet96 .

V. Zusammenfassung Finanzinstrumente lassen sich in verschiedene Arten einteilen. Allerdings kann die Klassifikation nicht der traditionellen zivilrechtlichen Unterscheidung in Forderungs-, Beteiligungs- und Eigentumstitel folgen. Zum einen wäre eine solche Aufteilung undurchführbar, wie sich bei den hybriden Instrumenten zeigt. Zum anderen würde sie Zusammengehöriges auseinanderreißen, wie etwa die verschiedenen Arten von Investmentanteilen. Daher ist auf die unterschiedlichen Zwecke abzustellen, die mit den Instrumenten am Kapitalmarkt verfolgt werden. Bei der ersten Klasse von Finanzinstrumenten war der Zweck die unmittelbare Unternehmensfinanzierung. Dieser kann sowohl im Wege der Eigen- und Fremdfinanzierung als auch mittels hybriden Kapitals erfüllt werden. Die zweite Art, die Instrumente der gemeinsamen Kapitalanlage, können zwar ebenfalls der Unternehmensfinanzierung zugute kommen. Ihr Zweck ist aber ein anderer: Durch sie investieren mehrere Anleger gemeinsam in Unternehmenstitel oder andere Gegenstände. Die nächste Art der Finanzinstrumente, die Geldmarktinstrumente, unterscheiden sich von den anderen dadurch, dass sie nicht auf die dauerhafte Investition von Kapital gerichtet sind. Sie dienen vielmehr zur Sicherung kurzfristiger Liquidität im Interbankenverkehr. Schließlich investiert man bei der letzten Klasse, den Derivaten, nicht in physisch greifbare Gegenstände oder in Unternehmensbeteiligungen. Erworben wird vielmehr ein Anspruch, der von anderen Werten abhängig ist. Es handelt sich um Finanzinstrumente der zweiten Potenz. Aus den bisherigen Ausführungen lässt sich eine differenzierte „Genealogie“ der Finanzmarktprodukte erstellen. Sie ist gekennzeichnet durch die stetige Entfernung von der Realwirtschaft. An erster Stelle stehen die Produkte der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung. Davon abgeleitet sind Derivate. Sie müssen sich jedoch nicht unbedingt auf Finanzmarktprodukte beziehen, sondern können auch Waren oder Geld zum Gegenstand haben. Auf der nächsten 95 96

Siehe o. S. 109. Zur Kritik der gegenteiligen herrschenden Meinung siehe o. S. 111 ff.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Stufe stehen die strukturierten Produkte. Sie sind in der Regel aus Optionen und anderen Titeln zusammengesetzt. Auch sie können sich aber auf Gegenstände außerhalb des Finanzmarkts beziehen. Schließlich folgen die Instrumente der kollektiven Kapitalanlage. Sie werden hier an den Schlussteil des Stammbaumes gesetzt, weil mit ihnen in alle der vorgenannten Finanzmarktprodukte investiert werden kann. Würde man die aufgezeigte Einteilung nur als tatsächliches Phänomen begreifen, so hieße das, ihre Bedeutung zu unterschätzen. Denn sie wirkt sich auch auf die rechtliche Regelung aus. So werden Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung unter der einheitlichen, freilich unpassenden Bezeichnung „Wertpapiere“ zusammengefasst97. Die Geldmarktinstrumente sind davon zu unterscheiden98 . Die Instrumente der gemeinsamen Kapitalanlage werden zwar ebenfalls als Wertpapiere bezeichnet, für die meisten von ihnen existiert aber ein geschlossenes Sonderregime im Investmentgesetz. Auch die Derivate gelten mittlerweile als einheitliche rechtliche Kategorie99. Die meisten Regelungen des WpHG und des KWG, die sich an der hier vorgestellten Klassifikation ausrichten, sind öffentlichrechtlicher Natur. Es handelt sich vor allem um Vorschriften des Aufsichtsrechts. Doch darf dies nicht zu dem Schluss verleiten, dass die hier vorgenommene Einteilung der Finanzinstrumente für das Zivilrecht bedeutungslos wäre. So sind etwa mit dem Investmentgesetz besondere Schutzvorschriften erlassen worden, die den speziellen Missbrauchsgefahren im Bereich der kollektiven Kapitalanlage Rechnung tragen. Dazu gehören auch genuin zivilrechtliche Regelungen, zum Beispiel bezüglich der Eigentumsverhältnisse an den Gegenständen des Sondervermögens. Die bürgerlichrechtlichen Regelungen der verschiedenen Arten von Instrumenten haben freilich noch bruchstückhaften Charakter. Außerdem sind die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Kategorien längst nicht klar gezogen. Die Beispiele zeigen indessen, dass auch das Zivilrecht auf die spezifischen Bedürfnisse reagieren muss, die sich aus den jeweiligen Klassen von Finanzinstrumenten ergeben. Es hat den tatsächlichen Phänomenen zu folgen, die am Finanzmarkt auftreten. Es besteht Anlass zur Annahme, dass für die einzelnen hier vorgestellten Kategorien des Finanzinstruments weitere zivilrechtliche Regelungen erlassen werden. In der Zukunft könnte dies zu einem unterschiedlichen Regime führen, wie man es etwa hinsichtlich der im BGB behandelten Vertragsarten kennt. Es wäre interessant zu überlegen, wie solche Regelungen im Einzelnen aussehen können. Doch ist es dafür noch zu früh. Die Aufgabe, die zunächst gelöst wer97 98 99

§ 2 I WpHG, § 1 XI 2 KWG. § 2 Ia WpHG, § 1 XI 1 KWG. § 2 II WpHG, § 1 XI 1 KWG.

6. Kapitel: Die Figur des Finanzinstruments

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den muss, lautet, die Kategorie der Finanzinstrumente als solche zu begründen und zu zeigen, dass ihre Existenz auch im Zivilrecht berechtigt ist. Dazu müssen gemeinsame Grundsätze herausgearbeitet werden, die für alle Arten von Finanzinstrumenten gelten.

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7. Kapitel

Die Entstehung des Finanzinstruments § 18 Emission Die meisten Finanzinstrumente entstehen durch massenhafte Begebung, genannt: „Emission“. In diesem Paragraphen sollen ihre Grundlagen dargelegt werden. Dabei geht es weniger um die in der Literatur häufig behandelten rechtspraktischen Fragen. Im Vordergrund steht stattdessen das rechtstheoretische Problem, wie die Entstehung des Finanzinstruments in das System des Zivilrechts eingeordnet werden kann.

I. Vertragliche Grundlage 1. Abschluss des Begebungsvertrags Die Emission lässt sich in Parallele zur Eingehung der rechtlichen Verpflichtung aus dem Wertpapier setzen. Wie letztere entsteht, war lange Zeit umstritten. Vertreten wurden vor allem die Kreationstheorie, der zufolge allein die Ausstellung des Wertpapiers die Verpflichtung aus diesem begründete, und die Vertragstheorie, die ein zweiseitiges Rechtsgeschäft zugrunde legte1. Heute steht außer Zweifel, dass wertpapierrechtliche Verpflichtungen wie sonstige schuldrechtliche Pflichten durch einen Vertrag zustande kommen. Man nennt ihn Begebungsvertrag2 . Bei der Emission von Finanzinstrumenten wird ebenfalls ein Begebungsvertrag geschlossen. Allerdings kommt er anders als im klassischen Wertpapierrecht nur selten unmittelbar zwischen dem ersten Inhaber des Wertpapiers und seinem Aussteller zustande. Vielmehr ist zwischen zwei grundlegend verschiedenen Arten von Emissionen zu unterscheiden. Bei den sogenannten Eigenemissionen begibt das kapitalsuchende Unternehmen die Titel selbst 3. Man spricht daher auch von Selbst- oder Direktemissionen. Sie bilden in der Praxis die Ausnahme.

1 2 3

Dazu Hueck/Canaris, S. 28–35; Richardi, S. 53 f.; Zöllner, S. 33–42. Hueck/Canaris, S. 31; Zöllner, S. 41 f. Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnrn. 72–74.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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Die Regel sind die sogenannten Fremdemissionen. Bei ihnen schaltet der Emittent zur Platzierung des Finanzinstruments eine oder mehrere Banken ein. Der Grund ist das mit der Emission regelmäßig verbundene Risiko, welches der Emittent nicht allein tragen will. Außerdem erfordert die Begebung besondere Kenntnisse, über die er regelmäßig nicht verfügt. Die meisten Emissionen werden nicht von einer, sondern von mehreren Banken betreut, die sich zu sogenannten Konsortien zusammenschließen. Man bezeichnet sie daher auch als Konsortialbanken. Um zu verstehen, wie ein Finanzinstrument unter den Bedingungen der Fremdemission entsteht, muss man zwischen dem schuldrechtlichen Verhältnis des Emittenten zu den Konsortialbanken und dem eigentlichen Begebungsvertrag unterscheiden. Im schuldrechtlichen Verhältnis verpflichtet sich die Bank oder das Bankenkonsortium gegenüber dem Emittenten, dessen Titel am Kapitalmarkt zu platzieren. Im Einzelnen kann dieses Verhältnis sehr verschieden ausgestaltet sein. In der Praxis kommen zum Beispiel Übernahmekonsortien, Einheitskonsortien und Begebungskonsortien vor4. Beim Übernahmekonsortium verpflichten sich die Banken, die Emission fest für eigene Rechnung zu übernehmen, um sie danach auf dem Kapitalmarkt zu veräußern. Man spricht auch vom bought deal 5. Beim Einheitskonsortium werden die Titel ebenfalls von den Banken übernommen; das Risiko des Nichtverkaufs verbleibt aber nach der schuldrechtlichen Vereinbarung beim Emittenten. Beim Begebungskonsortium veräußert die Bank die Titel, ohne sie zwischenzeitlich zu erwerben. Sie verpflichtet sich lediglich, Anstrengungen zur Platzierung zu unternehmen; daher auch die englische Bezeichnung best effort underwriting6 . Außer diesen Grundformen existieren noch zahlreiche Spielarten. Das Finanzinstrument entsteht dagegen erst durch Begebungsvertrag. In diesem geht der Zeichner ein Rechtsverhältnis zum Emittenten ein. Die Person des Zeichners und der Inhalt das Rechtsverhältnis ist je nach Art des gezeichneten Instruments unterschiedlich. Diese Besonderheiten sind nunmehr darzustellen.

2. Besonderheiten einzelner Finanzinstrumente a) Aktien Die Aktie entsteht in der Regel durch Zeichnung seitens der Aktionäre. Diese bringt das mitgliedschaftliche Verhältnis zur Gesellschaft zum Entstehen. Wer Aktionär wird, ist allerdings nicht bei jeder Zeichnung einheitlich zu bestim4 Ekkenga/Maas a.a.O., Rdnrn. 293–295; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, Rdnr. 24. 5 Susanne Schäfer, in: Grunewald/Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, S. 164. 6 Susanne Schäfer a.a.O., S. 163.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

men. Vielmehr hängt dies davon ab, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Zusammenhang die Aktien begeben werden. Beim erstmaligen öffentlichen Angebot (initial public offering) wird regelmäßig die Emissionsbank oder das Bankenkonsortium die Titel zeichnen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die gesamte Emission in voller Höhe innerhalb der gesetzten Frist gezeichnet ist. Die gleiche Gestaltung wird regelmäßig auch bei der Kapitalerhöhung in Form der Erhöhung gegen Einlagen7 und beim genehmigten Kapital8 gewählt. Hier tritt ebenfalls eine Bank oder ein Konsortium auf, die oder das zunächst die gesamte Emission zeichnet. Eine Verletzung der Rechte der Altaktionäre zum Bezug der jungen Aktien ist darin gemäß § 186 V AktG nicht zu sehen, wenn die Banken die Pflicht übernehmen, die Aktien den Altaktionären zum Bezug anzubieten. Eine solche Pflicht wird in der Praxis durchgehend vorgesehen. Sie macht den Vertrag zum echten Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB9. Die Bank oder das Bankenkonsortium wird Aktionär, hält die Aktien aber nicht im eigenen Interesse, sondern agiert als Treuhänder für die Altaktionäre10 . Bei einer bedingten Kapitalerhöhung11 ist dagegen ein Zwischenerwerb durch die Emissionsbank oder das Bankenkonsortium aus rechtstechnischer Sicht unnötig. Vielmehr kann hier der Zeichnungsvertrag unmittelbar zwischen dem Emittenten und dem Anleger zustande kommen12 . Denn die Kapitalerhöhung wird nur sukzessive insoweit durchgeführt, wie letztere von dem zugrunde liegenden Umtausch- oder Bezugsrecht Gebrauch machen. Eine Zeichnung aller Aktien im selben Zeitpunkt ist daher unnötig. Die Rolle der Banken ist insoweit auf die eines Vermittlers reduziert. Ganz anders vollzieht sich der Erwerb der Aktien bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln13. Dieser bedarf keiner Zeichnung. Vielmehr ist lediglich ein Beschluss der Hauptversammlung und dessen Eintragung in das Handelsregister nötig. Mit der Eintragung ist das Grundkapital wirksam erhöht und die neuen Anteilsrechte fallen automatisch den Altaktionären zu14. Das Aktiengesetz verlangt von ihnen in § 214 I 1 nur, die neuen Aktien „abzuholen“. Das ist allerdings nicht wörtlich zu verstehen. Denn soweit die Einzelverbrie-

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§§ 182–191 AktG. §§ 202–206 AktG. 9 Peifer, in: MünchKomm-AktG, § 186 Rdnr. 108; Susanne Schäfer, in: Grunewald/ Schlitt, Einführung in das Kapitalmarktrecht, S. 173; Wiedemann, in: Großkomm. AktG, § 186 Rdnr. 194. 10 Wiedemann a.a.O., Rdnr. 198. 11 §§ 192–201 AktG. 12 Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 112 Rdnr. 73; Kümpel, Rdnr. 9.242. 13 §§ 207–220 AktG. 14 §§ 211 f. AktG. 8

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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fung in der Satzung ausgeschlossen ist, werden über die Aktien keine Urkunden ausgestellt. Entsteht die Aktie – wie meist – durch Zeichnung, muss die Formvorschrift des § 185 AktG beachtet werden. Sie verlangt eine schriftliche Erklärung, den sogenannten Zeichnungsschein. Er ist vom Zeichner auszustellen und enthält das Angebot zur Übernahme der Aktien15. Ist der Anleger Zeichner, wird die Bank bei der Ausstellung vermitteln. Der Zeichnungsvertrag kommt durch die Annahmeerklärung seitens des Emittenten zustande. Sie bedarf keiner Form. Nach allgemeiner Meinung ist nicht einmal ihr Zugang beim Zeichner erforderlich, weil dieser darauf gemäß § 151 S. 1 BGB verzichtet habe16 . Die Ausgabe neuer Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung ist darüber hinaus an bestimmte gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen zum Schutz der Altaktionäre geknüpft. So bedarf die Kapitalerhöhung gegen Einlagen eines Hauptversammlungsbeschlusses, der mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden muss17. Die Hauptversammlung ist zu ihm nicht verpflichtet und der Zeichnende hat auf ihn keinen Anspruch. Er stellt eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Zeichnungsvertrags im Sinne des § 158 I BGB dar18 . Das heißt, ohne ihn können keine jungen Aktien entstehen. Er ist auch Wirksamkeitsvoraussetzung für die anderen Arten der Kapitalerhöhung mit Ausnahme des genehmigten Kapitals. Bei letzterer entscheidet der Vorstand über die Ausgabe neuer Aktien. Allerdings bedarf er dazu einer Satzungsermächtigung19. Für die tatsächliche Entstehung der Aktie sind daneben meist noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen. So ist bei der erstmaligen Begebung mit der Zeichnung aller Aktien die Gesellschaft zwar errichtet20 ; sie ist allerdings in diesem Moment noch keine Aktiengesellschaft, sondern bloße Vorgesellschaft. Zur Aktiengesellschaft wird sie erst mit ihrer Eintragung in das Handelsregister21. Die Anmeldung zur Eintragung darf nur erfolgen, wenn die zur Gründung erforderlichen Einlagen geleistet wurden 22 . Bleiben diese hinter der vollen Einlagepflicht zurück, sind Namensaktien zu begeben und der ausstehende Betrag auf ihnen zu vermerken23.

15

Hüffer, AktG, § 185 Rdnr. 4; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 185 Rdnr. 11; Rebmann, in: Heidel, Aktienrecht, § 185 Rdnr. 5. 16 Ebda. 17 § 182 AktG. 18 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2244. 19 § 202 I, II AktG. 20 § 29 AktG. 21 § 41 I 1 AktG. 22 § 36 II, 36a AktG. 23 § 10 II AktG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Auch zur Wirksamkeit der Kapitalerhöhung ist die Eintragung in das Handelsregister notwendig24. Das heißt, dass vorher keine jungen Aktien entstehen. Die Anmeldung zur Eintragung setzt bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen voraus, dass die Einlagepflichten erfüllt sind25. Nicht notwendig zur Erlangung der Rechtsstellung als Aktionär ist hingegen die Ausgabe von Urkunden. Die Anleger beziehungsweise die Konsortialbanken werden Mitglied der Aktiengesellschaft, auch wenn noch keine Aktienurkunden ausgestellt sind 26 . Allein der Zeichnungsvertrag genügt zur Schaffung des Anteils. Die Urkunde bringt daher die Aktie nicht zum Entstehen. Sie verbrieft nur das bereits bestehende Rechtsverhältnis zwischen dem Emittenten und den Aktionären. Man nennt sie deshalb deklaratorisches Wertpapier27. Das zeigt deutlich, dass die Verbriefung kein Wesensmerkmal der Aktie ist.

b) Schuldverschreibungen Bei den Schuldverschreibungen wird die Entstehung anders beurteilt. Außer dem Begebungsvertrag verlangt die ganz herrschende Meinung noch einen Skripturakt28 . Er wird als unverzichtbar für die Entstehung der Schuldverschreibung angesehen. Man nennt ihn auch deren „conditio sine qua non“29. Das Beharren der Literatur auf einem Skripturakt ist verständlich. Denn wenn es an ihm fehlte, würde sich die Schuldverschreibung durch nichts von einem normalen Darlehensvertrag im Sinne des § 488 BGB unterscheiden. Es handelte sich um eine bloße Forderung, ohne die aus dem Wertpapier folgende Vermutung der Berechtigung und die erleichterte Übertragungsmöglichkeit. Dagegen ist die Schuldverschreibung nach der hier vertretenen Auffassung ein Finanzinstrument. Zu dessen Entstehung bedarf es der Ausstellung einer Urkunde nicht. De lege lata ist jedoch an dem Erfordernis der Verbriefung nicht zu rütteln. Ausdrücklich verlangt § 793 I 1 BGB eine „Urkunde“, in der ihrem Inhaber eine bestimmte Leistung versprochen wird. Das heißt jedoch nicht, dass sich nicht de lege ferenda eine Schuldverschreibung ohne Skripturakt vorstellen ließe. Die in § 793 I 1 BGB ausgesprochene Vermutung der Berechtigung könnte auch auf andere Umstände als den Besitz an einer Urkunde gestützt werden. Insbeson-

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§§ 189, 195 I, 211 I AktG. Vgl. § 188 II 1 i.V.m. §§ 36 II, 36a AktG. 26 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 306; Heider, in: MünchKomm-AktG, § 13 Rdnr. 4. 27 Hueck/Canaris, S. 26. 28 Diekmann, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 25 Rdnr. 59; Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 311. 29 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 311. 25

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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dere kommt dafür die Registrierung in Frage. Dass sie für die Emission von Schuldverschreibungen ausreichen kann, zeigt ein Blick in das Bundesschuldenwesengesetz30 . Nach seinem § 5 I können der Bund und seine Sondervermögen Anleihen dadurch begeben, dass diese in das Bundesschuldbuch eingetragen werden. Ein entsprechendes Register ließe sich auch für private Emittenten schaffen31. Die praktischen Einzelheiten sind an anderer Stelle darzulegen32 .

II. Rechtsnatur des Begebungsvertrags 1. Im Allgemeinen Zweifelhaft ist die Rechtsnatur des Begebungsvertrags. Im allgemeinen Wertpapierrecht wird gesagt, dass sie sich nicht einheitlich bestimmen ließe, sondern von der Art des zu begründenden Rechts abhänge33. Es könne sowohl ein reiner Verpflichtungsvertrag, ein reiner Verfügungsvertrag oder eine Kombination aus beiden vorliegen34. Eine ebenso unterschiedliche Einordnung erfährt auch der Vertrag zur Begebung von Finanzinstrumenten. Beispielsweise wird die Zeichnung einer Aktie von einer Ansicht als kooperationsrechtlicher Vertrag bezeichnet35 , während eine andere von einer Doppelnatur als korporationsrechtliches und schuldrechtliches Rechtsgeschäft ausgeht36 . Die Begebung einer Anleihe sehen manche als rein sachenrechtliches Übereignungsgeschäft an 37, während andere eine zumindest auch schuldrechtliche Natur annehmen38 . Diese unterschiedliche Einordnung befriedigt nicht. Wie ist es möglich, dass derselbe Vertrag bald schuldrechtliche, bald sachenrechtliche, bald kooperationsrechtliche Züge annimmt? Um Klarheit zu schaffen, muss man zunächst den Grund für die unterschiedliche juristische Einordnung aufspüren. Die insoweit bestehenden Schwierigkeiten sind nichts anderes als eine Folge der Verkörperungsidee. Nach ganz herrschender Lehre soll das Wertpapier ein Recht, zum Beispiel eine Forderung oder eine Mitgliedschaft, „verkörpern“. Das heißt nichts

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Dazu o. S. 43. Siehe u. S. 371. 32 Siehe unten S. 374 ff. 33 Hueck/Canaris, S. 31. 34 Hueck/Canaris, S. 32. 35 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2244; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 185 Rdnrn. 5, 19; ders., in: FS Schilling, S. 207 (217); Herfs; in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 4 Rdnr. 65; Hopt, Die Verantwortlichkeit der Banken bei Emissionen, Rdnr. 36. 36 Hüffer, AktG, § 185 Rdnr. 4. 37 Radlmayer, in: AnwKomm-AktienR, § 221 Rdnr. 29. 38 Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 311 Fußn. 70; Hüffer, in: MünchKomm-BGB, Vor § 793 Rdnr. 24. 31

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3. Teil: Das Finanzinstrument

anderes, als dass letzteres die Rechtsnatur des Wertpapiers teilt. Der Vorgang, durch den sich das unkörperliche Recht auf unzertrennliche Weise mit einer Sache verbinden soll, ist die Begebung des Wertpapiers. Die Rechtsnatur des Begebungsvertrags muss nach dieser Ansicht ganz unterschiedlich beurteilt werden, je nachdem, welches Recht er zur Entstehung bringt. Ist es eine Forderung, so hat der Vertrag neben seiner sachenrechtlichen Natur gleichzeitig schuldrechtliche Züge; ist es eine Mitgliedschaft, so kommt zumindest auch eine kooperationsrechtliche Einordnung in Frage. Damit handelt es sich beim Begebungsvertrag um einen Wechselbalg, der sonderbar anmutet in einer Rechtsordnung, die streng zwischen Verpflichtungsgeschäft, Verfügungsgeschäft und kooperationsrechtlichem Beitrittsvertrag unterscheidet. Der dogmatische Nebel lichtet sich, wenn man erkennt, dass Schuld- und Gesellschaftsrecht auf der einen Seite und Sachenrecht auf der anderen nicht völlig voneinander getrennte Rechtsgebiete sind. Vielmehr erfüllen sie nur unterschiedliche Funktionen: Das Schuld- und das Gesellschaftsrecht handeln von der Begründung und Durchführung zwei- beziehungsweise mehrseitiger Rechtsverhältnisse. Das Sachenrecht hat die Aufgabe, Rechtspositionen zuzuordnen. Diese Aufgabe stellt sich hinsichtlich der unkörperlichen Rechtspositionen des Schuldrechts ebenso wie hinsichtlich der des Gesellschaftsrechts, denn beide müssen einem Inhaber zugewiesen werden. Die Aufgabe der Zuordnung wird über die Figur des Finanzinstruments erfüllt. Es ist daher einerseits schuldrechtliche Forderung oder korporationsrechtliche Mitgliedschaft, zum anderen sachenrechtsähnlicher Verfügungsgegenstand. Auf der Basis dieser Auffassung lässt sich die vermeintliche „Doppelnatur“ des Begebungsvertrags auf ganz einfache Weise erklären. Als Beispiel kann die Schuldverschreibung dienen: Durch ihre Emission entsteht ein neues Finanzinstrument. Soweit es um das Verhältnis zwischen den am Vertrag Beteiligten geht, sind seine Wirkungen schuldrechtlicher Natur. Doch erschöpft es sich nicht darin. Es ist zugleich darauf angelegt, auf Dritte übertragen, gehandelt und an einem Markt veräußert zu werden. Insoweit hat es auch Zuordnungsfunktion. Ganz ähnlich verhält es sich bei der Aktie. Durch die Zeichnung werden die Konsortialbanken Mitglieder der Aktiengesellschaft. Zugleich entsteht der mitgliedschaftliche Anteil, die Aktie. Diese ist übertragungsfähiges und handelbares Finanzinstrument. Dabei geht es nicht darum, dass dem Vertrag zwischen Gesellschaft und Mitglied eine besondere Abrede hinzugefügt würde. Er ist vielmehr von vornherein auf die Übertragung der aus ihm folgenden Rechtsstellung angelegt. Bei der Zeichnung handelt es sich um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, das auch und gerade im Hinblick auf die nachfolgenden Erwerber geschlossen wird. Wie kommt es zu einer Wirkung des Begebungsvertrags gegenüber Dritten? Ist der Vertrag etwa zugleich eine Erklärung an die Öffentlichkeit? Oder han-

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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delt es sich möglicherweise um zwei Erklärungen, einer gegenüber dem Vertragspartner und einer gegenüber der Allgemeinheit? Solche und ähnliche Fragen führen nicht weiter. Das hat die wertpapierrechtliche Diskussion um die Vertrags- und die Kreationstheorie zur Genüge gezeigt39. Richtigerweise ist vielmehr davon auszugehen, dass durch den geschlossenen Begebungsvertrag eine Rechtsposition entsteht, die über die Parteien hinausgreift, weil sie weiterübertragen werden kann. Das Finanzinstrument wird danach zwar durch Rechtsgeschäft zwischen zwei Individuen geschaffen, erlangt aber als Wert zugleich im Verhältnis zu Dritten Bedeutung40 . Es hat sowohl zweiseitige als auch allseitige Wirkungen. Die besondere Natur des Begebungsvertrags ist daher nur die Folge der Eigenart des Finanzinstruments.

2. Anwendbare Regelungen Die Einordnung des Begebungsvertrags bereitet der herrschenden Meinung nicht nur theoretische Schwierigkeiten, sondern wirft auch ganz praktische Probleme auf. So bestehen beträchtliche Unsicherheiten hinsichtlich der Frage, welche Vorschriften auf ihn angewendet werden müssen. Bezüglich der Zeichnung der Aktie wird beispielsweise diskutiert, ob die §§ 320–326 BGB Anwendung finden41. Hinsichtlich der Emission der Schuldverschreibung ist heftig umstritten, ob ihre Bedingungen an den §§ 305–309 BGB zu messen sind42 . Solche und andere Schwierigkeiten lassen sich nur beseitigen, wenn man eine einheitliche Qualifikation für den Begebungsvertrag findet. Mit Hilfe der soeben gewonnen Erkenntnisse lassen sich auch die genannten Zweifelsfragen beantworten.

a) Zeichnung der Aktie und Leistungsstörungsrecht Das zeigt zunächst das Beispiel des Aktienrechts: Der Zeichnungsvertrag ist Beitrittsvertrag und damit kooperationsrechtliches Geschäft. Die Frage, ob er gleichzeitig schuldrechtlicher Natur sein kann, ist schon im Ansatz falsch gestellt. Denn außer der gesellschaftsrechtlichen hat er lediglich eine vermögens39

Siehe zu ihr o. S. 346. Vgl. o. S. 290. 41 Hüffer, AktG, § 185 Rdnr. 30; Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 185 Rdnrn. 19–24; Wiedemann, in: Großkomm. AktG, § 185 Anm. 1. 42 Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, § 2 Rdnrn. 13–14a; Kümpel, Rdnrn. 9.203– 9.222; Kallrath, Die Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen von Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußscheinen, S. 26–97; Masuch, Anleihebedingungen und AGB-Gesetz, S. 115–161; Assmann, WM 2005, 1053–1068; Gottschalk, ZIP 2006, 1121–1127; Hopt, in: FS Steindorff, S. 341 (364–376); Hutter, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 15 Rdnrn. 28–33; Joussen, WM 1995, 1861–1869; v. Randow, ZBB 1994, 23–32; Wolf, in: FS Zöllner, S. 651–666. 40

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3. Teil: Das Finanzinstrument

rechtliche Funktion, da er ein handelbares Finanzinstrument schafft. Für eine schuldrechtliche Qualifikation ist dagegen kein Raum. Die Verpflichtung des Aktionärs zur Leistung seiner Einlage beruht auf seinem Beitritt zur Gesellschaft, nicht auf einem daneben oder vorher geschlossenen schuldrechtlichen Vertrag. Daher bestimmt sie sich nach den aktienrechtlichen Vorschriften und nicht nach allgemeinem Schuldrecht. Die §§ 320–326 BGB sind ebenso unanwendbar wie die §§ 280–288 BGB. Allerdings kann man über eine analoge Anwendung des Leistungsstörungsrechts nachdenken, soweit das Aktienrecht Lücken aufweist und die Interessenlage mit der im Schuldrecht verglichen werden kann. Das ist zum Beispiel bei der Verzögerung der Leistung durch den Aktionär der Fall. Insoweit können die §§ 280 I, II, 286 BGB angewandt werden, wie § 63 II 2 AktG mittelbar bestätigt. Ebenso besteht die Möglichkeit des Rücktritts der Gesellschaft vom Beitrittsvertrag analog § 323 BGB, wenn der Aktionär die geforderten Einlagen nicht erbringt. Die meisten anderen Vorschriften über Leistungsstörungen sind dagegen auf den Zeichnungsvertrag nicht anwendbar, weil das Aktienrecht insoweit entweder Vorschriften enthält oder die Interessenlage verschieden ist. Die analoge Anwendung schuldrechtlicher Vorschriften reicht nur bis zum Zeitpunkt der Eintragung der Gesellschaft oder der Kapitalerhöhung im Handelsregister. Danach kann die Einlagepflicht lediglich nach den §§ 63–66 AktG geltend gemacht werden. Die Analogie endet daher an der Stelle, an der das mitgliedschaftliche Verhältnis begründet ist.

b) Bedingungen der Anleihe und AGB-Recht Besondere Probleme bereitet die Anwendbarkeit der §§ 305–309 BGB auf die Emission von Schuldverschreibungen. Im Wesentlichen sind zwei Fragen zu unterscheiden43: 1. Müssen Anleihebedingungen nach § 305 II BGB in das Rechtsverhältnis zu den Anlegern einbezogen werden? 2. Richtet sich die Inhaltskontrolle nach dem Maßstab der §§ 307–309 BGB oder dem der §§ 310 I, 307 I 1 BGB? Zunächst eine Vorbemerkung: Es unterliegt keinem Zweifel, dass es vorteilhaft wäre, wenn Allgemeine Geschäftsbeziehungen von Schuldverschreibungen anhand der Vorschriften des BGB kontrolliert werden könnten. Hier geht es aber nicht um die rechtspolitische Frage, ob eine Kontrolle wünschenswert wäre, sondern darum, ob sie rechtlich zulässig ist. Dazu sind die Vorschriften der §§ 305–310 BGB mit Hilfe der anerkannten Methoden auszulegen und anzuwenden. Der Vertrag über die Emission von Schuldverschreibungen kommt in der Regel zwischen dem Emittenten und den Konsortialbanken zustande. Insoweit 43

Vgl. Kümpel, Rdnr. 9.206.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

355

bedarf es zur Einbeziehung der Anleihebedingungen der Einhaltung der besonderen Vorschriften über AGB nicht, weil auf beiden Seiten Unternehmer im Sinne des § 14 BGB beteiligt sind, vergleiche § 310 I 1 BGB. Sobald der Begebungsvertrag geschlossen wurde, ist die Anleihe entstanden. Wenn sie von den Konsortialbanken an die Kunden weiterveräußert wird, handelt es sich daher um ein fertiges Produkt, dessen Inhalt die Emissionsbedingungen festlegen. Diese werden vom Emittenten gegenüber den Konsorten, nicht aber gegenüber den Verbrauchern gestellt; daher ist im Verhältnis zu ihnen die Vorschrift des § 305 II BGB nicht anwendbar. Da die Konsortialbanken die Emissionsbedingungen nicht gegenüber den Anlegern stellen, besteht auch nicht die Möglichkeit einer Inhaltskontrolle anhand der §§ 307–309 BGB. Zumindest im Verhältnis zwischen Emittent und Konsortialbank könnten dagegen die §§ 310 I, 307 BGB eingreifen. Doch ist auch dies nicht der Fall. Der Grund dafür ist nicht nur, dass viele Klauselbedingungen individuell ausgehandelt werden und daher nach § 305 I 3 BGB keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind44. Vielmehr fehlt es an dieser Eigenschaft selbst dann, wenn der Emittent die Bedingungen den Konsortialbanken einseitig stellt. Denn diese sind nicht im Sinne des § 305 I 1 BGB für eine „Vielzahl von Verträgen“ vorformuliert. Das Rechtsverhältnis zu den Mitgliedern des Konsortiums entsteht durch einen einzigen Vertrag, der in der Regel mit dem Konsortialführer als Vertreter der übrigen Banken geschlossen wird45. Nur soweit der Emittent dieselben Vertragsbedingungen für mehrere Emissionen verwendet, kommt überhaupt eine Anwendung der §§ 310 I, 307 BGB in Betracht. Die grundsätzliche Unanwendbarkeit der §§ 305–309 BGB durch die Einschaltung des Bankenkonsortiums hat manche auf den Gedanken gebracht, hier könne ein Fall des § 306a BGB vorliegen46 . Doch lässt sich von einer Umgehung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht sprechen. Eine solche liegt nur dann vor, wenn eine unwirksame Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere Gestaltung erreicht werden soll, die keinen anderen Sinn haben kann als den, dem gesetzlichen Verbot zu entgehen47. Das aber ist bei den Anleihebedingungen nicht der Fall. Denn die Nichtanwendbarkeit der §§ 305– 309 BGB beruht auf der stufenweisen Emission. Für sie bestehen objektive Gründe, die mit dem AGB-Verbot nichts zu tun haben, zum Beispiel die angestrebte Verteilung des Risikos zwischen Emittenten und Banken. Man könnte daher lediglich an eine analoge Anwendung der §§ 305–309 BGB denken. Dafür fehlt es aber an der Planwidrigkeit der Regelungslücke. Zumindest bei der Überführung des AGB-Rechts in das BGB im Zuge der Schuld44 45 46 47

Kümpel, Rdnr. 9.208. Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 297. v. Randow, ZBB 1994, 23 (27–29); Wolf, in: FS Zöllner, S. 651 (660). BGH, Urt. v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, NJW 2005, 1645 (1646).

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3. Teil: Das Finanzinstrument

rechtsreform hatte der Gesetzgeber die Gelegenheit, zu der schon damals umstrittenen Frage der Anwendung auf Anleihebedingungen Position zu beziehen. Eine Stellungnahme konnte von ihm umso mehr erwartet werden, als er bestimmte massenhaft geschlossene Vertragstypen wie zum Beispiel Verträge über Elektrizität oder Fernwärme ausdrücklich geregelt hat48 . Aus seinem Schweigen bezüglich der Anleihebedingungen kann nur die Folgerung gezogen werden, dass es bei den im Gesetz im Einzelnen festgelegten Voraussetzungen für die Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle bleiben solle. Letztere aber erlauben eine Anwendung auf Anleihebedingungen nicht. Der Bundesgerichtshof hat inzwischen die Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf Anleihebedingungen abgelehnt49. Im entschiedenen Fall ging es jedoch nicht um die hier diskutierten Fremdemissionen, sondern um die in der Praxis eher seltenen Eigenemissionen. Da bei ihnen der Vertrag unmittelbar zwischen dem Emittenten und dem Anleger geschlossen wird, stünde einer Anwendung des AGB-Rechts nach dem Wortlaut der §§ 305–310 BGB an sich nichts entgegen. Dass der BGH sie dennoch ablehnt, beruht auf mehreren Gründen: Erstens hebt er hervor, dass im modernen Effektenverkehr keine Urkunden mehr übergeben werden. Der Emittent könne daher den Anforderungen des AGBRechts nicht durch den Abdruck der Bedingungen auf dem Wertpapier genügen. Er müsste eine andere Lösung wählen, etwa dem Erwerber individuell die Anleihebedingungen aushändigen. Ein möglicher Rechtsnachfolger des Erwerbers könne dabei aber nicht aus der Urkunde erkennen, ob die vom Gesetz aufgestellten Einbeziehungsvoraussetzungen eingehalten wurden. Das beeinträchtige die „Fungibilität“ der Schuldverschreibung und damit die Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels50 . Darüber hinaus betonen die Karlsruher Richter, dass bei einer Anwendung des AGB-Rechts für die Wirksamkeit einer Klausel unterschiedliche Voraussetzungen gelten würden, je nachdem, ob die Schuldverschreibung von einem Verbraucher oder einem Unternehmer erworben werde. Der Rechtsnachfolger könne daher allein der Schuldverschreibung nicht ansehen, ob die Bedingungen wirksam einbezogen wurden oder nicht. Dadurch würde die Fungibilität weiter beeinträchtigt51. Schließlich stützt sich der BGH auf einen allgemeinen Grundsatz, nach dem die Auslegung von Schuldverschreibungen einheitlich und ohne Rücksicht auf die Person des Inhabers erfolgen muss. Der Grundsatz solle die Verkehrsfähigkeit von Kapitalmarktpapieren sichern. Aus ihm folge notwendig, dass das AGBRecht nicht auf Schuldverschreibungen angewandt werden könne52 . 48 49 50 51 52

§ 310 II BGB. BGH, Urt. v. 28.6.2005 – XI ZR 363/04, BGHZ 163, 311. BGH a.a.O., S. 315. BGH a.a.O., S. 316. BGH a.a.O., S. 317.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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Die klaren Aussagen des Bundesgerichtshofs sind zu begrüßen. Sie betreffen zwar den Sonderfall der Eigenemission, lassen sich jedoch im Wege des argumentum a maiore ad minus auf die Fremdemission übertragen: Wenn schon im Fall einer direkten Beziehung zwischen Emittent und Anleger das AGB-Recht nicht angewandt werden kann, dann muss dies erst recht gelten, soweit zwischen beide ein Emissionskonsortium tritt. Die Ausführungen des BGH gelten im Übrigen nicht nur für die Einbeziehung in den Vertrag, sondern sinngemäß auch für die Inhaltskontrolle nach den §§ 307–309 BGB. Diese ist für Verträge mit Verbrauchern und Verträge mit Unternehmern ebenfalls verschieden ausgestaltet53. Ein unterschiedlicher Kontrollmaßstab hätte genau dieselben von den Bundesrichtern befürchteten schädlichen Auswirkungen auf die Verkehrsfähigkeit der Anleihe. Daher muss man auch die Inhaltskontrolle als ausgeschlossen ansehen54. Trotz der Unanwendbarkeit des AGB-Rechts ist bei der Emission von Schuldverschreibungen auf deren Bedingungen hinzuweisen. Dies folgt zum einen aus dem Wertpapierprospektrecht55 , namentlich aus dem Verweis des § 7 WpPG auf die Prospektverordnung der Gemeinschaft56 . Diese verlangt in Art. 3 II in Verbindung mit Anhang III, Nr. 5.1.1., dass die Bedingungen, denen das Angebot unterliegt, im Prospekt zu veröffentlichen sind. Darüber hinaus wird die Bekanntgabe auch durch § 796 BGB erzwungen: Begibt der Emittent eine Schuldverschreibung, ohne auf die einschränkenden Bedingungen in der Urkunde hinzuweisen, haftet er nach dieser Vorschrift. Daher wird er in der in der Regel einen entsprechenden Hinweis aufnehmen57. Das nützt dem Anleger allerdings wenig, da er unter den Bedingungen des modernen Effektenverkehrs die Urkunde nicht in die Hände bekommt. Insoweit könnte man an eine analoge Anwendung des § 796 BGB denken. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Norm nicht berücksichtigen können, dass in der Zukunft Anleihen lediglich in Globalurkunden verbrieft sein werden. Die Interessenlage bei der Begebung unverbriefter Schuldverschreibungen ist jedoch dieselbe wie die, welche dem § 796 BGB zugrunde liegt. Der Inhaber kann ebenfalls nur mit den Einwendungen und Einreden rechnen, die ihm bekannt gegeben wurden. Mangels Ausstellung einer individuellen Urkunde müssen

53

Vgl. § 310 I BGB. Ebenso Keller, BKR 2006, 326 (328); auch Brand, BKR 2006, 328 (329 f.) unter Hinweis auf § 307 III 1 BGB. 55 Kümpel, Rdnr. 9.216. 56 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission v. 29.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Aufmachung, die Aufnahme von Angaben in Form eines Verweises und die Veröffentlichung solcher Prospekte sowie die Verbreitung von Werbung, ABlEU Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1. 57 Hopt, in: FS Steindorff, S. 341 (354 f., 362). 54

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3. Teil: Das Finanzinstrument

sie in anderer Weise als durch Vermerk auf dem Papier zu seiner Kenntnis gebracht werden. Dafür bleibt nur die gesonderte Information. Damit ist allerdings noch nicht das Problem der Inhaltskontrolle gelöst. Insoweit kann man wie gesehen nicht auf die §§ 307–309 BGB zurückgreifen. In der Literatur wird vorgeschlagen, die Kontrolle von Anleihebedingungen solle wie vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes unter Zuhilfenahme des § 242 BGB erfolgen58 . Dem ist zwar zuzustimmen. Doch lassen sich über § 242 BGB nur extreme Fälle der Sittenwidrigkeit individueller Bestimmungen lösen. Die Vorschrift enthält keinen geeigneten Maßstab, der eine allgemeine Inhaltskontrolle von Anleihebestimmungen entbehrlich machen würde. Einen Ausgleich bieten hingegen aufsichts- und haftungsrechtliche Mittel des Anlegerschutzes59. Sie sind die Kompensation dafür, dass die Interessen der Verbraucher gegenüber dem Emittenten durch die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen nicht hinreichend berücksichtigt sind.

III. Grundsatz der Privatautonomie Ebenso wie für andere Verträge gilt für den Begebungsvertrag der Grundsatz der Privatautonomie. Die Parteien sind frei darin, welchen Typ des Finanzinstruments sie wählen. Sie können darüber hinaus dessen Inhalt bestimmen. Die Privatautonomie umfasst daher nicht nur die Befugnis, Verträge zu schließen, sondern auch das Recht, neue, im Gesetz nicht vorgesehene Werte zu schaffen. Diese Aussagen stehen in krassem Gegensatz zur herrschenden Lehre im Wertpapierrecht. Sie geht nicht von der Freiheit der Parteien zur Schaffung neuer Finanzinstrumente aus, sondern umgekehrt von der Geltung des numerus clausus60 . Dieser begrenzt die Parteien auf die im Gesetz vorgeschriebenen Wertpapiertypen. Bereits im ersten Teil ist gezeigt worden, dass diese Ansicht der Realität des Kapitalmarkts widerspricht61. Aus empirischer Sicht lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass die Emittenten von Finanzinstrumenten deren Inhalt mit einer nahezu unbeschränkten Autonomie bestimmen. Jedes Jahr erscheinen tausende neue Finanzprodukte auf dem Markt, die das Gesetz nicht vorsieht. Ihr Inhalt richtet sich allein nach den Bedingungen, welche zwischen dem Emittenten und den Konsortialbanken vereinbart wurden. Diese können sehr unterschiedlich sein. Zum Beispiel ist es möglich, dass die Zahlungspflicht von einem externen Ereignis abhängt, oder es wird ein Bonus gezahlt, oder dem 58 Joussen, WM 1995, 1861 (1869); Kallrath, Die Inhaltskontrolle der Wertpapierbedingungen von Wandel- und Optionsanleihen, Gewinnschuldverschreibungen und Genußscheinen, S. 63–66. 59 Ebenso Assmann, WM 2005, 1053 (1065 f.). 60 Hueck/Canaris, S. 24; Meyer-Cording/Drygala, S. 16; Zöllner, S. 25 f. 61 Siehe o. S. 91 ff.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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Erwerber wird die Option eingeräumt, einen bestimmten Gegenstand zu erwerben. Alle diese Instrumente sind dem Gesetz unbekannt.

1. Gestaltungsfreiheit im Anleiherecht Die herrschende Lehre versucht, den numerus clausus mit Hilfe des § 793 BGB zu retten. So sollen Optionen, Zertifikate oder ABS aus rechtlicher Sicht Schuldverschreibungen darstellen62 . Dadurch wird jedoch die Kategorie einerseits aufgebläht und andererseits inhaltsleer. Die Einordnung als Schuldverschreibung ist bei den meisten neuen Finanzprodukten so fernliegend, dass der Erwerber erst aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ihr erfährt. Dort finden sich Hinweise wie: „Die Zertifikate stellen Inhaberschuldverschreibungen im Sinne der §§ 793 ff. BGB dar“. Dass es eines solchen Hinweises bedarf, spricht für sich. Bei nüchterner Betrachtung kann man kaum übersehen, dass sich die Praxis des Kapitalmarkts vom Modell des § 793 BGB sehr weit entfernt hat. Die Schuldverschreibung bildet die Auffangkategorie für alle neuen Finanzmarktprodukte. Sie ist eine äußere Hülle, in die man alles verpacken kann, was man will. Diese Bewegung wurde vom Gesetzgeber durch die Streichung des § 795 BGB mit Wirkung vom 1. Januar 1991 begünstigt63. Darin war vorgesehen, dass im Inland ausgestellte Schuldverschreibungen nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden dürfen64. Nunmehr sind Anleihen frei von jeglicher staatlicher Zustimmung begebbar. Damit ist zwar nicht der Grundsatz der Privatautonomie in das Recht der Schuldverschreibung eingeführt worden. Dieser galt vielmehr bereits vorher, denn die Bestimmung des Inhalts der Schuldverschreibung lag schon immer in den Händen der Parteien. Trotzdem ist die Streichung des § 795 BGB von ungemeiner Bedeutung. Rechtspraktisch gesehen war sie einer der Gründe, die zur explosionsartigen Entwicklung verschiedener Finanzprodukte geführt haben. Fortan ist die Emission von neuen Titeln nicht mehr an die staatliche Genehmigung gebunden. Damit lassen sich Wertpapiere mit jedem gewünschten Inhalt begeben.

62

Nachweise o. S. 98, 110, 128. Gesetz zur Vereinfachung der Ausgabe von Schuldverschreibungen v. 17.12.1990, BGBl. I, 2839, Art. 1. 64 § 795 BGB a.F. lautete: (1) Im Inland ausgestellte Schuldverschreibungen auf den Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, dürfen nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht werden, soweit nicht Ausnahmen zugelassen sind. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz. (2) Eine ohne die erforderliche staatliche Genehmigung in den Verkehr gelangte Schuldverschreibung ist nichtig; der Aussteller hat dem Inhaber den durch die Ausgabe verursachten Schaden zu ersetzen. 63

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3. Teil: Das Finanzinstrument

In den letzten Jahrzehnten kam es zu einer beispiellosen Vervielfältigung der Produkte des Finanzmarkts, die unter Berufung auf § 793 BGB emittiert werden. Vor diesem Hintergrund musste der Gesetzgeber anerkennen, dass die Kategorie der Schuldverschreibung keine heteronome ist, sondern weiter aufgespalten werden muss. So unterscheidet § 2 WpHG die Schuldverschreibung im engen Sinne unter anderem von Genussscheinen und Derivaten. Die letzteren beiden Arten von Instrumenten werden im allgemeinen Zivilrecht zumeist als Schuldverschreibungen im Sinne des § 793 BGB eingeordnet, im Kapitalmarktrecht aber nicht. Der Gesetzgeber des WpHG hat damit – unter gemeinschaftsrechtlichem Druck – zugestanden, dass die zivilrechtliche Definition zu weit geraten ist. Die Begriffsbildung im Wertpapierhandelsrecht, welches zahlreiche Unterkategorien anerkennt, ist viel präziser als im bürgerlichen Recht. Die dort herrschende konturenlose Auffangkategorie der Schuldverschreibung maskiert die Tatsache, dass Finanzprodukte mit jedem beliebigen Inhalt angeboten werden können. Wenn man selbst komplexe Derivate wie zum Beispiel Zertifikate als Schuldverschreibung ansehen darf, dann kann von einer Begrenzung der Freiheit der Parteien bei der Begebung von Finanzinstrumenten nicht die Rede sein.

2. Allgemeiner Typenzwang Auch wenn Schuldverschreibungen praktisch mit jedem Inhalt begeben werden können, verbleibt jedoch, dass sie sich von anderen Finanzinstrumenten wie der Aktie oder dem Investmentanteilschein unterscheiden. Der Emittent muss eine dieser Formen auswählen. Das folgt daraus, dass für ihre Begebung verschiedene Anforderungen gelten. Zum Beispiel müssen bei der Emission von Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen die Vorschriften der §§ 182–191 AktG eingehalten werden, die unter anderem die qualifizierte Zustimmung der Hauptversammlung verlangen65. Wird dagegen eine Schuldverschreibung begeben, ist die Einhaltung dieser Voraussetzungen nicht nötig. Heißt das, es gilt ein numerus clausus? Richtig ist, dass ein Finanzinstrument nur bei Einhaltung der jeweiligen Voraussetzungen für seine Begebung entsteht. Die Parteien können nicht einfach durch privatautonome Verweisung einen Vertrag zur Begebung eines von ihnen definierten Instruments den Vorschriften des Aktienrechts unterstellen, um eine Aktie zu kreieren. Versuchen sie es trotzdem, so ist die Vereinbarung nicht etwa nichtig. Sie bringt nur nicht das gewünschte Instrument hervor, sondern bleibt ein rein zweiseitiges Rechtsverhältnis. So gesehen besteht tatsächlich ein numerus clausus der Finanzinstrumente.

65

§ 182 I 1 AktG.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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Folgt daraus eine Einschränkung der Privatautonomie? Das hängt davon ab, was man unter letzterer versteht. Sieht man sie als die absolute Freiheit an, einem Akt jede Rechtswirkung zukommen zulassen, die man will, dann ist die Privatautonomie im Bereich der Finanzinstrumente eingeschränkt. Zutreffend erscheint indes eine andere Auffassung. Nach ihr ist es der Privatautonomie inhärent, dass die Parteien nur in den vom Gesetz vorgesehenen Aktstypen handeln können66 . Ihnen steht es beispielsweise frei, einen Schuldvertrag zu schließen oder einen Ehevertrag oder einen Erbvertrag. Ihre einseitige Erklärung, das Vertragsverhältnis beenden zu wollen, wird entweder als Kündigung oder als Rücktritt ausgelegt. Einen Schuldvertrag mit erbrechtlichen Wirkungen können sie dagegen ebensowenig abschließen, wie eine Partei eine Anfechtung mit den Folgen der §§ 346–353 BGB aussprechen kann. Die Privatautonomie wird durch diese Art der Beschränkung nach zutreffender Ansicht nicht verkürzt. Vielmehr muss das Gesetz, um ihr Wirkung zu verleihen, bestimmte Rechtsfolgen an gewisse Typen von Akten anknüpfen. Ein numerus clausus im klassischen Sinne ist dies nicht.

3. Satzungsstrenge im Aktienrecht Gegen die Geltung des Grundsatzes der Privatautonomie bei der Schaffung von Finanzinstrumenten scheint allerdings die Vorschrift des § 23 V AktG zu sprechen. Nach dem in ihr niedergelegten Prinzip der Satzungsstrenge sind die Gründer einer Aktiengesellschaft an die Vorschriften des Aktiengesetzes gebunden, von denen sie nur abweichen dürfen, soweit es das Gesetz ausdrücklich vorsieht. Daraus folgt, dass Aktien nur mit dem durch das Aktiengesetz bestimmten Inhalt begeben werden können. Die Norm wird daher in der Literatur als „programmatische Absage an das Prinzip der Vertragsfreiheit für das Gebiet des Aktienrechts“ bezeichnet67. Der Hintergrund der Vorschrift ist dunkel. Von der herrschenden Lehre wird sie mit den Bedürfnissen des Kapitalmarkts erklärt: Sie diene der Sicherung der Verkehrsfähigkeit der Aktie, indem jeder – auch jeder künftige – Aktionär sich darauf verlassen können soll, dass die Satzung der Gesellschaft keine ungewöhnlichen Bestimmungen enthalte 68 . Auch wird gesagt, die Vorschrift forme die Aktie zu einem „hochgradig standardisierten Serienprodukt“69. In die gleiche Richtung geht die Behauptung, mit dem Gestaltungszwang des § 23 V AktG

66 Grundlegend Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts II, S. 2. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht ebenso Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 105. 67 Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 23 Rdnr. 167. 68 Eckhardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 23 Rdnr. 106. 69 Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 23 Rdnr. 167.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

wolle der Gesetzgeber die „im Interesse eines liquiden Handels wünschenswerte Standardisierung der Ausstattungsmerkmale“ erreichen70 . Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Erfordernisse des Handels am Kapitalmarkt tatsächlich der Grund für § 23 V AktG sind. Bedenken weckt schon, dass die Vorschrift erst im Jahre 1965 in das Aktiengesetz eingefügt wurde. Sollte es dem Gesetzgeber bis dahin etwa entgangen sein, dass die Aktie verkehrsfähig sein muss? Auch die Rechtsvergleichung spricht gegen den von der herrschenden Meinung hergestellten Zusammenhang. In anderen Ländern gibt es den Grundsatz der Satzungsstrenge in seiner strikten deutschen Variante nicht71. Trotzdem wird niemand bestreiten, dass dort ein liquider Aktienhandel existiert. Darüber hinaus sieht das Aktiengesetz keineswegs nur einen einzigen Typ, sondern einen bunten Strauß verschiedener Aktien vor. So ist zum Beispiel die Ausgabe von Anteilen mit besonderen Rechten zulässig, wie etwa Vorzugsaktien72 ; daneben besteht die Wahl zwischen Inhaberaktien und Namensaktien73 sowie vinkulierten Namensaktien74. Die Aktie ist daher weit davon entfernt, ein standardisiertes Produkt zu sein. Nach Heribert Hirte sollte man statt von einer homogenen Masse eher von einem „Brei“ sprechen75. Außerdem bedarf es zu einer Standardisierung nicht des engen Korsetts des § 23 V AktG. Es hätte vollkommen ausgereicht, die Gesellschaft zu verpflichten, nur Aktien mit denselben Rechten zu begeben. Genau diese Verpflichtung enthält das Aktiengesetz aber nicht: Sein § 10 I erlaubt ausdrücklich die Ausgabe von Aktien mit verschiedenen Rechten. Der notwendige Vereinheitlichungseffekt wird in Wahrheit nicht durch das Aktienrecht erreicht, sondern durch das Börsenrecht76 . Die Börsenzulassungsverordnung sieht in § 2 I Mindestvolumina der zu notierenden Aktien vor und verlangt in § 7 I 1 die Zulassung aller Aktien derselben Gattung. Damit ist gesichert, dass stets eine genügend große Zahl von Anteilen mit identischen Rechten auf dem Markt gehandelt werden. Außerdem liegt es im Eigeninteresse der Emittenten, nur vertretbare Aktien zu begeben. Denn nur auf diese Weise können sie eine möglichst große Marktgängigkeit erreichen. Eine geringe Liquidität der Aktie wird vom Finanzmarkt mit einem geringeren Kaufpreis bestraft. Jedes Unternehmen, das seine Titel gewinnbringend platzieren will, achtet daher auf deren Vertretbarkeit. Eine rechtliche Verpflichtung der Emittenten zur Begebung einheitlicher Aktien ist deshalb unnötig.

70 71 72 73 74 75 76

Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 26. Hopt, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 123 (137 f.). §§ 139–141 AktG. § 10 I AktG. § 68 II AktG. Hirte, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 61 (81). Vgl. Ekkenga/Maas, Das Recht der Wertpapieremissionen, Rdnr. 26.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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Allerdings führen Börsenzulassungsrecht und Eigeninteresse der Gesellschaften lediglich zu einer Vergleichbarkeit der Aktien der Gesellschaft untereinander, nicht aber mit denen anderer Emittenten. Daher wird zum Teil die Verpflichtung zu einheitlichen Satzungsregelungen für notwendig gehalten, um die beim Kauf zu berücksichtigenden Vergleichsparameter zu beschränken 77. Doch rechtfertigt auch dies den § 23 V AktG nicht. Wenn es aus Sicht der Anleger vorteilhaft sein sollte, dass die Aktien verschiedener Gesellschaften untereinander vergleichbar sind, wäre es nicht notwendig, den Unternehmen einheitliche Satzungsregelungen aufzuzwingen. Denn der Markt könnte selbst dafür sorgen, dass vergleichbare Bedingungen herrschen78 . Unübersichtliche Angebote schrecken Investoren ab. Die fehlende Vergleichbarkeit der Aktie mit denen anderer Gesellschaften wird daher am Markt mit einem Preisabschlag quittiert. Dies wird über kurz oder lang zu entsprechenden Anpassungen der Satzungen führen. Selbst wenn man annimmt, die Emittenten würden ihr Verhalten nicht koordinieren und es käme zu einem Marktversagen, wäre die Vorschrift des § 23 V AktG nicht erforderlich. Denn statt alle Statuten rechtlich weitgehend zu vereinheitlichen, hätte es genügt, den Gesellschaften verschiedene Modelle vorzuschlagen, an denen sie ihre Satzungen ausrichten können79. Anhand der Bezeichnung ließe sich dann für den Anleger erkennen, um welchen Typ Gesellschaft es sich handelt. Der beinahe völlige Ausschluss der Privatautonomie bei der Gestaltung der Satzung, nur um die Vergleichbarkeit der Aktie zu erreichen, ginge daher zu weit und würde die in Artikel 9 I GG verbürgte Vereinigungsfreiheit unverhältnismäßig beschränken. Im Übrigen hätte der Gesetzgeber dann, wenn die Standardisierung sein Ziel gewesen wäre, diese auch bezüglich anderer am Kapitalmarkt gehandelter Titel vorsehen müssen. Daher wäre eine § 23 V AktG entsprechende Bestimmung zum Beispiel auch im Anleiherecht notwendig. Denn die Verkehrsfähigkeit der Schuldverschreibung ist nicht weniger wichtig als die der Aktie. Bei der Ausgestaltung ersterer herrscht jedoch, wie gesehen, ganz im Gegensatz zu der Situation im Aktienrecht, eine außergewöhnlich weitgehende Autonomie. Einen überzeugenden Grund für diesen Unterschied hat die herrschende Lehre bisher nicht geliefert. Nach alledem kann der Zweck des § 23 V AktG nicht mit den Bedürfnissen des Finanzmarkts gerechtfertigt werden. Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht ist die Vorschrift schlicht überflüssig. Ihr Zweck muss daher ein anderer sein. Welcher dies ist, kann hier nicht abschließend beantwortet werden, weil die Frage außerhalb des Bereichs der vorliegenden Untersuchung fällt. Auf sie ist daher 77 78 79

Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 23 Rdnr. 167. Hirte, in: Lutter/Wiedemann, Gestaltungsfreiheit im Gesellschaftsrecht, S. 61 (80). Ebda.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

nur in aller Kürze einzugehen: Auffällig ist vor allem die unterschiedliche rechtliche Behandlung der Schuldverschreibung und der Aktie. Sie hat ihren Grund offenbar darin, dass durch die Inkorporation der Aktiengesellschaft ein dauerhafter Verband entsteht. Das macht besondere gesetzliche Vorschriften über das Innenleben der Gesellschaft und die Rechte der Mitglieder erforderlich. Ob dazu allerdings eine Satzungsstrenge wie die in § 23 V AktG vorgesehene tatsächlich erforderlich ist, gehört in den Bereich des Gesellschaftsrechts und kann hier nicht erörtert werden.

4. Ausgleich durch Kapitalmarktrecht Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass die Privatrechtssubjekte bei der Begebung der Finanzinstrumente weitgehende Autonomie genießen. Sie sind zwar auf die vom Gesetz vorgesehenen Aktstypen beschränkt; deren Inhalt können sie jedoch relativ frei ausgestalten. Das wirft die Frage auf, wie sich die hier postulierte Geltung des Grundsatzes der Privatautonomie mit den Interessen Dritter verträgt. Offenbar ist es nicht unproblematisch, dass Finanzinstrumente beliebigen Inhalts auf den Markt gebracht werden dürfen. Die Bedingungen können für Dritte, die diese Gegenstände erwerben wollen, nur schwer durchschaubar sein. Das erforderliche Gegengewicht liefert nicht das Privatrecht, sondern das Kapitalmarktrecht. Es gewährleistet die Freiheit der Anlegerentscheidung durch verschiedene Maßnahmen. Dazu gehören unter anderem die Aufsicht über die Emittenten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Gewährleistung der Transparenz der Produkte zum Beispiel durch den Zwang des Emittenten zur Veröffentlichung von Prospekten, die Aufstellung von Wohlverhaltenspflichten für Wertpapierfirmen, die Regelung der Haftung sowie anderes mehr. Die Einzelheiten sind Teil des Kapitalmarktrechts. Wichtig ist an dieser Stelle nur festzuhalten, dass der einstmalige Zweck des numerus clausus, der Schutz des Verkehrs, heute mittels eines anderen, ausdifferenzierten Instrumentariums verwirklicht wird. Der grobschlächtigen Mittel des Typenzwangs und der Typenfixierung bedarf es daher nicht. Es herrscht zivilrechtliche Gestaltungsfreiheit.

IV. Besonderheiten bei unverbrieften Optionen, Futures und Swaps Bei einigen Finanzinstrumenten läuft die Begebung anders ab als zuvor beschrieben. Dazu gehören die meisten Derivate, insbesondere die sogenannten unverbrieften Optionen, Futures und Swaps. Im Gegensatz zu Aktien oder Schuldverschreibungen werden sie nicht in einem Schritt begeben, sondern

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durch vielfachen, zeitlich versetzten Vertragsabschluss. So werden beispielsweise Futures nicht in einer Emission auf den Kapitalmarkt gebracht, sondern von Fall zu Fall zwischen einzelnen Marktteilnehmern abgeschlossen. Auf individuell begebene Finanzinstrumente finden die zuvor getroffenen Aussagen entsprechende Anwendung. Inbesondere gilt auch hier der Grundsatz der Privatautonomie. Jedoch gibt es einige Besonderheiten: Soweit der Begebungsvertrag zwischen einzelnen Marktteilnehmern geschlossen wird, finden die §§ 305–310 BGB Anwendung. Allerdings sind am Vertragsabschluss regelmäßig nur der Zentrale Kontrahent und Clearingmitglieder beteiligt80 . Diese sind allesamt Unternehmer im Sinne des § 14 BGB, so dass eine Anwendung des § 305 II, II und der §§ 308 f. BGB ausscheidet81. Eine Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB bleibt aber möglich.

80 81

Vgl. dazu o. S. 51 f., 318. § 310 I 1 BGB.

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§ 19 Publizität Die Rechtssicherheit verlangt, dass sich Finanzinstrumente einer Person äußerlich zuordnen lassen. Dazu muss die Inhaberschaft an einer Stelle nachprüfbar niedergelegt sein. Die Zuordenbarkeit zu einem Inhaber ist Voraussetzung für die Handelbarkeit, die Finanzinstrumente von schlichten schuldrechtlichen Verträgen unterscheidet.

I. Besitz an der Urkunde Die traditionelle Art, um die Zuordnung eines Rechts publik zu machen, ist dessen Verbriefung. Durch die Urkunde wird das Recht einem Inhaber nach außen sichtbar zugewiesen. Als Anknüpfungspunkt der Publizität dient der Besitz. Im ersten Teil ist ausführlich beschrieben worden, auf welche Schwierigkeiten die Verbriefung im Bereich des Effektenverkehrs stößt. Dort ist näher dargelegt, wie die Innehabung und der Umlauf individueller Urkunden in der Praxis Schritt für Schritt zurückgedrängt wurden. An ihre Stelle sind die Mechanismen der Sammelverwahrung und des Effektengiroverkehrs getreten. Heute werden Globalurkunden ausgestellt, die ganze Emissionen repräsentieren. Über diese üben die Hinterleger keine unmittelbare Sachherrschaft aus. Trotzdem nimmt die ganz herrschende Meinung an, dass die Situation im Effektenverkehr der im Wertpapierrecht vorausgesetzten Publizität der Rechtsverhältnisse genüge.

1. Besitzpyramide der herrschenden Meinung Unstreitig ist, dass die Hinterleger Eigentümer der verwahrten Urkunde sind, und zwar Miteigentümer nach §§ 1008, 741 BGB1. Dass sie daneben auch Besitzer sind, erklärt die herrschende Auffassung folgendermaßen 2: Die Wertpapiersammelbank, die die Globalurkunde verwahrt, soll den ihr angeschlossenen Depotbanken den Besitz gemäß § 868 BGB mitteln. Diese seien ihrerseits Besitzmittler ihrer Kunden. Daraus ergibt sich ein mehrstufiger mittelbarer Besitz im Sinne des § 871 BGB: Die depotführenden Banken sind mittelbare Besitzer 1

Vgl. statt aller Horn, WM 2002 Sonderbeil. Nr. 2, S. 8. Vgl. Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 32; Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2020; Claussen, Bank- und Börsenrecht, Rdnr. 285; Dechamps, Wertrechte im Effektengiroverkehr, S. 38 f.; Heinsius/Thorn/ Than, DepotG, § 5 Rdnr. 68; Kümpel, Rdnr. 11.197; Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 8; Zöllner, in: FS Raiser, S. 249 (263–265). 2

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erster Stufe; ihre Kunden mittelbare Besitzer zweiter Stufe. Werden mehrere Geschäftsbanken eingeschaltet, können weitere Stufen hinzukommen. Auf diese Weise ergibt sich eine mehrstöckige Besitzpyramide.

