Familiengeschichten: Band 11 Barneck und Saldorf, Teil 1 [Reprint 2022 ed.] 9783112626764


227 14 17MB

German Pages 205 [416] Year 2022

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Familiengeschichten: Band 11 Barneck und Saldorf, Teil 1 [Reprint 2022 ed.]
 9783112626764

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Familiengeschichten. Von

August

Lafontaine.

Elfter

B a n b,

B a rn eck und S a l d o r f.

Er ft er Theil.

Mit einem Kupfer und einer Vignette.

Berlin, fr c i

Johann

Daniel Sander 160 4.

Barneck und Saldorf.

I.

Der Ueberfall. Ruhig lebten wir, ich, meine Eltern, und

einige Deutsche Kolonisten, in einem Winkel des Gebirges, von dichtem Walde umgeben,

einige Meilen weit von dem Hudsonflusse: ruhig; glücklich wohl nicht. Meine Mutter

war eine schöne Frau von zartem Körper, und mein Vater liebte sie unaussprechlich, so wie sie ihn. Das war aber auch alles; denn

oft drückte er sie an seine Brust, und sagte

mit tiefem Kummer: «ach, hätte ich dich

in deiner freundlichen Heimath gelassen, meU ne Henriette!

Hier . . .1”

Er faßte ihre

Hände, welche von Arbeit hart geworden wa­

ren,

und wendete dann den bekümmerten

Blick gen Himmel.

«Was fehlt mir denn?"

sagte meine Mutter mit einem Lächeln, bet

(

4

)

dem aber doch Thränen aus ihren Äugen hervorbrachen.

»Freilich muß ich arbeiten,

und das wird mir schwer; ich werde mich

aber daran gewöhnen."

Mein Vater schüt­

telte sanft den Kopf, und blickte unruhig auf

die bleiche Farbe ihres Gesichts, ihre erlo­ schenen Augen und ihre abgefallenen Wan, -en.

»Ach, wärest du dort!" sagte er noch

einmal.

„Ich wollte in diesem unermeß­

lichen Walde, in dieser grauenvollen Einsam»

feit, noch einsamer, noch elender leben als jetzt." Dann lehnte meine Mutter das blasse Gesicht an seine Brust, und so stattdeN Bei­

de eine lange Minute:

mit der innigsten

Liebe im Herzen, und dennoch so unglück­ lich. Er nahm die Axt, und arbeitete noch,

um meiner Mutter einige Stunden Ruhe zu verschaffen, mit Übermenschlichei, Kräften, wenn alle Nachbaren schon längst in ihre

Hütten gegangen waren. Zn dem stolzen Gefühle der mächtigen

Liebe hatte mein Vater seine Geliebte ihrem

harten Vormunde, der seine Liebe nicht bil, ligte, und ihrem Vaterlande entführt. Beide«

c

5

)

hofften, in den Amerikanischen Wildern die

Ruhe zu finden, die ihnen fehlte, und träum­ ten sich die Hütte, welche sie bewohnen woll,

teil, zu einem Thron der Liebe. Sie kauften für den letzten Nesi ihres Vermögens ein

fruchtbares Gefilde, das aber noch Wald war, und lebten glücklich, so lange die VorrLlhe,

die sie mitgebracht hatten, noch dauerten.

Nun mußten sie mit angestrengten Kräften

arbeiten; das erschöpfte aber meine Mutter nach wenigen Zähren.

Sie besaßen, was

sie sich gewünscht hatten: eine reinliche Hüt­ te von Baumstämmen, ein Feld, einen Gar­ ten, der sie nährte, eine kleine Heerde, die

sie kleidete; und dennoch fehlte ihnen mit

den mancherlei Bequemlichkeiten des Lebens, an die sie gewöhnt waren, alles. Wie konn­ ten sie nun glücklich seyn'.

Eines Morgens, an einem schönen Herbst­ tage (die allein sind in jenem Klima schön)

verbreitete sich bei unsern Nachbaren das Ge­

rücht, daß die Engländer vom See her vor­ drängen.

