FAQ Methoden der empirischen Sozialforschung für die Soziale Arbeit und andere Sozialberufe: Herausgegeben:Kotthaus, Jochem 9783825253684, 3825253686

Soziale Arbeit und Sozialforschung gehen Hand in HandStudierende, die sich fragen, welchen Mehrwert empirische Methoden

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German Pages 275 [278] Year 2020

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Table of contents :
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Impressum
Inhalt
Worum geht es in diesem Buch?
Teil A Grundlagen
Wozu braucht es empirische Sozialforschung in der Sozialen Arbeit?
Was sind empirische Methoden?
Was ist Erkenntnistheorie – und warum sollte ich sie nicht ignorieren?
Was ist Wirklichkeit – und warum ist das für die Empirie von Bedeutung?
Was ist ein Subjekt?
Was sind Theorien?
Welche Methoden empirischer Sozialforschung gibt es?
Welche Gütekriterien muss ich beachten und wie objektiv muss meine Forschung sein?
Wie verläuft der quantitative Forschungsprozess?
Wie verläuft der qualitative Forschungsprozess?
Teil B Datengenerierung
Wie werden Merkmale in der quantitativen Sozialforschung gemessen?
Welche Interviewformate kennt die qualitative Sozialforschung?
Was ist Sampling?
Was ist Transkription?
Was sind Beobachtungen?
Was sind ethnographische Protokolle?
Was ist Videographie?
Was sind Selbstreportverfahren und wozu werden sie eingesetzt?
Teil C Methoden qualitativer Sozialforschung
Was ist Qualitative Inhaltsanalyse?
Was ist Grounded Theory?
Was ist die Dokumentarische Methode?
Was ist die Objektive Hermeneutik?
Was ist Narrationsanalyse?
Gibt es Forschungsmethoden, die speziell für die Praxis der Sozialen Arbeit entwickelt wurden?
Was ist evidenzbasierte Soziale Arbeit?
Teil D Die Auswertung empirischer Daten
Was sind die gängigen quantitativen Auswertungsmethoden?
Wie werden die Daten in der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet?
Wie verläuft die Datenauswertung der Grounded Theory?
Wie werden die Daten in der Dokumentarischen Methode ausgewertet?
Wie werden die Daten mit Objektiver Hermeneutik ausgewertet?
Wie werden Daten der Narrationsanalyse ausgewertet?
Wie können ethnographische Daten ausgewertet werden?
Teil E Besondere Aspekte derempirischen Forschung
Was sind (virtuelle) Forschungswerkstätten?
Was kann ich tun, wenn mein Studienprogramm keine Forschungsmodule anbietet?
Welche rechtlichen Aspekte muss ich bei meiner Forschung berücksichtigen?
Ich habe mit Menschen in Not gesprochen. Wie kann ich helfen?
Ich habe ein rechtliches Problem. Was soll ich tun?
Können wir über meine akademische Karriere sprechen und wie Kenntnisse der empirischen Sozialforschung hier wichtig werden?
Welche Bücher muss ich lesen?
Welche Begriffe muss ich kennen, um einzelne Kapitel zu verstehen?
Literatur
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FAQ Methoden der empirischen Sozialforschung für die Soziale Arbeit und andere Sozialberufe: Herausgegeben:Kotthaus, Jochem
 9783825253684, 3825253686

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Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag / expert Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn transcript Verlag · Bielefeld Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld

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03.12.19 09:22

Jochem Kotthaus (Hrsg.)

FAQ Methoden der empirischen Sozialforschung für die Soziale Arbeit und andere Sozialberufe

Verlag Barbara Budrich Opladen & Toronto 2020

Der Herausgeber: Prof. Dr. Jochem Kotthaus, Professor für Erziehungswissenschaft am Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier. Alle Rechte vorbehalten. © 2020 Verlag Barbara Budrich GmbH, Opladen & Toronto www.budrich.de utb-Bandnr. utb-ISBN

5368 978-3-8252-5368-4

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Lektorat: Dr. Daniela Gasteiger, München - lektorat-gasteiger.de und Dr. Andrea Lassalle, Berlin – andrealassalle.de Satz: Anja Borkam, Jena – [email protected] Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Titelbildnachweis: © Adobe Stock, vectorfusionart Druck und Bindung: Pustet, Regensburg Printed in Germany

Inhalt Worum geht es in diesem Buch? ....................................

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Teil A: Grundlagen Wozu braucht es empirische Sozialforschung in der Sozialen Arbeit? ............................................................. Was sind empirische Methoden? .................................... Was ist Erkenntnistheorie – und warum sollte ich sie nicht ignorieren? ............................................................. Was ist Wirklichkeit – und warum ist das für die Empirie von Bedeutung? ................................................ Was ist ein Subjekt? ....................................................... Was sind Theorien? ........................................................ Welche Methoden empirischer Sozialforschung gibt es? ................................................................................... Welche Gütekriterien muss ich beachten und wie objektiv muss meine Forschung sein? ............................ Wie verläuft der quantitative Forschungsprozess? ......... Wie verläuft der qualitative Forschungsprozess? ...........

17 25 28 34 39 42 47 54 57 69

Teil B: Datengenerierung Wie werden Merkmale in der quantitativen Sozialforschung gemessen? ............................................ Welche Interviewformate kennt die qualitative Sozialforschung? ............................................................ Was ist Sampling? .......................................................... Was ist Transkription? .................................................... Was sind Beobachtungen? .............................................. Was sind ethnographische Protokolle? ........................... Was ist Videographie? .................................................... Was sind Selbstreportverfahren und wozu werden sie eingesetzt? ......................................................................

79 85 93 99 105 111 117 123 5

Teil C: Methoden qualitativer Sozialforschung Was ist Qualitative Inhaltsanalyse? ................................ Was ist Grounded Theory? ............................................. Was ist die Dokumentarische Methode? ........................ Was ist die Objektive Hermeneutik? .............................. Was ist Narrationsanalyse? ............................................. Gibt es Forschungsmethoden, die speziell für die Praxis der Sozialen Arbeit entwickelt wurden? ......................... Was ist evidenzbasierte Soziale Arbeit? .........................

133 137 141 147 154 159 168

Teil D: Die Auswertung empirischer Daten Was sind die gängigen quantitativen Auswertungsmethoden? .................................................. Wie werden die Daten in der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet? ........................................... Wie verläuft die Datenauswertung der Grounded Theory? ........................................................................... Wie werden die Daten in der Dokumentarischen Methode ausgewertet? .................................................... Wie werden die Daten mit Objektiver Hermeneutik ausgewertet? ................................................................... Wie werden Daten der Narrationsanalyse ausgewertet? ................................................................... Wie können ethnographische Daten ausgewertet werden? ..........................................................................

173 184 191 195 205 213 217

Teil E: Besondere Aspekte der empirischen Forschung Was sind (virtuelle) Forschungswerkstätten? ................. Was kann ich tun, wenn mein Studienprogramm keine Forschungsmodule anbietet? .......................................... Welche rechtlichen Aspekte muss ich bei meiner Forschung berücksichtigen? ........................................... 6

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Ich habe mit Menschen in Not gesprochen. Wie kann ich helfen? ...................................................................... Ich habe ein rechtliches Problem. Was soll ich tun? ...... Können wir über meine akademische Karriere sprechen und wie Kenntnisse der empirischen Sozialforschung hier wichtig werden? ...................................................... Welche Bücher muss ich lesen? ..................................... Welche Begriffe muss ich kennen, um einzelne Kapitel zu verstehen? ..................................................................

240 243 245 249 253

Literatur ..........................................................................

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Autorinnen und Autoren .................................................

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Worum geht es in diesem Buch? Wir, die Autorinnen und Autoren dieses Buchs, mögen beides: Soziale Arbeit und empirische Sozialforschung. Wir halten beides für wichtig. Wir sind uns aber bewusst, dass sich die Soziale Arbeit und die Sozialforschung grundsätzlich von der Denkweise, dem sogenannten Erkenntnisstil (vgl. Schütz 1971) des Alltags unterscheiden. Für Studierende bedeutet dies eine Anpassungsleistung. Das unproblematische und auf Handlungsvollzug ausgerichtete Denken und Handeln des Alltags muss dem Zweifel und den minutiösen, abstrakten und mitunter umständlichen theoretischen Erklärungen der Wissenschaft weichen. Entgegen den Gewohnheiten der Alltagswelt, in der man oft zufriedenstellend, „Was?“ mit „Das!“ und „Warum?“ mit „Darum!“ beantworten kann, ist die Erörterung der Gültigkeit einer Theorie in der Wissenschaft deutlich komplexer und formaler. Alltagserklärungen taugen in der Wissenschaft nicht. Für die empirische Sozialforschung stellt sich dieser Sachverhalt noch einmal verschärft dar. Ihr ist nicht nur das Minutiöse und Akribische zu eigen, sie stellt zudem auch noch grundsätzlich die Erfahrungen des Alltags und damit des Subjekts selbst in Frage. Darüberhinausgehend problematisiert die Sozialforschung bereits die Form der Erfahrung selbst, formalisiert und systematisiert sie. Wir gehen als Alltagsmenschen davon aus, dass die Dinge der Welt so sind, wie sie sind, weil wir sie eben auf bestimmte Art und Weise wahrnehmen. Doch stellt dies im Grunde eine permanente Abkürzung da. Wir fahren im Öffentlichen Personennahverkehr und haben gute oder schlechte Erfahrungen damit gemacht und uns eine Meinung gebildet. Im Moment der Reflexion gleichen wir diese mitunter mit dem Satz „Na, ist deine Bahn auch zu spät gekommen?“ mit anderen ab. Gleich wie die Antwort ausfällt, die Nachfrage nach dem Umfang der Erfahrung, ihrem Ort, ihrer Zusammensetzung, der Dokumentation und der Art der Auswertung wird wahrscheinlich unterbleiben. Genau diese würde jedoch in der empirischen Sozialforschung regelmäßig in Frage gestellt.

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Ganz sicher ist dies für Studentinnen und Studenten zum Teil starker Tobak, welcher mitunter mit dem Einwand verbunden wird, was die ganze Veranstaltung überhaupt soll. Wir denken, dass dies sehr berechtigt ist! Wissenschaft, die sich selbst darüber definiert, permanent anzuzweifeln, muss sich gefallen lassen, auch von jungen Kolleginnen und Kollegen die Sinnfrage gestellt zu bekommen. Sehr verkürzt könnte man sagen, dass ein Dissens besteht zwischen der subjektiven Wahrnehmung der sozialen Welt des Subjekts, also Ihnen, und Ihrer Annahme, dass diese Wahrnehmung von allen anderen Subjekten so geteilt wird. Das bedeutet nicht, dass Ihre Wahrnehmung ‚falsch‘ wäre, sie ist schlicht subjektiv. Selbst wenn es objektive Daten gäbe, so würden diese doch wiederum durch ein wahrnehmendes Subjekt mit einem eigenen Wissen kontextualisiert – und damit subjektiv erfahren. Die Mittel, die Basis der Wahrnehmung der sozialen Welt zu verbreitern und systematisch zu gestalten, kann man nun empirische Sozialforschung nennen.

Was kann ich erwarten – und was nicht? Soziale Arbeit ist Wissenschaft. Also müssen sich die Soziale Arbeit bzw. ihre Studentinnen und Studenten von Anbeginn ihres Studiums diesen Logiken beugen. Für manche Studentinnen und Studenten sowie Praktikerinnen und Praktiker ist das jedoch schwierig. Sie empfinden die Wissenschaft mit ihren gerade beschriebenen Eigentümlichkeiten und Seltsamkeiten als eher störend, vielleicht Beiwerk, und mit dem Sinn des Studiums, nämlich der Qualifikation für den Beruf, nicht immer kompatibel. Wir möchten mit diesem Buch diese Fremdheit aufgreifen: Es ist unser Bestreben, dass Sie in Ihren Vorlesungen oder beim Lesen eines anderen Buchs zur empirischen Sozialforschung orientiert und Ihnen die wesentlichen Begriffe, Theorien, Vorgehensweisen und Unterschiede vertraut sind. Wir möchten Studierende der Sozialen Arbeit in die Lage versetzen, im akademischen Zirkus zuzuhören und mitzureden. Wir beobachten, dass die Teilnahme an Tagungen und Konferenzen bei Studentinnen und Studenten der Sozialen Arbeit eher schwach ausgeprägt ist und führen dies auch auf gewisse Unsicherheiten zurück, diese spezielle Nische der Wissenschaft verstehen und dort mitreden 10

zu können. Mit diesem Buch können wir dem nicht vollständig, wohl jedoch vielleicht für den Bereich der empirischen Sozialforschung ein wenig abhelfen. Damit bleiben wir etwas bescheidener in unseren Ansprüchen als andere Lehrbücher. Was wir mit dieser Bescheidung verlieren, ist der Anspruch darauf, ein Novum der Methodologie oder der empirischen Methodik formuliert zu haben. Auch müssen wir die Idee beerdigen, Sie mit Hilfe dieses Buchs in die Lage zu versetzen, eine eigene Forschung auf Promotionsniveau selbst durchzuführen. Es ist weiterhin nicht unser Bestreben, der empirischen Sozialforschung einen wesentlichen Spin zu geben, auf den noch niemand zuvor gekommen ist. Das Buch ist zudem kein Versuch, ein neues Verständnis der empirischen Sozialforschung in der Sozialen Arbeit zu formulieren. Und wenn Sie eine Doktorandin oder ein Doktorand auf der Suche nach Antworten auf spezielle, hochspezifische Fragen der Empirie wie z.B. die Zeitstruktur der Narration in der Biographieanalyse sind, dann ist dies leider das falsche Buch für Sie. Was wir mit dieser Bescheidenheit gewinnen, ist die Freiheit, ansprechendere und zumindest manchmal etwas amüsante Antworten auf Fragen zu formulieren, von denen wir davon ausgehen, dass sie für Studierenden der Sozialen Arbeit und anderer Sozialberufe wichtig sein könnten. Wir benennen eine Vielzahl von relevanten und oft aufreibenden Problemen, gerade für Menschen, die frisch in ihr Studium einsteigen. Dies ist auch der große Unterschied zu anderen Lehrbüchern: Sie werden äußerst kompetente Einführungen in die verschiedenen Themen der empirischen Sozialforschung auch dort finden – vielleicht sogar etwas systematischer erarbeitet als in diesem Buch. Wir haben uns vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen Lehrerfahrung jedoch die Frage gestellt, welche Themen und Aspekte jenseits der üblichen für Sie wichtig sein könnten. Wir wollen ein wenig erzählen und off the record schreiben. Wir glauben, dass damit Aspekte behandelt werden, die Sie interessieren und deshalb für Sie wichtig sind. Wir beschränken uns auch sehr konsequent auf die Fragen von Erstsemestern. Andere Lehrbücher tendieren unseres Erachtens dann doch dazu, an vielen Stellen wieder über Spezialprobleme auf dem Niveau einer Dissertation zu sprechen

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und implizit einen Forschungsrahmen vorauszusetzen, der Studierenden eines BA-Programms schlicht nicht zur Verfügung steht. Diese Hinführung zur empirischen Sozialforschung versteht sich als Hilfe für Personen, die sich in anderer Art und Weise mit der Sozialforschung und ihrer Fragen und Antworten auseinandersetzen wollen.

Wie kann ich dieses Buch lesen? Dieses Buch ist als FAQ aufgebaut. Die einzelnen Fragen sind in sich abschließend behandelt – soweit dies bei einem so komplexen Thema wie der empirischen Forschung möglich ist. Sie können also dieses Buch linear von vorn bis zum Schluss lesen. Oder Sie greifen sich einzelne Kapitel heraus, so, wie Sie dies gerade interessiert oder Sie dies benötigen. Sie werden feststellen, dass bestimmte Begriffe und damit verbundene Konzeptionen zentral sind und immer und immer wieder auf diese verwiesen wird. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir es Ihnen ermöglichen, wirklich genau die Fragestellung lesen zu können, die Sie gerade interessiert, ohne dass (a) permanent die gleichen Begriffe neu definiert werden oder Sie (b) immer in irgendeinem anderen Kapitel irgendwo über das Buch verstreut nachschlagen müssen. Wir haben uns als Lösung dafür entschieden, zentrale Begriffe zusammengefasst sehr knapp und hoffentlich verständlich in einem letzten Kapitel Welche Begriffe muss ich kennen, um einzelne Kapitel zu verstehen? versammelt zu erklären. Wir hoffen so eine unauffällige und doch klare Struktur etablieren zu können, die Ihnen ein lineares Lesen ebenso ermöglicht wie ein wildes Springen und Kreuz-und-Querlesen.1 Dieses Buch dient als Einführung und Anregung. Es kann das Studium anderer Werke, ggf. auch der Grundlagenliteratur, 1

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Wir haben uns dazu entschieden, Fachtermini in ihrer Schreibweise nicht zu vereinheitlichen, sondern so zu belassen, wie sie üblicherweise in den einschlägigen Publikationen gebraucht werden. So ist bspw. in dem Schrifttum der Grounded Theory in Deutschland die Bezeichnung Kode üblich, in der Qualitativen Inhaltsanalyse wird jedoch eher der Code benutzt. Wir hätten eine Vereinheitlichung nur zum Preise einer unüblichen Verwendung erkaufen können – und waren hierzu nicht bereit.

nicht ersetzen. Es gibt ganz hervorragende Lehrbücher zu quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden. Zumindest diese müssen Sie lesen – und wir denken, dass Ihnen das auf der Basis dieses FAQs keine Probleme bereiten wird. Wir selbst bedienen uns umfangreich aus diesen Werken, die aufmerksamen Leserinnen und Leser werden solche Entlehnungen nachvollziehen können und wollen. Mit anderen Worten: Vieles von dem, was Sie hier lesen können, werden Sie auch an anderer Stelle vertieft finden. So ist es gewollt. Um Ihnen die Suche nach geeigneten Quellen etwas einfacher zu gestalten, haben wir Ihnen zum Ende eines jeden Kapitels jeweils einen weiteren Literaturhinweis gegeben. Jochem Kotthaus2

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Jochem Kotthaus dankt als Herausgeber den Autorinnen und Autoren dieses Buches. Sie mussten nicht nur (zu) lange auf die Veröffentlichung warten – um dann gebeten zu werden, letzte Arbeiten und Freigaben sehr schnell zu erledigen –, sie haben sich auch dankenswerterweise sehr freundlich auf die Besonderheiten des Formats eingestellt. Besonderer Dank gilt auch Daniela Gasteiger, die das Buch lektoriert und zu einem einheitlichen Stil ganz wesentlich beigetragen hat.

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Teil A Grundlagen

Wozu braucht es empirische Sozialforschung in der Sozialen Arbeit? Unsere Erfahrung als Lehrende in Studiengängen der Sozialen Arbeit zeigt, dass viele junge Kolleginnen und Kollegen eine wichtige Frage stellen: Was soll empirische Sozialforschung in einem Studium der Sozialen Arbeit? Dabei soll gar nicht so sehr verleugnet werden, dass Sozialforschung eine tolle Sache sei – und sehr gut in den Politikwissenschaften, der Soziologie oder der Psychologie aufgehoben ist. Aber in der Sozialen Arbeit? Wundern dürfen wir als Lehrende und Forschende uns über solche Annahmen von Ihnen als Studentinnen und Studenten nicht. Zum Ersten ist die etwas undurchsichtige Rede von den Bezugswissenschaften, die Lehrende ja selbst oft vertreten, im Grunde unglücklich. Der Aufbau vieler Studiengänge, welche die jeweiligen Bezugswissenschaften wie etwa die Soziologie oder die Erziehungswissenschaft nicht unter dem disziplinären Dach der Sozialen Arbeit versammeln, legt nahe, dass hier eine kategoriale Trennung herrscht: Auf der einen Seite findet sich der klassisch-akademische Zulieferbetrieb, also diese ominösen Bezugswissenschaften, und auf der anderen ein praktisch orientiertes Ausbildungsstudium, in dem es um Handlungstheorien und Methoden für die Praxis geht. Dies korrespondiert durchaus mit dem Wunsch vieler – aber nicht aller – Studentinnen und Studenten, praktisch und gerade nicht akademisch im Wissenschaftsbetrieb tätig zu sein. Zum Zweiten führt die mangelnde Promotionsmöglichkeit in der Sozialen Arbeit als Disziplin zu einem Import von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern. Selbst wenn es sich um ehemalige Professionelle aus der Sozialen Arbeit handelt – promoviert haben sie in einer der Bezugswissenschaften, und verstärken damit den Eindruck der Trennung zur Wissenschaft. Zum Dritten nehmen wir an, dass auch die geradezu überall vorfindliche Selbstbezeichnung als Profession die Unterscheidung in akademische Sphäre und Praxis befördert. Die Profession legt eine Berufstätigkeit nah, die sich außerhalb der Wissenschaft abzuspielen scheint. Wenn nun sogar von einer Menschenrechtsprofession gesprochen wird, einer Institution, die 17

sich selbst als Kontrollinstanz gesellschaftlichen Fehlverhaltens versteht, ist die Trennung zum akademischen Bereich endgültig vollzogen. Auch wenn die Ausführungen zur Menschenrechtsprofession einen wissenschaftlichen und forschenden Anteil beinhalten, bleibt dieser unserer Erfahrung nach in Lehre und Rede oft verkürzt. Man kann also durchaus sagen, dass die Zweifel an der Sinnhaftigkeit empirischer Sozialforschung als originärer Aufgabe der Sozialen Arbeit berechtigt und in gewisser Weise sogar durch das Studium und seinen Aufbau bzw. seine Inhalte selbst gemacht sind. Wir präsentieren Ihnen jedoch zwei Argumentationsstränge, einen didaktischen und einen disziplintheoretischen, um zu begründen, warum Sozialforschung von Bedeutung ist. Möglicherweise wird keiner unserer Gründe Sie überzeugen. Das wäre natürlich sehr schade, weil wir unser Bestes versucht haben. Sollten Sie jedoch noch immer in der örtlichen Buchhandlung stehen oder eine Vorschau auf der Webseite jenes Online-Kaufhauses lesen, das als Buchversand begann und über welches Sie heute von Socken bis hin zu Autoreifen praktisch alles erwerben können; sollten Sie also noch immer darüber nachdenken, ob dieses Buch es jetzt wert ist, erworben zu werden, dann hier ein abschließendes (Kauf-)Argument: In letzter Konsequenz können Sie es sich nicht aussuchen und müssen sich mit empirischer Sozialforschung auseinandersetzen. Ihre Lehrenden werden sich nicht davon abbringen lassen, dass die Empirie dem Kanon der Sozialen Arbeit zugehörig ist. Und die nächste Prüfung kommt bestimmt. Man kann so argumentieren, aber wir fänden es natürlich deutlich charmanter, wenn Sie unsere beiden anderen Argumentationsstränge nachvollziehen könnten.

Methodische/didaktische Begründung: Warum wie intervenieren? Johannes Schilling hat ein wunderbares Buch über die Bedeutung einer soliden Didaktik und Methodik in der Sozialen Arbeit geschrieben. Didaktik und Methodik sind wichtige und übliche

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Elemente der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern und haben im Wesentlichen das Ziel, eine Theorie der Praxis des pädagogischen Vorgehens in Unterrichtssituationen zu entwerfen. Die Didaktik bestimmt u.a. Inhalte, Zielgruppen, Vorgehensweisen, Bedingungen, Begründungen, Ziele im Unterricht. Die Methodik wäre eher als Kunstlehre des tatsächlichen Prozesses zu bezeichnen. Beide Aspekte gehören offensichtlich eng zusammen und ergeben nur als zwei Seiten einer Medaille einen vollständigen Gegenstand. In der Lehramtsausbildung gehört das Schreiben von Unterrichtsentwürfen als kondensierte Form methodisch-didaktischer Überlegungen zum Alltagsgeschäft. Schillings Grundthese ist es nun, dass die Didaktik als Lehre der Kunst der sozialarbeiterischen Intervention immer eines Zieles bedarf. Man interveniert nicht so vor sich hin, sondern will etwas Bestimmtes aus einem bestimmten Grund verändern. Dieses Ziel ist für Schilling das Ergebnis eines Bedingungsanalyse genannten Prozesses des Verstehens der individuellen sowie der sozialen und institutionellen Rahmen. Anders ausgedrückt: Nur, wenn Sie als Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter über die Bedarfe und damit die Konstitution der Klientel selbst detaillierte Kenntnis besitzen, rechtfertigt sich eine sozialarbeiterische Intervention (vgl. Schilling 2008). Das gleiche Prinzip gilt auch für den praktischen Vollzug selbst, welcher über die Lebenswirklichkeit der Klientinnen und Klienten festzulegen ist. Dies macht ein bestimmtes, in der Sozialen Arbeit übliches Vorgehen zweifelhaft. Viel zu oft, so scheint es uns, ist die Antwort auf Probleme der Klientinnen und Klienten mit der jeweiligen Lieblingsmethode oder dem Thema der letzten Fortbildung identisch. Sie heißt dann durchgängig „systemische Beratung“ oder „klientenzentrierte Intervention“. Ob die Probleme der Klientinnen und Klienten jedoch mit genau dieser Methode zu bearbeiten sind, um welche Methode es sich handelt, ob die Probleme nur deshalb aufscheinen, weil jemand in einer bestimmten Art auf die Dinge schaut, bleibt fraglich. Was sind nun aber die Möglichkeiten, individuelle Bedarfe überhaupt festzustellen? Auf welcher Grundlage sollen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter entscheiden, welche Intervention das Richtige sein mag?

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Begründungen sozialarbeiterischer Intervention Es wäre so wunderbar, behaupten zu können, dass die Ergebnisse empirischer Sozialforschung hier Abhilfe schaffen würden. Was wäre dies für eine überzeugende Argumentation: Das, was empirische Sozialforschung bei den Klientinnen und Klienten feststellt, behandelt die Soziale Arbeit pädagogisch. Leider stimmt das in dieser Einfachheit nicht. Es wäre schon nicht richtig zu behaupten, dass die Methoden der empirischen Sozialforschung in der Art und Weise, wie sie in der Wissenschaft anzuwenden sind, bruchlos auf die Soziale Arbeit übertragbar seien. Alleine ein Blick auf die Dauer und Gestaltung des Forschungsprozesses macht deutlich, dass hier Unvereinbarkeiten am Werke sind. Die Praxis der Sozialen Arbeit ist gekennzeichnet von hoher Arbeitsverdichtung und der Notwendigkeit, oft schnelle Entscheidungen zu treffen. Methoden der empirischen Sozialforschung zeichnen sich hingegen durch eine bewusste, manchmal quälende Langsamkeit sowie die Aussetzung des Drucks der praktischen Anwendung, durch eine Trennung von Datengenerierung und Datenanalyse sowie deren permanente Validierung aus (vgl. bspw. Schweppe et al. 2018). All dies ist im Regelfall nicht in der Sozialen Arbeit anwendbar. Was jedoch die Soziale Arbeit in den Kanon ihres Wissens aufnehmen kann, sind die Prinzipien der Methodologie empirischer Sozialforschung sowie die erkenntnistheoretischen Grundlagen dieser Prinzipien. Es geht hier also darum, die den Methoden der Datenaufnahme und der -analyse sowie der Gestaltung von Theorie unterliegenden Gedanken in der Sozialen Arbeit Raum zu geben. Dies ließe sich tatsächlich leichter umsetzen als der Versuch, die reinen Methoden in die praktische Arbeit zu übernehmen. Es würde zunächst bedeuteten, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter den ersten Eindruck, die Wahrnehmung der Person, der Lebensumstände und der Gesprächsinhalte mit der Logik der Empirie reflektieren, d.h. je nach Ausrichtung mit einem systematischen Zweifel oder der Notwendigkeit der ebenso systematischen Testung der eigenen Hypothesen betrachten. Pädagogische Intervention begründet sich dann nicht mehr in der Alltagslogik der Professionellen oder einem unkontrollierten Anwenden von Theorien. Wollten Sie im Gegenteil 20

sozialarbeiterische Intervention aus den Bedarfen oder genauer der Lebenswirklichkeit der Betroffenen begründen, so muss ein Weg gefunden werden, diese nachvollziehen zu können. Genau hier setzt die didaktische oder handlungstheoretische Begründung der Notwendigkeit an, dass die Soziale Arbeit auch auf einer praktischen Ebene sich permanent mit den Methoden und Praktiken der empirischen Sozialforschung beschäftigt. Würde man diese pragmatische Denklinie fortsetzen wollen, wäre also plausibel zu begründen, dass die empirische Sozialforschung einen Nutzen für die Praxis Sozialer Arbeit entwickeln kann. Diese Begründungen sind geliefert: Thaler und Birgmeier (2011, S. 191) führen aus, dass der Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit mit dem der empirischen Sozialforschung identisch sei: die soziale Welt. Der Unterschied liegt in der Blickrichtung begründet. Die empirische Sozialforschung beschreibt und konzeptualisiert die soziale Welt und macht sie theoretisch fassbar – die Soziale Arbeit verändert sie zudem. Man könnte also etwas vergröbernd sagen: Die Sozialforschung erforscht den Alltag, die Soziale Arbeit gestaltet ihn zusätzlich. Schon diesen Zusammenhang systematisch in den Blick zu bekommen, wäre für die Soziale Arbeit eine deutliche Notwendigkeit. Hierzu sind jedoch die methodologischen Aspekte der Sozialforschung erforderlich. Zu nennen ist weiterhin sicherlich die „rekonstruktive Sozialpädagogik“ von Jakob und Wensierski (1997). Angesprochen ist das Bemühen um „das Verstehen und die Interpretation der Wirklichkeit als einer von handelnden Subjekten sinnhaft konstruierten und intersubjektiv vermittelten Wirklichkeit“ (Wensierski und Jakob 1997, S. 9). Was Wensierski und Jakob meinen, ist der Umstand, dass das Subjekt, also der eigenwillige, identifizierbare und handlungsfähige Mensch, eigene Handlungspläne auf Grundlage bestimmter eigenwilliger und einzigartiger Lebenswirklichkeiten im Angesicht einer gesellschaftlichen Wirklichkeit entwirft. Um die Praxis der Sozialen Arbeit fruchtbar mit den Methoden empirischer Forschung verbinden zu können, wird von einer „Wahlverwandtschaft“, d.h. einer Ähnlichkeit in Form und Absicht des Deutungs- und Interpretationsprozesses ausgegangen (vgl. Lüders 1999, S. 210). Die Offenheit der Sozialarbeiter und 21

Sozialarbeiterinnen entspricht den empirisch Forschenden, so ist bspw. die Ethnografie als Methode des Vertrautmachens des kulturell Fremden geradezu urtypisch für ein verantwortungsvolles sozialarbeiterisches Vorgehen. Kubisch (2014) verweist auf die Ähnlichkeit der Haltung und des besonderen Nutzens einer rekonstruktiven Sozialforschung in einer praxisangewandten Version, z.B. in Bezug auf Datenaufnahme sowie die Einstellung der Professionellen. Auf den Unterschied beider Zugangsweisen zur sozialen Welt haben wir bereits hingewiesen.

Disziplintheoretische Begründung: Wer soll es sonst tun? Die Vorstellung, Wissen der sogenannten Bezugswissenschaften bruchlos in der Sozialen Arbeit zur Anwendung zu bringen, ist eigentlich ebenso eine Unmöglichkeit wie die Annahme, man könne Methoden der Empirie einfach in die sozialarbeiterische Praxis transplantieren. Unterschiedliche Disziplinen nehmen ihren Gegenstandsbereich unterschiedlich in den Blick. Die Psychologie konzentriert sich auf das seelische Erleben (und die Leiden) des Menschen, jedoch nur bedingt auf die Herstellung und Transformation gesellschaftlicher Ordnung. Die Soziologie wiederum interessiert sich fast ausschließlich und mit verschiedenen Schwerpunkten für das Zusammenspiel von Mensch und Gesellschaft – von bspw. Luhmanns Systemtheorie (die mitunter sehr wenig mit „systemischer Beratung“ zu tun hat) bis zu dem Punkt, an dem das Subjekt nur noch ein Produkt der Kommunikation geworden ist. Die Rechtswissenschaft muss sich wenig um die moralischen oder ethischen Implikationen einer Gesellschaft kümmern, sondern bezieht sich auf eine Kenntnis und Auslegung geltenden Rechts. Es ist ganz offensichtlich, dass die drei Beispiele dieser Liste mit einem sozialarbeiterischen Selbstbewusstsein, nämlich der Arbeit an dem Sozialen, d.h. der Verbindung von den Interaktionen der Menschen und deren historischer Eingebundenheit, im Falle einer (befürchteten) Abweichung von einem als normal angenommenen Zustand, nicht wirklich übereinkommen. Nimmt man die Soziale Arbeit als Disziplin ernst, dann müsste 22

man auch ihr Wesen oder ihren Charakter ernst nehmen – welcher von einer Arbeit an dem Zwischen den Subjekten geprägt ist. Arbeit jedoch bedeutet einen Schritt über die Analyse hinaus in Richtung Intervention, und genau diesen Schritt leisten streng analytische Disziplinen wie die Bezugswissenschaften der Sozialen Arbeit in der Regel nicht. Es ist deshalb notwendig, das eigene Wissen der Disziplin durch eigene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu produzieren. Nur so kann dem spezifischen disziplinären Charakter Genüge getan werden. Wenn jedoch die Professorinnen und Professoren, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einem anderen disziplinären Hintergrund importiert werden, bleibt dies fraglich. Dass nun ausgerechnet Sie Teil dieser Erneuerung sein sollen, mögen Sie seltsam finden – die starke Betonung eines eigenständigen Wissens noch viel mehr. Jedoch braucht eine Disziplin, um als eigenständig anerkannt zu werden, ein eigenständiges Wissen, welches in der Regel durch ein eigenständiges Personal erzeugt wird. Eine solche Abgrenzung auf methodologischer und erkenntnistheoretischer Basis mag nicht sonderlich freundlich wirken. Ein eigenständiges, abgrenzbares Wissen ist mit Fritz Schütze jedoch genau das wesentliche Kennzeichen einer eigen- und vollständigen Profession. Und natürlich gilt abschließend auch unsere Argumentation, die quasi die Begründung des Buchs schlechthin darstellt: Soziale Arbeit ist eine Sozialwissenschaft. Sozialwissenschaften bauen ihre Theorien auf empirischen Ergebnissen auf. Wenn Sie also im Konzert der Sozialwissenschaften mitreden wollen, auf einer Konferenz oder beim Kaffee mit der Kollegin aus der Politologie nebenan, dann brauchen Sie ein Grundverständnis der empirischen Sozialforschung.

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Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Schaffer, H./Schaffer, F. (2020): Empirische Methoden für soziale Berufe. Eine anwendungsorientierte Einführung in die qualitative und quantitative Sozialforschung. Freiburg/Br., Lambertus (insbesondere S. 17-40) Jochem Kotthaus und Gerrit Weitzel

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Was sind empirische Methoden? Vom Nägeleinschlagen Nehmen wir an, Sie seien überzeugt, sich näher mit empirischer Sozialforschung beschäftigen zu wollen. Reicht es nicht aus, einige Methoden der Datengenerierung und Datenanalyse zu erlernen und diese konsequent anzuwenden? Vom Prinzip her: Ja, man kann mit wenigen Methoden überleben. Aber je schmaler sich Ihr Wissen über die Empirie darstellt, desto geringer sind Ihre Möglichkeiten, selbst tragfähiges Wissen zu generieren und/oder kommunikativ an forschende Kolleginnen und Kollegen anschlussfähig zu sein. Im Alltag verwendet man einen Hammer, wenn man Nägel ins Holz schlagen will. Nur für diesen Zweck. Werkzeug und Absicht müssen sich also entsprechen. Mit der Wahl des Werkzeugs aufgrund einer bestimmten Absicht ist das Ergebnis bis zu einem gewissen Grade bereits vorbestimmt: ein Nagel steckt im Holz. In die Sprache und Denkweise des Akademischen übersetzt, fragen die Autorinnen und Autoren dieses Buchs also nach der Angemessenheit, der Auswahl und den Konsequenzen der Methoden der empirischen Sozialforschung. Diese kontrollierte Art und Weise der Generierung von Wissen ist notwendig, weil die Erkenntnisse der Disziplinen nicht von Theoretikerinnen und Theoretikern ohne Praxiserfahrung vom Schreibtisch aus über Phantasiethemen gewonnen werden, sondern durch Analysen von über den jeweiligen Gegenstandsbereich erhobenem Material. Das Wissen über die Themen der Sozialen Arbeit ist also weder eine besondere und oft umständliche Formulierung eigentlich bekannter Alltagsgewissheiten noch gedankliche Spekulation fern jedes Praxisbezugs, sondern empiriegestützte Theorie.