2. Zweifel in der Literatur Die Konstruktion der herrschenden Meinung ist allerdings zunehmend Zweifeln ausgesetzt. Den ersten Schlag gegen sie führte bereits im Jahre 1972 Ingo Koller 3. Er kritisierte vor allem die mangelnde Rechtsscheinskraft des mittelbaren Besitzes. Dass dieser überhaupt Publizitätswirkungen habe, beruhe allein darauf, dass der Besitzmittler die Oberherrschaft des mittelbaren Besitzers jederzeit anerkenne. Die Rechtsscheinswirkung sei daher nicht aktuell, sondern nur „potentiell“4. Andere Autoren verneinen sogar, dass überhaupt mittelbarer Besitz vorliegt. Ihrer Ansicht nach fehle es an dem dafür notwendigen Herausgabeanspruch 5. Besonders nachdrücklich ist diese These von Dorothee Einsele vertreten worden. Sie weist zutreffend darauf hin, dass für die Annahme eines Besitzmittlungsverhältnisses nach im Sachenrecht ganz herrschender Ansicht ein Herausgabeanspruch gegen den unmittelbaren Besitzer notwendig sei6 . Ein solcher Herausgabeanspruch des Hinterlegers fehle aber, wenn – wie heute meist – die Rechte der Anleger in einer Globalurkunde verbrieft sind und die Einzelverbriefung gemäß § 9a III 2 DepotG ausgeschlossen ist. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes kann der Hinterleger in diesem Fall die Auslieferung einzelner Wertpapiere nicht verlangen. Daher sei er nicht mittelbarer Besitzer7. Dagegen wurde zwar eingewandt, der Hinterleger könne die Herausgabe der Globalurkunde verlangen, wenn er alleiniger Eigentümer des Sammelbestands sei8 . Dieses Gegenargument verwirft Einsele jedoch9. Zu Recht, denn bei der alleinigen Berechtigung eines Eigentümers am Sammelbestand handelt es sich um einen Sonderfall, der keine Rückschlüsse auf die allgemeine Besitzlage bei der Hinterlegung von Sammelurkunden erlaubt. Außerdem erscheint der Fall konstruiert, denn es ist zweifelhaft, zu welchem Zweck der Hinterleger die Glo-

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Koller, DB 1972, 1905. Ebda. 5 Harm Peter Westermann, RabelsZ 49 (1985), 214 (227). Vgl. auch Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2125. 6 Einsele a.a.O., S. 66 f. 7 Vgl. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 72. 8 So Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, S. 53 f. Ähnlich meint Dechamps, Wertrechte im Effektengiroverkehr, S. 40, dass durch den Ausschluss der Einzelverbriefung lediglich der Sachinbegriff, auf den sich das Besitzmittlungsverhältnis beziehe, verändert werde; der Herausgabeanspruch als solcher bleibe unberührt. 9 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 73. 4

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balurkunde herausverlangen sollte, die ja keine wertpapierrechtlichen Funktionen erfüllt. Der Herausgabeanspruch soll Einsele zufolge selbst dann fehlen, wenn der Anspruch auf einzelne Urkunden nicht gemäß § 9a III 2 DepotG ausgeschlossen ist10 . Insbesondere könne das Recht, nach §§ 7 f. DepotG die Auslieferung individueller Urkunden zu verlangen, nicht als Korrelat zum Herausgabeanspruch angesehen werden. Denn bei ihm handele es sich lediglich um einen schuldrechtlichen Anspruch, der nicht auf die Herausgabe der verwahrten Sache selbst gerichtet sei11. Die Vorstellung eines ideellen Mitbesitzes lehnt Einsele ebenso ab wie die Annahme eines gemeinsamen Herausgabeanspruchs sämtlicher Miteigentümer als Pendant zum individuellen Anspruch auf Herausgabe12 . Daher ist nach ihrer Ansicht der Hinterleger in der Sammelverwahrung niemals mittelbarer Besitzer. Die Einsele’schen Einwände verstärken Mathias Habersack und Christian Mayer in einem im Jahre 2000 erschienen Aufsatz13. Sie befassen sich insbesondere mit dem Fall, in dem die depotführende Bank einen Teil des von ihr gehaltenen Sammelbestands für ihre Kunden, einen anderen Teil jedoch als Eigentümerin besitzt. Die Möglichkeit eines Nebeneinander von Eigen- und Fremdbesitzwille in einer Person hat der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang ausdrücklich verworfen14. Also, so die Schlussfolgerung von Habersack und Mayer, könne man auch bei der Sammelverwahrung der Globalurkunde nicht annehmen, dass ein Kreditinstitut gleichzeitig für sich selbst und seine Kunden besitzen wolle. Da es jedoch in der Praxis nicht selten vorkommt, dass eine Bank zugleich eigene und fremde Anteile an einem Girosammelbestand verwaltet, sei das derzeitige System der Girosammelverwahrung mit sachenrechtlichen Grundsätzen unvereinbar.

3. Stellungnahme Die von der Literatur geltend gemachten Einwände erscheinen berechtigt. Sie treffen jedoch nicht das Wesentliche. Einwenden muss man gegen die Besitzpyramide vor allem, dass sie ausgesprochen weit von den Lebensverhältnissen entfernt ist. Dass der Hinterleger mittelbaren Mitbesitz zweiter oder höherer Stufe an der Girosammelurkunde innehat, kann nur unter Zuhilfenahme äußerst abstrakten juristischen Denkens erklärt werden. Selbst Claus-Wilhelm Canaris, 10 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 75–89, dies., in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 94; dies., WM 2001, 7 (11). 11 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 85; ebenso dies., in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 83. 12 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 81–83, 85–88. 13 Habersack/Mayer, WM 2000, 1678 (1680 f.). 14 BGH, Urt. v. 10.11.1982 – V ZR 245/81, BGHZ 85, 263 (265).

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eigentlich ein Befürworter der herrschenden Meinung, bemängelt die „hochgradige Künstlichkeit“ der Besitzkonstruktion15. Ein mittelbarer Besitz zweiter Stufe ist an sich schon schwer vorstellbar. Dass sich der Hinterleger diesen mit tausenden anderen Hinterlegern teilen und daher einen „mittelbaren Mitbesitz“ innehaben soll, macht die Sache nicht leichter. Vollends offenbar wird die Lebensfremdheit der Konstruktion jedoch dadurch, dass sich der gemeinsame mittelbare Besitz der Anleger nur auf eine einzige Urkunde, ein bloßes DIN A4 Blatt, bezieht. Darüber hinaus ist ein weiterer Einwand gegen die herrschende Meinung vorzubringen: Sie erreicht das von ihr selbst gesteckte Ziel nicht. Mit der Besitzkonstruktion wird angestrebt, die Publizität der Rechtsverhältnisse zu sichern. Wie im klassischen Wertpapierrecht soll der Inhaber des Rechts durch die Sachherrschaft über die Urkunde legitimiert sein. Genau dies ist jedoch nicht der Fall. Denn durch die Konstruktion der herrschenden Meinung werden die Rechtsverhältnisse nicht publik. Der nur über mehrere Stufen und Vermittlungen bestehende Besitz ist so ausgedünnt, dass man ihn kaum noch mit der tatsächlichen Sachherrschaft vergleichen kann. Außerdem steht er dem Hinterleger nicht ungeteilt zu, sondern nur in Gemeinschaft mit einer Vielzahl anderer Anleger. Eine Publizitätsfunktion vermag ein solchermaßen verwässerter Besitz nicht zu erfüllen. Die Inhaberschaft an den verbrieften Rechten wird gerade nicht öffentlich gemacht. Die einzige nach außen sichtbare Wirkung des mittelbaren Mitbesitzes besteht darin, dass die Wertpapiersammelbank den Anweisungen des Hinterlegers folgt und auf seine Anweisung hin ihren Besitzmittlungswillen auf einen anderen Erwerber richtet. An die Stelle der offenkundigen Sachherrschaft tritt also die Besitzverschaffungsmacht. Doch wird auch sie nicht äußerlich sichtbar, da für die Öffentlichkeit der Wechsel des Besitzmittlungswillens nicht erkennbar ist. Lediglich die Beteiligten erfahren von ihm durch die Mitteilungen ihrer Depotbanken. Unter diesen Umständen erfüllt der Besitz die ihm zugedachte Publizitätsaufgabe nicht.

4. Nutzen der Besitzkonstruktion Dass die besitzrechtliche Konstruktion nicht überzeugt, heißt jedoch nicht, dass man die mit ihr verfolgten Ziele komplett über Bord werfen könnte. In jüngster Zeit hat sich vor allem Norbert Horn gegen eine vorschnelle Verabschiedung vom sachenrechtlichen Modell ausgesprochen16 . Er weist darauf hin, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des Depotgesetzes davon ausging, dass sich die besitzrechtliche Konstruktion auf die Verwahrung von Globalurkun15 16

Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2022. Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 16.

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den übertragen ließe17. Außerdem hebt er hervor, dass mit der Einführung des § 9a DepotG bezweckt wurde, den Hinterlegern den gleichen sachenrechtlichen Schutz zuteil werden zu lassen wie bei der Sammelgiroverwahrung. Eine Ersetzung durch rein schuldrechtliche Ansprüche genüge diesem Ziel nicht18 . Es sei daher unzulässig, die von der herrschenden Meinung angenommene Besitzpyramide beiseite zu schieben. Zuzustimmen ist Horn darin, dass allein eine Stellung als Gläubiger den Interessen des Hinterlegers nicht genügen würde. Doch überschätzt er die Bedeutung des Besitzes. Grundanliegen des Depotgesetzes ist nicht der Schutz der tatsächlichen Sachherrschaft der Hinterleger. Im Fall der Ausstellung einer Globalurkunde ist sie ohnehin nur abstrakt und lässt sich tatsächlich nicht durchsetzen. Wichtiger als der Besitzschutz ist vielmehr der Eigentumsschutz der Anleger. Diese gehen davon aus, dass ihnen ein unentziehbares Recht an den für sie verwahrten Vermögenswerten zusteht, welches weder von der Zahlungswilligkeit noch von der Zahlungsfähigkeit der Wertpapiersammelbank abhängt. Von der Existenz einer Globalurkunde und den damit verbundenen Problemen wissen sie meist nicht einmal. Mit anderen Worten, sie betrachten sich als Eigentümer der für sie hinterlegten Finanzinstrumente unabhängig davon, in welcher Form diese verwahrt oder verbrieft sind. Der wesentliche Zweck des Depotgesetzes ist es, genau diese Erwartung zu schützen19. Dem Gesetzgeber geht es nicht um den Schutz des Besitzes der Hinterleger, sondern um den ihres Eigentums. Durch die Verwahrung, insbesondere die Sammelverwahrung, soll sich die eigentumsrechtliche Lage nicht ändern. Ziel des Gesetzes ist, dass die Inhaber auch weiterhin die allein Berechtigten an den in den Wertpapieren verbrieften Rechten bleiben. Insbesondere sollte ihr Eigentum nicht auf den Verwahrer übergehen, der auf eine bloße Hilfsfunktion beschränkt ist. Ein solcher Schutz ließe sich auch ohne die Besitzkonstruktion bewerkstelligen. Dessen Einführung dient weniger den Interessen der Hinterleger als vielmehr der Vereinbarkeit mit dem klassischen wertpapierrechtlichen Modell. Nach diesem wird der Inhaber des verbrieften Rechts durch den Besitz ausgewiesen. Hätte die Sammelbank oder das depotführende Institut die ausschließliche Sachherrschaft erlangt, dann wäre ihre Inhaberschaft zu vermuten. Lässt man das wertpapierrechtliche Modell fallen, bedarf es der Besitzkonstruktion nicht länger. Die Interessen des Hinterlegers sind dadurch nicht beeinträchtigt. Ihm kommt es weniger auf den Anspruch auf Herausgabe einer Urkunde an, als vielmehr darauf, als Eigentümer der darin verbrieften Ver17 18 19

Horn a.a.O., S. 13, 16. Horn a.a.O., S. 16. Dazu o. S. 23 f.

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mögenswerte anerkannt zu werden. Auch der gutgläubige Erwerber bedarf zu seinem Schutz nicht unbedingt des Besitzes an der Sache, wie die Regelung des § 892 BGB zeigt. Als Lösung, die sowohl die Interessen der Hinterleger befriedigt als auch der Realität des Effektengiroverkehrs entspricht, bietet sich daher an, eine eigentümergleiche Stellung des Hinterlegers unabhängig von seinem Besitz an einer körperlichen Urkunde anzuerkennen. Eine solche besitzlose Rechtsstellung könnte dann durch Einigung und Umbuchung übertragen werden.

II. Eintragung in einem Register 1. Vorschlag Folgt man der in diesem Buch befürworteten Qualifikation der Finanzinstrumente als unkörperliche Vermögensgegenstände, so entfällt die Notwendigkeit der besitzrechtlichen Konstruktion. Dem Inhaber steht lediglich ein nicht physisch greifbares Recht zu. An ihm ist kein Besitz möglich. Das erlaubt es, sich ganz auf die Zuordnung dieser Position durch andere Methoden zu konzentrieren. Als Alternative zur lebensfremden und umständlichen Besitzkonstruktion bietet sich die Eintragung von Finanzinstrumenten in einem Register an. Statt papierne Urkunden auszustellen, könnte man Informationen über den Berechtigten darin festhalten. Die Zuordnung von Vermögenswerten erfolgte nicht mehr über den Besitz, sondern über einen anderen äußeren Tatbestand: die Buchung. Dadurch entfielen die Kosten für die Ausstellung und Überwachung von Urkunden. Das Register würde damit die traditionellen Funktionen des Wertpapiers übernehmen. Diesem Modell entsprechen die im ersten Teil untersuchten Rechte, welche die Entmaterialisierung vorangetrieben haben20 . Sie alle sehen die Eintragung in Registern vor. Die Notwendigkeit der Ausstellung von Urkunden entfällt. Das vorgeschlagene Modell weist gewisse Parallelen auch zu deutschen Rechtsinstituten auf. Auf den ersten Blick springt das Grundbuch ins Auge. Doch unterscheiden sich Finanzinstrumente grundlegend von unbeweglichen Sachen, denn sie laufen viel häufiger um. Näher liegt daher ein anderer Vergleich: Seit Inkrafttreten des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG)21 gibt es ein Register über Berechtigungen zur Emission von Kohlendioxid oder seinen Äquivalenten. Die dort aufgenommen Berechtigungen werden wie Aktien oder Obligationen gehandelt. Ihre Übertragung erfolgt durch Einigung 20

Vgl. o. S. 61 ff. Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen v. 8.7.2004, BGBl. I, 1578. 21

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und Registereintrag22 . Selbst ein gutgläubiger Erwerb ist möglich 23. Das deutsche Recht kennt damit bereits handelbare Registerrechte mit unkörperlichem Bezugspunkt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch Finanzinstrumente als solche angesehen werden könnten.

2. Legitimationskraft vorhandener Register Der hier gemachte Vorschlag setzt grundlegende Änderungen im deutschen Recht voraus. Zumindest aus Sicht der Praxis sind diese jedoch weit geringer, als man annehmen könnte. Denn bereits heute wird der Großteil des Verkehrs mit Finanzinstrumenten über Register abgewickelt. Das Depotgesetz verlangt in seinem § 14, dass der Verwahrer ein Handelsbuch führt, in das er jeden Hinterleger und bestimmte Merkmale der für ihn verwahrten Wertpapiere einträgt. Dieses sogenannte Verwahrungsbuch kann auch elektronisch geführt werden24. Die in ihm vorgenommenen Eintragungen spielen in der Praxis eine entscheidende Rolle. Denn sie zieht man zu Rate, wenn nach der Berechtigung eines bestimmten Anlegers gefragt wird. Allerdings haben die Registereintragungen juristisch gesehen bisher nur geringe Bedeutung. Insbesondere kommt ihnen keine Vermutungswirkung zu, wie sie etwa § 1006 BGB vorsieht. Sie sind vielmehr bloße interne Aufzeichnungen über die Daten der einzelnen Kunden. In einem Rechtsstreit um die Berechtigung können sie daher allenfalls als Indizien für die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses dienen. Selbst in dieser Funktion ist ihre Einführung in einen Zivilprozess jedoch nicht unproblematisch. Soweit das Verwahrungsbuch schriftlich geführt wird, kann es im Erkenntnisverfahren als Privaturkunde herangezogen werden 25. Es begründet gemäß § 416 ZPO jedoch keinen Beweis im Hinblick auf die Richtigkeit der in ihm enthalten Eintragungen, sondern nur bezüglich der Tatsache, dass diese vorgenommen wurden. Wird das Verwahrungsbuch – wie heute üblich – elektronisch geführt, dann ist seine Einführung in den Prozess noch schwieriger. Einträgen in der Datenverarbeitung kommt aus prozessualer Sicht keine Urkundenqualität zu26 . Sie haben auch nicht die in § 371a I ZPO vorgesehene Beweiskraft einer privaten elektronischen Urkunde. Sie lassen sich daher nur im Wege der Augenscheinseinnahme in einem Zivilprozess verwerten 27, wie durch den neu geschaffenen 22

§ 16 I TEHG. Zu den Einzelheiten Sommer, WM 2006, 2029 (2030–2033). § 16 II TEHG. 24 Heinsius/Thorn/Than, DepotG, § 14 Rdnr. 7. 25 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 238 Rdnr. 3. 26 Geimer, in: Zöller, ZPO, Vor § 415 Rdnr. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, Übers § 415 Rdnr. 7; Britz, Urkundenbeweisrecht und Elektroniktechnologie, S. 135; a.A. Arnd Becker, Elektronische Dokumente als Beweismittel im Zivilprozess, S. 54–119, der jedoch über § 371 I 2 ZPO hinweggeht. 27 Vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, § 371 Rdnr. 1; Reinhold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 371 23

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§ 371 I 2 ZPO ausdrücklich klargestellt ist. Die Beweiskraft elektronischer Eintragungen im Verwahrungsbuch ist damit wesentlich geringer als die einer Urkunde, ganz zu schweigen von einem Wertpapier mit seinen materiellrechtlichen Vermutungswirkungen. Obwohl die elektronische Registerführung in Deutschland schon heute zulässig und in der Praxis Gang und Gäbe ist, kann sich der Kunde daher nicht darauf verlassen, dass ihm die auf seinen Namen in den Computern der Depotbank gebuchte Position auch tatsächlich zusteht. Die Digitalisierung vollzieht sich gleichermaßen am Recht vorbei. Dieser Zustand ist nicht haltbar. Ein einfacher Weg, um ihn zu ändern, besteht darin, den schon jetzt existierenden Registern öffentlichen Glauben zukommen zu lassen. Die Buchung ist in der Praxis der entscheidende Rechtsscheinstatbestand. Das sollte auch rechtlich anerkannt werden.

3. Schutz des Verkehrs Gegen eine Umstellung von beurkundeten auf registrierte Effekten werden jedoch verschiedene Einwände vorgebracht. So wird behauptet, die Verbriefung in einer Globalurkunde sei notwendig, um die zum Schutz des Verkehrs notwendigen wertpapierrechtlichen Funktionen zu erfüllen28 . Das Argument geht jedoch ins Leere, weil die Globalurkunde keine der Aufgaben des Wertpapiers erfüllt: Ihre Innehabung ist zur Ausübung des verbrieften Rechts nicht notwendig, und sie läuft nicht um29. In Wahrheit vermittelt sie dem Anleger kaum Schutz. Die Sicherheit der schriftlichen Niederlegung in einer Urkunde ist trügerisch. Denn alle wesentlichen Informationen über die Rechtsposition des Anlegers sind bereits heute in elektronischen Dateien gespeichert. Ihnen kommt aber, wie eben gesehen, unter der derzeitigen gesetzlichen Regelung keinerlei juristische Wirkung zu. Umgekehrt lassen sich mit einem elektronischen Register alle klassischen wertpapierrechtlichen Funktionen erfüllen. Der eingetragene Berechtigte wäre zur Forderung der Leistung legitimiert, wenn das Gesetz dies vorsähe. Der Schuldner könnte an den Eingetragenen mit befreiender Wirkung leisten, wenn dies gesetzlich angeordnet wäre. Das Register vermag also wie ein individuelles Wertpapier die Legitimations- und die Liberationsfunktion erfüllen. Ein Einwendungsausschluss lässt sich ebenso durch Gesetz statuieren wie die Haftung des Emittenten. Schließlich könnte das Recht durch Umbuchung statt durch Übergabe des Wertpapiers übertragen werden. Alle Aufgaben, für die im derzeitigen Recht eine körperliche Urkunde benötigt wird, lassen sich also mit Rdnr. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Übers § 371 Rdnr. 12; Ahrens, in: FS Geimer, S. 1 (2 f., 12). 28 Kümpel, WM 1982, S. 730 (730–733). 29 Siehe o. S. 46 ff.

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Hilfe eines elektronischen Registers wahrnehmen. Damit würde der individuelle Anleger weit besser geschützt, als er es unter dem bisherigen System ist.

4. Kosten der Registerführung Gegen die Einführung eines rein elektronischen Effektenverkehrs werden zuweilen die Kosten der Registerführung eingewendet30 . In der Tat verursacht das Register, in dem die Bucheffekten eingetragen sind, einen gewissen Verwaltungsaufwand. Allerdings unterscheidet sich dieser nicht von dem bei Verbriefung der Rechte in einer Globalurkunde. Denn da letztere nur sehr allgemeine Aussagen enthält und die einzelnen Rechtsinhaber gerade nicht benennt, muss auch insoweit die Berechtigung an anderer Stelle registriert werden. Die Depotbanken führen daher schon jetzt ein aufwendiges Computersystem, um die Konten der Hinterleger zu verwalten. Außerdem muss auch die Wertpapiersammelbank Informationen darüber speichern, wem die Finanzinstrumente zustehen. Die Verwaltungskosten würden daher durch die Ausstattung des Registers mit öffentlichem Glauben nicht erhöht. Im Gegenteil würden sie sogar gesenkt, weil man die Ausstellung und Verwahrung der Globalurkunde einsparte.

5. Risiko des Datenverlusts Ernster zu nehmen ist dagegen das Risiko des Verlusts von Informationen. In Computern gespeicherte Daten sind vergänglich. Es besteht die Möglichkeit, dass sie gelöscht werden, sei es durch bewusste Manipulation oder durch Zufall. Ein Datenverlust in einem Effektenregister wäre katastrophal. Durch ihn könnte die gesamte Finanzwelt aus den Fugen geraten. Diese Risiken sind in die Betrachtung einzubeziehen. Doch sollte ebenso bedacht werden, dass auch papierne Urkunden verloren gehen können 31. Als Ursachen kommen zum Beispiel Diebstähle, Brände oder terroristische Anschläge in Betracht. Zwar sind auch elektronisch gespeicherte Daten für Diebe, Feuer und Bomben nicht unerreichbar. Jedoch lassen sie sich auf einfache Weise vervielfältigen. Ohne großen Aufwand kann eine beliebige Zahl von Sicherungskopien erstellt werden. In Computern gespeicherte Daten sind damit leichter und sicherer zu bewahren als Informationen in Papierform. Schließlich, und das ist der entscheidende Punkt, besteht die Gefahr des Datenverlusts schon unter den heutigen Bedingungen des Effektengiroverkehrs. Denn er wickelt sich ganz überwiegend elektronisch ab. Im Normalfall werden 30

Kümpel, Rdnr. 11.248. Vgl. Koller, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1491); Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 426 (427 f.). 31

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lediglich Globalurkunden in Papierform ausgestellt. Sie enthalten aber keine nennenswerten Angaben, aus denen sich Rückschlüsse auf eine Berechtigung ziehen ließen. Alle wesentlichen Informationen werden bereits jetzt elektronisch gespeichert. Gingen sie verloren, dann ließe sich allein mit der Globalurkunde wenig anfangen.

6. Risikozuweisung Aus einem anderen Grund rät Ingo Koller in seinem 1981 erstellten Gutachten für den Bundesminister der Justiz von der Umstellung auf unverkörperte Effekten ab. Ausschlaggebend ist für ihn, dass nicht geklärt sei, wer das Risiko des Verlusts der elektronischen Daten zu tragen habe32 . Bei der Globalurkunde sei die Rechtslage eindeutig: Gehe sie in den Räumen der Wertpapiersammelbank verloren oder werde sie versehentlich zerstört, so trage der Hinterleger den Verlust. Das sei sachgerecht, weil die Sammelbank dem Hinterleger zuzurechnen sei. Eine entsprechend einfache Risikozuweisung ist nach Koller für körperlose Effekten nicht denkbar. Darauf sind zwei Antworten zu geben: Erstens ließe sich das Risiko des Verlusts ebenso wie das einer Falscheintragung einer Seite auferlegen. Dafür bedürfte es nur einer gesetzlichen Regelung33. Zweitens besteht das größte Risiko gar nicht in dem Verlust der Daten, die in der Globalurkunde niedergelegt sind. Denn diese enthält nur Informationen sehr allgemeiner Natur. Sie ließen sich aus anderen Quellen rekonstruieren. So könnte man problemlos nachweisen, dass die Bank X am Tag Y eine Schuldverschreibung in Höhe von Z Millionen Euro begeben hat. Alle wesentlichen Informationen über die Berechtigung an Finanzinstrumenten befinden sich heute in den Computern der Wertpapiersammelbank und der Depotbanken. Näher als die von Koller beschriebene Situation liegt die Gefahr, dass einer von ihnen ausfällt und die Daten unwiederbringlich gelöscht werden. Wie ist das Risiko in diesem Fall verteilt? Ein Anspruch des Kunden auf Herausgabe der Anteile kommt mangels individueller Verbriefung nicht in Frage. Auch die Tatsache, dass der Kunde nach herrschender Meinung mittelbarer Besitzer der Globalurkunde ist, hilft ihm nicht weiter. Denn dem mittelbaren stehen gegen den unmittelbaren Besitzer gemäß § 869 BGB keine Besitzschutzansprüche nach den §§ 861 f. BGB zu. Der Hinterleger ist also auf schuldrechtliche Ansprüche angewiesen. Dazu kann er sich auf den mit seiner Bank geschlossenen Depotvertrag stützen. Es handelt sich bei ihm um einen gemischten Vertrag im Sinne der §§ 688, 675, 611 BGB, welcher 32 Koller, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1497). 33 Das erkennt im übrigen auch Koller a.a.O., S. 1498. Er sieht aber weitere Probleme bei der Registerführung, die sogleich zu erörtern sind, siehe u. S. 376 ff.

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Elemente der Verwahrung und der Geschäftsbesorgung mit Dienstleistungscharakter enthält 34. Der Hinterleger kann die Herausgabe der Anteile nicht nach § 696 BGB verlangen, da die notwendigen Unterlagen zum Beweis der hinterlegten Sache fehlen. Ein Anspruch wegen der Löschung von Daten setzt gemäß § 280 I BGB voraus, dass die Bank eine Pflicht verletzt hat und dies vertreten muss. Bei zufälligem Untergang der Daten ist der Anleger also nicht geschützt. Richtigerweise muss man daher das Argument Kollers umkehren und sagen, dass die Verteilung des Risikos nicht de lege ferenda, sondern vielmehr de lege lata unzureichend ist. Der Fall des Verlusts digital gespeicherter Daten über Finanzinstrumente ist in Deutschland unbefriedigend geregelt. Es bedarf insoweit einer klaren Zuweisung der Verantwortlichkeit. Das herrschende Wertpapierdogma verstellt den Blick dafür, weil es die gesamte Aufmerksamkeit auf die Globalurkunden lenkt. Doch enthalten diese keine praktisch wichtigen Informationen. Notwendig ist dagegen die Regelung des Verlusts der viel bedeutsameren Buchungen. Welcher Wert ihnen zukommt, ist ungeklärt. Sie müssen aus der rechtlichen Grauzone herausgehoben und mit Wirkungen ausgestattet werden, die denen eines Wertpapiers gleichkommen.

7. Registerführer Ein besonderes Problem bereitet die Frage, wer ein Register für private Finanzinstrumente führen soll. Wegen der Schwierigkeiten der Auswahl der geeigneten Stelle lehnt die Mehrheit der Autoren das Registermodell gänzlich ab35. Doch erscheint die Kapitulation vorschnell. Denn der im ersten Teil unternommene Rechtsvergleich hat deutlich gezeigt, dass sich die Probleme lösen lassen36 . Die dort untersuchten ausländischen Rechtsordnungen haben verschiedene Modelle entwickelt, um die Führung des Registers zu organisieren. So finden sich eine Reihe von Staaten, in denen Effekten zentral verwaltet werden. Die Aufgabe wird dabei entweder durch eine staatliche Stelle wahrgenommen – so früher in Frankreich37 – oder durch eine private – so wie in Italien38 . In anderen Ländern schaltet man Intermediäre wie Banken oder broker ein. Das gilt etwa für Spanien39, die USA40 , Frankreich41 und die 34

Claussen, Bank- und Börsenrecht, Rdnr. 274. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 203, dies., WM 2001, 7 (10); Koller, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1498); Kümpel, Rdnr. 11.248, ders., WM 1982, 730 (733). 36 Siehe o. S. 61 ff. 37 Siehe o. S. 62. 38 Siehe o. S. 66. 39 Siehe o. S. 71. 40 Siehe o. S. 79. 41 Siehe o. S. 64. 35

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Schweiz42 . In manchen Staaten schließlich beteiligt man die Emittenten selbst an der Registerführung. Das ist im Vereinigten Königreich43 und wahlweise auch in Frankreich44 der Fall. Welches der verschiedenen Modelle das beste ist, kann hier nicht entschieden werden. Jedes von ihnen hat Vorzüge und Nachteile. Offenbar hat die Wahl des einen oder anderen auch etwas mit der jeweiligen Tradition zu tun. Würde ein Register auf Gemeinschaftsebene geschaffen, wofür es einige Anzeichen gibt45 , müsste man völlig neu über dessen Organisation nachdenken. Dabei könnte man allerdings auch auf die Erfahrungen in den Mitgliedstaaten zurückgreifen. Auch Deutschland ist dabei zu berücksichtigen. Obwohl hierzulande die Entmaterialisierung weniger weit fortgeschritten ist als bei den europäischen Nachbarn, verfügt die Praxis durchaus über ein Verfahren zur elektronischen Buchung von Effekten. Sieht man sich das System des Wertpapiergiroverkehrs an, so fällt auf, dass bereits seit langem die Banken als Intermediäre eine herausragende Bedeutung bei der Verwaltung von Vermögenswerten spielen. Sie unterhalten Konten bei der Wertpapiersammelbank. Über die von ihnen gehaltenen Titel führen sie zugunsten ihrer Kunden Buch. Die Emittenten spielen in Deutschland ebenfalls eine wichtige Rolle, und zwar bei der Registrierung von Namensaktien. Zwar sind die Eintragungen in das Register nach § 67 AktG nur hinsichtlich der Beziehungen der Gesellschaft zu den Gesellschaftern bedeutsam. Doch sind diese entscheidend, denn sie bilden die Grundlage für die Ausübung der Aktionärsrechte. Nach den deutschen Erfahrungen erscheint es daher möglich, mit der Aufgabe der Registerführung sowohl Kreditinstitute und andere Intermediäre als auch die Emittenten selbst zu betrauen, je nachdem welche Variante die Marktteilnehmer bevorzugen. Diese wahlweise Lösung entspricht der des französischen Rechts46 . Sie würde nicht nur für Deutschland passen, sondern für die gesamte Gemeinschaft. Die Wahlmöglichkeit kommt der Idee der Freiheit und des Wettbewerbs im Binnenmarkt entgegen. Durch sie ließe sich eine allzu große Machtfülle bei einer Institution vermeiden. Jeder Emittent könnte Register über Finanzinstrumente selbst führen oder sie Intermediären überlassen. Soweit Intermediäre in die Registerführung eingeschaltet sind, muss allerdings sichergestellt werden, dass die Zahl der bei ihnen gebuchten Titel die der vom Emittenten begebenen nicht übersteigt. Das lässt sich dadurch erreichen, dass man für jede Emission ein Hauptregister führen lässt. Eine entsprechende Vorschrift enthält das spanische Recht47. Auch der Entwurf für ein Schweizer 42 43 44 45 46 47

Siehe o. S. 86. Siehe o. S. 77. Siehe o. S. 64. Siehe u. S. 409 ff. Siehe o. S. 64. Siehe Art. 7 I Ley Nr. 24/1988 v. 28.7.1988, BOE v. 29.7.1988, S. 23405.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Bucheffektengesetz verlangt, dass für jede Emission ein Hauptregisterführer vorzusehen ist48 . Dieser entspricht im heutigen deutschen System der Wertpapiersammelbank. Als Bezeichnung für ihn bietet sich der Ausdruck „Zentralverwalter“ an. Der Begriff der „Depotbank“ für die angeschlossenen Intermediäre ist im Grunde ebenfalls überholt. Er kann jedoch weiterverwendet werden, da sich der Verkehr mittlerweile an virtuelle „Depots“ gewöhnt zu haben scheint. Allerdings ist gegen eine bedeutende Rolle der Intermediäre bei der Registerführung ein scheinbar unüberwindliches Argument erhoben worden: Die Banken könnten nicht gleichzeitig Berechtigte aus den jeweiligen Finanzmarktprodukten sein und das Register über die Titel führen. Dies widerspreche dem Erfordernis der Neutralität des Registerführers49. Dagegen ist mit aller Deutlichkeit zu sagen: Die Intermediäre sind nicht die Berechtigten der von ihnen verwalteten Finanzinstrumente. Diese stehen vielmehr ausschließlich und allein den Anlegern zu. Dass die herrschende Meinung den Banken eine herausgehobene Stellung einräumt, liegt an der verfehlten Besitzkonstruktion: Weil die Wertpapiersammelbank die unmittelbare Sachherrschaft an den von ihr verwahrten Urkunden ausübt, ist nur sie berechtigt, die aus ihnen folgenden Ansprüche gegenüber den Emittenten geltend zu machen, denn allein der Besitz legitimiert zur Ausübung der Rechte aus dem Papier. Eine solche, viel zu weitgehende rechtliche Machtfülle ist nicht notwendig, wenn man wie hier vorgeschlagen allein auf die Eintragung im Register abstellt. Dann wird völlig klar, welche Aufgabe die Banken und sonstigen Intermediäre tatsächlich erfüllen: Sie verwalten lediglich Rechte für andere. Eigentümer des gebuchten Instruments ist allein der Anleger. Dem Erfordernis der Neutralität des Registerführers ist damit genügt. Ein weiterer möglicher Einwand gegen die hier vorgeschlagene Lösung besteht darin, private Institute könnten kein Register mit öffentlichem Glauben führen. Dem ist jedoch aus rechtsvergleichender Sicht zu widersprechen. In vielen Ländern werden Register von privaten Gesellschaften geführt. So genießt das von Euroclear UK & Ireland betriebene System CREST öffentlichen Glauben. Gegen Eintragungen kann nicht geltend gemacht werden, dass eine entsprechende Instruktion nicht gesendet wurde oder diese inhaltlich nicht korrekt war50 . Gutglaubenswirkungen haben auch die Register in Frankreich, Spanien und Italien, die ebenfalls privat geführt werden 51. Auch in Deutschland gibt es ein Beispiel für ein privates Register mit Wirkung gegenüber Dritten. Das in §§ 22a–o KWG vorgesehene Refinanzierungs48

Vgl. Art. 6 II 1 BEG-E. Koller, in: Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts II, S. 1427 (1497); Kümpel, WM 1982, 730 (735). 50 Dazu o. S. 78. 51 Siehe o. S. 61 ff. 49

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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register wird außer von einigen öffentlichen Stellen auch durch private Kreditinstitute geführt52 . Seine Eintragungen haben begrenzte Schutzwirkungen für den Rechtsverkehr53. Sie genießen zwar keinen öffentlichen Glauben, doch erlauben sie dem Eingetragenen im Fall der Insolvenz die Aussonderung der auf seinen Namen eingetragenen Gegenstände54. Damit wirkt das Register gegenüber jedermann. Führt man sich vor Augen, dass die Insolvenz der praktische Fall ist, in dem es auf die Zuordnung der güterrechtlichen Position zu ihrem Inhaber am meisten ankommt, so wird die Bedeutung dieses Beispiels für das hier behandelte Problem deutlich. Das Refinanzierungsregister ist ein wichtiger Präzedenzfall für ein in Deutschland privat geführtes Register mit vermögensrechtlichen Wirkungen erga omnes. Privatrechtliche Registerführung schließt also Rechtsschein nicht aus. Richtig besehen ist die Organisationsform des Betreibers für den guten Glauben unbeachtlich. Die Gegenauffassung verwechselt öffentliches Recht mit öffentlichem Glauben. Das Vertrauen auf ein privat geführtes Register kann ebenso schutzwürdig sein wie das auf ein von der öffentlichen Hand geführtes. Allerdings muss gegen Verfehlungen des privaten Registerführers vorgesorgt werden. Die rechtsvergleichende Betrachtung erweist sich auch hier als nützlich. Sie zeigt, welche Maßnahmen sich insoweit als geeignet erwiesen haben. So existieren zum Beipiel in Spanien und in England strenge Haftungsvorschriften für die Registerführer55. Außerdem werden sie in den meisten Staaten einer öffentlichen Aufsicht unterstellt56 . Zumindest die öffentliche Aufsicht ist bereits jetzt auch in Deutschland gesichert. Denn die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere ist gemäß § 1 I 2 Nr. 5 KWG ein Bankgeschäft. Der Ausdruck „Verwaltung“ erfasst die ohne physischen Besitz auskommende Zuordnung. Wer diese Tätigkeit im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb verlangt, bedarf nach § 32 I 1 KWG einer Genehmigung. Der BaFin steht das Recht zu, Maßnahmen gegen das Institut nach den §§ 35–38 KWG zu erlassen. Über diese Bestimmungen kann bereits de lege lata eine Aufsicht über private Registerführer ausgeübt werden. Dagegen fehlt es bislang an strengen Haftungsvorschriften im Fall der Fehlbuchung. Hier ist dringend eine Gesetzesänderung erforderlich. 52

Daneben ist die Führung des Registers der Bundesbank, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, den Sozialversicherungsträgern, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Schuldenverwaltung des Bundes, seiner Sondervermögen und der Länder sowie der anderer Staaten des EWR und deren Zentralbanken gestattet, vgl. § 22a I 1 i.V.m. § 2 I Nr. 1–3a KWG. 53 Dazu Fleckner, WM 2006, 697–706; ders., WM 2007, 2272–2280; Tollmann, ZHR 169 (2005), 594–624. 54 § 22j I 1 KWG. Einzelheiten dazu bei Fleckner, WM 2007, 2272 (2274–2276). 55 Siehe für Spanien: Art. 7 V Ley Nr. 24/1988 v. 28.7.1988, BOE v. 29.7.1988, S. 23405; für England: Section 36 URS 2001. 56 So in Frankreich, Italien, Spanien, England und der Schweiz, siehe o. S. 61 ff.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Daneben bedarf es weiterer Vorkehrungen, die sogleich zu erörtern sind. Zuvor ist aber noch auf einen anderen Punkt einzugehen.

8. Verhältnis des Hauptregisters zu Unterregistern Mit der Führung des Hauptregisters für eine Emission muss wie gesehen notwendig ein einziger Intermediär betraut werden. Andernfalls könnte es zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Gesamtzahl der zu buchenden Titel kommen. Neben das Hauptregister können jedoch weitere Unterregister treten, die von anderen Intermediären geführt werden. Insoweit ist zu gewährleisten, dass sich die Bestände von Hauptregister und Unterregister decken. Insbesondere darf ein Intermediär seinen Kunden nicht mehr Titel gutschreiben, als für ihn im Hauptregister gebucht sind. Auch insoweit halten ausländische Rechte Lösungen parat. Der Entwurf des Schweizer Bucheffektengesetzes schreibt etwa vor, dass jede Verwahrungsstelle ebenso viele Bucheffekten verfügbar halten muss, wie der Summe der bei ihr geführten Konten entspricht57. Ist dies nicht der Fall, hat sie ohne Verzug Effekten zu erwerben, um den Unterbestand zu decken58 . Kommt es zur Insolvenz der Verwahrungsstelle und sind nicht genügend Titel vorhanden, so ist der Unterbestand aus den Instrumenten zu decken, die die Verwahrungsstelle auf eigene Rechnung hält59. Genügen auch diese nicht, so tragen die Kontoinhaber den Unterbestand im Verhältnis ihrer Guthaben in Effekten der entsprechenden Gattung60 . Fraglich ist weiterhin, welche Rechte das Institut, welches das Unterregister führt, gegenüber dem Hauptregisterführer hat. Ist es Eigentümer der auf seinen Namen gebuchten Rechtspositionen, oder ist es nur Treuhänder? Die Konstruktion als Treuhandverhältnis hat den Nachteil, dass sie dem Treuhänder zu viel Macht über die gebuchten Positionen der Kunden einräumt61. Aus diesem Grund steht zum Beispiel das italienische Recht der Treuhandkonstruktion ablehnend gegenüber62 . Statt von einer Treuhand wird man von einem speziellen Verhältnis auszugehen haben, bei dem die Finanzinstrumente weder der zentralen Stelle noch der Depotbank zustehen. Diese sind vielmehr nur „Verwalter“ für den einzelnen Kunden. Sie sind also nicht dinglich berechtigt, sondern haben nur rein tatsächlich die Möglichkeit, die Eintragung der Finanzinstrumente zu verändern. Nach der hier vorgeschlagenen Lösung ist ihre Rolle auf die technische Aufgabe 57 58 59 60 61 62

Art. 11 I BEG-E. Art. 11 II BEG-E. Art. 19 I BEG-E. Art. 19 II BEG-E. Siehe näher u. S. 392 f. Vgl. o. S. 68.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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der Registrierung beschränkt. Sie ähnelt der Funktion des Grundbuchamts bei der Führung des Grundbuchs. Zu einer rechtsgeschäftlichen Verfügung sind die Banken nicht ermächtigt.

III. Ausgestaltung des Registers 1. Elektronische Führung Um seine volle Einsparungswirkung zu entfalten, sollte das Register ausschließlich elektronisch geführt werden können. Ebenso ist man auch im Ausland verfahren. In den im ersten Teil untersuchten Rechtsordnungen ist die elektronische Buchung durchweg die Regel63. Die maschinelle Verwaltung eines Registers ist auch im deutschen Recht kein Fremdkörper. Im Gegenteil setzt sie sich immer mehr durch. Ein bekanntes Beispiel ist das elektronisch geführte Handelsregister, welches die Landesregierungen gemäß § 8a HGB durch Rechtsverordnung einführen dürfen. Auch das Grundbuch kann nach § 126 GBO als automatisierte Datei geführt werden. Dem Register für Finanzinstrumente besonders nahe stehen das Refinanzierungsregister und das Bundesschuldbuch. Ersteres kann gemäß § 22d I 1 KWG, letzteres gemäß § 5 I 2 BSchuWG elektronisch geführt werden. Der Zug der Digitalisierung hat auch die Register erreicht. Man sollte nicht versuchen, ihn aufzuhalten. Stattdessen ist von den durch die moderne Technik eröffneten Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Das gilt auch für Kapitalmarktprodukte. Dass Finanzinstrumente in Deutschland weiterhin verbrieft werden, ist ein archaischer Zustand, der dringend geändert werden muss.

2. Sicherung gegen Datenverlust Um den bei elektronischer Registrierung drohenden Verlust von Daten zu verhindern, lassen sich gesetzliche Vorkehrungen treffen. Modelle dazu liefern die Vorschriften über digitale Register in GBO und KWG 64. Hier soll sich auf die Vorschriften des KWG über das Refinanzierungsregister konzentriert werden, weil dieses dem Register über Finanzinstrumente besonders ähnlich ist. Die Einzelheiten des Schutzes gegen Datenverlust werden in §§ 22 d I 2 KWG dem Verordnungsgeber überlassen. Eine entsprechende Verordnung hat das Bundesfinanzministerium erlassen65. Sie sieht grundlegende Anforderungen an 63

Vgl. o. S. 61 ff. Vgl. §§ 126 I 2 GBO, 22d I 1 KWG. 65 Verordnung über die Form des Refinanzierungsregisters nach dem Kreditwesengesetz sowie über die Art und Weise der Aufzeichnung v. 18.12.2006, BGBl. I, 3241. 64

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3. Teil: Das Finanzinstrument

die Datenspeicherung vor. Danach muss der Inhalt des Registers „auf Dauer unverändert in lesbarer Form wiedergabefähig sowie auf Dauer revisionssicher archiviert sein“66 . Außerdem wird verlangt, dass das Register auf einem Bildschirm und in Ausdrucken „nach Form und Inhalt vollständig“ sichtbar gemacht werden kann67. Sein gesamter Inhalt muss sich jederzeit ausdrucken lassen68 . Das registerführende Unternehmen wird darüber hinaus verpflichtet, mindestens eine vollständige Sicherungskopie herzustellen69. Sie muss auf einem gesonderten Datenträger gespeichert und tagesaktuell sein70 . Weiter schreibt die Verordnung technische und organisatorische Maßnahmen zur Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit vor71. Ähnliche Anforderungen gelten für das elektronisch geführte Grundbuch72 . Diese dienen vor allem dem Schutz persönlicher Daten. Vorbild war insoweit § 9 Bundesdatenschutzgesetz. Die Bestimmungen der Verordnung des Bundesfinanzministeriums weichen davon jedoch teilweise ab. Ihren Inhalt fasst der Verordnungsgeber unter folgenden Schlagworten zusammen: Identifikation und Authentisierung, Berechtigungsverwaltung, Berechtigungsprüfung, Revisionsfähigkeit, Wiederaufbereitung, Unverfälschtheit und Verlässlichkeit73. Damit soll unter anderem verhindert werden, dass Unbefugte die Daten verändern oder nutzen können. Außerdem wird Vorsorge gegen ihren Verlust getroffen. Alle diese Vorschriften sind auf das elektronisch geführte Register für Finanzinstrumente zu übertragen. Werden sie beachtet, so besteht kein Grund, der Digitalisierung von Informationen zu misstrauen. In jedem Fall wird der Verkehr mit Finanzinstrumenten nicht unsicherer, als er es unter den heutigen Bedingungen der Ausstellung von Globalurkunden ist. Vielmehr führt die Aufwertung der bereits bestehenden Register dazu, dass die in ihnen enthaltenen Informationen besser als bislang geschützt werden.

3. Haftung Für den Fall der schuldhaften Pflichtverletzung ist eine Haftung des Registerführers vorzusehen. Auch insoweit können ausländische Rechte als Modell dienen. Besonders differenziert ist in dieser Frage der Entwurf für das Schweizer Bucheffektengesetz. Er sieht zum einen eine Haftung der Verwahrungsstelle 66 67 68 69 70 71 72 73

§ 8 I der Verordnung v. 18.12.2006. § 8 II 1 der Verordnung v. 18.12.2006. § 8 II 2 der Verordnung v. 18.12.2006. § 9 II 1 der Verordnung v. 18.12.2006. § 9 II 2 der Verordnung v. 18.12.2006. Vgl. § 9 I der Verordnung v. 18.12.2006. Siehe § 126 I 2 Nr. 3 GBO i.V.m. Anlage. Vgl. § 9 I der Verordnung v. 18.12.2006.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen vor74. Daneben enthält er auch eine Regelung über die Verantwortlichkeit für Drittverwahrer. Danach haftet der Verwahrer für deren Auswahl, Instruktion und Überwachung, jedoch nicht für ihre Tätigkeit selbst75. Letzteres Privileg gilt allerdings nicht, wenn die Verwahrungsstelle zur Einschaltung des Drittverwahrers nicht berechtigt war. Es greift außerdem nicht, wenn der Drittverwahrer selbständig und dauernd die gesamte Effektenverwaltung für die Verwahrungsstelle vornimmt oder mit dieser eine wirtschaftliche Einheit bildet76 . Denn in diesem Fall liegt keine Drittverwahrung im echten Sinne des Wortes vor; daher ist der Verwahrer in vollem Umfang verantwortlich wie für eigenes Handeln. Die Haftung der Verwahrungsstelle ist zwingend. Sie kann nur im Verhältnis zwischen den Verwahrungsstellen ausgeschlossen werden77. Allerdings kann sich die Verwahrungsstelle durch Vertrag von der Haftung für einen Drittverwahrer befreien, wenn der Kontoinhaber diese ohne ihre Empfehlung ausgesucht hat78 . Entsprechende Regelungen wie im Schweizer Bucheffektengesetz empfehlen sich auch für das deutsche Recht. Durch sie werden Anreize dafür gegeben, dass der private Registerführer Fehler bei der Organisation und der Verwaltung vermeidet.

4. Verwalter Diese Maßnahmen allein genügen jedoch noch nicht, um den aus der privaten Führung des Registers entstehenden Risiken zu begegnen. Es müssen weitere Vorkehrungen getroffen werden. Besondere Gefahren bestehen dann, wenn große Unternehmen die Aufgabe des Registerführers wahrnehmen. In diesem Fall könnte es vorkommen, dass sich die einzelnen Individuen hinter der Institution verstecken. Dem lässt sich begegnen, indem man die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen auf natürliche Personen überträgt. Vorbild können die Regelungen über das Refinanzierungsregister sein. Sie eignen sich deshalb besonders, weil dieses Register ebenso wie das Register über Finanzinstrumente privat geführt wird. Daher sind sie im Folgenden etwas ausführlicher darzustellen. Nach § 22e I 1 KWG muss für das Refinanzierungsregister eine natürliche Person als Verwalter bestellt werden. Die Bestellung erfolgt durch die BaFin, § 22e II 1 KWG. Das registerführende Unternehmen hat insoweit lediglich ein

74 75 76 77 78

Art. 33 I BEG-E. Art. 33 II BEG-E. Art. 33 IV BEG-E. Art. 33 V BEG-E. Art. 33 III BEG-E.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Vorschlagsrecht. Voraussetzungen für die Ernennung sind die Unabhängigkeit, Zuverlässigkeit und Sachkunde des zu Ernennenden. Der Verwalter hat die Aufgabe, darüber zu wachen, dass das Register ordnungsgemäß geführt wird, § 22g I 1 KWG. Zu diesem Zweck steht ihm gemäß § 22h I KWG die Befugnis zur Einsichtnahme in Bücher und Papiere des registerführenden Unternehmens zu. Von zentraler Bedeutung ist die Bestimmung des § 22 f I KWG, wonach er der BaFin über von ihm beobachtete Unregelmäßigkeiten bei der Registerführung unaufgefordert Mitteilung zu machen hat. Andererseits ist er gemäß § 22 f II KWG nicht an Weisungen der BaFin gebunden, so dass letztere insbesondere keine konkreten Eintragungen veranlassen kann. Das Modell des Verwalters des Refinanzierungsregisters lässt sich ohne Abstriche auch auf das elektronische Register für Finanzinstrumente übertragen. Insbesondere kann die BaFin als Bestellungsbehörde benannt werden. Durch diese Bestimmungen ist ein starker öffentlicher Einfluss auf die Registerführung gesichert.

5. Inhalt Als Mindestinhalt muss das Register Angaben über die Person des Berechtigten sowie die Art und Menge der ihm gehörenden Finanzinstrumente enthalten. Dazu kann man sich am Inhalt des Verwahrungsbuchs nach § 14 DepotG sowie an dem des Schuldbuchs nach dem BSchuWG orientieren. Einzutragen sind der Name des Hinterlegers – möglichst erweitert um andere Identifikationsmerkmale wie zum Beispiel das Geburtsdatum – und die Adresse seines Wohnsitzes. Daneben sind die Art und der Betrag der für ihn verwalteten Finanzinstrumente aufzunehmen. Bei Stückaktien ist statt eines Betrags die Anzahl anzugeben. Zur Identifikation der übertragenen Titel bedarf es eines Hinweises auf den Emittenten und der Eintragung der jeweiligen Stücknummer, die besser „Rechtenummer“ heißen sollte, weil individuelle Stücke nicht mehr ausgestellt werden. Über jede Transaktion ist eine Buchung vorzunehmen. Aus ihr muss das Datum und der Erwerber hervorgehen. Weiter sind Pfandrechte oder Nießbrauchsrechte Dritter zu vermerken. Bestehen ein Haupt- und verschiedene Unterregister, so sind die soeben genannten Angaben über den Inhaber nur im Unterregister erforderlich. Im Hauptregister genügt dagegen die Eintragung des Intermediärs. Wird das Register vom Emittenten geführt, so sind stets die Daten des Berechtigten einzutragen. Auf diese Weise kann weiterhin zwischen Inhaber- und Namenstiteln unterschieden werden. Allerdings ist zu bedenken, dass die Globalurkunden weggefallen sind. Ihr Inhalt ist daher ebenfalls elektronisch an zentraler Stelle zu speichern. Zu diesem Zweck ist ein besonderes Emissionsregister zu erstellen.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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6. Öffentlicher Zugang? Sieht man eine Vermutungswirkung der Buchung zugunsten des Eingetragenen vor, dann scheint es unausweichlich, der Allgemeinheit Einsicht in die verschiedenen Register zu gewähren. So sieht zum Beispiel der Schweizer Entwurf für ein Bucheffektengesetz vor, dass das Register öffentlich sein soll79. Allerdings bestehen gegen diese Lösung Bedenken, weil dadurch jedermann Informationen über die Vermögenssituation anderer Privatpersonen erlangen kann. Diese Informationen ließen sich zu verschiedensten Zwecken ausnutzen. Auch würde der Fiskus Zugriff auf alle Daten haben. Das erscheint untragbar. Man könnte daran denken, wie beim Grundbuch die Auskunft an den Nachweis eines berechtigten Interesses zu knüpfen80 . Doch würde auch dies nicht ausreichen, um die Missbrauchsmöglichkeiten einzudämmen. Denn ein berechtigtes Interesse ließe sich schwerlich verneinen, wenn jemand einfach behauptet, er wolle Finanzinstrumente vom Berechtigten erwerben und sich deshalb über dessen Eintragung vergewissern. Andererseits ist eine Öffentlichkeit des Registers auch nicht erforderlich. Denn unter den heutigen Bedingungen der Effektenverwahrung sind die Eigentumsverhältnisse ebenfalls nicht publik. Wie oben gezeigt, gewährleistet die Besitzkonstruktion der herrschenden Meinung keine Publizität in dem Sinne, dass die Berechtigung an den hinterlegten Titeln der Öffentlichkeit erkennbar wäre. Stattdessen sichert sie nur einen ausgedünnten mittelbaren Mitbesitz zweiter Stufe, der nach außen nicht sichtbar ist. Das hat der Funktionsfähigkeit des Effektenverkehrs keinen Abbruch getan. Der Grund dafür ist, dass sich dieser in einem zentralen Punkt vom Handel mit individuell ausgestellten Wertpapieren unterscheidet: Er läuft weitgehend anonym ab. Schon heute erwerben täglich Tausende von Investoren Finanzinstrumente von anderen, ohne dass ihnen deren Identität bekannt ist. Die Eigentumsstellung des Veräußerers prüfen sie nicht nach. Selbst wenn sie wollten, könnten sie es nicht, da ihnen die Depotbanken keine Auskunft über die Berechtigten geben. Die Inhaberschaft des Veräußernden wird vielmehr durch die eingeschalteten Institutionen überprüft. Sie nehmen nur dann eine Umbuchung vor, wenn ausreichende Titel auf dem Konto des Veräußerers eingetragen sind. Die Prüfung der Berechtigung wird daher nicht mehr vom Erwerber, sondern allein durch die beteiligten Intermediäre vorgenommen; sie ist institutionalisiert. Daher ist eine Sichtbarkeit des Registers nach außen entbehrlich.

79 80

Art. 6 II 2, Halbs. 2 BEG-E. Vgl. § 12 I 1 GBO.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

IV. Die Bedeutung der Eintragung Die Eintragung hat nach dem soeben Gesagten keine Publizitätsfunktion. Sie soll die Rechtsstellung des Veräußerers nicht für den Rechtsverkehr erkennbar machen, sondern lediglich feststellen, ob ein Recht besteht oder nicht. Das wirft die Frage auf, welche Bedeutung ihr zukommt. Diese ist zunächst aus rechtstechnischer und danach aus dogmatischer Sicht zu beantworten.

1. Rechtstechnisch Ganz allgemein gesehen kann die Eintragung in ein Register drei verschiedene Wirkungen haben: Erstens kann sie konstitutiv sein; das heißt, dass ohne sie das eingetragene Recht nicht entsteht oder übertragen wird. Diesem Modell folgt etwa das deutsche Grundbuch. Daneben gibt es auch Register, bei denen die Eintragung lediglich deklaratorische Wirkung hat, indem sie den außerhalb des Registers vollzogenen Rechtsübergang bekundet. Dazu zählt zum Beispiel das Aktienregister nach § 67 AktG. Es enthält die Namen der Aktionäre, die ihre Rechtsstellung bereits vor der Eintragung und unabhängig von ihr erworben haben. Schließlich gibt es Registereinträge, die über die materiellrechtliche Lage überhaupt nichts aussagen. Sie dienen dazu, Mitbewerber auf das Bestehen bestimmter Rechte aufmerksam zu machen, entfalten aber keinen Gutglaubensschutz im Fall der Veräußerung. In diese Kategorie fällt das Markenregister81. Für ein Register über Finanzinstrumente ist offensichtlich, dass es dem ersten Modell folgen muss. Denn es soll gerade Rechtspositionen im Verhältnis zu Dritten zuordnen. Die Funktion der Eintragung in das Register kann sich daher nicht in der deklaratorischen Feststellung der Rechtslage erschöpfen. Vielmehr ist sie für den Erwerb konstitutiv. Das gilt jedenfalls hinsichtlich der rechtsgeschäftlichen Übertragungsvorgänge. Alle anderen Erwerbstatbestände, wie zum Beispiel die Rechtsnachfolge des Erben, können sich außerhalb des Registers vollziehen.

2. Rechtsdogmatisch Offen ist hingegen, welche Funktion der hier vorgeschlagenen elektronischen Registrierung aus dogmatischer Sicht zukommt. Nach einer in der Literatur vertreteten Ansicht soll sie nichts anderes als ein Ersatz für die Ausstellung einer körperlichen Urkunde sein. Man spricht daher auch von einer „elektronischen Verbriefung von Effektenrechten“82 . Nach dieser Konzeption besteht die 81 Zu dieser Aufgabe des Markenregisters McGuire, GRUR 2008, 11 (14), die für das Gemeinschaftsmarkenregister eine weitergehende Funktion annimmt. 82 Vgl. Lütticke, Elektronische Verbriefung von Effektenrechten?, S. 265.

7. Kapitel: Die Entstehung des Finanzinstruments

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Bedeutung der digitalen Speichermedien darin, dass sie die alten Wertpapiere ersetzen. Man hat sie daher auch „Wertbänder“ oder „Wertstreifen“ genannt83, heute müsste man sagen: „Wert-CDs“ oder „Wert-DVDs“. Das ähnelt einer Art neuer Verkörperungstheorie. Sie hat nicht zuletzt in Frankreich nach der dortigen Entmaterialisierung aller Kapitalmarkttitel Anhänger gefunden84. Sie ist jedoch abzulehnen. Die Speicherung ist nicht nur eine modifizierte Verkörperung. Sie tritt nicht als Substitut an die Stelle des Wertpapiers; vielmehr macht sie dieses entbehrlich. Denn unter den heutigen Bedingungen der Digitalisierung von Informationen ist zur Zuordnung der Inhaberschaft des Rechts dessen Sichtbarmachung in einer Urkunde nicht länger erforderlich. Damit bedarf es auch nicht mehr des Bilds des verkörperten Rechts.

83

Lütticke a.a.O., S. 264 f. Siehe dazu Martin, Dalloz 1966, 47–52; Lacour/Bouteron, Précis de Droit commercial I, S. 799. Abl. Nizard, Les titres négociables, S. 301–318. 84

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8. Kapitel

Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr § 20 Übertragung Thema dieses Paragraphen ist die Frage, wie Finanzinstrumente übertragen werden. Dazu ist zunächst ein Blick auf das herrschende sachenrechtliche Modell zu werfen (I) sowie auf abweichende treuhandrechtliche Konstruktionen einzugehen (II). Im Anschluss ist die Bedeutung des Netting und des zentralen Kontrahenten zu beleuchten, die bislang unterschätzt wird (III). Außerdem ist das deutsche Recht auf seine Übereinstimmung mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu untersuchen (IV). In einem Exkurs werden die Pläne der EU für ein einheitliches Clearing erörtert (V). Danach soll ein eigenes Modell der Übertragung entworfen werden (VI). Schließlich sind noch einige besondere Finanzinstrumente zu erörtern, bei denen eine Übertragung nicht notwendig ist (VII).

I. Sachenrechtliches Modell Die herrschende Lehre konstruiert den Erwerb sachenrechtlich. Das Finanzinstrument geht danach grundsätzlich durch Einigung und Übertragung des Besitzes über. Wie sich beide genau vollziehen, ist allerdings heillos umstritten. Zur Illustration sollen hier die problematischsten Punkte dargestellt werden.

1. Einigung Streitig ist bereits die Frage, wie die Einigung zustande kommt. Manche Autoren meinen, die Wertpapiersammelbank gebe ein Angebot auf Übertragung von Wertpapieren ab1. Andere nehmen ein Insichgeschäft der Wertpapiersammelbank an 2 . Überwiegend geht man jedoch davon aus, der Inhaber ermächtige die depotführende Bank gemäß § 185 I BGB zur Verfügung über seine Sammeldepotanteile, und jene gebe aufgrund dieser Ermächtigung ein Angebot im eige1 Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 110–113; Schönle, Bank- und Börsenrecht, S. 299. 2 So vor allem die ältere Literatur, vgl. Cholewa, Der Miteigentumserwerb am Sammeldepot nach dem neuen Depotrecht, S. 20; Erlanger, Eigentumserwerb beim Effektensammeldepot, S. 34.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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nen Namen ab3. Da sich Veräußerer und Erwerber unter den Bedingungen des modernen Effektenverkehrs nicht kennen, erfolge das Angebot „an den, den es angeht“4. Die Erklärung werde von der Wertpapiersammelbank entgegengenommen, wobei wiederum umstritten ist, ob diese als Empfangsbotin oder -vertreterin des Erwerbers fungiert 5. Ebenfalls streitig ist, wie sich die Annahme vollzieht. Eine Ansicht geht davon aus, die Wertpapiersammelbank nehme das Angebot als Stellvertreterin im Namen des Erwerbers an6 . Andere meinen demgegenüber, die Annahme erfolge durch dessen depotführendes Institut mit Wirkung für den, den es angeht; der Zugang der Annahme beim Veräußerer sei gemäß § 151 S. 1, HS 2 BGB entbehrlich, weil dieser konkludent darauf verzichtet habe7.

2. Übergabe Die Streitigkeiten setzen sich hinsichtlich der Frage fort, wie die Übergabe als weitere Voraussetzung der Übereignung erfolgt. Eine Auffassung geht von einer Übereignung nach § 930 BGB durch Vereinbarung eines neuen Besitzmittlungsverhältnisses aus8 . Eine andere nimmt einen Erwerb nach § 931 BGB durch Abtretung des Herausgabeanspruchs gegen die Wertpapiersammelbank an9. Eine weitere Ansicht hält die Übergabe für entbehrlich und arbeitet mit einer Übereignung kurzer Hand gemäß § 929 S. 2 BGB10 . Dagegen konstruieren die Rechtsprechung11 und die herrschende Lehre12 den Eigentumsübergang nach 3 Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, S. 45 f.; Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2017; Einsele, WM 2001, 7 (12); Heinsius/Than/Horn, DepotG, § 6 Rdnr. 84; Kümpel, Rdnr. 11.371; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 406 Anh. Rdnr. 321. 4 Heinsius/Than/Horn a.a.O.; Schlegelberger/Hefermehl a.a.O., Rdnr. 325; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 48–57. 5 Dazu Einsele a.a.O., S. 59–64 m.w.Nachw. 6 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2019; Einsele, WM 2001, 7 (12); Heinsius/Than/Horn, DepotG, § 6 Rdnr. 84; Koller, DB 1972, 1857 (1858). 7 Horn, WM 2002 Sonderbeil. Nr. 2, S. 11; Kümpel, Rdnr. 11.375. 8 Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 110–113; Schönle, Bank- und Börsenrecht, S. 299. 9 Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, S. 62; Zöllner, in: FS Raiser, S. 249 (266). 10 Erlanger, Eigentumserwerb beim Effektensammeldepot, S. 33. Ebenso Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 97, allerdings nur unter der Bedingung, dass der Erwerber bereits vor der Übertragung Inhaber eines Sammeldepotanteils der entsprechenden Wertpapierart war (ansonsten Erwerb nach § 929 S. 1 BGB). Weitere Nachweise aus dem älteren Schrifttum bei Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2020, Fußn. 244. 11 BGH, Urt. v. 4.2.1999 – III ZR 56/98, NJW 1999, 1393; Beschl. v. 16.7.2004 – IX a ZB 24/04, BGHZ 160, 121 (124). 12 Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8, Anm. 26; Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2020; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 35; Koller, DB 1972, 1857 (1859 Fußn. 35); Kümpel, Rdnrn. 11.347–11.350; Mentz/Fröhling, NZG 2002, 201 (206); Karsten Schmidt,

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3. Teil: Das Finanzinstrument

§ 929 S. 1 BGB. Die „Übergabe“ sehen sie darin, dass die Wertpapiersammelbank auf Anweisung des Veräußerers das Besitzmittlungsverhältnis auf die Bank des Erwerbers umstellt.