Nicht Einer von allen verstand

Englisch, auch mein Vater nicht; doch man

(

6

)

kam jtt khm,' weil man ihm Muth und Klug,

hett zutrauete« Es wurde allgemein beschlossen,

in die unerfteigiichen Schluchten der Allegeni, Gebirge zu fliehen. Meine Mutter, die dies

hörte, seufzte, schon von der Vorstellung er, mattet: in die Gebirge! — „Wer weiß auch!" sagte mein Vater ; „was könnten die Eng­

länder hier wollen!" Za wohl! sagte meine Mutter mit fro­

her Heftigkeit; und es sind Menschen! . . . Soll ich sterben, setzte sie-hinzu, so mag es

hier seyn! Mein Vater legte die Hand an die Stirn,

und war unentschlossen.

„Die Gebirge sind

so steil nicht, als du denkst,

Henriette!"

sagte er endlich.

Ach, erwiederte sie, ihm um den Hals

fallend:

für mich ist. alles zu steil, alles,

was aufwärts geht, selbst die Hoffnung. Zch muß hinab! hinab! Zn diesem Augenblicke hörten wir das

verwirrte Geschrei vieler Stimmen, und wil­ de Musik.

Mein Vater seufzte, und faßte

die Hand meiner Mutter; doch der Schrek-

c

7

)

fett hatte sie gelähmt, so daß sie kaum (te,

Heu konnte.

«Rette dich mit ihm!" rief sie,

auf mich zeigeud;

und schon stürzten aus

dem Walde furchtbar bemahlte Wilde auf meinen Vater zu.

Er ging ihnen mit dem

weißen Halstuche meiner Mutter, als einem Zeichen des Friedens, entgegen; doch ein Wil­ der schlug ihn mit seiner Streitaxt nieder, und alle andern erhoben ein Siegesgeheul.

Mit einem Schrei der schrecklichen Angst,

die ihr Kräfte gab, eilte meine Mutter mei­ nem Vater zu Hülfe.

Er wendete das bre­

chende Auge auf sie, rief: Henriette! und

starb in ihren Armen.

Zn Verzweiflung

stürzte sie sich nun unter die Wilden, die sich ihrer sogleich bemächtigten.

Jetzt eilte

ein Mann in Uniform, mit dem Degen in der Hand, herbei, und rief in unsrer Mut,

tersprache: «haltet ein, ihr Unmenschen!" — Er riß meine Mutter aus den Hände» der wüthenden Wilden. Sie sank vor Schwa­

che zu seinen Füßen nieder, und rief: „o, retten Sie meinen Sohn! Ich bin eine Deut­

sche!"

Als die Wilden sich wieder näher-

(

8

)

ten, trat der Officier, mit dem Degen in

der Hand, vor meine Mutter hin, und ein Trupp Deutscher Soldaten, der so eben kam, schloß einen Kreis um uns, die Wilden von

uns abzuhalten.

Mutter auf,

Der Officier richtete meine

uud sagte trLstend:

„liebe,

unglückliche Landsmännin, Niemand soll Zh-

nen etwas zu Leide thun." Sie streckte bei­ de Arme nach mir aus, und drückte mich mit der letzten Kraft ihres Lebens an die Brust. Die Wilden erhoben «in schreckliches

Geheul. Sie wendete furchtsam das Gesicht nach ihnen um, und sagte dann zu dem Oft steter: beschützen Sie mein Kind!

Er ver­

sprach ihr, mein Vater zu seyn und sie zu sichern.

Doch schon hatte im Getümmel der

Dolch eines grausamen Wilden sie getrof­ fen.