Empirie und Soziale Arbeit Die Betonung dieses Buchs liegt nun auf dieser Empiriegestütztheit der sozialarbeiterischen Theorie. Die Verhältnismäßigkeit 25

von Forschungsabsichten und Forschungsmitteln gilt in doppelter Hinsicht: Die Mittel bestimmen, was in den Fokus der Forschenden geraten kann. Gleichzeitig leitet sich aus den Grundannahmen, die hinter den Absichten stecken, die Notwendigkeit ab, angemessene Mittel zu besitzen und zu verwenden. Im Alltag ist uns das so selbstverständlich. Wenn es Ihr Interesse ist, einen Nagel in ein Material zu schlagen, dann werden Sie einen Hammer nehmen, der für Ihr Unterfangen die richtige Größe besitzt – nicht zu groß, nicht zu klein. Ihr Ziel und die Mittel müssen zusammenpassen. Mit einem Hammer können Sie nur einen Nagel in ein Material schlagen, eine Schraube hineinzuschlagen ist bereits schwierig, einen Zahnstocher unmöglich. Mit viel Mühe werden Sie vielleicht einen Stein zum Hämmern verwenden können, jedoch wird weder der Prozess noch die Qualität der Arbeit richtig begeistern. Ähnlich verhält es sich in der Empirie: In einer großangelegten Befragung mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern werden Sie sehr verlässliche Zahlen über die Häufigkeitsverteilungen verschiedener Einstellungsvariablen wie die einer parteipolitischen Präferenz erhalten. Es wird Ihnen möglich sein, Wahlverhalten zu prognostizieren. Jedoch werden Sie keine ‚verstehenden‘ Erkenntnisse über die Lebenswirklichkeit des einzelnen Subjekts erhalten. Da es sich um Massentendenzen handelt, bleibt dieses systematisch ausgeblendet. Umgekehrt kann eine qualitative Forschung zwar etwas über die Lebenswirklichkeit des Subjekts sagen, jedoch nicht, wie häufig sich diese über eine Grundgesamtheit hinweg verteilt. Auch in anderen Wissenschaften gehen wir davon aus, dass die Profis wissen, was sie tun: Es wäre Ihnen seltsam, wenn man Ihnen sagte, dass ein Astronom zur Erforschung einer Supernova ein Magnetresonanzmikroskop verwendet. Sie und ich wissen vielleicht nicht genau, wie das Gerät heißt, mit dem die Supernova beobachtet werden kann, wir gehen jedoch davon aus, dass es schon seine Richtigkeit hat, wenn Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess den Nobelpreis für Physik dafür erhalten, die zunehmende Ausbreitung des Universums durch die Beobachtung entfernter Supernovae nachgewiesen zu haben. Bleiben wir nun bei der Metapher des Nägeleinschlagens: Handwerker sind in aller Regel Professionelle. Sie wissen sehr genau, was sie tun, welche Ziele sie verfolgen und wie sie diese 26

erreichen können. Ein Maurer wird nicht anbieten, Ihr Auto zu reparieren. Die dortigen Professionellen verstehen sich als Spezialisten für ein besonderes, klar abgegrenztes Gebiet – und so verhält es sich auch mit den Expertinnen und Experten der empirischen Sozialforschung. Die einzelne Technik (das Hämmern oder eine besondere Interviewform) muss beherrscht werden, aber sinnvoll wird sie nur zur Bewältigung bestimmter Aufgaben. Ihre Kunst besteht darin, genau das umzusetzen, was die jeweilige Situation erfordert – ganz gleich, ob es sich dabei um ein bauliches Gewerk oder die Analyse des Gesellschaftlichen handelt.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Schaffer, H./Schaffer, F. (2020): Empirische Methoden für soziale Berufe. Eine anwendungsorientierte Einführung in die qualitative und quantitative Sozialforschung. Freiburg/Br., Lambertus (insbesondere S. 41–58) Jochem Kotthaus

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Was ist Erkenntnistheorie – und warum sollte ich sie nicht ignorieren? Die Wirklichkeit der Wirklichkeit Homo sapiens sapiens verfügen, anders als Helix pomatia oder auch die Canoidea, über eine ganz besondere Eigenschaft. Diese ist ihnen so selbstverständlich, dass sie ihr Vorhandensein oft vergessen: Sie sind in der Lage, über sich selbst nachzudenken. Sie können dadurch ihre eigene Wahrnehmung, ihr Wissen, ihre Wahrheit in Zweifel ziehen. Menschen können sich selbst (be-)fragen, ob das, was sie für wirklich halten, wirklich sei, oft mit der Bitte um Vergewisserung: „Ich bin doch nicht verrückt, oder?!“ Der Mensch ist also in sich selbst, d.h., er handelt und tut so vor sich hin und gleichzeitig ist er außerhalb seiner selbst. Weiterhin lebt nur der Mensch in einer bewussten Zeit. Er kann vergangenen Ereignissen Aufmerksamkeit zuwenden und sie als genau das behandeln: als Vergangenheit, die nur dadurch entsteht, dass er in der Gegenwart eine Erfahrung erinnert. Der Mensch ist also in der Lage und genötigt, das Hier und Jetzt zu überwinden. Helmuth Plessner (1975) nennt diese Eigenschaft „exzentrische Positionalität“. Wenn Sie und wir fragen, ob das, was wir erkennen, auch wirklich so ist, wie wir denken, dann verfügen wir zwar über die Fähigkeit, Erkennen zu reflektieren, jedoch noch nicht über eine Erkenntnistheorie (vgl. Keller 2006, S. 9). Hierbei geht es um eine systematische Reflexion des Verstehens der Welt und ihrer Wirklichkeiten sowie des Wissens über sie. Wie wissen Menschen, was sie wissen? Woher wissen sie, dass das, was sie wissen, wahr ist? Wie können sie sicher sein, dass ihr Wissen und damit ihre Wahrheit wirklich sind, wenn unsere Wahrnehmung doch offensichtlich trügerisch ist? Als Menschen wissen wir, dass unser Erkennen und unser Denken fehlbar sind, dass wir irren können. Wie stellen wir dann sicher, dass nicht unser gesamtes Denken irrt, und zwar bis in die letzte Konsequenz, näm-

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lich die eines möglichen Irrtums in Bezug auf die eigene Existenz? Solche Fragen bilden den Ausgangspunkt einer Theorie der Erkenntnis (vgl. Baumann 2015, S. 9–26).

Erkenntnistheoretische Basics in 2.098 Zeichen Die Erkenntnistheorie ist eine Grunddisziplin innerhalb der Philosophie und fragt nach den Möglichkeiten und Prinzipien der menschlichen Erkenntnis. Seit Platon im 4. Jahrhundert vor Christus ist dabei der Unterschied zwischen dem Wissen, dem Glauben und den Meinungen wesentlich. Die zentrale Frage hat Immanuel Kant 1781 in seiner bahnbrechenden Kritik der reinen Vernunft treffend formuliert: „Was kann ich wissen?“ (Kant 1956, S. 728). Unterschieden werden dabei grundsätzlich zwei Einstellungen (Prechtl 2008, S. 151): Die sogenannte natürliche Einstellung ist dadurch gekennzeichnet, dass es in ihr selbstverständlich und fraglos ist, dass und wie die Dinge existieren. Erst wenn in Frage gestellt wird, wie eine solche Objektivität begründet werden kann, wird diese Einstellung verlassen. In der Erkenntnistheorie geht es darum, die verschiedenen Formen des Erkennens zu bestimmen. Aus Sicht des Alltagsmenschen und seiner natürlichen Einstellung ist dieses Zurückfragen gewissermaßen ‚verrückt‘, weil in ihm die praktischen Lebenszusammenhänge verlassen werden. Wenn Sie jemanden fragen würden: „Wie wird das Wetter heute Nachmittag?“, und die Antwort wäre „Was ist überhaupt Wetter und kann ich sicher sein, dass es Wetter überhaupt gibt?“, dann wäre das keine Hilfe für die Entscheidung, ob Sie einen Schirm mitnehmen müssen oder nicht. Zwei Erfahrungen werden als Grund für diese Nachdenklichkeit und den damit verbundenen Aufbruch in die Theorie meist genannt: Entweder hat jemanden das Staunen ergriffen oder der Zweifel. Zwei Fragen sind dann zentral (vgl. Prechtl 2008, S. 152): Worin besteht die Quelle oder der Ursprung der Erkenntnis? Ist die Welt unabhängig von einem erkennenden Subjekt denkbar oder nur mit Bezug auf ein erkennendes Subjekt? Die erste Frage nach der Quelle der Erkenntnis lässt sich historisch in drei mögliche Positionen aufteilen, den sogenannten Rationalismus, den Empirismus und den Kritizismus. Die 29

zweite Frage nach dem Verhältnis von Welt und Subjekt lässt sich historisch entweder dem Realismus oder dem Idealismus zuordnen (Mittelstraß 2004, S. 577).

Geschichte der Erkenntnistheorie in 5.455 Zeichen Wir möchten, ohne den Bogen überspannen zu wollen, Ihnen zumindest einen kurzen Abriss der Geschichte der Erkenntnistheorie liefern. Hierdurch wird klarer, wie sich die Infragestellung von Erkenntnis im Laufe der Zeit verändert hat – und damit das Verstehen des Erkennens selbst. René Descartes gilt als Begründer des kontinentalen Rationalismus im 17. Jahrhundert, der ideengeschichtlich oft als Beginn der Neuzeit angesehen wird, weil er den philosophischen Zweifel auf die Spitze getrieben hat und damit nicht nur die mittelalterliche Scholastik des Christentums zerschlug. Auch in der Antike glaubte man, dass die Welt erkennbar sei durch die theoria, also den Blick auf das Wesentliche der Dinge. Descartes zweifelte nun aber ganz grundlegend an der Wahrheit der objektiven Wahrnehmung und ging in einem methodischen Gedankenexperiment davon aus, dass eigentlich alle Wahrnehmung Täuschung sein könnte. Wie wäre es, wenn der Schirm, ja, das Wetter selbst nur eine Täuschung wären, ein Gaukelspiel der Sinne? Dann wäre nur noch der gedachte Zweifel selbst unbezweifelbar. Nur die Tatsache, dass da jemand nachdenkt und zweifelt, wäre ohne Täuschung und mit Gewissheit existent. „Ich denke, also bin ich“ wird Descartes’ Schlussfolgerung meist zusammengefasst: Cogito ergo sum (vgl. Pfister 2006, S. 111). Für ihn ist deshalb nicht die Wahrnehmung die Grundlage der Erkenntnis, sondern die Ratio, die Selbstgewissheit des Denkens. Auch die Gegenstände der Außenwelt (die res extensa) werden schließlich erst durch den messenden Verstand unter der Leitung von Geometrie und Mathematik, also durch rational einsichtig gemachte Zusammenhänge, erkennbar (vgl. Prechtl 2008, S. 152). Demgegenüber waren die Empiristen aus Großbritannien wie David Hume und John Locke im 17. und 18. Jahrhundert der Auffassung, dass die Grundlage der Erkenntnis ausschließlich in der äußeren und inneren Wahrnehmung liege. Sie standen in der 30

englischen Tradition des Common Sense, des gesunden Menschenverstandes, der jedem Bürger (an Frauen wurde meist noch nicht gedacht) zugänglich sei. Keine Gelehrten oder Aristokraten können es ihrer Ansicht nach besser wissen. Das menschliche Bewusstsein ist ihnen zufolge vor dem ersten Sinneseindruck leer wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, eine Tabula rasa. Die Ideen sind Eindrücke der Sinne und das Resultat unserer Erfahrung. Um zu wissen, was ein Schirm ist, muss ich mich zunächst mit einem vertraut gemacht haben. Allerdings weiß ich durch diese erste Erfahrung noch nicht, ob der nächste Schirm sich genauso aufspannen lässt. Genau genommen wissen wir auch nicht, ob es überhaupt wieder Regen geben wird. Es könnte doch sein, dass sich die Natur anders verhalten wird. Diese Unmöglichkeit, Aussagen über zukünftige Erfahrungen zu begründen, nennt man das Induktionsproblem. Humes Lösung hierfür bestand darin anzunehmen, dass wir uns an die Natur gewöhnt haben. Wir glauben aus Gewohnheit, dass es irgendwann wieder regnen wird, wir halten es für wahrscheinlich. Aber eine Rechtfertigung gibt es nicht, dem Empirismus fehlt also die Gewissheit (vgl. Pfister 2006, S. 113–116.). Immanuel Kant hat am Ende des 18. Jahrhunderts beide Positionen im sogenannten Kritizismus vermittelt, indem er einfach zwei Typen von Erkenntnissen unterscheidet (a priori und a posteriori) und ihnen zwei Urteilstypen (analytische und synthetische) zuordnet. Er gibt Descartes insofern recht, dass die Aussagen und Begriffe, die Kategorien (z.B. Quantität) nicht aus der Erfahrung der Gegenstände stammen können, sondern ihnen in einem logischen Sinn vorausgehen. Der Satz „Der Kreis ist rund“ ist analytisch wahr, weil Kreise so definiert sind. Um aber die Farbe des Regenschirms zu erkennen, muss ich ihn anschauen. Die Farbe selbst kann ich nicht analytisch herleiten, diese zu bestimmen, ist ein synthetisches Urteil. Kant widerspricht dem Ansatz Descartes’ jedoch, indem er nachweist, dass die in dessen Denken zentralen Schlussfolgerungen der Ratio dann notwendig in die Irre führen, wenn sie über die Grenzen der Erfahrung hinausgehen. Gottes Existenz, die Unsterblichkeit der Seele oder der Anfang der Welt können nämlich sowohl bewiesen als auch widerlegt werden – deshalb kann die Erkenntnis nicht die Grenzen der menschlichen Erfahrung überschreiten. 31

Man braucht für die Erkenntnis also beides, Begriffe und Anschauung. Kant formuliert deshalb: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ (Kant 1956, S. 95). Kant hat also nicht weniger getan, als die Fundamente menschlicher Erkenntnis freizulegen. Seit ihm ist unbestritten, dass die Dinge, Menschen, Handlungen, Töne oder Gerüche nicht ‚an sich‘ wahrgenommen werden können, sondern stets den Bedingungen des menschlichen Erkenntnisvermögens unterliegen. Es wird aber nun das Erkenntnisvermögen selbst reflektiert und die Dinge werden also nur noch als menschlich Wahrgenommenes überhaupt thematisiert. Darüber hinaus wird dann keine Aussage über die Existenz der Dinge getroffen. Die menschlichen Subjekte können, erkenntnistheoretisch betrachtet, nicht wissen oder beweisen, ob Gott existiert, auch wenn religiöse Menschen die Gewissheit des Glaubens erfahren können. Die theoretischen Grundgedanken der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie knüpfen heute an diese transzendentale Wende an. Dabei werden die Bedingungen der Möglichkeit und der Grenzen von Erkenntnis erforscht und die Frage nach dem Verhältnis von erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt gestellt.

Erkenntnistheorie und empirische Methoden Einen Schritt weiter geht Karl Popper. Bei ihm wird die Erkenntnistheorie schließlich zu einer Methodenlehre der Wissenschaftstheorie. Seine erkenntnistheoretischen Grundlagen beinhalten strenge und allgemein verwendbare Kriterien, welche erlauben, Sätze der empirischen Wissenschaften von metaphysischen Behauptungen zu unterscheiden (vgl. Popper 1994). Der Wissenschaft ist also nur das empirisch rein Erfassbare zugänglich. Kritiker würden einwenden, dass die Erklärung der Gültigkeit einer Methode bereits zu einer zirkulären Argumentation führe, weil eine Perspektive, die von den Bedingungen menschlicher Erkenntnis unbelastet ist, gar nicht möglich sei. Die Erkenntnistheorie kann also nicht von außen durchgeführt werden, sondern nur in einer immanenten Selbstkritik des Erkenntnisvermögens bestehen. Sie kann deshalb nicht selbst empirisch sein (vgl. Prechtl 2008, S. 152). 32

An Popper lässt sich jedoch exemplarisch die Bedeutung erkenntnistheoretischer Überlegungen zeigen. Erkenntnistheorie begründet die jeweilige Methodologie. Die Vorstellungen von Wirklichkeit und Wahrheit, oder besser: die Reflexion dessen, was ihr Erkennen ausmacht, beeinflusst die Art und die Wahl des empirischen Instruments. Dafür muss die Erkenntnistheorie als Teil der Philosophie näher an die Sozialwissenschaften herangerückt werden. Die Frage lautet dann nicht mehr, wie wir für unsere Erkenntnis ein Theorem formulieren können, nach dem wir sicher seien, dass selbige Erkenntnis auch wirklich sei – oder dies eben bezweifeln müssen. Die Frage ist vielmehr, wie der Mensch mit seinen Mitmenschen in Relationen lebt und wie wir empirische Hinweise zu behandeln haben, um ein Ergebnis zu erhalten, welches der Wirklichkeit der Menschen entspricht. Das Forschungsinstrument muss diesen Überlegungen angemessen sein. Kurz: Erkenntnistheorie betrachtet, wie Menschen etwas von ihrer Welt wissen und wie sie ihr Wissen konstituieren. Sozialwissenschaftliche Empirie folgt diesem Blickwinkel und systematisiert das Erkennen.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Kutschera, F. v. (1982): Grundfragen der Erkenntnistheorie. Berlin, de Gruyter Judith von der Heyde, Jochem Kotthaus und Stefanie Rosenmüller

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Was ist Wirklichkeit – und warum ist das für die Empirie von Bedeutung? Von Hunden, Menschen und dem Zitronensäurezyklus In den Naturwissenschaften ist es selbstverständlich, dass Prinzipien orts- und zeitunabhängig gelten. Der Zitronensäurezyklus ist für den Stoffwechsel aerober Zellen von besonderer Wichtigkeit, egal ob beim Hund oder Menschen. Es ist auch im Prinzip gleich, ob gerade Sommer oder Winter ist oder es sich um einen Organismus handelt, der aus Deutschland oder China stammt. Auch Demokratie, Ungleichheit oder Beziehungsstatus sind dem Zitronensäurezyklus egal. Es gibt Hemmungen und Regelungen in Bezug auf seinen Ablauf, diese sind jedoch selbst wiederum als Gesetz formulierbar. Mit anderen Worten: Der Zitronensäurezyklus will nichts, er hat keine kulturelle Sensibilität, sein Auftreten oder Nichtauftreten unterliegen alleine biochemischen Gegebenheiten, nicht dem Willen oder dem Bewusstsein des Menschen. Er existiert damit, ob wir wollen oder nicht. Karl Popper überträgt dieses naturwissenschaftliche Erklärungsmodell nun einheitlich auf alle Wissenschaften. Auch die Sozial(arbeits)wissenschaften unterliegen ihm. Popper kann so vorgehen, weil er annimmt, dass eine kulturell, zeitlich und räumlich vom Subjekt und seinem Willen unabhängige Wirklichkeit existiert. Diese Wirklichkeit manifestiert sich für das Kulturwesen Mensch als seine Gesellschaft. Gesellschaft formt sich gerade nicht dem Willen und den Absichten der Menschen entsprechend, sondern bildet eine eigenständige Realität (vgl. Esser 2002, S. 24). Dies ist eine Idee, die auf Émile Durkheim zurückgeht. Aufgabe der Empirie ist es nun, diese der menschlichen Erkenntnis offenstehende Wirklichkeit zu erkennen und zu entfalten. Fachsprachlich handelt es sich dabei um den erkenntnistheoretischen Realismus. In den Worten Poppers: „Eine Theorie oder ein Satz ist wahr, wenn der von der Theorie beschriebene Sachverhalt mit der Wirklichkeit übereinstimmt“ (Popper 1999, S. 18). Popper schreibt nun deutlich und nicht zufällig von 34

„der“ Wirklichkeit, nicht ‚einer‘ oder ‚einer subjektiven‘. Er schließt damit die Existenz multipler Wirklichkeiten aus. „Wahr“ bedeutet deshalb für Popper nicht nur ‚richtig‘ im Sinne von augenblicklich oder subjektiv. Die Frage des Erkennens von Wirklichkeit ist für ihn eine des Erfassens von Wahrheit. Der Wahrheitsanspruch wohnt damit dieser Form der empirischen Forschung inne. Der Mensch ist dann der Merkmalsträger einer Wirklichkeit, die außerhalb seiner selbst liegt. Dieser Umstand ist weder aufsehenerregend noch abwertend, noch muss er emotionalisiert werden. Er ist erkenntnistheoretisch eine logische Konsequenz aus der Frage der Inbezugsetzung von Subjekt und Gemeinschaft, genauso wie die Form der Forschung hieraus einen logischen Schluss darstellt. Sind die Verhältnisse ausschlaggebend, müssen diese erforscht werden. Gegenstandsbereich und Form der Forschung müssen zueinander passen. Dies klingt alles vollkommen plausibel und deckt sich mit einem Alltagsverständnis von Wirklichkeit: Es gibt sie – und unser Einfluss auf sie ist gering. Doch gibt es genauso eine recht explizite Gegenposition. Die Grundannahme ist hier, dass es sich beim Homo sapiens eben nicht um einen Canis lupus familiaris handelt. Im Gegensatz zum Hund leben Menschen nämlich ausschließlich in kulturellen Bezügen, wir entstehen erst in der sozialen Welt. Die kulturellen Bezüge, die Bedeutungen des Sozialen, sind aber selbst ein Produkt menschlicher Tätigkeit. Die Welt ist, wie Berger (2011) sagt, das, was ist, weil Menschen sie zu dem gemacht haben, was sie ist. Das Kulturelle ist Teil des Menschen, er schleppt es permanent mit sich herum. Wesentlich ist nur, dass die Kultur des Menschen keinen Überschuss darstellt. Sie ist somit nicht nur etwas, von dessen Existenz zu wissen zwar wunderbar ist, das sich jedoch letztendlich für die Sache als nicht notwendig erweist. Die subjektiven Sinnund Bedeutungsinhalte eines ‚Dings‘ (damit ist jedes identifizierbare Phänomen gemeint, egal ob materiell oder sozial, egal ob in der Situation wahrgenommen oder erinnert) entstehen überhaupt erst in der Auseinandersetzung des Subjekts mit der Kultur der Gesellschaft. In dieser Auseinandersetzung werden sie nicht einfach stumpf übernommen, sondern interpretiert und auf die jeweilige Situation hin adaptiert. Damit bildet die Kultur,

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d.h. das Wissen und die Diskurse einer Gesellschaft, den Boden oder das Fundament der subjektiven Sinnzuschreibungen. Vom Prinzip her ist die Wirklichkeit damit subjektiv, sie kann es nicht anders sein. Sie werden nun vielleicht sagen: „Ah, Konstruktivismus! Kenn’ ich. Alle Menschen sind unterschiedlich.“ Das ist jedoch nur halb richtig. Subjekte verfügen aus ihren eigenen Erfahrungen heraus über eine individuelle Lebenswirklichkeit. Aber Subjekte sind keine ‚zerebralen Anarchisten‘. Sie müssen sich mit gesellschaftlichen Bedingungen und einem geteilten Wissen auseinandersetzen, sie werden erst durch das Soziale zu Subjekten. Ihnen sind die Welt und deren Bedeutungen auferlegt. Nur, wenn sie diese Bedeutungen im Zuge ihrer Sozialisation internalisieren und lernen, mit dem Wissen der Welt umzugehen, es also subjektiv fruchtbar machen, können sie in ihrer Gesellschaft agieren. Schon unser Alltagsverstand sagt uns, dass für uns das Leben einfacher ist, wenn wir nicht allzu exzentrisch, selbstverliebt, eigenwillig und unberechenbar daherkommen. Auf der anderen Seite sind wir keine Automaten oder Roboter. Wenn Sie jetzt im Seminar sitzen (oder daran zurückdenken), werden Sie sehen, dass Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen ihre Rolle als Studentin oder Student auf unterschiedliche Arten und Weise interpretieren. Manche lassen das Studium schleifen, andere sind hochgradig ehrgeizig, von manchen wissen Sie Persönliches, andere sind zurückgezogen und pflegen ihre Privatheit. Hiermit sind also unterschiedliche, aber noch typisierbare Interpretationen des Studierens gemeint. In einer solchen Lesart ist Wirklichkeit keine Wahrheit, sondern eine verstehende Suche nach dem subjektiven Sinn im Zeichen seiner gesellschaftlichen Bedingungen.

Warum ist das alles wichtig für meine Forschung? Empirische Forschung wird auf Grundlage ihrer erkenntnistheoretischen Überlegungen betrieben. Stark vereinfacht haben wir die zwei gängigsten Paradigmen gerade dargelegt. Die Existenz einer äußeren Wahrheit losgelöst von den Subjekten entspricht dabei im Wesentlichen den Methoden einer quantitativen, das Vorhandensein der subjektiven Wirklichkeit dem einer qualitativen Forschung (vgl. Mayring 2007). Es ist entscheidend zu 36

verstehen, dass auch die subjektive Wirklichkeit Generalisierungen ermöglicht. Es geht nicht um das bloße Abbilden von Einzelschicksalen oder Biographien. Jede subjektive Wirklichkeit kann mit als Effekt einer gesellschaftlichen Konstruktion verstanden werden. Deshalb lässt sich zum einen vom subjektiven Bewusstsein auf die gesellschaftliche Konstruktion schließen, in der diese konstituiert wird. Zum anderen kann davon ausgegangen werden, dass Menschen durchaus in Typen zusammenfassbar sind. Nichts anderes sagt uns der Alltagsverstand. Wir sprechen von Schulschwänzern und können uns unter diesem Typus der Schülerinnen und Schüler etwas und oft jemanden vorstellen. Wir sagen, dass es treue und untreue Ehemänner gibt, und haben die unzähligen Ehen damit auf eine bestimmte Art kategorisiert. Wesentlich ist nun, dass die qualitative Sozialforschung in der Regel die Wirklichkeit der Subjekte nachzuvollziehen versucht. In der Wirklichkeit der untreuen Ehemänner mag dieses Fremdgehen mit bestimmten Motiven und Funktionen zusammenhängen. Es hat also einen bestimmten Sinn: eine Erfahrung wird auf eine andere bezogen. Dieser Sinn kann die notorische Unzufriedenheit mit der Ehe oder allgemeiner ein Hinweis auf deren Zustand sein, sexuelle Frustration, ein gegenseitiges Arrangement (freie Liebe), ein einzelner Ausrutscher, die Rache für einen zurückliegenden Seitensprung und … und … und … Die Klassifikation von außen (Fremdgeher) verhandelt den Sinn der Subjekte also nicht hinreichend. Und natürlich merken Sie an dieser Stelle erneut: Sozialforscherinnen und Sozialforscher dürfen sich nicht von dem moralischen Korsett des Common Sense einzwängen lassen. Unsere Aufgabe ist nicht, Moral zu verdoppeln, sondern die Subjekte zu verstehen, mit denen wir zu tun haben. Ein manchmal schwieriger Job.

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Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Abels, H. (2009): Wirklichkeit. Über Wissen und andere Definitionen der Wirklichkeit, über uns und Andere, Fremde und Vorurteile. Wiesbaden, VS Jochem Kotthaus

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Was ist ein Subjekt? Die alltagssprachliche Deutung des Subjekt-Begriffs entmutigt Studentinnen und Studenten mitunter, diesen konsequent zu verwenden. Mit dem Subjekt wird eine Abwertung verbunden. Das „üble Subjekt“ ist für verwerfliche Taten verantwortlich und wird als Maledictum gebraucht. Aber: der Alltag ist nicht die Wissenschaft. Hier werden Begriffe eben anders benutzt. System in Luhmanns Sinn ist nicht das Gleiche wie in dem empörten Ausruf „Diese Schweinerei hat aber System!“ Mit dem Sozialen wird nicht auf Hilfsbereitschaft oder Wohltat verwiesen, sondern auf Menschen in Relationalität. Eine Gesellschaft ist keine Gruppe von Menschen, die sich zum Tanztee verabredet hat, sondern die Ordnungsstruktur, welche Subjekte miteinander in ihrem Handeln verbindet und reguliert. Das Subjekt ist deshalb von besonderer Wichtigkeit für die empirische Sozialforschung, weil wir dieses als analytische Einheit wissenschaftlich betrachten. Selbst wenn wir mit Massen agieren, also die Eigenschaftsverteilung untersuchen, befragen wir Subjekte und nehmen an, dass diese die Trägerinnen und Träger der Qualitäten sind, mit denen wir uns beschäftigen wollen. Gleiches gilt natürlich auch in der Sozialen Arbeit. Wir sprechen mit Subjekten, manchmal auch mit mehreren zugleich. Dabei ist uns immer völlig klar, dass hier keine Entität, also ein zusammengehöriges und geschlossenes Wesen, vor uns sitzt, sondern ein Aggregat mehrerer Menschen, die sich gewollt oder zufällig zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort versammelt haben, wieder auseinandergehen und in anderer Konstellation erneut zusammenkommen können.

Begriffsbestimmung Das Subjekt ist nun zunächst ein Individuum, d.h. ein von anderen aufgrund der Besonderheiten und Eigenarten unterscheidbares Lebewesen (vgl. Hitzler 2012). Ein Mensch ist ein Individuum, er ist aus einer Beobachtungsposition heraus zu identifi-

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zieren, es lässt sich also eine Differenz zwischen einem Menschen und einem anderen als Individualität formulieren. Ameisen sind deshalb aufgrund ihrer Konformität keine Individuen – außer Flik natürlich, der eindeutig ein Subjekt ist. Man kann die Summe der Eigenarten des speziellen Menschen als Identität bezeichnen, eben als die identifizierbare, ‚innere‘ und über die Zeit hinweg einigermaßen stabile und verlässliche Besonderheit, die sich in einer Außenperspektive als eine Individualität erkennen lässt (vgl. Abels und König 2010, S. 20 f.). Individualität und Identität sind nichts Natürliches. Sie sind sozialwissenschaftliche Begriffe, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergewandert sind und die Wahrnehmung der Differenz zwischen Menschen auf Grundlage der ebenfalls wahrgenommenen Konstanz ihres Verhaltens sowohl begründen als auch in Begriffe kleiden (vgl. Knoblauch 2010). Die Besonderheiten des Individuums sind in gewisser Weise historisch. Sie sind ein Produkt seiner Existenz, seiner Erfahrungen, der Bedingungen, in denen er sie interaktional gemacht hat. In Beziehungen ist der Mensch als Individuum geschichtlich, weil die Beobachterinnen und Beobachter nicht nur sein Jetzt wahrnehmen, sondern damit immer auch ein Früher erinnern. Dies ist eine Besonderheit des hochentwickelten Organismus. Beispielsweise können Sie nicht vergessen, dass der Kommilitone, der gestern in der Veranstaltung neben Ihnen saß, vor zwei Semestern von Ihnen in der Rechtsklausur abgeschrieben hat – obwohl Sie dies nicht wollten. Mit diesem Wissen werden Sie den Studenten permanent sehen und wahrnehmen. Der wunderbare Satz, wir können „vergeben, aber nicht vergessen“, deutet genau auf diesen Umstand: Als Menschen sind wir in der Lage, die Erfahrungen zu reflektieren und zu kontextualisieren, jedoch nicht, über diese Erfahrungen bewusst nicht mehr zu verfügen. Subjekte wiederum sind handlungsfähig, also Individuen, die einen Plan ihres Tuns entwerfen können und zumindest über den Willen verfügen, diesen in die Tat umzusetzen. Sie können an diesem Plan durch die Umstände gehindert werden – trotzdem ist in diesem Fall Nicht-Tun Handeln. Handeln ist sinnhaftes Tun, und zwar sinnhaft aus der Perspektive des Subjekts. Tatsächlich besteht unser Alltag aus einem fortlaufenden Fluss nicht scharf voneinander abgrenzbarer Situationen (die nur in 40

der Retrospektive als solche überhaupt auszumachen sind). Was genau unsere Aufmerksamkeit erregt, ist in der Regel kaum zu rekonstruieren.

Abgrenzungen Dies beschreibt das „deutsche Subjekt“ (Reichertz 2013a). Es ist eigensinnig, kann die Bedeutung der Dinge für sich (um-)interpretieren und entsteht im Austausch mit anderen Subjekten, ohne dabei nur das Ergebnis dieses Vorgangs zu sein. Die Vorstellungen davon, wie eigenständig und gegen andere durchsetzungsfähig dieses Subjekt ist, sind recht weitreichend. Andere theoretische Grundlagen werden Sie zu anderen Subjekten (oder dann eben nicht mehr Subjekten, sondern Akteuren oder Personen) führen. So spricht Knoblauch (2017) von einem „dünnen“ Subjekt, welches situativ in Relationen zu anderen entsteht und nur sehr bedingt diese Inbezugsetzung überschreiten kann. Diskurs- und performanztheoretische Ansätze (bspw. Michel Foucault und Judith Butler) würden – sehr, sehr verkürzt! – die Prozesshaftigkeit des Subjekts derart betonen, dass in letzter Konsequenz nur noch eine „Subjektivierung“ verbleibt. Man könnte sagen: Ohne die Akte der Relationierung, der Zuschreibung, der Selbsttechnologisierung oder der Anrufung bleibt nichts mehr vom autonomen Subjekt übrig – es entsteht ausschließlich im Blick der anderen.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Abels, H. (2017): Identität. Wiesbaden, VS (3. Aufl.) Jochem Kotthaus

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Was sind Theorien? Theorien im Alltag Im Alltag würden Sie vielleicht den folgenden Satz sagen: „Ich könnte dir theoretisch bei der Hausarbeit helfen – aber es läuft die Sportschau und die will ich nicht verpassen.“ Oder: „Ich mache seit drei Wochen diese neue ‚High Blood-Pressure-Diät‘. Theoretisch hätte ich drei Kilo Gewicht verlieren sollen!“ Theorie steht hier als Synonym für eine Möglichkeit, eher sogar noch eine Un-Möglichkeit. Diese Form von theoretisch meint hypothetisch oder eigentlich und zielt auf ihre Ferne von der wirklichen Welt ab. Die zweite Form der Theorie im Alltag bezieht sich nach Rusch (2001b) auf die Probleme genau dieses Alltags: „Ich habe eine Theorie, warum Jack und Jill sich trennen.“ Diese Bedeutung von Theorie wird deutlich, wenn man den Satz paraphrasiert. Er könnte auch schlicht heißen: „Ich vermute zu wissen, warum Jack und Jill sich trennen, und weil ich meine zu wissen, warum Martina und Marc und Josefine und John sich getrennt haben.“ Theorien der Alltagswelt sind also formulierte Vermutungen über die Frage, wie die Sachverhalte der Alltagswelt funktionieren, häufig auf alltäglichem Vorwissen beruhend (vgl. Rusch 2001b, S. 95 f.). Diese Formulierungen müssen nicht ausgearbeitet sein. Es reicht, wenn sie dem Subjekt einigermaßen zugänglich sind, sodass es im Bedarfsfall darauf zurückgreifen kann. In diesen Theoriebegriff fließen eigene (empirische) Erfahrungen ebenso ein wie die Fähigkeit des logischen Schließens, d.h. des Erkennens von Zusammenhängen der Welt mit eigenen Erfahrungseindrücken. Das Wissen des Alltags ist eben nicht zu jedem Zeitpunkt klar und reflexiv verfügbar, es ist in seiner Herkunft, seinen Ursprüngen, der Komposition, der Reichweite und der Anwendung oft auch für das Subjekt selbst unklar (vgl. Knoblauch 2013, S. 35 f.).

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Theorie im Akademischen Zwei grundsätzliche Ausrichtungen sind in der empirischen Sozialforschung unterscheidbar: Solche, deren Theorien einen erklärenden und solche, deren Theorien einen verstehenden Charakter besitzen. In etwa entspricht diese kategoriale Trennung der einer quantitativen und einer qualitativen Sozialforschung (vgl. bspw. Rusch 2001a). Diese vorherigen zwei Sätze deuten nun schon auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Theorien des Alltags und solchen der Wissenschaft – und damit auf ein Charakteristikum der letzteren: Wissenschaftliche Theorien sind in Bezug auf ihre Genese erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch sowie methodologisch und methodisch befragbar. Theorien des Alltags müssen diese Möglichkeit der Reflexion und Verantwortung nicht erfüllen – sieht man einmal von der Frage „Wie kommst du denn da drauf?“ ab.

Theorie in der quantitativen Forschung Der Theoriebegriff der Wissenschaft unterscheidet sich stark von dem des Alltags. Genau genommen müsste man sagen: Die Theoriebegriffe der Wissenschaft unterscheiden sich stark von dem Alltag. Hypothesen sind zunächst vor allem in der quantitativen Sozialforschung der Ausgangspunkt von Forschung – sie beruhen auf Annahmen, Beobachtungen, Überlegungen, Desideraten oder theoretischen Inbezugsetzungen. Sie sind manchmal einfach Vermutungen darüber, wie die Dinge zusammenhängen. Hypothesen erklären also bereits einen bestimmten Zusammenhang (und zwar hypothetisch). Immer, wenn ein bestimmtes Ereignis in einer bestimmten Art eintritt, geschieht in Abhängigkeit dazu ein zweites: Wenn Ehepartner nicht einander im Haushalt helfen, dann kann es zur Trennung kommen. Die zweite Form der Hypothese quantifiziert diesen Zusammenhang: Je größer, kleiner, schwächer, stärker, dicker oder dünner sich ein Merkmal gestaltet, desto größer, kleiner, schwächer etc. prägt sich in Abhängigkeit dazu ein anderes Merkmal aus: Je weniger Ehepartner einander im Haushalt helfen, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit der Trennung. 43

Solche Hypothesen haben bereits einen Erklärungsgehalt, welcher jedoch noch nicht geprüft wurde. Auch sind die Korrelationen (Zusammenhänge) noch keine Kausalitäten (Ursache/Wirkung). Es ist nämlich keinesfalls gesagt, dass Jill sich von ihrem Mann trennt, weil Jack nicht im Haushalt hilft. Tatsächlich könnte es sein, dass Jack Jill nicht mehr liebt. Weil sie mit Joe zusammen sein will, und das Desinteresse an einem geordneten Haushalt keine Begründung, sondern eine Folge der immanenten Trennung darstellt. Diese permanente Prüfung und Kontrolle der Kontextbedingungen erfordern ein Umdenken von der Logik des Alltags zur Statistik als Hilfswissenschaft der Sozialwissenschaften. Was nämlich getestet wird, sind nicht Plausibilität oder der normative Gehalt einer Aussage, sondern die Zufälligkeit bzw. Nicht-Zufälligkeit der Häufigkeitsverteilung der beiden Merkmale (vgl. Kuckartz et al. 2010, S. 135 ff.). Hypothesen sind also vorläufig, sie stehen deshalb am Beginn des Forschungsprozesses quantitativer Art. Wenn der statistische Zusammenhang sich als zutreffend erweist, sind Hypothesen jedoch nicht bestätigt, sondern nicht falsifiziert. Auch dies stellt ein Umdenken gegenüber dem Alltag dar: Den Beweis für einen Zusammenhang wird man in der Wissenschaft nicht finden. Stattdessen sollen Hypothesen geprüft werden, sodass sie sich immer robuster gestalten und ggf. auch Seitenbedingungen aufnehmen können. Sie merken nun wahrscheinlich, dass Hypothesen gar nicht viel über Subjekte oder Menschen aussagen, sondern vielmehr über die Bedingungen, unter denen ein bestimmtes Resultat eintritt. Sie sind Vermutungen über Zusammenhänge. Theorien folgen dieser Logik und sind Aussagen über solche Zusammenhänge, also Systeme logisch miteinander verknüpfter, prinzipiell an der Wirklichkeit empirisch überprüfbarer und in ihren Begriffen streng definierter Aussagen (vgl. Kromrey 2002, S. 48 ff.). Der permanente Prozess der Hypothesenbildung und Testung entspricht der Logik der quantitativen Forschung, die sich als fortwährender Kreislauf des Versuchs der Falsifikation versteht. Überstehen Theorien zahlreiche Widerlegungsversuche, bleiben sie unerschüttert, dann kann man davon sprechen, ein Gesetz über ein Phänomen formuliert zu haben.