3. Einwände Allen diesen Lösungen haftet das Odium des Künstlichen an. Sie wirken abstrakt und der Realität des Effektengiroverkehrs aufgezwungen. Das kann kaum verwundern. Die Vorschriften zur Übereignung sind von zwei fundamentalen Prinzipien beherrscht: der Publizität und der Bestimmtheit. Beide passen nicht auf den Handel mit Finanzinstrumenten. Übertragungen werden dort in nicht äußerlich erkennbarer Weise vollzogen. Sie beziehen sich auch nicht auf einen bestimmten Gegenstand, sondern auf einen Anteil. Letzterer ist eine bloße Rechengröße, das heißt er ist weder individualisiert noch greifbar. Nach alledem ist es nicht erstaunlich, dass die herrschende Auffassung enorme Schwierigkeiten hat, die Realität des Effektengiroverkehrs mit Hilfe des sachenrechtlichen Modells zu erfassen. Es rächt sich an dieser Stelle die Lebensfremdheit der Besitzkonstruktion, die bereits kritisiert wurde13. Aus der Abstraktheit der herrschenden Lehre folgt aber noch ein weiteres Manko: die außerordentliche Kompliziertheit der Übertragung. Ein vergleichsweise simpler Vorgang wie die Veräußerung einer Aktie löst ein Geflecht von sachenrechtlichen Folgen aus. Besitzmittlungsverhältnisse zwischen Verwahrer und Hinterleger werden beendet, neue mit dem Erwerber begründet. Mit den realen Verhältnissen hat das wenig zu tun. Jeder Anleger wäre verwundert, wenn man ihm erklären würde, welch ungeahnte Folgen sein Veräußerungswunsch auslöst. Selbst die Experten sind uneins, wie genau denn eigentlich ein Finanzmarktprodukt übertragen wird. Wieder einmal zeigt sich, dass der Preis juristischer Abstraktion der Streit unter den Gelehrten ist. Daraus resultiert der unhaltbare Zustand, dass in Deutschland, einer führenden Industrienation, bis heute nicht geklärt werden konnte, auf welche Weise Finanzinstrumente bei einer Veräußerung übergehen.

II. Treuhandmodelle Als Alternative zur herkömmlichen sachenrechtlichen Konstruktion sind andere Konzepte entwickelt worden, denen zufolge die Depot- und die Wertpapiersammelbank als Treuhänder der ihnen anvertrauten Produkte anzusehen in: MünchKomm-BGB, § 747 Rdnr. 21; Wolter, Effektenkommission und Eigentumserwerb, S. 301 f., 309. 13 Siehe o. S. 368 f.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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sein sollen14. Der Hinterleger erhält danach die Stellung als Treugeber. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten ist zwischen verschiedenen Arten der Treuhand zu unterscheiden.

1. Ermächtigungstreuhand In der Literatur ist wiederholt vorgeschlagen worden, die Figur der Ermächtigungstreuhand für die Rechtsübertragung im Effektenverkehr heranzuziehen15. Bei ihr bleibt der Treugeber Inhaber der Titel; er ermächtigt den Treuhänder lediglich, über diese zu verfügen. Die Einzelheiten sind kompliziert; hier sollen nur die wesentlichen Züge dargelegt werden. Die Konstruktion hat zum Ziel, dem Hinterleger in der Sammelverwahrung das Eigentum an den Effekten vorzubehalten. Das wird dadurch erreicht, dass man die Wertpapiersammelbank lediglich als zur Verfügung ermächtigt im Sinne des § 185 BGB ansieht. Sie wird trotz der Einlieferung nicht Vollrechtsinhaberin. Eigentümer bleibt vielmehr der Hinterleger, dem in der Insolvenz der Sammelbank ein Aussonderungsrecht nach § 47 S. 1 InsO zusteht und der sich gegen die Zwangsvollstreckung durch deren Gläubiger mit der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO wehren kann. Er allein ist Rechtsinhaber. Mit anderen Worten: Durch die physische Herrschaft der Wertpapiersammelbank an der Urkunde soll sich an der Zuordnung des verbrieften Rechts zum Hinterleger nichts ändern. Der Besitz wird damit seiner allbestimmenden Rolle für die Berechtigung entkleidet. Ein Problem dieser Auffassung ist, dass sie zum traditionellen Recht der Treuhand in Widerspruch steht. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit, von welchem die herrschende Meinung die Drittwiderspruchsklage und das Aussonderungsrecht abhängig macht16 , ist im Effektengiroverkehr regelmäßig nicht erfüllt, da die Verwahrstelle die Titel meist durch Einkaufskommission für den Hinterleger erwirbt17. Sie erhält die Rechte damit nicht unmittelbar vom Treugeber selbst, sondern von einem Dritten. Das ist jedoch im Ergebnis unproblematisch, da das Unmittelbarkeitserfordernis ohnehin an so vielen Stellen durch Ausnahmen durchbrochen wird, dass die Literatur seine Geltung insgesamt in Frage stellt18 . 14 In diesem Sinne z.B. Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2036; Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr, S. 59; Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 92; Opitz, DepotG, §§ 6–8 Anm. 14 und 17. 15 Siehe Körner, Die Entstückung des Effektenwesens nach dem Rechtsmodell der Sammelschuldbuchforderung, S. 83–93; Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 431; Peters, Wertpapierfreies Effektensystem, S. 124–142. 16 Vgl. statt aller Palandt/Bassenge, § 903 Rdnr. 41. 17 Siehe o. S. 25 f. 18 Siehe Canaris, FS Flume I, S. 371 (411–414); Soergel/Leptien, Vor § 164 Rdnr. 56 m.w.Nachw.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Ein bedeutsameres Hindernis erwächst jedoch aus der Tatsache, dass das Rechtsinstitut der Treuhand in Deutschland nicht kodifiziert ist. Ihre Wirkungen ergeben sich nicht aus dem Gesetz und sind im Einzelnen umstritten. Die Theorie der treuhandrechtlichen Organisation des Effektenverkehrs steht damit auf schwachen Füßen19. Das ließe sich ändern, wenn man sie gesetzlich niederlegte. Dies hat der Staat für seine eigenen Schulden getan: Wie oben gesehen, können der Bund und seine Sondervermögen an den Finanzmärkten übliche Finanzierungsinstrumente ohne die Ausstellung von Urkunden durch bloße Eintragung in das Bundesschuldbuch emittieren20 . Das daraus entstehende Rechtsverhältnis ist nach dem Modell der Treuhand ausgestaltet. Als Gläubiger der entkörperten Effekten ist gemäß § 6 I BSchuWG eine Wertpapiersammelbank einzutragen. Deren Stellung wird in § 6 II 4 BSchuWG dahingehend beschrieben, dass sie die Forderung zugunsten der Gläubiger „treuhänderisch“ verwaltet, „ohne selbst Berechtigte der Sammelschuldbuchforderung zu sein“. Sie ist danach zwar nicht Inhaberin der von ihr verwalteten Rechte, aber zur Verfügung über diese befugt. So kann sie beispielsweise nach § 6 VII 1 BSchuWG vom Schuldner die Rückzahlung des Kapitals und die Zahlung der Zinsen verlangen. Umgekehrt wird nach § 6 VII 2 BSchuWG der Schuldner durch Zahlung an die im Schuldbuch eingetragene Wertpapiersammelbank von seiner Verpflichtung frei. Der Gesetzgeber wählt also die Konstruktion als Ermächtigungstreuhand, die in der Literatur auch für den privaten Effektenverkehr vorgeschlagen wird, und kodifiziert sie. Der wichtigste Einwand gegen das Modell der Ermächtigungstreuhand besteht allerdings darin, dass es Nachteile für den Anleger zur Folge haben kann. Denn nach allgemeiner Meinung sind Verfügungen des Treuhänders, die den Interessen des Treugebers zuwiderlaufen, wirksam 21. Das Bundesschuldenwesengesetz enthält keine Vorkehrungen gegen treuwidrige Verfügungen. Auch im Effektengiroverkehr kann der Treuhänder – der regelmäßig eine Bank und damit Kaufmann ist – gemäß § 366 HGB einem Dritten, der an seine Ermächtigung zur Veräußerung glaubt, das Vollrecht an den ihm zur Verwahrung übertragenen Gegenständen verschaffen. Das Problem der Ermächtigungstreuhand ist daher, dass der Treugeber im deutschen Recht – anders als im angelsächsischen Recht – nicht gegen treuwidrige Verfügungen des Treuhänders geschützt ist 22 . Dieses Risiko wird man bei der Verwaltung von Bundesschulden wegen der hier getroffenen besonderen institutionellen Vorkehrungen noch hinnehmen können, auch wenn es nicht ganz unproblematisch ist. Wenn man das Modell hingegen auf unkörperliche Effekten allgemein übertrüge, wären die Folgen fa19

Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 48. Siehe o. S. 37 ff. 21 BGH, Urt. v. 4.4.1968 – II ZR 26/67, NJW 1968, 1471; Coing, Die Treuhand kraft privaten Rechtsgeschäfts, S. 161–163. 22 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 570. 20

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tal. Zwar ist richtig, dass private Depotbanken die ihnen eingeräumte Stellung in der Regel nicht missbrauchen. Auch Fälle der irrtümlichen Buchung sind in der Praxis äußerst selten. Ganz unwahrscheinlich sind sie jedoch nicht. Angesichts der Werte, um die es geht, können selbst einzelne Missbräuche oder Fehler riesige Schäden verursachen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei der Verwaltung fremden Vermögens das Vertrauen eine entscheidende Rolle spielt. Selbst die geringe Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs oder Irrtums kann daher den papierlosen Effektengiroverkehr zusammenbrechen lassen. Beide müssen daher eliminiert werden. Die Konstruktion der Ermächtigungstreuhand ist dazu nicht geeignet. Darüber hinaus erscheint es auch unnötig, die Wertpapiersammelbank als Inhaberin der Effekten anzusehen. Sie erhält damit mehr an Rechten, als sie zur Ausübung ihrer Aufgaben benötigt. Im Grunde genügt es, sie lediglich als eine Stelle anzusehen, welche die von ihr verwalteten Titel bucht. Das Vollrecht muss sie nicht innehaben. Weder sollte sie zu einer rechtsgeschäftlichen Verfügung berechtigt sein, noch die Rechte aus den Titeln ausüben können. Andernfalls hätte sie eine zu große Machtfülle. Um dies zu vermeiden, verzichtet zum Beispiel der italienische Gesetzgeber ganz bewusst auf die Kennzeichnung des Zentralverwalters als Treuhänder23.

2. Fiduziarische Treuhand Wegen der Mängel der Ermächtigungstreuhand hat Dorothee Einsele vorgeschlagen, den Effektengiroverkehr nach den Grundsätzen der sogenannten fiduziarischen Treuhand zu organisieren24. Die Wertpapiersammelbank würde danach Vollrechtsinhaberin, bliebe aber gegenüber dem Hinterleger schuldrechtlich gebunden. Auf einen Schutz gegen treuwidrige Verfügungen will Einsele verzichten, da er ja auch nach der herrschenden Meinung nicht gegeben sei25. Eine gewisse Sicherung soll der Hinterleger durch die Gutschrift erlangen, die ihm von Seiten des depotführenden Instituts ausgestellt wird. Diese sei als abstraktes Schuldversprechen anzusehen26 . Den Erwerber von Effekten will Einsele in Anlehnung an die Überweisung im Zahlungsverkehr schützen: Einwendungen ihm gegenüber wären nach der Gutschrift durch die Wertpapiersammelbank ausgeschlossen 27. Einseles Konstruktion überzeugt jedoch nicht. Zu kritisieren ist insbesondere, dass sie auf einen vermögensrechtlichen Schutz des Hinterlegers gegen 23

Siehe o. S. 68. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 545–596. Siehe auch dies., in: Baums/Cahn, Die Zukunft des Clearing und Settlement, S. 3 (15–28). 25 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 570. 26 Einsele a.a.O., S. 563. 27 Einsele a.a.O., S. 563–570. 24

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3. Teil: Das Finanzinstrument

treuwidrige Verfügungen der Wertpapiersammelbank oder des depotführenden Instituts von vornherein verzichtet. Damit ist das oberste Ziel aller bisherigen Konstruktionen des Effektenverkehrs, dem Anleger eine rechtssichere Stellung einzuräumen, aufgegeben. Eine Verschärfung der staatlichen Aufsicht, wie sie Einsele anregt, vermag die genuin zivilrechtliche Aufgabe des Schutzes der Hinterleger nicht zu erfüllen. Auch der von Einsele angenommene Einwendungsausschluss ist nicht ausreichend für den Anlegerschutz. Um die Inhaberschaft an den verwalteten Rechten in der Insolvenz der Sammelbank geltend machen zu können, bedarf er einer Position, die dem Eigentum vergleichbar ist. Insoweit wird die Abweichung zum Zahlungsverkehr bedeutsam 28 . In diesem hat der Kunde nur eine Forderung gegen die Bank, der er sein Geld anvertraut; er ist deren Gläubiger und kann sich in der Insolvenz nicht auf sein Eigentum berufen. Ganz anders im Effektengiroverkehr: Hier werden Rechte übertragen, die nicht gegenüber der depotführenden Bank bestehen, sondern gegenüber Dritten, wie beispielsweise das Recht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft. Diese Rechte sind dem Inhaber als gegenwärtiges Vermögen zugeordnet. Er darf annehmen, dass sie ihm auch im Fall der Insolvenz der Bank zustehen. Daher bedarf er eines eigentumsgleichen Schutzes. Der Zweck des Depotgesetzes liegt gerade darin, ihm ein solches absolutes Recht an den verwahrten Effekten zu gewähren29. Diesen Schutz würde er durch die Konstruktion der fiduziarischen Treuhand verlieren.

3. Bewertung Die treuhandrechtlichen Modelle sind insgesamt nicht geeignet, das Wertpapier entbehrlich werden zu lassen. Sie vermitteln dem Anleger keine hinreichend geschützte Rechtsstellung, denn die von ihnen bereit gehaltenen Mechanismen sind dem Eigentum unterlegen. Sie stellen daher keinen tauglichen Ersatz für das Sachen- und Wertpapierrecht dar.

III. Bedeutung des Netting und des Zentralen Kontrahenten Der Übergang ist grundsätzlich anders als bislang angenommen zu konstruieren. Dabei ist von den reellen Phänomenen auszugehen, welche die herrschende Lehre vernachlässigt. Im modernen Effektengiroverkehr werden Finanzinstrumente nicht mehr durch Anweisung an die Wertpapiersammelbank übertragen. Viel28

Dazu bereits o. S. 256 f. Siehe o. S. 23 f. Ebenso Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 179. 29

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mehr wird eine Clearingstelle vorgeschaltet. Ihre Aufgabe ist es, die jeweiligen Berechtigungen und Verpflichtungen der Vertragsparteien gegeneinander festzustellen30 . Dies kann im Brutto- oder Nettoverfahren geschehen. Beim Bruttoverfahren werden die Rechte und Pflichten einzeln festgestellt. Effizienter ist das Nettoverfahren, das heute üblich ist. Bei ihm verrechnet man die Ansprüche und Verpflichtungen, welche alle am Clearing teilnehmenden Depotbanken gegeneinander haben31. Man bezeichnet diese Technik auch als Netting32 . Nur die nach der Verrechnung verbleibenden überschießenden Ansprüche – die sogenannten Spitzen – werden durch Übertragung von Instrumenten erfüllt. Auf diese Weise gelingt es, die Zahl der notwendigen Übertragungen erheblich zu verringern. Zu dieser Neuerung im Effektengiroverkehr ist in jüngerer Zeit die Einschaltung des Zentralen Kontrahenten getreten33. Er wird Partner aller Verträge; für jeden Kauf oder Verkauf schließt er ein deckungsgleiches Parallelgeschäft ab. Damit hat sich der Effektenverkehr gewandelt: Aus einer dezentralen Struktur ist eine zentralisierte Organisationsform geworden.

1. Anwendung der Besitzkonstruktion Welche Auswirkungen das Netting und die Einschaltung des Zentralen Kontrahenten auf die rechtliche Konstruktion der Übertragung haben, ist bislang nicht hinreichend geklärt. Norbert Horn hat die mit diesen Neuerungen verbundenen Fragen in einem umfassenden Gutachten untersucht34. Er vertritt die Auffassung, dass trotz der Änderung der Rechtstatsachen die bisherige Erklärung des Effektengiroverkehrs nicht grundlegend geändert werden müsse. Die sachenrechtlichen Fragen der Eigentumsverschaffung ließen sich mit Hilfe der Regeln beantworten, die schon bislang galten 35. Die Wertpapiersammelbank sei weiterhin als unmittelbare Besitzerin der Bestände von Wertpapieren einschließlich der Globalurkunden anzusehen. Diese wolle sie nicht zu Eigentum erwerben. Vielmehr verwahre sie sie für die Clearingmitglieder, welche auf den von ihr geführten Depotbeständen ausgewiesen sind36 . Letztere mittelten den Besitz an ihre Kunden weiter.

30

Siehe dazu o. S. 51. Kümpel, Rdnr. 11.383; Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 230; für Zahlungssysteme siehe Langenbucher, in: Beiträge für Claus-Wilhelm Canaris zum 65. Geburtstag, S. 65 (66 f.). 32 Siehe o. S. 51. 33 Siehe o. S. 51 f. 34 Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2. Ihm folgt bis auf wenige, hier nicht interessierende Abweichungen Kümpel, Rdnrn. 11.376–11.391. 35 Horn a.a.O., S. 17. 36 Horn a.a.O., S. 17 f. 31

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3. Teil: Das Finanzinstrument

2. Disparität des Besitzmittlungswillens der Sammel- und Depotbanken Allerdings ergibt sich eine Modifikation zum bisherigen Zustand daraus, dass nunmehr die Wertpapiersammelbank nur noch in einen Teil der Übertragungsvorgänge eingeschaltet ist. Nach dem neuen System werden dem Zentralverwahrer lediglich die nach dem Netting verbleibenden Spitzen und die zu ihrem Ausgleich erforderlichen Transaktionen mitgeteilt. Nur insoweit ändert dieser auch seinen Besitzmittlungswillen. Der Rest der Übertragungen vollzieht sich dagegen ohne Beteiligung des Zentralverwahrers durch bloße Änderung des Besitzmittlungswillens der Clearingmitglieder. Es kommt damit zu einer „Disparität“ zwischen der Änderung des Besitzmittlungswillens der Wertpapiersammelbank und derjenigen der Zwischenverwahrer37. Nach Horn ist dieser Besonderheit nur geringe Bedeutung beizumessen. Als Begründung führt er an, dass eine Mitwirkung der Wertpapiersammelbank als Besitzmittler erster Stufe an der Übertragung nicht notwendig sei. Vielmehr genüge es für eine Übergabe im Sinne des § 929 S. 1 BGB, wenn der Besitzmittler zweiter Stufe, das heißt die Depotbank, ihren Besitzwillen ändere. Irgendwelche Einzelheiten über die Frage, für wen er besitze, brauche der Besitzmittler erster Stufe nicht in seinen Willen aufzunehmen38 .

3. Folgen Entgegen der Ansicht Horns sind die Folgen für die Übertragung von Effekten weitreichend. Bislang diente die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses seitens der Wertpapiersammelbank als Begründung dafür, dass der Erwerber tatsächliche Sachherrschaft in Form mittelbaren Mitbesitzes an der Globalurkunde erlangt. Nunmehr wird die Mehrheit der Übertragungsvorgänge zwischen dem Zentralen Kontrahenten und den Depotbanken abgewickelt. Die Sammelbank wird nicht informiert. Die Masse der materiellrechtlichen Veränderungen vollzieht sich damit an ihr vorbei. Die Zuordnung der Vermögenswerte geschieht allein durch die Änderung des Besitzmittlungswillens der Depotbanken. Auf diese Weise können Millionen von Finanzinstrumenten an neue Inhaber übertragen werden, ohne dass die Wertpapiersammelbank davon auch nur das Geringste erfährt. Damit ist es zu einer fundamentalen Änderung des Effektengiroverkehrs gekommen. Die Wertpapiersammelbank hat ihre frühere zentrale Stellung in den Erwerbsvorgängen verloren. Sie dient nur noch als eine Art letztes Ressort, an die lediglich Veränderungen in den Spitzenpositionen zwischen den Banken gemeldet werden.

37 38

Horn a.a.O., S. 18. Horn a.a.O., S. 18 f.

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Das hat auch sachenrechtliche Auswirkungen. Zur Illustration möge das folgende Beispiel dienen: Beauftragt der Kunde A seine Depotbank X mit der Veräußerung von Aktien seines Depots und verlangt der Kunde B der Depotbank Y genau solche Titel, so führt dies nicht mehr notwendig zu einer Übertragung zwischen den Banken. Vielmehr werden zunächst weitere Geschäfte über die Börse geschlossen. Dabei mag ein anderer Kunde der Depotbank Y, der C, Aktien derselben Gattung in gleicher Zahl veräußern und ein Kunde D der Bank X dieselbe Menge derselben Titel erwerben wollen. Am Ende des Abrechnungszyklus werden die Positionen der Banken durch den Zentralen Kontrahenten im Wege des Netting miteinander verrechnet. Da sich die Übertragung der Aktien von A auf B und von C auf D decken, bedarf es keines Transfers von Titeln zwischen X und Y. Der Einfluss von Netting und Zentralem Kontrahenten ist daher folgender: Sie machen die sachenrechtliche Übertragung von Finanzinstrumenten weitgehend überflüssig. Für die große Masse der Erwerbs- und Veräußerungsvorgänge entfällt die Notwendigkeit der Einschaltung der Wertpapiersammelbank. Werden die Ansprüche eines Clearingmitglieds gegen ein anderes aufgerechnet, so kommt es nicht zu einer Übertragung zwischen den Depotbanken. Die Tätigkeit des Zentralen Kontrahenten hat daher keine vermögensrechtlichen Auswirkungen. Ihm werden zwar die Kaufs- und Verkaufswünsche der Kunden gemeldet. Er nimmt aber keine sachenrechtlichen Übertragungen vor, sondern sorgt lediglich für die Aufrechnung der gegenseitigen Ansprüche der Kreditinstitute. Es handelt sich dabei um einen schuldrechtlichen Ausgleich. Anderer Ansicht ist namentlich Eva Micheler. Sie will den Vorgängen innerhalb der Zentralen Vertragspartei Bedeutung für die Eigentumslage einräumen, weil es dort „wirtschaftlich betrachtet“ zu einer Vermögensverschiebung käme39. Dabei verwechselt sie jedoch die wirtschaftliche mit der rechtlichen Ebene. Der Zentrale Kontrahent kann die Vermögensrechte nicht neu zuordnen, denn zu einer Verfügung über die durch die depotführenden Institute verwalteten Rechte ist er nicht ermächtigt. Er kann lediglich deren Positionen untereinander aufrechnen. Damit aber nimmt er keine Titelübertragung im rechtlichen Sinn vor, sondern macht diese entbehrlich. Wichtig ist nun, wie die Banken die im Rahmen des Netting verrechneten Ansprüche ihrer Kunden befriedigen. Dies geschieht dadurch, dass Umbuchungen innerhalb des Instituts vorgenommen werden. Im soeben genannten Beispiel würde X den Anspruch ihres Kunden D erfüllen, indem sie die Bestände des A reduziert und die des D entsprechend erhöht; Y würde den Anspruch ihres Kunden B erfüllen, indem sie das Wertpapierkonto des C belastet und dem D die Position gutschreibt. Verfügt die Bank selbst über Berechtigungen an der bestellten Art von Finanzinstrumenten, kann sie auch diese verwenden. 39

Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 201 f.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Das depotführende Institut überträgt dem Erwerber also Titel aus eigenen Beständen oder denen seiner eigenen Kunden. Es handelt sich um eine sogenannte „Hausübertragung“. Rechtstechnisch vollzieht sie sich folgendermaßen: Nach herrschender Meinung ist die Bank gemäß § 185 I BGB als ermächtigt anzusehen, eine Übertragung zulasten des Veräußerers vorzunehmen40 . Gleichzeitig ist sie Stellvertreterin des Erwerbers41. Die „Übergabe“ erfolgt durch die Umstellung ihres Besitzmittlungswillens vom Veräußerer auf den Erwerber42 . Dadurch hat die Bank die Möglichkeit, die Konten innerhalb des eigenen Hauses umzuorganisieren. Hinsichtlich der Übereignung nach § 929 S. 1 BGB bereitet eine „Hausübertragung“ kaum Probleme. Anders verhält es sich jedoch mit dem Erwerb vom Nichtberechtigten. Dieser ist nicht möglich, weil die Depotbank sowohl als Verfügende als auch als Stellvertreterin des Erwerbers auftritt. Die Einzelheiten sind an anderer Stelle darzulegen43. Hier genügt die Feststellung, dass bei Anwendung der sachenrechtlichen Konstruktion auf das Netting gravierende Mängel auftreten: Weil der Erwerb vom Nichtberechtigten bei der Hausübertragung ausgeschlossen ist, kann der Kunde in den praktisch weit überwiegenden Fällen bei gutem Glauben kein Eigentum erlangen, soweit die übertragenen Titel nicht durch ein anderes Konto gedeckt sind.

IV. Europäische Perspektive Bislang wurde die herrschende Konstruktion der Übertragung von Finanzinstrumenten ausschließlich aus Sicht des deutschen Rechts kritisiert. Aus der Perspektive des europäischen Rechts kommen weitere Einwände hinzu.

1. Rechtsvergleich Die meisten Rechtsordnungen der EG-Mitgliedstaaten kennen die Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen durch abstrakten dinglichen Einigungsvertrag und Übergabe nicht. Der Eigentumsübergang vollzieht sich nach ihnen auf andere Weise. Entweder wird ein Rechtsgrund und ein Übertragungstatbestand verlangt, wie zum Beispiel im spanischen Recht (título y modo), oder es genügt der Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags, wie etwa im französischen Recht44. Aus diesem Grund bestehen im Fall der Einführung eines 40

Siehe o. S. 388 f. Ebenda. 42 Vgl. o. S. 389 f. 43 Siehe dazu u. S. 425 f. 44 Vgl. Art. 609 spanischer Código civil; Art. 1138 II französischer Code civil. Vergleichend zum Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen in den Rechtsordnungen der EU41

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europäischen Effektensystems kaum Aussichten, dass man sich auf die Anwendung der deutschen Grundsätze über den Eigentumsübergang bei beweglichen Sachen einigen könnte.

2. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben: Finalitätsrichtlinie Darüber hinaus ist die Anwendung des Sachenrechts auf den Effektenverkehr bereits de lege lata bedenklich. Denn die Konstruktion der Übertragung der Inhaberschaft an Finanzinstrumenten steht längst nicht mehr im Belieben des deutschen Gesetzgebers. Vielmehr hat er Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu beachten, die eine bestimmte Ausgestaltung erzwingen. Anforderungen an die Übertragung von Finanzinstrumenten finden sich in der Finalitätsrichtlinie45. Da sie bereits aus dem Jahre 1998 stammt, benutzt sie noch den alten Begriff des Wertpapiers. Inhaltlich versteht sie ihn aber weiter als die überkommene Lehre und nähert ihn bereits dem des Finanzinstruments an46 . Artikel 3 I der Finalitätsrichtlinie schreibt den Mitgliedstaaten vor, dass sie Übertragungsaufträge und Aufrechnungen („netting“) in Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen rechtlich verbindlich auszugestalten haben. Zwar bezieht sich die Bestimmung scheinbar auf die besondere Situation des Insolvenzverfahrens. Dass sie nicht auf sie beschränkt ist, ergibt sich indessen aus dem Wörtchen „auch“ – französisch „même“, englisch „even“. Die Insolvenz ist also lediglich ein Sonderfall. Die Vorschrift gilt nicht nur für sie, sondern für die Verbindlichkeit von Aufträgen zur Übertragung und von Aufrechnungen allgemein47. Vorgeschrieben wird, dass Übertragungsaufträge „rechtlich verbindlich“ sein müssen. Artikel 5 fügt hinzu, dass ein solcher Auftrag „von dem in den Regeln des Systems bestimmten Zeitpunkt an weder von einem Teilnehmer an einem System noch von einem Dritten widerrufen werden“ kann. Daraus folgt zunächst, dass die Möglichkeit des Kunden, einen Übertragungsauftrag rückgängig zu machen, ausgeschlossen werden muss. Doch würde eine nationale Vorschrift der Rechtsgeschäftslehre, die ihm den Widerruf verbietet, zur UmMitgliedstaaten Lurger/Faber, National Reports on the Transfer of Movables; dies., Rules for the Transfer of Movables: a Candidate for European Harmonisation or National reforms?. Zu den historischen Hintergründen Rodríguez-Rosado, Abstraktionsprinzip und redlicher Erwerb als Mittel zum Schutze des Rechtsverkehrs, S. 45–54. 45 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABlEG Nr. L 166 v. 11.6.1998, S. 45. 46 Dies folgt aus dem Verweis des Art. 2 lit. h der Finalitätsrichtlinie auf Anhang B der Wertpapierdienstleitungsrichtlinie 93/22/EWG. Dort sind neben den Wertpapieren eine Reihe weiterer Finanzinstrumente genannt, z.B. Geldmarktinstrumente, Futures, Zins-, Devisen- und equity swaps sowie gewisse Optionen. 47 Ebenso Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 228.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

setzung der Ziele der Richtlinie nicht genügen. Das folgt schon daraus, dass Artikel 3 I der Richtlinie neben der Unwiderruflichkeit des Übertragungsauftrags auch die der Aufrechnung beim Netting verlangt. Auf letztere hat der Einzelne jedoch gar keinen Einfluss. Ein „Widerruf“ im klassischen Sinn ist hier nicht möglich. Darüber hinaus verlangt die Richtlinie nicht nur die Unwiderruflichkeit, sondern schreibt außerdem vor, dass der Überweisungsauftrag ebenso wie das Netting „Dritten gegenüber wirksam“ ist. Als Dritter im Sinne der Vorschrift sind alle Personen anzusehen, die nicht Teilnehmer des Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems sind. Dazu gehören zum Beispiel die Gläubiger des Anlegers, der den Übertragungsauftrag gegeben hat. Dieser selbst ist lediglich „indirekter Teilnehmer“. Die Richtlinie stellt es den Mitgliedstaaten frei, die Wirkungen auch auf ihn zu erstrecken48 . Sollten sie dies tun, so müssen Übertragungsauftrag und Netting ihm gegenüber rechtlich verbindlich ausgestaltet werden. Soweit sie dagegen von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch machen, ist er Dritter und beide müssen ihm gegenüber wirksam sein. Was aber bedeutet die Forderung der Richtlinie, dass Überweisungsauftrag und Netting den Dritten gegenüber „wirksam“ sein müssen? Der Wortlaut ist insoweit nicht eindeutig. Daher sind neben der grammatikalischen weitere Interpretationsmethoden heranzuziehen. Zunächst zur historischen Auslegung: Schon der Richtlinienvorschlag der Kommission vom 30. Mai 1996 zielte darauf ab, das Netting in allen Mitgliedstaaten Dritten gegenüber verbindlich sein zu lassen. Wörtlich heißt es dort: „Mit dieser Richtlinie soll sichergestellt werden, daß das Netting in allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten rechtlich durchsetzbar und für Dritte verbindlich ist.“49

Auch der Zweck der Richtlinie liefert näheren Aufschluss. Gemäß ihrem ersten Erwägungsgrund soll sie dazu dienen, die rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit der Teilnahme an Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen zu verringern. Das größte Risiko besteht darin, dass Buchungen später rückgängig gemacht oder nicht anerkannt werden. Wiederum sind die Erwägungsgründe des Kommissionsvorschlags hilfreich: „Die Vermeidung von Systemrisiken setzt insbesondere die Endgültigkeit der Abrechnung und die garantierte Verwertbarkeit von Sicherheiten voraus.“50

Später hat man die Formulierung der „Endgültigkeit“ in „rechtlich verbindlich“ abgeschwächt, zweifellos deshalb, weil die Abrechnung niemals endgültig 48

Vgl. Art. 2 lit. f der Richtlinie. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Endgültigkeit der Abrechnung und die Stellung von Sicherheiten in Zahlungssystemen, KOM(96) 193 endg., Ewgr. 6. 50 Komission a.a.O., Ewgr. 2. 49

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ist, sondern fortlaufend erfolgt. Der Ausdruck „Endgültigkeit“ ist trotzdem nützlich, wenn man ihn entsprechend eingeschränkt versteht. Daher kann das wichtigste Ziel der Richtlinie so formuliert werden: Die innerhalb eines Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems erfolgten Aufrechnungen sollen mit einer gewissen Endgültigkeit ausgestattet sein. Eine solche Endgültigkeit wäre nicht nur dadurch beeinträchtigt, dass der Einzelne einen Überweisungsauftrag widerruft, sondern auch dann, wenn eine infolge der Aufrechnung getroffene Buchung zurückgenommen würde, ohne dass dem ein Widerruf zugrunde liegt. Auch diese Art der Rückgängigmachung der Aufrechnung würde die Rechtsstellung Dritter betreffen und damit das Systemrisiko erhöhen. Folglich verlangt die Richtlinie, dass nicht nur Übertragungsaufträge, sondern auch alle im System getroffenen Buchungen unwiderruflich sind, und zwar gerade im Verhältnis zu Nicht-Teilnehmern51. Notwendig ist daher eine endgültige, universale Wirksamkeit von Übertragung und Aufrechnung. Das erinnert an die Endgültigkeit und Allseitigkeit der Zuordnung im Sachenrecht. Für diese Parallele spricht auch, dass die Wirkungen der Finalitätsrichtlinie vor allem auf vermögensrechtlichem Gebiet liegen: Sie soll die Wirksamkeit der Zuordnung von Anlagewerten sicherstellen. Diese erfolgt in modernen Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem durch Übertragungsauftrag und Aufrechnung. Es handelt sich um einen technischen Mechanismus zur Verwaltung fremden Vermögens. Im Inneren des Systems werden Rechtspositionen festgestellt und neu zugeordnet. Dessen Funktionsfähigkeit soll die Finalitätsrichtlinie sichern. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat es jedoch vermieden, die vermögensrechtlichen Effekte mit Termini wie „Sachenrecht“ oder „Vermögensrecht“ zu umschreiben. Stattdessen verlangt er lediglich, der Auftrag und die Aufrechnung müssten „rechtlich verbindlich und … Dritten gegenüber“ wirksam sein. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der erste Grund ist, dass die Richtlinie nicht nur Aufträge zur Übertragung von Finanzinstrumenten erfasst, sondern auch solche zur Zahlung. Zahlungsaufträge und ihre Aufrechnung haben lediglich schuldrechtliche Auswirkungen: Die Parteien werden von einer Verbindlichkeit gegenüber der jeweils anderen befreit. Genauso verhält es sich im Übrigen bei den ebenfalls von der Richtlinie erfassten Aufträgen zur Verrechnung von Futures, Optionen und Swaps, die noch gesonderter Erörterung bedürfen52 . Auch hier kommt es nicht zu einer sachenrechtlichen Übertragung. Zweitens gibt es mitgliedstaatliche Rechtsordnungen, in denen das Eigentum schon aufgrund bloßen Konsenses auf den Erwerber übergeht53. Die Richtlinie 51

Ähnlich Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 229. Siehe dazu u. S. 422. 53 Siehe zum französischen Recht o. S. 398. Zur heutigen Regelung des Zeitpunkts der Übertragung von Finanzinstrumenten in Frankreich siehe o. S. 64 f. 52

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3. Teil: Das Finanzinstrument

wollte einen solchen früheren Eigentumsübergang nicht ausschließen. Daher hat sie sich auf die Vorgabe beschränkt, dass der Auftrag und die Abrechnung nicht rückgängig gemacht werden können. Drittens entspricht es ganz allgemein der Einstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers, sich nicht in zivilrechtsdogmatische Fragen einzumischen. Angesichts der unterschiedlichen Traditionen der Mitgliedstaaten ist solche Vorsicht verständlich. Wie das Ziel der Richtlinie im nationalen Zivilrecht erreicht wird, bleibt den einzelnen Staaten überlassen. In anderen Mitgliedstaaten ist die Finalitätsrichtlinie durch besondere Gesetze oder durch Änderungen der Finanzmarktgesetzgebung umgesetzt worden54. Eine Einpassung in das allgemeine Zivilrecht ist unterblieben. Allerdings hat man deutlich hervorgehoben, dass Buchungen nach der Einführung in ein Wertpapierliefer- und -abwicklungssystem nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Auch wurde vorgeschrieben, dass Teilnehmer und Dritte nach dem in den Regeln des Systems bestimmten Zeitpunkt einen Übertragungsauftrag nicht mehr widerrufen können55.

3. Mangelhafte Umsetzung in das deutsche Recht Der deutsche Gesetzgeber hat zwei verschiedene Gesetze erlassen, um die Finalitätsrichtlinie umzusetzen. Zum einen handelt es sich um das „Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften“ vom 8. Dezember 199956 . Es enthält, wie schon der Titel signalisiert, im Wesentlichen Änderungen der Insolvenzordnung und des Kreditwesengesetzes57. Die Anforderungen der Richtlinie an die Endgültigkeit der Übertragungsaufträge und Aufrechnungen außerhalb des Insolvenzverfahrens hat der Gesetzgeber dagegen durch die Neufassung des § 676 BGB im Rahmen des Überweisungsgesetzes58 umzusetzen versucht. Nur letzteres interessiert an dieser Stelle. Die Regelung des § 676 BGB ist aus verschiedenen Gründen kritikwürdig. Zu bemängeln ist bereits ihre Einfügung in die Vorschriften des BGB über den Geschäftsbesorgungsvertrag. Diese ist systematisch verfehlt59. Denn § 676 regelt keine Geschäftsbesorgung, sondern etwas anderes: den Übertragungsauf54

Vgl. zur Umsetzung in Belgien, England, Frankreich, den Niederlanden und Spanien die Beiträge in: Vereecken/Nijenhuis, Settlement Finality in the European Union. 55 Siehe z.B. zum belgischen Recht Servaes/Seeldrayers, in: Vereecken/Nijenhuis, Settlement Finality in the European Union, S. 77 (96 f.), zum spanischen Recht Paz-Ares/Garcímartin, a.a.O., S. 301 (321). 56 BGBl. 1999 I, 2384. 57 Siehe die durch das Gesetz eingeführten §§ 96 II, 147 S. 2 InsO, §§ 24b, 46a I 6 KWG. 58 Überweisungsgesetz v. 21.7.1999, BGBl. I, 1642, Art. 1 Nr. 5a. 59 So auch Heermann, in: MünchKomm-BGB, § 676 Rdnr. 2; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, S. 15.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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trag. Dieser hat nicht lediglich schuldrechtliche Funktion. Seine Wirkungen liegen vielmehr auf vermögensrechtlichem Gebiet. Die Regelung des § 676 gehört daher nach der Systematik des deutschen Rechts nicht in das zweite Buch des BGB. Dass sie dennoch in das Schuldrecht eingefügt wurde, hat seine Ursache in einem gesetzgebungsgeschichtlichen Zufall: Ursprünglich hatte die Bundesregierung eine entsprechende Norm als Artikel 2 des Über weisungsgesetzes geplant60 . Weil sich die Wirkung aller übrigen Bestimmungen des Gesetzes in der Änderung anderer Rechtsakte erschöpft hätte, wäre nur der Artikel 2 als eigenständige Regelung übrig geblieben. Der Bundesrat schlug daher vor, die Norm im WpHG zu verankern61. Letztlich entschied man sich dagegen für die Aufnahme in das BGB und dort speziell in den Untertitel über den Geschäftsbesorgungsvertrag, der auch die meisten anderen der durch das Überweisungsgesetz eingeführten Vorschriften enthält. Das vom Bundesrat favorisierte WpHG hätte sich jedoch als Heimat für die neue Regelung ebenfalls nicht geeignet. Denn dieses betrifft nicht die Zuweisung von Finanzinstrumenten zu einem Inhaber, sondern enthält Normen über den Kapitalmarkt und dessen Akteure. Ein passender Ort wäre das Depotgesetz gewesen62 , weil dieses die Zuordnung von Instrumenten zu einem Inhaber behandelt. Allerdings wäre dabei sofort ins Auge gesprungen, dass das „Depotgesetz“ schon seinem Titel nach völlig überholt ist. Es kann die von der Richtlinie geregelten modernen Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme wegen seines veralteten, noch auf die Verwahrung physischer Urkunden bezogenen Ansatzes nicht erfassen. Die Schwierigkeiten der gesetzgeberischen Verortung sind nichts anderes als Ausdruck der Tatsache, dass man sich in Deutschland bisher mit den neuen Realitäten der Abwicklung von Kapitalmarkttransaktionen nicht genügend auseinandergesetzt hat. Es gibt kein Gesetz, das die durch den Umlauf unkörperlicher Rechte aufgeworfenen zivilrechtlichen Fragen angemessen regelt. Die Vorschriften der Finalitätsrichtlinie gehören daher aus Sicht des deutschen Rechts in das juristische Niemandsland. Diese Tatsache zeigt abermals, wie weit man der Realität des Effektenverkehrs hinterherhinkt. Die verfehlte systematische Stellung ist allerdings nicht der einzige oder auch nur der hauptsächliche Kritikpunkt an § 676 BGB. Zu bemängeln ist vielmehr vor allem, dass die Vorschrift inhaltlich zu kurz greift. Um dies zu verdeutlichen, ist zunächst ihr Regelungsgehalt näher darzustellen: § 676 S. 1 BGB beschränkt die Möglichkeit zur Kündigung eines sogenannten „Übertragungs60 Vgl. Bundesregierung, Entwurf eines Überweisungsgesetzes v. 12.4.1999, BT-Drucks. 14/745. 61 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/1067 S. 11. 62 So auch Heermann, in: MünchKomm-BGB, § 676 Rdnr. 2; Gößmann/van Look, WM 2000, Sonderbeil. Nr. 1, S. 15.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

vertrags“. Diesen definiert die Norm als „Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Weiterleitung von Wertpapieren oder Ansprüchen auf Herausgabe von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise zum Gegenstand hat“. Es handelt sich also um einen Geschäftsbesorgungsvertrag und damit um einen schuldrechtlichen Vertrag. Dessen Kündigung ist nach § 676 S. 1 BGB nur wirksam, wenn sie der Depotbank des Begünstigten so rechtzeitig mitgeteilt wird, dass sie „unter Wahrung der gebotenen Sorgfalt noch vor der Verbuchung auf dem Depot des Begünstigten berücksichtigt werden kann“. Daraus folgt, dass sie jedenfalls dann unwirksam ist, wenn die Depotbank die Wertpapiere ihrem Kunden bereits gutgeschrieben hat. Der Gesetzgeber glaubt, mit dieser Regelung die Anforderungen der Finalitätsrichtlinie erfüllt zu haben. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn die Richtlinie versteht unter dem in ihr geregelten „Übertragungsauftrag“ die Weisung eines Teilnehmers an einem der geregelten Systeme, die „auf die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren“ oder eines „Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren im Wege der Verbuchung oder auf sonstige Weise“ gerichtet ist63. Durch den Übertragungsauftrag im Sinne der Richtlinie soll also nicht lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch im Wege eines Vertrags begründet, sondern die Inhaberschaft an den gebuchten Positionen unmittelbar geändert werden. Der Auftrag zielt damit auf den Transfer des Eigentums. Eine Ausnahme gilt lediglich für die ebenfalls an der genannten Stelle erwähnte Weisung, „die auf die Übertragung eines Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren gerichtet ist“. Sie betrifft eine schuldrechtliche Forderung, die in der Praxis vor allem bei der Auslandsverwahrung entsteht64. Die Weisung zur Übertragung dieses Anspruchs begründet aber ebenfalls kein schuldrechtliches Verhältnis, sondern soll unmittelbar die Rechtszuständigkeit für die Forderung ändern. Sie hat daher ebenso wie der Auftrag zum Transfer des Eigentums vermögensrechtliche Wirkung. Die Richtlinie verlangt im Ergebnis die Endgültigkeit und allseitige Wirksamkeit der vermögensrechtlichen Übertragung. Das deutsche Umsetzungsgesetz sieht dagegen lediglich eine Regelung über die Unkündbarkeit eines schuldrechtlichen Vertrags vor. Bei der Umsetzung der Finalitätsrichtlinie hat der deutsche Gesetzgeber folglich Schuldrecht und Sachenrecht – genauer: Vermögensrecht – miteinander verwechselt. Eine Erklärung für die verfehlte Umsetzung zu finden fällt nicht schwer. Er liegt in der Vermischung des „Übertragungsauftrags“ mit dem „Zahlungsauftrag“, der ebenfalls in der Richtlinie geregelt ist. Letzterer wird definiert als die Weisung eines Teilnehmers, einem Endbegünstigten einen bestimmten Geldbetrag auf seinem Konto bei einem Kreditinstitut, einer Verrechnungs63 64

Richtlinie 98/26/EG, Art. 2 lit. i, 2. Spiegelstrich. Siehe o. S. 56 f.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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stelle oder einer Zentralbank zur Verfügung zu stellen, oder als Weisung, die die Übernahme oder Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung nach sich zieht65. Der deutsche Gesetzgeber geht nun von der Prämisse aus, der Zahlungsauftrag sei dem Übertragungsauftrag vergleichbar. Er nähert Zahlungsverkehr und Effektenverkehr aneinander an. So führt die Begründung des Überweisungsgesetzes aus, es bestünden im Bereich der Abwicklung von Überweisungen „enge Berührungspunkte“ zwischen der Überweisungsrichtlinie, welche Überweisungen im Zahlungsverkehr regelt66 , und der Finalitätsrichtlinie67. Dabei wird allerdings der fundamentale Unterschied zwischen Effekten- und Zahlungsgiroverkehr nicht beachtet: Der Zahlungsverkehr erfolgt ausschließlich durch die Begründung und das Erlöschen von Guthaben, also schuldrechtlicher Forderungen. Beim Effektengiroverkehr dagegen wechseln Vermögensgegenstände den Inhaber. Es geht um die Übertragung von Eigentum, nicht lediglich um die Veränderung schuldrechtlicher Auszahlungsansprüche. Das ist der Grund, aus dem der Verkehr mit Finanzmarktprodukten sachenrechtsähnlich ausgestaltet ist68 . Begünstigt wurde das Missverständnis des Gesetzgebers durch die in Deutschland herrschende Terminologie. Schon lange vor der Finalitätsrichtlinie wurde in der Literatur der Auftrag zur Übertragung von Wertpapieren als „Überweisungsvertrag“ bezeichnet69. Dabei hob man jedoch ausdrücklich hervor, dass dieser ausschließlich schuldrechtliche Wirkungen habe70 . Er ist daher mit dem „Übertragungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie nicht identisch. Die falsche Einordnung des Effektengiroverkehrs führte dazu, dass der Gesetzgeber die Regelung der Übertragung von Wertpapieren insgesamt im Recht der Geschäftsbesorgung verortete und sich mit einer Kündigungsregelung begnügte. Die Finalitätsrichtlinie konzentriert sich dagegen gerade auf die Wirkungen der Übertragung im Verhältnis zu Dritten. Die von ihr verlangte Verbindlichkeit des Übertragungsauftrags ist daher etwas ganz anderes als die Unkündbarkeit des Überweisungsvertrags im Sinne des deutschen Rechts. Wie aber hätte die Richtlinie richtigerweise umgesetzt werden müssen? Es wurde schon oben gezeigt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber eine bestimmte juristische Einordnung nicht vorgeschrieben hat71. Die Richtlinie ist nur hinsichtlich ihres Ziels verbindlich, Artikel 249 III EG. Daher ist die zutreffende 65

Vgl. Richtlinie 98/26/EG, Art. 2 lit. i, 1. Spiegelstrich. Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, ABlEG Nr. L 43 v. 14.2.1997, S. 25. 67 Bundesregierung, Begründung zum Entwurf eines Überweisungsgesetzes v. 12.4.1999, BT-Drucks. 14/745, S. 8. 68 Siehe dazu schon o. S. 256 f. 69 Nachweise bei Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2013 f. 70 Siehe Canaris a.a.O., Rdnr. 2013. 71 Siehe o. S. 401 f. 66

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Umsetzung nach den Besonderheiten der jeweiligen nationalen Rechtsordnung zu beurteilen. Wie dargelegt folgt die Übertragung von Effekten in Deutschland nach herrschender Auffassung den Regeln über die Übereignung beweglicher Sachen72 . Statt sich um die schuldrechtlichen Fragen zu kümmern, hätte man daher die sachenrechtlichen Wirkungen untersuchen müssen. Nach überwiegender Ansicht erteilt der Kunde seiner Depotbank eine Ermächtigung zur Abgabe eines Angebots auf Übertragung der Wertpapiere im Sinne des § 185 I BGB73. Diese ist gemäß § 183 S. 1 BGB bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts frei widerruflich. Zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht wäre es notwendig gewesen, diese Widerrufsmöglichkeit auszuschließen. Nicht ausreichend ist es dagegen, die Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen Kunde und Bank als unwirksam anzusehen, wie es § 676 BGB anordnet. Denn diese betrifft allein das schuldrechtliche Verhältnis, nicht jedoch den Eigentumsübergang. Zwar könnte sich die Regelung mittelbar auch auf die sachenrechtliche Einwilligung auswirken, denn der Widerruf der Ermächtigung ist gemäß § 183 S. 1 BGB a.E. nur zulässig, sofern sich aus dem zugrundeliegenden Rechtsgeschäft nicht etwas anderes ergibt. Jedoch wäre dies ein sehr indirekter Weg der Umsetzung; das Pferd würde von hinten aufzäumt. Auch ist die Konstruktion der Ermächtigung zur Abgabe eines Angebots nach §§ 185, 183 BGB in der Literatur umstritten74. Zur Erfüllung der Anforderungen des Gemeinschaftsrechts wäre es notwendig gewesen, den Widerruf eindeutig auszuschließen. Folglich hat Deutschland die Richtlinie insoweit nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Doch damit nicht genug. Wie oben gesehen verlangt die Richtlinie darüber hinaus, dass auch Aufrechungen allgemein nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Entsprechende Regelungen sucht man in § 676 BGB und an anderen Stellen des deutschen Rechts vergeblich. Sie kann es auch nicht geben, denn sie stünden in fundamentalem Widerspruch zur derzeitigen Rechtsauffassung, nach der Buchungen innerhalb eines Wertpapierabrechnungssystems keinerlei unmittelbare Auswirkungen auf die Vermögenszuordnung haben. Entscheidend für den Eigentumserwerb sind nach herrschender Lehre allein die Einigung und die Änderung des Besitzmittlungswillens der beteiligten Banken. Für letztere ist die Aufrechung in einem Clearing- und Settlementsystem zwar ein Indiz, ihr kommt jedoch keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu. Sie hat nach deutschem Verständnis überhaupt keine vermögensrechtlichen Auswirkungen, sondern dient lediglich zur Feststellung, wer wem wieviele Finanzinstrumente schuldet. Erst durch den Spitzenausgleich werden diese mit sachenrechtlicher Wirkung übertragen. Die Buchung stellt nach 72 73 74

Siehe o. S. 388 ff. Vgl. o. S. 388 f. Siehe ebda.

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deutscher Auffassung lediglich das Ergebnis einer Aufrechnung fest. Es hindert keine einzige gesetzliche Vorschrift, sie erneut in anderer Richtung vorzunehmen oder zu korrigieren. Folglich ist der Inhaber eines Finanzinstruments nicht davor geschützt, dass die Aufrechnung und die auf ihrer Grundlage erfolgte Buchung rückgängig gemacht werden. Damit hat Deutschland den Zielen der Richtlinie auch hinsichtlich der Aufrechnung nicht entsprochen. Insgesamt hätte man sich nicht mit der marginalen, zudem noch fehlplazierten und inhaltlich falschen Umsetzung in § 676 BGB begnügen dürfen. Notwendig wäre vielmehr eine grundlegende Änderung des deutschen Rechts gewesen. Dazu hätte es eines eigenständigen Gesetzes bedurft, das sich mit der Wirkung der Buchungen innerhalb von Wertpapierlieferund -abrechnungssystemen befasst.

4. Folgen Welche Konsequenzen sind aus der fehlerhaften Umsetzung der Richtlinie zu ziehen? Das Gemeinschaftsrecht verlangt zunächst, die entsprechende Vorschrift richtlinienkonform auszulegen75. Eva Micheler hat dazu einen Versuch unternommen. Sie überprüft, ob § 676 BGB als Sondertatbestand für einen Eigentumserwerb verstanden werden kann76 . Ein solches Unterfangen ist aber von vornherein zum Scheitern verurteilt. Schon seinem Wortlaut nach regelt § 676 BGB nur die Kündigung eines Geschäftsbesorgungsvertrags. Auch die systematische Stellung im Schuldrecht spricht dagegen, ihm Wirkungen für das Eigentum zuzusprechen. Schließlich hat auch die Bundesregierung in der Begründung zum Überweisungsgesetz eine solche Wirkung nicht einmal ansatzweise ins Auge gefasst. Selbst mit methodischen Klimmzügen kann daher die Vorschrift des § 676 BGB nicht in eine vermögensrechtliche umgewandelt werden77. Eine richtlinienkonforme Auslegung stößt damit an die Grenzen der nationalen Interpretationsmethoden. Über diese kann man sich auch nicht unter Hinweis auf die Pflicht zu richtlinienkonformer Auslegung hinwegsetzen, denn eine Auslegung contra legem ist unzulässig78 . Den Anforderungen der 75 Siehe EuGH, Urt. v. 10.4. 1984 – Rs. 14/83, Slg. 1984, 1891, Rdnr. 26 – von Colson und Kamann; Urt. v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89, Slg. 1990, 4135, Rdnr. 8 – Marleasing; Urt. v. 5.10.2004 – Verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Slg. I-8835, Rdnrn. 113–116 – Pfeiffer. Aus der Literatur: Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung; Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, S. 51–88; Herrmann, Richtlinienumsetzung durch die Rechtsprechung; Remien, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 14 Rdnrn. 28–34; Ruffert, in: Callies/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rdnrn. 113–122. 76 Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 240. 77 So im Ergebnis auch Micheler a.a.O., S. 241. 78 Siehe EuGH, Urt. v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04, Slg. I-6057, Rdnr. 110 – Adeneler. Ebenso Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, S. 265–273; Frisch, Die richtlinienkon-

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Richtlinie kann auch nicht durch die Auslegung einer anderen Vorschrift des deutschen Rechts entsprochen werden. Denn es fehlt an einer Norm, auf die man die Verbindlichkeit der Buchung stützen könnte. Deutschland hat folglich gegen seine Pflichten aus dem EG-Vertrag verstoßen. Das Ziel der Finaliätsrichtlinie, die Wirksamkeit von Buchungen in Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen sicherzustellen, wurde verfehlt. Die weiteren Folgen sind die üblichen bei nicht ordnungsgemäßer Umsetzung des Gemeinschaftsrechts: Möglich ist zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren. Dass es bisher noch nicht eingeleitet wurde, mag an zwei Gründen liegen: Zum einen funktionieren die Abwicklungssysteme zuverlässig, so dass ein praktischer Anlass für eine Klage fehlt. Zum anderen ist die Konstruktion des deutschen Effektenverkehrs derart kompliziert, dass sie nicht nur den nationalen Juristen, sondern offenbar auch den Experten der Kommission Sand in die Augen gestreut hat. Bislang jedenfalls scheint niemand die mangelhafte Umsetzung bemerkt zu haben79. Eine weitere mögliche Folge ist, dass die Richtlinie unmittelbar anwendbar sein könnte. Dem steht nicht entgegen, dass die in ihr geregelten Rechtsverhältnisse dem Zivilrecht angehören. Denn der Rechtsprechung des EuGH lässt sich entnehmen, dass Richtlinien auch in Privatrechtsverhältnissen unmittelbare Wirkungen haben können80 . Doch würde die vorgesehene Folge, das Verbot der Anwendung entgegenstehenden nationalen Rechts81, zur Herstellung von Richtlinienkonformität nicht genügen. Denn das Außerachtlassen des § 676 BGB bringt das deutsche Recht dem Ziel des Gemeinschaftsgesetzgebers nicht einen Schritt näher. Dieses ließe sich vielmehr nur erreichen, wenn der materiellrechtliche Gehalt der Richtlinie als positive Regelung selbst unmittelbar anwendbar wäre. Allerdings ist eine solche Folge vom EuGH bisher noch nicht angeordnet worden82 . Selbst wenn sie vorgesehen würde, eignete sie sich im Fall der mangelhaften Umsetzung der Finalitätsrichtlinie nicht. Denn letztere enthält selbst keine abschließende Regelung der vermögensrechtlichen Fragen, sonforme Auslegung nationalen Rechts, S. 90–92; Leible, Wege zu einem Europäischen Privatrecht, S. 289 f.; Streinz, Europarecht, Rdnr. 405; Canaris, in: FS Bydlinski, S. 47 (91–103); Schürnbrand, JZ 2007, 910 (916); a.A. Grundmann, ZEuP 1996, 399 (419 f.); Lutter, JZ 1992, 593 (607); Wulf-Henning Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, S. 308 (332 Rdnr. 59); Steindorff, in: FS Everling II, S. 1455 (1462 f.). 79 Die von Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, S. 110–119, geäußerten Zweifel an der Richtlinienkonformität der deutschen Regelungen betreffen lediglich Zahlungs-, nicht aber Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme. 80 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2005 – Rs. C-144/04, Slg. I-9981 – Mangold. Krit. dazu z.B. Bauer/Arnold, NJW 2006, 6 (9 f.); v. Danwitz, JZ 2007, 697 (701–703); Mohr, SAE 2007, 16 (26); Thüsing, ZIP 2005, 2149 (2150). 81 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2005 – Rs. C-144/04, Slg. I-9981, Rdnr. 77 – Mangold. 82 Sie erwägt Kreße, ZGS 2007, 215 (216 f.).

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dern schreibt nur vor, dass Buchungen „wirksam“ sein müssen. Wie und unter welchen Bedingungen dies zu erfolgen hat, überlasst sie dagegen der Umsetzung durch das nationale Recht. Die Vorschrift ist daher nicht hinreichend genau und präzise formuliert, um sie ohne weitere Umsetzungsakte anwenden zu können. Sie erfüllt damit nicht die Mindestbedingung der unmittelbaren Anwendbarkeit83. Möglich bleibt aber, dass Private wegen der unterlassenen Umsetzung Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend machen84. Eine entsprechende Situation in der Praxis ist leicht denkbar: Man muss sich nur einen Fall vorstellen, in welchem Kunden nach einer Aufrechnung Finanzinstrumente gutgeschrieben wurden, die Depotbank die Buchung aber nachträglich einseitig verändert. In dieser Situation wirkt sich die mangelhafte Umsetzung der Finalitätsrichtlinie zu Lasten der Inhaber aus, weil die Geltendmachung ihrer Rechte schwieriger ist, als in der Richtlinie vorgesehen. Sie können daher von der Bundesrepublik verlangen, finanziell so gestellt zu werden, als wäre ordentlich umgesetzt worden.

V. Exkurs: Projekte für ein gemeinschaftsweites Clearing und Settlement Eine künftige Regelung der Übertragung von Finanzinstrumenten in Deutschland sollte nicht nur die bestehenden Anforderungen des europäischen Rechts einhalten, sondern zugleich die laufenden Arbeiten auf Gemeinschaftsebene in Betracht ziehen und sich abzeichnende neue Vorgaben soweit wie möglich antezipieren. Derzeit wird in der EG über eine grundlegende Veränderung des rechtlichen Regimes der Effektenübertragung nachgedacht85. Die Arbeiten dazu sind noch nicht abgeschlossen, haben aber ein Stadium erreicht, in dem sie Beachtung verdienen.

1. Lamfalussy-Bericht Der Europäischen Gemeinschaft ist die Art, wie Geschäfte mit Finanzinstrumenten in den Mitgliedstaaten abgewickelt werden, seit langem ein Dorn im Auge. Bereits das Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets unter Leitung von Alexandre Lamfalussy hat sich in seinem abschließenden Bericht aus dem Jahre 2000 mit der Frage des Clearing und Settle-

83 84 85

Vgl. nur EuGH, Urt. v. 12.12.1974 – Rs. 152/84, Slg. 1986, 723, Rdnr. 46 – Marshall. Siehe EuGH, Urt. v. 19.11.1991 – Rs. C-6/90 und 9/90, Slg. I-5357 – Francovich. Übersicht bei Beck, in: FS Horn, S. 669–695; Löber, Unif. L. Rev. 2005, 155–188.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

ment beschäftigt86 . Es kritisiert zum Beispiel die erhöhten Kosten im Vergleich zu den USA, die das Ergebnis der Fragmentierung der europäischen Wertpapierabwicklung sind. Weitere von ihm hervorgehobene problematische Punkte, die einer Klärung bedürfen, sind Wettbewerbsfragen wie diskriminierungsfreier Zugang und Ausschließlichkeitsverträge; die Sinnhaftigkeit technischer Verbindungen zwischen Zentralverwahrern; die Notwendigkeit gewisser Vorsichtsmaßnahmen bei der Zentralverwahrung und die Erforderlichkeit einheitlicher Standards für Europa87. Auch an eine Trennung von Settlement und Clearing wird gedacht88 . Zwar vertraute das Committee of Wise Men noch darauf, dass diese Probleme allein durch Marktkräfte gelöst werden könnten89. Doch scheint das Vertrauen nicht allzu groß gewesen zu sein. Jedenfalls beauftragte es die sogenannte Giovannini Group mit der Prüfung, ob ein europäischer Rechtsrahmen für Clearing und Settlement erforderlich sei90 .

2. Berichte der Giovannini Group Die Giovannini Group besteht aus Finanzexperten verschiedener EU-Institutionen unter Führung von Alberto Giovannini. Im Jahre 2001 erstattete sie ihren ersten Bericht91. Darin identifizierte sie verschiedene Hindernisse für die grenzüberschreitende Abwicklung von Wertpapier- und Wertrechtstransaktionen in der Gemeinschaft. Neben technischen und steuerrechtlichen Problemen wird als solches Hindernis auch die mangelnde Rechtssicherheit bezeichnet92 . Diese versteht die Gruppe in einem sehr weiten, über die Frage der Übertragung hinausgehenden Sinn. So hebt sie unter anderem hervor, dass Aktien verschiedene Rechte gewähren93. Das hat mit Clearing und Settlement wenig zu tun, sondern ist eine Folge der Unterschiedlichkeit der nationalen Gesellschaftsrechte, die sich zumindest auf kurze Sicht nicht ändern lässt. Enger mit der Übertragung zusammen hängt dagegen das Problem, dass manche Mitgliedstaaten das Eigentum des Hinterlegers anerkennen, während andere nur ein schuldrechtliches Recht auf Verschaffung einer Eigentumsposition gegen ein Wertpapierabwicklungssystem oder einen Intermediär gewähren94. Ganz nah 86 Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Final Report, S. 16 f. 87 Committee of Wise Men a.a.O., S. 16. 88 Ebda. 89 Ebda. 90 Ebda. 91 The Giovannini-Group, Cross-Border Clearing and Settlement Arrangements in the European Union. 92 The Giovannini-Group a.a.O., S. 54. 93 The Giovannini-Group a.a.O., S. 55. 94 Ebda.

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am Thema ist die Giovannini Group schließlich, wenn sie konstatiert, dass über Kapitalmarktprodukte in einigen Mitgliedstaaten körperliche Urkunden ausgestellt werden, während andere zu einer völligen Entmaterialisierung fortgeschritten sind95. Allerdings gibt die Expertengruppe einen Fingerzeig auf die umfangreichen Auswirkungen, die eine Änderung des bisherigen Zustands in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zur Folge hätte. So heißt es dort: „Barriers of market regulation and of tax can generally be changed or abolished without affecting basic legal concepts. However, laws about what securities are and how they may be owned form a basic and intimate part of the legal systems of Member States, and to change them will have many ramifications.“96

In ihrem zweiten Bericht97 zeigt die Giovannini Group Strategien auf, wie die im ersten Bericht festgestellten Hindernisse beseitigt werden können. Die Rechtsunsicherheit lässt sich ihrer Ansicht nach nur durch ein gemeinschaftsweit einheitliches System des Eigentums an Effekten überwinden98 . Dieses soll sich nicht auf die Übertragung beschränken, sondern viel weiter ausgreifen. Die rechtliche Bedeutung des Eigentums an Kapitalmarkttiteln müsse in jedem Mitgliedstaat dieselbe sein. Das gelte auch hinsichtlich der Belastung solcher Titel und unabhängig davon, ob sie durch ein internes oder ein internationales Geschäft erworben werden99. Die Schlussfolgerung der Giovannini Group lautet: „In conformity with the assumption that a change in the law should reflect the realities of modern securities markets, this implies a legal framework across the EU under which, whenever securities are held using an intermediary, it is the accounts of that intermediary that establish ownership of those securities.“100

Es soll also das Eigentum an die Buchung auf dem Konto eines Intermediärs angeknüpft werden. Dazu sind weitreichende Änderungen in anderen Rechtsgebieten erforderlich. Geregelt werden müssen nach Ansicht der Giovannini Group insbesondere folgende Fragen: die Eigentumsrechte des Investors, der Schutz vor der Insolvenz seines Intermediärs, die Handelbarkeit des Finanzinstruments, die Rangfolge mehrerer Erwerber desselben Instruments sowie der Schutz vor Fehlbeständen und deren Verteilung auf die Anleger101. Mit anderen Worten: Es wird ein europaweit einheitliches Zivilrecht des Effektenverkehrs gefordert.