Sie sank in meine bebende Arme, rief

noch einmal den Nahmen meines Vaters,

und starb nach wenigen Minuten. Als ich, damals ein Knabe von zehn Zähren, den Leichnam sanft auf den Boden

gelegt und jammernd gesagt hatte:

meine

Mutter ist todt! trat der Officier zürnend,

(

9

)

mit gezogenem Degen, auf die Schaar der

Wilde» zu, und schien im Begriff, die dop­ pelte Mordthat durch Blut zu rächen. Doch er ließ den Degen wieder sinken, und sagte, langsam das Gesicht bcnd:

gen Himmel aufhe-

„guter Gott! müssen Menschen in

Gesellschaft mit Tiegern fechten?... Sind auch das deine Kinder?" O, ich werde sein

Gesicht voll Zorns und Schmerzes, voll Abfchen's und Güte, nie vergessen; nie verges­ sen, wie er dann das Auge voll lächelnder

Wehmuth auf mich wendete, die Hand auf meine Stirn legte, und zu mir sagte: „von

jetzt an bin ich dein Vater!" Die Soldaten begruben meine Eltern. Ein Engländer, der die Sprache der Wil­

den verstand, mußte ihnen sagen, wie grau, sam es sey,

wehrlose Menschen zu ermor­

den. Sie riefen laut und mit einem stolzen,

höhnischen Lächeln:

Etau!

Etau!

Mein

neuer Vater faßte meine Hand, und wir zo­

gen weiter.

Zch mußte ihm unterwegs er­

zählen, wer meine Eltern, und ans welcher

Gegend von Deutschland sie gewesen wären.

(

IO

)

Wir durchstreiften einige Tage lang die Wäl­ der; dann kehrten wir, ohne Feinde ange­

troffen w haben, zu der Armee zurück, die bei dem Fort Eduard gelagert war.

Wae empfand ich,

und wie erwachten

alle meine Sinne, alle meine Kräfte, als ich

auf einmal aus dem öden, todten Schwei­

gen der unermeßlichen Wälder, aus der stil­ len Hütte meiner Eltern, in das laute Ge,

tümmel, in das bewegungövolle, freie Leben

des Lagers versetzt wurde! Zch glaubte, daß ich erst jetzt anfinge,

zu leben.

Alles war

mir neu, sogar die Menschen; alles zog mich an, alles

liebte ich, weil ich bisher fast

weiter nichts gekannt hatte, als Wälder,

unsre Hütte von'Baumstämmen, die weni­

gen Geräthe meiner Eltern, und unsre kleine

Heerde. So vergaß ich denn bald die trau­ rigen Unfälle,

die mich aus der Einöde tü

diese Welt voll regen Lebens versetzt hatten. Zch liebte meinen neuen Vater eben so sehr, wie sonst meine Eltern; und er liebte auch mich, meine Unschuld, mein Zutrauen, meine

Herzcnsgüte und meine Treuherzigkeit. Mich

(

II

)

hatte ja dir zärtlichste Liebe erzogen, und die- Einsamkeit vor

Fehlern bewahrt.

bösen

Beispielen

und

Zedern Menschen — die

Wilden ausgenommen, welche ich haßte, wie

ich damals hassen konnte — trug ich mein

Herz entgegen;; und alle Menschen waren

mir gleich.

Zch kannte den Unterschied der

Stände noch nicht, und sprach daher mit dem

kommandirenden General so treuherzig, wie mir meinem Vater, oder mit den Soldaten seiner Compagnie.

Schon nach einigen Ta­

gen war ich im ganzen Lager, wo die Deut­ schen Truppen standen, bekannt. Mein Un,

glück hatte mich zu einem Gegenstände der

allgemeinen Neugierde und des Mitleidenö gemacht; meine Unkunde aller Verhältnisse, meine frohe Unschuld und meine zutrauens­ volle Güte erwarben mir allgemeine Liebe.

Zn jedem, Zelre hatte ich Freunde; kurz, ich

war sehr glücklich. Um meinen Unterricht bekümmerte sich

niemand.

Zch lernte die Welt durch mich

selbst kennen, trug keine bet Fesseln, die man

Kindern sonst anlegt, war Herr meiner Zeit,

(

12

)

meiner Beschäftigungen, und beobachtete utv

aufhörlich mit gesunden Sinnen. Ueberall half ich, wo irgend eine mir unbekannte Arbeit mich anzog. Bald war ich bei der Reiterei,

bald bei der Artillerie.