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Theorie in der qualitativen Forschung Der ewige Kreislauf des Testens von Hypothesen und Theorien entspricht jedoch nicht der Logik der qualitativen Sozialforschung. Hypothesen und Theorien sind hier auch verantwortungspflichtig, d.h. sie müssen in Bezug auf ihre Formulierung erkenntnistheoretisch und methodologisch erklärbar sein. Ihre Verwendung und ihr Gebrauch gestalten sich jedoch anders: Hier geht es darum, die Akteurinnen und Akteure zu verstehen. Der Blick richtet sich also weniger auf die Begründungen, unter denen sich Effekte der sozialen Welt auf bestimmte Art und Weise unter bestimmten Bedingungen entfalten, sondern vielmehr auf den Sinn, den die Subjekte mit ihrem Tun verbinden bzw. auf die Entstehungsbedingungen und -mechanismen dieses Sinns. Während also erklärende Sozialforschung die Zusammenhänge verdeutlicht, versucht die verstehende Sozialforschung die Weltwirklichkeit der Subjekte zu begreifen. Dies hat Auswirkungen auf das Verständnis von Theorie. Wenn das Subjekt in seinen Handlungen, Wahrnehmungen, Interpretationen, Absichten, Zweifeln etc. verstanden werden soll, und zwar in möglichst genau der Weise, wie es selbst das alles definiert, dann ist ein deduktives Vorgehen kontraproduktiv. In der qualitativen Forschung sind Hypothesen Annahmen, welche im Zuge des Auswertungsprozesses (also nicht bereits vor der eigentlichen Erhebung) formuliert werden. Insbesondere Reichertz (vgl. bspw. 2013c) verweist auf die Logik der Hypothesen in der qualitativen Forschung: Diese werden nicht aus bisherigen Erörterungen oder Vermutungen abgeleitet. Sie stellen auch keine direkte, induktive Verallgemeinerung des empirischen Materials dar, sondern gehen über beides hinaus. Der logische Schluss, welcher den Hypothesen zugrunde liegt, deutet auf ein plötzliches Erkennen von Zusammenhängen oder Sachverhalten, die zuvor nicht offenlagen. Viele Spielarten qualitativer Forschung nehmen für sich in Anspruch, Neues und bislang Unentdecktes zu generieren. Es geht ihnen nicht um die Testung einer vorformulierten Hypothese, sondern um ein Verständnis der sozialen Welt, welches im Vorfeld nicht gegeben war. Dies bedeutet nicht, dass qualitativ arbeitende Forscherinnen und Forscher den Charme einer Hypothesenprüfung nicht erkennen 45

oder ablehnen würden, diese ist jedoch in ein qualitatives Paradigma so schlicht nicht einbaubar. Viele qualitative Studien sind nicht auf Wiederholungen, eine unabänderliche Voraussetzung der Prüfung von Hypothese und Theorie, angelegt. Dieser Umstand äußert sich auch darin, dass die Reichweite der eigenen Theorie, also die Frage, wie ausweit- und generalisierbar die Ergebnisse sind, sehr zurückhaltend beantwortet wird. Theorien sind in der qualitativen Sozialforschung die abschließenden Produkte des analytischen Prozesses. Welcher Art die Theorie ist, d.h. was sie genau darstellt, hängt in starkem Maße davon ab, worauf die Methode und ihre eigene Methodologie ausgerichtet sind. So wird die Grounded Theory eine Theorie des sozialen Handelns entwerfen, also die Dimensionen möglicher Bewältigungen von Handlungsproblemen erörtern. Dies sagt jedoch noch nicht viel über den subjektiven Sinn aus, den die Handelnden mit ihrem Tun verbinden. Eine Objektive Hermeneutik wiederum wird die strukturellen Allgemeinheiten des empirischen Materials in den Blick nehmen. Eine lebensweltanalytische Ethnographie ist darauf ausgerichtet, das Wissen und die subjektiven Relationierungen der Wahrnehmungen zu typisieren. Demgegenüber sind klassische Ethnographien oft dichte Beschreibungen des Feldes und der es konstituierenden Praktiken. In dieser Vielfältigkeit unterscheidet sich die qualitative stark von der quantitativen Forschung. Was beiden gemeinsam bleibt, ist die Notwendigkeit, dass Sie in Bezug auf die erwartbare Theorie forschungspraktische Entscheidungen treffen: Wenn Sie auf das Verfassen einer Handlungstheorie abheben, wird es ungünstig sein, objektiv hermeneutisch vorzugehen.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Hug, T. (Hrsg.) (2001): Wie kommt die Wissenschaft zu Wissen? Bd. 4: Einführung in die Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung. Baltmannsweiler, Schneider Verlag (auch online unter: https://www.uibk.ac.at/wiwiwi/ Jochem Kotthaus 46

Welche Methoden empirischer Sozialforschung gibt es? Bei den Methoden der empirischen Sozialforschung handelt es sich um „intendierte Handlungsweisen, die zwischen einem Handelnden und einem Gegenstand der Handlung vermitteln. Sie sind eingespannt zwischen einem Subjekt, dem Forscher, und einem Objekt, dem Gegenstand der Forschung, beides gesellschaftlich bestimmt“ (Kleining 1995, S. 12). Diese Methoden werden klassischerweise zu zwei großen Handlungsbündeln oder Paradigmen zusammengefasst: die quantitative und die qualitative Sozialforschung. Wir sprechen deshalb von qualitativer und quantitativer Sozialforschung, obwohl die Begriffe sicherlich nicht glücklich gewählt sind: Auf einer rein semantischen Ebene deutet die qualitative Sozialforschung auf „ganzheitliche Eigenschaften (qualia) eines sozialen Feldes“ (Krüger 2000, S. 323) hin. Dies trifft jedoch nicht für die gesamte qualitative Forschung zu: Die Biographieforschung orientiert sich bspw. eher an einzelnen biographischen Verläufen. Weiterhin könnte man unseres Erachtens nicht mit gutem Gewissen eine interpretative oder hermeneutische Forschung als qualitativ fassen, da diese an der Rekonstruktion der Verstehensleistungen des Subjekts in seinem dialektischen Verhältnis zum jeweils gültigen, geteilten Wissen interessiert ist. In diesem Sinne wäre bspw. eine kategoriale Unterscheidung in Hermeneutik, also interpretativ-verstehende Verfahren, und Szientismus, d.h. nomologisch-deduktiv hypothesentestende Erklärungsmodelle, sinnvoll (vgl. Eberle 2000, S. 39). Wir versuchen jedoch, Anschlussfähigkeit an andere Methodenliteratur herzustellen. Die konsequente Umsetzung einer alternativen Kategorisierung würde hier eher zur Verwirrung beitragen.

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Quantitative Sozialforschung, ein Spiel nach Anleitung? Quantitative Sozialforschung ist in mancher Hinsicht wie ein Puzzle. Dies entspricht augenscheinlich unserem Weltverständnis, welches darauf angelegt ist, dass das Individuum die Welt erst erlernen muss. Als Eltern oder Erzieherinnen und Erzieher sagen wir unseren Kindern: „Lerne erst einmal die Welt kennen, dann kannst du große Pläne schmieden!“ Oder wir weisen sie darauf hin: „Wenn du wüsstest, wie die Welt ist, dann würdest du ganz anders reden!“ Nun ist das Puzzle ein Legespiel, bei dem unregelmäßig geformte Einzelteile ein vorgegebenes Ganzes entstehen lassen sollen. Jedes dieser Einzelteile ist ein Unikat, und es gehört zudem an eine ganz genau bestimmte Stelle im Gesamtgefüge des Bildes. Wenn man die einzelnen Teile lang genug sortiert, eine Weile ausprobiert und versucht, sie miteinander in Verbindung zu bringen, so ergibt sich früher oder später das richtige Bild: Jenes, welche die vorgegebene Vorlage perfekt, objektiv und durch Vergleich überprüfbar widerspiegelt. Quantitative Sozialforschung entspricht nun vor allem in zwei Aspekten einem Puzzlespiel. Zum einen existiert eine klare, eindeutige, unhintergehbare Vorgabe. Egal, wie wir uns die Vorlage wünschen, sie ist so, wie sie ist, und wir werden sie auch nicht verändern. Sie ist es ohne unser Zutun und unser Wollen. Émile Durkheim nennt das eine Realität sui generis. Soziale Phänomene oder Tatsachen existieren unabhängig von den sie vollziehenden Individuen. Im Gegenteil, diese Vorgaben des Sozialen auszuführen, wird von den Einzelnen als Zwang empfunden, sie sind ihnen auferlegt. Bleiben wir im Bild des Puzzles, so gibt es für die quantitative Sozialforschung vielleicht keine materielle Vorlage, an welcher sie sich orientieren könnte, es gibt jedoch Strukturen und Kausalitäten, die sie als Ergebnis ihrer Bemühungen nachvollziehen und so genau wie möglich beschreiben kann. Die Vorlage für das Puzzlespiel der quantitativen Sozialforschung sind also soziale Tatbestände. Diese dingfest zu machen, ihrer habhaft zu werden, ist die Aufgabe. Auch das Vorgehen gleicht einem Puzzlespiel: Der Blick wandert zwischen Vorlage 48

und Einzelteilen hin und her, eines wird aufgenommen mit der Vermutung, dass es passt. In der quantitativen Empirie würde man dann von einer Hypothese sprechen, die in einer besonderen Weise einen Ausschnitt der sozialen Tatsachen erklärt. Es wird also eine hypothetische Aussage zur Wirklichkeit formuliert und anschließend auf ihre Gültigkeit hin getestet (vgl. Kelle 2008, S. 82 ff.).

Messen als Form der Prüfung Man kann also vereinfacht sagen: Quantitative Sozialforschung beschäftigt sich in erklärender Art und Weise mit den messbaren Phänomenen einer Gesellschaft oder eines Ausschnitts derselben. Erklärend bedeutet hier, dass die beobachtbaren Phänomene als regelmäßige und konstant auftretende Wirkungen von Impulsen oder Ursachen von irgendetwas auftreten. Zu einem bestimmten Phänomen kann im Idealfall ein Gesetz der Entstehung und des Vollzugs aufgestellt werden. Was sich hier vielleicht äußerst komplex anhört, ist tatsächlich Teil unseres alltäglichen Lebens und wird von uns, ohne dass wir es eindeutig bemerken, permanent angewendet. Wir gehen davon aus, dass Menschen im Gefängnis ein Verbrechen begangen haben („Wer eine Straftat begeht, wird dafür verurteilt!“). Wenn wir feierliche und trotzdem ernsthaft gut gelaunte Menschen vor einem großen Gebäude mit Kreuz auf dem Dach sehen, nehmen wir an, dass sie ein Ritual vollziehen, welches die Monogamie ihrer Liebesbeziehung unter einen transzendenten Segen stellt – selbst, wenn wir diese Personen gar nicht kennen („Da drüben stehen festlich gekleidete Menschen, es heiratet wer…“). Und wir setzen voraus, dass der Busfahrer nicht unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Drogen steht und in der Lage ist, sein Fahrzeug ohne Komplikationen auf der geplanten Strecke ans Ziel zu fahren. Wir steigen also ohne Nachfrage ein und begeben uns in die Obhut eines Fremden, weil wir selbstverständlich annehmen, dass dieser klaren Geistes und des Führens eines doch sehr großen Automobils mächtig ist. In der Terminologie der quantitativen Sozialforschung ist dies das Hempel-Oppenheim-Schema (vgl. Hempel und Oppenheim 1948). Die sozialen Tatsachen las49

sen sich in Wenn-Dann- sowie Je-Desto-Beziehungen ausdrücken. Das quantitative Denken ist damit kausalistisch, es verfolgt Regelmäßigkeiten, unter denen bestimmte soziale Phänomene entstehen oder sich verändern. Diese Regelmäßigkeiten werden als Idee von Zusammenhängen so formuliert, dass sie messbar und schließlich als Gesetz (nomos) begriffen werden können: Wenn Menschen einen Bus fahren, dann sind sie im Regelfall dafür ebenso zertifiziert wie aktuell dazu in der Lage. Kernstück der quantitativen Sozialforschung sind also deduktivnomologische Erklärungsmodelle, die einer permanenten Testung unterliegen (vgl. Thome 2007, S. 44 f.). Messbar bedeutet, dass über einen Prozess der Zählbarmachung (Operationalisierung) das abstrakte Phänomen in konkrete Verhaltensweisen oder Eigenschaften (Merkmalsausprägungen) zerlegt werden und in allen Personen, die es betreffen, beobachtet werden kann. Die quantitative Sozialforschung hat somit zum Gegenstandsbereich ihrer Erklärungen das Kollektiv. Da sich Daten auf Kollektive beziehen, verwendet sie größere Datenmengen. Es ist schließlich kaum möglich, aus einer sehr kleinen, vielleicht nur wenige Personen großen Stichprobe repräsentative und damit verlässliche Aussagen über die Merkmalsausprägung eines Kollektivs zu treffen. Deduktiv wiederum bedeutet, dass jeder Einzelfall die Merkmale des allgemeinen Gesetzes aufweisen muss. Dieses muss sich aus der Verallgemeinerung ableiten oder deduzieren lassen. Gleichzeitig taugt der Einzelfall nur sehr bedingt zur Aufstellung eines allgemeingültigen Gesetzes, da in keiner Weise sichergestellt werden kann, dass genau dieser Einzelfall das Typische wiedergibt und nicht nur eine Abweichung von der Regel aufgrund besonderer, vielleicht einmaliger Bedingungen darstellt. Genau aus diesem Grund sind Alltagserfahrungen, die sich auf singuläre Ereignisse beziehen, welche von einer singulären Person wahrgenommen werden, auch nicht gut dazu geeignet, Verallgemeinerungen über eine bestimmte Personengruppe zu bilden. Es ist deshalb für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter allein aus ihren beruflichen Erfahrungen heraus schwierig, etwas über das Kollektiv der „Herkunftseltern“ oder „Wohnungslosen“ zu sagen. Tatsächlich weisen bereits die Urheber des Hempel-Oppenheim-Schemas darauf hin, dass solche ‚Unfälle‘ zwar 50

durch ein Ereignis ausgelöst werden (Schneefall, ein Herzinfarkt des Fahrers oder ein geplatzter Reifen), dieses jedoch nur umgangssprachlich eine Ursache darstellt, sich das Ereignis eben nicht vorhersagen lässt. Es handelt sich schlicht um einen Zufall (vgl. Hempel und Oppenheim 1948, S. 139).

Spiel ohne Vorgabe: qualitative Sozialforschung Für rekonstruktive und interpretative Methoden der empirischen Sozialforschung ist das Nachlegen einer Vorlage mit Puzzleteilen eine weniger geeignete Metapher. Hier fehlt etwas Grundlegendes, nämlich das Bild auf der Verpackung des Puzzles, welches die Forscherinnen und Forscher in ihrem Tun anleitet. Die Abwesenheit einer solchen Realität als ‚Wahrheitsfolie‘ stellt keinen Mangel dar. Sie ist vielmehr die Pointe qualitativer Sozialforschung. Es gibt keine soziale Ordnung ohne Menschen, die ihr Wissen von der Welt nicht nur speichern und systematisieren, sondern vor allem überhaupt erst einmal in Anwendung bringen, indem sie Bedeutung interpretieren und ggf. verändern. Dementsprechend ist es die Aufgabe der qualitativen Sozialforschung, menschliche Kollektivität und Ordnung in ihrer Dialektik zu analysieren: einerseits als geordneten, sozialstrukturellen, auferlegten Rahmen, anderseits als offenen, subjektiven Interpretations- und Erfahrungsraum. Die qualitative Sozialforschung beantwortet die Frage nach ihrer paradigmatischen Identität oder Wesenheit anders als ihr quantitativer Gegenpart. Quantitative Forschung benötigt eine klare Idee der Forschenden über den Gegenstandsbereich. Die gesamte Idee der Hypothesentestung läuft darauf hinaus, so exakt wie möglich die gleiche Merkmalsausprägung bei einer Stichprobe unterschiedlicher Menschen zu messen. Dementsprechend muss sehr genau standardisiert vorgegangen werden, denn nur so ist es möglich, eine Hypothese und später ein Gesetz einer Testung zu unterwerfen. Die Grundeinstellung des deduktiv-nomologischen Modells ist also das Erlangen von Sicherheit durch den Ausschluss des Unrichtigen. Qualitative Sozialforschung fragt nicht primär nach solchen Gesetzmäßigkeiten, sondern nach dem Unbekannten der Subjekte, ihrer Handlungsweisen, ihrer Motivlagen, ihres Wissens und natürlich ihrer wie 51

auch immer gearteten Auseinandersetzung mit einer sie umgebenden und gleichzeitig durch sie produzierten Gesellschaft. Es geht also nicht um Kollektive, um Gruppen von Personen, die sich in ihrer Zusammengehörigkeit über ein gemeinsames Merkmal auszeichnen. Die Frage ist vielmehr, auf welcher eigenen Grundlage, dem sogenannten subjektiv gemeinten Sinn, Individuen handeln. Dieser entspringt biographischen Erfahrungen, einschließlich des historischen Wissens, welches man dem Subjekt im Laufe der Sozialisation zur Verfügung gestellt hat. Gleichzeitig ist dieser subjektive Sinn für alle anderen unzugänglich. Auf welcher Basis wir handeln, mit welcher Motivlage, was wir also mit unserem Tun beabsichtigen, bleibt allen Außenstehenden vom Grundsatz her verschlossen. Jedoch ist unser Handeln nicht frei. Ziele sind stark von den jeweils aktuell vorhandenen Möglichkeiten gekennzeichnet, sie entstehen und verändern sich also situativ im Austausch mit dem Gegenüber (vgl. Joas 1992, S. 227 f.). Gleichzeitig sind auch diese Situationen zwar vom Subjekt zu entscheiden, denn dieses kann Handlungsoptionen verwerfen oder annehmen, das Wissen um solche Optionen ist aber ein gesellschaftlich-historisches. Damit lassen sich für die qualitative Sozialforschung drei Interessenebenen ausmachen. Erstens ist es das Sinnverstehen des Subjekts selbst. Was sind seine Sichtweisen, aufgrund welchen Wissens und welcher Bedeutungen trifft es seine Entscheidungen und plant seine Handlungen? Zweitens sind soziale Situationen gemeint, also die Frage, mit welchen konkreten Methoden Subjekte sich mit anderen organisieren und ordnen und wie, wechselwirkend, diese Organisation den Sinn des Subjekts bestimmt. Und drittens kommen tieferliegende und vom Subjekt zwar mitproduzierte, jedoch weitgehend unabhängige, im Sinne von unzugänglichen Tiefenstrukturen in den Blick (vgl. Flick et al. 2017, S. 18 ff.). Diese Ebenen sind in den verschiedenen Forschungsrichtungen, so bspw. Grounded Theory (Glaser und Strauss), Dokumentarische Methode (Bohnsack), Narrationsanalyse (Schütze), Objektive Hermeneutik (Oevermann), Qualitative Inhaltsanalyse (Mayring), Wissenssoziologische Hermeneutik (Soeffner), unterschiedlich stark betont und ausgeprägt.

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So ist die Objektive Hermeneutik sehr stark an den Tiefenstrukturen interessiert, weniger jedoch am Sinngehalt eines Subjekts in einer Situation, während die Hermeneutische Wissenssoziologie den Sinn des Subjekts in seiner Beziehung zur Gesellschaft zu interpretieren sucht. Aus diesen etwas differierenden Forschungsinteressen und -grundlagen lassen sich nun Auswirkungen auf Forschungsplanung und -durchführung, die Datengewinnung, die Konstitution der Stichprobe sowie die Art des Ergebnisses ableiten. Dies macht es notwendig, die qualitative Forschung in diesem Buch als deutlich unebenere und vielgestaltigere Landschaft vorzustellen, während man für die quantitative Sozialforschung eher von einer einheitlichen und übergreifenden Methodologie sprechen kann.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Hug, T. (Hrsg.) (2001): Wie kommt Wissenschaft zu Wissen? Bd. 2: Einführung in die Forschungsmethodik und Forschungspraxis. Baltmannsweiler, Schneider Verlag (auch online unter: https:// www.uibk.ac.at/wiwiwi/) Jochem Kotthaus und Ken-Michael Neusser

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Welche Gütekriterien muss ich beachten und wie objektiv muss meine Forschung sein? Studentinnen und Studenten, die Einführungsseminare in die Sozialforschung besuchen, geben recht häufig zu verstehen, dass ihre Forschung ja den Anspruch in sich tragen solle, „objektiv“ zu sein – so wie alle Forschung schlechthin. „Sonst“, so lautet der Nachsatz, sei die eigene Arbeit „ja nur subjektiv und damit keine Wissenschaft mehr.“ So werden Wissenschaft und Objektivität bzw. Subjektivität und Nicht-Wissenschaft gleichgesetzt: Analyseergebnisse dürfen mit der forschenden Person nichts zu tun haben. Objektivität scheint dabei das wesentlichste aller Gütekriterien darzustellen. Sie entspricht hier einer Unvoreingenommenheit, d.h. die Ergebnisse der Datenanalyse sind von dem forschenden Subjekt unabhängig. Jemand mit den gleichen Fähigkeiten und dem gleichen forscherischen Geschick muss zu den gleichen Ergebnissen kommen, da es nicht um persönliche Vorlieben geht, sondern um eine „Erkenntnis, die objektiv ist in dem engeren Sinn des Wortes, daß sie die Welt so darstellt, wie sie an sich“ (von Kutschera 1993, S. 271), d.h. ohne das Zutun eines Beobachters, sei. Hinter dieser Vorstellung von der Objektivität empirischer Forschung steht die Annahme, dass einfach vorhandene und erkennbare Realität existiert. Wenn Sie schon ein wenig in diesem Buch geblättert haben, wissen Sie, dass Sie hier bei den erkenntnistheoretischen Grundlagen der verschiedenen Forschungsparadigmen gelandet sind. Es gibt Unterschiede zwischen qualitativer und quantitativer Empirie. In der quantitativen Forschung bezeichnet Objektivität eines der Gütekriterien des Messinstruments und gibt damit einen Hinweis auf die Qualität der Daten, welche erhoben worden sind (vgl. Krebs und Menold 2014, S. 426 f.). Mit Reliabilität (wie genau wird das gemessen, was gemessen werden soll?) und Validität (wird das gemessen, was gemessen werden soll?) gehört die Objektivität (wird die Messung ohne verfälschende Bedingungen durchgeführt?) der Messung zu den unverzichtbaren Gütekriterien. 54

In einer qualitativen Sichtweise sind solche Vorstellungen der Scheidung von Subjekt und Objekt, also der Forscherinnen und Forscher vom beforschten Gegenstand, eher unüblich. Im Rahmen eines solchen Paradigmas von Forschung bedeutet Objektivität also etwas anderes.

Aber wie objektiv muss meine qualitative Forschung sein? Im Kontext eines qualitativen Paradigmas wird stets davon ausgegangen, dass die soziale Welt, in der wir forschen, bereits mit Interpretations- und Deutungsleistungen durchzogen ist. Praktisch alle qualitative Forschung setzt an diesen Interpretationsund Deutungsleistungen an, die wir gemeinsam und getrennt voneinander vollbringen. Eine solche Forschung macht die (Re-)Konstruktionsleistungen sichtbar, die mit dem Forschungsprozess verbunden sind, und bietet damit den Leserinnen und Lesern der Forschung die Möglichkeit, intersubjektiv zu überprüfen, ob sie zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen wie die Forschenden. In der qualitativen Forschung wird deshalb häufiger von Intersubjektivität als von Objektivität als einem relevanten Gütekriterium gesprochen. Von Anfang an wird die Standortgebundenheit der eigenen Forschung mitgedacht und als Teil des Forschungsprozesses gesehen, der Leserinnen und Lesern voll umfänglich zugänglich gemacht werden sollte. Deshalb sind die Methodologie und der Methodenteil einer qualitativen Forschungsarbeit häufig sehr umfangreich, weil genau diese Zugänge zur Forschung und deren Standortgebundenheit geklärt werden müssen. Darin besteht die Objektivität einer qualitativen Forschungsarbeit: in der Offenlegung und Diskussion jedweder Konstruktionsleistungen, die mit dem Forschungsprozess verbunden sind. In einem qualitativen Paradigma gelten also andere Deutungen der Gütekriterien in der Forschung. Man ist bestrebt, Intersubjektivität dadurch herzustellen, dass die Prozesse und Entscheidungen der Forschung minutiös dokumentiert werden. Das bezieht sich bspw. auf Ihr Vorwissen, die Art der Zusammenset-

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zung des Samples, die Situationen der Erhebung, die Datenbearbeitung, die Auffassung vom und Anwendung des Analyse- und Interpretationsverfahrens sowie die Bezugnahme auf gängige Theorie. Sehr hilfreich ist eine Interpretationsgruppe mit Critical Friends, welche, wenn sie wirklich critical und friends sind, Ihre Subjektivität immer wieder hinterfragen werden.

Persönliche Anliegen Es ist weder falsch noch verwerflich, sich einem Thema anzunähern, zu dem Sie einen persönlichen Bezug haben. Anselm Strauss sagte sinngemäß, dass Forschung wirklich viel Arbeit sei und deshalb doch wenigstens Freude bereiten solle. Wichtig erscheint uns, die Form des Bezugs sowohl persönlich als auch in der Forschungsarbeit selbst zu reflektieren. Die wiederholte Selbstbefragung, die mit einer qualitativen Forschungsarbeit einhergeht, stellt gerade in den Anfängen eine große Herausforderung dar. Es könnte sein, dass Sie den Eindruck gewinnen werden, in der Komplexität Ihrer Daten nicht mehr weiter zu wissen. Eine hohe emotionale Beteiligung hilft an dieser Stelle meist wenig und erhöht die Schwierigkeiten der Interpretationsarbeit. Insofern lautet die Frage weniger, ob ein persönliches Anliegen ein Objektivitätsproblem für ein Forschungsinteresse darstellt, als vielmehr, wie Sie mit diesem Anliegen im Forschungsprozess umgehen können.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Strübing, J. (2018): Qualitative Sozialforschung. Eine komprimierte Einführung. Berlin, de Gruyter (2. Aufl.) (insbesondere S. 204–218) Nina Erdmann und Jochem Kotthaus

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Wie verläuft der quantitative Forschungsprozess? Mit Verfahren der qualitativen Sozialforschung ist es möglich, tiefgehende Erkenntnisse über die Lebenswirklichkeit Einzelner zu gewinnen. Häufig sind für die Soziale Arbeit jedoch auch belastbare Erkenntnisse über die Verteilung bestimmter Merkmale über eine Menge von Menschen hinweg von Interesse. Mit Hilfe spezifischer Methoden und Analyseverfahren der quantitativen Sozialforschung lassen sich Einzelinformationen zu allgemein gültigen Aussagen verdichten. Soziale Gegebenheiten werden so quantifiziert, also gemessen und gezählt. Im Folgenden werden relevante Begrifflichkeiten und das grundlegende Vorgehen im Rahmen quantitativer Forschung sowie die Unterschiede zur qualitativen Forschung am Beispiel ausgewählter Fragen einer exemplarischen Untersuchung verdeutlicht. Die folgende Abbildung gibt zunächst einen Überblick über den idealtypischen Ablauf quantitativer Forschung in fünf Schritten. Die einzelnen Schritte werden dann im Verlauf dieses Kapitels aufgegriffen.

Abb. 1: Idealtypischer quantitativer Forschungsablauf in fünf Schritten

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Entwicklung einer Frage- und Themenstellung Stellen Sie sich vor, Sie wären als Schulsozialarbeiterin oder Schulsozialarbeiter an einer Gesamtschule, der Sonnenschule, beschäftigt und hätten die Absicht, sich ein umfassendes Bild vom Mediennutzungsverhalten der Schülerinnen und Schüler zu machen. Hierzu wollen Sie eine schulweite Befragung durchführen. Einzelinterviews sind als Methode der Datenerhebung und -analyse in diesem Fall ungeeignet, denn Ihnen geht es darum, verlässliche Ergebnisse über das Kollektiv der Schülerschaft gewinnen zu können. Sie formulieren also zunächst ein Thema bzw. eine präzise Frage für Ihr Erkenntnisinteresse. Diese kann beispielsweise lauten: „Wie gestaltet sich das Mediennutzungsverhalten an der Sonnenschule?“ Mögliche Unterfragen wären: „Wie verbringen die Schülerinnen und Schüler ihre Freizeit? Welche Rolle spielen dabei soziale Medien? Wie und in welchem Umfang werden soziale Medien genutzt?“

Erarbeitung des theoretischen Hintergrunds Im nächsten Schritt lesen Sie Theorie und arbeiten den allgemeinen Forschungsstand zum Thema auf. Sie tragen also zusammen, was über die Nutzung sozialer Medien durch Jugendliche bereits bekannt ist und geben Antwort auf das Was, Wie, bei Wem, Wann und Wodurch. Bei Ihrer Recherche stoßen Sie unter anderem auf die jüngste Shell Jugendstudie. Die Shell Jugendstudien beschreiben seit 1953 Einstellungen und Verhalten junger Menschen in Deutschland und die von ihnen zu bewältigenden Herausforderungen. Exemplarisch angeführt werden Fragen zum Mediennutzungsverhalten. Anhand der Studien von 2002, 2006, 2010 und 2015 zeigt sich, dass sich die Dauer der Internetnutzung pro Woche in Stunden bei den Jugendlichen zwischen 2002 (durchschnittlich sieben Stunden pro Woche) und 2015 (durchschnittlich 18,4 Stunden pro Woche) kontinuierlich gesteigert und mehr als verdoppelt hat (vgl. Leven und Schneekloth 2016, S. 122). Dieses Ergebnis legt nahe, dass an anderer Stelle weniger Zeit investiert wird, vielleicht in Hinblick auf andere Freizeitbeschäftigungen. Anhand der Ergebnisse der 58

Shell Studie von 2015 kann dies jedoch nicht bestätigt werden. Die Befragten wurden in dieser Untersuchung erstmalig darum gebeten, ihre Zustimmung oder Ablehnung zu folgender Aussage abzugeben: „Ich bin so oft im Internet, dass mir für andere Dinge wenig Zeit bleibt.“ Dabei stimmten 65 % der Befragten gar nicht bzw. nicht zu und nur 5 % stimmten voll und ganz zu. Zusätzlich zeigt sich an anderer Stelle, dass sich Jugendliche in ihrer Freizeit weiterhin an erster Stelle mit Freunden treffen und Musik hören, bevor auf Platz drei im Internet surfen als übliche Freizeitbeschäftigung genannt wird. Die Auseinandersetzung mit dem aktuellen Forschungsstand führt dazu, dass Sie genauer wissen wollen, wie Zeit im Internet und Zeit für andere Freizeitbeschäftigungen zusammenhängen. Sie formulieren eigene Grundannahmen (Hypothesen) für ein eigenes Forschungsvorhaben. Hypothesen sind Aussagen über den Zusammenhang, den Unterschied oder die Veränderung von Merkmalsausprägungen, welche empirisch an der Realität überprüft werden. Dabei besitzt eine Hypothese nur so lange Gültigkeit, wie sie nicht widerlegt werden kann, dies ist das sogenannte Falsifikationsprinzip. Quantitative und qualitative Forschungen unterscheiden sich grundlegend dadurch voneinander, dass im Rahmen quantitativer Forschung zu Beginn des Forschungsprozesses Hypothesen aus Theorien bzw. vorliegendem Vorwissen abgeleitet werden (deduktives Vorgehen). In der qualitativen Forschung hingegen werden Hypothesen erst aus dem erhobenen Material herausgearbeitet (induktives Vorgehen). Im Rahmen einer eigenen Untersuchung an der Schule vor Ort könnten Sie bspw. die Ergebnisse der Shell Studie anzweifeln und folgende Hypothese an Ihrer Stichprobe überprüfen: „Je mehr Zeit die Schülerinnen und Schüler im Internet verbringen, desto weniger Zeit investieren sie in andere Freizeitbeschäftigungen.“ Diese Hypothese würde den Zusammenhang der Dauer der Internetnutzung mit dem Zeitaufwand für andere Freizeitbeschäftigungen untersuchen. Um diese Hypothese zu testen und einen möglichen Zusammenhang aufzeigen zu können, müssten Sie die Schülerinnen und Schüler dabei zum einen danach fragen, wie viel Zeit des Tages sie mit Internetnutzung verbringen, und zum anderen, wie viel Zeit am Tag sie für andere 59

Freizeitbeschäftigungen aufwenden, sowie entsprechende Korrelationen berechnen.

Entwicklung eines Forschungsdesigns I: Stichprobe und Erhebungsverfahren Auf die Formulierung zu überprüfender Hypothesen folgt im nächsten Schritt des quantitativen Forschungsprozesses die Wahl des Untersuchungsdesigns. Zunächst müssen Sie sich Gedanken dazu machen, wen Sie befragen. Würden Sie im Rahmen Ihrer Forschung alle Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule per Fragebogen standardisiert befragen, würde es sich um eine Vollerhebung handeln. Die Schülerinnen und Schüler der Sonnenschule insgesamt stellen dabei die Grundgesamtheit dar. Vollerhebungen sind im Rahmen quantitativer Untersuchungen jedoch eher unüblich, da nicht forschungspragmatisch. Es bedeutet zu viel Aufwand, alle Mitglieder einer Grundgesamtheit zu erheben – und ist unter Beachtung der Gütekriterien auch nicht notwendig. Auch im Rahmen der Shell Jugendstudien werden nicht alle Jugendlichen in Deutschland befragt. Die Stichprobe der 17. Shell Jugendstudie setzt sich aus 2558 Jugendlichen zwischen zwölf und 25 Jahren zusammen. Das bedeutet, dass diese 2558 Jugendlichen stellvertretend für die Grundgesamtheit, also alle deutschen Personen zwischen zwölf und 25 Jahren, Auskunft geben. Bei der Stichprobe der Shell Jugendstudie handelt es sich zudem um eine repräsentative Auswahl. Repräsentativität setzt grundsätzlich voraus, dass eine Stichprobe rein zufällig zusammengesetzt wurde. Die untersuchte Stichprobe stellt ein verkleinertes, näherungsweises Abbild der Grundgesamtheit dar, weswegen Rückschlüsse, die aus den Ergebnissen für die Stichprobe gezogen werden, auch auf die zugrundeliegende Grundgesamtheit übertragbar sind. Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Migrationshintergrund müssen in der Stichprobe gleich verteilt sein wie in der Grundgesamtheit. Besteht eine Grundgesamtheit bspw. zu 52 % aus Frauen und zu 48 % aus Männern, sollte die Untersuchungsstichprobe exakt dieses Verhältnis von weiblichen und männlichen Studienteil-

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nehmern enthalten. Im Rahmen der 17. Shell Jugendstudie wurden sowohl Jugendliche mit deutscher als auch mit ausländischer Staatsangehörigkeit befragt. Unter den Befragten waren alle Schulformen vertreten, außerdem wurden Studentinnen und Studenten, Auszubildende, Erwerbstätige und arbeitslose Jugendliche aus West- und Ostdeutschland befragt. Im nächsten Schritt gilt es nun, sich Gedanken zum Erhebungsverfahren zu machen: Soll eine Quer- oder Längsschnittuntersuchung durchgeführt werden? Soll ein Experimental-Kontrollgruppendesign eingesetzt werden? Welche Methode soll zur Anwendung kommen (schriftliche bzw. mündliche Befragung oder Beobachtung), um den Umgang mit sozialen Medien bei den Einzelnen zu messen? Ziel der Shell Studien ist es, vor allem mögliche Veränderungen von Einstellungen und Verhalten bei den Jugendlichen zu erfassen. Dies setzt ein längsschnittliches Design, also mehrere Erhebungszeitpunkte, voraus. Mit nur einer Messung zu einem beliebigen Zeitpunkt (Querschnittuntersuchung) ließe sich keine Veränderung ermitteln. Wenn hingegen zwei oder mehr Erhebungszeitpunkte angesetzt werden, kann eine mögliche Veränderung zwischen den jeweiligen Erhebungen abgebildet werden. Die Shell Jugendstudien ermöglichen es, Ergebnisse aus zur Zeit 17 Erhebungen miteinander zu vergleichen. Wir nehmen nun einmal an, auch Sie würden nicht nur wissen wollen, wie das Mediennutzungsverhalten an der Sonnenschule zu einem beliebig gewählten Zeitpunkt aussieht. Da Sie im Rahmen Ihrer fiktiven Tätigkeit an der Sonnenschule ein Training zum reflektierten Umgang mit sozialen Medien in der Schule umsetzen wollen, interessieren Sie sich vor allem dafür, ob sich das Mediennutzungsverhalten der Schülerinnen und Schüler dadurch verändert. Um die Wirksamkeit Ihrer Maßnahme zu überprüfen, setzen Sie mehrere Erhebungszeitpunkte ein, wenigstens zwei, und erheben Daten direkt vor dem Training sowie unmittelbar danach. Mögliche langfristige Effekte können Sie ermitteln, indem Sie noch einen dritten Erhebungszeitpunkt, bspw. drei Monate nach Abschluss des Trainings, einsetzen. Hierbei handelt es sich dann um eine Prä-, Post- und Follow-up-Erhebung. Um sichergehen zu können, dass mög-

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licherweise ermittelte Veränderungen tatsächlich auf die Maßnahme selbst und nicht auf andere Faktoren (bspw. natürliche Reifeprozesse der Jugendlichen) zurückzuführen sind, würden Sie sich darüber hinaus für ein Experimental-Kontrollgruppendesign entscheiden. Neben den Schülerinnen und Schülern, die das Training durchlaufen (Experimentalgruppe), würden Sie noch eine zweite Gruppe in die Untersuchung einbeziehen (Kontrollgruppe). Dies könnten Jugendliche einer Parallelklasse sein. Idealerweise weist diese Gruppe ähnliche Merkmale auf wie die Trainingsgruppe (gleiches Alter, gleiche Geschlechts- und Migrationshintergrundverteilung, ähnliches Verhalten in Hinblick auf Mediennutzung), erhält aber zum Zeitpunkt der Untersuchung kein spezifisches Training. Bei Bedarf kann eine sogenannte Wartekontrollgruppe gebildet werden. Das bedeutet, dass auch diese Gruppe an einem Training zur Mediennutzung teilnehmen können wird, allerdings erst nach Beendigung der Untersuchung. In beiden Gruppen erheben Sie Daten zu den gleichen Zeitpunkten. Nehmen wir an, eines Ihrer Ziele wäre es, dass die Schülerinnen und Schüler weniger Zeit für die Nutzung sozialer Medien aufwenden. Die Wirksamkeit Ihrer Maßnahme wäre dann bestätigt, wenn sich in der Trainingsgruppe die Dauer der Mediennutzung über die Erhebungszeitpunkte hinweg signifikant reduzieren würde und in der Kontrollgruppe keine bis negative Veränderungen stattfinden. Im Rahmen von quantitativer Forschung beschränkt man sich in der Regel nicht darauf, die Angaben der Stichprobe zusammenzufassen und zu verdichten, indem statistische Kennwerte wie bspw. Summen- oder Mittelwerte zu einzelnen Merkmalen angegeben werden. Es geht vor allem darum, zu überprüfen, inwiefern die Ergebnisse aus der Stichprobe auf die Grundgesamtheit übertragen werden können. Diese Form der statistischen Prüfung wird auch als Inferenzstatistik bezeichnet. Einen bedeutenden Kennwert stellt dabei die Signifikanz dar. Sie gibt an, wie wahrscheinlich gefundene Unterschiede oder Zusammenhänge sind.