95

Ebda. The Giovannini-Group a.a.O., S. 54. 97 The Giovannini-Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, April 2003. 98 The Giovannini-Group a.a.O., S. 14. 99 Ebda. 100 Ebda. 101 Ebda. 96

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3. Mitteilungen der Kommission Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist allerdings noch nicht so weit. In einer ersten Mitteilung zum Thema Clearing und Settlement aus dem Jahre 2002 hatte sie sich zunächst damit beschäftigen müssen, die Aufnahme dieses Bereichs in die Politik der Gemeinschaft zu erläutern102 . In ihrer zweiten Mitteilung103 kann sie auf die mittlerweile abgeschlossenen Arbeiten der Giovannini Group zu diesem Thema zurückgreifen und dadurch präziser werden. Zur Überwindung der von der Expertengruppe identifizierten Hindernisse verlangt sie unter anderem die Einführung eines einheitlichen Regulierungs- und Aufsichtsrahmens für den Effektenverkehr in der Gemeinschaft, der neben der Stabilität des Finanzsystems auch Anlegerschutz gewährleisten und zur gegenseitigen Anerkennung der Clearing- und Settlementsysteme führen soll104. Notwendig dazu sei die Verabschiedung einer Richtlinie, die einen sicheren Rechtsrahmen für Clearing- und Abrechnungsdienstleistungen gewährleistet105.

4. Rechtsakte des Gemeinschaftsgesetzgebers Die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie ist bis heute nicht erlassen. Stattdessen sind nur einzelne Teilaspekte des Clearings durch andere Gemeinschaftsakte geregelt. Erwähnenswert ist insbesondere die bereits erörterte Finalitätsrichtlinie. Zur Verbesserung der gemeinschaftsweiten Abwicklung dient auch eine Bestimmung der MiFID, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Wertpapierfirmen aus anderen Mitgliedstaaten Zugang zu nationalen Clearing- und Abrechnungssystemen erhalten106 . Damit wird der tatsächliche Zugang zu Abwicklungssystemen anderer Länder verbessert; das rechtliche Regime bleibt jedoch dasselbe wie bisher.

102 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen, KOM(2002) 257 endg. 103 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen, KOM(2004) 312 endg. 104 KOM(2004) 312 endg., S. 10. 105 KOM(2004) 312 endg., S. 13. 106 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4. 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/ EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4. 2004, S. 1, Art. 34 I.

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5. EZB und CESR Standards Zum Thema Wertpapierabwicklung gibt es auch gemeinsame Arbeiten der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Committee of European Securities Regulators (CESR). Diese haben im Jahre 2004 Standards für das Clearing und Settlement von Finanzinstrumenten herausgegeben107. Sie beschäftigen sich allerdings nicht mit dem zivilrechtlichen Regime der Übertragung, sondern mit eher technischen Aspekten. Zudem handelt es sich bei ihnen nicht um verbindliche Rechtsakte; rechtsquellentheoretisch sind sie vielmehr dem soft law zuzurechnen108 . Die Standards sehen zum Beispiel Regelungen über die Bestätigung geschlossener Geschäfte und über die Kontrolle von Risiken vor. Außerdem verlangen sie, dass die jeweiligen Abwicklungssysteme eine feste Basis in ihren jeweiligen Rechtsordnungen haben109. Daran zeigt sich nur allzu deutlich, dass an der nationalen Regelung nichts geändert werden soll.

6. CESAME Kurzer Erwähnung bedarf die Clearing and Settlement Advisory and Monitoring Expert Group (CESAME), welche im Jahre 2004 ins Leben gerufen wurde. Berater der Gruppe ist Alberto Giovannini, der schon die gleichnamige Expertengruppe anführte. CESAME soll die Arbeiten des privaten und des öffentlichen Sektors zur Beseitigung der Hindernisse für den gemeinschaftsweiten Handel mit Finanzinstrumenten koordinieren110 .

7. Legal Certainty Group In ihrem zweiten Bericht aus dem Jahre 2003 hatte die Giovannini Group vorgeschlagen, ein „EU Securities Account Certainty project“ zu beginnen111. Die Kommission greift diesen Vorschlag in ihrer zweiten Mitteilung aus dem Jahre 2004 auf. Sie empfiehlt die Einsetzung einer Expertengruppe, die aus Vertretern von Hochschulen und Behörden sowie aus praktizierenden Anwälten bestehen soll112 . Diese beginnt ihre Arbeit im Jahre 2005 unter dem Namen „Legal Certainty Group“.

107 EZB/CESR, Standards for Securities Clearing and Settlement in the European Union. 108 Beck, in: FS Horn, S. 669 (684). 109 So Standard 1. 110 Näher Löber, Unif. L. Rev. 2005, 155 (181). 111 The Giovannini-Group, Second Report on EU Clearing and Settlement Arrangements, S. 16. 112 KOM(2004) 312 endg., S. 29.

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Im August 2006 hat die Gruppe eine Empfehlung zur Rechtssetzung der EU im Bereich Clearing und Settlement abgegeben113. Diese geht allerdings über Fragen der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen hinaus. Sie beschäftigt sich ganz allgemein mit der Rechtsstellung des Inhabers von Konten über Finanzinstrumente. Dabei rückt sie die Buchung in den Vordergrund. Sie wird als die Quelle von Rechten (source of rights) des Kontoinhabers angesehen114. Dieser soll ab dem Moment berechtigt sein, in welchem die Effekten seinem Konto gutgeschrieben werden115. Weitere Vorschläge betreffen den Gutglaubensschutz, die Insolvenz und die Pfändung. Allerdings hütet sich die Gruppe davor, zu tief in das Recht der Mitgliedstaaten einzugreifen. Sie betont, dass die nationalen Rechtssysteme durch ihre Vorschläge nicht grundsätzlich umgestaltet werden sollten116 . Auch schreckt sie davor zurück, die registrierten Rechte als neues Rechtsgut zu bezeichnen117. Stattdessen wählt sie einen technischen Ansatz, der aus einzelnen Regeln für die Buchung und die Insolvenz besteht. Die Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten müssten insoweit geändert werden, als sie mit den neuen Anforderungen nicht vereinbar seien118 . Offensichtlich kann es dadurch zu dogmatischen Brüchen innerhalb der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten kommen. Die Aufgabe der Lehre wird es sein, diese Brüche zu heilen. Im August 2008 hat die Legal Certainty Group ihre Vorschläge in einem „Second Advice“ präzisiert119. Darin sind zwar keine juristischen Regeln ausformuliert; es werden aber eine Reihe von Prinzipien aufgeführt, von denen sich die Gemeinschaft bei ihrer künftigen Gesetzgebung leiten lassen soll. Diese sind zu umfangreich, als dass sie hier in Einzelheiten erörtert werden könnten. Eines fällt jedoch auf: Die Verfasser haben sich bemüht, die Verschiedenheit der nationalen Regelungen nicht etwa zu beseitigen, sondern im Gegenteil so weit wie möglich unangetastet zu lassen. So werden zum Beispiel für den Erwerb und die Übertragung nicht weniger als fünf verschiedene Methoden vorgesehen, von denen einige mit, andere ohne Bucheintrag funktionieren120 . Diese fünf Methoden selbst sind wiederum nicht etwa detaillierten rechtlichen Anforderungen unterworfen, sondern lediglich allgemein beschrieben. Der Grund für diese mangelnde Präzision liegt zum einen in den fundamentalen Unterschieden der zivilrechtlichen Konzepte in den Mitgliedstaaten, an 113

Legal Certainty Group, EU Clearing and Settlement – Advice. Legal Certainty Group a.a.O., S. 5, unter 5.1.1. 115 Legal Certainty Group a.a.O., S. 5, unter 5.2.2. 116 Legal Certainty Group a.a.O., S. 3, 8. 117 Legal Certainty Group a.a.O., S. 4, unter 4. 118 Legal Certainty Group, EU Clearing and Settlement – Advice, S. 5, unter 5.1.3. 119 Legal Certainty Group, Second Advice – Solutions to Legal Barriers related to PostTrading Within the EU. 120 Legal Certainty Group a.a.O., S. 43, unter 5.a. 114

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denen die Legal Certainty Group weiterhin nicht rühren will121. Zum anderen ist aus ihrer Sicht eine Angleichung der Rechte auch gar nicht notwendig. Denn die von ihr gemachten Vorschläge verfolgen lediglich das Ziel, dass die bestehenden unterschiedlichen Übertragungsmethoden von den Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt werden. Auf den ersten Blick erscheint eine solch bescheidene Ambition der Regulierung zwar löblich, insbesondere wenn man sie vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes betrachtet. Indes hat sie auch Nachteile. Denn wenn die Unterschiede der mitgliedstaatlichen Regelungen fortbestehen, können die Kosten der Verwaltung und des Transfers der Finanzinstrumente nicht in dem Umfang gesenkt werden, wie es bei einem einheitlichen Regime möglich wäre. Auch wird der Rechtssicherheit bei der Übertragung nicht in gleichem Maße Genüge getan wie unter einem einheitlich anwendbaren Recht. Möglicherweise werden die Lehren aus der aktuellen Finanzkrise zu einem Umdenken zwingen, das letztlich in eine weitergehende Harmonisierung münden könnte, als sie die Legal Certainty Group bisher vorgeschlagen hat.

8. T2S-Projekt der EZB Neben den genannten Arbeiten hat die EZB ein eigenes Projekt entwickelt, um die Probleme beim grenzüberschreitenden Clearing und Settlement zu lösen. Es handelt sich um einen neuen Dienst namens Target2-Securities (T2S)122 . Zum Verständnis bedarf es folgender Hintergrundinformationen: Die meisten Käufe von Finanzinstrumenten werden von den Kreditinstituten mit Zentralbankgeld bezahlt. Für die Abwicklung solcher Zahlungen steht das sogenannte Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer (Target) System zur Verfügung123. In seiner neuesten Version wird es als Target2 bezeichnet. Weil Wertpapier- und Zentralgeldübertragung in der Regel im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, liegt es aus Sicht der EZB nahe, dass sie ihr Abwicklungssystem auch auf Geschäfte mit Finanzinstrumenten erstreckt. Die EZB selbst klassifiziert ihr Projekt als rein technischer Natur124. Es gehe ausschließlich darum, eine Plattform zur Verfügung zu stellen, auf der Daten gesammelt und gespeichert werden könnten. Rechtlich wären die Finanzinstrumente weiterhin den nationalen Zentralverwahrern zugeordnet125. 121

Deutlich Legal Certainty Group a.a.O., S. 45. Umfassende Informationen dazu finden sich im Internet unter http://www.ecb.int/ paym/t2s/html/index.en.html (zuletzt besucht am 30.10.2008). 123 Vgl. dazu Goldby, [2006] EBLR 135, 143. 124 EZB, Target2–Securities – Legal Feasibility, S. 1. 125 Ebda. 122

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Es ist allerdings zweifelhaft, ob eine solche „rechtslose“ Abwicklung der Geschäfte möglich ist. Verschiedene Fragen sind zu klären, so etwa der Zeitpunkt der Übertragung, die Möglichkeit von Korrekturen, die Verantwortlichkeit des Betreibers und anderes mehr. Dazu bedarf es einer rechtlichen Regelung, die erst noch entwickelt werden muss. Möglich wäre zum Beispiel der Erlass einer Verordnung der Gemeinschaft, die dem System einen sicheren juristischen Rahmen gibt. Diese ist unabdingbar, soll das Projekt erfolgreich sein.

9. Würdigung Derzeit befindet sich Europa hinsichtlich der Übertragung von Finanzinstrumenten in einem Schwebezustand. Ansätze zur Lösung des Problems gibt es im Überfluss. Wegen der Hindernisse für den Binnenmarkt kann nur eine europaweite Regelung endgültig befriedigen. Sie wäre die Ideallösung. Der deutsche Gesetzgeber darf allerdings nicht warten, bis die Arbeiten auf Gemeinschaftsebene abgeschlossen sind. Stattdessen sollte er schon jetzt seine Vorschriften reformieren, auch vor dem Hintergrund, dass die EG sich möglicherweise auf die Regelung der gegenseitigen Anerkennung von Übertragungsformen beschränkt126 . Die nachfolgenden Vorschläge geben Anhaltspunkte dafür, wie das deutsche Recht in modernem Sinne fortgebildet werden könnte. Sie können ebenso gut auch als Vorbild für eine europäische Regelung dienen.

VI. Vorschlag für eine künftige Regelung 1. Verbindlichkeit der Buchung In einer künftigen Regelung sollte für die Übertragung die Buchung entscheidend sein. An die Stelle der Übergabe ist also die Eintragung in ein Register zu setzen. Schon heute trifft allein diese Beschreibung die Realität des Effektenverkehrs, wie auch die Vertreter der in Deutschland herrschenden Lehre einräumen127. Sie gehen von einer zumindest mittelbaren rechtlichen Rolle der Buchung aus, weil sie Ausdruck der Änderung des Besitzmittlungswillens der Bank und damit Bedingung für die Übergabe ist. Dem ist zuzustimmen. Allerdings ist noch einen Schritt weiterzugehen. Nicht der Wille der Bank, sondern die Buchung sollte der rechtlich entscheidende Anknüpfungspunkt sein. Die angebliche Umstellung des Besitzmittlungswillens findet in der Praxis nicht statt. Sie ist eine Fiktion. Die Übertra126

Siehe die Ratschläge der Legal Certainty Group, o. S. 414 f. Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2022; Kümpel, Rdnr. 11.365; siehe auch Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (482). 127

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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gung erfolgt allein durch die Eintragung eines neuen Inhabers in den Registern der Banken. Die juristische Betrachtung sollte daher auf sie abstellen. Ihr muss die entscheidende Bedeutung für den Eigentumsübergang eingeräumt werden. Andernfalls lässt sich die für den Effektenverkehr notwendige Rechtssicherheit nicht erreichen, denn die Bank könnte mit einem entgegenstehenden Willen die Buchung konterkarieren oder eine neue Eintragung vornehmen. Nur wenn mit der Buchung die Übertragung feststeht, kann der Inhaber auf seine Vermögensposition vertrauen. Anders, als ein Teil der Lehre meint128 , lässt sich ein solch grundlegender Schritt jedoch nicht innerhalb der bestehenden gesetzlichen Regelungen erreichen. Er bedarf notwendig des Eingreifens durch den Gesetzgeber. Denn das derzeitige System des Effektengiroverkehrs baut auf sachenrechtlichem Denken auf. Das zeigt sich schon an den Begrifflichkeiten des Depotgesetzes, wie zum Beispiel „Wertpapier“, „Wertpapiersammelbank“ oder „Verwahrung“. Die gesamte rechtliche Regelung ist auf die Aufbewahrung von Urkunden zugeschnitten. Sie muss auf die Verwaltung unkörperlicher Vermögensgegenstände umgestellt werden. Um eine solch fundamentale Veränderung bewerkstelligen zu können, bedarf die Gesetzgebung eines verlässlichen, in sich stimmigen Konzepts. An dieser Stelle bewährt sich die Figur des Finanzinstruments. Im Kern bedeutet sie, dass unkörperliche Eigentumsgegenstände anerkannt werden. Das erklärt, warum zur Schaffung des handelbaren Werts eine körperliche Urkunde nicht ausgestellt werden muss. Darüber hinaus folgt aus dem Konzept des Finanzinstruments, dass die Übertragung durch Eintragung erfolgen kann, ohne dass ein sichtbarer Gegenstand übergeben werden muss. Die hier vorgeschlagene Lösung befindet sich in Übereinstimmung mit den im ersten Teil untersuchten Rechtsordnungen, welche die Übertragung von Finanzinstrumenten von einer Registereintragung abhängig machen129. Allein die hier vorgeschlagene Lösung entspricht auch den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts. Dieses verlangt eine Endgültigkeit der Buchung, die unabhängig vom Willen der depotführenden Banken ist. Dem lässt sich nur dadurch Rechnung tragen, dass man von den Besitzverhältnissen an Wertpapieren völlig absieht. Daneben hat die unterbreitete Konstruktion zwei weitere Vorteile: Zum einen fördert sie die Rechtssicherheit. Die Buchung ist nicht länger nur intern wirksame Aufzeichnung der Banken, sondern Element des Erwerbstatbestands. Der eingetragene Inhaber kann auf den Bestand seiner Position vertrauen. Im Fall, dass der Depotbank ein entsprechendes Guthaben bei der Sammelbank 128 Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr, S. 82 f.; Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (482); Karsten Schmidt, in: MünchKomm-BGB, § 1008 Rdnr. 31. 129 Siehe den Rechtsvergleich o. S. 61 ff.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

nicht zur Verfügung steht, ist ein gutgläubiger Erwerb möglich, selbst wenn es sich um eine sogenannte Hausübertragung handelt130 . Zum anderen ist der Rechtsübergang mit Hilfe der Buchung rechtsdogmatisch wesentlich einfacher zu konstruieren als bei der sachenrechtlichen Lösung. Umständliche Erwägungen über die Übertragung des mittelbaren Mitbesitzes, für die in der Realität keine Anhaltspunkte bestehen, werden vermieden. Stattdessen wird an ein äußerlich leicht feststellbares Kriterium angeknüpft. Eine besondere Bedeutung der Buchung für den Eigentumsübergang ist dem geltenden deutschen Recht nicht fremd. Im Grundbuchrecht sind Einigung und Eintragung als Übertragungstatbestand bekannt. Außerdem hat der Gesetzgeber für den Effektenverkehr selbst einen Fall vorgesehen, in dem das Eigentum durch Eintragung im Verwahrungsbuch des depotführenden Instituts übergeht. Es handelt sich um § 24 II DepotG. Diese Norm hat derzeit nur geringe Bedeutung, weil die herrschende Meinung davon ausgeht, dass der Miteigentumsanteil wegen der Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses schon vor der Eintragung im Verwahrungsbuch nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen übergeht131. Doch ist schon in methodischer Hinsicht bedenklich, dass eine speziell für den Effektenverkehr erlassene Norm im Regelfall durch allgemeine Grundsätze verdrängt werden soll. Das Gesetz enthält nur selten überflüssige Vorschriften. Die hier vorgeschlagene Lösung würde dagegen dem Rechtsgedanken des § 24 II DepotG entsprechen und ihn auf alle Erwerbstatbestände ausweiten. Dazu ist die Buchung als notwendige Voraussetzung des rechtsgeschäftlichen Erwerbs von Finanzinstrumenten auszugestalten. Sie hat konstitutive Bedeutung. Einen Übergang kann es nur geben, wenn dieser in den Büchern einer Depotbank oder Sammelbank registriert wird. Fraglich ist allerdings, welche Buchung für den Erwerb entscheidend sein soll: Zunächst könnte man an das Konto des Veräußerers oder des Erwerbers denken. Wegen der Einschaltung verschiedener Intermediäre kommen aber weitere Konten in Betracht. Der Entwurf für ein Schweizer Bucheffektengesetz stellt auf die Gutschrift auf dem Konto des Erwerbers ab132 . Gemeint ist das Konto, das dieser bei seiner Verwahrungsstelle unterhält. Dem ist zuzustimmen, denn nur diese Gutschrift erlaubt es, den Erwerber als Begünstigten eindeutig zu identifizieren. An sie knüpft auch das Kollisionsrecht an133. Zwar birgt diese Lösung die Gefahr, dass der Gutschrift keine Belastung auf dem

130

Dazu o. S. 26 f., 388 ff. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 48; dies., WM 2001, 7 (12); Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 12; Kümpel, Rdnr. 11.416; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, § 406 Rdnr. 327. In dieser Richtung auch Koller, DB 1972, 1905 (1907). 132 Art. 24 I lit. b BEG-E. 133 Vgl. § 17a DepotG. Dazu u. S. 496. 131

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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Konto des Veräußerers entspricht. Doch muss dem durch andere Mittel vorgebeugt werden, zum Beispiel durch die Haftung des Registerführers134. Nicht in allen Fällen setzt die Übertragung eine Änderung des Registers voraus. Es gibt auch die Möglichkeit des nichtrechtsgeschäftlichen Erwerbs, zum Beispiel nach Erbrecht. Dieser vollzieht sich unabhängig von einer Buchung. Selbstverständlich ist dies auch bei Finanzinstrumenten nicht anders135. Das Register wird in diesem Fall durch äußere Vorgänge unrichtig; es muss berichtigt werden.

2. Willenserklärungen Die Buchung allein kann allerdings die materiellrechtliche Lage nicht verändern. Daneben bedarf es noch einer Willensäußerung der Beteiligten. Zunächst ist eine Erklärung des Berechtigten darüber nötig, dass das Recht übergehen soll. Die Finalitätsrichtlinie bezeichnet sie als „Übertragungsauftrag“136 . Wie gesehen definiert sie den Begriff als Weisung, die auf die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren oder eines Anspruchs auf Übereignung von Wertpapieren gerichtet ist137. Ganz entsprechend diesem Verständnis setzt der Entwurf für ein Schweizer Bucheffektengesetz neben der Buchung eine Weisung des Kontoinhabers voraus138 . Allein der Übertragungsauftrag und die Weisung genügen allerdings nicht für den Erwerb. Vielmehr muss auch der Begünstigte eine Erklärung abgeben, dass er das Finanzinstrument erhalten will, denn niemand muss sich Vermögenswerte gegen seinen Willen aufdrängen lassen. Aus diesem Grund sind Verträge mit eigentumsrechtlicher Wirkung zugunsten Dritter nach deutschem Recht nicht zulässig139. Erforderlich sind also eine Weisung des Veräußerers und eine des Erwerbers. Bei beiden handelt es sich um Willenserklärungen. Diese dürfen allerdings nicht als aufeinander bezogen vorgestellt werden, wie etwa Angebot und Annahme. Denn im anonymen Effektenverkehr können keine Verträge zwischen individuellen Anlegern zustande kommen. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil man den Vertragspartner nicht bestimmen kann. Vielmehr sind diese Erklärungen an die jeweilige Depotbank gerichtet. Sie enthalten die Einwilligung, Finanzinstrumente zu übertragen oder zu bekommen.

134

Siehe o. S. 383. Vgl. auch Art. 24 III BEG-E. 136 Richtlinie 98/26/EG, Art. 3 I. 137 Siehe o. S. 404. 138 Vgl. Art. 24 I BEG-E. 139 Vgl. RG, Urt. v. 27.4.1907 – Rep. V 434/06, RGZ 66, 97 (99 f.); BGH, Urt. v. 29.1.1964 – V ZR 209/61, BGHZ 41, 95 (95 f.). 135

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Es verbleibt nur noch zu untersuchen, welche Rechtsnatur die Erklärung an die jeweilige Depotbank hat. Es handelt sich um eine Weisung an einen Registerführer. Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Anweisung. Allerdings ist mit dem Schweizer Bundesrat davon auszugehen, dass sie mit letzterer nicht identisch ist140 . Die Erklärung ist keine Ermächtigung an die Depotbank, über die Finanzinstrumente zu verfügen. Denn die Depotbank soll nicht die Rechtsmacht erhalten, selbstständig einen Vertragspartner auszuwählen und diesem die Instrumente zu übertragen. Vielmehr ist ihre Rolle auf die eines Verwalters beschränkt. Die Weisung berechtigt und verpflichtet sie lediglich zu einer Belastung oder Gutschrift auf einem Effektenkonto. Zutreffend sieht man daher die Erklärung als formellrechtlicher Natur an. Sie ist eine Willenserklärung des Verfahrensrechts. Insoweit ähnelt sie dem für eine Grundbuchänderung nach § 13 GBO notwendigen Antrag. Eine Parallele besteht auch zu den Emissionsberechtigungen: Zu ihrer Übertragung bedarf es ebenfalls einer Anweisung an die registerführende Stelle141. Diese wird in der Literatur mit dem Antrag auf Änderung des Grundbuchs verglichen142 . Ein gravierender Unterschied zwischen dem Recht der Finanzinstrumente und dem Grundbuchrecht verbleibt: Der Eintragung in das Grundbuch liegt eine materiellrechtliche Einigung über die Rechtsänderung zwischen Veräußerer und Erwerber zugrunde. Ohne sie kann es nicht zum Eigentumserwerb kommen, § 873 I BGB. Im Effektengiroverkehr wird eine solche Einigung jedoch nicht getroffen, weil sich beide Seiten nicht kennen. Wollte man eine Vereinbarung konstruieren, könnte dies nur um den Preis der Künstlichkeit geschehen. Die Besonderheit des Handels von Finanzmarktprodukten ist also, dass es keinen individuellen Vertrag gibt, der der Übertragung zugrunde liegt. Letztere erfolgt vielmehr ausschließlich durch Aufträge an Kreditinstitute. Es handelt sich dabei um ein Novum im Vergleich zu allen bekannten Arten der Übertragung von Vermögensgegenständen. Seinen Grund hat es in der anonymen Natur des Effektengiroverkehrs.

3. Möglichkeit zur Korrektur Eine weitere wichtige Frage ist, unter welchen Umständen fehlerhafte Aufträge zurückgenommen werden können. Die Finalitätsrichtlinie enthält hierzu keine Aussage. Da der Gemeinschaftsgesetzgeber keine Vollregelung beabsichtigte, ist er auf die Frage der Korrektur nicht eingegangen. Andererseits verlangt die Richtlinie aber auch nicht, dass die im Register eingetragenen Buchungen für alle Zeiten unabänderlich sind. Das folgt schon daraus, dass man die entstande140 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315 (9359). 141 § 16 I 2 TEHG. 142 Sommer, WM 2006, 2029 (2033).

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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nen Buchpositionen zumindest mittels eines neuen Übertragungsauftrags verändern kann. Aber ist eine neue Buchung auch ohne Anweisung seitens des Inhabers zulässig? Der Gemeinschaftsgesetzgeber gibt auf diese Frage keine Antwort. Sie ist jedoch von zentraler Bedeutung. Denn hinter den Buchungen stehen die Eigentumspositionen der registrierten Inhaber. Zwei Extremlösungen sind denkbar: Entweder, die Buchungen können von den registerführenden Instituten frei verändert werden. Dann wären die Rechte der eingetragenen Inhaber unzureichend geschützt. Oder es bedarf notwendig eines gerichtlichen Eingreifens. Letzterem Modell folgt das englische Recht. Dort wird dem registerführenden Emittenten grundsätzlich verboten, das Register zu berichtigen143. Ausnahmen gibt es nur in zwei Fällen: Entweder, der Verwalter des zentralen Registers stimmt zu, oder ein Gericht hat die Änderung angeordnet144. Will der wahre Eigentümer eine zu Unrecht erfolgte Eintragung eines Dritten löschen lassen, so gibt es dafür also nur eine Möglichkeit: Er muss vor Gericht Klage erheben. Der Entwurf für ein Schweizer Bucheffektengesetz sieht hingegen eine andere Lösung vor. Danach kann die Verwahrungsstelle selbst das Register berichtigen, aber nur unter im Gesetz definierten engen Voraussetzungen145. Diese liegen beispielsweise vor, wenn die einer Buchung zugrundeliegende Weisung angefochten oder rechtzeitig widerrufen wurde. Der Inhaber des belasteten Kontos hat einen Anspruch auf Stornierung der Buchung. Nur wenn die Verwahrungsstelle diesen nicht freiwillig erfüllt, muss er Klage vor Gericht erheben. Die Stornierung ist ausgeschlossen, wenn auf dem Konto, auf dem die Gutschrift erfolgte, keine Effekten der fraglichen Gattung mehr vorhanden sind, oder wenn Dritte gutgläubig Rechte an den gebuchten Effekten erworben haben146 . Zur Übernahme in das deutsche oder europäische Recht empfiehlt sich das Schweizer System. Denn einerseits gibt es dem eingetragenen Inhaber genügend Rechtssicherheit, weil seine Position nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen geändert werden kann. Andererseits ist es hinreichend flexibel, weil falsche Eintragungen auf Antrag des Auftraggebers auch ohne Mitwirkung eines Gerichts berichtigt werden können, soweit Dritte nicht negativ betroffen sind.

143 Uncertificated Securities Regulation 2001 (URS 2001), SI 2001/3755, section 25(1). Dazu o. S. 77 f. 144 Section 25(1), (2) URS 2001. 145 Art. 27 BEG-E. 146 Art. 28 III BEG-E.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

VII. Besonderheiten bei Futures, unverbrieften Optionen und Swaps Einige Finanzinstrumente werden nicht nach den hier entwickelten Grundsätzen übertragen: sogenannte unverbriefte Optionen, Futures und Swaps. Eine Übertragung im genauen Sinn des Worts gibt es bei ihnen nicht; vielmehr werden sie in jedem Fall neu abgeschlossen. Dazu ein Beispiel: Die Bank A hat einen Zinsswap mit der Bank B abgeschlossen, unter dem sie einen festgelegten Zins an B zahlt und dafür von dieser nach einem flexiblen Zinssatz – z.B. EURIBOR – berechnete Leistungen erhält. Will sich B von den Verpflichtungen aus diesem Vertrag befreien und sie auf C übertragen, muss dieser dazu nicht den Swap übernehmen. Stattdessen schließen beide ein Geschäft, in welchem sich C verpflichtet, an B Zinsen nach EURIBOR gegen den im anderen Vertrag festgelegten Zinssatz zu zahlen. Da die Verpflichtung des C gegenüber B genau mit der Obligation der B gegenüber A korrespondiert, ist die Situation dieselbe, als hätte C die vertragliche Position der B übernommen. Ähnlich funktioniert der „Handel“ mit Futures und individuell abgeschlossenen Optionen. Auch hier bedarf es keiner Übertragung. Die in diesem Paragraphen erörterten Grundsätze finden daher keine Anwendung. Die Abwicklung der Geschäfte erfolgt nach den Regeln des Zahlungsverkehrs. Ihre Darstellung geht über den Rahmen dieser Arbeit hinaus.

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§ 21 Erwerb vom Nichtberechtigten Jedes System zur Abwicklung von Finanzmarkttransaktionen bedarf für sein Funktionieren des Vertrauens durch die Beteiligten. Solches Vertrauen kann ohne den Schutz des gutgläubigen Erwerbers nicht zustandekommen. Denn es wäre viel zu gefährlich, sich am Effektengiroverkehr zu beteiligen, wenn man nicht auch dann erwürbe, falls dem Veräußerer die Berechtigung an den veräußerten Titeln fehlte. Daher ist die entscheidende Bewährungsprobe des hier unterbreiteten Vorschlags die Möglichkeit des Erwerbs vom Nichtberechtigten. Sie bildet die Krux jedes Übertragungsmodells.

I. Sachenrechtliches Modell Zunächst ist zu untersuchen, wie sich der gutgläubige Erwerb derzeit vollzieht. Bislang wird er nach dem Modell des Sachenrechts konstruiert. Dies zielt darauf ab, die Kunden ähnlich wie bei der Übergabe körperlicher Urkunden zu schützen. Der Rechtsscheintatbestand, an den angeknüpft wird, ist der Besitz. Hat der Veräußerer tatsächliche Sachherrschaft über die zu übertragenden Effekten, dann kann sein gutgläubiger Vertragspartner sie von ihm erwerben, selbst wenn ihm das Eigentum nicht zustand.

1. Anwendbare Regelung Die rechtliche Grundlage des gutgläubigen Erwerbs ist freilich unsicher. Das hängt eng mit der Debatte über die Konstruktion der Übertragung zusammen: Da die Erwerbsart nach §§ 929–931 BGB umstritten ist, diese aber darüber entscheidet, welche Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb zu erfüllen sind, ist auch streitig, welche der Vorschriften der §§ 932–934 BGB auf den Effektenverkehr angewandt werden muss1. Die herrschende Lehre vertritt wie gesehen die Ansicht, die Übereignung vollziehe sich nach § 929 S. 1 BGB. Von diesem Standpunkt aus muss konsequenterweise der gutgläubige Erwerber unter den Voraussetzungen des § 932 I 1 BGB geschützt sein. Ein Problem besteht allerdings darin, dass nach herrschender Meinung nicht der Kunde selbst, sondern die von ihm gemäß § 185 I BGB ermächtigte Depotbank als Veräußerer anzusehen ist2 . Dem Erwerber dürfte bekannt sein, dass dieser nicht selbst das Eigentum zusteht; falls nicht, wird diese Kenntnis über 1 Vgl. z.B. Zöllner, in: FS Raiser, S. 249 (266); Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, S. 61; Dechamps, Wertrechte im Effektengiroverkehr, S. 79–94. 2 Siehe o. S. 388 f.

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§ 4 I 1 DepotG fingiert. Daher kann sich sein guter Glaube nicht auf die Eigentümerstellung der Veräußerin, sondern allenfalls auf deren Verfügungsbefugnis beziehen. Das Problem löst sich durch Anwendung des § 366 I HGB i.V.m. § 932 I BGB3. Die Voraussetzungen des § 366 I HGB sind regelmäßig gegeben, da die eingeschalteten Kreditinstitute die Kaufmannseigenschaft aufweisen.

2. Besitz als Rechtsscheinsgrundlage Wie eingangs erwähnt sieht die herrschende Meinung die Rechtsscheinsgrundlage im Besitz an den verwahrten Effekten4. Eine Schwierigkeit dieses Ansatzes besteht jedoch darin, dass der Hinterleger im System des modernen Effektengiroverkehrs im Unterschied zum klassischen Wertpapier keine unmittelbare Sachherrschaft an den Titeln ausübt. Ihm steht nur eine sehr ausgedünnte Form des Besitzes zu, der mittelbare Mitbesitz zweiter oder höherer Stufe5. Dieser lässt sich nicht ohne weiteres vom Nichtberechtigten erlangen. Die herrschende Meinung im Sachenrecht geht davon aus, dass die Einräumung von Mitbesitz für einen gutgläubigen Erwerb nicht genügt, soweit nur ein bestimmter Anteil an der Sache und nicht diese insgesamt veräußert wird6 . Anders als das Bruchteilseigentum ist der Mitbesitz nämlich nicht auf einen bestimmten Teil des körperlichen Gegenstands beschränkbar, sondern erstreckt sich auf die gesamte Sache. Ob dem Mitbesitzer ein großer oder nur ein ganz kleiner Miteigentumsanteil zusteht, lässt sich allein aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht erkennen. Durch die Sachherrschaft wird daher kein Rechtsschein hinsichtlich des Umfangs der Berechtigung des Besitzers gesetzt. Folglich ist der Mitbesitz als Vertrauenstatbestand ungeeignet. Die Relevanz dieser Feststellung für den Effektengiroverkehr wurde zuerst von Ingo Koller erkannt7. Weil alle Hinterleger lediglich Mitbesitz am Sammelbestand haben, müsste man konsequenterweise annehmen, dass sammelverwahrte Titel grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden können. Nach Koller sollte man einen Erwerb vom Nichtberechtigten aber jedenfalls dann zu3

Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 100. Krit. zum Besitz als Rechtsscheinsgrundlage allgemein Johannes Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 245–251, der an dessen Stelle die „Besitzverschaffungsmacht“ treten lassen will. Mit der Richtigkeit dieser Ansicht kann sich nicht auseinandergesetzt werden. Für die Zwecke dieser Untersuchung ist dies auch nicht notwendig, da aus ihr zumindest für den Effektenverkehr keine Abweichungen von der herrschenden Ansicht folgen. 5 Siehe dazu o. S. 366 ff. 6 Palandt/Bassenge, § 932 Rdnr. 1; Karsten Schmidt, in: MünchKomm-BGB, § 747 Rdnr. 20; Staudinger/Langhein, § 747 Rdnr. 23; Soergel/Hessler, § 932 Rdnr. 20; Wieling, Sachenrecht I, S. 380 f.; Koller, JZ 1972, 646 (649); v. Seeler, Das Miteigenthum, S. 44; Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, S. 212; a.A. Johannes Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, S. 321 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1005–1011. 7 Koller, DB 1972, 1905. 4

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lassen, wenn alle anderen Miteigentümer der Übertragung zustimmen8 . Eine solche Zustimmung sei bei der Sammelverwahrung regelmäßig anzunehmen. Allerdings ist keineswegs einzusehen, warum der Mitbesitz als Rechtsscheinsgrundlage ausreichen soll, wenn die Mitbesitzer mit der Verfügung einverstanden sind. Denn auch in diesem Fall lässt sich der Umfang der Berechtigung nicht aus der tatsächlichen Sachherrschaft schließen9. Kollers Notanker hält daher nicht. Anders als man jahrzehntelang angenommen hat, gibt es demnach bei der Übertragung von Sammeldepotanteilen keine rechtliche Grundlage für den Erwerb vom Nichtberechtigten. Dieser Auffassung ist heute beinahe die gesamte Literatur10 . Dennoch tritt die Mehrheit der Autoren für die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ein, aus Gründen, die sogleich zu erörtern sind.

3. Einfluss des Netting Zuvor ist aber noch auf einen weiteren Punkt einzugehen, aus dem unter den heutigen Bedingungen des Effektengiroverkehrs ein gutgläubiger Erwerb unmöglich ist. Es handelt sich um den Einfluss des Netting. Die meisten Wertpapiertransaktionen werden mit Hilfe dieser Technik abgewickelt. Wie gesehen kommt es dabei nur in Höhe der Spitzen zu einer Übertragung zwischen verschiedenen Depotbanken; alle anderen Transaktionen werden durch Umbuchungen innerhalb desselben Kreditinstituts erfüllt11. Wenn nun die Depotbank bei einer solchen „Hausübertragung“ einen Fehler begeht und einem Kunden Finanzinstrumente zu Unrecht gutschreibt, soll ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen sein12 . Als Begründung dafür wird angeführt, dass die Bank Stellvertreterin des Erwerbers sei. Ihr Wissen müsse sich der Erwerber entsprechend § 166 I BGB zurechnen lassen. Da der Mangel der Kontenführung der Bank bekannt oder grobfahrlässig nicht bekannt sei, komme ein guter Glaube nicht in Betracht13. Diese Argumentation überzeugt allerdings nicht. Denn unter den komplizierten Bedingungen des Effektengiro8

Koller, JZ 1972, 646 (650). Abl. auch Wilhelm, Sachenrecht, Rdnrn. 1007–1009; Karsten Schmidt, in: MünchKomm-BGB, § 747 Rdnr. 20; Staudinger/Langhein, § 747 Rdnr. 24. 10 Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 91; Kümpel, Rdnr. 11.410; Dechamps, Wertrechte im Effektengiroverkehr, S. 94; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 107; Schönle, Bank- und Börsenrecht, S. 274; a.A. Claus Becker, Das Problem des gutgläubigen Erwerbs im Effektengiroverkehr, S. 21, der allerdings von der These ausgeht, dass die Rechtsscheins- und Publizitätsfunktion des Besitzes nicht selbständige und zwingende Voraussetzung jeden gutgläubigen Erwerbs sei. Mit dieser Ansicht wird sich noch später auseinanderzusetzen sein, siehe u. S. 432. 11 Siehe o. S. 397 f. 12 Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 12, 19. 13 Ebda. 9

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verkehrs sind durchaus Fälle vorstellbar, in denen die Bank ohne grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 932 II BGB verkennt, dass ihr ein Buchungsfehler unterlaufen ist. Außerdem kann die Bösgläubigkeit immer nur im Einzelfall und nicht generell angenommen werden. Gleichwohl ist der genannten Auffassung im Ergebnis zuzustimmen. Denn ein Rechtsschein kommt unter den genannten Bedingungen von vornherein nicht in Betracht: Die Bank kann nicht einen Fehler begehen und gleichzeitig als Vertreterin des Empfängers darauf vertrauen, dass die von ihr vorgenommene Buchung richtig ist14. Wegen der Identität der Person des Eintragenden mit der des Stellvertreters des Erwerbers ist ein guter Glaube schon logisch ausgeschlossen. Von der genannten Konstellation der fehlerhaften Hausübertragung ist der Fall zu unterscheiden, in welchem die Depotbank nicht über ein Guthaben bei der Sammelbank verfügt, das die von ihr gutgeschriebenen Titel abdeckt. Ein gutgläubiger Erwerb des Kunden, zu dessen Gunsten die Gutschrift erfolgt, ist hier schon deshalb ausgeschlossen, weil es am Besitz als maßgeblichem Rechtsscheintatbestand fehlt. Denn wenn der Depotbank der übertragene Anteil im Verhältnis zur Wertpapiersammelbank nicht oder nicht in vollem Umfang zusteht, kann sie dem Erwerber insoweit keine Sachherrschaft vermitteln. Daran ändert auch dessen guter Glaube nichts, denn dieser kann lediglich die fehlende Berechtigung des Veräußerers ersetzen, nicht aber den fehlenden Besitz. Letzterer ist unabdingbare Voraussetzung für den Erwerb vom Nichtberechtigten. Wer an das Eigentum eines Nichtbesitzers glaubt, ist nicht geschützt.

4. Bedürfnisse des Effektengiroverkehrs Nach sachenrechtlichen Grundsätzen ist daher ein gutgläubiger Erwerb im Effektengiroverkehr nicht möglich. Dennoch nimmt die herrschende Lehre eine solche Möglichkeit an. Zur Begründung führt sie an, es bestehe dafür ein „unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs“15. Denn der stückelose Effektenverkehr dürfe dem Kunden nicht weniger Sicherheit bieten als der mit Wertpapieren. Das wäre sein „Tod“16 . Ein solches Ergebnis hält man für „unerträglich“17. Daher wird mit allen Mitteln versucht, einen gutgläubigen Erwerb zu ermöglichen. Claus-Wilhelm Canaris verlangt dazu eine entsprechende „Rechtsfortbildung“18 .

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Vgl. zum entsprechenden Argument für die Wertpapiersammelbank u. S. 429. So Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2026; Koller, DB 1972, 1905 Fußn. 73; Kümpel, Rdnr. 11.411, Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 72 Rdnr. 113. 16 Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, S. 16. 17 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2026. 18 Canaris a.a.O.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, S. 16. 15

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Noch radikaler ist die Forderung Ingo Kollers, der meint, die Grundlagen des gutgläubigen Erwerbs müssten „notfalls extra legem“ erweitert werden19. Die „Argumente“ der herrschenden Ansicht wurden hier bewusst wörtlich wiedergegeben. Sie zeigen, zu welcher Verzweiflung man bei genauer Anwendung des Sachenrechts gelangt. Juristische Kriterien fehlen, daher verlegt man sich auf starke Rhetorik. Ein „unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs“ allein ist aber wie sonst auch kein hinreichendes Argument, um eine rechtliche Lösung zu begründen. Ebensowenig erlaubt die „Unerträglichkeit“ eines Ergebnisses, das geltende Recht zu überwinden. Es ist methodisch unzulässig, aus einem praktischen Bedürfnis unmittelbar auf eine bestehende Rechtslage zu schließen. Dass ein gutgläubiger Erwerb möglich ist, muss anhand der Vorschriften des Gesetzes nachgewiesen werden, die mit Hilfe der üblichen Grundsätze auszulegen sind. Der gutgläubige Erwerb kann nicht einfach „extra legem“ konstruiert werden. Dies verbieten das Prinzip der Gewaltenteilung und die Bindung der Rechtsprechung an das Gesetz, Artikel 20 III GG.

II. Alternative Rechtsscheinsträger 1. Buchung Eine Besonderheit wurde allerdings bisher vernachlässigt. Die Vertreter der Auffassung, die den gutgläubigen Erwerb auch um den Preis des Bruchs mit dem geschriebenen Recht ermöglichen wollen, stützen sich dazu nicht länger auf den Besitz. Stattdessen wollen sie einen neuen Rechtsscheinsträger einführen: die Buchung20 . Grundlage des gutgläubigen Erwerbs wäre danach die Eintragung im Verwahrungsbuch gemäß § 14 DepotG. Denn diese gebe letztlich Aufschluss über die Höhe der dem einzelnen Girokunden zustehenden Anteile. Auf den ersten Blick ist diese Lösung vernünftig. Sie krankt jedoch an einem fundamentalen Fehler: Sie liegt dem deutschen Recht nicht zugrunde. An keiner einzigen Stelle räumt es der Buchung rechtliche Bedeutung für den Effektengiroverkehr ein. Warum diese dann beim Gutglaubenserwerb plötzlich Rechtsscheinsfunktion haben soll, ist unerfindlich. Es wäre darüber hinaus auch dogmatisch falsch. Denn Rechtsschein und Übertragung müssen immer miteinander verbunden sein. So ist der Besitz im System der §§ 932–934 BGB nur deshalb Rechtsscheinsgrundlage, weil bei der Übertragung des Eigentums 19

Koller, DB 1972, 1905. Brink, Rechtsbeziehungen und Rechtsübertragung im nationalen und internationalen Effektengiroverkehr, S. 102; Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2027; Decker, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 8/76; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch II, § 72 Rdnr. 113; Koller, DB 1972, 1905; Heinsius/ Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 91. So schon Fabricius, AcP 162 (1963), 456 (482). 20

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gemäß §§ 929–931 BGB die Übergabe notwendig ist. Gerade weil die Übereignung regelmäßig mit der Besitzeinräumung einhergeht, darf der Erwerber vermuten, dass der derzeitige Besitzer auch Eigentümer ist. Auf den Effektengiroverkehr übertragen bedeutet das: Wenn man, wie die herrschende Ansicht, zur Übertragung der Finanzinstrumente eine Buchung nicht für notwendig hält, dann wäre es auch nicht gerechtfertigt, den guten Glauben an sie anzuknüpfen. Daher kann die Buchung nicht ernsthaft als Rechtsscheinsträger de lege lata angesehen werden. Man muss ihre Einführung vielmehr als Vorschlag de lege ferenda verstehen. Eine Rechtsänderung hin zur Anknüpfung an die Buchung erscheint möglich. So können etwa Emissionsberechtigungen gutgläubig aufgrund Registereintrags erworben werden 21. Will man diese Lösung auf den Effektengiroverkehr übertragen, bedarf es jedoch einer grundlegenden Reform. Die gesamte Übereignung einschließlich des Gutglaubensschutzes ist auf die Buchung umzustellen. Ein solcher Schritt kann nicht durch Auslegung des geltenden Rechts erreicht werden 22 . Vielmehr bedarf es notwendig des Eingreifens durch den Gesetzgeber. Auch gegen eine gesetzliche Anknüpfung des Gutglaubensschutzes an die Buchung bestehen jedoch Bedenken. Verschiedene von ihnen hat Dorothee Einsele aufgezählt. Zunächst wendet sie ein, aus der Buchung könne nicht auf die wahre Rechtslage geschlossen werden, weil der Inhaber das gebuchte Recht durch Abtretung oder Übereignung an den Kreditinstituten vorbei übertragen könne23. Dem ließe sich allerdings dadurch begegnen, dass man wie oben vorgeschlagen die Wirksamkeit der Übertragung an die Voraussetzung der Eintragung des Erwerbers bindet, das heißt der Buchung konstitutive Bedeutung einräumt. Zudem wendet Einsele sich dagegen, die Buchung bei der Wertpapiersammelbank als Rechtsscheinsträger anzusehen. Denn dann wären eine Reihe von Vorgängen ungeschützt, die sich nicht in deren Büchern auswirken 24. Dazu gehören vor allem die Buchungen innerhalb der depotführenden Kreditinstitute im Wege der „Hausübertragung“, die nicht an die Wertpapiersammelbank weitergegeben werden. Auch dieser Mangel ließe sich jedoch beheben, indem man den Buchungen der depotführenden Kreditinstitute rechtliche Bedeutung zuerkennt, wie hier vorgeschlagen wurde25. Den dagegen vorgebrachten Einwand, die Institute seien nicht vertrauenswürdig, da sie selbst Partei des Übertragungsvorgangs seien 26 , kann man da21

§ 16 I 2 TEHG. So zutreffend Einsele, in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 108, die von „(gesetzesübersteigender) Rechtsfortbildung“ spricht. 23 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 172; dies, in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 109. 24 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 173 f. 25 Siehe o. S. 416 ff. 26 So Einsele, in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 110. 22

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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durch ausräumen, dass man ihre Stellung auf die eines bloßen Verwalters reduziert27. Tragfähig ist hingegen ein anders Argument Einseles, das entscheidend gegen die Buchung als Rechtsscheinsträger spricht: Diese ist nicht offenkundig28. Der Effektengiroverkehr wird völlig anonym abgewickelt. Der Kunde erfährt nicht, wessen Rechte er erlangt. Unter diesen Bedingungen ist ein gutgläubiger Erwerb in der Tat nicht vorstellbar. Denn wenn der Erwerber nicht einmal weiß, wer der Veräußerer ist, kann er hinsichtlich dessen Berechtigung weder in gutem noch in bösem Glauben sein. Die herrschende Lehre will über dieses Hindernis hinweghelfen, indem sie auf das Wissen der Wertpapiersammelbank abstellt. Diese sei Vertreterin des Kunden; daher sei ihm deren Gut- oder Bösgläubigkeit über § 166 I BGB zuzurechnen 29. Jedoch ist die Sammelbank heute in die meisten Abwicklungsvorgänge nicht mehr eingeschaltet, weil sich diese an ihr vorbei durch Aufrechnungen beim Zentralen Kontrahenten vollziehen30 . Soweit sie im Wege des Spitzenausgleichs Buchungen vornimmt, kann sie nicht auf einen Rechtsschein vertrauen, den sie zuvor selbst geschaffen hat31. Außerdem ist die Ansicht, die Wertpapiersammelbank sei Vertreterin des Erwerbers, verfehlt. Sie beruht auf der klassischen Konstruktion des Effektengiroverkehrs mit Hilfe der §§ 929–931 BGB. Die Sammelbank ist jedoch weder dem Erwerber noch dem Veräußerer zuzurechnen; sie nimmt vielmehr eine neutrale Stellung zwischen beiden ein. Sie soll nicht die eine oder die andere Seite repräsentieren, sondern nur einen Veräußerungsvorgang zwischen beiden aufzeichnen. Daher kann es auf ihre Gutoder Bösgläubigkeit nicht ankommen.

2. Lieferliste Eine Anpassung an die neuen Gegebenheiten versucht Norbert Horn32 . Ihm zufolge könne der gute Glaube durch die sogenannte Lieferliste begründet werden. Diese wird von der Wertpapiersammelbank an den Zentralen Kontrahenten übergeben. Sie dokumentiert, welche Umbuchungen der Sammelverwahrer in den Konten der Depotbanken vorgenommen hat. Das aus der Lieferliste er-

27

Siehe o. S. 380 f., 420. Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 176 f.; dies., WM 2001, 7 (13). 29 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2029; Koller, DB 1972, 1905; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 91. 30 Siehe o. S. 396. 31 Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 174 f.; dies., in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 111. Ebenso schon o. zum Einfluss des Netting S. 426. 32 Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 19. Ihm folgend Decker, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 8/76a; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch II, § 72 Rdnr. 114. 28

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3. Teil: Das Finanzinstrument

langte Wissen des Zentralen Kontrahenten soll Horn zufolge dem Endkunden als Empfangsboten des Enderwerbers analog § 166 I BGB zuzurechnen sein33. Gegen diese Anknüpfung des guten Glaubens bestehen jedoch Bedenken. Denn die Lieferliste wird erst erstellt, wenn die maßgeblichen Übertragungsvorgänge bereits vollzogen sind34. In dem Zeitpunkt, in welchem der Zentrale Kontrahent von der Lieferliste Kenntnis nimmt, ist es für die Herausbildung eines guten oder bösen Glaubens schon zu spät. Folglich ist auch die Lieferliste als Rechtsscheinstatbestand nicht geeignet.

III. Moderner Effektenverkehr und Gutglaubensschutz Es zeigt sich, dass die Verwirklichung des Gutglaubensschutzes bei Finanzinstrumenten erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Gleichwohl ist dieser für die Funktionsfähigkeit des Effektenverkehrs unabdingbar. Das macht es notwendig, in grundsätzlicher Weise über die Ursachen für die dargestellten Probleme nachzudenken. Auszugehen ist vom „normalen“ gutgläubigen Erwerb im Sachenrecht. Als Paradigma soll der Kauf einer beweglichen Sache vom Nichtberechtigten mit gleichzeitiger Übereignung dienen. Zwei Besonderheiten sind für diesen Vorgang kennzeichnend: Zum einen wird die Übereignung durch einen individuellen Vertrag vollzogen. Erwerber und Veräußerer können die Person des jeweils anderen identifizieren; im Normalfall stehen sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Zum anderen lässt sich die Berechtigung des Vertragspartners anhand einer tatsächlichen Grundlage prima facie überprüfen. Der Besitz oder die „Besitzverschaffungsmacht“35 gestattet die Vermutung, dass es sich beim Veräußerer um den Eigentümer handelt. Beide Voraussetzungen sind im Effektenverkehr nicht erfüllt. Zum einen erfolgt die Übertragung nicht durch individuelles Rechtsgeschäft, sondern wird im Massenverkehr durch Liefer- und -abrechnungssysteme bewirkt. Diese vermitteln die Rechtspositionen anonym, ohne die Identität des Erwerbers oder Veräußerers offen zu legen. Mehr noch: Unter den Bedingungen des Clearing und Settlement lässt sich nicht einmal objektiv feststellen, wer von wem erworben hat. Der Übertragungsauftrag ist nur noch ein Rechenposten in einer Summe, der Auftrag zum Erwerb ein Posten in einer anderen Summe, ohne dass beide einander individuell zugeordnet wären. Zum zweiten ist auch die im Sachenrecht vorausgesetzte Publizität der zu übertragenden Gegenstände im Effektenverkehr nicht gegeben. Die Finanz33 34 35

Horn, WM 2002, Sonderbeil. Nr. 2, S. 19. Vgl. Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 192. Siehe o. S. 424 Fußn. 4.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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instrumente der Anleger sind für die Öffentlichkeit nicht sichtbar. Sie werden von Depot- und Sammelbanken verwaltet. Diese geben keine Auskunft über die ihren Kunden zustehenden Rechte; sie sollen es auch nicht, denn niemand möchte, dass sein Vermögen öffentlich bekannt wird. Ein Erwerb vom Nichtberechtigten im Sinne des klassischen Sachenrechts ist daher im Effektengiroverkehr nicht möglich. Andererseits ist, wie gesehen, der Schutz des Erwerbers von fundamentaler Bedeutung für den Verkehr mit Finanzmarktprodukten. Daher muss die Eigentumsübertragung auf den Gutgläubigen weiterhin möglich sein; nur muss sie völlig anders konstruiert werden als bisher.

IV. Neues Modell Für eine Reform des Erwerbs vom Nichtberechtigten im Effektengiroverkehr kommt es entscheidend darauf an, den maßgeblichen Rechtsscheinstatbestand zu bestimmen. Dazu sind zwei Fragen zu unterscheiden: Zunächst ist der Bezugspunkt des guten Glaubens zu ermitteln, also worauf der Erwerber vertraut. Danach ist der Anknüpfungspunkt der Gutgläubigkeit zu untersuchen, das heißt, wodurch dieses Vertrauen ausgelöst wird.

1. Bezugspunkt des guten Glaubens Im gesetzlichen Modell der §§ 932–934 BGB ist der Bezugspunkt des guten Glaubens das Eigentum des Veräußerers. Wer am Effektengiroverkehr teilnimmt, vertraut jedoch nicht auf die Berechtigung eines Veräußernden, denn er kennt diesen nicht. Er vertraut andererseits auch nicht auf das Eigentum der Bank, da er weiß, dass sie nicht Inhaberin der übertragenen Positionen ist. Vielmehr richtet sich sein guter Glaube auf das Funktionieren des Effektengiroverkehrs. Jeder, der an diesem auch nur mittelbar teilnimmt, geht davon aus, dass die beteiligten Banken und Institute die Positionen korrekt verbuchen und keine Eintragungen vornehmen, die nicht der materiellen Rechtslage entsprechen. Er nimmt an, dass alle im System umlaufenden Rechte auch tatsächlich existieren und übertragen werden dürfen, aber nicht, dass sie einer bestimmten, ihm bekannten Person zustehen. Dies ist ein Vertrauen in das System des Effektengiroverkehrs, nicht in die Berechtigung eines individuellen Veräußerers. Daher geht es darum, dieses Systemvertrauen zu schützen.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

2. Anknüpfungspunkt des guten Glaubens Wodurch wird das Vertrauen in das System ausgelöst? Nahe liegt die Idee, an die sichtbaren Ergebnisse anzuknüpfen, zum Beispiel an die vom betreuenden Kreditinstitut übersandte Depotübersicht. Durch sie erhält der Anleger Auskunft darüber, ob eine bestimmte Buchung zu seinen Gunsten erfolgt ist oder nicht. Es lässt sich kaum bezweifeln, dass der Kunde rein tatsächlich aufgrund dieser Auskunft auf den für ihn registrierten Bestand an Finanzinstrumenten vertraut. Allerdings lässt sich dieses Vertrauen nicht mithilfe des Konzepts schützen, welches dem gutgläubigen Erwerb zugrundeliegt. Denn dieses setzt einen guten Glauben im Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsgeschäfts voraus. Die Depotübersicht ist jedoch das Ergebnis von Vorgängen in der Vergangenheit. Sie gibt nur Auskunft über bereits vollzogene Verfügungen. Für den Abschluss des Übertragungsgeschäfts ist sie dagegen irrelevant. Der Kunde trifft auf ihrer Grundlage keine neuen Dispositionen, das heißt, er investiert nicht in sein Vertrauen auf ihre Richtigkeit. Folglich fehlt es an einer entscheidenden Voraussetzung des Rechtsscheins36 . Stattdessen muss ein anderer Anknüpfungspunkt des Vertrauens gefunden werden, der bereits ex ante, das heißt vor dem Abschluss des jeweiligen Geschäfts besteht. Als solcher kommt nur die Teilnahme am Effektengirosystem in Betracht. Bereits zu diesem Zeitpunkt bildet der Kunde Vertrauen aus. Da er nicht wissen kann, von wem er erwirbt, andererseits die Banken aber grundsätzlich nur Positionen gutschreiben dürfen, zu deren Übertragung sie beauftragt wurden und die dem Auftraggeber auch zustehen, muss er annehmen, dass in einem solchen System nur existierende Positionen auf sein Konto gelangen. Er investiert in seinen guten Glauben, indem er seine Vermögenswerte – sei es in Form von Geld oder in Form von Finanzinstrumenten – dem System des Effektengiroverkehrs anvertraut. Das geschieht, indem er ein Konto bei seiner Depotbank eröffnet, welche ihrerseits Clearingmitglied ist oder mit einem solchen in Verbindung steht. Denn dann werden die Buchungen von Finanzinstrumenten mit Hilfe von Liefer- und Abrechnungssystemen vorgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass jeder Anleger allein durch seine mittelbare Teilnahme am Effektengirosystem gutgläubig ist. Das bedeutet, dass er stets erwirbt, auch wenn die gebuchte Position in Wahrheit nicht besteht oder dem Veräußerer nicht zustand. Das Ergebnis erscheint zunächst befremdlich. Soll etwa auch derjenige geschützt sein, der genau weiß, dass die zu seinen Gunsten gebuchte Position einem anderen zusteht? Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine solche Konstellation angesichts der Realität des Effektenverkehrs praktisch 36

Dazu Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 510 f.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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ausgeschlossen ist. Weil die Übertragung von Finanzinstrumenten anonym vor sich geht, kann der Erwerber nicht wissen, dass die eingetragene Buchung zu Unrecht erfolgt ist. Sollte es dennoch einmal anders sein, ist eine entsprechende Ausnahme zu machen37.

3. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht Allein die hier vertretene Position ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Die Finalitätsrichtlinie verlangt wie gesehen, dass Aufrechnungen in Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen endgültig sind38 . Dabei unterscheidet sie nicht danach, ob der jeweilige Begünstigte gut- oder bösgläubig ist. Die aufgrund der Aufrechnung vorgenommenen Buchungen dürfen generell nicht rückgängig gemacht werden. Eine solche Regelung mag als zu pauschal und den Grundsätzen des Zivilrechts widersprechend erscheinen. Sie erklärt sich aber daraus, dass durch eine Rückgängigmachung der Aufrechnungen der gesamte Effektengiroverkehr außer Tritt geraten kann. Zur Vermeidung solcher systemischer Risiken ist es geboten, den Bestand der Buchung unabhängig von den individuellen Kenntnissen des Erwerbers auszugestalten. Zu betonen ist allerdings, dass die Finalitätsrichtlinie keine abschließende zivilrechtliche Regelung enthält. Sie hindert zum Beispiel nicht, dass der rechtsgrundlos Erwerbende seine Position aufgrund eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung wieder herausgeben muss. Hinsichtlich der Wirkung der Buchung ist die Aussage der Richtlinie jedoch eindeutig: Diese ist endgültig, ohne dass es auf die Richtigkeit oder die Gutgläubigkeit des Erwerbers ankommt. Dass dieser auch bei Bösgläubigkeit das Recht erlangt, entspricht im Übrigen auch der herrschenden Meinung zu § 16 I 2 TEHG39.

4. Ausnahmen Situationen, in denen der Kunde trotz seiner Teilnahme am Effektengiroverkehr nicht gutgläubig ist, sind nur schwer vorstellbar. Trotzdem können sie vorkommen. Als Beispiel denke man an folgenden Fall: Ein Kunde weiß, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs gerade eine große Menge der von ihm bestellten Titel gehandelt werden, deren Inhaberschaft zweifelhaft ist, zum Beispiel weil ein wichtiger institutioneller Anleger einen umstrittenen Bestand veräußert. Das allein genügt jedoch noch nicht, um den Erwerb auszuschließen, denn der Kunde kann sich nicht sicher sein, dass tatsächlich einer der umstrittenen Titel auf ihn übertragen wird. Bei bloßen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit geht die 37 38 39

Siehe sogleich u. unter 4. Siehe o. S. 398 ff. Vgl. Sommer, WM 2006, 2029 (2034).

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Bestandskraft der Buchung daher vor. Jedoch kann man den Fall zuspitzen und annehmen, der Kunde kauft, obwohl er weiß, dass derzeit nur Titel des besagten institutionellen Anlegers auf dem Markt erhältlich sind. In dieser sehr seltenen Konstellation wird man seinen Erwerb für unwirksam halten müssen. Die Begründung dafür liefert der alte Satz „fraus omnia corrumpit“, welcher selbstverständlich auch im Effektengiroverkehr gilt. Aus demselben Grund ist eine weitere Ausnahme anzunehmen, wenn der Erwerber das System bewusst manipuliert. Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass er einen Mitarbeiter eines Clearing-Unternehmens besticht, damit ihm dieser gewisse Positionen gutschreibt. Es ist klar, dass ein solcher Erwerb fraudulös und daher unwirksam ist. In den genannten Fällen würde der Teilnehmer am Effektengiroverkehr daher kein Eigentum an den gebuchten Titeln erlangen. Insoweit scheint die hier vertretene Lösung bis auf die geringeren Anforderungen an den guten Glauben der in §§ 932–934 BGB geregelten zu ähneln. Es gibt jedoch einen fundamentalen Unterschied: Während für den Erwerb vom Nichtberechtigten im Sachenrecht der gute Glaube ausdrückliche Voraussetzung ist, die zwar vermutet wird, aber vorliegen muss, ist im Effektengiroverkehr der Erwerb nur in Ausnahmesituationen ausgeschlossen. Das heißt, die rechtfertigungsbedürftige Ausnahme ist hier nicht der Erwerb von einem Nichtberechtigten, sondern der Nicht-Erwerb. Das ist mehr als eine bloße Erleichterung der Anforderungen an die Gutgläubigkeit: Es handelt sich um einen Paradigmenwechsel. Der gute Glaube ist nicht länger Voraussetzung des Erwerbs vom Nichtberechtigten, denn von ihm kann ausgegangen werden. Der Erwerber wird daher ohne weitere Bedingungen Inhaber der zu Unrecht für ihn gebuchten Instrumente.