Zch brannte meine

Kanone so ruhig ab, wie der älteste Kano­ nier, und hielt mich unter meinen Freunden

für so sicher, daß mir ein Unfall unmöglich

schien.

Doch mein ganzes Herz hing an

meinem neuen Vater.

Auf den Märschen

war ich immer an seiner Seite, bald zu Pferde, bald zu Fuß.

Zch trug seine Feld­

flasche, und immer war sie mit frischem Quell­

wasser gefüllt, das ich oft eine Stunde weit von der marschirenden Kolonne

aussuchte.

Fehlte es an Wasser, so ertrug ich lieber

den brennendsten Durst, als daß ich die we­ nigen Tropfen in meiner Flasche getrunken

hätte.

Mein Vater erfuhr das, und dieser

Beweis meiner Liebe rührte ihn. Er lächel­

te, legte die Hand auf meine Stirn, und sagte: „mein Sohn!"

Ich stahl mich von

seiner Seite, sammelte erfrischende Beeren

und Wurzeln, brachte sie ihm, und war sehr glücklich, wenn sie ihm schmeckten.

(

13

)

Endlich trafen wir auf den Feind. Der

Capital» Barneck ( sd hieß mein neuer Va, ter) wurde voraus detaschirt.

Er gab mir

seine Uhr und seine Börse- nahm seine Feld­ flasche selbst, und befahl mir, bet der Da,

Zage zu bleiben.

Ich blieb traurig zurück;

doch nicht lange, so übergab ich Börse und Ahr einem Wundarzt, der meinen Vater

liebte, nahm einige Flaschen mit Wein und

mit Wasser, und folgte den vorrückenden Truppen von weitem.

der Feinde anging,

So wie das Feuern

eilte ich hinzu, stand

hinter der Compagnie meines Vaters, und

heftete die Augen starr auf ihn, ohne daß er mich bemerkte.

Jetzt fiel ein Mann, und

bald ndch einer.

Ich näherte mich meinem

Vater immer mehr, und sann, wir betäubt, auf ein Mittel, ihn vor den Kugeln zu sichern.

Die Schüsse aus einem Walde vor

uns kamen häufiger, und es fielen Mehrere; doch ich hatte für sonst nichte, als für den

Capital», Augen.

Eine Kugel streifte mich selbst an der

Schulter; ich achtete es aber nicht.

Wir

(

i4

)

rückten vorwärts in den Wald, um Yen Feind

zu vertreiben, und nach sechs Stunden hörte

das Schießen auf, weil er geflohen war. Al­ lee lagerte sich nun ermattet um ein Feuer, und man suchte Wasser; da sprang ich her, vor, und brachte dem Capitain meinen Bor,

rath.

„Sieh da!" sagte er: „kommen die

Uebrigen auch?" Nein, Vater! — „Woher denn du?" Ich bringe dir Wasser und Wein. —

Der, Herr Hauptmann, sagte ein Soldat, ist auf dem Platze gewesen,- mitten im Feuer,

wie einer von uns.

Er schlich hinter der

Compagnie her, wie eine Katze.

„Ich hatte dir aber verboten...!" sagte mein Vater mit finstrer Stirn.

Ich faßte seine Hand.

Es hat mlr weh

gethan, sagte ich; aber ich mußte seyn, wo du warst.

„ Knabe," sagte er gütiger, „ du mußt ge,

horchen lernen. — Hast du mich denn so lieb ? ” fragte er nach einer Pause, und jetzt bemerkte er dar Blut an meiner Schulter.

(

i5

)

O, das ist schon wieder gut, sagt» ich

schnell: das bekam ich gleich zu Anfänge;

es schmerzt nicht

einmal.

Meine Wunde

machte ihn ängstlich; doch man fand sie ganz unbedeutend.

Er umarmte mich mit großer

Zärtlichkeit, und sagte: »künftig werde ich dich jemand in Obhut geben!" Mitten unter dem heftigsten Feuer hat­ ten uns alle Wilde verlassen.

Ich sagte das

meinem Vater, und ein Englischer Officicr

bestätigte es bald nachher.