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Entwicklung eines Forschungsdesigns II: Operationalisierung und Durchführung Neben der Frage nach einem Längs- oder Querschnittdesign ist zu überlegen, wie die Daten erhoben werden sollen (bspw. Beobachtung oder Befragung) und wer um eine Einschätzung gebeten wird (Selbsteinschätzungen der Jugendlichen, Fremdeinschätzungen durch die Eltern, Lehrkräfte oder andere). Aus forschungspragmatischen Gründen werden im Rahmen quantitativer Untersuchungen in der Regel standardisierte schriftliche Befragungen eingesetzt und es wird um Selbstauskunft gebeten. Erhebungsinstrumente lassen sich grundsätzlich nach dem Grad ihrer Standardisierung unterscheiden. Das bezieht sich auf die Frage, inwiefern einzelnen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern exakt die gleichen Items oder Fragen zur Beantwortung vorgelegt werden. Im Rahmen von quantitativer Forschung werden hauptsächlich standardisierte Instrumente eingesetzt und Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Teilstandardisierte Instrumente beinhalten eine Mischung aus einer festgelegten Reihenfolge von offenen Fragen und solchen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Nichtstandardisierte Instrumente (bspw. narrative Interviews) hingegen sind so aufgebaut, dass lediglich die Fragen, nicht aber die Antwortmöglichkeiten festgelegt sind. Sie werden vorrangig im Rahmen qualitativer Forschung eingesetzt. Im Gegensatz zur qualitativen Datenerhebung, in der insbesondere Interviewsituationen durch eine oft strenge Methodik gekennzeichnet sind und Wissen über Ort, Zeit, Eindruck der Probandinnen und Probanden, Art der Erzählung und Argumentation, ja sogar Sprechpausen mitunter hohe Bedeutung zukommt, zeichnet sich die standardisierte Erhebung durch eine größere Flexibilität und Wertschätzung solcher Metainformationen aus. Im Rahmen der Shell Jugendstudie wurde auch ein standardisierter schriftlicher Fragebogen zur Selbsteinschätzung entwickelt. Die Befragten füllten ihn jedoch nicht selbstständig aus, sondern geschulte Interviewerinnen und Interviewer leiteten telefonisch durch den Fragebogen und nahmen die Eintragungen direkt in einen Computer vor (Computer Assisted Telephone Interview). Die durchschnittliche Befragungsdauer lag bei ca. 50 Minuten (vgl. Schneekloth und Leven 2016, S. 394). 63

Fragebögen sind in der Regel immer ähnlich aufgebaut: Zunächst wird im Rahmen eines kurzen Einleitungstextes erläutert, worum genau es in der Befragung geht. Es folgt immer auch der Hinweis, dass es wichtig ist, dass die Einzelnen so ehrlich wie möglich antworten, und es hierbei kein Richtig oder Falsch geben kann. Ausgewählte soziodemographische Angaben wie bspw. Alter, Geschlecht, Migrationsstatus und Bildungsstand werden benötigt, um eine Stichprobe gut beschreiben zu können. Sie werden in der Regel ganz am Anfang oder am Ende einer Befragung platziert. Im Rahmen des telefonischen Interviews bei Shell werden diese Fragen unter die Beantwortung der Items gemischt. Nachdem Sie geklärt haben, wen Sie wie und wie häufig befragen, müssen Sie nun spezifizieren, was genau Sie von den Befragten in Erfahrung bringen wollen, also zu welchen Merkmalen oder Variablen Sie Erkenntnisse benötigen. Als Variable wird in der empirischen Sozialforschung ein Merkmal eines Merkmalsträgers bezeichnet. Merkmalsträger können Personen, Gruppen, aber auch Organisationen sein. Diese weisen verschiedene Merkmalsausprägungen auf. „Geschlecht“ als Variable hat bspw. die Merkmalsausprägungen weiblich, männlich oder divers. Um Informationen über komplexere Merkmale zu erhalten, müssen Sie zunächst die für die Forschungsfragen relevanten Begriffe klären und definieren. Nur, wenn den interviewten Personen deutlich ist, worauf Sie mit Ihrer Frage hinauswollen, können diese sich darauf einstellen und Ihnen entsprechend antworten. Um etwas über das Nutzungsverhalten und die Einstellungen von Jugendlichen zu sozialen Medien zu erfahren, wurde im Rahmen der 17. Shell Jugendstudie bspw. zunächst herausgearbeitet, was genau unter sozialen Medien zu verstehen ist. Als soziale Medien werden dabei solche Medien verstanden, die es ermöglichen, „das Internet als sozialen Raum für Kommunikation und Vernetzung“ zu nutzen (Leven und Schneekloth 2016, S. 128). Bei der Suche nach geeigneten Definitionen werden Sie feststellen können, dass die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie Psychologie, Erziehungswissenschaft oder Soziologie unterschiedliche Begriffsklärungen anbieten. Als Forscherinnen und Forscher müssen Sie eine begründete Auswahl treffen und sich auf eine Begriffsklärung festlegen. In 64

einem weiteren Schritt geht es dann darum, das theoretische Konstrukt zu operationalisieren, d.h. beobachtbar zu machen und in ein Messinstrument zu übersetzen. Bei der Durchführung einer Erhebung gilt es auch noch einiges zu bedenken: Welche Rahmenbedingungen müssen für eine erfolgreiche Durchführung gegeben sein, wie viel Zeit wird benötigt, welche Störfaktoren müssen kontrolliert werden, wer führt die Erhebungen durch? Der letzte Punkt ist insbesondere dann wichtig, wenn analytische Forschung und pädagogische Intervention verknüpft werden. In einer reinen quantitativen Erhebung dürfte das eher ungewöhnlich sein, in einer Studie, die im Rahmen Sozialer Arbeit durchgeführt wird, ist ein derartiger Sachverhalt deutlich wahrscheinlicher. Wenn Sie als Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter beispielsweise ein Training zur Mediennutzung durchführen und im Rahmen einer Prä-, Post- und Follow-up-Erhebung die Wirksamkeit untersuchen wollen, sollten Sie nicht selbst die Erhebungen zu den einzelnen Messzeitpunkten anleiten. Hier könnte die Objektivität als wichtiges Gütekriterium verletzt werden, denn es besteht die Gefahr, dass die Jugendlichen nicht frei antworten. Sie könnten ihre Antworten so anpassen, dass diese Ihrem angestrebten Ziel entsprechen, wissen die Befragten doch ganz genau, dass Sie mit der Maßnahme das Ziel verfolgen, zu einem reflektierten und reduzierten Umgang mit sozialen Medien anzuregen. Um Sie nicht zu enttäuschen, könnten sich die Schülerinnen und Schüler deshalb in den Folgebefragungen besser einschätzen als zum ersten Erhebungszeitpunkt. Leitet eine neutrale Person die Befragung an, kann diese Gefahr der Verzerrung minimiert werden.

Aufbereitung und Auswertung der erhobenen Daten Im Rahmen der Datenaufbereitung und -auswertung legen Sie zunächst eine Datenmatrix an, in welche Sie die Rohdaten der Befragung eingeben können. Nützlich sind dabei Tabellenkalkulationsprogramme (z.B. Excel) oder spezielle Statistiksoftware (z.B. SPSS, R oder Stata). Grundsätzlich legen Sie für jeden Befragten eine Zeile an und tragen Ergebnisse für die einzelnen Merkmale spaltenweise ein. Bei nominal- und ordinal65

skalierten Merkmalen weisen Sie den jeweiligen Antwortkategorien zunächst Zahlen zu. Diesen Vorgang nennt man auch codieren. In die Zeilen pro Befragte tragen Sie dann die Zahlenwerte ein, um die gewonnene Information aus den Einzelitems verdichten zu können. So könnten Sie bspw. das Geschlecht mit „1“ für die Merkmalsausprägung männlich, mit „2“ für weiblich und „3“ für divers codieren. Im Falle eines ordinalskalierten Items wäre der Antwort „Stimme voll und ganz zu“ eine „5“, „Stimme zu“ eine „4“, „Teils/teils“ eine „3“, „Stimme nicht zu“ eine „2“ und „Stimme gar nicht zu“ eine „1“ zuzuweisen. Dabei müssen Sie sich auch Gedanken machen, wie Sie mit fehlenden Werten umgehen. Dies ist der Fall, wenn bei einem Befragten kein Ergebnis zu einem bestimmten Merkmal vorliegt. In der Regel codiert man fehlende Werte ebenfalls und vergibt einen Wert wie „-99“. Was die Auswertung angeht, haben Sie eine Vielzahl an Möglichkeiten. Sie können entweder Ihre Stichprobe einfach Frage pro Frage beschreiben und Häufigkeiten und Mittelwerte ermitteln. Sie können aber auch mit Hilfe komplexer statistischer Verfahren mögliche Zusammenhänge oder Unterschiede prüfen und testen, ob sich die in der Stichprobe gefundenen Erkenntnisse auf die Grundgesamtheit übertragen lassen.

Verschriftlichung und Präsentation der Ergebnisse Den letzten Schritt im Forschungsprozess stellt die Berichterstattung dar. Diese erfolgt in der Regel über Forschungsberichte und die Präsentation auf Konferenzen oder Tagungen. In dem Gedankenspiel als Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter der Sonnenschule sollten Sie die Ergebnisse bekannt machen, bspw. auf einer Schulkonferenz. In Ihrer realen Situation als Studentin oder Student wird es wohl die Hausarbeit als Prüfungsleistung sein, in der Ihre Ergebnisse eine Veröffentlichung erfahren. Die Kriterien für die Publikation von Forschungsergebnissen weisen in der Regel aber überall dieselben Merkmale wie sonstige wissenschaftliche Arbeiten auf: Verwendung von Fachsprache, begriffliche Präzision, Objektivität, Fundierung von Aussagen, formal korrekte Darstellung von statistischen Berechnungen, 66

Abbildungen oder auch Literaturverweisen. Quantitative Forschungsberichte sind in der Regel wie folgt gegliedert: Zunächst wird (1) im Rahmen einer Zusammenfassung (Abstract) erläutert, welche Forschungsfragen anhand des Forschungsdesigns untersucht werden, welche zentralen Ergebnisse ermittelt wurden und welche weiteren Implikationen sich daraus für Forschung und/oder Praxis ergeben. Auf das Abstract folgt dann (2) eine Einleitung, die die Relevanz des Themas verdeutlicht und den Gang der Darstellung beschreibt. Im sich (3) hieran anschließenden Theorieteil werden der aktuelle Forschungsstand dargestellt, relevante Begriffe geklärt, die übergeordnete Fragestellung und die Unterfragen literaturbasiert hergeleitet sowie die abgeleiteten Hypothesen für die eigene Forschung beschrieben. Im Methodenteil findet sich (4) in der Regel eine Beschreibung der Stichprobe und der eingesetzten Instrumente sowie eine Erläuterung der Durchführungsbedingungen mit ggf. Besonderheiten. Das Kapitel Ergebnisse beschränkt sich dann (5) rein auf eine neutrale Beschreibung, d.h. eine Darstellung der Ergebnisse. Eine Interpretation derselben wird erst (6) im sich hieran anschließenden Kapitel vorgenommen. Da häufig recht umfangreiche Ergebnisse berichtet werden, gilt es dieses Kapitel übersichtlich und strukturiert zu gestalten, bspw. entlang der Unterfragen. Auch Schaubilder und Tabellen helfen, umfangreiche Ergebnisse kompakt darzustellen. Wichtig ist jedoch, dass die Abbildungen nicht lose zwischen den Textteilen stehen, sondern die in den Abbildungen steckenden Aussagen im Text erläutert werden. Neben der Darstellung der Ergebnisse gilt es diese zu bewerten und daraus Schlussfolgerungen abzuleiten, dies erfolgt im Kapitel Diskussion. Üblich ist es auch, das eigene methodische Vorgehen zu diskutieren. So kann bspw. der Frage nachgegangen werden, inwiefern der Einsatz eines anderen Erhebungsverfahrens oder eines alternativen Instruments andere Ergebnisse generiert hätte. Zur Diskussion gehört auch zu beschreiben, welche Fragen mit der Untersuchung nicht erschöpfend beantwortet werden konnten, Möglichkeiten für Anschlussforschung aufzuzeigen sowie Implikationen für die Praxis abzuleiten. Ein Literaturverzeichnis und ggf. ein Anhang komplettieren (7) den Forschungsbericht. Wenn Sie diesen Hinweisen folgen,

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wird Ihnen das Abfassen eines gut strukturierten Forschungsberichts deutlich leichter fallen. Zu Beginn wurden Sie gebeten, sich vorzustellen, dass Sie eine Untersuchung zum Mediennutzungsverhalten von Schülerinnen und Schülern einer Gesamtschule durchführen wollen. Forschung in der Praxis kennzeichnet immer auch, dass Ergebnisse an der Zielgruppe ausgerichtet kommuniziert und mit ihr diskutiert werden. Angemessen wäre es im Rahmen des fiktiven Beispiels, die Jugendlichen an der Interpretation der Ergebnisse zu beteiligen und die abschließenden Erkenntnisse für die Zielgruppe verständlich aufzubereiten.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Döring, N./Bortz, J. (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Berlin, Springer (5. Aufl.) Janine Linßer

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Wie verläuft der qualitative Forschungsprozess? Qualitative oder nicht-standardisierte Forschung ist dadurch gekennzeichnet, dass auch ihr Verlauf in gewisser Weise einzigartig ist und sich der jeweiligen Fragestellung und dem Erkenntnisinteresse anpasst. Es gilt aber auch, dass der Forschungsverlauf nicht beliebig und den Ideen der Forscherinnen und Forscher unkontrolliert ausgesetzt ist. Es lässt sich also vielleicht kein ganz formalisierter Ablauf formulieren, wie dies in der quantitativen Forschung der Fall ist, wohl jedoch ist es möglich, einige typische Verfahrensschritte zu systematisieren. Wann diese in Ihrem Forschungsprozess stattfinden, lässt jedoch nicht sicher vorhersagen. Dies liegt schon alleine daran, dass unterschiedliche Forschungsmethoden unterschiedliches Material verlangen. So greift die Konversationsanalyse auf natürliches Gesprächsmaterial zurück, d.h. solche Texte, die außerhalb des Forschungskontexts entstanden sind. Hier wird dann keine Interviewphase stattfinden. Die Objektive Hermeneutik wird sich sehr intensiv mit kleineren Datenmengen beschäftigen, die Qualitative Inhaltsanalyse eher mit sehr großen in einer Art und Weise, die der quantitativen Forschung in Bezug auf ihren deduktiven Charakter nicht ganz unähnlich scheint. Wir zeichnen deshalb einen Forschungsablauf nach, der sich an der Grounded Theory orientiert. Die Grounded Theory ist ein vielfach verwendetes, breit diskutiertes und immer wieder umfangreich modifiziertes Forschungsverfahren. Sie ist zudem in gewisser Weise Trendsetter für andere Vorgehensweisen. Vieles von dem, was wir hier kurz anführen, werden Sie auch in der Dokumentarischen Methode oder der Wissenssoziologischen Hermeneutik entsprechend wiederfinden – wenn auch vielleicht mit anderer Terminologie. Man könnte jedoch sagen: Wenn Sie die Grounded Theory in ihrem Ablauf nachvollziehen können, dann vermögen Sie sich in anderen Forschungsmethoden leidlich zu orientieren.

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Das Forschungsinteresse Wie jede Empirie versucht qualitative Forschung Lücken vorheriger Studien zu schließen. Diese Desiderate füllen zu wollen, stellt im Prinzip eine Möglichkeit des Anschlusses an bestehende Forschung dar. In anderen Formen des Anschlusses replizieren, modifizieren, erweitern oder verwerfen Sie die Ergebnisse anderer Studien. In der standardisierten Forschung ist dieses Vorgehen kein Problem: Der erste Schritt noch vor der eigentlichen Empirie ist es immer, sehr breit und ausführlich Literaturarbeit zu betreiben. Aus dieser werden Desiderate abgeleitet und eine neue Forschung aufgebaut. In der qualitativen Empirie sind die Verhältnisse etwas komplizierter. Ausgangspunkt ist hier vielmehr die Annahme, dass Forscherinnen und Forscher wenig vom Gegenstandsbereich verstehen. Dies ist das Credo einer hermeneutisch oder verstehend angelegten qualitativen Empirie. Je weniger Sie initial über das Forschungsfeld wissen, desto stärker sind Sie gezwungen, dem Material und Ihrer Analyse zu vertrauen. Vorannahmen, wie dies grundlagentheoretische oder spezifischen Rahmen darstellen, sind hier oft hinderlich. Auf der anderen Seite wäre es naiv zu fordern, dass Sie theoriefrei Ihre Forschung beginnen. Wie soll dies auch praktisch funktionieren? Wir empfehlen deshalb, einen pragmatischen Zwischenschritt zu wählen. Recherchieren Sie so weit wie nötig, was bereits zum Thema veröffentlicht wurde. Wenn Sie einen Überblick gewonnen haben, ohne selbst zur Expertin oder zum Experten geworden zu sein, ist ein guter Zeitpunkt, zum nächsten Schritt überzugehen und eine Fragestellung zu formulieren. Die weitergehende Literaturarbeit wird dabei nicht vernachlässigt, sie findet begleitend im Lauf der folgenden Forschung und zur Formulierung möglicher theoretischer Kontraste im Verhältnis zu Ihren eigenen Ergebnissen statt.

Die Fragestellung Eine genaue Fragestellung kann noch nicht formuliert werden, da Sie ja noch offen für die Logiken des Feldes sein sollen. Sie 70

wissen einfach nicht genug über den Gegenstandsbereich, um eine konkrete Frage nach seinen Mechanismen, den Abläufen oder dem subjektiv gemeinten Sinn der Menschen zu stellen. Die Analyse eines Datenmaterials, welches sich in seiner Zusammensetzung auf vor der Erhebung vorhandenes Wissen stützt, droht anderenfalls Ihr Wissen lediglich zu bestätigen, anzureichern oder zu verwerfen. Verhandelt wird also das Wissen der Forscherinnen und Forscher über das Forschungsfeld, nicht das der Subjekte selbst. Wir empfehlen deshalb, es mit der Fragestellung vor der eigentlichen Forschung nicht allzu genau zu nehmen und lieber von einem Erkenntnis- oder Forschungsinteresse zu sprechen. Es hört sich ein wenig esoterisch an, aber Ihre Analyse des Datenmaterials wird Sie im Laufe des Forschungsprozesses ausreichend leiten. Das bedeutet, dass sich idealerweise die Fragestellung im Laufe der Datenanalyse ergeben wird. Wünschenswert wäre, wenn Ihnen erst in späteren Phasen der Forschung richtig deutlich wird, was Sie eigentlich die ganze Zeit wissen wollten. Die Fragestellung konkretisiert sich also im Laufe des Forschungsprozesses. Einschränkend muss man sagen, dass insbesondere der Punkt einer konkreten Fragestellung für bspw. die qualitative Inhaltsanalyse bedeutsam und geradezu unverzichtbar wäre. Im Hochschul- und Prüfungsbetrieb stößt ein solches Vorgehen, bei dem die Forschungsfrage langsam heranreift, nicht immer auf Gegenliebe. Je genauer Sie ihr Thema eingrenzen, desto klarer können Sie den Forschungsstand zu Kenntnis nehmen, desto klarer kann die Arbeit vorherbestimmt und geplant werden. Dies erleichtert den Betreuungsaufwand ungemein, man kann Sie nach der Besprechung einer Gliederung Ihrer Forschung und manchmal Ihrem Schicksal überlassen. Qualitative Forschung, deren ‚Sinn‘ sich erst im Laufe der Zeit herauskristallisiert, ist deutlich aufwändiger. Ein solches Vorgehen mit größerer Offenheit der Fragestellung gegenüber hat aber auch einen ganz handfesten, pragmatischen Hintergrund: Mitunter wollen Ihnen die Menschen im Feld einfach nicht erzählen, was Sie von ihnen wissen wollen. Unserer Überzeugung nach hat dies oft sehr viel damit zu tun, dass man die falschen Fragen stellt, nämlich solche, die auf dem 71

eigenen Interesse basieren und nicht der Lebenswirklichkeit der Menschen entsprechen. Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich von den Daten und deren Analyse selbst leiten zu lassen.

Sampling: Dialektik von Datengenerierung und Analyse Die Offenheit in Bezug auf Erkenntnisinteresse und Wissen über den Forschungsgegenstand spiegelt sich auch im Sampling wider. Unter Sampling versteht man zunächst sehr kurz gefasst die Zusammenstellung der Daten, die Sie aus dem und über das Feld generieren. Sie wissen jedoch zu Beginn Ihrer Forschung noch nicht viel über den beforschten Gegenstand. Also können Sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau sagen, mit welchen Menschen Sie sprechen müssen, um etwas über Ihren Gegenstandsbereich zu erfahren. Die Art der Zusammensetzung der Stichprobe, der aus dem Feld ausgewählten Mitglieder, muss also als der vielleicht wichtigste Teil des Forschungsprozesses selbst gesehen werden. Das erste Interview oder die erste Feldbeobachtung sind tatsächlich ein Schuss ins Blaue, wobei Alltagswissen oder Wissen anderer Studien probehalber zur Anwendung kommt. Mey und Mruck (2009) gehen davon aus, dass jede Forschung deshalb in einem ersten Schritt mit einer Erhebungsphase oder einem Sampling beginnt. Dieses Vorgehen setzt konsequent die methodologischen Grundüberlegungen dieser Form der Sozialforschung um: Es werden ja keine Hypothesen geprüft, sondern der Versuch wird unternommen, ein Wissen über den Gegenstandsbereich zu generieren. Damit bleibt eben nur der anfängliche Gang ins Feld, um sich einen Überblick über das Phänomen zu verschaffen. Nach wenigen Interviews oder kurzer Feldbeobachtung wird die Datengenerierung von einer analytischen Phase unterbrochen. In einem zweiten Schritt werden die bisherigen Daten also aufbereitet (transkribiert, gesichtet, geordnet) und vorläufig analysiert. Auf Grundlage eines ersten theoretischen Gehalts, einer vorläufigen Klärung des Gegenstandsbereichs in seiner Gestalt, seinen Zusammenhängen und Funkti-

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onen wird erst dann in einem dritten Schritt neues Material generiert, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der bisher erstellten analytischen Fragmente. Diese können sich als fehlerhaft erweisen. Forscherinnen und Forscher müssen permanent bereit sein, einen Schritt zurückzugehen und ihre theoretischen Einsichten zu verwerfen. Weil dies eine reale Möglichkeit darstellt, wird das Datenmaterial nicht der quantitativen Sozialforschung entsprechend zu Beginn der Erhebung in einem Zuge gesammelt. Qualitative Forschung oszilliert also permanent zwischen Theorie- und Feldnähe (vgl. Mey und Mruck 2009). Dieses Vorgehen nennt sich theoretisches Sampling, der Abschluss der Forschung ist zum Zeitpunkt der theoretischen Sättigung erreicht, also dann, wenn neues Datenmaterial keine neuen theoretischen Einsichten zum Gegenstandsbereich und dem Forschungsinteresse liefert. Wann dieser Punkt gekommen ist, d.h. wie viele Schritte notwendig sind, eine theoretische Sättigung zu erreichen, lässt sich nicht sicher einschätzen. Zeitplanerisch ist es schwierig zu sagen, wann welche Ergebnisse feststehen. Das ermöglicht eine Vielzahl an spannenden Resultaten, macht aber auch Forschung weniger beherrschbar. Forschungsökonomisch kann es daher Sinn machen, Forschungen zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beenden oder bestimmte Entscheidungen zu treffen, die diese zum Abschluss bringen.

Das System des Iterativen Jetzt könnten Sie denken: Das ist sehr praktisch, anything goes, denn dann könnten Sie die Erhebungsmethode und das Auswertungsverfahren nach Lust und Laune mischen. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Art und Weise, wie die Daten erhoben oder gesammelt oder zusammengestellt werden, bestimmt auch, welche Daten überhaupt generiert werden. Und die meisten Auswertungsmethoden sind recht wählerisch, was die Art der Daten anbelangt, mit denen sie arbeiten können. So kann man der quantitativen Sozialforschung in der Regel nicht mit statistisch unvergleichbaren Daten wie narrativen Erzählungen kommen, die Konversationsanalyse wäre über die Transkripte von Leitfadeninterviews ebenso unglücklich wie über materielle Artefakte 73

wie die Beipackzettel von Kopfschmerztabletten (vgl. Kleemann, Krähnke und Matuschek 2013, S. 36 ff.). Barney Glaser war einer der beiden Entwickler der Grounded Theory. Sein Diktum „All is data“, also dass alles in letzter Konsequenz ein Datum sei und sich deshalb als solches verwenden lasse (vgl. Glaser 2001, S. 145), ist einerseits richtig: Alle Texte, Beobachtungen und Artefakte sind für die Forschung interessant, weil sie zum einen etwas über sich, die Welt, in der sie stattfinden oder entstanden sind, aber eben auch über uns und unsere Position in der Welt sagen können. Methodisch ist diese Allgestalt von Daten jedoch nur dann zu proklamieren, wenn man wie Glaser den Anspruch erhebt, eine Methode entwickelt zu haben, die auf sämtliche Daten in gleicher Weise einen analytischen Zugriff besitze. Die meisten Auswertungsmethoden formulieren ihren eigenen Anspruch deutlich bescheidener. Auch bei der Datenanalyse gilt, dass der Gegenstand die Methode bestimmt. Das soll heißen: Um etwas Bestimmtes zu erforschen, benötigen Sie ein bestimmtes Instrument der Generierung und Analyse von Daten. Die Zusammenhänge zwischen Datengenerierung und Analyse reichen noch tiefer. Die Grounded Theory hat das Prinzip des iterativen Forschungsprozesses populär gemacht. Grob gesprochen bedeutet dies, dass sich Phasen der Datengenerierung (also der Feldnähe) und der Analyse (also der Theorienähe) konsequent nicht nur abwechseln, sondern aufeinander aufbauen. Jeder Schritt des Forschungsprozesses hat also klar zu erfassende Auswirkungen auf den nächsten und steigert kontinuierlich den theoretischen Gehalt der Untersuchung. Unter dieser Prämisse geht es also nicht um die Frage, welche Daten für welche Analysemethode geeignet sind, sondern um den inneren Zusammenhang einer Ordnung. Auch andere Analysemethoden rechnen dieses Prinzip zu ihren methodologischen Grundannahmen, diese werden in der Vorstellung der einzelnen Forschungsmethoden kurz angesprochen.

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Verschriftlichung und Veröffentlichung Sie haben bereits gemerkt, dass die qualitative Forschung von einer scheinbaren Gleichzeitigkeit geprägt ist, die gerade Anfängerinnen und Anfänger mitunter recht schnell überwältigen kann. In der Frage der Verschriftlichung der Ergebnisse verhält es sich nicht grundsätzlich anders. Auch hier findet zwar die letzte Zusammenfassung nach dem Ende des Analyseprozesses statt, die Verschriftlichung selbst beginnt jedoch mit dem Start der Forschung und wird in deren Verlauf permanent fortgesetzt. Das für die qualitative Forschung vielleicht typischste Format sind die sogenannten Memos. Gemeint sind damit kurze Verschriftlichungssequenzen, welche bewusst einen unfertigen Charakter besitzen und im Laufe des Forschungsprozesses permanent weiter- und umgearbeitet werden. Sehr hilfreich sind Prozess- und Theoriememos. In Prozessmemos werden tagebuchartig Überlegungen und Entscheidungen zur Methode, zum Sampling sowie zu Feldkontakten etc. aufgenommen. Im Idealfalle lässt sich so der gesamte Forschungsprozess auch zu einem späteren Zeitpunkt sehr klar nachvollziehen. Die Prozessmemos bilden dann die Grundlage der Methodendiskussion, welche bei regelmäßiger Anfertigung der Memos nicht nur sehr informativ und grundlegend, sondern auch rasch erstellt werden kann. Im Prinzip stellt die Methodendiskussion eine Verdichtung der Prozessmemos dar. Deren analytisches Äquivalent sind Theoriememos. Hier werden theoretische Bruchstücke, Ideen sowie Verweise gesammelt und im Laufe der Zeit angereichert, verdichtet, zusammengeführt, verworfen und ausgearbeitet. Halten Sie die sicherlich mit hoher Selbstdisziplin verbundene Aufgabe des regelmäßigen Verfassens von Theoriememos durch, so bilden diese die Basis der Theorie, die das Ergebnis Ihres Forschungsprozesses darstellt. Wie immer gilt auch hier: Je besser die Vorarbeiten, d.h. je umfangreicher und konsequenter Memos im Forschungsprozess begleitend verfasst werden, desto leichter fällt die Verschriftlichung als abschließende Arbeit.

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Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Pentzold, C./Bischof, A./Heise, N. (Hrsg.) (2017): Praxis Grounded Theory. Theoriegenerierendes empirisches Forschen in medienbezogenen Lebenswelten. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Wiesbaden, VS Judith von der Heyde und Jochem Kotthaus

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Teil B Datengenerierung

Wie werden Merkmale in der quantitativen Sozialforschung gemessen? Zum Vorgang der Operationalisierung Die Konstruktion eines standardisierten Instruments ist eine recht diffizile Angelegenheit, die hochgradig davon abhängt, dass das zu untersuchende Konstrukt sinnvoll und messbar operationalisiert wird. Hierunter ist der Prozess zu verstehen, von der begrifflich-theoretischen Ebene auf die Beobachtungsebene zu wechseln und theoretische Phänomene ‚zählbar‘ zu machen. Die nachfolgende Skala „Dabei sein im ‚Social Web‘“ der Shell Jugendstudie 2015 bezieht sich auf soziale Medien und ist das Ergebnis einer solchen Operationalisierung. Wie dieser Prozess funktioniert, wird anhand dieses Beispiels nun veranschaulicht.

Tab. 1: Skala „Dabei sein im ‚Social Web‘“ (n = 2369, α = .79)3 (vgl. Leven und Schneekloth 2016, S. 127 f.)

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Die statistischen Kennwerte wurden im Rahmen einer eigenen Berechnung ermittelt. Über den Datenbestand des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften (GESIS) kann auf die Daten der Erhebungen von 2002, 2006, 2010 und 2015 zugegriffen werden. Online unter: https://

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Variablen und Skalierung Merkmale, die direkt beobachtet werden können, wie bspw. das Alter oder das Geschlecht, sind einfach zu operationalisieren. Sie werden auch als manifeste Variablen bezeichnet. Komplizierter wird es bei Merkmalen, die nicht direkt beobachtbar sind. Eine solche latente Variablen ist bspw. „Dabei sein im ‚Social Web‘“. Die Operationalisierung und Messung nicht direkt beobachtbarer Merkmale erfolgt in der Regel über einen Test. In der Sozialwissenschaft werden im Rahmen von Tests vor allem Ratingskalen eingesetzt. Für latente Variablen werden dabei eine Menge von Indikatoren identifiziert, die als empirisch äquivalent gelten und das Merkmal beobachtbar machen. Die Indikatoren werden in diesem Fall auch als Items bezeichnet. „Dabei sein im ‚Social Web‘“ setzt sich aus fünf verschiedenen Einzelaussagen zusammen, die aufgrund theoretischer Vorüberlegungen abgeleitet wurden. Grundsätzlich können Items neben Aussagen auch Aufgaben oder Fragen sein, auf welche die Befragten reagieren sollen. Diese werden dann gebeten, ihre Einschätzung zu vorgegebenen Aussagen abzugeben. Dabei können sie häufig aus fünf- bis siebenstufigen Antwortformaten eine Auswahl treffen. Üblicherweise werden Antwortformate eingesetzt, anhand derer Häufigkeiten oder Bewertungen ermittelt werden. Ein häufig angewandtes Antwortformat stellt wie im Beispiel der Skala „Dabei sein im ‚Social Web‘“ der Shell Jugendstudie die nach Rensis Likert benannte Likert-Skala dar. Die Befragten wählen ihre Antwort aus dem Spektrum „Stimme voll und ganz zu“ bis „Stimme gar nicht zu“ aus. Ob eine gerade oder ungerade Anzahl an Antworten ermöglicht werden sollte, ist nicht pauschal zu sagen. Eine ungerade Anzahl an Antwortmöglichkeiten unterstützt die Tendenz zur Mitte im Antwortverhalten, eine gerade Anzahl forciert eine eindeutige Positionierung beim Befragten. Grundsätzlich gilt es auch zu überlegen, ob den Befragten wie im obigen Beispiel die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ggf. auch auf „Weiß nicht“ auszuweichen, oder ob sie zur dbk.gesis.org/dbksearch/sdesc2.asp?no=5245&search=Shell%20Jugendstudie&search2=&field=all&field2=&DB=d&tab=0¬abs= &nf=1&af=&ll=10 (3.3.2020).

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Beantwortung gezwungen werden sollen. Je nach Alter der Befragten ist auch eine zusätzliche Visualisierung der jeweiligen Antwortmöglichkeiten hilfreich, insbesondere bei kleinen Kindern bspw. mit Smileys oder Daumensymbolen. Im nächsten Schritt werden die unterschiedlichen Ausprägungen der Antworten dann quantifiziert, indem ihnen Messwerte zugeordnet werden. Diesen Vorgang nennt man Codierung. Die Antwortmöglichkeiten der Items für die Skala „Dabei sein im ‚Social Web‘“ wurden dabei folgendermaßen codiert: „Stimme voll und ganz zu“ wurde eine „5“, „Stimme ziemlich zu“ eine „4“, „Stimme etwas zu“ eine „3“, „Stimme wenig zu“ eine „2“ und „Stimme gar nicht zu“ eine „1“ zugewiesen. Merkmale wie das Geschlecht könnten Sie bspw. mit „1“ für die Merkmalsausprägung männlich, mit „2“ für weiblich und „3“ für divers codieren. Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass ein Messinstrument in der Regel aus mehreren Skalen und Einzelfragen besteht, da meist nicht nur ein latentes Merkmal, sondern mehrere von Interesse für die Beantwortung der Forschungsfrage sind. Zudem ist es üblich, eigene Skalen nur für Merkmale zu entwickeln, für die noch kein Instrument zur Verfügung steht, da die Erarbeitung eines solchen Messinstrumentes aufwendig ist. Ein neu entwickeltes Instrument wird vor dem Einsatz im Feld immer auch geprüft, indem ein sogenannter Pretest mit Personen, die nicht der Stichprobe angehören, aber vergleichbar sind, durchgeführt wird. Damit ist es möglich, Fehler, aber auch Unverständlichkeiten bei Item-Formulierungen etc. zu identifizieren und diese anzupassen. Neu entwickelte Skalen werden auch mit einer größeren Item-Menge getestet. Die Endversion einer Skala ergibt sich aus den Ergebnissen des Pretests. So kann bspw. anhand einer Faktorenanalyse ermittelt werden, ob alle ausgewählten Items auch tatsächlich auf einem Faktor laden. Diejenigen, die eine zu geringe Ladung aufweisen, werden entfernt.