5. Fehlbuchung ohne Rechtsgeschäft Um Missverständnisse zu vermeiden, ist darauf hinzuweisen, dass nicht jegliche Fehlbuchung innerhalb des Systems des Effektengiroverkehrs zu einem gutgläubigen Erwerb führt. Notwendig ist vielmehr, dass diese im Zusammenhang mit einem Auftrag zur Übertragung eines Finanzinstruments steht. Werden dem Kontoinhaber A infolge eines Computerfehlers Werte des Inhabers B zugeschrieben, ohne dass A oder B die Bank mit dem Erwerb oder der Veräußerung beauftragt haben, so wird die Eigentumslage materiellrechtlich gesehen nicht geändert. B hat daher einen Anspruch gegen A auf Berichtigung des Registers.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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V. Verteilung des Verlusts Fraglich ist, wer den Verlust aus dem Erwerb vom Nichtberechtigten zu tragen hat. Finanzinstrumente lassen sich zwar beliebig vermehren, die ihnen zugrundeliegenden wirtschaftlichen Werte jedoch nicht. Daher muss irgendjemand durch das Hinzukommen des Erwerbenden eine Verringerung seiner Rechtsposition erleiden. In der Vergangenheit wurde sich bemüht, diesen Verlust einer bestimmten Person, vorzugsweise dem wahren Berechtigten, aufzuerlegen40 . Solche Versuche müssen unter den Bedingungen des modernen Effektengiroverkehrs scheitern, weil Veräußerer, Erwerber und Berechtigter sich nicht individuell bestimmen lassen. So lässt sich nicht sagen, der Kunde X habe die angeblich dem Veräußerer Y zustehende Position des Berechtigten Z erworben. In einem anonymen Verkehr führen solche Erwägungen nicht weiter. Auszugehen ist vielmehr von der Grundlage des Erwerbs eines Finanzinstruments vom Nichtberechtigten. Wie dargelegt knüpft dieser an das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des Effektengirosystems an. Bei einem Versagen des Systems erscheint es daher gerechtfertigt, zunächst die Betreiber haften zu lassen. Das kann wie im Entwurf für ein Schweizer Bucheffektengesetz vorgesehen dadurch geschehen, dass man zunächst die Eigenbestände des Verwahrers heranzieht41. Nur dann, wenn diese nicht ausreichen, wird es notwendig, den Verlust weiter zu verteilen. Es erscheint angemessen, den Fehlbestand auf alle Teilnehmer umzulegen. Denn sie haben gemeinsam Vertrauen in das System gesetzt. Da sich ein individueller Verursacher nicht ermitteln lässt, können sie nur gemeinsam haften. Dem entspricht wiederum der Entwurf des Schweizer Bucheffektengesetzes, der eine primäre Haftung der Kontoinhaber mit ihren Titeln vorsieht, diese aber um einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Verwahrungsstelle ergänzt42 . Das zugrundeliegende Prinzip der Risikogemeinschaft ist auch dem deutschen Effektenrecht nicht fremd. Es findet sich in der Vorschrift des § 7 II 1 DepotG wieder. Sie erstreckt sich ihrem Wortlaut nach zwar nur auf den Fall des „Verlusts“ am Sammelbestand. Doch hilft der ihr zugrundeliegende Gedanke nicht nur bei der Verringerung der verwalteten Titel, sondern kann auch bei ihrer Vermehrung durch gutgläubigen Erwerb herangezogen werden. Daher ist der durch das Hinzukommen eines weiteren Berechtigten eintretende Fehlbestand entsprechend § 7 II 1 DepotG bei allen Teilnehmern des Systems entspre-

40 41 42

Siehe z.B. Habersack/Mayer, WM 2000, 1678 (1683). Art. 19 I BEG-E. Art. 19 II BEG-E.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

chend dem Verhältnis ihrer Anteile abzuziehen43. Dieselbe Verteilung sieht auch der Entwurf für ein Schweizer Bucheffektengesetz vor44. Es bedarf noch einiger Präzisierungen zum Verhältnis der Banken und Bankkunden untereinander. Wenn der Buchungsfehler auf ein Versagen der Sammelbank zurückzuführen ist, muss in erster Linie sie den entstandenen Fehlbestand decken. Reichen ihre Mittel dazu nicht aus, ist er unter allen Depotinhabern der angeschlossenen Institute zu verteilen, zu deren Gunsten Finanzinstrumente derselben Art und Gattung gebucht sind. Versagt dagegen nur eine einzelne Depotbank, so ist zunächst diese in Haftung zu nehmen. Hilfsweise sind die Konten ihrer Anleger zu verringern. Eine Begrenzung auf diese ist unter dem Gesichtspunkt des Risikoprinzips sachgerecht, denn die Kunden haben das Institut selbst ausgewählt45. Ein praktisches Problem der Verlustverteilung ist, dass möglicherweise gesplittete Aktienpositionen entstehen. Das scheint dem in § 8 V AktG niedergelegten Grundsatz der Unteilbarkeit der Aktie zu widersprechen. Doch lässt sich dieses Problem dadurch lösen, dass man insoweit eine Bruchteilsgemeinschaft der Aktionäre konstruiert46 .

43 Ebenso bereits Koller, DB 1972, 1905 (1907). Siehe auch Canaris, Großkomm. HGB, Rdnr. 2030; Decker, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 8/77. 44 Art. 19 II 1 BEG-E. 45 Ebenso Koller, DB 1972, 1905 (1908). 46 Habersack/Mayer, WM 2000, 1678 (1684).

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§ 22 Verpfändung Finanzinstrumente sind unkörperliche Vermögensgegenstände. Aus ökonomischer Sicht spielen sie eine wichtige Rolle als Kreditunterlage. Daher muss es möglich sein, sie zu verpfänden. Die praktische Bedeutung dieser Frage ist kaum zu überschätzen. Im Folgenden soll abermals zunächst der bisherige Rechtszustand beschrieben werden (I). Danach ist es nötig, sich mit einer Alternative (II) und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (III) auseinanderzusetzen. Schließlich soll ein eigener Vorschlag zur Verpfändung (IV) und zur Verwertung (V) gemacht werden.

I. Sachenrechtliches Modell Nach ganz herrschender Ansicht folgt die Bestellung des Pfandrechts den Vorschriften des Sachenrechts. In der Praxis werden verpfändete Wertpapiere von der Sammelbank in einem besonderen Depot geführt1. Wie schon bei der Übereignung ist hier allerdings die rechtliche Konstruktion zweifelhaft und streitig.

1. Gegenstand des Pfandrechts Die Probleme beginnen bei der Frage, was verpfändet wird. Nach einer Ansicht ist es das Wertpapier selbst 2 . Dafür spricht, dass die Berechtigung des Hinterlegers sich letztlich auf die Globalurkunde bezieht. Andererseits hat der Hinterleger lediglich einen Miteigentumsanteil an ihr inne, so dass man auch von dessen Verpfändung ausgehen könnte3. Eine dritte Möglichkeit wäre, nicht auf das Wertpapier oder den Miteigentumsanteil, sondern auf das verbriefte Recht selbst abzustellen. Diese Ansicht schimmert zum Beispiel durch, wenn man von der „Verpfändung der Mitgliedschaft“ redet4. Nach der in diesem Buch entwickelten Theorie ist der Gegenstand des Pfandrechts dagegen einfach zu bestimmen: Es handelt sich um das Finanzinstrument. Dieses ist selbst Vermögensgegenstand. Wegen seiner unkörperlichen

1

Decker, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 8/37. So Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 153; implizit auch Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2032. 3 So z.B. Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 95; Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 125; Quassowski/Schröder, Bankdepotgesetz, § 8 Anm C 1. 4 Vgl. Apfelbaum, Die Verpfändung der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft, S. 22–36; in dieser Richtung auch Hirte/Knof, WM 2008, 7 (9, 13). 2

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Natur muss die Bestellung des Pfandrechts an ihm besonderen Vorschriften unterstehen, welche im Einzelnen herauszuarbeiten sind.

2. Anwendbare Vorschriften Die Frage, welches der Gegenstand der Verpfändung ist, wirkt sich insbesondere bei der Suche nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften aus. Folgt man der These, dass ein Wertpapier verpfändet wird, wären die §§ 1292 f. BGB zu befolgen. Da die meisten Globalurkunden als Orderpapiere ausgestellt werden, scheint § 1292 BGB einschlägig zu sein. Doch verlangt er die „Übergabe“ des indossierten Papiers, die im Effektengiroverkehr unmöglich ist. Deshalb versucht die Literatur, die Übergabe entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift als entbehrlich darzustellen 5. Soweit dafür überhaupt eine Begründung gegeben wird, weist man darauf hin, dass die verwahrte Globalurkunde in der Regel ein Blankoindossament enthalte 6 . Doch wird das Orderpapier dadurch nicht zum Inhaberpapier und seine Übergabe nicht überflüssig. Eine abweichende Taktik besteht darin, die Bestellung des Pfandrechts am Wertpapier außer nach §§ 1292 f. BGB auch in den „Ersatzformen“ der §§ 1205 f. BGB zu erlauben7. Andere lassen schlicht offen, ob § 1292 oder § 1293 BGB Anwendung findet, mit dem Argument, man sei sich darüber einig, dass die Vorschriften über die Bestellung des Pfandrechts an beweglichen Sachen einschlägig seien8 . Folgt man dagegen der Ansicht, nach der Gegenstand der Verpfändung der Miteigentumsanteil ist, so wären die §§ 1205 f. BGB direkt anwendbar9. Ebenso verhält es sich, wenn man auf das verbriefte Recht abstellt, denn auf die Bestellung des Pfandrechts an Rechten sind gemäß § 1274 I 2 BGB die §§ 1205 f. BGB anzuwenden, soweit zur Übertragung des Rechts die Übergabe einer Sache erforderlich ist; letzteres ist aber nach ganz herrschender Meinung bei der Veräußerung des Miteigentumsanteils der Fall10 .

3. Publizität Auf unterschiedliche Weise gelangt die ganz überwiegende Literatur damit zu den allgemeinen Vorschriften über die Bestellung des Pfandrechts an beweglichen Sachen. Doch hier beginnen die Streitigkeiten erst richtig. Denn die 5 Büchner, Die treuhandrechtliche Organisation des Effektengiroverkehrs, S. 153; Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8 Anm. 32. 6 Büchner a.a.O. 7 Hoffmann, WM 2007, 1547 (1548). 8 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2032. 9 Vgl. Quassowski/Schröder, Bankdepotgesetz, § 8 Anm C 1. 10 Siehe o. S. 389 f.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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§§ 1205 f. BGB verlangen grundsätzlich, dass der Eigentümer die Sache dem Gläubiger übergibt. Das Gesetz sieht dazu drei verschiedene Wege vor: die Übertragung des unmittelbaren Besitzes (§ 1205 I 1 BGB), des mittelbaren Besitzes (§ 1205 BGB) oder die Einräumung von Mitbesitz (§ 1206 BGB). Umstritten ist, welche dieser Arten bei der Verpfändung von Sammeldepotanteilen einschlägig ist. Nach einer Ansicht soll die Pfandrechtsbestellung nach § 1205 I 1 BGB erfolgen11. Dafür spricht die Parallele zur herrschenden Ansicht bei der Übertragung des Eigentums. Ebenso wie bei der „Schwesternorm“ des § 929 S. 1 BGB wäre die in § 1205 I 1 BGB vorgesehene Übergabe durch die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses zu ersetzen. Doch scheint vielen die Anwendung des § 1205 II BGB ebenfalls möglich12 . Für diese Auffassung lässt sich anführen, dass der Inhaber des Sammeldepotanteils nach ganz herrschender Meinung mittelbarer Besitzer der Globalurkunde ist. Erwogen wird schließlich auch die Einräumung von Mitbesitz nach § 1206 BGB13. Die verschiedenen Möglichkeiten der Verpfändung werden in der Literatur nicht als einander ausschließend präsentiert. Vielmehr sieht man sie als verschiedene gangbare Wege zur Erreichung desselben Ziels an14. Allerdings besteht bei allen dasselbe Problem: die mangelnde Publizität des Verpfändungsvorgangs. Das Erfordernis der Besitzübertragung in §§ 1205 f. BGB soll die anderen Gläubiger darauf hinweisen, dass der Vermögensgegenstand mit einem Recht belastet ist, und zugleich die Verfügungs- und Einwirkungsmöglichkeiten des Veräußerers ausschließen15. Die Publizität ist im System der §§ 1205 f. BGB noch wichtiger als bei den §§ 929–931 BGB. So genügt zum Beispiel anders als für die Übertragung des Eigentums nach § 930 BGB ein constitutum possessorium für die Bestellung eines Pfandrechts nicht. Man hat daher auch von einer erschwerten oder qualifizierten Publizität gesprochen16 . Genau diese erreicht die herrschende Meinung nicht. Denn die von ihr vorgeschlagenen Arten der Verpfändung vollziehen sich ausschließlich innerhalb der Depotbank. Es handelt sich um rein interne Vorgänge, die nach außen nicht sichtbar werden. 11 Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnrn. 2032, 2034; Heinsius/Horn/ Than, DepotG, § 6 Rdnr. 96; Karsten Schmidt, in: MünchKomm-BGB, § 747 Rdnr. 21. 12 Siehe Opitz, Fünfzig depotrechtliche Abhandlungen, S. 117; ders., DepotG, §§ 6, 7, 8 Anm. 31; Quassowski/Schröder, Bankdepotgesetz, § 8 Anm. C 1; Schönle, Bank- und Börsenrecht, S. 21; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 96; Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2034. Zu den Einzelheiten Hoffmann, WM 2007, 1547 (1550). 13 Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 96; Stauder/Comes, WM 1969, 610 (612 Fußn. 20). 14 Siehe z.B. Canaris, in: Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, Rdnr. 2034; Opitz, DepotG, §§ 6, 7, 8 Anm. 34; Decker, in: Bankrecht und Bankpraxis, Rdnr. 8/71. 15 RG, Urt. v. 24.6.1911– Rep. VI. 525/10, RGZ 77, 201 (208 f.); Rudolf Schmidt, AcP 134 (1931), 1 (5 f.); Staudinger/Wiegand, § 1205 Rdnr. 10; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 55 Rdnr. 16. 16 Vgl. Heck, Grundriß des Sachenrechts, S. 418; Fritz Rittner, JZ 1965, 274.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Die besitzrechtlichen Erfordernisse sind damit zwar formal eingehalten, aber der vom Gesetz mit ihnen verfolgte Zweck wird verfehlt. Das zeigt sich besonders deutlich an § 1205 II BGB. Die Vorschrift verlangt neben der Übertragung des mittelbaren Besitzers auf den Pfandgläubiger eine Anzeige der Verpfändung an den Besitzer. Äußerlich sichtbar wäre die Anzeige, wenn sie an den unmittelbaren Besitzer, also an die Wertpapiersammelbank erfolgen müsste. Die herrschende Meinung steht indes im Anschluss an eine Entscheidung des OLG Karlsruhe17 auf dem gegenteiligen Standpunkt. Sie lässt die Anzeige an den Besitzmittler des Verpfänders, also an die Depotbank, ausreichen18 . Diese – auffälligerweise nicht näher begründete – Ansicht ist bemerkenswert. Denn die von der herrschenden Meinung nach § 1205 II BGB für ausreichend gehaltene Anzeige an die Depotbank ähnelt sehr der nach § 1205 I 1 BGB erforderlichen Anweisung an dieselbe, nunmehr für den Gläubiger zu besitzen. Zu Recht meint daher etwa Karsten Schmidt, dass die Verpfändung über § 1205 I BGB keine Erleichterung gegenüber der nach § 1205 II BGB darstelle19. In der Tat sind die Voraussetzungen beider Arten der Pfandrechtsbestellung nach der Konstruktion der herrschenden Meinung fast identisch. Die Konzeption des BGB ist jedoch eine andere: Die in § 1205 II BGB vorgesehene Verpfändung sollte von der nach § 1205 I BGB verschieden sein. Rechtsprechung und Lehre nähern beide bei der Sammelverwahrung bis zur Ununterscheidbarkeit einander an. Dies zeigt, wie sehr das sachenrechtliche System überspielt wird.

4. Bestimmtheit Zu einer Verabschiedung vom Sachenrecht kommt es noch in anderer Hinsicht: Nach dem dort geltenden Bestimmtheitsgrundsatz müsste sich das Pfandrecht auf ein bestimmtes Objekt richten. Das aber ist im Fall der Globalverbriefung nicht möglich. Denn das Pfandrecht kann sich hier nicht auf die Urkunde als solche beziehen. Sieht man daher als Gegenstand der Verbriefung den Miteigentumsanteil oder die Mitgliedschaft an, so gerät man in Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz. Denn aufgrund seiner unkörperlichen Natur lässt sich der Gegenstand des Pfandrechts nicht eindeutig bestimmen, wie es bei einer Sache möglich wäre. Man kann höchstens von Bestimmbarkeit sprechen. Diese soll bei der Verpfändung von Sammeldepotanteilen die Bestimmtheit verdrängen 20 .

17

OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.12.1998 – 19 U 33/98, WM 1999, 2450 (2455). Palandt/Bassenge, § 1205 Rdnr. 9; Damrau, in: MünchKomm-BGB, § 1205 Rdnr. 22; Staudinger/Wiegand, § 1205 Rdnr. 30. 19 Karsten Schmidt, in: MünchKomm-BGB, § 747 Rdnr. 21. 20 Hirte/Knof, WM 2008, 7 (13). 18

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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5. Verpfändung von Schuldbuchforderungen Schwierigkeiten bereitet der herrschenden Meinung außerdem die Verpfändung von Schuldbuchforderungen. Die Rechtsprechung bevorzugt die Anwendung der Regeln über die Verpfändung beweglicher Sachen 21. Weil Einzelschuldbuchforderungen unkörperlich sind, ist der vom Gesetz für die Entstehung des Pfandrechts vorausgesetzte Besitzübergang jedoch nicht möglich 22 . Der BGH hält die Übertragung des mittelbaren Besitzes nach § 1205 II BGB für ausreichend, verlangt aber im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift eine Anzeige der Verpfändung23. Diese soll an die „Wertpapiersammelbank“ erfolgen24. Damit kann heute nur die zur Führung des Schuldbuchs zuständige Stelle, das heißt die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH25 , gemeint sein. Allerdings ist in keiner Weise geklärt, wie diese auf die Anzeige reagieren soll. Eine Umstellung des Besitzmittlungswillens wie bei körperlichen Sachen kommt jedenfalls nicht in Betracht. Zudem bestehen Widersprüche zur spezialgesetzlichen Regelung im Bundesschuldenwesengesetz. Diese setzt für die Entstehung des Pfandrechts dessen Eintragung in das Bundesschuldbuch voraus26 . Das Eintragungserfordernis lässt sich in keiner Weise mit den im BGB verlangten Bedingungen für die Pfandrechtsbestellung an beweglichen Sachen vereinbaren. Unverkennbar sind damit die Schwierigkeiten, welche durch die Entmaterialisierung staatlicher Schulden hervorgerufen werden. Sie betreffen wie gesehen nicht nur die Rechtsdogmatik, sondern auch die Rechtspraxis. Bislang sind sie nicht gelöst.

6. Gutgläubiger Erwerb durch Depotbank Vor unüberwindlichen Problemen steht die herrschende Meinung schließlich beim gutgläubigen Erwerb des Pfandrechts, wenn dieses nicht einem Dritten, sondern der Depotbank bestellt wird. Die Konstellation ist praktisch besonders bedeutsam wegen des gesetzlichen Pfandrechts der Bank als Kommissionärin gemäß § 397 HGB und wegen des in Nr. 14 der Allgemeinen Geschäftsbedin-

21 Vgl. LG Konstanz, Urt. v. 27.11.1987 – 2 O 384/87, WM 1988, 1124 m. Anm. Soehring, WuB I G 2a Depotgeschäft/Verwahrung 2.88; Urt. v. 21.1.1988 – 3 HO 102/87, WM 1988, 818 m. Anm. Welter, EWiR 1988, 785 und Soehring, WuB I G 2a Depotgeschäft/Verwahrung 2.88. 22 Dazu Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 130 f. 23 BGH, Urt. v. 18.1.1996 – IX ZR 81/95, WM 1996, 518. 24 Ebda. 25 Vgl. § 1 I 1 Nr. 3 BSchuWG. Zum Gesetz o. S. 43. 26 Vgl. § 8 III BSchuWG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

gungen der Banken 27 vorgesehenen vertraglichen Pfandrechts des Kreditinstituts an den Wertpapieren seiner Kunden. Das vertragliche Pfandrecht kann vom Nichtberechtigten gemäß §§ 1207, 932 BGB gutgläubig erworben werden. Für das gesetzliche Pfandrecht nach § 397 HGB gilt gemäß § 366 III HGB dasselbe28 . Die Schwierigkeit besteht darin, dass der Gutglaubensschutz die Übertragung des Besitzes des Verpfänders auf den Pfandgläubiger voraussetzt. Die Bank erhält die Urkunden in der Regel nicht vom Hinterleger, sondern erwirbt diese im Wege der Einkaufskommission für dessen Rechnung29. Der Besitz bietet in diesem Fall keine ausreichende Rechtsscheinsgrundlage für den gutgläubigen Erwerb, weil er nicht vom Verpfänder, sondern von einem Dritten erlangt wird. Die Folge wäre, dass die Bank an den im Wege der Einkaufskommission erworbenen Titeln ihrer Kunden kein Pfandrecht erlangen könnte30 . Das hätte indessen schwerwiegende Konsequenzen, denn für Kreditinstitute ist das Pfandrecht eine bedeutende Sicherheit für die Forderungen gegen ihre Kunden.

II. Verpfändung des Herausgabeanspruchs Ausgehend von den genannten Mängeln entwickelt Dorothee Einsele eine Alternative zur herrschenden Meinung. Sie vertritt die Ansicht, dass sich die Verpfändung des Sammeldepotanteils nicht nach den Vorschriften über die Bestellung des Pfandrechts an beweglichen Sachen, sondern nach denen über die Verpfändung von Rechten richte. Der Verpfänder habe nämlich keinen Besitz am zu verpfändenden Gegenstand inne. Bei seinem Miteigentumsanteil handele es sich vielmehr um eine „besitzlose Sache“, so dass eine Verpfändung nur durch die Bestellung eines Pfandrechts am Herausgabeanspruch des Hinterlegers nach §§ 7 f. DepotG denkbar sei31. Die Verpfändung des Herausgabeanspruchs müsste grundsätzlich nach § 1274 BGB erfolgen. Daneben wäre eine Anzeige an den Schuldner nach § 1280 BGB erforderlich. Einsele hält diese jedoch für unpraktikabel. Daher soll ihrer Ansicht zufolge § 1280 BGB „entgegen dem Wortlaut“ nicht anwendbar sein 32 .

27 Allgemeine Geschäftsbedingungen der privaten Banken (Stand 1. April 2002), abgedruckt in: Baumbach/Hopt, HGB, 2. Teil (8). 28 Vgl. Canaris, Handelsrecht, § 27 Rdnr. 34; ders., in: Großkomm. HGB, § 366 Rdnr. 94 m.w.Nachw. 29 Siehe o. S. 20. 30 So Einsele, Wertpapierrecht als Schuldrecht, S. 123 f. 31 Einsele a.a.O., S. 127. 32 Einsele a.a.O., S. 128.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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Einseles Auffassung vermag nicht zu befriedigen. Die Idee, statt des Sammeldepotanteils den Herausgabeanspruch zu verpfänden, führt nicht zum angestrebten Ziel. Denn dadurch würde nur die Herausgabe der Urkunde gesperrt, aber dem Verpfänder kein Verwertungsrecht am Anteil verschafft. Einsele räumt selbst ein, dass nach der von ihr vertretenen Lösung ein redlicher Erwerb des Pfandrechts in keinem Fall möglich ist 33. Das aber würde die Funktionsfähigkeit des Effektengiroverkehrs erheblich beeinträchtigen. Außerdem muss beachtet werden, dass ein Herausgabeanspruch nach §§ 7 f. DepotG im Fall der Verbriefung in einer Dauer-Globalurkunde gerade ausgeschlossen ist. Folgerichtig gäbe es für die in der Praxis häufigsten Konstellationen überhaupt keine Möglichkeit, Sammeldepotanteile zu verpfänden.

III. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht Das Gemeinschaftsrecht enthält einige wichtige Vorgaben für die Bestellung von Sicherheiten an Finanzinstrumenten. Diese finden sich in der Richtlinie über Finanzsicherheiten34. Sie soll ausweislich ihres dritten Erwägungsgrunds „zu einer weiteren Integration und der Erhöhung der Kostenwirksamkeit des Finanzmarkts sowie zur Stabilisierung des Finanzsystems in der Gemeinschaft beitragen“. Anders als ihre Vorgängerin, die Finalitätsrichtlinie, knüpft sie nicht an Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme an, sondern bezieht sich auf Finanzsicherheiten allgemein. Darunter versteht die Richtlinie nur Finanzinstrumente und Barsicherheiten35. Sicherheit im Sinne der Richtlinie ist sowohl die Einräumung eines „beschränkten dinglichen Sicherungsrechts“ als auch die Vollrechtsübertragung36 . Die Sicherheit muss für eine Verbindlichkeit bestellt werden, die „ein Recht auf Barzahlung und/oder Lieferung von Finanzinstrumenten“ begründet37. Der Anwendungsbereich wird außerdem über die nähere Bestimmung der Person des Sicherungsnehmers und des Sicherungsgebers eingeschränkt38 . Ob und wie sich die daraus folgende Bevorzugung gewisser Gläubiger rechtfertigen lässt, ist in der Literatur heftig umstritten39. Inhaltlich enthält die Richtlinie nur wenige Vorgaben. Sie untersagt den Mitgliedstaaten, die Bestellung und Wirksamkeit einer Finanzsicherheit oder die prozessuale Beweisführung über sie oder die Besitzverschaffung an ihr von der 33

Einsele a.a.O., S. 129. Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABlEG Nr. L 168 v. 27.6.2002, S. 43. 35 Art. 1 IV lit. a Richtlinie 2002/47/EG. 36 Art. 2 I lit. a Richtlinie 2002/47/EG. 37 Art. 2 I lit. f Richtlinie 2002/47/EG. 38 Vgl. Art. 1 II Richtlinie 2002/47/EG. 39 Siehe dazu näher u. S. 477. 34

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Erfüllung von Formerfordernissen abhängig zu machen40 . Eine besondere Form für Finanzsicherheiten aber verlangte das deutsche Recht auch vor der Richtlinie nicht. Außerdem fordert die Richtlinie, dass eine Finanzsicherheit in Form der Vollrechtsübertragung entsprechend der Vereinbarung der Parteien wirksam werden kann41. Das ist in Deutschland der Fall, weil das Sicherungseigentum seit langem anerkannt ist. Darüber hinaus muss nach der Richtlinie der Sicherungsnehmer über die Finanzsicherheit verfügen können, soweit dies bei der Bestellung der Sicherheit vorgesehen wird42 . Die Bundesregierung war der Auffassung, dass sich dieses Ziel nach deutschem Recht durch die Vereinbarung eines irregulären Pfands erreichen lasse43. Da dieses bislang in Deutschland nicht gesetzlich geregelt ist, wäre eine Klarstellung wünschenswert gewesen44. Allein wegen dieses Versäumnisses kann jedoch eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nicht festgestellt werden. Anpassungsbedarf bestand lediglich hinsichtlich der Verwertungsform, die Artikel 4 der Richtlinie vorschreibt. Ihr hat der Gesetzgeber durch die Einfügung des § 1259 in das BGB genügt45. Insgesamt entspricht die Bestellung, Wirksamkeit und Verwertung des Pfandrechts nach deutschem Recht damit den Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie46 . Das mag erstaunen, baut diese doch auf der Finalitätsrichtlinie auf, die wie oben gezeigt nicht ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt wurde. Doch klärt sich der scheinbare Widerspruch bei näherem Hinsehen: Die Finanzsicherheitenrichtlinie ist bewusst weiter formuliert als die Finalitätsrichtlinie. Sie erfasst nicht nur unkörperliche, sondern auch besitzgebundene Sicherheiten47. Der Gesetzgeber wollte eine gemeinschaftsweite Regelung für alle bereits existierenden Arten von Sicherungsrechten an Wertpapieren – englisch: securities, französisch: instruments financiers – und Barguthaben schaffen48 . Zu diesem Zweck war es notwendig, auch diejenigen Sicherheiten zu erfassen, deren Bestellung durch Besitzübergabe erfolgt. Diese widersprechen daher der Richtlinie nicht. Wenn im Folgenden für sie ein alternatives Modell vorgestellt wird, so hat dies nichts mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu tun, sondern mit den Mängeln des deutschen Rechts selbst. Die hier gemachten Vorschläge können 40

Art. 3 I Richtlinie 2002/47/EG. Art. 6 Richtlinie 2002/47/EG. 42 Art. 5 I Richtlinie 2002/47/EG. 43 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks. 15/1853, S. 11 f. 44 Kollmann, WM 2004, 1012 (1020). A.A. Wimmer, ZIP 2003, 1563 (1564). 45 Dazu u. S. 448 f. 46 Ebenso Kollmann, WM 2004, 1012 (1018). 47 Art. 1 V Richtlinie 2002/47/EG. 48 Ewgr. 3 Richtlinie 2002/47/EG. 41

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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aber auch für eine künftige gemeinschaftsweite Regelung der Verpfändung von Finanzinstrumenten herangezogen werden.

IV. Verpfändung durch Einigung und Eintragung 1. Regelungsvorschlag Wie oben gezeigt, bereitet die Frage der Verpfändung von Finanzinstrumenten der herrschenden Meinung große Schwierigkeiten. Dies liegt daran, dass sie die Vorschriften über die Verpfändung körperlicher Gegenstände anwendet, welche die Übertragung des Besitzes auf den Pfandgläubiger verlangen. Wählt man den hier eingenommenen Standpunkt, wonach es sich bei Finanzinstrumenten um unkörperliche Vermögensgegenstände handelt, so ist eine Besitzübertragung entbehrlich. Außerdem bedarf es keiner Anzeige an den Schuldner gemäß § 1280 BGB, denn die Verpfändung hat nichts mit der Bestellung eines Pfandrechts an Rechten nach §§ 1274–1280 BGB zu tun. Verpfändet wird ein Finanzinstrument, nicht eine Forderung. Wie aber erfolgt die Verpfändung? Sie ist im deutschen Recht nicht geregelt. Naheliegend erscheint es, ähnlich wie für die Übertragung entsprechende Willenserklärungen der Parteien und eine Buchung zu verlangen. Letztere tritt an die Stelle der Besitzübertragung; sie entzieht dem Verpfänder die Verfügungsmöglichkeit. Wenn man den hier gewählten Weg beschreitet, wird die Verpfändung des Finanzinstruments nicht durch dessen unkörperliche Natur gehindert. Denn die Eintragung in das Register ersetzt die Sachherrschaft. Daraus erklärt sich, dass die Registrierung in den meisten Rechtsordnungen beibehalten wurde, in denen man zur Entmaterialisierung privater Effekten übergegangen ist. So sind im Vereinigten Königreich nach der Finanzsicherheitenrichtlinie konsequent alle Formalitäten für die Bestellung der Sicherheit abgeschafft worden, mit Ausnahme der Buchung, die weiterhin notwendig bleibt49. Die beiden spanischen Gesetze zur Umsetzung der Richtlinie haben Artikel 10 der Ley del Mercado de Valores unberührt gelassen, der für die Bestellung der Sicherheit einen Registereintrag verlangt50 . Der italienische Gesetzgeber hat sich damit begnügt, die Bestimmungen der Richtlinie zu wiederholen, ohne vom Erfordernis der Buchung Abstand zu nehmen 51. Das französische Recht knüpft die Bestellung des Pfandrechts an die Verein-

49 The Financial Collateral Arrangements (No. 2) Regulations 2003, SI 2003 No. 3226, Art. 4 f. 50 Vgl. Ley Nr. 44/2002 v. 22.11.2002, BOE Nr. 281 v. 23.11.2002, S. 41273; Real Decreto Ley Nr. 5/2005 v. 11.3.2005, BOE Nr. 62/2005 v. 14.3.2005, S. 8832. 51 Decreto legislativo v. 21.3.2004, G.U. Nr. 164 v. 15.7.2004.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

barung der Parteien, sieht aber gleichzeitig vor, dass die Titel in ein besonderes Konto zu buchen sind52 . Manche Rechte lassen dagegen eine Verpfändung auch ohne Registereintrag durch schlichte Einigung zu. Sie verlangen lediglich, dass der Pfandnehmer durch sie die Kontrolle über das Finanzinstrument erlangt. Man spricht insoweit auch vom sogenannten control agreement 53. Eine entsprechende Regelung sieht etwa der Entwurf für das Schweizer Bucheffektengesetz vor54. Er setzt die unwiderrufliche Vereinbarung zwischen Kontoinhaber und Verwahrungsstelle voraus, dass letztere den Weisungen des Sicherungsnehmers ohne weitere Zustimmung oder Mitwirkung des Kontoinhabers zu folgen hat. Solchen Regelungen muss man mit Vorsicht begegnen. Es mag sein, dass der Pfandnehmer durch schlichte Vereinbarungen die Kontrolle am Pfandgegenstand erlangen kann, auch wenn er nicht registriert wird. Verfügungen des Verpfänders sind dadurch ausgeschlossen. Doch sind damit nicht alle Fragen gelöst. Vielmehr stellt sich zusätzlich das Problem der Nachweisbarkeit: Insbesondere im Fall der Insolvenz der kontoführenden Stelle muss klar ersichtlich sein, wem ein Vorzugsrecht an den Titeln zusteht. Das hat die derzeitige Finanzkrise in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Allein zwei- oder dreiseitige Vereinbarungen genügen dazu nicht. Daher sollte man zusätzlich die Registrierung des Pfandrechts verlangen. Die Buchung als Voraussetzung der Verpfändung ist im deutschen Recht nicht neu. Außer im Grundbuchrecht ist sie in §§ 22a–o KWG vorgesehen. In das dort beschriebene Refinanzierungsregister lassen sich Forderungen und Grundpfandrechte eintragen, auf deren Übertragung der Gläubiger des registerführenden Unternehmens Anspruch hat. Folge der Eintragung ist, dass der Gläubiger in der Insolvenz die Forderung oder das Grundpfandrecht nach § 47 InsO aussondern kann55. Die Wirkungen sind also ähnlich denen eines Pfandrechts. Hervorzuheben ist, dass sie durch bloße Registereintragung eintreten, ohne dass es einer Übergabe bedürfte. Diese Regelung ist derzeitig ein Fremdkörper im deutschen Recht. Sie kann aber als Vorbild für die Verpfändung von Finanzinstrumenten dienen, mit der Abweichung, dass das Register nicht vom Verpfänder selbst, sondern von einem Dritten geführt wird. Dabei stehen zwei Wege zur Eintragung des Pfandrechts offen: Entweder man vermerkt es auf dem Konto des verpfändeten Finanzinstruments, oder man bucht dieses auf ein Sonderkonto. Ersterem Modell folgt zum Beispiel das

52

Art. L431–4 I, II 1 Code monétaire et financier. Vgl. Legal Certainty Group, Second Advice – Solutions to Legal Barriers related to Post-Trading Within the EU, S. 44. 54 Art. 25 BEG-E. 55 § 22j I 1 KWG. Einzelheiten bei Fleckner, WM 2007, 2272 (2274–2276). 53

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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spanische Recht56 , letzterem das französische57. Welches von ihnen man bevorzugt, ist nur Geschmacksfrage. Gegen die hier vorgeschlagene Art der Verpfändung könnte man einwenden, dass sie dem Publizitätsgrundsatz nicht genüge. Denn mangels Öffentlichkeit des Registers ist das Pfandrecht nicht äußerlich erkennbar. Gerade unter diesem Aspekt wurde oben die bisherige Konstruktion der Verpfändung kritisiert. Allerdings orientierte sich diese Kritik am selbstgesteckten Ziel der herrschenden Ansicht, dem sachenrechtlichen Modell zu genügen. Zu letzterem gehört die Publizität als notwendige Voraussetzung der Pfandrechtsbestellung. Folgt man dagegen der Einordnung der Finanzinstrumente als unkörperlicher Gegenstände, dann bedarf es einer Publizität des Pfandrechts nicht. Da schon der verpfändete Gegenstand selbst nicht sichtbar ist, gibt es keinen äußerlichen Tatbestand wie den Besitz an der Sache, aus dem der Verkehr Fehlschlüsse über die Berechtigung ziehen könnte. Daher muss auch das Pfandrecht nicht öffentlich gemacht werden. Die Verpfändung kann vielmehr durch rein interne Vorgänge innerhalb des Effektensystems erfolgen.

2. Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht Der hier gemachte Vorschlag muss den Anforderungen der Finanzsicherheitenrichtlinie entsprechen. Nach dieser darf die Bestellung und die Wirksamkeit einer Finanzsicherheit nicht von der Erfüllung von Formerfordernissen abhängig gemacht werden58 . Als Beispiel nennt die Richtlinie „die Einreichung von Unterlagen bei einer amtlichen oder öffentlichen Stelle oder die Eintragung in ein öffentliches Register“59. Sie scheint damit der Eintragung in einem Register als Voraussetzung der Verpfändung entgegenzustehen. Entgegen dem ersten Eindruck ist dem nationalen Gesetzgeber jedoch nicht untersagt, die Bestellung der Sicherheit an die Buchung zu knüpfen. Das zeigt Artikel 2 II der Richtlinie, der die Begriffe „Bestellung“ und „bestellt“ definiert. Eine dort vorgesehene Form der Bestellung ist, dass dem Sicherungsnehmer die Finanzsicherheiten „im Wege des Effektengiros gutgeschrieben werden“. Daraus ergibt sich, dass die Bestellung einer Finanzsicherheit auch von einer Buchung im Effektengiroverkehr abhängig gemacht werden darf. Damit wird zugleich sichergestellt, dass der Kontoinhaber nicht mehr über die von ihm verpfändeten Finanzinstrumente verfügen kann. Artikel 2 II der Richtlinie umschreibt das dahingehend, der Sicherungsnehmer müsse die „Kontrolle“ über die Finanzinstrumente erlangen. Bei besitzgebunden Sicherheiten erfolgt der Übergang der Kontrolle durch die Übertragung der Sachherrschaft. Bei re56 57 58 59

Art. 10 I Ley del Mercado de Valores. Art. L431–4 II 1 Code monétaire et financier. Art. 3 I Richtlinie 2002/47/EG. Ewgr. 10 Satz 1 Richtlinie 2002/47/EG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

gistrierten Rechten kann sie dagegen durch die Eintragung in einem Konto erfolgen. Die Finanzsicherheitenrichtlinie steht also dem Erfordernis der Buchung für die Verpfändung nicht entgegen. Daher wäre der Verzicht auf die Registrierung durch Artikel 25 des Entwurfs des Schweizer Bucheffektengesetzes nicht notwendig gewesen, mit dem man im Wege des autonomen Nachvollzugs den Bestimmungen der Finanzsicherheitenrichtlinie entsprechen wollte. Die Botschaft zum Gesetzentwurf verweist ausdrücklich auf sie 60 . Richtig ist zwar, dass nach der Richtlinie die Kontrolle des Erwerbers über die verpfändeten Finanzinstrumente zum Pfandrechtserwerb genügt61. Doch kann der nationale Gesetzgeber wie gezeigt auch die Buchung verlangen. Daher hätte man die in Artikel 24 des Entwurfs für die Übertragung vorgesehene Gutschrift auf dem Konto des Erwerbers als Voraussetzung für die Verpfändung bezeichnen können, ohne der Richtlinie zu widersprechen. Außer der Buchung bedarf es einer Einigung zwischen dem Verpfänder, der Kontoinhaber sein muss, und dem Pfandnehmer. Diese kann, wie gesehen, nach Artikel 3 I der Finanzsicherheitenrichtlinie nicht von Formanforderungen abhängig gemacht werden. Eine formale Anforderung sieht die Richtlinie allerdings selbst vor: Die Bestellung muss schriftlich oder in gleichwertiger Form nachgewiesen werden62 . Diese Voraussetzung soll gewährleisten, dass sich die Vereinbarung nachweisen lässt. Wie gezeigt ist dies rechtspolitisch gesehen allein jedoch nicht ausreichend; vielmehr sollte auch eine Registrierung verlangt werden. Insoweit ist das Gemeinschaftsrecht nachzubessern. Ein Geburtsfehler der Richtlinie besteht weiterhin darin, dass ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet ist, wenn es an einer Vereinbarung in schriftlicher oder rechtlich gleichwertiger Form fehlt63. Danach wären mündlich bestellte Pfandrechte auch ohne die Einhaltung der Voraussetzungen der Richtlinie wirksam. Will man Rechtssicherheit auf dem Binnenmarkt erreichen, ist es nötig, jegliche Form der Pfandrechtsbestellung zu regeln.

V. Verwertung Die Verwertung eines gepfändeten Gegenstands erfolgt gemäß § 1235 BGB grundsätzlich im Wege der öffentlichen Versteigerung. In Umsetzung der Richtlinie über Finanzsicherheiten wurde in § 1259 BGB vorgesehen, dass ein Pfand, welches einen Markt- oder Börsenpreis hat, auch auf andere Art verwer60 Schweizerischer Bundesrat, Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen v. 15.11.2006, Bundesblatt 2006, 9315 (9370). 61 Vgl. Art. 2 II Richtlinie 2002/47/EG. 62 Art. 3 II Richtlinie 2002/47/EG. 63 Art. 1 V Richtlinie 2002/47/EG.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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tet werden kann, wenn die Parteien dies vereinbart haben. In Betracht kommt insbesondere der sogenannte freihändige Verkauf, den der Gläubiger anders als bei § 385 BGB selbst vornehmen darf. Daneben können sich die Parteien nach § 1259 BGB auch einigen, dass dem Gläubiger bei Fälligkeit der Forderung das Eigentum am Pfand zufallen soll. Allerdings stehen diese Möglichkeiten der Verwertung nur dann offen, wenn Eigentümer und Pfandgläubiger entweder Unternehmen oder juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlichrechtliche Sondervermögen sind. Überlegenswert wäre, sie auch dann zu eröffnen, wenn andere Personen einschließlich Verbrauchern beteiligt sind64. Denn sind jene in der Rolle des Verpfänders, bietet die Existenz eines liquiden Markts hinreichenden Schutz vor der Verschwendung ihres Eigentums. Sind sie Pfandgläubiger, gibt es keinen Grund, ihnen die erleichterten Verwertungsmöglichkeiten vorzuenthalten. Das Gemeinschaftsrecht verlangt eine entsprechende Ausdehnung zwar nicht, doch würde sie der Gleichbehandlung aller Schuldner und Pfandgläubiger entsprechen.

64

Ebenso – wenn auch mit anderer Begründung – Kollmann, WM 2004, 1012 (1019).

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§ 23 Zwangsvollstreckung Finanzinstrumente sind Vermögenswerte, die einem Inhaber zugeordnet werden. Als solche sind sie für dessen Gläubiger als potentielle Vollstreckungsobjekte interessant. Daher ist es wichtig, dass das Zwangsvollstreckungsrecht entsprechende Möglichkeiten bereithält. Nach der Darlegung des bisherigen Rechtszustands (I) soll ein Alternativvorschlag unterbreitet werden (II).

I. Sachenrechtliches Modell Das Zwangsvollstreckungsrecht ist eines der eindrucksvollsten Beispiele dafür, zu welchen Schwierigkeiten das sachenrechtliche Modell in der Praxis führt. Der Gesetzgeber hat beim Erlass der ZPO die Möglichkeit der Sammelverwahrung und der Ausstellung einer Globalurkunde nicht berücksichtigen können. Er folgte vielmehr den damals in der Wissenschaft anerkannten Prinzipien des Sachenrechts. Aus diesem Grund stellen sich heute bei der Anwendung der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung auf sammelverwahrte Papiere viele Probleme. Zu unterscheiden ist dabei entsprechend dem System des achten Buchs der ZPO danach, ob wegen einer Geldforderung vollstreckt wird oder unmittelbar die Herausgabe eines Finanzinstruments erwirkt werden soll.

1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung Ist die Grundlage der Vollstreckung eine Geldforderung, so sind Wertpapiere des Schuldners gemäß §§ 808, 831 ZPO vom Gerichtsvollzieher in Besitz zu nehmen. Im Fall sammelverwahrter oder globalverbriefter Wertpapiere ist dies jedoch nicht möglich, weil sich die relevanten Urkunden bei der Wertpapiersammelbank befinden. Eine Vollstreckung durch Wegnahme nach § 809 ZPO ist ebenfalls ausgeschlossen. Denn bei der Sammelverwahrung sind die dem Schuldner gehörenden einzelnen Urkunden nicht identifizierbar; ihm gebührt nur ein ideeller Miteigentumsanteil am Sammelbestand. Erst recht nicht wegnehmen lassen sich Globalurkunden, denn sie verbriefen nicht nur das Recht eines einzelnen Hinterlegers, sondern einer Vielzahl von Personen. Als Alternative zur Vollstreckung bleibt lediglich, das Finanzinstrument als „anderes Vermögensrecht“ zu behandeln und § 857 ZPO anzuwenden. Diesen Weg befürwortet die herrschende Lehre1. Gemäß § 857 I i.V.m. §§ 829, 835 ZPO

1 Vgl. Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 50; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 6 DepotG Rdnr. 2; Einsele, in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft Rdnr. 122; Lüke, in:

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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muss danach ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen werden. Dazu ist unter anderem dem Drittschuldner gemäß § 829 I 1, 2 ZPO zu verbieten, an den Schuldner zu zahlen; gleichzeitig muss an ihn das Gebot gerichtet werden, sich jeder Verfügung über den Gegenstand zu enthalten. Als Drittschuldner in diesem Sinne sieht die herrschende Meinung die Depotbank an2 . Erwogen wird, ob der Pfändungsbeschluss nicht daneben der Wertpapiersammelbank wenigstens anzuzeigen ist3. Schließlich wird in der Literatur die Frage gestellt, ob er nicht auch den Miteigentümern des Sammelbestands oder der Globalurkunde zugestellt werden müsse, wie dies sonst bei der Pfändung von Miteigentumsanteilen üblich ist4. Da eine solche Zustellung im Effektenverkehr wegen der Vielzahl der Miteigentümer, die dem Gläubiger zudem unbekannt sind, nicht möglich ist, behilft man sich insoweit mit einer Fiktion: Man nimmt an, die anderen Miteigentümer hätten die Depotbank zur Entgegennahme des Pfändungsbeschlusses ermächtigt 5. Die Fragilität dieser Konstruktionen ist offensichtlich. Allerdings sind die Probleme tatsächlich noch viel komplizierter, als die herrschende Lehre annimmt. Denn bei näherer Betrachtung ist der richtige Adressat des Pfändungsbeschlusses weder die Depotbank noch die Sammelbank, sondern eine andere Person. Aus dem Wertpapier verpflichtet ist immer nur derjenige, der dieses begeben hat. Schuldner ist also der Emittent. Folgerichtig müsste jeder Pfändungsbeschluss über ein Wertpapier ihm zugestellt werden. Das wäre jedoch außerordentlich unpraktikabel. Man kann den Emittenten nicht zumuten, sich mit jeder Pfändung von Finanzinstrumenten zu beschäftigen, die ihren Anlegern gehören.

2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe Mindestens ebenso schwierig ist es, das auf die Zwangsvollstreckung anwendbare Verfahren zu bestimmen, wenn mit ihr die Herausgabe von Finanzinstrumenten erwirkt werden soll. Ein solcher Anspruch kann sich etwa dann ergeben, wenn durch einen Buchungsfehler Aktien auf einen anderen eingetragen wurden. Wie soll in diesem Fall die Pfändung erfolgen?

Wiezorek/Schütze, ZPO, § 808 Rdnr. 13; Kunst, Zwangsvollstreckung in Wertpapiere, S. 166; Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 1787e; Erk, Rpfleger 1991, 236. 2 Hopt a.a.O., Rdnr. 2; Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 6 Rdnr. 50; Lüke a.a.O., Rdnr. 13; Kunst a.a.O., S. 166; Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 1787e. 3 Quassowski/Schröder, Bankdepotgesetz, § 8 Anm. C 3; abl. Heinsius/Horn/Than, DepotG, § 8 Rdnr. 8. 4 Einsele, in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft Rdnr. 122; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 6 DepotG Rdnr. 2. 5 Hopt a.a.O., Rdnr. 2; Lüke, in: Wiezorek/Schütze, ZPO, § 808 Rdnr. 13; zweifelnd Einsele a.a.O.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 auseinanderzusetzen6 . Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Die Schuldnerin war zur Herausgabe von sammelverwahrten Aktien verurteilt worden. Diese wurden für sie im Depot einer Sparkasse geführt. Der Gläubiger erwirkte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und beantragte anschließend, ihm die Anteilsrechte gemäß § 857 IV ZPO zu übertragen. Der Bundesgerichtshof ist – zu Recht – der Ansicht, dass die Vorschrift des § 857 ZPO auf den vorliegenden Fall nicht passe, weil sie im Abschnitt über die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen steht7. Hier handelt es sich dagegen um eine Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe, die sich nach den Vorschriften des dritten Abschnitts des achten Buchs der ZPO richtet. Von diesen wäre § 883 anzuwenden, wenn man der herrschenden Einordnung der Aktie als bewegliche Sache folgt. Darauf deutet auch § 884 ZPO hin, der die Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe einer bestimmten Menge vertretbarer Wertpapiere dem § 883 I ZPO unterstellt. Allerdings sieht letzterer vor, dass die Sache dem Schuldner vom Gerichtsvollzieher „wegzunehmen“ sei. Das aber ist bei sammelverwahrten oder globalverbrieften Aktien wie bereits gesehen nicht möglich. Ebensowenig lässt sich gegen die Wertpapiersammelbank nach § 886 ZPO vorgehen, weil die für den Hinterleger im Sammelbestand verwahrten Urkunden nicht identifizierbar sind und im Fall des Ausschlusses der Einzelverbriefung nicht getrennt herausgegeben werden können. Der BGH befand sich daher in einer offensichtlichen Klemme. Das Zwangsvollstreckungsrecht biete keinen Mechanismus zur Vollstreckung der Herausgabe von nicht individuell verbrieften Aktien. Daher bestand die Gefahr, dass der titulierte Anspruch ins Leere geht. Das musste um jeden Preis vermieden werden. Die Karlsruher Richter entscheiden sich daher für eine „entsprechende Anwendung“ der Vorschriften über die Vollstreckung von Ansprüchen auf die Leistung vertretbarer Sachen, § 884 i.V.m. § 883 I ZPO. Dabei sei die Herausgabe der Aktie durch die Pfändung und Überweisung des Herausgabeanspruchs gegen einen Dritten nach § 886 ZPO zu ersetzen8 . Aber worin besteht dieser Herausgabeanspruch? Die Entscheidung des BGH ist insoweit nicht ganz eindeutig. Zunächst verweist sie auf den Auslieferungsanspruch des Schuldners gemäß §§ 7 f. DepotG, den sich der Gläubiger überweisen lassen solle9. Damit stößt man aber an Grenzen, wenn die Auslieferung einzelner Wertpapiere entsprechend § 9a III 2 DepotG ausgeschlossen wurde. Aus diesem Grund heißt es im selben Urteil später, es käme nicht auf den Gewahrsam an der Sammelurkunde an, „sondern darauf, dass die Depotbank den 6 7 8 9

BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IX a ZB 24/04, BGHZ 160, 121. BGH a.a.O, S. 123. BGH a.a.O., S. 125. Ebda.

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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Eigentumswechsel durch Umbuchung vollziehen kann“10 . Der Gläubiger dürfe sich den dahin gehenden Anspruch des Schuldners überweisen lassen11. Unter den Ausführungen des BGH besonders bemerkenswert ist die en passant gefallene Aussage, der Eigentumswechsel werde durch die Umbuchung vollzogen. Sie stellt einen krassen Paradigmenwechsel dar, denn die bislang ganz herrschende Lehre und Rechtsprechung gehen davon aus, dass sich die Übertragung von Effekten durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB vollzieht12 . Die Umbuchung ist nur ein Indiz für die dazu notwendige Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses, aber sie „vollzieht“ nicht selbst den Eigentumswechsel. Man wird nicht annehmen können, dass der BGH die seit Jahrzehnten herrschende Ansicht in einem Nebensatz verwerfen wollte. Vielmehr scheint es sich um eine Art Freud’schen Verschreiber zu handeln. Denn tatsächlich drängt die Umbuchung in der Realität die Umstellung des Besitzmittlungsverhältnisses völlig in den Hintergrund. Fraglich an der Konstruktion des BGH ist weiter, woher der „Anspruch auf Umbuchung“ stammt. Seine Rechtsgrundlage ist äußerst zweifelhaft. Die Literatur hat versucht, eine Begründung nachzuliefern. Einer Ansicht zufolge sei er aus den §§ 7 f. DepotG abzuleiten13. Doch ist dort nur von einem Anspruch auf Herausgabe und nicht auf Umbuchung die Rede; außerdem ist der in diesen Vorschriften geregelte Anspruch in der Praxis meist entsprechend § 9a III 2 DepotG ausgeschlossen. Gemutmaßt wird außerdem, dass sich ein Recht des Anlegers auf Umbuchung aus seinem Depotvertrag mit der Bank ergeben könne14. Aber zu welchem Zweck soll der Anspruch dienen, wenn es, wie die herrschende Ansicht behauptet, für die Eigentumslage nur auf den Besitzmittlungswillen und nicht auf die Registereintragung ankommt? Daher kommt man um den Schluss nicht umhin, dass der BGH im vorliegenden Fall ein bis dato nicht vorhandenes Recht des Anlegers auf Umbuchung einzig und allein zu dem Zweck kreiert hat, die Vollstreckung in das Finanzinstrument zu ermöglichen. Nach alledem lässt sich nicht sauber klären, wie Rechte auf Herausgabe von Aktien unter den Bedingungen des modernen Effektenverkehrs durchzusetzen sind. Das ist erstaunlich und befremdlich zugleich, sind doch solche Ansprüche in der Praxis wichtig. Daher bedarf es dringend einer Gesetzesreform. Der Bundesgerichtshof hebt selbst ausdrücklich hervor, dass die Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts der Entwicklung des Wertpapiermarkts zu global10 11 12 13

BGH a.a.O., S. 126. Ebda. Siehe o. S. 388 ff. Walker/Wrobel, Anm. zu BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IX a ZB 24/04, LMK 2004, 236

(237). 14

1.04.

Einsele, Anm. zu BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IXa ZB 24/04, WuB I G 3 Depotgeschäft

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3. Teil: Das Finanzinstrument

verbrieften und sammelverwahrten Papieren nicht Rechnung tragen15. Die ZPO hält zur Durchsetzung des Anspruchs auf ein bestimmtes Finanzinstrument nur die Vollstreckung wegen Geldforderungen einerseits oder zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen andererseits bereit. Eine zwangsweise Übertragung von Rechten an unkörperlichen Vermögensgegenständen sieht sie dagegen nicht vor. Die tiefere Ursache für dieses Dilemma ist die Struktur unserer Rechtsordnung. Sie kennt einen Herausgabeanspruch nur bezüglich körperlicher Gegenstände. Ein entsprechender Anspruch für immaterielle Vermögensbestandteile fehlt, weil man diese nicht als selbstständige Güter ansieht. Das Zwangsvollstreckungsrecht ist insofern nur das Spiegelbild der grundsätzlichen Entscheidungen, die durch das materielle Recht getroffen wurden. Das deutsche Recht stellt den Inhaber eines Finanzinstruments einem Gläubiger gleich, ohne zu berücksichtigen, dass er gegenüber Dritten ein eigentumsähnliches Recht an dem Anlagewert hat. Zunächst ist dies zu ändern; erst danach kann auch das achte Buch der ZPO umstrukturiert werden.

3. Verwertung Schwierigkeiten bereitet schließlich auch die Verwertung des gepfändeten Sammeldepotanteils. Sie soll nach herrschender Meinung gemäß § 847 II ZPO erfolgen16 . Das erscheint jedoch inkonsequent. Denn die Norm bezieht sich auf die Verwertung eines Anspruchs nach § 847 I ZPO, der eine „bewegliche körperliche (!) Sache betrifft“. Außerdem erklärt sie die Vorschriften über die Verwertung gepfändeter Sachen für anwendbar. Grundsätzlich müsste danach gemäß § 814 ZPO eine öffentliche Versteigerung durchgeführt werden. Diese passt aber nicht auf die Verwertung von Finanzinstrumenten. Für Wertpapiere ist zwar eine Ausnahme in § 821 ZPO vorgesehen, nach der diese freihändig verkauft werden dürfen. Sie gilt jedoch nur für verbriefte Effekten. Auf unverbriefte Finanzmarktprodukte, wie etwa Futures, ist sie nicht anwendbar. Probleme entstehen auch, wenn Schuldbuchforderungen verwertet werden sollen. Eine Anwendung des § 847 II ZPO, wie sie die herrschende Meinung für sammelverwahrte oder globalverbriefte Titel annimmt, scheint wegen der unkörperlichen Natur der Gegenstände nicht möglich. Das spricht dafür, die Vorschriften über die Verwertung von Forderungen anzuwenden17. Gemäß 15

BGH, Beschl. v. 16.7.2004 – IX a ZB 24/04, BGHZ 160, 121 (125). Einsele, in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft Rdnr. 124; Erk, Rpfleger 1991, 236 (237); Lüke, in: Wiezorek/Schütze, ZPO, § 808 Rdnr. 13; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch I, § 72 Rdnr. 117; Stöber, Forderungspfändung, Rdnr. 1787 f. 17 So Erk a.a.O. 16

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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der grundsätzlichen Funktionenteilung im Zwangsvollstreckungsrecht wäre danach das Vollstreckungsgericht und nicht der Gerichtsvollzieher zuständig. Außerdem müsste ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach §§ 829, 835 ZPO erlassen werden. Eine Überweisung an den Gläubiger ist jedoch bei Finanzinstrumenten ausgeschlossen, da diese nicht immer auf einen bestimmten Geldbetrag lauten; man denke etwa an Stückaktien. Daher wird vorgeschlagen, die Verwertung nach § 844 I ZPO vorzunehmen18 . Schon der Wortlaut der Vorschrift macht jedoch ihren Ausnahmecharakter deutlich. Dass die Einziehung „mit Schwierigkeiten verbunden“ ist, stellt auf den Einzelfall ab und kann nicht bei einer ganzen Kategorie wichtiger Vermögensgegenstände pauschal angenommen werden. Der Verweis auf die Norm ist ein Notnagel. An ihn muss man sich hängen, weil die ZPO keine den Finanzinstrumenten adäquate Verwertungsmöglichkeit vorsieht.

II. Vorschlag für eine künftige Regelung Folgt man der hier vertretenen Einordnung des Finanzinstruments als unkörperlicher Vermögensgegenstand, so lassen sich die dargestellten Probleme auf einfache Weise lösen.

1. Vollstreckung wegen einer Geldforderung Zunächst ist festzustellen, dass die Vollstreckung in Finanzinstrumente aus einem Zahlungstitel im geltenden Recht nicht geregelt ist. De lege ferenda bietet es sich an, die Regeln über die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte als Vorbild zu nehmen. Denn als Vollstreckungsobjekte haben Finanzinstrumente größere Ähnlichkeiten mit immateriellen Gegenstände als mit körperlichen; insbesondere können sie dem Schuldner nicht weggenommen werden. Für die gesamte Vollstreckung sollte daher einheitlich das Vollstreckungsgericht zuständig sein, das entsprechende Anweisungen an andere Stellen geben kann. Die Pfändung kann nur durch seinen Beschluss erfolgen. Er ist der depotführenden Bank zuzustellen, die hier allerdings nicht als Drittschuldner, sondern als Verwalter fungiert. Sie ist aufzufordern, die eingetragene Position nicht mehr zu ändern und Leistungen, die sie aufgrund des Finanzinstruments erhält, an den Gläubiger weiterzuleiten. Die Pfändung ist wie bei anderen Registerrechten einzutragen19. Zuständig ist insoweit der Registerführer. Anders als bei sonstigen Registerrechten dient die Eintragung jedoch nicht der Publizität. 18 19

Ebda. Vgl. §§ 830 I 3, 830a I ZPO; siehe auch § 19 ZVG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Sie verhindert vielmehr als Sperrvermerk, dass der Schuldner über das gepfändete Instrument verfügt. Die hier befürwortete Gesetzesänderung lässt sich mit verhältnismäßig geringem Aufwand erreichen. Die ZPO enthält mit § 857 bereits eine Vorschrift über die Zwangsvollstreckung in „andere Vermögensrechte“. Ein solches anderes Vermögensrecht ist das Finanzinstrument. Man könnte also in § 857 oder in einem nachfolgenden § 857a ZPO kurze Regelungen aufnehmen, die das hier dargestellte Prozedere übernehmen.

2. Vollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe Soll mit der Zwangsvollstreckung die Herausgabe eines Finanzinstruments erwirkt werden, so ist Folgendes zu beachten: Von vornherein unpassend sind die Vorschriften der §§ 883–886 ZPO. Denn diese setzen die physische Wegnahme voraus und sind daher nur auf körperliche Gegenstände zugeschnitten. Bei der Herausgabe von Finanzinstrumenten möchte der Gläubiger jedoch nicht die Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher erwirken, sondern eine Umschreibung der Titel auf seinen Namen. Notwendig ist dazu eine Willenserklärung seitens des Eingetragenen, durch die er der Umschreibung zustimmt. Diese gilt gemäß § 894 I 1 ZPO als mit der Rechtskraft der Entscheidung abgegeben, durch welche der Schuldner zur Herausgabe verurteilt wird. Die registerführende Bank ist verpflichtet, den Gläubiger gegen Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils einzutragen. Um dieses Modell umzusetzen, bedürfte es nicht einmal einer Änderung des Zwangsvollstreckungsrechts. Vielmehr genügte es, das materielle Recht dahingehend zu reformieren, dass der Inhaber eines Finanzinstruments einen Anspruch gegen den zu Unrecht Eingetragenen hat. Dieser Anspruch könnte durch die fingierte Anweisung des Eingetragenen an die Depotbank, dem Gläubiger den Titel zu transferieren, zwangsweise durchgesetzt werden.

3. Verwertung Hinsichtlich der Verwertung liegt eine Parallele zu den §§ 821 f. ZPO nahe, welche die Verwertung von Wertpapieren betreffen, die einen Börsen- oder Marktpreis haben. Der in § 821 ZPO vorgesehene freihändige Verkauf zum Tageskurs passt auch für alle anderen Finanzinstrumente, die vom engen Wertpapierbegriff nicht erfasst sind. Daher ist der Erlass einer entsprechenden Vorschrift zu befürworten. Der Umschreibung von Namenspapieren nach § 822 ZPO entspricht die Eintragung des Gläubigers eines Finanzinstruments im Register. Diese wäre ebenfalls im Gesetz vorzusehen. Außerdem müsste die systematische Stellung der neuen Bestimmungen gegenüber den §§ 821 f. ZPO verändert werden: Sie wären nicht im Untertitel

8. Kapitel: Das Finanzinstrument im Rechtsverkehr

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„Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen“, sondern in dem über die Zwangsvollstreckung in „Forderungen und andere Vermögensrechte“ zu platzieren. Zweckmäßigerweise verortet man sie in der Nähe der neuen Vorschriften über die Pfändung des Finanzinstruments in § 857 oder § 857a ZPO.

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9. Kapitel

Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen § 24 Finanzinstrumente und Kapitalmarktrecht I. Das Finanzinstrument als Nahtstelle zwischen Zivilrecht und Kapitalmarktrecht Wie eingangs ausgeführt, ist eines der Anliegen dieses Buchs, zivilrechtliche und kapitalmarktrechtliche Dogmatik aufeinander abzustimmen. Als Bindeglied dient die Figur des Finanzinstruments. Sie ist die Nahtstelle zwischen dem auf individuelle Gerechtigkeit ausgerichteten bürgerlichen Recht und dem auf Marktorganisation und -regulierung abzielenden Recht der Finanzmärkte.

II. Das Finanzinstrument als Grundbaustein des Kapitalmarktrechts Im Jahre 1977 hat Klaus J. Hopt das Kapitalmarkrecht definiert als „die Gesamtheit der Grundsätze und Normen …, die sich mit dem öffentlichen Vertrieb und dem Umlauf von Unternehmensbeteiligungen und verbrieften bzw. öffentlich registrierten Geldforderungstiteln – kurz fungiblen Kapitalmarktpapieren – befassen, um den Individualschutz der Kapitalanleger und den Funktionenschutz von Kapitalmarkt und Wirtschaft zu gewährleisten.“1

Auffällig ist, wie Hopt den Ausdruck „Wertpapier“ geschickt umgeht und stattdessen eine relativ ausführliche Umschreibung der fungiblen Kapitalmarktpapiere verwendet. Heute könnte die Definition kürzer lauten: Kapitalmarktrecht ist die Gesamtheit der Grundsätze und Normen, die sich mit dem öffentlichen Vertrieb und dem Umlauf von Finanzinstrumenten befassen. Wie eingangs dieser Arbeit ausgeführt, muss man den Begriff „Kapitalmarkt“ weit im Sinne von „Finanzmarkt“ verstehen 2 . Den Finanzmarkt aber definiert die Bundesregie1 2

Hopt, ZHR 141 (1977), 389 (431). Siehe o. S. 7.

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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rung ganz schlicht als einen „Markt, auf dem Finanzinstrumente gehandelt werden“3. Daher ließe sich noch einfacher sagen: Kapitalmarktrecht ist die Gesamtheit der Normen und Grundsätze, die sich mit dem Markt für Finanzinstrumente befassen. Der wesentliche Grund für diese Vereinfachung ist das Konzept des Finanzinstruments. Letzteres setzt sich in der rechtswissenschaftlichen Literatur, wenn auch zaghaft, durch4. Seinen Ursprung hat es, wie gesehen, im Gemeinschaftsrecht5. Es bedarf an dieser Stelle keiner langen Erläuterung mehr, welch fundamentale Bedeutung dem Finanzinstrument für das europäische Kapitalmarktrecht zukommt. Gerade wegen dieses zentralen Stellenwerts wurde hier seine Übertragung ins Zivilrecht befürwortet. Seit dem Lamfalussy-Bericht aus dem Jahre 2000 gibt es kaum noch einen finanzrechtlichen Gesetzgebungsakt der Gemeinschaft, der nicht den Ausdruck verwendet. Als Beispiel sei noch einmal die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente – die MiFID – in Erinnerung gebracht, die den Begriff schon in ihrem Titel trägt6 .