Trotz dem, was

Alle über die Folgen dieses Verlustes sag­

ten,

äußerte ich doch

laut meine Freude.

Müssen denn, sagte ich, als man mir Vor­ würfe darüber machte: — müssen denn Men­

schen in Gesellschaft von Siegern fechten? Am folgenden Tage bekam mein Vater

den Auftrag, die Todten begraben zu lassen,

und auf seinen Befehl mußte ich ihn be­ gleiten.

tig.

Der Anblick ergriff mich sehr hef­

Zch saß mit meinem Barer unter ei­

nem Baume, und wir schwiegen Beide. So

viele! sagte ich endlich.

»So viele!" wiederholte er seufzend.

(

i6

)

tinb warum? Er sah in die Wolken, und sagte

„Nun, guter Wolf, desto besser wirst du

das Mädchen halten." —

Nach acht Tagen war Saldorf wieder in der Residenz, und fand seinen Freund in der

heftigsten Betrübniß über das Verschwinden seiner- Geliebten.

Es gelang ihm. Barneck

nach und nach zu beruhigen, und al» er die, feil zum ersten Male

wieder lächeln sah,

dachte er: jetzt ist es Zeit zur Rachel

Er ging früh Morgens zu Herrn von

Zabern, fand ihn allein, und sagte mit kal, ter Ruhe:

„mein werther Herr von Za,

bern, ich muß Sie ersuchen, sich mit mir

zu schlagen." Zabern

lächelte mit feinem lauernden,

nichte verrathenden Blicker

Was

beliebt

Zhnen? „Mich mit Ihnen zu schlagen,

Herr

von Zabern." Dieser klingelte. — Man schlägt sich um

viele Klein lgketten> Herr von Saldorf.

I?I

(

)

Es ist kein übler Einfall, daß Sie Sich mit

mir einmal um gar nichts schlagen wol­ len.

(Zn dem Bedienten.)

Frühstück! —

Oder haben Sie etwas gegen mich?

Zch

weiß nichts.

»Eine Kleinigkeit, eine wahre Kinder­ posse, Herr von Zabern; eine Nichtswürdig­ keit, deren Sie vielleicht schon hundert bc-

gangen haben." Nichtswürdigkeit, Herr Lieutenant? Sie

erhitzen Sich ohne Noth. »Ich habe heute sehr kaltes Blut, und

bin Willens, Sie um Zhr warmes zu brin­ gen."

Das wäre!

Ist es Ihnen denn aber

nicht gefällig, mir zu sagen, wodurch Sie

Sich von mir beleidigt finden?

»Durch eine Nichtswürdigkeit, die Hand­

lung eines verächtlichen Schurken."

Sie werden hitzig, Herr von Salborf! Läßt sich

denn

eine Ehrensache nicht mit

Anstand abthun?

»Also mit

Anstand,

wünschen

Sie?

Wohl! die Manier ist mir einerlei, obgleich,

(

172

)

da einer van uns Velden

dem Grabe se

nahe ist, der geradeste Ton der beste wäre."

Sie werden ordentlich tragisch! Darf ich fragen, was Sie so aus Ihrem Charakter gebracht hat?

„Sie haben das Fräulein Schenk ver, führt."

Zabern war betroffen. Hm! darf ich um nähere Erklärung bitten?

„Sie hoffen, mein Herr, ich soll weiter nichts wissen, als was sich am Ende leug­

nen läßt.

Aber ich weiß alles, und habe

Ihre Billets in Händen.

Das Fräulein

selbst hat mir die Betriegerei des verächt, lichen Menschen, der hier vor mir steht,

ganz umständlich erzählt.

Ich kam zu spät,

das Unglück des armen Mädchens zu ver­

hindern; doch hier bin ich, eü zu rächen." Wie oft haben Sie Sich schon geschla­

gen, Herr von Saldorf? Wenn Sie für je­ des Mädchen, dessen Herz schwach . . . „Ich mache den Don Quixotte, meinen

Sie.

Nach Ihrem Belieben."