Nur was gemessen wurde, kann ausgewertet werden Im Rahmen der Auswertung werden dann die Anzahl der analysierten Antworten (n), das arithmetische Mittel (M) und die 81

Standardabweichung (SD) pro Item angegeben. Das arithmetische Mittel ist der Durchschnittswert. Die Standardabweichung gibt an, wie weit alle Werte um den Mittelwert streuen. Je nachdem, an welches Publikum sich eine Veröffentlichung richtet, sind Abweichungen hiervon möglich, so dass bspw. nur eine Verteilung des Antwortverhaltens dargestellt werden kann. Sie finden diese Werte auch in der Tabelle oben. Nicht in die Auswertung einbezogen werden fehlende Antworten. Auch „Weißnicht“-Angaben werden bei der Berechnung des Durchschnittswertes pro Item nicht berücksichtigt. Grundsätzlich können die Einzelwerte auch zu einem Gesamtwert aufaddiert werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass negativ formulierte Items dann umzucodieren sind. Die Beschreibung einer Stichprobe über Häufigkeiten und statistische Kennwerte wie arithmetisches Mittel und Standardabweichung heißt deskriptive Statistik. Im Rahmen einer Inferenzstatistik oder Prüfstatistik wird überprüft, ob bspw. Stichprobenresultate über Zusammenhänge von Merkmalen auf eine Grundgesamtheit übertragen werden können. Hierzu muss jedoch das Skalenniveau der Variablen bekannt sein, da die unterschiedlichen Skalenniveaus unterschiedliche Berechnungen zulassen. Nominalskalierte Merkmale (=, ≠) Nominale Merkmale sind kategorial, was bedeutet, dass den Merkmalsausprägungen für weitere statistische Auswertungen zunächst Zahlen zugewiesen werden. Weiteres Kennzeichen ist, dass die Ausprägungen unterschiedlich, d.h. nicht gleich sein können, es aber nicht möglich ist, sie in eine Rangfolge zu bringen. Die Ausprägungen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die Zuweisung einer Zahl erfolgt willkürlich und hat nur eine ordnende Funktion. Beispiele sind hier Geschlecht (1 = männlich / 2 = weiblich), Familienstand (1 = ledig / 2 = verheiratet / 3 = verpartnert / 4 = verwitwet), Haarfarbe (1 = blond / 2 = braun / 3 = rot / 4 = schwarz) oder Parteizugehörigkeit (1 = AfD / 2 = CDU / 3 = FDP / 4 = SPD / 5 = Grüne / 6 = Die Linke). Nominalskalierte Merkmale können lediglich danach eingeteilt werden, ob sie gleich oder nicht gleich sind. 82

Ordinalskalierte Merkmale (=, ≠; >, , , Y] Die Variable X beeinflusst die Variable Y Beispiel: Der Mensabesuch hat Einfluss auf die Leistung im Studium. [Y -> X] Die Variable Y beeinflusst die Variable X Beispiel: Die Leistung im Studium hat einen Einfluss auf den Mensabesuch. [X Y] Die Variablen X und Y beeinflussen sich gegenseitig Beispiel: Ein häufiger Mensabesuch wirkt sich auf die Noten aus und je nach Note besucht man häufiger / weniger oft die Mensa. Scheinkorrelation [Z -> (X Y)] Eine dritte Variable (Z) beeinflusst in Wirklichkeit X und Y.

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Beispiel: Die Variable „Zeitlicher Aufenthalt an der Uni“ beeinflusst den Mensabesuch und auch die Leistung im Studium. Je häufiger sich ein Student an der Uni aufhält, desto häufiger geht er in die Mensa, und je häufiger er an der Uni ist, desto besser sind seine Leistungen im Studium. Um soziale Phänomene zu untersuchen, trifft man zunächst theoretische Annahmen. Bei Professor Statista war die Annahme, dass der Mensabesuch etwas mit der Leistung seiner Studierenden zu tun hat. Statistische Methoden sind dabei das Werkzeug, um herauszufinden, ob sich die theoretischen Annahmen empirisch bestätigen lassen, also sehr wahrscheinlich angenommen werden können, oder vielleicht doch zufällig entstanden sind. Es gibt noch sehr viel mehr statistische Verfahren, aber für einen ersten Einblick soll dies eine Hilfe sein.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Burzan, N. (2015): Quantitative Methoden kompakt. Konstanz, utb Silke Kohrs

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Wie werden die Daten in der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet? Das zentrale Ziel der Qualitativen Inhaltsanalyse besteht darin, das Datenmaterial anhand von Kategorien zu systematisieren. Sie stellen sich nun vermutlich die Frage, wie das praktisch funktioniert. Wie werden Kategorien gebildet bzw. angewandt und welchen Zweck verfolgt diese Vorgehensweise? Die Basis der Qualitativen Inhaltsanalyse bildet dabei die Formulierung von Regeln der Analyse, indem Ablaufmodelle, Analyseeinheiten und inhaltsanalytische Regeln zu Beginn durch den Forscher bzw. die Forscherin festgelegt werden. Auch hier gilt wieder, dass die verschiedenen Vertreter und Vertreterinnen der Qualitativen Inhaltsanalyse auch verschiedene praktische Umsetzungsstrategien beschreiben (vgl. Schreier 2014). Wir orientieren uns im Folgenden an der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015). Mayring betont, dass seine Regeln für jede Studie immer wieder neu festgelegt werden müssen und dass die Qualitative Inhaltsanalyse nicht als reine Technik stets auf die gleiche Art und Weise angewandt werden kann. Dies erfordert von Ihnen als Anwender und Anwenderinnen eine große Reflexionsleistung, da Sie die allgemeinen Prinzipien der Inhaltsanalyse auf Ihre eigene Forschungsfrage und das Ziel Ihrer Studie übertragen müssen.

Ablauf der Qualitativen Inhaltsanalyse Die praktische Umsetzung der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) hat das zentrale Ziel, ein Kategoriensystem zu entwickeln. Auf dem Weg dorthin sieht die Qualitative Inhaltsanalyse folgende Schritte vor: (1) Zunächst soll eine Festlegung und Vorstellung des zur Verfügung stehenden Materials erfolgen (z.B. Art, Anzahl und Umfang der Interviews). (2) Daran schließt eine Betrachtung der Entstehungssituation des Materials (z.B. Umstände der Entstehung der Interviews) sowie (3) eine Beschreibung des Materials (z.B. Art und Weise der Verschrift184

lichung der Interviews, d.h. Transkriptionsregeln) an. Nach dieser Bestimmung des Ausgangsmaterials steht die eigentliche Analyse des Materials an. (4) Jetzt erfolgt die Bestimmung der Analyserichtung über die Festlegung auf eine theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung. Das meint nichts anderes als die Frage: Was soll genau im Material (z.B. im Interviewtranskript) gesucht bzw. gefunden werden? (5) Danach legen sich Forscherinnen und Forscher auf die verwendete(n) spezielle(n) Analysetechnik(en), die nach der nächsten Zwischenüberschrift vorgestellt werden, sowie auf ein Ablaufmodell der Analyse fest. Das geschieht, indem die Kodiereinheit (der kleinste Bestandteil einer Kategorie, z.B. Wortbestandteile, Wörter, Wortgruppen), die Kontexteinheit (Was darf zur Erklärung herangezogen werden, z.B. Sätze, Absätze?) sowie die Auswertungseinheit (In welcher Reihenfolge sollen welche Ausschnitte des Materials ausgewertet werden?) bestimmt werden. (6) Danach kommen die bereits im Schritt (5) ausgewählte(n) spezielle(n) Analysetechnik(en) zur Anwendung. (7) Die Analyse des Materials erfolgt mit dem Ziel, die Ergebnisse in einem Kategoriensystem zusammenzustellen und in Richtung der Fragestellung zu interpretieren. Dieses Vorgehen erläutern wir Ihnen im Anschluss an die Analysetechniken. Die unter (5) angeführten drei speziellen Analysetechniken bilden die Grundtechniken der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015). Sie nennen sich Strukturierung, Zusammenfassung und Explikation. Diese drei Grundtechniken der Analyse müssen nicht zwingend einzeln zur Anwendung kommen, sondern können auch gleichzeitig durchgeführt werden. Die Wahl der Techniken richtet sich dabei nach der Fragestellung und Richtung der Analyse. Mayring (2015) selbst macht hier keine Vorgaben zur Auswahl und Zusammenstellung der Grundtechniken. Nachfolgend werden diese drei Techniken ausführlich beschrieben.

Spezielle Analysetechnik Strukturierung Strukturierung beschreibt die deduktive Anwendung von Kategorien. Theoriegeleitet werden vorab Kategorien, auch Codes 185

genannt, erstellt, um im Anschluss das Datenmaterial auf dieser Basis zu systematisieren. Kurz gesagt werden dann bei der deduktiven Kategorienanwendung die Kategorien wie eine Schablone auf das Datenmaterial gelegt und Textstellen, die laut Kategoriendefinition auf eine Kategorie zutreffen, werden durch die Schablone (Definition) herausgefiltert. Mayring und Brunner (2013) verwenden hierfür die Metapher eines Rechens, mit dem Laub aufgefegt wird. Die Zacken des Rechens stellen die vorab definierten Kategorien dar, der über den Rasen des Datenmaterials gezogen wird, wodurch Laub, gemeint sind die relevanten Textstellen, an den Zacken hängen bleiben. Mayring (2015) unterscheidet bei der Analysetechnik der Strukturierung vier Untergruppen, in denen die Kategorien jeweils unterschiedlich angewandt werden können: (a) formale Strukturierung (Formalien können syntaktische oder semantische Kriterien sein: z.B. Eigenheiten im Satzbau); (b) inhaltliche Strukturierung (Filterung und Zusammenfassung spezifischer thematischer Aspekte: z.B. Stressoren im Berufsleben von Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen); (c) typisierende Strukturierung (Definition bestimmter Merkmale/Ausprägungen, auf die das Datenmaterial hin untersucht wird: z.B. Typisierung einer Rangordnung (Hierarchie) in Arbeitsteams als hierarchisch oder flach); (d) skalierende Strukturierung (Systematisierung des Materials, um es mittels einer Skala zu bewerten: z.B. Strukturierung von Emotionen in ihren Ausprägungen als hoch, mittel und niedrig).

Spezielle Analysetechnik Zusammenfassung Die Technik der Zusammenfassung beschreibt die induktive Entwicklung von Kategorien. Sie startet sozusagen von der entgegengesetzten Seite der deduktiven Vorgehensweise und entwickelt die Kategorien aus dem Datenmaterial heraus. Das Ziel dieser Analysetechnik besteht darin, eine Abbildung bzw. eine Zusammenfassung des Datenmaterials auf einer zuvor definierten Abstraktionsebene (Verallgemeinerungsebene) zu erarbeiten. Zu Beginn gibt es – um bei der Metapher zu bleiben – nur den Rasen, auf dem noch unüberschaubares Chaos von Gräsern, Laub und Unkraut (Datenmaterial) herrscht. Wir wollen aber 186

versuchen, eine Ordnung herzustellen und verschiedene Haufen (Kategorien) zu sortieren. Die Fragen, die sich uns dabei stellen, sind: Mit welchem Zacken (Definition) muss der Rechen ausgestattet werden, um Ordnung herzustellen? Welche Zacken sind notwendig, um Laub oder Unkraut auf einem Haufen zu bündeln? Zu Beginn der Analyse kennen wir die Beschaffenheit der Definition noch nicht, d.h. wir müssen diese Zacken noch entwickeln. Zugrundeliegende Theorien spielen dabei anders als bei der Analysetechnik der Strukturierung zunächst keine Rolle, sondern die Fragestellung der Studie wird hier genutzt, um die manifesten und/oder latenten Sinngehalte zur Beantwortung dieser Frage so zusammenzufassen, dass ein wissenschaftliches Abbild des Gesagten entsteht, ohne relevante Aspekte zu verlieren. Dazu finden einzelne Schritte zur Verallgemeinerung statt. In einem ersten Schritt der Paraphrasierung werden nur inhaltstragende Textstellen zur weiteren Bearbeitung belassen, Füllwörter sowie Ausschmückungen werden gestrichen. Darauf aufbauend werden im zweiten Schritt alle Paraphrasierungen, die nicht dem definierten Verallgemeinerungsniveau entsprechen, auf das nächstfolgende Niveau abstrahiert (Generalisierung). Weiterhin werden inhaltsgleiche sowie unwichtige Paraphrasen gestrichen, dieser Schritt wird als Reduktion bezeichnet. Aus diesen Schritten entsteht das Kategoriensystem, das auf Vollständigkeit der bearbeiteten Aussagen erneut überprüft werden muss. Dies geschieht, indem die im Material entwickelten Kategorien erneut in dem zuvor analysierten Material gesucht werden. Dieses Vorgehen nennt sich iteratives Vorgehen, der Begriff iterativ lässt sich dabei aus der Mathematik erklären und meint: sich schrittweise in wiederholten Rechengängen der exakten Lösung annähernd.

Spezielle Analysetechnik Explikation Explikation beschreibt die dritte Grundtechnik. Es handelt sich hierbei nicht um eine neue Analyserichtung, diese Technik dient allein dem Textverständnis. Sie wird eingesetzt, wenn Forscherinnen und Forscher Stellen im Datenmaterial finden, die nicht

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ohne Weiteres verstanden werden. Es handelt sich also zum Beispiel um Textstellen in Interviewtranskripten, die aus verschiedenen Gründen (wie zum Beispiel ein Sprichwort in lateinischer Sprache) erklärt werden müssen. Auch wenn die Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmer dem gleichen Sprachkreis angehören, gibt es dennoch Ausdrücke oder Aussagen, deren Verständnis erst durch Kontextualisierung erschlossen werden kann. Zu diesem Zweck eignen sich enge und weite Kontextanalysen. Die enge Kontextanalyse sieht vor, dass z.B. in den Interviewdaten zusätzliches Material gesucht wird. Dabei können ähnliche Aussagen oder Passagen zum Verständnis der zu deutenden Textstelle beitragen. Wenn das lateinische Zitat etwa an anderer Stelle im Interview erklärt wird, können Sie diese Erklärung für die enge Kontextanalyse nutzen. Führt das noch nicht zum Erfolg, kann in einem zweiten Schritt eine weite Kontextanalyse angeschlossen werden. Ziel ist dabei, Quellen zu finden und zu nutzen, die zum Textverständnis und zur Klärung beitragen. Beispielsweise können hier Lexikoneinträge, Hintergrundwissen aus Interviewprotokollen (Postskriptum) sowie theoretische Annahmen und Modelle aus der Forschungsliteratur einbezogen werden. Findet sich also im Interview keine klärende Aussage, können Sie mittels Wörterbüchern herausfinden, welche Bedeutung das lateinische Sprichwort letztlich hat.

Das Kategoriensystem als Schritt zur Gesamtinterpretation Letztlich dienen die drei speziellen Analysetechniken Strukturierung, Zusammenfassung und Explikation sowie die Formulierung von Regeln der Analyse dem übergeordneten Ziel, ein Kategoriensystem zu entwickeln. Dieses Kategoriensystem stellt einerseits den Ausgangspunkt der deduktiven Kategorienanwendung als auch das Resultat der induktiven Kategorienbildung dar. Es entsteht durch eine fortwährende Rücküberprüfung und Überarbeitung am Material (z.B. den Interviewtranskripten). Den meisten Studierenden stellt sich gerade an dieser Stelle die Frage: Und was mache ich nun mit diesem Kategoriensystem, wenn ich mit der Arbeit am Material fertig bin? 188

Mayring und Brunner (2013) beantworten dies für die meisten qualitativ arbeitenden Forscherinnen und Forscher eher unbefriedigend, indem sie darauf verweisen, dass die Zuordnungen der Inhalte des Materials wie etwa der Interviewaussagen zu Kategorien meistens quantifiziert, d.h. ausgezählt werden. Im Allgemeinen verfolgen qualitativ ausgerichtete Studien aber den Anspruch, „Lebenswelten von ,innen heraus‘ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben“ (Flick et al. 2017, S. 14), was über eine quantifizierende Analyse nur schwer möglich ist. Möchten Sie also an dieser Stelle im Sinne des qualitativen Forschungsparadigmas weiterarbeiten, empfiehlt es sich, sich nach anderen Möglichkeiten der weiterführenden Verarbeitung des Kategoriensystems umzugucken. Es bietet sich u.a. die Weiterentwicklung der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) an. Er zeigt verschiedene Wege auf. Zum Beispiel können Sie das Kategoriensystem selbst in die Analyse einbeziehen, indem Sie nicht nur lineare Beziehungen unter den Kategorien annehmen, sondern berücksichtigen, dass Kategorien sich auch anderweitig zueinander verhalten können; bspw. hierarchisch oder netzwerkartig und sich gegenseitig bedingend. Darüber hinaus ist es möglich, die Strukturierungsdimension im Kategoriensystem zu betrachten. Dafür kann nach Kuckartz (2016) eine kategorienorientierte oder fallorientierte Perspektive Grundlage der Auswertungen sein. Bei einer kategorienorientierten Fragestellung betrachten Sie Ihre Kategorien nur im Hinblick auf die dort thematisierten Inhalte je Kategorie und berücksichtigen die Perspektiven z.B. der Interviewpersonen nicht weiter in Ihren Auswertungen. Über eine fallorientierte Strukturierung hingegen stellen Sie die Perspektiven der befragten Personen über die entwickelten Kategorien dar. Dieser zweite Ansatz kann auch dafür genutzt werden, auf der Basis des Kategoriensystems ergänzend Fallanalysen zu erstellen. Dabei muss ein Fall nicht zwingend eine Person sein, es kann sich auch um eine Organisation wie z.B. öffentliche oder private Träger handeln. Neben dem Ansatz der beschreibenden Fallanalyse können auch vergleichende Auswertungsschritte angeschlossen werden, wie die fallübergreifende Analyse. Hier können die Einzelfälle miteinander verglichen und weitergehend sogar bei Bedarf zu einer Typologie entwickelt werden. 189

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Mayring, P./Gahleitner, S. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Bock, K./Miethe, I. (Hrsg.): Handbuch qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit. Opladen, Budrich, S. 295–304 Anne Gisske und Viola Hartung-Beck

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Wie verläuft die Datenauswertung der Grounded Theory? In methodischer Hinsicht baut die Grounded Theory auf den Prozess des permanenten Vergleichens und die Kodierung als zentrales Verfahren. Was ist gemeint? Obwohl die Grounded Theory mitunter in Anspruch nimmt, vielfältige Daten beherrschen zu können, verwenden die meisten Forscherinnen und Forscher sie für textförmiges Material, d.h. Interviewtranskripte. Obwohl Interviews bereits Reflexionen des Alltags darstellen, muss dieses Material im Akademischen auf den Sinngehalt des Gesagten hin bearbeitet werden. Was ist damit gemeint? Ein Text kann als glatte und dem Akademischen zunächst unzugängliche Fläche verstanden werden, hinter der sich die Bedeutungen und der Sinngehalt des Sprechers bzw. der Sprecherin verbergen. Im Alltag bleiben uns viele Implikationen und Verweisungen des Texts verborgen. Den tatsächlichen Sinn des Gesagten zu wissen, bleibt dem Sagenden vorbehalten. Als Alltagsmenschen müssen wir diese Details nicht wahrnehmen und nicht verstehen, um Interaktionen fortzuführen und den Fluss des Handelns nicht versiegen zu lassen. In der Wissenschaft interessiert jedoch, was die Menschen mit ihrem Sprechen zu verstehen geben, also der Überschuss an Mitteilungen, der für alltägliche Situationen nicht notwendig ist. Um an diesen Gehalt zu gelangen, muss das Datenmaterial, im Regelfall der Text, wie Anselm Strauss sagt, „aufgebrochen“ werden. Dies geschieht mittels verschiedener Kodierungsformen.

Offenes Kodieren Der Kodierungsprozess beginnt mit dem offenen Kodieren, einem Arbeitsvorgang, der darauf ausgerichtet ist, die „Forschungsarbeit zu eröffnen“ (Strauss 1990, S. 58), also eine regelgeleitete und nicht zufällige Auseinandersetzung einzuleiten. Die Aufgabe der Kodes (im engl. Original: Code) ist es, das in

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der Regel textförmig vorliegende Material bearbeitbar zu machen. Nicht das rohe Datenmaterial, sondern dessen Bearbeitung und die darin auffindbaren Relationen sind die Bausteine der Kategorien, welche wiederum als zentrale Elemente der zu entwickelnden Theorie anzusehen sind (vgl. Corbin und Strauss 1990). Das Datenmaterial wird in erkennbare Vorfälle, Ideen, Handlungen und Meinungen zerlegt. Diesen Arbeitsgang nennt Strauss Konzeptualisierung. Dem zerlegten Material wird sodann ein Name gegeben, der in besonderer Weise sprechend für das herausgearbeitete Konzept ist, eben ein Kode. Ist das Datenmaterial ausgesprochen treffend, empfiehlt Strauss die Verwendung dieses originalen Texts als In-Vivo-Kodes (vgl. Strauss und Corbin 1998, S. 105). Kodes sind also nicht das Datenmaterial selbst, sondern ein analytisches Produkt, das dem Geschick (und der Perspektive) der Forscherinnen und Forscher unterliegt. Die Art des Suchens nach Konzepten, also dem theoretischen Gehalt dessen, was gesprochen wurde, wird permanentes Vergleichen (Constant Comparison) genannt. Vergleiche finden während des gesamten Auswertungsprozesses statt und beziehen sich auf das Datenmaterial, Konzepte, Kodes oder Kategorien. Vergleiche können innerhalb eines Falls (bspw. einer Feldbeobachtung oder eines Interview), jedoch auch über den Einzelfall hinweg vollzogen werden. Minimale Vergleiche suchen nach Ähnlichkeiten, sie entdecken korrespondierende Sinnbedeutungen und können damit den theoretischen Gehalt, welcher in den Konzeptionalisierungen steckt, relationieren und ausdifferenzieren. Aus einer theoretischen Spur, einer Einmaligkeit (ohne dass dies die Notwendigkeit oder Legitimität des Zählens von Häufigkeiten bedeuten soll) wird so eine Kategorie, welche in einer gesättigten Breite dargestellt werden kann. Sie kann verfeinert und gleichzeitig in ihrem theoretischen Gehalt robuster konstruiert werden. Maximale Vergleiche wiederum dienen der Abgrenzung des Phänomens, der Klärung von Randbereichen. Sie sind dazu angetan, Widersprüchlichkeiten und Grenzen (oder deren Fehlen) aufzuzeigen und damit letztendlich die Kategorien wiederum in ihrem theoretischen Gehalt zu sättigen (vgl. Mey und Mruck 2009, S. 111 f.). Diese theoretische Ausformung und Aggregierung einzelner Kodes zu einer Kategorie stellt den Übergang in das axiale Kodieren dar. 192

Axiales und selektives Kodieren Diese Relationierung der Kategorien stellt den Übergang vom offenen zum axialen Kodieren dar. Kodes stehen in der Grounded Theory von Beginn an nicht alleine. Über das Verfahren des permanenten Vergleichs stehen Kodes und damit die ihnen zugrundeliegenden Konzeptionierungen immer in einem Bezug zu anderen. Im Forschungsprozess bilden sich so sehr schnell Cluster, d.h. Anordnungen von Kodes, denen man intuitiv eine größere Nähe unterstellt. Oft werden diese Cluster wieder auseinandergerissen, neu zusammengesetzt oder aufgelöst – Grounded Theory ist ein sehr dynamisches Forschungsverfahren. Kodeverdichtungen bilden die Basis für Kategorien. Kategorien sind, etwas anders als in der Qualitativen Inhaltsanalyse, nicht als leere Container gedacht, die mit Kodes gefüllt werden können. Das Kategorienverständnis der Grounded Theory ist deutlich fluider. Man könnte Kategorien als sich permanent verformende Kodeaggregate, welche von einer gemeinsamen Idee oder besser: einem theoretischen und konzeptionellen Gehalt durchzogen werden, bezeichnen. Oder anders: „Kategorien sind aufgeklärte Verdichtungen“ (Muckel 2007, S. 217) der Kodes und der dahinterliegenden Konzepte. Das Erkennen dieses theoretischen Gehalts, der Zusammenhang innerhalb der und zwischen den Kategorien erklärt sich durch die abduktive Logik der Grounded Theory: „Kategorien sind die Grundpfeiler der sich entwickelnden Theorie. Sie weisen selbst Merkmale/Eigenschaften auf, die als Subkategorien verstanden werden. Wie Kategorien das Gerüst der G[rounded] T[heory] bilden, so sind Subkategorien die Gerüste der einzelnen Kategorien. Während die Bezeichnung hierfür in der deutschsprachigen Literatur und den Übersetzungen englischer Werke ins Deutsche variiert – es wird z. B. von Merkmalen, Eigenschaften oder Dimensionen von Kategorien gesprochen –, wird in der englischen Originalliteratur für Subkategorien relativ konsistent der Begriff properties verwandt“ (Mey und Mruck 2009, S. 115). Das axiale Kodieren stellt also einen zunehmenden Grad an Abstraktion, Verdichtung und Herausarbeitung dar. Es schafft eine Ordnung im Chaos der Sinnbedeutung und fügt diese in nachvollziehbare Zusammenhänge. 193

Der Forschungsprozess erfolgt dabei nicht linear, sondern iterativ. Dies bedeutet, dass sich einzelne Arbeitsschritte wie das offene und axiale Kodieren permanent abwechseln, und zwar stetig auf einem theoretisch höheren Niveau. Der abschließende Kodierschritt der Grounded Theory ist das selektive Kodieren. Die Relationierungen zwischen den unterschiedlichen, im axialen Kodieren herausgearbeiteten Kategorien sollen nun mit Hilfe des sogenannten Kodierparadigmas geklärt werden (vgl. Strauss und Corbin 1998, S. 127). Auf die zentrale oder Kernkategorie wirken bestimmte Faktoren: ursächliche Bedingungen, Kontextfaktoren, die Antizipation von Konsequenzen sowie die Taktiken oder Strategien, die die Generierung oder Durchführung des Phänomens wahrscheinlich machen (vgl. Böhm 1994, S. 131 f.). Diese Bedingungen sind selbst wieder als Kategorien darstellbar.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Breuer, F./Muckel, P./Dieris, B. (2019): Reflexive Grounded Theory. Eine Einführung für die Forschungspraxis. Wiesbaden, VS (4. Aufl.) Jochem Kotthaus

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Wie werden die Daten in der Dokumentarischen Methode ausgewertet? Die Dokumentarische Methode lässt sich auf ein sehr breites Spektrum an Datenmaterial beziehen. Für die Soziale Arbeit sind diese Zugänge sämtlich relevant zur Gewinnung von Erkenntnissen für die Profession sowie die akademische Disziplin und werden bereits vielfältig angewandt (vgl. Bohnsack et al. 2018b). Mit der Dokumentarischen Methode ist Textinterpretation ebenso möglich wie die Analyse von (Bewegt-)Bildern. Die dokumentarische Textinterpretation lässt sich auf Gruppendiskussionen, narrative Interviews, Beobachtungsprotokolle (teilnehmende Beobachtung), Tischgespräche, Akten, Konzepte und Zeitungsartikel anwenden. Die Bildinterpretation kann sich auf videogestützte Gruppendiskussionen, videogestützte Beobachtungen sowie Bildanalysen (private Fotos, Werbebilder etc.) beziehen. Ein großer Vorteil des Verfahrens ist es somit, dass sich die verschiedenen Herangehensweisen innerhalb eines methodologischen Rahmens triangulieren lassen und die Reichweite der Erkenntnisbildung zunimmt. Für eine Dokumentarische Interpretation im Rahmen des Studiums ist dies noch nicht ratsam, da der Aufwand hierfür zu hoch wäre. Zu Beginn des Studiums geht es um didaktische Ziele, die dem Erkenntnisgewinn über Alltagskommunikation und implizite Wissensformen dienen (vgl. Schäffer 2009). Im Folgenden wird das praktische Vorgehen während der Textinterpretation vertieft dargestellt, da dieses für noch unerfahrene Forscherinnen und Forscher eher beherrschbar ist als die Bildinterpretation. Da es sich bei der Gruppendiskussion und dem narrativen Interview um Sozialformen handelt, die stark mit der Dokumentarischen Methode assoziiert sind, nehmen wir insbesondere auf diese Bezug.

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Datengrundlage: Gruppendiskussionen und narrative Interviews Gruppendiskussionen wie auch Einzelinterviews können bereits ab Studienbeginn durchgeführt werden und bieten einen guten Zugang zu Expertinnen und Experten wie auch Adressatinnen und Adressaten. Gruppendiskussionen können von Studienanfängerinnen und Studienanfängern auch zu zweit geführt werden, da es sich bei den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern ebenfalls mindestens um zwei Personen handelt. Es gibt somit keine ‚Übermacht‘ der Forschenden. Da eine Gruppendiskussion auch transkribiert werden muss, sollte die Gruppengröße auf maximal fünf Personen begrenzt sein, da ansonsten eine zusätzliche Videographie zur Identifikation der jeweiligen Sprechenden ratsam ist. Es ist empfehlenswert, dass die Diskussionsteilnehmenden sich zu Beginn der Aufnahme vorstellen, um später die Sprecherrollen identifizieren zu können. Für die Transkription werden in der Regel mindestens drei inhaltlich und formal in sich geschlossene Passagen ausgewählt: (1) die Eingangspassage, (2) Passagen, die sich auf das Erkenntnisinteresse oder die Fragestellung beziehen bzw. die thematische Vergleichbarkeit mit entsprechenden Passagen aus anderen Interviews oder Gruppendiskussionen gewährleisten sowie (3) Passagen mit hoher metaphorischer Dichte und Selbstläufigkeit. Diese äußert sich in einem hohen (emotionalen) Engagement der Beteiligten und die Sprecher und Sprecherinnen unterbrechen sich wechselseitig, es entsteht eine interaktive Dichte. Häufig haben die Äußerungen auch bildhaften Charakter. An derart metaphorischen Stellen kommen die für die Gruppen zentralen Orientierungen, die Erlebnis- und Orientierungszentren der Gruppe, in besonders prägnanter Weise zum Ausdruck. Die Transkription in der Dokumentarischen Methode ist sehr detailliert. So wird bspw. das Rautezeichen verwendet, wenn Redebeiträge der einzelnen Sprechenden gleichzeitig erfolgten. Sprechpausen werden mit Zahlen in Klammern kenntlich gemacht, wobei die Zahlen sich auf die Länge der Pause in Sekunden beziehen. Das @-Zeichen wird bei einem Lachen gebraucht (vgl. zu den Richtlinien der Transkription Bohnsack et al. 2018b, S. 307). Um die Methode vertieft zu erlernen, kann es 196

wichtig und hilfreich sein, das gesamte Interview zu transkribieren. So ist es gerade für Anfängerinnen und Anfänger leichter, die Relevanz thematischer Wechsel oder von vordergründig nicht zur Fragestellung Gehörigem zu erkennen. Die eigentliche Auswertung besteht aus zwei wesentlichen Schritten, der formulierenden und der reflektierenden Interpretation. Sie zielen darauf, den beschriebenen Wechsel vom Was? zum Wie? forschungsmethodisch einzulösen und Handlungspraxis rekonstruieren zu können. In einem ersten Schritt wird die Gruppendiskussion oder das narrative Interview hinsichtlich der angesprochenen Themen erfasst, die in einer tabellarischen Übersicht festgehalten werden. Die Eingangspassage sowie die ausgewählten Passagen werden erst formulierend und dann reflektierend interpretiert. Um das Beschriebene an einem Beispiel zu verdeutlichen, wird im Folgenden ein kurzer Ausschnitt einer Gruppendiskussion vorgestellt, in der zwei Schülerinnen über die materielle Ausstattung einer Schule berichten (vgl. Streblow 2005, S. 203).

Der Zweischritt der Dokumentarischen Methode Die formulierende Interpretation fasst das Gesagte zunächst inhaltlich zusammen, sie „ist die (Re-)Formulierung dessen, was von den Erforschten selbst expliziert, also wörtlich mitgeteilt wurde“ (Bohnsack 2010, S. 252). Die formulierende Interpretation unterscheidet zwischen Oberthemen (OT) und Unterthemen (UT). Ein Oberthema kann einen Absatz ausmachen oder sich auch über mehrere Seiten erstrecken. Ein Wechsel der Sprecherinnen und Sprecher bedeutet nicht, dass es zu einem neuen Thema kommt. Im Gegenteil wird ein Thema von der Gruppe häufig von mehreren Sprechern nacheinander verhandelt. Ein Oberthema kann mehrere Unterthemen beinhalten. Das hier vorgestellte Oberthema lautet „zu viel – zu wenig“ (Streblow 2005, S. 203).

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

Sarah:

Barbara: Sarah:

Barbara:

Ich mein, wir ham – wir kriegen hier nichts, wir kriegen [Auslassung] o.k. die Cafeteria wurde jetzt gemacht und so Schulstation #wurde auch gemacht für uns aber# # Aber (1) und dann verkaufen # wer Brötchen, aber […] wir wollen doch lieber Bücher haben oder so, anstatt so ne Cafeteria. #Wir kriegen keine Bücher, wir kriegen gar nichts.# #Wir kriegen in Englisch keine Bücher,# in Mathe kriegen wir Bücher, was machen wir daraus? Nichts, die liegen zu Hause und gehen kaputt.

Die Vielzahl von Stellen, an denen gleichzeitig gesprochen wird, weist darauf hin, dass es sich um eine interaktiv dichte Stelle handelt, eine Fokussierungsmetapher. Während der Diskussion entsteht der Eindruck, als könnten die Mädchen die Sätze wechselseitig füreinander fortsetzen. Dieser Ausschnitt (wie auch die gesamte Passage) ist daher für die Interpretation von besonderem Interesse. Eine formulierende Interpretation würde nun bspw. derart aussehen: Oberthema: „zu viel – zu wenig“ Unterthema: „Cafeteria und Schulstation versus Bücher“

Sarah und Barbara lehnen neue Einrichtungen der Schule, eine Cafeteria und eine Schulstation, ab. Sie fordern stattdessen die Anschaffung von Büchern. Dabei stellen sie fest, dass auch vorhandene Bücher nicht genutzt werden, diese „liegen zu Hause und gehen kaputt“. Um nicht vorschnell zu weitgehend zu interpretieren, werden auffällige Formulierungen zunächst wörtlich übernommen und nicht ersetzt. „ich komm aus da Mülltonne“ (Streblow 2005, S. 138) äußerte beispielsweise ein Mädchen in einer Gruppendiskussion. Der Ausdruck „Mülltonne“ ist metaphorischer Natur, wird für die reflektierende Interpretation relevant und daher nicht mit anderen Worten zusammengefasst.

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Reflektierende Interpretation Im nächsten Schritt geht es um das Herzstück der Methode, die reflektierende Interpretation. Im Unterschied zur Entschlüsselung der verschiedenen Themen geht es nun um die Frage, wie ein Thema bearbeitet wird, „wie das Mitgeteilte hergestellt wird“ (Bohnsack 2010, S. 252). Für die reflektierende Interpretation macht sich die Dokumentarische Methode erzähltheoretische Grundlagen zunutze (vgl. Schütze 1987). Die Textsorte, die der Handlungspraxis am nächsten kommt, ist neben der Beschreibung vor allem die Erzählung. Erzählungen beziehen sich auf ein einmaliges Ereignis, Beschreibungen auf Wiederkehrendes. Im Unterschied dazu stehen theoretisierende Aussagen, die in ihrem Verhältnis zu den Erzählungen und Beschreibungen rekonstruiert werden. In Gruppendiskussionen wird vor allem auch der Diskursorganisation Beachtung geschenkt: Wie nehmen die Sprechenden aufeinander Bezug? Widersprechen sie einander oder bestärken sie sich wechselseitig? Teilt die Gruppe eine kollektive Orientierung oder gibt es mehrere Orientierungen? Ein sequenzanalytischer Dreischritt ist der Dokumentarischen Interpretation unabhängig von der Erhebungsform zu Eigen: (a) Welches Thema (erste Äußerung) (b) in welchem Rahmen (Anschlussäußerung) entfaltet und (c) wie zum Abschluss gebracht (Konklusion) wird bildet die zu analysierende Einheit (vgl. Bohnsack 2010, S. 252). Es wird also nicht nur die erste sequenzielle Einheit betrachtet, bspw. „Ich mein, wir ham - wir kriegen hier nichts“ (siehe den Ausschnitt oben), sondern auch die Fortsetzung (in der Gruppe setzt Barbara das Thema fort). Diese wird mit weiteren Fortsetzungen in dieser sowie weiteren Gruppendiskussionen verglichen. In der Dokumentarischen Methode sind Propositionen von besonderer Bedeutung. Der Begriff geht auf Harold Garfinkel zurück und meint den semantischen Gehalt oder Orientierungsgehalt, der in theoretisierenden, beschreibenden oder erzählenden alltäglichen Darstellungen zum Ausdruck gebracht wird. Sarah bringt in dem obigen Ausschnitt der Gruppendiskussion die Proposition der schlechten Ausstattung der Schule ein. Eine Erwartung, die von Seiten der Schule zu erfüllen wäre, deutet sich 199

an. Diese Erwartung wird jedoch in keiner Weise erfüllt; die Schülerinnen bleiben unversorgt und abgehängt, „kriegen gar nichts“. Eine Cafeteria der Schule wird erwähnt, könnte einen positiven Gegenhorizont darstellen, der jedoch nicht entfaltet wird. Barbara greift die Thematik auf und bezeichnet die Schulstation als „gemacht für uns“ (vgl. Streblow 2005, S. 203), identifiziert sie mithin in sehr allgemeiner Form als ein Angebot für die gesamte Schülerschaft. Allerdings knüpft sie an die Erwähnung der Cafeteria an und identifiziert auf diese Weise im Fortgang der Passage die neuen Errungenschaften der Schule, die Cafeteria und die Schulstation, nicht als schulisch. Die Einrichtungen werden der schlechten Versorgung mit Unterrichtsmaterialien gegenübergestellt, die Sarah und Barbara stattdessen einfordern. Die Ausweitung des schulischen Angebots in den sozialen Bereich bzw. die Alltagskultur wird abgelehnt, eine Bildungsorientierung wird zum Ausdruck gebracht. Indem Sarah und Barbara darauf verweisen, dass sie keine Bücher haben bzw. nicht mit ihnen arbeiten, passiert zweierlei: Erstens wehren sich die beiden Schülerinnen auf der wörtlichen Ebene gegen Etikettierungen der Lehrkräfte, die zuvor in der Gruppendiskussion erwähnt werden: „ihr könnt nich denken, ihr seid dumm.“ Sie können also gar kein Wissen ansammeln, da die Lehrkräfte dies verhindern. Die Bücher stehen metaphorisch für Wissenserwerb, der ihnen in jeder Hinsicht unmöglich ist. Zweitens zeigt sich auf der Ebene des Dokumentsinns die Passivität des Orientierungsgehaltes: Die Schülerinnen können mit den Büchern, also dem schulischen Leistungsprinzip, gar nichts anfangen. Die Bücher „liegen zu Hause und gehen kaputt“. Ohne ihr Zutun werden die Bücher unbrauchbar, sie lassen die Finger davon und trotzdem tritt eine schädigende Wirkung ein. Die Schulbücher werden im Herkunftsmilieu („zu Hause“) belassen, aber dort erlangen sie keinen Zugang zu Bildungsangeboten und -erfordernissen.