1. Notwendigkeit der Umbenennung des WpHG Die gemeinschaftsrechtliche Präferenz für das neue Konzept hat sich zwangsweise auch auf das deutsche WpHG niedergeschlagen. Seine Vorschriften beziehen sich meist auf Finanzinstrumente und nicht auf Wertpapiere. Ersterer Begriff spielt eine überragende Rolle im WpHG. So ist er entscheidend für die Bestimmung des Anwendungsbereichs7. Zur näheren Bestimmung des zentralen Begriffs der Wertpapierdienstleistungen rekurriert das Gesetz ebenfalls auf ihn8 . Das setzt sich bei den Wertpapiernebendienstleistungen fort9. Die Aufgaben und Befugnisse der BaFin werden ebenfalls mit Hilfe des Ausdrucks beschrieben10 . Darüber hinaus wird er bei der Definition der möglichen Gegenstände des Insiderhandels benutzt11. Außerdem ist das Verbot der Marktmanipulation auf ihn ausgerichtet12 . Auch der Terminus der Finanzanalyse

3 Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BT-Drucks. 15/3174, S. 19 re.Sp. 4 Vgl. etwa Baums, in: FS Canaris II, S. 3–40. 5 Siehe o. S. 292 ff. 6 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 7 § 1 I, II WpHG. 8 Vgl. § 2 III WpHG. 9 Vgl. § 2 IIIa Nr. 1 WpHG. 10 § 4 I 2, II 2 WpHG. 11 § 12 S. 1 WpHG. 12 § 20a I WpHG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

wird ausgehend von diesem Begriff bestimmt13. Außerdem verwenden die Wohlverhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Ausdruck „Finanzinstrumente“14. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Der Begriff des Finanzinstruments hat daher den des Wertpapiers im WpHG so weit verdrängt, dass er zum wahren Grundterminus des Gesetzes geworden ist. Das zeigt auch die Definition in § 2 IIb WpHG: Sie lässt zweifelsfrei erkennen, dass das Finanzinstrument der Oberbegriff ist, unter dem alle anderen geregelten Instrumente einschließlich der Wertpapiere zusammengefasst werden. Das WpHG regelt also nicht mehr den Handel mit Wertpapieren, sondern den mit Finanzinstrumenten. Das sollte künftig auch klarer aus seinem Titel hervorgehen. Dies ließe sich zum Beispiel dadurch erreichen, dass man ihn in „Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente“ ändert. Im Absatz 1 des § 2 WpHG sollte nicht mehr die Definition des Wertpapiers stehen, denn dies täuscht über die wirkliche Hierarchie hinweg. Stattdessen wäre das Finanzinstrument von seinem notdürftig eingerichteten Platz in § 2 IIb WpHG an die Spitze der Vorschrift zu rücken. Dem Wertpapier kommt demgegenüber nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Verwendung des Begriffs im Kapitalmarktrecht ist nicht nur irreführend, sondern sogar falsch. Denn er entspricht nicht der Realität des Effektenverkehrs, in dem keine Papiere mehr umlaufen. Er sollte daher gestrichen werden. Mit seiner Eliminierung würde zugleich der ärgerliche Widerspruch beseitigt, der zwischen der Bezeichnung als Wertpapierhandelsgesetz und dem Einleitungssatz des § 2 I WpHG entstanden ist, in dem ausdrücklich hervorgehoben wird, dass es auf die Ausstellung einer Urkunde gerade nicht ankommt. Außerdem würde durch die hier vorgeschlagene Änderung die Gefahr der Verwechslung mit den individuell ausgestellten Wertpapieren wie Wechsel und Scheck vermieden, die das WpHG gerade nicht erfassen soll. Anstelle des alten Begriffs „Wertpapier“ sind als Kategorien Aktien, Schuldverschreibungen und andere Finanzinstrumente selbst zu nennen, wie es auch in anderen Rechtsordnungen geschieht15. Sollte man eine gemeinsame Bezeichnung für sie benötigen, so könnte man entweder den Ausdruck „Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung“ oder den Opitz’schen Begriff des Wertrechts16 verwenden.

13 14 15 16

§ 34b I 1 WpHG. § 31 II 4, III 1, V 1–3 WpHG. Vgl. z.B. Art. 1 II lit. a, b des italienischen T.U.F. Zum Gesetz o. S. 67 und u. S. 461. Zu ihm o. S. 250.

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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2. Umfassende Kodifikation des Kapitalmarktrechts Die hier vorgeschlagene Reform könnte mit einem weitergehenden Ausbau des WpHG verbunden werden. Aus rechtswissenschaftlicher und rechtspraktischer Sicht wäre eine umfassende Kodifikation des Kapitalmarktrechts wünschenswert17. Erst sie würde einen Titel wie „Kapitalmarktgesetzbuch“ oder „Finanzmarktgesetzbuch“ verdienen. Jede Reform des WpHG sollte die Erfahrungen anderer Länder einbeziehen. Orientieren kann man sich vor allem an anderen Mitgliedstaaten der EU, denn sie stehen bei der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts vor vergleichbaren Aufgaben wie Deutschland. Wie im ersten Teil gezeigt, benutzen viele von ihnen für die am Kapitalmarkt gehandelten Produkte einen anderen Begriff als den des Wertpapiers18 . Ein Vergleich mit diesen Staaten zeigt, dass manche bei der Integration der Figur des Finanzinstruments schon wesentlich weiter sind als Deutschland. Beispielsweise hat Italien sein Kapitalmarktrecht im Jahre 1998 grundlegend reformiert und im „Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria“ (T.U.F.) neu geordnet19. Das Gesetz enthält in seinem Artikel 1 II eine ausführliche Definition des Begriffs der „strumenti finanziaria“. In Frankreich hat man im Jahre 2000 ebenfalls eine Reform des Kapitalmarktrechts vorgenommen und den „Code monétaire et financier“ erlassen 20 . Der erste Titel seines zweiten Buchs ist den „instruments financiers“ gewidmet. Auch die spanische Ley del Mercado de Valores stellt die „instrumentos financieros“ in den Mittelpunkt 21. Auf diese Weise wird die neue Grundfigur des Finanzrechts der Gemeinschaft konsequent in das nationale Recht umgesetzt. Die genannten Gesetze sind in ihrem Anwendungsbereich wesentlich weiter als das deutsche WpHG. Sie erfassen nicht nur den Handel mit Finanzinstrumenten, sondern auch andere Fragen, wie zum Beispiel die Prospektpflicht bei Emissionen, die Aufsicht über Banken und Börsen oder die kollektive Vermögensverwaltung. In Deutschland sind die entsprechenden Regelungen auf das WpHG, das WpPG, das VerkProspG, das KWG, das BörsG und das InvG verstreut. Auf die ausländischen Finanzmarktgesetze passt die von Hopt geprägte und häufig wiederholte Bezeichnung des WpHG als „Grundgesetz des Kapitalmarktrechts“22 viel besser als für ihr deutsches Pendant. Für letzteres ist der von Assmann gewählte, wesentlich bescheidenere Titel „Keimzelle eines sich auch kodifikatorisch verselbständigenden Kapitalmarktrechts“23 treffen17

Fleischer, ZGR 2007, 500 (505), bezeichnet sie sogar als das „dringendste Desiderat“. Siehe o. S. 158 ff. 19 Siehe o. S. 67. 20 Siehe o. S. 64. 21 Siehe Art. 1 I Ley del Mercado de Valores. Zum Gesetz o. S. 72. 22 Hopt, ZHR 159 (1995), 135. 23 Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 1 Rdnr. 21. 18

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3. Teil: Das Finanzinstrument

der. Bei den erwähnten ausländischen Gesetzen handelt es sich um echte Kodifikationen. Ausschlaggebend dafür ist nicht allein der größere Regelungsumfang, sondern auch und vor allem die organisierte Struktur. Wer sich beispielsweise die Gliederung des französischen Code monétaire et financier ansieht, dem wird auffallen, wie geordnet und übersichtlich es im französischen Kapitalmarktrecht zugeht. Das erleichtert nicht nur die rechtspraktische Arbeit, sondern zeugt zugleich von einer rechtsdogmatischen Durchdringung der Materie. Der Code ist ein Gesetzbuch im echten und besten Sinne des Wortes. Wie viel anders verhält es sich beim WpHG, das nicht mehr ist als eine zufällige Ansammlung verschiedener Bestimmungen, die vorwiegend wegen gemeinschaftsrechtlicher Zwänge eingeführt wurden. Ein Finanzmarktgesetzbuch sollte sich neben den kapitalmarktrechtlichen Aspekten auch den zivilrechtlichen Fragen der Vermögenszuordnung widmen, die bislang im Depotgesetz geregelt waren. Insoweit kann man zum Beispiel das italienische, französische und spanische Recht als Vorbild nehmen, die bereits zivil- und kapitalmarktrechtliche Fragen des Handels mit Effekten in einem Gesetz zusammenfassen. Der Vorteil ist, dass alle Finanzinstrumente betreffende Rechtsgrundlagen gebündelt und nicht über verschiedene Gesetze verteilt wären. Das Depotgesetz könnte abgeschafft und sein Inhalt in das neue Finanzmarktgesetzbuch integriert werden. Zwar würden dadurch dogmatisch verschiedene Fragen miteinander gemischt. Doch hat eine solche Themengesetzgebung Vorteile. Sie vermeidet überflüssige Doppelungen und vereinfacht den Zugang für den Rechtsanwender. Ohnehin sind die Fragen des Zivil- und des Kapitalmarktrechts enger miteinander verzahnt, als gemeinhin angenommen wird. Ob sich der deutsche Gesetzgeber zu einer umfassenden Kodifikation aufraffen kann, bleibt abzuwarten.

3. Notwendigkeit einer einheitlichen Definition Die Gesetze zum Kapitalmarktrecht benutzen, wie oben gezeigt, verschiedene Definitionen des Terminus „Finanzinstrument“. Selbst innerhalb des KWG gibt es zwei unterschiedliche Begriffsbestimmungen 24. Die Abweichungen sind die Folge der Umsetzung verschiedener Richtlinien. Die Vielfalt der Definitionen wirkt sich nicht nur auf die Rechtsanwendung störend aus. Sie verhindert auch eine klare dogmatische Durchdringung des Konzepts des Finanzinstruments. Als Alternative sollte man eine einheitliche Begriffsbestimmung verwenden, wie sie sich etwa im italienischen, französischen und spanischen Recht findet25. Je nach Bedarf können dann einzelne 24

Vgl. § 1 XI 1, § 1a III KWG. Siehe Art. 1 II des italienischen T.U.F.; Art. L 211–1 des französischen Code monétaire et financier sowie Art. 1 I des spanischen Ley del Mercado de Valores. 25

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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Produktkategorien vom Anwendungsbereich bestimmter Vorschriften ausgeschlossen werden oder andere, nicht von der allgemeinen Definition erfasste Titel hinzugefügt werden. Es wäre reizvoll, an dieser Stelle weitere Vorschläge für eine Reform des deutschen Kapitalmarktrechts zu machen. Indessen würde das über das hier gesetzte Ziel hinausschießen. Denn Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die zivilrechtlichen Aspekte der vermögensrechtlichen Zuordnung von Finanzinstrumenten zu behandeln.

III. Die Natur des Finanzinstruments als Rechtfertigung des Kapitalmarktrechts Eine grundlegende Frage des Kapitalmarktrechts soll dennoch in diesem Buch erörtert werden. Denn sie steht in engem Zusammenhang mit dem Anliegen dieses Buchs, die enge Verzahnung des Kapitalmarktrechts mit dem Zivilrecht aufzuzeigen und für den Erkenntnisgewinn zu nutzen. Bislang wurde dies in eher technischer Weise getan. Die gezogenen Schlussfolgerungen betrafen Probleme der Gesetzesbezeichnung, der Kodifikation und der Definition. Es lässt sich aber noch eine weitere, spannende Frage stellen: Besteht auch ein innerer Zusammenhang zwischen der zivilrechtlichen und der kapitalmarktrechtlichen Gesetzgebung über das Finanzinstrument? Ist etwa dessen unkörperliche Natur der Grund dafür, dass es außer speziellen Übertragungsvorschriften im bürgerlichen Recht auch besonderer Regelungen über seinen Handel bedarf? Die Frage reicht tief in die Existenzberechtigung des Kapitalmarktrechts hinein und kann hier nicht in voller Breite entwickelt werden. An dieser Stelle ist nur eine vorsichtige Annäherung möglich.

1. Bisherige Begründungen: Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, Anlegerschutz und Informationsasymmetrie Das Kapitalmarktrecht greift in die Organisation des Markts ein, indem es bestimmte Anforderungen an die Teilnehmer stellt, sie Ge- und Verboten unterwirft und deren Einhaltung durch eine spezielle Aufsicht überwacht. Als Zweck dieser Regelungen werden im Allgemeinen die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts auf der einen und der Schutz der Anleger auf der anderen Seite genannt26 . Im Gegensatz zu anderen Märkten, wie etwa denen für Güter 26 Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 1 Rdnr. 23; Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 51 f., 334–337. Siehe auch die Darstellung der Diskussion bei Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 110–112.

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und Dienstleistungen, bedürfe der Kapitalmarkt solcher besonderer Regelungen, weil er vom Vertrauen der Anleger abhängig sei 27. Mit deren Schutz werde daher zugleich auch ein wichtiger Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts geleistet. Die beiden Regelungsziele des Kapitalmarktrechts, Anlegerschutz und Funktionenschutz, stünden deshalb nicht in Widerspruch, sondern verhielten sich zueinander „wie zwei kommunizierende Röhren“28 . Offen bleibt bei dieser Analyse jedoch, warum der Kapitalmarkt in besonderer Weise vom Vertrauen abhängig ist. Insoweit wird häufig in Anlehnung an wirtschaftswissenschaftliche Theorien auf die Informationsasymmetrie verwiesen, die auf diesem Markt herrsche29. Während der Emittent über Kenntnisse verfüge, die entscheidend für den Wert der von ihm veräußerten Produkte sind, fehlten diese dem Anleger. Letzterer müsse daher in die Lage versetzt werden, den Wert der Produkte besser zu beurteilen, zum Beispiel durch die Verpflichtung des Emittenten zur Veröffentlichung von Bilanzen und Ad-hocMitteilungen. Doch ist auch darin noch kein Argument im Sinne einer Letztbegründung für die Notwendigkeit des Kapitalmarktrechts zu sehen. Denn Informationsasymmetrien gibt es auch auf anderen Märkten, zum Beispiel auf dem für Fahrzeuge oder Obst. Trotzdem werden die Produzenten nicht gezwungen, umfassende Auskünfte zu erteilen. Warum ist der Kapitalmarkt in solch besonderer Weise auf Informationen angewiesen?

2. Markt für unkörperliche Güter Offensichtlich ist der Finanzmarkt ein spezieller Markt, der sich von denen für Güter und Dienstleistungen fundamental unterscheidet. Der Grund dafür kann nur in den Produkten zu finden sein, die auf ihm gehandelt werden. Anders als Autos oder Obst sind die dem Anleger angebotenen Gegenstände nicht greifbar. Sie können nicht untersucht, ihre Qualität nicht überprüft werden. Sie haben keinen „inneren“ Wert. Ihr Nutzen für den Anleger ergibt sich nicht aus ihnen selbst, sondern aus der Bewertung durch den Sekundärmarkt. Dort wird ihr Preis ständig neu ermittelt. Dieser ist von vielfältigen Einflüssen abhängig, die mit dem Finanzinstrument unmittelbar nichts zu tun haben. Wegen seiner unkörperlichen Natur spielen Informationen eine entscheidende Rolle. 27

Assmann a.a.O., § 1 Rdnr. 26. Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, S. 52. 29 Siehe Assmann, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 1 Rdnr. 63; ders., Prospekthaftung, S. 23 f.; Benicke, Wertpapiervermögensverwaltung, S. 146 f.; Koch, Konzeptionelle Grundlagen der Diskussion über Kapitalanlegerschutz unter besonderer Berücksichtigung des Nebenkapitalmarktes, S. 126–136; Fleischer, Gutachten zum 64. Deutschen Juristentag, VerhDJT 64 (2002), F 23. Überblick über die wirtschaftswissenschaftlichen Theorien bei Hopf, Märkte für Informationen und Informationen für Märkte, S. 27–51; Assmann, Prospekthaftung, S. 279–292. 28

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Freilich existieren neben den Finanzinstrumenten weitere unkörperliche Güter, die sich auf andere Personen übertragen lassen. Zu nennen sind Markenrechte, Patente, Urheberrechte – kurz: Immaterialgüterrechte. Für den Verkehr mit ihnen gibt es keine Vorschriften, die dem Kapitalmarktrecht vergleichbar wären. Doch erklärt sich das auf einfache Weise: Immaterialgüterrechte sind nicht für den Handel bestimmt. Ihre Veräußerung stellt ein eher ungewöhnliches Ereignis dar. Ganz anders dagegen verhält es sich bei den Finanzinstrumenten. Sie sind von vornherein auf die Veräußerung an einem Markt angelegt; der Handel mit ihnen bedarf daher spezieller Regelungen. Die Idee, die Notwendigkeit des Kapitalmarktrechts mit der besonderen Natur der Produkte zu begründen, die auf dem Finanzmarkt gehandelt werden, ist nicht neu. Seit langem werden für diese Produkte Bezeichnungen wie „gefährliche Ware“30 oder „Vertrauensgut“ (credence good)31 verwandt. Jedoch fristeten sie als Begründung für ein eigenständiges Rechtsgebiet bislang ein Schattendasein. Sie wurden gegenüber anderen, abstrakteren Konzepten wie der „Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts“, dem „Schutz der Anleger“ oder der „Informationsasymmetrie“ vernachlässigt. Im Vergleich mit diesen erweist sich die Begründung des Kapitalmarktrechts mit der unkörperlichen Natur des Finanzinstruments jedoch als sehr fruchtbar. Man betrachte zum Beispiel das Verbot der Marktmanipulation32: Da der gehandelte Gegenstand nicht körperlich ist, wird sein Wert vor allem durch den auf dem Sekundärmarkt ermittelten Preis bestimmt. Dieser aber ist für Manipulationen anfällig. Daher ist es notwendig, Marktpreis- und Kursmanipulationen zu verbieten. Auch das Verbot des Insiderhandels33 lässt sich mit der unkörperlichen Natur der gehandelten Gegenstände erklären: Gerade weil sich diese nicht auf einen körperlichen Gegenstand beziehen, ist ihre Bewertung so stark von Informationen abhängig, dass es als ungerecht erscheint, wenn einer der Markteilnehmer auf der Grundlage nur ihm zur Verfügung stehenden Faktenwissens handelt. Wegen der nicht greifbaren Natur kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass alle Marktteilnehmer die Eigenschaften des gehandelten Guts in derselben Weise bewerten können. Daher ist der Emittent verpflichtet, mit Hilfe von Ad-hoc-Mitteilungen für relative Ausgangsgleichheit zu sorgen. Auch die Pflichten zur Veröffentlichung des Überschreitens von Schwellenwerten34 lassen sich auf diese Weise erklären, denn durch die beabsichtigte Übernahme ändert sich der Inhalt des verkauften Guts, das nicht länger eine bloße Beteiligung, sondern ein Instrument zur Erlangung von Kontrolle ist. Die un30

Vgl. Hopt, ZHR 141 (1977), 389 (414). Fleischer, VhDJT 64 (2002), F 23; Kalss, Anlegerinteressen, S. 164; Pinto, 55 Brook. L. Rev. 77, 85 (1989). 32 § 20a I WpHG. 33 § 14 I WpHG. 34 § 21 I, II WpHG. 31

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körperliche Natur erklärt ebenfalls, warum bei der Veräußerung oder Vermittlung von Finanzinstrumenten spezielle Wohlverhaltenspflichten einzuhalten sind35: Weil man nicht klar erkennen kann, was man eigentlich kauft, ist der Veräußerer zu besonderer Aufklärung verpflichtet. Schließlich kann auch die gesetzliche Regelung der Börsenorganisation mit der unkörperlichen Natur der Finanzinstrumente begründet werden: Letztere sind nicht selbst nutzbar, sondern ihr Wert besteht in der jederzeitigen Veräußerungsmöglichkeit. Daher kommt liquiden und funktionsfähigen Märkten besondere Bedeutung zu. Es zeigt sich, dass sich mit Hilfe der unkörperlichen Natur des Finanzinstruments viele Regelungen des Kapitalmarktrechts auf umfassende und zugleich anschauliche Weise begründen lassen. Das schließt ein Rekurrieren auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, den Anlegerschutz oder die Informationsasymmetrie nicht aus. Diese ergänzen und konkretisieren vielmehr den hier verfolgten Begründungsansatz. Sie verhalten sich zu ihm wie die Äste zum Stamm eines Baums, der diesen in die Einzelheiten ausdifferenziert. Der unkörperlichen Natur des Finanzinstruments kommt jedoch ein logischer Vorrang zu, denn das Bedürfnis nach besonderem Schutz der Anleger oder die Informationsasymmetrie sind nichts anderes als Folgen der Tatsache, dass die auf dem Kapitalmarkt gehandelten Gegenstände nicht sinnlich wahrgenommen werden können.

3. Schlussfolgerung Bei der Begründung des Regelungszwecks des Kapitalmarktrechts sollten die Produkte stärker in den Vordergrund gestellt werden. Die ungeschickte begriffliche Vermischung der Finanzinstrumente mit den individuell gehandelten Wertpapieren im Titel des WpHG hat dazu beigetragen, dass die Besonderheiten der auf dem Finanzmarkt gehandelten Instrumente aus dem Blickfeld geraten sind. Statt auf sie konzentriert man sich allein auf den Markt und die auf ihm tätigen Akteure. Dies ist umso bemerkenswerter, als sich die einzelnen Vorschriften des WpHG ausdrücklich auf Finanzinstrumente beziehen und zum Teil – wie etwa das Insiderhandelsverbot oder das Verbot der Preis- und Marktmanipulation – ganz unabhängig von den Eigenschaften der handelnden Personen sind. An die deutsche Dogmatik ist daher die Forderung zu stellen, den Regelungszweck des Kapitalmarktrechts enger mit den auf diesem Markt gehandelten Gegenständen zu verknüpfen. Beispielhaft ist insoweit das Mutterland des Finanzmarktrechts, die USA, die mit ihrer „securities regulation“ unmittelbar auf die vermarkteten Produkte abstellen. Zwar ist dies zum Teil den Eigenheiten der Kompetenzabgrenzung des Bundes zu den Staaten geschuldet. Dennoch 35

§ 31 I–V WpHG.

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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sollte man in dem produktbezogenen Ansatz keinen Zufall sehen. Auch andere Rechtsordnungen stellen stärker auf die Produkte ab. Erinnert sei etwa an das spanische Recht mit seiner Ley del Mercado de Valores. Schließlich zeigt auch das europäische Recht, wie wichtig die gehandelten Titel für die Definition des Markts sind, wenn es etwa die Bezeichnung „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente“36 verwendet. Bedeutsam ist jedoch weniger die Wortwahl als die damit verbundene Rückbesinnung auf den Zweck des Kapitalmarktrechts, das seinen Ursprung in den besonderen Eigenschaften der auf dem Kapitalmarkt gehandelten Produkte hat.

36

Zur MiFID o. S. 459.

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§ 25 Schutz des Finanzinstruments durch Zivil- und Strafrecht I. Deliktsrechtlicher Schutz 1. Grundlagen Finanzinstrumente sind Vermögensgegenstände. Trotz ihrer unkörperlichen Natur bedürfen sie des Schutzes gegen unerlaubte Handlungen. Einen Anknüpfungspunkt dafür, wie sich dieser bewerkstelligen lässt, könnte die Diskussion der Literatur über die Einordnung der Forderung als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 I BGB liefern. Bekanntlich ist diese Frage seit langem streitig. Eine Mindermeinung will zumindest die Forderungszuständigkeit über § 823 I BGB schützen1. Die herrschende Meinung lehnt dies jedoch ab2 . Sie stützt sich neben dem relativen Charakter der Forderung vor allem auf das Argument, es fehle ein praktisches Bedürfnis für einen deliktsrechtlichen Schutz. Gleichgültig, ob diese Begründung für Forderungen zutrifft, bei Wertpapieren greift sie jedenfalls nicht. Hier wird ein Bedürfnis nach der Anwendung des Deliktsrechts sogar von den Anhängern der herrschenden Meinung anerkannt. So wird gesagt, dass im Wertpapierrecht ohne § 823 I BGB nicht auszukommen sei, zum Beispiel wenn der nichtberechtigte Inhaber eines Wechsels diesen wirksam an einen redlichen Erwerber übertrage3. Allerdings fehlt bislang ein tieferer Grund dafür, warum die Rechtslage bei verbrieften Rechten anders sein soll als bei unverbrieften Forderungen. Dieser liegt nach der hier vertretenen Theorie auf der Hand: Wertpapiere dienen der Zuordnung eines Rechts zu einem Inhaber. Zweck ihrer Ausstellung ist es, die Inhaberschaft an einer bestimmten Forderung auf einfache Weise feststellen zu können. Das Wertpapier ist damit nichts anderes als die kristallisierte Forderungszuständigkeit. Daher tritt bei ihm das von der Mindermeinung unterstrichene Bedürfnis des deliktsrechtlichen Schutzes gegen Eingriffe Dritter offen zu Tage. Dasselbe gilt auch für Finanzinstrumente. Sie sind den Wertpapieren insofern ähnlich, als sie ebenfalls der Zuweisung der Rechtsposition zu einem Inhaber dienen. Daher müssen sie ebenso wie diese durch das Deliktsrecht geschützt werden. Die Einwände, welche gegen die Anwendung des § 823 I BGB auf Forderungen geltend gemacht worden sind, treffen auf Finanzinstrumente nicht zu. Zum Beispiel wirken diese nicht lediglich relativ. Zwar liegen ihnen in der Regel zweiseitige Rechtsverhältnisse zugrunde, doch treten sie gegenüber anderen Bezie1 2 3

Siehe die Nachweise o. S. 216 Fußn. 111. Siehe die Nachweise o. S. 216 Fußn. 112. Gerhard Wagner, in: MünchKomm-BGB, § 823 Rdnr. 155.

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hungen in den Hintergrund. Das Finanzinstrument wirkt im Verhältnis zu Dritten, indem es die aus dem zweiseitigen Verhältnis folgende Rechtsposition dem Inhaber zuweist. Daher hat es eindeutig den von der herrschenden Meinung für das Vorliegen eines sonstigen Rechts verlangten „Zuweisungsgehalt“4. Auch die darüber hinaus geforderte „Ausschließlichkeit“5 liegt bei ihm vor, weil sein Inhaber jeden anderen von der Nutzung des Vermögenswerts ausschließen kann. Schließlich weisen Finanzinstrumente auch die von manchen verlangte „sozialtypische Offenkundigkeit“6 auf. Denn sie spielen im allgemeinen Rechtsverkehr eine Rolle, die der des Eigentums sehr ähnlich ist. Zwar sind die Berechtigungen nicht äußerlich sichtbar. Doch können sie wie Waren gehandelt werden. Ihr gegenständlicher Charakter wird schon durch die Bezeichnung als „Instrument“ deutlich. Der Sprachgebrauch zeigt in dieselbe Richtung: So wird üblicherweise gesagt, dem A „gehörten“ Aktien oder Optionsscheine des Emittenten B. Der Verkehr hat keinerlei Schwierigkeiten, diese Positionen zu erkennen und die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sie rechtlich geschützt sind.

2. Folgen Die Einordnung des Finanzinstruments als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 I BGB hat weitreichende Konsequenzen. Dazu ein Beispiel: Eine dem A zustehende Anleihe wird durch einen Computerfehler auf das Konto des B gebucht, ohne dass A einen Auftrag zur Veräußerung gegeben hat. Ein gutgläubiger Erwerb ist in diesem Fall ausgeschlossen, weil die Eintragung nicht in Zusammenhang mit einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung steht7. Überträgt B, der den Fehler erkennt, die Werte an C, so kann A nicht nur nach § 816 I BGB den Erlös einziehen, sondern auch nach § 823 I BGB Schadensersatz verlangen. Ebenso kann er eingezogene Zinsen oder zurückgezahltes Kapital statt nach § 816 II BGB mit dem stärkeren deliktsrechtlichen Anspruch herausverlangen. Doch erschöpft sich die Bedeutung der Einordnung des Finanzinstruments als „sonstiges Recht“ nicht im Schutz vor unberechtigter Veräußerung oder Einziehung. Geschützt ist vielmehr auch der Bestand des Instruments selbst, was angesichts seines fragilen Existenz besonders dringend erforderlich ist. Löscht zum Beispiel ein Angestellter einer Bank fahrlässig die für den Anleger A im Computer gebuchten Positionen, so greift er damit in ein absolut geschütz4 Gerhard Wagner a.a.O., Rdnr. 136; Erman/Schiemann, § 823 Rdnr. 35; Larenz/Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II/2, S. 375, 392. 5 Ebda. 6 Grundlegend Fabricius AcP 160 (1961), 273 (289–301); vgl. auch Larenz/Canaris a.a.O., S. 375; Erman/Schiemann a.a.O.; krit. dazu etwa Habersack, Die Mitgliedschaft, S. 129 f.; Gerhard Wagner a.a.O., Rdnr. 137. 7 Siehe o. S. 434.

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tes Recht ein und macht sich schadensersatzpflichtig. Dasselbe gilt für Terroristen, die einen Anschlag auf die Rechenzentrale der Depotbank verüben. Ein bloßer Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag würde in diesen Fällen nicht greifen. Nur die hier vertretene Lösung vermag im Übrigen die Interessen des Inhabers des Finanzinstruments gegenüber Clearingstelle und Wertpapiersammelbank zu wahren. Letztere haben im heutigen System weitreichende Einwirkungsmöglichkeiten auf die bestehenden Buchungen. Vertragsrechtliche Verbindungen zwischen ihnen und dem Anleger lassen sich nur mühsam konstruieren. Umso notwendiger ist der deliktsrechtliche Schutz. Überträgt beispielsweise die Clearingstelle fahrlässig einen Posten Aktien, deren Veräußerung nicht in Auftrag gegeben wurde, dann haftet sie nicht nur der Depotbank aus Vertrag, sondern auch dem betroffenen Anleger aus Delikt. Nur erwähnt werden soll schließlich, dass auch die Regelungen über Schadensersatzansprüche in §§ 989, 990 BGB im hier besprochenen Kontext von Bedeutung sein können8 . Eine dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis ähnliche Rechtsbeziehung besteht, wenn Finanzinstrumente zu Unrecht für eine Person gebucht sind. Daher ist die Privilegierung des gutgläubigen Inhabers gemäß §§ 990 I 1, 932 II BGB zu beachten.

II. Herausgabeansprüche Wenn Finanzinstrumente zu Unrecht zugunsten einer Person gebucht werden, entsteht die Frage, ob der Berechtigte diese herausverlangen kann9. Dem steht die Realität des anonymisierten Effektenverkehrs entgegen. In der Regel wird sich wegen des dazwischentretenden Nettings nicht nachweisen lassen, wer von wem erworben hat. Es fehlt an einer hinreichenden Bestimmtheit der herauszugebenden Titel. Daher kommen nur Bereicherungsansprüche in Betracht10 . Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die unberechtigterweise übertragenen Titel genau identifiziert werden können. Ein Beispiel sind etwa Finanzinstrumente, die innerhalb einer Bank zugunsten einer anderen Person als des Berechtigten gebucht werden. Unter diesen Umständen muss letzterer Herausgabe von dem zu Unrecht Eingetragenen verlangen können. Dazu ist eine Anspruchsgrundlage zu schaffen, welche dieselbe Funktion wie § 985 BGB erfüllt11. Ihre Rechtsfolge wird jedoch nicht darin bestehen, dass der Schuldner die Titel im

8

Vgl. dazu auch Pikart, WM 1980, 510 (519 f.) Mit dieser Frage hat sich insbesondere die schweizerische Literatur beschäftigt, vgl. Eigenmann, SZW/RSDA 2006, 104 (116); Thévenoz, in: FS Nobel, S. 681 (699 f.). 10 Ebenso Thévenoz a.a.O. 11 Vgl. bereits o. S. 456. 9

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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wörtlichen Sinne „herauszugeben“ hätte. Vielmehr wäre er verpflichtet, deren Übertragung zuzustimmen.

III. Strafrechtlicher Schutz Das Depotgesetz kennt nur wenige spezielle strafbewehrte Vorschriften, die die Rechte der Anleger zum Gegenstand haben12 . Der Schutz der hinterlegten Werte vollzieht sich in der Regel nach den §§ 242, 246 StGB, die nach einhelliger Meinung auf Urkunden anzuwenden sind, welche Rechte verkörpern13. Plädiert man wie hier für eine Abschaffung der Urkunden, so erscheint die Regelung des Diebstahls und der Unterschlagung anpassungsbedürftig. Denn ihr objektiver Tatbestand knüpft an die Wegnahme oder Zueignung einer fremden beweglichen „Sache“ an. Auch wenn der strafrechtliche Sachbegriff mit dem zivilrechtlichen nicht völlig identisch ist, wird er doch von der allgemeinen Meinung in Anlehnung an § 90 BGB bestimmt14. Demnach kommen nur körperliche Gegenstände als Objekte der §§ 242, 246 StGB in Betracht. Forderungen und sonstige Rechte scheiden nach einhelliger Ansicht aus15. In ausländischen Rechtsordnungen ist die Situation anders, denn sie gewähren auch unkörperlichen Werten Strafrechtsschutz. So erkennt etwa das Schweizerische Bundesgericht die Möglichkeit der Unterschlagung von Buchgeld an16 . Dazu geht es bewusst von einem weiteren Sachbegriff aus, als ihn der historische Gesetzgeber vor Augen hatte. Erklärtes Ziel der Bundesrichter ist es, die „veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse“ zu berücksichtigen17. Die Parallelität der Zueignung unkörperlicher zu der körperlicher Gegenstände sehen sie darin, dass der Täter „über den fremden Vermögenswert dergestalt verfügen kann, dass dieser dem Berechtigten dauernd entzogen und der Herrschaft des Täters unterworfen wird“18 . Die Notwendigkeit des strafrechtlichen Schutzes unkörperlicher Werte wurde in den siebziger Jahren auch in der deutschen Lehre hervorgehoben19. Allerdings ist die im StGB bestehende Lücke mittlerweile durch verschiedene 12

§§ 34–36 DepotG. Vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 242 Rdnr. 3; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rdnr. 9; Ruß, in: Leipziger Kommentar StGB, § 242 Rdnr. 1. Siehe auch den ausdrücklichen Hinweis auf §§ 242, 246 StGB in § 34 I DepotG. 14 Vgl. Tröndle/Fischer a.a.O. und 246 Rdnr. 3; Ruß a.a.O. 15 Vgl. Tröndle/Fischer a.a.O., § 242 Rdnr. 3; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 242 Rdnr. 9; Ruß a.a.O. 16 Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 28.11.1961, BGE 87, IV, 115. 17 Schweizerisches Bundesgericht a.a.O., S. 118. 18 Schweizerisches Bundesgericht a.a.O., S. 119. 19 Siehe etwa Sieber, Anm. zu OLG München, Beschl. v. 26.7.1976 – 2 Ws 194/76, JZ 1977, 411 (412). 13

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Vorschriften geschlossen worden, die in Computern gebuchte Rechtspositionen mittelbar schützen. Zu nennen sind insbesondere die Datenveränderung, § 303a StGB, und die Computersabotage, § 303b StGB. Beide Delikte schützen jedoch nur den elektronischen Datenbestand und seine Verarbeitung. Sie können daher die Unzulänglichkeiten des Diebstahls- und des Unterschlagungstatbestands nicht ausgleichen. Auch der Computerbetrug, § 263a StGB, passt nicht auf die Entziehung von Finanzinstrumenten. Denn er gehört nicht zu den Delikten gegen das Eigentum, sondern gegen das Vermögen. Bestraft werden verschiedene Arten der Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs, die der Irrtumserregung bei natürlichen Personen vergleichbar sind. Der spezifische Unwert der Anmaßung einer für einen anderen gespeicherten Vermögensposition wird dagegen nicht erfasst. Dogmatisch gesehen ist der Fall der Aneignung fremder Finanzinstrumente am engsten mit Eigentumsdelikten wie Diebstahl und Unterschlagung verbunden, denn es handelt sich um die Entziehung von Vermögenswerten und nicht um ein Delikt gegen das Vermögen im Allgemeinen. Andererseits ist es nicht möglich, Finanzinstrumente den in §§ 242, 246 StGB geschützten beweglichen Sachen einfach gleichzustellen. Schon begrifflich hat man Schwierigkeiten, bei ihnen von einer „Wegnahme“ zu sprechen. Wiederum werden die Unterschiede zwischen körperlichen und unkörperlichen Vermögenswerten offenbar. Diese haben sich auf die zivilrechtliche Behandlung ausgewirkt, denn Finanzinstrumente werden zum Beispiel in anderer Weise übertragen als Sachen. Auch die strafrechtliche Einordnung muss den bestehenden Unterschieden Rechnung tragen. Daher wird hier dafür plädiert, dass der Gesetzgeber in Parallele zu den Vorschriften zum Schutz des Eigentums die widerrechtliche Zueignung von elektronisch gebuchten Vermögenswerten unter Strafe stellt. Ob dies durch eine Norm im StGB oder im Nebenstrafrecht – zum Beispiel in einem Finanzmarktgesetzbuch – geschieht, ist eine Frage legislatorischer Zweckmäßigkeit, die an dieser Stelle nicht beantwortet werden kann.

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§ 26 Finanzinstrumente in der Insolvenz In diesem Paragraphen wird die insolvenzrechtliche Behandlung des Finanzinstruments untersucht. Dabei sind verschiedene Fragen auseinanderzuhalten. Zum einen ist zu analysieren, wie der Anleger geschützt wird, wenn der Emittent des Instruments oder eines der verwaltenden Institute zahlungsunfähig oder überschuldet ist (I). Außerdem ist zu fragen, was mit dem Finanzinstrument sowie den an ihm bestellten Sicherheiten in der Insolvenz des Anlegers selbst passiert (II). Weiter sind einige Sonderregelungen darzustellen, mit denen die Funktionsfähigkeit von Clearing- und Settlementsystemen gewährleistet werden soll (III). Schließlich werden Probleme bei Insolvenzen mit Auslandsbezug erörtert (IV).

I. Schutz des Anlegers Für den Schutz des Anlegers muss zwischen der Insolvenz der Depotbank, des Zentralverwalters und des Emittenten unterschieden werden.

1. In der Insolvenz der Depotbank Wird über das Vermögen einer Depotbank ein Insolvenzverfahren eröffnet, hat der Hinterleger nach bislang herrschender Meinung ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO1. Gleiches gilt auch nach der hier vertretenen Lösung. Die Figur des Finanzinstruments dient gerade dazu, dem Anleger eine vermögenswerte Rechtsposition gegenüber Dritten zuzuordnen. Zu diesen Dritten gehören auch und gerade die Gläubiger der Depotbank. Insoweit ändert sich die rechtliche Situation gegenüber der bisherigen nicht. Unterschiede ergeben sich allerdings im Detail, insbesondere bei der Abwicklung. Nach herrschender Meinung bezieht sich das Aussonderungsrecht auf den Miteigentumsanteil des Hinterlegers2 . Folgt man dieser Ansicht, so sind gemäß § 47 S. 2 InsO die allgemeinen Vorschriften über die Herausgabe im Fall des Miteigentums anwendbar. Diese finden sich in § 1011 BGB i.V.m. § 432 BGB. Danach steht dem Hinterleger nur das Recht zu, die Herausgabe an alle Miteigentümer oder die Hinterlegung zu verlangen. Die Herausgabe an sich selbst kann er nicht erreichen.

1 Vgl. Einsele, in: MünchKomm-HGB, Depotgeschäft, Rdnr. 125; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch I, § 72 Rdnr. 118. 2 Gößmann/Klanten a.a.O.

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Nach der hier vertretenen Konstruktion steht dem Anleger ebenfalls ein Aussonderungsrecht zu. Allerdings bezieht es sich nicht auf einen Miteigentumsanteil, sondern unmittelbar auf das Finanzinstrument, an dem eigenständiges Eigentum möglich ist. Der Inhaber hat daher das Recht, die Gutschrift auf das Konto einer anderen Depotbank zu verlangen. Eine entsprechende Regelung sieht das französische Recht vor3. Bei der Insolvenz einer großen Bank mit vielen Kunden kann die Umsetzung zu praktischen Problemen führen. Um diese zu umgehen, könnte man in Anlehnung an den Entwurf zum Schweizer Bucheffektengesetz den Insolvenzverwalter verpflichten, die Übertragung von Amts wegen vorzunehmen4. Darüber hinaus sind die im Depotgesetz enthaltenen Sonderregelungen für den Fall der Insolvenz des Verwahrers zu übernehmen und auf die Verwaltung von Finanzinstrumenten allgemein zu erstrecken. Dazu gehört zum einen § 32 DepotG, der gewisse Gläubiger der Depotbank in der Insolvenz privilegiert. Es handelt sich um Kunden, für welche die Bank im Wege des Kommissionsgeschäfts Wertpapiere angeschafft hat und die zwar noch nicht deren Eigentümer sind, diese aber bereits zu mindestens 90 % bezahlt haben5. Zum anderen werden Hinterleger bevorrechtigt, denen das Eigentum durch eine unrechtmäßige Verfügung der Depotbank entzogen wurde und die ihre Verpflichtungen ebenfalls fast vollständig erfüllt haben6 . Der Gerechtigkeitsgehalt dieser Vorschriften ist unmittelbar einzusehen. Es handelt sich um den Schutz einer Art Anwartschaftsrechts. Eine entsprechende Regelung wäre auch für Finanzinstrumente allgemein zu treffen. Weiter sieht § 33 DepotG für den Fall, dass die Depotbank ihr anvertraute Wertpapiere berechtigterweise für einen Rückkredit verpfändet hat und der Verpfänder diese ganz oder zum Teil verwertet, ein Ausgleichsverfahren zwischen allen Hinterlegern vor, deren Urkunden verpfändet wurden. Die Regelung ist auch auf verpfändete Finanzinstrumente übertragbar.

2. In der Insolvenz des Zentralverwalters Von der Insolvenz des Zentralverwalters wird der Hinterleger nur mittelbar berührt. Statt seiner hat die Depotbank ein Aussonderungsrecht hinsichtlich der auf ihren Namen gebuchten Positionen. Allerdings stehen ihr diese Positionen vermögensrechtlich gesehen nicht selbst zu; sie verwaltet sie nur für die Anleger7.

3 4 5 6 7

Siehe o. S. 65. Siehe o. S. 87. § 32 I Nr. 1, 3 DepotG. § 32 I Nr. 2, 3 DepotG. Siehe dazu o. S. 380 f.

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Daher bedarf es einer besonderen Regelung, die klarstellt, dass der Intermediär zur Aussonderung für seine Kunden berechtigt ist8 .

3. In der Insolvenz des Emittenten Wird der Emittent insolvent, dann ist der Inhaber des Finanzinstruments nicht geschützt. Er hat nur die Rechte eines normalen Insolvenzgläubigers. Das ist die Achillesferse des Finanzinstruments: Im Verhältnis zum Emittenten gewährt es lediglich schuldrechtliche oder mitgliedschaftliche Ansprüche. Daher ist das Vermögensrecht insoweit nur unzureichend geschützt. Das folgt aus seiner teilweise schuld- oder gesellschaftsrechtlichen Natur.

II. Schutz der Gläubiger 1. Schutz ungesicherter Gläubiger Wird über das Vermögen des Anlegers ein Insolvenzverfahren eröffnet, so fallen die ihm gehörenden Finanzinstrumente in die Insolvenzmasse. Sie können zugunsten der ungesicherten Gläubiger verwertet werden. Insoweit verhält es sich nicht anders als bei anderen Vermögensgegenständen.

2. Schutz gesicherter Gläubiger allgemein Finanzinstrumente sind liquide Vermögenswerte und eignen sich daher hervorragend als Sicherungsmittel für die Gläubiger. Diese lassen sie sich zum Beispiel vom Schuldner verpfänden oder zur Sicherheit übereignen. Relevant werden diese Sicherungen im Fall der Insolvenz. Anwendbar sind insoweit die allgemeinen insolvenzrechtlichen Vorschriften. Der Inhaber einer Sicherheit an einem Finanzinstrument ist absonderungsberechtigt gemäß §§ 50 f. InsO. Problematisch ist jedoch die Verwertung. Die Regelung nach § 166 I, II InsO unterscheidet danach, ob eine bewegliche Sache oder eine Forderung verwertet werden soll. Das Finanzinstrument lässt sich nur schwer in eine der beiden Kategorien einordnen9. Geht man davon aus, dass es sich etwa bei globalverbrieften Aktien um eine bewegliche Sache handelt, so stellt sich nach § 166 I InsO die weitere Frage, ob der Insolvenzverwalter diese in seinem Besitz hat. Nur in diesem Fall kann er sie verwerten; ansonsten ist der Gläubiger zur Verwertung berechtigt10 . Der Besitz des Insolvenzverwalters an den im Effektengirosystem verwalteten Aktien ist 8 9 10

Vgl. im schweizerischen Recht Art. 18 BEG-E. Siehe schon o. S. 454 f. Illustrativ Christian Berger, ZIP 2007, 1533 (1534–1538). § 173 I InsO.

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aber ebenso unsicher wie der des Hinterlegers. Es besteht die Gefahr, dass die insoweit im Sachenrecht ausgefochtenen Streitigkeiten in das Insolvenzrecht hineinwirken. Dem wollen Heribert Hirte und Béla Knof entgegenwirken, indem sie im Rahmen des § 166 I InsO statt auf einen formalen Besitzbegriff auf die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse abstellen11. Auszugehen sei vom Zweck des Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters, den technisch-organisatorischen Verband des Schuldnervermögens so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Dieser gebiete es, ihm auch die Möglichkeit zur Nutzung und Verwertung globalverbriefter Aktien einzuräumen. Dem ist zuzustimmen. Das Problem besteht darin, dass der Gesetzgeber die zur Weiterführung des Unternehmens notwendigen Gegenstände in typisierender Betrachtungsweise bestimmt, indem er in § 166 I InsO an den „Besitz“ des Insolvenzverwalters anknüpft. Diese Anknüpfung erweist sich im Hinblick auf sammelverwahrte Aktien als untauglich. Sie ist durch eine andere Regel zu ersetzen. Man könnte beispielsweise daran denken, darauf abzustellen, ob der Insolvenzverwalter tatsächlich über die Finanzinstrumente verfügen kann, weil sie auf den Namen des Schuldners gebucht sind.

3. Schutz der Inhaber von Finanzsicherheiten Ein besonderes Regime gilt für sogenannte Finanzsicherheiten. Dabei handelt es sich um Sicherheiten für besondere Gläubigergruppen. Der Begriff ist durch die Richtlinie über Finanzsicherheiten12 in das deutsche Recht gelangt. Sie ist Teil umfassender Anstrengungen der Europäischen Gemeinschaft, Banken und Versicherungen in der Insolvenz ihrer Kunden stärker zu schützen13. Finanzsicherheiten haben nach der Richtlinie gleich in zweierlei Hinsicht Bezug zu Finanzinstrumenten: Zum einen können nur „Barsicherheiten“ oder „Finanzinstrumente“ als Finanzsicherheiten dienen14. Zum anderen müssen Finanzsicherheiten für Verbindlichkeiten bestellt werden, die „ein Recht auf Barzahlung und/oder Lieferung von Finanzinstrumenten“ begründen15. Eine Finanzsicherheit kann daher zum Beispiel ein Barguthaben sein, an dem zur Sicherung eines Anspruchs auf Lieferung eines Finanzinstruments ein Pfandrecht bestellt wurde oder ein für eine Geldforderung verpfändetes Finanzinstrument. Weitere denkbare Kombinationen sind eine Barsicherheit für einen Anspruch auf Barzahlung oder ein Finanzinstrument als Sicherheit für den Anspruch auf Lieferung von Finanzinstrumenten. 11

Hirte/Knof, WM 2008, 49 (56). Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABlEG Nr. L 168 v. 27.6.2002, S. 43. 13 Übersicht bei Keller, BKR 2002, 347–354. Zur Richtlinie bereits o. S. 443 f., 447 f. 14 Art. 1 IV lit. a Richtlinie 2002/47/EG. 15 Art. 2 I lit. f Richtlinie 2002/47/EG. 12

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Die Richtlinie sieht gewisse Privilegien für die Inhaber von Finanzsicherheiten vor, die in die Insolvenzordnung umgesetzt wurden16 . So bleibt zum Beispiel das Verfügungsrecht des gesicherten Gläubigers während des Eröffnungsverfahrens von gerichtlichen Sicherungsmaßnahmen unberührt17; er kann bei gutem Glauben des anderen Teils auch noch am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam über die Finanzsicherheiten verfügen18 ; er ist von den Aufrechnungsbeschränkungen der §§ 95 I 3, 96 I InsO befreit19 ; der Insolvenzverwalter kann ihm gegenüber nicht Erfüllung verlangen20 ; die Bestellung, der Austausch oder die Erweiterung der Sicherheiten sind teilweise der Anfechtung entzogen 21; der Gläubiger muss die Verwertung der Sicherheit nicht dem Insolvenzverwalter überlassen, sondern kann sie selbst vornehmen 22 ; und sein Recht auf Befriedigung kann durch einen Insolvenzplan nicht angetastet werden23. Diese Privilegierungen greifen allerdings nur, wenn der Sicherungsnehmer und der Sicherungsgeber zu dem in § 1 XVII 1 KWG i.V.m. Artikel 1 II lit. a–e der Richtlinie genannten Personenkreis zählen. Dazu gehören vor allem Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Finanzinstitute und Versicherungen. Die insolvenzrechtlichen Sonderregelungen über Finanzsicherheiten sind daher vornehmlich im Handel zwischen ihnen von Bedeutung. Zwar werden nach § 1 XVII 2 KWG i.V.m. Artikel 1 II lit. e der Richtlinie auch bestimmte Sicherungsgeschäfte erfasst, die diese Institute mit natürlichen Personen schließen. In der Praxis wird jedoch auch bei diesen Geschäften immer ein Kreditinstitut in der Rolle des Sicherungsnehmers sein. Der umgekehrte Fall, dass eine Bank einer natürlichen Person eine Sicherheit bestellt, ist äußert selten. Die Privilegierung wirkt also letztlich nur zugunsten der Institute, nicht dagegen zugunsten natürlicher Personen. Insgesamt folgt aus der Regelung daher eine nicht unbeträchtliche Bevorzugung vor allem von Banken. Ihre Berechtigung ist in der Literatur heftig umstritten 24. Kritisiert wird vor allem die Einschränkung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger (par conditio creditorum). Zum Teil sind in der Diskussion die Privilegierungen übertrieben dargestellt worden 25. 16 Vgl. Gesetz v. 5.4.2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze, BGBl. I, 502, Art. 1 Nr. 1–8. 17 § 21 II 2 Fall 1 InsO. 18 § 81 III 2 InsO. 19 § 96 II Fall 1 InsO. 20 § 104 II 2 Nr. 7 InsO. 21 § 130 I 2 InsO. 22 § 166 III Nr. 3 InsO i.V.m. § 1 XVII KWG und § 173 I InsO. 23 § 223 I 2 InsO. 24 Vgl. dazu Ehricke, ZIP 2003, 1065 (1070–1076); ders., ZIP 2003, 2141; Hölzle, ZIP 2003, 2144 (2145–2148); Meyer/Rein, NZI 2004, 367 (368–370); Obermüller, ZIP 2003, 2336–2340; Wimmer, ZinsO 2004, 1–3; Zypries, ZIP 2004, 51. 25 Vgl. die Klarstellungen durch Obermüller a.a.O.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Dennoch verbleiben nicht unerhebliche Vorteile für Banken als Inhaber von Finanzsicherheiten. Die rechtspolitische Debatte soll hier nicht von neuem aufgerollt werden. Es ist lediglich darauf aufmerksam zu machen, dass sich der Zweck der Privilegien nicht widerspruchsfrei erklären lässt: Mit der Natur des Finanzinstruments als Sicherungsgegenstand können sie nicht gerechtfertigt werden, denn es gibt keinen einleuchtenden Grund, warum es in der Insolvenz leichter zu verwerten sein sollte als andere Gegenstände. Daher bleibt als Erklärung nur die angestrebte Bevorzugung der Kreditwirtschaft in der Insolvenz. Allerdings ist insoweit nicht verständlich, warum sie nur bei Finanzsicherheiten und nicht allgemein gelten soll. Der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels liegt jedoch nicht in Berlin, sondern in Brüssel. Die Regelungen des deutschen Insolvenzrechts beruhen im Wesentlichen auf den Vorgaben der Finanzsicherheitenrichtlinie. Diese zielt vor allem auf die Stärkung des Finanzsektors ab26 . Daher ist es nur natürlich, dass ihr persönlicher Anwendungsbereich auf Banken und andere Finanzinstitute begrenzt ist. Die Privilegierung dieser Gläubiger hat aber auch im europäischen Ausland Kritik hervorgerufen27. Es bleibt zu hoffen, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber von seinem einseitigen, eine bestimmte Gruppe bevorzugenden Ansatz verabschiedet und in der Zukunft eine allgemeine Regelung über Finanzsicherheiten trifft.

III. Schutz der Clearingmitglieder Wie gesehen wird die Übertragung von Finanzinstrumenten über Clearingund Settlementsysteme vorgenommen. Am Clearing sind nur Finanzinstitutionen beteiligt. Diese stehen mit dem Anleger nicht notwendig in unmittelbarem Kontakt, sondern sind häufig nur Vertragspartner seiner Depotbank. Ihre Zahlungsfähigkeit ist jedoch entscheidend dafür, dass die Abwicklung von Geschäften über Finanzinstrumente funktioniert. Daher werden sie in der Insolvenz eines anderen Teilnehmers durch verschiedene Sondernormen des Gemeinschaftsrechts geschützt, die in der Finalitätsrichtlinie niedergelegt sind 28 . Der deutsche Gesetzgeber hat sie in erster Linie durch das Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften umgesetzt29. Später hat er sie mit den Regeln zur Umsetzung der Finanzsicherheiten26

Ewgr. 3 Satz 2 Richtlinie 2002/47/EG. Vgl. aus niederländischer Sicht Westrik, ZVglRWiss 105 (2006), 325 (332–342). Der Richtlinie zustimmend dagegen Keijser, Financial Collateral Arrangements, S. 85. 28 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrech nungssystemen, ABlEG Nr. L 166 v. 11.6.1998, S. 45, Art. 3–8. 29 Gesetz zur Änderung insolvenzrechtlicher und kreditwesenrechtlicher Vorschriften v. 27

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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richtlinie verbunden30 . Das täuscht jedoch darüber hinweg, dass ihr Ziel ein grundsätzlich anderes ist: Sie dienen nicht der Bevorzugung von Banken als Gläubigern von Finanzsicherheiten, sondern der Funktionsfähigkeit von Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen.

1. Beschränkung der Wirkung gerichtlicher Sicherungsmaßnahmen Eine der Vorschriften zum Schutz von Clearingmitgliedern in der Insolvenz ist § 21 II 2 Fall 2 InsO. Um sie zu verstehen, muss man zunächst auf ihren insolvenzrechtlichen Hintergrund eingehen: Bereits vor der Verfahrenseröffnung hat das Insolvenzgericht gemäß § 21 I 1 InsO die Möglichkeit, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, um eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhindern. Eine solche nachteilige Veränderung kann auch die Veräußerung eines Finanzinstruments sein. Allerdings ordnet § 21 II 2 Fall 2 InsO an, dass sich die gerichtlichen Sicherungsmaßnahmen nicht auf Verrechnungen auswirken, die im Rahmen eines Übertragungsauftrags innerhalb eines Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems erfolgen. Für diese Ausnahme gibt es zwei Gründe: Zum einen wäre es unmöglich, bereits in Gang gesetzte Abrechnungsprozesse rückgängig zu machen, bei denen die Instrumente eines insolventen Clearingmitglieds mit denen anderer, anonymer Anleger verrechnet wurden. Zum anderen gehören die aufgerechneten Instrumente in der Regel nicht dem Clearingmitglied, sondern seinen Kunden, so dass sie ohnehin nicht in die Insolvenzmasse fallen. Im Ergebnis werden Clearing- und Settlementsysteme durch die Ausnahmeregelung von den gerichtlichen Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren abgeschirmt.

2. Befreiung von Aufrechnungsverboten Eine weitere Privilegierung von Clearing- und Settlementsystemen enthält § 96 II Fall 2 InsO. Mit dieser Bestimmung macht der Gesetzgeber von einer in der Finalitätsrichtlinie eingeräumten Ermächtigung Gebrauch 31. Zu ihrer Einordnung muss zunächst wieder das allgemeine Insolvenzregime erörtert werden. Ist das Insolvenzverfahren eröffnet, so bleiben bereits bestehende Aufrechnungslagen nach § 94 InsO erhalten. Dieser Grundsatz wird durch die Insolvenzordnung in verschiedener Hinsicht eingeschränkt. Zum Beispiel gilt er nicht, wenn die Hauptforderung, gegen die aufgerechnet werden soll, früher als 8.12.1999, BGBl. I, 2384, Art. 1. Eine Ausnahme gilt für § 21 II 2 InsO, der erst im Zuge der Umsetzung der Finanzsicherheitenrichtlinie in die Insolvenzordnung eingefügt wurde. 30 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni 2002 über Finanzsicherheiten und zur Änderung des Hypothekenbankgesetzes und anderer Gesetze v. 5.4.2004, BGBl. I, 502. 31 Art. 4 Richtlinie 98/26/EG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

die Gegenforderung fällig wird, § 95 I 3 InsO. Außerdem ist die Aufrechnung gemäß § 96 I InsO in verschiedenen weiteren Fällen ausgeschlossen, zum Beispiel wenn der Gläubiger die Gegenforderung erst nach der Verfahrenseröffnung erworben hat. Von den Einschränkungen der §§ 95 I 3, 96 I InsO macht § 96 II Fall 2 InsO eine Rückausnahme: Die Aufrechnung bleibt ungeachtet der zuvor genannten Ausschlussgründe zulässig, wenn sie Ansprüche und Leistungen im Rahmen eines Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems betrifft und spätestens am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Das Gesetz verwendet allerdings nicht den Begriff der Aufrechnung, sondern den der „Verrechnung“. Damit soll angedeutet werden, dass nicht nur die Situation des § 387 BGB gemeint ist, sondern auch das beim Clearing übliche Netting32 . Im Ergebnis hat die Regelung zur Folge, dass in ein Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem eingegebene Veräußerungsaufträge noch am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewickelt werden können. Der Verrechnungsvorgang muss daher nicht unterbrochen werden, sondern kann bis zum Ablauf des Tages zu Ende geführt werden. Obwohl dies aus dem Wortlaut nicht eindeutig hervorgeht, gilt die Bestimmung nur für Clearingmitglieder, nicht auch für deren Kunden 33. Durch sie wird ebenfalls die Funktionsfähigkeit von Clearing- und Settlementmechanismen gestärkt.

3. Bevorzugung von Sicherheiten Schließlich gelten für Wertpapierliefer- und -abrechnungssysteme noch bestimmte Vorschriften über Sicherheiten, wie etwa Pfandrechten oder Sicherungseigentum. Letzteren kommt im Ablauf des Clearing und Settlement entscheidende Bedeutung zu, denn ohne sie könnte die Erfüllung der gegenseitigen Verbindlichkeiten nicht abgesichert werden. Daher hat der Gemeinschaftsgesetzgeber in Artikel 9 I der Finalitätsrichtlinie vorgeschrieben, dass den Teilnehmern an Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen zustehende Sicherheiten von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen anderen Teilnehmer „nicht berührt“ werden. Der Umsetzung dieser Anforderungen dient zunächst die Vorschrift des § 166 III Nr. 1 InsO. Sie macht eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 166 I, II InsO, wonach der Insolvenzverwalter Gegenstände, an denen ein Absonderungsrecht besteht, verwerten darf. Das Clearingmitglied kann die Verwertung vielmehr selbst vornehmen. Dies hat Vorteile, unter anderem deshalb, weil die Kosten für die Verwertung durch den Insolvenzverwalter gespart werden 34. Die 32 33 34

Dazu o. S. 51, 395. Brandes, in: MünchKomm-InsO, § 96 Rdnr. 41. Vgl. zu diesen Kosten § 171 InsO.

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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zweite Vorschrift, mit der Artikel 9 I der Finalitätsrichtlinie umgesetzt wurde, ist § 223 I 2 Nr. 1 InsO. Sie macht Sicherheiten, die innerhalb eines Clearing- und Settlementsystems bestellt wurden, für einen Insolvenzplan unantastbar. Den Clearingmitgliedern bleibt somit die volle Verwertungsmöglichkeit erhalten. Das deutsche Recht befindet sich demnach in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht. Auch rechtspolitisch ist die Bevorzugung der Sicherheiten innerhalb des Clearingsystems gerechtfertigt. Sie ist insbesondere nicht mit derjenigen von Finanzsicherheiten zu verwechseln, die einen anderen Hintergrund hat35.

4. Besonderheiten des Derivateclearings Für Clearingsysteme, die an Derivatebörsen abgeschlossene Verbindlichkeiten abwickeln, gelten Besonderheiten. Das folgt aus dem Gegenstand der dort geschlossenen Geschäfte: Sie sind in den seltensten Fällen auf die Übertragung von Finanzinstrumenten gerichtet, sondern auf die Zahlung von Bargeld. Dies gilt zum Beispiel für Optionen, bei denen die Differenz zwischen dem Wert des underlying am Abschlusstag und am Tag der Ausübung zu zahlen ist. Es handelt sich dabei nicht um Ansprüche auf Finanzinstrumente, sondern auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Die §§ 21 II 2, 96 II InsO gelten ihrem Wortlaut nach auch für Ansprüche und Leistungen aus Überweisungs- und Zahlungsverträgen. Sie scheinen daher das Derivateclearing zu erfassen. Jedoch ist dies in der Literatur vor dem Hintergrund der Legaldefinitionen des Überweisungs- und des Zahlungsvertrags in §§ 676a, d BGB bezweifelt worden36 . In der Tat passen die bürgerlichrechtlichen Legaldefinitionen auf Ansprüche auf Barausgleich und zur Leistung von Sicherheiten nicht. Allerdings sind die in der Insolvenzordnung verwendeten Begriffe gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Die Finanzsicherheitenrichtlinie zwingt dazu, auch Zahlungsansprüche und Ansprüche auf Sicherheitenbestellungen innerhalb von Derivateclearing-Systemen als Überweisungsund Zahlungsaufträge im Sinne von §§ 21 II 2, 96 II InsO anzusehen37. Dadurch entsteht zwar ein Widerspruch zur Definition der Begriffe in §§ 676a, d BGB. Diese innerhalb der deutschen Rechtsordnung entstehende Verwerfung ist bedauerlich, aber um der Konformität mit dem Gemeinschaftsrecht willen hinzunehmen.

35

Siehe dazu o. S. 476 ff. Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz – Dargestellt am Beispiel der Eurex Deutschland, S. 115–119. 37 A.A. Kieper a.a.O., S. 120. 36

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3. Teil: Das Finanzinstrument

IV. Insolvenzen mit Auslandsbezug Vertrackte Probleme stellen sich, wenn eine Insolvenz nicht auf das Inland beschränkt ist, sondern Kontakte zu anderen Staaten aufweist. Ein solcher Kontakt kann beispielsweise daraus resultieren, dass Finanzinstrumente im Ausland gelagert oder verwaltet werden. Sie können auch in eine Kontenverbindung zwischen einem in- und einem ausländischen Sammelverwahrer einbezogen sein. Weil sich in letzterem Fall durch jede Verfügung die Zusammensetzung des gemischten Sammelbestands verändert, wirken selbst inländische Geschäfte zwischen Inländern ins Ausland. Daher haben die meisten Geschäfte über Finanzinstrumente einen grenzüberschreitenden Bezug38 . Als Konsequenz stellt sich bei vielen Insolvenzverfahren, in denen Effekten eine Rolle spielen, die Frage nach den Auswirkungen des Verfahrens über die Grenze hinweg. Diese Frage muss allerdings in praktischer Hinsicht präzisiert werden. Ebenso wie bei rein inländischen Verfahren geht es vor allem um den Schutz des Hinterlegers, der Gläubiger und der Clearingmitglieder.