Allerdings könnte ich wohl fragen: was

(

173

)

geht es Sie an, wenn ich mir eine Schä


229

der That, das wäre ein Schritt der VerAber freilich, Amelie, etwas An­

zweiflung.

dres bleibt dir fast nicht übrig, als mit dei­ nem Anbeter bet Nacht und Nebel davon

zu gehen, dich irgendwo in einem sehr ge­ heimen Winkel der Erde zu verbergen, und

da von der Arbeit deiner schön«,, weißen Hände zu leben, wie eine gute Bürgerefrau. Zch möchte wohl sehen, wie du dich auf ei,

nem Strohstuhle, hinter einem Spinnrade, ausnehmen würdest! . . . Aber — fällt dir

denn gar kein andres Mittel ein? Es giebt

eins,

das einfachste von

und

(Amelie horchte auf.) fen

hier

behalten:

der Welt.

Man will den Gra,

das

ist Politik.

Du

sollst ihn hier fesseln, und heiralhen: wie,

der Politik.

Deine Belohnung ist der Titel

und der Reichthum einer Fürstin.

Liebe?

die fodert ja kein Mensch von dir, weder

der Fürst noch der Vater. nur von deiner Hand.

dem Grafen. auch Liebe.

Die Rede ist ja

Wohl! die giebst du

Er verlangt mehr; er will

Hm! du sagst: ich werde ja se,

hen, ob ich Sie lieben kann."

(

230 )

Nie! nie! »Das solltest du nicht so bestimmt sagen; denn du kannst nicht wissen, was noch gee schehen wird! . . . Also du giebst dem Grae fen deine Hand, und versuchst, ob es nicht möglich ist, deiner Liebe Herr zu werden, ober sie ganz zu vergessen." Nie! Erst mit dem letzten Schlage mei# «es Herzen« wirb mein« Liebe zu dem edlen Manne erlöschen. „Auch da« solltest du nicht so gewiß ver, sichern; ich wenigstens habe noch nie eine ewige Liebe gesehen. Nun, du versuchst es wenigstens, ob du diese Liebe nicht vergessen kannst, und giebst dir Mühe, deinen Mann zu lieben. Gelingt das: desto besser! so ist alles in Ordnung. Gesetzt aber, deine Liebe wäre von so seltsamer elsenfester Natur, daß nicht Entschluß, nicht Zeit, nicht Abwesen, heit sie zerstören könnte: nun, so hast d« deine Pflicht gethan; und etwa« Unmögliches kann Niemand von dir verlangen. Der Graf hat dann deine Hand, Saldorf dein Herz. Seyd Zhr vorsichtig, so ist alles wieder in guter Ordnung."

(

231

)

O Bösewicht! sagte Amelie mit großer Heftigkeit. Zhr Bruder stand auf, und sagte lachend: «Ich muß nur meine Augen in Sicherheit bringen; Zhr seyd niemals fähiger für die Tugend zu kämpfen, als wenn ihr schon Lust habt ihr untreu zu werden. Aber, in Ernst, Amelie: es bleibt dir nichts Anderes übrig, als zu thun, was ich gesagt habe. Das möchtest du auch wohl, nur soll es Niemand wissen. Genug, ich weiß, was du thun wirst; und so leb wohl!" Elender Bösewicht! rief sie ihm nach; und sie wiederholte das in Gedanken so oft und so nachdrücklich, daß sie sich über ihre geheimsten Empfindungen täuschte. Als sie ihre Lage wieder überdachte, sah sie freilich, daß

schrieben ist geschrieben. Aber was ich kann, will ich thun. — Saldorf wurde herein gt*.

rufen. — Wenn ich nun auf Ihre Versiche,

rung glaube, daß Sie unschuldig sind: wat dann?

Saldorf trat einen Schritt näher, und

sagte mit einer schSnen Rührung:

„dann

habe ich eine der glücklichsten Stunden tttef/ nes Lebens gehabt." Aber Genugthuung: nicht wahr? fragte

der Fürst lächelnd. Welche verlangen Sie? „Daß Ew. Durchlaucht meiner Versiche/

rung glaubten, ist mir genug; und nun gehe ich mit Stolz wieder in den Arrest."