Komparative Analyse Charakteristisch für die Dokumentarische Methode ist die empirische Suche nach Vergleichshorizonten als fallvergleichendes 200

Vorgehen. Dabei werden nicht nur die verschiedenen Passagen eines Interviews vergleichend betrachtet (fallinterne komparative Analyse), sondern vor allem weitere Interviews oder Gruppendiskussionen (Beobachtungsprotokolle etc.) hinzugezogen. Zu Beginn des Studiums ist dies in der Regel (je nach Semesterwochenstunden und Studienorganisation) nicht leistbar. Hier ist das Ziel eine Fallbeschreibung, die Aufbereitung der reflektierenden Interpretation. In einer Bachelorarbeit ist erwart- und leistbar, dass ein Fallvergleich durchgeführt wird. Würde beispielsweise aus obigem Beispiel der Rückschluss gezogen werden, die Schulsozialarbeit erreiche an der untersuchten Schule die Jugendlichen nicht, wäre das ein Fehlschluss. Erst im Rahmen einer komparativen Analyse wird deutlich, welche Jugendlichen mit welchen Erfahrungshintergründen von der Schulsozialarbeit profitieren. Das folgende Beispiel soll dies verdeutlichen (vgl. Streblow 2005, S. 112 f.). Interviewerin: Corinna: Tanja: Lilo:

Corinna:

Und die Schulstation, wann nutzt ihr die so? ((prustet)) Jedes Mal, wenn ich rausfliege (1), also fast jeden zweiten Tag […] Ich war fast mein ganzes anderes Schuljahr in der Schulstation, @hätt‘ ich eigentlich übernachten können@, ich war den ganzen Tag in der Schulstation […] ((Rascheln)) Wir machen hier unsere Hausschlüssel. ((allgemeines Lachen))

Im Unterschied zur ersten Gruppe, die Etikettierungs- und Ausgrenzungsprozesse beklagt und passiv erleidet, erfährt sich diese Gruppe, auch unter den Bedingungen der Ausgrenzung, als aktiv. So kann im Rahmen der reflektierenden Interpretation erkannt werden, dass sich in Tanjas Äußerung, dass sie die Lehrerin nicht mag, dokumentiert, dass sie Ausgrenzungsprozesse selber in Gang bringt und sich somit aktiv zeigen kann. Lilo war den „ganzen Tag“ in der Schulstation. Die Schulstation bietet eine Entlastungsfunktion und eine Ausweichmöglichkeit. Die Entlastung ergibt sich sowohl für die Lehrkräfte (keine Auseinandersetzung mit schulisch nicht konformen Schülerinnen und Schülern) als auch für die Schülerinnen und Schüler der Gruppe (die bessere Alternative zum Unterricht). 201

Auf der anderen Seite wird die Schulstation zu einem okkupierten Raum, in dem eine große Vertrautheit entsteht und die Gruppe sich wohlfühlt: „hätt ich eigentlich übernachten können“. In diesem Sinne kann die sich anschließende Äußerung von Corinna als metaphorischer Höhepunkt dieses Ausschnitts gelesen werden. Bei der nun folgenden (komprimiert vorgetragenen) Interpretation wird erkennbar, welche verschiedenen Lesarten einander ergänzend wie Tastbewegungen versuchen, sich der Sinnhaftigkeit des Handelns der Jugendlichen zu nähern: Die Schulstation erhält im kollektiven Wunsch der Gruppe einen höheren Stellenwert als das eigene Zuhause, sie wird zum selbst gewählten imaginativen Zuhause, für das sich die Gruppe nun einen Hausschlüssel anfertigen möchte. Gleichzeitig gewährleistet ein Hausschlüssel auch Unabhängigkeit von den Lehrerinnen und Lehrern, die ansonsten den Zugang zur Schulstation reglementieren. Über die Metapher des Hausschlüssels gelingt es ihnen, die Degradierungserfahrungen seitens der Lehrkräfte auszuklammern und eine selbst erzeugte Erwünschtheit herzustellen. Denn wer einen Schlüssel besitzt, genießt damit auch Befugnisse. Wenn die Schulstation also einen höheren Stellenwert als das Zuhause der Jugendlichen erhält und auch die Unabhängigkeit von der Institution Schule angestrebt wird, kann die Schulstation nicht mit dem Milieu der Schülerinnen und Schüler gleichgesetzt werden. Stattdessen gibt es eine dritte Möglichkeit: Die Schulsozialarbeit verhält sich neutral, und zwar sowohl in Bezug auf das Herkunftsmilieu als auch gegenüber der Schule als Organisation. Dies ist besonders wichtig, wenn es darum geht, ‚bildungsferne‘ Jugendliche pädagogisch erreichen zu wollen (vgl. auch Streblow 2008). Die Erfahrungen dieser Gruppe kontrastieren mithin maximal zu denjenigen der zuvor vorgestellten Gruppe. Beide Gruppen lassen sich in unterschiedlichen Typen verorten. Auf die Bildung von Typen wird im nächsten Abschnitt eingegangen.

Typenbildung, Diskurs- und Fallbeschreibung Das eigentliche Ziel einer Forschung im Vorgehen der Dokumentarischen Methode ist die Bildung einer Typologie (vgl. ausführlicher zur Typenbildung Bohnsack et al. 2018a). Typisiert 202

werden in der Dokumentarischen Methode keine Einzelpersonen oder individuellen Haltungen, sondern überindividuelle, kollektive Erfahrungsräume. Es geht im Ergebnis um mehrdimensionale Typologien. Der Zugang zum Untersuchungsgegenstand erfolgt meistens über Einzelpersonen (oder Gruppen). Bisher können mit der Dokumentarischen Methode drei Arten der Typenbildung voneinander unterschieden werden: Auf einer ersten Stufe handelt es sich um die (1) sinngenetische Typenbildung und die (2) relationale Typenbildung. Darauf aufbauend erfolgt die (3) soziogenetische Typenbildung, welche sich jedoch als recht komplex und zeitaufwändig darstellt und deshalb nicht immer durchgeführt wird. Sinngenetische Typenbildung Auf der sinngenetischen Ebene werden die kollektiven Bedeutungen der Gesprächsinhalte (bzw. Interview- und Dokumenteninhalte) erschlossen, die den Akteurinnen und Akteuren selbst nicht ohne Weiteres bewusst sind. So sind die Reaktionen auf die Schulstation in den beiden beispielhaften Gruppendiskussionen oben grundverschieden und kontrastieren auffällig. Auf dieser Ebene der Generalisierung geht es allerdings nicht mehr um einzelne Themen und Problemstellungen und die Reaktion darauf. Vielmehr müssen die rekonstruierten Orientierungen sich themen- und passagenübergreifend in mehreren Gruppen finden und einen gemeinsamen Bezugspunkt haben. Bohnsack nennt dies das Tertium Comparationis. Orientierungen, die übergreifend zu finden sind, werden vom Einzelfall abstrahiert und typisiert. Für die identifizierten Typen werden Bezeichnungen gesucht, die dem Charakter der rekonstruierten Bedeutungsgehalte entsprechen. Im vorgestellten Beispiel wurde die primäre Anpassung an die Schule und die Schulsozialarbeit von der sekundären Anpassung unterschieden. Es kann zu Varianten innerhalb von Typen kommen, so dass ggf. zwischen Ober- und Untertypen unterschieden werden kann.

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Relationale Typenbildung Werden unterschiedliche Dimensionen eines Falls nicht auf bestimmte Erfahrungsräume, sondern in Relation zueinander betrachtet, steht am Ende eine relationale Typenbildung, wie sie neben Radvan (2010) insbesondere von Nohl (2013) ausgearbeitet wurde. Soziogenetische Typenbildung Bei der soziogenetischen Typenbildung geht es um die Bedeutung der Hintergründe der sinngenetischen Typen: Haben die bisher gebildeten Typen mit dem Geschlecht zu tun und gleichzeitig auch mit ländlicher oder städtischer Sozialisation? Oder mit dem Alter? Vielleicht mit dem Bildungshintergrund? Es wird nicht ein Merkmal aus den Daten extrapoliert, sondern es werden die Dimensionen stets in ihrem Verhältnis zueinander und in ihrer möglichen Überlagerung betrachtet.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Bohnsack, R. (2014): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen, Budrich Claudia Streblow-Poser

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Wie werden die Daten mit Objektiver Hermeneutik ausgewertet? Der Maler Gerhard Richter sagte einmal: „Alles sehen, nichts begreifen“. Da war er optimistisch. Die Phänomene, die die Objektive Hermeneutik interessieren, sind nicht einmal zu sehen, denn sie liegen unterhalb der Oberfläche. Um die Bedeutung von Handlungen sowie gesellschaftliche Entwicklungstendenzen zu entschlüsseln und die ihnen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten zu verstehen, bedarf es eines geeigneten Protokolls, in dem dieses Handeln bzw. diese Entwicklungen einen Ausdruck finden. Es entspricht etwa den Spuren, die Kriminalisten und Kriminalistinnen am Tatort vorfinden. Aus ihnen wird der Tathergang rekonstruiert ebenso wie mögliche Täterinnen und Täter identifiziert. Im übertragenen Sinne wird auf diesem Weg auch die Handlungsstruktur rekonstruiert. Zu solchen Spuren gehören ganz wesentlich Texte, weil sich die sinnstrukturierte Welt durch Sprache konstituiert und sich diese in Texten ausdrückt. Der Textbegriff ist dabei weit gefasst, es gehören Interviewtranskripte ebenso dazu wie Zeitungsartikel und Tagebücher, aber auch Fotos, Skulpturen, Baupläne, Videos und andere Ergebnisse bzw. Artefakte menschlichen Handelns. Welche Art von Protokollen geeignet ist, hängt von der jeweiligen Fragestellung ab.

Fragestellung klären: Was ist der Fall? Mit dem Fall ist in der Objektiven Hermeneutik nicht ein handelndes Subjekt gemeint (z.B. Angestellte des Job-Centers), auch nicht das Datenmaterial (z.B. Interview). Beides wäre verdinglichend, denn beim Fall handelt es sich um eine analytische Kategorie, die nicht mit den Personen verwechselt werden darf und nicht auf die Daten zu verkürzen ist. Unter dem Fall ist stattdessen die jeweilige Fragestellung zu verstehen, die anhand des vorliegenden Materials beantwortet werden soll. Diese muss

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also zunächst geklärt bzw. präzisiert werden, denn im Forschungsprozess hat ja eine vorliegende (meist allgemeinere) Fragestellung zur Erhebung eines bestimmten Datenmaterials geführt. Wenn also die Fragestellung zum Beispiel lautet, mit welchem Selbstverständnis interagieren Sozialarbeitende mit ihren Klientinnen und Klienten? Dann kann das Interview mit einer Arbeitsvermittlerin des Job-Centers in der Weise darüber Auskunft geben, dass in ihren Äußerungen ihre für sie typische Haltung den Klientinnen und Klienten gegenüber zum Ausdruck kommt ebenso wie typische Deutungsmuster über Personen, die Arbeitslosengeld II erhalten.

Interaktionseinbettung Wenn der Fall geklärt ist, muss das vorliegende Material daraufhin untersucht werden, ob es für die Beantwortung der Fragestellung geeignet ist. Wenn wir etwas über das Berufshandeln von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern wissen wollen, dann wäre ein geeignetes Protokoll der Handlungspraxis die Dokumentation einer Interaktion mit einem Klienten z.B. als Video- oder Audiomitschnitt. Auch ein Akteneintrag wäre ein geeignetes Dokument. Gegenüber diesem Material aus der Praxis selbst, das das Handeln direkt abbildet, ist ein Forschungsinterview mit einer Sozialarbeiterin und einem Sozialarbeiter die zweitbeste Lösung, weil es das Berufshandeln nur indirekt über die Reflexion des eigenen Handelns zeigt. Doch auch im Sprechen über den Beruf lassen sich entscheidende Charakteristika wie Haltungen und Deutungen rekonstruieren. Dies geschieht nun regelgeleitet, damit die Interpretationen methodisch kontrolliert, methodologisch begründbar und damit gültig sind.

Die Textanalyse Auch wenn das Verständnis von Text in der Objektiven Hermeneutik weit ist und auch Objekte wie Bilder oder Gegenstände umfasst, also allgemein Ausdrucksgestalten von Handeln, widmet sich die Analyse meist sprachlichen Gebilden. Bei einer Audioaufnahme eines Interviews ist es das Transkript, welches für 206

die Vorgehensweise der Objektiven Hermeneutik sehr akkurat und wörtlich angefertigt werden muss. Es erhöht die Genauigkeit der Interpretation, wenn z.B. Sprechpausen oder auffallendes Ein- bzw. Ausatmen mit verschriftlicht werden, weil sie ebenfalls Bedeutungen generieren, die mit zu analysieren sind. Für das Vorgehen gibt es keine festen Rezepte, zu vielfältig sind die Anwendungen durch eine Vielzahl an Interpretinnen und Interpreten, die sich der Methode bedienen und sie in ihrer eigenen Forschungspraxis weiterentwickeln (vgl. Kleemann et al. 2013). Dennoch zeigen sich die Charakteristika in einem Kunstgriff und einer Reihe von Prinzipien zur Interpretation (für das Folgende vgl. Wernet 2009, S. 21 ff.). Deutlich wird darin auch, wie stark ausformuliert das methodische Gerüst inzwischen ist. Der Kunstgriff: Dreischritt Wie lassen sich nun unsichtbare Bedeutungsstrukturen erkennen? Das grundlegende Verfahren zur Rekonstruktion von Bedeutungen durchläuft drei typische Schritte: (A) Alternative Kontexte suchen, (B) dazu Lesarten bilden und schließlich (C) die Lesarten mit dem tatsächlichen Kontext konfrontieren. Mit alternativen Kontexten wird (A) in der Objektiven Hermeneutik die Suche nach dem Bezugsrahmen gemeint, in dem eine Aussage stattfindet: Zu einer gegebenen Sequenz wird zunächst nach möglichen Kontexten gesucht, in denen die Aussage sinnvoll gesprochen werden kann. Diese sogenannten Geschichten sollen möglichst außerhalb des tatsächlichen Kontextes liegen. Um dieses Vorgehen zu verdeutlichen, dient die Aussage „das ist natürlich ähm ja je nach Zielgruppe nen hartes Brot nä“ als Beispiel. Verschiedene alternative Geschichten können entwickelt werden. Ein Freund erzählt über seine Arbeit im Marketing einer Firma. In diesem Kontext wird deutlich, dass „Zielgruppe“ dem Bereich der Ökonomie entstammt und Kundengruppen definiert, an die ein Produkt oder eine Dienstleistung gerichtet wird. „Hartes Brot“ steht als Metapher für besondere Anstrengung (schwer zu kauen und verdaulich) sowie eher unangenehme Aufgaben (nicht mehr schmackhaft). Dass sich die

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Aussage an einen Freund richtet, liegt an der Metapher, die wenig förmlich und fachlich gerichtet ist. Das „natürlich“ wirbt um Verständnis und Zustimmung. Ein alternativer Kontext schafft einen Kontrast, indem ein Geschäftspartner angenommen wird, der eher nicht der Adressat sein kann. Ein Bäcker könnte, nimmt man das „harte Brot“ nicht als Metapher, über besondere Kundinnen und Kunden sprechen, die sehr weiches Brot bevorzugen. Bei dem speziellen Backverfahren, über das der Bäcker hier Auskunft geben könnte, würde dieser Zielgruppe das harte Brot nicht schmecken. Weiterhin ist es in der Objektiven Hermeneutik üblich, alternative Formulierungen für eine Textpassage zu suchen – vor allem dann, wenn sich weniger alternative Kontexte und Geschichten erzählen lassen (üblicherweise kommen mindestens drei bis fünf verschiedene Geschichten zusammen). Hier bietet es sich an, Formulierungen zu finden, die den gleichen Inhalt in anderer Form darstellen. Auch auf diesem Weg lässt sich die Typik der Sequenz konkretisieren, nämlich in der Abgrenzung zur tatsächlichen Aussage. Eine solche Alternative könnte lauten: „Das ist je nach Klientengruppe ein schwieriges Vorgehen.“ Die hier gewählte Formulierung ist den Klienten gegenüber wertschätzender, sachlicher und kann daher im beruflichen Kontext fallen. In einem zweiten Schritt gilt es (B), unterschiedliche Lesarten zu bilden. Für jeden möglichen Kontext (und die Alternativformulierungen) wird eine charakteristische Bedeutungsstruktur identifiziert. Manchmal lassen sich auch mehrere Geschichten zu Typen zusammenfassen. Dass die Aussage von einem Freund kommen kann (und eher nicht von einem Geschäftspartner), verweist auf den informellen Charakter. Zudem zeigt die sachliche Alternative, dass hier wertend gesprochen wird. In diesem Fall („hartes Brot“) handelt es sich um eine Abwertung. Da der Begriff „Zielgruppe“ aus der Ökonomie entlehnt ist und Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet, die für ein Produkt oder eine Dienstleistung gewonnen werden sollen, steckt darin eine Instrumentalisierung der Personengruppe. Indem um Zustimmung geworben wird („natürlich“), zeigt sich eine Unsicherheit, die bewältigt werden muss. Im Kontext des Bäckers läge eine

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Bewertung bzgl. der Passung zwischen Produkt und Kundengruppe vor. Abschließend kommt es im dritten Schritt zur Konfrontation mit dem tatsächlichen Kontext. Sind alle Lesarten ausformuliert, wird der tatsächliche Kontext im Material mit ihnen verglichen. Manche Lesarten werden dann als unpassend verworfen (hier z.B. der Bäckerkontext). Diejenigen, die übrigbleiben, offenbaren die Bedeutung der Äußerung in der gefundenen Charakteristik und führen zum Ziel, nämlich einer Fallstrukturhypothese. Die gegebene Aussage stammt von einem Teamleiter eines JobCenters. Im Forschungsinterview war um eine Einschätzung der Lage von Personen gebeten worden, die Arbeitslosengeld II erhalten. Der unmittelbare Kontext der Aussage thematisiert den Auftrag der Arbeitsvermittlung, diese Personengruppe in den Arbeitsmarkt zu integrieren. In diesem tatsächlichen Kontext zeigt sich als Fallstruktur eine Redeweise über Klientinnen und Klienten als auftragsgemäß zu vermittelnde Personen. Sie werden auf diese Weise instrumentalisiert. Die Abwertung bestimmter Zielgruppen und die Werbung um Zustimmung und Verständnis für das Problem sie zu vermitteln („hartes Brot“), verweisen auf die Schwierigkeiten der Aufgabenstellung für das Job-Centerpersonal. Die Handlung und Haltung des hier zitierten Teamleiters wird in der Objektiven Hermeneutik nun als motiviert durch die Handlungsstrukturen interpretiert, also als durch die Wirklichkeit der Arbeitsbedingungen hervorgerufen. Zwar reagiert die Lebenspraxis darauf in ihrer je eigenen Prägung, doch wird eine persönliche Pathologie erst angenommen, wenn es dafür handfeste Belege gibt. Der vorliegende Fall lässt damit exemplarisch eine institutionelle Zumutung rekonstruieren, mit der die Beschäftigten in den Job-Centern einen Umgang finden müssen. Ergebnisüberprüfung und Theoriebildung Im weiteren Verlauf der Analyse wird die rekonstruierte Fallstruktur weiter verfolgt anhand weiterer, nachfolgender Sequenzen, die nach drei Kriterien ausgesucht werden: Erstens geschieht dies zur Präzisierung der gefundenen Fallstruktur, zweitens zur Ergänzung sowie drittens zu ihrer Widerlegung. Gerade 209

das konsequent falsifikatorische Vorgehen sichert methodologisch die Gültigkeit der Ergebnisse. Denn wenn die Versuche, die bisherige Fallstruktur zu widerlegen, scheitern, kann geschlussfolgert werden, dass sie richtig ist. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, wie eine rekonstruierte Struktur eines einzelnen Falls auch eine theoretische Erkenntnis produzieren kann. Denn hier ist eine Kritik der in der Sozialen Arbeit üblich gewordenen Bezeichnung der Klienten oder Adressaten als „Zielgruppe“ angelegt. Unbedacht wird dadurch eine Instrumentalisierung vorgenommen, die durch die Fachliteratur an die Studierenden weitergetragen wird und somit sogar das professionelle Selbstverständnis untergräbt. Eine Fallrekonstruktion kann zwar keine Aussagen treffen über die Verbreitung dieses unprofessionellen Selbstverständnisses. Doch die Dialektik vom Besonderen des Falles (Erfolgsdruck der Beschäftigten im Job-Center) und des Allgemeinen (institutionelle Zumutung) bereitet den Boden für theoretische Verallgemeinerungen. Abschließend sind die Generalisierung und weitere Erhebungen zu diskutieren. Wenn eine Bedeutungsstruktur innerhalb eines Falles rekonstruiert werden kann, existiert sie also in der Wirklichkeit von Handlungsbedingungen und ihren Folgen. Jede konkrete Entscheidung ist eine Antwort auf ein Handlungsproblem, das immer ein Allgemeines ist, das sich dem Einzelnen konkret stellt. Das Allgemeine kann daher im konkreten Fall und nur dort entdeckt werden. Für eine Verallgemeinerung würde nun diese Struktur kontrastiv und wiederum in falsifikatorischer Absicht in weiteren Fällen untersucht. So würde man nach Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern suchen, die andere Bewältigungsmuster der institutionellen Zumutungen zeigen, und in deren Analysen der Frage nachgehen: Welche Bedingungen ermöglichen professionelleres Handeln? Prinzipien der Interpretation Die beschriebenen Schritte der Analyse folgen insgesamt einigen Prinzipien, die oben schon anklangen, aber abschließend noch einmal Erwähnung finden sollen, weil sie die Verbindung zwischen Theorie und Methodologie auf der einen Seite und der konkreten Interpretationspraxis auf der anderen Seite herstellen. 210

Wer eine Analyse beginnen will, fragt sich als erstes, womit man anfängt. Hier empfiehlt sich – das klingt trivial – der Beginn der Interaktionspraxis. Bei einem Interview ist es der Beginn der Audioaufnahme bzw. des Transkriptes. Diese sogenannte Eingangssequenz ist deshalb besonders aufschlussreich, weil sich direkt am Anfang die Interaktionspraxis in ihrer Typik entfaltet und pointiert zum Ausdruck kommt. Bei einem Gemälde, einem Foto oder einem ganzen Zeitungsartikel kann mit dem augenfälligsten Element begonnen werden, also jenes, auf das der Blick als erstes fällt. Der weitere Fortgang der Analyse folgt dem Protokoll Wort für Wort und Zeile für Zeile. In der Objektiven Hermeneutik wird dieses Prinzip Sequenzialität genannt. Im Interview folgt die Interpretation auf diese Weise dem tatsächlichen Ablauf des Handelns, welches man sich sequenziell vorstellen muss. So wie ein Schritt auf den anderen folgt, spricht die interviewte Person einen Gedanken vor dem nächsten. Wie lang eine Sequenz ist, ergibt sich aus dem Inhalt des Gedankens. Am Anfang der Analyse geht man kleinschrittiger vor als an späteren Stellen, die bereits auf grundsätzliche Einsichten und eine Fallstruktur aufbauen können. Im oben skizzierten Dreischritt drückt sich die Vorgehensweise aus, zunächst den Kontext (des Falles, der bisherigen Ergebnisse) bei der Geschichten- und Lesartenbildung außer Acht zu lassen, damit möglichst viele und vielfältige Kontexte und damit Struktureigenschaften gefunden werden können. Dies wird als Kontextfreiheit bezeichnet. Erst bei der Konfrontation der Lesarten mit dem tatsächlichen Kontext wird dieser wichtig. Geht man zur nächsten Sequenz über, bildet das bisherige Ergebnis wiederum einen Kontext. Da nach objektiven Sinnstrukturen gesucht wird, ist jedes Zeichen wichtig, die sogenannte Wörtlichkeit. Je genauer die Spuren am ‚Tatort‘ gesichert wurden, desto klarer lässt sich der Tathergang rekonstruieren. Wenn z.B. jemand auf eine Frage eine lange Pause macht und schließlich hörbar einatmet, bevor die Person antwortet, dann ist dies ebenso bedeutsam wie ein in sich gebrochener Satz oder Versprecher. Offensichtlich liegt hier eine gedankliche Unklarheit vor, die manifester Ausdruck

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einer latenten Widersprüchlichkeit oder auch unbewussten, persönlichen Problematik wie etwa Scham oder Unsicherheit ist. Als letzte Prinzipien sind Extensivität und Sparsamkeit zu nennen. Diese scheinbar sich ausschließenden Prinzipien verbinden eine ausführliche sinnlogisch erschöpfende, also qualitativ möglichst vollständige Lesartenbildung mit einer genauen Überlegung, welche Fallstrukturhypothesen tatsächlich vom Text gedeckt und ohne Zusatzannahmen begründbar sind. So werden voreiliges Schlussfolgern und zu weit hergeholte Begründungen vermieden. Naheliegend ist es angesichts der genannten Analyseschritte und Prinzipien, nicht alleine, sondern in Gruppen zu interpretieren. Mehrere Forschende können nicht nur vielfältigere Kontexte und Lesarten finden, sondern sie zwingen sich auch gegenseitig zur Begründung ihrer Vorschläge und dienen somit der Präzision und Sicherung der Güte. Außerdem macht es mehr Spaß gemeinsam zu analysieren.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Wernet, A. (2009): Einführung in die Interpretationstechnik der Objektiven Hermeneutik. Wiesbaden, VS (3. Aufl.) Ute Fischer

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Wie werden Daten der Narrationsanalyse ausgewertet? Grundlagen der narrationsanalytischen Auswertung Grundlage einer narrationsanalytischen Auswertung ist immer ein Interview mit hohen narrativen Anteilen, häufig ein autobiographisch-narratives Interview. Für die Datenauswertung mit der Narrationsanalyse ist wichtig zu beachten, dass bislang vor allem Studien auf einer biographie- oder professionsanalytischen Basis mit diesem Verfahren entstanden sind. Kennzeichnend für ein narrationsanalytisches Verfahren in der Tradition Fritz Schützes ist stets die analytische Betrachtung der Gesamtgestalt des Interviews – mindestens bis zum Ende der freien Entfaltung und dem selbst gesetzten Ende der Erzählung durch den Erzähler – also der sogenannten Erzählcoda. Diese Coda zeigt sich in der Interviewsituation häufig durch sprachliche Markierungen wie zum Beispiel: „Das wär‘s eigentlich“ oder „Damit bin ich am Ende…“ oder „Tja, so war die Geschichte“. Dabei wird die Erhebungssituation als Teil des Rahmens mitgedacht, der die Analyse bildet – selbstverständlich erzählen Menschen ihre Geschichte niemals gleich und nicht unabhängig von der Situation, in der sie sich gerade befinden. Zentrale Setzung eines narrationsanalytischen Verfahrens ist jedoch die sogenannte Homologiethese. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Struktur einer Erzählung Rückschlüsse auf das faktische Erleben und Handeln zulässt – nicht im Sinne einer Eins-zu-einsKongruenz, sondern im Sinne einer Strukturhomologie. Im Rückgriff auf erzähltheoretische Grundlagen wird fundiert, dass der Inhalt der Darstellung variiert werden kann, jedoch nicht die Struktur der Darstellung von Erlebnissen. Damit ist gleichzeitig etwas über die Erkenntnisreichweite gesagt: Narrationsanalyse ermöglicht einen Zugriff auf übergreifendere, größere Erlebenszusammenhänge und Prozesse des Erlebens, sogenannte Prozessstrukturen – die selbstverständlich analytisch mit dem tatsächlich Gesagten in Verbindung gebracht werden können. Dieser analytische Schritt – das Zugreifen auf 213

größere Erlebenszusammenhänge über sogenannte suprasegmentale Markierer im Sprechen und deren Verbindung zum tatsächlich Gesagten in verschiedenen sprachlichen Darstellungsmodi des Erzählens, Beschreibens und Argumentierens – ist der Kern einer jeden narrationsanalytischen Auswertung. Sie ermöglicht die Rekonstruktion von Sinnbildungsprozessen des Subjekts, die durch die Prozessstrukturenanalyse kontextualisiert werden können. Damit nimmt Narrationsanalyse nicht für sich in Anspruch, wahrhaftiger oder ‚objektiver‘ herauszufinden, was geschehen ist, sondern eine Verbindung zwischen dem Wissen des Subjekts und den rekonstruierten Prozessstrukturen herzustellen. Im Kontext von Biographieanalysen sprechen Bartmann und Kunze (2008) in diesem Zusammenhang von Biographisierungsleistungen des Subjekts, die in der Analyse sichtbar werden. Das Verfahren eignet sich deshalb nur begrenzt für Forschungsprojekte, die sich für kleinteilige und exklusive Prozesse des Erlebens interessieren. Natürlich ist es möglich, dass im Rahmen eines narrativen Interviews solche Sequenzen entstehen. Es ist jedoch schwierig, solche Prozesse in der Erhebungssituation gezielt zu erfragen, da dieses konkrete Erfragen häufig zu einem gezielten Abfallen des Narrationsgrades führt und damit etwas von der Erlebensqualität (von der man in der Narrationsanalyse ausgeht, dass diese eben durch narrative Schilderung sichtbar wird) verloren geht. Wenn Sie sich also dafür interessieren, wie 16- bis 18-jährige Jugendliche ihre Hilfeplanbeteiligung erleben, eignet sich die Narrationsanalyse nur sehr begrenzt als Verfahren. Denn das „Erleben einer Hilfeplanbeteiligung“ kann zwar erzählt werden, damit wird jedoch nur begrenzt etwas vom Erleben, sondern eher etwas von der reflexiven Auseinandersetzung mit dem Erleben sichtbar. Eine solche reflexive Auseinandersetzung im Kommunikationsschema der Argumentation könnte typischerweise dann eher qualitativ-inhaltsanalytisch oder mit der Methode der Grounded Theory ausgewertet werden.

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Analysegang einer klassischen Narrationsanalyse In der Tradition der Grounded Theory erfolgt auch in der Narrationsanalyse eine Theoriebildung prozessanalytisch auf Grundlage des kontrastiven Vergleichs von erhobenen Datenmaterialien, das heißt auf Grundlage einzelner Interviews, die zunächst in ausführlichen Fallrekonstruktionen analysiert werden. Erst nach der ausführlichen Einzelfallanalyse erfolgt eine Zusammenschau der analytischen Erkenntnisse aus einzelnen Interviews. Der Gang einer vollständigen Analyse kann hier nur in Ansätzen beschrieben werden. Die Besonderheiten der Erhebungssituation stehen in der Darstellung am Anfang jeder Fallanalyse. Schütze stellt seine analytischen Schritte zunächst auf die Grundlage einer strukturellen Beschreibung des Datenmaterials, in der die Kommunikationsschemata der Sachverhaltsdarstellung identifiziert und in ihrer sequenziellen Darstellung inhaltlich erfasst werden. Diese strukturelle Gestalt des Datenmaterials wird in der Folge in einer analytischen Abstraktion gefasst. Dabei geht es vor allem darum, die Verbindung zwischen individuellen Momenten und Momenten, die auf einen größeren Zusammenhang verweisen, herauszuarbeiten und im Licht der interessierenden Forschungsfrage zu reflektieren. In einer ausgearbeiteten Analyse erfolgt im Anschluss an diesen Schritt eine Wissensanalyse anhand der im Material auffindbaren Eigentheorien des Erzählenden, also der Sequenzen des Datenmaterials, die nicht narrativ geprägt sind und dem Kommunikationsschema der Argumentation zuzuordnen sind. Dieses analytische Vorgehen, das hier in aller Kürze nachgezeichnet ist, bildet die Grundlage für die Einzelfallanalysen. Auf dieser Grundlage erfolgen ein kontrastiver Vergleich der abstrahierten Momente der einzelnen Fallstudien und die Entwicklung einer empiriebasierten Theoriebildung.

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Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Przyborski, A./Wohlrab-Sahr, M. (2014): Qualitative Sozialforschung. Ein Arbeitsbuch. München, Oldenbourg (4. Aufl.) Nina Erdmann

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Wie können ethnographische Daten ausgewertet werden? Die Ethnographie ist keine Methode im engeren Sinn, sondern eher eine Forschungshaltung bzw. ein Forschungsprogramm. Der klassischen Ethnographie geht es in erster Linie um die systematische Beschreibung bestimmter Felder und somit um ein Portrait eines bestimmten (subkulturellen) Milieus. Der Begriff dichte Beschreibung von Clifford Geertz (1987) ist in der Ethnographie Programm. Sie zielt darauf ab, erfahrene bzw. beobachtete Situationen und Gruppen derart detailgetreu und atmosphärisch zu beschreiben, dass auch Monate und Jahre später diese Situation allein durch ihre Beschreibung zugänglich bleibt. Geertz selbst war ein amerikanischer Soziologe und Ethnologe und prägt mit seiner analytischen Beschreibung von sozialen Welten und Kulturen nicht nur den Umgang mit der Rolle des Forschenden, sondern auch den Blick auf den Begriff Kultur. Diese bezeichnet er als Gewebe, das von den Menschen in dynamischen Prozessen miteinander immer wieder hergestellt wird und jederzeit umdeutbar ist. Kultur wird dadurch zum Ergebnis einer Wechselwirkung zwischen Menschen und Umwelt. Geertz macht deutlich, dass wir, um Kulturen verstehen zu können, diese nur durch Beschreiben zugänglich machen können. Er stellt damit nochmal die starke Position des Forschenden heraus. Die ethnologischen Überlegungen von Geertz lassen sich auch für die Ethnographie übernehmen. Sie zielt also in erster Linie auf eine Beschreibung sozialer Welten ab und bleibt dabei in einem ersten Schritt deskriptiv. Das Ziel einer lebensweltanalytischen Ethnographie leitet sich aus Geertz’ Programm ab. Hier ist das Verstehen des subjektiven Sinns auf Grundlage eigener Erfahrungen und des internalisierten Wissens der Menschen ausschlaggebend. Es wäre falsch zu sagen, dass die lebensweltanalytische Ethnographie diesen Forschungsstil neu erfindet, sie treibt die Idee des Verstehens der Beschreibung einer Kultur jedoch weiter und radikalisiert sie. Geertz (1974) spricht ja von Ethnographie als From the

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Native’s Point of View. Diesen Gedanken greifen lebensweltanalytische Ethnographen und Ethnographinnen auf und rennen mit ihm los, als gäbe es kein Morgen. Es geht ihnen um die Rekonstruktion der Innenperspektive der Menschen, die ein soziales Feld, welches man als Milieu oder Lebenswelt bezeichnen kann, bilden. Lebensweltanalytisch würde man nicht davon ausgehen, dass Subjekte sich in einem bestimmten Ausschnitt der Gesellschaft bewegen – diesen also betreten – sondern ihn durch ihre Handlungen überhaupt erst hervorbringen. In der Regel werden die Daten jeder ethnographischen Forschung aus Feldprotokollen bestehen, die die Interaktionen der Feldbeobachtung und -interaktionen dokumentieren. Zudem besitzen Ethnographen und Ethnographinnen sehr häufig eine ausgeprägte Sammelleidenschaft. Gesammelt werden etwa Interviews, Gesprächs- und Videomitschnitte, Artefakte aus dem Feld, Schriftstücke sowie Bilder zu Raumdingen (vgl. Amann und Hirschauer 1997, S. 16 f.). Insbesondere Feldprotokolle nehmen in diesem Reigen eine Sonderstellung ein: Sie sind Datenmaterial und als dichte Beschreibung erste Analyse zugleich, können aber auch als Grundlage weiterer Analyseschritte fungieren. Breidenstein et al. (2013) schlagen hierzu die Herausarbeitung von Schlüsselthemen des jeweiligen Feldes vor. An diese gelangen die Forschenden, indem sie das gesamte Material offen kodieren. Dies geschieht in offensichtlicher Anlehnung an die Grounded Theory. Diese (offenen) Kodes werden dann thematisch geordnet und zu Kodebündeln verdichtet. Dieser Schritt stellt im Prinzip das Äquivalent der axialen Kodierung der Grounded Theory dar und damit die Herausarbeitung von Kategorien. Diese Bündel wiederum bekommen zusammenfassende Überschriften, welche dann als Schlüsselthemen zur Verfügung stehen. Diese sollen nun die zentralen Aspekte bzw. Themen des untersuchten Feldes, der jeweiligen sozialen Welt abbilden, sie portraitieren diese am besten. Das zentrale Ergebnis einer Ethnographie ist somit die systematische Beschreibung einer bestimmten sozialen Welt. Wie systematisch diese Beschreibung am Ende aussieht, welchen Abstraktionsgrad sie annimmt, hängt von den Entscheidungen der Forschenden ab.

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Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Breidenstein, G./Hirschauer, S./Kalthoff, H./Nieswand, B. (2013): Ethnografie. Die Praxis der Feldforschung. Konstanz, UVK Judith von der Heyde

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Teil E Besondere Aspekte der empirischen Forschung

Was sind (virtuelle) Forschungswerkstätten? Juliet Corbin und Anselm Strauss (1990) haben in einem bekannten Artikel auf wenigen Seiten die Grundlagen der Grounded Theory dargelegt. Vom Prinzip her könnte dieser Beitrag als Checkliste jeder Forscherin und jedes Forschers dienen, die überprüfen wollen, ob ihre Empirie eine Grounded Theory im Sinne von Corbin und Strauss darstellt. Garantiert ist damit nicht, dass es sich um eine gute Grounded Theory handelt, wohl jedoch immerhin, dass es eine formal richtige ist. An wesentlicher Stelle zwischen einem Absatz über die Relationierungen zwischen Kategorien und die Einbeziehung „strukturaler“ oder gesellschaftlicher Aspekte, auch in Forschung mit sehr kleinem Fokus, steht dort unvermittelt: „A Grounded Theorist Need Not Work Alone.“ Es folgt eine Ausführung darüber, dass analytische Gruppenarbeit die Qualität der Daten dann erhöht, wenn ein rigoroses Nachfragen gegenüber den Interpretationen und Theorievorschlägen der Analysierenden stattfindet. Damit setzt Strauss eine Linie fort, die er seit Beginn der Arbeit an seiner Forschungsmethode immer wieder anführt: Analysearbeit ist Gruppenarbeit! Einzelarbeit ist anders gesagt anfällig für Fehlinterpretation, für theoretische Anschlüsse, die vielleicht auf der Linie der Forscherin oder des Forschers liegen, sich aus dem Material heraus jedoch nicht begründen lassen, oder für die Möglichkeit, offensichtliche Zusammenhänge dann doch zu übersehen. Eine formale Form findet diese Gruppenarbeit in Forschungswerkstätten (vgl. hier und im Folgenden Riemann 2005 sowie Reichertz 2013b).