1. Schutz des inländischen Hinterlegers Dem Anleger, für den Finanzinstrumente im Ausland verwahrt oder verwaltet werden, kommt es vor allem darauf an, dass er diese aussondern kann. Dazu ist zunächst das anwendbare Insolvenzrecht zu ermitteln. Wegen des grenzüberschreitenden Aspekts fällt der Blick auf die Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO)39. Diese ist jedoch nach ihrem Artikel 1 II auf Insolvenzen von Kreditinstituten nicht anwendbar. Um solche wird es sich meist handeln, wenn Aussonderungsrechte an Finanzinstrumenten in Frage stehen, denn die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere ist gemäß § 1 I 1 Nr. 5 KWG ein Bankgeschäft. Vorgaben für Insolvenzen von Banken enthält die Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute40 . Sie bestimmt, dass allein die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats befugt sind, ein Insolvenzverfahren über eine Bank zu eröffnen41. Dies wurde in § 46e KWG umgesetzt. Die Richtlinie sieht weiter vor, dass auf das Insolvenzverfahren das Recht des Herkunftsstaats der Bank anzuwenden

38

Einsele, in: Baums/Cahn, Die Zukunft des Clearing und Settlement, S. 3 (11). Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren v. 29.5.2000, ABlEG Nr. L 160 v. 30.6.2000, S. 1. 40 Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABlEG Nr. L 125 v. 5.5.2001, S. 15. Zu ihr auch u. S. 496. 41 Art. 3 I Richtlinie 2001/24/EG. 39

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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ist42 . Es entscheidet darüber, wie der Gläubiger seine Ansprüche anzumelden hat und wie diese befriedigt werden. Allerdings bestimmt das nationale Insolvenzrecht in der Regel nicht, wem ein Aussonderungsrecht zusteht. Diese Frage wird vielmehr durch das anwendbare materielle Sachen- oder Vermögensrecht geregelt. Letzteres ist nach den allgemeinen Regeln des Internationalen Privatrechts des Sitzstaats des Insolvenzgerichts zu ermitteln. Wie noch zu zeigen sein wird, verweisen diese in der Regel auf den Ort der Verwahrung der Wertpapiere oder der Buchung der Finanzinstrumente in einem Register43. Jedoch sind die EG-Mitgliedstaaten hinsichtlich der Anknüpfung im Fall der Bankeninsolvenz nicht frei, sondern unterliegen den Vorgaben der bereits erwähnten Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute44. Ihr Artikel 24 enthält unter anderem Regelungen über das Schicksal von Rechten Dritter an Instrumenten, deren Existenz oder Übertragung die Eintragung in einem Konto, Register oder bei einer zentralen Verwahrstelle voraussetzt. Gemeint sind Finanzinstrumente im Sinne der – aufgehobenen – Wertpapierdienstleistungsrichtlinie45. Artikel 24 der Liquidationsrichtlinie unterstellt die Ausübung von „Eigentumsrechten oder anderen Rechten“ an diesen Finanzinstrumenten dem Rechts des Staats, in dem sich das Konto, Register oder die zentrale Verwahrstelle befindet, in dem beziehungsweise bei der die betreffenden Rechte eingetragen wurden. Diese Vorgabe ist bei allen in der EG durchgeführten Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Kreditinstituts zu beachten, gleich ob dieses seinen Sitz innerhalb oder außerhalb der Gemeinschaft hat. In Deutschland ist sie durch § 17a DepotG umgesetzt46 . Das Aussonderungsrecht des Anlegers hängt daher davon ab, welche materiellen Befugnisse ihm das Recht am Ort des Kontos oder Registers oder der Zentralverwahrung einräumt, an dem die Finanzinstrumente gebucht oder verwahrt werden. Er kann nur dann aussondern, wenn er nach diesem Recht das Eigentum oder ein sonstiges Vorrecht an den Titeln innehat. Sieht das ausländische Recht keine solche Berechtigung vor, so kann er die Titel nicht erlangen. Das gilt selbst dann, wenn der ausländische Verwahrer im Rahmen der sogenannten Drei-Punkte-Erklärung versprochen hat, dass er die Titel für den ausländischen Anleger halten will. Entscheidend ist nicht dieses Versprechen des Auslandsverwahrers, sondern welche Konsequenzen das ausländische Recht daraus zieht. Allerdings verbleiben dem inländischen Anleger unabhängig von seinen Befugnissen nach fremdem Recht jedenfalls Ansprüche gegen seinen inländischen Vertragspartner, das heißt seine Bank. Ihr Inhalt ist je nach der Organisation 42

Art. 3 II 1, Art. 10 I Richtlinie 2001/24/EG. Siehe u. S. 490 ff. 44 Nachweis o. S. 482 Fußn. 40. 45 Vgl. Art. 2, letzter Spiegelstrich der Richtlinie 2001/24/EG. Zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vgl. bereits o. S. 292 f. 46 Dazu u. S. 493 ff. 43

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3. Teil: Das Finanzinstrument

des grenzüberschreitenden Effektenverkehrs unterschiedlich47. Zu unterscheiden ist insbesondere zwischen der Verwahrung von Wertpapieren im Ausland und der Einbeziehung in eine Kontobeziehung zwischen dem inländischen Sammelverwahrer und seinem ausländischen Pendant48 . Bei der Auslandsverwahrung hat der Anleger gegenüber seiner Bank einen Anspruch aus der Gutschrift in Wertpapierrechnung49. Bei Bestehen einer Kontenverbindung mit einer ausländischen Wertpapiersammelbank haftet das inländische Kreditinstitut gemäß § 7 II 2, § 5 III i.V.m. § 3 II 1 DepotG für jeden Ausfall, der durch Verschulden des ausländischen Sammelverwahrers eintritt. Gemeinsam ist beiden Ansprüchen, dass sie lediglich schuldrechtlicher Natur sind. Der Anleger hat daher auch nach dieser Regelung kein Eigentum an den Finanzinstrumenten. Von der bislang erörterten Insolvenz des ausländischen Verwahrers oder Verwalters ist die des inländischen Kreditinstituts zu unterscheiden. Bei ihr ist der Kunde ebenfalls geschützt. Das gilt zunächst für den Fall der Auslandsverwahrung oder -verwaltung. Zwar ist der Anleger bei ihr nicht Inhaber der Finanzinstrumente, doch hat ihm die Bank diese im Rahmen der Gutschrift in Wertpapierrechnung versprochen. Obwohl die Gutschrift lediglich eine schuldrechtliche Forderung ist, die dem Hinterleger gegen seine Bank zusteht, kann sie in der Insolvenz besondere Privilegien gewähren. Denn ihr Inhalt besteht im Wesentlichen darin, dass dem Kunden die im Ausland verwahrten Titel „reserviert“ werden. Insoweit ähnelt sie sehr stark der Vereinbarung zwischen Treuhänder und Treugeber bei der Treuhand oder derjenigen zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber beim Spezialfall der Treuhand, dem Sicherungseigentum. Es ist allgemein anerkannt, dass diese Vereinbarungen dem Treu- oder Sicherungsgeber in der Insolvenz ein Aussonderungsrecht gewähren, ungeachtet der Tatsache, dass das Eigentum formell dem Treuhänder oder Sicherungsnehmer zusteht. Als Begründung dafür wird häufig angeführt, der Treu- oder Sicherungsgeber sei der „wirtschaftliche Eigentümer“50 . Eine ganz ähnliche Stellung nimmt der Hinterleger bei der Auslandsverwahrung ein. Seine Bank verwaltet die Titel für ihn. Zwar hat er die Titel nicht unmittelbar auf sie übertragen, sondern diese erlangt sie von dem ausländischen Verwahrer. Auf das früher aufgestellte Unmittelbarkeitserfordernis hinsichtlich des Erwerbs des Treuhänders vom Treugeber wird aber zunehmend verzichtet51. Daher sollte man auch dem Anleger bei der Auslandsverwahrung ein Aussonderungsrecht zuerkennen 52 . Dieses kann sich allerdings nur auf die Rechtsposition beziehen, die der ausländische Verwahrer 47 48 49 50 51 52

Zu diesen Arten o. S. 55 ff. Vgl. o. S. 55, 57. Dazu o. S. 56 f. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 3, Rn. 34; Vieweg/Werner, Sachenrecht, § 12, Rn. 38. Nachweise o. S. 391 Fußn. 18. Ebenso Dittrich, Effektengiroverkehr mit Auslandsberührung, S. 85.

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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oder Verwalter dem inländischen Kreditinstitut nach ausländischem Recht vermittelt53. Im Fall der gegenseitigen Kontenverbindung ist das Aussonderungsrecht des Anlegers bei Insolvenz seiner inländischen Bank unproblematisch. Der gesamte Sammelbestand einschließlich der im Ausland verwahrten oder verwalteten Instrumente steht im Miteigentum der Hinterleger. Insoweit sind sie keine Insolvenzgläubiger, sondern können aussondern. Ähnlich verhält es sich, wenn über das Vermögen der inländischen Sammelbank ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Hier ist die Depotbank aussonderungsberechtigt.

2. Schutz der Gläubiger Will man ermitteln, wie die Gläubiger des Inhabers von Finanzinstrumenten geschützt sind, so muss man wie beim inländischen Verkehr danach unterscheiden, ob diesen vom Schuldner Sicherheiten eingeräumt wurden oder nicht. Die Rechte der ungesicherten Gläubiger richten sich nach dem Recht, dem das Insolvenzverfahren untersteht. Die Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute sieht vor, dass insoweit das Recht des Herkunftsstaats der Bank anzuwenden ist54. Letzteres entscheidet darüber, wie der Gläubiger seine Ansprüche anzumelden hat und auf welche Weise diese befriedigt werden. Die Rechte der Mitgliedstaaten behandeln dabei die Gläubiger des Inhabers von Finanzinstrumenten so wie alle anderen Insolvenzgläubiger. Es gibt keine Sonderbehandlung, weder nach Gemeinschaftsrecht noch nach nationalem Recht. Für die gesicherten Gläubiger ist dies anders. Hinsichtlich von Sicherheiten an Gegenständen, die sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des eröffnenden befinden, trifft die Liquidationsrichtlinie in Artikel 21 eine Sonderregelung. Danach werden diese von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Inland nicht berührt. Das heißt, das Verfahren erstreckt sich nicht auf im Ausland belegene Sicherheiten. Diese Regelung dient dem Schutz der Gläubiger, denen der Schuldner Sicherheiten eingeräumt hat. Letztere werden in anderen Mitgliedstaaten häufig nicht anerkannt. Die Ausnahme von der Anwendung der lex fori concursus dient dazu, ihre Durchsetzbarkeit zu gewährleisten. Allerdings lässt diese Regelung zwei entscheidende Fragen offen. Zum einen legt sie nicht fest, welchem Recht die im Ausland belegenen Sicherheiten unterliegen. Zum anderen ist nicht einmal gesagt, wie zu ermitteln ist, ob eine Sicherheit sich im Ausland oder im Inland befindet. Dabei bereitet die Bestimmung des Lageorts insbesondere bei Sicherheiten an entmaterialisierten Effekten erhebliche Schwierigkeiten. 53 54

Siehe zu ihr o. S. 58 f. Art. 3 II 1, Art. 10 I Richtlinie 2001/24/EG. Siehe bereits o. S. 482 f.

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Eine Spezialregelung für diese offen gebliebenen Fragen enthält die Finanzsicherheitenrichtlinie55. Sie gilt auch und gerade bei Bankeninsolvenzen, denn ihr Anwendungsbereich deckt im Wesentlichen den Internbankenverkehr ab. Die Richtlinie sieht – neben anderen Dingen – vor, dass Sicherheiten an Finanzinstrumenten zwingend dem Recht des Staats unterstehen, in dem das maßgebliche Konto geführt wird56 . Dabei handelt es sich um das Konto, in dem die Sicherheit verbucht ist57, das heißt das Konto des Sicherungsnehmers. Das am Ort dieses Kontos geltende Recht bestimmt nicht nur über die Anforderungen an die wirksame Bestellung der Sicherheit und über die Besitzverschaffung als eine ihrer Voraussetzungen bei besitzgebundenen Sicherheiten58 . Es regelt auch die für die „absolute Wirksamkeit“ der Bestellung oder Besitzverschaffung erforderlichen Rechtshandlungen59. Daneben gilt es auch für die Schritte, die zur Verwertung der Finanzinstrumente erforderlich sind60 . Die Bedeutung dieser Vorschriften ist dadurch reduziert, dass sich der Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie auf bestimmte Arten von Sicherheiten beschränkt61. Für die meisten der nicht erfassten Fälle greift Artikel 24 der Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute. Dieser unterstellt nicht nur Eigentumsrechte, sondern auch „sonstige Rechte“, das heißt insbesondere Sicherungsrechte, dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sich das Register, das Konto oder die zentrale Verwahrstelle befindet, in dem beziehungsweise in der die betreffenden Rechte eingetragen wurden. Maßgeblich ist also auch hier das Recht am Ort des Kontos, des Registers oder der Verwahrstelle des Sicherungsnehmers. Über die schon in der Finanzsicherheitenrichtlinie geregelten Fragen hinaus bestimmt dieses Recht auch den Rang von Sicherheiten und die Möglichkeit ihres gutgläubigen Erwerbs62 . Die Liquidationsrichtlinie ist zwar ebenfalls in ihrem Anwendungsbereich beschränkt, da sie nur für die Insolvenz von Kreditinstituten gilt. Dieser Fall ist jedoch der praktisch bedeutsamste, da die Verwahrer oder Verwalter von Finanzinstrumenten in der Regel Banken sind. Für die nicht von der Finanzsicherheiten- oder der Liquidationsrichtlinie erfassten Sicherheiten stellt sich die Frage, welchem Recht sie unterliegen. Es liegt nahe, eine Gesamtanalogie zu den beiden Richtlinien zu ziehen. Diese stößt sich jedoch an dem auf Gemeinschaftsrechtsebene geltenden Prinzip der be55 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABlEG Nr. L 168 v. 27.6.2002, S. 43. Zu ihr bereits o. S. 443 f., 447 f., 476 ff. 56 Art. 9 I Richtlinie 2002/47/EG. 57 Art. 2 I lit. h Richtlinie 2002/47/EG. Siehe dazu im Einzelnen u. s. 497. 58 Art. 9 II lit. a Richtlinie 2002/47/EG. 59 Ebda. 60 Art. 9 II lit. d Richtlinie 2002/47/EG. 61 Siehe o. S. 476 f. 62 Art. 9 II lit. c Richtlinie 2002/47/EG.

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grenzten Einzelermächtigung63: Die EG kann danach immer nur auf den Gebieten handeln, für die ihr spezielle Kompetenzen eingeräumt sind. Für alle anderen Bereiche gelten ihre Vorgaben nicht. Dennoch ist es möglich, zumindest auf der Ebene des die Richtlinie umsetzenden nationalen Rechts eine Gesamtanalogie zu ziehen: Wenn schon im Fall der Bestellung einer Finanzsicherheit und im Fall der Liquidation eines Kreditinstituts an das Recht am Ort des Kontos, des Registers oder der Verwahrstelle des Sicherungsnehmers angeknüpft wird, dann sollte dies auch in allen anderen Situationen gelten, in denen Finanzinstrumente als Sicherheiten dienen. Die gesicherten Gläubiger sind demnach durch das Recht geschützt, welches am Ort ihres Kontos, Registers oder der Verwahrung zu ihren Gunsten gilt. Es handelt sich dabei um einen letztlich aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz.

3. Schutz der Clearingmitglieder Für Teilnehmer an Wertpapierliefer- und -abwicklungssystemen ist wichtig, dass einmal getroffene Abrechnungen auch im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über einen anderen Teilnehmer bestehen bleiben. Für diesen Schutz sorgt das Gemeinschaftsrecht durch die Finalitätsrichtlinie64. Ihr Artikel 3 I schreibt vor, dass Übertragungsaufträge „rechtlich verbindlich und auch im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen einen Teilnehmer Dritten gegenüber wirksam“ sind65. Das gilt aber nur, sofern sie vor dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung in das System eingebracht wurden. Wann ein Auftrag eingebracht wurde, entscheidet sich nach den Regeln des Systems, die mit dem anwendbaren Recht in Einklang stehen müssen 66 . Häufig leisten sich die Teilnehmer an Wertpapierliefer- und -abwicklungssystemen gegenseitig Sicherheiten. Die Finalitätsrichtlinie schreibt insoweit vor, dass die Rechte aus solchen Sicherheiten durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines der Teilnehmer nicht berührt werden67. Diese von ihr so genannten „dinglichen“ Sicherheiten können außerhalb des Insolvenzverfahrens verwertet werden68 . Soweit sie mit rechtsbegründender Wir63 Vgl. zu ihm Dauses, in: Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Einleitung, Rdnr. 3; Krenzler, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, E 1 – Einleitung zum EG-Außenwirtschaftsrecht, Rdnr. 24. 64 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrech nungssystemen, ABlEG Nr. L 166 v. 11.6.1998, S. 45. 65 Zur Bedeutung dieser Vorschrift für die vermögensrechtliche Zuordnung von Finanzinstrumenten außerhalb von Insolvenzverfahren bereits o. S. 399 ff. 66 Art. 3 III Richtlinie 98/26/EG. 67 Art. 9 I 1 Richtlinie 98/26/EG. 68 Art. 9 I 2 Richtlinie 98/26/EG.

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kung in einem Register, Konto oder bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht sind, enthält die Finalitätsrichtlinie für sie eine spezielle Kollisionsregel: Sie unterstehen dem Recht des Orts, an dem die Eintragung oder Verbuchung erfolgt69. Damit sind sie dem allgemeinen Insolvenzregime entzogen. Die Folge ist, dass die Übertragung von Finanzinstrumenten und die Bestellung von Sicherheiten gegenüber den nationalen Insolvenzrechten weitgehend isoliert sind, soweit sie innerhalb eines Clearing- und Settlementsystems vollzogen wurden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über einen Teilnehmer berührt sie nicht. Die Rechte der Sicherungsnehmer bestimmen sich nach der Rechtsordnung des Staats, der das System untersteht. Diese Grundsätze werden von allen Rechtsakten der Gemeinschaft anerkannt, die der Finalitätsrichtlinie nachfolgen. Das gilt zum Beispiel für die EuInsVO. Diese ist zwar wie gesehen auf Bankeninsolvenzen nicht anwendbar. Die von ihr geregelten Insolvenzverfahren könnten jedoch in ein Clearing- und Settlementsystem eingreifen. Dem schiebt Artikel 9 I der Verordnung einen Riegel vor, indem er bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Mitglieder eines Abwicklungssystems im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ausschließlich nach dem Recht des Systems richten. Der letzte Satz des Erwägungsgrunds 27 hält ausdrücklich fest, dass die Vorschriften der Finalitätsrichtlinie den allgemeinen Regelungen der Insolvenzverordnung vorgehen. Die Liquidationsrichtlinie hält ebenfalls ausdrücklich fest, dass die in Abwicklungssystemen getätigten Transaktionen den spezielleren Bestimmungen der Finalitätsrichtlinie unterliegen70 . Insbesondere die Bestellung von Sicherheiten soll sich ausschließlich nach deren Vorschriften richten71. Schließlich will auch die Finanzsicherheitenrichtlinie „nichts Gegenteiliges“ gegenüber der Finalitätsrichtlinie bestimmen72 . Sie soll vielmehr die bestehenden Rechtsakte ergänzen und die in der Finalitätsrichtlinie enthaltene Anknüpfung auf weitere Bereiche ausdehnen73. Von der prinzipiellen Geltung des Rechts des Abwicklungssystems macht die EuInsVO allerdings eine Ausnahme. Denn ihr Artikel 9 I gilt „unbeschadet des Artikels 5“. Letztere Vorschrift ist fast wortidentisch zu Artikel 21 der Liquidationsrichtlinie74. Dies bedeutet, dass Sicherungsrechte an Finanzinstrumenten in Abwicklungssystemen dem Recht des „Lageorts“ der Sicherheiten unterstehen. Doch wird dieser in der Praxis meist mit dem Ort des Systems zusammenfallen. Eine weitere scheinbare Ausnahme von Absatz 1 des Artikel 9 EuInsVO enthält Absatz 2 der Vorschrift. Danach sollen die Nichtigkeit, Anfechtbarkeit 69 70 71 72 73 74

Dazu näher u. S. 491 ff. Ewgr. 25 Richtlinie 2001/24/EG. Ewgr. 26 Richtlinie 2001/24/EG. Ewgr. 4, Satz 2 Richtlinie 2002/47/EG. Ewgr. 4, letzter Satz, und Ewgr. 7 Richtlinie 2002/47/EG. Dazu o. S. 485.

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und relative Unwirksamkeit der Übertragung dem für das System maßgebenden Recht unterstehen. Genau besehen ist dies jedoch keine Ausnahme, sondern eine Ausdehnung der Anwendbarkeit des Rechts des Systems. Insgesamt lässt sich daher ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts feststellen, nach dem Wertpapierliefer- und -abwicklungssysteme lediglich den Vorschriften des auf sie anwendbaren Rechts unterstehen. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über einen der Teilnehmer lässt die Wirksamkeit von Transaktionen innerhalb des Systems unberührt.

V. Schlussfolgerung Es hat sich gezeigt, dass für Finanzinstrumente in der Insolvenz besondere Grundsätze gelten. Diese haben sich so weit verdichtet, dass sich von einem eigenen Insolvenzrecht der Effekten sprechen lässt. Das gilt sowohl in materiell- wie auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht. Auf die internationalprivatrechtliche Anknüpfung von Finanzinstrumenten ist im Folgenden allgemein einzugehen.

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§ 27 Das Internationale Privatrecht der Finanzinstrumente Die Schwierigkeiten, welche Finanzinstrumente aus Sicht des Internationalen Privatrechts aufwerfen, sind so vielgestaltig und kompliziert, dass sie ein eigenes Buch verdienten. An dieser Stelle kann daher nur eine grundsätzliche Sicht der Dinge präsentiert werden. Details sind auszusparen. Im Vordergrund wird die Frage stehen, wie sich die Ersetzung des Wertpapiers durch das Finanzinstrument auf die Bestimmung des anwendbaren Rechts auswirkt. Dabei orientiert sich die Untersuchung an den möglichen kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkten, namentlich der Belegenheit (I), der Buchung (II) und dem Parteiwillen (III), bevor auf die Perspektiven für internationales Einheitsrecht eingegangen wird (IV).

I. Anknüpfung an den Ort der Belegenheit Wertpapiere werden auch im Internationalen Privatrecht wie körperliche Gegenstände behandelt. Man unterwirft sie der lex rei sitae-Regel1. Dies gilt allerdings nur hinsichtlich der Frage, wem das verbriefte Recht zusteht, also der sachenrechtlichen Verhältnisse; man spricht insoweit auch vom „Wertpapiersachstatut“. Alle anderen Probleme, wie zum Beispiel, ob überhaupt ein Wertpapier vorliegt und welche Voraussetzungen für seine Wirksamkeit erfüllt sein müssen, sind dagegen Teil des sogenannten Wertpapierrechtsstatuts. Je nach Art des Wertpapiers ist es entsprechend den Anknüpfungen des Internationalen Wechsel-, Scheck-, Gesellschafts- oder Schuldrechts zu bestimmen. Die Folge dieser Auffassung ist eine Spaltung des anzuwendenden Rechts2 . Die Immobilisierung und Entindividualisierung der Effekten, welche im ersten Teil dieses Buchs beschrieben wurde, führen allerdings zunehmend zu Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Wertpapiersachstatuts3. Sie entstehen beispielsweise, wenn das auf einen Sammelbestand anzuwendende Recht zu bestimmen ist, dessen Urkunden sich an unterschiedlichen Orten befinden. Probleme bereitet die kollisionsrechtliche Analyse auch dann, wenn wie im Fall Daimler-Chrysler mehrere Globalurkunden über eine Emission ausgegeben werden und diese in unterschiedlichen Staaten lagern. Schließlich ist die Anknüpfung an den Belegenheitsort sogar gänzlich unmöglich, wenn keine Ur1

Siehe Art. 43 I EGBGB. Vgl. Wendehorst, in MünchKomm-BGB, Art. 43 EGBGB Rdnr. 194; Stephan Lorenz, NJW 1995, 176–178. 3 Illustrativ Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687 (710–715); Schefold, IPRax 2000, 468 (470). 2

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kunden mehr ausgestellt werden4. Das ist in den zahlreichen Rechtsordnungen der Fall, die konsequent den Weg der Entmaterialisierung gegangen sind5.

II. Anknüpfung an die Buchung Immobilisierung, Entindividualisierung und Entmaterialisierung führen dazu, dass der Urkunde im Rechtsverkehr immer weniger Bedeutung zukommt. Das hat auch Auswirkungen auf das Kollisionsrecht: Der Ort, an dem sich das Papier befindet, wird als Anknüpfungspunkt ungeeignet. An seine Stelle tritt die Buchung.

1. Finalitätsrichtlinie Den neuen Realitäten trug zuerst die Europäische Gemeinschaft Rechnung. Das geschah an unerwarteter Stelle, nämlich in der Finalitätsrichtlinie6 . Deren Artikel 9 II enthält eine kollisionsrechtliche Regelung für Wertpapiersicherheiten. Die nicht einfach zu lesende Vorschrift enthält drei Alternativen. Sie lauten im Einzelnen: Ist die Sicherheit in einem Register eingetragen, so soll das Recht des Staats anwendbar sein, in dem sich das Register befindet; ist sie in einem Konto eingetragen, so ist das Recht des Staats zu befolgen, in dem sich das Konto befindet; ist die Sicherheit bei einem zentralen Verwahrsystem verbucht, so gilt das Recht das Staats, in dem sich das Verwahrsystem befindet. Mit dieser unscheinbaren Regelung kündigt sich ein Epochewechsel im Internationalen Privatrecht an. Nicht der Ort, an dem die Wertpapiere verwahrt werden, ist nunmehr für das anwendbare Recht entscheidend, sondern der Ort der Buchung. Man sieht unschwer, wie sich die neue Regel in die hier vertretene Theorie der Finanzinstrumente einfügt. Letztere zielt darauf ab, das Wertpapier im materiellen Recht als Anknüpfungspunkt der Berechtigung zu verdrängen und durch die Buchung zu ersetzen. Die Finalitätsrichtlinie verfolgt denselben Ansatz für das Kollisionsrecht. Das ist kein Zufall, sondern direkte Folge der Entwicklung des materiellen Rechts weg vom Wertpapier und hin zu den Finanzinstrumenten, die sich in zahlreichen Rechtsordnungen beobachten lässt. Die Fortbildung des Sachrechts hat einschneidende Auswirkungen auf das Kollisionsrecht: Neben der Anknüpfung von Wertpapieren enthält es eine neue 4 Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rdnr. 171. 5 Vgl. o. S. 61 ff. 6 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrech nungssystemen, ABlEG Nr. L 166 v. 11.6.1998, S. 45. Zu ihr bereits o. S. 399 ff., 487 ff.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Aufgabe, nämlich das auf Finanzinstrumente anwendbare Recht zu ermitteln7. Diese Aufgabe erfüllt Artikel 9 II der Finalitätsrichtlinie. Entgegen dem durch ihren Wortlaut erweckten Anschein bezieht sich die Vorschrift auf Sicherheiten an Finanzinstrumenten und nicht auf solche an Wertpapieren. Das zeigt sich an dem Verweis der Definition des „Wertpapiers“ auf den Begriff der „Instrumente“ nach der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie8 . Die Finalitätsrichtlinie erfasst daher zum Beispiel auch Futures und Optionen. Daraus folgt, dass auch die Kollisionsregel des Artikel 9 II nicht nur für Wertpapiere, sondern für alle Finanzinstrumente gilt. Unverbriefte Effekten stellen das Internationale Privatrecht vor grundlegend andere Probleme als Wertpapiere. Die alte Anknüpfung an den Ort der Belegenheit lässt sich bei ihnen nicht durchführen, da kein Gegenstand existiert, der sich räumlich lokalisieren ließe. Als Ausweg bleibt nur die Anknüpfung an andere Umstände. Die Finalitätsrichtlinie wählt in Artikel 9 II den Ort, an dem die Eintragung in ein Register oder die Buchungen auf ein Konto oder in einem Verwahrsystem erfolgt9. Da sich an diesem Ort in aller Regel zugleich der Sitz des jeweiligen Intermediärs oder Zwischenverwahrers befinden wird, der das Register, Konto oder Verwahrsystem führt, verwendet man zur Kennzeichnung dieser Anknüpfung häufig die Bezeichnung „place of the relevant intermediary approach (PRIMA)“10 . Allerdings ist dies missverständlich. Denn das Gemeinschaftsrecht stellt nicht auf den Sitz des Intermediärs ab, sondern auf den der Konten- oder Registerführung, was insbesondere wichtig werden kann, wenn ein Intermediär über mehrere Niederlassungen verfügt. Außerdem wird der Ausdruck PRIMA in den nationalen Rechten in ganz unterschiedlicher Bedeutung verwendet11. Man sollte ihn daher im Zusammenhang mit der Richtlinie besser vermeiden. Die kollisionsrechtliche Regelung der Finalitätsrichtlinie, die auf die Buchung abstellt, ist – naturgemäß – nicht mehr als ein erster, zaghafter Vorbote des sich am Horizont abzeichnenden neuen kollisionsrechtlichen Paradigmas. Ihr Anwendungsbereich ist durch verschiedene Kautelen stark eingeschränkt. Zunächst bezieht sie sich nicht auf die Anknüpfung des Wertpapiers selbst, sondern lediglich auf die an ihm bestellter „dinglicher Sicherheiten“. Zum zweiten ist Artikel 9 II der Finalitätsrichtlinie nicht auf alle Sicherheiten anwendbar, sondern nur auf solche, die Teilnehmern an einem Wertpapierliefer- und -ab7 Zu den Auswirkungen des materiellen Effektenrechts auf das Kollisionsrecht auch Wendehorst, in MünchKomm-BGB, Art. 43 EGBGB Rdnr. 208. 8 Vgl. Art. 2 lit. h Richtlinie 98/26/EG i.V.m. Richtlinie 93/22/EWG, Anhang, Abschnitt B. 9 Allgemein für die Anknüpfung an die lex libri siti bei reinen Buchrechten, die als Einzelbuchrechte existieren, Wendehorst, in MünchKomm-BGB, Art. 43 EGBGB Rdnr. 205. 10 Siehe z.B. Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 59, 65; Bloch/Vauplane, J.D.I. 2005, 3 (8). 11 Vgl. Ege a.a.O., S. 59.

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rechnungssystem oder Zentralbanken gestellt werden. Drittens ist die Regelung auf Sicherheiten beschränkt, die „mit rechtsbegründender Wirkung“ eingetragen oder verbucht sind. Eine weitere, in der Literatur behauptete Einengung ist dagegen abzulehnen: Die Kollisionsregel gilt nicht nur für den Insolvenzfall12 . Das zeigt sich schon daran, dass ihr sonstiger Anwendungsbereich ebenfalls nicht auf die Insolvenz beschränkt ist13. Es wäre außerdem der Voraussehbarkeit und Planbarkeit im Effektengiroverkehr abträglich, wenn das auf eine Sicherheit anzuwendende Recht im Insolvenzfall anders bestimmt werden sollte als vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

2. Depotgesetz Der deutsche Gesetzgeber hat die Regelung des Artikel 9 II der Finalitätsrichtlinie zum Anlass genommen, erstmals eine kollisionsrechtliche Regelung in das Depotgesetz einzuführen. Der im Jahre 1999 erlassene § 17a DepotG geht allerdings über die Vorgaben des Artikel 9 II der Finalitätsrichtlinie deutlich hinaus. Denn er beschränkt sich nicht auf Sicherheiten an Wertpapieren, sondern erfasst ganz allgemein „Verfügungen über Wertpapiere oder Sammeldepotanteile“. Außerdem gilt er nicht nur für Rechtsgeschäfte, an denen Teilnehmer an Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen oder Zentralbanken beteiligt sind, sondern für sämtliche Verfügungen. Man kann daher mit Fug und Recht sagen, dass § 17a DepotG den in der Finalitätsrichtlinie verfolgten Ansatz zum allgemeinen Grundsatz des Kollisionsrechts des Effektengiroverkehrs ausbaut. Allerdings übernimmt § 17a DepotG eine Einschränkung des Artikel 9 II der Richtlinie: Er gilt nur für Verfügungen, die „mit rechtsbegründender Wirkung“ in einem Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden. Diese Formulierung hat viel Unsicherheit und Verwirrung hervorgerufen. So wird zum Beispiel behauptet, dass ihretwegen die Vorschrift weitgehend leerliefe, da die Buchung nach den meisten Rechtsordnungen keine rechtsbegründende, sondern nur verlautbarende Wirkung habe14. Der Rechtsvergleich im ersten Teil kommt allerdings zu einem anderen Ergebnis. Dort wurde gezeigt, dass viele Rechtsordnungen der Buchung rechtsbegründende Wirkung einräumen, zum Beispiel die italienische, französische und die spanische15. Die Situation in den USA ist insoweit nur hinsichtlich der certificated securities anders, die sich im Besitz des Inhabers befinden; uncertificated securities werden dagegen durch Buchung übertragen16 . Ebenso ist die Entstehung des US-amerikani-

12 13 14 15 16

So aber Schefold, IPRax 2000, 468 (472 f.). Siehe o. S. 399. Einsele, WM 2001, 7 (15 f.); dies., WM 2001, 2415 (2422). Siehe o. S. 61 ff. Siehe o. S. 81.

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schen securities entitlement eng mit der Registrierung verknüpft17. Die Kritik an § 17a DepotG greift ebensowenig im Hinblick auf das Vereinigte Königreichs. Effekten gehen im System CREST mit der Eintragung im Register des Emittenten über18 . Seinem Wortlaut nach regelt § 17a DepotG neben der Buchung in einem Konto auch den Fall, dass Wertpapiere oder Sammeldepotanteile in einem Register eingetragen werden, so dass die englische Art der Übertragung erfasst wird. Für Österreich gibt es mittlerweile ebenfalls eine Auffassung, die der Buchung eine weitgehende Bedeutung einräumen will19. Richtig ist jedoch, dass zumindest das deutsche Recht der Buchung keine rechtsbegründende Wirkung zuerkennt. Das ist misslich, denn damit ist die Kollisionsregel in § 17a DepotG ausgerechnet auf die nach deutschem Recht erfolgende Rechtsübertragung nicht anwendbar20 . Allerdings beruht die fehlende Rechtswirkung der Buchung in Deutschland, wie oben gezeigt, unter anderem auf der mangelhaften Umsetzung der Finalitätsrichtlinie. Daher kann man nicht behaupten, die Regelung des § 17a DepotG dürfe nicht an die rechtsbegründende Wirkung der Buchung anknüpfen. Vielmehr ist Deutschland nach der Finalitätsrichtlinie verpflichtet, sein Rechtssystem so umzustellen, dass die Buchung rechtsbegründende Wirkung hat. Dann griffe die Kollisionsregel in § 17a DepotG auch für Übertragungen nach deutschem Recht. Ein weiterer Einwand lautet, die Formulierung „mit rechtsbegründender Wirkung“ beruhe auf der fehlerhaften deutschen Fassung der Finalitätsrichtlinie; in den anderen Versionen würde nur eine „gesetzmäßige“ oder „rechtmäßige“ Eintragung verlangt21. Jedoch besteht kein Widerspruch der deutschen Fassung zu den anderen. Wendungen wie „legally recorded“ oder „inscrit légalement“ können nicht so ausgelegt werden, dass sie eine gesetzmäßige oder rechtmäßige Einschreibung fordern. Erwägungsgrund 19 zeigt, dass etwas ganz anderes gemeint ist: Es geht darum, dass das Register, Konto oder Verwahrsystem das „Eigentum“ an den betreffenden Finanzinstrumenten belegt. Die Ausdrücke „legally“ oder „légalement“ bedeuten also, dass die Buchung rechtliche Auswirkungen haben muss. Dieses Erfordernis ist mit dem Begriff der „rechtsbegründenden Wirkung“ in der deutschen Fassung des Artikel 9 II der Richtlinie ganz zutreffend wiedergegeben. Schließlich wird bemängelt, die Vorschrift des § 17a DepotG enthalte einen Zirkelschluss, denn ob eine Eintragung rechtsbegründende Wirkung habe, könne „eigentlich erst durch die kollisionsrechtliche Regelung festgestellt wer17

Siehe o. S. 82 f. Siehe o. S. 78. Darauf weist auch Einsele, WM 2001, 7 (16), hin. 19 Vgl. Micheler, Wertpapierrecht zwischen Schuld- und Sachenrecht, S. 262. 20 Ebenso Reuschle, IPRax 2003, 495 (498). A.A. Keller, WM 2000, 1269 (1281); Schefold, IPRax 2000, 468 (475 f.), die jedoch die Rechtslage nach deutschem materiellen Recht verkennen. 21 Einsele, WM 2001, 2415 (2419). 18

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den“22 . Zwar wird die Wirkung der Eintragung nicht durch das Kollisionsrecht, sondern durch das von ihm berufene materielle Recht bestimmt. Mit dieser Korrektur erscheint der Einwand jedoch auf den ersten Blick berechtigt. Denn in der Tat lässt sich die Wirkung der Eintragung nur unter einem bestimmten Recht ermitteln; dieses Recht muss aber zuvor mit den Methoden des Internationalen Privatrechts gefunden werden. Hier schlägt eine Besonderheit der unkörperlichen Finanzinstrumente durch: Da sie keine körperliche Existenz haben, können sie nur unter einer gewissen Rechtsordnung bestehen. Die Lage ist nicht sehr verschieden etwa von der einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Staats in ein Register eingetragen ist: Auch diese existiert – zunächst – nur unter dem Recht des Staats, der sie aus der Taufe gehoben hat. Berücksichtigt man diese Besonderheit der Finanzinstrumente, dann klärt sich der vermeintliche Zirkelschluss von selbst: Anzuwenden ist das Recht des Staats, in dem das Finanzinstrument in einem Register eingetragen ist. Dieses bestimmt dann über die Voraussetzungen und die Wirkungen der Eintragung. Die Umsetzung des § 17a DepotG ist daher insoweit nicht zu kritisieren 23. Mängel bestehen dagegen in anderer Hinsicht: Der Gesetzgeber hat nur Verfügungen über „Wertpapiere“ und „Sammelbestandanteile“ erfasst. Damit rekurriert er auf die in § 1 I und § 6 I 1 DepotG definierten Begriffe. Die Bedeutung des Ausdrucks „Wertpapier“ in der Richtlinie ist jedoch wesentlich weiter24. Er umfasst insbesondere auch Kapitalmarkttitel, die nicht in Urkunden verbrieft sind. Um Artikel 9 II der Richtlinie richtig umzusetzen, müsste § 17a DepotG daher allgemeiner gefasst werden. Er ist auf alle Finanzinstrumente zu beziehen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die kollisionsrechtliche Regelung nicht auf das eingetragene Recht oder die Sicherheit selbst bezogen, sondern auf „Verfügungen“ über Wertpapiere oder Sammelbestandanteile. Statt einer statischen Anknüpfung an das Halten wählt er also eine dynamische Betrachtungsweise. Dafür lässt sich anführen, dass die Berechtigung am Wertpapier in der Regel auf der Grundlage einer vorhergehenden Verfügung bestimmt werden muss. Das gilt jedoch nicht immer, zum Beispiel nicht bei der ersten Eintragung des Finanzinstruments nach seiner Emission. Insoweit muss man das deutsche Recht richtlinienkonform auslegen. Als Mittel dazu ist die Anknüpfung nach § 17a DepotG analog auch auf die erstmalige Eintragung anzuwenden. Die Anwendung des Artikel 28 I und 46 EGBGB in Verbindung mit der Finalitätsrichtlinie, welche in der Literatur vorgeschlagen wurde25 , ist demgegenüber umständlich und in methodischer Hinsicht bedenklich, weil das Kriterium der „engsten Verbindung“ nicht als pauschaler Umsetzungsmechanismus für das europäische Kollisionsrecht benutzt werden kann. 22 23 24 25

Einsele a.a.O., S. 2421. Ebenso Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 123 f. Siehe o. S. 399. Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 128.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Eine weitere Abweichung des § 17a DepotG vom Richtlinientext ist zu beachten: Das Gesetz unterstellt die Wirksamkeit der Verfügungen dem Recht eines bestimmten Registerstaats, nämlich desjenigen, in dem die Gutschrift zugunsten des Verfügungsempfängers vorgenommen wird. Ob dies mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, kann erst durch einen Blick auf die Nachfolger des Artikel 9 II der Finalitätsrichtlinie geklärt werden.

3. Liquidationsrichtlinie für Kreditinstitute Die wenige Jahre nach der Finalitätsrichtlinie erlassene Liquidationsrichtlinie26 für Kreditinstitute unterstellt die Ausübung von „Eigentumsrechten oder anderen Rechten“ an solchen Instrumenten in der Insolvenz der depotführenden Bank dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sich das Konto, Register oder die zentrale Verwahrstelle befindet 27. Die Anknüpfung entspricht der Finalitätsrichtlinie. Ihr Anwendungsbereich ist aber weiter, weil er nicht nur Sicherheiten, sondern „alle Eigentumsrechte und sonstigen Rechte“ umfasst. Die Wortwahl ist bemerkenswert, denn sie zeigt, dass es nach der Vorstellung des Gemeinschaftsgesetzgebers Eigentum an Finanzinstrumenten gibt; das entspricht der hier vertretenen Konzeption 28 . Allerdings enthält Artikel 24 der Liquidationsrichtlinie einen wichtigen Zusatz zur Anknüpfung nach der Finalitätsrichtlinie: Er sieht vor, dass es auf das Konto, Register oder die zentrale Verwahrstelle ankommt, „in dem bzw. bei der die entsprechenden Rechte eingetragen wurden“. Das ist wesentlich präziser als die Kollisionsregel der Finalitätsrichtlinie. Das Bestehen der Rechte wird an den Ort des Kontos oder Registers angeknüpft, auf dem die Buchung erfolgt. Hingegen erfasst die Liquidationsrichtlinie keine Transaktionen im Rahmen von Wertpapierabwicklungssystemen. Insbesondere betrifft sie nicht die Wirksamkeit der darin eingebrachten Aufträge und die im System gestellten Sicherheiten. In dieser Hinsicht geht ihr die Finalitätsrichtlinie als Spezialregelung vor29.

26 Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten, ABlEG Nr. L 125 v. 5.5.2001, S. 15. Zu ihr bereits S. 482 f. 27 Art. 24 Richtlinie 2001/24/EG. Dazu auch S. 486. 28 Siehe o. S. 302 f. 29 Vgl. Ewgr. 25 f. Richtlinie 2001/24/EG. Siehe dazu schon o. S. 486.

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4. Finanzsicherheitenrichtlinie Die ein Jahr nach der Liquidationsrichtlinie erlassene Richtlinie über Finanzsicherheiten30 enthält in Artikel 9 ebenfalls eine kollisionsrechtliche Regelung. Diese betrifft ihrem Wortlaut nach alle „im Effektengiroverkehr übertragbaren Wertpapiere“. Der Begriff des Wertpapiers leitet in die Irre, denn abermals sind Finanzinstrumente gemeint, wie sich aus der Definition in Artikel 2 I lit. g ergibt. Es handelt sich um solche, „bei denen die Eigentumsverhältnisse durch einen Registereintrag oder eine Buchung auf einem von einem Intermediär oder für den Intermediär selbst geführten Depotkonto nachgewiesen werden“. Der Begriff „nachgewiesen“ (englisch: „evidenced“, französisch: „attesté“, spanisch: „legitimada“) ist wesentlich weiter als die Voraussetzung der rechtsbegründenden Wirkung, welche die Finalitätsrichtlinie aufstellt. Das erklärt sich aus dem Anwendungsbereich der Finanzsicherheitenrichtlinie: Anders als die Finalitätsrichtlinie gilt sie auch für besitzgebundene Sicherheiten31. Dem Gemeinschaftsgesetzgeber ging es darum, alle in der Praxis existierenden Formen der Sicherheitenbestellung zu erfassen. Daher kommt es hier nicht darauf an, ob die Eintragung des Rechts konstitutive Wirkung hat oder nicht. Ebenso wie die Liquidationsrichtlinie präzisiert auch die Finanzsicherheitenrichtlinie die kollisionsrechtliche Anknüpfung. Sie begnügt sich nicht mit dem Ort des Registers oder Kontos, sondern verweist auf das Recht des Lands, in dem das „maßgebliche Konto“ geführt wird32 . Der Begriff wird in Artikel 2 I lit. h der Richtlinie definiert. Danach handelt es sich um das Register oder Depotkonto, auf dem die Buchung erfolgt, „aufgrund derer der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt“. Maßgeblich ist mit anderen Worten das Konto des Sicherungsnehmers, nicht das des Sicherungsgebers. Dies entspricht der Anknüpfung nach der Liquidationsrichtlinie. Aus der Tatsache, dass die Finanzsicherheitenrichtlinie auf die Führung des Kontos und nicht mehr wie die Vorgängerregelungen auf dessen Belegenheit abstellt, ergibt sich keine Änderung. Damit wird der Sachverhalt nur genauer als bisher beschrieben.

5. Notwendige Anpassungen des Depotgesetzes? Aufgrund der Liquidations- und der Finanzsicherheitenrichtlinie ergeben sich neue Vorgaben für das nationale Kollisionsrecht. Stimmt das deutsche Recht mit ihnen überein?

30 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABlEG Nr. L 168 v. 27.6.2002, S. 43. Zu ihr bereits o. S. 443 f., 447 f., 476 ff., 486. 31 Vgl. Art. 1 V Richtlinie 2002/47/EG. Dazu schon o. S. 444. 32 Art. 9 I Richtlinie 2002/47/EG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Zunächst zum Anwendungsbereich der Kollisionsregel: Wie gesehen betreffen beide Richtlinien ebenso wie ihre Vorgängerin, die Finalitätsrichtlinie, Finanzinstrumente. Die Begriffe „Wertpapiere“ und „Sammelbestandanteile“ des Depotgesetzes sind wesentlich enger. Insoweit ist Deutschland weiterhin mit der korrekten Umsetzung im Verzug. Das in § 17a DepotG genannte Erfordernis der „rechtsbegründenden Wirkung“, welches aus der Finalitätsrichtlinie übernommen wurde, sieht die Finanzsicherheitenrichtlinie nicht mehr vor. Ihr Anwendungsbereich umfasst wie gesehen auch besitzgebundene Sicherheiten, bei denen Buchungen in einem Register lediglich dem Nachweis der Rechtsstellung des Eingetragenen dienen. Notwendig ist daher eine richtlinienkonforme Auslegung des deutschen Rechts, die auch solche Sicherheiten einschließt. Als Mittel dazu kommt eine analoge Anwendung des § 17a DepotG in Betracht. Die planwidrige Regelungslücke folgt daraus, dass der Gesetzgeber beim Erlass der Vorschrift trotz der Absehbarkeit des Erlasses der Finanzsicherheitenrichtlinie deren endgültigen Wortlaut nicht kennen konnte. Die vergleichbare Interessenlage kann man darin sehen, dass auch besitzgebundene Sicherheiten sehr eng mit dem Ort verbunden sind, an dem sie in ein Register eingetragen oder auf einem Konto verbucht werden, selbst wenn die Eintragung oder Buchung nur dem Nachweis der Berechtigung dient und keine rechtsbegründende Wirkung hat. Im Ergebnis wäre damit auch die deutsche Übertragung von § 17a DepotG analog erfasst. Einer Veränderung des deutschen Kollisionsrechts bedürfte es insoweit nicht 33. Den in der Liquidations- und in der Finanzsicherheitenrichtlinie vorgesehenen Präzisierungen des maßgeblichen Kontos entspricht § 17a DepotG bereits, denn der deutsche Gesetzgeber hat in vorauseilendem Gehorsam auf das Konto des Verfügungsempfängers abgestellt. Dieses ist aber zugleich auch das Konto, in dem die Buchung erfolgt, aufgrund derer der Sicherungsnehmer die Sicherheit erlangt. Folglich besteht auch in dieser Hinsicht kein weiterer Umsetzungsbedarf. Zusammengefasst heißt dies, dass der größte Mangel der Kollisionsregel des § 17a DepotG in ihrem zu engen Anwendungsbereich liegt. Dem lässt sich auch durch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht abhelfen34. Denn wegen der Definition in § 1 I DepotG, die sich ausschließlich auf Wertpapiere im klassischen Sinne bezieht, ist ein Rückgriff auf die Bedeutung nach der Richtlinie methodisch ausgeschlossen. Auch eine Analogie scheidet wegen Fehlens einer planwidrigen Regelungslücke aus. Demnach bedarf § 17a DepotG dringend der Reform, das heißt der Erstreckung auf Finanzinstrumente. 33 Im Ergebnis ebenso Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rdnr. 186; Herring/Cristea, ZIP 2004, 1627 (1632); Keller, BKR 2002, 347 (354). 34 A.A. Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rdnr. 183.

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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III. Anknüpfung an den Parteiwillen Im Rahmen der Haager Konferenz wurde im Jahr 2006 ein Übereinkommen verabschiedet, das sich mit dem Kollisionsrecht der durch Intermediäre verwahrten Finanzinstrumente beschäftigt 35. Es ist bislang noch nicht in Kraft getreten; Deutschland hat es noch nicht gezeichnet. Die Fragen, die hier erörtert werden sollen, sind daher zwei: Empfiehlt sich ein Beitritt zum Übereinkommen? Welche Änderungen im deutschen und europäischen Recht wären in diesem Fall notwendig?

1. Inhalt des Haager Übereinkommens Das Haager Übereinkommen regelt das auf bestimmte Rechte aus Finanzinstrumenten anzuwendende Recht. Im Gegensatz zu anderen deutschsprachigen Darstellungen des Übereinkommens36 wird hier bewusst der Ausdruck „Finanzinstrumente“ und nicht „Wertpapiere“ verwendet. Denn für die Übersetzung der im Titel gebrauchte Ausdrücke – englisch: „securities“, französisch: „titres“ – ist der deutsche Wertpapierbegriff zu eng. Das Übereinkommen geht weit über ihn hinaus. Dies zeigt sich an der Definition des Artikel 1 I lit. a, welche in der englischen Fassung lautet: „‚securities‘ means any shares, bonds or other financial instruments or financial assets (other than cash), or any interest therein“.

Es geht also um Finanzinstrumente („financial instruments“) sowie um „financial assets“, wobei letzterer Begriff sich mit ersterem weitgehend deckt. Das Haager Übereinkommen hat ähnlich wie die oben erörterten EG-Richtlinien einen sehr weiten Anwendungsbereich. Dieser umfasst sowohl Wertpapiere als auch entmaterialisierte Wertrechte37. Das Übereinkommen steht damit ganz im Einklang mit der modernen Entwicklung hin zu unkörperlichen Effekten. Gemäß ihrem Artikel 2 ist die Konvention auf alle relevanten Fragen des Rechts der Finanzinstrumente anwendbar. Der Anwendungsbereich ist insbesondere nicht auf Sicherheiten begrenzt, wie es bei den meisten der gemeinschaftsrechtlichen Texte der Fall ist. Das Übereinkommen regelt unter anderem die Rechtsnatur und die Rechtswirkungen der Gutschrift auf einem Konto, die Wirkungen von Verfügungen und deren Voraussetzung, die Rangfolge der Rechte am Finanzinstrument und deren Wirkungen gegen den Intermediär und Dritte, sowie die Berechtigung zur Ausübung der Rechte aus Finanzinstru35 Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect Of Securities Held With an Intermediary/Convention sur la loi applicable à certains droits sur des titres détenues auprès d’un intermédiaire v. 5.7.2006. 36 Siehe z.B. Einsele, WM 2003, 2349; Reuschle, BKR 2003, 562. 37 Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687 (725).

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3. Teil: Das Finanzinstrument

menten. Die Einschränkung des Titels der Konvention auf „gewisse Rechte“ („certain rights“, „certains droits“) ist dabei so zu verstehen, dass die schuldoder mitgliedschaftlichen Rechte aus den Finanzinstrumenten nicht berührt werden. Die Art, wie das Haager Übereinkommen Finanzinstrumente anknüpft, ist grundsätzlich neu. Gemäß seinem Artikel 4 I 1 können die Parteien einer Kontoverbindung das auf die gebuchten Titel anzuwendende Recht selbst bestimmen. Damit wird zum ersten Mal die Rechtswahl als Anknüpfungskriterium für das Statut von unkörperlichen Vermögensgegenständen eingeführt. Darin kann man aus deutscher Perspektive schon fast eine „Revolution“ sehen 38 . Denn zumindest für das Recht der körperlichen Vermögensgegenstände hält hierzulande die überwiegende Meinung die Möglichkeit der Rechtswahl für ausgeschlossen39. Als Argument dafür werden vor allem die geschützten Verkehrsinteressen angeführt40 . Das Sachenrecht ordnet Rechte im Verhältnis zu Dritten zu. Deren Interessen sollen eine zwingende Anknüpfung an den Ort der Belegenheit erfordern. Dieses Argument trifft ebenso auf unkörperliche Vermögensgegenstände zu. In krassem Gegensatz dazu bestimmt das Haager Übereinkommen, dass es auf den Ort, an dem die über Finanzinstrumente ausgestellten Urkunden belegen sind, nicht ankommt41. Damit sollen langwierige Nachforschungen über die Stelle, an der die Papiere im mehrstufigen Intermediärsystem verwahrt werden (sogenannter look-through), vermieden werden42 . Nach dem Haager Übereinkommen ist ebenfalls belanglos, wo das Register über die Effekten geführt wird43. Insoweit besteht ein Widerspruch zu den vorgenannten europäischen Richtlinien. Stattdessen überlässt die Konvention den Parteien selbst, das auf die Eintragung anzuwendende Recht zu bestimmen. Doch ist ihnen keine absolute Freiheit eingeräumt. Denn ihre Wahlmöglichkeit ist gemäß Artikel 4 I auf das Recht der Staaten beschränkt ist, zu denen eine gewisse Verbindung besteht. Eine solche Verbindung kann sich zum Beispiel daraus ergeben, dass der Intermediär im jeweiligen Staat Konten führt oder Zahlungseingänge für die Finanzinstrumente verwaltet. Das Übereinkommen erlaubt den Parteien also nicht, das 38

So Einsele, WM 2003, 2349 (2351). Siehe Palandt/Heldrich, Art. 43 EGBGB Rdnr. 2; Erman/Hohloch, Art. 43 EGBGB Rdnr. 6; v. Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 12 Rdnrn. 10 f.; Kieninger, Mobiliarsicherheiten im Europäischen Binnenmarkt, S. 210–213; a.A. jedoch Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 558; Einsele, RabelsZ 60 (1996), 417 (441 f.); Stoll, IPRax 2000, 259 (264). 40 Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, § 12 Rdnrn. 10. 41 Art. 6 lit. b Haager Übereinkommen. 42 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report on the Hague Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held With an Intermediary, S. 18. 43 Art. 6 lit. c Haager Übereinkommen. 39

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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Recht eines beliebigen Staats für anwendbar zu erklären. Vielmehr können sie zwischen verschiedenen Rechten wählen, zu denen der Sachverhalt engen Kontakt hat. Alle vom Haager Übereinkommen zur Auswahl gestellten Rechte kämen auch bei einer objektiven Anknüpfung in Frage. Durch die Rechtswahl wird die Unsicherheit darüber beseitigt, zu welchem von ihnen die engste Verbindung besteht. Daher hat die Parteiautonomie nach der Konvention nur klärenden Charakter; sie soll die Rechtssicherheit erhöhen, indem von verschiedenen potentiell anwendbaren Rechten eines ausgewählt werden kann. Ob man insoweit noch von einem place of the relevant intermediary approach (PRIMA) sprechen kann44 , ist zweifelhaft, aber nicht von praktischem Interesse. Die im Übereinkommen vorgesehene Anknüpfung an den Parteiwillen führt allerdings zu einem Problem: Dritte wissen in der Regel nicht, welches Recht anwendbar ist. Denn sie können in die zweiseitigen Vereinbarungen zwischen dem Intermediär und seinen Kunden nicht hineinschauen. Daraus resultiert eine Intransparenz der Rechtsverhältnisse am Finanzinstrument. Sie ist der Grund, aus dem das Übereinkommen von vielen Seiten Ablehnung erfahren hat45. Die Kritiker vernachlässigen allerdings eine Besonderheit: Eine „Publizität“ wie bei Sachen gibt es bei Finanzinstrumenten nicht. Da sich der Effektengiroverkehr anonym abwickelt, haben Dritte ohnehin keinen Einblick in die Rechtsverhältnisse an den gebuchten Werten. Diese sind für sie nicht sichtbar. Ein äußerer Tatbestand, auf den der Rechtsverkehr vertrauen könnte, wird daher gar nicht erst gesetzt. Deshalb kann man auch getrost die Parteien das auf die Verbuchung und Übertragung anwendbare Recht wählen lassen46 . Gläubiger, die sich das Finanzinstrument verpfänden lassen wollen, können sich über das anwendbare Recht beim Berechtigten informieren47. Andere interessierte Parteien können Auskunftsansprüche gerichtlich durchsetzen48 . Für den Fall, dass das einmal gewählte Recht geändert wird, sieht Artikel 7 der Konvention Schutzvorschriften zugunsten Dritter vor. Die Gefahr, dass der Effektengiroverkehr durch die Vereinbarung unterschiedlicher Rechte erschwert werden könnte, ist ebenfalls gering. Denn schon aus eigenem Interesse wird der Intermediär gegenüber seinen Kunden ein einheitliches Statut durchsetzen49.

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So z.B. Goode, Legal Problems of Credit and Security, Rdnrn. 6–46; dagegen Bernasconi/Sigman, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders, La loi applicable aux titres intermédiés, S. 53 (59). 45 Vgl. Bloch/Vauplane, J.D.I. 2005, 3 (31) m.w.Nachw. 46 Ebenso Einsele, WM 2003, 2349 (2355). 47 Sigman/Bernasconi, IFLR 2005, 31 (34); Goode, Legal Problems of Credit and Security, Rdnrn. 6–46. 48 Bariatti, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders, La loi applicable aux titres intermédiés, S. 17 (21). 49 Vgl. Bernasconi/Sigman, ebda., S. 53 (62).

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3. Teil: Das Finanzinstrument

Haben die Parteien das anzuwendende Recht nicht gewählt, dann kommt es nach Artikel 5 I 1 des Übereinkommens auf den Ort der Niederlassung an, über die der Intermediär mit dem Kunden die Kontenvereinbarung geschlossen hat. Das gilt allerdings nur, wenn dieser Ort ausdrücklich und unmissverständlich (expressly and unambiguously) in der Vereinbarung genannt wird. Ist dies nicht der Fall, verweist das Übereinkommen subsidiär auf den Staat der Gründung des Intermediärs, falls es sich bei ihm um eine juristische Person oder Gesellschaft handelt, ansonsten auf den Staat seiner Hauptniederlassung50 . Zu beachten ist, dass sich das nach dem Übereinkommen anzuwendende Recht immer nur auf die jeweilige Kontenverbindung zwischen einem Intermediär und seinem Kunden bezieht. Typischerweise werden Rechte über verschiedene Stufen von Intermediären gehalten. Dann lässt sich die Berechtigung des Anlegers nicht nach einem einheitlichen Recht bestimmen. Sie ist vielmehr durch kumulative Anwendung des für jede Stufe geltenden Rechts zu ermitteln (sogenannter stage-by-stage approach)51. Das ist umständlich und für die Rechtssicherheit nachteilig. Das Gemeinschaftsrecht ist insoweit fortschrittlicher, da hier nur ein einziges Recht über die Berechtigung des Kunden entscheidet52 . Allerdings wird man im internationalen Effektenverkehr mit dieser Lösung vorerst leben müssen, da sich hier anders als in der Europäischen Gemeinschaft ein einheitlich auf alle Kontenverbindungen anwendbares Recht zumindest derzeit offenbar nur schwer durchsetzen lässt. Insgesamt ist das Haager Übereinkommen zu begrüßen. Wenn es viele Staaten ratifizieren, wird es zu einem weitaus sichereren Verkehr mit Finanzinstrumenten führen als bisher. Bisher haben es die Vereinigten Staaten, die Schweiz und Mauritius gezeichnet53. Auch die EG-Kommission befürwortet den Beitritt 54. Dieser soll durch die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten gemeinsam erfolgen. Die Gemeinschaft ist aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit des Artikel 56 I EG, der Kompetenz zu Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit nach Artikel 65 lit. b EG und der Binnenmarktkompetenz nach Artikel 94 f. EG zur Regelung der kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Finanzinstrumenten zuständig. Von dieser Zuständigkeit hat sie zum Teil mit Sekundärrechtsakten, namentlich der 50

Art. 5 II, III Haager Übereinkommen. So die ganz herrschende Meinung, siehe Bernasconi/Sigman, Unif. L. Rev. 2005, 117 (128); Bloch/De Vauplane, J.D.I. 2005, 3 (26 f.); Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 178; Kronke/Haubold, in: Kronke/Melis/Schnyder, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, Teil L Rdnr. 194. A.A. nur Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687 (746–752). 52 Siehe o. S. 496 f. 53 Stand: 27.8.2008. 54 Commission of the European Communities, Commission Staff Working Document, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910, S. 23. 51

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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Finalitätsrichtlinie und der Finanzsicherheitenrichtlinie, Gebrauch gemacht. Da das Übereinkommen diese Regelungen beeinträchtigen würde, kommt der Gemeinschaft nach der sogenannten AETR-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die ausschließliche Zuständigkeit zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge auf diesem Gebiet zu55. Eine Zeichnung ist ihr auch ohne weiteres möglich, da sie selbst Mitglied der Haager Konferenz ist. Darüber hinaus bedarf es nach Ansicht der Kommission und der Literatur des Beitritts durch die Mitgliedstaaten, weil der Anwendungsbereich des Haager Übereinkommens weiter ist als der der gemeinschaftsrechtlichen Verordnungen56 .

2. Notwendige Änderungen im deutschen Recht und im Gemeinschaftsrecht Wenn die Europäische Gemeinschaft dem Haager Übereinkommen beiträte, welche Änderungen im deutschen Recht wären dann notwendig? In der Literatur ist geltend gemacht worden, dass die deutsche sachenrechtliche Konstruktion des Effektengiroverkehrs mit dem Übereinkommen unvereinbar sei, da letzteres der Buchung entscheidende Bedeutung einräume57. Dem wird zu Recht entgegengehalten, dass das Übereinkommen keine materiellrechtlichen, sondern nur kollisionsrechtliche Regelungen vorsieht58 . Eine „Unvereinbarkeit“ des deutschen Rechts mit dem Übereinkommen im genauen Sinn des Wortes kann es daher nicht geben. Stattdessen würde lediglich der deutsche Effektengiroverkehr nicht dem Übereinkommen unterfallen. Doch ist auch letzteres Szenario nicht zu befürchten, denn der Anwendungsbereich des Übereinkommens ist weit gefasst. Er erfasst alle Arten von Finanzinstrumenten, die durch Intermediäre gehalten werden, unabhängig davon, wie die Verfügung über sie nach nationalem Recht konstruiert wird59. Allerdings enthält die Behauptung, das Übereinkommen sei mit dem deutschen Recht unvereinbar, einen wahren Kern, wenn man sie nicht in einem formalen Sinne, sondern als konzeptionellen Einwand versteht. Denn es ist offensichtlich widersprüchlich, dass das deutsche Recht weiterhin einer sachenrecht55 EuGH, Urt. v. 31.3.1971 – Rs. 22/70, Slg. 1971, 263, Rdnr. 30/31 – AETR. Siehe auch EuGH, Gutachten 1/03 v. 7.2.2006, Slg. I-1145, Rdnr. 122 – Übereinkommen von Lugano. 56 Commission of the European Communities, Commission Staff Working Document, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910, S. 9 f.; Deguée, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders, La loi applicable aux titres intermédiés, S. 25 (37). 57 Einsele, WM 2003, 2349 (2352 f.). 58 Ege, Das Kollisionsrecht der indirekt gehaltenen Wertpapiere, S. 143; aus anderen Gründen abl. auch Reuschle, RabelsZ 68 (2004), 687 (726). 59 Vgl. Goode/Kanda/Kreuzer, Explanatory Report on the Hague Convention on the Law Applicable to Certain Rights in Respect of Securities Held With an Intermediary, S. 10 f.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

lichen Konstruktion der Übertragung verhaftet bleibt, während die Haager Konvention auf kollisionsrechtlicher Ebene nicht nur auf die Buchung abstellt, sondern den Beteiligten sogar Autonomie hinsichtlich des anzuwendenden Rechts einräumt. Es ist, als habe das Völkerrecht bereits den Sprung in das dritte Jahrtausend geschafft, während man sich in Deutschland noch mit Problemen des 19. Jahrhunderts quält. Völlig zutreffend stellt daher Dorothee Einsele fest, dass „die deutsche sachenrechtliche Konstruktion nicht mehr zu den tatsächlichen Gegebenheiten des heutigen Depotgeschäfts und Effektengiroverkehrs passt“60 . Die Schlussfolgerungen daraus sind durch eine Änderung des materiellen deutschen Rechts zu ziehen. Aber auch auf kollisionsrechtlicher Ebene sind Reformen notwendig. Würde, wie hier befürwortet, das Haager Übereinkommen ratifiziert, wäre zunächst der zu enge Anwendungsbereich des § 17a DepotG zu korrigieren. Wie gesehen gilt das Übereinkommen nicht lediglich für Wertpapiere, sondern für Finanzinstrumente allgemein. Mit der entsprechenden Änderung würde der deutsche Gesetzgeber endlich auch seine Pflichten aus dem Gemeinschaftsrecht erfüllen61. Außerdem wäre der Anknüpfungspunkt des § 17a DepotG zu ändern. Es müssten die Bestimmungen über die Rechtswahlmöglichkeit in Artikel 4 und über die subsidiäre Anknüpfung in Artikel 5 in das deutsche Recht übernommen werden. Damit würde sich das deutsche Recht jedoch in Widerspruch zu den drei Richtlinien der Gemeinschaft, der Finalitäts-, der Liquidations- und der Finanzsicherheitenrichtlinie, setzen, die andere Anknüpfungen vorsehen 62 . Die EG müsste diese daher entsprechend ändern. Das würde auch für gemeinschaftsinterne Situationen gelten, denn ein zweispuriges Kollisionsrecht für Fälle innerhalb der Gemeinschaft und solche mit Berührung zu Drittstaaten wäre keine reizvolle Alternative63. Die wichtigste Änderung beträfe die Rechtswahlmöglichkeit, die in die Richtlinien eingeführt werden müsste. Die Kommission schlägt insoweit allerdings Einschränkungen vor, um die Funktionsfähigkeit der Abwicklungssysteme in der Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. So soll eine Bestimmung eingeführt werden, nach der für ein in der Gemeinschaft verwaltetes System jeweils nur eine Rechtsordnung gewählt werden kann64. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass diese Regelung mit dem Übereinkommen vereinbar wäre, da sie dessen Zweck – der Verbesserung der Stabilität der Abwicklungssysteme – 60

Einsele, WM 2003, 2349 (2355). Siehe o. S. 495, 497 f. 62 Siehe o. S. 491 ff., 496 f. 63 Vgl. Schefold, in: FS Jayme I, S. 805 (821 f.). 64 Commission of the European Communities, Commission Staff Working Document, Legal assessment of certain aspects of the Hague Securities Convention, SEC(2006) 910, S. 21. 61

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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entgegenkomme65. Allerdings ist sie überflüssig. Denn der Betreiber eines gemeinschaftsweiten Systems wird seinen Kunden ohnehin in aller Regel ein einheitliches Recht vorschreiben66 . Das Übereinkommen gibt entsprechende Rechtswahlmöglichkeiten. Die Kommission ist hingegen der Auffassung, für ein in der Gemeinschaft verwaltetes System könne nur das Recht eines Mitgliedstaats gewählt werden. Allerdings hat sie selbst Zweifel, ob letztere Regelung mit dem Übereinkommen vereinbar wäre 67. Sie ist es nicht, denn sie beeinträchtigt die freie Wahl zwischen den im Text des Übereinkommens genannten Rechten.