Sie sind bei dem Avancement übersprun, gen.

Das werde ich wieder gut zu machen

suchen.

„Darf ich es wagen, Ew. Durchlaucht

anstatt dessen um meinen Abschied zu bitt

(

271

)

Der Fürst sah ihn befremdet an.

Ge-

rade jetzt, da ich Ihnen verspreche, das Un­ recht wieder gut zu machen? „Ew. Durchlaucht, ich möchte dieser schö­

nen Stunde noch etwas Andres verdanken:

die Befreiung von einem Stande,

dessen

Ruhe mir zu einfach ist."

Ist das Trotz, junger Mann?

„So lange mir Unrecht geschah, wollte ich nicht um den Abschied bitten; jetzt aber,

da ich Ewr. Durchlaucht Gnade habe, wage ich eö, diesen Wunsch zu äußern." Man wird dann glauben.

Sie haben

Ihren Abschied ungefodert bekommen. Wol­

len Sie Ihren Feinden diesen

Triumph

gönnen? Man wird nicht wissen, daß Sie meine Gnade haben, und das soll man er­

fahren

»Ich weiß es, Ew. Durchlaucht, und

das ist mir genug."

Aber mir nicht.

Eher als nach einem

Jahre dürfen Sie nicht an den Abschied denken; und auch dann kaum.

Und nun,

Lieutenant Saldorf, empfehlen Sie sich der

(

272

)

Prinzessin Emilie. Sie haben Feinde, aber, was Sie wohl nicht wissen, auch eine Be­ schützerin.

Saldorf näherte sich der Prinzessin, die sich bis jetzt, wie es schien, mit Lesen be-

schäftigt hatte. Herr von Saldorf, sagte die Prinzessin,

rS ist mir lieb, Ihnen das bestätigen zu

können, was Sie so eben von meinem Bru­ der gehört haben.

Ich weiß, was Ihnen

Feinde gemacht hat, und freue mich, daß ich meinen Bruder veranlaßt habe. Ihnen Ge­

rechtigkeit widerfahren zu lassen. Seyn Sie

meiner Achtung versichert.

Sie gehen nun ruhig nach Hause, sagte

der Fürst.

Oder — meiden Sie Ihrem

Chef, daß Sie frei sind. Saldorf erfüllte diesen Befehl, und ging

dann nach Haufe zu Barneck.

sagte dieser: du hier? besuchen.

Alexander!

Eben wollte ich dich

Wer hat dich frei gemacht?

„Ein Engel!" antwortete Saldorf, und

erzählte nun von dem Wohlwollen der Prin­ zessin, das ihm ganz unbegreiflich war.

Er

konnte

(

273

)

konnte nicht aushören, von der edlen Emilie

zu reden. „O,” sagte er; „wie ganz anders sprach sie, als der Fürst!

Sie behielt dle

Würde ihres Standes, wie ihr Bruder; doch die wenigen Worte, die sie sagte, ka-

men aus einem fühlenden Herzen.

Er war

gnädig; sie gut." — Von jetzt an verehrte Darneck die Prin­

zessin wie eine Gottheit- und nannte sie nie anders, als: unsre edle, erhabne Prinzessin.

Für Saldvrf aber war sie das lieblichste,

holdeste Mädchen auf der Erde.

Er dachte

sie sich ltnmer ohne den Fürstenrang, und

huldigte ihr dann mit einem liebenden Her­ zen.

Es blieb ihm bald nicht mehr zweifel­

haft, daß er sie lievte, doch rein und lau­ ter, wie einen Engel.

Die Prinzessin wußte Saldorfs Geschick), te so ziemlich genau, und zwar fast aus den

ersten Quellen. Amelie hatte eine Vertraute

an ihrer Kammerjungfer,

einem hübschen

und klugen, oder vielmehr listigen Mädchen, das sie noch anders brauchen konnte, als am Puhtische.

Eben dieses Mädchen war von

Bar neck und Caldon.

[ iß ]