Grundlegendes zum Ablauf Forschungswerkstätten finden häufig in regelmäßigen Abständen statt und meist in festen Gruppen, d.h. die Besetzung und Teilnahme weist eine gewisse Beständigkeit auf. Dies ist einer-

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seits nicht ohne Risiko (vor allem, wenn man mit Menschen zusammensitzt, die die eigene Forschung ziemlich blöd finden oder auch nicht verstehen und sich deshalb oder aus anderen Gründen nicht gut ums eigene Material kümmern). Andererseits ist personelle Kontinuität jedoch, wenn die Besetzung, die Bereitschaft zur Mitarbeit und, nicht zu vergessen, die Fähigkeiten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer stimmen, eine gute Voraussetzung, dass Sie mit Konstanz am eigenen Projekt arbeiten können. Günstig ist, wenn die Forschungswerkstatt in den Lehrbetrieb eingebettet ist, dann in der Regel nicht wöchentlich, sondern eher 14-tägig oder monatlich stattfindet. Forschungswerkstätten sprengen die 90-Minuten-Taktung normaler Seminare. Ganz entscheidend ist, wer die Forschungswerkstatt koordiniert und durchführt: Seine oder ihre persönliche Geschichte mit Forschungswerkstätten wird den Ablauf prägen. Das heißt, je nach Leitung sind die Werkstattsettings durchaus unterschiedlich. Das verbindende Element ist die gemeinschaftliche Interpretation von Daten, die in einem Erhebungsverfahren gewonnen wurden. Es spielt keine Rolle, ob Sie in einem quantitativen oder qualitativen Paradigma forschen. Es gibt für den Ablauf solcher Interpretationen zumindest bei qualitativen Verfahren in solchen Werkstätten keine klaren Kochrezepte: Auch hier wird wieder entscheidend, in welche Traditionen die Werkstattleitung einsozialisiert wurde und welche Art von Daten zur Interpretation stehen. So wird eine Werkstatt, die nach einem Kodierverfahren der Grounded Theory agiert, grundsätzlich anders ablaufen als eine Forschungswerkstatt, in der objektiv hermeneutisch gearbeitet wird. Ein Protokoll einer teilnehmenden Beobachtung wird anders interpretiert als das Transkript eines narrativen Interviews. Deshalb ist es schwierig, eine genaue (und trotzdem stark vereinfachende) Darstellung dessen zu geben, was in einer Forschungswerkstatt geschieht – es ist deutlich einfacher, etwas zu den Rahmenbedingungen zu sagen.

Egalitäres Miteinander In Forschungswerkstätten existiert häufig die Idee eines gleichberechtigten Miteinanders. Die Interpretationsideen zu vorliegenden Daten von Bachelorstudentinnen und -studenten sind 224

nicht weniger wert als die des Lehrenden oder der Doktoranden bzw. Doktorandinnen. Natürlich sind Werkstattleitende in einer besonderen Rolle. Häufig gelingt es ihnen jedoch, die Beiträge aller Beteiligten gleichermaßen einzubinden und wertzuschätzen und auf diese Weise den Interpretationsprozess zu leiten.

Verbindliche Teilnahme Forschungswerkstätten leben von einer Gruppe, die verbindlich miteinander arbeitet. Die Verbindlichkeit bezieht sich einerseits auf eine regelmäßige Teilnahme, andererseits jedoch auch auf den verschwiegenen Umgang mit den Gesprächen und Daten, die im Rahmen einer Forschungswerkstatt zum Gegenstand werden.

Sorgfältige Vorbereitung Es nützt nichts, ein 20-seitiges Transkript oder ein Protokoll kurz vor der Forschungswerkstatt für zehn Minuten durchzublättern und dann so zu tun, als habe man sich vorbereitet. Forschungswerkstätten verlangen intensive Vorbereitungsarbeit. Rechnen Sie auf jeden Fall mehrere Stunden ein, die Sie zusätzlich zur eigentlichen Werkstatt aufwenden müssen – und machen Sie sich bewusst, dass alle anderen diese Zeit auch aufbringen, um Ihre Daten anzuschauen, wenn Sie etwas einbringen.

Dokumentation und Mitschnitt Forschungswerkstätten leben von einem gemeinschaftlichen Denkprozess, in dem die Frage, wer welche Idee zu welchem Zeitpunkt aufgebracht, weitergesponnen oder verworfen hat, nur begrenzt nachvollziehbar ist. Deshalb ist eine gewisse solidarische Grundhaltung unumgänglich und konkurrenzgetriebene Arbeit eher ungewöhnlich. Häufig ist üblich, dass Aufnahmegeräte mitlaufen, während an einem Datenmaterial gearbeitet wird,

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um denen, die Daten einbringen, zu ermöglichen, den Denkprozess in der Werkstatt zu ihren Daten noch einmal zu hören. Dies wird in privatsphärensensiblen Forschungswerkstätten vorher selbstverständlich kundgetan.

Methodenpluralismus oder Methodeneinheit Viele Forschungswerkstätten beschränken sich auf eine Methode. Dabei ist davon auszugehen, dass zumindest eine Person im Werkstattkontext (häufig Werkstattleitende) ausgesprochen fundiert in der jeweiligen Methode zu forschen gelernt hat. Viele qualitative Auswertungsmethoden können nur durch zeitintensive Einsozialisation erlernt werden – deshalb kann man eine Forschungswerkstatt als Teil der forschungsmethodischen Ausbildung im Studium begreifen. Damit wird aber auch gleichzeitig klar, dass es eher nicht möglich ist, eine Studierendenwerkstatt zur – zum Beispiel – Objektiven Hermeneutik zu initiieren und sich mit Hilfe von Lehrbüchern eine fundierte Methodenkenntnis zu erarbeiten, ohne dass jemand in der Gruppe bereits Ahnung von der Methode hat.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Reichertz, J. (2013): Gemeinsam interpretieren. Die Gruppeninterpretation als kommunikativer Prozess. Wiesbaden, VS Nina Erdmann und Jochem Kotthaus

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Was kann ich tun, wenn mein Studienprogramm keine Forschungsmodule anbietet? Das Problem … Oft, aber nicht immer bietet Ihnen der gewählte Studiengang die Möglichkeit, empirische Methoden zu erlernen oder gar an einer Forschung im Rahmen entsprechender Module mitzuwirken. Die sozialarbeiterischen Studiengänge mancher Hochschulen sind im Gegenteil so konzipiert, dass sie mehr Wert auf (besondere) Beratungsaspekte, eine stark politische Lesart der Sozialen Arbeit oder ein bestimmtes Handlungsfeld legen. Oder Anteile der empirischen Lehre beschränken sich auf eine grundlegende Gegenüberstellung qualitativer und quantitativer Forschungsparadigmen. Eigentlich müsste es eher verwundern, wenn empirische Inhalte umfänglich gelehrt würden: Das Studium ist mit fünf Theorie- und einem Praxissemester ohnehin bereits sehr kurz, dann ist die Setzung eines Schwerpunkts – welcher notgedrungen andere Inhalte ausklammern muss – ein notwendiges Übel. Für Studentinnen und Studenten der Sozialen Arbeit und anderer Sozialberufe, welche den Wunsch formulieren, Methoden der empirischen Sozialforschung nicht nur kursorisch zu besprechen, sondern vertiefter zu erlernen, macht dies eine Abkehr von dem oft vorgeplanten, formalisierten und modularisierten Studienverlauf erforderlich: Sie müssen sich Inhalte suchen, die in dem Modulhandbuch oder der Prüfungsordnung so nicht vorgesehen sind – oder diese Inhalte selbst schaffen.

… und die möglichen Lösungen Was können Sie also als an der Sozialforschung interessierte Studentinnen und Studenten tun? Nicht raten würden wir zu eigenen Projekten ohne Anleitung. Empirische Forschung bedarf der Begleitung durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen, ihrer Inspiration, aber auch Korrektur. Die erste Möglichkeit scheint 227

also vielmehr für uns zu sein, einzelne Professorinnen und Professoren auf eine Teilnahme an deren Forschungsprojekten anzusprechen. Auch wenn das Modulhandbuch keine „empirischen Module“ ausweist, ist es möglich, dass Lehrende selbst forschen. Mitteilung über die entsprechenden Projekte dringt nicht immer nach außen, manchmal sind solche Forschungen nur mit etwas Recherche zu finden. Wie immer lautet die Maßgabe: Seien Sie vorbereitet. Es ist keine gute Idee, spontan irgendwo, irgendwie, an irgendwen eine Anfrage zu stellen oder an irgendeine Türe zu klopfen. Es gehört zu einer guten Vorarbeit dazu, sich mindestens über aktuelle und vergangene Forschungsarbeiten im Netz zu informieren: Auch Forschungsprojekte leben (zum großen Teil) von ihrer Bekanntheit und deshalb wird (zum großen Teil) recht früh (oft elektronisch) auf sie hingewiesen. Zudem kann es nie schaden, in die Publikationslisten der Lehrenden zu schauen, deren Themen und Arbeitsgebiete Sie interessant finden und von denen Sie gehört oder recherchiert haben, dass sie gerade ein Forschungsprojekt durchführen. Sollten Sie zu einem Gespräch eingeladen werden, lohnt es sich, weiterhin nach und in (!) Projektbeschreibungen und -konzeptionen sowie früheren Studienergebnissen und Publikationen zu schauen. Da Forschungsprojekte eigentlich chronisch unterfinanziert sind, ist eine engagierte Mitarbeit oft gerne gesehen. Dass solche Praktikumsverhältnisse und Internships (auch) Ausbeuterei sind, sehen wir ähnlich. Andererseits suchen Sie nach Möglichkeiten, in einem Projekt mitzuarbeiten. Ebenfalls nicht hoffnungslos scheint uns die Variante, einzelne Professorinnen und Professoren darauf anzusprechen, den inhaltlichen Freiraum des Modulhandbuchs kräftig und kreativ zu nutzen und doch empirisch ausgerichtete Veranstaltungen in den Bereichen anzubieten, die dafür eigentlich nicht geplant waren. So wird aus einem „Praxisprojekt“ vielleicht doch ein „Forschungsprojekt“ oder aus einer „Grundlagenveranstaltung der Soziologie“ eine „Einführung in die empirische Sozialforschung“. Solche Umwidmungen sind organisatorisch und strukturell eher aufwändig und langfristiger Natur. Die Veranstaltungen werden heute schon sehr frühzeitig geplant. Es kann zudem sicherlich sein, dass Sie Professorinnen und Professoren für Ihr 228

Projekt „empirische Methoden“ begeistert haben, um dann festzustellen, dass diese in einem Modul angeboten werden, das Sie wahlweise bereits abgeschlossen haben oder für das Ihnen noch Credit Points fehlen, um es überhaupt belegen zu können. Seien Sie hier etwas flexibel. Es lohnt sich nicht, die Lehrenden darauf hinzuweisen, dass Sie die Modulprüfung bereits bestanden haben und die Veranstaltung doch lieber in dieses oder jenes Modul verschoben werden solle. Nach der Suche nach einem Forschungsprojekt und dem (wie wir denken: berechtigten) Versuch, einzelne Modulbereiche für Ihr Anliegen zu okkupieren, wäre es für einzelne Studentinnen und Studenten sicherlich möglich, das Praxissemester in einem Forschungsprojekt zu absolvieren. Dieser Hinweis ist von einer Vielzahl von Entscheidungen abhängig: Ihre Prüfungsordnung muss dieses Vorgehen vorsehen. Sie entfernen sich damit von der klassischen Praxisarbeit in einem Handlungsfeld und müssen ggf. erst klären, ob ein solches Praktikum überhaupt zulässig ist. Zudem braucht es ganz pragmatisch ein Forschungsprojekt, an das Sie angebunden werden können. Auch hier müssen Sie sich vorab informieren und mit ein wenig Glück ein geeignetes Forschungsprojekt an der eigenen oder einer anderen Hochschule finden. Der zweite Fall, das auswärtige Praxissemester in der Forschung, ist wiederum mit mehr organisatorischem Aufwand verbunden. Generell kann man aber sagen, dass die intensive forschungspraktische Mitarbeit eine der besten Möglichkeiten darstellt, sich in die Methoden der Sozialforschung einzufinden, und fast in jedem Fall empfehlenswert ist. Jochem Kotthaus

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Welche rechtlichen Aspekte muss ich bei meiner Forschung berücksichtigen? Eine Rechtsberatung in einem Buch mit diesem Format ist so eine Sache. Autorinnen und Autoren sollten u.E. generell vorsichtig zumindest zu Beginn ihres Beitrags den Leserinnen und Lesern mitteilen, dass rechtliche Garantien nicht übernommen werden können. Also: Auch wir können hier keine wirkliche Rechtsberatung leisten, sondern wollen einige Grundsätze diskutieren. In schwierigen Fällen müssen Sie sich bitte Hilfe holen, bspw. mit der Ethikkommission oder dem Justiziariat Ihrer Hochschule in Kontakt treten. Die rechtlichen Aspekte empirischer Forschung können in zwei große Bereiche unterteilt werden, nämlich (1) dem Schutz der Probanden sowie (2) dem Schutz der Forschenden. An verschiedenen Stellen sind beide miteinander verknüpft. Es geht hier teilweise um das Strafrecht, vor allem jedoch um den Datenschutz. Das eine ist schon irgendwie spannend, das andere für Studierende in etwa so aufregend wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei dem Online-Warenhändler Ihrer Wahl und so hilfreich wie die achtseitige Compliance-Erklärung zum Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) oder der DatenschutzGrundverordnung der EU (DSGVO). Wir wollen aber trotzdem für dieses Kapitel werben und meinen, dass hier grundsätzliche und bedenkenswerte Aspekte der Forschung behandelt werden.

Wie schützen Sie Ihre Probanden? Mitunter drängt sich der Eindruck auf, dass Forschung nur wenig mit dem Recht zu tun haben scheint. Bei einer Menge Arbeiten, die von Studierenden angefertigt werden, ob als Hausarbeit oder als Abschlussthesis, fragt man vielleicht besser nicht nach den Einwilligungserklärungen und den datenschutzrechtlichen Standards. Damit ist für Sie als aufmerksame Leserinnen und Leser bereits klar: Es gibt so etwas wie Einwilligungserklärungen und datenschutzrechtliche Standards. Betrachtet man den Aufwand, den bspw. die Deutsche Forschungsgemeinschaft 230

(wenn man so will der Spitzenverband aller Wissenschaft in Deutschland, der nach besonders strengen Regeln Geld für Forschungsprojekte vergibt) zur Sicherstellung des Schutzes der Beforschten betreibt, so müsste das Thema in jeder Veranstaltung empirischer Sozialforschung umfänglich gelehrt werden. Da wir nicht in allen Veranstaltungen aller Kolleginnen und Kollegen anwesend sind, können wir nicht einschätzen, ob das der Fall ist. Wenn es aber gelehrt wird, dann scheint die entsprechende Umsetzung u.E. nach nicht immer erste Priorität zu besitzen (für diesen und die folgenden Abschnitte vgl. Hopf 2017; Gläser und Laudel 2009, S. 48–55; von Unger 2014).

Information der Beteiligten Der Kern aller Forschungsethik scheint uns zu sein, die Beforschten überhaupt über den Umstand zu informieren, dass eine Forschung stattfindet. Wenn mit Menschen gesprochen wird, ist es unumgänglich, nicht als Geheimagent der Empirie aufzutreten und umfänglich darauf hinzuweisen, wie vorgegangen wird und was mit den erzeugten Daten geschieht. Im Falle von Beobachtungen ist die Sachlage etwas komplizierter. Von der Heyde (2018) hat bspw. über mehrere Jahre eine Ethnographie in einer Gruppe von Fußballfans durchgeführt und ihr Forschungsinteresse natürlich im Vorfeld sehr ausführlich mit den betroffenen Personen besprochen bzw. sich deren Einwilligung versichert. Diese Prozesse, eine Einwilligung zu erreichen, können (so sie denn erfolgt) bereits vertiefte Kenntnisse bringen. Werden geschlossene Gruppen erforscht, vielleicht sogar in deren Privaträumen, sollte eine entsprechende Einwilligung absoluter Standard sein. Es spricht jedoch andererseits nichts dagegen, die gleiche Gruppe vor und im Stadion, also im öffentlichen Raum, aus einiger Entfernung zu beobachten. Fußballfans und viele andere Gruppen bewegen sich in der Öffentlichkeit und sind sichtbar; es gibt hier keinen Grund, eine Einwilligung erzielen zu wollen oder zu sollen. Sie würden, wenn Sie soziales Handeln beim Busfahren erheben wollen, auch nicht alle Mitfahrerinnen und Mitfahrer darüber informieren, dass Sie in Forschungsabsicht unterwegs sind. Das ist etwas anderes als eine 231

„verdeckte Beobachtung“ und schon gar als die „Wallraff-Methode“ (vgl. Hopf und Müller 2016, S. 184), also die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder das geheimagentenartige Einschleichen in geschlossene Gruppen in der Annahme, dass diese die Forschung ansonsten nicht dulden würden.

Zu den rechtlichen Aspekten von Bild- und Tonmaterial Zurück zu der Empirie in öffentlichen Räumen. Ein Spezialfall, der nicht selten auftritt, ist der Wunsch zur Generierung von Bildmaterial zwecks Dokumentation und späterer Auswertung. Noch komplexer ist jedoch das Foto von Gruppen oder einzelner Gruppenmitglieder, insbesondere, wenn dieses auch noch der Veröffentlichung dienen soll. Hier sind wesentliche Abwägungen zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG zu treffen. Das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (kurz KUG), regelt in § 22 das Recht am eigenen Bild. Dort heißt es: „Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ Auch ohne ein rechtswissenschaftliches Studium ist das zunächst recht eindeutig: Sie dürfen keine Fotos ohne Einwilligung der Abgelichteten veröffentlichen. § 23 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 2 KUG regelt dann, dass Bilder von Personen als Beiwerk, also vor Gebäuden, Landschaften oder dem Vulkan Hohenseelbachskopf kurz vor dem Ausbruch ebenso veröffentlicht werden können wie Bilder von Sportveranstaltungen oder Konzerten, wenn die abgelichteten Menschen durch die Veröffentlichung nicht zu Schaden kommen. Im Fall von Fußballfans im Speziellen aber auch der Erstellung von jedem Bildmaterial bspw. während einer Ethnographie müssen Sie also genauer überlegen. Dies hat nicht nur mit Ihrer Reputation als Forscherinnen und Forscher zu tun, sondern auch mit Ihnen als Privatmensch. Verletzen Sie die Rechte am eigenen Bild anderer, machen Sie sich strafbar gemäß § 33 KUG und ggf. gemäß § 201a StGB. Wer will das schon?! 232

Informierte Einwilligung Ganz eindeutig ist jedenfalls die Notwendigkeit, für Interviews einen Informed Consent, also eine informierte Einwilligung, auch Einwilligung nach erfolgter Aufklärung genannt, zu erreichen. Dies bedeutet, dass die Menschen, mit denen Sie sprechen, so weitreichend wie nötig und möglich über Ihre Absichten und Ihr Vorgehen informiert werden und dann ihre Einwilligung bekunden. Formal bestätigt wird die Einwilligung durch eine Unterschrift, tatsächlich dauert der Prozess des Erreichens der Einwilligung länger und umfasst eine Form der Kontaktaufnahme sowie der informellen Klärung. Dieser Prozess selbst ist in der Regel unproblematisch, da keine persönlichen Informationen preisgegeben werden. Sie erklären, dass das Ihre Forschung ganz harmlos ist und Sie keine sinisteren Motive verfolgen, die Daten nachher gelöscht und die Befragten anonymisiert werden. Sie erklären jedoch weder umfänglich Ihre Auswertungsmethode, noch die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe, noch wie anstrengend das Modul sich gestaltet, in dem Sie die Forschung zu leisten haben, noch Ihre Arbeitshypothesen, noch den Umstand, dass Sie sich an Becks kurzem Aufsatz zum infiniten Regress des Zweifels in der reflexiven Moderne inhaltlich abarbeiten. Das sind alles unnötige Details, die über das Ziel hinausschießen und von dem eigentlichen Anliegen ablenken. Es ist ohne weiteres möglich, die Einwilligung mündlich zu erklären. Da die Einwilligung aber nachweisbar sein muss, empfiehlt es sich, ein rechtssicheres Formblatt zu verwenden. Neben der Offenlegung Ihres Namens geben Sie hier kurze Hinweise auf den weiteren Umgang mit dem Gespräch (Aufzeichnung, Transkription, Analyse, Kontextualisierung mit anderen Daten), den Datenschutz (Anonymisierung des Datenmaterials, Trennung von Audiodatei, Transkript und Liste der geführten Interviews, Verwendung eines passwortgesicherten Computers, Vernichtung aller Daten nach Beendigung der Forschung) und die Publikation (Hausarbeit, ggf. in einem Vortrag, alles im wissenschaftlichen Rahmen). Sie weisen die Person auch darauf hin, dass die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann. Dies bedeutet für Sie eine Unsicherheit, ist jedoch, um Sie zu beruhigen, sehr selten der Fall. 233

Unserer Erfahrung nach wählen Studentinnen und Studenten oft Forschungsthemen, die ihnen bereits durch Praktika oder Nebenjobs bekannt sind. Wir denken, dass das für Studienanfängerinnen und Studienanfänger ein praktikables und auch nicht falsches Vorgehen ist. Als Nebeneffekt verfügen Sie damit bereits über einen Zugang ins Feld. Von daher kennen Sie wohl oft die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner bereits und das Erreichen der Einwilligung gestaltet sich vielleicht einfacher. Dafür ist der nachfolgende Umgang mit der Forschung evt. schwieriger, weil Sie intensiv darüber nachdenken müssen, ob Ihre Ergebnisse wirklich frei sind. Schließlich arbeiten Sie ja weiter mit den Menschen zusammen, die Sie beforscht haben.

Formblatt der Einwilligungserklärung Wir wollen hier ein Formblatt7 bereitstellen, welches den wesentlichen Ansprüchen einer informierten Einwilligung genügen dürfte. Füllen Sie bitte mit der Interviewpartnerin bzw. dem Interviewpartner das Formblatt aus und lassen Sie es unterschreiben. Ein Exemplar behalten Sie für Ihre Unterlagen, eines erhält Ihre Interviewpartnerin bzw. ihr Interviewpartner. Die Einwilligungserklärung ist getrennt von den Interviewdaten und Transkripten aufzubewahren, damit eine Zuordnung durch Dritte, die unbefugt Zugriff auf Ihre Unterlagen nehmen, nicht stattfinden kann.

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Das Formblatt können Sie online unter folgender Adresse herunterladen: https://www.utb-shop.de/9783825253684 oder https://shop.budrich-academic.de/produkt/faq-methoden-der-empirischen-sozialforschung-fuer-die-soziale-arbeit-und-andere-sozialberufe/ Oder Ihnen ist das alles zu lang und Sie vertrauen auf diese Kurz-URL: https://tinyurl.com/FAQMethoden. Wenn Sie das Formblatt verwenden, vergessen Sie bitte nicht, in Ihrer Hausarbeit dieses Buch als Quelle anzugeben: Kotthaus, J./Paul, C. (2020): Welche rechtlichen Aspekte muss ich bei meiner Forschung berücksichtigen? In: Kotthaus, J. (Hrsg.): FAQ Methoden der empirischen Sozialforschung. Opladen, Budrich, S. 235f.

Einwilligungserklärung zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Interviewdaten Forschungsprojekt: _________________________________________________ Durchführende Institution: _________________________________________________ Name der das Interview durchführenden Person: _________________________________________________ Kontaktmöglichkeit: _________________________________________________ Name des Gesprächspartners bzw. der Gesprächspartnerin: _________________________________________________ Institution (mit Adresse, wenn vorhanden): _________________________________________________ Kontaktmöglichkeit: _________________________________________________ Interviewdatum: _________________________________________________ Das vorbezeichnete Forschungsprojekt erhebt Daten [bitte Zweck einsetzen] _________________________________________________ Das Forschungsprojekt ist unabhängig, erhält keine Forschungsförderung und ist niemandem in Bezug auf die Ergebnisse verpflichtet. Es bestehen keine Interessenskonflikte. Das oben bezeichnete Gespräch wird mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet. Es entsteht eine Audiodatei, welche in Schriftform gebracht (Transkription) und mit anderen Daten kontextualisiert ausgewertet wird. Für die weitere wissenschaftliche Auswertung der Interviewtexte werden alle Angaben, die zu einer Identifizierung der Person oder Institution führen könnten, anonymisiert, verändert oder ganz aus dem Text entfernt. Es wird keinem Dritten mitgeeilt, ob, wo und mit wem Gespräche geführt wurden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit sowie ggf. für wissenschaftliche Publikationen verwendet. Hierbei werden Interviews nur in Ausschnitten zi-

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tiert, um sicherzustellen, dass der entstehende Gesamtzusammenhang von Ereignissen nicht zu einer Identifizierung der Person führen kann. Die Teilnahme an den Interviews ist freiwillig. Sie haben zu jeder Zeit die Möglichkeit, ein Interview abzubrechen, weitere Interviews abzulehnen und Ihre Einwilligung zur Aufzeichnung und Niederschrift des/der Interviews zu widerrufen, ohne dass Ihnen dadurch irgendwelche Nachteile entstehen. Die Einwilligung in das Gespräch, die Aufnahme, Auswertung und anonymisierte Veröffentlichung bekunden Sie durch Ihre Unterschrift. Die personenbezogenen Kontaktdaten werden von den Interviewdaten getrennt für Dritte unzugänglich aufbewahrt. Nach Beendigung des Forschungsprojekts werden Ihre Kontaktdaten automatisch gelöscht, es sein denn, Sie stimmen einer weiteren Speicherung zur Kontaktmöglichkeit für themenverwandte Forschungsprojekte ausdrücklich zu. Selbstverständlich können Sie einer längeren Speicherung zu jedem Zeitpunkt widersprechen. ☐ Ich möchte, dass meine Kontaktdaten sofort nach Beendigung des Projekts gelöscht werden. ☐ Ich bin mit einer weiteren Speicherung bis auf Widerruf einverstanden. Im Rahmen von zukünftigen themenverwandten Forschungsprojekten kann ich Sie erneut kontaktieren. ☐ Ich bin mit einer weiteren Kontaktaufnahme einverstanden. ☐ Ich bin mit einer weiteren Kontaktaufnahme nicht einverstanden. Vor- und Nachname in Druckschrift: _________________________________________________ Ort, Datum / Unterschrift: _________________________________________________

Wie schütze ich mich? Sie schützen sich, indem Sie den gerade ausgeführten Datenschutz beachten. Sichern Sie nach Einwilligung zur Datenerhebung den Teilnehmenden eine anonymisierte und aggregierte 236

Auswertung und Veröffentlichung der Daten zu und veröffentlichen später entgegen ihrer Erklärung die Namen mit den Daten, haben Sie ggf. mit zivil- und strafrechtlichen Sanktionen zu rechnen. Auch das will ja niemand! Zudem sollten Sie keine besonders schwierigen Gruppen oder Milieus beforschen. Das hat nicht mit mangelnder Bereitschaft zu tun, die ‚wirklich schwierigen Themen anzugehen‘. Wir würden dringend dazu raten, weder vulnerable Personen wie bspw. Frauen in Schutzstellen, Menschen mit Krebsdiagnosen, Eltern, die ihre Kinder verloren haben, Jugendliche in der Psychiatrie noch Bereich des organisierten Verbrechens oder die örtlichen Nationalsozialisten zu Beginn Ihres Studiums erforschen zu wollen. Alle diese Menschen sind interessant und für die Forschung relevant, aber kein Thema für Sie als Anfängerinnen und Anfänger ohne institutionellen Auftrag und ohne Anbindung. Sie handeln als Privatmensch und nicht als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter Ihrer Hochschule oder eines Forschungsprojekts. Eine durch Strafbarkeit gemäß § 203 StGB geschützte Verschwiegenheitspflicht, wie sie z.B. für verbeamtete Professorinnen und Professoren und bei bestimmten Forschungsprojekten besteht, schützt Sie als Privatperson nicht bei einer Forschung im zweifelhaften Milieu. Die Verschwiegenheitspflicht ist aber wichtig für den Schutz der Menschen, die sich uns im Rahmen einer Forschung anvertrauen. Und für Sie. Noch einmal alles zusammengefasst: Legen Sie unbedingt Wert auf eine korrekte Vorgehensweise beim Datenschutz – hier verbindet sich Ihr Schutz mit dem der Probandinnen und Probanden. Achten Sie insbesondere auf die informierte Einwilligung. Und forschen Sie zumindest zu Beginn in unauffälligen Milieus und Gruppen und zu unauffälligen Themen. Vermeiden Sie Risiken für sich und Ihre Probandinnen und Probanden.

Was muss ich noch beachten? Die Notwendigkeit zum Schutz von Personen und Daten begleitet den gesamten Forschungsprozess. Er drückt sich in einem verantwortungsvollen Umgang mit Daten während der gesamten Durchführung Ihrer Studie aus. Das bedeutet, dass Sie Daten, 237

Transkripte und Einverständniserklärungen wie bereits gesagt getrennt voneinander aufbewahren. Rohdaten und Transkripte werden nicht auf Rechnern gespeichert, die anderen Personen zugänglich sind. Grundsätzlich sollten Sie sich darüber Gedanken machen, wo Sie insbesondere Rohdaten aufbewahren. Wir meinen, dass es nicht notwendig ist, diese permanent auf dem Rechner zu belassen, sondern dass lokale Kopien offline auf USB-Sticks oder externen Festplatten gespeichert werden sollten. Auch zu überlegen ist, wie Rechner und externe Speichermedien verschlüsselt und passwortgeschützt werden können. Das mag Ihnen auf den ersten Blick umständlich vorkommen, aber bitte bedenken Sie, dass Sie den Menschen einen verantwortlichen Umgang mit ihren Daten zusichern. Dementsprechend sollten Sie Auszüge aus Transkripten vor der Vorstellung in Auswertungsgruppen oder im Seminar noch einmal sehr bewusst auf eine saubere Anonymisierung durchgehen. Uns ist es wiederholt passiert, dass Namen von Personen oder Einrichtungen im Seminar doch im Klarnamen vorlagen. So nachlässig darf nicht vorgegangen werden. Mit entsprechender Sorgfalt müssen Sie auch die Hausarbeit gestalten, wenn Ihre Studie als Teil der Modulprüfung fungiert. Es nutzt nichts, unbearbeitete Interviewtranskripte anzuhängen, die dann doch wieder Klarnamen beinhalten. Es ist generell eher ungewöhnlich, diese in Gänze zu veröffentlichen, da durch das komplette Material oft doch Querbezüge und ein Erkennen der Probandinnen und Probanden möglich ist. Generell kann man sagen, dass Sie zum Schutz der Personen, die Ihnen erlauben, über sie zu forschen, etwas Aufwand betreiben müssen. Forschung ist auch in dieser Hinsicht kein Alltag und verfolgt eine andere Logik. Wir hoffen, dass Sie sich darauf einlassen können.

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Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Unger, H. v./Narimani, P./M’Bayo, R. (Hrsg.) (2014): Forschungsethik in der qualitativen Forschung. Wiesbaden, VS Jochem Kotthaus und Claudia Paul

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Ich habe mit Menschen in Not gesprochen. Wie kann ich helfen? Studentinnen und Studenten der Sozialen Arbeit oder anderer Sozialberufe, die empirisch tätig sind, werden nicht selten mit folgender Situation konfrontiert: In der Forschung werden Missstände und Benachteiligungen sichtbar, die zuvor gar nicht erwartet wurden. Hier geht es nicht um per Definition vulnerable Personen, sondern um den normalen Alltag, in dem sich Benachteiligungen und Verletzungen zeigen. Der Jugendliche berichtet von Diskriminierungen in der Schule, die junge Mutter davon, dass das Jugendamt ihr das Kind weggenommen hat, eine Gruppe Kinder, dass im Stadtteil die Spielplätze verkommen, ein junger Mann, dass er keinen Therapieplatz findet, eine junge Frau, dass sie von ihrem Chef bedrängt wird, ein Schüler, dass seine Lehrer ihn hassen. Vielleicht bemerken Sie diese Missstände bereits während des Gesprächs und sind deshalb versucht, einige Fragen Ihres Leitfadens spontan in Richtung Ressourcenorientierung zu modifizieren, um Ihrem Gesprächspartner Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Oder Sie nehmen sich vor, nach dem Interview anzubieten, mit den Oppressoren zu sprechen, pädagogisch zu intervenieren oder andere Hilfe anzubieten. In aller Regel ist das alles jedoch keine gute Idee. Zunächst sollten Sie die Situation vergegenwärtigen: Ein Mensch, der zugestimmt hat, mit Ihnen über Teile seines Lebens zu sprechen oder von Ihnen beobachtet zu werden, erzählt Ihnen einen Sachverhalt, den Sie als besonders bedrückend oder belastend einschätzen. Sein oder ihr Einverständnis reicht genau soweit, dass er Ihnen gestattet, Daten zu generieren und diese anonym auszuwerten. Alles darüber hinaus sind Überschreitungen dieser Einwilligung. Sie haben hierzu keinen Auftrag. Ihre Aufgabe, selbst gewählt und/oder durch die Hochschule aufgetragen, lautet, eine Empirie durchzuführen, nicht jedoch, im Leben anderer Menschen ohne Auftrag sozialarbeiterisch zu intervenieren. Sie gehen in der Sozialforschung von kompetenten und handlungsfähigen Subjekten aus. Jede Einmischung geschieht in der Annahme, Ihr Interviewpartner wäre weder selbst auf die Idee gekommen, sich irgendwo Hilfe zu holen, wenn er oder sie 240

dies wünscht, noch hätte er dies nicht bereits getan. Sie wissen das nicht und es ist auch nicht Ihre Aufgabe, es herauszufinden. Weniger argumentativ und eher methodologisch formuliert müsste man sagen, dass der kognitive Stil, also die Weltanschauung, in der die Dinge wahrgenommen werden, sich grundlegend unterscheiden. Der kognitive Stil der empirischen Sozialforschung als Teil der Wissenschaft ist der des Beobachtens, Verstehens und Erklärens, der der Sozialen Arbeit der der Hilfe, des ‚unterstützenden Eingreifens‘, wenn Sie so wollen. Beides ist jedoch nicht miteinander verknüpfbar. Sie können den Bus, den Sie schieben, nicht gleichzeitig steuern (vgl. Berger und Luckmann 1969, S. 14) und Sie können nicht das Automobil sowohl von allen Seiten betrachten und unter ihm liegen, um es zu reparieren. Der TÜV untersucht und kontrolliert Ihren Wagen, aber er repariert ihn nicht. Ihre Werkstatt repariert das Auto, aber die Hauptuntersuchung nehmen Prüfer des TÜVs ab. Diese Trennung zwischen Hilfe und Wissenschaft ist gerade für Studentinnen und Studenten nicht immer leicht auszuhalten, zu verstehen und schon gar nicht umzusetzen. Wir haben verschiedentlich erlebt, wie Studenten während der Vorstellung ihres Leitfadens von Empowerment gesprochen haben und ausführten, es sei „schön und wichtig“, dass der Interviewpartner doch einmal über sein Leben nachdenke, um es zu ändern. An anderer Stelle wurde darüber spekuliert, ob das Erzählen eines vergangenen traumatischen Erlebnisses nicht zu einer Sekundärtraumatisierung führe. Ja, es ist richtig, im Vorfeld darüber nachzudenken, ob Ihre Forschung ethisch gerechtfertigt ist, ob man also mit genau diesem Menschen in dieser Situation über dieses Thema sprechen sollte. Kann man den Menschen Ihrer Forschung aussetzen? Unsere Empfehlung lautet: Bedenken Sie dies lieber zweimal und beforschen Sie gerade als Anfängerin und Anfänger nur gesunde, wache, einwilligungsfähige, unbelastete Erwachsene. Dies schließt unter anderem psychisch Kranke, Kinder, Jugendliche, Menschen in Notsituationen, Eltern in Sorgerechtsverfahren, Angehörige von jüngst Verstorbenen, generell schwer erkrankte Personen (also alles jenseits eines kräftigen Heuschnupfens), Sterbende, deren Familien und Betroffene von Vergewaltigungen, schweren sexuellen Über-

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griffen und Kindswohlgefährdungen, egal, wie lange diese vorüber sind, kategorisch aus. Das Gleiche gilt für Ausflüge zu wahrscheinlich kriminellen Verbindungen, Rockergangs (es sei denn, wir sprechen über die Mofa-Fans Ü70), das Zuhältermilieu, radikalisierte Faschisten oder Linksradikale, religiöse Extremisten oder Terroristen etc. Alle Personengruppen gehören zum Kernbereich des Interesses der empirischen Sozialforschung. Gerade durch die Beschäftigung mit den Randbereichen wird die große Mitte, der Mainstream, deutlicher. Entsprechend hält Berger es für das soziologische Bewusstsein für typisch, an den „weniger ‚anständigen‘ Seiten der Gesellschaft“ (2011, S. 72) interessiert zu sein. Als Studienanfängerinnen und Studienanfänger würden wir jedoch davon abraten, direkt ins Milieu einzusteigen. Tun Sie dies später im Rahmen eines regulären, hochschulischen Forschungsprojekts unter Anleitung erfahrener Sozialforscherinnen und Sozialforscher. Wenn Sie diese Hinweise beherzigen, werden Sie in aller Regel nicht darüber nachdenken müssen, ob und wie Sie Menschen helfen müssen. Und wenn Sie darüber nachdenken, berücksichtigen Sie bitte, dass Sie weder eine Einrichtung der Sozialen Arbeit noch einer Therapie sind. Wenn die Menschen um Hilfe ersuchen, verweisen Sie sie an genau diese professionellen Stellen. Da Sie also im Vorfeld die vulnerablen Personen aus Ihrer Forschung ausgeschlossen haben, müssen Sie sich um sozialarbeiterische Interventionen keine Gedanken mehr machen, Sie können Wissenschaft von der Praxis Sozialer Arbeit trennen.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Unger, H. v./Narimani, P./M’Bayo, R. (Hrsg.) (2014): Forschungsethik in der qualitativen Forschung. Wiesbaden, VS Jochem Kotthaus

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Ich habe ein rechtliches Problem. Was soll ich tun? Was ist, wenn ich während meiner Forschung eine Straftat beobachte? Sagen Sie bitte nicht, dass Sie doch im Zuhältermilieu oder bei Rockergangs geforscht haben! In Buchform und insbesondere in einem Format wie diesem, dazu noch verfasst von Nicht-Juristinnen und Nicht-Juristen wie uns, kann niemand Ihnen ernsthaft eine Beratung anbieten. Wir meinen, dass es sehr auf die Art und die Schwere der Straftat ankommt, ob und wie Sie tätig werden müssen. Verantwortungsvoll scheint es, Ihnen zu raten, mit Ihren Professorinnen und Professoren Kontakt aufzunehmen und die wahrscheinlich sehr komplexe Situation dort zu besprechen. Bitte tun Sie dies.