IV. Harmonisierung des materiellen Rechts Die ideale Lösung für den grenzüberschreitenden Verkehr mit Finanzinstrumenten ist nicht die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts, sondern die Angleichung des materiellen Rechts. Wenn alle Staaten der Erde über ein einheitliches System des Effektengiroverkehrs verfügten, wären nicht nur die Schwierigkeiten der Bestimmung des anwendbaren Rechts gelöst. Vielmehr könnte auch jeder Anleger sicher sein, dass ihm die gleichen Vermögensrechte wie in seinem eigenen Staat zustehen, wenn er Effekten im Ausland erwirbt. Das würde den globalen Kapitalverkehr beflügeln. Wie gesehen wird derzeit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft eine Harmonisierung der rechtlichen Regelungen für Clearing und Settlement vorbereitet68 . Auf internationaler Ebene beschäftigt sich UNIDROIT mit dem Recht der intermediärverwalteten Finanzinstrumente. Die Arbeiten sind mittlerweile auf weitere Themen ausgedehnt worden, zum Beispiel auf die Möglichkeit einer standardisierten „Welt“-Aktie oder einheitlicher Regeln für Übernahmeangebote. Sie laufen unter der gemeinsamen Überschrift „Transactions on transnational and connected markets“. Im Vergleich zu anderen Bereichen verfolgt UNIDROIT für die intermediärverwalteten Finanzinstrumente eine zurückhaltende Linie. Angestrebt ist keine Rechtsvereinheitlichung, sondern nur eine begrenzte Harmonisierung. Diese soll sich auf einige Kernfragen beschränken, während für andere Bereiche lediglich Hilfestellung bei der Gestaltung eines angemessenen rechtlichen Rahmens gegeben werden soll69. Außerdem wird ein funktionaler An65 Bariatti, in: Bonomi/Cashin Ritaine/Volders, La loi applicable aux titres intermédiés, S. 17 (20). 66 Bernasconi/Sigman, ebda., S. 53 (62). 67 Vgl. ebda. 68 Siehe o. S. 409 ff. 69 UNIDROIT Study Group on Harmonized Substantive Rules Regarding Indirectly Held Securities, Position Paper, August 2003, S. 6.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

satz gewählt. Rechtliche Konzepte, die für einige Jurisdiktionen schwer zu akzeptieren wären, sollen durch neutrale Begriffe ersetzt werden, die dasselbe Ergebnis erzielen70 . Derzeit ist ein internationales Übereinkommen zur Harmonisierung des materiellen Rechts der intermediärverwalteten Finanzinstrumente in Vorbereitung. Ein erster Entwurf wurde 2004 vorgestellt71. Danach wurden die Arbeiten auf eine fast track procedure umgeschaltet. Im Jahre 2007 lag der erste Entwurf in überarbeiteter Form vor72 . Im Oktober 2008 schließlich wurde auf einer Konferenz in Genf ein endgültiger Entwurf präsentiert73. Ebenso wie bei der Haager Konvention ist der Anwendungsbereich des UNIDROIT Überereinkommens weit gefasst. Er bezieht sich auf „intermediated securities“. Dabei ist der Ausdruck „securities“ nicht im Sinne von „Wertpapier“ zu verstehen, sondern umfasst jede Art von financial instruments und sonstige financial assets 74. Der Ausdruck „intermediated securities“ wurde dem Entwurf für ein Schweizer Bucheffektengesetz entlehnt75. Nach UNIDROIT handelt es sich um Finanzinstrumente, die einem Konto gutgeschrieben sind, oder um Rechte und Interessen, die aus einer solchen Gutschrift folgen 76 . Damit wird bewusst eine Entscheidung zwischen dem kontinentalen Modell des Eigentums und dem securities entitlement des US-amerikanischen Rechts umgangen; beide Konzepte sollen umfasst sein. Inhaltlich sieht das Übereinkommen vor, dass die Buchung eines Finanzinstruments dem Konteninhaber bestimmte Rechte gewährt. Im Einklang mit dem funktionalen Ansatz hat man allerdings den Ausdruck Eigentum vermieden und statt dessen die Rechte einzeln aufgezählt. Zu ihnen gehört zum Beispiel die Befugnis, alle aus dem Instrument folgenden Ansprüche, wie etwa den auf Dividende, geltend zu machen, sowie alle mit ihm verbundenen Rechte auszuüben, zum Beispiel das Stimmrecht77. Außerdem erlaubt die Gutschrift dem Konteninhaber, das Finanzinstrument zu veräußern oder zu verpfänden78 . Soweit das nationale Recht es vorsieht, kann er auch eine andere Verwahrart ver70

Ebda. Preliminary Draft Convention on Harmonised Substantive Rules Regarding Securities Held With an Intermediary. Nichtoffizielle deutsche Übersetzung in WM 2005, 1147–1152. Dazu Einsele, WM 2005, 1109 (1113 f.); Paech, WM 2005, 1101–1108. 72 Preliminary Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Securities, erhältlich unter http://www.unidroit.org/english/workprogramme/study078/item 1/main.htm (zuletzt besucht am 30.10.2007). 73 Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Se curities, erhältlich unter http://www.unidroit.org/english/workprogramme/study078/item1/conference2009/ conferencedocuments/conf11–2–004–e.pdf (zuletzt besucht am 26.5.2009). 74 Art. 1(a) Draft Convention. 75 Thévenoz, 13 Stan. J.L. Bus. & Fin. 384, 421 f. (2008). 76 Art. 1(b) Draft Convention. 77 Art. 9(1)(a) Draft Convention. 78 Art. 9(1)(b) i.V.m. Art. 11 f. Draft Convention. 71

9. Kapitel: Das Finanzinstrument in anderen Zusammenhängen

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langen79. Schließlich stehen ihm auch alle sonstigen nach nationalem Recht mit dem Finanzinstrument verbundenen Befugnisse zu80 . Diese können von Staat zu Staat abweichen. Ihnen allen ist jedoch gemein, dass sie auch gegen Dritte wirken81. Besonders interessant ist die Regelung über den Erwerb von „securities“. Der Entwurf sieht vor, dass er sich durch die Gutschrift auf einem Konto vollzieht82 . Ausdrücklich hebt er hervor, dass nach der Konvention keine weiteren Schritte notwendig sind und auch nicht vom nationalen Recht verlangt werden dürfen, um die Wirksamkeit gegenüber Dritten eintreten zu lassen83. Mit anderen Worten: Nur die Buchung auf dem Konto des Erwerbers soll über die Berechtigung entscheiden. Bemerkenswert ist außerdem, dass der Inhaber und nicht der Intermediär die Rechte aus dem Finanzinstrument geltend machen soll. Beides steht in Übereinstimmung mit den hier gemachten Vorschlägen. Der Entwurf wird komplettiert durch Regelungen über Fragen wie die Ungültigkeit und die Berichtigung der Eintragung, den gutgläubigen Erwerb, die Rangfolge verschiedener Erwerber, die Folgen der Insolvenz und die Verteilung von Verlusten84. Sie können an dieser Stelle nicht im Einzelnen dargelegt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass durch das Übereinkommen die Stellung des Konteninhabers wesentlich verbessert würde. Man sollte daher die weitere Entwicklung der Arbeiten aufmerksam verfolgen. Gefragt ist insoweit weniger der deutsche als der europäische Gesetzgeber. Er sollte seine Vorarbeiten für eine Richtlinie zum Clearing und Settlement mit denen von UNIDROIT abstimmen. Im besten Fall ließe sich dadurch ein international einheitliches Recht erzielen. Damit würde das Finanzinstrument endgültig weltweit handelbar.

79

Art. 9(1)(c) Draft Convention. Art. 9(1)(d) Draft Convention. 81 Art. 9(2)(a) Draft Convention. 82 Art. 11(1) Draft Convention. 83 Art. 11(2) Draft Convention. 84 Vgl. Draft Convention on Substantive Rules regarding Intermediated Se curities, Art. 13–30. 80

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10. Kapitel

Reformvorschläge In diesem Paragraphen sollen die Schlussfolgerungen aus den vorangegangen Ausführungen gezogen werden. Es handelt sich um eine Zusammenfassung und teilweise Präzisierung der gemachten Vorschläge. Dabei ist zwischen drei möglichen Regelungsebenen zu unterscheiden: der nationalen (§ 28), der europäischen (§ 29) und der internationalen (§ 30).

§ 28 Vorschläge für das deutsche Recht Das deutsche Recht knüpft an das alte, auf dem Sachenrecht aufbauende Modell des Wertpapierrechts an. Es bedarf daher dringend der Modernisierung. Der Gesetzgeber sollte nicht abwarten, bis ihn die verschiedenen Vorarbeiten auf europäischer und internationaler Ebene einholen. Schon jetzt muss gehandelt werden, um das Recht Deutschlands wenigstens auf den Stand desjenigen seiner Nachbarstaaten zu bringen.

I. Eigenständiges Recht der Finanzinstrumente Als erstes ist es notwendig, das Recht der Finanzinstrumente strikt vom Wertpapierrecht zu trennen. Das heißt nicht, dass letzteres insgesamt abgeschafft werden soll. Es bleibt weiterhin bedeutsam für individuell ausgestellte Urkunden, wie Wechsel, Schecks oder die kaufmännischen Traditionspapiere. Für die Begebung und den Umlauf von Finanzmarktprodukten sind dagegen andere Regelungen zu finden, die selbständig und unabhängig vom Modell des Wertpapierrechts sind. Das neue Rechtsgebiet beschäftigt sich nicht mehr mit Urkunden, sondern mit Finanzinstrumenten. Diese sind alle handelbaren, für Clearing und Settlement geeigneten Vermögenswerte, gleichgültig, ob sie in Urkunden verbrieft sind oder nicht. Zu ihnen gehören auch Finanzinnovationen wie Optionen oder Futures.

10. Kapitel: Reformvorschläge

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II. Ersetzung des Depotgesetzes Um den neuen Ansatz zu verwirklichen, ist zunächst das Depotgesetz zu ersetzen. Es entspricht in seiner Struktur dem Stand des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die moderne Funktionsweise des Effektengiroverkehrs hat sich in ihm nur in Randbestimmungen niedergeschlagen, die sich schlecht in seine Systematik einfügen. Eine bloße Reform würde nicht genügen, denn schon seinem Gegenstand nach ist das Depotgesetz überholt. Heute geht es längst nicht mehr um die „Verwahrung“ von Wertpapieren. An ihre Stelle ist die Verwaltung von Finanzinstrumenten getreten. Für alle neuen Emissionen sollte daher ein anderes Gesetz gelten. Dieses muss den von der Praxis eingeschlagenen Weg der Entmaterialisierung konsequent weitergehen. Nicht nur der Staat, sondern auch alle privaten Emittenten sollten die Möglichkeit haben, Finanzmarktprodukte papierlos zu emittieren. Dabei ist Zwang nicht nötig, sondern eine bloße Option genügt. Es kann dem Markt überlassen bleiben, ob er von den Chancen der entmaterialisierten Begebung Gebrauch macht. Das Depotgesetz sollte nur noch für in verbriefter Form emittierte Titel gelten. Diese müssen weiter nach bisherigem Recht behandelt werden. Der höchste Effizienzgewinn würde allerdings erreicht, wenn das neue Recht rückwirkend auf bereits ausgestellte Globalurkunden erstreckt würde. Diese könnten dann aus der Sammelverwahrung genommen werden. Ein Schaden ist nicht zu befürchten, denn die Urkunden enthalten lediglich Informationen, die sich auch in anderen Medien speichern lassen. Im Gegensatz zum bisherigen Recht darf ein neues Gesetz nicht mehr an das Wertpapier anknüpfen. Sein Gegenstand sind vielmehr unkörperliche Vermögenswerte. Das hat eine Reihe von Konsequenzen. Die bisherige Miteigentumslösung, § 6 I 1 DepotG, entfällt. Ebenso bedarf es nicht mehr der Konstruktion des mittelbaren Mitbesitzes. An ihre Stelle tritt die unmittelbare Inhaberschaft der Werte. Diese hat Eigentumsfunktion. Weil das neue Gesetz für die Verwaltung und nicht für die Verwahrung gilt, sollte es nicht mehr Depotgesetz genannt werden. Die Bezeichnung „Wertpapiersammelbank“ ist durch die des „Zentralverwalters“ abzulösen. Auch der Ausdruck „Depotbank“ hat im Grunde ausgedient, denn das Kreditinstitut verwahrt keine Titel. Präziser ist der Begriff des „Intermediärs“, der international üblich ist. In Deutschland hat jedoch mittlerweile die Idee des virtuellen Depots Verkehrsgeltung erlangt, so dass man es ruhig bei dem alten Begriff der Depotbank belassen kann. Schwierigkeiten könnten hinsichtlich derjenigen Anleger auftreten, die sich mit rein elektronisch gebuchten Finanzinstrumenten nicht abfinden, sondern ihr Vermögen „in den Händen halten“ wollen. Diesem Wunsch kann entgegengekommen werden, denn auch bei der Entmaterialisierung des Effektenver-

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3. Teil: Das Finanzinstrument

kehrs muss man die Einzelverbriefung nicht völlig ausschließen. Es kann der Satzung der Gesellschaft oder den Anleihebedingungen überlassen bleiben, eine Einzelverbriefung vorzusehen. Ein Teil der papierfreien Emission ließe sich so in effektiven Stücken ausgeben. Die Kosten für ihre Ausstellung können den Anlegern auferlegt werden, die die Verbriefung wünschen1. Die Übertragung des Rechts würde sich insoweit weiterhin wie bei Wertpapieren vollziehen. Das stört die Entmaterialisierungsbemühungen nicht. Worauf es ankommt, ist allein, dass die Einzelverbriefung nicht mehr unentbehrlich ist für die Existenz des Finanzinstruments. Sie wird zum Spezialfall. Inhaltlich sollte die Aufgabe der Verwaltung zwischen Intermediär und Zentralverwalter aufgeteilt werden. Im Mittelpunkt des neuen Gesetzes muss die Buchung stehen. Aus ihr folgt die Vermutung über die Berechtigung am Finanzinstrument. Dessen Transfer vollzieht sich durch Übertragungsauftrag und Eintragung. Selbst wenn der Veräußerer nicht Inhaber des Titels ist oder dieser nicht besteht, sollte der Erwerber ihn erlangen, weil von seiner Gutgläubigkeit bereits durch die Teilnahme am System ausgegangen werden kann. Die Belastung, die durch das Hinzukommen eines weiteren Berechtigten eintritt, hat in erster Linie das Institut zu tragen, welches für den Fehler verantwortlich ist; im Fall seiner Insolvenz muss sie unter den Kunden gleichmäßig verteilt werden.

III. Umgestaltung des Wertpapierhandelsgesetzes zum Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente Das WpHG ist vom Kopf auf die Füße zu stellen. Es beschäftigt sich schon heute nicht mit dem Handel von „Wertpapieren“, sondern mit dem von Finanzinstrumenten. Das sollte auch aus seinem Titel klar hervorgehen. Möglich wäre es beispielsweise, diesen in „Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente“ zu ändern. In den Definitionen, die bisher in § 2 WpHG enthalten sind, sollte nicht länger das Wertpapier an erster Stelle stehen. Dieser Platz gebührt vielmehr dem Finanzinstrument. Das Wertpapierhandelsgesetz ist in Wahrheit ein Gesetz über den Handel mit Finanzinstrumenten. Für die Kategorie des Wertpapiers besteht kein Bedarf mehr. Die bislang darunter zusammengefassten Aktien, Schuldtitel und hybriden Finanzprodukte sind als „Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung“ oder als „Wertrechte“ anzusehen. Dadurch kann auch die merkwürdige Formulierung des Einleitungssatzes des § 2 I 1 WpHG entfallen, wonach ein Wertpapier vorliegen soll, selbst wenn keine Urkunde ausgestellt wurde. 1

Ebenso Kessler, Kreditwesen 1990, 126 (130).

10. Kapitel: Reformvorschläge

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Die Einteilung der Finanzinstrumente ist klarer zu gestalten. Als Kategorien sind neben den Instrumenten der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung die der kollektiven Vermögensverwaltung und die Derivate anzusehen. Die Abgrenzung erfolgt nicht nach der Verbriefung, sondern nach dem wirtschaftlichen Zweck der Titel. Daher sind Optionsscheine als Derivate und nicht als Schuldverschreibungen anzusehen; die Bestimmung des § 37e S. 2 WpHG kann entfallen. In die Kategorie der Derivate gehören ebenfalls alle Zertifikate. Anlässlich der Reform des Wertpapierhandelsgesetzes sollte der Gesetzgeber erwägen, ob dieses nicht mit weiteren Gesetzen, etwa dem Börsengesetz und dem Wertpapierprospektgesetz, in einem Rechtsakt zusammengefasst werden sollte. Auch die zivilrechtlichen Regelungen über die Verwaltung von Finanzinstrumenten könnten dort aufgenommen werden. Eine solch umfassende Kodifikation etwa unter dem Titel „Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente“ oder „Finanzmarktgesetzbuch“ wäre die Ideallösung. Sollte das Projekt allerdings an Widerständen scheitern, wäre es jedenfalls notwendig, das Wertpapier als Ausgangspunkt des WpHG abzuschaffen und dieses auf Finanzinstrumente umzustellen. Welche Option man wählt, ist im Wesentlichen eine Frage der politischen Machbarkeit.

IV. Umsetzung der Entmaterialisierung in anderen kapitalmarktrechtlichen Gesetzen Die Entstückung des Effektenverkehrs macht Änderungen in weiteren Gesetzen notwendig, die noch von der Ausstellung eines Wertpapiers ausgehen. Als Beispiel ist § 33 InvG zu nennen. Der dort vorgesehene Anteilschein ist durch den schlichten Anteil zu ersetzen. Damit wäre zugleich eine Übereinstimmung mit dem Wertpapierhandelsgesetz erreicht, denn dieses sieht als Gegenstand des Handels schon jetzt den Anteil am Investmentvermögen und nicht den Anteilschein an 2 . Es gibt eine Reihe weiterer Gesetze des Kapitalmarktrechts, die auf dem Wertpapierbegriff aufbauen. Zu ihnen gehören zum Beispiel das Wertpapiererwerbs- und -übernahmegesetz sowie das Wertpapierprospektgesetz. Sie alle sind auf Finanzinstrumente umzustellen.

2

Vgl. § 2 I 2 WpHG.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

V. Erweiterung der kollisionsrechtlichen Regel auf Finanzinstrumente Das Kollisionsrecht sollte ebenfalls an den Besonderheiten des Finanzinstruments ausgerichtet werden. Einen ersten Schritt dazu hat der Gesetzgeber mit § 17a DepotG getan. Doch ist die Regelung noch unvollständig, weil sie sich nur auf Wertpapiere und Sammelbestandanteile bezieht. Insoweit ist eine Erweiterung auf Finanzinstrumente dringend notwendig, um den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu genügen. Sollte das Haager Übereinkommen gezeichnet werden, dann wären weitere Änderungen erforderlich: Die Anknüpfung wäre zu modifizieren; insbesondere müsste die Möglichkeit der Rechtswahl eingeführt werden.

VI. Änderungen in weiteren Rechtsgebieten Das neue Paradigma des Finanzinstruments macht Änderungen in anderen Rechtsgebieten erforderlich. Im Zwangsvollstreckungsrecht ist eine spezielle Bestimmung über die Pfändung und Verwertung von unkörperlichen Vermögensgegenständen notwendig. Im Insolvenzrecht bedarf es ebenfalls einer besonderen Verwertungsvorschrift. Weiter sollte das Finanzinstrument als sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB anerkannt und auch strafrechtlich geschützt werden. Folgeänderungen sind auch dort nötig, wo sich ein Gesetz auf Wertpapiere bezieht und damit allein oder auch Kapitalmarktprodukte meint. Ein Beispiel ist § 1812 I BGB. Dort sind zur Verwirklichung des Ziels des Gesetzes neben den Wertpapieren auch Finanzinstrumente zu nennen. Im Strafgesetzbuch erwähnt § 264a I Nr. 1 „Wertpapiere“, obwohl nach dem Kontext Finanzinstrumente gemeint sind. Der abweichende Wortlaut ist wegen des gemäß Artikel 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB geltenden Bestimmtheitsgebots besonders problematisch. Er ist dringend zu ändern. Die Liste solcher Beispiele ließe sich fortsetzen.

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§ 29 Vorschläge für das Gemeinschaftsrecht I. Schaffung eines einheitlichen Verwaltungsund Abwicklungssystems Die Verwaltung von Wertpapieren einschließlich der Verwahrung vorhandener Titel ist in der Europäischen Union national organisiert. Dasselbe gilt auch von Clearing und Settlement1. Die Aufspaltung in nationale Verwahrungs- und -abwicklungssysteme stellt ein Hindernis für den freien Kapitalverkehr und damit für die Verwirklichung des Binnenmarkts dar. Dieses Hindernis lässt sich durch eine gegenseitige Anerkennung und Zusammenarbeit der nationalen Systeme nur teilweise überwinden. Denn schon die bloße Existenz verschiedender Mechanismen erschwert den Kapitalverkehr: Sie verhindert den freien Transfer von Finanzinstrumenten innerhalb der Europäischen Union. Makroökonomisch gesehen ist die nationalstaatlichen Grenzen folgende Zersplitterung von Verwaltungs- und Abwicklungsdienstleistungen ebenfalls wenig sinnvoll. Denn sie hat erhöhte Kosten zur Folge, die bei einer zentralisierten Erledigung eingespart werden könnten2 . Bei Clearing und Settlement handelt es sich um ein typisches öffentliches Gut: Wird ein neuer Teilnehmer angeschlossen, so verliert der Mechanismus nicht an Wert. Vielmehr wird der Nutzen für alle Teilnehmer gehoben, da diese nunmehr mit einem zusätzlichen Mitglied abrechnen können. Die effizienteste Art der Verwaltung von Finanzprodukten und der Abwicklung von Kapitalmarkttransaktionen ist die hierarchische Organisation, nicht das Nebeneinander mehrerer Anbieter3. Der Grund dafür sind die Transaktionskosten. Diese lassen sich bei der Konzentration in einem System auf ein Minimum reduzieren. Der gesamte Markt für die Verwaltung von Finanzinstrumenten erfüllt die Voraussetzungen eines natürlichen Monopols4. Die Aufteilung in nationale Systeme kann auch nicht mit dem freien Wettbewerb gerechtfertigt werden. Zwar bieten nebeneinander bestehende Clearingmechanismen die Aussicht auf größere Innovation als ein einziges System. Al1

Eine Übersicht findet sich in Commission of the European Communities, Securities trading, clearing, central counterparties and settlement in EU 25 – an overview of current arrangements, Report by London Economics commissioned by the Competition Directorate General of the European Commission, v. 30.6.2005, erhältlich unter http://ec.europa.eu/ comm/ competition/general_info/securities/report_june_2005_en.pdf (zuletzt besucht am 26.11.2007). 2 Dazu Carvalho, Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv, Discussion paper 287, S. 32–34. 3 Kröpfl, Effizienz in der Abwicklung von Wertpapiergeschäften, S. 238. 4 Kröpfl a.a.O., S. 239–242.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

lerdings konkurrieren die verschiedenen Anbieter von Liefer- und Abwicklungsdienstleistungen derzeit kaum miteinander. Vielmehr haben sie sich in ihrem jeweiligen Bereich abgeschottet und halten dort eine monopolartige Stellung inne. Diese Segmentierung in nationale Systeme hat nachteilige Folgen für den freien Wettbewerb auf anderen Märkten, insbesondere dem der Börsen und sonstigen Handelsplattformen. Diese konkurrieren nicht in ausreichendem Maße, da sie eng mit den Zentralverwahrern für den jeweiligen nationalen Markt verbunden sind. Auch ein diskriminierungsfreier Zugang allein ist nicht geeignet, die Situation zu verbessern. Da weiterhin lokale Zentralverwalter bestehen blieben, würden die Kosten für die Kunden nicht geringer5. Zur Lösung dieser Schwierigkeiten sollte der Gemeinschaftsgesetzgeber versuchen, ein einheitliches Verwaltungs- und Abwicklungssystem für ganz Europa zu schaffen. In dieses müssen zur Steigerung der Effizienz auch NichtMitgliedstaaten eingebunden werden. Zu denken ist in einem ersten Schritt an die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), also Island, Liechtenstein und Norwegen, sowie an die Schweiz, die mit dem Wirtschaftssystem der Gemeinschaft über die Europäische Freihandelszone (EFTA) verbunden ist. Eine Erweiterung auf andere Länder sollte nicht ausgeschlossen werden. Als Vorbild für ein solches System könnte etwa die Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) dienen, welche die Aufgabe der Abrechung und Lieferung von Finanzinstrumenten in den USA zentral erledigt. Sie wird in Privatrechtsform betrieben, geht aber auf staatliche Initiative zurück. Ein europaweites Clearinghouse sollte ebenfalls nicht von der öffentlichen Hand eingerichtet werden. Vielmehr ist es vorzugswürdig, dass die Marktakteure selbst ein solches System aufbauen. Zustimmung verdient daher die Forderung des Lamfalussy-Berichts, den Prozess der Konsolidierung zwischen den verschiedenen Systemen in die Hände des privaten Sektors zu legen6 . Auch die zweite Mitteilung der Kommission zu Clearing und Abrechnung betont zu Recht, dass die endgültige Struktur durch die Marktkräfte bestimmt werden sollte7. Die Erfahrung in den USA hat allerdings gezeigt, dass die öffentliche Hand häufig die Entwicklung hin zur Zentralisierung antreiben muss. Seit der zweiten Mitteilung der Kommission sind einige Jahre vergangen, ohne dass sich an der Situation von Clearing und Abrechnung in der Gemeinschaft Grundlegendes geändert hätte. Nunmehr gewinnt eine zweite im Lamfalussy-Bericht getroffene Aussage praktische Bedeutung. Danach ist eine klare politische Entscheidung notwendig, falls sich der private Sektor nicht in der Lage zeigen sollte, 5

Henry, [2006] EBLR 999, 1018 f. Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Final Report, S. 16. 7 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen, KOM(2004) 312 endg., S. 13. 6

10. Kapitel: Reformvorschläge

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innerhalb einer angemessenen Zeit ein effizientes pan-europäisches Clearingund Settlementsystem zu schaffen8 . Dieser Punkt ist heute erreicht. Die Marktkräfte haben es nicht geschafft, die bestehende Aufspaltung in nationale Zentralverwahrer und Abrechnungsmechanismen zu verändern. Daher sind politische Schritte in Richtung eines einheitlichen Systems notwendig. Eine Rechtsgrundlage dafür bietet die Binnenmarktkompetenz nach Artikel 94 f. EG. Fraglich ist allerdings, mit Hilfe welcher Instrumente ein einheitliches Liefer- und Abrechungssystem für Finanzinstrumente geschaffen werden kann. Gegen ihren Willen können die Marktteilnehmer nicht konsolidiert werden. Für eine Zwangsverschmelzung enthält der EG-Vertrag ebensowenig eine Grundlage wie für eine Enteignung. Beide Wege wären auch aus ökonomischer Sicht abzulehnen, da sie die Gefahr bergen, dass ein nicht effizientes System entsteht. Ähnliche Bedenken bestehen gegen die Möglichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Monopolisierung des Clearing und Settlement. Zum einen fehlt es an einer geeigneten Rechtsgrundlage. Zum anderen birgt auch ein solches Vorgehen die Gefahr von Ineffizienzen, da die Finanzunternehmen der von der EU gewählten Systemstruktur verhaftet wären. Anstelle einer „harten“ legislativen Konsolidierung ist daher zu einem „weichen“ Ansatz zu raten. Statt die Betreiber zum Zusammenschluss zu zwingen, ist es vorzuziehen, den Nachfragern eine alternative Struktur für Clearing und Settlement anzubieten. Die von der EZB angestellten Überlegungen für ein Target2–Securities-System lassen sich daher gut nachvollziehen. Allerdings enthalten auch sie noch ein gewisses Zwangselement, da jedenfalls nach den bisherigen Plänen alle Transaktionen über Finanzinstrumente, die in Zentralbankgeld zu zahlen sind, ausschließlich auf der Plattform der EZB abgewickelt werden sollen. Außerdem ist die Kompetenz der EZB für die Schaffung eines solchen Systems fragwürdig. In der entsprechenden Studie wird insoweit auf das Statut der Bank verwiesen, welches der Bank die Aufgabe des Clearings überträgt9. Doch ist damit nach historischer, systematischer und teleologischer Auslegung nur das Geld-Clearing, nicht das Finanzinstrumente-Clearing gemeint. Schließlich ist nicht einzusehen, warum die EZB eine Art natürliches Vorrecht auf ein ein solches System haben sollte. Der Idee des freien Wettbewerbs entspricht es vielmehr, eine offene Ausschreibung zu veranstalten, die anderen Anbietern erlaubt, sich um seine Einrichtung zu bewerben. Im Gegensatz zu den Vorstellungen der EZB darf sich das neu zu schaffende System nicht auf das Clearing beschränken. Ein echter Effizienzschub bedarf auch einer Zentralisierung des Settlement. Denn sonst müssten weiterhin Kon8 Committee of Wise Men on the Regulation of European Securities Markets, Final Report, S. 16. 9 EZB, Target2–Securities – Legal Feasibility, S. 2.

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3. Teil: Das Finanzinstrument

tenverbindungen zu den verschiedenen Zentralverwahrern aufrechterhalten werden. Daher wird hier ein umfassender Ansatz befürwortet, bei dem ein europaweit zentrales Clearing- und Settlementsystem geschaffen wird. Zu ihm sollten alle Banken der Mitgliedstaaten und sonstigen interessierten Finanzinstitutionen Zugang erhalten. Es ist unter öffentliche Aufsicht zu stellen. Mit dieser Aufgabe könnte zum Beispiel die EZB betraut werden. Allerdings ist dies nicht möglich, wenn sie selbst Betreiberin des Systems wäre, so wie es das Target2–Securities-Projekt vorsieht. Auch aus diesem Grund bedarf es einer organisatorischen Trennung zwischen der EZB und dem Clearing- und Settlement-Mechanismus.

II. Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für die Buchung und Übertragung von Finanzinstrumenten Märkte für Finanzinstrumente sind auf Rechtssicherheit angewiesen. Diese kann ein einheitlicher Rechtsrahmen der Gemeinschaft leisten. Ein europaweites Liefer- und Abwicklungssystem bedarf einer Rechtsgrundlage, in der die Übertragung von Finanzinstrumenten in materieller Hinsicht geregelt ist. Doch genügt eine gemeinschaftsrechtliche Regelung dieser Frage allein nicht. Denn das Problem lässt sich nicht isoliert von der Rechtsstellung der Konteninhaber gegenüber ihrer Bank und gegenüber Dritten lösen. Daher sollte sich die Gemeinschaft auch mit dem Thema der Inhaberschaft beschäftigen. Ein umfassendes einheitliches Regime der Effektenverwaltung würde für den Anleger ebenfalls Vorteile bringen. Er könnte darauf vertrauen, dass ihm ein im europäischen Ausland erworbenes Instrument genauso „gehört“, das heißt genauso sicher zugeordnet ist, wie ein auf dem heimischen Markt erworbenes. Dies lässt sich nur durch eine Vereinheitlichung der materiellen Privatrechte erreichen. Damit würde ein wichtiges Hindernis für den freien Kapitalverkehr im Binnenmarkt beseitigt.

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§ 30 Vorschläge für das internationale Recht I. Vereinheitlichung des Kollisionsrechts Auf internationaler Ebene ist zunächst die Vereinheitlichung der kollisionsrechtlichen Regeln anzustreben. Wenn alle Gerichte das auf die Frage der Berechtigung an einem Finanzinstrument anwendbare Recht nach einheitlichen Kriterien bestimmen würden, wäre für die Rechtssicherheit schon viel gewonnen. Das Haager Übereinkommen über indirekt gehaltene Finanzinstrumente enthält solche einheitlichen Kollisionsregeln. Seine Zeichnung ist daher zu befürworten.

II. Vereinheitlichung des materiellen Rechts Besser als einheitliches Kollisionsrecht wäre allerdings eine Vereinheitlichung des materiellen Privatrechts. Denn dann würden überall dieselben Regeln für den Erwerb, die Veräußerung und die Verpfändung von Finanzinstrumenten gelten. Die Arbeiten von UNIDROIT zum Recht der intermediärverwalteten Finanzinstrumente gehen zwar in die richtige Richtung. Sie verfolgen aber einen bescheideneren Zweck: die bloße Annäherung der Rechtsordnungen, das heißt die Rechtsangleichung. Das ist verständlich, weil die Konzepte der Intermediärverwaltung in den unterschiedlichen Rechtsordnungen weit auseinanderliegen. Doch darf das Fernziel nicht aus den Augen verloren werden: Ein echter globaler Finanzmarkt lässt sich nur herstellen, wenn der Investor dieselben Rechte erlangt, egal ob er Finanzinstrumente in Deutschland oder Singapur erwirbt. Freilich erscheint ein weltweit einheitliches Privatrecht in diesem Bereich utopisch. Man sollte daher mit den großen Wirtschaftsblöcken beginnen. Vordringlich erscheint eine transatlantische Rechtsvereinheitlichung. Diese ist mit den Arbeiten der EG zu Clearing und Settlement zu koordinieren. Für den Rechtsverkehr mit Drittstaaten bedarf es auch weiterhin kollisionsrechtlicher Regelungen, die möglichst einheitlich gestaltet sein sollten. Insofern stehen die Arbeiten der Haager Konferenz zu denen von UNIDROIT nicht in Widerspruch, sondern beide ergänzen einander.

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Zusammenfassung Das Recht der Finanzmarktprodukte ist als selbständiges Rechtsgebiet zu konstituieren. Dieses muss vom allgemeinen Wertpapierrecht abgetrennt und unabhängig von diesem ausgestaltet werden. Die handelbaren Finanzinstrumente sind selbst als Vermögensgegenstände anzuerkennen. Die Gründe dafür wurden im ersten Teil der Arbeit dargestellt. Das Paradigma des Wertpapierrechts ist die Urkunde, die der Berechtigte innehat und die von Hand zu Hand umläuft1. Die Realität des Effektenverkehrs steht dazu in krassem Widerspruch. Sie ist durch verschiedene Phänomene gekennzeichnet, die sich mit dem klassischen Wertpapierrecht nicht vereinbaren lassen 2 . Diese kann man mit den Schlagworten Immobilisierung, Entindividualisierung und Entmaterialisierung bezeichnen3. Auf der ersten Stufe werden Urkunden über Kapitalmarktprodukte in Tresoren von Wertpapiersammelbanken gelagert. Bei ihrer Übertragung kommt es nicht mehr zu einer physischen Bewegung; sie sind immobilisiert4. Auch zur Geltendmachung der verbrieften Rechte werden sie dem Emittenten nicht länger vorgelegt. Auf der nächsten Stufe wird der Verwahrer ermächtigt, statt der hinterlegten Urkunden andere zurückzugeben, die identische Rechte verbriefen. Da die Anleger von ihrem Herausgabeanspruch nur selten Gebrauch machen, wird in der Folge erlaubt, mehrere Rechte in einer Sammelurkunde zusammenfassen oder sogar alle Titel einer Emission in einer Globalurkunde zusammenzufassen. Die verbrieften Rechte werden dadurch ihrer Individualität entkleidet 5. Schließlich kommt es zur Entmaterialisierung, das heißt zur völligen Abschaffung der Urkunden. An ihre Stelle treten unkörperliche Berechtigungen, die nur noch in elektronischen Registern eingetragen sind6 . In Deutschland ist man den letzten Schritt bisher nur für Anleiheforderungen des Staats sowie seiner Untergliederungen und Sondervermögen gegangen7. Anderen Emittenten ist die papierlose Begebung dagegen nicht mög1 2 3 4 5 6 7

Siehe o. S. 11 ff. Siehe o. S. 16 ff. Siehe o. S. 20 ff. Ebda. Siehe o. S. 29 ff. Siehe o. S. 37 ff. Siehe ebda.

Zusammenfassung

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lich. Im Ausland hat man hingegen auch privaten Unternehmen erlaubt, die Vorteile der modernen Technik bei der Aufnahme von Kapital zu nutzen8 . Durch die Internationalisierung der Finanzmärkte hat dies Rückwirkungen auf den deutschen Begriff des Wertpapiers. Beispielsweise bestehen Kontoverbindungen zwischen der deutschen Wertpapiersammelbank und ausländischen Zentralverwahrern, über die körperlose Effekten Teil von inländischen Wertpapiersammelbeständen geworden sind9. Der deutsche Anleger kann daher nicht mehr sicher sein, dass sein Finanzinstrument in einer Urkunde verbrieft ist. Zusätzlich zu diesen Phänomenen ist auch der in der Theorie des Wertpapierrechts bestehende numerus clausus durch die Realität der Finanzmärkte in Frage gestellt. Beinahe täglich werden neue Produkte entwickelt, wie Zertifikate, ABS oder Kreditderivate, die im Gesetz nicht einmal andeutungsweise vorgesehen sind10 . Die Dogmatik hat erhebliche Probleme, diese neuen Erscheinungen einzuordnen. Wie die genannten Widersprüche aufzulösen sind, lehren ausländische Rechtsordnungen11. Diese haben das Recht der Effekten von dem der Wertpapiere abgelöst und verselbständigt. Sie erkennen Finanzinstrumente als Vermögenswerte an und unterstellen sie besonderen Vorschriften. Dabei ist es gleichgültig, ob die Titel verbrieft sind oder nicht. Außerdem gehen die untersuchten fremden Rechtsordnungen nicht vom numerus clausus, sondern von der Freiheit zur Schaffung von Finanzinstrumenten aus. Einer entsprechenden Regelung in Deutschland steht allerdings das Sachenrecht entgegen, das im zweiten Teil einer Kritik unterzogen wurde. Seine überragende Bedeutung für das Wertpapierrecht beruht auf der von Savigny näher entwickelten Idee, die Ansprüche des Inhabers seien in der Urkunde „verkörpert“12 . Der Vorteil dieser Konstruktion aus historischer Sicht war es, dass sich mit ihrer Hilfe sinnlich nicht wahrnehmbare Rechte weitgehend ähnlichen Vorschriften unterstellen ließen wie Sachen. Allerdings konnte sie mit dem Rechtsverkehr nicht mehr Schritt halten, der im 20. Jahrhundert zur Entstückung der Effekten übergegangen ist. Das Verkörperungsdogma entwickelte sich damit zunehmend zum Hindernis für die Anpassung des Rechts an die neuen Realitäten. Der tiefere Grund für die theoretische Notwendigkeit der Verbriefung ist das Konzept des dritten Buchs des BGB13. Dieses ist auf Berechtigungen an körperlichen Gegenständen beschränkt. Es vernachlässigt damit unkörperliche 8 9 10 11 12 13

Rechtsvergleich o. S. 61 ff. Siehe o. S. 57 f. Siehe o. S. 91 ff. Rechtsvergleich o. S. 151 ff. Siehe o. S. 177 ff. Siehe o. S. 184 ff.

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Zusammenfassung

Vermögensgegenstände. Dazu gehören neben Finanzinstrumenten auch andere Erscheinungen, die zum Teil von erheblichem wirtschaftlichem Wert sind, wie Energie, Daten oder Immaterialrechtsgüter14. Dass das deutsche bürgerliche Recht immaterielle Vermögensgegenstände nicht zur Kenntnis nimmt, ist Folge der im 19. Jahrhundert verbreiteten Auffassung, Rechte könnten sich nur entweder auf Personen oder Sachen beziehen. Diese Ansicht beruht allerdings auf einem Denkfehler15. In letzter Konsequenz regelt alles Recht die Beziehungen von Menschen. Das Eigentum ist daher in Wahrheit nichts weiter als eine Abbreviatur der Zuweisung einer Sache zu einem Inhaber im Verhältnis zu Dritten. Auch die anderen sogenannten dinglichen Rechte betreffen nicht die Beziehung einer Person zu einer Sache, sondern zu anderen Teilnehmern des Rechtsverkehrs. Aus diesem Grund kann die Unterteilung in Schuld- und in Sachenrecht nicht mit der Dichotomie in persönliche und dingliche Rechte erklärt werden, die noch die Väter des BGB vor Augen hatten16 . Ihrer sozialen Funktion nach dienen die beiden Gebiete vielmehr der Regelung von Güterbewegung und Güterzuordnung. Die Aufgabe des Sachenrechts ist es danach, Vermögenswerte einem Inhaber im Verhältnis zu allen anderen zuzuweisen17. Die Aufgabe der Zuordnung stellt sich allerdings nicht nur hinsichtlich körperlicher, sondern auch unkörperlicher Güter18 . Deren Wert übertrifft längst den sinnlich wahrnehmbarer Sachen. Das deutsche Recht erkennt sie dennoch nicht als solche an, sondern teilt sie verschiedenen Rechtsgebieten zu, wie etwa dem Schuld- oder dem Gesellschaftsrecht. Damit sie wie körperliche Gegenstände umlaufen können, müssen sie nach außen sichtbar gemacht werden, zum Beispiel durch die Verbriefung19. Dieser Zustand lässt sich nur dadurch ändern, dass man die Systematik des deutschen bürgerlichen Rechts reformiert. In sie müssen unkörperliche Vermögensbestandteile eingefügt werden, die sowohl in ausländischen Rechtsordungen als auch im deutschen Verfassungs-, Steuer- und Bilanzrecht schon heute anerkannt sind 20 . Das Sachenrecht ist zu einem Vermögensrecht auszubauen, welches körperliche wie unkörperliche Gegenstände umfasst21. Im dritten Teil wurde das Finanzinstrument als ein Baustein des neuen Rechts der unkörperlichen Vermögensgegenstände näher analysiert. Das Konzept stammt aus dem Gemeinschaftsrecht und hat sich von dort in alle natio14 15 16 17 18 19 20 21

Vgl. im Einzelnen o. S. 186 ff. Siehe o. S. 206 f. Siehe o. S. 207 ff. Siehe o. S. 218 ff. Siehe o. S. 220 f. Siehe o. S. 224 ff. Siehe o. S. 237 ff. Siehe o. S. 267 ff.

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nalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ausgebreitet22 . Die wesentlichen Merkmale des Finanzinstruments bestehen in der Handelbarkeit, die aus seiner massenhaften Ausstellung, Vertretbarkeit und Umlauffähigkeit resultiert, und in der Eignung für Clearing- und Settlementsysteme23. Entsprechend ihrem Zweck lässt sich eine nähere Unterteilung treffen in Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung, Instrumente der kollektiven Vermögensanlage und Derivate24. Das Finanzinstrument entsteht durch Emission25. Die Einordnung des Begebungsvertrags erklärt sich aus der Natur des emittierten Gegenstands: Dieser ist eine zweiseitige Vertragsbeziehung oder eine Mitgliedschaft; er hat aber zugleich Bedeutung im Verhältnis zu Dritten, weil es sich um einen auf Umlauf angelegten Vermögenswert handelt26 . Daher bedarf es zu seiner Begebung der Einhaltung gewisser Vorschriften. Doch ist daraus kein numerus clausus der Finanzinstrumente zu folgern. Vielmehr besteht Privatautonomie27. Trotz ihrer Bedeutung gegenüber Dritten sind die Rechtsverhältnisse an Finanzinstrumenten nicht öffentlich sichtbar. Eine Publizität wie bei körperlichen Gegenständen gibt es bei ihnen nicht. Stattdessen werden sie in Registern von Intermediären geführt. Allerdings kommt nach derzeitigem Recht den Verzeichnissen keine rechtliche Wirkung für die Vermutung der Inhaberstellung zu28 . Dieser Zustand bedarf dringend der Reform. Insbesondere sollte die Buchung von entscheidender Bedeutung für die Übertragung von Finanzinstrumenten sein 29. Das verlangt auch das Gemeinschaftsrecht 30 . Außerdem müssen Finanzinstrumente vom Nichtberechtigten erworben werden können. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs ist von entscheidender Bedeutung für das Vertrauen der Anleger und damit für die Funktionsfähigkeit des gesamten Finanzmarkts. Nach der derzeit herrschenden besitzrechtlichen Konstruktion der Effektenübertragung lässt sie sich jedoch nicht schlüssig erklären31. Daher sollte man statt an den Besitz an die Teilnahme am Effektengiro anknüpfen32 . Indessen kann sich der gute Glaube unter den Bedingungen des anonymen Effektenverkehrs nicht auf die Berechtigung des Veräußerers beziehen, da der Erwerber ihn in aller Regel nicht kennt. Vielmehr vertraut der

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Siehe o. S. 292 ff. Siehe o. S. 304 ff. Siehe o. S. 321 ff. Dazu o. S. 346 ff. Vgl. o. S. 351 f. Siehe näher o. S. 358 ff. Siehe o. S. 372 f. Siehe o. S. 416 ff. Siehe o. S. 399 ff. Vgl. o. S. 423 ff. Siehe o. S. 432 ff.

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Zusammenfassung

Anleger auf die Funktionsfähigkeit des Girosystems. Dieses Vertrauen ist zu schützen33. Auch bei der Verpfändung und Pfändung müssen die Besonderheiten der Finanzinstrumente als unkörperlicher Vermögensgegenstände beachtet werden34. Insbesondere ist ein Besitz oder eine Wegnahme bei ihnen nicht möglich. An ihre Stelle haben Buchungsvorgänge zu treten. Die Verwertung sollte durch freihändigen Verkauf zum Markt- oder Börsenpreis erfolgen 35. Die neue Figur des Finanzinstruments hat auch Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete. Ein Beispiel ist das Kapitalmarktrecht36 . Das Wertpapierhandelsgesetz muss in ein Gesetz über Märkte für Finanzinstrumente umgewandelt werden. Zweckmäßigerweise ist dieses zu einer Gesamtkodifikation des Finanzmarktrechts auszubauen. Die Berechtigung am Finanzinstrument ist darüber hinaus durch Zivil- und Strafrecht zu schützen37. Dazu ist es unter anderem als sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB anzuerkennen; den Eigentumsdelikten ist ein besonderer Tatbestand des Entzugs elektronisch gebuchter Vermögenswerte hinzuzufügen. Im Insolvenzrecht sind Änderungen vor allem hinsichtlich der Verwertung nötig38 . Schließlich sollte auch das Kollisionsrecht auf das Finanzinstrument und nicht länger auf das Wertpapier ausgerichtet sein39. Das entspricht den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und des bislang nicht von deutscher oder europäischer Seite gezeichneten Haager Übereinkommens über intermediärverwaltete Finanzinstrumente; die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen werden bis heute von Deutschland verletzt. Auch aus kollisionsrechtlicher Sicht ist der entscheidende Anknüpfungspunkt die Buchung und nicht die Verwahrung von Papieren. Dieser kann durch gewisse Rechtswahlmöglichkeiten ergänzt werden40 . Der Privatautonomie auf nationaler Ebene, die die Schaffung des Finanzinstruments betrifft, entspricht somit die Parteiautonomie auf internationaler Ebene hinsichtlich der Wahl des anzuwendenden Rechts. Zur Gewährleistung des freien Kapitalverkehrs innerhalb der Gemeinschaft bedarf es der Schaffung eines einheitlichen Clearing- und Settlementsystems. Dieses könnte sich zunächst auf die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums und die Schweiz beschränken und danach schrittweise auf andere Länder ausgedehnt werden41. Ein solches System bedarf eines sicheren rechtlichen 33 34 35 36 37 38 39 40 41

Siehe o. S. 431. Siehe o. S. 437 ff. Siehe o. S. 448. Dazu o. S. 458 ff. Dazu o. S. 468 ff. Siehe o. S. 475 f. Siehe o. S. 495, 498. Siehe o. S. 500 f. Siehe o. S. 514.

Zusammenfassung

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Rahmens42 . Im Verhältnis zu Drittstaaten ist in einem ersten Schritt eine Vereinheitlichung der kollisionsrechtlichen Regelungen für Finanzinstrumente anzustreben43. Vorzugswürdig ist aber eine weltweite oder zumindest transatlantische Vereinheitlichung des materiellen Rechts der Finanzinstrumente 44.

42 43 44

Siehe o. S. 516. Siehe o. S. 517. Siehe ebda.

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Sachregister Abstraktionsprinzip 264 Aktie 300, 324 ff., 353 f. – Aktienregister 34 ff., 386 ff. – Entstehung 347 ff. – Globalaktie 326 – Inhaberaktie 35 f., 311 – Verkörperung des Mitgliedschaftsrechts 300, 324 f. – Nachweis des Anteilsbesitzes 35 f. – Namensaktie 33 ff., 311 f. – Verbriefung 45 f. – Vorzugsaktie 325 Aktienanleihe 342 Anleihe 45 f. – Begebung 346 ff., 350 ff. – und AGB-Recht 354 ff. – siehe auch Hybrides Kapital, Nachranganleihe, Nullkupon-Anleihe und Wandelanleihe Anteilschein siehe Investmentanteilschein Asset-Backed Securities 125 ff., 334 – kapitalmarktrechtliche Einordnung 129 ff. – Originator 126 – synthetische 127 f. – Verbriefung 128 – wirtschaftliche Grundlagen 125 ff. – zivilrechtliche Einordnung 128 f. – Zweckgesellschaft 126 ff. Bucheffekten 86 f., 162 f. Buchschulden 37 ff., 327, 441 – Bundesschuldbuch 43 ff. – Einzelschuldbuchforderung 44 f. – Reichsschuldbuch 37 ff. – Reichsschuldverschreibung 41 – Sammelschuldbuchforderung 43 f. – Sammelverwaltung von 39 ff. – Verhältnis zum Wertpapier 42

Clearing 50 ff., 286 f., 298, 319 f., 395 ff., 409 ff., 478 ff., 487 ff., 513 ff. Clearstream Banking AG 27, 50 f., 59 collateralized debt obligation (CDO) 128 contract for difference (CFD) 134 f. covenant 132 credit default swap (CDS) – Begriff 136 f. – dogmatische Einordnung 138 ff. credit linked note 138 ff. credit spread-Produkte 137 Daten 187 ff. Depotgesetz 24 ff., 370, 509 f. Derivate 337 ff. – Begriff 338 f. – Einteilung 339 ff. – Kreditderivate siehe Kreditderivate – ökonomische Funktion 339 Drei-Punkte-Erklärung 56 Effekten siehe Finanzinstrumente Effektengiroverkehr 25 ff., 55 ff., 255 ff. – Abgrenzung zum Zahlungsgiroverkehr 256 f., 405 – Funktionsverlust der Urkunde 16 ff., 25 ff. – grenzüberschreitender 55 ff., 490 ff., 505 ff. – historische Entwicklung 17 ff. – Kollisionsrecht 490 ff. – Zwangsgiroverkehr 36 f. Eigentum 246 – Beschränkung auf körperliche Gegenstände 246 – am Finanzinstrument 302 f. – rechtsvergleichend 239 ff. Emissionshandel siehe TEHG

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Sachregister

emptio spei 103 Energie 186 f. Entindividualisierung 29 ff. Entmaterialisierung 37 ff., 61 ff., 228 ff., 245, 271, 509 ff. – allgemeines Phänomen 228 ff. – Begriff 37 – Kosten 47 – Notwendigkeit 47 f., 267 – Rechtsvergleich 61 ff. – Vorteile 66 equity swaps siehe Swaps Finalitätsrichtlinie 399 ff., 433, 480, 487 f., 491 ff. Finanzinstrumente – Abgrenzung zum Wertpapier 283 f., 314 – anzuwendendes Recht siehe Internationales Privatrecht – Bedeutung im Ausland 61 ff. – Begriff 283 f., 288 ff., 295 ff., 304, 320, 462 f. – deliktsrechtlicher Schutz 468 ff. – dogmatische Einordnung 250 ff., 263 ff. – Entstehung durch Emission 346 ff. – Erwerb vom Nichtberechtigten 423 ff., 431 ff. – Fungibilität 315 ff. – gutgläubiger Erwerb 423 ff., 431 ff. – Harmonisierung des materiellen Rechts 505 ff., 517 – Herkunft 292 ff. – historische Entwicklung 19 ff. – insolvenzrechtliche Behandlung 473 ff. – Merkmale 304 ff. – Privatautonomie bei der Schaffung 358 ff. – Publizität 366 ff. – Registereintragung 371 ff., 381 ff. – strafrechtlicher Schutz 471 f. – Typologie 321 ff. – Übertragung 388 ff., 416 ff. – Vergleich mit anderen Rechtsfiguren 299 ff. – als Vermögensgegenstand 290 ff. – Verpfändung 437 ff., 445 ff.

– zivilrechtlicher Schutz 468 ff. – Zwangsvollstreckung 450 ff., 455 ff. Finanzmarkt – Begriff 7, 289 f. – volkswirtschaftliche Funktion 7 f. Finanzmarktgesetzbuch 461 f., 511 Finanzsicherheitenrichtlinie 296, 443 ff., 476 ff., 486, 497 Finanztermingeschäft 104 ff. Forderung – Abtretung 222 f., 279 – Vermögensgegenstand 222 – Zuordnung 216 f., 222 f. Forwards 101, 340 Französisches Recht 61 ff., 157 ff., 178, 237 f. Fremdverwahrung siehe Verwahrung Fungibilität 315 ff. Futures 100 ff., 340, 364, 422 – kapitalmarktrechtliche Einordnung 107 – Verbriefung 102 – wirtschaftliche Grundlagen 100 ff. – zivilrechtliche Einordnung 102 ff. Geldgiroverkehr 256 Genussrechte 142 f., 330 f. Gewinnschuldverschreibung 142, 329 Globalurkunde 29 ff., 366 ff., 373 ff., 437 ff. – Abschaffung 45 ff. – Ausschluss der Einzelverbriefung 32 ff. – Dauer-Globalurkunde 31 f. – interimistische 30 f. – rechtliche Anerkennung 31 f. – technische 30 Güterbewegung 218 ff., 266 Güterzuordnung 218 ff., 240, 266 Hedgefonds 114, 117 Hybridanleihe 142, 331 Hybrides Kapital 141 ff. – Begriff 141 – kapitalmarktrechtliche Einordnung 145 – Verbriefung 143 – wirtschaftliche Grundlagen 141 ff. – zivilrechtliche Einordnung 143 ff.

Sachregister

Immaterialgüterrechte 190 ff., 214, 272, 465 Immobilisierung 20 ff. Indossament 34, 311 f. Inhaberschuldverschreibung siehe Schuldverschreibung Insolvenz siehe Finanzinstrumente, Insolvenzrechtliche Behandlung Institutionenökonomik 231 Instrumente der Eigenfinanzierung 324 ff. Instrumente der Fremdfinanzierung 326 ff. Instrumente der gemeinsamen Kapitalanlage 331 ff. Instrumente der unmittelbaren Unternehmensfinanzierung 321 ff., 344 Internationales Privatrecht 490 ff, 512, 517 Investmentanteil 115 ff., 332 f. – geschlossene Fonds 116 – Gesellschaftstyp 116 – Investmentaktiengesellschaft 116 f., 120 – Kapitalanlagegesellschaft 116 ff., 131 – kapitalmarktrechtliche Einordnung 123 f. – Miteigentum an den Vermögensgegenständen 120 ff. – offene Fonds 116 – SICAV 117 – Verbriefung 119 – Vertragstyp 116 – wirtschaftliche Grundlagen 115 ff. – zivilrechtliche Einordnung 119 ff. Investmentanteilschein 121 ff. Investmentfonds siehe Investmentanteil Italien 66 ff., 156 ff., 177 f., 238 Jungscheine 30 f., 325 f. Kapitalmarktrecht – und Finanzinstrument 8 ff., 285 ff., 458 ff. – und Wertpapier 14 f. Kreditderivate 136 ff. – kapitalmarktrechtliche Einordnung 139 ff.

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– Verbriefung 138 – wirtschaftliche Grundlagen 136 ff. – zivilrechtliche Einordnung 138 f. Law and Economics siehe ökonomische Analyse des Rechts Liquidationsrichtlinie 482 ff., 496 Mezzanine-Kapital siehe Hybrides Kapital Monte Titoli 66 ff. MiFID 107, 136, 140, 166, 294 ff., 313, 412 Nachranganleihe siehe Hybridanleihe Netting 51, 394 ff., 425 f. Niederlande 242 ff. Nullkupon-Anleihe 327 numerus clausus – Finanzinstrumente 149 f., 358 ff. – Wertpapier 13, 149 f., 176 f. ökonomische Analyse des Rechts 231 f., 242 Optionen 91 ff., 317, 341 – kapitalmarktrechtliche Einordnung 99 f. – Optionsschein 93 f., 98 f., 511 – underlying 91 – Verbriefung 93 f. – wirtschaftliche Grundlagen 91 ff. – zivilrechtliche Einordnung 95 ff. Optionsanleihe 142, 341 f. Optionsschein siehe Optionen Österreichisches Recht 198 f., 239 f. Pfandbrief 327 f. Portugal 238 f. Private Equity 334 f. Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände 267 ff. – Anwendungsbereich 269 ff. – Aufgabe 267 ff. – Inhalt 277 f. – Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten 278 ff. Rechte – absolute 213 ff.

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Sachregister

– beschränkt dingliche 208 f. – dingliche 207 ff. – persönliche 207 f. – relative 213 ff. Rektapapier 175 REITS-Aktien 335 Richtlinie über Finanzsicherheiten siehe Finanzsicherheitenrichtlinie Sachbegriff – Daten 187 ff. – Energie 186 f. – enger 184 f., 244 f. – Erwerbsaussichten 196 – historische Grundlagen 198 ff. – in ausländischen Rechtsordnungen 237 ff. – philosophische Grundlagen 204 ff. – römischrechtliche Grundlagen 201 ff. – Sachgesamtheiten 193 ff. – Unternehmen 194 f. Sachenrecht – Beschränkung auf körperliche Gegenstände 185, 197, 220, 227 – Erweiterung zum Vermögensrecht 228 ff., 250 ff., 281 – Unterscheidung vom Schuldrecht 198 ff., 264 ff. – Zuordnungsfunktion siehe Güterzuordnung Sammelbestand siehe Verwahrung Sammelverwahrung siehe Verwahrung Scheck 14, 18, 163 f., 283, 314 Schuldbuch siehe Buchschulden Schuldbuchforderung siehe Buchschulden Schuldrecht – Unterscheidung vom Sachenrecht 198 ff., 264 ff. Schuldverschreibung 326 f. – und AGB-Recht 354 ff. – Entstehung 346 ff., 350 ff. – Gewinnschuldverschreibung 142, 329 – Inhaberschuldverschreibung 173, 310 – Namensschuldverschreibung 328 – synthetische 103 – Wandelschuldverschreibung 329, 342 Schweiz 83 ff., 161 ff., 421 securitization 53 f., 125 f., 128, 317 f.

Settlement 409 ff., 478 ff., 487 ff., 513 ff. Spanien 70 ff., 156 ff., 248 f., 461 – valores mobiliarios 160 f. – valores negociables 72 ff., 160 f. special purpose vehicle siehe Zweckgesellschaft Spiel siehe Wette Swaps 133 ff., 340 f., 364, 422 – cash settled 133 – Devisenswaps 133 – equity swaps 133, 295 – kapitalmarktrechtliche Einordnung 136 – total return swaps 133, 137 – underlying 91, 108, 133, 337 f. – Verbriefung 135 – wirtschaftliche Grundlagen 133 ff. – Zinsswaps 134 – zivilrechtliche Einordnung 135 TEHG 233, 371 Termingeschäft 105 f., 112, 338 Traditionspapier 122, 225 f. Trennungsprinzip 264 titolo di credito 156 total return swaps siehe Swaps trust 333 Typenfixierung 13, 176 Typenzwang 13, 176 Typologie – Derivate 100 f., 114, 337 ff. – Finanzinstrumente 321 ff. underlying 91, 108, 113, 133, 337 unkörperliche Vermögensgegenstände 217 f., 220 f., 222 f., 228 ff., 251 ff., 267 ff. – Begriff 269, 270 f. – Behandlung in ausländischen Rechtsordnungen 237 ff. – im Bilanz- und Steuerrecht 247 ff. – Recht siehe Recht der unkörperlichen Vermögensgegenstände – Rechte an unkörperlichen Vermögensgegenständen 184, 237 ff., 244 f., 267, 279 f. – Übertragung 233 f. – Vermögensbestandteil 184, 237

Sachregister

unverbriefte Effekten siehe Finanzinstrumente Urkunde – Abschaffung siehe Entmaterialisierung – Besitz der 12, 172 ff. – Funktionen 16 ff. – Globalurkunde siehe Globalurkunde – Sammelurkunde 29, 31 – Übertragung 1, 20, 22 f., 36 f., 53 – Umlauffunktion 28, 36 f. – Vorlagefunktion 27, 35 f. valeurs mobilières 158 ff. valori mobiliari 160 Verbriefung 53 f., 224 ff., 366 – Verfall der 149 – Verkehrsschutz 46, 59 – von Globalurkunden 46 f., 51 Verdinglichung 211 f., 213 Vereinigtes Königreich 74 ff., 151 ff., 240 ff. – bills of exchange 151 – negotiable instrument 151 f. – property rights 240 ff. – securities 152 Vereinigte Staaten von Amerika 79 ff., 151 ff., 240 ff. – Howey-Test 153 ff. – negotiable instruments 151 f. – property rights 240 ff. – securities entitlement 81 ff. – securities regulation 466 f. – UCC 80 ff. Verkörperungstheorie 177 ff. – Geschichte 177 ff. – Kritik 181 ff. Vermögen 275 ff., 291 – Begriff 275 ff. – Entmaterialisierung siehe Entmaterialisierung Vermögensgegenstand – Finanzinstrument als 290 f. – körperlicher 213 f., 217, 220 f., 251 ff., 266 f. – unkörperlicher siehe unkörperliche Vermögensgegenstände Vermögensrecht – Abgrenzung zum Schuldrecht 278 f.

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– als Oberbegriff 274 – als neues Rechtsgebiet 233 f., 250 ff., 274 ff. – Anwendungsbereich 275 ff. – Aufgabe 274 f. – Begriff 3, 243 ff., 274 f. 277 – Inhalt 277 ff. – niederländisches 242 f. – Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten 278 f. Verwahrung – depositum irregulare 21 f. – Drittverwahrung 24 f. – Fremdverwahrung 20 ff. – Massenverwahrung 20 f. – Miteigentum am Sammelbestand 26, 31 – Sammelverwahrung 22 ff., 57 ff., 254 ff. – Sonderverwahrung 24 – Streifbandverwahrung 24 Vorzugsaktie 143, 317, 325 Wandelanleihe 142 Wandelschuldverschreibung 92, 142, 329, 341 f. Wechsel 14, 17 f., 163 f., 171 ff., 177 ff. Wertpapier 11 ff., 17 ff., 151 ff., 172 ff. – Abgrenzung zum Finanzinstrument 283 ff., 314 – Anschaffung im Ausland 55 ff. – Aufbewahrung im Ausland 55 ff. – Begriff 11 ff., 172 – gespaltener Wertpapierbegriff 14 f. – gutgläubiger Erwerb 45 ff., 174, 521 f. – historische Entwicklung 17 ff. – im Gemeinschaftsrecht 292, 296 f. – Inhaberpapier 173 f. – Legitimationsfunktion 11 f., 173 – Liberationsfunktion 11 f., 173 – Orderpapier 173 f. – Rechtsvergleich 151 ff. – Rektapapier 175 – Sammelbestand siehe Sammelverwahrung – Übertragung 1, 27, 50 ff., 399 ff. – Überwindung des ~s 226 ff. – Umlauffunktion 12 f., 147 ff., 309 ff., 518 ff.

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Sachregister

– Verkörperung des Rechts im siehe Verkörperungstheorie – Vermutungswirkung des Besitzes am 172 f. – Vorlegungspapier siehe Urkunde – Zuordnungsfunktion 224 ff. Wertpapierhandelsgesetz – Reform 459 ff., 510 f. Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem siehe Clearing und Settlement Wertpapierrecht – Abspaltung vom Recht der Finanzinstrumente 283 ff. – dogmatisches Fundament 171 ff. – numerus clausus siehe numerus clausus – Prägung durch das Sachenrecht 171 ff., 201 f., 225 f. – Rechtsvergleich 151 ff. – Vermögenszuordnung 224 ff.

– wesentliche Grundsätze 172 – Widerspruch zu den Phänomenen des Kapitalmarkts 287 f. Wertpapiersammelbank siehe Sammelverwahrung Wertrecht 250 ff. Zentraler Kontrahent 51 f., 93 f., 318, 365, 394 ff., 429 f. Zertifikate 68 ff., 108 ff., 342 ff. – kapitalmarktrechtliche Einordnung 111 ff. – wirtschaftliche Grundlagen 108 f. – underlying 108 – Verbriefung 109 f. – zivilrechtliche Einordnung 110 f. Zweckgesellschaft 54, 126 ff., 334 Zwischenscheine 325 f.