Was ist, wenn diese Straftat gerade jetzt stattfindet? Wir können nicht genau sagen, an welche Situation Sie denken oder was Sie gerade jetzt wahrnehmen. Ist es ein drohender Mord? Oder verprügelt jemand einen anderen Menschen derart, dass Sie um Leib und Leben fürchten müssen? Geht es um sexuelle Übergriffe, die mehr sind als ein unerwünschter Kuss? Geht es um Kinderpornographie oder sexuellen Missbrauch? Steckt jemand gerade Nachbars Garage in Brand? Stiehlt jemand Großmutters Erspartes und führt dabei ein Messer mit sich, welches er oder sie im Zweifelsfall bereit ist, einzusetzen? In solchen Fällen scheint es uns klar, dass Sie akut die Polizei informieren sollten. Es handelt sich um Verbrechen. Bei all diesen Vorfällen muss die Forschung hinten anstehen. Wenn wir nicht von solchen Dringlichkeiten oder solcher Massivität sprechen, dann gilt der gleiche Hinweis wie oben: Sprechen Sie mit Ihrer Professorin und ihrem Professor und nehmen Sie ggf. eine kompetente rechtliche Beratung in Anspruch. 243

Was ist, wenn ich eine Straftat während meiner Forschung begehe? Grundsätzlich kann das passieren. Wenn man in der GraffitiSzene forscht, dann kann es sein (aber es muss nicht sein), dass man von Ihnen erwartet, ein Piece zu sprühen. Wenn man zur Techno-Szene forscht, dann gehört es vielleicht dazu, auch Drogen (in sehr geringer Menge) zu kaufen. Wenn Sie bei den Waldbesetzerinnen und Waldbesetzern im Hambacher Forst Feldstudien betreiben, dann wäre es möglich, dass Sie Landfriedensbruch begehen. Wenn Sie in einem Underground-Fightclub forschen, dann kann es passieren, dass Sie an einem Kampf teilnehmen und jemandem die Nase brechen. Feldtypische Handlungen können illegal oder strafrechtlich relevant sein. Das müssen Sie bedenken. Ob Sie dazu bereit sind, ob Sie sich forschungsethisch noch immer auf der sicheren Seite befinden, können wir in Buchform nicht besprechen. Wir wollen also unseren bereits bekannten Hinweis aufnehmen: Sprechen Sie mit einer kompetenten Person über diesen Umstand und holen Sie sich eine solide Rechtsberatung im Vorfeld.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Unger, H. v./Narimani, P./M’Bayo, R. (Hrsg.) (2014): Forschungsethik in der qualitativen Forschung. Wiesbaden, VS Jochem Kotthaus

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Können wir über meine akademische Karriere sprechen und wie Kenntnisse der empirischen Sozialforschung hier wichtig werden? Soziale Arbeit ist eine Erfahrungswissenschaft. Damit unterscheidet sie sich von der Mathematik oder der Philosophie, Disziplinen, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse durch reine Theorieproduktion und Theorieentwicklung gewonnen werden. Erfahrungs- oder Realwissenschaften beziehen sich mit ihrem Gegenstandsbereich auf einen Teilbereich oder Ausschnitt menschlicher Erfahrungen. Sie verwissenschaftlichen also das Wissen über die Dinge und Phänomene, denen sich der Mensch in irgendeiner Weise ausgesetzt sieht. Erfahrungswissenschaften sind damit immer empirisch. Empirie meint wissenschaftliche Erkenntnis, die nicht aus einer theoretischen Auseinandersetzung gewonnen wird, sondern aus der systematischen Auseinandersetzung mit Erfahrungen. Eine Form der Erkenntnisgewinnung, wie sie beispielsweise in der Philosophie üblich ist, ist für Soziale Arbeit als alleinige Art und Weise der Erkenntnisgewinnung nicht denkbar. Als anwendungsbezogene Disziplin muss sie ihre Erkenntnisse in Auseinandersetzung mit Wirklichkeit gewinnen und sich daran messen lassen, wie sie wissenschaftliche Erkenntnis generiert, diese wissenschaftliche Erkenntnis weiterverarbeitet und welche Anregungspotenziale diese Erkenntnisse jenseits der wissenschaftlichen Welt für andere bieten. Darin, und das ist die Pointe, ist die Soziale Arbeit mit der überwiegenden Anzahl anderer Wissenschaftsdisziplinen identisch. Die Möglichkeit und Fähigkeit, Theorie aus Daten der Wirklichkeit zu gewinnen, ist damit die Voraussetzung für eine Betätigung in allen Disziplinen, nicht nur der Sozialen Arbeit. Kenntnisse in der empirischen Sozialforschung sind damit eine grundlegende Bedingung für Ihre Karriere in der Wissenschaft. Sie stellen zudem eine Anschlussstelle im Dialog mit anderen Disziplinen dar, da dort sowohl Statistik als auch Methoden qualitativer Forschung genutzt werden. Selbst wenn also bspw. der 245

Fokus der Politikwissenschaften ein anderer ist als der der Sozialen Arbeit und beide sich wiederum von den Kulturwissenschaften unterscheiden, werden Sie trotzdem Common Ground, also ein gemeinsames, geteiltes Wissen in Bezug auf die Empirie und ihre Anwendung voraussetzen können. Betrachtet man Soziale Arbeit aus dieser Position, werden zunächst einmal Kenntnisse empirischer Forschung unabdingbarer Teil jedes Studienverlaufs in Sozialer Arbeit, egal, ob dieser nach dem Bachelor oder dem Master endet. Wobei man einschränkend sagen muss, dass der Studienverlauf, der mit dem Bachelor schließt, nicht sehr deutlich auf eine wissenschaftliche Karriere hinweist. Studierende einer Erfahrungswissenschaft sollten im Bachelorstudium Grundkenntnisse der Gewinnung und Präsentation von wissenschaftlicher Erkenntnis sammeln, Paradigmen der Sozialforschung unterscheiden lernen und erste wissenschaftliche Erkenntnisse in Seminar- und/oder Abschlussarbeiten generieren und verschriftlichen. Diese Kenntnisse empirischer Sozialforschung sind Teil jeder akademischen Ausbildung in einer Erfahrungswissenschaft, auch in der Pädagogik, der Psychologie oder der Medizin. Sie bieten Studierenden, die nach dem Bachelor in den Beruf gehen, eine Möglichkeit, sich als Absolventinnen und Absolventen einer akademischen Ausbildung neben denen anderer Erfahrungswissenschaften zu verorten. Im Arbeitsalltag Sozialer Arbeit ist die Kooperation mit anderen Wissenschaftsdisziplinen unabdingbar, und insbesondere mit Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, Medizinerinnen und Medizinern sowie Psychologinnen und Psychologen an der Tagesordnung. Grundkenntnisse der empirischen Sozialforschung helfen, die Zugänge zur Wirklichkeit anderer Disziplinen zu verstehen, ohne deren Deutungsmuster unhinterfragt übernehmen zu müssen. Kenntnisse empirischer Sozialforschung dienen auch dazu, eine disziplineigene Haltung zu Wirklichkeit zu entwickeln, und erleichtern im Arbeitsalltag den Umgang mit Akten, Diagnosen, Gerichtsurteilen und anderen Normierungen von Wirklichkeit, die wirksam für Adressatinnen und Adressaten Sozialer Arbeit werden.

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Ich will aber nach dem Bachelor mit meinen Studien gar nicht aufhören … … und das ist eine gute Einstellung, insbesondere, wenn Sie planen, im akademischen Bereich Karriere zu machen. Verstehen wir unter Karriere eine Erwerbsarbeit in der Wissenschaft, vielleicht eine entfristete, also dauerhafte Anstellung, dann ist die absolute Voraussetzung ein weiteres Studium. Sie werden dann nicht um den Abschluss eines Masterprogramms entweder in der Sozialen Arbeit, bzw. einer verwandten Disziplin wie der Erziehungswissenschaft oder der Soziologie oder auch in einer anderen Sozialwissenschaft herumkommen. Um dieses Studium aufnehmen zu können, insbesondere, wenn Sie sich um einen Master-Studienplatz außerhalb der Sozialen Arbeit bewerben, sind vertiefte Erfahrungen in der empirischen Sozialforschung praktisch immer notwendig. In der Regel werden das etwa 30 Credit Points sein. Dies zu wissen, ist bereits im Bachelor wichtig, weil Sie Ihren Studienverlauf darauf ausrichten und Veranstaltungen, ggf. auch solche außerhalb des normalen Studienverlaufs, wählen sollten, die Ihnen die erforderlichen Credit Points erbringen. Nach einem Blick in Ihren Studienverlaufsplan werden Sie jetzt vielleicht feststellen, dass es recht schwierig sein könnte, auf diese Summe zu kommen. Dies ist richtig und oft keine Ausnahme: Empirische Sozialforschung stellt wahrscheinlich keinen Schwerpunkt auf der Bachelor-Ebene des Studiums dar. Wenn Sie daran Kritik äußern und anmerken, dass sozialarbeiterische Fachbereiche manchmal zu kurz denken und ihre eigenen Absolventinnen und Absolventen in der Anschlussfähigkeit zu anderen Wissenschaftsdisziplinen benachteiligen, dann wäre Ihnen wohl zuzustimmen. Viele, wenn nicht alle Masterprogramme in den Sozialwissenschaften gehen davon aus, dass Ihnen die empirischen Grundlagen bekannt sind. In der Konsequenz wird die Ausrichtung in Ihrem Masterstudiengang tendenziell eher darin bestehen, Vertiefungen und Lehrforschung anzubieten.

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Zum Abschluss: die Promotion Diese Vertiefung sollte spätestens mit dem Beginn der Promotionsphase abgeschlossen sein. Sie beweisen mit der Promotion, dass Sie in der Lage sind, eine empirische Forschung (oder eine theoretische Auseinandersetzung) eigenständig zu betreiben. Die notwendigen Fähigkeiten, also eben die vertieften Kenntnisse in der Anwendung empirischer Methoden, sollten also bereits vorhanden sein – sonst verwenden Sie eine Menge Zeit während der Promotion damit, sich entsprechende Fähigkeiten anzueignen. Die Promotion scheint zunächst, insbesondere für Studierende des Bachelors der Sozialen Arbeit, ein utopisches Unterfangen und ein ausgeprägtes Abenteuer. Tatsächlich wird sie jedoch vor allem dann zu einem unkalkulierbaren Vorhaben, wenn zumindest die Idee einer Promotion nicht bereits recht früh verfolgt wird und der Studienverlauf bzw. die -inhalte darauf hin ausgerichtet werden. Es wäre absolut wünschenswert, wenn mehr Studierende der Sozialen Arbeit diese Absichten verfolgen und sehr früh ein ausgeprägtes akademisches Verständnis entwickeln würden. Sie sollten dessen gewahr sein, dass ein Maßstab, an dem Sie gemessen werden, Ihre Kenntnisse in der empirischen Forschung sind.

Welches Buch empfiehlt sich für eine erste Vertiefung des Themas? Engelfried, C./Ibisch, P. (Hrsg.) (2016): Promovieren an und mit Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Opladen, Budrich Nina Erdmann und Jochem Kotthaus

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Welche Bücher muss ich lesen? Eigentlich müssten wir ja sagen: „Alle!“ Oder doch zumindest: „So viele wie möglich!“ Es gibt praktisch kein Thema, zu dem Sie nicht Bibliotheksregale voller Bücher erhalten könnten. Ob alle immer wirklich gut sind, ist schwierig zu sagen. Aber wir würden Ihnen nicht sagen wollen, dass manche schlecht sind, oder besser: welche schlecht sind. Wir denken, dass Sie dies im Laufe der Zeit am besten selbst herausfinden. Wir würden Ihnen aber gerne einige wirklich gute Bücher empfehlen, einige Werke, die für die empirische Sozialforschung von besonderer Bedeutung sind. Hier sind also, weil es so eine schöne runde Zahl ist, zehn Empfehlungen nebst kurzer Begründung. 1. Karl Popper (1999): Auf der Suche nach einer besseren Welt. München, Piper Eine der vielen Aufsatzsammlungen, die es von Popper gibt. Für die Frage der Empirie sind die ersten 170 Seiten wesentlich. Hier finden Sie alles, was man von Popper (mindestens) kennen sollte: die Drei-Welten-Theorie, die Abhandlung über Wissen und Nichtwissen, die Logik der Sozialwissenschaften und die erkenntnistheoretischen Grundlagen einer kritisch-rationalen Sozialforschung. 2. Peter Berger und Thomas Luckmann (1969): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt/ Main, Fischer Noch immer keine wirkliche Einführung in die Praxis der empirischen Sozialforschung, jedoch die Grundlegung der Frage, wie der Mensch in Bezug zu seiner Gesellschaft steht. Das wesentliche Werk, welches Max Webers Wertfreiheitspostulat mit der Mundanphänomenologie von Alfred Schütz verbindet und nebenbei den Ausgangspunkt einer neuen Wissenssoziologie darstellt. Sehr viel Empirie finden Sie hier nicht, aber von hier aus 249

können Sie alle Inbezugstellungen von Subjekt und Gesellschaft verstehen, im Sinne von einschätzen. 3. Barney Glaser und Anselm Strauss (1967): The Discovery of Grounded Theory. Strategies for Qualitative Research. New Brunswick, Aldine Transaction Der Klassiker einer interaktionistisch-pragmatisch orientierten Sozialforschung. Wenn man es so lesen will: das Begleitwerk zu Berger und Luckmanns gesellschaftlicher Konstruktion. Basierend auf einer Unzufriedenheit mit dem vorherrschenden deduktiv-nomologischen Modell der Sozialforschung legen Glaser und Strauss hier die Grundlage für fast jede moderne Form qualitativer Forschung. 4. Anselm Strauss und Juliet Corbin (1998): Basics of Qualitative Research. Thousand Oakes, Sage Während die Discovery of Grounded Theory die Grundlagen entwickelt, in der Durchführung jedoch noch etwas nebulös verbleibt, legen Strauss und Corbin mit diesem Buch eine detaillierte Anleitung einer Grounded Theory mit zahlreichen (Auswertungs-)Beispielen vor. Wenn es irgendwie geht, sollten Sie die zweite Auflage des englischen Originals lesen. 5. Anne Honer (1993): Lebensweltliche Ethnographie. Ein explorativ-interpretativer Forschungsansatz am Beispiel von Heimwerker-Wissen, Wiesbaden, DUV Eine der besten lebensweltanalytischen Ethnographien. Im ersten Teil erfolgt eine sehr präzise methodische Grundlegung, im zweiten eine ziemlich unterhaltende Darstellung der Ergebnisse einer ethnographischen Studie im Bereich der Heimwerker. Anne Honer beschäftigte sich mit Alltagsphänomenen und ging entsprechend hemdsärmelig an ihr wissenschaftliches Tun: „Methoden haben nämlich keinen Eigen-Wert – auch, und schon garnicht, in den Sozialwissenschaften. Methoden sind nur dazu da, daß man (sozial-)wissenschaftliche Probleme ‚in den Griff 250

bekommt‘ (dazu aber sind sie ‚in der Tat‘ grundsätzlich nützlich).“ Genau so ist das Buch geschrieben. 6. Helmut Kromrey (2002): Empirische Sozialforschung. Modelle und Methoden der standardisierten Datenerhebung und Datenauswertung. Opladen, Leske & Budrich Kromreys Werk ist eine Einführung in die quantitative Sozialforschung, welche im Aufbau dem „Ablauf eines realen Forschungsprozesses“ folgt. Dadurch kann das Buch als Referenz für eine komplette Studie herangezogen werden. Kromrey bleibt auf der Ebene deskriptiver Statistik, was uns jedoch insofern richtig scheint, als dass ohne Einbindung in ein Forschungsprojekt und intensive Anleitung (oder den Intellekt eines Grigori Jakowlewitsch Perelman) multivariate Auswertung von Anfängern und Anfängerinnen auch nicht betrieben werden kann. Zudem ist Kromrey sehr amüsant geschrieben und mit vielen wunderbaren Beispielen versehen. Alles, was Sie in diesem Buch über empirische Sozialforschung der quantitativen Art lernen können, finden Sie bei Kromrey besser. 7. Udo Kelle und Helga Kluge (2010): Vom Einzelfall zum Typus. Fallvergleich und Fallkontrastierung in der qualitativen Sozialforschung. Wiesbaden, VS Das Standardwerk für die Frage, wie es möglich sein kann, aus einem einzigen zusammenhängenden Datenmaterial den Typus einer Typologie zu bilden, und zwar mit dem Anspruch auf eine Reichweite, die über den Fall selbst hinausgeht. 8. Günter Mey und Katja Mruck (Hrsg.) (2010): Grounded Theory Reader. Wiesbaden, VS Der einzige Herausgeberband in dieser Liste. Das Problem mit Beitragssammlungen sind oft der uneinheitliche Stil sowie die mangelnden theoretischen und argumentativen Verweise zwischen den Artikeln. Dieser Band ist nicht anders. Er behandelt

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verschiedene Einzelaspekte und die verschiedenen methodischen Positionen, die es in der Grounded Theory geben kann. Er ist jedoch enorm fruchtbar und unterhaltsam zu lesen. Sie dürfen hier keine Einführung in eine bestimmte Methode erwarten, sondern müssen den Reader im Titel wirklich ernst nehmen. Dann werden Sie viel Freude mit diesem Band haben. 9. Sabina Misoch (2015): Qualitative Interviews. Berlin, de Gruyter Das Werk von Sabina Misoch gibt einen wunderbaren Überblick über Interviews in ihrer ganzen Breite als Möglichkeit der Datengenerierung in der empirischen Sozialforschung. Dieses Thema wird auch in anderen Einführungsbüchern behandelt, jedoch selten in dieser Tiefe und Umfänglichkeit. Das Buch bespricht unterschiedliche Interviewformen, ihren Einsatz, ihre Durchführungen, und endet dann mit einem kurzen Kapitel zur Datenbehandlung (Transkription) – in richtiger Weise. So legt Misoch eine sehr konzentrierte Einführung in die Möglichkeiten der Datengenerierung mittels Interview vor. 10. Uwe Flick (2016): Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt Uwe Flick hat zwei sehr wesentliche Einführungen in die Sozialforschung vorgelegt: einen hervorragenden Sammelband gemeinsam mit Ernst von Kardorff und Ines Steinke sowie die hier empfohlene Monographie. Der Sammelband ist breiter angelegt, mit einer Vielzahl hochkarätiger Autorinnen und Autoren besetzt, aber es fehlt ihm eben ein wenig der Fokus, der sich bei der Einführung so sehr hervorragend gestaltet. Flick legt hier das qualitative Gegenstück zu Helmut Kromreys Darstellung des quantitativen Forschungsverlaufs vor. Das Buch konzentriert sich nicht auf eine Auswertungsmethode, sondern stellt eine Vielzahl von Analysemöglichkeiten dar. Dadurch leidet die Tiefe etwas – wenn man so etwas bei einem Werk von über 600 Seiten Umfang überhaupt sagen darf.

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Welche Begriffe muss ich kennen, um einzelne Kapitel zu verstehen? Empirische Sozialforschung beider Arten ist eine hoch komplexe und sprachlich abstrakt formalisierte Angelegenheit. Sehr schnell ergehen sich Forscherinnen und Forscher in Fachtermini, d.h. in der Zunft bekannten und klar vorausgesetzten Begriffen und Definitionen. Dies ist auch notwendig, da die Alltagssprache zur Verständigung und zum Transport eines bestimmten Sinngehalts nicht fähig ist. Dies führt natürlich dazu, dass Begriffe hoch speziell eingesetzt werden und mit Fachsprache Ausschluss betrieben wird: Studentinnen und Studenten müssen sich erst noch einfinden. Wir wollen deshalb in diesem Kapitel schlagwortartig die wichtigsten ‚großen‘ Begriffe beider Forschungsparadigmen benennen. In einer empirisch angelegten Hausarbeit müssten Sie alle diese Definitionen sinnvoll verwenden können. Natürlich ist dies eine äußerst kurze, kaum über ein Glossar hinausgehende Begriffsaufstellung, Sie soll Ihnen den schnellen Zugriff ermöglichen. Hiermit ist gleichzeitig der Hinweis verbunden, dass diese kurze Abhandlung der wesentlichen Begriffe Ihnen einen Überblick und damit Sicherheit vermitteln kann, die Zitationswürdigkeit jedoch eher in anderen, ausführlicheren Werken zu suchen ist. Abduktion Eine Art des logischen Schließens, bei der plötzlich und unerwartet in der Betrachtung des empirischen Materials neue und bisher ungedachte Erkenntnisse formuliert werden können. Analyse Derart wird der Prozess der Auswertung des Datenmaterials genannt. Je nach Erkenntnisinteresse und damit angewandter Methode ist das Vorgehen unterschiedlich ausgelegt und formalisiert. Grundsätzlich gilt, dass Analyseverfahren Daten nur auf 253

bestimmte Arten und Weisen bearbeiten und deshalb nur bestimmte Ergebnisse produzieren können. Daten, künstliche Solche Artefakte, welche im Verlauf eines empirischen Forschungsprojekts überhaupt erst hergestellt werden. Hauptsächliche Formen sind das Interview bzw. dessen Aufzeichnung sowie die standardisierte Erhebung (also statistisch verwertbares Material). Daten, natürliche Hiermit sind solche Daten gemeint, welche in Alltagsvollzügen entstehen und im Rahmen einer empirischen Forschung entweder gesammelt bzw. zusammengestellt (bspw. Zeitungsartikel zum Thema Kindeswohlgefährdung) oder aufgezeichnet und verschriftlicht werden (z.B. das Protokoll eines Anrufs beim Jugendamt, um eine Kindeswohlgefährdung anzuzeigen). Datenerhebung Der Prozess des Generierens oder Sammelns von Artefakten, mit welchen Aussagen über das Phänomen getätigt werden sollen. Dies kann in Form von standardisierten Erhebungen, Interviews oder Beobachtungen der Handlungspraxis geschehen. In der quantitativen Forschung schließt die Analyse an die Datenerhebung an, in der qualitativen Forschung sind Datenerhebung und Datenanalyse ineinander verzahnt und verwoben. Deduktion Bezieht sich auf die Frage des Verhältnisses von empirischem Material und bestehender Theorie über das Phänomen. In der Deduktion werden allgemeine Gesetze, vor allem in Form bestehender Theorie, auf den Einzelfall, d.h. das empirische Material, angewandt, wobei dieses untergeordnet wird.

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Gütekriterien Hierunter sind vor allem die ‚Sicherungsmerkmale‘ einer quantitativen Forschung zu verstehen. Sie beziehen sich auf Repräsentativität (ein Sample zeigt in seiner Zusammensetzung die Merkmalsverteilung der Grundgesamtheit), Reliabilität (Zuverlässigkeit, Genauigkeit und deshalb Wiederholbarkeit), Objektivität (die Messung ist nicht systematisch verzerrt und unabhängig von Personen und Situationen) und Validität (die Messung misst, was sie messen soll). In der qualitativen Forschung existieren keine direkten Entsprechungen, da die Prozessstruktur der Forschung sich dem Formalismus standardisierter Forschung verweigert. Wohl jedoch ist quantitative Forschung in ihrem Vorgehen nicht beliebig, muss gegenstandangemessen verlaufen und sich einer resoluten Methodendiskussion stellen. Hypothese Sehr vorläufige Erklärungen über die Entstehung, die Bedingungen und die Entwicklung eines Phänomens. In der quantitativen Sozialforschung werden Hypothesen als Wenn-dann- und Jedesto-Aussagen operationalisiert und bilden damit die Grundlage der Erhebung. In qualitativen Verfahren sind Hypothesen vorläufige Erklärungen über das Phänomen, die im Laufe des Analyseprozesses entstehen und in dessen Verlauf rigide überprüft werden. Hypothesentestung Die Hypothesentestung stellt den Wesenskern standardisierter Forschung dar. Vorläufige Erklärungen über die Zusammenhänge der Wirklichkeit werden in Form von kurzen, messbaren Aussagen operationalisiert und testbar gemacht. Induktion Bezieht sich auf die Frage, wie vom empirischen Material eine Hypothese und Theorie über das Phänomen abgeleitet werden 255

kann. Im Falle induktiver Schlüsse wird die Reichweite der Gültigkeit der Analyse stark ausgeweitet und aus dem Einzelfall werden allgemeine Aussagen abgeleitet. Kode Unter einem Kode (auch: Code) wird die analytische Einheit im Auswertungsprozess verstanden. In verschiedenen Analysemethoden werden darunter leicht unterschiedliche Phänomene verstanden, im Wesentlichen ist damit eine Benennung des Gehalts eines Textfragments gemeint. Kodierung Der Prozess der analytischen Erarbeitung von Kodes wird Kodierung (Codierung) genannt. In der quantitativen Sozialforschung meint Codierung den Prozess der Zuweisung von Messwerten (in der Regel eine Zahl) zu der Merkmalsausprägung eines bestimmten Phänomens. Methoden Hierunter sind die speziellen Erhebungs- und Auswertungsinstrumente zu verstehen, welche in der Schnittfläche von Methodologie und Phänomen anzuwenden sind. Unterschiedliche Methoden erfassen unterschiedliche Aspekte des Phänomens, sie sind nie das Phänomen selbst. Methodologie Die Erwägungen zur Auswahl einer bestimmten Methode in Abhängigkeit von der Frage der theoretischen Fassung von Wissenschaft, Wirklichkeit und des angemessenen Vorgehens ihrer empirischen Analyse.

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Operationalisierung Unter Operationalisierung versteht man die Messbarmachung eines abstrakten Konzepts. Gemessen wird also nicht das Konzept selbst, sondern sein erfahrbarer Ausdruck in der Welt. Diese Merkmalsausprägung gilt dann als Indikator für das Phänomen. Phänomen (Gegenstandsbereich) Derjenige Ausschnitt der sozialen Welt, welcher zum Gegenstand der empirischen Forschung wird. Das Phänomen ist niemals das praktische Handeln konkreter Menschen in sozialen Bezügen selbst, sondern seine abstrakte Verdoppelung durch die Wissenschaft. Wie das Phänomen angesehen wird, hängt ursächlich von den zum Einsatz kommenden Methoden ab. Qualitative Sozialforschung Die Form der Sozialforschung, welche versucht, die subjektiven Interpretationen, Sinndeutungen und das Handeln des konkreten Menschen und seiner Kollektivformen in der vorstrukturierten und vorgedeuteten sozialen Wirklichkeit zu verstehen, wobei die Betonung der Forschung mitunter sehr stark auf dem Subjekt, mitunter auf den Strukturen der Wirklichkeit liegt. Quantitative Sozialforschung Die Form der Sozialforschung, welche Hypothesen über die Zusammenhänge und Entwicklung von Merkmalsausprägungen der sozialen Wirklichkeit formuliert und diese mittels in der Regel standardisiert erhobener Daten und mathematisch-statistischer Verfahren überprüft. Sampling In der quantitativen Forschung das Vorgehen, welches sich auf die Frage der Auswahl der Daten in Relation zum Gesamt eines

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Merkmalsträgers richtet. Die Auswahl kann zufällig, systematisch oder willkürlich erfolgen, sie ist entscheidend für das Vorliegen des Gütekriteriums der Repräsentativität. In der qualitativen Sozialforschung erfolgt oft ein theoretisches Sampling auf Grundlage der in der Datenanalyse neu auftretenden Qualitäten des Phänomens. Das Sampling wird dann beendet, wenn sicher keine neuen Qualitäten des Phänomens ausgemacht werden können. Standardisierung Hierunter wird der Grad der Freiheit verstanden, sich zu einem Phänomenbereich zu äußern. Je geringer der Grad an Standardisierung ausfällt, desto mehr haben die Menschen des Phänomenbereichs die Möglichkeit, subjektive Sichtweisen darzustellen. Je höher der Grad der Standardisierung, desto eher sind die Daten analytisch vergleichbar, bis hin zur Bearbeitung in mathematisch-statistischer Form. Theorie Dies sind logisch miteinander verbundene Sätze und Überlegungen zu einem betrachteten Phänomen, seiner Genese, seinen Bedingungen, seiner Entwicklung. Theorien können in ihrer Reichweite unterschiedlicher Natur sein und nur wenig über das im empirischen Material aufgezeigte Phänomen hinausgehen oder aber auch Allgemeinheitsansprüche formulieren. Transkription Transkription ist die Überführung von auditivem und/oder visuellem Datenmaterial in Text, um dieses im Analyseprozess bearbeitbar(er) zu machen. Es existieren verschiedene Transkriptionssysteme mit unterschiedlicher Detailtiefe. In der Regel werden Interviews in Textform gebracht.

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Wirklichkeit Hiermit ist die umfassende Erfahrungsmöglichkeit des Menschen gemeint. Quantitative, hypothesentestende Sozialforschung geht von einer gesetzmäßigen Struktur des Sozialen aus, qualitative Forschung von einem Ineinanderfallen von Wahrnehmung und Gegenstand. Dementsprechend sind die Methoden, die auf den jeweiligen Vorstellungen der Möglichkeiten von Erfahrung beruhen, unterschiedlicher Art und Weise.

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kompetenzorientiert und offen?!“ Baltmannsweiler, Schneider, S. 141–165 Thaler, T./Birgmeier, B. (2011): Sozialforschung und Soziale Arbeit. Für einen methodologischen Pluralismus. In: Mührel, E./Birgmeier, B. (Hrsg.): Theoriebildung in der Sozialen Arbeit: Entwicklungen in der Sozialpädagogik und der Sozialarbeitswissenschaft. Wiesbaden, VS, S. 187–198 Thome, H. (2007): Methoden der Sozialforschung. In: Joas, H. (Hrsg.): Lehrbuch der Soziologie. Frankfurt/M., Campus, S. 34–71 Titscher, S./Wodak, R./Meyer, M./Vetter, E. (1998): Methoden der Textanalyse. Leitfaden und Überblick. Opladen, Westdeutscher Verlag Unger, H. v. (2014): Forschungsethik in der qualitativen Forschung. Grundsätze, Debatten und offene Fragen. In: Unger, H. v./Narimani, P./M’Bayo, R. (Hrsg.): Forschungsethik in der qualitativen Forschung. Wiesbaden, VS, S. 15–40 Wensierski, H.-J. (1994): Biographie und Lebenswelt junger DDR-Bürger im Umbruch. Opladen, Leske und Budrich Wensierski. H.-J. v./Jakob, G. (1997): Rekonstruktive Sozialpädagogik. Sozialwissenschaftliche Hermeneutik, Fallverstehen und sozialpädagogisches Handeln - eine Einführung. In: Jakob, G./Wensierski, H.-J. v. (Hrsg.): Rekonstruktive Sozialpädagogik: Konzepte und Methoden sozialpädagogischen Verstehens in Forschung und Praxis. Weinheim, Juventa, S. 7–22 Wernet, A. (2009): Einführung in die Interpretationstechnik der Objektiven Hermeneutik. Wiesbaden, VS (3. Aufl.) Witzel, A. (1989): Das problemzentrierte Interview. In: Jüttemann, G. (Hrsg.): Qualitative Forschung in der Psychologie. Grundfragen, Verfahrensweisen, Anwendungsfelder. Heidelberg, Asanger, S. 227–256 Ziegler, H. (2006): Evidenzbasierte Soziale Arbeit. In: Schweppe, C./Sting, S. (Hrsg.): Sozialpädagogik im Übergang. Neue Herausforderungen für Disziplin, Profession und Ausbildung. Weinheim, Beltz, S. 139–155

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Autorinnen und Autoren Nina Erdmann, Prof. Dr., Professorin an der Technische Hochschule Köln, Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften. Lehr- und Forschungsgebiete: professionalisiertes Handeln, Professionalisierungsforschung, Biographieforschung, heterogenitätssensible Bildungsforschung. E-Mail: [email protected] Ute Fischer, Prof. Dr., Professorin an der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften. Arbeitsund Forschungsschwerpunkte: Sozialwissenschaften insbesondere Sozialpolitik, Bedingungsloses Grundeinkommen, Geschlechterforschung, Demokratieentwicklung, Objektive Hermeneutik. E-Mail: [email protected] Anne Gisske, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bergischen Universität Wuppertal, Institut für Bildungsforschung in der School of Education. Arbeitsbereich: Methoden der Bildungsforschung, Schwerpunkte: Methoden der qualitativen Sozialforschung, Gütekriterien qualitativer Forschung, Schulentwicklungsforschung. E-Mail: [email protected] Katharina Gundrum, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaft, Arbeitseinheit Sozialpädagogik der Bergischen Universität Wuppertal. Arbeitsschwerpunkt: Exklusion/Inklusion, Kinder- und Jugendhilfe, Sozialpädagogische Nutzerforschung, Soziale Arbeit im aktivierenden Sozialstaat. E-Mail: [email protected] Viola Hartung-Beck, Prof. Dr., Professorin an der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften. Arbeits- und Forschungsgebiete: Empirische Forschungs-

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methoden, insbesondere qualitative Methoden, Weiterentwicklung qualitativer Forschungsperspektiven und schulische Organisationsforschung. E-Mail: [email protected] Judith von der Heyde, Dr. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin (postdoc) an der Universität Osnabrück, Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung Erziehungswissenschaft mit sozialpädagogischem Forschungsschwerpunkt. Arbeitsschwerpunkt: Erziehungswissenschaftliche Geschlechterforschung, Praxistheorie(n), qualitative Methoden insbesondere Ethnographie und Praxeographie, sexuelle Bildung. E-Mail: [email protected] Silke Kohrs, Dr. phil., akademische Rätin a.Z. an der Technischen Universität Dortmund, Institut für Soziologie. Arbeitsschwerpunkt: Soziale Ungleichheit und empirische Forschungsmethoden. E-Mail: [email protected] Jochem Kotthaus, Prof. Dr., Professor der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Wissenssoziologie, Mundanphänomenologie, sozialpädagogische Theorie, Vergemeinschaftungsformen, Sexualität und Begehren, Subjekttheorie und Lebensweltanalyse, Ethnographie. E-Mail: [email protected] Janine Linßer, Prof. Dr. phil., Dipl. Soz.Arb./Soz.Päd, Professorin an der SRH Hochschule Hamm, Fachbereich Sozialwissenschaft. Arbeits- und Forschungsgebiete: Kinder- und Jugendhilfe, Jugendforschung, Methoden der empirischen Sozialforschung. E-Mail: [email protected]

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Ken-Michael Neusser, Sozialarbeiter und Sozialpädagoge B.A., Mansfeld-Schule-Bochum, Förderschule für emotionale und soziale Entwicklung. Email: [email protected] Claudia Paul, Dr. jur., Projektleitung am Institut für Inklusive Bildung NRW. E-Mail: [email protected] Stefanie Rosenmüller, Professorin für Philosophie, Ethik und Bildung am Fachbereich für Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund. Arbeits- und Forschungsgebiete: Ethik der Sozialen Arbeit und Rechtstheorie, Urteilstheorie im Anschluss an Hannah Arendt, aktuell: Theorien der Haltung sowie Begriffe und Bedingungen des Vertrauens. E-Mail: [email protected] Sebastian Schinkel, Dr. phil., ist Soziologe und Erziehungswissenschaftler, bis 2019 Postdoc am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen. Forschungsschwerpunkte: Kindheits- und Familienforschung, Kultursoziologie des Alltagslebens, Ethnographie und Qualitative Sozialforschung. E-Mail: [email protected] Claudia Streblow-Poser, Dr. phil., Professorin für die Wissenschaft Sozialer Arbeit am FB Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Dortmund. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Rekonstruktive Forschungsmethoden, Kooperation Jugendhilfe und Schule, Bildungsforschung, Professionsgeschichte der Sozialen Arbeit. E-Mail: [email protected] Daniela Templin, Dr., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Dortmund, Fachbereich Angewandte Sozialwissenschaften. Arbeits- und Forschungsgebiete: Studierkulturenforschung, Wissenssoziologie, Raumsoziologie, explorativ-interpretative Forschungsmethoden. E-Mail: [email protected] 274

Gerrit Weitzel, Master of Arts, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Münster, Institut für Gesellschaft und Digitales. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Jugendforschung, Rekonstruktive Sozialforschung, Gesellschaftliche Modernisierung und Konflikte. E-Mail: [email protected]

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Katja Günther

Selbstcoaching in der Wissenschaft Wie das Schreiben gelingt

2020. 138 Seiten • Kart. • 13,00 € (D) • 13,40 € (A) ISBN 978-3-8252-5369-1 • eISBN 978-3-8385-5369-6

Dieses Selbstcoaching-Buch lädt Wissenschaftler*innen ein, ihr Arbeiten und Schreiben in der Wissenschaft neu zu gestalten. Sie entdecken die Bedingungen ihrer individuellen Schreibproduktivität, erhalten konkrete Tipps und überprüfen den eigenen Arbeitsalltag mithilfe von Coachingfragen. So gelingt es, im anforderungsreichen Forschungsalltag mehr an Lebensqualität und Freiräumen zu gewinnen: für ein gutes und produktives Schreibleben.

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